Die Förderung der Allgemeinheit als gemeinnütziger Zweck nach § 52 Abs. 1 AO: Zur Begrenzung des Kreises der Geförderten anhand personenbezogener Merkmale [1 ed.] 9783428583164, 9783428183166

Vereine, Stiftungen und andere Einrichtungen können nur dann gemeinnützig sein, wenn sie die Allgemeinheit fördern. Der

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German Pages 210 [211] Year 2021

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Die Förderung der Allgemeinheit als gemeinnütziger Zweck nach § 52 Abs. 1 AO: Zur Begrenzung des Kreises der Geförderten anhand personenbezogener Merkmale [1 ed.]
 9783428583164, 9783428183166

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Schriften zum Steuerrecht Band 167

Die Förderung der Allgemeinheit als gemeinnütziger Zweck nach § 52 Abs. 1 AO Zur Begrenzung des Kreises der Geförderten anhand personenbezogener Merkmale

Von

Philipp Streckenbach

Duncker & Humblot · Berlin

PHILIPP STRECKENBACH

Die Förderung der Allgemeinheit als gemeinnütziger Zweck nach § 52 Abs. 1 AO

S c h r i f t e n z u m St e u e r r e c ht Band 167

Die Förderung der Allgemeinheit als gemeinnütziger Zweck nach § 52 Abs. 1 AO Zur Begrenzung des Kreises der Geförderten anhand personenbezogener Merkmale

Von

Philipp Streckenbach

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Passau hat diese Arbeit im Jahr 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 739 Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0235 ISBN 978-3-428-18316-6 (Print) ISBN 978-3-428-58316-4 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Passau hat die vorliegende Arbeit im Wintersemester 2020/2021 als Dissertation angenommen. Im Wesentlichen befindet sich die Arbeit auf dem Stand Dezember 2020, teilweise konnten noch aktuellere Entwicklungen berücksichtigt werden. Zunächst möchte ich meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Rainer Wernsmann für seine zuverlässige, freundliche und unkomplizierte Unterstützung während der Entstehung der Arbeit danken. Daneben danke ich Herrn Professor Dr. Rainer Wernsmann wie auch dem Zweitgutachter Herrn Professor Dr. Martin Asholt für die außergewöhnlich schnelle Erstellung der Gutachten. Dem Mannheimer Büro der Kanzlei SZA Schilling Zutt & Anschütz, vor allem Herrn Dr. Rolf Schmich, gilt mein Dank dafür, mir großzügig ein hervorragendes Umfeld für die Arbeit an der Dissertation bereitgestellt zu haben. Schließlich danke ich ganz herzlich Frau Hanna Brentrup, Herrn David Rüll, Herrn Julian Schwalm sowie Frau Anja und Herrn Tobias Taupitz, die mir durch ihre Bereitschaft zu fachlichen Diskussionen, durch inhaltliche Anmerkungen und durch Korrekturlesen verschiedener Versionen der Arbeit sehr geholfen haben. Karlsruhe, März 2021

Philipp Streckenbach

Inhaltsverzeichnis § 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13 § 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 I. Historische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1. Ursprünge des Gemeinnützigkeitsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 2. Entstehung eines gesetzlich geregelten Gemeinnützigkeitsrechts . . . . 19 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Wesentliche Voraussetzungen und Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . 21 1. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 2. Sachliche Voraussetzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 a) Einführung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 b) Gemeinnützige Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 aa) Katalog gemeinnütziger Zwecke, § 52 Abs. 2 Satz 1 AO . . . 23 bb) Kollisionen zwischen gemeinnützigen Zwecken . . . . . . . . . . 24 cc) Insbesondere: Religiöse Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 c) Ausschließlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 d) Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 e) Selbstlosigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 f) Anerkennungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 III. Rechtsfolgen und wirtschaftliche Bedeutung der Gemeinnützigkeit . . . . 29 1. Steuervergünstigungen und Vermögensbindungen . . . . . . . . . . . . . . . 30 a) Direkte Steuervergünstigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 aa) Gesetzliche Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen . . 30 bb) Wirtschaftliche Bedeutung der Steuervergünstigungen . . . . . 32 (1) Finanzierung gemeinnütziger Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 32 (2) Einfluss der Gemeinnützigkeit auf Vereine und Stiftungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 (3) Einfluss der Gemeinnützigkeit auf Kapitalgesellschaften . 35 b) Indirekte Steuervergünstigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 c) Vermögensbindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 2. Sonstige rechtliche Vergünstigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Wirtschaftliche Vorteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 4. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 IV. Verlust der Gemeinnützigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 1. Verstöße gegen das Gemeinnützigkeitsrecht und deren Rechtsfolgen  41 a) Formelle Verstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 b) Materielle Verstöße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

8 Inhaltsverzeichnis 2. Steuerliche Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ertragsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umsatzsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erbschaft- und Schenkungsteuer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Spendenhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Grundrechtlicher Schutz der Gemeinnützigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

45 46 47 47 48 48 49 52

§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung . . . . . . . . I. Rechtsentwicklung  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 52 Abs. 1 Satz 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ursprünge in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Konkretisierungen in Verordnungen und Durchführungsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Erste gesetzliche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einfluss nationalsozialistischer Ideologie  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Weitergeltung von § 17 StAnpG nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Erlass der AO 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Zukünftige Änderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 52 Abs. 1 Satz 2 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Frühe gesetzliche Regelungen und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . b) Konkretisierungen in Verordnungen und Durchführungsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Regelung in § 17 StAnpG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Weitergeltung von § 17 StAnpG nach 1945 . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Erlass der AO 1977 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassung und historischer Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Historischer Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Heutiges Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 52 Abs. 1 Satz 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gemeinwohlbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungsmäßige Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Auffassung der Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bezüge zu anderen Normen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gemeinwohl- oder Zeitgeistbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verfassungsmäßige Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einhaltung der Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Auffassung der Bevölkerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

53 53 53 53 55 57 57 58 60 60 61 61 62 63 64 64 64 64 65 68 68 68 68 71 72 73 73 73 75 78 79 79

Inhaltsverzeichnis9 2. § 52 Abs. 1 Satz 2 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kritik der gegenwärtigen Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abhängigkeit vom Zeitgeist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verweis auf außerrechtliche Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Undeutliche Hinweise auf ein bewegliches System . . . . . . . . . . . . . . 4. Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Kontext von Art. 3 GG . . . . a) Verfassungsrechtliche Vorgaben und deren Umsetzung . . . . . . . . aa) Art. 3 Abs. 3 GG: Rechtliche Gleichbehandlung . . . . . . . . . . bb) Art. 3 Abs. 2 GG: Tatsächliche Gleichstellung . . . . . . . . . . . . b) Prüfung des Bundesfinanzhofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vergleich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Objektive Wertordnung und mittelbare Drittwirkung . . . . . . cc) Unmittelbare Drittwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . . . . I. § 52 Abs. 1 Satz 1 AO im Gemeinnützigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Steuern als Beitrag zum Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtfertigung der Steuererhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Freiheitliche Entfaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Staatsfinanzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatszweck Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meta-Verfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Prinzip der Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Demokratieprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sozialzwecknormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinwohlförderung durch Staatsentlastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Steuervergünstigung aus Gründen des Gemeinwohls . . . . . . . . . . . . . 3. Exkurs: Spendenabzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gemeinwohlkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inhaltliche Differenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Nutzenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Subsidiaritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Freiheitsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

79 80 80 82 82 83 83 84 86 87 88 88 89 90 90 92 96 98 98 100 100 102 102 103 103 104 104 106 106 108 108 110 111 111 113 115 118 119 120 121 123

10 Inhaltsverzeichnis V. Äquivalenz durch das Gemeinnützigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinnützigkeitsrecht als Äquivalenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anforderungen an äquivalente Gemeinwohlförderung . . . . . . . . . b) Kein Widerspruch zu § 52 Abs. 1 Satz 3 AO . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Exkurs: Mildtätige und kirchliche Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mildtätige Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kirchliche Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

124 124 124 126 127 129 129 130 132

§ 5 Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO . . . . . . . I. Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Politikprogramm, Tatbestandsmerkmal oder Leerformel? . . . . . . . . . 2. Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung . . . . . . . . . . . . II. Vergleichbare Gemeinwohltatbestände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinwohl als Verbotstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 62 GmbHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übertragbarkeit auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gemeinwohl in Ausnahmeregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 23 LadSchlG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) § 15 Abs. 2 ArbZG und § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB  . . . . . . . . cc) § 11 JVKostG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übertragbarkeit auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gemeinwohl als Innenverweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gemeinwohl als Querverweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Gemeinwohl als Verweis nach unten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Gemeinwohl als Verweis nach oben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

134 134 134 136 137 138 138 138 139 141 141 142 142 142 143 144 145 146 146 148 148 148 150

§ 6 Inhalt des Gemeinwohls in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verfassungsrechtliche Konkretisierung des Gemeinwohls . . . . . . . . . . . . II. Prozedurale Gemeinwohlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Summe aller Einzelinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ergebnis der parlamentarischen Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rein prozedural ermitteltes Gemeinwohl? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein rein prozedural ermitteltes Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schlussfolgerungen für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Materiale Gemeinwohlkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

151 152 155 155 157 158 159 160 160

Inhaltsverzeichnis11 1. Die Menschenwürde als höchster Verfassungswert . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Freiheitsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gleichheitsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schlussfolgerungen für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Staatsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinwohl als Summe aller Staatsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schlussfolgerungen für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Staatsstrukturprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Bundesstaatlichkeit . . . . . . b) Republikprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Sozialstaatsprinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Schlussfolgerungen für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

161 162 162 163 164 165 165 166 167 167 167 167 169 169

§ 7 Praktische Anwendung auf problematische Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 I. Exkurs: Förderung der Allgemeinheit bei Ausschluss von Ausländern . . 172 1. Wer wird gefördert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Einfaches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 3. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 II. Förderung der Allgemeinheit bei Diskriminierungen anhand des Geschlechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 1. Freimaurerlogen und Schützenbruderschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 a) Wer wird gefördert? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 b) Einfaches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 c) Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 2. Männer- oder Frauengesangsverein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 § 8 Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung . . . . . 3. Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl . . . . . . . . . . . . . . 4. Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Inhalt des Gemeinwohls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Praktische Anwendung auf problematische Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . II. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

182 182 182 183 184 185 186 186 187

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

§ 1 Einleitung Am 17.5.2017 hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass eine typische Freimaurerloge nicht gemeinnützig sei, weil sie nicht gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) die Allgemeinheit fördere.1 Grund dafür war nach Ansicht des Bundesfinanzhofs, dass die Loge Frauen von der Mitgliedschaft ausschloss, ohne dafür eine ausreichende Rechtfertigung zu haben. Dieses Urteil des Bundesfinanzhofs hat vielfältige Reaktionen hervorgerufen. In Fachzeitschriften und in der Tagespresse äußerten sich viele Autorinnen und Autoren zu der Entscheidung. Das ist auf den ersten Blick verwunderlich, denn dass Freimaurerlogen nicht gemeinnützig sind, entspricht der ständigen Rechtsprechung der Finanzgerichte seit beinahe 90 Jahren.2 Die Ursache für die Aufregung, die das Urteil des Bundesfinanzhofs verursacht hat, muss daher in den Urteilsgründen zu finden sein, nicht im Entscheidungstenor. In der Begründung führt der Bundesfinanzhof seine in der Vergangenheit entwickelte Argumentation zu § 52 Abs. 1 Satz 1 AO konsequent weiter. Diese Norm müsse anhand der objektiven Wertordnung ausgelegt werden, die insbesondere in Art. 1–19 Grundgesetz (GG) enthalten sei. Daher müssten gemeinnützige Einrichtungen auch Art. 3 Abs. 3 GG beachten, dürften also nicht ohne ausreichende Rechtfertigung anhand eines der in dieser Norm genannten Merkmale diskriminieren. Demzufolge könne eine Einrichtung nicht gemeinnützig sein, die ohne sachliche Rechtfertigung Frauen von der Förderung ausschließe. 1  BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218. Die Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil hat das BVerfG mit Beschluss vom 14.11.2018 – 2 BvR 1966/17 nicht zur Entscheidung angenommen. Das Urteil des BFH bestätigte die erstinstanzliche Entscheidung des FG Düsseldorf, Urteil vom 23.6.2015 – 6 K 2138/14 K, EFG 2015, S. 1632. 2  Soweit ersichtlich, wurde die Gemeinnützigkeit einer Freimaurerloge zum ersten Mal im Urteil des Thüringischen OVG vom 19.12.1934 – C 58/34, RStBl. 1935, S. 517 problematisiert und abgelehnt. Später folgten jeweils mit demselben Ergebnis RFH, Urteil vom 24.6.1936 – IV A 53/36, RStBl. 1936, S. 798; BFH, Urteil vom 26.1.1973 – III R 40/72, BStBl. II 1973, S. 430; BFH, Urteil vom 13.12.1978 – I R 36/76, BStBl. II 1979, S. 492, die Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil wurde mit Beschluss des BVerfG vom 18.10.1979 – 1 BvR 803/79, HFR 1980, S. 26 wegen fehlender Aussicht auf Erfolg nicht zur Entscheidung angenommen; FG Bremen, Urteil vom 9.7.1982 – I 37/81 K, EFG 1983, S. 194.

14

§ 1 Einleitung

Diese Begründung könnte Folgen haben, die weit über den konkret entschiedenen Fall hinausreichen.3 Wie schon der Bundesfinanzhof selbst in seiner Pressemitteilung zum Urteil4 angedeutet hat, steht damit auch die Gemeinnützigkeit anderer Einrichtungen in Frage, die nur die Angehörigen eines Geschlechts fördern. Insbesondere die Gemeinnützigkeit von Frauenchören, Männergesangsvereinen und Schützenbruderschaften ist seit dem Urteil zweifelhaft. Auf diese weitreichenden Folgen der Entscheidung des Bundesfinanzhofs bezogen sich auch die bereits angesprochenen zahlreichen Stellungnahmen zu dem Urteil. Während manche dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.5.2017 zustimmten, überwogen kritische Äußerungen. Teils wurde sachlich argumentiert, durch die Entscheidung würde privates Engagement für das Gemeinwohl behindert.5 Andere bezeichneten das Urteil auf Grundlage teilweise bemerkenswerter Fehlvorstellungen über das Gemeinnützigkeitsrecht als „Anschlag auf die Seele der Deutschen“6 und als „schallende Ohrfeige für das Ehrenamt“7. Dass die Debatte zunehmend unsachlich geführt wurde, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass ein Mitglied des Bundestags nicht davor zurückschreckte, das Urteil des Bundesfinanzhofs als „Irrsinn“8 zu bezeichnen. Trotz dieser großen Aufregung wurde es schon nach kurzer Zeit wieder still um das Thema. Erst über ein Jahr später geriet die Gemeinnützigkeit von Einrichtungen, die nur die Angehörigen eines Geschlechts fördern, wieder in den Blick der Öffentlichkeit. Anlass dafür war eine Äußerung des Finanzministers (und damaligen Bewerbers um den SPD-Vorsitz) Olaf Scholz, dass Einrichtungen, die Frauen ausschlössen, seiner Meinung nach nicht gemeinnützig seien.9 Abgesehen von wiederum ablehnenden Reaktio3  So auch Alber, in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, § 5 Abs. 1 Nr. 9 Rn. 21; Heuermann, DStR 2017, S. 1749, 1754; Wionzeck, GWR 2017, S. 409, 411. Davon sind auch Frauenvereine betroffen, Spangenberg, RuP 2020, S. 78. 4  Pressemitteilung vom 2.8.2017 – Nr. 050/17, abrufbar unter www.bundesfinanz hof.de/de/presse/pressemeldungen/detail/freimaurerloge-nicht-gemeinnuetzig/ (zuletzt abgerufen am 14.12.2020). 5  Wiemers, BB 2017, S. 2148, 2152. 6  Solms-Laubach, in: Bild vom 7.8.2017, abrufbar unter www.bild.de/news/stan dards/vereine/finger-weg-von-unseren-vereinen-52792784.bild.html (zuletzt abgerufen am 14.12.2020). 7  Sensburg, in: Bild vom 7.8.2017, abrufbar unter www.bild.de/politik/inland/drpatrick-sensburg/schallende-ohrfeige-fuer-das-ehrenamt-52795234.bild.html (zuletzt abgerufen am 14.12.2020). 8  Sensburg, in: Bild vom 7.8.2017, abrufbar unter www.bild.de/politik/inland/drpatrick-sensburg/schallende-ohrfeige-fuer-das-ehrenamt-52795234.bild.html (zuletzt abgerufen am 14.12.2020). 9  Näher dazu auf S. 60–61.



§ 1 Einleitung15

nen insbesondere von Politikern anderer Parteien10 hatte diese Aussage keine unmittelbaren Konsequenzen. Sie zeigt aber, dass die Politik nicht gewillt zu sein scheint, die Frage auf sich beruhen zu lassen. Daher ist es nur folgerichtig, dass sich seit Anfang 2020 die Anzeichen mehren, dass eine entsprechende Änderung des Gemeinnützigkeitsrechts bevorsteht. Im Zuge dieser Änderungen könnte gesetzlich geregelt werden, ob auch solche Einrichtungen gemeinnützig sein können, die nur die Angehörigen eines Geschlechts fördern. Bis es tatsächlich zu einer gesetzlichen Regelung kommt, bleibt ungeklärt, ob es unter dem geltenden Gemeinnützigkeitsrecht tatsächlich nicht möglich ist, Einrichtungen als gemeinnützig anzuerkennen, die ohne sachlichen Grund nur Frauen oder nur Männer fördern. Der Bundesfinanzhof hat sich zu dieser Frage zwar eindeutig positioniert. Es bleibt aber zu untersuchen, ob diese Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Ergebnis und in der Begründung überzeugt. Eine solche Untersuchung ist Ziel dieser Arbeit. Die Analyse von § 52 Abs. 1 AO soll aber nicht auf die Frage beschränkt bleiben, wie Diskriminierungen anhand des Geschlechts zu beurteilen sind. Vielmehr wird darüber hinaus versucht, eine Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zu entwickeln, mit deren Hilfe in der Zukunft neu auftretende Zweifelsfragen beantwortet werden können. Zu Zweifelsfragen in diesem Sinne könnten zum Beispiel Situationen führen, in denen eine Einrichtung anhand eines anderen Merkmals als des Geschlechts diskriminiert, etwa anhand der Herkunft. Theoretisch ist auch denkbar, dass eine gemeinnützige Einrichtung sich gegen von Freiheitsgrundrechten geschütztes Verhalten richtet, indem eine bestimmte wissenschaftliche Meinung, eine bestimmte Kunstrichtung oder Eigentumsrechte an bestimmten Gegenständen bekämpft werden. Um diese Fragen zu beantworten, führt die Arbeit zunächst kurz in das Gemeinnützigkeitsrecht ein. Dabei geht es sowohl um die historischen Hintergründe des Gemeinnützigkeitsrechts als auch um die wesentlichen Voraussetzungen, die eine Einrichtung erfüllen muss, um als gemeinnützig anerkannt werden zu können. Im Anschluss daran werden die Rechtsfolgen dargestellt, die mit dieser Anerkennung einhergehen. Dabei wird auch die wirtschaftliche Bedeutung der Gemeinnützigkeit für eine Körperschaft dargestellt und es wird 10  Überblick, in: Welt vom 13.11.2019, abrufbar unter www.welt.de/politik/deutsch land/article203479374/Wolfgang-Kubicki-Vorstoss-zu-Vereinen-disqualifiziert-Scholzfuer-jedes-Amt.html (zuletzt abgerufen am 14.12.2020); dazu auch Süddeutsche Zeitung vom 12.11.2019, abrufbar unter www.sueddeutsche.de/politik/vereine-gemein nuetzigkeit-maenner-scholz-1.4678159 (zuletzt abgerufen am 14.12.2020); Zeit vom 11.11.2019, abrufbar unter www.zeit.de/politik/deutschland/2019-11/gemeinnuetzig keit-steuervorteile-maennervereine-cdu (zuletzt abgerufen am 14.12.2020).

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§ 1 Einleitung

untersucht, welche Rechtsfolgen ein Verstoß gegen das Gemeinnützigkeitsrecht haben kann. Im Mittelpunkt des zweiten Teils steht § 52 Abs. 1 AO. Nach einem Überblick zur Entstehungsgeschichte der Norm werden die in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung vertretenen Meinungen zu dieser Vorschrift erläutert. Danach werden Schwächen dieser Auslegungsansätze analysiert und die Rechtsprechung zu § 52 Abs. 1 Satz 1 AO wird in einen Kontext mit der ­zivil- und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 3 GG gestellt. Der dritte Teil widmet sich dem Sinn und Zweck von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO. Ausgehend von der inhaltlichen Rechtfertigung des gesamten Gemeinnützigkeitsrechts wird argumentiert, dass gemeinnützige Einrichtungen dazu verpflichtet sind, nach dem Gemeinwohl zu streben. § 52 Abs. 1 Satz 1 AO dient nach diesem Verständnis dazu, Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen nur solchen Körperschaften einzuräumen, die in einer Weise das Gemeinwohl fördern, die mit staatlichem Handeln vergleichbar ist. Im vierten Teil werden zunächst einige Normen untersucht, die ähnlich wie § 52 Abs. 1 Satz 1 AO das Gemeinwohl zum Gegenstand haben. Ausgehend von konkreten Beispielen werden Fallgruppen von Gemeinwohlnormen dargestellt und es wird analysiert, inwieweit diese zu anderen Normen gefundenen Erkenntnisse auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO übertragen werden können. Im Anschluss daran wird im fünften Teil untersucht, welche inhaltlichen Aussagen sich dem Bezug auf das Gemeinwohl in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO konkret entnehmen lassen. Der sechste Teil wendet die Ergebnisse der vorangegangenen Teile praktisch an. Als Beispielsfälle dienen dabei neben der streitgegenständlichen Freimaurerloge die Konstellationen, die der Bundesfinanzhof in seiner bereits erwähnten Pressemitteilung aufgeführt hat. Doch noch bevor diese Fälle untersucht werden, behandelt ein kurzer Exkurs die Frage, welche gemeinnützigkeitsrechtlichen Folgen es hat, wenn eine Einrichtung bei ihrer Förderung anhand eines anderen Merkmals als des Geschlechts differenziert.

§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht In diesem Teil soll es nach einer kurzen historischen Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht um die wesentlichen Voraussetzungen gehen, die eine Einrichtung erfüllen muss, um als gemeinnützig anerkannt werden zu können. Danach stehen die rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen dieser Anerkennung im Mittelpunkt. Angesprochen wird in diesem Zusammenhang auch, unter welchen Voraussetzungen eine gemeinnützige Körperschaft ihren steuerbegünstigten Status verlieren kann und welche Folgen damit einhergehen. Schließlich wird untersucht, ob der Status einer Einrichtung als gemeinnützige Körperschaft grundrechtlichen Schutz genießt.

I. Historische Einführung Das Gemeinnützigkeitsrecht besteht in seiner gegenwärtigen Form seit dem 1.1.1977, als die Abgabenordnung in Kraft getreten ist.1 Die Anfänge von Steuervergünstigungen wegen Gemeinnützigkeit gehen aber weit in die Vergangenheit zurück. Parallel zum Steuerrecht insgesamt hat sich auch das Gemeinnützigkeitsrecht entwickelt.

1. Ursprünge des Gemeinnützigkeitsrechts In fränkischer und in germanischer Zeit gab es noch keine allgemeine Steuerpflicht,2 bis ins Mittelalter wurde der hoheitliche Finanzbedarf weitgehend über Zölle, Regalien, staatliche Wälder, Bergwerke und ähnliches gedeckt.3 Soweit dennoch im Einzelfall Abgaben zu entrichten waren, wurden manche Städte von ihren steuerlichen Pflichten freigestellt, wenn sie den ihrer Steuerschuld entsprechenden Betrag in eine Stadtbefestigung investierten, von der auch der Herrscher profitierte.4 Diese Freistellungen wurden damit 1  § 415

Abs. 1 AO, BGBl. I 1976, S. 613. Schwerin, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, S. 313. 3  Erler, in: Erler/Kaufmann, HRG, Bd. 4, Sp. 1964–1965; zu Regalien mit zahlreichen Beispielen Conrad, Rechtsgeschichte, Bd. 1, S. 271–277. 4  Zeumer, Reichssteuern, S. 23–24; zustimmend Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rn. A 121. Zu den kirchlichen Ursprüngen des Gemeinnützigkeitsrechts v. Cube, in: Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gemeinnützigkeitsrecht, 2. AO Einführung Rn. 5–8. 2  H. Brunner/von

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§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

begründet, dass die jeweils betroffenen Personen durch ihre Tätigkeit bereits eine ausreichende Leistung zugunsten des jeweiligen Herrschers erbracht hätten5 und daher nicht zusätzlich zur Zahlung von Steuern herangezogen werden sollten. Darin lassen sich bereits erste Ansätze einer Art Steuerbefreiung wegen Gemeinnützigkeit erkennen.6 Auch später wurden Steuern zunächst nicht kontinuierlich erhoben, sondern dienten der Unterstützung des jeweiligen Hoheitsträgers in einer besonderen Notlage.7 Den größten Teil dieser Steuern trugen die Reichsstädte,8 die sich nach einiger Zeit das Recht erarbeiteten, über die Verteilung der Steuerlast unter ihren Bürgern selbst zu entscheiden.9 Wegen ihres Beitrags zum Gemeinwohl stellten die Städte von diesen Steuern unter anderem Stadtschreiber, Ärzte und Apotheker, Hebammen und die Stadtwachen frei.10 Deren gemeinwohlförderliche Tätigkeit sollte durch Steuerfreistellungen anerkannt und belohnt werden, zudem spielte auch die Überlegung eine Rolle, mittels Steuervorteilen zu gemeinwohlförderlichem Handeln anzuregen.11 Diesen frühen Ansätzen ist allerdings gemeinsam, dass jeweils unentbehrliche Anknüpfungspunkte für ein Gemeinnützigkeitsrecht modernen Zuschnitts fehlen:12 Es gab weder Staat noch (dauerhafte) Steuer.13 Zu einer kontinuierlich zu entrichtenden Steuer, die durch einen souveränen Staat erhoben wird, kam es erst im Zeitalter des Absolutismus.14 Die großen Kosten für den Unterhalt stehender Heere machten es erforderlich, eine dauerhafte und höhere Besteuerung einzuführen.15 Zeitgleich entwickelten sich aus der Kameralistik Anforderungen an eine von allen Bürgern gleichermaßen zu entrichtende Steuer, mit der Steuerbefreiungen für einzelne natürliche oder juristische Personen nur schwer zu vereinbaren waren.16 Steuervergünstigun5  Geserich,

in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rn. A 121. Möllmann, Steuerliche Privilegierung, S. 7. 7  Mayer, in: Gerloff/Neumark, Finanzwissenschaft, Bd. 1, S. 248. Als Notlage in diesem Sinne galt unter anderem, wenn der König gefangen genommen worden war und freigekauft werden musste oder wenn die Aussteuer einer Prinzessin zu finanzieren war, dazu Erler, in: Erler/Kaufmann, HRG, Bd. 4, Sp. 1965 mit weiteren Beispielen. 8  Schmölders, in: Strickrodt/Wöhe/Flämig, Handwörterbuch Steuerrecht, Geschichte der Besteuerung, S. 620. 9  Erler, in: Erler/Kaufmann, HRG, Bd. 4, Sp. 1966. 10  Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rn. A 124. 11  Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rn. A 124. 12  Droege, Gemeinnützigkeit, S. 15. 13  Droege, Gemeinnützigkeit, S. 15. 14  Erler, in: Erler/Kaufmann, HRG, Bd. 4, Sp. 1968–1969. 15  Erler, in: Erler/Kaufmann, HRG, Bd. 4, Sp. 1968–1969. 16  Schulz, System und Prinzipien, S. 371. 6  Ähnlich



I. Historische Einführung19

gen wurden daher nur noch unter erschwerten Voraussetzungen gewährt, anstelle von Steuern musste zugunsten des Staats eine Dienst- oder Naturalleistung mit einem vergleichbaren Wert für den Staat erbracht werden.17 Großzügiger wurden Steuerbefreiungen erst wieder gehandhabt, als der Staat gegen Ende des 18. Jahrhunderts seine Aufgaben über die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit hinaus zu einem umfassenden Wohlfahrtsstaat ausbaute, der sich die „Glückseligkeit des Einzelnen“18 zum Ziel setzte.19 Jede private Einrichtung, die der Wohlfahrt der Bürger in diesem Sinne diente, wurde von der Steuer befreit.20

2. Entstehung eines gesetzlich geregelten Gemeinnützigkeitsrechts Die Entwicklung eines gesetzlich geregelten Gemeinnützigkeitsrechts bis hin zu seiner heutigen Form nahm ihren Anfang dann in der preußischen Gesetzgebung des späten 19. Jahrhunderts21 im Gesetz betreffend die gemeinnützigen Aktienbaugesellschaften bewilligte Sportel- und Stempelfreiheit.22 Beginnend mit diesem Gesetz wurden in verschiedenen Steuergesetzen auf Länder- und auf Reichsebene zahlreiche Ausnahmeregeln für gemeinnützige Einrichtungen geschaffen,23 denen aufgrund der stetig steigenden Steuerlast eine zunehmende Bedeutung zukam.24 Diese Bestimmungen wurden jeweils eigenständig ausgelegt, in den einzelnen Gesetzen galten also unterschiedliche Begriffe der Gemeinnützigkeit.25 Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde dem Gesetzgeber dieser Zeit vorgeworfen, ihm habe „vielfach nur ein ganz verschwommener Begriff von Gemeinnützigkeit vorgeschwebt.“26 Dazu kam, dass die Anforderungen an die Tätigkeit gemeinnütziger Einrichtungen in diesen Regelungen weder näher umschrieben noch umfassend definiert wurden,27 was den Gerichten einen großen Entscheidungsspielraum eröff17  Schulz,

System und Prinzipien, S. 371. in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rn. A 126. 19  Preu, Polizeibegriff, S. 205–206, 226. 20  Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rn. A 126. 21  F. Hammer, StuW 2001, S. 19, 19–20. 22  Gesetz vom 2.3.1867, Preuß. Gesetz-Sammlung 1867, S. 385; dazu F. Hammer, StuW 2001, S. 19, 20; Kraft, VjStR 1932, S. 315, 317. 23  Zahlreiche weitere Beispiele bei F. Hammer, StuW 2001, S. 19, 20; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Vorbem. §§ 51–68 AO Rn. 1–4. 24  F. Hammer, StuW 2001, S. 19, 20–21. 25  Kraft, VjStR 1932, S. 315, 316; vgl. z. B. Beschluss des RFH vom 28.7.1921 – I B 194/21, RFHE 6, S. 328, 329. 26  Kraft, VjStR 1932, S. 315, 317. 27  F. Hammer, StuW 2001, S. 19, 20. 18  Geserich,

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§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

nete. Das zeigt sich vor allem an den auffallend großzügigen Entscheidungen des Reichsfinanzhofs zur Gemeinnützigkeit28 in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg.29 Eine konkretere Ausgestaltung erfuhr das Gemeinnützigkeitsrecht erst 1934 durch das Steueranpassungsgesetz30, dessen §§ 17–19 in Teilen bereits einige Ähnlichkeit zu den heutigen §§ 51ff. AO aufweisen. Aus der weitgehenden Abschaffung des Spendenabzugs31 folgerte die Rechtsprechung, dass es die nationalsozialistische Weltanschauung gebiete, „an den Opfersinn der Steuerpflichtigen stärkere Anforderungen zu stellen.“32 Wenn das Gemeinnützigkeitsrecht zu großzügig gehandhabt werde, gehe das zu Lasten der Allgemeinheit, der dadurch Steuermittel entzogen würden.33 Soweit das Steuerrecht gemeinnützigen Einrichtungen dennoch Vergünstigungen einräumte, wurden die maßgeblichen Normen eng ausgelegt,34 um ihrer Aufgabe als „nützliche Instrumente der Gleichschaltung und Diskriminierung“35 gerecht zu werden. Nach dem 2. Weltkrieg kehrte sich diese Entwicklung um. Parallel zur Handhabung des Gemeinnützigkeitsrechts nach dem 1. Weltkrieg wurden Einrichtungen wieder unter geringeren Voraussetzungen als gemeinnützig anerkannt.36 1976 wurden die relevanten Normen des StAnpG und der Ge28  Z. B. Urteil vom 2.3. 1921 – I A 228/20, RFHE 5, S. 13; Urteil vom 18.5.1921 – I A 54/21, RFHE 6, S. 47; Urteil vom 14.6.1921 – I A 48/21, RFHE 6, S. 216; Urteil vom 27.9.1921 – I A 155/21, RFHE 7, S. 108. 29  Hier spielte allerdings auch der Wunsch des RFH eine Rolle, mit den Mitteln des Gemeinnützigkeitsrechts der großen wirtschaftlichen Not in der Bevölkerung nach dem 1. Weltkrieg zu begegnen; vgl. F. Hammer, StuW 2001, S. 19, 24; Kraft, VjStR 1932, S. 315, 324–325. 30  Gesetz vom 16.10.1934, RGBl. I 1934, S. 925; ergänzt zunächst durch die Gemeinnützigkeitsverordnung vom 16.12.1941, RStBl. 1941, S. 937. Diese wurde später aufgehoben und durch die Gemeinnützigkeitsverordnung vom 24.12.1953, BGBl. I 1953, S. 1592 ersetzt; dazu F. Hammer, StuW 2001, S. 19, 21. 31  Dazu sowie zur im nationalsozialistischen Regime geltenden faktischen Spendenpflicht, die steuerliche Anreize für Spenden entbehrlich machte, Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rn. A 169–A 170. 32  RFH, Urteil vom 26.3.1935 – I A 28/34, RStBl. 1935, S. 855. 33  Vgl. RFH, Urteil vom 26.3.1935 – I A 28/34, RStBl. 1935, S. 855; zustimmend Mirre/Dreutter, KStG 1934, § 4 Anm. 14 (S. 127). 34  Zur engen Auslegung Mirre/Dreutter, KStG 1934, § 4 Anm. 14 (S. 126–127). 35  Hufeld, Gemeinwohlfinanzierung, S. 34. 36  Bereits am 15.9.1949 wurde in einem Rundschreiben der Verwaltung für Finanzen des Vereinigten Wirtschaftsgebietes angeordnet, das Gemeinnützigkeitsrecht sei großzügig anzuwenden, vgl. Kühn, RAO, § 17 StAnpG Anm. 2. Später folgte der koordinierte Ländererlass vom 28.4.1954, BStBl. II 1954, S. 50, zu § 1 GemVO: „Bei der Prüfung der Voraussetzungen der §§ 17 bis 19 des Steueranpassungsgesetzes und



II. Wesentliche Voraussetzungen und Anwendungsbereich 21

meinnützigkeitsverordnung in der neuen AO 1977 zusammengefasst,37 seitdem wurde das Gemeinnützigkeitsrecht noch mehrmals geändert.38

3. Zusammenfassung Die historische Entwicklung der Steuervergünstigungen, die gemeinnützig handelnden Einrichtungen oder Personen gewährt wurden, zeigt zwei wiederkehrende Gründe für Steuervergünstigungen: Die Verwirklichung des Gemeinwohls und die Entlastung des Staats bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben. Dieser Sinn und Zweck der Steuervorteile für gemeinnütziges Handeln lässt sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen, liegt aber auch den im 19. und 20. Jahrhundert geschaffenen Regelungen zugrunde.

II. Wesentliche Voraussetzungen und Anwendungsbereich Das steuerliche Gemeinnützigkeitsrecht ist nicht einheitlich und in sich abgeschlossen geregelt, sondern auf verschiedene Gesetze aufgeteilt.39 Die AO enthält in §§ 51–68 allgemeine Regelungen zur Gemeinnützigkeit und zu den Voraussetzungen, unter denen eine Einrichtung als gemeinnützig anerkannt werden kann. Die Rechtsfolgen der Gemeinnützigkeit sind dagegen in den einzelnen Steuergesetzen enthalten, zum Beispiel im Körperschaftsteuergesetz (KStG).

1. Persönlicher Anwendungsbereich § 51 Abs. 1 AO umgrenzt den persönlichen Anwendungsbereich der Gemeinnützigkeit. Nach dieser Norm können nur Körperschaften im Sinn des KStG gemeinnützig sein, also insbesondere Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG), sonstige juristische Personen des Privatrechts wie eingetragene Vereine (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG) und nicht rechtsfähige Vereine sowie Stiftungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG). Während es nur wenige gemeinnützige AGs der Gemeinnützigkeitsverordnung ist im allgemeinen großzügig […] zu verfahren.“ Dazu näher Brill, Verlust der Gemeinnützigkeit, S. 260–262. 37  Dazu Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. VI/1982, S. 116–119. 38  Zu diesen Änderungen v. Cube, in: Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gemeinnützigkeitsrecht, 2. AO Einführung Rn. 24–29; Musil, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, Vorbem. §§ 51–68 AO Rn. 7–10. 39  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.2; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 7.

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§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

gibt,40 wird die Rechtsform der GmbH regelmäßig genutzt, um gemeinnüt­ zigen Zwecken nachzugehen.41 Die am häufigsten gewählte Rechtsform ist aber der Verein,42 wobei nichtrechtsfähige (§ 54 BGB) und rechtsfähige (§§ 21 ff. BGB) Vereine im Gemeinnützigkeitsrecht weitgehend gleich behandelt werden.43 Natürliche Personen und Personengesellschaften sind dagegen von der Gemeinnützigkeit ausgeschlossen, weil natürliche Personen immer auch ihrem eigenen Lebensunterhalt verpflichtet seien und daher niemals ausschließlich einen gemeinnützigen Zweck verfolgen könnten.44 Durch das steuerliche Transparenzprinzip wirkt sich der Ausschluss natürlicher Personen auch auf Personengesellschaften aus, die im Ergebnis ebenfalls nicht gemeinnützig sein können.45

2. Sachliche Voraussetzungen a) Einführung Eine Einrichtung ist gemeinnützig, wenn sowohl ihre Satzung als auch ihre tatsächliche Geschäftsführung den §§ 51–68 AO entsprechen. Nach § 60 AO muss mindestens ein gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zweck gemäß §§ 52–54 AO in die Satzung aufgenommen werden.46 Daneben muss die Satzung gemäß § 59 AO auch regeln, dass der gemeinnützige Zweck selbstlos, unmittelbar und ausschließlich angestrebt wird.47 40  Die AG bietet in ihrer Satzung zu wenig Gestaltungsspielraum, um für gemeinnützige Zwecke geeignet zu sein, Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 2.12; zu Vorteilen gegenüber einer gemeinnützigen GmbH Bayer/Hoffmann, AG 2007, R347, R350. Nach Ritter, in: Schüppen/Schaub, MAH AktienR, § 55 Rn. 1 Fn. 5 gab es Ende 2011 nur 52 gemeinnützige AGs in Deutschland. 41  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 2.6; zur gemeinnützigen GmbH Schlüter, GmbHR 2002, S. 535 und S. 578 und Thiel, GmbHR 1997, S. 10. 42  Grabau, DStR 1994, S. 1032; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 2.31; umfassend zur Rechtsformwahl van Randenborgh, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 1 Rn. 1–23 und Stock, NZG 2001, S. 440. 43  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 2.31. 44  F. Hammer, StuW 2001, S. 19; Schunk, DStR 2017, S. 1748; dazu auch Hummel, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Rn. 93–97; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 2.93–2.94. 45  v. Hippel/Walz, in: Walz/v. Auer/v. Hippel, Spenden- und Gemeinnützigkeitsrecht, S. 228; kritisch Wedemann, NZG 2016, S. 645, 648–649. 46  Zu den formalen Anforderungen nach § 60 AO Gersch, AO-StB 2010, S. 213. Viele Bundesländer sowie das Bundesjustizministerium stellen Mustersatzungen zur Verfügung. 47  Dazu Gersch, AO-StB 2010, S. 213.



II. Wesentliche Voraussetzungen und Anwendungsbereich 23

§ 63 Abs. 1 AO ordnet an, dass die tatsächliche Geschäftsführung diesen Satzungsbestimmungen entsprechen muss.48 Maßgeblich sind hier vor allem §§ 55–57 AO, die zusammen den Kern der Voraussetzungen bilden, unter denen die tatsächliche Geschäftsführung als gemeinnützig anerkannt werden kann.49 Es sind daher insbesondere die Grundsätze der Selbstlosigkeit, der Ausschließlichkeit und der Unmittelbarkeit zu beachten.50 b) Gemeinnützige Zwecke aa) Katalog gemeinnütziger Zwecke, § 52 Abs. 2 Satz 1 AO Zu den Zwecken, die eine gemeinnützige Einrichtung gemäß § 60 AO in ihre Satzung aufnehmen kann, zählen neben gemeinnützigen Zwecken im engeren Sinn, § 52 Abs. 2 AO, auch mildtätige und kirchliche Zwecke, §§ 53, 54 AO. Auf mildtätige und kirchliche Zwecke wird in der vorliegenden Arbeit grundsätzlich nicht näher eingegangen,51 weil sich dort die Problematik der Förderung der Allgemeinheit nicht stellt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes ist es weder bei mildtätigen noch bei kirchlichen Zwecken erforderlich, dass durch die Tätigkeit der Körperschaft die Allgemeinheit gefördert wird.52 Wenn in der Folge von Gemeinnützigkeit gesprochen wird, ist die Gemeinnützigkeit im engeren Sinn nach § 52 AO gemeint. Welche Zwecke als gemeinnützig in diesem Sinn anerkannt werden, ist in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO geregelt. Die Aufzählung in Satz 1 ist grundsätzlich abschließend,53 § 52 Abs. 2 Sätze 2 und 3 AO enthalten aber eine Öffnungsklausel für Zwecke, die zwar nicht in Abs. 2 aufgeführt sind, aber dennoch als anerkennenswert angesehen werden.54 In Bezug auf die tatsächliche Ge48  Dazu Gersch, in: Klein, AO, § 63 Rn. 1; Niewerth, in: Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 63 AO Rn. 1; Unger, in: Gosch, AO/FGO, § 63 AO Rn. 7; Kümpel, DStR 2001, S. 152 mit Beispielen zu häufigen Problemfällen. 49  Koenig, in: Koenig, AO, § 56 Rn. 1. 50  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 63 AO Rn. 3; Unger, in: Gosch, AO/FGO, § 63 AO Rn. 12. 51  Mit Ausnahme eines Exkurses zu kirchlichen und mildtätigen Zwecken auf S. 129–132. 52  So zu mildtätigen Zwecken auch BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218, 222; Gersch, in: Klein, AO, § 53 Rn. 1; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.159; zu kirchlichen Zwecken Gersch, in: Klein, AO, § 54 Rn. 3; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.177. 53  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 101. 54  Dazu BFH, Urteil vom 9.2.2017 – V R 70/14, BStBl. II 2017, S. 1106–1110; AEAO Nr. 2 Satz 2 zu § 52; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 257; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 70–73.

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§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

schäftsführung verpflichtet § 63 AO eine gemeinnützige Körperschaft, ihren satzungsmäßigen Zweck tatsächlich zu verfolgen.55 Wenn die Einrichtung lediglich eigenes Vermögen verwaltet, kann sie daher grundsätzlich nicht gemeinnützig sein.56 bb) Kollisionen zwischen gemeinnützigen Zwecken Die im Katalog des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO aufgeführten gemeinnützigen Zwecke folgen keinem bestimmten System, keiner in sich schlüssigen Wertung57 oder dem Gebot der Folgerichtigkeit.58 Teilweise können sich daraus Konflikte zwischen gemeinnützigen Zwecken ergeben, wie etwa wenn die Förderung des Umweltschutzes (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AO) auf die Förderung des Motorsports (§ 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21)59 trifft.60 Wie diesen Konflikten zu begegnen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Die Rechtsprechung hält solche Kollisionen mittlerweile für unbeachtlich.61 Eventuell auftretende Konflikte zwischen verschiedenen gemeinnützigen Zwecken müsse der Gesetzgeber lösen, nicht der Rechtsanwender.62 Aus § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 18 AO,63 nach dem die Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern ein gemeinnütziger Zweck ist, lässt sich nach der Rechtsprechung daher nicht ableiten, dass solche Körperschaften nicht gemeinnützig sein können, deren Tätigkeit die Gleichberechtigung von Frauen und Männern beeinträchtigt.64 Entscheidend soll nur sein, ob mindestens ein gemeinnütziger Zweck verfolgt wird und die übrigen Voraussetzungen an Satzung und tatsächliche Geschäftsführung erfüllt seien, auf die anderen gemeinnützigen Zwecke komme es dagegen nicht an. In der Literatur wird dagegen teilweise vertreten, der Rechtsanwender müsse bei Zweckkollisionen eine Güterabwägung vornehmen, weil die VerUnger, in: Gosch, AO/FGO, § 63 AO Rn. 15. Urteil vom 11.12.1974 – I R 104/73, BStBl. II 1975, S. 458, 459. 57  Schauhoff, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 6 Rn. 51. 58  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 18. 59  BFH, Urteil vom 29.10.1997 – I R 13/97, BStBl. II 1998, S. 9, 11–12 zur Vorgängervorschrift § 52 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 AO 1977. 60  Dazu Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 70; weitere Beispiele für Zielkonflikte bei Hofmeister, DStZ 1999, S. 545, 546. 61  BFH, Urteil vom 29.10.1997 – I R 13/97, BStBl. II 1998, S. 9, 11–12; anders noch BFH, Urteil vom 5.8.1992 – X R 165/88, BStBl. II 1992, S. 1048, 1049–1050. 62  BFH, Urteil vom 29.10.1997 – I R 13/97, BStBl. II 1998, S. 9, 11–12. 63  Eingefügt durch Gesetz vom 10.10.2007, BGBl. I 2007, S. 2332; davor bereits in Abschnitt A Nr. 15 Anlage 1 zu § 48 Abs. 2 EStDV a. F. enthalten. 64  Dementsprechend hat der BFH § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 18 AO in seinem Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218 nicht erwähnt. 55  Vgl.

56  BFH,



II. Wesentliche Voraussetzungen und Anwendungsbereich 25

folgung eines Zwecks im Sinn des § 52 Abs. 2 AO nicht unabhängig von der übrigen Rechts- und Verfassungsordnung in jedem Fall gemeinnützig sei.65 Dafür spreche auch, dass manche Zwecke offensichtlich wichtiger seien als andere, überwiegend aus politischen Gründen geförderte Zwecke.66 Demnach wäre eine Einrichtung, die nur ein Geschlecht fördert, unter Umständen nicht gemeinnützig, weil § 52 Abs. 2 Nr. 18 AO im Rahmen einer Abwägung gegenüber dem angestrebten gemeinnützigen Zweck vorrangig sein könnte. Andere Literaturstimmen sind der Meinung, vom Rechtsanwender könne nicht verlangt werden, „praktische Konkordanz“67 zwischen allen gemeinnützigen Zwecken gemäß § 52 Abs. 2 AO herzustellen.68 Konflikte zwischen gemeinnützigen Zwecken müssten durch Rückgriff auf andere Rechtsgebiete gelöst werden, die den jeweils beeinträchtigten gemeinnützigen Zweck näher ausgestalten.69 Andernfalls käme auch der Finanzrechtsprechung eine zu große Entscheidungskompetenz zu.70 Der Rechtsanwender müsse hinnehmen, dass sich die einzelnen Zwecke nicht in einen konfliktfreien Zusammenhang einordnen ließen.71 Ebenso wie die bereits oben dargestellte Meinung der Rechtsprechung führt auch diese Ansicht zum Ergebnis, dass sich § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 18 AO nicht darauf auswirkt, ob eine Einrichtung gemeinnützig sein kann, die nur die Angehörigen eines Geschlechts fördert. Diese Ansicht ist vorzugswürdig, denn die in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO aufgeführten Zwecke lassen sich nicht in ein widerspruchsfreies Verhältnis setzen. Sie wird auch dem Wortlaut besser gerecht, da sich in der Norm kein Hinweis darauf findet, dass andere gemeinnützige Zwecke nicht beeinträchtigt werden dürften. Schließlich verbleibt § 52 Abs. 1 AO auf diese Weise auch ein größerer eigener Anwendungsbereich, denn die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die übrige Rechtsordnung und dadurch mittelbar auch auf die in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO genannten Zwecke ergibt sich bereits aus § 52 Abs. 1 AO, braucht also nicht aus § 52 Abs. 2 Satz 1 AO hergeleitet zu werden. 65  Leisner-Egensperger, in: FS Merten, S. 277, 287–288; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 9; ähnlich Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 14; im Ergebnis auch Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 3 B Rn. 44; Niewerth, in: Lippross/ Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 52 AO Rn. 3. Zu einer möglichen gesetzlichen Abgrenzung des gemeinnützigen Gemeinwohlkerns eines Zwecks am Beispiel sport­ licher Zwecke Jachmann, in: GS Trzaskalik, S. 31, 45. 66  Hofmeister, DStZ 1999, S. 545, 546. 67  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.30. 68  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn.  3.30; zustimmend T. Krüger, in: B. Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 52 AO Rn. 5. 69  Vgl. Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 70; kritisch gegenüber dieser Argumentation Leisner-Egensperger, in: FS Merten, S. 277, 287. 70  Hofmeister, DStZ 1999, S. 545, 546–547. 71  Schauhoff, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 6 Rn. 51.

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§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

cc) Insbesondere: Religiöse Zwecke Die Freimaurerloge, um deren Gemeinnützigkeit es im Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.5.2017 ging, widmete sich gemäß ihrer Satzung der „Förderung der Religion“ und der „Unterstützung hilfsbedürftiger Personen oder Personengruppen“.72 Die klagende Loge selbst war der Ansicht, damit einen gemeinnützigen Zweck nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO zu verfolgen,73 also die Religion zu fördern. Da die Förderung kirchlicher Zwecke speziell in § 54 AO geregelt ist, kann § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO nicht auf die Unterstützung von Kirchen beschränkt sein, andernfalls hätte die Norm keinen eigenen Anwendungsbereich.74 Der Religionsbegriff in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO entspricht vielmehr dem für Art. 4 GG entwickelten Begriff der Religion,75 es sind also nicht nur christliche Kirchen oder Religionen umfasst, sondern auch andere Religionen, atheistische und sonstige Weltanschauungen.76 § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO umfasst damit die Tätigkeit einer typischen Freimaurerloge.77 c) Ausschließlichkeit Die gemeinnützige Körperschaft darf nach § 56 AO nur ihre steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke verfolgen.78 Alle in der Satzung aufgeführten Zwecke müssen steuerbegünstigt sein, und nur diese steuerbegünstigten Zwecke dürfen verfolgt werden.79 Wenn eine Körperschaft dagegen auch nicht gemeinnützige Zwecke verfolgt, ist sie insgesamt nicht steuerbegünstigt.80 Das 72  BFH,

Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218. berief sich die Loge auch darauf, mildtätige Zwecke nach § 53 AO zu

73  Daneben

verfolgen. 74  BFH, Urteil vom 6.6.1951 – III 69/51 U, BStBl. III 1951, S. 148, 148–149; Clasen, Steuervergünstigungen von Religionsgemeinschaften, S. 125–126; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 118; näher zu kirchlichen Zwecken S. 130–132. 75  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 119. 76  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 20. 77  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 21. Zu den wesentlichen Inhalten der Freimaurerei Reinalter, Freimaurer, S. 32–45, zum Verhältnis der Freimaurer zur Religion Pöhlmann, Freimaurer, S. 128–144. 78  Zu den Ausnahmen von diesem Grundsatz in § 58 AO Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 4.19–4.33. 79  Koenig, in: Koenig, AO, § 56 Rn. 1; AEAO Nr. 1 zu § 56. Daraus soll in erster Linie ein Aufteilungsverbot folgen, Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 4.6; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 56 AO Rn. 4. 80  BFH, Urteil vom 23.2.2012 – V R 59/09, BStBl. II 2012, S. 544, 547; Gersch, in: Klein, AO, § 56 Rn. 1.



II. Wesentliche Voraussetzungen und Anwendungsbereich 27

Ausschließlichkeitsgebot bezieht sich auf die satzungsmäßigen Ziele, nicht aber auf die Mittel, die eine Körperschaft zur Zweckverfolgung einsetzt.81 Wie sich aus § 63 AO ergibt, gilt das Gebot der Ausschließlichkeit auch hinsichtlich der tatsächlichen Geschäftsführung. d) Unmittelbarkeit Nach § 57 AO muss eine Einrichtung ihre gemeinnützigen Zwecke unmittelbar verfolgen.82 Das bedeutet, dass die gemeinnützige Einrichtung den ­jeweiligen Zweck im Grundsatz selbst und eigenverantwortlich verwirklichen muss.83 Dabei können Hilfspersonen die Einrichtung unterstützen, § 57 Abs. 1 Satz 2 AO, diese Hilfspersonen müssen aber im Innenverhältnis weisungsgebunden sein.84 Auch hier gilt § 63 AO, gemeinnützige Einrichtungen müssen § 57 AO also auch bei ihrer tatsächlichen Geschäftsführung beachten. § 57 AO betrifft die persönliche Zurechnung einer Tätigkeit oder eines Erfolges zu einer Einrichtung, damit nur solche Einrichtungen von der Steuerbefreiung für gemeinnützige Körperschaften profitieren, die für den gemeinnützigen Erfolg verantwortlich sind.85 Der Anwendungsbereich von § 57 AO ist damit an sich recht eng. Das Gebot der Unmittelbarkeit wird aber manchmal weit über den eigentlichen Sinngehalt ausgedehnt und als inhaltliche Voraussetzung verstanden, nicht nur als Zurechnungsnorm.86 Wenn die Bevölkerung durch eine Einrichtung nur „mittelbar“ gefördert wird, ist das allerdings keine Frage der Unmittelbarkeit gemäß § 57 AO, sondern betrifft die Auslegung des Begriffs der Förderung der Allgemeinheit.87 81  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 4.8; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 56 AO Rn. 2. 82  Zu den im JStG 2020 eingeführten Änderungen von § 57 AO Gegenäußerung der Bundesregierung vom 21.10.2020, BT-Drucks. 19/23551, S. 63, 93. 83  R. Wallenhorst, in: R. Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, C Rn. 45. 84  AEAO Nr. 2 zu § 57; R. Wallenhorst, in: R.Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, C Rn. 46–47. 85  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 57 AO Rn. 1. Abgrenzungsfragen stellen sich hier, wenn gemeinnützige Organisationen mit anderen Einrichtungen oder Unternehmen zusammenarbeiten, dazu Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 4.49. 86  Dazu Hüttemann/Schauhoff, FR 2007, S. 1133, 1134–1135. 87  Hüttemann/Schauhoff, FR 2007, S. 1133, 1134–1135. Anders BFH, Urteil vom 21.8.1974, I R 81/73, BStBl. II 1975, S. 121, 123 zur Vorgängervorschrift des § 17 Abs. 1 StAnpG, nach der „ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit gefördert“ werden musste.

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§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

e) Selbstlosigkeit In § 55 AO wird definiert, was das Gemeinnützigkeitsrecht unter Selbst­ losigkeit versteht. Dass eine Körperschaft selbstlos handeln muss, um gemeinnützig zu sein, ergibt sich aber nicht aus dieser Definition, sondern aus § 52 Abs. 1 Satz 1 AO. Das Gebot der Selbstlosigkeit wird als maßgeblich für die Gemeinnützigkeit angesehen,88 es gilt sowohl für die satzungsmäßige Gemeinnützigkeit als auch für die tatsächliche Geschäftsführung.89 Ihm werden zwei Aussagen entnommen.90 Zunächst dürfen nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt werden, die Körperschaft darf also nicht vorrangig ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen oder die wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder verfolgen.91 Außerdem müssen die Mittel der Organisation den Vorgaben der § 55 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 und Abs. 2 und Abs. 3 AO entsprechend verwendet werden. Die Selbstlosigkeit steht in einem engen Bezug zur Förderung der Allgemeinheit nach § 52 AO.92 Wenn nur die Mitglieder einer Körperschaft Zuwendungen von der Körperschaft erhalten, kann das sowohl die (fehlende) Förderung der Allgemeinheit als auch die (fehlende) Selbstlosigkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 AO betreffen.93 § 52 AO ist allerdings insoweit vorrangig, als die Vorschrift die Frage betrifft, ob überhaupt ein förderungswürdiger Zweck gegeben ist; wenn ein solcher Zweck fehlt, stellt sich die Frage nach der Selbstlosigkeit nicht mehr.94 Außerdem betrifft die Selbst­ losigkeit nur wirtschaftliche Vorteile,95 während die Allgemeinheit gemäß § 52 AO auch durch immaterielle Zuwendungen gefördert werden kann.96 Solche ideellen Vorteile werden von § 55 AO nicht erfasst.97 Wenn die Interessen der Mitglieder einer Körperschaft gefördert werden, bedeutet das nicht immer auch eine Verletzung der Selbstlosigkeit; oft folgt 88  Seer,

in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 2. in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 63 AO Rn. 3. 90  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 4.67. 91  Gersch, in: Klein, AO, § 55 Rn. 2. 92  Reimer/Waldhoff, FR 2002, S. 318, 321. 93  Reimer/Waldhoff, FR 2002, S. 318, 324 schlagen zur Abgrenzung vor, nur solche Leistungen als Zuwendungen im Sinn des § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO anzuerkennen, die nicht im Rahmen der geförderten Tätigkeit nach § 52 AO liegen. 94  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 55 AO Rn. 22. 95  Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 32; a.  A. Isensee, in: FS Dürig, S. 33, 52, Selbstlosigkeit bedeute nach dem „Leitbild der Gemeinnützigkeit“ auch den Verzicht auf immaterielle Vorteile für Mitglieder. 96  Vgl. die in § 52 Abs. 1 AO genannte geistige oder sittliche Förderung, dazu siehe unten S. 68. 97  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 55 AO Rn. 3. 89  Seer,



III. Rechtsfolgen und wirtschaftliche Bedeutung der Gemeinnützigkeit 29

aus der Tätigkeit einer gemeinnützigen Körperschaft zwingend, dass auch Mitgliederinteressen gefördert werden.98 Der Nutzen der Tätigkeit für die eigenen Mitglieder darf nur nicht vorrangig werden, darf also den Nutzen für die Allgemeinheit nicht übersteigen.99 f) Anerkennungsverfahren Nach § 60a AO überprüft die Finanzverwaltung, ob die Satzung einer Einrichtung den Vorgaben der §§ 51, 59–61 AO entspricht. Falls dies der Fall ist, stellt sie gesondert fest, dass die satzungsmäßigen Voraussetzungen vorliegen.100 Ob auch die tatsächliche Geschäftsführung den Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts gemäß § 63 AO genügt, wird unabhängig davon im Veranlagungsverfahren geprüft.101 Faktisch gibt dabei die Entscheidung in der Veranlagung zur Körperschaftsteuer den Ausschlag, grundsätzlich ist diese Entscheidung für die Veranlagungen der anderen Steuern aber nicht bindend.102 Um den Finanzbehörden die erforderlichen Prüfungen zu ermöglichen, muss jede gemeinnützige Einrichtung nach § 63 Abs. 3 AO Aufzeichnungen führen, mit deren Hilfe die Geschäftsführung nachvollzogen werden kann. Für den gesamten Tätigkeitsbereich sind Einnahmen und Ausgaben aufzu­ zeichnen,103 außerdem fordert die Finanzverwaltung Tätigkeitsberichte und Vermögensübersichten.104

III. Rechtsfolgen und wirtschaftliche Bedeutung der Gemeinnützigkeit Um die rechtliche und praktische Bedeutung der Gemeinnützigkeit abschätzen zu können, wird im folgenden Teil ein kurzer Überblick über die wesentlichen rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen der Gemeinnützigkeit 98  Gersch,

in: Klein, AO, § 55 Rn. 3. Urteil vom 13.12.1978 – I R 39/78, BStBl. II 1979, S. 482, 486; Gersch, in: Klein, AO, § 55 Rn. 3; Leisner-Egensperger, DStZ 2008, S. 292, 299. 100  Dazu Schütz/Runte, DStR 2013, S. 1261, 1263–1264. 101  Märtens, in: Gosch, KStG, § 5 Rn. 185; Riethmüller, AO-StB 2015, S. 53, 55. 102  Riethmüller, AO-StB 2015, S. 53, 55; Vgl. für die Umsatzsteuer den Verweis in UStAE Abschnitt 12.9 Abs. 1 Satz 4 auf die Anerkennung der Gemeinnützigkeit bzgl. anderer Steuern. 103  Dazu Unger, in: Gosch, AO/FGO, § 63 AO Rn. 43–45. 104  AEAO Nr. 1 zu § 63; Karsten, BB 2006, S. 1830, 1830–1832. 99  BFH,

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§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

gegeben. Die Kernfrage in diesem Abschnitt ist dabei, ob nicht auf Gewinn abzielende Körperschaften aus wirtschaftlichen Gründen dazu gezwungen sind, den Gemeinnützigkeitsstatus anzustreben. Das hat insbesondere auf den grundrechtlichen Maßstab Einfluss, an dem die Entscheidungen der Finanzbehörden zu messen sind, eine Einrichtung nicht als gemeinnützig anzuerkennen.105

1. Steuervergünstigungen und Vermögensbindungen Gemeinnützige Einrichtungen profitieren von direkten und indirekten Steuervergünstigungen. Durch direkte Steuervergünstigungen werden gemeinnützige Körperschaften selbst begünstigt, während indirekte Steuervergünstigungen an Dritte gerichtet sind, mittelbar aber auch gemeinnützigen Einrichtungen zugutekommen.106 a) Direkte Steuervergünstigungen aa) Gesetzliche Steuerbefreiungen und Steuervergünstigungen Die wichtigste direkte Steuervergünstigung für gemeinnützige Körperschaften enthält § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG. Diese Norm befreit gemeinnützige Körperschaften von der Körperschaftsteuer, soweit sie keinen wirtschaft­ lichen Geschäftsbetrieb unterhalten, § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG. Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb führt also zu einer „partiellen Steuerpflicht“107 der gemeinnützigen Einrichtung. Unter einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb wird eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinn des § 14 AO verstanden, die in der Regel dazu dient, Einnahmen zu erwirtschaften.108 Für Erträge aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben sieht § 64 Abs. 3 AO eine zusätzliche Freigrenze vor, nach der Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer nur gezahlt werden müssen, wenn die Einnahmen109 aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb 45.000 Euro110 übersteigen.111 Diese partielle Steuerpflicht tritt nach § 64 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht ein, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb ein 105  Dazu

siehe unten S. 49–51. Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.25. 107  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 6.2. 108  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 6.2. 109  Die Finanzverwaltung nimmt bestimmte Zuflüsse von der Berechnung der Einnahmen aus, dazu AEAO Nr. 19–20 zu § 64. 110  Die Freigrenze wurde durch das JStG 2020 vom 21.12.2020 von 35.000 Euro auf 45.000 Euro erhöht, BGBl. I 2020, S. 3096. 111  Dazu Gersch, in: Klein, AO, § 64 Rn. 7–8. 106  Hüttemann,



III. Rechtsfolgen und wirtschaftliche Bedeutung der Gemeinnützigkeit 31

Zweckbetrieb ist, also die Voraussetzungen der §§ 65–68 AO erfüllt.112 Die in Zweckbetrieben erwirtschafteten Ergebnisse sind steuerbefreit.113 Daneben sind gemeinnützige Körperschaften gemäß § 3 Nr. 6 GewStG von der Gewerbesteuer befreit, soweit die Körperschaften keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten.114 Praktisch von großer Bedeutung ist auch die Befreiung gemeinnütziger Körperschaften von der Erbschaft- und Schenkungsteuer nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 b) Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG), denn dadurch fallen auf Zuwendungen von Todes wegen an gemeinnützige Einrichtungen keine Steuern an.115 § 13 Abs. 1 Nr. 17 ErbStG erweitert die Steuerbefreiung auf Zahlungen, die mittelbar gemeinnützigen Zwecken zugutekommen.116 Im Umsatzsteuerrecht gibt es dagegen keine allgemeine Steuerbefreiung für gemeinnützige Körperschaften. Manche von gemeinnützigen Einrichtungen erbrachte Umsätze sind nach § 4 Umsatzsteuergesetz (UStG) steuerfrei.117 Die Auswirkungen dieser Steuerbefreiungen bleiben allerdings dadurch begrenzt, dass gemäß § 15 Abs. 2, Abs. 3 UStG auch der Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist.118 Außerdem gilt für alle von gemeinnützigen Körperschaften erbrachte Umsätze ein verringerter Umsatzsteuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a) UStG.119 Das hat regelmäßig keine erheblichen Vorteile für gemeinnützige Einrichtungen, denn der niedrigere Steuersatz soll in erster Linie die Verbraucher begünstigen, indem der Endpreis günstiger wird.120 112  Dazu P. Fischer, in: GS Trzaskalik, S. 49, 55–57; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 6.165–6.286. 113  § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG i. V. m. §§ 64 Abs. 1, 65–68 AO. 114  Zu wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben im Gewerbesteuerrecht Erdbrügger, in: Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, § 3 Nr. 6 Rn. 28–29; Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 3 Rn. 204–231. 115  Dazu Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.33. 116  Dazu mit Beispielen Marfels, ErbStB 2018, S. 243, 247–248. Zur darüber hinaus bestehenden Möglichkeit, gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG eine bereits entstandene Steuer zum Erlöschen zu bringen, wenn die erworbenen Vermögensgegenstände innerhalb von zwei Jahren nach Erwerb auf eine gemeinnützige Stiftung übertragen werden, Halaczinsky, ErbStB 2014, S. 192, 196. 117  Dazu im Einzelnen Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.37. Zu mög­ lichen Konflikten dieser Befreiungen mit EU-Recht Dickopp, UR 2007, S. 553–565. 118  Dadurch fällt sog. „heimliche Umsatzsteuer an“, vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, vor §§ 4–9 Rn. 95. Auch die Pauschalierungsmöglichkeit in § 23a UStG ist für gemeinnützige Einrichtungen nicht immer vorteilhaft, vgl. Stadie, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 23a Rn. 2–4. 119  Zur Anwendung des Gemeinnützigkeitsrechts im UStG T. Nolte, DStR 2016, S. 19–23. 120  Hummel, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Rn. 62.

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§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

Schließlich gibt es noch andere steuerliche Vorteile, die aus dem Status der Gemeinnützigkeit folgen, zum Beispiel die Grundsteuerbefreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 b) GrStG für Grundstücke, die unmittelbar für gemeinnützige Zwecke genutzt werden, und die Ausnahmeregelung bei der Lotteriesteuer nach § 18 Nr. 2 a) RennwLottG.121 bb) Wirtschaftliche Bedeutung der Steuervergünstigungen Welche Bedeutung die eben dargestellten Steuervergünstigungen im Ertragsteuerrecht für eine gemeinnützige Körperschaft haben, hängt zunächst davon ab, wie sich gemeinnützige Einrichtungen finanzieren. Im Anschluss daran stellt sich die Frage, ob diese Geldquellen bereits nach allgemeinen Grundsätzen steuerfrei sind oder konstitutiv durch das Gemeinnützigkeitsrecht befreit werden. (1) Finanzierung gemeinnütziger Tätigkeit Anders als bei der Mittelverwendung ist es einer gemeinnützigen Körperschaft freigestellt, wie sie sich finanzieren will.122 Sie kann alle ihr zur Verfügung stehenden Finanzierungsmöglichkeiten ausschöpfen. Eine Studie aus dem Jahr 2015 zeigt, dass die meisten gemeinnützigen Einrichtungen in Deutschland mit wenig Geld auskommen. Zwei Drittel ­aller gemeinnützigen Körperschaften haben ein jährliches Einkommen von 20.000 Euro oder weniger.123 Etwas über die Hälfte aller gemeinnützigen Einrichtungen muss sich sogar mit einem Jahreseinkommen von 10.000 Euro oder weniger begnügen.124 Dem stehen wenige Körperschaften mit höherem Einkommen gegenüber, etwa 4 % aller gemeinnützigen Einrichtungen erreichen sogar ein Einkommen von über 1 Mio. Euro im Jahr.125 Dieses Einkommen setzt sich aus verschiedenen Bestandteilen zusammen, wobei im Durchschnitt aller gemeinnützigen Einrichtungen126 der größte 121  Dazu und zu in weiteren Einzelsteuergesetzen enthaltenen Befreiungen Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.40. 122  Orth, in: DStJG 26 (2003), S. 177, 179–181. 123  Priemer/Labigne/Krimmer, in: Körber-Stiftung, Finanzierung zivilgesellschaft­ licher Organisationen, S. 12. 124  Priemer/Labigne/Krimmer, in: Körber-Stiftung, Finanzierung zivilgesellschaft­ licher Organisationen, S. 12. 125  Priemer/Labigne/Krimmer, in: Körber-Stiftung, Finanzierung zivilgesellschaft­ licher Organisationen, S. 12. 126  Im Detail gibt es hier große Unterschiede, insbesondere zwischen Kapitalgesellschaften und sonstigen Körperschaften. Dazu Priemer/Labigne/Krimmer, in: Körber-Stiftung, Finanzierung zivilgesellschaftlicher Organisationen, S. 16.



III. Rechtsfolgen und wirtschaftliche Bedeutung der Gemeinnützigkeit 33

Anteil, etwa 40 %, auf Mitgliedsbeiträge entfällt.127 Eine weniger bedeutsame Rolle spielen Spenden und Gelder von Sponsoren, die in Höhe von 20 % zum Einkommen gemeinnütziger Körperschaften beitragen.128 Im Durchschnitt aller gemeinnützigen Körperschaften tragen Mittel aus öffentlichen Haushalten nur 10 % zum Einkommen bei.129 Wichtiger ist das selbst erwirtschaftete Einkommen,130 das durchschnittlich knapp 30 % des Einkommens einer gemeinnützigen Einrichtung ausmacht.131 (2) Einfluss der Gemeinnützigkeit auf Vereine und Stiftungen Ebenso wie bei nicht gemeinnützigen Körperschaften gilt auch bei gemeinnützigen Vereinen und Stiftungen sowie allen anderen Körperschaften im Sinn von § 1 Abs. 1 Nr. 4–5 KStG, dass grundsätzlich nur solches Einkommen steuerlich relevant ist, das mit Einkünfteerzielungsabsicht erwirtschaftet wurde.132 Entgegen einer teilweise in der Literatur vertretenen Ansicht133 handeln gemeinnützige Einrichtungen nicht generell ohne Einkünfteerzielungsabsicht. Selbstloses, nicht auf die Erwirtschaftung von Einkommen gerichtetes Verhalten ist zwar auch bei gemeinnützigen Einrichtungen wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht ertragsteuerlich grundsätzlich irrelevant. Aus der Selbstlosigkeit nach § 55 AO darf aber nicht der Schluss gezogen werden, dass gemeinnützige Einrichtungen generell keine Einkünfteerzielungsabsicht hätten. Vielmehr muss bei gemeinnützigen Körperschaften danach differen127  Priemer/Labigne/Krimmer, in: Körber-Stiftung, Finanzierung zivilgesellschaft­ licher Organisationen, S. 15. Ähnliche Zahlen (Stand 1982) nennt Lang, StuW 1987, S. 221, 224 Fn. 26 speziell für Sportvereine sowie für mittelgroße Vereine insgesamt. 128  Priemer/Labigne/Krimmer, in: Körber-Stiftung, Finanzierung zivilgesellschaft­ licher Organisationen, S. 15. 129  Priemer/Labigne/Krimmer, in: Körber-Stiftung, Finanzierung zivilgesellschaft­ licher Organisationen, S. 15; einen signifikant höheren Anteil öffentlicher Mittel (64 %) weist die John Hopkins Comparative Nonprofit Sector-Studie aus dem Jahr 1995 aus, zitiert nach H. Fischer, Ausstieg, S. 25–27; zu Mängeln dieser Studie Priemer/­Labigne/Krimmer, in: Körber-Stiftung, Finanzierung zivilgesellschaftlicher Organisa­tionen, S.  5. 130  Mit selbst erwirtschaftetem Einkommen in diesem Sinn sind Erträge aus der Vermögensverwaltung und aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben gemeint, vgl. Priemer/Labigne/Krimmer, in: Körber-Stiftung, Finanzierung zivilgesellschaftlicher Organisationen, S. 15. 131  Priemer/Labigne/Krimmer, in: Körber-Stiftung, Finanzierung zivilgesellschaft­ licher Organisationen, S. 15. 132  Schulte/Buttgereit, FR 2014, S. 509, 509–510. 133  Heintzen, FR 2008, S. 737, 740; ähnlich Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, vor §§ 51–68 AO Rn. 13; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Vorbem. §§ 51–68 AO Rn. 2.

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§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

ziert werden, in welcher der vier Einkommenssphären, über die gemeinnützige Einrichtungen verfügen, Einkünfte erzielt wurden.134 In der ideellen Sphäre handeln gemeinnützige Einrichtungen nicht in der Absicht, Einkünfte zu erzielen, sondern um ihren satzungsmäßigen Zweck zu verwirklichen. Daher haben sie insoweit keine Einkünfteerzielungsabsicht, sodass Einkünfte aus der ideellen Sphäre nach allgemeinen Grundsätzen nicht steuerpflichtig sind.135 Die aus der Gemeinnützigkeit folgenden Steuervergünstigungen haben insoweit nur eine deklaratorische Funktion.136 In den ideellen Bereich fallen neben Mitgliedsbeiträgen137 und Spenden138 auch Zuschüsse aus öffentlichen Haushalten.139 Wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht sind auch Einkünfte aus Zweckbetrieben gemäß § 65 AO steuerfrei, denn auch hier werden steuerbegünstigte Zwecke verwirklicht.140 Mit Einkünfteerzielungsabsicht handeln gemeinnützige Körperschaften dagegen, wenn sie im Rahmen ihrer Vermögensverwaltung Erträge erwirtschaften, mit deren Hilfe die Einrichtung selbstlos ihren ideellen Zweck verfolgen will.141 Insoweit wirken die in KStG und GewStG vorgesehenen Befreiungen also konstitutiv.142 Keine Auswirkungen haben die gemeinnützigen Einrichtungen gewährten Steuervergünstigungen in KStG und GewStG schließlich auf Einkünfte aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben. Für diese Einkünfte sieht das Gemeinnützigkeitsrecht keine Steuerbefreiungen vor,143 sodass sich die Frage nach konstitutiver oder deklaratorischer Wirkung hier nicht stellt. 134  Dazu Alvermann, in: Streck, KStG, § 5 Rn. 112–113; Kümpel, in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 5 Rn. 156; v. Twickel, in: Blümich, § 5 KStG Rn. 185. 135  Drüen, in: Frotscher/Drüen, § 5 KStG Rn. 193. 136  T. Krüger, in: B. Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 51 AO Rn. 7; Lang, StuW 1987, S. 221, 229; vgl. Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 33–34. 137  Drüen, in: Frotscher/Drüen, § 5 KStG Rn. 192; Märtens, in: Gosch, KStG, § 5 Rn. 232; v. Twickel, in: Blümich, § 5 KStG Rn. 185. 138  Alvermann, in: Streck, KStG, § 5 Rn. 112; Märtens, in: Gosch, KStG, § 5 Rn. 232; v. Twickel, in: Blümich, § 5 KStG Rn. 185. 139  Alvermann, in: Streck, KStG, § 5 Rn. 112; Märtens, in: Gosch, KStG, § 5 Rn. 232; v. Twickel, in: Blümich, § 5 KStG Rn. 185. 140  Kruschke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 KStG Rn. 176; Lang, StuW 1987, S. 221, 229; differenzierend Drüen, in: Frotscher/Drüen, § 5 KStG Rn. 193. 141  Lang, StuW 1987, S. 221, 229. Umgekehrt kann es gemeinnützigkeitsschädlich sein, wenn eine gemeinnützige Einrichtung in der Vermögensverwaltung über längere Zeit Verluste erzielt, dazu Schauhoff, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 7 Rn. 73. 142  Lang, StuW 1987, S. 221, 229. 143  Vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG, § 3 Nr. 6 Satz 2 GewStG, § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 2 UStG.



III. Rechtsfolgen und wirtschaftliche Bedeutung der Gemeinnützigkeit 35

Von den vier Einkommenssphären, über die gemeinnützige Vereine und Stiftungen verfügen, ist daher nur die Sphäre der Vermögensverwaltung konstitutiv durch das Gemeinnützigkeitsrecht befreit. Einkünfte aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen und öffentlichen Zuschüssen, die im Durchschnitt etwa 70 % der Einkünfte einer gemeinnützigen Einrichtung ausmachen, sind dagegen bereits nach allgemeinen Regeln nicht steuerpflichtig. (3) Einfluss der Gemeinnützigkeit auf Kapitalgesellschaften Anders als bei Körperschaften nach § 1 Abs. 1 Nr. 4–5 KStG kommt es bei gemeinnützigen Kapitalgesellschaften gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG nicht auf deren Einkünfteerzielungsabsicht an, sie erzielen immer gewerbliche Einkünfte.144 Teilweise wird dennoch vertreten, dass Spenden an Kapitalgesellschaften nicht steuerpflichtig seien, weil § 8 Abs. 2 KStG keine neue Einkunftsart schaffe, sondern nur Einkünfte im Sinn des § 2 EStG zu Einkünften aus Gewerbebetrieb umqualifiziere.145 Andere argumentieren, dass nach § 8 Abs. 2 KStG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG sämtliche Einkünfte unbeschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gälten, also auch solche, die bei natürlichen Personen keiner Einkunftsart im Sinn des § 2 EStG unterfallen würden.146 Da diese zweite Ansicht dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 KStG eher entspricht, ist sie überzeugender. Bei Kapitalgesellschaften wirkt das Gemeinnützigkeitsrecht daher grundsätzlich konstitutiv.147 Bei Mitgliedsbeiträgen besteht dagegen auch bei Kapitalgesellschaften Einigkeit, dass sie bei der empfangenden Körperschaft nicht zu steuerpflichtigem Einkommen führen. Während Mitgliedsbeiträge bei nicht § 8 Abs. 2 144  H. M., so z. B. BFH, Urteil vom 4.12.1996 – I R 54/95, BFHE 182, S. 123, 127–128; BFH, Urteil vom 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, S. 961, 963; Schallmoser, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8 KStG Rn. 71; kritisch Roser, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 74–79a. Zum Streitstand Berninghaus, in: Rödder/ Herlinghaus/Neumann, KStG, 2015, § 8 Rn. 113. A. A. speziell für gemeinnützige Kapitalgesellschaften Schulte/Buttgereit, FR 2014, S. 509. 145  Schwedhelm, in: Streck, KStG, § 8 Rn. 48; ähnlich Lang/Bott, in: Bott/Walter, KStG, § 8 Rn. 431. 146  Rengers, in: Blümich, § 8 KStG Rn. 60, 63. Hierfür wird argumentiert, eine Kapitalgesellschaft habe keine private Sphäre, sodass jedes Einkommen steuerpflichtig sei, BFH, Urteil vom 4.12.1996 – I R 54/95, BFHE 182, S. 123, 127; ausdrücklich anders für Vereine BFH, Urteil vom 15.1.2015 – I R 48/13, BStBl. II 2015, S. 713, 714. 147  Entsprechendes gilt gemäß § 2 Abs. 2 GewStG bei der Gewerbesteuer, Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 2 Rn. 469.

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§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

KStG unterfallenden Körperschaften in der Regel keiner Einkunftsart nach § 2 Abs. 1 EStG unterfallen und daher bereits nicht steuerbar sind,148 ordnet § 8 Abs. 5 KStG auch für alle übrigen Körperschaftsteuersubjekte an, dass Mitgliedsbeiträge149 bei der Ermittlung des Einkommens einer Körperschaft außer Ansatz bleiben. Ob diese Norm insoweit deklaratorisch ist, weil Mitgliedsbeiträge bereits nach § 4 Abs. 1 EStG als Einlagen nicht steuerpflichtig sind,150 oder ob die Norm konstitutive Wirkung hat, ist hier nicht entscheidend. Im Ergebnis sind Mitgliedsbeiträge fast nie steuerpflichtig, unabhängig von der Rechtsform der empfangenden Körperschaft.151 Ob eine Einrichtung gemeinnützig ist, hat darauf keinen Einfluss. Im Ergebnis zeigt sich dennoch, dass gemeinnützige Kapitalgesellschaften stärker von der Gemeinnützigkeit profitieren als gemeinnützige Körperschaften mit anderen Rechtsformen. Mit Ausnahme von Mitgliedsbeiträgen wirken die im Gemeinnützigkeitsrecht vorgesehenen Steuervergünstigungen hier konstitutiv. b) Indirekte Steuervergünstigungen Die wichtigste indirekte Steuervergünstigung, von der gemeinnützige Einrichtungen profitieren, ist der Spendenabzug nach § 10b EStG.152 Diese ­Regelung gewährt der gemeinnützigen Organisation selbst zwar keine Steuervergünstigung, aber ermöglicht es Spendern, ihre Zahlungen zu gemeinnützigen Zwecken als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen.153 Unter ähnlichen Voraussetzungen wie bei der Einkommensteuer werden Spenden gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG auch bei der Körperschaftsteuer und nach § 9 Nr. 5 GewStG bei der Gewerbesteuer154 steuermindernd berücksichtigt. 148  Kümpel, in: Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 8 Rn. 1789; Roser, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1500. 149  Zum Begriff Mitgliedsbeitrag in § 8 Abs. 5 KStG Alvermann, FR 2006, S. 262, 263–264; Bartmuß/Pauls, ZStV 2013, S. 8, 10; Schallmoser, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 8 KStG Rn. 515. 150  So FG Berlin, Urteil vom 15.7.1985 – VIII 553/83, EFG 1986, S. 308; kritisch Lang/Bott, in: Bott/Walter, KStG, § 8 Rn. 1330. 151  Roser, in: Gosch, KStG, § 8 Rn. 1500. Anderes dürfte wegen § 2 Abs. 2 GewStG bei der Gewerbesteuer gelten, im GewStG gibt es keine Sonderregel für Mitgliedsbeiträge. 152  Zu den Voraussetzungen des Spendenabzugs im Einzelnen Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rn. B1–B418. 153  Näher zum Spendenabzug siehe unten S. 115–118. 154  Um einkommensteuerpflichtige und körperschaftsteuerpflichtige Gewerbetreibende gleichzustellen, werden Spenden von Körperschaften zunächst nach § 8 Nr. 9



III. Rechtsfolgen und wirtschaftliche Bedeutung der Gemeinnützigkeit 37

Weitere indirekte Steuervergünstigungen, von denen gemeinnützige Einrichtungen mittelbar profitieren, sind die Steuerbefreiungen für Einnahmen aus bestimmten Tätigkeiten im Auftrag gemeinnütziger Körperschaften nach § 3 Nr. 26 EStG sowie die „Ehrenamtspauschale“155 nach § 3 Nr. 26a EStG. c) Vermögensbindungen Die zentralen vermögensmäßigen Bindungen, denen gemeinnützige Einrichtungen bei ihrer Tätigkeit unterliegen, ergeben sich aus § 55 Abs. 1 Nr. 1 AO. Diese Norm verbietet es nicht nur, Mitgliedern Zuwendungen zu gewähren, sondern steht auch nahezu allen anderen Vermögensverwendungen entgegen, die nicht dazu dienen, die satzungsmäßigen gemeinnützigen Zwecke der Körperschaft zu verfolgen.156 Außerdem dürfen nur angemessene Aufwendungen getätigt werden, eine gemeinnützige Einrichtung darf also nicht zu viel Geld für Gehälter, Werbung oder Verwaltung ausgeben.157 Neben einigen speziellen Mittelverwendungsregeln in § 55 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 bis Nr. 3 AO158 regelt § 55 Abs. 1 AO in Nr. 4 zudem, dass die Mittel einer Körperschaft auch nach deren Aufhebung der gemeinnützigen Zweckbindung unterliegen. Dadurch bleibt Vermögen, das steuerbegünstigt gebildet wurde, grundsätzlich immer an steuerbegünstigte Zwecke gebunden.159 In § 55 Abs. 1 Nr. 5 AO wird die Mittelbindung um einen zeitlichen Aspekt ergänzt, die gemeinnützige Körperschaft muss ihre Mittel nach dieser Regelung zeitnah verwenden.160 Die Norm verpflichtet gemeinnützige Einrichtungen, ihre Mittel innerhalb von höchstens drei Jahren auszugeben, um zu verhindern, dass ohne konkreten Anlass Vermögen angesammelt wird, ohne einem gemeinnützigen Zweck zugute zu kommen.161 Dementsprechend

GewStG zum Gewinn aus Gewerbeertrag hinzugerechnet, denn Spenden natürlicher Personen mindern im Gegensatz zu Spenden von Körperschaften nicht den Gewinn, § 10b EStG; vgl. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 8 Nr. 9 Rn. 1. 155  Levedag, in: Schmidt, EStG, § 3 Rn. 96. 156  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 55 AO Rn. 120. Zu den Ausnahmen in § 58 AO Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 5.72. 157  Schauhoff, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 9 Rn. 19. 158  Dazu Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 55 AO Rn. 176–223. 159  BFH, Beschluss vom 30.10.2001 – V B 142/01, BFH/NV 2002, S. 309, 310. 160  Zur rechtspolitischen Kritik daran Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 5.77–5.83. Durch das JStG 2020 vom 21.12.2020 werden Körperschaften mit jährlichen Einnahmen von unter 45.000 Euro von der Pflicht zur zeitnahen Mittelverwendung ausgenommen, BGBl. I 2020, S. 3096. 161  BFH, Urteil vom 20.3.2017 – X R 13/15, BStBl. II 2017, S. 1110, 1114; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 5.75–5.76.

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§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

kann eine gemeinnützige Einrichtung auch nur unter besonderen Voraussetzungen Rücklagen bilden.162

2. Sonstige rechtliche Vergünstigungen Auch außerhalb des Steuerrechts gelten für gemeinnützige Einrichtungen Besonderheiten. So sind sie zum Beispiel163 im Strafprozess als Empfänger von Geldbußen vorgesehen, § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 StPO und § 56b Abs. 2 Nr. 2 StGB.164 Hier gilt allerdings, dass das Tatbestandsmerkmal der Gemeinnützigkeit in § 153a Abs. 1 Nr. 2 StPO weiter ausgelegt wird als die Gemeinnützigkeit nach §§ 51 ff. AO, es ist daher nicht erforderlich, dass die betreffende Einrichtung im steuerrechtlichen Sinn als gemeinnützig anerkannt ist.165

3. Wirtschaftliche Vorteile Neben den bereits dargestellten steuerlichen Vergünstigungen, die auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen, kann der Gemeinnützigkeitsstatus weitere wirtschaftliche Vorteile haben. Gemeinnützige Körperschaften haben erleichterten Zugang zu Fördermitteln und können besser mit anderen gemeinnützigen Einrichtungen zusammenarbeiten.166 Außerdem gilt eine Körperschaft mit ihrer Anerkennung als gemeinnützig in der Gesellschaft als besonders vertrauenswürdig und unterstützenswert, was sich im Wettbewerb mit anderen Einrichtungen als vorteilhaft erweisen kann.167 Daneben kann auch die Mitgliedschaft in Dachverbänden des Sports auf gemeinnützige Vereine beschränkt sein.168 162  Vgl.

2198.

§ 62 AO, dazu Spitaler/Schröder, DStR 2014, S. 2144–2151 und 2194–

163  Weitere Beispiele bei Hüttemann, Rn. 1.47 und Martini, in: Winheller/Geibel/ Jachmann-Michel, Gemeinnützigkeitsrecht, § 51 AO Rn. 18. 164  Dazu Krumm, NJW 2008, S. 1420–1422 und Stückemann, in: Non Profit Law Yearbook 2009, S. 21–45. 165  Gercke, in: Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO, § 153a Rn. 21; Kulhanek, in: Kleinknecht/Müller/Reitberger, StPO, § 153a Rn. 23; Peters, in: MüKO StPO, § 153a Rn. 79. Zu den Anforderungen an die Gemeinnützigkeit nach § 153a StPO Diemer, in: KK- StPO, § 153a Rn. 16. A. A. Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.48, die steuerrechtliche Gemeinnützigkeit sei auch bei § 153a StPO entscheidend. Vergleichbare Fragen stellen sich z. B. bei § 3 Abs. 1 Bundesfreiwilligendienstgesetz, nach dem der Bundesfreiwilligendienst bei gemeinwohlorientierten Einrichtungen zu leisten ist. Steuerliche Gemeinnützigkeit ist nach dem Wortlaut nicht erforderlich. 166  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.49. 167  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.49. 168  R. Wallenhorst, in: R. Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Kör­perschaften, C Rn. 16.



III. Rechtsfolgen und wirtschaftliche Bedeutung der Gemeinnützigkeit 39

4. Bewertung Gemeinnützige Einrichtungen genießen im Vergleich zu nicht gemeinnützigen Körperschaften auf den ersten Blick zahlreiche Vorteile. Direkte und indirekte Steuervergünstigungen sowie andere Sonderregeln erlauben es gemeinnützigen Körperschaften, im Vergleich zu nicht gemeinnützigen Körperschaften unter Umständen viel Geld zu sparen.169 Allerdings profitieren nicht alle gemeinnützigen Einrichtungen gleichermaßen von diesen Vorteilen. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG und § 3 Nr. 6 GewStG begünstigen neben gemeinnützigen Kapitalgesellschaften hauptsächlich Einrichtungen, die als Ergebnis ihrer Vermögensverwaltung oder mit einem Zweckbetrieb erhebliche Erträge erwirtschaften.170 Die Steuervergünstigungen im UStG entlasten nur Einrichtungen, die steuerpflichtige Leistungen an Endverbraucher erbringen.171 Erbschaft- und Schenkungsteuervergünstigungen begünstigen wegen des Freibetrags von 20.000 Euro nach § 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 ErbStG nur Einrichtungen, die mit einzelnen Spenden von über 20.000 Euro rechnen können. Dabei handelt es sich nur um einen kleinen Teil aller gemeinnützigen Einrichtungen. Die aus statistischer Sicht typische gemeinnützige Einrichtung, also ein eingetragener Verein mit einem jährlichen Einkommen von unter 20.000 Euro, das hauptsächlich aus Mitgliedsbeiträgen herrührt, hat durch die Gemeinnützigkeit daher letztlich nur geringe steuerliche Vorteile.172 Dem stehen beachtliche Nachteile gegenüber, denn alle gemeinnützigen Einrichtungen unterliegen der strengen gemeinnützigkeitsrechtlichen Vermö169  Eine Beispielsrechnung (Stand 1994) findet sich bei O. Roth, Gemeinnützigkeit, S. 97–110. O. Roth kommt auf S. 109 zum Ergebnis, dass sich die Gemeinnützigkeit in erster Linie bei den ertragsunabhängigen Steuern auswirkt. 170  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.50. 171  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.50. 172  So im Hinblick auf Ertragsteuern auch Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Vorbem. §§ 51–68 AO Rn. 2, zur KSt auch T. Krüger, in: B. Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 51 AO Rn. 7. Das wird durch die häufig anzutreffende Prozesssituation illustriert, in der eine Körperschaft gegen einen KSt-Bescheid über 0 Euro klagt, weil sie die Anerkennung als gemeinnützig begehrt: für die klagende Körperschaft macht es in diesen ­Situationen aus finanzieller Sicht unmittelbar keinen Unterschied, ob sie als gemeinnützig anerkannt wird oder nicht. Vgl. dazu BFH, Urteil vom 13.7.1994 – I R 5/93, BStBl. II 1995, S. 134, 136; Niedersächsisches FG, Urteil vom 8.4.2010 – 6 K 139/09, juris. Auch im Urteil des BFH vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218 klagte die Freimaurerloge gegen einen Bescheid, in dem nach Abhilfe 0 Euro KSt festgesetzt wurden. Anders als der BFH hält das FG München, Urteil vom 27.10.1992 – 7 K 2835/89, juris, und FG München, Urteil vom 11.5.1994 – 7 K 2776/92, juris, Klagen einer Körperschaft in diesem Fall sogar wegen fehlender Beschwer nach § 40 Abs. 2 FGO für unzulässig.

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§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

gensbindung und den übrigen Beschränkungen in der tatsächlichen Geschäftsführung.173 Auch die Festlegung auf einen bestimmten gemeinnützigen Zweck beschränkt gemeinnützige Körperschaften174 und trägt insgesamt dazu bei, dass mit der Gemeinnützigkeit eine große Inflexibilität einhergeht.175 Darüber hinaus gilt der Gemeinnützigkeitsstatus als „Einbahnstraße“,176 es ist kompliziert und mit erheblichen steuerlichen Folgen verbunden, die Gemeinnützigkeit aufzugeben.177 Doch auch abgesehen von diesem Sonderfall ist das Gemeinnützigkeitsrecht komplex und schwer zu überblicken. Das kann die tatsächliche Geschäftsführung für eine gemeinnützige Einrichtung sehr aufwändig und fehleranfällig machen, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund, dass die ­ ­Finanzverwaltung zunehmend gründlicher prüft, ob die Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts eingehalten werden.178 Dabei können gemeinnützige Einrichtungen sich auch nur bedingt auf ihre steuerlichen Berater verlassen, ­denen im Gemeinnützigkeitsrecht mit Ausnahme spezialisierter Kanzleien oft selbst die Routine fehlt.179 Die Gemeinnützigkeit hat folglich keineswegs nur Vorteile, vielmehr muss jede Körperschaft abwägen, ob für ihren angestrebten Zweck Vor- oder Nachteile überwiegen.180 Dabei kommt es insbesondere darauf an, welcher Zweck verfolgt wird, wie die Einrichtung die dafür erforderlichen Mittel beschaffen will und welcher Rechtsform sie sich bedient. Daraus ergibt sich auch, dass es für typische gemeinnützige Einrichtungen keinen faktischen Zwang zur Gemeinnützigkeit gibt. Solche Einrichtungen können ihre gemeinwohlförderlichen Zwecke vielmehr auch außerhalb des Gemeinnützigkeitsrechts verwirklichen.

173  Vgl. Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, vor §§ 51–68 AO Rn. 9–11; R. Wallenhorst, in: R. Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, C Rn. 17. 174  R. Wallenhorst, in: R. Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, C Rn. 18. 175  Vgl. A. Becker, DStR 2010, S. 953, 955, der darauf hinweist, dass die größere Flexibilität einer steuerpflichtigen Einrichtung ein Motiv sein kann, die Gemeinnützigkeit aufzugeben. 176  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.51. 177  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Vorbem. §§ 51–68 AO Rn. 2; vgl. auch Schauhoff, in: DStJG 26 (2003), S. 133, 140. 178  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.51; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Vorbem. §§ 51–68 AO Rn. 2. 179  Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, vor §§ 51–68 AO Rn. 12; R. Wallenhorst, in: R. Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, C Rn. 17. 180  So auch Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, vor §§ 51–68 AO Rn. 13.



IV. Verlust der Gemeinnützigkeit41

Dessen ungeachtet sind in der Praxis etwa 90 % aller non-profit-Einrichtungen gemeinnützig im steuerrechtlichen Sinn.181 Dass es zur Gemeinnützigkeit aus Sicht vieler non-profit-Einrichtungen keine Alternative gibt,182 dürfte allerdings zu einem guten Teil nicht den tatsächlichen steuerlichen Folgen geschuldet sein, sondern eher der positiven Außenwirkung, die mit der Anerkennung als gemeinnützig verbunden wird.183 „Gemeinnützigkeit hat guten Klang“184 und wird dadurch zu einem Prädikat, das über das Steuerrecht hinaus die Fremd- und Eigenwahrnehmung einer Einrichtung und ihrer Tätigkeit prägt.185

IV. Verlust der Gemeinnützigkeit Wenn eine Einrichtung nicht mehr als gemeinnützig anerkannt wird, soll diese Entscheidung der Finanzbehörde nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht mit einem Verbot der Körperschaft vergleichbar sein.186 Einer bisher als gemeinnützig anerkannten Einrichtung könne die Gemeinnützigkeit wegen eines Verstoßes gegen die Wertordnung des Grundgesetzes nur entzogen werden, wenn eine nach Art. 9 Abs. 2 GG zuständige Stelle festgestellt habe, dass die Einrichtung verfassungswidrig sei.187 In diesem Fall wäre die Entscheidung des Bundesfinanzhofs, die Freimaurerloge nicht als gemeinnützig anzuerkennen, bereits aus diesem Grund erheblichen Zweifeln ausgesetzt. Ob diese Ansicht überzeugend ist, wird im Folgenden untersucht. Zunächst wird dazu untersucht, wie eine Einrichtung gegen die Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts verstoßen kann und welche Folgen solche Verstöße haben.

1. Verstöße gegen das Gemeinnützigkeitsrecht und deren Rechtsfolgen Wie oben dargestellt lassen sich die Voraussetzungen des Gemeinnützigkeitsrechts in Anforderungen an die Satzung (formelle Aspekte) und Anfor181  Hüttemann,

Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.49. Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.50. 183  Vgl. Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.49. 184  Isensee, in: FS Dürig, S. 33; ähnlich Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.4. 185  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn.  1.49; ähnlich R. Wallenhorst, in: R. Wal­lenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, C Rn. 16. 186  So Leisner-Egensperger, in: FS Isensee, S. 895, 901. Zu Vereinsverboten BVerwG, Urteil vom 18.10.1988 – 1 A 89/83, NJW 1989, S. 993–996; Baudewin, NVwZ 2013, S. 1049–1054; Planker, NVwZ 1998, S. 113–118. 187  Leisner-Egensperger, in: FS Isensee, S. 895, 901; offengelassen in FG Düsseldorf, Urteil vom 9.2.2010 – 6 K 1908/07 K, EFG 2010, S. 1287, 1288. 182  Hüttemann,

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§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

derungen an die tatsächliche Geschäftsführung (materielle Aspekte) untergliedern. Diese Unterscheidung ist auch relevant, wenn es um die Rechtsfolgen von Verstößen gegen das Gemeinnützigkeitsrecht geht. a) Formelle Verstöße Die Satzung einer gemeinnützigen Einrichtung muss den Voraussetzungen der §§ 59–61 AO genügen, die Vorgaben der §§ 52–57 AO müssen sich in der Satzung spiegeln.188 Falls eine Satzung in dieser Hinsicht Mängel aufweist, ist die betroffene Körperschaft in den Veranlagungszeiträumen nicht steuerbegünstigt, in denen der Mangel besteht.189 Wenn die Satzung bereits bei Gründung der Körperschaft unzureichend ist, ist das gemeinnützige Vorhaben damit insgesamt gescheitert, es sei denn die Einrichtung kann sich auf Vertrauensschutz nach § 60a AO berufen, weil die Finanzbehörden fehlerhaft die formelle Satzungsmäßigkeit bejaht haben.190 Im Fall der Freimaurerloge, deren Gemeinnützigkeit der Bundesfinanzhof im Urteil vom 17.5.2017 geprüft und abgelehnt hat,191 ergab sich bereits aus der Satzung, dass nur Männer Mitglieder werden dürfen, worin der Bundesfinanzhof einen Verstoß gegen § 52 Abs. 1 Satz 1 AO gesehen hat. Damit lag in den Augen des Bundesfinanzhofs ein formeller Verstoß gegen das Gemeinnützigkeitsrecht vor. Infolgedessen konnte die Loge für den Zeitraum nicht als gemeinnützig anerkannt werden, in dem die entsprechende Bestimmung in ihrer Satzung enthalten war. In § 61 Abs. 3 AO hält das Gemeinnützigkeitsrecht eine besonders strenge Sanktion für solche Einrichtungen bereit, die in ihrer Satzung gegen die Vorschriften zur Vermögensbindung verstoßen. Wenn die Satzungsbestimmungen zur Vermögensbindung geändert werden und dadurch den Vorgaben des § 55 Abs. 1 Nr. 4 AO nicht mehr entsprechen, entfällt rückwirkend die Gemeinnützigkeit, die Einrichtung wird also behandelt, als sei sie nie gemeinnützig gewesen. Dieser Schritt wird auch Einrichtungen empfohlen, die ihre Gemeinnützigkeit trotz der damit verbundenen Folgen freiwillig aufgeben möchten.192 Mit diesen Folgen geht auch eine rückwirkende Besteue188  Musil,

in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 59 AO Rn. 4. DStR 2010, S. 953, 954. 190  BMF-Schreiben vom 17.12.2004 – IV C 4 – S 0171 – 119/02, BStBl. I 2004, S. 1059; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 59 AO Rn. 2. 191  BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218. 192  A. Becker, DStR 2010, S. 953; kritisch Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, vor §§ 51–68 AO Rn. 65. Die ursprünglich im JStG 2020 vorgesehene Ausstiegsbesteuerung für gemeinnützige Einrichtungen wurde nicht Gesetz, obwohl die Bundesregie189  A. Becker,



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rung für die letzten zehn Jahre einher,193 die nicht durch die Verjährungsvorschriften begrenzt wird.194 Da diese Rechtsfolge aber auf Verstöße gegen die Vermögensbindung beschränkt ist, betrifft sie keine Verletzungen des § 52 AO. b) Materielle Verstöße § 63 AO stellt zwar Anforderungen an die tatsächliche Geschäftsführung einer gemeinnützigen Einrichtung, regelt aber nicht generell, welche Rechtsfolgen eintreten, wenn die Organe einer gemeinnützigen Körperschaft diesen Anforderungen nicht gerecht werden.195 Nur für den Fall, dass gegen die Vermögensbindung verstoßen wird, ordnet § 63 Abs. 2 AO in Verbindung mit § 61 Abs. 3 AO an, dass die Körperschaft so zu behandeln ist, als sei sie nie gemeinnützig gewesen. Es kommt dann nach § 61 Abs. 3 Satz 2 AO zu einer zehn Jahre zurückwirkenden Besteuerung.196 Abgesehen von diesen Verstößen gegen die Vermögensbindung ist weitgehend unbestritten, dass nicht jeder noch so kleine Verstoß gegen § 63 AO es rechtfertigt, eine Einrichtung nicht als gemeinnützig anzuerkennen197 und ihr damit im betroffenen Veranlagungszeitraum die aus der Gemeinnützigkeit folgenden Steuervergünstigungen zu versagen. Es sei ungerechtfertigt, gemeinnützigen Körperschaften als zusätzliche Sonderstrafe bei einem Rechtsverstoß die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, denn die Steuervergünstigungen für gemeinnützige Körperschaften seien keine Gegenleistungen für „beson-

rung dem dahingehenden Vorschlag des Bundesrats in ihrer Gegenäußerung vom 21.10.2020, BT-Drucks. 19/23551, S. 92 zugestimmt hatte. 193  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 61 AO Rn. 10; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 61 AO Rn. 5; R. Wallenhorst, DStR 2011, S. 698, 699–700. Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 3 B Rn. 204d sieht darin eine Verletzung des Übermaßverbots. 194  R. Wallenhorst, DStR 2011, S. 698, 699. § 61 Abs. 3 Satz 1 AO in Verbindung mit § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO ermöglicht es der Finanzverwaltung in diesen Fällen, für alle Steuern, die innerhalb der letzten zehn Jahre entstanden sind, Steuerbescheide zu erlassen oder zu ändern, die gemeinnützige Einrichtung kann sich also nicht auf Festsetzungsverjährung berufen, vgl. A. Becker, DStR 2010, S. 953, 958. 195  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 63 AO Rn. 12; a. A. Unger, in: Gosch, AO/ FGO, § 63 AO Rn. 55, nach dem § 63 Abs. 1 AO anordne, dass grundsätzlich jeder Verstoß zum Verlust der Gemeinnützigkeit führe. 196  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 63 AO Rn. 7. 197  Becker, DStR 2010, S.  953, 954; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 4.163; Unger, in: Gosch, AO/FGO, § 63 AO Rn. 56. Kritisch wegen eines darin möglicherweise liegenden Konflikts mit dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung Jäschke, DStR 2009, S. 1669, 1672.

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dere Rechtstreue“.198 Woraus sich dieses Ergebnis ableiten lässt, wird allerdings unterschiedlich beurteilt.199 Teilweise wird vertreten, das Verhältnismäßigkeitsprinzip gebiete es, einer Einrichtung die Gemeinnützigkeit nicht wegen kleiner und nicht ins Gewicht fallender Verletzungen von § 63 Abs. 1 AO zu versagen.200 Dazu wird auch § 63 Abs. 4 AO als Argument herangezogen, denn dieser Norm lasse sich entnehmen, dass geringfügige Verletzungen nicht zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen sollten.201 Andere sind der Auffassung, dass bereits der Tatbestand des § 63 Abs. 1 AO eine Abwägung voraussetze, ob ein Fehler in der tatsächlichen Geschäftsführung der betreffenden Körperschaft im Vergleich zur übrigen Geschäftsführung derart bedeutend ist, dass die Körperschaft insgesamt keine gemeinnützigen Zwecke verfolgt.202 Verstöße gegen einfaches Recht sollen nur dann die Aberkennung der Gemeinnützigkeit rechtfertigen, wenn sich die Verstöße auf die Verwirklichung des gemeinnützigen Zwecks selbst beziehen, wenn also der satzungsmäßige Zweck einer Einrichtung mit illegalen Mitteln bewirkt wird.203 Im Ergebnis bestehen keine großen Unterschiede zwischen beiden Auffassungen,204 nicht ins Gewicht fallende Verstöße sollen jedenfalls nicht dazu führen, dass eine Einrichtung nicht mehr als gemeinnützig anerkannt wird. Alle übrigen, nicht geringfügigen Verletzungen des § 63 Abs. 1 AO sind einfache Verstöße gegen das Gemeinnützigkeitsrecht mit der entsprechenden Rechtsfolge, also der Aberkennung der Gemeinnützigkeit für den betroffenen Veranlagungszeitraum.205 Wenn eine Einrichtung zwar ihrer Satzung nach einen weiten Personenkreis fördert, tatsächlich aber den Kreis der Geförderten eng beschränkt, kann die tatsächliche Geschäftsführung § 63 Abs. 1 AO in Verbindung mit 198  T. Krüger, in: B. Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 52 AO Rn. 7; ähnlich Hüttemann Rn. 3.73; zustimmend Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 16. 199  Unger, in: Gosch, AO/FGO, § 63 AO Rn. 56. 200  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 63 AO Rn. 12; offengelassen in BFH, Urteil vom 14.3.2018 – V R 36/16, BStBl. II 2018, S. 422, 426. 201  Alvermann, in: Streck, KStG, § 5 Rn. 114; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 63 AO Rn. 12. 202  Schauhoff, in: DStJG 26 (2003), S. 133, 144–145. 203  T. Krüger, in: B. Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 52 AO Rn. 7; vgl. auch Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.74; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 15–16. 204  Unger, in: Gosch, AO/FGO, § 63 AO Rn. 56. 205  A. Becker, DStR 2010, S. 953, 955.



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§ 52 Abs. 1 AO verletzen.206 Dann stellt sich die Frage, welche Rechtsfolgen eine Einrichtung als Konsequenz dieses Verstoßes treffen. Ein solcher Verstoß betrifft eindeutig nicht die Vermögensbindung der Körperschaft, ist also kein qualifizierter Verstoß. Nicht beantwortet ist damit aber, ob es sich um einen einfachen oder um einen geringfügigen Verstoß gegen das Gemeinnützigkeitsrecht handelt. Die Rechtsprechung geht davon aus, dass ein Verstoß gegen § 52 Abs. 1 AO in der tatsächlichen Geschäftsführung dazu führt, dass die betreffende Einrichtung im jeweiligen Veranlagungszeitraum nicht gemeinnützig ist.207 Der Bundesfinanzhof problematisiert in dieser Entscheidung nicht, ob es sich um einen geringfügigen Verstoß handeln könnte, sondern schließt von dem Verstoß gegen § 63 Abs. 1 AO in Verbindung mit § 52 Abs. 1 AO unmittelbar darauf, dass die betroffene Einrichtung im relevanten Veranlagungszeitraum nicht gemeinnützig war. Für dieses Ergebnis spricht, dass jeder Verstoß gegen § 52 Abs. 1 AO eine Kernvorschrift des Gemeinnützigkeitsrechts208 verletzt. Wenn selbst ein Verstoß gegen § 52 Abs. 1 AO nur als geringfügig eingestuft wird, ist schwer vorstellbar, wann überhaupt ein nicht geringfügiger Verstoß vorliegen soll. Ein Verstoß gegen § 52 Abs. 1 AO in der tatsächlichen Geschäftsführung ist daher nicht geringfügig, sondern lässt die Gemeinnützigkeit im betroffenen Veranlagungszeitraum entfallen.209

2. Steuerliche Konsequenzen In der Regel wird erst bei der Veranlagung festgestellt, dass Satzung oder tatsächliche Geschäftsführung nicht den Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts entsprechen. Die sich anschließende umfangreiche und unter Umständen lange zurückreichende Nachversteuerung210 ist neben den oben darge206  Bott, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 10 Rn. 67 geht z. B. bei hohen Mitgliedsbeiträgen oder Beitrittsgebühren von einer Verletzung des § 52 AO durch die tatsächliche Geschäftsführung aus. Die Höhe der Mitgliedsbeiträge muss gemäß § 58 Nr. 2 BGB nicht in der (Vereins-)Satzung geregelt werden, BGH, Urteil vom 19.7.2010 – II ZR 23/09, NJW 2010, S. 3521; Leuschner, in: MüKo BGB, § 58 Rn. 4. Zu überhöhten Mitgliedsbeiträgen einer gemeinnützigen Einrichtung auch BFH, Urteil vom 13.11.1996 – I R 152/93, BStBl. II 1998, S. 711; R. Wallenhorst, DStR 1997, S. 479–482. 207  BFH, Urteil vom 13.7.1994 – I R 5/93, BStBl. II 1995, S. 134, 136; vgl. auch BFH, Urteil vom 29.8.1984 – I R 215/81, BStBl. II 1985, S. 106. 208  Dazu Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 7. 209  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 63 AO Rn. 6. 210  Überblick bei Bott, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 10 Rn. 90–92; zu Festsetzungsverjährung und Zinsen A. Becker, DStR 2010, S. 953, 958.

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stellten Nachteilen, die aus der Gemeinnützigkeit resultieren, ein weiterer Fallstrick für gemeinnützige Einrichtungen.211 Auch hier gilt, dass Einrichtungen umso stärker betroffen sind, je mehr Umsätze sie tätigen und je größer ihr Einkommen ist. Nicht näher eingegangen wird hier auf die zehnjährige Nachversteuerung nach § 61 Abs. 3 AO in Verbindung mit § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO, weil diese Normen bei einem Verstoß gegen § 52 Abs. 1 AO nicht anwendbar sind.212 a) Ertragsteuern Bei Kapitalgesellschaften im Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG sind § 8 Abs. 2 KStG und § 2 Abs. 2 GewStG anwendbar, damit gelten alle Einkünfte als solche aus Gewerbebetrieb. Es wird nicht zwischen Einkünften aus dem ideellen Bereich und übrigen Einkünften differenziert, sodass – mit Ausnahme von Mitgliedsbeiträgen, § 8 Abs. 5 KStG – alle Einkünfte nachträglich besteuert werden.213 Bei der Ermittlung der Einkünfte können alle Ausgaben inklusive der Ausgaben abgezogen werden, die der Erfüllung des Satzungszwecks dienten, denn § 10 Nr. 1 KStG gilt nicht, wenn die Erfüllung dieser Zwecke als Gewerbebetrieb gilt.214 Nicht § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG unterfallende Körperschaften werden nachträglich in den Veranlagungszeiträumen, für die sie nicht als gemeinnützig anerkannt sind, mit allen § 2 EStG unterfallenden Einkünften steuerpflichtig.215 Da Einkünfte aus dem ideellen Bereich wie insbesondere Mitgliedsbeiträge und Spenden keiner Einkunftsart unterfallen, bleiben sie weiterhin steuerfrei.216 Regelmäßig werden diese Körperschaften durch die nachträg­ liche Ertragsbesteuerung nicht stark beeinträchtigt,217 weil Erträge aus der Vermögensverwaltung mit Aufwendungen aus demselben Bereich saldiert 211  Vgl. Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, vor §§ 51–68 AO Rn. 11. Auch eine persönliche Haftung der Organe einer gemeinnützigen Körperschaft ist möglich, Schauhoff, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 3 Rn. 118; näher Möllmann, DStR 2009, S. 2125–2132; Schießl/Küpperfahrenberg, DStR 2006, S. 445–450. 212  Dazu siehe oben S. 42–43. 213  Ähnlich Kümpel, DStR 2001, S. 152, 157. 214  BFH, Urteil vom 15.7.1987 – I R 280/81, BStBl. II 1988, S. 75, 76; zustimmend Dürrschmidt, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10 KStG Rn. 23; Eversberg, in: Non Profit Law Yearbook 2003, S. 59, 78. 215  BFH, Urteil vom 15.7.1987 – I R 280/81, BStBl. II 1988, S. 75, 76; Eversberg, in: Non Profit Law Yearbook 2003, S. 59, 78; Märtens, in: Gosch, KStG, § 5 Rn. 255; Schauhoff, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 9 Rn. 35. 216  FG Hamburg, Beschluss vom 13.4.2007 – 5 V 152/06, EFG 2007, S. 1543, 1546; Märtens, in: Gosch, KStG, § 5 Rn. 255; siehe oben S. 34. 217  R. Wallenhorst, DStR 2011, S. 698, 699.



IV. Verlust der Gemeinnützigkeit47

werden können.218 Anders als bei Kapitalgesellschaften können Aufwendungen, die eine nicht mehr als gemeinnützig anerkannte Körperschaft zur Erfüllung ihrer Satzungszwecke im ideellen Bereich getätigt hat, nach § 10 Nr. 1 KStG nicht abgezogen werden.219 b) Umsatzsteuer Zu erheblichen Nachforderungen kann es dagegen unabhängig von der Rechtsform der betroffenen Körperschaft bei der Umsatzsteuer kommen.220 Auf die Befreiungen von der Umsatzsteuer (z. B. nach § 4 Nr. 18 UStG) hat es in der Regel zwar keinen Einfluss, wenn die leistende Einrichtung ihre Gemeinnützigkeit für einen bestimmten Zeitraum verliert, weil diese Befreiungen an die Art der Leistung anknüpfen, nicht an den Status des Leistenden.221 Eine ehemals gemeinnützige Einrichtung kann aber zu erheblichen Nachzahlungen verpflichtet sein, wenn sie nachträglich nicht mehr den nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 UStG ermäßigten Steuersatz für Leistungen gemeinnütziger Körperschaften ansetzen kann,222 sondern den vollen Steuersatz entrichten muss.223 c) Erbschaft- und Schenkungsteuer Daneben betrifft die Aberkennung der Gemeinnützigkeit für einen oder mehrere Veranlagungszeiträume auch Zuwendungen, die wegen § 13 Abs. 1 Nr. 16 b) oder Nr. 16 c) ErbStG steuerbegünstigt an eine Körperschaft geflossen sind und dann nachversteuert werden müssen, § 13 Abs. 1 Nr. 16 b) Satz 2, Nr. 16c) Satz 5 ErbStG.224 Die erbschaftsteuerliche Begünstigung entfällt nach diesen Normen, wenn die Empfängerin innerhalb von zehn Jahren nach der begünstigten Zuwendung ihre Gemeinnützigkeit einbüßt.225 218  Schauhoff,

in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 9 Rn. 35. DStR 2010, S. 953, 958; Eversberg, in: Non Profit Law Yearbook 2003, S. 59, 78; Kindler, FR 2011, S. 411, 414. 220  Schauhoff, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 9 Rn. 35; vgl. auch Kindler, FR 2011, S. 411, 415. 221  A. Becker, DStR 2010, S. 953, 956. 222  Vgl. Bott, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 10 Rn. 101. 223  R. Wallenhorst, DStR 2011, S. 698, 699. In diesen Fällen schuldet die nicht mehr als gemeinnützig anerkannte Körperschaft als leistende Unternehmerin ihrerseits die höhere Steuer, vgl. UStAE 14c.1 Abs. 9 mit Beispiel zur Berechnung der höheren Steuer; Fleckenstein-Weiland, in: Reiß/Kraeusel/Langer, UStG, § 14c Rn. 52; Schmölz, in: BeckOK UStG, § 12 Abs. 1 Rn. 23. 224  Halaczinsky, ErbStB 2014, S. 192, 195; Hannes/Holtz, in: Meincke/Hannes/ Holtz, ErbStG, § 13 Rn. 74. 225  Halaczinsky, ErbStB 2014, S. 192, 195. Auf die Begünstigung bestimmter Zuwendungen an gemeinnützige Einrichtungen nach § 29 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG hat die 219  A. Becker,

48

§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

d) Spendenhaftung Für ehemals als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen kann es zwar erhebliche wirtschaftliche Folgen haben, dass Spenden zu ihren Gunsten mit Aberkennung der Gemeinnützigkeit nicht mehr als Sonderausgaben abziehbar sind. Die Aberkennung führt in der Regel aber nicht zu einer Haftung der Körperschaft nach § 10b Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 1 EStG226 für die Steuer, die dem Staat durch den Abzug der Spende als Sonderausgabe bei den Spendern entgangen ist,227 weil die Spendenbescheinigung selbst keine Aussage zur Gemeinnützigkeit der Empfängerin macht.228 Das gleiche gilt für die Veranlasserhaftung nach § 10b Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 EStG,229 weil allein entscheidend ist, ob das gespendete Geld tatsächlich für den Zweck ausgegeben wurde, der sich in der Bestätigung findet.230

3. Bewertung Wie oben dargestellt, können Verstöße gegen das Gemeinnützigkeitsrecht bei der tatsächlichen Geschäftsführung wie auch Fehler in der Satzung dazu führen, dass eine Einrichtung nicht als gemeinnützig anerkannt wird. Diese Folge tritt auch dann ein, wenn eine Einrichtung den Kreis der Geförderten entgegen § 52 Abs. 1 AO beschränkt, wobei es nicht darauf ankommt, ob sich diese Beschränkung bereits aus der Satzung ergibt oder erst aus der tatsächlichen Geschäftsführung folgt. Ein typischer bisher als gemeinnützig anerkannter Verein, der sich überwiegend mit Spenden und Mitgliedsbeiträgen finanziert und ein jährliches Einkommen von 20.000 Euro oder weniger hat, hat keine gravierenden steuerlichen Folgen zu befürchten, wenn er im Rahmen der Veranlagung nicht mehr als gemeinnützig anerkannt wird. Die meisten dieser Einrichtungen erbringen ohnehin keine umsatzsteuerpflichtigen Leistungen oder unterfallen der Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG, aber auch bei den Ertragsteuern werden in der Regel keine hohen Nachzahlungen fällig, weil der überwiegende Teil des Einkommens ertragsteuerlich irrelevant ist. Auch auf die Freimaurerloge, deren Gemeinnützigkeit der Bundesfinanzhof abgezeitweise Aberkennung der Gemeinnützigkeit dagegen keine Auswirkungen, Jülicher, in: Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, § 29 Rn. 110. 226  Bzw. § 9 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 KStG oder § 9 Nr. 5 Satz 14 Halbs. 1 GewStG. 227  A. Becker, DStR 2010, S. 953, 957. 228  A. Becker, DStR 2010, S. 953, 957. 229  Bzw. § 9 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 2 KStG oder § 9 Nr. 5 Satz 14 Halbs. 2 GewStG. 230  BFH, Urteil vom 10.9.2003 – XI R 58/01, BStBl. II 2004, S. 352, 353; A. ­Becker, DStR 2010, S. 953, 957; Sterzinger, EStB 2019, S. 337, 339.



V. Grundrechtlicher Schutz der Gemeinnützigkeit49

lehnt hat, trifft dieser Befund zu.231 Mittelbar und auf längere Sicht leiden allerdings auch diese kleinen Körperschaften darunter, nicht mehr gemeinnützig zu sein. Ab dem Moment, in dem sie nicht mehr als gemeinnützig anerkannt sind, können Spenden und Mitgliedsbeiträge an die Einrichtung steuerlich nicht mehr geltend gemacht werden. Dadurch sinkt unter Umständen die Bereitschaft der Mitglieder, ihren Verein finanziell zu unterstützen, was die Finanzierung der Körperschaft und damit auch ihre Überlebensfähigkeit bedrohen kann. Diese langfristig auftretenden Nachteile rechtfertigen es aber nicht, es mit einem Vereinsverbot zu vergleichen, wenn die Finanzverwaltung einer Einrichtung die Gemeinnützigkeit versagt. Eine Einrichtung nicht als gemeinnützig anzuerkennen, beeinträchtigt die Körperschaft weit weniger als ein Verbot. Daraus folgt, dass eine ehemals als gemeinnützig anerkannte Einrichtung nicht nur dann wie eine wirtschaftliche Einrichtung nach allgemeinen Regeln besteuert werden kann, wenn die Voraussetzungen des Art. 9 Abs. 2 GG vorliegen.232 Es genügt vielmehr, wenn ein ausreichend gravierender Verstoß gegen das Gemeinnützigkeitsrecht vorliegt. Dramatischer stellt sich die Situation bei gemeinnützigen Kapitalgesellschaften mit hohen Einkünften aus Zweckbetrieben und der Vermögensverwaltung dar, denn hier kann bereits die Versagung der Gemeinnützigkeit im Veranlagungsverfahren zu existenzbedrohenden Steuerforderungen führen. Besonders gravierend wirkt sich hier die Umsatzsteuer aus, aber wegen § 8 Abs. 2 KStG sind auch hohe Ertragsteuerforderungen denkbar. Dennoch ist es auch in diesen Fällen nicht gerechtfertigt, Art. 9 Abs. 2 GG anzuwenden.233 Denn anders als Art. 21 Abs. 4 GG ordnet Art. 9 Abs. 2 GG kein Entscheidungsmonopol an,234 verhindert es also nicht, dass verschiedene staatliche Stellen Regelungen treffen, die Vereinigungen beeinträchtigen.

V. Grundrechtlicher Schutz der Gemeinnützigkeit Trotz der in der Einleitung bereits kurz dargestellten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Bindung gemeinnütziger Einrichtungen an die Grundrechte erkennt der Bundesfinanzhof an, dass sich gemeinnützige Körperschaften im Grundsatz auch ihrerseits auf Grundrechte berufen können.235 231  Vgl. oben S. 39 Fn. 172. Gegenüber der klagenden Freimaurerloge wurden nach Abhilfe 0 Euro KSt festgesetzt. 232  So im Ergebnis auch Droege, Gemeinnützigkeit, S. 388–389. 233  Droege, Gemeinnützigkeit, S. 388. 234  Droege, Gemeinnützigkeit, S. 388. 235  BFH, Beschluss vom 16.10.1991 – I B 16/91, BFH/NV 1992, S. 505, 506.

50

§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

Grundrechte umfassten allerdings kein Recht auf Steuervergünstigungen und die Grundrechte gemeinnütziger Einrichtungen würden durch die Grundrechte Dritter beschränkt, die bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO ebenfalls berücksichtigt werden müssten.236 Daher käme es auf die Grundrechte der betroffenen Einrichtung nicht entscheidend an,237 auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterfielen Steuervergünstigungen nicht dem grundrechtlich geschützten Schutzbereich.238 In einer späteren Entscheidung hat das Gericht ergänzend ausgeführt, die Mitglieder eines Vereins könnten die Tätigkeit ihres Vereins zwar gemäß der durch Art. 9 Abs. 1 GG geschützten Satzungsautonomie frei gestalten, hätten aber keinen Anspruch darauf, dass ihre Tätigkeit durch die Allgemeinheit finan­ ziell unterstützt wird.239 Weder der Bundesfinanzhof noch das Verfassungsgericht begründen näher, warum der Status als gemeinnützige Einrichtung nicht grundrechtlich geschützt ist. Am Beispiel der im Gemeinnützigkeitsrecht besonders relevanten Vereinigungsfreiheit240 soll im Folgenden kurz untersucht werden, ob die Ansicht der Rechtsprechung überzeugend ist, dass die Anerkennung als gemeinnützig nicht dem grundrechtlichen Schutzbereich unterfällt. Nach ihrem Wortlaut gewährleistet die Vereinigungsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 1 GG allen Deutschen das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechend umfasst der Schutzbereich dieses Grundrechts „sowohl für die Mitglieder als auch für die Vereinigung die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren ihrer Willensbildung und die Führung ihrer Geschäfte sowie das Recht auf Entstehen und Bestehen.“241 Neben anderen Aspekten unterfällt dem Schutzbereich insbesondere auch das Recht einer Vereinigung, tatsäch236  BFH,

Beschluss vom 16.10.1991 – I B 16/91, BFH/NV 1992, S. 505, 506. Beschluss vom 16.10.1991 – I B 16/91, BFH/NV 1992, S. 505, 506. 238  BVerfG, Beschluss vom 4.10.1965 – 1 BvR 498/62, BVerfGE 19, S. 129, 135 zur religiösen Selbstbestimmungsfreiheit nach Art 140 GG i. V. m. Art 137 Abs. 3 WRV; zustimmend BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218, 221; zur Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1, 2 GG auch BFH, Urteil vom 31.5.2005 – I R 105/04, BFH/NV 2005, S. 1741, 1743. 239  BFH, Beschluss vom 7.2.2018 – V B 119/17, BFH/NV 2018, S. 544, 545 unter Bezug auf Heuermann, DStR 2017, S. 1749, 1754; FG Düsseldorf, Urteil vom 20.8.2019 – 6 K 481/19 AO, EFG 2019, S. 1717, 1718. 240  Daneben wurde in der bisherigen Rechtsprechung des BFH auch die aus Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 WRV folgende religiöse bzw. weltanschauliche Vereinigungsfreiheit relevant, aus der aber ebenfalls kein Recht auf Steuervergünstigungen folgen soll, vgl. BFH, Beschluss vom 7.8.2019 – V B 7/18, BFH/NV 2019, S. 1331. Zur religiösen Vereinigungsfreiheit BVerfG, Beschluss vom 5.2.1991 – 2 BvR 263/86, BVerfGE 83, S. 341, 354–356. 241  BVerfG, Beschluss vom 24.9.2014 – 1 BvR 3017/11, NJW 2015, S. 612. 237  BFH,



V. Grundrechtlicher Schutz der Gemeinnützigkeit51

lich ihrem selbstgewählten Ziel nachgehen zu können,242 also funktionsfähig zu sein.243 Wenn es einer Einrichtung nur dann möglich wäre, ihre Ziele zu verfolgen, wenn sie als gemeinnützig anerkannt ist, müsste daher auch die Gemeinnützigkeit dem Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit unterfallen. Oben wurde bereits nachgewiesen, dass dem nicht so ist: die Gemeinnützigkeit hat Vorund Nachteile, die jede Einrichtung für sich gegeneinander abwägen muss. Es besteht grundsätzlich aber kein faktischer Zwang zur Gemeinnützigkeit, auch nicht aus finanziellen Gründen.244 Damit unterfällt die Anerkennung als gemeinnützig in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung nicht dem Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit.245 Als ergänzendes Argument lässt sich anführen, dass Stiftungen vom Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit nicht umfasst sind, denn die Vereinigungsfreiheit setzt bereits nach ihrem Wortlaut voraus, dass sich mehrere Personen zu einer Vereinigung zusammenschließen.246 Diese Voraussetzung erfüllen Stiftungen unabhängig von ihrem steuerlichen Status nicht, da sie nur Vermögen mit Rechtspersönlichkeit sind, aber keine Mitglieder haben.247 Das spricht dafür, dass die Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG und die Gemeinnützigkeit unabhängig voneinander sind. Auch die gewissermaßen spiegelverkehrte Situation bei Personengesellschaften deutet auf dieses Ergebnis hin. Solche Gesellschaften sind zwar vom Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG umfasst,248 können aber nicht gemeinnützig sein.249 242  BVerfG, Beschluss vom 24.2.1971 – 1 BvR 438/68 u. a., BVerfGE 30, S. 227, 242; einschränkend Ziekow, in: Merten/Papier, HdbGR IV, § 107 Rn. 37. 243  BVerfG, Beschluss vom 24.2.1971 – 1 BvR 438/68 u. a., BVerfGE 30, S. 227, 241; BVerfG, Beschluss vom 19.1.2001 – 1 BvR 1759/91, NZG 2001, S. 461, 463; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 9 Rn. 11. Inwieweit auch das Recht geschützt ist, sich nach außen hin zu betätigen, ist umstritten. Dazu Bauer, in: Dreier, GG, Art. 9 Rn. 45, Höfling, in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 18–20 und N. Nolte/Planker, Jura 1993, S. 635, 636–639. 244  A. A. Weitemeyer/Wrede, npor 2018, S. 3, 5. 245  Droege, Gemeinnützigkeit, S. 389; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 29; vgl. Merten, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR VII, § 165 Rn. 15; Rinken, in: AK GG, Art. 9 Rn. 63; Ziekow, in: Merten/Papier, HdbGR IV, § 107 Rn. 40; auf die Vereinigungsfreiheit Bezug nehmend dagegen P. Fischer, DStR 2018, S. 1394, 1395; Spangenberg, RuP 2020, S. 78, 79; Weitemeyer/Wrede, npor 2018, S. 3, 5. 246  Bauer, in: Dreier, GG, Art. 9 Rn. 39; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 11; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 9 Rn. 9; Löwer, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 36; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 62. 247  So auch BVerwG, Urteil vom 12.2.1998 – 3 C 55/96, BVerwGE 106, S. 177, 180–181. 248  Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 57. 249  Siehe oben S. 22.

52

§ 2 Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht

VI. Zusammenfassung Die historische Entwicklung zeigt, dass sich das Gemeinnützigkeitsrecht auf zwei grundlegende Gedanken zurückführen lässt: Staatsentlastung und Gemeinwohlförderung. Seit es Steuern gibt, werden Einrichtungen, die Staat oder Herrscher entlasten oder auf eine andere Art zum Gemeinwohl beitragen, steuerlich begünstigt. Das gegenwärtig geltende Gemeinnützigkeitsrecht hält für gemeinnützige Einrichtungen zahlreiche steuerliche Vergünstigungen bereit. Wichtig sind insbesondere die Steuerbefreiungen bei Ertragsteuern und bei der Erbschaftund Schenkungsteuer, aber auch niedrigere Steuersätze im Umsatzsteuerrecht sowie weitere Steuervergünstigungen senken die Steuerlast gemeinnütziger Körperschaften. Auch im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich genießen gemeinnützige Körperschaften Vorteile. Diesen Vorteilen stehen erhebliche Beschränkungen gegenüber. Die §§ 51– 68 AO verpflichten gemeinnützige Körperschaften dazu, ihre Tätigkeit auf ihren satzungsmäßigen Zweck auszurichten, keine Mitglieder zu begünstigen und auch die übrigen teils sehr komplexen Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts zu beachten. Daher muss jede Einrichtung für sich selbst entscheiden, ob für sie die Vorteile oder die Nachteile der Gemeinnützigkeit überwiegen. Dabei gilt, dass typische kleine gemeinnützige Einrichtungen nur wenig von der Gemeinnützigkeit profitieren, große gemeinnützige Kapitalgesellschaften dagegen erhebliche Vorteile haben. Ungeachtet dieser Unterschiede zeigt sich, dass es keinen faktischen Zwang zur Gemeinnützigkeit für Körperschaften gibt, die nicht auf wirtschaftlichen Gewinn abzielen. Wenn die Finanzverwaltung eine Körperschaft nicht mehr als gemeinnützig anerkennt, kann das für große gemeinnützige Kapitalgesellschaften existenzbedrohende Folgen haben. Anders stellt sich die Situation bei kleinen gemeinnützigen Einrichtungen dar, insbesondere bei Vereinen. Sie können es aus wirtschaftlicher Sicht in der Regel verkraften, wenn sie nicht mehr als gemeinnützig anerkannt werden. Weder gemeinnützige Vereine noch andere gemeinnützige Körperschaften können sich gegenüber aus dem Gemeinnützigkeitsrecht resultierenden Vo­ raussetzungen und Einschränkungen auf Grundrechte berufen. Die im Gemeinnützigkeitsrecht angeordneten Steuervergünstigungen unterfallen keinem grundrechtlichen Schutzbereich.

§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung In diesem Teil wird zunächst kurz die Entstehungsgeschichte von § 52 Abs. 1 AO dargestellt. Die heute in § 52 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 AO enthaltenen Rechtsgedanken waren in ähnlicher Form bereits in früheren Gesetzen und Verordnungen geregelt, teilweise lassen sie sich auch auf Rechtsprechung zurückführen. Im Anschluss daran wird erläutert, wie Rechtsprechung, Literatur und Finanzverwaltung die Norm gegenwärtig auslegen. Danach werden die Schwächen dieser Auslegungsansätze zu § 52 Abs. 1 AO analysiert und es werden die Probleme erläutert, die aus diesen Schwächen folgen.

I. Rechtsentwicklung Weder § 52 Abs. 1 Satz 1 AO noch § 52 Abs. 1 Satz 2 AO waren Neuschöpfungen des AO-Gesetzgebers im Jahr 1977. Vielmehr lassen sich die Ursprünge beider Normen bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts zurückverfolgen.

1. § 52 Abs. 1 Satz 1 AO a) Ursprünge in der Rechtsprechung Wie oben dargestellt1 gab es zunächst kein allgemeines Gemeinnützigkeitsrecht. Zahlreiche Steuergesetze enthielten zwar Befreiungen oder sonstige Vergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen, äußerten sich aber nicht näher dazu, was mit Gemeinnützigkeit gemeint war.2 Noch in einigen in den 1920er Jahren entstandenen Gesetzen wurde auf eine schärfere Umgrenzung des Gemeinnützigkeitsrechts ausdrücklich verzichtet, weil der Begriff Gemeinnützigkeit bereits bekannt sei.3 In der Folge ließ das gesetzlich geregelte Gemeinnützigkeitsrecht zahlreiche Fragen offen,4 deren Klärung

1  Siehe

oben S. 19–20. bei Kraft, VjStR 1932, S. 315, 316–322. 3  Evers, KStG 1925, § 9 Anm. 42 (S. 355). 4  Evers, KStG 1925, § 9 Anm. 32 (S. 347). 2  Überblick

54

§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

zunächst der Rechtsprechung oblag. Die Ursprünge des heutigen § 52 Abs. 1 Satz 1 AO haben sich daher aus der Rechtsprechung entwickelt. Einen ersten Schritt machte der Reichsfinanzhof ein Jahr nach Inkrafttreten des KStG 1920 und stellte in einer grundlegenden Entscheidung5 fest, dass solche Zwecke gemeinnützig seien, „die dem allgemeinen Besten zu dienen bestimmt sind, der Allgemeinheit förderlich sind und ihr zugute kommen.“6 In späteren Entscheidungen verwendete das Gericht ähnliche, wenn auch uneinheitliche Formulierungen,7 unternahm aber weder in der ersten Entscheidung noch in der Folge den Versuch, aus diesen Umschreibungen einzelne subsumierbare Tatbestandsmerkmale abzuleiten. Stattdessen hat die Rechtsprechung dieser Zeit von den Umständen des konkreten Falls ausgehend erörtert, ob eine Körperschaft für das allgemeine Beste handele. Der Reichsfinanzhof stützte sich dabei auch nicht auf die jeweils geltende Verfassung oder die übrige Rechtsordnung, sondern nahm eine freie Inte­ ressenabwägung vor, die häufig nicht näher begründet wurde. So hat der Reichsfinanzhof etwa angenommen, dass es dem allgemeinen Interesse diene, wenn das unter der schlechten wirtschaftlichen Lage leidende Handwerk unterstützt werde, und daraus die Gemeinnützigkeit einer Witwenkasse abgeleitet,8 wenn eine Mensa unbemittelten Studenten zu preisgünstigen Mahlzeiten verhelfe,9 wenn Kranke gepflegt würden,10 wenn eine Stadt Dünger abhole und damit dem gesundheitlichen Interesse ihrer Bürger diene,11 wenn Tiere geheilt würden,12 wenn Beerdigungskosten übernommen würden13 oder wenn das deutsche Kunstgewerbe gefördert werde.14

5  So auch die Einschätzung von Bender/Kaemmel, KStG 1934, § 4 Anm. 19 (S. 107). 6  Urteil vom 26.1.1921 – I A 1/21, RFHE 4, S. 301. Zustimmend Rosendorff, KStG 1925, § 9 Anm. 7 b) (S. 115). 7  „[D]er Allgemeinheit […] von Nutzen“ in RFH, Beschluss vom 25.5.1921 – I B 162/21, RFHE 6, S. 41, 42; „Wohle der Allgemeinheit“ in RFH, Beschluss vom 14.6.1921 – I B 35/20, RFHE 6, S. 100, 104; „Interesse der Allgemeinheit“ in RFH, Beschluss vom 5.7.1921 – I B 179/21, RFHE 6, S. 287 und RFH, Beschluss vom 12.7.1921 – I B 198/21, RFHE 6, S. 289, 289–290; „öffentliche[s] Interesse“ in RFH, Beschluss vom 15.7.1921 – I B 66/21, RFHE 6, S. 322, 323; „dem gemeinen Besten“ in RFH, Urteil vom 2.12.1921 – Ia A 113/21, RFHE 8, S. 339, 340. 8  RFH, Urteil vom 14.6.1921 – I A 48/21, RFHE 6, S. 216, 218. 9  RFH, Beschluss vom 25.5.1921 – I B 162/21, RFHE 6, S. 41. 10  RFH, Beschluss vom 14.6.1921 – I B 35/20, RFHE 6, S. 100. 11  RFH, Beschluss vom 12.7.1921 – I B 198/21, RFHE 6, S. 289. 12  RFH, Beschluss vom 15.7.1921 – I B 66/21, RFHE 6, S. 322. 13  RFH, Urteil vom 27.9.1921 – I A 155/21, RFHE 7, S. 108. 14  RFH, Urteil vom 2.12.1921 – Ia A 113/21, RFHE 8, S. 339.



I. Rechtsentwicklung55

Nach Ansicht des Reichsfinanzhofs war es schädlich, wenn eine Einrichtung in Konflikt mit Teilen der Bevölkerung handelt15 oder durch ihr Verhalten zeigt, dass sie sich von der Allgemeinheit abgrenzen will.16 Das Gericht problematisierte in seiner Rechtsprechung zu dieser frühen Form des Gemeinnützigkeitsrechts aber nicht, ob es der Anerkennung einer Körperschaft als gemeinnützig entgegenstehen könnte, wenn eine Einrichtung nur Angehörige eines Geschlechts förderte. In mehreren Entscheidungen erklärte der Reichsfinanzhof Körperschaften für gemeinnützig, die ausdrücklich nur Männer beziehungsweise Jungen17 oder nur Mädchen18 förderten. b) Konkretisierungen in Verordnungen und Durchführungsbestimmungen Teilweise parallel, teilweise im Anschluss an die Entscheidungen des Reichsfinanzhofs zum Gemeinnützigkeitsrecht in dieser Zeit entstanden auch zahlreiche Verordnungen und Durchführungsbestimmungen zu den einzelnen Steuergesetzen, die jeweils näher definierten, unter welchen Voraussetzungen eine Einrichtung als gemeinnützig anerkannt werden konnte. So enthielt die Verordnung vom 17.5.1926 zur Durchführung des Körperschaftsteuergesetzes19 in §§ 6, 7 folgende Bestimmungen: „§ 6 Gemeinnützig sind solche Zwecke, deren Erfüllung unmittelbar die Allgemeinheit fördert. […] § 7 (1) Eine Förderung der Allgemeinheit ist anzunehmen, wenn die Tätigkeit dem gemeinen Besten auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiete nutzt.“

Die Formulierung in § 7 Abs. 1 dieser Verordnung findet sich wortgleich in zahlreichen weiteren Verordnungen und Ausführungsbestimmungen, die über die folgenden Jahre entstanden sind.20 Die in § 10 der Ausführungsbe15  RFH,

Urteil vom 5.2.1926 – II A 29/26, RFHE 18, S. 159, 161. Gemeinnützigkeit, S. 46. 17  RFH, Beschluss vom 22.2.1921 – I B 28/20, RFHE 5, S. 74; RFH, Beschluss vom 25.2.1921 – I B 27/21, RFHE 5, S. 123. 18  RFH, Beschluss vom 5.7.1921 – I B 145/21, RFHE 6, S. 324; Beschluss vom 8.7.1921 – I B 68/21, RFHE 6, S. 348. 19  RGBl. I 1926, S. 244. 20  § 29 Abs. 2 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz vom 25.6.1926, RGBl. I 1926, S. 323; § 47 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen zum Reichsbewertungsgesetz und zum Vermögensteuergesetz vom 22.5.1931, RGBl. I 1931, S. 252; § 14c Abs. 1 der Verordnung über Gemeinnützigkeit und Mildtätigkeit bei der Kapitalverkehrsteuer vom 22.5.1931, RGBl. I 1931, S. 265, 266. 16  Jacoby,

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

stimmungen21 zu § 3 Nr. 3 UStG 191922 verwendete Formulierung, eine Tätigkeit müsse im Interesse der Allgemeinheit erfolgen,23 um gemeinnützig zu sein, hat sich dagegen nicht durchgesetzt. Im Zusammenhang mit diesen neuen Verordnungen präzisierten der Reichsfinanzhof und die Literatur die Anforderungen an gemeinnützige Einrichtungen. Eine Förderung der Allgemeinheit im Sinne der Verordnungen wurde nunmehr angenommen, wenn die Tätigkeit der Einrichtung „nach dem geltenden Staats- und Wirtschaftssystem in Verbindung mit der allgemeinen Volksauffassung als dem allgemeinen Nutzen dienend anerkannt wird.“24 Ob das der Fall sei, könne die Finanzgerichtsbarkeit nur „deklaratorisch feststellen“.25 Zur näheren Konkretisierung wurde teilweise vertreten, es käme in erster Linie auf die geltende Verfassung sowie nachfolgende Gesetze an, weil diese die „das Volksganze beherrschende und geistig zusammenhaltende, sittliche Ordnung“26 abbildeten, deren Ausdruck ihrerseits die herrschende Staatsund Wirtschaftsordnung sei.27 Jedenfalls über die Gemeinnützigkeit von politischen oder weltanschaulichen Einrichtungen dürfe allein mit den geltenden Gesetzen als Maßstab entschieden werden.28 Soweit es dagegen keine gesetzliche Regelung auf dem betreffenden Gebiet gäbe, könnten nur solche Einrichtungen als gemeinnützig anerkannt werden, die einen Zweck verfolgen, über dessen Beitrag zum Gemeinwohl es in der Bevölkerung keinen Streit gebe.29 Andere maßen der Volksauffassung in jedem Fall die größere Bedeutung zu, sogar wenn sie im Widerspruch zu verfassungsrechtlichen Regelungen stehe.30 21  Ausführungsbestimmungen v. 12.6.1920, Zentralblatt für das Deutsche Reich 1920, S. 937. 22  Gesetz vom 24.12.1919, RGBl. 1919, S. 2157. 23  Zu dieser Befreiungsvorschrift P. Fischer, in: FS Offerhaus, S. 597, 608–609 (dort unzutreffend unter Bezugnahme auf § 3 Nr. 2 UStG 1919, der Steuerbefreiungen für Schlachthöfe, Gas-, Elektrizitäts- und Wasserwerke enthält) und P. Fischer, ­jurisPR-SteuerR 42/2017 Anm.  1; J. Martens, Besteuerung im Amateursport, S. 39. 24  Jacoby, S. 37; zum Erfordernis der Übereinstimmung mit dem Wirtschaftssystem vgl. RFH, Urteil vom 25.9.1928 – II A 283/28, RFHE 24, S. 118, 120–121. 25  RFH, Urteil vom 11.11.1929 – I A a 175/29, RStBl. 1930, S. 62, 64. 26  Kraft, VjStR 1932, S. 315, 335. 27  Kraft, VjStR 1932, S. 315, 335. 28  Evers, KStG 1925, § 9 Anm. 45 (S. 358). 29  Evers, KStG 1925, § 9 Anm. 45 (S. 359). Bei wissenschaftlichen Zwecken entscheide die Auffassung der Fachöffentlichkeit, die die „Verkehrsanschauung“ vertrete, RFH, Urteil vom 11.11.1929 – V A 215/29, RFHE 26, S. 102, 103. 30  Jacoby, Gemeinnützigkeit, S. 37. Deutliche antidemokratische Tendenzen zeigen sich in der 1934 erschienenen Dissertation Jacobys auch an anderer Stelle, insbe-



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Die Gemeinnützigkeit sei in erster Linie „Spiegelbild der jeweiligen Volks­ auffassung“.31 c) Erste gesetzliche Regelung Als im Jahr 1934 die Anforderungen an gemeinnützige Einrichtungen im Steueranpassungsgesetz (StAnpG)32 zusammengefasst wurden, entschied sich der Gesetzgeber in Übereinstimmung mit der zuletzt genannten Auffassung dazu, in der neuen Regelung die Volksauffassung als das entscheidende Tatbestandsmerkmal auszugestalten. § 17 Abs. 1, 2 dieses Gesetzes enthielten folgende Regelung:33 „(1) Gemeinnützig sind solche Zwecke, durch deren Erfüllung ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit gefördert wird. (2) Eine Förderung der Allgemeinheit ist nur anzunehmen, wenn die Tätigkeit dem gemeinen Besten, das heißt dem Wohl der Deutschen Volksgemeinschaft auf materiellem, geistigen oder sittlichem Gebiet, nutzt. Ob dies der Fall ist, beantwortet sich nach den Anschauungen der Volksgesamtheit.“

Nach der Gesetzesbegründung sollte durch die §§ 17–19 StAnpG zwar lediglich das bereits existierende Gemeinnützigkeitsrecht vereinheitlicht und ohne inhaltliche Änderungen in einer zentralen Regelung zusammengefasst werden.34 Auch die noch zur früher bestehenden Rechtslage ergangene Rechtsprechung sollte zur Auslegung des StAnpG herangezogen werden können.35 d) Einfluss nationalsozialistischer Ideologie Dennoch galt bei der Auslegung des Gemeinnützigkeitsrechts ab diesem Zeitpunkt ein neuer Maßstab: Gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 3 StAnpG war von sondere S. 37, Fn. 10. Ähnlich zu Verstößen gegen einfaches Gesetzesrecht auch Evers, KStG 1925, § 9 Anm. 45 (S. 358–359). 31  Jacoby, Gemeinnützigkeit, S. 37; Vgl. auch RFH, Urteil vom 5.11.1929 – I A a 547/29, RStBl. 1929, S. 670; ähnlich RFH, Urteil vom 10.7.1934 – I A 42/34, RStBl. 1935, S. 324, 325. 32  Gesetz vom 16.10.1934, RGBl. I 1934, S. 925. 33  Das FG Berlin, Urteil vom 5.11.1976 – III 216/74, EFG 1977, S. 407 geht davon aus, dass „offenbar schon bei Abfassung des StAnpG die Vorstellungen darüber, was als gemeinnützig usw. anzusehen sei, recht verschwommen waren.“ Nach Stolleis, Gemeinwohlformeln, S. 283 handelt „es sich bei den Gemeinnutzdefinitionen um Tautologien, deren politischer Sinn es war, Entscheidungsmöglichkeiten für die Führung offenzuhalten.“ 34  Begründung zum Steueranpassungsgesetz, RStBl. 1934, S. 1398, 1411. 35  So auch Bender/Kaemmel, KStG 1934, § 4 Anm. 19 (S. 107).

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

nun an nach nationalsozialistischer Ideologie zu bestimmen, ob eine Tätigkeit den Anschauungen der Volksgesamtheit entsprechend dem „Wohl der Deutschen Volksgemeinschaft“ diente.36 Auf diese Ideologie gestützt argumentierte der Reichsfinanzhof in mehreren Entscheidungen,37 Einrichtungen zur Unterstützung von Juden könnten nicht gemeinnützig sein, weil sie nicht dem „Wohl der Deutschen Volksgemeinschaft“ nach § 17 Abs. 2 StAnpG dienten. Einen der Tiefpunkte38 dieser Rechtsprechung stellt ein Urteil des Reichsfinanzhofs aus dem Jahr 1941 dar, in dem das Gericht als abschließende Begründung ausführte, „es würde dem gesunden deutschen Volksempfinden widersprechen, wenn der Beschwerdeführerin, einer rein jüdischen Einrichtung, Steuerbefreiung gewährt würde.“39 e) Weitergeltung von § 17 StAnpG nach 1945 Obwohl der Reichsfinanzhof § 17 StAnpG zur Begründung dieser Entscheidungen herangezogen hatte, galt dieselbe Norm auch nach dem Untergang des nationalsozialistischen Regimes vorerst unverändert weiter.40 In der Nachkriegszeit und in den folgenden Jahren nahm die Rechtsprechung 36  Vgl. Mirre/Dreutter, KStG 1934, § 4 Anm. 14 (S. 126): „Die Entscheidung kann nach § 1 Abs. 3 StAnpG nur nach nationalsozialistischer Weltanschauung getroffen werden. Daher ist unter dem gemeinen Besten ausschließlich das Wohl der durch die Rasse verbundenen Deutschen Volksgemeinschaft zu verstehen und aus der Gemeinnützigkeit sind alle Zwecke ausgeschlossen, die fremdrassigen Personen, also insbesondere Juden, nützen.“ Ähnlich Bender/Kaemmel, KStG 1934, § 4 Anm. 19 (S. 107). Zur Auslegung des Gemeinnützigkeitsrechts gemäß § 1 Abs. 3 StAnpG Stoll­eis, Gemeinwohlformeln, S. 282–294; Uffelmann, Rechtsprechung des RFH, S. 36. 37  RFH, Urteil vom 7.4.1936 – I A 227/35, RFHE 39, S. 202, 209; RFH, Urteil vom 17.3.1938 – VI a 45/37, RFHE 43, S. 288; RFH, Urteil vom 25.10.1938 – VI a 88/37, RFHE 45, S. 139. Übersicht über rassistisch-ideologisch geprägte Rechtsprechung des RFH von 1933 bis 1945 bei Felix, BB 1993, S. 1597–1603; Voß, Steuern im Dritten Reich, S. 196–229; speziell zum Gemeinnützigkeitsrecht bei Tipke, BB 1993, S. 1813, 1815 und Voß, Steuern im Dritten Reich, S. 218–220. Der zweite stark ideologisch beeinflusste Rechtsprechungskomplex des RFH betraf die Reichsfluchtsteuer, dazu Mußgnug, Reichsfluchtsteuer, S. 58–60. Überblick zu den Einflüssen nationalsozialistischer Ideologie auf die Rechtsprechung des RFH Felix, BB 1993, S. 1297–1303. 38  Felix, BB 1993, S. 1597, 1602 bezeichnet diese Entscheidung als „entfesseltes, rassistisches Willkür-Urteil – jenseits jeglicher denkbaren Auslegung. An die Stelle von Recht-Sprechen tritt Politik-Vollzug“. 39  RFH, Urteil vom 23.7.1941 – VI a 34/41, RFHE 50, S. 273. 40  Lediglich die Verordnung zur Durchführung der §§ 17–19 StAnpG (Gemeinnützigkeitsverordnung) vom 24.12.1953, BGBl. I 1953, S. 1592 wurde neu erlassen, weil an der Gültigkeit der ersten Gemeinnützigkeitsverordnung (Verordnung vom 16.12.1941, RStBl. 1941, S. 937) Zweifel bestanden, vgl. F. Hammer, StuW 2001,



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bei der Auslegung von § 17 Abs. 1, 2 StAnpG eine individuelle Abwägung anhand der Umstände des konkreten Falls vor, ohne sich um eine systematische Auslegung der Norm zu bemühen.41 Teilweise unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs argumentierten die Finanzgerichte, entscheidend sei die Meinung der Bevölkerung,42 das Gericht könne diese Meinung und damit die Gemeinnützigkeit nur „deklaratorisch feststellen“.43 Noch vor der Einführung der AO 1977 deutete sich allerdings ein Wandel dieser Rechtsprechung an, einer Auslegung von § 17 Abs. 1, 2 StAnpG vor dem Hintergrund der Grundrechte, insbesondere der Meinungsfreiheit, wurde gegenüber der Bevölkerungsauffassung zunehmend Vorrang eingeräumt.44 Dementsprechend spreche es für die Gemeinnützigkeit einer Einrichtung, wenn ihre Tätigkeit mit den grundlegenden Wertungen der Verfassung in Einklang stehe.45 Parallel entwickelte sich auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung zur Gemeinnützigkeit von Einrichtungen, die nur die Angehörigen eines Geschlechts fördern. Während die Rechtsprechung in ihren Entscheidungen zunächst nicht problematisierte, wenn eine Einrichtung nur ein Geschlecht förderte,46 wurde der Ausschluss eines Geschlechts in einer späteren Entscheidung zumindest als Indiz dafür aufgefasst, dass nicht die Allgemeinheit gefördert werde.47 Auf Art. 3 GG wurde in diesem Zusammenhang allerdings noch kein Bezug genommen. S. 19, 21; BFH, Urteil vom 30.1.1951 – II 123/50 S, BFHE 55, S. 102, 104 zur Unwirksamkeit von § 1 GemVO a. F. 41  So z. B. BFH, Urteil vom 6.6.1951 – III 69/51 U, BStBl. III 1951, S. 148, 149; Niedersächsisches FG, Urteil vom 21.2.1956 – I 275/55, EFG 1956, S. 270; Überblick bei E. Becker/Riewald/Koch, RAO, § 17 StAnpG Anm. 3 (S. 765–768). 42  BFH, Urteil vom 31.10.1963 – I 122/62 U, BStBl. III 1964, S. 83, 85; zustimmend BFH, Beschluss vom 20.11.1969 – I B 34/69, BStBl. II 1969, S. 133, 135; BFH, Urteil vom 22.10.1971 – III R 81/70, BStBl. II 1972, S. 197, 198; FG München, Urteil vom 17.12.1968 – II 141/67, EFG 1969, S. 330, 331; BFH, Urteil vom 6.6.1951 – III 69/51 U, BStBl. III 1951, S. 148, 149 stützt sich auch auf „allgemeine Kulturauffassungen […] des abendländischen Kulturkreises.“ 43  FG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.1961 – VII 11/61 K, EFG 1962, S. 454, 455; vgl. oben S. 56 Fn. 25 zum Ursprung dieser Formulierung in der Rspr. des RFH. 44  FG Düsseldorf, Urteil vom 11.11.1975 – II 32/75 K, EFG 1976, S. 203, 203– 204; FG Düsseldorf, Urteil vom 28.4.1976 – IV/XI 214/73 S, EFG 1976, S. 362, 364; offengelassen in FG Berlin, Urteil vom 18.5.1976 – IV 104/75, EFG 1977, S. 38; ähnlich BFH, Beschluss vom 16.10.1991 – I B 16/91, BFH/NV 1992, S. 505, 506 noch zu § 17 StAnpG. 45  FG Düsseldorf, Urteil vom 28.4.1976 – IV/XI 214/73 S, EFG 1976, S. 362, 364. 46  BHF, Urteil vom 31.10.1963 – I 320/61 U, BFHE 78, S. 54, 55–56. 47  BFH, Urteil vom 26.1.1973 – III R 40/72, BStBl. II 1973, S. 430, 431.

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

f) Erlass der AO 1977 Größere Neuerungen in der Rechtsprechung, die bis heute Bestand haben, ergaben sich erst im Anschluss an die Einführung der AO, in deren Folge § 17 StAnpG aufgehoben und durch § 52 AO ersetzt wurde. Mit Einführung von § 52 Abs. 1 AO 1977 sollte nach dem Willen des Gesetzgebers die Rechtslage nicht geändert werden.48 Auch die Änderungen des Gemeinnützigkeitsrechts in der jüngeren Zeit49 hatten keine Auswirkungen auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO, diese Vorschrift ist seit Inkrafttreten der AO unverändert geblieben. g) Zukünftige Änderungen Möglicherweise stehen jetzt wieder Änderungen an, denn im zu Beginn der 19. Legislaturperiode abgeschlossenen Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU wurde die Absicht geäußert, „das Gemeinnützigkeitsrecht [zu] verbessern“50. Den konkreten Anlass dafür, tatsächlich eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts einzuleiten, lieferte dann ein Urteil des Bundes­ finanzhofs, in dem das Gericht die Gemeinnützigkeit des globalisierungskritischen Netzwerks attac ablehnte.51 Aktuell soll im Finanzministerium an einem Entwurf zu einer Reform des Gemeinnützigkeitsrechts gearbeitet werden.52 Angesichts der Äußerungen des Bundesfinanzministers Scholz53 ist es durchaus vorstellbar, dass die Grund48  Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. VI/1982, S.  116. Nach R. Wallenhorst, DStR 1997, S. 479, 480 wurde die Neuregelung in der AO 1977 bewusst ungenau formuliert, um trotz des neuen Wortlauts die alte Rechtslage beibehalten zu können. 49  Gesetz zur weiteren Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements vom 10.10.2007, BGBl. I 2007, S. 2332 und Gesetz zur Stärkung des Ehrenamts vom 21.3.2013, BGBl. I 2013, S. 556. 50  Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD, 19. Legislaturperiode, vom 12.3.2018, Rn. 5545. 51  BFH, Urteil vom 10.1.2019 – V R 60/17, BStBl. II 2019, S. 301; bestätigt durch BFH, Beschluss vom 10.12.2020 – V R 14/20, DStR 2021, S. 218. 52  Vgl. Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrats vom 2.10.2019, BT-Drucks. 19/13712, S. 9: „Die Bundesregierung wird einen Regierungsentwurf zu Reformbedarfen im steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht vorlegen.“ Dazu Änderungsempfehlungen des Bundesrats zum JStG 2020 vom 9.10.2020, BRDrucks. 503/20 (B), S. 62: „Derzeit ist nicht absehbar, wann die Bundesregierung ihrer Ankündigung nachkommt.“ 53  Scholz, in: Bild am Sonntag vom 10.11.2019, zitiert nach Zeit vom 11.11.2019, abrufbar unter https://www.zeit.de/politik/deutschland/2019-11/gemeinnuetzigkeitsteuervorteile-maennervereine-cdu (zuletzt abgerufen am 20.2.2021): „Vereine, die



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sätze des Urteils des Bundesfinanzhofs zur Gemeinnützigkeit einer typischen Freimaurerloge54 Eingang in § 52 AO finden könnten.55 Wenig Aussicht auf Erfolg dürfte dagegen Versuch der FDP-Fraktion im Bundestag haben, einen Beschluss des Bundestages herbeizuführen, mit dem die Bundesregierung unter anderem dazu aufgefordert werden sollte, „die Gemeinnützigkeit von Körperschaften in Deutschland unabhängig vom Geschlecht ihrer Mitglieder zu erhalten.“56

2. § 52 Abs. 1 Satz 2 AO a) Frühe gesetzliche Regelungen und Rechtsprechung Die heute in § 52 Abs. 1 Satz 2 AO enthaltene Regelung war im Vergleich zum heutigen § 52 Abs. 1 Satz 1 AO bereits früher gesetzlich geregelt. Schon das Erbschaftsteuergesetz von 190657 enthielt in § 12 Nr. 3 die Beschränkung, dass nur solche Zuwendungen zu gemeinnützigen Zwecken dem ermäßigten Steuersatz unterfallen, die nicht auf einzelne Familien oder bestimmte Personen beschränkt sind. Davon ausgehend entwickelte sich die Überzeugung, dass die Förderung eines kleinen Kreises innerhalb der Bevölkerung generell nicht gemeinnützig sei.58 Einige Jahre später wurde in das Reichsnotopfergesetz59 eine ähnliche Bestimmung aufgenommen, aus der die Rechtsprechung für die Auslegung des gesamten Gemeinnützigkeitsrechts ableitete, dass der Sinn dieser und vergleichbarer Beschränkungen in erster Linie sei, die Förderung einzelner grundsätzlich keine Frauen aufnehmen, sind aus meiner Sicht nicht gemeinnützig. Wer Frauen ausschließt, sollte keine Steuervorteile haben und Spendenquittungen ausstellen.“ 54  BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218. 55  So auch Schauhoff, npor 2020, S. 3, 4; Weitemeyer, npor 2020, S. 67; zurückhaltender Spangenberg, RuP 2020, S. 78, 80. Auf eine Anfrage des Verfassers hin hat das Bundesfinanzministerium am 29.6.2020 mitgeteilt, dass es noch „völlig offen“ sei, ob eine entsprechende Regelung eingeführt werde. Im JStG 2020 vom 21.12.2020, BGBl. I 2020, S. 3096, wurde § 52 Abs. 1 AO nicht geändert. 56  Antrag vom 17.12.2019, BT-Drucks. 19/16038. Die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 30.1.2020, BT-Drucks. 19/16930 rät dazu, den Antrag abzulehnen. Zu dem diesem Antrag zugrundeliegenden Missverständnis über die Mitglieder einer Einrichtung bzw. den Kreis der Geförderten siehe unten S. 172. 57  Gesetz vom 11.6.1906, RGBl. 1906, S. 654. 58  Kraft, VjStR 1932, S. 315, 319. 59  Gesetz vom 31.12.1919, RGBl. 1919, S. 2189. § 5 Nr. 10 enthielt eine Befreiung für „Stiftungen, Anstalten, Kassen oder Personenvereinigungen, soweit sie ohne Beschränkung auf einen bestimmten engeren Personenkreis mildtätigen oder gemeinnützigen Zwecken dienen.“ Dazu näher Kraft, VjStR 1932, S. 315, 322.

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

Familien oder ähnlich eng miteinander verbundener Personengruppen von der Gemeinnützigkeit auszuschließen, abgesehen von diesen Fällen müsse die Beschränkung aber eng ausgelegt werden.60 Es müsse zwar nicht die ganze Allgemeinheit, aber zumindest ein Ausschnitt der Allgemeinheit gefördert werden.61 Damit war gemeint, dass nicht nur dann die Allgemeinheit gefördert wird, wenn jeder Einzelne Förderung erfährt. Es sollte stattdessen genügen, wenn die Allgemeinheit eine Art Anrecht auf die Leistungen der gemeinnützigen Einrichtung hatte62 und durch die tatsächlich Geförderten repräsentiert wurde.63 Erforderlich war dafür insbesondere, dass die Förderung eines Ausschnitts aus der Allgemeinheit nicht dem Interesse der gesamten Allgemeinheit widerspricht64 und der geförderte Zweck kein Sonderinteresse betrifft.65 Dieser Argumentation folgend kam es auf die Anzahl der geförderten Personen dabei grundsätzlich nicht an, unter Umständen konnte sogar ein einzelner Leistungsempfänger die Allgemeinheit repräsentieren.66 Der Reichsfinanzhof argumentierte in seiner Rechtsprechung immer ähnlich, entschied allerdings nicht einheitlich, sodass vergleichbare Sachverhalte teilweise ohne erkennbaren Grund unterschiedlich behandelt wurden.67 Außerdem hielt der Reichsfinanzhof sich auch nicht immer an den Grundsatz, dass es auf die rein rechnerische Anzahl der geförderten Personen nicht ankommen könne, sondern hat teilweise Einrichtungen die Anerkennung als gemeinnützig versagt, weil sie eine zu geringe Anzahl an Menschen förderten.68 b) Konkretisierungen in Verordnungen und Durchführungsbestimmungen Die bereits oben angesprochenen Verordnungen und Durchführungsbestimmungen definierten in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung ab 1922 aus Verwaltungssicht näher, wann der Kreis der geförderten Personen 60  RFH,

Urteil vom 1.2.1921 – I A 228/20, RFHE 5, S. 13, 17–18. Gemeinnützigkeit, S. 43–47; Kraft, VjStR 1932, S. 315, 340. 62  Vgl. Kraft, VjStR 1932, S. 315, 339. 63  Jacoby, Gemeinnützigkeit, S. 42; Kraft, VjStR 1932, S. 315, 340. 64  Jacoby, Gemeinnützigkeit, S. 43; Kraft, VjStR 1932, S. 315, 340. 65  Evers, KStG 1925, § 9 Anm. 44 (S. 356). 66  Vgl. Evers, KStG 1925, § 9 Anm. 44 (S. 356); zustimmend Jacoby, Gemeinnützigkeit, S. 42–43; dazu auch Kraft, VjStR 1932, S. 315, 341. 67  Kraft, VjStR 1932, S. 315, 344 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung; zustimmend Felix, FR 1961, S. 236, 237. 68  Vgl. RFH, Urteil vom 10.12.1936 – III A 164/36, RStBl. 1937, S. 166. 61  Jacoby,



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zu eng begrenzt war, um noch von einer Förderung der Allgemeinheit sprechen zu können.69 Ähnlich wie heute § 52 Abs. 1 Satz 2 AO nannten diese Vorschriften als Beispielsfälle, in denen ein schädliches engeres Band vorlag, die Zugehörigkeit zu einer Familie oder einem Familienverband, zu einem Verein mit geschlossener Mitgliederzahl oder durch Anstellung an einer bestimmten Anstalt.70 c) Regelung in § 17 StAnpG Diese Vorschrift wie auch die übrigen bereits erwähnten untergesetzlichen Regelungen wurden einige Jahre später in § 17 Abs. 4, 5 StAnpG in einem Gesetz zusammengefasst,71 womit allerdings inhaltlich keine Änderung eintreten sollte, sondern nur eine Vereinheitlichung des bestehenden Rechts angestrebt wurde.72 Anders als bei den in § 17 Abs. 1, Abs. 2 StAnpG enthaltenen Regelungen führte hier auch § 1 Abs. 1 StAnpG nicht dazu, dass sich der inhaltliche Maßstab des Rechts geändert hätte.73 Im Zusammenhang mit § 17 Abs. 4, Abs. 5 StAnpG und deren Vorgängerregelungen wurde nicht problematisiert, ob auch Beschränkungen anhand des Geschlechts die Gemeinnützigkeit ausschließen können. Auch der Reichs­ finanzhof hat in Entscheidungen zur Gemeinnützigkeit von Einrichtungen, die nur die Angehörigen eines Geschlechts förderten, nicht angesprochen, ob deswegen ein enger Personenkreis im Sinn von § 17 Abs. 4, Abs. 5 StAnpG gefördert werde.74 Er scheint es vielmehr als selbstverständlich angesehen zu haben, dass keine schädliche Begrenzung vorliegt, wenn nur die Angehörigen eines Geschlechts gefördert werden.75 69  § 48 Durchführungsbestimmungen zu Reichsbewertungsgesetz und zum Ver­ mögensteuergesetz vom 22.5.1931, RGBl. I 1931, S. 252; § 14d Verordnung über Gemeinnützigkeit und Mildtätigkeit bei der Kapitalverkehrsteuer vom 22.5.1931, RGBl. I 1931, S. 265; § 29 Abs. 4, 5 Durchführungsbestimmungen zum UStG vom 25.6.1926, RGBl. I 1926, S. 323; § 8 Verordnung zur Durchführung des KStG vom 17.5.1926, RGBl. I 1926, S. 244. 70  § 8 Abs. 2 Verordnung zur Durchführung des KStG vom 17.5.1926, RGBl. I 1926, S. 244. 71  Gesetz vom 16.10.1934, RGBl. I 1934, S. 925. 72  Begründung zum Steueranpassungsgesetz, RStBl. 1934, S. 1398, 1411. 73  Vgl. die Bezüge auf die frühere Rechtsprechung bei Mirre/Dreuter, KStG 1934, § 4 Anm. 14 (S. 130–131). 74  Z. B. RFH, Beschluss vom 22.2.1921 – I B 28/20, RFHE 5, S. 74; RFH, Beschluss vom 25.2.1921 – I B 27/21, RFHE 5, S. 123; RFH, Beschluss vom 5.7.1921 – I B 145/21, RFHE 6, S. 324; Beschluss vom 8.7.1921 – I B 68/21, RFHE 6, S. 348; RFH, Urteil vom 14.6.1940 – VIa 9/40, RStBl. 1940, S. 626. 75  Vgl. auch Kraft, VjStR 1932, S. 315, 343: „Regelmäßig wird die Gemeinnützigkeit auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß der erstrebte Zweck sich auf be-

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

d) Weitergeltung von § 17 StAnpG nach 1945 In der Nachkriegszeit und in den folgenden Jahren galt weiter § 17 Abs. 4, Abs. 5 StAnpG. Der Bundesfinanzhof führte im Wesentlichen die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs weiter, entscheidend war auch nach Ansicht des Bundesfinanzhofs, ob eine Auswahl aus der Allgemeinheit gefördert werde.76 Keine Auswahl aus der Allgemeinheit lag nach diesem Verständnis vor, wenn die Geförderten privat durch eine Gemeinsamkeit verbunden sind, die nicht unmittelbar mit dem Förderzweck zusammenhängt,77 wie zum Beispiel durch die Zugehörigkeit zu einer Familie. Es wurde auch deutlich, dass der Bundesfinanzhof in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs keine schädliche Begrenzung des Kreises der Geförderten annahm, wenn nur Angehörige eines Geschlechts gefördert wurden.78 e) Erlass der AO 1977 Wie § 52 Abs. 1 Satz 1 AO ist auch § 52 Abs. 1 Satz 2 AO seit Inkrafttreten der AO 1977 nicht geändert worden.

3. Zusammenfassung und historischer Kontext a) Zusammenfassung Die Entstehungsgeschichte von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zeigt zunächst, wie wenig aussagekräftig der Wortlaut der heutigen Regelung wie auch der Vorgängernormen ist. Die zahlreichen unterschiedlichen Formulierungen in der frühen Rechtsprechung legen den Schluss nahe, dass die Begriffe öffentliches Interesse, Nutzen oder Wohl der Allgemeinheit, Förderung der Allgemeinheit oder gemeiner Nutzen in einem gemeinnützigkeitsrechtlichen Kontext synonym verwendet wurden.79 Inhaltlicher Kern der Regelungen war stets, dass stimmte Bevölkerungsgruppen beschränkt. So wird es keinem Zweifel unterliegen, daß […] durch Mädchenheime […] die Allgemeinheit gefördert wird.“ 76  BFH, Urteil vom 2.12.1955 – III 99/55 U, BFHE 62, S. 57, 59; BFH, Urteil vom 26.1.1973 – III R 40/72, BStBl. II 1973, S. 430, 431. 77  Vgl. E. Becker/Riewald/Koch, RAO, § 17 StAnpG Anm. 3 (S. 763–764); zu zulässigen Begrenzungen auch Felix, FR 1961, S. 236, 236–237. 78  Z. B. BFH, Urteil vom 2.12.1955 – III 99/55 U, BStBl. III 1956, S. 22 zur Gemeinnützigkeit eines evangelischen Frauenstifts. 79  Vgl. allgemein zu verschieden formulierten Gemeinwohlklauseln v. Zezschwitz, Gemeinwohl, S. 13, der von einer „Vielfalt an Begriffsvarianten“ spricht, „die der



I. Rechtsentwicklung65

nur solche Einrichtungen gemeinnützig sein sollen, von deren Tätigkeit zumindest mittelbar die gesamte Bevölkerung profitiert, weil die Tätigkeit den Interessen der Bevölkerung dient. Wann den Interessen der Bevölkerung gedient werde, wurde anhand wechselnder Maßstäbe beurteilt. Die meiste Zeit kam es entweder auf rechtliche Wertungen in der Verfassung und der übrigen Rechtsordnung an oder auf in der Bevölkerung herrschende Auffassungen. Die Vorgängervorschriften von § 52 Abs. 1 Satz 2 AO sowie die dazu ergangene Rechtsprechung illustrieren, dass es Sinn der Vorschrift ist, keine Steuervergünstigungen zu gewähren, wenn Sonderinteressen verfolgt werden. Es geht also nicht darum, dass eine bestimmte Mindestanzahl an Menschen gefördert wird. Auch der Ausschluss der Angehörigen eines Geschlechts war nie Gegenstand der heute in § 52 Abs. 1 Satz 2 AO enthaltenen Regelung. Beides kommt allerdings weder im Wortlaut der heutigen Vorschrift noch in früheren Regelungen hinreichend klar zum Ausdruck. In inhaltlicher Sicht entsprechen die heute in § 52 Abs. 1 AO enthaltenen Regelungen § 17 StAnpG weitgehend.80 Daher können zur Auslegung des heute geltenden Rechts grundsätzlich auch Literatur und Rechtsprechung herangezogen werden, die sich auf das frühere Recht beziehen. b) Historischer Kontext Oben wurde bereits gezeigt, dass Rechtsprechung und Literatur bis in die 1970er Jahre wie selbstverständlich davon ausgingen, dass auch solche Einrichtungen gemeinnützig sein können, die nur ein Geschlecht fördern. Daraus folgt nicht ohne weiteres, dass die historische Auslegung von § 52 Abs. 1 AO dagegen spricht, Einschränkungen anhand des Geschlechts nunmehr als gemeinnützigkeitsschädlich anzusehen. Das frühere Gemeinnützigkeitsrecht muss im Kontext der übrigen Rechtsordnung sowie der herrschenden gesellschaftlichen Zustände gesehen werden. Selbst wenn der Reichsfinanzhof das Gemeinnützigkeitsrecht – wie heute der Bundesfinanzhof – anhand des jeweils geltenden verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes ausgelegt hätte, hätte das wohl nicht bedeutet, dass eine Einrichtung nicht gemeinnützig hätte sein können, wenn sie keine Frauen fördert. Nach Art. 109 Abs. 2 Weimarer Reichsverfassung (WRV) hatten Männer und Frauen zwar grundsätzlich dieselben staatsbürgerlichen Einfallsreichtum zahlreicher Gesetzgeber mehrerer Epochen mit oft irrationaler Bevorzugung bestimmter deklamativer Ausdrucksformen hervorgebracht“ habe. 80  So auch Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 1; spe­ ziell zum Begriff der Förderung der Allgemeinheit auch Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 11.

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

Rechte und Pflichten, diese Bestimmung deckte allerdings nur staatsbürger­ liche Rechte und Pflichten ab und stellte auch nur einen allgemeinen Grundsatz auf, von dem durch Gesetz abgewichen werden konnte.81 Die praktischen Auswirkungen dieser Norm blieben ebenso begrenzt wie die Auswirkungen von Art. 119 Abs. 1 WRV, der Frauen und Männer in der Ehe für gleichberechtigt erklärte.82 Ähnliches gilt auch für die frühe Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs. Seinem Wortlaut nach verbietet Art. 3 Abs. 3 GG staatlichen Organen (vgl. Art. 1 Abs. 3 GG) seit 1949, anhand des Geschlechts zu differenzieren. Trotz dieser eindeutigen Vorgabe enthielt die deutsche Rechtsordnung aber noch lange Normen, die ein Geschlecht benachteiligten.83 Dass sich diese diskriminierenden Regelungen so hartnäckig halten konnten, beruhte nicht zuletzt auf der anfangs teilweise sehr zurückhaltenden84 Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. So ging das Gericht in seinen Entscheidungen noch lange davon aus, viele ans Geschlecht anknüpfende Ungleichbehandlungen ließen sich durch unklare biologische85 oder angebliche funktionale86 Unterschiede erklären, sodass bereits der Tatbestand von Art. 3 Abs. 3 GG nicht betroffen sei.87 Prägend für das verfassungsrechtliche Verständnis des Gleich81  Schweizer, Gleichberechtigungssatz, S. 38; dazu auch Schwanecke, Gleichberechtigung, S. 20–22. 82  Schweizer, Gleichberechtigungssatz, S. 38; dazu auch Schwanecke, Gleichberechtigung, S. 50–80. 83  Z. B. regelte § 1356 BGB noch bis Erlass des EheRG (Gesetz vom 14.6.1976, BGBl. I 1976, S. 1421), dass die Frau den ehelichen Haushalt in eigener Verantwortung führe, dazu Bericht des Rechtsausschusses zum EheRG, BT-Drucks. 7/4361, S. 7–8. Auch darüber hinaus wurden erst ab 1970 zahlreiche diskriminierende Regelungen abgeschafft, dazu Hufen, Staatsrecht II, § 40 Rn. 2. 84  Vgl. Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 164; Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 272, dort auch zu Fällen, in denen das BVerfG einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG angenommen hat. 85  Wie z. B. die „biologische Besonderheit der Frau im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses“, BVerfG, Beschluss vom 25.5.1956 – 1 BvR 53/54, BVerfGE 5, S. 9, 12 (Frauenarbeitszeit); dazu auch Reich-Hilweg, Männer und Frauen, S. 114–116. 86  Wie z. B. die Hausfrauenehe, vgl. BVerfG, Urteil vom 24.7.1963 – 1 BvL 30/57 u. a., BVerfGE 17, S. 1, 24–25 (Waisenrente) und BVerfG, Urteil vom 29.7.1959 – 1 BvR 205/58 u. a., BVerfGE 10, S. 59, 75 (Elterliche Gewalt). 87  Sehr weitgehend noch BVerfG, Urteil vom 10.5.1957 – 1 BvR 550/52, BVerfGE 6, S. 389, 422–423 (Homosexuellen-Urteil): „Daher gilt das Verbot der Differenzierung nach dem Vergleichspaar Mann-Frau nur dann, wenn der zu ordnende soziale Lebenstatbestand essentiell vergleichbar ist, d. h. wenn er, vom Geschlecht der Betroffenen abgesehen, weitere wesentliche Elemente umfaßt, die ihrerseits gleich sind.“ Restriktiver BVerfG, Urteil vom 20.3.1963 – 1 BvR 505/59, BVerfGE 15, S. 337, 343 (Höfeordnung); BVerfG, Beschluss vom 11.4.1967 – 2 BvL 3/62, BVerfGE 21, S. 329, 343–344 (Hinterbliebenenversorgung); BVerfG, Beschluss vom 31.3.1971 – 1 BvL 9/68, BVerfGE 31, S. 1, 4–5 (Sozialversicherungsbeitrag).



I. Rechtsentwicklung67

berechtigungsgebots von Männern und Frauen waren also bis in die 1960er Jahre die vermeintlichen gesellschaftlichen beziehungsweise funktionalen Unterschiede zwischen den Geschlechtern.88 Ab den 1970er Jahren prüfte das Bundesverfassungsgericht zunehmend strenger, ob das überkommene Geschlechterbild auch weiterhin Ungleichbehandlungen rechtfertigen könne,89 denn traditionelle Rollenbilder wurden nach Auffassung des Gerichts in der Gesellschaft zunehmend hinterfragt.90 Daraus zog das Bundesverfassungsgericht die Schlussfolgerung, dass auch biologische und funktionale Unterschiede differenzierende Regelungen nicht mehr so weitgehend rechtfertigen konnten wie noch in der Vergangenheit.91 Stattdessen wurde in der Rechtsprechung die Gleichheit der Geschlechter stärker betont.92 Doch erst seit 1991 hält das Gericht Differenzierungen anhand des Geschlechts generell nur noch für zulässig, „soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind.“93 Diese Entwicklung lässt gewisse Parallelen zur Rechtsprechung im Gemeinnützigkeitsrecht erkennen. Zunächst wurden im Verfassungsrecht die Unterschiede zwischen den Geschlechtern betont. Dementsprechend wurde es auch aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht als unbedenklich angesehen, wenn die Angehörigen eines Geschlechts bei ihrer gemeinnützigen Tätigkeit unter sich bleiben wollten, solange dieses Recht jeweils den Angehörigen beider Geschlechter gewährt wurde. In den 1970er Jahren setzten in Gesetzgebung und Rechtsprechung Bestrebungen ein, bisher bestehende Ungleichbehandlungen abzubauen, für Differenzierungen anhand des Geschlechts wurde daher zunehmend ein sachlicher Grund gefordert. Es ist also nur folgerichtig, dass in diese Zeit auch das erste Urteil des Bundesfinanzhofs fällt, in dem das Gericht es als problematisch ansah, wenn eine gemeinnützige Einrichtung ihre Förderung auf die Angehörigen eines Geschlechts beschränkt.94 88  Sacksofsky,

Gleichberechtigung, S. 80–85. Beschluss vom 21.5.1974 – 1 BvL 22/71 u. a., BVerfGE 37, S. 217, 250–251 (Staatsangehörigkeit von Kindern). 90  BVerfG, Beschluss vom 31.5.1978 – 1 BvR 683/77, BVerfGE 48, S. 327, 338 (Ehename). 91  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31.5.1978 – 1 BvR 683/77, BVerfGE 48, S. 327, 338 (Ehename); BVerfG, Beschluss vom 13.11.1979 – 1 BvR 631/78, BVerfGE 52, S. 369, 377–378 (Hausarbeitstag). 92  Sacksofsky, Gleichberechtigung, S. 85–91. 93  BVerfG, Urteil vom 28.1.1992 – 1 BvR 1025/82 u. a., BVerfGE 85, S. 191, 207 (Nachtarbeitsverbot); dazu Sachs, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR VIII, § 182 Rn. 93. Damit lassen sich Ungleichbehandlungen nun nicht mehr über funktionale Unterschiede rechtfertigen, Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 112; zustimmend Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 3 Rn. 71. 94  BFH, Urteil vom 26.1.1973 – III R 40/72, BStBl. II 1973, S. 430, 431. 89  BVerfG,

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

II. Heutiges Verständnis Heute werden einige verschiedene Ansätze zur Auslegung von § 52 Abs. 1 AO vertreten. Zu Problemen bei der Rechtsanwendung führt vor allem der zusammengesetzte Begriff der Förderung der Allgemeinheit. Dagegen ist schon seit längerer Zeit geklärt, wie das Tatbestandsmerkmal der Förderung isoliert zu verstehen ist. Der Begriff soll jede Bemühung umfassen, etwas zu verbessern oder Verschlechterungen zu verhindern.95 Dabei ist es nicht erforderlich, dass das angestrebte gemeinnützige Ziel tatsächlich erreicht wird oder dass die Tätigkeit der gemeinnützigen Einrichtung Erfolg hat.96 Auch was § 52 Abs. 1 Satz 1 AO mit materieller, geistiger und sittlicher Förderung meint, ist in Rechtsprechung und Literatur weitgehend unumstritten. Materielle Förderung betrifft den tatsächlichen Lebensstandard, während die geistige Förderung vor allem auf die Vermittlung von Fähigkeiten und Wissen sowie auf Forschung und Wissenschaft abzielt.97 Die sittliche Förderung meint insbesondere die Verbreitung moralischer und religiöser Werte, wobei allerdings oft nicht eindeutig zwischen geistiger und sittlicher Förderung abgegrenzt werden kann.98

1. § 52 Abs. 1 Satz 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung a) Rechtsprechung aa) Gemeinwohlbezug Die heutige Auslegung des Begriffs Förderung der Allgemeinheit in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO in der Rechtsprechung geht auf ein Urteil des Bundes­ finanzhofs vom 13.12.197899 zurück. Der Bundesfinanzhof argumentierte in 95  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 40; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 8; vgl. BFH, Urteil vom 23.11.1988 – I R 11/88, BStBl. II 1989, S. 391, 392. 96  BFH, Urteil vom 20.3.2017 – X R 13/15, BStBl. II 2017, S. 1110, 1116; Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 10; Kruschke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 KStG Rn. 166. 97  BFH, Urteil vom 23.11.1988 – I R 11/88, BStBl. II 1989, S. 391, 392; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 42; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 52 AO Rn. 6. 98  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 43; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 6. Angesichts der gleichen Rechtsfolgen beider Varianten ist es nicht nötig, trennscharf abzugrenzen. 99  BFH, Urteil vom 13.12.1978 – I R 39/78, BStBl. II 1979, S. 482.



II. Heutiges Verständnis69

dieser Entscheidung, dass es sehr viele unterschiedliche Möglichkeiten gebe, die Allgemeinheit zu fördern, sodass auch bei der Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals auf eine größere Anzahl von Kriterien zurückgegriffen werden müsse. Im konkreten Fall will der Bundesfinanzhof dann anhand eines einzelnen oder mehrerer dieser Kriterien entscheiden, welchen Aussagegehalt § 52 Abs. 1 Satz 1 AO hat. In den Worten des Gerichts wird der Sinngehalt dieser Norm „im wesentlichen geprägt durch die herrschende Staatsverfassung, wie sie der Bundesrepublik Deutschland als einem demokratischen und sozialen Bundesstaat durch das Grundgesetz (GG) gegeben ist, durch die sozialethischen und religiösen Prinzipien, wie sie gelehrt und praktiziert werden, durch die bestehende geistige und kulturelle Ordnung, durch Forschung, Wissenschaft und Technik, wie sie aufgrund ihrer Entwicklungen dem neueren Wissensstand und Erkenntnisstand entsprechen, durch die vorhandene Wirtschaftsstruktur und die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse sowie schließlich die Wertvorstellungen und die Anschauungen der Bevölkerung. Diese Wertungskriterien ermöglichen es – anders als allein die Anschauung der Bevölkerung oder einer Mehrheit der Bevölkerung –, den Beurteilungsspielraum hinsichtlich des Gesetzesbegriffs ‚Förderung der Allgemeinheit‘ angemessen und zutreffend auszufüllen.“100

Sowohl die Finanzgerichte101 als auch der Bundesfinanzhof102 beziehen sich bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 AO regelmäßig auf dieses Urteil vom 13.12.1978, das damit zur Grundlage einer ständigen Rechtsprechung geworden ist. In späteren Entscheidungen hat der Bundesfinanzhof seine Formulierung modifiziert. Entscheidend soll nun in erster Linie sein, ob Satzung und Tätigkeit einer gemeinnützigen Einrichtung mit den Wertvorstellungen der Grundrechte gemäß Art. 1–19 GG vereinbar sind.103 Das Tatbestandsmerkmal der Förderung der Allgemeinheit wird nach Ansicht des Gerichts „wesentlich geprägt durch die objektive Wertordnung, wie sie insbesondere im Grund100  BFH,

Urteil vom 13.12.1978 – I R 39/78, BStBl. II 1979, S. 482, 485–486. FG, Urteil vom 18.6.1981 – VI 309/80, EFG 1981, S. 588, 589; Hessisches FG, Urteil vom 17.8.1993 – 4 K 5777/91, EFG 1994, S. 444, 445; FG Hamburg, Urteil vom 7.9.2004 – VII 16/01, EFG 2005, S. 158; FG Hamburg, Urteil vom 12.5.2004 – VII 287/01, EFG 2004, S. 1878, 1880; FG München, Urteil vom 25.7.2016 – 7 K 2859/14, juris; Hessisches FG, Urteil vom 10.11.2016 – 4 K 179/16, DStRE 2017, S. 1128, 1135; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 5.3.2018 – 10 K 3622/16, BeckRS 2018, 14376; FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.1.2019 – 8 K 8286/17, EFG 2019, S. 1049, 1050. 102  BFH, Urteil vom 29.8.1984 – I R 215/81, BStBl. II 1985, S. 106, 107; BFH, Urteil vom 31.5.2005 – I R 105/04, BFH/NV 2005, S. 1741, 1742; BFH, Urteil vom 11.4.2012 – I R 11/11, BStBl. II 2013, S. 146, 147; BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218, 220. 103  BFH, Urteil vom 31.5.2005 – I R 105/04, BFH/NV 2005, S. 1741, 1742; BFH, Urteil vom 27.9.2018 – V R 48/16, BFHE 262, S. 306, 313. 101  Niedersächsisches

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

rechtskatalog der Art. 1 bis 19 GG zum Ausdruck kommt“.104 Wenn die Tätigkeit der Körperschaft mit diesen Werten nicht übereinstimmt, werde nicht im Sinn von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO die Allgemeinheit gefördert.105 Daher sei eine Einrichtung nicht gemeinnützig, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder gegen Freiheitsgrundrechte richte.106 Diese Frage hat die Finanzrechtsprechung zum Beispiel im Hinblick auf Art. 1 Abs. 1 GG thematisiert, als es um das simulierte Schießen auf Menschen ging.107 Vor allem stützt sich die Rechtsprechung in diesem Zusammenhang aber auf Art. 3 GG. So hat der Bundesfinanzhof festgestellt, dass es nicht mit der Wertordnung des Grundgesetzes vereinbar sei, wenn eine Einrichtung gemäß ihrer Satzung davon ausgeht, dass es verschiedene Menschenarten gebe, die unterschiedlich wertvoll seien.108 Das Wertesystem der Grundrechte zeige in Art. 1 Abs. 1, Art. 3 Abs. 3 GG, dass alle Menschen ihrem Wesen nach gleich seien. Wenn eine Einrichtung diese Gleichheit in Abrede stelle, widerspreche sie diesem Wertesystem und könne daher nicht gemeinnützig sein.109 Diese Rechtsprechung zur Gemeinnützigkeit von Körperschaften, die möglicherweise gegen Art. 3 GG verstoßen, hat der Bundesfinanzhof im Urteil zur Gemeinnützigkeit einer Freimaurerloge110 weitergeführt. In dieser Entscheidung hat das Gericht argumentiert, dass die klagende Freimaurerloge gegen die Wertordnung des Grundgesetzes verstoße, weil sie Frauen von der Mitgliedschaft ausschloss. Dadurch würden Frauen entgegen Art. 3 Abs. 3 GG diskriminiert, sodass ein – gemeinnützigkeitsschädlicher – Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliege. Der Eingriff in Art. 3 Abs. 3 GG könne nicht durch zwingende sachliche Gründe gerechtfertigt werden, weil Frauen gleichermaßen von der Tätigkeit der Freimaurerloge profitieren könnten.111 104  BFH,

Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218, 220. Urteil vom 11.4.2012 – I R 11/11, BStBl. II 2013, S. 146, 147; BFH, Urteil vom 27.9.2018 – V R 48/16, BFHE 262, S. 306, 313. 106  BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218, 220. 107  Offengelassen in BFH, Urteil vom 27.9.2018 – V R 48/16, BFHE 262, S. 306, 314; Verstoß bejaht im Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 19.2.2014 – 1 K 2423/11, DStRE 2015, S. 294, 296: „Der Senat vermag in der auch nur simulierten Tötung/Verletzung von Menschen als Mittel zum Zweck keinen Umstand zu erblicken, der mit der Wertordnung unserer Gesellschaft auch nur ansatzweise in Einklang zu bringen wäre.“ 108  BFH, Urteil vom 31.5.2005 – I R 105/04, BFH/NV 2005, S. 1741, 1743. 109  BFH, Urteil vom 31.5.2005 – I R 105/04, BFH/NV 2005, S. 1741, 1743. 110  BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218. 111  BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218, 220–221. Zu den Gründen der Freimaurerlogen, Frauen von der Mitgliedschaft auszuschließen, Goeller, Freimaurer, S. 174–175. 105  BFH,



II. Heutiges Verständnis71

Auch aus kollidierendem Verfassungsrecht ließ sich die Diskriminierung von Frauen nach Ansicht des Bundesfinanzhofs nicht rechtfertigen, weil es bezüglich der vorrangig vor Art. 9 Abs. 1 GG zu prüfenden korporativen Religionsfreiheit nach Art. 137 Abs. 2 WRV in Verbindung mit Art. 140 GG bereits an einem Eingriff fehle. Aus der Religionsfreiheit ließe sich kein Anspruch auf Steuervergünstigungen herleiten.112 Streitgegenständlich seien nur die aus der Gemeinnützigkeit folgenden Steuervergünstigungen, die nicht grundrechtlich geschützt seien.113 Auch die bis ins Mittelalter zurückgehende Tradition der Freimaurerei könne den Eingriff in Art. 3 Abs. 3 GG nicht rechtfertigen, weil es gerade die Funktion dieser grundrechtlichen Gewährleistung sei, bestehende und historisch überlieferte Ungleichbehandlungen mit Wirkung für die Zukunft abzubauen.114 Im Anschluss an diese Entscheidung des Bundesfinanzhofs hatte das FG Baden-Württemberg über die Gemeinnützigkeit einer islamischen Religionsgemeinschaft zu befinden, die ihrer Satzung gemäß nur Muslime als Mitglieder aufnahm.115 Das FG hat angenommen, dass nur Muslime wirksam die islamische Religion fördern könnten und es daher aus sachlichen Gründen gerechtfertigt sei, wenn die gemeinnützige Einrichtung nur Muslime fördere. Damit liege kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 GG vor, die Wertordnung des Grundgesetzes werde nicht verletzt. bb) Verfassungsmäßige Ordnung Neben dieser geforderten Übereinstimmung mit dem Wertesystem des Grundgesetzes entnimmt die Rechtsprechung § 52 Abs. 1 Satz 1 AO, dass eine Einrichtung sowohl nach ihrer Satzung als auch nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung die verfassungsmäßige Ordnung einhalten muss.116 Um 112  BFH,

Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218, 221. Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218, 221. 114  BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218, 221. 115  FG Baden-Württemberg, Urteil vom 5.3.2018 – 10 K 3622/16, BeckRS 2018, 14376; kritisch Kohlhepp, DStR 2019, S. 129, 130. 116  BFH, Urteil vom 29.8.1984 – I R 215/81, BStBl. II 1985, S. 106, 107; BFH, Urteil vom 29.10.1997 – I R 13/97, BStBl. II 1998, S. 9, 11; BFH, Beschluss vom 3.9.1999 – I B 75/98, BFH/NV 2000, S. 301, 302; BFH, Urteil vom 20.3.2017 – X R 13/15, BStBl. II 2017, S. 1110, 1118; BFH, Urteil vom 27.9.2018 – V R 48/16, BFHE 262, S. 306, 313; FG Hamburg, Urteil vom 8.12.1997 – II 98/95, EFG 1998, S. 916, 918; Niedersächsisches FG, Urteil vom 20.3.1986 – VI 63/85, juris; FG Düsseldorf, Urteil vom 9.2.2010 – 6 K 1908/07 K, EFG 2010, S. 1287, 1288; bestätigt durch BFH, Urteil vom 9.2.2011 – I R 19/10, BFH/NV 2011, S. 1113; einen Überblick zur Rechtsprechung bietet Jansen, FR 2002, S. 996, 996–999. 113  BFH,

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

den Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung inhaltlich auszufüllen, verweist der Bundesfinanzhof117 auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 GG, diese Formulierung soll demnach alle formell und materiell verfassungsgemäßen Normen umfassen.118 Die verfassungsmäßige Ordnung im Sinn des Art. 2 Abs. 1 GG nimmt neben materiellem Recht also auch formelle Vorgaben wie etwa Verfahrensregeln in Bezug.119 Der Bundesfinanzhof argumentiert, dass die Rechtsordnung dem Schutz des Einzelnen und in der Folge auch dem Schutz der Allgemeinheit insgesamt diene.120 Wenn die Tätigkeit einer Einrichtung die Rechtsordnung verletze, würde dadurch auch in die Rechte der Allgemeinheit eingegriffen, insoweit könne diese Tätigkeit daher nicht die Allgemeinheit fördern.121 cc) Auffassung der Bevölkerung Während der Bundesfinanzhof in seiner früheren Rechtsprechung davon ausging, dass eine in der Bevölkerung bestehende Auffassung bezüglich eines bestimmten Zwecks bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO stets beachtlich sei,122 ist das Gericht seit einiger Zeit der Ansicht, dass es grundsätzlich nicht auf die Meinung der Bevölkerung ankomme, sondern § 52 Abs. 1 Satz 1 AO objektiv auszulegen sei.123 Der Zweckkatalog in § 52 Abs. 2 AO erkläre die dort genannten Zwecke für objektiv förderungswürdig, ohne auf die Meinung der Bevölkerung Rücksicht zu nehmen. Daher könne es auch für die Auslegung von § 52 Abs. 1 AO grundsätzlich nicht auf die Bevölkerungsauffassung ankommen.124 Lediglich eine „feste, offenkundige oder allgemeinkundige Meinung der Bevölkerung“125 könne berücksichtigt werden. 117  BFH,

Urteil vom 29.8.1984 – I R 215/81, BStBl. II 1985, S. 106, 107. Urteil vom 16.1.1957 – 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, S. 32, 37–38 (Elfes); Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 39 m. w. N.; BFH, Urteil vom 13.12.1978 – I R 39/78, BStBl. II 1979, S. 482, 487; BFH, Urteil vom 29.10.1997 – I R 13/97, BStBl. II 1998, S. 9, 11. Ähnlich auch BFH, Urteil vom 27.9.2001 – V R 17/99, BStBl. II 2002, S. 169, 170, in dem die verfassungsmäßige Ordnung ohne nähere Erläuterung mit der Rechtsordnung gleichgesetzt wird. In BFH, Urteil vom 3.12.1996 – I R 67/95, BStBl. II 1997, S. 474, 476 wird sogar nur die Rechtsordnung herangezogen, ohne auf die verfassungsmäßige Ordnung Bezug zu nehmen. 119  Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 2 Abs. 1 Rn. 42. 120  BFH, Urteil vom 29.8.1984 – I R 215/81, BStBl. II 1985, S. 106, 107; BFH, Urteil vom 27.9.2018 – V R 48/16, BFHE 262, S. 306, 313. 121  BFH, Urteil vom 29.8.1984 – I R 215/81, BStBl. II 1985, S. 106, 107; BFH, Urteil vom 27.9.2018 – V R 48/16, BFHE 262, S. 306, 313. 122  Siehe oben S. 59. 123  BFH, Urteil vom 13.12.1978 – I R 39/78, BStBl. II 1979, S. 482, 485. 124  BFH, Urteil vom 13.12.1978 – I R 39/78, BStBl. II 1979, S. 482, 485–486. 125  BFH, Urteil vom 13.12.1978 – I R 39/78, BStBl. II 1979, S. 482, 486. 118  BVerfG,



II. Heutiges Verständnis73

dd) Bezüge zu anderen Normen In seinen Entscheidungen geht der Bundesfinanzhof im Sinn einer Art Vermutung zugunsten der betroffenen Einrichtung grundsätzlich davon aus, dass die Allgemeinheit gefördert wird, solange es keine gegenteiligen Anhaltspunkte gibt. Das Gericht versteht das Verhältnis des Zweckkatalogs in § 52 Abs. 2 AO zur Förderung der Allgemeinheit nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO also so, dass eine Einrichtung grundsätzlich im Sinn des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO die Allgemeinheit fördert, sobald ihr Zweck § 52 Abs. 2 AO unterfällt.126 Keinen erheblichen Einfluss auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 52 Abs. 1 Satz 1 AO hat § 51 Abs. 3 AO. Diese kürzlich in die AO aufgenommene Vorschrift,127 nach der Einrichtungen nicht gemeinnützig sind, wenn sie Bestrebungen im Sinn des § 4 BVerfSchG128 fördern oder dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderhandeln, wirkt nach Auffassung des Bundesfinanzhofs nur klarstellend,129 das Gericht prüft die Übereinstimmung mit der Wertordnung des Grundgesetzes also unabhängig von dieser Bestimmung.130 b) Literatur Die Literatur orientiert sich bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO an der Rechtsprechung, Unterschiede zeigen sich vor allem im Detail. aa) Gemeinwohl- oder Zeitgeistbezug Dem Tatbestandsmerkmal der Förderung der Allgemeinheit wird vielfach entnommen, dass die gemeinnützige Körperschaft dem Wohl der Allgemeinheit oder den deckungsgleichen Begriffen des öffentlichen Interesses oder des Gemeinwohls zu dienen habe.131 Bezogen auf den jeweiligen Einzelfall 126  BFH,

Urteil vom 29.10.1997 – I R 13/97, BStBl. II 1998, S. 9, 11. durch das JStG 2009 vom 19.12.2008, BGBl. I 2008, S. 2794. 128  § 4 BVerfSchG betrifft gegen den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtete Bestrebungen. 129  Vgl. auch den Bericht des Finanzausschusses zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009, BT-Drucks. 16/11108, S. 45: „Durch diesen neuen Absatz 3 wird verdeutlicht, dass die Zuerkennung der Gemeinnützigkeit mit einer unmittelbaren oder mittelbaren Förderung extremistischer Zielsetzungen unvereinbar ist.“ 130  BFH, Urteil vom 14.3.2018 – V R 36/16, BStBl. II 2018, S. 422, 425. 131  Alvermann, in: Streck, KStG, § 5 Rn. 105; Bott, in: Bott/Walter, KStG, § 5 Rn. 381; Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 2; T. Krüger, in: B. Schwarz/Pahlke, AO/ FGO, § 52 AO Rn. 4; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO 127  Eingefügt

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

müsse festgestellt werden, ob eine Einrichtung nach ihrer Satzung und ihrer tatsächlichen Geschäftsführung dem Allgemeinwohl diene,132 wobei anhand eines objektiven Maßstabs zu entscheiden sei.133 Manchmal wird der gemeinnützigkeitsrechtliche Gemeinwohlbegriff mit einem Verweis auf in anderen Gesetzen verwendete Gemeinwohltatbestände konkretisiert, wie etwa dem Wohle der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GG oder dem öffentlichen Interesse in zahlreichen anderen Regelungen.134 Das Tatbestandsmerkmal der Förderung der Allgemeinheit im Sinn des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO sei in Übereinstimmung mit der übrigen Rechtsordnung auszulegen, also anhand der Wertentscheidungen, die der Rechtsordnung zugrunde lägen.135 Neben den im einfachen Recht enthaltenen Wertungen soll dabei vor allem den Staatszielbestimmungen136 und den Grundrechten137 Bedeutung zukommen, zu beachten seien aber auch die anderen im Grundgesetz geregelten Prinzipien.138 Andere Literaturstimmen verzichten weitgehend auf eine rechtliche Anknüpfung und führen aus, die Summe aller entscheidenden Faktoren im Rahmen des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO sei schlicht der „Zeitgeist“.139 Zwar würden gewisse Grundentscheidungen durch die geltende Rechtsordnung getroffen, tatsächlich hinge die Entscheidung, ob eine Einrichtung die Allgemeinheit fördere, aber „von der herrschenden staatstheoretischen, staatsphilosophischen und sozialethischen Grundströmung, kurzum vom Zeitgeist ab.“140 Wie der Zeitgeist als Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals FörRn. 25; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 3; a. A. Güroff, in: Glanegger/ Güroff, GewStG, § 3 B Rn. 31; Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, § 52 Rn. 4, die den Begriff der Förderung der Allgemeinheit enger auslegen wollen als angrenzende Begriffe wie insb. das Gemeinwohl. Häberle, Öffentliches Interesse, S. 201 sieht die in § 17 StAnpG definierte Gemeinnützigkeit im Vergleich zum öffentlichen Interesse als den umfassenderen Begriff an. 132  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 25; Wionzeck, GWR 2017, S. 409, 411. 133  Bott, in: Bott/Walter, KStG, § 5 Rn. 381. 134  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 25; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 3. 135  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 25. 136  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 25. 137  Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 11; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 25. 138  Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 11. 139  Halaczinsky, in: R. Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, D Rn. 30; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 3; zum Einfluss des Zeitgeists auf das Gemeinnützigkeitsrecht P. Fischer, DStR 2018, S. 1394–1398. 140  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 3; ähnlich Erdbrügger, in: BeckOK AO, § 52 Rn. 50; Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, § 52 AO Rn. 22; T. Krü-



II. Heutiges Verständnis75

derung der Allgemeinheit auf einen konkreten Fall angewendet werden soll, wird in diesem Zusammenhang allerdings nicht näher ausgeführt. bb) Verfassungsmäßige Ordnung Der Zweck der Einrichtung und die Mittel, die zur Zweckerreichung eingesetzt werden, müssen sich nach überwiegender Auffassung im Rahmen der durch das Grundgesetz vorgegebenen verfassungsmäßigen Ordnung halten.141 Was daraus im Einzelnen folgt, wird unterschiedlich beurteilt. Manche umschreiben die verfassungsmäßige Ordnung mit der Wertordnung des Grundgesetzes, also insbesondere den Grundrechten.142 Gemeinnützige Einrichtungen müssen nach dieser Ansicht die grundlegenden Entscheidungen der Verfassung beachten143 und sich im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung halten.144 Das folge unter anderem aus dem höheren Rang des Grundgesetzes im Vergleich zum übrigen Gesetzesrecht.145 Dabei wird auch argumentiert, dass der Staat mittelbar selbst gegen Grundrechte verstoße, wenn er durch die Gewährung von Steuervergünstigungen eine Einrichtung fördere, die ihrerseits nicht die Grundrechte achte.146 Wenn eine Einrichtung nach verfassungsrechtlichen Maßstäben verboten werden könne, würde auch der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung dazu führen, dass diese Einrichtung nicht gemeinnützig sein könne.147 ger, in: B. Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 52 AO Rn. 4, 8; Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, § 52 Rn. 7. 141  Ax/Große/Melchior/Lotz/Ziegler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 375; Blesinger/Viertelhausen, in: Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, § 52 AO Rn. 7; Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 14; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 3 B Rn. 46; Hey, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 2; Rader, in: Leopold/Madle/Rader, AO, § 52 Rn. 10. 142  Alber, in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, § 5 Abs. 1 Nr. 9 Rn. 21; Bott, in: Bott/Walter, KStG, § 5 Rn. 381; Erdbrügger, in: BeckOK AO, § 52 Rn. 56; Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 14; Halaczinsky, in: Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, D Rn. 30; Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, § 52 AO Rn. 36; Niewerth, in: Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 52 AO Rn. 9. 143  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.72. 144  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 31; ähnlich Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 14; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 3 B Rn. 46; Kruschke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 5 KStG Rn. 166; v. Twickel, in: Blümich, § 5 KStG Rn. 115. 145  Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 3 Rn. 73. 146  Michel, HFR 2017, S. 873, 877. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Gemeinwohlvorbehalt in § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB argumentiert parallel: Die Stiftungsbehörde dürfe durch die Anerkennung einer Stiftung keine „Mitverantwortung für die Verwirklichung eines verfassungsbeeinträchtigenden Stiftungszwecks übernehmen“, BT-Drucks. 14/8765, S. 9. 147  Jäschke, DStR 2009, S. 1669, 1670.

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

Dementsprechend wird auch § 51 Abs. 3 AO teilweise als nicht abschließende Klarstellung für Fälle gesehen, in denen besonders deutlich gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen wird.148 Andere weisen darauf hin, dass das Tatbestandsmerkmal der Förderung der Allgemeinheit nach § 52 Abs. 1 AO von § 51 Abs. 3 AO zu trennen sei.149 Andere Literaturstimmen geben die oben zitierte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs wieder, ohne eigene Auslegungsansätze zu entwickeln150, oder stellen ohne nähere Erläuterungen fest, die Tätigkeit einer gemeinnützigen Einrichtung müsse mit dem Grundgesetz vereinbar sein.151 Anknüpfend an Art. 3 GG und die verfassungsmäßige Ordnung wird in der Literatur auch erörtert, ob Einrichtungen gemeinnützig sein können, die nur Männer oder nur Frauen fördern. Zunächst besteht Einigkeit, dass einer Einrichtung, die nur Männer oder Frauen fördert, nicht allein aus diesem Grund wegen eines Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 AO die Gemeinnützigkeit versagt werden könne.152 Wenn der Förderzweck einer Einrichtung nur bei einem Geschlecht erreicht werden könne und als Konsequenz auch nur dieses Geschlecht gefördert wird, könne die betreffende Einrichtung gemeinnützig sein.153 Wenn dagegen kein solcher Grund für eine Differenzierung anhand des Geschlechts bestehe, soll diese Differenzierung nach einer Ansicht die Gemeinnützigkeit ausschließen.154 Demnach seien grundsätzlich nur aus biologischen Gründen zwingend erforderliche Differenzierungen zulässig.155

148  Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 14; ähnlich Koenig, in: Koenig, AO, § 51 Rn. 23; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 51 AO Rn. 10. 149  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 52 AO Rn. 33. 150  Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 59; Niewerth, in: Lipp­ ross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 52 AO Rn. 3. 151  Blesinger/Viertelhausen, in: Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, § 52 AO Rn. 7; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 2; Märtens, in: Gosch, KStG, § 5 Rn. 197. 152  Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 14; Gersch, AO-StB 2018, S. 214, 216; Joisten/Vossel, FR 2016, S. 714, 718; Wionzeck, GWR 2017, S. 409, 410; im Ergebnis auch Mirbach, BeSt 2017, S. 39; Wiemers, BB 2017, S. 2148, 2152. 153  Bruschke, SteuK 2016, S. 171, 172; Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 14; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.37; Joisten/Vossel, FR 2016, S. 714, 716. 154  Vgl. Erdbrügger, in: BeckOK AO, § 52 Rn. 57; Rader, in: Leopold/Madle/ Rader, AO, § 52 Rn. 10. 155  Spangenberg, RuP 2020, S. 78, 80; so unter Bezug auf die Rechtsprechung des BVerfG auch Gallus, ErbStB 2018, S. 120, 125; Mirbach, BeSt 2017, S. 39; Rader, in: Leopold/Madle/Rader, AO, § 52 Rn. 10. Rader, Gallus und Mirbach erwähnen jeweils auch kollidierendes Verfassungsrecht als Rechtfertigungsgrund. Das ist nicht überzeugend, siehe oben S. 49–51.



II. Heutiges Verständnis77

Demgegenüber halten andere Stimmen eine Diskriminierung anhand des Geschlechts für zulässig, solange sie nicht willkürlich ist.156 Es sei nicht nötig, jeden Aspekt eines Katalogzwecks im Sinn des § 52 Abs. 2 AO zu fördern, sondern eine Einrichtung dürfe sich auch bezüglich des Geschlechts der Geförderten auf einen Aspekt konzentrieren, etwa im Sport auf Mannschaften eines Geschlechts oder im musikalischen Bereich auf Männer- oder Frauenchöre.157 Dabei wird auch argumentiert, die im Sport besonders wichtige Chancengleichheit rechtfertige es bei Sportvereinen, jeweils nur Angehörige eines Geschlechts aufzunehmen, um physiologischen Unterschieden zwischen den Geschlechtern gerecht zu werden.158 Andere legen einen noch großzügigeren Maßstab an und gehen davon aus, dass gemeinnützige Einrichtungen nach dem Geschlecht differenzieren dürften, solange nicht die grundrechtlich geschützte Gleichbehandlung insgesamt bekämpft werde159 oder die Einrichtung deswegen keine Frauen oder keine Männer fördere, weil sie das jeweils andere Geschlecht für minderwertig halte.160 Für diese Auslegung wird argumentiert, dass die Soldaten- und Reservistenbetreuung nach § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO als gemeinnützig anerkannt sei, wenngleich dadurch weit überwiegend Männer gefördert würden.161 Auch die Förderung des traditionellen Brauchtums sei ein gemeinnütziger Zweck, obwohl viele Brauchtumsbestandteile, wie zum Beispiel Schützenbruderschaften, nur Männer förderten.162 Eine Förderung der Allgemeinheit im Sinn des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO werde indiziert, wenn die Einrichtung nach ihrer Satzung und ihrer tatsäch­ lichen Geschäftsführung einen Katalogtatbestand nach § 52 Abs. 2 AO 156  Joisten/Vossel, FR 2016, S. 714, 717; ähnlich Wagner, NZG 2019, S. 46, 53; Weitemeyer/Wrede, npor 2018, S. 3, 5. 157  Joisten/Vossel, FR 2016, S. 714, 717; Bruschke, SteuK 2016, S. 171, 172, der wenig überzeugend danach differenzieren will, ob der Ausschluss eines Geschlechts in der Satzung geregelt ist; a. A. Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 3 Rn. 79. Kritisch auch Spangenberg, RuP 2020, S. 78, 80, derartige Unterscheidungen beruhten auf „vertrauten stereotypen Annahmen.“ 158  Michel, jM 2017, S. 429, 431; ähnlich Wionzeck, GWR 2017, S. 409, 412. Zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung unterschiedlicher sportlicher Leistungsanforderungen an Jungen und Mädchen Sachs, SpuRt 2019, S. 50, 53–55. 159  Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 14. 160  Gersch, AO-StB 2018, S. 216; ähnlich Kohlhepp, DStR 2017, S. 2577, 2578. 161  Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 14. Gersch, AO-StB 2018, S. 214, 216 verweist dazu wenig überzeugend auch auf § 52 Abs. 2 Nr. 18 AO, denn nach allgemeiner Lebenserfahrung würden nur Frauen die Gleichberechtigung von Männern und Frauen unterstützen. Gersch ist in dieser Frage mittlerweile deutlich konzilianter, vgl. Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 14. 162  Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 14; zur Gemeinnützigkeit solcher Schützenbruderschaften siehe unten S. 177–179.

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

verwirklicht,163 das spreche dafür, dass nach Meinung des Gesetzgebers auch Einrichtungen gemeinnützig sein können, die ausschließlich oder nahezu ausschließlich ein Geschlecht fördern. Schließlich habe der Gesetzgeber der AO schon 1977 gewusst, dass es reine Männer- und Frauenvereine gebe,164 aber bewusst keine Sonderregel geschaffen.165 cc) Einhaltung der Rechtsordnung Neben der verfassungsmäßigen Ordnung müssen gemeinnützige Einrichtungen nach der überwiegenden Auffassung in der Literatur auch die übrige Rechtsordnung beachten,166 wobei der Umfang dieser Bindung an einfaches Recht im Einzelnen umstritten ist. Teilweise wird angenommen, gemeinnützige Körperschaften seien vollumfänglich an die geltende Rechtsordnung gebunden, sodass jeder Verstoß gegen die Rechtsordnung den Verlust der Gemeinnützigkeit zur Folge haben müsse.167 Der Steuerstaat dürfe nur solche Einrichtungen fördern, die im Einklang mit der Rechtsordnung tätig werden, um sich nicht in Widerspruch zum Rechtsstaat168 zu setzen.169 Andere sind der Meinung, die Aberkennung oder Versagung der Gemeinnützigkeit bei jeglichem Rechtsverstoß könnte unverhältnismäßig sein,170 es müsse daher nach Art und Gewicht des Verstoßes differenziert werden.171 163  Alber, in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, § 5 Abs. 1 Nr. 9 Rn. 31; Kohlhepp/Weidmann, in: Hidien/Jürgens, Besteuerung der öffentlichen Hand, § 11 Rn. 44; a. A. Leisner-Egensperger, in: FS Merten, S. 277, 282. 164  Das soll insbesondere für Einrichtungen gelten, die nach § 52 Abs. 2 Nr. 23 AO das traditionelle Brauchtum fördern und womöglich seit Jahrhunderten nur Angehörige eines Geschlechts aufnehmen, Gersch, AO-StB 2018, S. 214, 217; im Ergebnis auch Wagner, NZG 2019, S. 46, 53. 165  Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 14. 166  Erdbrügger, in: BeckOK AO, § 52 Rn. 56; Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 13; Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, § 52 AO Rn. 37; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 34; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 15–16. 167  Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 2; Rader, in: Leopold/Madle/Rader, AO, § 52 Rn. 10. 168  Dem lässt sich nicht § 40 AO entgegenhalten, nach dem Verstöße gegen Gesetze oder gegen die guten Sitten für die Besteuerung unerheblich sind. Entweder man versteht § 52 AO als speziellere und daher vorrangige Norm (Drüen, in: Tipke/ Kruse, AO/FGO, § 40 AO Rn. 20) oder reduziert § 40 AO teleologisch (Englisch, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 5 Rn. 109; P. Fischer, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/ FGO, § 40 AO Rn. 18; Weber, JuS 2000, S. 1059, 1061). 169  Isensee, in: FS Dürig, S. 33, 45. 170  T. Krüger, in: B. Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 52 AO Rn. 7. 171  Näher dazu siehe oben S. 43–45.



II. Heutiges Verständnis79

dd) Auffassung der Bevölkerung Ob einer in der Bevölkerung vorherrschenden Meinung zu einem bestimmten Thema auch im Gemeinnützigkeitsrecht Bedeutung zukommt, ist in der Literatur umstritten. Teilweise wird in Anlehnung an die Rechtsprechung vertreten, es käme zwar grundsätzlich nicht auf die Mehrheitsauffassung in der Bevölkerung an, eine feststehende und offenkundige Überzeugung der Bevölkerung könne aber ein Indiz für eine gemeinwohlförderliche Tätigkeit sein.172 Andere sprechen der Meinung der Bevölkerung jegliche Bedeutung für die Auslegung von § 52 Abs. 1 AO ab, weil allein anhand objektiver Maßstäbe zu beurteilen sei, ob die Tätigkeit einer Einrichtung die Allgemeinheit fördere.173 c) Verwaltung Der AO-Anwendungserlass enthält keine generellen Regeln, wann eine Einrichtung nach Meinung der Finanzverwaltung im Sinn des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO die Allgemeinheit fördert. Die Finanzverwaltung führt dort nur konkrete Fälle aus, in denen nicht die Allgemeinheit gefördert wird, etwa weil für die Mehrheit der Bevölkerung unerschwingliche Mitgliedsbeiträge erhoben werden.174 Da die wesentlichen Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zu § 52 Abs. 1 Satz 1 AO jeweils im Bundessteuerblatt veröffentlicht wurden, wenden Finanzbeamte diese Urteile bei der Veranlagung ähnlicher Fälle an.175

2. § 52 Abs. 1 Satz 2 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung § 52 Abs. 1 Satz 2 AO regelt seinem Wortlaut nach zwei Fälle, in denen keine Förderung der Allgemeinheit gegeben ist. Die Allgemeinheit wird nicht 172  Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 59; Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, § 52 AO Rn. 22; Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 11; T. Krüger, in: B. Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 52 AO Rn. 4; ähnlich Halaczinsky, in: Wallenhorst/ Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, D Rn. 32; Musil, in: Hübsch­mann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 58–59; Scholtz, in: Koch/Scholtz, AO, § 52 Rn. 7; mit Einschränkungen Alber, in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, § 5 Abs. 1 Nr. 9 Rn. 20. 173  Blesinger/Viertelhausen, in: Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, § 52 AO Rn. 6, 8. Im Ergebnis auch Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 4. 174  AEAO Nr. 1.1 zu § 52, wobei hier nicht eindeutig ist, ob sich die Finanzverwaltung auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO oder auf § 52 Abs. 1 Satz 2 AO stützt. 175  Vgl. Lange, NJW 2002, S. 3657, 3658.

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

gefördert, wenn der Kreis der Geförderten fest abgeschlossen ist. Darüber hinaus darf der Kreis der Geförderten auch nicht so eng abgegrenzt sein, dass dauerhaft nur wenige Personen gefördert werden. In der Rechtspraxis wird diese Regelung vor allem relevant, wenn der Zugang zu Vereinen durch hohe Mitgliedsbeiträge oder Aufnahmegebühren erschwert wird.176 a) Rechtsprechung Ausgangspunkt der Rechtsprechung ist wie bereits in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, dass der Kreis der Geförderten eine Auswahl der Allgemeinheit darstellen muss.177 Das hängt nach Meinung der Rechtsprechung nicht unbedingt von der Anzahl der geförderten Personen ab,178 solange nicht nur einzelne Personen gefördert werden.179 Wenn die Tätigkeit einer Einrichtung mittelbar im Interesse der Allgemeinheit liegt, soll es nicht schaden, wenn nur ein fest abgeschlossener Personenkreis unmittelbar von der Förderung profitiert.180 Nach Ansicht des Bundesfinanzhofs wird § 52 Abs. 1 Satz 2 AO nicht verletzt, wenn eine gemeinnützige Einrichtung nur die Angehörigen eines Geschlechts fördert.181 b) Literatur In der Literatur wird § 52 Abs. 1 Satz 2 AO als „Exklusivitätsverbot“182 verstanden,183 die Vorschrift solle verhindern, dass Sonderinteressen und 176  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.38; zu Zugangsbeschränkungen bei Sportvereinen und deren Beurteilung nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO auch J. Martens, Besteuerung im Amateursport, S. 70–78. 177  BFH, Urteil vom 20.1.1982 – I R 80/78, juris; BFH, Urteil vom 13.8.1997 – I R 19/96, BStBl. II 1997, S. 794, 795–796; BFH, Urteil vom 29.10.1997 – I R 13/97, BStBl. II 1998, S. 9, 11; BFH, Urteil vom 23.7.2003 – I R 41/03, BStBl. II 2005, S. 443. 178  BFH, Urteil vom 5.8.1992 – X R 165/88, BStBl. II 1992, S. 1048, 1050. Wenn eine große Personenzahl gefördert wird, kann das gegen einen fest abgeschlossenen Personenkreis sprechen, vgl. FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.6.2018 – 9 K 11080/17, EFG 2019, S. 793, 796. 179  FG Köln, Urteil vom 19.2.2015 – 13 K 3354/10, EFG 2015, S. 1119, 1124, bestätigt durch BFH, Urteil vom 21.9.2016 – V R 50/15, BStBl. II 2017, S. 1173. 180  BFH, Urteil vom 23.6.1988 – IV R 21/86, BStBl. II 1988, S. 890, 891. 181  BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218, 220; a. A. noch FG Bremen, Urteil vom 9.7.1982 – I 37/81 K, EFG 1983, S. 194, 195. 182  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 10. 183  Erdbrügger, in: BeckOK AO, § 52 AO Rn. 94; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 52 AO Rn. 10.



II. Heutiges Verständnis81

I­nteressen, die sich auf bestimmte Personengruppen beschränken, steuerlich gefördert werden.184 Entscheidend sei – wie auch bei § 52 Abs. 1 Satz 1 AO – wer gefördert werde, nicht wer Mitglied einer Einrichtung werden könne. Wenn eine Körperschaft Nichtmitglieder fördert, soll es daher unschädlich sein, wenn wegen strenger Zugangsvoraussetzungen nur wenige Menschen Mitglieder werden können.185 Anders als es der Wortlaut der Norm vermuten lasse, fordere § 52 Abs. 1 Satz 2 AO nicht, dass eine bestimmte Mindestzahl von Personen gefördert werde.186 Daher könne auch die Förderung einer kleinen Personengruppe die Allgemeinheit fördern, solange die geförderte Gruppe einen Ausschnitt aus der Allgemeinheit darstelle.187 Ein dauernd nur kleiner Kreis im Sinn des § 52 Abs. 1 Satz 2 AO soll allerdings vorliegen, wenn der Kreis der Geförderten so klein ist, dass die Allgemeinheit kein Interesse mehr an der Förderung habe.188 Der Kreis derer, die gefördert werden können, darf also nicht ohne sach­ lichen Grund endgültig umgrenzt sein.189 Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der geförderte Personenkreis stärker begrenzt ist als nur durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten statistisch erfassbaren Gruppe.190 In Bezug auf Beschränkungen anhand des Geschlechts wird teilweise argumentiert, die Angehörigen eines Geschlechts stellten keine homogene Gruppe mit bestimmten Sonderinteressen dar, sondern hätten ganz verschiedene, teilweise auch gegenläufige Interessen.191 Daher könnten sie keinen abgeschlossenen Personenkreis im Sinn des § 52 Abs. 1 Satz 2 AO darstellen.192 184  Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 3; Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 18. T. Krüger, in: B. Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 52 AO Rn. 11 sieht die Vorschrift für diesen Zweck als ungeeignet an. 185  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.37; Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 19; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 67. 186  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn.  3.33; P. Fischer, jurisPR-SteuerR 42/2017 Anm. 1; Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 18; Lang, StuW 1987, S. 221, 233. 187  Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 63; Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 4; Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 19; Musil, in: Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 66; v. Twickel, in: Blümich, § 5 KStG Rn. 115. 188  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.38. 189  Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 62; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.36. 190  Blesinger/Viertelhausen, in: Kühn/v. Wedelstädt, AO/FGO, § 52 AO Rn. 3. 191  Sacksofsky, Gutachten, S. 3. 192  Sacksofsky, Gutachten, S. 3. Im Ergebnis auch Alber, in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, § 5 Abs. 1 Nr. 9 Rn. 25; a.  A. Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.37.

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

Andere sind der Auffassung, dass Frauen in Deutschland über die Hälfte der Bevölkerung ausmachen, sodass nicht von einer Förderung der Allgemeinheit die Rede sein könne, wenn ein derart großer Teil der Bevölkerung ausgeschlossen werde.193 c) Verwaltung Der Anwendungserlass zur AO regelt detailliert, wann in den Augen der Finanzverwaltung ein Verstoß gegen § 52 Abs. 1 Satz 2 AO vorliegt, wenn hohe Mitgliedsgebühren nur exklusiven Kreisen die Mitgliedschaft ermög­ lichen.194 Der AEAO enthält aber keine von dieser Frage losgelösten allgemeinen Erläuterungen zu § 52 Abs. 1 Satz 2 AO. Auch hier gilt, dass die meisten Entscheidungen des Bundesfinanzhofs im Bundessteuerblatt ver­ öffentlicht wurden, sodass sich die Finanzverwaltung der Auffassung der Rechtsprechung angeschlossen hat. d) Ergebnis Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck von § 52 Abs. 1 Satz 2 AO zeigen, dass die Vorschrift verhindern will, Sonderinteressen steuerlich zu fördern, weil die Allgemeinheit nicht davon profitiert, wenn Sonderinteressen gefördert werden. Wer zahlenmäßig argumentiert, missversteht die Regelung. Wenn ein Geschlecht von der Förderung ausgeschlossen wird, unterfällt das dem Tatbestand der Regelung nicht, weil die Angehörigen eines Geschlechts keine gemeinsamen Sonderinteressen vertreten. Daher ist § 52 Abs. 1 Satz 2 AO für den weiteren Verlauf der Untersuchung nicht mehr relevant. Diese Auslegung der Norm ergibt sich allerdings nicht ohne Weiteres aus ihrem Wortlaut,195 und insbesondere der letzte Halbsatz von § 52 Abs. 1 Satz 2 AO, nach dem die Zahl der Geförderten nicht dauernd nur sehr klein sein dürfe, lädt zu Missverständnissen ein.196

193  Bruschke, SteuK 2016, S. 171, 172. Im Ergebnis auch Buchna/Leichinger/Seeger/Brox, Gemeinnützigkeit, S. 63. Dazu kritisch Joisten/Vossel, FR 2016, S. 714, 715; Weitemeyer/Wrede, npor 2018, S. 3, 5. 194  AEAO Nr. 1.1–1.3.2 zu § 52. 195  So auch Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 18. 196  Vgl. auch P. Fischer, jurisPR-SteuerR 42/2017 Anm. 1: „verunglückte[n] Textfassung des § 52 Abs. 1 Satz 2 AO“.



III. Kritik der gegenwärtigen Auslegung83

III. Kritik der gegenwärtigen Auslegung Die gegenwärtig vorherrschende Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO weist zahlreiche Schwächen auf, die bei der Rechtsanwendung durch Finanzverwaltung und Gerichte zu einer „den Anschein der Willkür erweckenden Beliebigkeit“197 führen.

1. Abhängigkeit vom Zeitgeist Zu dieser Beliebigkeit trägt zunächst bei, dass die gegenwärtige Rechtsprechung stark vom Zeitgeist abhängt.198 Die im Zeitgeist verkörperten außerrechtlichen Wertungen und gesellschaftlichen Tendenzen schlagen sich im Gemeinnützigkeitsrecht schneller nieder als in anderen Gebieten des Steuerrechts, weil § 52 Abs. 1 AO für solche Einflüsse besonders offen ist. Dadurch lässt sich auch erklären, warum die Rechtsprechung des Reichs­ finanzhofs zum Gemeinnützigkeitsrecht von 1933 bis 1945 deutlich stärker durch die nationalsozialistische Ideologie geprägt wurde als auf anderen Gebieten des Steuerrechts.199 Es ist bezeichnend, dass der Reichsfinanzhof auf der Grundlage von § 17 Abs. 2 StAnpG extrem ideologisch-rassistisch begründete Ent­scheidungen fällen konnte, dieselbe Norm aber ab 1945 bis 1976 im Rahmen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung angewendet wurde und dabei überwiegend zu angemessenen Ergebnissen geführt hat.200 Die im Zeitgeist verkörperten außerrechtlichen Wertungen führen zu schwer vorhersehbaren Entscheidungen, denn der Zeitgeist lässt sich nicht objektiv, sondern nur aus Sicht des jeweiligen Rechtsanwenders für den jeweils relevanten Zeitraum ermitteln. Illustriert wird dieses Problem an der finanzgerichtlichen Rechtsprechung zur Gemeinnützigkeit von FKK-Einrichtungen, bei denen in jeder Entscheidung aufs Neue die Frage aufgeworfen

197  Droege,

Gemeinnützigkeit, S. 115. Hessisches FG, Urteil vom 17.8.1993 – 4 K 5777/91, EFG 1994, S. 444, 445: „Die Prüfung, ob eine Förderung der Allgemeinheit auf den genannten Gebieten gegeben ist, beurteilt sich nach einer Vielzahl objektiver Kriterien. Das Werturteil hängt dabei insbesondere von der jeweiligen Gesellschafts- und Sozialordnung, von der herrschenden staatstheoretischen, staatsphilosophischen und sozialethischen Grundströmung, kurzum vom Zeitgeist ab“; ähnlich F. Hammer, StuW 2001, S. 19, 24–25; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 3; kritisch Droege, Gemeinnützigkeit, S. 115. 199  So auch Tipke, BB 1993, S. 1813. 200  Siehe oben S. 59; dazu auch Hofmann, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 25, 27–28. 198  Vgl.

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§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

wurde, ob FKK-Vereine mittlerweile gemeinnützig seien oder ob in der Bevölkerung noch immer die Ablehnung überwiege.201 Auch die Kommentierungen zu § 52 Abs. 1 Satz 1 AO bieten bei der Anwendung dieser Norm auf einen konkreten Fall keine greifbare Hilfe, der Rechtsanwender ist daher darauf zurückgeworfen, aus seiner eigenen Vorstellung von einer Art Inbegriff der gesamten Rechtsordnung oder vom herrschenden Zeitgeist eine juristische Argumentation zu entwickeln. Angesichts der in Teil 1 dargestellten Situation, dass Körperschaften keinerlei Rechtssicherheit haben, ob ihre tatsächliche Geschäftsführung den Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts entspricht oder nicht, ist diese fehlende Rechtssicherheit besonders problematisch. Ob eine Einrichtung in einem Veranlagungszeitraum gemeinnützig war, wird immer erst in der Veranlagung endgültig geprüft. Falls sich der Zeitgeist aufgrund eines bestimmten, einschneidenden Ereignisses innerhalb eines Jahres ändern sollte, würde das die Rechtsanwender – im Rahmen der Grenzen des Vertrauensschutzes202 – vor besonders große Schwierigkeiten stellen. Zudem stehen auch die in § 52 Abs. 2 AO aufgeführten Zwecke nicht unbedingt immer in Einklang mit dem Zeitgeist.203 Insoweit kann der Zeitgeist daher ohnehin nicht maßgeblich sein, sodass es nicht recht überzeugt, sich bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO auf den Zeitgeist zu stützen.

2. Verweis auf außerrechtliche Kriterien Im Zusammenhang mit dem durch allumfassende Formulierungen verdeckten Verweis auf den Zeitgeist lässt sich dem Bundesfinanzhof auch 201  Ablehnend noch FG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.1961 – VII 11/61 K, EFG 1962, S. 454, 455–456; BFH, Urteil vom 31.10.1963 – I 122/62 U, BStBl. III 1964, S. 83, 85; BFH, Urteil vom 20.11.1969 – I B 34/69, BStBl. II 1970, S. 133; BFH, Urteil vom 22.10.1971 – III R 81/70, BStBl. II 1972, S. 197; bejahend erstmals FG Düsseldorf, Urteil vom 28.4.1976 – IV/XI 214/73 S, EFG 1976, S. 362, 363–364, bestätigt durch BFH, Urteil vom 13.12.1978 – I R 77/76, BStBl. II 1979, S. 481; dazu auch Droege, Gemeinnützigkeit, S. 115; Halaczinsky, in: Wallenhorst/Halaczinsky, Besteuerung gemeinnütziger Körperschaften, D Rn. 31; T. Krüger, in: B. Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 52 AO Rn. 8. 202  Zu Vertrauensschutz bei Rechtsprechungsänderungen BFH, Beschluss vom 26.9.2007 – V B 8/06, DStRE 2008, S. 249, 250. In Bezug auf gemeinnützige Einrichtungen, die nur die Angehörigen eines Geschlechts fördern, wird Vertrauensschutz nach der Entscheidung des BFH vom 17.5.2017 abgelehnt, vgl. Gallus, ErbStB 2018, S. 120, 125. 203  Zu denken ist z. B. an nicht mehr verbreitete Sportarten wie Feldhandball, die trotzdem noch von der Förderung des Sports in § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO umfasst sind.



III. Kritik der gegenwärtigen Auslegung85

vorwerfen, dass er sich in manchen früheren Entscheidungen teilweise seiner Verantwortung zur Normauslegung entzieht. Indem der Bundesfinanzhof in seiner Entscheidung vom 13.12.1978 ausführt, dass es bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO unter anderem auf „Forschung, Wissenschaft und Technik, […] die vorhandene Wirtschaftsstruktur und die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse“204 ankäme, verweist er auf außerrechtliche, offene Kriterien und überträgt die Normauslegung damit zumindest insoweit privaten Akteuren.205 Wenn der Gesetzgeber in ähnlicher Weise auf Technik oder Wissenschaft verweist oder sich auf andere Weise seiner Kompetenz ent­ ledigt, handelt er sich mitunter den Vorwurf des sog. Steuerungsversagens ein,206 weil gesetzliche Regelungen durch solche Verweise ihre effektive Steuerungskraft einbüßten.207 In Gesetzen sind solche Verweise vielfach nötig, weil der Gesetzgeber nicht in der Lage ist, komplexe technische Einzelheiten zu regeln, oder weil sich technische Fragen zu häufig und zu schnell ändern.208 Das ist im Gemeinnützigkeitsrecht aber nicht der Fall, weil es dort nicht nötig ist, präzise mit der technischen Entwicklung Schritt zu halten. Für Zwecke des Gemeinnützigkeitsrechts würde es völlig ausreichen, nur insoweit auf den Stand von Technik und Wissenschaft zu verweisen, als er durch Regelungen in anderen Normen Teil der Rechtsordnung geworden ist. Der Verweis auf außerrecht­ liche Kriterien in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs verkompliziert die Rechtsanwendung daher unnötig.209 Relativiert wird diese Kritik allerdings dadurch, dass sich die Finanzrechtsprechung bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO bisher soweit ersichtlich nie tatsächlich auf technische Standards oder den aktuellen (natur-) wissenschaftlichen Forschungsstand bezogen hat. Der Verweis auf außerrechtliche Kriterien in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist allerdings auch vor dem Hintergrund problematisch, dass die Finanzgerichtsbarkeit dadurch mehr als nötig subjektive Elemente in die Rechtsanwendung einführt. Gerade um unnötig subjektive Entscheidungen 204  BFH, Urteil vom 13.12.1978 – I R 39/78, BStBl. II 1979, S. 482, 485–486. Ähnlich Teile der Literatur, siehe oben S. 74. 205  Vgl. Hofmann, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 25, 35 zum Verweis auf den „Stand der Technik“ und den „Stand von Wissenschaft und Technik“ in Gesetzen, der „de facto von Kommissionen privater Sachverständiger bestimmt“ werde. 206  Dazu Schuppert, AöR 114 (1989), S. 127, 141–142 mit weiteren Nachweisen. 207  Vgl. Hofmann, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 25, 35–36. 208  BVerfG, Beschluss vom 8.8.1978 – 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, S. 89, 134–140 (Kalkar I). 209  Kritisch auch Lang, StuW 1987, S. 221, 232.

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zu vermeiden, wäre es erforderlich, die Auslegung von Gemeinwohlnormen wie § 52 Abs. 1 Satz 1 AO soweit wie möglich an objektivem Gesetzes- oder Verfassungsrecht festzumachen.210

3. Undeutliche Hinweise auf ein bewegliches System Neben diesen inhaltlichen Schwächen bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO lässt sich dem Bundesfinanzhof auch eine methodische Ungenauigkeit vorwerfen. Manches spricht dafür, die mit der Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 13.12.1978211 begründete Rechtsprechungslinie als Anwendung eines beweglichen Systems212 auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zu verstehen.213 Der Bundesfinanzhof hat aber nie ausdrücklich Position bezogen, ob er § 52 Abs. 1 Satz 1 AO tatsächlich als bewegliches System auffasst.214 Typisch für ein bewegliches System in diesem Sinn ist, dass ein unbestimmter Rechtsbegriff nicht mittels Definitionen oder Fallgruppen abschließend ausgelegt wird.215 Stattdessen entwickeln die Rechtsanwender aus der Rechtsordnung216 mehrere gleichwertige und austauschbare Elemente,217 mit deren Hilfe der unbestimmte Rechtsbegriff konkretisiert wird. Wenn in einem konkreten Fall mehrere dieser Elemente vorliegen oder einige Elemente besonders deutlich zu Tage treten, rechtfertigen diese Elemente zusammen den Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolge.218 Vereinfacht formuliert stellt sich 210  v. Zezschwitz,

Gemeinwohl, S. 17. Urteil vom 13.12.1978 – I R 39/78, BStBl. II 1979, S. 482. 212  Dazu Göpfert, JuS 1993, S. 655, 656–657 und Möllers, Methodenlehre, § 8 Rn. 3–4. Bewegliche Systeme wurden in erster Linie im Zivilrecht entwickelt, lassen sich aber auch im Steuerrecht anwenden, vgl. Petersen, Unternehmenssteuerrecht, S. 38–39. Zur Abgrenzung des beweglichen Systems vom steuerrechtlichen Typus Westerhoff, Elemente, S. 24. 213  So auch Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, § 52 AO Rn. 22; ähnlich Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 9, dessen Formulierung „Elemente eines allgemeinen normativen Rahmens“ ebenfalls auf ein bewegliches System hindeutet, wenngleich Musil nicht ausdrücklich von einem beweglichen System spricht. 214  Anders der BGH, der zur Auslegung von § 138 BGB ausdrücklich ein „Zusammenspiel beweglicher Elemente“ heranzieht, BGH, Urteil vom 2.2.2012 – III ZR 60/11, WM 2012, S. 458, 460; zu § 138 BGB als bewegliches System auch Armbrüster, in: MüKo BGB, § 138 Rn. 27–32. 215  Zu den drei Methoden zur Normkonkretisierung Fallgruppenbildung, Defini­ tionsbildung und bewegliches System Papier/Möller, AöR 122 (1997), S. 177, 202–209. 216  Dabei wird nicht nur das geltende Gesetzesrecht berücksichtigt, sondern neben gerichtlichen Entscheidungen auch Literaturmeinungen und aus Rechtsvergleichen gewonnene Erkenntnisse, vgl. Möllers, Methodenlehre, § 8 Rn. 4. 217  Canaris, Systemdenken, S. 75. 218  Möllers, Methodenlehre, § 8 Rn. 4. 211  BFH,



III. Kritik der gegenwärtigen Auslegung87

das Verhältnis von Tatbestand zu Rechtsfolge in einem beweglichen System nicht wie üblich als „wenn-dann“ dar, sondern als „je-desto“.219 Ähnlich argumentiert die Rechtsprechung, denn der Bundesfinanzhof führt in seiner Entscheidung vom 13.12.1978 aus, es sei „zur objektiven Qualifizierung und Wertung des unbestimmten Gesetzesbegriffes ‚Förderung der Allgemeinheit‘ an eine Vielzahl von Faktoren (Werten) anzuknüpfen. Diese bestimmen im jeweiligen Einzelfall in ihrer Gesamtheit oder doch einzelne oder mehrere von ihnen den Inhalt des Gesetzesbegriffes.“220 Unabhängig von der oben angesprochenen methodischen Ungenauigkeit, sich nie ausdrücklich zu einem beweglichen System zu bekennen, führt das bewegliche System zu praktischen Folgeproblemen,221 denn es bietet wenig Rechtssicherheit und ermöglicht willkürliche Entscheidungen.222 Mittlerweile gibt der Bundesfinanzhof die oben zitierten Ausführungen nur noch verkürzt wieder und bezieht sich „insbesondere“ auf die durch den Grundrechtskatalog in Art. 1–19 GG geprägte Wertordnung.223 Aus der Verwendung des Wortes „insbesondere“ folgt aber, dass neben den Grundrechten nach wie vor auch andere Gesichtspunkte Bedeutung erlangen können. Außerdem bezieht sich die Finanzrechtsprechung noch immer auf das Urteil vom 13.12.1978.224 Der Bundesfinanzhof hat seine einem beweglichen System ähnelnde Rechtsprechung also nicht aufgegeben.

4. Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Kontext von Art. 3 GG Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs zur Gemeinnützigkeit von Einrichtungen, die nur Frauen oder nur Männer fördern, lässt sich in einen Zusammenhang mit anderen staatlichen Maßnahmen stellen, die der Durchsetzung von rechtlicher Gleichbehandlung beziehungsweise tatsächlicher Gleichstellung der Geschlechter dienen. Um die Entscheidung des Bundes­ finanzhofs in diesen Kontext einordnen zu können, werden im Folgenden zunächst kurz die verfassungsrechtlichen Grundlagen zur Gleichbehandlung und Gleichstellung dargestellt. Dann wird analysiert, ob der Bundesfinanzhof 219  Göpfert,

JuS 1993, S. 655, 657. Urteil vom 13.12.1978 – I R 39/78, BStBl. II 1979, S. 482, 485. 221  Zu grundsätzlicher Kritik am beweglichen System und auf diesem System beruhender Gesetzgebung F. Maurer, Bewegliches System, S. 86–88; Schilcher, in: FS Canaris Band II, S. 1299, 1301–1304 mit weiteren Nachweisen. 222  F. Maurer, Bewegliches System, S. 87 mit weiteren Nachweisen. 223  Siehe oben S. 69–70. 224  Siehe oben S. 69 Fn. 101 und Fn. 102. 220  BFH,

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bei seiner Prüfung von Art. 3 GG dieselben Maßstäbe anlegt wie die Verfassungsgerichtsbarkeit. Danach wird geprüft, wie der Bundesfinanzhof seine These begründet, dass private gemeinnützige Einrichtungen an die Grundrechte gebunden seien. Die Begründungsansätze des Bundesfinanzhofs werden mit den Argumentationen der zivil- und verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung verglichen und es wird überprüft, ob sich diese Ansätze auf das Gemeinnützigkeitsrecht übertragen lassen. a) Verfassungsrechtliche Vorgaben und deren Umsetzung aa) Art. 3 Abs. 3 GG: Rechtliche Gleichbehandlung Ausgangspunkt der Überlegungen zur Gleichbehandlung der Geschlechter ist Art. 3 Abs. 3 GG. Diese Norm verbietet dem Staat, Menschen wegen ihres Geschlechts zu benachteiligen oder zu bevorzugen. Ob mit dieser Formulierung gemeint ist, dass der Staat nicht ans Geschlecht anknüpfen darf225 oder ob aus der Bestimmung lediglich folgt, dass unterschiedliche Regelungen nicht mit dem Geschlecht begründet werden dürfen,226 ist seit längerem umstritten. Ob dieser Streitfrage wirklich die Bedeutung zukommt, die ihr traditionell beigemessen wird, lässt sich mittlerweile bezweifeln.227 Wenn Frauen wie im Falle der traditionellen Freimaurerloge allein und direkt aufgrund ihres Geschlechts ausgeschlossen werden, wird sowohl ans Geschlecht angeknüpft als auch eine Differenzierung mithilfe des Geschlechts begründet. Dementsprechend kann offenbleiben, welcher Ansatz vorzugswürdig ist. Unumstritten ist dagegen, unter welchen Voraussetzungen eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts gerechtfertigt werden kann. Oben wurde bereits angesprochen, dass Art. 3 Abs. 3 GG Ungleichbehandlungen zunächst in solchen Fällen zulässt, in denen die Ungleichbehandlung zwingend dazu erforderlich ist, ein Problem zu lösen, dass nur bei den Angehörigen eines Ge225  Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 131; Kischel, in: BeckOK GG, Art. 3 Rn. 212; Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 3 Rn. 25; Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 259; Sachs, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR VIII, § 182 Rn. 29–32; vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.2.2003 – 2 BvR 709/99, BVerfGE 107, S. 257, 269 (Beamtenbesoldung Ost II); BVerfG, Urteil vom 14.3.2000 – 1 BvR 284/96 u. a., BVerfGE 102, S. 41, 53 (Beschädigtengrundrente). 226  Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 125. 227  So auch Baer/Markard, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 426; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art.  3 Rn.  56; zustimmend Kingreen, in: Bonner Kommentar GG, Art. 3 Rn. 436.



III. Kritik der gegenwärtigen Auslegung89

schlechts auftreten kann.228 Damit sind biologische Unterschiede gemeint, also unter anderem mit Schwangerschaft und Geburt verbundene Umstände.229 Daneben lassen sich Differenzierungen anhand des Geschlechts nur durch kollidierendes Verfassungsrecht rechtfertigen.230 Als kollidierendes Verfassungsrecht in diesem Sinn kommt insbesondere das Gleichstellungsgebot in Art. 3 Abs. 2 GG in Betracht,231 aber auch die aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 WRV folgenden Privilegien öffentlich-rechtlich verfasster Religionsgemeinschaften232 oder Art. 6 Abs. 4 GG.233 bb) Art. 3 Abs. 2 GG: Tatsächliche Gleichstellung Neben der rechtlichen Gleichbehandlung der Geschlechter, die Art. 3 Abs. 3 GG dem Staat auferlegt, ist der Staat nach Art. 3 Abs. 2 GG234 auch dazu verpflichtet, sich um eine tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter zu bemühen.235 „Der über das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG hinausgehende Regelungsgehalt von Art. 3 Abs. 2 GG besteht darin, dass er ein Gleichberechtigungsgebot aufstellt und dieses auch auf die gesellschaft­ liche Wirklichkeit erstreckt.“236 228  Siehe oben S. 67. So auch Burghart, in: Leibholz/Rinck, GG, Art. 3 Rn. 3065; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 3 Rn. 71; Nußberger, in: Sachs, GG, Art. 3 Rn. 273. 229  Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 111–112; Welti, JA 2004, S. 310, 311. 230  BVerfG, Beschluss vom 25.10.2005 – 2 BvR 524/01, BVerfGE 114, S. 357, 364 (Bleiberecht für Ausländerkinder); Baer/Markard, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 3 Rn. 432; Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 165; Burghart, in: Leibholz/Rinck, GG, Art. 3 Rn. 3065; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 3 Rn. 61, 72. 231  BVerfG, Beschluss vom 24.1.1995 – 1 BvL 18/93 u. a., BVerfGE 92, S. 91, 109 (Feuerwehrabgabe); Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 167; Burghart, in: Leibholz/Rinck, GG, Art. 3 Rn. 3065; Kritisch Di Fabio, AöR 122 (1997), S. 404, 411–413. 232  Langenfeld, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 3 Abs. 3 Rn. 73. 233  Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 3 Rn. 72. 234  Zu Art. 3 Abs. 2 GG in seiner heutigen Fassung vgl. den Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, BT-Drucks. 12/6000, S. 49–51. 235  So bereits vor Einfügung von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG BVerfG, Beschluss vom 28.1.1987 – 1 BvR 455/82, BVerfGE 74, S. 163, 180 (Rentenalter); BVerfG, Urteil vom 28.1.1992 – 1 BvR 1025/82 u. a., BVerfGE 85, S. 191, 207 (Nachtarbeitsverbot); vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 24.1.1995 – 1 BvL 18/93 u. a., BVerfGE 92, S. 91, 109 (Feuerwehrabgabe) zur klarstellenden Funktion von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG. Überblick über die frühere Rechtsprechung zu Art. 3 Abs. 2 GG bei Kokott, NJW 1995, S. 1049, 1050. 236  BVerfG, Urteil vom 28.1.1992 – 1 BvR 1025/82 u. a., BVerfGE 85, S. 191, 206–207 (Nachtarbeitsverbot); zustimmend Kokott, NJW 1995, S. 1049, 1051.

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Art. 3 Abs. 2 GG hat in zahlreichen Regelungen Niederschlag gefunden.237 Zum Beispiel stützten sich in letzter Zeit zwei Landesgesetzgeber – im Ergebnis erfolglos – auf diese Norm, um in Brandenburg238 und in Thüringen239 Paritätsgesetze zu verabschieden.240 Paritäts- oder Quotenregelungen sind nicht auf Stellen innerhalb staatlicher Organe beschränkt, auch außerhalb dieses Bereichs finden sich seit einiger Zeit Geschlechterquoten, etwa im Gesellschaftsrecht.241 Neben diesen Vorschriften, die zu vollständiger oder annähernder rechnerischer Gleichstellung verpflichten, gibt es auch Regelungen, die einem Geschlecht bestimmte Privilegien einräumen, die dem anderen Geschlecht nicht gewährt werden. Als Beispiel lassen sich Vergünstigungen beim Zugang zu kommunalen Einrichtungen anführen.242 b) Prüfung des Bundesfinanzhofs aa) Vergleich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Im vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall ging es um den Zugang zu einer Einrichtung, die ihrer Satzung nach einem Geschlecht vorbehalten war, 237  Kritisch gegenüber der Gesetzgebung zur Gleichstellung von Frauen Richter, NVwZ 2005, S. 636, 641. 238  Gesetz vom 12.2.2019, GVBl. I 2019, Nr. 1, teilweise für nichtig erklärt durch Urteil des Verfassungsgerichts des Landes Brandenburg vom 23.10.2020, VfGBbg 55/19, BeckRS 2020, 27735. Der ursprüngliche, mit Änderungen umgesetzte Gesetzentwurf bezog sich insbesondere auf Art. 3 Abs. 2 GG (Landtag Brandenburg, Drucks. 6/8210, S. 2–3). Zum Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens siehe Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Inneres und Kommunales, Landtag Brandenburg Drucks. 6/10466, S. 2–6. 239  Gesetz vom 19.8.2019, GVBl. 2019, S. 322, teilweise für nichtig erklärt durch Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs vom 15.7.2020, VerfGH 2/20, BeckRS 2020, 15854. Die Gesetzesbegründung (Thüringer Landtag, DrS 6/6964, S. 1) beginnt mit einem Zitat von Art. 3 Abs. 2 GG. Art. 3 Abs. 3 GG wird in der Gesetzesbegründung nicht erwähnt. 240  Dazu aus verfassungsrechtlicher Sicht Meyer, NVwZ 2019, S. 1245; v. UngernSternberg, JZ 2019, S. 525, 528–533. Vgl. auch BayVerfGH, Entscheidung vom 26.3.2018 – Vf. 15-VII-16, NVwZ-RR 2018, S. 457 dazu, dass aus dem Gebot tatsächlicher Gleichstellung keine Pflicht folge, das Wahlgesetz paritätisch auszugestalten. 241  Dazu Jung, DStR 2014, S. 960; Mense/Klie, GWR 2015, S. 1; Ossenbühl, NJW 2012, S. 417; Pfarr, NZA 1995, S. 809; Pfarr/Fuchsloch, NJW 1988, S. 2201; Redenius-Hövermann, ZIP 2010, S. 660; Wieland, NJW 2010, S. 2408; kritisch Sachs, NJW 1989, S. 553. 242  Dazu Wiesner, KommJur 2019, S. 286 und 361. Zu Frauenbadezeiten VG Hannover, Urteil vom 1.2.2006 – 1 A 4991/05, juris.



III. Kritik der gegenwärtigen Auslegung91

also um eine auf dem Geschlecht beruhende rechtlich-formale Ungleichbehandlung. Daher hat sich der Bundesfinanzhof in diesem Urteil bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO nahezu ausschließlich auf Art. 3 Abs. 3 GG gestützt und Art. 3 Abs. 2 GG nur ein einziges Mal als Argumentationshilfe herangezogen.243 In einem gemeinnützigkeitsrechtlichen Kontext spielt Art. 3 Abs. 2 GG demnach bisher grundsätzlich nur bei der Auslegung und inhaltlichen Rechtfertigung von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 18 AO eine Rolle.244 Bei seiner Prüfung von Art. 3 Abs. 3 GG erweckt der Bundesfinanzhof den Anschein, als seien gemeinnützige Einrichtungen im selben Maß an Grundrechte gebunden wie staatliche Organe gemäß Art. 1 Abs. 3 GG.245 Tatsächlich prüft der Bundesfinanzhof Art. 3 Abs. 3 GG teilweise anders als die Verfassungsgerichtsbarkeit.246 Das zeigt sich vor allem bei den Erwägungen, die der Bundesfinanzhof zu einer möglichen Rechtfertigung der Diskriminierung anhand des Geschlechts anstellt. Soweit der Bundesfinanzhof prüft, ob der Ausschluss von Frauen durch kollidierendes Verfassungsrecht gerechtfertigt werden könne, entspricht seine Prüfung dem Vorgehen des Bundesverfassungsgerichts. Weniger strenge Anforderungen scheint der Bundesfinanzhof allerdings an einen zwingenden sachlichen Grund zu stellen, der eine Diskriminierung anhand des Geschlechts ebenfalls rechtfertigen kann.247 Zwar zitiert der Bundesfinanzhof die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts, dass Diskriminierungen nur zulässig seien, „soweit sie zur Lösung von Problemen, die ihrer Natur nach nur entweder bei Männern oder bei Frauen auftreten können, zwingend erforderlich sind.“248 Anscheinend hält der Bundesfinanzhof 243  Der BFH erwähnt Art. 3 Abs. 2 GG in seinem Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218 nur auf S. 221 als Argument dafür, dass Tradition kein Rechtfertigungsgrund für Ungleichbehandlungen im Sinn von Art. 3 Abs. 3 GG sein könne. Vgl. dazu bereits BVerfG, Beschluss vom 31.5.1978 – 1 BvR 683/77, BVerfGE 48, S. 327, 339–340 (Ehename). 244  Vgl. Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 180; Dazu auch Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 41; siehe unten S. 164. 245  Heuermann, DStR 2017, S. 1749, 1754: „Dementsprechend stellt der V. Senat eine ganz normale Gleichheitsprüfung an.“ Der BFH hat schon in früheren Entscheidungen den Eindruck erweckt, als seien gemeinnützige Einrichtungen unmittelbar und vollumfänglich an die Grundrechte gebunden, so etwa BFH, Urteil vom 29.8.1984 – I R 215/81, BStBl. II 1985, S. 106, 2. Leitsatz: „Die rechtsstaatliche Ordnung setzt als selbstverständlich das gesetzestreue Verhalten aller Bürger, Vereine, Verbände und (sonstiger) juristischer Personen ebenso voraus, wie das Beachten der Verfassungsnormen.“ 246  Sacksofsky, Gutachten, S. 16–17. 247  Sacksofsky, Gutachten, S. 16–17. 248  BVerfG, Urteil vom 28.1.1992 – 1 BvR 1025/82 u. a., BVerfGE 85, S. 191, 207 (Nachtarbeitsverbot).

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es aber für möglich, dass es bei kirchlichen Orden, die nur die Angehörigen eines Geschlechts aufnehmen, einen zwingenden sachlichen Grund in diesem Sinn geben könne.249 Das widerspricht der Rechtsprechung des Bundesverfas­ sungsgerichts,250 nach der zwingende sachliche Gründe nur biologische Unterschiede sein können.251 Solche biologischen Gründe sind bei der Trennung kirchlicher Orden nach Geschlechtern aber nicht ersichtlich. bb) Objektive Wertordnung und mittelbare Drittwirkung Der Bundesfinanzhof begründet nur knapp, warum gemeinnützige Einrichtungen im eben dargestellten Umfang an Grundrechte gebunden sein sollen. Wie bereits oben angesprochen,252 bezieht sich der Bundesfinanzhof seit seinem Urteil vom 31.5.2005 in seiner Rechtsprechung zu § 52 Abs. 1 Satz 1 AO als Begründung auf die „objektive Wertordnung, wie sie insbesondere im Grundrechtskatalog der Art. 1 bis 19 GG zum Ausdruck kommt.“253 In den amtlichen Veröffentlichungen der Urteile vom 17.5.2017254 und vom 27.9. 2018255 ist die Formulierung „objektive Wertordnung“ kursiv gesetzt, was darauf hindeuten könnte, dass der BFH seine Formulierung als Verweis auf ein bereits bestehendes Rechtsinstitut verstanden wissen wollte und sich auf diese Weise vielleicht auch der inhaltlichen Herleitung dieses Rechtsinstituts anschließen wollte. Allerdings zitiert der Bundesfinanzhof in diesem Zusammenhang nur seine eigene Rechtsprechung früherer Jahre, erwähnt aber keine Entscheidungen anderer Gerichte. Obwohl damit ein direkter Bezug auf die Rechtsprechung anderer Gerichte fehlt, ist es durchaus vorstellbar, dass sich der Bundesfinanzhof für die Formulierung „objektive Wertordnung“ entschieden hat, um mit dem Lüth-Urteil eine der bekanntesten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts auf­ zugreifen,256 in der das Verfassungsgericht dieselbe Formulierung verwendet hat.257 Seit diesem Urteil versteht das Bundesverfassungsgericht die Grund249  BFH,

Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218, 222. Sacksofsky, Gutachten, S. 16–17. 251  Sacksofsky, Gutachten, S. 16; siehe dazu näher oben S. 88–89. 252  Siehe oben S. 69–70. 253  BFH, Urteil vom 31.5.2005 – I R 105/04, BFH/NV 2005, S. 1741, 742; BFH, Urteil vom 11.4.2012 – I R 11/11, BStBl. II 2013, S. 146, 147; BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218, 220; BFH, Urteil vom 27.9.2018 – V R 48/16, BStBl. II 2019, S. 790, 793. 254  BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218, 220. 255  BFH, Urteil vom 27.9.2018 – V R 48/16, BStBl. II 2019, S. 790, 793. 256  So auch Wiemers, BB 2017, S. 2148, 2152; Ähnlich Sacksofsky, Gutachten, S. 13. 257  BVerfG, Urteil vom 15.1.1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, S. 198, 205 (Lüth): „Ebenso richtig ist aber, daß das Grundgesetz, das keine wertneutrale Ord250  Vgl.



III. Kritik der gegenwärtigen Auslegung93

rechte als Teil einer objektiven Wertordnung, die auf die gesamte Rechtsordnung einwirke. Die Auswirkungen dieser durch die Rechtsprechung geschaffenen Figur zeigen sich im Zivilrecht besonders deutlich,258 aber auch im öffentlichen Recht wird gelegentlich auf die objektive Wertordnung zurückgegriffen.259 Soweit die Verwaltungsgerichte mit der objektiven Wertordnung argumentieren, leiten sie aus dieser Wertordnung allerdings ausdrücklich keine Pflichten oder Bindungen von Privatpersonen ab.260 Für die Frage, ob aus der objektiven Wertordnung auch im Gemeinnützigkeitsrecht eine Bindung gemeinnütziger Einrichtungen an die Grundrechte folgen kann, ist daher der zivilrechtlich-verfassungsrechtliche Ansatz ergiebiger. Im Zivilrecht verwendet der Bundesgerichtshof in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht den Begriff der objektiven Wertordnung in ständiger Rechtsprechung, um zivilrechtliche Generalklauseln mit Blick auf die Grundrechte anzuwenden.261 Auf diese Weise wird eine mittelbare Drittwirkung der Grundrechte im Verhältnis zwischen Privatpersonen konstruiert, die über bestimmte Normen ins Privatrecht ausstrahlt und damit in begrenz-

nung sein will, in seinem Grundrechtsabschnitt auch eine objektive Wertordnung aufgerichtet hat und daß gerade hierin eine prinzipielle Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte zum Ausdruck kommt.“ Mittlerweile verwendet das BVerfG auch die Begriffe „Elemente objektiver Ordnung“ (in BVerfG, Beschluss vom 23.4.1986 – 2 BvR 487/80, BVerfGE 73, S. 261, 269 (Hausbrandkohle)), „verfassungsrechtliche Wertentscheidungen“ (in BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, S. 267, 280 (Stadionverbot)); ähnlich BVerfG, Beschluss vom 19.10.1993 – 1 BvR 567/89 u. a., BVerfGE 89, S. 214, 229 (Bürgschaftsvertrag)) und „objektive Grundentscheidungen“ (in BVerfG, Beschluss vom 7.2.1990 – 1 BvR 26/84, BVerfGE 81, S. 242, 254 (Wettbewerbsverbot)), ohne dass damit etwas anderes gemeint wäre (Vgl. BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, S. 267, 280 (Stadionverbot)). Die Argumentation des BVerfG in der Lüth-Entscheidung geht unter anderem zurück auf Dürig, in: FS Nawiasky, S. 157, 176–182, dazu de Wall/R. Wagner, JA 2011, S. 734, 737. Ausführlich zur objektiven Wertordnung in der Rechtsprechung des BVerfG mit Stand 1971 Goerlich, Wertordnung, S. 29–142. Darstellung der historischen Entwicklung bei Gostomzyk, JuS 2004, S. 949, 950–951. 258  Vgl. Ruffert, JuS 2020, S. 1, 2. 259  Z. B. BVerwG, Urteil vom 18.10.1990 – 3 C 2/88, BVerwGE 87, S. 37, 42; BVerwG, Beschluss vom 18.9.1996 – 5 B 109/96, juris; BVerwG, Urteil vom 29.5.2018 – 1 C 15/17, BVerwGE 162, S. 153, 174; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.10.2017 – 16 A 770/17, DVBl. 2018, S. 326, 328; VGH München, Beschluss vom 20.8.2019 – 12 ZB 19.333, BeckRS 2019, 18701. 260  BVerwG, Urteil vom 29.5.2018 – 1 C 15/17, BVerwGE 162, S. 153, 174. 261  BGH, Urteil vom 29.10.1970 – KZR 3/70, GRUR 1971, S. 171, 173; BGH, Urteil vom 25.3.1977 – V ZR 48/75, NJW 1978, S. 213, 214; BGH, Beschluss vom 19.6.2013 – XII ZB 357/11, juris; BGH, Urteil vom 26.11.2015 – I ZR 3/14, juris; Dreier, in: Dreier, GG, Vorb. Rn. 98.

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tem Umfang auch Privatpersonen bindet.262 Das ist im Hinblick auf Art. 1 Abs. 3 GG auf den ersten Blick rechtfertigungsbedürftig, denn nach dem Wortlaut von Art. 1 Abs. 3 GG binden die Grundrechte nur Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.263 Diese Rechtfertigung bietet aber die durch die Grundrechte ausgeformte objektive Wertordnung, denn sie stellt ein Wertsystem dar, dass über den Wortlaut von Art. 1 Abs. 3 GG hinaus für die gesamte Rechtsordnung gilt.264 Dabei gehen die Zivilgerichte so vor, dass sie zunächst eine zivilrechtliche Norm identifizieren, über die Grundrechte einwirken können, etwa § 138 BGB265 oder § 826 BGB.266 Dann werden die bei beiden Parteien jeweils betroffenen Grundrechte ermittelt und gegeneinander abgewogen.267 „Die Freiheit der einen ist dabei mit der Freiheit der anderen in Einklang zu bringen. Dabei kollidierende Grundrechtspositionen sind hierfür in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligen möglichst weitgehend wirksam werden.“268 Sowohl im Zivilrecht als auch im öffentlichen Recht betrifft der Einfluss der Grundrechte im Rahmen der durch sie begründeten objektiven Wertordnung bislang überwiegend die Menschenwürde sowie die Freiheitsgrundrechte.269 Insbesondere war bisher weitgehend anerkannt, dass der allgemeine Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht auf das Privatrecht einwirkt,270 allenfalls besondere Diskriminierungsverbote wie Art. 3 Abs. 2 262  Vgl. Guckelberger, JuS 2003, S. 1151, 1154; kritisch Müller-Franken, in: FS Bethge, S. 223, 233–242; Neuner, NJW 2020, S. 1851, 1853–1854. 263  Guckelberger, JuS 2003, S. 1151, 1152–1155 m. w. N. auch zu anderen Auffassungen; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 116; Neuner, NJW 2020, S. 1851, 1852. 264  BVerfG, Urteil vom 15.1.1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, S. 198, 205–206 (Lüth); Dreier, in: Dreier, GG, Vorb. Rn. 96; dazu auch Di Fabio, JZ 2004, S. 1, 1–2. 265  Armbrüster, in: MüKo BGB, § 138 Rn. 20–22; Mansel, in: Jauernig, BGB, § 138 Rn. 6; Wernsmann, JZ 2005, S. 224, 231. 266  A. Staudinger, in: Schulze, BGB, § 826 Rn. 6; Wernsmann, JZ 2005, S. 224, 231. 267  BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, S. 267, 280 (Stadionverbot); Heldt, NVwZ 2018, S. 818. 268  BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, S. 267, 280 (Stadionverbot). 269  Ruffert, JuS 2020, S. 1, 3; vgl. zu besonders relevanten Grundrechten Guckelberger, JuS 2003, S. 1151, 1154. Übersicht zur Rechtsprechung bei Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 20. 270  So im Grundsatz auch aktuell das BVerfG in seinem Beschluss vom 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, S. 267 (Stadionverbot), Leitsatz 1: „Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich auch nach den Grundsätzen der mittelbaren Drittwirkung kein objektives Verfassungsprinzip entnehmen, wonach die Rechtsbeziehungen zwischen Privaten



III. Kritik der gegenwärtigen Auslegung95

und Abs. 3 GG.271 Nunmehr sollen Privatpersonen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in besonderen Situationen aber auch an das allgemeine Gleichbehandlungsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sein, wenn die Privatperson aufgrund einer überlegenen Stellung die Macht hat, einzelne Personen grundlos von einer öffentlichen Veranstaltung auszuschließen.272 Soweit mittels der objektiven Wertordnung Grundrechte ins Privatrecht einwirken, werden gewisse Parallelen zur Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 52 Abs. 1 Satz 1 AO deutlich, denn es geht dem Bundesfinanzhof – ebenso wie dem Bundesverfassungsgericht und dem Bundesgerichtshof – darum, private Personen zumindest teilweise an Grundrechte zu binden. Auch werden die vom Bundesfinanzhof herangezogenen Grundrechte als Teil der objektiven Wertordnung anerkannt.273 Andererseits unterscheiden sich die Konstellationen dadurch grundlegend, dass sich im Gemeinnützigkeitsrecht nicht zwei grundrechtsberechtigte Personen gegenüberstehen, sondern eine grundrechtsberechtigte Körperschaft und der grundrechtsverpflichtete Staat. Es fehlt an dem für die mittelbare Drittwirkung typischen Konflikt zwischen zwei grundrechtsberechtigten Personen, sodass auch die für die mittelbare Drittwirkung charakteristische Grundrechtsabwägung ausscheidet. Dieser grundlegende Unterschied274 spricht dagegen, die Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof zur zivilrechtlichen mittelbaren Drittwirkung auf das Gemeinnützigkeitsrecht zu übertragen. Zu einem anderen Ergebnis führt hier nicht, dass sich häufig auch im Gemeinnützigkeitsrecht zwei Privatpersonen gegenüberstehen, nämlich die gemeinnützige Einrichtung einerseits und die (nicht) geförderten Personen als Ausschnitt aus der Allgemeinheit andererseits. Daraus lassen sich keine Schlussfolgerungen für das gesamte Gemeinnützigkeitsrecht ziehen, denn manche gemeinnützige Zwecke zielen gar nicht direkt auf die Förderung von Menschen ab.275 Jedenfalls insoweit fehlt es also an einem für die mittelbare von diesen prinzipiell gleichheitsgerecht zu gestalten wären.“ So auch BVerfG, Beschluss vom 27.8.2019 – 1 BvR 879/12, NJW 2019, S. 3769, 3770. 271  Herdegen, in: Maunz/Dürig, Art. 1 Abs. 3 Rn. 25; Ruffert, JuS 2020, S. 1, 3. Angedeutet in BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, S. 267, 283 (Stadionverbot). 272  BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, S. 267, 282–284 (Stadionverbot); BVerfG, Beschluss vom 27.8.2019 – 1 BvR 879/12, NJW 2019, S. 3769, 3770. 273  Zu den Grundrechten in der Rechtsprechung des BFH siehe oben S. 69–71. 274  Vgl. Hellgardt, JZ 2018, S. 901, 905, zwischen dem Grundrechtsverhältnis Bürger-Staat und der Drittwirkung gebe es „im Ausgangspunkt keinerlei Schnittmenge.“ 275  Z. B. die Förderung des Naturschutzes und der Landschaftspflege nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AO, die Förderung des Tierschutzes nach § 52 Abs. 2 Satz 1

96

§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

Drittwirkung typischen Konflikt zwischen zwei grundrechtsberechtigten Personen. Auf Basis der mittelbaren Drittwirkung kann die objektive Wertordnung die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs damit nicht tragen. cc) Unmittelbare Drittwirkung Mittlerweile weitet die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung den Einfluss der Grundrechte auf die übrige Rechtsordnung über die bisher anerkannten Fälle der mittelbaren Drittwirkung aus.276 Während schon früher anerkannt war, dass staatlich beherrschte juristische Personen des Privatrechts an Grundrechte gebunden sind,277 geht das Bundesverfassungsgericht nun davon aus, dass auch vom Staat unabhängige juristische Personen in ähnlicher Weise an Grundrechte gebunden sein können, wenn sie „in tatsächlicher Hinsicht in eine vergleichbare Pflichten- oder Garantenstellung hineinwachsen wie traditionell der Staat.“278 Eine solche Situation soll unter anderem dann vorliegen können, wenn die Privatperson eine bestimmte Leistung an eine Vielzahl von Personen erbringt, ohne ihre Vertragspartner im Einzelnen auszuwählen.279 Der entscheidende Unterschied zur mittelbaren Drittwirkung ist dabei, dass die Grundrechte nicht über eine zivilrechtliche Generalklausel wirken sollen, sondern direkt und unmittelbar.280 Da gemeinnützige Einrichtungen traditionell unter anderem eine staats­ ersetzende Funktion haben281 und ähnlich wie der Staat dem Gemeinwohl verpflichtet sind,282 ist es nicht von vornherein ausgeschlossen, bei gemeinNr. 14 AO und die Förderung der Tier- und Pflanzenzucht nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO.  276  Smets, NVwZ 2019, S. 34, 35; Muckel, JA 2020, S. 411, 415. 277  BVerfG, Urteil vom 22.2.2011 – 1 BvR 699/06, BVerfGE 128, S. 226, 246–247 (Fraport); BVerfG, Beschluss vom 19.7.2016 – 2 BvR 470/08, NJW 2016, S. 3153, 3154 (Freizeitbad); zuletzt BVerfG, Beschluss vom 21.2.2019 – 2 BvR 2456/18, BeckRS 2019, 2533. Dabei handelt es sich nicht um einen Fall der mittelbaren Drittwirkung, sondern wegen der Beteiligung des Staats um eine unmittelbare Bindung nach Art. 1 Abs. 3 GG, de Wall/R. Wagner, JA 2011, S. 734, 735, 738–739. 278  BVerfG, Beschluss vom 18.7.2015 – 1 BvQ 25/15, NJW 2015, S. 2485, 2486 (Bierdosen-Flashmob). 279  BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, S. 267, 283–284 (Stadionverbot). 280  Hellgardt, JZ 2018, S. 901; Jobst, NJW 2020, S. 11; Michl, JZ 2018, S. 910, 915; Muckel, JA 2020, S. 411, 416. Das BVerfG argumentiert in seinem Beschluss vom 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, S. 267, 280–281 (Stadionverbot) zwar mit mittelbarer Drittwirkung, tatsächlich nimmt es aber eine unmittelbare Wirkung an. 281  Dazu siehe oben S. 21 und unten S. 111–113. 282  Dazu siehe oben S. 21 und unten S. 113–115.



III. Kritik der gegenwärtigen Auslegung97

nützigen Körperschaften eine in tatsächlicher Hinsicht vergleichbare Pflichtenstellung283 im Sinn dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzunehmen.284 Soweit eine gemeinnützige Einrichtung unmittelbar Staatsaufgaben wahrnimmt, könnte aus dieser Aufgabe eine dem Staat vergleichbare Pflichtenstellung folgen.285 Dazu kommt, dass gemeinnützige Einrichtungen nach § 52 Abs. 1 Satz 2 AO verpflichtet sind, ihre Förderung nicht auf einen eng abgegrenzten Personenkreis zu beschränken. Auch insoweit lassen sich Parallelen zu den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Anforderungen feststellen, denn das Bundesverfassungsgericht stützt sich in seiner Entscheidung maßgeblich darauf, dass Leistungen nicht nur einem engen Empfängerkreis gewährt werden, sondern einer Vielzahl nicht individuell ausgewählter Personen.286 Der entscheidende Grund, warum die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht übertragen werden kann, liegt hier, ähnlich wie oben dargestellt, darin, dass es im Gemeinnützigkeitsrecht an einem Rechtsverhältnis zwischen zwei Privatpersonen fehlt. Auch die bis zur unmittelbaren Wirkung verstärkte mittelbare Drittwirkung betrifft Rechtsbeziehungen zwischen privaten natürlichen oder juristischen Personen, nicht zwischen einer privatrechtlichen Körperschaft einerseits und der Finanzverwaltung andererseits.287 Die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts dienen dazu, Privaten, im konkreten Fall also Stadionbesuchern, wirksamen Grundrechtsschutz zu gewähren. Sie zielen aber nicht darauf ab, Private (wie zum Beispiel gemeinnützige Einrichtungen) dem Staat gegenüber an Grundrechte zu binden. Damit zeigt sich, dass die Idee der objektiven Wertordnung in ihrem zivilrechtlich-verfassungsrechtlich geprägten Verständnis die Entscheidung des Bundesfinanzhofs nicht zu tragen vermag. Selbst wenn man dem Bundes­ finanzhof unterstellt, dass er tatsächlich auf die Rechtsprechung des Bundes283  Vgl. auch Hellgardt, JZ 2018, S. 901, 905–906: Die Grundrechte dritter Personen könnten nur dann in ein zweigliedriges Staat-Bürger-Verhältnis einwirken, wenn „der betreffende Private ausnahmsweise eine Stellung innehat, die es rechtfertigt, ihn insoweit funktional als Teil des ‚Staats‘ i. S. von Art. 1 Abs. 3 GG (und nicht als Privaten) anzusehen.“ Zur Übertragbarkeit der Rechtsprechung des BVerfG auf andere Konstellationen auch Smets, NvwZ 2019, S. 34, 36. 284  Vgl. Hellgardt, JZ 2018, S. 901, 909 zur aus der Entscheidung des BVerfG möglicherweise folgenden Bindung von „wichtigen Institutionen der Gesellschaft“ an Art. 3 GG. 285  Vgl. Hellgardt, JZ 2018, S. 901, 909, der einen Bezug zu nunmehr privatrechtlich organisierten Krankenhäusern und Kindergärten herstellt, die früher unmittelbar vom Staat betrieben wurden. 286  BVerfG, Beschluss vom 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09, BVerfGE 148, S. 267, 283–284 (Stadionverbot). 287  Siehe oben S. 95–96.

98

§ 3 § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung

verfassungsgerichts Bezug nehmen wollte, unterscheiden sich die objektive Wertordnung als Grundlage der mittelbaren Drittwirkung und die objektive Wertordnung nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erheblich, sodass sich die Begründungsansätze nicht übertragen lassen. dd) Ergebnis Im Ergebnis folgt daraus, dass der Bundesfinanzhof eine Erklärung dafür schuldig bleibt, warum § 52 Abs. 1 Satz 1 AO anhand der Grundrechte ausgelegt werden müsse. Da nicht klar wird, woraus die Bindung gemeinnütziger Einrichtungen an die Grundrechte abgeleitet wird, bleibt auch deren Umfang ungewiss. Die daraus resultierende Rechtsunsicherheit ist vielleicht die größte Schwäche der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 52 Abs. 1 Satz 1 AO, jedenfalls liegt darin aber ein wesentlicher Schwachpunkt der Begründung des Urteils vom 17.5.2017.288 Hier wirkt sich auch besonders nachteilig aus, dass der Bundesfinanzhof sein Urteil – wie auch die anderen Urteile zur objektiven Wertordnung gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO289 – nur recht knapp begründet hat. Das Gericht hat die tragenden Erwägungen jeweils nur in wenigen Sätzen dargestellt, die einige Fragen unbeantwortet lassen.290

IV. Zusammenfassung Der historische Überblick hat gezeigt, dass der Gesetzgeber mit § 52 Abs. 1 Satz 1 AO und den jeweiligen Vorgängernormen erreichen wollte, dass nur solche Einrichtungen steuerlich privilegiert werden, deren Tätigkeit im Interesse der Allgemeinheit lag. Was im Interesse der Allgemeinheit liegt, wurde bis in die 1970er Jahre in erster Linie anhand der Auffassung der Bevölkerung beurteilt. Später setzte sich in Rechtsprechung und Literatur die Überzeugung durch, dass anhand eines objektiven Maßstabs beurteilt werden müsse, was der Allgemeinheit diene. Während die Rechtsprechung dabei zunächst auf zahlreiche, überwiegend nicht auf Rechtsnormen beruhende Kriterien zurückgriff, wird mittlerweile zumeist direkt auf Verfassungsrecht Bezug genommen. In welchem Umfang gemeinnützige Einrichtungen an das 288  BFH,

Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218. Urteil vom 31.5.2005 – I R 105/04, BFH/NV 2005, S. 1741; BFH, Urteil vom 11.4.2012 – I R 11/11, BStBl. II 2013, S. 146; BFH, Urteil vom 27.9.2018 – V R 48/16, BStBl. II 2019, S. 790. 290  Vgl. auch die Kritik bei Theuffel-Werhahn, ZStV 2018, S. 55, 60, der unter anderem aus der Kürze des Urteils ableitet, „dass der BFH wenig Interesse an der Sache hatte, um es vorsichtig auszudrücken.“ 289  BFH,



IV. Zusammenfassung99

Grundgesetz gebunden sein sollen, wird dabei allerdings nicht klar. Der Bundesfinanzhof erweckt zwar den Eindruck, dass gemeinnützige Einrichtungen seiner Meinung nach vollumfänglich an Grundrechte gebunden seien. Ein Vergleich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zeigt aber, dass der Bundesfinanzhof teilweise weniger strenge Maßstäbe anlegt. Daraus resultiert Rechtsunsicherheit. Diese Rechtsunsicherheit wird dadurch verstärkt, dass sich der Bundesfinanzhof nie ausdrücklich von seinem früheren Ansatz distanziert hat, § 52 Abs. 1 Satz 1 AO überwiegend anhand außerrechtlicher Kriterien auszulegen. Hier macht sich auch bemerkbar, dass der Bundesfinanzhof die meisten seiner Urteile zu § 52 Abs. 1 AO nur knapp begründet und wenige Argumente anführt, sodass auch aus diesem Grund manches offenbleibt. Bis in die 1970er Jahre hinein störte sich die Finanzrechtsprechung nicht daran, wenn eine gemeinnützige Einrichtung ohne sachlichen Grund nur ein Geschlecht förderte. Insoweit entsprach die Rechtsprechung der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs den Wertungen, die das Bundesverfassungsgericht mit seiner Rechtsprechung zu Art. 3 GG vermittelte. Das Bundesverfassungsgericht lässt Differenzierungen anhand des Geschlechts seit 1991 nur noch unter hohen Voraussetzungen zu. 2017 hat sich der Bundesfinanzhof dieser Rechtsprechung weitgehend angeschlossen – im oben dargestellten, im Detail noch unklaren Umfang. Die Entstehungsgeschichte von § 52 Abs. 1 Satz 2 AO sowie die heute zu dieser Norm vertretenen Auffassungen machen deutlich, dass diese Norm dazu dient, Sonderinteressen von gemeinnützigkeitsrechtlichen Steuervergünstigungen auszuschließen. Die Regelung hat daher nur einen begrenzten Anwendungsbereich und betrifft den Ausschluss eines Geschlechts von der Förderung nicht.

§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl In diesem Teil wird zunächst analysiert, welche Funktion und Bedeutung § 52 Abs. 1 Satz 1 AO im heutigen Gemeinnützigkeitsrecht hat. Davon ausgehend, dass § 52 AO dazu dient, die hinter dem gesamten Gemeinnützigkeitsrecht stehenden Wertungen in einen juristischen Tatbestand umzusetzen, wird nach der inhaltlichen Rechtfertigung des Gemeinnützigkeitsrechts insgesamt gefragt, um daraus Anhaltspunkte für Sinn und Zweck von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zu gewinnen. Zu diesem Zweck wird zunächst erörtert, warum in Deutschland ansässige Personen Steuern zahlen müssen. Darauf aufbauend wird analysiert, wie sich die Ausnahmen von dieser allgemeinen Steuerpflicht rechtfertigen lassen, die im Gemeinnützigkeitsrecht enthalten sind. Schließlich wird aus dem RegelAusnahme-Verhältnis der allgemeinen Steuerpflicht zur Gemeinnützigkeit abgeleitet, welche Aufgabe dem Gemeinnützigkeitsrecht zukommt. Abschließend wird erläutert, welche Schlussfolgerungen sich aus Aufgabenstellung, Funktion und inhaltlicher Rechtfertigung des Gemeinnützigkeitsrechts für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO ableiten lassen.

I. § 52 Abs. 1 Satz 1 AO im Gemeinnützigkeitsrecht Manche Literaturstimmen fassen § 52 AO schlicht als Definition der Gemeinnützigkeit auf.1 Andere sehen die Norm dagegen deutlich weitergehend als „Ausgangs- und Mittelpunkt dessen, was als steuerliches Gemeinnützigkeitsrecht bezeichnet wird.“2 Für eine derart herausragende Stellung von § 52 AO innerhalb des Gemeinnützigkeitsrechts im Sinne der zweiten Ansicht spricht zunächst die Entstehungsgeschichte der Norm.3 Als das allgemeine Gemeinnützigkeits1  Gersch, in: Klein, AO, § 52 Rn. 1; Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 2; Niewerth, in: Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 52 AO Rn. 1; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 1; kritisch Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 9. 2  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 7; teilweise zustimmend Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, § 52 AO Rn. 3. 3  Dazu siehe oben S. 54–57.



I. § 52 Abs. 1 Satz 1 AO im Gemeinnützigkeitsrecht101

recht im StAnpG zum ersten Mal gesetzlich geregelt wurde, umfasste es nur drei Normen, alle übrigen Regelungen waren in untergesetzlichem Recht enthalten. § 18 StAnpG regelte mildtätige Zwecke und § 19 StAnpG war mit kirchlichen Zwecken befasst. § 17 StAnpG dagegen regelte gemeinnützige Zwecke und enthielt in Abs. 1, Abs. 2 bereits die heute in § 52 Abs. 1 AO geregelten Rechtsgedanken.4 Alle anderen heute in §§ 52–68 AO enthaltenen Regelungen wurden dagegen erst später in Gesetzesform gefasst, sodass es jedenfalls aus historischer Sicht berechtigt ist, § 52 Abs. 1 AO als Ausgangspunkt des Gemeinnützigkeitsrechts anzusehen. Die systematische Stellung von § 52 AO deutet auf dasselbe Ergebnis hin, denn nach der allgemein in steuerbegünstigte Zwecke einführenden Regelung in § 51 AO steht § 52 AO im Gemeinnützigkeitsrecht an erster Stelle. Aus dieser herausgehobenen Bedeutung von § 52 AO lassen sich Rückschlüsse auf Sinn und Zweck der Regelung ziehen. Entsprechend seiner Stellung als Kernvorschrift des Gemeinnützigkeitsrechts enthält § 52 AO die grundlegende Wertung, dass Einrichtungen steuerlich begünstigt werden sollen, die einen Zweck gemäß § 52 Abs. 2 AO verfolgen und selbstlos die Allgemeinheit fördern. Das in § 55 AO näher ausgestaltete Erfordernis der Selbstlosigkeit betrifft die Art und Weise der Zweckverwirklichung.5 Die Frage, welche Zwecke auf welche Weise gefördert werden können, ergibt sich dagegen aus dem Zweckkatalog in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO sowie aus dem Begriff der Förderung der Allgemeinheit in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO. Welche Einrichtungen im Sinn von § 52 AO gefördert werden sollen, lässt sich nur mit Blick auf den Sinn und Zweck der gemeinnützigkeitsrechtlichen Förderung insgesamt beantworten. § 52 AO kommt demnach die Funktion zu, nur solchen Einrichtungen steuerliche Vergünstigungen zu gewähren, die nach Sinn und Zweck des Gemeinnützigkeitsrechts förderungswürdig sind.6 Daraus folgt für die Auslegung von § 52 AO, dass die Vorschrift eng mit der inhaltlichen Rechtfertigung des Gemeinnützigkeitsrechts insgesamt verknüpft ist. Daher können die Erwägungen zur Rechtfertigung des Gemeinnützigkeitsrechts insgesamt auch zur Auslegung dieser Vorschrift fruchtbar gemacht werden. Ausgangspunkt für die Frage nach dieser inhaltlichen Bedeutung des Gemeinnützigkeitsrechts muss dabei die Rechtfertigung der Steuererhebung an sich sein, denn nur vor dem Hintergrund der allgemeinen Steuerpflicht als

4  Siehe

oben S. 56–57, 63–64. Selbstlosigkeit siehe oben S. 28–29. 6  So auch Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 11; ähnlich Droege, Gemeinnützigkeit, S. 115. 5  Zur

102

§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

Grundregel lassen sich die im Gemeinnützigkeitsrecht vorgesehenen Ausnahmen von der allgemeinen Steuerpflicht erklären.7

II. Steuern als Beitrag zum Gemeinwohl 1. Rechtfertigung der Steuererhebung Wenngleich die Frage, warum in Deutschland ansässige natürliche und juristische Personen überhaupt Steuern zahlen müssen, zu den grundlegendsten Fragen im Verhältnis des Bürgers zum (Steuer-)Staat8 zählt, wird sie nur selten angesprochen.9 Wenn die Rechtfertigung von Steuern Thema ist, stehen meistens Steuersubjekt und Steuerobjekt einer konkreten Steuer im Blickpunkt, oder die von einer Steuer ausgehende Belastungswirkung. Warum es überhaupt Steuern gibt oder geben muss, wird dagegen selten gefragt.10 Es wird hingenommen und als selbstverständlich akzeptiert, dass in Deutschland ansässige sowie in Deutschland Einkünfte erzielende natürliche und juristische Personen Steuern zahlen müssen.11 Zur Rechtfertigung der Steuererhebung als solcher bietet auch das Grundgesetz keinen Anhaltspunkt, denn die in Art. 104a bis 115 GG geregelte Finanzverfassung enthält neben der grundlegenden Entscheidung für den ­ Steuerstaat nur Kompetenzregelungen, Regelungen zur Verteilung des Steuer­ aufkommens sowie das Haushaltsverfassungsrecht.12 Das Grundgesetz geht also wie selbstverständlich davon aus, dass der Staat über eine allgemeine Steuerpflicht zu finanzieren sei.13 Es liefert dafür aber keine Begründung. Um diesen Begründungsmangel zu kompensieren, wurden verschiedene Ansätze entwickelt.

auch Jachmann, in: FS Lang, S. 295, 306. Begriff Steuerstaat Isensee, in: FS Ipsen, S. 409–436; Vogel, in: Isensee/ P. Kirchhof, HdbStR II, § 30 Rn. 51–54, 69; Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar GG, Vorbem. Art. 104a-115 Rn. 327–339. 9  Grunow, Verfassungsrechtliche Rechtfertigung, S. 15; Vogel, Der Staat 25 (1986), S. 481 spricht in diesem Zusammenhang von einer „vergessene[n] Vorfrage“. 10  Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 94; zustimmend Freund, FR 2019, S. 931, 932. 11  Vgl. Grunow, Verfassungsrechtliche Rechtfertigung, S. 15; Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. 1, S. 228. 12  Überblick bei K.-A. Schwarz/Reimer, JuS 2007, S. 119–126 und 219–225. 13  Wernsmann, StuW 2018, S. 100, 103. 7  So

8  Zum



II. Steuern als Beitrag zum Gemeinwohl103

a) Äquivalenz Traditionell wurden Steuern auf den Gedanken der Äquivalenz gestützt. Wer öffentliche Leistungen in Anspruch nimmt, solle eine entsprechende Gegenleistung in Form von Steuern oder sonstigen Abgaben erbringen.14 Zur Rechtfertigung der Steuererhebung an sich wird das Äquivalenzprinzip heute nicht mehr herangezogen, weil es ineffizient ist und sich nicht mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbaren lässt.15 Der Gedanke der Äquivalenz mag allenfalls noch dabei eine Rolle spielen, wie Steuerpflichtige ihre eigene Steuerlast beurteilen.16 b) Freiheitliche Entfaltung Einen anderen Ansatz zur Rechtfertigung von Steuern stellt die Überlegung dar, dass der Staat seine Steuereinnahmen nutze, um mit ihrer Hilfe seinen Bürgern zu gewährleisten, sich persönlich und wirtschaftlich frei entfalten zu können.17 In diesem Sinn ließen sich Steuern als „Preis der Freiheit“18 verstehen, den jede und jeder Einzelne entrichten müsse, um zu einem Umfeld beizutragen, in dem wirksam von Grundrechten Gebrauch gemacht werden könne. Die daraus resultierenden privaten Erträge beruhten daher teilweise auf staatlichen Leistungen, sodass es als gerechtfertigt angesehen wird, zu ihrer Finanzierung in Deutschland ansässige Personen heranzuziehen, die von diesem Umfeld profitieren.19 Im Zusammenhang mit dieser Herleitung der Steuerpflicht über Freiheit und Grundrechte wird auch das Steuerstaatsprinzip herangezogen, denn die Staatsfinanzierung durch Steuern – und nicht durch Enteignungen oder durch Zwangsarbeit – greife weniger stark in Grundrechte ein.20 14  Wernsmann,

Verhaltenslenkung, S. 275–276. in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 152; zum Verhältnis von Leistungsfähigkeitsprinzip und Äquivalenzprinzip Schmehl, Äquivalenzprinzip, S. 51–56. 16  Schmölders/Hansmeyer, Steuerlehre, S. 65. Von der Rechtfertigung der Steuererhebung an sich ist die Rechtfertigung einzelner Steuerarten zu trennen, denn insbesondere die Gewerbesteuer wird teilweise noch auf das Äquivalenzprinzip gestützt, vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.1.2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, S. 1, 38–39 (Gewerbesteuerfreiheit); Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 1 Rn. 11; Rodi, Rechtfertigung, S. 22–25, 206; Wernsmann, Verhaltenslenkung, S. 279. 17  Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rn. 6; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 17.7.1984 – 2 BvE 11/83 u. a., BVerfGE 67, S. 100, 143 (Flick-Ausschuss). 18  P. Kirchhof, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR V, § 118 Rn. 2. 19  Vgl. Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rn. 6. 20  G. Kirchhof, DStR 2020, S. 1073, 1076. 15  Wernsmann,

104

§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

Gegen diesen Rechtfertigungsansatz lässt sich einwenden, dass der Staat seine Tätigkeit nicht nach Art eines Nachtwächterstaats darauf beschränkt, Freiheit, Sicherheit und ungehinderten Marktzugang zu gewährleisten, sondern auch andere Leistungen erbringt, die nicht dazu dienen, private Freiheit und privaten Erwerb zu ermöglichen.21 Insbesondere erweist es sich für den Staat in manchen Situationen als nötig, privatwirtschaftliches Erwerbsstreben am Markt zu beschränken.22 Es greift also zu kurz, wenn man Steuern nur insoweit als gerechtfertigt ansieht, als sie der Finanzierung von Freiheit und Sicherheit und der Gewährleistung privaten Erwerbs dienen. c) Staatsfinanzierung Demnach haben sich beide bisher angestellten Überlegungen als ungeeignet erwiesen, die Erhebung von Steuern zu rechtfertigen. Das spricht dafür, Steuern nicht als Gegenleistung für empfangene Leistungen oder für ein wirtschaftlich-freiheitliches Umfeld im oben dargestellten Sinn aufzufassen, sondern für die Rechtfertigung von Steuern unmittelbar an die Rechtfer­ tigung des Staats an sich anzuknüpfen. Demnach bedürfen Steuern keiner besonderen inhaltlichen Rechtfertigung, sondern dienen schlicht dazu, den staatlichen Finanzbedarf zu decken.23 Sie sind zur Finanzierung des Staats unverzichtbar und leiten ihre eigene Rechtfertigung daher unmittelbar aus der Rechtfertigung des Staats selbst ab.24

2. Staatszweck Gemeinwohl Das Grundgesetz regelt nicht ausdrücklich, welchem Zweck die Bundesrepublik Deutschland dienen soll. Es erlegt dem Staat zwar verschiedene Pflichten und Ziele auf, aus diesen Regelungen lässt sich aber nicht unmittelbar ein übergeordneter Staatszweck ableiten.25 Anders als Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Bayerischen Verfassung, der den Freistaat Bayern ausdrücklich in 21  Vgl. Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7, 34 mit weiteren Nachweisen; Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1 Rn. 7–8. 22  Vogel, Der Staat 25 (1986), S. 481, 513. 23  BVerfG, Beschluss vom 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121, 134 (Vermögensteuer); Freund, FR 2019, S. 931, 932; G. Kirchhof, DStR 2020, S. 1073, 1076; Neumann, in: Gosch, AO/FGO, § 3 AO Rn. 15; Wernsmann, StuW 2018, S. 100, 103. 24  Stern, Staatsrecht, Bd. 2, S. 1092; Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. 1, S. 228– 229. Zur Rechtfertigung von Sozialzwecknormen im Steuerrecht siehe unten S. 110. 25  Vgl. Bethge, DVBl. 1989, S. 841, 842; Herzog, in: Isensee/P. Kirchhof, Hdb­ StR IV, § 72 Rn. 28–31.



II. Steuern als Beitrag zum Gemeinwohl105

den Dienst des Gemeinwohls stellt,26 lässt sich dem Grundgesetz daher auch nicht ohne weiteres entnehmen, ob es die traditionelle Bedeutung des Gemeinwohls als oberstem Staatszweck27 übernimmt. Auch die verschiedenen Stellen, an denen das Grundgesetz das Gemeinwohl erwähnt,28 sorgen hier nicht für Klarheit. Art. 1 GG stellt die Würde jedes Menschen als Individuum an den Anfang der Verfassung,29 um die Bundesrepublik vom „völkischen Kollektivismus“30 der nationalsozialistischen Ideologie abzugrenzen, der sich vor allem in Phrasen wie „Gemeinnutz geht vor Eigennutz“31 zeigte.32 Vor diesem historischen Kontext könnte man Art. 1 GG eine generelle Abkehr vom Gemeinwohl als Grundlage des Staats entnehmen.33 Trotz dieser Gesichtspunkte, die gegen eine herausgehobene Bedeutung des Gemeinwohls für die Staatsverfassung der Bundesrepublik Deutschland sprechen, geht das Bundesverfassungsgericht in seiner Rechtsprechung davon aus, dass „die Förderung des Gemeinwohls […] notwendiges Ziel jeder staatlichen Aktivität“ ist.34 Auch in der Literatur ist es nahezu einhellige Meinung, dass der Staat in erster Linie der Verwirklichung des Gemeinwohls

26  Art. 3 Abs. 1 BV: „Bayern ist ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat. Er dient dem Gemeinwohl.“ Zu dieser Norm und ihrer Auslegung durch den Bayerischen Verfassungsgerichtshof siehe unten S. 134–135. Ähnlich Art. 1 Abs. 2 Verfassung für Rheinland-Pfalz, dazu Schuppert, GewArch 2004, S. 441. 27  Das Gemeinwohl übernahm die Legitimierung staatlicher Herrschaft insoweit, als eine Berufung auf eine Herrschaft von Gottes Gnaden nicht mehr ausreichend war, Kirchner, in: P. Kirchhof, Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 45, 51; vgl. auch Willoweit/Schlinker, Verfassungsgeschichte, § 25 Rn. 6–7. 28  Art. 14 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GG: „Wohle der Allgemeinheit“; Art. 56, 64 Abs. 2 GG: „Wohle des deutschen Volkes“; Art. 87e Abs. 4 GG: „Wohl der Allgemeinheit“. 29  Eine solche „substanzielle […] Ordnungsidee“ ist für die Verfassung einer liberalen Demokratie eher unüblich, denn eine solche Verfassung dient in der Regel lediglich dazu, „das Gemeinwohlversprechen einer Herrschaft repräsentativer Amtsträger“ zu sichern, Nettesheim, JZ 2019, S. 1. Anders noch Art. 1 Satz 1 WRV: „Das Deutsche Reich ist eine Republik.“ Zum Zusammenhang zwischen Republikprinzip und Gemeinwohl siehe unten S. 106–108. 30  Holste, JA 2009, S. 359, 362. 31  Parteiprogramm der NSDAP vom 24.2.1920, Nr. 24; dazu ausführlich Stolleis, Gemeinwohlformeln, S. 76–93. 32  Holste, JA 2009, S. 359, 362. 33  Vgl. Hofmann, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 25, 27–28. 34  BVerfG, Beschluss vom 17.7.2003 – 2 BvL 1/99 u. a., BVerfGE 108, S. 186, 228 (Altenpflegeausbildungsumlage); ähnlich BVerfG, Urteil vom 17.5.1961 – 1 BvR 561/60 u. a., BVerfGE 12, S. 354, 364 (Volkswagenprivatisierung).

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§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

diene.35 Nur woraus dieses Ergebnis abzuleiten ist, wird unterschiedlich beurteilt. a) Meta-Verfassung Die Bindung des Staats ans Gemeinwohl wird teilweise als Ausfluss einer ungeschriebenen „Meta-Verfassung“36 verstanden, die der geschriebenen Verfassung zugrunde liege, vergleichbar den ebenfalls nicht ausdrücklich geregelten Prinzipien der Gerechtigkeit, der Verhältnismäßigkeit oder der Gewaltenteilung.37 Dem ähneln andere Auffassungen, nach denen die Orientierung des Staats am Gemeinwohl nicht aus hinter der Verfassung stehendem Recht abgeleitet werden müsse, sondern schlicht ohne nähere Begründung „geradezu selbstverständlich“ sei.38 b) Prinzip der Republik Einen möglichen Ansatzpunkt, um die Bindung des Staats ans Gemeinwohl herzuleiten, bietet auch das Prinzip der Republik. Manche Literaturstimmen entnehmen dem Republikprinzip in Art. 20 Abs. 1 GG in erster Linie, dass Deutschland nach seiner geltenden Verfassung nicht zu einer Monarchie werden könne.39 Andere sind dagegen der Ansicht, dass Art. 20 Abs. 1 GG auch eine Art materielles Republikprinzip beinhalte, das inhaltlich 35  Calliess, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 173, 175–176; Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR IV § 71 Rn. 2; Jachmann, in: FS Lang, S. 295, 297; Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7, 51; Schuppert, Staatswissenschaft, S. 215–217; Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 14; Sommermann, Staatsziele, S. 199–200; Zippelius, Staatslehre, S. 119; Nachweise in Fn. 590, 600, 602, 603, 604, 605. 36  Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR IV, § 71 Rn. 63. 37  Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR IV, § 71 Rn. 63; zustimmend Calliess, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 173, 176; kritisch Anderheiden, Gemeinwohl, S. 58. 38  Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 10. Ähnlich Schladebach, das Staatsziel des Gemeinwohls verstünde sich „unabhängig vom Wortlaut […] von selbst“, JuS 2018, 118, 120; Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 27.11.1978 – 2 BvR 165/75, BVerfGE 50, S. 50, 51 (Laatzen); BVerfG, Beschluss vom 12.1.1982 – 2 BvR 113/81, BVerfGE 59, S. 216, 229 (Söhlde). 39  Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Republik) Rn. 17; Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 III Rn. 2, 5, 8; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 20 Rn. 6; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 21; Katz/Sander, Staatsrecht, Rn. 149; Kloepfer, Verfassungsrecht, Bd. I, S. 222; H. Maurer, Staatsrecht I, S. 177– 178; Roellecke, in: GG Mitarbeiterkommentar, Art. 20 Rn. 12; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 20 Rn. 9–10; Stern, Staatsrecht, Bd. 1, S. 581; Volkmann, in: Berliner Kommentar GG, Art. 20 (2. Teil) Rn. 16; Zippelius/Würtenberger, Deutsches Staatsrecht, § 10 Rn. 1.



II. Steuern als Beitrag zum Gemeinwohl107

in der staatsphilosophischen Tradition der römischen res publica stehe40 und neben im einzelnen umstrittenen Aspekten jedenfalls eine umfassende Bindung des Staats an das Gemeinwohl beinhalte.41 Als Argument für einen materiellen Aussagegehalt des Republikprinzips in diesem Sinn wird auf die Entstehungsgeschichte der Regelung verwiesen.42 So hat der Generalberichterstatter Schmid die Ergebnisse der Ausschussberatungen im Plenum des Parlamentarischen Rates mit den Worten zusammengefasst, dass der Name Bundesrepublik Deutschland bedeute, „daß ein Gemeinwesen bundesstaatlichen Charakters geschaffen werden soll, dessen Wesensgehalt das demokratische und soziale Pathos der republikanischen Tradition bestimmt.“43 Daneben wird auch Art. 28 Abs. 1 GG angeführt, der anordnet, dass die Länderverfassungen republikanischen Grundsätzen entsprechen müssen. Aus dieser Vorgabe folge, dass es außerhalb von Art. 28 Abs. 1 GG auch für die Bundesrepublik eine inhaltliche Vorgabe zum Republikprinzip geben müsse.44 Andernfalls wäre der Bezug auf republikanische Grundsätze in Art. 28 Abs. 1 GG sinnlos.45 Schließlich sei das Republikprinzip überflüssig, wenn man ihm nur den Ausschluss einer Monarchie entnehme, denn diese Rechtsfolge ergebe sich bereits aus dem Demokratieprinzip.46 40  Zu dieser Tradition Gröschner, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR II, § 23 Rn. 13– 33; Mager, Republik, in: O. Brunner/Conze/Koselleck, Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 5, S. 549–651. 41  Anderheiden, in: FS P. Kirchhof, Bd. 1, S. 45, 54; Anderheiden, Gemeinwohl, S. 232; Evers, in: Bonner Kommentar GG, Art. 79 Abs. 3 Rn. 179; Gröpl, Staatsrecht I, Rn. 529; Hartmann, AöR 134 (2009), S. 1, 3; Hesse, Grundzüge, Rn. 121; Huster/ Rux, in: BeckOK GG, Art. 20 Rn. 203; Jachmann, in: FS Lang, S. 295, 314; v. Münch/Mager, Staatsrecht I, Rn. 69; Robbers, in: Bonner Kommentar GG, Art. 20 Rn. 356; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 14. In der Tendenz scheint auch das BVerfG einem Republikverständnis zu folgen, das nicht auf den Ausschluss einer Monarchie beschränkt ist, vgl. BVerfG, Urteil vom 3.3.2009 – 2 BvC 3/07 u. a., BVerfGE 123, S. 39, 69 (Wahlcomputer), dazu Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Repu­blik) Rn. 20; zurückhaltender noch BVerfG, Beschluss vom 22.3.2004 – 1 BvR 2248/01, NJW 2004, S. 2008, 2011 (Ebenbürtigkeitsklausel). 42  Gröschner, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR II, § 23 Rn. 2; zustimmend Robbers, in: Bonner Kommentar GG, Art. 20 Rn. 355–356. 43  Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. 9, S. 437–438; vgl. auch die Äußerungen der Mitglieder des Ausschusses für Grundsatzfragen des Parlamentarischen Rats zur Bezeichnung Deutschlands als Republik, in Deutscher Bundestag/Bundesarchiv, Der Parlamentarische Rat 1948–1949, Bd. 5/I, S. 278–283; Analyse dieser Entstehungsgeschichte bei Anderheiden, Gemeinwohl, S. 225–228. 44  Volkmann, in: Berliner Kommentar GG, Art. 20 (2. Teil) Rn. 1. 45  Anderheiden, Gemeinwohl, S. 231. 46  Unruh, Verfassungsbegriff, S. 574.

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§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

Dem wird entgegengehalten, dass es keinen Zwang gebe, eine obsolet gewordene Norm mit neuem Inhalt zu füllen.47 Zudem sei der Inhalt des vermeintlichen materialen Republikprinzips in anderen Bestimmungen oder Ver­ fassungsprinzipien besser aufgehoben.48 Es gebe auch keinen aus der Geschichte gewachsenen, einheitlichen Republikbegriff, vielmehr seien die verschiedenen staatsphilosophischen Strömungen zu dieser Frage zu unterschiedlich, um einen feststehenden Republikbegriff mit einem rechtlich verbindlichen Aussagegehalt bilden zu können.49 Schließlich ließe sich auch aus den zur Entstehungsgeschichte angeführten einzelnen Wortmeldungen keine generelle Übereinstimmung des Parlamentarischen Rats zum Aussagegehalt des republikanischen Prinzips ableiten.50 c) Demokratieprinzip Andere führen die Bindung des Staats ans Gemeinwohl zwar ebenfalls auf Art. 20 GG zurück, konkret allerdings auf das Demokratieprinzip, Art. 20 Abs. 2 GG.51 Dagegen lässt sich einwenden, dass der Wortlaut der Norm dafür keine Anhaltspunkte bietet und der Inhalt des Demokratieprinzips nicht unbedingt mit der Bindung des Staats ans Gemeinwohl verknüpft ist. Auch undemokratische Staatsformen können nach dem Gemeinwohl streben.52

3. Ergebnis Ob die Bindung des Staats an das Gemeinwohl aus einer Art Meta-Verfassung, aus dem Republikprinzip, dem Demokratieprinzip oder aus einer anderen Rechtsquelle53 abgeleitet wird, ist im Ergebnis nicht entscheidend. 47  Wittreck, in: GS Blumenwitz, S. 881, 889–890; ähnlich Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Republik) Rn. 21. 48  Wittreck, in: GS Blumenwitz, S. 881, 891; ähnlich Volkmann, in: Berliner Kommentar GG, Art. 20 (2. Teil) Rn. 11. 49  Wittreck, in: GS Blumenwitz, S. 881, 891–892. Nach Badura, Staatsrecht, S. 400 würde ein materielles Republikprinzip zu unberechenbarer Rechtsanwendung führen; ähnlich Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Republik) Rn. 21. 50  Wittreck, in: GS Blumenwitz, S. 881, 893. 51  Kunig, Rechtsstaatsprinzip, S. 333; ähnlich Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 79 Rn. 126; ablehnend Anderheiden, Gemeinwohl, S. 218 und Sommermann, Staatsziele, S. 201 Fn. 499. 52  Vgl. Isensee, Gemeinwohl und öffentliches Amt, S. 28, 49–50; Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7, 23. 53  Nach Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR IV, § 71 Rn. 66 kommt als weiterer Anknüpfungspunkt insbesondere Art. 1 Abs. 1 GG in Betracht; zu einer Anknüpfung im Sozialstaatsprinzip und im Rechtsstaatsprinzip Anderheiden, Gemeinwohl, S. 218–225. V. Arnim, in: v. Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung, S. 63,



II. Steuern als Beitrag zum Gemeinwohl109

Wichtiger ist, dass diese Bindung des Staats ans Gemeinwohl allgemein anerkannt ist. Das Gemeinwohl ist damit das „allgemeinste Leitbild“54 staat­ licher Tätigkeit.55 Sein Streben nach dem Gemeinwohl rechtfertigt die Existenz des Staats insgesamt und das Gemeinwohl ist der umfassende Maßstab, an dem sich jede staatliche Handlung messen lassen muss.56 Wenn jede Tätigkeit des Staats darauf abzielt, das Gemeinwohl zu verwirklichen, folgt daraus als logische Schlussfolgerung, dass auch jede Steuer den Zweck hat, staatliches Streben nach dem Gemeinwohl zu finanzieren.57 Mittelbar dienen Steuern damit selbst dem Gemeinwohl, ohne dass es darauf ankäme, ob das zur Steuerpflicht führende Verhalten des Steuerpflichtigen für sich genommen gemeinwohlförderlich ist.58 Demnach findet die Gemeinlast im Sinne einer allgemeinen Steuerpflicht aller in Deutschland ansässigen Personen ihr Gegenstück im Gemeinwohl als Grundlage dieser Steuerpflicht.59 Diese Gemeinlast lässt sich nur dadurch rechtfertigen, dass alle zur Gemeinlast herangezogenen Personen davon profitieren, wenn die Steuereinnahmen bestimmungsgemäß eingesetzt werden, wenn also die mit Steuereinnahmen finanzierte Staatstätigkeit dem Gemeinwohl verpflichtet ist.60 Die allgemeine Steuerpflicht wird dadurch zu einem greifbaren Ausdruck der Gemeinwohlverantwortung aller in Deutschland ansässigen Personen;61 Steuern stellen eine „durch das Gemeinwohl bedingte Notwendigkeit“62 dar.

74–75 spricht als mögliche Quellen der staatlichen Gemeinwohlbindung zusätzlich das „Repräsentationsprinzip“, das „treuhänderische Amtsprinzip“ und die „Dienstfunktion des Staates insgesamt“ an.  54  Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR IV, § 71 Rn. 2. 55  Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR IV, § 71 Rn. 2; zustimmend Schuppert, Staatswissenschaft, S. 215–217; Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 14. 56  Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR IV, § 71 Rn. 12. 57  Vgl. Jachmann, in: FS Lang, S. 295, 306; P. Kirchhof, in: P. Kirchhof, Gemeinwohl und Wettbewerb, S. 1, 8; Liebl, Gemeinnützigkeit, S. 144. 58  Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 33. 59  Anderheiden, Gemeinwohl, S. 635; zum Gemeinlastprinzip auch Jachmann-­ Michel/Vogel, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 105 Rn. 1; Wernsmann, in: Hübsch­mann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 153. 60  Anderheiden, Gemeinwohl, S. 636; ähnlich Droege, Gemeinnützigkeit, S. 316. 61  Jachmann, in: FS Lang, S. 295, 307. Zur rechtlichen Ableitung dieser Verantwortung aus dem Sozialstaatsprinzip Liebl, Gemeinnützigkeit, S. 145 mit weiteren Nachweisen und Jachmann, DStZ 2001, S. 225, 226. 62  Merk, Das gemeine Beste, S. 39; ähnlich Frenz, GewArch 2006, S. 282. Vgl. auch Hahn, StuW 2004, S. 167, 168 zum Gemeinwohl als „causa finalis“ der Besteuerung in der Lehre von Thomas von Aquin.

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§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

4. Sozialzwecknormen Steuern lassen sich damit insoweit auf das Gemeinwohl zurückführen, als sie der Finanzierung staatlichen Gemeinwohlstrebens dienen (Fiskalzwecknormen). Anders stellt sich die Situation dagegen bei Sozialzwecknormen dar, also bei Regelungen, die nicht in erster Linie der Finanzierung des Staats dienen, sondern einem anderen Zweck.63 Herkömmlich wird hierbei zwischen Lenkungsnormen und Umverteilungsnormen differenziert.64 Lenkungsteuern sollen die Steuerpflichtigen zu einem bestimmten gemeinwohlförderlichen Verhalten bewegen.65 Dadurch belasten Lenkungsteuern verschiedene Steuerpflichtige unterschiedlich stark, dieser Eingriff in das Leistungsfähigkeitsprinzip lässt sich aber mit Verweis auf den Lenkungszweck rechtfertigen.66 Lenkungszwecke in diesem Sinne können nur Gemeinwohlzwecke sein,67 daher lassen sich Lenkungsnormen ebenso wie Fiskalzwecknormen über ihren Beitrag zum Gemeinwohl rechtfertigen.68 Soweit mit Steuern Umverteilungszwecke verfolgt werden, lassen sich diese Zwecke auf das Sozialstaatsprinzip stützen69 oder mithilfe des Bedürfnisprinzips rechtfertigen.70 In beiden Fällen lassen sich Umverteilungsteuern als Beitrag zum Gemeinwohl auffassen, weil sie Bedürftige unterstützen und sozialen Zwecken dienen.71

63  Hey, 64  Hey,

in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 21. in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Nr. 21; zustimmend Kube, Finanzgewalt,

S. 218. 65  BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 182 (Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 21. 66  Birk, DStR 2009, S. 877, 880. 67  BVerfG, Beschluss vom 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121, 147 (Vermögensteuer); P. Kirchhof, in: GS Trzaskalik, S. 395, 404. 68  Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Rechtfertigung von Lenkungsnormen Wernsmann, in: FS P. Kirchhof, S. 1645, 1650–1655. 69  Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 21; so auch Sondervotum Baer/Gaier/ Masing, BVerfG, Urteil vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, S. 50, BVerfGE 138, S. 136, 252, 254–255 (Erbschaftsteuer). Zur Kritik daran OsterlohKonrad, StuW 2017, S. 305, 306–307. 70  Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 21. 71  Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 134.



III. Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen 111

III. Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen Vor diesem Hintergrund stellt sich im nächsten Schritt die Frage, ob sich auch die Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen unter Verweis auf deren Beitrag zum Gemeinwohl rechtfertigen lassen.

1. Gemeinwohlförderung durch Staatsentlastung Traditionell werden steuerliche Vorteile für gemeinnützige Einrichtungen damit gerechtfertigt, dass sie durch ihre Tätigkeit den Staat entlasten,72 indem sie in manchen Bereichen anstelle des Staats zur Verwirklichung des Gemeinwohls beitragen.73 Dadurch muss der Staat insoweit nicht selbst tätig werden und keine Steuergelder aufwenden, sodass es im Gegenzug als gerechtfertigt angesehen wird, gemeinnützige Einrichtungen steuerlich zu entlasten.74 Das leuchtet bei vielen in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO als gemeinnützig anerkannten Zwecken unmittelbar ein: Wenn sich etwa im Bereich der Forschungs- oder der Kulturförderung75 keine privaten Einrichtungen engagieren würden, müsste der Staat seiner „Letztverantwortung für das Gemein­ wohl“76 gerecht werden und seinerseits tätig werden. Insoweit wird der Staat entlastet. Andere in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO aufgeführte gemeinnützige Zwecke lassen sich dagegen nur mit Schwierigkeiten oder gar nicht unter den Gesichtspunkt der Staatsentlastung fassen, denn entlastet werden kann der Staat nur, wenn ihn ohne privates Engagement eine entsprechende Belastung treffen würde.77 Manche als gemeinnützig anerkannte Zwecke müsste der Staat allerdings keineswegs zwingend fördern, die Gemeinnützigkeit dieser Zwecke illustriert vielmehr den großen Spielraum des Gesetzgebers bei der Entschei-

72  Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 1; Isensee, in: FS Dürig, S. 33, 61; Koenig, in: Koenig, AO, § 51 Rn. 1; Möllmann, Steuerliche Privilegierung, S. 83 m. w. N.; O. Roth, Gemeinnützigkeit, S. 13–14; a.  A. Heintzen, FR 2008, S. 737, 740–741. 73  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.80. 74  BMF-Gutachten, S.  93; zustimmend Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.80; Koenig, in: Koenig, AO, § 51 Rn. 1; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Vorbem. §§ 51–68 AO Rn. 36. 75  § 52 Abs. 2 Nr. 1, 5 AO. 76  Isensee, in: FS Dürig, S. 33, 61. 77  So auch Möllmann, Steuerliche Privilegierung, S. 84.

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§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

dung, welche Tätigkeiten er steuerlich fördern will.78 Beispielhaft seien in diesem Zusammenhang die Förderung des Modellflugs und des Hunde­ sports79 oder des Schachsports80 genannt. Gegen eine Rechtfertigung des Gemeinnützigkeitsrechts über den Gesichtspunkt der Staatsentlastung soll darüber hinaus auch sprechen, dass nach dem geltenden Recht teilweise auch solche Bereiche steuerlich privilegiert werden, in denen der Staat aus Rücksicht auf die Grundrechte der betroffenen Privatpersonen zu besonderer Zurückhaltung und Neutralität verpflichtet ist, selbst also gar nicht tätig werden dürfte.81 Das gelte insbesondere für religiöse Zwecke nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO, in geringerem Maße aber auch für künstlerische Zwecke gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AO sowie für wissenschaftliche Zwecke gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO.82 Dagegen wird zu Recht eingewendet, dass die Verpflichtung des Staats zu inhaltlicher Neutralität nicht dazu führen könne, dass der Staat sich im betroffenen Bereich insgesamt nicht betätigen dürfe.83 Er ist bei Religion, Kunst und Wissenschaft und auf vergleichbaren Gebieten lediglich von inhaltlicher Einflussnahme ausgeschlossen, nicht dagegen auch von finanzieller Unterstützung.84 Damit kann der Staat auch in diesen grundrechtssensiblen Bereichen entlastet werden.85 Es zeigt sich also, dass sich auch heute noch wesentliche Teile des Gemeinnützigkeitsrechts damit erklären lassen, dass gemeinnützige Körperschaften den Staat entlasten.86 Insoweit folgt der Zusammenhang zwischen Gemeinnützigkeit und Gemeinwohl daraus, dass der Staat bei jeglichem Handeln dem Gemeinwohl als höchstem Staatsziel verpflichtet ist. Der Staat kann daher nur wirksam gleichwertig entlastet werden, wenn auch die entlastende Tätigkeit einer gemeinnützigen Einrichtung auf die Verwirklichung des Gemeinwohls abzielt.

78  Droege,

Gemeinnützigkeit, S. 332. Abs. 2 Nr. 23 AO. 80  § 52 Abs. 2 Nr. 21 AO. 81  Möllmann, Steuerliche Privilegierung, S. 84–85. 82  Möllmann, Steuerliche Privilegierung, S. 85. 83  Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 25. 84  Vgl. Droege, Gemeinnützigkeit, S. 331; Isensee, in: DStJG 26 (2003), S. 93, 100. 85  Völlig neutral ist die indirekte Unterstützung durch Steuervergünstigungen allerdings nicht, denn auch hier muss zunächst entschieden werden, welche Zwecke als förderungswürdig anerkannt werden, Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 374–375. 86  Vgl. O. Roth, Gemeinnützigkeit, S. 14. 79  § 52



III. Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen 113

Die Tätigkeit gemeinnütziger Einrichtungen zielt aber nicht immer auf Staatsentlastung. Es gibt vielmehr auch gemeinnützige Zwecke, deren Wahrnehmung durch private Einrichtungen den Staat nicht entlastet. In Bezug auf diese Zwecke stellt sich die Frage, ob auch sie über die Förderung des Gemeinwohls zu rechtfertigen sind.

2. Steuervergünstigung aus Gründen des Gemeinwohls Soweit gemeinnützige Einrichtungen nicht den Staat entlasten, kommen die allgemeinen Rechtfertigungserwägungen für Steuervergünstigungen zum Tragen. Bei den im Gemeinnützigkeitsrecht vorgesehenen Steuervorteilen handelt es sich um Normen, die zu bestimmten nicht-fiskalischen Zwecken unterschiedliche Steuervorteile zugunsten näher bestimmter oder aller Steuerpflichtigen anordnen,87 und damit um Steuervergünstigungen im steuerrechtlichen Sinn.88 Solche Steuervergünstigungen sind vor dem Hintergrund der steuerlichen Belastungsgleichheit rechtfertigungsbedürftig, weil sie von der allgemeinen Steuerpflicht abweichen, die im Grundsatz jeden Steuerpflichtigen trifft.89 Zwar genießt der Gesetzgeber bei der Entscheidung für einen Steuergegenstand und bei der Wahl des Steuersatzes einen großen Handlungsspielraum.90 Sobald er sich allerdings dafür entscheidet, die Erträge von Körperschaften sowie deren Umsätze zu besteuern, muss die damit getroffene Weichenstellung „folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit umgesetzt werden. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes.“91 Dieses aus Art. 3 Abs. 1 GG abgeleitete Folgerichtigkeitsgebot92 fordert einen rechtfertigenden Grund, wenn der GeHey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 6 Rn. 49. Grenzen der Steuervergünstigung, S. 48; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 6 Rn. 51. Das Gemeinnützigkeitsrecht besteht aus einer Vielzahl persönlicher Steuerbefreiungen, Lang, Steuervergünstigungen, S. 100. 89  Dazu Fann, Grenzen der Steuervergünstigung, S. 91–106; Isensee, in: DStJG 26 (2003), S. 93, 98. 90  BVerfG, Urteil vom 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239, 271 (Zinsbesteuerung); BVerfG, Beschluss vom 30.9.1998 – 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, S. 88, 95 (Verlustabzug); Wernsmann, NJW 2000, S. 2078, 2079. 91  Ständige Rechtsprechung, siehe nur BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 180–181 (Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte); BVerfG, Urteil vom 9.12.2008 – 2 BvL 1/07 u. a., BVerfGE 122, S. 210, 231 (Pendlerpauschale); BVerfG, Beschluss vom 13.10.2009 – 2 BvL 3/05, BVerfGE 124, S. 282, 295 (Kindesexistenzminimum); zustimmend Mellinghoff, in: FS Spindler, S. 153, 164; zur Kritik am Folgerichtigkeitsgebot Drüen, in: FS Spindler, S. 29, 37–38. 92  Vgl. nur Englisch, in: FS Lang, S. 167, 179 m. w. N.; Möller, StB 2006, S. 425, 425–426. 87  Vgl.

88  Fann,

114

§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

setzgeber bestimmte gemeinnützige Körperschaften von der allgemeinen Steuerpflicht ausnimmt, der im Grundsatz jede Körperschaft im Sinn des § 1 Abs. 1 KStG unterliegt. Welche Anforderungen an einen rechtfertigenden Grund in diesem Sinn zu stellen sind, wird unterschiedlich beurteilt. Das Bundesverfassungsgericht räumt dem Gesetzgeber hier grundsätzlich eine große Gestaltungsfreiheit ein und fordert lediglich, dass sich ein sachlicher Grund für die Vergünstigung findet.93 Steuervergünstigungen und der darin liegende Eingriff in Art. 3 Abs. 1 GG sollen bereits dann gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber mit der Vergünstigung den Steuerpflichtigen zu einem bestimmten gemeinwohlförderlichen Verhalten bewegen will.94 Im Ergebnis beschränkt sich das Gericht damit zumeist auf eine Willkürprüfung.95 Bestimmte Steuergegenstände komplett freizustellen, hält das Gericht dagegen nur für zulässig, wenn es dafür hinreichende Gründe des Gemeinwohls gibt.96 Demnach ließen sich auch die weitreichenden Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen, deren Tätigkeit den Staat nicht entlastet, nur mittels hinreichender Gemeinwohlgründe rechtfertigen. Dem Ansatz des Bundesverfassungsgerichts wird in der Literatur entgegengehalten, das Gebot der Folgerichtigkeit würde durch diese überwiegend großzügige Auslegung ausgehöhlt.97 Eine Steuervergünstigung sei nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn sie nicht willkürlich sei, vielmehr sei unter anderem erforderlich, dass die Steuervergünstigung auf einen ausreichenden Gemeinwohlbelang gestützt werden könne.98 Ein ausreichender Gemein93  BVerfG, Urteil vom 20.4.2004 – 1 BvR 1748/99, u. a., BVerfGE 110, S. 274, 299 (Ökosteuer). 94  BVerfG, Beschluss vom 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, S. 121, 147 (Vermögensteuer); BVerfG, Beschluss vom 11.11.1998 – 2 BvL 10/95, BVerfGE 99, S. 280, 296 (Aufwandsentschädigung Ost); BVerfG, Beschluss vom 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, S. 164, 182 (Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte); Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 132–133; Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. 1, S. 340–342. 95  BVerfG, Urteil vom 20.4.2004 – 1 BvR 1748/99 u. a., BVerfGE 110, S. 274, 292–293 (Ökosteuer); BVerfG, Beschluss vom 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 32 (Erbschaftsteuer). 96  BVerfG, Beschluss vom 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, S. 1, 32 (Erbschaftsteuer); BVerfG, Urteil vom 5.11.2014 – 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, S. 350, 373 (Luftverkehrsteuer); zustimmend Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rn. 46. Dazu auch Wernsmann, NVwZ 2004, S. 819, 820–821; Wernsmann, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 516a-520a. Kritisch zur Frage, was Steuergegenstand in diesem Sinn ist, Hey, DStR 2009, S. 2561, 2563. 97  Englisch, in: FS Lang, S. 167, 206; kritisch auch K.-A. Schwarz, in: FS Isensee, S. 949, 964. 98  Englisch, in: FS Lang, S. 167, 206; ähnlich Mellinghoff, in: FS Bareis, S. 171, 182; P. Kirchhof, AöR 128 (2003), S. 1, 48 und P. Kirchhof, in: FS Solms, S. 1, 6 hält



III. Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen 115

wohlbelang soll insbesondere vorliegen, wenn „die Lebensgrundlagen des Gemeinwesens und seiner Mitglieder“99 verbessert oder zumindest bewahrt werden.100 Die Vertreter dieser Ansicht müssen allerdings einräumen, dass sich aus der Besteuerungsgleichheit gemäß Art. 3 Abs. 1 GG kaum Gemeinwohlüberzeugungen und damit ausreichende inhaltliche Gründe für Steuervergünstigungen ableiten, die von allen Steuerpflichtigen anerkannt werden.101 Auch diese Ansicht führt zum Ergebnis, dass Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen nur bei ausreichenden Gemeinwohlgründen gerechtfertigt sind. Welche der beiden Ansichten überzeugender ist, kann letzten Endes offenbleiben. Sowohl nach den in der Literatur vertretenen Ansichten als auch nach Auffassung der Rechtsprechung lassen sich die im Gemeinnützigkeitsrecht angeordneten umfassenden Steuervergünstigungen nur rechtfertigen, wenn ausreichende Gemeinwohlgründe für diese Steuervergünstigungen vorliegen. Ob sich tatsächlich für jeden der in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO genannten Zwecke solche Gemeinwohlgründe finden lassen, kann hier nicht entschieden werden.102 Wichtig ist für Zwecke dieser Untersuchung vor allem das Ergebnis, dass die Steuervergünstigungen für gemeinnützige Körperschaften auch insoweit auf einer Förderung des Gemeinwohls beruhen, als die gemeinnützigen Körperschaften nicht den Staat entlasten.103

3. Exkurs: Spendenabzug Spendenabzug und direkte Steuervergünstigungen wegen Gemeinnützigkeit gehen Hand in Hand. Daher liegt es nahe, die Rechtfertigung des Spendenabzugs daraufhin zu untersuchen, ob sich ihr weitere Hinweise darauf entnehmen lassen, wie die Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen begründet werden können. Im Grundsatz können private AufwendunSteuer­vergünstigungen sogar nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG „zum Wohle der Allgemeinheit“ zulässig. Vgl. auch Lang, Steuervergünstigungen, S. 145, der erwägt, die Gemeinnützigkeit im Sinn des § 17 StAnpG als Kriterium auf alle „subventiven Steuervergünstigungen“ zu übertragen. 99  Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. 1, S. 341. 100  Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. 1, S. 341. 101  Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. 1, S. 341. 102  Ablehnend Märkle/Alber, BB 1990, Beil. 2, S. 1, 2–3; Thiel/Eversberg, DB 1990, S. 290, 292; Tipke, StuW 1989, S. 165, 167–168; dazu auch Droege, Gemeinnützigkeit, S. 154; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.86–187; Lang, StuW 1987, S. 221, 244; aus nicht-steuerrechtlicher Sicht Däubler, NJW 2003, S. 3319– 3320. 103  So auch Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Vorbem. §§ 51–68 AO Rn. 38.

116

§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

gen als Sonderausgaben abgezogen werden, weil sie unvermeidbar waren oder aus Vernunftgründen geboten waren, § 10 EStG.104 Die inhaltliche Rechtfertigung des Abzugs von Spenden als Sonderausgaben steht dagegen in einem engen Bezug zur Rechtfertigung des Gemeinnützigkeitsrechts insgesamt und zu § 52 Abs. 1 AO, betrifft also die Gemeinwohlförderung durch Private105 und die Staatsentlastung.106 In diesem Zusammenhang wird auch auf das Subsidiaritätsprinzip Bezug genommen.107 Darüber hinaus werden bei der Rechtfertigung des Spendenabzugs aber auch andere Aspekte angeführt. Herkömmlich wird die Entscheidung zugunsten des Spendenabzugs108 mit dem Lenkungszweck erklärt, den der Gesetzgeber mit dem Spendenabzug verfolge:109 Es „soll zu privatem uneigennützigen Handeln angeregt werden.“110 Die Vertreter dieser Ansicht müssen allerdings einräumen, dass es nur schwer begründbar ist, warum Spender mit einem höheren individuellen Grenzsteuersatz, die also finanziell leistungsfähiger sind, in steuerlicher Sicht stärker von einer Spende profitieren als weniger leistungsfähige Spender mit einem niedrigeren individuellen Grenzsteuersatz, wenn beide eine Spende in gleicher Höhe leisten.111 Besonders augenfällig wird dieses Problem, wenn man sich vor Augen führt, dass bei zwei Spenden in gleicher Höhe der weniger leistungsfähige Spender einen größeren Teil seines Einkommens spendet als der leistungsfähigere Spender, nach dem Verdienstprinzip also in höherem Maß prämierungswür104  Hutter, 105  Meyn,

in: Blümich, § 10 EStG Rn. 2. in: Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gemeinnützigkeitsrecht, § 10b

EStG Rn. 1. 106  Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Rn. 7. 107  Brandl, in: Blümich, § 10b EStG Rn. 3; Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Rn. 7; Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 26; A. Steiner, in: Lademann, EStG, § 10b Rn. 6. 108  Dabei soll es nicht aus Verfassungsgründen geboten sein, Spenden zum Abzug zuzulassen, Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.67; P. Kirchhof, in: DStJG 26 (2003), S. 1, 5; Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Rn. 7. 109  Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Rn. 7. Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. 2, S. 833 weist dagegen darauf hin, der Wille des Gesetzgebers lasse sich hier nicht eindeutig feststellen. 110  BFH, Urteil vom 22.9.1993 – X R 107/91, BStBl. II 1993, S. 874, 876; BFH, Urteil vom 24.11.1993 – X R 5/91, BStBl. II 1994, S. 683, 685; zustimmend Brandl, in: Blümich, § 10b EStG Rn. 3; Lindberg, in: Frotscher/Geurts, EStG, § 10b Rn. 13; ähnlich Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 15; Lang, JbFSt 1983/1984, S. 195, 208–209; A. Steiner, in: Lademann, EStG, § 10b Rn. 6; Strahl/Demuth/Stahl, in: Korn, EStG, § 10b Rn. 1; im Ergebnis auch Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.68–1.69; Thiel/Eversberg DB 1991, S. 118, 119. 111  Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 15; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.67; Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 42.



III. Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen 117

dig wäre, tatsächlich aber weniger begünstigt wird.112 Wenn der Spendenabzug als Lenkungsnorm verstanden wird, kann aber kein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip vorliegen, denn dieses Prinzip gilt vorrangig für Fiskalzwecknormen.113 Denkbar wäre dann allenfalls, die konkrete Ausgestaltung des Spendenabzugs als gleichheitswidrig anzusehen.114 Eine andere Ansicht argumentiert, dass jede Spende ein freiwilliger Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwohls sei, während Steuern erzwungene Beiträge zur Finanzierung desselben Ziels seien.115 Spenden seien daher ein Steuer­surrogat.116 Was ein Steuerpflichtiger spende, stehe ihm nicht mehr für die Zahlung von Steuern zur Verfügung.117 Eine Spende sei zwar in stärkerem Maß als andere freiwillige Ausgaben gesellschaftlich gewünscht,118 das bedeute aber nicht unbedingt, dass es sich bei den Regelungen zum Spendenabzug um eine Lenkungsnorm handele.119 Vor dem Hintergrund des Leistungs­ fähigkeitsprinzips sei es folgerichtig, die Spende zum Abzug von der Bemessungsgrundlage zuzulassen.120 Steuerersetzende gemeinwohlförderliche Ausgaben im Sinne von Spenden seien dem objektiven und subjektiven Nettoprinzip vergleichbar eine Ausprägung des Leistungsfähigkeitsprinzips.121 Ausgehend davon, dass Spenden als Steuersurrogat dienen, lässt sich allerdings argumentieren, dass es nicht einleuchtet, warum Spenden nicht von der Steuerschuld, sondern nur als Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden können, §§ 10b, 2 Abs. 4 EStG.122 Trotz ihres angeblichen Charakters als Steuersurrogat werden Spenden also nicht als auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 15. in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 43; Liebl, Gemeinnützigkeit, S. 156. 114  Zu den gleichheitsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung von Lenkungsnormen Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, §  4 AO Rn. 449–450. 115  Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 26. 116  BMF-Gutachten, S. 228; P. Fischer, in: FS Lang, S. 281, 283; Geserich, in: DStJG 26 (2003), S. 245, 248; Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rn. A 46; zustimmend Möllmann, Steuerliche Privilegierung, S. 90; Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 26; Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. 2, S. 832. 117  BMF-Gutachten, S. 228–229; Jachmann, in: FS Lang, S. 295, 312. 118  Vgl. Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. 2, S. 833. 119  Vogel, StuW 1977, S. 97, 108. 120  P. Kirchhof, in: DStJG 26 (2003), S. 1, 5. 121  Geserich, in: DStJG 26 (2003), S. 245, 246–249; zustimmend Liebl, Gemeinnützigkeit, S. 160; im Ergebnis ablehnend Droege, Gemeinnützigkeit, S. 359; Kulosa, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 10b EStG Rn. 7. 122  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.69; Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 43; zustimmend Droege, Gemeinnützigkeit, S. 409; Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 20 Rn. 15 Fn. 50.; a. A. Liebl, Gemeinnützigkeit, S. 160. 112  So

113  Hey,

118

§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

gleichwertig mit Steuern behandelt.123 Steuerliche Wirkung entfalten Spenden vielmehr höchstens mit einem dem aktuellen Spitzensteuersatz entsprechenden Anteil, der übrige Spendenbetrag bleibt aus steuerlicher Sicht unbeachtlich. Ob es überzeugender ist, den Spendenabzug mit der wohl noch herrschenden Meinung124 als Lenkungsnorm anzusehen oder Spenden eher als Steuersurrogat zu behandeln, kann hier dahinstehen, denn der kurze Exkurs zum Spendenrecht zeigt, dass sich beim Spendenabzug und seiner Rechtfertigung andere Probleme stellen als im Gemeinnützigkeitsrecht. Der Leistungsfähigkeit des Spenders und ihrer – nicht unumstrittenen – Minderung infolge der Spende kommt zentrale Bedeutung zu. Die Schwerpunkte der Diskussion im Spendenrecht liegen somit an anderer Stelle als im Gemeinnützigkeitsrecht. Hinzu kommt, dass das Spendenrecht in § 10b EStG125 an die §§ 51 ff. AO anknüpft, dem Gemeinnützigkeitsrecht also inhaltlich nachgelagert ist beziehungsweise auf dem Gemeinnützigkeitsrecht aufbaut.126 Diese Systematik spricht ebenfalls dagegen, von einer bestimmten Auslegung im Spendenrecht auf das Gemeinnützigkeitsrecht zu schließen. Daher lassen sich die aus dem Exkurs gewonnenen Erkenntnisse nicht auf das Gemeinnützigkeitsrecht übertragen.

IV. Gemeinwohlkonflikte Das Gemeinnützigkeitsrecht lässt sich, wie oben dargestellt, über den Beitrag gemeinnütziger Einrichtungen zum Gemeinwohl rechtfertigen, unabhängig davon ob der Staat entlastet wird oder nicht. Diese Rechtfertigung des Gemeinnützigkeitsrechts über das Gemeinwohl führt zu einem Folgeproblem: Sie mündet in eine Art „In-Sich Konflikt öffentlicher Interessen“,127 denn die gesetzlich geregelte Steuerpflicht juristischer Personen nach den jeweiligen Steuergesetzen dient dazu, staatliche Aufgabenerfüllung und damit das Gemeinwohl zu finanzieren. Die Steuervergünstigungen gemeinnütziger juristischer Personen werden aber ebenfalls auf das Gemeinwohl gestützt. Mit anderen Worten soll das Gemeinwohl ­sowohl die Regel als auch die Ausnahme von der Regel rechtfertigen. Die Förderung des Gemeinwohls bietet daher für sich genommen noch keine 123  Seer,

in: DStJG 26 (2003), S. 11, 43 m. w. N. Geserich, in: DStJG 26 (2003), S. 245, 247; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.65. 125  Sowie in: § 9 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 KStG und § 9 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 GewStG. 126  Vgl. Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.69. 127  Häberle, Öffentliches Interesse, S. 172. 124  Vgl.



IV. Gemeinwohlkonflikte119

ausreichende Grundlage, um Steuervergünstigungen wegen Gemeinnützigkeit zu rechtfertigen.128 Das gilt umso mehr, als nach der gegenwärtigen Gesetzeslage der Gemeinnützigkeit gegenüber der indirekten Gemeinwohlförderung durch Steuerzahlungen Vorrang zukommt, denn sobald eine Einrichtung die Voraussetzungen des Gemeinnützigkeitsrechts erfüllt, ist sie zwingend und von Amts wegen steuerbefreit, kann also nicht auf die Gemeinnützigkeit verzichten.129

1. Inhaltliche Differenzierung Einen möglichen Ansatzpunkt zur Auflösung dieses Konflikts und zur Erklärung des Vorrangs der Gemeinnützigkeit könnte ein Verständnis bieten, das inhaltlich zwischen staatlicher Gemeinwohlrealisierung und gemeinnütziger Gemeinwohlrealisierung differenziert. Demnach stünde bei der Steuer­ erhebung die Erfüllung staatlicher öffentlicher Interessen im Vordergrund, gemeinnützige Einrichtungen verfolgten auch außerstaatliche öffentliche Inte­ressen.130 Dafür lässt sich zunächst argumentieren, dass es Bereiche staatlicher Gemeinwohlförderung gibt, etwa innere und äußere Sicherheit, die nicht von gemeinnützigen Einrichtungen wahrgenommen werden können, insoweit besteht also tatsächlich ein inhaltlicher Unterschied. Außerdem wird argumentiert, der Gesetzgeber habe bewusst den Begriff der Gemeinnützigkeit verwendet, um ein größeres Spektrum an Tätigkeiten abzudecken als nur die Erfüllung staatlicher öffentlicher Interessen.131 Dagegen lässt sich einwenden, dass die Gesetzgebungsgeschichte zu § 52 Abs. 1 AO und dem früher geltenden Recht zeigt, dass der Gesetzgeber das Gemeinnützigkeitsrecht in dieser Hinsicht nicht planvoll geregelt hat.132 Vielmehr hat sich die Überzeugung, dass eine Tätigkeit dem Gemeinwohl dienen muss, um gemeinnützig sein zu können, aus der Rechtsprechung entwickelt. Der Gesetzgeber hat diese Entwicklungen nur nachvollzogen, aber zu keiner Zeit eine inhaltliche Differenzierung gemeinnütziger Tätigkeit von der Erfüllung staatlicher Aufgaben vorgenommen. Darüber hinaus lässt sich die oben angesprochene Differenzierung auch praktisch nicht realisieren, denn staatliche und gesellschaftliche Interessen lassen sich nicht trennscharf 128  Isensee/Knobbe-Keuk, Minderheitsvotum, BMF-Gutachten, S. 331, 346; ähnlich Isensee, in: FS Dürig, S. 33, 52–53 und Liebl, Gemeinnützigkeit, S. 146. 129  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 7.14; Schauhoff, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, Grundlegung Rn. 52; offengelassen in BFH, Urteil vom 28.11.1961 – I 34/61 U, BFHE 74, S. 192, 194. 130  Häberle, Öffentliches Interesse, S. 201. 131  Häberle, Öffentliches Interesse, S. 201. 132  Dazu siehe oben S. 64.

120

§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

abgrenzen. Daher ist es nicht überzeugend, inhaltlich zwischen staatlicher und gemeinnütziger Gemeinwohlförderung zu differenzieren.

2. Nutzenabwägung Eine andere Herangehensweise zur Auflösung dieses Gemeinwohlkonflikts ist eine Art Nutzenabwägung zwischen beiden Alternativen.133 Steuervergünstigungen, und damit auch die Gemeinnützigkeit, sollen demnach nur gerechtfertigt sein, wenn „die Steuervergünstigung zu einem größeren gesamtgesellschaftlichen Nutzen führt als pure Besteuerung entsprechend dem Gleichheitssatz.“134 Theoretisch lassen sich Steuervergünstigungen wegen gemeinnützigen Handelns auf Grundlage dieser Überlegung rein rechnerisch rechtfertigen. Steuern sind eine zahlenmäßig bestimmte verpflichtende Leistung des Einzelnen, mit deren Hilfe der Staat das Gemeinwohl verwirklichen kann. Es läge also nahe, Steuervergünstigungen wegen Gemeinnützigkeit nur dann als berechtigt anzusehen, wenn gemeinnützige Einrichtungen das Gemeinwohl mindestens in dem Ausmaß fördern, in dem der Staat das Gemeinwohl auf demselben Gebiet fördern könnte, wenn er dafür einen Geldbetrag einsetzen würde, der dem Steuerbetrag entspricht, auf den er infolge der Gemeinnützigkeit verzichtet hat.135 Da sich der gesamtgesellschaftliche Nutzen und die Gemeinwohlförderung allerdings nicht messen und in Zahlen ausdrücken lassen, kann auch dieser Ansatz keine praktikablen Ergebnisse hervorbringen.136 Daher muss der Konflikt zwischen Gemeinwohlverwirklichung durch Steuererhebung auf der einen Seite und Steuervergünstigungen wegen unmittelbarer Gemeinwohlverwirklichung auf der anderen Seite in anderer Weise aufgelöst werden. Neben das Gemeinwohl muss ein weiterer Aspekt treten, der zur Rechtfertigung der Steuervergünstigungen wegen Gemeinnützigkeit beiträgt.

133  Tipke,

Steuerrechtsordnung, Bd. 1, S. 345–346.

134  Tipke, Steuerrechtsordnung, Bd. 1, S. 346; ähnlich Englisch, in: FS Lang, S. 167,

207.

135  Angesichts der größeren Effizienz privater Einrichtungen im Vergleich zum Staat sind Steuervergünstigungen wegen Gemeinnützigkeit meistens wirtschaftlich kostensparender als die steuerfinanzierte Wahrnehmung der betreffenden Aufgabe durch den Staat, Hardorp, BB 1986, S. 2341, 2341–2342. 136  Im Ergebnis ähnlich Isensee, in: DStJG 26 (2003), S. 93, 99.



IV. Gemeinwohlkonflikte121

3. Subsidiaritätsprinzip Als solcher ergänzender Aspekt, der im Rahmen der Rechtfertigung des Gemeinnützigkeitsrechts neben die Gemeinwohlförderung treten kann, kommt insbesondere das Subsidiaritätsprinzip in Betracht.137 Nach diesem aus der katholischen Soziallehre stammenden138 Prinzip soll eine größere Einheit (wie etwa der Staat) grundsätzlich nur tätig werden, wenn der jeweils bestehende Bedarf nicht durch die kleinere Einheit (wie zum Beispiel die Familie oder eine gesellschaftliche Gruppe) gedeckt wird oder gedeckt w ­ erden kann.139 Das Subsidiaritätsprinzip soll damit „das liberale Konzept dezentraler Verwirk­ lichung des Gemeinwohls“140 ausdrücken und zu „Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und Selbstverantwortlichkeit des Men­schen“141 führen. Der – lediglich subsidiär zuständige – Staat dürfe nur insoweit Steuern erheben und damit das Gemeinwohl fördern, als die einzelnen Glieder der Gesellschaft das Gemeinwohl nicht selbst verwirklichen oder verwirklichen können. Dem Subsidiaritätsprinzip entsprechend müsse der Staat also vorrangig gemeinnützige Einrichtungen bei der Erfüllung von Gemeinwohlaufgaben fördern, anstatt Steuern zu erheben und mit den daraus resultierenden Einkünften gemeinwohlrelevante Aufgaben selbst wahrzunehmen.142 Ob sich ein allgemeines Subsidiaritätsprinzip im eben dargestellten Sinn aus dem Grundgesetz143 ableiten lässt und damit den Staat bindet, ist seit langem umstritten.144 Allgemein anerkannt ist nur, dass es jeweils auf einzelne Rechtsgebiete beschränkte Grundsätze der Subsidiarität gibt.145 137  Isensee,

in: FS Dürig, S. 33, 59. den Ursprüngen des Prinzips Droege, in: Kube/Reimer, Subsidiarität in der Finanzverfassung, S. 7, 9–16; Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 18–28. 139  Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 28; Pieper, Subsidiarität, S. 86. 140  Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR IV, § 73 Rn. 67. 141  Kalkbrenner, in: FS Küchenhoff, 2. Halbbd. S. 515, 520. 142  Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 22; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, Vorbem. §§ 51–68 AO Rn. 4; ähnlich Droege, Gemeinnützigkeit, S. 334; Hardorp, BB 1986, S. 2341; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.84; Isensee/Knobbe-Keuk, Minderheitsvotum, BMF-Gutachten, S. 331, 347; Isensee, in: FS Dürig, S. 33, 59; Jachmann, DStZ 2001, S. 225, 227; zweifelnd Hummel, in: Rau/Dürrwächter, UStG, § 12 Abs. 2 Nr. 8 Rn. 91. 143  Anders Art. 70 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg, aus dem sich nach dem Staatsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 6.5.1967 – 1/1966, ESVGH 18, S. 1, 3, ergebe, dass „der Grundsatz der Subsidiarität ein Verfassungsgrundsatz“ sei; dazu auch Pautsch, in: Haug, Verfassung Baden-Württemberg, Art. 70 Rn. 13–14; Lecheler, Subsidiaritätsprinzip, S. 52. 144  Aus der früheren Literatur zustimmend Menger, DVBl. 1960, S. 297, 299; ablehnend Herzog, Der Staat 2 (1963), S. 399, 412–423; zusammenfassender Überblick 138  Zu

122

§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

Aus dem Wortlaut von Art. 23 GG lässt sich kein allgemeines Subsidiaritätsprinzip ableiten, denn die Norm regelt lediglich das Verhältnis Deutschlands zur EU.146 Auch die im Einzelnen geregelte Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern spricht eher dagegen, ein allgemeines Subsidiaritätsprinzip im Grundgesetz anzuerkennen.147 Zugunsten eines allgemeinen Subsidiaritätsprinzips wird argumentiert, dass sowohl die Menschenwürde­ garantie148 als auch die allgemeine Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG149 zeigten, dass die jeweils kleinere Einheit gegenüber der größeren Einheit einen besonderen Schutz genieße.150 Hier wird allerdings nicht deutlich, warum neben dem umfassenden Grundrechtsschutz zusätzlich ein Subsidiaritätsprinzip entwickelt werden muss, das im Wesentlichen dieselben Anforderungen an staatliches Handeln stellt wie die Grundrechte selbst.151 Die „Selbstbestimmung des Einzelnen“152 und die „Eigenverantwortlichkeit in Lebensentscheidungen“153 werden als Ausprägung der Menschenwürdegarantie in Art. 1 Abs. 1 GG angesehen, sodass ein allgemeines Subsidiaritätsprinzip insoweit keinen Mehrwert verspricht. Soweit nicht speziellere Grundrechte anwendbar sind,154 folgt auch aus der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG für jeden das Recht, sich ohne staatlichen Einfluss frei zu entfalten.155 über die Diskussion in der Vergangenheit bei Pieper, Subsidiarität, S. 78–82. Das BVerfG hat die Frage im Beschluss vom 20.10.1981 – 1 BvR 404/78, BVerfGE 58, S. 233, 253 (Arbeitnehmerverband) ausdrücklich offengelassen. 145  Lecheler, Subsidiaritätsprinzip, S. 50–52. Dem lässt sich aber kein „allgemeiner Verfassungsgrundsatz“ der Subsidiarität entnehmen, so auch BVerwG, Urteil vom 25.2.1966 – VII C 72.64, BVerwGE 23, S. 304, 306–308. 146  So auch Westermeyer, Subsidiaritätsverhältnis, S. 67; a.  A. Oppermann, JuS 1996, S. 569, 570–571. 147  Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 32; einschränkend auch Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20 Rn. 44; a. A. Oppermann, JuS 1996, S. 569, 571; Pieper, Subsidiarität, S. 120–122. Nach Glaser, Subsidiaritätsprinzip, S. 99–102, deute die Kompetenzverteilung zwar auf die Subsidiarität des Bundes hin, daraus dürfe aber nicht auf die Geltung eines allgemeinen Prinzips geschlossen werden. 148  Vgl. Korte, VerwArch 1970, S. 3, 15–17; Wallenstätter, Subsidiaritätsprinzip, S. 72, 82, 85–86. 149  Vgl. Lecheler, Subsidiaritätsprinzip, S. 47–48; Wallenstätter, Subsidiaritätsprinzip, S. 88, 107–108. 150  Vgl. Oppermann, JuS 1996, S. 569, 570–571. 151  Ähnlich Droege, Gemeinnützigkeit, S. 336. 152  Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 84; ähnlich Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 1 Rn. 11. 153  Herdegen, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 1 Abs. 1 Rn. 84. 154  BVerfG, Beschluss vom 20.6.1984 – 1 BvR 1494/78, BVerfGE 67, S. 157, 171 (Post- und Telefonkontrolle); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 2–3. 155  Murswiek/Rixen, in: Sachs, GG, Art. 2 Rn. 45.



IV. Gemeinwohlkonflikte123

Daher scheint es im Ergebnis überzeugender, das Subsidiaritätsprinzip zwar als gesellschaftsphilosophisches Konzept oder als „Gebot guter Politik“156, nicht dagegen als allgemeinen Rechtssatz anzuerkennen.157 Da­ raus folgt auch, dass ein allgemeines Subsidiaritätsprinzip keinen entscheidenden Beitrag dazu leisten kann, den oben dargestellten Gemeinwohlkonflikt zu lösen.

4. Freiheitsgrundrechte Die eben herausgearbeiteten Aussagegehalte der allgemeinen Handlungsfreiheit und der Menschenwürde, nach denen eigenverantwortliche und selbstständige Bedarfsdeckung vorrangig ist vor staatlicher Fürsorge oder Bevormundung,158 lassen sich dagegen unmittelbar auf die Rechtfertigung des Gemeinnützigkeitsrechts übertragen. Aus der Abwehrfunktion der Grundrechte folgt, dass jedem Bürger eine eigene, vorrangige Zuständigkeit für die Verwirklichung des Gemeinwohls zukommt.159 Daher ist auch die unmittelbare Gemeinwohlförderung durch nichtstaatliche gemeinnützige Einrichtungen vorrangig gegenüber der mittelbaren Gemeinwohlförderung durch Finanzierung des Staats. Aus diesem Vorrang wird teilweise sogar der Schluss gezogen, dass die Freiheitsgrundrechte, und nicht der Beitrag zum Gemeinwohl, der entscheidende Rechtfertigungsansatz für die Steuervergünstigungen seien, die gemeinnützigen Einrichtungen gewährt werden.160 Darüber hinaus wird für den Bezug des Gemeinnützigkeitsrechts zu den Grundrechten auch argumentiert, dem Gemeinnützigkeitsrecht käme die Aufgabe zu, Bürger zu ermuntern, sich gemeinwohlförderlich zu engagieren und von ihren Grundrechten Gebrauch zu machen.161 Übereinstimmend damit lässt sich das Gemeinnützigkeitsrecht als eine Art Aktivierungsrecht umschreiben.162 Dabei handelt es sich auch um eine Frage der Effizienz, denn Bürger, die von ihren grundrechtlich geschützten Freiheiten zugunsten des Gemeinwohls Gebrauch machen, können in vielen Fällen wirkungsvoller zur 156  Link,

VVDStRL 48 (1990), S. 7, 26. im Ergebnis auch Glaser, Subsidiaritätsprinzip, S. 133; a. A. Zuck, Subsidiaritätsprinzip, S. 133. 158  BVerfG, Urteil vom 17.8.1956 – 1 BvB 2/51, BVerfGE 5, S. 85, 204–205 (KPD-Verbot). 159  Isensee, in: v. Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung, S. 95, 108. 160  Vgl. Isensee/Knobbe-Keuk, Minderheitsvotum, BMF-Gutachten, S. 331, 347; dazu Droege, Gemeinnützigkeit, S. 316–317; Geserich, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10b Rn. A 46. 161  Isensee, in: DStJG 26 (2003), S. 93, 100. 162  Isensee, in: DStJG 26 (2003), S. 93, 100; zustimmend Heintzen, FR 2008, S. 737, 741. 157  So

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§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

Verwirklichung des Gemeinwohls beitragen als es der schwerfällig lenkende und planende Staat je könnte.163 Im Ergebnis wird damit deutlich, dass die Freiheitsgrundrechte der entscheidende Faktor sind, der den oben dargestellten Gemeinwohlkonflikt zugunsten gemeinnütziger Einrichtungen entscheidet.

V. Äquivalenz durch das Gemeinnützigkeitsrecht 1. Gemeinnützigkeitsrecht als Äquivalenzrecht a) Anforderungen an äquivalente Gemeinwohlförderung Gemeinnütziges Handeln einerseits und Steuerzahlung andererseits sind zwei Wege, um jeweils das Gemeinwohl zu fördern.164 Natürliche Personen und nicht gemeinnützige juristische Personen zahlen Steuern und tragen dadurch mittelbar zum Gemeinwohl bei, denn die Steuereinnahmen ermög­ lichen es dem Staat, seinerseits das Gemeinwohl zu fördern. Die allgemeine Steuerpflicht natürlicher und juristischer Personen lässt sich daher über deren Gemeinwohlverantwortung rechtfertigen. Gemeinnützige Einrichtungen fördern das Gemeinwohl dagegen unmittelbar, denn sie werden nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zur Förderung der Allgemeinheit tätig.165 Entsprechend verschiebt sich hier auch die Tätigkeit des Staats: Mit seinem steuerfinanzierten Handeln fördert der Staat das Gemeinwohl unmittelbar, dagegen beschränkt er sich auf mittelbare Gemeinwohlförderung, soweit er gemeinnützige Einrichtungen steuerlich entlastet.166 § 52 AO wie auch dem übrigen Gemeinnützigkeitsrecht liegt daher der Gedanke zugrunde, dass gemeinnützige Einrichtungen ihre Gemeinwohlverantwortung bereits durch ihr gemeinnütziges Handeln wahrnehmen, sodass für eine „gleichmäßige Besteuerung nach der Gemeinwohlverantwortung“167 163  Isensee,

Gemeinwohl und öffentliches Amt, S. 82.

164  Droege, Gemeinnützigkeit, S. 316; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.84;

P. Kirchhof, in: DStJG 26 (2003), S. 1, 4; Schauhoff, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, Grundlegung Rn. 31. 165  Dementsprechend lautete ein Vorschlag der Enquete-Kommission Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements (BT-Drucks. 14/8900, S. 300), die Formulierung „Förderung der Allgemeinheit“ in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO durch „Förderung des Gemeinwohls“ zu ersetzen; zustimmend Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 10. 166  Vgl. Isensee, in: FS Dürig, S. 33, 62. 167  Jachmann, DStZ 2001, S. 225, 227; zustimmend Liebl, Gemeinnützigkeit, S. 151. Vgl. zum Zusammenhang von Gemeinlast, Gemeinwohlverantwortung und Steuervergünstigungen auch Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 133.



V. Äquivalenz durch das Gemeinnützigkeitsrecht125

erforderlich ist, gemeinnützige Einrichtungen von der Steuer freizustellen.168 Gemeinnützige Einrichtungen dürfen daher nicht ungeachtet ihrer Gemeinnützigkeit zu Steuern herangezogen werden, weil sie andernfalls doppelt ­belastet würden.169 Stattdessen gebietet es die gemeinnützige Tätigkeit als Surrogat für gezahlte Steuern, gemeinnützige Einrichtungen von der allgemeinen Steuerpflicht auszunehmen. Dem Gemeinnützigkeitsrecht kommt demnach die Aufgabe zu, die Gleichwertigkeit gemeinnütziger Tätigkeit mit Steuerzahlungen zu gewährleisten.170 Vom Bezugspunkt des Gemeinwohls gesehen kommt es darauf an, ob gemeinnützige Einrichtungen das Gemeinwohl ebenso wirksam fördern wie Steuerzahler.171 Denn nur, wenn eine gemeinnützige Einrichtung im Vergleich zu staatlichem Handeln gleichwertige Beiträge zum Gemeinwohl erbringt, ist es gerechtfertigt, sie vollumfänglich von der Steuer freizustellen. Eine solche Gleichwertigkeit gemeinnütziger Gemeinwohlförderung mit staatlicher Gemeinwohlförderung wird unter zwei Voraussetzungen angenommen.172 Einerseits muss inhaltliche Äquivalenz bestehen, es muss also eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen werden.173 Diese Voraussetzung zu gewährleisten ist Aufgabe des Zweckkatalogs in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO.174 Zum anderen muss diese öffentliche Aufgabe – also eine Aufgabe, deren Erfüllung dem Gemeinwohl dient175 – in einer Weise erfüllt werden, die qualitativ der staatlichen Gemeinwohlförderung entspricht.176 Zu dieser qualitativen Äquivalenz gehört insbesondere, dass die Aufgabe selbstlos erfüllt werden muss, aber auch im Übrigen muss die gemeinnützige Einrichtung mit 168  Jachmann, DStZ 2001, S. 225, 227; Jachmann/A. Steiner, in: FS U. Steiner, S. 362, 373. 169  Vgl. Jachmann, in: FS Lang, S. 295, 309. 170  Vgl. Jachmann, in: FS Lang, S. 295, 308–309. 171  Eine parallele Überlegung findet sich in BVerfG, Urteil vom 24.3.1987 – 1 BvR 1046/85, BVerfGE 74, S. 264, 284–286 (Boxberg). Dort führt das Gericht aus, dass Enteignungen zugunsten Privater nur zulässig seien, wenn durch besondere Vorkehrungen gewährleistet sei, dass der enteignete Gegenstand zur Förderung des Gemeinwohls genutzt werde, um das Fehlen der rechtlichen Bindungen zu kompensieren, denen der Staat unterliege, wenn er für seine eigenen Zwecke enteigne. Dazu auch Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 366. 172  Jachmann, in: FS Lang, S. 295, 307–308. 173  Jachmann/A. Steiner, in: FS U. Steiner, S. 362, 373; Jachmann, in: FS Lang, S. 295, 307. 174  Bei manchen gegenwärtig im Zweckkatalog genannten Zwecken lässt sich anzweifeln, ob sie tatsächlich öffentliche Aufgaben darstellen, siehe bereits oben S. 115. Diese Zwecke ändern aber nichts an der Funktion des Zweckkatalogs an sich. 175  Jachmann, in: FS Lang, S. 295, 307, Fn. 92 m. w. N. 176  Jachmann/A. Steiner, in: FS U. Steiner, S. 362, 373–374; Jachmann, in: FS Lang, S. 295, 307–308; Liebl, Gemeinnützigkeit, S. 153.

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§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

einer staatsähnlichen Qualität tätig werden.177 Diesen qualitativen Bezug zum Gemeinwohl spiegelt das Tatbestandsmerkmal der Förderung der Allgemeinheit in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO wider.178 Welche Anforderungen an gemeinnützige Einrichtungen daraus konkret folgen, lässt sich erst nach einer Analyse des in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verwendeten Gemeinwohlbegriffs sagen. Da sich Umfang und Inhalt der staat­ lichen Gemeinwohlbindung aus dem Grundgesetz ergeben, deuten Sinn und Zweck von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO bereits darauf hin, dass das Tatbestandsmerkmal Förderung der Allgemeinheit als Verweis auf ein verfassungsrechtlich determiniertes Gemeinwohl zu verstehen sein könnte. Auch dass den Grundrechten eine besondere Bedeutung zukommen könnte, erscheint als möglich. b) Kein Widerspruch zu § 52 Abs. 1 Satz 3 AO In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, warum § 52 Abs. 1 Satz 3 AO anordnet, dass eine Körperschaft nicht allein deswegen die Allgemeinheit fördert, weil sie ihre Mittel einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuführt.179 Darin könnte ein Widerspruch zu der These liegen, dass Steuerzahlung und gemeinnützige Tätigkeit Äquivalente sind, denn welche Handlung einer privaten Einrichtung könnte der Steuerzahlung qualitativ eher entsprechen als freiwillige Zahlungen an den Staat?180 Im Grundsatz wird der Staat durch eine freiwillige Geldleistung im gleichen Maß entlastet und begünstigt wie durch eine erzwingbare Geldleistung, beide Zahlungen wären also äquivalent. Rein praktisch sprechen aber verschiedene Gründe dafür, freiwillige Zahlungen an den Staat nicht als gleichwertig mit Steuern anzusehen. Es ist kaum vorstellbar, dass solche Zahlungen an die öffentliche Stelle fließen würden, der die entsprechende Steuer nach der Finanzverfassung zustünde. Komplizierte Umverteilungen zwischen verschiedenen Körperschaften des öffentlichen Rechts wären die Folge. Zudem spielt hier auch eine Rolle, dass 177  Jachmann/A. Steiner, in: FS U. Steiner, S. 362, 373–374; Jachmann, in: FS Lang, S. 295, 308–309. So auch Isensee, in: FS Dürig, S. 33, 57: „Der Private […], der sich selbstlos, ausschließlich und unmittelbar einer öffentlichen Aufgabe widmet, begibt sich freiwillig unter das strenge Gesetz, dem die republikanische Verfassung an sich nur die Staatsorganisation und ihre Amtswalter unterwirft. Eben diese anomale Übernahme amtsanaloger Pflichten durch Private kompensiert die Entlastung von den r­egulären staatsbürgerlichen Verpflichtungen des Steuerrechts.“ 178  So auch Liebl, Gemeinnützigkeit, S. 146, Fn. 750. 179  Zu den historischen Ursprüngen dieser Norm Kraft, VjStR 1932, S. 315, 321. 180  Ähnlich Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, § 52 AO Rn. 28.



V. Äquivalenz durch das Gemeinnützigkeitsrecht127

nahezu jede gemeinnützige Einrichtung Ausgaben für ihre interne Verwaltung hat.181 Das verringert den Effekt freiwilliger Zahlungen an staatliche Einrichtungen zusätzlich, denn für die Verwaltung aufgewendetes Geld trägt nicht zur Gemeinwohlförderung bei. Schließlich lässt sich auch einwenden, dass durch finanzielle Zuwendungen an den Staat letztlich nicht der Staat selbst, sondern die Steuerzahler ­finanziell gefördert werden, indem sie weniger Steuern zahlen müssen.182 Diese Förderung geschieht allerdings nicht innerhalb eines der nach § 52 Abs. 2 AO anerkannten gemeinnützigen Zwecke, sondern ausschließlich ­finanziell, und ist damit nicht gemeinnützig.183 Dass darüber hinaus auch eine auf das Gemeinwohl verpflichtete öffent­ liche Einrichtung Geld für Zwecke aufwenden muss, die nicht §§ 52–54 AO unterfallen,184 hat dagegen keine entscheidende Bedeutung, denn das trifft auf mit Steuereinnahmen finanzierte Ausgaben im gleichen Maße zu. c) Ergebnis Zusammenfassend lassen sich die Steuervergünstigungen gemeinnütziger Körperschaften mit „der Gleichwertigkeit von privater und staatlicher Gemeinwohlförderung“185 rechtfertigen. Der Aspekt der Staatsentlastung ist ein spezieller Rechtfertigungsgrund, der für Teile des Gemeinnützigkeitsrechts bereits eine erste Rechtfertigungsbasis bietet. Soweit der Staat nicht entlastet wird, greift das Gemeinwohlprinzip als allgemeiner Rechtfertigungsgrund für Steuervergünstigungen ein. Beiden Ansätzen ist gemeinsam, dass sie alleine das Gemeinnützigkeitsrecht nicht zu rechtfertigen vermögen. Isoliert betrachtet führen sie lediglich zu einem Abwägungskonflikt, bei dem Gemeinwohl gegen Gemeinwohl steht. Als zusätzlicher Faktor, der den Ausschlag zugunsten privater Gemeinwohlförderung gibt und staatliche Tätigkeit demgegenüber als nachrangig ausweist, kommen insbesondere die Grundrechte in ihrer freiheitsgewährleistenden Dimension in Betracht, vor allem die Allgemeine Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG und der Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG. 181  Zu den dabei geltenden (streitanfälligen) Grenzen Musil, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 55 AO Rn. 148–149 m. w. N. 182  Vgl. Kraft, VjStR 1932, S. 315, 321. 183  Ähnlich Geibel, in: Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gemeinnützigkeitsrecht, § 52 AO Rn. 30. 184  Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, § 52 AO Rn. 28; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 52 AO Rn. 12. 185  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.84.

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§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

Wenn Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen mithilfe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden, darf das allerdings nicht zu dem Trugschluss führen, dass nur der Staat und gemeinnützige Einrichtungen gemeinwohlförderlich handeln könnten. Zunächst trägt auch nicht gemeinnütziges, auf wirtschaftlichen Gewinn gerichtetes Verhalten zum Gemeinwohl bei,186 indem es in der Bevölkerung bestehende Bedürfnisse stillt.187 Wirtschaftliches Handeln in diesem Sinn ist aber nicht gemeinnützig, denn zur Gemeinwohlförderung und zu dem grundrechtlich geschützten Vorrang eigenverantwortlicher Bedarfsdeckung tritt bei gemeinnützigen Einrichtungen noch ein zusätzliches, inneres Moment, das zur Rechtfertigung der Gemeinnützigkeit erforderlich ist: Der Verzicht auf persönliche wirtschaftliche Vorteile, also Altruismus.188 Für die Auslegung von § 52 Abs. 1 AO spielt diese ebenfalls erforderliche innere Einstellung allerdings keine Rolle, denn sie ist abschließend in § 55 AO geregelt. Daneben gibt es auch zahllose dem Steuerstaat verschlossene Bereiche, in denen gemeinwohlförderlich gehandelt wird. Gemeinwohlförderliches Verhalten findet insbesondere auch im nicht körperschaftlich organisierten und im sozialen und familiären Bereich statt, ohne dass diese Art der Gemeinwohlförderung aus steuerlicher Sicht berücksichtigt würde.189 Ebenso wie der Staat keine abschließenden „ex-cathedra-Entscheidungen zum Gemeinwohl“190 treffen kann, betrifft auch das Gemeinnützigkeitsrecht nur einen Ausschnitt aus dem gesamten privaten gemeinwohlförderlichen Handeln.191 Dementsprechend stehen große Teile des Gemeinwohls, wie etwa im familiären oder nicht körperschaftlich organisierten Bereich, von vornherein außerhalb jeglicher staatlicher Tätigkeit, können also ausschließlich von der Gesellschaft und deren einzelnen Gliedern verwirklicht werden.192 Insoweit beansprucht der Staat kein Mitspracherecht und greift auch in seiner Eigenschaft als Steuerstaat nicht in diesen Teil des gesellschaftlich verwirklichten Gemeinwohls ein.

186  Seer,

in: DStJG 26 (2003), S. 11, 13–14. in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 2. 188  Vgl. Isensee/Knobbe-Keuk, Minderheitsvotum, BMF-Gutachten, S. 331, 348; Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 13–14. 189  Hardorp, BB 1986, S. 2341, 2342; Jachmann, DStZ 2001, S. 225, 226. 190  Häberle, Rechtstheorie 14 (1983), S. 257, 267; zustimmend Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 15. 191  Hardorp, BB 1986, S. 2341, 2342; Walz, JZ 2002, S. 268, 269; vgl. auch Kröger, DStZ 1986, S. 419, 422. 192  Isensee, in: FS Dürig, S. 33, 53; Isensee, in: DStJG 26 (2003), S. 93, 99–100. 187  Seer,



V. Äquivalenz durch das Gemeinnützigkeitsrecht129

2. Exkurs: Mildtätige und kirchliche Zwecke Weder bei mildtätigen (§ 53 AO) noch bei kirchlichen Zwecken (§ 54 AO) muss im Sinn von § 52 Abs. 1 AO die Allgemeinheit gefördert werden.193 Es stellt sich daher die Frage, auf welche Art bei diesen Zwecken Äquivalenz zwischen mittelbarer und unmittelbarer Gemeinwohlförderung hergestellt wird, und ob sich daraus Schlussfolgerungen für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO ziehen lassen. a) Mildtätige Zwecke Darin, dass mildtätige Zwecke nicht die Allgemeinheit fördern müssen, wird der wichtigste Unterschied zwischen gemeinnützigen und mildtätigen Zwecken gesehen.194 Dieser Unterschied wird damit begründet, dass die Unterstützung bedürftiger Menschen immer im Interesse der Allgemeinheit liege, selbst wenn nur ein abgeschlossener Empfängerkreis von der Unterstützung profitiere.195 Mildtätige Einrichtungen nähmen Aufgaben wahr, die ansonsten gemäß Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 20 Abs. 1 GG dem Sozialstaat obliegen würden.196 Die Steuervergünstigungen für mildtätige Körperschaften rechtfertigten sich also daraus, dass diese Einrichtungen den Staat entlasten würden.197 Anders als bei den oben behandelten gemeinnützigen Zwecken im engeren Sinn stellt sich hier nicht das Problem, dass der steuerbegünstigte Zweck nur teilweise über das Argument der Staatsentlastung gerechtfertigt werden kann. Wenn es keine privaten Einrichtungen gäbe, die mildtätige Zwecke nach § 53 AO verfolgen, müsste der Staat diese Aufgaben als Ausfluss aus seiner Verpflichtung zum Schutz der Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG sowie gemäß dem Sozialstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 1 GG selbst erfüllen.198 193  Siehe

oben S. 23. in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 53 AO Rn. 7; vgl. auch RFH, Urteil vom 20.1.1940 – VI a 96/39, RFHE 48, S. 103, 104; vgl. aber AEAO Nr. 3 zu § 53 zum Ausschluss der Mildtätigkeit, wenn nur „Mitglieder, Gesellschafter, Genossen oder Stifter“ gefördert werden. Diese einschränkende Auslegung der Finanzverwaltung wird als mit dem Gesetz unvereinbar angesehen, Schauhoff, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 6 Rn. 81; ebenfalls kritisch Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.161. 195  Vgl. Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht Rn. 3.159; Musil, in: Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 53 AO Rn. 7; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 53 AO Rn. 1. 196  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 53 AO Rn. 7. 197  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 53 AO Rn. 7. 198  Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 53 AO Rn. 1. 194  Musil,

130

§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

Daraus folgt auch die innere Rechtfertigung der Steuervergünstigungen wegen Mildtätigkeit über die Förderung des Gemeinwohls, denn mildtätiges Handeln ist immer gemeinwohlförderlich.199 Die inhaltliche Rechtfertigung von § 53 AO über die Menschenwürde sowie das Sozialstaatsprinzip lässt erste vorsichtige Rückschlüsse auf die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zu. Zwischen mildtätigen und gemeinnützigen Zwecken gibt es Überschneidungen.200 Daher wäre es nicht einleuchtend, mildtätige Einrichtungen geringeren Anforderungen zu unterwerfen als gemeinnützige Einrichtungen. Trotzdem gilt § 52 Abs. 1 Satz 1 AO für mildtätige Einrichtungen nicht, mildtätige Einrichtungen müssen daher nicht die Allgemeinheit fördern.201 Möglicherweise lässt sich dieses auf den ersten Blick widersprüchliche Ergebnis damit erklären, dass die Voraussetzungen von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO bereits im spezielleren § 53 AO enthalten sind. Wenn Steuervergünstigungen wegen Mildtätigkeit auf den Schutz der Menschenwürde und die Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips gestützt werden, kann das als Hinweis gedeutet werden, dass die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip auch Teil des Gemeinwohls im Sinn von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO sind. b) Kirchliche Zwecke Schwerer fällt die Erklärung, warum Einrichtungen, die kirchliche Zwecke nach § 54 AO verfolgen, ebenfalls nicht gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO die Allgemeinheit fördern müssen. Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, sind bereits nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 6, 4 KStG von der Körperschaftsteuer befreit,202 § 54 AO in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG bezieht sich daher nur auf juristische Personen des Privatrechts, die öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaften unterstützen.203 Die Differenzierung zwischen kirchlichen Zwecken nach § 54 AO und gemeinnützigen Zwecken nach § 52 AO lässt sich nicht aus der Überlegung heraus rechtfertigen, dass der Staat im religiösen Bereich zu Neutralität ver199  Hüttemann,

Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.158. bei § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, 4, 9 und 11 AO, Seer, in: Tipke/Kruse, AO/ FGO, § 53 AO Rn. 1. 201  Siehe oben S. 23. 202  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.89. In der verfassungsrechtlichen Literatur wird teilweise fälschlicherweise auf § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG verwiesen, etwa bei Ehlers, in: Sachs, GG, Art. 137 WRV Rn. 21; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, GG, Art. 140 Rn. 19. 203  BFH, Urteil vom 22.3.2018 – X R 5/16, BStBl. II 2018, S. 651, 653; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.177. 200  Z. B.



V. Äquivalenz durch das Gemeinnützigkeitsrecht131

pflichtet ist204 und es diese Neutralität verletzen könnte, wenn Finanzbeamte bei jeder Religionsgemeinschaft prüfen würden, ob ihre Lehren und ihr tatsächliches Verhalten § 52 Abs. 1 Satz 1 AO entsprechen.205 Denn falls tatsächlich das staatliche Neutralitätsgebot der ausschlaggebende Grund wäre, müsste sich dieses Gebot auch auf religiöse Zwecke nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO auswirken. Das ist nach der bestehenden Gesetzeslage aber nicht der Fall. Vielmehr müssen Einrichtungen, die § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO unterfallen, gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO die Allgemeinheit fördern.206 Zur Rechtfertigung von § 54 AO wird, wie auch zur Rechtfertigung von § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG in Bezug auf Religionsgemeinschaften, auf Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 137 Abs. 5 WRV zurückgegriffen.207 § 54 AO steht dabei in einem engen Zusammenhang mit der Steuerbefreiung der ­öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften selbst, denn die in § 54 AO begünstigten Tätigkeiten dienen dazu, diese Religionsgemeinschaften bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen.208 Beide steuerlichen Vorteile werden als Bestandteil des sogenannten „Privilegienbündels“ angesehen, das aus dem Status der Religionsgemeinschaften als Körperschaft des öffentlichen Rechts folge.209 Da der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts im Grundsatz jeder Religionsgemeinschaft offen stehe, werde hier auch nicht gegen das staatliche Neutralitätsgebot verstoßen.210 204  Ständige Rechtsprechung, siehe nur BVerfG, Beschluss vom 17.2.1965 – 1 BvR 732/64, BVerfGE 18, S. 385, 386 (Teilung einer Kirchengemeinde); BVerfG, Beschluss vom 14.1.2020 – 2 BvR 1333/17 (Kopftuch III), NJW 2020, S. 1049, 1052; Groh, Selbstschutz, S. 47; Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 140 Rn. 7. 205  Im Gegenteil nimmt die Finanzverwaltung teilweise an, die Gemeinnützigkeit religiöser Einrichtungen müsse besonders gründlich geprüft werden, um Sekten von der Gemeinnützigkeit auszuschließen, vgl. OFD Erfurt, Verfügung vom 4.7.1994, DB 1994, S. 1956. 206  Betroffen sind insbesondere islamische Vereine, Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.89; wenngleich 2013 erstmals auch eine muslimische Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt wurde, Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 140 Rn. 18. 207  Hofmann, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 140 Rn. 19; Isensee, in: FS Dürig, S. 33, 48; Korioth, in: Maunz/Dürig, Art. 137 WRV Rn. 92; Möllmann, Steuerliche Privilegierung, S. 91. Ausführlich zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der Steuervergünstigungen für Religionsgemeinschaften Clasen, Steuervergünstigungen für Religionsgemeinschaften, S. 141–197. 208  Dazu G. Hammer, in: Listl/Pirson, Hdb Staatskirchenrecht, Bd. 1, S. 1077–1078. 209  Morlok, in: Dreier, GG, Art. 137 WRV Rn. 100; Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 235. Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 1.81, rechtfertigt § 54 AO anhand der „staatlichen Finanzierungsverantwortung für die Kirchen“. 210  Unruh, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 137 WRV Rn. 235. Am Beispiel der Zeugen Jehovas zu den Hürden, die vor der Anerkennung als öffentlich-rechtliche

132

§ 4 Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl

Inhaltlich lässt sich die besondere Privilegierung der als öffentlich-recht­ liche Körperschaften verfassten Kirchen damit begründen, dass die Beziehung des Staats zu den Kirchen historisch durch die Vorstellung geprägt ist, dass Kirchen gegenüber anderen gesellschaftlichen Gruppen eine herausgehobene Stellung zukommt, nicht zuletzt weil Kirchen – mehr als andere gesellschaftlichen Verbände – in den Augen der Bevölkerung zur Legitimation staatlicher Herrschaft beitragen.211 Die besondere Beziehung zwischen Staat und Religionsgemeinschaften führt hier zum Ergebnis, dass sich aus einem Vergleich zwischen § 54 AO und § 52 Abs. 1 Satz 1 AO keine Schlussfolgerungen ziehen lassen, die bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO helfen könnten. § 54 AO beruht auf im Staatskirchenrecht vorgesehenen Privilegien für Kirchen, die als öffentlich-rechtliche Körperschaften organisiert sind. Die Norm betrifft also eine historisch gewachsene Sonderkonstellation, sodass Erwägungen, die zur Rechtfertigung von § 54 AO angestellt werden, nicht auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO übertragen werden können.

VI. Zusammenfassung § 52 AO ist aufgrund seiner Entstehungsgeschichte sowie aus systematischen Gründen die Kernvorschrift des Gemeinnützigkeitsrechts. Während die §§ 55–68 AO technische Details des Gemeinnützigkeitsrechts ausgestalten und § 53 AO und § 54 AO mildtätige und kirchliche Zwecke regeln, setzt § 52 AO die inhaltliche Rechtfertigung des Gemeinnützigkeitsrechts in ein­ faches Recht um. Die Voraussetzungen dieser Norm sollen nur solche Einrichtungen erfüllen, die nach Sinn und Zweck des Gemeinnützigkeitsrechts förderungswürdig sind. Steuern sind ein mittelbarer Beitrag zum Gemeinwohl, weil der Staat mit ihrer Hilfe seiner Pflicht nachkommen kann, das Gemeinwohl zu fördern. Auch die Steuervergünstigungen, die gemeinnützigen Einrichtungen gewährt werden, lassen sich über das Gemeinwohl rechtfertigen, nämlich über das unmittelbar gemeinwohlförderliche Handeln gemeinnütziger Körperschaften. Körperschaft zu überwinden sind, BVerfG, Urteil vom 19.12.2000 – 2 BvR 1500/97, BVerfGE 102, S. 370, 388–398 (Zeugen Jehovas); Fleck, Verleihung des Körperschaftsstatus, S. 63–69. Zur Rechtfertigung dieser Beschränkung in § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 4 Nr. 1 GrStG BFH, Urteil vom 30.6.2010 – II R 12/09, BStBl. II 2011, S. 48, 51–55. 211  Vgl. Groh, Selbstschutz, S. 38–40 mit weiteren Nachweisen. Daraus folgt allerdings keine besondere Loyalitätspflicht religiöser Körperschaften des öffentlichen Rechts gegenüber dem Staat, BVerfG, Urteil vom 19.12.2000 – 2 BvR 1500/97, BVerfGE 102, S. 370, 395–396 (Zeugen Jehovas).



VI. Zusammenfassung133

Soweit gemeinnützige Einrichtungen unmittelbar das Gemeinwohl fördern, muss der Staat keine Steuergelder aufwenden, um seinerseits das Gemeinwohl zu verfolgen. Daher ist es gerechtfertigt, gemeinnützige Einrichtungen von der Steuer freizustellen. Dass die unmittelbare Gemeinwohlförderung durch gemeinnützige Einrichtungen gegenüber der mittelbaren Gemeinwohlförderung durch die Finanzierung staatlicher Tätigkeit vorrangig ist, folgt aus dem Einfluss der Freiheitsgrundrechte. Gemeinnützige Einrichtungen weitgehend von steuerlichen Pflichten freizustellen ist nur dann gerechtfertigt, wenn die gemeinnützige Einrichtung eine Leistung erbringt, die ebenso wertvoll für das Gemeinwohl ist wie Steuerzahlungen. Dem Gemeinnützigkeitsrecht kommt nach diesem Verständnis die Funktion zu, inhaltliche und qualitative Äquivalenz zwischen gemeinnütziger und staatlicher Gemeinwohlförderung zu gewährleisten. Auf § 52 AO bezogen folgt daraus zunächst, dass der Zweckkatalog in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO inhaltliche Äquivalenz sicherstellen soll. Gemeinnützige Einrichtungen müssen also eine öffentliche Aufgabe wahrnehmen. § 52 Abs. 1 Satz 1 AO fordert dagegen qualitative Äquivalenz, also im Vergleich zum Staat eine gleichwertige Gemeinwohlbindung der gemeinnützigen Einrichtung. Da sich der Inhalt der staatlichen Gemeinwohlbindung aus dem Grundgesetz ergibt, deutet sich bereits an dieser Stelle an, dass auch § 52 Abs. 1 Satz 1 AO als Verweis auf ein verfassungsrechtlich determiniertes Gemeinwohl zu verstehen ist.

§ 5 Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO Die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO anhand des Sinns und Zwecks der Norm im Zusammenhang mit dem übrigen Gemeinnützigkeitsrecht hat zum Ergebnis geführt, dass mit der Formulierung Förderung der Allgemeinheit nichts Anderes gemeint ist als eine Förderung des Gemeinwohls mit einer bestimmten Qualität. In diesem Teil wird zuerst überprüft, ob das Gemeinwohl überhaupt als Tatbestandsmerkmal einer steuerrechtlichen Norm in Betracht kommt oder ob das Gemeinwohl nicht vielmehr ein außerrechtlicher Begriff ist, der ein unbestimmtes Ziel aller Staatlichkeit darstellt, dem aber keine konkreten und subsumierbaren Vorgaben entnommen werden können. Im Anschluss werden vergleichbare Gemeinwohltatbestände analysiert. Dazu werden zunächst anhand einiger Beispiele andere Normengruppen dargestellt, die sich auf das Gemeinwohl oder einen vergleichbaren Rechtsbegriff beziehen. Dann wird überprüft, inwieweit sich die dadurch gewonnenen Erkenntnisse auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO übertragen lassen.

I. Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal 1. Politikprogramm, Tatbestandsmerkmal oder Leerformel? Die in einem Verfahren vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof vorgebrachte Argumentation, die aus Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Bayerische Verfassung (BV) folgende Gemeinwohlbindung des Freistaats Bayern verbiete es, das Bayerische Oberste Landesgericht abzuschaffen, lehnte der Bayerische Verfassungsgerichtshof mit der Begründung ab, bei dieser Regelung handele es sich um einen Tatbestand „metajuristischer, politischer Provenienz.“1 Grundsätzlich müsse der Bayerische Verfassungsgerichtshof den Entscheidungsspielraum bei der Ausgestaltung des Gemeinwohls anerkennen, den die Ver-

1  BayVerfGH, Entscheidung vom 29.9.2005 – Vf. 3-VII-05 u.  a., NJW 2005, S. 3699, 3707; so auch BayVerfGH, Entscheidung vom 3.12.2019 – Vf. 6-VIII-17 u. a., NvWZ-RR 2020, S. 273, 281.



I. Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal135

fassung dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber einräume.2 Im Ergebnis könne das Gericht daher nur dann einen Verstoß gegen das Gemeinwohlgebot in Art. 3 Abs. 1 Satz 2 BV feststellen, wenn die Überlegungen des Gesetzgebers „eindeutig widerlegbar oder offensichtlich fehlerhaft“ seien.3 Nach dieser Auffassung ist das Gemeinwohl daher eher als Argument im politischen Diskurs denn als justiziables Tatbestandsmerkmal zu verstehen.4 Diese Funktion des Gemeinwohls wird auch daran deutlich, dass viele unterschiedliche Bewegungen mit teilweise diametral entgegengesetzten Zielen für sich in Anspruch nehmen, das Gemeinwohl zu verwirklichen, wodurch das Gemeinwohl im praktischen Sprachgebrauch eher eine „politische Kampfformel“5 darstellt als eine objektive und neutrale Kategorie.6 Dessen ungeachtet zeigt das Grundgesetz, dass es das Gemeinwohl zumindest an manchen Stellen als Tatbestandsmerkmal mit konkretem rechtlichem Aussagegehalt versteht.7 Ob das Wohl des deutschen Volkes, auf das die Amtseide des Bundespräsidenten8 und der Bundesregierung9 Bezug nehmen, als rechtlich durchsetzbares Tatbestandsmerkmal gemeint ist, mag dahinstehen.10 Jedenfalls Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG, der Enteignungen nur unter dem Vorbehalt für zulässig erklärt, dass die Enteignung dem Wohl der Allgemeinheit dient, enthält ein justiziables Tatbestandsmerkmal.11

2  BayVerfGH, Entscheidung vom 29.9.2005 – Vf. 3-VII-05 u.  a., NJW 2005, S. 3699, 3707–3708. 3  BayVerfGH, Entscheidung vom 29.9.2005 – Vf. 3-VII-05 u.  a., NJW 2005, S. 3699, 3708; BayVerfGH, Entscheidung vom 3.12.2019 – Vf. 6-VIII-17 u. a., NvWZ-RR 2020, S. 273, 281. 4  Zur Argumentation des BayVerfGH auch Isensee, in: Isensee/P.  Kirchhof, HdbStR IV, § 71 Rn. 56. 5  Welzel, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 109, 110. 6  Welzel, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 109, 110. Zum Gemeinwohl in den Wahlprogrammen verschiedener politischer Parteien Häberle, Rechtstheorie 14 (1983) S. 257, 263–266. 7  Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 12. 8  Art. 56 GG. 9  Art. 64 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 56 GG. 10  Ablehnend Pieroth, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 56 Rn. 2; Waldhoff/Grefrath, in: Berliner Kommentar GG, Art. 56 Rn. 2. Ausführlich zu Bezügen auf das Gemeinwohl in Amtseiden Häberle, Öffentliches Interesse, S. 39–44. 11  Vgl. Papier/Shirvani, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 14 Rn. 678; Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 12; einschränkend Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 118; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 160.

136

§ 5 Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

Auch in der übrigen Rechtsordnung sind das Gemeinwohl und seine Sy­ nonyme12 Tatbestandsmerkmale zahlloser Vorschriften.13 Damit steht fest, dass das Gemeinwohl in der deutschen Rechtsordnung nicht nur ein zulässiges, sondern ein unverzichtbares Instrument der Gesetzgebung ist.14 Das Gemeinwohl mag im politischen Diskurs noch immer eine wesentliche Rolle spielen, durch die jahrzehntelange Arbeit von Gesetzgebung, Rechtsprechung und Verwaltung wurde es aber auch in der Rechtsordnung verankert.15 Daraus folgt auch, dass es jedenfalls für die geltende Rechtsordnung nicht überzeugend ist, das Gemeinwohl wie teilweise vertreten16 als Leerformel abzutun.17

2. Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung Steuerrecht ist Eingriffsrecht, sodass jedenfalls aus Art. 2 Abs. 1 GG folgt, dass jede Besteuerung einer gesetzlichen Grundlage bedarf.18 Das bedeutet zunächst, dass Steuern nur in einem Gesetz oder in einer Satzung festgesetzt werden dürfen.19 Daneben folgt aus dem Gebot der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung auch, dass Steuertatbestände hinreichend bestimmt20 und hinreichend klar21 sein müssen. Es ist zwar nicht erforderlich, dass ein Steuergesetz jede denkbare Frage ausdrücklich regelt, zumindest muss es bei der Rechtsanwendung aber möglich sein, nicht ausdrücklich gesetzlich geregelte Fragen mittels der herkömmlichen Auslegungsmethoden zu beantworten.22 12  Dazu

siehe unten S. 137. umfassenden Überblick mit Stand 1970 bietet Häberle, Öffentliches Interesse, S. 32–239; beispielhafter Überblick mit Stand 1967 bei v. Zezschwitz, Gemeinwohl, S. 13–16. 14  Häberle, Öffentliches Interesse, S. 204; Stettner, Kompetenzlehre, S. 202. 15  Häberle, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 99, 101. 16  Hesselbach, in: FS Carlo Schmid, S. 233, 235–236; Nowak, Gemeinnützige Unternehmen, S. 37; ähnlich Saladin, in: FS Scheuner, S. 541, 555. Zur Kritik am Begriff Gemeinwohl auch Isensee, Gemeinwohl und öffentliches Amt, S. 39–41 und Konrad, Gemeinwohl, S. 13. 17  So im Ergebnis auch v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 7–8; Bull, NVwZ 1989, S. 801, 805; Häberle, Rechtstheorie 14 (1983), S. 257; Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7, 20; Seer, in: DStJG 26 (2003), S. 11, 12. 18  Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 3 AO Rn. 186. 19  Koenig, in: Koenig, AO, § 3 Rn. 51. 20  Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rn. 40; Koenig, in: Koenig, AO, § 3 Rn. 52. 21  Drüen, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 3 AO Rn. 40; Koenig, in: Koenig, AO, § 3 Rn. 53. 22  BVerfG, Beschluss vom 9.11.1988 – 1 BvR 243/86, BVerfGE 79, S. 106, 120; Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 684. 13  Einen



II. Vergleichbare Gemeinwohltatbestände137

Dementsprechend ist das Gebot der Normenklarheit verletzt, wenn eine Norm so undeutlich formuliert ist, dass ihr keine objektiven Entscheidungsmerkmale entnommen werden können.23 Diese Anforderungen gelten auch für Normen, die Steuerpflichtigen einen Vorteil einräumen,24 wie im Gemeinnützigkeitsrecht. Speziell § 52 AO gilt vor dem Hintergrund der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung als problematische Vorschrift,25 denn insbesondere § 52 Abs. 1 Satz 1 AO gibt nicht ohne weiteres zu erkennen, ob eine Körperschaft die Voraussetzungen der Regelung erfüllt oder nicht.26 Wenn man – wie hier vertreten – die Formulierung Förderung der Allgemeinheit in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO als Verweis auf das Gemeinwohl versteht, wird diese Regelung dadurch nicht unmittelbar klarer oder bestimmter. Die Anforderungen an ein Steuergesetz hinsichtlich Bestimmtheit und Klarheit dürfen allerdings nicht überspannt werden, auch im Steuerrecht gilt „kein verfassungsrechtliches Gebot größtmöglicher Vorhersehbarkeit durch größtmögliche Gesetzesbestimmtheit.“27 Zudem tritt das Gemeinwohl in zahlreichen Normen als Tatbestandsmerkmal auf, sodass zur Auslegung dieses Begriffs auf zahlreiche Definitionsansätze aus Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden kann. Damit ist es möglich, § 52 Abs. 1 Satz 1 AO so auszulegen, dass die Norm hinreichend klar und bestimmt ist.

II. Vergleichbare Gemeinwohltatbestände Das Gemeinwohl und seine Synonyme wie insbesondere der Begriff des öffentlichen Interesses28 finden sich in vielen ganz unterschiedlichen Rechtsnormen und übernehmen dabei jeweils unterschiedliche Funktionen. Aus den zwölf verschiedenen Arten von Gemeinwohltatbeständen, zwischen denen in der Literatur differenziert wird,29 sollen hier zwei näher vorgestellt werden, 23  Koenig,

in: Koenig, AO, § 3 Rn. 53. in: Gosch, AO/FGO, § 52 AO Rn. 8. 25  Geibel, in: Winheller/Geibel/Jachmann-Michel, Gemeinnützigkeitsrecht, § 52 AO Einleitung Rn. 1; Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, § 52 AO Rn. 8. 26  Zur Unbestimmtheit von § 52 Abs. 1 AO in der gegenwärtigen Rechtsprechung bereits oben S. 83–87. 27  Wernsmann, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO Rn. 683. 28  Beide Begriffe für synonym halten Häberle, Öffentliches Interesse, S. 37–38; Häberle, Rechtstheorie 14 (1983), S. 257; Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR IV, § 71 Rn. 4; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 3; ähnlich v. Zezschwitz, Gemeinwohl, S. 16; einschränkend Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 342, 358. 29  Bei Häberle, Öffentliches Interesse, S. 39–203. 24  Jachmann,

138

§ 5 Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

um zu untersuchen, ob dadurch auch für das Gemeinwohlverständnis in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO Erkenntnisse gewonnen werden können.

1. Gemeinwohl als Verbotstatbestand a) Beispiele aa) § 62 GmbHG § 62 GmbHG30 erlaubt es der Verwaltungsbehörde, eine GmbH aufzulösen, wenn die Gesellschafter gesetzeswidrige Beschlüsse fassen oder gesetzeswidrige Handlungen der Geschäftsführer wissentlich geschehen lassen und die GmbH dadurch das Gemeinwohl gefährdet. Der Verweis auf das Gemeinwohl wird so verstanden, dass nicht jeder Gesetzesverstoß dazu führen dürfe, dass eine GmbH verboten werde.31 Vielmehr sei erforderlich, dass eine erhebliche Gefahr für öffentliche Interessen bestehe.32 Abschließend definieren lasse sich das Gemeinwohl in diesem Zusammenhang nicht,33 gemeint sei damit allerdings jedenfalls ein öffentliches Interesse, das erheblich beeinträchtigt werde und einen größeren Kreis der Bevölkerung betreffe.34 Als Beispiele werden „Schwindelunternehmen“35 oder nachhaltig und gravierend gegen Rechtsvorschriften verstoßende Gesellschaften genannt.36 In konsequenter Weiterführung dieser Begrenzungsfunktion des Gemeinwohltatbestands in § 62 GmbHG wird das Gemeinwohl teilweise nicht als eigenständig zu prüfendes Erfordernis begriffen, sondern als eine Art besondere Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes,37 was in der Praxis allerdings nicht zu anderen Ergebnissen führen dürfte. 30  Ähnlich § 396 Abs. 1 AktG und § 81 Abs. 1 GenG. Ein Verein kann nach § 3 VereinsG dagegen nur unter erhöhten Voraussetzungen verboten werden, weil Art. 9 Abs. 2 GG die Verbotsgründe für Vereine abschließend regelt, vgl. Wache, in: Erbs/ Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 3 VereinsG Rn. 8. 31  Limpert, in: MüKo GmbHG, § 62 Rn. 33. 32  Arnold, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 62 GmbHG Rn. 6. 33  Limpert, in: MüKo GmbHG, § 62 Rn. 32. 34  Vgl. Altmeppen, in: Altmeppen/G. Roth, GmbHG, § 62 Rn. 3; Gesell, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, §  62 Rn.  3–4; Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 62 Rn. 9; Limpert, in: MüKo GmbHG, § 62 Rn. 32; ähnlich Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, § 62 Rn. 16–18. § 396 Abs. 1 AktG und § 81 Abs. 1 GenG werden weitgehend gleich ausgelegt, dazu Strohn, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 396 AktG Rn. 1. 35  Nerlich, in: Michalski, GmbHG, § 62 Rn. 13. 36  Casper, in: Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, § 62 Rn. 17. 37  Haas, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, § 62 Rn. 9; kritisch Arnold, in: Henssler/ Strohn, Gesellschaftsrecht, § 62 GmbHG Rn. 7.



II. Vergleichbare Gemeinwohltatbestände139

bb) § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB38 darf eine Stiftung nur dann als rechtsfähig anerkannt werden, wenn ihr Stiftungszweck nicht das Gemeinwohl gefährdet. Mit diesem 2002 eingefügten39 Gemeinwohlvorbehalt wollte der Gesetzgeber an die Rechtsprechung des BVerwG anknüpfen,40 nach der eine Stiftung nicht als rechtsfähig anerkannt werden könne, wenn durch die Anerkennung der Rechtsfähigkeit Verfassungsgüter gefährdet würden.41 Die Norm wurde von Anfang an sehr kritisch beurteilt,42 weil das Tatbestandsmerkmal der Gemeinwohlgefährdung unklar sei43 und die Gefahr bestehe, dass die Stifterfreiheit durch eine Art Zweckmäßigkeitsprüfung44 gefährdet werde.45 Manche folgern daraus, dass die Gemeinwohlgefährdung einschränkend als bloßer Rechtmäßigkeitsvorbehalt ausgelegt werden müsse.46 Andere sehen den Gemeinwohlvorbehalt etwas weiter als Verbot eines sittenwidrigen oder gesetzeswidrigen Zwecks,47 oder halten es in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung48 zusätzlich für schädlich, wenn Verfassungsgüter gefährdet werden.49 38  Vgl. auch § 87 Abs. 1 BGB zur Zweckänderung oder Aufhebung einer Stiftung, wenn die Stiftung das Gemeinwohl gefährdet; zur Einordnung von § 87 Abs. 1 BGB Häberle, Öffentliches Interesse, S. 138. 39  Gesetz vom 15.7.2002, BGBl. I 2002, S. 2634. 40  Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/8765, S. 9; ausführlich zur Entstehung Hüttemann/Rawert, in: Staudinger, BGB, § 80 Rn. 37–38; kritisch zur Gesetzesbegründung Muscheler, NJW 2003, S. 3161, 3161–3162. 41  BVerwG, Urteil vom 12.2.1998 – 3 C 55–96, BVerwGE 106, S. 177, 180–181. 42  Hüttemann/Rawert, in: Staudinger, BGB, § 80 Rn. 39. 43  Burgard, NZG 2002, S. 697, 700; a. A. Andrick/Suerbaum, NJW 2002, S. 2905, 2907–2908, die Bedeutung des Begriffs sei jedenfalls im Gesellschaftsrecht geklärt. 44  G. Schwarz, DStR 2002, S. 1767, 1769. 45  Burgard, NZG 2002, S. 697, 700. Muscheler, NJW 2003, S. 3161, 3164 hält die Neuregelung aus diesem Grund sogar für verfassungswidrig; so im Ergebnis auch Hüttemann/Rawert, in: Staudinger, BGB, § 80 Rn. 43, die einen Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz annehmen. 46  Burgard, NZG 2002, S. 697, 700; zustimmend Hüttemann, ZHR 167 (2003), S. 35, 59–60. Widersprüchlich Andrick/Suerbaum, NJW 2002, S. 2905, 2908, nach denen einerseits bei einem Verstoß gegen Verfassungs- oder Gesetzesrecht das Gemeinwohl gefährdet werde, andererseits Gemeinwohlgefährdung inhaltlich Gesetzeswidrigkeit entspreche. 47  Dörner, in: Schulze, BGB, § 80 Rn. 4; Schiffer, BB 2010, S. 77, 79; Schlüter/ Stolte, Stiftungsrecht, Kap. 2 Rn. 47. 48  OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.12.2012 – 16 A 1451/10, DVBl. 2013, S. 449, 453–454; VGH Hessen, Beschluss vom 27.1.2020 – 7 A 2164/17, npor 2020, S. 121, 122. 49  Schlüter, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 80 BGB Rn. 20; ähnlich Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 80 Rn. 6; Wiese, in: Erman, BGB, § 80 Rn. 16.

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§ 5 Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

Da nicht nur das Gleichbehandlungsgebot, sondern auch Testier- und Vertragsfreiheit Verfassungsrang genießen,50 wird nach der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung51 und Literatur52 zu § 80 BGB nicht das Gemeinwohl im Sinn von § 80 BGB gefährdet, wenn nur Angehörige eines Geschlechts Destinatäre einer Stiftung sind. Die Debatte zu § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB lässt gewisse Ähnlichkeiten mit der Auseinandersetzung um § 52 Abs. 1 Satz 1 AO erkennen, wobei die jeweils verwendeten Begriffe keinesfalls gleichgesetzt werden dürfen.53 Einerseits überlappen sich beide Fragen in rechtstatsächlicher Hinsicht ganz erheblich.54 Aber auch in inhaltlicher Sicht bestehen Verwandtschaften, denn die Rechtsprechung leitet aus beiden Normen Bindungen privater juristischer Personen an Verfassungsrecht ab, was in der Literatur jeweils kritisch beurteilt wird. Dass hier wesentlich schärfer argumentiert wird,55 dürfte zum einen damit zusammenhängen, dass sich das Recht, eine Stiftung zu errichten, unbestritten aus Grundrechten ableiten lässt56 – was bei der Gemeinnützigkeit gerade nicht der Fall ist.57 Zum anderen beschränkt die Rechtsfolge des § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB die Handlungsoptionen eines Stifters deutlich stärker. Während § 52 Abs. 1 Satz 1 AO nur die Frage betrifft, ob eine Einrichtung gemeinnützig ist oder nicht, hängt von § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB schlechthin die Existenz einer Stiftung ab. Aus dieser unterschiedlichen Interessenlage folgt auch, dass die Auslegungsergebnisse von § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO übertragen werden können. Zu erwägen wäre lediglich ein erst-recht-Schluss: was also nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO die Allgemeinheit fördert, kann erst recht nicht nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB das Gemeinwohl gefährden,58 und andererseits kann eine Stiftung, deren Anerkennung das Gemeinwohl gefährden würde, nicht gemeinnützig sein. Auch insoweit ist 50  Weitemeyer,

in: MüKO BGB, § 80 Rn. 154. Urteil vom 9.2.1978 – III ZR 59/76, BGHZ 70, S. 313, 324–325, wobei das Gericht allerdings nicht ausschließt, dass unter Umständen ein Verstoß gegen § 138 BGB vorliegen könne; zustimmend Rücker, ZEV 2018, S. 451, 453. 52  Mansel, in: Jauernig, BGB, §§ 80–84 Rn. 3; im Ergebnis auch Weitemeyer, in: MüKO BGB, § 80 Rn. 154. 53  Vgl. Reuter, in: Non Profit Law Yearbook 2001, S. 27, 29–30. 54  Etwa 95 % aller rechtsfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts dienen gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken, Rawert, ZGR 2018, S. 835, 837. 55  Vgl. die Nachweise auf S. 139, Fn. 45 zur angeblichen Verfassungswidrigkeit der Norm. 56  Zur Ableitung der einzelnen Aspekte der Stifterfreiheit aus Art.  2 Abs. 1, Art. 4 ff. und Art. 14 GG Schwake, in: MüHdbGesR, Bd. 5, § 79 Rn. 12. 57  Siehe oben S. 49–51. 58  Ähnlich Schauhoff, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 3 Rn. 57. 51  BGH,



II. Vergleichbare Gemeinwohltatbestände141

allerdings Vorsicht geboten, denn § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB ist keineswegs Ausdruck eines allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Prinzips, das für alle gemeinnützigen Körperschaften gleichermaßen gelten würde. Denn Vereine, die den größten Teil der gemeinnützigen Körperschaften ausmachen,59 unterliegen gerade keinem vergleichbaren Gemeinwohlvorbehalt.60 b) Funktion An den exemplarisch dargestellten Gemeinwohl-Verbotsnormen wurde deutlich, dass das Gemeinwohl in diesem Zusammenhang in einem engen Zusammenhang mit der Rechtsordnung steht, teilweise wird das Gemeinwohl sogar mit der Rechtsordnung gleichgesetzt. Typisch für diese Art von Gemeinwohltatbeständen ist, dass das Gemeinwohl den Staat dazu ermächtigt, gegenüber einer natürlichen Person oder einer juristischen Person des Privatrechts tätig zu werden und dabei Verbote auszusprechen oder andere belastende Rechtsfolgen anzuordnen. Das Gemeinwohl dient in diesen Zusammenhängen also dazu, individuelle Freiheiten zu beschränken.61 Die Verwendung des Begriffs Gemeinwohl in diesem Zusammenhang lässt sich ­historisch erklären, denn ab dem 19. Jahrhundert wurde die Gemeinwohlkompetenz eindeutig und vollumfänglich dem Staat zugewiesen,62 das Gemeinwohl diente im politischen und rechtlichen Sprachgebrauch dazu, den Staat zu berechtigen und seine Bürger sowie kommunale Einrichtungen zu verpflichten.63 Hier zeigt sich die historisch begründete, aber noch immer nachwirkende „nationalstaatliche Schlagseite der deutschen Gemeinwohl­ rhetorik.“64 c) Übertragbarkeit auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO Im nächsten Schritt stellt sich die Frage, inwieweit sich die Ergebnisse zu den eben dargestellten Normen auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO übertragen lassen. Dass § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB für sich genommen nur in engen Grenzen als Maßstab für die Auslegung des Gemeinnützigkeitsrechts herangezogen wer59  Priemer/Krimmer/Labigne,

ZiviZ-Survey 2017, S. 10. oben S. 138, Fn. 30. 61  Häberle, Öffentliches Interesse, S. 141–142. 62  Lehmbruch, in: v. Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung, S. 165, 171. Dort auch zur langsamen Änderung dieser vorrangig staatlichen Gemeinwohlkompetenz in der öffentlichen Wahrnehmung. 63  Bull, Staatsaufgaben, S. 20–22; Häberle, Öffentliches Interesse, S. 141–142. 64  Lehmbruch, in: v. Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung, S. 165, 171; im Ergebnis auch Seubert, in: Göhler/Iser/Kerner, Poltische Theorie, S. 101, 111. 60  Siehe

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§ 5 Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

den kann, wurde oben bereits dargestellt. Damit ist aber noch nicht geklärt, ob das auch für den Normtypus insgesamt gilt. Man könnte § 52 Abs. 1 Satz 1 AO als Norm verstehen, die es der Finanzverwaltung und der Finanzgerichtsbarkeit gestattet, einer Einrichtung die Gemeinnützigkeit abzusprechen, wenn die Einrichtung durch ihre Tätigkeit das Gemeinwohl gefährdet. Nach dem Wortlaut des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO handelt es sich bei dieser Regelung zwar um eine Vorschrift, deren Tatbestandsmerkmale positiv festgestellt werden müssen, also gerade nicht um einen Verbots­ tatbestand. Tatsächlich gehen die Rechtsprechung und ihr folgend die Literatur aber davon aus, dass grundsätzlich im Sinne des § 52 Abs. 1 Satz 1 AO die Allgemeinheit gefördert werde, sobald eine Körperschaft einen gemeinnützigen Zweck nach § 52 Abs. 2 AO verfolge.65 Damit könnte man argumentieren, dass § 52 Abs. 1 Satz 1 AO den Charakter einer positiv formulierten Verbotsnorm bekommt, weil auf ihrer Grundlage einer Einrichtung die Gemeinnützigkeit aberkannt beziehungsweise „verboten“ werden kann, wenn die Einrichtung nicht die Allgemeinheit und damit das Gemeinwohl fördert. Dennoch sprechen die besseren Gründe dafür, § 52 Abs. 1 Satz 1 AO nicht in Anlehnung an Gemeinwohl-Verbotstatbestände auszulegen. In den eben dargestellten Regelungen nimmt das Gemeinwohl eine deutlich andere Funktion an als in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO. Im Gemeinnützigkeitsrecht dient das Gemeinwohl nicht als Eingriffsgrundlage für staatliche Maßnahmen, sondern als Erfordernis, dass erfüllt werden muss, bevor eine Steuervergünstigung gewährt wird. Auch inhaltlich ist nicht überzeugend, § 52 Abs. 1 Satz 1 AO und die hier dargestellten Normen entsprechend auszulegen, denn während § 62 GmbHG und § 80 Abs. 2 Satz 1 BGB Ausdruck des traditionellen staatlichen Zugriffs auf das Gemeinwohl sind, zeigen § 52 Abs. 1 Satz 1 AO wie auch das übrige Gemeinnützigkeitsrecht gerade, dass auch privates Handeln dem Gemeinwohl dienen kann.

2. Gemeinwohl in Ausnahmeregelungen a) Beispiele aa) § 23 LadSchlG Eine Gemeinwohl-Ausnahmeregelung in diesem Sinn findet sich zum Beispiel in § 23 Ladenschlussgesetz (LadSchlG).66 Diese Vorschrift ermög65  BFH, Urteil vom 29.10.1997 – I R 13/97, BStBl. II 1998, S. 9, 11; zustimmend Alber, in: Dötsch/Pung/Möhlenbrock, KStG, § 5 Abs. 1 Nr. 9 Rn. 31. 66  So auch Anderheiden, Gemeinwohl, S. 50; Häberle, Öffentliches Interesse, S. 174.



II. Vergleichbare Gemeinwohltatbestände143

licht es der zuständigen Behörde, Ausnahmen von den Ladenschlusszeiten zu bewilligen, wenn diese Ausnahmen im öffentlichen Interesse dringend benötigt werden. Das soll der Fall sein, wenn Gemeinwohlgründe im allgemeinen Interesse eine solche Ausnahme gebieten.67 Wenn ein ausreichendes öffent­liches Interesse besteht, kann es also das im LadSchlG ausgestaltete öffent­liche Interesse am Arbeitnehmerschutz68 durchbrechen.69 Die Rechtsprechung fordert hierfür ein Versorgungsinteresse, übrige öffentliche Inte­ ressen wie etwa die Schaffung von Arbeitsplätzen sollen dagegen nicht ausreichen.70 Das folge daraus, dass § 23 LadSchlG eine Ergänzung zu den in §§ 4–16 LadSchlG im Einzelnen geregelten Ausnahmen sei, und diese Ausnahmen jeweils auf besondere Versorgungsinteressen Rücksicht nähmen.71 Daher könne aus systematischen Gründen auch für Zwecke des § 23 LadSchlG nur ein Versorgungsinteresse ein ausreichendes öffentliche Interesse sein.72 bb) § 15 Abs. 2 ArbZG und § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB Eine ähnliche Regelung enthält § 15 Abs. 2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG), nach dem Ausnahmen von den Vorgaben des ArbZG73 zugelassen werden können, soweit sie im öffentlichen Interesse dringend nötig werden. Dadurch können die nach den allgemeinen Regelungen zulässigen Höchst­ arbeitszeiten überschritten werden, wenn die Allgemeinheit ein hinreichendes Interesse an längeren Arbeitszeiten hat74 oder ohne die Ausnahme ein nicht unerheblicher Schaden drohen würde.75 Interessen der Allgemeinheit in diesem Sinn werden insbesondere dann angenommen, wenn die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, mit Strom oder mit Wasser be67  Neumann,

in: Landmann/Rohmer, § 23 LadSchlG Rn. 2. NJW 1999, S. 2921, 2923. 69  Vgl. Rozek, NJW 1999, S. 2921, 2924. 70  BVerwG, Urteil vom 23.3.1982 – 1 C 157/79, NJW 1982, S. 2513, 2514–2515; OVG Magdeburg, Beschluss vom 23.4.1999 – B 1 S 43–99, NJW 1999, S. 2538, 2538–2539; VG Düsseldorf, Beschluss vom 21.6.2006 – 3 L 1110/06, BeckRS 2006, 23798; a. A. VG Weimar, Beschluss vom 8.6.2006 – 8 E 759/06, GewArch 2006, S. 344, 345, mittlerweile könne auch „die Verschaffung eines Einkaufserlebnisses“ ein öffentliches Interesse darstellen. 71  VG Schwerin, Urteil vom 9.2.2000 – 7 A 1884/99, NVwZ 2001, S. 708. 72  VG Schwerin, Urteil vom 9.2.2000 – 7 A 1884/99, NVwZ 2001, S. 708. 73  Zu Sinn und Zweck des ArbZG vgl. § 1 ArbZG. 74  VG Berlin, Beschluss vom 9.4.2020 – 4 L 132/20, juris; Baeck/Deutsch/Winzer, in: Baeck/Deutsch/Winzer, ArbZG, § 15 Rn. 33; Gäntgen, in: Henssler/Willemsen/ Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 15 ArbZG Rn. 9. 75  Wank, in: Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, § 15 ArbZG Rn. 8. 68  Rozek,

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§ 5 Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

troffen ist76 oder die Arbeit in Notstandssituationen erfolgt.77 Auch die Gewährleistung des Verkehrs oder einer funktionierenden Landesverteidigung sind als öffentliche Interessen im Sinn von § 15 Abs. 2 ArbZG anerkannt.78 Dagegen sollen wirtschaftliche Interessen des Arbeitgebers generell keine Ausnahme rechtfertigen,79 es sei denn der betroffene Betrieb ist in seiner Existenz gefährdet.80 An dieser bunten Aufzählung zeigt sich, dass § 15 Abs. 2 ArbZG im Gegensatz zu § 23 LadSchlG nicht systematisch ausgelegt wird, sondern Rechtsprechung und Literatur auf den jeweiligen Einzelfall bezogen entscheiden, ob ein dringendes öffentliches Interesse besteht. Dabei gilt keine Beschränkung auf bestimmte öffentliche Interessen. Jedes öffentliche Interesse kann eine Ausnahme rechtfertigen, soweit es ein ausreichendes Gewicht hat. Insbesondere muss das öffentliche Interesse an einer Ausnahme im Sinn des § 15 Abs. 2 ArbZG in keinem Zusammenhang mit Sinn und Zweck des ArbZG stehen. Methodisch ähnlich gehen die Gerichte bei der Auslegung von § 31 Abs. 2 Nr. 1 Baugesetzbuch (BauGB) vor.81 Auf Grundlage dieser Norm kann die zuständige Behörde von den Festsetzungen eines Bebauungsplans befreien, wenn Gründe des Allgemeinwohls die Befreiung erfordern. Hier soll jedes öffentliche Interesse genügen, es wird ausdrücklich nicht gefordert, dass dieses Interesse bodenrechtlich ist oder in einem sonstigen inneren Zusammenhang mit dem BauGB steht.82 cc) § 11 JVKostG § 11 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 Justizverwaltungskostengesetz (JVKostG) ermöglicht es der Justizbehörde, für bestimmte Tätigkeiten wie insbesondere das Kopieren oder Ausdrucken von Gerichtsentscheidungen davon abzusehen, 76  Baeck/Deutsch/Winzer, in: Baeck/Deutsch/Winzer, ArbZG, § 15 Rn. 33; Biebl, in: Neumann/Biebl, ArbZG, § 15 Rn. 9; Gäntgen, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 15 ArbZG Rn. 10 mit weiteren Beispielen. 77  Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 12/5888, S. 31. 78  Baeck/Deutsch/Winzer, in: Baeck/Deutsch/Winzer, ArbZG, § 15 Rn. 33. 79  Biebl, in: Neumann/Biebl, ArbZG, § 15 Rn. 9. 80  Baeck/Deutsch/Winzer, in: Baeck/Deutsch/Winzer, ArbZG, § 15 Rn. 33; Gäntgen, in: Henssler/Willemsen/Kalb, Arbeitsrecht Kommentar, § 15 ArbZG Rn. 10. 81  Vgl. auch Häberle, Öffentliches Interesse, S. 176 zu § 31 Abs. 2 BBauG. 82  BVerwG, Urteil vom 9.6.1978 – 4 C 54/75, NJW 1979, S. 939, 940 zur im wesentlichen gleichen Vorgängervorschrift § 31 Abs. 2 BBauG; VGH München, Beschluss vom 26.6.1997 – 2 ZS 97.905, NVwZ-RR 1998, S. 619. Dem folgt die Literatur, vgl. Reidt, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, § 31 Rn. 34; Siegmund, in: BeckOK BauGB, § 31 Rn. 39.



II. Vergleichbare Gemeinwohltatbestände145

Gebühren oder Kosten zu erheben, wenn die jeweilige Leistung der Behörde einem Zweck dient, der überwiegend im öffentlichen Interesse ist. Ein solches öffentliches Interesse wird angenommen, wenn durch die Leistung dem Allgemeinwohl gedient werde.83 Zur inhaltlichen Konkretisierung des öffentlichen Interesses wird in diesem Zusammenhang argumentiert, es sei im Interesse einer funktionsfähigen Rechtspflege, wenn Entscheidungen veröffentlicht und wissenschaftlich analysiert würden.84 Das öffentliche Interesse im Sinn dieser Norm wird also in erster Linie als Interesse an einem funk­ tionierenden Rechtsstaat verstanden, wobei auch dem generellen Publizitätsgebot für staatliche Handlungen85 Bedeutung zukomme.86 Hier wird das öffentliche Interesse vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks der Norm ausgelegt: die Gebührenbefreiung dient – neben wissenschaftlichen Zwecken87 – in erster Linie dazu, Gerichtsentscheidungen leichter veröffent­lichen zu können, und damit mittelbar der Verwirklichung des Rechtsstaatsprinzips gemäß Art. 20 Abs. 3 GG.88 Im Ergebnis zeigt sich daher, dass § 11 JVKostG unter Rückgriff auf das übergeordnete Verfassungsprinzip der Rechtsstaatlichkeit ausgelegt wird. b) Funktion Die eben dargestellten Gemeinwohltatbestände nehmen bestimmte Personen von belastenden oder beschränkenden Regelungen aus, wenn mit dieser Ausnahme dem Gemeinwohl gedient ist.89 Typisch für diese Regelungen ist der oben bereits angesprochene „In-sich-Konflikt öffentlicher Interessen“90, weil sowohl die belastende Grundregel als auch die begünstigende Ausnahme dem Gemeinwohl dienen sollen.91 83  H. Schneider, in: Schneider/Volpert/Fölsch, Kostenrecht, § 11 JVKostG Rn. 2; Sporré, in: BeckOK Kostenrecht, § 11 JVKostG Rn. 1. 84  Vgl. LG Lüneburg, Beschluss vom 21.10.2009 – 9 T 99/09, NJW 2010, S. 881 zum ähnlich formulierten § 4 Abs. 6 JVKostO in der vom 31.12.2006 bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung. 85  Zur daraus folgenden Pflicht der Gerichte, ihre Urteile zu veröffentlichen, vgl. OLG Celle, Beschluss vom 12.6.1990 – 1 VAs 4/90, NJW 1990, S. 2570, 2570–2571 und Hirte, NJW 1988, S. 1698, 1700. 86  Vgl. LG Lüneburg, Beschluss vom 21.10.2009 – 9 T 99/09, NJW 2010, S. 881 zum ähnlich formulierten § 4 Abs. 6 JVKostO a. F. 87  Dazu der Bericht des Rechtsauschusses zu einer früheren Änderung des ­JVKostG, BT-Drucks. 13/9438, S. 10. 88  OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.12.2018 – 20 VA 16/17, NZI 2019, S. 632, 635. 89  Dazu Häberle, Öffentliches Interesse, S. 172–192. 90  Häberle, Öffentliches Interesse, S. 172. 91  Vgl. Häberle, Öffentliches Interesse, S. 172.

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§ 5 Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

c) Übertragbarkeit auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen lassen sich dem eben dargestellten Typus eines Gemeinwohltatbestands zuordnen,92 weil das Gemeinnützigkeitsrecht bestimmte Steuerpflichtige wegen ihres Beitrags zum Gemeinwohl von der allgemeinen Steuerpflicht ausnimmt. Aus dieser Erkenntnis lässt sich allerdings noch nicht unmittelbar ableiten, wie § 52 Abs. 1 Satz 1 AO auszulegen sein könnte. Denn es hat sich gezeigt, dass Gemeinwohl-Ausnahmetatbestände trotz ihrer ähnlichen Funktion und ihres teilweise identischen Wortlauts auf unterschiedliche Weisen ausgelegt werden. Daher bleibt zu klären, welche dieser verschiedenen Auslegungsmethoden in der Lage ist, einen Beitrag zur Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zu leisten. Zu diesem Zweck werden die verschiedenen Vorgehensweisen in mehrere Fallgruppen systematisiert und es wird analysiert, ob sich diese Auslegungstechniken auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO übertragen lassen. aa) Gemeinwohl als Innenverweis Zunächst kann eine Gemeinwohlklausel im eben dargestellten Sinn anhand der Wertungen ausgelegt werden, die im jeweiligen Gesetz enthalten sind, also etwa mittels Analogien, Umkehrschlüssen oder anderen aus dem jeweiligen Gesetz gewonnen systematischen Argumenten.93 Das zeigen Normen wie § 23 LadSchlG. Nach Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung sollen bei diesen Regelungen keine außenstehenden öffentlichen Interessen in die Normauslegung miteinbezogen werden, sondern die den Gesetzen innewohnenden Wertungen sollen auch auf solche Fälle übertragen werden, die von den konkreten Regelungen nicht umfasst sind.94 Aus den Besonderheiten des Gemeinnützigkeitsrechts folgt, dass § 52 Abs. 1 Satz 1 AO nicht wie § 23 LadSchlG als Innenverweis auf andere Normen der AO verstanden werden kann. Naheliegender Ansatzpunkt für ein solches konkretes Gemeinwohlinteresse wäre § 52 Abs. 2 Satz 1 AO, denn diese Regelung steht in einem unmittelbaren systematischen Zusammenhang zu § 52 Abs. 1 Satz 1 AO und enthält zahlreiche gesetzgeberische Grundwertungen, die auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO übertragen werden könnten.95 Mehrere Gründe sprechen allerdings dagegen, in diesem Zusammenhang auf § 52 Abs. 2 Satz 1 AO zurückzugreifen. Der Wortlaut ordnet an, dass die 92  So auch Häberle, Öffentliches Interesse, S. 201–202 zum steuerlichen Gemeinnützigkeitsrecht insgesamt. 93  Häberle, Öffentliches Interesse, S. 185. 94  Vgl. auch v. Zezschwitz, Gemeinwohl, S. 18–21. 95  So Erdbrügger, in: BeckOK AO, § 52 Rn. 52.



II. Vergleichbare Gemeinwohltatbestände147

Verfolgung von in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO aufgeführten Zwecken nur unter den Voraussetzungen von § 52 Abs. 1 AO gemeinnützig ist. Damit wird § 52 Abs. 1 AO eine vorrangige Stellung zugewiesen, die nicht dadurch umgangen werden sollte, dass die Norm unter Rückgriff auf § 52 Abs. 2 AO ausgelegt wird.96 § 52 Abs. 1 AO muss ein eigener Aussagegehalt verbleiben.97 Darüber hinaus enthält § 52 Abs. 2 Satz 2 AO einen ausdrücklich geregelten Innenverweis auf die in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO geregelten Zwecke. Das spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Ausstrahlungswirkung des Zweck­ katalogs in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO auf diesen ausdrücklich geregelten Fall beschränken wollte. Andere Ansatzpunkte für Gemeinwohlinteressen, die auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO übertragen werden könnten, gibt es in der AO nicht. Wie oben dargestellt dienen die AO und die einzelnen Steuergesetze im Grundsatz keinen konkret bestimmbaren öffentlichen Interessen,98 sondern zielen überwiegend neutral darauf ab, den Staat und damit die Gemeinwohlverwirk­ lichung insgesamt zu finanzieren. Auch die in vielen Gesetzen enthaltenen Lenkungs- und Sozialzwecknormen bilden abgrenzbare Sonderregelungen, aus denen sich kein Zweck des jeweiligen Steuergesetzes an sich ableiten lässt.99 Die allgemeine Steuerpflicht juristischer Personen drückt keine gesetzgeberische Wertung aus und dient auch keinen individualisierbaren öffentlichen Interessen,100 sondern dem Gemeinwohl in allen Facetten, soweit sie staatlichem Tätigwerden offenstehen. Der abstrakte Charakter von § 52 Abs.1 Satz 1 AO, der die Norm von anderen Ausnahmetatbeständen im oben dargestellten Sinn unterscheidet, zeigt sich auch an der Funktion der Norm. § 52 Abs. 1 Satz 1 AO enthält nur eine abstrakte Regelung, die für eine Vielzahl von Gesetzen bestimmt, was 96  Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 3 B Rn. 30, 33; Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 2. 97  Vgl. Koenig, in: Koenig, AO, § 52 Rn. 27. 98  Eine Ausnahme von dieser Grundregel bilden Lenkungssteuern wie z. B. die Branntweinsteuer oder die Tabaksteuer, Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 21. Aus diesen einzelnen Lenkungsgesetzen lässt sich aber kein umfassendes Wertesystem ableiten, das für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO herangezogen werden könnte. Jede Lenkungsteuer betrifft nur einen eng abgegrenzten Gemeinwohl­ aspekt. 99  Vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 21, die von „in Steuergesetze eingestreute Einzel-Sozialzwecknormen“ spricht. 100  Vgl. dazu und den daraus folgenden strengeren Bestimmtheitsanforderungen im Steuerrecht im Vergleich zu sonstigen Eingriffsgesetzen Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar GG, Vorbem. Art. 104a–115 Rn. 480–481. Zu daraus folgenden Schwierigkeiten bei der teleologischen Auslegung von Steuergesetzen Neumann, in: Gosch, AO/FGO, § 4 AO Rn. 36.

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§ 5 Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

mit Gemeinnützigkeit gemeint ist.101 Die Rechtsfolge der Steuervergünstigung ist in den jeweiligen Einzelsteuergesetzen enthalten, also etwa in § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG oder in § 3 Nr. 6 GewStG. bb) Gemeinwohl als Querverweis Anders werden Vorschriften wie § 15 Abs. 2 ArbZG und § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB ausgelegt. Dort kommt es vor allem auf solche Gemeinwohlaspekte oder öffentliche Interessen an, die sich nicht in dem Gesetz finden, das die Ausnahmeregelung enthält.102 Es wird also nach Art eines Querverweises auf andere Gesetze verwiesen, um den in diesen Gesetzen geregelten öffent­lichen Interessen zur Geltung zu verhelfen.103 Wenn man davon ausgeht, dass § 52 Abs. 1 Satz 1 AO wie § 15 Abs. 2 ArbZG und § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB als Querverweis auszulegen ist, bringt das letztlich keinen Gewinn: wenn sämtliche geschriebenen und ungeschriebenen öffentlichen Interessen eine Förderung der Allgemeinheit darstellen können, sorgt das nicht für Klarheit oder gar Rechtssicherheit, sondern vergrößert die bestehenden Auslegungsprobleme eher noch. cc) Gemeinwohl als Verweis nach unten Manche Gemeinwohlklauseln lassen sich auch als Verweise auf untergesetzliches Recht auffassen, also insbesondere technische Regelungen oder bestimmte Pläne.104 Das kommt für § 52 Abs. 1 Satz 1 AO nicht in Betracht, denn es wäre zunächst völlig unklar, auf welche konkreten untergesetzlichen Normen verwiesen wird. Darüber hinaus gibt es bezogen auf eine Vielzahl gemeinnütziger Zwecke nach § 52 Abs. 2 Satz 1 AO kein untergesetzliches Recht. dd) Gemeinwohl als Verweis nach oben Schließlich werden bestimmte Gemeinwohlklauseln auch mittels eines Verweises nach oben ausgelegt, also insbesondere unter Rückgriff auf das Grundgesetz.105 Dabei wird in der Regel nicht auf die gesamte Verfassung verwiesen, sondern auf einzelne Verfassungsprinzipien.106 Das wird an § 11 JVKostG deutlich. Bott, in: Bott/Walter, KStG, § 5 Rn. 360. Öffentliches Interesse, S. 185–186. 103  Häberle, Öffentliches Interesse, S. 185–186. 104  Häberle, Öffentliches Interesse, S. 185. 105  Häberle, Öffentliches Interesse, S. 185. 106  Häberle, Öffentliches Interesse, S. 350. 101  Vgl.

102  Häberle,



II. Vergleichbare Gemeinwohltatbestände149

Oben wurde bereits dargestellt, dass § 52 Abs. 1 Satz 1 AO seinem Sinn und Zweck nach gemeinnützigen Einrichtungen eine Bindung an das Gemeinwohl auferlegt, die der staatlichen Gemeinwohlbindung entspricht. Da die staatliche Gemeinwohlbindung aber anhand der Verfassung definiert wird, muss auch das Gemeinwohl im Sinn von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO aus dem Grundgesetz abgeleitet werden. Indem direkt auf das Grundgesetz Bezug genommen wird, lassen sich Probleme vermeiden, die bei anderen Normen auftreten, die staatliche und nichtstaatliche Akteure auf das Gemeinwohl verpflichten,107 ohne selbst Anhaltspunkte dafür zu liefern, wie das Gemeinwohl in diesem Zusammenhang zu verstehen sein könnte. Exemplarisch dafür ist § 60 Abs. 1 Satz 2 BBG.108 Diese Norm verpflichtet Bundesbeamte dazu, ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen.109 In inhaltlicher Sicht soll diese Regelung als Pflicht jedes Bundesbeamten zu verstehen sein, bei seiner Tätigkeit immer einen Nutzen für die Öffentlichkeit zu verfolgen.110 Was darunter im Einzelnen zu verstehen ist, wird in der Kommentarliteratur mit Begriffen wie „demokratische und rechtsstaatliche Werte, […] Verantwortung und Amtsethos“111 umschrieben, es werden aber keine subsumierbaren Tatbestandsmerkmale entwickelt. Auch die Rechtsprechung bezieht sich in ihren Entscheidungen zu § 60 BBG eher auf das Gebot parteipolitischer Neutralität112 oder das Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung,113 unternimmt aber nicht den Versuch, auf der Basis des Wohls der Allgemeinheit zu argumentieren. Damit bleibt unklar, was mit dem Wohl der Allgemeinheit im Sinn des § 60 Abs. 1 Satz 2 BBG gemeint ist. Es zeigt sich also, dass der Versuch wenig 107  Dazu Häberle, Öffentliches Interesse, S. 44–51. Abgesehen von gemeinnützigen Einrichtungen könnte man als nichtstaatliche, dem Gemeinwohl verpflichtete Akteure z. B. die Presse ansehen, vgl. §§ 3, 1 Pressegesetz Baden-Württemberg; dazu auch Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 365 und Diskus­ sionsbeitrag von Graf Kielmansegg, in: v. Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung, S. 135. 108  Nach dem bis zum 6.12.2018 geltenden Wortlaut der Norm waren Beamte lediglich verpflichtet, „auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen.“ Der durch Gesetz vom 29.11.2018, BGBl. I 2018, S. 2232 geänderte Wortlaut soll nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zu dienen, „die Gemeinwohlorientierung […] als Spezifikum des Beamtenethos […] noch stärker in den Vordergrund“ zu stellen, BTDrucks. 19/4117, S. 12. 109  Vgl. allgemein zu Verpflichtungen von Beamten auf das Gemeinwohl Häberle, Öffentliches Interesse, S. 41. 110  Werres, in: BeckOK Beamtenrecht Bund, § 60 BBG Rn. 9. 111  Grigoleit, in: Battis, BBG, § 60 Rn. 5. 112  So z. B. BVerwG, Urteil vom 31.8.2017 – 2 A 6/15, NVwZ 2018, S. 1144, 1146. 113  So z. B. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.3.2020 – OVG 82 D 1.19, BeckRS 2020, 7536.

150

§ 5 Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

erfolgsversprechend ist, Gemeinwohlklauseln aus sich heraus auszulegen, ohne auf einen anderen Normkomplex zurückzugreifen. Auch das spricht dafür, § 52 Abs. 1 Satz 1 GG als Verweis auf das Grundgesetz zu verstehen, denn dass andere Normkomplexe keine sinnvollen Auslegungshilfen bieten, wurde bereits oben deutlich.

III. Zusammenfassung In diesem Teil hat sich zunächst gezeigt, dass es keinen grundlegenden Bedenken begegnet, das Tatbestandsmerkmal der Förderung der Allgemeinheit in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO als Verweis auf das Gemeinwohl zu verstehen. Das Gemeinwohl ist weder eine unjuristische, eher im politischen Bereich anzusiedelnde Formulierung noch eine Leerformel, sondern ein in der Rechtsordnung vielfältig genutztes Tatbestandsmerkmal. Auch der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung gebietet es nicht, § 52 Abs. 1 Satz 1 AO anders auszulegen. Wenn der Begriff des Gemeinwohls in diesem Kontext hinreichend konkretisiert wird, ist dem Gebot der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung genüge getan. Im nächsten Schritt wurde deutlich, dass verschiedene Gemeinwohl-Normen trotz ihres teilweise identischen Wortlauts sehr unterschiedlich ausgelegt werden.114 Deshalb ist es kaum möglich, Auslegungsansätze zu einer bestimmten Norm direkt auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zu übertragen. § 52 Abs. 1 Satz 1 AO gehört zu der Art von Gemeinwohltatbeständen, die für bestimmte Personen oder bei bestimmten Gelegenheiten Ausnahmen von einer belastenden Rechtsnorm vorsehen, wenn mit dieser Ausnahme dem Gemeinwohl gedient wird. Solche Gemeinwohl-Ausnahmetatbestände werden in der Regel unter Rückgriff auf andere Normkomplexe ausgelegt. Aus den Besonderheiten des Gemeinnützigkeitsrechts folgt, dass § 52 Abs. 1 Satz 1 AO anders als andere Ausnahmenormen nicht als Verweis auf bestimmte, konkretisierte Gemeinwohlinteressen verstanden werden kann. Vielmehr spricht der enge Bezug des Gemeinnützigkeitsrechts zum Staat, dessen Aufgaben und Rechtfertigung dafür, § 52 Abs. 1 Satz 1 AO als Verweis auf höherrangiges Recht zu verstehen, also als Verweis auf Verfassungsrecht. Welche Aussagen sich dem Grundgesetz zur Konkretisierung des Gemeinwohls in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO entnehmen lassen, wird im nächsten Teil untersucht. 114  Vgl. auch VG Stuttgart, Urteil vom 6.11.1997 – 9 K 2204/96, BeckRS 1997, 31344351: „Der Begriff des ‚öffentlichen Wohls‘ ist ebenso ein wertbezogener abstrakter Rechtsbegriff wie die Synonyme ‚Gemeinwohl‘, ‚Wohl der Allgemeinheit‘ oder ‚öffentliches Interesse‘. All diese Begriffe haben gemeinsam, daß sie je nach Sachzusammenhang sehr verschiedene Bedeutungen haben können.“

§ 6 Inhalt des Gemeinwohls in § 52 Abs. 1 Satz  1 AO Der Vergleich von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO mit ähnlichen Gemeinwohlklauseln hat gezeigt, dass Sinn und Zweck dieser Norm sowie ihre systematische Stellung nahelegen, die Förderung der Allgemeinheit beziehungsweise das Gemeinwohl in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO als Verweis auf das Grundgesetz zu verstehen. Abgesehen von diesem Vergleich zu anderen Gemeinwohlklauseln erscheint dieser Ansatz auch in inhaltlicher Sicht sinnvoll. Da die Verfassung die Grundlage jedes staatlichen Handelns bildet und jede Handlung des Staats das Gemeinwohl zum Ziel hat, kann man „die Verfassung als das zentrale und verbindliche Gemeinwohldokument“1 ansehen.2 Die folgenden Ausführungen zielen nicht darauf ab, aus dem Grundgesetz eine umfassende Gemeinwohldefinition zu entwickeln, denn in Bezug auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO gilt wie auch bei anderen Gemeinwohltatbeständen, dass das Gemeinwohl immer nur bezogen auf eine konkrete Situation oder Norm ermittelt werden kann.3 Wenn Gemeinwohl-Ausnahmetatbestände unter Rückgriff auf das Grundgesetz ausgelegt werden, stehen dabei in der Regel einzelne Staatsstrukturprinzipien oder andere Regelungen im Vordergrund, deren Umsetzung der jeweilige Tatbestand dient.4 In diesen Zusammenhängen wird das Gemeinwohl grundsätzlich ausgelegt wie andere unbestimmte Rechtsbegriffe auch, betrifft dagegen nicht das Gemeinwohl in seiner oben5 dargestellten Funktion als Legitimationsgrundlage des Staats insgesamt.6 Da sich das Gemeinnützigkeitsrecht aber auf die Förderung des Gemeinwohls in diesem umfassen1  Schuppert,

in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 67, 71. Anderheiden, Gemeinwohl, S. 58; Häberle, Öffentliches Interesse, S. 70; Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 331–332; zustimmend Calliess, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 173, 177; vgl. auch Grimm, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 125, 127. 3  BVerfG, Urteil vom 2.3.1977 – 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, S. 125, 142 (Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung); Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 26. 4  Siehe oben S. 144–145, 148–149, 5  Siehe oben S. 104–109. 6  Brugger, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 17, 19: „Als solcher positivrechtlicher Begriff ist Gemeinwohl nicht Vorgabe für positives Recht, sondern Teil des positiven Rechts und mit den üblichen Methoden auszulegen.“ 2  Ähnlich

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§ 6 Inhalt des Gemeinwohls in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

den Sinn bezieht,7 nimmt auch § 52 Abs. 1 Satz 1 AO nicht einen konkret abgrenzbaren Aspekt des Gemeinwohls in den Blick, sondern das Gemeinwohl als Legitimation des Staats und als Ziel allen staatlichen Handelns. Wenngleich damit scheinbar eher philosophische als rechtliche Fragen angesprochen sind, kann das Gemeinwohl im Sinne des Grundgesetzes nur aus konkreten Verfassungsbestimmungen folgen, nicht aber aus außerrechtlichen Kategorien, auf die das Grundgesetz verweisen könnte.8 Der Staat kann sich nicht auf ein überrechtliches Gemeinwohl berufen und damit seinen verfassungsrechtlichen Bindungen entgehen,9 sodass auch jedes Ziel staatlichen Handelns aus der geschriebenen Verfassung ableitbar sein muss. Für Zwecke dieser Untersuchung gilt daher, dass es „[a]ußerhalb der Verfassung […] kein Gemeinwohl [gibt].“10

I. Verfassungsrechtliche Konkretisierung des Gemeinwohls An einigen Stellen erwähnt das Grundgesetz das Gemeinwohl beziehungsweise seine Synonyme ausdrücklich,11 insbesondere in Art. 14 Abs. 2, Abs. 3 GG. In diesen Normen dient das Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal dazu, einen Eingriff in das grundrechtlich geschützte Eigentum nur unter der Vo­ raussetzung zuzulassen, dass ein besonderes öffentliches Interesse an dem Eingriff besteht.12 Auch bei den übrigen Grundrechten werden Gründe des Gemeinwohls herangezogen, um Eingriffe in den Schutzbereich zu rechtfertigen.13 Aus diesen grundrechtlichen Bestimmungen ergibt sich aber nicht unmittelbar eine inhaltliche Aussage zum Gemeinwohl, vielmehr wird in der im Ausgangspunkt sehr großen Vielfalt legitimer Gemeinwohlzwecke deutlich, dass das Grundgesetz selbst anerkennt, das Gemeinwohl nicht abschließend zu definieren.14 Die Hauptaussagen des Grundgesetzes zum Gemein7  Siehe

oben S. 124–126. in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 354–355. 9  Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 355. 10  Häberle, Öffentliches Interesse, S. 70; zustimmend Kirste, in: Brugger/Kirste/ Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 355; im Ergebnis auch Anderheiden, Gemeinwohl, S. 57–58. 11  Siehe oben S. 105, Fn. 28. 12  Uerpmann, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 179, 180; vgl. auch Calliess, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 173, 179; Kirste, in: Brugger/ Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 330–331. 13  Vgl. BVerfG, Urteil vom 11.6.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377, 405– 408 (Apotheken-Urteil); dazu auch Häberle, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 99, 105–106 und Schuppert, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 19, 35–37. 14  BVerfG, Urteil vom 17.12.2013 – 1 BvR 3139/08 u. a., BverfGE 134, S. 242, 292–293 (Garzweiler); Isensee, in: v. Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung, S. 95, 103. 8  Kirste,



I. Verfassungsrechtliche Konkretisierung des Gemeinwohls153

wohl und damit auch der inhaltliche Kern der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Gemeinwohl folgen daher aus Regelungen, die das Gemeinwohl nicht ausdrücklich erwähnen.15 Die Pflicht des Staats, gemäß Art. 1 Abs. 1 GG die Menschenwürde zu achten und zu schützen, bietet einen ersten Anhaltspunkt bei der Suche nach einem verfassungsrechtlich determinierten Gemeinwohl. Sie zeigt, dass „der Staat […] um des Menschen willen da [ist], nicht der Mensch um des Staates willen“.16 Aus der Bedeutung der Menschenwürde folgt, dass es mit dem Grundgesetz nicht vereinbar wäre, eine Art unverrückbares, vorgegebenes und geschlossenes Gemeinwohl im Sinne eines substanzialistischen Gemeinwohlverständnisses17 anzunehmen, das dem Staat sowie den übrigen Gemeinwohlakteuren zwingend vorgegeben wäre. Die Menschenwürde verhindert, Menschen auf Zwecke oder Ziele zu verpflichten, die über ihre Würde hinausgehen,18 weil es solche Ziele unter dem Grundgesetz nicht geben kann.19 Gemeinwohlziele auf der Basis von religiösen, weltanschaulichen, ideologischen oder ähnlichen Überzeugungen sind daher weder mit dem Grundgesetz20 noch mit den Prinzipien jedes anderen freiheitlichen, demokratischen Verfassungsstaats vereinbar.21 Da das Gemeinwohl nicht aus religiösen oder anderen außerrechtlichen, objektiv vorgegebenen Überzeugungen gewonnen werden kann, steht sein 15  Grimm,

in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 125, 134. Abs. 1 des Entwurfs des Herrenchiemseer Verfassungskonvents, dazu Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR IV, § 71 Rn. 57; Starck, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 1 Rn. 12. 17  Dazu Fisch, in: v. Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung, S. 43, 52; Konrad, Gemeinwohl, S. 42–49; zur Abgrenzung von materialen Gemeinwohlinhalten Schuppert, in: Schuppert/Neidhardt, S. 19, 28. 18  Hofmann, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 25, 29. 19  Hofmann, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 25, 29. 20  Betroffen wäre hier auch die Glaubens- und Weltanschauungsfreiheit, vgl. BVerfG, Urteil vom 17.8.1956 – 1 BvB 2/51, BVerfGE 5, S. 85, 205 (KPD-Verbot); Anderheiden, Gemeinwohl, S. 59. 21  Münkler/K. Fischer, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 9, 10; Schuppert, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 19, 28; zustimmend Fuchs, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 87, 92; Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7, 21. Es überrascht daher nicht, dass die nationalsozialistische Diktatur als Antithese zu einem freiheitlichen Verfassungsstaat einer geschlossenen, substanzialistischen Gemeinwohldefinition folgte, Fisch, in: v. Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung, S. 43, 51–52; Konrad, Gemeinwohl, S. 43–44. Vgl. auch Fraenkel, Deutschland und westliche Demokratien, S. 300, nach dem „jede Diktatur […] von der Hypothese eines eindeutig bestimmbaren vorgegebenen Gemeinwohls“ ausgeht. Im Gemeinnützigkeitsrecht der damaligen Zeit wurde das an § 17 Abs. 2 StAnpG i. V. m. § 1 Abs. 1 StAnpG deutlich, siehe oben S. 57–58. 16  Art. 1

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§ 6 Inhalt des Gemeinwohls in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

Inhalt konstant zur Debatte und unterliegt einem ständigen Wandel.22 In anderen Worten liegt dem Grundgesetz, ebenso wie der Verfassung jedes anderen freiheitlichen Staats, ein offener Gemeinwohlbegriff zugrunde.23 Die Verfassung gibt der Gesellschaft und ihren Teilen auf, nach dem Gemeinwohl zu streben, sie gibt grundsätzlich aber kein Gemeinwohl vor.24 Diese grundlegende Aussage zum Gemeinwohl spiegelt sich auch in Art. 20 Abs. 2 GG und der darin deutlich werdenden Entscheidung des Grundgesetzes für eine Demokratie wider,25 die dem Volk die Staatsgewalt und damit auch die Definitionsmacht über das Gemeinwohl zuweist.26 Eine demokratische Gemeinwohlkonkretisierung in diesem Sinn ist auch die einzige Vorgehensweise, die sich mit den Grundrechten vereinbaren lässt. Nur eine Demokratie ermöglicht ihren Bürgern persönliche Selbstbestimmung, sodass deren Teilhabe am demokratischen Prozess nicht nur Selbstzweck, sondern auch eine konsequente Fortführung dieser individuellen Freiheit und Selbstbestimmung ist.27 Aus diesem Zwischenergebnis folgt, dass die Suche nach dem Inhalt des Gemeinwohls im Grundgesetz wesentlich durch die Kompetenzverteilung sowie durch das Verfahren zur Gemeinwohlkonkretisierung geprägt wird.28 Erst im zweiten Schritt stellt sich die Frage, ob es neben einem solchen prozedural bestimmten Gemeinwohl (Gemeinwohl a posteriori29 oder input-bezogene Betrachtungsweise30) auch einen substanziellen beziehungsweise materialen31 22  Hofmann, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 25, 30–31; zustimmend Schuppert, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 19, 24. 23  Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR IV, § 71 Rn. 71; Schuppert, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 19, 23–24. 24  Häberle, Rechtstheorie 14 (1983), S. 257, 272–273; zustimmend Calliess, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 173, 178; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 17.8.1956 – 1 BvB 2/51, BverfGE 5, S. 85, 204–205 (KPD-Verbot). 25  Zur Ableitung des Demokratieprinzips unter anderem aus Art. 1 Abs. 1 GG Robbers, in: Bonner Kommentar GG, Art. 20 Rn. 410, 485. 26  Dazu Schuppert, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 19, 26: „Souverän […] ist […], wer das jeweilige Gemeinwohl definiert.“ 27  Vgl. Uerpmann, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 179, 182; ähnlich v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 43–44 und Hofmann, in: Münkler/ K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 25, 29. 28  Neidhardt, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 13, 14; Stettner, Kompetenzlehre, S. 203; Stolleis, „Gemeinwohl“, in: Herzog/Kunst/Schlaich/Schneemelcher, Evangelisches Staatslexikon, Sp. 1061, 1062. 29  Schmitt-Egner, Gemeinwohl, S. 42–47. 30  Isensee, Gemeinwohl und öffentliches Amt, S. 44. 31  Zur Terminologie weist Blum, Gemeinwohl, S. 37 Fn. 92 zu Recht darauf hin, dass es „terminologisch sinnvoller [wäre], nach formalen und materialen Gemeinwohlkonzeptionen zu unterscheiden“, dass dessen ungeachtet jedoch die Unter-



II. Prozedurale Gemeinwohlkriterien155

Gemeinwohlkern (Gemeinwohl a priori32 oder output-bezogene Betrachtungsweise33) gibt,34 und wenn ja, wie dieser zu ermitteln ist.

II. Prozedurale Gemeinwohlkriterien 1. Summe aller Einzelinteressen In einer besonders schlichten Ausprägung eines prozeduralen Gemeinwohlkonzepts verstehen manche Stimmen in der Literatur das demokratisch ermittelte Gemeinwohl als Summe der Interessen aller Bürger,35 das durch Meinungsumfragen identifiziert werden könne.36 Nach dieser libertären Auffassung beschränkt sich der Sinn der Politik und damit auch allen Strebens nach dem Gemeinwohl37 darauf, bereits bestehende Interessen zusammenzutragen.38 Dieses Vorgehen hat den großen Vorteil, dass das Gemeinwohl dann nicht aus „der intellektuellen Reflexion von Sozial- und Staatsphi­losophen“39 abgeleitet werden muss, sondern fest in der Bevölkerung verankert ist. Dadurch wird demokratiefeindlicher Willkür vorgebeugt, die eine Schwäche anderer Gemeinwohldefinitionen ist.40 Gegen diese Auffassung spricht allerdings, dass sie nicht erklären kann, warum es häufig zu Konflikten zwischen dem Gemeinwohl und einem Einzelinteresse kommt, denn das jeweils konfligierende Einzelinteresse kann dann gerade nicht Teil des Gemeinwohls sein.41 Schließlich führt es auch zu erheblichen praktischen Nachteilen, sich unmittelbar auf die Meinung der scheidung in substanzielle und prozedurale Gemeinwohlbegriffe üblich geworden sei. 32  Schmitt-Egner, Gemeinwohl, S. 42–47. 33  Isensee, Gemeinwohl und öffentliches Amt, S. 44. 34  Hartmann, AöR 134 (2009), S. 1, 14; Schmitt-Egner, Gemeinwohl, S. 43; Überblick über Literatur zum Gemeinwohl bei Grawert, Der Staat 43 (2004), S. 434–449. 35  So zum Begriff des öffentlichen Interesses W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 193. Zu diesem Ansatzpunkt Grawert, Der Staat 43 (2004), S. 434, 439; Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 343–344; Konrad, Gemeinwohl, S. 51–53. 36  Fuchs, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 87, 98. Zu Meinungsumfragen auch aus verfassungsrechtlicher Sicht Pestalozza, NJW 1981, S. 733, 733–735. 37  Zum „Gemeinwohl als Urspung und Ziel von Politik“ Schmitt-Egner, Gemeinwohl, S. 21–35. 38  Seubert, in: Göhler/Iser/Kerner, Poltische Theorie, S. 101, 105. 39  Welzel, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 109, 110. 40  Welzel, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 109, 110–111. 41  Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 344; vgl. auch Koller, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 41, 58–59.

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§ 6 Inhalt des Gemeinwohls in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

Bevölkerung zu stützen, denn ein direkt auf der öffentlichen Meinung basierendes Gemeinwohl würde sich ständig ändern und wäre in der Folge kein sinnvoller oder funktionaler Handlungsmaßstab für den Staat und andere Gemeinwohlakteure.42 Dieser praktische Nachteil spricht auch gegen den teilweise vertretenen Kompromiss, einer in der Bevölkerung herrschenden Auffassung zumindest eine gewisse Bedeutung für die Konkretisierung des Gemeinwohls zuzumessen.43 Daher ist es überzeugender, aus in der Bevölkerung bestehenden ­Interessen oder Meinungen keine unmittelbaren Schlussfolgerungen für das ­Gemeinwohl abzuleiten.44 Für dieses Ergebnis spricht auch Art. 20 Abs. 2 GG. Das Volk übt seine Staatsgewalt in Wahlen und Abstimmungen aus, nicht in Meinungsumfragen.45 Um auf Bundesebene Meinungsumfragen durchführen zu können, ­bedürfte es einer Verfassungsänderung.46 Das Gemeinwohl allein an den in der Bevölkerung herrschenden Meinungen festzumachen, lässt sich mit dem Grundgesetz daher nicht vereinbaren.47 Dennoch finden sich im Gemeinnützigkeitsrecht in der Vergangenheit Versuche, § 52 Abs. 1 Satz 1 AO anhand der Meinung in der Bevölkerung auszulegen, wobei diese Meinung unter anderem mittels Umfragen festgestellt werden könne.48 Von Versuchen, die konkrete Meinung der Bevölkerung zu ermitteln, sind Rechtsprechung und Literatur in der Zwischenzeit wieder abgerückt, aber auch heute noch soll eine „feste, offenkundige oder allge-

Fuchs, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 87, 98–99. der Tendenz a. A. BVerfG, Urteil vom 15.1.2002 – 1 BvR 1783/99, BVerfGE 104, S. 337, 351 (Schächterlaubnis); dazu Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 337. Vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 27.1.2015 – 1 BvR 471/10 u. a., BVerfGE 138, S. 296, 333–335 (Kopftuch II) zur verfassungsrechtlichen Bedeutung des Schulfriedens. 44  So im Ergebnis auch Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 35–36; ähnlich Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 356. 45  So auch Krause, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR III, § 35 Rn. 17–26. Vgl. auch BVerfG, Urteil vom 30.7.1958 – 2 BvF 3/58 u. a., BVerfGE 8, S. 104, 113 (Volksbefragung über Atomwaffen): „Öffentliche Meinung und politische Willensbildung des Volkes kann […] nicht identifiziert werden mit staatlicher Willensbildung.“ Zu Volksbefragungen auch BayVerfGH, Entscheidung vom 21.11.2016 – Vf. 15-VIII-14 u. a., NVwZ 2017, S. 319; Heußner/Pautsch, NJW 2015, S. 1225. 46  Krause, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR III, § 35 Rn. 22–26. 47  So auch Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 8. 48  Das letzte Mal angesprochen wurde die Möglichkeit, eine Meinungsumfrage durchzuführen, soweit ersichtlich in BFH, Urteil vom 22.10.1971 – III R 81/70, BStBl. II 1972, S. 197, 198. 42  Vgl. 43  In



II. Prozedurale Gemeinwohlkriterien157

meinkundige Meinung der Bevölkerung“49 bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO eine Rolle spielen.

2. Ergebnis der parlamentarischen Gesetzgebung Auf der Grundlage von Art. 20 Abs. 1, Abs. 2 GG ist es daher überzeugender, das Gemeinwohl nicht unmittelbar aus der Meinung der Bevölkerung abzuleiten, sondern die vom Volke ausgehende Staatsgewalt nur insoweit zu berücksichtigen, als sie sich in Wahlen oder Abstimmungen ausdrückt. Für die Ausgestaltung des Gemeinwohls folgt daraus, dass die wesentlichen Gemeinwohlentscheidungen dem Gesetzgeber überantwortet sind,50 weil nur der Gesetzgeber über Art. 20 Abs. 2 GG durch Wahlen unmittelbar demokratisch legitimiert ist.51 Ähnlich lässt sich auf der Grundlage von Art. 38 GG argumentieren, denn indem diese Norm die Mitglieder des Bundestages – anders als die Bundesregierung52 – nicht dem Gemeinwohl unterwirft, wird deutlich, dass der Gesetzgeber selbst über das Gemeinwohl befindet, ihm dagegen grundsätzlich kein Gemeinwohlinhalt vorgegeben ist.53 Daneben macht es auch die aus den Grundrechten folgende Neutralität des Verfassungsstaats erforderlich, das Gemeinwohl in erster Linie formal anhand der jeweils herrschenden Mehrheitsverhältnisse zu bestimmen.54 Außerdem gilt, dass ein strukturiertes Verfahren wie das Gesetzgebungsverfahren in besonderer Weise dazu geeignet ist, die Legitimationsmängel zu kompensieren, die auf den großen Entscheidungsspielräumen55 beruhen, die ein so offener Begriff wie das Gemeinwohl eröffnet.56 Denn je weniger die 49  BFH, Urteil vom 13.12.1978 – I R 39/78, BStBl. II 1979, S. 482, 486; siehe oben S. 72, 79. 50  BVerfG, Urteil vom 10.3.1981 – 1 BvR 92/71 u. a., BVerfGE 56, S. 249, 261– 262 (Gondelbahn); BVerfG, Beschluss vom 12.1.1982 – 2 BvR 113/81, BVerfGE 59, S. 216, 229 (Söhlde); BVerfG, Urteil vom 4.7.1995 – 1 BvF 2/86 u. a., BVerfGE 92, S. 365, 398 (Kurzarbeitergeld); W. Martens, Öffentlich als Rechtsbegriff, S. 187. 51  Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 352; Schuppert, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 19, 26. 52  Siehe oben S. 105, Fn. 28, S. 135. 53  Häberle, Rechtstheorie 14 (1983), S. 257, 262; Magiera, in: Sachs, GG, Art. 38 Rn. 54; P. Müller, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 38 Rn. 45; Uerpmann, Das öffentliche Interesse, S. 178–179. 54  Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7, 21–22. 55  Dazu BVerfG, Beschluss vom 17.7.1961 – 1 BvL 44/55, BVerfGE 13, S. 97, 107, 110 (Handwerksordnung). 56  Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 337; Vgl. auch BVerfG, Urteil vom 18.12.1968 – 1 BvR 638/64 u. a., BVerfGE 24, S. 367, 403–404

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§ 6 Inhalt des Gemeinwohls in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

Ergebnisse eines Verfahrens vorgegeben sind, umso wichtiger wird die legitimatorische Funktion des Verfahrens.57 a) Rein prozedural ermitteltes Gemeinwohl? Nach einem rein prozeduralen Verständnis hätten die Vorgaben der Verfassung zum Gemeinwohl mit der Regelung des Gesetzgebungsverfahrens sowie der Zuständigkeiten ihr Bewenden, es würde keinerlei Versuch unternommen, das Gemeinwohl inhaltlich zu konkretisieren.58. Im Grundgesetz würde nach dieser Ansicht lediglich ein demokratisches Verfahren vorgeschrieben, an dessen Folgen alle Betroffenen gleichermaßen teilhaben könnten.59 Das Gemeinwohl wäre dann nicht mehr als „die Resultante aus dem Parallelogramm der divergierenden ökonomischen, sozialen und ideellen Kräfte,“60 greifbar „nicht als Ergebnis, sondern als Prozeß“61 politischer Willensbildung. Für ein solches rein prozedurales Gemeinwohlverständnis wird argumentiert, dass es in einer für eine freiheitliche Demokratie typischen pluralistischen Gesellschaft keine allgemein als verbindlich anerkannten Überzeugungen gebe, sodass sich auch das Gemeinwohl nicht inhaltlich definieren lasse.62 Wenn ein Versuch unternommen werde, das Gemeinwohl inhaltlich zu bestimmen, bestehe die Gefahr, dass nicht der gesellschaftlichen Norm entsprechende Lebensformen eingeschränkt würden,63 außerdem sei ein inhalt(Hamburger Deichordnungsgesetz). Zur Abwägungskompetenz des Gesetzgebers bei Gemeinwohlentscheidungen Schuppert, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 19, 49. 57  v. Arnim, in: v. Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung, S. 63, 72; Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR IV, § 71 Rn. 89; Schuppert, GewArch 2004, S. 441, 443; Schuppert, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 19, 25. 58  Blum, Gemeinwohl, S. 35. 59  Vgl. Fuchs, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 87, 100. 60  Fraenkel, Deutschland und westliche Demokratien, S. 273. Fraenkel gilt zwar als einflussreichster Vertreter der prozeduralen Gemeinwohltheorie (so Blum, Gemeinwohl, S. 34), weist auf S. 275 aber selbst darauf hin, dass ein pluralistisches aposteriori-Gemeinwohl voraussetze, dass „die Grundprinzipien gesitteten mensch­ lichen Zusammenlebens uneingeschränkt respektiert werden.“ Nicht zuletzt durch die Vorsilbe „Grund-“ werden hier Assoziationen zu Grundrechten geweckt. Zur Vermischung prozeduraler und materialer Gemeinwohlkriterien bei Fraenkel auch Seubert, in: Göhler/Iser/Kerner, Politische Theorie, S. 101, 106, Fn. 3. 61  Stolleis, „Gemeinwohl“, in: Herzog/Kunst/Schlaich/Schneemelcher, Evangelisches Staatslexikon, Sp. 1061, 1062. 62  Fuchs, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 87, 92, 95. 63  Blum, Gemeinwohl, S. 36.



II. Prozedurale Gemeinwohlkriterien159

lich vorgegebenes Gemeinwohl undemokratisch, weil es die freie politische Willensbildung beschränke.64 b) Kein rein prozedural ermitteltes Gemeinwohl Gegen eine rein prozedurale Bestimmung des Gemeinwohls spricht allerdings, dass die demokratische Mehrheit zu irrationalen Ergebnissen kommen kann, zu deren Überprüfung ein rein prozedurales Gemeinwohlverständnis keine Maßstäbe bereithält.65 In einem engen Zusammenhang damit steht auch die Kritik, dass die Mitglieder der Gesellschaft, die gemeinsam in einem ­demokratischen Verfahren über das Gemeinwohl entscheiden, einem Irrtum darüber unterliegen können, was tatsächlich gemeinwohlförderlich ist.66 Dagegen lässt sich zwar einwenden, dass falsche Entscheidungen zum Gemeinwohl in Gesetzesform nachträglich korrigiert werden können.67 Diese Möglichkeit ändert aber nichts daran, dass nicht sämtliche aus dem unbestimmten Begriff des Gemeinwohls folgende Fragen durch Zuständigkeitsund Verfahrensregeln gelöst werden können.68 Das demokratische Verfahren zur Gemeinwohlkonkretisierung kann nicht unmittelbar mit dem Gemeinwohl selbst gleichgesetzt werden.69 Entsprechend reagiert auch das Grundgesetz auf die Gefahr falscher Entscheidungen oder Entscheidungen zu Lasten einer Minderheit, indem es „auch dort, wo das Grundgesetz der Mehrheitsherrschaft Raum gibt, […] es sie nicht aus der verfassungsrechtlichen Grundverpflichtung [entlässt], daß alle Staatsgewalt um des Schutzes der Würde und Freiheit aller und der ­sozialen Gerechtigkeit gegenüber allen anvertraut ist, mithin stets am Wohl aller Bürger ausgerichtet zu sein hat.“70 Aus dieser „verfassungsrechtlichen Grundverpflichtung“ lässt sich ableiten, dass das Grundgesetz keinem rein prozeduralen Gemeinwohlverständnis folgt,71 denn das Grundgesetz geht 64  Fraenkel,

Deutschland und westliche Demokratien, S. 272–273. Isensee, in: v. Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung, S. 95, 101– 102; Schuppert, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 19, 27 m. w. N. 66  Dazu Blum, Gemeinwohl, S. 88–92 m. w. N.; so auch Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7, 25. 67  Häberle, Rechtstheorie 14 (1983), S. 257, 279. 68  Schuppert, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 19, 27; ähnlich Seubert, in: Göhler/Iser/Kerner, Poltische Theorie, S. 101, 114–115. 69  Isensee, in: v. Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung, S. 95, 100–101. 70  BVerfG, Urteil vom 2.3.1977 – 2 BvE 1/76, BVerfGE 44, S. 125, 141–142 (Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung). 71  Ein solches rein prozedurales Gemeinwohlverständnis ließe sich allenfalls mithilfe des argumentativen Kunstgriffs rechtfertigen, dass das Grundgesetz geändert werden könne, also auch die Grundrechte letztlich (nur) gesteigerte Anforderungen an 65  Vgl.

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§ 6 Inhalt des Gemeinwohls in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

insbesondere in Art. 1 bis 20 GG erkennbar davon aus, dass es allgemein anerkannte Überzeugungen gibt, die der Gemeinwohlkonkretisierung im normalen parlamentarischen Verfahren entzogen sind.72 Damit lässt sich bereits an dieser Stelle das Zwischenergebnis festhalten, dass das Gemeinwohl formal durch Gesetze konkretisiert wird, es aber auch einen materialen Gemeinwohlkern gibt.73 c) Schlussfolgerungen für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO Aus der Entscheidung des Grundgesetzes für eine vorrangig prozedurale Gemeinwohlkonkretisierung folgt für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO, dass eine Einrichtung nicht die Allgemeinheit und damit das Gemeinwohl fördern kann, wenn sie einfachgesetzliche Entscheidungen des Gesetzgebers zur Ausgestaltung und Konkretisierung des Gemeinwohls missachtet. Eine gemeinnützige Einrichtung darf daher nicht gegen geltende Gesetze verstoßen. Zum gleichen Ergebnis kommen auch Rechtsprechung und Literatur. Wenn die Finanzrechtsprechung und ihr folgend die Literatur ausführen, eine Einrichtung könne nur dann gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO die Allgemeinheit fördern, wenn sie die Rechtsordnung einhalte,74 beziehen sie sich insoweit nicht ausdrücklich auf das Gemeinwohl. Dass sie diese Voraussetzung gerade an § 52 Abs. 1 Satz 1 AO festmachen, zeigt aber, dass Rechtsprechung und Literatur die Förderung der Allgemeinheit und damit das Gemeinwohl inhaltlich mit der Rechtsordnung und deren Unversehrtheit verbinden. Insoweit folgen sie also ebenfalls einem prozeduralen Gemeinwohlverständnis.75

III. Materiale Gemeinwohlkriterien Eben wurde deutlich, dass Art. 20 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber die Aufgabe zuweist, das Gemeinwohl zu konkretisieren. Allerdings gibt es gewisse Grundüberzeugungen, über die nicht in jedem Gesetzgebungsverfahren neu verhandelt wird und die der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers Grenzen das Gesetzgebungsverfahren darstellten, aber keine inhaltlichen Vorgaben machten. Diese Argumentation scheitert aber jedenfalls an Art. 79 Abs. 3 GG. Darüber hinaus enthält allein die Regelung, wann strengere Verfahrensanforderungen in diesem Sinn gelten sollen, bereits eine materiale Aussage, vgl. Blum, Gemeinwohl, S. 40. 72  Zippelius, Staatslehre, S. 117. 73  So auch Calliess, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 173, 178. 74  Dazu siehe oben S. 71–72; S. 78. 75  Zu den Bezügen des Gemeinnützigkeitsrechts zum Demokratieprinzip Droege, Gemeinnützigkeit, S. 379–381.



III. Materiale Gemeinwohlkriterien161

setzen.76 Diese Grundüberzeugungen prägen das Gemeinwohl, auch soweit es prozedural konkretisiert wird.77

1. Die Menschenwürde als höchster Verfassungswert Das Grundgesetz kennt gemäß Art. 1 Abs. 1 GG keinen höheren Wert als den Einzelnen und seine Würde, es „geht von der Würde der freien, sich selbst bestimmenden menschlichen Persönlichkeit als höchstem Rechtswert aus.“78 Diese zentrale Stellung der Menschenwürde im Grundgesetz rechtfertigt es, die Menschenwürde als Ausgangspunkt für die Suche nach Hinweisen auf materiale Gemeinwohlüberzeugungen im Grundgesetz zu nehmen.79 Indem der dem Gemeinwohl verpflichtete Staat in Art. 1 Abs. 1 Satz 2 GG zuvörderst dem Schutz der Menschenwürde verpflichtet wird und die Menschenwürde mehr als alle anderen Normen des Grundgesetzes für den Staat insgesamt prägend ist,80 muss die Menschenwürde und deren Achtung Teil des verfassungsrechtlichen Gemeinwohls sein.81 Diese Überzeugung findet sich auch im aktuellen Gemeinnützigkeitsrecht wieder. Da (auch nur simuliertes) Schießen auf Menschen nach Ansicht der Finanzrechtsprechung nicht mit der Menschenwürde vereinbar ist, könne es wegen eines Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 Satz 1 AO nicht gemeinnützig sein.82 Diese Argumentation überzeugt: Die überragende Bedeutung der Menschenwürde im Grundgesetz muss sich in der Auslegung des in § 52 Abs. 1 76  Grimm, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 125, 127; Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 339, 350–351. 77  Vgl. Calliess, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 173, 177–178. 78  BVerfG, Urteil vom 13.4.1978 – 2 BvF 1/77 u. a., BVerfGE 48, S. 127, 163, (Wehrpflichtänderungsgesetz); ähnlich BVerfG, Urteil vom 16.1.1957 – 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, S. 32, 41 (Elfes); BVerfG, Urteil vom 3.3.2004 – 1 BvR 2378/98 u. a., BVerfGE 109, S. 279, 311 (Großer Lauschangriff); v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 13. 79  Ähnlich v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 13, 19; Konrad, Gemeinwohl, S. 45; vgl. auch Calliess, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 173, 177. 80  Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 53. 81  So auch BVerfG, Beschluss vom 8.8.1978 – 2 BvL 8/77, BVerfGE 49, S. 89, 132 (Kalkar I). 82  BFH, Urteil vom 27.9.2018 – V R 48/16, BStBl. II 2019, S. 790, 793; dazu P. Fischer, npor 2020, S. 61, 66; im Ergebnis, allerdings ohne ausdrücklich die Menschenwürde zu erwähnen, auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 19.2.2014 – 1 K 2423/11, DStRE 2015, S. 294, 296 unter Bezug auf BVerwG, Beschluss vom 24.10.2001 – 6 C 3/01, NVwZ 2002, S. 598, 602–603. Vgl. auch BFH, Urteil vom 31.5.2002 – I R 105/04, BFH/NV 2005, S. 1741, 1743.

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§ 6 Inhalt des Gemeinwohls in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

Satz 1 AO enthaltenen Gemeinwohlbegriffs spiegeln. Daher kann eine Einrichtung, die gegen die Menschenwürde verstößt, nicht gemeinnützig sein.

2. Grundrechte Art. 1 Abs. 3 GG erlegt dem Staat eine unmittelbare Bindung an die Grundrechte auf. Da der Staat dem Gemeinwohl dient, müssen die Grundrechte Bestandteil des Gemeinwohls sein.83 Einem ähnlichen Verständnis folgt auch das Bundesverfassungsgericht, denn das Gericht argumentiert, dass jedes Tätigwerden einer staatlichen Einrichtung grundrechtsgebunden im Sinn des Art. 1 Abs. 3 GG ist, gerade „weil es in Wahrnehmung ihres dem Gemeinwohl verpflichteten Auftrags erfolgt.“84 Dem steht nicht entgegen, dass das Gemeinwohl auch herangezogen wird, um Eingriffe in Grundrechte zu rechtfertigen,85 insoweit also eine Art Gegenposition zu den Grundrechten einzunehmen scheint. Die Grundrechte sind insoweit zweideutig: Sie sind einerseits Teil des Gemeinwohls und können andererseits aufgrund des Gemeinwohls eingeschränkt werden.86 Daneben lassen sich Freiheitsgrundrechte wie auch die Gleichheitsgrundrechte zumindest in ihrem Kern auf den unbedingten, jedem Menschen zustehenden Achtungsanspruch der Menschenwürde zurückführen.87 Sowohl Freiheits- als auch Gleichheitsgrundrechte müssen damit Teil des verfassungsrechtlichen Gemeinwohls sein.88 a) Freiheitsgrundrechte Das Gemeinwohl umfasst als notwendigen Bestandteil das Wohl jedes Einzelnen.89 Das Grundgesetz zeigt in Art. 2 Abs. 1 GG, dass es jedem Men83  Vgl. Uerpmann, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 179, 180; im Ergebnis auch Brugger, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 17, 28. 84  BVerfG, Urteil vom 22.2.2011 – 1 BvR 699/06, BVerfGE 128, S. 226, 244 (Fraport); BVerfG, Urteil vom 19.5.2020 – 1 BvR 2835/17 (BND), NJW 2020, S. 2235, 2241. 85  Siehe oben S. 152. 86  Calliess, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 173, 179. 87  Zippelius, in: Bonner Kommentar GG, Art. 1 Rn. 19; ähnlich Häberle, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR II, § 22 Rn. 57; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 1 Rn. 5; v. Münch/Kunig, in: v. Münch/Kunig, GG, Vorb. Art. 1–19 Rn. 8; Überblick zum Meinungsstand in Literatur und Rechtsprechung bei Hong, Menschenwürdegehalt der Grundrechte, S. 17–36. 88  Vgl. auch Bleckmann, Staatsrecht II, § 11 Rn. 241 zur Bedeutung der Grundrechte für die Legitimation des Staats, also nach hier vertretener Ansicht des Gemein



III. Materiale Gemeinwohlkriterien163

schen selbst die Aufgabe und die Freiheit zuweist, sein eigenes Glück zu verwirklichen.90 Zum Gemeinwohl müssen damit auch die Grundrechte jedes Einzelnen zählen,91 die dieses freie Streben nach Glück gewährleisten. Die Freiheit, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, Verträge zu schließen und Güter zu tauschen, vor allem aber die freie Selbstbestimmung und Selbstverwirklichung jedes Einzelnen sind damit wesentliche Bestandteile des verfassungsrechtlichen Gemeinwohlbegriffs.92 b) Gleichheitsgrundrechte Nicht weniger wichtig ist die Gleichheit, denn nur wenn jeder gleichberechtigt von seiner Freiheit Gebrauch machen kann, tragen Freiheitsgrundrechte zum Wohl jedes Einzelnen bei.93 In Staat und Gesellschaft verkehrt sich Freiheit in ihr Gegenteil, wenn sie nicht durch ein Gleichheitsgrundrecht ergänzt und unterstützt wird.94 Denn andernfalls kommt Freiheit nur denen zu, die aufgrund ihrer Eigenschaften oder ihres Vermögens in der Lage sind, zu Lasten der weniger Privilegierten ihren Willen durchzusetzen.95 Die weniger Privilegierten müssten dagegen ein Dasein in Unfreiheit fristen.96 Mit einer Verfassung, die wie das Grundgesetz „nicht eine virtuell allumfassende Staatsgewalt verfaßt, sondern den Zweck des Staates materialiter auf die Wahrung des Gemeinwohls beschränkt, in dessen Mitte Freiheit und soziale Gerechtigkeit stehen“97, ließe sich das nicht vereinbaren. wohls.

Hier lässt sich auch die bereits oben S. 93–95 angesprochene Bedeutung der Grundrechte als objektive Wertordnung anführen. 89  Vgl. Blankart, in: v.  Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung, S. 247, 262–263. 90  Anderheiden, Gemeinwohl, S. 59; dazu siehe auch oben S. 122. 91  So auch BVerfG, Urteil vom 4.7.1995 – 1 BvF 2/86 u. a., BVerfGE 92, S. 365, 403 (Kurzarbeitergeld); ähnlich BVerfG, Beschluss vom 26.5.1981 – 2 BvR 215/81, BVerfGE 57, S. 250, 284 (V-Mann); Isensee, in: Isensee/P. Kirchhof, HdbStR IV, § 71 Rn. 61. 92  Vgl. zur Bedeutung des Grundrechtsgebrauchs für das Gemeinwohl Anderheiden, Gemeinwohl, S. 67–74; Kirchgässner, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 289, 296; ähnlich BVerfG, Beschluss vom 17.2.2009 – 1 BvR 2492/08, BVerfGE 122, S. 342, 369 (Bayerisches Versammlungsgesetz). 93  Anderheiden, Gemeinwohl, S. 67; vgl. auch BVerfG, Urteil vom 17.8.1956 – 1 BvB 2/51, BVerfGE 5, S. 85, 205 (KPD-Verbot). 94  Aulehner, Grundrechte und Gesetzgebung, S. 139. 95  Aulehner, Grundrechte und Gesetzgebung, S. 139–140. 96  Aulehner, Grundrechte und Gesetzgebung, S. 139–140. 97  BVerfG, Beschluss vom 21.9.1976 – 2 BvR 350/75, BVerfGE 42, S. 312, 332 (Abgeordnetenmandat); zu den Bezügen der sozialen Gerechtigkeit zum Sozialstaatsprinzip siehe unten S. 167.

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§ 6 Inhalt des Gemeinwohls in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

c) Schlussfolgerungen für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO Hier zeigt sich wieder eine Parallele zur gemeinnützigkeitsrechtlichen Rechtsprechung, die sich bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO ebenfalls auf die Grundrechte bezieht.98 Wer bei seiner Tätigkeit gegen Grundrechte verstößt, kann nach der zutreffenden Ansicht der Finanzgerichte und des Bundesfinanzhofs nicht die Allgemeinheit fördern. In der bisherigen Rechtsprechung haben sich dabei vor allem die Gleichheitsgrundrechte als relevant erwiesen. Wie auch in der Rechtsprechung ausgeführt gilt dabei, dass Einrichtungen nicht gemeinnützig sein können, wenn sie gegen Art. 3 GG verstoßen. Dabei lässt sich weiter nach den verschiedenen Grundrechtsdimensionen differenzieren. In ihrer objektiv-rechtlichen Dimension wirken die Grundrechte insbesondere als spezielle Staatsziele,99 verpflichten den Staat also dazu, geeignete Maßnahmen zum Schutz der Grundrechte zu ergreifen. Bei einem Blick in den Zweckkatalog des § 52 Abs. 2 AO wird deutlich, dass die Funktion der Grundrechte dort bereits angelegt ist.100 So lässt sich § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO in einen Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 3 GG stellen,101 § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 steht in einem Bezug zu Art. 4 Abs. 1, 2 GG,102 § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 18 GG dient der Umsetzung von Art. 3 Abs. 2 GG103 und § 52 Abs. 2 Nr. 19 AO weist Verbindungen zu Art. 6 Abs. 1 GG auf.104 Soweit Grundrechte Schutzpflichten statuieren, sind sie bereits durch die speziellere und damit vorrangige Regelung in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO abgedeckt. Daraus folgt, dass den grundrechtlichen Schutzpflichten für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO keine entscheidende Bedeutung zukommt.105 Die abwehrrechtliche Dimension der Grundrechte, deren Sinn es ist, „die Freiheitssphäre des einzelnen vor Eingriffen der öffentlichen Gewalt zu 98  Siehe

oben S. 69–71. auch Sommermann, Staatsziele, S. 420; ähnlich Stern, in: Stern/F. Becker, Grundrechte-Kommentar, Einl. Rn. 67. 100  Ähnlich Droege, Gemeinnützigkeit, S. 372–373; Lang, StuW 1987, S. 221, 244–245. 101  Vgl. Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 110. 102  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 119; Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 20. 103  Dazu siehe oben S. 91. 104  Vgl. Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 181–182. 105  Relevant sind die aus den Grundrechten folgenden Pflichten dagegen bei der Auslegung des Zweckkatalogs in § 52 Abs. 2 AO, dazu Droege, Gemeinnützigkeit, S. 375–379. 99  So



III. Materiale Gemeinwohlkriterien165

sichern“106, lässt sich dagegen auch zur Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO heranziehen. Sinn dieser Grundrechtsdimension ist es, jedem zu gewährleisten, sich in den jeweils geschützten Bereichen frei von hoheitlichen Beschränkungen entfalten zu können.107 Für gemeinnützige Einrichtungen folgt daraus, dass sie nicht ohne ausreichende Rechtfertigung in Grundrechte eingreifen dürfen. Praktische Relevanz könnte diese Voraussetzung neben den bisher entschiedenen Fällen zum Beispiel in Konstellationen erlangen, in denen eine Einrichtung gezielt gegen eine bestimmte Kunstrichtung vorgeht (Art. 5 Abs. 3 GG), eine bestimmte Religion bekämpft (Art. 4 Abs. 1, 2 GG) oder eine bestimmte Meinung zu unterdrücken versucht (Art. 5 Abs. 1 GG).

3. Staatsziele a) Gemeinwohl als Summe aller Staatsziele Wenn das Gemeinwohl oberstes Staatsziel ist, könnte man das Gemeinwohl schlicht als Summe aller im Grundgesetz geregelten Staatsziele auffassen.108 Weniger weitgehend könnte man Staatsziele zumindest als Beitrag zu einer inhaltlichen Bestimmung des Gemeinwohls ansehen.109 Dagegen können zwei Aspekte eingewendet werden. Es ist anerkannt, dass die Staatsziele im Grundgesetz nicht abschließend geregelt sind,110 sodass sich den Staatszielen kein umfassendes Gemeinwohlkonzept entnehmen lässt.111 In rechtspraktischer Sicht wird auch kritisiert, dass die Staatsziele des Grundgesetzes häufig miteinander kollidieren würden, ohne dass es objektive Maßstäbe dafür gebe, wie solche Kollisionen aufzulösen seien.112 Wie kollidierende Staatsziele in einen Ausgleich gebracht werden können, müsse bei jedem konkreten Konflikt neu entschieden werden,113 wobei der Gesetzgeber bei dieser Entscheidung einen großen Spielraum habe.114

106  BVerfG,

Urteil vom 15.1.1958 – 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, S. 198, 204 (Lüth). in: Stern/F. Becker, Grundrechte-Kommentar, Einl. Rn. 52. 108  Vgl. Calliess, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 173, 176. 109  Engel, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 103, 104–105; Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 337. 110  Vgl. Uerpmann, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 179, 183. 111  Vgl. oben S. 152–154. 112  Fuchs, in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 87, 97; ähnlich Fisch, in: v. Arnim/Sommermann, Gemeinwohlgefährdung, S. 56, aus Staatszielen ließen sich in konkreten Abwägungssituationen kaum gewinnbringende Argumente ableiten. 113  Sommermann, Staatsziele, S. 412. 114  Sommermann, Staatsziele, S. 415, 428–432. 107  Stern,

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Dadurch bieten die Staatsziele kaum eine Hilfe bei der Suche nach einem inhaltlichen Gemeinwohlverständnis. Sie sind kaum weniger abstrakt als der Begriff des Gemeinwohls selbst, was sich auch an ihrer eingeschränkten Justiziabilität115 zeigt. b) Schlussfolgerungen für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO Trotz dieser praktischen Nachteile zeigen sich auch hier Parallelen zum Gemeinnützigkeitsrecht. Insbesondere die Literatur stützt sich bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO auf Staatsziele,116 weil sich aus Staatszielen ableiten lasse, „was für Staat und Gesellschaft prägend sein soll“.117 Das ist aus zwei Gründen nicht überzeugend: Der Zweckkatalog in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO regelt deutlich konkreter als Staatsziele, welche Zwecke als gemeinnützig anerkannt sind. Wer in die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO die im Grundgesetz geregelten Staatsziele einbezieht, umgeht diesen spezielleren Zweckkatalog. Wenn es auch bei § 52 Abs. 1 Satz 1 AO auf Staatsziele ankäme, würde das zu einer Art „doppelten“ Prüfung führen, ob der jeweils verfolgte Zweck förderungswürdig ist. Exemplarisch118 lässt sich das an § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8, Nr. 14 AO oder an § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 18 AO zeigen, die jeweils den Staatszielbestimmungen in Art. 20a GG und Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG entsprechen.119 Außerdem zeigt auch der Inhalt des Zweckkatalogs in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO, dass den Staatszielen im geltenden Gemeinnützigkeitsrecht keine entscheidende Bedeutung zukommt, denn die Förderung des Modellflugs120 oder des (Motor-)Sports121 lässt sich mit dem Staatsziel Umweltschutz gemäß Art. 20a GG nur schwer vereinbaren, ist aber trotzdem als gemeinnützig

115  Dazu Sommermann, Staatsziele, S. 429–430; so zu Art. 20a GG auch BFH, Urteil vom 27.8.1996 – VII R 14/95, BFHE 181, S. 243, 251. 116  Bott, in: Bott/Walter, KStG, § 5 Rn. 381; Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 25. 117  Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 25; ähnlich Bott, in: Bott/Walter, KStG, § 5 Rn. 381. 118  Weitere Beispiele bei Droege, Gemeinnützigkeit, S. 368–372. 119  Zur Bedeutung von Art. 20a GG für die Auslegung von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AO vgl. BFH, Urteil vom 20.3.2017 – X R 13/15, BStBl. II 2017, S. 1110, 1117; Droege, Gemeinnützigkeit, S. 368–369; zur staatsentlastenden Wirkung von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 18 AO im Verhältnis zu Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, § 52 AO Rn. 98. 120  § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO. 121  § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21 AO; noch zur Vorgängervorschrift § 52 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 AO a. F. BFH, Urteil vom 29.10.1997 – I R 13/97, BStBl. II 1998, S. 9, 10–11.



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anerkannt.122 Entgegenstehende Staatsziele scheinen nach der gegenwärtigen Rechtslage also weitgehend unbeachtlich zu sein. Jedenfalls gibt es keine klaren Maßstäbe dafür, wann ein beeinträchtigtes Staatsziel ausnahmsweise doch verhindern könnte, eine Einrichtung als gemeinnützig anzuerkennen. Diese beiden Aspekte sprechen dafür, bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO nicht auf Staatsziele zurückzugreifen.

4. Staatsstrukturprinzipien a) Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung, Bundesstaatlichkeit Dem Rechtsstaatsprinzip lassen sich weniger materiale als vielmehr prozedurale Gemeinwohlvorgaben entnehmen, denn es trifft Aussagen dazu, wie staatliche Macht auszuüben ist, regelt aber nicht, welche Zwecke der Staat dabei verfolgen kann.123 Das gleiche gilt für das Bundesstaatsprinzip124 und den Grundsatz der Gewaltenteilung.125 b) Republikprinzip Der Beitrag des Republikprinzips zum Gemeinwohl wurde oben bereits ausführlich erläutert.126 Was mit dem Gemeinwohl inhaltlich gemeint ist, lässt sich diesem Prinzip allerdings nicht entnehmen. c) Sozialstaatsprinzip Im Exkurs zu mildtätigen Zwecken nach § 53 AO hat sich bereits angedeutet, dass dem Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1 GG für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO Bedeutung zukommen könnte.127 Auch das Bundesverfassungsgericht sieht „soziale Gerechtigkeit“128 als Kernbestandteil des Gemeinwohls an.129 122  Zum

Motorsport BFH, Urteil vom 29.10.1997 – I R 13/97, BStBl. II 1998, S. 9. in: Schuppert/Neidhardt, Gemeinwohl, S. 179, 182; Zacher, in: HStR II, § 28 Rn. 2; a. A. v. Arnim, Gemeinwohl und Gruppeninteressen, S. 37–39. 124  Dazu Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 339–340. 125  Dazu Kirste, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 327, 340–341; Überblick zum Gewaltenteilungsgrundsatz bei Voßkuhle/Kaufhold, JuS 2012, S. 314. 126  Siehe oben S. 106–108. 127  Siehe oben S. 129–130. 128  Zum Ausfluss der sozialen Gerechtigkeit aus dem Sozialstaatsprinzip Sondervotum Baer/Gaier/Masing, BVerfG, Urteil vom 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 123  Uerpmann,

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§ 6 Inhalt des Gemeinwohls in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

Abgesehen von einigen Hinweisen in manchen grundrechtlichen Bestimmungen130 sowie in den Regelungen zu den Gesetzgebungskompetenzen131 bestimmt das Grundgesetz nicht näher, was mit dem Sozialstaatsprinzip gemeint ist.132 Literatur und Rechtsprechung entnehmen dem Sozialstaatsprinzip zwar mehrere Grundaussagen, wie etwa das Recht jedes Menschen auf ein menschenwürdiges Existenzminimum,133 oder die staatlichen Aufträge, soziale Gleichheit zu fördern134 und über die soziale Marktwirtschaft jeden am wachsenden Wohlstand teilhaben zu lassen.135 Abschließend definieren lässt sich das Sozialstaatsprinzip allerdings nicht.136 Daraus folgt, dass das Sozialstaatsprinzip in erster Linie den Gesetzgeber verpflichtet und ihm bei der Interpretation und Ausgestaltung dessen, was unter einem Sozialstaat zu verstehen ist, große Freiheiten lässt.137

2015, S. 50, BVerfGE 138, S. 136, 252 (Erbschaftsteuer); dazu Hofmann, in: Münk­ ler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 25, 37–38. 129  BVerfG, Beschluss vom 21.9.1976 – 2 BvR 350/75, BVerfGE 42, S. 312, 332 (Abgeordnetenmandat); ähnlich Engel, in: Brugger/Kirste/Anderheiden, Gemeinwohl, S. 103, 104; Hofmann, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 25, 37–38. 130  Wie die Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 2 GG oder Art. 15 GG, Zacher, in: HStR II, § 28 Rn. 17. 131  Z. B. Art. 72 Abs. 2 GG, Art. 74 Abs. 1 Nr. 11, Nr. 16 GG, Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 26; Zacher, in: HStR II, § 28 Rn. 17. 132  Überblick zum Inhalt des Sozialstaatsprinzips bei Voßkuhle/Wischmeyer, JuS 2015, S. 693, 693–695. 133  BVerfG, Beschluss vom 18.6.1975 – 1 BvL 4/74, BVerfGE 40, S. 121, 133 (Waisenrente); BVerfG, Beschluss vom 29.5.1990 – 1 BvL 20/86 u. a., BVerfGE 82, S. 60, 80 (Kindergeldkürzung); Zacher, in: HStR II, § 28 Rn. 32–33. 134  BVerfG, Urteil vom 18.7.1967 – 2 BvF 3/62 u. a., BVerfGE 22, S. 180, 204 (Jugendhilfe); BVerfG, Beschluss vom 27.4.1999 – 1 BvR 2203/93 u. a., BVerfGE 100, S. 271, 284 (Lohnabstandsklausel); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 161; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 35; Zacher, in: HStR II, § 28 Rn. 34– 42. 135  Zacher, in: HStR II, § 28 Rn. 53–63; ähnlich Sommermann, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 134–135a. 136  Degenhart, Staatsorganisationsrecht, Rn. 593. 137  BVerfG, Urteil vom 18.7.1967 – 2 BvF 3/62 u. a., BVerfGE 22, S. 180, 204 (Jugendhilfe); BVerfG, Beschluss vom 13.1.1982 – 1 BvR 848/77 u. a., BVerfGE 59, S. 231, 263 (Freier Rundfunkmitarbeiter); BVerfG, Urteil vom 16.7.1985 – 1 BvL 5/80 u. a., BVerfGE 69, S. 272, 314 (Krankenversicherungsbeitrag); Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 115–116; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 25.



IV. Zusammenfassung169

d) Schlussfolgerungen für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO Verbindungen zum Gemeinnützigkeitsrecht lassen sich nur in Bezug auf das Sozialstaatsprinzip feststellen, das teilweise als Auslegungskriterium für § 52 Abs. 1 Satz 1 AO herangezogen wird.138 Wenngleich das Sozialstaatsprinzip als Bestandteil des Gemeinwohls erheblich zur Rechtfertigung des Gemeinnützigkeitsrechts beiträgt,139 kann es nicht zu einer schlüssigen und vorhersehbaren Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO beisteuern. Das folgt zunächst daraus, dass der Inhalt des Sozialstaatsprinzips weitgehend durch den Gesetzgeber konkretisiert wird. Unabhängig von seinen einfachgesetzlichen Konkretisierungen lassen sich aus dem Sozialstaatsprinzip kaum konkrete Vorgaben entwickeln.140 Will sich ein Finanzgericht nicht an die Stelle des Gesetzgebers setzen, gebietet es der Grundsatz der Gewaltenteilung, Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG,141 nicht direkt auf das Sozialstaatsprinzip zurückzugreifen.142 Angesichts der oben dargestellten Konkretisierungsbedürftigkeit des Prinzips wäre auch völlig unklar, wie das Sozialstaatsprinzip konkret dazu beitragen könnte, eine Streitfrage im Zusammenhang mit § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zu beantworten. Daher ist es im Ergebnis nicht überzeugend, das Sozialstaatsprinzip als Teil eines mate­ rialen Gemeinwohlkerns in die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO einzubeziehen.

IV. Zusammenfassung Das Grundgesetz leistet zwei wesentliche Beiträge zur Konkretisierung des Gemeinwohlbegriffs in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO. Zunächst gibt es für die inhaltliche Bestimmung des Gemeinwohls einige Grenzen beziehungsweise einen Rahmen vor,143 und beschränkt dadurch die ansonsten unbegrenzte Zahl verschiedener möglicher Gemeinwohl-Ausgestaltungen.144 Das geschieht insbe138  Koenig,

in: Koenig, AO, § 52 Rn. 11. BVerwG, Urteil vom 27.9.2017 – 6 C 34/16, HFR 2018, S. 242, 244, sieht im Sozialstaatsprinzip sogar die Grundlage des gesamten Gemeinnützigkeitsrechts. 140  Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 20 Rn. 115–116; Wittreck, in: Dreier, GG, Art. 20 (Sozialstaat) Rn. 24, 27. 141  Sowie Art. 1 Abs. 3 GG und Art. 20 Abs. 3 GG, Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 V. Rn. 1.  142  Ähnlich Musil, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 52 AO Rn. 61, das Gericht müsse im Zweifelsfall entscheiden, wie der Gesetzgeber entschieden hätte, dürfe aber nicht von seiner eigenen Überzeugung ausgehen. 143  Vgl. Stolleis, VVDStRL 44 (1986), S. 7, 24. 144  Grimm, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 125, 127. 139  Das

170

§ 6 Inhalt des Gemeinwohls in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO

sondere durch die Grundrechte, aber auch durch die in Art. 20 GG enthaltenen Regelungen. Den in Art. 79 Abs. 3 GG genannten Normen kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, weil sie eine Art formal bestimmten materialen Gemeinwohlkern bilden.145 In dieser sogenannten Ewigkeitsgarantie146 werden insbesondere die Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 1 GG, der Menschenwürdekern der übrigen Grundrechte147 sowie das Demokratieprinzip nach Art. 20 GG dem Zugriff des verfassungsändernden Gesetzgebers entzogen. Das Grundgesetz zeigt damit, dass es diese Prinzipien als besonders wichtige, identitätsstiftende Elemente der Verfassung ansieht,148 denen in der Folge auch eine herausgehobene Bedeutung für die Bestimmung des Gemeinwohls zukommt. Neben diesen materialen Gemeinwohlkernen regelt die Verfassung aber auch, wie die „laufend anfallenden Gemeinwohlentscheidungen“149 zustande kommen, „indem sie den Meinungs- und Willensbildungsprozeß nach Akteuren, Kompetenzen und Verfahren strukturiert und Bedingungen für die Geltung von politischen Entscheidungen formuliert.“150 Konkret geschieht das in erster Linie durch die Regelungen zu Gesetzgebungskompetenzen und Gesetzgebungsverfahren sowie durch formale Anforderungen an Gesetze, wie sie das Rechtsstaatsprinzip sowie die übrigen in Art. 20 GG genannten Prinzipien enthalten. Diese Regelungen fließen in die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO nicht unmittelbar ein. Ihre Einhaltung ist aber unabdingbare Bedingung dafür, einfachgesetzliche Normen als zutreffende Ausgestaltung des Gemeinwohls anerkennen zu können. Daneben müssen das Gemeinwohl konkretisierende Normen selbstverständlich auch die oben dargestellten Vorgaben des materialen Gemeinwohlkerns beachten. Für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO ergeben sich damit folgende Schlussfolgerungen: Eine Einrichtung fördert nicht im Sinne dieser Norm die Allgemeinheit, wenn sie die Menschenwürde oder Grundrechte verletzt, ­wobei bei Grundrechten nur die subjektiv-rechtliche Abwehrdimension entscheidend ist. Alle anderen grundgesetzlichen Regelungen, denen sich Hinweise auf ein abstraktes Gemeinwohl entnehmen lassen, spielen für die auch Konrad, Gemeinwohl, S. 48. in: Dreier, GG, Art. 79 Abs. 3 Rn. 14; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/ Hofmann/Henneke, GG, Art. 79 Rn. 34; Kritisch zum Begriff Kment, in: Jarass/ Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 8. 147  Kment, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 79 Rn. 15; a.  A. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 Abs. 3 Rn. 28. 148  Dreier, in: Dreier, GG, Art. 79 Abs. 3 Rn. 16; Hain, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 79 Rn. 43; Sachs, in: Sachs, GG, Art. 79 Rn. 38; Unruh, Verfassungsbegriff, S. 442. 149  Grimm, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 125, 128. 150  Grimm, in: Münkler/K. Fischer, Gemeinwohl und Gemeinsinn, S. 125, 128. 145  So

146  Dreier,



IV. Zusammenfassung171

Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO keine Rolle, weil sie bereits an anderer Stelle Eingang ins Gemeinnützigkeitsrecht gefunden haben, insbesondere in § 52 Abs. 2 Satz 1 AO. Das gilt vor allem für Staatsziele und Staatsstrukturprinzipien, aber auch für die objektiv-rechtliche Dimension der Grundrechte. Daneben müssen gemeinnützige Einrichtung die geltenden Gesetze einhalten, denn vom demokratisch legitimierten Gesetzgeber geschaffene Gesetze gestalten das Gemeinwohl in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO aus. Auf diese Weise wirken sich auch die Staatsziele und Staatstrukturprinzipien auf die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO aus, die nicht im Zweckkatalog von § 52 Abs. 2 Satz 1 AO enthalten sind. Im Ergebnis ähnlich, aber auf einem deutlich anderen Weg als eben ausgeführt gehen Rechtsprechung und große Teile der Literatur an § 52 Abs. 1 Satz 1 AO heran: Sie argumentieren unmittelbar mit dem Gemeinwohl, ohne die Grundlage ihrer Argumentation aus § 52 Abs. 1 Satz 1 AO oder aus dem Grundgesetz herzuleiten. So befürwortet etwa der Bundesfinanzhof mit weniger rechtlich als vielmehr philosophisch anmutenden Erwägungen eine Auslegung des Gemeinwohls, die alles zu umfassen versucht und dadurch nicht praktisch anwendbar ist.151 Mittlerweile verkürzt die Finanzrechtsprechung diese Ausführung zwar oft und erwähnt nur noch den Begriff der objektiven Rechtsordnung, um im nächsten Schritt unmittelbar Grundrechte zu prüfen. Diese Auslegung begründet die Rechtsprechung aber nicht näher und unternimmt auch darüber hinaus nach wie vor keinen Versuch, das in § 52 Abs. 1 Satz 1 AO vorausgesetzte Gemeinwohl umfassend verfassungsrechtlich zu konkretisieren.

151  Siehe das Zitat aus BFH, Urteil vom 13.12.1978 – I R 39/78, BStBl. II 1979, S. 482, 485–486 oben S. 69.

§ 7 Praktische Anwendung auf problematische Fälle Ausgehend von den eben entwickelten Ergebnissen lassen sich die in der Einleitung erwähnten Einrichtungen, deren Gemeinnützigkeit im Hinblick auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zweifelhaft ist, ohne größere Probleme als gemeinnützig oder als nicht gemeinnützig identifizieren. Der erste Prüfungsschritt betrifft jeweils die Frage, wen die Einrichtungen mit ihren Tätigkeiten fördern wollen, denn nur insoweit gilt § 52 Abs. 1 Satz 1 AO.1 Wenn Nichtmitglieder gefördert werden, ist es in Hinblick auf § 52 Abs. 1 AO unproblematisch, wenn der Zugang zur Einrichtung als solcher eng begrenzt ist.2 Werden dagegen nur Mitglieder gefördert, muss die Mitgliedschaft der Allgemeinheit im Sinn des § 52 Abs. 1 AO offenstehen. Danach wird geprüft, ob die gemeinnützige Einrichtung gegen Gesetzesrecht verstößt oder ungerechtfertigt in Grundrechte eingreift. Noch bevor auf das Geschlecht abzielende Diskriminierungen untersucht werden, widmet sich ein kurzer Exkurs der Frage, wie Diskriminierungen zu beurteilen sind, die an ein anderes Merkmal als das Geschlecht anknüpfen. Anhand eines praktischen Falls aus der jüngeren Vergangenheit soll es dabei um die Staatsangehörigkeit der Geförderten gehen.

I. Exkurs: Förderung der Allgemeinheit bei Ausschluss von Ausländern Anfang 2018 fasste die Tafel Essen, ein gemeinnütziger eingetragener Verein,3 den Entschluss, ab sofort keine Ausländer4 mehr als Neukunden 1  Dazu Brandl, in: AO-eKommentar, § 52 Rn. 6; Gersch, AO-StB 2018, S. 214, 215–216. Dieser wichtige erste Prüfungsschritt wird teilweise außer Acht gelassen, etwa bei Wiemers, BB 2017, S. 2148, 2152. Entscheidend ist nicht, wer Mitglied einer Einrichtung werden darf, sondern wen die Einrichtung fördern will. Dieses Missverständnis beruht wohl darauf, dass beide Gruppen im Freimaurer-Urteil des BFH deckungsgleich waren, der BFH also nicht zwischen Mitgliedern und Geförderten differenzieren musste (Insoweit kritisch zum Urteil des BFH Kohlhepp, DStR 2017, S. 2577, 2578). Diese Frage muss auch dann zuerst geprüft werden, wenn man Beschränkungen anhand des Geschlechts anders als hier vertreten an § 52 Abs. 1 Satz 2 messen will, Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.37. 2  Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.41 mit dem Beispiel „Club der Millionäre“; zustimmend Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 Rn. 11.



I. Exkurs: Förderung der Allgemeinheit bei Ausschluss von Ausländern 173

anzunehmen, sondern nur noch Deutsche.5 Hintergrund war nach Äußerungen des Vereinsvorstands Sartor, dass viele deutsche Nutzer der Tafel von der großen Zahl ausländischer Nutzer abgeschreckt würden.6 Manche ausländische Nutzer würden durch ihr aggressives Verhalten andere bedürftige Nutzer davon abhalten, die Tafel zu besuchen.7 Die Reaktionen auf diese Entscheidung der Tafel waren vielfältig und reichten von Zustimmung über Kritik8 bis hin zur Feststellung, die Tafel sei „Sinnbild für gescheiterte Integration in Deutschland.“9 Nicht reagiert hat dagegen, soweit ersichtlich, die Finanzverwaltung. Allem Anschein nach hat sie die Tafel Essen auch für den Zeitraum als gemeinnützig anerkannt, in dem die Tafel nur Deutsche als neue Kunden aufnahm. Die Beschränkung war von vornherein nur für eine gewisse Zeit vorgesehen, und in der Zwischenzeit nimmt die Tafel Essen auch Ausländer wieder als Neukunden an.10 Es bleibt aber zu klären, ob die Tafel Ausländer vorübergehend von ihrem Angebot ausschließen durfte, ohne damit gegen § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zu verstoßen.

3  Nach eigener Auskunft auf der Webseite der Tafel Essen ist der Verein als gemeinnützig anerkannt (www.essener-tafel.de/spenden-helfen/) (zuletzt abgerufen am 20.2.2021). 4  Betroffen waren anscheinend nur Nicht-EU-Ausländer, sodass es nicht auf EURecht und dessen Auswirkungen auf § 52 Abs. 1 AO ankommt. Dazu Lissner, Einfluss der Grundfreiheiten, S. 193. 5  Überblick über die Ereignisse bei Stehle, Neue Zürcher Zeitung vom 31.10.2019, abrufbar unter www.nzz.ch/international/essener-tafel-so-laeuft-es-nach-auslaenderstopp-und-nazivorwuerfen-ld.1515363 (zuletzt abgerufen am 20.2.2021). 6  Bär, Augsburger Allgemeine vom 22.9.2019, abrufbar unter www.augsburgerallgemeine.de/panorama/Chef-der-Essener-Tafel-Man-treibt-die-Leute-reihenweisezur-AfD-id55500011.html (zuletzt abgerufen am 20.2.2021). 7  Bär, Augsburger Allgemeine vom 22.9.2019, abrufbar unter www.augsburgerallgemeine.de/panorama/Chef-der-Essener-Tafel-Man-treibt-die-Leute-reihenweisezur-AfD-id55500011.html (zuletzt abgerufen am 20.2.2021). 8  Überblick bei Fuchs, Frankfurter Rundschau vom 18.9.2019, abrufbar unter www.fr.de/politik/joerg-sartor-tafelmann-essen-sein-persoenlicher-kampf-13012208. html (zuletzt abgerufen am 20.2.2021). 9  Stehle, Neue Zürcher Zeitung vom 31.10.2019, abrufbar unter www.nzz.ch/ international/essener-tafel-so-laeuft-es-nach-auslaenderstopp-und-nazivorwuerfen-ld. 1515363 (zuletzt abgerufen am 20.2.2021). 10  Spiegel Panorama vom 3.4.2018, abrufbar unter www.spiegel.de/panorama/ gesellschaft/essen-tafel-nimmt-wieder-auslaender-auf-a-1200991.html (zuletzt abgerufen am 20.2.2021); vgl. auch die Pressemitteilung der Stadt Essen vom 11.3.2018, abrufbar unter www.essen.de/meldungen/pressemeldung_1204288.de.html (zuletzt abgerufen am 20.2.2021).

174

§ 7 Praktische Anwendung auf problematische Fälle

Entsprechend der oben entwickelten Auslegung ist es dazu erforderlich, dass die Tafel sowohl die Vorgaben des einfachen Rechts eingehalten hat als auch nicht ungerechtfertigt in Grundrechte eingegriffen hat.

1. Wer wird gefördert? Noch davor ist aber zu prüfen, wen die Tafel gemäß § 52 Abs.1 Satz 1 AO fördern will. Das ist bei einer Tafel leicht zu beantworten: Die Förderung bezieht sich auf die Kunden der Tafel, nicht dagegen auf die Mitglieder des die Tafel betreibenden eingetragenen Vereins.

2. Einfaches Recht Daraus folgt, dass aus vereinsrechtlicher Sicht nicht eine Beschränkung des Mitgliederkreises in Rede steht, sondern eine – hier nur konkludente – Beschränkung des Vereinszwecks. Aus der in Art. 9 GG garantierten Vereinigungsfreiheit folgt, dass ein Verein jeden Zweck verfolgen kann, solange der Zweck nicht in Konflikt mit Art. 9 Abs. 2 GG gerät oder sittenwidrig oder gesetzeswidrig ist, §§ 134, 138 BGB.11 In Betracht kommt im vorliegenden Fall nur ein Verstoß gegen die guten Sitten, zu dem es auch durch die tatsächliche Geschäftsführung kommen kann.12 Denkbar wäre es insbesondere, im Rahmen der oben dargestellten mittelbaren Drittwirkung davon auszugehen, dass Art. 3 Abs. 1 GG hier ins Privatrecht einwirkt, wenngleich dabei auch die Vereinigungsfreiheit zu berücksichtigen wäre. Im Ergebnis ist es aber überzeugender, § 138 BGB grundsätzlich nicht auf Diskriminierungen anzuwenden, um die im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) besonders geregelten Diskriminierungsverbote nicht zu umgehen.13 Auch aus diesen besonderen Regelungen im AGG folgt nicht, dass die Tafel nicht anhand der Staatsangehörigkeit der Geförderten diskriminieren darf. Da es hier nicht um die Mitgliedschaft in einer Einrichtung geht, ist das besondere Diskriminierungsverbot in § 18 Abs. 1 Nr. 2 AGG nicht anwendbar, vielmehr gilt das allgemeine zivilrechtliche Benachteiligungsverbot nach § 19 AGG. Ob das Verhältnis zwischen einer gemeinnützigen Einrichtung und den Empfängern einer Leistung beziehungsweise denjenigen, die keine Leistungen erhalten, ein Schuldverhältnis in diesem Sinne ist, wird aus der Norm nicht ohne weiteres deutlich.14 Differenzierungen anhand der Staatsan11  Knof, in: MüHdbGesR, Bd. 5, § 14 Rn. 12; Röcken, ZStV 2013, S. 66; Segna, in: BeckOGK BGB, § 21 Rn. 57. 12  Segna, in: BeckOGK BGB, § 21 Rn. 66. 13  Schmidt-Räntsch, in: Erman, BGB, § 138 Rn. 104. 14  Dazu Reuter, in: FS Adomeit, S. 595, 604–607.



I. Exkurs: Förderung der Allgemeinheit bei Ausschluss von Ausländern 175

gehörigkeit verbietet § 19 AGG allerdings ohnehin nicht, sodass die Tafel nicht gegen diese Norm verstoßen hat.

3. Verfassungsrecht Ob die Tafel Ausländer auch aus verfassungsrechtlicher Sicht vorübergehend ausschließen durfte, ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 GG. Wenngleich nach dieser Norm alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, steht Art. 3 Abs. 1 GG nicht jeder Differenzierung entgegen.15 Sachliche Gründe von ausreichendem Gewicht können Ungleichbehandlungen rechtfertigen.16 Früher ging das Bundesverfassungsgericht davon aus, Ungleichbehandlungen seien nur dann nach Art. 3 Abs. 1 GG unzulässig, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss.“17 Seit 1980 prüft das Bundesverfassungsgericht Ungleichbehandlungen anhand strengerer Maßstäbe. Nach der in diesem Jahr entwickelten Neuen Formel wird Art. 3 Abs. 1 GG verletzt, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.“18 Mittlerweile werden beide Prüfungsansätze zu einem gleitenden Maßstab kombiniert.19 Je stärker sich das Differenzierungskriterium in einem konkreten Fall einem der Merkmale in Art. 3 Abs. 3 GG annähert, umso strengere Rechtfertigungsanforderungen gelten.20 Bei der Staatsangehörigkeit 15  BVerfG, Beschluss vom 6.7.2004 – 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, S. 160, 169 (Kindergeld für Ausländer); Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 100; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 18. 16  Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 3 Rn. 29. 17  BVerfG, Urteil vom 23.10.1951 – 2 BvG 1/51, BVerfGE 1, S. 14, 52 (Südweststaat). 18  BVerfG, Beschluss vom 7.10.1980 – 1 BvL 50/79 u. a., BVerfGE 55, S. 72, 88 (Präklusion). 19  BVerfG, Beschluss vom 21.6.2011 – 1 BvR 2035/07, BVerfGE 129, S. 49, 68–69 (Mediziner-BAföG); BVerfG, Beschluss vom 19.12.2012 – 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, S. 1, 14 (Kartellgeldbuße); Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 103; Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 3 Rn. 32–33. 20  BVerfG, Beschluss vom 19.12.2012 – 1 BvL 18/11, BVerfGE 133, S. 1, 14 (Kartellgeldbuße); Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 24; Krieger, in: SchmidtBleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 3 Rn. 33.

176

§ 7 Praktische Anwendung auf problematische Fälle

handelt es sich nicht um ein Merkmal im Sinn des Art. 3 Abs. 3 GG.21 Das Bundesverfassungsgericht legt aber vergleichbare Maßstäbe an, weil die Staatsangehörigkeit Merkmalen in Art. 3 Abs. 3 GG ähnlich sei.22 Daher gilt, dass Differenzierungen anhand eines Merkmals wie der Staatsangehörigkeit Anforderungen entsprechen müssen, die einer Verhältnismäßigkeitsprüfung nahekommen.23 Hier dient der Ausschluss von Ausländern dem legitimen Ziel, keine inländischen hilfebedürftigen Menschen von der Tafel fernzuhalten, es ist aber bereits zweifelhaft, ob diese Methode auch geeignet war. Jedenfalls hätte es verschiedene andere, mildere Methoden gegeben, um inländische und ausländische Hilfsbedürftige gleichermaßen mit Nahrungsmitteln zu versorgen.24 Damit führt die nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung von Ausländern hier zum Ergebnis, dass die Tafel Essen wegen eines Verstoßes gegen § 52 Abs. 1 Satz 1 AO nicht gemeinnützig war, als sie Ausländern unter Berufung auf deren Staatsangehörigkeit den Zugang zu Nahrungsmitteln verwehrte.25 Hier zeigt sich die Parallele zu staatlichen Sozialleistungen, die in der Regel ebenfalls nicht von der Staatsangehörigkeit der Empfänger abhängig gemacht werden können,26 obwohl die Rechtfertigungsanforderungen bei unterschiedlich gewährten Leistungen grundsätzlich geringer sind als bei Eingriffen.27 Wenngleich das Grundgesetz in seinem Grundrechtsteil mitunter selbst nach der Staatsangehörigkeit differenziert28 folgt aus Art. 3 Abs. 1 GG daher, dass Diskriminierungen anhand der Staatsangehörigkeit in der übrigen Rechtsordnung nur schwer zu rechtfertigen sind. 21  Kischel,

in: BeckOK GG, Art. 3 Rn. 226. Beschluss vom 7.2.2012 – 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, S. 240, 255– 256 (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz); vgl. auch Sachs, in: Isensee/ P. Kirchhof, HdbStR VIII, § 182 Rn. 53. 23  BVerfG, Beschluss vom 7.2.2012 – 1 BvL 14/07, BVerfGE 130, S. 240, 256–260 (Bayerisches Landeserziehungsgeldgesetz); Britz, NJW 2014, S. 346, 349–350; Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 3 GG Rn. 22; Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 3 Rn. 104–105; kritisch Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 28. 24  Vgl. Werth, Vorsitzende der Tafel Berlin, abrufbar unter https://taz.de/BerlinerTafel-ueber-Essener-Ausschluss/!5487029/ (zuletzt abgerufen am 20.2.2021). 25  A. A. im Ergebnis Theuffel-Werhahn, SB 2018, S. 92, 94–95. 26  Vgl. BVerfG, Beschluss vom 6.7.2004 – 1 BvL 4/97, BVerfGE 111, S. 160, 169–170 (Kindergeld für Ausländer); BVerfG, Beschluss vom 6.7.2004 – 1 BvR 2515/95, BVerfGE 111, S. 176, 183–184 (Erziehungsgeld an Ausländer); Kingreen/ Poscher, Grundrechte, Rn. 538. 27  BVerfG, Beschluss vom 14.10.2008 – 1 BvF 4/05, BverfGE 122, S. 1, 23 (Agrarmarktsubventionen); BVerfG, Beschluss vom 26.4.1988 – 1 BvL 84/86, BVerfGE 78, 104, 121 (Prozesskostenhilfe); Boysen, in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 3 Rn. 109; Droege, Gemeinnützigkeit, S. 367. 28  Z. B. in Art. 8 Abs. 1 GG, Art. 9 Abs. 1 GG. 22  BVerfG,



II. Förderung der Allgemeinheit bei Diskriminierungen177

II. Förderung der Allgemeinheit bei Diskriminierungen anhand des Geschlechts 1. Freimaurerlogen und Schützenbruderschaften Typisch für eine traditionelle Freimaurerloge wie die Klägerin im vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall29 ist, dass der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in den Arbeiten im sogenannten Tempel liegt, zu denen nur Mitglieder zugelassen sind.30 Nach außen gibt sich eine typische Loge dagegen verschlossen.31 Bei Schützenbruderschaften handelt es sich um Männervereinigungen mit lange zurückreichenden, im Einzelnen umstrittenen historischen Ursprün­ gen,32 die heutzutage neben einigen karitativen Projekten insbesondere Veranstaltungen mit „Trachten und Uniformen, Aufzügen und Paraden, Fahnen und Silber“33 durchführen. Nach Ansicht der Finanzverwaltung können solche historischen Schützenbruderschaften nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 23 AO wegen Förderung des Brauchtums gemeinnützig sein.34 Während dem Schießsport gewidmete Schützenvereine in der Regel auch Frauen aufnehmen, lassen traditionelle Schützenbruderschaften meistens nur Männer zur Mitgliedschaft zu.35 a) Wer wird gefördert? Bereits aus den Feststellungen des FG Düsseldorf,36 die der Bundes­ finanzhof in seinem Urteil37 nicht beanstandet hat, wird deutlich, dass eine traditionelle Freimaurerloge nur ihre Mitglieder fördert, keine Außenstehenden.38 29  BFH,

Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218. Freimaurer, S. 76, 84. 31  Pöhlmann, Freimaurer, S. 78–80. Dort auch zur in jüngerer Zeit feststellbaren Tendenz mancher Freimaurerlogen, sich langsam nach außen zu öffnen. 32  Dazu Michaelis, in: Erler/Kaufmann, HRG, Bd. 4, Sp. 1531–1535. 33  So die Einschätzung der Fremdwahrnehmung des Dachverbands Bund der Historischen Schützenbruderschaften e. V., abrufbar unter https://schuetzen.erzbistumkoeln.de/Wir/starker_bund.html (zuletzt abgerufen am 20.2.2021). 34  AEAO Nr. 12 zu § 52; dazu auch Joisten/Vossel, FR 2016, S. 714, 717. Vereine, bei denen das Sportschießen im Vordergrund steht, verfolgen dagegen sportliche Zwecke nach § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 21, dazu AEAO Nr. 7 zu § 52. 35  Michel, HFR 2017, S. 873, 878. 36  FG Düsseldorf, Urteil vom 23.6.2015 – 6 K 2138/14 K, EFG 2015, S. 1632. 37  BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218. 38  Das entspricht der ständigen Rechtsprechung, siehe oben S. 13 Fn. 2. 30  Pöhlmann,

178

§ 7 Praktische Anwendung auf problematische Fälle

Weniger eindeutig ist die Situation bei traditionellen Schützenbruderschaften.39 Der Bundesfinanzhof ging in seiner Pressemitteilung ersichtlich davon aus, dass nur Mitglieder gefördert würden.40 Andere argumentieren, Schützenbruderschaften würden in erster Linie die Öffentlichkeit fördern, nicht nur die eigenen Mitglieder.41 Welche Auffassung überzeugender ist, hängt zu einem großen Teil von den Umständen des konkreten Einzelfalls ab. Für die weitere Prüfung wird hier unterstellt, dass nur Mitglieder gefördert werden. b) Einfaches Recht Es wird unterstellt, dass es sich bei der Loge und bei der Schützenbruderschaft wie im vom Bundesfinanzhof entschiedenen Fall um einen eingetragenen Verein handelt, zunächst ist also Vereinsrecht zu prüfen. Nähere Regelungen zur Mitgliedschaft in einem Verein enthält § 38 BGB, doch ob es im Vereinsrecht zulässig ist, nur die Angehörigen eines Geschlechts als Mitglieder aufzunehmen, ergibt sich aus dieser Regelung nicht. In Ermangelung einer ausdrücklichen Regelung wird daher auf die Vereinsfreiheit Bezug ­ genommen, aus der abgeleitet wird, dass Vereine die Angehörigen eines ­ ­Geschlechts von der Mitgliedschaft ausschließen dürften.42 Der privatautonomen Entscheidung eines Vereins und seiner Mitglieder, nur Personen mit bestimmten Eigenschaften zur Mitgliedschaft zuzulassen, gebühre Vorrang vor den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgeboten.43 Auch aus dem AGG lässt sich in den meisten Fällen nicht ableiten, dass Vereine ihre Mitglieder nicht anhand des Geschlechts auswählen dürften.44 Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 2 AGG haben Interessenten nur dann einen Anspruch darauf, Mitglied in einer Vereinigung zu werden, wenn die Vereinigung eine 39  Die Frage wird angesprochen, aber nicht beantwortet bei Alber, in: Dötsch/ Pung/Möhlenbrock, KStG, § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG Rn. 21, 25; Hüttemann, Gemeinnützigkeitsrecht, Rn. 3.37; Michel, HFR 2017, S. 873, 878; Michel, jM 2017, S. 429, 431. 40  Andernfalls wäre es aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht unproblematisch, wenn nur die Angehörigen eines Geschlechts Mitglieder werden dürfen, siehe oben S. 172. 41  Vgl. Michel, HFR 2017, S. 873, 878. 42  Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 38 Rn. 7; zustimmend Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 101; im Ergebnis auch Ellenberger, in: Palandt, BGB, § 38 Rn. 4; Otto, in: Stöber/Otto, Vereinsrecht, IX. Rn. 196; van Randenborgh, in: Schauhoff, Hdb Gemeinnützigkeit, § 2 Rn. 41; Waldner/Wörle-Himmel, in: Sauter/Schweyer/ Waldner, Der eingetragene Verein, III. Rn. 70. 43  Waldner/Wörle-Himmel, in: Sauter/Schweyer/Waldner, Der eingetragene ­Verein, III. Rn. 70. 44  Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 43.



II. Förderung der Allgemeinheit bei Diskriminierungen179

überragende Machtstellung im wirtschaftlichen oder sozialen Bereich innehat und ein grundlegendes Interesse am Erwerb der Mitgliedschaft besteht. Beides ist weder bei einer Freimauerloge noch bei einer Schützenbruderschaft der Fall.45 Um die Vorgaben des spezielleren Vereinsrechts sowie des Diskriminierungsrechts nicht mithilfe von § 138 BGB zu umgehen,46 kann die Satzung auch nicht sittenwidrig sein. c) Verfassungsrecht Da sich kein Verstoß gegen einfaches Recht hat feststellen lassen, kommt es jetzt auf die Vereinbarkeit der Vereinssatzungen mit Verfassungsrecht an. Unter welchen Voraussetzungen Diskriminierungen anhand des Geschlechts zulässig sind, regelt Art. 3 Abs. 3 GG. Oben wurde bereits erläutert, dass diese Norm unterschiedliche Behandlungen von Männern und Frauen nur zulässt, wenn sie auf zwingenden sachlichen Gründen beruhen oder auf kollidierendes Verfassungsrecht gestützt werden können. Es gibt keine zwingenden sachlichen Gründe, warum nur Männer oder nur Frauen von der Tätigkeit einer Freimaurerloge profitieren könnten. Das zeigt sich deutlich an dem Umstand, dass es mittlerweile nur von Frauen besuchte Freimaurerlogen gibt sowie Logen, die Männer und Frauen aufnehmen.47 Gleiches gilt für Schützenbruderschaften. Hier kann auch kein kollidierendes Verfassungsrecht angeführt werden, weil die aus dem Gemeinnützigkeitsrecht folgenden Steuervergünstigungen nicht vom Schutzbereich der Vereinigungs- oder der Religionsfreiheit umfasst sind.48 Daher verstoßen Freimaurerlogen und Schützenbruderschaften gegen Art. 3 Abs. 3 GG, wenn sie nur die Angehörigen eines Geschlechts aufnehmen und fördern. In der Folge kann eine typische Freimaurerloge ebenso wenig gemeinnützig sein wie eine traditionelle Schützenbruderschaft. Es zeigt sich also, dass das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 17.5.201749 im Ergebnis überzeugt. 45  Um einen Wertungsgleichlauf mit den Anforderungen an Arbeitgeber zu erreichen, wird § 18 AGG teilweise entnommen, dass aus systematischen Gründen nur solche Vereinigungen von der Norm erfasst seien, die einen „Bezug zum Arbeits- und Wirtschaftsleben“ aufweisen, Suckow, in: Schleusener/Suckow/Plum, AGG, § 18 Rn. 40–44. Wenn man dieser Ansicht folgt, würde ein Verstoß gegen § 18 AGG bereits aus diesem Grund ausscheiden. 46  So auch Armbrüster, in: MüKo BGB, § 138 Rn. 21. 47  Dazu Pöhlmann, Freimaurer, S. 121–124. 48  Dazu siehe oben S. 49–51. 49  BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BStBl. II 2018, S. 218.

180

§ 7 Praktische Anwendung auf problematische Fälle

2. Männer- oder Frauengesangsverein Jetzt soll es um die Gemeinnützigkeit eines Gesangsvereins gehen, der nur die Angehörigen eines Geschlechts aufnimmt und dementsprechend auch nur Werke aufführt, die für Männer- oder Frauenchöre konzipiert sind. Ein solcher Verein verfolgt gemeinnützige Zwecke im Sinn von § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AO.50 Schwieriger zu beantworten ist dagegen die Frage, wer von der Tätigkeit eines Gesangsvereins profitieren soll, also nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO gefördert wird. Wenn die Mitglieder nur unter- und füreinander singen, werden nur Mitglieder gefördert. Dann würde sich die Frage stellen, ob musikalische Entscheidungen zwingende sachliche Gründe im oben dargestellten Sinn51 sind, die es rechtfertigen könnten, die Angehörigen eines Geschlechts vom Mitsingen auszuschließen. In der Praxis dürfte es allerdings kaum einen körperschaftlich organisierten Gesangsverein geben, der keinerlei Konzerte gibt oder in einer anderen Weise nach außen auftritt. Vielmehr wird man unterstellen können, dass gelegentliche Auftritte ein wesentlicher Bestandteil des Vereinslebens eines Gesangsvereins sind und Chorproben sowie die übrigen Aktivitäten des Vereins in erster Linie dazu dienen, diese Auftritte vorzubereiten. Dafür spricht auch, dass die Pflege der Geselligkeit unter Vereinsmitgliedern kein gemeinnütziger Zweck nach § 52 Abs. 2 Satz 1 AO ist,52 die Finanzverwaltung also bereits aus diesem Grund kaum einen Gesangsverein als gemeinnützig anerkennen dürfte, der in keiner Weise nach außen hin auftritt. Diese zentrale Bedeutung von Auftritten vor Publikum spricht dafür, bei einem Gesangsverein eher die Zuhörerschaft als die geförderte Allgemeinheit im Sinn von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO anzusehen, nicht die Sängerinnen oder Sänger.53 Damit zeigt sich, dass Männerchöre sowie Frauengesangsvereine ohne weiteres gemeinnützig sein können, auch wenn sie nur die Angehörigen eines Geschlechts aufnehmen.54 Schädlich wäre es nur, wenn bei Auftritten nur Männer oder nur Frauen als Publikum zugelassen würden. 50  Seer,

in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 25. oben S. 67, 88–89. 52  Jachmann, in: Gosch, AO/FGO, § 52 AO Rn. 32; zur Abgrenzung zwischen gemeinnützigen musikalischen Zwecken und nicht gemeinnütziger Pflege der Kameradschaft auch BFH, Urteil vom 11.3.1999 – V R 57/96 u. a., BStBl. II 1999, S. 331, 332. 53  So auch Brandl, in: AO-eKommentar, § 52 Rn. 6. 54  Im Ergebnis auch Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 52 AO Rn. 10. Zur ver­ fassungsrechtlichen Rechtfertigung von Knabenchören VG Berlin, Urteil vom 16.8.2019 – 3 K 113.19, BeckRS 2019, 26251. 51  Siehe



III. Zusammenfassung181

III. Zusammenfassung In diesem Abschnitt wurde zunächst deutlich, wie wichtig es ist, sorgfältig zu prüfen, wen eine gemeinnützige Einrichtung fördern will. Wenn eine gemeinnützige Körperschaft nicht ihre Mitglieder fördert, sondern das generelle Publikum, ist es unschädlich, wenn nicht jeder Mitglied werden kann. Daraus folgt für in der Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs angesprochenen Männergesangsvereine und Frauenchöre, dass sie in der Regel ohne weiteres als gemeinnützig anzuerkennen sind. Falls sich herausstellt, dass eine Einrichtung tatsächlich nur die Angehörigen eines Geschlechts fördert, lässt sich diese Diskriminierung nur mithilfe eines zwingenden sachlichen Grundes rechtfertigen. Solche sachlichen Gründe sind in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor allem biologische Gründe, insbesondere mit Schwangerschaft und Geburt verbundene Umstände. Da solche sachlichen Gründe bei traditionellen Freimaurerlogen und bei Schützenbruderschaften fehlen, können sie nicht gemeinnützig sein. Im Gemeinnützigkeitsrecht können Diskriminierungen anhand des Geschlechts dagegen nicht mittels kollidierenden Verfassungsrechts gerechtfertigt werden. Das liegt daran, dass die aus dem Gemeinnützigkeitsrecht folgenden Steuervergünstigungen keinen grundrechtlichen Schutz genießen. Weder die Vereinigungsfreiheit noch die Religionsfreiheit, aber auch kein anderes Grundrecht geben ein Anrecht auf Steuervergünstigungen für gemeinnützige Tätigkeit. Von der Vereinigungsfreiheit umfasst ist dagegen das Recht, frei über Mitglieder und Gesellschaftszweck einer Vereinigung zu bestimmen. Daher steht es Vereinen und anderen Gesellschaften frei, anhand des Geschlechts oder eines anderen Merkmals zu diskriminieren. Soweit sich diese Einrichtungen allerdings dafür entscheiden, auf eine vergleichbare Weise zu diskriminieren, haben sie kein Anrecht auf Steuervergünstigungen,55 denn die Allgemeinheit ist nicht dazu verpflichtet, diskriminierende Vereinstätigkeit steuerlich zu privilegieren. Wie bereits im ersten Teil dargestellt56 zeigt sich an dieser Stelle wieder, dass jede Körperschaft anhand der Vor- und Nachteile des Gemeinnützigkeitsrechts abwägen muss, ob sie zur Verwirklichung ihrer Zwecke die Gemeinnützigkeit anstrebt oder nicht. Neben die dort bereits genannten Faktoren tritt nun auch die Frage, ob steuerliche Vorteile oder ein Recht auf willkürliche Diskriminierungen vorzugswürdig sind. 55  So auch Heuermann, DStR 2017, S. 1749, 1754; vgl. auch BFH, Beschluss vom 7.2.2018 – V B 119/17, BFH/NV 2018, S. 544, 545. 56  Siehe oben S. 39–41.

§ 8 Schluss In seinem Urteil vom 17.5.2017 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO Einrichtungen nicht gemeinnützig sein können, die ohne ausreichende Rechtfertigung nur Männer oder nur Frauen fördern. Das Tatbestandsmerkmal Förderung der Allgemeinheit müsse als ­ Verweis auf die objektive Wertordnung ausgelegt werden, die insbesondere von den Grundrechten geprägt werde. Wenn eine Einrichtung gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 3 GG verstoße, könne sie daher nicht gemeinnützig sein.

I. Zusammenfassung Diese Entscheidung des Bundesfinanzhofs im Hinblick auf das Ergebnis, vor allem aber im Hinblick auf die Begründung zu überprüfen, war Ausgangspunkt dieser Untersuchung. In deren Verlauf hat sich herausgestellt, dass das Ergebnis des Bundesfinanzhofs überzeugt, mit einer anderen Herleitung als dem vom Bundesfinanzhof gewählten Ansatz allerdings noch etwas schlüssiger ist. Zu diesem Endergebnis haben mehrere Zwischenergebnisse beigetragen. Aus diesen Zwischenergebnissen lässt sich aber nicht nur ein Maßstab bilden, anhand dessen die Entscheidung des Bundesfinanzhofs überprüft werden kann. Vielmehr können die im Laufe der Untersuchung gefundenen Ergebnisse auch dazu verwendet werden, andere Auslegungsfragen zu beantworten, die sich im Zusammenhang mit § 52 Abs. 1 Satz 1 AO in Zukunft stellen könnten.

1. Einführung ins Gemeinnützigkeitsrecht1 Die Untersuchung begann mit einer kurzen historischen Einführung, in der deutlich wurde, dass Steuervergünstigungen für gemeinnützige Einrichtungen historisch auf zwei Gedanken zurückgehen: Gemeinwohlförderung und Staats­ entlastung.

1  Siehe

oben S. 17–52.



I. Zusammenfassung183

Dann hat ein Überblick über das heute geltende Gemeinnützigkeitsrecht gezeigt, dass gemeinnützige Einrichtungen von zahlreichen Steuervergünstigungen profitieren, die unter Umständen zu erheblichen Steuerersparnissen führen. In diesem Zusammenhang wurde aber auch deutlich, dass die Mehrheit der gemeinnützigen Körperschaften in Deutschland auch dann nur wenig oder gar keine Steuern zahlen müsste, wenn sie nicht gemeinnützig wäre. Da sich auch gezeigt hat, dass mit der Gemeinnützigkeit hohe Anforderungen an die Geschäftsführung von Körperschaften einhergehen, lautete das Fazit dieses Teils, dass es für Körperschaften nicht immer vorteilhaft ist, die Gemeinnützigkeit anzustreben. Vielmehr muss jede Einrichtung abwägen, ob für sie die Vorteile oder die Nachteile der Gemeinnützigkeit überwiegen. An dieser Stelle wurde auch deutlich, dass die aus der Gemeinnützigkeit folgenden Steuervergünstigungen nicht grundrechtlich geschützt sind. Damit war bereits hier klar, dass sich Einrichtungen gegenüber den Anforderungen des Gemeinnützigkeitsrechts nicht auf Grundrechte berufen können, und bei Streitigkeiten im Gemeinnützigkeitsrecht in der Regel auch kein kollidierendes Verfassungsrecht zugunsten der gemeinnützigen Einrichtung geltend gemacht werden kann.

2. § 52 Abs. 1 AO in Rechtsprechung, Literatur und Verwaltung2 Im Anschluss an diese allgemeinen Überlegungen zum Gemeinnützigkeitsrecht wurde untersucht, welche Schlussfolgerungen sich aus der Entstehungsgeschichte von § 52 Abs. 1 AO ziehen lassen. Dabei ist deutlich geworden, dass § 52 Abs. 1 Satz 2 AO seiner Entstehungsgeschichte und seinem Sinn und Zweck nach keine Fälle betrifft, in denen die Angehörigen eines Geschlechts von der Förderung ausgeschlossen werden. Die folgende Untersuchung hat sich daher auf § 52 Abs. 1 Satz 1 AO konzentriert. Die Ursprünge dieser Norm in der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs der 1920er Jahre haben veranschaulicht, dass § 52 Abs. 1 Satz 1 AO und seine Vorgängernormen schon immer Bezug auf das Gemeinwohl nahmen. Zu Änderungen bei der Auslegung der Norm kam es dementsprechend in erster Linie, weil sich das jeweilige Gemeinwohlverständnis geändert hatte. Der heute geltende Wortlaut von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO hat sich vor dem Hintergrund der Entstehungsgeschichte als nicht aufschlussreich erwiesen, sondern als eher zufälliges Resultat wechselnder Formulierungen in der Rechtsprechung.

2  Siehe

oben S. 53–99.

184

§ 8 Schluss

Mit diesen Erkenntnissen aus der Vergangenheit gewappnet, wurden die heute vertretenen Auslegungsansätze zu § 52 Abs. 1 Satz 1 AO dargestellt und analysiert. Dabei wurde deutlich, dass Rechtsprechung und Literatur § 52 Abs. 1 Satz 1 AO drei Voraussetzungen entnehmen. Nach übereinstimmender Ansicht müssen gemeinnützige Einrichtungen die geltende Rechtsordnung einhalten, außerdem soll § 52 Abs. 1 Satz 1 AO auch einen Verweis auf eine Art außerrechtlich zu konkretisierendes Gemeinwohl enthalten. Schließlich folge aus § 52 Abs. 1 Satz 1 AO auch, dass sich gemeinnützige Körperschaften im Rahmen der im Grundgesetz vorgesehenen Wertordnung halten müssten. Daraus folgt nach der Rechtsprechung insbesondere, dass gemeinnützige Einrichtungen an Grundrechte gebunden seien. Im Grundsatz stimmt dem auch die Literatur zu, doch welches Ausmaß diese Bindung hat, wird unterschiedlich beurteilt. An dieser Stelle ließ sich die Entscheidung des Bundesfinanzhofs in den Kontext der zivilgerichtlichen sowie der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Bindungen privater Einrichtungen an Art. 3 GG einordnen. Wenngleich sich herausstellte, dass das Urteil des Bundesfinanzhofs manche Ähnlichkeit mit Ansätzen der Zivilgerichte sowie des Bundesverfassungsgerichts aufweist, konnten weder zivilgerichtliche noch verfassungsgerichtliche Argumentationen unmittelbar auf das Gemeinnützigkeitsrecht übertragen werden. Unterschiede zur zivilgerichtlichen Entscheidungspraxis zeigten sich vor allem darin, dass es im Gemeinnützigkeitsrecht keinen Konflikt zwischen den Grundrechten zweier grundrechtsberechtigter Beteiligter gibt, sondern die grundrechtsberechtigte Körperschaft dem grundrechtsverpflichteten Staat gegenübersteht. Doch auch im Vergleich zum verfassungsgerichtlichen Ansatz traten Unterschiede zum Gemeinnützigkeitsrecht zutage, denn nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts sind private Einrichtungen nur dann an das Gleichbehandlungsgebot gebunden, wenn sie über eine besondere Macht verfügen. Daran fehlt es bei gemeinnützigen Einrichtungen in der Regel, nach Auffassung des Bundesfinanzhofs sollen sie aber trotzdem an Grundrechte gebunden sein.

3. Förderung der Allgemeinheit und das Gemeinwohl3 Da sich herausgestellt hat, dass weder die zivilgerichtliche noch die verfassungsrechtliche Argumentation die Bindung privater gemeinnütziger Einrichtungen an Grundrechte begründen können, wurde im folgenden Teil untersucht, ob sich auf Grundlage des Sinns und Zwecks von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO eine eigenständige Auslegung dieser Norm entwickeln lässt. 3  Siehe

oben S. 100–133.



I. Zusammenfassung185

Auf den Ergebnissen der vorangegangenen Teile aufbauend wurde klar, dass § 52 AO die Kernvorschrift des Gemeinnützigkeitsrechts ist, deren Aufgabe es ist, nur solchen Einrichtungen Steuervergünstigungen zu gewähren, die nach Sinn und Zweck des Gemeinnützigkeitsrechts förderungswürdig sind. Damit war die Frage nach Sinn und Zweck des Gemeinnützigkeitsrechts aufgeworfen, die unter Rückgriff auf die Rechtfertigung der Steuererhebung sowie staatlicher Tätigkeit insgesamt dahingehend beantwortet wurde, dass gemeinnützige Einrichtungen das Gemeinwohl fördern müssen. Damit allein lässt sich das Gemeinnützigkeitsrecht allerdings noch nicht begründen, denn auch Steuern dienen dazu, staatliche Gemeinwohlförderung zu finanzieren, insoweit steht also Gemeinwohl gegen Gemeinwohl. Dieser Gemeinwohlkonflikt konnte durch einen Verweis auf die grundrechtsfördernde Funktion gemeinnütziger Einrichtungen aufgelöst werden, dadurch hat sich die Gemeinwohlförderung durch gemeinnützige Einrichtungen gegenüber der Gemeinwohlförderung durch den Staat als vorrangig erwiesen. Nach der hier vertretenen Auffassung folgt daraus für das Gemeinnützigkeitsrecht, dass es nur dann gerechtfertigt ist, gemeinnützige Einrichtungen vollumfänglich von den üblichen steuerlichen Pflichten freizustellen, wenn sie für die Gesellschaft eine Gemeinwohl-Leistung anbieten, die inhaltlich und qualitativ den Gemeinwohl-Leistungen entspricht, die der Staat mithilfe von Steuergeldern erbringt. Da der Staat bei jeder Handlung dem Gemeinwohl als oberstem Staatsziel verpflichtet ist, folgt daraus auch für gemeinnützige Einrichtungen, dass sie nach dem Gemeinwohl streben müssen, und insoweit den gleichen Anforderungen unterliegen wie der Staat.

4. Gemeinwohl als Tatbestandsmerkmal4 Im Anschluss daran wurden anhand mehrerer Beispiele verschiedene ­ ypen von Normen dargestellt, in denen jeweils das Gemeinwohl oder ein T synonymer Begriff als Tatbestandsmerkmal dient. Nachdem deutlich wurde, dass es sich bei den Steuervergünstigungen des Gemeinnützigkeitsrechts um Tatbestände handelt, die unter Bezug auf das Gemeinwohl Ausnahmen von belastenden Regelungen anordnen, wurde herausgearbeitet, wie solche Gemeinwohl-Ausnahmetatbestände üblicherweise ausgelegt werden. Während das Gemeinwohl in diesen Normen häufig als Verweis auf Wertungen im selben Gesetz oder in der übrigen Rechtsordnung verstanden wird, hat es sich für § 52 Abs. 1 Satz 1 AO als zweckmäßig erwiesen, die Norm als Verweis auf höherrangiges Recht zu verstehen, also als Verweis auf das Grundgesetz. 4  Siehe

oben S. 134–150.

186

§ 8 Schluss

5. Inhalt des Gemeinwohls5 Im nächsten Teil wurde untersucht, ob sich dem Grundgesetz ein Gemeinwohl-Begriff für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO entnehmen lässt. Aus den Entscheidungen des Grundgesetzes für eine Demokratie, die in erster Linie dem Schutz der Menschenwürde verpflichtet ist, ließ sich ableiten, dass dem Grundgesetz kein außerrechtlicher, der Bevölkerung vorgegebener Gemeinwohlbegriff zugrunde liegt, sondern das Volk im Rahmen der repräsentativen Demokratie grundsätzlich selbst entscheidet, was als Gemeinwohl gelten soll. Daher wird das Gemeinwohl in erster Linie durch die geltenden Gesetze bestimmt, es gilt also ein prozeduraler Gemeinwohlbegriff. Daneben enthält das Grundgesetz aber auch einige Vorgaben für ein materiales Gemeinwohl. Diese Vorgaben ergeben sich aus zahlreichen Normen, für die Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO enthalten aber vor allem die Grundrechte sowie insbesondere Art. 1 Abs. 1 GG inhaltliche Vorgaben. Daraus folgt, dass gemeinnützige Einrichtungen gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1 AO zunächst die einfachgesetzlichen Ausgestaltungen des Gemeinwohls beachten müssen, darüber hinaus aber auch die Grundrechte sowie insbesondere die Menschenwürde achten müssen. Die Anforderungen an gemeinnützige Einrichtungen entsprechen dabei den Anforderungen an staatliches Handeln. Ob die Menschenwürde beziehungsweise Grundrechte verletzt werden, richtet sich nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben.

6. Praktische Anwendung auf problematische Fälle6 Diese Ergebnisse wurden im nächsten Teil praktisch angewendet. Zunächst wurde in einem Exkurs die Frage angesprochen, ob eine gemeinnützige Einrichtung bei ihrer Tätigkeit anhand der Staatsangehörigkeit der Geförderten differenzieren darf. Obwohl die Staatsangehörigkeit kein in Art. 3 Abs. 3 GG genanntes Merkmal ist, hat sich an dieser Stelle gezeigt, dass an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Diskriminierungen aus verfassungsrechtlicher Sicht nur schwer zu rechtfertigen sind. Im konkreten Fall ließ sich die Diskriminierung nicht rechtfertigen, weil die in Rede stehende Maßnahme nicht erforderlich war. Daher durfte die gemeinnützige Einrichtung hier nicht nach der Staatsangehörigkeit differenzieren. Dann wurden verschiedene Fallkonstellationen untersucht, in denen gemeinnützige Einrichtungen anhand des Geschlechts unterscheiden, also nur die Angehörigen eines Geschlechts fördern. Als erste Frage war dabei immer 5  Siehe 6  Siehe

oben S. 151–171. oben S. 172–181.



II. Ausblick187

zu untersuchen, wen eine gemeinnützige Einrichtung fördern will, denn § 52 Abs. 1 Satz 1 AO bezieht sich auf die Geförderten, nicht auf die Mitglieder einer Einrichtung. Bereits an dieser Stelle wurde deutlich, dass Frauenchöre und Männergesangsvereine gemeinnützig sein können, weil sie nicht die Sängerinnen und Sänger fördern, sondern das allgemeine Publikum. Freimaurerlogen sowie Schützenbruderschaften können dagegen nicht gemeinnützig sein, wenn sie nur die Angehörigen eines Geschlechts aufnehmen. Beide Einrichtungen fördern nur ihre Mitglieder. Daher dürfen sie den Kreis der Mitglieder nur dann anhand des Geschlechts begrenzen, wenn es dafür einen sachlich zwingenden Grund gibt. Da ein solcher Grund nicht vorliegt, fehlt es an einer Förderung der Allgemeinheit im Sinn von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO.

II. Ausblick Die Entscheidung des Bundesfinanzhofs hat die konkrete Rechtsfrage zur Gemeinnützigkeit von Einrichtungen, die nur die Angehörigen eines Geschlechts fördern, im Ergebnis überzeugend beantwortet. Unsicherheiten verbleiben allerdings insoweit, als nicht ganz klar ist, wie weit die Bindung gemeinnütziger Einrichtung an Grundrechte nach der Rechtsprechung gehen soll. Daneben ist auch noch offen, ob der Bundesfinanzhof bei der Auslegung von § 52 Abs. 1 Satz 1 AO unter Umständen nach wie vor auf außerrecht­ liche Kriterien zurückgreifen könnte. Falls sich der Gesetzgeber tatsächlich entschließt, das Urteil des Bundes­ finanzhofs vom 17.5.2017 in die AO umzusetzen, wäre es wünschenswert, wenn zumindest in der Gesetzesbegründung auch auf diese Fragen eingegangen würde. Eine klarstellende Regelung, die nur die Entscheidung des Bundesfinanzhofs in Bezug auf Diskriminierungen anhand des Geschlechts umsetzt, wäre eher politischer Aktionismus als sinnvolle Rechtsentwicklung.

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208 Literaturverzeichnis Rauschgiftdealern – BFH NJW 2000, 2918, 2919 und 3085, JuS 2000, S. 1059– 1069 Wedemann, Frauke: Gemeinnützige Personengesellschaften? NZG 2016, S. 645–650 Weitemeyer, Birgit: Zum Entzug der Gemeinnützigkeit monogeschlechtlicher Vereine, npor 2020, S. 67–68 Weitemeyer, Birgit/Kamp, Florian: Zulässigkeit politischer Betätigungen durch gemeinnützige Organisationen, DStR 2016, S. 2623–2628 Weitemeyer, Birgit/Wrede, Kathrin: Genderfragen in Non-Profit-Organisationen, npor 2018, S. 3–13 Welti, Felix: Rechtsgleichheit und Gleichstellung von Frauen und Männern, JA 2004, S. 310–312 Welzel, Christian: Gemeinwohl als Bürgerwohl: Die Perspektive der Humanentwicklung, Schuppert, Gunnar Folke/Neidhardt, Friedhelm (Hrsg.), Gemeinwohl – Auf der Suche nach Substanz, Berlin 2002, S. 109–126 Wendt, Michael/Suchanek, Markus/Möllmann, Peter/Heinemann, Peter: Gewerbesteuergesetz, Köln 2019 Wernsmann, Rainer: Verfassungsrechtliche Anforderungn an die Einführung und Ausgestaltung von Steuervergünstigungen, NJW 2000, S. 2078–2080 Wernsmann, Rainer: Viel Lärm um nichts? – Die Ökosteuer ist verfassungsgemäß, NVwZ 2004, S. 819–821 Wernsmann, Rainer: Bindung Privater an Diskriminierungsverbote durch Gemeinschaftsrecht, JZ 2005, S. 224–233 Wernsmann, Rainer: Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, Tübingen 2005 Wernsmann, Rainer: Steuerlenkung, in: Kube, Hanno/Mellinghoff, Rudolf/Morgenthaler, Gerd/Palm, Ulrich/Puhl, Thomas/Seiler, Christian (Hrsg.), Leitgedanken des Rechts – Festschrift für Paul Kirchhof zum 70. Geburtstag, Heidelberg 2013, S. 1645–1656 Wernsmann, Rainer: Die Finanzverfassung als Rahmen der Besteuerung, StuW 2018, S. 100–112 Westerhoff, Rudolf: Die Elemente des Beweglichen Systems, Berlin 1991 Westermeyer, Sebastian: Die Herausbildung des Subsidiaritätsverhältnisses zwischen Familie und Staat und seine heutige Bedeutung im Grundgesetz, Baden-Baden 2010 Weymüller, Rainer (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar Umsatzsteuergesetz, München, Stand Oktober 2020 Wieland, Joachim: Ist eine Quotenregelung zur Erhöhung des Anteils der Frauen in Aufsichtsräten mit dem Grundgesetz und Europarecht vereinbar?, NJW 2010, S. 2408–2410 Wiemers, Matthias: Anmerkung zu BFH, Urteil vom 17.5.2017 – V R 52/15, BB 2017, S. 2148–2152

Literaturverzeichnis209 Wiesner, Cornelius: Zur Zulässigkeit gesellschaftspolitischer Aktionen und von Geschlechtsrabatten einer kommunalen Verkehrsanstalt, KommJur 2019, S. 286 und 361 Willoweit, Dietmar/Schlinker, Steffen: Deutsche Verfassungsgeschichte, 8. Aufl. München 2019 Winheller, Stefan/Geibel, Stefan/Jachmann-Michel, Monika (Hrsg.): Gesamtes Gemeinnützigkeitsrecht, 2. Aufl. Baden-Baden 2020 Wionzeck, Lukas: Steuerliche Gemeinnützigkeit nach Freimaurerlogenurteil, Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (GWR) 2017, S. 409–412 Wittreck, Fabian: „Republik“ als verfassungsunmittelbare Grundrechtsschranke?, in: Gornig, Gilbert/Schöbener, Burkhard/Bausback, Winfried/Irmscher, Tobias (Hrsg.), Iustitia et Pax – Gedächtnisschrift für Dieter Blumenwitz, Berlin 2008, S. 881–899 Zeumer, Karl: Zur Geschichte der Reichssteuern im früheren Mittelalter, Darmstadt 1955 Zezwitschtz, Friedrich v.: Das Gemeinwohl als Rechtsbegriff, Diss. Marburg 1967 Zippelius, Reinhold: Allgemeine Staatslehre, 17. Aufl. München 2017 Zippelius, Reinhold/Würtenberger, Thomas: Deutsches Staatsrecht, 33. Aufl. München 2018 Zuck, Rüdiger: Subsidiaritätsprinzip und Grundgesetz, Diss. Tübingen 1963

Sachverzeichnis Äquivalenz  103, 124 ff. Ausschließlichkeit  26 f. Demokratieprinzip  108, 154, 158 f., 186 Drittwirkung der Grundrechte  92 ff. Finanzierung  32 f. Folgerichtigkeitsgebot  113 ff. Freimaurer  1, 26, 70 f., 177 Gemeinnütziger Zweck  23 ff., 37 Gemeinwohl  18, 52, 68 ff., 73 ff., 104 ff., 111 ff., 118 ff., 134 ff., 151 ff. Gemeinwohlverantwortung  109, 111, 124 Gesangsverein  180 Geschäftsführung  22 f., 27 ff., 42 ff., 84, 174 Geschlecht  14 f., 25, 55, 59, 63, 65 ff., 76 ff., 81 f., 87 ff., 177 ff. Gleichberechtigung  24 f., 88 ff. Gleichstellung  89 f. Kirchlicher Zweck  130 ff. Meinungsumfragen 155 f. Menschenwürde  161 f. Mildtätiger Zeck  129 f. Objektive Wertordnung  69 f., 75, 92 ff. Öffentliches Interesse  64 f., 73 f., 118 ff., 137 ff.

Rechtsstaatsprinzip  78, 145, 167, 170 Religion  26, 71, 89, 112, 130 ff., 165, 179 Republikprinzip  106 ff., 167 Satzung  22 f., 26, 29, 41 ff., 48, 178 f. Schützenbruderschaft  77, 177 ff. Selbstlosigkeit  28 f., 33 f., 101 Sozialstaatsprinzip  109 f., 129 f., 167 ff., 176 Spenden  20, 33 ff., 49, 115 ff. Staatsangehörigkeit  172 ff. Staatsentlastung 21, 52, 111 ff., 126 f., 129 f. Staatsziele  104, 165 ff. Staatszwecke  104 ff., 112, 151 f. Steuerstaat  78, 102 f., 128 Steuervergünstigung  30 ff., 49 f., 113 ff. Stiftung  21, 33 ff., 51, 139 ff., Subsidiaritätsprinzip  116, 121 ff. Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung  136 f., 146 Tradition  66 f., 70 f., 77 f., 91 Unmittelbarkeit  27 Verein  21 f., 33 ff., 39, 48 ff., 77 f., 140 f., 172 ff. Vereinigungsfreiheit  49 ff., 174, 179 Willkürverbot  77, 114 f., 175 Zeitgeist  73 ff., 83 f.