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German Pages 299 Year 2005
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 188
Die Begrenzung der Aktionärsrechte der öffentlichen Hand Von Andre P. H. Wandt
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
ANDRE P. H. WANDT
Die Begrenzung der Aktionärsrechte der öffentlichen Hand
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 188
Die Begrenzung der Aktionärsrechte der öffentlichen Hand Von Andre P. H. Wandt
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg hat diese Arbeit im Sommersemester 2004 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D 16 Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 3-428-11787-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2004 von der Juristischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg angenommen. Mein Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard SchmidtAßmann, der mir bei der Wahl und der Bearbeitung des Themas freie Hand ließ und sie mit wertvollen Impulsen unterstützte. Bei Herrn Prof. Dr. Christian Schubel bedanke ich mich für die Erstellung des Zweitgutachtens. Bei der Sozietät Gleiss Lutz, Stuttgart, stellvertretend genannt seien Herr Dr. Hans Schlarmann und Herr Dr. Bernd Schieferdecker, möchte ich mich für die wertvollen Gespräche, die praktischen Erfahrungen und die Eröffnung der großartigen Bibliothek bedanken. Auch danke ich allen, die mich während der gesamten Zeit der Entstehung der Arbeit unterstützt haben. Mit Blick auf Diskussionen, Anregungen und Lesearbeiten möchte ich hier Referendarin Chris Nitsche, Rechtsreferendar Dipl.Betriebswirt (BA) Ulf-Gerson Kemper LL.M. (com), Rechtsanwältin Dr. Corinna Mickel, Rechtsreferendarin Jasmin Gerhard, die wissenschaftliche Mitarbeiterin Meike Eekhoff sowie den wissenschaftlichen Mitarbeiter Benjamin Gündling nennen. Ein besonderer Dank gilt weiterhin meinen Eltern, die mich über all die Jahre und auch bei diesem Werk begleitet und vollends unterstützt haben. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Darmstadt, im Dezember 2004
Andre P. H. Wandt
Inhaltsübersicht §1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
Erster Teil Grundlegung
27
§2
Die Grundrechtsfähigkeit der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
§3
Raum für ein Sonderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
§4
Die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters im Licht des Art. 14 GG . . . . . .
65
Zweiter Teil Die Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten
117
§5
Die untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse und ihre Eigentumsrelevanz . . . . 117
§6
Grundrechte im Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
§7
Die untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Dritter Teil Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
169
§8
Der privatrechtlich handelnde Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
§9
Verhältnismäßigkeit der untersuchten Normen bei staatlichem Handeln . . . . . . . . . . 173
§ 10 Vereinbarkeit des Sonderrechts mit dem Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 § 11 Zwischenergebnis und Ausblick auf verwandte Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241
10
Inhaltsübersicht
§ 12 Rückausnahmen, insbesondere: Die wirtschaftlich gescheiterte AG . . . . . . . . . . . . . . . 244 § 13 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
Inhaltsverzeichnis §1
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
I. Gegenstand der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
II. Themenbegrenzung und Begriffsklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
III. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
26
Erster Teil
§2
Grundlegung
27
Die Grundrechtsfähigkeit der Beteiligten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
I. Die Grundrechtsposition der natürlichen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
1. Die Grundrechtsberechtigung der natürlichen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
2. Keine Grundrechtsbindung der natürlichen Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
3. Ergebnis und Erstreckung auf juristische Personen des Privatrechts . . . . . . . .
28
II. Die Grundrechtsposition des Staates als Aktionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
1. Der Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
2. Auslegung des Art. 1 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
3. Keine Ausnahme von der Grundrechtsbindung wegen eigener Grundrechte des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
a) Grundrechte aufgrund einer Konkurrenzsituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
31
b) Grundrechte bei fehlender Staatlichkeit der Handlungen . . . . . . . . . . . . . . .
35
aa) Grundrechte bei fehlender Wahrnehmung staatlicher Aufgaben . . .
35
bb) Grundrechtsfähigkeit wegen des Fehlens hoheitlicher Mittel . . . . . . .
36
c) Grundrechte wegen zu sichernder Freiheitssphären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
d) Grundrechtsschutz wegen besonderer, nicht dem Individualschutz dienender Grundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
e) Grundrechtsschutz wegen Rechtsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
38
12
§3
§4
Inhaltsverzeichnis f) Ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts und ihre Wettbewerbsteilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
g) Einfluss des Europarechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
h) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
41
Raum für ein Sonderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
I. Ablehnung des Verwaltungsgesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
II. Verbleibender Raum für ein Sonderrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
1. Die öffentliche Hand als atypisches Privatrechtssubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
2. Keine Umkehrung der Entscheidung für das Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
a) Beschränkung der relevanten Bindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
b) Beschränkung der Rechtmäßigkeitsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
51
3. Vorrang des einfachen Rechts und des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
a) Vorrang des einfachen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
55
b) Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
c) Das Privatrecht als Rahmenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
56
d) Möglichkeit verfassungskonformer Reduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
57
III. Verbleibender Raum neben dem Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
1. Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
2. Anwendbarkeit des Konzernrechts auf Beteiligungen der öffentlichen Hand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
60
3. Die Frage nach der Sperrwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
a) Durch das Recht der Unternehmensverträge gem. §§ 292 ff. AktG . . . . .
62
b) Durch das Recht der faktischen Konzerne gem. §§ 311 ff. AktG . . . . . . .
63
4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
64
Die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters im Licht des Art. 14 GG . . . . . .
65
I. Eigentum als normgeprägtes Grundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
1. Bedürfnis eines genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs . . . . . . . . .
65
a) Grundsätzliches Erfordernis eines genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
Inhaltsverzeichnis b) Überprüfung des Ansatzes anhand der Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13 67
aa) Widerspruch zur Stellung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
bb) Der dreigliedrige Prüfungsaufbau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
68
2. Funktionen des Verfassungseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
a) Bindung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69
b) Bedeutung als Auslegungsmittel – Zugleich zur Bedeutung einfachgesetzlicher Zuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
c) Bedeutung für den Umfang des Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
74
II. Das Wesen des genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs . . . . . . . . . . . .
75
1. § 903 S. 1 BGB als genuin verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff . . . . . .
75
2. Die einzelnen Wesensmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
a) Das Verfügungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
aa) Die tatsächliche Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
76
bb) Die rechtliche Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
b) Das Recht zur Ausschließung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
c) Privatnützigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
78
3. Absicherung des zivilrechtsakzessorischen Eigentumsbegriffs . . . . . . . . . . . .
79
a) Kritikpunkt: Vorrechtliches Schutzgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
79
b) Kritikpunkt: Eigentümerbelieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
80
c) Kritikpunkt: Einheitlicher Eigentumsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
81
d) Kritikpunkt: Gleichrangigkeit von öffentlichem Recht und dem Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
e) Kritikpunkt: Ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
aa) Traditionelle Ratio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
bb) These vom Ratiowandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
84
cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
85
dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
III. Das Anteilseigentum als Teil der Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
87
1. Grundsätzliche Anerkennung des Anteilseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
88
2. Bezugspunkt des Anteilseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
a) Die Ausgangslage nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
14
Inhaltsverzeichnis b) Trennungstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
c) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
d) Privatnützigkeit uneigennütziger Gesellschafterrechte . . . . . . . . . . . . . . . . .
94
3. Anwendbarkeit des sachgeprägten Eigentumsbegriffs auf das Anteilseigentum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
IV. Die verfassungsrechtliche Stellung des einzelnen Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Vorfrage: Die Frage nach der gesonderten Beurteilung der Minderheitsgesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 a) Die Linie der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 b) Weiterentwicklungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 c) Gegenmeinung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 d) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 aa) Bejahung der Existenz mitgliedschaftlicher Rechte auch für Kleinaktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 bb) Würdigung der Wertung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 e) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 2. Die Befugnisse – Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 3. Die Verkehrsfähigkeit der Aktie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 a) Grundsatz: Die Verkehrsfähigkeit nach dem AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 aa) Ausschluss wegen Grundrechtskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 bb) Möglichkeit zur rechtlichen Verfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 cc) Bedeutung für die Leitungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 dd) Einfachgesetzliche Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Möglichkeit zur Veräußerung über die Börse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 4. Bedeutung des Wertes der Gesellschaftsanteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 a) Der Verkehrswert als eigenständiges Schutzobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Verkehrswert als Voraussetzung des Grundrechtsschutzes . . . . . . . . . . . . . . 114 c) Verbleibende Bedeutung für den Eigentumsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
Inhaltsverzeichnis
15
Zweiter Teil Die Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten §5
117
Die untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse und ihre Eigentumsrelevanz . . . . 117 I. Auflösung gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG und übertragende Auflösung gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 i.V. m. § 179a Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Voraussetzungen der Auflösung gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG . . . . . . . . . . . . 117 2. Voraussetzungen der übertragenden Auflösung gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 i.V. m. § 179a Abs. 3 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 a) Voraussetzungen der übertragenden Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 b) Insbesondere: Die Sicherstellung des angemessenen Ausgleichs . . . . . . . 120 3. Bedeutung hinsichtlich Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Squeeze-out gem. §§ 327a ff. AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Voraussetzungen und Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Der Hauptaktionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 b) Der Hauptversammlungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 c) Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Bedeutung hinsichtlich Art. 14 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 III. Umwandlung gem. §§ 238 ff. UmwG – Formwechsel zur GmbH . . . . . . . . . . . . . 125 1. Wesen und Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Betroffene Aspekte des Anteilseigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Unterschied zwischen Aktie und GmbH-Anteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 b) Bestandsinteresse beim Verlust der Rechtsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126
§6
Grundrechte im Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Privatrecht als Grundrechtskollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 1. Die Kollisionslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 2. Folgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Für die beteiligten Privatpersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Für den Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
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Inhaltsverzeichnis 3. Maßstäbe für den ausgestaltenden Gesetzgeber nach der h. M. . . . . . . . . . . . . 130 a) Hinsichtlich der belastenden Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 b) Hinsichtlich der belasteten Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 c) Ergebnis der h.M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 4. Ansätze zur Ablehnung des Untermaßverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Anerkennung objektiver Grundrechtswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Die abwehrrechtliche Lösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 c) Gegenthese nach Hager: Übermaßverbot wegen unmittelbarer Bindung des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 d) Die Kongruenzthese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 5. Rein objektivrechtliche Lösungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 a) Die Frage nach der spezifischen objektiven Wirkung der Grundrechte im Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 b) Ausschließliche Geltung der staatlichen Schutzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . 143 6. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 II. Die Besonderheiten des Vertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Die Sonderrolle des Vertragsrechts im Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Unterscheidung zwischen Vertrag und Delikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Die Bedeutung der Privatautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 c) Notwendigkeit einer Beschränkung der aufgezeigten Lösung . . . . . . . . . . 148 2. Der Gesellschafterbeschluss als vertragsähnliches Rechtsgeschäft . . . . . . . . . 149 a) Rechtsnatur des Gesellschafterbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 b) Bedeutung des Gesellschaftsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Satzungsstrenge im Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 bb) Der freiwillige Erwerb der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 III. Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Eigentumsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Besonderheit der Eigentumsgarantie als normgeprägtes Grundrecht . . . . . . . 154 a) Ausgangsthese: Übertragbarkeit der Maßstäbe auch auf die Ausgestaltung eines Grundrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 b) Grundsätzliche Vergleichbarkeit der Situation innerhalb und außerhalb des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155
Inhaltsverzeichnis
17
c) Bedeutung der Grundrechtsbelastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 aa) Begründung von Schutzpflichten schon bei der Ausgestaltung . . . . . 156 bb) Entsprechung hinsichtlich der Eingriffssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 d) Bezugsgröße der verfassungsrechtlichen Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 aa) Die Leitidee des grundsätzlich unbegrenzten Eigentums . . . . . . . . . . 158 bb) Gegenthese: Begrenzung auf die Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 cc) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 e) Ablehnung einer verminderten Intensität der Bindungen bei der Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Mögliche Abweichung aufgrund der Gemeinwohlbindung gem. Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 a) Die Bindung des ausgestaltenden Gesetzgebers gem. Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Abgrenzung zur Gemeinwohlklausel gem. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG . . . . . 162 §7
Die untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Normen unter Privaten . . . . . . . . . . . . . . 164 II. Abgrenzung zur Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 2. Zulässigkeit der Regelung durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen . . . 167
Dritter Teil Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat §8
169
Der privatrechtlich handelnde Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 I. Die Möglichkeit abweichender Grenzen bei staatlichem Handeln . . . . . . . . . . . . . 169 II. Bedeutung der Kollisionslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 III. Übermaß- oder Untermaßverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170
§9
Verhältnismäßigkeit der untersuchten Normen bei staatlichem Handeln . . . . . . . . . . 173 I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173
2 Wandt
18
Inhaltsverzeichnis II. Die Bedeutung besonderer Gesichtspunkte in der Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . 174 1. Ausschluss der Schutzwürdigkeit durch mangelnden Vertrauensschutz . . . . 174 a) Die vollständige Verneinung der Relevanz der Grundrechte . . . . . . . . . . . . 174 aa) Das Argument fehlender Schutzwürdigkeit aus der Diskussion um die Grundrechtsfähigkeit gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen 174 bb) Verneinung eines Grundrechtsverzichts kraft Aktienerwerbs . . . . . . . 175 b) Die Bedeutung mangelnden Vertrauens in den Fortbestand der Rechtsstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Mangelndes Vertrauen wegen freiwilliger Mitwirkung am konkreten Rechtsgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Herabsetzung des Vertrauensschutzes wegen der Einordnung in ein Organisationsgefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Grundrechtsmissbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Vorüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Tatbestand des Grundrechtsmissbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 c) Vorbildfunktion des Art. 18 GG – Missbrauch als Wertungsfrage . . . . . . 182 d) Bedeutung des Missbrauchsurteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 aa) Kein Ausschluss des Schutzbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 bb) Bedeutung in der Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 f) Treupflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 g) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 3. Bedeutung von Kompensationsleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Entschädigungen bei den hier diskutierten Hauptversammlungsbeschlüssen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 b) Ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen . . . . . . . . . . . . 188 aa) Zulässige Arten der Kompensation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 bb) Mögliche Adressaten der Kompensationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 cc) Erfordernis einer Wertverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 dd) Der Kreis der Kompensationsempfänger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 ee) Wahrung der Formerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Die Kompensation im vorliegenden Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194
Inhaltsverzeichnis
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bb) Keine Rechtfertigung allein durch Kompensationsleistung . . . . . . . . 195 cc) Einschränkung der Hauptversammlungsbeschlüsse wegen des Vorrangs des Bestandsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 III. Verfassungssubjektivität der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 1. Der Ansatzpunkt der Scheidemantel II-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 2. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 3. Exkurs: Kein Ausschluss der Grundrechtskollision durch eigene Grundrechte der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 4. Kein abweichendes Ergebnis aus einer Gemeinwohlbindung des Vorstands 201 IV. Leistungsfähigkeit der AG und Interessen der Gesamtwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . 202 1. Der Verweis auf die Feldmühle-Entscheidung des BVerfG . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 2. Die Funktionsfähigkeit der AG und die Interessen der Gesamtwirtschaft . . 203 a) Die Abhängigkeit der Gesamtwirtschaft von der unternehmerischen Initiative . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Der Zusammenhang zwischen Einzelgesellschaft und Gesamtwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 V. Ingerenzpflicht und öffentlicher Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 1. Demokratische Legitimation – Der Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 2. Der Legitimationszusammenhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 3. Möglichkeit der Einflussnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 a) Minderung der Einflussnahme durch den Zielkonflikt mit den privaten Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Verbesserung des Einflusses beim Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 c) Begrenzung der Legitimationsanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 aa) Zur Legitimation in einer unveränderten AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 bb) Bedeutung des Transparenzgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 cc) Bedeutung des Vertrauensschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 dd) Bedeutung privater Grundrechtsausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 ee) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 VI. Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 1. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 2*
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Inhaltsverzeichnis 2. Wirtschaftlichkeit als Teil des Verfassungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 a) Bedeutung des Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 b) Grundrechte und Gemeinwohlverpflichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 c) Vorwurf mangelnder Bestimmtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 3. Wirtschaftlichkeit im vorliegenden Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 a) Anwendbarkeit des Wirtschaftlichkeitsprinzips auf Gesellschafterbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Ermittlung der Wirtschaftlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 4. Die Frage nach der Rechtfertigung der Grundrechtsbelastungen . . . . . . . . . . . 228 a) Geeignetheit und Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 b) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
§ 10 Vereinbarkeit des Sonderrechts mit dem Gleichheitssatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 I. Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 II. Ungleichbehandlung im vorliegenden Fall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 III. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 1. Die anzuwendende Perspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 2. Der anzuwendende Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 a) Willkürverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 b) Geltung des Übermaßverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 aa) Besonderheiten der Ungleichbehandlung bei Schutzgewähr . . . . . . . 239 bb) Reduktion auf ein Willkürverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 cc) Beschränkung des Merkmals der Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 § 11 Zwischenergebnis und Ausblick auf verwandte Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 I. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 II. Ausblick auf verwandten Fallgestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 1. Anwendbarkeit des Sonderrechts auf weitere Fragen des privaten Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 2. Anwendbarkeit des Sonderrechts auf Kooperationen in öffentlich-rechtlicher Organisationsform und gemischt-öffentliche Unternehmen . . . . . . . . . 242
Inhaltsverzeichnis
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3. Anwendbarkeit des Sonderrechts bei der Zwischenschaltung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 § 12 Rückausnahmen, insbesondere: Die wirtschaftlich gescheiterte AG . . . . . . . . . . . . . . . 244 I. Der Ausgangspunkt: Die Sonderrolle der wirtschaftlich gescheiterten AG . . . . 244 II. Die Begründung einer Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 1. Unergiebige Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 2. Verneinung des Grundrechtseingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Das Nebeneinander von Auflösung und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 aa) Die Regelung des § 262 Abs. 1 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 bb) Keine Insolvenzabwendungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) Die These vom Bagatelleeingriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 3. Rechtfertigung der in dem Hauptversammlungsbeschluss liegenden Belastung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 a) Bedeutung der gerichtlichen Überprüfung – zugleich zur Erforderlichkeit der Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 b) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 4. Rechtfertigung des Hinausdrängens zu Sanierungszwecken . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Angemessenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 III. Weitere Rückausnahme: Der Grundrechtsmissbrauch im Einzelfall . . . . . . . . . . . 255 § 13 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
Abkürzungsverzeichnis Über die allgemein gebräuchlichen Abkürzungen hinaus wird Bezug genommen auf Kirchner, Hildebert / Butz, Cornelie, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Aufl. 2003, Berlin. Davon abweichend oder darüber hinausgehend fanden die folgenden Abkürzungen Verwendung: abl.
ablehnend
abw.M.
abweichende Meinung
ähnl.
ähnlich
allg.
allgemein
ausdr.
ausdrücklich
ausf.
ausführlich
Darst.
Darstellung
Def.
Definition
ders.
derselbe
desh.
deshalb
dies.
dieselbe(n)
Fn.
Fußnote(n)
g.h.M.
ganz herrschende Meinung
insb.
insbesondere
krit.
kritisch
Nachw.
Nachweis(e)
Rhl.-Pfl. DenkmalSchG
Denkmalschutzgesetz Rheinland-Pfalz
Rücks.
Rückseite
StWStP
Staatswissenschaften und Staatspraxis (Zeitschrift)
ZInsO
Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht
zusammenf.
zusammenfassend
Zush.
Zusammenhang
zust.
zustimmend
zutr.
zutreffend
§ 1 Einleitung I. Gegenstand der Untersuchung Der Einfluss des Verfassungsrechts auf das Aktienrecht hat schon recht früh das Bundesverfassungsgericht beschäftigt1 und in Folge ergingen bedeutende Entscheidungen zu diesem Gebiet2. Gleichwohl wurde noch bis vor kurzem ein Schattendasein dieses Themas beklagt3. In jüngerer Zeit war hier ein Wandel zu beobachten. Bedingt durch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, jüngst auch des BGH, aber auch durch die Aktivitäten des Gesetzgebers mit der Einführung des Squeeze-outs4 als einer Möglichkeit zur Hinausdrängung von Minderheitsaktionären aus der Gesellschaft, wurde eine lebhafte Diskussion entfacht, so dass teilweise nunmehr schon von der Herausbildung eines Aktienverfassungsrechts die Rede ist5. Die vorliegende Untersuchung will hieran anknüpfen und die Perspektive um einen Aspekt erweitern. Der Trend zur Privatisierung in den verschiedensten Formen und mithin auch zur Bildung von Unternehmen, in denen Private und die öffentliche Hand als Gesellschafter kooperieren, ist ungebrochen. Konzentrierte sich die Diskussion um die Wirkung der Verfassung im privaten Gesellschaftsrecht bislang auf die rein privat gehaltenen Kooperationen, so soll hiermit ein Blick auf die Situation in den so genannten gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaften geworfen werden, in denen die öffentliche Hand als Gesellschafterin hinzutritt6. Hinsichtlich privater Aktiengesellschaften wird überwiegend angenommen, dass der einzelne Minderheitsaktionär tiefgreifende Belastungen durch seine Mitgesellschafter, bis zum Verlust seiner Aktionärsstellung, hinnehmen muss. Die Regelungen des Gesellschaftsrechts, insbesondere die Bereitstellung von Handlungsinstrumenten, mit denen die Mehrheit der Gesellschafter Maßnahmen durchführen kann, die zu einer Belastung anderer Aktionäre führen, werden als verfassungsmäßig erachtet7. BVerfGE 14, 263 – Feldmühle. Vor allem BVerfGE 50, 290 – Mitbestimmung. 3 Neye, EwiR, Art. 14 GG 1 / 99, S. 459. 4 BGBl. I 2001, S. 3822. 5 Z. B. Adolff / Tieves BB 2003, 798 mit Fn. 20. 6 Vgl. nur Schmidt-Aßmann, FS Niederländer, S. 384; gleichbedeutend gemischt-publizistische Gesellschaften, etwa bei Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 9. 7 Vgl. hierzu unten, § 7, Text bei Fn. 282 ff. 1 2
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Teilweise wird die Möglichkeit zur Durchsetzung solcher Maßnahmen ohne weiteres auch für die öffentliche Hand als Gesellschafterin vorausgesetzt8. Vereinzelt wurde demgegenüber jedoch schon eine abweichende Beurteilung angesprochen. Dabei wird angeführt, dass der Staat im Verhältnis zu den privaten Minderheitsgesellschaftern schädigendes Verhalten zu unterlassen habe. Begründet wird dies mit einem kurzen Hinweis auf deren Grundrechte9. Dies erscheint auf den ersten Blick folgerichtig. So ist zu bedenken, dass auch hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit gesellschaftsrechtlicher Maßnahmen unter Privaten die Vereinbarkeit mit den Grundrechten in Frage steht. Geht man nun davon aus, dass der Staat bei all seinen Handlungen durch die Grundrechte engeren Grenzen unterliegt als ein Privater, so spricht vieles dafür, dass auf den privatrechtlich handelnden Staat das private Aktienrecht modifiziert anzuwenden ist. Indem damit ein Teil der Regelungsadressaten des privaten Gesellschaftsrechts Bestimmungen unterworfen wird, die hinsichtlich der übrigen Adressaten keine Anwendung finden, steht ein Sonderrecht für den privatrechtlich handelnden Staat in Frage. Dabei ist die Möglichkeit unterschiedlicher Grenzen für private und staatliche Akteure nicht von vorneherein ausgeschlossen. So hatte Dürig schon 1956 ausgeführt: „Das Verfassungsrecht steht permanent Situationen gegenüber, in denen, obwohl an sich der gleiche Lebensvorgang zu subsumieren ist, Rechtmäßigkeit und Rechtswidrigkeit auseinanderklaffen und verfassungsrechtlich auch auseinanderklaffen müssen, je nachdem, ob der Staat oder ein anderer Privater als Beeinträchtiger der Individualsphäre auftritt“10. Gegenstand der folgenden Untersuchung soll nunmehr die Frage sein, ob ein solches Sonderrecht auf der Basis der Grundrechte der privaten Minderheitsgesellschafter begründet werden kann und welche Grenzen hierbei zu ziehen sind.
II. Themenbegrenzung und Begriffsklärung Bei der Beschreibung der verfassungsrechtlichen Situation des Aktionärs steht in aller Regel die Eigentumsgarantie gem. Art. 14 GG im Zentrum der Betrachtung. Ebenso bezieht sich der vorstehend angesprochene Ansatz stets auf diese Garantie11. Dementsprechend erfolgt auch die vorliegende Untersuchung anhand des Eigentumsrechts der privaten Aktionäre12. Der Untersuchungsgegenstand soll hierbei wie folgt begrenzt werden. Schon die vorstehenden Ausführungen haben darauf hingedeutet, dass eine gemischt-wirtSo am Bsp. der Liquidation Hirte, EWiR, § 103 AktG 1 / 90, S. 116 – HEW / Jansen. Weimar / Bartscher ZIP 1991, 70 f. mit Fn. 25; Weimar ZGR 1992, 480; ähnlich schon Borggräfe DB 1978, 1438 f.; offenlassend Möllers, Staat als Argument, S. 331. 10 Dürig, FS Nawiasky, S. 167 (Hervorhebung im Original). 11 Vgl. die Nachw. oben, in Fn. 9. 12 Zu weiteren Grundrechten mit Relevanz für das Gesellschaftsrecht vgl. etwa BVerfGE 50, 290 (353 ff.) – Mitbestimmung sowie Stumpf NJW 2003, 13 ff. 8 9
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schaftliche Aktiengesellschaft in den Blick genommen wird. Zwar handelt es sich dabei nicht um die einzige privatrechtliche Organisationsform, die für eine Kooperation von Staat und Privaten zur Verfügung steht. Gerade die AG in den Blick zu nehmen bietet sich jedoch schon deshalb an, da hier die verfassungsrechtlichen Verhältnisse weiter aufgearbeitet sind, als bei anderen Gesellschaftsformen. Die Veranschaulichung der Bindungen der öffentlichen Hand im Inneren einer gemischt-wirtschaftlichen AG soll anhand von ausgewählten Hauptversammlungsbeschlüssen, der Auflösung gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG, der übertragenden Auflösung gem. § 179a i.V. m. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG, dem Squeeze-out gem. § 327a ff. AktG sowie dem Formwechsel zur GmbHG gem. §§ 328 ff. UmwG vorgenommen werden. All diese Maßnahmen verbindet, dass es sich um Mehrheitsbeschlüsse handelt, die zu tiefgreifenden Veränderungen der Rechtsstellung eines privaten Minderheitsgesellschafters führen. Unterstellt wird dabei die Beschlussfassung in einer AG, bei der der öffentlichen Hand jeweils eine Beteiligung zusteht, die sie befähigt, die fraglichen Hauptversammlungsbeschlüsse aus eigener Kraft durchzusetzen. Deshalb wird eine Kapitalbeteiligung der öffentlichen Hand von 75 bzw. im Fall des Squeeze-outs von 95 % zugrunde gelegt13. Einem solchen staatlichen Mehrheitsgesellschafter sollen private Minderheitsgesellschafter gegenüberstehen. Betrachtet wird dabei im Folgenden nicht nur die Kooperation des Staates mit nur einem weiteren Gesellschafter, der sämtliche übrigen Anteile hält. Vielmehr erfassen die Ausführungen ebenso die Situation, dass sich die Anteile, die sich nicht in der Hand des Staates befinden, auf eine Vielzahl privater Kleinanleger verteilen. Ist im Rahmen der Untersuchung vom Staat oder der öffentlichen Hand die Rede, so erfasst dies neben dem Bund und den Ländern auch die Kommunen. Auch bei diesen handelt es sich als Träger öffentlicher Gewalt, trotz der Zuerkennung kommunaler Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 GG, um „ein Stück ,Staat‘“14. Die Kommunen stehen damit Bund und Ländern in den hier relevanten Gesichtspunkten gleich, so dass eine Gleichbehandlung und mithin ein auch sie erfassender Staatsbegriff geboten ist. Ebenfalls unter den Staatsbegriff sollen solche Organisationsformen des privaten Rechts eingeordnet werden, die sich ausschließlich in Staatshand befinden. Zwar werden diese teilweise zwischen Staat und Gesellschaft angesiedelt15 oder sogar der privaten Sphäre zugeordnet16. Um jedoch zu verhindern, dass die öffentliche Hand nur durch die Zwischenschaltung 13 Folglich müssten auch die Stimmen in der Literatur im vorliegenden Fall das Vorliegen eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens bejahen, die den Begriff auf staatlich beherrschte Kooperationen beschränken wollen, so etwa Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 59; zutr. dagegen Schmidt-Aßmann, FS Niederländer, S. 384; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 50. 14 BVerfGE 73, 118 (191); Dreier, in: Dreier, GG, Art. 28 Rn. 79. 15 Kämmerer, Privatisierung, S. 228 f. 16 Vgl. unten, § 2, Text bei Fn. 25 ff.
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einer anderen Organisationsform eine Veränderung ihrer Rechtsstellung erreichen kann, ist auch insofern eine Gleichbehandlung geboten17. Folglich sind auch die privatrechtlich organisierten Gesellschaften, die sich vollständig in der Hand von Bund, Ländern und Gemeinden befinden, unter den Staatsbegriff zu fassen. Hinzuweisen ist hierbei darauf, dass es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommen kann, ob eine solche Gesellschaft nur von einer oder von mehreren öffentlichen Händen gehalten wird, weshalb die sog. gemischt-öffentlichen Unternehmen ebenfalls unter den Staatsbegriff fallen18.
III. Gang der Untersuchung In dem soeben dargelegten Rahmen soll zunächst auf grundlegende Fragen eingegangen werden (Erster Teil). Nachdem die unterschiedliche Stellung von privaten und staatlichen Teilnehmern am Wirtschaftsverkehr im Bezug auf die Grundrechte beleuchtet worden ist, soll eruiert werden, ob das geltende Recht einer Begrenzung der Aktionärsrechte der öffentlichen Hand überhaupt Raum lässt. Im Anschluss wird die verfassungsrechtliche Situation des privaten Aktionärs skizziert. Dabei soll zunächst entfaltet werden, welches Verständnis von Eigentum i. S. d. Art. 14 Abs. 1 GG der Untersuchung zugrundegelegt wird. Weiterhin ist der Blick auf das Aktieneigentum als Teil dieser Garantie zu richten. Darauf aufbauend soll die verfassungsrechtliche Situation des privaten Aktionärs unter besonderer Berücksichtigung der Kontroverse um den Umfang des Schutzes zu Gunsten des Kleinaktionärs umrissen werden. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wird anschließend (Zweiter Teil) die grundrechtliche Situation in einer rein privaten AG erörtert. Hierfür werden zunächst die oben erwähnten Hauptversammlungsbeschlüsse in ihren Voraussetzungen und ihrer Eigentumsrelevanz erläutert. Unter Berücksichtigung der spezifischen Wirkung der Grundrechte im Privatrecht wird sodann die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten geprüft. Diesen Ergebnissen wird dann (Dritter Teil) die Situation im Falle eines staatlichen Mehrheitsgesellschafters gegenübergestellt. Nachdem die Unterschiede zu einem privaten Aktionär herausgestellt wurden, sollen die Anforderungen an eine Rechtfertigung des Handelns untersucht werden.
Hierzu etwa Erichsen / Ebber Jura 1999, 375 f. Zu diesem Begriff etwa Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 51 m. w. N.; gleichbedeutend die Bezeichnung als Gemeinschaftsgesellschaften bei Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 9; zur Einordnung von dazwischengeschalteten gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen vgl. unten, § 11, Text bei Fn. 404 ff. 17 18
Erster Teil
Grundlegung § 2 Die Grundrechtsfähigkeit der Beteiligten Wenn vorliegend die Frage untersucht werden soll, ob der Staat bei der Beteiligung an einer privatrechtlich verfassten Gesellschaft engeren Grenzen unterliegt als ein Bürger in derselben Situation, so ist zunächst auf den wesentlichsten Unterschied zwischen den verglichenen Gesellschaftern einzugehen, nämlich die unterschiedliche Bindung an bzw. Berechtigung aus den Grundrechten. Nur sofern hier überhaupt Unterschiede festgestellt werden, kann ein Sonderrecht überhaupt in Betracht kommen.
I. Die Grundrechtsposition der natürlichen Personen Das Verhältnis von natürlichen Personen zu den Grundrechten ist mit Ausnahmen einiger Detailfragen geklärt.
1. Die Grundrechtsberechtigung der natürlicher Personen Der einzelne Bürger ist durch die Grundrechtsgewährleistungen der Verfassung berechtigt1. Zwar ist hinsichtlich eines Teils der Grundrechte eine bestimmte Beschränkung gegeben. Schon dem Wortlaut nach sind bestimmte Gewährleistungen, etwa die Art. 8 Abs. 1; 9 Abs. 1; 12 Abs. 1 GG, nur auf Deutsche beschränkt. Bei anderen Grundrechten ist die Erreichung eines bestimmten Alters oder zumindest einer bestimmten Reife erforderlich2. Dies vermag jedoch den grundsätzlichen Befund einer Grundrechtsfähigkeit einer jeden natürlichen Person nicht in Frage zu stellen. Umstritten sind noch die zeitlichen Grenzen der Grundrechtsfähigkeit, die Frage, ab wann menschliches Leben gegeben ist und inwiefern eine Wirkung
1 Vgl. zur undifferenzierten Zuerkennung der Menschenwürde gem. Art. 1 Abs. 1 GG als Basis der weiteren Grundrechte nur Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 46 ff. 2 Zur Frage der Grundrechtsmündigkeit vgl. Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 123 ff. m. w. N.
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1. Teil: Grundlegung
der Grundrechte nach dem Tod besteht3. Mangels Relevanz für das verfolgte Thema kann dies jedoch offen bleiben.
2. Keine Grundrechtsbindung der natürlichen Personen Es hat in der Vergangenheit nicht an Versuchen gefehlt, eine Bindung der natürlichen Personen an die Grundrechte zu begründen. Teilweise soll diese alle Bürger erfassen, nach anderen Ansätzen wird auf eine besondere Machtposition abgestellt. So werden etwa Großunternehmen als intermediäre Gewalt angesehen, die aufgrund ihrer faktischen Macht nicht als Bürger und damit nicht als Gegenpol zum Staat gesehen werden könnten4; zu beachten ist weiterhin die Auffassung, die im Arbeitsrecht für eine Grundrechtsbindung des Arbeitgebers eintritt5, da dies mit Blick auf das Machtgefälle zwischen ihm und den Arbeitnehmern wegen des Telos der Grundrechte geboten sei. Überzeugen können solche Ansätze indes nicht6. Zum einen widerspricht die damit etablierte unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte dem klaren Wortlaut des Art. 1 Abs. 3 GG. Grundrechtsadressaten sind die drei staatlichen Gewalten, eine Erstreckung auf den Bürger lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen. Dass dieser Wortlaut auch ernst zu nehmen ist, ist mit Blick auf die historische Wirkrichtung der Grundrechte als primäre Schutzrechte des Einzelnen gegen den Staat zu untermauern. Zum anderen wird dadurch dem mächtigen Privaten, also einem Grundrechtsberechtigten, eine Bindung auferlegt, die dessen eigener Freiheitsverwirklichung entgegensteht. Schließlich wäre bei einer generellen Drittwirkung nicht ersichtlich, warum Art. 9 Abs. 3 S. 2 GG die Wirkung auch unter Privaten ausdrücklich anordnet. Da dies nur erklärbar wird, wenn es sich um eine erwähnungsbedürftige Ausnahme handelt, ist im Umkehrschluss eine Bindung Privater an die Grundrechte abzulehnen.
3. Ergebnis und Erstreckung auf juristische Personen des Privatrechts Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, dass natürliche Personen Träger, nicht aber Adressaten der Grundrechte sind7. 3 Vgl. hierzu statt vieler Starck, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 186 f. 4 Vgl. nur Saladin VVDStRL 35 (1976), 3. 5 So etwa die frühere Rspr. des BAG, vgl. BAGE 1, 185 (193 f.); BAGE 4, 274 (276). 6 Vgl. zu den folgenden sowie weiteren Argumenten etwa Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1553 ff.; Medicus AcP 192 (1992), 43; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 41, jeweils m. w. N. 7 Anders stellt sich die Situation für die im vorliegenden Zusammenhang irrelevanten Beliehenen dar, vgl. hierzu etwa Bleckmann, Grundrechte, S. 123 f., 174 m. w. N.
§ 2 Die Grundrechtsfähigkeit der Beteiligten
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Gerade mit Blick auf das hier untersuchte Gesellschaftsrecht kann die Betrachtung hier noch nicht stehen bleiben, da als private Gesellschafter auch juristische Personen des privaten Rechts in Betracht kommen. Sofern an diesen nur Private beteiligt sind8, ist festzustellen, dass diese gem. Art. 19 Abs. 3 GG, soweit es für die Untersuchung relevant ist, einer natürlichen Person gleichstehen9. Folglich kann umfassend formuliert werden, dass sämtliche Privatpersonen aus den Grundrechten berechtigt, aber nicht aus ihnen verpflichtet sind.
II. Die Grundrechtsposition des Staates als Aktionär Ganz anders stellt sich die Situation hinsichtlich des Staates als Gesellschafter einer privatrechtlich verfassten Gesellschaft dar.
1. Der Ausgangspunkt Nach einhelliger Ansicht ist der Staat gem. Art. 1 Abs. 3 GG der Adressat der Grundrechtsbindung. Erfasst wird damit jede staatliche Rechtssetzung sowie die Rechtsprechung. Des Weiteren wird auch die vollziehende Gewalt unter Einschluss der Regierung gebunden. Allgemein anerkannt ist dies für den Fall der hoheitlichen Erfüllung von unmittelbaren Verwaltungsaufgaben, die durch öffentlichrechtliche Aufgabenbestimmungen zugewiesen sind. Dem Staat steht es jedoch weitgehend offen, auch das Privatrecht zu nutzen. Zwar ist zuzugeben, dass dies etwa mit Blick auf die Normierung des Verwaltungsvertrages nicht mehr ohne weiteres auf eine Formenarmut des öffentlichen Rechts gestützt werden kann10. Gleichwohl lassen sich dem geltenden Recht ausreichende Anhaltspunkte für eine solche Wahlfreiheit entnehmen11. Dass der Staat auch dann, wenn er zur Erfüllung solcher unmittelbaren Aufgaben, zu denken ist etwa an Leistungs- oder Lenkungsaufgaben, privatrechtliche Handlungsformen wählt, an die Grundrechte gebunden ist, ist heute allgemeine Ansicht12. Die in Art. 1 Abs. 3 GG determinierte Bindung
8 Zu der umstrittenen Frage, ob auch gemischt-wirtschaftliche Unternehmen grundrechtsberechtigt sind, vgl. die Darst. unten, § 11, Text bei Fn. 405 ff. 9 Die Berechtigung aus Art. 14 GG wird, soweit ersichtlich, von niemandem bezweifelt. Zu allgemeinen Ansätzen zur Abgrenzung der Grundrechte, die einer juristischen Person zustehen können vgl. v.Mutius, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 149 ff. 10 v.Zezschwitz NJW 1983, 1875; Schlette, Verwaltung als Vertragspartner, S. 124 ff. 11 Zur Zulässigkeit einer solchen Wahl der Privatrechtsform vgl. etwa Koch, Der rechtliche Status, 25 ff.; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 68 ff., jeweils mit umfangreichen Nachw. 12 Ehlers, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 78; Erichsen / Ebber Jura 1999, 375; v.Münch, in: v.Münch / Kunig, GG, Vorb. Art. 1 – 19 Rn. 35; BGHZ 115, 311 (313); v.Danwitz AöR 120 (1995), 601 ff.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 17 Rn 1.
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1. Teil: Grundlegung
an die Grundrechte bei der Erfüllung der Aufgaben der Verwaltung als vollziehender Gewalt kann nicht durch die Wahl des Privatrechtsregimes umgangen werden13. Umstritten ist jedoch, ob eine Grundrechtsbindung auch für darüber hinausgehendes Engagement im Privatrechtsverkehr zu bejahen ist.
2. Auslegung des Art. 1 Abs. 3 GG Ein Ansatzpunkt, den privatwirtschaftlich tätigen Staat von der Bindung an die Grundrechte auszunehmen, ist die Heranziehung des Art. 1 Abs. 3 GG. Der Wortlaut, die Erwähnung der vollziehenden Gewalt neben Gesetzgebung und Rechtsprechung, legt in der Tat nahe, dass nur die Erledigung hoheitlicher Aufgaben unter dem Einsatz hoheitlicher Mittel erfasst wird14. Durchgreifen kann diese Erwägung jedoch nicht. Der Einsatz hoheitlicher Mittel fehlt auch bei der mit privatrechtlichen Mitteln tätigen Leistungsverwaltung, bei der eine Bindung an die Grundrechte allgemein anerkannt ist15. Unter vollziehende Gewalt i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG ist mithin jedes staatliche Handeln zu verstehen, das nicht Gesetzgebung oder Rechtsprechung ist. Damit bietet Art. 1 Abs. 3 GG keine Anhaltspunkte für eine Differenzierung16. Dies ist auch mit Blick auf die jüngere Historie der Norm zu unterstützen. Zwar ist zuzugeben, dass bei Schaffung des Grundgesetzes die Teilnahme der öffentlichen Hand am Wirtschaftsverkehr nicht erörtert wurde und eine Unterstützung aus historischen Gesichtspunkten insoweit ausscheidet17. Die Betrachtung darf hier jedoch nicht stehen bleiben. Die Grundgesetzänderung von 1956 bezweckte gerade die Klarstellung, dass jede Form von Verwaltung erfasst sein sollte18. Daraus ist zu schließen, dass auch die privatrechtlich handelnde Verwaltung eingebunden ist19. Da weiterhin aus einer Gesamtschau der drei Absätze des Art. 1 GG folgt, dass den Grundrechten der größtmögliche Anwendungsbereich zukommen soll20, festigt auch dies die hier vertretene Ansicht. Eine Auslegung des Art. 1 Abs. 3 GG spricht damit nicht gegen, sondern für eine Bindung der öffentlichen Hand auch als Aktionär. Statt vieler Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 3 Rn. 10. Wolff / Bachoff / Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 Rn. 21; Ronellenfitsch, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR III, § 84 Rn. 46; zumindest ähnlich Gröschner, Das Überwachungsrechtsverhältnis, S. 90 f., demzufolge die hoheitliche Regelung das verbindende Kriterium der drei Staatsgewalten gem. Art. 1 Abs. 3 GG sein soll. 15 Ehlers DVBl. 1983, 424; ders., Verwaltung in Privatrechtsform, S. 214 f.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 81. 16 Erichsen / Ebber Jura 1999, 375 17 Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1394 f. 18 Vgl. Menzel, in: BK, GG, Art. 1 Abs. 3 n.F. II.1. 19 Ehlers, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 78; ders. DVBl. 1983, 424 f.; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 77; Mann Die Verwaltung 35 (2002), 480 mit Fn. 77. 20 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 216 m. w. N. 13 14
§ 2 Die Grundrechtsfähigkeit der Beteiligten
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3. Keine Ausnahme von der Grundrechtsbindung wegen eigener Grundrechte des Staates Die Bindung an die Grundrechte wäre hingegen dann ausgeschlossen, wenn der Staat sich seinerseits auf Grundrechte berufen könnte21. Die Konsequenz mangelnder Grundrechtsbindung im Fall eigener Grundrechtsberechtigung ist im vorliegenden Kontext auch nicht etwa deshalb unerheblich, weil die Grundrechte sich nicht an den Bürger richten und damit nicht unmittelbar unter den Berechtigten gelten22. Wie noch zu zeigen sein wird, kommt der Frage nach der Grundrechtsberechtigung eines Teilnehmers am Rechtsverkehr nämlich eine nicht zu unterschätzende Bedeutung im Rahmen der Rechtssetzung und -anwendung zu23. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen der öffentlichen Hand Grundrechte zustehen können, ist seit langem umstritten. Schon die Frage, ob, wie von den Befürwortern von Grundrechten regelmäßig getan, als Ausgangspunkt Art. 19 Abs. 3 GG bemüht werden kann, ist unklar24. Allein mit Blick auf den hier zur Verfügung stehenden Raum sollen deshalb nur einige augenfällige Modelle vorgestellt und bewertet werden, ohne, dass über den dazu erforderlichen Rahmen hinaus eine alle Grundlagen erschöpfende Aufarbeitung bezweckt ist.
a) Grundrechte aufgrund einer Konkurrenzsituation Nach teilweise vertretener Ansicht soll zu beachten sein, dass die öffentliche Hand bei der Teilnahme am Privatrechtsverkehr demselben Recht unterworfen ist, wie auch ein privater Konkurrent. Wenn sich der Staat jeglicher hoheitlicher Mittel begebe, so könne man ihn nicht im Verhältnis zu einem Privaten schlechter stellen. Dies führt nicht nur dazu, dass teilweise eine Bindung des Staates an die Grundrechte verneint wird25. Vielmehr wird auch eine eigene Berechtigung aus den Grundrechten bejaht, da sich die öffentliche Hand in einer grundrechtsgleichen Gefährdungslage befinde, weshalb gem. Art. 19 Abs. 3 GG Grundrechte anwendbar seien26. Zwar gehen die Vertreter dieser Ansicht regelmäßig davon aus, dass diese Folgerung nur hinsichtlich einer juristischen Person zu ziehen sei, an der der Staat betei21 Sehr deutlich Kämmerer, Privatisierung, S. 467: „Die gelegentlich vertretene Vorstellung gleichzeitiger Grundrechtsberechtigung und -verpflichtung ist absurd – und von eng umgrenzten, allgemein akzeptierten, juristische Personen des öffentlichen Rechts betreffenden Ausnahmesachverhalten abgesehen – abzulehnen“. Weiterhin etwa Dickersbach WiVerw 1983, 203. 22 Erichsen / Ebber Jura 1999, 375. 23 Vgl. unten, § 8. 24 Krit. etwa Burmeister, Vom staatsbegrenzenden Grundrechtsverständnis, S. 84. 25 Emmerich JuS 1970, 334. 26 Kämmerer, Privatisierung, S. 469; Dickersbach WiVerw 1983, 204 ff.
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1. Teil: Grundlegung
ligt ist, während die grundrechtliche Position des öffentlich-rechtlichen Gesellschafters unberührt bleibe27. Konsequent ist dies jedoch nicht. Die Beteiligung an einer Gesellschaft des Privatrechts stellt ebenso eine Teilnahme am Privatrechtsverkehr dar, wie das Handeln der Gesellschaft selbst. Dann ist auch eine Gleichbehandlung bei der Frage der Grundrechtsberechtigung geboten28. Geht man von einer unveränderten Anwendung des Privatrechts auch auf öffentliche Akteure aus, so liegt die Bejahung einer solchen Konkurrenzsituation auf den ersten Blick nahe. Bei näherem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass aus diesem Gesichtspunkt keine Neubestimmung der Grundrechtsposition hergeleitet werden kann. Zur Unterstützung des Gedankens, dass durch die Zuerkennung von Grundrechten im Wettbewerb eine Asymmetrie zwischen staatlichem und privatem Teilnehmer zu verhindern sei, wird etwa auf die Situation der Nachfolgeunternehmen der Deutschen Post und der Deutschen Bahn verwiesen29. In der Tat ist nach einer weit verbreiteten Ansicht in Rechtsprechung30 und Schrifttum31 diesen Unternehmen unabhängig von ihrer Gesellschafterstruktur eine Grundrechtsberechtigung zuzuerkennen. Gestützt wird dies auf Art. 87e Abs. 3 S. 1 GG sowie Art. 87f Abs. 2 GG, nach denen die Tätigkeit der Unternehmen der Bahn „als Wirtschaftsunternehmen in privatrechtlicher Form geführt werden“ und die Dienstleistungen im Telekommunikationsbereich „als privatwirtschaftliche Tätigkeiten [ . . . ] erbracht“ werden. Da dies dahingehend auszulegen ist, dass die Teilnahme am Markt wie im Fall einer rein privaten Gesellschaft als gewinn- und wettbewerbsorientiertes Unternehmen erfolgen soll32, ohne, dass eine Bindung an das Gemeinwohl aufrecht erhalten würde33, ist hier eine Konkurrenzsituation vorgegeben, die als Basis einer Grundrechtsberechtigung angesehen wird34. Selbst wenn man hinsichtlich der genannten Unternehmen aufgrund der Konkurrenzsituation einen Grundrechtsschutz bejahen wollte35, so ist eine Übertragung auf die übrigen Bereiche staatlicher Wirtschaftsteilnahme nicht möglich. Grund hierfür ist, dass in den übrigen Fällen eine verfassungsrechtliche Gleichstellung 27 Vgl. etwa die Formulierung bei Dickersbach WiVerw 1983, 206, der davon spricht, die Gleichstellung dürfe nicht durch einen „Durchgriff auf den staatlichen Kapitalgeber“ unterlaufen werden. 28 Bettermann, FS Hirsch, S. 2 f.; ähnl. Koch, Der rechtliche Status, S. 33. 29 Kämmerer, Privatisierung, S. 470. 30 Ausdr. BVerwG MMR 2001, 681 (689). 31 Stern DVBl. 1997, 310. 32 Vgl. nur zu Art 87e Abs. 3 S. 1 GG Hommelhoff / Schmidt-Aßmann ZHR 160 (1996), 532 ff. sowie zu Art. 87f Abs. 2 GG Windhorst, in: Sachs, GG, Art. 87f Rn. 27. 33 Lerche, in: MD, GG, Art. 87f Rn. 34. 34 Vgl. die oben in Fn. 25 f. Genannten. 35 A.A. etwa Badura, in: BK, GG, Art. 87f Rn. 25; nur für ein grundrechtsähnliches Recht Windhorst, in: Dreier, GG, Art. 87f Rn. 27.
§ 2 Die Grundrechtsfähigkeit der Beteiligten
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mit einem privaten Wirtschaftssubjekt fehlt. Ohne eine solche Anordnung lässt sich eine die Grundrechtsberechtigung erfordernde Konkurrenzsituation nicht konstruieren. Zwar kommen auch bei staatlicher Teilnahme am Privatrechtsverkehr die von den privaten Mitbewerbern genutzten Handlungsformen zur Anwendung. Eine Gleichstellung scheitert jedoch am Hintergrund dieser Teilnahme36. Dies folgt daraus, dass der Staat bei seiner privatwirtschaftlichen Tätigkeit, sofern eben nichts anderes durch Verfassungsrecht angeordnet ist37, unter Achtung der Grenzen des Privat- und insbesondere des Gesellschaftsrechts, stets Gemeinwohlbelange zumindest mitverfolgen muss38. Zwar kann auch ein Privatmann Gemeinwohlbelange fördern, doch darf dies nicht dazu führen, das Verhalten des Privaten und das des Staates gleichzustellen 39. Für den Bürger stellt sich die eigene Tätigkeit als privatautonome Entscheidung dar40. Aus diesem Grund kann er sich ebenso von der Verfolgung dieser Ziele abwenden41. Anders hingegen die öffentliche Hand. Für sie bietet die Verfolgung öffentlicher Zwecke die Legitimationsbasis allen Handelns42. Grund hierfür ist das rechtsstaatliche Staatsverständnis. Danach ist der Staat ein rechtlich ausgestalteter Verband mit einer rechtlich ausgestalteten Kompetenzordnung. Dabei ist das Bedürfnis einer Kompetenznorm auch nicht auf Tätigkeiten mit Verwaltungscharakter beschränkt. Wenn demgegenüber angeführt wird, Grundlage der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr sei nicht eine Kompetenz, sondern die Privatautonomie43, so dreht sich diese Argumentation im Kreis, da das Ergebnis, die Berechtigung aus Grundrechten, zur Begründung vorweggenommen wird. Der Staat ist somit nicht in der Entscheidung frei, womit er sich befassen will44. Seine Aufgaben und Kompetenzen sind ihm durch die VerfasSo auch v.Arnauld DÖV 1990, 439. Und selbst für die og. Fälle der Bahn und Post- Telekommunikationsverwaltung ist zu beachten, dass die Beachtung der Allgemeinwohlbelange durch die Inpflichtnahme des Staates als Gesellschafter durch Art. 87e Abs. 4 und 87f Abs. 3 GG in der Verfassung verankert ist (vgl. dazu Hommelhoff / Schmidt-Aßmann ZHR 160 (1996), 551 ff.; Windhorst, in: Sachs, GG, Art. 87e Rn. 50) um ein Gegengewicht zur Ausgliederung der Unternehmen aus der Leistungsverwaltung zu schaffen (so ausdr. Wieland, in: Dreier, GG, Art. 87e Rn. 15). 38 Zu weit geht demgegenüber die Forderung einer unmittelbaren und ausschließlichen Verfolgung öffentlicher Zwecke bei staatlichem Tätigwerden (dafür etwa Ronellenfitsch, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR III, § 84 Rn. 32). Dies folgt neben der Vielgestaltigkeit der verfolgbaren Aufgaben aus den fließenden Übergängen zwischen öffentlichen und privaten Zwecksetzungen (vgl. etwa Weiß, Privatisierung, S. 210 f.) und dem relativ weiten Ermessensspielraum der öffentlichen Hand. 39 Anschaulich Burmeister, FS Stern, S. 848; ähnlich Kämmerer, Privatisierung, S. 30 ff. 40 Gramm, Privatisierung, S. 222; Kämmerer, Privatisierung, S. 30 f. 41 Gesetzliche Einschränkungen dieser Freiheit stellen dies nicht in Frage, vielmehr handelt es sich dabei um Grundrechtseingriffe, vgl. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 200. 42 Hierzu und zum Folgenden Parmentier, Gläubigerschutz, S. 65 43 Englisch, Gewährleistung kommunalen Eigentums, S. 138 f. 44 In Anknüpfung an die oben erwähnte Freiheit des Bürgers zu jederzeitigem Rückzug aus bestimmten Märkten vgl. Burmeister, Vom staatsbegrenzenden Grundrechtsverständnis, S. 85 f. 36 37
3 Wandt
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1. Teil: Grundlegung
sung, die Staatsziele und Staatsgrenzen sowie durch die Gesetze vorgegeben. Aus diesen folgt, dass der Staat als Sachwalter der Allgemeinheit fungiert. Dies muss auch für die Beteiligung an privatrechtlich verfassten Gesellschaften gelten, da die Tätigkeit sonst nicht legitimierbar wäre45. Dieses Ergebnis kann nicht zuletzt durch einen Hinweis auf Art. 20 Abs. 1 GG untermauert werden46. Der Schlagkraft dieses Arguments steht auch nicht der Einwand entgegen, als öffentlicher Zweck reiche die bloße Gewinnabsicht aus, da die Erzielung von Gewinnen der Staatskasse und damit mittelbar anderen öffentlichen Zwecken zukomme47. Würde man dem folgen, so wäre im Ergebnis kein Unterschied zu einem Privaten erkennbar. Eine solche Deutung ist jedoch schon mit dem einfachgesetzlichen Recht nicht vereinbar. So findet das Erfordernis eines öffentlichen Zweckes48 bzw. eines dringenden öffentlichen Zweckes49 bzw. eines wichtigen Bundesinteresses50 in den Haushaltsordnungen von Bund und Ländern sowie in den Gemeindeordnungen Erwähnung, ohne, dass die bloße Gewinnerzielungsabsicht genügen könnte51. Andernfalls ließe sich nämlich die in einer Reihe von Normen zu findende gesonderte Erwähnung der Gewinnerzielung als Nebenzweck52 nicht erklären53. Dies kann auch nicht durch einen Verweis auf die Bedeutung zusätzlicher Einnahmen für die Aufgabenerfüllung widerlegt werden54. Dieses Ergebnis kann weiterhin unter direktem Hinweis auf Verfassungsrecht untermauert werden. Durch die Möglichkeit der ausschließlichen Ausrichtung auf Gewinne wird der Verwaltung eine Einkommensquelle unabhängig vom Haushaltsplan eröffnet. Dadurch wird nicht nur gegen das ausbalancierte System des X. Abschnittes des Grundgesetzes verstoßen. Die Verwaltung wird damit unter Verstoß gegen die Grundsätze des Budgetrechts von der parlamentarischen Kontrolle zumindest teilweise befreit55. 45 Starck, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 197; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 78. 46 Berg GewArch 1990, 228; Held WiVerw 1998, 270. 47 So Backhaus, Öffentliche Unternehmen, S. 141 ff.; Hellermann, Daseinsvorsorge, S. 154; a.A. BVerfGE 61, 82, (107); Kämmerer, Privatisierung, S. 244. 48 Vgl. § 67 DGO; § 102 GemO BW; § 121 Abs. 1 Nr. 1 HGO; § 108 Abs. 2 Nr 1 NGO. 49 Vgl. § 107 GemO NRW, ob dieser anderen Formulierung eine Verschärfung der Anforderungen zu entnehmen ist, ist fraglich, dagegen Haupt, Wirtschaftliche Betätigung, S. 77 ff.; dafür BVerfGE 61, 82 (107); Kämmerer, Privatisierung, S. 244. 50 Vgl. § 65 Abs. 1 BHO. 51 Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 727; Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, Abschn. 1 Rn. 120; Söldner, in: Heuer, Haushaltsrecht, § 65 BHO Rn. 16; Hösch GewArch 2000, 3. 52 Vgl. § 102 Abs. 2 GemO BW. 53 Statt vieler Ehlers DVBl. 1998, 499. 54 Vgl. Hösch GewArch 2000, 3; entgegen a.A. (vgl. nur Otting DVBl. 1997, 1258 ff.) kann für die Kommunen auch nichts anderes aus Art. 28 Abs. 2 GG hergeleitet werden, wie hier VerfGH Rheinl-Pf. DVBl. 2000, 992 (994 f.).
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Mit Blick auf diese unterschiedlichen Voraussetzungen ist die Prämisse einer Konkurrenzsituation nicht gegeben. Damit ist den aufgezeigten Ansätzen die Grundlage entzogen. Dieser Befund kann auch nicht mit der Erwägung in Frage gestellt werden, dass man damit die Handlungsfreiheit des Staates übermäßig beschränken würde56. Wenn dies mit besonderem Blick auf den Gleichheitssatz angeführt wird, so kann dies nicht durchgreifen, da Art. 3 Abs. 1 GG nicht jede Differenzierung, sondern nur eine solche ohne rechtfertigende Gründe untersagt. Damit bleibt auch für eine Teilnahme am Privatrechtsverkehr ein ausreichender Spielraum57. Folglich kann eine Grundrechtsbefugnis der öffentlichen Hand nicht wegen einer Konkurrenz zu Privaten hergeleitet werden.
b) Grundrechte bei fehlender Staatlichkeit der Handlungen Anknüpfend an die obigen Ausführungen können die Ansätze ausgeschieden werden, die im Rahmen der Diskussion um die Grundrechtsberechtigung der öffentlichen Hand auf die fehlende Staatlichkeit des fraglichen Verhaltens abstellen wollen. aa) Grundrechte bei fehlender Wahrnehmung staatlicher Aufgaben Zu erwähnen ist hier zunächst die Gruppe von Meinungen, nach denen Grundrechte der öffentlichen Hand dann zukommen können, wenn es an einer staatlichen Aufgabenwahrnehmung fehlt. Mit Blick auf das obige Zwischenergebnis, der Tatsache, dass die öffentliche Hand nie frei von Gemeinwohlbindungen handeln kann, scheidet eine Grundrechtsberechtigung aus. Demgegenüber können auch die teilweise vorgenommenen Versuche zur Begrenzung des Ansatzes nicht durchgreifen: Das Erfordernis einer besonderen Übernahme der Verantwortung muss schon an der mangelnden Bestimmtheit und Praktikabilität des Begriffes scheitern58. Wenn weiterhin eine gesetzliche Zuweisung der Aufgabe zur öffentlichen Hand gefordert wird, so darf dies nicht dahingehend verstanden werden, dass die Verpflichtung zur 55 BVerfGE 93, 319 (342 f.) – Wasserpfennig; Waechter, Kommunalrecht, Rn. 604; Ehlers DVBl. 1998, 499; Hösch DÖV 2000, 397; vgl. auch Stober NJW 2002, 2362. Der teilweise angeführte Verweis auf die Entscheidung BGHZ 91, 84, (96 f.) greift indes m.E. nicht. Zwar wird hier ausgesagt, dass der Staat sich keine illegalen Finanzquellen eröffnen dürfe. Gegenstand der Entscheidung war jedoch die Geltendmachung eines Entgeltanspruches für eine Leistung, deren Unentgeltlichkeit gesetzlich determiniert war. Demnach handelt es sich dabei um ein Frage der Privatautonomie und der Gesetzesbindung und nicht der Vereinbarkeit mit dem Steuerstaat. 56 Vgl. nur Emmerich JuS 1970, 334. 57 Eingehend Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 218 ff.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 83 f. 58 Kämmerer, Privatisierung, S. 470.
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1. Teil: Grundlegung
Verfolgung von Gemeinwohlinteressen auf einfachgesetzlicher Ebene nahezu ausdrücklich determiniert werden muss. Denn damit würde man es in die Hand des einfachen Gesetzgebers legen, die verfassungsrechtlichen Bindungen in Gang zu setzten. Deshalb muss jede Norm, aus der sich die Berechtigung der öffentlichen Hand zur Teilnahme am Privatrechtsverkehr ergibt, genügen. Eine damit gegebene Ermächtigung ist mithin von vorneherein durch die sich aus dem Gesamtsystem der Verfassung ergebenden Grenzen beschränkt.
bb) Grundrechtsfähigkeit wegen des Fehlens hoheitlicher Mittel Ebenfalls an den dem privatrechtlich handelnden Staat zur Verfügung stehenden Mitteln setzt eine Ansicht an, nach der eine Grundrechtsberechtigung dann gegeben sein soll, wenn die öffentliche Hand in einer Weise agiere, in der sie keine Möglichkeit zu einseitigen hoheitlichen Regelungen habe. Dann fehle es an der Ausübung staatlicher Gewalt, weshalb Raum für Grundrechte sei59. Überzeugen kann dieser Ansatz jedoch ebenso wenig wie die auf den Einsatz hoheitlicher Mittel beschränkende Auslegung der vollziehenden Gewalt i. S. d. Art. 1 Abs. 3 GG60. Schon mit Blick auf die Schutzlücken, die dadurch entstünden, dass die Grundrechte nur noch gegenüber hoheitlichen Eingriffen anwendbar wären, ist dieser Ansatz abzulehnen.
c) Grundrechte wegen zu sichernder Freiheitssphären Vermag eine solche Gleichstellung von privaten und staatlichen Marktteilnehmern hinsichtlich der Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand nicht zu überzeugen, so ist weiterhin der Versuch einer Gleichstellung bezüglich der Situation als Adressat hoheitlicher Eingriffe zu diskutieren. Eine Strömung in der Literatur geht dahin, eine grundrechtsgleiche Gefährdungslage als Basis einer Grundrechtsberechtigung gem. Art. 19 Abs. 3 GG dann zu bejahen, wenn sich der mögliche Grundrechtsberechtigte in einem Außenverhältnis zu einem Träger öffentlicher Gewalt befindet, das dem eines Bürgers entspricht61. In diesem Fall sei eine Begrenzung der Staatsgewalt notwendig, weshalb die Grundrechte in ihrer klassischen Funktion ihrem Wesen nach anwendbar 59 Zimmermann, Der grundrechtliche Schutzanspruch, S. 114 ff.; nach teilweise vorgenommener Deutung soll dies auch die Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, etwa in den Entscheidungen BVerfGE 21, 362 (370, 374) oder BVerfGE 23, 12 (30), sein, vgl. Bettermann NJW 1969, 1321. 60 Zur Kritik vgl. auch Möstl, Grundrechtsbindung, S. 81 f. 61 Auch in diesem Zusammenhang wird meist nur auf eine mögliche Grundrechtsberechtigung der privatrechtlich verfassten Gesellschaft mit Staatsbeteiligung abgestellt. Jedoch gilt auch hier das oben bei Fn. 28 Gesagte; ausdrücklich im vorliegenden Kontext auch für den Staat selbst als Gesellschafter Bettermann, a. a. O.
§ 2 Die Grundrechtsfähigkeit der Beteiligten
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seien62. Inwieweit hierbei danach zu differenzieren ist, ob in der fraglichen Situation eine öffentliche Aufgabe verfolgt wird63 oder ob es auf den Einsatz hoheitlicher Mittel ankommt, braucht vorliegend nicht erörtert zu werden. Schon der zugrundeliegende Ansatz ist abzulehnen. Zwar ist zuzugeben, dass der Staat nicht als monolithischer Block gesehen werden kann. Vielmehr sind auch in diesem Bereich voneinander unabhängige Rechts- und Freiheitssphären abzugrenzen. Dennoch kann es nicht überzeugen, hinsichtlich dieser Freiräume Grundrechte zu bejahen. Wie bereits dargelegt, erfolgt das staatliche Handeln aufgrund von Kompetenzen. Eine Umdeutung derselben in Grundrechte kommt wegen des fundamentalen Unterschieds beider Kategorien nicht in Betracht64. Während Grundrechte grundsätzlich unbegrenzte Freiheit vermitteln, sind Kompetenzen von vorneherein rechtlich bemessen65. Kein Gegenargument liegt in diesem Zusammenhang in dem Verweis darauf, dass auch den juristischen Personen des öffentlichen Rechts die Verfahrensgrundrechte zuerkannt werden66. Bei diesen handelt es sich um objektive Verfahrensgrundsätze, die aus rechtsstaatlichen Gründen in jedem Verfahren gewährleistet sein müssen. Damit unterscheiden sie sich von den Individualgrundrechten67, so dass der Vorwurf der Inkonsequenz nicht durchzugreifen vermag. Es kann auch nicht überzeugen, die Kompetenzen als Basis des Tätigwerdens zwar anzuerkennen, jedoch die Grundrechte zur Absicherung einer nach der Kompetenzordnung zulässigerweise ausgeübten Funktion zu gewähren68. So verbietet sich jegliche Gleichstellung von grundrechtlicher und auf Kompetenzen beruhender Tätigkeit aus verfahrensrechtlichen Gründen. Im Fall der Gleichbehandlung würden auf der Ebene der Grundrechte Kompetenzkonflikte ausgetragen werden, für die spezielle Rechtsbehelfe, etwa das Organstreitverfahren, gegeben sind69. Wurde soeben die Unterscheidung von Kompetenzen und Grundrechten angesprochen, so ist an dieser Stelle die auch hier gewählte Grundthese, nach der sich gleichzeitige Grundrechtsberechtigung und -verpflichtung ausschließen, gegen die teilweise erhobene Kritik zu verteidigen. Kern des Vorwurfs ist, dass eine solche 62 Ausführlich Bettermann, FS Hirsch, S. 4 ff.; weiterhin Achterberg, GS Klein, S. 10 ff.; v.Mutius Jura 1983, 39 ff.; Hartung, Atomaufsicht, S. 65 f. 63 Dickersbach WiVerw 1983, 205; BVerfGE 45, 63 (78 f.); schon für die nach hier vertretener Ansicht stets erforderliche Mitverfolgung öffentlicher Interessen verneinend BVerfGE 61, 82 (106 ff.) – Sasbach; krit. hierzu v.Muitus Jura 1983, 41. 64 So auch Bethge AR 104 (1979), 107; Rüfner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 116 Rn. 72; Barden, Grundrechtsfähigkeit, S. 48 f. 65 Vgl. nur Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 56 ff.; ders. Grundrechtsberechtigung, S. 64; Burmeister, FS Stern, S. 843 ff. 66 Bettermann, FS Hirsch, S. 6; Achterberg, GS Klein, S. 11; v.Mutius Jura 1983, 39. 67 Vgl. nur BVerfGE 21, 362 (373). 68 Kimminich, Der Schutz kommunaler Unternehmen, S. 77 f.; v.Mutius, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 105. 69 Poschmann, Grundrechtsfähigkeit, S. 242; Barden, Grundrechtsfähigkeit, S. 49.
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1. Teil: Grundlegung
Sicht auf der Vorstellung eines einheitlichen Staates basierte, die mit den nicht zu leugnenden Untergliederungen im Verfassungsgefüge kollidiere70. Bei den Freiräumen handelt es sich jedoch wie gesehen um bloße Kompetenzen, die von den ein Individuum berechtigenden Freiheiten getrennt werden müssen. Dem Bürger gegenüber tritt dieses Gebilde jedoch als einheitlicher Hoheitsträger auf71. d) Grundrechtsschutz wegen besonderer, nicht dem Individualschutz dienender Grundrechte Im Rahmen der oben unter c. dargelegten Ansicht sollte eine grundrechtsgleiche Gefährdungslage bejaht werden, da zum Schutz von Freiheitssphären eine Begrenzung des Staates geboten sei. Nahe an diesem Ansatz liegt eine weitere Ansicht, nach der bestimmte Garantien der Art. 1 ff. GG nicht dem Schutz des Einzelnen dienten. Vielmehr würden bestimmte Handlungen, deren Wahrnehmung im Interesse der Allgemeinheit liege, mit einem grundrechtlichen Schutz ausgestattet, um diese Gemeininteressen vor dem Staat abzuschirmen72. Im Fall solch dienender Freiheitsgewährleistungen käme auch eine Berechtigung der öffentlichen Hand in Betracht, da die oben herausgearbeitete grundsätzliche Abgrenzung zwischen Kompetenz und Individualfreiheit nicht durchgreifen würde. Überzeugen kann ein solcher Ansatz jedoch nicht73. So ist schon die Abgrenzung von dienenden und individualschützenden Grundrechten nicht überzeugend möglich. Daneben besteht die Gefahr einer mit der Verfassung nicht zu vereinbarenden Umdeutung der Grundrechtsordnung74. e) Grundrechtsschutz wegen Rechtsfähigkeit Zumindest begrenzt auf juristische Personen des öffentlichen Rechts ohne Staatsqualität wird vertreten, ihre Grundrechtsberechtigung folge aus ihrer allgemeinen Rechtsfähigkeit. Diese würde regelmäßig ohne Beschränkung auf das Zivilrecht verliehen, so dass der Umfang der Rechtsfähigkeit dem aller anderen Teilnehmer am Privatrechtsverkehr entspräche und mithin auch die Grundrechtsberechtigung umfasse75. Die Rechtsfähigkeit der öffentlichen Hand ist jedoch nicht mit der der Privatpersonen identisch76. Grundlage jeder Rechtsfähigkeit des Bettermann NJW 1969, 1322 f. Bethge AöR 104 (1979), 105. 72 Burmeister, FS Stern, S. 851 ff.; ähnlich zu Art. 9 Abs. 3 GG Ossenbühl, FS Stern, S. 893 ff. 73 Vgl. zur Ablehnung Poschmann, Grundrechtsfähigkeit, S. 247 f. 74 So auch noch Burmeister, Vom staatsbezogenen Grundrechtsverständnis, S. 77; vgl. dort auch die Nachw. zu ähnl. Modellen. 75 Bettermann, FS Hirsch, S. 6. 76 v.Arnim, Wirtschaftlichkeit, S. 69 f. 70 71
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Staates sind die von den Grundrechten wesensverschiedenen Kompetenzen77. Ein Schluss auf Grundrechte ist demnach verfehlt78.
f) Ausländische juristische Personen des öffentlichen Rechts und ihre Wettbewerbsteilnahme Die bisherige Untersuchung konnte nicht dazu führen, dass der öffentlichen Hand bei der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr Grundrechte zuzuerkennen sind. Dabei war die Betrachtung jedoch auf nationale Fragestellungen begrenzt, weshalb der Blick nunmehr zu erweitern ist. Da der Staat bei seiner Teilnahme am Wirtschaftsverkehr auch auf solche Konkurrenten trifft, deren Anteile vollständig oder größten Teils einem ausländischen Staat zuzurechnen sind, könnte man anführen, dass zumindest in diesem Verhältnis eine Gleichbehandlung erfolgen muss, um auf diese Weise eine Grundrechtsberechtigung der öffentlichen Hand zu begründen. Überzeugen kann dies jedoch nicht. So geht die h. M. davon aus, dass die Formulierung des Art. 19 Abs. 3 GG dahin zu verstehen ist, dass die Grundrechtsberechtigung juristischer Personen nicht auf solche des Auslands zu erstrecken ist79. Nach teilweise vertretener Ansicht soll es jedoch für den Grundrechtsschutz ausreichen, dass eine Gesellschaft in Deutschland ihren effektiven Verwaltungssitz hat, unabhängig von der Frage, wer Gesellschafter ist. Auf dieser Basis könnte man Grundrechte für eine von einer ausländischen öffentlichen Hand beherrschten, aber wegen ihres Sitzes inländischen Gesellschaft bejahen80. Doch auch in diesem Fall könnte eine Übertragung dieser Berechtigung auf den deutschen Staat in vergleichbarer Position nicht überzeugen. Maßgeblicher Unterschied ist nämlich, dass die ausländische öffentliche Hand ihrerseits nicht an die Grundrechtsgarantien des Grundgesetzes gebunden sein kann. Art. 1 Abs. 3 GG spricht zwar die Verwaltung in einem umfassenden Sinne an, meint jedoch stets nur die deutsche Staatsgewalt81. Dass die fragliche juristische Person außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes hoheitliche Gewalt auszuüben vermag, ist dabei unerheblich. Die Unvereinbarkeit von Grundrechtsberechtigung und Grundrechtsbindung, die der deutschen öffentlichen Hand 77 Burmeister, in: Prütting, Recht und Gesetz im Dialog III, S. 10; Schachtschneider, Staatsunternehmen, S. 262. 78 Zu dem Spannungsverhältnis zwischen der Privatrechtsfähigkeit und deren im Vergleich zum Privaten abweichenden Grundlage unten § 3, Text bei Fn. 114 ff. 79 BVerfGE 21, 207 (208 f.); BVerfGE 23, 229 (236); Krebs, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rn. 33; Ladeur, in: AK, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 38. 80 So für ausländische Personen des privaten Rechts Huber, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 313 ff.; Dreier, in: ders., GG, Art. 19 III Rn. 32, 36; a.A. Quaritsch, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 120 Rn. 51 ff.; vgl. hierzu auch Bleckmann, Grundrechte, S. 143 ff. 81 Hierzu Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1228 f. mit umfangr. Nachw. weiterhin etwa Bleckmann, Grundrechte, 67; Kunig, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 1 Rn. 52.
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1. Teil: Grundlegung
entgegengehalten wird, kann folglich gegenüber einer ausländische Person des öffentlichen Rechts nicht in gleicher Weise durchgreifen. Wenn weiterhin für das Grundgesetz nur Akte der deutschen Staatsgewalt relevant sind82, so ist die fehlende Vergleichbarkeit zwischen inländischen und ausländischen Personen des öffentlichen Rechts mit einem weiteren Hinweis zu untermauern. Die Notwendigkeit einer Rechtfertigung für jedes Tätigwerden und die damit einhergehende Verpflichtung auf das gemeine Wohl lässt sich mit dem Grundgesetz nicht begründen. Auch die Feststellung, dass die öffentliche Hand ihre Handlungsgrundlagen nur aus Kompetenzen herzuleiten vermag, kann sich nur auf Kompetenzen i. S. d. Grundgesetzes beziehen. Diese berücksichtigen jedoch nur die deutsche, nicht hingegen die ausländische öffentliche Gewalt. Mit Blick auf diese Unterschiede kann es nicht überzeugen, ausländische und inländische öffentliche Hand unter den hier relevanten Gesichtspunkten gleich zu behandeln. Folglich muss der Versuch, auf diesem Wege eine Grundrechtsberechtigung des Staates zu begründen, scheitern.
g) Einfluss des Europarechts Fraglich ist, ob die Grundrechtsfähigkeit der öffentlichen Hand mit einem Verweis auf das europäische Gemeinschaftsrecht, genauer auf die Berechtigung der öffentlichen Hand aus den Grundfreiheiten gem. Art. 86 und 48 Abs. 2 EG, begründet werden kann. Bedenkt man, dass diese Normen auch auf juristische Personen des öffentlichen Rechts Anwendung finden83, so könnte hier insbesondere der Schluss auf die Grundrechtsberechtigung des Staates als Gesellschafter in Betracht kommen. Zwar ist zuzugeben, dass insofern eine Diskrepanz zwischen nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht besteht. Jedoch kann dieses Phänomen allein nicht genügen, um eine Angleichung und damit die Grundrechtsfähigkeit zu begründen84. Vielmehr ist eine unterschiedliche Berechtigung auch aus den Fällen bekannt, die als Inländerdiskriminierung oder umgekehrte Diskriminierung bezeichnet werden. Sie erfassen auch die Fallgestaltungen, in denen bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt der Normunterworfene Freiheiten genießt, die ihm bei rein nationalen Sachverhalten verwehrt bleiben85. Auch insofern besteht also eine Diskrepanz, die jedoch vom Gemeinschaftsrecht hingenommen wird. Die Rechtswidrigkeit nach deutschem Verfassungsrecht folgt aus den Grundrechten, insbesondere aus dem Vgl. BVerfGE 58, 1 (27). So ausdr. Bröhmer, in: Callies / Ruffert, EUV / EGV, Art. 48 EGV Rn. 3; Geiger, EUV / EGV, Art. 86 EGV Rn. 4 mit Nachw. zur Rspr. des EuGH; vgl. auch Jung, in: Callies / Ruffert, EUV / EGV, Art. 86 EGV Rn. 13: „wirtschaftlich handelnde Einheiten beliebiger Rechtsform“. 84 So aber Kämmerer, Privatisierung, S. 149. 85 Vgl. zu den Fallgruppen Epiney, Umgekehrte Diskriminierung, S. 27 ff. 82 83
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Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG86, was eine Grundrechtsberechtigung also gerade schon voraussetzt. Bedenkt man weiterhin, dass zwischen Grundrechten und Grundfreiheiten prinzipielle Unterschiede bestehen und Art. 86 EG auch als Ausdruck des Verbots einer Flucht ins Privatrecht gesehen wird, so vermag der dargelegte Schluss auf die Grundrechtsberechtigung nicht überzeugen87. Weiterhin kann auch aus Art. 295 EG eine Grundrechtsberechtigung der öffentlichen Hand nicht hergeleitet werden88. So entspricht es allgemeiner Ansicht, dass dieser Artikel kein subjektives Eigentumsrecht determiniert89. Lässt diese Norm vielmehr die nationalen Rechtslagen unberührt90, so kann ihr kein Hinweis auf eine Grundrechtsberechtigung entnommen werden91.
h) Ergebnis Die obige Untersuchung kann dahin zusammengefasst werden, dass die Ansätze, nach denen der öffentlichen Hand Grundrechte zukommen könnten, nicht durchzugreifen vermögen und damit eine Grundrechtsberechtigung des staatlichen Gesellschafters ausscheidet. Ruft man sich die fundamentalen Unterschiede zwischen Staat und Bürger vor Augen, insbesondere die Differenz zwischen einem pflichtgebundenen Tätigwerden nach Kompetenznormen auf der einen Seite und der Ausübung natürlicher Freiheit auf der anderen, so kann man weiterhin feststellen, dass dem Staat keine Grundrechte zukommen können, da sie ihrem Wesen nach nicht auf ihn anwendbar sind92. Kommt jedoch eine Grundrechtsberechtigung nicht in Betracht, so scheidet auch ein darauf wurzelnder Ausschluss der Grundrechtsbindung aus.
4. Ergebnis Hinsichtlich der Grundrechtsposition der öffentlichen Hand ist demnach als Ergebnis zu formulieren, dass sie sich auch bei der Teilnahme am Privatrechtsverkehr grundlegend von einem Bürger unterscheidet. Der Staat kann sich auch in diesem Fall nicht auf Grundrechte berufen und ist darüber hinaus durchgängig zur Wahrung der Grundrechte verpflichtet. Schilling JZ 1994, 9 ff.; Streinz, Europarecht, Rn. 685. Weiß, Privatisierung, S. 267. 88 So aber Tettinger, FS Börner, S. 639. 89 Geiger, EUV / EGV, Art. 295 Rn. 4; Kingreen, in: Callies / Ruffert, EUV / EGV, Art. 295 EGV Rn. 4 . 90 EuGH, Rs. 44 / 79 – Lieselotte Hauer . / . Rheinland-Pfalz, Slg. 1979, 3747; Röttinger, in: Lenz, EGV, Art. 295 Rn. 3. 91 Weiß, Privatisierung, S. 267 mit Fn. 270. 92 Weiß, Privatisierung, S. 266. 86 87
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1. Teil: Grundlegung
§ 3 Raum für ein Sonderrecht I. Ablehnung des Verwaltungsgesellschaftsrechts Die Neuinterpretierung des Gesellschaftsrechts für den Fall einer staatlichen Mehrheitsbeteiligung führt zu einem Sonderrecht und fordert damit unweigerlich die Erwähnung der Lehre vom Verwaltungsgesellschaftsrecht 93. Auch dieser Ansatz führt zu einem Sonderrecht, allerdings, im Vergleich zum hier vertretenen Ansatz, mit umgekehrten Vorzeichen. Wegen der besonderen Pflichtenstellung der öffentlichen Hand soll es geboten sein, das Gesellschaftsrecht zu durchbrechen, bzw. verfassungskonform auszulegen94, um der öffentlichen Hand eine Vorrangstellung einzuräumen. Die Durchbrechung der einfachgesetzlichen Grenzen sei aus Gründen des Rechtsstaats-, des Demokratieprinzips, sowie des Sozialstaatsgebots erforderlich. Prominent ist etwa die Forderung, dem Staat im Fall der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft das sonst nicht bestehende Recht zu gewähren, den von ihm entsandten Aufsichtsratsmitgliedern Weisungen zu erteilen95 oder die These eines Ausschlusses direktiver Mitbestimmung96. Mit Recht wird eine solche Lehre überwiegend abgelehnt97. Das aktuelle Gesellschaftsrecht stellt eine abschließende Regelung dar98. Die darin enthaltenen Sonderregelungen zugunsten der öffentlichen Hand99 können auch nicht als Hinweis einer generellen Öffnung erachtet werden100, da es sonst nicht erklärbar wäre, warum gerade diese Sonderfälle ausdrückliche Erwähnung fanden101. Abweichende 93 Hierzu und zum Folgenden Ipsen JZ 1955, 598; in jüngerer Zeit v.Danwitz AöR 120 (1995), 610 ff.; Wahl, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht, S. 329 ff.; Hellermann, Daseinsvorsorge, S. 240 f., der jedoch dort eine Grenze ziehen will, wo die Rechte privater Mitgesellschafter betroffen werden; Stober NJW 2002, 2367. Aus der Rspr. nunmehr BVerwG DÖV 2001, 124 (128). 94 Stober NJW 1984, 455; ders. NJW 2002, 2367; Hellermann, Daseinsvorsorge, S. 241. 95 Hierzu etwa Lutter / Grunewald WM 1984, 394 ff. 96 Ossenbühl ZGR 1996, 516 f.; Becker ZögU 2001, S. 12 ff. 97 Schmidt ZGR 1996, 350 f.; Schön ZGR 1996, 449; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 15; krit. auch Schmidt-Aßmann, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht, S. 54; der Sache nach schon Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten, S. 29 f. 98 Statt vieler Schmidt ZGR 1996, 350 f. Aufgrund der abschließenden Regelung durch das AktG 1965 ist insbesondere auch ein Rückgriff auf die Sonderregelung in § 70 Abs. 2 DGO verwehrt, vgl. Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten, S. 73 ff.; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 234 f. Krit. hierzu mit dem Argument, dass bei der Schaffung des AktG 1965 nur an Minderheitsbeteiligungen des Bundes gedacht worden sei v.Danwitz AöR 120 (1995), 618 f.; Wahl, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht, S. 330. 99 Vgl. §§ 394 f. AktG, 24 Abs. 1 Ziff. 1 AGBGB; weiterhin Schwintowski, in: Wallerath, Kommunen im Wettbewerb, S. 132. 100 So aber Ipsen JZ 1955, 597. 101 Vgl. nur Parmentier, Gläubigerschutz, S. 79.
§ 3 Raum für ein Sonderrecht
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Regelungen im Kommunalrecht der Länder können neben dieser abschließenden Normierung durch Bundesrecht wegen Art. 31 GG keinen Bestand haben102. Dieser einfachgesetzliche Befund kann nicht unter Berufung auf Verfassungsprinzipien erschüttet werden, die eine Durchbrechung erforderten. Wählt der Staat eine privatrechtliche Handlungsform, so muss er sich den vorgefundenen Regeln dieses Rechtsregimes unterwerfen103. So wie er an den Vorteilen der Rechtsform partizipiert, muss er dann auch die durch das Privatrecht gezogenen Grenzen beachten. Demgegenüber kann die Notwendigkeit eines Sonderrechts nicht mit dem Argument begründet werden, eine gegenüber dem Gesellschaftsrecht verstärkte Einflussnahme sei mit Blick auf die besonderen, in der Verfassung wurzelnden Pflichten erforderlich104. Das hier oftmals bemühte Demokratieprinzip erfordert nur eine gewisse, nicht eine uneingeschränkte Möglichkeit der Lenkung105. Weiterhin bleibt der öffentlichen Hand die Möglichkeit, zur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben, bestehende Gestaltungsspielräume im Gesellschaftsrecht bzw. besser geeignete privatrechtliche Formen zu nutzen106. Sollte auch dies nicht ausreichen, so zeigt sich daran noch immer nicht das Bedürfnis für ein Sonderrecht. Vielmehr ist dann ein Rückgriff auf die Handlungsformen des öffentlichen Rechts möglich und geboten107. Dass den öffentlich-rechtlichen Handlungsformen in diesen Fällen Vorrang zukommt, ist auch mit dem Hinweis zu unterstützen, dass die Rechtsanwendung sonst die Wertungen des zuständigen Gesetzgebers verdrängte108. Weiterhin steht einer Durchbrechung des Privatrechts die folgende Überlegung entgegen: Wenn man der öffentlichen Hand eine solche Sonderstellung einräumte, so führte dies zu einer Schlechterstellung der privaten Mitgesellschafter im Vergleich zu denen in einer rein privaten Gesellschaft109. Diese Schlechterstellung kann jedoch, insbesondere wegen der Möglichkeit zur Wahl öffentlich-rechtlicher Handlungsformen, nicht gerechtfertigt werden110. Wie die Vorschriften zur Kapitalaufbringung und -erhaltung zeigen, dient die undurchbrochene Anwendung des Gesellschaftsrechts auch der erforderlichen Sicherung der Gesellschaftsgläubiger. 102 Schwintowski NJW 1995, 1317; Spannowsky DVBl. 1992, 1074; Schön ZGR 1996, 42 f.; a.A. v.Danwitz AöR 120 (1995), 616 f.; krit. auch Parmentier, Gläubigerschutz, S. 78 f. 103 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 234 mit dem Hinweis, dass selbst die Sonderregelungen bzgl. der öffentlichen Hand regelmäßig an das Privatrecht angelehnt sind; weiterhin Koch DVBl. 1994, 668. 104 Vgl. nur Stober NJW 1984, 455; Brohm NJW 1994, 288. 105 Vgl. nur Engellandt, Die Einflußnahme, S. 26 m. w. N., sowie unten § 9, Text bei Fn. 232 ff. 106 Spannowsky ZGR 1996, 423 f.; Engellandt, Die Einflußnahme, S. 25 f. 107 Spannowsky DVBl. 1992, 1076; Habersack ZGR 1996, 555. 108 Mann Die Verwaltung 35 (2002), 474; ders., Gesellschaft, S. 280 f. 109 So die tragende Erwägung in der Entscheidung BGHZ 69, 334 (341) – VEBA / Gelsenberg. 110 Hierzu auch Engellandt, Die Einflußnahme, S. 27.
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1. Teil: Grundlegung
Ein abweichendes Ergebnis kann daher auch nicht für den Fall des 100%igen Staatsunternehmens begründet werden111. Diese Feststellung kann auch nicht durch einen Hinweis auf die Titelüberschrift der §§ 394 f. AktG erschüttert werden, die nur die anteilsmäßige Beteiligung an Gesellschaften nennt. Hieraus eine Ausnahme für Eigengesellschaften oder auch solche im staatlichen Mehrheitsbesitz von der Geltung des privaten Gesellschaftsrechts herzuleiten, hätte zur Folge, dass dann auch die in den §§ 394 f. AktG determinierten Ausnahmen von der Verschwiegenheitspflicht der Aufsichtsratsmitglieder nur bei Minderheitsbeteiligungen der öffentlichen Hand Wirkung entfalteten. Eine solche Verkürzung des Anwendungsbereichs könnte nicht überzeugen112. Beachtet man darüber hinaus, dass die von den Befürwortern des Verwaltungsgesellschaftsrechts herangezogenen Verfassungsgüter zu unbestimmt sind, als dass aus ihnen zwingend konkrete Überlagerungen des Gesellschaftsrechts folgten113, so kann der aufgezeigten Lehre nicht gefolgt werden. Als Grundsatz ist damit festzuhalten, dass, sofern eine Abweichung nicht gesetzlich angeordnet ist, die öffentliche Hand den Bindungen des Gesellschaftsrechts ebenso unterworfen ist, wie ein Privater.
II. Verbleibender Raum für ein Sonderrecht 1. Die öffentliche Hand als atypisches Privatrechtssubjekt Wurde soeben das Verwaltungsgesellschaftsrecht als Sonderrecht abgelehnt, so führt dies zu der Frage, ob dann für den hier untersuchten Vorstoß noch Raum verbleibt. Es droht auch hier der Einwand, dass eine unzulässige Umformung des Privatrechts114 zu befürchten sei. Es liegt nahe, dass die Natur des Privatrechts der Etablierung engerer Bindungen entgegensteht, da dieses auf anderen Ordnungsprinzipien beruht, als das öffentliche Recht115. Kennzeichnend für das Privatrecht ist insbesondere, dass es dem ihm unterworfenen Rechtssubjekt einen flexiblen Handlungsrahmen zur selbstbestimmten Verfolgung seiner Ziele zur Verfügung stellt. Die Etablierung eines hiervon abweichenden Sonderrechts für die öffentliche Hand als Privatrechtssubjekt begegnet deshalb dem Einwand, dass dieses die 111 So aber v.Danwitz AöR 120 (1995), 616; Wahl, in: Schmidt-Aßmann / Hoffmann-Riem, Verwaltungsorganisationsrecht, S. 330; wie hier Schwintowski NJW 1995, 1318 f. 112 Zutr. Mann Die Verwaltung 35 (2002), 475 f. sowie ders., Gesellschaft, S. 281 f. gegen v.Danwitz AöR 120 (1995), 617 ff. 113 Mann Die Verwaltung 35 (2002), 480 f.; ders., Gesellschaft, S. 286 f.; ähnl. Habarth, Anlegerschutz, S. 112 f. 114 So die Formulierung von Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 275 zum Verwaltungsgesellschaftsrecht. 115 Vgl. Brenner AöR 127 (2002), 232.
§ 3 Raum für ein Sonderrecht
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Grundprinzipien und damit auch die spezifische Funktion des Privatrechts missachtet116. Wird damit gefordert, dass auf die öffentliche Hand das Privatrecht stets in gleicher Weise anzuwenden ist wie auf einen Privaten, so ist dem zunächst ein bekanntes Beispiel entgegen zu setzen. Ein Privatmann genießt bei der Wahl seiner Vertragspartner weitgehende Freiheit. Eine äußerste Grenze zieht vielmehr nur, wenn man von den äußerst seltenen Fällen eines Kontrahierungszwanges absieht, § 185 StGB117. Dem Staat hingegen ist durch seine Bindung an die Grundrechte durch Art. 3 GG jegliche Diskriminierung untersagt, so dass er hier engeren Grenzen unterliegt118. Der öffentlichen Hand und einem Privaten müssen folglich in vergleichbaren Situationen nicht dieselben Freiheiten zustehen. Dies muss auch gelten, wenn sich die beiden auf die gleichen Rechtsnormen, insbesondere solche des Privatrechts, berufen. Ansatzpunkt der Unterscheidung ist, dass es sich bei der öffentlichen Hand nicht um einen typischen Adressaten des Privatrechts handelt119. Zwar kann sich der Staat zur Teilnahme am Privatrecht das Gewand eines Privaten überstreifen, doch führt dies nicht dazu, dass er dadurch auch zu einem Privaten mutiert120. Seine spezifische Pflichtenstellung bleibt vielmehr stets erhalten. Wie schon die vorstehenden Ausführungen zeigen, stehen der öffentlichen Hand in keinem Fall Grundrechte zu. Grundlage ihrer Handlungen sind vielmehr die von den Grundrechten wesensverschiedenen Kompetenzen. Dabei kann an dieser Stelle eines unterstrichen werden: Es wurde dargestellt, dass sich die öffentliche Hand stets von einem Privaten unterscheidet. Die Bindung an die Grundrechte erfasst jedes Handeln und eine Berechtigung aus der Privatautonomie kommt in keinem Fall in Betracht, unabhängig welche konkreten Ziele die öffentliche Hand verfolgt und ob es sich um eine unmittelbare oder um eine mittelbare Verfolgung öffentlicher Zwecke handelt. Herauszustellen ist, dass eine kategoriale Aufspaltung des staatlichen Handelns i. S. d. These vom Verwaltungsprivatrecht nicht haltbar ist121. Damit gelten die folgenden Ausführungen auch für jegliche Inanspruchnahme durch die öffentliche Hand. Obgleich das Privatrecht als allgemeines Verkehrsrecht bezeichnet wird, ist typisch für dieses Rechtsregime die Situation eines Kontakts zwischen Privaten und damit zwischen Grundrechtsträgern, denen folglich das Recht zu einer privat116 Schmidt, Die Unterscheidung, S. 290 f.; Bullinger, in: Hoffmann-Riem / SchmidtAßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 247 f. 117 Vgl. BGH NJW 1983, 2040 (2041); ausdr. zu den über eine bloße Diskriminierung hinausgehenden Anforderungen an das Täterverhalten OLG Frankfurt / Main GewArch 1988, 61, dort auch zur Ablehnung einer Strafbarkeit gem. § 130 StGB. 118 So auch v.Arnauld DÖV 1998, 440. 119 Schmidt-Salzer WiR 1972, 111; Röhl VerwArch 86 (1995), 539. 120 Ehlers Die Verwaltung 20 (1987), 381; ders. JZ 1990, 901. 121 Ehlers DVBl. 1983, 424 f.; Achterberg JA 1985, 507.
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1. Teil: Grundlegung
autonomen Gestaltung ihrer Verhältnisse zusteht. Auf diese Fallgestaltung sind die Regelungen des Privatrechts zugeschnitten und in diesem Kontext sind die Entscheidungen des einfachen Gesetzgebers als Ausdruck einer besonderen Wertung zu sehen122. Bei diesen Wertungen handelt es sich jedoch nicht um die Zuerkennung von Freiheit123, sondern der Privatrechtsgesetzgeber knüpft an der vorgefundenen Freiheit der originären Normadressaten an und gestaltet diese aus124. Diese freiheitliche Stellung des Privaten ist der Hintergrund für die Entscheidungen des Gesetzgebers und maßgeblich für den in den Normen enthaltenen Ordnungsgehalt. Dem Staat als atypischen Normadressaten fehlen jedoch diese Voraussetzungen, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass die in den Normen enthaltenen Abwägungen auch in dieser Konstellation passen125. Umgekehrt ist zu bedenken, dass dem Bürger die spezifischen Pflichten der öffentlichen Hand fehlen. Demnach kann nicht davon ausgegangen werden, dass die auf Private zugeschnittenen Normen diese Bindungen hinreichend erfassen126. In Anbetracht dieser Unterschiede kann aus der bloßen Anwendung des Privatrechts nicht geschlossen werden, dass der Staat auch die darin enthaltenen Freiräume ebenso nutzen darf, wie ein Privater127. Erforderlich ist vielmehr eine punktuelle Überprüfung, ob und wie weit die Wertungen des Privatrechts auch hier anwendbar sind128. Möglich ist dabei, dass der Staat von der Nutzung bestimmter Institute des Privatrechts ausgeschlossen ist129. Es kann damit als Zwischenergebnis formuliert werden, dass eine Denaturierung des Privatrechts nicht durch die Einführung des hier vorgeschlagenen Sonderrechts droht130, sondern eher durch die ungeprüfte Anwendung des Privatrechts auf einen Adressaten, auf den die Regelungen nicht zugeschnitten sind131. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Gesetzgeber mit öffentlichem Recht und Privatrecht austauschbare Regelungszwecke verfolgen kann132. Gerade die konkrete Art der Zweckverfolgung, die Entscheidung für ein Regime, bedingt wiederum den Zuschnitt der Normen auf den typischen Adressaten. Es ist mithin fest122 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 278; Müller-Freienfels; FS Rittner, S. 441; Ruffert, Vorrang, S. 53. 123 So aber Schmidt, Die Unterscheidung, S. 306 ff.; zutreffend dagegen Röhl, VerwArch 86 (1995), 539. 124 Schmidt-Salzer WiR 1972, 106; Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 42. 125 Hierzu etwa auch Burmeister, in: Prütting, Recht und Gesetz im Dialog III, S. 14; Huber StWStP 1997, 435. 126 In diese Richtung jedoch Emmerich JuS 1970, 336; Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 23 Rn. 22 hinsichtlich der Frage der Grundrechtsbindung. 127 Ehlers Die Verwaltung 20 (1987), 381 f.; Röhl VerwArch 86 (1995), 537; gerade mit Blick auf das Gesellschaftsrecht schon Berkemann, Die staatliche Kapitalbeteiligung, S. 33 f. 128 Schmidt-Salzer WiR 1972, 111. 129 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 278 m. w. N. 130 In diese Richtung Raiser, Die Zukunft, S. 14. 131 Vgl. die Überschrift bei Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 277. 132 Schwabe, in: K.Schmidt, Vielfalt der Rechtsordnung, S. 99 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 11 ff.
§ 3 Raum für ein Sonderrecht
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zuhalten, dass die besondere Stellung der öffentlichen Hand die Auslegung und Anwendung des Privatrechts modifizieren kann133. Ein solches Einwirken der öffentlich-rechtlichen Bindungen auf das Privatrecht wäre indes dann nicht möglich, wenn die beiden Rechtsregime strikt voneinander getrennt wären134. Einer solchen Vorstellung ist jedoch entgegenzutreten. Zwar kann man nicht soweit gehen, den Unterschied zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht zugunsten eines Gemeinrechts aufzugeben135. Dem steht schon entgegen, dass dem einfachen Recht offensichtlich diese Trennung zugrunde liegt136. Weiterhin entspricht die Existenz zweier Rechtskreise den Unterschieden zwischen den typischen Adressaten der Normenkomplexe137. Gleichwohl ist feststellen, dass die beiden Regime miteinander verwoben sind und sich teilweise ergänzen138. Zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht steht folglich keine undurchdringliche Mauer, so dass auch insofern die spezifischen Bindungen der öffentlichen Hand bei der Anwendung des Privatrechts Beachtung finden können.
2. Keine Umkehrung der Entscheidung für das Privatrecht Nach überwiegender Ansicht darf die Betonung der spezifischen Pflichtenstellung der öffentlichen Hand jedoch nicht dazu führen, dass die eingeräumte Möglichkeit, das Privatrecht zu nutzen, konterkariert würde139.
a) Beschränkung der relevanten Bindungen Wendet man sich der Frage zu, inwieweit dies durch die Etablierung des Sonderrechts droht, so ist es zunächst sinnvoll, sich die Vorteile und Zwecke vor Augen zu führen, die mit der Inanspruchnahme privater Organisationsformen verfolgt werden. Badura, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Abschn. Rn. 72 a.E. Vgl. Koch, Der rechtliche Status, S. 60 f. 135 Grundlegend Bullinger, Öffentliches Recht und Privatrecht, passim, zusammenf. S. 112 ff.; ders., FS Rittner, S. 69 ff. 136 Zuleeg VerwArch 73 (1982), 384; ähnl. Dürig, in: MD, GG, Art. 3 Abs. I Rn. 483. 137 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Innovation, S. 421. Diese Unterschiede zwischen den Adressaten, die sich auch in dem Zuschnitt der spezifischen Normen niederschlagen, stehen auch der Annahme entgegen, der Gesetzgeber habe einen Teil der Normen des Zivilrechts sowohl für Private als auch für die öffentliche Hand geschaffen, vgl. Ehlers Die Verwaltung 20 (1987), 381 ff.; Koch, Der rechtliche Status, S. 80 ff.; abl. etwa Schünemann, in: Stober / Vogel, Wirtschaftliche Betätigung, S. 53 m. w. N. 138 Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 104 ff.; Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 23; hierin liegt auch ein Ansatzpunkt für die Etablierung eines Gemeinrechts, vgl. Bullinger, FS Rittner, S. 83 ff. 139 Röhl VerwArch 86 (1995), 540; Brenner AöR 127 (2002), 232. 133 134
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Genannt werden hier zunächst Auswirkungen auf die Unternehmensführung. So ist schon die Gründung einer Gesellschaft in Privatrechtsform einfacher, als die einer vergleichbaren Eigengesellschaft140. Auch wird eine Flexibilisierung der Geschäftsführung, etwa durch Unabhängigkeit von den Regeln des öffentlich-rechtlichen Organisationsrechts, betont141. Des weiteren erwachsen Vorteile im Bereich des Personalwesens. Da die Bindung an das Recht des öffentlichen Dienstes entfällt, können die Karriere- und Bezahlungsmöglichkeiten flexibler gestaltet werden142. Die Wahl der privaten Rechtsform führt insbesondere dazu, dass das Unternehmen für Führungskräfte attraktiver wird, was die Möglichkeiten einer adäquaten Besetzung der Stellen verbessert. Dies beruht neben der erwähnten höheren Flexibilität im Vergleich zum Dienstrecht nicht zuletzt auch auf einem Imagegewinn bei der Wahl der privaten Rechtsform143. Dieser Imagegewinn kommt auch dem Unternehmen selbst zugute144. Die Anpassung an die Erscheinungsformen privater Wirtschaftsteilnehmer fördert die Integration des Unternehmens in den Markt145. Maßgebliche Bedeutung kommt der Tatsache zu, dass die Wahl der privaten Rechtsform die Möglichkeiten zur Kooperation erhöht. So sind Private regelmäßig nur an einer Kooperation in der Form einer privatrechtlichen Gesellschaft interessiert und auch für die Zusammenarbeit mehrerer Hoheitsträger stellt das öffentliche Recht keine geeigneten Mittel zur Verfügung146. Zu bedenken sind weiterhin finanzielle Vorzüge. Dies bezieht sich beispielsweise auf die Aufnahme von Krediten. So wird darauf verwiesen, dass im Vergleich zur Eigengesellschaft die Aufnahme von Fremdkapital erleichtert ist147. Traditionell wird außerdem die Nutzung steuerlicher Vorteile genannt148. Eine Betrachtung dieser Vorteile führt zu dem Schluss, dass eine Reihe von Vorzügen, die die Wahl des Privatrechts mit sich bringt, nur an die Rechtsform anknüpfen und mithin unabhängig von den Bindungen sind, die man einem staatlichen Mehrheitsgesellschafter auferlegt. Dies zeigen etwa die verfolgten steuerlichen Vorteile oder der Imagegewinn des Unternehmens. Folglich greift es zu kurz, ausschließlich auf die mit einer im Privatrecht begründeten Flexibilisierung 140 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 293 f.; daran ist insbesondere nach der Zulassung der Einmann-AG festzuhalten. 141 Schmidt ZGR 1996, 348; Harbarth, Anlegerschutz, S. 37. 142 Leisner WiVerw 1983, 215; Hefekäuser ZGR 1996, 392. 143 Janson ZögU 1987, 125 f.; Engellandt, Die Einflußnahme, S. 10; Huber StWStP 1997, 431; Cronauge / Westermann, Kommunale Unternehmen, Rn. 98. 144 Püttner, in: Wallerath, Kommunen im Wettbewerb, S. 59. 145 Becker, Die Erfüllung, S. 25 m. w. N. 146 Zuleeg VerwArch 73 (1982), 399; Becker, Die Erfüllung, S. 25; Püttner, in: Wallerath, Kommunen im Wettbewerb, S. 59 f. 147 Engellandt, Die Einflußnahme, S. 7. 148 Vgl. etwa v.Zezschwitz NJW 1983, 1875; Cronauge / Westermann, Kommunale Unternehmen, Rn. 100 ff.; nach Ehlers DÖV 1986, 902 soll dies sogar einen „Hauptgrund für das Ausweichen in das Privatrecht darstellen“. Krit. etwa Unruh DÖV 1997, 657.
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abzustellen. Insofern kann man anführen, dass auch bei dem hier verfolgten Sonderrecht ein Unterlaufen der Zulassung der Privatrechtsform nicht droht. Gleichwohl kann diese Feststellung allein den Vorwurf, durch den hier vertretenen Ansatz würde die Eröffnung des Privatrechts ausgetrocknet, nicht ausschließen. Dies ist nicht nur darin begründet, dass die Frage, welche konkreten Vorteile die Nutzung des Privatrechts bringt, nur für den jeweiligen Einzelfall festgestellt werden kann149 und damit die Möglichkeit besteht, dass solche nur an der Form anknüpfende Gewinne auch entfallen können. Zu bedenken ist vielmehr, dass es bei der Ermöglichung der Wahl des Privatrechts nicht nur darum geht, der öffentlichen Hand bloße Handlungsformen zu eröffnen. Gemeint ist vielmehr die Ermöglichung der Wahl des Privatrechts als Rechtsregime150. Nur wenn sich die Wahl eines Rechtskreises auch in für das Regime typischen Rechtsfolgen manifestiert, kann von einem echten Wahlrecht gesprochen werden151. Diese Aussage stellt keinen unauflösbaren Widerspruch zu der oben getroffenen Feststellung dar, dass es sich bei der öffentlichen Hand um einen atypischen Adressaten der privatrechtlichen Normen handelt, dessen Besonderheiten dazu führen, dass nicht alle Freiräume, die einem Privaten eröffnet sind, auch hier genutzt werden können. Aufgezeigt ist vielmehr ein Spannungsverhältnis, das Bedürfnis, einen Weg zu finden, der sowohl der besonderen Pflichtenstellung des Staates als auch dem Privatrecht hinreichend Rechnung trägt. In Betracht kommt hier, die Frage zu konkretisieren, welche der im öffentlichen Recht wurzelnden Bindungen auch bei der Nutzung des Privatrechts in Anspruch genommen werden sollen. Nach Röhl152 soll ein Mittelweg darin bestehen, dass die öffentlichen Bindungen beim Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages der öffentlichen Hand zu beachten sind, bei dessen Durchführung jedoch allein das Privatrecht gelte. Versucht man diesen Ansatz auf das Gesellschaftsrecht zu übertragen, so könnte man anführen, dass die öffentliche Hand nur bei dem Abschluss des Gesellschaftsvertrages die spezifische Pflichtenstellung zu beachten hat, während sich die Durchführung des Vertrages allein nach dem Privatrecht richtet. Eine solche Weiterentwicklung des Ansatzes kann jedoch nicht überzeugen. Grund für die ausdrückliche Ausklammerung von Gesellschaftsverträgen ist, dass diese „das Rechtsverhältnis zum Bürger nicht unmittelbar [gestalten]“153. Dem ist zuzustimmen. Der Gesellschaftsvertrag kann als Organisationsvertrag nicht als Rechtmäßigkeitsgrundlage für alle weiteren Handlungen im Gesellschaftsverhältnis gesehen werden154. Wenn dies schon in rein privaten Sachverhalten gilt, so muss dem erst So auch Harbarth, Anlegerschutz, S. 39. Schmidt-Aßmann DVBl. 1989, 535 mit Fn. 14. 151 Koch, Der rechtliche Status, S. 34; desh. krit. Schachtschneider, Staatsunternehmen, S. 181. 152 VerwArch 86 (1995), 531 ff. 153 Röhl VerwArch 86 (1995), 533 f. 154 Vgl. hierzu ausf. unten, § 6, Text bei Fn. 215 ff. 149 150
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Recht Geltung zukommen, wenn zusätzliche Pflichten der öffentlichen Hand etabliert werden sollen. Es wird mithin deutlich, dass die besonderen Bindungen nicht auf einen bestimmten Kreis der Handlungen als Gesellschafter beschränkt werden können. Vielmehr ist die Lösung in einem normorientierten Vorgehen155 zu suchen, mit dem der Kreis der zu beachtenden Pflichten beschränkt wird. Bereits im vorhergehenden Abschnitt wurde festgestellt, dass die Grundrechte den Staat bei jeglichem Handeln und damit auch bei der Teilnahme am Privatrechtsverkehr binden. Dann kann für die anderen Gebote von Verfassungsrang nichts anderes gelten156. Nicht ausgesagt ist damit jedoch, dass auch die einfachrechtlichen Normen Beachtung finden müssen. Vielmehr wird dem Bedürfnis einer sachgerechten Beschränkung der zu beachtenden Vorgaben die Ansicht gerecht157, nach der der Staat bei der Nutzung des Privatrechts nicht an alle öffentlich-rechtlichen Normen gebunden ist158, sondern eine Bindung allein durch die Verfassung erfolgt. Damit wird der Vorwurf einer Konterkarierung der Wahl des Privatrechts vermieden, während die oben aufgezeigten Vorteile weitgehend erhalten bleiben. Eine Wirkung aller öffentlich-rechtlicher Normen im Privatrecht müsste etwa dazu führen, dass die Vorgaben des öffentlichen Dienstrechts zwar nicht per Gesetz gelten, jedoch die öffentliche Hand die Vorgaben des Gesetzes bei der Gestaltung der privatrechtlichen Arbeitsverträge beachten müsste. Beschränkt man die Bindung jedoch auf die Normen der Verfassung, so entfällt diese Beachtlichkeit des Dienstrechts, weshalb die oben als bedeutsam herausgestellte Flexibilität im Bereich des Personalwesens erhalten bleibt. Gleichwohl würden damit keinesfalls die Beschränkungen der öffentlichen Hand völlig entfallen. Ohne, dass an dieser Stelle schon auf die Wirkung der Grundrechte im Privatrecht einzugehen ist, sei etwa darauf hingewiesen dass der verfassungsrechtlich fundierte Grundsatz des Vertrauensschutzes den Spielraum der öffentlichen Hand bei der Anwendung des Privatrechts dahingehend beschränkt, dass die öffentliche Hand nicht nur die gesetzliche Höhe des Grundkapitals einhalten muss, sondern zudem für eine in Ansehung des Unternehmensgegenstands ausreichende Kapitalausstattung zu sorgen hat159. Eine solche Differenzierung kann auch weder als willkürlich noch als ineffektiv bezeichnet werden, da es sich bei den Normen des einfachen Rechts nur um konkretisiertes Verfassungsrecht handelte. Nicht allen Normen des einfachen Rechts, insbesondere nicht denen des Verfahrensrechts, kommt eine solche Bedeutung zu. Und auch wenn eine Regelung dem Schutz eines Verfassungsguts dient, so kann Krebs VVDStRL 52 (1993), 274. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 222 f. mit Fn. 286. 157 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 226; Krebs VVDStRL 52 (1993), 274 f.; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 72 mit Fn. 134. 158 So aber Gusy DÖV 1984, 879. 159 Parmentier ZIP 2001, 554 f. 155 156
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sie nicht mit den Normen der Verfassung selbst gleichgesetzt werden160. Dies würde schon mit der Stellung des Gesetzgebers kollidieren, dem regelmäßig ein Ausgestaltungsspielraum zukommt. Anwendbar sind damit nicht einfach die unterverfassungsrechtlichen Normen, sondern nur ihr verfassungsrechtlicher Kern. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass die einfachgesetzlichen Normen teilweise ihren Anwendungsbereich selbst auf das öffentliche Recht beschränken, was einer Anwendung auf den privatrechtlich handelnden Staat entgegensteht161. Gerade die nur beschränkte Aufrechterhaltung von öffentlich-rechtlichen Bindungen ist jedoch dem Einwand ausgesetzt, die mit der Einführung eines Sonderrechts einhergehende Veränderung des positiven Rechts führe zu einer unzulässigen Rechtsunsicherheit162. Mit Blick auf die Bedeutung der Schutzgüter, in deren Interessen die Etablierung des Sonderrechts erfolgt, ist dies jedoch als unerlässlich hinzunehmen. Folglich steht dem hier vertretenen Sonderrecht auch insofern nichts entgegen163.
b) Beschränkung der Rechtmäßigkeitsanforderungen Fraglich ist, ob über die Beschränkung des Kreises der zu beachtenden Vorschriften hinaus auch die Maßstäbe verändert werden müssen, anhand derer die Einhaltung der als relevant festgestellten Normen zu beurteilen ist. So wird darauf hingewiesen, dass die aus der Grundrechtsbindung folgenden Rechtmäßigkeitsanforderungen der öffentlichen Hand von der Art des konkreten Verhaltens abhängen und mithin bei der erwerbswirtschaftlichen Betätigung geminderte Anforderungen erfüllt werden müssen164. Gerade auch mit dem Argument, man dürfe die Entscheidung für eine Teilnahme am Privatrechtsverkehr nicht unterlaufen, wird deshalb teilweise eine Minderung der Anforderungen an die Rechtfertigung staatlichen Handelns gefordert165. Fraglich ist jedoch, ob die Forderung nach einer solchen zusätzlichen Lockerung gerechtfertigt ist. Ausgangspunkt der Überlegungen ist, wie schon angedeutet, das Bestreben, der öffentlichen Hand einen hinreichenden Bewegungsraum bei der Nutzung des Privatrechts zu bieten und sie nicht „am kurzen Zügel des eingriffsermächtigenden Gesetzes“166 zu halten. Der öffentlichen Hand soll dann, wenn ihr Handeln auf die 160 Hierzu und zum Folgenden Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 227; Krebs VVDStRL 52 (1993), 275. 161 Krebs VVDStRL 52 (1993), 274 f. 162 Vgl. Parmentier ZIP 2001, 554; Dreier Die Verwaltung 36 (2003), 114. 163 Ehlers DVBl. 1983, 427. 164 v.Zezschwitz NJW 1983, 1878; Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht, 6. Kap. Rn. 25. 165 Grundlegend Zeidler VVDStRL 19 (1961), 232 ff.; weiterhin etwa Saladin, in: Funk, Die Besorgung öffentlicher Aufgaben, S. 72 ff. 166 v.Zezschwitz NJW 1983, 1878.
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1. Teil: Grundlegung
Maximierung von Gewinnen ausgelegt ist, ein dazu ermächtigender Handlungsspielraum eröffnet werden, während die Verfolgung unmittelbarer öffentlicher Belange nicht erfasst sein soll. Schon hier müssen erste Bedenken angemeldet werden. In diesem Rahmen ist noch einmal auf das obige Ergebnis zu verweisen, wonach die bloße Gewinnerzielungsabsicht nicht genügen kann, sondern stets ein öffentlicher Zweck mitverfolgt werden muss167. Sollte dies nicht mehr gewährleistet sein, so ist eine materielle Privatisierung des Unternehmens geboten168. Weiterhin ist die Beurteilung und damit die Kontrolle, welche öffentlichen Zwecke und mit welcher Intensität verfolgt werden, praktisch nur schwer zu treffen169. Die daraus resultierenden Unsicherheiten sprechen gegen eine Modifikation der Anforderungen für einen Teil der privatrechtlichen Handlungen. Ferner ist zu bedenken, dass nach dem vorgestellten Ansatz die Anforderungen an die Rechtfertigung von Belastungen umso geringer sind, je weniger ein öffentlicher Zweck verfolgt wird. Mit Blick auf die Tatsache, dass gerade die Zweckverfolgung, anders als die bloße Gewinnerzielungsabsicht, selbst von öffentlichem Belang ist, der die Belastung anderer Güter von Verfassungsrang, insbesondere von Grundrechten, zu rechtfertigen vermag, wäre gerade eine umgekehrte Bewertung zu erwarten170. Mitunter wird versucht, die These, dass die unmodifizierte Geltung der verfassungsrechtlichen Bindungen zu einer übermäßigen Einengung der staatlichen Teilnahme am Wirtschaftsverkehr führe, anhand von Beispielen zu belegen. So wie teilweise eine völlige Freistellung der öffentlichen Hand von der Grundrechtsbindung angestrebt wird, wird von anderen zur Begründung der Modifizierung der Grundrechtsgeltung angeführt, dass die Teilnahme am privaten Wirtschaftsverkehr durch eine unmodifizierte Bindung an den Gleichheitssatz übermäßig erschwert würde171. Doch auch eine bloße Minderung der Anforderungen an staatliches Handeln kann damit nicht begründet werden. So gilt hier ebenfalls zu beachten, dass Art. 3 Abs. 1 GG auch in seiner herkömmlichen Anwendung nicht jede Differenzierung verbietet, sondern nur eine solche ohne sachliche Rechtfertigung. Damit können die Belange der Wirtschaftsteilnahme berücksichtigt werden172. Für eine Modifizierung besteht damit hier kein Bedürfnis. Ein solches kann auch nicht mit dem in diesem Zusammenhang angeführten Hinweis begründet werden, das Sozialstaatsprinzip dürfe ein staatlich beherrschtes Unternehmen nicht zur kostenlosen Abgabe seiner Produkte verpflichten173. Ein derartiges Ergebnis droht auch bei der Beibehaltung unverminderter Bindungen nicht. Dem steht meist schon entVgl. oben, § 2, Text bei Fn. 38 ff. Selmer, in: Stober / Vogel, Wirtschaftliche Betätigung, S. 90. 169 Vgl. Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1405. 170 In diese Richtung Jarass DÖV 2002, 495. 171 Zeidler VVDStRL 19 (1961), 232; zur weitergehenden Ansicht schon oben, § 2, Text bei Fn. 56. 172 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 218 ff.; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 83 f. 173 Zeidler VVDStRL 19 (1961), 232. 167 168
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gegen, dass nur die Gewährung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein zwingend durch Art. 20 Abs. 1 GG vorgegeben ist174. Weiterhin folgen aus dem Sozialstaatsprinzip in aller Regel keine subjektiven Rechte des Einzelnen175, die gegen die öffentliche Hand auf Abgabe der Produkte geltend gemacht werden könnten. Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass auch ohne modifizierende Auslegung ein flexibles Handeln der öffentlichen Stellen möglich ist. Regelmäßige Handlungsform bei der Teilnahme am Privatrechtsverkehr ist die Rechtsform des Vertrages. Hier ist der öffentlichen Hand ein weitergehender Spielraum zuzugestehen, als bei der hoheitlich eingreifenden Verwaltung. Maßgeblich ist hierfür die Mitwirkung des Bürgers, die eine bestimmte Rechtfertigung herbeiführt. Dies gilt jedoch unabhängig vom Rechtsregime für die Beurteilung aller freiwilligen Verträge zwischen der öffentlichen Hand und einem Bürger176. Einer besonderen Modifikation der Grundrechtsbindung für den Fall der Teilnahme am privaten Wirtschaftsverkehr bedarf es insofern nicht. Auch wird deutlich, dass die demnach regelmäßig zu beachtende Lockerung der Anforderungen nicht auf die Fälle übertragen werden kann, die zwar auch in einen privatrechtlichen Kontext eingebettet sind, bei denen jedoch ein Verhalten seitens der öffentlichen Hand vorliegt, das als Eingriff zu qualifizieren ist. Die Aussage, wonach bei der Teilnahme am Privatrechtsverkehr durch die öffentliche Hand die Bindungen nur in stark gelockerter Form vorliegen müssen, ist mithin zu präzisieren. Entscheidend für den Maßstab, an dem die Einhaltung der als relevant erkannten Bindungen zu messen ist, ist nicht die Handlungsmodalität, sondern vielmehr die konkrete Gefährdung der Verfassungsgüter. Kein ausschlaggebendes Gegenargument liefert ein Verweis auf die veränderte Wahrnehmung der Pflichten im Rahmen einer privatrechtlichen Gesellschaft, insbesondere im Fall einer Minderheitsbeteiligung177. Zumindest soweit es um die hier vorrangig interessierenden Grundrechte geht, ist an der folgenden Erwägung festzuhalten. Zuzugeben ist, dass sich die öffentliche Hand als Minderheitsgesellschafter in im Zweifel nicht durchsetzen kann, weshalb etwa im Bezug auf die Grundrechte eines außenstehenden Dritten eine Abschwächung des Schutzes festzuhalten ist. Diese beruht jedoch nicht auf der Tatsache, dass die öffentliche Hand als Gesellschafterin agiert. Andernfalls wäre nicht verständlich, warum die öffentliche Hand verpflichtet ist, ihre Gesellschafterrechte, namentlich bei der Ausübung des Stimmrechts oder bei der Besetzungen der Organe, in einer mit ihren Bindungen konformen Weise auszuüben und auf deren Durchsetzung hinzuwirken178. Sommermann, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Abs. 1 Rn. 99. In jüngerer Zeit Schmidt-Aßmann NJW 2004, 1690; ausführl. weiterhin Herzog, in MD, GG, Art. 20, VIII, Rn. 28, 49 ff.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 103. 176 v.Zezschwitz NJW 1983, 1878. 177 Zeidler, a. a. O., S. 234. 178 Allgemeine Ansicht, beispielsweise Stober NJW 1984, 454 f.; Spannowsky DVBl. 1992, 1075; Starck, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 199; Ehlers, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 86. 174 175
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1. Teil: Grundlegung
Die Schwächung des Grundrechtsschutzes ist in der Situation der privaten Mitgesellschafter begründet. Die Betätigung der Gesellschaft stellt sich durch diese auch als Ausübung von Freiheit dar. Dass der Schutz der Grundrechte Außenstehender beeinträchtigt wird, beruht gerade darauf, dass man die Grundrechte der Mitgesellschafter so schwer gewichtet, dass sie eine Grundrechtsbindung der Gesellschaft selbst ausschließen179. Wichtig ist es zu unterstreichen, dass die Veränderung des Schutzes nicht etwa darauf beruht, dass die dem Staat obliegenden Pflichten selbst gelockert werden. Der Staat ist vielmehr auch in Situationen wie den eben beschriebenen stets in der Pflicht180 und muss seinen Bindungen so weit wie ihm möglich gerecht werden. Dies spricht nicht nur gegen eine Lockerung seiner Bindungen bei der Nutzung des Privatrechts, sondern weist auch auf eine andere, mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand bedeutsame Tatsache hin. Dass es im Außenverhältnis zu einer Abschwächung des Grundrechtsschutzes kommt, kann nicht dazu führen, eine Lockerung im Innenverhältnis zu bejahen. Weiterhin ist zu beachten, dass das Spannungsverhältnis zwischen den verfassungsrechtlichen Bindungen und dem Erfordernis wirtschaftlichen Verhaltens nicht von außen an die Verfassung herangetragen wird. Vielmehr ist dem Grundgesetz selbst das Gebot zur Wirtschaftlichkeit zu entnehmen, das auch die Beschränkung anderer Güter von Verfassungsrang, einschließlich von Grundrechten, ermöglicht181. Schon hieraus folgt die Verpflichtung, die hier in Rede stehenden wirtschaftlichen Bedürfnisse zu berücksichtigen182. Wenn insofern die Bedürfnisse nach einem marktangemessenen Verhalten Beachtung finden, so erfolgt dies nicht durch eine Veränderung des für die Rechtfertigung heranzuziehenden Maßstabs, sondern durch die umfassende Berücksichtigung aller kollidierenden Güter. Wenn vorliegend den Tendenzen zugunsten einer Lockerung der Bindung an die verfassungsrechtlichen Vorgaben entgegengehalten wird, dass auch ohne sie eine hinreichende Flexibilität erreicht werden kann, so fordert dies den Einwand heraus, dass damit das Maß der erreichten Flexibilität hinter dem zurückbleibt, was durch eine modifizierende Anwendung erreicht werden kann. Dies stellt jedoch kein durchgreifendes Gegenargument dar. So ist zunächst darauf zu verweisen, dass die Modifikation auf der Befürchtung beruht, die unveränderte Anwendung der verfassungsrechtlichen Schranken könne eine Teilnahme am Wirtschaftsverkehr in toto verhindern183. Dies ist jedoch auch nach hier vertretener Ansicht nicht zu befürchten. Das verminderte Maß an Freistellung entspricht demgegenüber Stellung und 179 Dafür etwa Schmidt-Aßmann, BB 1990, Beilage 34, S. 11 f.; Starck, a. a. O.; dagegen Heintzen, Rechtliche Grenzen, S. 21 f.; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 147 ff. 180 Vgl. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 120, nach dem diese Bindung sogar ausreichen soll, um eine Grundrechtsbindung einer voll in Staatseigentum stehenden Gesellschaft in Privatrechtsform entbehrlich zu machen; dagegen etwa Möstl, Grundrechtsbindung, S. 102 f. 181 Vgl. dazu unten, § 9, Text bei Fn. 268 ff. 182 Vgl. den Ansatz von Selmer, in: Stober / Vogel, Wirtschaftliche Betätigung, S. 97. 183 So ausdr. Zeidler VVDStRL 19 (1961), 232; ebenso Meyer-Arndt ZUM 1996, 766.
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spezifischen Bindungen der öffentlichen Hand, die bedingen, dass ihr das Privatrecht eben nicht umfassend und zu jeder Handlung offen stehen kann184. Dadurch wird nicht zuletzt der einer modifizierenden Anwendung innewohnenden Gefahr entgegengewirkt, dass, entgegen dem Ausgangspunkt, der ja gerade an der spezifischen Pflichtenstellung festhält, die Sonderstellung des Staates soweit vernachlässigt wird, dass der Unterschied zu einem Privatmann als dem typischen Adressat der Privatrechtsnormen aufgehoben wird185.
3. Vorrang des einfachen Rechts und des Gesetzgebers a) Vorrang des einfachen Rechts Dabei steht der Anerkennung des Sonderrechts auch nicht der Einwand entgegen, ein Rückgriff auf die in der Verfassung wurzelnden Besonderheiten der Normunterworfenen sei wegen des Anwendungsvorrangs des einfachen Rechts ausgeschlossen186. Die Betonung der besonderen Pflichtenstellung der öffentlichen Hand steht einer grundsätzlich unveränderten Anwendung der einschlägigen Normen nicht entgegen187. So kann der öffentlichen Hand trotz fehlender Grundrechtsberechtigung eine Eigentumsentschädigung zustehen, wenn das einschlägige Gesetz nur an der Eigentümerstellung, nicht aber an der Grundrechtsberechtigung anknüpft188. Eine Grenze ist jedoch zumindest dann erreicht, wenn die Anwendung der Norm auf den Staat als atypischen Adressaten nicht mehr mit der Verfassung vereinbar ist, da sie den aus den spezifischen Pflichten folgenden Besonderheiten nicht genügt189. In diesem Fall muss die Rechtsanwendung die besondere Pflichtenstellung berücksichtigen und insofern vermögen die Bindungen das Privatrecht auch im Sinne eines Sonderrechts zu verändern. Kurz ist an dieser Stelle auf einen weiteren Gedanken einzugehen: Gerade aus dem Zuschnitt der Normen auf den typischen Adressaten könnte versucht werden zu folgern, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung der relevanten privatrechtlichen 184 Vgl. neben den obigen Ausführungen auch Dürig, in: MD, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 493 a.E. 185 Vgl. nur die Darstellung bei Saladin, in: Funk, Die Besorgung öffentlicher Aufgaben; der anführt, dass dem Staat „Schranken kaum gezogen“ seien (S. 75) und die Grenzen zwischen der Bindung Privater und der des Staates seien „fließend“ (S. 73). 186 Vgl. v.Arnauld DÖV 1998, 448. 187 Ehlers Die Verwaltung 20 (1987), 381; Möstl, Grundrechtsbindung, S. 63; ähnl. Dürig, in: MD, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 492. 188 BayOLG DÖV 1975, 517 (517); Dürig, in: MD, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 39; mit parallel gelagerten Beispielen aus dem öffentlichen Recht Bleckmann, Grundrechte, S. 116. 189 Wie hier Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1415; Meyer-Arndt ZUM 1996, 765; Ruffert, Vorrang, S. 52; vgl. auch die Formulierung des BayOLG DÖV1975, 517 (518), das zur Rechtfertigung der unveränderten Gesetzesanwendung anführt, es bestünden „keine – insbesondere keine verfassungsrechtl. – Bedenken dagegen“.
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1. Teil: Grundlegung
Normen den Fall staatlichen Engagements nicht vor Augen gehabt hat190. Man könnte darauf aufbauen und argumentieren, dann habe der Normgeber diese Situation, die besondere Pflichtenstellung der öffentlichen Hand, auch nicht in die Abwägung mit einstellen müssen. Indessen kann die Bindung des Staates an die Verfassung nicht derart von der Problemsicht der Legislative abhängig gemacht werden191. Der Vorrang des einfachen Rechts muss demnach eine Grenze in der Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht finden. b) Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers Die Rolle des einfachen Gesetzgebers ist jedoch nicht nur hinsichtlich der bestehenden Normen zu beachten, sondern auch hinsichtlich des Akts der Veränderung selbst. Eine modifizierende Auslegung muss dem Faktum gerecht werden, dass dem Gesetzgeber die Aufgabe zukommt, die verfassungsrechtlichen Vorgaben zu konkretisieren. Spannungen sind hier jedoch nur denkbar, sofern dem Gesetzgeber ein Ausgestaltungsspielraum zusteht. Folgt aus den verfassungsrechtlichen Bindungen, insbesondere, was für das hier vertretene Sonderrecht bedeutsam ist, aus den Grundrechten als Abwehrrechten, jedoch ein schlichtes Unterlassungsgebot hinsichtlich der durch das einfache Recht eröffneten Handlungsalternativen, so kann dieser Aspekt nicht entgegenstehen.192. c) Das Privatrecht als Rahmenrecht Zur Unterstützung des soeben gefundenen Ergebnisses ist auf eine weitere Eigenart des Privatrechts hinzuweisen. Der Anwendungsvorrang des einfachen Rechts steht insoweit nicht entgegen, wie keine Wertungen des Gesetzgebers vorliegen193. Die Besonderheiten der öffentlichen Hand können im Rahmen der Rechtsanwendung deshalb dort unproblematisch berücksichtigt werden, wo das Gesetz Lücken oder Wertungsspielräume aufweist194. Andere, meist im Verhältnis zu den originären Normadressaten engere Verhaltensanforderungen195 sind damit etwa bei der Anwendung von Generalklauseln möglich196. 190 Vgl. hierzu etwa die Kontroverse um die Erfassung der öffentlichen Hand durch das Konzernrecht, hierzu ausf. unten, § 3, Text bei Fn. 216 ff. 191 Vgl. Dietlein ZG 1995, 136. 192 Vgl. Spannwsky ZGR 1996, 423. Dadurch wird auch deutlich, warum oben bei der Ablehnung des Verwaltungsgesellschaftsrechts besondere Einwirkungsmöglichkeiten nicht begründet werden konnten, wohingegen die Nutzung von im Gesetz offenstehenden Gesellschaftsformen insgesamt versagt werden kann. Hinsichtlich ersteren wäre eine Ausgestaltung notwendig, bezüglich des Verbots hingegen nicht. 193 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 217; Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1415. 194 v.Arnauld DÖV 1998, 448. 195 Vgl. Ulmer ZHR 146 (1982), 493: Maßstabsverschärfungen. 196 Gusy DÖV 1984, 879; Bleckmann, Grundrechte, S. 116.
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Indes ist diese Beobachtung nicht auf die soeben genannten Fälle zu beschränken. Auch wenn das Privatrecht keinen solchen Wertungsspielraum offen lässt, steht der Anwendungsvorrang des einfachen Gesetzes der Anerkennung des hier befürworteten Sonderrechts nicht entgegen. Das Privatrecht zeichnet sich dadurch aus, dass es nur einen Handlungsrahmen für die Verfolgung ihrer Interessen durch die Teilnehmer am Wirtschaftsverkehr zur Verfügung stellt197. Normiert werden grundsätzlich nur die äußeren Grenzen, innerhalb derer die Privaten ihre Ziele frei verfolgen können198. Dabei werden insbesondere Handlungsinstrumente zur Verfügung gestellt, während die Entscheidung ob und meist auch wie diese zur Anwendung kommen, im Belieben der Normadressaten verbleibt. Wichtig für den hier untersuchten Kontext ist dabei, dass eine Wertung des Gesetzgebers, soweit die Freiheit des Privaten zur Ausfüllung des Rahmens reicht, nicht vorliegt. Aus diesem Grund ist es auch im Hinblick auf Art. 31 GG unproblematisch, wenn die Gemeindeordnungen der Länder die Freiheit zur Wahl der durch das Privatrecht zur Verfügung stehenden Gesellschaftsformen beschränken. Dann muss es jedoch auch möglich sein, durch eine an Verfassungsrecht orientierte Auslegung die Handlungsalternativen beschränken zu können.
d) Möglichkeit verfassungskonformer Reduktion In diesem Zusammenhang ist auf einen weiteren Gesichtspunkt einzugehen. Bislang wurde stets vorausgesetzt, dass die Berücksichtigung der spezifischen Bindungen im Wege der Auslegung, d. h. durch eine verfassungskonforme Reduktion erfolgt. Das Anliegen der verfassungskonformen Reduktion, die Wertungen des einfachen Gesetzgebers soweit wie im Licht der Verfassung möglich zu wahren199, entspricht dem Anwendungsvorrang der unterverfassungsrechtlichen Normen besser als der Ansatz, das einfache Recht im Fall der Kollision mit den verfassungsrechtlichen Bindungen als schlicht verdrängt anzusehen200. Steht hier jedoch ein Sonderrecht in Frage, bei dem ungeschriebene Ausnahmen für bestimmte Tatbestände etabliert werden sollen, so ist zu untersuchen, ob dies überhaupt im Wege der verfassungskonformen Auslegung möglich ist. Nach teilweise vertretener Ansicht soll eine verfassungskonforme Auslegung nur in Frage kommen, wenn sich dies im Wortlaut verankern lässt201. Träfe dies zu, so wäre zu prüfen, wie sich dieser Grundsatz zu der Einschätzung des Privatrechts als Rah197 Hierzu Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 16 ff.; ders. Das allgemeine Verwaltungsrecht, 6. Kap. Rn. 14 f. 198 Anschaulich Müller-Freienfels, FS Rittner, S. 441; vgl. auch Schapp JZ 1998, 918. 199 St. Rspr., vgl. etwa BVerfGE 8, 28 (34); BVerfGE 9, 194 (200); BVerfGE 33, 52 (70); weiterhin Schnorbus, Gestaltungsfreiheit, S. 142; Dreier Die Verwaltung 36 (2003), 110. 200 Dafür etwa Huber, Konkurrenzschutz, S. 331 ff. 201 Seibert / Henschel, Sondervotum zu BVerfGE 85, 69 – Eilversammlungen; BVerfGE 85, 77 (77 f.).
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1. Teil: Grundlegung
menrecht verhält oder ob nicht doch eine Lösung durch unmittelbaren Rückgriff auf die Verfassung geboten ist. Der angesprochenen Ansicht steht die Auffassung entgegen, dass zum Zweck der Wahrung der Verfassungsmäßigkeit auch eine Veränderung des Wortlauts möglich ist202. Vermittelnd wird vertreten, dass der Wortlaut der Auslegung zwar eine Grenze setzt, jedoch die Annahme ungeschriebener Ausnahmen den Wortlaut nicht berühre, so dass eine verfassungskonforme Auslegung insofern möglich sei203. Zur Beantwortung der Frage, welcher der genannten Ansichten der Vorzug gebührt, ist zunächst festzustellen, dass es sich auch bei der verfassungskonformen Auslegung um eine Form der Gesetzesauslegung handelt. Damit sind die allgemeinen Regeln der Auslegung auch hier beachtlich204. Folglich ist insbesondere dort eine Grenze gezogen, wo sich die Interpretation über den klaren Wortlaut des Gesetzes hinwegsetzt205. Die Ansicht, die auch eine Umformung des Wortlauts für möglich erachtet, überschreitet diese Grenze. Statt um eine Auslegung handelt es sich dabei um eine Rechtsfortbildung206. Bedenkt man, dass diese Rechtsfortbildung im Rahmen der Rechtsanwendung erfolgt, so wird deutlich, dass es die Gerichte sind, die diese betreiben. Ohne, dass hier genau auf die Grenzen der richterlichen Rechtsfortbildung einzugehen ist, ist ein solches Ergebnis zur Wahrung des Prinzips der Gewaltenteilung zu vermeiden. Wenn eine verfassungskonforme Auslegung deshalb dort nicht mehr möglich ist, wo diese „selbst an der Stelle des Gesetzgebers einen neuen Wortlaut festlegt“207, so ist die Meinung, die auch eine Umformung des Wortlauts für zulässig hält, zu verwerfen. Damit ist jedoch noch nicht geklärt, ob tatsächlich auch ein Ansatzpunkt im Wortlaut nachgewiesen werden muss. Eine solche Anforderung lässt sich nicht begründen. Sie verkennt, dass die wortlautorientierte Interpretation nur ein Instrument der Auslegung ist208. Gelten auch hier die allgemeinen Regeln der Auslegung, so kann diesem Aspekt nicht per se Vorrang zukommen209. Auch innerhalb des einfachen Gesetzesrechts kann eine BVerfGE 85, 69 (74 ff.) – Eilversammlungen; ähnl. BVerfGE 34, 269 (292) – Soraya. Geis NVwZ 1992, 1025 ff.; zweifelnd am Bedürfnis einer Verankerung im Normtext BVerwGE 26, 135 (138). Nach BVerfG NJW 2000, 1021 (1024) sowie BVerwGE 101, 364 (372) genügt es, wenn der Wortlaut so offen formuliert ist, dass eine entsprechende Auslegung in Betracht kommt. 204 Schnorbus, Gestaltungsfreiheit, S. 142 f.; Kramer, Juristische Methodenlehre, S. 76. 205 BVerfGE 2, 380 (398); BVerfGE 10, 59 (80); BVerfGE 18, 97 (111); BVerfGE 72, 278 (295); Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 161; Geis NVwZ 1992, 1027; Rieger NVwZ 2003, 21. 206 Larenz / Canaris, Methodenlehre, S. 161. 207 BVerfG NJW 1958, 1227 (1228); Raisch, Juristische Methoden, S. 180. 208 Dies gilt auch dann, wenn der Wortlaut einer Norm eindeutig und klar erscheint, Lutter JZ 1992, 595. 209 Schmalz, Methodenlehre, Rn. 303; ausf. zum Verhältnis der Auslegungskriterien Canaris, FS Medicus, S. 31 ff. 202 203
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restriktive Auslegung eines Wortlauts aus systematischen Gründen geboten sein. Dann kann für die verfassungskonforme Auslegung als Sonderfall der systematischen Auslegung210 nichts anderes gelten. Ebenfalls ist zu bedenken, dass, sofern aus den Materialien nicht eindeutig das Gegenteil hervorgeht, dem Gesetzgeber unterstellt werden kann, dass er verfassungsgemäß handeln wollte211. Dies schließt den Willen mit ein, dass er eine Norm nur auf die in Frage kommenden Sachverhalte erstrecken wollte, durch deren Regelung er nicht gegen höherrangiges Recht verstößt. Da auch der Wille des Gesetzgebers ein anerkannter Orientierungspunkt der Gesetzesauslegung ist, muss dies auch im vorliegenden Zusammenhang Geltung beanspruchen. Dass die beiden letztgenannten Auslegungskriterien gegenüber der grammatikalischen Auslegung ausschlaggebend sein müssen, folgt aus den Gründen, die schon für die verfassungskonforme Auslegung überhaupt sprechen. Die in beiden Fällen erreichte weitgehende Normerhaltung entspricht sowohl dem Prinzip der Rechtskontinuität als auch der Vermutung für eine verfassungskonforme Gesetzgebung (favor-legis-Prinzip)212. Folglich gebührt der vermittelnden Ansicht der Vorzug. Dann kommt jedoch die Annahme ungeschriebener Ausnahmen zum Nachteil eines staatlichen Teilnehmers am Wirtschaftsverkehr wegen dessen verfassungsrechtlicher Bindungen in Betracht, so dass auch an der Berücksichtigung dieser Pflichtenstellung im Wege einer Auslegung festgehalten werden kann.
III. Verbleibender Raum neben dem Konzernrecht 1. Problemstellung Der oben aufgezeigte Raum für ein Sonderrecht wäre indes nur dann eröffnet, wenn ein ausreichender Schutz nicht durch bestehende Normen gewährt würde. Zu denken ist hier insbesondere an das Recht der verbundenen Unternehmen gem. §§ 292 ff. AktG. Zweck dieses als Konzernrecht bezeichneten Regelungskomplexes ist ein Schutz der Gesellschaftsgläubiger aber auch der Minderheitsgesellschafter sowohl der beherrschenden, vor allem aber der beherrschten Gesellschaft213. Insofern kommt eine Abdeckung auch der hier untersuchten Fragen in Betracht. Vgl. nur Schmalz, Methodenlehre, Rn. 361; Raisch, Juristische Methoden, S. 180. Schnorbus, Gestaltungsfreiheit, S. 142; nach der Rspr. des BVerwG soll eine Reduktion auch dann geboten sein, wenn der Gesetzgeber eine über das Zulässige hinausgehende Wirkung beabsichtigt hat, BVerwG DVBl. 1995, 859 (860); BVerwG DVBl. 2000, 1136 (1137); krit. Rieger NVwZ 2003, 21 f. 212 Dreier Die Verwaltung 36 (2003), 110; krit. Bettermann, Verfassungskonforme Auslegung, S. 24 ff. 213 Demuth JA 1996, 137; Timm JuS 1999, 556; Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 50 Rn. 13. 210 211
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2. Anwendbarkeit des Konzernrechts auf Beteiligungen der öffentlichen Hand Erste Voraussetzung ist, dass das Konzernrecht überhaupt auf die Fälle der Beteiligung der öffentlichen Hand an einer Gesellschaft des privaten Rechts anwendbar ist. Die hier betrachtete private Aktiengesellschaft wird regelmäßig die Voraussetzungen einer abhängigen Gesellschaft i. S. d. §§ 15 ff. AktG erfüllen214. Mit Blick auf die weitere Prämisse, nach der die öffentliche Hand an der untersuchten AG einen Großteil der Aktien hält, ist auch eine Mehrheitsbeteiligung gem. § 16 Abs. 1 AktG anzunehmen. Entsprechend der Vermutung gem. § 17 Abs. 2 AktG kommt der öffentlichen Hand damit auch eine beherrschende Stellung i. S. d. § 17 Abs. 1 AktG zu215. Einer näheren Betrachtung bedarf jedoch die Frage, ob es sich bei der öffentlichen Hand überhaupt um ein herrschendes Unternehmen gem. §§ 15 ff. AktG handelt. Erschwert ist eine Klärung insofern, als dass das AktG bewusst auf eine Definition des herrschenden Unternehmens verzichtete216 und auch die in der Vergangenheit unternommenen Versuche einer Orientierung an Fallgruppen als gescheitert erachtet werden muss217. Die Frage, wann eine den Konzern begründende Unternehmensstellung gegeben ist, muss damit teleologisch aus dem Schutzzweck des Rechts der verbundenen Unternehmen hergeleitet werden218. Unter Privaten wird aus dem Telos gefolgert, dass ein Unternehmen ein solcher Gesellschafter, gleich ob eine natürliche oder eine juristische Person, ist, der neben der beherrschten Gesellschaft noch anderweitige Unternehmensinteressen verfolgt und der innerhalb der abhängigen Gesellschaft über ausreichende Einwirkungsmöglichkeiten verfügt, um deren Geschäftsführung an seinen anderweitigen Unternehmensinteressen auszurichten219. Nach teilweiser, vor allem früher stark verbreiterter Ansicht, die jedoch mittlerweile wieder an Anhängern zu gewinnen scheint, soll eine Übertragung dieser Grundsätze auf die öffentliche Hand nicht möglich sein220. Im Vgl. hierzu nur Kübler, Gesellschaftsrecht, § 28.II.1.b.; Hüffer, AktG, § 15 Rn. 14. Vgl. zu diesem Zusammenhang Timm JuS 1999, 657; ausf. Emmerich, in: Emmerich / Sonnenschein / Habersack, Konzernrecht, S. 41 ff. 216 Vielmehr sollte die Klärung des Begriffes der weiteren Entwicklung in Rspr. und Lehre überlassen werden, vgl. hierzu nur Borggräfe DB 1978, 1433 unter Verweis auf die Begründung des Regierungsentwurfs zum AktG 1965. 217 Vgl. Weimar / Bartscher ZIP 1991, 70. 218 Doralt, in: Münchener Kommentar, AktG, § 15 Rn 11; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 28.II.1.b. 219 BGHZ 95, 330 (335) – Autokran; BGHZ 115, 187 (189 f.) – Video; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 28.II.1.b; krit. zur Erstreckung auf natürliche Personen Wiedemann DB 1993, 153. 220 Borggräfe DB 1978, 1436 ff.; Rittner, FS Flume II, S. 254 ff.; zumindest für die Einschätzung der VEBA / Gelsenberg-Entscheidung als nicht zu verallgemeinernden Einzelfall Mertens AG 1996, 244; für eine nur analoge Anwendung einzelner Normen des Konzernrechts Zöllner ZGR 1976, 25 ff.; in diese Richtung auch Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 130. 214 215
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Anschluss an die bereits angesprochene VEBA / Gelsenberg-Entscheidung des BGH221 spricht sich demgegenüber die nunmehr herrschende Ansicht in Rechtsprechung222 und Lehre223 für die Möglichkeit der Unternehmereigenschaft des Staates aus. Dabei geht man überwiegend davon aus, dass auf die Verfolgung weiterer Unternehmensinteressen i. S. einer wirtschaftlichen Betätigung zu verzichten ist. Vielmehr soll schon die stets zu fordernde Verfolgung öffentlicher Interessen genügen, um einen Konzernkonflikt zu begründen224. Mit Blick auf die bewusste Nichtregelung der Frage der Unternehmenseigenschaft müssen historische Argumente scheitern. Nichts anderes gilt für den Einwand, dass das Konzernrecht keine ausdrückliche Erstreckung auf die öffentliche Hand enthält, während solche in anderen Rechtsgebieten, etwa durch § 98 GWB im Vergaberecht, existieren225. Auch besteht keine Regelungslücke bezüglich der Stellung der öffentlichen Hand226. Die Ablehnung der Unternehmenseigenschaft der öffentlichen Hand wird weiterhin auf ihre Sonderstellung gestützt. Ihre besondere Pflichtenstellung verbiete eine Gleichstellung mit den privaten Unternehmen, geboten sei vielmehr eine Durchbrechung des Gesellschaftsrechts227. Da dieser Ansatz jedoch für das allgemeine Gesellschaftsrecht bereits widerlegt wurde, kann für das Konzernrecht nichts Abweichendes gelten. Vielmehr unterliegt die öffentliche Hand auch hier den allgemeinen Vorschriften228. Folglich muss die Eigenschaft als herrschendes Unternehmen zumindest dann angenommen werden, wenn der öffentlichen Hand ein beherrschender Einfluss auf die Gesellschaft zukommt und sie daneben weitere unternehmerische Interessen verfolgt. Doch auch die oben dargelegte Modifizierung der Unternehmerdefinition, nach der für die Beteiligung der öffentlichen Hand auf die Verfolgung anderer unternehBGHZ 69, 334 (336 ff.). OLG Köln AG 1978, 171 (172); OLG Hamburg AG 1980, 163 (164); OLG Hamburg AG 1988, 22 (23); OLG Hamburg ZIP 1990, 311 (313). 223 So schon Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 215 ff.; vgl. weiterhin Doralt, in: Münchener Kommentar, AktG, § 15 Rn. 38; Hüffer, AktG, § 15 Rn. 13, Mann, Gesellschaft, S. 216, jeweils m. w. N. 224 Grundlegend BGHZ 135, 107 (112 f.) – VW / Niedersachsen; weiterhin LG Köln AG 1985, 252 (253 f.) – IVG; in der Tendenz auch LG Hannover DZWIR 1999, 413 (417); aus der Literatur u. a. Kübler, Gesellschaftsrecht, § 28.II.1.c.; Gundlach DZWIR 1999, 421; Doralt, in: Münchener Kommentar, AktG, § 15 Rn. 43; Emmerich, in: Emmerich / Sonnenschein / Habersack, Konzernrecht, S. 38 f., Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 339 f.; krit. Mertens AG 1996, 244 f. 225 So aber Zöllner ZGR 1976, 30; dagegen Koppensteiner, in: KK, AktG, § 15 Rn. 48 m. w. N. 226 Dafür Rittner, FS Flume II, S. 254 ff., der dem BGH deshalb unzulässige Rechtsfortbildung vorwirft. 227 Wiedemann / Mertens AG 1976, 232 ff.; Zöllner AG 1978, 43 f. 228 Neben den oben in Fn. 97 Genannten ausdrücklich für das Konzernrecht etwa Emmerich / Sonnenschein / Habersack, Konzernrecht, S. 38; Windbichler, in: GK, AktG, § 15 Rn. 28 f.; Doralt, in: Münchener Kommentar, AktG, § 15 Rn. 42. 221 222
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merischer Interessen verzichtet werden kann, ist zu unterstützen. Maßgeblich für die Frage nach der Unternehmereigenschaft ist das Vorliegen eines Konzernkonflikts. Wie bereits gezeigt muss die öffentliche Hand bei jeder privatrechtlichen Betätigung, im Gegensatz zu privaten Anlegern, Interessen des Gemeinwohls verfolgen. Dadurch kann es zu einer massiven Bedrohung der Interessen der durch das Konzernrecht zu schützenden Minderheitsgesellschafter und Gläubiger kommen229. Der Berücksichtigung dieser Interessenverfolgung wird teilweise entgegengesetzt, das Konzernrecht sei primär auf wirtschaftliche Interessen ausgerichtet230. Mit Blick auf die für Minderheitsgesellschafter und Gläubiger gleichermaßen eintretenden Belastungen, kann dies das am Schutzzweck ausgerichtete Ergebnis jedoch nicht in Frage stellen231. Folglich ist schon durch die Verfolgung des öffentlichen Wohls ein für das Recht der verbundenen Unternehmen maßgeblicher Interessenkonflikt gegeben, ohne dass es auf die Verfolgung weiterer wirtschaftlicher Ziele ankäme232. Geboten ist dieses Ergebnis nicht zuletzt auch mit Blick auf die Erwägung, dass andernfalls die Körperschaften, die, wie etwa häufig bei kleineren Rechtsträgern der Fall, ihre unterschiedlichen wirtschaftlichen Aktivitäten in einer Gesellschaft bündeln, konzernrechtlich nicht erfasst werden könnten. Dies führte jedoch zu einer Ungleichbehandlung kleinerer und größerer Körperschaften233. Ist damit der weitesten Ansicht hinsichtlich der Unternehmereigenschaft der öffentlichen Hand zu folgen, so kommt das Konzernrecht grundsätzlich zur Anwendung, was für eine Regelung der hier aufgeworfenen Frage spricht.
3. Die Frage nach der Sperrwirkung a) Durch das Recht der Unternehmensverträge gem. §§ 292 ff. AktG Auch wenn das Konzernrecht mithin Anwendung findet, so kann von den §§ 292 ff. AktG nur dann eine Sperrwirkung ausgehen, wenn einer der dort geregelten Unternehmensverträge abgeschlossen worden ist. Teilweise wird der Abschluss insbesondere eines Beherrschungsvertrages gem. § 291 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 AktG befürwortet, um den durch § 76 Abs. 1 AktG eigentlich eintretenden Verlust 229 Vgl. statt vieler die Nachw. oben in Fn. 223. Ein solcher Konflikt vermag bei sämtlichen Personen des öffentlichen Rechts aufzutreten, vgl. Ehinger DZWIR 2000, 322 ff. 230 Ipsen JZ 1955, 595; Wiedemann / Mertens AG 1976, 236. 231 Koch DVBl. 1994, 669 f; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 339. 232 Statt vieler BGHZ 135, 107 (113 f.) – VW / Niedersachsen; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 236; Weimar / Bartscher ZIP 1991, 70 f.; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 28.II.1.c; an der Existenz von Interessenkonflikten zweifelnd Hohrmann, Der Staat, S. 36 ff., 57 f. 233 Raiser ZGR 1996, 464; OLG Celle ZIP 2000, 1981 (1985).
§ 3 Raum für ein Sonderrecht
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an Steuerungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand auszugleichen234. Umgekehrt können gegen den Abschluss eines Unternehmensvertrages auch Zweifel angemeldet werden. Zu denken ist hier an den Einwand der unzulässigen Belastung durch die umfassende Ausgleichspflicht gem. § 302 Abs. 1 AktG235 oder auch an die Frage, ob der Abschluss von Unternehmensverträgen zu einer unzulässigen Privilegierung der öffentlichen Hand führt236. Unabhängig von diesen rechtlichen Erwägungen kann für die Praxis keinesfalls davon ausgegangen werden, dass in allen der in Betracht kommenden Fälle ein Unternehmensvertrag existiert237. Damit ist festzuhalten, dass die §§ 292 ff. AktG keine Sperrwirkung hinsichtlich der hier untersuchten Frage entfalten. b) Durch das Recht der faktischen Konzerne gem. §§ 311 ff. AktG Doch auch wenn man den Blick auf die in §§ 311 ff. AktG geregelten faktischen Konzerne, bei denen gerade kein Unternehmensvertrag besteht, richtet, ist eine abschließende Regelung der untersuchten Frage durch das Recht der verbundenen Unternehmen zu verneinen. Die hier geregelten Schutzmechanismen setzen eine durch das herrschende Unternehmen veranlasste nachteilige Maßnahme oder ein nachteiliges Rechtsgeschäft seitens des beherrschten Unternehmens voraus. Zu fordern sind einzelne, isolierbare Akte der Geschäftsführung, die zu einem Verlust oder einem nicht ausgeglichenen Risiko für die abhängige Gesellschaft führen und dem beherrschenden Unternehmen zurechenbar sind238. Zwar wird eine Maßnahme i. S. d. §§ 311 f. AktG auch im Fall der Einwirkung seitens des herrschenden Unternehmens auf Hauptversammlungsbeschlüsse durch Ausübung des Stimmrechts grundsätzlich bejaht239. Jedoch soll dies nicht für alle Hauptversammlungsbeschlüsse gelten. Gerade die hier untersuchten Beschlüsse, die Auflösung, die übertragende Auflösung, das Squeeze-out sowie der Formwechsel können nicht als Konzernmaßnahme gesehen werden. So ist nach ganz überwiegender Ansicht der Beschluss zur Auf234 Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten, S. 98; vgl. auch Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 137. 235 Vgl. Engellandt, Die Einflußnahme, S. 42; Gundlach / Frenzel / Schmidt LKV 2001, 248 f.; diff. Mann, Gesellschaft, S. 220 ff. 236 Leisner WiVerw 1983, 219 f. 237 Vgl. hierzu Koch DVBl. 1994, 671: „Da der Abschluß von Beherrschungsverträgen durch kommunale Gebietskörperschaften bislang faktisch nicht vorkommt [ . . . ]“. Vgl. weiterhin Habarth, Anlegerschutz, S. 286 mit Fn. 23, der mangels Relevanz gänzlich auf eine Behandlung der Vertragskonzerne verzichtet. 238 Vgl. dazu Raiser, Recht der Kapitalgesellschaften, § 53 Rn. 25 ff.; Hüffer, AktG, § 311 Rn. 24 ff. 239 Statt vieler Würdinger, in: GK3, AktG, § 311 Anm. 4; Nesselmüller, Rechtliche Einwirkungsmöglichkeiten, S. 119; Henn, Hdb AktR, § 9 Rn. 276.
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1. Teil: Grundlegung
lösung der Gesellschaft generell nicht erfasst, da dieser nach der Systematik des AktG nicht als nachteilig bezeichnet werden kann240. Ebenso wird, nicht zuletzt mit Blick auf die eigenständige Interessenabwägung und die eigenen Schutzmechanismen des Umwandlungsgesetzes, der Beschluss eines Formwechsels nicht als nachteilige Maßnahme qualifiziert241. Wenn aber zur Herleitung dieses Ergebnisses darauf abgestellt wird, dass in diesen Fällen die Möglichkeit des Beschlusses durch das AktG in das Belieben der Hauptversammlung gestellt wurde242 und die Interessenabwägung in spezifischen Sondervorschriften erfolgt243, so kann für das Squeeze-Out nichts anderes gelten244. Auch für den Fall der ebenfalls behandelten übertragenden Auflösung gem. § 179a AktG ist aus diesen Gründen eine Sperre des Konzernrechts zu verneinen. Auch hier steht der Beschluss im Belieben der Mehrheit, während ein spezifischer Minderheitenschutz durch die nunmehrige Auslegung des Tatbestands gegeben ist245.
4. Ergebnis Damit ist festzuhalten, dass das Recht der verbundenen Unternehmen zwar auch Anwendung auf die vorliegend betrachteten Aktiengesellschaften mit staatlicher Beteiligung findet. Daraus folgt jedoch nicht, dass die darin vorgesehenen Schutzmechanismen den Minderheitsgesellschaftern einen ausreichenden Schutz vor Hauptversammlungsbeschlüssen gewährten, die intensive Grundrechtsbelastungen mit sich bringen. Deshalb verbleibt auch insofern Raum für das hier untersuchte Sonderrecht.
240 Koppensteiner, in: KK, AktG, § 311 Rn. 17; Krieger, in: Hoffmann-Becking, Münchener Handbuch AktG, § 69 Rn. 73; enger Kropff, in: Münchener Kommentar, AktG, § 311 Rn. 116; die Fälle der Verletzung der Treupflicht ausnehmend Habersack, in: Emmerich / Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 30. 241 Kropff, in: Münchener Kommentar, AktG, § 311 Rn. 117; Krieger, in: HoffmannBecking, Münchener Handbuch AktG, § 69 Rn. 73. 242 Habersack, in: Emmerich / Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 Rn. 30; Krieger, in: Hoffmann-Becking, Münchener Handbuch AktG, § 69 Rn. 73. 243 Koppensteiner, in: KK, AktG, § 311 Rn. 16; Kropff, in: Münchener Kommentar, AktG, § 311 Rn. 117; Krieger, in: Hoffmann-Becking, Münchener Handbuch AktG, § 69 Rn. 73. 244 Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen vgl. unten, § 5, Text bei Fn. 34 ff. 245 Vgl. hierzu unten, § 5, Text bei Fn. 16 ff.; a.A. wohl noch OLG Stuttgart AG 1994, 411, (412) zu § 361 AktG a.F.
§ 4 Die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters
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§ 4 Die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters im Licht des Art. 14 GG Wenn vorliegend in Frage steht, ob das Eigentumsrecht des privaten Minderheitsgesellschafters dazu führen kann, dass den Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand Grenzen gesetzt sind, so ist es geboten, einen Blick auf die verfassungsrechtliche Stellung des Aktionärs zu werfen.
I. Eigentum als normgeprägtes Grundrecht 1. Bedürfnis eines genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs Dabei ist zunächst auf die Besonderheiten einzugehen, die das Eigentumsgrundrecht auszeichnen. Im Fall der Eigentumsgarantie stellt sich diese Auslegung der Verfassung schwieriger dar, als bei anderen Grundrechten. Die meisten der im Grundrechtskatalog enthaltenen Garantien schützen ein natürliches menschliches Verhalten wie die freie Meinungsäußerung in Art. 5 GG oder die Versammlung mehrerer in Art. 8 GG. Der Schutzbereich dieser Grundrechte ist sachgeprägt. Erfasst sind Güter, die dem Recht mit dem Menschen vorgegeben sind246. Demgegenüber ist der Schutzbereich des Art. 14 GG ausschließlich normgeprägt247. Eigentum bezeichnet die normative Zuordnung einer Sache zu einer Person. a) Grundsätzliches Erfordernis des genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs Mit Blick auf diese Rolle des Gesetzgebers wird das „Kardinalproblem der grundgesetzlichen Eigentumsdogmatik“248 offenbar. Es stellt sich die Frage, ob dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Schutzbereichs ein genuin verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff249 vorgegeben ist. Mit einem solchen Begriff wäre ein Leitbild gegeben, auf das zur Beantwortung der Frage nach dem Umfang des durch die Eigentumsgarantie vermittelten Schutzes zurückgegriffen werden kann. Mampel NJW 1999, 975. Vgl. Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 894, die zutreffend auf die besonders intensive Normprägung des Schutzbereichs hinweisen. Anders als etwa im Fall der Ehe gem. Art 6 Abs. 1 GG kann nicht auch auf ein soziales Gebilde zurückgegriffen werden. 248 Depenheuer, FS Leisner, S. 281; Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 18 f. spricht von dem Dilemma der Dogmatik des Art. 14 GG. 249 Die Formulierung ist gewählt in Anknüpfung an Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, passim; in der Sache identisch ist die Wendung des eigenständigen Verfassungsbegriffs des Eigentums (Leisner, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR VI, § 149 Rn. 72) bzw. des Verfassungseigentums (v.Komorowski AöR 126 (2001), 527). 246 247
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1. Teil: Grundlegung
Die Existenz eines solchen in der Verfassung wurzelnden Eigentumsbegriffs kann nicht verneint werden. Eine andere Sicht hätte zur Konsequenz, dass der grundrechtsgebundene Gesetzgeber völlig frei den Inhalt der Eigentumsgarantie durch einfaches Gesetz bestimmen würde. Es drohte ein Zirkelschluss, dessen Unhaltbarkeit unter Bezugnahme auf verschiedene Ansatzpunkte nachgewiesen werden kann. Auffällig ist schon der Verstoß gegen die anerkannte Normenhierarchie250. Höchsten Rang nimmt das Grundgesetz ein, an den durch die Verfassung gesetzten Maßstäben müssen sich alle anderen Normen messen lassen251. Erkennt man dem einfachen Gesetzgeber jedoch die Aufgabe zu, den Eigentumsbegriff des Grundgesetzes durch die von ihm geschaffenen Normen originär zu bestimmen, so gerät die Verfassung in Abhängigkeit zum einfachen Gesetzesrecht. Damit würde die dargelegte Normenhierarchie in nicht haltbarer Weise umgekehrt252. Mit dieser Durchbrechung des Normensystems ginge auch ein Machtzuwachs zugunsten des Gesetzgebers einher, der weder mit dem Wortlaut, noch mit dem allgemeinen systematischen Verständnis des Grundgesetzes vereinbar ist. Der Gesetzgeber ist, was etwa die Art. 1 Abs. 3 oder 19 Abs. 2 GG zeigen, wie jede andere Ausprägung der Staatsgewalt an die Verfassung gebunden. Dann kann der Inhalt der Grundrechte jedoch nicht zu seiner freien Disposition stehen253. Vielmehr folgt aus der Bindung der Legislative an die grundgesetzlichen Vorgaben, dass er auch bei der Ausübung der in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG wurzelnden Befugnis an das Übermaßverbot gebunden ist254. Daran ist auch für den Fall der erstmaligen Schaffung einer Eigentumsposition festzuhalten255. Die Notwendigkeit der umfassenden Bindung folgt schon aus der Struktur des Eigentumsrechts als Freiheitsrecht256. Sinn eines solchen Freiheitsrechts ist es, den Einzelnen vor staatlichen 250 Vgl. statt vieler Ossenbühl, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 8 ff. sowie die Darstellung bei Stein / Götz, Staatsrecht, § 5.IV. 251 Statt vieler Wahl Der Staat 20 (1981), 514; ausdrücklich für das Verhältnis eigentumsrelevanter Gesetze zu Art. 14 GG Nierhaus AöR 116 (1991), 98. 252 Depenheuer, FS Leisner, S. 283, 289; Leisner BB 1992, 75; vgl. auch BVerfGE 58, 300 (335). 253 Friauf DÖV 1980, 487; Nierhaus AöR 116 (1991), 96; Leisner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR VI, § 149 Rn. 63; Koch, Grundrechtsschutz, S. 338. 254 Vgl. statt vieler Leisner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR VI, § 149 Rn. 58; Bethge VVDStRL 57 (1998), 30; v.Brünneck, Die Eigentumsgarantie, S. 398 f.; so auch für Eigentumsgarantie der bayerischen Landesverfassung Bay VerfGH NVwZ 1992, 160 (160 f.). 255 Vgl. nur Schmidt-Aßmann, FS 600 Jahre jur. Fak. HD, S. 116 f.; a.A. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 141; Ehlers VVDStRL 51 (1992), 227 mit Fn. 87; zumindest missverständlich BVerfGE 29, 22 (34): „Da das Gesetz das Recht erst gewährt, das von Art. 14 GG geschützt sein soll, kann es (das Gesetz selbst) den Art. 14 nicht verletzt haben“. 256 Vgl. dazu auch Nierhaus AöR 116 (1991), 96; zur Natur des Eigentums als Freiheitsrecht vgl. Schoch Jura 1989, 114; Jarass AöR 120 (1995), 354: „Bei diesen Rechten geht es um einen Freiraum für Aktivitäten des Bürgers, aber auch um einen Schutz vor Einwirkungen auf dessen Güter, weshalb etwa die Eigentumsgarantie ein Abwehr- bzw. Freiheitsgrundrecht ist“.
§ 4 Die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters
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Zugriffen bestmöglich zu bewahren. Ein solch umfassender Schutz ist nur dadurch zu verwirklichen, dass der Gesetzgeber seine Schritte rechtfertigen muss257. Unterliegt der Gesetzgeber dann jedoch schon bei der erstmaligen Etablierung eines Eigentumsrechts einem Rechtfertigungsgebot, so muss schon in der Verfassung ein eigenständiger Eigentumsbegriff gegeben sein, aus dem dann die Parameter zur Überprüfung der legislatorischen Akte zu entnehmen sind258. Mit Blick auf diese Ausführungen ist offenbar, dass die Existenz eines genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs anzuerkennen ist. Dies entspricht auch der Sichtweise des BVerfG, wenn es ausführt, dass „der Begriff des von der Verfassung gewährleisteten Eigentums [ . . . ] aus der Verfassung selbst gewonnen werden“259 muss.
b) Überprüfung des Ansatzes anhand der Konsequenzen aa) Widerspruch zur Stellung des Gesetzgebers Die Bejahung eines solchen von der Verfassung vorgegebenen Eigentumsbegriffs steht auch nicht im Widerspruch zu der angesprochenen Notwendigkeit der Schaffung des Eigentums durch den Gesetzgeber. Dem genuin verfassungsrechtlichen Eigentum kommt nicht die abschließende Definition des grundrechtlich geschützten Eigentums zu. Der Gesetzgeber ist auch nach diesem Ansatz durch Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG beauftragt, den Schutzbereich zu bestimmen. Er beschränkt unerwünschte Nutzungen des Eigentums und er bestimmt auch, welche konkreten Wirtschaftsgüter in den Schutzbereich des Art. 14 GG fallen. Dem genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff kommt dabei Richtlinienwirkung zu260. Es handelt sich um das Schutzgut gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG, das der Schutzbereichsbestimmung gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG vorausgeht261.
257 Zu dem Erfordernis des Schutzes der Grundrechte auch vor dem parlamentarischen Gesetzgeber vgl. nur Friauf DÖV 1980, 483. 258 Gerade an dieser Stelle wird das Erfordernis eines genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs zur Vermeidung eines Zirkelschlusses evident, ähnlich Nierhaus AöR 116 (1991), 98 f. 259 So ausdr. BVerfGE 58, 300 (335) – Nassauskiesung. 260 Vgl. v.Zezschwitz, FS Ridder, S. 203. 261 Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 16 f.; der Sache nach ähnlich aber mit (teilweise stark) abweichender Terminologie Bumke, Grundrechtsvorbehalt, S. 185 f.; Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 248 ff. (248), zutreffend ist auch sein Hinweis, dass mit Blick auf die Vorgaben der Verfassung der Begriff Inhaltsbestimmung durch den Gesetzgeber unglücklich weil missverständlich ist (a. a. O. S. 248, Fn. 28).
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1. Teil: Grundlegung
bb) Der dreigliedrige Prüfungsaufbau Eine solche Deutung entspricht dem auf Böckenförde262 zurückgehenden Ansatz, demzufolge der Prüfungsaufbau aller Grundrechte reformiert werden soll. Statt der zweigliedrigen Prüfung von Schutzbereich und Schranke263 soll eine dreigliedrige Prüfung vorgenommen werden. Zwischen Schutzbereichs- und Schrankenebene soll die Stufe des Gewährleistungsinhalts treten. Durch die erste Ebene soll der grundsätzliche, gegenständliche Anwendungsbereich des Grundrechts und damit der von ihm erfasste Lebensbereich bezeichnet werden264. Er steht insofern dem Schutzgut nach der hier verwendeten Begrifflichkeit gleich. Mit Hilfe der zweiten Ebene soll bestimmt werden, welchen konkreten Umfang und Inhalt der Schutz des Einzelnen hat265. Dem entspricht der Schutzbereich nach der hier verwendeten Terminologie. Hintergrund des dreistufigen Aufbaus, der für alle Freiheitsrechte Anwendung finden soll266, ist die Intention, noch vor der Ebene der Schranken eine Begrenzung des vermittelten Schutzes zu erreichen267. Wie gerade das in diesem Zusammenhang verwendete Beispiel des Sprayers von Zürich als Anwendungsfall der Kunstfreiheit zeigt, handelt es sich um einen Fall der so genannten Immanenzlehren. Der Gewährleistungsinhalt soll dort seine immanente Grenze finden, wo auf andere Rechtsgüter zugegriffen wird268. An diesem Beispiel wird die offene Flanke aller, auch im Rahmen eines zweigliedrigen Aufbaus vertretenen, Ansätze deutlich, die eine Beschränkung des Schutzumfangs durch die Gegenüberstellung anderer Güter oberhalb der Schrankenebene erreichen wollen269. Ein solches Vorgehen führt zwangsläufig zu einer Abwägung der kollidierenden Güter270. Der einzig sachgerechte Ort für die Ab262 So etwa im Sondervotum zu BVerfGE 69, 1 (57 ff.), wenn er den „Schutzbereich und Gewährleistungsinhalt“ des Grundrechts anführt (a. a. O., S. 65); vgl. auch Wahl Freiburger Universitätsblätter 95 (1987), 31 ff. 263 Ausführlich Schlink EuGRZ 1984, 457 ff; Jarass AöR 120 (1995), 345 ff. 264 Wahl, in: Breuer / Kloepfer, Gentechnikrecht, S. 33. 265 Wahl, in: Breuer / Kloepfer, Gentechnikrecht, S. 33. 266 Wahl, in: Breuer / Kloepfer, Gentechnikrecht, S. 33. 267 Melchinger, Grundrechtsdogmatik, S. 169. 268 Wahl, in: Breuer / Kloepfer, Gentechnikrecht, S. 33; ders. Freiburger Universitätsblätter 95 (1987), 32, dort auch mit weiteren, gleichgelagerten Beispielen. 269 Vgl. etwa Manssen, Staatsrecht I, Rn. 260 ff.; vgl. auch die Darst. bei Schwabe, Probleme, S. 154 ff. 270 Schwabe, Probleme, S 160; Höfling, Offene Grundrechtsinterpretation, S. 177; Alexy, Theorie, S. 285 f.; der Einwand von Manssen, Staatsrecht I, Rn. 260, man könne nicht von einer Abwägung sprechen, da ein Grundrecht völlig zurücktreten müsse, vermag nicht durchzugreifen. Zwar ist zuzugeben, dass nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz die kollidierenden Güter weitestmöglich erhalten werden sollen (vgl. nur Würtenberger, FS Hollerbach, S. 233). Dies schließt den Sonderfall der völligen Verdrängung indessen nicht aus. Eine
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wägung ist jedoch die Schrankenebene271. Andernfalls müsste der Schutzbereich immer anhand der im konkreten Fall kollidierenden Güter bestimmt werden. Ein abstrakter, gesicherter Schutzbereich wäre nicht definierbar272. Da er dies missachtet, vermag der dreigliedrige Aufbau grundsätzlich nicht zu überzeugen. Anderes gilt jedoch für den Fall der Eigentumsgarantie. Hier kommen die Besonderheiten des normgeprägten Schutzbereichs zum Tragen. Wie bereits dargelegt, ist der Gesetzgeber bei der Bestimmung des Schutzbereichs an Rechtfertigungszwänge, etwa das Übermaßverbot gebunden. Dieses umfasst immer Elemente der Abwägung273. Es ist demnach anzuerkennen, dass das Eigentumsrecht aufgrund seiner besonderen Struktur nicht von dem traditionellen Schrankendenken erfasst werden kann274. Dann können aber die auf diesem Schrankensystem aufbauenden Angriffe nicht durchgreifen275. Vielmehr ist anzuerkennen, dass zur Disziplinierung des zur Schutzbereichsbestimmung aufgerufenen Gesetzgebers die Trennung zwischen Schutzgut und Schutzbereich unter Anlehnung an die Theorie vom dreigliedrigen Aufbau geboten ist276.
2. Funktionen des Verfassungseigentums a) Bindung des Gesetzgebers Damit ist an der oben dargelegten These von der Existenz eines genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs und der Trennung zwischen Art. 14 Abs. 1 S. 1 und S. 2 GG festzuhalten. Diesem Eigentumsbegriff kommt zunächst Bedeutung hinsichtlich der gesetzgeberischen Ausgestaltung zu. Zum einen wird, wie bereits mehrfach angeklungen, der Gestaltungsspielraum des einfachen Gesetzgebers begrenzt277. Darüber hinaus erwächst dem Gesetzgeber auch eine positive Verpflichtung, regelnd tätig zu werden und die für die Wahrnehmung der Freiheit erforAbwägung wäre nur dann entbehrlich, wenn eine feste Rangfolge der Verfassungsgüter existierte. Eine solche kann jedoch nicht begründet werden (vgl. Stern, Staatsrecht III / 2, S. 828; Lücke, Die „allgemeinen“ Gesetze, S. 18 f.). 271 Gersdorf DÖV 1990, 515; Schlette JA 1996, 956. 272 Pieroth AöR 114 (1989), S. 443 m. w. N. 273 Statt aller Schlink EuGRZ 1984, 461 ff. 274 Vgl. statt vieler Schoch Jura 1989, 115. 275 Demnach folgerichtig ist die Ablehnung einer Abwägung auf der Ebene des Schutzbereichs bei Gellermann, Grundrechte, S. 23 ff. (25) auf die Fälle der Ausgestaltung nicht normgeprägter, bzw. wie er sagt, rechtsgeprägter Schutzbereiche begrenzt. 276 So auch Melchinger, Grundrechtsdogmatik, S. 170. 277 Vgl. Depenheuer, FS Leisner, S. 294; vgl. aus der Rechtsprechung des BVerfG etwa BVerfGE 50, 290 (340 f.) – Mitbestimmung; BVerfGE 52, 1 (27 ff.) – Kleingartenrecht, anschaulich hier auf S. 27: „Solche Regelungen haben vor der Verfassung zwar nicht schon deshalb Bestand, weil sie als formelles Gesetz ergangen sind; sie müssen vielmehr auch in materieller Hinsicht mit dem Grundgesetz in Einklang stehen“.
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derlichen Rechtsinstitute zu schaffen278. Dem Eigentum kommt insofern Richtlinienfunktion für den ausgestaltenden Gesetzgeber zu. Diese Pflichten beziehen sich sowohl auf die konkrete Eigentumsposition des Individuums als auch auf die so genannte Institutsgarantie des Eigentums. Der Gesetzgeber muss die Existenz eines Rechtsinstituts, das den Namen Eigentum verdient, beachten und wahren279. b) Bedeutung als Auslegungsmittel – Zugleich zur Bedeutung einfachgesetzlicher Zuordnung Eine weitere Konsequenz des dargestellten Ansatzes ist, dass dem genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff die Funktion eines Auslegungsmittels zukommt. Bei der Frage, ob ein Objekt als Eigentum i. S. d. Art. 14 GG zu qualifizieren ist, ist ein Vergleich mit dem paradigmatisch wirkenden genuin verfassungsrechtlichen Eigentum vorzunehmen. Dies folgt schon daraus, dass dem verfassungsrechtlichen Eigentum die Richtlinienfunktion für den ausgestaltenden Gesetzgeber auch bei der Schaffung neuer Eigentumsobjekte zukommt. Das Objekt muss „die konstituierenden Merkmale des Eigentumsbegriffs tragen“280. Weist das Objekt die den Gesetzgeber bindenden Vorgaben des genuin verfassungsrechtlichen Eigentums auf, so handelt es sich auch bei ihm um Eigentum i. S. d. Art. 14 GG281. Dann muss der verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff aber auch der Ansatzpunkt dafür sein, zu ermitteln, welche aus dem Objekt folgenden Einzelbefugnisse unter den Schutz der Eigentumsgarantie fallen282. Es stellt sich mithin die Frage, wie eine Auslegung anhand des genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs erfolgen soll. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wurde teilweise darauf abgestellt, ob die fragliche Position dem Eigentum so nahe kommt, dass Art. 14 GG Anwendung finden muss und sie so stark ist, dass eine ersatzlose Entziehung dem rechtsstaatlichen Gehalt des Grundgesetzes widerspräche283. Indem dieser 278 Vgl. hierzu gerade am Bsp. des Aktienrechts Schön, FS Ulmer, S. 1366 ff.; vgl. auch Wahl, FS Redeker, S. 249; v.Komorowski AöR 126 (2001), 522; BVerfGE 46, 325 (334); BVerfGE 51, 193 (217) am Bsp. des Urheberrechts: „Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG gebietet in einem solchen Fall als Institutsgarantie die Zuordnung der wirtschaftlichen Verwertungsbefugnisse an den Werkschöpfer“. Zu den Grenzen dieser Pflicht vgl. BVerfGE 81, 208 (220); v.Komorowski AöR 126 (2001), 528. 279 Papier, in: MD, GG, Art. 14 Rn. 11 ff.; Koch, Grundrechtsschutz, S. 339 f., jeweils m. w. N. 280 BVerfGE 24, 220 (225). 281 Ebenso Depenheuer, FS Leisner, S. 292; Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 260 ff., 261: „Soweit entsprechende Merkmale vorliegen, ist Eigentum im Sinne von Art. 14 GG gegeben [ . . . ]. Die Frage, ob an einem Gegenstand Eigentum im Sinne der Verfassung besteht, ist also ein Subsumtions- und Qualifikationsproblem“ (Hervorhebungen im Original). 282 So auch Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 250. 283 BVerfGE 15, 167, (200); BVerfGE 16, 94 (111); BVerfGE 24, 220 (226); BVerfGE 29, 22 (34); BVerfGE 40, 65 (83).
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Ansatz jedoch keine Anhaltspunkte dafür liefert, wann die hinreichende Vergleichbarkeit mit dem Eigentum gegeben ist, droht ein Zirkelschluss284. Eine solche Verwendung von Leerformeln kann nicht weiterhelfen. Auch das Bundesverfassungsgericht ist nicht an diesem Punkt stehen geblieben. Es stellt nunmehr „auf den Zweck und die Funktion der Eigentumsgarantie unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung im Gesamtgefüge der Verfassung“285 ab. Das zu untersuchende Objekt steht dann unter dem Schutz der Eigentumsgarantie, wenn es diese dem Eigentumsgrundrecht zukommende Funktion erfüllt286. Auch in der Literatur wird vertreten, maßgeblich sei, ob das zu untersuchende Objekt eine mit dem verfassungsgegebenen Eigentum vergleichbare Funktion erfüllt287. Eine solche funktionale Sicht bietet einen flexiblen Maßstab, mit dem die Eigentumsgarantie unter Berücksichtigung der Umstände fortentwickelt werden kann. Dennoch vermag ein Abstellen allein auf die Funktion nicht zu überzeugen. Die Unzulänglichkeit des funktionalen Ansatzes zeigt sich bei der Untersuchung der Frage, welche Aspekte in den Vergleich des Verfassungseigentums und des Objekts einzubeziehen sind. Für den funktionalen Ansatz genügt es, wenn diese Vergleichbarkeit aus faktischen Gegebenheiten, etwa den wirtschaftlichen Umständen, in die das Objekt eingebettet ist, resultiert. Zu bedenken ist, dass oben festgestellt wurde, dass es die Aufgabe des Gesetzgebers ist, in Ausübung des Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG die einzelnen geschützten Objekte durch einfaches Gesetz zu determinieren. Für die so geschaffenen Eigentumsobjekte heißt dies, dass es sich bei den für die Eigentumsqualität konstitutiven Merkmalen um in dieser Weise determinierte rechtliche Aspekte handeln muss288. Demnach müsste man Maunz BayVBl. 1981, 324. BVerfGE 36, 281 (290); 42, 263 (293) – Contergan; BVerfGE 51, 193 (218). 286 Vgl. BVerfGE 53, 257 (290) – Versorgungsausgleich: „Die Garantie des Eigentums ist ein elementares Grundrecht, das im engen Zusammenhang mit der persönlichen Freiheit steht. Ihr kommt im Gesamtgefüge der Grundrechte die Aufgabe zu, dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm dadurch eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen (BVerfGE 50, 90 [339] – Mitbestimmung – m. w. N.). In der heutigen Gesellschaft erlangt die große Mehrheit der Staatsbürger ihre wirtschaftliche Existenzsicherung weniger durch privates Sachvermögen als durch den Arbeitsertrag und die daran anknüpfende solidarisch getragene Daseinsvorsorge, die historisch von jeher eng mit dem Eigentumsgedanken verknüpft war“. Ähnlich BVerfGE 40, 65 (83 f.). 287 Ruffert, Vorrang, S. 369; Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 14; Scholz, Mitbestimmung, S. 77 ff.; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 21. 288 Vgl. Lepsius JZ 2002, 317; Papier Der Staat 11 (1972), 490; sowie Schmidt-Aßmann, FS 600 Jahre jur. Fak. HD, S. 112: „Eigentum selbst ist ein rechtlich geformter Bereich. Daher geht es bei den Fragen seines Schutzes nicht um die Honorierung bloßer Fakten, sondern um die Bewertung von Rechtspositionen. Die rechtliche Gestaltung ist das notwendige Korrelat zu einem Schutzbereich, der bei Art. 14 GG wie bei kaum einem anderen Grundrecht von seinen Sachstrukturen her eine Dimension des sozialen Handelns besitzt und aus einer unüberschaubaren Zahl aktueller und potentieller, unmittelbarer und mittelbarer Nutzungsmöglichkeiten besteht“. 284 285
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1. Teil: Grundlegung
auch nur solche verrechtlichten Merkmale zum Ansatz des Vergleichs wählen. Indem eine solche Beschränkung nicht zu einer konsequenten funktionalen Sichtweise passt, ist der dargelegte Ansatz zu verwerfen. Indes ist an dieser Stelle inne zu halten, um die Konsequenzen dieses Arguments zu eruieren. Es führt zu dem Ergebnis, dass nur solche Positionen in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie fallen können, die durch den Gesetzgeber anerkannt sind. Die wohl auffälligste Konsequenz dieses Ansatzes ist, dass bestimmte Güter, die teilweise als schutzwürdig erachtet werden, nicht in den Schutzbereich der Eigentumsgarantie fallen. So werden etwa Anlieger- und Nachbarrechte, die nicht einfachgesetzlich anerkannt sind289, vom Schutzbereich nicht erfasst290. Eine solche Sicht, die sich auch in der Rechtsprechung des BVerfG wiederfindet291, ist jedoch nicht zuletzt wegen der aufgezeigten Konsequenzen auch auf Widerspruch gestoßen292. Der Forderung nach der Anerkennung durch den Gesetzgeber wird die Vorstellung eines natürlichen Eigentums entgegengesetzt. Bestimmte Güter seien aufgrund ihrer Beschaffenheit dem verfassungsrechtlichen Eigentum so ähnlich, dass es keiner besonderen Abgrenzung von den nicht der Eigentumsgarantie unterfallenden Gütern bedürfe. Diese fielen auch ohne die Anerkennung durch einfaches Gesetz in den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG293. Zur Begründung wird vorgetragen, dass ohne die Annahme eines solchen natürlichen Eigentums der Schutz von der Anerkennung des Gesetzgebers abhängig gemacht werde294. In der Tat scheint es so, als sei die durch die Einführung des genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs gewonnene Freiheitssicherung wieder in Frage gestellt. Indessen wurde bereits deutlich betont, dass dem Gesetzgeber nicht nur die Kompetenz zukommt, die Gestaltung des Schutzbereichs vorzunehmen. Aus dem Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG folgt auch seine Verpflichtung, die notwendigen Rechtsinstitute auf der Ebene des einfachen Rechts einzuführen295. Diese Pflicht296, deren Effektivität durch die Möglichkeit gericht289 Für einen Schutz etwa BVerwGE 30, 225 (238 f.); BVerwGE 32, 173 (178); BVerwGE 32, 222 (224 ff.). 290 Ehlers VVDStRL 51 (1992), 214; Seidel ZG 2002, 133 f. 291 Vgl. BVerfGE 31, 229 (239); BVerfGE 51, 193 (211 f.); BVerfGE 68, 193 (222). 292 So bei Engel AöR 118 (1993), 193 ff. 293 Leisner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR VI, § 149 Rn. 67 ff.; Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 256 f; Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 57 ff.; ähnlich die Hülsentheorie Schwerdtfegers (NVwZ 1982, 8); ausdr. dagegen Manssen, Privatrechtsgestaltung, S. 263. 294 Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 253; Engel AöR 118 (1993), 195. 295 Vgl. oben, Text bei Fn. 278. 296 Diese Pflicht folgt, wie gezeigt, aus dem Schutzgut, an das der Gesetzgeber gem. Art. 1 Abs. 3 GG gebunden ist. Insofern ist also eine unmittelbare Bindungswirkung des Gesetzgebers an die Verfassung bestätigt. Dass aus Art. 1 Abs. 3 GG die Notwendigkeit natürlichen Eigentums folge, lässt sich entgegen Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 253 Fn. 50, jedoch nicht begründen.
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licher Kontrolle gesichert wird297, steht der Abhängigkeit der Verfassung von dem Willen des einfachen Gesetzgebers entgegen. Dass trotz dieser Pflicht der Gesetzgeber nicht übergangen werden kann, ergibt sich zum einen aus dem Aufbau und Wortlaut des Art. 14 Abs. 1 GG. Zum anderen ist das Konzept der parlamentarischen Verfassungsordnung ein maßgebliches Argument298. Macht man die vom Schutzbereich umfassten Positionen nicht von der einfachgesetzlichen Anerkennung abhängig, so ist der Schutzbereich autonom zu bestimmen299. Indessen erläutern die Befürworter des natürlichen Eigentums nicht, wer diese autonome Bestimmung durchführen soll. Im Ergebnis wäre es die Rechtsprechung, insbesondere das Bundesverfassungsgericht, das den Schutzbereich formulierte. Es nähme damit den gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum für sich in Anspruch. Die Folge wäre eine Verschiebung im Gefüge der Gewalten. Neben den zur Rechtsbildung berufenen Gesetzgeber würde das BVerfG treten, so dass beide hinsichtlich der Rechtsbildung durch Konkretisierung der Verfassung konkurrierten. Der qualitative Unterschied zwischen beiden Institutionen würde eingeebnet300. Es drohte die Tendenz einer Entwicklung weg vom „parlamentarischen Gesetzgebungsstaat hin zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat“301. Eine solche Entmachtung des parlamentarischen Gesetzgebers ist jedoch mit Blick auf die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung als auch wegen der zugrundeliegenden Frage demokratischer Legitimation302, mit dem Grundgesetz nicht vereinbar303, 304. Diese Ablehnung der primären Zuständigkeit des BVerfG steht auch nicht in Widerspruch zu dem obigen Argument, die Verpflichtung des Gesetzgebers aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG werde durch die Möglichkeit der gerichtlichen Kontrolle verstärkt. Dies folgt aus der im Vergleich zur autonomen Bestimmung natürlichen Eigentums geringeren Kontrolldichte. Im Fall der Kontrolle des Gesetzgebers kann nur festgestellt werden, ob der Gesetzgeber den ihm zukommenden Spielraum Vgl. BVerfGE 31, 275 (286 f.); BVerfGE 81, 208 (219 f.). Vgl. Schmidt-Aßmann, FS 600 Jahre jur. Fak. HD, S. 113. 299 Engel AöR 118 (1993), 197. 300 Böckenförde, Grundrechtsdogmatik, S. 61. 301 Böckenförde Der Staat 29 (1990), 25. 302 Vgl. Schlaich VVDStRL 39 (1980), 116 f.; mit weiteren Argumenten Mampel NJW 1999, 977. 303 Gellermann, Grundrechte, S. 71 f.; umfassend Böckenförde, Grundrechtsdogmatik, S. 56 ff.; vgl. auch Winter KJ 1986, 460 f. 304 An dieser Stelle ist der Vollständigkeit halber auf die angedeutete Diskussion zum ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb zu verweisen. Mit Blick auf die richterrechtliche Ausfüllung der zivilrechtlichen Generalklausel (vgl. dazu nur Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 48 ff.) ist fraglich, ob der Verweis auf § 823 Abs. 1 BGB genügt. Es wäre zur Aufklärung des Problems die konkrete Grenze der richterlichen Interpretationskompetenz (so das Argument bei Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 136) zu untersuchen (dazu Ossenbühl, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR III, § 61 Rn. 35 ff.; v.Danwitz, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 34 Rn. 24, jeweils m. w. N.). 297 298
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1. Teil: Grundlegung
überschritten hat. Es kommt hingegen nicht zu einer detailgenauen Bestimmung des Schutzbereichs durch das Gericht305. Damit ist festzuhalten, dass, entgegen der These vom natürlichen Eigentum, die Gegenstände des Schutzbereichs gem. Art. 14 Abs. 1 GG stets der Anerkennung durch den Gesetzgeber bedürfen. Damit wird offenbar, dass es nicht allein auf die Funktion ankommen kann. Vielmehr muss das Objekt bestimmte rechtlich determinierte Merkmale aufweisen, die auch für das genuin verfassungsrechtliche Eigentum prägend sind. Auf diese Weise ist ein hinreichend flexibler Vergleichsmaßstab gegeben, dem nicht die Gefahr einer übermäßigen Ausweitung des Schutzbereichs immanent ist.
c) Bedeutung für den Umfang des Schutzes Wurde soeben die Bedeutung des verfassungsimmanenten Eigentumsbegriffs als Auslegungsmittel beleuchtet, so ist es an dieser Stelle geboten, einen damit zusammenhängenden Aspekt herauszustellen: Die Bedeutung als Auslegungsmittel beschränkt sich nicht darauf zu belegen, dass ein Objekt als Eigentum zu sehen ist, so dass dieses in seinem Bestand durch Art. 14 GG geschützt ist. Gerade auch die mit dem Objekt verbundenen Befugnisse, die als Ausprägungen des Verfassungseigentums erkannt wurden und gesetzlich zugeordnet sind, nehmen an der Eigentumsgarantie teil306. Andernfalls bestünde die Möglichkeit, dass die Nutzung des Objekts so weit beschränkt würde, dass der Schutz des Grundgesetzes damit ausgehöhlt würde307. Folglich muss auch der Bestand an Befugnissen selbst dem verfassungsrechtlichen Schutz unterliegen. Zu unterstreichen ist an dieser Stelle, dass bezüglich dieses Bestandsschutzes nicht auf den Bestandschutzbegriff abzustellen ist, wie er durch die verwaltungsund insbesondere baurechtliche Dogmatik geprägt ist. Dieser Bestandsschutz dient der „Sicherung des durch die Eigentumsausübung Geschaffenen“308. Nur das Ergebnis einer legal vorgenommenen Nutzung wird aus Gründen des Vertrauensschutzes geschützt309. Die dem Berechtigten zustehenden Verfügungsmöglichkeiten können indessen nicht von einem vorherigen Verhalten abhängig gemacht werden. Andernfalls wäre etwa der Schutz der Veräußerung nicht möglich. Weiterhin wurde festgestellt, dass sich der Kreis der dem Eigentümer zustehenden Verfügungsmöglichkeiten nach der gesetzlichen Ausgestaltung des Eigentumsobjekts richtet. Dann muss jedoch auch der Bestand als Grundlage dieser Möglichkeiten an der abstrakten Gesetzeslage gemessen werden. Über den Kreis der bereits aus305 306 307 308 309
Vgl. hierzu etwa Morgenthaler, Freiheit, S. 261 f. Vgl. Badura, in: Benda / Maihofer / Vogel, Hdb VerfR, § 10 Rn. 38. Vgl. nur Ossenbühl, FS Leisner, S. 690 f. BVerwGE 50, 49 (57). Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 31 ff.
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geübten Nutzungen hinaus wird der Bestand auch durch die rechtlich zuerkannte Verfügungsmöglichkeit bestimmt310.
II. Das Wesen des genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs Ist damit geklärt, dass der Verfassung ein eigenständiger Eigentumsbegriff zugrunde liegt und welche Funktion diesem zukommt, so bleibt nunmehr darzustellen, wie der genuin verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff beschaffen ist.
1. § 903 S. 1 BGB als genuin verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff Vorliegend soll der traditionellen und bis heute vertretenen Sicht311 gefolgt werden, nach der dem Grundgesetz die Vorstellung des zivilrechtlichen Eigentums gem. § 903 BGB zugrunde liegt. Der Verfassungsgeber hat die vorgefundene Eigentumsvorstellung vor Augen gehabt und bei der Schaffung des Grundrechts rezipiert. In dieser Richtung kann auch der in der früheren Rechtsprechung des BVerfG gebrauchte Satz, demzufolge „Art. 14 GG das Rechtsinstitut des Eigentums, so wie es das bürgerliche Recht und die gesellschaftlichen Anschauungen geformt haben, schütze“312, interpretiert werden313. Einleuchtend ist eine solche Sicht schon vor dem historischen Hintergrund des Grundgesetzes314. Der Verfassungsgeber fand keinen Naturzustand, sondern ein Rechtssystem vor, in dem das Eigentum durch § 903 BGB definiert war.
310 BVerwGE 49, 365 (371 f.): „Sein Schutz [der des Art. 14 GG] kann vielmehr [ . . . ] auch dann gegeben sein, wenn es zwar an einer Verwirklichung der Nutzung fehlt, indessen die Legalität der Nutzung selbst schon Eigentumsschutz genießt“. BGHZ 60, 126 (131): „Indessen ist die Frage, ob einem Eigentümer etwas „genommen“ wird, nicht allein aufgrund gezogener Nutzungen zu beantworten. Als entscheidend muß vielmehr angesehen werden, ob die „von der Natur der Sache her“ gegebene Möglichkeit der Benutzung und der wirtschaftlichen Ausnutzung [ . . . ] untersagt oder wesentlich eingeschränkt worden ist“. Weiterhin Weyreuther, Situationsgebundenheit, S. 35; vgl. insoweit auch Badura, in: Benda / Maihofer / Vogel, Hdb VerfR, § 10 Rn. 38. 311 Depenheuer, FS Leisner, S. 297; ders., in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 51; Ruffert, Vorrang, S. 295; Leisner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR VI, § 149 Rn. 74; ablehnend Bryde, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 11. 312 BVerfGE 11, 64 (70); BVerfGE 14, 264 (278); BVerfGE 28, 119 (142). 313 Leisner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR VI, § 149 Rn. 73. 314 Vgl. Leisner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR VI, § 149 Rn. 73, der dem bürgerlichrechtlichen Rechtsbegriff eine besondere entwicklungsgeschichtliche Bedeutung zuweist.
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1. Teil: Grundlegung
2. Die einzelnen Wesensmerkmale Darzulegen ist nunmehr, welche Eigentumsmerkmale aus § 903 BGB als Paradigma des Verfassungseigentums folgen. Hierbei ist insbesondere an den Wortlaut des § 903 S. 1 BGB in seiner derzeit geltenden Fassung anzuknüpfen315. Dabei ist unterstützend insbesondere auf die frühen Kommentierungen der Norm zu verweisen. Anhand dieser Quellen wird der ursprüngliche Inhalt der Norm deutlich, die Vorbild für die Verfassung wurde, ohne dass dieser selbst in dem Verdacht stehen könnte, im Licht des Art. 14 GG oder der Vorläufernorm, dem Art. 153 WRVerf, ausgelegt zu sein. Schon vorab ist zu bemerken, dass sich die aus § 903 S. 1 BGB abzuleitenden Wesensmerkmale mit den Anforderungen decken, die dem Grundgesetz selbst, etwa mit Blick auf die Systematik des Art. 14 GG, entnommen werden können, bzw. die ganz überwiegend anerkannt sind. Auch dies spricht für eine Anwendung des traditionellen Eigentumsbegriffs. a) Das Verfügungsrecht So ist Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zu entnehmen, dass dem Eigentümer die Möglichkeit zum Gebrauch seines Eigentums, also zur Verfügung über das Objekt, zustehen muss316. Dem entspricht die Verankerung der Verfügungsmöglichkeit in § 903 S. 1 BGB, durch den der Eigentümer das Recht erhält, „mit der Sache [ . . . ] verfahren“ zu können317. Diese so genannte positive Seite des Eigentums318 ist in eine tatsächliche und in eine rechtliche Herrschaft über das Eigentumsobjekt zu untergliedern319. aa) Die tatsächliche Herrschaft Die tatsächliche Herrschaft stattet den Berechtigten mit dem umfassenden Recht zur Nutzung seines Eigentums aus320. War ein solches Nutzungsrecht etwa schon 315 § 903 S. 2 BGB wurde erst durch Gesetz vom 20. 08. 1990 eingeführt (BGBl. I 1762) und war dem Verfassungsgeber mithin nicht bekannt, so dass er ihn auch nicht rezipieren konnte. Demnach kann diese Regelung, deren Wert ohnehin fraglich ist (zutreffend Seiler, in: Staudinger, BGB, § 903 Rn. 31 „Die Vorschrift ist demnach ohne juristischen Gehalt. Derartige Deklarationen beeinträchtigen das Niveau der Kodifikation.“), außer Betracht bleiben. 316 Vgl. auch Ossenbühl, FS Leisner, S. 691; Papier, in: MD, Art. 14 Rn. 366. 317 So auch die Lehre seit Inkrafttreten des BGB, vgl. Grünewald / Freudenthal, Grundriß, S. 136. 318 Müller / Meikel, Das Bürgerliche Recht, S. 729 f. 319 Blumann, Bürgerliches Gesetzbuch, § 903 Anm. 1; Krückmann, Institutionen, S. 532: „Und diese Befugnisse bestehen in der vom objektiven Rechte geschützten Möglichkeit, tatsächlich und juristisch über die Sache ausschließlich zu verfügen“. 320 So die einhellige Meinung schon in den Anfangsjahren des BGB, vgl. etwa Planck, Bürgerliches Gesetzbuch, § 903 Anm. 2.a.a; Blumann, Bürgerliches Gesetzbuch, § 903 Anm. 1; Müller / Meikel, Das Bürgerliche Recht, S. 729.
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in § 162 des preußischen Entwurfs zum BGB vorgesehen321, so ging man bei der Gestaltung der jetzigen Fassung davon aus, dass der Wortlaut diese Befugnisse hinreichend klar zum Ausdruck bringe, weshalb in beiden Kommissionen auf eine weitere Aufschlüsselung verzichtet wurde322. Die tatsächliche Herrschaft ist umfassend gewährt und erfasst sämtliches Gebrauchen der Sache, einschließlich solcher Nutzungen, die dem Wesen des Objekts widersprechen 323. Demnach ist, im Einklang mit der heute zu Art. 14 GG herrschenden Lehre324 und ständigen Rechtsprechung325, als wesentliche Eigentümerbefugnis das Recht zur Nutzung des Eigentumsobjekts festzuhalten.
bb) Die rechtliche Herrschaft Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung seit dem ersten Band der amtlichen Sammlung davon aus, dass zu den Wesenszügen des verfassungsrechtlichen Eigentums auch die Möglichkeit zur wirtschaftlichen Verwertung zählt326. Gerade im Zusammenhang des Anteilseigentums wurde ausgeführt, dass es sich bei der Veräußerungsmöglichkeit um ein elementares Recht des Eigentümers handelt, so dass an Veräußerungsverbote besonders strenge Maßstäbe anzulegen sind327. Auch dieses, von der Nutzungsbefugnis ohnehin teilweise kaum abgrenzbare Recht328, ist mühelos aus § 903 BGB herzuleiten. Als Möglichkeit der rechtlichen Herrschaft über das Eigentum wird die positive Seite der Eigentümerbefugnisse durch ein Recht zur rechtsgeschäftlichen Verfügung komplettiert. Verfügung ist dabei im Sinne einer unmittelbaren Einwirkung auf den Bestand eines Rechts etwa durch Übertragung, Aufhebung, Belastung oder inhaltliche Änderung zu verstehen329. Damit ist auch das Recht zur Veräußerung als eine Befugnis des EigenKern, Der preuß. BGB-Entwurf, S. 100. Planck, Bürgerliches Gesetzbuch, § 903 Anm. 2.a.a. 323 Blumann, Bürgerliches Gesetzbuch, § 903 Anm. 1; so auch die heutige Sicht, vgl. Bassenge, in: Palandt, BGB, § 903 Rn. 6. 324 A.A. wohl nur Hösch, Eigentum und Freiheit, passim. Soweit die Nutzungsmöglichkeit als Ausfluss der Eigentümerstellung zwar grds. bejaht, jedoch auf den Rahmen des allgemein erlaubten beschränkt wird (so etwa Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 914), ist auf die bereits dargelegte Kritik an den Immanenzlehren (vgl. oben, Text bei Fn. 269 ff.) zu verweisen. 325 U.a. BVerfGE 31, 229 (240); BVerfGE 37, 132 (140); BVerfGE 42, 263 (294); BVerfGE 53, 257 (290 f.); BVerwG BayVBl. 1999, 634 (635). 326 BVerfGE 1, 264 (277) – Schornsteinfegermeister. 327 BVerfGE 50, 290 (340) – Mitbestimmung. 328 Vgl. BVerfGE 50, 290 (339) – Mitbestimmung; BVerfGE 53, 257 (290). 329 So schon die traditionelle Auslegung des § 903 BGB, vgl. Blumann, Bürgerliches Recht, § 903 Anm. 1: „Er [der Eigentümer] kann sie [die Sache] andererseits veräußern, belasten, das Eigentum an ihr aufgeben“. Planck § 903 Anm. 2.a.b: „Die rechtliche Herrschaft zeigt sich darin, dass der Eigenthümer sich seines Rechts einseitig begeben (§§ 928, 959), 321 322
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1. Teil: Grundlegung
tümers i. S. d. Verfassung zu bejahen. Jedoch ist an dieser Stelle ebenso deutlich darauf hinzuweisen, dass die dem Eigentümer zukommenden Befugnisse entsprechend der oben gegebenen Definition darüber hinaus gehen330. In diesem weiten Sinne ist das teilweise lediglich schlagwortartig wiedergegebene Verfügungsrecht des Eigentümers zu verstehen und auch die Erwähnung nur eines Veräußerungsrechts331 greift zu kurz. b) Das Recht zur Ausschließung Daneben ist mit § 903 S. 1 HS. 2 BGB auch eine negative Seite der Befugnisse gewährt. Der Eigentümer erhält dadurch das Recht, andere von jeder unmittelbaren oder auch nur mittelbaren Einwirkung auf sein Eigentum auszuschließen332. Folgerichtig ist damit als weiteres Wesensmerkmal des Eigentums festzuhalten, dass es einen Rechtsbereich determiniert, von dem der Eigentümer jeden Dritten und damit auch den Staat gegen Einwirkungen jeder Art ausschließen kann333. c) Privatnützigkeit Zu bedenken ist auch, dass es zur Definition des Eigentums gem. § 903 S. 1 BGB gehört, dass der Berechtigte seine Befugnisse grundsätzlich nach Belieben ausüben kann. Demnach können nur solche Positionen unter die Eigentumsgarantie fallen, die sich durch Privatnützigkeit zu Gunsten des einzelnen Berechtigten auszeichnen334. Dies schließt es nicht aus, dass dem Eigentümer, wie etwa im Fall des § 21 Abs. 1 LStrG BW hinsichtlich der Duldung des Gemeingebrauchs oder im Fall des § 11 S. 1 LWasserG BW bezüglich der Duldung der Gewässerbenutzung bestimmte Pflichten auferlegt werden und mithin einzelne Aspekte in einen öffentlichen Kontext gestellt werden. Die Privatnützigkeit ist jedoch dann aufgehoben und mithin die Grenze zum öffentlichen Eigentum überschritten, wenn dem Eigentümer keine der konstitutiven Befugnisse zur selbstbestimmten Ausübung verbleibt335. dasselbe auf einen anderen übertragen (§§ 873, 925, 929) oder die Sache zugunsten eines anderen mit einem Rechte belasten kann (§§ 1012, 1018, 1030 u.)“. 330 Dies findet sich auch in der Rechtsprechung des BVerfG wieder. So spricht die bereits zitierte Entscheidung BVerfGE 1, 264 (277) – Schornsteinfegermeister umfassend von der wirtschaftlichen Verwertung. Zustimmend zur umfassenden Verwertungsmöglichkeit auch Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 67 a.E. 331 So etwa bei Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 914. 332 Blumann, Bürgerliches Gesetzbuch, § 903 Anm. 1; Planck, Bürgerliches Gesetzbuch, § 903 Anm. 2.b. 333 Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 64; Leisner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR VI, § 149 Rn. 8. 334 Vgl. BVerfGE 24, 367 (390) – Hamburger Deichordnung. 335 Umfassend Schmidt-Jortzig NVwZ 1987, 1025 ff.; vgl. auch Depenheuer, in: v.Danwitz / Depenheuer / Engel S. 148 f. mit weiteren Beispielen.
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Betrachtet man die einzelnen Aspekte eines Objekts, so folgt aus der obigen Abgrenzung, dass nur solche am Schutz des Art. 14 GG teilhaben, die der freien Entscheidung des Eigentümers unterliegen und die damit nicht öffentlichen Zwecken unterworfen sind.
3. Absicherung des zivilrechtsakzessorischen Eigentumsbegriffs Der hier vertretene Ansatz sieht sich jedoch zunehmender Kritik ausgesetzt. Deshalb soll er an dieser Stelle gegen die prominentesten Angriffe abgesichert werden. a) Kritikpunkt: Vorrechtliches Schutzgut Zu prüfen ist, ob durch die Anknüpfung an § 903 BGB und damit an eine einfachgesetzliche Norm wieder die oben abgelehnte Abhängigkeit der Verfassung vom einfachen Recht droht. Teilweise wird dieser Schluss gezogen und daraus das Erfordernis eines vorrechtlichen Schutzguts gefolgert336. Indessen vermag dieser Einwand nicht durchzugreifen. Zu bedenken ist, dass es sich auch bei der Verfassung um eine Norm handelt, die jedoch nach der allseits anerkannten Normenhierarchie über dem einfachen Gesetzesrecht steht. Durch die Rezeption des bürgerlich-rechtlichen Eigentumsverständnisses seitens des Verfassungsgebers wurde diese Eigentumsvorstellung, nicht aber, wie etwa im Falle einer dynamischen Verweisung, der jeweilige Inhalt des § 903 BGB in die Verfassung aufgenommen. Eine Aufgabe des genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs zugunsten einer Definitionsmacht des einfachen Gesetzgebers ist demnach nicht die zwingende Folge einer Anlehnung an das Institut des Zivilrechts337. Jedoch könnte die Wahl eines vorstaatlichen Paradigmas im Interesse größtmöglicher Freiheit geboten sein. Dies wird teilweise aus der Natur der Freiheitsrechte hergeleitet. Freiheitsrechte dienen der individuellen Freiheitssicherung. Geschützt soll werden, was der Einzelne von sich aus will und kann. Eine solche freie Lebensgestaltung des Einzelnen sei am Besten in der ursprünglichen Freiheit möglich. Diese zeichnet sich gerade durch die Abwesenheit jeglichen Zwanges aus. Daraus wird die Konsequenz gezogen, dass eine Freiheit, die erst durch die normative Zuordnung, durch Gesetze und mithin durch Zwang entsteht, sachlogisch nicht als Freiheitsrecht i. S. d. Grundgesetzes angesehen werden kann338. Vgl. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 52. Vgl. dazu auch Depenheuer, FS Leisner, S. 291. 338 Burmeister, FS Stern, S. 839 ff.; ähnlich Gersdorf DÖV 1990, 514 f. (Dass der Letztgenannte in Fn. 12 eine Ausnahme für das Eigentumsrecht macht, steht der Erwähnung an dieser Stelle nicht entgegen, da er sich damit auf den Schutzbereich, nicht aber auf das Schutzgut bezieht). 336 337
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Gerade im Fall des Eigentums vermag dies jedoch nicht zu überzeugen. Verzichtet man zur Bestimmung des Schutzguts auf rechtliche Zuordnungen der Sache zu einem Subjekt, so scheidet jegliche Form des Eigentums aus. In Betracht kommt nur die faktische Sachherrschaft, die keiner normativen Zuordnung bedarf339. Weiterhin ist zu bedenken, dass der Einzelne nicht isoliert betrachtet werden kann. Vielmehr ist er immer in der Gemeinschaft mit anderen zu denken. Andernfalls könnte man nämlich nicht erklären, wie man den Gegenstand von Kommunikationsgrundrechten determinieren kann. Für den Einzelnen, der in der Gemeinschaft eine Sache besitzt, ist die zu begründende Freiheit nur von Nutzen, wenn er den Gegenstand auch auf Dauer besitzen und andere von dem Zugriff ausschließen kann. Ohne eine normative Zuordnung ist dies nur durch physische Gewalt möglich. Etabliert würde eine Freiheit des Stärkeren340. Diese kann nicht als Freiheit i. S d. verfassungsmäßigen Grundrechte bezeichnet werden341. Anders stellt sich die Situation jedoch dar, wenn die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft die Berechtigung des Einzelnen zum ausschließlichen Besitz der Sache anerkennen. Dadurch wird die Freiheit des Einzelnen konstituiert. Diese Anerkennung stellt jedoch einen normativen Akt dar. Demnach steht das Gebot der Freiheitssicherung der Wahl eines normativ geprägten Paradigmas für das Eigentum nicht entgegen. Vielmehr ist es im Interesse der Freiheit notwendig342. An der Vorstellung, dass § 903 BGB die für das Verfassungseigentum prägenden Merkmale enthält, kann damit festgehalten werden. b) Kritikpunkt: Eigentümerbelieben Teilweise wird gegen die Anlehnung an § 903 BGB jedoch die Befürchtung erhoben, sie eröffne ein zu großes Eigentümerbelieben 343. Eine solche Besorgnis ist hingegen unbegründet. Schon der Wortlaut344 des § 903 BGB macht deutlich, dass die Befugnisse des Eigentümers im Zivilrecht nur gewährleistet werden, „soweit nicht das Gesetz oder Rechte Dritter entgegenstehen“345. Mit der bewussten Wahl Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 18 ff. Vgl. auch Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 124; ähnlich schon Krückmann, Institutionen, S. 531; dieser Einwand ist auch der Arbeitstheorie entgegen zu halten, da diese nicht erklären kann, warum allein die originäre Schaffung eines Objekts von Dritten als Grund einer Zuordnung respektiert werden soll, Engel, in: v.Danwitz / Depenheuer / Engel, S. 22 f. 341 Vgl. BVerfGE 89, 214 (232). 342 Depenheuer, FS Leisner, S. 281 f.; ders., in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 29 sowie zur Befriedungsfunktion schon auf der Ebene der Verfassung Engel AöR 118 (1993), 197. 343 Schoch Jura 1989, 116; Badura, FS Maunz, S. 9; ausdr. offenlassend Schmidt-Aßmann, FS 600 Jahre jur. Fak. HD, S. 114. 344 Vgl. auch Maunz BayVBl. 1981, 321. 345 Vgl. nur den Wortlaut des § 903 S. 1 BGB. 339 340
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dieser Formulierung346 brachte der historische Gesetzgeber die Beschränkbarkeit des Beliebens deutlich zum Ausdruck. Dieses Argument ist im Hinblick auf die Kritik, welche den Wortlaut des § 903 BGB über die Jahrzehnte hinweg begleitete, zu untermauern347. Wenn vorgebracht wird, dass wegen der umfangreichen Beschränkungen von einem Verfahren nach Belieben nicht gesprochen werden könne, so steht dies der Gefahr unbegrenzter Willkür klar entgegen. Demnach kann von einem übermäßigen und nicht beschränkbaren Eigentümerbelieben keine Rede sein. Soweit man dem entgegenhalten wollte, dass es für die Begrenzung der gesetzgeberischen Ausgestaltung bedarf, so entspricht dies mit Blick auf die damit einhergehende Rechtfertigungslast des Gesetzgebers dem Charakter der Norm als Abwehrrecht. Weiterhin ist der Umfang des Eigentümerbeliebens ein Teil des Schutzbereichs. Dass dessen Ausgestaltung nicht durch eine autonome Interpretation, sondern durch den Gesetzgeber zu erfolgen hat, wurde bereits dargelegt.
c) Kritikpunkt: Einheitlicher Eigentumsbegriff Den oben dargestellten, aus dem zivilrechtlichen Eigentumsbegriff abgeleiteten, Wesensmerkmalen kann nicht entnommen werden, dass sie nur auf bestimmte Arten des Eigentums anwendbar seien. Weist § 903 BGB keine Differenzierungen hinsichtlich einzelner Formen des Eigentums auf, so kann auch der damit bestimmte verfassungsrechtliche Eigentumsbegriff nur ein einheitlicher sein. Gerade wegen dieser Folge eines einheitlichen Eigentumsbegriffs wird § 903 BGB als Paradigma von einer Teilmeinung abgelehnt. Notwendig sei statt dessen ein Verfassungseigentum, das schon auf der Ebene des Schutzgutes eine typologische Differenzierung der verschiedenen Eigentumsrechte und -objekte nach einer unterschiedlichen Schutzwürdigkeit bietet348. Begründet wird dies damit, dass mit Blick auf die heutigen Bedingungen, die grundsätzliche Weite des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie, aber auch den Wandel der gesellschaftlichen Verhältnisse, der freiheitssichernde Schutzzweck nur durch eine abgestufte Schutzintensität erreicht werden könne349. So sei in Ansehung der Ausrichtung des Grundgesetzes auf den Schutz des Individuums insbesondere ein stärkerer Schutz des persönlichen Eigentums zu etablieren350. 346 Vgl. Seiler, in: Staudinger, BGB, § 903 Rn. 4; Menger, Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, S. 9. 347 So schon Menger, Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, S. 9 ff. 348 Bryde, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 12 m. w. N.; Rittstieg, in: AK, GG, Art. 14 / 15 Rn. 66 ff. (70, 79); v.Brünneck, Eigentumsgarantie, S. 389; a.A. Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 52; Weber, FS Michaelis, S. 319; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 89 ff. (89): „Eine prinzipielle Differenzierung des Geltungsanspruchs nach unterschiedlichen Eigentumsgruppen ist dem GG fremd“. 349 Stein, FS Müller, S. 504 ff.; Bryde, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 12. 350 Rittstieg, in: AK, GG, Art. 14 / 15 Rn. 80; v.Brünneck, Die Eigentumsgarantie, S. 389.
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1. Teil: Grundlegung
Der einheitliche Eigentumsbegriff steht berechtigten Differenzierungen nicht entgegen. Jedoch ist die Ebene der Schranken ein möglicher und sachgerechter Ort, um die konkrete Schutzintensität zu bestimmen. Einer Abstufung nach verschiedenen Eigentumskategorien bedarf es dafür nicht351. Vielmehr ist festzuhalten, dass der Bildung solcher Gattungen erhebliche Gründe entgegenstehen. Einmal gebildet drohen solche Kategorien ein Eigengewicht zu entfalten. Die Folge ist die Minderung des vermittelten Schutzes nach Gruppenkriterien, was nicht zuletzt die Gefahr einer Diskriminierung in sich birgt352. Dies wird schon dadurch deutlich, dass die Einteilung in unterschiedliche Gattungen des Eigentums dazu führt, dass der Bürger, will er sich auf intensiven Schutz berufen, das Vorliegen der dafür konstituierenden Merkmale beweisen muss. Die als weniger schutzwürdig erachteten Positionen würden zunehmend entwertet werden353. Auch würde dem Bürger eine Beweislast auferlegt, die im Gegensatz zu der abwehrrechtlichen Struktur des Grundrechts steht. Diese verlangt, dass der Gesetzgeber die Angemessenheit der Beschränkung und damit auch die konkrete Beschränkbarkeit dieser Eigentumsposition darlegt. Eine solche Verteilung leistet nur ein einheitlicher Eigentumsbegriff. Schließlich sind Schutzlücken zu befürchten. Diese werden etwa in der Entscheidung hinsichtlich der Einbeziehung der Konzernobergesellschaften in die Sonderform der Montan-Mitbestimmung nach dem Mitbestimmungsänderungsgesetz offenbar354. Im Rahmen der Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes gem. Art. 3 Abs. 1 GG beschränkte sich das BVerfG auf eine Willkürprüfung. Dabei handelt es sich, wie auch das Gericht ausführte, um eine Prüfung mit herabgesetzter Kontrolldichte355. Eine solche kommt nur bei Ungleichbehandlungen geringer Intensität in Betracht356. Diese Voraussetzung ist insbesondere dann gegeben, wenn durch die Ungleichbehandlung nicht in den Schutzbereich eines anderen Grundrechts eingegriffen wird, wobei gilt, dass die Prüfung umso intensiver sein muss, je intensiver der Eingriff ist357. 351 Vgl. auch Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rn. 17; für einen einheitlich Eigentumsbegriff auch Böckenförde Sondervotum zu BVerfGE 93, 121 – Vermögenssteuer; BVerfGE 93, 149 (155): „Dafür, daß dieses Eigentum verschiedenartig bewertet und – gegenüber der Besteuerung – verschieden geschützt wird, gibt Art. 14 GG nach Text, Entstehungsgeschichte und Gewährleistungsinhalt nichts her. Er kennt kein von Verfassungs wegen privilegiertes gegenüber weniger privilegiertem Eigentum je nachdem, ob es der Gegenwert für Erwerbstätigkeit ist, als ruhendes Vermögen innegehabt oder bei Vorgängen am Markt eingesetzt wird“. 352 Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 151. 353 Vgl. Depenheuer AöR 120 (1995), 428. 354 BVerfGE 99, 367. 355 BVerfGE 99, 367 (389). 356 Vgl. Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 439; Hesse, FS Lerche, S. 127 f. 357 Vgl. die dargestellte Entscheidung BVerfGE 99, 367 (388) sowie BVerfGE 88, 87 (96); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 3 Rn. 21.
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Dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall gegeben seien, wurde in ausdrücklicher Anknüpfung an die Mitbestimmungsentscheidung damit begründet, dass es sich um Eigentum mit einem nur gering ausgeprägten personalen Bezug handelt.358 Die Feststellung einer bestimmten Gattung entscheidet damit per se über die Kontrolldichte, was die Gefahr von Schutzlücken in sich birgt. Mit Blick auf die obigen Darlegungen stellt sich das Ergebnis wie folgt dar: Der einheitliche Verfassungsbegriff ist nicht nur kein Gegenargument. Die Auswirkungen auf der Schutzbereichsebene sind vielmehr so bedeutend, dass es sich um einen einheitlichen Begriff handeln muss.
d) Kritikpunkt: Gleichrangigkeit von öffentlichem Recht und dem Privatrecht Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung erfolgt die Ausgestaltung des Schutzbereichs gem. Art. 14 GG sowohl durch die Normen des Privatrechts als auch durch die gleichrangigen Normen des öffentlichen Rechts359. Gegen den hier vertretenen zivilrechtsakzessorischen Eigentumsbegriff wird vorgebracht, dass dieser die relevanten Normen des öffentlichen Rechts nicht zu erfassen vermöge. Diese Bedenken beruhen teilweise auf der Mehrdeutigkeit der mitunter vom Bundesverfassungsgericht verwandten Formel, wonach das Eigentum so geschützt werde, wie es abschließend durch die bürgerlich-rechtliche Eigentumsordnung und die gesellschaftlichen Anschauungen konstituiert wird360. Auch ist zuzugeben, dass die frühe Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die insofern an den Entwicklungsstand zu Zeiten des Art. 153 WRVerf anknüpfte361, § 903 BGB zugrundelegte und dabei die öffentlich-rechtlichen Normen in ihrer Bedeutung verkannte. So wurde ausgeführt, dass der von der Eigentumsgarantie gewährte Schutz „jedenfalls grundsätzlich nicht vermögenswerte Rechte des öffentlichen Rechts“ umfasse362. 358 BVerfGE 99, 367 (392); vgl. auch S. 391: Die betroffenen Gesellschaften „setzen sich ihrerseits gewöhnlich aus juristischen Personen oder einem breit gestreuten Kreis natürlicher Personen zusammen, von denen kein Einzelner bestimmenden Einfluß auf die Lenkung des Konzerns hat. Auch ist der personale Gehalt eines solchen Aktieneigentums typischerweise gering (vgl. BVerfGE 50, 290 [342 f.])“. 359 Vgl. etwa BVerfGE 58, 300 (335 f.); BVerfGE 72, 66 (77). 360 BVerfGE 1, 264 (278); BVerfGE 2, 380 (402); BVerfGE 11, 64 (70). Ablehnend deshalb Schoch Jura 1989, 116; Bryde, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 11 hält die Formel zumindest für missverständlich. 361 RG JW 1929, 2331 (2332): „Der Art. 153 RVerf [ . . . ] bezieht sich zwar nicht nur auf das Eigentum im engeren Sinne des bürgerlichen Rechts, sondern auf jedes private Vermögensrecht (RG 109, 319), aber doch eben nur auf Privatrechte, während das eingeklagte Recht vom RG als öffentlich-rechtliches gekennzeichnet ist“. RGZ 129, 246 (250 f.), m. w. N. und einer systematischen sowie teleologischen Begründung; im Anschluss daran RGZ 139, 177 (182). 362 Vgl. etwa BVerfGE 2, 380 (398); BVerfGE 3, 58 (153).
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1. Teil: Grundlegung
Der gezogene Schluss von der öffentlich-rechtlichen Natur auf das Fehlen der Eigentumsqualität ist jedoch entgegen dieser Rechtsprechung keineswegs zwingend. Erforderlich, aber auch ausreichend, ist nach dem hier vertretenen Ansatz, dass bei dem zu untersuchenden Objekt die beim Eigentum i. S. d. bürgerlichen Rechts exemplarisch vorliegenden Merkmale gegeben sind. Durch welche Normen und damit durch welches Rechtsregime diese Merkmale jedoch determiniert werden, ist für einen solchen Vergleich unerheblich. Insbesondere lässt sich dem Text des § 903 BGB eine Beschränkung auf das Zivilrecht ebenso wenig entnehmen, wie nur der Zivilrechtsgesetzgeber in Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG angesprochen wird. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass schon bei der Schaffung des BGB davon ausgegangen wurde, dass als beschränkende Gesetze solche des öffentlichen Rechts relevant sein sollten363. Mit Blick auf diese Ausführungen ist demnach festzuhalten, dass der angesprochene Einwand einer Annahme des genuin verfassungsrechtlichen Eigentums in Anlehnung an § 903 BGB nicht entgegensteht.
e) Kritikpunkt: Ratio Bei der Diskussion des § 903 BGB als Paradigma des Schutzguts gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG kann auch die Frage der Vereinbarkeit mit der Ratio des Grundrechts nicht unerwähnt bleiben.
aa) Traditionelle Ratio Nach dem traditionellen Verständnis, das lange Zeit die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie die Literatur prägte und an dem auch bis heute festgehalten wird364, ist es der Sinn der Eigentumsgarantie, dem Einzelnen die ökonomische Basis seiner Handlungsfreiheit zu sichern. Nach den oben herausgestellten Wesensmerkmalen erweisen sich sowohl die Privatnützigkeit als auch die grundsätzliche Verfügungsfähigkeit als kennzeichnend für das Eigentum. Diese Merkmale konstituieren die zitierte Ratio der Garantie. Damit wäre das Festhalten am zivilrechtlichen Eigentumsbegriff untermauert.
bb) These vom Ratiowandel In der Rechtsprechung des BVerfG zeichnet sich jedoch eine Abkehr von diesem Verständnis ab. Nunmehr geht aus den Entscheidungen hervor, dass die Ratio des Art. 14 GG darin bestehe, dem Einzelnen die Grundlagen seiner Existenz zu sichern. Teilweise wird angeführt, dass insoweit ein Verfassungswandel, d. h. eine 363 364
Vgl. Menger, Das Bürgerliche Recht und die besitzlosen Volksklassen, S. 129. In jüngerer Zeit etwa Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 139.
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durch den Wandel der Umstände erforderliche Sinnänderung bei Beibehaltung des Verfassungstexts365, stattgefunden hat. In Anbetracht dieses Wandels sei ein Festhalten an dem sachenrechtlich geprägten Eigentumsbegriff überholt366.
cc) Würdigung Damit ist vorliegend zu fragen, ob sich ein solcher Verfassungswandel tatsächlich vollzogen hat und ob dies eine Abkehr von dem zivilrechtlich geprägten Eigentumsverständnis bedingt. Dass ein Wandel des Grundgesetzes stattgefunden haben kann, kann nicht von vorneherein verneint werden. Die Möglichkeit einer Fortentwicklung mit dem gesellschaftlichen Wandel entspricht der Natur des Grundgesetzes als demokratischer Verfassung367. Dies gilt insbesondere für den Grundrechtsteil368. Art. 14 GG nimmt dabei eine Sonderrolle ein. Dadurch, dass eine Definition des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs fehlt369, ist eine besondere Offenheit der Norm festzustellen370. Ob in den letzten Jahren ein entsprechend starker Wandel der Verfassung stattgefunden hat, kann jedoch bezweifelt werden. Eine Gesellschaft, die sich zur Existenzsicherung nicht nur auf das Sacheigentum verlässt, wird auch schon für die Zeit kurz nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes berichtet371. Dadurch erscheint die Annahme eines Wandels zumindest fraglich. Einschränkend ist weiterhin zu bemerken, dass die Verfassung nicht jeder gesellschaftlichen Veränderung angepasst werden kann. Andernfalls verlöre sie ihre normative Kraft372 und den gesellschaftlichen Anschauungen käme sachwidrig die Stellung von Rechtssetzungsfaktoren zu373. Zurückhaltung bei der Annahme eines ausreichenden Wandels ist auch zur Wahrung der Rechtssicherheit als integralem Bestandteil der Gerechtigkeit geboten374. Ein Wandel kann demnach nur insoweit angenommen werden, als dies zur Verwirklichung der verfassungsrechtlichen Grundentscheidungen erforderlich ist375. Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 254; Hesse, Grundzüge, Rn. 39. Vgl. etwa Hesse, Grundzüge, Rn. 443 f. 367 Die Möglichkeit eines Wandels des GG ist heute allgemein anerkannt. Zum dogmatischen Hintergrund vgl. Andersen, Probleme, S. 81 ff. 368 Statt vieler Würtenberger, FS Hollerbach, S. 231; ähnlich Stern, Staatsrecht III / 2, S. 1696. 369 Ausdr. auch BVerfGE 83, 201 (208). 370 Ramsauer, Faktische Beeinträchtigungen, S. 131; weitere Nachweise bei Andersen, Probleme, S. 83 Fn. 5. 371 Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz, S. 315. 372 Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rn. 11; Hesse, Grundzüge, Rn. 40. 373 Maunz BayVBl. 1981, 321. 374 Bryde, Verfassungsentwicklung, S. 263. 375 Andersen, Probleme, S. 84. 365 366
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1. Teil: Grundlegung
Nach dem hier vorgeschlagenen Modell der Wertungsanalogie ist eine Abkehr vom zivilrechtsgeprägten Eigentumsbegriff indessen nicht erforderlich. Dies folgt schon daraus, dass eine Festschreibung auf Eigentum, wie es unter § 903 S. 1 BGB subsumiert werden kann, nicht erfolgt. Aus dieser Zivilrechtsnorm werden nur bestimmte Wesensmerkmale abstrahiert, die jedoch auch bei anderen Objekten, etwa schuldrechtlichen Forderungen, klar gegeben sein können. Ist damit schon der angelegte Eigentumsbegriff selbst zukunftsoffen376, so ist die fehlende Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels durch eine andere Perspektive zu untermauern. Geht man davon aus, dass in der heutigen Gesellschaft mehr und mehr Objekte eine eminente Bedeutung für den Einzelnen erlangen, so folgt daraus nicht zwingend, dass der dadurch notwendige Schutz gerade durch die Eigentumsgarantie erfolgen muss. Betrachtet man etwa das Arbeitseinkommen, so ist trotz seiner Bedeutung ein Schutz durch die Eigentumsgarantie abzulehnen377. Damit bleibt dieser Vermögenserwerb jedoch nicht ohne grundgesetzlichen Schutz. Vielmehr ist ein solcher durch Art. 12 Abs. 1 GG gegeben378. Da eine abstrakte Hierarchie der Verfassungsgüter nicht zu begründen ist379, muss auch von einem grundsätzlichen Gleichrang des vermittelten Schutzes ausgegangen werden. Ist damit der Bedeutung des Objekts durch die Existenz eines Verfassungsguts Genüge getan, so ist nicht einzusehen, warum ein zusätzlicher Schutz durch Art. 14 GG notwendig und mithin ein Verfassungswandel erforderlich sein soll. Vielmehr sprechen gewichtige Gründe gegen die Annahme einer an der Existenzsicherung des Einzelnen ausgerichteten Ratio380. Dass das BVerfG bei der Anlegung dieser Ratio einen funktionalen Ansatz zur Überprüfung der Eigentumsqualität von Objekten anwendet, kommt nicht von ungefähr. Stellt man auf die Bedeutung eines Objekts für den Berechtigten ab, so lassen sich begrenzende Einzelmerkmale des Objekts nicht widerspruchsfrei begründen381. Möglich bleibt nur ein funktionaler Vergleich. Zu der bereits geäußerten Kritik an diesem Modell tritt eine weitere Gefahr durch die dem Funktionsvergleich zugrundegelegte Ratio hinzu. Kommt es auf die Rolle des Objekts für die Daseinsvorsorge an, so ist es die logische Konsequenz des funktionalen Ansatzes, dass alle öffentlich-rechtlichen Versorgungsleistungen einbezogen werden müssen382. Dies führt jedoch dazu, dass Vgl. Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rn. 14. So schon Scholz NVwZ 1982, 339. 378 Arndt / Schumacher NJW 1995, 2605. Auch wenn öffentlich-rechtliche Versorgungsansprüche nicht unter Art. 14 GG gefasst werden können, so kommt dennoch ein ausreichender Schutz unter Beachtung des Art. 20 GG und Art. 3 GG in Betracht, vgl. Stober SGb 1989, 59; Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rn. 12; Depenheuer AöR 120 (1995), 421 f.; krit. Schmidt-De Caluwe JA 1992, 134. 379 Stern, Staatsrecht III / 2, S. 828; Lücke, Die „allgemeinen“ Gesetze, S. 18 f. 380 Krit. schon zur Unbestimmtheit und Weite des Begriffs Stober SGb 1989, 58. 381 Andersen, Probleme, S. 56 f.; vgl. auch Leisner, Eigentum, S. 231; Stober SGb 1989, 59. 382 Vgl. Hase und Andersen, jeweils a. a. O. 376 377
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die Eigentumsgarantie als ein Abwehrrecht383 in ein Teilhaberecht umgedeutet wird384. Eine solche Neuinterpretation vermag jedoch nicht zu überzeugen385. Dies wird schon unabhängig von der Frage deutlich, ob man durch den aus dieser Deutung folgenden Schutz der subjektiven öffentlichen Rechte eine übermäßige Bindung des Gesetzgebers und Belastung künftiger Generationen herbeiführt386. Zum einen kommt es durch das Hineininterpretieren von Teilhaberechten in Abwehrrechte zu einer sachwidrigen Vermischung zu trennender dogmatischer Kategorien387. Zum anderen führt die Umdeutung zu einer Ausweitung des Schutzbereichs, die der Schutzintensität abträglich ist388. Die Grundrechte werden in ihrer sozialen Dimension auf bloße Verfassungsaufträge reduziert. Am Ende dieser Entwicklung droht der abwehrrechtliche Gehalt von dieser überrollt und damit aufgehoben zu werden389. dd) Zwischenergebnis In Anbetracht dieser Überlegungen ist es geboten, den dargestellten Wandel der Ratio des Art. 14 GG zu verneinen. Damit ist an der traditionellen Schutzrichtung der Eigentumsgarantie festzuhalten, die mit einem an § 903 BGB angelehnten Verfassungsbegriff zwanglos vereinbar ist.
III. Das Anteilseigentum als Teil der Eigentumsgarantie Zu prüfen ist nunmehr, ob die obigen Erkenntnisse auch auf die Aktie übertragen werden können.
383 Vgl. nur v.Komorowski AöR 126 (2001), 521, der ausführt, dass die „Eigentumsgarantie, wie alle Grundrechte, zuvörderst der Abwehr verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriffe des Staates dient“. 384 Vgl. Papier, Eigentumsgarantie, S. 10 ff. 385 Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 84; Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz, S. 316; Leisner, Das Eigentum, S. 83 sowie S. 231: „Eine Umwandlung größeren Stiles von Abwehrrechten in Teilhaberechte ist marxistischen Ordnungen vorbehalten“. 386 Vgl. Papier, in: MD, GG, Art. 14 Rn. 6; Depenheuer AöR 120 (1995), 419 f. 387 Depenheuer AöR 120 (1995), 419 f. 388 Vgl. zu dem Zusammenhang von Schutzumfang und Schutzintensität Schmidt-Aßmann VVDStRL. 51 (1992), 254; Lepsius JZ 2002, 319. 389 Papier, in: MD, GG, Art. 14 Rn. 7; Zacher, Verrechtlichung, S. 46; in ähnlichem Zusammenhang Zippelius VVDStRL 47 (1988), 17: „Der Leviathan ist auch dann bedrückend, wenn er die Züge einer Milchkuh annimmt“.
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1. Teil: Grundlegung
1. Grundsätzliche Anerkennung des Anteilseigentums Dass Gesellschaftsanteilen und damit auch Aktien als so genanntes Anteilseigentum durch die Eigentumsgarantie gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG erfasst werden, ist in ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt390. Auch die herrschende Literatur erkennt den Schutz der gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen an391. Dennoch wird bis heute der Einbezug der Beteiligungen an Großunternehmen zumindest kritisch betrachtet392. Griffe dies durch, so müssten diese aus dem Schutzbereich ausgeklammert werden. Wäre damit die Beteiligung an Großunternehmen nicht grundrechtlich geschützt, so bliebe in Folge zu fragen, ob zumindest die Beteiligung an kleineren Unternehmen als Eigentum i. S. d. Art. 14 Abs. 1 GG anerkannt werden könnte. Zur Begründung wird angeführt, dass ein verfassungsrechtlicher Schutz des Großkapitals zum Schutz einer Herrschaft über Menschen führe, die der Leibeigenschaft gleichkomme und demnach mit den Wertungen des Grundgesetzes nicht vereinbar sei. Ansatzpunkt dieser Überlegung ist, dass durch das Eigentum am Großunternehmen auch Eigentum an den Produktionsmitteln besteht. Vom Bestand dieser Anlagen, gewissermaßen, von der Möglichkeit an diesen arbeiten zu dürfen, sei der Großteil der Bevölkerung als Arbeitnehmer jedoch in einer solchen Art und Weise abhängig, dass das Eigentum Macht über Menschen vermittle. Eine solche Machtstellung könne nicht durch Art. 14 GG geschützt werden393. Ohne, dass an dieser Stelle bereits auf die Frage eingegangen werden muss, inwieweit das Anteilseigentum sich wirklich auf die Produktionsgüter erstreckt, ist solcher Kritik entgegen zu treten. So ist zu bedenken, dass die Machtstellung zwischen dem Unternehmer und den Arbeitnehmern primär auf das Direktionsrecht zurückzuführen ist. Dieses beruht indes nicht auf dem Eigentum, sondern ist Ausfluss der arbeitsvertraglichen Bindungen394. Stellt man jedoch auf die faktische Macht ab, die dadurch gegeben ist, dass die Arbeitnehmer von der Möglichkeit zu arbeiten abhängig sind, ist folgendes zu bedenken. So ist es eine Tatsache, dass ein solcher Einfluss auch schon bei dem Eigentümer eines Würstchengrills gegeben ist, der nur ein oder zwei Angestellte beschäftigt395. Wenngleich die Forderung im 390 Vgl. nur BVerfGE 14, 263 (276 f.)-Feldmühle; BVerfGE 50, 290 (341) – Mitbestimmung; BVerfG AG 1999, 217 (217); BVerfG AG 1999, 218 (218). 391 Statt vieler Bryde, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 22; Schmidt-Preuß, Rechtsfragen, S. 25; Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rn. 38; Papier, in: MD, GG, Art. 14 Rn. 195; Badura, in: Benda / Maihofer / Vogel, Hdb VerfR, § 10 Rn. 98 f; Ossenbühl AöR 115 (1990), 28 f.; Wiesner, in: Hoffmann-Becking, Münchener Handbuch AktG, § 12 Rn. 2. 392 Vgl. Rittstieg, in: AK, GG, Art. 14 / 15 Rn. 111. 393 Suhr NJW 1978, 2365; Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 42 ff.; Ridder, Die soziale Ordnung des Grundgesetzes, S. 105, dazu in jüngerer Zeit Stein KJ 1999, 277. 394 Friauf / Wendt, Eigentum, S. 32 ff.; 50 ff.; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 101 ff. 395 Beispiel nach Chlosta, Wesensgehalt, S. 159.
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Zusammenhang solcher Kleinstunternehmer nirgends erhoben wird, so wäre es nur konsequent, auch hier den verfassungsrechtlichen Schutz zu versagen396. Damit wird die unhaltbare Folge dieses Ansatzes deutlich. Geschützt wäre nur noch das persönliche Eigentum. Schon mit Blick darauf, dass bei der Schaffung des Grundgesetzes die Beschränkung des Schutzes auf das der persönlichen Lebenshaltung oder der eigenen Arbeit dienende Eigentum ausdrücklich zugunsten des Schutzes auch von Produktiveigentum abgelehnt wurde397, vermag ein solcher Ansatz nicht zu überzeugen. Ein weiterer Ansatzpunkt der Kritik ist das in der wirtschaftlichen Macht ruhende politische Einflusspotential. Dieser Einfluss ist vom einzelnen Bürger unabhängig. Da ein solcher Einfluss deshalb nicht mit dem Demokratieprinzip vereinbar sei, verbiete es sich auch, diesen Einfluss durch die Zuerkennung des Grundrechtsschutzes zu gewährleisten. Schließlich führe diese Entwicklung, der zunehmende, vom Einzelnen getrennte Einfluss dazu, dass den Unternehmen ein quasi-öffentlicher Status zuwachse, der einer Subsumtion unter ein Individualgrundrecht entgegenstehe398. Indessen steht gerade dieses Machtpotential dem Schutz auch der Beteiligung am Großkapital nicht entgegen. Das Grundgesetz geht von einem dualen System der Sozial- und Wirtschaftsgestaltung aus. Den Wirtschaftsgrundrechten, zu denen unzweifelhaft auch die Eigentumsgarantie zählt, kommt im System des Grundgesetzes eine Machtverteilungs- und Gewaltenteilungsfunktion zu. Damit soll gerade eine absolute Herrschaft der Demokratie über Wirtschaft und Gesellschaft verhindert werden399. Demnach können die Versuche, die Eigentumsgarantie zu beschränken, nicht überzeugen. Als Zwischenergebnis ist demnach festzuhalten, dass auch das Produktiveigentum und mithin jegliches Aktieneigentum an der Garantie des Art. 14 GG teilnimmt. 2. Bezugspunkt des Anteilseigentums a) Die Ausgangslage nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts In einem weiteren Schritt ist nunmehr zu klären, worauf sich der verfassungsrechtliche Schutz der Aktie genau bezieht. Das Bundesverfassungsgericht geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das Anteilseigentum in eine vermögens396 Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Bedingungen der Arbeitnehmer im Fall des Großkapitals schlechter wären und man deshalb differenzieren müsse, vgl. nur Weber, FS Michaelis, S. 330. 397 Engel AöR 118 (1993), 202 f; ähnlich Rittner, FS Schilling, S. 378, der darauf hinweist, dass das Gemeineigentum an Produktionsmitteln als bewusste Ausnahme geschaffen wurde. 398 Rittstieg, in: AK, GG, Art. 14 / 15 Rn. 111. 399 Papier, Eigentumsgarantie, S. 28 m. w. N.; Weber, FS Michaelis, S. 332 ff.
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1. Teil: Grundlegung
rechtliche und eine mitgliedschaftliche Komponente zerfällt400. Die Rechtsstellung des Aktionärs ist dabei eine doppelte: Sie erfasst unmittelbar die Aktie an sich, gewährt aber darüber hinaus auch die Mitwirkung an der Leitung der AG im Verbund mit den Mitgesellschaftern und damit mittelbares Eigentum an den Produktionsgütern der Gesellschaft401. b) Trennungstheorie Dieser Doppelstellung tritt eine Ansicht in der Literatur entgegen, die das Eigentum an der Aktie und an dem Unternehmen trennen will. Der einzelne Aktionär sei nicht Eigentümer des Unternehmens. Dies sei vielmehr allein der Unternehmensträger. Die Berechtigung des Aktionärs hingegen beziehe sich nur auf die einzelne Aktie. An dieser stehe jedem einzelnen Aktionär volles Eigentum zu und bezüglich dieser hat er alle, insoweit auch schutzwürdigen Dispositionsbefugnisse402. Die Normen, die dem Aktionär mitgliedschaftliche Rechte einräumen und mit denen er das Unternehmen beeinflussen kann, stellen nach dieser Ansicht keine Ausprägungen des verfassungsrechtlichen Eigentums dar403.
c) Würdigung Eine solche hier als Trennungstheorie bezeichnete Sichtweise entspricht zwar konsequent der zivilrechtlichen Anerkennung der Gesellschaft als einer von den Gesellschaftern zu trennenden juristischen Person. Unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten vermag sie hingegen nicht zu überzeugen. Teilweise wird gegen diese Auffassung eingewandt, sie führe zu einer unzulässigen Herrschaftsmacht der Aktionäre. Hintergrund dieses Arguments ist die Kette von Eigentumsverhältnissen, wonach die Aktionäre Eigentümer des Unternehmensträgers sind und dem Unternehmensträger Eigentum an dem Unternehmen zusteht. Wenn damit dem Unternehmensträger Eigentum gem. Art. 14 Abs. 1 S. 1 i.V. m. Art. 19 Abs. 3 GG zukommt, so handelt es sich bei diesem um ein Rechtssubjekt. Dann könne er als Rechtssubjekt jedoch nicht im Eigentum eines anderen Subjekts stehen404. Die Aktionäre können damit nicht Eigentümer des Unternehmensträgers sein. Obgleich dieser Einwand einzuleuchten scheint, ist er dennoch zu hinterfragen. Er läuft auf den Vorwurf einer mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Leibeigenschaft oder Sklaverei hinaus. Basis eines Verbots der Sklaverei ist jedoch, dass eine sol400 Vgl. BVerfGE 14, 263 (276) – Feldmühle; BVerfGE 25, 371 (407) – Rheinstahl; aus neuerer Zeit BVerfG AG 1999, 217 (217); BVerfG AG 1999, 218 (218). 401 Zusammenf. Schön, FS Ulmer, S. 1369 ff. 402 Leisner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR VI, § 149 Rn. 112 ff.; Mülbert, in: GK, AktG, Vor §§ 118 – 147 Rn. 187 ff. 403 Vgl. Mülbert, in: GK, AktG, Vor §§ 118 – 147 Rn. 188. 404 Suhr NJW 1978, 2365.
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che Unfreiheit nicht mit der Menschenwürde des Einzelnen vereinbar ist405. Die Menschenwürde ist jedoch anerkanntermaßen ihrem Wesen nach nicht auf juristische Personen gem. Art. 19 Abs. 3 GG anwendbar406. Demnach vermag das angeführte Argument nicht durchzugreifen407. Anderes könnte nur dann gelten, wenn, so wie etwa in der Entscheidung Scheidemantel II des Bundesverfassungsgerichts angeklungen408, auch die AG selbst als ein von den Aktionären zu trennendes Verfassungssubjekt anzuerkennen wäre. Dies muss hier jedoch nicht erörtert werden. Zur Begründung, dass die Normen des Gesellschaftsrechts, durch die den Aktionären Leitungsmacht am Unternehmen zukommt, an der Eigentumsgarantie teilhaben und mithin dem Anteilseigentum eine mitgliedschaftliche Komponente inne wohnt, kann auf die Erkenntnisse aus der Mitbestimmungsdiskussion zurückgegriffen werden. Wie schon die Mitbestimmungsentscheidung des BVerfG zeigt, war auch hier von Belang, ob die Einflussnahme auf die Gesellschaft in den Schutzbereich des Art. 14 GG fällt, was bejaht wurde. Im Rahmen der Mitbestimmung waren die Einflussverhältnisse der Gesamtheit der Aktionäre gegenüber den Arbeitnehmern als außenstehenden Dritten relevant409, während vorliegend die Stellung des einzelnen Aktionärs interessiert. Dies stünde der Übertragbarkeit der Erwägungen indes nur entgegen, wenn es sich bei der lenkenden Beeinflussung der Gesellschaft um ein Gruppenrecht der Gesamtheit der Gesellschafter handelte. Ein solches lässt sich jedoch nicht begründen, da die Gesamtheit der Gesellschafter zu inhomogen ist, als dass ihr als Gruppe Rechte zustehen könnten410. Dass auch die Möglichkeit zur Leitung des Unternehmens von der Eigentumsgarantie umfasst sein muss, entspricht ihrer grundlegenden Funktion in der Wirtschaftsordnung411. Im Falle eines sog. Eigentümerunternehmers, der allein ein Vgl. nur Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 27. Vgl. nur Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 151; Rüfner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR VI, § 116 Rn. 37; Manssen, Grundrechte, Rn. 61. 407 So auch Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 138: „Juristische Personen können demgegenüber im vollständigen Eigentum eines Rechtssubjekts stehen, weil es ihnen gerade an der menschenrechtlichen Selbstbestimmung fehlt“. 408 BVerfG ZIP 1999, 1801 (1802). 409 Scholz, FS Lorenz, S. 217. Teilweise wird in diesem Zusammenhang gefordert, dass auch die Arbeitnehmer aufgrund ihrer Bedeutung für den Produktionsprozess als Eigentümer i. S. d. Art. 14 GG anzusehen seien (Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 302 f.; Suhr NJW 1978, 2361 ff.) oder ihnen zumindest durch den Gesetzgeber eine vergleichbare Situation einzuräumen sei (Papier, Eigentumsgarantie, S. 25 f.). Zur Kritik an diesem Ansatz vgl. Meyer-Abbich, Schutzzweck, S. 96 f. 410 Vgl. für die Anforderungen an eine solche Gruppe Huster AöR 118 (1993), 124 ff; plastisch könnte man im Anschluss an Huster (a. a. O., S. 127 f.) formulieren: Die Aktionäre weisen nicht die erforderliche innere Gemeinsamkeit auf, denn sie „leben weder gemeinsam in einem Ghetto, noch bewegen sich alle in der gleichen Gesellschaftsschicht; sie haben unterschiedliche politische Ansichten, Religionen, Lebensstile, Berufe [ . . . ] “. 411 Friauf / Wendt, Eigentum, S. 22 f., S. 30 f. 405 406
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1. Teil: Grundlegung
Unternehmen betreibt, ist diese Möglichkeit zur Einflussnahme als Teil der Nutzungsbefugnis des Eigentümers allgemein anerkannt. Bringt er dieses Unternehmen jedoch in eine Aktiengesellschaft ein, so muss sich diese Einflussmöglichkeit an dem neuen Eigentum, dem Anteilseigentum, das er gewissermaßen im Tausch für sein Unternehmen erhält, folgerichtig fortsetzen412. Verfehlt ist es insofern, von einer Selbstenteignung des Aktionärs zu sprechen413. Für diesen Tauschcharakter spricht, dass der Eigentümer sonst durch die Investition wesentliche Eigentumsrechte verlöre, was ihn von der Investition abhalten könnte. Zu bedenken ist jedoch, dass die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft heute oftmals der einzige Weg zur Teilnahme am Wirtschaftsverkehr ist414, da der Wandel der Technik und der Produktionsbedingungen Unternehmensgrößen erfordert, für die ein Einzelner das nötige Kapital nur noch schwerlich aufzubringen vermag415. Wollte man ihm dann bei der Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft den Schutz des Art. 14 GG verkürzen, so würde die Entscheidungsbefugnis des Eigentümers, ob er sein Eigentum als Privat- oder als Produktiveigentum nutzen will416, beschränkt. Dementsprechend sieht das Gesetz auch Mitgliedschaftsrechte als Möglichkeiten zur Einflussnahme vor. Besondere Bedeutung kommt hier der Abstimmung in der Hauptversammlung zu417. Dass der einzelne Aktionär dann hinsichtlich der anfallenden Entscheidungen nur eine begrenzte, nämlich auf die Ausübung des Stimmrechts beschränkte Einflussmöglichkeit hat, während die einzelnen unternehmerischen Dispositionen von dem gem. § 76 Abs. 1 AktG in eigener Verantwortung handelnden Vorstand getroffen werden, steht dem nicht entgegen. So ist zu bedenken, dass eine Verminderung des Einflusses auch schon dann gegeben ist, wenn ein Unternehmenseigner seinen Betrieb in eine OHG mit drei Personen einbringt. Dennoch würde hier niemand seine Position in Frage stellen. Weiterhin handelt es sich bei dem autonomen Vorstand nur um die Zwischenschaltung einer Entscheidungsinstanz, die durch die Schwierigkeit kollektiver Entscheidungsfindung notwendig ist418. Dies entzieht dem Aktionär jedoch nicht seine grundsätzliche Entscheidungsbefugnis. Der Vorstand wird nämlich dadurch legitimiert, 412 So auch Schön, FS Ulmer, S. 1369. Nichts anderes kann für den Fall der Bareinlage gelten. Auch bei den Münzen und Banknoten sowie an den insofern gleichstehenden Forderungen besteht Eigentum i. S. d. Verfassung (Kirchhof, FS Leisner, S. 638 f.; Lepsius JZ 2002, 314). Da bei diesen Eigentumsgütern dem Berechtigten ebenfalls Verfügungsbefugnis zukommt (vgl. Kirchhof, FS Leisner, S. 639), ist eine abweichende Beurteilung nicht geboten. 413 So aber Kunze RdA 1972, 268. 414 Vgl. schon Papier VVDStRL 35 (1976), 87; Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 100. 415 Bäumler, Investitionsplanung, S. 41. 416 Vgl. Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 138. 417 Für einen Schutz der Stimmrechtsmacht durch Art. 14 GG zutreffend Zöllner / Hanau AG 1997, 207 f.; Zöllner / Noack AG 1991, 158. 418 Badura, in: Benda / Maihofer / Vogel, Hdb VerfR, § 10 Rn. 98; Chlosta, Wesensgehalt, S. 163; Papier VVDStRL 35 (1976), 92 f., der dann von einer Verlagerung „auf mittelbare Einwirkungsmöglichkeiten“ spricht.
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dass er durch den von der Hauptversammlung gewählten Aufsichtsrat gem. § 84 Abs. 1 S. 1 AktG bestellt wird. Über diesen Legitimationsstrang419 leitet er seine Leitungsmacht von den Aktionären ab420. Verfehlt ist in diesem Zusammenhang insbesondere der Einwand, die Leitungsmacht sei den Mitgliedern des Vorstandes als originäre Rechtsmacht durch die Regelungen der Unternehmenssatzung421 bzw. als staatliches Mandat durch die Normen des Gesellschaftsrechts422 eingeräumt423. Dabei handelt es sich nur um generelle Regelungen einer Pflichtenstellung. Das konkret betroffene Vorstandsmitglied wird durch diese Regelungen ebenso wenig ermächtigt, wie der derzeitige Bundeskanzler eine von der demokratischen Legitimation unabhängige Kompetenz aus den Normen des Grundgesetzes ableiten kann. Dieser Annahme eines Legitimationsstrangs steht auch nicht entgegen, dass das AktG von Beginn des Bestehens der AG an zwischen Vorstand und Anteilseignern trennt424. Denn schon der erste Vorstand wird durch den Aufsichtsrat bestellt425, der seinerseits von den Gründern bestellt wird426. Da es sich jedoch auch bei den Gründern, wie aus § 28 AktG unzweideutig hervorgeht, um Aktionäre handelt, liegt schon seit Beginn der AG der besagte Ableitungszusammenhang vor. Schließlich kann die Leitungsmacht als Ausfluss gerade auch der Aktionärsstellung der Regelung des Art. 15 GG entnommen werden. Würde durch die Aktie als heute wohl wichtigstem Beispiel des Eigentums an Produktionsmitteln427 nicht auch die Leitungsbefugnis vermittelt, so wäre die Pflicht zur Entschädigung bei Entzug der Leitungsmacht428 nicht verständlich429. Auch wäre ohne eine Rückbindung des Vorstands an die Gesellschafter in der beschriebenen Weise kaum verständlich, warum der Vorstand den Aktionären Bäumler, Investitionsplanung, S. 41. So auch Scholz, Mitbestimmung, S. 81; Rupp, GG und Wirtschaftsverfassung, S. 34; Bäumler, Investitionsplanung, S. 41 jeweils m. w. N. 421 So aber Kunze RdA 1972, 265. 422 Stein, Wirtschaftsaufsicht, S. 41 ff.; unklar die Formulierung bei Rittner, FS Schilling, S. 371. 423 Mit Blick auf den weitgehend zwingenden Charakter der Normen des Aktienrechts (vgl. Kübler, Gesellschaftsrecht, § 15.I.3.a; Henn, Hdb AktR, Rn. 161) ist von einem weitgehenden Gleichlauf von vertraglicher Satzung und Gesetz in ihren Funktionen und ihrer Bedeutung für die Grundrechte auszugehen, vgl. Classen AöR 122 (1997), 76. 424 So aber Meyer-Abbich, Schutzzweck, S. 99. 425 Vgl. § 30 Abs. 4 AktG. 426 Vgl. nur § 30 Abs. 1 S. 1 AktG. 427 Vgl. schon Papier VVDStRL 35 (1976), 87. 428 Dabei handelt es sich um eine Sozialisierung durch Überführung in andere Formen der Gemeinwirtschaft, vgl. Wendt, in: Sachs, GG, Art. 15 Rn 6; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 15 Rn. 2. 429 Ähnlich Friauf / Wendt, Eigentum, S. 52 sowie Friauf DÖV 1976, 627, der in dem Entzug der Leitungsmacht das maßgebliche Moment der Sozialisierung sieht. 419 420
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1. Teil: Grundlegung
Rechenschaft schuldig ist. Die Kontrolle des Vorstands dient gerade der Beeinflussung des Vorstands und mithin der AG. Sie kann daher nicht von der Leitung der Gesellschaft getrennt werden. Deutlich wird dies bei der Betrachtung der Stellung des Aufsichtsrats. Diesem kommt die Überwachung der Vorstandstätigkeit gem. § 111 Abs. 1 AktG als originäre Aufgabe zu430. Nach richtiger Ansicht erschöpft sich diese Überwachung jedoch nicht in einer nachträglichen Kontrolle. Vielmehr ist die Kontrolle der laufenden Tätigkeit nicht von der Überwachung zu trennen431, was zu einem Einfluss auf die Entscheidungen des Vorstands führt432. Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ist demnach festzuhalten, dass das Anteilseigentum dem einzelnen Eigentümer auch unternehmerische Leitungsmacht vermittelt433. Eine Begrenzung des verfassungsrechtlichen Schutzes nur auf die Aktie selbst, vermag damit nicht zu überzeugen. d) Die Privatnützigkeit uneigennütziger Gesellschafterrechte Erstreckt man die Eigentumsgarantie auch auf die Herrschaft über die AG selbst und bejaht damit auch einen Schutz der damit einhergehenden Mitgliedschaftsrechte, so ist an dieser Stelle ein weiterer Aspekt zu bedenken. Die in der Gesellschaftsbeteiligung wurzelnden Rechte werden in der gesellschaftsrechtlichen Literatur regelmäßig in eigennützige und uneigennützige Rechte eingeteilt434. Während als Beispiel für die Gruppe der eigennützigen Rechte regelmäßig der Dividendenanspruch genannt wird, sollen als uneigennützig die Rechte beurteilt werden, mit denen Einfluss auf die Geschäftsführung genommen werden kann435. Bei der Ausübung dieser Rechte sei der Aktionär an den Gesellschaftszweck gebunden. Es Vgl. nur Kraft / Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 337. Schneider ZIP 2002, 874 f. mit Nachweisen für beide Seiten. 432 Vgl. nur Henze BB 2000, 214. 433 Klarstellend ist darauf hinzuweisen, dass diese Einflussnahme zum einen durch die Wahl des Aufsichtsrats zur Herstellung des Legitimationsstrangs (Bäumler, Investitionsplanung, S. 41) für den Vorstand erfolgt. Zum anderen, und dies macht die in der Aktie enthaltene Leitungsmacht in besonderem Maße deutlich, erfolgt die Einflussnahme auch durch direkte Entscheidungen, etwa im Rahmen des § 119 Abs. 2 AktG oder auch im Rahmen der Entscheidung hinsichtlich der Gewinnverwendung. Letztere Fälle können nicht als Hinweis auf einen reinen Kapitalcharakter missverstanden werden, da etwa die Entscheidung über die Schaffung von Rücklagen gem. § 58 Abs. 3 AktG als unternehmerische Entscheidung (vgl. hierzu Beusch, FS Goerdeler, S. 28; ähnl. Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 15, der in diesem Zush. von Geschäftsführungsangelegenheiten spricht) gewertet werden muss. Schließlich führt auch schon die bloße Existenz von in der Aktie wurzelnden Rechten der Gesellschafter, wie etwa das Auskunftsrecht oder das Anfechtungsrecht, zu einer Beeinflussung des Vorstands, so dass auch hierdurch die Leitungsmacht der Aktionäre deutlich wird (Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 100). 434 Vgl. Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 19 ff.; Dreher DStR 1993, 1633. 435 Wo genau die Grenze verläuft ist jedoch nicht sicher. So wird teilweise Stimmrecht als uneigennütziges Recht erachtet (Hüffer, AktG, § 53a Rn. 17), teilweise aber auch als eigennützig (Michalski NZG 1998, 460; diff. Henze BB 1996, 492 f.). 430 431
§ 4 Die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters
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war oben angeführt worden, dass konstituierendes Merkmal eines Eigentumsrechts dessen Privatnützigkeit ist436. Die Privatnützigkeit im Rahmen des Art. 14 GG wird dahingehend definiert, dass das Objekt dem Rechtsträger zu dessen Vorteil zugeordnet ist, so dass es von dem Berechtigten nach eigener Entscheidung und zu seinem Nutzen ausgeübt werden kann437. Gerade die Notwendigkeit der Ausübung nach eigener Entscheidung kann auch mit einem Verweis auf den Wortlaut des § 903 S. 1 BGB unterstrichen werden, demzufolge der Eigentümer mit seinem Eigentum „nach Belieben verfahren“ kann. Mit Blick auf dieses Belieben liegt es dann aber nahe, zu vermuten, dass die uneigennützigen Gesellschafterrechte nicht als privatnützig bezeichnet werden könnten, so dass sie aus dem Schutzbereich des Art. 14 GG herausfallen müssten. Im Ergebnis ist diese Überlegung jedoch zu verwerfen. Zu bedenken ist, dass die Bedeutung, die der Privatnützigkeit des Eigentums für die persönliche Freiheit des Einzelnen zukommt, auch die Freiheit zu wirtschaftlicher Betätigung einschließt438. Zu kurz griffe es, die Privatnützigkeit allein im Licht der unbeschränkten Entscheidungsfreiheit zu sehen. Hinzu kommt auch der Nutzen für den Eigentümer, den dieser durch eigene Initiativen auf Grundlage des Eigentums verfolgen kann439. Die Privatnützigkeit sichert hiermit auch den Anreiz des Bürgers für eine Teilnahme am Wirtschaftsverkehr440. Bei einem Eigentümerunternehmer ist es gerade die Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Geschäftsführung, die Ausdruck der Privatnützigkeit des Eigentums ist. Durch sie bildet das Eigentum die Grundlage einer privaten Initiative und bietet den Anreiz zu einer Teilnahme am Wirtschaftsverkehr. Dann müssen auch die als uneigennützig bezeichneten Gesellschafterrechte als privatnützig i. S. d. Art. 14 GG anerkannt werden. Diese Rechte sollen gerade eine Beteiligung an der Zweckerreichung der Gesellschaft bewirken441 und stellen damit Möglichkeiten zur Verfolgung einer privaten Initiative durch die Gesellschaft dar. Diesem Ergebnis steht auch nicht die Tatsache entgegen, dass der einzelne Gesellschafter bei der Verfolgung dieser Initiative durch die Gesellschaft bestimmten Bindungen unterliegen soll. Schon oben war angeführt worden, dass die Privatnützigkeit nicht schon dann verneint werden kann, wenn der Freiheit des Berechtigten bestimmte Grenzen gesetzt sind442. Auch im besonderen Hinblick auf Wirtschaftseigentum wird unterstrichen, dass eine hinreichende Privatnützigkeit nicht nur geVgl. oben, Text bei Fn. 334 f. Badura, in: Benda / Maihofer / Vogel, Hdb VerfR, § 10 Rn. 2; Berkemann, in: MitarbeiterKomm, GG, Art. 14 Rn. 265. 438 Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 5. 439 Vgl. BVerfGE 50, 290 (339) – Mitbestimmung; BVerfGE 76, 220 (236); BVerfGE 91, 294 (308). 440 So schon Reinhardt, in: Reinhardt / Scheuner, Verfassungsschutz, S. 15. 441 Ausdr. Dreher DStR 1998, 1633 f. 442 Vgl. oben, Text bei Fn. 335. 436 437
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1. Teil: Grundlegung
geben ist, wenn der Berechtigte von allen Bindungen befreit ist443. Weiterhin kann in der Beschränkung der Freiheiten des Aktionärs dasselbe Schema entdeckt werden, wie es der Einräumung freier Verantwortung zu Gunsten des Vorstands gem. § 76 Abs. 1 AktG zugrunde liegt444. Eine Orientierung des Verhaltens aller Aktionäre am Gesellschaftszweck wirkt der Gefahr entgegen, dass die Interessenpluralität innerhalb der Gesellschaft deren Handlungsunfähigkeit bewirkt. Da der einzelne Anleger jedoch nur dann zur Beteiligung an einer Gesellschaft und damit zur Teilnahme am Wirtschaftsverkehr motiviert werden kann, wenn ihm dazu auch ein funktionsfähiges Vehikel zur Verfügung steht, vermag es nicht überzeugen, mit Blick auf diese Einschränkungen die Privatnützigkeit zu verneinen. Vielmehr könnte man sagen, dass diese Einschränkungen der Ermöglichung privater Initiative auf der Grundlage des Eigentums dienen. Wollte man anders entscheiden, so würde weiterhin die Privatnützigkeit des Anteilseigentums insgesamt in Frage gestellt. Die Möglichkeiten zu einer eigenverantwortlichen Nutzung würden auf die Wahrnehmung der Vermögensrechte beschränkt. Zwar könnte man diesem Einwand entgegen halten, dass auch die Möglichkeit zur einmaligen Nutzung und mithin zur Veräußerung schon genügt, um die Privatnützigkeit zu begründen445. Zu bedenken ist jedoch, dass die Wirkung dieses Aspekts des Eigentums über den Schutz des Einzelnen hinaus geht. Indem ein Anreiz zu eigener Initiative gesetzt wird, dient Art. 14 GG auch der Etablierung einer dezentralen und auf die Beteiligung Privater angelegten Wirtschaftsordnung446. Verneinte man die Privatnützigkeit der Gesellschafterrechte, die Einfluss auf die Geschäftsführung vermitteln, so entfiele damit auch der Schutz durch die Eigentumsgarantie. Der Gesetzgeber hätte es damit in der Hand, diese Möglichkeiten weitgehend auszudünnen447 und könnte sie auch durch eine staatliche Unternehmensleitung ersetzen. Damit wäre, gerade auch mit Blick auf die Bedeutung der Kapitalgesellschaften für die Gesamtwirtschaft, eine dezentrale, dem Staat gegenüberstehende Wirtschaftordnung448 gefährdet. Damit kann als Ergebnis festgehalten werden, dass auch die Einteilung der Mitgliedschaftsrechte in eigennützige und uneigennützige Befugnisse der hier vertretenen eigentumsrechtlichen Charakterisierung nicht entgegen steht.
443 444 445 446 447 448
Reinhardt, in: Reinhardt / Scheuner, Verfassungsschutz, S. 21 f. Vgl. oben, Text bei Fn. 417. Vgl. nur BVerfGE 83, 201 (210) – Vorkaufsrecht m. w. N. Badura, in: Benda / Maihofer / Vogel, Hdb VerfR, § 10 Rn. 2. Schön, FS Ulmer, S. 1369. Vgl. hierzu auch schon die Nachw. oben in Fn. 398.
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3. Anwendbarkeit des sachgeprägten Eigentumsbegriffs auf das Anteilseigentum Gerade der dargestellte Bezugspunkt des Anteilseigentums, die Tatsache, dass auch gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum am Unternehmen an sich besteht, ist jedoch der Anlass, die Übertragbarkeit der oben herausgefilterten Parameter zu untersuchen. Ansatzpunkt von Zweifeln ist hierbei die Tatsache, dass § 903 S. 1 BGB die Vorstellung eines Eigentumsobjekts als Sache zugrunde liegt. Das Anteilseigentum unterscheidet sich jedoch vom Sacheigentum. Anders als der typische Sacheigentümer, etwa der Berechtigte an einem Grundstück449, kann der Aktionär nicht unmittelbar auf eine Sache zugreifen, sondern seine Befugnisse in Bezug auf das Unternehmen nur durch die AG und dabei in Kooperation mit anderen Gesellschaftern wahrnehmen450. Teilweise wird deshalb der Schluss gezogen, dass das Anteilseigentum andere Maßstäbe erfordere, als das Sacheigentum451. Betont wird dabei hinsichtlich des Anteilseigentums die Besonderheit, dass die Kapitalgesellschaften in besonderer Form der Bündelung von Kapital und von Einzelinteressen dienen. Das den verfassungsrechtlichen Schutz der Beteiligung ausgestaltende Gesellschaftsrecht muss damit in besonderem Maß dem Ausgleich der Aktionärsinteressen dienen452. Wird hiermit in besonderer Form auf die Koordination der Gesellschafterinteressen abgestellt, so liegt es nahe, einen anderen Eigentumsbegriff zu erwägen. In Abkehr von einem durch das Sacheigentum geprägten Eigentumsverständnis, das primär vertikal auf die Absicherung des unmittelbar über eine Sache verfügenden Privaten gegen den Staat gerichtet ist, soll nach teilweise vertretener Ansicht die horizontale Perspektive zugrundegelegt werden. Der Eigentumsbegriff soll an der Binnenorganisation der Gesellschaft und der Rolle der Aktionäre darin ausgerichtet werden453. Zu prüfen ist, ob im Anschluss an diesen Ansatz für das Anteilseigentum ein eigenständiger, nicht an § 903 S. 1 BGB orientierter Eigentumsbegriff bejaht werden soll. Geht man davon aus, dass dem Grundgesetz ein einheitlicher Eigentumsbegriff zugrunde liegt, so dass es sich bei den verschiedenen Formen des verfassungsrechtlich geschützten Eigentums nur um untergeordnete Spezialbegriffe handelt454, so kann man insofern schon zweifeln, ob die gesonderte Behandlung des Anteileigentums geboten ist. 449 Zur Bedeutung des Grundstückseigentums im Rahmen des Art. 14 GG etwa Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 117. 450 BVerfGE 50, 290 (342) – Mitbestimmung; Ebenroth / Koos BB 1995, Beilage 8, S. 3. 451 Badura / Rittner / Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 206; ähnl. Ebenroth / Koos BB 1995, Beilage 8, S. 3. 452 Vgl. nur Badura / Rittner / Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 206. 453 Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 203. 454 Leisner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR VI, § 149 Rn. 46; Kreile, FS Lerche, S. 252 f.
7 Wandt
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1. Teil: Grundlegung
Doch auch wenn man einen solchen einheitlichen Eigentumsbegriff verneint, ist eine Abkehr von dem hier vertretenen Ansatz nicht zwingend. So kann man fragen, inwieweit das Bedürfnis nach einem Ausgleich der Interessen mehrerer ein Gesichtspunkt des Anteilseigentums ist, der eine abweichende Beurteilung erfordert. Auch Formen des klassischen Sacheigentums können mehreren zugeordnet sein, so dass auch hier ein Interessenausgleich unter den Berechtigten erforderlich ist. Dies kann etwa mit Blick auf das Immobiliareigentum gezeigt werden. Auch hier kann das Bedürfnis nach einem Interessenausgleich in der Horizontalen nicht verneint werden. Erkennt man das Besitzrecht des Mieters als Eigentum i. S. d. Art. 14 GG an, so stehen sich auch hier zwei Eigentümer gegenüber455. Folglich müssen hier ebenfalls Interessen zwischen Privaten zum Ausgleich gebracht werden456, weshalb die Situation jener im Fall der Ausgestaltung des Gesellschaftsrechts entspricht457. Wenn demnach auch in den Fällen klassischen Sacheigentums ein derartiges Bedürfnis des Ausgleichs auf horizontaler Ebene neben die Abwehr hoheitlicher Eingriffe tritt, so ist die oben dargestellte Beobachtung zu präzisieren. Das Anteilseigentum unterscheidet sich von den Fällen des klassischen Sacheigentums dadurch, dass hier das Bedürfnis des Ausgleichs von Interessen gleichberechtigter Bürger häufiger besteht und damit einen Schwerpunkt bildet. Fraglich ist jedoch, ob solche Schwerpunkte eine sachgerechte Abgrenzung ermöglichen. Die Zweifel an der Möglichkeit einer trennscharfen Unterscheidung zwischen solchen Eigentumsformen, die als klassisches Sacheigentum behandelt werden können und solchen, die auf Kooperation ausgelegt sind, werden durch einen Blick auf das Wohnungseigentum nach dem WEG untermauert. Dieses besteht aus drei Komponenten, von denen allen das gleiche Gewicht für das Wohnungseigentum zuzumessen ist. Neben das an der einzelnen Wohnung bestehende Sondereigentum und den Miteigentumsanteil tritt die Mitgliedschaft in der Gemeinschaft der Eigentümer. Dabei sind alle diese Bestandteile untrennbar miteinander verbunden458 und nur in ihrem Zusammenwirken kann das Wesen des Wohnungseigentums beschrieben werden459. Geht man nun davon aus, dass das Wohnungseigentum mit all diesen Aspekten von der Eigentumsgarantie erfasst ist460, so ergibt sich das folgende Bild: Schon wenn man nur das Sondereigentum einerseits und Mitgliedschaft in der Gemeinschaft andererseits gegenüberstellt wird deutlich, dass hier ein klassisches Sacheigentum und ein auf Assoziation angelegtes Eigentum miteinander ver455 BVerfGE 89, 1 (5 ff.); BVerfG NJW 2000, 2658 (2659) – Treppenlift; abl. Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 157 ff. 456 Ausdr. Rittstieg, in: AK, GG, Art. 14 / 15 Rn. 94. 457 Für eine Gleichbehandlung des horizontalen Ausgleichs bei Mietrecht und Gesellschaftsrecht auch Engel, in: Engel / v.Danwitz / Depenheuer, S. 17 f.; Schön, FS Ulmer, S. 1385. 458 Bärmann, FS Seuß, S. 19; Rühlicke ZMR 2002, 717. 459 Bärmann, Die Wohnungseigentümerschaft, S. 23 f. 460 Vgl. hierzu Bärmann, FS Seuß, S. 20 f.
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quickt sind. Entscheidet man sich für die oben dargelegte Teilung des verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs, so ist es mithin nicht möglich, diese Art des Eigentums insgesamt einer der Eigentumsarten zuzuordnen. Auch dies weckt Zweifel an dem Versuch, bestimmte Gruppen von Eigentumstypen aus dem oben hergeleiteten traditionellen Eigentumsbegriff herauszulösen. Gerade das Wohnungseigentum mit seinen unterschiedlichen Komponenten führt dazu, nochmals einen Blick auf den Bezugspunkt des Anteilseigentums zu werfen. Es war gezeigt worden, dass es nicht überzeugen kann, den Schutz des Anteilseigentum auf die Rechte im Bezug auf die einzelne Aktie zu beschränken. Wenn damit der Schutz auch der mittelbaren Herrschaft über das Unternehmen anerkannt wird, so tritt diese Berechtigung neben die unmittelbare Herrschaft an der einzelnen Aktie, weshalb dem Aktionär eine Doppelstellung zukommt461. Hinsichtlich der neben die mittelbare Herrschaft am Unternehmen tretende unmittelbare Berechtigung an der Aktie kommt dem Anteilseigner jedoch eine Rechtsstellung zu, die dem klassischen Sachbezug entspricht. Ihm steht es frei, in eigener Verantwortung und ohne auf die Mitaktionäre angewiesen zu sein, über den Anteil zu verfügen. Dabei steht der Gleichsetzung mit dem klassischen Eigentum auch nicht entgegen, dass die Mitgliedschaft nicht körperlich fassbar ist, während § 903 S. 1 BGB eine Sache voraussetzt. Das hier vertretene Konzept der Wertungsanalogien verlangt nicht, dass alle Eigenschaften so wie beim typischen Sacheigentum i. S. d. § 903 S. 1 BGB vorliegen, sondern bietet, da es nur auf die Vergleichbarkeit der wesentlichen Merkmale ankommt, einen flexiblen Maßstab. Damit vermag er auch ungreifbare Objekte zu erfassen462. Zwar soll nicht geleugnet werden, dass sich die Ausübung der unmittelbaren Herrschaft im Schwerpunkt auf die Veräußerung des Anteils beschränken wird463. Es kann damit nicht angeführt werden, dass die Beobachtung, wonach der Anteilseigentümer einen Großteil der Befugnisse nur in Koordination mit den Mitgesellschaftern ausüben kann, unerheblich sei. Gleichwohl ist festzuhalten, dass die unmittelbare Berechtigung ebenfalls berücksichtigt werden muss464. Dies stellt eine Sicht, die in Abkehr von dem Sachbezug allein die assoziative Seite des Anteilseigentums betonen will, in Frage. Konzentrierte sich die Untersuchung bislang auf die Problematik, ob das Anteilseigentum überhaupt vom übrigen Verfassungseigentum abgelöst und eigenen Regeln unterworfen werden kann, so sind nunmehr gerade diese Regeln in den 461 462
Schön, FS Ulmer, S. 1370. Vgl. hierzu Fechner, Geistiges Eigentum, S. 224 f. am Bsp. von Immaterialgüterrech-
ten. 463 Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Strack, GG, Art. 14 Rn. 146; Papier, in: MD, GG, Art. 14 Rn. 195. 464 Konsequent insofern Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Strack, GG, Art. 14 Rn. 145, der im Gegensatz zu den in Fn. 451 Genannten zurückhaltender formuliert, dass das Anteilseigentum „vor allem durch das gesellschaftsrechtlich gebundene Mitgliedschaftsrecht vermittelt“ wird.
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1. Teil: Grundlegung
Blick zu nehmen. Zu prüfen ist, ob die Betonung der horizontalen Perspektive, des in der Assoziation liegenden Bedürfnisses nach einem Ausgleich, eine Abkehr von einem staatsgerichteten Eigentumsverständnis notwendig macht. Dies ist umso bedeutender, da teilweise gefordert wird, den hier vertretenen Eigentumsbegriff vollständig zugunsten eines die Assoziation betonenden Eigentumsparadigmas aufzugeben465. Die Beobachtung, dass beim Anteilseigentum überwiegend solche Regelungen zum Ausgleich der Interessen Gleichgestellter notwendig sind, kann die Staatsrichtung der Eigentumsgarantie jedenfalls dann nicht beseitigen, wenn diese in der Verfassung selbst angelegt ist. Das Grundgesetz sieht in seinem Art. 15 die Möglichkeit eines hoheitlichen Eingriffs in das Eigentum vor466. Da der Regelung trotz fehlender Praxisrelevanz ungebrochene normative Wirkung zuzuerkennen ist467, muss sie auch mit Blick auf die heutige Wirtschaftsverfassung gesehen werden. Dann muss aber Art. 15 GG den staatlichen Zugriff gerade auch auf das Anteilseigentum vorsehen. Dies gilt unabhängig davon, ob man den Begriff der Produktionsmittel auf die klassischen Produktionsgüter beschränkt. Angesprochen ist durch die Norm zumindest das Eigentum an Unternehmen, die gegenständlich produzieren468. Dabei ist jedoch weitgehend anerkannt, dass kleinbäuerlichen und handwerklichen Betrieben die erforderliche Sozialisierungsreife und -eignung fehlt. Art. 15 GG zielt damit insbesondere auf Großunternehmen469. Beachtet man nun die bereits angesprochene eminente Bedeutung der Kapitalgesellschaften in der heutigen Wirtschaftsverfassung, die sich oftmals als einzige Form zur Führung solcher Betriebe und damit zu einer derartigen Beteiligung am Wirtschaftsleben darstellen, so muss sich Art. 15 GG insbesondere auch auf das Anteilseigentum beziehen. Dem Grundgesetz ist folglich zu entnehmen, dass das Anteilseigentum auch als eine staatsgerichtete Garantie zu sehen ist. Diese Erkenntnis spricht gegen eine nur auf das horizontale Miteinander der Aktionäre ausgerichtete Sicht. Die Beschränkung der Eigentumsperspektive auf die Wirkung unter Privaten führt in konsequenter Anwendung weiterhin dazu, dass die nahezu allgemein anerkannte Natur der Eigentumsgarantie als Abwehrrecht, die bislang auch dieser Untersuchung zugrundegelegt wurde, verneint werden muss470. Folge dieser Einschätzung ist jedoch, dass ein Schutz durch das strenge, an die abwehrrechtliche Vgl. etwa Vesting, Die Verwaltung 2001, Beiheft 4, S. 21 ff. Zur Deutung der Sozialisierung als Eingriff etwa ausdr. Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 34 f.; Bryde, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 15 Rn. 6. 467 Bäumler, Investitionsplanung, S. 62; Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art 15 Rn. 3. 468 Zur Erfassung des gesamten Betriebes etwa Kimminich, in: BK, GG, Art. 15 Rn. 32; Bäumler, Investitionsplanung, S. 79 f. 469 Maunz, in: MD, GG, Art. 15 Rn. 23; Kimminich, in: BK, GG, Art. 15 Rn. 34; Bryde, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 15 Rn. 19. 470 Vgl. Vesting Die Verwaltung 2001, Beiheft 4, S. 45. 465 466
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Wirkung der Grundrechte gekoppelte, Übermaßverbot471 nie eingreifen könnte, d. h. auch nicht in den Fällen, in denen eine Belastung von Seiten des Staates droht. Dem Staat würden damit Handlungsfreiräume zu Lasten des Bürgers eröffnet und dies auch in den Situationen, in denen für eine Berücksichtigung der Wirkung des Eigentums unter den Privaten kein Bedürfnis besteht. Eine solche Herabsetzung verwundert gerade auch mit Blick auf den Art. 15 GG, der nach hier vertretener Ansicht gerade auch einen Zugriff auf Anteilseigentum normiert. Durch Art. 15 GG werden, so wie auch durch Art. 14 Abs. 3 S. 2 ff. GG, besondere Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen an den Eingriff determiniert und mithin eine besondere Absicherung der Position des Bürgers erreicht472. Dies wird schon aus dem Wortlaut der Norm ersichtlich, der für die Überführung in Gemeineigentum nur ein Gesetz genügen lässt, das eine Entschädigung der Eigentümer vorsieht. Mit dieser Tendenz zum Schutz des Bürgers wäre die gänzliche Verneinung des Übermaßverbots und mithin eine Herabsetzung des Schutzes nicht vereinbar. Wird die Eigentumsgarantie nicht primär als ein Abwehrrecht gegen den Staat verstanden, so droht dadurch auch die Frage der Grundrechtsadressaten verschoben zu werden. Zwar wird man diesen Ansatz nicht mit den klassischen Theorien einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundrechte gleichsetzen können, die eine Funktion als Abwehrrecht auch gegen Private postulieren473. Gleichwohl ist auch dem hier in Frage stehenden Ansatz die Regelung des Art. 1 Abs. 3 GG entgegenzuhalten, der als Adressaten der Grundrechte nur die Ausprägungen der staatlichen Gewalt nennt. Die primär horizontale Auslegung der Grundrechte führt zu einer Aufhebung der Trennung von Staat und Gesellschaft474, die in dieser Verfassungsnorm gerade ihren Ausdruck findet475. Eine klassische Sicht, die an der Einschätzung der Eigentumsgarantie als Abwehrrecht festhält, beachtet demgegenüber diese Trennung. Dies spricht dafür, an dem hier vertretenen Konzept eines an § 903 S. 1 BGB orientierten Eigentumsbegriffs festzuhalten. Dafür streitet auch, dass dem Anliegen der Ansicht eines die Assoziation betonenden Eigentumsbegriffs ebenfalls hinreichend Rechnung getragen werden kann476. Zwar ist, wie mehrfach betont, Ausgangspunkt des hier vertretenen Ansatzes ein Eigentumsgedanke, der die Freiheitssphäre des Einzelnen im Bezug auf ein Objekt gegenüber dem Staat sichern will. Der hier vertretene Ansatzpunkt bleibt an dieser Stelle jedoch nicht stehen. So wie bei jedem anderen 471 Vgl. Ruffert, Vorrang, S. 99, sowie die Darst. bei Dietlein ZG 1995, 139, demzufolge „das Übermaßverbot sein normatives Bezugsobjekt in dem Konditionalprogramm des grundrechtlichen Abwehrrechts findet“. 472 Hierzu etwa Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 36 f. 473 Vgl. dazu oben, § 2, Text bei Fn. 4 f. 474 Ausdr. Vesting Die Verwaltung 2001, Beiheft 4, S. 39. 475 Vgl. nur Weiß, Privatisierung, S. 15 f. m. w. N.; umfassend zur Begründung der Trennung zwischen Staat und Gesellschaft Weiß, Privatisierung, S. 13 ff. 476 A.A. wohl Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 200; Vesting Die Verwaltung 2001, Beiheft 4, S. 36 f.
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Abwehrrecht schließt er auch hinsichtlich des Eigentums die Anerkennung objektiver Grundrechtsgehalte nicht aus, die neben die Abwehrfunktion treten. Wie an späterer Stelle zu zeigen ist477, kann damit auch der Ausgleich der divergierenden Interessen zwischen Privaten und mithin zwischen Eigentümern geschaffen werden, ohne, dass einerseits eine staatsähnliche Bindung des Bürgers an die Grundrechte in irgendeiner Weise droht und ohne, dass andererseits der Staat stets an das Übermaßverbot gebunden wäre. Dies belässt dem Gesetzgeber einen größeren Gestaltungsspielraum, da er bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung des Schutzbereichs nicht darauf achten muss, dass seine Regelungen einem privaten Dritten nur solche Belastungen erlauben, die dem Verhältnismäßigkeitsprinzip genügen. Damit wird auch deutlich, dass das Ziel des neuen Eigentumsbegriffs, eine Bindung der Privaten zu verhindern, die den Anforderungen an die Handlungen der staatlichen Gewalt entspricht478, auch auf diese Weise erreicht werden kann. Mit Blick auf diese Erwägungen ist festzuhalten, dass der an § 903 S. 1 BGB orientierte Eigentumsbegriff auch auf das Anteilseigentum Anwendung finden kann, weshalb er auch weiterhin der vorliegenden Untersuchung zugrunde gelegt wird.
IV. Die verfassungsrechtliche Stellung des einzelnen Aktionärs Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ergebnisse kann nunmehr die Rechtsstellung des einzelnen Aktionärs umrissen werden.
1. Vorfrage: Die Frage nach der gesonderten Beurteilung der Minderheitsgesellschafter Dabei ist jedoch zunächst die Frage zu klären, ob hierbei zwischen Kleinaktionären und solchen Gesellschaftern mit einer größeren Beteiligung unterschieden werden muss. Hinsichtlich der Minderheitsgesellschafter ist unklar, inwieweit diesen eine mitgliedschaftliche Stellung zukommt. a) Die Linie der Rechtsprechung Dies findet seinen Grund in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die oben dargelegte Sicht, wonach die Rechtsstellung des Aktionärs eine mitgliedschaftliche und eine vermögensrechtliche Seite aufweist, wurde in der Mitbestimmungsentscheidung weiter fortentwickelt. Mit Blick auf die oben bereits dargelegte Struktur der Kapitalgesellschaften, die meist nur mittelbaren Verfügungs477 478
Ausführlich unten, § 6. Vgl. Ladeur, Postmoderne Rechtstheorie, S. 207.
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möglichkeiten der Anteilseigner, wurde die Situation der Kleinaktionäre beleuchtet. Ausgehend von der Beobachtung, dass diese nur geringe Chancen haben, sich in der Hauptversammlung durchzusetzen und damit die Geschicke der Gesellschaft zu beeinflussen, folgerte das BVerfG, dass bei diesen Anlegern die mitgliedschaftliche Komponente hinter den vermögensrechtlichen Aspekt des Aktieneigentums als Kapitalanlage zurücktrete479. Dabei ist zu beachten, dass es nach der geschilderten Rechtsprechung, der sich auch die zivilrechtliche Judikatur angeschlossen hat480, im Fall des Kleinaktionärs nicht zu einem Wegfall der im Anteilseigentum wurzelnden mitgliedschaftlichen Befugnisse kommt481. Die unterschiedliche Gewichtung der Komponenten wirkt sich jedoch im Rahmen der Rechtmäßigkeitsanforderungen an eine das Eigentum tangierende Maßnahme aus. Der vermittelte Schutz wird zugunsten der Wahrung der vermögensrechtlichen Interessen verschoben. b) Weiterentwicklungen in der Literatur Die soeben dargestellte Rechtsprechung ist von Teilen der Literatur weiterentwickelt worden. Aus der geschilderten Situation wird gefolgert, dass die mitgliedschaftliche Seite des Anteilseigentums im Fall der Kleinaktionäre der Publikumsgesellschaft nicht nur zurücktritt, sondern völlig fehlt482. In Ergänzung dieses Ansatzes versuchen einige Autoren die Grenzen zu bestimmen, bei deren Unterschreitung die mitgliedschaftliche Komponente zu vernachlässigen ist. Zu diesem Zweck werden verschiedene Normen des Gesellschaftsrechts, insbesondere die Minderheitenrechte des AktG herangezogen. Aus diesen soll hervorgehen, dass der Gesetzgeber durch diese Institute Inhalts- und Schrankenbestimmungen zur Verfügung gestellt habe, die zwischen den Aktionären trennen, denen ein unternehmerisches Element zukommt und den MinderheitsaktioBVerfGE 50, 290 (340 ff., insb. 348); vgl. auch BVerfGE 100, 289 (305) – DAT AG. BGH AG 1974, 320 (324); BGHZ 82, 188 (192). 481 Vgl. BVerfG ZIP 1999, 1798 – Wenger / Daimler-Benz: Auch hinsichtlich des Beschwerdeführers, der nach richterlicher Feststellung mit nur einer Aktie beteiligt war (S. 1798) wurde sowohl ein Auskunftsrecht (S. 1799) als auch das Stimmrecht (S. 1800) bejaht. In diese Richtung weisen auch die verwendeten Formulierungen, die nur von einem Verhältnis von Mehr-oder-Weniger der vermittelten Aspekte ausgehen, vgl. etwa BVerfG NZG 2000, 1117 (1119) wo das Gericht von einer „bei Minderheitsaktionären aber nur begrenzt bedeutsame[n] Leitungs- und Herrschaftskomponente [spricht]. Im Vordergrund steht aber die Vermögenskomponente der Anlage“. Vgl. auch BGH AG 1974, 320 (324): „mehr eine Kapitalanlage als eine unternehmerische Beteiligung“ (Hervorhebung hinzugefügt). Dabei ist noch einmal darauf zu verweisen, dass das BVerfG die mitgliedschaftliche Seite nicht erst in jüngerer Zeit als Teil eines jeden Aktieneigentums erkannte (so wohl Schön, FS Ulmer, S. 1370), sondern schon in der Rheinstahl-Entscheidung (BVerfGE 25, 371 (407) ausführte: „Der Charakter als Vermögensrecht kann von dem als Mitgliedschaftsrecht nicht getrennt werden“. 482 So ausdr. Ossenbühl AöR 115 (1990), 29; ähnlich Halm NZG 2000, 1165: „reine Kapitalanlage“. 479 480
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nären, deren Aktie als bloße Kapitalanlage zu sehen ist483. Vertreten werden hier Mindestbeteiligungen von 5 %484, 10 %485 aber auch von 25 %486. c) Gegenmeinung in der Literatur Nach anderen Stimmen in der Literatur soll eine Trennung zwischen Klein- und Großaktionären ausscheiden, so dass auch die überstimmten Minderheitsaktionäre sich bezüglich der mitgliedschaftlichen Aspekte auf Art. 14 GG berufen können. Zwar wird an der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Struktur des Anteilseigentums, der Trennung zwischen mitgliedschaftlicher und vermögensrechtlicher Komponente festgehalten. Abgelehnt wird jedoch, im Fall der Kleinaktionäre eine besondere Gewichtung der Komponenten vorzunehmen487. d) Würdigung aa) Bejahung der Existenz mitgliedschaftlicher Rechte auch für Kleinaktionäre Die Verneinung der mitgliedschaftlichen Rechte für die Minderheitsgesellschafter kann nicht überzeugen. Bereits oben wurde angesprochen, dass das wichtigste Mittel zur Einflussnahme die Abstimmung in der Hauptversammlung ist. Dies ist auch regelmäßig der Ausgangspunkt für die Bewertung der mitgliedschaftsrechtlichen Stellung der Aktionäre488. Demnach liegt der Schluss, den Minderheitsaktionär nur als reinen Kapitalanleger zu betrachten, durchaus nahe. Dies folgt daraus, dass im geltenden Gesellschaftsrecht das Prinzip der Mehrheitsentscheidung vorherrscht489, während Einstimmigkeit nur ausnahmsweise im Fall der so genannten Grundlagenentscheidungen, die strikt von den Strukturentscheidungen i. S. d. UmwG bzw. der Holzmüller-Doktrin getrennt werden müssen, erforderlich ist490. Kann sich der Kleinaktionär damit nur in den wenigsten Fällen gegen die Mehrheit durchsetzen, so ist fraglich, inwieweit man ihn als mitbestimmenden Gesellschafter bezeichnen kann. 483 Vgl. Martens ZIP 1992, 1692: „Eine Präzisierung der maßgeblichen Beteiligung kann anknüpfen an die gesetzlich geregelten Minderheitenrechte“. 484 Land / Hasselbach DB 2000, 562; Martens ZIP 1992, 1692; Leinekugel, Ausstrahlungswirkungen, S. 30. 485 Kallmeyer AG 2000, 59. 486 Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 270 ff.; Wolf ZIP 2002, 156 f. 487 Wendt NJW 1978, 2370; Schön, FS Ulmer, S. 1388 ff.; Hanau NZG 2002, 1042 ff. 488 Vgl. etwa BVerfGE 50, 290 (343) – Mitbestimmung: „ [ . . . ] auch in diesen Fällen bleibt es dabei, daß die mitgliedschaftlichen Befugnisse des Anteilseigentümers rechtlich durch die Anteilseignerversammlung als Organ der Gesellschaft vermittelt sind [ . . . ] “. 489 Statt aller Hirte, Kapitalgesellschaftsrecht, Rn. 6. 490 Überblick bei Henn, Hdb AktR, § 20 Rn. 732 a.E.
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Dem kann die Erwägung entgegen gehalten werden, dass die Berechtigung des Einzel- oder Minderheitsaktionärs dann vom Zufall abhängt. Man könnte argumentieren, dass bei der Frage, ob sich ein Aktionär bei einer Abstimmung der Gesellschafterversammlung durchsetzen kann, auch die Rahmenbedingungen der konkreten Abstimmung, das Stimmverhalten der anderen Aktionäre oder auch die Präsenz auf der Hauptversammlung zu beachten sind. Fraglich ist auch, ob sich die Unsicherheit einer solchen Einteilung nicht daran zeigt, dass die Machtlosigkeit des Kleinaktionärs nur dann offenbar wird, wenn er sich gegen die Mehrheitsmeinung stellt. So könnte man davon ausgehen, dass er, wenn er sich für die von der Mehrheit vertretene Ansicht entscheidet, das Ergebnis mitträgt. Folglich hätte er dann volle Stimmrechtsmacht und in den Fällen einer entgegengesetzten Entscheidung könnte nichts anderes gelten. Zu bedenken ist jedoch, dass die Einwände gegen eine Anerkennung der Stimmrechtsmacht des Kleinaktionärs nicht allein auf die fehlende Möglichkeit abstellen, einen Hauptversammlungsbeschluss zu verhindern. Vielmehr wird angeführt, dass es auf ihre Stimme gänzlich nicht ankomme. Dem ist indes ein Vergleich mit dem Prinzip der repräsentativen Demokratie entgegenzuhalten. Auch der Stimme des einzelnen Wählers kann keine ausschlaggebende Bedeutung zugemessen werden. Jedoch wird von niemandem die Rechtsmacht des Einzelnen angezweifelt. Vielmehr wird erkannt, dass die „Machtlosigkeit“ der einzelnen Stimme nicht aus einer inhaltlichen Beschränkung folgt. Begründet ist dies vielmehr in der Abstimmungssituation, der Beteiligung vieler an der Meinungsbildung. Wird dieser Zusammenhang im Fall der Wahl deutlich, so kann für den vergleichbaren Fall der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung nichts anderes gelten491. Zu hinterfragen ist, ob dieses Gegenargument durchgreifen kann. Das Erfordernis eines Legitimationszusammenhangs des Vorstands, der durchaus mit dem im staatsrechtlichen Sinn verglichen werden kann, wurde bereits herausgestellt. Zu bedenken ist jedoch, dass in einem Staat keine den Großaktionären vergleichbaren Bündelungen von Stimmrechten auftreten. Dies vermag den Vergleich jedoch nicht zu entkräften. Zu bedenken ist nämlich, dass die Stimmrechtsmacht aus der einzelnen Aktie folgt. Der Großaktionär erhält diese Stellung nicht durch eine irgendwie geartete Funktionsbestimmung, sondern dadurch, dass er faktisch eine Vielzahl von Einzelaktien in seiner Position vereinigt. Dies kann jedoch an der Struktur der einzelnen Aktie nichts ändern. Eine andere Sicht erforderte, dass nur durch die Ansammlung der Aktien dem Paket eine zusätzliche Rechtsmacht zuwächst. Dies lässt sich indessen nicht 491 Rupp, GG und Wirtschaftsverfassung, S. 32 ff.; Friauf / Wendt, Eigentum, S. 57; vgl. auch Kübler, Gesellschaftsrecht, § 15.V.1: „Der Umstand, daß vor allem die Kleinaktionäre regelmäßig keinen Einfluß auf den unternehmerischen Entscheidungsprozeß haben, beruht nicht auf der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung, sondern auf den faktischen Schwierigkeiten und Grenzen der Organisation und Repräsentation ihrer Interessen“.
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begründen. Voraussetzung wäre, dass das Paket stets als ungeteilter Block gesehen wird. Dies wäre mit der anerkannten Möglichkeit einer Aufspaltung des Aktienpakets492, die die durch die Gesamtheit der Aktien vermittelte Stimmrechtsmacht unberührt lässt, unvereinbar. Außerdem ist zu bedenken, dass oben dargelegt wurde, dass der Aktionär das Anteilseigentum als Tausch für sein eingebrachtes Eigentum erhält und deshalb auch hinsichtlich seines neuen Eigentumsobjekts mit Verfügungsbefugnis ausgestattet sein muss. Dieser Vorgang ist jedoch bei den Aktien des Großaktionärs und denen des Kleinaktionärs identisch. Andernfalls müsste nämlich auch zwischen dem Großaktionär unterschieden werden, der das Paket en bloc erwirbt und jenem, der sein Paket erst sukzessiv zusammenträgt. Dies wird jedoch nirgends vertreten. Schließlich ist die Stimmrechtsmacht als in der einzelnen Aktie wurzelnde Macht auch an folgendem Beispiel zu verdeutlichen: Theoretisch kann die gleiche Stimmrechtsmacht, die ein Großaktionär inne hat, auch durch Stimmrechtsbindungsverträge erlangt werden493. In Verbindung mit anderen kann also auch der Kleinaktionär Einfluss gewinnen494. Der dies ermöglichende schuldrechtliche Vertrag kann jedoch dabei die Natur seiner Aktie nicht beeinflussen. Die Richtigkeit der hier vertretenen Ansicht wird auch noch durch einen anderen Ansatzpunkt belegt. Wie bereits gesehen, stellt die Stimmrechtsausübung in der Hauptversammlung für den Aktionär das wichtigste, nicht aber das einzige in seiner Mitgliedschaft wurzelnde Recht dar495. Wie bereits angedeutet, dienen auch z. B. das Anfechtungs- oder das Auskunftsrecht als Ausprägung der mitgliedschaftlichen Stellung der Leitung der AG. Diese Rechte werden jedoch ganz überwiegend anerkannt496. Werden den Kleinaktionären jedoch diese Rechte zuerkannt, so muss dem auch Bedeutung für die mitgliedschaftliche Stellung zukommen. Wollte man dies verneinen, wäre es allein folgerichtig, den Minderheitsaktionären auch die übrigen Befugnisse abzuerkennen. Dies wird insbesondere am Beispiel des Auskunftsrechts deutlich. Dieses soll, wie sich aus dem Nebeneinander von Hauptversammlung und Aufsichtsrat ergibt, den Aktionären die erforderlichen Informationen gerade für die Abstimmung verschaffen497. Schon dieses 492 Zweck einer solchen Spaltung ist etwa, dadurch einen Nichtaktionär als Berater auf die Hauptversammlung mitbringen zu können, indem man diesen etwa bzgl. eines Teils der eigenen Aktien bevollmächtigt oder Aktien auf diesen hinterlegt, vgl. Saenger, Beteiligung Dritter, S. 113; Barz, in: GK3, AktG § 134 Anm. 31. 493 Zur Zulässigkeit solcher Vereinbarungen vgl. Kübler, Gesellschaftsrecht, § 15.V.4.c i.V. m. § 10.III.2.d. 494 Vgl. auch Henze ZHR 162 (1998), 187. 495 Zur Wirksamkeit solcher Rechte vgl. Hanau NZG 2002, 1043, der anführt, dass in der Realität die Minderheitsbeteiligungen Beachtung finden. 496 In diese Richtung jedoch Mülbert, Aktiengesellschaft, S. 356 ff.; ähnl. die Tendenz von Martens ZIP 1992, 1690 f. 497 Saenger, Beteiligung Dritter, S. 106 m. w. N.; BVerfG ZIP 1999, 1798 (1799 f.) – Wenger / Daimler-Benz.
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Beispiel zeigt, dass auch der Einwand, zwischen dem allein ausübbaren Informations- oder auch Anfechtungsrecht und dem Stimmrecht sei zu trennen, nicht durchgreifen kann. Weiterhin ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass das AktG durchaus die stimmrechtslosen Vorzugsaktien gem. § 12 Abs. 1 S. 2 AktG kennt, bei denen eine solche Trennung der Mitgliedschaftsrechte vorliegt. Dann muss jedoch für alle anderen Aktiengattungen im Umkehrschluss gefolgert werden, dass es ein Merkmal der gesetzlichen Ausgestaltung ist, dass allen anderen Aktien Stimmrechtsmacht zukommt. Die Befugnisse können demnach nur einheitlich betrachtet werden. Folglich kann auch aus der Zuerkennung von Rechten wie dem Auskunftsrecht für jede einzelne Aktie auf die volle mitgliedschaftliche Stellung eines jeden Aktionärs geschlossen werden. Weiterhin wird der Ausschluss der Kleinaktionäre von der Stimmrechtsmacht auch darauf gestützt, dass die betroffenen Anleger an diesem Recht nicht oder nur wenig interessiert seien. Sie hätten vielmehr nur den Gebrauch der Aktie als „Sparkonto“ im Auge498. Überzeugen kann dieser Einwand indes nicht. So kommt auch bei Kleinbeteiligungen ein anerkennenswertes ideelles Interesse zur Beteiligung an gerade dieser Gesellschaft in Betracht499. Bei der Einschätzung als bloße Kapitalanlage müsste die konkrete Gesellschaft hingegen unerheblich sein500. Noch schwerer wiegt, dass auch Minderheitsbeteiligungen als strategisches Investment genutzt werden können, durch das ein Einfluss auf informellem Weg gesichert wird501. Der Einwand beruht damit auf einer unzutreffenden Annahme. Auch kann er methodisch nicht überzeugen. Indem er ein mangelndes Interesse des einzelnen Aktionärs berücksichtigen will, kommt es dazu, dass er die Bestimmung des Schutzbereichs und die negative Freiheit des Grundrechtsberechtigten, ein ihm garantiertes Recht nicht auszuüben, sachwidrig vermischt502. Auch der oben dargelegte Ansatz, die Aufstellung von bestimmten Quoren zur Ausübung verschiedener Minderheitenrechte sei als Inhalts- und Schrankenbestimmung zum Nachteil bestimmter Minderheiten zu deuten, vermag nicht zu überzeugen. Die Folgerung eines Ausschlusses der Leitungsmacht ist nämlich nicht zwingend. Dies wird schon daraus deutlich, dass die Aufstellung mancher Grenzen vom Gesetzgeber eingeführt wird, um einen erpresserischen Missbrauch der Leitungsmacht, die damit also auch für den Kleinaktionär vom Gesetzgeber vorausgesetzt wird, zu verhindern503. 498 So die Formulierung bei Chlosta, Wesensgehalt, S. 167 f.; weiterhin Vollmer / Lorch DB 1991, 1314 mit dem Hinweis auf empirische Untersuchungen, nach BGHZ 120, 141 (151) entspricht eine solche Interessenlage der allg. Lebenserfahrung; vgl. auch Pötzsch / Möller WM 2000, Beilage 2, 30. 499 Baums, Ausschluß, S. 30 m. w. N., zur Bedeutung dieser Interessen für Art. 14 GG vgl. weiterhin unten, Text bei Fn. 538. 500 Zutr. Hanau NZG 2002, 1043. 501 Hanau NZG 2002, 1043. 502 Vgl. auch BVerfGE 50, 290 (330) – Mitbestimmung. 503 Vgl. Ulmer ZHR 163 (1999), 331.
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Mit Blick auf diese Überlegungen wird deutlich, dass auch einem jeden Kleinaktionär die mitgliedschaftlichen Befugnisse zukommen, weshalb die unter b) aufgeführte Meinung demnach nicht zu überzeugen vermag.
bb) Würdigung der Wertung der Rechtsprechung Offen ist jedoch noch, ob diese Befugnisse, wie es aus der Rechtsprechung des BVerfG hervorgeht, in ihrem Gewicht hinter den vermögensrechtlichen Aspekten zurücktreten. Zweifel an dieser Sicht sind mit Blick darauf gerechtfertigt, dass oben dargestellt wurde, dass Ausgangspunkt für die mitgliedschaftlichen Rechte die einzelne Aktie ist, deren Natur jedoch sowohl beim Kleinaktionär als auch beim Großaktionär identisch ist. Auch wurde bereits darauf hingewiesen, dass dem Stimmrecht zwar eminente Bedeutung zukommt, die aus der Mitgliedschaft folgenden Rechte sich darin indessen nicht erschöpfen. Dies steht einer unterschiedlichen Behandlung und einer Verschiebung des Schutzes entgegen. Weiterhin ist zu beachten, dass dieser Ansatz die Gefahr in sich birgt, dass die mitgliedschaftlichen Aspekte zwar festgestellt werden, die Intensität des Schutzes indessen nicht nur verschoben, sondern im Ergebnis gerade durch diese Schwerpunktsetzung aufgehoben wird. Folge dieses Ansatzes ist, dass „der Inhaber eines geringen Aktienbestandes rechtlich regelmäßig allein auf seine Kapitalinteressen verwiesen wird“504. Im Ergebnis bleibt der mitgliedschaftliche Ausfluss der Eigentumsgarantie ohne Bedeutung. Folglich ist ein Gleichlauf mit der soeben abgelehnten Literaturmeinung zu befürchten505. Diesen gilt es, mit Blick auf die obige Ablehnung dieser Ansicht zu vermeiden. Dass eine Abkehr von der durch die Rechtsprechung vorgegebenen Linie zur Vermeidung von Schutzlücken geboten ist, kann auch durch eine weitere Überlegung untermauert werden. Bereits oben wurde bei der Behandlung des einheitlichen Eigentumsbegriffs auf die Entscheidung zur Montanmitbestimmung hingewiesen. Die Beschränkung der Kontrolle auf eine bloße Willkürprüfung wurde dabei nicht nur mit dem geringen personalen Substrat begründet. Vielmehr führte das Gericht auch aus, dass „im wesentlichen nur die mitgliedschaftsrechtlichen Befugnisse der Anteilseigner betroffen [waren], während das vermögensrechtliche Element des Anteilseigentums nicht berührt ist“506. Dieses Beispiel zeigt ebenfalls die Gefahren, die mit der von der Rechtsprechung vorgenommenen Differenzierung einhergehen. 504 Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 146; vgl. auch BVerfG ZIP 2000, 1670 (1671) – Moto Meter AG: „Diese [, die Schutzrechte zugunsten der Minderheitsaktionäre] dürfen auf die Vermögenskomponente der Beteiligung konzentriert werden“. 505 In diese Richtung auch Hanau NZG 2002, 1042 f. 506 BVerfGE 99, 367 (392) (Hervorhebungen hinzugefügt).
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e) Ergebnis Zur Vermeidung eines solchen Defizits im Schutz des Anteilseigentümers ist es geboten, auch im Fall des Kleinaktionärs von der vollen Teilhabe an dem Schutz der Eigentumsgarantie auszugehen. Auch die Rechtsstellung des Kleinaktionärs ist damit durch eine mitgliedschaftliche und eine vermögensrechtliche Komponente geprägt. 2. Die Befugnisse – Überblick Die vermögensrechtliche Stellung wird, wie auch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt hat, im Schwerpunkt durch das Recht auf Beteiligung am Jahresüberschuss gem. § 58 Abs. 4 AktG sowie durch das Recht auf den Anteil am Liquidationsvermögen gem. § 271 Abs. 1 AktG bestimmt. Der Kern der mitgliedschaftlichen Stellung als Ausfluss der Nutzungsrechte des Eigentümers wurde bereits im Rahmen der Erörterungen zum Bezugspunkt des Anteilseigentums angedeutet. Es handelt sich um die im AktG determinierten Mitgliedschaftsrechte. Zu nennen sind hier etwa das Stimmrecht auf der Hauptversammlung, das Auskunftsrecht gem. § 131 AktG aber auch das Recht zur Erhebung einer Anfechtungsklage.
3. Die Verkehrsfähigkeit der Aktie Das Bundesverfassungsgericht geht davon aus, dass die Rechtsstellung des Aktionärs maßgeblich auch durch die Verkehrsfähigkeit des Gesellschaftsanteils geprägt wird. Fraglich ist, ob auch dieser Aspekt, der weniger eindeutig in den Schutzbereich fällt als etwa der Dividendenanspruch oder das Stimmrecht, an der Eigentumsgarantie teilhat.
a) Grundsatz: Verkehrsfähigkeit nach dem AktG aa) Ausschluss wegen Grundrechtskonkurrenz Zweifeln könnte man unter dem Gesichtspunkt der Grundrechtskonkurrenz. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wurde wiederholt ausgeführt, dass Art. 14 GG den Bestand schützt, während zukünftige Positionen in den Schutzbereich des Art. 12 GG fallen507. Dies entspricht auch der Sicht der herrschenden Literatur508. Möglich ist, dass durch einen Wegfall der Fungibilität nur 507 BVerfGE 20, 31 (34); BVerfGE 30, 292 (334 f.); BVerfGE 38, 61 (102); BVerfGE 51, 193 (222); BVerfGE 65, 237 (248); BVerfGE 68, 193 (222 f.); BVerfGE 74, 129 (148); BVerfGE 88, 366 (377). 508 Vgl. Papier, in: MD, GG, Art. 14 Rn. 103 ff.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 22, jeweils m. w. N.
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zukünftige Veräußerungs- und Gewinnmöglichkeiten entgehen, was dann für eine alleinige Anwendung des Art. 12 GG spräche509. Dem Grundgesetz lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass die Grundrechte voneinander stets zu trennen und Überschneidungen unmöglich sind510. Gerade auch die Garantiebereiche von Art. 12 und Art. 14 GG lassen sich nicht scharf voneinander trennen. Vielmehr sind beide Grundrechte oftmals austauschbar511. Bei der angesprochenen Formel kann es sich damit um nicht mehr als eine Faustformel handeln. Ob ein Ausschluss der Fungibilitätsinteressen aus dem Garantiebereich des Art. 14 GG wirklich geboten ist, ist vielmehr anhand der oben erarbeiteten Wesensmerkmale des Verfassungseigentums zu überprüfen.
bb) Möglichkeit zur rechtlichen Verfügung Eindeutig entspricht die Zurechnung der Möglichkeit zur Veräußerung der Aktie auch den obigen Feststellungen zu den aus § 903 S. 1 BGB resultierenden Eigentümerbefugnissen. Es war festgestellt worden, dass die umfassende Befugnis zur Eigentumsnutzung auch die Möglichkeit zur rechtlichen Verfügung und damit auch zur Veräußerung umfasst. Schon dies spricht dafür, dass der Verfügungsmöglichkeit des Aktionärs Eigentumsrelevanz zukommt.
cc) Bedeutung für die Leitungsmacht Nach teilweise vertretener Ansicht soll in der Möglichkeit zur Veräußerung von Aktien darüber hinaus ein Herrschaftsmittel liegen512. Diese Sicht der Leitungsmacht kraft Austrittsmöglichkeit wird eingehender im Rahmen des Vereinsrechts diskutiert. § 39 Abs. 1 BGB garantiert jedem Vereinsmitglied die beschränkbare aber unentziehbare Möglichkeit zum Austritt aus dem Verein. Als Regelungszweck wird hier teilweise nur auf den Schutz des einzelnen Mitglieds abgestellt. Der Einzelne solle vor einem unbegrenzten Verbleib in einem seinen Interessen nicht entsprechenden Verband geschützt werden513. Andere gehen jedoch weiter. Da dem Vorstand der Verlust von Mitgliedern droht, folgt aus dem Austrittsrecht die VerVgl. Martinus / Schiffer DB 1999, 2462. Vgl. Bleckmann, Grundrechte, S. 90. 511 Vgl. Wittig, FS Müller, S. 590 Fn. 67, auf den sich das BVerfG ausdrücklich, etwa in BVerfGE 30, 392 (335), bezieht: „Allgemein wird man die Abgrenzung zwischen Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 GG darin sehen müssen, daß Art. 14 GG mehr das Erworbene, das Ergebnis der Betätigung schützt. Art. 12 GG bezieht sich mehr auf den Erwerb, auf die Betätigung selbst“ (Hervorhebungen hinzugefügt). Deutlich auch Frenz, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz, S. 97 f., demzufolge die dargestellte Trennung zwischen Art. 12 und 14 GG aufgrund der inneren Zusammenhänge überholt ist. 512 Weber, FS Michaelis, S. 331; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 14.III.3.b.aa. 513 Vgl. nur Heinrichs, in: Palandt, BGB, § 39 Rn. 1. 509 510
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anlassung, die Interessen der Vereinsmitglieder zu berücksichtigen514. Dadurch erhält jedes Mitglied einen bestimmten Einfluss. Damit wäre die obige These, die Möglichkeit der Veräußerung betreffe auch die Leitungsmacht, untermauert. Indessen ist zu fragen, ob die angesprochene Parallele zum Vereinsrecht trägt. Handelt es sich beim Verein anerkanntermaßen um die Grundform der Körperschaften, so ist eine Anleihe für das Recht der AG grundsätzlich möglich. Zu bemerken ist jedoch, dass die oben skizzierte Leitungsmacht darauf fußt, dass mit dem Austritt eines Mitglieds dem Verein lebenswichtige Ressourcen entgehen515. Dies ist bei einem auf die Mitarbeit aller oder zumindest einzelner Mitglieder angewiesenen Idealverein regelmäßig der Fall. Anders ist es hingegen, wenn der Verband nicht auf den Verbleib des Einzelnen angewiesen ist. Dies ist schon bei einem wirtschaftlichen Verein der Fall, bei dem der Einzelne keinen persönlichen Beitrag leistet und er im Falle des Austritts auch keinen Anspruch auf einen Anteil am Vereinsvermögen hat. Die Ankündigung eines Verlassens des Vereins verkommt hier zur leeren Drohung. Dies scheint gegen die Bejahung von Leitungsmacht im Fall der Aktiengesellschaft zu sprechen. Auch hier ist der einzelne Aktionär, sieht man von den seltenen Fällen der Nebenleistungs-AG gem. § 55 AktG ab, nicht zu persönlichen Leistungen verpflichtet. Auch steht ihm bei Veräußerung seiner Aktien keine Abfindung als Anteil am Gesellschaftsvermögen zu, die die Gesellschaft schwächen könnte. Dennoch bleibt die Abkehr von der Gesellschaft nicht ohne Folgen. Der Verkauf und vor allem ein solcher in größerem Umfang senkt auch den Wert der Aktien. Dies „erschwert die Finanzierung des Unternehmens und indiziert das Versagen der Geschäftleitung“516. Folglich wohnt auch hier der Macht, seine Aktien zu veräußern, ein plebiszitäres Element inne. dd) Einfachgesetzliche Anerkennung Der Anerkennung dieses Aspekts als Bestandteil des Schutzbereichs steht auch nicht das Erfordernis einfachgesetzlicher Anerkennung entgegen. Eine ausdrückliche Normierung ist im AktG nicht enthalten. Dennoch ist auch von der Erfüllung dieser Voraussetzung auszugehen. Dies folgt aus der Gesamtkonzeption der AG, insbesondere im Vergleich zur GmbH. Bei der GmbH ist die Möglichkeit zur Verfügung über die Anteile durch § 15 Abs. 3 GmbHG bewusst beschränkt. Demgegenüber wurde die AG bewusst als Publikumsgesellschaft entworfen, deren Anteile ohne die Wahrung besonderer Formvorschriften übertragen werden können und hinsichtlich derer eine Vinkulierung die Ausnahme darstellt517. 514 Heckelmann AcP 179 (1979), 37; Nicklisch, Inhaltskontrolle, S. 40; Reuter, in: Münchener Kommentar, BGB, § 39 Rn. 1. 515 Hierzu und zum Folgenden Heckelmann AcP 179 (1979), 37 f. 516 Kübler, Gesellschaftsrecht, § 14.III.3.b.aa. 517 So wie hier Krämer / Theiß AG 2003, 229.
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b) Möglichkeit zur Veräußerung über die Börse Der BGH bleibt hier nicht stehen, sondern geht davon aus, dass auch die Möglichkeit zur Veräußerung an der Börse von der Eigentumsgarantie erfasst sei518. Dies kann jedoch nicht überzeugen, da eine einfachgesetzliche Anerkennung des Interesses des Anteilseigentümers an der Veräußerung der Aktie über die Börse fehlt. Es handelt sich nur um eine faktische Möglichkeit, einen Reflex aus der Börsenzulassung der AG. Dem steht auch § 38 Abs. 4 BörsG nicht entgegen. Nach dieser Norm darf ein freiwilliges Delisting, d. h. der Widerruf der Börsenzulassung durch die Zulassungsstelle auf Antrag der AG, nur dann erfolgen, wenn es den Interessen der Anleger nicht widerspricht. Teilweise wird, meist in Bezug auf § 43 Abs. 4 BörsG a.F. als wortgleiche Vorgängernorm, vertreten, damit seien die Interessen des einzelnen Gesellschafters erfasst519. Überzeugen kann ein solcher Ansatz jedoch nicht. Schon § 43 Abs. 4 BörsG a.F. war nach richtiger Ansicht dahingehend auszulegen, dass Anleger i. S. d. Norm nicht der einzelne Aktionär, sondern die Anlegergesamtheit war. Dies entspricht schon der Systematik des Börsengesetzes, das stets auf das Publikum anzielt520. Außerdem wollte der Gesetzgeber bei Einführung des Delistings im Rahmen des 3. Finanzmarktförderungsgesetzes die Interessen des Publikums im Interesse der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts sichern. Ein subjektives Recht einzelner Anleger lässt sich daraus nicht ableiten521. Diese Sicht wurde durch das 4. Finanzmarktförderungsgesetz untermauert. Nach dem neu eingefügten Absatz 5 zu § 31 BörsG nimmt die Börsenzulassungsstelle ihre Aufgaben allein im öffentlichen Interesse wahr. Jedenfalls mit Blick auf diese Regelung ist die Annahme einer einfachgesetzlichen Anerkennung der Interessen des Aktionärs an der Veräußerung über die Börse ausgeschlossen. Da diese Norm weiterhin nach hier vertretener Ansicht nur eine klarstellende Funktion zukommt, können auch verfassungsrechtliche Zweifel mit Blick auf die Aktionäre, die ihre Anteile vor dem 4. FFG erworben hatten, nicht durchgreifen522. Abweichendes kann auch nicht aus den Vorschriften der Börsenordnungen zum Delisting entnommen werden. Zwar handelt es sich bei den Börsenordnungen nach der ausdrücklichen Regelung des § 13 Abs. 1 BörsG um Satzungen, so dass die 518 BGH ZIP 2003, 387 (390) – Macroton; so auch Hellwig / Bormann ZGR 2002, 473 ff.; Hüffer, AktG, § 119 Rn. 22. 519 Eingehend de Vries, Delisting, S. 66 ff.; VG Frankfurt / M ZIP 2002, 1446 (1447). 520 Beck / Hedtmann BKR 2003, 193; vgl. auch Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8.173 ff. 521 Beck / Hedtmann BKR 2003, 192; in diese Richtung auch LG München DB 1999, 2458 (2461) – Macroton. 522 Zweifelnd etwa VG Frankfurt ZIP 2002, 1446 (1448). Zu der dort (S. 1449) ebenfalls aufgeworfenen Frage der Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht vgl. Linnerz BB 2002, 2247.
§ 4 Die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters
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engen Vorgaben des Art. 80 GG nicht eingreifen. Gleichwohl muss auch der Satzungsgeber bei der Inhaltsgebung die gesetzlichen Vorgaben beachten523. Dabei ist insbesondere zu beachten, das Rechtssätze systemtreu sein müssen. Eine Norm darf demnach nicht ohne sachlichen Grund in inhaltlichem Widerspruch zu einer gleich- oder höherrangigen Rechtsquelle stehen524. Enthält das der Börsenordnung zugrundeliegende Börsengesetz eine, wie gesehen, eindeutige Wertung, so kann eine Satzung, vor allem, wenn sie in diesem Punkt nur auf die Konkretisierung des Gesetzes ausgerichtet ist525, keine Festsetzung treffen, die diese gesetzgeberische Entscheidung unterlaufen würde. Dem kann man auch nicht die Erwägung entgegen halten, ein sachlicher, einen Widerspruch rechtfertigender Grund sei gegeben, da die Zuerkennung des Rechts auf die Veräußerung an einer Wertpapierbörse so wesentlich sei, dass ihr Fehlen eine Verletzung der gesetzgeberischen Pflicht zur Ausgestaltung einer funktionierenden Eigentumsordnung darstelle. Obgleich der Handelbarkeit über die Börse teilweise eine erhebliche Bedeutung zugemessen wird526, ist nicht zu verkennen, dass die grundsätzliche Handelbarkeit unberührt bleibt und auch ein außerbörslicher Anteilshandel besteht527. Es handelt sich mithin nur um einen zusätzlichen Aspekt, dem eine Bedeutung, die ein abweichendes Ergebnis erforderte, nicht zuerkannt werden kann. Damit scheitert die Einbeziehung des Interesses an der Veräußerung gerade über die Börse in den Schutzbereich des Art. 14 GG an dem Erfordernis einer einfachgesetzlichen Anerkennung. Mit Blick auf die aktuelle Diskussion zu den Voraussetzungen eines vollständigen Rückzugs von der Börse ist damit anzumerken, dass entgegen der Ansicht des BGH in der Macrotron-Entscheidung das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses nicht unter direktem Rückgriff auf die Eigentumsgarantie begründet werden kann528. Da auch weitere Begründungsansätze scheitern529, ist das Erfordernis einer Beschlussfassung vielmehr zu verneinen.
Ossenbühl, in: Isensee / Kichhof, Hdb StR III, § 66 Rn. 48. Ausdr. zum Verhältnis von BörsG und BörsO Hammen WM 2003, 999; allgemein: Wolff / Bachof / Stober, Verwaltungsrecht I, § 28 Rn. 13. 525 Vgl. nur den Wortlaut des § 38 Abs. 4 S. 5 BörsG. 526 Vgl. Groß ZHR 165 (2001), 154; Wilsing / Kruse WM 2003, 1111. 527 Mülbert ZHR 165 (2001), 115; Beck / Hedtmann BKR 2003, 192. 528 BGH ZIP 2003, 387 (390); zust. Streit ZIP 2003, 392; im Ergebnis wie hier Mülbert ZHR 165 (2001), 112. 529 Vgl. nur Krämer / Theiß AG 2003, 237 ff. 523 524
8 Wandt
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1. Teil: Grundlegung
4. Bedeutung des Wertes der Gesellschaftsanteile a) Der Verkehrswert als eigenständiges Schutzobjekt In der Macroton-Entscheidung ging der BGH davon aus, dass auch der Verkehrswert einer Aktie an der Garantie des Eigentums teilnimmt530. Eine solche Deutung vermag jedoch nicht zu überzeugen. Der Verkehrswert beschreibt die Wertschätzung einer Vielzahl von Personen im Bezug auf ein Objekt. Er resultiert aus dem Mechanismus von Angebot und Nachfrage und stellt sich damit als intersubjektives Kriterium dar. Bei dem Eigentumsgrundrecht handelt es sich jedoch um eine Rechtsträgergarantie531. Statt einer intersubjektiven Sicht ist damit ein Abstellen auf die individuelle Perspektive des Einzelnen geboten. Entscheidend ist folglich die Wertschätzung des einzelnen Eigentümers, weshalb auch objektiv nicht messbare Faktoren, wie etwa bloße Besitz- und Affektionsinteressen beachtlich sind532. Aus der Beobachtung, dass der Verkehrswert aus Angebot und Nachfrage resultiert, ist ein weiterer Schluss zu ziehen. Welcher Wert einem Objekt durch den Rechtsverkehr zugemessen wird, folgt aus einer Vielzahl von Verfügungen über Eigentumspositionen und mithin aus Freiheitsausübungen der Beteiligten533. Da die Einbeziehung des Verkehrswertes in den Schutzbereich des Art. 14 GG diesen auch dem staatlichen Schutzauftrag unterstellte, müsste der Staat zum Erhalt eines Verkehrswertes eingreifen. Damit würden die genannten Freiheitsausübungen der Beteiligten jedoch übermäßig beschränkt534. Indem der Verkehrswert durch das dem Gesetzgeber nicht zugängliche Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage gebildet wird, handelt es sich weiterhin um eine faktische Größe. Da bereits die Notwendigkeit der einfachgesetzlichen Anerkennung der einzelnen Merkmale festgestellt wurde, vermag ein Schutz des Verkehrswertes auch unter diesem Aspekt nicht zu überzeugen535.
b) Verkehrswert als Voraussetzung des Grundrechtsschutzes An dieser Stelle ist zu unterstreichen, dass nach den obigen Ausführungen der Verkehrswert eines Objekts auch nicht als konstitutiv für den Schutz als Eigentum 530 BGH ZIP 2003, 387 (390); zu Recht krit. zu der Frage, ob diese Sicht wirklich auch in der Rspr. des BVerfG zu finden ist Wilsing / Kruse WM 2003, 1112; ausdr. ablehnend zu einem Schutz des Wertes von Mitgliedschaftsrechten BVerfGE 95, 267 (320) – DDR-Altschulden. 531 BVerfGE 24, 367 (400); BVerwGE 87, 332 (380). 532 Hoppe / Beckmann DÖV 1988, 899; Sass, Art. 14 GG, S. 186 f.; Lepsius JZ 2001, 24. 533 Zum grundrechtlichen Schutz des Eigentumserwerbs vgl. Papier, in: MD, GG, Art. 14 Rn. 223 ff. 534 Kirchhof, FS Leisner, S. 645. 535 Vgl. Lepsius JZ 2002, 317.
§ 4 Die Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters
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i. S. d. Verfassung angesehen werden kann. Insbesondere dürfen Objekte nicht nur aufgrund ihres Verkehrswertes aus dem Schutzbereich ausgeklammert werden. Da es auf die Wertschätzung des einzelnen Eigentümers ankommt, werden auch objektiv wertlose Objekte von Art. 14 GG erfasst536. Wollte man die Schutzwürdigkeit demgegenüber nur an der Zumessung eines bestimmten Verkehrswertes festmachen, würde die Eigentumsgarantie nivelliert und kollektiviert537. Für das Anteilseigentum bedeutet dies, dass auch solchen Aktien der Schutz der Eigentumsgarantie zukommt, die als objektiv wertlos erachtet werden. Weiterhin sind auch die Interessen des Aktionärs an seinem Anteilseigentum beachtlich, die sich nicht im Verkehrswert niederschlagen. Damit ist insbesondere auch die Auswahlentscheidung des Einzelnen, das Interesse, Aktionär gerade dieser Gesellschaft zu sein, ein Aspekt, dem mit Blick auf den Charakter des Art. 14 GG als Rechtsträgergarantie Bedeutung zuzumessen ist538. Zur Unterstützung dieses Ergebnisses ist darauf zu verweisen, dass eine andere Sicht zu nicht hinnehmbaren Beeinträchtigungen des Grundrechtsschutzes führte. So würde der Kreis der geschützten Objekte nicht nur unhaltbar eingeengt. Da der Verkehrswert ständigen Schwankungen unterliegt, wäre der Bürger der Unsicherheit ausgesetzt, ob seine Güter unter dem Schutz der Verfassung stehen und ob dies auch in Zukunft der Fall sein wird539. Gerade mit Blick auf das Anteilseigentum und damit die Berechtigung an einem Unternehmen ist weiterhin zu bedenken, dass die Beschränkung des Eigentumsschutzes auf wertvolle Objekte zu einer Verpflichtung des Einzelnen führte, sein Unternehmen rentabel zu betreiben. Eine solche Pflicht ist dem Grundgesetz jedoch fremd540.
c) Verbleibende Bedeutung für den Eigentumsschutz Kurz anzumerken ist an dieser Stelle jedoch, dass der Verkehrswert gleichwohl nicht als völlig unbedeutend für den Schutz des Eigentums gesehen werden kann. So ist der Wert eines Eigentumsobjekts einerseits für die Bemessung von Entschädigungen zu Gunsten eines Eigentümers von Bedeutung541. Zum anderen ist der Verkehrswert, auch wenn es sich nicht um einen eigenständigen Teil des Schutzbereichs handelt, mit dem Wesensmerkmal der Verfügungsbefugnis verknüpft. Dieses ist durch die Möglichkeit der Veräußerung des Objekts im Rechtsverkehr gekennzeichnet542. Die Fähigkeit zum Absatz eines Gutes kann 536 537 538 539 540 541 542
8*
Lepsius JZ 2001, 24 am Bsp. wertloser Erinnerungsstücke. Lepsius, Besitz und Sachherrschaft, S. 383. So auch Hanau NZG 2002, 1043. Vgl. Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 92. Schallemacher, Die industriellen Bundesunternehmen, S. 337. Vgl. hierzu auch unten, § 5, Text bei Fn. 26 ff. sowie 51 ff. BVerfGE 1, 264 (277).
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1. Teil: Grundlegung
jedoch nicht nur durch gesetzliche Verfügungsbeschränkungen, sondern auch durch eine Veränderung der äußeren Umstände und mithin durch die Herabsetzung des Wertes einer Sache beschränkt werden543. Dem Verkehrswert der Aktien kommt damit insofern Bedeutung zu, als eine Beeinträchtigung sich als Eingriff in den Schutzbereich darstellen kann.
543 Vgl. etwa BVerfGE 52, 1 (31 f.) – Kleingartenrecht; im Bezug auf Anteilseigentum Loritz / Wagner WM 1991, 714.
Zweiter Teil
Die Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten § 5 Die untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse und ihre Eigentumsrelevanz I. Auflösung gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG und übertragende Auflösung gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 i.V. m. § 179a Abs. 1 AktG Erhebliche Eigentumsrelevanz kommt der Auflösung der AG gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG sowie der übertragenden Auflösung gem. § 179a AktG zu.
1. Voraussetzungen der Auflösung gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG Gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG kann die Hauptversammlung jederzeit einen Beschluss zur Auflösung der Gesellschaft fassen. Erforderlich ist dabei, sofern die Satzung keine höhere Grenze festsetzt, eine so genannte doppelte Mehrheit: Nötig ist eine Mehrheit von 3/4 des bei der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals und zwar bei einfacher Stimmenmehrheit i. S. d. § 133 AktG1. Soweit die Satzung nicht gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 HS. 2 AktG solche determiniert2, sind keine weiteren materiellen Voraussetzungen zu erfüllen. Im Gesetz finden weitere Anforderungen keine Stütze. Dies folgt schon aus der Fassung des § 262 AktG. Der Beschluss trägt mithin seine Rechtfertigung in sich. So ist es insbesondere nicht erforderlich, dass den Grundsätzen der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit Genüge getan wird3. Demnach ist es auch vom Aktiengesetz gedeckt, wenn ein Mehrheitsgesellschafter mit der Auflösung der Gesellschaft eigene Interessen verfolgt4. 1 Statt aller Henn, Hdb AktR, Rn. 1452; zur Berechnung Hüffer, in: Münchener Kommentar, AktG, § 262 Rn. 40. 2 Vgl. hierzu Kraft, in: KK, AktG, § 262 Rn. 28. 3 BGHZ 103, 184 (189 ff.) – Linotype; BGHZ 76, 352 (353); Hüffer, in: Münchener Kommentar, AktG, § 262 Rn. 47; ausf. Henze ZIP 1995, 1475 ff. 4 BGHZ 103, 184 (189 ff.) – Linotype; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 15.VI.2.b.
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2. Teil: Die Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten
Mit Fassung des Beschlusses5 wird die Gesellschaft in die Phase der Liquidation übergeleitet. Diese endet mit dem Erlöschen der Gesellschaft und damit der Aktien. An deren Stelle tritt der nach der Beteiligung am Grundkapital bemessene Anteil am Liquidationserlös, d. h. am nach Bereinigung der Verbindlichkeiten verbleibenden Gesellschaftsvermögen, dessen Ausschüttung nach Ablauf des sog. Sperrjahres gem. § 272 Abs. 1 AktG möglich ist6.
2. Voraussetzungen der übertragenden Auflösung gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 i.V. m. § 179a Abs. 3 AktG Zu einer Verschärfung der Auswirkungen kommt es im Fall der so genannten übertragenden Auflösung7 gem. § 179a Abs. 3 AktG i.V. m. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG, bei der das wesentliche Vermögen der AG auf eine andere, von dem Mehrheitsaktionär beherrschte, Gesellschaft übertragen und die AG selbst aufgelöst wird8. a) Voraussetzungen der übertragenden Auflösung Zur Durchführung stehen zwei Wege offen. Entweder erfolgt vor der Auflösung eine rechtsgeschäftliche Übertragung zumindest der wesentlichen Vermögensbestandteile9 auf eine andere Gesellschaft, die im Alleinbesitz des Mehrheitsgesellschafters steht oder an der zumindest den Minderheitsgesellschaftern keine Beteiligung eingeräumt ist10. Oder aber der Erwerb des Unternehmens durch die andere Gesellschaft erfolgt im Anschluss an eine Auflösung gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG aus der Liquidationsmasse11. Ein Sinn dieses Vorgangs ist es, die Minderheitsaktionäre zugunsten des Mehrheitsgesellschafters aus der Gesellschaft zu drängen12. Mit Bezug auf diesen Zweck kommt dem neu eingeführten Squeeze-out 5 Der Eintragung gem. § 263 AktG kommt nur deklaratorische Bedeutung zu, Hüffer, AktG, § 262 Rn. 10. 6 Henn, Hdb AktR, Rn. 1457 ff.; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 15.VI.3. 7 Der Begriff geht zurück auf Lutter / Drygala, FS Kropff, S. 193. Synonym kann auch von einem Sale-of-assets-Squeeze-out (Wolf ZIP 2002, 154) oder von einem (sale-of-assets-) freeze-out (Peters BB 1999, 801; Wiedemann ZGR 1999, 860) gesprochen werden. 8 Zu den Anwendungsfällen in der Rspr. vgl. die Darst. bei Peters BB 1999, 802 ff. 9 Entgegen dem Wortlaut des § 179a AktG genügt neben der Übertragung des gesamten Vermögens auch eine solche, bei der nur unwesentliche Teile des Gesellschaftsvermögens zurückbleiben, vgl. Geßler, AktG, § 179a Rn. 10 ff. m. w. N.; Baums, Ausschluß, S. 48 mit Fn. 55. 10 Vgl. nur Vetter AG 2002, 179; Rühland WM 2002, 1957 f. 11 Baums, Ausschluß, S. 48; Hüffer, in: Münchener Kommentar, AktG, § 268 Rn. 14. Auch bei dieser Reihenfolge behält die Anwendung des § 179a AktG ihre Berechtigung, vgl. Noack ZIP 2002, 1878. 12 Wiedemann ZGR 1999, 860 f.; Wolf ZIP 2002, 153. Zur Frage des Rechtsmissbrauchs Lutter / Drygala, FS Kropff, S. 218 f.
§ 5 Hauptversammlungsbeschlüsse und ihre Eigentumsrelevanz
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jedoch nach richtiger Ansicht nicht die verdrängende Wirkung einer lex specialis zu. Vielmehr treten die §§ 327a ff. AktG nur als neues Instrument hinzu13. Dies folgt schon daraus, dass weder die Gesetzesmaterialien noch die Systematik Anhaltspunkte für eine Sperrwirkung enthalten14. Notwendig für eine übertragende Auflösung gem. § 179a Abs. 1 S. 1 AktG ist, dass die Hauptversammlung durch einen Beschluss ihre Zustimmung zu dem Verpflichtungsgeschäft zum Ausdruck bringt15. Auch dieser Beschluss ist mit der oben dargelegten doppelten Mehrheit zu fassen. Weitere Voraussetzungen können dem Wortlaut der Norm nicht entnommen werden16. Darüber hinausgehende Vorstöße, die übertragende Auflösung auf Fälle zu beschränken, in denen nicht mehr als 5 % des Grundkapitals übertragen werden17, vermögen nicht zu überzeugen18. Die einzige Grenze, die aus dem Wortlaut ermittelt werden kann, ist das Erfordernis der Mehrheit von 75 % des Grundkapitals. Hätte der Gesetzgeber die Möglichkeit auf Fälle mit einer Minderheit von maximal 5 % beschränken wollen, so fragt sich, warum er die erforderliche Mehrheit nicht im Zusammenhang mit der Einführung der §§ 327a ff. AktG herbeiführte. Daneben ist zu bemerken, dass die Konstruktion einer ungeschriebenen 5 % Grenze auf der Annahme beruht, erst ab diesem Quorum gehe die Rechtsstellung des Minderheitsaktionärs über eine bloße vermögensrechtliche Position hinaus19. Eine solche Trennung zwischen mehr oder weniger schützenswerten Aktionären lässt sich jedoch, wie bereits belegt wurde, nicht begründen20. Demnach ist es geboten, das Gesetz beim Wort zu nehmen und die Grenze der Zulässigkeit erst durch die erforderliche Mehrheit von 75 % zu ziehen. Bereits oben wurde für den Fall der Auflösung dargelegt, dass der Beschluss keiner weiteren Rechtfertigung bedarf. Mit Blick auf die Vergleichbarkeit der Situation ist es nur konsequent, auch im Zusammenhang des § 179a AktG keine sachliche Legitimation zu verlangen21. Weitere Anforderungen können auch nicht im Wege der Analogie hergeleitet werden. Zwar kommt der Vorgang bei einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise einer Verschmelzung durch Aufnahme seitens des Mehrheitsgesellschafters Wolf ZIP 2002, 154; Rühland WM 2002, 1958; a.A. Hanau NZG 2002, 1047. Fleischer ZGR 2002, 788. 15 Hüffer, AktG, § 179a Rn. 4, 10; ausf. Geßler, AktG, § 179a Rn. 13 ff. 16 Henze, FS Boujong, S. 246. 17 Grundlegend Lutter / Drygala, FS Kropff, S. 220 f.; nach Baums, Ausschluß, S. 66 soll bei einer Übertragung von mehr als 5 % zumindest eine Inhaltskontrolle des Übertragungsbeschlusses erfolgen. 18 Schwichtenberger DStR 2001, 2078; im Ergebnis auch Wolf ZIP 2002, 156 f. 19 Lutter, in: Lutter, UmwG, § 1 Rn. 19; Leinekugel, Ausstrahlungswirkungen, S. 29 f.; Rühland WM 2002, 1961 f. 20 Vgl. dazu oben, § 4, Text bei Fn. 487 ff. 21 Henze ZIP 1995, 1477 ff.; Hüffer, AktG, § 179a Rn. 10. 13 14
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2. Teil: Die Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten
gleich22. Dennoch ist mit der überwiegenden Rechtsprechung und der ihr folgenden Literatur eine Analogie zu den Vermögensübergängen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge, also etwa zum UmwG, abzulehnen23. Dies folgt schon daraus, dass § 179a AktG sonst leer liefe24. Auch unterscheidet sich die hier besprochene Situation der Einzelrechtsnachfolge von der geregelten Gesamtrechtsnachfolge insofern grundlegend, als dass hier die AG, nämlich als Liquidationsgesellschaft, zunächst weiter bestehen bleibt25. b) Insbesondere: Die Sicherstellung angemessenen Ausgleichs Indessen ist zu bedenken, dass vorliegend die Veräußerung des Vermögens nicht an einen Außenstehenden erfolgt, sondern an den Hauptgesellschafter. Damit fehlt im Gegensatz zum Normalfall des § 179a AktG die Gewähr, dass der Mehrheitsgesellschafter seine Zustimmung nur dann geben wird, wenn auch ein angemessener Preis für die abfließenden Werte der Gesellschaft zugeführt wird26. Nach der Rechtsprechung des BVerfG, die auch im Schrifttum Zustimmung gefunden hat, ist es deshalb jedoch nicht geboten, § 179a AktG auf den Fall der Drittveräußerung zu beschränken27. Gleichwohl ist mit Blick auf das Anteilseigentum der Minderheitsgesellschafter zu fordern, dass diesen Minderheitsgesellschaftern ein angemessener Ausgleich gewährt wird und dieser gerichtlich überprüft werden kann28. Angemessen ist der Ausgleich dann, wenn den Aktionären der volle wirtschaftliche Wert ihres Anteils gewährt wird29. Der Minderheitsgesellschafter erhält damit keinen unmittelbaren Zahlungsanspruch gegen den Mehrheitsgesellschafter. Vielmehr stellt, eng an den Vorgaben der Verfassungsrechtsprechung, eine gerichtliche Kaufpreiskontrolle sicher, dass der AG eine angemessene Gegenleistung zufließt, wodurch mittelbar der Abfindungsanspruch gesichert wird. Fraglich ist Für eine Analogie deshalb LG Karlsruhe NZG 1998, 393 (395 f.) – Badenwerk. So auch Hüffer, AktG, § 179a Rn. 12a; LG Hamburg AG 1997, 238 (238); vgl. zu dieser Kontroverse die Darst. bei Schnorbus, Gestaltungsfreiheit, S. 61 ff. Schon ob eine planwidrige Lücke gegeben ist, ist unklar, dafür etwa Bork EWiR § 125 UmwG 1 / 97, 1148; dagegen Peters BB 1999, 804. 24 Bay OLG BayOLGZ 98, 211 (214) – MagnaMedia / WEKA. 25 OLG Stuttgart AG 1997, 136 (137) – Moto Meter II; vgl. auch Bungert NZG 1998, 368. 26 Vgl hierzu nur Lutter / Drygala, FS Kropff, S. 201 ff., 202: „Das hier relevante Interesse der Minderheit [ . . . ] besteht darin, im Rahmen der Liquidation den bestmöglichen Erlös zu erhalten, oder – negativ formuliert – darin, zu verhindern, daß der Mehrheitsgesellschafter das Unternehmen oder dessen wesentliche Teile unter Wert übernimmt“. 27 In diese Richtung LG Karlsruhe NZG 1998, 393 (395 f.) – Badenwerk; Peters BB 1999, 805; ausdr. dagegen Bungert NZG 1998, 369; Wolf ZIP 2002, 154 f. 28 BVerfG NJW 2001, 279 (280 f.) – Moto Meter; vgl. auch Lutter / Drygala, FS Kropff, S. 207. 29 Dazu statt vieler die Darst. bei Krieger BB 2002, 56 oder auch Emmerich, in: Emmerich / Sonnenschein / Habersack, Konzernrecht, S. 334 ff. m. w. N. zu Rspr. und Literatur. 22 23
§ 5 Hauptversammlungsbeschlüsse und ihre Eigentumsrelevanz
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jedoch, wie eine solche Kaufpreiskontrolle erfolgen soll. Der BGH hält im Rahmen des nach seiner Ansicht eigentumsrelevanten Delistings allein ein Spruchverfahren in Analogie zu den Regelungen des Umwandlungsrechts für sachgerecht30. Diese Erwägung wird teilweise auch auf die übertragende Auflösung angewendet31. Wie oben bereits angeführt, kommt eine Analogie zum Umwandlungsrecht hier nicht in Betracht. Der Aktionär ist damit auf die Erhebung einer Anfechtungsklage zu verweisen, in deren Verlauf eine Kontrolle des Kaufpreises erfolgt32.
3. Bedeutung hinsichtlich Art 14 GG Mit Blick darauf, dass dem Aktionär seine Rechtsstellung vollständig entzogen wird, liegt es auf der Hand, dass die Auflösung und auch die übertragende Auflösung eine Belastung des Anteilseigentums darstellen. Da auch dem Minderheitsgesellschafter die volle mitgliedschaftliche Stellung zukommt und seine Position nicht auf ein Vermögensinteresse beschränkt werden kann, kann dieser Befund auch nicht mit Blick auf die Auszahlung des Anteils am Liquidationserlös in Frage gestellt werden.
II. Squeeze-out gem. §§ 327a ff. AktG Seit 1. Januar 2002 besteht die Möglichkeit eines Squeeze-outs gem. §§ 327a ff. AktG. Ein Mehrheitsgesellschafter, der sog. Hauptaktionär, erhält dadurch die Möglichkeit, mittels eines Hauptversammlungsbeschlusses die Übertragung der Aktien von den übrigen Gesellschaftern, den sog. Minderheitsaktionären, auf sich zu erreichen33. 1. Voraussetzungen und Wirkung Auf die Voraussetzungen und Wirkungen eines solchen Hauptversammlungsbeschlusses ist hier kurz einzugehen.
30 BGH ZIP 2003, 387 (391) – Macroton; zust. Streit ZIP 2003, 395; abl. LG München DB 1999, 2458 (2460); Groß, Kapitalmarktrecht, §§ 42, 43 BörsG Rn. 21. 31 Adolff / Tieves BB 2003, 805. 32 Lutter / Drygala, FS Kropff, S. 215; Krieger BB 2002, 54; Wilsing / Kruse WM 2003, 1114; zurückhaltender BVerfG NJW 2001, 279 (281); a.A. BayOLG BayOLGZ 98, 211 (215 f.). 33 Zu der Frage, ob der dafür gewählte Begriff den angloamerikanischen Vorbildern entspricht vgl. Hanau NZG 2002, 1041 m. w. N.
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2. Teil: Die Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten
a) Der Hauptaktionär Nach der Legaldefinition des § 327a Abs. 1 S. 1 AktG müssen dem das Squeeze-out betreibenden Hauptaktionär 95 % des Grundkapitals gehören. Zu unterstreichen ist an dieser Stelle, dass es nicht nur auf eine 95 %ige Mehrheit an dem auf der Hauptversammlung vertretenen Kapital ankommt, sondern dass der Aktionär 95 % der Gesamtsumme aller Aktien, unabhängig von deren Gattungen, halten muss34. Gem. § 327a Abs. 2 AktG finden für die Feststellung dieser Anteilsmehrheit die konzernrechtlichen Zurechnungsnormen des § 16 Abs. 2 und 4 AktG Anwendung35. Wie die Mehrheit erreicht wurde ist unerheblich. So kann der Hauptaktionär die erforderlichen 95 % auch im Wege einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss herbeiführen36. Der alleinige Zweck, diese Schwelle erreichen zu wollen, vermag jedoch als Grundlage einer solchen Kapitalerhöhung nicht zu genügen37. Hauptaktionär kann jeder Gesellschafter, unabhängig von seiner Rechtsform, sein38. Im Gegensatz zu der dem Squeeze-out ähnlichen Eingliederung i. S. d. §§ 319 ff. AktG steht diese Möglichkeit also auch natürlichen Personen und insbesondere auch allen Kapital- und Personengesellschaften offen. Indessen ist eine Einschränkung zu fordern. Ein Konsortium, also eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts oder aber das Zwischenschalten eines gemeinsamen Treuhänders, nur zu dem Zweck, durch die Poolung der Aktien zweier oder mehrerer Gesellschafter die erforderlichen 95 % zu erlangen, stellt einen Rechtsmissbrauch dar, so dass der Hauptversammlungsbeschluss i. S. d. § 327a Abs. 1 S. 1 AktG anfechtbar ist39. Anderes soll hingegen gelten, wenn eine solche Zusammenlegung auf grundsätzlich unbestimmte Zeit auch nach dem Squeeze-out angelegt ist40.
b) Der Hauptversammlungsbeschluss Obwohl der Hauptaktionär den Ausschluss der Minderheitsgesellschafter jederzeit herbeiführen kann und seine Rechtsposition deshalb teilweise als GestaltungsFuhrmann / Simon WM 2002, 1212. Zur Berechnung vgl. Grunewald ZIP 2002, 18; Vossius ZIP 2002, 511. Mit GesmannNuissl WM 2002, 1206 ist darauf hinzuweisen, dass die konzernrechtlich zugerechneten Aktien dadurch dem Lager des Hauptaktionärs zufallen und demnach auch nicht vom Squeezeout betroffen sind, so dass insofern ein Übergang der Anteile nicht erfolgt. 36 Vgl. nur Vetter AG 2002, 185 mit der Nennung weiterer Möglichkeiten. 37 Baums WM 2001, 1843 ff.; Gesmann-Nuissl WM 2002, 1207. 38 Fuhrmann / Simon WM 2002, 1212 m. w. N.; krit. zur Möglichkeit der reinen Innengesellschaft Vossius ZIP 2002, 511; eingehend zur Beteiligung mehrerer als ein Hauptaktionär Mertens AG 2002, 377 ff.; vgl. auch Vetter AG 2002, 185. 39 Grunewald ZIP 2002, 19; Gesmann-Nuissl WM 2002, 1206; weitergehend Baums WM 2001, 1846, der Nichtigkeit des Beschlusses gem. § 241 Abs. 1 Nr. 3 AktG annimmt. 40 Bolte DB 2001, 2589. 34 35
§ 5 Hauptversammlungsbeschlüsse und ihre Eigentumsrelevanz
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recht eingeordnet wird41, bedarf es zu seiner Durchführung eines entsprechenden Hauptversammlungsbeschlusses42. Hinsichtlich der Vorbereitung und Durchführung sind die allgemeinen, aber auch die speziell in den §§ 327c und d AktG normierten Anforderungen43 zu beachten. Das Gesetz enthält keine Angaben zu der Frage der Mehrheiten, doch wird der Hauptaktionär in der Regel einen Beschluss mit qualifizierter Mehrheit des vertretenen Kapitals herbeiführen können44. So wie im Fall der Liquidation enthält das Gesetz auch hier keine materiellen Anforderungen an den Hauptversammlungsbeschluss. Konsequent und auch in Anbetracht dessen, dass der Gesetzgeber hier die Abwägung der kollidierenden Interessen bereits vorgenommen hat, können weitergehende Voraussetzungen auch nicht etabliert werden45. Da nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Informationsrecht des Aktionärs eigentumsrechtliche Relevanz zukommt46, verdient eine Besonderheit des Ausschlussverfahrens besondere Erwähnung. Auch auf der Hauptversammlung zur Herbeiführung des Squeeze-outs besteht das Fragerecht der Aktionäre gem. § 131 AktG. Adressat ist jedoch der Vorstand und dieser ist auch hier nur soweit zur Auskunft verpflichtet, soweit ihm die Informationen verfügbar sind oder sein sollten47. Da es jedoch der Hauptaktionär ist, der das Squeeze-out betreibt und dieser dem Vorstand nur den schriftlichen Bericht gem. § 327c Abs. 2 S. 1 AktG weiterleiten muss, ist auf diese Art und Weise eine umfassende Information nicht gewährleistet. Eine Pflicht des Hauptaktionärs zur Erläuterung sieht das Gesetz nicht vor48. Zur Wahrung der Interessen der Minderheitsgesellschafter ist eine solche jedoch aus der Treupflicht des Hauptaktionärs herzuleiten49.
c) Wirkung Mit der Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses gehen die Anteile auf den Hauptaktionär gem. § 327e Abs. 3 S. 1 AktG über, ohne dass es eines weiteren Verfügungsgeschäfts bedarf50. Vetter AG 2002, 185. Krit. zu dieser Ausgestaltung etwa Schiessl AG 1999, 451. 43 Vgl. etwa die Übersicht bei Vossius ZIP 2002, 511 ff. 44 Vgl. Fuhrmann / Simon WM 2002, 1213; da sich die Angabe von 95 % nur auf den Anteil am gesamten Kapital bezieht, kann hinsichtlich der Beschlussmehrheit nicht direkt auf ihn abgestellt werden, was teilweise jedoch übersehen wird. 45 Ausf. Bolte DB 2001, 2588 f.; weiterhin Krieger BB 2002, 55. 46 Vgl. BVerfG ZIP 1999, 1798 (1799) – Wenger / Daimler Benz; BGHZ 86, 1 (19). 47 Grunewald ZIP 2002, 19. 48 Fuhrmann / Simon WM 2002, 1216 f. 49 Gesmann-Nuissl WM 2002, 1209. 50 Grunewald ZIP 2002, 20; Hüffer, AktG, § 327e Rn. 4; demnach ist es nicht ganz glücklich, von einem Zwangsverkauf zu sprechen, so etwa Hanau NZG 2002, 1041. 41 42
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2. Teil: Die Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten
Die Minderheitsaktionäre erhalten gem. §§ 327a Abs. 1, 327b AktG eine angemessene Barabfindung. Diese muss, entsprechend der oben dargelegten Rechtsprechung, zur Wahrung der Verfassungsmäßigkeit dem vollen wirtschaftlichen Wert der Aktie entsprechen51. Das Barabfindungsangebot wird den Minderheitsaktionären vom Hauptaktionär unterbreitet, der auch die Abfindung leisten muss. Verlangt wird dabei, dass die Höhe der Barabfindung den Verhältnissen der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung entspricht. Mit Blick auf die Vorbereitung muss das Angebot jedoch faktisch etwa zwei Monate vor der Hauptversammlung festgesetzt werden, was von den beteiligten Wirtschaftsprüfern die Beurteilung der zukünftigen Unternehmensentwicklung verlangt52. Da jedoch den verfassungsrechtlichen Anforderungen nur genügt ist, wenn den Minderheitsaktionären der volle wirtschaftliche Wert ersetzt wird, ist auch die nachträgliche Veränderung des Wertes zu beachten53. Es ist deshalb davon auszugehen, dass in der Einladung nur ein möglichst präziser Richtwert anzugeben ist und, dass auch eine nachträgliche Anhebung des Angebots zur Wahrung der Wertrelation noch von der Einladung und Einberufung der Hauptversammlung gedeckt ist54. Im Zusammenhang mit der Barabfindung ist eine weitere Besonderheit des neuen Instruments zu erwähnen. Im Interesse der Wahrung der verfassungsmäßig geforderten vollen wirtschaftlichen Entschädigung55 wurde zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Abfindung in § 327b Abs. 3 AktG das Erfordernis einer Bankgarantie noch vor der Fassung des Hauptversammlungsbeschlusses festgeschrieben, durch die die Erfüllung der Verpflichtung des Hauptaktionärs gewährleistet wird56.
2. Bedeutung hinsichtlich Art. 14 GG Die vorstehenden Ausführungen zeigen, dass auch das Squeeze-out die Mitgliedschaft des Minderheitsgesellschafters beseitigt und durch einen bloßen Abfindungsanspruch ersetzt. Eine Belastung des Anteilseigentums ist damit auch hier zu bejahen.
Zur Berechnung vgl. Krieger BB 2002, 55 ff.; Kallmeyer AG 2000, 60. Vgl. zu diesem Zusammenhang nur Vossius ZIP 2002, 514, der zutreffend von dem Erfordernis „prophetische[r] Gaben“ der Wirtschaftsprüfer spricht. 53 Vgl. in ähnlichem Zusammenhang Heidel / Lochner WM 2001, 2034. 54 LG Berlin, DB 2003, 707 (708). 55 Vgl. Gesmann-Nuissl ZIP 2002, 1208. 56 Hierzu auch Wirth / Arnold AG 2002, 505. 51 52
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III. Umwandlung gem. §§ 238 ff. UmwG – Formwechsel zur GmbH Ein weiterer Hauptversammlungsbeschluss, der mit Blick auf das Eigentumsrecht der Minderheitsaktionäre Bedeutung hat, ist die Umwandlung der Aktiengesellschaft in eine GmbH. Ein solcher Formwechsel kommt insbesondere für die öffentliche Hand als Mehrheitsaktionär in Betracht. Dies ist nicht nur dadurch bedingt, dass etwa Gemeindeordnungen die GmbH als die primäre Form privatwirtschaftlichen Tätigwerdens erklären57. Vielmehr sind die Hintergründe solcher Regelungen, die dogmatischen Unterschiede zwischen AG und GmbH, von Bedeutung. Zu nennen sind hier insbesondere die größere Gestaltungsfreiheit der GmbH-Gesellschafter bei der (Um-) Gestaltung der Satzung sowie die weitaus größere Möglichkeit für sie, Einfluss auf die Geschäftsführung zu nehmen58.
1. Wesen und Voraussetzungen Bei der Umwandlung einer AG in eine GmbH handelt es sich um eine so genannte formwechselnde Umwandlung oder kurz einen Formwechsel gem. §§ 238 ff. UmwG. Kennzeichnend ist, dass im Gegensatz zu anderen Formen der Umwandlung der Kreis der Gesellschafter konstant bleibt, jedoch die Rechtsnatur der Anteile ausgetauscht wird59. Notwendig ist die Fassung eines Hauptversammlungsbeschlusses mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des auf der Hauptversammlung vertretenen Grundkapitals (§ 240 Abs. 1 S. 1 UmwG). Dieser ist nach §§ 192 ff. UmwG als den allgemeinen Regeln bezüglich formwandelnden Umwandlungen, ergänzt durch die speziellen §§ 240 ff. UmwG, herbei- und durchzuführen60. Durch die vorgeschriebenen Maßnahmen wird der Schutz der Anteilseigner, aber auch der Gesellschaftsgläubiger verfolgt61. Als Ausweg bleibt einem überstimmten Minderheitsgesellschafter nur, gem. § 207 Abs. 1 UmwG gegen den Beschluss Widerspruch einzulegen, um gegen eine Barabfindung aus der Gesellschaft auszuscheiden62.
Vgl. z. B. § 103 Abs. 2 GemO BW. Koch, Der rechtliche Status, S. 153 ff. (167); Püttner, in: Wallerath, Kommunen im Wettbewerb, S. 58; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 235 ff. 59 Korts / Korts, Weg zur AG, S. 92; näher zur Identität der Gesellschafter Limmer, in: Limmer, Hdb Umw, Rn. 2152 ff. m. w. N. 60 Vgl. dazu den Überblick bei Kübler, Gesellschaftsrecht, § 27.II.4; III.9. 61 Vgl. Decher, in: Lutter, UmwG, Vor § 190 Rn. 7. 62 Vetter AG 2002, 179; ausführlich Meiske / Klöckner, in: Kallmeyer UmwG, § 207 Rn. 12 ff. 57 58
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2. Teil: Die Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten
2. Betroffene Aspekte des Anteilseigentums Auch bei der Umwandlung ist zu prüfen, ob das Anteilseigentum der Minderheitsaktionäre negativ betroffen ist. a) Unterschied zwischen Aktie und GmbH-Anteil Ins Auge fallen hier zunächst die grundlegenden Unterschiede zwischen Aktie und GmbH-Anteil. So war oben schon erläutert worden, dass die AG als Publikumsgesellschaft mit frei handelbaren Anteilen ausgestaltet ist, während die Verkehrsfähigkeit der GmbH-Anteile durch § 15 Abs. 3 GmbHG bewusst erschwert wird 63. Damit liegt es nahe, entsprechend den obigen Ausführungen eine eigentumsrelevante Erschwerung der Verfügungsmöglichkeiten zu bejahen. Des weiteren enthält das GmbHG keine Regelung, die so wie § 186 Abs. 1 S. 1 AktG ein Bezugsrecht für alle Gesellschafter im Verhältnis ihrer Anteile im Fall der Kapitalerhöhung vorsieht64. Da das Bundesverfassungsgericht davon ausgeht, dass das Bezugsrecht am Schutz der Eigentumsgarantie teilnimmt65, liegt auch insofern eine relevante Beeinträchtigung nahe. Schließlich ist die tiefgreifende Strukturmaßnahme auch dazu geeignet, den Minderheitsgesellschaftern den Verbleib in der Gesellschaft zu verleiden66, weshalb auch an das Bestandsinteresse zu denken ist. b) Bestandsinteresse beim Verlust der Rechtsform Bei näherem Hinsehen wird jedoch deutlich, dass es auf die soeben genannten Aspekte nicht ankommt. Diese betreffen den GmbH-Anteil, in den sich die Aktie wandelt. Relevant sind sie deshalb bei der Beurteilung dessen, was der Aktionär für seine Aktie erhält. Gleichwohl kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass schon die Tatsache, dass dem Gesellschafter die Stellung als Aktionär entzogen wird, seinen Bestandsinteressen entgegenläuft. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Rechtsträger im Kern weiter besteht und sich nur die Rechtsform ändert67. So werden auch die Fälle der Auflösung teilweise als Umwandlung des Anteilseigentums in eine schuldrechtliche Forderung eingestuft. Dass vorliegend der Bestandschutz i. S. d. Art. 14 Abs. 1 GG berührt ist, folgt Vgl. nur Kübler, Gesellschaftsrecht, § 17.I.2.b. Zwar bejaht die h. M. (vgl. die Darst. bei Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 55 Rn. 20) eine analoge Anwendung der aktienrechtlichen Regelungen. Doch erstens ist diese Meinung nicht unbestritten (vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 1170 f.) und zweitens wäre zu untersuchen, ob eine Analogie und damit die Füllung gerade einer Gesetzeslücke eine hinreichende rechtliche Ausgestaltung darstellt. 65 BVerfGE 14, 263 (276) – Feldmühle; BVerfGE 100, 289 (302) – DAT / Altana; vgl. auch Scholz, Mitbestimmung, S. 81. 66 Halm NZG 2000, 116; Bauer NZG 2000, 1214; Vetter AG 2002, 178 f. 67 Vgl. nur § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG. 63 64
§ 6 Grundrechte im Privatrecht
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schon aus der bereits oben angeklungenen Tatsache, wonach bei der Bestimmung des Schutzbereichs der Eigentumsgarantie als Rechtsträgergarantie auch auf die Position des einzelnen Eigentümers abgestellt werden muss68. Der Bestandsschutz muss daher auch individuelle, von objektiven Bewertungen unabhängige Interessen des Eigentümers an der Sache, das Interesse des bloßen Habens und andere Besitzinteressen erfassen. So wenig es überzeugen könnte, eine Beeinträchtigung im Fall des Squeeze-outs deshalb zu verneinen, da sich der abgefundene Aktionär ja an einer anderen AG beteiligen kann69, so wenig kann die Belastung hier mit der Begründung verneint werden, dass im Kern derselbe Rechtsträger erhalten bleibt. Denn so wie sich der Anleger für eine bestimmte Gesellschaft entscheidet und diese Interessen nach dem oben Gesagten relevant sind, so entscheidet er sich in gleicher Weise auch für die spezifische Rechtsform der Gesellschaft, an der er sich beteiligt. Zur Verdeutlichung solcher Interessen kann auf die bereits entfalteten Unterschiede zwischen Aktie und GmbH-Anteil verwiesen werden. Demnach liegt schon allein durch den Entzug der Beteiligung in der speziellen Rechtsform der AG eine Maßnahme vor, die das Bestandsinteresse und damit den Schutzbereich des Anteilseigentums negativ berührt.
§ 6 Grundrechte im Privatrecht Mit Blick auf die obigen Ausführungen ist die Eigentumsrelevanz der hier untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse zu bejahen. Zu bedenken ist jedoch, dass es sich bei den einschlägigen Normen um solche des Privatrechts handelt. Den Wirkungen der Grundrechte im Privatrecht kommt entscheidende Bedeutung für die weitere Untersuchung zu, weshalb im Folgenden eine nähere Darstellung dieser Wirkungen geboten ist.
I. Privatrecht als Grundrechtskollisionsrecht 1. Die Kollisionslage Dem Privatrecht liegt typischerweise die Situation der Begegnung zweier Bürger zugrunde, die versuchen ihre Interessen durchzusetzen. Als Beispiel kann die Feldmühle-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts70 herangezogen werden. Vgl. oben, § 4, Text bei Fn. 531 ff. So auch anschaulich Hanau NZG 2002, 1042. Wenn demgegenüber das BVerfG (NJW 2001, 279 (280) – Moto Meter) eine Belastung durch den Verweis auf alternative Anlagemöglichkeiten verneint, so belegt dies nur die bereits an der Rspr. geübte Kritik, wonach ihre Wertung im Ergebnis zu einem reinen Vermögensschutz führt. Zu den individuellen Interessen im Rahmen der Anlageentscheidung vgl. oben, § 4, Text bei Fn. 497 ff. 70 BVerfGE 14, 263 – Feldmühle. 68 69
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2. Teil: Die Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten
Das Bundesverfassungsgericht hatte über die Verfassungsmäßigkeit des § 15 UmwG a.F. zu entscheiden, der dem Mehrheitsgesellschafter eine übertragende Auflösung ermöglichte. Während hier die Minderheitsgesellschafter am Erhalt ihrer Beteiligung interessiert waren, verfolgte die Mehrheit ihre unternehmerischen Ziele, die dem Erhalt der Minderheit entgegenliefen. Wie auch das BVerfG ausführt71, ist dieser Konflikt verfassungsrechtlich dadurch interessant, dass die widerstreitenden Positionen auf Grundrechte der Beteiligten zurückgeführt werden können. Während die Minderheitsgesellschafter um ihr von Art. 14 GG geschütztes Anteilseigentum kämpften, stellt die Verfolgung unternehmerischer Ziele durch die Mehrheitsgesellschafter die Ausübung deren Unternehmerfreiheit und mithin deren Privatautonomie dar. Auch die Privatautonomie genießt grundrechtlichen Schutz. Während das Bundesverfassungsgericht diese nunmehr allein in Art. 2 Abs. 1 GG verankert72, entspricht es doch, da es sich um einen Grundrechtsgebrauch handelt, der allgemeinen Dogmatik, zunächst auf einschlägige spezielle Grundrechte abzustellen und Art. 2 Abs. 1 GG subsidiär heranzuziehen73. Vorliegend handelt es sich um eine Nutzung des Anteilseigentums durch die Mehrheitsgesellschafter, so dass Art. 14 Abs. 1 GG einschlägig ist74. Deutlich wird an diesem Beispiel die für das Privatrecht typische Konfliktsituation, die überwiegend als Grundrechtskollision bezeichnet wird75. Beide Parteien können sich bezüglich ihrer Aktie auf Grundrechte berufen. Die Ausübung derselben durch eine Partei belastet jedoch die Grundrechte der anderen.
2. Folgerungen Welche konkreten Folgerungen aus dieser Situation zu ziehen sind, wird in der Literatur seit langem intensiv diskutiert, so dass die Masse der hierzu vertretenen Ansichten nahezu unüberschaubar ist76. Erschwerend kommt hinzu, dass UnsicherBVerfGE 14, 263 (282 f.) – Feldmühle. BVerfGE 86, 122 (130); BVerfGE 89, 214 (329); anders noch BVerfGE 21, 87 (91); aus der Literatur Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 4; Busche, Privatautonomie, S. 22 ff. 73 Erichsen, in: Isensee / Kirchhof, HdbStR VI, § 152 Rn. 58 f.; ausführl. Ruffert, Vorrang, S. 288 ff.; ausschließlich auf die speziellen Grundrechte abstellend, Windel Der Staat 37 (1998), 402. 74 Wenn das BVerfG (E 14, 263 (282 f.) – Feldmühle) hingegen auf eine aus Art. 2 Abs. 1 GG folgende unternehmerische Freiheit der Konzernleitung abstellt, so kann dies, wie gesehen, weder unter dem Gesichtspunkt der Privatautonomie, noch hinsichtlich des Versuchs eines eigenen Grundrechts der Wirtschaftsfreiheit (vgl. hiergegen schon Badura, FS Ipsen, S. 383 f. sowie Papier, in: Benda / Maihofer / Vogel, Hdb VerfR, § 18 Rn. 75) überzeugen. 75 Vgl. nur Canaris JuS 1989, 163; ders., Grundrechte u. Privatrecht, passim; Loritz ZfA 20 (1989), 18; Preu JZ 1991, 266; Rüfner, GS Martens, S. 221 f.; Isensee, FS Kriele, S. 31; Kühling WM 2002, 625 f.; ausdr. für das Gesellschaftsrecht Jung JZ 2001, 1005; krit. zu der Bezeichnung als Kollision Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 167. 76 Schon 1977 bemerkte Bethge (Grundrechtskollisionen, S. 388) zutreffend, „daß es in diesem Metier wohl kaum etwas gibt, das nicht schon in irgendeiner Nuance auf dem 71 72
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heiten schon hinsichtlich der Terminologie herrschen. Es kann daher im Rahmen dieser Arbeit nicht versucht werden, eine letztendliche Klärung herbeizuführen. Vielmehr soll im Folgenden die eigene Ansicht skizziert und gegen maßgebliche Angriffe abgesichert werden.
a) Für die beteiligten Privatpersonen Für den einzelnen Bürger hat die dargelegte Situation keine unmittelbaren Konsequenzen. Dies folgt daraus, dass er nicht Adressat der Grundrechte seines Gegenübers ist. b) Für den Gesetzgeber Indessen muss die Perspektive erweitert werden. Die beiden Parteien treffen zur Verfolgung ihrer Interessen nicht im rechtsleeren Raum aufeinander. Vielmehr bedienen sie sich zur Verfolgung ihrer Zwecke der durch die Rechtsordnung zur Verfügung gestellten Instrumente. In dem der Feldmühle-Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt etwa, bediente sich die Konzernleitung der Möglichkeit des § 15a UmwG a.F., die durch den Gesetzgeber bereitgestellt wurde. Es ist demnach geboten, auch den das Privatrecht schaffenden Gesetzgeber in den Blick zu nehmen und mithin von einer Dreieckskonstellation auszugehen77. Der Zivilrechtsgesetzgeber ist jedoch an die Grundrechte durch den umfassenden Art. 1 Abs. 3 GG genauso gebunden, wie jede andere Ausprägung der Staatsgewalt78. Vereinzelt vorgenommene Versuche, die privatrechtsgebende Legislative von dieser Bindung auszunehmen bzw. diese Bindung abzuschwächen79, vermögen nicht zu überzeugen80. Die Konfliktlösungsmöglichkeiten des Privatrechts stellen insofern keinen Ersatz für die Wirkung der Grundrechte im Privatrecht dar81, sondern das Mittel, mit dem der Gesetzgeber den Ausgleich der Positionen erreicht. Eine Eigenständigkeit des Privatrechts i. S. einer Herauslösung aus der verfassungsrechtlichen Ordnung und insbesondere der im Folgenden darzustellenden Einwirkung der Grundrechte kann nicht anerkannt werden82. Meinungsmarkt angeboten und abgelehnt worden wäre“. Ähnl. Schwabe, in: K. Schmidt, Vielfalt des Rechts, S. 106 f. 77 Wahl / Masing JZ 1990, 553; Hermes NJW 1990, 1766; Isensee, FS Kriele, S. 31. 78 Hager JZ 1994, 374 f.; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 III Rn. 37; Starck, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 192. 79 Diederichsen, AcP 198 (1998), 225 f.; zweifelnd Pietzcker, FS Dürig, S. 352. 80 Ausf. Canaris, Grundrechte u. Privatrecht, S. 11 ff. sowie Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 176 ff.; Ruffert, Vorrang, S. 90 ff. 81 Dafür aber Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 143 ff.; ders. JuS 1970, 336. 82 Koch, GS Jeand’Heur, S. 165; zurückhaltender Hesse, Verfassungsrecht und Privatrecht, S. 23 ff. 9 Wandt
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2. Teil: Die Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten
Ist der Gesetzgeber mithin bei der Schaffung des Privatrechts voll an die Grundrechte gebunden, so folgt daraus, dass keine der Normen dem Grundgesetz widersprechen darf83. Konkreter wird weiterhin von der ganz überwiegenden Ansicht gefolgert, dass dem Gesetzgeber die Aufgabe zukommt, die bereits beschriebenen Grundrechtskollisionen der Parteien zu einem gerechten Ausgleich zu bringen.
3. Maßstäbe für den ausgestaltenden Gesetzgeber nach der h. M. Im Folgenden ist nunmehr zu untersuchen, welche Maßstäbe für den das Privatrecht ausgestaltenden Gesetzgeber, unter Berücksichtigung der beschriebenen Pflichtenstellung, vorgegeben sind. Dabei soll zunächst die wohl herrschende Ansicht dargestellt werden. a) Hinsichtlich der belastenden Partei Hinsichtlich der Partei, von der eine Belastung für die Grundrechte der anderen Partei ausgeht, wird ein Grundrechtseingriff angenommen. In unserem an die Feldmühle-Entscheidung angelehnten Szenario ist dies der Mehrheitsgesellschafter, der den Untergang des Anteilseigentums der Minderheit herbeizuführen sucht. Betroffen ist dieser in seiner Privatautonomie. Zur Verfolgung seiner Zwecke konnte er sich des § 15a UmwG a.F. bedienen. Zu bedenken ist jedoch, dass diese zur Verfügung Stellung eines Instruments durch den Gesetzgeber gleichzeitig eine Begrenzung der Freiheit darstellt, alles tun und lassen zu können, was der Grundrechtsträger wünscht. Der Mehrheitsgesellschafter muss zur Erreichung seiner Ziele auf eines der Handlungsinstrumente zurückgreifen und dessen Tatbestandsmerkmale erfüllen. Die Handlungen des Berechtigten werden durch die gesetzlichen Vorgaben gewissermaßen kanalisiert und von bestimmten Anforderungen abhängig gemacht. Deshalb wird die Unterwerfung unter die gesetzliche Regelung als Beschränkung und mithin als Eingriff für den Mehrheitsgesellschafter begriffen. Ein solcher Eingriff durch legislatorisches Handeln muss auch auf der Ebene des Privatrechts möglich sein84. Die Ausgestaltung der Privatrechtsordnung ist grundrechtlich ambivalent85. Die Einräumung des grundrechtlichen Freiraums in Erfüllung des Schutzauftrages für eine Partei erzeugt keinen Zuwachs an grundrechtlicher Freiheit. Vielmehr wird das, was der einen Partei gegeben wird, der anderen genommen86. Wenn 83 BVerfGE 7, 198 (205) – Lüth; Spieß DVBl. 1994, 1225; Koch, GS Jeand’Heur, S. 154 f.; dies gilt sowohl für nach- als auch für vorkonstitutionelles Gesetzesrecht, vgl. nur Jeastedt, Grundrechtsentfaltung, S. 22 m. w. N. 84 Vgl. nur Ruffert, Vorrang, S. 92 ff. 85 Isensee, FS Kriele, S. 31. 86 Medicus AcP 192 (1992), 57; Ruffert, Vorrang, S. 202; anschaulich BVerfG NJW 1994, 36 (38), das von einer Wechselwirkung der Grundrechte spricht.
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deshalb hinsichtlich des Mehrheitsgesellschafters ein Grundrechtseingriff bejaht wird, kommt sein Grundrecht damit in der klassischen Funktion als Abwehrrecht gegen den Staat zum Tragen87. Das Gesetz muss demnach den allgemeinen Anforderungen an die Rechtfertigung von Eingriffen gerecht werden. Legitimer Zweck der Beschränkung ist dabei die Verfolgung des staatlichen Schutzauftrages. Mithin erfolgt die Beschränkung zugunsten der Grundrechte der anderen Partei. Mit Blick auf die Funktion der Grundrechte als Abwehrrecht muss der Gesetzgeber bei der Verfolgung des Auftrages jedoch das Übermaßverbot beachten. Mithin muss er das Gebot der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Angemessenheit wahren88.
b) Hinsichtlich der belasteten Partei Auch der begrenzende Faktor für die Grundrechte der belasteten Partei folgt aus der oben dargelegten Kollisionssituation. Was der geschützten Partei als Freiraum gewährt wird, wird der anderen Partei genommen. Ist der Gesetzgeber jedoch bei der Begrenzung der Freiheit des Letztgenannten seinerseits einem Rechtfertigungszwang unterworfen, so begrenzt dies seine Möglichkeiten, die geschützte Partei zu fördern. Es sind mithin die Grundrechte der Gegenpartei, die gegenüber dem belasteten Grundrecht abzuwägen sind und die die konkrete Ausgestaltung des Schutzes rechtfertigen89. Ist damit herausgestellt, welche Interessen die Begrenzung des grundrechtlichen Freiraums rechtfertigen können, so ist noch nichts über die Maßstäbe gesagt, die der Gesetzgeber bei der Abwägung im Interesse der geschützten Grundrechtsträger zu beachten hat. Maßgeblich ist in diesem Zusammenhang, wodurch die Beeinträchtigung des Grundrechts erfolgt. Sowohl in der hier als Beispiel gewählten Feldmühle-Situation, als auch im Fall der vier oben genannten Konstellationen wird das Anteilseigentum des Minderheitsgesellschafters durch einen Hauptversammlungsbeschluss bedroht. Die Beeinträchtigung geht damit nicht von der öffentlichen Hand, sondern von anderen Grundrechtsträgern aus. Um diesen Unterschied deutlich zu machen, sollen solche Beeinträchtigungen in Folge als Belastungen bezeichnet werden, während von einem Eingriff nur dann die Rede ist, wenn eine Zurechung zur öffentlichen Hand möglich ist. Der Frage, von wem die Beeinträchtigung erfolgt, kommt nämlich eminente Bedeutung zu. Da die Privaten nicht an die Grundrechte gebunden sind, kommen die Grundrechte bei solchen Belastungen auch 87 Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 167; Unruh, Dogmatik, S. 84; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 111 Rn. 150; ders., FS Kriele, S. 32; Ruffert, Vorrang, S. 94. 88 Canaris JuS 1989, 163; ders., Grundrechte u. Privatrecht, S. 19 f.; Jung JZ 2001, 1005. 89 BVerfGE 14, 263 (282 f.) – Feldmühle; BVerfG JZ 1990, 691 (692) – Handelsvertreter; Hermes NJW 1990, 1768; Ruffert, Vorrang, S. 203 f.
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2. Teil: Die Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten
nicht als Abwehrrechte zur Anwendung. Angesprochen sind sie vielmehr in ihrer objektivrechtlichen Wirkung. Aus dieser resultiert ein Schutzauftrag des Staates zu Gunsten der grundrechtlichen Belange des Einzelnen. Dabei ist es dem Staat aufgegeben, den Grundrechten der belasteten Partei, nicht nur im Bereich des Privatrechts, sondern in jedem Fall der Grundrechtskollision zu angemessener Geltung zu verhelfen90. Nach der schon in früheren Entscheidungen angeklungenen91 und dann von Canaris herausgearbeiteten Ansicht92, die nunmehr herrschend in Rechtsprechung und Lehre93 vertretenen wird, führt die objektive Grundrechtswirkung jedoch nicht dazu, dass das Übermaßverbot zur Anwendung kommt. Dieses bezieht sich nur auf die Grundrechte in ihrer Funktion als Abwehrrechte. Vielmehr ist nur der reduzierte Maßstab des so genannten Untermaßverbots zu beachten. Geschuldet ist damit ein hinreichender, nicht aber unbedingt lückenloser Schutz der bedrohten Grundrechte. Diese Angemessenheit ist unter Berücksichtigung entgegenstehender Rechtsgüter, d. h. durch eine Abwägung, zu ermitteln94.
c) Ergebnis der h. M. Mit Blick auf das damit geltende Untermaßverbot kann nun auch die obige Feststellung, derzufolge den Gesetzgeber die Pflicht trifft, die widerstreitenden Grundrechtspositionen zu einem Ausgleich zu bringen, konkretisiert werden. Der Gesetzgeber hat die Grundrechte der belasteten Partei zu fördern. Allerdings kommt ihm hier ein beträchtlicher Spielraum zu. Anders als im Fall der Eingriffsabwehr kann der Verfassung keine eindeutige Entscheidung entnommen werden. Vielmehr ist eine Förderung des Grundrechts auf verschiedenem Wege möglich. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zur abwehrrechtlichen Funktion der Grundrechte95. Die Verwirklichung der Schutzpflicht ist auf den seinen Spielraum 90 Grundlegend Canaris AcP 184 (1984), 225 ff.; weiterhin BVerfGE 89, 214 (232); BVerfGE 97, 169 (176); Wiedemann JZ 1990, 696; Jung JZ 2001, 1005; Kühling WM 2002, 626; vgl. auch Dederer AöR 127 (2002), 18. Zu abweichenden Begründungen vgl. die weiteren Ausführungen. Der teilweise vom BVerfG verfolgte Ansatz, die staatlichen Schutzpflichten nicht aus dem objektiven Gehalt der Grundrechte, sondern aus der Menschenwürde herzuleiten, vermag nicht zu überzeugen, vgl. hierzu Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 111 Rn. 80; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 462. 91 BVerfGE 7, 198 – Lüth. 92 Canaris AcP 184 (1984), 225 ff. (228); ders. JuS 1989, 163; ders., Grundrechte u. Privatrecht, S. 39 ff. 93 Grundlegend BVerfGE 88, 203 (253 f.) – Schwangerschaftsabbruch II; weiterhin etwa BVerfGE 103, 89. Aus dem Schrifttum statt vieler Hermes NJW 1990, 1765; Klein DVBl. 1994, 492; Isensee, FS Kriele, S. 32; ders., in: Isensee / Kirchhof, Hdb StRV, § 111 Rn. 134 ff. 94 BVerfGE 88, 203 (254); Dederer AöR 127 (2002), 19. 95 BVerfGE 96, 56 (64); Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 111 Rn. 152; krit. zu dieser Unterscheidung Jestaedt, Grundrechtsentfaltung, S. 118 ff.
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ausfüllenden Gesetzgeber angewiesen96. Er ist es, dem die Einschätzung hinsichtlich der Zweckdienlichkeit und der Gebotenheit der Maßnahmen zukommt97. Nur in Einzelfällen kann sich der staatliche Schutzauftrag zu dem Gebot einer konkreten Maßnahme verdichten98. Eine Grenze für die gesetzgeberische Freiheit setzt hier das Untermaßverbot; der Gesetzgeber darf ein bestimmtes Schutzniveau nicht unterschreiten99. Dabei kommt es nicht nur auf den Erlass einschlägiger Normen an. Notwendig ist vielmehr, dass dem geschaffenen System auch in der Praxis Effizienz zukommt100. Wo die durch das Untermaßverbot determinierte Grenze verläuft, kann nicht abstrakt, sondern nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ermittelt werden101. Wurde oben dargelegt, dass die Grundrechtssituation im Fall der Kollision ambivalent ist, so ist auch noch einmal zu betonen, dass das Maß des erforderlichen Schutzes nicht zuletzt unter Beachtung des kollidierenden Grundrechts der Gegenpartei zu bestimmen ist102. Ein weiteres Mal zu unterstreichen ist an dieser Stelle, dass es sich bei der durch das Untermaßverbot erzeugten Grenze nur um einen Mindeststandard handelt, den der Gesetzgeber gewähren muss. Es steht ihm aber auch frei, darüber hinaus zu gehen und ein höheres Schutzniveau zu etablieren103. An Grenzen stößt diese gesetzgeberische Freiheit jedoch im Hinblick auf die Grundrechte der Gegenpartei. Die Einräumung des Schutzes muss in dieser Hinsicht das Übermaßverbot beachten104. Doch kommt dem Gesetzgeber auch in dieser Richtung ein gewisser Spielraum zu. Er muss nicht so weit in die Rechte der Gegenpartei eingreifen, wie es noch angemessen ist. „Das Untermaßverbot korreliert mit dem Übermaßverbot des Abwehrrechts; ersteres bestimmt das Mindestniveau des gebotenen Schutzes, letzteres die Obergrenze eines möglichen Eingriffs zum Zweck des Schutzes“105. Das Gesetz muss sich also zwischen zwei Polen bewegen, wobei deutlich auf das „Bewegen“, das verbleibende Ermessen des Gesetzgebers, hinzuweisen ist106. Dabei ist auch zu betonen, dass diese Verpflichtung den Privatrechtsgesetzgeber stets trifft. Eine Beschränkung nur auf Generalklauseln kann nicht überzeugen107. 96 Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 111 Rn. 152; Wahl / Masing JZ 1990, 558; Medicus AcP 192 (1992), 60. 97 BVerfGE 39, 1 (44) – Schwangerschaftsabbruch I; BVerfGE 46, 160 (164) – Schleyer; BVerfGE 56, 160 (164). 98 Canaris JuS 1989, 164; ders., Grundrechte u. Privatrecht, S. 60; Lerche, FS Odersky, S. 229 mit Fn 33. 99 Statt vieler Canaris AcP 194 (1984), 228; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 111 Rn. 160. 100 Vgl. nur Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 111 Rn. 166. 101 Vgl. Ruffert, Vorrang, S. 220 ff. oder auch v.Hippel NJW 1998, 3255. 102 Vgl. nur Hermes NJW 1990, 1768. 103 Jarass AöR 110 (1985), 383, trennt hier zwischen gebotenem und erlaubtem Schutz. 104 Isensee: in, Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 111 Rn. 170. 105 Möstl DÖV 1998, 1038. 106 Vgl. auch die anschaulichen Beispiele bei Canaris, Grundrechte u. Privatrecht, S. 83 ff.; Dietlein ZG 1995, 139.
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4. Ansätze zur Ablehnung des Untermaßverbots Die soeben dargestellte Ansicht ist jedoch nicht unwidersprochen geblieben. So wird teilweise versucht, die Geltung des Untermaßverbotes in den Fällen von Grundrechtskollisionen zu verneinen.
a) Anerkennung objektiver Grundrechtswirkungen Wenn nach der oben referierten Ansicht das Untermaßverbot als Ausfluss objektiver Grundrechtswirkungen angewendet werden soll, so setzt dies voraus, dass eine solche, über die abwehrrechtliche Funktion hinausgehende Wirkung überhaupt anzuerkennen ist. Gerade dies wird teilweise verneint. Wurzel dieser Ablehnung sind die schlechterdings unhaltbaren Folgerungen, die aus der Anerkennung der objektivrechtlichen Seite der Grundrechte und insbesondere einem solchen Schutzgebot hergeleitet werden können. Es droht bei einer konsequenten Fortsetzung dieses Gedankens die Umwandlung der parlamentarischen Demokratie in einen mit dem Grundgesetz nicht vereinbaren Jurisdiktionsstaat. Stellt man allein auf das Gebot effektiven Grundrechtsschutzes ab, so müsste dieser von allen Staatsgewalten selbständig gewährt werden. Fehlen entsprechende Schutzgesetze, so müsste etwa die Rechtsprechung neben dem Gesetzgeber diese Lücke füllen. Mit dieser Rechtssetzung wäre der Weg zum Jurisdiktionsstaat beschritten. Die Folgen gingen jedoch sogar darüber hinaus, da auch die Verwaltung von sich aus den Schutz gewähren müsste, wofür sie nicht auf gesetzliche Eingriffstitel beschränkt sein dürfte108. Teilweise wird deshalb vertreten, zur Verhinderung dieser Konsequenzen sei es geboten, die Funktion der Grundrechte nach dem klassischen Verständnis auf reine Abwehrrechte zu beschränken und die Funktion als objektive Werte von Verfassungsrang zu verneinen109. Folge dieses Ansatzes ist, dass auch die staatliche Schutzpflicht nicht aufrecht erhalten werden könnte. Indes ist ein solcher Schluss zu weitgehend, die aufgezeigten Gefahren können auch bei Anerkennung einer objektiven Wirkung der Grundrechte abgewendet werden110. Auch wenn den Grundrechten eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zukommt, so sind sie doch als Teil des Gesamtgefüges der Verfassung zu betrachten, der von der Anerkennung des Schutzgebots unberührt bleibt111. So wie im 107 Canaris AcP 184 (1984), 223; Rüfner, GS Martens, S. 225; Koch, GS Jeand’Heur, S. 154 f. 108 Vgl. zu den Folgen eines solchen absoluten Schutzgebots nur Wahl / Masing JZ 1990, 555 f. 109 Böckenförde, Grundrechtsdogmatik, S. 63 ff.; ders. Der Staat 29 (1990), 25 ff. 110 So auch Gellermann, Grundrechte, S. 73. 111 Kästner NVwZ 1992, 10.
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Polizeirecht allgemein anerkannt, darf auch im vorliegenden Zusammenhang nicht von der Aufgabe auf die Kompetenz geschlossen werden. Auch eine unmittelbar in den Grundrechten wurzelnde Aufgabe vermittelt keine Kompetenz, vielmehr setzt sie diese voraus. Zwar richtet sie sich an alle Ausprägungen der Staatsgewalt, doch kommt diesen nur die Verpflichtung einer funktionsspezifischen, d. h. einer sich im Rahmen der Kompetenzordnung haltenden, Erfüllung zu112. Demnach ist auch eine Verschiebung der Kompetenzordnung durch die Anerkennung des objektiven Grundrechtsgehalts und mithin der daraus resultierenden Schutzpflichten nicht zu befürchten. Der Anerkennung stehen auch die obigen Ausführungen bezüglich der Umdeutung der Eigentumsgarantie in ein Teilhaberecht und damit in ein grundrechtlich fundiertes Leistungsrecht nicht entgegen. Anders als dort, droht hier nicht, dass der abwehrrechtliche Gehalt verdrängt wird. Weiterhin handelt es sich zwar auch bei dem Recht auf Schutz um ein Leistungsrecht, doch unterscheidet sich dieses grundlegend von den sozialen und wirtschaftlichen Leistungsrechten, die oben angesprochen wurden. Die Letztgenannten haben einen in der sozialen Verpflichtung des Staates wurzelnden Ursprung. Der Schutzauftrag hingegen entspringt ebenso wie die abwehrrechtliche Funktion der liberalen Grundrechtsidee. Beide ergänzen sich, indem sie der rechtsstaatlichen Gewährleitungsfunktion im Sinne eines Schutzes vor Rechtsverletzung dienen und zur Sicherung des vorhandenen Rechtsbestandes beitragen113. Demnach ist mit der überwiegenden Ansicht die Verpflichtung des Gesetzgebers zum Schutz der Grundrechte, resultierend aus einer objektiven Wirkung dieser Garantien, zu bejahen. Ihm kommt damit die Aufgabe zu, durch die von ihm geschaffene Rechtsordnung einen Rahmen zu gewährleisten, in dem der Einzelne die Möglichkeit erhält, seine Grundrechte auch effektiv und unbeeinflusst von gesellschaftsbedingten Machtgefällen ausüben zu können. Das meist verwendete Schlagwort der Schutzfunktion ist dabei inhaltlich zu präzisieren. Schutz wird durch die Absicherung eines Handlungsfreiraumes und mithin durch die Förderung grundrechtlich geschützten Verhaltens vermittelt114. Auch wenn die Rechtsprechung die Schutzpflichten des Staates zunächst für Art. 2 Abs. 2 GG anerkannte115, ist festzuhalten, dass dieser Auftrag bezüglich aller Grundrechte besteht116.
112 Wahl / Masing JZ 1990, 559 f.; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 111 Rn. 148 ff.; ähnlich Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 169. 113 Isensee, Das Grundrecht, S. 33; Klein NJW 1989, 1639; ähnl. zum Hintergrund der objektiven Grundrechtswirkung Singer, GS Jeand’Heur, S. 179. 114 Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 166; Hesse, in: Benda / Maihofer / Vogel, Hdb VerfR, § 5 Rn. 49 ff.; Segerer, Wirkung der Grundrechte, S. 192 f. 115 BVerfGE 46, 160 (164) – Schleyer; BVerfGE 53, 30 (57 ff.). 116 BVerfGE 92, 26 (46); Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 111 Rn. 86 m. w. N.
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b) Die abwehrrechtliche Lösung Der h.M. tritt weiterhin die abwehrrechtliche Lösung entgegen117. Ihr Ansatzpunkt ist, dass zwar die Belastung hier durch die Handlung Privater erfolgt. Anders als im Fall der Eigentumsverletzung durch Delikt erfolgt diese jedoch durch die Ausnutzung einfachgesetzlich zur Verfügung gestellter Handlungsinstrumente. Fraglich ist, ob man in Anbetracht einer solchen staatlichen Mitwirkung118 an der Geltung des vom Schutzumfang geringeren Untermaßverbotes festhalten kann. Vielmehr wäre die Belastung dann am Übermaßverbot zu messen, wenn durch die gesetzliche Ausgestaltung eine Garantenstellung des Staates119, eine die Zurechnung erlaubende eigene Mitverantwortung des Staates120 begründet würde. Mithin handelte es sich um einen Grundrechtseingriff. Die Grundrechte erlangten damit entgegen der oben referierten Ansicht auch für den von der Gegenpartei beeinträchtigten Bürger Geltung als Eingriffsabwehrrechte121. Das oben beschriebene Dreieck wird zugunsten zweier Staat-Bürger-Relationen aufgelöst122. Inwieweit man dann an den obigen Ausführungen festhalten und weiterhin von einer Schutzpflicht des Staates sprechen kann123, wäre in Folge zu überdenken. Teilweise wird gegen solche abwehrrechtlichen Ansätze vorgebracht, dass man die Verletzung einer Schutzpflicht seitens des Staates nur dann annehmen könne, wenn eine Handlungspflicht begründet sei. Die Gleichsetzung von aktivem Grundrechtseingriff und Unterlassen könne damit nur die Folge, nicht aber die Ursache sein, die es noch zu beweisen gilt124. Im vorliegend interessanten Fall, der insofern der Situation einer Genehmigung gleicht125, liegt jedoch ein staatliches Handeln, eine Einmischung des Staa117 So die Formulierung zurückgehend wohl auf Dietlein, Die Lehre, S. 35, gleichbedeutend ist die Bezeichnung als etatische Konvergenztheorie bei Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 111 Rn. 118. 118 Vgl. etwa auch die Formulierung des BVerfG im Handelsvertreterbeschluss (JZ 1990, 691 (692): „Diese [ . . . ] Beschränkung findet ihre Grundlage nicht primär in staatlichem Handeln“ (Hervorhebung hinzugefügt). 119 Schmidt-Aßmann AöR 106 (1981), 215; ähnlich Suhr, Immissionsschäden, S. 120, der den Staat als mittelbaren Täter bezeichnet. 120 BVerfGE 53, 30 (58) – Mülheim-Kärlich; Klein NJW 1989, 1639. 121 Vgl. nur Murswiek WiVerw 1986, 183; ähnlich Szczekalla, Die sogenannten Schutzpflichten, S. 424 f.; 404 ff., der ausführt: „Bei Zugrundelegung der abwehrrechtlichen Konstruktion ist ein gesonderter Maßstab in Gestalt des Untermaßverbotes entbehrlich[.] [ . . . ] Der Begriff „Untermaßverbot“ sollte deshalb als gänzlich überflüssige Schöpfung fallen gelassen werden“ (S. 437, Hervorhebungen im Original). 122 Pietzcker, FS Dürig, S. 347. 123 So etwa Murswiek WiVerw 1986, 180 ff.; Szczekalla, Die sogenannten Schutzpflichten, S. 424 f.; 435 ff. 124 Statt vieler Stern, Staatsrecht III / 1, S. 947 f.; Klein NJW 1989, 1639; Unruh, Dogmatik, S. 47; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 39 f. m. w. N. 125 Vgl. nur Hager, Verkehrsschutz, S. 31, der zutreffend ausführt, die Abgrenzung sei nur formal, zumal die Genehmigung ja auf Gesetz beruhe.
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tes126, nämlich die gesetzliche Erlaubnis des belastenden Verhaltens, i. d. R. gebunden an die Erfüllung bestimmter einengender Tatbestandsvoraussetzungen, vor. Damit stellt sich nicht die Frage, ob der Staat hätte handeln müssen. Zu fragen ist, ob er durch seine erfolgte Handlung eine Mitverantwortung trägt, die eine Zurechnung des privaten Handelns rechtfertigt. Das dargestellte Argument vermag demnach nicht durchzugreifen. Ansatzpunkt eines Zurechnungsversuchs ist die Beobachtung, dass der Belastete die negativen Folgen des durch eine Rechtsnorm erlaubten Tuns dulden muss. Diese aus der staatlichen Erlaubnis resultierende Duldungspflicht begründe die Eingriffsqualität der gesetzlichen Regelung. Der Staat sei damit an der Belastung beteiligt127. Fragen kann man hier schon, ob überhaupt eine Duldungspflicht besteht, da der Bürger etwa nicht rechtlich daran gehindert ist, der Belästigung auszuweichen128. Den Bürger trifft weiterhin auch dann eine Duldungspflicht, wenn die von einem anderen Bürger ausgehende Belastung ihrerseits nicht nur nicht gesetzlich erlaubt, sondern sogar verboten ist, also entweder überhaupt kein staatliches Handeln oder sogar ein gegenläufiges Verhalten der öffentlichen Hand vorliegt129. Im Fall der privaten Nichtbeachtung eines Verbotes scheidet mithin selbst der Anknüpfungspunkt eines staatlichen Unterlassens aus130. Konsequent müsste man die Zurechnung der Beeinträchtigung dann allein auf die Duldungspflicht stützen131. Dies würde jedoch nicht nur zu einer Verwischung der Konturen des Eingriffsbegriffs führen, sondern diesen völlig aufheben132. Die vorstehende Argumentation kann auch nicht durch einen Hinweis auf Unterlassungsansprüche und ähnliche Rechtsbehelfe erschüttert werden133. Zum einen räumen die Vertreter der hier kritisierten Ansicht selbst ein, dass solche Instrumente nicht zwingend gegeben sein müssen134. Zum anderen besteht eine Duldungspflicht, wenn man von den engen Rechtfertigungsgründen absieht, jedenfalls insofern, als dass keine eigenmächtige Hilfe geleistet werden kann, weshalb insoweit ein Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit zu bejahen wäre135. Vgl. die hieran anknüpfende Kritik bei Canaris, Grundrechte u. Privatrecht, S. 40 f. Murswiek, Verantwortung, S. 62 ff., 89 ff.; ders. NVwZ 1987, 481; Schwabe, Probleme, S. 213 ff.; ähnlich Suhr, Immissionsschäden, S. 126 ff. 128 Stern, Staatsrecht III / 1, S. 730; krit. zu diesem Argument Dietlein, Die Lehre, S. 39, der jedoch mit anderer Begründung am Bestehen von Duldungspflichten zweifelt, S. 45. 129 Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 187; Dirnberger, Naturgenuß, S. 93 f. 130 So Murswiek NVwZ 1987, 481. 131 So dann auch Murswiek NVwZ 1987, 481: „Die Duldungspflicht, die der Staat den von schädigenden Handlungen Dritter Betroffenen auferlegt, ist der entscheidende Anknüpfungspunkt für die [ . . . ] Verantwortung des Staates“. 132 Hermes, Das Grundrecht, S. 95; ders. NJW 1990, 1766; Jarass AöR 120 (1995), 351; Dirnberger, Naturgenuß, S. 94; Jaeckel, Schutzpflichten, S. 38 f. 133 Murswiek, Verantwortung, S 63 f. 134 Murswiek, Verantwortung, S. 63 mit Fn. 119. 126 127
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Auch der Versuch, eine Zurechnung über eine willentliche Übernahme der Verantwortung seitens des Staates zu konstruieren, scheidet aus. Bereits oben wurde angeführt, dass die Einführung gesetzlicher Handlungsinstrumente kanalisierende Wirkung hat. Zur Erreichung des Zieles muss der Handelnde bestimmte einschränkende Tatbestandsmerkmale erfüllen, die regelmäßig dem Schutz anderer Privater dienen. Der Gesetzgeber beschränkt damit die Gefahr für die anderen. So müssen die Minderheitsgesellschafter etwa nicht einen Verlust ihres Anteilseigentums durch jeden Hauptversammlungsbeschluss, sondern nur durch einen mit qualifizierter Mehrheit befürchten. Dass sich der Gesetzgeber damit jedoch die verbleibende Gefahr für die Grundrechte der Minderheit zu eigen macht, kann nicht begründet werden136. Bereits oben wurde angedeutet, dass die Frage der gesetzlichen Erlaubnis eng mit der Situation der staatlichen Genehmigung belastenden Verhaltens verwandt ist. Für die Konstruktion eines Eingriffs könnte schließlich auf die anerkannte Möglichkeit zur Anfechtung einer Genehmigung durch den belasteten Nachbarn verwiesen werden. Handelte es sich um einen Fall mangelhafter Schutzgewährung, so müsste nicht eine Anfechtungsklage, sondern eine Leistungsklage statthaft sein137. Dies vermag jedoch im Ergebnis nicht zu überzeugen, da zwischen dem Grundrecht und einfachgesetzlich gegebenen subjektiven Recht differenziert werden muss. Nur die Verletzung der einfachrechtlichen Position wird durch die Anfechtungsklage geltend gemacht138. Demnach ist festzuhalten, dass die abwehrrechtlichen Thesen nicht überzeugen können. Durch das Etablieren gesellschaftsrechtlicher Instrumente leistet der Staat keinen Beitrag, aufgrund dessen ihm die Belastung der Grundrechte der Minderheit zugerechnet werden könnte. Damit fehlt es an einem Grundrechtseingriff139 und demnach kann insofern die Anwendung des Übermaßverbots nicht begründet werden.
135 Lübbe-Wolff Grundrechte, S. 187; vgl. auch Keller, in: Sack / Voß, Privatisierung staatlicher Kontrolle, S. 91 f. 136 Alexy, Theorie, S. 419; ähnlich BVerfG NJW 1998, 3264 (3265): „Die öffentliche Hand hat diese Entwicklung [der zunehmenden Inanspruchnahme der Luft durch Private] im allgemeinen nur „begleitet“ und versucht, die wachsenden Risiken und Störungen einzudämmen“. 137 Schwabe NVwZ 1983, 524; Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 183; Ehlers VVDStRL 51 (1992), 222. 138 Pietzcker, FS Dürig, S. 361. 139 Vgl. nur Huber VVDStRL 57 (1998), 142, demzufolge der Eingriff „das Scharnier [ist], das Instrument, um die der öffentlichen Hand zurechenbaren Beeinträchtigungen grundrechtlicher Schutzgüter zu bestimmen“.
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c) Gegenthese nach Hager: Übermaßverbot wegen unmittelbarer Bindung des Gesetzgebers Lässt sich demnach eine Zurechnung der verursachten Grundrechtsbelastung nicht begründen, so kann die Wirkung der Grundrechte nur auf ihre Schutzfunktion gestützt werden. Daraus folgt jedoch noch nicht zwingend, dass der Gesetzgeber nur an das Untermaßverbot gebunden ist. Teilweise wird eine solche Differenzierung zwischen den Grundrechtsfunktionen abgelehnt140. In beiden Fällen müssten die gleichen Maßstäbe zur Anwendung kommen141. Angesetzt wird auch hier an der unmittelbaren Grundrechtsbindung des Zivilgesetzgebers. Wenn dieser im Verhältnis zum belastenden Bürger unmittelbar an dessen Grundrechte und hierbei an das Übermaßverbot gebunden sei, so könne im Verhältnis zum Belasteten nichts anderes gelten. Dies folge daraus, dass die Situation insofern ambivalent ist, als dass die Bezeichnung der einen Partei als Belastende und der Gegenpartei als Belasteter regelmäßig austauschbar ist. Dennoch kann dadurch eine Bindung des Gesetzgebers an das Übermaßverbot in beiden Fällen nicht durchgreifen. Als Abwehrrechte binden die Grundrechte den Gesetzgeber aber nur soweit, als auch eine Abwehrsituation gegeben ist. Eine Zurechnung des belastenden Verhaltens ist jedoch, wie gerade gezeigt, hinsichtlich der Belastung der einen Partei unter keinen Umständen möglich. Dann kann aus der Gleichartigkeit der Situationen der beiden privaten Parteien gerade nicht gefolgert werden, dass in beiden Fällen das Übermaßverbot zur Anwendung komme. Ob vielmehr der Gegenschluss auf die durchgehende Geltung des Untermaßverbots zu ziehen ist, kann an dieser Stelle dahinstehen. Festzuhalten ist, dass der Ansicht, der Gesetzgeber sei stets an das Übermaßverbot gebunden, nicht gefolgt werden kann. Zu bedenken ist jedoch, dass ein Festhalten an der überwiegend vertretenen Ansicht gerade in der für das Privatrecht typischen Situation der Grundrechtskollision zu einer Asymmetrie führt. Während der Gesetzgeber hinsichtlich des schutzwürdigen Minderheitsgesellschafters nur einen hinreichenden Grundrechtsschutz etablieren muss, dürfen seine Akte, legt man die Einsicht zugrunde, dass es sich dabei um Eingriffe handelt, bezüglich des belastenden Mehrheitsgesellschafters nicht weiter gehen, als dies erforderlich und angemessen ist. Eine solche Asymmetrie wird teilweise als nicht haltbar kritisiert, vor allem, da sie dem diene, der das Grundrecht eines anderen belaste142. Indessen vermag dieser Einwand nicht durchzugreifen. Wie Canaris anschaulich belegt hat, entspricht dies nur dem Prinzip des Vorrangs der Gesellschaft gegenüber dem Staat, der sich für sein Eingreifen der Situation entsprechend legitimieren muss143. 140 141 142 143
Hermes, Das Grundrecht, S. 204; Alexy, Theorie, S. 427 f.; Hager JZ 1994, 381. Hager JZ 1994, 383; im Ergebnis auch BGH JZ 1990, 697 (699). Hager JZ 1994, 381; ders., Verkehrsschutz, S. 30. Canaris, Grundrechte u. Privatrecht, S. 47.
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d) Die Kongruenzthese Zu erwähnen ist schließlich, dass nach teilweise vertretener Ansicht, der so genannten Kongruenzthese, der Gesetzgeber zwar hinsichtlich der belasteten Partei nicht an das Übermaßverbot gebunden sein soll. Die Anerkennung eines eigenständigen Untermaßverbots sei jedoch in den hier relevanten Dreiecksverhältnissen überflüssig144. Diese Grenzen ergäben sich schon aus der Erforderlichkeit im Rahmen der Prüfung des Eingriffs zum Nachteil des belastenden Grundrechtsträgers145. Damit stellt sich jeder Schutz, den der Staat zugunsten der belasteten Partei etabliert, schon dann als verfassungswidrig dar, wenn der Gesetzgeber mehr Schutz gewährt als unbedingt erforderlich. Auch wenn diese Ansicht für sich in Anspruch nimmt, den Gestaltungsspielraum der Legislative zu wahren oder gar zu erweitern146, wird durch die so hergestellte Wechselwirkung der Gestaltungsspielraum stark verringert oder gar beseitigt147. Weiterhin verkennt dieser Ansatz, dass Untermaßverbot und Erforderlichkeit sich auf zwei verschiedene Perspektiven beziehen. Während die Erforderlichkeit auf das Innere des Gesetzes, nämlich den vom Gesetzgeber definierten Zweck abstellt, ist das Untermaßverbot ein Maßstab, anhand dessen das Gesetz direkt an der Verfassung, unabhängig von der Zweckwahl des Gesetzgebers, gemessen wird148. Damit vermag die Kongruenztheorie nicht zu überzeugen. Vielmehr ist an der eigenständigen Bedeutung des Untermaßverbotes festzuhalten. 5. Rein objektivrechtliche Lösungen Einwände werden dem herrschend vertretenen Modell jedoch auch von anderer Seite entgegengestellt. a) Die Frage nach der spezifischen objektiven Wirkung der Grundrechte im Privatrecht So wird angeführt, dass, soweit das Verhältnis unter Privaten betroffen sei, die betroffenen Grundrechte gegeneinander abgewogen werden müssten. Bezweifelt wird hier nicht die fehlende Zurechnung der privaten Belastung zum Staat, sondern umgekehrt soll die abwehrrechtliche Funktion der Grundrechte unerheblich sein149. Die Sichtweise einer Dreieckskonstellation, die neben den beiden Parteien des Privatrechtsverkehrs auch den Staat einbezieht, wird damit in Abrede gestellt. 144 145 146 147 148 149
Hain DVBl. 1993, 983; ders. ZG 1996, 80. Hain DVBl. 1993, 983; Unruh, Dogmatik, S. 85 ff. Hain DVBl. 1993, 984; ders. ZG 1996, 83 f. mit Fn. 45. Dietlein ZG 1995, 138; Koch, Grundrechtsschutz, S. 375. Dietlein ZG 1995, 136; ähnl. Möstl DÖV 1998, 1038. Vgl. Stern, FS Wiedemann, S. 142.
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Einer solchen Betrachtung scheint zunächst die obige Erwägung entgegen zu treten, mit der die Geltung des Übermaßverbot es begründet wurde. Jedes Grundrechtssubjekt sucht seine Freiheit weitest möglich zu verwirklichen. Setzt der Staat dem dadurch Grenzen, dass er bestimmte Freiheitsverwirklichungen von Tatbestandsmerkmalen abhängig macht, so handelt es sich dabei um eine dem Staat zurechenbare Beschränkung und mithin um einen Eingriff. Dass der Gesetzgeber dabei dem Übermaßverbot genügen muss, ergibt sich nach den obigen Überlegungen aus der Grundrechtsbindung des Gesetzgebers gem. Art. 1 Abs. 3 GG. Zu bedenken ist jedoch, dass die in Art. 1 Abs. 3 GG determinierte Bindung nichts darüber aussagt, in welcher Art die staatliche Gewalt gebunden ist150. So wurde oben auch die Bindung an das Untermaßverbot für den Zivilrechtsgesetzgeber auf Art. 1 Abs. 3 GG zurückgeführt. Daran ist festzuhalten. Dass der Gesetzgeber nur dann die Grundrechte zu beachten hätte, wenn ein Eingriff in diese droht, kann nicht begründet werden. Auch bei den Schutzpflichten handelt es sich um eine Wirkung der Grundrechte. Die Staatsgewalt hier von ihrer Grundrechtsbindung freizustellen, würde dazu führen, dass die öffentliche Hand diese Grundrechtswirkung vernachlässigen könnte. Für den Bürger, der hier auf die Tätigkeit etwa des Gesetzgebers als „Freund der Grundrechte“151 angewiesen sein kann, würde dies zu unhaltbaren Einbußen führen. Die Bindung erfasst damit auch die Gebotsrichtung der Grundrechte und mithin die Schutzaufträge152. Ist der Einwand damit im Grundsatz berechtigt, so bleibt zu fragen, ob er auch in der hier relevanten Situation dazu führen kann, dass ein Eingriff zu verneinen ist. Dies soll daraus folgen, dass der Gesetzgeber nur insoweit gebunden sei, wie die Grundrechte im Privatrecht gelten153. Die spezifische Wirkung der Grundrechte im Privatrecht sei es gerade, die eine Abwägung beider Positionen bedinge. Fraglich ist jedoch, ob man eine solche besondere Wirkung begründen kann. Auffällig ist schon, dass der Fall zweier sich gegenüberstehender Grundrechtsträger nicht nur im Privatrecht auftritt. Vielmehr liegt diese Konstellation auch einer Reihe von Normen des Bau- oder des Strafrechts zugrunde. Dann ist jedoch fraglich, warum hinsichtlich der Normen des Zivilrechts anderes gelten soll154. Vielmehr liegt es nahe, für privatrechtliche Regelungen, ebenso wie bei denen anderer Rechtsgebiete155, von dem oben dargelegten Verhältnis von Eingriff und Schutzpflicht auszugehen. Weiterhin ist festzuhalten, dass die Lehre von den staatlichen Schutzpflichten gerade auf die Situationen zugeschnitten ist, in denen ein 150 Böckenförde Der Staat 29 (1990), 2 f.; Lerche ZHR 149 (1985), 167 mit Fn. 10; Windel Der Staat 37 (1998), 387 f. 151 Gellermann, Grundrechte, 49 m w. N. 152 Höfling, in: Sachs, GG, Art. 1 Rn. 90; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 1 III Rn. 37. 153 Lerche, FS Odersky, S. 231. 154 Canaris, Grundrechte u. Privatrecht, S. 19. 155 Vgl. das Spektrum bei Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 111 Rn. 139.
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Grundrechtsträger von einem anderen belastet wird156. Dann ist fraglich, inwieweit ein Bedürfnis für die Annahme einer weiteren objektiven Grundrechtswirkung besteht. Zu unterstreichen ist an dieser Stelle, dass damit die objektivrechtliche Wirkung der Grundrechte unter Privaten nicht als Ausstrahlungswirkung der Grundrechte, als Teil der Grundrechte als objektive Wertnormen neben die staatliche Schutzpflicht tritt157, sondern sich nur in dieser niederschlägt158. Eine von der Schutzpflicht zu trennende spezifische Wirkung der Grundrechte im Privatrecht würde voraussetzen, dass diese auch nur unter den Bürgern wirkt und damit gerade nicht aus der Stellung des Gesetzgebers folgt. Dem entspricht es auch, wenn diese Grundrechtswirkung als eine Frage der objektiv-rechtlichen Normenkongruenz und mithin als Bindung der Zivilrechtsordnung verstanden wird159. Geht man diesen Schritt, so muss dann aber auch das gesamte Privatrecht diesem Maßstab genügen. Erfasst wären damit auch die vertraglichen Abreden der Parteien. Bei diesen handelt es sich nicht nur um unverbindliche Abreden, die ihre Rechtsqualität erst durch eine staatliche Mitwirkung erhalten160. Ein Vertragsschluss stellt die Ausübung grundrechtlicher Freiheit dar. Dann muss dem Grundgesetz die Möglichkeit entnommen werden, rechtlich bindende Verträge zu schließen161. Auch könnte andernfalls nicht die Wirksamkeit atypischer Verträge begründet werden162. Gerade dieses letzte Beispiel macht deutlich, dass auch autonom durch die Parteien gesetztes Recht Teil des Privatrechts ist. Geht man nun von einer objektiven Wirkung der Grundrechte im Privatrecht aus, die nicht mit der Schutzpflicht des Staates identisch ist, sondern eine spezifische Wirkung unter den Bürgern entfaltet, so ist es nur konsequent, dass auch solches Privatrecht mit den objektiven Wertungen konform sein müsste und mithin die getroffenen Regelungen dem Grundsatz praktischer Konkordanz zu entsprechen hätten. Mit dem grundsätzlichen Anspruch der Vertragsparteien auf eine weitest mögliche Fähigkeit zur freien Gestaltung der Verhältnisse durch Willensübereinstimmung wäre eine solche umfassende Bindung nicht vereinbar. Demgegenüber kann mit dem hier vorgeschlagenen Modell die staatliche Schutzpflicht auf die Fälle begrenzt werden, in denen der autonome Ausgleich der Interessen ohnehin nicht erzielbar ist163. Die Konzentration der objektiven Grundrechtswirkungen auf die Schutzpflicht stellt, etwa im Gegensatz zur Annahme Vgl. nur Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 463 ff. m. w. N. So aber die eine spezifische Wirkung unter Privaten annehmende Ansicht, ausdr. etwa Lerche, FS Odersky, S. 226 f.; vgl. weiterhin etwa Kühling ArbuR 1994, 127. 158 So auch Hermes NJW 1990, 1767 f. 159 Rupp AöR 101 (1976), 170 f. (Hervorhebung hinzugefügt). 160 So aber Höfling, Vertragsfreiheit, S. 22; Looschelders / Roth JZ 1995, 1038. 161 Koch, Grundrechtsschutz, S. 469 ff.; ähnlich Erichsen, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR VI, § 152 Rn. 8. 162 Vgl. v.Wilmowsky JZ 1996, 593. 163 Vgl. hierzu unten, Text bei Fn. 194 ff. 156 157
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einer Ausstrahlungswirkung, eine tragfähige Basis für die Begründung von Grundrechtswirkungen im Privatrecht dar, ohne dass dadurch die Privatrechtssubjekte selbst in irgendeiner Form an die Grundrechte gebunden würden164. Da die Grundrechte weiterhin als staatsgerichtet verstanden werden165, handelt es sich um eine dogmatisch saubere, gleichzeitig aber auch hinreichend flexible Lösung, um die Grundrechte auch unter Privaten zur Geltung zu bringen166. Die durch die Einheit der Rechtsordnung gebotene Kongruenz von Verfassung und einfachem Recht wird durch die Umsetzung der Schutzpflicht hergestellt167. Damit ist an dem Ergebnis, wonach sich die objektive Wirkung der Grundrechte nur in der Schutzpflicht des Staates niederschlägt, festzuhalten. Für eine spezifische, zusätzliche objektive Grundrechtswirkung, die zu einer Modifizierung der Grundrechtsbindung führen könnte, ist damit kein Raum. Damit ist auch die Aufrechterhaltung eines Dreiecksverhältnisses zwischen den privaten Parteien und der ausgleichenden öffentlichen Hand geboten.
b) Ausschließliche Geltung der staatlichen Schutzpflichten Teilweise wird jedoch angeführt, dass schon die Schutzpflichten allein die Bejahung eines Eingriffs ausschlössen. Die Grundrechtsbindung des Gesetzgebers erschöpfe sich hinsichtlich beider Parteien in der Wahrnehmung der Schutzpflicht168. Fraglich ist, ob sich dieser Ansatz als vorzugswürdig erweist. So wird vorgebracht, die Annahme eines Eingriffs sei nur zu Gunsten von Allgemeininteressen möglich, während ein sinnvolles Privatrecht die Berücksichtigung kollidierender Privatinteressen erlaube169. Zwar ist zuzugeben, dass ein solches Erfordernis von Allgemeininteressen im Fall des beispielhaft genannten Art. 12 GG mit Blick auf die Besonderheiten der Drei-Stufen-Lehre zu Konflikten führen kann170. Aus der Staatsgerichtetheit der Grundrechte kann m. E. jedoch nicht der grundsätzliche Schluss gezogen werden, die Beschränkung durch Grundrechtseingriff könne nicht zu Gunsten von Privatinteressen erfolgen. Dann wäre nämlich fraglich, wie ein Individualrechtsgüterschutz etwa auf dem Gebiet des Strafrechts möglich sein soll, der unstreitig einen Eingriff darstellt. Auch könnte man erwägen, ob die Privatinteressen nicht vermittelt durch das öffentliche Interesse an der Erfüllung der Schutzpflichten zu sehen sind. Zöllner RDV 1985, 9; Canaris JuS 1989, 163. So ausdr. BVerfGE 89, 1 (8). 166 Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1572; Isensee, FS Großfeld, S. 498; ähnl. Höfling, Vertragsfreiheit, S. 52. 167 Vgl. Rüfner, GS Martens, S. 216 f. 168 Zöllner RDV 1985, 6 ff. (12); Oldiges, FS Friauf, S. 301 ff. 169 Hierzu Zöllner RDV 1985, 6. 170 Zu den Besonderheiten des Art. 14 GG vgl. unten, Text bei Fn. 230 ff. 164 165
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Richtiger Ansatzpunkt im vorliegenden Zusammenhang ist die Frage der Zurechnung der Grundrechtsbelastung. Die Bejahung einer Schutzpflicht setzt schon tatbestandlich voraus, dass die zu schützende Partei durch einen anderen belastet wird. Der öffentlichen Hand gegenüber ist die Schutzpflicht jedoch nicht anwendbar, da diese gerade voraussetzt, dass der Staat als ihr Adressat einen Bürger vor Belastungen durch eine dritte Partei schützt171. Zu prüfen ist jedoch, ob die von der h.M. angenommene Zurechnung der Belastung der einen Partei zum Staat aufrecht erhalten werden kann. Diese soll aus den Normen folgen, die eine Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten darstellen. Wenn jedoch bei der Partei, die auch von der h.M. nur durch das Untermaßverbot geschützt wird, die Existenz von Normen allein nicht ausreichen soll, um einen Grundrechtseingriff zu begründen, so ist es nur konsequent, hier in gleicher Weise zu verfahren. Dafür spricht auch die folgende Überlegung: Bereits oben wurde die Beobachtung dargestellt, dass die Frage, von welcher Partei im Fall der privatrechtlichen Normen die Belastung ausgeht, ambivalent ist. Der Gedanke, dass, wenn die Positionen von Belastendem und Belastetem austauschbar sind, auch ein unterschiedlicher Maßstab an den Gesetzgeber nicht überzeugen kann, vermochte oben nicht die Geltung des Übermaßverbots in beiden Verhältnissen zu stützen. Seinen Grund hatte dies darin, dass gerade die Zurechung der Belastung einer Partei zum Staat nicht möglich war. Legt man dann jedoch die Ambivalenz der Situation zugrunde, so folgt daraus, dass auch hinsichtlich der anderen Partei eine Zurechnung zum Staat ausscheiden muss. Störer im materiell-grundrechtlichen Sinn ist damit die Gegenpartei172, die ihre durch das Gesetz zugestandene (Gegen-)Rechte geltend macht. Sie steht der anderen Partei, die ein gesetzliches Handlungsinstrument wahrnimmt, gleich. Dies lässt sich gerade an den Normen aufzeigen, die als Paradebeispiel für eine Schutzwirkung einerseits und eine Eingriffswirkung andererseits genannt werden. Zweifellos dienen die Normen des §§ 906, 1004 BGB173 dem Nachbarn, auf dessen Grundstück eingewirkt wird. Dass dem Betreiber der emittierenden Anlage durch diese Normen effektive Grenzen erwachsen, hängt davon ab, dass der Nachbar sich entschließt, seine Rechte wahrzunehmen und durchzusetzen174. Die grundrechtliche Freiheit, die dem Betrieb der Anlage zugrunde liegt, wird also durch die Handlung und autonome Entscheidung eines anderen Grundrechtsträgers belastet. Dass das Gesetz ihm ein Abwehrrecht zur Verfügung stellt, kann dem Staat ebenso wenig zugerechnet werden, wie er umgekehrt die Verantwortung für solche Immissionen trägt, die beispielsweise ortsüblich und damit unter den Voraussetzungen des § 906 Abs. 2 S. 1 BGB zu dulden sind. Einschlägig ist damit auch in dieser Richtung allein das Untermaßverbot. Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 464 f. Oldiges, FS Friauf, S. 301. 173 So etwa die Beispielsführung bei Canaris, Grundrechte u. Privatrecht, S. 13. 174 Schmidt-Aßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht, S. 18. 171 172
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Mithin wird auch deutlich, dass kein Einwand aus dem Verweis darauf folgt, dass Normen, die der Umsetzung von Schutzpflichten dienen auch im Straf- und Verwaltungsrecht existieren und man dort von einem Eingriff zu Lasten des Privaten ausgeht, der einen anderen belastet. Mit einem Verweis auf die Normen außerhalb des Privatrechts konnte zwar die Maßgeblichkeit der Schutzpflicht im Privatrecht untermauert werden. Für die durchgehende Geltung des Übermaßverbots in den vorliegend untersuchten Situationen gibt der Hinweis indes nichts her. Dies zeigt gerade die soeben skizzierte Situation des privaten Nachbarrechts in Gegenüberstellung mit einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Durch beide Normkomplexe erfährt der Nachbar der Anlage Schutz. Zur Durchsetzung der Begrenzung des Anlagenbetreibers tritt diesem im Genehmigungsverfahren jedoch die zuständige Behörde und mithin die öffentliche Hand gegenüber. Ebenso liegt im Fall des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes die Durchsetzung der Grenzen, zumindest weit überwiegend, in den Händen des Staates, während die Verfolgung des parallel einschlägigen § 823 BGB von Seiten des Bürgers erfolgt und damit eine nichtstaatliche Belastung darstellt. Demgegenüber kann auch nicht auf die Gerichte verwiesen werden, die der Grundrechtsträger zur Durchsetzung seiner Gegenrechte anrufen kann. Zwar sind auch diese gem. Art. 1 Abs. 3 GG an die Grundrechte gebunden. Gleichwohl dienen die Gerichte hier nur der Durchsetzung der Rechte des Bürgers. Ihm wird ein Instrumentarium in die Hand gegeben, um seine Rechte geltend zu machen. Demnach richtet sich das Maß der Grundrechtsbindung auch in diesen Fällen nach dem Untermaßverbot175. 6. Ergebnis Zur Zusammenfassung kann an das oben nach der h.M. formulierte Zwischenergebnis176 angeknüpft werden. Dieses ist mit Blick auf die vorstehenden Ergebnisse teilweise177 zu modifizieren. An der Aussage, dass dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zukommt, ist festzuhalten. Ihm steht es zu, die Lösung zum Ausgleich der kollidierenden Interessen der beiden Grundrechtsträger zu wählen, die er für zweckdienlich und geeignet hält. Nunmehr kann jedoch der Verfassung in keiner Richtung eine eindeutige Lösung, sondern nur ein nicht zu unterschreitendes Mindestniveau entnommen werden. Da auch nach hier vertretener Ansicht das Spannungsverhältnis zwischen den Privatrechtsparteien erhalten bleibt, wirkt sich dies ebenso auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen aus, wie nach der überwiegenden Ansicht. Wann das Mindestmaß des Schutzes zugunsten einer Partei unterschritten ist, folgt aus der Bedeutung der eigenen Grundrechte im Verhältnis der kollidierenden Belange des anderen Grundrechtsträgers. In ErLerche ZHR 149 (1985), S. 167 mit Fn. 10; Oldiges, FS Friauf, S. 301 f. Vgl. oben, Text bei Fn. 95 ff. 177 Die praktischen Auswirkungen der Abweichung werden als gering dargestellt, so etwa Canaris, Grundrechte u. Privatrecht, S. 19. 175 176
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gänzung anzumerken ist an dieser Stelle, dass neben den Privatinteressen auch weitere, von den Interessen Einzelner unabhängige Belange durch privatrechtliche Normen berücksichtigt werden können178. Im Vergleich zur überwiegenden Ansicht kommt dem Gesetzgeber indes ein erweiterter Spielraum zu, da er statt hinsichtlich einer Partei dem strengeren Übermaßverbot zu unterliegen, bezüglich beider Parteien seine Grenze nur im Untermaßverbot findet. Dabei ist an dieser Stelle jedoch auch vor dem Missverständnis zu warnen, dass dieser Maßstab pauschal auf alle in privatrechtlichen Gesetzen enthaltene Normen angewendet werden kann. Sofern das Privatrecht etwa Genehmigungsvorbehalte oder andere Arten staatlicher Mitwirkungen vorsieht, die, gerade so wie in den klassischen Fällen des öffentlichen Rechts, eine Zurechnung zum Staat begründet, ist auch von der Möglichkeit eines Eingriffs auszugehen. Ob die eine der Parteien durch das Über- oder das Untermaßverbot geschützt wird, hängt mithin nicht von der Zuordnung einer Norm zu einem Rechtsregime179, sondern von der Frage ab, von wem die Belastung ausgeht. Nochmals zu betonen ist, dass die Gegenpartei im Fall der hier fraglichen Normen durchweg durch das Untermaßverbot geschützt wird.
II. Die Besonderheiten des Vertragsrechts 1. Die Sonderrolle des Vertragsrechts im Privatrecht a) Unterscheidung zwischen Vertrag und Delikt Nach einer nicht zu übersehenden Ansicht im Schrifttum ist jedoch hinsichtlich der Behandlung der Grundrechtsrelevanz des Privatrechts zwischen vertraglichen und nichtvertraglichen, meist als deliktisch bezeichneten, Sachverhalten zu differenzieren180. Als maßgebliche Differenz dieser Gruppen wird darauf abgestellt, dass derjenige, der durch einen Vertrag belastet wird, anders als in der Konstellation der Schädigung durch Delikt, in diesen eingewilligt hat. Ob diese Erkenntnis relevant ist und welche Schlüsse aus diesem Unterschied gezogen werden sollen, wird indessen uneinheitlich beantwortet. Nach der wohl radikalsten Ansicht sollen in Vertragsbeziehungen die Grundrechte überhaupt keine Anwendung finden181. Teilweise wird die Nichtanwendung damit begründet, So auch Canaris AcP 184 (1984), 220, Fn. 69a; Preu JZ 1991, 268; Jung JZ 2001, 1006. In diesen Richtung Oldiges, FS Friauf, S. 301. 180 Vgl. nur Oldiges, FS Friauf, S. 307. Im Ergebnis ebenso Medicus AcP 192 (1992), 44, sowie Diederichsen AcP 198 (1998), 206 f., die zwischen Vertrag und Gesetz trennen, da es auch hier auf die Einflussmöglichkeit der Betroffenen bei vertraglicher Gestaltung ankommt. 181 Zöllner AcP 196 (1996), 7, der herausstellt, dass „die Grundrechte für die Vertragsgestaltung nicht gelten“ (Hervorhebung im Original). Ausdr. zur Schutzgebotsfunktion ebenda, S. 11 mit Fn. 40. 178 179
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dass es im Fall vertraglichen Handelns an einem Übergriff des einen Privaten in die Rechtssphäre des anderen fehle182. Indessen kann auch von der vertraglichen Inpflichtnahme eine Freiheitsbegrenzung ausgehen, die mit einer rein faktischen Begrenzung austauschbar ist183. Weiterhin stützt sich diese Ansicht auf die Überlegung, dass die Bürger nie an Grundrechte gebunden sein können und deshalb diese bei der Selbstregelung durch Verträge keine Rolle spielen könnten184. Zum anderen wird auf die Tatsache abgestellt, dass der Einzelne durch eine eigene Willensbetätigung in die durch den Vertrag geschaffene Situation gelangte. Die Grundrechte könnten jedoch keinen Schutz des Einzelnen vor sich selbst gewähren185. b) Die Bedeutung der Privatautonomie Dem dargestellten Ansatz ist zuzugeben, dass es gerade auch Inhalt der durch die Privatautonomie garantierten Freiheit ist, unabhängig von grundrechtlichen Maßstäben agieren zu können186. Es handelt sich mithin um einen Grundrechtsgebrauch, der nicht zuletzt die Möglichkeit zu solchen Dispositionen beinhaltet, die Grundrechte verkürzen187. Oftmals wird dies als Verzicht des Vertragsschließenden auf seine Grundrechte bezeichnet188. Wenn dem gegenüber geltend gemacht wird, ein Grundrechtsträger könne aufgrund seiner Gemeinschaftsbezogenheit nicht auf Grundrechte verzichten189, so kann dies nicht durchgreifen. Dies würde nämlich gerade die grundrechtlich geschützte Vertragsfreiheit unzulässig beschränken190. Weiterhin handelt es sich bei der Zustimmung gerade auch um einen Gebrauch des betroffenen Grundrechts, so dass die Schwelle eines Verzichts auf das Grundrecht erst gar nicht überschritten wird191. Wie oben gezeigt, handelt es sich bei der Ausübung der Privatautonomie um die Ausübung der speziellen Grundrechte und nicht einer davon getrennten Privatautonomie als Ausfluss des Art. 2 Abs. 1 GG. Folglich kann eine Beschränkung auch nicht aus dem Gedanken hergeleitet werden, die allgemeine Handlungsfreiheit kollidiere mit dem Kernbereich des speziellen beschränkten Grundrechts, der sich dann im Ergebnis durchsetzte192. Isensee, in: Isensee / Kirchhof, HdB StR V, § 111 Rn. 131. Angerer, Schranken, S. 64; vgl. auch Koch, Grundrechtsschutz, S. 138. 184 Zöllner AcP 196 (1996), 15 ff.; aus diesem Grunde die staatliche Schutzpflicht generell ablehnend Windel Der Staat 37 (1998), 392. 185 Hillgruber, Der Schutz des Menschen, passim, insb. S. 105 ff. 186 Dürig, FS Naiwasky, S. 158 ff.; Zöllner AcP 196 (1996), 2. 187 Schlette, Verwaltung als Vertragspartner, S. 69. 188 VGH München BayVBl. 1991, 47 (49 f.); Jung JZ 2001, 1008 f.; ähnlich BVerwGE 64, 274 (279); differenzierend Floren, Grundrechtsdogmatik, S. 150 ff. 189 Bussfeld DÖV 1976, 771; ausdr. mit Bezug auf Verträge Schimpf, Vertrag, S. 213 ff. 190 Koch, Grundrechtsschutz, S. 144 f. 191 Schmidt-Aßmann, FS Gelzer, S. 122; Singer, GS Jeand’Heur, S. 174; Schlette, Verwaltung als Vertragspartner, S. 69 f. 192 So aber LAG Hamm DB 1969, 2353 (2355); Angerer, Schranken, S. 61. 182 183
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Ein Einfallstor für die Grundrechte stünde jedoch dann offen, wenn die Verträge nur im Falle einer staatlichen Mitwirkung als geltendes Recht angesehen werden könnten. Da jedoch, wie bereits angesprochen, die grundrechtliche Freiheit es gebietet, auch ohne eine solche hoheitliche Beteiligung den Verträgen rechtliche Relevanz zuzusprechen193, kann dies nicht überzeugen. c) Notwendigkeit einer Beschränkung der aufgezeigten Lösung Indessen ist zu bemerken, dass die Vorstellung einer freien Gestaltung der Lebensverhältnisse in Wahrnehmung der Privatautonomie in der Realität alsbald an ihre Grenzen stößt. Sie tritt heute oft, wenn nicht gar überwiegend, hinter in sozialen oder wirtschaftlichen Gegebenheiten begründeten Zwängen zurück194. Der Einzelne findet sich oftmals in einer Situation, in der er gerade auch gegenüber anderen Privaten seine grundrechtlich geschützten Interessen nicht ohne fremde Hilfe verfolgen und gegenüber seinem Vertragspartner wahren kann. In solchen Fällen der Fremdbestimmung wird die durch die Grundrechte vermittelte „Freiheit zu eigenständiger, selbstverantworteter Daseinsgestaltung“195 beschränkt, ohne dass auf einen Gebrauch der Privatautonomie verwiesen werden könnte. Bereits oben wurde dargelegt, dass es der Staat ist, der durch die in den Grundrechten wurzelnden Schutzpflichten dazu berufen ist, den Freiheitsgebrauch des Einzelnen zu fördern und ihm einen entsprechenden Freiraum zu schaffen. In einer Ergänzung des Modells der rein privatautonomen Regelung durch die grundrechtlichen Schutzpflichten liegt mithin ein „praktikabler Kompromiß“196, um sowohl dem Geltungsanspruch der Privatautonomie, als auch ihren faktischen Grenzen gerecht zu werden. Durch die Berücksichtigung des Schutzauftrages wird weiterhin der Staat als Grundrechtsadressat in den Blick gerückt. Es wird deutlich, dass auch dem Vertragsrecht in gewisser Weise die bekannte Dreieckskonstellation197 zugrunde liegt, weshalb die Geltung der Grundrechte nicht einfach mit Blick auf die fehlende Grundrechtsbindung Privater verneint werden kann. Diesen Anforderungen kommt die differenzierende Ansicht nach, die namentlich vom Bundesverfassungsgericht198, aber auch von weiten Teilen der Lite193 Oben, Text bei Fn. 159 f., vgl. dort auch zur Ablehnung einer über die Schutzpflichten hinausgehenden objektiven Grundrechtswirkung. 194 Looschelders / Roth JZ 1995, 1039; Singer JZ 1995, 1137 m. w. N.; speziell zur Freiheit gegenüber Verbänden Segerer, Wirkung der Grundrechte, S. 189 f. 195 So die Charakterisierung grundrechtlicher Freiheit bei Degenhart JuS 1990, 161. 196 Zutr. Singer JZ 1995, 1138. 197 Indes ist zu bemerken, dass diese Dreieckskonstellation nicht der einzige Fall ist, in dem der Staat trotz des Grundsatzes der Privatautonomie regelnd eingreifen kann; möglich ist etwa auch die Beschränkung der Privatautonomie zum Wohl von Gemeinschaftsgütern, vgl. etwa BVerfGE 8, 274 (328 f.).
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ratur199 vertreten wird. Diese erkennt die Möglichkeit eines grundrechtlichen Maßstabs auch vertraglicher Vereinbarungen an200. Dieser greift jedoch nur subsidiär. Primär ist zu beachten, dass der in seinen Grundrechten Belastete dem Vertrag selbst zugestimmt hat, die Belastung damit „zugleich Ausübung individueller Freiheit“201 ist. Schon durch die Ausübung der individuellen Handlungsfreiheit durch beide Parteien soll grundsätzlich ein sachgerechter Interessenausgleich erreicht werden202. Als durch die faktischen Beschränkungen der Privatautonomie notwendige Grenze hat sich in dieser Literatur und Rechtsprechung weitgehend die Situation der strukturellen Unterlegenheit durchgesetzt. Es kann nicht auf das nur formale Vorliegen eines Konsenses abgestellt werden. Kommt einem Vertragspartner eine so gewichtige Position zu, dass der andere seine Vorstellungen nicht in die Vertragsgestaltung einbringen kann, so kann von einem privatautonomen Handeln keine Rede sein203. Damit darf auch die Vermutung einer interessengerechten Vertragsregelung nicht aufrechterhalten werden. An ihre Stelle tritt die staatliche Gewährung des Grundrechtsschutzes, sei es, entsprechend dem staatlichen Kompetenzaufbau, primär durch die Legislative oder in Folge durch die Zivilrechtsprechung204. 2. Der Gesellschafterbeschluss als vertragsähnliches Rechtsgeschäft a) Rechtsnatur des Gesellschafterbeschlusses Den vorliegend diskutierten Belastungen zum Nachteil der Minderheit ist gemein, dass sie einen Hauptversammlungsbeschluss voraussetzen. Bei einem Beschluss der Gesellschafter handelt es sich um ein mehrseitiges Rechtsgeschäft, das das Vorliegen von Willenserklärungen, hier die Stimmabgabe, voraussetzt. Es handelt sich jedoch um eine eigenständige Rechtsgeschäftskategorie, da anders als beim Vertrag die Willenserklärungen nicht aufeinander bezogen sein müssen, son198 BVerfGE 81, 242 (254 ff.) – Handelsvertreter; BVerfGE 85, 191 (213) – Nachtarbeit; BVerfGE 89, 214 (229 ff.) – Bürgschaft; BVerfG NJW 94, 2749 (2750); BVerfGE 103, 89 (100 ff.) – Ehevertrag; ähnlich schon BVerfGE 72, 155 (170 ff.). 199 U. a. Höfling, Vertragsfreiheit, S. 53 ff.; Wiedemann JZ 1994, 412; Singer JZ 1995, 1137 ff.; Canaris, Grundrechte u. Privatrecht, S. 49; Koch, Grundrechtsschutz, S. 474 ff.; Kühling WM 2002, 626 f.; Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 16. 200 BVerfGE 7, 230 (234); BVerfGE 89,1 (13); BVerfGE 93, 352 (361). 201 BVerfGE 81, 242 (254) – Handelsvertreter. 202 BVerfGE 89, 214 (232) – Bürgschaft. 203 Damit ist jedoch noch nicht die Frage geklärt, wann sinnvollerweise ein Fall der strukturellen Unterlegenheit zu bejahen ist, vgl. etwa Canaris AP Art. 12 GG Nr. 65, Bl. 459 (Rücks.); Medicus AcP 192 (1992), 62; aus diesem Grund ablehnend gegenüber diesem Modell Spieß DVBl. 1994, 1226 ff. 204 Vgl. hierzu auch Singer JZ 1995, 1138 f.
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dern das Ergebnis durch parallele Willenserklärungen, mithin durch positive oder negative Stimmabgabe, erzielt wird205. Dennoch ist aufgrund der Vertragsähnlichkeit zu fragen, ob nicht auch hier von einem sachgerechten Interessenausgleich durch die Willensbetätigung der Gesellschafter auszugehen ist. Dann wäre auch hier die Abkehr von den obigen Ergebnissen geboten. Für den Fall einstimmig zu fassender Gesellschafterbeschlüsse drängt sich die Parallele zum ausgehandelten Vertrag auf. Auch hier ist eine Belastung Folge einer privatautonomen Willensbetätigung eines jeden Einzelnen. So wie der Vertrag die zustimmende Willenserklärung jedes Vertragspartners voraussetzt, für den er Bindungswirkung entfalten soll, setzt auch ein solcher Beschluss die Zustimmung aller voraus. Da dem Einzelnen die Möglichkeit gegeben ist, durch eine entsprechende Stimmabgabe den Beschluss und damit die eigene Bindung zu verhindern, stellt eine Belastung die Folge privatautonomer Selbstbestimmung dar. Wie schon aufgezeigt, handelt es sich bei den vorliegend relevanten Hauptversammlungsbeschlüssen jedoch um solche, die mit Mehrheit der Gesellschafter gefasst werden können. Charakteristisch für solche Mehrheitsbeschlüsse ist, dass sie auch Bindung für die Gesellschafter entfalten, die gegen den Antrag gestimmt haben. Insofern fehlt es an einer privatautonomen Disposition über die eigenen Rechte; die oben dargelegten Vertragsgrundsätze sind nicht übertragbar.
b) Bedeutung des Gesellschaftsvertrags Teilweise wird jedoch die Ausübung der Privatautonomie auf den Zeitpunkt des Beitritts zur Gesellschaft vorverlegt. Der Erwerb der Mitgliedschaft verläuft, sieht man von Ausnahmen, etwa einer Gesamtrechtsnachfolge im Fall einer Erbschaft ab, in vertraglichen Bahnen. Offensichtlich ist dies im Fall des derivativen Erwerbs von Aktien einer bestehenden Gesellschaft206. Aber auch im Fall des originären Anteilserwerbes durch Teilnahme an der Gesellschaftsgründung liegt ein Vertrag vor207. Insofern liegt es in der Tat nahe, an diesen Zeitpunkt anzuknüpfen, um die Vertragsgrundsätze auch hinsichtlich der Belastung durch Gesellschafterbeschlüsse fruchtbar zu machen208. Im Ergebnis vermag ein solcher Ansatz jedoch nicht zu überzeugen.
205 Zöllner, Stimmrechtsmacht, S. 10 ff.; Kraft / Kreutz, Gesellschaftsrecht, S. 55; jeweils m. w. N. 206 Vgl. nur Kübler, Gesellschaftsrecht, § 15.II.2. 207 Vgl. Henn, Hdb AktR, Rn. 169 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 79: „Es gibt keinen privatrechtlichen Verband und keine Gesellschaft ohne rechtsgeschäftliche Grundlage“. 208 So ausdr. Jung JZ 2001, 1009.
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aa) Satzungsstrenge im Aktienrecht Zweifel an der Anwendung der Vertragslösung kommen schon dadurch auf, dass es sich beim Aktiengesetz grundsätzlich um zwingendes Recht handelt. Nach § 23 Abs. 5 AktG gilt der so genannte Grundsatz der Satzungsstrenge, demzufolge Abweichungen vom Gesetz nur dann zulässig sind, wenn das Gesetz dies ausdrücklich zulässt. Ergänzende Regelungen dürfen nur eingefügt werden, soweit das Gesetz nicht abschließende Normierungen enthält209. Die Satzung wird demnach hinsichtlich der zwingenden Vorschriften meist keine Regelung treffen. Enthält sie doch eine Festsetzung, so kann es sich, sofern die Klausel wirksam sein soll, inhaltlich nur um eine Wiederholung dessen handeln, was auch ohne vertragliche Festsetzung kraft Gesetzes gelten würde. In einem solchen Fall ist es nicht einzusehen, warum die bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts zu einer Veränderung der Kontrolldichte führen sollte. An einer privatautonomen Rechtssetzung fehlt es, da den Parteien von Gesetzes wegen nicht die Möglichkeit zukam, einen eigenen Interessenausgleich zu suchen. Damit ist im Fall solcher Vertragsklauseln dennoch auf die wiederholte gesetzliche Regelung zurückzugreifen, so dass das bloße Vorliegen eines Vertrages nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen kann210. Mit Ausnahme der Regelung des Squeeze-outs sind die hier relevanten Hauptversammlungsbeschlüsse jedoch zumindest teilweise dispositiv. Die Satzung kann jeweils bestimmen, dass für den Hauptversammlungsbeschluss eine höhere Mehrheit notwendig ist, als gesetzlich vorgesehen211. Fraglich ist, ob dies eine Abweichung von den obigen Grundsätzen bedingt. Sollte das Statut trotz der gesetzlich eröffneten Möglichkeit keine abweichenden Festsetzungen treffen, so greift nach den allgemeinen Regeln des Zivilrechts die dispositive Norm. Da es sich auch beim dispositiven Recht um vom Staat geschaffenes, also im Verhältnis zu den Parteien heteronom gesetztes Recht handelt, muss es den dargestellten Anforderungen an den Gesetzgeber genügen212. Auch insofern ist keine Abweichung nach den oben dargelegten Vertragsgrundsätzen geboten. Die Perspektive verengt sich damit auf die Situation, in der der Gesellschaftsvertrag erhöhte Anforderungen an die Mehrheitsverhältnisse stellt. Nur in dieser Situation bliebe überhaupt Raum dafür zu argumentieren, dass ein ausgehandelter Vertrag vorliegt, auf den die Grundsätze anwendbar sind.
209 Vgl. nur Prentz, in: Münchener Kommentar, AktG, § 23 Rn. 152 ff.; Kraft, in: KK, AktG, § 23 Rn. 81 ff. 210 Vgl. BVerfGE 81, 242 (259 f.); Canaris AP Art. 12 GG Nr. 65, Bl. 459 (Rücks.); Classen AöR 122 (1997), 76; ähnl. Loritz ZfA 20 (1989), 18. 211 Vgl. §§ 179a Abs. 1 S. 2, 262 Abs. 1 Nr. 2 a.E. AktG; § 240 Abs. 1 S. 2 UmwG. 212 Canaris AcP 184 (1984), 214; Classen AöR 122 (1997), 70; Ruffert, Vorrang, S. 96; im Ergebnis ebenso, doch mit abweichender Begründung Looschelders / Roth JZ 1995, 1038; a.A. Koch, Grundrechtsschutz, S. 473.
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bb) Der freiwillige Erwerb der Mitgliedschaft Neben der Vertragsgestaltung bietet jedoch auch der Gesellschaftsbeitritt selbst einen Ansatzpunkt. So wird angeführt, dass durch die auf privatautonomem Entschluss beruhende Teilnahme an der Gründung oder durch den privatautonomen Beitritt zur Gesellschaft eine Bejahung der weiteren Entwicklung der Mitgliedschaft gegeben wäre, die dem privatautonomen Vertragsschluss gleichstehe213. So wie dies auch hinsichtlich des Bestimmtheitsgrundsatzes im Recht der Personengesellschaften bei vertraglicher Abweichung von dem im Gesetz vorgesehenen Einstimmigkeitsprinzip vertreten wird214, wird der Gesellschaftsvertrag als die antizipierte Zustimmung einer Regelung verstanden, welche dann durch einen Mehrheitsbeschluss in Kraft gesetzt wird215. Jedoch vermag eine solche Sicht nicht zu überzeugen. Eine vorherige Zustimmung scheitert nämlich daran, dass, auch wenn der Beschlussgegenstand in der Satzung genannt oder aus dem Gesetz erkennbar ist, in vielen Fällen noch immer offen bleibt, welchen Inhalt der Beschluss hat216. Hinzu kommt, dass der einzelne Gesellschafter seine Zustimmung nur unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen, u.U. aber auch seiner persönlichen Umstände geben wird. Da er diese im Zeitpunkt der Antizipierung nicht kennen kann, läuft dieser Ansatz auf eine Fiktion hinaus217. Aufgrund dieses begrenzten Horizonts der Vertragsschließenden kann sich der Gesellschaftsvertrag jeweils nur auf den Zustand im Zeitpunkt des Vertragsschlusses beziehen. Dies bedingt dann jedoch, dass er aufgrund seines Zweckes für zukünftige Entwicklungen offen sein muss. Insofern kann er keine konkreten Vorgaben für zukünftige Entscheidungen beinhalten, sondern nur Organisations- und Verfahrensregelungen zur Lösung der zukünftigen Konflikte218. Es handelt sich um eine Regelungsbefugnis in dem Sinne, dass sich der Gesellschafter dem Willen der sich für den Beschluss zusammenfindenden Mehrheit unterwirft und zwar gerade auch für den Fall, dass er selbst gegen den Antrag gestimmt hat219. Von einer Bejahung des Beschlussinhalts in der Weise, dass sich der Gesellschafter im Voraus mit einer Belastung einverstanden erklären will, ist dies jedoch aus den genannten Gründen streng zu trennen. 213 So Jung JZ 2001, 1009; ähnlich der Ansatz in BVerfGE 84, 9 (18): „Eine Prüfung der gesetzlichen Vorschrift am Maßstab des Art. 3 Abs. 2 GG scheidet hier [aufgrund des faktischen Zwanges] nicht deshalb aus, weil bei Ehegatten, die vor einem deutschen Standesbeamten die Ehe schließen, die Kenntnis der Rechtslage vorausgesetzt werden kann und deshalb in der Eheschließung eine konkludente Zustimmung zur gesetzlich vorgesehenen Rechtsfolge gesehen werden könnte“. 214 Martens DB 1973, 414 f.; Immenga ZGR 1974, 419 m. w. N. 215 Insofern folgerichtig stellt Jung, a. a. O. sein Konzept als Hintergrund des Bestimmtheitsgrundsatzes dar. 216 Leenen, FS Larenz, S. 376; Hüffer ZHR 151 (1987), 407. 217 Dürrschmidt JuS 1997, 16. 218 Lutter AcP 180 (1980), 91 f. 219 Marburger NJW 1984, 2254; Hüffer ZHR 151 (1987), 407.
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Vielmehr entspricht die Unterwerfung unter den gesellschaftsintern gebildeten Mehrheitswillen der Unterwerfung i. S. d. öffentlichen Rechts220. Durch die Unterwerfung erfolgt keine Zustimmung zu allen nach dem Wortlaut des Gesetzes möglichen Änderungen der Rechtsstellung. Vielmehr bezieht sich die Unterwerfung auf die gesamte Rechtsordnung, einschließlich des Verfassungsrechts. Damit bleibt das Verfassungsrecht und mithin auch die Grundrechte als Maßstab sowohl hinsichtlich des einschlägigen Gesellschaftsrechts, als auch bezüglich der zu fassenden Gesellschafterbeschlüsse anwendbar221. Eine Abweichung von der allgemeinen Bedeutung der Grundrechte im Privatrecht ist damit vorliegend nicht geboten222. Indes wird angeführt, dass im Fall der Unterwerfung eine dem ausgehandelten Vertrag gleichstehende Position durch die Austrittsfreiheit gewährleistet sei. Durch die Drohung mit dem Verlassen der Körperschaft übe jeder Gesellschafter einen Druck aus, der die Berücksichtigung seiner Interessen erzwinge. Dieser Einflussnahme komme „die Bedeutung eines Steuerungs- und Selbstregulierungsmechanismus zu, der dem Regulativ des freien Marktes im Vertragsrecht“223 entspreche. Auch hinsichtlich der Aktiengesellschaft wurde die Möglichkeit der unternehmerischen Einflussnahme mittels der Austrittsdrohung bejaht224. Ob dies genügen kann, um eine der Verhandlungsparität entsprechende Position zu bewirken, erscheint fraglich, kann jedoch vorliegend dahinstehen. Auch die Vertreter der genannten Ansicht räumen ein, dass dieser Selbstregulierungsmechanismus durch den Wegfall oder die Beschränkung seiner Funktionsvoraussetzungen gestört sein kann. In einem solchen Fall kann die aufgezeigte Kontrollfunktion den Überstimmten nicht in hinreichender Art und Weise schützen225. Eine solche Situation ist gerade bei den hier ins Auge gefassten Hauptversammlungsbeschlüssen gegeben. Denn im Fall von Auflösung und Squeeze-out zielt der zu fassende Beschluss ja gerade darauf ab, die Minderheitsgesellschafter aus der Gesellschaft zu drängen. Die Funktionsvoraussetzungen des Druckmittels Austrittsfreiheit entfallen. Auch beim Formwechsel kann der mittelbare Ausschluss der Minderheit verfolgt werden226. Jedenfalls kommt es dadurch zu einer Störung des Kontrollmechanismus, da die Möglichkeit zum Verkauf der Anteile und damit zum Austritt zumindest erschwert wird227. 220 v.Falkenhausen AG 1960, 227; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 12; Nicklisch, Inhaltskontrolle, S. 31 f. 221 So schon v.Falkenhausen AG 1960, 227; ders., Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 12. 222 So im Ergebnis auch Wiedemann JZ 1994, 412; ähnlich ders., Gesellschaftsrecht I, § 3.II.1 sowie Fleischer DNotZ 2000, 878, die einen Fall der strukturellen Unterlegenheit bejahen. 223 Nicklisch, Inhaltskontrolle, S. 40; so auch Kübler JZ 1978, 774. 224 Vgl. oben, § 4, Text bei Fn. 511 ff. 225 Nicklisch, Inhaltskontrolle, S. 41 ff. 226 Vgl. oben, § 5, Text bei Fn. 66. 227 Vgl. oben, § 5, Text bei Fn. 63.
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Auch der Einwand, man könne die Situation in der Gesellschaft nicht mit der hoheitlichen Unterwerfung vergleichen, da es im Fall des öffentlich-rechtlichen Instituts an einem freiwilligen Beitritt fehle228, vermag nicht durchzugreifen. Getrübt wird dieses Argument schon durch die Tatsache, dass bei der Entwicklung der verwaltungsrechtlichen Figur die Erkenntnisse des Zivilrechts, genauer des Körperschaftsrechts, übernommen wurden229. Die in dem Beitritt zur Gesellschaft liegende Willensbetätigung kann damit den staatlichen Schutzauftrag zu Gunsten der Grundrechte des Minderheitsgesellschafters nicht ausschließen, sondern höchstens abschwächen. Der angemessen Ort zur Berücksichtigung ist mithin die Prüfung der Angemessenheit. 3. Ergebnis Als Ergebnis ist damit festzuhalten, dass die Besonderheiten des Vertragsrechts im Fall der hier untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse zu keiner abweichenden Beurteilung zwingen.
III. Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Eigentumsgarantie 1. Besonderheit der Eigentumsgarantie als normgeprägtes Grundrecht Fraglich ist jedoch, ob die gerade herausgearbeiteten Ergebnisse auch auf das hier einschlägige Grundrecht, die Eigentumsfreiheit der Minderheitsgesellschafter, übertragen werden können. Wie bereits dargelegt, handelt es sich bei der Eigentumsgarantie um ein normgeprägtes Grundrecht, das der Ausgestaltung durch den Gesetzgeber bedarf. Jedoch herrscht weitgehend Unklarheit darüber, wie sich die Fälle der Ausgestaltung in das soeben aufgeführte System einfügen.
a) Ausgangsthese: Übertragbarkeit der Maßstäbe auch auf die Ausgestaltung eines Grundrechts Bereits oben wurde angeführt, dass der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Schutzbereichs Rechtmäßigkeitsanforderungen unterliegt. Dieser Ansatz wird teilweise dahingehend weitergeführt, dass auch auf der Ebene der Ausgestaltung die herausgearbeiteten Grenzen des Unter- und des Übermaßverbots zum Tragen kommen230. Es ließe sich schlagwortartig formulieren, dass es für die Bindung des 228 229 230
Zöllner, in: KK1, AktG, Einl. Rn. 53. Vgl. Nicklisch, Inhaltskontrolle, S. 32 f. Canaris, Grundrechte u. Privatrecht, S. 21 m. w. N.
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Gesetzgebers keinen Unterschied machen kann, ob er die Abwägung der Interessen außerhalb oder, im Falle der Ausgestaltung, innerhalb des grundrechtlichen Schutzbereichs vornimmt. Ein solches Ergebnis erscheint, schon da es weitere Differenzierungen entbehrlich macht, bestechend. Dass diese Sichtweise jedoch auch von seinem dogmatischen Fundament her vorzugswürdig ist, ist im Folgenden zu belegen.
b) Grundsätzliche Vergleichbarkeit der Situation innerhalb und außerhalb des Schutzbereichs Für einen Gleichlauf spricht, dass der Gesetzgeber sich bei der Ausgestaltung des Grundrechts, d. h., um bei dem obigen Wortpaar zu bleiben, bei seiner Tätigkeit innerhalb des Schutzbereichs, mit der gleichen Situation konfrontiert ist, wie auch außerhalb des Schutzbereichs. Dies wird insbesondere an der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Fällen deutlich, in denen bei der Schaffung einer schutzbereichausgestaltenden Regelung die Interessen von zwei sich gegenüberstehenden Grundrechtsträgern kollidieren. Auch hier besteht die Verpflichtung des Gesetzgebers, die widerstreitenden Interessen zu einem sachgerechten Ausgleich zu bringen231. Liegt jedoch die gleiche Situation vor, so ist auch das gleiche Instrumentarium zur Bewältigung anzuwenden232. Damit ist davon auszugehen, dass auch bei der Ausgestaltung eines Schutzbereichs der Gesetzgeber an Überund Untermaßverbot zu messen ist.
c) Bedeutung der Grundrechtsbelastung Jedoch kann die Absicherung der These von einem Gleichlauf der Anforderungen an den Gesetzgeber innerhalb und außerhalb eines Schutzbereichs hier noch nicht stehen bleiben. Bislang wurden die einschlägigen Grundrechtsfunktionen, die Bindung des Gesetzgebers an Übermaß- oder Untermaßverbot, von den jeweiligen Beeinträchtigungen der Grundrechte ausgelöst. Drohte ein dem Staat zurechenbarer Eingriff, kam das Übermaßverbot zur Anwendung; erfolgte die Bedrohung durch einen Privaten, entfalteten die Grundrechte ihre objektive Wirkung. An dieser Stelle, so scheint es, muss eine Gleichstellung zwischen der gesetzgeberischen Tätigkeit innerhalb und außerhalb des Schutzbereiches scheitern. Der Schutzbereich geht dem Eingriff sachlogisch voraus. Demnach kann ein den Schutzbereich konstituierendes Gesetz nicht in den Schutzbereich eingreifen233. Statt von außen eine garantierte Freiheit zu begrenzen, erfolgt eine Bestimmung der Gren231 BVerfGE 37, 132 (140); BVerfGE 79, 292 (303) – Eigenbedarf; BVerfGE 89, 1 (6); BVerfG NJW 2000, 2658 (2659) – Treppenlift. 232 Vgl. auch Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 19. 233 Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 149; Gellermann, Grundrechte, S. 96 f.
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zen des Grundrechts von innen her234. Insofern erscheint es konsequent, wenn das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich zwischen Ausgestaltung und Begrenzungen, d. h. eingreifenden Regelungen trennt235. Ebenso verhält es sich mit dem Untermaßverbot. Die grundrechtliche Schutzpflicht knüpft an den bestehenden Schutzbereich an236, so dass auch insofern eine ausgestaltende Norm grundsätzlich nicht an dieser Schutzpflicht gemessen werden kann. Demnach erscheint die Übertragbarkeit der Maßstäbe auf die Fälle der Ausgestaltung nicht möglich. aa) Begründung von Schutzpflichten schon bei der Ausgestaltung Die an diesem Stand der Untersuchung besonders interessierende Verpflichtung des Gesetzgebers zum Schutz der Grundrechte und damit die Geltung des Untermaßverbots kann schon für die Schaffung des Schutzbereiches hergeleitet werden. Ausgestaltung und Schutz können nicht als voneinander getrennte Kategorien gedacht werden237. Vielmehr hat der Gesetzgeber schon bei der Ausgestaltung die für das Eigentumsrecht typischen Gefährdungslagen zu beachten und einen entsprechenden Schutz zu etablieren238. Es wäre mithin auch nicht verständlich, warum den Gesetzgeber der Auftrag zur Schaffung eines effektiven Schutzes erst treffen sollte, wenn das Eigentumsobjekt bereits entstanden ist. Die damit einhergehende zeitliche Lücke bis zur Etablierung der Grundrechtssicherung wäre mit der bereits erwähnten Erstreckung des Auftrags auch auf die Effektivität des zu gewährenden Schutzes239 nicht vereinbar. bb) Entsprechung hinsichtlich der Eingriffssituation Zu prüfen ist jedoch, ob auch ein Eingriff bereits in dieser Phase denkbar ist. Dies ist schon mit Blick auf die weitere Untersuchung relevant. Der obigen Beobachtung, nach der ein Eingriff auszuscheiden scheint, kann ihr Gewicht nicht durch das Argument genommen werden, dass eine Trennung zwischen der Ausgestaltung und der Veränderung bestehender Rechte nur theoretisch möglich sei. Zwar ist zuzugeben, dass heute eine Änderung der Eigentumsordnung meist auch bereits bestehende Eigentumsrechte betrifft und in diese eingreift. Zwingend ist dies indessen nicht. Neben dem in der Literatur herangezogenen Beispielsfall hinsichtlich eines gesetzlichen Verbots der Aneignung herrenloser Tiere gem. §§ 958 ff. BGB240, ist, gerade im vorliegenden Kontext, an die Schaffung neuer 234 235 236 237 238 239 240
So ausdr. BVerfGE 7, 377 (404); sowie im Anschluss daran Schwabe, Probleme, S. 128. Vgl. BVerfGE 52, 283 (299) – Tendenzschutz; BVerfGE 57, 295 (320) – FRAG. Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 111 Rn. 94; Ruffert, Vorrang, S. 192. Vgl. Sachs, in: Stern, Staatrecht III / 2 S. 388 f.; BVerfG NJW 1998, 3264 (3265). Vgl. hierzu Ruffert, Vorrang, S. 192 f. Vgl. oben, § 6, Text bei Fn. 100. v.Arnauld, Freiheitsrechte, S. 136 f.
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Gesellschaftsformen zu denken, die alternativ neben die bereits bestehenden treten, ohne sie zu ändern. Ergänzungen des Kanons der Gesellschaftsformen sind denn auch in jüngerer Zeit erfolgt, so durch die Einführung der Partnerschaftsgesellschaft (PartG) oder auch, diesmal mit starken europäischen Einflüssen, durch die Einführung der Europäischen Wirtschaftlichen Interessenvertretung (EWiV) sowie der Europäischen Aktiengesellschaft (SE). Zumindest im Fall der beiden letztgenannten Formen trat eine neue Eigentumsform241 neben den etablierten Kanon, ohne bestehendes Eigentum zu tangieren242. Es wird demnach deutlich, dass eine Ausgestaltung nicht zwingend auch bestehende Eigentumsrechte verändern muss. Doch auch trotz dieser Unterschiede ist an einer Gleichbehandlung der gesetzgeberischen Tätigkeit festzuhalten. Der Grundrechtseingriff im Sinne einer von außen an den bestehenden Schutzbereich herangetragenen Begrenzung findet nämlich auch auf der Ebene der Ausgestaltung in der gesetzgeberischen Tätigkeit sein Äquivalent. Aus den obigen Erwägungen zum Erfordernis eines genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs folgt, dass es der Sinn eines solchen Paradigmas ist, eine Grenze für die gesetzgeberische Tätigkeit zu setzen243. Es ist dem Gesetzgeber als Rahmen sachlogisch vorgegeben244. Ihm kommt damit im Rahmen der Ausgestaltung die gleiche Funktion zu, wie einem Schutzbereich. In beiden Fällen stellt die einfachgesetzliche Regelung eine zu rechtfertigende Belastung eines in der Normenhierarchie höherstehenden Gutes dar. Folglich liegt auch insofern ein Gleichlauf vor, weshalb die Anwendung des Übermaßverbots zu bejahen ist. d) Bezugsgröße der verfassungsrechtlichen Maßstäbe Sowohl das Untermaß- als auch das Übermaßverbot bedürfen eines Maßstabs, einer Bezugsgröße245, mit der das Gesetz bei Anlegung der Parameter verglichen werden kann. Die Anerkennung der Ausgestaltung des Schutzbereichs durch den Gesetzgeber schließt indessen einen solchen plausiblen Bezugspunkt nicht aus246. 241 Die Mitwirkung des europäischen Verordnungsgebers steht dieser Einschätzung nicht entgegen, vgl. BVerfGE 45, 162 (169); BVerfGE 101, 239 (258); Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 18. 242 Ob dies auch im Fall der Partnerschaftsgesellschaft gegeben ist, bedürfte weiterer Untersuchungen. Da mit § 11 PartGG die Möglichkeit, die Bezeichnung „und Partner“ zu führen, auf Partnerschaftsgesellschaften beschränkt wurde, stellt sich die Frage nach dem eigentumsrechtlichen Schutz von Geschäftsbezeichnungen und mithin des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs (vgl. Castan, Die Partnerschaftsgesellschaft, S. 65). Mangels Bedeutung für die weitere Untersuchung soll diese Frage jedoch an dieser Stelle offen bleiben. 243 Vgl. oben, § 4, Text bei Fn. 277. 244 Vgl. auch Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 182: „Von „Ausgestaltung“ kann schon begrifflich nur dort die Rede sein, wo etwas Auszugestaltendes vorhanden ist“. 245 So die Formulierungen bei Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 162. 246 So aber Wendt, a. a. O.; Bryde, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 63; Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 118 f.
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aa) Die Leitidee des grundsätzlich unbegrenzten Eigentums Wie bereits oben dargelegt, ist es der Zweck des genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriffs, der gesetzgeberischen Ausgestaltung einen Maßstab zu setzen. Nach dem hier vertretenen zivilrechtsakzessorischen Eigentumsbegriff ist es die in § 903 S. 1 BGB zum Ausdruck gebrachte Eigentumsvorstellung, die der Gesetzgeber beachten muss. Daraus folgt, dass der Gesetzgeber seine Handlungen an einem grundsätzlich unbeschränkten Eigentumsbegriff messen lassen muss247. Nach der verfassungsrechtlichen Leitidee kommen dem Eigentümer grundsätzlich umfassende Herrschafts- und Verfügungsbefugnisse über ein Eigentumsobjekt zu. Nur eine solche Deutung entspricht der traditionellen Interpretation des paradigmatischen § 903 S. 1 BGB248. Sofern mit der Ausgestaltung eine Beschränkung einer denkbaren Nutzung einhergeht, ist diese nach den obigen Grundsätzen zu rechtfertigen249. Veranschaulichen lässt sich dies etwa am Beispiel des GmbH-Anteils: Da es sich um eine Form des Anteilseigentums handelt, steht dem Eigentümer eine prinzipiell umfassende Verfügungsmöglichkeit zu. Die mit der Ausgestaltung einhergehende Beschränkung der Möglichkeiten gem. § 15 Abs. 3 GmbHG bedarf der Rechtfertigung. bb) Gegenthese: Begrenzung auf die Institutsgarantie Indessen geht die überwiegende Ansicht im Schrifttum mit unterschiedlichen Ansätzen davon aus, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung Grenzen nur durch die Institutsgarantie gesetzt werden250. Auch das Bundesverfassungsgericht neigt dieser Ansicht zu251. Bei einer solchen Beschränkung auf die Wahrung des Eigentumsinstituts käme dem Gesetzgeber ein weiterer Spielraum zu. Er müsste nur die aus dem genuin verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff folgenden Mindestanforderungen wahren252. Nur sofern dieses Mindestmaß tangiert ist, sind die Ausgestaltungen am So auch Bryde, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 63. So schon Blumann, Bürgerliches Gesetzbuch, Vorbemerkungen zu § 903, Anm. 1: „Während die anderen dinglichen Rechte begrifflich begrenzte Rechte an der Sache sind, ist das Eigentum das begrifflich unbegrenzte Sachenrecht. Jene gewähren die Herrschaft über die Sache in bestimmten Richtungen, das Eigentum gewährt eine Herrschaft in jeder Richtung“. 249 Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 61 f. 250 So u. a. Schwerdtfeger NvwZ 1982, 8; Gellermann, Grundrechte, S. 321. 251 BVerfG EuGRZ 1999, 415 (419); hinsichtlich der Schutzpflichten auch die Tendenz in BVerfG NJW1998, 2064 (2065); nicht ganz auf dieser Linie liegt m. E. die Aussage in BVerfGE 52, 1 (30) – Kleingartenrecht, da hier ausgeführt wird, dass die Frage, welche Beschränkungen möglich seien, von den konkreten Verhältnissen abhinge, während die Erhaltung der Substanz in jedem Fall gewahrt sein müsse. 252 So etwa Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 253. 247 248
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Verhältnismäßigkeitsprinzip zu messen. Ebenso können nur Bedrohungen dieser Grundrechtssubstanz eine Schutzpflicht auslösen253. Auch eine solche Sicht könnte man versuchen, unter dem hier befürworteten verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff zu konstruieren. Der Gesetzgeber müsste sich demnach nicht rechtfertigen, wenn er die Nutzungsmöglichkeiten auf bestimmte Formen begrenzt oder die Möglichkeit zum Ausschluss eines jeden Dritten verneint. Vielmehr wäre er frei, ein dem Einzelnen zugeordnetes Rechtsobjekt zu schaffen, das dieser noch irgendwie rechtlich und tatsächlich nutzen kann und auf das nicht jeder Dritte zugreifen kann, ohne, dass die ausgeschlossenen Nutzungen oder die geschaffenen Zugriffsrechte rechtfertigungsbedürftig wären. cc) Würdigung Indessen vermag ein solcher Versuch der Begrenzung nicht zu überzeugen. Schon die obigen Ausführungen, als auch die in der Literatur vorgenommenen Versuche einer Beschreibung eines Grundrechtsinstituts254, machen deutlich, dass die Bestimmung eines Schutzkerns, eines verfassungsrechtlichen Mindestmaßes, kaum möglich ist. Die Unterscheidung zwischen dem verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaß und einem darüber hinausgehenden Bestand ist praktisch nicht möglich255. Der Vorstellung von einem grundsätzlich unbegrenzten Eigentum kann auch nicht der Vorwurf entgegengehalten werden, die Anforderungen an den Gesetzgeber liefen auf eine Fiktion hinaus, da dem Gesetzgeber etwas als grundsätzlich unbeschränkt vorgegeben werde, was erst durch diesen Akt der Gesetzgebung zu schaffen sei256. Die Vorgaben an das gesetzgeberische Handeln sind nicht zeitlich, sondern logisch zu verstehen257. Es handelt sich um zwei gedankliche Schritte, auch wenn diese in einem Akt der Ausgestaltung zusammenfallen258. Schon die Systematik, die räumliche Trennung zwischen dem Schutzgut i. S. d. Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG und den Grenzen der Eigentümerbefugnisse durch die Interessen der Allgemeinheit i. S. d. Art. 14 Abs. 2 GG weisen in diese Richtung259. Die hier vertretene Vermutung zugunsten der Freiheit des Einzelnen führt auch nicht dazu, dass eine Beschränkung, etwa der Nutzungsrechte, unmöglich Schwerdtfeger NVwZ 1982, 8; BVerfG NJW 1998, 2064 (2065). Vgl. etwa Gellermann, der bei der Darstellung der grundlegenden Elemente des Instituts der Ehe selbst „ohne Anspruch auf Vollständigkeit“ vorgeht (Grundrechte, S. 320). 255 Dietlein, Die Lehre, S. 78. 256 Koch, Grundrechtsschutz, S. 346. 257 So in ähnlichem Zusammenhang Leisner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR VI, § 149 Rn. 134. 258 Depenheuer, in: v.Danwitz / Depenheuer / Engel S. 168 f.; ders., in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 62. 259 Leisner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR VI, § 149 Rn. 134. 253 254
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würde260. Jedoch verhilft sie im Fall von Beschränkungen dem rechtsstaatlichen Verteilungsprinzip zu voller Geltung, da der Gesetzgeber hier jeden seiner Schritte rechtfertigen muss und nicht nur solche, die die Institutsgarantie betreffen261. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass oberhalb einer solchen Grenze kein Rechtfertigungsbedürfnis bestehe262. Zum einen ist hier auf die bereits beschriebene Unsicherheit hinsichtlich des Grenzverlaufs zu verweisen. Zum anderen kann auch den so genannten Randgebieten, vor allem wegen der Gefahr fortschreitender Aushöhlung eines Grundrechts durch nachträgliche Gesetzesänderungen, nicht eine Schutzwürdigkeit nur niedrigeren Ranges zukommen263. e) Ablehnung einer verminderten Intensität der Bindungen bei der Ausgestaltung Wurde vorstehend die Geltung von Über- und Untermaßverbot bejaht, sowie der Maßstab dargelegt, der für die Bewertung maßgeblich ist, so ist zum Abschluss auf die Frage der Intensität der Bindung an diese Maßstäbe einzugehen. So wird vertreten, dass dem Gesetzgeber trotz Geltung des Übermaßverbots ein größerer Spielraum offen stehe, als außerhalb des Schutzbereichs, dem Maßstab also eine geringere Intensität zukomme264. Ein solcher Ansatz vermag jedoch nicht zu überzeugen. Zur Rechtfertigung kann nicht auf eine generalisierende Sicht verwiesen werden. Zwar könnte man argumentieren, dass ein weiterer Spielraum deshalb gerechtfertigt ist, da die Grundrechte der gesetzgeberischen Ausgestaltung bedürfen. Die legislative Tätigkeit nutze deshalb dem Grundrecht insgesamt265, weshalb weitere Beschränkungen zulässig sein müssten. Durch eine solche Sicht würde jedoch die primär individualrechtliche Ausrichtung der Grundrechte vernachlässigt und damit der Individualschutz verringert266. Vielmehr ist, zumindest im Fall der Eigentumsgarantie, im Interesse des Individualschutzes das Gegenteil der Fall. Aus dem Schutzgut folgt nach hier vertretener Ansicht die grundsätzlich umfassende Freiheitsvermutung. Demnach liegt ein Gleichlauf zur Wirkung der Schutzbereiche insofern vor, als dass nach der liberalen Grundrechtsidee der Schutzbereich grundsätzlich umfasVgl. hierzu schon oben, § 4, Text bei Fn. 343 ff. Vgl. zu dem Gedanken des Verteilungsprinzips Depenheuer, in: v.Danwitz / Depenheuer / Engel, S. 169 f.; dens., FS Leisner, S. 289. 262 In diese Richtung wohl Schwerdtfeger NVwZ 1982, 8: „Der Verfassungsgeber kann nicht antizipiert und unbesehen all das für wertvoll gehalten haben, was der Gesetzgeber im Rahmen des Art. 14 I 2 GG als Einzelinhalt des Eigentums bestimmt“ (Hervorhebung hinzugefügt, andere im Original). 263 Ähnl. Canaris JZ 1987, 995 mit Bezug auf die Ausgestaltung der Privatautonomie. 264 Ruffert, Vorrang, S. 118. 265 Die Bedeutung des ausgestaltende Gesetzgebers im Verfassungsgefüge betont etwa Häberle, Wesensgehalt, S. 180 ff. 266 Vgl. Jarass AöR 110 (1985), 391 f. 260 261
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send alle in Betracht kommenden Handlungsmöglichkeiten garantiert267. Ein solcher Gleichlauf fordert dann jedoch auch eine gleiche Intensität des vom Gesetzgeber zu beachtenden Maßstabs. Dass im Fall der Ausgestaltung noch keine grundrechtlich gefestigte Position gegeben ist, kann mit Blick auf diese Parallelen nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen268. Eine Abschwächung des rechtsstaatlichen Verteilungsgrundsatzes zum Nachteil des Bürgers kann damit nicht begründet werden.
2. Mögliche Abweichung aufgrund der Gemeinwohlbindung gem. Art 14 Abs. 2 S. 2 GG Die Eigentumsgarantie hält jedoch eine weitere Eigenart bereit, auf die im vorliegenden Zusammenhang eingegangen werden muss.
a) Die Bindung des ausgestaltenden Gesetzgebers gem. Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG Das Grundrecht selbst beinhaltet mit Art. 14 Abs. 2 GG eine Vorgabe, eine verbindliche Richtschnur für den ausgestaltenden Gesetzgeber269. Wenn dieser Einschätzung entgegengehalten wird, Art. 14 Abs. 2 GG entfalte seine Wirkung unmittelbar gegenüber dem einzelnen Eigentümer270, so kann dies nicht überzeugen. Eine solche Sicht widerspricht schon dem oben dargelegten grundsätzlich unbegrenzten Verfassungseigentum. Daneben kann mit einem bereits in der Verfassung vorgenommenen Interessenausgleich nicht auf das Bedürfnis einer Neubewertung aufgrund veränderter Verhältnisse reagiert werden271. Wollte man dies mit der Figur des Verfassungswandels bewerkstelligen, so wüchse der Verfassungsrechtsprechung wieder eine enorme Verantwortung zu, die mit Blick auf die Gefahr des Jurisdiktionsstaats bedenklich wäre. Es ist demnach daran festzuhalten, dass sich Art. 14 Abs. 2 GG an den ausgestaltenden Gesetzgeber richtet272. Vgl. Burmeister, FS Stern, S. 839 ff.; ähnlich Gersdorf DÖV 1990, 514 f. So aber Ruffert, Vorrang, S. 118. 269 BVerfGE 25, 112 (117); BVerfGE 37, 132 (140); Rittstieg, in: AK, GG, Art. 14 / 15 Rn. 158. 270 Friedrich WuW 1979, 91; Badura, in: Benda / Maihofer / Vogel, Hdb VerfR, § 10 Rn. 24; vermittelnd Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rn. 152 ff., der ein zumindest teilweise bestehendes Bedürfnis zu gesetzgeberischer Konkretisierung einräumt. 271 Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 16; zur Wandelbarkeit des Allgemeinwohls am Bsp. der Eisenbahn Pommer, Bahnreform, S. 19 f. Demnach kann aus Art. 14 Abs. 2 GG ohne gesetzgeberische Konkretisierung keine verbindliche Lösung für Gesetzeslücken entnommen werden, so dass die Anerkennung der unmittelbaren Wirkung zur Vermeidung von Schutzlücken (vgl. Frenz, Das Verursacherprinzip, S. 146) nicht geboten ist. 267 268
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Teilweise wird Art. 14 Abs. 2 GG auch als Grundlage des Interessenausgleichs der sich im Privatrecht entgegenstehenden Parteien herangezogen273. Die Gemeinwohlbindung gem. Art. 14 Abs. 2 GG soll dabei auch Interessen des Einzelnen erfassen können274. Damit würde sich auch unter Beachtung des Art. 14 Abs. 2 GG die Ausgestaltung des Privatrechts nicht von anderen Grundrechten unterscheiden. b) Abgrenzung zur Gemeinwohlklausel gem. Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG Indessen ist eine solche, auch die Belange Privater erfassende Interpretation des Art. 14 Abs. 2 GG nicht so einfach möglich, wie es auf den ersten Blick scheint. Eine Beziehung zwischen dem Eigentum und dem Wohle der Allgemeinheit wird im Grundgesetz nämlich auch in Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG hergestellt. Im Rahmen der Enteignungsvoraussetzungen ist jedoch anerkannt, dass private Interessen nicht als Gemeinwohl genügen können275. Scheidet aber die private Konfliktschlichtung als Allgemeinwohlbelang im Rahmen einer Enteignung aus276, so liegt es nahe, diesen Schluss auch für die Begriffsverwendung im Rahmen des Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG zu ziehen. Dann wäre jedoch die Frage zu stellen, inwieweit im Rahmen von Inhalts- und Schrankenbestimmungen ein solches Allgemeinwohl verfolgt werden muss und mithin, inwieweit der im Privatrecht zu gewährleistende Interessenausgleich im Rahmen der Ausgestaltung erfolgen kann277. Eine identische Bedeutung des Wohles der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 GG kann indessen nicht aufrechterhalten werden. Dies folgt aus der unterschiedlichen Funktion der Normen. Während Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG erhöhte Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Enteignung aufstellt und damit dem Schutz des Einzelnen dient, bringt Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG eine Vorgabe für den 272 So auch Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 202: „Adressat der Sozialbindung des Art. 14 Abs. 2 GG ist unmittelbar der Gesetzgeber. [ . . . ] Art. 14 Abs. 2 GG enthält keine unmittelbare Verpflichtung des Eigentümers. Die einzige unmittelbare Wirkung von Art. 14 Abs. 2 GG i.V. m. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG ist, dass die Ausübung bestehender Eigentumsrechte nicht absolut ist“. 273 Vgl. nur Schwerdtfeger, Dogmatische Struktur, S. 18: „Teilweise im privatrechtlichen Interessenausgleich, vor allem aber bei inhaltsbestimmenden Normen des öffentlichen Rechts ist gleichzeitig die Sozialbindung des Art. 14 II GG eine „verbindliche Richtschnur“ des Art. 14 II GG [ . . . ]“ (Hervorhebung im Original). Aus der Rspr. etwa BVerfGE 50, 290 (340) – Mitbestimmung; BVerfGE 68, 361 (370 f.); BVerfGE 89, 29 (32). 274 So deutlich BVerfGE 37, 132 (140). 275 Bullinger Der Staat 1 (1962), 450 f.; Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rn. 394; Bryde, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 84; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 942; jeweils m. w. N. 276 So ausdr. Papier, in: MD, GG, Art. 14 Rn. 577; ähnl. Pommer, Bahnreform, S. 190. 277 Vgl. Schwabe JZ 1983, 275 mit Fn. 19; für eine Unanwendbarkeit des Art. 14 Abs. 2 GG im Rahmen des Privatrechts etwa Schön, FS Ulmer, S. 1383.
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Gesetzgeber, einen in der Abwägung zu berücksichtigenden Aspekt in die Ausgestaltung ein278. Diese Funktionen müssen bei der Auslegung der Begriffe berücksichtigt werden. Wird durch Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG nur der Kreis der in der Abwägung zu berücksichtigenden Aspekte erweitert, so ist nicht erforderlich, dass diesen Interessen von vorneherein Vorrang vor den Interessen des Eigentümers zukommt. Damit ist Raum für die Berücksichtigung anderer Privatinteressen, die auf grundsätzlich gleicher Ebene mit denen des Eigentümers stehen279. Im Fall der Enteignung hingegen erfordert der Individualschutzgedanke, dass nur solche Belange berücksichtigt werden, denen von vorneherein ein im Verhältnis zum Eigentümer gesteigertes Gewicht zukommt280. Dem entspricht auch die Wortwahl des Grundgesetzes, da im Rahmen der Enteignung nicht ausreichend ist, dass diese dem Allgemeinwohl dient. Vielmehr muss sie hierfür erforderlich sein281. Damit ist bei der Auslegung des Art. 14 Abs. 3 S. 1 GG eine engere Grenzziehung geboten. In Anbetracht dieser Ausführungen wird deutlich, dass die für Art. 14 Abs. 3 GG anerkannten Begrenzungen der Gemeinwohlbelange nicht auf die wortgleiche Formulierung in Art. 14 Abs. 2 S. 2 GG übertragen werden können. Demnach ist es auch mit der angesprochenen Ansicht möglich, die kollidierenden Interessen Einzelner in dieser Norm zu verankern. Daraus folgt, dass die in Art. 14 Abs. 2 GG enthaltene Richtschnur für den ausgestaltenden Gesetzgeber keine Besonderheiten bewirkt, die einer Übertragung der oben erarbeiteten Grundsätze auf die Eigentumsgarantie entgegen stünden. Auch ist es nicht erforderlich, die Unanwendbarkeit des Art. 14 Abs. 2 GG für den Fall des Interessenausgleichs unter Privaten zu begründen.
278 Vgl. hierzu und zum Folgenden Böhmer abw.M. BVerfGE 56, 266 (275 ff); v.Brünneck, Eigentumsgarantie, S. 407. 279 Vgl. Bullinger Der Staat 1 (1962), 451: „Vor der Verfassung, im besonderen vor der Eigentumsgarantie, ist jedes Privateigentum [ . . . ] von prinzipiell gleichem Rang“. 280 Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rn. 394 f.; Wendt, in: Sachs, GG, Art. 14 Rn. 160; Benda, in: Benda / Maihofer / Vogel, Hdb VerfR, § 10 Rn. 62. 281 Böhmer abw.M. BVerfGE 56, 266 (276).
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2. Teil: Die Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten
§ 7 Die untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten Unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen ist nunmehr die Verfassungsmäßigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten zu beleuchten.
I. Verfassungsmäßigkeit der einschlägigen Normen unter Privaten Sofern das Bundesverfassungsgericht über die hier untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten zu entscheiden hatte, wurde die Verfassungsmäßigkeit der ihnen zugrunde liegenden Normen als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Anteilseigentums bejaht282. Dies gilt auch für die wohl intensivste Form der Beeinträchtigung des Eigentums, den völligen Verlust. Das Bundesverfassungsgericht hatte mehrfach ausgeführt, dass die Eigentumsgarantie nicht auch die Gewissheit erfasst, dass der einzelne Aktionär immer in der Gesellschaft verbleiben kann283. Auch für das Squeeze-out gem. §§ 327a ff. AktG, gegen das bisher noch keine Verfassungsbeschwerde eingereicht wurde, ist keine abweichende Beurteilung zu erwarten284. Die zivilrechtliche Rechtsprechung geht unter ausdrücklichem Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts von der Verfassungsmäßigkeit des Squeeze-out aus285. Der garantierte Bestand ist damit von vorneherein mit der Gefahr der Auflösung belastet. Für die Konstellationen unter Privaten ist an dieser Einschätzung festzuhalten. Dies gilt auch, obwohl nach hier vertretener Ansicht den mitgliedschaftlichen Aspekten des Anteilseigentums der Kleinaktionäre ein stärkeres Gewicht zukommt, als nach der Rechtsprechung des BVerfG286. Seinen Grund findet dies darin, dass sich auch die Mehrheitsgesellschafter hinsichtlich der Leitung der Gesellschaft auf die Eigentumsgarantie berufen können. Die schon im Wortlaut des § 903 S. 1 BGB verankerte Berechtigung, mit dem Eigentumsobjekt „nach Belieben verfahren“ zu können, diese grundsätzlich umfas282 Vgl. BVerfGE 14, 263 (277 f.) – Feldmühle; BVerfGE 100, 289 (302); BVerfG NZG 2000, 194 (195) – Scheidemantel II; weiterhin Pötzsch / Möller WM 2000, Beilage 2, S. 30. 283 Statt vieler BVerfGE 14, 263 (278) – Feldmühle; BVerfG NJW 2001, 279 (279) – Moto Meter zur übertragenden Auflösung; vgl. dazu auch Halm NZG 2000, 1165; Bauer NZG 2000, 1214. 284 Land / Hasselbach DB 2000, 562; auch zielte der Gesetzgeber auf eine Anlehnung an die Rechtsprechungsgrundsätze ab. 285 LG Osnabrück AG 2002, 527 (527) – KM Europa; sowie LG Osnabrück, Beschl. v. 5. 7. 2002 – 13 O 249 / 02. 286 Vgl. oben, § 4, Text bei Fn. 504 ff.
§ 7 Die untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse
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sende Nutzungsbefugnis beinhaltet auch das Recht, das Eigentum zu zerstören287. Dass demnach auch die Befugnis zur Vernichtung von Anteilseigentum gewährt ist, ist bei einer Einmann-AG oder einem einstimmig gefassten Auflösungsbeschluss mehrerer ohne weiteres einsichtig. Aber auch ein solcher Beschluss, der nur mehrheitlich gefasst wird und damit zu Lasten der übrigen Anteilseigentümer geht, findet seine Berechtigung in der Nutzungsbefugnis der Mehrheitsgesellschafter. Auch hier stellt sich die Auflösung als Eigentumsgebrauch dar und da von einem grundsätzlich unbegrenzten Eigentumsbegriff auszugehen ist, scheitert dies auch nicht daran, dass der Gebrauch einen Dritten belastet. Dass der Gesetzgeber bei der Herstellung eines Ausgleichs der kollidierenden Interessen dieser Grundrechtsausübung den Vorrang einräumt, ist nicht zu beanstanden. Dies ergibt sich aus den Ergebnissen zur Wirkung der Grundrechte im Privatrecht. Zwar kann man zweifeln, welcher verfassungsrechtliche Maßstab zu Gunsten des Mehrheitsgesellschafters streitet. Zu bedenken ist nämlich, dass die Auflösungsentscheidung gem. § 263 S. 1 AktG der Eintragung bedarf288. Dabei prüft das Registergericht die Einhaltung der diese Grundrechtsausübung beschränkenden Tatbestandsmerkmale289 und zwar unabhängig von einer Inanspruchnahme durch einen Privaten. Da sich die gerichtliche Tätigkeit damit von der oben geschilderten Situation unterscheidet, in der ein Zivilgericht nur als Instrument privater Berufung auf Gegenrechte dient, kann man fragen, ob hier schon eine Zurechnung der Einschränkung zum Staat möglich ist. Für die vorliegende Untersuchung bedarf es jedoch keiner Klärung, da der Frage keine Relevanz für das Ergebnis zukommt290. Fest steht, dass der Minderheitsgesellschafter in jedem Fall nur die Etablierung eines dem Untermaßverbot entsprechenden hineichenden Schutzes verlangen kann. Dieses Schutzbedürfnis ist jedoch wiederum unter Berücksichtigung der Freiheitsvermutung zugunsten der Gegenpartei zu bestimmen. Der Möglichkeit, sich auch gegen die Minderheitsgesellschafter durchzusetzen, kommt für die Freiheitsausübung der Mehrheitsgesellschafter hohe Bedeutung zu. Wenn demgegenüber eingewandt wird, die Privaten hätten diese Hemmnisse hinzunehmen und könnten einen Ausschluss nur bei schwerwiegenden Gründen rechtfertigen291, so verkennt dies die Bedeutung der Freiheit der Mehrheitsgesellschafter. Mit Blick auf die umfassende Freiheit kann es auch nicht überzeugen, über die gesetzlichen Anforderungen hinaus bei bedeutsamen Hauptversammlungsbeschlüssen eine sachliche Rechtfertigung zu fordern. Weiterhin wird die Beeinträchtigung der Minderheitsgesellschafter durch die Barabfindung abgemildert. Schließlich steht ihnen ein umfassendes InstrumentaVgl. schon oben § 4, Text bei Fn. 323. Vgl. auch §§ 327e Abs. 1 S. 1 AktG, 198 Abs. 1 UmwG. 289 Vgl. nur Hüffer, in: Münchener Kommentar, AktG, § 263 Rn. 9. 290 So wird auch angeführt, dass die hier vertretene Ansicht und das überwiegend vertretene Modell grundsätzlich zu den gleichen Ergebnissen führen, vgl. Canaris, Grundrechte u. Privatrecht, S. 19 mit Fn. 28. 291 Fechner, Verfassungswidrigkeit, S. 13 ff. 287 288
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2. Teil: Die Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten
rium zur gerichtlichen Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und möglicher Missbräuche zur Verfügung. Was hier für den Fall der Auflösung diskutiert wurde, gilt entsprechend für die übrigen Hauptversammlungsbeschlüsse292. Demnach sind die Regelungen in privat beherrschten Gesellschaften nicht zu beanstanden. Es handelt sich mithin um wirksame Inhalts- und Schrankenbestimmungen, durch die eine Verletzung des Grundrechts nicht gegeben ist293.
II. Abgrenzung zur Enteignung 1. Abgrenzung Auch ist an dieser Stelle zu verdeutlichen, dass es sich bei den hier relevanten Fällen um Inhalts- und Schrankenbestimmungen und nicht um Enteignungen handelt. Zwar könnte man mit Blick auf den vollständigen Verlust der Aktionärsstellung an eine Enteignung denken294. Insbesondere im Fall des Squeeze-outs läge auch die teilweise für erforderlich gehaltene Übertragung des Objekts auf einen anderen Rechtsträger vor, der dieses dann als Eigentümer nutzt295. Im Ergebnis vermag eine solche Überlegung jedoch nicht durchzugreifen296. Art. 14 Abs. 3 GG erfasst nur den finalen Entzug des Eigentums. Die „Inanspruchnahme muß [im Fall der Enteignung] objektiv erkennbar sein und unmittelbar zum Zwecke einer qualifizierten öffentlichen Aufgabe erfolgen“297. Das Verhalten privater, also gerade nicht an die Verfolgung öffentlicher Ziele zu bindender Anteilseigner in einer Hauptversammlung vermag diese Voraussetzungen nicht zu erfüllen298. Ein weiterer Grund, der gegen die Möglichkeit einer Enteignung durch Private spricht, ist, dass der Hauptversammlungsbeschluss nicht die für den Enteignungsakt notwendige Rechtsform aufweist. Mit Blick auf das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses käme überhaupt nur eine Administrativenteignung in Betracht. Eine Legalenteignung scheitert hier schon daran, dass diese ein Gesetz erforderte, das den Rechtsverlust unmittelbar und ohne weiteren Vollzugsakt herZur Kompensation im Fall der Umwandlung unten, § 9, Text nach Fn. 95. Vgl. BVerfG NJW 2002, 1633 (1634). 294 So die Linie von Lege, Zwangskontrakt, S. 83 f. sowie von Berkemann, in: MitarbeiterKomm, GG, Art. 14 Rn. 469. 295 Vgl. Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 75; Jarass NJW 2000, 2844 f.; Manssen, Grundrechte, Rn. 672: „Eine Enteignung liegt deshalb vor, wenn es zu einem Güterbeschaffungsvorgang kommt“. 296 So auch am Bsp. der §§ 327a ff. AktG Wirth / Arnold AG 2002, 504. 297 Schmidt-Aßmann JuS 1986, 837. 298 So auch Zöllner / Noack AG 1991, 161; Kluth ZIP 1997, 1222. 292 293
§ 7 Die untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse
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beiführt.299 Erforderlich ist für eine Administrativenteignung jedoch stets, dass der Eigentumsverlust durch ein hoheitliches Handeln erfolgt300. Dies ergibt sich schon daraus, dass es sich um eine Entziehung des Eigentums handelt, weshalb ein gezielter hoheitlicher Rechtsakt zu fordern ist301. Im Falle eines Hauptversammlungsbeschlusses sind diese Anforderungen ebenso wenig erfüllt, wie in jedem anderen Fall des Handelns Privater302. Das teilweise erhobene Gegenargument, die Enteignung durch Private könne nicht von vorneherein verneint werden, da immer Fallgestaltungen aufträten, bei denen die gesetzlichen Handlungsgrundlagen nur durch die Gewährung einer Entschädigung verhältnismäßig seien303, vermag nicht durchzugreifen. Dass Art. 14 Abs. 3 GG nicht die einzige Grundlage einer Entschädigung für Beeinträchtigungen des Eigentums sein kann, wird schon an dem von Art. 14 GG nunmehr abgekoppelten enteignungsgleichen Eingriff deutlich304. Demnach ist festzuhalten, dass der vollständige oder teilweise Entzug des Eigentums durch einen Mehrheitsbeschluss der Gesellschafter nicht als Enteignung angesehen werden kann. Hat man sich diese Punkte vergegenwärtigt, so wird an dieser Stelle weiterhin klar, dass auch im Fall des durch den Staat herbeigeführten Hauptversammlungsbeschlusses nie eine Enteignung gegeben sein kann. Zwar ist dieser an die Verfolgung öffentlicher Zwecksetzungen gebunden. Auch ist die Entziehung der öffentlichen Hand ohne weiteres zurechenbar305. Die Benutzung privatrechtlicher Handlungsformen kann in Anbetracht des Erfordernisses eines hoheitlichen Handelns jedoch nicht genügen306. 2. Zulässigkeit der Regelung durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen Scheidet mit Blick auf die Ausgestaltung als Hauptversammlungsbeschluss eine Enteignung sowohl in den Fällen staatlicher als auch privater Beherrschung aus, so könnte gerade die Wahl der Eigentumsbeschränkung durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit hervorrufen. Ihren Grund BVerfGE 45, 297 (326); Schmidt-Aßmann JuS 1986, 835. Rozek, Die Unterscheidung, S. 144; Jarass NJW 2000, 2843; Manssen, Grundrechte, Rn. 673; Rüfner, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 48 Rn. 16; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 180. 301 Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 26 Rn. 50. 302 So etwa auch Hösch, Eigentum und Freiheit, S. 221. 303 Lege, Zwangskontrakt, S. 82 mit Fn. 101. 304 Vgl. hierzu Ossenbühl, Neuere Entwicklungen, S. 18. 305 Vgl. zu der hieran anknüpfenden Verneinung einer Enteignung durch Private Wendt, Eigentum und Gesetzgebung, S. 335. 306 So auch ausdr. Rozek, Die Unterscheidung, S. 144; Jarass NJW 2000, 2843. 299 300
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2. Teil: Die Hauptversammlungsbeschlüsse unter Privaten
finden solche Bedenken in den häufig anzutreffenden Formulierungen, wonach der Gesetzgeber bei besonders intensiven Eigentumsbeschränkungen die Grenze dessen, was er durch Inhalts- und Schrankenbestimmungen regeln kann, überschritten habe; zu wählen sei vielmehr das Instrument der Enteignung307. Wird dies für den Fall der Aushöhlung des Eigentums, etwa hinsichtlich der Nutzungsbefugnisse angeführt, so müsste dies erst Recht für einen Substanzverlust gelten. Einer solchen Deutung ist jedoch entschieden entgegen zu treten. Auch mit Hilfe von Inhalts- und Schrankenbestimmungen sind intensive Beeinträchtigungen bis hin zum Substanzverlust möglich308. Dass ein völliger Eigentumsentzug auch außerhalb des Art. 14 Abs. 3 GG möglich sein muss, wird schon mit Blick auf die Regelung des Art. 15 GG deutlich309, bei dem es sich nach richtiger Ansicht nicht um einen bloßen Sonderfall der Enteignung handelt, da sich die beiden Normen in Zielsetzung, Voraussetzungen und Formtypik grundsätzlich unterscheiden310. Zudem setzt das Grundgesetz die traditionell möglichen Eigentumsentziehungen wie etwa die strafrechtliche Einziehung voraus311. Des weiteren muss eine Monopolisierung des vollständigen Entzugs auf Art. 14 Abs. 3 GG an den nicht hinnehmbaren Folgen scheitern. Geht man von der Natur der Enteignung als einem Güterbeschaffungsvorgang aus312, so wird leicht deutlich, welche empfindlichen Lücken bei der Verfolgung öffentlicher Interessen entstünden. Ausscheiden müssten die Fälle, in denen der Entzug des Eigentums nur die notwendige Nebenfolge der Gefahrenabwehr ist. Eine Zwangstötung von Tieren zur Eindämmung oder Verhinderung von Seuchen wäre folglich nicht mehr möglich313. Doch auch wenn man die Begrenzung der Enteignung auf die Güterbeschaffung ablehnt314, wären unhaltbare Konsequenzen zu befürchten. Da, wie vorstehend ausgeführt, privatrechtliche Handlungsformen für eine Enteignung nicht genügen, wäre unter Privaten stets die Zwischenschaltung einer hoheitlich handelnden Stelle erforderlich. Schon dies bedeutete eine deutliche Erschwerung des Rechtsverkehrs. Doch auch wo solche hoheitlichen Handlungen schon Realität sind, wären unhaltbare Folgen zu beobachten, da die Enteignung einem öffentlichen Wohl dienen muss, wofür die Interessen Privater nicht ausreichen können. Mithin wäre ein vollständiger Eigentumsentzug im Rahmen der Zwangsvollstreckung zur Befriedigung der finanziellen Interessen eines privaten Gläubigers nicht mehr möglich. 307 Vgl. Rüfner, FS Boujong, S. 650; Depenheuer, in: v.Danwitz / Depenheuer / Engel, S. 195; offenlassend noch BVerfGE 79, 174 (192). 308 Schwerdtfger, Dogmatische Struktur, S. 24; Roller NJW 2001, 1007. 309 BVerfGE 22, 387 (422). 310 Rittstieg, in: AK, GG, Art. 14 / 15 Rn. 238; Bryde, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 15 Rn. 6 m. w. N. zum Streitstand. 311 BVerfGE 22, 387 (422); Papier, in: MD, GG, Art. 14 Rn. 657 m. w. N. 312 Lege NJW 1993, 2567; Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 421. 313 Vgl. im vorliegenden Zusammenhang BVerfGE 20, 351 (359) – Tollwütige Tiere; Seiler JuS 2002, 680 f. 314 So etwa BVerfGE 83, 201 (211); Schwabe JZ 1983, 277 f.
Dritter Teil
Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat § 8 Der privatrechtlich handelnde Staat Mit Blick auf das vorherige Ergebnis liegt der Schluss nahe, dass auch dann keine Verletzung von Grundrechten in Betracht kommt, wenn der Staat die gleichen eigentumsrelevanten Hauptversammlungsbeschlüsse durchsetzt. Ist der Schutzbereich von vorneherein wirksam um die Möglichkeit des Verlustes der Mitgliedschaft begrenzt, so kann ein der öffentlichen Hand zurechenbares Verhalten, das diesen Verlust herbeiführt, schon nicht als Eingriff qualifiziert werden1.
I. Die Möglichkeit abweichender Grenzen bei staatlichem Handeln Indes wurde bereits oben begründet, dass ein Sonderrecht der öffentlichen Hand in den Fällen in Betracht kommt, in denen die verfassungsrechtlichen Bindungen eine abweichende Auslegung des Zivilrechts bedingen. Es ist damit nochmals zu unterstreichen, dass durchaus eine strengere Pflichtenbindung der öffentlichen Hand in Betracht kommt. Sucht man nach einem Ansatzpunkt für eine solch unterschiedliche Bewertung im vorliegenden Fall, so ist der wohl maßgeblichste Unterschied zwischen einem privaten und einem öffentlichen Anleger in Erinnerung zu rufen. Im Gegensatz zur öffentlichen Hand ist der Bürger, auf den die Normen des Privatrechts zugeschnitten sind, nicht an die Grundrechte gebunden, sondern aus ihnen berechtigt. Mit Blick auf die bereits herausgearbeitete Bedeutung der Grundrechte für die Normen des Zivilrechts kann dies für die folgende Betrachtung nicht ohne Wirkung bleiben.
II. Bedeutung der Kollisionslage Auch wenn die öffentliche Hand als Mehrheitsgesellschafterin einen der genannten Hauptversammlungsbeschlüsse herbeiführt, kommt es zu einem Interessenkon1
Vgl. Isensee, in: Isesee / Kirchhof, Hdb StR V, § 111 Rn. 42.
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
flikt zwischen Mehrheits- und Minderheitsgesellschafter. Allerdings ist der maßgebliche Unterschied zu den soeben behandelten rein privaten Konstellationen, dass die von der Mehrheit verfolgten Interessen mangels einer Berechtigung der öffentlichen Hand nicht auf Grundrechte zurückgeführt werden können. Die Auswirkungen dieser Abweichung von den rein privaten Konstellationen werden deutlich, wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass die Verfassungsmäßigkeit der privatrechtlichen Norm auf einer Abwägung der Grundrechte der Minderheit mit den Grundrechten der Mehrheit beruht. Mit der Grundrechtberechtigung des Mehrheitsgesellschafters entfällt die Kollisionslage2 und damit ein wesentliches, als Begrenzung dienendes Element, das in der Abwägung den Grundrechten der Minderheit gegenüber zu stellen ist3. Es stellt sich damit die Frage, ob den Grundrechten der Minderheit andere Güter entgegengestellt werden können, um die Zurückstellung zu rechtfertigen oder ob man die bestehende Ausgestaltung nicht dennoch als noch im Rahmen des hinreichenden Schutzes sehen kann.
III. Übermaß- oder Untermaßverbot Ist damit die Verhältnismäßigkeit der Normen hinsichtlich der kollidierenden Güter in Frage gestellt, so ist weiterhin eine Veränderung des Maßstabs, den der Gesetzgeber beim Ausgleich der Interessen zu beachten hat, festzustellen. Die öffentliche Hand ist auch als Mehrheitsgesellschafter nämlich nicht nur nicht grundrechtsberechtigt; vielmehr ist sie grundrechtsverpflichtet. Kommt es durch einen von ihr herbeigeführten Hauptversammlungsbeschluss zu einer Belastung der Grundrechte der Minderheit, so ist für eine Anwendung der Schutzpflichten kein Raum4. Vielmehr liegt ein Eingriff in das grundrechtlich geschützte Anteilseigentum der Minderheitsgesellschafter vor5. Folgerichtig kommen die Grundrechte in ihrer Funktion als subjektive Abwehrrechte gegen den Staat zum Tragen, weshalb die Beeinträchtigung des Grundrechts nicht nur am Untermaßverbot, sondern an dem, wie gesehenen strengeren, Übermaßverbot zu messen ist6. Auch wenn teilweise vertreten wird, die Sonderstellung der öffentlichen Hand sei durch eine nur mittelbare Bindung der Grundrechte, vermittelt über die privatrechtlichen Normen, hinreichend berücksichtigt7, so vermag dies nicht zu überzeugen. Nur durch die unmittelbare Bindung an die Grundrechte wird der Tatsache, dass die öffentliche Hand im Gegensatz zu einem Privaten an die Grundrechte So auch, wenn auch in anderem Zusammenhang, v.Arnauld DÖV 1998, 440. Ähnlich Kämmerer, Privatisierung, S. 465. 4 Vgl. auch hierzu Kämmerer, Privatisierung, S. 465. 5 Vgl. auch Koch, Grundrechtsschutz, S. 367 f. 6 So wie hier Harbarth, Anlegerschutz, S. 89 ff.; in diese Richtung wohl auch Jaeckel, Schutzpflichten, S. 40 mit Fn. 54. 7 So Dürig, in: MD, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 480 ff. 2 3
§ 8 Der privatrechtlich handelnde Staat
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gebunden ist, Rechnung getragen8 und einer Abschwächung des Schutzes entgegengewirkt9. Deutlich herauszustellen ist damit, dass im Fall der von der öffentlichen Hand herbeigeführten Grundrechtsbelastung strengere Maßstäbe gelten, als in dem sehr ähnlichen Vergleichsfall, in dem die gleiche Situation durch einen privaten Mehrheitsgesellschafter herbeigeführt wird. Dafür, dass eine solche unterschiedliche Behandlung in Betracht kommt, wurde bereits oben, bei der Begründung des Sonderrechts, der Weg bereitet. Gleichwohl erscheinen hier weitere Ausführungen geboten. Gerade in den beschriebenen Dreieckskonstellationen, bei denen Belastungen von Privaten ausgehen, wird die Möglichkeit unterschiedlicher Maßstäbe gewissermaßen unter umgekehrten Vorzeichen diskutiert. Die Erkenntnis, dass ein belastender Privatmann weniger engen Grenzen unterliegen solle, als der Staat an der gleichen Stelle, wurde verschiedentlich kritisiert10 und als eigentümlich 11 oder befremdlich empfunden12. Schwabe hat in diesem Kontext angeführt, dass es nur konsequent sei, für den Fall, dass die privaten Handlungen trotz staatlicher Erlaubnis nur am Untermaßverbot gemessen würden, dies auch bei gleichartigem staatlichen Handeln durchzuhalten13. Diese Konsequenz kann indessen nur fordern, wer auch die Prämissen Schwabes akzeptiert. Nach seiner Ansicht führt die staatliche Erlaubnis zu einer dem Staat zurechenbaren Duldungspflicht, weshalb in beiden Fällen eine staatliche Grundrechtsbelastung gegeben ist14. Nach hier vertretener Ansicht scheidet eine solche Zurechnung jedoch aus. Mithin liegt nur in einem Fall ein staatlicher Eingriff, in dem anderen hingegen eine rein private Belastung vor. Konsequent geht dann nur vor, wer auch die unterschiedliche Natur bei der Behandlung der Fälle beachtet und mithin die an dieser Differenz anknüpfenden unterschiedlichen Grundrechtsfunktionen in Rechnung stellt. Dass dies zu unterschiedlichen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit trotz der Inanspruchnahme der gleichen Rechtsinstitute führt, ist nicht befremdlich. Vielmehr wurde bereits oben herausgestellt, dass solche Unterschiede zwischen privatem und staatlichem Vgl. nur Huber StWStP 1997, 434. Hierzu schon Zeidler VVDStRL 19 (1961), S. 228 m. w. N. 10 Schwabe, Probleme, S. 214, 216. 11 Schmidt-Aßmann AöR 106 (1981), 215: „Die Konsequenz wäre eine eigentümliche Teilung zwischen hohen, durch Art. 2 Abs. 2 GG geschützten Standards gegen staatliche Immissionen und schlichten Vorschriften gegen private Immissionen [ . . . ]. Wenn Art. 2 Abs. 2 GG Bedeutung für den Immissionsschutz entfalten soll, dann sicherlich nur einheitlich für alle privat und öffentlich verursachten Immissionen, gestuft nach Maßgabe des Gefährdungspotentials!“ (Hervorhebung im Original). 12 So ausdr. Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 182. 13 Schwabe NVwZ 1983, 526. 14 Vgl. oben, § 6, Text bei Fn. 127 ff. 8 9
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
Handeln ein gängiges und in vielen Fällen durchweg akzeptiertes Phänomen darstellen15. Dies kann auch mit einem weiteren Beispiel untermauert werden. Die öffentliche Hand unterliegt auch im Fall des Baurechts engeren Vorgaben als ein Privater in der gleichen Situation, da ihre Bauwerke stets den allgemeinen Planbindungen unterliegen16. Auch in diesem Fall entspringt diese engere Pflichtenstellung, so wie im hier diskutierten Fall, unmittelbar dem Grundgesetz, nämlich aus der Bindung der öffentlichen Hand an das Rechtsstaatsprinzip17. Solche besonderen Pflichtenstellungen müssen auch bei der Ermittlung der durch eine Norm eröffneten Handlungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Andernfalls würde die materielle Verfassungsordnung vernachlässigt und es käme für die Wirksamkeit einer Norm nur auf die Einhaltung eines formell ordnungsgemäßen Verfahrens an. Folglich sind die Handlungen der öffentlichen Hand hier engeren Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen unterworfen, als die eines vergleichbaren Privaten. Bedenkt man nunmehr die Bindung des Gesetzgebers an die Verfassung auch im Fall der Ausgestaltung des Schutzbereichs des Art. 14 Abs. 1 GG, so kann entgegen der obigen Vermutung das Ergebnis rein privater Sachverhalte nicht übertragen werden. Insbesondere kann aus der zulässigen Begrenzung des Schutzbereichs der Garantie des Anteilseigentums unter Privaten nicht geschlossen werden, dass auch ein vergleichbares Verhalten der öffentlichen Hand den Schutzbereich nicht berührt18. Bedenkt man die umfassende Bindung des Gesetzgebers schon bei der Ziehung der Grenzen des Schutzbereichs, so müssen sich die strukturellen Unterschiede zwischen privatem und staatlichem Mehrheitsgesellschafter auch hier auswirken. Mit Blick auf die strengeren Bindungen der öffentlichen Hand ist zu vermuten, dass hier eine Begrenzung der Position der Minderheitsgesellschafter in gleichem Umfang wie unter Privaten als zu weitgehend anzusehen ist. Im Wege der verfassungskonformen Auslegung müsste für die Fälle der staatlichen Durchsetzung eine ungeschriebene Ausnahme angenommen werden. Eine wirksame Beschränkung des Schutzbereichs des Anteilseigentums der Minderheitsgesellschafter durch Art. 14 GG ausgestaltende einfachgesetzliche Normen des Gesellschaftsrecht wäre mithin zu verneinen. Die Hauptversammlungsbeschlüsse stünden damit für die öffentliche Hand als Mehrheitsgesellschafter nicht zur Verfügung.
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Vgl. oben, § 1, Text bei Fn. 10 sowie § 3, Text bei Fn. 117 ff. Steinberg, Nachbarrecht, Rn. 50 f. BVerwGE 56, 110 (116 f.); BVerwG NJW 1982, 1473 (1473). Ähnl. Möstl, Grundrechtsbindung, S. 87.
§ 9 Verhältnismäßigkeit der untersuchten Normen
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§ 9 Verhältnismäßigkeit der untersuchten Normen bei staatlichem Handeln I. Vorbemerkung Die oben dargelegte unterschiedliche Behandlung des staatlichen Aktionärs im Vergleich zu einem privaten Gesellschafter ist jedoch nunmehr zu überprüfen. Zwar wurde deutlich, dass die Rechtfertigung, die die Belastung durch einen privaten Mehrheitsgesellschafter trägt, nicht auf die öffentliche Hand angewendet werden kann. Dies schließt es jedoch nicht aus, dass die Verfassungsmäßigkeit des staatlichen Verhaltens aufgrund anderer Erwägungen begründet werden kann. Damit ist es nunmehr geboten, zu prüfen, ob ein Gut aufgezeigt werden kann, das sich gegenüber den Grundrechten der Minderheitsgesellschafter durchzusetzen vermag. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der hier auf Seiten der Minderheitsgesellschafter zu beachtenden Eigentumsgarantie um ein Grundrecht handelt, das unter einem, wenn auch mit Blick auf die Ausgestaltungsbefugnis des Gesetzgebers atypischen, Gesetzesvorbehalt steht19. Anders als bei vorbehaltlos gewährleisteten Grundrechten kommt eine Beschränkung daher nicht nur zugunsten von Gütern mit Verfassungsrang in Betracht. Möglich wäre auch, dass sich kollidierende Gütern niedrigeren Ranges durchsetzten20. Dennoch kann die folgende Untersuchung nicht schon dann stehen bleiben, wenn überhaupt ein Rechtsgut identifiziert ist, das die Beschränkung der Grundrechte der Minderheitsgesellschafter zu legitimeren vermag. Vielmehr bleibt zu klären, ob es sich dabei um ein Gut von Verfassungsrang handelt. Notwendig wird dies durch das unterschiedliche Gewicht, das einem Verfassungsgut im Gegensatz zu einem anderen Belang bei der Beschränkung von Grundrechten zukommt. Unter den Verfassungsgütern besteht keine abstrakte Hierarchie, so dass allen der gleiche Rang zukommt21. Dann kommt ihnen auch grundsätzlich gleiches Gewicht in der Abwägung zu. Folglich liegt es auch nahe, dass die fehlenden Grundrechte in ihrem Gewicht vollständig durch ein anders Verfassungsgut ersetzt werden können und man als Ergebnis der Abwägung das gleiche wie im Fall des privaten Mehrheitsgesellschafters erwarten kann. Weniger klar ist dies bei unterverfassungsrechtlichen Gütern. Ihnen kommt in der Abwägung ein geringeres Gewicht zu. Damit kann man nicht vermuten, dass ihnen, wenn sie in er Abwägung den Platz fehlender Grundrechte einnehmen, auch dasselbe Gewicht zukommt. 19 So ausdr. Hesse, in: Benda / Maihofer / Vogel, HdbVerfR, § 5 Rn. 66; stark die Besonderheiten der Ausgestaltungsbefugnis betonend Seidel ZG 2002, 132. 20 Vgl. Stern, Staatsrecht III / 2, S. 828. 21 Stern, Staatsrecht III / 2, S. 828; Lücke, Die „allgemeinen“ Gesetze, S. 18 f.
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
Folglich ist nicht nur zu prüfen, ob ein Gut ausfindig gemacht werden kann, das mit den Grundrechten der Minderheitsgesellschafter kollidiert. Vielmehr ist die Untersuchung auch auf die Frage nach dem Charakter der Position als Verfassungsgut zu erstrecken.
II. Die Bedeutung besonderer Gesichtspunkte in der Rechtfertigung Bevor nach den soeben angestellten Erwägungen nunmehr untersucht wird, welche Güter zu Gunsten der öffentlichen Hand in Betracht kommen, soll vorab auf bestimmte Gesichtspunkte eingegangen werden, die schon in der Diskussion um die Verfassungsmäßigkeit der Grundrechtsbelastungen unter Privaten regelmäßig Erwähnung finden. Diese zunächst in den Blick zu nehmen erscheint schon deshalb gerechtfertigt, da sie zumindest teilweise, etwa die Frage nach einem Grundrechtsverzicht, geeignet sein können, die Relevanz der Grundrechte der privaten Minderheitsgesellschafter von vorneherein auszuschließen. Jedenfalls kann diesen Aspekten jedoch Bedeutung im Rahmen der Abwägung zukommen, die hiermit schon vorab eruiert werden soll.
1. Ausschluss der Schutzwürdigkeit durch mangelnden Vertrauensschutz a) Die vollständige Verneinung der Relevanz der Grundrechte Nicht überzeugen kann es, die Relevanz der Grundrechte im Verhältnis zwischen staatlichem Mehrheitsgesellschafter und privatem Minderheitsgesellschafter völlig zu verneinen. Ist dies schon durch die obigen Ausführungen zu einer rein privaten Gesellschaft vorgezeichnet, so soll im Folgenden auf mögliche Ansatzpunkte eingegangen werden, um das Ergebnis zu unterstreichen.
aa) Das Argument fehlender Schutzwürdigkeit aus der Diskussion um die Grundrechtsfähigkeit gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen Im Rahmen der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen wird hinsichtlich des Außenverhältnisses verbreitet vertreten, die Zuerkennung von Grundrechten gem. Art. 19 Abs. 3 GG sei wegen der Grundrechtsberechtigung der privaten Gesellschafter geboten22. Dem tritt eine Argumentation entgegen, nach der die Grundrechte der privaten Gesellschafter wegen der freiwilligen Kooperation mit der 22 Schmidt-Aßmann BB 1990, Beilage 34, S. 13; Poschmann, Grundrechtsschutz, S. 34; vgl. zu diesem Streitstand auch die Darst. unten, § 11, Text bei Fn. 405 ff.
§ 9 Verhältnismäßigkeit der untersuchten Normen
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öffentlichen Hand nicht durchschlagen sollen23. Unabhängig davon, wie man sich für den Fall des Außenverhältnisses entscheidet, ist eine Übertragung auf das Innenverhältnis nicht möglich24. Maßgeblicher Ansatzpunkt einer Ablehnung der Beachtung der Grundrechte für das Außenverhältnis ist nämlich die Gegenüberstellung mit einem außenstehenden Bürger, der mit dem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen in Kontakt kommt. Im Vergleich zu diesem wird der Gesellschafter wegen seiner freiwilligen Kooperation als weniger schutzwürdig angesehen, weshalb die Grundrechtsbindung des Unternehmens bejaht wird, um so die Grundrechte des Außenstehenden zu wahren25. Für das Innenverhältnis hingegen fehlt eine solche Vergleichsgruppe. Nur kurz ist an dieser Stelle darauf zu verweisen, dass auch andere Argumente, mit denen die Grundrechte der privaten Mitgesellschafter bei gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaften für unbeachtlich erklärt werden, nicht auf das Innenverhältnis übertragen werden können. Weder sind hier Abgrenzungsprobleme hinsichtlich der Frage zu befürchten, ab welcher Beteiligungsquote die Grundrechte der Privaten durchschlagen sollen26, noch besteht im Innenverhältnis die Gefahr, dass sich der Staat auf dem Umweg der Aufnahme privater Gesellschafter eine Grundrechtsberechtigung beschafft27.
bb) Verneinung eines Grundrechtsverzichts kraft Aktienerwerbs Ebenso ist die Idee eines Grundrechtsverzichts kraft Aktienerwerbes abzulehnen. Zwar wird teilweise vertreten, dass durch die freiwillige Einordnung unter staatliche Herrschaft ein Verzicht auf die eigenen Grundrechte gegeben sei28, doch kann dies nicht durchgreifen. Zum einen liefe dies darauf hinaus, im besonderen Gewaltverhältnis, etwa auch bei der auf einer freiwilligen Bewerbung beruhenden Begründung eines Beamtenverhältnisses, die Wirkung der Grundrechte zu verneinen. Dies kann jedoch nach dem heutigen Stand der Dogmatik nicht überzeugen29. Zum anderen fehlt es, sollte man entgegen der hier vertretenen Ansicht Raum für einen Grundrechtverzicht sehen, an einer entsprechenden Verzichtshandlung. In Betracht kommt hier nur die Einordnung in die Gesellschaft30. Selbst wenn man Erichsen / Ebber Jura 1999, 377; Heintzen, Rechtliche Grenzen, S. 21 f. So auch Heintzen, Rechtliche Grenzen, S. 21: „Zwar bleibt sein Anteil im Innenverhältnis grundrechtlich geschützt, der Grundrechtsschutz im Außenverhältnis entfällt aber“. 25 Heintzen, Rechtliche Grenzen, S. 21. 26 Vgl. hierzu Spannowsky ZHR 160 (1996), 569 ff. 27 In diesem Sinne Stern, Staatsrecht III / 1, S. 1170. 28 Vgl. Sturm, FS Geiger, S. 177. 29 Kunig, in: Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 6. Abschn. Rn. 46; BVerfGE 41, 251 (263); grundlegend, wenn auch für den Fall des Strafgefangenenverhältnisses BVerfGE 33, 1 ff. 30 In diese Richtung Nolte / Polzin NZG 2001, 839 f. 23 24
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
die Fälle des nichtvertraglichen Erwerbs der Mitgliedschaft, etwa im Wege der Erbfolge oder aber auch die Fälle der nachträglich eintretenden Herrschaft der öffentlichen Hand31, außer Betracht lässt, kann dies nicht überzeugen. Im Fall des vertraglichen Grundrechtsverzichts gegenüber dem Staat müssen die gleichen Maßstäbe angelegt werden, wie im Verhältnis unter Bürgern32. Für das Verhältnis unter Privaten wurde bereits dargelegt, dass aufgrund der fehlenden Vorhersehbarkeit späterer Entwicklungen und Beschlüsse ein Grundrechtsverzicht durch Beitritt nicht begründet werden kann. Dementsprechend kann auch im Fall des staatlichen Mehrheitsgesellschafters nur von der Unterwerfung unter die Mehrheitsherrschaft ausgegangen werden, die unter dem Vorbehalt der Ausübung im Einklang mit der gesamten Rechtsordnung und damit auch mit den Grundrechten und den in ihnen wurzelnden staatlichen Bindungen steht33. Ein Grundrechtsverzicht kann demnach nicht begründet werden34.
b) Die Bedeutung mangelnden Vertrauens in den Fortbestand der Rechtsstellung Die Schutzwürdigkeit der Belange der Minderheitsgesellschafter könnte jedoch deshalb ausgeschlossen oder vermindert sein, da sie nicht auf den Fortbestand ihres Anteilseigentums vertrauen durften. Wenn deshalb in Folge die Position der Gesellschafter unter dem Aspekt des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes untersucht wird, so ist ein Ansatz von vornherein auszuschließen. Der bereits oben angeführte Einwand, die Minderheitsgesellschafter zeigten kein Interesse an ihren Mitgliedschaftsrechten und übten die ihnen daraus erwachsende Stellung nicht aus, kann nicht zu einer Minderung des Vertrauensschutzes führen. Zwar sind solche Tendenzen in der Diskussion zu finden35. Zu überzeugen vermag dies indes nicht. Schon oben wurde angeführt, dass die Eigentümerbefugnisse einem Rechtsträger ohne Rücksicht auf eine bisherige Ausübung zustehen36. Dann kann jedoch für die Frage, ob ein Rechtsträger auf den Fortbestand einer Position vertrauen darf, nichts anderes gelten37.
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Vgl. Erichsen / Ebber Jura 1999, 377. Schlette, Verwaltung als Vertragspartner, S. 66 ff. Vgl. dazu oben, § 6, Text bei Fn. 216 ff. So auch Harbarth, Anlegerschutz, S. 90. BVerfG NJW 1998, 367 (368); Ossenbühl AöR 124 (1999), 36. Vgl. oben, § 4, Text bei Fn. 308 ff. Vgl. nur Schönfeld NVwZ 1999, 381.
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aa) Mangelndes Vertrauen wegen freiwilliger Mitwirkung am konkreten Rechtsgeschäft Wie bereits oben dargelegt, erfolgt die Belastung vorliegend durch einen Beschluss und mithin durch ein vertragsähnliches Rechtsgeschäft. Im Rahmen von Austauschgeschäften mit der öffentlichen Hand sollen die Anforderungen an die Rechtfertigung staatlichen Handelns im Verhältnis zur Eingriffsverwaltung herabgesetzt sein38. Seinen Grund findet dies in der freiwilligen Eingehung der Verbindlichkeit durch den Bürger. Folglich trägt diese Abschwächung der Anforderungen auch dann nicht mehr, wenn es an der Freiwilligkeit der Inanspruchnahme fehlt. Zu denken ist hier an die Fälle, in denen der Vertrag durch, wie etwa beim Anschluss- und Benutzungszwang, rechtlichen oder, etwa aus Monopolstellungen resultierenden, faktischen Zwang zustande kommt39. Übertragen auf den vorliegenden Fragenkomplex folgt daraus, dass im Fall einstimmig zu fassender Beschlüsse eine weitere Abschwächung der Rechtfertigungsanforderungen in Betracht käme. Anderes muss jedoch, in konsequenter Fortsetzung der obigen Erkenntnisse, für den Fall der Mehrheitsbeschlüsse gelten. Da der Minderheitsgesellschafter das Zustandekommen nicht von seinem Willen abhängig machen kann, ist das erforderliche Maß an Freiwilligkeit zu verneinen. Aus dem Gesichtspunkt freiwilliger Mitwirkung an einem vertragsähnlichen Rechtsgeschäft kann daher keine Abschwächung der Position der Privaten folgen.
bb) Herabsetzung des Vertrauensschutzes wegen der Einordnung in ein Organisationsgefüge Schwerer könnte indessen die oben, am Ende der Ausführungen zu einem Grundrechtsverzicht unter Privaten getroffene Feststellung wiegen, dass die Möglichkeit bleibt, die freiwillige Unterwerfung unter ein Organisationsgefüge im Rahmen der Angemessenheit einer Belastung der Grundrechte mildernd zu berücksichtigen. Es liegt damit nahe, an die Äußerungen des Bundesverfassungsgerichts anzuknüpfen. Dieses hatte im Hinblick auf die rein private AG ausgeführt, dass der Bestand des Anteilseigentums durch die gesetzliche Ausgestaltung des Aktienrechts „in seinem Bestand gegen Beschlüsse der Mehrheit nicht unbedingt gesichert“40 ist. Unter Privaten ist jederzeit mit der Auflösung der AG zu rechnen, so dass man insofern von einer erheblichen Herabsetzung des Vertauensschutzes ausgehen kann. Eine Übertragung dieser Erkenntnis auf die hier untersuchte Konstellation eines staatlichen Mehrheitsgesellschafters kann jedoch nicht überzeugen. Wie schon im 38 Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR IV, § 88 Rn. 199; im Ansatz auch Hecker Verw-Arch 2000, 280. 39 Kirchhof, a. a. O., Rn. 199 f. 40 BVerfGE 14, 263 (278) – Feldmühle; bestätigt durch BVerfGE 100, 289 (302).
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
Ausgangspunkt der Arbeit belegt, kann aus der Tatsache, dass sich Private und die öffentliche Hand auf die gleichen Normen berufen, nicht zwingend darauf geschlossen werden, dass hier auch das gleiche Ergebnis bejaht werden kann. Aufschluss gibt auch an dieser Stelle wieder die Wirkung der Grundrechte im Privatrecht. Eine rein private AG kann jederzeit und ohne eine Rechtfertigung, ja sogar gegen jede ökonomische Vernunft, aufgelöst werden41. Wie bereits dargestellt42, findet dies seinen Grund in der Eigentumsfreiheit der Mehrheitsgesellschafter, die sich gegenüber den Eigentumsinteressen der Minderheitsgesellschafter durchsetzen. Bilden jedoch die Grundrechte des Mehrheitsgesellschafters den Hintergrund für die Beschränkung des Vertrauensschutzes, so wird offenbar, dass auch hier eine Differenzierung zwischen Privaten und der öffentlichen Hand angezeigt ist. Die Berufung auf die grundrechtlich garantierte Möglichkeit zu willkürlichem Verhalten kann dann nicht durchgreifen, wenn es, wie eben im Fall der öffentlichen Hand, an Grundrechten überhaupt fehlt. Generell kann die öffentliche Hand, wie gesehen, nicht aus einer freiheitlichen Willkür heraus tätig werden, sondern nur zur Verfolgung der Gemeinschaftsgüter, denen sie verpflichtet ist. Demnach kann auch der öffentliche Mehrheitsgesellschafter nur im Interesse dieser Güter und mithin nur mit einer sachlichen Rechtfertigung tätig werden. Dadurch wird eine Auflösung zwar noch nicht zwingend ausgeschlossen. Jedoch kann man nicht anführen, da das Gesetz eine Möglichkeit zur Auflösung vorsehe, müsse der Minderheitsgesellschafter hier jederzeit mit einem Verlust seines Anteilseigentums rechnen. Die Anforderungen an die sachliche Rechtfertigung, die eine solche Belastung durch die öffentlichen Hand erfordert, sind zu präzisieren. Wurde bereits festgestellt, dass die Unterwerfung unter die Beschlüsse der Hauptversammlung sich nur auf rechtmäßig gefasste Beschlüsse bezieht, so ist an dieser Stelle zu unterstreichen, dass der Minderheitsgesellschafter überhaupt nur dann mit einem Verlust des Anteilseigentums rechnen muss, wenn dies nicht nur einem anderen Rechtsgut dient, sondern die Belastung auch den aus dem Übermaßverbot entspringenden Rechtmäßigkeitsanforderungen entspricht. Gerade hinsichtlich dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung ist an dieser Stelle zu unterstreichen, dass die öffentliche Hand ein Vertrauen des Bürgers gerade in den Bestand seiner Mitgliedschaft berücksichtigen muss. Dass es sich bei dem Grundsatz des Vertrauensschutzes um ein Gebot von Verfassungsrang handelt, ist, unabhängig von der Frage, in welchen Normen er zu verorten ist, allgemein anerkannt43. Der öffentlichen Hand wird von Seiten der Bürger ein besonderes 41 Anschaulich Schöne WM 1992, 212: „Die Gesellschafter können die Gesellschaft vielmehr jederzeit, d. h. ohne besonderen rechtfertigenden Grund auflösen, mag dies auch wirtschaftlich töricht sein“. 42 Vgl. oben, § 7, Text bei Fn. 287 ff. 43 So schon Alfuß, Staatliche Haftungsbeschränkung, S. 116 m. w. N.; Schlette, Verwaltung als Vertragspartner, S. 101 f.; die heute wohl h. M. geht von einem Nebeneinander eines Vertrauensschutzes des Eigentümers gem. Art. 14 GG und eines allgemeinen rechtsstaatlichen Vertrauensschutz aus, vgl. Ossenbühl AöR 124 (1999), 35 ff.
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Vertrauen als besonders rechtstreuer und verlässlicher Vertragspartner entgegengebracht44. Dies entspricht auch der Stellung des Staates: Vertrauen in den Rechtsstaat ist nur möglich, wenn von dem Staat selbst ein in allen Bereichen absolut rechtmäßiges und rücksichtsvolles, kurz ein vorbildliches Verhalten gefordert werden kann45. Diese Erwartungshaltung muss die öffentliche Hand grundsätzlich respektieren46. Im vorliegenden Fall ist insbesondere zu bedenken, dass der Staat regelmäßig eine Kooperation mit Privaten eingeht, um dadurch Vorteile zu erlangen, sei es, dass er an dem privaten Know-how teilzuhaben sucht oder aber, dass er durch die Aufnahme privater Gesellschafter eine Vergrößerung des Kapitals zu erreichen versucht. Schon für die rein private AG wird die These, es sei legitim, zunächst Gesellschafter zu beteiligen, diesen jedoch nach der Einbringung des Kapitals die Gesellschafterstellung wieder zu entziehen, als widersprüchlich empfunden47. Dieser Einwand muss jedenfalls gegenüber dem Staat gelten. Anders als einen Privaten trifft die öffentliche Hand stets das Gebot zu konsequentem Verhalten48. Zieht er Private zu seinem Nutzen heran oder veranlasst er sie bewusst zu Dispositionen, so schafft er damit ein Vertrauen, an dem er sich grundsätzlich festhalten lassen muss49. Die Schaffung einer Einrichtung, in der sich die Bürger wie vom Staat vorhergesehen engagieren, weckt dabei das Vertrauen in den Bestand derselben50. Wird dies schon für den Fall der Eröffnung einer Einrichtung bejaht, die den Bürgern zur Nutzung offen steht, so muss es erst Recht genügen, wenn sich die Bürger zusammen mit dem Staat in einer privatrechtlich verfassten Gesellschaft beteiligen. In dem Erwerb der Mitgliedschaft liegt eine Disposition des Privaten, die im Vertrauen auf den Bestand der Beteiligung getroffen wurde. Dem Vertrauen steht dabei auch nicht entgegen, dass sie damit rechnen müssten, dass der staatliche Mehrheitsgesellschafter nur eine Erhöhung der Finanzmittel durch die Ausgabe von Aktien erreichen wollte. Hierfür stünden ihm nämlich auch andere Finanzierungswege zur Verfügung, die für ihn auch insofern günstiger wären, dass der dabei nicht durch Belange von Minderheitsgesellschaftern gebunden würde51. Dabei ist insbesondere herauszustellen, dass vorliegend das Verhalten als Gesellschafter in Frage steht. Für eine Bindung an besondere Rücksichtnahmepflichten 44 Dabei beschränkt sich das Vertrauen nicht auf die Finanzkraft des Staates, sondern auch auf sein Verhalten als Vertragspartner, vgl. die Darstellung bei Parmentier, Anlegerschutz, S. 49 ff. 45 Spannwosky ZGR 1996, 416. 46 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 321. 47 Vgl. etwa Hanau NZG 2002, 1044. 48 BGH NJW 1963, 644 (645). 49 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 321; Harbarth, Anlegerschutz, S. 88; Parmentier, Gläubigerschutz, S. 119. 50 Alfuß, Staatliche Haftungsbeschränkung, S. 122 ff.; Parmentier, Gläubigerschutz, S. 120. 51 Vgl. Ehlers DÖV 1986, 902.
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes spricht es, wenn zwischen Staat und Bürger eine Sonderverbindung besteht, die sich von dem übrigen Staat-BürgerVerhältnis abhebt. Beim Vorliegen solcher Sonderverbindungen trifft den Staat die Verpflichtung, auf die von ihm als wichtig erkannten Belange der verbundenen Privaten Rücksicht zu nehmen und mitunter auch eigentlich zur Verfügung stehende Handlungspotentiale nicht auszunutzen. Wenn hierfür schon eine längere Geschäftsbeziehung genügen soll52 und zur Beschreibung solcher Interessenverflechtungen zwischen Staat und Bürger mitunter ausdrücklich auf ein gesellschaftsähnliches Verhältnis abgestellt wird53, so muss erst Recht auch die wirkliche Zusammenarbeit in einer Gesellschaft genügen. Folglich ist auch unter diesem Gesichtspunkt ein schutzwürdiges Vertrauen der privaten Mitgesellschafter zu bejahen, dass der staatliche Mehrheitsaktionär ihre Belange und insbesondere das Vertrauen in den Bestand der Mitgliedschaft beachten wird. Dabei kann aus dem Vertrauen kein absolutes Verbot von Veränderungen geschlossen werden54. Gleichwohl ist das Vertrauen des privaten Minderheitsgesellschafters geeignet, den Handlungsspielraum des Staates zu begrenzen. Geboten ist damit eine angemessene Berücksichtigung in der Abwägung. Bislang wurde der Fall behandelt, dass sich die Bürger an einer ehemals als Eigengesellschaft betriebenen AG beteiligen. Daneben tritt jedoch auch die Konstellation, dass sich der Staat erst nachträglich an einer Gesellschaft beteiligt. Hier kann man nicht anführen, der Staat habe die privaten Gesellschafter zu einem Engagement in der Gesellschaft veranlasst und damit ein schutzwürdiges Vertrauen gesetzt. Dennoch müssen die Bindungen der öffentlichen Hand aus dem Gedanken des Vertrauensschutzes auch hier durchgreifen. Dies gilt schon mit Blick auf das Gesellschaftsverhältnis. Dieses wurde als Quelle von Rücksichtnahmepflichten herausgestellt. Kommt es jedoch auf die Verbundenheit der Beteiligten in der Gesellschaft an, so muss dies unabhängig davon gelten, wie diese Sonderverbindung zustande kam. cc) Ergebnis Zusammenfassend kann man als Ergebnis formulieren, dass die Position der Minderheitsgesellschafter nicht dadurch geschwächt ist, dass sie jederzeit mit der Auflösung der AG rechnen mussten. Vielmehr muss die öffentliche Hand ein Vertrauen in den Fortbestand des Korporationsverhältnisses berücksichtigen.
52 Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 353; Hucklenbruch, Umweltrelevante Selbstverpflichtungen, S. 158 f. 53 Tiemann Der Staat 16 (1977), 193. 54 Vgl. etwa schon Bethge, Staatshaftung, S. 75.
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2. Grundrechtsmissbrauch a) Vorüberlegung Bei der Frage einer Rechtfertigung der Belastung von Minderheitsgesellschaftern ist auch die Gefahr eines Missbrauchs der Mitgliedschaftsrechte zu bedenken. So ist es ein in Deutschland bekanntes Phänomen, dass Kleinaktionäre, die teilweise namentlich bekannt sind55, die in der Mitgliedschaft wurzelnden Rechte nutzen, um die Führung der AG zu behindern. Regelmäßig kommt es hier zu so genannten erpresserischen Anfechtungsklagen. Klagen i. S. d. § 243 AktG werden hier mit dem Ziel erhoben, mit Hilfe der dadurch ausgelösten Blockade des Beschlusses, Druck auf das Management auszuüben und dieses dazu zu bewegen, das Klagerecht zu oftmals horrenden Summen abzukaufen. Wie auch vom Gesetzgeber ausdrücklich bezweckt, erhält der Hauptaktionär mit dem Squeeze-out ein Instrument, um sich solcher Minderheitsgesellschafter zu entledigen56. Im Kontext der vorliegenden Untersuchung stellt sich die Frage, ob schon aus der Gefahr eines solchen Missbrauchs Folgen herzuleiten sind, die eine Rechtfertigung für die staatliche Durchsetzung der Hauptversammlungsbeschlüsse darstellen können. b) Tatbestand des Grundrechtsmissbrauchs Bedenkt man nun, dass die einfachgesetzlich geschaffenen Rechtsinstitute als Mitgliedschaftsrechte den Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG ausfüllen und mithin auch an der Verfassungsgarantie teilnehmen, so ist es geboten, die missbräuchliche Ausübung der Aktionärsrechte als Grundrechtsmissbrauch anzusehen. Der vom Gesetzgeber ins Auge gefasste Missbrauch auf der Ebene des Gesellschaftsrechts wird traditionell dann angenommen, wenn ein Gesellschafter sein Mitgliedschaftsrecht zweckwidrig zu überwiegend selbstsüchtigen Zwecken verfolgt. Dies ist insbesondere im Fall von so genannten erpresserischen Anfechtungsklagen gegeben, mit denen der Gesellschafter den Erhalt von Leistungen verfolgt, auf die kein Anspruch besteht und die er billigerweise nicht erwarten kann57. Mit Blick auf diese Anforderungen an einen Missbrauch kann man vorliegend einen Gleichlauf zwischen Privatrecht und Grundrechtsdogmatik bejahen. Die nach dem Gesellschaftsrecht maßgeblichen Merkmale erfüllen die regelmäßig an einen Grundrechtsmissbrauch gestellten Anforderungen. Dabei kann hier dahinVgl. nur OLG Frankfurt / Main AG 1999, 473 (475); Schiessl AG 1999, 451. Sieger / Hasselbach ZGR 2002, 124; Fuhrmann / Simon WM 2002, 1211. 57 So schon RGZ 146, 385 (395), weiterhin BGHZ 107, 296 (311) – Kochs Adler; OLG Frankfurt / Main ZIP 1991, 272 (272); LG Frankfurt / Main AG 1999, 473 (474); BayOLG NJW-RR 2002, 104 (105); aus der Literatur Raiser, Kapitalgesellschaften, § 16 Rn. 182; Henn, Hdb AktR, Rn. 919. 55 56
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stehen, ob ein solcher dann vorliegt, wenn von einem Grundrecht in einer Weise Gebrauch gemacht wird, die dessen Wesen widerspricht58 oder ob der Grundrechtsträger in Ausübung eines Grundrechts seine Belange unrechtmäßig über andere Rechtsgüter stellt59.
c) Vorbildfunktion des Art. 18 GG – Missbrauch als Wertungsfrage Das Grundgesetz erwähnt den Missbrauch von Grundrechten allein in Art. 18. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, dass dies eine abschließende Regelung darstellt, aufgrund derer ein Grundrechtsmissbrauch in anderen Fällen unbeachtlich sei. Durch Art. 18 GG wird die Bewertung eines Verhaltens, das Grundrechte zum Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wendet, zum Ausdruck gebracht60. Dass eine solche Missbilligung indes nur in den von Art. 18 GG erfassten Fällen möglich sein soll, lässt sich nicht begründen61. Vielmehr kann Art. 18 GG als eine beispielhafte Normierung eines Grundrechtsmissbrauchs gesehen werden. Die Norm beschreibt eine der denkbaren Varianten des Grundrechtsmissbrauchs62. Aus diesem Beispiel können für die weitere Untersuchung folgende Schlüsse gezogen werden: Deutlich wird zunächst, dass es sich bei der Frage, ob ein bestimmtes Verhalten als Grundrechtsmissbrauch zu bezeichnen ist, um die Bewertung desselben und damit um eine Wertungsfrage handelt63. Die Bewertung erfolgt durch eine Abwägung des fraglichen Grundrechtsgebrauchs gegenüber einem beeinträchtigten Gut. Beim Missbrauch unter Privaten, etwa innerhalb einer AG werden insbesondere die Grundrechte der anderen Partei beeinträchtigt64. Ein kollidierendes Gut wird also von dem Gedanken der Missbrauchsabwehr gerade vorausgesetzt und kann die fehlenden Grundrechte des staatlichen Gesellschafters daher nicht ersetzen. 58 Wernicke, in: BK, GG, Art. 18 Erl. 1.c.a; ähnl. BVerwGE 83, 358 (362) sowie Thiel, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 139. 59 Gallwas, Der Mißbrauch, passim; sofern hier angeführt wird, der Missbrauch erfolge durch die Missachtung höherrangiger Rechtsgüter (vgl. nur die Def. bei Gallwas, Der Mißbrauch, S. 35; in abgeschwächter Form auch Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 326; Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie, S. 56 f., die auf die Missachtung vor- oder gleichrangiger Rechte abstellen), so kann dieses beschränkende Kriterium nicht aufrecht erhalten werden. Andernfalls müsste, da den Grundrechten ihrerseits Verfassungsrang zukommt und sie damit auf der höchsten Ebene der Normenhierarchie angesiedelt sind, ein Missbrauch von vorneherein ausscheiden. 60 Wernicke, in: BK, GG, Art. 18 Erl. 1.c.a; Butzer / Clever DÖV 1994, 641; ähnl. Gröschner, in: Dreier, GG, Art. 18 Rn. 21. 61 Damit ist auch den Zweifeln Lameyers (Streitbare Demokratie, S. 135, Fn. 304) entgegen zu treten, ob man außerhalb des Art. 18 GG überhaupt von einem Grundrechtsmissbrauch sprechen kann. 62 Thiel, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 139. 63 So schon ausdr. v. Hippel, Grenzen, S. 44 mit Fn. 88. 64 Vgl. hierzu BVerfG NJW 1992, 1875 (1875 f.) oder auch BVerfG ZMR 1993, 503 (504).
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d) Bedeutung des Missbrauchsurteils Zu prüfen bleibt weiterhin, welche Bedeutung der Bewertung als Missbrauch zukommt. Die Verwendung des Missbrauchsgedankens im Zivilrecht lässt darauf schließen, dass ein solches Verhalten keinen Schutz beanspruchen kann. Jedoch ist ein solcher Schluss zu überprüfen, da die Erkenntnisse der Zivilrechtsdogmatik nicht unbesehen auf das Verfassungsrecht übertragen werden können65. aa) Kein Ausschluss des Schutzbereichs Ein solches Ergebnis wäre jedoch gleichwohl zu bejahen, wenn mit einer früher stark vertretenen Ansicht der Missbrauch nicht unter den Schutz der Grundrechte fiele66. Ein solcher Ansatz ist jedoch abzulehnen. Der Vorwurf des Missbrauchs ist zu unbestimmt, als dass er eine immanente Grenze der Grundrechte begründen könnte. Andernfalls drohen die Garantiebereiche der Beliebigkeit geopfert und das ausgewogene System der Grundrechtsschranken außer Kraft gesetzt zu werden67. Dies folgt schon daraus, dass es sich bei der Einschätzung als Missbrauch um eine Wertung handelt, in die im Zweifel auch die subjektiven Einschätzungen des Beurteilenden einfließen68. Folglich fällt das missbräuchliche Verhalten grundsätzlich nicht aus dem Schutzbereich heraus69. Dies entspricht auch der durch die Grundrechte gewährten umfassenden Freiheit, nach der der gewährte Schutz auch das Recht erfasst, sich gegen das Gute zu wenden70 und sich in einer Weise zu verhalten, die einen anderen beeinträchtigen kann. Festzuhalten ist damit, dass es sich auch bei einem als missbräuchlich bewerteten Verhalten um einen Grundrechtsgebrauch handelt und eine hiergegen gerichtete staatliche Maßnahme ein Grundrechtseingriff ist71. 65 G.h.M., vgl. Schmitt Glaeser, Mißbrauch, S. 75; Hartmann AöR 95 (1970), 571 f.; Thiel, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 138. 66 Gallwas, Der Mißbrauch, S. 99 ff.; Wipfelder BayVBl. 1981, 459; ähnl. Schwarz JZ 2000, 129, demzufolge die verfassungsimmanente Grenze der Grundrechte erst der Aktualisierung durch das BVerfG bedarf. Nicht in dieser Hinsicht können indes frühere Entscheidungen des BVerfG zum Elternrecht, etwa BVerfGE 24, 119 (147) oder BVerfGE 4,52 (57) gedeutet werden, vgl. hierzu zutreffend Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 93. 67 Vgl. Thiel, in: Thiel, Wehrhafte Demokratie, S. 151. Diese Gefahr ist den Befürwortern eines rechtsfreien Raumes bei Überschreitung immanenter Grenzen teilweise auch bewusst, vgl. Wernicke, in: BK, GG, Art. 18 Erl. 1.c.b. 68 Lameyer JÖR N.F. 30 (1981), 165. 69 Isensee, in: Isensee / Kirchchof, Hdb StR V, § 115 Rn. 195; Schatzschneider NJW 1993, 2030. 70 Lameyer JÖR NF 30 (1981), 165. 71 Vgl. BVerfG NJW 1992, 1875 (1875 f.); Schatzschneider NJW 1993, 2030. Diese Einschätzung kann mit Blick auf den umfassenden Schutz der Grundrechte auch nicht mit der Erwägung in Frage gestellt werden, die Beschränkungen dienten dem Grundrechtsberech-
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bb) Bedeutung in der Rechtfertigung Es bleibt damit zu prüfen, ob die Bewertung als Missbrauch Einfluss auf die Eingriffsrechtfertigung hat. Handelt es sich um einen Grundrechtsgebrauch, so muss eine Rechtfertigung der missbrauchsverhindernde Maßnahme die verfassungsrechtlichen Grenzen ebenso wahren, wie bei anderen Grundrechtsausübungen72. Damit ist jedoch noch nicht geklärt, ob die Bewertung als Missbrauch nicht im Rahmen der Abwägung der konkurrierenden Güter mit einfließen kann. Dafür spricht schon die Regelung des Art. 18 S. 1 GG. Wenn die Gründe, die zu einer Bewertung als Missbrauch führen, irrelevant wären, so wäre nicht ersichtlich, warum das Grundgesetz an gerade diesen Freiheitsgebrauch eine solch einschneidende Folge knüpft. Die auf der Ebene der Rechtfertigung relevante Frage, welchem Gut im konkreten Fall der Vorrang zukommen soll, setzt stets eine umfassende Betrachtung aller Umstände voraus. Dabei kommt es auch auf die konkrete Bedeutung des Grundrechts in dieser Situation für den Einzelnen an. Wenn dabei die besondere Relevanz eines Grundrechts für den Betroffenen die Anforderungen an die Eingriffsrechtfertigung erhöhen kann, so muss umgekehrt auch beachtlich sein, wenn der Grundrechtsträger keine anzuerkennenden Ziele verfolgt. Dies muss insbesondere dann der Fall sein, wenn durch die Grundrechtsausübung Belange Dritter beeinträchtigt werden. Dem Grundgesetz liegt nicht die Vorstellung eines isolierten, sondern eines in die Gemeinschaft eingebundenen Individuums zugrunde73. Dann muss aber auch eine in der Missbrauchswertung enthaltene Einschätzung der Auswirkungen der Grundrechtsausübung auf die schutzwürdigen Belange eines Dritten beachtlich sein. Dem stehen auch nicht die Erwägungen entgegen, die auf der Ebene des Schutzbereichs gegen eine Berücksichtigung der Bewertungen sprachen. Hinsichtlich der damit einhergehenden Unsicherheiten und unterschiedlichen Einschätzungen eines Verhaltens ist hier die Beweislast richtig verteilt. Fällt grundsätzlich jedes Verhalten in den Schutzbereich, so ist es die öffentliche Hand, die die Stichhaltigkeit ihrer Bewertungen belegen muss, um eine Belastung zu rechtfertigen.
e) Zwischenergebnis Damit können die vorstehenden Erwägungen dahingehend zusammengefasst werden, dass die Figur des Grundrechtsmissbrauchs anzuerkennen ist. Die dem Missbrauchsurteil zugrunde liegenden Wertungen können bei der Frage, ob ein konkreter Grundrechtseingriff gerechtfertigt ist, Bedeutung erlangen. Beachtet tigten, da man ihm „den Weg zum „rechten“, sinnvollen Gebrauch seiner Freiheit“ weise (so aber Häberle, Die Wesensgehaltsgarantie, S. 28). 72 Für eine erleichterte Einschränkbarkeit Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 122; zutreffend dagegen Hartmann AöR 95 (1970), 573; Müller, Methodik, Rn. 73. 73 BVerfGE 4, 7 (15 f.).
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man nun aber die Frage, ob die reine Gefahr der missbräuchlichen Ausübung von Mitgliedschaftsrechten, die am Schutz des Art. 14 GG teilnehmen, ohne weiteres den Entzug der Stellung als Aktionär zu rechtfertigen vermag, so ist dies zu verneinen. Dem steht schon die Einschätzung als Wertungsfrage entgegen. Erforderlich ist dafür, dass dem fraglichen Grundrechtsgebrauch ein anderes Rechtsgut gegenübergestellt wird. Demnach kann die Untersuchung an dieser Stelle nicht stehen bleiben. Notwendig bleibt die Klärung der Frage, welche Güter die öffentlichen Hand in der Rolle als Mehrheitsgesellschafterin für sich in Anspruch nehmen kann. Weiterhin ist darauf zu verweisen, dass sich die Feststellung eines Missbrauchs auf einen konkreten Fall bezieht. Es handelt sich grundsätzlich um die Beurteilung der einzelnen Grundrechtsausübung. Die Missbilligung des Verhaltens im Einzelfall kann zwar dazu führen, dass die Berufung auf ein Grundrecht in diesem Fall ausgeschlossen ist. Der Schutz des Grundrechtsträgers in anderen Konstellationen bleibt jedoch grundsätzlich erhalten74. Auch dies ist bei der Frage, inwieweit die Missbilligung der Möglichkeit eines Grundrechtsgebrauchs den Ausschluss der Gesellschafter zu rechtfertigen vermag, zu berücksichtigen.
f) Treupflichtverletzung Der oben beschriebene Rechtsmissbrauch kann mit Blick auf den gesellschaftsrechtlichen Kontext auch unter dem Stichwort der Treupflichtverletzung behandelt werden. Das missbräuchliche Gesellschafterverhalten, insbesondere die erpresserischen Anfechtungsklagen, sind als Fälle des Verstoßes gegen die Treupflicht des Gesellschafters anerkannt75. Auch kann die oben gegebene Definition eines Rechtsmissbrauchs als die grob eigensüchtige Ausübung zustehender Rechte mühelos auf die Treupflichtverletzung angewendet werden76. Soweit ein Missbrauch der den Schutzbereich ausgestaltenden Mitgliedschaftsrechte vorliegt, kann man auch stets von einer Treupflichtverletzung sprechen, die eine besondere Form des Rechtsmissbrauchs im gesellschaftsrechtlichen Kontext darstellt. Die Treupflicht ist auch innerhalb gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen und auch als Bindung des Privaten anwendbar. So ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach zutreffender Ansicht die Treupflicht auch den Minderheitsgesellschafter im Verhältnis zum Mehrheitsgesellschafter bindet77. Weiterhin ist die Treupflicht des privaten Kleinaktionärs auch im Verhältnis zum staatlichen Mehrheitsgesellschafter zu beachten. Nach richtiger Ansicht findet die Treupflicht ihre Grundlage Vgl. Krebs, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rn. 69. Vgl. etwa BGH 107, 296 (311) – Kochs-Adler; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 15 V.6.c; weiterhin OLG Frankfurt / Main ZIP 1991, 657 (658 f.) am Bsp. der Nichtigkeitsklage. 76 Vgl. die Definition bei Hennrich AcP 195 (1995), 237. 77 BGHZ 102, 184 (195) – Girmes; Jilg, Die Treuepflicht, S. 30 ff.; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 15.II.3.c. 74 75
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in der Generalklausel des § 242 BGB78. Dafür spricht schon, dass dadurch eine positivrechtliche Anknüpfung zur Begründung der Pflicht möglich ist. Zwar kommt als ein solcher Anknüpfungspunkt auch § 705 BGB in Betracht, doch kann mithilfe des § 242 BGB die Treupflicht zwanglos auch für das Recht der Kapitalgesellschaften erklärt werden79. Dem steht auch nicht entgegen, dass zwischen den Aktionären die für § 242 BGB erforderliche Sonderverbindung fehlte. Eine solche wird jedoch schon durch den Kooperationsvertrag vermittelt, ohne dass es einer weiteren Verbindung bedarf80. In § 242 BGB enthalten ist das allgemeine Gebot zu einem den Anforderungen von Treu und Glauben entsprechendem Verhalten im Rechtsverkehr, das in der gesamten Rechtsordnung Beachtung verlangt81. Damit beansprucht er auch Geltung im öffentlichen Recht82. Gebunden ist dabei jedoch nicht nur der Staat gegenüber dem Bürger83, sondern auch der Bürger muss sich im Verhältnis zur öffentlichen Hand diesen Grundsatz entgegenhalten lassen84. Gilt dies für die allgemeine Bindung des Einzelnen an das Gebot eines dem Grundsatz von Treu und Glauben genügenden Verhalten, so muss dies auch für die daraus resultierende speziellere Treupflicht gelten. Folglich unterliegt auch der private Minderheitsgesellschafter gegenüber dem staatlichen Mehrheitsaktionär der Treupflicht. Beachtet man nun, dass ein Verstoß gegen das Gebot von Treu und Glauben dazu führen kann, dass die Berufung auf ein Grundrecht ausgeschlossen ist85, so muss auch der Treupflicht Bedeutung für die Rechtfertigung von Eingriffen in das Anteilseigentum zugemessen werden. Gleichwohl kann auch diese Gefahr eines zu missbilligenden Aktionärsverhaltens nicht per se die Eröffnung der fraglichen Handlungsinstrumente für den staatlichen Mehrheitsgesellschafter rechtfertigen. Die Erwägungen entsprechen dabei den vorstehenden Ausführungen zum Grundrechtsmissbrauch. Auch bei der Frage, ob ein Verhalten als treuwidrig bezeichnet werden kann, handelt es sich um eine Wertung im konkreten Einzelfall86. Daraus 78 Roth, in: Münchener Kommentar, BGB, § 242 Rn. 166; ausf. Hennrichs AcP 195 (1995), 226 ff.; für die Treupflicht zwischen Miteigentümern auch Rühlicke ZMR 2002, 715. 79 Hennrichs AcP 195 (1995), 228 f.; weitere Kritik gegen die Heranziehung des § 705 BGB bei Winter, Mitgliedschaftliche Treuebindungen, S. 13 m. w. N. 80 Hüffer, AktG, § 53a Rn. 15; Jilg, Die Treuepflicht, S. 60 f. 81 BGHZ 12, 154 (157); BVerwG ZMR 1993, 291 (295); BVerwG ZIP 1994, 364 (366). 82 Ausdr. BSG NJW 1987, 2038 (2039); BGH NJW 1996, 1277 (1278). 83 So bspw. OVG Münster NJW 1992, 2245 (2245 f.); explizit für eine Bindung an die Treupflicht etwa Schön ZGR 1996, 448. 84 BVerwG NJW 1974, 2247 (2248); BVerwG ZIP 1994, 364 (366); für Rücksichtnahmepflichten des Bürgers gegenüber der mit ihm in engen Kontakt stehenden Verwaltung schon Tiemann Der Staat 16 (1977), S. 193 mit Fn. 112. 85 BVerfGE 32, 305 (308 f.). 86 K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 592; Hennrichs AcP 195 (1995), 241; allg. für die Bejahung eines Verstoßes gegen den Grundsatz von Treu und Glauben etwa BVerwGE 59, 242 (246).
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ist zunächst zu folgern, dass die Argumente, die oben gegen eine Reduzierung des Schutzbereichs sprechen, auch hier Beachtung verlangen. Dies verbietet den Schluss, ein grob treuwidriges Verhalten führe zu einer Verwirkung der Mitgliedschaft87 und damit zu einem Ausschluss aus dem Schutzbereich. Bedeutung kann die in der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte liegende Pflichtverletzung nur auf der Ebene der Rechtfertigung erlangen. War schon angedeutet worden, dass es sich beim Missbrauch der Mitgliedschaftsrechte und der Frage der Treupflichtverletzung um einen untrennbaren Zusammenhang handelt, so gleichen sich auch die Voraussetzungen an das missbilligende Urteil. Zur Vornahme der auch hier erforderlichen Wertung im Einzelfall muss feststehen, welche Rechtsgüter durch das missbilligte Verhalten negativ betroffen werden88. Damit wird deutlich, dass die grundsätzliche Relevanz der Treubindung nicht davon enthebt, die Güter zu untersuchen, die für die Eröffnung von Handlungsspielräumen zu Gunsten der öffentlichen Hand streiten.
g) Ergebnis Damit ist festzuhalten, dass allein die Gefahr eines Missbrauchs der Aktionärsstellung nicht dazu führen kann, dass die Grundrechtsrelevanz der hier fraglichen Hauptversammlungsbeschlüsse zu verneinen ist. Die Gefahr einer zu missbilligenden Rechtsausübung kann nur in einer Abwägung der Interessen der betroffenen Privaten und der öffentlichen Hand unterstützend herangezogen werden. In Folge bleibt jedoch zunächst zu untersuchen, welche Interessen überhaupt den Belangen der privaten Minderheitsgesellschafter entgegen gestellt werden können.
3. Bedeutung von Kompensationsleistungen Bereits oben bei der Beleuchtung der Grundrechtsrelevanz der hier untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse wurde festgestellt, dass die Leistung von Geldentschädigungen nicht dazu führen kann, eine Grundrechtsbelastung zu verneinen. Aufbauend auf diesen Erkenntnissen ist nunmehr zu prüfen, welche Rolle einer Kompensation im Rahmen der Rechtfertigung einer Belastung zukommt.
So aber wohl Becker ZGR 1986, 406. So traten in der vorstehenden genannten Entscheidung des BVerfG dem grundrechtlich geschützten Rechtsschutzbegehren des Beschwerdeführers das schutzwürdige Vertrauen der Gegenpartei als auch das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens entgegen, vgl. BVerfGE 32, 305 (309). 87 88
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
a) Entschädigungen bei den hier diskutierten Hauptversammlungsbeschlüssen Bei den hier diskutierten Hauptversammlungsbeschlüssen spielt die Frage einer Entschädigung regelmäßig eine Rolle. Eindeutig ist dies im Falle des Squeeze-outs. Hier wird eine solche Kompensation ausdrücklich durch die §§ 327a Abs. 1 S. 1, 327b AktG als Tatbestandsmerkmal determiniert. Dabei muss, wie bereits dargelegt, der Hauptaktionär und damit im vorliegenden Kontext der Staat, eine entsprechende Entschädigung zahlen. Ebenfalls für einen finanziellen Ausgleich ist in den Fällen der Auflösung gesorgt. Im Fall der Auflösung i. S. d. § 262 Abs. 1 Nr. 1 AktG ergibt sich dies aus der Natur der Auflösung, bei der die Liquidation der Gesellschaft erfolgt und an die Stelle der Beteiligung ein Ausgleichsanspruch in Geld tritt. Im Fall der übertragenden Auflösung ist auf die Absicherung dieser Entschädigung nach den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen zu verweisen89. Auch im Fall der Umwandlung erfolgt eine Kompensation. Hier ist zu bedenken, dass zunächst an die Stelle der Aktien eine entsprechende Beteiligung an der nunmehr entstehenden GmbH tritt. Daneben ist der Ausgleich im Geld für ausscheidende Gesellschafter gem. § 207 Abs. 1 UmwG zu beachten. b) Ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen Wird vorliegend die Bedeutung von Entschädigungen untersucht, so ist zunächst an so genannte ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu denken, deren Existenz nahezu allgemein anerkannt ist90. Durch die Gewährung einer Entschädigung zugunsten des betroffenen Eigentümers kann „in bestimmten Fallgruppen die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer sonst unverhältnismäßigen oder gleichheitswidrigen Inhalts- und Schrankenbestimmung herbeigeführt werden“91. Fraglich ist jedoch, welche der hier untersuchten Beschlüsse als derartige Inhalts- und Schrankenbestimmungen zu bezeichnen sind. Orientiert man sich an der bereits zitierten Pflichtexemplar-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die als die Geburtsstunde der hier untersuchten Figur bezeichnet wird92, so fällt auf, dass dort eine Entschädigung in Form einer Geldzahlung seitens der öffentlichen Hand gemeint war93. Vgl. dazu oben, § 5, Text bei Fn. 26 ff. Grundlegend BVerfGE 58, 137 (144) – Pflichtexemplar; aus der Masse der zustimmenden Literatur etwa Manssen, Grundrechte, Rn. 625; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 979 f.; abl. Breuer NuR 1996, 545. 91 BVerfGE 100, 226 (244) – Rhl.-Pfl. DenkmalSchG. 92 Kleinlein DVBl. 1991, 366; zur Entwicklung hin zur Pflichtexemplarentscheidung vgl. etwa Wieland, in: Dreier, GG, Art. 14 Rn. 123. 89 90
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Damit erscheint es unproblematisch, die Fälle eines von der öffentlichen Hand betriebenen Squeeze-outs gem. § 327a AktG hier einzuordnen, da sich der Anspruch auf eine Barabfindung hier gegen den Hauptaktionär richtet. Jedoch kommen bei einem näheren Blick insofern Zweifel auf, da sich der Anspruch in dem Hauptanwendungsfall der Normen, dem einer rein privaten AG, gegen einen privaten Gesellschafter richtet. Ähnliches gilt, auch bei staatlicher Beherrschung, für die Fälle der Auflösung, unter Einschluss der von § 179a AktG erfassten Fälle sowie dem Ausgleich zugunsten ausscheidender Minderheitsgesellschafter gem. § 207 Abs. 1 S. 1 UmwG. Hier richten sich die Ansprüche gegen die Liquidationsgesellschaft bzw. im Fall der Umwandlung gegen die werbende, jetzt in anderer Rechtsform bestehende Gesellschaft94. Damit ist auch in diesen Fällen kein Anspruch gegeben, der unmittelbar gegen die öffentliche Hand gerichtet wäre. Besteht in den soeben genannten Fällen zumindest noch ein Anspruch auf einen Ausgleich in Geld, so ist im Fall der Umwandlung, bei der die Minderheitsgesellschafter in der nunmehr als GmbH bestehenden Korporation verbleiben, zu beachten, dass sich der Anspruch auf eine entsprechende Beteiligung an der neuen Gesellschaft bezieht. Damit liegt eine weitere Abweichung von dem üblichen Bild der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung vor. aa) Zulässige Arten der Kompensation Wendet man sich zunächst der Frage zu, ob die Möglichkeit zur Entschädigung auf die Gewährung von finanziellen Leistungen beschränkt werden muss, so ist man geneigt, auf die Junktimklausel gem. Art. 14 Abs. 3 S. 2 GG zu verweisen. Entsprechend dem Wortlaut, der nur von einer Entschädigung spricht, ist der Gesetzgeber befugt, auch eine andere Art des Ausgleichs zu bestimmen. Genannt werden hier die Vergabe von Ersatzland oder Rechten, insbesondere, was an den Fall der Umwandlung erinnert, von Wertpapieren95. Mit Blick auf die Begründung der Entschädigungspflicht als einem Element der von der Enteignung unabhängigen Inhalts- und Schrankenbestimmung gem. Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG, muss eine Anwendung der Junktimklausel auf die vorliegende Frage jedoch ausscheiden96. Wegen der grundlegenden Unterschiede beider Institute kommt auch eine Analogie nicht in Betracht97. Auch kann man sich nicht damit behelfen, den Inhalt der Junktimklausel als Ausdruck allgemeiner rechtsstaatlicher Grundsätze zu sehen, da Art. 14 93 Ebenso BVerfGE 79, 174 (179 f.). Zu weiteren Beispielen von ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die einen Anspruch auf Geldleistungen durch die öffentliche Hand gewähren vgl. Ossenbühl, FS Friauf, S. 397 f. 94 Vgl. nur den Wortlaut. des § 207 Abs. 1 S. 1 HS. 1 UmwG. 95 BVerfGE 24, 367 (419); Jarass, in: Jarasss / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 64; so auch BGH NJW 1979, 923 (923), allerdings mit der Einschränkung, dass der Enteignete nicht gegen seinen Willen eine andere als eine Geldentschädigung annehmen müsse. 96 Im Ergebnis auch Schulze-Osterloh NJW 1981, 2543. 97 Schenke NJW 1995, 3147.
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
Abs. 3 S. 2 GG sonst überflüssig wäre98. Eine Lösung ist mithin in den Eigenheiten der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung zu suchen. Wie bereits oben angesprochen dient die Figur der ausgleichspflichtigen Inhaltsund Schrankenbestimmung der Wahrung der Verhältnismäßigkeit99. Nötig ist dieses Instrument in Fällen, in denen ein Eingriff in das Eigentum erfolgen muss, dies jedoch mit Blick auf den Eigentümer nicht ohne Entschädigung möglich ist. Maßgeblich ist die Tiefe des Eingriffs. Diese kann durch Kompensationsleistungen abgemildert werden. So wie auch bei anderen Grundrechten schon vor der Pflichtexemplar-Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht anerkannt, dient eine Kompensation der Einhaltung der durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit100 und den Gleichheitssatz gesteckten Grenzen101. Diesem Zweck kann nicht entnommen werden, dass er nur durch eine Zahlung von Geld erreicht werden könnte. So ist zu bedenken, dass das Bundesverfassungsgericht in der Pflichtexemplar-Entscheidung keine Begrenzung auf eine Geldentscheidung vornahm, sondern eine „Reihe von Möglichkeiten“ zur Kompensation ansprach102. Zu Recht sind deshalb als alternative Mittel Übergangsregelungen, Dispense oder Härteklauseln wohl allgemein anerkannt, um die Verhältnismäßigkeit einer Inhalts- und Schrankenbestimmung zu wahren103. Dann müssen allerdings auch Entschädigungen möglich sein, die nicht in unmittelbaren Geldleistungsansprüchen, sondern in an die Stelle tretenden Austauschgütern bestehen, da sie der Wahrung der Verhältnismäßigkeit in gleicher Weise dienen104. Als Beispiel kann hier auf § 5 Abs. 3 S. 1 EGAktG verwiesen werden. Wenn der Gesetzgeber hier nur das Erfordernis eines Ausgleichs aufstellt, so kann dieser neben Geld auch in anderen Kompensationen bestehen105.
Rüfner, FS Boujong, S. 646. Grundlegend Schulze-Osterloh, Das Prinzip, S. 278 ff., die jedoch zusätzlich den Gedanken des Eigentumswertschutzes heranzieht; zur Begründung des Instruments vgl. weiterhin statt vieler Kimminich, in: BK, GG, Art. 14 Rn. 201; Rozek, Die Unterscheidung, S. 76 ff. m. w. N.; vgl. auch BVerfGE 79, 174 (192). 100 Daraus darf jedoch nicht geschlossen werden, dass nunmehr jede Beschränkung ohne Kompensation nicht erforderlich ist, da mit der Entschädigung ein milderes Mittel gegeben wäre, zu diesem Zusammenhang Schultze-Osterloh NJW 1981, 2542. 101 Dabei ist der Schwerpunkt jedoch auf die Wahrung der Verhältnismäßigkeit zu legen, vgl. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 181 ff. 102 BVerfGE 58, 137 (158); dazu Rozek, Die Unterscheidung, S. 77 f. 103 Ossenbühl, FS Friauf, S. 396; vgl. auch Schmidt-Aßmann, FS Jur. Fak. Heidelberg, S. 117: „Dabei sind der juristischen Phantasie kaum Grenzen gesetzt“. 104 Schulze-Osterloh, Das Prinzip, S. 278 ff.; dies entspricht auch einer schon zu Zeiten des materiellen Enteignungsbegriffs vertretenen Ansicht, nach der jegliche Art von Entschädigung geeignet sein sollte, die auf der Schwere des Eingriffs beruhende Einschätzung einer Maßnahme als Enteignung abzuwenden, vgl. etwa Salzwedel Die Verwaltung 5 (1972), 24 f. 105 Hüffer, AktG, § 12 Rn. 5; Heider, in: Münchener Kommentar, AktG, § 12 Rn. 44. 98 99
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bb) Mögliche Adressaten der Kompensationspflicht Kommen damit Entschädigungen verschiedener Art in Betracht, so muss nunmehr untersucht werden, ob auch solche Leistungen erfasst werden, die nicht von der öffentlichen Hand zu erbringen sind. Andernfalls könnte es im Bereich des Privatrechts jedoch keine ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen geben106. Schon da jedoch auch der Privatrechtsgesetzgeber an das der Kompensationspflicht zugrundeliegende Verhältnismäßigkeitsprinzip gebunden ist und auch bei der Ausgestaltung des Privatrechts Fallgestaltungen auftreten, in denen die Beschränkung des Eigentums nicht haltbar wäre, muss auch ein Ausgleich von Seiten Privater möglich sein107. Damit steht auch der Adressat der Entschädigungspflicht in den genannten Hauptversammlungsbeschlüssen einer Einschätzung als ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht entgegen.
cc) Erfordernis einer Wertverschiebung Fraglich ist jedoch, ob der Begriff der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht eine Begrenzung erfahren muss. So soll nach einer teilweise vertretenen Ansicht kennzeichnend sein, dass es zu einer Wertverschiebung kommt108. Bei einem Teil der behandelten Hauptversammlungsbeschlüsse ist diese Anforderung erfüllt. Unzweifelhaft erfolgt beim Squeeze-out und der übertragenden Auflösung eine Verschiebung des Eigentums zugunsten des Mehrheitsgesellschafters. Auch beim Ausscheiden des Minderheitsgesellschafters gem. § 207 Abs. 1 UmwG gegen Barabfindung ist dieses Kriterium gegeben109. Herausfallen müssten indes die Fälle der einfachen Auflösung sowie der Umwandlungen, bei denen die Minderheitsgesellschafter in der neuen Gesellschaft verbleiben. Zweifel muss diese Voraussetzung jedoch schon deshalb aufwerfen, da sie sich nicht im Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verankern lässt110. Auch können damit notwendige Fälle der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung nicht erfasst werden. Zwar kann man im Fall des Denkmalschutzes noch konstruieren, eine Vermögensverschiebung sei in der Indienststellung des Objekts in die Bryde, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 14 Rn. 100a. Vgl. nur Schulze-Osterloh, Das Prinzip, S. 269 ff. sowie S. 300: „Vor allem läßt das verfassungsrechtliche Entschädigungsgebot aber auch die Frage des Ersatzpflichtigen offen“. Im Ergebnis auch Schmidt-Preuß RdE 1996, 7. 108 Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz, S. 509 ff.; entgegengesetzt SchulzeOsterloh, Das Prinzip, S. 30 f., nach der zur Abgrenzung darauf abzustellen ist, ob die Regelung dem Werterhalt zugunsten des Eigentümers dient. Dies ist in allen der diskutierten Beschlüsse zu bejahen. 109 So auch Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 283 mit Fn. 125 zu § 12 UmwG a.F., der dem heutigen § 207 Abs. 1 UmwG entspricht. 110 Dementsprechend versucht Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz, S. 509 ff., eine Herleitung über allgemeine Aufopferungsgedanken. 106 107
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öffentlichen Zwecke zu sehen. Bei der Schlachtung seuchengefährdeter Tiere vermag ein solch fassbarer Vorteil hingegen nicht begründet zu werden. Gleichwohl kann auch hier der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Ausgleichszahlungen erfordern111. Demnach kann die Frage, ob eine Wertverschiebung zugunsten einer Partei stattgefunden hat, zwar für die Bestimmung relevant werden, wer Adressat der Ausgleichspflicht sein soll112. Über das Vorliegen ausgleichspflichtiger Inhaltsund Schrankenbestimmungen sagt sie hingegen nichts aus.
dd) Der Kreis der Kompensationsempfänger Ein weiterer Zweifel betrifft den Kreis der Kompensationsempfänger. Für die Fälle des Squeeze-outs räumt § 327a AktG allen ausgeschlossenen Minderheitsgesellschaftern einen Anspruch auf eine angemessene Barabfindung ein. Im Fall der Auflösung und der übertragenden Auflösung sind es alle an der AG beteiligten Gesellschafter, auf die der Liquidationserlös verteilt wird und dieselben sind es, die bei der Umwandlung der alten Gesellschaft stets die Anteile an dem neuen Rechtsträger erhalten. Gerade in den letztgenannten Fällen erscheint die Kompensation aber nicht als etwas Zusätzliches, sondern als die einzig sinnvolle Lösung. So ist nicht einzusehen, wer nach Befriedigung der Gläubiger sonst das Gesellschaftsvermögen erhalten sollte. Ist bei diesen Normierungen vielmehr absehbar, dass in allen erfassten Fällen auch eine Kompensation zu leisten ist, so wird die Frage angesprochen, ob ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen nur die atypischen Fälle einer Regelung umfassen sollen113. Zwar ist zuzugeben, dass die Figur der ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung für den Fall solcher Ausreißer entwickelt wurde. Dennoch kann eine Beschränkung des Instituts in dieser Weise nicht überzeugen114. Dies folgt daraus, dass eine Kompensation gewährt werden muss, um den Rechtmäßigkeitsanforderungen an staatliches Handeln zu genügen, wenn andere Mittel zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit nicht greifen. Für den Belasteten, für den der Eingriff daher ohne Entschädigung nicht hinnehmbar wäre, kann es jedoch nicht darauf ankommen, ob auch noch andere Normadressaten in gleicher Weise betroffen sind. Hier die Fälle ausscheiden zu wollen, in denen ein Ausgleich in allen von der Regelung erfassten Sachverhalten gewährt werden muss, führt zu einem Einwand, der wohl allen Differenzierungsbestrebungen entgegenzuhalten ist. Erforderlich wäre es, neben den ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen eine weitere Kategorie anzuerkennen, bei der eine Kompensation Seiler JuS 2002, 682. Vgl. BGHZ 134, 316 (321 f.) m. w. N. 113 Ossenbühl, FS Friauf, S. 400; Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 244; krit. auch Rennert VBlBW 1995, 46. 114 Schmidt-Preuß RdE 1996, 6 f.; ders. NJW 2000, 1529. 111 112
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zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit erfolgt115. Eine solche terminologische Aufspaltung bringt jedoch keinen Gewinn. Vielmehr ist im Interesse der Klarheit eine umfassende Deutung des Begriffs geboten. Gleichwohl werden auch nach hier vertretener Ansicht nicht alle Eigentumsregelungen, die eine Leistung an den Eigentümer vorsehen, als ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen bezeichnet. Vielmehr existieren daneben solche Normen, die Kompensationen aus bloßen Billigkeitsgründen gewähren116. Hintergrund der Einräumung sind hier nicht verfassungsrechtliche Bindungen, sondern rechtspolitische Erwägungen, etwa der Wille, die Akzeptanz einer Norm zu erhöhen. Dies kann jedoch für keinen der hier diskutierten Fälle angenommen werden. ee) Wahrung der Formerfordernisse Kurz ist an dieser Stelle zu begründen, dass die Zulässigkeit von ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmungen hier nicht an Formerfordernissen scheitert. Nach h.M. bedarf die Ausgleichspflicht einer gesetzlichen Grundlage117. Dadurch soll verhindert werden, dass ein richterrechtlich geschaffener Ausgleichsanspruch das parlamentarische Budgetrecht unterläuft118. Auch wenn damit fraglich ist, ob diese Begründung auch dann trägt, wenn die Kompensation nur von privater Seite erfolgt, ist zumindest für die hier relevanten Fälle staatlicher Eigentumsbelastung an dieser Voraussetzung festzuhalten. Dabei sind jedoch keine zu strengen Anforderungen zu stellen119. So genügt es, wenn in § 327a Abs. 1 AktG und § 207 Abs. 1 S. 1 HS. 1 UmwG die Verpflichtung zur Leistung einer angemessenen Barabfindung festgeschrieben wird120. Dann muss es aber auch genügen, wenn sich das Erfordernis angemessener Kompensation aus dem Regelungszusammenhang ergibt, wie dies bei der Auflösung gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG und dem sich anschließenden Liquidationsverfahren gewährleistet ist. Damit führt das Verbot eines durch den Richter geschaffenen Ausgleichs121 auch bei der übertragenden Auflösung zu keinem anderen Ergebnis. Auch hier folgt die Kompensation, namentlich mit Blick auf die Veräußerung, die nur entgeltlich erfolgen wird, aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung. Die auf Richterrecht basierende Kontrolle ist nur ein Fall der verfassungskonformen Vgl. etwa Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 283. So etwa § 3b BNatSchG a.F., hierzu König NVwZ 1999, 383; weiterhin etwa § 19 Abs. 4 WHG. Vgl. auch Rennert VBlBW 1995, 46: „Der Gesetzgeber kann selbstverständlich großzügiger sein, als er von Verfassungs wegen müsste“. 117 BVerfGE 100, 226 (245) – Rhl.-Pfl. DenkmalSchG; Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 181. 118 Vgl. nur BVerfG a. a. O. 119 BVerwGE 94, 1 (10). 120 Vgl. nur Rüfner, in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 48 Rn. 48. 121 Lege NJW 1990, 870; Stüer / Thorand NJW 2000, 3739. 115 116
13 Wandt
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Auslegung, ohne, dass dabei am Parlament vorbei ein Ausgleichsanspruch kreiert würde. ff) Ergebnis Damit können alle der hier untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse als grundsätzlich wirksame ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen eingeordnet werden.
c) Die Kompensation im vorliegenden Fall Es bleibt nunmehr zu überprüfen, inwieweit die Kompensationsleistungen dazu beitragen, die Verhältnismäßigkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse im Fall staatlicher Beherrschung zu begründen.
aa) Ausgangspunkt Wurde oben ausgeführt, dass die Kompensationsleistungen neben andere Mittel treten, mit denen die Verhältnismäßigkeit einer Regelung gewahrt werden soll, so ist diese Aussage an dieser Stelle zu präzisieren. Nach ganz herrschender Ansicht soll der Anspruch auf Ausgleichsleistungen nämlich nur als letztes Mittel in Betracht kommen122. Mithin ist eine Differenzierung zwischen Kompensationen und anderen Instrumenten zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit geboten. Dies wurde auch vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zu § 13 des rheinlandpfälzischen Denkmalschutzgesetzes deutlich herausgestellt. Ausgehend von der Einschätzung, dass Art. 14 GG vorrangig einen Bestandschutz gewährt, der nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 GG in eine Wertgarantie umschlägt, darf der Gesetzgeber nicht zum Ausgleich jeder Härte auf die Ausgleichspflicht zurückgreifen. Vielmehr müssen in erster Linie Vorkehrungen, etwa Übergangsregelungen oder Ausnahmevorschriften, eingesetzt werden, durch die eine Belastung real vermieden wird. Der Rückgriff auf die Entschädigung stellt sich als ultima ratio dar123. Wird dies, entsprechend dem allgemeinen Schwerpunkt der Diskussion für die Leistung von Geldentschädigungen diskutiert, so muss dieses Stufenverhältnis in gleicher Weise für andere Kompensationsleistungen gelten124. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 16. 2. 2000 wurde im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme eines Zustandsstörers ausgeführt, dass die Grenze der zulässigen Belastungen für von einem Grundstück ausgehende Ge122 123 124
Ehlers VVDStRL 51 (1992), S. 233. BVerfGE 100, 226 (244 f.) – Rhl.-Pfl. DenkmalschG. So auch Depenheuer, in: v.Danwitz / Depenheuer / Engel, S. 195.
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fahren dann erreicht sei, wenn die Kosten den Verkehrswert des Grundstücks überschreiten125. Teilweise wird dies als Ausdruck einer Tendenz gesehen, den Eigentumsschutz von einem Bestandsschutz in einen primären Wertschutz umzudeuten126. Solchen Tendenzen ist jedoch entgegenzutreten. Den Vorrang des Bestandschutzes zugunsten einer primären Wertgarantie aufzugeben, würde dem Charakter des Art. 14 GG als Rechtsträgergarantie127 nicht gerecht. Wie bereits ausgeführt muss sich der verfassungsrechtliche Schutz auf das beziehen, was das Eigentum für den Eigentümer ausmacht. Da mit einem bloßen Wertschutz jedoch vom Verkehrswert unabhängige Interessen des Eigentümers nicht berücksichtigt würden und auch ein Schutz wertloser Gegenstände nicht mehr möglich wäre128, ist an der bisher herrschenden Ansicht festzuhalten, wonach eine Entschädigung nur als ultima ratio in Betracht kommt. Etwas anderes würde indes dann gelten, wenn im konkreten Fall nur ein Wertinteresse der Gesellschafter betroffen wäre. Dies könnte nur bejaht werden, wenn sich das Eigentum der Minderheitsgesellschafter auf einen Wertanspruch beschränkte. Dies wurde jedoch schon oben verneint. Auch dem Kleinaktionär kommt neben seinen Vermögensrechten eine mitgliedschaftliche Rechtsstellung zu.
bb) Keine Rechtfertigung allein durch Kompensationsleistung Ist damit daran festzuhalten, dass ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmungen nur bei der Erfüllung hoher Voraussetzungen zulässig sind, so bleibt nunmehr zu fragen, ob hieraus Konsequenzen für die vorliegende Untersuchung zu ziehen sind. Dabei ist zunächst zu unterstreichen, dass mit Blick auf den Nachrang der Wertgarantie die Gewährung von Kompensationen allein nicht die Verhältnismäßigkeit herbeizuführen vermag129. So wenig sich der Gesetzgeber von anderen Rechtmäßigkeitsanforderungen freikaufen kann130, so wenig besteht die Möglichkeit, wegen der Kompensation auf das Erfordernis eines Gemeinwohlbelangs zu verzichten, in dessen Interesse die Eigentumsbelastung erfolgt. Demnach ist weiterhin zu fragen, ob ein kollidierendes Gut identifiziert werden kann, zu dessen Gunsten die Belastung des Anteilseigentums der Minderheitsaktionäre erfolgt.
125 126 127 128 129 130
13*
BVerfG JZ 2001, 37 (38). Lepisus JZ 2001, 24. BVerfGE 24, 367 (400); BVerwGE 87, 332 (380). Vgl. hierzu schon oben, § 4, Text bei Fn. 536 f. Roller NJW 2001, 1008. Sass, Art. 14 GG, S. 328.
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
cc) Einschränkung der Hauptversammlungsbeschlüsse wegen des Vorrangs des Bestandsschutzes Auch wenn ein solches Gemeinwohlgut aufgezeigt werden kann, ist damit noch nicht gesagt, dass bei diesem der Kompensation die gleiche die Verhältnismäßigkeit wahrende Funktion zukommt, wie im Fall der Grundrechte der privaten Mehrheitsgesellschafter. Daran vermag auch die Existenz der Ausgleichszahlung nichts zu ändern. Aus dem Vorrang der Bestandsgarantie ist zu folgern, dass auch die Geldentschädigung nicht dazu führen kann, dass sich jedes Gemeinschaftsgut gegenüber den Eigentümerbelangen durchsetzen kann. Zu beachten ist vielmehr die Relation zwischen Gemeinwohlgut und Eingriffstiefe. Folgt aus dem Gebot zur weitgehenden Wahrung des Bestandsschutzes grundsätzlich, dass Belastungen real zu vermeiden sind, so muss eine einschneidende Belastung trotz der Ausgleichszahlung unterbleiben, wenn sie nicht einem hinreichend wichtigen Gemeinwohlgut dient131. Zwar kann man hier nicht so weit gehen, dass nur Güter von Verfassungsrang überhaupt für eine ausgleichspflichtige Inhalts- und Schrankenbestimmung in Betracht kämen. Ein solches Ergebnis würde etwa im Bereich des Denkmalschutzes zu empfindlichen Lücken führen132. Angezeigt ist es jedoch, eine differenzierende Prüfung unter Beachtung der mit den Hauptversammlungsbeschlüssen verfolgten Gemeinwohlgütern vorzunehmen. Die obigen Ausführungen, insbesondere zur Auflösung oder zur Umwandlung hatten jedoch gezeigt, dass hier keine andere Regelung als die Gewährung einer Kompensation sachgerecht ist. Gleichwohl ist auch für solche Fälle an dem oben aufgezeigten Verhältnis von Eingriffsschwere und Gemeinwohlgut festzuhalten133. Die Tatsache, dass dem Gesetzgeber keine anderen Regelungsalternativen zur Verfügung stehen, vermag nichts an der Tatsache zu ändern, dass ohne besondere, der Verhältnismäßigkeit dienende Mittel die Regelung den Eigentümer unzumutbar belastete. Die Frage, ob sich ein Gemeinwohlgut gegenüber der Eigentumsfreiheit durchsetzen kann, ist mit Blick auf die Bedeutung der kollidierenden Rechtsgüter zu beantworten, nicht mit Blick auf die Regelungsmöglichkeiten des Gesetzgebers. Sich hier anders zu entscheiden liefe auf die Forderung hinaus, dem Gesetzgeber müsse ein Weg eröffnet werden, mit dem jedem Gut zur Durchsetzung gegenüber dem Eigentum verholfen werden kann. Demgegenüber weist die Feststellung, dass Belastungen des Eigentums grundsätzlich real zu vermeiden sind in die richtige Richtung134. Stehen keine anderen Möglichkeiten zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit zur Verfügung und kommt dem Gemeinwohlgut ein zu geringes Gewicht zu, als dass eine Kompensation zulässig wäre, so muss dessen Durchsetzung und damit die Eigentumsbelastung unterbleiben135. 131 132 133 134
Hendler DVBl. 1999, 1502; Roller NJW 2001, 1008. Eine Verankerung im GG verneinend etwa Melchinger, Eigentumsdogmatik, S. 211 ff. A.A. Soell NuR 1993, 304; Roller NJW 2001, 1008 f. Vgl. nur BVerfGE 100, 226 (245) – Rhl-Pfl. DenkmalSchG.
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Folglich ist daran festzuhalten, dass bei den hier untersuchten Hauptversammlungsbeschlüssen ein Gut aufgezeigt werden muss, dass sich von seiner Bedeutung her gegenüber den Belangen der Minderheitsgesellschafter durchsetzen kann.
III. Verfassungssubjektivität der AG 1. Der Ansatzpunkt der Scheidemantel II-Entscheidung Neben Interessen der Mehrheitsgesellschafter könnten auch Interessen der AG als ein weiteres Verfassungssubjekt treten, die mit den Interessen der Minderheitsgesellschafter kollidieren. In der Entscheidung Scheidemantel II geht das Bundesverfassungsgericht offensichtlich von einer solchen Erweiterung aus, da es formuliert, das Aktienrecht müsste darauf reagieren, dass „die Interessen der Aktionäre untereinander sowie im Verhältnis zur Gesellschaft oft divergent sind“136. Eine solche Sicht ist nicht gänzlich neu. Schon 1978 argumentierte Suhr gegen die hier als Trennungsthese bezeichnete Sicht, die Anerkennung von „Eigentum am Unternehmensträger wäre Eigentum am Subjekt. Das gab es als Eigentum des Vaters am Kind oder des Herrn am Sklaven. Heute aber gehört das juristische Subjekt „Unternehmensträger“ nicht anderen natürlichen Personen, sondern es wird durch sie konstituiert “137. Solche Interessen der Gesellschaft könnten auch im vorliegenden Fall dazu führen, die Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung der Grundrechte der Minderheit zu bewirken. So hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass eine Verletzung des Eigentumsgrundrechts gegeben sein kann, wenn die Funktionsfähigkeit der Willensbildung aufgehoben ist138. Gerade etwa das Squeeze-out soll jedoch zu einer reibungslosen Willensbildung im Inneren der Gesellschaft beitragen und teilweise wird auch angeführt, dass ohne eine solche Regelung die Funktionsfähigkeit einer Aktiengesellschaft gefährdet sei.
2. Würdigung Auf den ersten Blick erscheint der oben dargelegte Ansatz folgerichtig. Nach allgemeiner Ansicht kommt einer Aktiengesellschaft, jedenfalls für den Fall einer rein privaten Anlegerschaft, gem. Art. 19 Abs. 3 GG Grundrechtsfähigkeit und 135 Zutreffend die Gewichtung von Eigentümerbelangen, Gemeinwohlerfordernissen und gesetzgeberischen Möglichkeiten bei Ehlers VVDStRL 51 (1992), S. 233. 136 BVerfG ZIP 1999, 1801 (1802) – Scheidemantel II. 137 Suhr NJW 1978, 2365 (Hervorhebungen im Original); gegen die verfehlte Anwendung der Menschenwürde auf eine juristische Person bereits oben, § 4, Text bei Fn. 404 ff. Ähnl. wie Suhr Ebenroth / Koos BB 1995, Beilage 8, S. 3 ff. mit Fn. 24. 138 BVerfGE 50, 290 (352) – Mitbestimmung.
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
damit Verfassungssubjektivität zu139. Dann liegt es nahe, dies auch im Verhältnis zu den Gesellschaftern zu beachten140. Erste Zweifel müssen jedoch schon aufkommen, da es sich vorliegend um eine AG mit Beteiligung des Staates und damit um ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen handelt. Hier ist seit langem strittig, ob der Gesellschaft Grundrechte zuerkannt werden können141. Jedoch bedarf diese Kontroverse vorliegend keiner Entscheidung. Vielmehr kann der oben dargestellte Verweis auf Art. 19 Abs. 3 GG nicht durchgreifen. Dieser stellt nur klar, dass der Gesellschaft Grundrechtsfähigkeit gegenüber dem Staat oder aber im Verhältnis zu Dritten zukommt. Über die Grundrechtswirkungen im Innenverhältnis ist damit noch nichts entschieden142. Gegen eine solche Beachtlichkeit der Grundrechte im Innenverhältnis wird teilweise auf die Durchgriffstheorie143 des Bundesverfassungsgerichts verwiesen, aus der die nur dienende Funktion der AG für die Aktionäre folge144. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts soll aus der Ausrichtung des Grundgesetzes auf den Schutz des Menschen folgen, dass einer juristischen Person nur dann die materiellen Grundrechte zukommen können, „wenn deren Bildung und Betätigung Ausdruck der freien Entfaltung der privaten natürlichen Personen ist, insbesondere, wenn der ’Durchgriff ’ auf die hinter ihnen stehenden Menschen es als sinnvoll erscheinen lässt“145. Ein solcher Durchgriff darf jedoch nicht dahingehend interpretiert werden, dass die juristische Person nur die individuellen Freiheiten der dahinterstehenden Mitglieder wahrnimmt und damit ein bloßer Treuhänder der natürlichen Personen ist146. Bei einem solchen Verständnis könnte die juristische Person nur solche Grundrechte geltend machen, die dem einzelnen Mitglied zustehen, ein Schutz eigener, kooperationsgebundener Rechte wäre nicht möglich147. Damit liefe Art. 19 Abs. 3 GG praktisch leer, da der 139 Vgl. nur BVerfGE 50, 290 (351) – Mitbestimmung; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 19 III Rn. 28; Huber, in: v.Mangoldt / Klein / Strack, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 255; zu der von der privaten Rechtsform ausgehenden Vermutungswirkung vgl. Schmidt-Aßmann BB 1990, Beilage 34, S. 7 ff. 140 So auch der Ansatz von Suhr NJW 1978, 2365. 141 Vgl. die Darst. unten, § 11, Text bei Fn. 405. 142 Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 121; Schön, FS Ulmer, S. 1375. 143 Krit. zu der Bezeichnung als Durchgriff und für die Bezeichnung als Durchblick etwa Poschmann, Grundrechtsschutz, S. 12 mit Fn. 40; Gegenkritik bei Dreier, in: Dreier, GG, Art. 19 III Rn. 20 mit Fn. 53. 144 So ausdr. für den hier fraglichen Zusammenhang Schön, FS Ulmer, S. 1375. 145 So zusammenf. BVerfG JZ 1990, 335 (335) – HEW mit zahlreichen Nachweisen zur Rspr. 146 Poschmann, Grundrechtsschutz, S. 225 f.; Barden, Grundrechtsfähigkeit, S. 30, jeweils m. w. N.; a.A. Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 130; Morgenthaler, Freiheit durch Gesetz, S. 303. 147 v.Mutuis, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 33; Poschmann, Grundrechtsschutz, S. 226 am Bsp. des Schutzes vor einem Verlust der Funktionsfähigkeit durch Mitbestimmung.
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Schutz der kollektiv wahrgenommenen Einzelfreiheit ebenso durch eine teleologische Interpretation der Einzelgrundrechte erreicht werden kann148. Vielmehr soll Art. 19 Abs. 3 GG den Kreis der Grundrechtsträger erweitern und den juristischen Personen gerade eine eigene Berechtigung zuweisen149. Demnach darf nicht über einen Durchgriffsgedanken eine Kongruenz des durch Art. 19 Abs. 3 GG vermittelten Grundrechtsschutzes und des Schutzes zugunsten des Einzelnen herbeigeführt werden. Trotz dieser Kritik ist der Ansatz eines Durchgriffs jedoch nicht zu verwerfen. Notwendig ist nur eine Anwendung dieser Idee unter Berücksichtigung der soeben dargelegten Argumente. Der Schutz der juristischen Personen muss daher an der Bedeutung der juristischen Person als solcher ansetzen. Bei dieser kann auf das personale Substrat, die Berücksichtigung der natürlichen Personen, nicht verzichtet werden150, doch ist eine Anerkennung der Eigenständigkeit der juristischen Person im Verfassungsgefüge geboten151. Geschützt wird der durch sie geschaffene spezifische Eigenwert, der in ihr wurzelnde freiheitliche Mehrwert152. Der Gedanke des Durchgriffs fordert jedoch insoweit Geltung, als dass dieser freiheitliche Mehrwert wiederum auf den Menschen zu beziehen ist. Wie Huber anschaulich formuliert, handelt es sich bei Art. 19 Abs. 3 GG um eine vorgezogene Verteidigungslinie für die hinter der Personenvereinigung stehenden Grundrechtsträger153. Zweck der Anerkennung des Grundrechtsschutzes juristischer Personen und zwar gerade für eigene Grundrechte der Gesellschaft, ist die Effektuierung und vor allem Vervollständigung des Schutzes der dahinterstehenden natürlichen Personen154. Eine solche Sicht entspricht der Ausrichtung des grundrechtlichen Schutzes auf den Einzelnen und der Menschenwürde als höchstem Gut der Verfassung155. Anders als eine natürliche Person kann die juristische Person nicht Selbstzweck sein. Als Teil des Rechts ist sie wie jede andere Norm um des Menschen Willen geschaffen156. Zwar treten die juristischen Personen im Rechtsleben neben die Menschen. Dabei handelt es sich jedoch um von der Rechtsordnung vorgese148 v.Mutius, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 32; Dreier, in: Dreier, GG, Art. 19 III Rn. 21; Huber, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 235; jeweils m. w. N. 149 Dreier, in: Dreier, GG, Art. 19 III Rn. 17; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 118 Rn. 1. 150 So auch Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 207 f. 151 Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 118 Rn. 2. 152 Huber, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 238; ähnlich Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 688: „Überschusseffekt“. 153 Huber, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 239; ähnl. Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 118 Rn. 6: „ein zweiter Wall der Grundrechte gegenüber dem Staat“. 154 Schmidt-Aßmann BB 1990, Beilage 34, S. 13; ders., FS Niederländer, S. 396. 155 Vgl. nur Dürig, in: MD, GG, Art. 19 III Rn. 1; Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 118 Rn. 4. 156 Isensee, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 118 Rn. 10.
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hene Formen menschlichen Handelns157. Schon die Gründung stellt einen Akt grundrechtlicher Freiheitsausübung dar, was dann im weiteren Bestehen der juristischen Person fortwirkt158. Eine solche Orientierung an der grundrechtlichen Freiheit des Einzelnen bietet nicht nur eine befriedigende dogmatische Begründung des Grundrechtsschutzes juristischer Personen, sondern zeichnet auch sachgerechte Grenzen vor. Die aufgezeigte Ausrichtung des Grundgesetzes an der Menschenwürde als höchstem Gut verbietet es, die Grundrechtsfähigkeit juristischer Personen so auszuweiten, dass dies „auf Kosten des Einzelnen ginge“159. Gerade dies wäre jedoch der Fall, wenn man aus Art. 19 Abs. 3 GG eine Verfassungssubjektivität im Innenverhältnis herleitete. Oben wurde festgestellt, dass eine Trennung zwischen Aktien- und Unternehmenseigentum nicht denkbar ist, der Aktionär vielmehr auch Einfluss auf das Unternehmen selbst haben muss. Dem Aktionär im Innenverhältnis ein Verfassungssubjekt mit konkurrierenden und im Endeffekt begrenzenden Interessen gegenüber zu stellen, führte zu einer Entkopplung von Aktieneigentum und Einfluss auf das Unternehmen, die mit der Bedeutung der juristischen Person im Licht des Art. 19 Abs. 3 GG nicht vereinbar ist160.
3. Exkurs: Kein Ausschluss der Grundrechtskollision durch eigene Grundrechte der AG Mit Blick auf diese dargelegte Abgrenzung der Grundrechtssphären der Grundrechte der AG wird auch deutlich, dass die teilweise umfassend formulierte Ansicht, die Zuerkennung eigener Grundrechte für die juristische Person verhindere Grundrechtskollisionen zwischen den Gesellschaftern161, in dieser Weite nicht zutreffen kann. Zuzugeben ist, dass sofern Grundrechte betroffen sind, die nur der AG, nicht aber dem einzelnen Aktionär zustehen, auch keine Grundrechtsbetroffenheit des Aktionärs gegeben ist. Es ließe sich dann argumentieren, dass auch bei der Entscheidung über die Geltendmachung einer solchen Beeinträchtigung des Grundrechts der AG keine Grundrechtskollision gegeben ist162. Indes kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass neben den Grundrechten der AG die Grund157 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 143 f.; v.Mutius, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 32; vgl. auch Krebs, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 19 Rn. 38, der in dem Dienen der juristischen Person für die Betätigung des Einzelnen den ausschlaggebenden Grund für die Grundrechtsfähigkeit sieht. 158 Vgl. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 214; vgl. auch Rüfner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 116 Rn. 31. Zur Gleichbehandlung von Gründung und Betätigung schon oben, § 2, Text bei Fn. 28. 159 v.Mutius, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 62; Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 689. 160 Schön, FS Ulmer, S. 1375. 161 Bethge, Grundrechtskollisionen, S. 28; beschränkt auf kollektiv ausübbare Grundrechte v.Mutius, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 62. 162 In diesem Sinne v.Mutius, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 62.
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rechte der Einzelgesellschafter bestehen und diese auch nicht auf die AG übertragen werden können. Folglich verbleibt durchaus Raum für Grundrechtskollisionen unter den Gesellschaftern. Die Grundrechte der AG vermögen die obigen Ausführungen nicht in Frage zu stellen.
4. Kein abweichendes Ergebnis aus einer Gemeinwohlbindung des Vorstands Ein abweichendes Ergebnis kann auch nicht aus einer Gemeinwohlbindung des Vorstands hergeleitet werden. Nach teilweise vertretener Ansicht sollen Interessen der AG den Gesellschaftern „in ihrer auch gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung“ entgegengehalten werden können163. Dann wäre es möglich, dass die AG nicht nur als Mittel zur Interessenwahrnehmung der Gesellschafter zu sehen ist, was die obige Argumentation in Frage stellen würde. Der Annahme einer Gemeinwohlbindung liegt die Prämisse zugrunde, dem Vorstand komme die Verpflichtung zu, bei seiner gem. § 76 Abs. 1 AktG freien Unternehmensführung auch Allgemeinwohlinteressen neben den Interessen der Gesellschafter mit zu berücksichtigen164. Auf dieser Basis könnten die obigen Ausführungen in Frage zu stellen sein. Die These von der Allgemeinwohlbindung des Vorstandes kann im Ergebnis jedoch nicht überzeugen. Zwar ist es dem Vorstand im Rahmen seines Ermessens nicht verwehrt, auch öffentliche Interessen einfließen zu lassen. Ein solches Verhalten kann sogar angezeigt sein, um sich als good corporate citizen zu präsentieren und damit die Akzeptanz der AG zu erhöhen165. Dabei handelt es sich jedoch nur um eine Ermächtigung gegenüber den Aktionären, die sich im Außenverhältnis als rechtlich unverbindlicher Appell darstellt166. In diese Richtung weist schon die Tatsache, dass das AktG 1965, anders als sein Vorläufer aus dem Jahre 1937 in dessen § 70 Abs. 1, auf die Erwähnung einer Gemeinwohlklausel verzichtet167. Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der historische Gesetzgeber die Verpflichtung auf das Allgemeinwohl als selbstverständlich ansah168. Da im gleichen Atemzug eine Gemeinwohlklausel als bedeutungslos abgelehnt wurde, ist die Historie widersprüchlich und vermag kein Gegenargument zu liefern169. Aufschluss gibt hingegen die Gesetzessystematik. 163 164
Ebenroth / Koos BB 1995, Beilage 8, S. 7. Hopt ZGR 1993, 536; Hüffer, AktG, § 76 Rn. 12; Ebenroth / Koos BB 1995, Beilage 8,
S. 5. 165 166 167 168 169
Mertens, in: KK, AktG, § 76 Rn. 32. Martens, FS Kellermann, S. 293. Rittner, FS Geßler, S. 142; Mertens, in: KK, AktG, § 76 Rn. 32. Schilling, FS Geßler, S. 168 f.; Raiser ZHR 144 (1980), 211. Rittner, FS Geßler, S. 142 ff.; Paefgen, Struktur, S. 72 ff.
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Mit Blick auf die Aufgabenteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat würde eine Gemeinwohlbindung des Vorstands nur Sinn machen, wenn diese auch auf den Aufsichtsrat erstreckt würde. Hierfür lassen sich jedoch keine Anhaltspunkte auffinden170. Ebenso ist zu beachten, dass nach dem UmwG 1994 die einzelnen Gesellschaftsformen als gleichberechtigte Alternativen nebeneinander stehen. Dann kann es nicht überzeugen nur für die AG eine Gemeinwohlbindung zu fordern, derer man sich überdies durch einen Rechtsformwechsel entledigen könnte171. Bedenkt man, dass Art. 14 Abs. 2 GG keine unmittelbare Wirkung gegenüber dem Bürger zukommt172 und man demnach eine Allgemeinwohlbindung nur dort bestätigen kann, wo sie gesetzlich definiert wurde, so kann auch ein Hinweis auf die dortige Gemeinwohlklausel173 zu keinem anderen Ergebnis führen. Folglich kann eine allgemeine Verpflichtung des Vorstands zur (Mit-)Verfolgung von Allgemeininteressen nicht begründet werden. Demnach kann die Verfassungssubjektivität der AG im Verhältnis zu ihren Aktionären auch nicht unter dem Aspekt ihrer Stellung in Gesellschaft und Gesamtwirtschaft begründet werden.
IV. Leistungsfähigkeit der AG und Interessen der Gesamtwirtschaft Auch ist der Blick auf einen weiteren Aspekt zu lenken, der regelmäßig im Zusammenhang mit dem durch Minderheitsgesellschafter entstehenden Aufwand und der Gefahr des Missbrauchs erwähnt wird. Angeführt wird, dass ein erhebliches öffentliches Interesse an der Existenz leistungsfähiger Kapitalgesellschaften bestehe174.
1. Der Verweis auf die Feldmühle-Entscheidung des BVerfG Wenn in diesem Zusammenhang auf die Feldmühle-Entscheidung im 14. Band Bezug genommen wird175, so kann dies für die Lösung des vorliegenden Problems nicht weiterhelfen. Richtig ist, dass das Bundesverfassungsgericht das in Frage stehende Konzerninteresse als einen legitimen Gegenpol zu den Interessen der Minderheitsgesellschafter angesehen hat. Der Gesetzgeber dürfe „den Interessen Wiedemann, Gesellschaftsrecht I, S. 338. Mülbert ZGR 1997, 148 f. 172 Dazu oben, § 4, Text bei Fn. 271 ff.; im hier relevanten Zush. ausdr. a.A. Schmidt-Leithoff, Die Verantwortung, S. 158 ff. 173 So etwa Rittner, FS Geßler, S. 146; Schilling BB 1997, 378. 174 v.Falkenhausen, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 120; Grüner NZG 2000, 198. 175 Vgl. v.Falkenhausen, a. a. O.; Grüner NZG 2000, 198; Stellungnahme DAV NZG 1999, 850. 170 171
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der Allgemeinheit an einer freien Entfaltung der unternehmerischen Initiative im Konzern“ den Vorrang einräumen176. Obgleich dies auf ein öffentliches Interesse im oben geforderten Sinne hindeutet, bedarf es an dieser Stelle einer genaueren Untersuchung. Das Bundesverfassungsgericht führte nämlich auch aus, auf welcher Grundlage die Anerkennung des Konzerninteresses wurzelt. Die Zulassung der Konzerne durch den Gesetzgeber sei ein Akt der Anerkennung der unternehmerischen Freiheit. Basis sind die grundrechtlich geschützten Interessen der Mehrheitsgesellschafter 177. Es liegt demnach nahe, dass die ausdrückliche Erwähnung des „gemeinen Wohls“, der „Interessen der Allgemeinheit“ 178 nur Ausdruck des bereits oben belegten Befundes ist, wonach die gesetzgeberische Leitlinie des Art. 14 Abs. 2 GG, anders als beim gleich formulierten Absatz 3, auch Privatinteressen zu umfassen vermag. Folglich wäre ein von den Grundrechten der Mehrheit bestehendes, gewissermaßen objektives Konzerninteresse gerade nicht vom BVerfG anerkannt worden. Doch auch wenn man diesen letzten Schritt nicht gehen wollte, so erscheint es fraglich, ob ein eigenständiges Konzerninteresse auch dort aufrecht erhalten werden kann, wo es an dem durch die Grundrechte der Mehrheitsgesellschafter geprägten Hintergrund fehlt. Die Qualifizierung der Funktionsfähigkeit der Kapitalgesellschaften kann subjektivrechtlich erreicht werden. Sie tritt dann nicht neben die Grundrechte der Anteilseigner, sondern ist derart mit ihnen vernetzt, dass der Funktionsverlust aus einer übermäßig starken Beschränkung der Nutzungsbefugnisse resultiert179.
2. Die Funktionsfähigkeit der AG und die Interessen der Gesamtwirtschaft Die Funktionsfähigkeit der Unternehmen kann jedoch auch aus einer anderen Perspektive Eingang in die Diskussion finden. So dient die Funktionsfähigkeit der Aktiengesellschaften, etwa unter dem Aspekt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, auch der Gesamtwirtschaft180 und damit einem Gemeinwohlbelang181.
BVerfGE 14, 263 (282) – Feldmühle. BVerfGE 14, 263 (281 f.). 178 BVerfG 14, 263 (282). 179 Vgl. hierzu im vorliegenden Zush. Kossmann NZG 1999, 1200; weiterhin Zacher, FS Peters, S. 231 zum MitbestG sowie Erdmann / Mager DB 1987, 49 f. am Bsp. der Mitbestimmung nach dem BetrVG. 180 So schon Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 7 / 2172, S. 31. 181 Vgl. hierzu etwa Häberle, Öffentliches Interesse, S. 55 mit Fn. 47. 176 177
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a) Die Abhängigkeit der Gesamtwirtschaft von der unternehmerischen Initiative Ob hieraus im vorliegenden Fall ein Einwand resultiert, ist jedoch zu bezweifeln. Sowohl die Kapitalgesellschaften als auch das geltende Wirtschaftssystem, dessen elementarer Bestandteil die Gesellschaften sind, ist auf den Einsatz unternehmerischen Kapitals und damit auf die unternehmerische Initiative angewiesen182. Die mangelnde Funktionsfähigkeit der Gesellschaften vermag jedoch eine abschreckende Wirkung zu entfalten und, besonders im internationalen Vergleich, den Einsatz von Kapital zu verhindern183. Dies wurde schon in der Diskussion um die Einführung der Mitbestimmung dargelegt und auch die Einführung der §§ 327a ff. AktG waren nicht zuletzt von dem Gedanken geprägt, aus dem deutschen Gesellschaftsrecht resultierende Standortnachteile zu beseitigen184. In der hier interessierenden Konstellation folgt aus dem aufgedeckten Zusammenhang dennoch kein Gegenpol. Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, wie weit der Einwand reicht, die Funktionsfähigkeit sei auch ohne solche Instrumente hinreichend gewahrt, da die Unternehmen schließlich auch ohne die Durchführung der Hauptversammlungsbeschlüsse nicht handlungsunfähig sind. Durchschlagend ist nämlich, dass das Verbot zugunsten der öffentlichen Hand nicht geeignet ist, die private Initiative zu bremsen. Anders als etwa die Einführung der Mitbestimmung erreicht die hier verfolgte Beschränkung keine flächendeckende Wirkung. Erfasst wird nicht jedes Unternehmen ab einer bestimmten Größe, sondern nur solche mit einer staatlichen Mehrheitsbeteiligung. Für den privaten Anlieger heißt dies, dass er bis zur Erreichung der Mehrheit keine Einbußen zu befürchten hat und er vielmehr sogar gegenüber dem Mehrheitsaktionär einen verstärkten Schutz genießt. Hat er jedoch die erforderliche Anteilsmehrheit erreicht, so ist fast denknotwendig eine Mehrheitsbeteiligung der öffentlichen Hand ausgeschlossen, so dass die Voraussetzungen der Ausnahmevorschrift nicht gegeben wären. Diese Argumentation kann auch nicht mit dem Einwand erschüttert werden, eine Abschreckungswirkung könne schon daraus resultieren, dass der Aktionär auch als Minderheitsgesellschafter nur dort investieren wollte, wo er auf die Durchführung der die Leistung erhöhenden Maßnahmen durch den Mehrheitsaktionär baute185. Führt eine Maßnahme einen Ausschluss der Gesellschafter herbei, erfasst dieser alle Minderheitsgesellschafter, so dass ihm insofern keine Vorteile winken. Und selbst wenn er in der Gesellschaft verbleiben könnte, da er sich beispielsweise den Verbleib in der Gesellschaft nicht durch einen Formwechsel verleiden ließe, so folgte daraus kein Gegenargument. Er wäre dabei von dem Dafürhalten der von ihm regelmäßig unbeeinflussten Mehrheit abhängig. Damit besteht sein Vorteil nur So schon Buchner ZFA 1974, 174 f. Grasmann DB 1975, Beilage 21, S. 10 f.; Buchner ZfA 1974, 173; ähnl. ders. DB 1975, 37. 184 Vgl. nur Sieger / Hasselbach ZGR 2002, 124. 185 Vgl. den Ansatz bei Harbarth, Anlegerschutz, S. 87. 182 183
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in der theoretischen Möglichkeit eines der hier diskutierten Hauptversammlungsbeschlüsse. Genommen wird ihm also nur eine bloße Chance, deren Wegfall jedoch durch die Sicherheit aufgewogen wird, in dieser Gesellschaft gerade nicht von einem Ausschluss bedroht zu sein.
b) Der Zusammenhang zwischen Einzelgesellschaft und Gesamtwirtschaft Trotz der oben aufgezeigten Zusammenhänge bleibt ein weiterer Einwand zu untersuchen. Ein Ziel, dass mit den hier untersuchten Hauptversammlungsbeschlüssen zumindest mitverfolgt werden kann, ist der Ausschluss von Minderheitsgesellschaftern186. Minderheitsbeteiligungen führen mit Blick auf die umfangreichen Informationspflichten zu mitunter erheblichen Kosten, die sich als starke Belastung für die Gesellschaft darstellen können187. Bei der Einführung des Squeeze-outs gem. §§ 327a ff. AktG war die Vermeidung solcher Kosten eines der tragenden Motive des Gesetzgebers188. Des Weiteren ist zu bedenken, dass auch im Fall eines mittelbaren Ausschlusses der Minderheitsgesellschafter, also etwa auch im Fall der übertragenden Auflösung189, solche Kosten entfallen. Die Auswirkungen eines Verlustes der Minderheitsgesellschafter sind jedoch nicht nur auf die Kosten beschränkt. So können etwa Strukturmaßnahmen leichter und ohne die Gefahr erpresserischer Anfechtungsklagen durchgesetzt werden und hinsichtlich der Geschäftsgeheimnisse ist eine bessere Geheimhaltung gewährt190. Der Verlust der Minderheitsgesellschafter kann also für das einzelne Unternehmen wirtschaftlich sinnvoll sein und auch zu dessen Wachstum beitragen191. Unzweifelhaft muss zwischen der Leistungsfähigkeit der Gesamtwirtschaft und der darin erfassten Einzelunternehmen ein Zusammenhang bestehen. Geht man nun davon aus, dass die Leistung einer Gesamtwirtschaft nur die Summe der Leistungen der erfassten Einzelunternehmen ist192, so liegt es nahe, im Interesse der Volkswirtschaft die aufgezeigte Stärkung der Einzelunternehmen zu fordern. Ob diese Schlussfolgerung durchzugreifen vermag, ist jedoch fraglich. Konsequent zu Ende gedacht würde die Prämisse bedeuten, dass jeder einzelne Betrieb, Dies gilt auch im Fall des Formwechsels, vgl. hierzu schon oben, § 5, Text bei Fn. 66. Vgl. etwa Baums, Ausschluß, S. 25 ff. 188 Sieger / Hasselbach ZGR 2002, 123 f.; weiterhin Hüffer, AktG, § 327a Rn. 1. 189 Wurde oben festgestellt, dass den neuen §§ 327a f. AktG keine Monopolwirkung zukommt, die Verfahren des mittelbaren Gesellschafterausschlusses also noch anwendbar bleiben, so kann man auch nicht an dieser Stelle von einem Rechtsmissbrauch ausgehen, der die Berücksichtigung solcher Vorteile ausschließt. 190 Stellungnahme DAV NZG 1999, 850; Fleischer ZGR 2002, 761. 191 Kossmann NZG 1999, 1200. 192 Knöpfle WuW 1974, 9; ähnl. Buchner DB 1975, 37; in diese Richtung auch Flume DB 1967, 298, der bei den Interessen des Staates auch auf die Aufbringung von Steuern abstellt. 186 187
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unabhängig von seiner Größe und Bedeutung, bei einer die Gesamtwirtschaft betreffenden Betrachtung einbezogen werden müsste193. Im Ergebnis würde die in der Betrachtung der Gesamtwirtschaft angelegte generelle Sichtweise zugunsten einer Einzelbetrachtung abgelöst. In Folge würde nicht nur die Praktikabilität und Brauchbarkeit der Berücksichtigung der Gesamtwirtschaft in Frage gestellt. Dabei ist auch zu beachten, dass die Wirtschaft kein exakter Mechanismus ist, bei dem sich jede Veränderung eines Parameters auch im Ergebnis sicher auswirkt194. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die oben gewählte Prämisse in Frage zu stellen. Man kehrte mit ihr, entgegen dem obigen Ausgangspunkt, wieder zu einer auf Einzelinteressen zugeschnittenen Sicht zurück. Will man hingegen die methodische Trennung zwischen Einzelinteressen und einer davon grundsätzlich zu trennenden Gesamtwirtschaft aufrecht erhalten, so ist eine generalisierende Sicht geboten, die nicht auf individuelle, sondern auf übergreifende und typische Folgen einer Regelung abstellt195. Mithin kann eine relevante Auswirkung auf die Gesamtwirtschaft nur dann bejaht werden, wenn die Gesamtwirtschaft oder zumindest eine Branche betroffen ist, bzw. wenn von vorneherein klar ist, dass die Auswirkungen des Gesetzes eine dementsprechende Breitenwirkung entfaltet196. Beachtet man an dieser Stelle, dass die vorliegend diskutierte Ausnahme nur die von der öffentlichen Hand beherrschten Gesellschaften betrifft, so ist die Erreichung einer solchen Breitenwirkung fraglich. Zwar kann die Bedeutung staatlicher Wirtschaftsbetätigung für die Gesamtwirtschaft nicht geleugnet werden. Betroffen ist jedoch noch nicht einmal dieser gesamte Ausschnitt, sondern nur die Fälle, in denen eine gemischt-wirtschaftliche Gesellschaft mit einer deutlichen Kapitalmehrheit beherrscht wird. Weiterhin sind die hier relevanten Fälle auch nicht auf eine bestimmte Branche konzentriert. Hinzu tritt, dass die Leistungsfähigkeit dieser Gesellschaften nur in der Art und Weise beschränkt wird, dass Mittel zur zusätzlichen Leistungssteigerung verwehrt werden. Demnach ist eine Breitenwirkung im oben geforderten Sinn zu verneinen, so dass die Belange der Gesamtwirtschaft der hier vorgeschlagenen Restriktion nicht entgegenstehen.
3. Ergebnis Damit ist zusammenzufassen, dass weder aus der Funktionsfähigkeit der AG noch aus den damit verbundenen Interessen der Gesamtwirtschaft Aspekte hergeleitet werden können, die eine Begrenzung der Grundrechte der Minderheitsgesellschafter trügen. Demnach vermögen sie einer Begrenzung der Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand nicht entgegen zu stehen. Ähnl. Bartram WuW 1979, 376. Vgl. Kratzmann, Verschuldungsverbot, S. 78. 195 Vgl. Scholz, Konzentrationskontrolle, S. 81. 196 Angemahnt wurde dies etwa für das MitbestG, vgl. Grasmann, DB 1975, Beilage 21, S. 11 f. 193 194
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V. Ingerenzpflicht und öffentlicher Zweck 1. Demokratische Legitimation – Der Grundsatz Dem Demokratieprinzip gem. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG ist zu entnehmen, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgehen muss, es diese jedoch gem. Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG im Schwerpunkt durch Wahlen und Abstimmungen ausübt. Um die dadurch entstehende Lücke zu schließen, ist zu fordern, dass jede Ausübung von Staatsgewalt demokratisch legitimiert ist. Erforderlich ist eine normative Rückbindung aller staatlichen Akte an das Volk, dem ein effektiver Einfluss zukommen muss197. Besteht Einigkeit, dass sich das Erfordernis demokratischer Legitimation auch auf die Eigengesellschaften des Staates erstreckt198, so ist die Beurteilung gemischtwirtschaftlicher Unternehmen umstritten. Teilweise wird die Erstreckung des Erfordernisses demokratischer Legitimation auch auf die gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen verneint199. Die Gegenansicht fordert eine demokratische Legitimation jedoch auch bei solchen Gesellschaften, an denen der Staat beteiligt ist, wobei mit Blick auf die hier untersuchten Fälle dahinstehen kann, ob dies nur für die Beherrschung einer AG durch die öffentliche Hand mit einer Kapitalbeteiligung von mindestens 75 %200 oder für jeden Fall der Beteiligung gilt201. Begründet wird dies damit, dass sich das Verhalten der Gesellschaft ebenfalls als Staatsgewalt darstelle und demnach der demokratischen Legitimierung bedürfe202. Geht man diesen Schritt, so liegt es nahe, die Beteiligung Privater an einer Gesellschaft als Legitimationsdefizit zu sehen, da nunmehr deren Belange berücksichtigt werden müssen203. Dabei können zwei Fragekomplexe unterschieden werden204. Während zunächst eher formal gefragt wird, ob eine Veränderung der Gesellschaft durch das Erfordernis eines Legitimationszusammenhangs begründet werden kann, ist danach zu prüfen, ob eine Verbesserung des Einflusses der öffentlichen Hand in der AG geboten ist und dies die Belastung der Privaten zu rechfertigen vermag. Wurde oben die These vom Verwaltungsgesellschaftsrecht verworfen, so ist es nur konsequent nunmehr mit der g. h. M. zu fordern, dass die öffentliche Hand 197 Grundlegend Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR I, § 22 Rn. 11 ff.; SchmidtAßmann AöR 116 (1991), 329 ff.; weiterhin etwa Sommermann, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 20 Abs. 2 Rn. 137 ff.; Emde, Die demokratische Legitimation, S. 39 ff.; Ehlers Jura 1997, 183 ff. 198 Berg GewArch 1990, 230; Gersdorf, AfP 1998, 474. 199 Ablehnend Schmidt-Aßmann AöR 116 (1991), 346; ders., Das allgemeine Verwaltungsrecht, Kap. 5 Rn. 53; Ehlers JZ 1990, 1096; Puhl, Haushaltsverfassung, S. 164 ff. 200 Pfeifer, Steuerung, S. 20 f.; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 88 f. 201 Koch, Der rechtliche Status, S. 216. 202 So etwa Gersdorf AfP 1998, 474. 203 Hecker VerwArch 92 (2001), S. 273; Mann, Gesellschaft, S. 263. 204 Ossenbühl ZGR 1996, 507 f.
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ihren Einfluss durch Nutzung der Mittel sicherstellt, die ihr das Gesellschaftsrecht zur Verfügung stellt205. Folglich ist in der nachfolgenden Untersuchung der Blick darauf zu richten, ob mit den durch das Gesellschaftsrecht angebotenen Mitteln die Anforderungen aus dem Demokratieprinzip erfüllt werden können bzw. durch die Belastung der Gesellschafter eine Verbesserung der Bedingungen erreicht werden muss. 2. Der Legitimationszusammenhang Das eher formale Kriterium eines hinreichenden Legitimationszusammenhangs206, die so genannte organisatorisch-personelle demokratische Legitimation verlangt, dass die Einsetzung des einzelnen Trägers öffentlicher Gewalt auf den Willen des Volkes zurückgeführt werden kann. Folglich müssen auch die Organe der AG eine ununterbrochene Legitimationskette aufweisen. Dabei ist nicht erforderlich, dass die Legitimation des einzelnen Handelnden unmittelbar auf das Volk zurückgeführt werden kann. Ausreichend ist vielmehr auch eine mittelbare Legitimation, d. h. die Ableitung der Stellung von einem Kreationsorgan, das seinerseits demokratisch legitimiert ist. Das Aktienrecht bietet eine solche Legitimation, die alle Organe erfasst207. Ausgangspunkt ist hier die Hauptversammlung, an der die öffentliche Hand durch entsendete Vertreter teilnimmt. Dieses Organ wählt und demnach legitimiert gem. § 101 Abs. 1 S. 1 AktG den Aufsichtsrat, der seinerseits gem. § 84 Abs. 1 S. 1 AktG den Vorstand bestellt. Handelt es sich um ein gemischt-wirtschaftliches Unternehmen, so sind an den Beschlüssen der Hauptversammlung auch die privaten Aktionäre beteiligt. Diese können jedoch ihrerseits nicht auf eine demokratische Legitimation verweisen. Eine Unterbrechung der Legitimationskette liegt vor, wenn die Einsetzungsentscheidung von einer ihrerseits nicht legitimierten Stelle vorgenommen wird208. Ginge man nun davon aus, dass die Mitwirkung der ihrerseits nicht legitimierten Bürger dazu führte, dass der Hauptversammlung die Legitimation fehlt, so läge gerade eine solche Unterbrechung vor, mit der Folge, dass auch die davon abgeleiteten Organe, der Aufsichtsrat sowie der Vorstand nicht legitimiert wären209. Mit Blick auf diese Schlussfolgerung liegt die Erwägung nahe, dass die 205 Statt vieler Spannowsky DVBl. 1992, 1074; Glauben ZG 1997, 151; Huber StWStP 1997, 433. 206 Hierzu statt aller Schmidt-Aßmann AöR 116 (1991), S. 360 ff.; Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR I, § 22 Rn. 11 ff. 207 Vgl. nur Brenner AöR 127 (2002), 239 f.; wohl a.A. Glauben ZG 1997, 151, jedoch ohne Begründung. 208 Schmidt-Aßmann AöR 116 (1991), S. 360 f.; Weiß, Privatisierung, S. 319. 209 Vgl. hierzu BVerwGE 106, 64 (79 ff.) am Bsp. der Organe einer Genossenschaft. Aus diesen Erwägungen heraus wird teilweise die Zulässigkeit der Mitbestimmung nach dem
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Herstellung einer demokratischen Legitimation geboten ist und den Ausschluss der Minderheitsgesellschafter rechtfertigen kann210. Eine solche Argumentation erweist sich jedoch bei näherem Hinsehen als verfehlt. Eine demokratische Legitimation kann auch durch ein Kreationsorgan vermittelt werden, das sich nicht ausschließlich aus demokratisch legitimierten Mitgliedern zusammensetzt. Voraussetzung ist jedoch, dass gewährleistet sein muss, dass sich die legitimierten Mitglieder im Ergebnis durchzusetzen vermögen211. In den Fällen, in denen die Durchsetzung der hier fraglichen Hauptversammlungsbeschlüsse in Betracht kommt und die öffentliche Hand daher 75 % bzw. im Fall des Squeeze-outs 95 % des Kapitals hält, ist dies klar gegeben. Demnach ist auch in den Fällen bloßer Beherrschung bereits eine ununterbrochene demokratische Legitimation gewährleistet. Dem steht auch nicht die Erwägung entgegen, dass bei Unternehmen, die von verschiedenen Trägern öffentlicher Gewalt gemeinsam beherrscht werden, die Gefahr besteht, dass sich eine dieser Körperschaften mit den privaten Anteilseignern verbündet und diesen damit zur Durchsetzung verhilft212. Zu Mehrheitsentscheidungen kann es auch in gemischt-öffentlichen Unternehmen kommen, in denen mehrere öffentliche Hände, jedoch ohne die Beteiligung Privater, miteinander kooperieren213. Auch hier führen Mehrheitsbeschlüsse dazu, dass einzelne Träger öffentlicher Gewalt die Entscheidung nicht mittragen, obgleich diese auch für die Wirkung entfaltet, von denen die Unterlegenen ihre Legitimation ableiten. Geht man in diesen Fällen von einem hinreichenden Legitimationsniveau aus, so kann für die Mehrheitsbildung unter der Mitwirkung Privater nichts anderes gelten. Eine Grenze ist erst dann erreicht, wenn sich die privaten Aktionäre aus eigener Kraft durchsetzen können214. Wollte man die dabei gegebene Legitimation nicht ausreichen lassen, so führte dies weiterhin dazu, dass die Mitentscheidung externer Vertreter stets unmöglich wäre, da immer die Gefahr einer Aufspaltung der Stimmen der öffentlichen Hand gegeben ist und folglich schon ein einzelner Dritter entscheidend sein kann. Ein solches Verbot wäre aber weder mit anerkannten Fällen der Mitentscheidung Dritter noch mit den Bedürfnissen der Praxis vereinbar215. Ist damit die Legitimation MitbestG in öffentlichen Unternehmen verneint, so etwa Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 737; Becker ZögU 2001, 17. 210 Ohne Bedeutung ist dieses Argument für den Formwechsel, sofern die Gesellschafter sich für den Verbleib in der GmbH entscheiden. 211 BVerfGE 93, 37 (67 f.); BVerwGE 106, 64 (75); Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR I, § 22 Rn. 18. 212 Scholz ZBR 1980, 303; Ossenbühl ZGR 1996, 516. 213 Zu dem Begriff vgl. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 51 m. w. N. 214 Kämmerer, Privatisierung, S. 198. 215 Bieback, Die Mitwirkung, S. 46; ähnl. Böckenförde, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR I, § 22 Rn. 19 a.E. 14 Wandt
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der Hauptversammlung gewährleistet, so sind auch der Aufsichtsrat und in Folge auch der Vorstand als legitimiert anzusehen. Wenn damit bei Bestehen einer Minderheitsbeteiligung eine gleiche organisatorisch-personelle demokratische Legitimation der Gesellschaftsorgane erreicht werden kann, wie im Fall einer Gesellschaft, deren Aktien vollständig in Staatshand liegen, so ist insofern kein Ansatzpunkt ersichtlich, um eine Belastung der privaten Mitgesellschafter zu rechtfertigen.
3. Möglichkeit der Einflussnahme Das Demokratieprinzip setzt als eher materiellen Ansatzpunkt jedoch auch voraus, dass die öffentliche Hand einen ausreichenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben kann. Dieser Aspekt kann auch nicht mit Blick auf die obige Bejahung der organisatorisch-personellen Legitimation als unbedeutend bezeichnet werden. Die Formen der Legitimation ergänzen sich dahin, dass zu dem einmaligen Akt der Bestellung eines Amtsträgers die fortlaufende Rückbindung an den Volkswillen durch die Einflussnahme tritt216.
a) Minderung der Einflussnahme durch den Zielkonflikt mit den privaten Gesellschaftern Auch insoweit kann man geneigt sein, aus der kapitalmäßigen Beherrschung darauf zu schließen, dass die gleichen Einflussmöglichkeiten gegeben sind, wie im Fall der Einmanngesellschaft. Gleichwohl kann diese Vermutung nicht aufrecht erhalten werden. Seinen Grund findet dies in dem Zielkonflikt, der die gemischtwirtschaftlichen Unternehmen prägt. Bereits festgestellt wurde, dass die öffentliche Hand nur dann wirtschaftlich tätig werden darf, wenn sie einen öffentlichen Zweck zumindest mitverfolgt und dass ein reines Gewinnstreben hier auch nicht unter dem Aspekt mittelbarer Zweckverfolgung genügen kann. In der Eigengesellschaft stellt sich dies nicht als problematisch dar. Hier kann die öffentliche Hand eine Verfolgung der öffentlichen Zwecke anstreben und die Ziele der Gesellschaft als Alleingesellschafter selbständig definieren217. Treten hingegen weitere Gesellschafter hinzu, so ist diese Freiheit eingeschränkt. Die privaten Mitgesellschafter streben in aller Regel eine maximale Gewinnerzielung seitens der Gesellschaft an. 216 Anschaulich Becker ZögU 2001, 15. Zur Notwendigkeit fortlaufender Kontrolle neben der Einsetzung auch Knirsch, Information, S. 137. 217 Gleichwohl kann man nicht soweit gehen, eine Bindung der öffentlichen Hand an das Gesellschaftsrecht zu verneinen (so aber wohl v.Arnauld DÖV 1998, 443). Da die Normen des Gesellschaftsrechts auch außenstehenden Dritten dienen, wie etwa die Normen der Kapitalaufbringung und -erhaltung zum Schutz der Gläubiger zeigen, geht eine solche Schlussfolgerung zu weit.
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Dies führt regelmäßig zu einem Konflikt mit der öffentlichen Zielsetzung des staatlichen Gesellschafters, da diese etwa auch die Aufrechterhaltung defizitärer Leistungen zur Sicherung einer Grundversorgung verlangen kann218. Dieser Konflikt kann von Anfang an durch eine entsprechende Gestaltung der Satzung ausgeschlossen werden219. Ansatzpunkt ist hier der Gesellschaftszweck, d. h. die von den Gesellschaftern vereinbarte Zielsetzung der Gesellschaft220. Wurde hier hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass der Verfolgung gemeinnütziger Ziele ein Vorrang vor der Erzielung von Gewinnen zukommen soll221, so ist der Interessenkonflikt zugunsten der öffentlichen Hand entschieden. Fehlt hingegen eine solche Beschreibung des Zweckes, so ist die AG auf die Erzielung von Gewinnen ausgerichtet222. In diesem Fall treten den Interessen der öffentlichen Hand die Forderungen der privaten Mitgesellschafter entgegen, die AG entsprechend dieser Ausrichtung zu führen. Entgegen anderer Ansicht223 kann die öffentliche Hand eine Auflösung dieses Spannungsverhältnisses nicht einfach dadurch erreichen, dass sie eine Änderung des Gesellschaftszwecks durch einen satzungsändernden Hauptversammlungsbeschluss bewirkt. Zwar hat sie in den hier behandelten Fällen die gem. § 179 Abs. 2 S. 1 AktG grundsätzlich erforderliche qualifizierte Mehrheit für eine Satzungsänderung. Im Fall der Änderung des Gesellschaftszwecks ist jedoch im Interesse der Minderheitsgesellschafter ein einstimmiger Beschluss gem. § 33 Abs. 1 S. 2 BGB erforderlich. So wie diese Norm nach nahezu allgemeiner Ansicht in der rein privaten AG gilt224, kann für den Fall der staatlichen Mehrheitsbeteiligung nichts anderes gelten225. Zwar kann im Wege einer einfachen Satzungsänderung der Unternehmensgegenstand modifiziert werden. Jedoch verheißt auch dieser Weg keine Abhilfe. Der Gegenstand des Unternehmens beschreibt die Mittel, mit denen der Zweck der Gesellschaft verfolgt werden soll226. Da jedoch bei einem Unternehmen, dessen Gegenstand die Beförderung von Personen ist, als Unternehmenszweck gleichermaßen die reine Gewinnerzielungsabsicht als auch die öffentliche Zielsetzung der 218 Ehlers DÖV 1986, 902; Habersack ZGR 1996, 548 f. Hinzuweisen ist jedoch auf die Tatsache, dass ein solcher Widerspruch keineswegs zwingend ist. Vielmehr kann der öffentliche Zweck, bzw. einer der öffentliche Zwecke, die mit der Beteiligung verfolgt werden und die auch untereinander kollidieren können, ein gewinnorientiertes Vorgehen verlangen, so schon Kropff, in: Eichhorn, Auftrag, S. 86. 219 Zur Problematik von Konzernverträgen hinsichtlich ihrer rechtlichen Zulässigkeit und tatsächlichen Anwendung vgl. schon oben, § 3, Text bei Fn. 235 f. 220 Vgl. nur Kübler, Gesellschaftsrecht, § 5 vor I. 221 Zur Zulässigkeit solcher Programmsatzungen Dreher ZHR 155 (1991), 372 ff. 222 Habersack ZGR 1996, 551 ff. 223 Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 242 ff. 224 Zöllner, in: KK, AktG, § 179 Rn. 113; Wiedemann, in: GK, AktG, § 179 Rn. 55; Pentz, in: Münchener Kommentar, AktG, § 23 Rn. 77; Hüffer, AktG, § 179 Rn. 33. 225 Vogel, Öffentliche Wirtschaftseinheiten, S. 175 f.; Schön ZGR 1996, 445. 226 Kübler, Gesellschaftsrecht, § 5 vor I.
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Bedarfsdeckung in Betracht kommt227, können die Änderungen des Zwecks allein das Spannungsverhältnis nicht auflösen. Ein Ausweg kann auch nicht darin gesehen werden, den Unternehmensgegenstand in der Art neu zu formulieren, dass er nunmehr allein als Ausdruck öffentlicher Zwecksetzung verstanden werden kann. In diesem Fall läge eine verdeckte Zweckänderung vor, so dass auch hier eine einstimmige Entscheidung vonnöten wäre228. Mithin wird deutlich, dass die öffentliche Hand eine Verbesserung der Verfolgung des öffentlichen Zweckes nur erreichen kann, wenn sie die Gesellschaft ohne Minderheitsgesellschafter weiter führt. b) Verbesserung des Einflusses beim Formwechsel Ähnlich ist mit Blick auf den Formwechsel das Verhältnis von AG und GmbH zu beurteilen. Hier besteht die Möglichkeit, dass Minderheitsgesellschafter in der Korporation verbleiben und der Zielkonflikt noch immer besteht. Mit Blick auf die strukturellen Unterschiede zwischen beiden Gesellschaftsformen bietet die GmbH dennoch eine stärkere Einflussnahme, da mangels einer dem § 76 Abs. 1 AktG vergleichbaren Regelung eine stärkere Beeinflussung der Geschäftsführung durch die Gesellschafterversammlung möglich ist. Wenn deshalb die Beteiligung der öffentlichen Hand an einer AG überhaupt kritisiert wird229, so könnte dies darauf hindeuten, dass die Umwandlung der Gesellschaft auch dann geboten ist, wenn dadurch private Gesellschafter belastet werden. c) Begrenzung der Legitimationsanforderungen Zu prüfen ist, ob eine Verbesserung der Möglichkeiten zur Verfolgung öffentlicher Zwecke bzw. zur Beeinflussung der Geschäftsführung die Beeinträchtigung der Grundrechte der Privaten zu rechtfertigen vermag. So wird teilweise ausgeführt, die öffentliche Hand müsse versuchen, eine Satzungsänderung zur Stärkung ihres Einflusses zu erreichen230. Damit ist jedoch noch nichts darüber gesagt, ob diese Änderung auch so auf Kosten der privaten Mitgesellschafter erfolgen kann, wie es die hier in Frage stehenden Maßnahmen verlangten. In die Gegenrichtung weisen hier schon die Stellungnahmen, denen zufolge es die öffentliche Hand sein soll, die sich im Fall unzureichenden Einflusses aus einem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen zurückzuziehen habe231. Zu einem weiteren Bsp. vgl. Lutter / Hommelhoff, GmbHG, § 1 Rn. 3. Schön ZGR 1996, 445. 229 Gerum / Richter / Steinann ZögU 1986, 295; Boysen VR 1996, 78; Pielow, FS Ipsen, S. 736. 230 Püttner DVBl. 1975, 356; Klein, Betätigung, S. 34. 231 Weiß, Privatisierung, S. 288; sowie für den Fall, dass eine Satzungsänderung nicht erreicht werden kann, die vorstehend Genannten. 227 228
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aa) Zur Legitimation in einer unveränderten AG Wendet man sich der Begründung des Ergebnisses zu, so ist zunächst festzuhalten, dass den verfassungsrechtlichen Anforderungen schon durch eine hinreichende demokratische Legitimation genügt ist232. Ein auf Maximierung angelegtes Prinzip kann Art. 20 Abs. 2 GG nicht entnommen werden233. Demnach ist nicht jeder Einfluss Privater verfassungswidrig234. So ist hier darauf hinzuweisen, dass auch in den Fällen der Beteiligung von privaten Minderheitsgesellschaftern bzw. in der Rechtsform der AG eine Einflussnahme des Staates keineswegs ausgeschlossen ist, sondern nur beschränkt wird235. Dabei kann schon mit Blick auf die Tätigkeit der AG von einer Herabsetzung der Anforderungen an die Legitimation ausgegangen werden. Sieht man von den Ausnahmefällen einer Beleihung ab, so wird das gemischt-wirtschaftliche Unternehmen nicht hoheitlich tätig, sondern tritt dem Bürger auf der Ebene des Vertrages gegenüber. Hier sind an die demokratische Legitimation geringere Anforderungen zu stellen als im Fall der belastenderen Eingriffsverwaltung236. Hinzu tritt, dass die Teilnahme am Markt eine weitere Mäßigung der öffentlichen Hand bewirkt237.
bb) Bedeutung des Transparenzgebots Ebenfalls ist zu bedenken, dass das Demokratieprinzip auch das Gebot zu transparentem Verhalten des Staates beinhaltet, dem eminente Bedeutung zuzumessen ist238. Nur eine umfassende Information ermöglicht einen politischen Meinungsbildungsprozess, durch den die Wahl wahrhafte demokratische Legitimation vermitteln kann239. Zu betonen ist weiterhin die für die Demokratie wichtige Kontrolle allen Staatshandelns durch die Öffentlichkeit, die ohne Transparenz nicht möglich ist240. Das Transparenzgebot erfasst alle Formen der Staatsgewalt unter Vgl. BVerfGE 93, 37 (67) oder auch Brenner LKV 2002, 8: „Grundbestand“. Schmidt-Aßmann AöR 116 (1991), 366; ders., in: Henneke, Kommunale Aufgabenerfüllung, S. 202; Hecker, VerwArch 92 (2001), 279. 234 So ausdr. Bezzenberger / Schuster ZGR 1996, 496; weiterhin etwa Emde, Die demokratische Legitimation, S. 328. 235 Ausführl. zu den formellen aber auch informellen Einflussmöglichkeiten bei der AG Klein, Die Betätigung, S. 36 ff. 236 Kämmerer, Privatisierung, S. 194; F. Kirchhof, in: Henneke, Kommunale Aufgabenerfüllung, S. 41. 237 F. Kirchhof, in: Henneke, Kommunale Aufgabenerfüllung, S. 41 238 Vgl. etwa Rubbert, Saal- und Medienöffentlichkeit, S. 188 , m. w. N.: „Öffentlichkeit [ . . . ] als das demokratische Rechtsprinzip der Verfassung [ . . . ]“ (Hervorhebung im Original). 239 Hoffmann-Riem / Rubbert, Atomrechtlicher Erörterungstermin, S. 61 f. m. w. N.; Trantas, Akteneinsicht, S. 332 ff. 240 Vgl. BVerfGE 40, 296 (327); Stricker ZRP 1996, 186 f. 232 233
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Einschluss der Exekutive241. Gerade im Bereich des Verwaltungshandelns werden hier jedoch Defizite beanstandet242, die umso schwerer wiegen, da aufgrund der konkreten Umstände, insbesondere des Wissensvorsprungs der Exekutive, auch die parlamentarische Kontrolle in ihrer Effizienz beschränkt ist243. An diesem Befund ist auch für die Eigengesellschaften festzuhalten244, was insbesondere durch einen Verweis auf die Möglichkeit der Hauptversammlung mit nur einem Vertreter der öffentlichen Hand illustriert werden kann245. Für eine Verbesserung der Transparenz lässt die Verfassung unterschiedliche Möglichkeiten offen. In Betracht kommt hier etwa die Einbindung Privater in den Entscheidungsprozess der öffentlichen Hand246. Mit Blick auf die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre ist auch bei der Beteiligung von Privaten an Gesellschaften, die mehrheitlich im Eigentum des Staates stehen, eine Erhöhung der Transparenz gegeben. Beispielhaft seien hier die in jeder Aktie wurzelnden Informationsrechte genannt, die zu einer verbesserten Verwaltungskontrolle führen. Insofern steht der Beschränkung des Einflusses der öffentlichen Hand ein Zuwachs an Demokratie entgegen. cc) Bedeutung des Vertrauensschutzes Schon diese Erwägungen weisen darauf hin, dass von einem hinreichenden Maß an demokratischer Legitimation auszugehen ist, weshalb eine Belastung der Privaten nicht mit dem Bedürfnis einer Verbesserung der Rückbindung an das Volk gerechtfertigt werden kann. Dieser Eindruck wird bestätigt, wenn man in die Überlegung die Tatsache einstellt, dass die gemeinschaftliche Betätigung von privater und öffentlicher Hand dem Staat regelmäßig eine Teilhabe an privatem Know-how und Kapital ermöglichen soll, die nicht zuletzt der Verfolgung des öffentlichen Zweckes dient247. Es wird sich jedoch kein Privatmann an einer Gesellschaft beteiligen, bei der er seine Interessen völlig einem Gemeinwohlzweck und dessen Einflussnahme durch die 241 Statt vieler Pieroth, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 20 Rn. 13; Pieroth, FS Hoppe, S. 197; a.A. Knirsch, Information, S. 134 ff., der davon ausgeht, dass Information nur dann ein Teil der Legitimation sein könne, wenn sie zugunsten dessen erfolge, der an der Bestellung des Amtsträgers unmittelbar beteiligt ist. Dann müsste aber für die Entscheidung des Wählers die Information nur über die Parlamentstätigkeit ausreichen. Mit Blick auf die Defizite der parlamentarische Kontrolle der Verwaltung entstünden damit Lücken, die mit dem Gebot umfassender Legitimation nicht vereinbar wären (wie hier Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit, S. 112). Zum Zusammenhang zwischen Rückbindung der Verwaltung an das Volk und Transparenz schon Jerschke, Öffentlichkeitspflicht, S. 74 f. 242 So etwa Lamprecht ZRP 1993, 372. 243 Gurlit, Die Verwaltungsöffentlichkeit, S. 21 ff.; Engelbert / Kutscha NJW 1993, 1236. 244 Teilweise werden gerade an die Nutzung privatrechtlicher Formen besondere Bedenken geknüpft, vgl. Leisner, Der unsichtbare Staat, S. 229 ff. 245 Vgl. hierzu auch Mann, Gesellschaft, S. 179 ff. 246 Vgl. etwa Bieback, Die Mitwirkung, S. 60 f. 247 Vgl. Haupt, Wirtschaftliche Betätigung, S. 164 ff., 178 ff.; Habersack ZGR 1996, 545.
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öffentliche Hand unterordnen muss248. Aus diesem Grund ist anerkannt, dass die Einbindung privaten Know-hows die Anforderungen an die Einflussmöglichkeiten der öffentlichen Hand zu senken vermag249. Doch auch der Einbindung privater Kapitalgeber kommt mit Blick auf die Haushaltslage verstärkte Bedeutung zu250, so dass insofern die gleichen Schlüsse zu ziehen sind. Nahe liegt hier jedoch der folgende Einwand. Solange der staatliche Mehrheitsgesellschafter beispielsweise auf das Know-how des Privaten angewiesen ist, sei zwar eine Herabsetzung der Anforderungen geboten. In dieser Zeit wird der Mehrheitsgesellschafter jedoch, da er um die Bedeutung des Privaten weiß, diesen weder ausschließen noch eine Strukturmaßnahme wie den Formwechsel durchsetzen, die dem Privaten den Verbleib in der Gesellschaft zu verleiden droht. Ausgesagt ist damit jedoch nichts über die Zeit, in der der Verbleib des Privaten für die öffentliche Hand keinen messbaren Zugewinn mehr darstellt, da etwa das gesamte Kapital schon eingebracht wurde. Doch auch in diesem Zeitpunkt kann sich die öffentliche Hand nicht auf das Erfordernis nach einem höheren Maß an Demokratie berufen. Eröffnet die öffentliche Hand Bürgern den Zugang zu einer privatrechtlich verfassten Gesellschaft, so war für sie die Beschränkung ihrer Einflussmöglichkeiten absehbar251. An dieser Entscheidung muss sich der Staat in Folge festhalten lassen. Wollte er dem Bürger nunmehr seine Rechtsstellung entziehen, so missachtete er das von ihm veranlasste Vertrauen des Bürgers in die gemeinsame Kooperation und verstieße gegen den auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz des Verbots des „venire contra factum proprium“252. dd) Bedeutung privater Grundrechtsausübung Weiterhin stehen die Grundrechte der Minderheitsgesellschafter selbst dem Bedürfnis einer Erhöhung des Legitimationsniveaus entgegen. Zu beachten ist hier, dass der Private in dem fraglichen Zeitpunkt bereits beteiligt ist und ihm damit Anteilseigentum zusteht. Wie bereits angedeutet, handelt es sich bei der aus dem Demokratieprinzip folgenden Legitimationspflicht nicht um eine absolute Größe. Es handelt sich um ein Gebot, dessen konkrete Anforderungen aus einem Spannungsverhältnis zu ziehen sind, in dem auch andere Verfassungsnormen und -güter ihre Berücksichtigung verlangen253. Hierunter fällt etwa die verfassungsmäßige Verankerung eines ministerialfreien Raumes, die in Zusammenhängen wie dem Vgl. etwa Hauser, Die Wahl, S. 219; Pielow, FS Ipsen, S. 748. Schmidt-Aßmann, in: Henneke, Kommunale Aufgabenerfüllung, S. 202; Hecker VerwArch 92 (2001), 281. 250 Vgl. hierzu im Zusammenhang der materiellen Privatisierung Bauer VerwArch 90 (1999), 563; weiterhin Pielow, FS Ipsen, S. 750. 251 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 150. 252 Vgl. Meusel, Grundprobleme, S. 67 f. 253 Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank, S. 58 ff.; ähnl. wohl Bieback, Die Mitwirkung, S. 54. 248 249
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vorliegenden jedoch nicht aufgezeigt werden kann254. Zu dem Kreis der hier relevanten Verfassungsgüter hat das Bundesverfassungsgericht jedoch auch Individualgrundrechte gezählt255. Weiterhin ist im Fall der Einflussnahme des Staates auf Forschungseinrichtungen eine Beschränkung der Einflussmöglichkeiten anerkannt. Seinen Grund findet auch dies in Grundrechten, da die Wissenschaftsfreiheit der Einrichtung gem. Art. 5 Abs. 3 GG einer stärkeren Einflussnahme entgegensteht256. Dies gilt sogar dann, wenn die Einrichtung selbst nicht Trägerin von Grundrechten ist, da hier die objektive Wirkung der Wissenschaftsfreiheit zu beachten sein soll257. Hinsichtlich des Anteilseigentums der Minderheitsgesellschafter kann damit nichts anderes gelten. Auch die teilweise vorgebrachte grundsätzliche Kritik gegen eine Berücksichtigung von Grundrechten kann nicht durchgreifen. So übersieht der Einwand, die Grundrechte seien aufgrund ihrer systematischen Stellung nicht geeignet, dem Demokratieprinzip entgegenzustehen258, die inhaltlichen Zusammenhänge zwischen Demokratiegebot und Grundrechten259. Folglich kann dem Demokratieprinzip auch ein Verweis auf die Grundrechte der privaten Mitgesellschafter gegenübergestellt werden. Zwar kann der Verweis auf betroffene Grundrechte nicht in jedem Fall dazu führen, dass eine Beschränkung der Legitimation hinzunehmen ist. Im vorliegenden Kontext resultiert das oben genannte Ergebnis jedoch aus den folgenden Erwägungen: Bei den betroffenen Belangen der Minderheitsgesellschafter handelt es sich um Anteilseigentum, dessen Befugnis zur grundsätzlich umfassenden Nutzung auch die Verfolgung eigener Ziele beinhaltet, die der öffentlichen Zwecksetzung entgegenstehen können260. Dass nunmehr die AG im Gegensatz zu einer Eigengesellschaft auch ein Mittel zur Ausübung grundrechtlicher Freiheit ist, muss sich auch auf die Anforderungen aus Art. 20 Abs. 2 GG auswirken261. So soll nach teilweise vertretener Ansicht die Grundrechtsausübung der Privaten dazu führen, die Tätigkeit des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens insgesamt nicht mehr als Ausübung von Staatsgewalt anzusehen, wodurch das Erfordernis demokratischer Legitimation vollends entfällt262. Doch auch wenn man dem nicht folgt, so müssen die Pfohl ZBR 1996, 83. BVerfGE 93, 37 (69 ff.); dazu Brosius-Gersdorf, Deutsche Bundesbank, S. 58 f. 256 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 126 f. m. w. N. 257 So Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 127 mit Fn. 95. 258 Waechter, Geminderte demokratische Legitimation, S. 28 f., 169. 259 Rob, Mitbestimmung, S. 225 f. 260 Insofern greift es zu kurz, die Interessen der Gesellschafter in diesem Konflikt nur auf die Ausschüttung von Dividenden zu begrenzen, so aber Berkemann, Die staatliche Kapitalbeteiligung, S. 197 ff.; Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 242 f. 261 Da es insofern um die Abwehr staatlicher Einflussnahme geht, kommt das Grundrecht als Abwehrecht zum Tragen, weshalb die These, die Grundrechte könnten in ihrer objektiven Wirkung das Demokratiegebot aus Gründen der Normtypik nicht begrenzen (Jestaedt, Demokratie, S. 582 ff.; Rob, Mitbestimmung, S. 227 f.), nicht entgegenstehen kann. 262 Schmidt-Aßmann AöR 116 (1991), 346 m. w. N. 254 255
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Grundrechte der privaten Mitgesellschafter zumindest zu einer Abschwächung der Legitimationsanforderungen führen. Zur Begründung, dass es dem Staat verwehrt ist, diese grundrechtsbedingte Einschränkung der Legitimation zu beseitigen, ist auch an dieser Stelle auf die obigen Ausführungen zum Verbot widersprüchlichen Verhaltens und dem Vertrauen der Gesellschafter in das Verhalten der öffentlichen Hand zu verweisen. Auch hier gilt, dass sich die öffentliche Hand an ihrer Entscheidung für eine Organisation, bei der ihre Einflussmöglichkeiten beschränkt sind, festhalten lassen muss. ee) Ergebnis In Anbetracht sowohl dieser Erwägungen als auch der Tatsache, dass die aus Art. 20 Abs. 2 GG folgenden Verpflichtungen des Staates als Gesellschafter von einer solchen Abschwächung unberührt bleiben, kann die Belastung der privaten Gesellschafter nicht mit dem Verweis auf das Erfordernis demokratischer Legitimation gestützt werden.
VI. Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsprinzips Die Auswirkungen der vorliegend untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse können jedoch nicht nur in Bezug auf die Funktionsfähigkeit der AG und die Gesamtwirtschaft bedeutsam sein. Auch die Bedeutung des den Staat bindenden Wirtschaftlichkeitsprinzips ist zu beleuchten.
1. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip Gemeint ist hier nicht das wirtschaftliche Handeln i. S. d. Teilnahme am Wirtschaftsverkehr263. Vielmehr ist auf die Begriffsverwendung abzustellen, die aus dem Haushaltsrecht bekannt ist. Herkömmlich wird das Wirtschaftlichkeitsprinzip in diesem Kontext definiert als die Verpflichtung, mit einem bestimmten Aufwand einen möglichst hohen Nutzen zu erzielen (Maximalprinzip) oder einen bestimmten Nutzen mit einem möglichst geringen Aufwand zu erreichen (Minimalprinzip)264. Dies beinhaltet zumindest auch die Senkung von Kosten. So soll nach h. M. die zusätzliche Erwähnung des Begriffs der Sparsamkeit den Inhalt des Mini263 Damit kann etwa Art. 87f Abs. 2 S. 1 GG trotz der Erwähnung der Wirtschaftlichkeit und dem diesem Passus zugewiesenen Verfassungsrang (so etwa Gersdorf AfP 1997, 427) hier nicht herangezogen werden. 264 Maunz, in: MD, GG, Art. 114 Rn. 50; A.Leisner, Leistungsfähigkeit, S. 97; Schmitt, Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung, S. 61; Schuppert, in: MitarbeiterKomm, GG, Art. 114 Rn. 24; so auch die Vorläufigen Verwaltungsvorschriften zur BHO (Vorl. VV BHO), MinBl. 1973 S. 190.
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malprinzips und das Primat der Kostensenkung verdeutlichen 265. Das Maximalprinzip kommt hingegen dann zur Anwendung, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel ex ante nach Art und Umfang vorgegeben sind266. Wie bereits oben dargelegt267, führen die einen Ausschluss der Minderheitsgesellschafter bewirkenden Hauptversammlungsbeschlüsse dazu, dass nicht nur die Flexibilität der Unternehmensführung erhöht wird. Folge der Maßnahmen ist insbesondere auch der Wegfall der mit den Minderheiten verbundenen Kosten.
2. Wirtschaftlichkeit als Teil des Verfassungsrechts Zu prüfen ist damit, ob das Interesse an der Wirtschaftlichkeit staatlichen Verhaltens als ein Gemeinwohlgut bezeichnet werden kann, das dann fehlende Grundrechte des staatlichen Mehrheitsgesellschafters auszugleichen vermag. Folglich ist entsprechend der Vorbemerkung zunächst zu untersuchen, ob es sich um ein Gemeingut handelt, mit dessen Hilfe Grundrechte beschränkt werden können und inwieweit das Gut aus der Verfassung hergeleitet werden kann.
a) Bedeutung des Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG Zur Begründung der Wirtschaftlichkeit als Verfassungsgut wird meist auf Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG bzw. auf die entsprechenden Normen der Landesverfassungen268 verwiesen269. Nach dieser Norm sind bei der haushaltsrechtlichen Prüfung des Bundesrechnungshofes die Grundsätze der Sparsamkeit und der Wirtschaftlichkeit zu beachten. Eine solche Herleitung ist jedoch der Kritik ausgesetzt, dass diese Norm, ebenso wie die entsprechenden Bestimmungen der Landesverfassungen, nur eine Institutionsgarantie für die Finanzkontrolle der unmittelbaren und mittelbaren Staatsverwaltung schafft270. Richtig ist an diesem Einwand, dass der Wortlaut des Art. 114 Abs. 2 GG keinen Anhaltspunkt dafür bietet, dass es sich hierbei um ein allgemeines Prinzip von Verfassungsrang handelt271. Mithin 265 Grupp, in: Achterberg / Püttner / Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht II, § 19 Rn. 27; ausf. Neugebauer, Das Wirtschaftlichkeitsgebot, S. 50 ff. m. w. N.; ähnl. Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 94. 266 Grupp, in: Achterberg / Püttner / Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht II, § 19 Rn. 28. 267 Vgl. oben, Text bei Fn. 187 ff. 268 Vgl. die Zusammenstellung bei Piduch, Bundeshaushaltsrecht, Anhang zu Art. 114 GG. 269 Grupp DVBl. 1994, 146; Schmitt, Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung, S. 60 f.; F.Kirchhof, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Effizienz, S. 122; generell abl. zum Charakter als Verfassungsgut etwa Karpen Die Verwaltung 19 (1986), 233 f.; Kämmerer, Privatisierung, S. 355 f. 270 Selmer Die Verwaltung 23 (1990), 19; Helm, Rechtspflicht, S. 176. 271 Gröpl, Haushaltsrecht, S. 348; ders. VerwArch 93 (2002), 474.
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ist der Inhalt der Norm auf die Errichtung und Garantie einer naturgemäß vergangenheitsorientierten Kontrolle gerichtet. Es bleibt damit fraglich, wie man aus dieser einen Maßstab für das zukunftsgerichtete Verwaltungshandeln ableiten will272. Nach einer stark vertretenen Ansicht soll dies aus dem Gedanken folgen, dass die Determinierung einer wirtschaftlichen Prüfung unvollkommen bleiben müsste, wenn sie ohne Bindung für die zu kontrollierenden Instanzen wäre273. Dabei handelt es sich jedoch um die Berücksichtigung einer rein faktischen Auswirkung der Prüfung. Aus Art. 114 GG lassen sich nämlich keine verfassungsrechtlichen Sanktionen für den Fall nichtwirtschaftlichen Handelns entnehmen. Dies spricht dafür, dass man Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG kein allgemeines Gebot zur Wirtschaftlichkeit, sondern nur die Kontrollbefugnis des Rechnungshofes entnehmen kann274. Möglich bleibt jedoch, dass es sich bei der Wirtschaftlichkeit um ein allgemeines Rechtsprinzip von Verfassungsrang handelt, das dann in Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG eine punktuelle Ausprägung gefunden hat.
b) Grundrechte und Gemeinwohlverpflichtung Zur Begründung eines allgemeinen Prinzips, das nicht nur auf den Normbereich des Art. 114 Abs. 2 GG beschränkt ist, müssen damit weitere Anhaltspunkte aufgezeigt werden. Nach einer Reihe von Stimmen im Schrifttum soll der Verfassungsrang durch die Heranziehung der Eigentumsgarantie gem. Art. 14 Abs. 1 GG begründet bzw. unterstützt werden. Grundlage ist hierbei die Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts, eine Steuer verletze dann die Eigentumsgarantie, wenn sie erdrosselnde Wirkung entfalte275. Schon gegen diese Prämisse sind jedoch Bedenken zu erheben. Geht man, wie das Bundesverfassungsgericht sowie die ganz herrschende Literatur276, davon aus, dass das Vermögen nicht am Schutz der Eigentumsgarantie teilhat, so muss dies konsequenterweise auch für intensive Vermögensbelastungen gelten. Die Eröffnung des Schutzbereichs kann grundsätzlich nicht durch die Überschreitung einer bestimmten Schwelle erreicht werden277. Anderes kann erst dann gelten, wenn die Steuerbelastung im konkreten Fall als mittelbarer Eingriff in Objekte zu werten ist, die unter den Schutzbereich des Art. 14 GG fallen278. A.Leisner, Leistungsfähigkeit, S. 100. So etwa Bucher, Privatisierung, S. 166; Ekardt VBlBW 1997, 283; Reich, Magdeburger Kommentar, Art. 114 Rn. 2; Noll, Haushalt, S. 65. 274 Kämmerer, Privatisierung, S. 355. 275 So etwa BVerfGE 78, 232 (243); BVerfGE 95, 267 (300) – DDR-Altschulden. 276 Vgl. nur Lepsius JZ 2002, 313 mit umfangreichen Nachw. in Fn. 1 f. 277 Ausführlich Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz, S. 231 ff. m. w. N.; weiterhin etwa Friauf DÖV 1980, 485; Erdmann DVBl. 1986, 661. 278 Ähnlich Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 14 Rn. 16. 272 273
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Doch auch wenn man eine Anknüpfung an Art. 14 GG aus den genannten Gründen verwirft, macht dies eine Heranziehung von Einzelgrundrechten nicht unmöglich, da zumindest Art. 2 Abs. 1 GG in Betracht kommt279. Allerdings stehen der Heranziehung von Grundrechten als subjektive Abwehrrechte tiefgreifende Bedenken entgegen. Dies folgt zwar nicht daraus, dass man der Erhebung von Finanzmitteln dadurch die Belastungswirkung absprechen könnte, dass man sie als freiwilligen Beitrag einstuft280. In ihrer klassischen Funktion als Abwehrrechte könnten die Grundrechte die Anwendung des Wirtschaftlichkeitsprinzips auf das Verwaltungshandeln aber nur dann erfordern, wenn zwischen der Verwendung der Mittel und der Erhebung, aus der die Belastung der Bürger folgt, ein korrelativer Zusammenhang bestünde. Ein solcher ist jedoch wegen des Non-Affektions-Prinzips als einem tragenden Grundsatz des Haushaltsrechts, der die freie Verwendbarkeit der Einnahmen durch den Staat anordnet281, nicht gegeben. Dieser schließt den Durchgriff auf die Verwendung der Steuern bei der Beurteilung der Erhebung praktisch aus282, denn die Verringerung der Ausgaben reduzierte nicht zwingend die Belastung des Einzelnen. Die Heranziehung der Grundrechte vermag insofern nicht zur Begründung eines Verfassungsrangs des Wirtschaftlichkeitsprinzips beizutragen283. Als Lösung wird vorgeschlagen, die Grundrechte nicht in ihrer Funktion als subjektives Abwehrrecht heranzuziehen. Geboten sei vielmehr, den Staat mit Blick auf die objektive Funktion der Grundrechte zu verpflichten, Belastungen schon im Vorfeld zu vermeiden284. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Wirkrichtung der Grundrechte im Einzelnen etabliert werden kann, muss hier nicht geklärt werden. Die Tendenz einer eher objektiven als auf das subjektive Recht des Einzelnen zugeschnittenen Perspektive weist in die richtige Richtung, ohne dass man hier bei der Verortung bei einzelnen Grundrechte stehen bleiben muss. Vielmehr ist darüber hinaus auf die Grundwertungen des Grundgesetzes einzugehen285. Wie in Art. 1 Abs. 1 GG festgeschrieben, ist der gesamte Staat auf das Wohl seiner Bürger ausgerichtet und durch diese Aufgabe legitimiert. Dem Staat kommt damit eine Treuhänderstellung zugunsten seiner Bürger zu286. Aufgrund dieser in 279 Zutreffend Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 450 f.; zur Relevanz des Art. 2 Abs. 1 GG für Abgaben weiterhin Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 2 Rn. 25a. 280 So aber Bellstedt, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 123 ff.; dagegen Salmen, Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 62. 281 Vgl. nur Grupp, in: Achterberg / Püttner / Würtenberger, Besonderes Verwaltungsrecht II, § 19 Rn. 32 m. w. N. 282 Pabst, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 113. 283 Ausführlich Salmen, Das Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 63 ff.; weiterhin Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 455 ff.; ähnl. v.Arnim, Wirtschaftlichkeit, S. 72 f., der aus diesem Grund die Herstellung eines solchen Zusammenhanges fordert. 284 Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 465 ff.; im Ansatz ähnlich Selmer, Die Verwaltung 23 (1990), 19 f. 285 v.Arnim, Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 74.
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den Art. 1 Abs. 1 und 20 Abs. 3 GG wurzelnden Gemeinwohlbindung obliegt es dem Staat, die ihm zur Verfügung stehenden Mittel bestmöglich im Interesse seiner Bürger zu verwenden287. Dies verlangt auch einen Umgang mit Ressourcen, der Verschwendung vermeidet, da das Verschwendete den Bürgern nicht mehr zur Verfügung steht. Mithin folgt aus der Verfassung ein umfassendes Effizienzprinzip, das den Staat in mannigfacher Weise bindet und sein Handeln bestimmt288. Bei dem Wirtschaftlichkeitsprinzip handelt es sich wiederum um einen Unterfall des Effizienzprinzips289, so dass auch diesem verfassungsrechtlicher Charakter als Teil der umfassenden Gemeinwohlverpflichtung zukommt. Mit Blick auf den damit aufgedeckten Ursprung wird auch offenbar, dass jegliche Staatsgewalt zur Beachtung des Wirtschaftlichkeitsprinzips verpflichtet ist. Die Gemeinwohlbindung des Staates ist hier, wie auch sonst, umfassend zu verstehen290. Folglich sind sowohl der Gesetzgeber291 als auch die als Gesellschafter agierende öffentliche Hand292 in der Pflicht.
c) Vorwurf mangelnder Bestimmtheit Zu fragen bleibt jedoch, ob der Anerkennung des Wirtschaftlichkeitsprinzips als bindendem Verfassungsgut der Vorwurf mangelnder Bestimmtheit entgegen steht. Teilweise wird vertreten, dass mangels eines konkreten Inhalts die Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit ein bloßer Programmsatz bleiben müsse293. Dem ist zuzugeben, dass aus der Verpflichtung zu wirtschaftlichem Verhalten keine exakten, rein deduktiv ableitbaren Folgerungen möglich sind. Der Inhalt des Prinzips ist oftmals diskursiv zu ermitteln294. Jedoch bietet das Prinzip eine Rationalisierung der Entscheidungsfindung295. Mithin sind stabile Bewertungskriterien 286 v.Arnim, FS Preuß. General-Rechenkammer, S. 267 f.; Eichhorn, Betriebswirtschaftslehre, S. 259. 287 v.Arnim, Wirtschaftlichkeitsprinzip, S. 74; Pabst, Verfassungsrechtliche Grenzen, S. 113 f.; Noll, Haushalt, S. 65; ähnlich A.Leisner, Die Leistungsfähigkeit, S. 95. 288 Gröpl, Haushaltsrecht, S. 348 f.; zum Inhalt des Effizienzgebots vgl. etwa SchmidtAßmann, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Effizienz, S. 249 ff. 289 Bieback, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Effizienz, S. 128; Schmidt-Aßmann, ebenda, S. 255; Neugebauer, Das Wirtschaftlichkeitsgebot, S. 34. 290 Vgl. v.Arnim, FS Preuß. General-Rechenkammer, S. 271 f.; Pitschas SGb 1991, 493; ähnl. VerfGH Rhl.-Pf. DVBl. 1997, 491 (495 f.). 291 Vgl. die vorstehend Genannten. 292 Cromme DVBl. 2001, 765. 293 So etwa Lecheler ZBR 1980, 72 f.; Helm, Rechtspflicht, S. 176; in diese Richtung auch Kämmerer, Privatisierung, S. 355 f. 294 Vogel / Kirchhof, in: BK, GG, Art. 114 Rn. 91; Wieland DVBl. 1995, 897. 295 Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht, 6. Kapitel Rn. 91; Degenhart VVDStRL 55 (1996), 211.
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ableitbar, die ein effektives Arbeiten mit dem Erfordernis der Wirtschaftlichkeit ermöglichen. Dies gilt insbesondere für das auf Kostenreduzierung angelegte Minimalprinzip. Die Offenheit des Prinzips wird hier dadurch verringert, dass regelmäßig ein Vergleich der Kosten und damit ein Vergleich exakt messbarer Größen durchführbar ist296. Mit dem Argument der Unbestimmtheit den Rechtscharakter der Wirtschaftlichkeitsbindung zu leugnen, würde weiterhin untragbare Folgen haben297. In konsequenter Fortführung des Einwandes müsste der Maßstab der Wirtschaftlichkeit als Element der Zweckmäßigkeit gesehen werden. Die Folge wäre die Ausweitung der gesamten staatlichen Rechnungsprüfung auf eine umfassende Zweckmäßigkeitskontrolle, die die Initiative der zur Handlung berufenen Stellen zu erdrücken drohte. Der oben genannte Einwand kann folglich nicht durchgreifen. Vielmehr ist an der Anerkennung der Wirtschaftlichkeit als Rechtsgrundsatz festzuhalten.
3. Wirtschaftlichkeit im vorliegenden Fall Trotz der einleitend aufgestellten Vermutung, dass eine Durchführung der hier in Frage stehenden Hauptversammlungsbeschlüsse der Wirtschaftlichkeit dient, ist eine genauere Untersuchung schon deshalb nötig, da allein die Möglichkeit zur Vermeidung von Kosten nicht ausreicht, um den Inhalt des Wirtschaftlichkeitsprinzips zu bestimmen. Vielmehr kommt es darauf an, den größtmöglichen Nutzen für die Allgemeinheit zu erreichen298. Dies kann auch dazu führen, dass von einer weniger kostenintensiven Handlungsalternative Abstand zu nehmen ist299. Folglich gilt es im weiteren Verlauf die Parameter aufzuzeigen, anhand derer die Wirtschaftlichkeit zu beurteilen ist.
a) Anwendbarkeit des Wirtschaftlichkeitsprinzips auf Gesellschafterbeschlüsse Es könnte jedoch sein, dass es auf eine genaue Untersuchung der aufgezeigten Parameter nicht ankommt. Zu bedenken ist nämlich, dass es sich vorliegend um die Frage des Abstimmungsverhaltens der öffentlichen Hand in einer privatrechtlich verfassten Gesellschaft handelt. Die zu sparenden Kosten betreffen unmittelbar das Vermögen der AG. Aus diesem Kapital, das nicht zuletzt aus der Teilnahme v.Arnim, FS Preuß. General-Rechenkammer, S. 263. Hierzu und zum Folgenden Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 82 f.; A. Leisner, Leistungsfähigkeit, S. 98 f. 298 Vogel / Kirchhof, in: BK, GG, Art. 114 Rn. 88; v.Mutius / Nawrath, in: Heuer, Haushaltsrecht, Art. 114 GG Rn. 27. 299 Noll, Haushalt, S. 66. 296 297
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am Privatrechtsverkehr herrührt, sind die durch die Minderheitsgesellschafter entstehenden Mehrkosten zu begleichen, ohne dass ein Rückgriff auf das Vermögen der dahinterstehenden Gesellschafter in Betracht käme300. Nimmt man dies in den Blick, so wird die Frage offenbar, ob das Wirtschaftlichkeitsprinzip von seiner Ratio her überhaupt Anwendung finden kann. Die Verpflichtung zum treuhänderischen Umgang mit den Finanzmitteln kann nur dort aufrecht erhalten werden, wo diese auch durch die Gesamtheit der Bürger aufgebracht worden sind. Im Fall von Einnahmen, die nicht aus staatlichen Budgets, sondern aus eigenen Finanzquellen kommen, ist dies zu verneinen301. Ein Abstellen allein auf Einkünfte aus der Teilnahme am Markt greift jedoch zu kurz. Übersehen würde dabei, dass zum Gesellschaftsvermögen auch das Kapital gehört, das die Gesamtheit der Gesellschafter und mithin die öffentliche Hand zum Erwerb der Aktien eingebracht hat. Damit liegt hier eine Verwendung von öffentlichen Geldern vor, die nach der oben dargestellten Ratio eine Kontrolle erfordert302. Aus diesem Grund ordnen die §§ 44 HGrG, 92 BHO eine Rechnungsprüfung des staatlichen Verhaltens als Aktionär an. Gegenstand der Prüfung sind die Wahrnehmung der Gesellschafter- und Entsendungsrechte, vertraglicher Rechte und informelle Einflussnahmen, weiterhin aber auch Erwerb und Veräußerung von Beteiligungen303. Die Relevanz des Wirtschaftlichkeitsprinzips kann auch nicht dadurch bestritten werden, dass nach der soeben gegebenen Beschreibung die Geschäftsführung des Unternehmens selbst nicht der unmittelbaren Rechnungsprüfung unterliegt. Eine solche Kontrolle des Unternehmens wird in den angeführten einfachgesetzlichen Normen nicht angeordnet304 und kann auch nicht aus Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG hergeleitet werden305. Hintergrund der aufgezeigten Trennung ist der Gedanke, die privaten Anteilseigner vor einer von außen herantretenden Einflussnahme in der Art einer Wirtschaftsaufsicht zu schützen306. Ob dann von dieser fehlenden Kontrollbefugnis auf eine fehlende Bedeutung des Wirtschaftlichkeitsprinzips geschlossen werden kann, mag dahinstehen. Zu beachten ist nämlich die Besonderheit der Fälle wie den hier untersuchten. Diskutiert werden hier Maßnahmen, die einen Hauptversammlungsbeschluss, also klassisches Aktionärsverhalten, zum Gegenstand haben. Die Auswirkungen des Abstimmungsverhaltens zeigen sich jedoch nur bei einer Betrachtung der daraus resultierenden weiteren Entwicklung Vgl. nur § 1 Abs. 1 S. 2 AktG. Berendes, Die Staatsaufsicht, S. 197. 302 Vogel / Kirchhof, in: BK, GG, Art. 114 Rn. 133; Glauben ZG 1997, 163. 303 Piduch, Bundeshaushaltsrecht, § 92 BHO Rn. 2; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 196. 304 Stackmann DVBl. 1994, 387; Puhl, Haushaltsverfassung, S. 386 f. 305 Ausf. Puhl, Haushaltsverfassung, S. 339 ff.; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 436 f. 306 Vogel / Kirchhof, in: BK, GG, Art. 114 Rn. 133; vgl. auch die Darst. möglicher Einflüsse durch die Rechnungsprüfung bei Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung kirchlicher Einrichtungen, S. 33 f. 300 301
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der Gesellschaft selbst307. Es handelt sich bei ihnen um die notwendige Folge der Ausübung der staatlichen Kapitalmehrheit308. Wollte man jedoch hier wegen möglicher Einflüsse auf die Geschäftsführung eine Wirtschaftlichkeitsprüfung ablehnen, so liefe dies darauf hinaus, die öffentliche Hand im Falle der Beteiligung privater Minderheitsgesellschafter wenigstens bei der Ausübung der Gesellschafterrechte von der Verpflichtung zur Wirtschaftlichkeit zu befreien. Die Herausnahme eines solch wichtigen Bereichs staatlicher Tätigkeit309 aus dem Gebot der Wirtschaftlichkeit wäre jedoch schon mit Blick auf die Gemeinwohlbindung als Ursprung des Gebotes nicht haltbar. Klarzustellen ist dabei, dass auch bei diesem Ergebnis die Grundrechte der Privaten nicht vernachlässigt werden. Eine solche Gesamtbetrachtung unter Einschluss der Entwicklung der Gesellschaft selbst klärt nur die Frage, ob man ein bestimmtes Aktionärsverhalten als wirtschaftlich bezeichnen kann. Nichts ausgesagt ist darüber, ob die Maßnahme nicht im Ergebnis unterbleiben muss, da hier die Grundrechte der Mitgesellschafter entgegenstehen. Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zu den obigen Ausführungen zu der in Art. 20 Abs. 2 GG wurzelnden Ingerenzpflicht des Staates310. Zwar wurde die Beschränkung des Maßes des staatlichen Einflusses auf die AG gerade mit den Grundrechten der Mitgesellschafter begründet. Zu bemerken ist jedoch, dass ein Einfluss der öffentlichen Hand damit nicht völlig ausgeschlossen werden sollte. Wenn vielmehr die Grundrechte nur einer Optimierung des staatlichen Einflusses Grenzen setzen konnten, so entspricht dies gerade dem auch an dieser Stelle vorgeschlagenen Vorgehen, dass, sobald ein grundsätzlich bestehendes Interesse der öffentlichen Hand festgestellt wird, die konkrete Zulässigkeit unter Beachtung der Grundrechte zu prüfen ist. Damit ist festzuhalten, dass eine Bindung an das Wirtschaftlichkeitsprinzip auch hinsichtlich der hier fraglichen Hauptversammlungsbeschlüsse in Betracht kommt. b) Ermittlung der Wirtschaftlichkeit Folglich gilt es nunmehr zu untersuchen, ob die Maßnahmen als wirtschaftlich bezeichnet werden können. Im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung müssen zuerst die Ziele definiert werden, deren Verfolgung effizienter gestaltet werden soll. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip selbst gibt solche Zwecksetzungen nicht vor. Es 307 Vgl. Leisner, Staatliche Rechnungsprüfung Privater, S. 98; Soldner, in: Heuer, Haushaltsrecht, § 92 BHO Rn. 12. 308 Dem entspricht es auch, wenn nach verbreiterter Ansicht die Prüfungskompetenz der Rechnungshöfe umso weiter gefasst wird, je höher die Kapitalbeteiligung und der Einfluss der öffentlichen Hand ist, vgl. Soldner, a. a. O., Rn. 11. 309 Vgl. etwa im vorliegenden Zusammenhang Soldner, in: Heuer, Haushaltsrecht, § 92 BHO Rn. 8. 310 Vgl. oben, bei Fn. 259 ff.
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bietet vielmehr eine Beurteilung der Art der Verfolgung eines grundsätzlich beliebigen Zweckes311. Im vorliegenden Zusammenhang ist an den jeweiligen Zweck anzuknüpfen, der bei der Beteiligung an einem gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen stets mitverfolgt werden muss. Problematisch erscheint dabei jedoch, dass die hier erreichten Vorteile nicht genau erfasst werden können. Grund hierfür ist, dass diese in Anbetracht des Bündels möglicher Motivationen für die Beteiligung an gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen sehr vielgestaltig sein können und die Verfolgung öffentlicher Zwecke sich gerade nicht in monetär messbaren Größen abbilden lässt312. Auf dieses Problem, das auch bei der klassischen Verwaltungstätigkeit auftritt, muss allerdings in der vorliegenden Situation nicht weiter eingegangen werden. Zu beachten ist nämlich, dass die Zweckverfolgung im Außenverhältnis durch die AG erfolgt. Daran wird sich jedoch durch die Hauptversammlungsbeschlüsse, die den internen Aufbau der Gesellschaft betreffen, nichts ändern. Vor allem wenn man bedenkt, dass der Staat die Mehrheit der Gesellschaftsanteile bereits hält, kann man davon ausgehen, dass die Zwecksetzungen weiterhin in gleicher Weise verfolgt werden können, wie bisher. Eine Benennung dieser Zielsetzungen im Einzelnen kann damit an dieser Stelle unterbleiben. Das Gleichbleiben der Zwecksetzung und der Möglichkeit der Verfolgung zeigt weiterhin, dass vorliegend das Minimalprinzip einschlägig ist, also die Reduzierung des Aufwands bei gleichbleibendem Ergebnis interessiert. Auf eine Grenze trifft diese letzte Erwägung freilich dann, wenn der Verbleib privater Gesellschafter, etwa mit Blick auf das private Know-how, von Bedeutung für die Zweckverfolgung ist. Geht man nun davon aus, dass es bei der Wirtschaftlichkeit in Form des Minimalprinzips vorrangig um die Senkung von Kosten bei gleichbleibendem Erfolg geht313, so kann man hier die Wirtschaftlichkeit der Hauptversammlungsbeschlüsse bejahen. Anderes müsste jedoch dann gelten, wenn die zu vermeidenden finanziellen Belastungen nur verlagert würden314. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass auch die Durchführung der Maßnahmen ihrerseits Kosten verursacht. Zu denken ist insbesondere an die anfallenden Entschädigungen der ausscheidenden Minderheitsgesellschafter 315. Allerdings kann das Wirtschaftlichkeitsprinzip Investitionen und damit auch an anderer Stelle auftretende Kosten sogar fordern, wenn dadurch 311 Vgl. A.Leisner, Die Leistungsfähigkeit, S. 98; Gröpl VerwArch 93 (2002), 462. Eine Grenze ist hier dadurch gezogen, dass der Staat nur gemeinwohlorientiert tätig werden darf, v.Arnim, in: ders. / Lüder, Wirtschaftlichkeit, S. 69. 312 Vgl. hierzu Timmermann, in: v.Arnim / Lüder, Wirtschaftlichkeit, S. 53; Schulze-Fielitz VVDStRL 55 (1996), 256. 313 Bieback, in: Hoffmann-Riem / Schmidt-Aßmann, Effizienz, S. 128. 314 Vgl. Schmitt, Bau, Erhaltung, Betrieb und Finanzierung, S. 63. 315 Die Vermeidung von Entschädigungszahlungen kann gerade auch durch das Wirtschaftlichkeitsprinzip geboten sein, vgl. VGH Kassel NVwZ 1996, 1234 (1235).
15 Wandt
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auf lange Sicht eine Einsparung erreicht werden kann316. Einen privaten Mehrheitsgesellschafter halten diese beim Ausscheiden der Mitgesellschafter anfallenden Kosten regelmäßig nicht von der Durchführung des Ausschlusses ab317. Daraus kann für die öffentliche Hand geschlossen werden, dass auch hier, zumindest auf längere Sicht und wegen des Entfallens der Rücksichtnahmepflichten, die Vorteile überwiegen werden, weshalb aus dieser Perspektive kein Einwand gegen die Wirtschaftlichkeit folgt. Wie eingangs dargelegt, kann es zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit jedoch grundsätzlich nicht allein auf die Reduzierung von Kosten ankommen. Zielt das Wirtschaftlichkeitsprinzip im hier verwendeten Sinn auf Gemeinwohlmaximierung statt Gewinnmaximierung318, so ist die Perspektive zu erweitern. Auch die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der in Betracht kommenden Maßnahmen sind mit einzustellen319, wobei die Perspektive nicht auf die laufende Haushaltsperiode zu beschränken ist320. Dabei sollen mit Blick auf die Volkswirtschaft auch externe Kosten, etwa die Auswirkungen auf die Umwelt, mit einbezogen werden321. Schon um ein Ausufern des Begriffs der Wirtschaftlichkeit zu verhindern, ist aber eine Beschränkung des Kreises zu berücksichtigender Parameter geboten322. Von vorneherein ausgeschlossen sind solche Positionen, die ihrerseits nicht mit der Rechtsordnung in Einklang stehen323. Ebenso sind die so genannten politischen Kosten, d. h. die für oder gegen eine Maßnahme sprechenden Gründe der politischen Opportunität, unbeachtlich324. Vereinzelt wird angeführt, zur Vermeidung eines Ausuferns sei der Blick auf der Kostenseite auf finanzielle Kosten zu beschränken325. Überzeugen kann ein solcher Vorstoß indes nicht326. Wenn sich das Prinzip der Wirtschaftlichkeitsbestimmung nicht auf eine nur finanzielle Abwägung beschränken soll, müssen hier auch nicht monetäre Aspekte bedeutsam sein. Weiterhin würden andernfalls gewichtige Belange unberücksichtigt bleiben. Gleichwohl müssen nicht alle Belastungen in die Prüfung eingestellt werden. So ist eine Grenze dadurch vorgegeben, dass es sich bei dem Wirtschaftlichkeitsprinzip nicht um ein allumfassendes Prinzip der Staatstätigkeit, sondern nur um ein verfassungsrechtliches Gebot unter mehreren handelt327. Mithin ist es Vgl. OVG Schleswig KStZ 1999, 135 (137); Mahrenholz, in: AK, GG, Art. 114 Rn. 19. Baums, Ausschluß, S. 32. 318 v.Arnim, Wirtschaftlichkeit, S. 89. 319 Eichhorn, Betriebswirtschaftslehre, S. 17; Cromme DVBl. 2001, 759. 320 Ekardt VBlBW 1997, 283. 321 Grupp DVBl. 1994, 146 f.; Ekardt VBlBW 1997, 283; zumind. tw. a.A. Mahrenholz, in: AK, GG, Art. 114 Rn. 19, nach dem die Arbeitsmarktlage unberücksichtigt bleiben soll. 322 Krebs, Kontrolle, S. 186; Degenhart VVDStRL 55 (1996), 210. 323 v.Arnim, Wirtschaftlichkeit, S. 91 i.V. m. S. 36 f. 324 Grupp DVBl. 1994, 147; Ekardt VBlBW 1997, 285. 325 Degenhart VVDStRL 55 (1996), 210. 326 Vgl. nur v.Arnim, Wirtschaftlichkeit, S. 90. 327 Ausdr. Püttner, Verwaltungslehre, S. 238; a.A. v. Arnim, Wirtschaftlichkeit, S. 91. 316 317
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geboten, Aspekte, die einem anderen Gebot von Verfassungsrang zuzuordnen sind, auch dementsprechend nicht in die Wirtschaftlichkeitsprüfung einzustellen, sondern im Konfliktfall eine gesonderte Prüfung dieser Verfassungsgüter anzuschließen. Damit stellt sich eine Bewertung wie folgt dar: Als Kosten i. S. v. über die finanzielle Belastung hinausgehenden Nachteilen der diskutierten Hauptversammlungsbeschlüsse kann ein Verstoß gegen das gesellschaftspolitische Ziel angesehen werden, durch die Streuung von Aktien eine gerechte Verteilung von Vermögen unter der Bevölkerung zu erreichen328. Dabei muss jedoch sogleich begrenzend angemerkt werden, dass dieses Argument schon dann in Frage zu stellen ist, wenn der Ausschluss nur einen oder wenige institutionelle Aktionäre betrifft. Hier ist dann fraglich, ob überhaupt eine Kapitalstreuung im oben genannten Sinne gegeben war. Weiterhin ist zu beachten, dass die öffentliche Hand als Alleingesellschafterin nicht nur ein höheres unternehmerisches Risiko trägt, sondern dass wegen der Abfindungen auch mehr Kapital in der Gesellschaft gebunden ist329. Der Wirtschaftlichkeit stünde es jedenfalls entgegen, wenn dadurch die Verfolgung öffentlicher Zwecke nachhaltig beeinträchtigt würde. Solchen Nachteilen stehen über die Vermeidung von Kosten hinausgehende Nutzen gegenüber. So ist gerade hinsichtlich der Auswirkungen auf öffentliche Zwecke der Blick auf die bei der privatwirtschaftlichen Betätigung verfolgten Zielsetzungen zu richten. Hier ist festzustellen, dass diese durch die Veränderungen nicht nur unbeeinträchtigt bleiben. Vielmehr ist eine Verbesserung dieser Zweckverfolgung zu erwarten. Zwar kann mit Blick auf den Grad der Abstraktheit der vorliegenden Untersuchung nicht dargestellt werden, welche Belange im Einzelnen profitieren können. Insofern ist auch eine nähere Bestimmung, inwieweit eine Verbesserung einzelner Gemeinwohlaspekte eintreten wird, nicht möglich. Dass gleichwohl eine verbesserte Verfolgung öffentlicher Zwecksetzungen anzunehmen ist, folgt daraus, dass es nach dem Ausscheiden privater Minderheitsgesellschafter an dem typischen Interessengegensatz von privaten und staatlichen Gesellschaftern fehlt, der der unverminderten Verfolgung öffentlicher Zwecke Grenzen setzt. Dies kann noch mit dem Hinweis unterstützt werden, dass durch den Wegfall von zu berücksichtigenden Minderheitsgesellschaftern auch eine vereinfachte Führung des Unternehmens möglich ist, was sich insbesondere daran zeigt, dass die Blockierung von Maßnahmen im Wege der Anfechtungsklage nicht mehr zu befürchten ist. Eng mit den vorstehenden Überlegungen verbunden ist ein weiterer Vorteil: Zu der Vermeidung sicher anfallender Kosten tritt der Wegfall eines Kostenrisikos. Dabei ist auf die mit einer Anfechtungsklage verbundenen Kosten zu verweisen, die ein vorhandener Minderheitsgesellschafter, etwa auch in missbräuchlicher Absicht, erheben könnte. 328 Badura / Rittner / Rüthers, Gemeinschaftsgutachten, S. 206; Assmann ZBB 1989, 52; Kübler, Gesellschaftsrecht, § 14.III.2.c.bb. 329 Baums, Ausschluß, S. 32.
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Auch ist unter dem Gesichtspunkt entfallender Kostenrisiken der Wegfall der Interessenkollision zwischen Privaten und der öffentlichen Hand zu erwähnen. Wenn die öffentliche Hand die Interessen der privaten Mitgesellschafter nicht hinreichend berücksichtigt, drohen ihr, etwa unter dem Gesichtspunkt des auch auf den Staat anwendbaren Konzernrechts, Haftungsfolgen330. Solche Risiken werden bei einem Ausscheiden der Minderheitsgesellschafter zumindest verringert331. In Anbetracht dieser Überlegungen ist hinsichtlich der Hauptversammlungsbeschlüsse, die auf einen Ausschluss der Minderheitsgesellschafter bei Fortführung der AG gerichtet sind, die Wirtschaftlichkeit zu bejahen. Gesonderter Betrachtung bedarf hingegen der Auflösungsbeschluss gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG. Mit der Beendigung der Gesellschaft geht auch ein Ende der Verfolgung ihrer Zwecke einher. Anders als bei den übrigen Hauptversammlungsbeschlüssen kommt es also nicht zu einer ökonomischeren Zweckverfolgung, weshalb die obigen Erwägungen auf diesen Fall nicht angewendet werden können. Grundsätzlich ist demnach schon die Wirtschaftlichkeit dieser Maßnahme zu verneinen332.
4. Die Frage nach der Rechtfertigung der Grundrechtsbelastungen Die Feststellung, dass die fraglichen Beschlüsse der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens und damit auch des Staatshandelns dienen, kann jedoch nur ein Zwischenergebnis sein. Bereits oben wurde angedeutet, dass das Wirtschaftlichkeitsprinzip nur eines unter mehreren Verfassungsgeboten ist. Im Konfliktfall ist zu ermitteln, welchem Prinzip in der konkreten Situation der Vorrang zukommt333. Ein solcher Konflikt ist auch dann gegeben, wenn eine wirtschaftliche Maßnahme zu einer Grundrechtsbelastung führt334. Zu prüfen ist mithin, ob die Wirtschaftlichkeitserwägungen die mit den Beschlüssen einhergehenden Eingriffe zu rechtfertigen vermögen. a) Geeignetheit und Erforderlichkeit Die diskutierten Hauptversammlungsbeschlüsse sind geeignet, der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit zu dienen. Ebenso ist Erforderlichkeit zu bejahen. Ein milderes aber gleich wirksames Mittel kann insbesondere nicht darin gesehen werden, dass auch ein Erwerb der Anteile durch eine freiwillige Veräußerung seitens der PriVgl. hierzu nur Habersack ZGR 1996, 559 f. Ganz ausgeschlossen sind diese Risiken indes nicht. Zu bedenken ist etwa, dass das Konzernrecht auch außenstehenden Gläubigern dient und die Diskussion um die Haftung in der Einmann-Gesellschaft noch nicht abgeschlossen ist. 332 Vgl. aber dazu auch unten, § 12, Text nach Fn. 465. 333 Püttner, Verwaltungslehre, S. 238; Gersdorf, Öffentliche Unternehmen, S. 476 ff. 334 Vgl. Deutsch, FS Hoppe, S. 821 am Bsp. des Art. 12 Abs. 1 GG. 330 331
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vaten in Betracht käme. Zwar handelte es sich dabei um ein weniger belastendes Mittel. Gleichwohl wäre die öffentliche Hand dabei aber auf die Mitwirkung der privaten Minderheitsgesellschafter angewiesen. Damit ist es möglich, dass einzelne Private an ihrer Gesellschafterstellung festhalten. Es wird angeführt, dass eine relevante Kosteneinsparung nur dann möglich sei, wenn nicht mehr als nur ein Gesellschafter in der AG verbleibt335. Folglich könnten die Privaten, die sich gegen einen Verkauf entscheiden, die Wirtschaftlichkeit insgesamt in Frage stellen. Der rechtsgeschäftliche Weg ist damit ein weniger wirksames Mittel, das sich die öffentliche Hand nicht vorhalten lassen muss336. Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Formwechsel zu beachten. Auch hier hängt zwar nicht der Verlust der Stellung als Aktionär, wohl aber das Ausscheiden aus der Gesellschaft von Entscheidung eines jeden Gesellschafters ab, sich gem. § 207 Abs. 1 S. 1 UmwG abfinden zu lassen337. Der Maßnahme wohnt also die Gefahr inne, dass sich nicht alle privaten Anteilseigner den Verbleib in der Gesellschaft verleiden lassen. Mit Blick auf die dann fortbestehenden Pflichten zu Gunsten von Minderheitsgesellschaftern ist die Wirksamkeit geringer einzustufen, als bei übertragender Auflösung und Squeeze-out. Damit wird zunächst deutlich, dass man die beiden letztgenannten Maßnahmen nicht unter Verweis auf den Formwechsel als nicht erforderlich verwerfen kann. Umgekehrt bleibt jedoch auch der Formwechsel als unter Umständen weniger wirksames Mittel beachtlich. Die Frage der Erforderlichkeit erstreckt sich nämlich nicht auch darauf, ob ein besser geeignetes Mittel zur Verfügung steht338. b) Angemessenheit Zu prüfen ist damit, ob sich das Wirtschaftlichkeitsprinzip, das ebenfalls als Verfassungsgut von hohem Rang eingestuft wird339, gegen das Anteilseigentum der Minderheitsgesellschafter durchsetzen kann340 und die öffentliche Hand deshalb von den in Frage stehenden Instrumenten Gebrauch machen darf. Ein solches Gewicht des Wirtschaftlichkeitsprinzips kann nicht schon mit dem Argument verneint werden, dass den Grundrechten ein grundsätzlicher Vorrang zukommt. So vermag es nicht zu überzeugen, das Wirtschaftlichkeitsgebot als bloßes Bolte DB 2001, 2588. Vgl. BVerfGE 77, 84 (110). 337 Vgl. die Nachw. oben, § 5 in Fn. 62. 338 Jakobs, Der Grundsatz, S. 67; vgl. auch Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 22 f. 339 StGH BW ESVGH 25, 1 (9); StGH BW ESVGH 28, 1 (4); Deutsch FS Hoppe, S. 821. 340 Einen Vorrang des Wirtschaftlichkeitsprinzips bejahend Selmer Die Verwaltung 23 (1990), S. 18 ff. am Bsp. des Art. 5 Abs. 2 GG; weiterhin Deutsch, FS Hoppe, S. 821; vglb. auch VGH BW ESVGH 28, 1 (4), nach dem das Wirtschaftlichkeitsgebot geeignet ist, die kommunale Selbstverwaltungsgarantie gem. Art. 28 Abs. 2 GG zu beschränken. 335 336
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Innenrecht einzustufen, weshalb man es dem Bürger nicht entgegenhalten könnte. Dies wäre schon mit dem Charakter als allgemeines Rechtsprinzip von Verfassungsrang nicht vereinbar341. Ein vom Einzelfall unabhängiger Vorrang der Einzelgrundrechte könnte jedoch aus der Normtypik des Grundgesetzes folgen. Wenn vorliegend die Frage nach einem Vorrang der beiden Verfassungsgüter gestellt wird, so ist dieser anhand einer Abwägung zu ermitteln. Das Wirtschaftlichkeitsgebot wird als offenes Prinzip charakterisiert, das auf seine Optimierung angelegt ist342. Zu überlegen ist, ob das Wirtschaftlichkeitsgebot deshalb stets hinter den Grundrechten der belasteten Minderheitsgesellschafter zurücktreten muss. Diese kommen nämlich als Abwehrrechte zur Anwendung und werden deshalb zum Teil als Regeln eingeordnet. Regeln wiederum sollen nach teilweise vertretener Ansicht einen grundsätzlichen Vorrang vor bloßen Prinzipien beanspruchen343. Aus der Einteilung in Regeln und Prinzipien darf indes kein absoluter Schluss gezogen werden. Vielmehr ist im Konfliktfall zwischen Prinzip und Regel auf das hinter der Regel stehende Prinzip abzustellen und dann insoweit eine Abwägung vorzunehmen344. Weiterhin handelt es sich bei dem hier interessierenden Art. 14 GG um ein Grundrecht mit einfachem Gesetzesvorbehalt345. Die Verfassung sieht ausdrücklich die Möglichkeit der Einschränkung als Ergebnis einer Abwägung vor und zwar gerade auch durch solche Güter, die auf einer niedrigeren Normebene anzusiedeln sind346. Wenn damit schon solche Güter ausreichend sein können, die unterhalb der Verfassungsebene stehen, so kann erst Recht nichts anderes für solche Prinzipien gelten, denen Verfassungsrang zukommt. Damit ist davon auszugehen, dass eine Rechtfertigung der Grundrechtsbelastung durch die Verfolgung der Wirtschaftlichkeit in Betracht kommt. Wollte man anders entscheiden, so müssten sich die grundrechtlichen Interessen des Einzelnen stets gegenüber der Wirtschaftlichkeit durchsetzen. Zu beachten ist jedoch, dass, wenn von der freiheitssichernden Funktion des Wirtschaftlichkeitsprinzips gesprochen wird, sich diese nicht auf das einzelne Individuum bezieht. Schon oben wurde auf das Non-Affektionsprinzip und die fehlende Verbindung zwischen den Staatsausgaben und dem Einzelnen verwiesen. Anknüpfungspunkt für den freiheitssichernden Charakter ist die Gesamtheit der Bürger. Diese sind es, die die Ressourcen aufbringen müssen, die dem Staat zur Verfügung stehen und Vgl. Peters DÖV 2001, 754 ff. m. w. N. Schulze-Fielitz VVDStRL 55 (1996), 254 ff.; Gröpl VerwArch 93 (2002), 475. 343 Siehe nur Jestaedt, Demokratie, 585 f.; Rob, Mitbestimmung, S. 227 ff.; aufbauend auf Alexy, Theorie, S. 71 ff. 344 Gröpl VerwArch 93 (2002), 476. 345 Ob für den von Jestaedt und Rob, jeweils a. a. O., behandelten Fall der praktischen Konkordanz etwas anderes gilt, kann hier dahinstehen. 346 Vgl. Alexy, Theorie, S. 122 ff., der deshalb einen Doppelcharakter als Regel und Prinzip feststellt. 341 342
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die deshalb auch einen wirtschaftlichen Umgang erwarten dürfen347. Es geht darum, den Nutzen für die Allgemeinheit zu steigern348. Dass vor diesem Hintergrund dem Einzelnen per se ein Vorrang zukommen soll, wäre mit dem Menschenbild des Grundgesetzes, das von einer Einbindung des Einzelnen in die Gemeinschaft ausgeht349, nicht vereinbar350. Kommt es damit auf die Frage an, welchem Gut in der Situation des Gesellschafterausschlusses ein höheres Gewicht zuzumessen ist, so ist zunächst zu beachten, dass es sich bei dem Eigentum um ein elementares Recht im Interesse der Freiheit des Einzelnen handelt. Schützt Art. 14 GG im Rahmen des Anteilseigentums auch die Entscheidung des einzelnen Gesellschafters für ein bestimmtes Unternehmen, so kann diese Einschätzung auch nicht durch den Verweis auf alternative Beteiligungsmöglichkeiten erschüttert werden. In Anknüpfung an frühere Erkenntnisse kann dabei festgestellt werden, dass gerade dem Anteilseigentum unter den heutigen Verhältnissen eine besondere Bedeutung für die Teilnahme am Wirtschaftsleben zukommt351. Dies spricht auch dagegen, eine nur geringe Bedeutung des Anteilseigentums für die Existenzsicherung anzunehmen, was auch bei einem einheitlichen Eigentumsbegriff gegen allzu hohe Anforderungen an die Rechtfertigung spräche352. Zwar könnte man versuchen, dem zu entgegnen, dass gerade das Squeeze-out auf den Fall des Streubesitzes zugeschnitten ist und der Verlust der einzelnen Aktie schwerlich zu Existenzgefährdungen führen kann. Jedoch findet ein Squeeze-out auch dann Anwendung, wenn alle 5 % des Grundkapitals in einer Hand vereinigt sind. Noch deutlicher wird dies im Fall der übrigen Hauptversammlungsbeschlüsse, in denen bis zu 25 % der Aktien von einer Person gehalten werden können. Der Einwand mangelnder Existenzsicherung kann damit die Anforderungen an die Rechtfertigung nicht herabsetzen. Eine geringere Schutzwürdigkeit könnte sich jedoch aus dem Bezugspunkt des Anteilseigentums ergeben. So hat das BVerfG angenommen, dass dem Anteilseigentum nur ein geringes personales Substrat zukommt, weshalb eine Sozialbindung i. S. d. Art. 14 Abs. 2 GG in größerem Umfang in Betracht kommt353. Dann könnte man auch erwägen, die Interessen an einer Verringerung der Kosten als zulässige Gemeinwohlbindung zu erachten. Einem solchen Schritt steht jedoch entgegen, dass damit den Gemeinwohlinteressen zumindest tendenziell ein Vor347 Vgl. dazu Peine DÖV 1997, 358 f.; sowie v.Arnim, Wirtschaftlichkeit, S. 74: „Der Staat und seine Organe haben die Finanzmittel nur treuhänderisch für ihren Auftraggeber, die Gemeinschaft insgesamt, zu verwalten [ . . . ]“. 348 Vogel / Kirchhof, in: BK, GG, Art. 114 Rn. 88. 349 BVerfGE 4, 7 (15 f.); BVerfGE 65, 1 (44). 350 Vgl. BVerfGE 77, 102 (110); Gröpl, Haushaltsrecht, S. 364. Zum Vorwurf, eine solche Argumentation eröffne eine kollektivistische und mithin rechtsstaatswidrige Sichtweise vgl. v.Arnim, Wirtschaftlichkeit, S. 79. 351 Vgl. oben, § 4, Text bei Fn. 413 f. 352 Depenheuer, in: v.Magoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 78. 353 BVerfGE 50, 290 (347 f.) – Mitbestimmung.
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rang eingeräumt würde. Schon an früherer Stelle war festgestellt worden, dass die politische Macht, die in den großen Unternehmen wurzelt, im Licht des Grundgesetzes nicht als Bedrohung, sondern gerade als erwünschter Ausdruck eines Dualismus von Staat und Gesellschaft einzustufen ist. In der AG findet, gerade durch die freie Ausübung der Mitgliedschaftsrechte durch die Gesamtheit der Aktionäre, diese neben den Staat tretende privatautonome Gestaltung der Sozialordnung statt. Dies spricht gegen eine erleichterte Einschränkbarkeit, da damit der staatlichen Gesellschaftsgestaltung ein Vorrang eingeräumt würde354. Ebenso ist der in gleichem Zusammenhang geäußerten Erwägung entgegenzutreten, der Anteilseigentümer habe wegen der in der Beteiligung wurzelnden wirtschaftlichen Macht in höherem Maße Beschränkungen hinzunehmen355. Schon an anderer Stelle war darauf hingewiesen worden, dass die im Eigentum an Produktionsmitteln fußende Macht über Menschen auch bei weiteren Formen des Unternehmenseigentums gegeben ist356. Weder vermag eine Differenzierung überzeugen, noch wäre es mit dem Grundgesetz vereinbar, den Schutz des Produktiveigentums an sich zu schmälern. Weiterhin ist zu beachten, dass dieser Ansatz immer nur hinsichtlich solcher Belange angewendet werden kann, deren Träger auch von der Macht betroffen sind. Dies sind, wie in der Mitbestimmungs-Entscheidung, typischerweise die Arbeitnehmer. Deren Belange sind im vorliegenden Fall nicht betroffen. Ansetzen könnte man nur an der Tatsache, dass der Gesellschafter in der AG zur Verfolgung seiner Zwecke auf seine Mitgesellschafter angewiesen ist und deshalb auch durch deren Interessen beschränkt werden kann. Doch auch auf dieser Basis kann kein Vorrang der Wirtschaftlichkeit als Interesse des staatlichen Koaktionärs hergeleitet werden. Eine Übermacht des Eigentümers, wie etwa hinsichtlich der Arbeitnehmer, kann bezüglich des Minderheitsgesellschafters nicht begründet werden. Es war schon angesprochen worden, dass in der privaten AG die Interessen der Gesellschafter ausgeglichen werden sollen. Ein abstrakter Nachrang der Interessen einer der Parteien gegenüber der anderen kann dabei nicht angenommen werden. Im Verhältnis des Privaten zu einem staatlichen Mehrheitsaktionär kann dann nichts anderes gelten. Zu beachten ist, dass es sich in den hier untersuchten Fällen bei der Belastung um den vollständigen Entzug und mithin um den intensivsten Grundrechtseingriff handelt. Die Grundrechtsausübung wird hinsichtlich dieser Beteiligung vollständig unmöglich gemacht. Tiefgreifende Beeinträchtigungen könnten durch bloß geringe Kostenersparnis nicht gerechtfertigt werden357. Wie hoch die tatsächlich durch den Ausschluss der Minderheitsgesellschafter erreichbare Kostenersparnis ist, wird Depenheuer, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 14 Rn. 288 m w. N. Vgl. BVerfGE 50, 290 (348 f.) – Mitbestimmung. 356 Vgl. oben, § 4, Text bei Fn. 395. 357 So auch Dechsling, Das Verhältnismäßigkeitsgebot, S. 68, 69, dessen Erwägungen zur Erforderlichkeit auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeit beachtlich sind, vgl. Borowski, Grundrechte, S. 117 mit Fn. 89. 354 355
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unterschiedlich beurteilt. Mitunter werden die Beträge als vergleichsweise gering eingestuft358. Fest steht aber jedenfalls, dass eine den Grundsätzen kaufmännischen Verhaltens entsprechende Unternehmensführung auch in einem gemischtwirtschaftlichen Unternehmen möglich ist. Dasselbe gilt für die Mitverfolgung eines öffentlichen Zweckes. Die tiefgreifenden Grundrechtsbelastungen sind damit weder unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlichen Handelns noch zur Erreichung öffentlicher Zwecke zwingend erforderlich. Sie dient nur einer graduellen Verbesserung. Auch dieses Verhältnis von Eingriffstiefe und Gewinn zugunsten des kollidierenden Gutes muss Beachtung finden. Es spricht dagegen, die Belange der Minderheitsgesellschafter zurücktreten zu lassen. Daraus folgt auch, dass es im Fall eines prosperierenden Unternehmens nicht durchgreifen kann, auf die Gemeinschaftsbezogenheit und -gebundenheit der Privaten zu verweisen, um den Eingriff zu rechtfertigen. Zu fordern wäre unter diesem Aspekt, dass der Verbleib von Minderheitsgesellschaftern einen solch hohen Kapitaleinsatz verlangte, dass ein Bürger derartige Aufwendungen vernünftigerweise nicht erwarten dürfe359. Sollte dies zutreffen, so müsste das Institut eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens mit privater Minderheitsbeteiligung insgesamt in Frage gestellt werden. Die Erwartungshaltung des Bürgers, die öffentliche Hand würde die Kosten auch weiterhin tragen, kann mithin nicht als abwegig bezeichnet werden. Bei näherem Hinsehen ist vielmehr das Gegenteil der Fall. Der beteiligte Bürger kann erwarten, dass die öffentliche Hand die minderheitenspezifischen Belastungen auch weiter tragen wird. Dafür bedarf es keiner besonderen Deutung des Wirtschaftlichkeitsprinzips als ein Prinzip zu Gunsten des Bürgers, auf dessen Grundlage der Einzelne die Bereitstellung staatlicher Mittel verlangen kann360. Die mit einem solchen Ansatz verbundene Einführung eines Bezugs auf den Einzelnen widerspräche der Rückbindung der Wirtschaftlichkeit an die Gesamtheit der Bürger. Dennoch ist dieses Ergebnis unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes geboten. Bereits oben361 wurde dargelegt, dass der Bürger bei der Kooperation mit der öffentlichen Hand gerade nicht ständig mit dem Verlust seiner Rechtsstellung rechnen muss. Vielmehr muss sich die öffentliche Hand, wenn sie eine Kooperation mit einem Bürger eingeht, dessen Vertrauen in den Fortbestand dieses Gesellschaftsverhältnisses entgegenhalten lassen. Zwar war angeführt worden, dass ein Verlust der Aktionärsposition nicht unmöglich ist, sondern nur auf die Fälle eines hinreichend gewichtigen Grundes zugunsten der öffentlichen Hand beschränkt wird. Das Interesse an einer Vermeidung der minderheitsspezifischen Kosten kann hier jedoch nicht anerkannt werden. Insofern sind ähnliche Überlegungen geboten wie hinsichtlich der Frage nach dem Grad der notwendigen Ein358 359 360 361
So Hanau NZG 2002, 1044. Vgl. BVerfGE 77, 84 (110); Peters DÖV 2001, 760 f. In diese Richtung A. Leisner, Die Leistungsfähigkeit, S. 102. Vgl. oben, § 8 Text, bei Fn. 42.
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
flussnahme auf die Gesellschaft. Auch die Kosten, die die Minderheitsgesellschafter verursachen, waren für die öffentliche Hand von Anfang an absehbar. Hat sie sich für die Inkaufnahme solcher Kosten entschieden, so muss sie sich auch grundsätzlich an dieser Entscheidung festhalten lassen. Die Verpflichtung zu konsequentem Verhalten und zur Berücksichtigung des besonderen Vertrauens des Bürgers verlangen hier Geltung. Andernfalls erlaubte man dem öffentlichen Gesellschafter, der mit den Privaten eine Gesellschaft gründet oder diese nachträglich aufnimmt, einen Verstoß gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens. In Anbetracht dieser Gesichtspunkte ist den Interessen der privaten Minderheitsgesellschafter Vorrang vor dem Wirtschaftlichkeitsprinzip einzuräumen. Eine Rechtfertigung des Eingriffs ist damit zu verneinen. Dieses Ergebnis kann auch nicht durch einen Verweis auf die Kompensation zugunsten der Minderheitsgesellschafter erschüttert werden. Erinnert sei hier zunächst noch mal an das obige Ergebnis, dass die Position der Minderheitsgesellschafter nicht auf einen reinen Vermögenswert beschränkt werden kann. Ihnen kommt Schutz sowohl hinsichtlich der vermögensrechtlichen, als auch hinsichtlich der mitgliedschaftlichen Stellung zu362. Betrachtet man die Frage nach den Kompensationen vor diesem Hintergrund, so ist weiterhin auf die obige Erkenntnis363 zu verweisen, dass dem Schutz des Eigentumsbestands Vorrang vor dem reinen Vermögensschutz zukommt. Es stellte sich heraus, dass der Verweis auf eine Ausgleichsleistung nur in engen Ausnahmefällen in Betracht kommt, in denen ein im Verhältnis zum betroffenen Eigentum auf Durchsetzung drängendes Gemeinwohlgut in Frage steht und die Verhältnismäßigkeit nicht auf andere Art und Weise hergestellt werden kann. Dem Wirtschaftlichkeitsprinzip kann nach der obigen Abwägung ein solch hohes Gewicht nicht zugemessen werden. Da insbesondere ein den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit entsprechendes Engagement auch gemeinsam mit den privaten Minderheitsgesellschaftern möglich ist, ist die öffentliche Hand auf das Gebot des Vorrangs der Vermeidung schwerwiegender Eigentumsbeeinträchtigungen zu verweisen. Als Zwischenergebnis ist damit festzuhalten, dass die Rechtfertigung der hier in Frage stehenden Hauptversammlungsbeschlüsse auch mit Blick auf das Gebot zu wirtschaftlichem Verhalten nicht möglich ist.
362 363
Vgl. oben, § 4, Text bei Fn. 488 ff. Vgl. oben, Text bei Fn. 122 ff.
§ 10 Vereinbarkeit des Sonderrechts mit dem Gleichheitssatz
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§ 10 Vereinbarkeit des Sonderrechts mit dem Gleichheitssatz I. Möglichkeit eines Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG Bei der obigen Ablehnung der Idee eines Verwaltungsgesellschaftsrechts wurde ein Schwerpunkt auf die VEBA / Gelsenberg-Entscheidung des BGH gelegt. Der BGH hatte die Zulässigkeit eines die öffentliche Hand besserstellenden Sonderrechts mit der Begründung verneint, durch die Einräumung zusätzlicher Befugnisse „wären die außenstehenden Aktionäre in einer solchen Gesellschaft schlechter gestellt als in einer Gesellschaft mit ausschließlich privater Beteiligung. Hierzu bedürfte es einer verfassungsmäßigen gesetzlichen Grundlage, die nicht besteht“364. Eine solche Schlechterstellung der Mitaktionäre der öffentlichen Hand ist nach dem vorliegenden Ansatz nicht zu befürchten. Zu bedenken ist jedoch, dass der Handlungsspielraum des Mehrheitsgesellschafters hier eingeschränkt und bestimmte Einschnitte in die Rechtsposition der Minderheit ausgeschlossen werden sollen. Mit Blick auf diesen Zugewinn an Schutz im Falle eines staatlichen Mehrheitsgesellschafters erscheint fraglich, ob nicht eine der oben beschriebenen Ungleichbehandlung entsprechende Schlechterstellung, diesmal der Aktionäre ausschließlich privater Gesellschaften, zu befürchten ist. In Betracht kommt also, dass bei der Errichtung eines Sonderrechts im hier vertretenen Sinne ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt. Ein solcher kommt auch im Fall der Privilegierung bestimmter Personen in Betracht365. Der Gleichheitssatz bindet alle Formen der Staatsgewalt einschließlich des Gesetzgebers366 und verlangt auch im Privatrecht Beachtung367. Eine gesetzliche Regelung und damit einhergehend auch ihre Auslegung368 können vor dem Grundgesetz nur dann Bestand haben, wenn sie die aus dem Gleichheitssatz folgenden Bindungen beachten. Diese sind in der Rechtsprechung des BGHZ 69, 334 (341) – VEBA / Gelsenberg. Ausdrücklich BVerfGE 79, 1 (17); vgl. auch BVerfGE 17, 210 (216 ff.). 366 Trotz des insofern missverständlichen Wortlauts („vor dem Gesetz“) mittlerweile wohl allgemeine Ansicht, vgl. etwa Dürig, in: MD, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 292 ff.; Zippelius VVDStRL 47 (1988), 11 („heute wohl unbestrittener [ . . . ] Ansicht“); Gubelt, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 8; Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 428; eine gegenteilige Ansicht vermag nicht zu überzeugen, vgl. dazu Bleckmann, Grundrechte, S. 520. 367 Statt aller Starck, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 265 m. w. N. 368 Vgl. hierzu etwa Zippelius VVDStRL 47 (1988), 30 f.; Reich, Magdeburger Kommentar, Art. 3 Rn. 1; in diese Richtung ist auch das vom BGH in BGHZ 69, 334 (341) – VEBA / Gelsenberg-Entscheidung aufgestellte Erfordernis einer gesetzlichen Regelung als Grundlage einer Ungleichbehandlung zu verstehen. Soweit eine solche fehlt, muss bei der Anwendung einer Norm und damit bei der Auslegung auch der Gleichbehandlungsgrundsatz beachtet werden; dies endet erst, wenn eine sachgerechte Ausnahme, etwa durch eine wirksame Norm, gegeben ist. 364 365
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
Bundesverfassungsgerichts369, der auch die Lehre folgt370, dahin präzisiert worden, dass wesentlich Gleiches gleich, aber auch wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln ist371.
II. Ungleichbehandlung im vorliegenden Fall Erster Schritt zur Feststellung einer Ungleichbehandlung ist die Prüfung der wesentlichen Gleichheit, mithin die Suche nach einem gemeinsamen Oberbegriff372. Wenn teilweise gegen ein solches Kriterium eingewandt wird, die Verfassung gehe von der Vergleichbarkeit eines jeden Menschen schon kraft des gemeinsamen Menschseins aus373, so vermag dies nicht durchzugreifen. Die Prüfung würde sonst uferlos. Es ist mithin geboten durch einen Oberbegriff eine sinnvolle und strukturierende Begrenzung zu erreichen374. Zu suchen ist ein Unterscheidungsmerkmal, das sowohl die Minderheitsgesellschafter im Fall einer rein privaten AG als auch jene im Fall eines staatlichen Mehrheitsgesellschafters vollständig und abschließend erfasst375. Es kommt mithin auf die wesentliche Vergleichbarkeit der gegenübergestellten Gruppen an376. Dies kann nicht abstrakt, sondern nur anhand einer wertenden Betrachtung bestimmt werden377. Auch wenn bereits angeführt wurde, dass das Merkmal des gemeinsamen Oberbegriffs der Begrenzung dient, so darf die Vergleichsgruppe nicht zu eng gewählt werden. Zum einen würde die Notwendigkeit zur Pauschalisierung in der Rechtsordnung verkannt378. Zum anderen bestünde die Gefahr, die Gleichheitsprüfung leer laufen zu lassen oder zumindest relevante Ungleichbehandlungen zu übersehen379. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist die offensichtlich vom BGH gewählte Vergleichsgruppe380 zu bestätigen. Abzustellen ist auf die gemeinsame Eigenschaft als Minderheitsgesellschafter einer Aktiengesellschaft. Da auch die 369 Vgl. etwa BVerfGE 1, 14 (52); BVerfGE 3, 58 (135); BVerfGE 49, 148 (165); BVerfGE 61, 138 (147); BVerfGE 68, 237 (250); BVerfGE 71, 39 (53); BVerfGE 76, 256 (329); BVerfGE 78, 249 (287); BVerfGE 84, 133 (155). 370 Vgl. Manssen, Staatsrecht I, Rn. 669 ff.; Reich, Magdeburger Kommentar, Art. 3 Rn. 1. 371 Vgl. dazu auch die Fassung des Art. 3 Abs. 2 im Zeitpunkt des allgemeinen Redaktionsschlusses (JöR 1 (1951), 68). 372 Rüfner, in: BK, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 13; Manssen, Staatsrecht I, Rn. 679. 373 Martini, Art. 3 Abs. 1 GG als Prinzip, S. 257. 374 Zu dieser Funktion vgl. Bleckmann, Die Struktur, S. 71. 375 Vgl. dazu etwa Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 433. 376 Wendt NVwZ 1988, 782; Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 21. 377 Heun, in: Dreier, GG, Art. 3 Rn. 22; Gubelt, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 17. 378 Robbers, Gerechtigkeit, S. 88 f.; Zippelius VVDStRL 47 (1988), 20. 379 Vgl. Martini, Art. 3 Abs. 1 GG als Prinzip, S. 254 ff., 257. 380 BGHZ 69, 334 (341) – VEBA / Gelsenberg.
§ 10 Vereinbarkeit des Sonderrechts mit dem Gleichheitssatz
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Aktiengesellschaften mit staatlicher Beteiligung dem Gesellschaftsrecht in grundsätzlich gleicher Weise unterliegen wie die rein privaten Gesellschaften, liegt derselbe Ordnungsbereich vor381, so dass auch insofern eine Vergleichsgruppe gegeben ist. Ausgehend von dieser Feststellung ist weiterhin unproblematisch eine Ungleichbehandlung zu bejahen, da einer Gruppe von Aktionären ein höheres Schutzniveau eingeräumt werden soll, als den anderen.
III. Rechtfertigung Es stellt sich mithin die Frage, ob diese Ungleichbehandlung ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG möglich, diese Differenzierung also gerechtfertigt ist. Notwendig ist, dass der oben aufgezeigte Widerspruch, die einen Aktionäre besser zu schützen als die anderen, ausgeräumt werden kann.
1. Die anzuwendende Perspektive Stellt sich mithin die Frage der Rechtfertigung der Ungleichbehandlung, so ist zunächst zu klären, aus der Sicht welches Grundrechtsadressaten diese Frage zu sehen ist. Im Fall des Gleichheitssatzes ist zwischen den Anforderungen an den Normsetzer und den Normanwender zu unterscheiden. Hinsichtlich der Rechtssetzung gilt, dass ihr eine beachtliche Gestaltungsfreiheit sowohl hinsichtlich des Regelungsinhalts als auch hinsichtlich der Adressatengruppen zukommt382. Bei der Rechtsanwendung, klassischerweise im Fall der Verwaltungstätigkeit, sind die Maßstäbe und Kriterien der Differenzierung weitgehend schon im Gesetz vorgegeben und müssen diesem durch Auslegung entnommen werden383. Dies kann dazu führen, dass wegen der Vorgaben des Gesetzes trotz einer Ungleichbehandlung kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in der Normanwendung zu erblicken ist384. Etwas anderes gilt jedoch in den Fällen, in denen der Behörde ein Ermessen oder ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist, die Lösung also nicht konkret dem Gesetz entnommen werden kann385. Hier sind, soweit die eigene Verantwortung der Verwaltung reicht, die gleichen Maßstäbe anzulegen, wie im Fall der Normsetzung386. 381 Vgl. hierzu BVerfGE 50, 78 (107); BVerfGE 52, 264 (273); krit. zu der Trennung nach Ordnungsbereichen Wendt NVwZ 1988, 782. 382 Vgl. Starck, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 44; Stein, in: AK, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 46. 383 Vgl. nur Reich, Magdeburger Kommentar, Art. 3 Rn. 1. 384 BVerwGE 34, 278 (281 f.); Erichsen VerwArch 71 (1980), 289 ff. 385 Hierzu Starck, in: v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 242 ff. 386 Vgl. nur Gublet, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 37.
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
Wenn vorliegend die Frage gestellt wird, ob das Aktienrecht im vollen Umfang auch dann heranzuziehen ist, wenn die öffentlichen Hand agiert, so liegt eine Frage aus dem Bereich der Normanwendung vor. In Betracht kommt nur, den Anwendungsbereich der Norm durch eine Interpretation zu beschränken. Da diese Beschränkung dem Gesetz jedoch nicht unmittelbar entnommen werden kann, dieses vielmehr ergänzt werden muss, sind die Maßstäbe zur Überprüfung einer Normsetzung anzuwenden387.
2. Der anzuwendende Maßstab Die Frage, welche Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit einer Ungleichbehandlung durch Gesetz zu stellen sind, sind jedoch unklar. Sucht man in der Fülle von Auffassungen388 nach den beiden Extrempolen, so ergibt sich folgendes Bild: a) Willkürverbot Teilweise wird nur gefordert, dass ein sachlicher Grund für eine Differenzierung gegeben ist, diese also nicht willkürlich erfolgt389. Eine Differenzierung soll hier nicht dahingehend kontrolliert werden, ob sie die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung darstellt. Vielmehr ist die Grenze des Zulässigen erst dann überschritten, wenn ein Fall der objektiven Willkür gegeben ist, d. h. wenn aus einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise keine einleuchtenden und sachgerechten Gründe erkennbar sind390. Der sachliche Grund für die Etablierung eines weiteren Schutzes für die privaten Gesellschafter der von der öffentlichen Hand beherrschten AGs liegt in der Pflichtenstellung des staatlichen Mehrheitsgesellschafters. Als Kehrseite des weitergehenden Schutzes der Minderheit wird die in der Verfassung wurzelnde Bindung an das Übermaßverbot verwirklicht und verhindert, dass der Staat einen Freiraum wahrnehmen könnte, der einer Grundrechtsberechtigung gleichkäme, auf die er sich nicht berufen kann. Am Maßstab der Willkür würde die bewirkte Ungleichbehandlung demnach nicht scheitern.
b) Geltung des Übermaßverbots Die Gegenmeinung fordert, dass das Übermaßverbot als ein allgemeiner, im Rechtsstaatsprinzip wurzelnder Grundsatz auch auf die Gleichheitsgrundrechte Vgl. auch Zippelius VVDStRL 47 (1988), 30 f. Zur differenzierenden Ansicht der Rspr., die entgegen anderer Darstellung bis heute beibehalten wird (vgl. BVerfGE 99, 367 (388) – Montanmitbestimmung); vgl. nur Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 438 ff.; Brüning JZ 2001, 669 ff. 389 Kirchhof, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 124 Rn. 161 ff. 390 BVerfGE 55, 72 (90); BVerwG Buchholz 436.36 § 12 BAFöG Nr. 4 (S. 11). 387 388
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Anwendung finden muss. Eine Differenzierung kann damit nur Bestand haben, wenn sie zur Erreichung eines zulässigen Regelungsziels geeignet und erforderlich ist und für eine der Gruppen keine unangemessene Benachteiligung darstellt391. Im vorliegenden Fall kann eine Entscheidung zwischen den Meinungen dahinstehen, da auch unter Geltung des Übermaßverbotes die Verfassungsmäßigkeit der Differenzierung bejaht werden muss. aa) Besonderheiten der Ungleichbehandlung bei Schutzgewähr Nach richtiger Ansicht ist dem Gesetzgeber auch unter der grundsätzlichen Geltung des Übermaßverbots im Fall der gewährenden Staatstätigkeit eine erweiterte Gestaltungsfreiheit einzuräumen392. Zwar ist zuzugeben, dass auch die Vorenthaltung einer Begünstigung in ihren Auswirkungen einem Eingriff gleichkommen kann393. Jedoch erweist sich ein strenges Festhalten an den hergebrachten Grundsätzen des Übermaßverbots als zu eng. Regelmäßig bieten sich hier so viele Handlungsmöglichkeiten, dass es kaum möglich ist, einen Weg zu finden, bei dem nicht begründet werden kann, dass eine andere Handlungsalternative die Interessen der benachteiligte Gruppe weniger beeinträchtigte 394. Dem Gesetzgeber muss aber die Möglichkeit eingeräumt werden, auch real gestalten zu können, ohne ihn unter den Zwang einer praktisch nicht erfüllbaren Rechtfertigung zu stellen. Damit ist für den Fall der Begünstigung von einer reduzierten Prüfungsdichte auszugehen. Den Fällen der darreichenden Staatstätigkeit395 steht die vorliegende Situation gleich396. Dies gilt nicht nur deshalb, da im Fall der Gleichheitsprüfung der Blick immer auf den Vergleich mit einem Dritten erweitert werden muss397, was an das oben beschriebene Dreiecksverhältnis erinnert. Vielmehr gilt, dass auch im Fall der staatlichen Schutzgewähr unter Beachtung des Untermaßverbotes aus den Grundrechten nicht nur eine Handlungsmöglichkeit folgt. Dem Gesetzgeber steht hier ebenfalls eine Vielzahl von Verhaltensalternativen zur Verfügung398. Ist ein solcher Gleichlauf identifiziert, so sind auch auf den vorliegenden Fall die nur reduzierten Anforderungen anzulegen. Zippelius VVDStRL 47 (1988), 23. BVerfGE 17, 210 (216); Gubelt, in: v.Münch / Kunig, GG, Art. 3 Rn. 24; a.A. Stein, in: AK, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 57. 393 Stein, in: AK, GG, Art. 3 Abs. 1 Rn. 57. 394 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 442; Rüfner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 117 Rn. 34. 395 Vgl. dazu die Gruppenbildung bei Herzog, in: MD, GG, Art. 3 Anh. Rn. 58 ff., der seinerseits eine Abschwächung der Rechtfertigungsanforderungen verneint, dasselbe Ergebnis jedoch auf die Besonderheiten der Fälle stützt. 396 Zur grundsätzlichen Vergleichbarkeit der objektivrechtlichen Grundrechtsfunktionen vgl. Jarass AöR 110 (1985), 394 ff. 397 Vgl. Brüning JZ 2001, 670. 398 Vgl. oben, § 6, Text bei Fn. 177 i.V. m. Text bei Fn. 96 ff. 391 392
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
bb) Reduktion auf ein Willkürverbot Welcher Maßstab jedoch mit Blick auf die Besonderheiten der fördernden Staatstätigkeit anzulegen ist, wird nicht einheitlich beurteilt. Teilweise wird hier trotz grundsätzlicher Geltung des Übermaßverbots die Reduktion auf eine bloße Willkürprüfung gefordert399. Die Verfassungsmäßigkeit der Differenzierung liegt demnach mit Blick auf die obigen Ausführungen auf der Hand.
cc) Beschränkung des Merkmals der Erforderlichkeit Der bloßen Willkürprüfung wird eine Beschränkung nur auf der Ebene der Erforderlichkeit gegenübergestellt. Eine Regelung soll schon dann erforderlich sein, wenn keine Alternative ersichtlich ist, die dem Förderungszweck besser dient und sich für die nicht geförderte Gruppe als milder darstellt400. Prüft man die hier vorgeschlagene Unterscheidung an diesem Maßstab, so muss zunächst ein Differenzierungsziel identifiziert werden, das mit der Verfassung in Einklang steht. Schon mit Blick auf die obigen Ausführungen im Rahmen der Willkürprüfung ist als Ziel auf die Verwirklichung der staatlichen Pflichtenbindung abzustellen. An der Verfassungsmäßigkeit dieses Anliegens kann kein Zweifel bestehen. Zur Erreichung dieses Ziels ist die Differenzierung auch geeignet401. Prüft man nun nach der oben gegebenen Definition die Erforderlichkeit, so ist auch diese zu bejahen. Eine Möglichkeit, die Bindung an das Übermaßverbot und damit eine Gewährleistung der Grundrechte der Minderheitsgesellschafter besser zu erreichen, ist nicht ersichtlich. Ob man daneben für die Minderheitsgesellschafter in rein privaten Gesellschaften einen Schutz etablieren kann, der über das heute gegebene Maß hinausgeht und durch den die Ungleichbehandlung aus ihrer Sicht milder wäre, kann damit dahinstehen. Schließlich erscheint die Differenzierung auch nicht unangemessen, da sie der Verwirklichung der rechtsstaatlichen Bindungen des Staates Rechung trägt. Dem steht auch nicht die Möglichkeit eines dennoch besseren Schutzes der Minderheitsgesellschafter in rein privaten Gesellschaften entgegen, da in diesem Verhältnis ja, wie bereits gezeigt, auch die kollidierenden Grundrechte der Mehrheitsgesellschafter zu beachten sind.
399 BVerfGE 29, 337 (339); BVerfGE 93, 319 (350) – Wasserpfennig; BVerwGE 74, 260 (264); der Sache nach auch BVerfGE 23, 327 (344), wenn danach gefragt wird, ob die Differenzierung „von Umständen abhängig [ist], die in keiner Beziehung zu dem aufgezeigten Unterschied“ stehen bzw. darauf abhoben wird, das in der Unterscheidung „kein rechter Sinn gefunden werden“ kann. 400 Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 442; Brüning JZ 2001, 672; ähnlich, aber im Ergebnis wohl weiter, Wendt NVwZ 1988, 785, der danach fragt, ob nicht mehr an Vergünstigung gewährt wurde, als zur Zweckerreichung erforderlich ist. 401 Zur Geeignetheit im Rahmen des Gleichheitssatzes vgl. nur Wendt NVwZ 1988, 785.
§ 11 Zwischenergebnis und Ausblick auf verwandte Fallgestaltungen
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3. Ergebnis Als Ergebnis ist damit festzuhalten, dass das hier vorgeschlagene Sonderrecht zwar zu einer Ungleichbehandlung führt, diese jedoch zu rechtfertigen ist. Damit ist ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG zu verneinen.
§ 11 Zwischenergebnis und Ausblick auf verwandte Fallgestaltungen I. Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis ist damit zu bestätigen, dass es ein Sonderrecht für die öffentliche Hand in der Rolle einer Gesellschafterin einer gemischt-wirtschaftlichen AG gibt. Seinen Grund findet dies in den spezifischen Bindungen der öffentlichen Hand. Sie führen dazu, dass sich die öffentliche Hand von einem Privaten, auf den die Normen des Gesellschaftsrechts als typischen Adressaten zugeschnitten sind, grundlegend unterscheidet. Die Ausübung von Aktionärsrechten stellt sich für die öffentliche Hand nicht als die Wahrnehmung grundrechtlicher Freiheit dar, so dass, anders als unter Privaten, die Ausübung von Grundrechten auch nicht die Belastung der Minderheitsgesellschafter zu rechtfertigen vermag. Auch eine alternative Rechtfertigung kommt nicht in Betracht. Die Rechtmäßigkeit der Beeinträchtigungen der Minderheitsgesellschafter ist im Fall staatlichen Handelns, anders als in rein privaten Konstellationen, nicht anhand des Untermaßverbots zu messen. Da die Belastung vom Staat und damit von einem Grundrechtsadressaten ausgeht, kommt vielmehr das strengere Übermaßverbots zur Anwendung. Weiterhin ist zu bedenken, dass der öffentlichen Hand keine Grundrechte zustehen, die mit dem Anteilseigentum der Privaten kollidieren könnten. Zwar kommen Kollisionen mit anderen Gütern, auch solchen von Verfassungsrang in Betracht. Erinnert sei hier an das Interesse an einem wirtschaftlichen Staatshandeln oder das Demokratieprinzip in Ausprägung des Erfordernisses demokratischer Legitimation jeglichen Staatshandelns. Im Rahmen einer Abwägung können sich die aufgezeigten Belange jedoch nicht gegen das verfassungsrechtliche Eigentum der privaten Minderheitsgesellschafter durchsetzen. Da keine anderen als die geprüften Güter zu Gunsten der öffentlichen Hand ersichtlich sind, kann die Rechtfertigung der in der Durchsetzung der untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse liegenden Grundrechtsbelastung nicht gelingen. Demnach ist es geboten, einem staatlichen Mehrheitsgesellschafter die Wahrnehmung dieser vom Aktienrecht grundsätzlich zur Verfügung gestellten Instrumente zu versagen. Im Vergleich zu einem Privaten ist mithin von einer Begrenzung der Aktionärsrechte der öffentlichen Hand auszugehen. 16 Wandt
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
II. Ausblick auf verwandte Fallgestaltungen 1. Anwendbarkeit des Sonderrechts auf weitere Fragen des privaten Gesellschaftsrechts Mit Blick auf diese Erkenntnisse kann auch eine Lösung für verwandte Fallgestaltungen angerissen werden. So ist das Sonderrecht im Rahmen einer gemischt-wirtschaftlichen AG nicht nur auf die untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse beschränkt. Vielmehr müssen auch andere Maßnahmen eines staatlichen Gesellschafters unter Beachtung seiner verfassungsrechtlichen Bindungen untersucht werden. Dabei ist insbesondere an weitere von einem staatlichen Mehrheitsgesellschafter als Hauptversammlungsbeschlüsse durchzusetzende Maßnahmen zu denken. Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass das Sonderrecht nicht allein auf die Fälle einer gemischt-wirtschaftlichen AG beschränkt werden kann. Zur Kooperation von Staat und Privaten stehen auch weitere Gesellschaftsformen, insbesondere die einer GmbH aber auch solche des Personengesellschaftsrechts offen402. Hier unterliegt die öffentliche Hand in der Rolle einer Gesellschafterin ebenfalls den verfassungsrechtlichen Bindungen. Wenn die Pflicht zur Beachtung der Grundrechte der beteiligten Privaten im Rahmen des Aktienrechts zu einer Begrenzung der Gesellschafterrechte führt, so kann für die übrigen Gesellschaftsformen nichts anderes gelten. Auch hier können der öffentliche Hand bestimmte Maßnahmen im Interesse ihrer Mitgesellschafter versagt sein.
2. Anwendbarkeit des Sonderrechts auf Kooperationen in öffentlich-rechtlicher Organisationsform und gemischt-öffentliche Unternehmen Da die Grundrechtsbindung der öffentliche Hand ebenso gegeben ist, wenn eine Kooperation in Gestalt einer Gesellschaft des öffentlichen Rechts, etwa bei Zweckverbänden oder Anstalten des öffentlichen Rechts erfolgt403, muss das Verhalten der öffentlichen Hand auch dort an den Grundrechten der Privaten gemessen werden. Gleichwohl kann ein Festhalten der öffentlichen Hand an ihren verfassungsrechtlichen Bindungen nicht unter das hier dargelegte Sonderrecht gefasst werden, da mit Blick auf die öffentlich-rechtliche Handlungsform nicht eine Modifizierung des auf die Begegnung nur privater Adressaten zugeschnittenen Privatrechts in Frage steht. Die Frage nach der ungeprüften Anwendbarkeit des GesellschaftsVgl. nur Schmidt-Aßmann, FS Niederländer, S. 384. Auch diese sind nach richtiger Ansicht (Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 50) unter den Begriff des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens zu fassen, eine Beschränkung auf privatrechtliche Handlungsformen (so etwa Poschmann, Grundrechtsschutz, S. 1) vermag nicht zu überzeugen. 402 403
§ 11 Zwischenergebnis und Ausblick auf verwandte Fallgestaltungen
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rechts auf gemischt-öffentliche Unternehmen muss als ein eigenständiger Themenkomplex gesehen werden. Dies folgt schon daraus, dass es hier an einem StaatBürger-Verhältnis fehlt und stattdessen die besonderen Bindungen öffentlicher Hände untereinander zu prüfen sind.
3. Anwendbarkeit des Sonderrechts bei der Zwischenschaltung gemischt-wirtschaftlicher Unternehmen Anzumerken ist an dieser Stelle weiterhin, dass nunmehr auch ein Lösungsweg für eine weitere Fallgruppe aufgezeigt werden kann, die bislang im Rahmen der Betrachtungen ausgeklammert worden ist. Der Begriff des gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens erfasst bei näherem Hinsehen auch solche Gesellschaften, an denen der Staat nur mittelbar beteiligt ist, dem Bürger also als Mitaktionär ein seinerseits gemischt-wirtschaftliches Unternehmen gegenübersteht404. Zu fragen ist, ob eine Beschränkung der Aktionärsrechte auch in diesen Fällen in Betracht kommt. Wurde oben maßgeblich auf die Frage nach der Grundrechtsberechtigung des Mehrheitsgesellschafters abgestellt, so zeigt dies auch für die Behandlung dieser Fallgruppe in die entscheidende Richtung. Die Beantwortung der Frage nach der Anwendbarkeit des Sonderrechts hängt von der Grundrechtsberechtigung solcher Gesellschaften ab. Wie bereits angedeutet ist diese bis heute umstritten. Der Auffassung, die eine Grundrechtsträgerschaft grundsätzlich bejaht405, treten differenzierende Ansichten entgegen, die im konkreten Einzelfall auf den Zeitpunkt des Hinzutretens der öffentlichen Hand zu den privaten Gesellschaftern406 oder auf das Vorliegen einer staatlichen Beherrschung, etwa durch eine Anteilsmehrheit, abstellen407. Das Bundesverfassungsgericht verneinte in seinem vielbeachteten Beschluss zu den HEW die Berechtigung aus den Grundrechten, da der Stadt Hamburg, die an der Gesellschaft 72 % hielt, die Möglichkeit zur Beeinflussung der HEW offen stehe und die AG in Wahrnehmung gesetzlich zugewiesener und geregelter Aufgaben der Daseinsvorsorge handele408. Da sie die Indizfunktion der privatrechtlichen Rechtsform409 sowie die Bedeutung der Grundrechte der privaten Mitgesellschafter beachtet410 und darüber hinaus Schmidt-Aßmann BB 1990, Beilage 34, S. 2 f. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 85; ders., in: Erichsen / Ehlers, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 Rn. 85; Rüfner, in: Isensee / Kirchhof, Hdb StR V, § 117 Rn. 49. 406 Erichsen / Ebber Jura 1999, 377; wohl auch Heintzen, Rechtliche Grenzen, S. 21. 407 Vgl. Huber, in v.Mangoldt / Klein / Starck, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 302 ff.; ähnl. schon Emmerich, Wirtschaftsrecht, S. 93. 408 BVerfG JZ 1990, 335 (335), mit abl. Anm. Kühne; krit auch Jarass, in: Jarass / Pieroth, GG, Art. 19 Rn. 15. 409 Schmidt-Aßmann BB 1990, Beilage 34, S. 10 f.; ders., FS Niederländer, S. 387 ff.; krit. Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 216 ff. 410 Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 85; Kühne JZ 1990, 336. 404 405
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
die Abgrenzungsprobleme vermeidet, die den differenzierenden Lösungen inne wohnen411, spricht nach hier vertretener Ansicht viel dafür, der erstgenannten Auffassung zu folgen. Demnach wären gemischt-wirtschaftliche Unternehmen grundsätzlich als grundrechtsberechtigt anzusehen, wobei Ausnahmen für die Fällen zu erwägen sind, in denen der Beteiligung Privater ein bloße Alibifunktion zukommt412. Gleichwohl muss hierzu nicht abschließend Stellung genommen werden. Es gilt vielmehr aufzuzeigen, dass die Anwendung der vorstehend erarbeiteten Ergebnisse in einem engen Zusammenhang mit dem Grundrechtsschutz der gemischt-wirtschaftlichen Unternehmen steht. Soweit man die Grundrechtsträgerschaft bejaht, steht das gemischt-wirtschaftliche Unternehmen einem privaten Gesellschafter gleich. Für die Anwendung eines auf die öffentliche Hand zugeschnittenen Sonderrechts verbleibt kein Raum. Soweit man hingegen die Berechtigung aus den Grundrechten verneint und die Gesellschaft damit insgesamt einem rein staatlichen Gesellschafter gleichstellt, müssen auch die oben herausgestellten Abweichungen Beachtung finden.
§ 12 Rückausnahmen, insbesondere: Die wirtschaftlich gescheiterte AG I. Der Ausgangspunkt: Die Sonderrolle der wirtschaftlich gescheiterten AG Selbst unter den Stimmen, die die Belange der Minderheitsgesellschafter so schwer gewichten, dass sie die Verfassungsmäßigkeit der §§ 327a ff. AktG unter Privaten bezweifeln, findet sich eine Ausnahme für den Fall, dass die AG wirtschaftlich gescheitert ist. Hier soll das Herausdrängen der Minderheitsgesellschafter oder aber auch eine übertragende Auflösung möglich sein, wenn sich diese als notwendige Sanierungsmaßnahme darstellen413.
II. Die Begründung der Ausnahme 1. Unergiebige Ansätze Da bereits dargelegt wurde, dass der AG nur dienende Funktion zukommt, und sie deshalb kein Verfassungssubjekt mit kollidierenden Interessen sein kann, kann man, vorbehaltlich kollidierender Güter auf Seiten der öffentlichen Hand, nur eine 411 412 413
Vgl. v.Mutius, in: BK, GG, Art. 19 Abs. 3 Rn. 147. Hierzu etwa Stern III / 1, 1170; Storr, Der Staat als Unternehmer, S. 240 f. m. w. N. Hanau, NZG 2002, 1044.
§ 12 Rückausnahmen, insbesondere: Die wirtschaftlich gescheiterte AG
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Lösung suchen, die in der Rechtsstellung des Minderheitsgesellschafters selbst wurzelt. Weiterhin ist in Erinnerung zu rufen, dass der Schutz der Eigentumsgarantie als einer Rechtsträgergarantie nicht vom Verkehrswert eines Objekts abhängig gemacht werden kann. Folglich muss auch ein Versuch, den Schutz der Minderheitsgesellschafter wegen des geringen Wertes der Anteile an einem Unternehmen in der Krise zu verneinen, scheitern414.
2. Verneinung des Grundrechtseingriffs a) Das Nebeneinander von Auflösung und Insolvenz aa) Die Regelung des § 262 Abs. 1 AktG Dass eine Belastung der Minderheitsgesellschafter ausnahmsweise zulässig sein soll, wird damit begründet, dass in den Fällen, in denen die AG keine wirtschaftliche Perspektive mehr hat, der Verlust des Anteilseigentums ohnehin unvermeidlich sei415. Dies erinnert an die Regelung des AktG. Nach § 262 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 AktG stellen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens bzw. die Ablehnung der Eröffnung desselben mangels Masse Auflösungsgründe dar. Damit kommt es in den Fällen, in denen eine Fortführung der AG aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr möglich ist416, zu einem Verlust des Gesellschaftsanteils. Anzumerken ist dabei, dass, ganz ähnlich wie bei der Auflösung durch Beschluss mit Blick auf die Liquidationsgesellschaft, im Fall der Insolvenzanmeldung die Stellung als Mitglied einer Gesellschaft nicht unmittelbar untergeht; vielmehr überdauert die AG ihre Auflösung in der Form einer Insolvenzgesellschaft für die Zeit des Verfahrens417. Während des Insolvenzverfahrens bleiben die Organe zunächst intakt und auch die Hauptversammlung ist grundsätzlich noch zu Beschlüssen fähig418. Zweck des Insolvenzfahrens ist die Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger. Sofern diese nicht durch eine Fortführung der Gesellschaft erreicht werden kann, erfolgt die Verwertung des Vermögens. Am Ende steht die Vollbeendigung der Gesellschaft419 und mithin der vollständige Verlust des Anteilseigentums420. Vgl. hierzu schon oben, § 4, Text bei Fn. 536 ff. Hanau, NZG 2002, 1044. 416 Vgl. nur Mönning, Betriebsfortführung, Rn. 1: „Der Antrag auf Eröffnung eines gerichtlichen Insolvenzverfahrens setzt den Schlußpunkt hinter ein gescheitertes wirtschaftliches Engagement“. 417 Hüffer, in: Münchener Kommentar, AktG, § 264 Rn. 39. 418 OLG München AG 1995, 232 (232); Noack ZIP 2002, 1874; zur Arbeitsteilung zwischen Insolvenzverwalter und den Gesellschaftsorganen, zu denen auch die Hauptversammlung zählt, etwa auch Götze ZIP 2002, 2208. 419 Zum Ablauf etwa Hirte ZinsO 2000, 133. 414 415
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
Bei der Frage, welche Schlüsse aus dem Nebeneinander der Auflösungsgründe in der hier diskutierten Situation zu ziehen sind, fallen zwei Möglichkeiten ins Auge. Während man einerseits anführen kann, dass gerade durch die § 262 Abs. 1 Nrn. 3 und 4 AktG ausreichende Mittel zur Verfügung stünden, um die Beendigung der Gesellschaft in wirtschaftlichen Krisen herbeizuführen421, kann man andererseits entsprechend dem oben zitierten Ansatz argumentieren. Ist der Untergang des Bestandes ohnehin absehbar, so sollte es möglich sein, die Auflösung auch durch einen Beschluss i. S. d. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG herbeizuführen, um dadurch wenigstens mehr Liquidationsmasse, etwa durch Einsparung der Kosten des Liquidationsverfahrens, zu erreichen. In einer rein privat gehaltenen AG kann ein Vorrang der Nrn. 3 und 4 des § 262 Abs. 1 AktG nicht begründet werden. Die genannte Norm stellt die Auflösungsgründe nebeneinander, ohne dass ein Rangverhältnis besteht422. Teilweise wird der Auflösungsbeschluss gerade auch als Alternative in den Fällen wirtschaftlichen Scheiterns betont423. Dieser Befund kann jedoch nicht einfach übertragen werden. Unter privaten Anlegern ist die Auflösung jederzeit möglich und wird durch die wirtschaftliche Freiheit der Aktionäre in Ausübung ihres Anteilseigentums legitimiert. Die Begründung der Zulässigkeit des Auflösungsbeschlusses ist in diesen Fällen, anders als im vorliegenden untersuchten Kontext, von der wirtschaftlichen Situation der AG unabhängig.
bb) Keine Insolvenzabwendungspflicht Wurden soeben wieder die strukturellen Unterschiede zwischen einem privaten und einem staatlichen Mehrheitsgesellschafter angesprochen, so ist an dieser Stelle auf die These von der so genannten Insolvenzabwendungspflicht staatlicher Gesellschafter einzugehen. Nach diesem Ansatz soll die öffentliche Hand im Interesse der Gesellschaftsgläubiger verpflichtet sein, eine Insolvenz der AG abzuwenden. Folgte man diesem Ansatz, so entfiele das Nebeneinander der Auflösungsgründe gem. § 262 Abs. 1 Nrn. 2 bis 4 AktG. 420 Zwar kann man hier einwenden, dass dieses Ergebnis nicht zwingend feststeht, da etwa auch eine Gläubigerbefriedigung durch Fortführung des Unternehmens in Betracht kommt (zu den verschiedenen Alternativen vgl. Götze ZIP 2002, 2205 f.). Doch auch bei der Gläubigerbefriedigung durch Unternehmensfortführung steht der Erhalt der AG nicht fest. Praktisch häufiger ist der Weg einer übertragenden Sanierung, bei der das Unternehmen von einem Dritten weitergeführt wird, der Unternehmensträger, also die AG jedoch ebenso liquidiert wird, wie im Fall der Zerschlagung des Unternehmens (vgl. Bork, Insolvenzrecht, Rn. 356). Des Weiteren ist hier zu beachten, dass selbst auch der Erhalt des Unternehmensträgers mit tiefgreifenden Veränderungen verbunden sein kann (vgl. Noack, FS Zöllner, S. 420 ff.), weshalb auch hier Grundrechtsbelastungen in Frage kommen. 421 Vgl. den Gedanken bei Häsemeyer ZHR 160 (1996), 125 ff. 422 Wiedemann, in: GK3, AktG, § 262 Anm. 14. 423 Hirte ZinsO 2000, 128.
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Überzeugen kann ein solcher Ansatz jedoch nicht. So kann weder eine Heranziehung der Normen des Konzernrechts424, noch ein Abstellen auf Art. 34 GG oder auf den Gedanken der Aufopferung durchgreifen425. Ebenso wenig folgt eine solche Verpflichtung aus dem Eigentumsgrundrecht der Gläubiger426. Erwägen könnte man allenfalls, darauf abzustellen, dass die Gesellschaftsgläubiger darauf vertrauten, dass der staatliche Gesellschafter eine Insolvenz verhindert427. Zwar muss auch nach hier vertretener Ansicht die öffentliche Hand das Vertrauen, das ihr im Rechtsverkehr entgegen gebracht wird, respektieren und in ihre Handlungen mit einstellen. Gleichwohl kann auf dieser Basis keine Insolvenzabwendungspflicht begründet werden. Eine solche Verpflichtung würde die Verhinderung der Zahlungsunfähigkeit in jedem Fall erfordern, was die Anforderungen an staatliches Handeln überspannte. Eine Insolvenz kann auch durch solche Umstände eintreten, die sich dem Einfluss aller Beteiligten entziehen und die auch den Betrieb eines zuverlässig und ordentlich vorgehenden Kaufmanns vernichten können. Zu denken ist hier an Konjunkturschwankungen, Folgen des Verhaltens Dritter428 oder schlichtweg die sinkende Attraktivität eines Produkts429. Bei Annahme einer Insolvenzabwendungspflicht müsste der Staat auch für diese Fälle eintreten. Eine solche Garantenstellung kann jedoch aus einem Vertrauensschutz nicht hergeleitet werden430. Dafür spricht nicht zuletzt, dass den Gläubigern sonst für den Fall des Kontrahierens mit der öffentlichen Hand das allgemeine Lebensrisiko bei der Teilnahme am Wirtschaftsverkehr abgenommen würde431. Dies vermag das Gebot des Vertrauensschutzes anerkanntermaßen nicht zu leisten432. Insbesondere kann der Vertrauensschutz nicht dazu führen, dass der Staat einseitig solche Risiken zu tragen hat433. Will man ein derartiges Ausufern der Wirkungen des Vertrauensschutzes verhindern, so kann er sich nur auf ein eigenes Verhalten der öffentlichen Hand beziehen. Die öffentliche Hand muss bei ihren Handlungen und damit in ihrer Herrschaftssphäre das Vertrauen des Bürgers beachten und sich insofern besonders rechtstreu verhalten. Nur sofern sie auch handelt, muss sie dieses unter Beachtung des VerEhlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 320. Alfuß, Staatliche Haftungsbegrenzung, S. 128. 426 Parmentier, Gläubigerschutz, S. 114 ff. 427 So eine verbreitete Ansicht, etwa Alfuß, Staatliche Haftungsbeschränkung, S. 113 ff.; Erbguth / Stollmann DÖV 1993, 807; vgl. auch die Nachw. bei Ehers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 321 f., der jedoch einen direkten Anspruch gegen die öffentliche Hand als ausreichend ansieht. Für eine Nachschusspflicht Gern, Deutsches Kommunalrecht, Rn. 717. 428 Anschaulich Parmentier, Gläubigerschutz, S. 122. 429 Vgl. das Bsp. bei Lutter ZHR 162 (1998), 170. 430 Koch DVBl. 1994, 674. 431 Vgl. Parmentier, Gläubigerschutz, S. 120 f. 432 Bethge, Staatshaftung, S. 71 f.; vgl. hierzu auch Kisker VVDStRL 32 (1973), S. 166, dessen beispielhafte Abgrenzungen auch in die andere Richtung, d. h. zum Ausschluss von Vertrauensschutz, heranzuziehen sind. 433 Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 352. 424 425
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trauens der Bürger tun. Nicht von ungefähr kommt es, dass Beispiele, die das Vertrauen im Privatrechtsverkehr außerhalb der Insolvenz betreffen, regelmäßig ein aktives Tun, ein „im Stich lassen“, etwa ein plötzliches Abbrechen der Lieferbeziehung434, zum Gegenstand haben. Erforderlich, aber auch hinreichend, ist damit, das Vertrauen der privaten Gläubiger bei der Ausübung der Gesellschafterposition zu berücksichtigen und entsprechend hohe Anforderungen zu stellen. Zu denken ist hier etwa an eine über die gesetzlichen Mindestanforderungen hinausgehende Ausstattung der Gesellschaft mit einem für die Geschäftstätigkeit ausreichenden Eigenkapital 435 oder die Geltendmachung des gesellschaftsrechtlichen Einflusses, um eine Gefährdung der Gläubiger durch die Geschäftsführung zu verhindern. Nur insofern treten Verhaltensanforderungen neben die sonstigen Pflichten eines Gesellschafters zum Schutz der Gläubiger, die auch die öffentliche Hand treffen436. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dass die öffentliche Hand dann die Möglichkeit hätte, durch die Wahl von privaten Rechtsträgern das Insolvenzrisiko auf die Gesellschaftsgläubiger abzuwälzen. Zu beachten ist zum einen, dass gem. § 12 InsO auch bei öffentlich-rechtlich verfassten Rechtsträgern Insolvenzen möglich sind437. Zum anderen kann ein Vertrauen durch entsprechende Vorbehalte seitens der öffentlichen Hand ausgeschlossen werden438. Vorliegend steht einem Vertrauen auf unbeschränkte Haftung die Firmierung unter Angabe der privaten Rechtsform gem. § 19 Abs. 2 HGB i.V. m. § 4 AktG entgegen439. Die hierin enthaltene Warnung bringt sowohl die Begrenzung der Haftungsmasse als auch den Willen der öffentlichen Hand zur nur begrenzten Einstandspflicht440 zum Ausdruck, was einem schutzwürdigen Vertrauen entgegen steht. Da schließlich auch im Fall der Insolvenz die Erfüllung öffentlicher Aufgaben weiterhin möglich ist441 und folglich auch insofern kein Bedürfnis für eine Insolvenzabwendungspflicht besteht, ist eine solche Pflichtenstellung des Staates zu verneinen. Mithin ist an der Insolvenzfähigkeit festzuhalten. b) Die These vom Bagatelleeingriff Die Begründung, dass eine Auflösung deshalb zulässig sein soll, da der Verlust des Anteilseigentums ohnehin unvermeidlich ist, führt zu der Frage, ob ein Grundrechtseingriff hier deshalb zu verneinen ist, da die Belastung nicht die erforderliche Intensität erreicht. Angerissen ist damit die Frage, ob die Grundrechte unter 434 435 436 437 438 439 440 441
Tiemann Der Staat 16 (1977), 192 f.; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung, S. 353. Parmentier ZIP 2001, 555; ähnlich schon Knöpfle ZHR 132 (1969), 376. Zum Bsp. eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen vgl. Gundlach LKV 2000, 60. Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 321 f.; Parmentier, Gläubigerschutz, S. 48. Vgl. nur Weber-Dürlen, Vertrauensschutz, S. 81 f. m. w. N. Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 187; Becker, Die Erfüllung, S. 127. Gundlach LKV 2000, 59. Kuhl / Wagner ZIP 1995, 436.
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einem Bagatellevorbehalt stehen und wenn ja, ob dieser auch zeitliche Momente berücksichtigen kann. Die Existenz eines solchen Bagatellevorbehalts ist umstritten442. Dem Wortlaut der Grundrechte kann eine solche Beschränkung nicht entnommen werden443. Ins Auge fällt, dass der Schutz der Grundrechte durch eine Interpretation des Merkmals Eingriff ausgehöhlt zu werden droht444. Bei der Frage, ob ein wesentlicher Eingriff vorliegt, handelt es sich um eine Wertungsfrage, die nur unter Berücksichtigung einer umfassenden Abwägung im Einzelfall beantwortet werden kann. Sachgerechter Ort für eine solche Bewertung der Eingriffsschwere ist jedoch allein die Ebene der Rechtfertigung445. Da die Rechtfertigung für wenig intensive Eingriffe auch entsprechend leicht möglich ist, kann auch die Befürchtung, die Handlungsfähigkeit des Staates würde gefährdet, nicht durchgreifen446. Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Handlungsfähigkeit des Staates sei deshalb gefährdet, da zur Rechtfertigung auch eine gesetzliche Grundlage für jeden Eingriff erforderlich sei447. Dabei wird übersehen, dass von einem Totalvorbehalt schon insofern keine Rede sein kann, als dass das Erfordernis einer gesetzlichen Regelung dort seine logische Grenze findet, wo belastende Folgen nicht vorhersehbar und damit nicht normierbar sind448. Ist eine Normierung jedoch möglich, so ist sie auch zu verlangen, da es die Aufgabe des Gesetzgebers ist, die Wertungen vorzunehmen, nach denen eine Grundrechtsbelastung zulässig oder unzulässig ist449. Die Annahme eines Bagatellevorbehalts für unbeachtliche Grundrechtsbelastungen kann damit nicht überzeugen. Ein nah an dieser Argumentation liegendes Konzept zur Ausgrenzung von Grundrechtsbelastungen geringer Intensität kann hier ohne Diskussion ausgeschieden werden. Es wird vertreten, der Schutzgegenstand der Grundrechte sei so zu interpretieren, dass Belastungen von nur geringer Intensität nicht erfasst werden450. Die Anwendung dieser Grundsätze führt vorliegend jedoch nicht zu einem Entfallen des Grundrechtseingriffs. Ein zeitliches Moment könnte in Anbetracht des Schutzgutes nur dann Berücksichtigung finden, wenn sich begründen ließe, verfas442 Dafür Geis RdJB 1995, 378; dagegen Alexy, Theorie, S. 324 f.; Hochhuth NVwZ 2003, 33 mit Fn. 51; ausdr. mit Blick auf zeitliche Aspekte Dübbers / Kim Agrarrecht 2002, 245 f.; begrenzt auf die Freiheitsrechte, VG Freiburg VBlBW 1991, 229 (230). 443 Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 2, S. 206. 444 Vgl. schon Jäckel, Grundrechtsgeltung, S. 118 f. 445 Murswiek, Verantwortung, S. 193 f. mit Fn. 12; Dübbers / Kim Agrarrecht 2002, 246. 446 Sachs, in: Stern, Staatsrecht III / 2, S. 206. 447 Scherzberg, Grundrechtsschutz, S. 149. 448 Heintzen VerwArch 81 (1990), 537. 449 Murswiek, Verantwortung, S. 194 f.; vgl. auch Bethge VVDStRL 57 (1998), 45, nach dessen Einschätzung eine sichere Grenzziehung ohne gesetzliche Regelung praktisch nicht möglich ist. 450 Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 192 f., 304 ff.; Sachs, in: Stern, Staatsecht III / 2, S 209 f.
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sungsrechtliches Eigentum setze einen gewissen Fortbestand voraus. Ein solcher Zeitraum kann jedoch nicht abgesteckt werden. Als weitere Argumentation kommt dann nur ein Abstellen auf den wirtschaftlichen Wert in Betracht, was jedoch schon als unzulässig verworfen wurde. Da es das Anliegen dieser Ansicht ist, die Grenzen der Schutzbereiche auszuloten, vermag sie den vollständigen Entzug des Eigentumsbestands nicht als unbeachtlich erklären451.
3. Rechtfertigung der in dem Hauptversammlungsbeschluss liegenden Belastung Wenn damit ein Grundrechtseingriff auch im Fall des Entzugs der Beteiligung an einer wirtschaftlich gescheiterten Gesellschaft nicht verneint werden kann, ist die Lösung auf der Ebene der Rechtfertigung zu suchen.
a) Bedeutung der gerichtlichen Überprüfung – zugleich zur Erforderlichkeit der Auflösung Gegen die Annahme, dass hier eine Belastung ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann, spricht nicht, dass damit die Gefahr der Aufweichung des Grundrechtsschutzes eröffnet würde, da der Mehrheitsgesellschafter sich vorschnell auf die fehlenden Perspektiven berufen kann. Dem steht die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung entgegen, die im Wege einer Anfechtungsklage herbeigeführt werden kann. Da es sich bei dem Merkmal der wirtschaftlichen Perspektivenlosigkeit um eine Rechtmäßigkeitsanforderung des Beschlusses handelt, muss ihr Vorliegen überprüft werden. Bietet die Anfechtungsklage in den Fällen der übertragenden Auflösung einen ausreichenden Schutz, so muss dies auch im vorliegenden Kontext genügen. Jedoch kann diese Erkenntnis keinen Ausschlag zugunsten einer Auflösung durch Hauptversammlungsbeschluss statt durch ein Insolvenzverfahren geben. Auch bei der Entscheidung über den Antrag auf Eröffnung des Verfahrens gem. § 13 InsO ist zu prüfen, ob ein Insolvenzgrund vorliegt. Kann ein solches wirtschaftliches Scheitern nicht festgestellt werden, ist der Antrag auf Insolvenzeröffnung abzulehnen452. Auch hier steht also ein Verfahren zur Sicherung der Grundrechte zur Verfügung. Dieses könnte sogar als für den Minderheitsaktionär milderes Mittel angesehen werden453. Denn anders als bei der Anfechtungsklage erfolgt die Überprüfung als fester Bestandteil des vom Vorstand in Gang gesetzten Insolvenzverfahrens. Dem Minderheitsgesellschafter wird hier nicht die Anfechtungslast aufgebürdet454. 451 452 453
Vgl. Lübbe-Wolff, Grundrechte, S. 192 f. Bork, Insolvenzrecht, Rn. 83; Sinz / Hefermehl, Unternehmensinsolvenz, Rn. 321. Vgl. Rühlicke ZMR 2002, 721.
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Gleichwohl kann dies nicht dazu führen, die Rechtfertigung des Eingriffs schon deshalb zu verneinen, da der Auflösungsbeschluss nicht erforderlich ist. Zwar ist zuzugeben, dass sich das Abwarten des Insolvenzverfahrens mit Blick auf die Anfechtungslast als milderes Mittel darstellt. Die Erforderlichkeit setzt jedoch auch voraus, dass das mildere Mittel dem legitimen Ziel des Eingriffs ebenso gut dient455. Hintergrund der Auflösung ist hier die Freisetzung von Kapital, dem sonst aufgrund der unwirtschaftlichen Tätigkeit der AG die Vernichtung droht456. Mithin bildet auch hier das Interesse an einer wirtschaftlichen Staatstätigkeit den Hintergrund, deren Verfassungsqualität und Bedeutung auch für die Ergebnisse der privatrechtlich organisierten Gesellschaft bereits erörtert wurden. Zu bedenken ist, dass durchaus Fälle auftreten, in denen sich die Insolvenz eines Unternehmens gewissermaßen über Nacht einstellt457. Unter anderen Umständen können sich die wirtschaftliche Perspektivenlosigkeit und das Ende der Gesellschaft aber auch dann schon eindeutig abzeichnen, wenn noch kein Insolvenzgrund vorliegt458. Bis zum Eintreten der Insolvenz ist eine weitere Wertvernichtung durch fortlaufendes Abschmelzen des Kapitals459 sicher. Solche Fälle zeigen, dass das Abwarten auf die Insolvenz nicht als gleich wirksam bezeichnet werden kann. Sofern im Einzelfall nicht andere Maßnahmen zur Rettung der Gesellschaft in Betracht kommen, ist die Möglichkeit der Auflösung der Gesellschaft nicht schon aus Gründen der Erforderlichkeit zu verneinen.
b) Angemessenheit Im Rahmen der Angemessenheit ist den Belangen der Minderheitsgesellschafter das Verfassungsgut der Wirtschaftlichkeit entgegen zu stellen. Anders als bei dem oben behandelten Normalfall sollen hier nicht die durch die Minderheitsgesellschafter verursachten Kosten minimiert werden, die den Gewinn aus einem funktionierenden Unternehmen nur schmälern. Vielmehr geht es darum, die bei einem solchen Unternehmen anfallenden Verluste zu vermeiden und die Vernichtung von Kapital zu verhindern. Daraus, dass hier nicht die Optimierung einzelner Kosten innerhalb des Unternehmens, sondern die Wertvernichtung durch das Fortbestehen 454 Ohne Bedeutung ist dieses Argument im Fall der übertragenden Auflösung gem. § 179a AktG. Als Alternative zur Anfechtungsklage kommt hier nur ein Spruchverfahren in Betracht, bei dem es sich um eine Klage zur Überprüfung der Höhe von Leistungen handelt. Auch hier trägt der Aktionär die Anfechtungslast. 455 Statt aller Pieroth / Schlink, Grundrechte, Rn. 285. 456 Nicht umsonst wird für solche Unternehmen auch der aus dem Amerikanischen kommende Begriff eines „Cashburners“ verwandt. 457 Vgl. etwa Nolting NZI 2003, 82 f. am Beispiel von Insolvenzen im Zuge der Flutkatastrophe von 2002. 458 Siehe das Bsp. bei Lutter ZHR 162 (1998), 170. 459 Vgl. zur Wertvernichtung in „dahinsiechenden“ Unternehmen etwa auch Meyer-Cording NJW 1981, 1242.
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
des Unternehmens in Frage steht, wird deutlich, dass nunmehr auch der Auflösungsbeschluss gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG dem Gebot der Wirtschaftlichkeit dient. So wenig es überzeugen kann, eine Insolvenzabwendungspflicht im Verhältnis zu den Gesellschaftsgläubigern zu etablieren, so wenig können die Gesellschafter im Innenverhältnis darauf vertrauen, dass der Staat die Gesellschaft stets am Leben erhalten wird. Auch hier kann keine Garantenstellung der öffentlich Hand für die wirtschaftliche Entwicklung der AG konstruiert werden. Weiterhin ist den Mitgesellschaftern die bewusste Wahl einer Kapitalgesellschaft, d. h. einer Rechtsform mit einer Haftungsbegrenzung bekannt, weshalb sie nicht auf eine Nachschusspflicht der öffentlichen Hand vertrauen können. Vielmehr erfährt die Position der Minderheitsgesellschafter unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes eine Abschwächung. Im Rahmen der Frage nach den kollidierenden Rechtsgütern im Normalfall wurde angesprochen, dass der Schutz deshalb vermindert sein könnte, da das Gesetz die Möglichkeit des Ausschlusses vorsieht. Auf diesen Gedanken ist hier zurückzukommen. Zeichnet sich der wirtschaftliche Untergang der Gesellschaft ab, so muss jeder Gesellschafter mit Veränderungen seiner Position rechnen. Anders als im Fall der prosperierenden AG ist hier auch zu erwarten, dass Belastungen von Seiten der Mitgesellschafter erfolgen. Unter Privaten kann in Fällen wie dem vorliegenden von einem Gesellschafter verlangt werden, der Auflösung der Gesellschaft zuzustimmen460. Mitunter kann hier sogar eine Minderheit die Fassung eines solchen Beschlusses von der Mehrheit verlangen461. Grund hierfür ist es, dass es mit der Treupflicht, dem Gebot zur gegenseitigen Rücksichtnahme unter den Gesellschaftern, nicht vereinbar wäre, zum Schaden der übrigen Gesellschafter an der AG festzuhalten und einen fortschreitenden Kapitalverbrauch zu provozieren. In diesen Fällen muss sich dem Minderheitsgesellschafter die Möglichkeit eines Verlusts ihres Eigentums förmlich aufdrängen, so dass er nicht auf den Fortbestand seines Eigentums vertrauen kann. Wie bereits gesehen, ist die Treupflicht auch im Verhältnis des privaten Aktionärs zum staatlichen Mehrheitsgesellschafter anwendbar462. Dabei braucht nicht erörtert zu werden, welche Grenzen die Treupflicht im Einzelnen dem privaten Verhalten in der AG zieht. Auch muss nicht die Frage verfolgt werden, ob die Treupflicht hier kongruent mit den Bindungen unter Privaten ist. Festzuhalten ist jedoch das Folgende: Wenn unter Privaten in den hier diskutierten Fällen sogar die Pflicht bestehen kann, selbst an dem Untergang des Anteilseigentums mitzuwirken, so spricht dies dafür, dass sich der Private hier die Interessen des staatlichen 460 Lutter ZHR 162 (1998), 170; Henze ZHR 162 (1998), 196; wenn im Recht der GmbH die Zustimmungspflicht zur Auflösung von erhöhten Anforderungen abhängig gemacht wird, da das Ergebnis auch durch eine Auflösungsklage gem. § 61 GmbHG ereicht werden kann (vgl. etwa Seidel, Die mangelnde Bedeutung, S. 120 f.), so ist dies im vorliegenden Kontext unerheblich, da ein solches Instrument dem AktG fremd ist. 461 Lutter ZHR 162 (1998), 170. 462 Vgl. oben, § 9, Text bei Fn. 77 ff.
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Aktionärs entgegenhalten lassen muss. Dies ist insbesondere deshalb der Fall, da der Verlust des Anteilseigentums hier unvermeidlich ist. Wie bereits dargelegt, kann dies zwar nicht dazu führen, dass der Belastung keine Eingriffsqualität zukommt. Gleichwohl muss die entsprechend geringere Intensität der Beeinträchtigung sich auch in der Abwägung auswirken. Neben dieser Schwächung des Bestandsschutzes ist auch der Aspekt des Vermögensschutzes zu beleuchten. Die Kompensation für den Verlust des Anteilseigentums erfolgt bei der Auflösung nicht durch einen Anspruch gegen den Hauptaktionär oder einen Dritten, sondern durch die anteilsmäßige Beteiligung an der Liquidationsmasse. Soll gerade die bis zum Vorliegen eines Insolvenzgrundes fortschreitende Vernichtung von Kapital vermieden werden, so dient dies dem Wertinteresse auch der ausscheidenden Gesellschafter, da bei der Auflösung durch Insolvenz regelmäßig überhaupt keine Liquidationsmasse verbleibt463 und damit im früheren Zeitpunkt der Auflösung durch Beschluss eine zumindest höhere Kompensation zu erwarten ist. Gerade an dieser Stelle wird auch die Treubindung im Verhältnis zwischen etwaigen privaten Mitgesellschaftern offenbar. Diese besteht in vollem Umfang und auch in deren Interesse. Wenn hier sogar ein aktives Stimmverhalten verlangt werden kann, so ist auch daraus zu folgern, dass der Minderheitsaktionär einen Verlust seines Anteilseigentums hinnehmen muss. Darüber hinaus sprechen auch gesamtwirtschaftliche Erwägungen dafür, die Auflösung zu erlauben. Für die Insolvenz wird angeführt, sie diene der Gesamtwirtschaft, da sie, entsprechend dem Konzept der Marktwirtschaft, nicht überlebensfähige Unternehmen aus dem Markt nimmt und die darin bislang gebundenen Produktionsfaktoren wie Arbeitskraft oder Kapital für gesunde Unternehmen freisetzt464. Dies muss jedoch in gleicher Weise für den Beschluss zur Auflösung einer nicht lebensfähigen Gesellschaft greifen. Mit Blick darauf, dass regelmäßig mehr Kapital erhalten bleibt, das reinvestiert werden kann, wird den Interessen der Gesamtwirtschaft sogar besser gedient. In Anbetracht dieser Abwägung ist als Ergebnis zu formulieren, dass abweichend vom oben erarbeiteten Grundsatz ein Auflösungsbeschluss, der von der öffentlichen Hand herbeigeführt wird, dann mit der Eigentumsfreiheit der privaten Mitgesellschafter vereinbar ist, wenn die Liquidation der Gesellschaft im Wege der Insolvenz unvermeidlich ist und ihr die Auflösung gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG förmlich nur zuvor kommt.
463 464
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Vgl. nur Hirte ZinsO 2000, 133. Meyer-Cording NJW 1981, 1243.; ders. Kreditwesen 1982, 798; Wellensiek ZGR 1999,
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4. Rechtfertigung des Hinausdrängens zu Sanierungszwecken Wie schon oben angedeutet kommt eine Rechtfertigung des Entzugs des Anteilseigentums auch dann in Betracht, wenn dieser der Sanierung der angeschlagenen Gesellschaft dient. In Betracht kommt hier insbesondere eine übertragende Auflösung oder auch ein Squeeze-out.
a) Erforderlichkeit Auch hier muss der Eingriff in das Anteilseigentum den Grundsätzen der Erforderlichkeit genügen. Dies ist nur dann der Fall, wenn eine Erhaltung des Unternehmens nicht auch durch solche Sanierungsmaßnahmen möglich ist, die das Anteilseigentum der Minderheitsgesellschafter in ihrem Bestand nicht berühren oder dieses zumindest teilweise erhalten465. Liegen die Dinge jedoch so, dass die Sanierung nur durch ein Ausscheiden der Minderheitsgesellschafter möglich ist, so ist die Erforderlichkeit ebenfalls regelmäßig zu bejahen. Dies folgt auch hier daraus, dass nicht die kapitalvernichtende Zeit bis zum Eintreten der Insolvenzgründe abgewartet werden muss. Im Fall der Insolvenz durch Zerschlagung des Unternehmens tritt hinzu, dass sich der Erhalt des Gesamten als sinnvoller zum Erhalt wirtschaftlicher Werte darstellen wird466.
b) Angemessenheit Kommt eine Sanierung durch Entzug des Eigentums der Minderheitsgesellschafter nur unter den vorstehend erörterten Bedingungen in Betracht, so wird sich die Maßnahme auch als verhältnismäßig i. e. S. darstellen. Dem Verfassungsgut der Wirtschaftlichkeit des Staatshandelns kommt in diesem Kontext das gleiche Gewicht zu, wie in den Fällen der die sichere Insolvenz verhindernden Auflösung. Auch die Belange der Minderheitsgesellschafter sind hier in gleicher Weise zu gewichten, da hier ebenfalls die Treupflicht aufgerufen ist467 und ein Verlust des Bestands nicht vermieden werden kann. Auch die Erwägung, dass ein früheres Ausscheiden den Wertinteressen der privaten Gesellschafter dient, ist an dieser Stelle angebracht. Im Fall der übertragenden Auflösung besteht die Kompensation ebenfalls aus einem Anteil an der Liquidationsmasse. Ein abweichendes Ergebnis kann hier nicht für die Fälle hergeleitet werden, dass der Mehrheitsgesellschafter das Zu weiteren Möglichkeiten vgl. etwa Lutter / Hommelhoff / Timm BB 1980, 740 ff. Vgl. Wellensiek WM 1999, 406. 467 Als Treupflichtverstoß wird eine Verweigerung der Zustimmung zu einer belastenden Sanierungsmaßnahme nur dann angesehen, wenn kein milderes Mittel in Betracht kommt, das ebenso aussichtsreich ist (vgl. Timm WM 1991, 485; Hennrichs AcP 195 (1995), 259 f.). Diese Hürde ist in den vorliegenden Fällen dann genommen, wenn auch die Erforderlichkeit des Ausschlusses als Sanierungsmaßnahme zu bejahen ist. 465 466
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wesentliche Eigentum erwirbt. Denn auch er ist nur verpflichtet, einen angemessenen Kaufpreis zu zahlen. Dieser wird jedoch vor einer Stellung des Insolvenzantrages regelmäßig höher sein, als danach. Dies ist insbesondere mit Blick darauf zu belegen, dass die Stellung des Insolvenzantrages öffentlich erfolgt und regelmäßig nachhaltige Störungen für den Unternehmensablauf mit sich bringt468. Entsprechend wird auch die gem. § 327a AktG zu zahlende Barabfindung im Rahmen des Squeeze-outs in einem früheren Zeitpunkt höher sein, als bei Vorliegen der Insolvenzgründe. Schließlich stehen den Belangen der Eigentümer auch hier gesamtwirtschaftliche Interessen entgegen. Zwar kommt es hier nicht zu der oben beschriebenen Bereinigung des Marktes und dem Freiwerden von Produktionsfaktoren. Mindestens ebenso vorteilhaft für die Gesamtwirtschaft ist es jedoch, wenn die AG durch die Sanierung am Leben erhalten werden kann469.
III. Weitere Rückausnahme: Der Grundrechtsmissbrauch im Einzelfall An das soeben gefundene Ergebnis ist nunmehr anzuknüpfen. Es wurde offenbar, dass im Einzelfall die Interessen der öffentlichen Hand an dem Ausschluss eines Gesellschafters überwiegen können. Dies kann als allgemeine Ausnahme von der Regel angenommen werden. Beruht der Grundsatz, nach dem der öffentlichen Hand die eingreifenden Instrumente des Gesellschaftsrechts nicht zur Verfügung stehen, auf einer Abwägung, so kann es auch sein, dass im Einzelfall die Umstände ein abweichendes Ergebnis bedingen. So ist etwa darauf zurückzukommen, dass es eine der maßgeblichen gesetzgeberischen Intentionen war, einer Gesellschaft den Ausschluss von solchen Minderheitsgesellschaftern zu ermöglichen, um erpresserische Anfechtungsklagen verhindern zu können470. Dass es im Interesse einer wirtschaftlichen Führung der AG ist, solche Klagen zu verhindern, mit denen der Kläger nur darauf abzielt, sich auf Kosten der AG zu bereichern, kann mit Blick auf die obigen Ausführungen zum Verfassungsgut der Wirtschaftlichkeit bejaht werden471. Neben der Senkung der monetären Kosten ist auf der Nutzenseite etwa auch darauf zu verweisen, dass die Blockade von Veränderungen der Gesellschaft, die mit solchen Klagen oft einhergeht, nicht mehr droht. Folglich kann die Leichtigkeit der Gesellschaftsführung und damit nicht zuletzt die Verfolgung der öffentlichen Zwecke erhöht werden. Damit ist auch in Bezug auf diese Fälle ein Gut gegeben, dass den Belangen der Anteilseigentümer gegenüber gestellt werden kann. 468 Vgl. zu den negativen Auswirkungen der Publizität des Insolvenzantrages Häsemeyer ZHR 160 (1996), 128; Wellensiek ZGR 1999, S. 239 f. 469 Vgl. etwa Lutter / Hommelhoff / Timm BB 1980, 737; BGHZ 75, 96 (108). 470 Vgl. die Nachw. oben, § 9, in Fn. 55 f. 471 Vgl. oben, § 9, Text bei Fn. 264 ff.
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Es war oben festgestellt worden, dass die Wertungen, die dazu führen, die hier fragliche Ausübung von Mitgliedschaftsrechten, diesen Grundrechtsgebrauch, als Missbrauch einzuschätzen, Bedeutung im Rahmen der Eingriffsrechtfertigung zukommen kann. So wie schon für die rein private AG argumentiert wird, dass der Ausschluss von solchen Aktionären möglich sein muss, die durch grob treuwidriges Verhalten wiederholt zu Belastungen geführt haben472, liegt es nahe, auch in der vorliegenden Abwägung dem Interesse der Wirtschaftlichkeit Vorrang vor dem Interesse des Aktionärs am Verbleib in der AG einzuräumen. Diese Erwägung darf jedoch nicht dahingehend verstanden werden, dass durch sie das obige Ergebnis, wonach das Wirtschaftlichkeitsprinzip grundsätzlich nicht geeignet ist, den Ausschluss der Minderheitsgesellschafter zu rechtfertigen, erschüttert wird. Schon oben war stets betont worden, dass es sich bei der negativen Bewertung eines Grundrechtsgebrauchs um eine Entscheidung im konkreten Einzelfall handelt. Die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten, einschließlich der Anfechtungsklage, ist das legitime Recht eines jeden Gesellschafters. Sie kann damit nicht als Anknüpfungspunkt zur Rechtfertigung von Grundrechtsbelastungen dienen. Der pauschale Verweis auf die Möglichkeit missbräuchlicher Rechtsausübung vermag die Rechtfertigung ebenfalls nicht zu leisten. Vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte im Einzelfall aufgezeigt werden können473. Dabei muss auch eine weitere Besonderheit bedacht werden. Regelmäßig werden als Folgen eines treuwidrigen Verhaltens Schadensersatzpflichten des Aktionärs oder die Möglichkeit zur Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen angeführt. Der Ausschluss stellt demgegenüber eine präventive Maßnahme dar. Er kann nur dann in Betracht kommen, wenn die Reaktionen auf den konkreten Einzelfall keinen hinreichenden Schutz bieten474. Erforderlich ist, dass mit einer solchen Belastung durch den Gesellschafter zu rechnen ist, bei der eine Verweisung auf die nachträglichen Reaktionen nicht zumutbar erscheint. Dabei ist zu beachten, dass dies aufgrund einer Prognose zu entscheiden ist, es also an der sicheren Beurteilung des Verhaltens in einem Einzelfall aus der Perspektive ex post fehlt. Dementsprechend hoch sind die Anforderungen an eine solche ex ante Beurteilung. Das Vorverhalten des einzelnen Gesellschafters, etwa wiederholte und schwerwiegende Verstöße gegen die Treupflicht475, müssen den nahezu zwingenden Schluss zulassen, dass auch in Zukunft ein solches Verhalten zu erwarten ist. Ob darüber hinaus ein Ausschluss auch ohne eine solche Prognose, d. h. nur als Reaktion auf ein zurückliegendes Verhalten gerechtfertigt sein kann476, erscheint fraglich. In Betracht 472 Jilg, Die Treuepflicht, S. 89 ff.; K.Schmidt, Gesellschaftsrecht, S. 803 f.; a.A. BGHZ 9, 157 (163); BGHZ 18, 350 (365); offen lassend nunmehr BGHZ 103, 184 (192) – Girmes. 473 BVerfGE 7, 320 (325); BVerfGE 35, 5 (10 f.); BVerfG StV 1996, 48 (49); BVerfG NStZ 1998, 373 (375); BVerfG NStZ 1998, 430 (431). 474 So auch Becker ZGR 1986, 399 für die Anwendbarkeit des § 140 HGB in der rein privaten AG. 475 In diese Richtung auch Hommelhoff ZHR 151 (1987), 516; Jilg, Die Treuepflicht, S. 91, jeweils für die rein private AG.
§ 12 Rückausnahmen, insbesondere: Die wirtschaftlich gescheiterte AG
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kann dies nur bei Verfehlungen des fraglichen Mitgesellschafters kommen, denen ein erhebliches Gewicht zukommt und die andauernde Auswirkungen für die übrigen Gesellschafter haben477. Dabei wird es maßgeblich auf den Einzelfall und insbesondere auch auf die Frage ankommen, welche Bedeutung dem einzelnen Gesellschafter in der AG zukommt. Wurde damit umrissen, welch hohe Anforderungen notwendig sind, um eine Abweichung vom Grundsatz zu rechtfertigen, so ist es geboten, auf einen besonderen Einzelaspekt einzugehen. In Frage steht hier das rechtsmissbräuchliche und mithin treuwidrige Verhalten von Minderheitsaktionären. In der Diskussion um den Ausschluss aus einer rein privaten AG wird regelmäßig ein Ansteigen der Verhaltenspflichten eines Gesellschafters mit der Höhe der Beteiligung betont und darüber hinaus teilweise angeführt, ein wichtiger Grund zum Ausschluss von Gesellschaftern mit minimaler Beteiligung komme nicht in Betracht478. Eine solche Beschränkung vermag indes nicht zu überzeugen und kann damit auch nicht auf die vorliegende Abwägung übertragen werden. Die stets als Paradefall treuwidrigen Verhaltens angeführte Erhebung erpresserischer Anfechtungsklagen zeigt, dass auch ein mit nur einer Aktie beteiligter Gesellschafter ein solches Störpotential entfalten kann, dass ein Ausschluss gerechtfertigt sein kann479. Gerade mit Blick auf dieses Ergebnis, wonach die Möglichkeit eines Ausschlusses nicht nur in den Fällen beschränkt werden kann, in denen der öffentlichen Hand nur ein weiterer Aktionär gegenübersteht, ist weiterhin zu bedenken, dass die in Rede stehenden Hauptversammlungsbeschlüsse zu einem Ausschluss aller Minderheitsgesellschafter führen. Es wäre jedoch schlechterdings unhaltbar, alle Kleinaktionäre als „Berufsopponenten und Querulanten“ einzustufen480. Die sich ihren Treubindungen gemäß verhaltenden Minderheitsgesellschafter müssen sich das Verhalten anderer grundsätzlich nicht entgegenhalten lassen und deshalb Grundrechtseingriffe hinnehmen481. Ein vom hier vertretenen Grundsatz abweichendes Ergebnis kann daher nur dann in Betracht kommen, wenn auch insofern keine Probleme bestehen, etwa wenn nur ein Minderheitsgesellschafter vorhanden ist. Damit kann festgehalten werden, dass es von dem oben herausgestellten Grundsatz, wonach dem Staat als Aktionär solche Handlungsinstrumente nicht offen stehen, die einen schwerwiegenden Eingriff in das Anteilseigentum der privaten Mitgesellschafter darstellen, Ausnahmen aufgezeigt werden können, die ihren Grund nicht zuletzt in dem Verhalten des betroffenen Koaktionärs finden können. 476 Dafür etwa BVerfG ZMR 1993, 503 (504) zur Zwangsveräußerung von Wohnungseigentum unter Privaten. 477 Vgl. BVerfG ZMR 1993, 503 (504). 478 Becker ZGR 1986, 386; Grunewald, Der Ausschluß, S. 54 f. 479 Zutreffend Jilg, Die Treuepflicht, S. 91. 480 So die Beschreibung treuwidriger Gesellschafter bei Raiser, Kapitalgesellschaften, § 16 Rn. 182. 481 Ähnl. der Gedanke in BVerfGE 69, 315 (359 ff.) zum Schutzbereich des Art. 8 Abs. 1 GG.
17 Wandt
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3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
§ 13 Ergebnis Zieht man aus den vorstehenden Erwägungen Bilanz, so ergibt sich im Hinblick auf die Ausgangsfrage das folgende Bild: Die Grundrechte der Minderheitsgesellschafter sind schon in rein privaten Aktiengesellschaften von Bedeutung. Das Anteilseigentum nimmt an der Eigentumsgarantie gem. Art. 14 GG teil. Dabei darf der Schutz auch solcher Aktionäre, die nur eine geringfügige Beteiligung halten, nicht auf eine bloße Wertgarantie reduziert werden. Weiterhin vermag es nicht zu überzeugen, die Grundrechte deshalb als unbeachtlich anzusehen, da sich der Gesellschafter freiwillig in die AG einordnet. Dem steht schon entgegen, dass es sich bei dem Gesellschaftsvertrag um einen reinen Organisationsvertrag handelt. Hierin die Zustimmung zu allen späteren Belastungen zu sehen, würde auf eine reine Fiktion hinauslaufen. Der das Privatrecht ausgestaltende Gesetzgeber ist verpflichtet, einen Ausgleich der kollidierenden grundrechtlichen Belange der Gesellschafter zu gewährleisten. Für das Maß des Schutzes, den er dabei dem Minderheitsgesellschafter vor den Handlungen des seinerseits grundrechtsungebundenen Mehrheitsgesellschafter einräumen muss, ist von besonderer Bedeutung, dass die Grundrechte hier nur in ihrer objektiven Wirkrichtung zur Anwendung kommen. Maßstab des gesetzgeberischen Handelns ist damit, wie grundsätzlich im Falle privatrechtlicher Normen, das Untermaßverbot. Der Minderheitsgesellschafter kann daher nicht den bestmöglichen, sondern nur einen hinreichenden Schutz erwarten. Für das Maß des einzuräumenden Schutzes ist weiterhin bedeutsam, dass sich auch der Mehrheitsgesellschafter bei seinen Handlungen auf Grundrechte, genauer sein Anteilseigentum, berufen kann. Die Belastung der Kleinaktionäre stellt sich als Grundrechtsgebrauch und damit als grundsätzlich anerkennenswertes Verhalten dar. Vor diesem Hintergrund sind die Regelungen, die den dargestellten Hauptversammlungsbeschlüssen zu Grunde liegen, als verfassungsgemäß anzusehen. Der Minderheitsgesellschafter muss folglich in diesem Verhältnis auch tiefgreifende Belastungen hinnehmen. Damit sind die hier beispielhaft untersuchten Hauptversammlungsbeschlüsse, die Auflösung gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG, die übertragende Auflösung gem. §§ 179a, 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG, das Squeeze-out gem. §§ 327a ff. AktG sowie der Formwechsel gem. §§ 328 ff. UmwG in der rein privaten AG mit der Verfassung vereinbar. Die Wertungen, die der Zivilrechtsgesetzgeber für die Verhältnisse unter Privaten getroffen hat, können in den vorstehend behandelten Fällen grundsätzlich nicht auf einen staatlichen Gesellschafter übertragen werden. Bei diesem handelt es sich um einen atypischen Adressaten des Privatrechts, der sich auch bei Teilnahme am Privatrechtsverkehr durch eine spezifische verfassungsrechtliche Pflichtenstellung, insbesondere durch seine Bindung an die Grundrechte, auszeichnet. Auch wenn man dem Staat die Wahl des Privatrechts und damit eines eigenständigen Rechtsregime gestattet, verlangen diese Bindungen im Rahmen der Rechtsanwendung Beachtung.
§ 13 Ergebnis
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Die Rechtsstellung der privaten Minderheitsgesellschafter genießt auch in gemischt-wirtschaftlichen Gesellschaften den Schutz des Art. 14 GG. Diese Grundrechtsbindung einerseits und die Grundrechtsberechtigung andererseits erfordern es, die Beeinträchtigung des Anteilseigentums der privaten Minderheitsgesellschafter im Fall eines staatlichen Mehrheitsgesellschafters am Übermaßverbot zu messen. Der Anwendung dieses Maßstabes kann dabei nicht der Verweis entgegengehalten werden, dass es sich bei Art. 14 GG um ein normgeprägtes Grundrecht handelt. Dem Gesetzgeber ist hierbei als Leitbild ein an § 903 S. 1 BGB angelehntes Schutzgut vorgegeben, an dem auch für den Fall des Anteilseigentums festzuhalten ist. Aus diesem Verfassungseigentum folgt die Vermutung einer grundsätzlich umfassenden Berechtigung des Grundrechtsträgers im Bezug auf das Eigentumsobjekt. Beschränkungen dieses Schutzgutes im Rahmen der Ausgestaltung, etwa durch Normen des Privatrechts, bedürfen der Rechtfertigung. Da dabei die gleichen Maßstäbe anzulegen sind, wie im Fall der Belastung eines Schutzbereichs, kommt in Fällen wie den behandelten das Übermaßverbot zur Anwendung. Ebenso wie in der rein privaten Gesellschaft wird auch im Verhältnis zur öffentlichen Hand die Grundrechtsberechtigung der privaten Minderheitsaktionäre nicht durch die freiwillige Einordnung in die Gesellschaft beseitigt. Im Fall einer Kooperation mit der öffentlichen Hand können sie sich vielmehr auf ein besonderes Vertrauen in deren Fortbestand berufen. Hat die öffentliche Hand die Möglichkeit zu einem solchen Zusammenwirken eröffnet, so muss sie sich daran auch festhalten lassen. Weiterhin kann weder die grundsätzliche Gefahr eines Grundrechtsmissbrauchs noch das Risiko von Treupflichtverletzungen eine Beeinträchtigung des Eigentumsrechts der privaten Minderheitsgesellschafter rechtfertigen. Hinsichtlich der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Grundrechtsbelastungen ist darüber hinaus zu bedenken, dass sich der Staat seinerseits nicht auf Grundrechte berufen kann. Auch eine Rechtfertigung durch andere Güter, die mit den Belangen der Privaten kollidieren, vermag nicht zu gelingen. Zwar können solche Rechtgüter aufgezeigt werden. Zu erwähnen ist hier etwa das Interesse an einer Erhöhung des Niveaus der demokratischen Legitimation bei dem Staatshandeln in Privatrechtsform. Ferner ist das Gebot zu einem wirtschaftlichen Staatshandeln zu nennen, das Verfassungsrang genießt und auch im Fall des Handelns in gemischtwirtschaftlichen Unternehmen Beachtung verlangt. Die Güter, die für eine Belastung der Privaten im Fall staatlichen Handelns streiten, vermögen sich im Ergebnis in einer Abwägung nicht durchzusetzen. Dieses Ergebnis kann wegen des Vorranges des Bestandsschutzes vor einem bloßen Wertschutz auch nicht durch die in den untersuchten Beschlüssen vorgesehenen Kompensationen erschüttert werden. Deshalb ist es geboten, dem Handeln des staatlichen Mehrheitsgesellschafters engere Grenzen zu setzen, als jene, die ein Privater in der gleichen Situation wahren muss. Da damit den Minderheitsgesellschaftern in einer von der öffentlichen Hand beherrschten AG ein höheres Schutzniveau eingeräumt wird als in einer rein privaten Gesellschaft, liegt eine Ungleichbehandlung vor. Da diese jedoch durch die unter17*
260
3. Teil: Übertragbarkeit auf den privatrechtlich handelnden Staat
schiedliche Stellung von privaten und öffentlichen Aktionären im Bezug auf die Grundrechte bedingt ist und sie der Wahrung der verfassungsrechtlichen Anforderungen an staatliches Handeln dient, ist diese Differenzierung gerechtfertigt, weshalb ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz gem. Art. 3 Abs. 1 GG zu verneinen ist. Folglich ist an der schon als Zwischenergebnis herausgestellten Erkenntnis, dass die Handlungsmöglichkeiten der öffentlichen Hand in der Situation als Gesellschafterin eines gemischt-wirtschaftlichen Unternehmens beschränkt werden müssen, festzuhalten. Die eingangs aufgeworfene Frage, ob die Grundrechtsbindung der öffentlichen Hand im Verhältnis zu den privaten Mitgesellschaftern zu einem Sonderrecht führt, ist mithin zu bejahen. Gleichwohl ist die Frage nach dem Umfang dieses Sonderrechts differenzierter zu beantworten, als dies den zu Eingang erwähnten Stimmen der Literatur zu entnehmen ist. Zu weit greift es, davon auszugehen, dass der öffentlichen Hand aufgrund ihrer verfassungsrechtlichen Bindungen jedes eventuell schädigende Verhalten verboten ist. Die Folge wäre es, dass solche gesellschaftsrechtlichen Handlungsinstrumente, die zu einer tiefgreifenden Belastung führen, stets versagt bleiben müssten. Die Darstellung der Rückausnahmen, etwa im Fall einer wirtschaftlich gescheiterten AG, hat gezeigt, dass durchaus auch die Rechtfertigung einschneidender Belastungen des privaten Kleinaktionärs möglich ist und das Sonderrecht in diesen besonders gelagerten Fällen seine Grenze finden muss. Dass ein staatlicher Gesellschafter seine privaten Koaktionäre belasten können muss, folgt daraus, dass die Frage, ob sich ein kollidierendes Gut, das für die Belastung streitet, gegen die privaten Grundrechte durchzusetzen vermag, durch eine Abwägung zu ermitteln ist. Dies schließt die Möglichkeit ein, dass im Einzelfall die Grundrechte der privaten Minderheitsgesellschafter zurücktreten müssen. Die Voraussetzungen, die an solche Rückausnahmen zur Erzielung verfassungsmäßiger Ergebnisse zu knüpfen sind, haben jedoch auch gezeigt, dass es sich dabei um bloße Ausnahmen handelt, die den oben dargelegten Grundsatz nicht in Frage stellen können. Statt eines durchgängigen Verbots der Belastung der privaten Aktionäre durch die öffentliche Hand als Mitgesellschafterin ist somit ein Grundsatz dahingehend zu formulieren, dass der öffentlichen Hand Maßnahmen, die zu einem solchen Eingriff führen, untersagt sind. Damit ist an der Existenz eines Sonderrechts und mithin an der Begrenzung der Aktionärsrechte der öffentlichen Hand festzuhalten. Wann dieses Sonderrecht eingreift, ist dabei anhand einer Überprüfung im Einzelfall zu ermitteln.
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Sachwortverzeichnis Aktieneigentum 26, 89, 103, 200 Aneignung 156 Anfechtungsklage 109, 121, 138, 227, 250, 256 – erpresserische 181, 185, 205, 255, 257 Anfechtungsrecht 94, 107 Anschluss- und Benutzungszwang 177 Anteilseigentum 77, 88, 91 f., 94, 96 ff., 99 ff., 106, 109, 115, 120 f., 124, 126 ff., 130 f., 138, 158, 164 f., 170, 172, 176 ff., 186, 195, 215 f., 229, 231, 241, 245 f., 248, 252 ff., 257 ff. – mitgliedschaftliche Komponente 90 f., 102 ff., 106 ff., 121, 164, 195, 234 – personales Substrat 108, 199, 231 – vermögensrechtliche Komponente 90, 102 ff., 108 f., 119, 234 Anwendungsvorrang des einfachen Gesetzesrechts 55 ff. Arbeitnehmer 28, 88, 91, 232 Arbeitseinkommen 86 atypische Verträge 142 Auflösung 25, 63, 117 ff., 121, 126, 153, 164 ff., 177 f., 180, 188 f., 192 f., 196, 211, 245 f., 248, 250 f., 253 f., 258 Aufsichtsratsmitglieder 42, 44 Aufspaltung des Aktienpakets 106 Auskunftsrecht 94, 103, 106, 109 Austauschgeschäft 177 Austrittsfreiheit 153 Bagatellevorbehalt 249 Barabfindung 124 f., 165, 189, 191 ff., 255 Beleihung 213 Besitz- und Affektionsinteressen 114 Bestandsschutz 74, 127, 195 f., 253 – verwaltungsrechtlicher Begriff 74 – Vorrang des Bestandsschutzes 195 Bestimmtheitsgrundsatz 152 Bezugsrecht 126
Bezugsrechtsausschluss 122 Börsenordnungen 112 Börsenzulassung 112 Börsenzulassungsstelle 112 Budgetrecht 34, 193 Bund 25, 34 Delikt 136, 146 Delisting 112, 121 Demokratieprinzip 42 f., 89, 207 f., 210, 213, 215, 241 demokratische Legitimation 73, 93, 207 ff., 213 f., 216 f., 241, 259 – Legitimationsdefizit 207 – Legitimationskette 208 – Mitentscheidung externer Vertreter 209 – organisatorisch-personelle demokratische Legitimation 210 – Wahlen und Abstimmungen 207 Direktionsrecht 88 Dividendenanspruch 94, 109 Duldungspflicht 137, 171 Durchgriffstheorie 198 Eigengesellschaft 44, 48, 180, 207, 210, 214, 216 Eigentum 26, 65, 67, 70 ff., 74 f., 77 f., 80, 83 f., 86, 88, 90, 92, 95, 97 ff., 103, 106, 114, 157, 159, 162, 165, 190, 195 ff., 214, 231 f., 234, 241, 250, 255 – an Produktionsmitteln 88, 93, 232 – Besitzrecht des Mieters 98 – Existenzsicherung 85 f., 231 – Immobiliareigentum 98 – öffentliches 78 – persönliches 81, 89 – Rechtsträgergarantie 114 f., 127, 195, 245 – Sondereigentum 98 – Wohnungseigentum 98 f.
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Sachwortverzeichnis
Eigentümerunternehmer 91, 95 Eigentumsgarantie 24, 65 f., 69 ff., 74, 78, 81, 83 f., 86 ff., 91, 94, 96, 98, 100 f., 108, 109, 112 f., 115, 126 f., 135, 154, 160 f., 163 f., 173, 219, 245, 258 Einmann-AG 48, 165 Enteignung 162 f., 166 ff., 189 – Administrativenteignung 166 f. – als Güterbeschaffungsvorgang 168 – Junktimklausel 189 – Legalenteignung 166 enteignungsgleicher Eingriff 167 Entschädigung 93, 101, 115, 124, 167, 188 ff., 194 f., 225 Europäische Aktiengesellschaft 157 EWiV 157 Formwechsel 25, 63, 125, 153, 204, 212, 215, 229, 258 Forschungseinrichtungen 216 Freisetzung von Produktionsfaktoren 253, 255 Funktionsfähigkeit der AG 197, 203 f., 206, 217 Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts 112 Gebot zu konsequentem Verhalten 179 Gemeinden 26 Gemeindeordnungen 34, 57, 125 Gemeinschaftsrecht 40 Gemeinwohlbindung 35, 162, 201 f., 221, 224, 231 gemischt-öffentliche Unternehmen 26, 209 gemischt-wirtschaftliche Unternehmen 23, 25, 29, 174 f., 185, 198, 206 ff., 212 f., 216, 225, 233, 241 ff., 259 f – Zielkonflikt 210, 212 Genehmigung 136, 138, 145 Generalklausel 56, 133, 186 genuin verfassungsrechtlicher Eigentumsbegriff 65, 67, 69 f., 72, 74 f., 79, 84, 157 f. – als Auslegungsmittel 70, 74 – einheitlicher Eigentumsbegriff 81 ff., 97 f., 108, 231 – Richtlinienwirkung 67, 70 – Wertungsanalogie 86, 99
Gesamtwirtschaft 96, 202, 206, 217, 253, 255 – internationale Wettbewerbsfähigkeit 203 – Leistung der 205 – Standortnachteile 204 Gesellschafterrechte 53, 95 f., 224, 242 Gesellschaftsgläubiger 43, 59, 125, 245 ff., 252 Gesellschaftsvertrag 49, 151 f., 258 – als Organisationsvertrag 49 Gesellschaftszweck 94, 96, 211 – Änderung 211 Gewinnerzielungsabsicht 34, 52, 211 Gleichheitssatz 35, 41, 52, 190, 235, 237, 260 – Differenzierungsziel 240 – Oberbegriff 236 – Willkürprüfung 82, 108, 240 GmbH 111, 125 f., 158, 188 f., 212, 242, 252 good corporate citizen 201 Großunternehmen 88, 100 – als intermediäre Gewalt 28 Grundfreiheiten 40 f. Grundlagenentscheidung 104 Grundrechte im Privatrecht 26, 50, 127, 129, 141 f., 153, 165, 178 – Dreieckskonstellation 129, 136, 140, 143, 148, 171, 239 – Normenkongruenz 142 – Schutzpflicht 132, 134 ff., 141 ff., 148, 156, 159, 170 Grundrechtsberechtigung 31 ff., 35 ff., 55, 174 f., 238, 243, 259 Grundrechtsbindung 28 f., 31, 39, 41, 51, 54, 139, 141, 143, 145, 148, 175, 242, 259 f. Grundrechtsfähigkeit 27, 40, 197, 198, 200 grundrechtsgleiche Gefährdungslage 31, 36, 38 Grundrechtskollision 128, 132, 134, 139, 200 Grundrechtsverzicht 147, 175 Gruppenrecht 91 Haushaltsordnungen 34 Haushaltsplan 34
Sachwortverzeichnis Haushaltsrecht 217 Hierarchie der Verfassungsgüter, abstrakte 86, 173 Imagegewinn 48 Informationspflichten 123, 205 Inhalts- und Schrankenbestimmungen 103, 107, 162, 164, 166 ff., 188 ff. – ausgleichspflichtige 188 ff. Inländerdiskriminierung 40 Insolvenzabwendungspflicht 246 ff., 252 Institutsgarantie 70, 158, 160 Jurisdiktionsstaat 73, 134, 161 Kapitalaufbringung und -erhaltung 43 Kapitalerhöhung 122, 126 Kapitalstreuung 227 Kernbereich 147 Know-how, privates 179, 214 f., 225 Kommunalrecht 43 Kommunen 25, 34 Kommunikationsgrundrechte 80 Kompensation 187 f., 190, 192 f., 195 f., 234, 253 f., 259 – aus Billigkeitsgründen 193 Kompetenz 33, 37 ff., 45, 72, 93, 135 Kompetenzkonflikt 37 Kompetenzordnung 33, 37, 73, 135 Konkurrenzsituation 32, 35 Konsortium 122 Kontrolldichte 73, 82 f., 151 Konzernrecht 59 ff., 64, 228, 247 – Konzerninteresse 202 f. – Konzernkonflikt 61 – Konzernmaßnahme 63 Länder 25, 43, 57 Landesverfassungen 218 Legitimationszusammenhang des Vorstands 105 Leistungsrecht 135 Leistungsverwaltung 30, 33 Leitungsmacht kraft Austrittsmöglichkeit 110 Liquidation siehe Auflösung Liquidationserlös 118, 121, 192
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Marktwirtschaft 253 Minderheitenrechte 103, 107 Minderheitsbeteiligung 44, 53, 107, 205, 210, 233 Minderheitsgesellschafter 24 f., 53, 59, 62, 64 f., 102, 104, 118, 120 ff., 128, 131, 138 f., 153 f., 165, 170, 172 ff., 176 ff., 185 ff., 189, 191 f., 195, 197, 202, 204 ff., 209, 211 ff., 215 f., 218, 223 ff., 227 ff., 232 ff., 236, 240 f., 244 f., 250 ff., 254 ff. Mitbestimmung 42, 82, 91, 204 Monopolstellung 177 Nebenleistungs-AG 111 Non-Affektions-Prinzip 220 Normenhierarchie 66, 79, 157 normgeprägter Schutzbereich 65 Partnerschaftsgesellschaft 157 Prinzip der Mehrheitsentscheidung 104 Privatautonomie 33, 35, 45, 128, 130, 147 ff. Privatnützigkeit 78, 84, 95 f. Privatrecht 29, 32, 43 ff., 47 ff., 54 f., 57, 83, 127, 129, 130, 132, 139, 141 ff., 145 f., 162, 169, 181, 191, 235, 242, 258 f. – als allgemeines Verkehrsrecht 45 – Denaturierung 46 – Flucht ins 41 – Umformung des Privatrechts 44 Produktiveigentum 89, 92, 232 Rechtsanwendung 43, 55 f., 58, 237, 258 Rechtsfortbildung 58 Rechtssicherheit 85 Rechtsstaatsprinzip 42, 172, 179, 238 Registergericht 165 Sacheigentum 85, 97 ff. Satzungsstrenge 151 Sonderrecht 24, 27, 42 ff., 47, 49, 51, 55 ff., 59, 64, 169, 171, 235, 241 ff., 260 Sozialisierung – Gemeineigentum 101 – Produktionsmittel 100 – Sozialisierungsreife und -eignung 100
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Sachwortverzeichnis
Sozialstaatsprinzip 42, 52 f. Squeeze-out 23, 25, 63, 118, 121 ff., 127, 151, 153, 164, 166, 181, 188 f., 191 f., 197, 205, 209, 229, 231, 254 f., 258 Steuer 219 Stimmrecht 53, 63, 92, 94, 103, 105, 107 ff. – Stimmrechtsbindungsvertrag 106 – Stimmrechtsmacht 105 ff. – Vorzugsaktie, stimmrechtslose 107 Teilhaberecht 87, 135 Treu und Glauben 186 Treupflicht 123, 185 f., 252, 254, 256 – Treupflichtverletzung 185, 187 Übermaßverbot 66, 69, 101 f., 131 ff., 136, 138 ff., 144 ff., 154 f., 157, 160, 170, 178, 238 ff., 259 übertragende Auflösung 25, 63, 117 ff., 121, 128, 188, 191 ff., 205, 229, 244, 250, 254, 258 – als Einzelrechtsnachfolge 120 – Spruchverfahren 121 umgekehrte Diskriminierung Siehe Inländerdiskriminierung Umwandlung 125 f., 188 f., 192, 196, 212 unmittelbare Drittwirkung der Grundrechte 28, 101 Untermaßverbot 132, 134, 136, 139 ff., 144 ff., 155 f., 160, 165, 170 f., 239, 241, 258
Unternehmerfreiheit 128 Unterwerfung 130, 153 f., 176 ff. venire contra factum proprium 215 Vereinsrecht 110 f. verfassungskonforme Auslegung 57 f. – als Sonderfall der systematischen Auslegung 59 – favor-legis-Prinzip 59 Verfassungswandel 84 ff., 161 Verhältnismäßigkeitsprinzip 102, 159, 191 Verkehrswert 114 f., 195, 245 Versorgungsleistungen, öffentlich-rechtliche 86 Vertrauensschutz 50, 74, 176, 178, 180, 233, 247, 252 Verwaltungsgesellschaftsrecht 42, 44, 207, 235 Verwaltungsprivatrecht 45 Verwaltungsvertrag 29 Verweisung, dynamische 79 Wirtschaftlichkeit(sprinzip) 54, 217 ff., 226 ff., 232 ff., 251 f., 254 ff. – als Unterfall des Effizienzprinzips 221 – Maximalprinzip 217 f. – Minimalprinzip 217, 222, 225 – Sparsamkeit 217 f. – Wirtschaftlichkeitsprüfung 224, 227 Wirtschaftsaufsicht 223 Zwangsvollstreckung 168