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German Pages 435 Year 2005
Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Band 40
Die Europäische Union und Südafrika Bilaterale Handelsbeziehungen im Lichte des GATT und der WTO Von
Johann Weusmann
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
JOHANN WEUSMANN
Die Europäische Union und Südafrika
Hamburger Studien zum Europäischen und Internationalen Recht Herausgegeben von Thomas Bruha, Meinhard Hilf, Hans Peter Ipsen˙, Rainer Lagoni, Gert Nicolaysen, Stefan Oeter
Band 40
Die Europäische Union und Südafrika Bilaterale Handelsbeziehungen im Lichte des GATT und der WTO Von
Johann Weusmann
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0945-2435 ISBN 3-428-11644-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde in leicht veränderter Fassung im Sommersemester 2004 vom Fachbereich Rechtswissenschaften an der Universität Hamburg als Dissertation angenommen. Schrifttum und Praxis der Streitschlichtungsorgane der Welthandelsorganisation konnten bis zum April 2004 berücksichtigt werden. Meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Meinhard Hilf, danke ich, dass er mein Interesse für das Europa- und Völkerrecht weckte, mir den Weg zu einem Studium an der Universität Genf ebnete und die Erstellung dieser Arbeit in Südafrika von Hamburg aus betreute. Herrn Professor Dr. Stefan Oeter danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Verlag und Herausgebern sei für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe gedankt. Herr Professor Gerhard Erasmus weckte mein Interesse am Recht der Welthandelsorganisation. Ich danke ihm für zahlreiche Diskussionen, die wir während meines Masterstudiums im Jahr 1999 an der Universität Stellenbosch in Südafrika führen konnten und die schließlich auch den Anstoß für diese Arbeit gaben. Den Direktoren des Max Planck Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg, Herrn Professor Dr. Armin von Bogdandy und Herrn Professor Dr. Rüdiger Wolfrum, danke ich, dass sie mir zum Jahreswechsel 2003/04 den uneingeschränkten Zugang zu dieser großartigen Forschungseinrichtung gewährten. Die ausgezeichnete Infrastruktur hatte wesentlichen Anteil am Gelingen dieser Arbeit. Dies gilt in besonderer Weise auch für die fürsorgliche und freundliche Unterstützung durch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bibliothek. Mein ganz besonderer Dank gilt schließlich meiner lieben Frau, Claudia Lange, deren Einsatz die Entwicklung dieser Arbeit auf allen Stufen begleitet hat. Sie hat mir mit ihrer Fachkenntnis nicht nur wertvolle Anregungen gegeben, sondern mich mit ihrer unerschütterlichen Zuversicht auch immer wieder aufgemuntert. Ihr widme ich diese Arbeit. Pretoria, im Januar 2005
Johann Weusmann
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Die Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen Europa und Südafrika und deren Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Von den Anfängen des Handels bis zur wirtschaftlichen Isolation aufgrund der Apartheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Handel mit der Siedlerkolonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Südafrikas Beitritt zum GATT 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Südafrikas politische und wirtschaftliche Isolation durch Apartheid . . II. Bewertung der EG-Sanktionen im Lichte des GATT 1947. . . . . . . . . . . . . . 1. Art. XXI lit. c GATT 1947. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sanktionsbeschlüsse der VN-Organe als Verpflichtungen gemäß Art. XXI lit. c GATT 1947. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der VN-Sicherheitsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Sicherheitsratsresolutionen gegen den Apartheidstaat . . . . (2) Bewertung der Entschließungen im Lichte des Art. XXI lit. c GATT 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die VN-Generalversammlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Resolutionen der Generalversammlung gegen den Apartheidstaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bewertung der Entschließungen im Lichte des Art. XXI lit. c GATT 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Art. XXI lit. b GATT 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Maßnahmen zum Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen . . . . . . aa) Der Schutz eigener Sicherheitsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kollektive Selbstverteidigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Drittrepressalien gegen den Apartheidstaat. . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Herleitung der Zulässigkeit der Drittrepressalie . . . . . . . . . (2) Apartheid als Völkerrechtsverbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Das völkerrechtliche Verbot der Apartheid . . . . . . . . . . (b) Apartheid als völkerrechtliches Verbrechen . . . . . . . . . (c) Staatenpraxis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Voraussetzungen nach Art. XXI lit. b (i), (ii) und (iii) GATT 1947 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Handel mit Waffen, Munition und Kriegsmaterial sowie weiteren der Versorgung der Streitkräfte dienenden Waren . . . bb) Kriegszeit oder sonstige ernste Krise in den internationalen Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis 3. Auswahl der Sanktionsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Südafrikas Einrede der inneren Zuständigkeit gegen Sanktionsbeschlüsse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wirkung der Sanktionsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Neuordnung der Handelsbeziehungen nach dem Ende der Apartheid . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Südafrikas Aufnahme ins Allgemeine Präferenzsystem der EG . . . . . . a) Die Rechtsgrundlagen des APS im GATT. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Südafrika – ein „Entwicklungsland“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Anwendung des APS der EG auf Südafrika . . . . . . . . . . . . (1) Der Warenempfindlichkeitskatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Der Graduierungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Konsequenzen des APS für den europäisch-südafrikanischen Handel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Rechtfertigung der Einstufung Südafrikas nach GATT/ WTO-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Sonderpräferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Südafrikas angestrebte Mitgliedschaft im Lomé-Abkommen . . . . . . . . a) Legitimation des Lomé-Abkommens im GATT/WTO-Recht . . . . . b) Perspektiven für die Handelsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und den AKP-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Das TDCA als Regionalausnahme zur multilateralen Handelsordnung . . I. Zur wirtschafts- und rechtspolitischen Kritik am Regionalismus . . . . . . . . II. Die materiellrechtlichen Anforderungen des Art. XXIV GATT 1994 an das TDCA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Umfang der vereinbarten Handelsliberalisierung (Art. XXIV:8 lit. b GATT 1994) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der quantitative Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zulässigkeit partieller Handelsliberalisierung . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zulässigkeit entwicklungsbezogener Asymmetrien . . . . . . . . . . b) Der qualitative Ansatz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Überblick über Bereiche der Handelsliberalisierung . . . . . . . . . (1) Liberalisierungsverpflichtungen auf Seiten der EG . . . . . . (2) Liberalisierungsverpflichtungen auf Seiten Südafrikas . . . bb) Spezielle Handelssektoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Wein- und Spirituosenabkommen. . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Das Fischerei-Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Präferenzielle Ursprungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gestattete Ausnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Redaktionelle Unterschiede zwischen Art. 27 TDCA und Art. XX GATT 1994. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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(1) (2) bb) Die (1)
Tatbestandsaufbau. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 Die Einbeziehung des Gebrauchtwarenhandels . . . . . . . . . . 125 Ausnahmetatbestände im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 Schutz der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung oder Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (2) Schutz der Gesundheit und des Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 (3) Schutz des nationalen Kulturguts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 (4) Schutz des gewerblichen oder geistigen Eigentums . . . . . . 133 (5) Regelungen betreffend Gold und Silber . . . . . . . . . . . . . . . . 134 cc) Ausnahmeschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 2. Der Schutz der Drittstaaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Die Anforderungen von Art. XXIV:4 GATT 1994 an das TDCA . 136 aa) Das Verhältnis von Art. XXIV:4 zu Art. XXIV:5. . . . . . . . . . . . 136 bb) Art. XXIV:4 als Rechtsgrundlage für eine handelsökonomische Prognosebeurteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Die Anforderungen des Art. XXIV:5 lit. b GATT 1994 an das TDCA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 aa) Anpassung von Zöllen und Handelsvorschriften, Art. XXIV:5 lit. b . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Präferenzielle Ursprungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 3. Die Umsetzung des Abkommens in angemessener Zeit nach Art. XXIV:5 lit. c GATT 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 a) Bestimmung der angemessenen Zeitspanne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 b) Die Überschreitung der Regelfrist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 c) Kompatibilität der Interimsvereinbarung mit Art. XXIV:5 lit. b und 8 lit. b GATT 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 III. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen des Art. XXIV GATT 1994 an das TDCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Die Notifikationspflicht nach Art. XXIV:7 lit. a GATT 1994 . . . . . . . . 156 2. Der Zeitpunkt der Notifikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 3. Der Inhalt der Notifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4. Die Entscheidung über die Konformität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 I. Völkerrechtliche Rechtfertigung der bilateralen Handelsordnung . . . . . . . . 164 1. Reichweite der Regelungsbefugnis nach Art. XXIV GATT 1994. . . . . 166 2. Reichweite der Regelungsbefugnis nach allgemeinem Völkerrecht . . . 170 a) Vertragsänderungsvorschriften im GATT-Vertrag und den WTO-Übereinkommen nach Art. 41 Abs. 1 lit. a WVK. . . . . . . . . . 171 b) Vertragsänderung nach Art. 41 Abs. 1 lit. b WVK. . . . . . . . . . . . . . . 172 II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Schutzmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 aa) Steigerung der Einfuhren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176
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Inhaltsverzeichnis bb) Kausale Schädigung eines Wirtschaftszweigs . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung von Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Eilmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Vorläufige Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Die Gleichbehandlungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Diskriminierungsverbot. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Regionalausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Institutionelle Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Wettbewerbssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Antidumping- und Ausgleichsmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abgrenzung zu den Schutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Wettbewerbspolitik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Tatbestände der europäisch-südafrikanischen Wettbewerbsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verhältnis von Wettbewerbsrecht und Antidumping . . . . . . . . . dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Staatliche Beihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Das Verbot staatlicher Beihilfen im EG-Recht und das Subventionsverbot im WTO-Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unterschiedliche Rechtsfolgen bei verbotenen staatlichen Beihilfen bzw. Subventionen im EG- bzw. WTO-Recht . . . . . cc) Das Verbot staatlicher Beihilfen im TDCA . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Das öffentliche Beschaffungswesen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Berücksichtigung von Sekundärzwecken im Vergabeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Der Grundsatz der Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Technische Handelshemmnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die einzelnen Kooperationsfelder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Normung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Metrologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zertifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Qualitätssicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Modalitäten der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Maßnahmen nach dem WTO-Übereinkommen über Technische Handelshemmnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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bb) Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung der Konformitätsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 cc) Zusammenarbeit im Bereich von Qualitätsmanagement und -sicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 dd) Technische Hilfe für Qualifizierungsinitiativen Südafrikas . . . 226 ee) Aufbau von europäisch-südafrikanischen Arbeitsbeziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 4. Der Schutz des geistigen Eigentums. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Die Einbeziehung des TRIPs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 b) Tatbestandsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 aa) Gebrauchsmuster . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 bb) Datenbanken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 cc) Biotechnische Erfindungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 c) Die Einbeziehung anderer Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 aa) Abkommen von besonderer Bedeutung für beide Vertragspartner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (1) Berner Übereinkunft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 (2) WIPO-Urheberrechtsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 (3) Pariser Verbandsübereinkunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 (4) Internationales Übereinkommen über den Schutz von Pflanzenzüchtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 (5) Budapester Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (6) Abkommen von Nizza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 bb) Abkommen von besonderer Bedeutung für die Gemeinschaft. 249 (1) Protokoll zum Madrider Markenabkommen . . . . . . . . . . . . . 249 (2) Rom-Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (3) PCT-Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 d) Grenzen für den Schutz von geistigem Eigentum am Beispiel des südafrikanischen Arzneimittelrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 aa) Tatbestand des Patentschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) Parallelimporte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 cc) Zwangslizensierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 dd) Konsequenzen für die Vertragsbeziehungen im TDCA . . . . . . . 264 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 5. Der Dienstleistungshandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 a) Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 b) Allgemeine Rechte und Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 aa) Meistbegünstigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 bb) Transparenz und Rechtsstaatlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 cc) Sicherung des Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 c) Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274
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Inhaltsverzeichnis d) Die spezifischen Zugeständnisse der Gemeinschaft und Südafrikas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zugeständnisse im Rahmen der Uruguay-Runde . . . . . . . . . . . . (1) Horizontale Liberalisierungsverpflichtungen . . . . . . . . . . . . (2) Vertikale Liberalisierungsverpflichtungen . . . . . . . . . . . . . . bb) Ergänzende Zugeständnisse im TDCA und in den GATSFolgeverhandlungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Seeverkehrsdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Telekommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Finanzdienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Der grenzüberschreitende Personenverkehr . . . . . . . . . . . . . (5) Lufttransport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Weitere Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs. . . . . . . . . . . . . f) Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Laufende Zahlungen und Kapitalverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kapitalverkehr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zahlungsverkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausnahme (Zahlungsbilanzschwierigkeiten) . . . . . . . . . . . . . . . .
D. Der Agrarhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Agrarpolitische Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Gemeinsame Agrarpolitik der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Agrarpolitik Südafrikas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Definition des europäisch-südafrikanischen Agrarhandels . . . . . . . . . . . II. Gestaltung des bilateralen Agrarhandels durch Übernahme der WTO-Ordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Marktzugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zölle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tarifierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zollkontingente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausnahmen zu den Zollzugeständnissen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Tatbestände der Art. 16 TDCA, 2–4 SMÜ und 5 AoA . . bb) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorläufige Schutzmaßnahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Interne Stützungen und Subventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Interne Stützungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse . . . . . . . . . . aa) Abzubauende Stützungsmaßnahmen: Amber-Box . . . . . . . . . . . bb) Nicht abzubauende Stützungsmaßnahmen: Blue-Box und Green-Box . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Exportsubventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsdurchsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
275 275 276 277 279 280 280 282 283 284 284 285 285 286 288 288 290 292 293 293 295 296 297 297 297 298 301 306 306 307 308 309 310 311 311 313 314 318
Inhaltsverzeichnis
13
aa) Anwendung der „Peace Clause“ in Art. 13 AoA . . . . . . . . . . . . 318 bb) Maßnahmen nach Teil II und III SCM: Abhilfemaßnahmen (sog. „Track II“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 320 cc) Maßnahmen nach Teil V SCM: Ausgleichsmaßnahmen/ Ausgleichszölle (sog. „Track I“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 d) Subventionen für Fisch und Fischereiprodukte als Sonderbereich im Agrarhandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 3. Gesundheits- und Hygienestandards . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 a) Regelungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 b) Abgrenzung zu Art. XX lit. b GATT 1994 und dem TBT-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 c) Rechte und Pflichten nach SPS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 aa) Die Grundpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 bb) Die Risikobewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 cc) Das Risikomanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 dd) Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 ee) Transparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334 III. Die Schaffung einer bilateralen Handelsordnung für Weine und Spirituosen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 1. Der Schutz von „Port“ und „Sherry“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 a) Der Schutz von Port und Sherry nach TRIPs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 aa) Der Schutzbereich der Art. 22 und 23 TRIPs . . . . . . . . . . . . . . . 337 bb) Schutzbereichsausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 b) Der Schutz der Bezeichnungen „Port“ und „Sherry“ nach dem TDCA. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 2. Der Schutz für geographische Angaben anderer Weine . . . . . . . . . . . . . . 341 3. Der ausschließliche Schutz bestimmter Spirituosen . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 4. Der Schutz „traditioneller Bezeichnungen“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 E. Die Streitbeilegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 I. Im TDCA ausgewiesene Streitbeilegungsmechanismen. . . . . . . . . . . . . . . . . 349 1. Das Schiedsgericht des TDCA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 2. Das Streitbeilegungsverfahren der WTO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 3. Vergleich zwischen TDCA und WTO-Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 a) Konsultationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 b) Die Einsetzung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 aa) Klageantrag und Mandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 bb) Besetzung des Schiedsgerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 c) Die Entscheidungsfindung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 aa) Anwendbares materielles Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358 bb) Auslegungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361
14
Inhaltsverzeichnis cc) Verfahrensordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Vertraulichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . gg) Entscheidungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Umsetzung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Implementierungsfristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vertragsverletzung durch Nichtumsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Streitigkeiten über die Umsetzung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Berufungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Bindungswirkung der Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ff) Kosten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Andere spezielle völkerrechtliche Streitbeilegungsmechanismen . . . . . . . . 1. Investitionsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Seerechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Umweltrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Allgemeine völkerrechtliche Streitbeilegungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . 1. Der Internationale Gerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Internationale Schiedsgerichtsbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zuständigkeitskonkurrenz bei identischem Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . 1. Res Judicata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Lis Alibi Pendens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abuse of Process . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
361 362 364 365 366 366 367 368 372 375 375 376 378 379 380 381 385 387 387 390 391 391 394 395 397
Schlusswort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418
Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Tabelle 1:
Liberalisierungsverpflichtungen der Gemeinschaft. . . . . . . . . . . . . . . 110
Tabelle 2:
Liberalisierungsverpflichtungen Südafrikas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
Tabelle 3:
Liberalisierung des bilateralen Fischereimarktes . . . . . . . . . . . . . . . . 116
Tabelle 4:
Inhalt der Notifikation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161
Tabelle 5:
Die wichtigsten von der Zollbefreiung ausgeschlossenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298
Tabelle 6:
Zollkontingente für Produkte aus Südafrika. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302
Tabelle 7:
Zollkontingente für Produkte aus der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . 303
Abbildung 1: Zollbefreiungen auf den gesamten Handel in Prozent. . . . . . . . . . . . 150 Abbildung 2: Zollbefreiungen im Bereich der Industriegüter in Prozent . . . . . . . . 150 Abbildung 3: Zollbefreiungen im Agrarsektor in Prozent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
Abkürzungsverzeichnis AB Abl. EG ACWL AdG ADÜ AFDI AfrJIL AJICL AJIL AJPIL AKP-Staaten AMS ANC AoA APQLI APS ARIPO Arizona JICL ASIJ AU AustrYIL AVR BDGV BIDPA BIP BIPM BISD BLNS BMZ BSP CAAA CARICOM CDP CEMAC
Appellate Body (WTO-Berufungsinstanz) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Advisory Center on WTO Law Archiv der Gegenwart WTO Anti-Dumping-Übereinkommen Annuaire français de droit international African Journal of International Law African Journal for International and Comparative Law American Journal of International Law Austrian Journal of Public and International Law Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks Aggregiertes Stützungsmaß African National Congress WTO Übereinkommen über die Landwirtschaft Augmented Physical Quality of Life Index Allgemeines Präferenzsystem African Regional Industrial Property Organisation Arizona Journal of International and Comparative Law American Society of International Law Afrikanische Union Australian Yearbook of International Law Archiv des Völkerrechts Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Botswana Institute for Development Policy Analysis Bruttoinlandsprodukt Bureau International des Poids et Mesures Basic Instruments and Selected Documents Botswana, Lesotho, Namibia und Swasiland Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Bruttosozialprodukt Comprehensive Anti-Apartheid Act Caribbean Community and Common Market Committee for Development Planning Communauté Economique et Monétaire de l’Afrique Centrale
Abkürzungsverzeichnis CEN CENELEC CER CILJSA CITES CML Rev COREPER CPC CR Int CRTA CTH CUSFTA DSB DSU E+Z EA EAG EAL ECDPU EDI EEA EG EGKS EMS EOQ EPA EPAs EPIL EPO EPZ ESARIPO ETSI EuGH EuGRZ EuR EuZW EWG EWR
17
Europäisches Komitee für Normung (Comité Européen de Normalisation) Europäisches Komitee für Elektrotechnische Normung (Comité Européen de Normalisation Electrotechnique), Closer Economic Relations (Agreement) Comparative and International Law Journal of Southern Africa Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora Common Market Law Review European Union Commitee of Permanent Representatives Central Product Certification System Computer und Recht International Ausschuss für Regionale Handelsabkommen Change of Tariff Heading Rule Canadian-United States Free Trade Agreement Dispute Settlement Body WTO-Streitbeilegungsvereinbarung Entwicklung und Zusammenarbeit European Co-operation for Accreditation Europäische Atomgemeinschaft European Co-operation for Accreditation of Laboratories European Centre for Development Policy Management Economic Diversification Index Einheitliche Europäische Akte Europäische Gemeinschaft Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Äquivalentes Stützungsmaß European Organisation for Quality Europäisches Patentamt European Partnership Agreements Encyclopedia of Public International Law Europäische Patent Organisation Europäische Politische Zusammenarbeit Agreement on the Creation of the Industrial Property Organisation for English-speaking Africa Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen (European Telecommunications Standards Institute) Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte Zeitschrift Europarecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wirtschaftsraum
18 FA FTA FTAA GA Res GAC GAP GASP GATS GATT GDP GEIS GJIL GLP GPA GRUR GRUR Int GSP GTZ GWB GWILR GZT HILJ HRLJ HS IAF IBDD ICJ ICSID IDA IDS IEC IGH IIC ILAC ILC ILM ILO ILPA INTA IP-Rechte ISGH ISO
Abkürzungsverzeichnis Fischerei-Abkommen Free Trade Agreement Free Trade Agreement of the Americas Resolutionen der Generalversammlung General Affairs Council Gemeinsame Agrarpolitik Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik General Agreement on Trade in Services General Agreement on Tariffs and Trade Gross Domestic Product General Export Incentive Scheme Georgia Journal for International Law Gute Laborpraxis Agreement on Government Procurement Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht International Generalised System of Preferences (siehe auch APS) Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen George Washington International Law Review Gemeinsamer Zolltarif Harward International Law Journal Human Rights Law Journal Harmonisiertes System Internationales Forum für Akkreditierung Instruments de Base et Documents Diverse International Court of Justice International Center for the Settlement of Investment Disputes Internationale Entwicklungsorganisation Institute for Development Studies Internationale Elektrotechnische Kommission Internationaler Gerichtshof International Review of Industrial Property and Copyright Law International Laboratory Accreditation Cooperation International Law Commission International Legal Materials Internationale Arbeitsorganisation WTO Übereinkommen über Einfuhrlizenzverfahren International Trademark Association Geistige Eigentumsrechte Internationaler Seegerichtshof Internationale Normungsorganisationen
Abkürzungsverzeichnis ITO ITU IWF JCMS JIEL JTLP JWT KAN LDC LID LIEI MAI MEA MFN MLA MMA MMR MNR MRA MTC NAFTA NEPAD NJW NML OAU ODI OECD OIML OIV ORC ORRC ÖZöR PAC PCIJ PCT-Vertrag PGE PMMA PPA PTB PVÜ RA
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Internationale Handelsorganisation Internationalen Fernmeldeunion Internationaler Währungsfond Journal of Common Market Studies Journal of International Economic Law Journal of Technology Law & Policy Journal of World Trade Kommission Arbeitsschutz und Normung Least Developed Countries Landwirtschaftlicher Informationsdienst Legal Issues of Economic Integration Multilaterales Abkommen für Direktinvestitionen Multilateral Environment Agreement Most-Favoured-Nation-Klausel Multilaterales Übereinkommen Madrider Markenabkommen Multimedia und Recht Mosambikanischer Nationaler Widerstand Mutual Recognition Agreement Modulares Trainings Konzept North American Free Trade Agreement New Partnership for Africa’s Development Neue Juristische Wochenzeitschrift National Metrology Laboratory Organisation Afrikanische Einheit Overseas Development Institute Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Internationale Organisation für das Gesetzliche Messwesen Internationales Weinamt Other Regulations of Commerce Other Restrictive Regulations of Commerce Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht Pan African Congress Permanent Court of International Justice Vertrag über Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens Permanent Group of Experts Protokoll zum Madrider Markenabkommen Performance Protection Act Physikalisch-Technische Bundesanstalt Pariser Verbandsübereinkunft Rom-Abkommen
20 RBÜ RECIEL RIW RTA SA SAA SAATCA SABS SACU SADC SADCC SADCMET SAEF SALJ SANAS SAQI SASQ SAT SAYIL SCM SGG SMÜ SPS SRÜ STABEX StIGH StISGH SVN SWAPO SYSMIN TBT TDCA TIPS TRIMS TRIPs UDEAC UEMOEA
Abkürzungsverzeichnis Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst Review of European Community and International Environmental Law Recht der Internationalen Wirtschaft Regional Trade Agreements South Africa South African Airways South African Auditor and Training Certification Association South African Bureau of Standards Southern African Customs Union Southern African Development Community Southern African Development Coordination Conference Southern African Development Community Cooperation in Measurement Traceability South African Excellence Foundation South African Law Journal South African National Accreditation System South African Quality Institute South African Society for Quality Substantially all the Trade South African Yearbook of International Law WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen Special Safeguard WTO Übereinkommen über Schutzmaßnahmen WTO Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen Seerechtsübereinkommen System for the Stabilisation of Export Earnings for Agricultural Products Ständiger Internationaler Gerichtshof Statut des Internationalen Seegerichtshofs Satzung der Vereinten Nationen South West African Peoples Organisation System for the Stabilisation for Export Earnings for Mining Products WTO-Abkommen über technische Handelshemmnisse Trade, Development and Cooperation Agreement South African Trade and Industrial Policy Secretariat WTO Übereinkommen über handelsbezogene Investitionsmaßnahmen WTO Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums Union Dounière et Economique de l’Afrique Centrale Union Economique et Monétaire Ouest Africaine
Abkürzungsverzeichnis UNCTAD UNTS UPOV UWG VirJIL VN VRÜ WC WCT WELMEC WIPO WIRO WPA WPPT WQC WTO WVK WWTG YILC ZaöRV ZERP ZEUS ZfZ ZÖR ZRP ZUM ZVglRWiss
United Nations Conference for Trade and Development United Nations Treaty Series Internationales Abkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtigungen Gesetz über den unlauteren Wettbewerb Virginia Journal of International Law Vereinte Nationen Verfassung und Recht in Übersee World Competition WIPO Urheberrechtsvertrag European Cooperation for Legal Metrology Internationale Organisation für Geistiges Eigentum Wirtschaft und Recht in Osteuropa Wirtschaftspartnerschaftsabkommen WIPO Performances and Phonogrames Treaty World Quality Council Welthandelsorganisation Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge World Wine Trade Group Yearbook of the International Law Commission Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zentrum für Europäische Rechtspolitik Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern Zeitschrift für Öffentliches Recht Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft
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Einleitung Das weltweite Zusammenwachsen der Märkte für Waren, Dienstleistungen und Kapital ist zu einem bestimmenden Faktor der wirtschaftlichen Entwicklung im Zeitalter der Globalisierung geworden. Handelsströme lassen sich nicht mehr an nationalen Grenzen aufhalten, sondern bewegen sich zunehmend in regionalen oder globalen Märkten. Angesichts des Geflechts weltwirtschaftlicher Beziehungen stehen die Staaten vor neuen Herausforderungen. Sie sind mehr denn je darauf angewiesen, global miteinander zu kooperieren, um die Barrieren zu beseitigen, die den grenzüberschreitenden Handel gefährden. Vor diesem Hintergrund konnte im Januar 1995 die Welthandelsorganisation (WTO) aus dem Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommen (GATT) hervorgehen, das seit dem Jahr 1947 die Rechtsgrundlage für den internationalen Handel bildete. Die WTO bietet der Völkergemeinschaft einen beispiellosen institutionellen Kooperationsrahmen. Darüber hinaus sind gegenüber dem GATT 1947 viele neue materiellrechtliche Regelungsbereiche hinzugekommen. Diese Erfolge im Ausbau des multilateralen Handelssystems konnten den Trend zur Schaffung regionaler Integrationszonen gleichwohl nicht aufhalten. So hat sich die Zahl der von 1948 bis 1994 unter dem GATT angemeldeten 124 Freihandelsabkommen seit Bestehen der WTO mehr als verdoppelt. Diese Entwicklung dürfte sich in der Tendenz eher noch verstärken, wenn die Bemühungen um Fortschritte bei der Liberalisierung des Welthandels auf multilateraler Ebene im Rahmen der WTO nicht mit der gewünschten Geschwindigkeit vorankommen. So bewegt sich der Welthandel im Spannungsfeld multilateraler und regionaler Integration. Dabei verfolgen beide Ansätze die gleichen Ziele: eine Zunahme des Handels, eine Diversifizierung der wirtschaftlichen Beziehungen, eine Förderung nachhaltiger Entwicklung und im Ergebnis eine Mehrung des Wohlstandes der beteiligten Volkswirtschaften. Mit entsprechenden Erwartungen haben auch die Europäische Gemeinschaft und Südafrika, beide Mitglieder der WTO, ihre Handelsbeziehungen mit dem im November 1999 geschlossenen „Abkommen über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Südafrika andererseits“ (TDCA)1 auf eine 1 „Agreement on Trade, Development and Cooperation between the European Community and its Member States, on the one part, and the Republic of South Africa, on the other part“, Abl. EG Nr. L 311/3 vom 4.12.1999.
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Einleitung
neue Grundlage gestellt. Sie folgten damit dem regionalen Ansatz, der ihnen die am besten geeignete Antwort auf die besonderen Herausforderungen im europäisch-südafrikanischen Handel zu sein schien. Letztere sind gekennzeichnet durch gravierende Unterschiede zwischen den beiden Wirtschaftsräumen. Die Europäische Gemeinschaft ist Südafrikas größter Handels- und Investitionspartner, der für mehr als 40 Prozent seiner Importe, 40 Prozent seiner Exporte sowie über 70 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen verantwortlich ist. Dagegen spielt der südafrikanische Markt für die Europäer eine ungleich weniger bedeutende Rolle. Nur 1,3 Prozent der weltweiten Exporte der Gemeinschaft wandern in die Republik am Kap, deren Exporte ebenfalls nur 1,9 Prozent der Importe der Gemeinschaft ausmachen. Ein Blick auf diese Zahlen verdeutlicht, dass es sich bei weitem um kein Verhältnis unter Gleichen handelt. Doch welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen? Welche Möglichkeiten angepasster Lösungen bietet das Welthandelssystem und inwieweit ist es möglich, im Rahmen einer Regionalpartnerschaft eigene Wege zu gehen? Um diese Fragen haben die Gemeinschaft und Südafrika in jahrelangen Verhandlungen gerungen. Schließlich konnte ein Abkommen unterzeichnet werden, das den Anspruch erhebt, einerseits den besonderen Bedürfnissen beider Seiten gerecht zu werden, andererseits aber auch mit Vorschriften der Welthandelsordnung in Einklang zu stehen. Das Vertragsverhältnis stellt die seit Jahrhunderten bestehenden bilateralen Handelsbeziehungen formal erstmals auf eine umfassende Grundlage. Die vorliegende Arbeit betrachtet die europäisch-südafrikanischen Handelsbeziehungen im Lichte der Vorschriften des GATT und der WTO. Im ersten Kapitel werden die Anfänge des Handels von der „Kolonialzeit“ bis zum Abschluss der genannten bilateralen Freihandelsvereinbarung im Hinblick auf die Vorgaben des GATT 1947 untersucht, wobei besonderes Augenmerk auf die Rechtmäßigkeit der EG-Wirtschaftssanktionen während der Apartheid sowie die im Anschluss übergangsweise gewährten Handelspräferenzen gerichtet wird. Das zweite Kapitel beleuchtet die Vereinbarkeit der Freihandelsvereinbarung mit den Anforderungen des Art. XXIV GATT 1994, der den rechtlichen Rahmen für die Bildung einer Freihandelszone für den Warenhandel bildet. Im dritten Kapitel wird die Rechtmäßigkeit der wesentlichen Regelungen der neuen Handelsordnung im Rahmen einer vergleichenden Darstellungen mit dem geltenden WTO-Recht untersucht. Das vierte Kapitel widmet sich dem Agrarhandel, der als sensibler Sektor eine Sonderstellung in den bilateralen Beziehungen einnimmt. Schließlich werden im fünften Kapitel die sich den Vertragspartnern bietenden Rechtsschutzmöglichkeiten in bilateralen Handelsstreitigkeiten dargestellt. Ein kurzes Schlusswort rundet die Arbeit ab.
A. Die Entwicklung der Handelsbeziehungen zwischen Europa und Südafrika und deren Rechtsgrundlagen I. Von den Anfängen des Handels bis zur wirtschaftlichen Isolation aufgrund der Apartheid 1. Der Handel mit der Siedlerkolonie Die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Südafrika reichen bis in das Jahr 1652 zurück. Damals legte der Holländer Jan van Riebeck mit drei Schiffen und knapp 100 Mann am Kap an. Er stand in Diensten der Ostindien Kompanie, die im 17. und 18. Jahrhundert den Seehandel Europas mit dem asiatischen Subkontinent beherrschte und hatte von ihr den Auftrag erhalten, am Kap eine Versorgungsstation zu errichten, um die dort verkehrenden Handelsschiffe mit frischen Nahrungsmitteln zu versorgen. Die europäischen Eindringlinge beschlossen schon bald nach ihrer Ankunft, selbstständige Bauern aus der Heimat in der Tafelbucht anzusiedeln, damit sie nicht länger auf den Handel mit den einheimischen Khoikhoi angewiesen waren. Das fruchtbare Kapland bot den vorwiegend holländischen und niederdeutschen Siedlern beste Voraussetzungen für Ackerbau und Viehzucht. Doch als Großbritannien 1806 die Kolonialherrschaft in Südafrika übernahm, kam es zu Konflikten mit den eigenwilligen „Buren“. Diese verließen daraufhin kurzerhand das Kap, um in einem beschwerlichen „Großen Treck“ in den Norden und Osten des Landes vorzudringen, wo es zu zahlreichen blutigen Auseinandersetzungen mit der einheimischen schwarzen Bevölkerung kam.1 Als dann gegen Ende des 19. Jahrhunderts bei Kimberly Diamanten und in der Umgebung Johannesburgs, im so genannten „Witwatersrand“, Gold gefunden wurde, kamen erneut viele europäische Siedler ans Kap. Der einsetzende Handel mit den Edelmetallen trug erheb1 Die bedeutenste Schlacht fand am 16. Dezember 1838 statt, als es 460 Buren am heutigen Blood-River (Natal) gelang, eine Übermacht von 12.000 – mit Speeren bewaffneten – Zulus zu schlagen, indem sie eine Wagenburg bildeten und die anrennenden Zulus mit Kanonen und Gewehren bezwangen. Der nach einem Gelöbnis gegenüber Gott errungene Sieg wurde im Verlauf der Geschichte mystifiziert und gilt als Geburtsstunde der „burischen Nation“, Michler, Weißbuch Afrika, S. 143.
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A. Die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Südafrika
lich zur industriellen Entwicklung Südafrikas bei und war der Auslöser für den Bau von Straßen und Eisenbahnlinien. Doch die Gier nach schnellem Reichtum wurde auf dem Rücken der Schwarzen ausgetragen, die in Goldminen und auf Diamantenfeldern unter schwierigsten Bedingungen Fronarbeiten zu leisten hatten2 und dabei zur besseren Kontrolle in Arbeitslagern und Reservaten untergebracht wurden. Dies führte bereits zu Strukturen, die ebenso wie die Arbeitsverhältnisse der Schwarzen bei den Buren erste Grundlagen für die spätere Politik der Apartheid3 schaffen sollten.4 Nachdem die Engländer die Buren in einem erbitterten Krieg, der von 1899 bis 1902 andauerte, um die Vorherrschaft im Norden des Landes (Transvaal) geschlagen hatten („Burenkrieg“),5 gründeten beide gemeinsam die Südafrikanische Union (1910) und errichteten damit erstmals am Kap einen eigenständigen Staat. Gleichwohl blieb Südafrika als Mitglied des Commonwealth Großbritannien eng verbunden und kämpfte in beiden Weltkriegen an dessen Seite. Im Übrigen war der Handel mit Europa längst zur wichtigsten Außenwirtschaftsbeziehung der Union geworden. Vor allem General Jan Smuts, der als Premierminister das Land von 1919–1924 und von 1939–1948 regierte, war sehr am Ausbau der internationalen Beziehungen Südafrikas gelegen. Er beteiligte sich nicht nur maßgeblich an der Gründung des Völkerbundes in Versailles (1919) und verstand es, seine Erfahrungen auf den internationalen Märkten während der Weltwirtschaftskrise (1929) für sein Land nutzbar zu machen, sondern hatte auch großen Anteil daran, dass die Südafrikanische Union – trotz der Rassentrennung im eigenen Land – zu den Gründungsmitgliedern der Vereinten Nationen (1945) gehörte, deren Präambel er sogar entwarf.6
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Vergleiche dazu auch Davenport, South Africa – A Modern History, S. 259. Der Begriff „Apartheid“ stammt aus dem Afrikaans und heißt wörtlich übersetzt „Getrenntheit“. 4 So wurden bei der Landverteilung schon bald nach Gründung der Südafrikanischen Union im Jahr 1910 die Rechtsgrundlagen für eine Benachteiligung der schwarzen Bevölkerung geschaffen. Der Native Land Act (1913) erklärte nur 7,3 Prozent des gesamten südafrikanischen Territoriums zu schwarzen Gebieten und auch der Native Trust and Land Act (1936) erhöhte diesen Anteil nur geringfügig auf 13 Prozent. Erst die mit dem Restitution of Land Rights Act Nr. 22 vom 12.11.1994 in Angriff genommene Landreform soll zumindest den auf Grundlage der vorgenannten Gesetze Vertriebenen bzw. deren Nachfahren ihr Land zurückgeben bzw. Entschädigungen vornehmen. 5 Ganze 450.000 Mann werden von den Engländern in die Schlacht geschickt, um die Buren zu besiegen, Michler, Weißbuch Afrika, S. 243. 6 Erasmus, Third States and Sanctions in Public International Law – The Position of South Africa, AVR 1992, S. 131. 3
I. Von den Anfängen des Handels bis zur wirtschaftlichen Isolation
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2. Südafrikas Beitritt zum GATT 1947 Premierminister Smuts war es auch, der dafür sorgte, dass Südafrika zu den Gründerstaaten des am 30. Oktober 1947 in Genf geschlossenen Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (General Agreement on Tariffs and Trade – GATT 1947) gehörte.7 Auf europäischer Seite schlossen sich dem GATT nicht nur Großbritannien als wichtigster Handelspartner Südafrikas, sondern unter anderem auch Belgien, Frankreich, Luxemburg und die Niederlande an, die später gemeinsam mit Deutschland und Italien die drei Europäischen Gemeinschaften8 ins Leben rufen sollten. Die gemeinsame Mitgliedschaft im GATT bildete im Verhältnis zwischen Europa und Südafrika die erste umfassende Rechtsgrundlage für gegenseitige Wirtschaftsbeziehungen. Über das multilaterale Vertragswerk waren beide Seiten unter anderem verpflichtet, im gegenseitigen Handel den Grundsatz der Nichtdiskriminierung im Wege der Meistbegünstigung (Art. I) und Inländergleichbehandlung (Art. III) zu beachten, regelmäßig nur Zolltarife zum Schutz der nationalen Industrien zu verwenden (Art. XI) und bei der Sicherung der eigenen Handelsinteressen das Konsultationsprinzip (Art. XXII) zu beachten. Außerdem war mit dem GATT ein Rahmen für Verhandlungen zum Abbau von Zöllen und anderen Handelsbarrieren geschaffen worden (z. B. Art. II). 3. Südafrikas politische und wirtschaftliche Isolation durch Apartheid Obwohl somit erste Voraussetzungen für geordnete Handelsbeziehungen bestanden, belasteten die politischen Entwicklungen am Kap zunehmend das europäisch-südafrikanische Verhältnis. Während die internationale Gemeinschaft 1948 die Allgemeine Menschenrechtserklärung verabschiedete, wählten die weißen Südafrikaner im gleichen Jahr die burische Nationale Partei unter dem Geistlichen Daniel François Malan in die Regierung, die daraufhin schrittweise die längst praktizierte Diskriminierung der schwarzen Bevölkerungsmehrheit durch entsprechende gesetzliche Regelungen legiti7 Erasmus, South Africa, in: Appleton/Macrory/Plummer (Hrsg.), World Trade Organization: A comprehensive Guide, S. 2717, 2718. 8 Es waren dies der am 18. April 1951 geschlossene und am 23. Juli 1952 in Kraft getretene Vertrag über die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) sowie die am 25. März 1957 geschlossenen Verträge über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EAG). Da nach Art. 97 EGKS-Vertrag nur eine Laufzeit von 50 Jahren für die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl vorgesehen war, trat dieser Vertrag am 23. Juli 2002 außer Kraft; zu Hintergrund und Inhalt des Vertrags und zu den Rechtswirkungen des Ablaufs in Beziehungen zu Drittstaaten, siehe Obwexer, Das Ende der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl, EuZW 2002, S. 517 ff.
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A. Die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Südafrika
mierte.9 1960 wurden die Befreiungsorganisationen der Schwarzen, der African National Congress (ANC) und der Pan African Congress (PAC),10 verboten, und nachdem das weiße Wahlvolk in einem Referendum im gleichen Jahr entschieden hatte, dass die Union zur Republik werden sollte, betrieb deren erster Präsident, Hendrik Frensch Verwoerd, das Ausscheiden aus dem Commonwealth.11 Im Landesinnern gingen die Sicherheitsorgane massiv gegen die Anti-Apartheid-Proteste in den Schwarzensiedlungen vor. Dies führte in Sharpeville12 zu einem brutalen Polizeieinsatz, der eine erste Resolution des Weltsicherheitsrates zur Konsequenz hatte,13 nachdem 74 Demonstranten erschossen worden waren. Die Repressionen erreichten am 16. Juni 1976 im Township Soweto bei Johannesburg einen furchtbaren Höhepunkt, als die Polizei sogar Kinder erschoss, die gegen das sie diskriminierende Schulsystem protestierten.14 Außerdem heizten die Zwangsumsiedlungen der Schwarzen in die strukturschwachen Reservate („Homelands“) die Spirale der Gewalt an. Pretoria entließ schließlich vier dieser Gebiete in die „Unabhängigkeit“,15 die allerdings von keinem ausländischen Staat an9
Zu den schärfsten Gesetzen zur Durchsetzung der Apartheid gehörten u. a. der Prohibition of Mixed Marriages Act (1949), der Immorality Act (1950), der Population Registration Act (1950), der Group Areas Act (1950), der Suppression of Communism Act (1950), der Bantu Authorities Act (1951), der Criminal Amendment Act (1952), der Bantu Education Act (1955), das Gesetz zur Förderung der BantuSelbstverwaltung (1959), der Transkei Constitutional Act (1965), der Bantu Homelands Constitution Act (1971) und später die Einführung des Dreikammer-Parlaments durch die Verfassungsreform von 1983. 10 ANC und PAC galten als authentische Vertreter der überwiegenden Mehrheit des südafrikanischen Volkes und wurden deshalb in die Arbeit der Vereinten Nationen eingebunden, GA Res. 3151 G [XXVIII] vom 14.12.1973; 43/50 A vom 5.12.1988. Wie alle von der damaligen Organisation Afrikanische Einheit (OAU) [heute: Afrikanische Union (AU)] anerkannten nationalen afrikanischen Befreiungsbewegungen (vgl. GA Res. 3280 [XXIX] vom 10.12.1974) erhielten sie einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen. 11 Nachdem Südafrika zur Republik geworden war, musste es die Wiederaufnahme in den Commonwealth beantragen. Verwoerd zog diesen Antrag auf der Commonwealth Konferenz von 1961 zurück (Dugard, Sanctions against South Africa: An international law perspective, in: Orkin (Hrsg.), Sanctions against Apartheid, S. 113, 199, Fn. 46). Der Grund dafür lag in dem wachsenden Druck des Auslands, vor allem der Commonwealth Staaten, gegen die Apartheidspolitik Südafrikas (Erasmus, South Africa, in: Appleton/Macrory/Plummer (Hrsg.), World Trade Organization: A comprehensive Guide, S. 2717, 2718). 12 Einem Ort in der Nähe von Vereenigung in der Transvaal Provinz, heute Gauteng. 13 In der Resolution 134 vom 1. April 1960 heißt es u. a.: „. . . that the situation in the Union of South Africa is one that has led to international friction and if continued might endanger international peace and security“. 14 Siehe dazu: VN-Sicherheitsrat Resolution 392 (1976) vom 19. Juni 1976. 15 Transkei (1976), Bophutatswana (1977), Venda (1979), Ciskei (1981).
I. Von den Anfängen des Handels bis zur wirtschaftlichen Isolation
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erkannt wurde.16 Zudem war das Land in die Bürgerkriege in Mosambik, Angola und Namibia17 verwickelt, wo es antikommunistische Rebellen unterstützte bzw. mit seinem Militär aktiv an Kriegshandlungen beteiligt war.18 Die südafrikanische Destabilisierungspolitik war aber auch gegen die übrigen Nachbarstaaten gerichtet, die sich 1980 in der Southern African Development Coordination Conference (SADCC) zusammenschlossen.19 16 Da die Homelands in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht faktisch von Südafrika abhängig waren, konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Homelandregierungen ihre Hoheitsgewalt unabhängig ausübten. In diesem Sinne traf die VN-Generalversammlung in Res. 31/6 A vom 26. Oktober 1976 mit 134 zu 0 Stimmen (bei Enthaltung der USA) die Feststellung, dass die Unabhängigkeitserklärung der Transkei unwirksam war und verweigerte dem Herrschaftsverband folglich die Anerkennung, siehe auch Erasmus, The Non-Recognition of South Africa’s Homelands: The Effect of National Policies, in: Fürst/Herzog/Umbach (Hrsg.), FS Zeidler, Band 2, S. 1919–1938; Klein, Die Nichtanerkennungspolitik der Vereinten Nationen gegenüber den in die Unabhängigkeit entlassenen südafrikanischen homelands, ZaöRV 39 (1979), S. 469 ff. 17 Die ehemals deutsche Kolonie „Deutsch-Südwest-Afrika“ (ab 1968 Namibia) wurde von Südafrika seit 1915 unter dem Mandat des Völkerbundes verwaltet. Nach Gründung der Vereinten Nationen bestritt Südafrika deren Rechtsnachfolge hinsichtlich des Treuhandsystems. Diese Rechtsauffassung wurde vom IGH in einem Gutachten zunächst bestätigt (ICJ Rep. 1950, 128). Gleichwohl erklärte die VN-Generalversammlung das Völkerbundsmandat Südafrikas durch die Resolution 2145 (XXI) vom 27. Oktober 1966 für erloschen, weil Südafrika nicht – wie gefordert – das Wohl der indigenen Bevölkerung Namibias in den Mittelpunkt seiner Mandatserfüllung gerückt hatte. Anschließend betraute die Generalversammlung einen VN-Rat mit der Wahrung der Rechte Namibias (GA Res. 2372 [XXII] vom 12. Juni 1968; GA Res. 2679 [XXV] vom 9. Dezember 1970). Der IGH vertrat in einem weiteren Gutachten über die Konsequenzen der fortgesetzten völkerrechtswidrigen Anwesenheit Südafrikas in Namibia (ICJ Rep. 1971, 55, 58) die Auffassung, die VN-Mitgliedstaaten seien verpflichtet, die südafrikanische Gebietshoheit über Namibia nicht anzuerkennen, nachdem der VN-Sicherheitsrat in seinen Resolutionen 245 vom 25. Januar 1968, 246 vom 14. März 1968, 264 vom 20. März 1969, 276 vom 30. Januar 1970 und 283 vom 29. Juli 1970 festgestellt hatte, dass die südafrikanische Besetzung Namibias unrechtmäßig sei. 1973 erkannte die VN-Generalversammlung die größte namibische Befreiungsbewegung, die Südwestafrikanische Befreiungsorganisation (SWAPO), als rechtmäßige Vertreterin des namibischen Volkes an. Eine Lösung der Namibia-Frage wurde jedoch erst durch ein Abkommen zwischen Angola, Kuba und Südafrika erreicht, das den Abzug aller militärischen Kräfte Südafrikas aus Namibia vorsah und auf eine durch freie Wahlen zu erreichende Unabhängigkeit des Landes abzielte, die am 21. März 1990 realisiert werden konnte. Das zweite Abkommen zwischen Angola und Kuba beinhaltete den Rückzug der kubanischen Truppen bis zum 1. Juli 1991, siehe Kühne, Frieden im südwestlichen Afrika? Europa Archiv 1989, S. 105–114; Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, § 5, Rz. 26, S. 68 f. 18 In Angola wurden die UNITA-Rebellen von Südafrika (und den USA) unterstützt, in Mosambik war es der Mosambikanische Nationale Widerstand (MNR) und in Namibia unterhielten südafrikanische Truppen bis zur Unabhängigkeit des Landes ohnehin zahlreiche Stellungen, vergleiche Michler, Weißbuch Afrika, S. 278 ff.
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A. Die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Südafrika
Sie waren häufig das Ziel militärischer Übergriffe Südafrikas auf tatsächliche oder vermutete Stellungen der Widerstandsgruppen.20 Bei ihren Aktionen vertraute die südafrikanische Regierung angesichts des Kalten Krieges auf die Duldung des Westens, der sich jedoch zunehmend kritisch zu Wort meldete.21 In der EG einigte man sich auf die Einführung eines Verhaltenskodexes für Unternehmen, die in Südafrika Tochtergesellschaften, Zweigniederlassungen oder Vertretungen unterhielten,22 um wenigstens dort eine Diskriminierung der schwarzen Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zu verhindern.23 Als die Unruhen nach Einführung einer neuen Verfassung (1984) zunahmen, die mit der Einführung des Dreikammer-Parlaments zwar den „Coloureds“ und Indern, nicht aber der großen Mehrheit der Schwarzen gewisse Beteiligungsrechte einräumte,24 und die Regierung 19 Die SADCC wurde von den ehemaligen „Frontstaaten“ Angola, Botswana, Mosambik, Sambia und Tansania gegründet. Malawi, Lesotho, Simbabwe und Swasiland kamen später hinzu. Hauptziel war es, die wirtschaftliche Abhängigkeit vom Apartheidregime in Südafrika zu verringern. Entscheidungen konnten allerdings nur im Konsensverfahren gefällt werden. Dabei waren die im Handel, Kapitaltransfer und bei der Wanderarbeit besonders von Südafrika abhängigen Staaten (Botswana, Lesotho, Malawi, Namibia und Swasiland) zwangsläufig darauf bedacht, Südafrika nicht über die Reaktionsschwelle hinaus zu reizen. 20 Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat regelmäßig militärische Interventionen Südafrikas gegen seine Nachbarstaaten als Agression gebrandmarkt (siehe Res. 387, 428, 527, 546). Ausführlich zur historischen Entwicklung der Apartheid, siehe Sparks, The mind of South Africa; Lapping, Apartheid; Terreblanche, A History of Inequality in South Africa 1652–2002, S. 151 ff. 21 Eine erste Verurteilung der Apartheidspolitik Südafrikas durch die EG erfolgte am 23. Februar 1976, Bull. EG 2 (1976), S. 88. 22 Bull. EG 9 (1977), S. 51–53. Ein revidierter Verhaltenskodex trat am 1. Juli 1985 in Kraft, Bull. EG 11 (1985), S. 160 ff. 23 Im Einzelnen forderte der Kodex eine Unternehmenspolitik der freien koalitionsmäßigen Betätigung aller Arbeitnehmer ohne rassische Diskriminierung, sozialund familienpolitische Hilfen für Wanderarbeitnehmer, eine nichtdiskriminierende Lohnpolitik und Mindestlöhne, die 50 Prozent über dem Minimumstandard liegen sollen, gleiche Aufstiegsmöglichkeiten, freiwillige Sozialleistungen für schwarzafrikanische Arbeitnehmer und die Beseitigung der Rassentrennung am Arbeitsplatz. Im Übrigen war vorgesehen, dass die betroffenen Unternehmer über die Anwendung der Verhaltensrichtlinien Bericht erstatten. Siehe auch Hailbronner, Rechtswirkungen des EG-Südafrikakodex, RIW 1982, S. 111 ff.; von Bülow, Schwierigkeiten mit dem Südafrika-Kodex, RIW/AWD 1979, S. 600 ff. In den USA wurde von verschiedenen Unternehmen der so genannte „Sullivan Code“ eingeführt, der Selbstverpflichtungen der in Südafrika tätigen US-Unternehmen für faire Arbeitsverhältnisse beinhaltete, Maddrey, Economic Sanctions Against South Africa: Problems And Prospects for Enforcement of Human Rights Norms, VirJIL 22 (1982), S. 345 f. 24 Die Verfassung war im September 1983 nur den Weißen zur Abstimmung vorgelegt worden. 1,3 Millionen gaben ihre Zustimmung, 0,7 Millionen stimmten dagegen und 0,3 Millionen enthielten sich der Stimme. Damit war die Verfassung nur von einer kleinen Minderheit der damals ca. 31 Millionen Südafrikaner angenom-
II. Bewertung der EG-Sanktionen im Lichte des GATT 1947
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unter Präsident Pieter Willem Botha im Juli 1985 deshalb den Ausnahmezustand über viele Gebiete des Landes verhängte, forderte der Weltsicherheitsrat die VN-Mitgliedstaaten am 26. Juli 1985 in der Resolution 569 zu einem Bündel von Sanktionsmaßnahmen auf: „The Security Council, . . . urges Members of the United Nations to adopt measures against South Africa, such as the following: a) Suspension of all new investment in South Africa; b) Prohibition of the sale of krugerrands and all other coins minted in South Africa; c) Restrictions on sports and cultural relations; d) Suspension of guaranteed export loans; e) Prohibition of all new contracts in the nuclear field; f) Prohibition of all sales of computer equipment that may be used by the South African army and police“.25
II. Bewertung der EG-Sanktionen im Lichte des GATT 1947 Die Entwicklungen in Südafrika und die Sanktionsbeschlüsse der Vereinten Nationen veranlassten auch die inzwischen auf 12 Mitglieder angewachsene EG26 dazu, das Regime in Pretoria durch wirtschaftlichen, diplomatischen und moralischen Druck zur Abschaffung der Apartheid zu bewegen. Im September 1985 einigte man sich auf eine strikte Einhaltung des VN-Waffenembargos, ein Ausfuhrverbot für paramilitärische und sensitive Güter, die Beendigung jeglicher nuklearer Zusammenarbeit sowie einen Ausfuhrstopp für Erdöl.27 Diese Sanktionsmaßnahmen wurden im Oktober 1986 durch ein Einfuhrverbot für Eisen- und Stahlerzeugnisse und für Goldmünzen sowie ein Verbot für Neuinvestitionen ergänzt. Alle diese Beschlüsse waren von den EG-Außenministern im Rahmen der Europäischen men worden. Der Weltsicherheitsrat erklärte die Verfassung für „null und nichtig“, Resolution 554 (1884) vom 17. August 1984; dazu sehr kritisch: Doehring, Die völkerrechtliche Beurteilung der Maßnahmen der Vereinten Nationen im Zusammenhang mit der Verfassungsreform in Südafrika, in: Ress (Hrsg.), Verfassungsreform in Südafrika und Verfassungsgebung in Namibia/Südwestafrika, S. 9 ff. 25 Die Resolution wurde bei zwei Enthaltungen (USA und Vereinigtes Königreich) einstimmig angenommen. 26 Im Rahmen der so genannten Norderweiterung waren zum 1. Januar 1973 Großbritannien, Irland und Dänemark der EG beigetreten. Im Rahmen der Süderweiterung vom 1. Januar 1981 und 1. Januar 1986 traten Griechenland, Spanien und Portugal der EG bei. 27 Pressemitteilung der Ministertagung im Rahmen der politischen Zusammenarbeit vom 10. September 1985, Bull. EG 9-1985, S. 86 f.
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A. Die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Südafrika
Politischen Zusammenarbeit (EPZ)28 gefasst worden und bedurften deshalb zu ihrer Inkraftsetzung einer zusätzlichen Rechtsverordnung. Dies geschah fast ausschließlich auf nationaler Ebene. Lediglich das Einfuhrverbot für Goldmünzen wurde durch eine EG-Verordnung vom 27. Oktober 1986 rechtskräftig.29 Quasi gemeinschaftliche Maßnahmen waren im Übrigen das Einfuhrverbot für Eisen und Stahlerzeugnisse30 sowie das Verbot von Neuinvestitionen,31 da beiden Maßnahmen jedenfalls auch ein Beschluss der im Rat vereinigten Vertreter der Mitgliedstaaten zugrunde lag. Die von den EG-Mitgliedstaaten verhängten Sanktionen hatten für Südafrika eine Einschränkung der im Rahmen des GATT 1947 bestehenden Handelsfreiheiten zur Folge, zu denen sich die Kaprepublik und die EGMitgliedstaaten völkervertraglich verpflichtet hatten. Dabei erscheint besonders problematisch, dass der Grund für das Embargo außerhalb des GATTvertraglichen Binnenverhältnisses lag. Es ging der EG nicht darum, Rechte aus dem GATT 1947 durchzusetzen, sondern mit Hilfe der Sanktionen einen faktischen Druck zu erzeugen, um ein politisches Ziel zu erreichen, nämlich die Beendigung der Apartheid. Inwieweit das GATT 1947 einen entsprechenden außenpolitischen Spielraum zulässt, beurteilt sich nach Art. XXI, der den Zusammenhang zwischen grenzüberschreitendem Wirtschaftsverkehr und sonstigen Außenbeziehungen der Staaten regelt („security exception“) und dazu verschiedene Ausnahmetatbestände statuiert.32 Auch wenn Südafrika die Zulässigkeit der EG-Sanktionen nie im GATTRat in Frage gestellt hat, stellt sich zumindest aus Sicht des Wirtschaftsvöl28 Die EPZ war das Forum der EG-Staaten zur Kooperation auf dem Gebiet der Außenpolitik. Sie wurde im Vertrag über die Europäische Union (Maastrichter Vertrag) vom 7.2.1992 durch die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ersetzt. In Kraft getreten ist der Maastrichter Vertrag am 1.11.1993 (Streinz, Europarecht, Rz. 40). 29 Verordnung (EWG) Nr. 3302/86 des Rates vom 27. Oktober 1986, Abl. EG Nr. L 305/11 vom 31.10.1986. 30 Beschluss des Rates 86/459/EGKS vom 16. September 1986, Abl. EG Nr. L 268/1 vom 19.09.1986. 31 Beschluss des Rates 86/517/EWG vom 27. Oktober 1986, Abl. EG Nr. L 305/ 45 vom 31.10.1986. 32 Vgl. dazu auch Hahn, Die einseitige Aussetzung von GATT-Verpflichtungen als Repressalie, S. 285 ff. Auch wenn zum Teil die Anwendung der „Allgemeinen Ausnahmen“ in Art. XX GATT im Hinblick auf die Zulässigkeit von Handelssanktionen in Betracht gezogen wird (siehe Vazquez, Trade Sanctions and Human Rights – Past, Present, and Future, JIEL 6 (2003), S. 810 ff.; Cleveland, Human Rights Sanctions and International Trade: A Theory of Compatibility, JIEL 5 (2002), S. 133, 157 f.; im Ergebnis beide jedoch ablehnend), konzentriert sich die vorliegende Untersuchung auf eine Analyse des Art. XXI, der auf die Wahrung von Sicherheitsinteressen in den Außenbeziehungen angelegt ist und sich – anders als Art. XX – nicht auf die Regelung innerer Angelegenheiten („ordre public“) beschränkt.
II. Bewertung der EG-Sanktionen im Lichte des GATT 1947
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kerrechts die Frage, inwieweit die EG-Sanktionen mit dem GATT 1947 vereinbar waren. 1. Art. XXI lit. c GATT 1947 Art. XXI lit. c GATT 1947 räumt völkerrechtlichen Verpflichtungen aus der Satzung der Vereinten Nationen im Einklang mit Art. 103 SVN zwingend den Vorrang gegenüber kollidierenden Obliegenheiten aus dem GATT Vertrag ein.33 „Die Bestimmungen dieses Abkommens hindern eine Vertragspartei nicht daran, (. . .) (c) Maßnahmen auf Grund ihrer Verpflichtungen aus der Satzung der Vereinten Nationen zur Erhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit zu treffen“.34
Inwieweit Art. XXI lit. c einen Erlaubnistatbestand für die Sanktionen der EG-Mitgliedstaaten schafft, entscheidet sich somit danach, ob die ergriffenen Maßnahmen Verpflichtungen aus der Satzung der Vereinten Nationen begründen, die dem Schutz des Friedens und der internationalen Sicherheit dienen. Eine unmittelbare Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Sanktionsmaßnahmen als Mittel der Friedenssicherung zu erlassen, kann der Satzung der Vereinten Nationen nicht entnommen werden.35 Sie kann sich jedoch aus den Entschließungen der VN-Organe ergeben, welche Verpflichtungen aus der Satzung der Vereinten Nationen darstellen könnten.
a) Sanktionsbeschlüsse der VN-Organe als Verpflichtungen gemäß Art. XXI lit. c GATT 1947 Ausgangspunkt für eine Analyse der Entschließungen der VN-Organe ist die wörtliche Interpretation des Vertragstextes, die auch nach Art. 31, 32 in der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK), welche geltendes Gewohnheitsrecht widerspiegelt, eine zentrale Stellung einnimmt. Es entspricht dem natürlichen Sprachgebrauch, dass eine Verpflichtung („Obligation“) als 33
Vgl. auch Art. 30 WVR. Sämtliche Übersetzungen des GATT 1947, GATT 1994 und der WTO-Übereinkommen sind der Textsammlung von Hilf/Schorkopf, WTO-Recht, Textsammlung englisch/deutsch, entnommen. 35 Dennoch hatte Australien im Falkland Krieg seine Sanktionen mit der Verpflichtung begründet, Art. 1 SVN zum Durchbruch verhelfen zu müssen (GATT Doc. C/M/157, 11). Dieser Argumentation schloss sich aber kein anderer Staat an, Hahn, Die einseitige Aussetzung von GATT-Verpflichtungen als Repressalie, S. 328 ff. 34
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„rechtliches Muss“ zwingend zu befolgen ist. Verbleibt dem Normadressaten dagegen ein Ermessensspielraum, wonach er den an ihn gerichteten Befehl befolgen „kann“, dazu aber nicht verpflichtet ist, liegt lediglich ein Vorschlag, ein Rat oder eine (dringende) Bitte vor. An diesem Maßstab sind sowohl die Resolutionen des Sicherheitsrats wie auch die Entschließungen der Generalversammlung zu messen. aa) Der VN-Sicherheitsrat Von den VN-Organen trägt der Sicherheitsrat die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens (Art. 24 Abs. 1 SVN). Im Hinblick auf seine Befugnisse ist zu unterscheiden, ob er auf der Grundlage von Kapitel VI oder Kapitel VII SVN handelt. Im Rahmen einer friedlichen Beilegung von Streitigkeiten ist Kapitel VI anwendbar, das dem Sicherheitsrat in jeder Streitigkeit oder jeder Situation, die zu internationalen Reibungen führen oder einen Konflikt hervorrufen könnte, ein Untersuchungs- (Art. 34 SVN) und Empfehlungsrecht (Art. 36 SVN) einräumt. Dagegen kommen Maßnahmen nach Kapitel VII nur in Betracht, wenn der Sicherheitsrat zuvor die Bedrohung oder den Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung festgestellt hat (Art. 39 SVN). In einem solchen Fall kann er dann zur Einhaltung vorläufiger Maßnahmen auffordern (Art. 40 SVN), Empfehlungen abgeben (Art. 39 SVN) oder nicht-militärische (Art. 41 SVN) bzw. militärische Zwangsmaßnahmen (Art. 42 SVN) anordnen, die jeweils für die Staatengemeinschaft verbindlich sind (Art. 25 SVN). (1) Sicherheitsratsresolutionen gegen den Apartheidstaat Mit der Apartheid in Südafrika befasste sich der Sicherheitsrat erstmals anlässlich der Ereignisse von Sharpeville im Jahr 1960. Nach seiner Einschätzung war die Fortdauer von Apartheid geeignet, den Frieden und die internationale Sicherheit zu gefährden.36 Eine konkrete Bedrohung im Sinne des Art. 39 SVN stellte er jedoch nicht fest. In den Jahren 196337 und 196438 rief der Sicherheitsrat die Mitgliedstaaten jeweils dazu auf, den Verkauf von Waffen und militärischen Gütern an Südafrika einzustellen. In beiden Fällen traf er aber wiederum lediglich die Feststellung, dass der internationale Frieden durch die Situation in Südafrika ernsthaft gestört („seriously disturbed“) sei. Somit handelte es sich bei diesen drei Resolutionen nur um Empfehlungen im Sinne des Kapitel VI SVN. 36 37 38
Resolution 134 (1960) vom 1. April 1960. Resolution 181 (1963) vom 7. August 1963. Resolution 191 (1964) vom 18. Juni 1964.
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Eine erstmalige Festellung der Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit findet sich in der Resolution 418 vom 4. November 1977. In dieser Resolution nahm der Sicherheitsrat ausdrücklich Bezug auf Kapitel VII SVN, als er den Waffenerwerb Südafrikas angesichts seiner rassistischen und gegenüber den Nachbarstaaten aggressiven Politik eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit nannte. Die Entschließung enthält die Forderung, von jeder Waffenlieferung an Südafrika Abstand zu nehmen (Exportverbot), wobei Art. 41 SVN, der Sanktionsmaßnahmen ökonomischer und diplomatischer Art zulässt,39 die ungenannte Rechtsgrundlage bildet. Im Jahr 1984 erweiterte der Sicherheitsrat das Waffenembargo, indem er die Mitgliedstaaten aufforderte, keine Militärgüter aus Südafrika zu erwerben, um dessen expandierende Rüstungsindustrie nicht weiter zu fördern (Importverbot).40 Da diese Resolution jedoch nicht die Feststellung einer Bedrohung im Sinne des Art. 39 SVN enthielt, kann sie trotz des ausdrücklichen Verweises auf die Resolution 41841 nicht als deren Annex betrachtet werden, sondern lediglich als eigenständige Empfehlung nach Kapitel VI SVN. Gleiches gilt schließlich auch für die Resolution 569,42 mit der die Mitgliedstaaten zu umfangreichen Sanktionsmaßnahmen aufgefordert wurden, ohne dass jedoch die Bedrohung des Weltfriedens nach Art. 39 SVN festgestellt wurde. Dabei ging es im Einzelnen um die Aussetzung jeglicher Neuinvestitionen, das Verbot des Verkaufs von südafrikanischen Goldmünzen, die Einschränkung der Beziehungen in Sport und Kultur, die Suspendierung garantierter Exportdarlehen, das Verbot von neuen Verträgen im Nuklearbereich und das Verbot des Verkaufs von Computern und Zubehör für die südafrikanische Armee und Polizei. Ein Zusatzantrag von Burkina Faso,43 Südafrika Maßnahmen nach Kapitel VII anzudrohen, scheiterte im Sicherheitsrat am Veto44 des Vereinigten Königreichs und der USA. Gleiches gilt für einen weiteren Antrag aus dem Jahr 1988, der sich für die Verhängung verbindlicher Sanktionen gegen Südafrika nach Art. 39 und 41 wegen der verschärften rassistischen Repressionen in Südafrika aussprach und der auch durch ein Veto zu Fall gebracht wurde.45 Einer entsprechenden eindringlichen Bitte der Generalversamm39
Stalls, Economic Sanctions, University of Miami – International & Comparative Law Review 2003, S. 115, 129 m. w. N. 40 SR Resolution 558 (1984) vom 13. Dezember 1984. 41 „Recalling (. . .) resolution 418“. 42 SR Resolution 569 (1985) vom 26. Juli 1985. 43 Doc. S/17363. 44 Das Vetorecht, das den Sicherheitsrat insbesondere zu Zeiten des Ost-West-Gegensatzes lähmte, ist in Art. 27 SVN geregelt. Es begründet eine schwerwiegende Ausnahme vom Grundsatz der souveränen Gleichheit der Mitglieder der Vereinten Nationen (Art. 2 Ziff. 1 SVN). 45 Doc. S/19585 vom 7. März 1988.
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lung zur Verhängung von Sanktionen gut eineinhalb Jahre später46 folgte der Sicherheitsrat ebenfalls nicht.47 (2) Bewertung der Entschließungen im Lichte des Art. XXI lit. c GATT 1947 Als rechtlich verbindliche Entscheidung gemäß Art. 39, 41, 25 SVN ist dem Wortlaut nach im Ergebnis daher nur das Exportverbot für Waffen und militärisches Material aus dem Jahr 1977 einzuordnen. Dagegen lassen sich das korrespondierende Importverbot für Rüstungsgüter, die Suspendierung von Direktinvestitionen, das Verkaufsverbot für Goldmünzen und die Empfehlung, im Bereich Kultur und Sport künftig keine Kontakte mehr nach Südafrika zu unterhalten, lediglich auf Kapitel VI SVN stützen. Die Resolution 569 des Sicherheitsrates formuliert nur einen Appell an die Staatengemeinschaft („urges Members“). Dies entspricht eher einer Bitte, so dass es einer Umdeutung ihres Inhalts gleichkäme, wollte man sie im Rahmen des GATT wie eine Pflicht behandeln.48 Für die übrigen Maßnahmen, die von den EG Außenministern im Rahmen der EPZ gefasst wurden (d. h. den Exportstopp für Öllieferungen und die Aussetzung der Einfuhr bestimmter Eisen- und Stahlerzeugnisse nach Europa), enthielten die Sicherheitsratsresolutionen keine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage, so dass schon aus diesem Grund keine Rede von 46
GA Resolution 44/27 C vom 22. November 1989. Zur Sanktionspraxis des Sicherheitsrates gegen Südafrika, siehe auch: Dugard, Sanctions against South Africa, in: Orkin (Hrsg.), Sanctions against Apartheid, S. 113, 116 ff.; Beyerlin, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, S. 725. 48 Eine andere Auffassung hat der Internationale Gerichtshof im vierten Süd West Afrika/Namibia-Gutachten (ICJ Reports 1971, 16–58) vertreten. Die Kompetenz des Sicherheitsrates, für alle Mitglieder verbindliche Entscheidungen zu treffen, beschränke sich nicht auf dessen Tätigkeit im Rahmen von Kapitel VII SVN. Vielmehr ergebe sich seine „Bindungskompetenz“ unmittelbar aus Art. 25 (in Verbindung mit Art. 24), der auf „the decisions of the Security Council“ und damit grundsätzlich auf alle Sicherheitsratsentschließungen anwendbar sei. Deshalb müsse im Einzelfall untersucht werden, ob der Sicherheitsrat eine Sachentscheidung als verbindliche Entscheidung oder aber als unverbindliche Empfehlung verabschieden wollte. Dem wurde jedoch von den Anhängern einer restriktiveren Auslegung entgegengehalten, dass Art. 25 SVN keine allumfassende bindende Zuständigkeit des Sicherheitsrates vermittele. Vielmehr könne dieser nur dort verbindliche Entscheidungen treffen, wo die SVN dafür eigens Ermächtigungsgrundlagen parat halte. Dies sei zwar in Kapitel VII SVN, nicht aber in Kapitel VI SVN der Fall (so z. B. Kewenig, Die Problematik der Bindungswirkung von Entscheidungen des Sicherheitsrates, in: FS Scheuner, S. 259–284). Der Streit braucht hier nicht entschieden zu werden, da der Sicherheitsrat es vorliegend ohnehin ablehnte, eine verbindliche Entscheidung zu treffen. 47
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einer Verpflichtung im Sinne von Art. XXI lit. c GATT 1947 sein kann. Auch wenn die Formulierung in den Resolutionen des Sicherheitsrats („to adopt measures against South Africa, such as the following“)49 darauf schließen lässt, dass die Aufzählung jeweils nicht abschließend zu verstehen war, fehlt es jedenfalls an dem rechtlich verbindlichen Element, das eine Verpflichtung charakterisiert. Zu dem gleichen Ergebnis kommt man, wenn man nach dem Sinn und Zweck des Art. XXI lit. c GATT 1947 fragt. Bei der Vorschrift handelt es sich um eine Kollisionsnorm, die allerdings nur dort die Pflichten aus dem GATT-Vertrag solchen aus der Satzung der Vereinten Nationen unterordnet, wo beide rechtlich Entgegengesetztes verlangen.50 Da unverbindliche Resolutionen der VN-Organe keine Umsetzungspflicht auslösen, kann die Vertragstreue zum GATT in solchen Fällen niemals zu einer „echten“ Pflichtenkollision führen. Wollte man dennoch unverbindlichen Empfehlungen der VN-Organe den Vorrang vor dem GATT einräumen,51 so hätte das schutzwürdige Vertrauen in den Bestand des Vertrages52 ohne Not an Bedeutung verloren. Es läge in den Händen der Mitgliedstaaten, jeweils für sich zu entscheiden, ob und inwieweit sie noch an den GATT-Verpflichtungen festhalten wollen. Die Frage, ob eine Kollision beider Verträge vorliegt, ließe sich nicht allgemein und objektiv bestimmen, sondern wäre der politischen Einschätzung der einzelnen Vertragsparteien überlassen. Unilaterale Aussetzungsmöglichkeiten dieser Art widersprechen jedoch dem eigentlichen Zweck einer Kollisionsnorm, die beim Aufeinandertreffen von Pflichten aus verschiedenen Verträgen Rechtssicherheit und -klarheit schaffen soll. Nicht zuletzt deshalb ist auch für Art. 103 SVN anerkannt, dass ausschließlich Charta-Verpflichtungen stricto sensu Vorrang vor anderen völkervertraglichen Pflichten haben.53 Es ist nicht einzusehen, weshalb eine unverbindliche Entschließung über einen geltenden Vertrag gestellt werden sollte. Schließlich findet diese Auslegung auch Rückhalt in dem völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Effektivitätsgrundsatz (effet utile),54 der verlangt, einen Vertrag so zu interpretieren, dass sein Regelungszweck bestmöglich erreicht wird. Die mit dem GATT verfolgte koordinierte Handelsliberalisie49
Hervorhebung durch den Verfasser. Hahn, Die einseitige Aussetzung von GATT-Verpflichtungen als Repressalie, S. 289. 51 So wohl Dugard, Sanctions against South Africa, in: Orkin (Hrsg.), Sanctions against South Africa, S. 113, 122. 52 Auch im völkerrechtlichen Vertragsrecht gilt der Grundsatz pacta sunt servanda, Art. 26 WVK. 53 Bernhardt, in: Simma, Kommentar, Art. 103, Rz. 10, 13. 54 Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, § 11, Rz. 16, S. 120. 50
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rung würde unterlaufen, wenn die Vertragsparteien unter Hinweis auf bloße Empfehlungen der VN-Organe für sich frei entscheiden könnten, ob sie ihre Wirtschaftsbeziehungen ganz, teilweise oder gar nicht aussetzen. Außerdem bestünde bei einer Verlagerung der Entscheidungsfindung von der Ebene der Staatengemeinschaft auf die Ebene der Mitgliedstaaten die Gefahr, dass der mit der VN-Entschließung verfolgte Zweck der Friedenssicherung nur unzureichend erreicht wird, da einzelstaatliche wirtschaftliche Interessen verstärkten Einfluss gewinnen. Damit würde der Zweck der Vorschrift in sein Gegenteil verkehrt. Art. XXI ist – auch im Sinne der Verfasser des GATT 1947 – gerade nicht als wirtschaftliche Schutzklausel zu verstehen.55 Die Auslegung des Art. XXI lit. c GATT 1947 führt somit zu dem Ergebnis, dass die unverbindlichen Sanktionsempfehlungen des Sicherheitsrates nicht als Verpflichtungen angesehen werden können. bb) Die VN-Generalversammlung Eine weitere völkerrechtliche Ermächtigung für die restlichen EG-Sanktionen, die nicht von den Art. 39, 41, 25 SVN gedeckt sind, stellen die Resolutionen der Generalversammlung dar. Gemäß Art. 10 und 11 Abs. 2 SVN kann die Generalversammlung alle die Friedenssicherung betreffenden Fragen diskutieren und Empfehlungen an die Staaten, den Sicherheitsrat oder an beide richten. (1) Resolutionen der Generalversammlung gegen den Apartheidstaat Von diesem Recht hat die Generalversammlung in zahlreichen Resolutionen und Initiativen gegen die Politik der Apartheid in Südafrika Gebrauch gemacht.56 Bereits 1962 wurde die Staatengemeinschaft aufgefordert, den Import südafrikanischer Waren zu boykottieren, keine Waren mehr nach Südafrika zu exportieren, alle Häfen für südafrikanische Schiffe zu schließen und der staatlichen südafrikanischen Fluggesellschaft South African Airways (SAA) die Landungsrechte zu entziehen.57 Hervorzuheben sind darüber hinaus 16 Anti-Apartheid-Entschließungen, die allein am 17. Dezember 1981 erlassenen wurden.58 Darin wird die Staatengemeinschaft so55 Hahn, Die einseitige Aussetzung von GATT-Verpflichtungen als Repressalie, S. 296. 56 Für einen Überblick, siehe Dugard, Sanctions against South Africa, in: Orkin (Hrsg.), Sanctions against South Africa, S. 113, 118 f.; Heunis, United Nations versus South Africa, S. 250–257. 57 Resolution 1761 [XVII]. 58 GA Res. 36/172 A-P.
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wohl allgemein zu umfangreichen und verbindlichen Sanktionen59 als auch konkret zu einem Waffenembargo,60 einem Ölembargo,61 einem Wissenschafts-, Kultur- und Sportboykott62 sowie einem Investitionsstopp63 aufgerufen. Bemerkenswert ist schließlich auch, dass sich im November 1986 ganze 126 Staaten der bereits genannten Resolution angeschlossen haben, die den Sicherheitsrat (vergeblich) aufforderte, verbindliche Wirtschaftssanktionen gegen Südafrika zu verhängen.64 (2) Bewertung der Entschließungen im Lichte des Art. XXI lit. c GATT 1947 Geht man von dem oben dargestellten Verständnis des Begriffs „obligation“ aus,65 ist klar, dass auch die Entschließungen der Generalversammlung keine Verpflichtungen im Sinne von Art. XXI lit. c GATT 1947 darstellen. Die in der „Uniting for Peace“-Resolution66 beanspruchte und vom Internationalen Gerichtshof gebilligte67 subsidiäre Verantwortung der Generalversammlung für die Friedenssicherung in Fällen, in denen der Sicherheitsrat durch das Veto eines seiner ständigen Mitglieder lahmgelegt ist, führt nicht dazu, dass die von der Generalversammlung verabschiedeten Sanktionsbeschlüsse gegen Südafrika einen völkerrechtlichen Rechtfertigungsgrund für den Bruch des GATT-Vertrages liefern.68 Unabhängig davon, ob die von der Generalversammlung verabschiedeten Sanktionsforderungen gegen Südafrika überhaupt auf der Grundlage der „Uniting for Peace“-Resolution ergangen sind, ist entscheidend, dass entsprechende Aufrufe zu Kollektivmaß59
GA Res. 36/172 D, angenommen mit 109 Stimmen gegen 18 bei 13 Enthaltun-
gen. 60 GA Res. 36/172 F, angenommen mit 138 Stimmen ohne Gegenstimme bei 7 Enthaltungen. 61 GA Res. 36/172 G, angenommen mit 126 Stimmen gegen 7 bei 12 Enthaltungen. 62 GA Res. 36/172 I, angenommen mit 124 Stimmen gegen 5 bei 14 Enthaltungen. 63 GA Res. 36/172 O, angenommen mit 138 Stimmen gegen 1 bei 7 Enthaltungen. 64 Dugard, Sanctions against South Africa, in: Orkin (Hrsg.), Sanctions against South Africa, S. 113, 118, Fn. 38. 65 Siehe A II 1 a) aa) (2). 66 GA Res. 377 A [V] vom 3.11.1950. Dazu ausführlich Nolte, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, S. 950 ff. 67 Gutachten „Certain Expenses of the United Nations“ vom 20.7.1962, ICJ Reports 1962, 162 ff. 68 So mit ausdrücklicher Bezugnahme auf die Sanktionsbeschlüsse gegen Südafrika auch Petersmann, Internationale Wirtschaftssanktionen als Problem des Völkerrechts und des Europarechts, ZVglRWiss 80 (1981), S. 1, 18.
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nahmen wegen der begrenzten Kompetenz dieses VN-Organs (Art. 10–14 SVN und Art. 18 Abs. 2 SVN) nicht mehr als völkerrechtlich unverbindliche Empfehlungen sein können,69 die eine Abweichung von den GATTVerpflichtungen nach XXI lit. c niemals rechtfertigen. 2. Art. XXI lit. b GATT 1947 Als Ermächtigungsgrundlage für die übrigen EG-Sanktionen gegen Südafrika kommt darüber hinaus Art. XXI lit. b in Betracht, der es den Vertragsparteien erlaubt, zum Schutz ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen von sämtlichen GATT-Pflichten abzuweichen. Anders als Art. XXI lit. c, welcher völkerrechtlichen Verpflichtungen zwingend den Vorrang vor GATT-Verpflichtungen einräumt, eröffnet Art. XXI lit. b den Staaten einen bloßen Entscheidungsspielraum, was die Beachtung der GATT-Pflichten bei einer Gefährdung eigener wesentlicher Sicherheitsinteressen betrifft. Die Vorschrift lautet: „Die Bestimmungen dieses Abkommens hindern eine Vertragspartei nicht daran, (. . .) (b) Maßnahmen zu treffen, die nach ihrer Auffassung zum Schutz ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen notwendig sind, (i) in Bezug auf spaltbare Stoffe oder die Rohstoffe, aus denen sie erzeugt werden; (ii) beim Handel mit Waffen, Munition und Kriegsmaterial sowie bei dem mittelbar oder unmittelbar zur Versorgung von Streitkräften dienenden Handel mit anderen Waren und Materialien; (iii) in Kriegszeiten oder bei sonstigen ernsten Krisen in den internationalen Beziehungen;
Nach dieser Vorschrift wären die GATT-Vertragsparteien zum Einsatz wirtschaftlicher Zwangsmittel – unter Aussetzung von GATT-Pflichten – ermächtigt gewesen, wenn einer der Tatbestände in den Absätzen (i) bis (iii) erfüllt war und sie objektiv wie subjektiv zur Wahrung wesentlicher Sicherheitsinteressen gehandelt haben. Zu untersuchen ist daher, ob das Importverbot für Rüstungsgüter, die Suspendierung von Direktinvestitionen, das Verkaufsverbot für Goldmünzen, die Empfehlung, im Bereich Kultur und Sport künftig keine Kontakte mehr nach Südafrika zu unterhalten, der Exportstopp für Öllieferungen und die Aussetzung der Einfuhr bestimmter Eisen- und Stahlerzeugnisse nach Europa zulässige Maßnahmen nach Art. XXI lit. b GATT 1947 darstellen. 69 Epping, in: Ipsen, Völkerrecht, § 32, Rz. 38, S. 420 f.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 246.
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a) Maßnahmen zum Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob die Maßnahmen dem Schutz der wesentlichen Sicherheitsinteressen der GATT-Vertragsparteien dienen. Dabei ist zwischen „eigenen“ und „kollektiven“ Sicherheitsinteressen zu unterscheiden. aa) Der Schutz eigener Sicherheitsinteressen Dass die EG-Mitgliedstaaten die Wirtschaftssanktionen zum Schutz gegen die unmittelbare Beeinträchtigung ihrer eigenen Sicherheitsinteressen erlassen haben, lässt sich weder den tatsächlichen Umständen noch entsprechenden Verlautbarungen entnehmen. Weder durch die Apartheidpolitik noch durch die Aggressionen gegen die Nachbarstaaten Südafrikas drohte der äußeren Sicherheit der Gemeinschaft ein Schaden. bb) Kollektive Selbstverteidigung Neben einer unmittelbaren Beeinträchtigung der eigenen Sicherheit findet aber auch das Recht zur kollektiven Selbstverteidigung gemäß Art. 51 SVN im Rahmen von Art. XXI lit. b (iii) GATT 1947 Berücksichtigung.70 Das Recht zur kollektiven Selbstverteidigung räumt Drittstaaten bei „bewaffneten Angriffen“ ein Notwehr- und Nothilferecht ein.71 Die Möglichkeit der Abwendung gewaltsamer Übergriffe durch Drittstaaten dient der Durchsetzung des kollektiven Sicherheitsinteresses der Staatengemeinschaft. Notwendigerweise baut das Nothilferecht darauf auf, dass die einzelnen Mitgliedstaaten das gemeinsame Sicherheitsinteresse zu „ihrer Sache“ machen und insofern auch im eigenen Interesse kollektive „Selbst“-Verteidigung leisten.72 Das schließt ein, dass GATT-Vertragsparteien zur kollektiven Selbstverteidigung von den Verpflichtungen nach GATT 1947 abweichen dürfen. Die von Südafrika ausgeübte direkte militärische Gewalt und die durchgeführten Destabilisierungsmaßnahmen im südlichen Afrika,73 die sich insbe70 Hahn, Die einseitige Aussetzung von GATT-Verpflichtungen als Repressalie, S. 348. 71 Dazu Delbrück, Collective Self Defense, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Volume 1, S. 656–659; Frowein, Reactions by not directly affected states to breaches of public international law, in: Recueil des cours/Academie de Droit International de La Haye, 248 (1994) S. 345, 366 ff. 72 So auch Sir Robert Jennings in seiner „dissenting opinion“ im Nicaragua Fall, ICJ Reports 1986, 14, 100 f. 73 Allgemein zur als „Aggression“ qualifizierten Destabilisierungspolitik Südafrikas, siehe Resolution 581 (1986) vom 13. Februar 1986.
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sondere gegen Angola74 und Mosambik75, aber auch gegen andere Frontstaaten wie z. B. Botswana,76 Lesotho77 und Sambia78 richteten, waren jedenfalls zum Teil79 „bewaffnete Angriffe“ gemäß Art. 51 SVN. Die EG-Mitgliedstaaten waren deshalb berechtigt, den durch die rechtswidrigen Handlungen in ihrer territorialen Integrität verletzten Staaten im Wege der Nothilfe zur Seite zu stehen. Da im Rahmen der kollektiven Selbstverteidigung militärische Zwangsmaßnahmen zulässig sind, müssen a maiore ad minus Maßnahmen unterhalb der Schwelle der Gewaltanwendung erst recht zulässig sein.80 Insofern waren Wirtschaftssanktionen als adäquates Mittel der kollektiven Selbstverteidigung nicht schon von vornherein ausgeschlossen.81 Allerdings ist der Beistand im Rahmen der kollektiven Selbstverteidigung erst möglich, wenn der angegriffene Staat darum bittet.82 Es kommt also entscheidend auf ein Hilfeersuchen der Frontstaaten an. Immerhin wurde ein gemeinsames Kommuniqué der EG-Außenminister mit ihren Kollegen aus den Frontstaaten vereinbart, in dem beide Seiten übereinkommen, den Urhebern der gewaltsamen Übergriffe „jegliche Hilfe oder Unterstützung zu versagen“.83 Es erscheint jedoch zweifelhaft, dass das Kommuniqué als ein 74 Siehe dazu z. B. Resolution 387 (1976) vom 31. März 1976: „1. Condemns South Africa’s aggression against the People’s Republic of Angola; 2. Demands that South Africa scrupulously respects the independence, sovereignty and territorial integrity of the People’s Republic of Angola (. . .)“ Vgl. auch Resolution 428 (1978) vom 6. Mai 1978; Resolution 447 (1979) vom 28. März 1979; Resolution 454 (1979) vom 2. November 1979; Resolution 475 (1980) vom 27. Juni 1980, Resolution 545 (1983) vom 20. Dezember 1983; Resolution 606 (1987) vom 23. Dezember 1987. 75 Vgl. dazu Resolution 411 (1977) vom 30. Juni 1977. 76 Siehe Resolution 568 (1985) vom 21. Juni 1985; Resolution 572 (1985) vom 30. September 1985. 77 Resolution 527 (1982) vom 15. Dezember 1982; Resolution 580 (1985) vom 30. Dezember 1985. 78 Siehe Resolution 466 (1980) vom 11. April 1980. 79 Zum Teil handelte es sich auch um bloße Grenzvorfälle, für die das Selbstverteidigungsrecht nicht gilt (vgl. ICJ Reports 1986, S. 104). 80 Frowein, Die Verpflichtungen erga omnes im Völkerrecht und ihre Durchsetzung, in: FS Mosler, S. 241, 254; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1343; zurückhaltend Bleckmann, Zur Rechtmäßigkeit der EG-Sanktionen gegen Argentinien nach allgemeinem Völkerrecht und dem Recht der Europäischen Gemeinschaft, S. 22. 81 Zur Problematik der Wirtschaftssanktionen als zulässige Mittel im Rahmen von Art. 51 SVN, vgl. auch Ress, Das Handelsembargo, 118 f.; Kyper, Community Sanctions against Argentina, in: O’Keeffe/Schermers (Hrsg.), Essays in European Law and Integration, S. 141, 159 ff.; Dewost, La Communauté, les dix, et les „sanctions“ economiques, AFDI 28 (1982), S. 215, 230. 82 ICJ Reports 1986, S. 104 f.
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derartiges Hilfeersuchen angesehen werden kann, da sich die Formulierungen in den konkreten Sanktionsbeschlüssen ausschließlich auf die Situation innerhalb Südafrikas beziehen.84 Allerdings könnte man diesem Argument noch entgegenhalten, dass die Abschaffung der Apartheid als eine entscheidende Voraussetzung für die Befriedung der gesamten Region erschien. Trotzdem ist mehr als zweifelhaft, dass die Wirtschaftssanktionen zielgerichtet auf den Schutz der bedrohten Frontstaaten gerichtet waren. Darüber hinaus ergibt sich die Schwierigkeit, dass nur solche Maßnahmen zur Nothilfe Anerkennung finden, die im Hinblick auf den abzuwehrenden Angriff verhältnismäßig sind.85 In diesem Zusammenhang erscheint es durchaus sachgerecht, nur solche Sanktionen als geeignet zu berücksichtigen, die – jedenfalls auch – eine primäre Schutzfunktion zugunsten der nothilfebedürftigen Frontstaaten erfüllen, um die Berufung auf Nothilfe zu rechtfertigen. Nothilfetauglich in diesem Sinne wären danach die Einschränkungen des Handels mit den in Art. XXI lit. b (i) und (ii) GATT 1947 genannten militärischen Gütern und spaltbaren Stoffen bzw. deren Rohstoffen, da sie ein besonders gefährliches Drohpotential für die Nachbarstaaten darstellten. Das Erdölexportverbot, das Verbot von Neuinvestitionen und das Importverbot für Goldmünzen sowie für Eisen- und Stahlerzeugnisse wären jedoch nicht nothilfetaugliche Maßnahmen, da sie in erster Linie als wirtschaftliche und politische Druckmittel eine Veränderung der politischen Situation in Südafrika bewirken sollten, ohne zielgerichtet das Sicherheitsbedürfnis der Frontstaaten im Visier zu haben. Im Ergebnis erweist sich die Nothilfe im Rahmen der kollektiven Selbstverteidigung somit als keine belastbare Rechtsgrundlage. 83
Kommuniqué der Außenminister der Länder der Europäischen Gemeinschaft und der Außenminister der Frontstaaten zur politischen Lage im südlichen Afrika, das im Anschluss an eine gemeinsamen Tagung am 3. und 4. Februar 1986 in Lusaka veröffentlicht wurde (Bull. EG 2 (1986), S. 94 f.): „Die Minister verurteilen die Angriffshandlungen und die Akte der Destabilisierung, die von südafrikanischen Truppen gegen die Nachbarländer in dieser Region verübt werden (. . .) Die Minister verurteilen gleichermaßen jede Form der südafrikanischen Destabilisierungspolitik, einschließlich aller unmittelbaren und mittelbaren Übergriffe in die Nachbarstaaten, insbesondere in Angola und Mosambik. Sie sind übereingekommen, den Urhebern solcher Aktionen jegliche Hilfe oder Unterstützung zu versagen“. 84 Gleichwohl wurde von den EG-Mitgliedstaaten in Zusammenhang mit dem Sanktionsbeschluss vom 10. September 1985 als „positive Maßnahme“ ein „Programm zur Unterstützung der SADCC und der Frontlinienstaaten“ beschlossen, Bull. EG 9 (1985), S. 86 f. 85 Die Gültigkeit des Verhältnismäßigkeitsprinzips für die Ausübung des Rechts auf Selbstverteidigung hat der IGH im Gutachten über die Vereinbarkeit der Androhung und des Einsatzes von Nuklearwaffen mit dem Völkerrecht im Jahre 1996 bestätigt, ICJ Reports 1996, 224; vgl. auch Randelzhofer, in: Simma, Kommentar, Art. 51, Rz. 42.
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cc) Drittrepressalien gegen den Apartheidstaat Darüber hinaus könnten sich die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft auch ohne direkte eigene Betroffenheit und ohne die Rechtfertigung der Nothilfe darauf berufen, dass die Maßnahmen des Handelsembargos dem Schutz ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen dienten, wenn die Apartheidspolitik Südafrikas als ein derartig schwerwiegender Völkerrechtsverstoß anzusehen wäre, der auch so genannte Drittrepressalien rechtfertigen könnte. (1) Herleitung der Zulässigkeit der Drittrepressalie Völkergewohnheitsrechtlich anerkannt ist, dass unterhalb des Einsatzes bewaffneter Gewalt als Selbsthilfemaßnahmen sog. Repressalien als völkerrechtswidrige Akte des Staates, welcher von der Verletzung des Völkerrechts betroffen ist, zur Beendigung des völkerrechtswidrigen Handels des anderen Staates zulässig sind.86 Höchst umstritten ist hingegen, ob derartige Repressalien durch dritte Staaten, als sog. Drittrepressalien, zulässig sind. Grundsätzlich darf aufgrund der Relativität der völkerrechtlichen Pflichten87 nur der unmittelbar von der Völkerrechtsverletzung betroffene Staat (Gegen-)Maßnahmen nach allgemeinem Völkerrecht ergreifen, wenn es sich nicht um einen Fall der kollektiven Selbstverteidigung im Sinne von Art. 51 SVN handelt. Aus diesem Grund lehnen Teile der Literatur die Konstruktion von Drittrepressalien ab und tragen vor, dass die Gleichstellung sämtlicher Mitglieder der Staatengemeinschaft mit dem direkt durch die Völkerrechtsverletzung betroffenen Staat eine Gefährdung der auf Koordination beruhenden Völkerrechtsordnung darstelle.88 Auf der anderen Seite lässt sich der Rechtsprechung und zum Teil auch der Literatur89 die Tendenz entnehmen, dass – in engen Grenzen – die Zulässigkeit von Drittrepressalien gegen schwerwiegende Völkerrechtsverstöße anerkannt wird. Ob und inwieweit ein völkergewohnheitsrechtlicher Grundsatz besteht, der Drittrepressalien im Völkerrecht zulässt, bestimmt sich gemäß Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut danach, ob sich bereits zum Zeitpunkt des Rechtsverstoßes eine Rechtsüberzeugung gebildet hatte, die auf einer entsprechenden Staatenpraxis gründet („als Recht anerkannte Übung“). 86
Partsch, Reprisals, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Volume 4, S. 201. Fischer, in: Ipsen, Völkerrecht, § 59, Rz. 46, S. 954; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1343. 88 Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, § 39, Rz. 26, S. 541; Partsch, Reprisals, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Volume 4, S. 201. 89 Zeitler, Einseitige Handelsbeschränkungen zum Schutz extraterritorialer Rechtsgüter, S. 172–174 m. w. N. 87
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Der IGH hat im Barcelona Traction-Fall90 eine Unterscheidung einzelner Völkerrechtspflichten danach vorgenommen, ob sie ausschließlich im bilateralen Verhältnis oder gegenüber der Staatengemeinschaft als Ganzes bestehen. Letztgenannte, die er als Pflichten erga omnes bezeichnet, umfassen derart bedeutsame Völkerrechtsnormen, dass alle Staaten ein rechtliches Interesse an ihrem Schutz haben. Die vom IGH vorgenommene Differenzierung nach der Schwere des Völkerrechtsverstoßes findet auch Rückhalt in dem Entwurf der Völkerrechtskommission zur Kodifizierung des Rechts der Staatenverantwortlichkeit. Dort unterscheidet Art. 19 zwischen „international crimes“ und „international delicts“. Ein völkerrechtliches Verbrechen soll bei Pflichtverstößen vorliegen, die von solch fundamentalem Interesse für die Gemeinschaft sind, dass ihre Verletzung als ein Verbrechen gegen die Gemeinschaft als Ganzes zu betrachten ist.91 Entscheidend ist, dass die Verletzung von erga omnes Pflichten bzw. das Begehen völkerrechtlicher Verbrechen von der Staatengemeinschaft nicht sanktionslos hingenommen werden kann. In diesem Zusammenhang ist allerdings auch zu beachten, dass die Einordnung als erga omnes Pflicht nicht zur materiellen Erweiterung des Pflichtenkreises führt, sondern nur zu einer Ausdehnung des Kreises der Berechtigen.92 In diesem Sinne fordert der IGH im Namibia-Gutachten93 und insbesondere im Urteil zum Teheraner Geisel-Fall94 die Drittstaaten regelrecht zum Ergreifen von Gegenmaßnahmen auf.95 Dem Vorwurf, dass die Anerkennung der Drittrepressalie die Rechtssicherheit gefährden kann96 und die Möglichkeit des Missbrauchs eröffne,97 ist entgegen90
ICJ Reports 1970, S. 32, Ziffer 33, 34. Art. 19 (2) ist abgedruckt und kommentiert in: Report of the ILC on the work of its 28th session, YILC 1976 II (Part 2), S. 75 ff. 92 Frowein, Jus Cogens, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Volume 3, S. 65, 68; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1343; Zeitler, Einseitige Handelsbeschränkungen zum Schutz extraterritorialer Rechtsgüter, S. 172–174 m. w. N. 93 ICJ Reports 1971, S. 56, Ziffer 126. 94 ICJ Reports 1980, S. 42, Ziffer 91. 95 In diesem Zusammenhang führt das Gericht wie folgt aus (ICJ Reports 1980, S. 42 f., Ziffer 92): „Therefore in recalling yet again the extreme importance of the principles of law which it is called upon to apply in the present case, the Court considers it to be its duty to draw the attention of the entire international community, of which Iran itself has been a member since time immemorial, to irreparable harm that may be caused by events of the kind now before the Court. Such events cannot fail to undermine the edifice of law carefully constructed by mankind over a period of centuries, the maintenance of which is vital for the security and well-being of the complex international community of the present day, to which it is more essential than ever that the rules developed to ensure the ordered progress of relations between its members should be constantly and scrupulously respected“. 96 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1343. 91
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zuhalten, dass die Verpflichtungen erga omnes eng gefasst sind.98 Im Ergebnis kann an der erforderlichen Rechtsüberzeugung somit kein Zweifel bestehen. Sie findet auch in einer entsprechenden Übung ihre Bestätigung, welche die Betroffenheit nicht direkt beteiligter Staaten aufzeigt, so z. B. die Sanktionen der nicht unmittelbar betroffenen Staaten gegen den Iran wegen der bereits genannten Geiselnahme in der Teheraner US-Botschaft,99 die Wirtschaftssanktionen Australiens, Kanadas und der EG gegen Argentinien nach dessen Besetzung der Falkland-Inseln100 und die Maßnahmen der Mitgliedstaaten der EG gegen den Iran wegen seiner Reaktion auf das Urteil im Berliner „Mykonos“-Prozess, in dem das Gericht dem Iran „Staatsterrorismus“ vorgeworfen hatte.101 Ein weiteres Beispiel von Interventionsrechten von Drittstaaten zur Sanktionierung schwerwiegender Völkerrechtsverstöße betrifft die zwischen den zehn Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Wirtschafts- und Handelsstaaten vereinbarten Reaktionen von Drittstaaten auf Flugzeugentführungen.102 Gegen eine grundsätzliche Anerkennung des Rechts zur Drittrepressalie bei der Verletzung von Völkerrechtspflichen erga omnes im Rahmen des Art. XXI lit. b (iii) GATT 1947 bestehen nach alledem im Ergebnis keine durchgreifenden Bedenken.103
97 Vgl. dazu Frowein, Reactions by not directly affected states to breaches of public international law, in: Recueil des cours/Academie de Droit International de La Haye, 248 (1994) S. 345, 408. 98 Ress, Das Handelsembargo, S. 121. 99 Dazu Frowein, Die Verpflichtungen erga omnes im Völkerrecht und ihre Durchsetzung, in: FS Mosler, S. 241, 251. Bei der Beratung dieser Sanktionen sprachen sich einige EG-Staaten, z. B. Großbritannien, ausdrücklich für die völkerrechtliche Zulässigkeit von Repressalien zugunsten Dritter bei schwerwiegenden Völkerrechtsverstößen erga omnes aus (Petersmann, Internationale Wirtschaftssanktionen als Problem des Völkerrechts und des Europarechts, ZvglRWiss 80 (1981), S. 1, 17, Fn. 51). 100 Dazu Kuyper, Community Sanctions against Argentina: Lawfulness under Community and International Law, in: O’Keefe/Schermers (Hrsg.), Essays on European Law and Integration, S. 141 ff. 101 AdG 1997, 41931 A/4. Auf dieses Beispiel sich ebenfalls beziehend Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, § 39, Rz. 24, S. 541. 102 Bulletin der Bundesregierung 19.7.1978, Nr. 80, S. 766 und 24.7.1981, Nr. 71, S. 617. 103 Zustimmend auch: Hahn, Die einseitige Aussetzung von GATT-Verpflichtungen als Repressalie, S. 298.
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(2) Apartheid als Völkerrechtsverbrechen Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit von Drittrepressalien gegen Südafrika ist zunächst die Rechtsnatur des Verbots der Apartheid festzustellen. Sodann ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob dieser Rechtsverstoß so gravierend ist, dass er „erga omnes“ Pflichten auslöst. Dazu müsste wiederum jeweils eine entsprechende Rechtsüberzeugung und Staatenpraxis nachweisbar sein. (a) Das völkerrechtliche Verbot der Apartheid Bereits 1966 hatte Judge Tanaka in seiner „dissenting opinion“ im Süd West Afrika Urteil die Auffassung vertreten, dass sowohl das Verbot der Rassendiskriminierung als auch der Apartheid völkergewohnheitsrechtlich Anerkennung gefunden haben.104 In demselben Jahr qualifizierte die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Apartheidspolitik als ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.105 Ebenso wie der Sicherheitsrat verurteilte sie Südafrikas Politik der systematischen Rassentrennung in zahlreichen Resolutionen als unvereinbar mit den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen.106 Die Ächtung der Rassenpolitik findet auch Ausdruck in zahlreichen völkerrechtlichen Übereinkommen, die sich entweder allgemein gegen Rassendiskriminierung oder konkret gegen Apartheid aussprechen. Allen voran bezeichnet Art. 1 SVN es als Ziel der internationalen Zusammenarbeit, „die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle ohne Unterschied der Rasse (. . .) zu fördern und zu festigen“, eine Forderung, die in Art. 13 Abs. 3 und 55 SVN wiederholt wird.107 Individualschützende Vorschriften gegen Rassendiskriminierung sind darüber hinaus den internationalen Menschenrechtsstatuten zu entnehmen.108 Konkrete mitgliedstaatliche Pflichten enthält Art. 2 lit. d des „Internationalen Abkommens zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung“ vom 7.3.1966109: 104
ICJ Reports, 1966, S. 291. Z. B. GA Res. 2202 (XXI) vom 16.12.1966; GA Res. 3324 E (XXIX) vom 16.12.1974. 106 Dazu ausführlich: Heunis, United Nations versus South Africa, S. 250 ff. 107 Zur Verletzung dieser Vorschriften durch die Apartheid, siehe Erasmus, Third States and Sanctions in Public International Law – The Position of South Africa, AVR 1992, S. 128, 132; Dugard, Sanctions against South Africa, in: Orkin (Hrsg.), Sanctions against South Africa, S. 113. 108 Art. 2 (1) und Art. 7 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, Art. 2 (1) des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte und Art. 2 (2) des Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. 105
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„Each State Party shall prohibit and bring to an end, by all appropriate means, including legislation as required by circumstances, racial discrimination by any persons, group or organization“.
Eine erstes völkerrechtliches Abkommen, das ausdrücklich den Tatbestand der Apartheid zum Gegenstand hat, ist die Convention on the NonApplicability of Statutory Limitations to War Crimes and Crimes Against Humanity vom 26.11.1966.110 Die in Südafrika praktizierte Rassenpolitik wird dort als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ aufgeführt. Die Internationale Konvention über die Bekämpfung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid vom 30.11.1973 bezeichnet Apartheid ebenfalls als ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“, das die Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen verletzt und eine ernsthafte Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit darstellt.111 Eine Verurteilung der Apartheid erfolgt zudem durch die Konvention gegen Apartheid im Sport vom 10.12.1985, die dazu aufruft, jegliche Sportkontakte mit einem die Apartheid praktizierenden Land zu unterbinden.112 Ein weiteres Argument für die Annahme eines völkerrechtlichen Verbots der Apartheid ist darin zu sehen, dass die Rassenpolitik Südafrikas in Konflikt mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker stand, dessen verbindliche Rechtsqualität der Internationale Gerichtshof in zwei Gutachten aus den Jahren 1971113 und 1975114 bestätigt hat. Zudem hat das Selbstbestimmungsrecht im Völkerrecht auch Eingang in die Resolution über Freundschaft und Zusammenarbeit zwischen den Staaten gefunden,115 die ihrerseits vom Internationalen Gerichtshof als Widerspiegelung geltenden Gewohnheitsrechts angesehen wird.116 Es ist in dem gleichlautenden Art. 1 der 109
Sie ist am 4.1.1969 in Kraft getreten. UNTS Bd. 754, 73. Die Konvention soll die dort genannten Verbrechen vor der Verjährung nach staatlichem Recht bewahren. Sie ist am 11.11.1970 in Kraft getreten. 111 In Kraft getreten am 18.07.1976. Wegen der unbestimmten Formulierungen der in ihr enthaltenen Straftatbestände ist die Apartheidkonvention vor allem in westlichen Staaten auf Bedenken gestoßen, Delbrück, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, S. 24. 112 In Kraft seit 3.4.1988. Zur völkerrechtlichen Beurteilung dieser Sanktionen, siehe Krumpholz, Apartheid und Sport (1991). 113 Legal Consequences for States of the Continued Presence of South Africa in Namibia (South West Africa) notwithstanding Security Council Resolution 276 (1970), ICJ Reports 1971, 16, 31. 114 Western Sahara, ICJ Reports 1975, 12, 31–33. 115 Resolution 2625 [XXV], Declaration on the Principles of International Law concerning Friendly Relations and Cooperation among States in accordance with the Charter of the United Nations, UNYB 1970, 788. 116 Urteil vom 27.6.1986, Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA); ICJ Reports 1986, 14, 100 f. 110
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Menschenrechtspakte der Vereinten Nationen niedergelegt117 und besagt, dass die Völker das Recht haben, frei über ihren politischen Status zu entscheiden und in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu gestalten. Umstritten ist jedoch, ob es lediglich Schutz vor äußerer Einmischung bietet, oder sich auf die interne Selbstbestimmung eines Volkes erstreckt.118 Die Mehrheit der Staaten ist schon aus Souveränitätserwägungen versucht, den äußeren Aspekt des Selbstbestimmungsrechts in den Vordergrund zu stellen, damit nicht innere Angelegenheiten zum Gegenstand des Völkerrechts werden.119 Die Apartheid betraf jedoch die Beziehungen der nichtweißen südafrikanischen Bürger zu ihrer Regierung, die ihnen die freie Gestaltung ihrer staatlichen Ordnung vorenthielt.120 Ihnen war es nicht möglich, frei über ihren politischen Status zu entscheiden und in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung zu gestalten. Damit verstieß die südafrikanische Regierung eindeutig gegen den inneren Aspekt des Selbstbestimmungsrechts, wovon im Übrigen auch der Sicherheitsrat ausdrücklich ausging.121 Dennoch ist Doehring der Ansicht, dass der „Kampf um die Partizipation an der zentralen Staatsgewalt“ in Südafrika nichts mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker zu tun hat.122 Dagegen sieht die Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen in der „institutionalized discrimination on racial, ethnic or religious grounds“ ein „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“,123 das als fundamentaler Verstoß 117 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte, Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte. 118 Tomuschat, Democratic Pluralism: The Right to Political Opposition, in: Rosas/Helgesen (Hrsg.), The Strength of Diversity: Human Rights and Pluralist Democracy, S. 39. 119 Heintze, in: Ipsen, Völkerrecht, § 30, Rz. 3, S. 373. 120 Zum inneren Selbstbestimmungsrecht, siehe Rosas, Internal Self-determination, in: Tomuschat (Hrsg.), Modern Law of Self-Determination, S. 225–252; Heintze, in: Ipsen,Völkerrecht, § 30, Rz. 1, S. 372 ff. m. w. N. 121 Resolution 556 (1984) vom 23. Oktober 1984, in deren Präambel es heißt „Reaffirming the legitimacy of the struggle of the oppressed people of South Africa for the full exercise of the right to self determination and the establishment of a non-racial democratic society in an unfragmented South Africa“. Vgl. auch Resolution 554 (1984) vom 17. August 1984, in der es u. a. heißt „Strongly rejects and declares as null and void the so-called „new constitution“ and the „elections“ to be organized in the current month of August for the „coloured“ people and people of Asian origin as well as all insidious manœuvres by the racist minority régime of South Africa further to entrench white minority rule and apartheid“. 122 Doehring, Die völkerrechtliche Beurteilung der Maßnahmen der Organe der Vereinten Nationen im Zusammenhang mit der Verfassungsreform in Südafrika, in: Ress (Hrsg.), Verfassungsreform in Südafrika und Verfassungsgebung in Namibia/ Südwestafrika, S. 9, 16. 123 Art. 18 (f) „Code of Crimes against the Peace and Security of Mankind“, Report of the International Law Commission on the work of its forty-eighth session;
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gegen das Selbstbestimmungsrecht der Völker strafrechtlich zu ahnden ist.124 Mit diesem Ziel125 wurde schließlich auch der Tatbestand der „Apartheid“ als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ im Statut des Internationalen Strafgerichtshofs aufgenommen.126 Damit gab es zum Zeitpunkt des Rechtsverstoßes zumindest eine im Vordringen befindliche Rechtsüberzeugung, wonach das Apartheidregime in Südafrika das Selbstbestimmungsrecht der Völker verletzte.127 Auch wenn der Auffassung von Doehring aus den dargelegten Gründen nicht gefolgt werden kann, braucht die Frage an dieser Stelle nicht entschieden zu werden, da sich das Verbot der Apartheid – wie oben ausgeführt – bereits direkt aus dem Verbot der Rassendiskriminierung ableiten lässt und zudem auch als eigenständiger Verbotstatbestand Geltung beanspruchen kann. Zwar ist Südafrika bis zu seinem demokratischen Übergang keinem der genannten völkerrechtlichen Abkommen beigetreten. Andererseits hat sich das Regime in Pretoria auch nie im Sinne eines „persistent objectors“128 ausdrücklich gegen das Entstehen eines völkerrechtlichen Verbots der Rassendiskriminierung bzw. der Apartheid zur Wehr gesetzt, so dass es an diese Völkerrechtsnorm nicht gebunden wäre.129 Vielmehr hat es stets behauptet, lediglich eine „Politik der getrennten Entwicklung“ und somit etwas anderes als Apartheid zu betreiben.130 An der Existenz eines auch für Südafrika verbindlichen, völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Verbots 6 May–26 July 1996, General Assembly Official Records, 51st Session, Supp. Nr. 10 (A/51/10), S. 14. Englischer Text mit Erläuterungen in HRLJ 1997, S. 96–134. 124 So die Kommentierung des damaligen Mitglieds der Völkerrechtskommission Christian Tomuschat in seinem Aufsatz: Das Strafgesetzbuch der Verbrechen gegen den Frieden und die Sicherheit der Menschheit, EuGRZ 1998, S. 1, 5. 125 Stahn, Zwischen Weltfrieden und materieller Gerechtigkeit: Die Gerichtsbarkeit des Ständigen Internationalen Gerichtshofs (IntStGH), EuGRZ 1998, S. 577, 582. 126 Art. 7 Ziffer 1 lit. j Statut des Internationalen Strafgerichtshofs (IntStGH) zur Ahndung von Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, EuGRZ 1998, S. 618, 619. Art. 7 Ziffer 2 lit. h definiert das „Verbrechen der Apartheid“ als „unmenschliche Handlungen, die von einer rassischen Gruppe im Zusammenhang mit einem institutionalisierten Regime der systematischen Unterdrückung einer oder mehrerer anderer rassischer Gruppen in der Absicht begangen werden, dieses Regime aufrechtzuerhalten“. 127 So auch Rosas, Internal Self-Determination, in: Tomuschat (Hrsg.), Modern Law of Self-Determination, S. 225, 236 ff. 128 Heintschel von Heinegg, in: Ipsen § 16, Rz. 26, S. 191. 129 Kritisch dazu: Elias, Some Remarks on the Persistent Objector Rule in Customary International Law, Denning Law Journal 1991, S. 37, 38 ff. 130 Erasmus, Third States and Sanctions in Public International Law – The Position in South Africa, AVR 1992, S. 130; Delbrück, Apartheid, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Volume 1, S. 37, 39.
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der Apartheid vor Erlass der ersten Wirtschaftssanktionen durch die EG-Mitgliedstaaten kann also kein Zweifel bestehen. (b) Apartheid als völkerrechtliches Verbrechen Somit konzentriert sich die Untersuchung auf die Frage, ob das soeben aufgezeigte Verbot der Apartheid eine so herausragende Stellung in der Völkerrechtsordnung einnimmt, dass es den Pflichten erga omnes zuzurechnen ist. Zwar gibt es bis heute keine allgemeingültige Auflistung der relevanten Tatbestände. Jedoch hat der IGH im Barcelona Traction-Fall neben dem Aggressionsverbot, dem Verbot des Völkermordes, dem Schutz der grundlegenden Menschenrechte und dem Verbot der Sklaverei ausdrücklich auch den Schutz vor Rassendiskriminierung beispielhaft benannt.131 Der Konventionsentwurf der Völkerrechtskommission zum Recht der Staatenverantwortlichkeit führt als Regelbeispiele eines völkerrechtlichen Verbrechens in Art. 19 Abs. 3 ausdrücklich das Verbot der Apartheid auf. Auch die Resolutionen der VN-Organe, in denen die Apartheid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit und als unvereinbar mit den Grundsätzen der Vereinten Nationen bezeichnet wird, bestätigen, dass die Staatengemeinschaft von der Verletzung einer ihrer wichtigsten Kernverpflichtungen ausgeht. Das Verbot der Rassendiskriminierung dürfte schließlich auch zum unabdingbaren (zwingenden) Völkerrecht (ius cogens) gehören, von dem die Völkerrechtssubjekte wegen seiner grundlegenden Bedeutung nicht – auch nicht vertraglich – abweichen dürfen.132 Zwar fehlt auch hier ein allgemeinverbindlicher Katalog der zum ius cogens gehörenden Tatbestände.133 Jedoch besteht in der Völkerrechtsliteratur Einigkeit, dass zumindest das Verbot der Rassendiskriminierung dazu gehört.134 Gleiches gilt für das Selbstbestimmungsrecht der Völker,135 das hier relevant wird, wenn 131
Insoweit führt das Gericht aus (ICJ Reports 1970, 32): „Such obligations derive, for example, in contemporary international law, from the outlawing of acts of aggression, and of genocide, as also from the principles and rules concerning the basic rights of the human person, including protection from slavery and racial discrimination“. 132 Zur Definition des „ius cogens“, siehe Art. 53 WVK, vgl. auch BVerfGE 18, 448 und Frowein, Jus Cogens, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Volume 3, S. 65 ff. 133 Cleveland, Human Rights Sanctions and International Trade: A Theory of Compatibility, JIEL 5 (2002), S. 133, 151, Fn. 74. Es gab gleichwohl Bestrebungen, zumindest das Gewaltverbot gemäß Art. 2 Nr. 4 SVN, das Verbot völkerrechtlicher Verbrechen, des Sklavenhandels, der Piraterie sowie des Völkermordes exemplarisch in den heutigen Art. 53 WVK aufzunehmen (YILC 1966 II, 248). 134 Brownlie, Public International Law, S. 513; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 527 f.; Erasmus, Third States and Sanctions in Public International Law – The Position in South Africa, AVR 1992, S. 128, 133.
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man seine Geltung im Innern anerkennt und deshalb von seiner Verletzung ausgeht. Da an der Durchsetzung der ius cogens Normen alle Staaten ein fundamentales Interesse haben, gehören diese Tatbestände gleichzeitig zu den Pflichten erga omnes.136 (c) Staatenpraxis Die Politik der Apartheid ist in der Staatenpraxis weltweit über entsprechende Verlautbarungen verurteilt worden. Gleichwohl trafen die Sanktionsforderungen nicht bei allen westlichen Staaten auf ungeteilte Zustimmung. Während die skandinavischen Staaten ein vollständiges Handelsverbot verkündeten, verhinderten das Vereinigte Königreich und die USA im Sicherheitsrat durch ihr Veto verbindliche wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen.137 Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass die Briten und Amerikaner es grundsätzlich ablehnten, die Politik der Apartheid mit Embargomaßnahmen zu bekämpfen, denn in ihren bilateralen Beziehungen zu Südafrika führten beide Handelsbeschränkungen ein. So erließ der US-Kongress 1986 – wenn auch gegen das Veto von Präsident Ronald Reagan – den Comprehensive Anti-Apartheid Act, der für Südafrika weitreichende Wirtschaftssanktionen zur Konsequenz hatte.138 Dagegen distanzierte sich 135 Vgl. etwa Cassese, International Law in a Devided World, S. 136; Hannikainen, Premptory Norms (Jus Cogens) in International Law, S. 382; Tomuschat, Das Selbstbestimmungsrecht – rocher de bronce internationaler Selbstbehauptung? ZRP 1993, S. 248, 249. 136 Es ist davon auszugehen, dass die Verabschiedung der WVK von entscheidendem Einfluss auf das ein Jahr später ergangene Urteil in der Sache Barcelona Traction gewesen ist (Frowein, Die Verpflichtungen erga omnes im Völkerrecht und ihre Durchsetzung, in: FS Möller, S. 241, 243). Zur Abgrenzung von ius cogens Normen, erga omnes Pflichten und völkerrechtlichen Verbrechen, siehe de Hoogh, The Relationship between Jus Cogens, Obligations Erga Omnes and International Crimes, AJPIL 42 (1991), S. 183–241. 137 UN Chronicle, 23 (1986), S. 29, 35. 138 Comprehensive Anti-Apartheid Act of 1986 (CAAA), beschrieben im Annual Survey of South African Law, 1986, S. 70 f. Im Einzelnen werden in den Vorschriften des CAAA gefordert: Ein Verbot von Flugtransporten zwischen beiden Ländern mit südafrikanischen oder US-amerikanischen Fluggesellschaften; Verbot von nuklearem Handel; das Verbot für US-Banken, Guthaben von südafrikanischen Regierungsstellen entgegenzunehmen; Importstopp für südafrikanische Kohle, Eisen, Stahl, Nahrungsmittel und landwirtschaftliche Produkte, Textilien und Uran; ein Verbot für neue Investitionen, außer in Firmen, die im Eigentum schwarzer Südafrikaner stehen; Beendigung der Doppelbesteuerungsabkommen zwischen beiden Ländern; die Einstellung des Bezugs jeglicher Waren von südafrikanischen Regierungsstellen durch die US-Regierung und das Verbot des Verkaufs von Benzinprodukten sowie jeglichen Kriegsmaterials. Siehe auch Danaher, The US struggle over sanctions against South Africa in: Orkin (Hrsg.), Sanctions against South Africa, S. 131, 137.
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Großbritannien insbesondere im Commonwealth von den eingeforderten Zwangsmaßnahmen.139 Dennoch ließ sich die Regierung in London – wenn auch recht zögerlich und mit geringer Verbindlichkeit – in die entsprechenden Maßnahmepakete der EG einbinden.140 Im Gegensatz dazu blieb es jedoch im Sicherheitsrat bei der ablehnenden Haltung sowohl Großbritanniens als auch der USA. Dies ist jedoch in erster Linie auf den Ost-WestGegensatz und die daraus resultierende Sorge zurückzuführen, dass die Beendigung einmal verhängter Sanktionen am Veto der Sowjetunion und China scheitern könnte.141 Doch obwohl die Entscheidungskraft des Sicherheitsrates in der Südafrikafrage dadurch wesentlich beeinträchtigt war, lässt sich gleichwohl eine durchgängige Übung belegen, wonach auch alle westlichen (Dritt-)Staaten daran beteiligt waren, zumindest auf dem bilateralen Sanktionswege142 eine Beendigung der Apartheid durch Zwangsmaßnahmen zu erwirken. Art und Umfang der Sanktionen weisen dabei freilich erhebliche Unterschiede auf. Es kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass sich die von den EG-Mitgliedstaaten vorgenommene Einschränkung der Handelsbeziehungen gegenüber Südafrika in eine gefestigte Rechtsüberzeugung und Staatenpraxis einfügen lässt, wonach die Apartheid angesichts des ihr innewohnenden Völkerrechtsverstoßes auch von Drittstaaten mit Gegenmaßnahmen bekämpft werden kann. Damit stellen die gegen die Apartheidspolitik gerich139 Freeman, All but one, in: Orkin (Hrsg.), Sanctions against South Africa, S. 142 ff. Siehe auch Annual Survey of South African Law, 1985, S. 70–71; 1986, S. 72–73. 140 Siehe dazu den „Bericht des Ausschusses für Außenwirtschaftsbeziehungen über die Inkraftsetzung der wirtschaftsbeschränkenden Maßnahmen gegen die Republik Südafrika durch die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft“ von Simons (PE DOK A 2-151/87), S. 16. Danach wurden zur Durchführung des VN-Waffenembargos 1978 entsprechende „Order“ der Regierung und zur Einhaltung des Ölembargos wurden 1979 entsprechende „Guidelines“ für die Industrie erlassen. Auch wurden für die Ausfuhr von paramilitärischen und sensitiven Gütern nach Südafrika keine Exportlizenzen vergeben und die Zusammenarbeit bei der Entwicklung militärischer und ziviler Kernkraftprogramme eingestellt. Zur Einhaltung des Verbots von Neuinvestitionen wurden lediglich Empfehlungen an die Wirtschaft vergeben, ohne dass eine gesetzliche Regelung vorgesehen war. 141 Dugard, Sanctions against South Africa, in: Orkin (Hrsg.) Sanctions against South Africa, S. 113, 117. 142 Ein vollständiger Überblick darüber, welche Sanktionen von den westlichen Staaten gegen Südafrika verhängt wurden, findet sich in dem vom Commonwealth Sekretariat herausgegebenen Sanktionsbericht, der die Maßnahmen Argentiniens, Australiens, Belgiens, Brasiliens, Kanadas, Dänemarks, Deutschlands, Finnlands, Frankreichs, Griechenlands, Indiens, Irlands, Israels, Italiens, Japans, Neuseelands, der Niederlande, Norwegens, Östereichs, Portugals, Schwedens, Singapurs, Spaniens, der USA und des Vereinigten Königreichs im Einzelnen aufführt und analysiert, Hanlon (Hrsg.), South Africa – The Sanctions Report.
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teten Embargobeschlüsse der Gemeinschaft Drittrepressalien dar, die grundsätzlich dem Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen der EG dienen. b) Weitere Voraussetzungen nach Art. XXI lit. b (i), (ii) und (iii) GATT 1947 Auch wenn damit feststeht, dass die Maßnahmen dem Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen dienen, ist noch zu prüfen, ob die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen nach (i) bis (iii) erfüllt sind. Da die vorgenannten Maßnahmen sich nicht auf den Handel mit spaltbaren Stoffen beziehen, kommt nur die Anwendung von Art. XXI lit. b (ii) im Hinblick auf das Verbot der Rüstungsimporte und Art. XXI lit. b (iii) im Hinblick auf die übrigen Maßnahmen in Betracht. aa) Handel mit Waffen, Munition und Kriegsmaterial sowie weiteren der Versorgung der Streitkräfte dienenden Waren Da das Verbot der Rüstungsexporte bereits als Zwangsmaßnahme nach Art. XXI lit. c GATT 1947 zulässig ist, ist in diesem Zusammenhang vor allem zu untersuchen, ob das Verbot der Rüstungsimporte sich auf (ii) stützen lässt. Berücksichtigt man den Zusammenhang, in dem diese Vorschrift steht, ist davon auszugehen, dass nicht jedes Gut, das mittelbar der Versorgung von Streitkräften dient, umfasst sein soll, sondern dass das Gut zumindest in irgendeiner Form eine gesteigerte Bedeutung für die militärische Sicherheit eines Landes haben muss.143 Während sich dies für den Export von Rüstungsgütern ohne Schwierigkeiten bejahen lässt, da dieser der Versorgung der südafrikanischen Streitkräfte zugute kommt, stellt sich das Verbot des Imports von Rüstungsgütern als problematischer dar. Das Importverbot von Seiten der Europäischen Gemeinschaft macht vor allem vor dem Hintergrund Sinn, dass die südafrikanische Rüstungsindustrie nicht weiter gestärkt werden und der europäische Markt insoweit verschlossen bleiben sollte. Dies hatte jedenfalls mittelbare Folgen auch für die einheimische Industrie in Südafrika, die sich damit dem Problem ausgesetzt sah, dass ein Absatzmarkt fehlte. Auch wenn die Europäische Gemeinschaft nicht der größte Abnehmer von Rüstungsprodukten aus Südafrika war, hatte dies dennoch Bedeutung für die militärische Sicherheit Südafrikas, da das wirtschaftliche Überleben nationaler Hersteller potenziell wichtiger Güter damit zumindest eingeschränkt wurde. Daher wird man im Ergebnis davon ausgehen können, dass das Rüstungsimportverbot unter diesen Tatbestand fällt. 143 Hahn, Die einseitige Aussetzung von GATT-Verpflichtungen als Repressalie, S. 305 ff.
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bb) Kriegszeit oder sonstige ernste Krise in den internationalen Beziehungen Nach (iii) müsste die oben dargestellte Situation entweder als Kriegszustand oder als sonstige ernste Krise in den internationalen Beziehungen zu bezeichnen sein, um die weiteren Handelsbeschränkungen unter Art. XXI lit. b (iii) GATT 1947 zu rechtfertigen. Geht man von dem völkerrechtlichen Kriegsbegriff aus, der jede bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Staaten mit dem Ziel der gegenseitigen Überwältigung umfasst,144 fehlt es vorliegend ganz offensichtlich an einer direkten, mit Waffengewalt ausgeübten Auseinandersetzung zwischen den Staaten der Europäischen Gemeinschaft und Südafrika. Soweit von Seiten Südafrikas überhaupt Waffengewalt ausgeübt wurde, richtete sie sich – wie bereits dargestellt – entweder gegen die eigene nichtweiße Bevölkerung oder gegen die Nachbarstaaten, nicht aber gegen die Staaten der Europäischen Gemeinschaft. Möglicherweise stellte die Apartheidpolitik der Südafrikaner jedoch eine sonstige ernste Krise in den internationalen Beziehungen im Sinne des Art. XXI lit. b (iii) dar. Fraglich ist, wie dieser sehr weitgefasste Tatbestand zu interpretieren ist. Vertreten werden in diesem Zusammenhang sehr unterschiedliche Auffassungen: einerseits wird argumentiert, dass die Anwendung der Vorschrift auf absolut notwendige Abweichungen beschränkt werden soll, andererseits wird der sich auf Art. XXI lit. b (iii) berufenden GATT-Vertragspartei ein großzügiger Ermessensspielraum zugestanden.145 Es wird sogar vertreten, dass kaum eine aus politischen Gründen verhängte wirtschaftliche Zwangsmaßnahme vorstellbar sei, die sich nicht notfalls durch einen Rückgriff auf Art. XXI lit. b (iii) rechtfertigen ließe.146 Auf der anderen Seite läuft ein solches Verständnis jedoch Gefahr, jeden Vertragsbruch zu legitimieren, solange der handelnde Staat nur seine „nationale Sicherheit“ ins Feld führt.147 Betrachtet man den Wortlaut und den Zusammenhang, in dem diese Vorschrift steht, wird aus der mit dem Wort „Krieg“ beginnenden Aufzählung in Art. XXI lit. b (iii) deutlich, dass nicht jegliche zwischenstaatliche Spannung gemeint sein sollte, sondern nur außerordentli144 Hahn, Die einseitige Aussetzung von GATT-Verpflichtungen als Repressalie, S. 345. 145 Vgl. zur Diskussion Hahn, Die einseitige Aussetzung von GATT-Verpflichtungen als Repressalie, S. 351. 146 Kewenig, Die Anwendung wirtschaftlicher Zwangsmaßnahmen im Völkerrecht, BDGV 22 (1982), S. 7, 18. 147 Hahn, Die einseitige Aussetzung von GATT-Verpflichtungen als Repressalie, S. 342.
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che Störungen der zwischenstaatlichen Beziehungen, die über ein bestimmtes Maß hinausgehen. Dadurch würde auch der Sorge Rechnung getragen werden, dass eine Ausnahme von einem multilateralen Vertrag restriktiv zu behandeln ist, um seine grundsätzliche Verbindlichkeit sicherzustellen.148 Auf der anderen Seite spricht wenig dafür, dass allein Störungen auf dem Niveau bewaffneter Auseinandersetzungen umfasst sein sollten, da in Art. XXI lit. b (iii) GATT 1947 gerade nicht nur auf Kriegszeiten und kriegsähnliche Ereignisse, sondern auf Kriegszeiten oder sonstige ernste Krisen in den internationalen Beziehungen Bezug genommen wird. Dies lässt den Schluss zu, dass eine vermittelnde Auffassung dem Sinn und Zweck sowie dem Wortlaut und der Systematik dieser Vorschrift am besten gerecht wird. Nach der vermittelnden Auffassung rechtfertigen solche Verhaltensweisen die Annahme einer sonstigen ernsten Krise in den internationalen Beziehungen, die sich aus Sicht der handelnden Vertragspartei als völkerrechtliches Delikt darstellen bzw. die handelnde Vertragspartei aufgrund allgemeinen Völkerrechts berechtigen würden, mittels Repressalieneinsatzes einem anderen Staat zur Hilfe zu kommen.149 Dies bedeutet mit anderen Worten, dass eine Verletzung von ius cogens Normen die Definition von ernster Krise in den internationalen Beziehungen erfüllt.150 Wie bereits oben ausgeführt,151 stellt Südafrikas Apartheidspolitik ein Völkerrechtsverbrechen dar, das sogar den Einsatz von Drittrepressalien rechtfertigen kann. Eine solche Situation kann nach der gerade dargestellten vermittelnden Auffassung ohne weiteres auch als ernste Krise in den internationalen Beziehungen bezeichnet werden. Schließlich sind die zwischenstaatlichen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und Südafrika insoweit außerordentlich beeinträchtigt, dass die dauernde Rassendiskrimierung in Südafrika ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellt und damit – auch im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft – eine Bedrohung überragender und fundamentaler Völkerrechtspflichten wie der Achtung der Menschenrechte und Grundfrei148
Hahn, Die einseitige Aussetzung von GATT-Verpflichtungen als Repressalie, S. 344. 149 Hahn, Die einseitige Aussetzung von GATT-Verpflichtungen als Repressalie, S. 357 ff. 150 So auch Cleveland, Human Rights Sanctions and International Trade: A Theory of Compatibility, JIEL 5 (2002), S. 133, 186. Im Ergebnis vorsichtiger: Vazquez, Trade Sanctions and Human Rights – Past, Present, and Future, JIEL 6 (2003), S. 797, 830 ff., der zwar anerkennt, dass im Fall schwerster Menschenrechtsverletzungen die einzige Rechtfertigung zur Aussetzung von GATT-Verpflichtungen die Anwendung von Art. XXIV lit. b (iii) bleibt, jedoch weitergehende Vorschläge für die Änderung des WTO-Rechts macht, um die Menschenrechtsaspekte im WTO-Recht besser zu erfassen. 151 Siehe A. II. 2. a) cc).
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heiten ohne Unterschied der Rasse ist. Die Voraussetzungen nach (iii) liegen daher vor. 3. Auswahl der Sanktionsmaßnahmen Damit bleibt die Frage, welche Maßnahmen zum Schutz der wesentlichen Sicherheitsinteressen getroffen werden können. Im Hinblick auf das verbindliche Waffenembargo bestehen durch den entsprechenden Beschluss des Sicherheitsrates klare Vorgaben, deren Befolgung auch durch das GATT nicht in Frage gestellt werden (Art. XXI lit. c). Bei den übrigen auf Art. XXI lit. b zu stützenden Maßnahmen können die GATT-Vertragsparteien jedoch ausdrücklich selbst bestimmen, was zum Schutz ihrer wesentlichen Sicherheitsinteressen notwendig ist („any action which it considers necessary“). Dies wird von Teilen der Literatur so interpretiert, dass die Mitgliedstaaten einen weiten Beurteilungsspielraum im Hinblick auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen und die Wahl geeigneter Maßnahmen haben.152 Allerdings deutet das Kriterium der Notwendigkeit darauf hin, dass die Maßnahmen objektiv geeignet sein müssen, dem Schutz wesentlicher Sicherheitsinteressen zu dienen.153 Ansonsten besteht die Gefahr, dass Art. XXI lit. b für protektionistische Interessen missbraucht wird. Insofern wird das Auswahlermessen durch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt, das dem GATT154 nicht fremd ist155 und ohnehin für Repressalien auch nach allgemeinem Völkerrecht gilt.156 Zwar ist die Auslegung des Art. XXI bisher noch nicht Gegenstand der WTO-Streitbeilegungsverfahren gewesen. Jedoch können die zu Art. XX entwickelten Grundsätze auf Art. XXI übertragen werden, da die Vorschrift einen Tatbestand enthält, der die Rechtsnatur des Art. XX weitgehend teilt. Insbesondere erlaubt auch er Ausnahmen aufgrund von übergeordneten Interessen, die ihrerseits unter dem Vorbehalt ihrer Notwendigkeit stehen. Wie der Appellate Body im Korea Beef-Fall157 in Zusammenhang mit der Auslegung des Art. XX lit. d ausführt, ist dafür eine Prüfung erforderlich, bei der die Geeignetheit der in 152
Ress, Das Handelsembargo, S. 27 f. Hahn, Die einseitige Aussetzung von GATT-Verpflichtungen als Repressalie, S. 302. 154 Siehe Art. VIII:3, Art. XI:2 lit. b und c, Art. XII:2 lit. a, Art. XII:3 lit. c (i), Art. XVIII:9, Art. XIX:1 lit. a und b und Art. XX lit. a, b und d. 155 Hilf/Puth, The Principle of Proportionality on its Way into WTO/GATT Law, in: Bogdandy/Mavroidis/Mény (Hrsg.), European Integration and International Co-ordination, S. 199, 211 ff. 156 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 1343. 157 Appellate Body Bericht „Korea-Beef“ WT/DS161/AB/R, WT/DS169/AB/R vom 11. Dezember 2000, Ziffer 164. 153
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Rede stehenden Maßnahme zum Schutz der Rechtsgüter, die Gewichtung der geschützten Rechtsgüter und die potenziellen Auswirkungen der Maßnahme auf den Handel gegeneinander abgewogen werden: „In sum, determination of whether a measure (. . .) is (. . .) necessary within the contemplation of Article XX (d), involves in every case a process of weighing and balancing a series of factors which predominantly include the contribution made by the compliance measure to the enforcement of the law or regulation at issue, the importance of the common interests or values protected by that law or regulation, and the accompanying impact of the law or regulation on imports or exports“.
Angewendet auf den vorliegenden Fall ist also im Abwägungsprozess zu fragen, welchen Beitrag die Sanktionen leisten, um das Apartheidverbot durchzusetzen, wie gewichtig der mit dem Apartheidsverbot bezweckte Schutz der von dieser Politik benachteiligten Menschen Südafrikas ist und welche Auswirkungen die Sanktionen auf den Handel haben. Betrachtet man vor diesem Hintergrund die einzelnen Sanktionen, ergibt sich folgende Bewertung: Soweit die Maßnahmen zielgerichtet den südafrikanischen Repressionsapparat betrafen, ging es vor allem darum, dessen Ausbau nicht weiter zu fördern. Die Menschen Südafrikas sollten nicht Opfer von Waffen und Munition „made in Europe“ werden. Dieses legitime Ziel ließ sich nicht anders als durch ein Exportverbot erreichen und war somit aus Art. XXI lit. b gerechtfertigt. Folglich finden das im September 1985 beschlossene Ausfuhrverbot für paramilitärische und sensitive Güter sowie die Beendigung jeglicher nuklearer Zusammenarbeit158 eine hinreichende Rechtsgrundlage in Art. XXI lit. b. Etwas anderes könnte jedoch für den Importstopp für Rüstungsgüter, den Ausfuhrstopp für Erdöl,159 das Einfuhrverbot für Eisen und Stahlerzeugnisse,160 das Verbot von Neuinvestitionen161 und das Einfuhrverbot für Goldmünzen162 gelten, da diese Maßnahmen nicht in vergleichbarer Weise zielgerichtet dem Schutz der durch die Apartheid benachteiligten Menschen 158 Pressemitteilung der Ministertagung im Rahmen der politischen Zusammenarbeit vom 10. September 1985, Bull. EG 9 (1985), S. 86 f. 159 Pressemitteilung der Ministertagung im Rahmen der politischen Zusammenarbeit vom 10. September 1985, Bull. EG 9 (1985), S. 86 f. 160 Beschluss des Rates 86/459/EGKS vom 16. September 1986, Abl. EG Nr. L 268/1 vom 19.09.1986. 161 Beschluss des Rates 86/517/EWG vom 27. Oktober 1986, Abl. EG Nr. L 305/ 45 vom 31.10.1986. 162 Verordnung (EWG) Nr. 3302/86 des Rates vom 27. Oktober 1986, Abl. EG Nr. L 305/11 vom 31.10.1986.
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dienten. Allerdings ist nicht erkennbar, dass Art. XXI lit. b. GATT 1947 nur direkte Sanktionen zur Durchsetzung von Sicherheitsinteressen zulässt. Vielmehr ist nach der Definition des Appellate Body auch auf den konkreten Beitrag („contribution made“) abzustellen. Dieser kann jedoch bei indirekten Maßnahmen viel stärker ausgeprägt sein als bei denjenigen, welche die Rechtsverletzung selbst betreffen. So war die Situation in Südafrika: Durch die Sanktionierung der gut ausgebauten Rüstungs- und Sicherheitsindustrie allein ließ sich keine Veränderung erwirken. Vielmehr musste ergänzend die weiße Bevölkerung die Isolation ihres Landes zu spüren bekommen, damit sie auf eine Kurskorrektur „ihrer“ Regierung hinwirkte. Da die Handelsbeschränkungen allesamt Wirtschaftsbereiche betrafen, von denen vor allem die einflussreiche weiße Elite des Landes profitierte, waren sie geeignet, die empfindliche politische Wirkung zu erzielen. Sie waren auch alternativlos, nachdem alle Appelle zur Beendigung der Apartheid fruchtlos geblieben waren. Berücksichtigt man darüber hinaus, dass die Politik der Apartheid bereits seit Jahrzehnten betrieben wurde und die Maßnahmen dem Leiden der schwarzen Bevölkerung ein Ende bereiten sollten, lassen sich die oben genannten Maßnahmen nicht als unverhältnismäßig qualifizieren.163 Im Ergebnis sind damit auch die indirekten Sanktionsmaßnahmen von Art. XXI lit. b GATT 1947 gedeckt. 4. Südafrikas Einrede der inneren Zuständigkeit gegen Sanktionsbeschlüsse Gegen die Sanktionsforderungen der VN-Organe erhob Südafrika die Einrede seiner inneren Zuständigkeit (domaine reservé) und verwies auf das entsprechende Interventionsverbot der Vereinten Nationen (Art. 2 Nr. 7 SVN).164 Während sich Art. 2 Nr. 7 SVN an die Vereinten Nationen und ihre Organe wendet und keine Grundlage für ein zwischenstaatlich wirkendes Interventionsgebot darstellt, ist jedenfalls auch gewohnheitsrechtlich anerkannt, dass es einzelnen Staaten wie auch mehreren Staaten kollektiv verboten ist, sich in die Angelegenheiten einzumischen, die in die alleinige Zuständigkeit eines anderen Staates fallen.165 Insoweit könnte die Einrede nicht nur den Sanktionen unter VN-Mandat, sondern auch den weiteren als 163 Erasmus, Third States and Sanctions in Public International Law – The Position of South Africa, AVR 1992, S. 128, 144. 164 So beschrieb der südafrikanische Außenminister in einem Brief an den Generalsekretär der Vereinten Nationen die Aktivitäten der Generalversammlung als „flouting the Organization’s own Charter by delving into the domestic affairs of South Africa“, zitiert nach Heunis, United Nations versus South Africa, S. 258. 165 Fischer, in: Ipsen, Völkerrecht, § 59, Rz. 52 f., S. 956 f.; Ress, Das Handelsembargo, S. 16 f.
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sog. Drittrepressalien ergangenen Sanktionen durch die Gemeinschaft entgegengehalten werden. Voraussetzung dafür wäre, dass die Apartheidspolitik Südafrikas eine alleinige Angelegenheit Südafrikas darstellte. Schwierigkeiten bereitet insoweit die Bestimmung des Umfangs des den Staaten vorbehaltenen Bereichs, da es kein präzises und allgemeingültiges Konzept für diesen Begriff gibt.166 So wird zum Beispiel argumentiert, dass es sich um ein relatives Konzept handele, welches sich mit dem Völkerrecht weiterentwickelt,167 was eine nähere Eingrenzung nicht leichter macht. Trotzdem ist längst anerkannt, dass schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen der inneren Zuständigkeit eines Staates entzogen sind,168 weil ihr Schutz eine die Staatengemeinschaft als Ganzes interessierende völkerrechtliche Angelegenheit ist. Dies gilt im Übrigen auch gegenüber Staaten, die sich – wie Südafrika bis zu Beginn der neunziger Jahre – nicht völkervertraglich zum Schutz der Menschenrechte verpflichtet haben.169 Es wäre mit der Satzung der Vereinten Nationen schlechthin nicht zu vereinbaren, systematische Menschenrechtsverletzungen wie die Apartheid als innere Angelegenheit eines Staates zu dulden. Bereits die Präambel geht vom Glauben an die Grundrechte des Menschen und an Würde und Wert der menschlichen Persönlichkeit aus. Nach Art. 1 Ziffer 3 SVN soll es das Ziel der Organisation sein, eine internationale Zusammenarbeit zur Förderung und Festigung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten herbeizuführen. Außerdem werden die VN in Art. 55 SVN auf die allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte festgelegt. Schließlich verpflichten sich die Mitgliedstaaten in Art. 56 SVN gemeinsam und jeder für sich, zu diesem Zweck zusammenzuarbeiten. Folglich können zumindest systematische Menschenrechtsverletzungen, wie die in Südafrika praktizierte Apartheid, nicht „ihrem Wesen nach“ in die Zuständigkeit eines einzelnen Staates fallen.170 Es ist vielmehr die Aufgabe der VN-Organe, derartige Menschenrechtsverstöße als „matter of international concern“ zu behandeln, zumal davon auch eine Friedensbedrohung ausgeht,171 wie die angespannte Situa166 So auch Erasmus, Third States and Sanctions in Public International Law – The Position of South Africa, AVR 1992, S. 137. Zu den verschiedenen Theorien, vergleiche beispielsweise die Darstellung von D’Amato, Domestic Jurisdiction, in: Bernhard (Hrsg.), EPIL, Volume 1, S. 1090 ff. 167 Fischer, in: Ipsen, Völkerrecht, § 59, Rz. 53, S. 957. 168 Nolte, in: Simma, Kommentar, Art. 2 (7), Rz. 61; Doehring, Völkerrecht, Rz. 94, 193; Erasmus, Third States and Sanctions in Public International Law – The Position of South Africa, AVR 1992, S. 136; Stalls, Economic Sanctions, University of Miami – International & Comparative Law Review 2003, S. 115, 139 f. m. w. N. 169 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 265; kritisch: Rumpf, Der internationale Schutz der Menschenrechte und das Interventionsverbot, S. 52 ff. 170 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 265 m. w. N. 171 Wolfrum, Handbuch Vereinte Nationen, S. 382 f.
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tion im gesamten südlichen Afrika unter Beweis stellt. Da sich bereits aus den obigen Ausführungen ergibt, dass die Apartheidspolitik Südafrikas ein schwerwiegender Verstoß gegen fundamentale allgemeine Menschenrechte darstellt und als „erga omnes“ Rechtsverletzung anzusehen ist, kann Südafrika sich gegenüber den Sanktionsmaßnahmen der Europäer nicht mit Erfolg auf die Einrede der inneren Angelegenheiten berufen.172 Die Maßnahmen waren daher mit dem GATT vereinbar. 5. Wirkung der Sanktionsmaßnahmen Inwieweit die Sanktionen tatsächlich Einfluss auf die Überwindung der Apartheid hatten, ist umfassend untersucht worden,173 aber gleichwohl schwer zu beurteilen. Auf Seiten der Gemeinschaft stellte die fehlende Bereitschaft aller Mitgliedstaaten zur vollständigen Umsetzung aller beschlossenen Maßnahmen ihre Effektivität in Frage. Es verblieb den Mitgliedstaaten insoweit ein zu großer Einschätzungsspielraum, der schließlich dazu führte, dass sich die einzelnen Mitgliedstaaten jeweils ihre eigenen Maßnahmenpakete gegenüber Südafrika geschnürt haben.174 Für Südafrika eröffnete sich dadurch die Möglichkeit, die Sanktionen zu umgehen, indem es seine Exporte und Importe über dritte Staaten umleitete.175 Begünstigend kam hinzu, dass die Durchführung, Kontrolle und Reichweite der Einzelmaßnahmen erhebliche Unterschiede aufwies. Ein einheitliches und für alle Staaten verbindliches Vorgehen, wie es von der Europäischen Kommission vorgeschlagen worden war, wäre ohne Zweifel zur Erreichung des Sanktionsziels effektiver gewesen.176 Zum Teil gelang es Südafrika auch, die Sanktionen aus eigener Kraft aufzuwiegen. So verzeichnete das Land 172 So im Ergebnis wohl auch: Fischer, in: Ipsen, Völkerrecht, § 59, Rz. 65, S. 961 f. 173 Vazquez, Trade Sanctions and Human Rights – Past, Present, and Future, JIEL 6 (2003), S. 797, 803; Shepherd (Hrsg.), Effective Sanctions on South Africa, jeweils m. w. N. 174 Siehe dazu den „Bericht des Ausschusses für Außenwirtschaftsbeziehungen über die Inkraftsetzung der wirtschaftsbeschränkenden Maßnahmen gegen die Republik Südafrika durch die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft“ von Simons (PE DOK A 2-151/87), S. 13 ff. Für eine vergleichende Betrachtung der Sanktionsmaßnahmen aller westlichen Staaten, siehe die Darstellung bei Hanlon (Hrsg.), South Africa – The Sanctions Report, S. 5 ff. 175 Dugard, Sanctions against South Africa, in: Orkin (Hrsg.), Sanctions against South Africa, S. 113, 114. So wurden verarbeitete Stahlerzeugnisse vermehrt nach Südostasien exportiert und für den Eisen- und Stahlexport wurden die Türkei und der Nahe und Mittlere Osten erschlossen, siehe Hefeker/Menck, Wie wirkungsvoll sind Sanktionen? Das Beispiel Südafrika, S. 40. 176 Bericht von Simons (PE DOK A 2-151/87), S. 11; Hefeker/Menck, Wie wirkungsvoll sind Sanktionen? Das Beispiel Südafrika, S. 44.
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ein enormes Wachstum in der Rüstungsindustrie, die 1989 ganze 10 Prozent der Industriearbeitsplätze stellte und insgesamt 155.000 Arbeitsplätze bot. Mindestens so effektiv wie die Wirtschaftssanktionen scheinen der Kulturund Sportboykott gewesen zu sein, weil dadurch eine Isolation bewirkt wurde, die in der südafrikanischen Öffentlichkeit zu großer Verärgerung führte. Im Ergebnis wird man gleichwohl nicht behaupten können, dass es die Handelssanktionen waren, welche die südafrikanische Regierung zur Kapitulation zwangen. Die Veränderungen in der weltpolitischen Lage, insbesondere das Ende des Kalten Krieges, Persönlichkeiten wie Nelson Rolihlahla Mandela177 und Desmond Tutu und nicht zuletzt das südafrikanische Volk selbst dürften einen weitaus größeren Beitrag zur Überwindung der Apartheid geleistet haben.
III. Die Neuordnung der Handelsbeziehungen nach dem Ende der Apartheid Mit der Eröffnung des Parlaments am 2. Februar 1990 gab Staatspräsident Frederik Willem de Klerk die Zulassung der schwarzen Befreiungsorganisationen bekannt und kündigte die Freilassung der politischen Gefangenen an. Nelson Rolihlahla Mandela wurde am 11. Februar 1990 nach 27 Jahren Haft als weltweit prominentester politischer Gefangener in die Freiheit entlassen. Mit diesen ersten Schritten wurde ein Prozess in Gang gesetzt, den es auf Seiten der internationalen Gemeinschaft zu unterstützen galt. Noch im selben Monat beschloss der VN-Sicherheitsrat erste Lockerungen seiner Sanktionen. Auf Seiten der EG wurde im Februar 1991 die Aufhebung des Investitionsverbots beschlossen.178 Dem folgten die Beendigung des Importverbots für Goldmünzen (Januar 1992), die Wiederaufnahme der Ölexporte, der kulturellen Beziehungen und des Handels mit paramilitärischen Gütern sowie sensitiver Technologie (April 1992). Schließlich wurde die Kooperation im militärischen (Oktober 1993) und nuklearen Bereich (November 1993) wieder normalisiert. Nachdem am 27. April 1994 die Wahlen zum ersten demokratisch gewählten Nationalparlament stattgefunden hatten und Nelson Rolihlahla Mandela nur zwei Wochen später in sein Amt als Staatspräsident eingeführt worden war, hob der VN-Sicherheitsrat am 26. Mai 1994 mit der Resolution 919 alle gegen Südafrika verhängten Sanktionen auf. Das Ende des Handelsembargos der EG-Mitgliedstaaten gegenüber der Republik Südafrika führte dazu, dass die Handelsfreiheiten des GATT nun177
Mandela, A Long Walk to Freedom. Beschluss des Rates 91/114/EWG vom 25. Februar 1991, Abl. EG Nr. L 59/ 18 vom 06.03.1991. 178
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mehr wieder ihre volle Geltung in den gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen entfalten konnten. Nach Vorstellung der EG-Mitgliedstaaten sollte der bilaterale Handel jedoch darüber hinausgehend ausgebaut werden. Noch am Vorabend des In-Kraft-Tretens des Vertrages über die Europäische Union179 beschloss der Europäische Rat „Allgemeine Leitlinien“, worin er den Ministerrat u. a. aufforderte, zur Unterstützung des Demokratisierungsprozesses in Südafrika Bedingungen und Modalitäten für „gemeinsame Aktionen“ im Sinne von Art. J.3. EUV zu erarbeiten.180 Damit gehörte Südafrika zu den ersten Aktionsfeldern der EU im Rahmen der die EPZ ablösenden Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP).181 Die Leitlinien sahen zum einen die Unterstützung der Wahlen in Südafrika vor, zum anderen die Schaffung eines Kooperationsrahmens zur Stärkung der wirtschaftlichen und sozialen Grundlagen des Übergangs. In Ausführung seines Auftrags beschloss der Rat am 6. Dezember 1993 die Einsetzung eines „Europäischen Wahldienstes“ in Südafrika.182 Mehr Zeit beanspruchte dagegen die Neukonzeption der künftigen Zusammenarbeit im wirtschaftlichen und handelspolitischen Bereich. Hier musste eine Lösung gefunden werden, die mit den Vorschriften des GATT und der in der Gründungsphase befindlichen WTO übereinstimmte. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Gewährung von Handelsvorteilen grundsätzlich dem Meistbegünstigungsprinzip widerspricht, das die GATT-Vertragsparteien/WTO-Mitglieder183 verpflichtet, 179 Vertrag über die Europäische Union vom 7.2.1992, in Kraft getreten am 1.11.1993, BGBl. II S. 1947. 180 Bull. EG 10 (1993), S. 7. 181 Insgesamt definierte der Europäische Rat am 29. Oktober 1993 fünf Bereiche für gemeinsame Aktionen: Mittel- und Osteuropa, den Nahen Osten, Südafrika, das ehemalige Jugoslawien und Russland, Bull. EG 10 (1993), S. 7 ff. Ausführlich zur gemeinsamen Aktion gegenüber Südafrika: Holland, Bridging the Capability-Expectations Gap: A Case Study of the CFSP Joint Action on South Africa, JCMS 33 (1995), S. 555–572. Die GASP löste die seit 1969 geltende und in der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) 1986 erstmals vertraglich verankerte Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) ab. Zur Entwicklungsgeschichte und zu den Neuerungen durch die GASP, siehe Burghardt/Tebbe, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union – Rechtliche Struktur und politischer Prozess, EuR 30 Nr. 1/2 (1995), S. 1–20; Lange, Die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, JZ 1996, S. 442–449; Oppermann, Europarecht, S. 127 f. 182 Beschluss des Rates 93/678/GASP vom 6. Dezember 1993, Abl. EG Nr. L 316/45 vom 17.12.1993; zur EU-Wahlbeobachtung in Südafrika, siehe Holland, Bridging the Capibility-Expectations Gap: A Case Study of the CFSP Joint Action on South Africa, JCMS 33 (1995), S. 555, 562 ff. 183 Da GATT – technisch gesehen – ein Vertrag ist, erfolgt die Referenz zu den Unterzeichnerstaaten als GATT-Vertragsparteien. Die WTO ist hingegen eine Organisation, zu der die Vertragsparteien des GATT im Jahr 1995 Mitglieder wurden. Aus diesem Grund erfolgt die Referenz insoweit als WTO-Mitglieder (und nicht
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alle Vorteile, Vergünstigungen, Vorrechte oder Befreiungen, die für Waren einer Vertragspartei gewährt werden, unverzüglich und bedingungslos für alle gleichartigen Waren zu gewähren, die aus dem Gebiet eines anderen Vertragsstaates stammen.184 Eine bevorzugte Behandlung Südafrikas drohte zu einem Verstoß gegen dieses Diskriminierungsverbot zu führen, wenn es nicht durch einen der Ausnahmetatbestände des GATT gedeckt war. Im Folgenden soll deshalb untersucht werden, welche handelspolitischen Maßnahmen im Einzelnen verfolgt bzw. getroffen wurden und wie sich diese in die Welthandelsordnung einfügten. 1. Südafrikas Aufnahme ins Allgemeine Präferenzsystem der EG Wenige Tage nach Unterzeichnung der Schlussakte der UruguayRunde185 in Marrakesch, Marokko, mit der die Errichtung der WTO zum 1. Januar 1995 besiegelt wurde186 und wenige Tage vor den ersten demokratischen Wahlen in Südafrika genehmigte der Rat im Rahmen der GASP am 19. April 1994 ein erstes Maßnahmenpaket, das u. a. die Einbeziehung der Kaprepublik in das Allgemeine Präferenzsystem (APS) der EG vorsah.187 Dem folgte am 19. August 1994 eine entsprechende Verordnung des EG-Ministerrates, die dafür die erforderliche Grundlage im Gemeinschaftsrecht schaffte.188 Mit diesem Schritt sollte Südafrika in den Genuss einseitiger Zollvorteile kommen, wie sie von der EG ungefähr 130 Staaten gewährt werden, darunter den am wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries, LDCs), den übrigen Entwicklungsländern, den UdSSR-Nachfolgestaaten und einigen unabhängigen Gebieten.189
Mitgliedstaaten, weil auch Staatengemeinschaften – wie die Europäische Gemeinschaft – WTO-Mitglieder sind). 184 GATT 1994, Art. I:1. 185 Die Uruguay-Runde hat ihren Namen von ihrer Eröffnung durch eine Ministerkonferenz in Uruguay; siehe die „Ministererklärung von Punta del Este“ vom 20. September 1986, BISD, 33S (1985–1986), Geneva 1978, 19 ff. bzw. Bull. EG 9 (1986), S. 18 ff. 186 Die Unterzeichnung der Schlussakte der Uruguay-Runde fand am 15. April 1994 nach 7 ½ -jährigen Verhandlungen statt. 187 Bull. EG 4 (1994), S. 76 f. 188 Verordnung (EG) Nr. 2129/94 des Rates vom 19. August 1994, Abl. EG Nr. L 225/1 vom 31.08.1994. 189 Näher Zimmermann, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, Art. 130u, Rz. 33 ff.
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a) Die Rechtsgrundlagen des APS im GATT Bemerkenswert ist, dass für die Praxis der Gewährung einseitiger Handelsvorteile für Entwicklungsländer im Ursprungstext des GATT keine explizite Rechtsgrundlage zu finden ist. Blickt man dagegen in die Havanna Charta aus dem Jahre 1948, die als Gründungsdokument für eine Internationale Handelsorganisation (ITO) gedacht war und umfassende Regelungen zur Gestaltung des Welthandels enthielt, so erkennt man, dass dort eine einseitige Begünstigung der Dritte-Welt-Staaten im Sinne einer positiven Diskriminierung ursprünglich durchaus vorgesehen war.190 Das ambitionierte ITO-Projekt scheiterte bekanntlich an der mangelnden Bereitschaft der den internationalen Warenverkehr dominierenden Industriestaaten, insbesondere der USA, einer umfassenden Regelung des Welthandels durch entsprechende Befugnisse einer internationalen Organisation zuzustimmen. Verabschiedet wurde schließlich lediglich Teil IV der Havanna Charta, das GATT, das die besondere Problemlage der Entwicklungsländer jedoch weitgehend unberücksichtigt ließ. Erst die Abänderung des Art. XVIII im Jahr 1954/55 und das In-KraftTreten des Teils IV des GATT („Handel und Entwicklung“) im Jahr 1966 führten zumindest zu einer programmatischen Anerkennung der Notwendigkeit einer umfassenden Präferenzierung der Entwicklungsländer, die mit der gemeinsamen Verantwortung der Staatengemeinschaft für das soziale and wirtschaftliche Wohlergehen der einzelnen Mitgliedstaaten gerechtfertigt wurde.191 Eine Rechtsgrundlage für die Einführung eines Präferenzsystems war damit aber noch nicht geschaffen. Fortschritte in diesem Bereich erzielten die Entwicklungsländer auf anderer Ebene, nämlich in der 1964 als ständiges Organ der Vereinten Nationen eingerichteten Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD). Auf deren erster Konferenz wurde die Forderung nach Präferenzierung von Importen aus Entwicklungsländern als so genanntes „Achtes Allgemeines Prinzip“ festgehalten.192 Zu einem Kom190
Vgl. Art. 15 Abs. 1 der Havanna-Charta: „The Members recognize that special circumstances, including the need for economic development or reconstruction, may justify new preferential agreements between two or more countries in the interest of the programmes of economic development or reconstruction of one or more of them“. 191 Yusuf, „Differential and More Favourable Treatment“: The GATT Enabling Clause, JWT 14 (1980), S. 488, 492. 192 Die Formulierung dieses Prinzips lautet wie folgt (Principle 8 of Recommendation A.I.1 in Final Act of the First United Nations Conference on Trade and Development, Geneva: UNCTAD, Doc/E/CONF.46/141, 1964, Vol. 1, S. 20): „International trade should be conducted to mutual advantage on the basis of the most-favoured-nation treatment and should be free from measures detrimental to the trading interests of other countries. However, developed countries should
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promiss mit den Industriestaaten kam es jedoch erst auf der zweiten UNCTAD-Konferenz in Neu Dehli 1968. Allerdings zeigt der Wortlaut des Textes ganz deutlich, dass die Industriestaaten die Gewährung von Handelspräferenzen nur als zeitlich befristetes Instrument, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und nur als Ausnahme zum GATT zulassen wollten.193 In diesem Sinne wurde sodann 1971 im Rahmen des GATT ein auf zehn Jahre befristeter „waiver“ nach Art. XXV (sog. „GSP-Decision“)194 gewährt, der die entsprechende allgemeine Ausnahmegenehmigung vom Meistbegünstigungsprinzip zugunsten von Entwicklungsländern vorsah.195 Auf dieser Grundlage führte die EG ihr erstes auf zehn Jahre befristetes allgemeines Präferenzschema zugunsten der Entwicklungsländer zum 1.7.1971 ein.196 Der waiver blieb jedoch eine Behelfslösung, da er angesichts seines temporären Charakters mit erheblicher Rechtsunsicherheit verbunden war. Eine strukturelle Verbesserung der Rechtsordnung des GATT konnte schließlich mit der „enabling clause“ erzielt werden, die von den Vertragsgrant concessions to all developing countries and extend to developing countries all concessions they grant to one another and should not, in granting these or other concessions, require any concessions in return from developing countries. New preferential concessions, both tariff and non-tariff, should be made to developing countries as a whole and such preferences should not be extended to developed countries. Developing countries need not extend to developed countries preferencial treatment in operation amongst them. Special preferences at present enjoyed by certain developing countries in certain developed countries should be regarded as transitional and subject to progressive reduction. They should be eliminated as and when effective international measures guaranteeing at least equivalent advantages to the countries concerned come into operation“. 193 Siehe Teil IX Abs. 2 der „Agreed Conclusions“, UNCTAD Proceedings, Second Session, Vol. I Report and Annexes, 1968, S. 38: „The Special Commitee takes note of the statement by the preference-giving countries that the legal status of the tariff preferences to be accorded to the beneficiary countries by each preference-giving country individually will be governed by the following considerations: a) The tariff preferences are temporary in nature. b) Their grant does not constitute a binding commitment and, in particular, it does not in any way prevent: i) their subsequent withdrawal in whole or in part; ii) the subsequent reduction of tariffs on a most favoured-nation basis, whether unilaterally or following international tariff negotiations. c) Their grant is conditional upon the necessary waiver or waivers in request of existing international obligations, in particular in the General Agreement on Tariffs and Trade“. 194 Bartels, The WTO enabling clause and positive conditionality in the European Community’s GSP Program, JIEL 6 (2003), S. 507, 511. 195 GATT, BISD 18. Supp. 24 (1972). Dazu: Espiell, GATT: Accomodating Generalized Preferences, JWT 8 (1974), S. 341. 196 Abl. EG Nr. L 142/1 vom 28.6.1971.
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parteien als Ergebnis der Tokio-Runde mit Beschluss vom 28.11.1979 eingeführt wurde.197 Sie etablierte zum Zwecke der Präferenzierung der Entwicklungsländer im Welthandel eine allgemeine Ausnahme von der Meistbegünstigungsverpflichtung. Der insoweit entscheidende Art. 1 lautet: „1. Notwithstanding the provisions of Article I of the General Agreement, contracting parties may accord differential and more favourable treatment to developing countries, without according such treatment to other contracting parties“.
Die Ermächtigungsklausel bildet seither die Grundlage für alle APS der GATT-Vertragsparteien zugunsten von Entwicklungsländern.198 Auf ihrer Grundlage konnte bereits das zweite EG-Präferenzschema aus dem Jahre 1980 eingeführt werden,199 das bis in das Jahr 1990 Bestand hatte. Im Anschluss daran bildeten vier weitere Verordnungen die gemeinschaftsrechtliche Basis für die zu gewährenden Handelsvorteile im gewerblichen200 und landwirtschaftlichen Bereich201, im Textilsektor202 und für den Güterverkehr im Bereich Kohle und Stahl.203 Diese Verordnungen waren jeweils noch in Kraft, als Südafrika im April 1994 in das APS der EG aufgenommen wurde. Doch bereits zum 1. Januar 1995 sollte ein neues völlig umstrukturiertes APS in Kraft treten. Der Auslöser für die Reform des APS war die Erkenntnis, dass im Jahr 1992 fast 70 Prozent der Präferenzeinfuhren in die Europäische Gemeinschaft204 aus den vergleichsweise wettbe197
Text der Entscheidung: L/4903, BISD 26S/203, vorhanden unter http:// www.wto.org/english/docs_e/legal_e/prewto_legal_e.htm. Dazu: Yusuf, „Differential and More Favourable Treatment“: The GATT Enabling Clause, JWT 14 (1980), S. 488–507; Jackson, The World Trading System, S. 322 ff. 198 Allerdings ist ihr rechtlicher Status unklar. Es dürfte sich wohl um keinen „waiver“ im Sinne von Art. XXV:5 GATT handeln, auf den die Ermächtigungsklausel auch nicht verweist. Vielmehr wird davon auszugehen sein, dass es sich dabei um eine der „anderen Entscheidungen“ der Vertragsparteien handelt, auf die der Anhang 1A Abs. 1 lit. b (iv) verweist, welcher das GATT 1994 in die WTO-Vereinbarung überführt. Es dürfte sich also um ein „Instrument“ handeln, das Teil des GATT 1994 ist. Vgl. dazu auch Bartels, The WTO enabling clause and positive conditionality in the European Community’s GSP Program, JIEL 6 (2003), S. 507, 514 ff. 199 Abl. EG Nr. L 354/1 vom 29.12.1980. 200 Verordnung (EG) Nr. 3831/90 vom 20.12.1990 Abl. EG Nr. L 370/1 vom 31.12.1990. 201 Verordnung (EG) Nr. 3833/90 vom 20.12.1990, Abl. EG Nr. L 370/86 vom 31.12.1990. 202 Verordnung (EG) Nr. 3832/90 vom 20.12.1990, Abl. EG Nr. L 370/39 vom 31.12.1990. 203 Beschluss 90/672/EGKS, Abl. EG Nr. L 370/133 vom 31.12.1990. 204 In dieser Arbeit wird der Terminus Europäische Gemeinschaft benutzt, da die drei Gemeinschaften (EG, EGKS und EAG) zum hier relevanten Zeitpunkt noch nicht verschmolzen waren. Auch der Begriff Europäische Union wäre nicht richtig gewesen, denn der EU-Vertrag sieht in Art. M vor, dass – abgesehen von den im
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werbsfähigen Ländern Asien gekommen waren, während der Anteil der Einfuhren aus den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs) konstant niedrig geblieben war und 1992 lediglich 1,2 Prozent der Gesamteinfuhren aus den begünstigten Ländern sowie einen Anteil von 1,7 Prozent an den APS-Vorteilen erreichte. Hinzu kam, dass die am wenigsten entwickelten Länder die APS-Vorteile im selben Jahr nur zu 51,6 Prozent in Anspruch zu nehmen vermochten.205 Neben der verbesserten Einbeziehung der LDCs in den europäischen Handel ging es bei der APS-Reform aber sicher auch um die Sicherung der Außenwirtschaftsinteressen der Gemeinschaft gegenüber dem asiatischen Raum.206 aa) Südafrika – ein „Entwicklungsland“? Grundvoraussetzung für die bevorzugte Behandlung Südafrikas im Sinne der Ermächtigungsklausel ist, dass es als „Entwicklungsland“ eingestuft werden kann. Zwar wird das Land im WTO Jahresbericht als Entwicklungsland bezeichnet.207 Jedoch kann dieser Verlautbarung kein konstitutives Element entnommen werden, da die Welthandelsorganisation nicht über die Kompetenz verfügt, einem Staat einen entsprechenden Status an- oder abzuerkennen. Vielmehr sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Status eines Entwicklungslandes in der WTO zu ermitteln. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass sich Südafrika zu Apartheidzeiten immer als Industriestaat im Sinne des GATT gesehen hat.208 Darüber hinaus nimmt das Land bis heute keine den Entwicklungsländern zustehenden Präferenzen für sich in Anspruch. Die Kaprepublik versteht sich zwar durchaus als Anwalt der InteresUnionsvertrag selbst vorgesehenen Änderungen – die Gemeinschaftsverträge unberührt bleiben. Zudem bestimmt Art. A Abs. 3 Satz 1 EU-Vertrag: „Grundlage der Union sind die Europäischen Gemeinschaften, ergänzt durch die in diesem Vertrag eingeführten Politiken und Formen der Zusammenarbeit“. Bei den neuen Politiken handelt es sich um die Außen- und Sicherheitspolitik (GASP), die Wirtschafts- und Währungspolitik und die gemeinsame Politik auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit. Die Zusammenarbeit besteht in den Bereichen Justiz und Inneres. Zur Fragestellung „Europäische Union oder Europäische Gemeinschaften“, siehe Streinz, Die Europäische Union nach dem Vertrag von Maastricht, Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht 1995, S. 1 ff.; Bogdandy/Nettesheim, Die Verschmelzung der Europäischen Gemeinschaften in der Europäischen Union, NJW 1995, S. 2324 ff.; Dörr, Noch einmal: Die Europäische Union und die Europäischen Gemeinschaften, NJW 1995, S. 3162. 205 Mitteilung der Kommission für den Rat und das Parlament, „Mittel und Wege zur besseren Integration der Entwicklungsländer in den Welthandel – Die Rolle des APS in dem Jahrzehnt 1995–2004“, KOM (94) 212, S. 4. 206 Hilpold, Das neue Allgemeine Präferenzschema der EU, EuR 1996, S. 98, 105. 207 WTO Annual Report 2003, S. 15.
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sen der Staaten Afrikas,209 ist sich aber gleichzeitig auch der Vorteile im Hinblick auf seine wirtschaftliche Lage bewusst. In der Tat ist das per capita Einkommen in Südafrika höher als das der meisten Entwicklungsländer. Andererseits ist zu bedenken, dass es sehr große Entwicklungsunterschiede innerhalb der südafrikanischen Bevölkerung gibt, denen eine auf das per capita Einkommen beschränkte Betrachtungsweise nicht gerecht wird. Darüber hinaus erscheint eine einheitliche und trennscharfe Definition angesichts der Heterogenität der gemeinhin als Entwicklungsländer bezeichneten Staaten ohnehin kaum möglich.210 Schließlich enthält die „enabling clause“ keine Kriterien dafür, wann einem Land dieser Status zuerkannt werden kann.211 Die sehr weite Definition für Entwicklungsländer in Art. XVIII:4 GATT 1994, die als Merkmal „eine Wirtschaft, die nur einen niedrigen Lebensstandard zulässt und sich in den Anfangsstadien der Entwicklung befindet“ nennt,212 hilft kaum weiter. Zwar wurde diese Definition noch ergänzt durch die Anmerkungen und ergänzenden Erklärungen in Anhang 1 zum GATT, welche klarstellen, dass nur die „normale Lage der Wirtschaft“ und nicht etwa außergewöhnliche Umstände zu berücksichtigen sind und dass das Anfangsstadium der Entwicklung nicht nur Vertragsparteien umfasst, die ihre wirtschaftliche Entwicklung gerade begonnen haben, sondern auch Vertragsparteien, die ihre Wirtschaft industrialisieren, um eine übermäßige Abhängigkeit von der Grundstoffproduktion zu beseitigen.213 Dennoch bietet diese Definition keine ausreichend fassbaren Kriterien, da unklar bleibt, wann man von einem niedrigen Lebensstandard sprechen kann und unter welchen Umständen eine Wirtschaft sich erst in ihren Anfängen befindet. Zu Recht wird die Definition in der Literatur daher als wenig handhabbar kritisiert und hat sich auch in der praktischen Anwendung als problematisch erwiesen.214 Versucht man diese Definition dennoch auf Südafrika an208 van Heerden, Opening Remarks, in: Konrad Adenauer Stiftung (Hrsg.), Seminarreport – South African Business and the European Union in the Context of the New Trade and Development Agreement, S. 11. 209 So z. B. Südafrikas Vorreiterrolle in „The New Partnership for Africa’s Development“ (NEPAD), siehe dazu http://www.nepad.org. 210 Petersmann, Die Dritte Welt und das Wirtschaftsvölkerrecht, ZaöRV 36 (1976), S. 492, 543 ff.; Betz, in: Wolfrum (Hrsg.), Handbuch Vereinte Nationen, S. 123 ff. 211 Vgl. dazu auch die weiteren Ausführungen von Ng’ong’ola, The Reconstitution of the Southern African Development Community: Some International Trade Law Perspectives, SALJ 117 (2000), S. 256, 262. 212 „Economies of which can only support low standards of living and are in the early stages of development“. 213 Anlage 1, zu Art. XVIII, Absätze 1 und 4, Nr 1 und 2. 214 Verdirame, Definition of Developing Countries under Gatt and other International Law, GJIL 39 (1996), S. 164, 176 m. w. N.
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zuwenden, so erscheint höchst fraglich, ob Südafrikas Wirtschaft sich tatsächlich in den Anfangsstadien ihrer Entwicklung befand und dadurch nur ein niedriger Lebensstandard zu verzeichnen war. Auch wenn man vielleicht noch davon sprechen könnte, dass Südafrika sich – zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Anwendung der Ermächtigungsklausel durch die EG – noch im Transformationsprozess befand, dürfte dies nicht ausreichen, um die o. g. Kriterien zu bejahen. In der Völkerrechtspraxis hat der Rechtsbegriff „developing country“ keine klaren Konturen gefunden und wird daher meist flexibel angewandt.215 Versuche, einheitliche Kriterien zu entwickeln, gab es bislang nur im Hinblick auf die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder. Im Rahmen der Vereinten Nationen erfolgt die Bestimmung der Listen der LDC aufgrund expliziter vom Ausschuss für Entwicklungsplanung (Committee for Development Planning, CDP) vorgeschlagener und von der Generalversammlung zu billigender Kriterien. Bei Einführung der auch von der OECD übernommenen Liste216 wurden als Beurteilungsgrundlagen zunächst das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung (nicht mehr als $100), der Anteil der Industrieproduktion am Bruttoinlandsprodukt (nicht mehr als 10 Prozent) und die Alphabetenquote der Bevölkerung über 15 Jahre (nicht mehr als 20 Prozent) herangezogen. Doch schon bald musste das CDP einräumen, dass diese Kriterien weder zuverlässig noch ausreichend sind.217 Dies lag zum einen an dem unzureichenden statistischen Material über manche Entwicklungsländer.218 Zum anderen zeigte es sich schnell, dass diese Kriterien bestimmten Aspekten von Entwicklung keine Rechnung trugen (z. B. dem sozialen Kontext, wirtschaftlichen Entwicklungen etc.), und nicht strikt219 und gleichzeitig flexibel220 genug in der Anwendung waren. Schließlich ersetzte das CDP die ursprünglichen Kriterien im Jahre 1991 durch neue Merkmale,221 die den sozialen Aspekt der Ent215 Petersmann, Die Dritte Welt und das Wirtschaftsvölkerrecht – Entwicklungsland als privilegierter Rechtsstatus, ZaöRV 36 (1976), S. 492, 543 m. w. N. 216 Vgl. Les pays moins dévelopés, definition et liste (Paris 1967). 217 Bericht des Committee for Development Planning, 7th session, Official Records of the Economic and Social Council, UN Doc. E/4990, Supp. 7 Ziffer 47 (22 March 1971–1. April 1971). 218 Petersmann, Die Dritte Welt und das Wirtschaftsvölkerrecht – Entwicklungsland als privilegierter Rechtsstatus, ZaöRV 36 (1976), S. 492, 546. 219 Strikt in dem Sinne, dass sie eine zweifelsfreie unmittelbare Zuordnung zulassen. 220 Flexibel in dem Sinne, dass auch Besonderheiten einzelner Länder Berücksichtigung finden können. 221 Bericht des Committee for Development Planing, 27th session, UN Doc. E/ 1991/32, Ziffern 215–259 (April 1991). Die Generalversammlung stimmte der Empfehlung des CDP zu, GA Res. 46/206 vom 20. Dezember 1991.
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wicklung mehr in den Vordergrund rückten.222 Als die VN-Kriterien im Mai 1997 auf die Liste der WTO-Mitglieder angewandt wurde,223 erfolgte die Kategorisierung nicht nur im Hinblick auf die LDCs, sondern auch die Entwicklungsländer, die Länder im Östlichen Europa und die entwickelten marktwirtschaftlichen Länder („developed market economy countries“). Interessanterweise gehörte Südafrika seit Beginn dieser Kategorisierung als einziges afrikanisches Land zur letztgenannten Länder-Kategorie,224 was gegen die Annahme spricht, dass Südafrika ein Entwicklungsland ist und unter der Ermächtigungsklausel bevorzugte Behandlung genießen darf. Ganz andere Kriterien verwendet die der Weltbank angegliederte Internationale Entwicklungsorganisation (IDA), die an „less developed areas“ Kredite vergibt. Ausgangspunkt ist zwar auch dort das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung. Hinzu kommen aber die Bevölkerungsgröße, die eingeschränkte Kreditwürdigkeit des Empfängerlandes auf den konventionellen Finanzmärkten, dessen wirtschaftliche Leistungskraft einschließlich seiner Fähigkeit, Ressourcen effektiv zu nutzen, sowie die Verfügbarkeit geeigneter Projekte.225 Gerade die letztgenannten Kriterien geben der IDA jedoch einen erheblichen Entscheidungsspielraum bei der Auswahl der Empfängerländer, was letztendlich zulasten der Objektivität und Einheitlichkeit in der Einordnung von Ländern führt. Abgesehen davon, dass es auch insoweit vor allem um die Identifizierung von LDCs geht, dürfte die Anwendung dieser Kriterien auf Südafrika kein anderes Bild als die o. g. Einstufung anhand der VN-Kriterien geben und damit die Zweifel daran er222 In den neuen Merkmalen wurde das Pro-Kopf BIP beibehalten und durch den Augmented Physical Quality of Life Index (APQLI) und den Economic Diversification Index (EDI) ergänzt. Der APQLI setzt sich aus vier Indizes zusammen: die Lebenserwartung, die Pro-Kopf-Kalorien-Versorgung, die kombinierte Anmeldungsrate für Grund- und Sekundarschulen und die Alphabetisierungsrate unter den Erwachsenen. Der EDI quantifiziert die strukturellen Schwächen einer Volkswirtschaft: Er enthält den Anteil des verarbeitenden Gewerbes am Bruttosozialprodukt, den Anteil der Beschäftigung in der Industrie, den Pro-Kopf Verbrauch an Elektrizität und die Exportrate. Im Ergebnis stellt der APQLI Gesundheit und Bildung in den Vordergrund, während der EDI die wirtschaftlichen Kriterien detaillierter und umfangreicher abbildet als dies vorher der Fall war. Zum Ganzen: Verdirame, The Definition of Developing Countries under GATT and other International Law, GJIL 39 (1996), S. 164, 181 ff. 223 Ng’ong’ola, The Reconstitution of the South African Development Community: Some International Trade Law Perspectives, SALJ 117 (2000), S. 256, 263. 224 Ng’ong’ola, The World Trade Legal Order and Developing Countries: An Assessment of Important Concessions and Commitments, with Special Reference to Sub-Saharan Africa, AJICL 1999, S. 14, 24 und 50. Für die neueste Liste aus dem Jahr 2002, siehe United Nations, The Least Developed Countries, Report 2002 (UNCTAD/LDC/2002), S. 244. 225 World Bank, IDA in Retrospect: The First Two Decades of the IDA, 1982, S. 22, World Bank, The World Bank Anual Reports.
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härten, dass Südafrika als Entwicklungsland im Sinne der Ermächtigungsklausel bezeichnet werden kann. Als weitere Methode zur Einstufung von Ländern ist schließlich noch das Prinzip der „Selbstbenennung“ („self-selection“) zu nennen, auf das man sich bei der 2. UNCTAD Konferenz in Neu Dehli im Oktober 1970 im Rahmen der „Agreed Conclusions“ schließlich einigte, um der Schwierigkeit einer Zuordnung von Ländern als Entwicklungsländer für das Allgemeine Präferenzsystem zu begegnen.226 Dieses Prinzip besagt in der Theorie, dass die Entwicklungsländer selbst wählen können, ob sie als Entwicklungsländer angesehen werden wollen. Die „self-selection“ wird grundsätzlich auch unter der Ermächtigungsklausel angewendet.227 Allerdings verfügen die Geberländer über ein Vorbehaltsrecht,228 d. h. sie sind nicht gezwungen, auf entsprechende deklaratorische Festlegungen seitens der Entwicklungsländer mit einer Aufnahme in ihr jeweiliges Präferenzsystem zu reagieren. Dies ist gleichzeitig auch die Schwachstelle des Systems: Da die Letztentscheidungsbefugnis faktisch bei den Geberländern verbleibt, hat das Selbstwahlrecht im Nord-Süd-Handel kaum praktische Bedeutung erlangt. Es stellt sich sogar die Frage, ob es von den Industrieländern überhaupt in irgendeiner Weise respektiert wird, da nirgendwo ausdrücklich darauf Bezug genommen wird. Die je nach Geberland unterschiedlichen Länderlisten zeigen, dass der privilegierte Präferenzstatus noch nicht allein durch die Selbstwahl, sondern erst durch dessen Anerkennung seitens der Präferenz gewährenden Länder erworben wird.229 So legt beispielsweise das amerikanische Außenhandelsgesetz einseitig Aufnahmekriterien für das APS der USA fest230 und die von der Europäischen Gemeinschaft mit Handelspräferenzen bedachten Länder werden in Listen auf dem Verordnungswege ebenfalls ohne jegliches Votum der betroffenen Entwicklungsländer bekannt gegeben. Diese Schwachstelle zeigt sich auch am Beispiel Südafrikas. Obwohl sich Südafrika im GATT 1947 immer als Industriestaat bezeichnet hatte und sich auch nicht nach dem Prinzip der „self-selection“ ausdrücklich um die Anwendung der Ermächtigungsklausel bemüht hat, wurde es dennoch von der Europäischen Gemeinschaft in das APS aufgenommen. Die Kommis226 Verdirame, The Definition of Developing Countries under GATT and other International Law, GJIL 39 (1996), S. 164, 189. 227 Hilpold, Das neue Allgemeine Präferenzschema der EU, EuR 1996, S. 98, 109. 228 Petersmann, Die Dritte Welt und das Wirtschaftsvölkerrecht – Entwicklungsland als privilegierter Rechtsstatus, ZaöRV 36 (1976), S. 492, 547 f. 229 Petersmann, Die Dritte Welt und das Wirtschaftsvölkerrecht – Entwicklungsland als privilegierter Rechtsstatus, ZaöRV 36 (1976), S. 492, 548. 230 Section 502, United States Trade Act (1974).
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sion, die den Vorschlag machte, Südafrika zumindest vorübergehend in das APS aufzunehmen, hielt es in diesem Zusammenhang nicht einmal für erforderlich zu prüfen, ob überhaupt irgendwelche Kriterien dafür sprechen, Südafrika den Status eines Entwicklungslandes zuzuerkennen. Indem sie diese Frage ausdrücklich offen ließ, sah sie sich offenbar auch in keinen Widerspruch zum GATT/WTO-Recht: „Die Frage, ob Südafrika ein entwickeltes, ein Entwicklungs- oder ein Reformland ist, sollte daher zum jetzigen Zeitpunkt außer acht gelassen werden, obwohl ein bilaterales Abkommen bzw. die Bestandteile des anfänglichen Maßnahmenpakets mit den GATT-Pflichten der EU und Südafrikas sowie mit ihren jeweiligen, im Rahmen der Uruguay-Runde gemachten Zusagen vereinbar sein sollten“.231
Der Rat stellte in seiner Verordnung 2129/94 hingegen auf den Entwicklungsstand Südafrikas ab, allerdings ohne diesen näher qualitativ zu ermitteln, sondern lediglich mit der nicht weiter substanziierten Behauptung, dieser habe sich verschlechtert: „Der Entwicklungsstand Südafrikas und die Verschlechterung seiner Wirtschaftslage rechtfertigen die Gewährung allgemeiner Präferenzen, um durch eine Steigerung der Exporte des Landes seine wirtschaftliche Entwicklung zu fördern, den Industrialisierungsprozess zu beschleunigen und die Wachstumsrate zu erhöhen“.232
Im Ergebnis zeigt sich damit, dass die „self selection“ ohne praktische Konsequenzen ist, da die Geber de facto allein das Wahlrecht über das „ob“ der Teilhabe am APS ausüben. Dabei lassen sie sich in ihrem Entscheidungsprozess häufig nicht nur von objektiven Kriterien zum Entwicklungsstand des zu begünstigenden Landes, sondern auch von politischen Erwägungen leiten. Letztere spielten für die Aufnahme Südafrikas in das APS der EG eine besondere Rolle, denn es war den europäischen Staaten daran gelegen, den friedlichen Übergang am Kap durch Öffnung der eigenen Märkte zu unterstützen. Damit wurde Südafrika bezogen auf das APS der EG faktisch der Status eines Entwicklungslandes zugestanden, den es de jure nicht hatte. bb) Die Anwendung des APS der EG auf Südafrika Die Frage, inwieweit Südafrika von den Verordnungen aus dem Jahre 1990 profitieren sollte, war – trotz des gemeinsamen Ziels der Unterstützung des friedlichen Übergangs am Kap – gleichwohl zum Gegenstand kontroverser Debatten unter den EG-Mitgliedstaaten geworden.233 Auch die 231
KOM(1994) 123, vom 06.04.1994, S. 1. Verordnung (EG) Nr. 2129/94 vom 19. August 1994 Abl. EG Nr. L 225 vom 31.8.1994. 232
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Kommission, die als langfristige Grundlage der bilateralen Beziehungen von Anfang an ein umfassendes Handelsabkommen anstrebte, wollte ihre Verhandlungsposition nicht durch ein APS-Angebot präjudiziert wissen. Zudem galt es, bei der Präferenzierung Südafrikas die Interessen der übrigen Länder im südlichen Afrika im Blick zu behalten.234 Andererseits waren schnell greifende Interimsmaßnahmen nötig, um die aus den Wahlen Ende April 1994 hervorgehende neue südafrikanische Regierung bei ihren Bemühungen um Konsolidierung der wirtschaftlichen Situation kurzfristig mit einem verbesserten Marktzugang zu unterstützen. Gerade dafür bot sich das APS an, da es den Vorteil hatte, ohne langwierige Verhandlungen durch einseitigen Rechtsakt des Rates ad hoc auf Südafrika übertragbar zu sein. Im Vergleich zu den übrigen vom APS der EG profitierenden Ländern gehörte Südafrika allerdings zu den wirtschaftlich fortgeschritteneren Handelspartnern, so dass sich der Rat im ersten Anlauf nur zur Übertragung der Präferenzen für gewerbliche Waren entschließen konnte.235 Die zu diesem Zweck am 3. September 1994 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 2129/ 94 war nur kurzzeitig gültig. Bereits zum 1. Januar 1995 trat ein neues APS der EG in Kraft,236 das im Zusammenhang mit der GATT-UruguayRunde zu sehen war, deren umfangreiche Zollsenkungen durch die Verordnung weder verstärkt noch unterlaufen werden sollten.237 Auch im neuen APS zählte Südafrika zu den begünstigten Ländern, wobei das neue Schema eine Reihe von Änderungen mit sich brachte.238
233 Driessen, On Very Sensitive Cauliflowers and the (P)Re-Cooked EU Agricultural Generalised Scheme of Preferences, JWT 30 (1996), S. 169, 173. 234 KOM(1994) 123, S. 1. 235 Siehe Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2129/94 des Rates vom 19. August 1994, Abl. EG Nr. L 225/1 vom 31.8.1994. 236 Verordnung (EG) Nr. 3281/94 des Rates vom 19. Dezember 1994 über ein Mehrjahresschema allgemeiner Zollpräferenzen für bestimmte gewerbliche Waren mit Ursprung in Entwicklungsländern für den Zeitraum 1995–1998, Abl. EG Nr. L 348/1 vom 31.12.1994. Die bisher unter den EGKS-Vertrag fallenden Waren wurden erstmals in das gewerblich-industrielle Schema integriert, vgl. Art. 4 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3281/94. 237 Friedrich, Allgemeine EG-Zollpräferenzen für Entwicklungsländer, RIW 1995, S. 315, 316. Hilpold bezeichnet diesen Zusammenhang auch als den „Vorbehalt der globalen Neutralität“, siehe: Das neue Allgemeine Präferenzsystem der EU, EuR 1996, S. 98, 111. 238 Auch das „neue“ APS von 1995 wurde zwischenzeitlich abgelöst durch die Verordnung (EG) Nr. 2501/2001 vom 10. Dezember 2001 (Abl. EG Nr. L 346/1, vom 31.12.2001), welche Regelungen für ein neues APS für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2004 enthält. Da dieses jedoch nicht mehr im Verhältnis zu Südafrika relevant wurde, wird auf die Änderungen insoweit nur in den Fußnoten hingewiesen.
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(1) Der Warenempfindlichkeitskatalog Konzeptionell bedeutete das neue Allgemeine Präferenzschema eine Abkehr von der bis dahin geltenden Kontingentierung zollfreier Einfuhren.239 Stattdessen wurden die begünstigten Warengruppen nach dem Grad der Wettbewerbsfähigkeit der gemeinschaftlichen Wirtschaftszweige („Empfindlichkeit“) in vier Gruppen unterteilt,240 wobei jeder Gruppe ein eigener Rabatt zu dem im Rahmen des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) vorgesehenen Satz zugeordnet ist. Danach genießen „sehr empfindliche Waren“241 (u. a. Seide, Wolle, verschiedene Gewebe, Bekleidung und Ferrolegierungen) einen Zollrabatt von 15 Prozent, „empfindliche Waren“242 (u. a. chemische Produkte unterschiedlichster Art, bestimmte Papier- und Holzprodukte, Keramik, Schuhe und verschiedene Elektroartikel) 30 Prozent, „halbempfindliche Waren“243 (z. B. bestimmte chemische Produkte, Lederprodukte und Glaswaren) 35 Prozent und „nichtempfindliche Waren“244 (u. a. Zement, Pharmazeutika, Düngemittel, Pelzfelle, Holz und Holzwaren) 100 Prozent. Die am wenigsten entwickelten Länder profitieren wie bisher auch schon von einer vollständigen Aussetzung der Zölle auf APS-Waren.245 Unter diesem neuen APS konnte Südafrika erstmals die Standardvergünstigungen im gewerblich-industriellen Sektor für sich in Anspruch nehmen. Da viele seine Hauptexportgüter (z. B. Textilien) im Warenempfindlichkeitskatalog der Verordnung 3281/94 ganz oben angesiedelt waren, hielt sich der aus dem gewerblichen APS erwachsende Vorteil jedoch in Grenzen.
239
Hilpold, Das neue Allgemeine Präferenzschema der EU, EuR 1996, S. 98,
106. 240
Das APS 2001 sieht im Gegensatz dazu nur noch eine Staffelung zwischen zwei Warenkategorien (empfindlich und nichtempfindlich) vor. Nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung werden die Zollsätze für die Waren, die im Anhang IV als nichtempfindlich eingestuft werden, vollständig ausgesetzt, mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Bestandteile. Für Waren, die in Anhang IV als empfindlich eingestuft sind, werden die Wertzollsätze um 3,5 Prozentpunkte herabgesetzt, wobei für Waren der Kapitel 50 bis 63 die Herabsetzung 20 Prozent beträgt (Art. 7 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2501/2001). 241 Siehe Art. 2 Abs. 1 sowie Anhang I, Teil 1 der Verordnung (EG) Nr. 3281/94. 242 Siehe Art. 2 Abs. 2 sowie Anhang I, Teil 2 der Verordnung (EG) Nr. 3281/94. 243 Siehe Art. 2 Abs. 3 sowie Anhang I, Teil 3 der Verordnung (EG) Nr. 3281/94. 244 Siehe Art. 2 Abs. 4 sowie Anhang I, Teil 4 der Verordnung (EG) Nr. 3281/94. 245 Siehe Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Anhang IV der Verordnung (EG) Nr. 3281/94; gleiches gilt nach dem APS 2001, da in Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 2501/2001 eine Sonderregelung zur Aussetzung der Zölle auf APS-Waren für die am wenigsten entwickelten Länder getroffen wurde.
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(2) Der Graduierungsgrundsatz Eine weitere Neuerung des APS war die Einführung des Graduierungsgrundsatzes.246 Er sieht vor, dass ein Land, das in einem bestimmten Sektor einen hohen Entwicklungsstand erreicht hat, diesbezüglich aus dem Präferenzsystem ausgeschlossen werden kann, wobei dessen Präferenzspannen in einem solchen Fall auf die weniger entwickelten Länder übertragen werden.247 Damit trägt der Graduierungsgrundsatz vor allem dem Umstand Rechnung, dass aufgrund der fehlenden klaren Unterscheidungsmerkmale für den Entwicklungsstand eines Landes die Staatenkategorie der Entwicklungsländer äußerst heterogen ist und nicht alle Entwicklungsländer in allen Sektoren gleichermaßen auf einen bevorzugten Marktzugang angewiesen sind. Zur Bewertung der sektorbezogenen Wirtschaftskraft der APS-Länder kommen zwei Kriterien kombiniert zur Anwendung: der Entwicklungsindex und der Spezialisierungsgrad. Die Quantifizierung des Entwicklungsniveaus erfolgt, indem das Pro-Kopf-Einkommen und der Umfang der Exporte von Fertigwaren des betreffenden Landes in Relation zu den entsprechenden Zahlen der Gemeinschaft gestellt werden.248 Dagegen drückt der Spezialisierungsindex das Ausmaß aus, zu dem sich ein APS-Land innerhalb der Gesamtimporte in die Gemeinschaft auf einzelne Sektoren spezialisiert hat.249 Der Ausschlussmechanismus erfolgt dann nach dem Kriterium Land/Sektor. Darüber hinaus enthält Art. 5 der Verordnung 3281/94 bestimmte Modifizierungen des Staffelungsmechanismus, welche teilweise als „Solidaritätsmechanismus“ bezeichnet werden:250 Danach gilt der Staffelungsmechanismus nach Art. 5 Abs. 1 der Verordnung 3281/94 auch für begünstigte Länder, deren Exporte in die EG in einem bestimmten Warensektor ein Viertel der vergleichbaren Gesamtexporte aller begünstigten Länder in die EG übersteigen. Damit können in Ausnahmefällen Exporte aus einem sektoral leistungsfähigen Entwicklungsland in die EG zulasten ande246 Der Graduierungsgrundsatz gilt auch nach dem APS 2001 weiter, wobei die Bestimmung über die Graduierung von Sektoren einmal jährlich angewandt wird und eine Graduierung von Sektoren erst dann erfolgen soll, wenn die maßgeblichen Kriterien für die Graduierung drei Jahre lang hintereinander erfüllt sind, vergleiche Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 2501/2001. 247 Siehe Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 3281/94. 248 Zur Berechnung des Entwicklungsindex, siehe: Anhang II, Teil 2, Nr. I der Verordnung (EG) Nr. 3281/94. 249 Zum Spezialisierungsindex, siehe Anhang II, Teil 2, Nr. II der Verordnung (EG) Nr. 3281/94. 250 Friedrich, Allgemeine EG-Zollpräferenzen für Entwicklungsländer, RIW 1995, S. 315, 318; Waer/Driessen, The New European Union Generalised System of Preferences – A Workable Compromise in the EU – but a Better Deal for Developing Countries? JWT 29 (1995), S. 97, 111.
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rer Entwicklungsländer begrenzt werden. Die Graduierung wird dagegen dann nicht durchgeführt, wenn die begünstigten Exporte eines Landes in einem bestimmten Sektor nicht mehr als 2 Prozent der Gesamtexporte der begünstigten Länder in dem gleichen Sektor in die Gemeinschaft ausmachen (Art. 5 Abs. 2 der Verordnung 3281/94). (3) Konsequenzen des APS für den europäisch-südafrikanischen Handel Wie aus der Verordnung 3281/94 ersichtlich, gehört Südafrika nicht zu den in Anhang VII der Verordnung 3281/94 angeführten Ländern und Gebieten, denen gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung wegen ihres fortgeschrittenen Entwicklungsstandes und ihres Reichtums an Bodenschätzen zum 1. April 1995 die Präferenzspannen um 50 Prozent gekürzt und zum 1. Januar 1996 vollständig entzogen wurden.251 Auch zählt die Kaprepublik nicht zu den besonders hoch entwickelten Ländern, denen auf der Grundlage von Art. 6 der Verordnung 3281/94 im Mai 1998 die APS-Vorteile gänzlich entzogen wurden.252 Allerdings unterlagen die südafrikanischen EGKS-Waren der Graduierung,253 so dass gemäß Art. 4 Abs. 3 der Verordnung 3281/94 die diesbezüglichen Handelsvorteile zum 1. Januar 1997 um 50 Prozent zu kürzen und zum 1. Januar 1998 aufzuheben gewesen wären. Angesichts der Bedeutung, welche die NE-Metalle (Platin, Ferrochrom, Mengan, Eisenerz) und mineralischen Brennstoffe (hauptsächlich Kohle, Koks und Brikett) für den südafrikanischen Export haben,254 wäre mit einem solchen Schritt eine substanzielle Einbuße an Handelsvorteilen verbunden gewesen. Jedoch wurde Südafrika – anders als Brasilien und Mexiko – vom Vollzug der Graduierung verschont,255 zumal längst Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen aufgenommen worden waren.256 251 Es handelt sich um die Länder, deren Bruttosozialprodukt pro Kopf der Bevölkerung 1991 laut Angaben der Weltbank über 6.000 US-Dollar lag: Bahrain, Brunei, Hongkong, Katar, Kuwait, Libyen, Nauru, Oman, Saudi Arabien, Singapur, Südkorea, Vereinigte Arabische Emirate. 252 Betroffen von dieser Maßnahme waren Hongkong (China), Südkorea und Singapur, siehe dazu Art. 3 der Verordnung (EG) Nr. 2623/97, Abl. EG Nr. L 354/9 vom 30.12.1997. 253 Siehe Anhang II, Teil 1 der Verordnung (EG) Nr. 3281/94. 254 Siehe dazu Länderbericht Südafrika, Statistisches Bundesamt (1994), 117 ff. 255 Siehe Mitteilung der Kommission, Abl. EG Nr. C 384 vom 18.12.1997, die eine Liste der vom Ausschluss betroffenen Produkte und Länder enthält. 256 Nachdem der Rat bereits im Juni 1995 sein erstes Verhandlungsmandat verabschiedet hatte, akzeptierte Südafrika im September 1995 das Ziel einer möglichen Freihandelszone. Das zweite Verhandlungsmandat wurde im März 1996 vom Rat verabschiedet. Daraufhin legte Südafrika im Januar 1997 seine eigene Verhand-
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Mit In-Kraft-Treten des reformierten APS für den landwirtschaftlichen Warenhandel,257 das ebenfalls auf einem vierstufigen Warenempfindlichkeitskatalog sowie dem Graduierungsgrundsatz aufbaut, wurde den südafrikanischen Agrarprodukten ein privilegierter Zugang zum Gemeinsamen Markt verschafft. Angesichts der Konkurrenzfähigkeit der südafrikanischen Landwirtschaft eröffneten sich damit im Grundsatz neue Handelsperspektiven. Allerdings gehörten die wichtigsten südafrikanischen Exportgüter wie z. B. Blumen, Obst, Gemüse und Fruchtsäfte zu dem ausgedehnten Verzeichnis der „besonders empfindlichen Waren“, auf die nur eine Ermäßigung von 15 Prozent des GZT gewährt wurde. Insofern konnte das APS nur eine sehr begrenzte Wirkung entfalten. Immerhin wurde – wohl angesichts des bevorstehenden Freihandelsabkommens – darauf verzichtet, Südafrika noch in die Liste der Graduierungskandidaten aufzunehmen. (4) Rechtfertigung der Einstufung Südafrikas nach GATT/WTO-Recht Fraglich ist, inwiefern der den fortgeschrittenen „Entwicklungsländern“ wie z. B. Südafrika zum Nachteil gereichende Graduierungsmechanismus, der durch die Verordnung 2820/98 für die Jahre 1999 bis 2001 im Grundsatz fortgeschrieben wurde,258 mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in Einklang zu bringen ist. Dies wäre der Fall, wenn das GATT/WTO-Recht im Grundsatz eine Staffelung nach Land und Sektor rechtfertigt. Ausgangspunkt im GATT ist die Enabling Clause, welche in Abs. 7 Satz 2 den Gedanken der Graduierung aufgreift: „Less-developed contracting parties expect that their capacity to make contributions or negotiated concessions or take other mutually agreed action under the provisions and procedures of the General Agreement would improve with the progressive development of their economies and improvement in their trade situation and they would accordingly expect to participate more fully in the framework of rights and obligations under the General Agreement“.
Auch wenn sich diese auf Druck der USA aufgenommene Klausel259 als nicht besonders präzise erweist, so lässt sie doch die Möglichkeit einer Graduierung bei Erreichen eines höheren Entwicklungsstandes erkennen, da sie lungsposition vor. Nach weiteren Konkretisierungen auf beiden Seiten setzten die detaillierten Verhandlungen im Oktober 1997 ein, siehe European Commission, Partners in Progress, S. 38 f. 257 Verordnung (EG) Nr. 1256/96, Abl. EG Nr. L 160/1 vom 29.06.96. 258 Verordnung (EG) Nr. 2820/98 vom 21. Dezember 1998, Abl. EG Nr. L 357/1 vom 30.12.98, die erstmals die Präferenzen für industriell-gewerbliche Waren mit denjenigen für Agrarprodukte in einem einzigen Rechtsakt zusammenfasst. 259 Hudec, The GATT Legal System and World Trade Diplomacy, S. 85 f.
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vorsieht, dass ein Land unter dieser Voraussetzung ausdrücklich schrittweise in die Welthandelsordnung integriert werden soll. Da die Grundprinzipien der Welthandelsordnung Meistbegünstigung und Inländergleichbehandlung vorsehen, muss ein graduierendes Land folgerichtig auf nichtreziproke Handelsvorteile im Sinne des APS verzichten.260 Der in der Ermächtigungsklausel angelegte Staffelungsmechanismus findet sich allerdings im Vertragstext des Allgemeinen Abkommens nicht wieder. Dort wird in dem auf die Entwicklungsländer abstellenden Teil IV261 sowie in Art. XVIII262 lediglich differenziert zwischen solchen Vertragsparteien, die zu den entwickelten Ländern gehören und solchen, die sich in der Entwicklung befinden, ohne dass darüber hinaus gesagt wird, bei welchem Entwicklungsstand letztere sich wie erstere behandeln lassen müssen. Auch die als Ergebnis der Uruguay-Runde verabschiedeten WTO-Übereinkommen begnügen sich fast alle damit, lediglich die drei bekannten Kriterien „developed countries“, „developing countries“ und „least developed countries“ zu unterscheiden. Eine Ausnahme stellt allerdings das Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen dar, welches weiterführende Regelungen enthält. Dieses Übereinkommen nimmt bestimmte Entwicklungsländer, die Mitglieder der WTO sind, vom Subventionsverbot aus, damit sie dringend notwendige Wirtschaftsentwicklungsprogramme durchführen können. Von dieser Regelung profitieren zum einen solche Länder, die im Rahmen der Vereinten Nationen als LDCs gelten.263 Zum anderen gilt der Dispenz für 20 weitere Länder,264 für die – und das ist bemerkenswert – das Subventionsverbot wieder auflebt, sobald ihr Pro-KopfBSP $1.000 erreicht hat.265 Insoweit zeigt sich, dass der länderbezogene Graduierungsgrundsatz im WTO-Recht anerkannt wird. Darüber hinaus findet sich auch die warenbezogene Staffelung im Subventionsübereinkommen wieder: Art. 27 Abs. 5 sieht ausdrücklich vor, dass ein Entwicklungs260 Verdirame, The Definition of Developing Countries under GATT and other International Law, GJIL 39 (1996), S. 164, 175; Yusuf, „Differential and More Favourable Treatment“: The GATT Enabling Clause, JWT 14 (1980), S. 488, 504 f. 261 Teil IV erstreckt sich auf die Art. XXXVI bis XXXVIII und trägt die Überschrift „Trade and Development“. 262 Wie unter A. III. 1. a) aa) ausgeführt, spricht Art. XVIII sehr allgemein von Staaten, deren Wirtschaft nur einen niedrigen Lebensstandard zulässt und die sich in den Anfangsstadien der Entwicklung befinden. 263 Art. 27 Abs. 2 Buchstabe a) i. V. m. Anhang VII Buchstabe a) des Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen. 264 Dies sind Ägypten, Bolivien, Dominikanische Republik, Elfenbeinküste, Ghana, Guatemala, Guyana, Indien, Indonesien, Kamerun, Kenia, Kongo, Marokko, Nicaragua, Nigeria, Pakistan, die Philippinen, Senegal, Simbabwe und Sri Lanka. 265 Art. 27 Abs. 2 Buchstabe a) i. V. m. Anhang VII Buchstabe b) des Übereinkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen.
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land, das für eine bestimmte Ware die Ausfuhrwettbewerbsfähigkeit erreicht hat, seine Ausfuhrsubventionen grundsätzlich innerhalb von zwei Jahren schrittweise abbauen muss.266 Damit hat das im APS der EG niedergelegte Prinzip der Graduierung nach den Kriterien Land/Sektor auch in der WTO seinen Ausdruck gefunden. Man kann also festhalten, dass der im APS der EG verankerte Staffelungsgrundsatz prinzipiell mit dem GATT/WTO-Recht vereinbar ist. Er verstößt insbesondere solange nicht gegen das Diskriminierungsverbot, als durch transparente, an die Wirtschaftskraft der Entwicklungsländer anknüpfende, allgemeingültige Kriterien verhindert wird, dass die Graduierung als protektionistisches Instrumentarium missbraucht wird. Entscheidender Anknüpfungspunkt zur Ermittlung des Entwicklungsniveaus ist dabei das ProKopf-BSP. Nicht zu beanstanden ist, dass die EG zur Berechnung des Entwicklungsindexes im APS zusätzlich den Umfang der Fertigwarenexporte267 heranzieht, da insoweit nur ein weiteres objektives Kriterium zur Ermittlung der Außenwirtschaftskraft des entsprechenden Landes herangezogen wird. Ebensowenig ist zu rügen, dass darüber hinaus auf das Kriterium der Spezialisierung zurückgegriffen wird, da dessen Bruttoauswirkungen im Rahmen der Graduierung dadurch gemildert werden, dass es in der Klassifizierungsformel in Relation zum Entwicklungsniveau gesetzt wird. Auf diese Weise bleiben weniger entwickelte Länder mit hohem Spezialisierungsgrad gegenüber weiter entwickelten Ländern mit gleich hohem Spezialisierungsgrad begünstigt. Systemwidrig erscheint dagegen die Regelung, die unabhängig vom Entwicklungsindex eine Graduierung für den Fall vorschreibt, dass ein Land in einem Sektor mehr als ein Viertel aller präferenzierten Exporte in die Gemeinschaft tätigt.268 Die Vorschrift hat einen protektionistischen Charakter, denn sie begründet den Verlust der Handelspräferenzen allein mit der außerordentlichen Wettbewerbsfähigkeit auf dem EG-Markt. Sie lässt sich insbesondere nicht als „Solidaritätsmechanismus“ zugunsten der übrigen begünstigten Entwicklungsländer rechtfertigen,269 da sie die – aus Entwicklungsindex und Spezialisierungsgrad anhand objektiver wirtschaftlicher Kriterien ermittelte – mangelnde Graduierungsfähigkeit dieser Länder ignoriert. Ein gegenteiliger Ansatz wird dagegen mit der de minimis – Regel verfolgt. Sie nimmt ein Land von der Graduierung aus, dessen begünstigte Ex266
Für LDCs und die vorgenannten 20 Länder gilt eine Achtjahresfrist. Statistische Quelle ist das statistische Handbuch der UNCTAD. 268 Jeweils Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3281/94 und der Verordnung (EG) Nr. 1256/96 sowie Art. 4 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 2820/98. 269 So aber die Kommission in ihrer Mitteilung vom 1.6.1994, KOM(1994) 212, S. 10. 267
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porte in einem bestimmten Sektor der Gemeinschaft nicht mehr als 2 Prozent der Gesamtexporte aller begünstigten Länder in dem gleichen Sektor in die Gemeinschaft ausmachen.270 Hier gilt der mangelnde Exporterfolg in die Gemeinschaft als Sperre für eine Graduierung. Da das APS gerade die Außenwirtschaftskraft der Entwicklungsländer stärken soll, ist dieses Graduierungskorrektiv nur konsequent. Begrüßenswert ist im Übrigen, dass die LDCs für alle vom APS erfassten Waren völlige Zollbefreiung erhalten und zwar unabhängig von deren Empfindlichkeitsstufe. Damit berücksichtigt das APS ein weiteres zentrales Anliegen der Enabling Clause.271 (5) Sonderpräferenzen Sowohl das APS für den gewerblich industriellen Bereich als auch das APS für den Agrarbereich enthalten als weitere Innovation jeweils Regelungen, die beim Einhalten bestimmter international anerkannter Sozial- und Umweltstandards eine zusätzliche Präferenzspanne von 20 Prozent bis 25 Prozent in Aussicht stellen. Voraussetzung im Sozialbereich ist, dass die Normen der ILO-Abkommen Nr. 87 und 98 über die Koalitionsfreiheit und das Recht auf Tarifverhandlungen und des ILO-Abkommens Nr. 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung innerstaatlich umgesetzt und angewendet werden.272 In Südafrika, das diesen ILO-Konventionen beigetreten ist, haben die Koalitionsfreiheit und das Recht auf Tarifverhandlungen Verfassungsrang273 und sind außerdem im Labour Relations Act274 umfassend geregelt. Das Verbot der Kinderarbeit kann ebenfalls der Verfassung entnommen werden275 und ist zudem ausdrücklich im 270 Jeweils Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 3281/94 und der Verordnung (EG) Nr. 1256/96 sowie Art. 4 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 2820/98. 271 Siehe Abs. 6 und 8 der Enabling Clause: „6. Having regard to the special economic difficulties and the particular development, financial and trade needs of the least-developed countries, the developed countries shall exercise the utmost restraint in seeking any concessions or contributions for commitments made by them to reduce or remove tariffs and other barriers to the trade of such countries, and the least developed countries shall not be expected to make concessions or contributions that are inconsistent with the recognition of their particular situation and problems (. . .). 8. Particular account shall be taken of the serious difficulty of the least developed countries in making concessions and contributions in view of their special economic situation and their development, financial and trade needs“. 272 Jeweils Art. 7 der Verordnung (EG) Nr. 3281/94 und der Verordnung (EG) Nr. 1256/96. Siehe dazu auch die Abhandlung von Bartels, The WTO enabling clause and positive conditionality in the European Community’s Program, JIEL 6 (2003), S. 507, 510 ff. 273 Section 23. 274 Act No 66 (1995).
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Basic Conditions of Employment Act276 festgehalten. Im Umweltbereich will die Gemeinschaft solche Länder begünstigen, die eine wirksame Umweltschutzpolitik durchführen und deshalb Waren und Produktionsmethoden fördern, die international anerkannten Normen entsprechen und zur Verwirklichung der Ziele der internationalen Umweltschutzübereinkommen und der Agenda 21 als förderlich angesehen werden.277 Dazu verlangt das gewerbliche Abkommen den Nachweis, dass die Normen der internationalen Tropenholzorganisation für die nachhaltige Bewirtschaftung der Wälder innerstaatlich umgesetzt und beachtet werden.278 Da der Handel mit Waren aus tropischen Wäldern mangels Vorkommen für die europäisch-südafrikanischen Wirtschaftsbeziehungen keine Relevanz hat, kann hier nur auf die im landwirtschaftlichen Abkommen – in kaum zu überbietender Allgemeinheit – geforderte Respektierung der „bestehenden internationalen Umweltschutznormen für die Landwirtschaft“ hingewiesen werden.279 Immerhin wurden seit der Stockholmer Umweltkonferenz von 1972 etwa 180 multilaterale Umweltabkommen abgeschlossen, von denen mindestens 17 Handelsbestimmungen enthalten.280 Da Südafrika u. a. das Washingtoner Artenschutzabkommen,281 das Baseler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung,282 das Montrealer Protokoll über Stoffe, die zum Abbau der Ozonschicht führen,283 das Übereinkommen über biologische Vielfalt,284 das Übereinkommen zur Bekämpfung der Wüstenbildung,285 das Rahmenabkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen,286 das Seerechts275
Section 28. Act No 75 (1997), siehe dort Kapitel 6. 277 Verordnung (EG) Nr. 3281/94 S. 2. 278 Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3281/94. 279 Art. 8 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1256/96. 280 Schoenbaum, International Trade and Protection of the Environment: The Continuing Search for Reconciliation, AJIL 91 (1997), S. 268, 281. 281 Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Fauna and Flora (CITES), 993 UNTS 243, von Südafrika am 15. Juli 1975 ratifiziert. 282 Basel Convention on the Control of Transboundary Movements of Hazardous Wastes and Their Disposal, 28 ILM 649 (1989), von Südafrika im Mai 1994 ratifiziert. 283 Montreal Protocol on Substances That Deplete the Ozone Layer, 26 ILM 1550 (1987), geändert 30 ILM 539 (1991), von Südafrika am 15. Januar 1990 ratifiziert. 284 Convention on Biological Diversity, von Südafrika am 2. November 1995 ratifiziert. 285 Convention to Combat Desertification, von Südafrika am 30. September 1997 ratifiziert. 286 United Nations Framework Convention on Climate Change, von Südafrika am 29. August 1997 ratifiziert. 276
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übereinkommen,287 das Übereinkommen über die lebenden Meeresschätze der Antarktis,288 das Internationale Übereinkommen zur Regelung des Walfangs,289 das Internationale Übereinkommen zur Erhaltung der Thunfischbestände,290 das Ramsar Übereinkommen über Feuchtgebiete291 und das Londoner Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen292 ratifiziert und umgesetzt hat, gelten zumindest die wichtigsten Umweltabkommen auch am Kap. Im Ergebnis ist also kein Grund ersichtlich, die fortschrittlichen südafrikanischen Sozial- und Umweltstandards im Sinne des Anreizsystems in vollem Umfang mit zusätzlichen Handelspräferenzen zu honorieren. Allerdings stellt sich aus WTO-rechtlicher Sicht erneut die Frage, ob ein solches Anreizsystem überhaupt Bestand haben kann. Problematisch ist, dass die in Aussicht gestellten Präferenzen gegen den Nichtdiskriminierungsgrundsatz in Abs. 3 der enabling clause verstoßen könnte. Dort heißt es: „(D)ifferential and more favourable treatment . . . shall in the case of such treatment be accorded by developed contracting parties to developing, be designed and, if necessary, modified, to respond positively to the development, financial and trade needs of developing countries“.
Wie der Appellate Body im EC-Tariff Preferences-Fall, in dem er über die Rechtmäßigkeit zusätzlicher Präferenzen für die Bekämpfung des Drogenhandels zu entscheiden hatte, ausführt, gilt für die Feststellung der Entwicklungs-, Finanz- und Handelsbedürfnisse ein objektiver Maßstab: „(B)road-based recognition of a particular need, set out in the WTO Agreement or in multilateral instruments adopted by international organisations, could serve as such a standard“.293
Der sowohl im WTO-Übereinkommen294 als auch in den übrigen o. g. völkerrechtlichen Abkommen bezweckte Schutz von sozialen und umwelt287 United Nations Convention on the Law of the Sea, von Südafrika am 20. August 1997 ratifiziert. 288 Convention on the Conservation of Arctic Marine Living Resources, von Südafrika 1982 ratifiziert. 289 International Convention on the Regulation of Whaling, von Südafrika 1946 ratifiziert. 290 International Convention on the Conservation of Atlantic Tunas, von Südafrika am 7. Oktober 1967 ratifiziert. 291 Convention on Wetlands of International Importance especially Waterfowl Habitat, von Südafrika am 12. März 1975 ratifiziert. 292 Convention on the Prevention of Marine Pollution by Dumping of Wastes and Other Matter, von Südafrika 1978 ratifiziert. 293 Appellate Body Bericht „EC-Tariff Preferences“ WT/DS246/AB/R, Ziffer 163.
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bezogenen Belangen, deren Respektierung im internationalen Wirtschaftsleben anerkanntermaßen zunehmend an Bedeutung gewinnt, könnte also grundsätzlich als objektiver Maßstab in Betracht kommen. Allerdings muss bezweifelt werden, ob die innerstaatliche Umsetzung und Beachtung von völkerrechtlichen Abkommen ein „objektives Kriterium“295 darstellen kann, anhand dessen entschieden werden könnte, welches Land in den Genuss von Sonderpräferenzen kommt und welches nicht. Angesichts der sehr unterschiedlichen Voraussetzungen in den Entwicklungsländern dürfte die objektive Überprüfbarkeit der innerstaatlichen Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen bereits an sich große Schwierigkeiten aufwerfen. Hinzu kommt, dass sich die Umsetzungspflicht im Umweltbereich allgemein auf die Einhaltung der „bestehenden internationalen Umweltschutznormen für die Landwirtschaft bezieht“ und damit nicht hinreichend bestimmt oder bestimmbar ist. Dies dürfte allenfalls mit Blick auf die geforderten Sozialstandards nach den ILO-Abkommen Nr. 87, 98 und 138 anders sein, da die Bezugnahme hier eindeutiger geregelt ist. Für das Anreizsystem zur Verbesserung der Sozial- und Umweltstandards besteht somit – zumindest im Umweltbereich – keine ausreichende Rechtsgrundlage, so dass entsprechende Sonderpräferenzen rechtlich angreifbar wären. b) Fazit Im Ergebnis kann festgestellt werden, dass die Einbeziehung Südafrikas in das APS der EG für die Außenwirtschaftsbeziehungen der Unternehmen am Kap zu Handelserleichterungen führte, die in bestimmten Bereichen weit über dem Meistbegünstigungstarif liegen. Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass Südafrika mit einem Pro-Kopf-BSP von US-$ 2.820296 zu den weiter entwickelten Ländern gehört und damit in Bezug auf bestimmte Sektoren/Warengruppen mit einer Graduierung zu rechnen hatte. Deshalb ist das reformierte APS unabhängig von der Rechtmäßigkeit der speziellen Anreizsysteme im Umwelt- und Sozialbereich aus südafrikanischer Sicht nicht sonderlich attraktiv, und es erscheint deshalb nur konsequent, dass Pretoria nach weitreichenderen Handelserleichterungen strebte. 294 Siehe Präambel des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation: „. . . that their relations in the field of trade and economic endeavour should be conducted with a view to raising standards of living, ensuring full employment and a large and steadily growing volume of real income and effective demand . . .“. 295 Appellate Body Bericht „EC-Tariff Preferences“ WT/DS246/AB/R, Ziffer 183. 296 Worldbank, Country at a Glance Tables, http://www.worldbank.org/data/ countrydata/countrydata.html.
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2. Südafrikas angestrebte Mitgliedschaft im Lomé-Abkommen Nach genauer Analyse aller denkbaren Optionen für die langfristige Neugestaltung der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen strebte Südafrika zunächst nach einer möglichst weitreichenden Einbeziehung in das LoméIV-Abkommen297 zwischen der Gemeinschaft und den bis dahin 70 Mitgliedstaaten aus dem Afrikanischen, Karibischen und Pazifischen Raum (AKP-Staaten). Der Handelsteil des Lomé-IV-Abkommens bot erheblich über die Präferenzen des APS hinausgehende nicht-reziproke Handelsvorteile298 und war dem APS auch wegen seiner vertraglichen Rechtsnatur überlegen, da es nicht durch einseitigen Rechtsakt aufgehoben oder verändert werden konnte. Südafrika erwartete von einer entsprechenden Öffnung des europäischen Marktes eine nachhaltige Belebung seines Außenhandels und damit eine Stärkung seiner Wirtschaftskraft. Außerdem wollte es die Anstrengungen um eine regionale Integration im südlichen Afrika nicht durch einen Alleingang im Hinblick auf die Wirtschaftsbeziehungen zu Europa gefährden. 1992 hatten nämlich die ehemaligen Frontstaaten, allesamt Mitglieder des Lomé-Abkommens, die Southern African Development Community (SADC) als Nachfolgerin der SADCC gegründet und zwar mit dem Ziel, die wirtschaftliche Zusammenarbeit untereinander auszubauen. Nachdem Südafrika der SADC im August 1994 beigetreten war, bot seine Einbeziehung in die Lomé-Partnerschaft die Chance, einen einheitlichen Kooperationsrahmen zwischen Europa und dem südlichen Afrika zu etab297 Beschluss 91/400 EGKS, EWG des Rates und der Kommission vom 25. Februar 1991, Abl. EG Nr. L 229 vom 17.08.1991. 298 Das Lomé-IV-Abkommen hat eine lange Tradition: Bereits mit Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Jahre 1958 sah Teil IV des EWG-Vertrages eine Assoziierung der außereuropäischen Länder und Hoheitsgebiete vor, die mit Belgien, Frankreich, Italien und den Niederlanden besondere Beziehungen unterhielten. Aufgrund der Dekolonialisierung Afrikas erlangten die meisten dieser Länder ihre volle staatliche Unabhängigkeit, so dass deren Beziehungen zur EWG von nun an auf eine völkervertragliche Basis gestellt werden mussten. Zu diesem Zweck wurde in Jaounde (Kamerun) im Juli 1963 mit 17 Staaten Afrikas und Madagaskar ein präferenzielles Handels- und Hilfsabkommen geschlossen, das 1969 noch einmal verlängert wurde. Als dann Großbritannien 1973 in die EWG aufgenommen wurde, führte dies 1975 zur ersten Lomé-Konvention, der neben den Vertragspartnern des Jaounde Abkommens erstmals auch die Entwicklungsländer des Commonwealth angehörten. Die ersten drei Lomé-Abkommen hatten jeweils eine 5-jährige Gültigkeitsdauer. Dagegen wurde Lomé-IV am 15. Dezember 1989 mit einer 10-jährigen Laufzeit abgeschlossen, die am 1. März 1990 begann und am 28. Februar 2000 enden sollte. Zur historischen Entwicklung der Beziehungen zwischen der Gemeinschaft und den AKP-Staaten, siehe Zimmermann, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.) Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, Art. 130u, Rz. 1 ff. m. w. N.; zu Lomé-IV, siehe ders., in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.) Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, Art. 130w, Rz. 26 ff.
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A. Die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Südafrika
lieren.299 Andererseits bestand die Gefahr, dass Südafrika das Abkommen aufgrund seiner wirtschaftlichen Überlegenheit dominieren könnte. Um entsprechenden Ängsten zu begegnen, bot Pretoria an, auf die Teilnahme an bestimmten Handelsvorteilen zu verzichten. So sollten die vier Rohstoffprotokolle für Rum, Bananen, Zucker und Rind/Kalbfleisch,300 die Nutzung des Mechanismus zur Stabilisierung der Erlöse aus der Ausfuhr von landwirtschaftlichen Grundstoffen (STABEX)301 und die Parallelregelung im Bereich mineralischer Rohstoffe (SYSMIN)302 nur auf die übrigen Vertragsstaaten anwendbar bleiben.303 Diese Konzessionen reichten der Kommission jedoch nicht aus.304 Im Ergebnis führten die Verhandlungen dazu, dass Südafrika im Juni 1998 als „qualifiziertes Mitglied“ in den Vertrag aufgenommen wurde, so dass es von nun an mit allen Rechten in den Lomé-Institutionen mitwirken konnte, aber vom Handelsteil des Abkommens ausgeschlossen blieb.305 Ob dessen Ausweitung auf Südafrika überhaupt ratsam gewesen wäre, soll im Folgenden unter rechtlichen Gesichtspunkten untersucht werden. Dazu ist zunächst die Legitimität des LoméAbkommens und anschließend seine Zukunftsfähigkeit im geltenden GATT/WTO-Recht festzustellen.
299 Davies, Forging a New Relationship with the EU, in: Bertelsmann-Scott/ Mills/Sidiropoulos (Hrsg.), The EU-SA Agreement: South Africa, Southern Africa and the European Union, S. 5 f. 300 Dazu ausführlich: Dunlop, What Future for Lomé’s Commodity Protocols, ECDPM Discussion Paper 5. 301 System for the Stabilisation of Export Earnings for Agricultural Products. 302 System for the Stabilisation of Export Earnings for Mining Products. 303 Zur Funktionsweise von STABEX und SYSMIN, siehe Kuschel, Das neue Lomé-Abkommen zwischen der EG und den AKP-Ländern, Europa Archiv 1990, S. 333, 336 ff.; Zimmermann, in: von der Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.) Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, Art. 130w, Rz. 57 ff.; speziell zu STABEX, siehe auch den Bericht der Kommission KOM(1997) 374 endg. vom 18.7.1997. 304 Hintergrund dafür waren auf Seiten der europäischen Gemeinschaft auch Überlegungen, dass ein zollfreier Zugang bestimmter südafrikanischer Produkte (wie bspw. aus dem Agrarbereich) zum europäischen Markt schädlich für die EG sein könnte und eine volle Mitgliedschaft Südafrikas im Lomé-Abkommen Ansprüche weiterer Länder mit einem ähnlichen Entwicklungsstand (wie bspw. Brasilien) auf Zugang zum Lomé-Abkommen hätte nach sich ziehen können (BertelsmannScott/Mills/Gibb, The EU-SA Agreement in a Global Context, in: BertelsmannScott/Mills/Sidiropoulos (Hrsg.), The EU-SA Agreement: South Africa, Southern Africa and the European Union, S. 17, 24. 305 European Commission, Partners in Progress, S. 24 f.
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a) Legitimation des Lomé-Abkommens im GATT/WTO-Recht Neben Regelungen zur Ausgestaltung des politischen Dialogs und der Gewährung von Entwicklungshilfe enthält das Lomé-Abkommen ein Kapitel, welches Regelungen zur Gewährung nicht-reziproker Handelsvorteile für Exporte der AKP-Staaten in die Gemeinschaft trifft.306 Da die LoméHandelsvorteile nur den Konventionsmitgliedstaaten, nicht aber allen Mitgliedern der WTO gewährt werden, stehen sie im Widerspruch zum Meistbegünstigungsprinzip. Zu ihrer Rechtfertigung bedürfen sie deshalb einer speziellen Ermächtigungsgrundlage. Als solche kommt die Enabling Clause nicht in Betracht, da diese verlangt, alle Länder mit vergleichbarem Entwicklungsstand gleich zu behandeln, die Handelsvorteile des Lomé-Abkommens jedoch nur auf deren Mitgliedstaaten anwendbar sind und Drittstaaten außen vor bleiben.307 Eine Rechtfertigung der Lomé-Handelsvorteile auf der Grundlage von Teil IV des GATT 1947, welcher Fragen zu „Handel und Entwicklung“ regelt, ist ebenfalls nicht möglich, weil die dort enthaltenen Vorschriften lediglich allgemeine Zielvorstellungen und Grundsätze zum wirtschaftlichen Fortschritt der Entwicklungsländer enthalten, keinesfalls aber als Ausnahmeregelungen zum Meistbegünstigungsprinzip konzipiert sind.308 Nach anfänglicher Argumentation der Europäischen Kommission sollte Lomé-IV ein Freihandelsabkommen im Sinne des Art. XXIV GATT 1947 darstellen und damit als Ausnahme zu Art. I gerechtfertigt sein. Zwar werde mit dem Abkommen keine umfassende Freihandelszone errichtet, da lediglich nicht-reziproke Handelsvorteile zugunsten der Lomé-Partner vereinbart seien und außerdem sensitive Bereiche nicht oder nur eingeschränkt erfasst würden. Art. XXIV sei aber im Lichte des Teils IV dahingehend auszulegen, dass er im Verhältnis zu Entwicklungsländern auch nicht-reziproke Handelsabkommen umfasse.309 Dem wurde jedoch in der Arbeitsgruppe entgegengehalten, dass Art. XXIV und Teil IV des GATT 1947 völlig unterschiedliche Rechte und Pflichten enthalten, die nicht gegenseitig zur Rechtfertigung herangezogen werden könnten.310 Auf die rechtliche Würdigung dieser Argumente wird noch im 306
Solignac Lecomte, The Impact of the EU-SA Agreement on Lomé, in: Bertelsmann-Scott/Mills/Sidiropoulos (Hrsg.), The EU-SA Agreement: South Africa, Southern Africa and the European Union, S. 53, 54. 307 Dies geschieht – wie oben dargestellt – im APS, das nach LDCs und übrigen Entwicklungsländern unterscheidet und demgemäß zwei Präferenzregime beinhaltet. 308 Rydelski, The Future of the Lomé Convention and its WTO Compatibility, EuZW 1998, S. 398, 400. 309 Grynberg, The WTO compatibility of the Lomé Convention trade provisions, S. 12; Rydelski, The Future of the Lomé Convention and its WTO Compatibility, EuZW 1998, S. 398, 400.
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A. Die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Südafrika
Zusammenhang mit der Auslegung des Art. XXIV im zweiten Kapitel ausführlich einzugehen sein. Vorliegend verlor der Streit dadurch seine Relevanz, dass die Kommission kurz vor In-Kraft-Treten der Marrakesch-Vereinbarungen gemäß Art. XXV:5 GATT 1947 für Lomé-IV eine Befreiung („waiver“) vom Meistbegünstigungsgrundsatz beantragte, der ihr durch eine entsprechende Entscheidung der Vertragsparteien vom 9. Dezember 1994 gewährt wurde.311 Er lautet: „Subject to the terms and conditions set out hereunder, the provisions of paragraph 1 of Article 1 of the General Agreement shall be waived, until 29th February 2000, to the extent necessary to permit the European Communities to provide preferential treatment for products originating in ACP states as required by the relevant provisions of the Forth Lomé Convention, without being required to extend the same preferential treatment to like products of any contracting party“.
Diese Befreiung wurde nach In-Kraft-Treten des GATT 1994 am 1. Januar 1995 entsprechend dem dort neu bestimmten Verfahren, das eine Mehrheit von drei Vierteln der Mitglieder vorsieht, bis zum 29. Februar 2000 verlängert.312 Damit war im Grundsatz eine Rechtfertigung für das Lomé-Regime geschaffen. Wie sich im WTO-Bananenstreit gezeigt hat,313 310 GATT, Analytical Index: Guide to GATT Law and Practice, Vol. 2, updated 6th Edition (1995), S. 844. 311 Decision of the CONTRACTING PARTIES of 9 December 1994, L/7604, 19. Dezember 1994 (the Lomé Waiver). 312 EC – The Fourth ACP-EC Convention of Lomé, Extension of Waiver, Decision of WTO General Council of 14 October 1996, WT/L/186 vom 18. Oktober 1996. Zum vorgeschriebenen Verfahren für die Verlängerung der Befreiung, siehe Art. IX Abs. 3 und 4 des Lomé Abkommens sowie das „Understanding in respect of Waivers of Obligations under the General Agreement on Tariffs and Trade 1994“. 313 In insgesamt drei Verfahren wurde das EG-Handelsregime für Bananen, das den Produzenten und Exporteuren aus den AKP-Staaten einen privilegierten Zugang zum EG-Markt garantierte, auf seine Vereinbarkeit mit dem GATT bzw. WTORecht überprüft. Die ersten beiden Verfahren, die von Costa Rica, Guatemala, Kolumbien, Nicaragua und Venezuela – allesamt konkurrierende Anbauländer in Südamerika – angestrengt wurden, fanden noch nach den Streitschlichtungsregeln des GATT 1947 statt. Die Annahme der beiden Panel Berichte (DS32/R vom 3. Juni 1993 und DS38/R vom 18. Januar 1994), in denen jeweils die Verletzung geltenden GATT-Rechts festgestellt wurde, konnte von den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und den AKP-Staaten blockiert werden, indem sie den erforderlichen positiven Konsens verhinderten. Anders verhielt es sich im dritten Verfahren, das nicht nur von Equador, Guatemala, Honduras und Mexiko, sondern auch von den USA als Sitzstaat der in Südamerika tätigen Exportunternehmen (z. B. Chiquita und Del Monte) initiiert worden war und auf Grundlage der WTO-Regeln betrieben wurde. Sowohl der Panel Bericht „EC-Bananas III“ WT/DS27/R vom 22. Mai 1997 als auch der Appellate Body Bericht „EC-Bananas III“ WT/DS27/AB/R vom 9. September 1997 stellten die Unvereinbarkeit des EG-Regimes für den Bananenhandel mit geltendem
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unterliegt die gewährte Befreiung zwei gewichtigen Einschränkungen: Zum einen bezieht sie sich nur auf die Meistbegünstigungsverpflichtung und nicht auch auf andere Regeln des GATT, zum anderen dürfen die Handelsvorteile nur gewährt werden, soweit dies notwendig und nach den Vorschriften des Lomé-Vertrages erforderlich ist. Letztere Bedingung bedarf also ebenso wie der „waiver“ der Auslegung, will man das Ausmaß der gewährten Befreiung näher bestimmen.314 Die Frage, ob die Ausnahmegenehmigung eingehalten wurde, wird außerdem gemäß Art. IX:4 des WTOÜbereinkommens alljährlich überprüft. Dabei ist festzustellen, ob einerseits die den „waiver“ rechtfertigenden außergewöhnlichen Umstände weiter bestehen und andererseits die mit ihm verbundenen Bedingungen eingehalten werden. Auf diese Weise unterliegen die im Rahmen der Lomé-Konvention gewährten Handelsvorteile unabhängig von ihrer Anfechtbarkeit im Streitbeilegungsverfahren einer fortlaufenden Kontrolle durch die Ministerkonferenz, die den „waiver“ verlängern, abändern oder aufheben kann. Damit zeigt sich im Ergebnis auch die große Schwäche der Lomé-Konvention: Die Tatsache, dass lediglich ein Ausnahmetatbestand des WTORechts die Legitimationsgrundlage der Lomé-Konvention bildet315 und dass die diversen Interventionsmöglichkeiten die Handelspräferenzen leicht verwundbar erscheinen lassen, beeinträchtigt das Vertrauen in ihre Bestandskraft ganz erheblich. Dies gilt um so mehr, als Rechtssicherheit in den Handelsbeziehungen eine Grundvoraussetzung für deren Ausbau ist. Angesichts dieser Bedenken erschien die Lomé-Konvention allenfalls nur noch dann als Grundlage für die langfristige Ausgestaltung der europäisch-südafrikanischen Wirtschaftsbeziehungen geeignet, wenn zumindest ihre Zukunftsperspektiven gesichert sind. Derartige Erwägungen prägten auch die Verhandlungen über die zukünftige Zusammenarbeit mit den AKP-Staaten in Cotonou (Benin) im Jahr 2000. b) Perspektiven für die Handelsbeziehungen zwischen der Gemeinschaft und den AKP-Staaten Im Juni 2000 haben die EG und die AKP-Staaten in Cotonou ein Abkommen getroffen, das die künftige Zusammenarbeit der beiden Staatengruppen nach dem Auslaufen von Lomé-IV festschreibt.316 Die dort vorgeWTO-Recht fest. Dazu ausführlich: Komuro, The EC Banana Regime and Judicial Control, JWT 34 (2000), S. 1–87 m. w. N. 314 So auch der Ansatz des Streitbeilegungsgremiums im Bananenfall, Appellate Body Bericht „EC-Bananas III“ WT/DS27/AB/R vom 9. September 1997, Ziffer 164 ff. 315 So auch die Analyse der Europäischen Kommission, KOM(1996) endg. vom 20.11.1996.
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sehenen Reformen zeichneten sich bereits ab, noch bevor Südafrika und die Europäische Kommission in ihren über 4 ½ Jahre dauernden bilateralen Verhandlungen über die künftigen Beziehungen im Oktober 1997 in detaillierte Handelsrunden eingestiegen waren. Bereits im November 1996 legte die Europäische Kommission ihr „Grünbuch über die Beziehungen zwischen der Europäischen Union und den AKP-Staaten an der Schwelle zum 21. Jahrhundert“ vor.317 Dieses Dokument enthielt vier Optionen für die Ausgestaltung der Handelsbeziehungen nach dem Auslaufen von Lomé-IV im Februar 2000 und erhob dabei den Anspruch, dass die vorgeschlagenen Lösungen den WTO-Anforderungen gerecht werden. Die erste Alternative sah eine Fortführung des Lomé-IV-Vertrages vor. Wie dargelegt, ließe sie sich wegen ihrer diskriminierenden Wirkung gegenüber Drittstaaten mit gleichem Entwicklungsstand nur auf der Grundlage einer jährlich zu überprüfenden Ausnahmegenehmigung realisieren, die ihrerseits nur mit wenig Sicherheit für die Handelspräferenzen verbunden wäre. Die zweite Möglichkeit sah die Einbeziehung aller AKP-Staaten in das APS vor, wobei in Aussicht gestellt wurde, zumindest die Präferenzen für die LDCs auf das Niveau von Lomé-IV anzuheben. Dagegen wäre der Vorschlag für die übrigen AKP-Staaten mit einem erheblichen Verlust an Handelsvorteilen verbunden. Hinzu kam, dass das APS keine vertragliche Grundlage hat und deshalb unilateral von der Gemeinschaft zurückgenommen werden kann, wodurch für potenzielle Investoren wegen der mangelnden Sicherheit unkalkulierbare Risiken entstehen. Die letzten beiden Optionen sahen vor, die nicht-reziproken Handelsvorteile der Lomé-Konvention in reziproke Freihandelsabkommen im Sinne des Art. XXIV GATT 1994 umzuwandeln. Dabei zielte die dritten Variante auf eine „einheitliche Reziprozität“ ab, d. h. die völlig heterogene Gruppe der AKP-Staaten müsste mit der Gemeinschaft nach einem Plan und Programm eine Freihandelszone bilden, während nach der vierten Variante differenzierte Reziprozität vorgesehen war, so dass für jede einzelne AKP-Region und ggfs. auch für Einzelstaaten je nach Leistungsfähigkeit und Entwicklungsniveau ein eigenes Freihandelsabkommen abzuschließen wäre. Dabei ginge allerdings der einheitliche Charakter der Beziehungen der Gemeinschaft zu den AKP-Staaten verloren. Beide Varianten tragen jedoch dem Argument Rechnung, dass das bisherige System nichtreziproker Handelspräferenzen bislang kaum dazu beitragen konnte, die AKP-Staaten stärker in die Weltwirtschaft zu integrieren und Diversifikation zu fördern318 und somit sein eigentliches Ziel verfehlt hat. 316 Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits vom 23. Juni 2000, Abl. EG Nr. L 317 vom 15.12.2000. 317 KOM(1996) 570 vom 20.11.1996.
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Das Abkommen von Cotonou knüpft an die vorgenannten Optionen an. Die Vertragsparteien verständigten sich auf einen Vorbereitungszeitraum, der am 31. Dezember 2007 endet. In dieser Zeit gilt das Lomé-IV-Abkommen im Wesentlichen fort. Allerdings wurden im September 2002 Verhandlungen mit dem Ziel aufgenommen, das nicht-reziproke Handelsregime innerhalb der verbleibenden 6 Jahre durch die Gründung mehrerer reziproker „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ (WPA) in WTO-konforme Freihandelszonen umzuwandeln. Die dafür wiederum erforderliche Übergangszeit soll spätestens im Jahre 2008 beginnen und zum Ende der Laufzeit des Abkommens im Jahre 2020 abgeschlossen sein.319 Für die Entwicklungsländer, die sich nicht zum Abschluss eines WPA in der Lage sehen, soll eine WTO-konforme Lösung gefunden werden, die darin bestehen dürfte, sie in das herkömmliche APS zu überführen. Allerdings wäre dieser Schritt mit einem Verlust an Handelsvorteilen im Vergleich zu Lomé-IV verbunden. Dagegen sollen die am wenigsten entwickelten Länder über die Lomé-Präferenzen hinausgehende Marktzugangsmöglichkeiten erhalten, indem ihnen spätestens ab 2005 für annähernd alle ihre Produkte Zollfreiheit zugesichert wird. Dies ließe sich durch Ausweitung der Handelsvorteile des speziellen APS für LDC im Einklang mit den WTO-Regeln erreichen. Das Abkommen von Cotonou sieht neben diesen Differenzierungen nach dem Entwicklungsstand aber auch eine Aufteilung der bisherigen Handelsordnung in verschiedene regionale Handelsvereinbarungen vor. Dazu sollen die AKPStaaten ermutigt werden, als regionale Gruppen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der Gemeinschaft auszuhandeln.320 Es bleibt den großen 318 Als Gründe dafür werden bespielsweise genannt: die Wirtschafts- und Handelspolitik der AKP-Staaten, welche Export nicht fördert; ernste Versorgungseinschränkungen wie bspw. inadäquate Infrastruktur; Mangel an qualifizierten Arbeitnehmern und eine Erosion von Handelspräferenzen durch Parallelabkommen der EU und andere multilaterale Handelsvereinbarungen (Solignac Lecomte, The Impact of the EU-SA Agreement on Lomé, in: Bertelsmann-Scott/Mills/Sidiropoulos (Hrsg.), The EU-SA Agreement: South Africa, Southern Africa and the European Union, S. 53 ff.). Zur Frage der Vor- und Nachteile des Lomé-Abkommens, siehe auch Thomas, The EU-South Africa Trade, Development and Cooperation Agreement: precedent or complicating factor? SAYIL 25 (2000), S. 20, 23 ff. 319 Zum vereinbarten Verfahren, vgl. Art. 37 und zur Laufzeit Art. 95 des Abkommens. 320 Bereits 1998 ließ die Europäische Kommission sechs Studien über die wirtschaftlichen Auswirkungen von Regionalen Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten durchführen. Diese bezogen sich auf SADC, eine Staatengruppe im Pazifik sowie folgende vier regionale Organisationen: UDEAC-CEMAC (Union Douanière et Economique de l’Afrique Centrale – Communauté Economique et Monétaire de l’Afrique Centrale), UEMOEA (Union Economique et Monétaire Ouest Africaine) und CARICOM (Caribbean Community and Common Market). Zu den Ergebnissen dieser Studien, siehe: McQueen, The Impact Studies on the Effects of REPAs between the ACP and the EU (1999) ECDPM Discussion Paper 3.
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A. Die Handelsbeziehungen zwischen Europa und Südafrika
Ländern allerdings unbenommen, eigene Freihandelsabkommen mit der Gemeinschaft abzuschließen. c) Fazit Die bereits im Grünbuch vorgezeichneten und im Abkommen von Cotonou vereinbarten Handelsregeln belegen, dass die Gemeinschaft fortgeschritteneren „Entwicklungsländern“ wie Südafrika künftig keine Einbindung in nicht-reziproke Handelsverträge wie dem Lomé-Abkommen anbieten wird. Die Analyse hat außerdem gezeigt, dass auch aus Sicht der wirtschaftlich starken „Entwicklungsländer“ wie Südafrika eine Mitgliedschaft nicht erstrebenswert erscheint, da sie nach geltendem WTO-Recht nicht gerechtfertigt werden kann und deshalb von einer jährlich zu überprüfenden Ausnahmeregelung abhängig wäre. Letztere birgt unkalkulierbare Risiken in sich, zumal sich im Bananenstreit gezeigt hat, dass die Bereitschaft der übrigen WTO-Mitglieder sinkt, entsprechende Präferenzabkommen weiterhin zu tolerieren. Außerdem vermindert sich durch zunehmende weltweite Handelsliberalisierung ohnehin der aus nicht-reziproken Handelsverträgen erwachsende Vorteil. Um Produzenten und potenziellen Investoren nach Beendigung der Apartheid möglichst schnell die erforderliche Sicherheit in den bilateralen Handelsbeziehungen zu bieten, war deshalb der Abschluss eines eigenen Abkommens angezeigt. Problematisch ist, wie sich diese Lösung in den Prozess der regionalen wirtschaftlichen Integration im südlichen Afrika einbinden lässt. Nach Art. 37 Abs. 5 des Cotonou-Abkommens sollen sich die AKP-Staaten entscheiden, ob sie ein AKP-weites, ein regionales oder ein nationales WPA wollen. Die genannte Studie der Gemeinschaft zu den Auswirkungen eines regionalen Partnerschaftsabkommens aus dem Jahre 1998 geht noch davon aus, dass die Wirtschaftsbeziehungen der Gemeinschaft mit der im Hinblick auf ihren Entwicklungsstand heterogenen Gruppe der übrigen SADC-Mitgliedstaaten nicht einheitlich geregelt werden kann. Vielmehr schlägt sie vor, dass das Freihandelsabkommen zwischen Südafrika und der Gemeinschaft auf die übrigen Mitgliedstaaten der südafrikanischen Zollunion (SACU) ausgedehnt wird (Botswana, Lesotho, Namibia und Swasiland). Mit den übrigen drei nicht-LDCs (Mauritius, Simbabwe und Seychellen) könnten WPA abgeschlossen werden, während die übrigen sechs LDCs zumindest vorübergehend außen vor blieben und im Verhältnis zur Gemeinschaft vom APS profitieren würden.321 Eine solche Aufspaltung der Außen321 Dazu: Europäische Kommission, Commission Staff Working Paper for Negotiating Group 3: Economic and trade co-operation, Synthesis of the studies of the impact of the EU’s REPA proposal on ACP sub regions, Brüssel, 14. Juni 1999,
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wirtschaftsbeziehungen der SADC-Gruppe zur Gemeinschaft droht sich jedoch negativ auf die Bemühungen um die Einführung einer Freihandelszone im SADC-Innenverhältnis auszuwirken. So favorisiert eine vom SADC-Sekretariat in Auftrag gegebene zweite Studie, die im März 2003 vorgelegt wurde, eine Mischlösung, nach der ein SADC-weites WPA geschaffen wird, das seinerseits in ein AKP-weites Rahmenabkommen eingebunden ist.322 Welche Lösung im Ergebnis auch immer gefunden wird, für den Prozess der regionalen Integration im südlichen Afrika kommt es entscheidend darauf an, dass der SADC-Binnenhandel gestärkt daraus hervorgeht. Dies setzt insbesondere eine Stärkung der Handelsbeziehungen zwischen Südafrika und den übrigen SADC-Mitgliedstaaten voraus. Auf diesen Aspekt wird im Folgenden noch im Zusammenhang mit den Ursprungsregeln des zwischen der Gemeinschaft und Südafrika abgeschlossenen Freihandelsabkommens genauer einzugehen sein.
Abs. 12–21 und 129–133; Page/Robinson/Solignac Lecomte/Bussolo, SADC-EU Trade Relations in a Post Lomé World, Overseas Development Institute 1999. 322 Tekere/Ndlela, Impact Assessment of Economic Partnership Agreements [EPAs] on Southern African Development Community [SADC] and Preliminary Adjustment Scenarios Trade & Development Studies Centre (März 2003).
B. Das TDCA als Regionalausnahme zur multilateralen Handelsordnung Im Oktober 1999, nach über 4 ½ Jahre langen und zum Teil schwierigen Verhandlungen, beschlossen die EG und Südafrika das historische „Agreement on Trade, Development and Cooperation“ (TDCA), mit dem die bilaterale Zusammenarbeit in den Bereichen Handel, Entwicklung und Politik im 21. Jahrhundert gefördert werden soll.1 Neben dem im Rahmen dieser Arbeit zu behandelnden Komplex des freien Handels zwischen der EG und Südafrika enthält das Abkommen auch Regelungen zu Fragen der finanziellen und technischen Entwicklungszusammenarbeit, der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Zusammenarbeit, des politischen Dialogs und des institutionellen „set-ups“ für diese Kooperation. Bei dem Abkommen handelt sich insoweit um das erste Freihandelsabkommen der EU nach dem „Marrakesch-Übereinkommen“ der WTO,2 das – wie später noch näher darzustellen sein wird – aufgrund des sukzessiven Abbaus von Handelsbeschränkungen vom Charakter her eher als eine Interimsvereinbarung zur Bildung einer Freihandelszone zu bezeichnen sein dürfte.3 Der Anspruch des Abkommens, eine Freihandelszone errichten zu wollen, ergibt sich aus Art. 5 Abs. 1 TDCA: „(1) Die Gemeinschaft und Südafrika kommen überein, im Einklang mit den Bestimmungen dieses Abkommens und der WTO eine Freihandelszone zu errichten“.4
Die Vorschrift berücksichtigt, dass die EG und Südafrika in ihren gegenseitigen Handelsbeziehungen die multilateralen WTO-Übereinkommen einzuhalten haben. Insbesondere dürfen die dort statuierten völkervertraglichen Pflichten nicht durch die bilateralen Vereinbarungen verletzt werden.5 Das TDCA, dessen Bestimmungen den Vertragspartnern im Binnenverhältnis Möglichkeiten und Grenzen der künftigen Handelsbeziehungen aufzeigen, erfährt also nach außen seine Schranken durch die Vorschriften der WTO. 1
European Commission, Partners in Progress, S. 3. European Commission, Partners in Progress, S. 6; Links, Negotiating a LongTerm Relationship, in: Bertelsmann-Scott/Mills/Sidiropoulos (Hrsg.), The EU-SA Agreement: South Africa, Southern Africa and the European Union, S. 31, 34. 3 So auch Thomas, The EU-South Africa Trade, Development & Cooperation Agreement: precedent or complicating factor? SAYIL 25 (2000), S. 20, 27. 4 Hervorhebung durch den Verfasser. 5 Art. 39 ff. WVK i. V. m. Art. X WTO. 2
I. Wirtschafts- und rechtspolitische Kritik am Regionalismus
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Art. XXIV:8 lit. b GATT 1994 definiert die Freihandelszone folgendermaßen: „(. . .) eine Gruppe von zwei oder mehr Zollgebieten, zwischen denen die Zölle und beschränkenden Handelsvorschriften (ausgenommen die nach den Art. XI, XII, XIII, XIV, XV und XX erforderlichenfalls gestatteten) für annähernd den gesamten Handel mit den aus den teilnehmenden Gebieten der Zone stammenden Waren beseitigt werden“.
Damit stellt die Freihandelszone sich als ein Zusammenschluss dar, in dem nahezu der gesamte Binnenhandel liberalisiert wird, während die Autonomie der nationalen Außenhandelspolitik (insbesondere der Zollpolitik) und die Verschiedenheit der Zolltarife und sonstigen Handelsschranken – anders als bei der in Art. XXIV:8 lit. a GATT 1994 definierten Zollunion – erhalten bleiben. Dass auf diese Weise eine Integrationszone geschaffen wird, die den europäisch-südafrikanischen Markt im Verhältnis zu den übrigen WTO-Mitgliedern privilegiert, führt zu einer Durchbrechung des bereits erwähnten, für das GATT/WTO-Recht fundamentalen Grundsatzes der Meistbegünstigung (Art. I:1 GATT): Schließlich gewähren die Gemeinschaft und Südafrika die im TDCA vereinbarten Handelsvorteile nicht auch den übrigen WTO-Mitgliedern.
I. Zur wirtschafts- und rechtspolitischen Kritik am Regionalismus Angesichts der Abweichung vom Meistbegünstigungsprinzip drängt sich die Frage auf, weshalb die Welthandelsordnung Integrationszonen wie das TDCA als Regionalausnahmen6 zur multilateralen Handelsordnung überhaupt zulässt. Dazu erscheint ein kurzer Blick auf die Entstehungsgeschichte des Art. XXIV GATT unumgänglich. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg bestanden zwischen verschiedenen Staaten und Staatengruppen Vereinbarungen zur politischen und wirtschaftlichen Kooperation. Ein Beispiel dafür bildet etwa der Zusammenschluss der Commonwealth-Staaten, die u. a. Handelspräferenzen vereinbart hatten, an denen Großbritannien auch nach dem Krieg festhalten wollte.7 Auch Frankreich und die Nieder6 Der Begriff der so genannten „Regionalausnahme“ ist – wie Hilpold einräumt – etwas irreführend, da er – wie zahlreiche Beispiele belegen – keineswegs nur im Sinne einer räumliche Kontiguität voraussetzenden geographischen Nachbarschaft verstanden werden darf (siehe Hilpold, Regionale Integrationszonen und GATT, RIW 1993, S. 657, 659). In diesem Sinne auch: WTO Secretariat, The Changing Landscape of RTAS – Regional Trade Agreements Section, Trade Policies Review Division, 2003, Ziffer 11, Fn. 9, prepared for the „Seminar on Regional Trade Agreements and the WTO, WTO Secretariat, Geneva, 14. November 2003. 7 Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 17 ff.
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
lande, beides traditionelle Kolonialstaaten, machten sich für die Einbeziehung ihrer besonderen Beziehungen zu den überseeischen Ländern und Hoheitsgebieten in das neu zu schaffende Welthandelssystem stark.8 Selbst die USA forderten 1945 in den Verhandlungen um die Havanna-Charta, dass den Mitgliedstaaten die Möglichkeit offenstehen müsse, einer Zollunion beitreten zu dürfen.9 Schließlich führten französische, libanesische und syrische Vorschläge dazu,10 dass Freihandelszonen (und Zollunionen) in der Havanna-Charta Berücksichtigung fanden.11 Die Bestimmungen wurden durch ein spezielles Protokoll vom 24. März 1948 in das GATT als Art. XXIV übergeleitet, der auf der ersten Sitzung der Vertragsparteien des GATT noch einmal neu formuliert und bei Gründung der WTO durch eine Vereinbarung zur Auslegung des Art. XXIV ergänzt wurde,12 ohne dass die Änderungen jedoch zu Einschränkungen der Möglichkeit führten, Freihandelszonen zu gründen. Deren Errichtung erfreute sich in der Praxis dann auch schnell zunehmender Beliebtheit. Was als Ausnahme gedacht war, entwickelte sich zur übermächtigen Regel, stellte Steinberger bereits 1963 fest.13 Heute findet über 50 Prozent des weltweiten Handels zwischen Mitgliedern von regionalen Handelszonen statt, wobei sich die Zahl der entsprechenden Abkommen in den letzten zehn Jahren etwa verdoppelt hat.14 8
Hilpold, Regionale Integrationszonen und GATT, RIW 1993, S. 657, 658. US Department of State, Publ. 2411, 1945, Sec. H:2. 10 Zur Entstehungsgeschichte des Art. XXIV GATT 1947, siehe Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 94 ff.; Hilpold, Regionale Integrationszonen und GATT, RIW 1993, S. 657, 658 f. 11 Den Detailbestimmungen über Zollunionen und Freihandelszonen geht folgende Generalnorm voraus (Art. 44/1 Havanna Charta): „Members recognize the desirability of increasing freedom of trade by the development, through voluntary agreements, of closer integration between economies of the countries parties to such agreements. They also recognize that the purpose of a customs union or free-trade area should be to facilitate trade between the parties and not to raise barriers to the trade of other Member countries with such parties“. Folgende Sonderregelung zugunsten der Entwicklungsländer fand dagegen keine Aufnahme im GATT (Art. 15 Havanna-Charta): „1. The Members recognize that special circumstances, including the need for economic development or reconstruction, may justify new preferential agreements between two or more countries in the interest of the programmes of economic development or reconstruction of one or more of them“. 12 Abl. EG Nr. L 336/16 vom 23.12.1994. 13 Hilpold, Regionale Integrationszonen und GATT, RIW 1993, S. 657. 14 WT/REG/W/37 vom 2. März 2000, Ziffer 1 und 2. So ergibt sich aus den Statistiken der WTO, dass bis Oktober 2003 unter GATT/WTO 285 Regionalabkommen notifiziert wurden, wobei Abkommen unter Art. XXIV GATT, Art. V GATS und der Ermächtigungsklausel umfasst waren (WTO Secretariat, The Changing Landscape of RTAS, 2003, Ziffer 7, Fn. 3). Zudem lässt sich den vorge9
I. Wirtschafts- und rechtspolitische Kritik am Regionalismus
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Das TDCA fügt sich also nahtlos in eine weltweite Entwicklung zur Bildung von regionalen Handelszonen ein. Damit ist freilich noch nicht gesagt, ob entsprechende Abkommen dem von der WTO verfolgten Ziel einer liberalisierten Welthandelsordnung zuträglich sind. Diese Frage gehört zu den wohl umstrittensten in der einschlägigen Fachliteratur. So bezeichnete Kenneth W. Dam Art. XXIV GATT als „a failure if not a fiasco“.15 Vor allem drei grundsätzliche Kritikpunkte werden gegen regionale Handelszonen vorgetragen: Erstens, sie erschwerten den Marktzugang für Drittstaaten, zweitens, sie trügen zu einer Regionalisierung des Welthandels bei, und drittens, sie schmälerten die Bereitschaft der partizipierenden Staaten, sich für multilaterale Lösungen im Rahmen der WTO einzusetzen. Besonders schwerwiegend erscheint der erste Kritikpunkt. Art. XXIV setzt das Grundprinzip des Wirtschaftsvölkerrechts, die Meistbegünstigungsklausel, partiell außer Kraft, um so eine Intensivierung der Handelsbeziehungen der am Freihandelsabkommen teilnehmenden Staaten zu erzielen. Dadurch dürfen zwar nach Art. XXIV:4 und 5 GATT keine Handelsschranken zu Lasten Dritter entstehen. Indessen kann die Bildung von Integrationszonen faktisch nicht ohne Wirkung auf den Handel mit denjenigen Drittstaaten bleiben, die im internationalen Wettbewerb um dieselben Märkte konkurrieren, ohne von den in der Freihandelszone geltenden Präferenzen zu profitieren. Hinzu kommt, dass die Regelungsgegenstände der bilateralen Handelsabkommen immer umfangreicher und komplexer werden und viele Staaten zudem noch an einer Mehrzahl von regionalen Handelsabkommen partizipieren.16 Für Drittstaaten, die den Abkommen mangels entsprechender Aufnahmevorschriften regelmäßig nicht nach eigenem Wunsch beitreten können,17 bleibt nur die schwierige (rechtliche) Analyse der Außenwirkungen des immer dichter werdenden Netzes an regionalen Integrationszonen, um sich gegen rechtswidrige Handelsnachteile zu schützen.18 Auf der anderen Seite ist anzuerkennen, dass zumindest de jure eine Benachteiligung Dritter durch Art. XXIV:4 und 5 ausgeschlossen werden soll und Drittstaanannten Statistiken auch entnehmen, dass im Oktober 2003 alle 146 WTO-Mitglieder – mit Ausnahme der Mongolei – entweder aktive Verhandlungen zum Abschluss eines Regionalabkommens führten oder sogar bereits Mitglieder von bestehenden Regionalabkommen waren (WTO Secretariat, The Changing Landscape of RTAS, 2003, Ziffer 1). 15 The GATT – Law and International Economic Organization, S. 275. 16 Die WTO-Mitglieder partizipieren durchschnittlich in fünf regionalen Handelsabkommen (wenn man die EG als ein Integrationsgebiet ansieht). Manche gehören sogar zehn oder mehr regionalen Integrationszonen an, während die Mehrheit zumindest in einem entsprechenden Abkommen Mitglied ist (WT/REG/W/37 vom 2. März 2000, Ziffer 2). 17 Zur Forderung nach flexiblen Aufnahmevorschriften in regionalen Handelsabkommen, siehe HKC, WT/REG/M/17 vom 12. Juni 1998, Ziffer 34.
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ten nicht ohne Rechtsschutzmöglichkeiten sind, wenn sie eine Verletzung dieser Prinzipien vermuten. In diesem Sinne stellte das Panel in Turkey Textiles fest: „(W)e consider that regional trade agreements may contain numerous measures, all of which could potentially be examined by panels, before, during and after the CRTA examination, if the requirements laid down in the DSU are met“.19
Insofern ist der erste Kritikpunkt nur bei einer de facto Betrachtung, nicht aber bei einer de jure Betrachtung einschlägig. Auch muss bezweifelt werden, dass Freihandelszonen tatsächlich zu einer Regionalisierung des Welthandels beitragen. Zwar führen sie im Regelfall zu dem (beabsichtigten) Wachstum im intra-regionalen Handel. Dieser entwickelt sich aber nicht auf Kosten des Welthandels, sondern steigt regelmäßig mit diesem an.20 Als Beispiel sei hier nur auf die Entwicklung des deutschen Außenhandels hingewiesen. Dieser hat nicht nur vom europäischen Binnenmarkt profitiert, sondern gleichzeitig in erheblichem Maße auch vom globalen Handel. Bemerkenswert ist auch, dass der intra-regionale Handel für viele andere Staaten wie z. B. die USA als Mitglied der NAFTA oder die ASEAN-Staaten im Vergleich zu ihren übrigen Außenhandelsbeziehungen niemals eine überragende Bedeutung gewonnen hat. Dies gilt erst recht für Südafrika, dessen wichtigster Handelspartner bereits vor In-Kraft-Treten des TDCA die EG-Mitgliedstaaten waren und nicht etwa die vier übrigen Mitglieder der SACU-Zollunion. Die bisherigen Erfahrungen haben damit im Ergebnis gezeigt, dass sich die internationalen Handelsströme nicht durch Regionalabkommen aufhalten oder ablenken lassen. Vielmehr werden längst etablierte Handelsbeziehungen zum Anlass genommen, diese durch ein Freihandelsabkommen zu stärken. Das TDCA ist dafür ebenso ein Beispiel wie die EFTA oder das ehrgeizige Projekt eines Free Trade Agreement of the Americas (FTAA), das sich mit 34 Mitgliedstaaten, mehr als 845 Millionen Konsumenten und einem Markt von 13 Billionen US-Dollar zur größten Freihandelszone der Welt entwickeln wird.21 18 So im Ergebnis auch Woolcock, Regional Integration and the Multilateral Trading System, in: Geiger/Kennedy (Hrsg.), Regional Trade Blocks, Multilateralism, and the GATT: Complementary Paths to Free Trade? S. 115, 121 f. 19 Bericht des Panels „Turkey-Textiles“ WT/DS34/R vom 31. Mai 1999, Ziffer 9.53. 20 Woolcock, Regional Integration and the Multilateral Trading System, in: Geiger/Kennedy (Hrsg.), Regional Trade Blocs, Multilateralism, and the GATT: Complementary Paths to Free Trade? S. 115, 118 f. 21 Rivas-Campo/Juk Benke, FTAA Negotiations: Short Overview, JIEL 6 (2003), S. 661 f. Im Vergleich dazu hat die EG ein Marktvolumen von etwa 8 Billionen US-Dollar, siehe Hujer, Amerikaner verknüpfen Freihandel mit Demokratie, Süddeutsche Zeitung vom 23. April 2001, S. 1.
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Inwieweit Regionalabkommen schließlich das Interesse an multilateralen Lösungen im Rahmen der WTO schmälern, ist ebenfalls zu hinterfragen. Zwar lässt sich belegen, dass die Bemühungen zur Schaffung des Europäischen Binnenmarktes (1988–1991) oder der NAFTA (1993) die UruguayRunde hinauszögerten, da sich die politische Debatte in den beteiligten Staaten angesichts der besonderen Nähe zu den regionalen Entwicklungen vorübergehend primär auf diese konzentrierte. Auch entspricht es der Natur der Sache, dass multilaterale Konferenzen, an denen fast die gesamte Staatengemeinschaft mit ihren vielschichtigen und häufig widerstreitenden Interessen teilnimmt, langwierig sind, während Verhandlungen um regionale Handelsabkommen regelmäßig schneller zum Ergebnis führen. Allerdings hat sich Art. XXIV tatsächlich als Antriebsfeder der globalen Handelsliberalisierung erwiesen, da diese Vorschrift im regional begrenzten Kreis ermöglicht, was auf multilateraler Ebene noch nicht durchsetzbar ist.22 In diesem Sinne fanden viele Bestimmungen aus regionalen Handelsabkommen Eingang in die Verhandlungen um multilaterale Handelserleichterungen. Als Beispiel sei hier nur auf das Freihandelsabkommen zwischen den USA und Kanada (CUSFTA) hingewiesen, dessen Vorschriften über die Streitbeilegung maßgeblichen Einfluss auf das Streitschlichtungssystem der WTO hatten.23 Umgekehrt orientieren sich die regionalen Handelsabkommen bisweilen auch an den Vorgaben der WTO,24 was nicht zuletzt im TDCA selbst mit der Inkorporierung zahlreicher WTO-Vorschriften seinen Ausdruck findet. Mit anderen Worten, die Praxis belegt, dass beide Möglichkeiten der Kooperation gegenseitig befruchtend wirken. Davon, dass sich die Staaten auf ihren Freihandelsabkommen ausruhen und den Ausbau der Handelsfreiheiten im Rahmen der WTO aufgegeben haben, kann somit nicht die Rede sein. Im Ergebnis überzeugt die wirtschafts- und rechtspolitische Grundsatzkritik daher nicht. Auch wenn eine liberalisierte Welthandelsordnung auf ausschließlich multilateraler Basis erstrebenswert erscheint, um mehr Transparenz in das Geflecht der weltweiten Handelsbeziehungen zu bringen, kann nicht festgestellt werden, dass der regionale Freihandel das Ziel weltweiter Handelsliberalisierung grundsätzlich konterkariert. Vielmehr ist zu konstatie22 So auch Sampson, Regional Trading Arrangements and the Multilateral Trading System, in: Geiger/Kennedy (Hrsg.), Regional Trade Blocs, Multilateralism, and the GATT: Complementary Paths to Free Trade? S. 13, 17 f. 23 Woolcock, Regional Integration and the Multilateral Trading System, in: Geiger/Kennedy (Hrsg.), Regional Trade Blocks, Multilateralism, and the GATT: Complementary Paths to Free Trade? S. 115, 119 f. 24 Woolcock, Regional Integration and the Multilateral Trading System, in: Geiger/Kennedy (Hrsg.), Regional Trade Blocks, Multilateralism, and the GATT: Complementary Paths to Free Trade? S. 115, 122.
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ren, dass die Beseitigung der Handelsschranken in den vielen bisher geschlossenen Zollunionen und Freihandelszonen inspirierenden Einfluss auch auf die Bemühungen zur Liberalisierung des Welthandels genommen hat, wie dies schon von den Verfassern des GATT bezweckt worden war.25 Dennoch sind regionale Integrationszonen jeweils separat danach zu beurteilen, wie sie sich in die Welthandelsordnung einfügen und welche Wirkungen sie sowohl auf die teilnehmenden Gebiete als auch auf Drittstaaten haben. Dieser Prüfung ist das TDCA im Folgenden ebenfalls zu unterziehen.
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen des Art. XXIV GATT 1994 an das TDCA Wie bereits dargelegt, kollidieren die Handelspräferenzen des TDCA mit dem das GATT-Recht kennzeichnenden Prinzip der Meistbegünstigung. Nach diesem Prinzip sind die GATT-Vertragsparteien verpflichtet, alle Handelsvorteile, die sie einem Mitgliedstaat gewähren, unverzüglich und bedingungslos auch allen anderen Vertragsstaaten einzuräumen (Art. I Abs. 1 GATT 1994). Nur wenige Ausnahmen erlauben eine Durchbrechung dieses Prinzips. Dazu gehören – neben den bereits im ersten Kapitel dargestellten Präferenzen zugunsten der Entwicklungsländer, die sich auf den „waiver“ des Jahres 1971 und auf die „enabling clause“ stützen – auch Wirtschaftszusammenschlüsse im Sinne des Art. XXIV GATT 1994. Insgesamt müssen im Wesentlichen drei materiellrechtliche und eine – unter B. III. gesondert darzustellende – verfahrensrechtliche Voraussetzung erfüllt sein: Das Abkommen muss erstens der in Ziffer 8 enthaltenen Legaldefinition einer Freihandelszone entsprechen, indem es einen hinreichenden Liberalisierungsgrad erreicht (B. II. 1.). Es darf zweitens nach den Ziffern 4 und 5b zu keinen Nachteilen für Drittstaaten führen (B. II. 2.). Drittens muss es gemäß Ziffer 5 lit. c innerhalb einer angemessenen Zeitspanne umgesetzt werden (B. II. 3.) und viertens ist es entsprechend Ziffer 7 den übrigen GATT-Parteien im Rahmen der dort vorgesehenen Notifikation anzuzeigen (B. III). 1. Der Umfang der vereinbarten Handelsliberalisierung (Art. XXIV:8 lit. b GATT 1994) Grundvoraussetzung für die Vereinbarkeit des TDCA mit Art. XXIV ist, dass sich die Liberalisierung des Binnenhandels in der neu zu errichtenden Freihandelszone entsprechend der Legaldefinition in Ziffer 8 lit. b im Wesentlichen auf den gesamten Handel erstreckt, soweit dieser seinen Ur25 Huber, Die Präferentiellen Abkommen der EG mit dritten Staaten und die Frage ihrer Vereinbarkeit mit dem GATT, S. 27.
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
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sprung in den Mitgliedsgebieten hat. Das Erfordernis einer umfassenden Handelsliberalisierung im Sinne einer binnenmarktähnlichen Struktur erweist sich als das entscheidende Tatbestandsmerkmal zur Abgrenzung zulässiger Zusammenschlüsse nach Art. XXIV von unzulässigen Teilbereichsintegrationen.26 Präferenzsysteme, die darauf angelegt sind, nur einzelne Handelsbereiche durch bilaterale Vereinbarungen zu privilegieren, um diesbezüglich die unliebsame Konkurrenz dritter Staaten auszuschalten, genießen nicht den Schutz des Art. XXIV, sondern verstoßen gegen die Präferenzverbote in Art. I:1 und XIII.27 Im Sinne dieser Einschränkung enthält die Präambel der in der Uruguay-Runde getroffenen Vereinbarung zur Auslegung des Art. XXIV die Feststellung, dass eine Verringerung des Welthandels zu erwarten ist, wenn wesentliche Handelssektoren vom Freihandelsabkommen ausgeschlossen bleiben, wohingegen bei Aufnahme aller Bereiche in die Integrationszone von einer Ausweitung des globalen Handels auszugehen ist.28 Trotz dieser Aussage zum notwendigen Handelsumfang konnte man sich im Rahmen des GATT und der WTO bisher nicht auf klare Kriterien zur Definition des Terminus „substantially all the trade“ verständigen.29 Dies mag angesichts der dargestellten Bedeutung des Kriteriums unbefriedigend erscheinen. Andererseits hätte eine abstrakt-generelle Regelung die Gefahr heraufbeschworen, der Vielfalt an wirtschaftlichen Vorgängen, die einer Freihandelszone zugrundeliegen, nicht gerecht zu werden.30 Als Auslegungshilfe haben sich in der Praxis jedenfalls zwei konzeptionelle Auffassungen herausgebildet, die inzwischen allgemein Anerkennung gefunden haben. Danach ist die vereinbarte Handelsliberalisierung einerseits nach dem Handelsvolumen (quantitativer Ansatz)31 und andererseits nach dem Ausmaß der Einbeziehung der einzelnen Handelsbereiche (qualitativer Ansatz)32 zu beurteilen.33 26 Haight, Customs Unions and Free-Trade Areas under GATT, JWT 6 (1972), S. 391, 392, Fn. 3; Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 106 f. 27 Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 108 f., 147; Hilpold, Regionale Integrationszonen und GATT, RIW 1993, S. 657, 663. 28 Abs. 3 und 4 der Präambel der Vereinbarung zur Auslegung des Art. XXIV des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens 1994, Abl. EG Nr. L 336/16 vom 23.12.1994. 29 So auch die Feststellung im Appellate Body Bericht „Turkey-Textiles“ WT/ DS34/AB/R vom 22. Oktober 1999, Seite 12, Ziffer 48. Zur Diskussion um eine Definition des Begriffs „substantially all the trade“, siehe WT/REG/W21/rev.1 vom 5. Februar 1998, Ziffern 6–11. 30 Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 148. 31 WTO, Analytical Index Band 2 (1995) S. 824. 32 WTO, Analytical Index Band 2 (1995) S. 825; vgl. die Überprüfung des EFTA-Abkommens in BISD, 9S, 1961, S. 84.
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a) Der quantitative Ansatz Das Handelsvolumen wurde erstmals 1957 als entscheidendes Kriterium bei der Überprüfung des EWG-Vertrages ins Feld geführt. Die EG bewertete seinerzeit eine Liberalisierung von insgesamt 80 Prozent des Binnenhandels als ausreichend, um „substantially all the trade“ zu umfassen.34 Die Mitgliedstaaten der EFTA erreichten eine Liberalisierung von 90 Prozent des gegenseitigen Handels und betrachteten damit das Erfordernis der Ziffer 8 lit. b des Art. XXIV als erfüllt.35 Dagegen schlugen die EWG-Mitgliedstaaten eine Liberalisierungsquote von 80 Prozent vor, wie es in einem Bericht des GATT Unterausschusses zur Überprüfung der Assoziierung der Übersee Gebiete heißt.36 In der Literatur variieren die Meinungen von 51 Prozent37 über 80 Prozent38 und 90 Prozent39 bis zu 99 Prozent40 des Warenhandels. Die Vertragspartner haben vereinbart, dass Handelsbeschränkungen nur auf Zöllen (einschließlich Finanzzöllen) basieren dürfen. Dagegen sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen einschließlich Abgaben mit gleicher Wirkung (Art. 9 und 19 TDCA) und steuerliche Maßnahmen, welche die Einfuhren von Ursprungswaren aus dem jeweils anderen Vertragsgebiet benachteiligen, verboten (Art. 21 TDCA). Unter Beachtung dieser Grundsätze werden die Vertragspartner nach dem Ende der Übergangsphase im Ergebnis 90 Prozent des bei Vertragsschluss getätigten Handels vollständig liberalisiert haben.41 Hinzu kommen weitere sog. Zollkontingente in Form von verminderten Zollsätzen und zollfreien Quoten. Derartige Zollkontingente führen nur zu einer partiellen Handelsliberalisierung, denn sobald das vereinbarte Handelskontingent erschöpft ist, leben die ursprünglichen Handelsbeschränkungen entsprechend der Meistbegünstigungsverpflichtung wieder auf. Ingesamt betrifft diese partielle Handelsliberalisierung im TDCA 1,7 Prozent aller Importe der Gemeinschaft aus Südafrika und 2,8 Prozent 33
Für eine kritische Würdigung beider Ansätze, siehe WT/REG/W/21/Add.1 vom 2. Dezember 1997; WT/REG/W/37 vom 2. März 2000, Ziffer 54 ff., vgl. auch Hilpold, Regionale Integrationszonen und GATT, RIW 1993, S. 657, 663. 34 L/778 angenommen am 29. November 1957, 6S/100, Abs. 34. 35 Vgl. Ausschussbericht GATT L/1235 Ziffer 32 ff., 48 ff.; ferner GATT L/1167, S. 35 ff.; L/1167/Add.1, 2 ff. 36 WTO, Guide to GATT Law and Practice, Analytical Index, Bd. 2 (1995) S. 824. 37 Roselieb, ÖZöR 1961, S. 27, 45. 38 Dam, The GATT – Law and International Economic Organization, S. 279. 39 Imhoof, Le GATT et les Zones de libre-échanges, S. 69. 40 Haight, Customs Unions and Free-Trade Areas under GATT, JWT 6 (1972), S. 391, 392, Fn. 3. 41 European Commission, Partners in Progress, S. 8.
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
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aller Importe Südafrikas aus der Gemeinschaft.42 Auch wenn die Prozentsätze dieser Zollkontingente im Vergleich zur Quote der vollständigen Liberalisierung relativ gering erscheinen, stellt sich im Grundsatz die Frage, ob die Einführung zollverminderter bzw. zollfreier Quoten ein zulässiges Mittel ist, um „substantially all the trade“ zu liberalisieren. aa) Zulässigkeit partieller Handelsliberalisierung Die Besonderheit der Liberalisierungsquoten besteht darin, dass es sich bei ihnen um „positive Präferenzen“ handelt, d. h. sie fallen nicht hinter die vom TDCA ohnehin nicht angetasteten MFN-Regelungen zurück, sondern knüpfen an diese an, indem sie für bestimmte Produktmengen eine darüber hinausgehende (z. B. -50 Prozent MFN) oder gar volle Handelsliberalisierung vorsehen. Auf diese Weise wird für bestimmte Erzeugnisse partiell das erreicht, was ohnehin das Ziel einer Freihandelsvereinbarung ist. Auf der anderen Seite ist jedoch auch zu beachten, dass Art. XXIV:8 lit. b nicht von Zollsenkung, sondern ausdrücklich von Zollbeseitigung spricht und dass die ursprünglichen Zolltarife – sobald das jeweils vereinbarte Kontingent erschöpft ist – wieder aufleben. Unter den WTO-Mitgliedern werden zu der Frage, wie Zollkontingente im Lichte des XXIV:8 lit. b zu behandeln sind, unterschiedliche Auffassungen vertreten. Während etwa die Vertreterin der Vereinigten Staaten im Rahmen der Überprüfung der vorläufigen Handelsvereinbarung zwischen Slovenien und der Europäischen Gemeinschaft im CRTA darauf hinwies, dass sie in Art. XXIV keine Rechtsgrundlage für Handelspräferenzen sehe, die nicht Zollfreiheit bedeuten, bekräftigten die Vertreter Ungarns und der Gemeinschaft, dass sie kein Verbot für solche eingeschränkten Präferenzen erkennen könnten.43 Angesichts des eindeutigen Wortlauts des Art. XXIV erscheint letztere Position jedoch nicht haltbar. Zwar sind partielle Handelsliberalisierungen während der Übergangszeit auf dem Weg zum Freihandel ein legitimes Mittel. Jedoch kann am Ende nur zählen, was tatsächlich vollständig liberalisiert wurde.44 In diesem Sinne dürfen die o. g. Zollkontingente demzufolge nicht bei der Frage berücksichtigt werden, ob die Handelsliberalisierung tatsächlich „substantially all the trade“ umfasst.45 Da aber die trade coverage mit 90 Prozent bereits relativ hoch ist (sieht man einmal von statistischen Inter42
European Commission, Partners in Progress, S. 10. WT/REG32/M/1 vom 12. März 1998, Ziffer 13–17. 44 So wohl auch Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 236 f. 45 Was für diesen speziellen Fall offensichtlich auch der Einschätzung der Europäischen Kommission entspricht, siehe European Commission, Partners in Progress, S. 10. 43
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
pretationsspielräumen ab),46 dürfte das TDCA bei einer Gesamtbetrachtung den quantitativen Anforderungen des „substantially all“-Kriteriums auch dann genügen, wenn man die vereinbarten Zollquoten außer Acht lässt. bb) Zulässigkeit entwicklungsbezogener Asymmetrien Eine weitere Besonderheit des TDCA besteht darin, dass die quantitativen Liberalisierungsverpflichtungen der Vertragspartner unterschiedlich hoch ausgestaltet sind. Während die Gemeinschaft im Ergebnis 95 Prozent des südafrikanischen Handels zollfrei passieren lassen muss, hat Südafrika seinen Markt lediglich zu 86,3 Prozent gegenüber Produkten aus der Gemeinschaft zu öffnen. Diese Differenz reflektiert eine Komponente des entwicklungsbezogenen Ansatzes des Abkommens, mit dem der Prozess der wirtschaftlichen Umgestaltung Südafrikas unterstützt werden soll.47 Die Zulässigkeit dieser Vereinbarung setzt voraus, dass der Liberalisierungssatz nach Art. XXIV nicht in allen beteiligten Gebieten gleich hoch sein muss, sondern unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung der einzelnen Mitglieder auch unterschiedlich festgelegt werden kann. Dementsprechend könnte der dem „substantially all the trade“-Kriterium innewohnende Reziprozitätsgrundsatz in entwicklungsbezogenen Abkommen der Wirtschaftskraft der Vertragspartner zumindest in gewissen Grenzen angepasst werden.48 Die Rechtmäßigkeit dieser Annahme bedarf einer genaueren Betrachtung. Keinesfalls erlaubt Art. XXIV den völligen Verzicht auf Reziprozität, wie die EG dies noch bei der Überprüfung der GATT-Vereinbarkeit von Lomé-I vertreten hatte. Die EG war seinerzeit der Auffassung, dass es ausreichen müsse, wenn auf ihrer Seite die Beseitigung der Zölle und anderen beschränkenden Handelsvorschriften für annäherend den gesamten Handel erreicht werde. Dagegen sollten die AKP-Vertragspartner mit Blick auf deren Entwicklungserfordernisse und angesichts der in Teil IV des GATT niedergelegten Grundsätze von Handel und Entwicklung von derartig weitreichenden Konzessionen verschont bleiben.49 Diese einseitige Beseitigung von Handelsschranken widerspricht schon dem Begriff der Freihandelszone und damit dem Wortlaut von Art. XXIV:8 lit. b, welcher schlicht von umfassender Handelsliberalisierung spricht und gerade keine Differenzierung zwischen entwickelten Ländern und Entwicklungsländern enthält. Dementspre46
Dazu kritisch Imhoof, Le GATT et les zones de libre échange, S. 69. European Commission, Partners in Progress, S. 8. 48 Sich dafür aussprechend Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 151 f. 49 GATT, IBDD, Supp. 23, S. 52 vom 24. und 25. Juni 1976. 47
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chend wurde diese Auffassung von den übrigen Vertragsparteien des GATT in der entsprechenden Arbeitsgruppe auch nahezu einhellig abgelehnt. Auch die Entstehungsgeschichte von Art. XXIV:8 lit. b spricht gegen eine solche Auslegung, da diese Vorschrift vor allem für Regionalabkommen zwischen Industriestaaten gedacht war.50 Hinzu kommt, dass Teil IV des GATT, welcher sich mit Fragen von Handel und Entwicklung auseinandersetzt, ausweislich seiner Entstehungsgeschichte gerade nicht als Rechtsgrundlage für nicht-reziproke Handelspräferenzen zugunsten von Entwicklungsländern konzipiert wurde.51 Art. XXXVI:8, der in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen ist, enthält folgende Formulierung: „Die entwickelten Vertragsparteien erwarten keine Gewährung der Gegenseitigkeit für die von ihnen in Handelsverhandlungen übernommenen Verpflichtungen zum Abbau oder zur Beseitigung von Zöllen und sonstigen Beschränkungen des Handels der weniger entwickelten Vertragsparteien“.
Ergänzt wird diese Regelung noch durch die „interpretive note“ in Anlage I des GATT: „Es besteht Einigkeit darüber, dass der Ausdruck ‚erwarten keine Gewährung der Gegenseitigkeit‘ in Übereinstimmung mit den Zielen dieses Artikels folgendes bedeutet: Bei Handelsverhandlungen sollen keine Leistungen der weniger entwickelten Vertragspartei erwartet werden, die mit ihren eigenen Entwicklungs-, Finanzund Handelsbedürfnissen unvereinbar sind; hierbei ist die Entwicklung des Handels in der Vergangenheit zu berücksichtigen“.52
Es ist zu beachten, dass diese Vorschriften den übrigen Vertragsbestimmungen des GATT nachgeordnet sind, so dass sie insbesondere nicht in einen Rechtfertigungstatbestand zugunsten von einseitigen Präferenzabkommen verkehrt werden dürfen.53 Darüber hinaus enthält Teil IV bei genauer Betrachtung keine ausdrückliche Bestimmung für neue Präferenzen, sondern legt lediglich fest, dass die Industrieländer keine Gegenseitigkeit bei Handelsverhandlungen erwarten.54 Damit bleibt diesen Vorschriften nur die Funktion, einen programmatischen Anspruch der Welthandelsordnung zu verkörpern. Zwar werden von Teilen der Staatengemeinschaft immer wieder Vorstöße unternommen, für die Zulässigkeit asymmetrischer Handels50 Hilpold, Regionale Integrationszonen und GATT, RIW 1993, S. 657, 665 m. w. N. 51 Dazu ausführlich Huber, Die Präferentiellen Abkommen der EG mit dritten Staaten und die Frage ihrer Vereinbarkeit mit dem GATT, S. 131 ff. 52 Es folgt eine ausdrücklich nicht abschließende Aufzählung von Vorschriften, auf die diese Interpretationshilfe Anwendung findet „or any other procedure under this Agreement“. 53 A.A. Imhoof: „Quoi qu’ill en soit, la justification de la Convention de Lomé au titre de la partie IV du GATT est la seule juridiquement possible à notre avis“. 54 Huber, Die Präferentiellen Abkommen der EG mit dritten Staaten und die Frage ihrer Vereinbarkeit mit dem GATT, S. 139 ff.
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liberalisierung im Rahmen von Freihandelsabkommen zu werben und den Wortlaut des Art. XXIV:8 lit. b entsprechend abzuändern, um so dem unterschiedlichen Entwicklungsstand von „developed“ und „developing countries“ besser Rechnung tragen zu können.55 Dies ändert jedoch nichts an der derzeitig gültigen Rechtslage, dass die Reziprozität des Art. XXIV:8 lit. b auch nicht unter Hinweis auf das wohlmeinende Motiv einer entwicklungsgerechteren Liberalisierung durchbrochen werden darf. Aus diesen Überlegungen folgt, dass der Ausdruck „substantially all the trade“ eine entwicklungsbezogene Verschiebung in der gegenseitigen Liberalisierungsverpflichtung nur zulässt, solange alle übrigen Anforderungen des Art. XXIV, insbesondere dessen quantitative wie qualitative Vorgaben, eingehalten werden. Das TDCA erreicht eine durchschnittliche Liberalisierungsquote von 90 Prozent, die auf Seiten Südafrikas nur um 3,7 Prozent verfehlt wird. Ein Minus in dieser Größenordnung erscheint in Anbetracht der „total trade coverage“ noch vertretbar, zumal der reziproke Charakter der Handelsliberalisierung dadurch nicht gefährdet wird. Hinzu kommt, dass sich die Gemeinschaft und Südafrika dazu verpflichtet haben, spätestens fünf Jahre nach InKraft-Treten des Abkommens „weitere Schritte zur Liberalisierung ihres bilateralen Handels“ zu prüfen (Art. 18 TDCA),56 wodurch das Defizit weiter verringert werden könnte. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass der Umfang der Handelsliberalisierung durch das TDCA im Sinne des quantitativen Ansatzes annäherend den gesamten Handel umfasst. b) Der qualitative Ansatz Die Prüfung der erzielten Liberalisierungsquote kann sich jedoch nicht in einer Gesamtbetrachtung erschöpfen. Würde „substantially all the trade“ rein quantitativ ausgelegt, so drohen ganze Wirtschaftszweige ausgeklammert zu werden, die aufgrund ihres geringen Handelsvolumens nicht ausreichend ins Gewicht fallen.57 Um dem zu begegnen, wurde bereits bei der Überprüfung des EFTA-Abkommens in der zuständigen Arbeitsgruppe darauf hingewiesen, dass die Auslegung des Begriffs „substantially all the trade“ auch unter qualitativen Aspekten zu erfolgen habe, indem zusätzlich 55 Siehe dazu zum Beispiel Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/ WTO, S. 294 ff. m. w. N. 56 Nach einer Presseerklärung der Delegation der Europäischen Kommission vom 9. Dezember 2003 sollen diese Verhandlungen für den Bereich des Automobilsektors bereits im April 2004 beginnen (http://www.eusa.org.za/Content/TradeandEconomic/TDCA.html, 3.2.2004) 57 Huber, Die Präferentiellen Abkommen der EG mit dritten Staaten und die Frage ihrer Vereinbarkeit mit dem GATT, S. 29 f.
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
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die einzelnen Wirtschaftsbereiche auf ihren Liberalisierungsbeitrag untersucht werden. Obwohl Art. XXIV:8 lit. b GATT 1994 ausdrücklich keine vollständige Aufhebung sämtlicher Handelsbarrieren verlangt,58 dürfen letztere nicht mehr als einen „unwesentlichen“ Teil des Handels ausmachen.59 Man wird aber zumindest alle Wirtschaftsbereiche einer Volkswirtschaft unabhängig von ihrem Handelsvolumen als „wesentlich“ einzustufen haben. Andererseits darf der Ausdruck „substantially all the trade“ nicht in „trade in substantially all products“ umgedeutet werden.60 Entscheidend ist, dass im Ergebnis eine umfassende Liberalisierung erzielt wird, die sich auf möglichst alle Wirtschaftsbereiche stützt. Im Hinblick auf das TDCA ist deshalb zu prüfen, wie die Liberalisierungsverpflichtungen zwischen den Vertragspartnern aufgeteilt sind und welche Handelsbereiche welchen Beitrag zum vereinbarten Freihandel leisten. Dafür werden im Folgenden zunächst die verschiedenen Bereiche der Handesliberalisierung dargestellt und anschließend im Hinblick auf ihre Zulässigkeit nach XXIV:8 lit. b GATT 1994 analysiert. aa) Überblick über Bereiche der Handelsliberalisierung (1) Liberalisierungsverpflichtungen auf Seiten der EG Nach dem TDCA behält die EG für bestimmte geschützte61 und „hochsensitive“62 landwirtschaftliche Erzeugnisse aus Südafrika den Meistbegünstigungszollsatz vollständig bei. Dazu gehören Rindfleisch, Zucker,63 Milchprodukte (einschließlich Milch, Butter, Molke), Zuckermais, Mais und dessen Erzeugnisse, Reis und dessen Erzeugnisse, Stärke, bestimmte Schnittblumen, bestimmtes Frischobst (bestimmte Zitrusfrüchte, Äpfel, Birnen, Weintrauben, Bananen), konservierte Tomaten, bestimmtes konserviertes Obst und Obstsäfte, Wermut, Äthyl-Alkohol und bestimmter Fisch. Bei an58
Erste Definitionsversuche von Dam schlagen demzufolge auch die folgende, etwas kryptische Formulierung vor: „that is must refer to something less than ‚all of the trade‘ but certainly something more than ‚some of the trade‘ (Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 65). 59 Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 147. 60 BISD, 9S, 1961, S. 83 ff. 61 Art. 14 Abs. 9 i. V. m. Anhang IV Liste 8 TDCA. 62 Art. 14 Abs. 8 i. V. m. Anhang IV Liste 7 TDCA. 63 Den Ausschluss bestimmter Produktgruppen wie rotes Fleisch und Zucker motivierte die EU auch damit, dass die Handelsliberalisierung im Verhältnis zu Südafrika nicht den Interessen der traditionellen Lomé-Staaten zuwiderlaufen sollte (Lowe, Main Parameters of the EU-SA Partnership, in: Bertelsmann-Scott/Mills/ Sidiropoulos (Hrsg.), The EU-SA Agreement: South Africa, Southern Africa and the European Union, S. 39, 43).
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
deren landwirtschaftlichen Produkten ist die Gemeinschaft nur zu Zollsenkungen verpflichtet, die entweder durch zollfreie Quoten und/oder verminderte Zollsätze realisiert werden.64 Selbst bei den gewerblichen Waren braucht die EG nicht auf alle Zölle zu verzichten: Für bestimmte Kraftfahrzeugteile gilt zunächst nur eine Zollsenkung von 50 Prozent65 und für Aluminium bleiben die bestehenden Zölle wenigstens noch fünf Jahre nach InKraft-Treten des TDCA auf Meistbegünstigungsbasis erhalten.66 Im Ergebnis wird die Gemeinschaft am Ende der vereinbarten Übergangsphase 61,4 Prozent der bei Vertragsschluss gehandelten landwirtschaftlichen Erzeugnisse vollständig und weitere 13 Prozent partiell liberalisiert haben,67 während bei den Industriegütern ein Liberalisierungsgrad von 99,98 Prozent zu erwarten ist. Damit gewährt die EG für 94,9 Prozent der gegenwärtig gehandelten aus Südafrika stammenden Waren Zollfreiheit (siehe Tabelle 1 S. 108).68 Diese Zahlen lassen erhebliche Zweifel daran aufkommen, ob insbesondere im europäischen Agrarsektor der erforderliche qualitative Liberalisierungsgrad erreicht wurde. Wie bereits im Zusammenhang mit dem quantitativen Ansatz dargestellt, kann die partielle Liberalisierung des Handels nicht bei der Ermittlung der Quote für „substantially all the trade“ berücksichtigt werden. Damit verbleibt es bei einer Liberalisierung des Agrarhandels um lediglich 61,4 Prozent. Zwar werden die relativ weitreichenden Handelsschranken im Agrarsektor insgesamt durch den hohen Liberalisierungsgrad, den die Gemeinschaft im konkurrenzfähigen gewerblichen Sektor mit seinem hohen Handelsvolumen zu bieten hat, überlagert. Dennoch sind die Defizite des TDCA nicht übersehbar, da diese selektive Liberalisierung der konkurrenzfähigen südafrikanischen Agrarwirtschaft auch unter dem Dach des Freihandelsabkommens den Weg auf die europäischen Agrarmärkte erschwert. Es zeigt sich insoweit ein ganz typisches Problem von Regionalabkommen, welche regelmäßig bedeutend geringere Handelsliberalisierungen im Bereich des Agrarhandels – verglichen mit der Liberalisierung mit gewerblichen Gütern – aufweisen.69 Fraglich ist, ob die dem Agrarhandel faktisch zukommende Sonderstellung im Rahmen von Freihandelsabkommen juristisch auch gerechtfertigt werden kann. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, dass selbst bei einem vollständigen Ausschluss des Agrarbereichs in einem Freihandelsab64 65 66 67 68 69
Art. 14 Abs. 6 und 7 i. V. m. Anhang IV Liste 5 und 6 TDCA. Art. 11 Abs. 5 i. V. m. Anhang II Liste 4 TDCA. Art. 11 Abs. 6 i. V. m. Anhang II Liste 5 TDCA. In die Agrarprodukte nicht eingerechnet sind Fischerei-Erzeugnisse. European Commission, Partners in Progress, S. 9. Siehe dazu bspw. WT/REG/W/46 vom 5. April 2002.
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
109
kommen nur eine weniger bedeutsame Unvereinbarkeit mit dem qualitativen Aspekt vorliegt, sofern der Agrarbereich im Handel dieser Staaten nicht sehr ins Gewicht fällt und die „trade coverage“ dieser Abkommen 90 Prozent überschreitet.70 Dies kann jedoch vor dem Hintergrund nicht überzeugen, dass nach einhelliger Meinung das Ausklammern ganzer Handelsbereiche bzw. Wirtschaftszweige mit dem Gedanken einer umfassenden Liberalisierung unvereinbar ist. Selbst wenn „substantially all the trade“ eine Reserve an Handelsbarrieren erlaubt, so darf sich diese nach dem qualitativen Ansatz nicht in der Weise auf einzelne Wirtschaftszweige konzentrieren, dass sie von der Freihandelsvereinbarung ausgenommen sind. Ein Abkommen, welches den Agrarhandel von vornherein nicht umfasst, kann demzufolge der Definition von „substantially all the trade“ nicht entsprechen.71 Wie verhält es sich jedoch mit dem hier zur Diskussion stehenden Fall, in dem die Liberalisierung des Agrarhandels eine Quote von 61,4 Prozent erreicht und damit die 90 Prozent-Schwelle um ganze 28,6 Prozentpunkte verfehlt? Will man ernsthaft Teilbereichsliberalisierungen unterbinden, dann wird man in allen wesentlichen Handelssektoren annähernd den erforderlichen Liberalisierungsgrad erreichen müssen, denn sonst betrifft der Freihandel nicht „all the trade“. Daraus folgt, dass nur in sehr engen Grenzen sektorbezogene Abweichungen toleriert werden können. Nachdem in Bezug auf die „total trade coverage“ bereits minus 10 Prozent erlaubt sind, wird man im Hinblick auf die sektorbezogene Toleranzschwelle allenfalls noch einen weiteren „Abschlag“ von 10 Prozent zulassen können. Demgemäß müsste die Teilbereichsliberalisierung wesentlicher Sektoren wie des gesamten Agrarbereichs jedenfalls 80 Prozent als Mindestgrenze erreichen. Da dieser Liberalisierungsgrund aber vorliegend um fast 20 Prozent verfehlt wird, kann nicht mehr davon die Rede sein, dass „im Wesentlichen der gesamte Handel“ liberalisiert wird. Mithin ist das TDCA insoweit nicht mehr konform mit den Anforderungen des Art. XXIV GATT 1994.
70
So die Einschätzung von Huber zu den Freihandelszonen mit den Rest-EFTAStaaten, Huber, Die Präferentiellen Abkommen der EG mit dritten Staaten und die Frage ihrer Vereinbarkeit mit dem GATT, S. 122. Anderer Ansicht insoweit Steinberger (GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 110 ff., 152), der den grundsätzlichen Ausschluss des Handels in landwirtschaftlichen, Fischerei- und Meeres-Produkten aus der EFTA für schwerlich mit Art. XXIV:8 vereinbar hält. 71 So wohl auch Marceau/Reiman, When and How is a Regional Trade Agreement Compatible with WTO? LIEI 28 (2001), S. 297, 316.
innerhalb von 6 Jahren
zwischen dem 3. und 6. Jahr
innerhalb von 10 Jahren
2
3
4
Kraftfahrzeuge (ein Plan für den Zollabbau ist in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 zu erstellen)
Eisenlegierungen, Silikon, Zink, Lysin, kolloidale Edelmetalle
Textilien und Kleidung (besonders sensitiver Teil), Stahl
Textilien und Kleidung (teilw.), Leder und Schuhe, Herbizide und Insektizide, andere halbsensitive gewerbliche Waren
nicht-sensitive gewerbliche Waren
bei Vertragsbeginn
innerhalb von 3 Jahren
Gegenstände
Liberalisierungszeitpunkt
67
444
519
1952
4888
Zolltariflinien
1,16
6,90
0,50
5,08
86,34
% der gewerblichen Importe
4
3
2
1
zwischen dem 6. und 10. Jahr
zwischen dem 4. und 10. Jahr
innerhalb von 10 Jahren
innerhalb von 3 Jahren
bei Vertragsbeginn
AnLiberalisierungshang IV zeitpunkt Liste
sehr sensitive Agrarprodukte (in einigen Fällen mit zollfreien Quoten zur Überbrückung ab Vertragsbeginn)
andere sensitive Agrarprodukte
sensitive Agrarprodukte mit fortgeschrittenem Abbau
weniger sensitive Agrarprodukte
nicht-sensitive Agrarprodukte
Gegenstände
517
265
89
244
537
Zolltariflinien
85,6% aller EG-Importe aus Südafrika (1994–1996)
1
Anhang II Liste
Landwirtschaft (ohne Fischereiprodukte) 13,1% aller EG-Importe aus Südafrika (1994–1996)
Industrie
Tabelle 1 Liberalisierungsverpflichtungen der Gemeinschaft
8,96
4,28
16,26
6,84
24,97
% der Agrarimporte
110 B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
nicht anwendbar
5 noch Vorbehalte
Gesamt
Liberalisierungszeitpunkt
Aluminium (Meistbegünstigung beibehalten, nach 5 Jahren Überprüfung)
Gegenstände
7.876
6
Zolltariflinien
100
0,02
% der gewerblichen Importe
nicht anwendbar
nicht anwendbar
8 ausgespart
bei Vertragsbeginn
6 partiell 2
7 noch Vorbehalte
landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse (mit Abschaffung des Zolls für die gewerblichen Komponenten)
bei Vertragsbeginn
5 partiell 1
Produkte mit geschützten EU-Bezeichnungen
verbleibende hoch sensitive Agrarprodukte (Meistbegünstigung beibehalten, periodische Überprüfung)
hoch sensitive Agrarprodukte (mit Zollverminderung oder -beseitigung durch Quoten)
Gegenstände
AnLiberalisierungshang IV zeitpunkt Liste
2.266
120
298
43
153
Zolltariflinien
85,6% aller EG-Importe aus Südafrika (1994–1996)
Anhang II Liste
Landwirtschaft (ohne Fischereiprodukte) 13,1% aller EG-Importe aus Südafrika (1994–1996)
Industrie
100
0,13
25,49
12,86
0,20
% der Agrarimporte
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA 111
112
B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
(2) Liberalisierungsverpflichtungen auf Seiten Südafrikas Der Umfang der Zollbefreiung ist auf Seiten Südafrikas im Vergleich zur EG hinsichtlich landwirtschaftlicher Erzeugnisse größer, fällt aber im Bereich der Industrieprodukte deutlich geringer aus. So gilt für manche gewerbliche Waren nur eine schrittweise Verminderung der Zölle.72 Der dabei am Ende zu erreichende Zolltarif für Schuhe und Leder beträgt 10– 20 Prozent, für Kraftfahrzeugteile 6–11 Prozent, für bestimmte Textilien und Kleidung 5–20 Prozent und für Reifen 10–15 Prozent. Dagegen bleiben andere Produkte aus den Bereichen KFZ, Chemikalien, Textilien und Benzin bzw. Benzinprodukte von der Liberalisierung völlig ausgenommen, d. h. die entsprechenden Zölle bleiben hier auf Meistbegünstigungsbasis erhalten.73 Im Agrarbereich besteht andererseits eine relativ kurze Liste „hochsensitiver“ Produkte.74 Dazu gehören Rindfleisch, Zucker, einige Milchprodukte (einschließlich Milch und Butter), Zuckermais, Mais und dessen Erzeugnisse, Gerste und deren Erzeugnisse, Weizen und dessen Erzeugnisse, Stärke, Schokolade und Speiseeis. Für Käse, Wein und Sekt wurden Quoten vereinbart. Im Ergebnis erreicht Südafrikas Handelsliberalisierung bei den Agrarprodukten 81 Prozent75 und bei den gewerblichen Waren 86,5 Prozent zuzüglich 2,8 Prozent partieller Zollfreiheit durch Zollsenkungen. Daraus folgt, dass 86,3 Prozent aller bei Vertragsschluss gehandelten EU-Importe den südafrikanischen Markt nach Etablierung der Freihandelszone auch tatsächlich zollfrei erreichen werden.76 Da die Werte für beide Sektoren immer noch oberhalb der 80 Prozent Grenze liegen, kann man das Vorliegen einer umfassenden Handelsliberalisierung auf Seiten Südafrikas auch nach qualitativen Gesichtspunkten noch bejahen. Die Einzelheiten der Liberalisierungsverpflichtungen Südafrikas stellen sich folgendermaßen (s. Tabelle 2) dar. bb) Spezielle Handelssektoren Eine Besonderheit gilt für die weitere Ausgestaltung des Wein- und Fischhandels. Für beide Produktbereiche waren ursprünglich separate Abkommen vorgesehen. Eine derartige Praxis, welche die Liberalisierung eines bestimmten Wirtschaftszweiges vom ungewissen Abschluss eines weiteren Abkommens außerhalb des Freihandelsabkommens abhängig macht, erscheint nicht unproblematisch. Ein Freihandelsabkommen muss bei seinem 72 73 74 75 76
Art. 12 Abs. 6 i. V. m. Anhang III Liste 5 TDCA. Art. 12 Abs. 7 i. V. m. Anhang III Liste 6 TDCA. Art. 15 Abs. 5 i. V. m. Anhang VI Liste 4 TDCA. In die Agrarprodukte nicht eingerechnet sind Fischerei-Erzeugnisse. European Commission, Partners in Progress, S. 9.
Gesamt
nicht anwendbar
6 noch Vorbehalte
zwischen dem 6. und 12. Jahr
4
Schrittweise Zollsenkung
zwischen dem 4. und 12. Jahr
3
5 partiell
zwischen dem 3. und 5. Jahr
2
Kraftfahrzeuge (in der zweiten Hälfte des Jahres 2000 zu überprüfen), Chemikalien, Textilien
Schuhe und Leder, Textilien und Kleidung, Kraftfahrzeuge, Reifen
Chemikalien, Textilien, Maschinen
„EU-Prioritätswaren“ Papier, Keramik, Maschinen, Möbel
Stahl, Stahlerzeugnisse, Maschinen
halb-sensitive gewerbliche Produkte
nicht-sensitive gewerbliche Waren
bei Vertragsbeginn
innerhalb von 3 Jahren
Gegenstände
Liberalisierungszeitpunkt
7.850
120
2.011
1.422
185
685
73
3.354
Zolltariflinien
100
10,56
2,93
13,64
1,50
8,24
1,17
61,96
% der gewerblichen Importe
4 noch Vorbehalte
3
2
1
nicht anwendbar
zwischen dem 6. und 12. Jahr
zwischen dem 3. und 5. Jahr
innerhalb von 3 Jahren
bei Vertragsbeginn
AnLiberalisierungshang VI zeitpunkt Liste
hoch sensitive Agrarprodukte (Meistbegünstigung beibehalten, periodische Überprüfung, außer für einige Präferenzquoten)
sehr sensitive Agrarprodukte
sensitive Agrarprodukte
weniger sensitive Agrarprodukte
nicht-sensitive Agrarprodukte
Gegenstände
928
112
219
111
146
340
Zolltariflinien
100
18,97
35,11
6,68
5,27
33,97
% der Agrarimporte
96,1% aller Importe Südafrikas aus der EG (1994–1996)
1
Anhang III Liste
Landwirtschaft (ohne Fischereiprodukte) 3,9% aller Importe Südafrikas aus der EG (1994–1996)
Industrie
Tabelle 2 Liberalisierungsverpflichtungen Südafrikas
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA 113
114
B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
Abschluss in seinen „essentialia“ vollständig sein, damit es überprüfbar bleibt. Dazu ist erforderlich, dass die Liberalisierungsverpflichtungen nach Art und Ausmaß feststehen. Solange dies nicht gewährleistet ist, muss vom „worst-case“ Szenario ausgegangen werden, also vom Nichtzustandekommen des separaten Abkommens. (1) Die Wein- und Spirituosenabkommen Einigung über den Handel mit Wein und Spirituosen sollte ursprünglich noch vor In-Kraft-Treten des TDCA erzielt werden, „um zu gewährleisten, dass es vor oder im Januar 2000 in Kraft treten kann“.77 Indessen gestalteten sich die diesbezüglichen Verhandlungen schwieriger als erwartet und konnten erst im Januar 2002 in Paarl zum Abschluss gebracht und in zwei getrennten Abkommen niedergelegt werden. Das Weinabkommen78 enthält in seinem Anhang I eine Auflistung zulässiger önologischer Verfahren und Behandlungen bei der Herstellung von Weinen mit Ursprung im jeweils anderen Vertragsgebiet. Neben dieser bilateral anerkannten Zulassung können auf Antrag gemäß Art. 6 des Weinabkommens weitere önologische Verfahren oder Behandlungen Anerkennung finden. Nach der Schutzklausel in Art. 6 Abs. 7 können bei Gefahren für die menschliche Gesundheit anerkannte önologische Verfahren oder Behandlungen ausgesetzt oder eingeschränkt werden. Den Kern des Abkommens aber bildet das gemäß Art. 8 vereinbarte Verzeichnis der geographischen Angaben von Weinen, welches in Anhang II des Abkommens zu finden ist. Das bereits in Anhang X TDCA vereinbarte Verbot der Verwendung der Bezeichnungen „Portwein“ und „Sherry“ durch südafrikanische Erzeuger ist in Art. 9 des Abkommens ausdrücklich aufgenommen worden. Schließlich macht das Weinabkommen den Weg für die Eröffnung eines Zollkontingents von 35,3 Millionen Litern Wein mit Ursprung in Südafrika, frei,79 wobei diese Menge bis zum Jahr 2011 um jährliche 6,75 Millionen Liter erhöht wird. Das Spirituosenabkommen80 ist ähnlich strukturiert und enthält ebenfalls eine Liste geschützter Namen für Spirituosen im Anhang. Die Gemein77
Anlage zum TDCA, Abl. EG Nr. L 311/296 vom 4.12.1999, Nr. 7. Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Südafrika über den Handel mit Wein, Abl. EG Nr. L 28/3 vom 30.01.2002. 79 Abs. II der Präambel des Weinabkommens i. V. m. Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 2793/1999 des Rates vom 17. Dezember 1999 zum Erlass der Durchführungsvorschriften für das TDCA, Abl. EG Nr. L 337/29 vom 30.12.1999. 80 Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Südafrika über den Handel mit Spirituosen, Abl. EG Nr. L 28/113 vom 30.01.2002. 78
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
115
schaft lässt sich zusätzlich in Art. 6 des Spirituosen-Abkommens eine Reihe von Spirituosenbezeichnungen schützen, obwohl diese keine geographischen Angaben enthalten. Es handelt sich dabei um die Bezeichnungen „Grappa“, „Ouzo/Ouzo“, „Korn“, „Kornbrand“, „Jägertee“, „Jagertee“, „Jagatee“ sowie „Pacharan“, die vor In-Kraft-Treten des Abkommens teilweise auch von Erzeugern in Südafrika verwendet wurden und nun nach Art. 7 des Abkommens innerhalb einer Übergangszeit von fünf Jahren aufgegeben werden müssen. Bei der Anwendung des Spirituosenabkommens sind gemäß dem angefügten Protokoll81 Analysemethoden einzusetzen, die den vom Internationalen Weinamt (Office Internationale de la Vigne et du Vin, OIV) und der Internationalen Normenorganisation (ISO) anerkannten Referenzmethoden entsprechen. Zur erforderlichen Umgestaltung des Wein- und Spirituosensektors in Südafrika und für die Vermarktung und den Vertrieb südafrikanischer Weine verpflichtet sich die Gemeinschaft, 15 Millionen Euro bereitzustellen. Die ordnungsgemäße Anwendung und Durchführung des Abkommens wird durch die nationalen Stellen und einen Gemischten Ausschuss82 gewährleistet. Im Ergebnis enthalten das Wein- und Spirituosenabkommen also Regelungen, welche aus rechtlicher Sicht Fragen des geistigen Eigentums und technische Handelshemmnisse betreffen, insbesondere gesundheitspolizeiliche Maßnahmen. Dagegen sind den Abkommen keine Vorschriften zu entnehmen, welche die Handelsliberalisierung unmittelbar betreffen, wenn man einmal davon absieht, dass die Freigabe der im TDCA vereinbarten Zollquoten im Weinhandel vom In-Kraft-Treten des Abkommens abhängig war. Insofern haben die Abkommen beide keine unmittelbaren Auswirkungen auf die „trade coverage“ des TDCA und sind deshalb an dieser Stelle nicht weiter zu untersuchen. Die Regelungsgegenstände werden jedoch im vierten Kapitel näher behandelt. (2) Das Fischerei-Abkommen Für das ebenfalls vorgesehene Fischerei-Abkommen, das der „Förderung der nachhaltigen Verwaltung und Nutzung der Fischereiressourcen“ dienen sollte und zu dessen „möglichst baldigem Abschluss“ sich die Vertragsparteien verpflichtet hatten (Art. 62 TDCA), basiert auf folgendem (s. Tabelle 3) Liberalisierungsplan. Das vorgesehene separate Fischerei-Abkommen hat allerdings ein anderes Schicksal genommen als die Wein- und Spirituosenabkommen. Als Ter81 82
Abl. EG Nr. L 28/125 vom 30.1.2002. Art. 19 des Weinabkommens und Art. 17 des Spirituosenabkommens.
innerhalb von 3 Jahren
zwischen dem 4. und 10. Jahr
zwischen dem 6. und 10. Jahr
zwischen dem 6. und 10. Jahr
2
3
4
5
Gesamt
bei Vertragsbeginn
spezifische Fischprodukte, für die Zollzugeständnisse im Lichte des Inhalts und der Kontinuität eines getrennten Fischereiabkommens vorgesehen sind
sehr sensitive Fischprodukte
sensitive Fischprodukte
weniger sensitive Fischprodukte
nicht-sensitive Fischprodukte
Liberalisierungs- Gegenstände zeitpunkt
1
Anhang V Liste
365
11
125
10
166
15 + 38
Zolltariflinien
100
45,63
2,17
17,22
32,25
0,26 + 2,47
% der Fischereiimporte
1
Anhang VII Liste
parallel zur EG Liberalisierung
bei Vertragsbeginn weniger sensitive Fischprodukte
nicht-sensitive Fischprodukte
Liberalisierungs- Gegenstände zeitpunkt
152
152
12
Zolltariflinien
SA Liberalisierungsverpflichtungen 0,07% aller Importe aus der EG (1994–1996)
EG Liberalisierungsverpflichtungen
1,3% aller Importe aus Südafrika (1994–1996)
Tabelle 3 Liberalisierung des bilateralen Fischereimarktes
100
99,77
0,23
% der Fischereiimporte
116 B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
117
min war hier zunächst Ende 2000 ins Auge gefasst worden,83 ohne dass jedoch rechtzeitig eine Einigung erzielt werden konnte. Aufgrund einer Junktimklausel im TDCA, wonach die Zollzugeständnisse der Gemeinschaft in Bezug auf die in Anhang V genannten Fischerei-Erzeugnisse erst nach In-Kraft-Treten des Fischerei-Abkommens wirksam werden84 bzw. weitere Zugeständnisse erst erwogen werden können,85 bleibt der Fischmarkt vorerst größtenteils vom Freihandel ausgeschlossen. Dies gilt im Übrigen auch für die Einfuhrzölle Südafrikas auf bestimmte Fischerei-Erzeugnisse mit Ursprung in der Gemeinschaft, da diese nur parallel zum entsprechenden Zollabbau durch die Gemeinschaft beseitigt werden müssen.86 Inzwischen zeichnet sich ab, dass es am politischen Willen fehlt, ein bilaterales Fischerei-Abkommen zu schließen.87 Damit bleibt dieser wichtige Teilsektor des Agrarbereichs auf unbestimmte Zeit vom Freihandel ausgeschlossen, so dass auch insoweit das qualitative Kriterium von „substantially all the trade“ nicht eingehalten worden ist. Daran ändert auch nichts, dass er im Referenzzeitraum 1994–1996 nur 1,3 Prozent aller Importe aus Südafrika bzw. nur 0,07 Prozent aller Importe aus der EG ausmachte. Eine quantitative Bewertung darf hier nicht herangezogen werden, um die Ergebnisse der qualitativen Betrachtung auszuhebeln. Vielmehr ist an dieser Stelle lediglich zu fragen, ob und ggfs. inwieweit der fragliche Sektor in den Freihandel einbezogen ist. Da das TDCA den Fischereisektor jedoch weitgehend ausgeschließt, kann die Rechtmäßigkeit des Abkommens nur noch durch eine (vorläufige) Befreiungsgenehmigung nach Art. XXV:5 GATT 1994 herbeigeführt werden.88 Entsprechende Anstrengungen haben beide Seiten aber bisher nicht unternommen, so dass das TDCA auch insoweit nicht den Anforderungen des Art. XXIV GATT 1994 entspricht.
83
European Commission, Partners in Progress, S. 7. Art. 14 Abs. 10 i. V. m. Anhang V Listen 1–4 TDCA. 85 Art. 14 Abs. 10 i. V. m. Anhang V Liste 5 TDCA. 86 Art. 15 Abs. 6 i. V. m. Anhang VII Liste 1 TDCA. 87 In einer Presseerklärung des südafrikanischen Außenministeriums vom 3. Juni 2002 ist von „irreconcilable mandates between South Africa and the EU“ die Rede, zitiert in: WTO, Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/ S/114/ZAF vom 24. März 2003, S. A4-230, Ziffer 13. Dagegen vertraut die Gemeinschaft offenbar noch auf eine Wiederaufnahme der abgebrochenen Verhandlungen „discussions towards a fisheries agreement, currently suspended, may be resumed after the completion of the EU fishery policy reform“, siehe European Commission (2003), South Africa – European Community Country Strategy Paper and Multi-annual Indicative Programme for the period 2003–2005, S. 19. 88 So auch der Vorschlag von Steinberger bezüglich des Ausschlusses der landwirtschaftlichen Fischerei- und Meeresprodukte aus der EFTA (GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 152). 84
118
B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
c) Präferenzielle Ursprungsregeln Auch die Regelungen zur Bestimmung des Warenursprungs in Protokoll 1 des TDCA können nicht nur gegenüber Drittlandsproduzenten, sondern auch gegenüber Herstellern aus der Integrationszone handelshindernd wirken. Wie im Folgenden näher dazustellen sein wird, hat die Frage der Gestaltung von Ursprungsregeln großen Einfluss auf die Bewertung, ob die Liberalisierung „substantially all the trade“ umfasst, da restriktive Ursprungsregeln, die dazu führen, dass nur noch ein geringer Prozentsatz der Waren als Ursprungswaren gilt, dem Gedanken der Liberalisierungsverpflichtung zuwiderlaufen.89 Ursprungsregeln sind grundsätzlich erforderlich, um zu verhindern, dass ein Präferenzabkommen von Drittgebieten unterlaufen wird, indem Einfuhren aus Drittstaaten über den Vertragspartner mit dem niedrigsten Zollsatz in die Freihandelszone gelangen und von dort – unter Umgehung der höheren Außenzölle – zollfrei in das Gebiet des anderen Vertragspartners eingeführt werden.90 Sie schützen außerdem davor, dass Drittlandproduzenten reine Montagewerkstätten in einem Präferenzgebiet errichten, um beim Handel in den Genuss der Präferenzbedingungen zu kommen. Zur notwendigen eindeutigen Bestimmung des Ursprungslandes eines Endproduktes wird deshalb einerseits eine Gewichtung des Anteils der Vormaterialien mit drittländischem Ursprung und andererseits eine Bewertung des Herstellungsprozesses vorgenommen. Beides ist nicht immer leicht zu bewerkstelligen, da bei fortschreitender Integration des Welthandels immer häufiger ausländische Materialien für die Herstellung verwendet werden bzw. Be- und Verarbeitungsvorgänge91 in verschiedenen Zollgebieten stattfinden. Je nachdem, welche Spielräume die Ursprungsregeln dabei lassen, behalten oder verlieren Erzeugnisse mit Bestandteilen aus dritten Ländern den Status präferenzbegründender Ursprungsprodukte. Daraus folgt, dass sich restriktive Ursprungsregeln nicht nur handelsbeschränkend für Lieferanten aus Drittgebieten auswirken, sondern außerdem auch für Inlandsproduzenten, die auf Vormaterialien oder drittländische Be- und Verarbeitungsprozesse angewiesen sind. Damit können Ursprungsregeln den Umfang einer vereinbarten Handelsliberalisierung erheblich einschrän89 In diesem Sinne auch Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 151, 168 f.; Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 147. 90 WT/REG/W/45 vom 5. April 2002, Ziffer 3. 91 Die Bearbeitung zeichnet sich dadurch aus, dass die Ware als solche erhalten bleibt (z. B. Beschichten von Metallplatten), während die Ware bei der Verarbeitung neue Wesensmerkmale enthält (Witte/Wolffgang, Lehrbuch des Europäischen Zollrechts, S. 202).
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
119
ken, worauf etwa der Vertreter Hong Kongs in der CRTA-Sitzung hingewiesen hat: „. . . his delegation wished to advance one thought for colleagues’ reflection: that the use of preferential rules of origin in RTAs related to the definition ‚substantially all the trade‘ (SAT). It could be argued that the use of preferential origin rules should have a bearing on determining whether the SAT criterion were met; that is, concern that the stringency of preferential rules of origin might have added effect on the patterns of trade and economic co-operation amongst RTA parties themselves and between RTA parties and third parties. Therefore to prevent unwarranted disruptions to trade patterns, there is a prima facie case for relating the use of preferential rules of origin to the definition of SAT“.92
Die Notwendigkeit einer Überprüfung der Ursprungsregeln am Maßstab des Art. XXIV:8 ist bisher mangels einer allgemeinverbindlichen Definition der Tatbestandsanforderungen nirgendwo ausdrücklich festgelegt, wird aber in der Literatur, insbesondere von James H. Mathis ausdrücklich gefordert.93 Er konstruiert das Beispiel, wo in einer Freihandelszone zwar einerseits die Liberalisierung des gesamten Agrar- und Industriehandels festgelegt ist, wo die Ursprungsregeln aber andererseits nur solchen Produkten Ursprungseigenschaft zuerkennen, die innerhalb eines Mitgliedstaates gewonnen oder hergestellt worden sind.94 Eine solche Regelung würde dazu führen, dass der Umfang der vereinbarten Liberalisierung des intra-regionalen Handels erheblich eingeschränkt wäre, da bei Be- und Verarbeitungsvorgängen sowie der Verwendung von Vormaterialien den betroffenen Produkten die Ursprungseigenschaft verlorengeht, so dass sie vom vereinbarten Freihandel ausgeschlossen wären. Das Beispiel illustriert, dass sowohl die im TDCA enthaltenen Regeln zum Erwerb der Ursprungseigenschaft als auch die Vorschriften zur Ursprungskumulation im Lichte des Art. XXIV:8 zu untersuchen sind. Präferenzregeln setzen stets voraus, dass die bei der Produktion des Fertigerzeugnisses verwendeten Vormaterialien, die ihren Ursprung nicht in dem Herstellungsland des Fertigerzeugnisses haben, dort im Rahmen der Produktion zumindest ausreichend be- oder verarbeitet wurden (Territorialitätsprinzip).95 Drei Verfahren haben sich herausgebildet, um festzustellen, ob überhaupt eine „substantial transformation“96 stattgefunden hat. Die erste Methode geht von einer solchen Transformation aus, wenn eine Ware durch Weiterverarbeitung von einer bestimmten Tariflinie des Harmonisierten Sys92
WT/REG/M/18 vom 22. Juli 1998, Ziffer 19. Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 155, 253. 94 Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 253. 95 Witte/Wolffgang, Lehrbuch des Europäischen Zollrechts, S. 445 ff.; Schmidt, Die Ursprungsregeln im Außenwirtschaftsrecht der EG, S. 98. 96 Jackson, The World Trading System, S. 168. 93
120
B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
tems97 in eine andere wechselt (Change of Tariff Heading Rule, CTH). Eine andere Möglichkeit bietet die Prüfung, ob der Veredelungsprozess des Materials einen bestimmten Prozentsatz des erzeugten Mehrwerts erreicht hat. Schließlich wird der Verarbeitungsgrad gelegentlich auch in Listen festgelegt oder durch technische Tests überprüft.98 Die Ursprungsregeln des TDCA sehen eine Kombination der vorgenannten Verfahren vor. Zunächst gelten in der Gemeinschaft oder in Südafrika „vollständig gewonnene oder hergestellte Erzeugnisse“ (Art. 4) als Ursprungsprodukte. Diese Regel findet vor allem auf landwirtschaftliche Erzeugnisse Anwendung und führt lediglich bei der weiterverarbeitenden Industrie dazu, dass sie bei der Auswahl ihrer Vormaterialien auf heimische Urprodukte angewiesen ist, wenn sie von der vereinbarten Handelsliberalisierung profitieren will. Darüber hinaus gelten „in ausreichendem Maße be- oder verarbeitete Erzeugnisse“ (Art. 5) als Ursprungsprodukte. Anhang II des Protokolls enthält eine detaillierte Liste der Bedingungen, die erfüllt sein müssen, damit Vormaterialien, die nicht vollständig in der Gemeinschaft oder Südafrika gewonnen oder hergestellt worden sind, als in ausreichendem Maße be- und verarbeitet gelten, um zu Ursprungserzeugnissen zu werden. In Bezug auf viele Waren geht die Liste von einer ausreichenden Be- oder Verarbeitung aus, wenn sämtliche bei der Herstellung verwendeten Vormaterialien, die ihren Ursprung nicht in der Gemeinschaft oder Südafrika haben, nach der Behandlung in eine andere vierstellige Position der Nomenklatur des Harmonisierten Systems einzureihen sind.99
97 Das Harmonisierte System (HS) wurde mit dem Internationalen Übereinkommen über Harmonisierte Warenbeschreibungen und Kodierungssysteme vom 14. Juni 1983 (seit 1. Januar 1988 in Kraft) eingeführt. Es handelt sich um eine Warenklassifikation, bei der jedem handhabbaren Produkt eine vierstellige Nummer (Tarifposition) zugeordnet wird, wobei gleichartige Waren in 96 Kapiteln zusammengefasst werden. Produktvarianten werden häufig durch Anhänge von bis zu vier weiteren Ziffern unterschieden. Einzelne Länder erweitern diese international standardisierte Nomenklatur noch um weitere Ziffern zu statistischen Zwecken. Den Warenpositionen des HS werden in den nationalen Zolltarifen als Grundlage der Zollerhebung die entsprechenden Einfuhrzölle zugeordnet. In Freihandelsabkommen werden jeder vierstelligen Tarifposition des HS die entsprechenden Ursprungsregeln zugeordnet. Das HS wird periodisch geändert und gewährleistet eine international standardisierte Warenabfertigung. Es wurde vom „Customs Co-operation Council“ in Brüssel entwickelt und wird von diesem auch verwaltet. Sowohl die Europäische Gemeinschaft als auch Südafrika zählen zu den Mitgliedstaaten. Siehe auch Asakura, The Harmonised System and Rules of Origin, JWT 27 (1993), S. 5, 8 ff. 98 Für eine Darstellung dieser drei Transformationsregeln, siehe Rules of Origin in Regional Trade Agreements, WT/REG/W/45 vom 5. April 2002, Ziffer 8. 99 Wörtlich heißt es regelmäßig „Manufacture in which all the materials used are classified within a heading other than that of the product“, siehe Anhang II Protokol I TDCA.
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
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Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass das Harmonisierte System bei dieser Art der Ursprungsbestimmung zweckentfremdet wird. So gibt es zum einen Fälle, in denen erhebliche Be- oder Verarbeitungen stattgefunden haben, ohne dass daraus ein Positionswechsel resultiert. Zum anderen kann es zu einem Positionswechsel kommen, obwohl die Behandlung nur als unwesentlich anzusehen ist.100 Außerdem ist die Anwendung des Tarifsprungsystems sehr zeitraubend, da der Hersteller die Klassifizierung aller Vorerzeugnisse ohne Ursprungseigenschaft sowie die der Endprodukte festhalten muss. Da die Tarifposition jedes eingeführten Materials durch die einzelnen Be- und Verarbeitungsvorgänge eine Veränderung erfahren haben muss, kann es vorkommen, dass bei Waren, die aus sehr vielen Teilen bestehen, jedem dieser Teile eine Tarifnummer zugeordnet werden muss, damit festgestellt werden kann, ob die Bedingungen des Tarifsprungs erfüllt sind. Schließlich muss der Nachweis über den Wert der Materialien ohne Ursprungseigenschaft erbracht werden, die unter dieselbe Tarifnummer wie das Endprodukt fallen.101 Um die hier genannten praktischen Schwierigkeiten bei der Anwendung des Tarifsprungkriteriums zu überwinden, haben sich die Gemeinschaft und Südafrika auf eine Gesamtwarenliste verständigt, die für alle Erzeugnisse jeweils eigens zugewiesene Ursprungsregeln enthält, d. h. für jede Ware sind die Be- und Verarbeitungen präzisiert, die erfüllt sein müssen, um Vormaterialien ohne Ursprungseigenschaft den TDCA-Ursprung zu verleihen.102 Dabei stellt das Tarifsprungkriterium nur eine mögliche Alternative dar. Wo es den TDCA-Vertragspartner nicht geeignet oder zweckmäßig erschien,103 einigten sie sich auf alternative Kriterien. So gilt beispielsweise für zahlreiche Vormaterialien drittländischen Ursprungs, dass ihr Gesamtwert einen bestimmten Prozentsatz des Ab-Werk-Preises des hergestellten Fertigerzeugnisses nicht überschreiten darf. Dabei ist nach der Toleranzklausel in Art. 5 Abs. 2 Protokoll 1 TDCA die Verwendung von – nach den Listenbedingungen – ausgeschlossenen Drittlandsvormaterialien in der Regel ursprungsunschädlich, wenn sie nur bis zu 15 Prozent des Ab-Werk-Preises eingesetzt werden.104 Andere Listenregeln legen fest, dass bestimmte Vormaterialien 100
Witte/Wolffgang, Lehrbuch des Europäischen Zollrechts, S. 445 ff. Schmidt, Die Ursprungsregeln im Außenwirtschaftsrecht der EG, S. 91 ff. 102 Die Liste ist folgendermaßen aufgebaut: Die ersten zwei Spalten beschreiben die hergestellte Ware, wobei die erste die Position oder das Kapitel nach dem Harmonisierten System und die zweite Spalte die Warenbezeichnug wiedergibt; die dritte Spalte beinhaltet die anwendbare Ursprungregel. Die Liste enthält eine Mischung aus spezifischen Regeln und Prozentsatzregeln, die teilweise in einer Regel kombiniert sind. 103 Abweichungen vom Tarifsprungkriterium sind vor allem dort zu verzeichnen, wo es sich um „sensible“ Waren handelt. 101
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
des Fertigerzeugnisses bei den Präferenzparteien vollständig erzeugt worden sein oder dort bestimmte Produktionsstufen durchlaufen haben müssen. Nach den Grundsätzen der bilateralen Kumulation geht die Ursprungseigenschaft einer beim TDCA-Vertragspartner erworbenen Ware jedoch dann nicht verloren, wenn sie anschließend im eigenen Gebiet zwar eine über die Minimalbehandlung im Sinne des Art. 6 Protokoll 1 TDCA hinausgehende, aber keine ausreichende Be- oder Verarbeitung erfährt (Art. 3 Abs. 1 und 2 Protokoll 1 TDCA). Im Übrigen enthält Art. 6 Protokoll 1 TDCA solche Behandlungen von Drittlandwaren, die für die Ursprungsanerkennung grundsätzlich nicht ausreichen. Im Ergebnis entsprechen die Ursprungsregeln damit den Standards, die sich beispielsweise auch in den Handelvereinbarungen zum Europäischen Wirtschaftsraum105 und mit den mittel- und osteuropäischen Ländern (Polen, Tschechische Republik, Slowakische Republik, Ungarn, Rumänien, Bulgarien)106 wiederfinden.107 Es ist zwar richtig, dass die notwendigen Ursprungsregeln dazu führen, dass derjenige, der die durch das Freihandelsabkommen gewährten Vergünstigungen für seine Produktion in Anspruch nehmen will, im Hinblick auf den Bezug seiner Rohstoffe und Materialien sowie der außerhalb seines Wirtschaftsraums durchgeführten Arbeitsschritte eingeschränkt ist.108 Ent104 Ausnahmen gelten für Fisch- und Tabakwaren, Alkohol und Spirituosen – für welche die 10 Prozent Grenze gilt – sowie für Textilien. 105 Vertrag vom 2. Mai 1992, Beschluss des Rates und der Kommission 94/1/ EGKS, Abl. EG Nr. L 1/1 vom 3.1.1994. Seit dem Beitritt von Finnland, Schweden und Österreich ist der EWR-Vertrag nur noch auf Island, Norwegen und Liechtenstein anwendbar. 106 Zuvor abgeschlossene Interimsabkommen: Beschluss des Rates 92/228/EWG, Abl. EG Nr. L 114/2 vom 30.4.1992 (Polen); Beschluss des Rates 92/230/EWG, Abl. EG Nr. L 116/2 vom 30.4.1992 (Ungarn); Beschluss des Rates 92/229/EWG, Abl. EG Nr. L 115/2 vom 30.4.1992 mit Zusatzprotokoll im Abl. EG Nr. L 349/ 107 vom 31.12.1993 (Tschechische Republik). Die Zusatzprotokolle zu den zwei letztgenannten Abkommen waren zur Aktualisierung des Abkommens nach der Auflösung der Tschechischen und Slowakischen Republik erforderlich. Interimsabkommen zwischen der Gemeinschaft und Bulgarien, Abl. EG Nr. L 323/2 vom 23.12.1993 und Rumänien, Abl. EG Nr. L 81/2 vom 2.4.1993. Diese Freihandelsabkommen gehen in den Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation auf: Beschluss des Rates 94/908/EG, Abl. EG Nr. L 358/1 vom 31.12.1994 (Ungarn); Beschluss 94/919/EG, Abl. EG Nr. L 360/2 vom 31.12.1994 (Tschechische Republik); Beschluss 94/909/EG, Abl. EG Nr. L 359/2 vom 31.12.1994 (Slowakische Republik), Beschluss 94/908/EG, Abl. EG Nr. L 358/3 vom 31.12.1994 (Bulgarien); Beschluss 94/907/EG, Abl. EG Nr. L 357/2 31.12.1994 (Rumänien); siehe dazu Laredo, L’Union Européenne, L’Ex-Union Soviétique et les pays de l’Europe centrale et orientale: Un aperçu de leurs accords, Cahiers de Droit Européen S. 543 ff. 107 Schmidt, Die Ursprungsregeln im Außenwirtschaftsrecht der EG, S. 77 ff. 108 Kaufmann, Ursprungsregeln, S. 161.
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scheidend ist jedoch, dass diese Schranken den Binnenhandel nicht über das in Art. XXIV:8 erlaubte Maß beeinträchtigen, d. h. durch sie darf nicht durch die Hintertür verhindert werden, dass auch wirklich alle Wirtschaftssektoren von der vereinbarten Liberalisierung erfasst werden. Kein Wirtschaftszweig Südafrikas oder der Gemeinschaft ist von der Ausgestaltung der Ursprungsregeln in der Weise betroffen, dass er angesichts seiner Abhängigkeit von ursprungsunfähigen Vormaterialien nicht an der Integrationszone teilhaben könnte. Vielmehr haben sich für fast alle Erzeuger in der Integrationszone die Möglichkeiten des Handels erheblich erweitert. Neue Handelsschranken bestehen allerdings insoweit, als mit dem Nachweis der Ursprungseigenschaft ein enormer administrativer Aufwand verbunden ist. Gerade kleine Unternehmen dürften sich davon abschrecken lassen. Andererseits sind keine unnötig komplizierten Klauseln und Verfahren erkennbar.109 Im Gegenteil: Die Gesamtwarenliste schafft Transparenz und Rechtssicherheit, indem sie für jedes Produkt eine Regelung bereithält und so den Ermessensspielraum der Zollbehörden einschränkt. Wer sich als Importeur erst einmal mit den Regelungen der für ihn relevanten Erzeugnisse vertraut gemacht hat, der dürfte auch mit dem vorgeschriebenen Verfahren zurecht kommen. Jedenfalls ist der Hinweis auf den administrativen Aufwand nicht geeignet, den Umfang der Handelsliberalisierung gemäß Art. XXIV:8 in Zweifel zu ziehen. d) Gestattete Ausnahmen Als eine weitere und gleichzeitig letzte Einschränkung des Erfordernisses zur umfassenden Handelsliberalisierung nach Art. XXIV:8 lit. b GATT 1994 ist schließlich die Ausnahmevorschrift des Art. 27 TDCA anzusehen. Obwohl sich die Gemeinschaft und Südafrika im TDCA grundsätzlich auf den freien Warenverkehr verständigt haben (Art. 5 i. V. m. 19 TDCA), gelten unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen zugunsten höherer Interessen, deren Tatbestände sich in Art. 27 TDCA finden. „Das Abkommen steht Verboten oder Beschränkungen der Einfuhr, der Ausfuhr, der Durchfuhr oder des Gebrauchtwarenhandels nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung oder Sicherheit oder zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des geistigen oder gewerblichen Eigentums gerechtfertigt sind; ebensowenig steht er Regelungen betreffend Gold und Silber entgegen. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch nicht so angewandt werden, dass sie zu einer willkür109 Nach der Rechtsprechung des EuGH dürfen die Ursprungsregeln die weltweite arbeitsteilige Produktion nicht gänzlich verhindern, EuGH, Rs. 114/78, Yoshida, Slg. 1979, S. 151.
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lichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung, soweit gleiche Umstände gegeben sind, oder zu einer verschleierten Beschränkung des Handels zwischen den Vertragsparteien führen“.
Ein derartiges Abweichen von der grundsätzlichen Verpflichtung zur Liberalisierung des Binnenhandels ist nur zulässig, wenn es durch einen entsprechenden Erlaubnistatbestand des GATT gedeckt ist.110 Art. XXIV:8 lit. b verweist diesbezüglich auf die Art. XI-XV und XX, von denen erforderlichenfalls abgewichen werden darf.111 aa) Redaktionelle Unterschiede zwischen Art. 27 TDCA und Art. XX GATT 1994 Einschlägig ist hier Art. XX GATT 1994, der die allgemeinen Ausnahmen von der multilateralen Handelsordnung zum Gegenstand hat. Zu untersuchen ist deshalb, ob sich der Tatbestand des Art. 27 TDCA in den Grenzen des Art. XX GATT 1994 bewegt. (1) Tatbestandsaufbau Augenfällig ist zunächst der unterschiedliche Aufbau beider Vorschriften. Während der Einleitungssatz des Art. XX GATT 1994, das „chapeau“,112 eine Schrankenregelung enthält, welche von 10 Ausnahmetatbeständen gefolgt wird, ist die Abfolge in Art. 27 TDCA umgekehrt. Zuerst werden dort die 4 Ausnahmetatbestände genannt und erst dann folgt die Schrankenregelung. Letzteres erscheint konsequent, da zuerst bestimmt werden muss, ob eine Maßnahme unter einen bestimmten Ausnahmetatbestand fällt. Nur wenn dies der Fall ist, muss ggfs. noch konkret ermittelt werden, ob sie sich in den für den Tatbestand bestimmten Schranken bewegt.113 Der Appellate Body hat seine diesbezügliche Argumentation im Shrimp-Fall noch einmal untermauert: „What is appropriately characterizable as ‚arbitrary discrimination‘ or ‚unjustifiable discrimination‘, or as a ‚disguised restriction on international trade‘ in re110
Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 154. Die Diskussion der Frage, ob die Aufzählung der gestatteten Ausnahmen in Art. XXIV:8 lit. b GATT 1994 abschließend ist, folgt im dritten Kapitel vor der Fragestellung, inwieweit die Regelungen des Handelsabkommens von den Vorschriften des GATT und der WTO-Übereinkommen abweichen dürfen. 112 Zur Bedeutung des „chapeau“, siehe McRae, GATT Article XX and the WTO Appellate Body, in: Bronckers (Hrsg.), New directions in international economic law, S. 219, 223 ff. 113 So auch der Appellate Body Bericht in „US-Gasoline“ WT/DS2/AB/R vom 26. April 1996, S. 22. 111
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spect of one category of measures, need not to be so with respect to another group or type of measures“.114
Indem das TDCA in seiner Formulierung des Ausnahmetatbestandes, der im Übrigen im Wesentlichen dem Art. 30 EG-Vertrag nachgebildet ist, diesen Grundsatz beherzigt, leistet es einen Beitrag zu mehr Rechtsklarheit. (2) Die Einbeziehung des Gebrauchtwarenhandels Bemerkenswert ist nicht nur, dass der Einleitungssatz des Art. 27 TDCA den „Gebrauchtwarenhandel“ ausdrücklich benennt, sondern diesen sogar noch mit „der Einfuhr, der Ausfuhr, der Durchfuhr“ auf eine Ebene hebt, indem er alle vier Begriffe in ein Alternativitätsverhältnis stellt und anstelle des Begriffs „internationalen Handels“ („international trade“) in Art. XX GATT 1994 verwendet. Auch im englischen Abkommenstext heißt es: „The Agreement shall not preclude prohibitions or restrictions on imports, exports, goods in transit or trade in used goods justified on grounds of (. . .).“
Dabei erscheint es schwierig, eine Verbindung zwischen diesen Begrifflichkeiten herzustellen. Während die Einfuhr, Ausfuhr und Durchfuhr Modalitäten des Warenverkehrs beschreiben, die allesamt im GATT geregelt sind, und somit eine zulässige Definition des „internationalen Handels“ im Sinne des Eingangssatzes in Art. XX GATT 1994 darstellen, wird der Gebrauchtwarenhandel nicht einmal erwähnt. Der Vertragstext spricht lediglich von Waren („goods“) und unterscheidet nicht danach, ob sie neu oder gebraucht sind.115 Die rechtliche Bedeutung der Aufnahme des Gebrauchtwarenhandels kann also nur durch Auslegung (Art. 31 WVK) ermittelt werden. Um den Sinn und Zweck der Vorschrift zu erfassen, ist zunächst nach der besonderen Relevanz des Gebrauchtwarenhandels für die europäisch-südafrikanischen Handelsbeziehungen zu fragen. Einerseits bietet der Gebrauchtgüterhandel dem Importstaat die Möglichkeit einer kostengünstigen Versorgung mit Industriegütern, andererseits riskiert er, dadurch zur Müllhalde des Exportstaates zu werden. So heißt es in den „Empfehlungen des Rates für Nachhaltige Entwicklung an die Bundesregierung“: 114 Appellate Body Bericht „US-Shrimp“ WT/DS58/AB/R vom 12. Oktober 1998, Ziffer 120. 115 Dies wird zum Teil kritisiert. So heißt es in der Präambel zu den Empfehlungen des Rates für Nachhaltige Entwicklung zum Thema „Exporte von Gebrauchtgütern aus Industrieländern und Baupraxis von Gebäuden in Entwicklungs- und Schwellenländern – Chancen und Gefahren für eine nachhaltige Entwicklung“ vom 12.11.2003, S. 1: „Der Weltmarkt für Gebrauchtgüter ist relativ unreglementiert und eine angemessene Anwendung bereits bestehender WTO-Regeln oder deren Ergänzung erscheint derzeit nicht ausreichend geprüft“.
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
„Der Export von Gebrauchtmaschinen und -anlagen aus Industrieländern ist im letzten Jahrzehnt weltweit zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig mit einem jährlichen Umsatz von derzeit 100 Mrd. Euro und hohen, teilweise zweistelligen Wachstumsraten geworden. Gebrauchte Maschinen und Anlagen aus Industrieländern stellen für Investoren in Schwellen- und Entwicklungsländern bei geringer Kapitalverfügbarkeit eine kostengünstige und schnelle Lösung für die Substitution veralteter Maschinenparks und insbesondere für den Aufbau neuer Produktionskapazitäten dar. Nicht selten ist es für die Exporteure auch ein Weg kostengünstiger „Entsorgung“ abgeschriebener Anlagen und Maschinen“.116
Berücksichtigt man, dass Südafrika nach neueren Studien als wichtiger Gebrauchtmaschinenmarkt für das südliche und östliche Afrika gilt,117 liegt es nahe anzunehmen, dass die Aufnahme der Gebrauchtwarenklausel auch den Sinn hat, Südafrika notfalls die Möglichkeit einzuräumen, den diesbezüglichen Güterverkehr einzuschränken. Zwar steht Südafrika dem Gebrauchtgüterhandel grundsätzlich positiv gegenüber und verzichtet derzeit darauf, Importbeschränkungen zu erlassen.118 Andererseits sieht man sich in einem Interessenskonflikt zwischen wirtschaftlicher Entwicklung und den potenziell negativen Folgen für die Umwelt. Um sich insoweit Optionen für die Einschränkungen des Gebrauchtwarenhandels vorzubehalten, wurde letzterer in den Vertragstext des Art. 27 TDCA aufgenommen. Fraglich bleibt jedoch, ob es sich insoweit um eine zulässige Einschränkung im Sinne von Art. XX GATT 1994 handelt. Grundsätzlich kann der Import umweltbelastender Altwaren im bilateralen Verhältnis zwischen der Gemeinschaft und Südafrika nach dem „Baseler Übereinkommen über die 116 Empfehlungen des Rates für Nachhaltige Entwicklung zum Thema „Exporte von Gebrauchtgütern aus Industrieländern und Baupraxis von Gebäuden in Entwicklungs- und Schwellenländern – Chancen und Gefahren für eine nachhaltige Entwicklung“ vom 12.11.2003, S. 3 f. 117 Janischweski/Henzler/Kahlenborn, Gebrauchtgüterexporte und Technologietransfer – Eine Studie im Auftrag des Rates für Nachhaltige Entwicklung, S. 25. Die Studie erhebt den Anspruch, „weltweit erstmalig“ den Umfang und die Struktur des Gebrauchtwarenhandels aufzudecken, S. III. In einer früheren Studie aus dem Jahr 2001 findet sich hingegen die Aussage, dass Südafrika nur wenig Gebrauchtmaschinen importiert, da ein großes einheimisches Angebot an gebrauchten Maschinen besteht (Greiner/Großmann/Koopmann/Matthies/Michaelowa/Steger, WTO-/ GATT-Rahmenbedingungen und Reformbedarf für die Energiepolitik sowie die Rolle der Entwicklungspolitik im Kontext einer außenhandels- und klimapolitischen Orientierung, Gutachten im Auftrag der Enquete-Kommission „Nachhaltige Energieversorgung“ des Deutschen Bundestages, S. 58). Allerdings kann man diese Aussage dadurch relativieren, dass in der gleichen Studie auch ein Hinweis dahingehend erfolgt, dass viele andere afrikanische Staaten ihre Versorgung mit Maschinen auch über Südafrika decken. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Handel mit Gebrauchtmaschinen in Südafrika eine ganz erhebliche Rolle spielt. 118 Janischweski/Henzler/Kahlenborn, Gebrauchtgüterexporte und Technologietransfer – Eine Studie im Auftrag des Rates für Nachhaltige Entwicklung, S. 7 f.
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Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung“119 reguliert werden. Das Übereinkommen untersagt die Verbringung gefährlicher Abfälle nicht, sondern zielt stattdessen darauf ab, sie im Wege eines strengen Kontrollverfahrens zu regeln.120 Außerdem haben die Mitgliedstaaten gemäß Art. 3 der Konvention die Möglichkeit, im nationalen Recht eine Definition „gefährlicher Abfälle“ vorzunehmen. Es braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden, inwieweit der Gebrauchtwarenhandel von dem Baseler Übereinkommen gedeckt wird. Entscheidend ist, dass die potenziellen Umweltgefahren vom grenzüberschreitenden Altwarenverkehr im Grundsatz sogar multilateral Anerkennung gefunden haben. Ist aber eine handelsbezogene Umweltgefahr gegeben, dann muss sie auch bei der Bewertung der Rechtmäßigkeit einer Ausnahmeregelung Berücksichtigung finden, zumal Art. XX lit. b GATT 1994 den Schutz von Leben, Gesundheit und Pflanzenwuchs und Art. XX lit. g GATT 1994 den Schutz gefährdeter Ressourcen ausdrücklich einbeziehen. In diesem Sinne hat sich auch der Appellate Body z. B. in US Gasoline, US-Shrimp und ECAsbestos mit den dort relevanten Umweltaspekten im Abwägungsprozess unter Art. XX GATT 1994 auseinandergesetzt.121 Steht somit fest, dass die Ausnahmeklausel für Waren aller Art einschließlich Gebrauchtwaren gilt und dass Umweltaspekte grundsätzlich zu einer Ausnahme führen können, erscheint die Relevanz der hier vorgenommenen Tatbestandserweiterung äußerst fraglich. Eine Erklärung könnte darin liegen, dass Art. XX lit. g GATT 1994 keine Entsprechung in Art. 27 TDCA findet, der damit um einen Umwelttatbestand ärmer ist. Andererseits lassen sich Umweltgefahren von Altwaren problemlos unter den Tatbestand „Schutz von Leben, Gesundheit und Pflanzenwuchs“ subsumieren, so dass es dazu nicht zusätzlich noch der Einbeziehung des Schutzes gefährdeter Ressourcen bedurfte.122 Es ist jedenfalls nicht erkennbar, dass sich mit der Aufnahme des Gebrauchtwarenhandels in Art. 27 TDCA dessen Tatbestand materiellrechtlich erweitert hat. Damit kommt der Benennung lediglich de119
Basel Convention on the Control of Transboundary Movements of Hazardous Wastes and Their Disposal Adopted by the Conference of the Plenipotentiaries on March 1989, entry into force 5 May 1992, as of July 1999; 158 Parteien (Stand: 17. Oktober 2003). Für mehr Informationen über die Parteien und den Stand der Ratifizierung, siehe auch: http://www.basel.int/, aufgerufen am 27.01.2004. 120 Hintergrund dieses Abkommens sind vor allem die Erfahrungen in der Vergangenheit, als Industrieländer zunehmend begannen, ihre Müllentsorgung in Entwicklungsländern vorzunehmen, Schoenbaum, International Trade and Protection of the Environment: The Continuing Search for Reconciliation, AJIL 91 (1997), S. 268, 304. 121 Zu einer Diskussion dieser drei Berichte, siehe Trüeb, Umweltrecht in der WTO, S. 57 ff. 122 Art. XX lit. g hat wohl auch aus diesem Grund in der Praxis wenig Relevanz erlangt, Trüeb, Umweltrecht in der WTO, S. 60.
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klaratorische Bedeutung zu. Da der Gebrauchtwarenhandel aber in einem Alternativverhältnis zum Neuwarenhandel und nicht zur Ein-, Aus- oder Durchfuhr von Gütern steht, hätte die folgende Formulierung zu mehr Rechtsklarheit beigetragen: „Das Abkommen steht Verboten oder Beschränkungen der Einfuhr, der Ausfuhr oder der Durchfuhr von Neu- oder Gebrauchtwaren nicht entgegen, die (. . .)“. bb) Die Ausnahmetatbestände im Einzelnen Insgesamt werden vier Ausnahmetatbestände aufgeführt, auf deren Grundlage Eingriffe der staatlichen Behörden beider Seiten in den freien Warenhandel grundsätzlich möglich sind. Wie bereits dargelegt, ist der Vorschrift ein dreistufiger Aufbau zu entnehmen. Zunächst ist gemäß Satz 1 zu prüfen, ob eine fragliche Maßnahme überhaupt von einem der Tatbestände erfasst wird. Sodann ist zu klären, ob die Maßnahme im Hinblick auf das mit ihr verfolgte Ziel gerechtfertigt („justified“) ist. Erst dann stellt sich die Frage, ob sie sich in den Ausnahmeschranken des Satzes 2 bewegt. (1) Schutz der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung oder Sicherheit Soweit sich die Ausnahmebestimmung auf die „öffentliche Sittlichkeit“ bezieht, findet sich eine Entsprechung in Art. XX lit. a GATT 1994, wo sie bisher keine Handelsstreitigkeiten ausgelöst hat.123 Im Gemeinschaftsrecht wird der Tatbestand als Inbegriff der Moralvorstellungen einer bestimmten Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit verstanden, d. h. er ist nicht allgemeingültig bestimmbar, sondern findet seine nähere Definition durch die Werteordnung der jeweiligen Gesellschaft.124 Ähnlich wird der Begriff im Rahmen des GATT 1994 angesehen, wo darauf hingewiesen wird, dass nicht der Maßstab des WTO-Panels, sondern der innerstaatliche Maßstab der Sittlichkeit und Moral des Staats relevant sein soll, der sich auf Art. XX lit. a GATT 1994 berufen will.125 Daraus folgt, dass nicht nur zwischen der Gemeinschaft und Südafrika, sondern auch innerhalb Europas im Einzelfall unterschiedliche Maßstäbe gelten können. Nach dem Vorbild des Art. 30 EG-Vertrag wurden in das TDCA zusätzlich die Tatbestände der „öffentlichen Ordnung“ und der „öffentlichen 123 Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, S. 141; Charnowitz, The Moral Exception in Trade Policy, VirJIL 38 (1998), S. 689, 731. 124 Streinz, Europarecht, Rz. 734 m. w. N. 125 Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, S. 141.
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Sicherheit“126 aufgenommen, die zumindest keine ausdrückliche Entsprechung in Art. XX GATT 1994 finden. Inwieweit Art. 27 TDCA dadurch eine materiellrechtliche Ausweitung der Ausnahmeregelung des Art. XX GATT 1994 für den TDCA Binnenhandel begründet, dürfte vor allem davon abhängen, in welchem Verhältnis die Begriffe öffentliche Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit zueinander stehen. Betrachtet man nach Art. 31 WVK die gewöhnliche Bedeutung, d. h. den materiellen Regelungsgehalt der drei Schutzgüter, lässt sich feststellen, dass sie sehr eng beieinander liegen. So gelten die unverzichtbaren Regeln, die im Interesse der politischen und sozialen Struktur einer Gesellschaft erlassen werden und der dadurch angestrebte Zustand als öffentliche Ordnung. Die öffentliche Ordnung dürfte jedoch weitgehend die Werteordnung der jeweiligen Gesellschaft widerspiegeln und insofern untrennbar mit dem Rechtsgedanken der öffentlichen Sittlichkeit verbunden sein. Aus beiden fließt schließlich auch das Schutzsystem zur Bekämpfung der Gefahren im Inneren der Gesellschaft, welches seinerseits die öffentliche Sicherheit kennzeichnet.127 Demgegenüber ist im Gemeinschaftsrecht anerkannt, dass die öffentliche Ordnung den Oberbegriff bildet, von dem die öffentliche Sicherheit und die öffentliche Sittlichkeit nur Teilbereiche darstellen.128 Bei einer formellen Betrachtung ließe sich daraus ableiten, dass Art. 27 TDCA weitreichender ist als Art. XX GATT 1994. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch die Auslegung des Begriffs der „öffentlichen Ordnung“ („ordre public“) durch den EuGH zu berücksichtigen, um den Umfang dieser Ausnahmevorschrift näher bestimmen zu können. Wie sich aus der bisherigen Rechtsprechung ergibt, legt der EuGH bei der Auslegung des Begriffs „ordre public“ einen sehr engen Maßstab an und stellt fest, dass davon nur Verstöße gegen als wesentlich geltende Rechtsnormen oder als grundlegend anerkannte Rechte erfasst werden.129 Insofern vertritt Neumann die Auffassung, dass 126
Der Begriff der „public security“ findet sich im Übrigen auch in einer Reihe anderer Regionalabkommen wieder, wie eine Untersuchung im Auftrag des Committee on Regional Trade aus dem Jahr 1998 ergibt (WT/REG/W/26 vom 5. Mai 1998, Annex III, Ziffer 26). 127 Im Gemeinschaftsrecht gehört zum Tatbestand der öffentlichen Sicherheit sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit. Im GATT ist sie dagegen getrennt. Während die innere Sicherheit durch Art. XX GATT 1994 geschützt wird, findet der Schutz der äußeren Sicherheit seine Rechtfertigung in Art. XXI GATT 1994. 128 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Kommentar, Art. 30 EG-Vertrag, Ziffer 48. 129 EuGH, Urteil vom 28.3.2000, Rs. C-7/98, NJW 2000, S. 1853, Rz. 37 – „Krombach“; EuGH, Urteil vom 11.5.2000, Rs. C-38/98, NJW 2000, S. 2186, Rz. 30 – „Renault SA“.
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die Kriterien für den „ordre public“ sogar enger sind als die der öffentlichen Sittlichkeit des Art. XX lit. a GATT 1994.130 In Anbetracht der inhaltlichen Nähe und weitreichenden Überschneidungen der drei Schutzgüter stellt sich die Frage, ob Maßnahmen, die nach dem TDCA der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zugerechnet würden, nach dem Verständnis des GATT 1994 noch unter den Tatbestand der öffentlichen Sittlichkeit zu subsumieren wären. Immerhin gilt es zu bedenken, dass das GATT nur letzteren Tatbestand kennt und dieser dort insofern nicht notwendigerweise in Abgrenzung zu den anderen beiden definiert werden muss. Insoweit ist zu ermitteln, welche Reichweite der Tatbestand der „öffentlichen Sittlichkeit“ im Verständnis des WTO-Rechts hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Vertragstext des Art. XX GATT 1994 in der Uruguay-Runde nicht verändert wurde und somit im Wesentlichen noch die Vorstellungen der Vertragsparteien aus dem Jahre 1947 widerspiegelt. Wie sich aus dem historischen Kontext und den „travaux préparatoires“ ergibt, die man nach Art. 32 WVK bei Unklarheiten in der Auslegung subsidiär heranziehen kann,131 gab es bei der Entstehung des Art. XX lit. a GATT offensichtlich ein weitverbreitetes Bedürfnis für Handelsvorschriften, die Maßnahmen zur Regelung des Handels aus moralischen Gründen nicht verhindern.132 Dies spricht für einen eher großzügigen Rahmen der Auslegung. Das GATS wiederum, das als neues Übereinkommen aus der UruguayRunde im Jahre 1994 hervorgegangen ist, enthält in seinem Art. XIV lit. a einen Ausnahmetatbestand, der neben der öffentlichen Sittlichkeit ausdrücklich auch die öffentliche Ordnung benennt und diese in einer Fußnote als „wirkliche, ausreichend schwerwiegende Bedrohung der Grundwerte der Gesellschaft“ definiert. Insofern nähert sie sich der Definition im EG-Vertrag mit der bereits oben genannten strengen Auslegung des Begriffs öffentliche Ordnung an, wie er vom EuGH interpretiert wird. Da kein Grund ersichtlich ist, weshalb im Dienstleistungshandel weitergehende Ausnahmemöglichkeiten erlaubt sein sollten als im Warenverkehr, muss der Rückschluss erlaubt sein, dass der ordre public Vorbehalt – zumindest nach dem Verständnis der WTO – sowohl die öffentliche Sittlichkeit als auch die öffentliche Ordnung umfasst, die ihrerseits wiederum auch die öffentliche Sicherheit einschließt.133 Diese Auslegung entspricht auch dem grundsätz130 So Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, S. 142. 131 Siehe auch Feddersen, Der ordre public in der WTO, S. 105 f. 132 Charnowitz, The Moral Exception in Trade Policy, VirJIL 38 (1998), S. 689, 716. 133 So findet sich in der Aufzählung von Steinberger zu Art. XX auch ein Hinweis auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung, ohne dass jedoch klar wird, woher
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lichen Verständnis vom Zusammenhang einzelner Abkommen der Welthandelsordnung: im Zweifel ist nicht anzunehmen, dass sich einzelne Vorschriften der multilateralen Abkommen widersprechen sollen.134 Berücksichtigt man darüber hinaus die restriktive Auslegung des Art. 30 EG-Vertrag, ist – trotz der grundsätzlichen dogmatischen Unterschiede zwischen dem Art. 30 EG-Vertrag und Art. XX GATT 1994135 – davon auszugehen, dass die Begriffe der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit – wie sie im TDCA enthalten sind – keinen über Art. XX lit. a GATT 1994 hinausgehenden Ausnahmetatbestand schaffen. Im Ergebnis entspricht die Ausnahmeklausel des TDCA damit materiellrechtlich derjenigen des Art. XX lit. a GATT 1994. (2) Schutz der Gesundheit und des Lebens Die Regelung zum „Schutz der Gesundheit und des Lebens der Menschen, Tiere oder Pflanzen“ entspricht weitgehend derjenigen des Art. XX lit. b GATT 1994, und findet sich wörtlich oder sinngemäß gleich in mehreren Abkommen der WTO wieder, wie beispielsweise im Abkommen über gesundheitspolizeiliche Maßnahmen (Präambel und Art. 2.10 SPS), dem Allgemeinen Dienstleistungsabkommen (Art. XIV lit. b GATS), dem Abkommen über handelsbezogene Aspekte des Eigentums (Art. 27:2 lit. b TRIPs) und dem Abkommen über das öffentliche Beschaffungswesen (Art. XXIII:2). Er ist auch mit demselben Wortlaut in Art. 30 EG-Vertrag enthalten, wo der EuGH insbesondere gesundheits- und veterinärpolizeiliche und phytosanitäre Maßnahmen136 sowie technische Sicherheitsnormen137 darunter subsummiert hat. Angesichts der Regelungsweite des Tatbestandes kommt es darauf an, dass er auf der zweiten und dritten Prüfungsstufe effektiv eingeschränkt wird, um das Vertragsziel der Handelsliberalisierung nicht zu unterlaufen und sich so in den erlaubten Grenzen des Art. XXIV zu bewegen. Hier kommt der entscheidende Unterschied zwischen Art. 27 und der Ausnahmeregel in Art. XX GATT zum Tragen, wonach Einzelmaßnahmen auf der er dies ableitet, Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 156. 134 Feddersen, Der ordre public in der WTO, S. 157. 135 Art. 30 EG-Vertrag ist im Zusammenhang mit einer auf fortschreitende Integration und Harmonisierung aufbauenden Rechtsordnung zu sehen, wohingegen Art. XX GATT Teil eines vergleichsweise statischen Vertragswerks ist. Siehe dazu auch Feddersen, Der ordre public in der WTO, S. 158. 136 Vgl. Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.) Kommentar, Art. 30 EG-Vertrag, Rz. 58 m. w. N. 137 EuGH, Rs. 188/84, Kommission/Frankreich, Slg 1986, 419/435 ff.
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zweiten Prüfungsstufe nicht „notwendig“, sondern „gerechtfertigt“ sein müssen. Blickt man auf die WTO-Streitschlichtungsentscheidungen, so ist festzustellen, dass viele dort verhandelte Maßnahmen am Notwendigkeitskriterium gescheitert sind.138 So kam das Panel im thailändischen Zigaretten-Fall zu dem Schluss, dass die erlassenen Importbeschränkungen auf Tabakwaren nicht notwendig waren, um die Volksgesundheit zu schützen, weil andere, weniger einschneidende Maßnahmen möglich gewesen wären, wie z. B. Aufklärungskampagnen über die Gefahren des Rauchens.139 Auch im nicht angenommenen Tuna/Dolphin-Fall vertrat das Panel die Auffassung, dass den USA weniger einschneidende Maßnahmen als Importverbote zur Verfügung gestanden hätten, um extraterritorrial den Schutz der Delfine vor den Fangnetzen der Tunfischjäger aus Mexiko zu gewährleisten, wie z. B. ein völkerrechtlicher Kooperationsvertrag mit diesem Land.140 Dagegen entschied der Appellate Body im Asbest-Fall, dass Frankreich kein anderes, weniger einschneidendes Mittel als ein Importverbot zur Verfügung stand, um die Volksgesundheit angesichts der vom Asbest ausgehenden Gefahren effektiv zu schützen.141 Es stellt sich also die Frage, ob der hier angewandte Prüfungsmaßstab auch nach dem TDCA eingehalten werden muss. Wäre dessen Ausnahmetatbestand weiter gefasst, so wäre Art. 27 TDCA nicht mehr von Art. XXIV gedeckt. Die Frage lässt sich nur durch einen Blick auf die Rechtsprechungspraxis des EuGH beurteilen, der die Formulierung „gerechtfertigt“ in Art. 30 EG-Vertrag als Ausdruck des Übermaßverbots wertet.142 Dabei prüft der EuGH – wie das Panel und der Appellate Body in den WTOStreitschlichtungsverfahren – die Geeignetheit und Erforderlichkeit der in Rede stehenden Maßnahme.143 Im Ergebnis entspricht die Formulierung „gerechtfertigt“ im TDCA faktisch dem „Notwendigkeitskriterium“ im Art. XX GATT, so dass festzuhalten ist, dass der Tatbestand des Art. 27 TDCA auch insoweit durch Art. XX GATT gedeckt ist. 138 Schoenbaum, International Trade and Protection of the Environment: The Continuing Search for Reconciliation, AJIL 91 (1997), S. 268, 276. 139 Panel Bericht „Thailand–Cigarettes“ vom 7.11.1990, in: GATT (1991), BISD 37th S. 200 ff. 140 Panel Bericht „US-Tuna/Dolphin“ vom 3.9.1991, in: GATT (1993), BISD 39th S, S. 155 ff.; GATT-Panel Bericht „US-Tuna/Dolphin“, GATT Doc. DS 29/R vom 16.6.1994, Ziffer 5.25–5.28. 141 Appellate Body Bericht „EC-Asbestos“ WT/DS135/AB/R vom 12. März 2001, Ziffer 174. 142 EuGH, Rs. 174/82, Sandoz, Slg. 1983, 2445/2463, Rz. 18; Rs. 274/84, Motte, Slg. 1985, 3887/3905. 143 Eine Prüfung der Angemessenheit findet in Abweichung von der deutschen Grundrechtsdogmatik nicht immer statt, Streinz, Europarecht, Rz. 737.
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
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(3) Schutz des nationalen Kulturguts Die Vorschrift zum „Schutz des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert“ ist identisch mit der Formulierung in Art. XX lit. f GATT 1994 und Art. 30 EG-Vertrag. Erlaubte Maßnahmen können beispielsweise Ausfuhrlizenzen, Ausfuhrverbote oder Vorkaufsrechte staatlicher Stellen sein.144 Der explizite Hinweis auf „national“ bedeutet, dass Maßnahmen zum Schutz des internationalen bzw. extraterritorialen Kulturgutes ausgeschlossen sind.145 Diese Vorschrift hat weder in der WTO noch in der Gemeinschaft zu handelspolitischen Schwierigkeiten geführt und dürfte deshalb auch die europäisch-südafrikanischen Handelsbeziehungen nicht sonderlich belasten. (4) Schutz des gewerblichen oder geistigen Eigentums Die Ausnahmevorschrift zum Schutz des gewerblichen oder geistigen Eigentums bietet den Vertragspartnern die Möglichkeit, mit Maßnahmen zum Schutz „des gewerblichen oder geistigen Eigentums“ zugunsten ihrer Wirtschaft gestaltend in den Handel einzugreifen. Die Formulierung beschränkt den Tatbestand auf Vorschriften zum Schutz des geistigen Eigentums und entspricht damit wiederum weitgehend der Formulierung in Art. 30 EGVertrag, die allerdings etwas allgemeiner gehalten ist und vom Schutz „des gewerblichen und kommerziellen Eigentums“146 spricht. Dagegen ist der entsprechende Tatbestand in Art. XX lit. d GATT 1994 noch weiter gefasst. Er erlaubt den GATT-Vertragsparteien nicht nur, Maßnahmen zum Schutz der Patente, Warenzeichen und Urheberrechten zu beschließen und durchzuführen, sondern auch solche zur Durchführung der Zollvorschriften, des unlauteren Wettbewerbs und der Verhinderung irreführender Praktiken. Da Regionalverträge mit strengeren Ausnahmevorschriften als den Abweichungstatbeständen des GATT als GATT-kompatibel gelten,147 bewegt sich Art. 27 TDCA jedenfalls insoweit im Rahmen des Art. XX lit. d GATT 1994. Die Tatsache, dass Art. XX lit. d GATT 1994 darüber hinaus zusätzlich noch verlangt, dass die erlaubten Maßnahmen „zur Anwendung von Gesetzen und sonstigen Vorschriften erforderlich sind“, ohne dass sich 144 Müller-Graff, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.) Kommentar, Art. 30 EGVertrag, Rz. 62. 145 Senti, WTO, Rz. 959, S. 441. 146 Nach der Rechtsprechung des EuGH zählen dazu Patent-, Waren-, Urheber-, Muster- und Modellschutz- sowie Sortenschutzrechte, aber auch Herkunftsangaben für bestimmte Produkte, vgl. EuGH, Rs. C-3/91, Exportur/lor und Confiserie du Tech („Turrones“), Slg. 1992, I-5529/5561 ff. 147 Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 154.
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
dieses Erforderlichkeitskriterium im Tatbestand des Art. 27 TDCA wiederfindet, ist – wie bereits in Zusammenhang mit der Regelung zum Schutz der Gesundheit und des Lebens dargelegt148 – unbeachtlich: die Prüfung der Rechtfertigung der Maßnahme nach TDCA schließt eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, wie sie im Sinne des GATT notwendig ist, faktisch ein und lässt auch diesen Tatbestand des Art. 27 TDCA als zulässig erscheinen. (5) Regelungen betreffend Gold und Silber Angesichts des Vorkommens von Edelmetallen in Südafrika wurden auch „Regelungen betreffend Gold und Silber“ ausdrücklich als Ausnahmetatbestand unter Art. 27 TDCA erfasst, der in der Formulierung „Maßnahmen für die Ein- und Ausfuhr von Gold und Silber“ des Art. XX lit. c GATT 1994 seine Entsprechung findet.149 Gold und Silber gelten nur dann als herkömmliches Handelsgut im Sinne von Art. III:2 GATT, wenn sie als solches in den grenzüberschreitenden Verkehr gebracht werden. Insoweit ist die Regelung des Imports von Gold und Silber als Zahlungsmittel jedem WTO/GATT-Mitglied ins freie Ermessen – ohne Bindungen an die GATTBestimmungen – gestellt. Problematisch ist in diesem Zusammenhang die Klassifizierung des südafrikanischen Krügerrands, der von seinem äußeren Erscheinungsbild her zwar eine Münze darstellt, darüber hinaus aber auch als Souvenir- oder Investitionsgut gilt. Nach einer GATT Schiedsgerichtsempfehlung aus dem Jahre 1975 ist er unter letzterem Gesichtspunkt als Handelsgut einzustufen.150 Soweit Gold und Silber also überhaupt als Handelsgut im Sinne des GATT gelten, sind spezielle Regelungen als Ausnahmen im Sinne des Art. 27 TDCA zulässig. Dieser Ausnahmetatbestand ist im Übrigen der einzige, bei dem es nicht darauf ankommt, dass die getroffenen Maßnahmen auch „gerechtfertigt“ sind, d. h. sie unterliegen ausdrücklich nicht einem Erforderlichkeits- oder Verhältnismäßigkeitsgebot. Art. 27 entspricht auch insoweit der Vorschrift in Art. XX lit. c GATT 1994. cc) Ausnahmeschranken Damit Art. 27 TDCA nicht zum Einfallstor für protektionistische Maßnahmen wird, sind alle auf ihn gestützten Maßnahmen einer Schrankenregelung unterworfen, die inhaltlich weitgehend derjenigen der Art. XX Satz 1 148 149
Siehe oben unter B. II. 1. d) bb) (2). Einen Ausnahmetatbestand für Gold und Silber enthält Art. 30 EG-Vertrag
nicht. 150
GATT (1994) Analytical Index, Genf, S. 529.
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
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GATT 1994 und Art. 30 Satz 2 EG-Vertrag entspricht. Die Schrankenregelung enthält sowohl ein Diskriminierungs- als auch ein Verschleierungsverbot, an dem sich Maßnahmen, die ansonsten den Vorgaben der vier Tatbestände des Art. 27 entsprechen, zusätzlich messen lassen müssen. Beim Diskriminierungsverbot handelt es sich um einen speziellen Tatbestand, der sich von den übrigen Gleichbehandlungsvorschriften des GATT unterscheidet. Es statuiert insgesamt drei Voraussetzungen, die zu erfüllen sind: (1) Die Anwendung der Maßnahme muss zu einer Diskriminierung führen; (2) der Charakter dieser Diskriminierung muss willkürlich oder ungerechtfertigt sein und (3) es müssen gleiche Umstände gegeben sein.151 Obwohl das zusätzliche Verschleierungsverbot alternativ zum Diskriminierungsverbot aufgeführt wird, steht es nach der Rechtsprechung des Appellate Body in einer engen Beziehung zu diesem. Danach konstituiert es kein eigenständiges Kriterium, sondern steht in einer Art Wechselbeziehung zum Diskriminierungsverbot: „‚Arbitrary discrimination‘, ‚unjustifiable discrimination‘ and ‚disguised restriction‘ on international trade may, accordingly, be read side-by-side; they impart meaning to one another. It is clear to us that ‚disguised restriction‘ includes disguised discrimination in international trade. It is equally clear that concealed or unannounced restriction or discrimination in international trade does not exhaust the meaning of ‚disguised restriction‘. We consider that ‚disguised restriction‘, whatever else it covers, may properly be read as embracing restrictions amounting to arbitrary or unjustifiable discrimination in international trade taken under the guise of a measure formally within the terms of an exception listed in Article XX. Put in a somewhat different manner, the kinds of considerations pertinent in deciding whether the application of a particular measure amounts to ‚arbitrary or unjustifiable discrimination‘ may also be taken into account in determining the presence of a ‚disguised restriction‘ on international trade. The fundamental theme is to be found in the purpose and object of avoiding abuse or legitimate use of the exceptions of substantive rules available in Article XX“.152
Trotz der engen Beziehung zum Diskriminierungsverbot kann dem Verschleierungsverbot zumindest ein Transparenzgebot entnommen werden. Danach sollten die Handelspartner ihre Ausnahmemaßnahmen in entsprechender Weise bekannt geben oder veröffentlichen. Im Ergebnis geht die Vorschrift des Art. 27 TDCA somit nicht über die materiellrechtlichen Vorgaben des Art. XX GATT 1994 hinaus.
151
So auch der Appellate Body Bericht „US-Gasoline“ WT/DS2/AB/R vom 26. April 1996, S. 23–24 im Hinblick auf die vergleichbaren Anforderungen des Art. XX GATT; siehe auch Appellate Body Bericht „US-Shrimp“ WT/DS58/AB/R vom 12. Oktober 1998, Ziffer 150, 164–165, 177. 152 Appellate Body Bericht „US-Gasoline“ WT/DS2/AB/R vom 26. April 1996, S. 25.
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
2. Der Schutz der Drittstaaten Nachdem unter B. II. 1. überprüft wurde, ob das TDCA im Hinblick auf seine Liberalisierung nach innen als Freihandelszone zu qualifizieren ist, sind nunmehr die externen Wirkungen der Handelsvereinbarung auf Drittstaaten zu überprüfen. a) Die Anforderungen von Art. XXIV:4 GATT 1994 an das TDCA Welche Anforderungen für das Verhältnis eines Freihandelsabkommens gegenüber dritten WTO-Mitgliedern gelten, ist in den Ziffern 4 und 5 des Art. XXIV GATT 1994 abgebildet. aa) Das Verhältnis von Art. XXIV:4 zu Art. XXIV:5 Art. XXIV:4 GATT 1994 erlaubt die Bildung von Integrationsvereinbarungen, deren „Zweck“153 es ist, den Handel zwischen den Teilnehmern zu stärken, nicht aber dem Handel mit Drittstaaten Schranken zu setzen. Wörtlich heißt es: „Die Vertragsparteien erkennen an, dass es wünschenswert ist, durch freiwillige Vereinbarungen zur Förderung der wirtschaftlichen Integration der teilnehmenden Länder einer größere Freiheit des Handels herbeizuführen. Sie erkennen ferner an, dass es der Zweck von Zollunionen und Freihandelszonen sein soll, den Handel zwischen den teilnehmenden Gebieten zu erleichtern, nicht aber dem Handel anderer Vertragsparteien mit diesen Gebieten Schranken zu setzen“.
Umstritten ist, ob die hier formulierte Zielsetzung einen eigenständigen Tatbestand zum Schutz von Drittstaaten konstituiert. Rätsel gibt insoweit das „chapeau“ der Ziffer 5 auf, wo es direkt im Anschluss an Ziffer 4 heißt: „Demgemäß schließt dieses Abkommen nicht aus, dass Gebiete von Vertragsparteien zu Zollunionen oder Freihandelszonen zusammengeschlossen oder vorläufige Vereinbarungen zur Bildung solcher Unionen oder Zonen abgeschlossen werden; Voraussetzung dafür ist (. . .)“.
Der Hinweis auf das einleitende Bindewörtchen „demgemäß“ (im englischen Original: „accordingly“) in Ziffer 5 legt die Vermutung nahe, dass Ziffer 4 als der eigentliche Prüfungsmaßstab anzusehen ist, der die folgenden Vorschriften sozusagen in sich verkörpert. Diese Lesart hätte jedoch zur Folge, dass eine Vereinbarung, die Ziffer 4 entspricht, keiner gesonder153 In dem englischen und französischen Originaltext heißt es „the purpose“ bzw. „l’object“.
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
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ten Prüfung nach den Ziffern 5 bis 8 zu unterziehen wäre,154 weil der entscheidende Prüfungsrahmen bereits in Ziffer 4 festgehalten ist.155 Diese Auslegungsvariante erscheint sehr problematisch. Es käme einer Übergewichtung des Wörtchens „accordingly“ gleich, wollte man damit den Ziffern 5 bis 8 einen eigenständigen Regelungsgehalt absprechen. Außerdem werden die konkreten Kriterien erst in den Ziffern 5 bis 8 benannt. So finden sich die Legaldefinition für Freihandelszonen in Ziffer 8 lit. b und die Kriterien zum Schutz von Drittstaaten in Ziffer 5 lit. b. Darüber hinaus normiert Ziffer 5 lit. c die Frage der Übergangszeit bis zur vereinbarten Handelsliberalisierung und Ziffer 7 bestimmt die Notifizierungspflicht gegenüber dem CRTA.156 Aus diesem Befund ließe sich schließen, dass die Ziffern 5 bis 8 nach ihrem Regelungsgehalt die spezielleren Normen sind, während Ziffer 4 als Zweckbestimmung eher den Charakter einer Präambel mit rein deklaratorischem Gehalt hat. Demnach wäre die Erfüllung der Kriterien aus den Ziffern 5 bis 8 automatisch als Erfüllung der Ziffer 4 anzusehen.157 Auch diese Auslegung ist jedoch problematisch, weil damit Ziffer 4 eine eigenständige rechtliche Bedeutung abgesprochen würde.158 Daher ist mit der ganz herrschenden Meinung davon auszugehen, dass Ziffer 4 durch die Ziffern 5 bis 8 maßgeblich konkretisiert wird,159 während sie selbst als Zielbestimmung nur einführenden Charakter hat.160 Sie bringt das Anliegen des Art. XXIV zum Ausdruck, Präferenzsysteme als Abweichung vom Meistbegünstigungsgrundsatz zuzulassen, um den Binnenhandel zu erleichtern und gleichzeitig neue Handelsschranken gegenüber Drittstaaten zu verhindern. Die Vorschrift sagt aber nichts darüber aus, wie 154
So die Darstellung bei Senti, GATT, S. 120. In diesem Sinne kommt das Panel in „Turkey Textiles“ WT/DS34/R vom 31. Mai 1999, Ziffer 9.105 zu dem Schluss: „(T)he use of the word ‚Accordingly‘ indicates that the conditional right to form a regional trade agreement has to be understood and interpreted within the parameters set out in paragraph 4, since the word ‚Accordingly‘ refers back to that paragraph, which is the only paragraph addressing customs unions and free-trade areas in Article XXIV that precedes paragraph 5“. 156 Die im Hinblick auf FTAs nicht relevante Ziffer 6 trifft Bestimmungen zu Zollangleichungen bei Zollunionen. 157 Dam, The GATT – Law and International Economic Organization, S. 276. 158 Hilpold, Regionale Integrationszonen und GATT, RIW 1993, S. 657, 661. 159 Siehe Bratschi, Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT), S. 86; Imhoof, Le GATT et les zones de libre-échanges, S. 63, 65; Jackson, World Trade and the Law of GATT, S. 600; Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 140; Ott, GATT und die WTO im Gemeinschaftsrecht, S. 29. 160 So auch die Europäische Gemeinschaft, WT/REG/M/15 vom 13. Januar 1998, Ziffer 12; diese Auffassung wird von Argentinien, Brasilien, Kanada und den USA geteilt, WT/REG/M/15 vom 13. Januar 1998. 155
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
dies geschehen kann. Folglich ist es nicht möglich, auf ihrer Grundlage zulässige Wirtschaftszusammenschlüsse von unzulässigen zu unterscheiden. In diesem Sinne kommt auch der Appellate Body im Turkeys-Textiles-Fall zu dem Ergebnis: „Paragraph 4 contains purposive, and not operative, language. It does not set forth a separate obligation itself but, rather, sets forth the overriding and pervasive purpose for Article XXIV which is manifested in operative language in the specific obligations that are found elsewhere in Article XXIV“.161
Diese Auffassung wird auch durch die Entstehungsgeschichte belegt, welche zeigt, dass die Vorschrift die positive Rolle von Zollunionen und Freihandelszonen zur Förderung des Welthandels zum Ausdruck bringen soll, während den folgenden Ziffern der Schutz der Rechtsordnung des GATT zugedacht war.162 Schließlich findet dieser Ansatz auch Rückhalt in der Vereinbarung zur Auslegung des Art. XXIV des GATT 1994, die den Ziffern 5 bis 8 eine Schlüsselstellung zuweist, während sie Ziffer 4 nicht einmal erwähnt: „1. Zollunionen, Freizonen und vorläufige Übereinkünfte zur Bildung einer Zollunion oder Freizone müssen, um mit Art. XXIV vereinbar zu sein, unter anderem den Absätzen 5, 6, 7 und 8 des genannten Art. entsprechen“.
Für sich allein ist Ziffer 4 also nicht geeignet, einen konkreten Maßstab zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Integrationsvereinbarung zu liefern. Vielmehr ist die konkretere Ziffer 5 im Lichte des Art. 4 auszulegen. In diesem Sinne stellt auch der Appellate Body fest: „the chapeau of paragraph 5, and the conditions set forth therein for establishing the availability of a defence under Article XXIV, must be interpreted in the light of the purpose [. . .] set forth in paragraph 4. The chapeau cannot be interpreted correctly without constant reference to this purpose“.
bb) Art. XXIV:4 als Rechtsgrundlage für eine handelsökonomische Prognosebeurteilung Ziffer 4 wird von den WTO-Mitgliedern gelegentlich dennoch ein über die Meinungsäußerung der GATT-Vertragsparteien hinausgehender ökonomischer Regelungsgehalt zugesprochen.163 So fordern verschiedene WTO-Mit161 Appellate Body Bericht „Turkey-Textiles“ WT/DS34/AB/R vom 22. Oktober 1999, Ziffer 57. 162 Benedek, Die Rechtsordnung des GATT aus völkerrechtlicher Sicht, S. 64; Haight, Customs Unions and Free-Trade Areas under GATT, JWT 6 (1972), S. 391, 394 ff. 163 So z. B. Korea „since there was no agreement as to the meaning of the term ‚substantially all the trade‘, it seemed the examination of trade effects of RTAs was very important“ und „(. . .) the Committee should not limit too narrowly the legal
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
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glieder entsprechend der von Jacob Viner164 getroffenen Unterscheidung zwischen handelsschaffenden („trade creating“) und handelsablenkenden („trade diverting“) Wirkungen eine Untersuchung der ökonomischen Auswirkungen.165 Im Sinne dieser Differenzierung gelten in der Wirtschaftswissenschaft166 solche Zusammenschlüsse als „handelsschaffend“, die zu einer Produktionsverlagerung zum preisgünstigeren Standort führen, so dass mit der gleichen Menge an Produktionsfaktoren mehr hergestellt werden kann. Auf diese Weise wird die Gesamtproduktion aller Güter innerhalb der Freihandelszone gesteigert, was zu einer Realeinkommenssteigerung bei allen privaten Wirtschaftssubjekten führt. Allerdings setzt dies voraus, dass es dem jeweils von der Produktionsverlagerung negativ betroffenen Gebiet gelingt, die freigesetzten Produktionsfaktoren für andere Güter einzusetzen. Als „handelsablenkend“ sind dagegen solche Produktionsverlagerungen einzustufen, bei denen der Realeinkommensvorteil der privaten Wirtschaftssubjekte nicht ausreicht, um die Zolleinnahmen zu kompensieren, die dadurch verloren gehen, dass die entsprechende Ware nicht mehr aus einem zollpflichtigen und dennoch kostengünstigeren Drittland bezogen wird. In einer derartigen Konstellation kommt es im Ergebnis zu einer Realeinkommensminderung bei allen Beteiligten. Da nahezu jede Freihandelszone sowohl „trade creating“ als auch „trade diverting“ Effekte hat, kommt es darauf an, welche von beiden in der Gesamtbilanz überwiegen. Nur solche Zusammenschlüsse, bei denen die handelsschaffenden Wirkungen die handelsablenkenden übersteigen, sollen mit Art XXIV:4 GATT 1994 vereinbar sein, weil nur für sie die Vermutung gilt, dass sie wohlstandssteigernd wirken. Im Sinne dieser Interpretation wäre also eine Prognose über die langfristigen Auswirkungen des Freihandelsabkommens (hier: des TDCA) auf die Handelsströme erforderlich.167 Vom Ergebnis dieser ökonomischen ex ante Betrachtung würde es abhängen, ob sich die Rechtmäßigkeit des Abkommens bestätigen ließe. reading of paragraph 4“, WT/REG/M15 vom 13. Januar 1998. Diese Auffassung wurde in unterschiedlichem Umfang von Australien, Indien, HKC, Japan und Korea unterstützt, WT/REG/W/37 vom 2. März 2000, Ziffer 34 und 77. 164 Viner, The Customs Union Issue, S. 41 ff. 165 Dies fand in unterschiedlichem Ausmaß Unterstützung, Australien, Indien, HKC, Japan und Korea WT/REG/M/15 vom 13. Januar 1998; vgl. auch Australien in WT/REG/W/25 vom 1. April 1998, Ziffer 5, 8. Zu den Unterschieden zwischen handelsablenkend und handelsschaffend, siehe auch Marceau/Reiman, When and How is a Regional Trade Agreement Compatible with WTO? LIEI 28 (2001), S. 297, 304 f. 166 Hilpold, Regionale Integrationszonen und GATT, RIW 1993, S. 657, 661; ders., Wirtschaftlicher Regionalismus – Koordination und Wettbewerb der Integrationszonen, Integration 1996, S. 224, 225; Jackson, The World Trading System, S. 141. 167 Ott, GATT und WTO im Gemeinschaftsrecht, S. 28.
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Indessen stellt sich die Frage, inwieweit eine derartige Überprüfung der wirtschaftlichen Auswirkungen überhaupt einen geeigneten Prüfungsmaßstab im Rahmen des Art. XXIV bilden kann. Problematisch erscheinen vor allem die vielen Unwägbarkeiten einer entsprechenden Prognose. So reicht es nicht aus, das Gesamtvolumen des abgelenkten und geschaffenen Handels gegeneinander aufzuwiegen. Vielmehr sind eine Vielzahl anderer Faktoren zu berücksichtigen, die sich in den von der ökonomischen Wissenschaft entwickelten Berechnungsmethoden wiederfinden.168 Das TDCA wurde in einer ersten diesbezüglichen Untersuchung im Rahmen einer UNCTAD-Studie auf der Grundlage der SMART Simulationstechnik überprüft.169 Dabei handelt es sich um ein relativ einfaches Verfahren, bei dem die aktuellen Exporte und Importe linear extrapoliert werden und außerdem der vorgesehene Rückgang der Importzölle und die Nachfrageelastizität Berücksichtigung finden. Das Verfahren wird kritisiert, weil es von einer unbegrenzten Angebotselastizität ausgeht, nichttarifäre Handelsbarrieren nicht unmittelbar berücksichtigen kann und mögliche Anpassungsmaßnahmen während der Übergangszeit nicht mit einbezieht, wodurch die Realitätsnähe der Ergebnisse vermindert wird.170 Im Hinblick auf das TDCA kam die Studie zu dem Ergebnis, dass die Wirkung der Freihandelszone auf den bilateralen Handel ungleich sein wird, mit einem relativ großen Effekt auf Südafrikas Importe aus der Gemeinschaft und einem relativ kleinen Effekt auf Südafrikas Exporte in den Gemeinschaftsmarkt.171 Eine zweite Untersuchung des TDCA, die vom britischen Institute for Development Studies (IDS) und dem Botswana Institute for Development Policy Analysis (BIDPA) vorgelegt wurde,172 wendet das „computable dynamic general equilibrium model“ an. Dabei werden neben der Senkung bzw. Abschaffung der Zölle auch die Veränderung der Warenpreise auf dem Weltmarkt und die möglichen Wirkungen auf die Arbeitsplätze in dem jeweiligen Wirtschaftsbereich in Rechnung gestellt. Diese ergänzenden Kriterien beruhen allerdings auf ungesicherten ökonomischen Grundannahmen, so dass 168 Siehe dazu z. B. Huber, Die Präferentiellen Abkommen der EG mit dritten Staaten und die Frage ihrer Vereinbarkeit mit dem GATT, S. 50 ff. 169 Jachia/Teljeur, Free Trade between South Africa and the European Union, UNCTAD Discussion Paper Nr. 141, May 1999. 170 Zur Kritik des SMART, siehe Wellmer, SADC zwischen regionaler Integration und reziprokem Freihandel mit der Europäischen Union, S. 47 ff., insbesondere Fn. 21. 171 Seite 2 der Studie. Für eine weitergehende Analyse der Studie, siehe Akinkugbe, The European Union and South African Free Trade Agreements, JWT 34 (2000), S. 95 ff. 172 ISD/BIDPA, Study to Assess the Economic Impact of the Proposed European Union-South African Free Trade Agreement on Botswana, Lesotho, Namibia and Swaziland, Final Report, Dezember 1998.
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die darauf aufbauenden Schlussfolgerungen der Realität nicht unbedingt näher kommen. Die Ergebnisse dieser Studie legen nahe, dass – mit Ausnahme der Zolleinkünfte – die direkten Wirkungen des TDCA für keines der BLNS Länder sehr signifikant sein werden und dass – ingesamt gesehen – der positive Effekt größer als die negativen Wirkungen sein werden.173 Dennoch wird auch festgestellt, dass die relative Verbesserung der Marktposition für EU-Exporteure größer als für südafrikanische Exporteure sein wird. Unabhängig von den Bewertungen des TDCA in den o. g. Untersuchungen besteht das Dilemma in beiden Fällen in den Unwägbarkeiten einer künftigen wirtschaftlichen Entwicklung. Welche Beurteilungskriterien und Bestimmungsfaktoren den Prognosen auch immer zugrunde gelegt werden, sie werden immer unter der Unzulänglichkeit leiden, dass sich ex ante nur relativ vage Aussagen treffen lassen.174 So wichtig es für die Parteien einer Integrationszone im Vorfeld des Zusammenschlusses auch sein mag, handelsschaffende und handelsablenkende Wirkungen gegeneinander abzuwägen, um die wirtschaftspolitischen Chancen und Risiken zu beurteilen, so problematisch erscheint es, die Zulässigkeit einer Freihandelsvereinbarung nach Art. XXIV GATT 1994 von derart ungenauen Prognosen abhängig zu machen. Dies gilt erst recht, solange es keine feste Vereinbarung darüber gibt, welche Kriterien die Grundlage für eine entsprechende Bewertung sein sollen. Ohne eine hinreichende Rechtssicherheit bleibt das Ergebnis aufgrund der Beliebigkeit der anwendbaren Instrumente und Faktoren manipulierbar. Es erscheint deshalb nur konsequent, sich auf die rechtliche Prüfung anhand der Kriterien in Ziffer 5 zu beschränken. Dies sollte ausreichen, um die in Ziffer 4 beabsichtigte Wirkung zu erzielen.175 173 Harvey, The impact of the Agreement on Botswana, Lesotho, Namibia and Swaziland, in: Bertelsmann-Scott/Mills/Sidiropoulos (Hrsg.), The EU-SA Agreement: South Africa, Southern Africa and the European Union, S. 83, 86. 174 So auch Huber, Die Präferentiellen Abkommen der EG mit dritten Staaten und die Frage ihrer Vereinbarkeit mit dem GATT, S. 63 ff. Selbst eine Studie, die im April 2003 – drei Jahre nach In-Kraft-Treten des Abkommens – vom Institut für Weltwirtschaft und Internationales Management an der Universität Bremen erstellt wurde, kommt zu dem Schluss, dass die Frage der Implikationen des TDCA für die Länder der SACU noch nicht abschließend beantwortet werden kann. Zwar hätten sich die Wachstumraten der BLNS Exporte von 1996 bis 2001 enorm gesteigert. Da sich der Marktzugang für BLNS Länder in die EU jedoch nicht verbessert habe, könne kein direkter Zusammenhang zwischen der Exportsteigerung und dem TDCA hergestellt werden (Meyn, Das Freihandelsabkommen zwischen Südafrika und der EU und seine Implikationen für die Länder der Southern African Customs Union, in: Knorr/Lemper/Sell/Wohlgemuth (Hrsg.), Berichte aus dem Weltwirtschaftlichen Colloquium der Universität Bremen, S. 24 f.). 175 So auch Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 233. Siehe dazu auch die Stellungnahme der EG (WT/REG/M/15 vom 13. Januar 1998, Ziffer 25):
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
b) Die Anforderungen des Art. XXIV:5 lit. b GATT 1994 an das TDCA Das TDCA konstituiert für den europäisch-südafrikanischen Handel eine Ausnahme vom Grundsatz der Meistbegünstigung. Dennoch darf die Privilegierung der neu geschaffenen Integrationszone nicht zum Nachteil dritter Gebiete erfolgen. Deshalb verlangt Art. XXIV:5 lit. b GATT 1994, dass Zölle und Handelsvorschriften gegenüber dritten Gebieten bei der Bildung des Zusammenschlusses bestimmte Belastungsgrenzen einhalten müssen. Insbesondere dürfen sie nicht höher oder einschränkender als die dort zuvor bestehenden Regelungen sein. Wörtlich heißt es: „(b) Im Fall einer Freihandelszone oder einer mit dem Ziel der Bildung einer Freihandelszone getroffenen vorläufigen Vereinbarung, dass die in den teilnehmenden Gebieten beibehaltenen und bei der Bildung der Zone oder dem Abschluss der vorläufigen Vereinbarung geltenden Zölle und Handelsvorschriften für den Handel mit den in die Zone nicht einbezogenen oder an der Vereinbarung nicht teilnehmenden Vertragsparteien nicht höher oder einschränkender sind als die entsprechenden Zölle und Handelsvorschriften, die in den teilnehmenden Gebieten vor der Bildung der Zone oder dem Abschluss der Vereinbarung bestanden“.
aa) Anpassung von Zöllen und Handelsvorschriften, Art. XXIV:5 lit. b Da die Mitglieder eines Freihandelsabkommens ihre Zollpolitik individuell frei gestalten können und – anders als die Mitglieder einer Zollunion176 – nicht zu einem gemeinsamen Außenzolltarif verpflichtet sind, sind Zollangleichungen gegenüber Drittstaaten aus Anlass der Bildung einer Freihandelszone nicht erforderlich und deshalb zum Schutz der Drittgebiete grundsätzlich verboten. Dieses Verbot ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, ergibt „as the United States representative had said, Article XXIV was a set of rights and obligations and part of an Agreement constructed from rights and obligations (. . .). The key point made by his delegation earlier was that Article XXIV could not be used to support the argument that there ought to be an economic test applied in addition to the other rights and obligations contained in the Article in clearer terms (. . .). The question with respect to trade creation and trade diversion and general questions of economics might fall under the heading of ‚what rules or rights and obligations ought to be‘ (. . .). Article XXIV did not support economic arguments as a basis for evaluating actual preferential trade agreements (. . .)“. Siehe auch die von Brasilien vertretene Auffassung (WT/REG/M/15 vom 13. Januar 1998, Ziffer 21): „The representative of Brasil said his delegation was of the view that the question of trade diversion and trade creation was not part of the test of conformity with Article XXIV (. . .)“, 176 Zur Definition einer Zollunion, siehe Art. XXIV:8 lit. a.
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sich aber aus einem Rückschluss aus Art. XXIV:6 GATT 1994. Diese Vorschrift sieht nur für die Bildung einer Zollunion gemäß Art. XXIV:5 lit. a GATT 1994 Verhandlungen zum Ausgleich von in diesem Zusammenhang möglichen Zollerhöhungen in einzelnen Mitgliedsgebieten vor (Art. XXVIII GATT 1994).177 Für Freihandelszonen besteht diese Notwendigkeit dagegen nicht. Demgemäß haben Südafrika und die Gemeinschaft anlässlich der Vereinbarung über das TDCA keine Veränderung ihrer Zollsätze gegenüber Drittstaaten vorgenommen, sondern diese auf MFN Basis beibehalten. Ein Konflikt mit den Anforderungen des Art. XXIV:5 lit. b GATT 1994 besteht also insoweit nicht. Art. XXIV:5 lit. b erstreckt sich aber nicht nur auf Zolltarife, sondern auch auf „Handelsvorschriften“. Letztere hat das Panel im Turkeys TextilesFall178 bei der Auslegung der entsprechenden Formulierung in Art. XXIV:5 lit. a GATT 1994 wie folgt definiert: „more broadly, the ordinary meaning of the terms ‚other regulations of commerce‘ could be understood to include any regulation having an impact on trade (such as measures in the fields covered by WTO rules, e. g. sanitary and phytosanitary, customs valuation, anti-dumping, technical barriers to trade; as well as any other trade-related domestic regulation, e. g. environmental standards, export credit schemes). Given the dynamic nature of regional trade agreements, we consider that this is an evolving concept“.179
Bei der Bildung einer Freihandelszone besteht – wie schon bei den Zöllen – auch für sonstige gegenüber Drittstaaten gültige Handelsvorschriften keine Notwendigkeit der Anpassung. Demgemäß sind die jeweiligen Außenhandelsvorschriften der Gemeinschaft und Südafrikas bei der Gründung des TDCA nicht verändert worden. Lediglich das Binnenverhältnis der Vertragsparteien wurde mit dem TDCA diesbezüglich auf eine neue Grundlage gestellt. Dessen Rechtmäßigkeit beurteilt sich jedoch nicht nach Ziffer 5 lit. b, sondern fällt unter den Regelungsgehalt der bereits erörterten Ziffer 8 lit. b. bb) Präferenzielle Ursprungsregeln Weitaus schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob sich die Regelungen zur Bestimmung des Warenursprungs in Protokoll 1 des TDCA am Verbot der Benachteiligung von Drittstaaten aus Art. XXIV:5 lit. b messen lassen müssen. Wie bereits unter B. II. 1. c) erwähnt, hat die Ausgestaltung 177 Siehe auch Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 176. 178 In seiner Interpretation weist das Panel dem Begriff „Handelsvorschriften“ in Ziffer 5 lit. a und 5 lit. b den gleichen Regelungsgehalt zu, Panel Bericht „TurkeyTextiles“ vom Ziffer 9.125. 179 Panel Bericht „Turkey-Textiles“ WT/DS34/R vom 31. Mai 1999, Ziffer 9.120.
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
der Ursprungsregeln einer Freihandelszone nicht nur Einfluss auf die Bewertung des Umfangs der Handelsliberalisierung zwischen den Partnern eines Freihandelsabkommens, sondern auch auf deren Handel mit Lieferanten aus Drittgebieten. Aufgrund dieser Wirkung wurden Ursprungsregeln bereits zu Zeiten des GATT 1947 als mögliche Handelsschranken im Sinne von Art. XXIV:5 angesehen.180 Dennoch wird im CRTA diskutiert,181 ob Ursprungsregeln überhaupt vom Tatbestand des Art. XXIV:5 lit. b erfasst werden, da sie eine notwendige Regelung des Handels zwischen den Mitgliedern der Freihandelszone konstituieren, die zielgerichtet den Umfang der Handelsliberalisierung innerhalb der Handelszone regeln182 und deshalb nur unter den Tatbestand des Art. XXIV:8 lit. b zu subsummieren seien. Wenn Ursprungsregeln andere handelsbeschränkende Vorschriften („Other Restrictive Regulations of Commerce“, ORRC) im Sinne der Ziffer 8 darstellen, dann könnten sie nicht gleichzeitig auch als andere Handelsvorschriften („Other Regulations of Commerce“, ORC) angesehen werden. Im Übrigen sei der in Ziffer 5 lit. b vorgeschriebene Vergleich zwischen den vor und nach Begründung der Freihandelzone bestehenden „ORC“ regelmäßig nicht möglich, da es vor Schaffung der Integrationszone noch keine präferenziellen Ursprungsregeln gebe, die dafür herangezogen werden könnten. Man wäre daher gezwungen, die vor In-Kraft-Treten der Freihandelsvereinbarung bestehenden MFN-Regelungen mit den Ursprungsregeln in Relation zu setzen, was jedoch kaum ergiebig sei. Es sei auch auffällig, dass das Panel die Ursprungsregeln in seine o. g. Definition der Handelsvorschriften nicht aufgenommen habe.183 Diese Schlussfolgerungen sind jedoch nicht zwingend. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob eine Abgrenzung der Begriffe „Handelsvorschriften“ und „beschränkende Handelsvorschriften“ in der vorgenommenen Schärfe möglich ist. Nach Ziffer 5 sollen die ORC nicht einschränkender sein als die vor der Bildung der Zone bestehenden Regelungen. Die Verwendung der Worte „shall not be higher or more“ vor dem Adjektiv „restrictive“ lässt jedenfalls darauf schließen, dass auch die in Ziffer 5 beschriebenen ORC ein restriktives Element aufweisen können.184 Insofern dürften sich die Begriffe ORC und ORRC in ihrer Bedeutung recht nahe kommen. Andererseits gibt es für den Tatbestand der ORC nicht einmal eine einheit180 Erstmals aufgeworfen in 1961 BISD, Ninth Supplement, European Free Trade Association Examination of Stockholm Convention, Report angenommen am 4. Juni 1960, (L/1235), S. 70–87 Ziffern 4–10. 181 Siehe dazu WT/REG/M/18 vom 22. Juli 1998, Ziffer 5 ff. 182 USA, WT/REG/M/15 vom 13. Januar 1998, Ziffer 59. 183 Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 253. 184 WTO, Negotiating Group on Rules, TN/RL/W/116 vom 11. Juni 2003, Ziffer 9 ff.
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
145
liche Reichweite. Vielmehr ist dieser im Hinblick auf Zollunionen gemäß Ziffer 5 lit. a enger auszulegen als bei Freihandelszonen nach Ziffer 5 lit. b.185 Es ist daher angezeigt, die Begrifflichkeiten – wie vom Panel geschehen – nach ihrer „gewöhnlichen Bedeutung“ auszulegen und in dem Sachzusammenhang zu würdigen, in den sie gestellt sind. Ursprungsregeln geben Auskunft darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Erzeugnis als in der Präferenzzone hergestellt gilt. Es handelt sich also um technische Normen, welche die Funktionsfähigkeit des zollfreien Binnenhandels sicherstellen. Von ihrer Definition her sind Ursprungsvorschriften also keine Außen-, sondern Binnenhandelsregeln. Demgemäß richten sie sich in erster Linie an die Produzenten aus der Integrationszone und nicht etwa an deren Lieferanten aus Drittgebieten. Da die Ursprungsregeln jedoch Aussagen darüber treffen, inwieweit für Ursprungsprodukte Vormaterialen aus Drittstaaten bezogen werden können bzw. inwieweit Be- und Verarbeitungsvorgänge an Ursprungsprodukten in Drittstaaten erlaubt sind, entfalten sie de facto eine erhebliche Außenwirkung auf Drittlandslieferanten und -hersteller. Restriktive Ursprungsregeln können für sie zum Abbruch traditioneller Handelsbeziehungen führen, während bei großzügigen Vorschriften sogar deren Intensivierung möglich erscheint. Aufgrund dieser Wirkungen nehmen Ursprungsregeln aus Sicht der Drittlandslieferanten und -produzenten in der Praxis eine mit dem gemeinsamen Außenhandelstarif bei Zollunionen vergleichbare Rolle ein.186 Unter Berücksichtigung dieser tatsächlichen Bedeutung ist es gerechtfertigt, Ursprungsregeln jedenfalls auch als „Handelsvorschriften“ im Sinne von Art. XXIV:5 lit. b zu qualifizieren.187 Der hier vorgeschlagene doppelte Prüfungsmaßstab kann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. So können Ursprungsregeln den Liberalisierungsanforderungen des Art. XXIV:8 lit. b genügen und dennoch aufgrund ihrer faktischen Wirkungen auf Drittstaatslieferanten und -hersteller nach Art. XXIV:5 lit. b unrechtmäßig sein. Der zweite Prüfungsschritt stellt sicher, dass sich die rechtmäßig gebildete Freihandelszone auch wirklich so in das Welthandelssystem einfügt, dass sie ihren Handelspartnern außerhalb dieses Gebietes im Sinne des in Art. XXIV:4 formulierten und in der Prüfung nach Ziffer 5 lit. b zu berücksichtigenden Ziels188 keine neuen Schran185 Synopsis of „systemic“ issues related to regional trade agreements, WT/REG/ W/37 vom 2. März 2000, Ziffer 43. 186 WTO Negotiating Group on Rules, TN/RL/W/8/Rev.1 vom 1. August 2002, Ziffer 79. 187 Für eine Qualifizierung der Ursprungsregeln als ORC z. B. auch Japan, WT/ REG/W/29 vom 29. Juli 1998, Ziffer 5 ff. 188 Appellate Body Bericht „Turkey-Textiles“ WT/DS34/AB/R vom 22. Oktober 1999, Ziffer 57.
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
ken setzt. Die Prüfung nach Art. XXIV:5 lit. b stellt also sicher, dass sich die Freihandelsvereinbarung nicht faktisch als ein „Vertrag zu Lasten von Drittstaaten“ erweist. Dies ist zwar de jure ohnehin nicht möglich, da es sich bei den betroffenen Lieferanten und Produzenten um keine vom Schutzbereich des Art. 35 WVK erfassten „Staaten“ handelt. Dennoch lässt sich der Rechtsgedanke hier fruchtbar machen, da die Drittstaaten durch die Begründung einer Freihandelszone in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung insgesamt nachhaltig betroffen sein können. In diesem Sinne sind die Ursprungsregeln im TDCA daraufhin zu untersuchen, ob sie zu einer unzulässigen Benachteiligung des Handels mit Drittstaaten führen. In Betracht kommen in diesem Zusammenhang insbesondere Benachteiligungen im südlichen Afrika, wo Botswana, Lesotho, Namibia und Swasiland (BLNS) zusammen mit Südafrika eine Zollunion (SACU) bilden, die von der Kaprepublik ganz wesentlich dominiert wird.189 Restriktive Ursprungsregeln hätten erhebliche Verkehrsverlagerungen zur Folge, denn Rohstoffe und Materialien aus den BLNS könnten nur noch eingeschränkt für Ursprungsprodukte aus der TDCA-Integrationszone Verwendung finden.190 Dass die übrigen Mitgliedstaaten der Zollunion mit Handelsverzerrungen zu rechnen haben, wenn eines ihrer Mitglieder ein separates Handelsabkommen mit einem Drittgebiet abschließt, hatten die SACU-Mitgliedstaaten bereits bei Abschluss der Vereinbarung über die Zollunion im Jahre 1969 erkannt und demgemäß in Art. 19 Abs. 1 der SACU-Vereinbarung die folgende Klausel aufgenommen: „A contracting party shall not, without prior concurrence of the other contracting parties and subject to such conditions as may be agreed upon by the contracting parties, enter seperately into or amend a trade agreement with a country outside the common customs area in terms of which concessions on the duties in force in the common customs area are granted to that country.“
Die Vorschrift ist Ausdruck des Rechtsgedankens, dass ein Vertrag zu Lasten eines Drittstaates nur mit dessen schriftlicher Zustimmung rechtmäßig sein kann. Sie entspricht damit den Vorgaben des Art. 35 WVK. Demgemäß hätten alle BLNS dem TDCA vor dessen vollständigem In-KraftTreten in einem Notenaustausch mit Südafrika zustimmen müssen. Während Botswana, Lesotho und Swasiland einer entsprechenden Aufforderung Südafrikas nachkamen, war Namibia nicht zur Zustimmung zu bewegen. Da Südafrika das TDCA gleichwohl ratifizierte, kam es unter Verletzung einer entsprechenden Vertragspflicht aus der SACU-Vereinbarung zustande. 189 Dazu ausführlich: Goodison, Marginalisation or Integration? Implications for South Africa’s Customs Union partners of the South Africa-European Union trade deal, S. 40 ff. 190 Zu dieser Problematik siehe auch: Schmidt, Die Ursprungsregeln im Außenwirtschaftsrecht der EG, S. 159.
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
147
Dabei hatten die Gemeinschaft und Südafrika u. a. durch besondere Ausgestaltung der Ursprungsregeln versucht, die betroffenen Interessen der BLNS angemessen zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für die Cotonou Vertragsstaaten und die SADC-Staatengemeinschaft, deren territoriale Reichweite sich ebenfalls partiell mit demjenigen des TDCA überschneidet. Die Berücksichtigung der Handelsinteressen dieser drei überlappenden Integrationsgemeinschaften wurde durch weitreichende Kumulationsregeln ermöglicht. So werden in Abweichung vom Territorialitätsprinzip jegliche Be- und Verarbeitungsvorgänge, die in einem anderen SACU-Mitgliedsland stattfinden, als in Südafrika durchgeführt angesehen, ohne dass es auf das Ausmaß der Veränderung ankommt (volle Kumulierung, Art. 3 Abs. 4 Protokoll 1 TDCA). Vormaterialien mit Ursprungseigenschaft in den übrigen AKP-Staaten finden dagegen nur als Ursprungsprodukte Südafrikas bzw. der Gemeinschaft Anerkennung, wenn der dort erzielte Wertzuwachs den Wert der verwendeten AKP-Ursprungserzeugnisse übersteigt. Wo ein solcher Mehrwert nicht erreicht wird, gilt das Land als Ursprungsgebiet, aus dem die verwendeten Ursprungsmaterialien mit dem höchsten Wert stammen (Art. 3 Abs. 3 und 5 Protokol I TDCA). Schließlich gilt für den Handel in die entgegengesetzte Richtung, d. h. von Südafrika zu den AKP-Staaten und von dort zur Gemeinschaft, dass die AKP-Staaten (einschließlich Botswana, Lesotho, Namibia und Swasiland) die Möglichkeit haben, solche südafrikanischen Vormaterialien in ihren Ursprungsprodukten zu verwenden, die zuvor Ursprungseigenschaft in Südafrika erlangt haben (so genannte multilaterale oder diagonale Kumulation). Während manche WTO-Mitglieder derartige Handelserleichterungen zugunsten regionaler Handelspartner für zulässig erachten,191 sehen andere in der Ausweitung der Handelsprivilegien mangels Rechtsgrundlage eine unzulässige Diskriminierung der übrigen WTO-Mitglieder.192 Letztere Position erscheint auf den ersten Blick einleuchtend, da Art. XXIV GATT 1994 nur für den Binnenhandel der Freihandelszone eine Ausnahme von der Meistbegünstigungsverpflichtung begründet. Wollen auch Drittgebiete – insbesondere traditionelle Handelspartner – in den Genuss der vereinbarten Freihandelsvorteile kommen, so sind sie auf einen Beitritt angewiesen, auf den freilich kein Rechtsanspruch besteht. Die Auflösung dieses Dilemmas erscheint nur möglich, indem die Rechtmäßigkeit der vollen und diagonalen Kumulation zugunsten von regionalen 191
Europäische Gemeinschaft, WT/REG/GEN/M/1 vom 16. November 1998, Ziffer 33; Ungarn und die Schweiz, WT/REG/GEN/M/4 vom 14. Juni 1999, Ziffer 7 bzw. 20. 192 USA, WT/REG/GEN/M/2 vom 3. Februar 1992, Ziffer 2; Hong Kong, WT/ REG/GEN/M/4 vom 14. Juni 1999, Ziffer 2; siehe auch TN/RL/W/8/Rev.1 vom 1. August 2002, Ziffer 111 ff.
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
Handelspartnern Anerkennung findet, zu denen ebenfalls Handelsvereinbarungen bestehen, die ihrerseits mit der neu gegründeten Freihandelszone überlappen. Dabei erscheint es folgerichtig, nach dem Integrationsgrad der betroffenen Integrationsgemeinschaft zu differenzieren und dementsprechend einer Zollunion (hier: SACU) volle Kumulation anzubieten, herkömmlichen Freihandelszonen (hier: SADC) dagegen nur die diagonale Kumulation. Die in Art. XXIV:5 lit. b GATT 1994 statuierten Rücksichtspflichten bieten dafür eine hinreichende Rechtsgrundlage. Im Übrigen haben sich entsprechende Kumulationsregeln in der Praxis längst in zahlreichen Freihandelsabkommen durchgesetzt.193 Die diagonalen und vollen Kumulationsvorschriften des TDCA lassen sich somit ebenfalls auf der Grundlage des Art. XXIV:5 lit. b GATT 1994 rechtfertigen. 3. Die Umsetzung des Abkommens in angemessener Zeit nach Art. XXIV:5 lit. c GATT 1994 Das TDCA sieht eine schrittweise Verwirklichung des vereinbarten Freihandels zwischen der Gemeinschaft und Südafrika vor. Wie sich aus den nachfolgenden Darstellungen ergibt, soll die Liberalisierung des Handels zwischen der Gemeinschaft und Südafrika während einer Übergangsfrist von 10 bzw. 12 Jahren – beginnend am 1. Januar 2000 – sukzessive umgesetzt werden. Die Vorschrift des Art. XXIV:5 lit. c GATT 1994 trägt dem Gedanken einer derartigen Übergangslösung ausdrücklich Rechnung, indem sie vorläufige Vereinbarungen zur Bildung einer Freihandelszone für zulässig erklärt, sofern diese einen Plan und ein Programm zur Bildung dieser Zone innerhalb einer angemessenen Zeitspanne enthalten (sog. Interimsabkommen). Der Begriff des Interimsabkommens bedeutet in diesem Zusammenhang aber nicht, dass es sich um nichtdefinite oder unvollständige Abkommen handelt, sondern dass die Integration der Zone innerhalb einer Übergangsfrist sukzessive vervollständigt werden kann.194 Auf diese Weise soll den Anpassungserfordernissen der jeweiligen Wirtschaft Rechnung getragen werden. Insbesondere auf Seiten Südafrikas, das seinen Markt bislang mit relativ hohen Zöllen geschützt hatte, bestehen große Umstrukturierungserfordernisse. Davon ist die Gemeinschaft weit weniger betroffen. Lediglich im Agrarbereich führt die Liberalisierung zu einem deutlich ver193 Siehe Rules of Origin Regimes in Regional Trade Agreements, WT/REG/W/ 45 vom 5. April 2002, S. 25 ff. Kritisch dazu allerdings Mathis, der die These aufstellt, dass diagonale Kumulation zwischen zwei oder mehr Freihandelszonen de facto zur Bildung einer neuen Freihandelszone führt, die ihrerseits dem Art. XXIV:8 lit. b (inbesondere der Frage nach „substantially all the trade“) zu unterwerfen wäre (Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 170). 194 Hilpold, Regionale Integrationszonen und GATT, RIW 1993, S. 657, 664.
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
149
besserten Marktzugang für südafrikanische Exporteure, wobei die Auswirkungen auf den EG-Markt angesichts der begrenzten Handelspotenziale Südafrikas vergleichsweise gering sein dürften. Das Bestreben der Vertragsparteien, die jeweils sensitiven Bereiche ihrer Wirtschaft zu schützen, findet sich in der Interimsvereinbarung des TDCA ebenso wieder wie das Bemühen, den Entwicklungsbedürfnissen Südafrikas entgegenzukommen. Dazu werden Differenzierung und Asymmetrie in der Umsetzung der Liberalisierungsverpflichtungen zum Konzept erhoben.195 Konkret bedeutet dies, dass die Gemeinschaft ihre Freihandelsverpflichtungen innerhalb von 10 Jahren zu erbringen hat, während der Zeitraum für Südafrika um zwei Jahre länger ist.196 Außerdem werden sektorbezogene Unterschiede gemacht. Die Interimsphase für die Liberalisierung des gewerblichen Warenhandels ist für Südafrika „backloaded“, d. h. die Kaprepublik muss ihren diesbezüglichen Zollabbau größtenteils erst gegen Ende der zwölfjährigen Übergangsfrist leisten. Dagegen hat die Gemeinschaft ihren Markt für Industriegüter aus Südafrika größtenteils gleich zu Beginn ihrer zehnjährigen Umsetzungsfrist zu öffnen. Für die Europäer ist das TDCA also insoweit „frontloaded“. Umgekehrt verhält es sich im Agrarsektor. Dort ist die Liberalisierungsverpflichtung für Südafrika angesichts der Wettbewerbsfähigkeit seiner Landwirtschaft leicht „frontloaded“, während die entsprechende Verpflichtung der Gemeinschaft mit Rücksicht auf ihren sensitiven Agrarmarkt „backloaded“ ist. Diese Unterschiede im Zeitpunkt der Liberalisierungsdurchführung in den beiden Zollgebieten werden durch die bereits beschriebenen Differenzen im Liberalisierungsvolumen ergänzt. Im Ergebnis stellt sich die Interimsphase also folgendermaßen dar (siehe Abbildung 1 bis 3). Wie bereits eingangs erwähnt, beurteilt sich die Vereinbarkeit dieses Übergangsplans mit dem GATT-Recht nach Art. XXIV:5 lit. c GATT 1994: „(. . .) dass jede vorläufige Vereinbarung im Sinne der Buchstaben a) oder b) einen Plan und ein Programm zur Bildung der betreffenden Zollunion oder Freihandelszone innerhalb der angemessenen Zeitspanne enthält“.
195 196
European Commission, Partners in Progress, S. 6, 8. European Commission, Partners in Progress, S. 6, 8.
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung 100 90 80 70 60 50 40 0
3
EG-Importe
5
6
10
Jahr
12
RSA-Importe
Abbildung 1: Zollbefreiungen auf den gesamten Handel in Prozent
100 90 80 70 60 50 40 3
0 EG-Importe
5
6
10
Jahr
12
RSA-Importe
Abbildung 2: Zollbefreiungen im Bereich der Industriegüter in Prozent
60 50 40 30 20 10 0 0 EG-Importe
3
5
10
12
RSA-Importe
Abbildung 3: Zollbefreiungen im Agrarsektor in Prozent
Jahr
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
151
a) Bestimmung der angemessenen Zeitspanne Im Hinblick auf die skizzierte Übergangsregelung im TDCA stellt sich die Frage, ob die vereinbarte Zeitspanne von 12 bzw. 10 Jahren einerseits im Sinne des Art. XXIV:5 lit. c GATT 1994 „angemessen“ ist und ob die Ausgestaltung von Plan und Programm angesichts der vorgenommenen Differenzierungen andererseits dem Charakter einer Freihandelszone zuwiderläuft. Was unter dem Begriff „angemessene Zeitspanne“ zu verstehen ist, wurde bereits unter dem GATT 1947 kontrovers diskutiert und unterschiedlich interpretiert. Im Assoziierungsabkommen der EWG mit Griechenland wurde diese auf 22 Jahre festgelegt,197 in dem Assoziierungsabkommen der EWG mit der Türkei war sie unbestimmt198 und bei den Abkommen zwischen der EWG und Marokko bzw. Algerien199 wurden weder Plan noch Programm festgelegt. Häufig wurde in den Arbeitsgruppen eine pragmatische Überprüfung vorgenommen, die sich damit begnügte, ob die Realisierung der Zollunion bzw. Freihandelszone ernsthaft intendiert bzw. überhaupt möglich war.200 Im Fall des Freihandelsabkommens Australien-Neuseeland beschränkten sich die Vertragsparteien sogar darauf, die Parteien des Freihandelsabkommens aufzufordern, der Verpflichtung zur Erstellung eines Plans und Programms nachzukommen,201 wohingegen sie anlässlich der Vereinbarung über die Wiedererrichtung der Zollunion zwischen der Südafrikanischen Union und Südrhodesien202 noch einen genauen Plan verlangt hatten.203 Wie eine neuere Untersuchung der WTO-Sekretariats aus dem Jahre 2002 zeigt, enthalten – bis auf wenige Ausnahmen – die meisten Regionalabkommen weiterhin Übergangsfristen, wobei Abkommen jüngeren Datums tendenziell kürzere Fristen aufweisen. So zeigt sich insbesondere ab der 197
BISD, 11S, 1963, S. 150. BISD, 13S, 1965, S. 62. 199 BISD, 18S, 1970, S. 170. 200 Hilpold, Regionale Integrationszonen und GATT, RIW 1993, S. 657, 664. 201 BISD, 14S, 1966, S. 119. 202 Siehe dazu das Customs Union Interim Agreement vom 6.12.1948, UNTS Bd. 118, S. 183. 203 Die GATT-Versammlung entschied „to review the above declaration if, after study of reports and plans submitted by the two Governments, they find at any time that the Interim Agreement is not likely to result by 1. April 1959 in the establishment of a customs union in the sense of Article XXIV“, nachdem sich beide Parteien verpflichtet hatten, dem GATT bis zum 1.7.1954 einen bestimmten Plan für die vollständige Verwirklichung der Union zu unterbreiten und die Union bis spätestens 1.4.1959 zu errichten. Deklaration vom 18.5.1949, BISD Bd. II, S. 29. 198
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
zweiten Hälfte der neunziger Jahre ein deutlicher Trend hin zu Übergangsfristen von bis zu vier Jahren, wohingegen Abkommen aus der ersten Hälfte dieser Dekade eher Übergangsfristen von 10 Jahren aufweisen.204 Zu den wenigen Ausnahmen, in denen keine Übergangsfristen vereinbart wurden, zählen bspw. das Übereinkommen zwischen der EG und Estland aus dem Jahr 1995 und das Übereinkommen zwischen der EG und den Farörer Inseln aus dem Jahr 1997.205 Vor dem Hintergrund dieser Unklarheiten wurde eine präzisere Definition des Begriffs „angemessene Zeitspanne“ erforderlich. Dies gelang den Vertragsparteien im Jahr 1994 mit der Auslegungsvereinbarung zu Art. XXIV,206 in der sie erstmals einen konkreten Zeitrahmen bestimmten, der von einer Regelfrist von bis zu 10 Jahren ausgeht: „Die ‚angemessene Zeitspanne‘ im Sinne des Art. XXIV Abs. 5 Buchstabe c) soll nur in Ausnahmefällen zehn Jahre überschreiten. In Fällen, in denen Mitglieder, die Vertragsparteien zu einer vorläufigen Übereinkunft sind, die Auffassung vertreten, dass zehn Jahre nicht ausreichen, liefern sie dem Rat für Warenverkehr eine ausführliche Begründung der Notwendigkeit des längeren Zeitraums“.
Der Südafrika im Rahmen des TDCA eingeräumte Zeitrahmen von zwölf Jahren überschreitet die Regelfrist um zwei Jahre. Ob und ggfs. welche rechtlichen Konsequenzen dies hat, wird im Folgenden dargestellt. b) Die Überschreitung der Regelfrist Im Zusammenhang mit der Übergangsfrist von 12 Jahren für Südafrika stellen sich zwei Fragen: Zum einen ist zu klären, ob überhaupt tragfähige Gründe vorliegen, die als „full explanation“ im Sinne der o. g. Auslegungsvereinbarung zu Art. XXIV:5 lit. c GATT 1994 ausreichen, um die Fristverlängerung zu rechtfertigen. Zum anderen ist eine Bewertung der Tatsache vorzunehmen, dass Südafrika den Großteil seiner Handelsliberalisierung erst in den letzten beiden Jahren zu erbringen hat. Nach dem Sinn und Zweck der Zubilligung einer Übergangsfrist erscheint der Umfang der erforderlichen Anpassungsmaßnahmen als der einzige Grund, der ausnahmsweise eine Verlängerung der Regelfrist rechtfertigen kann, da eben diese sukzessive Anpassung in der Übergangszeit erfolgen soll. Die Anpassung ist bei zwei Integrationsgebieten mit deutlich unterschiedlichem Entwicklungs- und Liberalisierungsstand für das bisher weniger in die Weltwirtschaft integrierte Gebiet mit wesentlich mehr An204 205 206
WT/REG/W/46 vom 5. April 2002, Ziffer 56. WT/REG/W/46 vom 5. April 2002, Seite 32 ff., Annex 5. Vom 15. April 1994, Abl. EG Nr. L 336/16 vom 23.12.1994, Ziffer 3.
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
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strengungen verbunden. Die Berücksichtigung der Entwicklungsproblematik bei der Ausgestaltung der Übergangsphase eines Freihandelsabkommens ist der GATT-Praxis nicht fremd. Sie wurde etwa bereits im Bericht der Arbeitsgruppe zum Assoziierungsabkommen der EWG mit Malta angesprochen207 und findet sich insbesondere auch im Abkommen von Cotonou wieder. Als Grund für die Fristüberschreitung im Fall des vorliegenden Freihandelsabkommens kommt einzig und allein der Charakter des Abkommens als „Developmental Free Trade Agreement“ in Betracht. Es ist das erklärte Ziel der TDCA-Teilnehmerstaaten, auf die besonderen Bedürfnisse Südafrikas angesichts seines im Vergleich zur EG unterschiedlichen Entwicklungsstandes spezielle Rücksicht zu nehmen, um dem Land auf diese Weise die Integration in die Weltwirtschaft zu erleichtern.208 Auch wenn es im Rahmen der WTO bisher versäumt wurde, insoweit klare Maßstäbe zu entwickeln, wird man zumindest auch in Anbetracht der Entwicklungsorientiertheit des GATT und der WTO konstatieren können, dass die von der Gemeinschaft und Südafrika vorgesehene Fristverlängerung dem Grunde nach gerechtfertigt ist. Ob die veranschlagte Dauer ebenfalls zu legitimieren ist, ist vom erforderlichen Anpassungsumfang her zu bewerten. Die bis zum In-Kraft-Treten des TDCA relativ hohen Zölle auf Seiten Südafrikas sind ein deutlicher Indiktor für einen ebenfalls hohen Anpassungsbedarf. Betrachtet man zudem vergleichbare Abkommen zwischen unterschiedlich starken Handelspartnern (wie bspw. die Gemeinschaft und Tunesien oder die Gemeinschaft und Marokko), die ebenfalls Übergangsfristen von 12 Jahren aufweisen, ist die Frist von 12 Jahren im TDCA zwar am oberen Ende der Skala, aber dennoch noch im Rahmen des Zulässigen.209 Überschlägig betrachtet erscheint eine Fristüberschreitung von 20 Prozent also noch zulässig. Darüber hinaus stellt sich die Frage, in welchem Umfang die vereinbarten Handelsliberalisierungen noch in dieser zweijährigen Zusatzfrist stattfinden dürfen. Es wurde nämlich vereinbart, dass Südafrika erst in den letzten beiden Jahren der vereinbarten Übergangsphase einen Großteil seiner Liberalisierungspflichten zu erbringen hat. Einige Mitgliedstaaten vertreten die 207 „(F)rom the point of view of the General Agreement, an evolutionary timetable, such as the one presented in this Agreement, was preferable to a precise and detailed schedule in the case of countries with different levels of development“, BISD, 18S, 1972, S. 90. 208 European Commission, Partners in Progress, S. 8. 209 WT/REG/W/46 vom 5. April 2002, Seite 32 ff., Annex 5. In diesem Sinne wohl auch Page/Robinson/Lecomte/Bussolo, SADC-EU Trade Relations in a PostLomé World, ODI Special Report. London: ODI, 1999, S. 34; Thomas, The EUSouth Africa Trade, Development & Cooperation Agreement: precedent or complicating factor? SAYIL 25 (2000), S. 20, 35 f.
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
Auffassung,210 dass eine Verlängerung der Übergangsfrist nur für spezielle Produkte in Betracht kommen könne, die ihrerseits lediglich einen kleinen Anteil am Handel haben. Die Fristüberschreitung für diese Produkte würde es ermöglichen, sie in die Freihandelsvereinbarung einzubeziehen, statt sie von Anfang an auszuschließen, weil sie in den 10 Jahren nun mal nicht vollständig zu liberalisieren seien. Dieser Ansicht wird jedoch zu Recht entgegengehalten, dass sich die Worte „reasonable period of time“ nicht auf einzelne Produkte beziehen, sondern auf den „Plan“ oder das „Programm“ zur Bildung der betreffenden Freihandelszone.211 Daher ist die Übergangsvereinbarung auch insoweit als rechtmäßig zu bewerten. Die Tatsache, dass die Handelsliberalisierung insgesamt asymmetrisch ausgestaltet ist, ist schließlich auch nicht zu beanstanden. Während der Übergangszeit bestehen keine Bedenken, die reziproken Liberalisierungsverpflichtungen – wie im TDCA geschehen – asymmetrisch zu gestalten, solange allein am Ende der Übergangsphase entsprechend dem vorgelegten Plan und Programm volle Reziprozität besteht.212 c) Kompatibilität der Interimsvereinbarung mit Art. XXIV:5 lit. b und 8 lit. b GATT 1994 Ein weiterer Gesichtspunkt ist, zu welchem Zeitpunkt die Interimsvereinbarung ihrerseits den Anforderungen der Ziffern 5 lit. b und 8 lit. b genügen muss. Die Frage ist im Hinblick auf den Umfang der Handelsliberalisierung nach der Ziffer 8 lit. b eindeutig. Da die Übergangsvereinbarung den Weg von MFN zu den Handelspräferenzen ebnet, kann eine Übereinstimmung des Liberalisierungsgrades mit dem „substantially all the trade“ Kriterium nur am Ende dieser Zeit erreicht sein.213 Insofern ergeben sich aus Ziffer 5 lit. c keine zusätzlichen Anforderungen. Anfänglich war das vollständige In-Kraft-Treten des TDCA jedoch nicht gewährleistet. Es wurden nämlich zunächst nur die Art. 1 bis 3, 5 bis 28, 65 bis 82, 93 bis 97 und 99 bis 109, die Anhänge I bis VII sowie X und die Protokolle I und II für vorläufig anwendbar erklärt.214 Dagegen sollten 210 NAFTA Parties, WT/REG4/1 und Add. 1, Antworten zu den Fragen 23 und 24. 211 Europäische Gemeinschaft, WT/REG4/M/4 vom 28. November 1996, Ziffer 28. 212 Thomas, The EU-South Africa Trade, Development & Cooperation Agreement: precedent or complicating factor? SAYIL 25 (2000), S. 20, 34 f. 213 So auch EG und Argentinien, WT/REG/M/15 vom 13. Januar 1998, Ziffer 36 und 37; vgl. auch WT/REG/W/37 vom 2. März 2000, Ziffer 48 (C). 214 Abkommen in Form eines Briefwechsels, Abl. EG Nr. L 311/2 vom 4.12.1999.
II. Die materiellrechtlichen Anforderungen an das TDCA
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alle übrigen Vorschriften gemäß Art. 109 TDCA erst nach erfolgter Ratifizierung durch alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und Südafrika in Kraft treten, weil das TDCA als „gemischtes Abkommen“ verabschiedet wurde. Der Rat war der Ansicht, dass der Regelungsgehalt des TDCA über die Kompetenzen der Gemeinschaft hinausgehe, so dass ein Abschluss als „Gemeinschaftsabkommen“ rechtlich nicht möglich sei. Diese Entscheidung fiel gegen die Empfehlung der Kommission, die sichergestellt wissen wollte, dass das TDCA zum Aquis Communautaire gehört, bevor die osteuropäischen Staaten der Gemeinschaft beitreten, „damit es keiner gesonderten Verhandlungen mit den künftigen neuen Mitgliedstaaten (bedarf)“.215 Die neuen Mitgliedstaaten erlangen über Art. 2 und 6 der Beitrittsakte die gleichen Rechte und Pflichten aus dem TDCA wie die derzeitigen Mitgliedstaaten.216 Aus diesem Grund war die Kommission – im Ergebnis erfolgreich217 – darum bemüht, die Ratifikation des TDCA noch vor dem Beitrittsdatum, dem 1. Mai 2004, zum Abschluss zu bringen.218 Wäre dies nicht gelungen, wären erhebliche Verzögerungen des Vertragsschlusses die Folge gewesen, da dann auch die neuen EG-Mitgliedstaaten das TDCA hätten ratifizieren müssen. In einem „worst-case“-Szenario hätte dies dazu führen können, dass das Ratifikationsverfahren nicht einmal vor dem Ende der Übergangszeit im Jahre 2012 zum Abschluss gebracht worden wäre. Gleichwohl war die Übereinstimmung der Interimsvereinbarung mit Art. XXIV: 8 lit. b GATT 1994 zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Zum einen wurden alle Vorschriften zur Zollsenkung für vorläufig anwendbar erklärt, so dass sich die Handelsliberalisierung unabhängig vom Abschluss des Ratifikationsverfahrens vollzieht und in jedem Fall im Jahre 2012 abgeschlossen sein wird. Zum anderen galten für die noch nicht anwendbaren Vorschriften der bilateralen Handelsordnung einstweilen die derzeitigen Regelungen fort, d. h. soweit die Regelungsbereiche überhaupt vom WTO-Recht erfasst werden, galt für sie der MFN-Standard. Da Art. XXIV im Hinblick auf die vorläufig nicht anwendbaren Regelungen zum Niederlassungsrecht und Dienstleistungsverkehr (Art. 29 ff. TDCA), zu den laufenden Zahlungen und dem Kapitalverkehr (Art. 32 ff. TDCA), zur Wettbewerbspolitik (Art. 35 ff. 215
Siehe Europäische Kommission KOM(1999) 245 endg. vom 11.05.1999. Akte über die Bedingungen des Beitritts der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik und die Anpassung der die Europäischen Union begründenden Verträge, Abl. EG Nr. L 236/ 33 vom 23. September 2003. 217 Beschluss des Rates 2004/441/EG vom 26. April 2004, Abl. EG Nr. L 127/ 109 vom 29.4.2004. 218 Presserklärung der Delegation der Europäischen Kommission in Pretoria vom 9. Dezember 2003. 216
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
TDCA), zu den staatlichen Beihilfen (Art. 41 ff. TDCA), zum öffentlichen Beschaffungswesen (Art. 45 TDCA), zum geistigen Eigentum (Art. 46 TDCA), zur Normung und Konformitätsprüfung (Art. 47 TDCA), zum Zoll (Art. 48 TDCA), zur Statistik (Art. 49 ff. TDCA), zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit (Art. 50 ff.) und zur sonstigen Zusammenarbeit (Art. 83 ff. TDCA) jedenfalls keine über die WTO-Standards hinausgehende Liberalisierung verlangt, war die Kompatibilität des TDCA im Hinblick auf die Anforderungen des Art. XXIV:8 lit. b GATT 1994 zu keinem Zeitpunkt durch eine verzögerte Anwendbarkeit der Bestimmungen in Frage gestellt. Im Hinblick auf die Rechte der Drittstaaten aus Art. XXIV:5 lit. b GATT 1994, über welche die Integrationspartner zu keinem Zeitpunkt verfügen konnten, gilt, dass sie diese während der gesamten Übergangszeit zu beachten hatten. Daraus folgt für das TDCA, dass die Kumulationsregeln zugunsten der regionalen Handelspartner von Anfang an bestehen mussten. Dieses Kriterium wurde auch erfüllt, indem die Regelungen zur Bestimmung des Warenursprungs in Protokoll 1 des TDCA zeitgleich mit dem TDCA vorläufig in Kraft traten (Art. 28 TDCA).
III. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen des Art. XXIV GATT 1994 an das TDCA 1. Die Notifikationspflicht nach Art. XXIV:7 lit. a GATT 1994 Die Pflicht zur Notifikation ergibt sich aus Art. XXIV:7 GATT 1994. Die Vorschrift besagt, dass eine GATT-Vertragspartei, die beschließt, einer Zollunion, einer Freihandelsvereinbarung oder einer Interimsvereinbarung beizutreten, der GATT-Versammlung dies unverzüglich mitzuteilen hat und ihr die erforderlichen Auskünfte über den geplanten Zusammenschluss erteilen muss, um sie in die Lage zu versetzen, den Partnern solche Berichte zu erstatten und Empfehlungen zu erteilen, die sie für angezeigt hält.219 Mit der Frage, ob und inwieweit ein Freihandelsabkommen den Anforderungen des Art. XXIV entspricht, beschäftigte sich unter dem GATT 1947 eine so genannte Arbeitsgruppe.220 Diese Tätigkeit wurde jedoch nach Gründung 219 Die Pflicht zur Notifizierung gilt auch für Integrationsvereinbarungen im Sinne der Enabling Clause und dem GATS. Siehe Ziffer 4 der Enabling Clause: „Any [Member] taking action to introduce an arrangement (. . .) shall: notify (. . .)“ und Art. V:7 lit. a GATS: „Members which are parties to any agreement referred to in paragraph 1 shall promptly notify . . .“. 220 Siehe Ziffer 7 der Interpretationsvereinbarung zu Art. XXIV GATT 1994: „7. All notifications made under paragraph 7 lit. a of Article XXIV shall be examined by a working party in the light of the relevant provisions of GATT 1994
III. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an das TDCA
157
der WTO von dem – am 6. Februar 1996 durch den Allgemeinen Rat der WTO auf der Grundlage von Art. IV:1 und 7 des WTO-Übereinkommens eingesetzten – Ausschuss für Regionale Handelsabkommen (Commitee on Regional Trade Agreements, CRTA) übernommen:221 „The General Council hereby decides: 1. To establish a Commitee on Regional Trade Agreements, open to all Members of the WTO, with the following terms of reference: a) to carry out the examination of agreements in accordance with procedures and terms of reference adopted by the Council for Trade in Goods, the Council for Trade in Services or the Committee on Trade and Development, as the case may be, and thereafter present its report to the relevant body for appropriate action; b) to consider how the required reporting on the operation of such agreements should be carried out and make appropriate recommendations to the relevant body; c) to develop, as appropriate, procedures to facilitate and improve the examination process; d) to consider the systemic implications of such agreements and regional initiatives for the multilateral trading system and the relationship between them, and make appropriate recommendations to the Council; and e) to carry out additional functions assigned to it by the General Council. 2. That the Committee shall report annually to the General Council on its activities“.222
Damit das CRTA diese Aufgabe wahrnehmen kann, ist es darauf angewiesen, dass es über geschlossene Freihandelsvereinbarungen unterrichtet wird. Um ihrer Mitteilungspflicht nachzukommen, haben die Gemeinschaft und Südafrika der WTO am 2. November 2000 die erforderliche Notifikationsurkunde über das bilateral vereinbarte TDCA durch ihre Ständigen Vertretungen bei der WTO in Genf übermittelt. Wörtlich heißt es darin: „The delegations of the European Communities and the Republic of South Africa have the honour to inform the Members of the WTO that a Trade, Development and Co-operation Agreement between the European Community and the Republic of South Africa was signed on 11 October 1999. Pending the completion of ratification procedures in all the parties, the parties agreed to apply certain provisions and of paragraph 1 of this Understanding. The working party shall submit a report to the Council for Trade in Goods on its findings in this regard. The Council for Trade in Goods may make such recommendations to Members as it deems appropriate“. 221 Neben der Untersuchung von Regionalabkommen unter Art. XXIV GATT 1994 erstreckt sich die Prüfungsbefugnis auch auf Regionalabkommen unter der Ermächtigungsklausel und unter GATS (Marceau/Reiman, When and How is a Regional Trade Agreement Compatible with WTO? LIEI 28 (2001), S. 297, 311). 222 WT/L/127 vom 6. Februar 1996.
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
of the Agreement, including those relating to trade in goods, on a provisional basis from 1 January 2000. The Agreement contains provisions relating to trade in goods that are of relevance to the Members of the WTO. The Agreement establishes a free trade area between the European Communities and South Africa in the sense of Article XXIV of the GATT 1994. This free trade area will be established over a maximum period of 12 years, at the end of which duties and other restrictive regulations of commerce will have been eliminated on substantially all the trade between the parties“.223
2. Der Zeitpunkt der Notifikation Wie sich aus Art. XXIV:7 GATT 1994 ergibt, muss die Notifikation unverzüglich („promptly“) erfolgen. Der o. g. Note der Gemeinschaft und Südafrikas ist jedoch zu entnehmen, dass die offizielle Benachrichtigung der WTO erst zu einem Zeitpunkt erfolgte, als das Abkommen längst unterzeichnet war. In Form eines Briefwechsels hatten sich die Gemeinschaft und Südafrika außerdem darauf geeinigt, dass die den Warenhandel betreffenden Vorschriften des TDCA bereits zum 1. Januar 2000 vorläufig zur Anwendung kommen sollten.224 Damit waren im Zeitpunkt der Notifikation bereits seit 10 Monaten erste Schritte zur Liberalisierung des bilateralen Warenhandels entsprechend der Interimsvereinbarung des TDCA angelaufen. Es erscheint daher fraglich, ob die EG und Südafrika ihren Mitteilungspflichten in angemessener Zeit genügt haben. Die unbestimmte Formulierung „shall promptly notify“ in Art. XXIV:7 GATT 1994 wird in der Praxis des GATT 1994 unterschiedlich verstanden. Einige Mitgliedstaaten vertreten die Ansicht, dass Notifikation und Information vor In-Kraft-Treten des jeweiligen Freihandelsabkommens zu erfolgen haben.225 Zur Begründung verweisen sie zum einen auf den Wortlaut des 223
WT/REG113/N/1 vom 21. November 2000. Wörtlich heißt es in dem insoweit identischen Schreiben der Gemeinschaft und Südafrikas, Abl. EG Nr. L 311/2 vom 4.12.1999: „Ich beziehe mich auf das heute unterzeichnete Abkommen über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Südafrika andererseits. Ich beehre mich, Ihnen vorzuschlagen, dass die Europäische Gemeinschaft und Südafrika die Art. 1 bis 3, 5 bis 28, 65 bis 82, 93 bis 97 und 99 bis 109, die Anhänge I bis VII sowie X und die Protokolle I und II des Abkommens ab 1. Januar 2000 vorläufig anwenden. Sofern Südafrika dem Vorstehenden zustimmen kann, bilden dieses Schreiben und ihre Bestätigung zusammen ein Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Südafrika“. 225 Australien, Hong Kong und Korea, Anhang zu WT/REG/W/5 vom 27. Juni 1996, Ziffer 1. 224
III. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an das TDCA
159
Art. XXIV:7 GATT 1994, der mit Begrifflichkeiten wie „shall promptly notify“ und „deciding to enter“ in die Richtung dieser Interpretation weise. Zum anderen führen sie an, dass die Gewährleistung der Effektivität des Prüfungsverfahrens entscheidend sei. Da das Prüfungsverfahren nur nach erfolgter Notifizierung in Gang gesetzt werden könne, dürfe es nicht durch bereits vorher geschaffene Fakten beeinträchtigt werden.226 Dieser Gedanke findet auch in anderem Zusammenhang Anerkennung: Art. XXIV:6 sowie Ziffer 4 der Auslegungsvereinbarung zu Art. XXIV GATT 1994 verlangen ebenfalls, dass Ausgleichsverhandlungen bei der Bildung einer Zollunion bereits vor der Rücknahme von Zollzugeständnissen zu beginnen hätten.227 Folgt man dieser Argumentation, so hätte die Notifikation des TDCA vor dessen In-Kraft-Treten am 1. Januar 2000 erfolgen müssen. Dieser Auslegung wird von anderen Mitgliedern entgegengehalten, dass die unpräzise Formulierung „shall promptly notify“ den Pragmatismus reflektiere, der notwendig sei, um die komplexen Verhandlungen zur Bildung einer Freihandelszone anzugehen, bei denen oft erst in letzter Minute die entscheidenden Konzessionen gemacht werden. Bei zu strikten Fristen werde die Effektivität und Legitimität der WTO-Bestimmungen in Frage gestellt.228 Zum Teil wird auch auf die politische Schwierigkeit verwiesen, ein Abkommen zu notifizieren, bevor es ratifiziert ist.229 Nach dieser Argumentation besteht für die Notifikation ein Einschätzungsspielraum auf Seiten der Gründungsmitglieder eines Freihandelsabkommens, dessen Ausmaß erst mit dem Zeitpunkt der Ratifikation eine Grenze findet. Das TDCA, dessen InKraft-Treten gemäß Art. 109 Abs. 1 unter dem Vorbehalt des Abschlusses „der erforderlichen Verfahren“ steht, wäre nach dieser Ansicht rechtzeitig notifiziert worden, weil seine Ratifizierung zum Zeitpunkt der Notifizierung am 2. November 2000 noch ausstand. Nach dem Wortlaut des Art. XXIV:7 lit. a GATT 1994 bezieht sich die Pflicht zur unverzüglichen Notifikation eindeutig auf die Beitrittsentscheidung zum Integrationsabkommen. Es kommt also auf den eindeutigen Willen der potenziellen Mitglieder einer Freihandelszone an, einen entsprechenden Gründungsvertrag zu schließen. Dieser bildet sich nicht erst bei der Ratifikation, die gemäß Art. 16 WVK lediglich eine formale Wirksamkeitshürde darstellt.230 Gemäß Art. 18 WVK besteht auch bei einem unter dem 226 Kanada, Hong Kong, Japan und Korea, WT/REG3/M/1 vom 23. April 1997, Ziffern 9, 41, 42 bzw. 44. 227 WT/REG/W/37 vom 2. März 2000, Ziffer 13(a). 228 Europäische Gemeinschaft, WT/REG/M/4 vom 28. November 1998, Ziffer 7. 229 Kanada und Norwegen, WT/REG/M/3 vom 29. August 1996, Ziffer 27 bzw. 31. 230 Andere Möglichkeiten der rechtsverbindlichen Zustimmung zu einem völkerrechtlichen Vertrag sind die Unterzeichnung (Art. 12 WVK), der Austausch der den
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B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
Vorbehalt der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung unterzeichneten Vertrag die Pflicht, alles zu unterlassen, was Ziel und Zweck dieses Vertrages vereiteln könnte. Daraus folgt, dass die Beitrittsentscheidung zum TDCA spätestens bei der Vertragsunterzeichnung am 11. Oktober 1999 in Pretoria gefallen sein muss. Von einem früheren Zeitpunkt kann nicht ausgegangen werden, da – wie in Vertragsverhandlungen üblich – bis zur letzten Minute Konzessionen gemacht werden und die Verhandlungspartner bis dahin auch die Möglichkeit des Scheiterns einkalkulieren. Erst zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung besteht Klarheit über alle „essentialia“. Da sich die Parteien gewöhnlich erst in deren Kenntnis zu einem Vertrag entschließen, fällt die Beitrittsentscheidung grundsätzlich mehr oder weniger mit der Vertragsunterzeichnung zusammen. Zwischen dem Zeitpunkt der Vertragsunterzeichung am 11. Oktober 1999 und dem Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des TDCA am 1. Januar 2000 liegen 2 ½ Monate und bis zur Notifikation am 2. November 2000 sind weitere 11 Monate vergangen. Sachliche Gründe, die diese Verzögerung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Insbesondere lagen alle in der o. g. Notifikation enthaltenen Informationen bereits am Tag der Vertragsunterzeichnung vor. Selbst wenn man die mit der Übermittlung der Note verbundenen bürokratischen Wege der Diplomatie berücksichtigt, so erscheint jedenfalls eine Notifikation vor dem 1. Januar 2000 im Bereich des Machbaren. Aufgrund dieser Fristversäumnis wurde das „shall promptly notify“-Kriterium verletzt. Allerdings ist diese Vertragsverletzung mit keinen Sanktionen verbunden. 3. Der Inhalt der Notifikation Art. XXIV Ziffer 7 lit. a GATT 1994 gibt keine detaillierten Vorgaben für die Notifikation. Es heißt lediglich, dass die Auskünfte über die geplante Zone zu erteilen sind, welche notwendig sind, „um den Vertragsparteien die Berichte zu erstatten und die Empfehlungen zu erteilen, die sie für angezeigt erachten“. Das CRTA hat allerdings ein „Standard Format for Information on Regional Trade Agreements“231 herausgegeben, in dem der Umfang der erforderlichen Informationen festgehalten ist. Danach erstreckt sich die Notifikationspflicht auf die in der linken Spalte der nachfolgenden Tabelle 4 enthaltenen Informationen. Ihnen gegenübergestellt befinden sich die für das TDCA relevanten Fundstellen. Vertrag bildenden Urkunden (Art. 13 WVK), die Annahme oder Genehmigung (Art. 14 Abs. 2 WVK) und der Beitritt (Art. 15 WVK). 231 WT/REG/W/6 vom 15. August 1996.
III. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an das TDCA
161
Tabelle 4: Inhalt der Notifikation Notwendige Information
Fundstelle
I. Hintergrundinformationen zu der Handelsvereinbarung 1. Mitgliedschaft sowie Daten der Unterschrift, Ratifikation und des In-Kraft-Tretens
Notifikationserklärung
2. Art der Vereinbarung
Art. 5 TDCA
3. Umfang
Art. 6–18 TDCA
4. Handelsdaten
WTO Trade Policy Review SACU WT/TPR/S/114/ZAF
II. Handelsvorschriften 1. Importbeschränkungen 1.1. Zölle und Abgaben
Art. 7–9 TDCA
1.2. Quantitative Beschränkungen
Art. 19 TADC (Verbot)
1.3. Gemeinsamer Außenzolltarif
Nicht anwendbar, da Freihandelsabkommen
2. Exportbeschränkungen 2.1. Zölle und Abgaben
Art. 7–9 TDCA
2.2. Quantitative Beschränkungen
Art. 19 TDCA (Verbot)
3. Ursprungsregeln
Art. 28 TDCA
4. Standards 4.1. Technische Handelshemmnisse
Art. 47 TDCA, Wein- und Spirituosen-Abkommen
4.2 Gesundheitspolizeiliche und Pflanzenschutz- Art. 47 und 61 TDCA, Wein- und rechtliche Maßnahmen Spirituosen-Abkommen 5. Schutzmaßnahmen
Art. 16 sowie 24–26 TDCA
6. Antidumping- und Ausgleichsmaßnahmen
Art. 23 TDCA
7. Subventionen und staatliche Beihilfen
Art. 41–43 TDCA
8. Sektorspezifische Vorschriften
Art. 20 (Agrarpolitik)
9. Andere
Art. 62 (Fischerei)
III. Allgemeine Vorschriften des Abkommens 1. Ausnahmen und Vorbehalte
Art. 27 TDCA
2. Beitrittsmöglichkeiten
Nicht ausdrücklich geregelt.
3. Streitbeilegungsverfahren
Art. 104 TDCA
4. Verhältnis zu anderen Handelsabkommen
Art. 24 Abs. 3 TDCA
5. Institutioneller Rahmen
Art. 97 TDCA
IV. Anderes: Wettbewerbspolitik (Art. 35–39 TDCA), Seeverkehrsdienstleistungen (Art. 31 TDCA), Zahlungen und Kapitalverkehr (Art. 32–34 TDCA)
162
B. Das TDCA als multilaterale Handelsordnung
Wie die Tabelle zeigt, haben die Gemeinschaft und Südafrika der Berichtspflicht formell genügt. Damit ist das CRTA in die Lage versetzt, in die Überprüfung des Abkommens einzusteigen und erforderlichenfalls um zusätzliche Informationen nachzusuchen. Demgemäß wurden vom CRTA am 14. März 2001 folgende Terms of Reference angenommen: „(. . .) to examine, in the light of the relevant provisions of the GATT 1994, the Trade, Development and Co-operation Agreement between the European Community and South Africa and to submit a report to the Council for Trade in Goods“.232
4. Die Entscheidung über die Konformität Auch wenn alle Voraussetzungen erfüllt sind, um eine Überprüfung des TDCA vorzunehmen, ist auf absehbare Zeit mit keiner Entscheidung über dessen Vereinbarkeit mit den relevanten WTO-Vorschriften zu rechnen. Auf die mangelnde Entschlussfähigkeit der zur Überprüfung der regionalen Handelsabkommen eingerichteten Arbeitsgruppen hat bereits das Panel im Turkey Textiles-Fall hingewiesen: „Traditionally in GATT, regional trade agreements were examined by working parties. In the WTO, such agreements are now examined by the Committee on Regional Trade Agreements (CRTA). In the history of GATT, except in the case of the 1994 customs union between the Chech Republic and the Slovak Republic, the CONTRACTING PARTIES were never able to conclude whether or not a regional trade agreement was fully compatible with GATT. Today, under the WTO, Members have yet to conclude that a regional trade agreement is in full compliance with the WTO Agreement. In short, virtually all working party reports on regional trade agreements have been inconclusive“.233
Die Ursachen für die – mit Ausnahme des Tschechisch-Slowakischen Abkommens – ergebnislosen Untersuchungen sind vor allem auf die unterschiedlichen Auffassungen der Mitglieder zu den tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. XXIV sowie Sprache und Format der zu verabschiedenden Berichte zurückzuführen.234 Da die WTO in Fortführung der bisherigen GATT-Praxis das Ziel verfolgt, Entscheidungen möglichst im gegenseitigen Einvernehmen zu treffen (Art. IX:1 Satz 1 WTO-Übereinkommen), hat die Uneinigkeit der Mitglieder das Prüfverfahren in eine Sackgasse geführt. Jedenfalls wurde bisher noch nicht von der – seit Gründung der WTO bestehenden – Möglichkeit Gebrauch gemacht, eine Entscheidung der Ministerkonferenz oder des Allgemeinen Rates mit Dreiviertelmehrheit gemäß 232
WT/REG113/2 vom 30. April 2001. Panel Bericht „Turkey-Textiles“ WT/DS34/R vom 31. Mai 1999, Ziffer 9.107. 234 WTO Annual Report 2003, Ziffer X, S. 111; siehe auch Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 228. 233
III. Die verfahrensrechtlichen Anforderungen an das TDCA
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Art. IX:2 der WTO-Vereinbarung über die Kompatibilität eines Freihandelsabkommens mit Art. XXIV herbeizuführen. Diese Zurückhaltung dürfte ihre Ursachen auch darin haben, dass ein regionales Handelsabkommen sowohl im Rahmen des CRTA-Verfahrens als auch über den Streitbeilegungsmechanismus überprüft werden kann.235 Die Mitglieder müssen also damit rechnen, dass Standpunkte und Schlussfolgerungen, welche sie in einem CRTA-Verfahren einnehmen, später von einem Panel genutzt oder interpretiert werden.236 Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beratungen im CRTA jedenfalls auch politischer Natur sind, während es sich beim Streitbeilegungsverfahren um eine rein rechtliche Auseinandersetzung handelt,237 d. h. es ist nicht auszuschließen, dass sich Mitglieder aus politischen Erwägungen einer CRTA-Empfehlung verschließen. Welche Gründe im Ergebnis auch immer maßgeblich sind, entscheidend ist, dass unter den gegenwärtigen Umständen eine Überprüfung des TDCA anhand der WTO-Vorschriften faktisch nur im Rahmen eines Streitbeilegungsverfahrens erreicht werden kann, wobei letzteres wiederum nur dann möglich ist, wenn die beschwerdeführenden WTO-Mitglieder geltend machen können, „dass Zugeständnisse oder sonstige Vorteile, die sich mittelbar oder unmittelbar aufgrund dieses Abkommens ergeben, zunichte gemacht oder geschmälert werden, oder dass die Erreichung eines der Ziele des Abkommens dadurch behindert wird“ (Art. 3 Ziffer 3 DSU). Dagegen ist eine Überprüfung im Rahmen des CRTA-Verfahrens obligatorisch und setzt deshalb keine entsprechende Beschwerdebefugnis voraus.
235 236 237
Ziffer 12 der Vereinbarung zur Auslegung des Art. XXIV. TN/RL/W/8/Rev.1 vom 1. August 2002, Ziffer 20. Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 229.
C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung Nachdem im zweiten Kapitel untersucht wurde, ob das zwischen der Gemeinschaft und Südafrika abgeschlossene Freihandelsabkommen im Hinblick auf die vereinbarte Beseitigung bestehenden Handelshemmnisse den Anforderungen des Art. XXIV GATT 1994 entspricht, geht es im dritten Kapitel um die weitergehenden Regelungen einer bilateralen Handelsordnung, die zwischen den Vertragsparteien des TDCA getroffen wurden. Das TDCA beschränkt sich in seiner Regelungsweite nicht auf die Liberalisierung von Zöllen, sondern schafft weitreichende Rechtsgrundlagen für den Handel im europäisch-südafrikanischen Marktraum. Dies schließt die Möglichkeit des Erlasses von Schutzmaßnahmen ein, um Notsituationen abzuwenden, die durch den plötzlichen Anstieg von Einfuhren verursacht werden (Art. 24 ff.). Darüber hinaus werden Fragen der Wettbewerbssicherung geregelt, die im Hinblick auf Antidumping- und Ausgleichsmaßnahmen (Art. 23), die Wettbewerbspolitik (Art. 35 ff.), staatliche Beihilfen (Art. 41 ff.) und das öffentliche Beschaffungswesen (Art. 45) gelten. Ferner werden Vorschriften für den Bereich der technischen Handelshemmnisse (Art. 47) und des geistigen Eigentums (Art. 46) geschaffen und auch Aussagen über die Liberalisierung des Dienstleistungshandels sowie des Zahlungs- und Kapitalverkehrs (Art. 29 ff.) getroffen.
I. Völkerrechtliche Rechtfertigung der bilateralen Handelsordnung Der Blick auf die Regelungsgegenstände des TDCA zeigt, dass Bereiche abgedeckt werden, die bereits durch GATT-Vorschriften bzw. WTO-Übereinkommen kodifiziert sind. Insofern stellt sich die Frage, ob es im Rahmen von Freihandelsabkommen neben der Pflicht zur Liberalisierung von „substantially all the trade“ eine Regelungsbefugnis für allgemeine Handelsfragen gibt und inwieweit dabei von bestehenden multilateralen Pflichten abgewichen werden darf. Dabei erweist sich bereits die Suche nach einer Ermächtigungsgrundlage als problematisch. Zwar erscheint es auf den ersten Blick konsequent, Art. XXIV GATT 1994 auch insoweit als Ausnahmetatbestand heranzuziehen. Da die Vorschrift jedoch der Rechtsordnung des GATT zuzurechnen ist, lässt sie nicht ohne weiteres Ausnahmen von WTO-Übereinkommen wie beispielsweise dem TBT oder dem SPS zu. Je-
I. Rechtfertigung der bilateralen Handelsordnung
165
denfalls bezieht sich Art. XXIV GATT 1994 – wie auch die Entscheidung des Appellate Body in Turkey Textils1 belegt – nur auf die GATT-Vorschriften und nicht auf die darüber hinaus abgeschlossenen WTO-Übereinkommen. Allerdings könnte dieser formelle Ansatz der Systematik des WTO-Rechts widersprechen. In diesem Sinne hat der Appellate Body in dem Korea-Dairy-Safeguard-Fall festgestellt, dass das WTO-Übereinkommen ein einheitliches Regelwerk darstellt, dessen Normen harmonisch auszulegen sind. Es heißt dort wörtlich: „We agree with the statement of the Panel that: It is now well established that the WTO Agreement is a ‚Single Undertaking‘ and therefore all WTO obligations are generally cumulative and Members must comply with all of them simultaneously (. . .)“.2 „We note, furthermore, that the GATT 1994 was incorporated into the WTO Agreement as one of the Multilateral Agreements on Trade in Goods contained in Annex 1A to the WTO Agreement. The GATT 1994 consists of: (a) the provisions of the GATT 1947, as rectified, amended or modified before the entry into force of the WTO Agreement; (b) provisions of certain other legal instruments which entered into force under the GATT 1947 and before the date of entry into force of the WTO Agreement; (c) a number of Uruguay Round Understandings on the interpretation of certain GATT articles; and (d) the Marakesh Protocol to GATT 1994. The Agreement on Safeguards is one of the thirteen Multilateral Agreements on Trade in Goods contained in Annex 1A of the WTO Agreement. It is important to understand that the WTO Agreement is one treaty. The GATT 1994 and the Agreement on Safeguards are both Multilateral Agreements on Trade in Goods contained in Annex 1A, which are integral parts of that treaty and equally binding on all Members pursuant to Article II:2 of the WTO Agreement“.3
Dies spricht dafür, dass die TBT- und SPS-Übereinkommen als Teile einer einheitlichen WTO-Rechtsordnung anzusehen und im Rahmen des Art. XXIV wie die sonstigen Vorschriften des GATT zu behandeln sind.4 Andererseits könnte man dieser Argumentation des Panels, welches sich insbesondere auf die „general interpretative note“ zu Annex 1A5 bezieht, entgegenhalten, dass es bei der Fragestellung, ob Art. XXIV auch Ausnah1
Appellate Body Bericht „Turkey-Textiles“ WT/DS34/AB/R vom 22. Oktober 1999. 2 Appellate Body Bericht „Korea-Dairy“ WT/DS98/AB/R vom 14. Dezember 1999, Ziffer 74. 3 Appellate Body Bericht „Korea-Dairy“ WT/DS98/AB/R vom 14. Dezember 1999, Ziffer 75. 4 Eine solche Auslegung hält wohl auch Trachtman für grundsätzlich möglich, wenn auch unter Hinweis darauf, dass eine Klarstellung durch erläuternde Bemerkung oder eine entsprechende Auslegung im Wege des Streitbeilegungsmechanismus erforderlich ist (Trachtman, Towards Open Recognition? Standardization and Regional Integration under Article XXIV of GATT, JIEL 6 (2003), S. 459, 473).
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
men von anderen WTO-Übereinkommen zulässt, weniger um eine Konfliktlage zwischen GATT-Normen und Vorschriften der WTO-Übereinkommen als vielmehr um die Reichweite einer Ausnahmeregelung geht,6 die deshalb zunächst bestimmt werden soll. 1. Reichweite der Regelungsbefugnis nach Art. XXIV GATT 1994 Die Frage der Zulässigkeit nichttarifärer Regelungen im Rahmen eines Freihandelsabkommens wird in der WTO schon seit längerem und immer wieder kontrovers diskutiert.7 Es herrscht insbesondere Uneinigkeit darüber, ob Art. XXIV GATT 1994 nur eine Ausnahme vom Meistbegünstigungsgrundsatz enthält und ob die Aufzählung der Ausnahmen in Art. XXIV:8 lit. b GATT 1994 als abschließend anzusehen ist oder nicht. Da die Beantwortung der zweiten Frage womöglich Rückschlüsse auf die erste zulässt, soll ihr zuerst nachgegangen werden. Die in Art. XXIV GATT genannten Ausnahmen von der grundsätzlichen Verpflichtung zur umfassenden Liberalisierung des Binnenhandels betreffen die Art. XI bis XV und XX. Art. XI:2 und XII gestatten die Einführung oder Aufrechterhaltung von mengenmäßigen Handelsbeschränkungen, insbesondere Ausfuhrverbote oder Beschränkungen von Notlagen bei lebenswichtigen Gütern, nach Art. XII sind Einfuhrbeschränkungen zum Schutz der Zahlungsbilanz erlaubt, Art. XIII enthält das Gleichbehandlungsgebot bei Anwendung mengenmäßiger Handelsbeschränkungen, während Art. XIV die Abweichungsmöglichkeiten von dieser Gleichbehandlungsverpflichtung regelt. Art. XV betrifft u. a. das Verhältnis der GATT-Vertragsparteien zum Währungsfond und schließlich findet sich in Art. XX GATT der „ordre public“-Vorbehalt. Ohne auf die „umfangreichen und komplexen Tatbestände dieser Vorschriften“8 näher eingehen zu müssen, kann festgehalten werden, dass sie allesamt dazu bestimmt sind, in bestimmten Notlagen Abweichungen von der Pflicht zur umfassenden Liberalisierung des Binnenhandels einer Freihandelszone zu gestatten. Angesichts dieser Zweckbestimmung verwundert es, dass der Katalog 5
Sie lautet wie folgt: „(I)n the event of conflict between the provisions of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994 and a provision of another agreement in Annex 1A to the Agreement establishing the World Trade Organisation (referred to in the agreements as the ‚WTO Agreement‘), the provision of the other agreement shall prevail to the extent of the conflict“. 6 So auch Trachtman, Towards Open Recognition? Standardization and Regional Integration under Article XXIV of GATT, JIEL 6 (2003), S. 459, 472 f. 7 Eine Darstellung der insoweit aufgeworfenen – aber nicht beantworteten – Fragen findet sich in der „Synopsis of ‚Systemic‘ Issues Related to Regional Trade Agreements“ (WT/REG7W/37 vom 2. März 2000, Ziffer 26 ff.). 8 Steinberger, GATT und regionale Wirtschaftszusammenschlüsse, S. 155.
I. Rechtfertigung der bilateralen Handelsordnung
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nicht auch auf Art. XIX Bezug nimmt, der im GATT die Zulässigkeit von Schutzmaßnahmen regelt. Jedenfalls sind auch die „safeguards“ dazu bestimmt, einen in Not geratenden inländischen Wirtschaftszweig durch Maßnahmen zu schützen, welche die Handelsordnung grundsätzlich verbietet. Wären Schutzmaßnahmen durch Art. XXIV GATT gerechtfertigt, ließen sich womöglich auch die Art. 24 ff. TDCA auf ihn stützen, welche die Zulässigkeit von Schutzmaßnahmen im TDCA-Binnenhandel regeln. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass Art. 24 Abs. 1 TDCA zwar auf die relevanten WTO-Übereinkommen über Schutzmaßnahmen und Landwirtschaft Bezug nimmt, jedoch nicht ausdrücklich an Art. XIX GATT 1994 anknüpft. Es ist jedoch anerkannt, dass Art. XIX GATT 1994 trotz der vorhandenen Spezialtatbestände in anderen WTO-Übereinkommen immer noch als die entscheidende Ausgangsnorm für Schutzmaßnahmen im WTO-Recht gilt:9 „Thus, we conclude that any safeguard measure imposed after the entry into force of the WTO Agreement must comply with the Provisions of both the Agreement on Safeguards and Article XIX of the GATT 1994“.10
Somit ist der Frage nachzugehen, ob die Regelungen über Schutzmaßnahmen im Rahmen des TDCA trotz der fehlenden Aufzählung des Art. XIX GATT 1994 in Art. XXIV:8 GATT 1994 durch diese Vorschrift gerechtfertigt sein können und, falls ja, in welchem Rahmen sie sich halten müssen. Die dieser Frage zugrundeliegende Problematik ist von grundsätzlicher Bedeutung und die Meinungen der WTO-Mitglieder dazu gehen weit auseinander. Dies spiegelt sich auch in der Praxis der GATT-Vertragsparteien und WTOMitglieder wider, die zum Teil die Anwendung von Schutzmaßnahmen für den Binnenhandel der von ihnen abgeschlossenen Freihandelsvereinbarungen vorsehen, sie zum Teil aber auch ausdrücklich verbieten. Australien11 vertritt insoweit die Auffassung, dass es mit dem Sinn und Zweck einer Integrationszone nicht vereinbar sei, wenn auch nach Ablauf der Interimsfrist Schutzmaßnahmen möglich blieben und dass im Übrigen keine Gründe ersichtlich seien, warum über die Aufzählung in Art. XXIV:8 lit. b GATT 1994 hinaus Ausnahmen zugelassen werden müssten. Unterstützt wird diese restriktive Interpretation von Mathis, der auf den engen Zusammenhang zwischen Zollunionen und Freihandelsabkommen verweist und es zumin9 Art. 1 Abkommen über Schutzmaßnahmen lautet: „Dieses Abkommen legt die Regeln für die Anwendung von Schutzmaßnahmen fest, unter denen Maßnahmen im Sinne des Art. XIX des GATT 1994 zu verstehen sind“. 10 Appellate Body Bericht „Argentina-Footwear“ WT/DS121/AB/R vom 14. Dezember 1999, Ziffer 84. Hinzu kommt im WTO-Recht allerdings die Möglichkeit spezieller Schutzmaßnahmen auf der Grundlage von Art. 5 des Landwirtschaftsabkommens und Art. 6 des Textilabkommens. 11 WT/REG/M/15 vom 13. Januar 1998, Ziffer 40.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
dest für möglich hält, aus der Fragwürdigkeit der Anwendung von Schutzmaßnahmen in einer Zollunion auf die Unzulässigkeit solcher Maßnahmen in Freihandelsabkommen zu schließen.12 Japan wiederum sieht in der Tatsache, dass Art. XXI (Ausnahmen zur Wahrung der Sicherheit) nicht in die Liste des Art. XXIV:8 GATT 1994 aufgenommen wurde, einen Hinweis dafür, dass die Aufzählung nicht abschließend gemeint sein kann13 und wird insoweit von der EG unterstützt, die Schutzmaßnahmen in Freihandelszonen ebenfalls grundsätzlich für zulässig hält.14 Diese Ansicht wird auch von Joost Pauwelyn geteilt, der es für nicht überzeugend hält anzunehmen, dass die Aufzählung in Art. XXIV:8 GATT 1994 abschließend sein soll, da dann nicht nur Schutzmaßnahmen und Ausnahmen zur Wahrung der Sicherheit, sondern auch Zahlungsbilanzbeschränkungen nach Art. XVIII:B GATT 1994 in Freihandelszonen nicht erlaubt seien.15 Hilfreich zur Auflösung dieser Frage ist die Entscheidung des Panels im Argentina Footwear-Fall. Dort kam das Panel zu dem Ergebnis, dass die fehlende Benennung des Art. XIX GATT 1994 in der Aufzählung des Art. XXIV:8 GATT 1994 nicht als Verbot zur Einführung bilateraler Schutzmaßnahmen zu verstehen sei, sondern den Mitgliedern einer entsprechenden Integrationsgemeinschaft lediglich die Möglichkeit eröffne, ein solches Verbot zu vereinbaren: „There is also no doubt in our minds that the letter and spirit of Article XXIV:8 of GATT permit member States of a customs union to agree on the elimination of the possibility to impose safeguard measures between the constituent parties“.16
Nach der Interpretation des Panels in demselben Rechtsstreit17 stellt die Aufzählung in Art. XXIV: 8 sicher, dass die Mitglieder einer Integrations12 Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT-WTO, S. 68 ff. Allerdings lässt auch Mathis erkennen, dass er eine klare Aussage dazu, ob Art. XXIV:8 GATT 1994 die Anwendung von Schutzmaßnahmen zwischen den Mitgliedern eines Regionalabkommens erlaubt oder nicht, für schwierig hält, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 174. 13 WT/REG/M/14 vom 24. November 1997, Ziffer 7; WT/REG/M/15 vom 13. Januar 1998, Ziffer 18 ff.; so im Ergebnis offenbar auch die USA, Ziffer 57; siehe auch die Auffassung Japans im Line Pipe-Fall, Appellate Body Bericht „USLine Pipe“ WT/DS202/AB/R vom 15. Februar 2002, Ziffer 72. 14 Nach Aufassung der EG sind Schutzmaßnahmen in Zollunionen sinnlos, WT/ REG/M/14 vom 24. November 1997, Ziffer 9, S. 4. Angesichts der identischen Ausnahmeliste für Freihandelsabkommen und Zollunionen in Art. XXIV:8 lit. a bzw. lit. b findet sich für diese Unterscheidung allerdings keine rechtliche Basis im Vertragstext des GATT, Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 240. 15 Pauwelyn, The Puzzle of WTO Safeguards and Regional Trade Agreements, JIEL 7 (2004), S. 109, 126 f. 16 Panel Bericht „Argentina-Footwear“ WT/DS121/R vom 25. Juni 1999, Ziffer 8.99.
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gemeinschaft erforderlichenfalls Maßnahmen nach Art. XI bis XV und XX im Binnenverhältnis ergreifen können, d. h. die Regelungsgewalt über diese sensitiven Bereiche muss den Mitgliedstaaten in den Grenzen des Art. XXIV erhalten bleiben. Unabhängig davon steht es ihnen frei, ob sie darüber hinausgehende beschränkende Handelsvorschriften wie z. B. Regelungen über Schutzmaßnahmen für den bilateralen Handel erlassen oder darauf im Wege eines bilateral vereinbarten Verbots verzichten wollen. Art. XXIV steht der ersten Option nicht im Wege, denn die Mitgliedstaaten sind lediglich verpflichtet „annähernd den gesamten Handel“ zu liberalisieren, nicht aber den „gesamten Handel“. In diesem Sinne führt das Panel aus: „In our view, the express omission of Article XIX of GATT from the list of exceptions in Article XXIV:8 of GATT read in combination with the requirement to eliminate all duties or other restrictions of commerce on ‚substantially all trade‘ within a customs union, leaves both options open, i. e., abolition of the possibility to impose safeguard measures between the member States of a customs union as well as the maintenance thereof“.18
Dementsprechend ist eine Regelung von Schutzmaßnahmen im Rahmen eines Regionalabkommens durch Art. XXIV GATT 1994 grundsätzlich gedeckt. In einem ähnlichem Licht kann man auch die Entscheidung des Appellate Body im Turkey-Textiles-Fall19 sehen. Dort beschäftigte sich der Appellate Body mit der Frage, wie das Erfordernis der Liberalisierung von „substantially all the trade“ auszulegen sei und nahm als erstes WTO-Streitbeilegungsorgan eine Erläuterung des Art. XXIV GATT 1994 vor.20 In diesem Zusammenhang kam der Appellate Body zu dem Ergebnis, dass Art. XXIV:8 GATT 1994 eine gewisse Flexibilität biete: „We note also that the terms of sub-paragraph 8 (a) (i) provide that members of a customs union may maintain, where necessary, in their internal trade, certain restrictive regulations of commerce that are otherwise permitted under Article XI through XV and under Article XX of the GATT 1994. Thus, we agree with the Panel that the terms of sub-paragraph 8 (a) (i) offer ‚some flexibility‘ to the con17 Der Appellate Body hielt eine Auslegung des Art. XXIV:8 in Zusammenhang mit dem Argentina Footwear-Fall allerdings für überflüssig und hat die diesbezügliche Entscheidung des Panel deshalb ausdrücklich aufgehoben, jedoch ohne dessen Analyse zu verwerfen, Appellate Body Bericht „Argentina-Footwear“ WT/DS121/ AB/R vom 14. Dezember 1999, Ziffer 110. 18 Panel Bericht „Argentina-Footwear“ WT/DS121/R vom 25. Juni 1999, Ziffer 8.97 am Ende. 19 Appellate Body Bericht „Turkey-Textiles“ WT/DS34/AB/R vom 22. Oktober 1999, Ziffer 47 ff. 20 Bogdandy/Makatsch, Kollision, Koexistenz oder Kooperation? Zum Verhältnis von WTO-Recht und europäischem Außenwirtschaftsrecht in neueren Entscheidungen, EuZW 2000, S. 261, 263.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
stituent members of a customs union when liberalizing their internal trade in accordance with this sub-paragraph (. . .)“.21
Allerdings sind der Flexibilität auch Grenzen gesetzt, die sich aus dem Kontext ergeben, in dem Regionalabkommen zu sehen sind: „Article XXIV can justify the adoption of a measure which is inconsistent with certain other GATT provisions only if the measure is introduced upon the formation of a customs union and only to the extent that the formation of the customs union would be prevented if the introduction of the measure were not allowed“.22
Auch wenn sich die Entscheidung unmittelbar nur auf Zollunionen bezieht, kann das Ergebnis aufgrund der insoweit identischen Problematik auch auf Freihandelsabkommen übertragen werden.23 Dies bedeutet, dass jedenfalls der Wortlaut des Art. XXIV GATT 1994 einer Auslegung nicht entgegensteht, welche Abweichungen auch von den dort nicht ausdrücklich genannten GATT-Vorschriften zulässt. Dies gilt um so mehr, als auch der Appellate Body dieser Flexibilität gewisse Grenzen gesetzt hat und den entsprechenden Nachweis dafür verlangt, dass die Voraussetzungen nach Art. XXIV:8 und Ziffer 5 GATT 1994 erfüllt sind und die Regelungen bei der Bildung der Freihandelszonen eingeführt wurden und insoweit auch notwendig waren. Das bedeutet im Ergebnis nicht nur, dass Art. XXIV GATT 1994 keine abschließende Aufzählung von zulässigen Ausnahmen im Rahmen von Freihandelszonen enthält, sondern dass grundsätzlich auch von anderen GATTVorschriften und – im Sinne der Einheit der Welthandelsordnung – ebenfalls von WTO-Übereinkommen abgewichen werden darf. Allerdings muss sich jede einzelne Ausnahme an den engen Ausnahmevoraussetzungen des Art. XXIV GATT 1994 messen lassen. 2. Reichweite der Regelungsbefugnis nach allgemeinem Völkerrecht Geht man entgegen der hier vertretenen Auffassung von einer Trennung zwischen der durch das GATT gebildeten Rechtsordnung einerseits und dem durch die WTO-Übereinkommen gebildeten umfassenden Handelssystem 21 Appellate Body Bericht „Turkey-Textiles“ WT/DS34/AB/R vom 22. Oktober 1999, Ziffer 48. 22 Appellate Body Bericht „Turkey-Textiles“ WT/DS34/AB/R vom 22. Oktober 1999, Ziffer 46. 23 So auch Pauwelyn, The Puzzle of WTO Safeguards and Regional Trade Agreements, JIEL 7 (2004) S. 109, 131. Ebenso Roessler, The Relationship between Regional Trade Agreements and the Multilateral Trade Order: A Reassessment, in: Roessler (Hrsg.), Essays on the Legal Structure, Functions & Limits of the World Trade Order, S. 181, 187.
I. Rechtfertigung der bilateralen Handelsordnung
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andererseits aus, so dass Art. XXIV keine hinreichende Rechtsgrundlage für Abweichungen von den WTO-Übereinkommen bieten kann, ist – mangels einer entsprechenden Ausnahmevorschrift in den WTO-Übereinkommen – nach allgemeinem Völkerrecht zu beurteilen, ob und inwieweit die Mitglieder einer Freihandelszone bei der Bildung derselben von ihren multilateralen Pflichten abweichen dürfen. Für eine völkerrechtliche Rechtfertigung kommen die Art. 30 und 41 WVK in Betracht, die ihrerseits kodifiziertes Völkergewohnheitsrecht darstellen und deshalb auch im Rahmen der WTO Anwendung finden.24 Nach Art. 30 Abs. 3 und 4 WVK gilt bei aufeinanderfolgenden Verträgen, dass der frühere Vertrag nur insoweit Anwendung findet, als er mit dem späteren Vertrag vereinbar ist (lex posterior derogat legi priori). Darüber hinaus gilt für mehrseitige Verträge – wie dem GATT und der WTO – gemäß Art. 41 WVK die folgende Qualifizierung: „1. Two or more of the parties to a multilateral treaty may conclude an agreement to modify the treaty as between themselves alone if: a) the possibility of such a modification is provided for by the treaty; or b) the modification in question is not prohibited by the treaty and: (i) does not affect the enjoyment by the other parties of their rights under the treaty or the performance of their obligations; (ii) does not relate to a provision, derogation from which is incompatible with the effective execution of the object and purpose of the treaty as a whole (. . .)“.
a) Vertragsänderungsvorschriften im GATT-Vertrag und den WTO-Übereinkommen nach Art. 41 Abs. 1 lit. a WVK In der ersten Alternative sieht Art. 41 Abs. 1 lit. a WVK die Möglichkeit einer bilateralen Vertragsmodifikation vor, wenn sie im zu modifizierenden Vertrag ausdrücklich vorgesehen ist. Vertragsänderungsvorschriften in diesem Sinne finden sich sowohl in den WTO- als auch in den GATT-Vorschriften wieder. So können nach Art. X des WTO-Gründungsvertrages Änderungen der WTO-Überkommen auf der Grundlage von Vorschlägen gegenüber der Ministerkonferenz und nach Annahme durch alle Mitglieder vorgenommen werden. Auch Art. XXX GATT 1994 ermöglicht Vertragsänderungen, allerdings ebenfalls nur, nachdem sie von allen Vertragsparteien 24 So auch McRae, The WTO in International Law: Tradition Continued or new Frontier? JIEL 3 (2000), S. 27, 37: „The practice of the Appellate Body suggests that the WTO agreements are interpreted and applied in the light of relevant rules of international law“; Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 272. A.A. offenbar Palmeter/Mavroidis, The WTO Legal System: Sources of Law, AJIL 92 (1998), S. 398, 406: „The customary rules of interpretation are, so far, the only portions of customary international law to have found their way meaningfully into WTO dispute settlement“.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
angenommen worden sind. Doch auch die Nichtanwendung von WTO-Übereinkommen kann zwischen zwei Mitgliedern vereinbart sein, sofern ein werdendes Mitglied gemäß Art. XIII des WTO-Gründungsübereinkommens bereits bei Begründung seiner Mitgliedschaft die Anwendung des fraglichen Vertrages ablehnt. Eine vergleichbare Vorschrift zur Nichtanwendung des Vertrages findet sich auch in Art. XXXV GATT 1994. Keine dieser Alternativen ist im Fall des europäisch-südafrikanischen Freihandelsabkommens gegeben. Darüber hinaus bietet Art. XXV:5 GATT 1994 die Möglichkeit, sich bei entsprechender Zustimmung der übrigen GATT-Vertragsparteien von bestimmten Verpflichtungen befreien zu lassen („waiver“). Auch dies ist für das TDCA nicht erfolgt. Schließlich stellt Art. XXIV selbst – wie unter C. I. 1. ausgeführt – eine Vorschrift dar, die Abweichungen von den GATTVerpflichtungen zulässt, wenn die Bildung der Freihandelszone ansonsten verhindert werden würde, sofern die Voraussetzungen nach Art. XXIV GATT 1994 erfüllt sind.25 Da sich nach den obigen Aussagen jedoch vertreten lässt, dass sich Art. XXIV nur auf das GATT beschränkt, bietet die Vorschrift keine Ermächtigungsgrundlage zur Abweichung von den übrigen WTO-Übereinkommen. Im Ergebnis ergibt sich aus Art. 41 Abs. 1 lit. a WVK damit keine Möglichkeit, das WTO-Recht im Rahmen des TDCA abzuändern. b) Vertragsänderung nach Art. 41 Abs. 1 lit. b WVK Eine Vertragsänderungskompetenz kann darüber hinaus aus Art. 41 Abs. 1 lit. b WVK folgen. Dies setzt allerdings voraus, dass die in den GATTbzw. WTO-Vertragswerken genannten Vorschriften zu möglichen Vertragsmodifikationen nicht abschließend zu verstehen sind. Ausdrücklich nehmen beide Verträge zu dieser Frage keine Stellung. Infrage kommt daher allenfalls ein implizites Verbot. Wie der ILC-Kommentierung zu Art. 41 Abs. 1 lit. b zu entnehmen ist, kann von einem ungeschriebenen Verbot nur dann ausgegangen werden, wenn die fragliche Vertragsänderung mit dem Vertragsziel und -zweck von vornherein unvereinbar ist.26 Da sowohl die GATT/WTO-Übereinkommen als auch das TDCA das Ziel verfolgen, den Handel zu fördern und anerkannt ist, dass regionale und multilaterale Integration nebeneinander Bestand haben sollen, wird sich ein ungeschriebenes Verbot im Ergebnis nicht bejahen lassen. Im Übrigen zeigt die Staatenpraxis, dass regionale Handelsübereinkommen im Sinne des Art. XXIV GATT 1994 zunehmend als umfassende Handelsverträge konzipiert werden. Inso25 Dazu ausführlich Appellate Body Bericht „Turkey-Textiles“ WT/DS34/AB/R vom 22. Oktober 1999, Ziffer 42 ff. 26 ILC-Reports, 1966 Ziffer 24 auf S. 384.
I. Rechtfertigung der bilateralen Handelsordnung
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fern hätte es bei der Gründung der WTO im April 1994 eines ausdrücklichen Verbots für von den WTO-Übereinkommen abweichende Handelsvorschriften bedurft, wollte man die Wirkungen des Art. 41 Abs. 1 lit. b WVK ausschließen. Schließlich wird eine entsprechende Wertung auch durch die Entscheidung des Appellate Body im Turkey-Textiles-Fall27 gestützt, wenn man ihr eine bestimmte Wertentscheidung zugunsten regionaler Zusammenschlüsse entnimmt. Auch wenn der Appellate Body lediglich festgestellt hat, dass die Bildung von Zollunionen und Freihandelszonen grundsätzlich geeignet ist, Verstöße gegen GATT-Vorschriften zu rechtfertigen,28 und damit keine ausdrückliche Aussage zu Verstößen gegen WTOÜbereinkommen getroffen hat, ist der Entscheidung doch eine grundsätzliche Bereitschaft zu entnehmen, Ausnahmen zur multilateralen Handelsordnung zu akzeptieren, sofern die in der Entscheidung genannten Bedingungen (Vereinbarkeit mit Art. XXIV:8 und 5 GATT 1994) vorliegen.29 In diesem Sinne ist festzustellen, dass sich ein grundsätzliches Verbot der Abweichung von WTO-Übereinkommen nicht erkennen lässt. Somit sind die zusätzlichen Voraussetzungen des Art. 41 Abs. 1 lit. b WVK zu beachten. Zum einen dürfen die Rechte und Pflichten Dritter nicht beeinträchtigt werden und zum anderen darf die Abweichung nicht mit der Verwirklichung von Ziel und Zweck des gesamten WTO-Übereinkommens unvereinbar sein. Durch diese weitreichenden Einschränkungen werden insbesondere die Interessen der nicht an der Freihandelsvereinbarung partizipierenden übrigen WTO-Mitglieder geschützt.30 Dabei wird auch dem Rechtsgedanken des Art. XXIV:4 GATT 1994 Rechnung getragen, wonach es das Ziel einer Freihandelsvereinbarung sein muss, „den Handel zwischen den teilnehmenden Gebieten zu erleichtern, nicht aber dem Handel anderer 27
Appellate Body Bericht „Turkey-Textiles“ WT/DS34/AB/R vom 22. Oktober 1999. 28 Appellate Body Bericht „Turkey-Textiles“ WT/DS34/AB/R vom 22. Oktober 1999, Ziffer 45. 29 Bogdandy/Makatsch, Kollision, Koexistenz oder Kooperation? Zum Verhältnis von WTO-Recht und europäischem Außenwirtschaftsrecht in neueren Entscheidungen, EuZW 2000, S. 261, 265. 30 So auch die EG im CRTA (WT/REG/M/14 vom 24. November 1997, Ziffer 13): „Where barriers were lowered legitimately and preferentially between parties to an agreement, the net position of third parties should not be affected. This was not surprising in the light of international law on multilateral treaties, which held that generally, parties to a multilateral agreement could form subsequent agreements between a subset of the membership of the wider agreement, varying their rights and obligations as beween themselves, provided they did not abridge the rights of third countries to the wider, underlying agreement. Article XXIV:4 seemed to do no more than to translate into language of trade policy that wider principle“.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
Vertragsparteien mit diesen Gebieten Schranken zu setzen“. Dementsprechend ergibt sich für Abweichungen von den WTO-Übereinkommen im Rahmen von Art. XXIV GATT 1994 das gleiche wie für Abweichungen vom GATT 1994: Sie sind zulässig, wenn die materiellen Voraussetzungen nach Art. XXIV erfüllt sind und insbesondere der Handel mit Dritten nicht unnötig beschränkt wird. Damit steht im Ergebnis fest, dass sich die Befugnis zur Abweichung von WTO-Übereinkommen im Rahmen eines Freihandelsabkommens auch aus Art. 41 Abs. 1 lit. b WVK ergibt, wobei die Schranken – wie auch bei Abweichung von sonstigen GATT-Vorschriften – Art. XXIV GATT 1994 zu entnehmen sind.
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen Nachdem die grundsätzliche Zulässigkeit der Schaffung einer bilateralen Handelsordnung im Rahmen eines Freihandelsabkommens feststeht, soll in einem zweiten Schritt ein Vergleich der Regelungen des TDCA mit dem WTO-Recht vorgenommen werden. Eine derartige Untersuchung von Regionalabkommen wurde vom CRTA bereits im Jahr 1998 vorgenommen – vor allem mit der Zielrichtung, innovative Regelungen zu identifizieren.31 Diese können auch für die Weiterentwicklung der multilateralen Handelsordnung eine Rolle spielen, wie den Freihandelsvereinbarungen insoweit insgesamt eine Modellfunktion zukommt. In diesem Zusammenhang soll – soweit möglich – auch auf die Motivation für mögliche Abweichungen eingegangen werden und deren Konsequenzen für den bilateralen Handel analysiert werden. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund der Ausführungen unter C.I. wichtig, da – wie oben festgestellt – Abweichungen von den Vorschriften des GATT und der WTO-Übereinkommen nur soweit zulässig sind, wie die Maßnahmen zur Errichtung der Freihandelszone notwendig sind und dem Handel anderer Vertragsparteien mit der Zone keine unnötige Schranken setzen. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang ferner, dass zunächst nicht alle der nachfolgend dargestellten Regelungen in Kraft getreten sind. Ausweislich des Briefwechsels zwischen der Gemeinschaft und Südafrika über die vorläufige Anwendbarkeit des TDCA32 wurden lediglich die Art. 1 bis 3, 5 bis 26, 65 bis 82, 93 bis 97 und 99 bis 109, die Anhänge I bis VII sowie X und die Protokolle I und II des Abkommens ab dem 1. Januar 2000 für 31
WT/REG/W/26 vom 5. Mai 1998. Abkommen in Form eines Briefwechsels über die vorläufige Anwendung des Abkommens über Handel, Entwicklung und Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Südafrika andererseits, Abl. EG Nr. L 311/2 vom 4.12.1999. 32
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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vorläufig anwendbar erklärt.33 Erst nachdem sich alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und Südafrika zum 30. April 2004 „einander den Abschluss der erforderlichen Verfahren notifiziert haben“, die zur völkerrechtlichen Verbindlichkeit in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen vorgeschrieben sind, konnte das Abkommen nach Art. 109 TDCA zum 1. Mai 2004 vollständig in Kraft treten. 1. Schutzmaßnahmen Ein wichtiger Bereich, der in vielen bilateralen Handelsvereinbarungen enthalten ist, ist der sog. „safety valve“ für Notstandsmaßnahmen.34 Diese Schutzklausel nimmt den Vertragspartnern den Druck, entweder zusehen zu müssen, wie der inländische Markt empfindlich gestört wird, oder das ganze Abkommen zum Schutz der betroffenen Wirtschaftsbereiche kündigen zu müssen, wenn die eingegangenen Zollzugeständnisse und andere Verpflichtungen zu einem völlig unerwarteten Anstieg der Importe in bestimmten Wirtschaftsbereichen beitragen. Obwohl – wie bereits im zweiten Kapitel dargestellt35 – im Vorfeld des TDCA Untersuchungen und Simulationen über die Auswirkungen des Freihandels auf die jeweils inländische Wirtschaft durchgeführt wurden,36 ließ sich nicht jede diesbezügliche Entwicklung vorhersagen. Schon deshalb war es für die Vertragspartner von höchster Priorität, im TDCA Schutzmaßnahmen zuzulassen, was nicht zuletzt auch darin seinen Ausdruck findet, dass die einschlägigen Art. 24–26 TDCA die wortreichsten Einzelregelungen des gesamten Abkommens darstellen.
33 Auch die Abkommen über den Wein- und Spirituosenhandel werden nur vorläufig angewendet: Beschluss des Rates 2002/53/EG vom 21. Januar 2002 über die vorläufige Anwendung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Südafrika über den Handel mit Wein, Abl. EG Nr. L 28/129 vom 30.1.2002 und Beschluss des Rates 2002/54/EG vom 21. Januar 2002 über die vorläufige Anwendung des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Südafrika über den Handel mit Spirituosen, Abl. EG Nr. L 28/131 vom 30.1.2002. 34 Mathis, Regional Trade Agreements in the GATT/WTO, S. 189; Lee/Mah, Reflections on the Agreement on Safeguards in the WTO, WC 21 (1998), S. 25. 35 Siehe B. II. 2. a) bb). 36 So z. B. die von UNCTAD und dem South African Trade and Industrial Policy Secretariat (TIPS) vorgenommene SMART Simulation. Zu den Ergebnissen, siehe Teljeur/Jachia, Free Trade with Europe – the winners and losers, the results of the SMART Simulation, Trade and Industry Monitor, 6. Juli 1998 & Trade and Industrial Policy Secretariat Working Paper Nr. 11, Juli 1998.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
a) Tatbestand Die TDCA-Schutzklausel findet sich in Art. 24, dessen Ziffer 1 auf die relevanten WTO-Übereinkommen über Schutzmaßnahmen (Agreement on Safeguards, SMÜ) und Landwirtschaft (Agreement on Agriculture, AoA) Bezug nimmt. Art. 24 Abs. 1 TDCA nennt die folgenden tatbestandsbegründenden Voraussetzungen für Schutzmaßnahmen im TDCA-Binnenhandel: „Wird eine Ware in derart erhöhten Mengen und unter solchen Bedingungen eingeführt, dass den inländischen Herstellern gleichartiger oder unmittelbar konkurrierender Waren im Gebiet einer Vertragspartei ein erheblicher Schaden zugefügt wird oder droht, so kann die Gemeinschaft oder Südafrika, je nachdem welche Vertragspartei betroffen ist, unter den Voraussetzungen des WTO Übereinkommens über Schutzmaßnahmen oder des Übereinkommens über die Landwirtschaft (. . .) und nach dem Verfahren des Art. 26 geeignete Maßnahmen treffen“.
Insofern beschreibt Art. 24 Abs. 1 TDCA lediglich den Kerntatbestand für Schutzmaßnahmen, der durch die Vorschriften der WTO-Übereinkommen entsprechend ergänzt wird. aa) Steigerung der Einfuhren Zwischen Art. 2 Ziffer 1 des WTO-Übereinkommens über Schutzmaßnahmen bzw. Art. XIX:1 GATT 1994 und Art. 24 TDCA besteht insoweit Übereinstimmung, als zur Rechtfertigung von Schutzmaßnahmen Güter in „erhöhten Mengen“ und zu schädigungsrelevanten „Bedingungen“ eingeführt werden müssen. Da die erste dieser beiden Voraussetzungen jedoch die beabsichtigte und logische Konsequenz einer jeden Freihandelsvereinbarung und der in diesem Zusammenhang eingegangenen Verpflichtungen ist, kommt es entscheidend darauf an, welche weiteren qualifizierenden Voraussetzungen gegeben sein müssen. Art. 24 Abs. 1 TDCA gibt dazu keine weiteren Hinweise. Liest man die Vorschrift jedoch zusammen mit Art. XIX:1 GATT 1994, so ergibt sich als weitere entscheidende Bedingung, dass sich die überhöhte Importmenge als Auswirkung „unvorhergesehener Entwicklungen“ erweisen muss. Diese Anforderung wurde vom Appellate Body wie folgt konkretisiert: „(. . .) The ordinary meaning of the phrase „as a result of unforseen developments“ requires that the developments which led to a product being imported in increased quantities und under such conditions as to cause or threaten to cause injury to domestic producers must have been ‚unexpected‘.“37 37 Appellate Body Bericht „Korea-Dairy“ WT/DS98/AB/R vom 14. Dezember 1999, Ziffer 84; Appellate Body Bericht „Argentina-Footwear“ WT/DS121/AB/R vom 14. Dezember 1999, Ziffer 91.
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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In diesem Zusammenhang reicht es allerdings nicht aus, wenn gleichartige oder unmittelbar konkurrierende Waren in erhöhten Mengen als Folge der eingegangenen Verpflichtungen unerwartet auf den inländischen Markt drängen. Vielmehr müssen die zuständigen Behörden gemäß den detaillierten Anforderungen des Art. 4 Ziffer 2 SMÜ alle einschlägigen Umstände dieser Einfuhrsteigerungen eingehend untersuchen. Dabei sind insbesondere deren Umfang, Wert und Zeitraum umfassend zu analysieren. Der dabei anzuwendende Prüfungsrahmen lässt sich mit den Worten des Appellate Body wie folgt zusammenfassen: „The increase in imports must have been recent enough, sudden enough, sharp enough, and significant enough, both quantitatively and qualitatively, to cause or threaten to cause ‚serious injury‘.“38
Im Gegensatz zu Art. 2 Ziffer 1 SMÜ enthält Art. 24 Abs. 1 TDCA keine Qualifizierung dahingehend, dass die Importerhöhungen entweder „absolut oder im Vergleich zur inländischen Produktion“ zu bestimmen sind.39 Dies erscheint angesichts der Verweisung auf das SMÜ entbehrlich, denn bereits daraus lässt sich ableiten, dass auch nach dem TDCA Importmengenveränderungen alternativ nach ihrer absoluten Höhe oder im Verhältnis zum Inlandsmarkt bemessen werden können. bb) Kausale Schädigung eines Wirtschaftszweigs Zur Feststellung eines „erheblichen Schadens“ oder eines „drohenden erheblichen Schadens“ für einen „inländischen Wirtschaftszweig“ können angesichts der identischen Begriffsbestimmungen die Definitionen und Grundsätze aus Art. 4 SMÜ unmittelbar herangezogen werden. Dies gilt auch im Hinblick auf das Erfordernis der Kausalität zwischen dem Anstieg der Einfuhren der fraglichen Ware und der (drohenden) erheblichen Schädigung. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass der Standard für einen „erheblichen“ Schaden nach Auffassung des Appellate Body sehr hoch und – im Vergleich zum Standard für Antidumping-Maßnahmen – sehr viel strikter ist als der dort anwendbare Standard einer „materiellen Verletzung“ („material injury“).40
38 Appellate Body Bericht „Argentina-Footwear“ WT/DS121/AB/R vom 14. Dezember 1999, Ziffer 121. 39 Siehe zu den Anforderungen nach WTO-Recht auch Panel Bericht, „US-Line Pipe“ WT/DS202/R vom 29. Oktober 2001, Ziffer 7.211. 40 Appellate Body Bericht „US-Lamb“ WT/DS177/AB/R vom 1. Mai 2001, Ziffer 124.
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b) Anwendung von Schutzmaßnahmen So wie der Tatbestand der Schutzmaßnahmen in Art. 24 TDCA demjenigen aus dem multilateralen Regelwerk der WTO im Wesentlichen entspricht, so sind auch bei deren Durchführung vergleichbare Grundsätze zu beachten. Im Hinblick auf die Auswahl möglicher Schutzmaßnahmen verweist Art. XIX:1 GATT 1994 auf die Möglichkeit, für die betroffenen Waren die übernommenen Verpflichtungen ganz oder teilweise aufzuheben oder das betreffende Zugeständnis zurückzunehmen oder abzuändern, soweit und solange dies zur Verhütung oder Behebung des Schadens erforderlich ist. Damit sind Schutzmaßnahmen, anders als Antidumping- oder Ausgleichsmaßnahmen, nicht typisiert. In der Praxis sind die meisten Schutzmaßnahmen noch unter dem GATT 1947 in Form von erhöhten Zöllen (einschließlich Zollquoten), quantitativen Einschränkungen und Einfuhrgenehmigungen ergangen.41 Will ein TDCA-Vertragspartner Schutzmaßnahmen einführen, so ist er nach Art. 26 Abs. 1 TDCA verpflichtet, den anderen Vertragspartner von der nach Art. 4 Ziffer 2 SMÜ erforderlichen Untersuchung zu unterrichten und ihm diesbezüglich ausreichend Konsultationsmöglichkeiten einzuräumen, wie dies auch nach Art. 12 Ziffer 3 SMÜ erforderlich ist. Vor der Einführung von Schutzmaßnahmen sind dem Kooperationsrat nach Art. 26 Abs. 2 TDCA „alle zweckdienlichen Angaben“ zu machen, damit dieser in die Lage versetzt ist, auf eine „annehmbare Lösung“ hinzuwirken. Zwar werden die Gegenstände dieser Mitteilungspflicht nicht näher bestimmt. Jedoch dürfte sie in Anlehnung an Art. 12 Ziffer 2 SMÜ zumindest folgende Informationen umfassen: Beweise für eine (drohende) erhebliche Schädigung infolge des Anstiegs der Einfuhren, eine genaue Beschreibung der fraglichen Waren und der beabsichtigten Maßnahme, das beabsichtigte Datum der Einführung der Maßnahme sowie die beabsichtigte Geltungsdauer und der Zeitplan für die schrittweise Liberalisierung. Art. 26 Abs. 4 TDCA statuiert ebenfalls eine Pflicht zur Notifikation vor der Einführung von Schutzmaßnahmen. Der Unterschied zwischen den Mitteilungspflichten nach Abs. 2 und 4 besteht allerdings nicht im erforderlichen Informationsgehalt, sondern im Informationszweck. Während der Kooperationsrat die Informationen nach Abs. 2 benötigt, um als Vermittler noch im Vorstadium eine einvernehmliche Lösung zu suchen, dienen ihm Informationen nach Abs. 4 zusätzlich auch zur Überwachung der Rechtmäßigkeit der fraglichen Maßnahmen. Zu deren Durchführung reicht es allerdings nicht aus, den Kooperationsrat umfassend zu informieren. Vielmehr muss ihm – wie auch in Art. 8 Ziffer 2 SMÜ vorgesehen – zusätzlich ein 41
Analytical Index to the GATT, 1995, Volume 1, S. 539 ff.
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Zeitraum von 30 Tagen für Konsultationen mit dem Ziel eines Beschlusses „zur Behebung der Schwierigkeiten“ gewährt werden. Erst danach können die notifizierten Schutzmaßnahmen erlassen werden. Diese sind nach dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs aus Art. 26 Abs. 3 TDCA so zu wählen, dass sie sich entsprechend dem Vorbild des Art. 5 Ziffer 1 Satz 1 SMÜ auf das notwendige Maß beschränken und das Funktionieren des TDCA geringstmöglich beeinträchtigen. Der wesentliche verfahrensrechtliche Unterschied des TDCA im Vergleich zum SMÜ besteht in der regelmäßigen Geltungsdauer der Schutzmaßnahmen. Während sie nach Art. 26 Abs. 5 lit. a TDCA „für höchstens 3 Jahre getroffen werden“ sollten, beträgt diese Frist nach Art. 7 SMÜ 4 Jahre und kann sogar – wenn eine Weiterführung für erforderlich gehalten wird – um weitere 4 Jahre verlängert werden. Allerdings darf die 8-Jahresfrist nach Art. 7 Ziffer 3 SMÜ nicht überschritten werden, wohingegen die Formulierung „sollten“ in Art. 26 Abs. 5 lit. a TDCA darauf schließen lässt, dass in nicht näher definierten Ausnahmefällen ein längerer Zeitraum als die dort vorgesehenen 3 Jahre möglich ist. Es besteht keine formale Regelung für eine Verlängerung einmal getroffener Maßnahmen. Sowohl für das TDCA als auch für das SMÜ gilt, dass bis zum Ende der festgelegten Laufzeit ein schrittweiser Abbau der eingeführten Schutzmaßnahmen vorzusehen ist.42 Im Ergebnis bestehen also lediglich hinsichtlich des nach Art. 26 Abs. 5 lit. a TDCA möglichen Anwendungszeitraums von Schutzmaßnahmen ein Unterschied zum SMÜ. Einerseits ist die dreijährige Regelfrist um ein Jahr kürzer als diejenige in Art. 7 Ziffer 1 SMÜ, andererseits besteht formal keine Höchstbegrenzung in Ausnahmefällen. Da Schutzmaßnahmen gemäß Art. 24 TDCA „unter den Voraussetzungen des WTO-Übereinkommens über Schutzmaßnahmen (. . .) und nach dem Verfahren des Art. 26“43 ergehen müssen, gelten auch für sie die Höchstgrenzen des SMÜ. Allerdings sieht das TDCA im Gegensatz zum SMÜ keine Verlängerungsmöglichkeit vor, so dass der längstmöglich Zeitrahmen für eine Schutzmaßnahme im Ergebnis vier Jahre beträgt und damit kürzer ist als derjenige des SMÜ. c) Eilmaßnahmen Eine Besonderheit des TDCA liegt darin, dass es in Art. 26 Abs. 5 lit. b einen Tatbestand für Sofortmaßnahmen bereithält: „Schließen besondere Umstände, die ein sofortiges Eingreifen erfordern, eine vorherige Unterrichtung bzw. Prüfung aus, so kann die Gemeinschaft oder Südafrika, 42 Nach Art. 7 Ziffer 4 Satz 1 SMÜ gilt dies im Rahmen der WTO nur für Maßnahmen von über einjähriger Dauer. 43 Hervorhebung durch den Verfasser.
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je nachdem, welche Vertragspartei betroffen ist, in den Fällen des Art. 24 unverzüglich die zur Abhilfe notwendigen Sicherungsmaßnahmen treffen; die andere Vertragspartei wird unverzüglich unterrichtet“.
Das Eilverfahren lehnt sich an die Regelung zu vorläufigen Schutzmaßnahmen in Art. 6 SMÜ an, die ebenfalls „unter kritischen Umständen, unter denen ein Aufschub einen schwer wiedergutzumachenden Schaden verursachen würde“, getroffen werden dürfen. Während Art. 6 SMÜ entsprechende Maßnahmen nur für bis zu 200 Tage duldet und vorläufige Beweise für den Anstieg der Einfuhren, die (drohende) Schädigung und Kausalität vorliegen müssen, finden sich in Art. 26 Abs. 5 lit. b TDCA überhaupt keine eigenen Tatbestandsvoraussetzungen, sondern lediglich der Verweis auf Art. 24. Daraus folgt, dass auch bei Eilmaßnahmen sämtliche Voraussetzungen für das Ergreifen ordentlicher Schutzmaßnahmen erfüllt sein müssen. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass das Notifikations- und Konsultationsverfahren nicht bereits vor Ergreifen der Schutzmaßnahmen durchgeführt werden muss, sondern notfalls „unverzüglich“ nachgeholt werden kann. Trotz dieser Verfahrensvereinfachung sind die Eilmaßnahmen nicht vorläufig und müssen deshalb von Anfang an sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen ohne Abstriche erfüllen. d) Vorläufige Schutzmaßnahmen Im Gegensatz zur Gemeinschaft ist Südafrika gemäß Art. 25 TDCA berechtigt, während der zwölfjährigen Übergangszeit bis zur vollständigen Umsetzung des TDCA im Rahmen der in Art. 25 Abs. 3 vorgesehenen Höchstgrenze44 vorläufige Maßnahmen als Ausnahmen zu den in den Art. 12 und 15 TDCA vereinbarten Zollsenkungen in Form von höheren oder wiedereingeführten Zollsätzen zu erlassen.45 Allerdings gilt die Regelung nur für bestimmte Wirtschaftszweige: „Diese Regelungen dürfen nur junge Industrien oder Wirtschaftszweige betreffen, die ernsten Schwierigkeiten gegenüberstehen, die durch infolge der in den Artikeln 12 und 15 vorgesehenen Zollsenkung erhöhte Einfuhren mit Ursprung in der 44
Art. 25 Abs. 3 TDCA: „Die mit diesen Regelungen eingeführten Einfuhrzollsätze Südafrikas für Ursprungswaren aus der Gemeinschaft dürfen den Ausgangszollsatz oder den angewandten Meistbegünstigungszollsatz, je nachdem, welcher Zollsatz der niedrigste ist, nicht übersteigen und müssen den Ursprungswaren der Gemeinschaft weiterhin eine Präferenz sichern. Der Gesamtwert aller Einfuhren der Waren, für die diese Regelungen gelten, darf 10 v. H. der Gesamteinfuhren gewerblicher Waren aus der Gemeinschaft während des letzten Jahres, für das Statistiken vorliegen, nicht übersteigen“. 45 Auch nach Art. 6 Satz 3 HS 1 SMÜ können Schutzmaßnahmen nur in Form von höheren oder wiedereingeführten Zollsätzen erlassen werden.
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Gemeinschaft verursacht werden und die insbesondere bedeutende soziale Probleme hervorrufen“.46
Das TDCA definiert den Kreis der Begünstigten nicht weiter. So bleibt unklar, wann von „infant industries“ gesprochen werden kann. Nach der Legaldefinition des Art. 26 der SACU-Vereinbarung entwächst ein Industriezweig nach acht Jahren der Schutzbedürftigkeit.47 Ein derart formales Kriterium, das lediglich auf das Alter des betroffenen Industriezweiges abstellt, erscheint hier jedoch nicht sachgerecht, da es die Schutzbedürftigkeit im materiellen Sinne außer Acht lässt. Es ist das Ziel des Art. 25 Abs. 2 TDCA, der südafrikanischen Wirtschaft die Zeit für den erforderlichen Anpassungsbedarf an die Freihandelsvereinbarung zu verschaffen. Dies bestätigt auch die Schaffung einer Ausnahme für „Wirtschaftszweige, die ernsthaften Schwierigkeiten gegenüberstehen“ und die im Hinblick auf Schutzmöglichkeiten „jungen Industrien“ gleichgestellt werden. Somit ist eine an der konkreten Schutzbedürftigkeit orientierte Auslegung angezeigt. Nach Art. 25 Abs. 4 TDCA dürfen vorläufige Schutzmaßnahmen für vier Jahre erlassen werden, soweit der Kooperationsrat nicht sogar eine noch längere Frist beschließt. Dagegen ist die Geltungsdauer nach Art. 7 Satz 2 SMÜ auf bis zu 200 Tage begrenzt. Über vorläufige Schutzmaßnahmen ist der Kooperationsrat gemäß Art. 25 Abs. 6 TDCA zusammen mit einem Plan über die Einführung und den späteren Abbau der Zölle zu notifizieren. Wird anschließend innerhalb von 30 Tagen keine Einigung erzielt, „so kann Südafrika geeignete Regelungen zur Lösung des Problems treffen“, d. h. entsprechende vorläufige Schutzmaßnahmen erlassen. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass die Voraussetzungen für die Ausnahmeregelungen nicht gegeben waren, so besteht – wiederum anders als im WTO-Recht – keine Rückerstattungspflicht. Auch ist nicht bestimmt, dass die Dauer der vorläufigen Maßnahmen der Dauer der nachträglich verfügten ordentlichen Schutzmaßnahmen zuzurechnen ist. Ein Rückgriff auf das WTO-Recht verbietet sich, da Art. 25 TDCA im Gegensatz zu Art. 24 und 26 TDCA nicht unter seinem Vorbehalt steht. Die Privilegierung Südafrikas rechtfertigt sich mit den Unwägbarkeiten einer Anpassung seiner Wirtschaft an den durch das Freihandelsabkommen eröffneten europäischen Wettbewerb. Durch die vereinbarten Höchstgrenzen wird erreicht, dass die Liberalisierungsverpflichtung nicht über Schutz46 Die Formulierung findet sich so in zahlreichen Handelsvereinbarungen der Gemeinschaft. Siehe z. B. Art. 29 Unterabs. 2 des Europaabkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften einerseits und der Tschechischen Republik andererseits. 47 So heißt es in in Art. 26 der SACU-Vereinbarung: „2. Infant industry means an industry which has been established in an area of a Member State for not more than eight (8) years“.
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maßnahmen unterlaufen werden kann. Entscheidend aber ist, dass sich der Tatbestand der vorläufigen Schutzmaßnahmen zum Ende der Übergangszeit überlebt, so dass im Jahr 2012 nur noch Schutzmaßnahmen im Einklang mit dem WTO-Recht gemäß Art. 24 i. V. m. 26 TDCA möglich sind. Zwar könnte der Kooperationsrat gemäß Art. 25 Abs. 4 TDCA eine Verlängerung der Privilegierung Südafrikas beschließen. Dies ist jedoch angesichts des Vetorechts der Gemeinschaft im Kooperationsrat48 nicht zu erwarten. Durch den Ausschluss der vorläufigen Schutzmaßnahmen zum Ende der Interimsphase liegt das TDCA im Liberalisierungsgrad somit über dem Niveau des SMÜ. e) Die Gleichbehandlungspflicht aa) Diskriminierungsverbot Nach Art. 2 Ziffer 2 des WTO-Übereinkommens werden Schutzmaßnahmen „auf eine eingeführte Ware ungeachtet ihrer Herkunft angewendet“. Dieses Diskriminierungsverbot gilt gemäß Art. 100 TDCA auch für die Anwendung von Schutzmaßnahmen im Binnenhandel. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Gemeinschaft oder Südafrika berechtigt wären, den jeweils anderen Freihandelspartner von der Anwendung einer Schutzmaßnahme zu verschonen, die sie im multilateralen Kontext gegenüber WTODrittstaten ergreifen. Einen Ansatzpunkt für die Antwort bietet der vom Appellate Body in der Argentina Footwear49 Entscheidung entwickelte Grundsatz der Parallelität. Ausgangspunkt des Verfahrens war die Frage, ob es zulässig sei, sowohl die Importe aus den Drittstaaten als auch diejenigen aus der Freihandelszone in die zur Schadensermittlung erforderliche Untersuchung einzubeziehen, den Freihandelspartner dann jedoch von der Anwendung der Schutzmaßnahme im Gegensatz zu den WTO-Drittstaaten zu verschonen. Nach der Entscheidung des Appellate Body müssen die Waren, für die im Rahmen der erforderlichen Untersuchung „erhöhte Einfuhren“, ein „erheblicher Schaden“ bzw. eine entsprechende Bedrohung sowie die erforderliche Kausalität festgestellt wurden, mit denjenigen korrespondieren, auf welche die Schutzmaßnahme schließlich Anwendung findet.50 Folgt man der Entscheidung des Appellate Body, ist es nicht zulässig, zur Begründung der Schutzmaßnahmen den Binnen- und Außenhandel heranzu48 Siehe Geschäftsordnung des Kooperationsrates, Abl. EG Nr. L 211/37 vom 17.8.2001. 49 Appellate Body Bericht „Argentina-Footwear“ WT/DS121/AB/R vom 14. Dezember 1999. 50 Appellate Body Bericht „Argentina-Footwear“ WT/DS121/AB/R vom 14. Dezember 1999, Ziffer 111; Appellate Body Bericht „US-Line Pipe“ WT/DS202/AB/ R vom 15. Februar 2002, Ziffer 197.
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ziehen, die Schutzmaßnahmen jedoch anschließend lediglich auf Letzteren anzuwenden, weil die WTO-Drittstaaten dadurch unzulässig diskriminiert würden. Vielmehr ist von Anfang an konsequent zwischen Außen- und Binnenhandel zu trennen. Dabei beurteilt sich ersterer ausschließlich nach dem einschlägigen GATT/WTO-Recht, während für letzteren Art. 24 ff. TDCA zur Anwendung kommen. Entscheidend ist jedoch, dass Untersuchung und Anwendung möglicher Schutzmaßnahmen parallel stattfinden, damit die fraglichen Importerhöhungen gleichmäßig bekämpft werden. Joost Pauwelyn kritisiert diese Entscheidung und verwirft das Parallelitätserfordernis als unnötig kompliziert und nicht sachgerecht.51 Nach seiner Auffassung kann der Problematik der selektiven Anwendung von Schutzmaßnahmen durch Mitglieder einer Freihandelszone besser durch konsequente Anwendung des Art. XIX GATT 1994 begegnet werden. Dieser verlange geradezu, dass WTO-Mitglieder Importe aus der Freihandelszone ausschließen müssen, da er nur für Importerhöhungen gelte, welche aus „auf Grund dieses Übereinkommens eingegangenen Verpflichtungen“ beruhen. Dies beziehe Importerhöhungen, die aus den Liberalisierungsverpflichtungen einer Freihandelszone resultieren, nicht ein, weil letztere ja gerade eine Ausnahme zum GATT darstellen.52 Für Schutzmaßnahmen gegen Importe aus der Freihandelszone könne – soweit vorhanden – nur das entsprechende Schutzmaßnahmenregime dieser Präferenzvereinbarung Anwendung finden. Auch wenn es mit dem SMÜ-Übereinkommen vereinbar sei, die Berechnung der Schädigung auf Importe aus Drittstaaten zu beschränken, dürfe man die übrigen Importe nicht außer Acht lassen. Nur wenn das gesamte Ausmaß der Importerhöhungen bekannt sei, könne auch eine fehlerfreie Zuordnung der schädigenden Wirkungen erfolgen. Klarheit in dieser Frage sei vor allem deshalb erforderlich, weil Drittstaaten nach Art. XIX GATT 1994 nur insoweit Adressaten einer Schutzmaßnahme sein dürfen, wie ihnen kausal eine Schädigung zugerechnet werden kann.53 Um zu beurteilen, inwieweit die Überlegungen von Pauwelyn vom Parallelitätsgebot des Appellate Body abweichen, sind beide Ansätze auf mögliche Fallgestaltungen durchzuspielen. Findet die Untersuchung auf alle Importe in- und außerhalb der Freihandelszone statt und werden die Schutzmaßnahmen anschließend entsprechend angewendet, führen beide Ansätze zu demselben Ergebnis. Wird dagegen eine Untersuchung in- und außerhalb der Freihandelszone durchgeführt und werden anschließend nur 51 Pauwelyn, The Puzzle of WTO Safeguards and Regional Trade Agreements, JIEL 7 (2004) S. 109, 119 ff. 52 Pauwelyn, The Puzzle of WTO Safeguards and Regional Trade Agreements, JIEL 7 (2004) S. 109, 110 ff. 53 Pauwelyn, The Puzzle of WTO Safeguards and Regional Trade Agreements, JIEL 7 (2004) S. 109, 118 f.
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Schutzmaßnahmen gegen Drittstaaten verhängt, so wäre das Parallelitätsgebot verletzt, wohingegen diese Vorgehensweise nach Pauwelyn rechtmäßig wäre, soweit sich die Schutzmaßnahmen gegen Drittstaaten nur auf die ihnen kausal zuzurechnenden schädigenden Importerhöhungen Anwendung finden. Werden die Untersuchungen schließlich lediglich im Hinblick auf Drittstaatsimporte durchgeführt und auch nur auf diese angewendet, so wäre diese Vorgehensweise zwar mit dem Parallelitätsgebot vereinbar, jedoch nicht mit dem Ansatz von Pauwelyn, der immer eine vollständige Untersuchung aller Importe für erforderlich hält, um die Schädigungen exakt zurechnen zu können. Ob die Argumentation von Pauwelyn, der unbestreitbar gewichtige dogmatische Überlegungen ins Feld führt, zwingend zu einer Rechtswidrigkeit des Parallelitätsgebots führt, steht und fällt mit seinem Argument, dass zur Untersuchung der verursachten Schädigung sowohl der Binnen- als auch der Außenhandel einbezogen werden müssen, damit Drittstaaten keinen Schutzmaßnahmen ausgesetzt sind, die an Einfuhren anknüpfen, welche der Präferenzzone zugerechnet werden müssen. Zur Unterstützung seiner Argumentation beruft er sich maßgeblich auf Art. 4 Ziffer 2 lit. b SMÜ-Übereinkommen,54 der bestimmt „Wird dem inländischen Wirtschaftszweig zur gleichen Zeit durch andere Faktoren als dem Anstieg der Einfuhren ein Schaden zugefügt, so darf dieser Schaden nicht dem Anstieg der Einfuhren angelastet werden“.
Diese Vorschrift soll eine falsche Schadenszurechnung verhindern, die dadurch möglich wird, dass erhöhte Einfuhren derselben Ware ihre Ursache sowohl in als auch außerhalb der Präferenzzone haben können. Ihr kann jedoch nicht entnommen werde, dass dieses Ziel nur erreicht werden kann, wenn eine Untersuchung stattfindet, die alle Importe einbezieht. Ob diese Hypothese richtig ist, hängt weniger vom Recht als vielmehr von den faktischen Möglichkeiten einer fehlerfreien Zuordnung der festzustellenden Importerhöhungen ab. Pauwelyn hat diesen Aspekt nicht weiter untersucht. Jedoch wird man davon ausgehen können, dass die vorhandenen Marktbeobachtungsmechanismen ausreichen, um entsprechende Feststellungen zu treffen. In der Praxis steht man jedenfalls bei Antidumping- und Ausgleichsmaßnahmen vor vergleichbaren Herausforderungen, die dort problemlos gemeistert werden. Im Ergebnis reicht es somit aus, wenn die Gemeinschaft und Südafrika bei der Anwendung von Schutzmaßnahmen den Grundsatz der Parallelität beachten, d. h. entweder den TDCA-Binnenmarkt von Anfang an in die Untersuchung und Anwendung einbeziehen oder sich jeweils auf den entsprechenden Handel mit Drittstaaten beschränken. 54 Pauwelyn, The Puzzle of WTO Safeguards and Regional Trade Agreements, JIEL 7 (2004) S. 109, 116 f.
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bb) Regionalausnahmen Nach Art. 24 Abs. 2 und 3 sind „ausnahmsweise“ territorial beschränkte Schutzmaßnahmen zugunsten „der Gebiete in äußerster Randlage der Gemeinschaft“55 bzw. der „Mitglieder der Zollunion Südliches Afrika (SACU)“56 möglich, wenn entsprechende Importerhöhungen dort für ein oder mehrere Mitglieder zu einer „erheblichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage“ führen. Mit dieser Vorschrift wird eine Privilegierung dieser aufgrund ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung benachteiligten Gebiete bewirkt.57 Eine vergleichbare Regelung gibt es im GATT/ WTO-Recht nicht. Das WTO-Übereinkommen über Schutzmaßnahmen sieht zwar in Art. 9 Ziffer 1 vor, dass Schutzmaßnahmen nicht auf eine Ware mit Ursprung in einem Entwicklungsland angewendet werden, solange dessen Anteil an den Einfuhren einen bestimmten Prozentsatz nicht übersteigt und enthält insoweit auch eine Spezialregelung für wirtschaftlich benachteiligte Gebiete. Allerdings handelt es sich um eine andere Konstellation, weil das TDCA davon spricht, Schutzmaßnahmen zugunsten beschränkter Gebiete vorzunehmen, wohingegen das SMÜ vorsieht, bestimmte Gebiete von der Anwendung der Schutzmaßnahme auszunehmen. Die Zulässigkeit der Regionalausnahme richtet sich gemäß der insoweit im Turkey Textiles Verfahren entwickelten Grundsätze danach, ob die Vorschrift bei der Vereinbarung der Freihandelszone aufgenommen wurde und der Abschluss des Abkommens verhindert worden wäre, wenn diese Vor55
Es handelt sich dabei um die in Art. 299 Abs. 2 des EG-Vertrags genannten Gebiete. 56 Neben Südafrika gehören der SACU Botswana, Lesotho, Namibia und Swasiland an. 57 So heißt es etwa in der Erklärung (Nr. 26) zur Schlussakte des Vertrages von Maastricht zu den Gebieten in äußerster Randlage der Gemeinschaft: „Die Konferenz erkennt an, dass die Gebiete in äußerster Randlage der Gemeinschaft (französische überseeische Departements, Azoren und Madeira und Kanarische Inseln) unter einem bedeutenden strukturellen Rückstand leiden; dieser wird durch mehrere Faktoren (große Entfernung, Insellage, geringe Fläche, schwierige Relief- und Klimabedingungen, wirtschaftliche Abhängigkeit von einigen wenigen Erzeugnissen) verschärft, die als ständige Gegebenheiten und durch ihr Zusammenwirken die wirtschaftliche und soziale Entwicklung schwer beeinträchtigen. Sie ist der Auffassung, dass der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und das abgeleitete Recht für die Gebiete in äußerster Randlage zwar ohne weiteres gelten, es jedoch möglich bleibt, spezifische Maßnahmen zu ihren Gunsten zu erlassen, sofern und solange ein entsprechender Bedarf im Hinblick auf die wirtschaftliche und soziale Entwicklung dieser Gebiete objektiv gegeben ist. Diese Maßnahmen müssen sowohl auf die Vollendung des Binnenmarkts als auch auf eine Anerkennung der regionalen Verhältnisse abzielen, damit diese Gebiete den durchschnittlichen wirtschaftlichen und sozialen Stand der Gemeinschaft erreichen können“.
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schrift nicht aufgenommen worden wäre. Vorliegend wird man davon ausgehen können, dass es für die Vertragspartner wichtig war, diese Klausel aufzunehmen, da sie bestimmte Zugeständnisse im Rahmen der Handelsliberalisierung nicht gemacht hätten, wenn die Anwendung von Schutzmaßnahmen für die besonders bedürftigen Gebiete nicht gesondert hätte geregelt werden können. In diesem Sinne weist Alan Sykes auf die politische Bedeutung der Schutzmaßnahmen beim Aushandeln von Liberalisierungsverpflichtungen hin: „safeguards should be understood as a mechanism for the reimposition of temporary protection when commitments to liberal trade impose unexpectedly severe political burdens on officials in importing nations, and when temporary protection will impose comparatively modest political costs on trading partners“.58
Die entsprechende Vereinbarung ist auch bei Abschluss des Vertrags schon getroffen worden und ist – da keine Diskriminierung von nicht am Handel beteiligten WTO-Mitgliedern erfolgt – auch nicht handelsbeschränkend gegenüber Drittstaaten. Wichtig erscheint in diesem Zusammenhang noch, dass die Vorschrift keinen anderen (geringeren) Maßstab für die Untersuchung eines drohenden Schadens vorsieht, sondern lediglich den Referenzrahmen einschränkt, der für die Bestimmung der Folgen des erhöhten Imports relevant ist. Dementsprechend ist die o. g. Sonderklausel in Art. 24 Abs. 2 und 3 TDCA rechtlich nicht zu beanstanden. f) Institutionelle Regelungen Der Kooperationsrat hat die Aufgabe, die erforderlichen Notifikationen und die Durchführung der Schutzmaßnahmen zu überwachen und innerhalb der vorgeschriebenen Fristen zu einer Lösung bei der Überwindung der Handelsprobleme beizutragen. Institutionell wird ihm damit eine mit dem Kommitee für Schutzmaßnahmen vergleichbare Rolle zugewiesen. Allerdings besteht der Kooperationsrat lediglich aus Mitgliedern oder Vertretern des Rates der Europäischen Union und der Europäischen Kommission einerseits sowie der südafrikanischen Regierung andererseits,59 mithin ausschließlich aus Vertretern der potenziellen Konfliktparteien. Angesichts dieser Zusammensetzung, der nahezu zwangsläufig widerstreitenden Interessen und der Verpflichtung auf das Konsensprinzip60 sind die Vermittlungsmöglichkeiten dieser Institution eingeschränkter als diejenigen, welche der dem 58
Sykes, The Safeguards Mess: A Critique of WTO Jurisprudence, S. 2. Siehe Art. 1 der Geschäftsordnung des Kooperationsrates, Abl. EG Nr. L 211/ 37 vom 17.8.2001. 60 Siehe Art. 10 der Geschäftsordnung des Kooperationsrates, Abl. EG Nr. L 211/ 37 vom 17.8.2001. 59
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GATT-Rat unterstellte Ausschuss für Schutzmaßnahmen als „dritte Instanz“ besitzt.61 Die Problematik ist einem Freihandelsabkommen immanent, da es im Regelfall keine dritte „unbeteiligte“ Institution mit supranationalem Charakter gibt, die vermittelnd wirken kann. g) Fazit Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Regelungen im TDCA zu den Schutzmaßnahmen insoweit von den WTO-Vorschriften abweichen, als der Anwendungszeitraum der Schutzmaßnahmen und des Eilverfahrens jeweils anders gestaltet ist und eine besondere territoriale Schutzklausel geschaffen wurde. Wie sich in der Analyse dieser Abweichungen gezeigt hat, sind diese rechtlich unproblematisch und dürften insoweit auch vom CRTA nicht beanstandet werden. 2. Die Wettbewerbssicherung Wie auch das GATT und die WTO-Übereinkommen bestimmte Formen von Wettbewerbsverzerrungen im Interesse eines unverfälschten Wettbewerbs reglementieren, so trifft auch das TDCA konkrete Aussagen über die Zulässigkeit oder Rechtswidrigkeit von Antidumping- und Ausgleichsmaßnahmen und das öffentliche Beschaffungswesen. Darüber hinaus werden aber auch staatliche Beihilfen und die Wettbewerbspolitik in das TDCA einbezogen, so dass die Regelungsweite bereits eine umfassendere Wettbewerbssicherung als im multilateralen Kontext vermuten lässt. a) Antidumping- und Ausgleichsmaßnahmen Neben den Schutzmaßnahmen enthält das TDCA in Art. 22 ein zweites Regime, das den Vertragsparteien unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit bietet, Liberalisierungsverpflichtungen aus dem Abkommen (einschließlich Zollzugeständnisse) ganz oder teilweise wieder aufzuheben: das Recht zu Antidumping- und Ausgleichsmaßnahmen gemäß den Vorschriften des GATT 1994. „(1) Dieses Abkommen berührt nicht das Ergreifen von Antidumping- oder Ausgleichsmaßnahmen durch die Vertragsparteien gemäß Art. VI GATT 1994, dem Übereinkommen zur Durchführung des Art. VI GATT 1994 und dem Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, die dem Übereinkommen von Marrakesch zur Errichtung der Welthandelsorganisation beigefügt sind“. 61 Zu dessen Funktion, siehe insbesondere Art. 13 des Übereinkommens über Schutzmaßnahmen.
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aa) Tatbestand Antidumping- und Ausgleichsmaßnahmen erlauben es der Gemeinschaft und Südafrika, Maßnahmen zum Schutz der jeweils eigenen Wirtschaft zu ergreifen, wenn durch Preisunterbietungen gleichartige Waren („like products“) aus einem der beiden Zollgebiete unter ihrem „normalen Wert“ auf den Markt des jeweils anderen Zollgebiets gelangen. Die relevante Dumpingspanne wird nach Art. 2 Ziffer 4 des Übereinkommens zur Durchführung des Art. VI des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (ADÜ) durch einen „fairen Vergleich“ zwischen diesem Normalwert62 und dem Ausfuhrpreis63 ermittelt. Sie kann korrigierende Faktoren berücksichtigen und bildet nach Art. 9 Ziffer 1 ADÜ die Obergrenze für den Antidumpingzoll. Dumping ist nach Art. VI GATT nur zu verurteilen, wenn es eine „bedeutende Schädigung (. . .) eines bestehenden Wirtschaftszweiges verursacht, zu verursachen droht oder wenn es die Einrichtung eines inländischen Wirtschaftszweiges erheblich verzögert“. bb) Abgrenzung zu den Schutzmaßnahmen Die tatbestandlichen Voraussetzungen zum Erlass von Antidumpingmaßnahmen ähneln denjenigen der Schutzmaßnahmen, sind jedoch enger gefasst. So kann Dumping nur vorliegen, wenn „like products“64 anstelle von „like or directly competitive products“ auf den Importmarkt drängen und dort eine „material injury“65 verursachen oder zu verursachen drohen, im Gegensatz zur „serious injury“66 nach dem SMÜ. 62 Wo der tatsächliche Inlandspreis den Normalwert nicht widerspiegelt, kann er auch nach alternativen Berechnungsmethoden auf der Grundlage von Vergleichsdaten fiktiv ermittelt werden. Zu den einzelnen Berechnungsmethoden und Hinweisen auf relevante Panel und Appellate Body Berichte, siehe Stoll/Schorkopf, WTOWelthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 346. 63 Der Ausfuhrpreis entspricht grundsätzlich dem Preis, für den die Ware erstmals an einen Käufer im Einfuhrland verkauft wird. Ausnahmsweise sind auch hier alternative Berechnungsmethoden zulässig, Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 348. 64 Art. 2 Ziffer 2.6. definiert den Begriff „like product“ als eine Ware, „die mit der fraglichen Ware identisch ist, d. h. ihr in jeder Hinsicht gleicht, oder in Ermangelung einer solchen Ware eine andere Ware, die zwar der fraglichen Ware nicht in jeder Hinsicht gleicht, aber Merkmale aufweist, die denen der fraglichen Ware sehr ählich sind“. 65 Das ADÜ enthält zwar keine Definition des Begriffs „material injury“; allerdings benennt Art. 3 Ziffer 4 insgesamt 15 Schädigungsfaktoren: tatsächliche und potenzielle Verringerung des Absatzes, der Gewinne, der Produktion, des Marktanteils, der Produktivität, der Investitionserträge oder der Kapazitätsauslastung; Faktoren, die die Inlandspreise beeinflussen; die Höhe der Dumpingspanne; tatsächliche
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Die unterschiedliche Strenge in den Begrifflichkeiten deutet bereits auf die unterschiedliche materiellrechtliche Bedeutung beider Rechtsinstitute hin. Während Schutzmaßnahmen nach Art. 24 ff. TDCA den Vertragsparteien die Möglichkeit bieten, auf eine rechtmäßige, aber überraschende Handelsentwicklung („fair trade“) so zu reagieren, dass der betroffenen inländischen Wirtschaft die Zeit zur notwendigen Anpassung verschafft wird, geht es bei der in Art. 23 TDCA geregelten Antidumpingordnung um die Abwehr von Wettbewerbsverfälschungen,67 welche durch private Preisunterbietungen und unfaire Angebotspraktiken verursacht wurden („unfair trade“). Schutzmaßnahmen betreffen das Handelsvolumen, Antidumpingmaßnahmen den Preis. Es bestehen aber auch verfahrensrechtliche Unterschiede. So sollten Schutzmaßnahmen nach Art. 26 Abs. 5 lit. a TDCA spätestens nach 3 Jahren wieder zurückgenommen werden,68 während die Regelbegrenzung in Art. 11 Ziffer 3 des ADÜ mit fünf Jahren großzügiger ist und sogar noch verlängert werden kann, wenn die Aufhebung der Maßnahme nach Feststellung der Behörde ein Andauern oder Wiederkehren des Dumpings und der damit verbundenen Schädigung zur Folge hätte. In der Praxis zeigt sich, dass einmal erlassene Antidumpingmaßnahmen häufig überhaupt nicht mehr zurückgenommen werden und somit eine größere Hintertür bieten, um einmal eingegangene Liberalisierungsverpflichtungen wieder aufzuheben.69 Dieser Umstand wird auch dadurch begünstigt, dass es im Antidumpingübereinkommen an einer mit Art. 8 SMÜ vergleichbaren Regel fehlt, wonach der Umfang an Zugeständnissen und sonstigen Verpflichtungen in der Bilanz z. B. durch Handelskompensationen aufrechtzuerhalten ist, d. h. die Kosten für entsprechende Interventionen fallen demjenigen zu, der sie zu Gunsten seines Importmarktes durchführt. Dagegen ist die Kostenverteilung und potenzielle negative Auswirkungen und Cash-flow, Lagerbestände, Beschäftigung, Löhne, Wachstum, Kapitalbeschaffungs- oder Investitionsmöglichkeiten. Obwohl die Liste nicht erschöpfend ist, sind alle Kriterien zwingend zu untersuchen, siehe Appellate Body Bericht „Thailand-H-Beams“ WT/DS122/AB/R vom 12. März 2001, Ziffer 125. Darüber hinaus legt Art. 3 Ziffer 1 fest, dass „eindeutige Beweise“ für eine Schädigung vorliegen müssen, die durch eine „objektive Prüfung“ zu ermitteln sind. Siehe dazu auch Appellate Body Bericht „Thailand-HBeams“ WT/DS122/AB/R vom 12. März 2001, Ziffer 107, 111. 66 Der Begriff „serious injury“ wird in Art. 4 Ziffer 1a) des SMÜ definiert als eine „erhebliche allgemeine Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage eines inländischen Wirtschaftszweiges“. 67 „The application of a safeguard measure does not depend upon ‚unfair‘ trade actions as is the case with anti-dumping or countervailling measures“, Appellate Body Bericht „Argentina-Footwear“ WT/DS121/AB/R vom 14. Dezember 1999, Ziffer 94. 68 Nach Art. 7 SMÜ gilt im WTO-Recht eine Höchstdauer von acht Jahren. 69 Weltbank, Global Economic Prospects and the Developing Countries, S. 53.
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beim Antidumping genau umgekehrt, denn dort hat die Exportwirtschaft des betroffenen Handelspartners die Kosten entsprechender Maßnahmen zu tragen.70 Angesichts dieser wirtschaftlichen Implikationen verwundert es nicht, dass in der Praxis der WTO die Zahl der Antidumpingmaßnahmen diejenige der Schutzmaßnahmen bei weitem übersteigt.71 Zwar soll durch das ADÜ eine Umgehung der strengeren Anforderungen der Schutzmaßnahmen verhindert werden;72 allerdings lassen die Zahlen Zweifel daran aufkommen, ob dies tatsächlich gelingt. Auch wenn die Zahl der Antidumpingmaßnahmen im Gegensatz zu den Schutzmaßnahmen leicht rückgängig ist,73 bewegt sie sich doch auf sehr hohem Niveau. cc) Das Verfahren Grundsätzlich können einheimische Unternehmen schon bei vermuteten Preisunterbietungen der unliebsamen Konkurrenz aus dem Ausland gemäß Art. 5 des ADÜ von den nationalen Behörden eine Antidumpinguntersuchung verlangen. Es ist allerdings erforderlich, dass der schriftlich zu stellende Antrag (Ziffer 5.1) Beweismittel für das Vorliegen des Dumpings, der Schädigung bzw. Bedrohung eines Wirtschaftszweigs und für den Kausalzusammenhang zwischen beiden enthält, dass ihm Angaben über den betroffenen Wirtschaftszweig, die gehandelte Ware, den Handelspreis und die festgestellten Auswirkungen der Importe beigefügt werden (Ziffer 5.2), dass er von Produzenten mit 25 Prozent der Inlandsproduktion unterstützt wird (Ziffer 5.4) und dass die Dumpingsumme mehr als 2 Prozent des Ausfuhrpreises ausmacht (Ziffer 5.8). Nach Einleitung der Untersuchung muss die Behörde den angeblich betroffenen Exporteuren und den Regierungen der Ausfuhrländer den Wortlaut des schriftlichen Antrags mitteilen (Art. 6, Ziffer 6.1.3), damit diese ihre Interessen verteidigen können.74 Ist dieses Verfahren abgeschlossen und sind die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt, dann kann die zuständige Behörde des Einfuhrlandes auf nationaler Rechtsgrundlage einen (endgültigen)75 Antidumpingzoll festsetzen, der die (drohende) Schädigung des inländischen Wirtschaftszweiges beseitigen soll.
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Araujo/Macario/Steinfatt, Antidumping in the Americas, S. 10. Im Jahr 2001 wurden 347 Antidumping Maßnahmen initiert, aber nur 14 Schutzmaßnahmen, WTO Annual Report 2003, S. 23 f. 72 Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 341. 73 WTO Annual Report 2003, S. 23 f. 74 Zu den Einzelheiten des Verfahrens, siehe Art. 5, 6 und 12 ADÜ. 75 Zu Möglichkeit, vorläufige Maßnahmen anzuwenden, siehe Art. 7 ADÜ. 71
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dd) Fazit Die Verteidigung der eigenen Interessen im Antidumpingverfahren ist für die betroffenen Anbieter und Konkurrenten häufig mit großem Aufwand und Kosten verbunden. Dabei dürfte es sich gerade für kleinere Anbieter als schwierig erweisen, sich vor den Behörden des Bestimmungslandes ihrer Waren durchzusetzen, so dass sie im Ergebnis „freiwillige“ Preisanhebungen einem aus ihrer Sicht aussichtslosen Verfahren vorziehen. Angesichts dieser Unzulänglichkeiten wird deshalb zu Recht gefordert, das Verfahren vor den nationalen Behörden durch ein einheitliches WTO-Verfahren zu ersetzen, das gleichzeitig vereinfacht und im Vergleich zu dem erlaubten Zeitrahmen von 18 Monaten (Ziffer 5.10) verkürzt werden müsste.76 Die Gemeinschaft und Südafrika hätten jedenfalls die Möglichkeit gehabt, diese Fragen im Rahmen des TDCA für den bilateralen Handel durch eine gemeinsame Verfahrensordnung für Antidumpingmaßnahmen zu regeln. Dabei hätte es sich insbesondere angeboten, die Kompetenzen des nationalen Untersuchungsverfahrens einer paritätisch besetzten Stelle zu übertragen, um mehr Transparenz in die Anwendung von Antidumpingmaßnahmen zu bringen und auf diese Weise Missbrauchstendenzen entgegenzuwirken.77 Man hätte die Entscheidungen der bilateralen Kommission darüber hinaus der uneingeschränkten Überprüfung im Streitbeilegungsverfahren unterwerfen und damit die in Art. 17 ADÜ vorgesehenen Einschränkungen der Justiziabilität der Entscheidungen der nationalen Behörden im bilateralen Verhältnis außer Kraft setzen können. Jedoch gehören die Gemeinschaft78 und Südafrika79 zu den häufigsten Anwendern von Antidumpingmaßnahmen in der WTO. Der selbstbewusste Umgang mit dem Instrument dürfte deshalb weitergehende Regelungen verhindert haben.80 76
Senti, WTO, S. 366, Rz. 808. Der bereits bestehende Konsultationsbedarf wird auch durch die ad hoc einberufene Gesprächsrunde dokumentiert, siehe Presseerklärung der Delegation der Kommission vom 9. Dezember 2003, http://www.eusa.org.za/Content/Tradeand Economic/TDCA.html, abgerufen am 2.2.2004. 78 Das geltende Antidumpingrecht der EG ist in der Verordnung (EG) Nr. 384/96 des Rates über den Schutz gegen ‚gedumpte‘ Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern vom 22. Dezember 1995 kodifiziert, Abl. EG Nr. L 56/1 vom 6.3.1996. Mit dieser Verordnung wurden die durch das ADÜ getroffenen Präzisierungen der völkerrechtlichen Vorgaben in europäisches Recht umgesetzt, dazu kritisch: Czakert, Das Antidumpingrecht in der Europäischen Gemeinschaft, ZfZ 1998, S. 326, 327. 79 In Südafrika ist das Antidumpingrecht im Board of Tariffs and Trade Act (No 107 aus 1986) und im Customs and Excise Act (No 91 aus 1964) geregelt. Es gilt als mit dem WTO-Recht vereinbar, Sibanda, The South African anti-dumping law: consistency with the GATT Anti-Dumping Code, CILJSA 34 (2001), S. 242, 244 ff. 77
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
Das hier vorgeschlagene bilaterale Verfahren hätte den Handel zwischen der Gemeinschaft und Südafrika erleichtert, ohne Drittstaaten neue Schranken zu setzen und wäre deshalb auch nach Art. XXIV GATT 1994 zulässig gewesen. Dies gilt freilich auch für den im TDCA gewählten Weg, der schlichtweg die WTO-Vorschriften inkorporiert und damit keine über das Maß des Art. XXIV GATT 1994 hinausgehenden Handelsschranken gegenüber Drittstaaten schafft. Ihm ist jedoch anzulasten, dass er die Chancen, die eine Freihandelsvereinbarung bietet, nicht konsequent nutzt. b) Die Wettbewerbspolitik Wettbewerbsbeschränkungen im Handel sind nicht nur durch staatliche Zölle und Kontingente zwischen verschiedenen Staaten möglich, sondern auch durch private Marktaufteilungen. Um den Markt vor solchen Verfälschungen zu schützen, wurde in vielen Staaten ein Wettbewerbsrecht geschaffen, das bereits verhindern soll, dass Unternehmen überhaupt eine marktbeherrschende Stellung einnehmen (Kartellverbot). Neben diesem präventiven Aspekt geht es aber auch darum, die Ausnutzung einer Marktmacht mit entsprechenden Sanktionen zu belegen. Ziel der Wettbewerbssicherung ist es, über die Kräfte des freien Marktes Anreize für Preissenkungen, Qualitätssteigerungen und Innovationen zu schaffen, um so die ökonomische Effizienz der Unternehmen zu steigern und dadurch im Ergebnis zum Wohlstand der Verbraucher beizutragen. Das Wettbewerbsrecht ist also von zentraler Bedeutung für den Bestand der Marktwirtschaft und nimmt deshalb regelmäßig auch eine zentrale Stellung in den meisten nationalen Wirtschaftsrechtsordnungen ein.81 Um einen entsprechenden Schutz auch im bilateralen Handel zu gewährleisten, wurde der Wettbewerbsschutz in Abschnitt D des TDCA verankert. aa) Die Tatbestände der europäisch-südafrikanischen Wettbewerbsordnung Allerdings taten sich die Gemeinschaft und Südafrika in ihren Verhandlungen schwer, gemeinsame Vorschriften zur bilateralen Wettbewerbssicherung zu finden. Es gab keinen Bereich des Vertragsentwurfs, bei dem so 80
Am 30. Juni 2000 belegte die Gemeinschaft mit 190 initiierten Verfahren Platz zwei der WTO-Rangliste, hinter den USA mit 300 Verfahren und direkt gefolgt von Südafrika mit 104 Verfahren. Ihnen folgten Indien (91), Kanada (88) und Mexico (80) auf den Plätzen vier, fünf und sechs, Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 342. 81 In der Bundesrepublik Deutschland sind das für das Kartellrecht das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und für das Wettbewerbsrecht im engeren Sinne das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG).
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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viele überarbeitete Texte vorgelegt wurden.82 Maßgeblich dafür waren vor allem die unterschiedlichen Ausgangspositionen. Während die Gemeinschaft über bewährte Wettbewerbsbestimmungen in Art. 81 ff. EG-Vertrag verfügte, hatte Südafrika sich gerade erst eine grundlegende Reform seiner diesbezüglichen Rechtsgrundlagen verordnet. Mangels effektiver Wettbewerbskontrolle hatten sich nämlich unter dem Apartheidsregime fünf Konglomerate gebildet, die knapp 80 Prozent aller an der Johannesburger Börse gehandelten Aktien kontrollierten und über gemeinsame Tochterunternehmen auf das Engste miteinander verwoben waren.83 Eine Reform der bestehenden Wettbewerbsordnung war also dringend geboten.84 Obwohl von dieser Notwendigkeit überzeugt, wollten die südafrikanischen Unterhändler dem nationalen Gesetzgebungsverfahren nicht mit voreiligen Konzessionen vorgreifen.85 Dagegen drängten die Europäer auf einen bilateralen Wettbewerbsschutz nach Maßgabe des EG-Vertrages. Nachdem das Parlament in Kapstadt im Jahr 1998 schließlich mit dem Competition Act86 ein Gesetz verabschiedete, das sich weitgehend an das europäische Recht anlehnt,87 82 Deus Pinheiro, „Towards a Trade, Development and Co-operation Agreement between the EU and South Africa“, Confidential note of information to the Commission (28. Oktober 1998), S. 14. 83 Pautke, Die kartellrechtliche Erfassung konglomerater Konzentration in der Republik Südafrika, S. 16 ff.; zur Unternehmensstruktur der fünf südafrikanischen Großkonzerne, siehe auch die graphische Darstellung von Pautke auf S. 179 ff. 84 So heißt es in der Präambel zum 1998 verabschiedeten Wettbewerbsgesetzes, Competition Act No 89: „The people of South Africa recognise: That Apartheid and other discriminatory laws and practices of the past resulted in excessive concentrations of ownership and control within the national economy, weak enforcement of anti-competative trade practices, and unjust restrictions on full and free participation in the economy by all South Africans. That the economy must be open to greater ownership by a greater number of South Africans. That credible competition law, and effective structures to administer that law, are necessary for an efficient functioning economy. That an efficient, competitive economic environment, balancing the interests of all workers, owners and consumers and focused on development, will benefit all South Africans.“ 85 Siehe Deus Pinheiro, „Towards a Trade, Development and Co-operation Agreement between the EU and South Africa“, Confidential note of information to the Commission (28. Oktober 1998), S. 14. 86 South African Competition Act No 89 of 1998; bezüglich verbotener horizontaler Kartellvereinbarungen, siehe Kapitel 2 Teil A Abs. 4 des Gesetzes, bezüglich verbotener vertikaler Kartellvereinbarungen, siehe Kapitel 2 Teil A Abs. 5 des Gesetzes und bezüglich des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, siehe Kapitel 2 Teil B des Gesetzes. 87 „The chief source from which concepts in South Africa’s Competition Act 1998 regarding restrictive practices and abuse of dominance were drawn is the
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
war der Weg für eine Einigung über eine europäisch-südafrikanische Vereinbarung zur Wettbewerbspolitik frei. Die gefundene Lösung, für die eine dreijährige Übergangszeit vereinbart wurde, enthält in Art. 35 lit. a TDCA das Kartellverbot, während Art. 35 lit. b TDCA den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung untersagt: „Soweit sie geeignet sind, den Handel zwischen der Gemeinschaft und Südafrika zu beeinträchtigen, sind mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren dieses Abkommens unvereinbar a) Vereinbarungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen zwischen Unternehmen mit horizontalen Beziehungen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und Vereinbarungen zwischen Unternehmen mit vertikalen Beziehungen, die im Gebiet der Gemeinschaft oder Südafrikas eine erhebliche Verhinderung oder Einschränkung des Wettbewerbs bewirken, es sei denn, die Unternehmen können nachweisen, dass die wettbewerbsfreundlichen Auswirkungen die wettbewerbsfeindlichen überwiegen; b) die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung im Gebiet der Gemeinschaft oder Südafrikas oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen“.
Die Vorschrift entspricht damit im Kern den Tatbeständen der entsprechenden Normen aus dem Europäischen Gemeinschaftsrecht88 und dem 1998 verabschiedeten südafrikanischen Wettbewerbsrecht. Es findet freilich nur Anwendung auf solche Wettbewerbsverletzungen, die im Zollgebiet der einen Vertragspartei zu verantworten sind und deren Wettbewerbsnachteile sich im Zollgebiet der jeweils anderen Vertragspartei auswirken. Dagegen sind Wettbewerbsverstöße, die sich in ihrer Urheberschaft und in ihren Wirkungen auf eines der beiden Zollgebiet beschränken, auch weiterhin nach dem in diesem Zollgebiet geltenden Wettbewerbsrecht zu behandeln.89 treaty of Rome 1957, the founding document of the European Economic Community, which has evolved into the European Community (the EC)“, Reyburn, Competition Law of South Africa, S. FD-3. 88 Siehe Art. 81 Abs. 1 und Art. 82 EG-Vertrag: Art. 81 (1) Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten sind alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, welche den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Gemeinsamen Marktes bezwecken oder bewirken [. . .]. Art. 82 Mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und verboten ist die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Gemeinsamen Markt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen [. . .].
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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Diese Regelung findet keine Entsprechung im WTO-Recht. Obwohl eine multilaterale Wettbewerbsordung für den freien Handel unabweisbar erscheint,90 ist es im Rahmen der WTO bisher nicht gelungen, eine entsprechende internationale Vereinbarung zu schaffen,91 wenngleich eine Arbeitsgruppe mit der Erarbeitung von Kernprinzipien der internationalen Wettbewerbspolitik beschäftigt ist.92 bb) Das Verfahren Art. 37 TDCA bestimmt, dass bei wettbewerbswidrigem Verhalten, welches einer Vertragspartei oder einem inländischen Wirtschaftszweig einen erheblichen Schaden zufügt oder zuzufügen droht, die Anwendung von Maßnahmen nach den Rechtsvorschriften der betroffenen Vertragspartei zulässig ist. Allerdings gilt die Einschränkung, dass dieses Verfahren erst 30 Arbeitstage nach dem Ersuchen um Konsultationen im Kooperationsrat eingesetzt werden kann und dass die Befugnisse der jeweiligen Wettbewerbsbehörde zu beachten sind. Im Ergebnis wird dem Kooperationsrat damit eine temporäre Schlichtungsfunktion zugewiesen, die bei fruchtlosem Fristablauf eine um diesen Zeitraum verzögerte Anwendung von Abwehrmaßnahmen nach dem Wettbewerbsrecht der „betroffenen Vertragspartei“ ermöglicht. Das TDCA begründet somit lediglich eine völkervertragliche Grundlage für die extraterritoriale Anwendung des jeweils eigenen Wettbewerbsrechts93 für den europäisch-südafrikanischen Handel. Damit knüpft es an die auch nach allgemeinem Völkerrecht bestehenden Möglichkeiten an, die nationale Wettbewerbsordnung auch auf Wettbewerbsbeschränkungen anzuwenden, die im Ausland veranlasst sind, sich aber im Inland auswirken.94 Voraussetzung dafür ist nach allgemeinem Völkerrecht, dass der Aus89 Zum Verhältnis des europäischen zum nationalen Wettbewerbsrecht, siehe Streinz, Europarecht, Rz. 808 f. 90 Meibom/Geiger, Ein Weltkartellrecht als ultima ratio, EuZW 2002, S. 261, 266. 91 Siehe Malaguti, Restrictive Business Practices in International Trade and the Role of the World Trade Organisation, JWT 32 (1998), S. 117 ff. 92 Report (2003) of the Working Group on the Interaction between Trade and Competition Policy to the General Council, WT/WTGTCP/7 vom 17. Juli 2003. 93 Die extraterritoriale Anwendung des eigenen Wettbewerbsrechts wird häufig auch ohne ausdrückliche Rechtsgrundlage praktiziert. So z. B. von der Europäischen Kommission (dazu: Emmerich, in: Dauses (Hrsg.), Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, H. I § 1, Rz. 28 ff. m. w. N.). Allerdings ist die anwendende Behörde auf die (ungewisse) Mitwirkung des jeweils anderen Handelspartners angewiesen (Streinz, Europarecht, Rz. 811). 94 Dazu ausführlich Meng, Extraterritoriale Jurisdiction im öffentlichen Wirtschaftsrecht, S. 299 ff.; Basedow, Entwicklungslinien des internationalen Kartellrechts – Ausbau und Differenzierung des Auswirkungsprinzips, NJW 1989, S. 627, 636 ff.
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landssachverhalt zugleich einen Inlandssachverhalt betrifft und zwischen beiden eine „echte Verknüpfung“ besteht.95 Dieser „genuine link“ wäre hier bei einer im Ausland begründeten Störung der eigenen Wettbewerbsordnung gegeben. Allerdings bliebe man dann in der Praxis immer noch auf die Mitwirkungsbereitschaft des jeweils anderen Staates angewiesen.96 Diese Ungewissheit wurde mit der Schaffung einer gemeinsamen Rechtsgrundlage für die Wettbewerbspolitik ein Stück weit überwunden. Insoweit leistet das TDCA einen wichtigen Beitrag zur Durchsetzbarkeit der Wettbewerbspolitik im europäisch-südafrikanischen Marktraum. Die Umsetzung des Art. 35 TDCA hängt im Übrigen von der Effektivität und Effizienz der nationalen Behörden ab, welche die Wettbewerbsverzerrungen ex officio abzuwehren haben. Dabei geht es zum einen darum, inwieweit die Wettbewerbsbehörden sich ex ante gegen Handelspolitiken zur Wehr setzen können, die den Wettbewerb im Inland potenziell erheblich schaden (präventives Verfahren). Zum anderen stellt sich die Frage, inwieweit sie in der Lage sind, einmal festgestellte Wettbewerbsverletzungen ex post wirksam zu bekämpfen (repressives Verfahren). Da das TDCA – abgesehen von Konsultationen im Kooperationsrat – keinen eigenen Sanktionsmechanismus enthält, sondern insoweit auf das Recht der Vertragsparteien verweist, entscheiden die jeweiligen Wettbewerbsordnungen Südafrikas und der Gemeinschaft97 weitgehend über die Qualität der bilateralen Wettbewerbssicherung. Dabei dürfte die Gemeinschaft angesichts ihrer institutionellen Kapazitäten und ihrer langjährigen Erfahrungen auf dem Gebiet der Wettbewerbskontrolle gegenüber Südafrika im Vorteil sein, wenngleich die vereinbarte „Technische Hilfe“ (Art. 39 TDCA) zur Überwindung dieses Defizits beitragen soll. In ihrer Zusammenarbeit haben die Europäische Kommission und die Wettbewerbsbehörde Südafrikas nach Art. 38 TDCA die Verpflichtung zu entgegenkommendem Verhalten zu beachten. Daraus wird man im Einzel95
Gloria, in: Ipsen, Völkerrecht, § 23, Rz. 94 f., S. 285 f. Aus politischen Gründen ist eine solche Kooperation nicht immer möglich. Im Gegenteil: Wo Kartellbehörden und -gerichte das eigene Wettbewerbsrecht nach dem Auswirkungsgrundsatz auf ausländische Unternehmen „extraterritorrial“ anwenden, wird ihnen zum Teil von den beteiligten Unternehmen in den innerstaatlichen Verfahren der Vorwurf der Völkerrechtsverletzung gemacht, während ihre Regierungen gelegentlich sogar in diplomatischen Protestnoten ihr Missfallen zum Ausdruck bringen, Basedow, Entwicklungslinien des internationalen Kartellrechts – Ausbau und Differenzierung des Auswirkungsprinzips, NJW 1989, S. 627, 636 ff. 97 Es würde über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen, eine Analyse beider Wettbewerbsordnungen vorzunehmen. Vielmehr sei auf die diesbezügliche Literatur verwiesen. Zum südafrikanischen Wettbewerbsrecht, siehe: Reyburn, Competition Law of South Africa; zum Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft: Immenga/Mestmäcker (Hrsg.), EG-Wettbewerbsrecht. 96
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fall die Pflicht zur grenzüberschreitenden Amtshilfe ableiten können.98 Dabei ist auch der Grundsatz freundschaftlicher Zusammenarbeit zu beachten: Unbeschadet der Aufgaben, Rechte und Pflichten aus dem Vertrag sollen Untersuchungen oder Maßnahmen, „die erhebliche Auswirkungen auf die Interessen der anderen Vertragsparteien haben könnten“, nach Art. 38 Abs. 4 TDCA möglichst einer für beide Seiten annehmbaren Lösung zugeführt werden. Mit dieser Klausel wird das Tor zur politischen Lösung von Streitigkeiten offen gehalten. Das Forum dafür bildet der Kooperationsrat, dem nach dem TDCA ohnehin die Ausführung des Abkommens im Wesentlichen anvertraut ist.99 cc) Verhältnis von Wettbewerbsrecht und Antidumping Angesichts dieses Wettbewerbsschutzes stellt sich die Frage, ob nicht auf den Verweis auf Antidumping- und Ausgleichsmaßnahmen hätte verzichtet werden können, um den damit verbundenen Handelshemmnissen aus dem Weg zu gehen, wie dies etwa zwischen den EG-Mitgliedstaaten, den Mitgliedstaaten des Europäischen Wirtschaftsraums100 oder zwischen Australien und Neuseeland101 mit Hinweis auf einen ausreichenden Schutz durch das Wettbewerbsrecht geschehen ist. Dies würde voraussetzen, dass über das vereinbarte Wettbewerbsrecht auch alle Fälle des Dumpings wirkungsvoll erfasst werden können. Betrachtet man das Verhältnis von Wettbewerbsrecht und Antidumping, ist zunächst festzustellen, dass beide Rechtsinstitute unterschiedliche Ziele verfolgen. Während es im Antidumping lediglich darum geht, durch Preis98 Zur vereinbarten Amtshilfe im Zollbereich, siehe Art. 48 TDCA i. V. m. Protokoll 2. 99 In den ersten vier Jahren des TDCA (Januar 2000 bis Dezember 2003) ist er insgesamt viermal zusammengekommen, siehe Presseerklärung der Delegation der Kommission vom 9. Dezember 2003, http://www.eusa.org.za/Content/Tradeand Economic/TDCA.html, abgerufen am 2.2.2004. 100 Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR) wurde gebildet durch eine Übereinkunft zwischen den Europäischen Gemeinschaften (EG) und den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA-Staaten). Er trat am 1. Januar 1994 in Kraft. 101 Siehe Art. 4 des „Protocol to the Australia New Zeeland Closer Economic Relations – Trade Agreement on Acceleration of Free Trade in Goods“ vom 18. August 1988: „1. The Member States agree that anti-dumping measures in respect of goods originating in the territory of the other Member State are not appropriate from the time of achievement of both free trade in goods between the Member States on 1 July 1990 and the application of their competition laws to relevant antidumping conduct affecting trans-Tasman trade in goods“, Australian Treaty Series 1988 No 18.
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unterbietungen verursachte Wettbewerbsverfälschungen sowie den Missbrauch von Gegenmaßnahmen abzuwenden, soll durch die Wettbewerbsordnung das Entstehen einer Marktmacht verhindert und ihre missbräuchliche Ausnutzung aufgrund einer marktbeherrschenden Stellung unterbunden werden. Darüber hinaus ist das Antidumpingrecht im Gegensatz zum nationalen Wettbewerbsrecht ausschließlich auf den internationalen Handel zugeschnitten. Nur wenn ausländische Firmen ihre Produkte in wettbewerbsverzerrender Weise auf den Importmarkt eines anderen Zollgebietes bringen, kommt die Anwendung von Antidumpingmaßnahmen zum Schutz der eigenen Wirtschaft in Betracht. Wettbewerbsverzerrungen, die von Unternehmen im eigenen Zollgebiet verursacht werden, sind dagegen ausschließlich nach dem nationalen Wettbewerbsrecht zu behandeln. Bei der Frage des „ob“ von Antidumpingmaßnahmen entscheiden die Regierungsstellen nach Opportunitätsgesichtspunkten. Dies ergibt sich aus dem „handelsdiplomatischen Regelungsansatz“ des ADÜ, das im Gegensatz zur Wettbewerbsordnung nicht einmal eine Aussage über die Zulässigkeit oder Rechtswidrigkeit von Dumping trifft,102 sondern die Mitgliedstaaten lediglich ermächtigt, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Ausgleichszölle zu erheben. Dagegen sind Verletzungen der Wettbewerbsordnung verboten und von Amts wegen zu verfolgen. Erhebliche Unterschiede gelten auch hinsichtlich der Kriterien zur Bestimmung des für die Wettbewerbsanalyse „relevanten Marktes“, der aus dem Produkt- und Dienstleistungsmarkt sowie dem geographischen Markt besteht.103 Er wird im europäischen Wettbewerbsrecht sachlich, örtlich und zeitlich danach eingegrenzt, ob die Güter und Dienstleistungen nach den Verwendungszwecken der Verbraucher funktionell austauschbar sind, da nur in diesem Fall ein Wettbewerb besteht.104 Die zuständigen Wettbewerbsbehörden haben danach zu überprüfen, inwieweit Kartellvereinbarungen oder ein Machtmissbrauch die Marktanteile der beteiligten Unternehmen auf dem relevanten Markt „spürbar“ erhöhen, indem sie kausal eine bestimmte Marktanteilsschwelle überschreiten.105 Diese Grundsätze gelten auch im 102
Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 337. Zur Definition des „relevanten Marktes“, bestehend aus Produkt- und Dienstleistungsmarkt sowie geographischem Markt, im Gemeinschaftsrecht: siehe Bekanntmachung über die Vereinbarungen von geringer Bedeutung, Abl. EG Nr. C 372 vom 9.12.1997 Rz. 13 bis 15; im US-Recht, siehe 1992 Horizontal Merger Guidelines, Federal Trade Commission (Hrsg.) Kapitel 1 http://www.ftc.gov/bc/docs/ horizmer.htm. 104 Siehe auch Bekanntmachung über die Vereinbarungen von geringer Bedeutung, Abl. EG Nr. C 372 vom 9.12.1997; Streinz, Europarecht, Rz. 819, 828. 105 Für die entsprechenden Bagatellgrenzen im Europäischen Wettbewerbsrecht, siehe Bekanntmachung über die Vereinbarungen von geringer Bedeutung, Abl. EG 103
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südafrikanischen Wettbewerbsrecht und finden sich damit ebenfalls als Teil der gemeinsamen europäisch-südafrikanischen Wettbewerbspolitik im TDCA wieder. Dagegen wird im Antidumpingrecht im Rahmen der erforderlichen Marktanalyse lediglich überprüft, ob gleichartige Waren aus einem Land unter ihrem Normalwert auf den Markt eines anderen Landes gelangen und dort gemäß Art. VI GATT 1994 kausal eine bedeutende Schädigung oder eine Bedrohung eines einheimischen Wirtschaftszweigs oder die Verzögerung einer wirtschaftlichen Entwicklung verursachen. Der relevante Markt ist also beschränkt auf den Importmarkt und wird – anders als im Wettbewerbsrecht – über „gleichartige Waren“ und deren „Normalwert“106 näher bestimmt. Zwar verlangt Art. 3 Ziffer 1 des ADÜ zur Abklärung einer bedeutenden Schädigung dieses Marktes eine „objektive Prüfung“ des Umfangs der „gedumpten“ Importe, der Auswirkungen auf die Preise gleichartiger Waren auf dem Inlandsmarkt und der Folgen der Einfuhren für die einheimischen Produzenten dieser Güter, wie auch Art. 3 Ziffer 7 bzw. Art. 3 lit. a des ADÜ für eine Bedrohung eines Wirtschaftszweiges bzw. für die Verzögerung der wirtschaftlichen Entwicklung jeweils konkrete Beweise fordern. Jedoch belegen die in den zahlreichen Streitschlichtungsverfahren vorgelegten – sich widersprechenden – Berechnungen107 nur zu deutlich, dass die genannten Kriterien viel zu unpräzise sind, um die Anwendungsspielräume der Antidumpingverordnung wirksam einzuschränken. So werden die Berechnung einer bedeutenden Schädigung und die nähere Definition des zu untersuchenden Marktes de facto zur Spielwiese der beschwerdeführenden Unternehmen.108 Sie nutzen Antidumping als ein Instrument zur Bekämpfung von Auslandskonkurrenz und fordern ihren Staat zum Schutz der eigenen Wirtschaft auf. Dieser nimmt häufig in Kauf, dass der Erlass von Antidumpingzöllen zu einem Anstieg der Preise in seinem Importmarkt führt und sich – als Reflex – im Exportmarkt ein künstlich hohes Preisniveau hält. Im Ergebnis dominieren also im Antidumpingrecht – trotz einiger Verbesserungen in der Uruguay-Runde109 – die jeweiligen Nr. C 372 vom 9.12.1997, Rz. 9; zu den US-Richtlinien über Firmenzusammenschlüsse aus dem Jahre 1992, siehe auch: Messerlin, Should antidumping be replaced by national or international competition rules? Aussenwirtschaft 49 (1994), S. 351, 356. 106 Dieser ist durch Preisvergleiche zu ermitteln. Es werden entweder der Heimoder Drittlandspreis beziehungsweise die Herstellungskosten zum Vergleich herangezogen. Zu berücksichtigen sind insoweit auch die Verwaltungs-, Vertriebs-, und Gemeinkosten sowie die Gewinnmarge während einer längeren Zeitspanne (in der Regel eines Jahres), vgl. Art. 2.2 der Antidumpingverordnung. 107 Siehe dazu die Beispiele bei Senti, WTO, S. 355 f., Rz. 785 ff. 108 So auch Messerlin, Should antidumping be replaced by national or international competition rules? Aussenwirtschaft 49 (1994), S. 351, 357.
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Forderungen des Gewerbes und der Industrie, die sich in Anbetracht WTOweit zunehmender Zollsenkungen und Zollbefreiungen einem verstärkten Konkurrenzdruck aus dem Ausland ausgesetzt sehen.110 Man kann deshalb den Schluss ziehen, dass das Antidumpingrecht dem Schutz einheimischer Wettbewerber dient,111 während nur das Wettbewerbsrecht den Wettbewerb selbst schützt. Dies findet seine Bestätigung auch darin, dass in konjunkturell schwierigen Zeiten häufiger zu Dumping- und Ausgleichsmaßnahmen gegriffen wird als in wirtschaftlich guten Zeiten,112 wohingegen das Wettbewerbsrecht nicht konjunkturabhängig ist, sondern unabhängig davon ex officio zur Anwendung kommt. Angesichts dieser Unterschiede wird man nicht sagen können, dass das zwischen der Gemeinschaft und Südafrika vereinbarte Wettbewerbsrecht die Antidumpingvorschriften überflüssig macht. Wie bereits dargelegt, verfolgen beide Rechtsinstitute unterschiedliche Ziele, beziehen sich sowohl auf unterschiedliche Verhaltensweisen von Unternehmen als auch auf unterschiedliche Marktprobleme und haben damit auch unterschiedliche tatbestandliche Voraussetzungen.113 So kommt Hoekman in einer Untersuchung verschiedener Freihandelsvereinbarungen zu dem Ergebnis, dass eine direkte Verbindung zwischen der Einführung einer gemeinsamen Wettbewerbsordnung und der Abschaffung von Antidumpingvorschriften nicht nachgewiesen werden kann.114 Vielmehr sei letztere allgemein vom Ausmaß der jeweiligen Wirtschaftsintegration abhängig, wofür wiederum entscheidend sei, inwieweit eine Harmonisierung der Politiken stattgefunden habe und in welchem Umfang die nationalen Behörden grenzüberschreitend zusammenarbeiten.115 Diese Schlussfolgerung dürfte auf jeden Fall auf die EG zutreffen. Die Einrichtung supranationaler Institutionen wie der Europäischen Kommission und des Europäischen Gerichtshofs schafft die Voraussetzungen, um das gemeinsame Wirtschaftsrecht wirksam durchzusetzen. Hinzu kommt, dass sich 109 Dazu ausführlich Morgan, Competition policy and anti-dumping, JWT 30 (1996), S. 61, 69–75; Guasch/Rajapatirana, Antidumping and Competition Policies in Latin America and Caribbean: Total Strangers or Soul Mates? S. 9. 110 Araujo/Macario/Steinfatt, Antidumping in the Americas, S. 9 m. w. N. 111 Nach Guasch/Rajapatirana: „Antidumping has become the favorite choice of protectionists, where a ready made instrument is available to limit foreign competition“, Antidumping and Competition Policies in Latin America and Caribbean: Total Strangers or Soul Mates? S. 5. 112 Senti, WTO, S. 363, Rz. 805. 113 Lloyd/Vautier, Promoting Competition in Global Markets: A Multi-National Approach, S. 88; Araujo/Macario/Steinfatt, Antidumping in the Americas, S. 11 f. 114 Hoekman, Free Trade and Deep Integration: Antidumping and Antitrust in Regional Agreements, S. 32. 115 So auch Araujo/Macario/Steinfatt, Antidumping in the Americas, S. 12.
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die mit der Abschaffung von Antidumping verbundenen wirtschaftlichen und politischen Kosten durch die Europäischen Strukturfonds116 in Grenzen halten werden. Andererseits belegen die Freihandelsabkommen zwischen Australien und Neuseeland oder zwischen Kanada und Chile, dass ein entsprechender Integrationsgrad nicht konstitutiv für die Abschaffung von Antidumpingmaßnahmen im bilateralen Handel sein muss. Beiden Vereinbarungen mangelt es an einem mit der Gemeinschaft vergleichbaren institutionellen Rahmen. Und auch das Volumen des gegenseitigen Handels bleibt weit hinter demjenigen der Gemeinschaft zurück.117 Im Ergebnis handelt es sich somit vor allem um eine handelspolitische Entscheidung, die im TDCA zugunsten der Beibehaltung des Antidumping ausgegangen ist. dd) Fazit Angesichts der festgestellten Unterschiede zwischen Wettbewerbs- und Antidumpingrecht auf der einen Seite und der unterschiedlichen Staatenpraxis auf der anderen Seite lassen sich keine Kriterien entwickeln, unter welchen Voraussetzungen auf Antidumpingregeln ersatzlos verzichtet werden kann. Allerdings dürfte die Verständigung auf bilaterale Wettbewerbsregeln eine Grundvoraussetzung darstellen.118 Insofern haben Südafrika und die Gemeinschaft einen ersten wichtigen Schritt gemacht. Ein zweiter Aspekt ist jedoch der Integrationsgrad, der in den europäisch-südafrikanischen Handelsbeziehungen erst noch wachsen muss. Im Übrigen dürfte die vorhandene Expertise im Umgang mit dem Antidumpinginstrumentarium bestehende Missbrauchsmöglichkeiten in Grenzen halten. Darüber hinaus bleibt den Parteien vor der Einführung endgültiger Antidumping- und Ausgleichszölle immer noch die Möglichkeit konstruktiver Abhilfemaßnahmen (Art. 23 Abs. 2 TDCA),119 über die im Kooperationsrat beraten werden 116 Europäischer Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft, Europäischer Sozialfonds, Europäischer Fonds für regionale Entwicklung. Diese Fonds sind gekoppelt mit der Europäischen Investitionsbank und sonstigen Finanzierungselementen (Art. 159 Abs. 1 EG-Vertrag). 117 In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre betrug der innergemeinschaftliche Handel 44 Prozent, während der bilaterale Handel im CER 25 Prozent des Außenhandels Neuseelands und 6 Prozent desjenigen Australiens betrug. Im Fall von Kanada und Chile betrugen diese Zahlen sogar nur 0,5 Prozent bzw. 1,5 Prozent (Araujo/Macario/Steinfatt, Antidumping in the Americas, S. 12.) 118 Sowohl in der Europäischen Union als auch in der Europäischen Wirtschaftszone (EEA) und dem Closer Economic Relations Agreement (CER) zwischen Australien und Neuseeland lag bei der Abschaffung der Antidumpingvorschriften jeweils ein gemeinsames Wettbewerbsrecht vor. 119 Siehe auch das Agreement on the Implementation of Article VI of the GATT 1994 und das Agreement on Subsidies and Countervailing measures (SCM-Übereinkommen).
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kann. Aus handelspolitischen Gesichtspunkten ist es jedenfalls zu begrüßen, dass neben dem Antidumping auch eine gemeinsame Wettbewerbspolitik vereinbart wurde. c) Staatliche Beihilfen Weil Unternehmen oder Produktionszweige nicht nur direkt aus eigener Kraft Wettbewerbsverzerrungen verursachen oder zu verursachen drohen, sondern auch mittelbar als Empfänger staatlicher Beihilfen, war die Gemeinschaft sehr darum bemüht, ein grundsätzliches Verbot entsprechender staatlicher Maßnahmen im TDCA zu verankern. Als Vorbild diente ihr die EG-Wettbewerbsordnung, wonach sowohl positive Leistungen als auch Erleichterungen von staatlich auferlegten Leistungspflichten mit dem Gemeinsamen Markt prinzipiell nicht vereinbar sind, wenn sie zu einer Beeinträchtigung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten führen (Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag).120 Auf südafrikanischer Seite war man dagegen sehr zurückhaltend, staatliche Beihilfen im Sinne des EG-Rechts zum Gegenstand der gemeinsamen Wettbewerbsordnung zu machen. Der Handlungsspielraum in der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik sollte nicht unnötig eingeschränkt werden. Insbesondere sollte die Möglichkeit erhalten bleiben, kleine und mittlere Unternehmen aus früher benachteiligten Bevölkerungsgruppen mit staatlichen Zuschüssen zu fördern.121 Rechtlich stellte sich die südafrikanische Regierung auf den Standpunkt, dass die WTO-Regeln über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen, deren Anwendbarkeit in Art. 22 TDCA ausdrücklich vereinbart wurde, den Forderungen der Europäer in ausreichendem Maße Rechnung tragen. aa) Das Verbot staatlicher Beihilfen im EG-Recht und das Subventionsverbot im WTO-Recht Bevor der Wortlaut der im TDCA gefundenen Kompromisslösung in Art. 41 bis 44 näher analysiert wird, soll zum besseren Verständnis des Konflikts um diese Vorschriften ein Vergleich der entsprechenden Regelungen auf EG- und WTO-Ebene erfolgen. Nachdem die Frage einer adäquaten Definition und adäquater Standards mangels einer entsprechenden Regelung im GATT 1947 lange Zeit kontro120 Zum EG-Beihilfenrecht, siehe Koenig/Kühling, Grundfragen des Beihilfenrechts, NJW 2000, S. 1065–1074 m. w. N. 121 Siehe: Deus Pinheiro, „Towards a Trade, Development and Co-operation Agreement between the EU and South Africa“, Confidential note of information to the Commission vom 28. Oktober 1998, S. 14.
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vers diskutiert wurde, verständigte man sich in der Uruguay-Runde erstmals auf eine – wenngleich auch eher weite – Definition des Begriffs Subvention.122 Es handelt sich um einen finanziellen Beitrag einer Regierung oder öffentlichen Körperschaft sowie jede Form der Einkommens- oder Preisstützung, die direkt oder indirekt den Export von Gütern und Dienstleistungen steigert oder die Einfuhr von Gütern und Dienstleistungen reduziert.123 Diese Definition unterscheidet sich kaum von der Definition staatlicher Beihilfen im Gemeinschaftsrecht. Der EuGH versteht darunter staatliche „Maßnahmen, die in verschiedener Form die Belastungen vermindern, die ein Unternehmen normalerweise zu tragen hat“.124 Insbesondere schließen beide Begriffe sowohl direkte als auch indirekte finanzielle Vorteile ein. Weitreichende Parallelen bestehen auch in der Frage, welche Subventionen bzw. staatliche Beihilfen konkret verboten bzw. erlaubt sind. Das WTO-Recht verbietet in Art. 3 SCM-Übereinkommen eine Subvention, wenn sie von einer Ausfuhrleistung (Begünstigung des Exports) oder vom Inlandsverbrauch (Begünstigung der Inlandproduktion) abhängig ist. Dagegen ist eine Subvention nach Art. 5 SCM-Übereinkommen anfechtbar, wenn sie keine nachteiligen Auswirkungen auf die Interessen anderer Mitglieder und keine ernsthafte Schädigung der Wirtschaftszweige anderer Mitglieder bewirkt. Erlaubt ist sie schließlich gemäß Art. 8 SCM-Übereinkommen zu Zwecken der Forschung und Entwicklung sowie als regional- und umweltschutzbedingter Beitrag. Vergleicht man die Regelungen in Art. 8 SCM-Übereinkommen mit dem Katalog an Ausnahmetatbeständen für staatliche Beihilfen im Gemeinschaftsrecht (Art. 87 Abs. 2 und 3 EG-Vertrag), so mag die Regelung im EG-Vertrag zwar detaillierter sein; materiellrechtlich sind jedoch keine weitreichenden Unterschiede erkennbar:125 122
Panel Bericht „US-FSC“ WT/DS/108/R vom 20. August 2001, Ziffer 7.80: „. . . nowhere in Article XVI of GATT 1947 is there any definition whatsoever of the term ‚subsidy‘. Rather, that term is first defined in the GATT/WTO context only in Article 1 of the SCM Agreement, and the inclusion of this detailed and comprehensive definition of the term ‚subsidy‘ is generally considered to represent one of the most important achievements of the Uruguay Round in the area of subsidy disciplines. Under these circumstances, it would in our view be inappropriate to place any weight in interpreting the definition of subsidy found in Article 1 of the SCM Agreement on an understanding regarding Article XVI:4 of GATT 1947 which was adopted more than a decade before that definition was formulated“. 123 Zur Definition von Subventionen im WTO-Recht, siehe Art. 1.1 des Abkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen. Für den Agrarhandel gelten die Bestimmungen des Agrarabkommens. 124 EuGH, Rs. 30/59, De Gezamenlijke Steenkolenmijnen in Limburg/Hohe Börde, Slg 1961, 1/43 = KP Nr. 160. 125 Für eine genauere Analyse der Kompatibilität des Gemeinschaftsrahmens für Umweltschutzhilfen mit Art. 8 SCM-Übereinkommen, siehe Sépibus, Die Umweltschutzsubvention im Gemeinschaftsrecht, S. 354 ff.
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„(2) Mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar sind: a) Beihilfen sozialer Art an einzelne Verbraucher, wenn sie ohne Diskriminierung nach der Herkunft der Waren gewährt werden; b) Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind; c) Beihilfen für die Wirtschaft bestimmter, durch die Teilung Deutschlands betroffener Gebiete der Bundesrepublik Deutschland, soweit sie zum Ausgleich der durch die Teilung verursachten wirtschaftlichen Nachteile erforderlich sind. (3) Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar können angesehen werden: a) Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Gebieten, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht; b) Beihilfen zur Förderung wichtiger Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse oder zur Behebung einer beträchtlichen Störung im Wirtschaftsleben eines Mitgliedstaats; c) Beihilfen zur Förderung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft; d) Beihilfen zur Förderung der Kultur und des kulturellen Erbes, soweit sie die Handels- und Wettbewerbsbedingungen in der Gemeinschaft nicht in einem Maß beeinträchtigen, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft; e) sonstige Arten von Beihilfen, die der Rat durch eine Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit auf Vorschlag der Kommission bestimmt.“
Angesichts der Vergleichbarkeit beider Tatbestände zum Zeitpunkt des Abschlusses des Freihandelsabkommens im Jahre 1999 ist die Motivation für den südafrikanischen Widerstand gegen die Aufnahme des Verbots staatlicher Beihilfen in die gemeinsame Wettbewerbsordnung zunächst nicht erkennbar. Insbesondere wäre analog des Ausnahmetatbestandes zur Überwindung der wirtschaftlichen Nachteile in Gebieten, die von der Teilung Deutschlands besonders betroffen sind (Art. 87 Abs. 2c) EG-Vertrag), ebenfalls eine Vorschrift denkbar gewesen, welche das Ziel der Überwindung der durch die Apartheid verursachten Teilung der südafrikanischen Gesellschaft verfolgt. Insoweit hätte auch der Regelungsgehalt des Art. 87 Abs. 3a) EG-Vertrag eine annehmbare Ermächtigungsgrundlage geboten, der Beihilfen in Gebieten erlaubt, in denen die Lebenshaltung außergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass die Vorschriften zum Schutz der regionalen Entwicklung im WTO-Recht dem südafrikanischen Anliegen besser gerecht werden als die entsprechenden Tatbestände des EG-Vertrags Dies gilt erst recht, nachdem der nur vorläufig anwendbare Art. 8 SCM – anders als beim Abschluss des TDCA im Oktober 1999 – seit dem 31. De-
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zember 1999 nicht mehr gültig ist, weil man sich in der WTO nicht gemäß Art. 31 SCM über dessen Fortgeltung verständigen konnte.126 Dementsprechend wird im SCM-Übereinkommen derzeit nur noch zwischen verbotenen und anfechtbaren Subventionen unterschieden, und es bleibt abzuwarten, ob sich die WTO-Mitglieder zukünftig über eine ähnliche oder gleichlautende Vorschrift einigen.127 Insofern hätten die EG-Beihilfevorschriften Südafrikas Rechtskreis gegenüber dem derzeitigen Stand des WTO-Übereinkommens sogar noch erweitert. bb) Unterschiedliche Rechtsfolgen bei verbotenen staatlichen Beihilfen bzw. Subventionen im EG- bzw. WTO-Recht Neben der oben dargestellten Besonderheit im Hinblick auf die „erlaubten Subventionen“ liegt der entscheidende Unterschied zwischen staatlichen Beihilfen im Sinne des EG-Vertrages und Subventionen nach dem WTORecht auf der Rechtsfolgenseite. Unter dem Gemeinschaftsrecht hat die Kommission eine umfassende Zuständigkeit, bestehende Beihilfen in einem repressiven Verfahren zu überwachen (Art. 88 EG-Vertrag). Dabei kann sie verlangen, dass Beihilfen, die sich als wettbewerbsverfälschend erweisen, in einer von ihr zu bestimmenden Frist aufgehoben oder umgestaltet werden. Darüber hinaus kann sie neue Beihilfen in einem präventiven Verfahren kontrollieren, wobei die Mitgliedstaaten der Pflicht unterliegen, die Kommission grundsätzlich von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen zu informieren (Art. 88 EG-Vertrag).128 Der Verstoß gegen die Notifizierungspflicht kann gemäß Art. 88 Abs. 3 S. 1 EG-Vertrag nicht nur von der Kommission, sondern auch von Konkurrenten angegriffen werden, was im Erfolgsfall zur Aussetzung und einstweiligen Rückforderung der Beihilfe führen kann.129 Wettbewerbswidrige Beihilfen werden zumindest ex nunc aufgehoben, können aber auch ex tunc für die Vergangenheit zurückgefordert werden. Im Gegensatz dazu sieht das WTO-Recht vor, dass im Falle wettbewerbsverzerrender Subventionen „Ausgleichsmaßnahmen“130 oder „Abhilfemaß126
Becker, Das WTO-Subventionsabkommen, S. 36. Lübbig/Martin-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, S. 12, Rz. 27. Die Besonderheiten im Agrarbereich, die aus der Geltung des Landwirtschaftsabkommens (Agreement on Agriculture, AoA) resultieren, werden gesondert im vierten Kapitel dargestellt. 128 Ausgenommen von dieser Notifizierungspflicht sind die so genannten de minimis-Beihilfen, d. h. solche, die weniger als 100.000 Euro pro Unternehmen in einem Zeitraum von drei Jahren betragen, Verordnung (EG) Nr. 69/2001, Abl. EG Nr. L 10/30 vom 13.1.2001. 129 Siehe dazu Streinz, Europarecht, Rz. 862. 127
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nahmen“131 verhängt werden dürfen. Es wird also nicht die Ursache selbst bekämpft, sondern es wird lediglich versucht, ihre schädlichen Symptome abzumildern. Diese Vorgehensweise lässt dem Verursacher die Wahl, ob er die Wettbewerbsverzerrung beibehalten und dafür entsprechende Ausgleichsmaßnahmen in Kauf nehmen will, oder ob er letzteren ausweicht, indem er erstere beseitigt. Dagegen bleibt nach den Regelungen des Gemeinschaftsrechts nur letztere Option übrig. Angesichts dieser unterschiedlichen Rechtsfolgen wird deutlich, weshalb Südafrika die WTO-Subventionsordnung den Regelungen des EG-Vertrags zu staatlichen Beihilfen vorzog: Erstere Option erweiterte seine Handlungsspielräume.132 cc) Das Verbot staatlicher Beihilfen im TDCA Der im TDCA erreichte Kompromiss spiegelt die unterschiedlichen Auffassungen beider Seiten in der Frage der Behandlung staatlicher Beihilfen wider. So wurde der Regelungsbereich zwar in den Vertrag aufgenommen, jedoch in einem von der Wettbewerbsordnung getrennten eigenen Abschnitt.133 Der Verbotstatbestand in Art. 41 Abs. 1 TDCA ähnelt sehr der Formulierung des Art. 87 Abs. 1 EG-Vertrag, wurde jedoch auf Wunsch Südafrikas dahingehend eingeschränkt, dass wettbewerbsverfälschende Beihilfen, die in Verfolgung spezifischer Ziele der Staatspolitik einer Vertragspartei gewährt werden, von dem Verbot von vornherein nicht betroffen sind: „(1) Soweit sie geeignet sind, den Handel zwischen der Gemeinschaft und Südafrika zu beeinträchtigen, sind staatliche Beihilfen, die durch Begünstigung be130 Bei der (unilateralen) Möglichkeit der Ausgleichmaßnahme kann das WTOMitglied nach Teil V SCM-Abkommen Ausgleichszölle auf die beanstandeten Waren erheben, sofern die Untersuchung durch nationale Behörden die (drohende) Schädigung der einheimischen Industrie durch die Gewährung der Subvention bestätigt, sog. „Track I“ (Becker, Das WTO-Subventionsabkommen, S. 37 ff.; Lübbe/ Martin-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, S. 12, Rz. 28). 131 Bei der (multilateralen) Möglichkeit einer Abhilfemaßnahme kann das WTOMitglied in einem beschleunigten Streitbeilegungsverfahren klären lassen, ob die gewährten Subventionen verboten bzw. bei anfechtbaren Subventionen nachteilig für die Interessen des beschwerdeführenden Mitglieds sind (Teil II und III SCM-Abkommen). Falls ja, dann muss das betreffende WTO-Mitglied die beanstandete Subvention entweder zurücknehmen oder geeignete Schritte unternehmen, um die nachteiligen Wirkungen zu beseitigen, sog. „Track II“ (Becker, Das WTO-Subventionsabkommen, S. 41 ff.; Lübbe/Martin-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, S. 12, Rz. 28). 132 Siehe Deus Pinheiro, „Towards a Trade, Development and Co-operation Agreement between the EU and South Africa“, Confidential note of information to the Commission (28. Oktober 1998), S. 14. 133 Das Wettbewerbsrecht ist im Abschnitt D (Art. 35–40) zu finden, während sich staatliche Beihilfen im Abschnitt E (Art. 41–44) wiederfinden.
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stimmter Unternehmen oder Produktionszweige den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen und die nicht in Verfolgung spezifischer Ziele der Staatspolitik einer Vertragspartei gewährt werden, mit dem ordnungsgemäßen Funktionieren dieses Abkommens unvereinbar“.
Insbesondere wollte Pretoria erreichen, dass seine Hilfen für kleine und mittlere Unternehmen und das „Programm für Wiederaufbau und Entwicklung“134 nicht gefährdet werden. Allerdings dürfte der so unbestimmt formulierte Vertragstext zu Meinungsverschiedenheiten führen, deren Klärung dem Kooperationsrat gemäß Art. 42 Abs. 2 TDCA überlassen bleibt: „(2) Jede Vertragspartei kann den Kooperationsrat ersuchen, (. . .) die Ziele der Staatspolitik der Vertragsparteien zu prüfen, welche die Gewährung staatlicher Beihilfen nach Art. 41 rechtfertigen“.
In der Frage der Rechtsfolgen bei wettbewerbsverfälschenden staatlichen Beihilfen hat man sich nur auf eine ausweichende Regelung verständigen können (Art. 42): „(1) Ist die Gemeinschaft oder Südafrika der Auffassung, dass eine bestimmte Verhaltensweise mit Art. 41 unvereinbar ist und dass den Interessen der anderen Vertragspartei oder einem inländischen Wirtschaftszweig durch diese Verhaltensweise ein erheblicher Schaden zugefügt wird oder droht, so kommen die Vertragsparteien überein, sofern die geltenden Regeln und Verfahren keine angemessene Regelung enthalten, Konsultationen aufzunehmen, um eine beide Seiten zufriedenstellende Lösung zu finden. Diese Konsultationen lassen die sich aus ihren Rechtsvorschriften und internationalen Verpflichtungen ergebenden Rechte und Pflichten unberührt.“
Es bleibt unklar, wie „eine beide Seiten zufriedenstellende Lösung“ auszusehen hat. Insoweit wird auf die Vermittlungskünste des Kooperationsrates vertraut. Er hat auch hier im konkreten Anwendungsfall alle Angelegenheiten zu regeln, die in den Verhandlungen keiner abstrakt-generellen Lösung zugeführt werden konnten. Damit wurden zahlreiche Probleme in die Zukunft verschoben. Allerdings bildet die WTO-Subventionsordnung einen äußerer Rahmen, da Art. 44 Abs. 1 TDCA festlegt, dass bei Fehlen von Bestimmungen oder Verfahren zur Durchführung des Art. 41 auf staatliche Beihilfen oder Subventionen die Art. VI und XVI GATT 1994 sowie das SCM-Übereinkommen Anwendung finden. Darüber hinaus haben die Vertragsparteien ihren Ehrgeiz zur Verständigung über den weiteren Ausbau der Regelungen zur Durchführung des Art. 41 TDCA festgeschrieben (Art. 44 Abs. 2 TDCA). Sollte ihnen dies gelingen, ist mit einer Verschär134 Reconstruction and Development Program (RDP). Dieses Programm zielt auf die Beseitigung der Folgen der Apartheid, eine Verbesserung der Lebensbedingungen und den Aufbau der Demokratie ab (South African Yearbook 2000/2001). Für mehr Informationen, vgl. http://www.polity.org.za/html/govdocs/rdp/rdpall.html, abgerufen am 2.2.2004.
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fung der Rechtsfolgen bei wettbewerbsverfälschenden staatlichen Beihilfen im Sinne des EG-Vertrags zu rechnen. Allerdings ist in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, dass aufgrund des bereits erwähnten Wegfalls der Privilegierung sog. „erlaubter Subventionen“ seit Ende 1999 im WTO-Recht die Regelung im TDCA eine echte Abweichung von der multilteralen Handelsordnung statutiert, deren Zulässigkeit als nicht völlig unproblematisch zu beurteilen ist. Die Gemeinschaft und Südafrika nehmen von vornherein wettbewerbsverfälschende Subventionen, die in Verfolgung spezifischer Ziele der Staatspolitik einer Vertragspartei gewährt werden, von dem Subventionsverbot aus, obwohl im WTO-Recht keine Regelungen mehr für grundsätzlich zulässige Subventionen vorhanden sind. Insoweit könnte eine unzulässige Benachteiligung von Drittstaaten vorliegen, insbesondere dann, wenn die Gewährung der Subventionen zu Wettbewerbsverzerrungen auf Drittmärkten führt, weil die Beihilfevergabe ein Unternehmen stärkt, das auch auf dem Drittmarkt tätig ist. Auf der anderen Seite ist jedoch festzustellen, dass diese Situation über die verbleibenden Regelungen im SCM-Übereinkommen gelöst werden kann. Wenn sich eine – nach dem TDCA privilegierte – Subvention nicht negativ auf den Markt eines Drittlandes auswirkt, sind auch keine Gründe ersichtlich, warum diese Subvention von einem Drittstaat anfechtbar sein sollte. Führt diese Subvention jedoch zu einer erheblichen Schädigung des Drittmarktes, dürften die Art. 5 und 6 des SCM-Übereinkommens einschlägig werden und eine Anfechtung der Subvention unter den dort beschriebenen Voraussetzungen möglich machen. Somit unterliegen Beihilfen, die aufgrund der Ausnahmevorschrift des TDCA ergangen sind, weiterhin dem SCM-Übereinkommen und sind insoweit ggfs. auch anfechtbar.135 d) Das öffentliche Beschaffungswesen Trotz Privatisierung der staatlichen Monopole, die sowohl in der Gemeinschaft als auch in Südafrika fortschreitet, hat die öffentliche Hand in beiden Märkten nach wie vor ein vergleichsweise hohes Volumen an Aufträgen im Rahmen öffentlicher Beschaffung zu vergeben. Es kommt darauf an, dass diese dem Wettbewerb grundsätzlich nicht entzogen wird, damit das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhält. Andererseits kann der Staat bei der Vergabe seine struktur- und gesellschaftspolitischen Ziele nicht außer Acht lassen. In diesem Spannungsfeld findet öffentliche Vergabe statt.136
135 136
So wohl auch Becker, Das WTO-Subventionsabkommen, S. 246 f. Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 406 ff.
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aa) Tatbestand Südafrika und die Gemeinschaft haben sich in Art. 45 TDCA auf eine Regelung über den staatlichen Kauf von Gütern und Dienstleistungen zum staatlichen Eigenverbrauch bzw. Eigengebrauch geeinigt: „1. Die Vertragsparteien kommen überein zusammenzuarbeiten, um für einen fairen, billigen und transparenten Zugang zu den Beschaffungsaufträgen der Vertragsparteien zu sorgen. 2. Der Kooperationsrat prüft regelmäßig die in diesem Bereich erzielten Fortschritte.“
Diese Vorschrift schafft einen bilateralen Tatbestand für die öffentliche Beschaffung, ohne jedoch die Regelungen des entsprechenden plurilateralen WTO-Übereinkommens (Agreement on Government Procurement, GPA) in das TDCA zu inkorporieren. Dies verwundert nicht, denn Südafrika gehört im Gegensatz zur Gemeinschaft nicht zu den Signatarstaaten dieses WTOVertragswerks,137 das Regelungen über den Anwendungsbereich und die Auftragsbewertung (Art. I und II), das Inländerprinzip, die Meistbegünstigung und den Ursprung (Art. III bis VI) sowie das Vergabeverfahren, die Auswahl der Anbieter, die einzuhaltenden Fristen, die Informationspflicht und das Beschwerdewesen (Art. VII bis XXIV) enthält. Als Grund dafür wird die Befürchtung der Regierung genannt, dass ein derartiger Beitritt zu dem Abkommen das Ziel Südafrikas beschränken könnte, kleine und mittlere Unternehmen sowie das „Black Economic Empowerment“ – Programm zu fördern.138 Dagegen ist im TDCA lediglich von einer Pflicht zur Zusammenarbeit die Rede, die den Zugang zu den Beschaffungsaufträgen verbessern soll. Letzterer muss sich materiell nur an drei Kriterien messen lassen: „fair, equitable and transparent“. Allerdings sind diese Begriffe weder im TDCA selbst definiert, noch findet sich für sie eine Entsprechung im WTO-Beschaffungsübereinkommen. Ihr Regelungsgehalt erschließt sich vielmehr erst durch einen Blick in das nationale Recht, da der Tatbestand 137 Vertragspartner des am 15. April 1994 unterzeichneten Übereinkommens, das am 1. Januar 1996 an die Stelle des aus der Tokio-Runde stammenden Übereinkommens über das öffentliche Beschaffungswesen getreten ist, sind die Europäische Gemeinschaft, Hongkong, Island, Israel, Japan, Kanada, Liechtenstein, die Niederlande im Namen von Aruba, Norwegen, die Schweiz, Singapur, Südkorea und die USA. Dagegen haben Argentinien, Australien, Bulgarien, Chile, Estland, Georgien, Kamerun, Kirgistan, Kolumbien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Moldavien, die Mongolei, Oman, Panama, Polen, Slowenien und die Tschechische Republik, die Türkei sowie die Internationalen Organisationen IMF, ITC und die OECD bisher lediglich einen Beobachterstatus, siehe Committee on Government Procurement, http:// www.wto.org/english/tratop_e/memobs_e.htm, abgerufen am 2.2.2004. 138 WTO, Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/S/ 114/ZAF vom 24. März 2003, Ziffer 34.
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des Art. 45 TDCA dem Art. 217 der südafrikanischen Verfassung nachgebildet wurde.139 Dort heißt es: „1. When an organ of state in the national, provincial or local sphere of government, or any other institution identified in national legislation, contracts for goods or services, it must do so in accordance with a system which is fair, equitable, transparent, competitive and cost-effective.140 2. Subsection (1) does not prevent the organs of state or institutions referred to in that subsection from implementing a procurement policy providing fora) categories of preferences in the allocation of contracts; and b) the protection or advancement of persons, or categories of persons, disadvantaged by unfair discrimination. 3. National legislation must prescribe a framework within which the policy referred to in subsection (2) may be implemented“.141
bb) Die Berücksichtigung von Sekundärzwecken im Vergabeverfahren Wie sich aus der Gesamtschau der ersten beiden Absätze der soeben zitierten Verfassungsvorschrift ergibt, erfüllen die Kriterien „fair“ und „equitable“ jedenfalls auch den politischen Zweck, den Vergabestellen die Möglichkeit zu eröffnen, Anbieter aus benachteiligten Bevölkerungsgruppen in gesetzlich festgelegten Grenzen im Vergabeverfahren zu bevorzugen. Über diese positive Diskriminierung zugunsten von Bewerbern, die der ehemals benachteiligten schwarzen Bevölkerungsmehrheit angehören, soll deren Integration in die – aufgrund der Apartheid – fast ausschließlich weiß geprägte Wirtschaft gefördert werden („black economic empowerment“). Dazu erhalten die relevanten Personen oder Personengruppen im Vergabeverfahren entsprechende Präferenzkriterien bei der Zuteilung eines Vertrages.142 Angesichts der unter dem Apartheidsystem existierenden Chancenungleichheit in der südafrikanischen Bevölkerung ist dieses politische Ziel 139 In abgewandelter Form dürften diese Grundsätze künftig auch in das Gemeinschaftsrecht ausdrücklich aufgenommen werden. Der entsprechende Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie „über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Dienstleistungsaufträge und Bauaufträge“, KOM(2000) 275 endg. vom 10.05.2000 enthält in Art. 2 die tragenden Grundsätze der „Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz“, wobei der erste lediglich eine besondere Ausprägung des zweiten darstellt (so auch der Standpunkt des Rates 11029/3/02 REV 3 vom 20. März 2003). 140 Hervorhebung durch den Verfasser. 141 Preferential Procurement Policy Framework Act, No 5, 2000. 142 Siehe dazu Gabbert, Black Economic Empowerment am Beispiel des neuen südafrikanischen Vergaberechts, RIW 2000, S. 613 ff.; siehe auch die Trade Policy Review der WTO, WT/TRP/S/34 vom 6. April 1998, Ziffern 75–83 mit einer Kurzdarstellung des südafrikanischen Vergaberechts.
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für die Regierung vordringlich und entspricht einem unbestreitbaren verfassungsrechtlichen Auftrag.143 Je nach Berücksichtigung entsprechender Sekundärziele ist jedoch nicht immer gewährleistet, dass eine optimale Nutzung der öffentlichen Gelder in dem Sinne erfolgt, dass der am besten geeignete und zuverlässigste Bewerber bzw. das wirtschaftlichste Angebot auch tatsächlich den Zuschlag bekommt. Dies wäre jedoch im Sinne der ebenfalls in der Verfassung enthaltenen Kriterien „competitive“ und „cost-effective“ erforderlich, die allerdings nicht in das TDCA übernommen wurden. Auch das plurilaterale WTO-Übereinkommen benennt als die entscheidenden Kriterien für die Zuschlagsentscheidung in Art. XIII den Preis einerseits und die nichtgeldmäßigen Aspekte wie Qualität, Wirtschaftlichkeit, Lieferfristen, Garantie- und Ersatzleistungen, Unterhalt, Umweltverträglichkeit, Design etc. andererseits. Sofern nichtpreisliche Beurteilungskriterien angewendet werden sollen, sind diese vollumfänglich auszuschreiben und den Antragstellern bekanntzugeben.144 In diesem Sinne kann davon ausgegangen werden, dass die o. g. Präferenzkriterien, die zu einer positiven Diskriminierung zugunsten benachteiligter Bevölkerungsgruppen führen sollen, zulässige „nichtgeldmäßige“ Aspekte darstellen, die bei der Entscheidung über den Zuschlag grundsätzlich auch nach dem WTO-Übereinkommen berücksichtigt werden könnten. Im Übrigen entspricht die politische Instrumentalisierung der Vergabe öffentlicher Aufträge durch Heranziehung vergabefremder Kriterien einer weltweit gängigen Praxis. So sieht auch das öffentliche Auftragswesen der Gemeinschaft die Möglichkeit einer positiven Diskriminierung zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen vor.145 Darüber hinaus ist im Gemeinschaftsrecht ebenfalls anerkannt, dass die Förderung der Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern und die soziale Eingliederung der Behinderten und anderer benachteiligter Personengruppen legitime Sekundärzwecke bei der Vergabe öffentlicher Aufträge sind. Auch andere soziale Belange146 und der Umweltschutz147 können eine entsprechende Berücksichtigung finden.148 143 Siehe auch Green Paper on Public Sector Procurement Reform in South Africa (April 1997). 144 Senti, WTO, S. 677, Rz. 1454. 145 Grünbuch, Das öffentliche Auftragswesen in der Europäischen Union: Überlegungen für die Zukunft (27. November 1996), S. 38 ff. 146 Mitteilung der Kommission über die Auslegung des gemeinschaftlichen Vergaberechts und die Möglichkeiten der Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, KOM(2001) 566 endg. 15.10.2001. 147 Interpretierende Mitteilung der Kommission über das auf das Öffentliche Auftragswesen anwendbare Gemeinschaftsrecht und die Möglichkeiten der Berücksichtigung von Umweltbelangen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, KOM(2001) 274 endg. 04.07.2001.
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cc) Der Grundsatz der Transparenz Damit die Berücksichtigung von Sekundärzwecken im Vergabeverfahren keine Wettbewerbsverzerrungen verursucht, kommt es entscheidend darauf an, dass ihre Anwendung für alle Beteiligten nachvollziehbar bleibt.149 Nur so kann sichergestellt werden, dass ein Wettbewerb stattfindet, der erhöhte Effizienz und vermehrte Innovationen auf Seiten der Wettbewerber hervorruft, zur Wirtschaftlichkeit der Vergabeentscheidung (Preis-Leistungs-Verhältnis) führt, ein investitionsfreundliches Klima schafft und sogar als Nebeneffekt einen Beitrag zu Korruptionsbekämpfung und guter Regierungsführung leistet.150 Angesichts dieser potenziell positiven Wirkungen verwundert es nicht, dass die Transparenz des Vergabeverfahrens nicht nur im Vordergrund der entsprechenden WTO-Verhandlungen über die öffentliche Beschaffung steht,151 sondern auch in Art. VII GPA festgeschrieben ist und bereits heute die Vorschriften des GPA zum Vergabeverfahren wie ein roter Faden durchzieht. Auch im TDCA findet sich der Gesichtspunkt der Transparenz als eigenständiges Kriterium für den Zugang zu öffentlichen Aufträgen in Art. 45 Abs. 1 TDCA explizit wieder. Allerdings fehlt es auch hier an einer Definition der Reichweite dieses Kriteriums. So bleibt unklar, ob nur das Beschaffungsverfahren als solches oder auch jede einzelne Beschaffungsaktivität für sich erfasst wird, inwieweit der Marktzugang einbezogen ist, ob neben dem Warenhandel auch der Dienstleistungsverkehr zum Regelungsgegenstand gehört, ob Schwellenwerte gelten und inwieweit die Durchsetzbarkeit des Transparenzgebots im Rahmen des Streitbeilegungsmechanismus gewährleistet ist.152 Diese Fragen können nur durch einen Blick auf die Rechtslage in der Gemeinschaft und Südafrika beantwortet werden. Im Gemeinschaftsrecht bestehen detaillierte Regelungen im Hinblick auf Veröffentlichung und Transparenz, die bei der Vergabe öffentlicher Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträge oberhalb eindeutig bestimmter Schwellenwerte von den Ver148
Zum Ganzen, siehe auch: Benedict, Sekundärzwecke im Vergabeverfahren. In diesem Sinne dürfte auch das Erfordernis einer vollständigen Bekanntgabe aller „nichtgeldmäßigen“ Entscheidungskriterien nach Art. XIV:4 lit. b und XII:2 lit. h zu verstehen sein. 150 So auch die Diskussionsbeiträge in der zuständigen WTO-Arbeitsgruppe, WT/ WGTGP/7 vom 15. Juli 2003. 151 Wörtlich heißt es in dem entsprechenden Mandat der zuständigen Arbeitsgruppe: „Negotiations shall be limited to the transparency aspects and therefore will not restrict the scope for countries to give preferences to domestic supplies and suppliers“, Ziffer 26 der Doha Minister Erklärung (WT/MIN(01)/DEC/1 vom 20. November 2001). 152 Zu diesen Fragen, siehe dazu auch die Diskussion in der WTO-Arbeitsgruppe, WT/WGTGP/7 vom 15. Juli 2003. 149
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gabestellen zu beachten sind und deren Einhaltung gerichtlich durchgesetzt werden kann.153 Die südafrikanische Verfassung enthält sogar ein Grundrecht auf Informationsfreiheit154 und ein Grundrecht auf rechtmäßiges Verwaltungshandeln.155 Beide wurden durch einfache Gesetze konkretisiert156 und bilden für die Verwaltung den äußeren Rahmen ihrer ebenfalls von jedermann („everybody“) gerichtlich einklagbaren Transparenzpflichten für staatliches Handeln. Hinzu kommt, dass neben Art. 217 der Verfassung zahlreiche einfachgesetzliche Regelungen für die öffentliche Beschaffung bestehen,157 welche konkret die Transparenz des gesamten Verfahrens sicherstellen. Angesichts dieser hohen Anforderungen an die Transparenz der öffentlichen Beschaffung in den Rechtsordnungen beider Vertragsparteien erscheint Art. 45 TDCA vergleichsweise regelungsarm. Es wurde insbesondere versäumt, eine Konkretisierung der Anforderungen auf die Mindeststandards beider Rechtsordnungen vorzunehmen. Dies hätte zu mehr Rechtsklarheit beigetragen. Ohne diese Konkretisierung bleibt der Regelungsgehalt des Art. 45 TDCA jedoch weitgehend unklar und damit unbefriedigend. e) Fazit Es ist festzuhalten, dass sich die Gemeinschaft und Südafrika in ihrem bilateralen Verhältnis im Bereich der Wettbewerbssicherung zusätzlichen Tatbeständen unterwerfen, die für sie – abgesehen vom Bereich des Antidumping – in dieser Form nicht im Rahmen der WTO bestehen. Dies gilt insbesondere für die vereinbarte extraterritoriale Anwendung der Wettbe153 Richtlinie 92/50/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge, Abl. EG Nr. L 209 vom 24.7.1992; Richtlinie 93/36/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge, Abl. EG Nr. L 199 vom 09.08.1993 und Richtlinie 92/50/EWG über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Abl. EG Nr. L 199 vom 09.08.1993 (alle drei zuletzt geändert durch die Richtlinie 97/52/EG vom 13.10.1997, Abl. EG Nr. L 328 vom 28.11.1997). Siehe außerdem den Richtlinienvorschlag der Kommission KOM(2000) 275 endg. vom 10.5.2000. 154 „Right of Access to Information“ in Art. 32 der südafrikanischen Verfassung von 1996 (Act No 108 of 1996). 155 „Right to Just Administrative Action“ in Art. 33 der südafrikanischen Verfassung von 1996 (Act No 108 of 1996). 156 Promotion of Access to Information Act (Act No 2 of 2000), Promotion of Administrative Justice Act (Act No 3 of 2000). Dazu Lange/Wessels (Hrsg.), The Right to Know – South Africa’s Promotion of Administrative Justice and Access to Information Acts, 2004. 157 Das Hauptorgan im südafrikanischen Vergabeverfahren ist der State Tender Board, der auf der Grundlage des Tender Board Acts im Finanzministerium angesiedelt ist. Siehe auch State Tender Board Act (Act No 86 of 1968).
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werbsvorschriften, jedoch auch für den Bereich der öffentlichen Beschaffung und der staatlichen Beihilfen, da durch die Aufnahme der Tatbestände in das TDCA zumindest anerkannt wird, dass grundsätzlich ein Regelungsbedarf zur Sicherung des Wettbewerbs besteht. Wie dargelegt, sind die Vorschriften derzeit zu kraftlos, um die materielle Rechtslage grundlegend zu verändern. Insofern dürften die Wettbewerbsvorschriften Gegenstand weiterer Verhandlungen bleiben. Ein Anfang ist gleichwohl gemacht. 3. Technische Handelshemmnisse Art. 47 TDCA erstreckt die Zusammenarbeit auch auf den Bereich der technischen Handelshemmnisse (Technical Barriers to Trade, TBT), d. h. auf technische Regelungen zum Schutz der nationalen Sicherheit, der Verhinderung irreführender Praktiken, dem Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Menschen, des Lebens oder der Gesundheit von Tieren und Pflanzen oder der Umwelt (Art. 2.2 S. 3 WTO-TBT-Übereinkommen). Die ordnungspolitische Notwendigkeit dieser Vorschriften lässt sich nicht bestreiten und findet bereits in Art. XX GATT grundsätzliche Anerkennung. Andererseits werden Produktion und Vermarktung für den grenzüberschreitenden Verkehr verzögert und verteuert, wenn von Staat zu Staat unterschiedliche Anforderungen an Produkte und Verfahren gestellt werden. Ab einer gewissen Intensität mag ein Import oder Export aufgrund der höheren Entwicklungs-, Herstellungs- und Vertriebskosten sogar völlig unwirtschaftlich werden. Auf Seiten der Konsumenten führt dies zu einer geringeren Produktauswahl bei tendenziell höheren Preisen. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass technische Vorschriften158 oder Normen159 willkürlich zu pro158 Anhang 1 des TBT-Übereinkommens definiert eine Technische Vorschrift („Technical Regulation“) als: „Ein Dokument, das Merkmale eines Produkts oder die entsprechenden Verfahren, Produktionsmethoden einschließlich der anwendbaren Verwaltungsbestimmungen festlegt, deren Einhaltung zwingend vorgeschrieben ist. Es kann unter anderem oder ausschließlich Festlegungen über Terminologie, Bildzeichen sowie Verpackungs-, Kennzeichnungs- oder Beschriftungserfordernisse für ein Produkt, ein Verfahren oder eine Produktionsmethode enthalten. Erläuternde Bemerkung: Die Definition in dem ISO/IEC-Leitfaden 2 ist nicht eigenständig zu verwenden, sondern beruht auf dem so genannten ‚Bausteinsystem‘.“ Art. 2 und 3 des WTO-TBT-Übereinkommens befassen sich mit ‚technischen Vorschriften‘.“ 159 Zur Legaldefinition einer Norm („Standard“), siehe auch Anhang 1 Ziffer 2 des WTO-TBT-Übereinkommens: „Ein von einer anerkannten Stelle angenommenes Dokument, das zur allgemeinen oder wiederholten Anwendung Regeln, Richtlinien oder Merkmale für ein
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tektionistischen und diskriminierenden Zwecken missbraucht werden.160 Im Handel zwischen Wirtschaftszonen mit sehr unterschiedlichem Entwicklungsstand kommt hinzu, dass ärmere Länder häufig mit der Schwierigkeit konfrontiert sind, mit begrenzten Ressourcen die notwendige Konformität herzustellen und nachzuweisen.161 Dies ist für den Geltungsbereich des TDCA besonders kritisch, da Südafrika aufgrund seiner starken außenwirtschaftlichen Orientierung auf den europäischen Markt ein besonderes Interesse an der Überwindung bestehender technischer Handelshemmnisse hat. a) Die einzelnen Kooperationsfelder Art. 47 Satz 1 TDCA verpflichtet die Vertragsparteien, in den Bereichen Normung, Metrologie, Zertifizierung und Qualitätssicherung zusammenzuarbeiten, um bestehende Unterschiede zu verringern, technische Hemmnisse zu beseitigen und den bilateralen Handel zu erleichtern. aa) Normung Als Normung wird die einheitliche Gestaltung von technischen Bestimmungen bezeichnet. Die Normungsarbeit umfasst die Formulierung, die Herausgabe und die Anwendung von Normen. Wichtige Vorteile der Normung für den Handel sind die Verbesserung der Eignung von Erzeugnissen, Verfahren und Dienstleistungen für ihren geplanten Zweck, die Vermeidung Produkt oder die entsprechenden Verfahren oder Produktionsmethoden festlegt, deren Einhaltung nicht zwingend vorgeschrieben ist. Es kann unter anderem oder ausschließlich Festlegungen über Terminologie, Bildzeichen sowie Verpackungs-, Kennzeichnungs- oder Beschriftungserfordernisse für ein Produkt, ein Verfahren oder eine Produktionsmethode enthalten. Erläuternde Bemerkung: Die Definitionen in dem ISO/IEC-Leitfaden 2 erfassen Produkte, Verfahren, und Dienstleistungen. Dieses Übereinkommen erfasst nur technische Vorschriften, Normen und Konformitätsbewertungsverfahren in Bezug auf Produkte oder Verfahren und Produktionsmethoden. Normen im Sinne des ISO/IEC-Leitfadens 2 können verbindlich oder freiwillig sein. Für die Zwecke dieses Übereinkommens werden Normen als freiwillig und technische Vorschriften als verbindlich definiert. Von der internationalen Normengemeinschaft ausgearbeitete Normen gründen sich auf Konsens. Dieses Übereinkommen erfasst auch Dokumente, die sich nicht auf Konsens gründen“. Art. 4 des WTO-TBT-Übereinkommens befasst sich mit „Normen“. 160 Stephenson, Standards and Conformity Assessment as Nontariff Barriers to Trade, S. 17 ff.; Senti, WTO, S. 521, Rz. 1120. 161 Stephenson, Standards and Conformity Assessment as Nontariff Barriers to Trade, S. 22 ff.
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von Handelshemmnissen und die Erleichterung der technischen Zusammenarbeit. Das Ergebnis der Normung ist die Norm, d. h. eine Regel, die nach Ansicht repräsentativer Fachleute den Stand der Technik beschreibt.162 Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine freiwillige Vereinbarung, die auf den gesicherten Ergebnissen von Wissenschaft, Technik und Erfahrung basiert. Durch die Normung werden die Voraussetzungen für eine hochgradige Arbeitsteilung zwischen den unterschiedlichen Markteilnehmern zum Vorteil der Allgemeinheit geschaffen.163 Der neu geschaffene bilaterale Markt zwischen der Gemeinschaft und Südafrika kann nicht effizient mit technischen Vorschriften funktionieren, die untereinander inkompatibel sind. Deshalb sind Maßnahmen erforderlich, die mittel- bis langfristig eine Annäherung der durch Normen beschriebenen technischen Vorschriften ermöglichen (Harmonisierung). Entsprechende Initiativen wirken vertrauensbildend und können deshalb weitere Elemente gegenseitiger Anerkennung und Annäherung nach sich ziehen. Dafür kommt eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Europäischen Komitee für Normung (Comité Européen de Normalisation, CEN),164 dem Europäischen Komitee für Elektrotechnische Normung (Comité Européen de Normalisation Electrotechnique, CENELEC)165 bzw. dem Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen (European Telecommunications Standards Institute, ETSI)166 einerseits und dem South African Bureau of Standards (SABS)167 andererseits in Betracht.168 Für die Zusammenarbeit zwischen der Gemeinschaft und Südafrika bietet sich darüber hinaus die Internationale Normung an. Sie hat den Vorteil, dass sie sich positiv auf den gesamten internationalen Handel auswirkt und nicht nur bilateral Wirkungen zeitigt. Gleichwohl kann sich auch dieser Prozess als langwierig erweisen, denn von der Vorlage eines Vorschlags bis zur Veröffentlichung einer Norm im Rahmen der Internationalen Normungs162 Zur Definition der Norm und ihrer Merkmale, siehe Zubke-von Thünen, Technische Normung in Europa, S. 103 ff. 163 ISO/IEC Leitfaden 2; siehe auch Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, Durchführung der Außenhandelspolitik der Gemeinschaft im Bereich der Normen und der Konformitätsbewertung Instrumente, SEK (2001) 1570 (vom 28.09.2001), S. 21. 164 Http://www.cenorm.be. 165 Http://www.cenelec.org. 166 Http://www.etsi.org. 167 Http://www.sabs.co.za. 168 SABS wurde 1945 gegründet und ist die offizielle Auskunftsstelle, die gemäß Art. 10 TBT-Übereinkommen Informationen über technische Vorschriften, Normen und Konformitätsbewertungsverfahren gewährt (WTO, Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/S/114/ZAF vom 24. März 2003, S. A4-242, Ziffer 17).
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organisationen (ISO),169 der Internationalen Elektrotechnischen Kommission (International Electrotechnical Commission, IEC)170 bzw. der Internationalen Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU)171 und des Gemeinsamen Technischen Kommitees 1 (der ISO und IEC) über Informationstechnik (ITC1) vergehen üblicherweise mehrere Jahre. bb) Metrologie Die Zusammenarbeit im Bereich der Metrologie bezieht sich auf die Nachvollziehbarkeit und Vereinheitlichung der Maße, die ihrerseits nicht naturgegeben sind. Sie müssen definiert, dargestellt und weitergegeben werden. Im grenzüberschreitenden Handel kommt es zudem darauf an, dass Messnormen, welche die Laboratorien in dem Staatsgebiet einer Partei anwenden, von der anderen Partei als akzeptabel betrachtet werden.172 Deshalb ist die Metrologie nicht nur eine nationale Aufgabe, sondern ein weiteres Gebiet der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit. Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang der Bereich des „gesetzlichen Messwesens“, durch den gemäß der Definition der Internationalen Organisation für das Gesetzliche Messwesen (Organisation Internationale de Métrologie Légale, OIML)173 amtlich die Sicherheit und angemessene Genauigkeit von Messungen durch verbindliche Anforderungen an Maßeinheiten, Messmethoden und Messgeräte gewährleistet wird.174 Dabei geht es z. B. um Maßnahmen im Bereich Handelsverkehr, Gesundheitsschutz, Arbeitsschutz und Umweltschutz und im amtlichen Verkehr. Sie dienen sowohl dem Schutz des Einzelnen als auch dem Wohle der Gemeinschaft. Die im TDCA vereinbarte Kooperation dürfte in erster Linie zwischen dem südafrikanischen National Metrology Laboratory (NML)175 mit Sitz in Pretoria einerseits und der EUROMET176 mit Sitz in Dublin sowie der European Cooperation for Legal Metrology (WELMEC)177 in England andererseits erfolgen.178 169
Http://www.iso.ch. Http://www.iec.ch. 171 Http://www.itu.int. 172 Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, Durchführung der Außenhandelspolitik der Gemeinschaft im Bereich der Normen und der Konformitätsbewertung Instrumente, SEK (2001) 1570 vom 28.09.2001, S. 19. 173 Http://www.oiml.org. Südafrika ist der OIML im Jahre 1998 als Vollmitglied beigetreten. 174 Südafrika hat die Meterkonvention bereits im Jahre 1964 unterzeichnet. 175 Http://www.nml.csir.co.za. 176 Http://www.euromet.org. 177 Http://www.welmec.org. 170
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Auch im Bereich der Metrologie ist eine internationale Harmonisierung von Rechtsvorschriften und messtechnischen Prüfungen erstrebenswert. Zu diesem Zweck bietet sich eine Zusammenarbeit auf Ebene der OIML an. Daneben ist die Verbreitung eines weltweit einheitlichen Maßsystems im Rahmen der Meterkonvention des Bureau International des Poids et Mesures (BIPM)179 anzustreben, um auch insoweit Handelshemmnisse abzubauen. Südafrika und die Gemeinschaft könnten bilaterale Initiativen zur internationalen Harmonisierung ergreifen. cc) Zertifizierung Die Zertifizierung dient als Nachweis der Übereinstimmung eines Erzeugnisses, eines Verfahrens oder einer Dienstleistung mit bestimmten Anforderungen, die regelmäßig in Normen festgeschriebenen sind. Um die Unabhängigkeit dieser Konformitätsbewertung180 sicherzustellen, hat sie durch dritte Zertifizierungsstellen oder Prüflaboratorien zu erfolgen. Durch diese Einrichtungen wird eine Konformitätsbescheinigung (Zertifikat) erstellt. Zum Nachweis ihrer Kompetenz, eine Zertifizierung sach- und fachgerecht sowie unabhängig durchführen zu können, muss sich eine Zertifizierungsstelle ihrerseits akkreditieren lassen. Die Akkreditierung stellt also eine notwendige Ergänzung der Zertifizierung dar, wobei beide Verfahren zur Wahrung ihrer Unabhängigkeit und Integrität streng voneinander zu trennen sind. Während die Fremdzertifizierung das Vertrauen zwischen Lieferanten und Kunden herstellen soll, ist es das Ziel der Akkreditierung, Vertrauen in die Unabhängigkeit und die fachlichen Fähigkeiten der Zertifizierungsstelle zu schaffen.181 178 Als Regionale Organisation im südlichen Afrika besteht die Southern African Development Community Cooperation in Measurement Traceability, SADCMET. 179 Http://www.bipm.fr. 180 Anhang 1 Ziffer 3 des TBT-Übereinkommens definiert Konformitätsbewertungsverfahren („Conformity Assessment Procedures“) folgendermaßen:
„Jedes Verfahren, das mittelbar oder unmittelbar der Feststellung dient, dass einschlägige Erfordernisse in technischen Vorschriften oder Normen erfüllt sind. Erläuternde Bemerkung: Konformitätsbewertungsverfahren schließen unter anderem Verfahren für Probenahme, Prüfung und Kontrolle, Bewertung, Nachprüfung und Bescheinigung der Konformität sowie Kombinationen solcher Verfahren ein“. Art. 5 und 9 des WTO-TBT-Übereinkommens befassen sich mit dem Konformitätsbewertungsverfahren. 181 Europäische Kommission CERTIF 97/4 – DE Rev. 2 vom 15. Dezember 1997, S. 8.
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Sowohl in der Gemeinschaft als auch in Südafrika182 ist das Vertrauen in die Zertifikate der entsprechenden nationalen Stellen grundsätzlich gegeben,183 d. h. technische Forderungen und Konformitätsprüfungsverfahren werden – wo möglich – als gleichwertig anerkannt (Prinzip der Äquivalenz). Dagegen besteht im grenzüberschreitenden Handel naturgemäß ein Misstrauen gegenüber den Verfahren und Ergebnissen der Zertifizierungsstellen anderer Staaten. Selbst innerhalb der Gemeinschaft sahen sich die südeuropäischen Mitgliedstaaten entsprechenden Vorbehalten ihrer Nachbarn aus dem Norden ausgesetzt.184 Insofern sollten vertrauensbildende Maßnahmen ein integraler Bestandteil der in Art. 47 TDCA anvisierten Zusammenarbeit im Bereich der Zertifizierung sein. Vorbildfunktion könnte insoweit den entsprechenden Kommissionsvorschlägen für den europäischen Binnenmarkt zukommen.185 Auch eine Verständigung auf Mindestkriterien für die Konformitätsbewertungsstellen, wie sie durch das „Globale Konzept für Zertifizierung und Prüfwesen“186 für den europäischen Binnenmarkt festgeschrieben werden, dürfte die Integration beider Märkte fördern.187. Die in Art. 47 Satz 1 TDCA angestrebte Zusammenarbeit im Bereich der Zertifizierung schließt den Bereich der Akkreditierung nicht ausdrücklich ein. Indessen besteht bereits eine Zusammenarbeit und gegenseitige Anerkennung zwischen dem 1996 gegründeten South African National Accreditation System (SANAS)188 und der European Co-operation for Accreditation (EA),189 welche mit der im November 1997 in die EA überführten European Co-operation for Accreditation of Laboratories (EAL) im Wege 182
Siehe dazu SQAM Review (April 2001) S. 21. So bescheinigt der SACU Trade Policy Review 2003 der WTO dem SANAS internationale Anerkennung seiner Arbeit: „SANAS operates an internationally recognized accreditation system for calibration and testing laboratories, quality and environmental management systems, and product and personal certification and inspection“, (WTO, Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/S/114/ZAF vom 24. März 2003, S. A4-244, Ziffer 22). 184 KAN Bericht Nr. 30, S. 27. 185 Abl. EG Nr. C 267/3 und 267/15 vom 19.10.1989. 186 Mitteilung der Kommission an den Rat über ein globales Konzept für Zertifizierung und Prüfwesen (Abl. EG Nr. C 267 vom 19.10.1989) und Entschließung des Rates zu einem Gesamtkonzept für die Konformitätsbewertung (Abl. EG Nr. C 10 vom 16.01.1990). 187 Dazu ausführlich KAN Bericht 30, Akkreditierung von Prüf- und Zertifizierungsstellen, (Juni 2003) S. 25 ff. 188 Http://www.sanas.co.za. 189 WELAC und WECC haben sich zur European Co-operation for Accreditation of Laboratories (EAL) zusammengeschlossen, und am 27. November 1997 haben sich EAL und die European Accreditation for Certification (EAC) zu einer einzigen Organisation, der European Co-operation for Accreditation (EA) zusammengeschlossen: http://www.european-accreditation.org. 183
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einer Vereinbarung zur gegenseitigen Anerkennung von Kalibrierungs- und Prüfungsstellen formalisiert wurde.190 dd) Qualitätssicherung Um den Ansprüchen der Kunden eines Produktes oder einer Dienstleistung gerecht zu werden, sind Hersteller grundsätzlich bestrebt, die Qualität ihrer Erzeugnisse dauerhaft zu sichern und zu dokumentieren. Unter Qualität wird in diesem Zusammenhang die Gesamtheit von Merkmalen von Produkten oder Dienstleistungen bezüglich ihrer Eignung verstanden, festgelegte und vorausgesetzte Erfordernisse zu erfüllen. Normung, Metrologie und Zertifizierung sind dabei wichtige Instrumente des Qualitätsmanagements: Die Eigenschaften und Merkmale von Produkten, Verfahren und Qualitätssicherungssystemen sind regelmäßig in Normen festgelegt; das Messen und Prüfen macht insbesondere in den Phasen der Qualitätslenkung und -prüfung einen wesentlichen Teil des Qualitätsmanagements aus und unabhängige Stellen bestätigen die normengerechte Qualität durch Zertifizierung. Alle diese Maßnahmen tragen zur Erzielung der geforderten Qualität bei. Die Qualitätssicherung bezieht sich dabei auf den gesamten Bereich vom Entwurf bis hin zur Prüfung eines Endprodukts. Für die verschiedenen Bereiche der Wirtschaft bestehen unterschiedliche Vorschriften. So sind die ISO-EN Normen 9000 ff.191 für die industrielle Produktion sowie für Dienstleistungen relevant, während im technisch-analytischen Bereich vor allem der ISO Guide 25 und die ISO-EN 45001 den relevanten Maßstab bilden. Diese beiden Normen werden derzeit durch den Standard ISO/IEC 17025 und die damit verknüpften Regelwerke ersetzt. Für die chemische und pharmazeutische Industrie stellen die OECD-Prinzipien der Guten Laborpraxis (GLP)192 die Grundlage für das Qualitätsmanagement dar, soweit Daten erarbeitet werden, die für die nationale Bewertung und Zulassung von Produkten (z. B. Pestizide, Arzneimittel) verwendet werden sollen. Um die Verbindlichkeit der genannten internationalen Normen zu erreichen, müssen sie in nationales Recht überführt werden. Dabei haben die Staaten einen erheblichen Ermessensspielraum, da die QM Normen lediglich vorschreiben, was zu tun ist, nicht aber konkretisieren, wie dies zu geschehen hat.193 190 WTO, Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/S/ 114/ZAF vom 24. März 2003, S. A4-244, Ziffer 22. 191 Zum Regelungsgehalt, siehe Thompson/Thompson, The ISO 9000 Quality Standards: Will they constitute a Technical Barrier to Free Trade under the NAFTA and the WTO? Arizona JICL 14 (1997), S. 155, 166 ff. 192 Http://www.oecd.org/ehs/chem2.htm.
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Eine funktionierende technische Infrastruktur zur Sicherung der Qualität nach internationalen und damit kompatiblen vergleichbaren Normen und technischen Regeln ist eine wesentliche Voraussetzung für den Abbau technischer Handelshemmnisse. Aus diesem Grund ist auch eine enge Zusammenarbeit zwischen allen nationalen Organisationen erforderlich, um den Qualitätsgedanken länder- und branchenübergreifend anzuregen, zu fördern, weiterzuentwickeln und zu verbreiten. In Europa haben sich die Qualitätsmanagement Organisationen zur European Organisation for Quality (EOQ)194 mit Sitz in Brüssel zusammengeschlossen. In Südafrika ist das South African Quality Institute (SAQI)195 die wichtigste nationale Organisation zur Qualitätsförderung.196 Sie unterhält ihrerseits Arbeitsbeziehungen zum World Quality Council (WQC).197 b) Modalitäten der Zusammenarbeit Art. 47 legt nicht nur die vier Kooperationsfelder fest, sondern führt zusätzlich fünf konkrete Modalitäten der Kooperation auf. aa) Maßnahmen nach dem WTO-Übereinkommen über Technische Handelshemmnisse Nach Art. 47 lit. a TDCA soll über Maßnahmen nach dem TBT-Übereinkommen, welches seine Mitglieder auf die Grundsätze der Nichtdiskriminierung,198 Harmonisierung,199 Äquivalenz,200 Transparenz201 und der Ver193
Brodesser, Wege zur Akkreditierung, S. 10. Http://www.eoq.org. 195 Http://www.saqi.co.za. 196 Darüber hinaus gibt es insbesondere noch die South African Society for Quality (SASQ), die South African Auditor and Training Certification Association (SAATCA) und die South African Excellence Foundation (SAEF). Zwischen letzterer und der European Foundation for Quality Management (EFQM) bestehen formale Arbeitsbeziehungen; zum Ganzen, siehe SQAM Review vom April 2001, S. 234 ff. 197 Http://www.wwquality.com/wqc.htm. 198 Art. 2.1. WTO-TBT-Übereinkommen bezüglich technischer Vorschriften; Anhang 3 (D) des Verhaltenskodex bezüglich Normen und Art. 5.1.1. bezüglich Konformitätsbewertungsverfahren. 199 Art. 2.4.–2.6. WTO-TBT-Übereinkommen bezüglich technischer Vorschriften; Anhang 3(F)-(G) des Verhaltenskodex bezüglich Normen und Art. 5.4 und 5.5. bezüglich Konformitätsbewertungsverfahren. 200 Art. 2.7. WTO-TBT-Übereinkommen bezüglich technischer Vorschriften und Art. 6.1. bezüglich Konformitätsbewertungsverfahren. Es fehlt an einer ausdrücklichen Regelung in Bezug auf Normen. 194
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meidung unnötiger Handelshemmnisse202 verpflichtet, eine stärkere Verwendung internationaler technischer Vorschriften, Normen und Konformitätsprüfungsverfahren einschließlich sektorspezifischer Maßnahmen gefördert werden. Doch für den Vorrang internationaler Maßstäbe gibt es im TBTÜbereinkommen zahlreiche Ausnahmen. So sind die Normenorganisationen der Gemeinschaft und Südafrikas etwa gehalten, den Verhaltenskodex für die Ausarbeitung, Annahme und Anwendung von Normen anzunehmen und einzuhalten.203 Dieser enthält jedoch keine verbindlichen Vorgaben, wie eine harmonisierte Norm konkret auszusehen hat.204 Gleiches gilt im Hinblick auf die spärlichen Bestimmungen bezüglich technischer Vorschriften und Konformitätsbewertungsverfahren. Außerdem lässt das TBT-Übereinkommen weitreichende Ausnahmen vom Vorrang internationaler technischer Vorschriften zu, wenn diese „zum Beispiel wegen eines ungenügenden Schutzniveaus oder wegen grundlegender klimatischer oder geographischer Faktoren oder grundlegender technologischer Probleme (. . .) unwirksam oder ungeeignet“ sind (Art. 2.4 WTO-TBT-Übereinkommen). Vergleichbare Derogationen sind auch im Hinblick auf Normen und Konformitätsbewertungsverfahren möglich.205 Die Vertragspartner haben es insgesamt versäumt, die großen Ermessensspielräume, welche das WTO-TBT-Übereinkommen seinen Mitgliedern lässt, zugunsten von mehr Rechtssicherheit im Geltungsbereich des TDCA auszufüllen. So fehlt es auch an Interpretationshilfen hinsichtlich des Kriteriums der „Notwendigkeit“206 von technischen Vorschriften, Normen und Verfahren zum Schutz des Lebens und der Umwelt, wenngleich es angezeigt sein dürfte, auf die – in der Praxis des Appellate Body entwickelten – Grundsätze zur Auslegung dieses Begriffs im Rahmen der Auslegung des 201
Art. 2.9. und 10. WTO-TBT-Übereinkommen bezüglich technischer Vorschriften; Anhang 3(J) (Q) des Verhaltenskodex sowie Art. 10 bezüglich Normen und Art. 5.5. und 10 bezüglich Konformitätsbewertungsverfahren. 202 Art. 2.2. WTO-TBT-Übereinkommen bezüglich technischer Vorschriften; Anhang 3(E) des Verhaltenskodex bezüglich Normen und Art. 5.1.2. bezüglich Konformitätsbewertungsverfahren. 203 Anhang 3 zum WTO-TBT-Übereinkommen. Der Code wurde von den europäischen und südafrikanischen Normenorganisationen akzeptiert: ETSI am 21.01.1996, CEN am 25.04.1996, CENELEC am 10.07.1996 und SABS am 14.04.1995, siehe die entsprechende Liste des TBT-Komittees: G/TBT/CS/2/Rev.9 vom 19.02.2003. 204 Für einen synoptischen Vergleich des Verhaltenskodex mit dem Kodex für Gute Normierungspraxis (ISO/IEC Guide 59:1994), siehe G/TBT/W/132 vom 29. März 2000. 205 Anhang 3 (F) des Verhaltenskodex bezüglich Normen und Art. 5.4. bezüglich Konformitätsbewertungsverfahren. 206 Nach Art. 2.2 TBT-Übereinkommen dürfen Vorschriften nicht handelseinschränkender als „notwendig“ sein und die Verfahren sollen gemäß Art. 5.1 so ausgearbeitet werden, dass „unnötige“ Hemmnisse vermieden werden.
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Art. XX GATT 1994 zurückzugreifen. In diesem Sinne wird man auch im Hinblick auf die Frage zu verfahren haben, unter welchen Voraussetzungen eine Maßnahme im Sinne der Präambel des WTO-TBT-Übereinkommens zu einer „willkürlichen und ungerechtfertigten Diskriminierung zwischen Ländern“ führt. Es wäre denkbar gewesen, diesbezüglich eine Kodifizierung der Grundsätze vorzunehmen, die sich aus den entsprechenden Entscheidungen des Appellate Body ergeben. Dies hätte die Zusammenarbeit in diesem Bereich jedenfalls erheblich erleichtern können. So muss in Zweifelsfällen notfalls erst das Streitbeilegungsverfahren bemüht werden.207 bb) Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung der Konformitätsprüfung Die Gemeinschaft und Südafrika beabsichtigen als konkreten Schritt zum Abbau technischer Handelshemmnisse, Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Konformitätsprüfung (Mutual Recognition Agreements, MRAs) zu schließen. Mit einem MRA werden die jeweils importierenden Vertragspartner ermächtigt, Erzeugnisse vor der Ausfuhr in ihrem eigenen Staatsgebiet nach den Regelungen des anderen Vertragspartners zu prüfen und zu zertifizieren. Der einführende Vertragspartner willigt durch Zustimmung zu den Bedingungen der MRAs ein, die Prüfungen, Bescheinigungen und Genehmigungen von zugelassenen Konformitätsbewertungsstellen des ausführenden Vertragspartners anzuerkennen, so dass die Erzeugnisse ohne zusätzliche Verfahren ausgeführt und auf den Markt des anderen Vertragspartners gebracht werden können.208 Der Vorteil der Vereinbarung besteht also darin, dass ein für zwei Märkte bestehendes Erzeugnis keiner doppelten Prüfung oder Zertifizierung unterzogen werden muss. Wenn der Importstaat die Konformitätsbewertung des Exportstaates anerkennt, muss der Hersteller das Exportprodukt nicht vorgängig im Importstaat auf seine Konformität hin überprüfen lassen. Damit wird der erforderliche finanzielle Aufwand verringert, das Verfahren erheblich beschleunigt und die Zeit bis zur Marktreife des Produkts entsprechend verkürzt. Alle diese Faktoren tragen zur Steigerung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit des jeweiligen Produkts bei. Darüber hinaus erhöhen MRAs die Transparenz der 207
Nach Art. 14 WTO-TBT-Übereinkommen findet das Streitbeilegungsverfahren des DSU auch auf Streitigkeiten aus dem WTO-TBT-Übereinkommen Anwendung. In der Praxis war das TBT-Übereinkommen im EC-Sardinen-Fall Gegenstand des Verfahrens, Bericht des Appellate Body „EC-Sardines“ WT/DS231/AB/R vom 26. September 2002. 208 Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, Durchführung der Außenhandelspolitik der Gemeinschaft im Bereich der Normen und der Konformitätsbewertung Instrumente, SEK (2001) 1570 vom 28.09.2001, S. 15 ff.
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Konformitätsbewertungsverfahren,209 weil einerseits nachzuweisen ist, dass das Produkt nach den Konformitätsbewertungsvorschriften des Importlandes geprüft worden ist und andererseits die Konformitätsbewertungsstellen des Exportstaates eine gleichwertige (im Abkommen näher umschriebene) fachliche Qualifikation aufweisen wie die im Importstaat geforderte.210 Angesichts dieser positiven Wirkungen werden die WTO-Mitglieder in Art. 6 Ziffer 3 TBT-Übereinkommen ermutigt, MRAs als Instrument zur Verringerung technischer Handelshemmnisse zu schließen: „Mitglieder werden ermutigt, auf Ersuchen anderer Mitglieder dazu bereit zu sein, in Verhandlungen von Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung der Ergebnisse der Konformitätsbewertungsverfahren einzutreten. Die Mitglieder können verlangen, dass solche Abkommen die Kriterien des Absatzes 1 erfüllen und in bezug auf ihre Möglichkeiten zur Erleichterung des Handels mit den betreffenden Waren beide Seiten zufrieden stellen“.
Die Absichtserklärung in Art. 47 lit. b TDCA betrifft also eine Maßnahme, die bereits im TBT-Übereinkommen vorgeschlagen wird. Bisher hat die Gemeinschaft lediglich mit Australien,211 Neuseeland,212 Kanada,213 den USA,214 Israel,215 Japan216 und der Schweiz217 jeweils MRAs geschlossen und sich damit auf wenige, für sie wichtige Handelspartner konzentriert, deren Konformitätsbewertung internationales Vertrauen genießt. Sollte ein vergleichbares umfassendes Abkommen mit Südafrika derzeit nicht durchsetzbar sein, so bliebe immer noch die Möglichkeit, einzelne Elemente herauszugreifen und als Einzelmaßnahmen oder als Teil eines Maßnahmenbündels gesondert zu vereinbaren. Wie die Europäische Kommission selbst ausführt, könnte ein solches „Stufen-MRA“ als Rahmenabkommen mit später in Kraft tretenden „Zusatzabkommen über Zusammenarbeit in Regelungsfragen, gegenseitige Anerkennung oder sonstige Inhalte“ ausgestaltet sein.218 Dem TDCA liegt offenbar ein entsprechender 209
Vergleiche die Legaldefinition in Anhang 1 zum TBT-Übereinkommen. Vergleiche Art. 6 Abs 1 TBT-Übereinkommen, der die technischen und rechtlichen Bedingungen festlegt, welche die WTO-Mitglieder zu erfüllen haben, um ein MRA zu schließen; siehe dazu auch Stephenson, Mutual recognition and its role in trade facilitation, JWT 33 (1999), S. 141, 145 ff. 211 Abl. EG Nr. L 229 vom 17.08.1998. 212 Abl. EG Nr. L 229 vom 17.08.1998. 213 Abl. EG Nr. L 280 vom 16.10.1998. 214 Abl. EG Nr. L 31 vom 04.02.1999. 215 Abl. EG Nr. L 263 vom 09.10.1999. 216 Abl. EG Nr. L 284 vom 29.10.2001. 217 Abl. EG Nr. L 114 vom 30.04.2002. 218 Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, Durchführung der Außenhandelspolitik der Gemeinschaft im Bereich der Normen und der Konformitätsbewertung Instrumente, SEK (2001) 1570 vom 28.09.2001, S. 19. 210
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Ansatz zugrunde, denn von „Abkommen“ wird im Vertragstext im Plural gesprochen. cc) Zusammenarbeit im Bereich von Qualitätsmanagement und -sicherung Auch wenn es zwischen der Gemeinschaft und Südafrika bisher an einem entsprechenden zwischenstaatlichen Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung der Konformitätsprüfung mangelt, so ist die institutionelle Kooperation im Bereich des Qualitätsmanagements und der -sicherung bereits weit fortgeschritten, d. h. für die in Art. 47 lit. c TDCA anvisierte Zusammenarbeit „in ausgewählten Bereichen, die für Südafrika von Bedeutung sind“, gibt es bereits konkrete Anknüpfungspunkte. Insbesondere haben die EA und SANAS bilaterale Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Konformitätsprüfung geschlossen, die sich auf die Prüfung, Kalibrierung und Zertifizierung von Umweltmanagementsystemen (EMS) beziehen. Darüber hinaus sind die EA und SANAS im Bereich der Qualitätsmanagementsysteme (QMS) sogar auf multilateraler Ebene miteinander verbunden. Beide gehören zum einen dem multilateralen Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Konformitätsprüfung (Multi Lateral Agreements, MLA) des Internationalen Forums für Akkreditierung (IAF)219 an, welches die gegenseitige Anerkennung von Zertifikaten für Produkte, Managementsysteme und Personal sicherstellen soll. Zum anderen sind sie Mitglieder der International Laboratory Accreditation Cooperation (ILAC),220 die für die Akkreditierung von Prüf- und Kalibrierlaboratorien zuständig ist und damit ein gleichmäßiges Kompetenzniveau der beteiligten Akkreditierungsstellen bezweckt. Auf der Grundlage der soeben genannten Vereinbarungen werden in Südafrika bereits heute Prüf- und Kalibrierungslaboratorien nach dem ISO/IECLeitfaden 25 bzw. der Norm EN 45001,221 Inspektionseinrichtungen nach ISO 17020 bzw. EN 45004 sowie Zertifizierungen von Produkten nach ISO Guide 65 bzw. EN 45011, Mangementsysteme nach ISO Guide 62 bzw. EN 45012 und Personal nach EN 45013 zertifiziert. Im Mittelpunkt dieser Verfahren stehen zwar technische und fachliche Fähigkeiten, insbesondere im Hinblick auf die Zuverlässigkeit und Vergleichbarkeit von Prüf- und Kalibrierergebnissen sowie die Akzeptanz der erstellten Berichte. Jedoch geht es dabei auch um Fragen des Qualitätsmanagements und der Qualitätssicherung von Einrichtungen und Unternehmen.222 Da das notwendige Know219 220 221
Http://www.iaf.nu. Http://www.ilac.org. Modulares Trainings Konzept (MTC), Modul G, D-A-CH, S. 136.
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how in Südafrika somit bereits weitgehend vorhanden ist, bedarf es zunächst einer genauen Bedarfsanalyse, um festzustellen, auf welchen Gebieten eine weitergehende Zusammenarbeit nützlich sein könnte. dd) Technische Hilfe für Qualifizierungsinitiativen Südafrikas Die Vereinbarung über technische Hilfe in Art. 47 lit. d TDCA findet einen Anker im TBT-Übereinkommen, welches die Vertragspartner in Art. 11 auffordert, gegenüber anderen Mitgliedern, insbesondere Entwicklungsländern, auf deren Ersuchen Beratung und technische Hilfe zu leisten. Die Vorschrift nennt u. a. die folgenden Bereiche: Ausarbeitung technischer Vorschriften, Errichtung nationaler Normenorganisationen, Teilnahme an internationalen Normenorganisationen, Errichtung von Konformitätsbewertungsstellen, Methoden zur Einhaltung technischer Vorschriften, Zugang zu internationalen oder regionalen Konformitätsbewertungssystemen sowie die Errichtung eines Verwaltungs- und Rechtsrahmens, der nötig ist, um der Mitgliedschaft oder Teilnahme in diesen Institutionen gerecht zu werden. Angesichts des in Südafrika bereits erreichten Entwicklungsstandes in Bezug auf Regulierung, Normen und Konformitätsbewertung stellt das TDCA auf „Qualifizierungsinitiativen Südafrikas in den Bereichen Akkreditierung, Metrologie und Normung“ ab. In diesen drei Bereichen sollen die bereits vorhandenen Erfahrungen, Kenntnisse und Fertigkeiten durch bilaterale technische Zusammenarbeit ausgebaut werden. ee) Aufbau von europäisch-südafrikanischen Arbeitsbeziehungen Art. 47 lit. e TDCA sieht vor, dass Arbeitsbeziehungen zwischen südafrikanischen und europäischen Normen-, Akkreditierungs- und Zertifizierungsorganisationen aufgebaut werden sollen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gemeinschaft selbst über keine eigenen Institutionen verfügt. Vielmehr haben sich auf europäischer Ebene angesichts der den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft insoweit verbliebenen Kompetenzen rechtlich, finanziell und administrativ eigenständige Organisationen gebildet, die eine wichtige Rolle bei der Umsetzung der Handelsvereinbarung übernehmen könnten. Wie dargelegt, bestehen bereits umfangreiche Arbeitsbeziehungen im Norm- und Prüfwesen zwischen dem Europäischen Komitee für Normung (CEN) mit Sitz in Brüssel und dem SABS mit Sitz in Pretoria. Außerdem arbeitet die EA mit Sitz in Paris mit dem SANAS in Pretoria im Bereich Akkreditierung und Zertifizierung zusammen. Darüber hinaus haben sich in 222
Europäische Kommission CERTIF 97/4 – DE Rev. 2, S. 8.
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den EG-Mitgliedstaaten auch nationale Institutionen im Bereich der internationalen technischen Zusammenarbeit einen Namen gemacht. Besonders hervorzuheben ist die deutsche Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) mit Sitz in Brauschweig, die ebenfalls einbezogen werden könnte. Wichtig ist, dass die Vertragspartner den Grundsatz des Vorrangs internationaler Normen berücksichtigen. Dazu sollte die bestehende Zusammenarbeit mit dem IAF und dem ILAC ausgebaut werden. e) Fazit Die Untersuchung führt zu dem Ergebnis, dass es in den in Art. 47 TDCA genannten Kooperationsbereichen bereits unabhängig von der Freihandelsvereinbarung vielfältige Arbeitsbeziehungen zwischen den relevanten Stellen in der Gemeinschaft und Südafrika gibt. Angesichts der engen Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Wirtschaftsräumen verwundert dies nicht. Es ist jedoch unbefriedigend, dass keine weitergehenden Maßnahmen vereinbart wurden, die den bilateralen Handel im Bereich der Normung, Metrologie, Zertifizierung und Qualitätssicherung über den status quo hinaus erleichtern. Da europäische und südafrikanische Unternehmen aufgrund der vereinbarten Zollsenkungen einander zunehmend in direktem Wettbewerb gegenüberstehen, kommt es ganz entscheidend darauf an, dass sie sich auf einem „level playing field“ bewegen. Dies ist nicht möglich, wenn die Normen und Standards des einen Marktraums so hoch sind, dass sie von Mitbewerbern aus dem anderen Marktraum nicht überwunden werden können. Diese Gefahr besteht insbesondere bei Konkurrenten aus Ländern, die sich – wie die Gemeinschaft und Südafrika – auf unterschiedlichem Entwicklungsstand befinden.223 Trotz dieser Problematik werden im TDCA lediglich Absichtserklärungen formuliert, die im Wesentlichen die multilateralen Verpflichtungen wiederholen. Diese münden jedoch nur in einem Appell zu Harmonisierung und Zusammenarbeit, ohne dafür konkrete Mindestverpflichtungen festzuschreiben. Diesbezüglich hätte man sich im TDCA auf konkrete Schritte zur Vereinbarung eines MRA verständigen und die institutionelle Zusammenarbeit ausbauen können. Ein Beispiel für eine bessere Kooperation bietet das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Chile,224 in dem ein gemein223 Thompson/Thompson, The ISO 9000 Quality Standards: Will they constitute a Technical Barrier to Free Trade under the NAFTA and the WTO? Arizona JICL 14 (1997), S. 155, 156 ff., die auf die entsprechenden Schwierigkeiten Mexikos in der NAFTA verweisen. 224 Art. 88, Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
samer Ausschuss für Normen, technische Vorschriften und Konformitätsbewertung vereinbart wurde, der sich den Fragen in Bezug auf die technischen Handelshemmnisse widmet. Europäer und Südafrikaner sollten in Erwägung ziehen, ähnliche Regelungen bei der jetzt anstehenden Überprüfung des TDCA aufzunehmen. 4. Der Schutz des geistigen Eigentums Südafrika und die Gemeinschaft haben sich in Art. 46 Abs. 1 Satz 1 TDCA auf „einen angemessenen und wirksamen Schutz der Rechte an geistigem Eigentum“ verpflichtet. a) Die Einbeziehung des TRIPs Grundlage für den bilateralen Schutz des geistigen Eigentums bildet das Übereinkommen über die handelsbezogenen Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPs), das gemäß Art. 46 Abs. 1 Satz 2 TDCA ausdrücklich in das TDCA einbezogen wird. Nach Art. 1 Ziffer 1 TRIPs sind die Mitglieder verpflichtet, den TRIPs-Bestimmungen Geltung in ihrem eigenen Rechtssystem und ihrer eigenen Rechtspraxis zu verschaffen. Damit geht das TRIPs über den Ansatz der „negativen Integration“ des GATT hinaus, der sich in der Abschaffung von Handelsbarrieren an der Grenze erschöpft. Ähnlich wie das soeben diskutierte TBT-Übereinkommen verlangt das TRIPs von den WTO-Mitgliedern, sich auf internationale Standards zu verständigen („positive Integration“), wobei seine Besonderheit darin besteht,225 dass es diesbezüglich sogar Mindeststandards vorschreibt.226 Den Mitgliedern steht es frei, darüber hinaus noch einen umfassenderen Schutz zu gewähren, solange er dem TRIPs nicht zuwiderläuft.227 Das „wie“ der Umsetzung der TRIPs-Verpflichtungen ist nach Art. 1 Ziffer 1 Satz 3 TRIPs dem innerstaatlichen Verfahren des jeweiligen Mitgliedes überlassen. 225
Koopmann, Die WTO nach Cancffln, S. 5 f. Art. I Abs. 1 S. 2 TRIPs: „Members may, but are not obliged to, implement in their law more extensive protection than is required by this Agreement, provided that such protection does not contravene the provisions of this Agreement“. 227 Im Hinblick auf das Meistbegünstigungsgebot könnte dies zu Trittbrettfahrereffekten führen, „weil die Angehörigen der WTO-Mitglieder am höchsten Schutzniveau aller völkerrechtlichen Verträge zum Schutz des Geistigen Eigentums teilnehmen, an denen auch nur ein Mitglied beteiligt ist“, Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 600. Aus diesem Grund lässt Art. 4 S. 2 TRIPs Ausnahmen vom Grundsatz der Meistbegünstigung zu. Auf deren Grundlage hat die Gemeinschaft gemäß Art. 4 S. 2 lit. d beim TRIPs-Rat den EG-Vertrag als MFN-Ausnahme notifiziert, IP/N/4/EEC/1 vom 29. Januar 1996. 226
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Ob damit die TRIPs-Mindeststandards in den Staaten der Mitglieder umfassend geschützt und durchsetzbar sind, mag in Einzelfällen nicht immer eindeutig sein. Damit stellt sich die Frage, ob die TRIPs-Bestimmungen notfalls auch direkt anwendbar sind. Dies ist auf Seiten der Gemeinschaft zwar in der Bundesrepublik Deutschland der Fall,228 nicht jedoch in Ländern wie z. B. Großbritannien, Dänemark oder Schweden, deren nationale Rechtsordnung dies nicht zulässt.229 Eine unmittelbare Anwendbarkeit („direct effect“) des TRIPs in diesen Ländern könnte allenfalls durch die Mitgliedschaft der Gemeinschaft in der WTO vermittelt werden. Zumindest ist das TRIPs durch den Beitritt zum Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung geworden. Jedoch bedarf es eines zusätzlichen Rechtssetzungsaktes der Gemeinschaftorgane, der das TRIPs unmittelbar zur Anwendung bringt.230 Wo die Gemeinschaft dagegen von ihrer konkurrierenden Rechtsetzungskompetenz noch nicht Gebrauch gemacht hat, entscheidet sich die direkte Anwendung nach den nationalen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten.231 Somit ist das TRIPs aufgrund des Gemeinschaftsrechts nur insoweit in allen Mitgliedstaaten direkt anwendbar, wie die Gemeinschaft ihre Rechtsetzungskompetenz bezüglich der entsprechenden geistigen Eigentumsrechte ausgeübt hat. Im Übrigen gilt auch nach südafrikanischem Verfassungsrecht, dass internationale Abkommen im Grundsatz in nationales Recht umgesetzt werden müssen, um Anwendung zu finden.232 Die südafri228
In der Bundesrepublik Deutschland ist eine direkte Anwendbarkeit völkerrechtlicher Vorschriften möglich, sobald das Zustimmungsgesetz zur Ratifizierung des Vertrages im Bundesgesetzblatt verkündet wurde. Speziell zu TRIPs, siehe BGH I ZR 118/96 = MMR 1999, S. 665 und Denkschrift der Bundesregierung, Bundestags-Drucksache, 12/7655 (neu) vom 24.05.1999, S. 337. 229 Drexl, Nach „GATT und WIPO“: Das TRIPs-Abkommen und seine Anwendung in der Europäischen Gemeinschaft, GRUR Int. 1994, S. 777, 779, Fn. 24. 230 Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 645, die zu Recht davon ausgehen, dass nur ausnahmsweise von einer ausschließlichen Kompetenz der Gemeinschaft auf der Grundlage von Art. 133 Abs. 1 EG-Vertrag (gemeinsame Handelspolitik) ausgegangen werden kann. Vielmehr leitet sich die Kompetenz regelmäßig aus Art. 95 EG-Vertrag her (Harmonisierung zur Verwirklichung des Binnenmarktes). 231 Der EuGH hat in der Rechtssache Dior entschieden, dass das Gemeinschaftsrecht der direkten Anwendbarkeit der TRIPs-Bestimmungen in den Mitgliedstaaten nicht entgegesteht, „in denen die Gemeinschaft noch keine Rechtsvorschriften erlassen hat und die somit in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten [fallen]“ EuGH, verb. Rs. C-300 und 392/98, Slg. 2000, I-11307, 2. Leitsatz. 232 Der insoweit einschlägige Art. 231 der südafrikanischen Verfassung hat den folgenden Wortlaut: „(1) The negotiating and signing of all international agreements is the responsibility of the national executive. (2) An international agreement binds the Republic only after it has been approved by resolution of both the National Assembly and the National Council of Province, unless it is an agreement referred to in subsection (3).
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kanische Regierung entscheidet über die Klassifizierung von Abkommen als „technical, administrative or executive“ und damit über die Entbehrlichkeit einer parlamentarischen Zustimmung. Im Ergebnis ist damit zwar nur ein relativ kleiner Kreis politisch wichtiger Übereinkommen der parlamentarischen Zustimmung unterworfen. Allerdings gehören das TDCA, die WTO-Übereinkommen und somit auch das TRIPs dazu.233 b) Tatbestandsdefinition Obwohl Teil II des TRIPs den Umfang der geistigen Eigentumsrechte beschreibt,234 haben die Gemeinschaft und Südafrika in Art. 46 Abs. 7 TDCA eine eigene Aufzählung der zum Kernbereich des geistigen Eigentumsschutzes gehörenden Tatbestände vorgenommen. Nach diesem Katalog sind insbesondere die folgenden Rechte zu schützen: • das Urheberrecht, einschließlich des Urheberrechts an Computerprogrammen und die verwandten Schutzrechte (geschützt in Art. 9–14 TRIPs); • die Gebrauchsmuster; • die Patente (geschützt in Art 27–34 TRIPs),235 einschließlich biotechnischer Erfindungen; • die gewerblichen Muster (geschützt in Art. 25–26 TRIPs); • die geographischen Angaben, einschließlich der Ursprungsbezeichnungen (geschützt in Art. 22–24 TRIPs);236 (3) An international agreement of a technical, administrative or executive nature, or an agreement which does not require either ratification or accession, entered into by the national executive, bindes the Republic without approval by the National Assembly and the National Council of Provinces, but must be tabled in the Assembly and the Council within reasonable time. (4) Any international agreement becomes law in the Republic when it is enacted into law by national legislation, but a self-executing provision in an agreement that has been approved by Parliament is law in the Republic unless it is inconsistent with the Constitution or an Act of Parliament. (5) The Republic is bound by international agreements which were binding on the Republic when this Constitution took effect“. 233 Erasmus, The Incorporation of trade agreements and rules of origin: the extent of constitutional guidance, SAYIL 28 (2003), S. 157, 166, Fn. 31. 234 Siehe aber auch die recht weit gefasste Definition in Art. 2 Abs. 8 der Übereinkunft zur Einrichtung der WIPO. 235 In diesem Bereich ist außerdem der Budapester Vertrag von verwaltungstechnischer Bedeutung, auf den noch näher einzugehen sein wird [siehe C. II. 4. c) aa) (5)]. 236 Der Schutz von geographischen Angaben ist auf internationaler Ebene auch durch eine entsprechende Registrierung nach dem Lissaboner Abkommen über den Schutz der Ursprungsbezeichnungen und ihre internationale Registrierung vom
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• die Marken für Waren und Dienstleistungen (geschützt in Art. 15–21 TRIPs);237 • die Topographien integrierter Schaltkreise (geschützt in Art. 35–38 TRIPs);238 • Datenbanken; • der Schutz gegen unlauteren Wettbewerb im Sinne des Art. 10bis der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums und den Schutz vertraulicher Informationen über Know-how (geschützt in Art. 39 TRIPs). Wie die Darstellung zeigt, bestehen weitreichende Übereinstimmungen mit den einschlägigen TRIPs-Bestimmungen, so dass sich die Bedeutung des Art. 46 Abs. 7 TDCA nicht auf den ersten Blick erschließt. Eine Erklärung könnte darin liegen, dass das TRIPs-Übereinkommen angesichts seiner in Art. 65 TRIPs statuierten Übergangsfristen erst zum 1. Januar 2000 in den Entwicklungs- und Reformländern vollständig gilt. Wäre es den Vertragsparteien gelungen, das TDCA – wie ursprünglich geplant – bereits vor dem Jahr 2000 als Gemeinschaftsabkommen in Kraft zu setzen, so hätte Südafrika als Reformland womöglich eine analoge Anwendung des Art. 65 TRIPs auf sich beanspruchen und damit die Anwendung des TRIPs partiell239 herauszögern können. Eine weitere Erklärung bietet die Tatsache, dass die Gemeinschaft entsprechende Klauseln auch in anderen Freihandelsvereinbarungen ausgehandelt hat.240 Sie bringt damit die beson31. Oktober 1958 möglich, das ebenfalls von der WIPO verwaltete wird. In der Praxis wurden vor allem Bezeichnungen für Weine, Spirituosen, Käse, andere Agrarprodukte und Tabak registriert. Allerdings sind dem Lissaboner Abkommen bisher lediglich 20 Staaten beigetreten (Stand: Januar 2004), wovon wiederum nur drei gleichzeitig TDCA-Vertragsstaaten sind: Frankreich, Italien und Portugal. Da Südafrika nicht zu den Mitgliedstaaten zählt, ist das Lissaboner Abkommen für den europäisch-südafrikanischen Handel bisher ohne Relevanz. Für einen synoptischen Vergleich der Vorschriften über den Schutz geographischer Angaben nach dem Lissaboner Übereinkommen und dem TRIPs-Übereinkommen, siehe Lisbon Agreement for the Protection of Appellation of Origin – Violation of the TRIPs Agreement, Issue Brief, International Trademark Association, Issue Advocacy Subcommittee of the External Affairs Committee (Juni 2000), S. 4 ff. http://www.intra.org/ downloads/tap_ftaacomments2001_appendixA.pdf, abgerufen am 11.04.2004. 237 Siehe außerdem Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums; Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken und das Abkommen von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken. 238 Das entsprechende Washingtoner Abkommen ist nie in Kraft getreten. 239 Ausgenommen von dieser Möglichkeit sind die Art. 3 bis 5 TRIPs, die sich auf das Meistbegünstigungs- und Inländerprinzip beziehen, siehe Art. 65 Abs. 2 TRIPs.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
dere Bedeutung zum Ausdruck, welche sie dem Schutz der geistigen Eigentumsrechte im „Informationszeitalter“ und angesichts einer deutlich zunehmenden Liberalisierung der entsprechenden Märkte beimisst. Um nicht den Eindruck eines Widerspruchs zu dieser Praxis zu erwecken, dürfte es den europäischen Verhandlungsführern ein besonderes Anliegen gewesen sein, auch für den europäisch-südafrikanischen Integrationsraum ein entsprechendes Verhandlungsergebnis zu erreichen. Jedenfalls werden alle Tatbestände des TRIPs benannt, so dass dem erforderlichen Mindestschutz insoweit formal genügt wurde. Allerdings hat die Aufzählung nur deklaratorische Bedeutung, da die Gemeinschaft und Südafrika ohnehin an ihre multilateralen Verpflichtungen gebunden sind. Etwas anderes könnte allenfalls für Gebrauchsmuster, Datenbanken und biotechnische Erfindungen gelten, welche nicht ausdrücklich in dieser Form im TRIPs genannt sind. Insoweit könnte – im Sinne des TRIPs – ein ergänzender Rechtsschutz vereinbart worden sein. Eine entsprechende Absichtserklärung findet sich in Art. 46 Abs. 1 S. 2 TDCA: „Die Vertragsparteien wenden das WTO-Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPs) vom 1. Januar 1996 an und verpflichten sich, gegebenenfalls den in diesem Übereinkommen vorgesehenen Schutz zu verbessern“.
aa) Gebrauchsmuster Obwohl der Gebrauchsmusterschutz nicht ausdrücklich im TRIPs geregelt ist, findet er sich gleichwohl in der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums wieder,241 zu deren Befolgung sich die WTO-Mitglieder in Art. 2 Ziffer 1 TRIPs verpflichtet haben.242 Danach ist 240 So heißt es beispielsweise in der gemeinsamen Erklärung zu Art. 54 im „Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits“, „dass das geistige, gewerbliche und kommerzielle Eigentum insbesondere folgendes umfasst: das Urheberrecht einschließlich des Urheberrechts an Computerprogrammen und die verwandten Schutzrechte, die Patente, die gewerblichen Muster, die geographischen Bezeichnungen einschließlich der Herkunftsbezeichnungen, die Warenzeichen und die Dienstleistungsmarken, die Topographien integrierter Schaltkreise sowie den Schutz gegen unlauteren Wettbewerb im Sinne des Art. 10bis der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums und den Schutz geheimer Informationen über Know-how“, Abl. EG Nr. L 327 vom 28.11.1997. Diese Definition ist nahezu identisch mit derjenigen in Art. 46 Abs. 7 TDCA. Lediglich der Gebrauchsmusterschutz, der Schutz biotechnischer Erfindungen und der rechtliche Schutz der Datenbanken fehlt. 241 Wörtlich heißt es in Art. 1 Abs. 2 der Pariser Verbandsübereinkunft: „The protection of industrial property has as its object patents, utility models (. . .)“. Ge-
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der Tatbestand weitgehend demjenigen des Patents nachgebildet. Dies gilt insbesondere für das Prioritätsrecht der als Gebrauchsmuster geschützten technischen Erfindung.243 Als „Minipatent“ unterscheidet sich das Gebrauchsmuster jedoch im Übrigen bezüglich der materiellrechtlichen und formalen Tatbestandsvoraussetzungen, wobei deren Ausgestaltung völkerrechtlich nicht geregelt und deshalb weitgehend nationalstaatlichen Regelungen überlassen ist. Um den Kernbestand des Gebrauchsmusterschutzes zu ermitteln, bietet sich ein Blick auf den zur Rechtsvereinheitlichung erarbeiteten Kommissionsvorschlag für eine Gebrauchsmusterrichtlinie an.244 Danach muss die Erfindung zwar einerseits wie beim Patent „neu“ und „gewerblich anwendbar“ sein.245 Andererseits ist die geforderte Erfindungshöhe geringer als bei Patenten. So reicht es aus, dass das Gebrauchsmuster – im Gegensatz zur „erfinderischen Tätigkeit“ beim Patent – einen „erfinderischen Schritt“ aufweist (Art. 27 Ziffer 1 TRIPs). Verfahrensrechtlich bedeutsam ist, dass die Schutzfähigkeit nicht vorab überprüft wird246 und die Schutzdauer auf 10 Jahre begrenzt ist.247 Ein Gebrauchsmuster kann also wesentlich kostengünstiger und schneller erteilt werden als ein Patent und erlaubt deshalb vor allem kleinen und mittleren Unternehmen, schnell und innovativ auf Marktbedürfnisse zu reagieren.248 brauchsmuster werden auch ausdrücklich in Art. 4 A. (1) C. (1) E. (1) und (2), Art. 5 A. (5) und D., 11 (1) und 12 (1) der Pariser Verbandsübereinkunft genannt. 242 Nach dieser Vorschrift haben die WTO-Mitglieder die Art. 1 bis 12 und Art. 19 in Bezug auf die Teile II, III und IV des TRIPs-Abkommens zu befolgen. Der Patentschutz ist in Teil II, Abschnitt 5, Art. 27–34 geregelt. 243 Siehe Art. 4 der Pariser Verbandsübereinkunft. 244 Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates über die Angleichung der Rechtsvorschriften betreffend den Schutz von Erfindungen durch Gebrauchsmuster, KOM(1999) 309 endg. 97/0356 (COD) vom 25.06.1999. Angesichts der unterschiedlichen Ausgangspositionen erwies sich aber auch eine Einigung in den Grundsatzfragen als sehr schwierig, so dass die Verhandlungen ausgesetzt werden mussten, siehe Europäische Kommission (1. März 2002) Sondierung der Auswirkungen eines Gemeinschaftsgebrauchsmusters zur Aktualisierung des Grünbuchs über den Gebrauchsmusterschutz im Binnenmarkt (SEK (2001) 1307). 245 Art. 5 und 7 des Richtlinienvorschlags sowie Art. 27 Abs. 1 TRIPs. 246 Während ein Patent nur erteilt wird, nachdem eine Prüfung auf Neuheit und Erfindungshöhe stattgefunden hat, wird das Gebrauchsmuster ohne eine solche Überprüfung in einem Registrierverfahren eingetragen, d. h. bei der Anmeldung eines Gebrauchsmusters werden nur die formalen Schutzvoraussetzungen geprüft, siehe Art. 14 sowie Ziffer 14 der Erwägungsgründe des Kommissionsvorschlags, KOM(1999) 309 endg. 97/0356 (COD) vom 25.06.1999. 247 Art. 19 der Richtlinienvorschlags. 248 Siehe Ziffer 5 der Erwägungsgründe im Kommissionsvorschlag, KOM(1999) 309 endg. 97/0356 (COD) vom 25.06.1999. Andererseits ist zu bedenken, dass die Rechtsbeständigkeit eines Gebrauchsmusters wegen der fehlenden Prüfung fraglich
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Da das TDCA den Gebrauchsmusterschutz nur benennt, ohne einen eigenständigen Tatbestand zu definieren, ist Letzterer nur gewährleistet, soweit er im nationalen Recht der Vertragspartner vorgesehen ist. Insoweit bestehen jedoch große Unterschiede, da nicht einmal „überall in der Gemeinschaft dieselben Erfindungen schutzfähig sind“ und Schutzumfang und Schutzdauer voneinander abweichen.249 Das südafrikanische Recht kennt überhaupt keinen Gebrauchsmusterschutz. Vergleichbare Erfindungen werden dort allenfalls im Designs Act250 als „functional designs“ geschützt.251 Letztere sind jedoch von ihrer Rechtsnatur nicht den Gebrauchsmustern, sondern den gewerblichen Mustern zuzurechnen, die im TRIPs ohnehin gesondert geschützt sind (Art. 25 und 26 TRIPs). Auch wenn sich die Einführung eines Gebrauchsmusterschutzes – als ein das Patentrecht ergänzendes Schutzrecht für kleinere Erfindungen – vor allem im asiatischen Raum als Anreizsystem für Innovationen durch die einheimische Industrie bewährt hat252 und von daher auch für Südafrika interessant sein könnte, kann die im TDCA getroffene Regelung keine Ausweitung des Schutzes von geistigen Eigentumsrechten bewirken, sondern lediglich den status quo beschreiben. bb) Datenbanken Ob und inwieweit der in das TDCA aufgenommene rechtliche Schutz von Datenbanken eine Schutzbereichserweiterung gegenüber der durch das TRIPs statuierten Rechtslage darstellt, hängt im Wesentlichen davon ab, wie man diesen Tatbestand definiert. Grundsätzlich werden „Datensammlungen“ (Zusammenstellungen von Daten) durch Art. 10 Ziffer 2 TRIPs geschützt: bleibt, d. h. es besteht die Gefahr, das erlangte Schutzrecht in einem Löschungsverfahren wieder zu verlieren. Zu den Nichtigkeitsgründen, siehe Art. 25 des Kommissionsvorschlags, KOM(1999) 309 endg. 97/0356 (COD) vom 25.06.1999. 249 Siehe Ziffer 3 der Erwägungsgründe zur Gebrauchsmusterrichtlinie. Zur Problematik insgesamt: Goebel, Schutzwürdigkeit kleiner Erfindungen in Europa – die materiellen Schutzvoraussetzungen für Gebrauchsmuster in den nationalen Gesetzen und dem EU-Richtlinienvorschlag, GRUR 2001, S. 916–922. 250 Act No 195 of 1993. 251 Art. 1 des Designs Act definiert ein „functional design“ folgendermaßen: „Any design applied to any article, whether for the pattern or the shape or the configuration thereof, or for any two or more of those purposes, and by whatever means it is applied, having features which are necessitated by the function which the article to which the design is applied, is to perform, and includes an integrated circuit topography, a mask work and a series of mask works“. 252 Heath, Bedeutet TRIPS wirklich eine Schlechterstellung von Entwicklungsländern? GRUR Int 1996, S. 1169, 1178.
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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„Zusammenstellungen von Daten oder sonstigem Material, gleichviel, ob in maschinenlesbarer oder anderer Form, die aufgrund der Auswahl oder Anordnung ihres Inhalts geistige Schöpfungen bilden, werden als solche geschützt (. . .)“.
Die europäische Richtlinie „über den rechtlichen Schutz von Datenbanken“253 geht über diese Tatbestandsdefinition noch hinaus. Zwar gewährt auch sie den urheberrechtlichen Schutz254 für die eigenschöpferische Auswahl und Anordnung des zusammengestellten Stoffes einer Datenbank255, indem sie dessen Übernahme in Art. 5 verbietet. Jedoch schützt sie neben dem Urheber auch den Hersteller, den sie in Ziffer 41 der Präambel als denjenigen definiert, der „die Initiative ergreift und das Investitionsrisiko trägt“. Ihm vermittelt sie das Recht, die unerlaubte Entnahme bzw. Weiterverwendung der Datenbank über ein „Schutzrecht sui generis“ zu unterbinden, damit er auf diese Weise seine in die Datenbank eingebrachten Investitionen schützen kann. Mit diesem Ausschließlichkeitsrecht zugunsten von Datenbankherstellern begründet die europäische Datenbankrichtlinie einen über das TRIPs hinausgehenden weltweit einzigartigen Schutzbereich.256 Inwieweit sich das TDCA auf die Regelungsweite des TRIPs beschränkt oder aber dem entsprechenden Tatbestand der europäischen Datenbankrichtlinie folgt und somit den Herstellerschutz einschließt, ist nicht geregelt. Für eine Interpretation im Sinne des „aquis communitaire“ spricht der Wortlaut der Vorschrift, der nicht von der Formulierung im TRIPs-Übereinkommen ausgeht, sondern den Terminus der Richtlinie benutzt („rechtlicher Schutz von Datenbanken“). Auch die Verpflichtungserklärung in Art. 46 Abs. 1 Satz 2 TDCA, den TRIPs-Schutz verbessern zu wollen, untermauert diese Auslegung. Andererseits spricht die Systematik der Vorschrift gegen eine Tatbestandserweiterung, da sich auch alle übrigen geistigen Eigentumsrechte im Rahmen des TRIPs bewegen und keine Anhaltspunkte vorliegen, dass die Vertragspartner einzig und allein an dieser Stelle über dessen 253
Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken, Abl. EG Nr. L 77/20 vom 27.03.1996. 254 Gemäß Art. 4 Abs. 1 gilt als Urheber einer Datenbank „die natürliche Person oder die Gruppe natürlicher Personen, die die Datenbank geschaffen hat, oder, soweit dies nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten zulässig ist, die juristische Person, die nach diesen Rechtsvorschriften als Rechtsinhaber gilt“. 255 Art. 3 Abs. 1 Datenbankrichtlinie. Als „Datenbank“ gilt „eine Sammlung von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit elektronischen Mitteln oder auf andere Weise zugänglich sind“, Art. 1 Abs. 2 Datenbankrichtlinie. 256 Leistner, Der neue Rechtsschutz des Datenbankherstellers – Überlegungen zu Anwendungsbereich, Schutzvoraussetzungen, Schutzumfang sowie zur zeitlichen Dauer des Datenbankherstellerrechts gemäß §§ 87a ff. UrhG, GRUR Int 1999, S. 819.
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Schutz hinausgehen wollten. Ein entsprechender Schritt wäre so bedeutsam, dass er eine ausdrückliche Aufnahme in den Vertragstext verdient hätte, zumal das südafrikanische Recht keinen vergleichbaren Schutz kennt. Selbst in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft gab es bis zum In-Kraft-Treten der Richtlinie keine Vorschriften, welche Investitionen einer Datenbankherstellung schützten,257 so dass die Richtlinie auch keine vorhandenen nationalen Regelungsstandards haromonisierte, sondern faktisch neues europäisches Urheberrecht schaffte.258 Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Südafrika daran Anteil nehmen will. Insofern beschränkt sich der bilaterale Schutz an dieser Stelle auf Datensammlungen im Sinne des Art. 10.2 des TRIPs-Übereinkommens. cc) Biotechnische Erfindungen Der neben den Patenten ausdrücklich erwähnte Schutz „biotechnischer Erfindungen“259 könnte ebenfalls in eine Tatbestandserweiterung münden. Zwar gilt der Patentschutz nach Art. 27 Ziffer 1 TRIPs für alle Arten von Erfindungen, so dass er ist in allen Technologiebereichen zu gewährleisten ist und zwar unabhängig davon, um welche Produkte oder Verfahren es sich dabei handelt. Allerdings wird in der gesellschaftspolitischen Debatte gefordert, dass die grundsätzliche Patentrechtsfähigkeit bestimmter Kategorien biotechnologischer Erfindungen schon aus ethischen Gründen a priori ausgeschlossen sein soll.260 Diese Auffassung findet im TRIPs jedoch keinen Rückhalt. Vielmehr sind die Mitglieder verpflichtet, grundsätzlich sowohl für Produkt- als auch für Verfahrenserfindungen auf allen Technikgebieten, die auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind, Patente zu gewähren.261 Vor dem Hintergrund, dass Biotechnologie 257 Zu den Umsetzungsanstrengungen in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, siehe Gaster, Zwei Jahre Sui-generis-Recht: Europäischer Datenbankschutz in der Praxis der EG-Mitgliedstaaten, CR Int 2000, S. 38, 39 ff. 258 Flechsig, Der rechtliche Rahmen der europäischen Richtlinie zum Schutz von Datenbanken, ZUM 1997, S. 577, 587. 259 Es handelt sich bei der Begrifflichkeit wohl um ein Redaktionsversehen. Richtig müsste es heißen „biotechnologischer Erfindungen“ (Hervorhebung durch den Verfasser). 260 So beispielsweise der von Greenpeace herausgegebene Bericht „Zootiere, Rennpferde und Menschen – Patente auf Leben“, abrufbar unter http://genopoly.lu/ download/zoomenschketch.pdf. Auch die Enquete Kommission „Recht und Ethik in der Medizin“ hat mehrheitlich Zurückhaltung bei der Patentierung von Genen angemahnt, Zwischenbericht der Enquete Kommission Recht und Ethik in der modernen Medizin, Deutscher Bundestag Drucksache 14/5157 vom 25.01.2001, S. 12 ff.; siehe aber auch das Minderheitsvotum, S. 15. 261 Straus, Bedeutung des TRIPS für das Patentrecht, GRUR Int 1996, S. 179, 188; Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 615.
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und Gentechnik als Zukunftstechnologien anzusehen sind, ist sicherzustellen, dass in diesem Bereich keine neuen Handelsschranken entstehen. Dies ist auch das erklärte Ziel der EG-Richtlinie 98/44/EG262 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen vom 6. Juli 1998,263 die den Anstoß für die ausdrückliche Nennung der Biotechnologie im TDCA gegeben haben dürfte. Im Ergebnis sollte mit der in Art. 47 Abs. 7 TDCA erfolgten Klarstellung offenbar einer restriktiven Auslegung des TRIPs entgegengewirkt werden. Im Übrigen hindert die grundsätzliche Patentrechtsfähigkeit biotechn(olog)ischer Erfindungen die TRIPs-Mitglieder nicht, die Patentierbarkeit von Erfindungen im Rahmen des „ordre public“-Vorbehalts in Art. 27 Ziffer 2 TRIPs auszuschließen: „Die Mitglieder können Erfindungen von der Patentierbarkeit ausschließen, wenn die Verhinderung ihrer gewerblichen Verwertung innerhalb ihres Schutzgebiets zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder der guten Sitten einschließlich des Schutzes des Lebens oder der Gesundheit von Menschen, Tieren oder Pflanzen oder zur Vermeidung einer ernsten Schädigung der Umwelt notwendig ist, vorausgesetzt, dass ein solcher Ausschluss nicht nur deshalb vorgenommen wird, weil die Verwertung durch ihr Recht verboten ist“.
In diesem Sinne wurde in Art. 6 der o. g. Richtlinie 98/44/EG ein biotechnologisches Patentierungsverbot aufgenommen, das u. a. „Verfahren zum Klonen von menschlichen Lebewesen“ und „die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen und kommerziellen Zwecken“ aus Gründen der „öffentlichen Ordnung“ und der „guten Sitten“ als „nicht patentierbar“ einstuft.264 Im Ergebnis wird mit der Richtlinie also kein neues Patentrecht geschaffen, sondern lediglich die aus Art. 27 TRIPs resultierende Rechtslage für die Gemeinschaft im Hinblick auf die Schutzfähigkeit biotechnologische Erfindungen klargestellt, auch wenn im Einzelnen noch viele Fragen offen bleiben.265 Nichts anderes gilt für die ausdrückliche Erwähnung der biotechn(olog)ischen Erfindungen in Art. 47 Abs. 7 TDCA, mit der die Vertragspartner lediglich zum Ausdruck bringen, dass sie die Patentrechtsfähigkeit biotechnischer Erfindungen nicht grundsätzlich in Frage stellen.
262
Richtlinie 98/44/EG, Abl. EG Nr. L 213/13 vom 30.07.1998. Zum Patentrechtsgegenstand der europäischen Biotechnologierichtlinie: Zintler, Die Biotechnologierichtlinie, S. 115 ff. 264 Zu den Nichtpatentierbarkeitstatbeständen: Zintler, Die Biotechnologierichtlinie, S. 127 ff. 265 Dazu: Koenig/Müller, EG-Rechtlicher Schutz biotechnologischer Erfindungen am Beispiel von Klonverfahren an menschlichen Stammzellen, EuZW 1999, S. 681 ff. Bis zum Januar 2004 hatten acht Mitgliedstaaten der Gemeinschaft die Richtlinie noch nicht umgesetzt. 263
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
c) Die Einbeziehung anderer Abkommen zum Schutz des geistigen Eigentums Die Gemeinschaft und Südafrika verpflichten sich in Art. 46 Abs. 1 TDCA, einen Schutz nach den „strengsten internationalen Normen“ zu gewährleisten. Daraus folgt, dass die TRIPs-Bestimmungen nur solange und soweit den Maßstab für den zu gewährenden Schutz bieten, wie keine weitergehenden internationalen Vereinbarungen bestehen, aus denen sich für beide Vertragspartner ergänzende Verpflichtungen herleiten lassen. Nicht nur das TRIPs, sondern auch alle anderen völkerrechtlichen Verpflichtungen zum Schutz des geistigen Eigentums, welche beide Vertragspartner binden, werden über das TDCA zum Mindeststandard erhoben. Unbeschadet dessen benennen die Absätze 3 und 5 des Art. 46 TDCA insgesamt neun völkerrechtliche Abkommen, aus denen sich solche zusätzlichen Pflichten ergeben könnten. aa) Abkommen von besonderer Bedeutung für beide Vertragspartner Art. 46 Abs. 5 TDCA enthält eine Aufzählung von insgesamt sechs Übereinkommen, denen beide Seiten in den gegenseitigen Handelsbeziehungen „besondere Bedeutung einräumen“. Dies sind die Berner Übereinkunft, der WIPO-Urheberrechtsvertrag, die Pariser Verbandsübereinkunft, das Internationale Übereinkommen über den Schutz von Pflanzenzüchtungen, der Budapester Vertrag und das Abkommen von Nizza. (1) Berner Übereinkunft Vor In-Kraft-Treten des TRIPs-Übereinkommens regelte die in Art. 46 Abs. 5 TDCA hervorgehobene Berner Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (RBÜ)266 den Schutz von Werken ausländischer Urheber und ausländischer Ursprungsländer. Zu den Kernprinzipien der RBÜ gehören das Territorialitäts- und Schutzlandprinzip, der Grundsatz der Inländerbehandlung und die Gewährleistung von Mindestrechten.267 Die ma266 Die Berner Übereinkunft aus dem Jahre 1886 wurde mehrfach revidiert: Paris (1896), Berlin (1908), Bern (1914), Rom (1928), Brüssel (1948), Stockholm (1967) und Paris (1971). Südafrika ist der Übereinkunft am 3. Oktober 1928 beigetreten. Darstellung der Übereinkunft mit entsprechenden Literaturhinweisen in Drexl, Entwicklungsmöglichkeiten des Urheberrechts im Rahmen des GATT, S. 13 f., 40 ff.; Katzenberger, TRIPS und das Urheberrecht, GRUR Int 1995, S. 447–468. 267 Siehe Katzenberger, TRIPS und das Urheberrecht, GRUR Int 1995, S. 447, 454; Reinbothe, TRIPs und die Folgen für das Urheberrecht, ZUM 1996, S. 735, 740 f.
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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teriellen Bestimmungen der Art. 1 bis 21 der RBÜ und dessen Anhang sind gemäß Art. 9 Ziffer 1 Satz 1 TRIPs von den Vertragsparteien des TRIPs einzuhalten, wobei das TRIPs im Hinblick auf Computerprogramme (Art. 10 Ziffer 1 TRIPs),268 Datensammlungen (Art. 10 Ziffer 2 TRIPs)269 und das Vermietrecht (Art. 11 TRIPs)270 den Schutzbereich materiellrechtlich sogar gegenüber der RBÜ erweitert. Hinzu kommen in Art. 13 TRIPs weitergehende Ausnahmen von den Rechten der Urheber und in den Art. 41 bis 61 TRIPs detaillierte Vorschriften über die Durchsetzung des Urheberrechtsschutz („Bern-Plus-Elemente“).271 Andererseits ist gemäß Art. 9 Ziffer 1 S. 2 TRIPs das in Art. 6 RBÜ enthaltene Urheberpersönlichkeitsrecht von der Pflicht zur Einhaltung der RBÜ-Vorschriften ausgenommen, so dass die Einhaltung dieser Vorschrift nicht in einem Streitbeilegungsverfahren überprüft werden kann.272 Im Ergebnis ist die Frage, ob die Urheber- und Leistungsschutzrechte des TRIPs-Übereinkommens (Art. 9 bis 13 TRIPs) nicht nur eine Schutzbereichserweiterung gegenüber der RBÜ darstellen, sondern in einzelnen Bereichen hinter dieser zurückbleiben, für das europäisch-südafrikanische Rechtsverhältnis ohne Relevanz. Sowohl alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft als auch Südafrika273 sind Vertragsparteien der RBÜ, und es ist in Art. 2 Ziffer 2 TRIPs festgeschrieben, dass die sich aus dieser Mitgliedschaft ergebenden Pflichten nicht vom TRIPs beeinträchtigt werden. Wenn die Gemeinschaft und Südafrika sich in Art. 46 Abs. 5 TDCA gleichwohl gegenseitig versichern, dass sie der RBÜ besondere Bedeutung einräumen, bekräftigen sie damit lediglich eine ohnehin bestehende Rechtslage, d. h. die entsprechende Erklärung zur RBÜ hat nur deklaratorische Bedeutung.
268 Siehe dazu im Gemeinschaftsrecht: Richtlinie 91/250/EWG des Rates vom 14.5.1991 über den Schutz von Computerprogrammen, Abl. EG Nr. L 122/42 vom 17.05.1991. 269 Siehe dazu im Gemeinschaftsrecht: Richtlinie 96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11.03.1996 über den rechtlichen Schutz von Datenbanken, Abl. EG Nr. L 77/20 vom 27.03.1996. 270 Siehe dazu im Gemeinschaftsrecht: Richtlinie 91/100/EWG des Rates vom 19.11.1992 zum Vermiet- und Verleihrecht sowie zu bestimmten, dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums, Abl. EG Nr. L 346/ 61 vom 27.11.1992. Für eine ausführlichere Darstellung der Vermietrechte, siehe auch: Katzenberger, TRIPS und das Urheberrecht, GRUR Int 1995, S. 447, 465 ff. 271 Reinbothe, TRIPs und die Folgen für das Urheberrecht, ZUM 1996, S. 735, 736; Katzenberger, TRIPS und das Urheberrecht, GRUR Int 1995, S. 447, 456 f.; Ginsburg, Die Rolle des nationalen Urheberrechts im Zeitalter der internationalen Urheberrechtsnormen, GRUR Int 2000, S. 97, 100. 272 Reinbothe, TRIPs und die Folgen für das Urheberrecht, ZUM 1996, S. 735 ff. 273 Südafrika ist der RBÜ bereits am 3. Oktober 1928 beigetreten.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
(2) WIPO-Urheberrechtsvertrag Der ebenfalls in Art. 46 Abs. 5 TDCA hervorgehobene WIPO-Urheberrechtsvertrag (WCT-Vertrag) stellt eine erhebliche Ergänzung der RBÜ und eine Aktualisierung des TRIPs in Bezug auf den internationalen Schutz der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte dar, indem er insbesondere den Möglichkeiten und Risiken der neuen Technologien Rechnung trägt.274 Von besonderer Bedeutung ist insoweit, dass die Urheber im Falle der Verbreitung, der gewerblichen Vermietung und der öffentlichen Wiedergabe ihrer Werke in Netzen wie z. B. dem Internet rechtlichen Schutz genießen. Zudem werden technische Maßnahmen und Systeme zur Identifizierung und Verwaltung der Werke ausdrücklich geschützt.275 Zur Vorbereitung des Beitritts der Europäischen Gemeinschaft zum WIPO-Urheberrechtsvertrag trat am 22. Juni 2001 die Richtlinie 2001/29/ EG „zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft“ in Kraft.276 Bereits am 16. Dezember 2000 erließ der Rat eine Ratifizierungsentscheidung dahingehend, dass nach Ablauf der Umsetzungsfrist die Hinterlegung der Ratifizierungsinstrumente erfolgen solle. Obwohl diese Voraussetzung am 22. Dezember 2002 erfüllt war, ist es bisher immer noch zu keiner Ratifizierung gekommen. Der Grund liegt darin, dass die erforderliche Hinterlegung gemeinsam mit den Mitgliedstaaten erfolgen soll und es auf deren Seite zu Verzögerungen kommt.277 Auch Südafrika gehört zu den 51 Signatarstaaten des WCT-Vertrags278, und auch in Südafrika steht die Ratifizierung des WCT-Vertrags noch aus.279 274
Der WIPO-Urheberrechtsvertrag wurde 1996 in Genf geschlossen. Ginsburg, Die Rolle des nationalen Urheberrechts im Zeitalter der internationalen Urheberrechtsnormen, GRUR Int 2000, S. 97, 104 f. 276 Abl. EG Nr. L 167 vom 22.6.2001; zum Regelungsgegenstand: Reinbothe, Die EG-Richtlinie in der Informationsgesellschaft, GRUR Int 2001, S. 733 ff. 277 Die Europäische Kommission hat Mitte 2003 gegen 13 Mitgliedstaaten das Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtumsetzung der Richtlinie 2001/29/EG eingeleitet, Pressemitteilung der Europäischen Kommission IP/03/1005 vom 14. Juli 2003. 278 Die Unterzeichnung erfolgte am 12. Dezember 1997. 279 Von besonderer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch der Schwestervertrag zum WCT über Darbietungen und Tonträger (Performances and Phonogrames Treaty, WPPT), der nach dem Beitritt von Honduras als 30. Mitglied am 20. Mai 2002 in Kraft getreten ist. Er wurde ebenfalls über die Richtlinie 2001/29/ EG in der Gemeinschaft umgesetzt. Nach diesem Vertrag sind nur die ausübenden Künstler und Hersteller von Tonträgern berechtigt, die Vervielfältigung, Verbreitung, gewerbliche Nutzung und öffentliche Zugänglichmachung ihrer Darbietungen und Tonträger in Netzen zu erlauben. Ferner steht ihnen das Recht auf eine Vergütung für die Funksendung und jede andere Form der öffentlichen Wiedergabe zu gewerb275
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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Da der WCT-Vertrag bei Abschluss des TDCA noch nicht in Kraft getreten war, hat seine Aufnahme in den Katalog des Art. 46 Abs. 5 TDCA weit mehr Bedeutung als diejenige des RBÜ. Es stellt sich nämlich die Frage, wie die Erklärung zu verstehen ist, wonach beide Seiten dem WCT-Vertrag „besondere Bedeutung“ einräumen. Zwar kann ihr kein formaler Rechtsbindungswille entnommen werden, jedoch bringen beide Seiten zum Ausdruck, dass sie den Regelungsgegenstand für den TDCA-Binnenmarkt im Grundsatz anerkennen. Es erscheint deshalb legitim, den WCT-Vertrag in der Übergangsphase bis zur beiderseitigen völkerrechtlichen Bindung zur Auslegung entsprechender Rechtsfragen analog heranzuziehen. Nachdem Gabun dem Vertragswerk Ende September 2001 als 30. Mitglied beigetreten ist, konnte der WCT-Vertrag am 6. März 2002 in Kraft treten. Daraus folgt, dass die Gemeinschaft und Südafrika die bis dahin noch nicht erzielbare völkerrechtliche Bindungswirkung nunmehr jederzeit durch Ratifikation herstellen könnten. Genau dies wird jedoch derzeit von beiden Seiten hinausgezögert. Da nach Art. 31 Abs. 3b) WVK auch eine spätere Übung bei der Auslegung herangezogen werden muss, kann das Unterlassen der Ratifikation hier nicht unberücksichtigt bleiben. Offenkundig reicht die „besondere Bedeutung“, welche dem WCT-Vertrag beigemessen wird, derzeit nicht (mehr) so weit, dass man daraus für und gegen sich völkerrechtliche Pflichten hergeleitet wissen möchte. Aus diesem Grund kann der WCT-Vertrag auch im bilateralen Verhältnis allenfalls als ergänzende Auslegungshilfe in Zweifelsfragen herangezogen werden. Konkrete Rechte oder Pflichten lassen sich darauf aber nicht stützen. (3) Pariser Verbandsübereinkunft Die Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums (PVÜ)280 regelte bis zum In-Kraft-Treten des TRIPs allein das internationale Patentrecht. Sie baut auf dem Mindestschutzprinzip auf und gewährt den Patentinhabern eine Reihe von Rechten. Sie garantiert die Unabhängigkeit von Patenten (Art. 4bis PVÜ), die für dieselbe Erfindung in den verschiedenen Verbandsländern erlangt worden sind, und bestimmt, dass die Inanspruchnahme der Priorität keinen Einfluss auf die Schutzdauer des Palichen Zwecken zu. Trotz der Sachnähe zum WCT-Vertrag findet das WPPT keine Berücksichtigung im TDCA. Zum WPPT, siehe Jaeger, Der ausübende Künstler und der Schutz seiner Persönlichkeitsrechte im Urheberecht Deutschlands, Frankreichs und der Europäischen Union. 280 Die Pariser Übereinkunft aus dem Jahre 1883 wurde mehrfach revidiert: Brüssel (1900), Washington (1911), Den Haag (1925), London 1934, Lisabon (1958), Stockholm 1967. Darstellung der Übereinkunft mit entsprechenden Literaturhinweisen in: Straus, Bedeutung des TRIPS für das Patentrecht, GRUR Int 1996, S. 179 ff.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
tents haben darf; sie untersagt den Verbandsländern, die Erteilung eines Patents zu verweigern, weil der Vertrieb eines patentierten Produkts oder Verfahrens Beschränkungen oder Begrenzungen unterworfen ist (Art. 4quater PVÜ), und sie verpflichtet die Verbandsländer, den Schutz von Verfahrenspatenten auch für eingeführte Erzeugnisse von verbandsangehörigen Inhabern zu gewährleisten (Art. 5quater PVÜ). Ferner gelten die Grundsätze der Inländerbehandlung und Nichtdiskriminierung (Art. 2 PVÜ). Allerdings überlässt es die PVÜ den Verbandsländern, unter welchen Voraussetzungen und auf welchen Gebieten der Technik sie Patente für welche Erfindungskategorien (Produkt- und/oder Verfahrenserfindungen) erteilen und wie lang deren Laufzeiten sind. Die dadurch bestehenden Regelungslücken haben zu einer Ungleichheit des Schutzes im Hinblick auf die Verfügbarkeit, den Umfang und die Ausübung handelsbezogener Rechte des gewerblichen Eigentums geführt.281 Demgegenüber regelt das TRIPs verbindlich, welche Gegenstände unter welchen allgemeinen Voraussetzungen patentiert werden (Art. 27 und 29 TRIPs), welche Wirkungen Patente entfalten (Art. 28 TRIPs), wie lange die Schutzdauer ist (Art. 33 TRIPs) und wen bei Verletzung von Verfahrenspatenten die Beweislast trifft (Art. 34 TRIPs). Darüber hinaus ist festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Vertragsparteien ausnahmsweise ohne Zustimmung des Patentinhabers die Benutzung einer patentierten Erfindung erlauben dürfen (Art. 30 und 31 TRIPs) und dass gegen Verwaltungsentscheidungen über den Widerruf und Verfall von Patenten der Rechtsweg gegeben sein muss (Art. 32 TRIPs). Neben dem Patentschutz enthält die PVÜ auch eine Reihe materieller Prinzipien des Markenrechts. Dazu gehören der Schutz notorisch bekannter Marken (Art. 6bis PVÜ), der Benutzungszwang (Art. 5 lit. c PVÜ), der telle quelle-Grundsatz (Art. 6quinquies PVÜ),282 die Verpflichtung zum Schutz von Dienstleistungsmarken (Art. 6sexies PVÜ), der Schutz von Agentenmarken (Art. 6septies PVÜ), das Eintragungsverbot wegen der Beschaffenheit von Produkten (Art. 7 PVÜ), der Schutz des Handelsnamens (Art. 8 PVÜ) und der Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb (Art. 10bis PVÜ). Die Mitgliedstaaten der PVÜ sind verpflichtet, die zum Teil als Mindeststandards formulierten Vorschriften in das nationale Recht umzusetzen, soweit sie dort nicht bereits direkt Anwendung finden. Über Art. 15 ff. TRIPs fand eine Fortentwicklung des internationalen Markensystems insbesondere dadurch statt, dass Regelungen zur einheitlichen Definition einer Marke und ihrer Eintragungsvoraussetzungen geschaffen wurden.283 Art. 16 definiert 281 Straus, Bedeutung des TRIPS für das Patentrecht, GRUR Int 1996, S. 179, 183 ff. 282 Der Grundsatz besagt, dass eine Fabrik- oder Handelsmarke, die in ihrem Ursprungsland vorschriftsmäßig eingetragen wurde, „so, wie sie ist“ (telle quelle) auch in anderen Verbandsländern zuzulassen ist.
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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den Schutzbereich dahingehend, dass der Inhaber einer Marke es Dritten verbieten kann, identische oder ähnliche Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn dies eine Verwechslungsgefahr hervorrufen würde. Andererseits bleibt den TRIPs-Mitgliedern immer noch ein erheblicher Spielraum, um etwa zu bestimmen, was „ähnlich“ ist. Es kann auch nach nationalem Recht bestimmt werden, wer legitimer Inhaber von geistigen Eigentumsrechten ist, solange eine entsprechende Regelung nicht im Widerspruch zur PVÜ steht (Art. 15 Ziffer 2 TRIPs).284 Es ist anerkannt, dass das TRIPs die Bestimmungen der PVÜ vollständig integriert und gleichzeitig eine erhebliche Schutzbereichserweiterung konstituiert (Paris-Plus-Ansatz).285 Art. 2 Ziffer 1 TRIPs bestimmt sogar ausdrücklich, dass alle Mitglieder verpflichtet sind, in Bezug auf die Teile II (Verfügbarkeit, Umfang und Ausübung der geistigen Eigentumsrechte), III (Durchsetzung der Rechte) und IV (Erwerb und Aufrechterhaltung von Rechten) die Art. 1 bis 12 und 19 PVÜ zu befolgen. Da die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft allesamt bereits Mitglieder der PVÜ sind und auch Südafrika dem Abkommen am 1. Dezember 1947 beigetreten ist, beurteilen sich die Rechtswirkungen – wie schon bei der RBÜ – nach Art. 2 Ziffer 2 TRIPs. Danach werden die aufgrund der PVÜ unter den Verbandsstaaten bestehenden Verpflichtungen von dem TRIPs-Übereinkommen nicht berührt. Somit zeitigt die Erklärung der Gemeinschaft und Südafrikas, der PVÜ besondere Bedeutung beimessen zu wollen, keine über ihre deklaratorische Bedeutung hinausgehenden eigenständigen Rechtswirkungen. (4) Internationales Übereinkommen über den Schutz von Pflanzenzüchtungen Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und Südafrika räumen ebenfalls dem Internationalen Abkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen (UPOV)286 nach Art. 46 Abs. 5 TDCA besondere Bedeutung ein. Das UPOV-Abkommen schützt in erster Linie die kommerziellen Interessen der Pflanzenzüchter, denen auf Zeit das ausschließliche Vermarktungsrecht an den von ihnen hervorgebrachten, entdeckten oder entwickelten Sorten vermittelt wird, die ihrerseits „neu“, „unterscheidbar“, „homogen“ und „be283 Dazu ausführlich Kur, TRIPs und das Markenrecht, GRUR Int 1994, S. 987, 990 ff. 284 Appellate Body Bericht „US-Section 211 Omnibus Appropriations Act of 1998“ WT/DS176/AB/R vom 2. Januar 2002. 285 Kur, TRIPs und das Markenrecht, GRUR Int 1994, S. 987, 989. 286 Die UPOV-Übereinkunft stammt aus dem Jahre 1961 und wurde 1972, 1978 und 1991 in Genf revidiert. Südafrika ist ihr am 6. November 1977 beigetreten.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
ständig“ sein müssen.287 Mit diesem Schutz wird den Züchtern die Chance eröffnet, die erforderlichen Investitionen zur Entwicklung neuer Pflanzensorten zurückzugewinnen. Übergeordnetes Ziel des Sortenschutzes ist es allerdings, innovative Leistungen im Nutzpflanzenbereich zu fördern, um dadurch einen Beitrag zu Ertragssteigerung, Qualitätsverbesserung und Produktivitätszuwachs zu leisten. Insofern ist der Sortenschutz also auch ein Anliegen der Landwirte und Verbraucher sowie der Gesellschaft als Ganzes, die ihrerseits die „Volksernährung“ sichergestellt wissen will.288 Nach Art. 27 Ziffer 3 Satz 2 TRIPs kann der Sortenschutz durch Patente, durch ein wirksames Spezialsystem (sui generis) oder durch eine Kombination aus beidem geschützt werden. Das UPOV-Übereinkommen stellt bislang das einzige international harmonisierte und anerkannte sui generis System dar. Es bestehen allerdings drei Fassungen aus den Jahren 1961/1972, 1978 und 1991. Daraus resultieren recht unterschiedliche völkerrechtliche Ausgangsvoraussetzungen für den Sortenschutz, die innerhalb der Gemeinschaft dazu führen, dass sechs Mitgliedstaaten der Akte von 1991,289 fünf Mitgliedstaaten der Akte von 1978,290 zwei Mitgliedstaaten der Akte von 1961/1972291 und sogar zwei Mitgliedstaaten der UPOV überhaupt nicht angehören.292 Um eine Harmonisierung der gewerblichen Schutzrechte für Pflanzensorten auf Gemeinschaftsebene zu erreichen, hat der Rat eine Verordnung über den gemeinschaftlichen Sortenschutz erlassen,293 die nach einer Stellungnahme des UPOV-Rates bereits „in jeder Hinsicht“ mit der UPOV-Akte von 1991 übereinstimmt.294 Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage strebt die Gemeinschaft den Beitritt zur UPOV 1991 an,295 wo287
Zu den einzelnen Schutzvoraussetzungen, siehe Art. 5–9 UPOV-Akte von 1991. Jördens, Sortenschutz zwischen Farmers’ Rights (Privilege) und Patentschutz, S. 1 f. 289 Dänemark, Deutschland, Finnland, die Niederlande, Schweden und das Vereinigte Königreich. 290 Frankreich, Irland, Italien, Portugal und Östereich. 291 Belgien und Spanien. 292 Griechenland und Luxemburg. 293 Verordnung (EG) Nr. 2100/94 des Rates vom 27. Juli 1994 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz, Abl. EG Nr. L 227/1 vom 1.09.1994. 294 Zur Stellungnahme des Rates über die Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft mit der UPOV-Akte 1991, siehe Bericht über die Tätigkeiten des Verbandes während der ersten neun Monate, 2001 Dok. C/35/3 vom 19. Oktober 2001, Ziffer 14. 295 Art. 30 Abs. 2 der UPOV Akte von 1991 macht die Vereinbarkeit der Rechtsvorschriften zur Voraussetzung für einen Beitritt: „(2) [Conformity of laws] It shall be understood that, on depositing its instrument of ratification, acceptance, approval or accession, as the case may be, each State or intergovernmental organization must be in a position, under its laws, to give effect to the provisions of this Convention“. 288
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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bei das eingeleitete Verfahren bisher noch nicht abgeschlossen werden konnte.296 Dagegen ist Südafrika bisher lediglich der UPOV-Akte von 1978 beigetreten297 und ein zunächst angestrebter Beitritt zum UPOV 1991 hat bislang nicht die erforderliche politische Unterstützung bekommen.298 So nimmt Art. 46 Abs. 5 TDCA lediglich auf die „Genfer Fassung von 1978“ Bezug, der für das bilaterale Verhältnis „besondere Bedeutung“ zukommen soll. Unterstellt man, dass Südafrika auch in Zukunft nur Mitglied des UPOV 1978 bleibt und dass die Gemeinschaft ihren Beitritt zum UPOV 1991 erfolgreich zum Abschluss führt, so gelten im TDCA-Integrationsraum immer noch zwei Standards, da zwischen den UPOV-Bestimmungen von 1978 und denjenigen von 1991 zahlreiche materiellrechtliche Unterschiede bestehen. Während sich das gewerbliche Schutzrecht des Art. 4 UPOV 1978 nach einer Übergangszeit von drei, sechs und acht Jahren nur auf eine Mindestzahl von 10, 18 bzw. 24 Pflanzengattungen oder -arten bezieht, erstreckt es sich nach Art. 3 Ziffer 1 UPOV 1991 nach einer Übergangszeit von 5 Jahren gleich auf alle Pflanzengattungen und -arten.299 Unterschiede bestehen auch in Bezug auf den Inhalt des Schutzrechts. Nach Art. 5 UPOV 1978 ist lediglich für das Erzeugen, Anbieten oder Vertreiben des geschützten Pflanzenmaterials grundsätzlich die Zustimmung des Züchters notwendig, während Art. 14 Abs. 1 UPOV 1991 dieses Erfordernis auf die Vermehrung, den Verkauf, die Ein- und Ausfuhr und die Aufbewahrung zu irgendeinem der vorgenannten Zwecke erstreckt. Das alte Züchterrecht erlaubt dem Züchter in Art. 5 Abs. 3 UPOV 1978 prinzipiell auch, geschützte Sorten eines anderen Züchters als Ausgangsmaterial zur Erzeugung neuer, kommerziell vertriebener Sorten zu verwenden. Dieses „Züchterprivileg“300 wird in Art. 15 Abs. 1 i. V. m. 14 Abs. 5 UPOV 1991 insofern einge296 Siehe Jahresbericht des Generalsekretärs für 2002, C/37/2 vom 12. August 2003, Ziffer 13. 297 Südafrika wurde am 6. November 1977 das zehnte Mitglied des UPOV 1978. Es hat außerdem das UPOV 1991 am 19. März 1991 unterzeichnet, ohne jedoch bisher weitere Beitrittsanstrengungen zu unternehmen oder es gar zu ratifizieren. 298 Anlage I zum „Berichte der Vertreter von Staaten und zwischen staatlichen Organisationen über die Lage auf den Gebieten der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Technik“, UPOV Dok. C/35/12 vom 24.09.2001. 299 Es gelten allerdings spezielle Übergangsfristen für neue Verbandsmitglieder. Wer dem Verband weder 1961/1972 noch 1978 beigetreten ist, muss das UPOV-Abkommen zunächst nur auf 15 und erst nach einer Übergangszeit von 10 Jahren auf alle Pflanzengattungen anwenden, Art. 3 Abs. 2 UPOV 1991. 300 Zum Züchterprivileg, siehe Straus, WIPO/UPOV-Sachverständigenausschuß über das Verhältnis zwischen Patentschutz und Sortenschutz – Bericht über die Erste Sitzung vom 29. Januar bis 2. Februar 1990 in Genf, GRUR Int 1990, S. 617, 619; Staehelin, Das TRIPs-Abkommen, S. 274.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
schränkt, als der Schutz einer neuen Sorte ausgeschlossen ist, wenn sie sich im Wesentlichen von einer geschützten Sorte ableitet. Ein weiterer Unterschied besteht im Hinblick auf das „Farmerprivileg“. Da sich der Regelungsgehalt des UPOV 1978 auf die kommerzielle Verwendung von Sorten beschränkt, ist anerkannt, dass die Landwirte Saatgut aus der eigenen Ernte für den Nachbau im nächsten Jahr verwenden oder es mit den Nachbarn tauschen dürfen.301 Diese Ausnahmeregelung wurde zwar ausdrücklich in Art. 15 Abs. 2 UPOV 1991 aufgenommen. Jedoch wird die Möglichkeit des Tauschs von Saatgut mit den Nachbarn nicht mehr genannt, und es dürfen unter bestimmten Voraussetzungen auch für den Nachbau Gebühren erhoben werden, wie das Farmerprivileg insgesamt durch nationale Regelungen ausgestaltet werden darf. Unterschiede zwischen den beiden Abkommen bestehen auch hinsichtlich der Schutzdauer. Während diese nach Art. 8 UPOV 1978 mindestens 15 Jahre beträgt (für Reben, Wald-, Obst-, und Zierbäume mindestens 18 Jahre), beträgt sie nach Art. 19 UPOV 1991 mindestens 20 Jahre (für Bäume und Reben mindestens 25 Jahre). Schließlich wird das in Art. 2 UPOV 1978 verankerte Doppelschutzverbot, wonach Sorten derselben botanischen Art oder Gattung nicht gleichzeitig sowohl patentrechtlich als auch sortenrechtlich geschützt sein können, durch die Regelung in Art. 3 UPOV 1991 aufgehoben, der den Schutzbereich des Abkommens auf alle Pflanzengattungen und -arten erstreckt.302 Im Vergleich zur UPOV-Akte von 1978 nähern sich die UPOV-Bestimmungen von 1991 in ihrer Reichweite und Ausschließlichkeitswirkung deutlich dem Patentrecht an, wobei der Sortenschutz insbesondere durch das Züchter- und Landwirteprivileg das deutlich schwächere Recht darstellt. Andererseits kann der Schutz neuer Pflanzensorten schon bei relativ kleinen Abständen von bereits geschützten Sorten gewährt werden, weil die Kriterien der „Neuheit“, „Unterscheidbarkeit“, „Homogenität“ und „Beständigkeit“ schneller erreicht sind als der für das Patent erforderliche „erfinderische Schritt“ (Erfindungshöhe). Während Vertreter der Biotechnologieindustrie einen möglichst mit den Industriegüterpatenten vergleichbaren Schutz sichergestellt wissen wollen, streben die Entwicklungsländer an, die Züchterrechte einzuschränken und stattdessen das Landwirteprivileg zu stärken, das sie als ein geeignetes Korrektiv zu steigenden Saatgutpreisen ansehen.303 Angesichts dieser politischen Auseinandersetzung ist nicht zu er301 Zum Landwirteprivileg, siehe Straus, WIPO/UPOV-Sachverständigenausschuß über das Verhältnis zwischen Patentschutz und Sortenschutz – Bericht über die Erste Sitzung vom 29. Januar bis 2. Februar 1990 in Genf, GRUR Int 1990, S. 617, 619. 302 Zum Ganzen: Seiler, Die Bestimmungen des WTO-TRIPS-Abkommens und die Optionen zur Umsetzung des Art. 27.3(b): Patente, Sortenschutz, Sui Generis, S. 28 ff.
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warten, dass Südafrika seine weitreichenden Rechte aus dem UPOV 1978 leichtfertig aufgibt. Im Ergebnis kann der Hinweis auf die besondere Bedeutung des UPOV also nicht mehr als ein Bekenntnis zum Sortenschutz sein, der nach Auffassung der Gemeinschaft und Südafrikas neben dem Patentrecht Bestand haben muss. Jedoch findet eine Harmonisierung der unterschiedlichen Ausgangsvoraussetzungen für den TDCA-Binnenmarkt nicht statt. Man wird allenfalls konstatieren können, dass das Schutzniveau jedenfalls nicht hinter den Standard des UPOV 1978 zurückfallen darf, abgesehen von den dargestellten Einschränkungen bezüglich des Landwirteprivilegs. (5) Budapester Vertrag Dem am 19. August 1980 in Kraft getretenen Budapester Vertrag über die Internationale Anerkennung der Hinterlegung von Mikroorganismen für die Zwecke von Patentverfahren304 kommt nach Art. 46 Abs. 5 TDCA ebenfalls „besondere Bedeutung“ zu. Die Hinterlegung von biologischen Materialien ist für Patentanmeldungen deshalb bisweilen erforderlich, weil es in der biologischen Forschung häufig schwierig ist, genau und reproduzierbar anzugeben, wie z. B. ein bestimmtes Bakterium oder ein bestimmter Antikörper hergestellt oder gefunden werden kann. Um dennoch eine Patentierung zu ermöglichen, wird das Instrument der Hinterlegung eingesetzt. Dies bedeutet, dass der Erfinder z. B. eine Kultur von Mikroorganismen bei einer autorisierten internationalen Stelle hinterlegt, die berechtigt ist, gemäß der Budapester Vereinbarung Kulturen für Patentzwecke entgegenzunehmen und zu verwahren.305 Nach dem Patentrecht muss eine Kultur vollständig und für den Fachmann nacharbeitbar beschrieben werden. Wenn der Fachmann die Mikroorganismen jedoch nicht isolieren oder aus bekannten Mikroorganismen herstellen kann, so kann er sie bei der autorisierten Stelle beziehen. Dies ermöglicht ihm, die Erfindung – für die ansonsten Patentschutz besteht – nachzuarbeiten, so dass die hinterlegten Kulturen von Konkurrenten nur für nicht-kommerzielle Zwecke verwendet werden dürfen.306 303 BMZ Spezial, Agrarhandel und Agrarpolitik, Nr. 43 vom April 2002, S. 19; Liebig, Der Schutz geistiger Eigentumsrechte in Entwicklungsländern: Verpflichtungen, Probleme, Kontroversen, S. 19 ff. 304 Der Budapester Vertrag wurde 1980 einmal geändert. Das TDCA bezieht sich ausdrücklich auf diese revidierte Fassung. 305 Von den auf der Grundlage von Art. 7 des Budapester Vertrages autorisierten internationalen Hinterlegungsstellen befindet sich keine auf dem afrikanischen Kontinent (Stand: 15. Oktober 2003). 306 Straus, Rechtsfragen der Anerkennung der Hinterlegung von Mikroorganismen nach dem Budapester Vertrag, GRUR Int 1986, S. 601, 603 ff.
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Die Patentierbarkeit von Mikroorganismen wird in Art. 27 Ziffer 3 lit. b TRIPs ausdrücklich vorausgesetzt, so dass sich die Hinterlegung als eine Frage der Operationalisierung der die Gemeinschaft und Südafrika bindenden TRIPs-Verpflichtungen darstellt. Für die Gemeinschaft ergibt sich die Anerkennung der entsprechenden Pflichten aus der Anerkennungserklärung des Europäischen Patentamtes nach Art. 9 Abs. 1a) des Budapester Vertrages, der zwischenstaatlichen Organisationen eine entsprechende Berechtigung einräumt.307 Darüber hinaus sind mit Ausnahme von Luxemburg und Portugal sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft Parteien des Budapester Vertrages. Südafrika ist dem Budapester Vertrag am 14. Juli 1997 beigetreten. Insofern bestätigt die Erklärung zur besonderen Bedeutung des Budapester Vertrages nur die ohnehin eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen der TDCA-Vertragspartner. (6) Abkommen von Nizza Das Abkommen von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken308 konstituiert einen besonderen Verband innerhalb des Pariser Verbandes zum Schutz des gewerblichen Eigentums. Die Mitglieder klassifizieren Waren und Dienstleistungen auf der Grundlage einer Liste nach „Klassen“. Davon gibt es insgesamt 34 für Waren und 11 für Dienstleistungen. Hinzu kommt eine alphabetische Liste dieser Waren und Dienstleistungen. Jeder Mitgliedstaat muss für die Eintragung von Marken die internationale Markenklassifikation entweder als Hauptklassifikation oder als Nebenklassifikation anwenden und in seinen amtlichen Veröffentlichungen über diese Eintragung die Nummern der Klassen der internationalen Markenklassifikation angeben, in welche die Waren oder Dienstleistungen eingeordnet sind. Der Nutzen des Abkommens liegt darin, dass Markenanträge auf der Grundlage eines einheitlichen Klassifizierungssystems erfolgen können. Verfahrensvereinfachungen entstehen auch dadurch, dass die Liste in mehreren Sprachen zur Verfügung steht und dass Waren und Dienstleistungen, auf welche eine Marke Anwendung findet, in allen Mitgliedsländern in gleicher Weise klassifiziert werden. Dem Nizzaer Klassifikationsabkommen, dessen achte Auflage am 1. Januar 2002 in Kraft getreten ist, gehören alle Mitgliedstaaten der Gemeinschaft an. Südafrika ist ihm dagegen nie beigetreten, gehört 307
Die Hinterlegung von biologischem Material ist im Gemeinschaftsrecht durch Art. 13 und 14 der Richtlinie 98/44/EG über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen im Sinne des Budapester Vertrages geregelt. 308 Das Abkommen vom Nizza wurde am 15. Juni 1957 geschlossen. Es wurde am 14. Juli 1967 in Stockholm sowie am 13. Mai 1977 und am 28. September 1979 in Genf revidiert.
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aber zur Gruppe der Länder, welche die internationale Markenklassifikation gleichwohl anwendet.309 Indem Art. 46 Abs. 5 TDCA die besondere Bedeutung hervorhebt, findet diese Staatenpraxis formal ihre Bestätigung. bb) Abkommen von besonderer Bedeutung für die Gemeinschaft Art. 46 Abs. 3 TDCA verweist auf drei Abkommen, denen die Gemeinschaft unilateral „besondere Bedeutung einräumt“ und zu denen Südafrika gemäß Art. 46 Abs. 4 TDCA wohlwollend seinen Beitritt prüft. (1) Protokoll zum Madrider Markenabkommen Nachdem seit 1891 der Markenschutz im Madrider Markenabkommen (MMA) als Sonderabkommen im Sinne von Art. 19 PVÜ völkerrechtlich geregelt war, wurde 1989 das Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken (PMMA) abgeschlossen, um eine Verknüpfung des Gemeinschaftsmarkensystems mit dem Verfahren der internationalen Registrierung sowie die Teilnahme der dem MMA fernstehenden EU-Länder an diesem Verfahren zu ermöglichen.310 Es trat am 1. Dezember 1995 in Kraft. Ebenso wie das MMA hat auch das PMMA das Ziel, den Erwerb von Schutzrechten durch eine einzige internationale Registrierung beim Internationalen Büro der WIPO gegen Zahlung einer einmaligen Gebühr sicherzustellen. Anders als beim MMA ist dafür allerdings nach dem PMMA nicht mehr eine bereits eingetragene Marke erforderlich. Vielmehr kann das Gesuch um internationale Registrierung nach Art. 2 PMMA auf eine bloße Markenanmeldung gestützt werden.311 Falls diese nie zur Eintragung gelangt, kann eine Umwandlung in nationale Anmeldungen stattfinden.312 Ein weiterer Vorzug des PMMA besteht darin, dass der Gemeinschaft als supranationaler Organisation nach Art. 14 PMMA eine selbstständige Verbandsmitgliedschaft eingeräumt wird. Damit kann der Inhaber einer Gemeinschaftsmarke313 mit einer einzigen Registrierung Schutz in allen Mitgliedsländern erreichen, die der Protokollmarke beigetreten sind, was das Verfahren vereinfacht und auch kostengünstig ist.314 Jedoch 309 Insgesamt 71 Länder sowie drei internationale Organisationen wenden den Vertrag von Nizza an, ohne Mitglieder zu sein. 310 Kur, TRIPs und das Markenrecht, GRUR Int 1994, S. 987, 988 f. 311 Aktuelle Berichte, GRUR 1995, S. 567. 312 Albert, Die Neuordnung des Markenrechts: Bericht über das 10. RingbergSymposium des Max Planck-Instituts vom 16. bis 21. September 1996, GRUR Int 1997, S. 449, 450. 313 Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke, Abl. EG Nr. L 11 vom 14.1.1994.
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wurde dieser Beitritt immer wieder hinausgezögert315, und auch Südafrika ist dem PMMA bisher noch nicht beigetreten. Das PMMA befasst sich also mit den Verfahren der internationalen Registrierung, die nicht Gegenstand des TRIPs sind.316 Insofern geht das TDCA über die WTO-Standards hinaus, wobei die Betonung der besonderen Bedeutung dieser Abkommen für die Gemeinschaft in Art. 46 Abs. 3 TDCA nicht mit der Anerkennung von deren Rechtsverbindlichkeit gleichgesetzt werden kann. Auf der anderen Seite wird man diesen Hinweis zumindest bei der Auslegung vertraglicher Pflichten berücksichtigen können und müssen. Einstweilen kann dies nur im Sinn einer einseitigen Verpflichtung der Gemeinschaft geschehen, solange Südafrika seiner „Absichtserklärung“ in Art. 46 Abs. 4 TDCA noch nicht nachgekommen und diesem Protokoll beigetreten ist. (2) Rom-Abkommen Das internationale Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Herstellung von Tonträgern und der Sendeunternehmen (Rom-Abkommen, RA)317 betrifft nicht die Urheberrechte, sondern die Leistungsschutzrechte, d. h. die Rechte derjenigen, die kein eigenes Werk schaffen, sondern deren Leistung lediglich in der Wiedergabe eines fremden Werkes besteht.318 Ihm können nur „Staaten“, nicht aber auch supranationale Organisationen beitreten, so dass der Gemeinschaft der Weg zur Mitgliedschaft versperrt ist. Allerdings sind zwischenzeitlich alle EG-Mitgliedstaaten dem RA – nicht zuletzt aufgrund einer entsprechenden Verpflichtung aus dem EWR-Abkommen – beigetreten.319 Südafrika hat die Vorschriften des RA 314 So auch der Vorschlag der Kommission zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates über die Gemeinschaftsmarke, damit der Beitritt der Europäischen Gemeinschaft zum Protokoll zum Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken, unterzeichnet in Madrid am 27. Juni 1989, wirksam wird, KOM(1996) 372 endg. 315 Der Rat hat allerdings am 27. Oktober 2003 auf Empfehlung des COREPER (European Union Committee of Permanent Representatives) dem Beitritt der Gemeinschaft zum PMMA und einer entsprechenden Änderung der Verordnung (EG) Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke zugestimmt. Die Kommission wird sich in einem nächsten Schritt mit der Überarbeitung des Gemeinschaftsmarkensystems zur Anknüpfung an das PMMA beschäftigen. Das PMMA soll voraussichtlich Ende 2004 für die Gemeinschaft in Kraft treten, INTA Bulletin, Vol. 58, Nr. 19 vom 15.10.2003. 316 Vgl. Kur, TRIPs und das Markenrecht, GRUR Int 1994, S. 987, 989. 317 Geschlossen in Rom am 26. Oktober 1961. 318 Straus, Der Schutz der ausübenden Künstler und das Rom-Abkommen von 1961 – Eine retrospektive Betrachtung, GRUR Int 1985, S. 19, 22 ff.
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über den Performance Protection Act (PPA) aus dem Jahre 1967 in nationales Recht überführt,320 ist dem Rom-Abkommen selbst aber nie beigetreten. Während seinerzeit die politische Isolation des Landes einen Beitritt verhinderte, ist es heute die politische Zurückhaltung, mit der die Regierung neuen völkerrechtlichen Verpflichtungen im Bereich des geistigen Eigentums begegnet. Das bedeutet im Ergebnis, dass die materiellen Bestimmungen des Rom-Abkommens lediglich auf der Grundlage des PPA und damit auf inländische Sachverhalte Anwendung finden. Etwas anderes könnte allerdings aus der TRIPs-Mitgliedschaft Südafrikas folgen. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass das TRIPs sich in Bezug auf das Rom-Abkommen auf die ausdrückliche Garantie seiner Fortgeltung und die Übernahme seiner Anknüpfungspunkte beschränkt, ohne die materiellen Bestimmungen als TRIPs-Schutzstandard zu übernehmen.321 Art. 1 Ziffer 3 Satz 1 TRIPs bestimmt, dass die TRIPs-Mitglieder die in TRIPs festgelegte Behandlung „den Angehörigen der anderen Mitgliedsländer“ gewähren. Satz 2 der Vorschrift definiert diesen Kreis der Begünstigten als diejenigen natürlichen und juristischen Personen, welche „den Kriterien für den Zugang zum Schutz nach (. . .) dem Rom-Abkommen (. . .) entsprächen, wenn alle Mitglieder der Welthandelsorganisation Vertragsparteien dieser Übereinkunft wären“. So ist etwa nach Art. 5 Abs. 1 lit. a RA zu berücksichtigen, dass der Hersteller von Tonträgern Angehöriger eines Vertragsstaates sein muss. Dieses personenbezogene Kriterium ist dagegen nicht relevant für den Schutz der ausübenden Künstler gemäß Art. 4 RA, weil insoweit rein leistungsbezogene Merkmale gelten. Über Art. 1 Ziffer 3 Satz 1 TRIPs werden also lediglich die personen- oder leistungsbezogenen „Anknüpfungspunkte“ des Rom-Abkommens in das TRIPs übernommen,322 während die beiden Abkommen im Hinblick auf ihren materiellrechtlichen Regelungsgehalt nebeneinander Geltung beanspruchen.323 Art. 14 TRIPs enthält eine selbstständige Regelung über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen, wobei 319 Portugal trat dem RA erst am 17. Juli 2002 und somit eineinhalb Jahre nach In-Kraft-Treten des TDCA bei. Die Kommission hatte jedoch bereits am 30. Juli 1999 damit gedroht, in dieser Sache ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Portugal einzuleiten. 320 Act No 11 of 1965. 321 Katzenberger, TRIPS und das Urheberrecht, GRUR Int 1995, S. 447, 457. 322 Katzenberger, TRIPS und das Urheberrecht, GRUR Int 1995, S. 447, 458. 323 Drexl, Nach „GATT und WIPO“: Das TRIPs-Abkommen und seine Anwendung in der Europäischen Gemeinschaft, GRUR Int. 1994, S. 777; Katzenberger, TRIPS und das Urheberrecht, GRUR Int 1995, S. 447, 456; Reinbothe, Der Schutz des Urheberrechts und der Leistungsschutzrechte im Abkommensentwurf GATT/ TRIPs, GRUR Int 1992, S. 707, 709.
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die dort statuierten Mindestrechte nicht in jeder Hinsicht mit dem Rom-Abkommen identisch sind. Im Hinblick auf die Rechte der ausübenden Künstler an ihren Darbietungen entspricht die Regelung des Art. 14 Ziffer 1 TRIPs, welche die Festlegung der Darbietungen betrifft, zwar im Wesentlichen der Vorschrift des Art. 7 Abs. 1 a) bis c) RA. Jedoch beschränkt Art. 14 Ziffer 1 TRIPs den Anwendungsbereich auf Tonträger, während das Rom-Abkommen ihn auch auf Bildträger sowie Bild- und Tonträger erstreckt. Außerdem sieht das TRIPs-Übereinkommen keine Zweitverwertungsrechte für die Benutzung von Tonträgern mit den Darbietungen ausübender Künstler vor, wie dies in Art. 12 RA der Fall ist. Soweit die innerstaatlichen Vorschriften den ausübenden Künstlern überhaupt ein Recht an Tonträgern zugestehen, gewährt Art. 14 Ziffer 4 TRIPs ihnen als „sonstige Inhaber der Rechte an Tonträgern“ grundsätzlich auch ein ausschließliches Vermietrecht, zumindest aber einen Vergütungsanspruch. Im Übrigen beträgt die Mindestschutzdauer nach Art. 15 Ziffer 5 Satz 1 TRIPs für ausübende Künstler 50 Jahre, wärend sie nach Art. 14 RA lediglich 20 Jahre beträgt. Bezüglich der Rechte der Hersteller von Tonträgern gibt es insoweit einen Unterschied zwischen beiden Abkommen, als ihnen nach Art. 13 des Rom-Abkommens Vergütungsansprüche für die Benutzung ihrer Tonträger zustehen, die im TRIPs nicht vorgesehen sind. Dafür gewährt Art. 14 Ziffer 4 wiederum grundsätzlich ein ausschließliches Vermietrecht, zumindest aber einen diesbezüglichen Vergütungsanspruch. Im Übrigen bestehen die bereits genannten Unterschiede im Hinblick auf die Schutzdauer auch für die Hersteller von Tonträgern. Hinsichtlich der Leistungsschutzrechte der Sendeunternehmen besteht weitreichende Identität zwischen beiden Abkommen. Ein wichtiger Unterschied ist allerdings darin zu sehen, dass gemäß Art. 14 Ziffer 3 TRIPs von einem Schutz der Sendeunternehmen abgesehen werden kann, wenn dem Inhaber des Urheberrechts an dem Gegenstand der Funksendung die Rechte an der Festlegung, der Vervielfältigung der Festlegung, die drahtlose Weitersendung von Funksendungen sowie der öffentlichen Wiedergabe „vorbehaltlich der Berner Übereinkunft (1971)“ gesichert werden.324 Angesichts der dargestellten Unterschiede kann in Bezug auf den Regelungsgehalt des Art. 14 TRIPs lediglich von einem „Rom Plus/Minus“-Ansatz gesprochen werden. Daraus folgt, dass Südafrikas völkerrechtliche Verpflichtungen im Hinblick auf den Schutz der ausübenden Künstler, der Herstellung von Tonträgern und der Sendeunternehmen zwar weitgehend mit dem Rom-Abkommen übereinstimmen, dass aber teilweise ein geringerer Schutz gewährt wird. Für diese Einzelfälle mag Art. 46 Abs. 4 TDCA deshalb im Hinblick auf das bilaterale Verhältnis zur Gemeinschaft besondere 324
Katzenberger, TRIPS und das Urheberrecht, GRUR Int 1995, S. 447, 467 f.
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Bedeutung erlangen, wobei hinsichtlich der „Absichtserklärung“ dieselben Grundsätze gelten wie beim PMMA bereits ausgeführt. (3) PCT-Vertrag Der Vertrag über die Internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Patentwesens (PCT)325 nimmt im Rahmen der Vorschrift des Art. 46 Abs. 4 TDCA insofern eine Sonderstellung ein, als sowohl alle EG-Mitgliedstaaten als auch Südafrika bei In-Kraft-Treten des TDCA Mitglieder des PCT-Vertrages waren. Nach der Systematik des TDCA hätte dieser völkerrechtliche Vertrag also in Art. 46 Abs. 5 TDCA benannt werden müssen, der eine Aufzählung der für besonders wichtig befundenen Abkommen enthält, die beide Seiten binden. Allerdings ist Südafrika dem PCT erst am 16. März 1999 beigetreten,326 als der TDCA-Vertragstext bereits ausgehandelt war. Damit hatte sich bei In-Kraft-Treten des TDCA die Aufforderung zur Prüfung eines Beitritts Südafrikas, wie in Art. 46 Abs. 4 TDCA noch vorgesehen, bereits durch Vollzug erledigt. Die Bedeutung des PCT-Vertrages liegt darin, dass er erhebliche Vereinfachungen zur internationalen Anmeldung eines Patents beinhaltet. Er ermöglicht dem Anmelder (Art. 9 PCT) durch einen einzigen Patentantrag (Art. 3 PCT) beim zuständigen Anmeldeamt (Art. 10 PCT), das Verfahren zur Erlangung eines „internationalen“ Patents in Gang zu setzen. Anerkannte PCT-Anmeldeämter sind die nationalen und regionalen Patentämter327 sowie das internationale Büro der WIPO. Die Anmeldung muss die PCT-Mitgliedstaaten benennen, in denen das beantragte Patent gültig sein soll („Bestimmungsstaaten“). Es handelt sich also um eine vorgeschaltete 325 Geschlossen am 19. Juni 1970 in Washington, geändert am 28. September 1979, 3. Februar 1984 und 3. Oktober 2001. 326 Die Umsetzung in das nationale Recht erfolgte aber bereits mit dem Intellectual Property Laws Amendment Act No 38 aus 1997 durch Einfügung des Kapitels VA in den Patents Act No 57 aus 1978. 327 Ein regionales Patent wird etwa in den Mitgliedstaaten der Europäischen Patent Organisation (EPO) vom Europäischen Patentamt (EPA) verliehen. Dies bedeutet für Antragsteller aus den EG-Mitgliedstaaten (die ihrerseits allesamt Mitglieder der EPO sind), dass sie eine PCT-Anmeldung auch auf regionaler Ebene als „EuroPCT“ weiterverfolgen können. Im englischsprachigen Afrika wurde 1976 die African Regional Property Organisation (ARIPO) mit Sitz in Harare gegründet (bis 1985: Agreement on the Creation of the Industrial Property Organisation for English-speaking Africa (ESARIPO)), die über einen mit der EPO vergleichbaren Status verfügt, d. h. ein Patent, das unter dem ARIPO-Verband gewährt wurde, hat in den Vertragsstaaten die gleiche Wirkung wie ein nationales Patent. Der ARIPO gehören mit Botswana, Gambia, Ghana, Kenia, Lesotho, Malawi, Mosambik, Sierra Leone, Sambia, Simbabwe, Somalia, Sudan, Swasiland und Uganda inzwischen insgesamt 14 Staaten an. Südafrika ist ihr jedoch bisher noch nicht beigetreten.
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Stufe zur Erteilung eines nationalen oder regionalen Patents, wobei mit einer einzigen internationalen Anmeldung die gleiche Wirkung erzielt werden kann wie mit regulärem nationalen oder regionalen Antrag in jedem der betreffenden PCT-Vertragstaaten. Jede internationale Anmeldung steht einer nationalen bzw. regionalen Anmeldung im Sinne der PVÜ gleich (Art. 11 Abs. 4 PCT). Die Anmeldung wird innerhalb der ersten Monate nach Anmelde- bzw. Prioritätsdatum (Art. 22 Abs. 1 PCT) zentral behandelt. In dieser „internationalen Phase“ erfolgen die Formalprüfung (Art. 14 PCT), die Erstellung des internationalen Rechercheberichts (Art. 15–18 PCT) und die Veröffentlichung der Anmeldung (Art. 21 PCT). Ziel der internationalen Recherche ist es, den Stand der Technik festzustellen. Auf Wunsch kann zusätzlich ein internationaler vorläufiger Prüfungsbericht erteilt werden, der zum Ziel hat, die vorläufige Meinung zu formulieren, ob die Erfindung neu zu sein scheint, ob sie mit einer erfinderischen Tätigkeit einhergeht und ob sie gewerblich anwendbar ist (Art. 31–42 PCT).328 Der internationale vorläufige Recherchebericht stellt zwar ein wichtiges Zeugnis dar, ist aber für die jeweiligen Patentämter nicht bindend. Vor Ablauf der Frist von 30 Monaten329 tritt das Verfahren in die nationale oder regionale Phase, d. h. der Anmelder muss es dann vor jedem einzelnen Bestimmungsamt weiterführen (Art. 22 Abs. 1 PCT), dem die Patentgesuchsunterlagen zu diesem Zweck zugestellt werden. Es sind dann die nationalen und regionalen Behörden, die darüber entscheiden, ob ein Patent verletzt wurde oder rechtsgültig ist. Diese Fragen werden allerdings in keiner Weise mehr vom PCT berührt. Im Ergebnis ist das PCT also kein Patenterteilungssystem, sondern liefert „nur“ ein zentralisiertes Anmeldeverfahren. Damit stellt das PCT eine wichtige verfahrensrechtliche Ergänzung der materiellrechtlichen Vorschriften des TRIPs und der PVÜ dar. Für den europäisch-südafrikanischen Wirtschaftsraum bietet es die einzige Möglichkeit, Patente mit Wirkung für das jeweils andere TDCA-Vertragsgebiet anzumelden.
328 Anerkannte internationale Recherchebehörden sind die nationalen Patentämter von Australien, China, Japan, der Republik Korea, Östereich, der Russischen Föderation, Spanien, Schweden, USA und das Europäische Patentamt. 329 Vor dem 1. April 2002 galt noch eine Frist von 20 Monaten, die auf 30 Monate verlängert wurde, wenn vor Ablauf des 19. Monats nach dem Anmelde- bzw. Prioritätsdatum ein wirksamer Antrag auf internationale vorläufige Prüfung gestellt wurde (Art. 39 Abs. 1 PCT).
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d) Grenzen für den Schutz von geistigem Eigentum am Beispiel des südafrikanischen Arzneimittelrechts Im Höhepunkt der Verhandlungen um das TDCA erließ das südafrikanische Parlament 1997 ein neues Arzneimittelgesetz, welches den Gesundheitsminister ermächtigt, zum Schutz der Volksgesundheit in bestehende Patente einzugreifen, damit bestimmte Medikamente billiger angeboten und damit einer breiteren Bevölkerung zugänglich gemacht werden können.330 Das aufgrund seiner Signalwirkung auch von der europäischen Pharmaindustrie heftig bekämpfte Gesetz331 erlaubt u. a. Parallelimporte, mittels derer sich Medikamente von anderen Märkten zu günstigeren Preisen importieren lassen, wenn sie dort von demselben Patenthalter zu einem niedrigeren Preis vertrieben werden oder das Patent dort bereits abgelaufen ist. Darüber hinaus sieht das südafrikanische Patentgesetz332 die Möglichkeit von Zwangslizenzen vor, wenn sie im öffentlichen Interesse erfolgen, d. h. der Patentschutz kann für bestimmte Arzneimittel gegen den Willen des Patenthalters außer Kraft gesetzt werden. Auf diese Weise lassen sich Generika (Nachahmerprodukte) vor Ablauf des Patentschutzes zum öffentlichen Gebrauch herstellen oder importierten. Die beiden gesetzlichen Regelungen 330
Wörtlich heißt es in dem Gesetz:
„Measures to ensure supply of more affordable medicines 15C. The Minister may prescribe conditions for the supply of more affordable medicines in certain circumstances so as to protect the health of the public, and in particular may— (a) notwithstanding anything to the contrary contained in the Patents Act, 1978 (Act No 57 of 1978), determine that the rights with regard to any medicine under a patent granted in the Republic shall not extend to acts in respect of such medicine which has been put onto the market by the owner of the medicine, or with his or her consent; (b) prescribe the conditions on which any medicine which is identical in composition, meets the same quality standard and is intended to have the same proprietary name as that of another medicine already registered in the Republic, but which is imported by a person other than the person who is the holder of the registration certificate of the medicine already registered and which originates from any site of manufacture of the original manufacturer as approved by the council in the prescribed manner, may be imported; (c) prescribe the registration procedure for, as well as the use of, the medicine referred to in paragraph (b)“. 331 Döpp, „Wer nicht zahlen kann, stirbt“, afrika süd 2001, S. 24. Zu einer Darstellung der Hintergründe des Verfahrens und den Einzelheiten der gesetzlichen Regelungen, siehe Fedtke, Das Recht auf Leben und Gesundheit, Patentschutz und das Verfahren des High Court of South Africa zur Verfassungsmäßigkeit des südafrikanischen Medicines and Related Substances Control Amendment Act, VRÜ 34 (2001), S. 489 ff. 332 Act No 57 of 1978.
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schaffen eine wichtige Voraussetzung zur Grundversorgung der Armen des Landes mit bezahlbaren lebenswichtigen Medikamenten. Andererseits stellten sie Südafrikas völkerrechtliche Verpflichtung zum Patentschutz (Art. 27 TRIPs, Art. 46 Abs. 1 TDCA) in Frage. Inwieweit die Verhandlungen um das TDCA eine bilaterale Lösung des Problems erlaubt hätten, ist nur nach näherer Betrachtung der Rechtslage zu beurteilen. aa) Tatbestand des Patentschutzes Grundsätzlich rechtfertigt sich der Schutz der Patente und Marken mit den Investitionen, die in neue Erfindungen fließen. Ohne die Möglichkeit, geistiges Eigentum zu schützen, wäre der willkürlichen Nachahmung von Produkten und Verfahren Tür und Tor geöffnet. Das hätte wiederum zur Folge, dass die für das weltwirtschaftliche Wachstum erforderlichen Forschungs- und Entwicklungsanstrengungen zurückzugehen drohen.333 Andererseits werden mittels geistiger Eigentumsrechte Monopole auf Zeit vergeben, die Firmen Absatzmöglichkeiten verschaffen, die sie in einem liberalisierten Markt sonst nicht hätten.334 Insbesondere ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass die Warenpreise aufgrund der auf 20 Jahre vergebenen Patente (Art. 33 TRIPs) willkürlich hoch gehalten werden. In Südafrika erweist sich das Dilemma aufgrund seiner weltweit höchsten HIV/AIDS Rate als besonders groß. Gegenwärtig sind etwa 4,5 Millionen Bürgerinnen und Bürger mit dem HIV-Virus infiziert. Experten gehen davon aus, dass diese Zahl bis zum Jahr 2005 auf sechs Millionen der vierzig Millionen Südafrikaner ansteigt und dass bis dahin bereits drei Millionen Südafrikaner an AIDS gestorben sein werden.335 Während patentierte AntiAIDS Medikamente das Leben vieler Amerikaner erfolgreich verlängert haben, ist die große Mehrheit der Südafrikaner nicht in der Lage, die entsprechenden Kosten von $ 12,000 bis $ 15,000 pro Person und Jahr aufzubringen.336 Letztere ließen sich jedoch durch Entwicklung und Verkauf entspre333 Zur Rechtfertigung des Schutzes geistigen Eigentums im Allgemeinen sowie in Bezug auf Arzneimittel im Besonderen, siehe Berger, Tripping Over Patents: AIDS, Access To Treatment and the Manufacturing of Scarcity, S. 19 ff. 334 Senti, WTO, S. 653 f., Rz. 1413 f. 335 Bass, Implications of the TRIPs Agreement for developing countries: pharmaceutical patent laws in Brasil and South Africa in the 21st Century, GWILR 34 (2002), S. 191, 211; zur Infektionsrate unter Erwachsenen in anderen Staaten in Afrika südlich der Sahara, siehe: International Intellectual Property Institute, Patent Protection and Access to HIV/AIDS Pharmaceuticals in Sub-Saharan Africa (2000), S. 4 f. 336 Hellmig, Südafrika: keine Patentrezepte gegen Aids, Forum Recht Online 3 (2001); siehe auch WHO Statement on Outcome of South African Court Case, Sta-
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chender Generika um mindestens 70 Prozent senken, wie das Beispiel Brasiliens belegt.337 Vor diesem Hintergrund erscheint es unumgänglich, das TRIPs-Übereinkommen so auszulegen, dass der Schutz der Volksgesundheit in den Entwicklungsländern nicht beeinträchtigt wird. In diesem Sinne wurde auf der WTO-Ministerkonferenz in Doha am 14. November 2001 folgende Erklärung angenommen, die allgemein als ein Meilenstein338 im Hinblick auf den Konflikt zwischen den Vorschriften des TRIPs auf der einen Seite und der Gewährung medizinisch notwendiger Versorgung, insbesondere in Entwicklungsländern, auf der anderen Seite gilt: „We agree that the TRIPS Agreement does not and should not prevent Members from taking measures to protect public health. Accordingly, while reiterating our commitment to the TRIPS Agreement, we affirm that the Agreement can and should be interpreted and implemented in a manner supportive of WTO Members’ right to protect public health and, in particular, to promote access to medicines for all. In this connection, we reaffirm the right of WTO Members to use, to the full, the provisions in the TRIPS Agreement, which provide flexibility for this purpose“.339
Bezüglich der in dieser Erklärung ausdrücklich angesprochenen Flexibilität der Vorschriften des TRIPs wird darüber hinaus in Ziffer 5 der Erklärung ausgeführt, dass diese Flexibilität auch folgendes umfasst: „(b) Each Member has the right to grant compulsory licences and the freedom to determine the grounds upon which such licences are granted. (c) Each Member has the right to determine what constitutes a national emergency or other circumstances of extreme urgency, it being understood that public health crisis, including those relating to HIV/AIDS, tuberculosis, malaria and other epidemics, can represent a national emergency or other circumstances of extreme urgency. (d) The effect of the provisions in the TRIPS Agreement that are relevant to the exhaustion of intellectual property rights is to leave each Member free to estabtement WHO708 (19. April 2001); eine Frage von Leben und Tod: Patente und der Zugang zu unentbehrlichen Medikamenten, Stellungnahme von Médeciens sans Frontrières/Ärzte ohne Grenzen (MSF) zur 4. Ministerkonferenz der WTO. Wie eine neuere Studie von UNAIDS belegt, hatten von den insgesamt sechs Millionen Menschen in Entwicklungsländeren, die Zugang zu sog. Antiretroviral drugs haben müssten, lediglich 230.000 (weniger als 4 Prozent) am Ende des Jahres 2001 tatsächlich Zugang zu den Medikamenten (UNAIDS, Report on Global HIV/AIDS Epidemic 2002, Annex 1). 337 Bass, Implications of the TRIPs Agreement for developing countries: pharmaceutical patent laws in Brasil and South Africa in the 21st Century, GWILR 34 (2002), S. 191, 207. 338 Sun, Reshaping the TRIPs Agreement Concerning Public Health: Two Critical Issues, JWT 37 (2003), S. 163, 168 m. w. N. 339 Declaration on the TRIPS Agreement and Public Health, WT/MIN(01)/DEC/ 2 vom 20. November 2001.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
lish its own regime for such exhaustion without challenge, subject to the MFN and national treatment provisions of Articles 3 and 4“.340
Trotz dieser Erklärung bleibt fraglich, ob die weitreichenden gesetzlichen Vorbehalte Südafrikas zum Patentschutz mit dem TRIPs und folglich auch mit dem TDCA vereinbar sind.341 Zwar erlaubt Art. 8 Ziffer 1 TRIPs den Vertragspartnern, bei der Neuformulierung oder Änderung von Gesetzen Maßnahmen zu treffen, die zum Schutz der öffentlichen Gesundheit und Ernährung sowie zur Förderung des öffentlichen Interesses an den für ihre sozio-ökonomische und technische Entwicklung entscheidenden Sektoren notwendig sind. Allerdings müssen diese mit dem TRIPs-Übereinkommen in Einklang stehen, d. h. Art. 8 TRIPs schafft keinen eigenständigen Ausnahmetatbestand.342 Zwangslizensierungen und Parallelimporte könnten jedoch in Konflikt mit dem in Art. 28 Ziffer 1 (a) TRIPs formulierten Grundsatz stehen, wonach Dritten die Herstellung, der Gebrauch, das Anbieten zum Verkauf, der Verkauf sowie eine diesen Zwecken dienende Einfuhr des patententierten Erzeugnisses ohne die Zustimmung des Patentinhabers verboten ist. Andererseits können die Mitglieder gemäß Art. 30 TRIPs begrenzte Ausnahmen von den ausschließlichen Rechten aus dem Patent vorsehen, wenn solche Ausnahmen nicht im Widerspruch zur normalen Verwertung des Patents stehen, die berechtigten Interessen des Patentinhabers nicht unangemessen beeinträchtigt werden und die berechtigten Interessen Dritter Berücksichtigung finden. Entscheidend ist somit, ob die durch das südafrikanische Arzneimittelgesetz möglichen Parallelimporte und die im Patentgesetz vorgesehenen Zwangslizensierungen vom genannten Ausnahmetatbestand erfasst werden. Zwar ist es den WTO-Mitgliedern nach Art. 1 Ziffer 1 TRIPs überlassen, die geeignete Methode für die Umsetzung der Bestimmungen des TRIPs-Übereinkommens festzulegen. Jedoch sind entsprechende Maßnahmen auf ihre TRIPs-Vereinbarkeit zu überprüfen. bb) Parallelimporte Grundsätzlich gewährt das Patentrecht dem Patentinhaber das auschließliche Recht, eine Erfindung entweder selbst (Art. 28 Ziffer 1 TRIPs) oder im Wege der Lizenzvergabe an Dritte (Art. 28 Ziffer 2 TRIPs) zu verwerten. Die Geltendmachung dieses Verwertungsrechts wird jedoch durch den Erschöpfungsgrundsatz beschränkt, der besagt, dass der Inhaber seine aus340 Declaration on the TRIPS Agreement and Public Health, WT/MIN(01)/DEC/ 2 vom 20. November 2001. 341 Dazu: Achmat, We can use Compulsory Licensing and Parallel Imports – A South African Case Study, Aids Law Project. 342 Herrmann, TRIPS, Patentschutz für Medikamente und staatliche Gesundheitspolitik: Hinreichende Flexibilität? EuZW 2002, S. 37, 39.
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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schließlichen Rechte an einem Immaterialgut erschöpft hat, sobald er das geschützte Gut auf den Markt bringt oder dessen Vermarktung durch einen Dritten zustimmt. Die Reichweite der Erschöpfung bestimmt sich danach, ob dem Grundsatz der nationalen, regionalen oder internationalen Erschöpfung gefolgt wird. Im Fall der nationalen Erschöpfung kann der Schutzrechtsinhaber beim ersten Inverkehrbringen im Inland die Benutzung und den Weitervertrieb der Produkte durch Dritte nicht mehr untersagen, wohl aber gegen Importe aus anderen Ländern vorgehen.343 Dieser Grundsatz gilt in den USA, was bedeutet, dass der Patentinhaber somit außerhalb der USA seine Rechte weiter ausüben kann, selbst wenn er das Produkt schon auf den US-amerikanischen Markt gebracht hat. Der Grundsatz der regionalen Erschöpfung weitet diese Rechtsfolge auf ein mehrere Staaten umfassendes Gebiet aus, wie dies im Fall der Europäischen Gemeinschaft gilt.344 Bei der Annahme einer internationalen Erschöpfung führt das erste rechtmäßige Inverkehrbringen in irgendeinem Land dazu, dass der Schutzrechtsinhaber den Vertrieb dieses Erzeugnisses weltweit nicht mehr untersagen kann.345 Diesem Prinzip folgt Abschnitt 15C des südafrikanischen Arzneimittelgesetzes. Daraus folgt für Südafrika, dass die fraglichen Arzneimittel über andere als die vom Hersteller bestimmten Vertriebswege ins Land gelangen können, was dazu führen kann, dass dieser auf dem heimischen Markt mit den eigenen – durch Parallelhändler preisgünstiger angebotenen – Produkten konkurrieren muss.346 Die Frage, welcher Grundsatz der Erschöpfung nach dem TRIPs zulässig ist, gehört zu den umstrittensten Fragen im Welthandelssystem.347 Der mit dem Titel „Erschöpfung“ überschriebene Art. 6 des TRIPs verweist ledig343
Freytag, Parallelimporte nach EG- und WTO-Recht, S. 20. Zum Ganzen: International Intellectual Property Institute, Patent Protection and Access to HIV/AIDS Pharmaceuticals in Sub-Saharan Africa (2000), S. 30. 345 Freytag, Parallelimporte nach EG- und WTO-Recht, S. 20. 346 Koenig/Engelmann/Sander, Parallelhandelsbeschränkungen im Arzneimittelbereich und die Freiheit des Warenverkehrs, GRUR Int 2001, S. 919, 920 ff. 347 Eine Übersicht über die Auffassungen der verschiedenen Länder findet sich in: Verma, Exhaustion of Intellectual Property Rights and Free Trade – Article 6 of the TRIPS Agreement, IIC 1998, S. 534, 540 ff.; zum Streitstand, siehe auch: Slonina, Gesundheitsschutz contra geistiges Eigentum? Aktuelle Probleme des TRIPSAbkommens, in: Tietje/Kraft/Sethe (Hrsg.), Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 18, 2003; Abbott, First Report (final) to the Committee on International Trade Law of the International Law Association on the subject of parallel importation, JIEL 1 (1998), S. 607–636; Cohen Jehoram, International Exhaustion versus Importation Rights: a Murky Area of Intellectual Property Law, GRUR Int 1996, 280; Soltysinski, International Exhaustion of Intellectual Property Rights under the TRIPs, the EC Law and the Europe Agreement, GRUR Int. 1996, S. 316; Straus, Bedeutung des TRIPS für das Patentrecht, GRUR Int 1996, S. 179, 193 ff. m. w. N. 344
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lich darauf, dass Streitigkeiten über die Erschöpfungsregel von Mitgliedstaaten ausgeschlossen sein sollen, sofern es nicht um einen Verstoß gegen die Diskriminierungsverbote geht,348 und hilft bei der Lösung des Problems nicht wesentlich weiter. Insofern muss der Konflikt zwischen dem notwendigen Schutz geistiger Eigentumsrechte auf der einen Seite und einer weitgehenden Liberalisierung des Handels auf der anderen Seite, wie er sich bereits der Präambel zum TRIPs entnehmen lässt,349 anders gelöst werden. Gegen die Einführung eines internationalen Erschöpfungsgrundsatzes wird einmal geltend gemacht, dass er den Anreiz zu Forschung und Innovation vermindere, weil die Möglichkeiten zur Vermarktung des Produkts durch den potenziellen Schutzrechtsinhaber verringert werden. Zudem wird vorgetragen, dass der Einfluss des Schutzrechtsinhabers auf die Qualität seiner Produkte dezimiert werde350 und sogar die Gefahr von „Rufschädigungen aufgrund minderwertiger Kopien“ des Produkts bestehe. Schließlich findet sich noch das Argument, dass das nach Art. 27 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 28 TRIPs bestehende Recht des Patentinhabers, Dritten ohne seine Zustimmung die Herstellung, den Gebrauch, das Anbieten zum Verkauf usw. zu verbieten, durch den Grundsatz der weltweiten Erschöpfung weitgehend entwertet werde.351 Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass es derzeit an empirischen Studien fehlt, welche den befürchteten negativen Effekt der internationalen Erschöpfung belegen.352 Auch hat es der Patentinhaber selbst in der Hand, beim ersten Inverkehrbringen einen angemessenen Preis festzulegen, und es erscheint daher nicht zwingend, ihm eine mehrfache Nutzung des Patents zuzugestehen.353 Schließlich ist die Förderung des Freihandels im multilateralen Handelsrecht ein programatischer Anspruch, der sich auch in den Vorschriften des GATT und des TRIPs allgemein wiederfindet und in dessen Kontext auch die Frage der Erschöpfung zu sehen ist. Daher erscheint es im Ergebnis überzeugender anzunehmen, dass den 348
Art. 6 TRIPs lautet wie folgt: „Für die Zwecke der Streitbeilegung im Rahmen dieses Übereinkommens darf vorbehaltlich der Art. 3 und 4 dieses Übereinkommen nicht dazu verwendet werden, die Frage der Erschöpfung von Rechten des geistigen Eigentums zu behandeln“. 349 Rinnert, Die Erschöpfung von Markenrechten und das TRIPs-Abkommen, S. 164. 350 Was im schlimmsten Fall zum Verkauf schlampig hergestellter Medikamente an Bedürftige in Entwicklungsländern führen kann, siehe auch das Beispiel bei: Heath, Bedeutet TRIPS wirklich eine Schlechterstellung von Entwicklungsländern? GRUR Int 1996, S. 1169, 1175, Fn. 33. 351 Straus, Bedeutung des TRIPS für das Patentrecht, GRUR Int 1996, S. 179, 193 ff. m. w. N. 352 Freytag, Parallelimporte nach EG- und WTO-Recht, S. 34 ff. 353 Rinnert, Die Erschöpfung von Markenrechten und das TRIPs-Abkommen, S. 166.
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Staaten insoweit eine autonome Regelungsbefugnis verbleibt, welche die Anwendung der internationalen Erschöpfung nicht ausschließt.354 Im Einklang mit dieser Auslegung muss von der grundsätzlichen Rechtmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage im südafrikanischen Arzneimittelgesetz ausgegangen werden. Allerdings ist jede einzelfallbezogene Anwendung des Abschnitts 15C durch den Gesundheitsminister dahingehend zu überprüfen, ob sie mit den Vorschriften des TRIPs-Übereinkommens übereinstimmt. cc) Zwangslizensierung Das revidierte südafrikanische Arzneimittelgesetz sieht nur im Grundsatz vor, dass die Regierung zum Schutz der Volksgesundheit die Eigentumsrechte eines unter Patentschutz stehenden Arzneimittels einschränken kann. Eine Konkretisierung findet sich dagegen im Patentgesetz,355 wonach einem Dritten eine Lizenz durch freiwillige Vereinbarung (Abschnitte 4 und 78) oder im Wege der Zwangslizenz durch staatlichen Hoheitsakt ohne Einwilligung des Rechtsinhabers erteilt werden kann, um den Missbrauch einer Monopolstellung zu bekämpfen (Abschnitte 4 und 56). In diesen Fällen hat der Staat, entsprechend der Eigentumsgarantie der Verfassung (Art. 25), Entschädigung zu leisten.356 Während somit eine Zwangslizensierung nach innerstaatlichem Recht möglich erscheint, fehlt es im TRIPs-Übereinkommen an klaren Kriterien, nach denen ein entsprechendes Vorgehen legitim ist. Dies hat zu unterschiedlichsten Interpretationen und Streitigkeiten innerhalb der WTO geführt.357 Unstreitig kann festgehalten werden, dass dem Ausnahmetatbestand des Art. 8 TRIPs ein allgemeiner Grundsatz zu entnehmen ist, wonach „geeignete Maßnahmen“ zur Bekämpfung von Missbräuchen von Immaterialgüterrechten nötig sein können. Zum Teil wird sogar die Auffas354
So auch Herrmann, TRIPS, Patentschutz für Medikamente und staatliche Gesundheitspolitik: Hinreichende Flexibilität? EuZW 2002, S. 37, 41; Freytag, Parallelimporte nach EG- und WTO-Recht, S. 281 ff.; Verma, Exhaustion of Intellectual Property Rights and Free Trade – Article 6 of the TRIPS Agreement, IIC 1998, S. 534, 565; Kunz-Hallstein, Zur Frage der Parallelimporte im internationalen gewerblichen Rechtsschutz – Neuer Wein in alten Schläuchen? FS Krieger, GRUR Int 1998, S. 268, 271; Heath, Bedeutet TRIPS wirklich eine Schlechterstellung von Entwicklungsländern? GRUR Int 1996, S. 1169, 1181. 355 Act No 57 of 1978. 356 Zum verfassungsrechtlichen Entschädigungsanspruch bei Zwangslizensierung in Südafrika ausführlich Berger, Tripping Over Patents: AIDS, Access to Treatment and the Manufacturing of Scarcity, S. 57 ff. 357 Bass, Implications of the TRIPs Agreement for developing countries: pharmaceutical patent laws in Brasil and South Africa in the 21st Century, GWILR 34 (2002), S. 191, 197.
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sung vertreten, dass Zwangslizensierungen dem Ausgleich von Rechten und Pflichten, der Förderung von technischer Innovation und dem Transfer und der Verbreitung von Technologie, dem gegenseitigen Nutzen von Produzenten und Nutzern von technologischem Wissen, dem sozialen und wirtschaftlichen Wohlstand und dem Schutz der Volksgesundheit und Ernährung dienten und damit den Prinzipien von Art. 7 und 8 TRIPs entsprächen.358 Die entscheidende Eingriffnorm stellt Art. 31 TRIPs dar, welcher die Lösung von Konflikten zwischen staatlichen Wohlfahrtsinteressen und den Rechten von Patentinhabern darstellt.359 Nach dieser Vorschrift sind Beeinträchtigungen des Patentrechts im Einzelfall möglich, wobei materiellrechtliche Voraussetzungen hinsichtlich des Zwecks der Zwangslizenisierung nicht in Art. 31 TRIPs geregelt sind, sondern insoweit wieder auf Art. 8 TRIPs zurückzugreifen ist.360 Sollen Zwangslizenzen im Kampf gegen eine das Volk ernsthaft bedrohende Krankheit erlassen werden, so spricht auch die Erklärung von Doha grundsätzlich für eine Auslegung in dem Sinne, dass die Bereitstellung von lebensnotwendigen Medikamenten zu erschwinglichen Preisen im Wege der Zwangslizensierung für die größtenteils arme Bevölkerung zulässig ist. Allerdings sind die Voraussetzungen des Art. 31 TRIPs zu beachten. Diese besagen u. a. • Der Patentinhaber muss sich geweigert haben, innerhalb einer angemessenen Frist eine vertragliche Lizenz zu gewähren, obwohl der Lizenz-Sucher die Zahlung einer Vergütung und die Leistung einer Sicherheit angeboten hat. Situationen von äußerster Dringlichkeit und Fälle nationalen Notstands sind von dieser Bedingung ausgenommen; • Es muss ein öffentliches Interesse an der Zwangslizenz bestehen, und sie darf nicht exklusiv sein. Wäre sie das, bliebe dem Patentinhaber der Marktzutritt verschlossen, was einer materiellen Enteignung gleichkäme; 358 Sun, Reshaping the TRIPs Agreement Concerning Public Health: Two Critical Issues, JWT 37 (2003), S. 163, 170. 359 Senti, WTO, S. 640, Rz. 1369; Bass, Implications of the TRIPs Agreement for developing countries: pharmaceutical patent laws in Brasil and South Africa in the 21st Century, GWILR 34 (2002), S. 191, 198 ff.; Berger, Tripping Over Patents: AIDS, Access To Treatment and the Manufacturing of Scarcity, S. 102 ff.; Abbott, The TRIPS-legality of measures taken to address public health crises: responding to USTR-state-industry positions that undermine the WTO, in: Kennedy/Southwick (Hrsg.), The Political Economy of International Trade Law: Essays in Honor of Robert H. Hudec, S. 311–342; International Intellectual Property Institute, Patent Protection and Access to HIV/AIDS Pharmaceuticals in Sub-Saharan Africa (2000), S. 31 ff. 360 Slonina, Gesundheitsschutz contra geistiges Eigentum? Aktuelle Probleme des TRIPS-Abkommens, Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 18, 2003, 25 f.; Herrmann, TRIPS, Patentschutz für Medikamente und staatliche Gesundheitspolitik: Hinreichende Flexibilität? EuZW 2002, S. 37, 39 m. w. N.
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• Zwangslizenzen sind vorwiegend für die Versorgung des Binnenmarkts zu erlauben; vorgesehen ist außerdem, dass der Patentinhaber angemessen entschädigt werden muss; schließlich sind die Mitglieder verpflichtet, die Überprüfung der Entscheidung über die Gewährung einer Zwangslizenz durch ein Gericht vorzusehen. Auch hier kann erst im Einzelfall beurteilt werden, ob spezielle Verfügungen des zuständigen Gesundheitsministers gegen die entsprechenden TRIPsBestimmungen verstoßen. Sollte eine Zwangslizenz rechtmäßig erlassen worden sein, besteht die Möglichkeit, dass Generika zum öffentlichen Gebrauch ohne die Zustimmung der Patenthalter hergestellt werden können. Fraglich mag insoweit sein, ob die südafrikanische Pharmaindustrie hinreichend viele Nachahmerpräparate herstellen könnte oder ob Südafrika angesichts des hohen Bedarfs an HIV/AIDS Medikamenten darauf angewiesen wäre, die erforderlichen Generika zum Teil auch im Ausland produzieren zu lassen. Problematisch ist insoweit, dass dem ausländischen Hersteller nur von seinem Heimatstaat eine Zwangslizenz für die Produktion zugeteilt werden kann, nicht jedoch von dem das Medikament benötigenden WTO-Mitglied.361 Südafrika wäre in diesem Fall auf die Kooperation des Drittlandes angewiesen. Einer solchen Zusammenarbeit stand bisher Art. 31 lit. f entgegen, welcher – wie oben dargestellt – Zwangslizensierungen nur für die Versorgung des Binnenmarktes zulässt. Allerdings hat der TRIPs-Rat mit seiner Entscheidung vom 28. August 2003362 den Weg dafür frei gemacht, dass Länder mit eingeschränkter oder nicht vorhandener Kapazität zur Herstellung von Generika solche unter Zwangslizenz von Drittstaaten erwerben dürfen und ein derartiges Vorgehen – unter bestimmten Voraussetzungen – für zulässig erklärt. Die Entscheidung enthält insoweit einen „waiver“ für die Verpflichtungen unter Art. 31 lit. f und legt die näheren Bedingungen für die Rechtmäßigkeit von Zwangslizensierungen in diesem Zusammenhang fest.363 Damit ist – zumindest vorübergehend – ein spezielles Problem von Entwicklungsländern im Zusammenhang mit der Produktion wichtiger Medikamente gelöst, wenngleich die endgültige Regelung dieses Problembereichs in Form einer entsprechenden Ergänzung des TRIPs noch aussteht. 361 Siehe zu diesem Problem auch: Slonina, Gesundheitsschutz contra geistiges Eigentum? Aktuelle Probleme des TRIPS-Abkommens, Beiträge zum Transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 18, 2003, S. 27. 362 Implementation of Paragraph 6 of the Doha Declaration on the TRIPS Agreement and Public Health IP/C/W/405 vom 28. August 2003. Ziffer 6 der Doha Erklärung bezog sich darauf, dass der TRIPs-Rat instruiert worden ist, eine schnelle Lösung zum Problem unzureichender Kapazitäten im Pharmabereich einiger WTOMitglieder zur Ausnutzung der Zwangslizenzen zu finden und dem Allgemeinen Rat (Art. IV WTO-Vertrag) vor dem Ende 2002 zu berichten. 363 Herrmann, Viagra für den Welthandel oder historischer Wendepunkt für den internationalen Patentschutz? EuZW 2003, 673.
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dd) Konsequenzen für die Vertragsbeziehungen im TDCA Auch wenn das TRIPs-Übereinkommen Parallelimporte und Zwangslizenzen als Mittel zur Beschaffung preisgünstiger Aids-Medikamente nicht von vornherein ausschließt, fehlt es an der wünschenswerten Rechtssicherheit für den Einzelfall. Dies gilt sowohl für die auf preiswerte Medikamente angewiesenen Menschen als auch für die Pharmaindustrie selbst. Während Brasilien aufgrund seiner Produktion von Generika noch mit Handelsembargos „bestraft“ wurde,364 endete das Gerichtsverfahren vor dem High Court in Pretoria, bei dem 39 um ihre Patente besorgte Arzneimittelhersteller365 die Rechtmäßigkeit des neuen südafrikanischen Arzneimittelgesetzes angezweifelt hatten, nach weltweiten Protesten mit einem außergerichtlichen Vergleich: Die Pharma-Unternehmen nahmen ihre Klage im April 2001 zurück und das Gesetz konnte in Kraft treten.366 Nunmehr hat sich die WTO zu der bereits erwähnten Interpretationserklärung durchringen können. Damit wird die Tür ein Stück weit aufgehalten, um zu einem gerechten Ausgleich zwischen den auf dem Spiel stehenden Grundrechten auf Leben und Gesundheit einerseits sowie dem Schutz des geistigen Eigentums andererseits zu finden. Dafür reicht jedoch mittelfristig ein „waiver“ als Rechtsgrundlage nicht aus, selbst wenn er – entgegen Art. IX 4 WTO-Übereinkommen – kein festes Ablaufdatum nennt.367 Wie vorgesehen müssen dringend allgemeinverbindliche Regeln in die Welthandelsordnung aufgenommen werden, damit die weniger entwickelten Länder zu „angemessenen Preisen“ vom wissenschaftlichen Fortschritt profitieren können. Eine derartige Lösung dürfte im Übrigen auch im Interesse der Pharmaindustrie selbst sein, weil sie sich damit den Zugang zu neuen Märkten eröffnet.368 Trotz der unabweislichen Notwendigkeit zu weiteren Reformen wäre eine Teillösung auf Ebene des TDCA nicht möglich gewesen. Wie man 364 So zum Beispiel Brasilien: Bass, Implications of the TRIPs Agreement for developing countries: pharmaceutical patent laws in Brasil and South Africa in the 21st Century, GWILR 34 (2002), S. 191, 206 ff. 365 Fedtke, Das Recht auf Leben und Gesundheit, Patentschutz und das Verfahren des High Court of South Africa zur Verfassungsmäßigkeit des südafrikanischen Medicines and Related Substances Control Amendment Act, VRÜ 34 (2001), S. 489, 500 ff. 366 Sun, Reshaping the TRIPs Agreement Concerning Public Health: Two Critical Issues, JWT 37 (2003), S. 163, 165; Hellmig, Südafrika: keine Patentrezepte gegen Aids, Forum Recht Online, Heft 3 (2001). 367 Herrmann, Viagra für den Welthandel oder historischer Wendepunkt für den internationalen Patentschutz? EuZW 2003, S. 673. 368 Bass, Implications of the TRIPs Agreement for developing countries: pharmaceutical patent laws in Brasil and South Africa in the 21st Century, GWILR 34 (2002), S. 191, 218.
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auch immer vorgehen möchte; ein Eingriff in die durch das TRIPs geschützten Mindestrechte erscheint unausweichlich. Zu einem solchen Schritt wären die Gemeinschaft und Südafrika aber auch im Rahmen eines Freihandelsabkommens gemäß Art. XXIV GATT 1994 nicht berechtigt gewesen. Zum einen wäre ein solcher Schritt für die Bildung des TDCA nicht unbedingt erforderlich gewesen und zum anderen hätte ein solcher Schritt zwangsläufig negative Auswirkungen auf die Exportchancen der Pharmaindustrie aus Drittstaaten gehabt. Mit anderen Worten: eine Lösung ist nur im Wege der mulitlateralen Vertragsänderung möglich und muss deshalb im Rahmen der WTO gefunden werden. e) Fazit Die Untersuchung hat gezeigt, dass über das TDCA allenfalls im Bereich der multimedialen Urheberrechte des WCT-Vertrages ein über die derzeitigen völkerrechtlichen Pflichten der Vertragspartner hinausgehender Schutz durch das TDCA gewährt werden könnte. Dieser würde aber nur eine Heranziehung des WCT-Vertrages als Auslegungshilfe in Zweifelsfragen erlauben. Die „besondere Bedeutung“, welche die Vertragspartner dem Vertragswerk beimessen, ist mit keiner weiterreichenden Rechtspflicht verbunden. Südafrikas Zurückhaltung gegenüber zusätzlichen Verpflichtungen im Bereich der geistigen Eigentumsrechte während der Verhandlungen um das TDCA fügt sich in eine grundsätzliche Skepsis der Entwicklungs- und Schwellenländer ein. Diese befürchten, dass die so genannten IP-Rechte ihre wirtschaftspolitischen Gestaltungsmöglichkeiten über eine Ausdehnung des gewerblichen Rechtsschutzes unnötig einschränken und dass sie ihrer wirtschaftlichen Entwicklung deshalb abträglich sind. Der jahrelange Streit um den Zugang zu preisgünstigen Generika zur Bekämpfung von Krankheiten wie AIDS, Malaria und Tuberkulose mag dafür als Beispiel angeführt werden.369 Es ist unbestreitbar, dass die Inhaber von immateriellen Eigentumsrechten fast ausschließlich ihren Sitz in den etablierten Industrieländern haben. Auch verschlingt es erhebliche Ressourcen, einen effektiven gewerblichen Rechtsschutz aufzubauen und – im Sinne einer funktionierenden Rechtsdurchsetzung – auch aufrechtzuerhalten.370 Darüber hinaus ist 369
Ein weiterer Gesichtspunkt, der die Gemüter in den Verhandlungen um das TDCA erhitzte, war der Schutz der Etikettierungen von Weine und Spirituosen. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, inwieweit althergebrachte Bezeichnungen aus Europa ausschließlichen Schutz als geographische Angaben gemäß Art. 22 ff. TRIPs beanspruchen können. Auf die Problematik wird im folgenden Kapitel noch ausführlich einzugehen sein. 370 Hilpert, TRIPS und das Interesse der Entwicklungsländer am Schutz von Immaterialgüterrechten in ökonomischer Sicht, GRUR Int 1998, S. 91, 92; Heath, Be-
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fraglich, inwieweit Erfinder und Unternehmen ihre Forschungsaktivitäten tatsächlich einstellen würden, wenn in Entwicklungs- und Schwellenländern nur ein eingeschränkter Eigentumsschutz bestünde. Andererseits hat Südafrika genug Innovationspotenziale, um selbst zum Produzenten von neuem technischen Wissen zu werden. Das Land bietet einen attraktiven Wirtschaftsstandort mit ausgezeichneter Infrastruktur und muss deshalb darauf achten, dass es potenzielle Investoren nicht durch mangelnden gewerblichen Rechtsschutz abschreckt. Wie nicht zuletzt das Beispiel der Medikamente zeigt, stehen Länder wie Südafrika vor einem Dilemma, dessen Auflösung eine der wichtigsten Herausforderungen im Rahmen des TRIPs ist. Die Problematik droht sich zu einem Nord-Süd-Konflikt zu entwickeln, da sich die Schwellenländer bei vollständigem Abbau der Zölle und gleichzeitig hohen Schutzstandards für geistige Eigentumsrechte auf der Verliererstraße der Globalisierung sehen.371 Auf der anderen Seite kann die Einführung oder Verbesserung eines Systems gewerblichen Rechtsschutzes auch wettbewerbsfördernd wirken und damit wie andere wettbewerbsfördernde Maßnahmen (Marktöffnung, Zurückdrängung der Korruption, Ausbau des Gerichtswesens) zu einer Entwicklung und Demokratisierung der Gesellschaft führen.372 Hier sind vor allem auf multilateraler Ebene innovative Lösungen gefragt, die sicherstellen, dass alle Länder der Völkergemeinschaft eine faire Chance haben, auch in diesem Bereich am Prozess der internationalen Arbeitsteilung teilzuhaben. Denkbar wäre bspw. ein Ausbau der technischen Zusammenarbeit, um entsprechende Kapazitäten in den Entwicklungsländern zu entwickeln.373 Die durch das TDCA bekräftigten Mindeststandards des TRIPs reichen dafür noch nicht aus. 5. Der Dienstleistungshandel Der Dienstleistungssektor ist der bedeutendste Sektor in den Volkswirtschaften der Gemeinschaft und Südafrikas. Etwa die Hälfte der gesamtwirtschaftlichen Produktion und der Beschäftigung entfällt in der EG auf kommerzielle (d. h. nichtstaatliche) Dienstleistungen und die Beschäftigung in diesem Bereich ist doppelt so hoch wie in der Warenproduktion.374 Ähnlideutet TRIPS wirklich eine Schlechterstellung von Entwicklungsländern? GRUR Int 1996, S. 1169, 1170. 371 Hilpert, TRIPS und das Interesse der Entwicklungsländer am Schutz von Immaterialgüterrechten in ökonomischer Sicht, GRUR Int 1998, S. 91, 94. 372 Heath, Bedeutet TRIPS wirklich eine Schlechterstellung von Entwicklungsländern? GRUR Int 1996, S. 1169, 1174. 373 Heath, Bedeutet TRIPS wirklich eine Schlechterstellung von Entwicklungsländern? GRUR Int 1996, S. 1169, 1182 ff.
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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ches gilt für Südafrika, dessen kommerzieller Dienstleistungssektor im Jahr 2000 Zweidrittel (65,9 Prozent) zum Bruttosozialprodukt beitrug375 und im Jahr 1999 etwa 45 Prozent aller Erwerbstätigen beschäftigte.376 Etwas anderes gilt allerdings für den Handel mit Dienstleistungen. Während die Gemeinschaft der weltweit größte Exporteur und Importeur von Dienstleistungen ist,377 rangiert Südafrika mit seinen Dienstleistungsexporten lediglich auf Platz 41 und mit seinen Dienstleistungsimporten nur auf Platz 40. Hinzu kommt, dass der Dienstleistungsanteil am Handel in der Tendenz der vergangenen Jahre sogar noch sinkt.378 Dabei sieht sich das Land in einem Dilemma. Einerseits dürfte eine weitere Liberalisierung seines Dienstleistungssektors die Chancen für zusätzliche Auslandsinvestitionen erhöhen und den kommerziellen Technologietransfer steigern. Andererseits fürchtet man sich vor den Auswirkungen des damit einhergehenden internationalen Wettbewerbs auf das nationale Dienstleistungsgewerbe. In den Verhandlungen um das TDCA war die Frage zu beantworten, ob man in Anbetracht dieser Ausgangslage ebenso wie für den Warenhandel auch für den Dienstleistungshandel eine wirtschaftliche Integrationszone mit der Gemeinschaft vereinbaren sollte. Grundsätzlich besteht nach Art. V des WTO-Dienstleistungsübereinkommens (General Agreement on Trade in Services, GATS) eine entsprechende Option. Voraussetzung dafür ist, dass eine solche Vereinbarung „einen umfassenden sektoralen Geltungsbereich hat“379 und dass „auf jede Art von Diskriminierungen (. . .) verzichtet wird“. Obwohl die Gemeinschaft angesichts ihrer komparativen Vorteile auf eine Einbeziehung des Dienstleistungssektors drängte, konnte sie Südafrika keine Zustimmung zu einem solchen Schritt abringen. Deshalb einigte man sich schließlich in Art. 30 Abs. 1 TDCA, eine solche Möglichkeit für die Zukunft ins Auge zu fassen. Einstweilen gelten damit die multilateralen 374 Barth, Die GATS 2000-Verhandlungen zur Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels, ZEuS 2000, S. 273. 375 Auf den Industriesektor entfielen 30,9 Prozent, während die Landwirtschaft nur 3,2 Prozent beisteuerte, WTO, Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/S/114/ZAF vom 24. März 2003, S. A4-217, Ziffer 1, Table I.1. 376 In der Industrie waren dagegen 25 Prozent beschäftigt und im arbeitsintensiven Agrarbereich 30 Prozent, CIA World Factbook – South Africa (2003). 377 Barth, Die GATS 2000-Verhandlungen zur Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels, ZEuS 2000, S. 273, 274. 378 Die Zahlen betreffen das Jahr 1999, siehe WTO, Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/S/114/ZAF vom 24. März 2003, S. A4-219, Ziffer 11. 379 Wie sich aus der Fußnote zu Art. V GATS ergibt, ist der Begriff „substantial sectoral coverage“ so zu verstehen, dass diese Bedingung die Zahl der Sektoren, das betroffene Handelsvolumen und die Erbringungsformen betrifft. Damit die Bedingung erfüllt ist, sollte in dem Übereinkommen keine Erbringungsform von vornherein ausgeschlossen werden.
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GATS-Verpflichtungen auch für den TDCA-Binnenhandel. Insoweit bekräftigen die Vertragspartner in Art. 29 TDCA, dass sie die entsprechenden GATS-Vorschriften „strikt einhalten“ wollen. Welche materiellen Pflichten damit verbunden sind, soll im Folgenden untersucht werden. a) Tatbestand Nach Art. I:1 GATS findet das Übereinkommen auf solche Maßnahmen Anwendung, welche den Handel mit Dienstleistungen beeinträchtigen. Es ist also zunächst festzustellen, ob überhaupt ein „Handel mit Dienstleistungen“ gegeben ist. Sodann ist zu prüfen, ob die fragliche Maßnahme den Handel mit Dienstleistungen „beeinträchtigt“.380 Hinsichtlich der ersten Frage bestimmt Art. I:2 GATS vier verschiedene „Erbringungsmodalitäten“: Im ersten Modus geht es um den Fall des „crossborder supply“. Hier wird die Dienstleistung durch eine Person im Land A für einen Kunden im Land B erbracht, wie z. B. im Transportgewerbe, wenn eine Ware aus dem Land A in das Land B befördert wird.381 Der zweite Modus betrifft die „consumption abroad“, d. h. die in Rede stehende Dienstleistung wird in Land A erbracht und gleichzeitig von einem Dienstleistungsnachfrager aus dem Land B genutzt, wie z. B. im Tourismusgewerbe,382 wo die Leistungen des Tourismus in Form von Hotelübernachtungen, Mahlzeiten und kulturellen Veranstaltungen usw. im Land A durch Touristen aus dem Land B nachgefragt werden. Der dritte Modus befasst sich mit der „commercial presence“383 des Dienstleistungsanbieters aus dem Land A im Land B. Diese ist gegeben, wenn sich beispielsweise Banken und Versicherungen384 aus dem Land A im Land B niederlassen. Schließlich geht es beim vierten Modus um die „presence of natural persons“, wo zur Erbringung der Dienstleistung durch einen Anbieter des Landes A natürliche Personen im Land B tätig werden. Zu dieser Gruppe gehören beispielsweise 380 So auch der Appellate Body Bericht „Canada-Cars“ WT/DS139/AB/R, WT/ DS142/AB/R vom 31. Mai 2000, Ziffer 155. 381 Im Abschnitt „wirtschaftliche Zusammenarbeit“ wird beispielsweise ein Ausbau der Kooperation im Postwesen vereinbart (Art. 56 TDCA). 382 Im Abschnitt „wirtschaftliche Zusammenarbeit“ wird die Stärkung der Tourismusindustrie vereinbart (Art. 60 TDCA). 383 Art. XXVIII lit. d GATS definiert die Kommerzielle Präsenz folgendermaßen: „commercial presence“ means any type of business or professional establishment, including through (i) the constitution, acquisition or maintenance of a juridical person, or (ii) the creation or maintenance of a branch or a representative office, within the territory of a Member for the purpose of supplying a service“. 384 Im Abschnitt „wirtschaftliche Zusammenarbeit“ wird die Förderung der Bank-, Versicherungs- und Finanzdienstleistungen vereinbart (Art. 63 TDCA).
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Berater aus dem Land A, die sich zur Erledigung ihres Auftrags in das Land B begeben. Steht fest, dass ein Handel mit Dienstleistungen im Sinne einer der genannten vier Modalitäten gegeben ist, ist im zweiten Schritt die Frage der Beeinträchtigung dieser Dienstleistung zu klären. Der Appellate Body gibt dem Begriff „affecting“ eine weitreichende Bedeutung, welche direkte Beeinträchtigungen ebenso einschließt wie indirekte: „The drafters consciously adopted the term ‚affecting‘ and ‚supply of services‘ to ensure that the discipline of the GATS would cover any measure bearing upon conditions of competition in supply of a service, regardless of whether the measure directly governs or indirectly affects the supply of a service“.385
Angesichts dieser weitreichenden Definitionen wird deutlich, dass vom GATS selbst solche Transaktionen erfasst werden, die sich faktisch innerhalb der Rechts- und Wirtschaftsordnung eines Mitglieds abspielen. Indem das GATS nicht zwingend an Grenzmaßnahmen anknüpft, unterscheidet es sich grundlegend vom GATT.386 Andererseits wird das Eingriffspotenzial in althergebrachte Souveränitätsrechte von manchen Staaten kritisch beurteilt.387 Dieser Aspekt mag auch die Haltung Südafrikas in der Frage des erstrebenswerten Liberalisierungsgrades beeinflusst haben. b) Allgemeine Rechte und Pflichten Im Gegensatz zur GATT-Handelsordnung finden sich im GATS relativ wenige allgemeine Rechte und Pflichten, welche auf alle den Dienstleistungshandel beeinträchtigende Maßnahmen Anwendung finden. Sie bilden auch das Fundament für den europäisch-südafrikanischen Dienstleistungshandel. aa) Meistbegünstigung Allen voran gilt auch für den Bereich der Dienstleistungen der Meistbegünstigungsgrundsatz, dessen Bedeutung in Art. 29 TDCA besonders hervorgehoben wird. Er ist in Art. II GATS festgeschrieben und verpflichtet die Vertragspartner, Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer aus einem Mitgliedsland der WTO nicht ungünstiger zu behandeln als gleiche Dienstleistungen und Dienstleistungserbringer aus dem Markt eines anderen WTO-Handelspartners:388 385 Panel Bericht „EC-Bananas III“ WT/DS27/R/GTM, WT/DS27/R/HND, WT/DS27/R/ECU, WT/DS27/R/USA, WT/DS27/R/MEX vom 22. Mai 1997, Ziffer 7.280. 386 Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 536. 387 Barth, Die GATS 2000-Verhandlungen zur Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels, ZEuS 2000, S. 273, 276.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
„1. Jedes Mitglied gewährt hinsichtlich aller Maßnahmen, die unter dieses Abkommen fallen, den Dienstleistungen und Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds sofort und bedingungslos eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als diejenige, die es den gleichen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern eines anderen Landes gewährt“.389
Um feststellen zu können, ob eine Dienstleistung „gleich“ ist mit einer anderen und somit unter die MFN-Verpflichtung fällt, muss sie also zunächst genau definiert werden. Die WTO-Mitglieder klassifizieren ihre Dienstleistungssektoren und -teilsektoren390 nach den Vorgaben der „Services Sectoral Classification List“,391 welche eine detaillierte Identifikation erlaubt. Zusätzlich muss die Herkunft sowohl der Dienstleistungen als auch der Dienstleistungserbringer, die ihrerseits natürliche oder juristische Personen sein können,392 eindeutig geklärt werden, um sicherzustellen, dass der erforderliche grenzüberschreitende Sachverhalt gegeben ist. Materiell schützt die Meistbegünstigungsverpflichtung nicht nur vor de jure Diskriminierungen, sondern auch vor solchen, die sich de facto ergeben.393 Im Ergebnis ist zu untersuchen, ob die fragliche Maßnahme die Wettbewerbs388 Das Prinzip der Meistbegünstigung wird in den Art. VII:3, VIII, X, XII:1, XIV, XV, XVI und XXI GATS sowie im Anhang zur Telekommunikation wörtlich wiederholt oder sinngemäß umschrieben. 389 Nach Art. I:3 lit. b ist unter „services“ jede Art von Dienstleistung in jedem Sektor mit Ausnahme solcher Dienstleistungen zu verstehen, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erbracht werden. Nach der Legaldefinition in Art. XXVIII lit. g GATS gilt als Erbringer einer Dienstleistung eine Person, die eine Dienstleistung erbringt, wobei nach der Fußnote zu diesem Artikel im Fall einer juristischen Person, welche die Dienstleistung nicht unmittelbar, sondern durch eine Repräsentanz erbringt, die juristische Person als Dienstleistungserbringerin gilt. Allerdings wird man nicht wirklich sagen können, dass Art. I:3 GATS eine Legaldefinition der Dienstleistung enthält, da es an einer Abgrenzung gegenüber der Ware mangelt (Koehler, Das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS), S. 90 m. w. N.). Für eine Analyse des Begriffs, siehe Krajewski, Public Services and Trade Liberalization: Mapping the Legal Framework, JIEL 6 (2003), S. 341, 347 ff. Im Rahmen dieser Arbeit soll diesem Problem jedoch nicht weiter nachgegangen werden. 390 Zur Definition der Sektoren, siehe Art. XXVIII lit. e GATS. 391 MTN.GNS/W/120 vom 10. Juli 1991. Die „Services Sectoral Classification List“ knüpft ihrerseits an das noch detailliertere zentrale Produktklassifizierungssystem der Vereinten Nationen (Central Product Classifications System, CPC) an. 392 Siehe Art. XXVIII lit. j GATS. 393 „The obligation imposed by Article II is unqualified. The ordinary meaning of this provision does not exclude de facto discrimination. Moreover, if Article II was not applicable to de facto discrimination, it would not be difficult and indeed, it would be a good deal easier in the case of trade in services, than in the case of trade in goods – to devise discriminatory measures aimed at circumventing the basic purpose of this Article“, Appellate Body Bericht „EC-Bananas III“ WT/ DS27/AB/R vom 9. September 1997, Ziffer 233.
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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bedingungen zwischen Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern eines Mitglieds im Vergleich zu Dienstleistungen oder Dienstleistungserbringern eines anderen Mitglieds verändert hat bzw. verändern könnte. Von dem Grundsatz der Meistbegünstigung gibt es länderspezifische Befreiungen,394 welche sich die Mitglieder beim In-Kraft-Treten des GATS in Form von Vorbehalten gesichert haben („grandfathering“).395 Diese erlauben es einem Mitglied, einzelne Mitglieder besser zu behandeln als andere. Umgekehrt dürfen jedoch keine einzelnen Mitglieder gegenüber anderen benachteiligt werden.396 So ist den Listenausnahmen der Gemeinschaft zu entnehmen, dass Staatsbürger aus den Mitgliedstaaten des britischen Commonwealth kein Arbeitsvisum für die Beschäftigung in einem Dienstleistungssektor Großbritanniens benötigen, wenn deren Großeltern im Vereinigten Königreich geboren wurden. Daraus folgt, dass Staatsbürger Südafrikas, auf die diese Voraussetzung zutrifft, von dieser Listenausnahme der Gemeinschaft positiv profitieren. Andere positiv diskriminierende Listenausnahmen der Gemeinschaft397 gelten ganz überwiegend für Staaten in Europa. Sie betreffen audiovisuelle Dienstleistungen (Produktion und Verbreitung audiovisueller Werke durch Sendung oder andere Formen der Übertragung an die Öffentlichkeit, Fernseh- und Rundfunkdienste), den Straßenverkehr (Personen und Fracht), die computergesteuerten Buchungssysteme (Verkauf von Luftverkehrsdienstleistungen), den Transport auf Binnenwasserstraßen, das Verlagswesen, die Nachrichtenagenturdienste, die Presseagenturdienste, die Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung, die Finanzdienstleistungen sowie alle Dienstleistungsaktivitäten im Bau-, Hotel- und Gaststättensektor. Südafrikas Ausnahmen398 beziehen sich dagegen lediglich auf Finanzdienstleistungen und den Straßenverkehr und gelten nur für bestimmte Staaten im südlichen Afrika, d. h. die Gemeinschaft zieht daraus keinen weiteren Nutzen. Es ist in Art. 6 der Anlage zu Art. II GATS vorgesehen, dass diese MFN-Ausnahmen „prinzipiell“ nicht länger als 10 Jahre in Kraft bleiben sollen. Nach Art. VII GATS ist es den Mitgliedern im Übrigen freigestellt, ob sie die in einem anderen Land durchlaufene Ausbildung und die dort erwor394 Koehler, Das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS), S. 107. 395 Beim In-Kraft-Treten des GATS haben insgesamt 61 Länder solche Listen hinterlegt. Siehe Wang, Most-favoured-nation-treatment under the General Agreement on Trade in Services, JWT 30 (1996), S. 91, 102. 396 Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 540. 397 European Community, Final List of Article II (MFN) Exemptions, in: GATS/ EL/31 vom 15. April 1994. 398 South Africa, Final List of Article II (MFN) Exemptions, in: GATS/EL/78 vom 15. April 1994.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
bene Berufserfahrung anerkennen. Treffen sie eine entsprechende Vereinbarung oder Absprache, so sind sie nicht verpflichtet, dieses Zugeständnis unverzüglich und bedingungslos auch anderen Mitgliedern zu gewähren (Art. VII:1 GATS). Wo jedoch eine entsprechende Anerkennung gegenüber einem anderen Mitgliedstaat erfolgt, soll den übrigen interessierten Mitgliedstaaten die Gelegenheit zu Beitrittsverhandlungen und zum Nachweis vergleichbarer Anerkennungsvoraussetzungen in ihrem Land gegeben werden (Art. VII:2 GATS). Die Anerkennungspraxis darf auch nicht als Mittel der Diskriminierung oder der verdeckten Handelsbeschränkung missbraucht werden (Art. VII:3 GATS). Die bedingte Meistbegünstigung und transparente Anerkennungsvereinbarungen sind also die Mittel, mit denen das GATS zu einer schrittweisen Liberalisierung in diesem Bereich des Dienstleistungssektors beitragen will. Hinzu kommt, dass die Mitglieder dazu ermutigt werden, sich auf multilateral vereinbarte Kriterien zu verständigen, um so auf gemeinsame internationale Normen hinzuarbeiten. Allgemeinverbindliche Regeln sollen von der „Working Party on Domestic Regulation“ bis zum Ende der nächsten Liberalisierungsrunde vorgelegt werden.399 Auch wenn diese Diskussionen inzwischen unter aktiver Mitwirkung der Gemeinschaft400 an Fahrt gewonnen haben, ist nicht zu übersehen, dass es enorme Unterschiede zu überbrücken gilt.401 Im Hinblick auf die Gemeinschaft kommt hinzu, dass die Anerkennung von Hochschulabschlüssen für Drittstaatsangehörige im Wesentlichen in den Zuständigkeitsbereich ihrer Mitgliedstaaten fällt.402 Unbeschadet dessen sind die Behörden in der Gemeinschaft und Südafrika insgesamt sehr zurückhaltend bei entsprechenden Anerkennungsverfahren. bb) Transparenz und Rechtsstaatlichkeit Die Transparenzpflicht (Art. III GATS) verlangt von den Mitgliedern, umgehend alle einschlägigen allgemeinen Maßnahmen einschließlich internationaler Übereinkünfte, die sich auf die Anwendung des GATS beziehen, zu veröffentlichen oder anderweitig bekannt zu machen (Art. III:1 GATS). Außerdem müssen sie den GATS-Rat umgehend und mindestens einmal jährlich über die Einführung neuer oder die Änderung bestehender Rechtsgrundlagen über den Dienstleistungshandel berichten (Art. III: 3 GATS). 399
Zum Mandat der Working Party on Domestic Regulation, siehe S/L/70. Communication from the European Community and its Member States, S/WPDR/W/25 vom 10. Juli 2003. 401 Annual Report of the Working Party on Domestic Regulation to the Council for Trade in Services (2003), S/WPDR/6 vom 3. Dezember 2003. 402 Siehe die Liste spezifischer Konzessionen der Gemeinschaft, SC/GATS/31 vom 15. April 1994. 400
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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Zudem besteht zwischen den Mitgliedern eine Auskunftspflicht, wobei Informationsstellen zugunsten der anderen Vertragspartner einzurichten sind (Art. III:4 GATS). Allerdings brauchen „vertrauliche Informationen“ nicht offengelegt zu werden (Art. IIIbis GATS). Die Präambel des GATS erkennt an, dass WTO-Mitglieder das Recht haben, Regelungen zur Dienstleistungserbringung in ihrem Hoheitsgebiet zu treffen und auch neue Vorschriften einzuführen, um so ihre nationalen politischen Ziele erreichen zu können. Dagegen verlangt Art. VI:1 GATS, dass die Mitglieder in den Dienstleistungssektoren, in denen sie spezifische Verpflichtungen eingegangen sind, alle allgemein geltenden Maßnahmen „angemessen, objektiv und unparteiisch“ anwenden, um so die Grundprinzipien eines transparenten und fairen Verfahrens zu wahren. Insoweit tritt ein „inhärenter Zielkonflikt“ im GATS zutage.403 Wie der Konflikt zu lösen ist, wird im Rahmen künftiger Streitbeilegungsverfahren zu klären sein. Art. VI: 1 sieht die Einrichtung von rechtsprechenden, schiedsrichterlichen oder administrativen Instanzen vor, die innerstaatlich gewährleisten, dass Entscheidungen der öffentlichen Verwaltung, die den Handel mit Dienstleistungen betreffen, objektiv und unparteiisch überprüft werden können. Die entsprechenden Umsetzungsvoraussetzungen sind im europäischsüdafrikanischen Rechtsraum erfüllt. Insbesondere hat sich Südafrika im Jahr 2000 mit dem Promotion of Administrative Justice Act404 eine in jeder Hinsicht rechtsstaatlichen Grundsätzen genügende Verwaltungsrechtsordnung gegeben, die auch gerichtlich durchsetzbar ist.405 Das GATS richtet sich auch an den innerstaatlichen Normgeber und fordert die Mitglieder in Art. VI:4 auf, Vorschriften über die Qualifikationserfordernisse, die technischen Normen, das Prüfverfahren und die Erteilung der Lizenzen nicht unnötig mit Handelshemmnissen zu belasten, welche die eingeräumten Zugeständnisse schmälern oder zunichte machen können. Vielmehr sollen die Vorschriften auf „objektiven und nachvollziehbaren Kriterien“ beruhen, nicht „belastender als nötig sein“ und – im Hinblick auf Lizenzverfahren – die Erbringung der Dienstleistungen nicht einschränken. cc) Sicherung des Wettbewerbs In den Bereichen öffentliche Beschaffung und Subventionen ist nach den Art. XIII und XV GATS vorgesehen, dass gesondert multilaterale Verhand403
Senti, WTO, S. 581 f., Rz. 1241. Act No 3 aus 2000. 405 Für einen synoptischen Vergleich mit dem deutschen Verwaltungsverfahrensgesetz und der deutschen Verwaltungsgerichtsordnung, siehe Lange, Unreasonableness as a Ground for Judicial Review in South Africa, S. 71 ff. 404
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
lungen zu führen sind, um spezielle Regelungen für den Dienstleistungssektor zu treffen. Aus diesem Grund sind die Mitglieder bislang noch keine substanziellen Verpflichtungen eingegangen. Allerdings wurden die Verhandlungen zu diesen Themenkomplexen in der Doha Runde fortgesetzt.406 Nach Art. VIII GATS haben die Mitglieder dafür zu sorgen, dass Dienstleistungserbringer mit Monopolstellung ihre Marktmacht nicht missbrauchen und keine Geschäftspraktiken anwenden, die dem Meistbegünstigungsgebot widersprechen. Wo ein Marktmissbrauch vermutet wird, kann der Rat für den Handel mit Dienstleistungen den entsprechenden Mitgliedstaat um Offenlegung der relevanten Informationen auffordern. Allerdings besteht kein Monopolverbot, d. h. ein Mitgliedstaat kann einem Dienstleistungserbringer Monopolrechte verleihen, solange er gegenüber den anderen Mitgliedern das Transparenzgebot beachtet und den GATS-Rat drei Monate vor Gewährung dieser Rechte informiert. Wettbewerbsbehindernde Geschäftspraktiken sollen gemäß Art. IX GATS im Wege von Konsultationen beseitigt werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen zur Durchsetzung dieser Vorschriften sind sowohl in der Gemeinschaft als auch in Südafrika gegeben. c) Ausnahmen Ähnlich wie das GATT bietet auch das GATS den Mitgliedern die Möglichkeit, in Ausnahmefällen von ihren Verpflichtungen abzuweichen. Zum einen gilt nach Art. XIV der „ordre public“ Vorbehalt, d. h. keine Bestimmung des GATS darf so ausgelegt werden, dass ein Mitgliedstaat daran gehindert wird, bestimmte – dort abschließend aufgezählte – erforderliche407 ordnungspolitische Maßnahmen zu ergreifen. Ebenfalls sind zur Wahrung der nationalen Sicherheit nach Art. XIVbis GATS Ausnahmen möglich, die weitgehend denjenigen in Art. XXI GATT 1994 entsprechen. Darüber hinaus kann entsprechend der Regelung in Art. XXV GATT 1994 in Notfällen 406 WTO Annual Report 2003, S. 33. Zum Sachstand, siehe auch: Annual Report of the Working Party on GATS Rules to the Council for Trade in Services (2003), S/WPGR/13 vom 3. Dezember 2003. Die Frist in Art. X:1 GATS ist insoweit mehrfach verlängert worden, und die WTO-Mitglieder haben in der 4. Entscheidung der Verhandlungen zu Notstandsmaßnahmen beschlossen, dass Art. X:1 S. 1 GATS bis zum 15. März 2004 Anwendung finden soll (Analytical Index, Interpretation and Application of Article X, Stand: 23. Januar 2004). 407 Zur Auslegung des Erforderlichkeitskriteriums ist mangels entsprechender Spruchpraxis der Streitschlichtungsgremien zum GATS nur ein Rückgriff auf die Auslegung des Art. XX lit. d GATT 1994 möglich, wonach die Erforderlichkeit im Sinne von „Unverzichtbarkeit“ zu verstehen ist, Appellate Body Bericht „KoreaBeef“ WT/DS161/AB/R, WT/DS169/AB/R vom 11. Dezember 2000, Ziffer 161; der Erforderlichkeitsgrundsatz gilt dagegen nicht für die in Art. XIV lit. d and e GATS enthalten steuerrechtlich relevanten Ausnahmetatbestände.
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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ein „waiver“ beantragt werden. Rechtsgrundlage dafür ist nicht nur Ziffer 2 der Anlage zu den Ausnahmen von Art. II GATS, sondern auch Art. IX Ziffer 3 des Rahmenübereinkommens der WTO. Keine Relevanz für den europäisch-südafrikanischen Dienstleistungshandel haben aufgrund der geographischen Entfernung der beiden Wirtschaftsräume die nach Art. II:3 GATS möglichen Ausnahmen für den grenzüberschreitenden Dienstleistungshandel. Darüber hinaus sieht Art. X in Anlehnung an die Vorschrift des Art. XIX GATS die Möglichkeit vor, Schutzmaßnahmen im nationalen Interesse zu erlassen. Abweichungen sind schließlich auch bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten gemäß Art. XII GATS möglich. Im Ergebnis ist somit eine weitreichende Vergleichbarkeit der allgemeinen Ausnahmen des GATS mit dem GATT gegeben. d) Die spezifischen Zugeständnisse der Gemeinschaft und Südafrikas Die Marktöffnung und der Inländergrundsatz sind im GATS nicht allgemeinverbindlich, sondern Gegenstand länderspezifischer Konzessionen. Entsprechende Zugeständnisse wurden jedoch nur zum Teil bereits im Rahmen der Uruguay-Runde gemacht, da die Frage, ob und inwieweit auch Dienstleistungen liberalisiert werden sollten, lange Zeit umstritten war.408 Deshalb setzte man die Verhandlungen auch nach der Uruguay-Runde in den kritischen Bereichen Seeverkehr, Telekommunikationsdienstleistungen, Finanzdienstleistungen und grenzüberschreitende Personenbewegungen fort.409 Demgemäß haben auch die Gemeinschaft und Südafrika ihre Konzessionen in zwei Schritten vorgenommen. aa) Zugeständnisse im Rahmen der Uruguay-Runde Die spezifischen Zugeständnisse der Gemeinschaft und Südafrikas sind gemäß Art. XVI und XVII GATS in Listen festgehalten. Im ersten Teil dieser Listen sind die horizontalen Verpflichtungen enthalten, denen vor allem deshalb eine besondere Tragweite zukommt, weil sie sektorübergreifend auf alle Dienstleistungen Anwendung finden und grundsätzlich auch in allen vier Erbringungsmodalitäten vereinbart werden können.410 Allerdings 408
Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 518. Barth, Die GATS 2000-Verhandlungen zur Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels, ZEuS 2000, S. 273, 280. 410 „A horizontal commitment applies to trade in services in all scheduled services sectors unless otherwise specified. It is in effect a binding, either of a measure which constitutes a limitation on market access or national treatment or of a situation in which there are no such limitation. Where measures constituting limitations are referred to, the committment should describe the measure concisely, indicating 409
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
enthalten die Listen der Gemeinschaft411 und Südafrikas412 lediglich in den Bereichen „Kommerzielle Präsenz" und „Präsenz natürlicher Personen“ verschiedene Ausnahmen, während sie den übrigen GATS-Mitgliedern bezüglich „Grenzüberschreitender Erbringung“ und „Nutzung im Ausland“ freien Marktzugang und Inländergleichbehandlung einräumen. (1) Horizontale Liberalisierungsverpflichtungen Hinsichtlich der horizontalen Ausnahmen der Gemeinschaft ergibt sich folgendes Bild: In sämtlichen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft können Dienstleistungen, die auf nationaler oder örtlicher Ebene als öffentliche Aufgaben betrachtet werden, sowohl staatlichen Monopolen als auch ausschließlichen Rechten privater Betreiber unterliegen, d. h. die Gemeinschaft behält sich das Recht vor, die „kommerzielle Präsenz“ von Dienstleistungsanbietern aus Drittstaaten im Bereich öffentlicher Aufgaben zu beschränken. In Dänemark und Griechenland kann die „kommerzielle Präsenz“ aus Drittstaaten im Hinblick auf das Recht zum Erwerb von Grundstücken eingeschränkt werden. Darüber hinaus bestehen in Frankreich, England, Portugal und Italien Ausnahmen für unterschiedliche investitionensbezogene Tätigkeiten. Ferner müssen Tochtergesellschaften von Dienstleistungsanbietern aus Drittstaaten bzw. deren Zweigstellen und Vertretungen in allen Mitgliedstaaten der Gemeinschaften mit Einschränkungen in Bezug auf die Inländergleichbehandlung rechnen. Eine im Vergleich zu einheimischen Gesellschaften weniger günstige Behandlung müssen auch entsprechende Dienstleistungsanbieter aus Drittstaaten beim Erwerb von Grundbesitz in Irland, Italien und bestimmten deutschen Bundesländern hinnehmen. Darüber hinaus hat sich die Gemeinschaft Ausnahmen im Hinblick auf die Zuwendung von Subventionen vorbehalten, die sowohl kommerziellen Dienstleistungserbringern als auch natürlichen Personen aus Drittstaaten entgegengehalten werden können. Für den Marktzugang und die Inländergleichbehandlung natürlicher Personen bestehen überhaupt keine Liberalisierungsverpflichtungen, außer in solchen Fällen, die aus geschäftlichen Gründen the elements which make it inconsistent with Articles XVI or XVII“, Draft Revision of the Guidelines for the Scheduling of Specific Commitments, S/CSC/W/30, vom 23. März 2001. 411 Schedule of Specific Commitments, GATS/SC/31 vom 15. April 1994; GATS/ SC/31/Suppl.1 vom 28. Juli 1995; GATS/SC/31/Suppl.1/Rev.1 vom 4. Oktober 1995; GATS/SC/31/Suppl.2 vom 28. Juli 1995; GATS/SC/31/Suppl.3 vom 11. April 1997; GATS/SC/31/Suppl.4 vom 28. Februar 1998; GATS/SC/31/Suppl.4/Rev.1 vom 18. November 1999. 412 Schedule of Specific Commitments, GATS/SC/78 vom 15. April 1994; GATS/ SC/78/Suppl.1 vom 28. Juli 1995; GATS/SC/78/Suppl.2 vom 11. April 1997; GATS/SC/78/Suppl.3 vom 26. Februar 1998.
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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veranlasst sind, d. h. (1) konzernintern versetztes Personal, (2) Personen in höheren Positionen mit Leitungsfunktion in einer Niederlassung, (3) Personen, die über spezifisches Wissen oder Fertigkeiten für die Ausübung der Dienste einer Niederlassung verfügen, (4) Repräsentanten ausländischer Unternehmen, die zur Geschäftsanbahnung anreisen, sowie (5) Personen, die für den Aufbau einer Niederlassung in der Gemeinschaft verantwortlich sind.413 Ihnen kann ein befristeter Arbeitsaufenthalt gewährt werden. Auch Südafrika schließt den Marktzugang und die Inländergleichbehandlung natürlicher Personen grundsätzlich von seinen Liberalisierungsverpflichtungen aus, gewährt den genannten fünf Personengruppen aber ebenso wie die Gemeinschaft ein befristetes Aufenthaltsrecht, das auf drei Jahre beschränkt ist. Darüber hinaus kann die Darlehensvergabe an in Südafrika ansässige Unternehmen eingeschränkt werden, wenn deren Aktien zu 25 Prozent oder mehr im Ausland gehalten werden.414 (2) Vertikale Liberalisierungsverpflichtungen Neben diesen horizontalen Regelungen gibt es noch die speziellen sektorbezogenen Verpflichtungen, die beide Seiten in umfangreichen und detaillierten Tabellen zusammengetragen haben. In den Sektoren und Erbringungsmodalitäten, die in den Listen als „ungebunden“ bezeichnet werden oder überhaupt nicht aufgeführt sind, ist es den Mitgliedern erlaubt, Maßnahmen ohne Berücksichtigung von Marktzugang und Inländergleichbehandlung beizubehalten oder einzuführen.415 Dagegen sind diese Kriterien überall dort zu beachten, wo die Liste ausweist, dass für sie „keine“ Einschränkungen bestehen.416 Schließlich gibt es noch die Möglichkeit einer „beschränkten“ Anwendung von Marktzugang und der Inländergleichbehandlung, bei der die Mitglieder genau spezifizieren, inwieweit sie Maßnahmen ergreifen dürfen, die gegen Marktzugang und die Inländergleichbe413 Dietrich Barth weist darauf hin, dass angesichts der Arbeitslosigkeit in den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und „anderer innenpolitischer Widerstände“ eine weitere Öffnung der Arbeitsmärkte in der Gemeinschaft derzeit nicht denkbar ist und vom GATS auch nicht bezweckt wird, Barth, Die GATS 2000-Verhandlungen zur Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels, ZEuS 2000, S. 273, 285. 414 Diese Unternehmen werden als „affected companies“ bezeichnet und die Kreditvergabe an sie richtet sich nach einem festgelegten Schema. Ist ein Unternehmen zum Beispiel zu 100 Prozent in den Händen eines ausländischen Investors, ist die Kredithöhe auf 100 Prozent des effektiven Kapitals des südafrikanischen Unternehmens beschränkt (WTO, Trade Policy Review: Southern African Customs Union, TPR/S/114/ZAF, vom 24. März 2003, S. A4-223, Box I.1: Foreign Exchange Control in South Africa). 415 S/CSC/W/30 vom 23. März 2001, Ziffer 46, S. 12. 416 S/CSC/W/30 vom 23. März 2001, Ziffer 42, S. 12.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
handlung verstoßen.417 Die Bewertung der einzelnen Liberalisierungsverpflichtungen der Gemeinschaft418 und Südafrikas419 erweist sich angesichts der Unwägbarkeiten der Handelsauswirkungen staatlicher Regelungen sowohl methodisch als auch inhaltlich außerordentlich schwierig, zumal die dafür heranzuziehenden Statistiken nur selten wirklich vergleichbare Werte enthalten.420 Grundsätzlich lässt sich aber feststellen, dass sich die Gemeinschaft zu einer weitgehenden Liberalisierung des Marktzugangs und zur Inländergleichbehandlung bei den Erbringungsarten „cross-border supply“, „consumption abroad“ und „commercial presence“ im Hinblick auf Computerund verwandte Dienstleistungen, Vertriebsleistungen durch Klein- und Großhändler sowie Franchising, der Abwasser- und Müllentsorgung sowie der Gesundheitsversorgung und anderer Umweltschutzdienste,421 Tourismusund Reisedienstleistungen und dem Bau- und Ingenieurwesen verpflichtet hat. Ein – im Vergleich zu Südafrika – höherer Liberalisierungsgrad, wenngleich auch teilweise beschränkt auf bestimmte Erbringungsformen, besteht im Hinblick auf bestimmte Wirtschaftsdienste (Rechtsberatung, Rechnungsprüfung und Buchprüfung, Apotheken, Forschung und Entwicklung in Sozial- und Geisteswissenschaften, Arbeitsvermittlungsdienste, Mietwagenverleih, Werbungsdienstleistungen, Verpackungs- und Veröffentlichungsdienste, Übersetzungsdienste und Innendesign), Privatschulen, Gesundheits- und Sozialdienste, Dienste im Bereich von Erholung, Sport und Kultur sowie bestimmte Teilbereiche der Transportdienste und Hilfsdienste für Transportarten. Demgegenüber liegt eine – im Vergleich mit Südafrika – geringere Liberalisierung bei wenigen Wirtschaftsdienstleistungen, wie den ingenieurbezogenen wissenschaftlichen und technischen Beratungsleistungen, Kurierdienstleistungen, dem „cross-border supply“ bei Umweltdienstleistungen und anderen Dienstleistungen wie Waschen, Putzen, Reinigen, Frisieren vor, soweit es um „consumption abroad“ und „commercial presence“ geht. 417 Dies dient zumeist der Festschreibung einer existierenden Situation, so dass jedenfalls eine dahinter zurückfallende Liberalisierung ausgeschlossen wird, S/CSC/ W/30 vom 23. März 2001, Ziffer 44. 418 Schedule of Specific Commitments, GATS/SC/31 vom 15. April 1994; GATS/ SC/31/Suppl.1 vom 28. Juli 1995; GATS/SC/31/Suppl.1/Rev.1 vom 4. Oktober 1995; GATS/SC/31/Suppl.2 vom 28. Juli 1995; GATS/SC/31/Suppl.3 vom 11. April 1997; GATS/SC/31/Suppl.4 vom 28. Februar 1998; GATS/SC/31/Suppl.4/Rev.1 vom 18. November 1999. 419 Schedule of Specific Commitments, GATS/SC/78 vom 15. April 1994; GATS/ SC/78/Suppl.1 vom 28. Juli 1995; GATS/SC/78/Suppl.2 vom 11. April 1997; GATS/SC/78/Suppl.3 vom 26. Februar 1998. 420 Barth, Die GATS 2000-Verhandlungen zur Liberalisierung des internationalen Dienstleistungshandels, ZEuS 2000, S. 273, 274. 421 Jeweils mit Ausnahme von „cross-border supply“.
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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Südafrika hat – ähnlich wie die Gemeinschaft – einer weitgehenden Liberalisierung der Erbringungsarten „cross-border supply“, „consumption abroad“ und „commercial presence“ für bestimmte Wirtschaftsdienste (Architekten- und Ingenieurwesen, Besteuerung und medizinische Dienste, Computer und verwandte Dienstleistungen, Immobiliendienste, Kurierdienste, Vertriebsleistungen von Groß- und Kleinhändlern sowie Franchising), Umweltdienste (Abwasser- und Müllentsorgung, Gesundheitsversorgung) und der Tourismus- und Reisedienstleistungen zugestimmt. Demgegenüber sind ausdrücklich ausgenommen vom freien Marktzugang und der Inländergleichbehandlung Teile der Wirtschaftsdienstleistungen (Rechtsberatung und Rechnungsprüfung, Apotheken, Forschung und Entwicklung in Sozialund Geisteswissenschaften, Mietwagenverleih, Arbeitsvermittlungsdienste, Verpackungs- und Veröffentlichungsdienste), der Bereich der Privatschulen, Gesundheits- und Sozialdienste, Leistungen im Bereich von Erholung, Kultur und Sport sowie fast alle Transportdienstleistungen (mit Ausnahme der kommerziellen Präsenz bei Fahrgast- und Frachttransporten). Diese grobe Gegenüberstellung, in der spezifische beschränkte Konzessionen, welche die Mitglieder auch eingegangen sind, nicht berücksichtigt sind, zeigt, dass die Gemeinschaft einen deutlich höheren Liberalisierungsgrad aufweist als Südafrika. Insbesondere im Bereich von Gesundheits- und Sozialdiensten, Diensten bei Erholung, Kultur und Sport und im Transportbereich sowie einzelnen Wirtschaftsdienstleistungen hat Südafrika insoweit noch enorme Liberalisierungsreserven. bb) Ergänzende Zugeständnisse im TDCA und in den GATS-Folgeverhandlungen Während die nach Abschluss der Uruguay-Runde geführten Verhandlungen im Hinblick auf die Seeverkehrsdienstleistungen zu keinen Ergebnissen führten, wurden für die Sektoren Basiskommunikation, Finanzdienstleistungen, die Anwesenheit natürlicher Personen und den Luftverkehr Vereinbarungen getroffen, die in so genannten Protokollen festgehalten sind. Aus diesem Grund befasst sich das TDCA speziell mit dem internationalen Seeverkehr und bekräftigt die Einbeziehung der Protokollvereinbarungen, die allerdings nach Art. XXIX GATS ohnehin integraler Bestandteil des GATS sind.
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
(1) Seeverkehrsdienstleistungen Als einziger Dienstleistungsbereich wird der internationale Seeverkehr in Art. 31 TDCA ausdrücklich geregelt: „Die Vertragsparteien kommen überein, den Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei und den im Gebiet einer der Vertragsparteien registrierten Schiffen für die Beförderung von Gütern, Personen oder beidem auf dem Seeweg, den Zugang zu den Häfen, die Benutzung ihrer Infrastruktur und die Inanspruchnahme der dort angebotenen Hilfsdienstleistungen sowie die diesbezüglichen Gebühren und sonstigen Abgaben, die Zollerleichterungen, die Zuweisung von Liegeplätzen sowie von Lade- und Löscheinrichtungen auf der Grundlage fairen Wettbewerbs und auf kommerzieller Basis eine Behandlung zu gewähren, die nicht weniger günstig ist als die dem meistbegünstigten Staat gewährte Behandlung“.
Die Vorschrift trägt der traditionellen Bedeutung des internationalen Seeverkehrs für den Dienstleistungshandel zwischen der Gemeinschaft und Südafrika Rechnung. Andererseits handelt es sich auch deshalb um eine Notwendigkeit, weil die diesbezüglichen Verhandlungen im Rahmen des GATS im Juni 1996 ergebnislos abgebrochen worden waren.422 Dies hatte zur Folge, dass der Meistbegünstigungsgrundsatz für die internationale Schifffahrt, die dazugehörigen Dienstleistungen und die Nutzung von Hafeneinrichtungen nicht in Kraft treten konnte.423 Da Art. XIX GATS jedoch die Möglichkeit vorsieht, eine entsprechende Vereinbarung im Wege von fakultativen Verhandlungen auf multilateraler, plurilateraler oder bilateraler Ebene nachzuholen,424 haben die Gemeinschaft und Südafrika von letzterer Möglichkeit im TDCA Gebrauch gemacht und die Meistbegünstigung für den TDCA-Binnenhandel vereinbart. (2) Telekommunikation Zunächst bestand im Bereich der Telekommunikation eine große Zurückhaltung zur Einräumung von Konzessionen. Dementsprechend einigte man sich in der Uruguay-Runde zunächst erstmal nur auf Grundregeln für diesen speziellen Sektor, wie bspw. den Anwendungsbereich der Transparenzpflicht nach Ziffer 4 auf die technischen Spezifikationen für Informationsnetzwerke und Dienstleistungen, Sondervorschriften zum Marktzugang und besondere Vorbehalte für den Datenschutz.425 Erst das 4. Protokoll426 zur 422 WTO, Decision on Maritime Transport Services, angenommen durch den Rat für den Dienstleistungshandel am 28. Juni 1996, S/L/24 vom 3. Juli 1996 in S/C/ W/62 vom 16. November 1998, S. 23 ff. 423 Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 574. 424 GATS, Anlage zu Verhandlungen über Seeverkehrsdienstleistungen; Senti, WTO, S. 593 f., Rz. 1266.
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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Anlage über Telekommunikation brachte schließlich weitreichende Liberalisierungsverpflichtungen im Bereich der Basiskommunikation.427 Die Gemeinschaft hat 1994 relativ geringe Konzessionen im Hinblick auf die Telekommunikation gemacht, die sich im Wesentlichen auf das Zugeständnis der Inländergleichbehandlung und den Marktzugang bei grenzüberschreitender Erbringung und Nutzung im Ausland im Hinblick auf Mehrwertdienstleistungen, elektronische und gesprochene Post, Online-Informations- und Datenbankabfragen sowie den elektronischen Datenaustausch beschränkten.428 Im Jahr 1997 wurde die Liste im Hinblick auf die weiteren Sektoren im Telekommunikationsbereich ergänzt,429 so dass jetzt auch für Sprachtelefon-, paketvermittelte Datenübertragungs-, Telex-, Telefax und Telegraphendienstleistungen sowie mobile und persönliche Kommunikationsdienstleistungen und -systeme im Wesentlichen Marktzugang und Inländergleichbehandlung für grenzüberschreitende Erbringung,430 die Nutzung im Ausland und die kommerzielle Präsenz431 gewährt werden. Südafrika hatte 1994432 bereits Konzessionen im Hinblick auf den Grundsatz der Inländerbehandlung für einen Teil der Dienste (elektronische und Sprach-Post, elektronischer Datenaustausch, Online-Informationen) gemacht, dabei aber Beschränkungen des Marktzugangs vorgenommen. In einer ergänzenden Liste nahm Südafrika dann 1997433 auch die bislang nicht erfassten Dienstleistungen im Bereich der Telekommunikation (wie z. B. Telex- und Telefaxdienste) auf und verpflichtete sich neben einer weitgehenden Gewährung der Inländergleichbehandlung auch zu Zugeständnissen 425
Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 571. WT/S/L20 vom 30.4.1996, in Kraft seit dem 5.2.1998. 427 Auch wenn es keine formelle Definition des Begriffs der Basiskommunikation gibt, wird man davon ausgehen können, dass damit im Wesentlichen Sprachtelefon-, Paketdatenvermittlungs-, Durchschaltvermittlungs-, Telex-, Telegraphen-, Telefaxdienste, private Mietleitungsdienste und sonstige Telefon-, Daten-, Fernfunk- und Kommunikationsdienste umfasst sind, Moritz, Liberalisierung des internationalen Handels mit Basistelekommunikationsdienstleistungen – Die rechtliche Relevanz der WTO-Vereinbarung, MMR 1998, S. 393, 394, Fn. 7. 428 Liste der spezifischen Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaften und ihrer Mitgliedstaaten, BGBl II, Nr. 40 vom 9. September 1994, S. 1701. 429 Liste der spezifischen Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaften und ihrer Mitgliedstaaten, BGBl II, Nr. 46 vom 26. November 1997. 430 Zum Teil finden sich hier allerdings auch noch Marktzugangs-Beschränkungen im Hinblick auf bestimmte Mitgliedstaaten. 431 Zum Teil finden sich allerdings auch noch Marktzugangs-Beschränkungen im Hinblick auf bestimmte Mitgliedstaaten. 432 Schedule of Specific Commitments, GATS/SC/78 vom 15. April 1994. 433 Schedule of Specific Commitments, Supplement 2, GATS/SC/78/Suppl.2 vom 11. April 1997. 426
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im Bereich des Marktzugangs, wenngleich beschränkt auf „consumption abroad“. Weitere Zugeständnisse sind ab 2004 in Aussicht gestellt, wenn das Monopol der südafrikanischen Telefongesellschaft Telkom überdacht werden soll.434 (3) Finanzdienstleistungen Das Protokoll zu den Finanzdienstleistungen, das im Dezember 1997 unterzeichnet wurde, umfasst den grenzüberschreitenden Handel mit sämtlichen Bank-, Finanz- und Versicherungsdienstleistungen. Es handelte sich bereits in der Uruguay-Runde um einen sehr umstrittenen Bereich, da die Öffnung der Finanzmärkte gewisse Risiken für nationale Ökonomien und – über den Weg der Ansteckungsgefahr – auch für das internationale Finanzsystem mit sich bringen kann.435 Die Dienstleistungen der öffentlichen Institutionen werden von dem Übereinkommen umfassend freigestellt. Darüber hinaus sieht das Übereinkommen zahlreiche Ausnahmen zum Schutz von Anlegern und zur Sicherung der Vertraulichkeit der Bankgeschäfte vor. Sowohl die Europäische Gemeinschaft436 wie auch Südafrika haben dieses Übereinkommen angenommen. Die Gemeinschaft hat sich in ihren Konzessionen 1994437 im Versicherungs-, Banken- und sonstigen Finanzdienstleistungsbereich zur Inländerbehandlung für grenzüberschreitende Erbringung und Nutzung im Ausland verpflichtet, in Bezug auf den Marktzugang jedoch sehr spezifische Einschränkungen zugunsten der einzelnen Mitgliedstaaten getroffen. Dieses setzt sich fort in der Liste der Konzessionen von 1999, wo immer noch sehr stark zwischen den Marktzugangsbeschränkungen der einzelnen Mitgliedstaaten differenziert wird, wenngleich zum Teil auch substanzielle Beseitigungen von länderspezifischen Beschränkungen vorgenommen wurden.438 Auch Südafrika hatte im sehr beschränkten Umfang bereits während der Uruguay-Runde Konzessionen im Versicherungs- und Bankendienstleis434 Zur Rolle von Telkom, siehe auch: WTO, Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/S/114/ZAF vom 24. März 2003, S. A4-278, Ziffer 62. 435 Fritz, Entwicklungspolitische Implikationen der WTO-Dienstleistungsverhandlungen, NORD-SÜD aktuell XV (2001), S. 301, 306 f. 436 Beschluss des Rates vom 14. Dezember 1998, Abl. EG Nr. L 20/38 vom 27.1. 1999. 437 Liste der spezifischen Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaften und ihrer Mitgliedstaaten, BGBl II, Nr. 40, vom 9. September 1994, S. 1705 ff. 438 Siehe WTO, Non-Attributable summary of the main improvements in the new financial services commitments, 26. Februar 1997, http://www.wto.org/english/ news_e/news1998_e/finsum.htm.
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tungsbereich gemacht,439 die vor allem in der Verhandlungsrunde 1997440 weiter ergänzt wurden. Diese umfassen einmal die Versicherungsdienstleistungen, für die nunmehr Inländerbehandlung und Marktzugang im Hinblick auf die Nutzung im Ausland und die kommerzielle Präsenz eingeräumt wurde, wie auch für alle weiteren Finanzdienstleistungen, für die im Hinblick auf die kommerzielle Präsenz unter bestimmten Bedingungen, d. h. im beschränkten Umfang sowohl Marktzugang wie auch Inländerbehandlung gewährt wird.441 (4) Der grenzüberschreitende Personenverkehr Die „Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen, die im Rahmen des Übereinkommens Dienstleistungen erbringen“ stellt den einzigen Vertragsanhang dar, der sich nur auf eine einzelne Form der Dienstleistungserbringung bezieht. Bei diesem speziellen Übereinkommen handelt es sich um einen der umstrittensten Gegenstände der GATS-Verhandlungen.442 Die Ursache dafür ist darin zu sehen, dass es einen großen Interessensgegensatz zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern gab. Während die Entwicklungsländer sich insbesondere für eine Liberalisierung in arbeitsintensiven Dienstleistungssektoren stark machten, wo die Zulassung ausländischer Handwerker in Industriestaaten ihnen deutliche Wettbewerbsvorteile bringen würde, sahen die Industriestaaten Probleme im Hinblick auf Fragen der Einwanderung und der Dauerarbeitslosigkeit in ihren Ländern.443 Insofern enthielt die entsprechende Anlage zum GATS zunächst nur wenige Grundsätze, die insbesondere als Klarstellung zu verstehen waren, dass Art. I GATS kein Recht auf Präsenz für Personen schafft, die sich um Zugang zum Beschäftigungsmarkt eines Mitglieds bemühen (Ziffer 2), und dass erforderliche Grenzmaßnahmen – wie bspw. die Pflicht zur Beantragung eines Visums – zulässig bleiben (Ziffer 4). Mit Verabschiedung des dritten Protokolls444 haben sich die Mitglieder darauf 439
Schedules of Specific Committments, GATS/SC/78 vom 15. April 1994. Schedule of Specific Commitments, Supplement 3, GATS/SC/78/Suppl.3 vom 26. Februar 1998. 441 Vergleiche dazu auch: WTO, Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/S/114/ZAF vom 24. März 2003, S. A4-279, Ziffer 66 ff. 442 Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 584. 443 Koehler, Das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS), S. 182. Eine Analyse zum status quo und den Problemen in Bezug auf den grenzüberschreitenden Personenverkehr findet sich in der Background Note des WTO-Sekretariats zu „Presence of Natural Persons“, S/C/W/75 vom 8. Dezember 1998. 444 Das seit dem 1.1.1996 in Kraft ist (Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 586, Fn. 56). 440
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verständigt, spezifische Konzessionen in diesem Bereich zu machen, die insbesondere Beschränkungen im Hinblick auf Arbeitsmarktregulierung und spezielle Regelungen für ausländische Arbeitskräfte betreffen. Wie oben bereits dargelegt,445 erschöpfen sich die Konzessionen von der Gemeinschaft in wenigen Regelungen, die vor allem qualifiziertes Personal446 begünstigen und vorübergehende Aufenthaltsrechte gewähren. Ähnliches gilt für die Südafrikaner, die unter „horizontal commitments“ beschränkte Zugeständnisse für alle Sektoren gemacht haben. (5) Lufttransport Nach Ziffer 2 der Anlage zum GATS findet das GATS keine Anwendung auf Fragen des Verkehrsrechts und die damit in Verbindung stehenden Dienstleistungen, die weiterhin durch bilaterale Übereinkommen zwischen den Staaten geregelt werden. Der Anwendungsbereich des Übereinkommens liegt nach Ziffer 3 vielmehr in den Bereichen der Luftfahrzeugreparatur und -wartung und des Verkaufs und der Vermarktung von Luftverkehrsdienstleistungen sowie Dienstleistungen computergestützter Buchungssysteme. Die Konzessionen der Europäer beschränken sich auf die Gewährung von Marktzugang und Inländergleichbehandlung in der Modalität der „consumption abroad“ für die Unterhaltung und Reparatur von Flugzeugen und Flugzeugteilen, Verkauf und Marketing sowie Computerreservierungssysteme, wobei der Marktzugang in diesen Bereichen sich auch auf „crossboarder supply“447 und kommerzielle Präsenz erstreckt. Konzessionen der Südafrikaner liegen bislang keine vor. e) Weitere Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs Nach dem Vorbild des Art. XIX GATS enthält auch Art. 30 TDCA eine „built-in-agenda“ zur weiteren Liberalisierung des europäisch-südafrikanischen Dienstleistungsverkehrs, wenngleich in deutlich abgeschwächter Form. Danach wollen sich die Vertragspartner bemühen, „praktisch jede Diskriminierung zwischen den Vertragsparteien in den erfassten Dienstleistungssektoren“ und in den vier Erbringungsmodalitäten auszuschließen. 445
Siehe C. II. 5. d) aa). Insoweit handelt es sich allerdings um ein weltweites Phänomen, wie die Auswertung von Koehler, Das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS), S. 233 ff., und die Background Note des WTO-Sekretariats (S/C/W/75 vom 8. Dezember 1998, Ziffer 32 ff.) zeigen. 447 Gilt nicht für die Unterhaltung und Reparatur von Flugzeugen und Flugzeugteilen. 446
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Rechtsgrundlage für ein solches Unterfangen könnte nur Art. V GATS sein, der seinerseits eine umfassende Liberalisierung vorschreibt. Der Kooperationsrat ist in Art. 30 Abs. 2 TDCA aufgerufen, Empfehlungen zu diesem Zweck auszusprechen. Allerdings wird in diesem Zusammenhang auch auf Art. V:3 lit. a GATS hingewiesen, wonach der Geltungsbereich der Integration sowie die Abschaffung und Einführung von diskriminierenden Maßnahmen „im Einklang mit dem Entwicklungsstand“ der an der Integration beteiligten Länder „flexibel“ zu handhaben ist. Damit wird bereits vorab für die anvisierte Etablierung einer europäisch-südafrikanischen Freihandelszone im Dienstleistungshandel eine asymmetrische Integration beider Märkte nach dem Vorbild des TDCA-Warenhandels in Aussicht gestellt. Es bleibt abzuwarten, ob der Dienstleistungshandel in die im April 2004 stattfindenden TDCA-Verhandlungen zur weiteren Liberalisierung einbezogen wird. f) Fazit Die Gemeinschaft und Südafrika haben im multilateralen Kontext der WTO in unterschiedlicher Ausprägung von den Liberalisierungsmöglichkeiten in den verschiedenen Dienstleistungssektoren Gebrauch gemacht. Angesichts einer immer stärkeren Bedeutung der Sektoren hätte es unter Umständen nahegelegen, das Freihandelsabkommen auch auf den Dienstleistungsbereich auszudehnen und eine umfassende Liberalisierung vorzunehmen. In diesem Sinne wurde etwa in dem Assoziationsabkommen zwischen Chile und der Gemeinschaft eine Vereinbarung getroffen, welche den Anforderungen des Art. V GATS genügen soll.448 Es zeichnet sich jedoch ab, dass die Interessenlage zwischen der Gemeinschaft und Südafrika in dieser Frage noch sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Deshalb dürfte eine Einigung derzeit nur schwer zu erreichen sein.
6. Laufende Zahlungen und Kapitalverkehr Im Abschnitt C (Art. 32, 33 und 34) enthält das TDCA Vorschriften, die den Zahlungsverkehr, den Kapitalverkehr und das Verfahren bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten regeln.
448 Siehe Art. 94 ff. des Abkommens zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Chile andererseits, Abl. EG Nr. L 352 vom 30.12.2002.
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a) Kapitalverkehr Im Bereich der Kapitalbilanztransaktionen haben sich die Gemeinschaft und Südafrika in Art. 33 Abs. 1 TDCA darauf geeinigt, dass ab In-KraftTreten des Abkommens beide Vertragsparteien den freien Kapitalverkehr im Hinblick auf Direktinvestitionen in Gesellschaften in Südafrika sowie die Liquidation und die Repatriierung dieser Investitionen und etwaiger Gewinne gewährleisten. Darüber hinaus verabreden beide die Aufnahme von Konsultationen, um den Kapitalverkehr zwischen der Gemeinschaft und Südafrika zu erleichtern und schließlich seine vollständige Liberalisierung zu erreichen (Art. 33 Abs. 2 TDCA). Mit der Gewährleistung von Direktinvestitionen in Gesellschaften in Südafrika449 beschränkt sich die Regelung auf einen, wenn auch wichtigen, Teil des Kapitalverkehrs, der neben Direktinvestitionen, d. h. die Gründung von Unternehmen, Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen, die Beteiligung an Unternehmen oder langfristige Darlehen, auch Portfolioinvestitionen als reine Geldanlagen ohne unternehmerische Betätigung, die Liquidierung von Unternehmen und den Transfer von Liquidationserlösen sowie den Erwerb und die Veräußerung von Beteiligungen an Gesellschaften umfasst.450 Das Motiv für die Aufnahme dieser Regelung wird in erster Linie in dem Bestreben Südafrikas liegen, den Anteil an ausländischen Direktinvestitionen zu stärken. Derzeit ist das Ausland primär über Portfolioinvestitionen in Südafrika engagiert, was dann zu Problemen führen kann, wenn Investoren wegen einer politischen oder wirtschaftlichen Krise Investitionen kurzfristig zurückziehen, da Südafrika dadurch in eine starke Abhängigkeit extern hervorgerufener Finanzkrisen geraten kann.451 Für den Kapitalverkehr gibt kein umfassendes multilaterales Übereinkommen unter dem Dach der WTO.452 Allerdings gibt es mit dem Übereinkom449
Südafrika ist seinerseits mit Lesotho, Namibia und Swasiland in der „Common Monetary Area“ verbunden, so dass zwischen diesen Ländern auch freier Kapitalverkehr herrscht; siehe GATS/EL//78 vom 15. April 1994; Meyn, Das Freihandelsabkommen zwischen Südafrika und der EU und seine Implikationen für die Länder der Southern African Customs Union, S. 19, Fn. 23. 450 Knieper, Elemente des internationalen Rechts grenzüberschreitenden Kapitalund Handelsverkehrs, WIRO 2001, S. 353, 355. 451 Piazolo, Wirtschaftsstandort Südafrika: Warum zögern die ausländischen Investoren mit Direktinvestitionen? afrika süd, Mai/Juni 2000, S. 19, 21 f. 452 Zwar gab es seit 1991 Bemühungen um den Abschluss eines so genannten „Multilateral Agreements on Investment“, das sowohl OECD-Mitgliedern wie auch Nicht-Mitgliedern offen sein sollte. Kernstück des im Rahmen der OECD verhandelten Abkommens sollten die Prinzipien der Inländergleichbehandlung und der Meistbegünstigung, der Schutz vor Enteignungen und ein Streitschlichtungsverfahren sein. Letztendlich scheiterten diese Verhandlungen jedoch 1998, wohl auch, weil
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men über handelsbezogene Investionsmaßnahmen (TRIMs), dem Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS) und dem unter GATS verhandelten Übereinkommen über Finanzdienstleistungen drei multilaterale Übereinkommen, die sich zumindest im Ansatz auch mit Fragen des Investitionsschutzes beschäftigen. Als Zusatzübereinkommen zum GATT verpflichtet das TRIMs die Signatarstaaten gemäß Art. 2, auf „handelsbezogene“ Investitionsmaßnahmen453 zu verzichten, falls diese mit dem Grundsatz der Inländergleichbehandlung und/oder dem Verbot quantitativer Beschränkungen unvereinbar sind und fordert sie darüber hinaus auf, unzulässige Maßnahmen zu notifizieren. Damit trifft das TRIMs vor allem Regeln für den Fall, dass ein ausländischer Investor bereits im Lande ist und beschäftigt sich nicht mit dem Marktzugang. Ein Konflikt des Art. 34 TDCA mit diesen Vorschriften ist nicht ersichtlich. Das GATS, auf der anderen Seite, enthält keine spezifischen Regelungen zu Investitionen, sondern integriert vielmehr die Thematik der Direktinvestitionen über die Erbringungsart der „commercial presence“ in unmittelbarer Form in das Dienstleistungsübereinkommen.454 Allerdings enthält das GATS keinen Liberalisierungsautomatismus, da die im GATS geltenden Grundsätze (Recht auf Marktzugang, Inländergleichbehandlung) alle sektoral verhandelbar sind und – wie dargelegt – als Konzessionen in kombinierten Positiv-/ Negativlisten festgeschrieben werden. Im Finanzübereinkommen, das bereits in Zusammenhang mit den Finanzdienstleistungen455 behandelt wurde, werden vor allem Fragen der Niederlassung und Geschäftstätigkeit von Banken und Versicherungen, nicht aber die eigentliche Investitionstätigkeit behandelt. Auch insoweit gibt es daher keine spezielleren Vorgaben durch das WTO-Recht. Damit geht das TDCA insoweit über geltendes WTORecht hinaus und schafft eine wichtige Voraussetzung für ausländische Direktinvestitionen.
die OECD sich als kein geeignetes Forum für die Verhandlungen erwies, da insbesondere die weniger industrialisierten Länder dort nicht repräsentiert sind, vgl. Kurz, A General Investment Agreement in the WTO? Lessons from Chapter 11 of NAFTA and the OECD Multilateral Agreement on Investment, S. 41–45; Polk, Multilaterale Abkommen für Direktinvestitionen (MAI) – Eine Kritik aus industrieökonomischer Sicht, Aussenwirtschaft 55 (2000), S. 527, 529 ff. 453 Eine Aufzählung der unzulässigen Restriktionen findet sich im Anhang zu TRIMs und schließt insbesondere Regelungen ein, welche den Kauf bzw. die Verwendung von einheimischen Produkten vorschreiben. 454 Panetta, Ausländische Direktinvestitionen und Welthandelsordnung, S. 121. 455 C. II. 5. d) bb) (3).
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C. Die europäisch-südafrikanische Handelsordnung
b) Zahlungsverkehr aa) Grundsatz Im Hinblick auf den Zahlungsverkehr zwischen den Vertragsparteien haben Südafrika und die Gemeinschaft in Art. 32 Abs. 1 TDCA vereinbart, dass – vorbehaltlich des in Art. 34 TDCA geregelten Verfahrens zu Zahlungsbilanzschwierigkeiten – alle Zahlungen in Zusammenhang mit laufenden Aktionen zwischen Gebietsansässigen in frei konvertierbarer Währung zu genehmigen sind. Allerdings eröffnet Abs. 2 dieser Vorschrift Südafrika (einseitig) die Möglichkeit, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, damit gewährleistet ist, dass die vorgenannte Liberalisierung von seinen Gebietsansässigen nicht für eine unerlaubte Kapitalabwanderung genutzt wird. Erklärlich wird der in Abs. 2 enthaltene Vorbehalt insbesondere vor dem Hintergrund, dass zentrale Schwachpunkte der südafrikanischen Wirtschaft der Mangel an physischer Kapitalbildung456 und die viel zu geringe Sparquote sind,457 die sich als Hindernisse für private Investitionen erweisen.458 In dieser Situation wäre es fatal für Südafrika, wenn die Liberalisierung des Zahlungsverkehrs zu einer weiteren Abwanderung von Kapital in die Gemeinschaft führen würde. In diesem Zusammenhang dürften insbesondere die Vorschriften zur Kontrolle des Devisenhandels („Foreign Exchange Control“) relevant werden, die von der südafrikanischen Reservebank überwacht werden und bspw. Regelungen zur Zulässigkeit zur Ein- und Ausfuhr von Devisen und Kreditgeschäften mit dem Ausland enthalten.459 Ein multilaterales Übereinkommen zur umfassenden Liberalisierung des Zahlungsverkehrs gibt es im Rahmen des GATT und der WTO nicht. Allerdings enthält Art. XV GATT einen Verweis auf den Internationalen Währungsfond (IWF), mit dem die Vertragsparteien zusammenarbeiten und sich abstimmen sollen. So verlangt Art. XV:4 GATT 1994, dass die Vertragsparteien auf Maßnahmen verzichten sollen, die den Zielen des IWF zuwiderlaufen. Das Übereinkommen über den Internationalen Währungsfond von 1947 in der Fassung von 1990 ist nach seinem Statut darauf ausgerichtet, Beschränkungen des laufenden Zahlungsverkehrs zu eliminieren oder 456
Piazolo, Wirtschaftsstandort Südafrika: Warum zögern die ausländischen Investoren mit Direktinvestitionen? afrika süd, Mai/Juni 2000, S. 19 f. 457 Private Spareinlagen sind von 16 Prozent GDP im Jahr 1998 auf unter 14 Prozent im Jahr 2001 gesunken (Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/S/114 vom 24. März 2003, S. A4-220, Ziffer 15). 458 Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/S/114 vom 24. März 2003, S. A4-220, Ziffer 15. 459 Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/S/114 vom 24. März 2003, S. A4-220, Box I.1.
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zumindest mit dem Ziel ihrer Aufhebung zu kontrollieren.460 Es enthält im Wesentlichen Überwachungsmechanismen, um z. B. zu verhindern, dass Zahlungen für laufende Geschäfte eingeschränkt oder Übertragungen von Mitteln zur Erfüllung von Verbindlichkeiten ungebührlich verzögert werden. Südafrika ist dem Übereinkommen beigetreten, ohne von der Übergangsregelung in Art. XIV:2 Gebrauch zu machen und hat damit die Verpflichtungen aus Art. VIII Section 2,461 3462 und 4463 des Übereinkommens akzeptiert, wie auch die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft allesamt Mitglieder des IWF sind.464 Da die Verpflichtung aus Art. XV:4 GATT jedoch lediglich in dem Sinne formuliert ist, dass die Vorgaben des IWF beachtet werden sollen, ergeben sich daraus keine bestimmten Vorgaben im Hinblick auf den Liberalisierungsgrad für den Zahlungsverkehr. Regelungen zum Zahlungsverkehr enthält darüber hinaus auch das GATS in Art. XI, der einen Verzicht auf die Beschränkung internationaler Übertragungen und Zahlungen im Rahmen laufender Geschäfte erklärt, soweit diese mit den spezifischen Verpflichtungen zusammenhängen und soweit nicht die Voraussetzungen zum Schutz der Zahlungsbilanz nach Art. XII GATS erfüllt sind. Insoweit ist jedes Mitglied grundsätzlich zur Aufhebung von Beschränkungen der internationalen Handelstransfers und der Zahlungen für laufende Transaktionen verpflichtet, die mit seinen spezifischen Verpflichtungen nach GATS in Verbindung stehen.465 Diese beschränkte Liberalisierungspflicht erstreckt sich demgemäß nur auf den Dienstleistungsverkehr und nicht auf den Kapitalverkehr. Mangels weiterer Vorgaben im Kontext des WTO-Übereinkommens stellt sich die Klausel im TDCA, die so auch in den Assoziationsabkommen der EG mit Marokko und Tunesien vereinbart wurde,466 als mit dem WTORecht vereinbar dar.
460 Knieper, Elemente des internationalen Rechts grenzüberschreitenden Kapitalund Handelsverkehrs, WIRO 2001, S. 353, 355. 461 Avoidance of restrictions on current payments. 462 Avoidance of discriminatory currency practices. 463 Convertibility of foreign-held balances. 464 Zur Liste der Mitglieder des IWF, siehe auch http://www.iwf.org. 465 Koehler, Das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS), S. 134. 466 Ress/Ukrow, in: Grabitz/Hilf (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, vor Art. 56 EG-Vertrag, Rz. 197 f.
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bb) Ausnahme (Zahlungsbilanzschwierigkeiten) Wie bereits eingangs erwähnt, gilt die Freiheit des Zahlungsverkehrs zwischen den Vertragspartnern vorbehaltlich des Art. 34 TDCA, der das Verfahren im Fall von Zahlungsbilanzschwierigkeiten regelt. Art. 34 TDCA verweist im Hinblick auf die Tatbestandsvoraussetzungen auf das GATT und die Art. VIII und XIV des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfond: „Bei bereits eingetretenen oder drohenden ernstlichen Zahlungsbilanzschwierigkeiten eines oder mehrerer Mitgliedstaaten der Gemeinschaft oder Südafrikas kann die Gemeinschaft bzw. Südafrika unter den Voraussetzungen des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens und gemäß den Artikeln VIII und XIV des Übereinkommens über den Internationalen Währungsfonds restriktive Maßnahmen für die laufenden Transaktionen treffen, die von begrenzter Dauer sind und nicht über das zur Behebung der Zahlungsbilanzschwierigkeiten notwendige Maß hinausgehen dürfen. Die Gemeinschaft bzw. Südafrika unterrichtet unverzüglich die andere Vertragspartei und legt ihr so bald wie möglich einen Zeitplan für die Aufhebung dieser Maßnahmen vor“.
Wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt, sind sowohl präventive Maßnahmen – bei drohenden Zahlungsbilanzschwierigkeiten – wie auch repressive Maßnahmen – bei bereits eingetretenen Zahlungsbilanzschwierigkeiten – möglich. Über den Verweis auf das GATT und das IWF-Übereinkommen dürften somit die Auslegungsregeln für die Annahme der Bilanzschwierigkeiten auch auf das TDCA Anwendung finden, welches keine eigenen Kriterien enthält. Nach Art. XII GATT 1994 sowie der konkretisierenden Vereinbarung kann ein WTO-Mitglied Importbeschränkungen oder sonstige Handelsrestriktionen aufgrund von Zahlungsbilanzschwierigkeiten einführen, die jedoch erforderlich sein müssen, um der Gefahr einer drohenden Abnahme der Währungsreserven vorzubeugen.467 Die Einführung der Beschränkungen erfolgt in einem speziellen Verfahren, an dem der Allgemeine Rat, der Ausschuss für Konsultationen über Zahlungsbilanzfragen und der IWF beteiligt sind. Wichtig ist weiterhin, dass die Beschränkungen bei fortschreitender Besserung stufenweise abzubauen sind und einer regelmäßigen Überprüfung unterliegen. Schließlich haben die Mitglieder auch die Änderungen von einfuhrbeschränkenden Maßnahmen sowie Änderungen im Zeitplan des Abbaus dem Generalrat zu notifizieren. Zusammengefasst müssen Maßnahmen zum Schutz der Zahlungsbilanz damit zeitlich befristet und preisbezogen sein sowie transparent umgesetzt werden und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen.468 467 Bogdandy/Makatsch, Kollision, Koexistenz oder Kooperation? – Zum Verhältnis von WTO-Recht und europäischem Außenwirtschaftsrecht in neueren Entscheidungen, EuZW 2000, S. 261, 262.
II. Die Handelsvorschriften des TDCA im Einzelnen
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Dem entspricht das Verfahren nach dem TDCA, wo die Vertragspartner in Art. 34 ganz ähnliche Regelungen getroffen haben. Es dürfen nur restriktive Maßnahmen für die laufenden Geschäfte getroffen werden, die von begrenzter Dauer sein müssen und nicht über das zur Beseitigung der Zahlungsbilanzschwierigkeiten notwendige Maß hinausgehen. Darüber hinaus ist der jeweils andere Vertragspartner unverzüglich zu unterrichten, und es ist ihm ein Zeitplan für die Aufhebung der Maßnahmen vorzulegen. Dass darüber hinaus keine weiteren Einzelheiten zum Verfahren geregelt wurden, erscheint unbedenklich, solange Südafrika und die Gemeinschaft dafür sorgen, dass die Transparenz des Verfahrens gewahrt bleibt.
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Stoll/Schorkopf, WTO-Welthandelsordnung und Welthandelsrecht, Rz. 229.
D. Der Agrarhandel Kein Sektor der Welthandelsordnung ist so sehr von Widersprüchen zwischen Liberalisierungsanspruch und Liberalisierungswirklichkeit geprägt wie der Agrarbereich. Obwohl der Handel mit Agrarerzeugnissen von Anfang an ein integraler Bestandteil des GATT 1947 war, hatten sich wichtige Vertragsparteien wie die USA und die EWG-Mitgliedstaaten über die entsprechenden Regeln des GATT hinweggesetzt1 und eigenmächtig Agrarmarktordnungen erlassen. Kenneth W. Dam zog daraus bereits im Jahre 1970 die Schlussfolgerung, dass das GATT im Agrarbereich versagt habe.2 Auch die GATT-Ministerkonferenz konstatierte 1982 „widespreat dissatisfaction with the application of GATT rules and the degree of liberalisation in relation to agricultural trade“.3 Um dem entgegenzuwirken, wurde in der Ministererklärung von Punta del Este von 1986 zur Eröffnung der UruguayRunde ein „urgent need to bring more discipline and predictability in the world of agricultural trade“ festgestellt. Zu diesem Zweck wurde das WTO „Agreement on Agriculture“ (AoA) als Anhang zum WTO-Übereinkommen verabschiedet,4 das als einzige sektorspezifische Übereinkunft aus der Uruguay-Runde hervorgegangen ist.5 Es bestimmt auch den Rahmen für den europäisch-südafrikanischen Agrarhandel, da es beide Vertragspartner aufgrund ihrer jeweiligen WTO-Mitgliedschaft bindet. In diesem Sinne wird im TDCA ausdrücklich festgehalten, dass die WTO-Verpflichtungen im bi1 Lediglich Art. XI (mengenmäßige Beschränkungen), XVI (Subventionen) und XX (Allgemeine Ausnahmen) GATT 1947 sehen ausdrücklich oder implizit eine spezielle Behandlung für landwirtschaftliche Waren vor. 2 Dam, The GATT – Law and International Economic Organization, S. 257: „If the only thing at stake were high tariffs, one’s judgement could be more generous. . . . Unfortunately for the prestige of the GATT, however, the most important restrictions on international trade in temperate agricultural commodities are nontariff barriers, and a large proportion of these are maintained in blatant violation of the General Agreement. The continued violation of the terms of the General Agreement by a substantial number of contracting parties has become such a way of life that little embarrassment seems to be felt by national representatives and no effort is made to suggest dates on which violations might be terminated“. 3 GATT Thirty Eights Session at Ministerial Level: Ministerial Declaration L/5424, BISD 29S/9-22) angenommen am 29. November 1982, S. 10. 4 Siehe dazu insbesondere auch die Präambel des AoA. 5 Daneben besteht noch die Übereinkunft über den Handel mit Zivilluftfahrzeugen vom 12. April 1979, die allerdings ein plurilaterales Übereinkommen darstellt, d. h. sie bindet nur die Unterzeichnerstaaten dieser Übereinkunft, Abl. 1980 L 71/58.
I. Agrarpolitische Ausgangssituation
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lateralen Verhältnis fortbestehen.6 Soweit das TDCA allerdings speziellere Regelungen trifft, gehen diese im TDCA-Wirtschaftsraum als Regionalausnahme (Art. XXIV GATT 1994) vor. Vor diesem Hintergrund soll zunächst die agrarpolitische Ausgangssituation in der Gemeinschaft und Südafrika kurz skizziert und sodann deren Liberalisierungsverpflichtungen im Hinblick auf Marktzugang, interne Stützungen und Subventionen näher analysiert werden. Darüber hinaus werden andere WTO-Übereinkommen auf ihre Auswirkungen auf den europäischsüdafrikanischen Agrarhandel untersucht. Schließlich wird festgestellt, ob und inwieweit die Handelsvereinbarung sich im Agrarsektor auf Drittstaaten auswirkt.
I. Agrarpolitische Ausgangssituation Der für den Außenhandel Südafrikas bedeutende Agrarsektor war von Anfang an einer der umstrittensten Verhandlungsgegenstände zwischen den Parteien. Während sich Südafrika einen verbesserten Zugang zu den großen europäischen Verbrauchermärkten wünschte, fürchteten insbesondere die südeuropäischen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, dass entsprechende Einfuhren vom Kap ihre Teilhabe am europäischen Binnenhandel schmälern könnten. Sie waren deshalb darum bemüht, die eigenen Absatzmärkte vor den häufig preiswerteren Konkurrenzprodukten aus Südafrika zu schützen. Diese protektionistischen Bestrebungen führten dazu, dass der bilaterale Agrarhandel auch im TDCA eine Sonderstellung einnimmt. Zur Rechtfertigung führt Art. 16 TDCA „die besondere Empfindlichkeit der Agrarmärkte“ an. Damit schirmt die bilaterale Handelsordnung den Landwirtschaftssektor von den allgemeinen Liberalisierungsverpflichtungen ebenso ab, wie dies für dessen Stellung in der Welthandelsordnung insgesamt gilt. 1. Die Gemeinsame Agrarpolitik der Gemeinschaft Der Außenhandel in der Landwirtschaft der Europäischen Gemeinschaft wird durch ihre Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) bestimmt. Sie wurde nur zwei Jahre nach Gründung der EWG im Jahre 1960 eingeführt. Die GAP sollte zur Überwindung der vorhandenen Engpässe im Agrarsektor beitragen, die Produktivität in der Landwirtschaft erhöhen und zu einem angemessenen Selbstversorgungsgrad innerhalb der Gemeinschaft beitragen.7 Diese Ziele wurden bereits in den siebziger Jahren mit Hilfe der massiven 6 Siehe auch Art. 24 Abs. 1 TDCA sowie Abs. 7 der Präambel, welche gemäß 31 Abs. 2 WVK für die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages ebenfalls von Bedeutung ist.
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D. Der Agrarhandel
Interventionen der Gemeinschaftsorgane übertroffen.8 Die Gemeinschaft entwickelte sich so zu einem der wichtigsten Handelspartner auf dem landwirtschaftlichen Weltmarkt, wo sie derzeit über einen Anteil von gut zwei Fünftel an den weltweiten Agrarimporten und knapp einem Drittel an den weltweiten Agrarexporten verfügt.9 Gleichzeitig verschlingt die GAP etwa die Hälfte aller Haushaltsmittel der EG und ist mit jährlich mehr als e 44 Mrd. zur teuersten Politik der Gemeinschaft überhaupt geworden.10 Die Kommissionsorgane verfügen über einen erheblichen Ermessensspielraum, der nicht zuletzt im Erlass von jährlich über 3000 Rechtsakten des Rates und der Kommission seinen Ausdruck findet.11 Der ständige Regelungs- und Anpassungsbedarf beeinträchtigt die Vorhersehbarkeit und Beständigkeit der EGAgrarpolitik. Besonders schwerwiegend ist aus Sicht der Handelspartner das Prinzip der Gemeinschaftspräferenz, welches den europäischen Binnenmarkt für landwirtschaftliche Erzeugnisse gegenüber den regelmäßig billigeren Weltmarkterzeugnissen schützen soll.12 Angesichts der angespannten Haushaltslage in den EG-Mitgliedstaaten und der WTO-Verpflichtungen wurden im Rahmen der Agrarreform vom 30.06.199213 und der Agenda 200014 erste Schritte zu einer Kehrtwende in der europäischen Agrarpolitik vorgenommen. Die bevorstehende Osterweiterung15 der Gemeinschaft machte weitere Einschnitte im Agrarhaushalt 7 Gemäß Art. 33 EG-Vertrag verfolgt die GAP vier Ziele: (1) Die Produktivität der Landwirtschaft soll gesteigert, (2) eine angemessene Lebenshaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung soll gewährleistet, (3) die Märkte sollen stabilisiert und (4) die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln soll sichergestellt werden. 8 Die GAP war die erste und für lange Zeit einzige gemeinsame Politik der EWG. Aufgrund ihrer damaligen Bedeutung für den Export, für den Arbeitsmarkt und die Erwerbsstruktur erschien ihre Einbeziehung unumgänglich, Wyss, Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union, LID-Dossier; Hennis, Protectionism in a globalized food system: the impact of the Common Agricultural Policy on the world market, in: Cafruny/Peters (Hrsg.), The Union and the World, S. 271, 272 f.; Marsh, The Common Agricultural Policy, in: Stavridis/Mossialos/ Morgan/Machin (Hrsg.), New Challenges to the European Union: Policies and Policy-Making, S. 401, 402 ff. 9 Wyss, Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union, S. 8. 10 Zur Entwicklung der Agrarausgaben in der Gemeinschaft, siehe: Halbzeitbewertung der Gemeinsamen Agrarpolitik KOM(2002) 394 vom 10.7.2002, S. 33 ff. 11 Streinz, Europarecht, Rz. 774. 12 McMahon, Law of the Common Agricultural Policy, S. 96 f. 13 Dazu ausführlich Priebe, Einigung des Rates über die Agrarreform, EuZW 1992, S. 506 ff. 14 Agenda 2000 – Teil I: Eine stärkere und erweiterte Union, KOM(1997) 2000 endg. 15 Erweiterung und Landwirtschaft: Die erfolgreiche Integration der neuen Mitgliedstaaten in die GAP, Kommission der Europäischen Gemeinschaften SEK (2002)
I. Agrarpolitische Ausgangssituation
295
notwendig, die zu den vom Rat im September 2003 beschlossenen grundlegenden Reformen führte.16 Zwar wird der Haushalt von e 46.449 Mrd. im Jahr 2003 lediglich auf e 44.209 Mrd. verringert und auf dieser Höhe bis in das Jahr 2013 festgeschrieben. Jedoch führt der Beitritt von 10 weiteren Staaten im Mai 2004 zu einem faktischen Einschnitt der Ausgaben von 20 Prozent. Daraus resultieren tiefgreifende Veränderungen in der EGAgrarpolitik, die vor allem dazu führen werden, dass die künftige Förderung mehr von der Produktion entkoppelt sein wird und damit den Landwirten direkt zukommt.17 2. Die Agrarpolitik Südafrikas Angesichts seiner komparativen Vorteile im Agrarsektor und dessen Bedeutung für den Außenhandel des Landes macht sich Südafrika innerhalb der WTO für eine Liberalisierung der Agrarmärkte stark. Zu diesem Zweck hat es sich der 1986 gegründeten Cairns Gruppe angeschlossen, die aus 18 Agrarexportstaaten besteht18 und – wie die Europäische Gemeinschaft – etwa ein Drittel der weltweiten Agrarexporte tätigt. In ihrer „Vision“ für die WTO-Agrarverhandlungen fordert die Cairns Gruppe substanzielle Fortschritte bei den Bemühungen um Handelserleichterungen im Agrarbereich. Insbesondere sollen Ausfuhrsubventionen jeglicher Art abgeschafft, der Marktzugang nicht schwerer sein als in anderen Wirtschaftssektoren und interne Marktstützungen auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Im Hinblick auf die Ernährungssicherheitsbedürfnisse hat sich die Cairns Gruppe jedoch deutlich von ihren noch in der Uruguay-Runde vertretenen handelsliberalen Positionen entfernt.19 Dies mag nicht zuletzt auf den Einfluss Südafrikas und anderer Entwicklungsländer zurückzuführen sein, die auf Programme zur Nahrungsmittelhilfe für die armen Bevölkerungsteile angewiesen sind.20 95 endg., S. 27, siehe auch South Africa Foundation „South Africa and the European Union“, Occasional Paper 2 (1999), S. 14. 16 Zu den rechtlichen Konsequenzen, siehe Europäische Kommission: Vorschlag zur Anpassung der Beitrittsakte KOM(2003) 643 endg. sowie Vorschlag zur Anpassung der GAP-Reform-Texte, KOM(2003) 640 endg. 17 Zu den Einzelheiten der Reform, siehe Malzbender, Agricultural Reform in the EU: Implications of the June 2003 Common Agricultural Policy (CAP)-reform for Southern Africa, S. 4 ff. 18 Mitglieder der Cairns Gruppe sind: Argentinien, Australien, Bolivien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Fiji, Guatemala, Indonesien, Kanada, Kolumbien, Malaysia, Neuseeland, Paraguay, Philippinen, Südafrika, Thailand und Uruguay. 19 Reichert, Ernährungssicherheitsaspekte in den laufenden WTO-Agrarverhandlungen, S. 22. 20 Zum Ernährungssicherungsprogramm Südafrikas, siehe Business Day vom 11. Oktober 2002, S. 1 ff. und 9. Cairns Länder wie Indonesien, Malaysia und die
296
D. Der Agrarhandel
Südafrika ist auch Mitglied der aus 41 Staaten bestehenden Afrikanischen Gruppe.21 Sie fordert ebenfalls eine Liberalisierung der Agrarmärkte, möchte aber Ausnahmen für bestimmte Produzenten (Klein- und Subsistenzbauern), für bestimmte Produkte (Grundnahrungsmittel zur Förderung der Ernährungssicherheit) und zur Bekämpfung der ländlichen Armut gesichert wissen.22 Obwohl die Afrikanische und die Cairns Gruppe hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit der eigenen Landwirtschaft in unterschiedliche Richtungen tendieren, ist ihnen gemeinsam, dass sie grundsätzlich für einen verbesserten Zugang zu den Agrarmärkten der Industriestaaten eintreten.23 3. Definition des europäisch-südafrikanischen Agrarhandels Die Definition landwirtschaftlicher Erzeugnisse in Art. 2 und Anhang 1 AoA bezieht nicht nur landwirtschaftliche Grunderzeugnisse ein, wie etwa Getreide, Milch und Lebendvieh, sondern auch davon gewonnene Erzeugnisse wie z. B. Brot, Butter, Öl und Fleisch sowie alle verarbeiteten landwirtschaftlichen Produkte wie etwa Schokolade, Joghurt und Wurst. Erfasst werden auch Weine, Alkohol, Tabakwaren und Fasern wie Baumwolle, Wolle und Seide sowie Tierhäute zur Ledergewinnung. Im Ergebnis werden gemäß Anhang 1 AoA die Kapitel 1 bis 24 des Harmonisierten Systems (HS) als landwirtschaftliche Erzeugnisse klassifiziert. Art. 13 TDCA bezieht über das AoA hinaus auch Fisch und Fischereierzeugnisse in seine Definition landwirtschaftlicher Produkte ein.24 Da allerdings an keiner Stelle die Ausweitung der Rechte und Pflichten aus dem TDCA auch für diese Waren bestimmt wird, ist der diesbezügliche Handel den allgemeinen Disziplinen der Welthandelsordnung unterworfen.
Philippinen sind zudem Nettoimporteure bei den Grundnahrungsmitteln und exportieren eher tropische Agrarprodukte (Reichert, Ernährungssicherheitsaspekte in den laufenden WTO-Agrarverhandlungen). 21 Angola, Ägypten, Benin, Botswana, Burkina Faso, Burundi, Demokratische Republik Kongo, Dschibuti, Elfenbeinküste, Gabon, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea Bissau, Kamerun, Kenia, Kongo, Lesotho, Madagaskar, Malawi, Mali, Mauretanien, Mauritius, Marokko, Mosambik, Namibia, Niger, Nigeria, Ruanda, Sambia, Senegal, Sierra Leone, Simbabwe, Südafrika, Swasiland, Tansania, Togo, Tschad, Tunesien, Uganda, Zentralafrikanische Republik. 22 Afrikanische Gruppe: Gemeinsamer Vorschlag, WTO-Dokument: G/AG/NG/ W/142 vom 23. März 2001. 23 Agricultural Policy in South Africa (November 1998), Department of Agriculture, Kapitel 2 Ziffer 2. 24 Einbezogen werden darüber hinaus auch die Fischabfälle, ungenießbare Fischwaren, gefüllte und gekochte Teigwaren, Fischmehl und Rückstände von Weichtieren.
II. Gestaltung des bilateralen Agrarhandels
297
II. Gestaltung des bilateralen Agrarhandels durch Übernahme der WTO-Ordnung Zur Ausgestaltung der bilateralen Handelsbeziehungen im Agrarbereich enthält das TDCA, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine eigenständigen Regelungen, sondern verweist insoweit auf die multilaterale Handelsordnung. Somit sind Fragen zum Marktzugang, zu Stützungsinterventionen und zu Gesundheits- und Hygienestandards im Wesentlichen nach den einschlägigen WTO-Vorschriften zu beurteilen. Welche Folgen das konkret für die europäisch-südafrikanischen Handelsbeziehungen hat und inwieweit weitergehende Regelungen im Rahmen des TDCA möglicherweise vorteilhafter für die Vertragspartner gewesen wären, wird im Folgenden jeweils im Anschluss an die Darstellung der multilateralen Vorschriften zum Marktzugang, zu den Stützungsinterventionen und zu den Gesundheits- und Hygienestandards erläutert. 1. Marktzugang Unter Marktzugang ist das Recht der Exporteure auf Zugang zu einem ausländischen Markt zu verstehen. Diese Möglichkeit kann von den Einfuhrstaaten durch Zugangsregeln eingeschränkt werden. Nach Art. 4 Ziffer 2 AoA dürfen diese nur noch aus Zöllen bestehen. a) Zölle Zölle nehmen im Agrarbereich nach wie vor eine bedeutende Stellung als Marktzugangsschranken ein. Insofern liegt eine der größten Errungenschaften des TDCA darin, dass Südafrika am Ende der Übergangsphase seinerseits 81,0 Prozent der aus der Gemeinschaft eingeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse und die Gemeinschaft ihrerseits 61,4 Prozent der aus Südafrika eingeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse vollständig von Zöllen befreit haben werden.25 Dabei ist Südafrika aufgrund der Asymmetrie der Liberalisierungsverpflichtungen in der zehnjährigen Übergangsphase26 bereits zu Beginn zu Zollermäßigungen verpflichtet, während die Europäische Gemeinschaft ihre Zölle größenteils erst gegen Ende dieses Zeitraums abzubauen hat. Von diesen Zollpräferenzen bleiben jedoch für beide Handelspartner jeweils strategisch bedeutende Erzeugnisse ausgeschlossen. Für derartige Produkte bestehen die Handelsschranken auf MFN-Basis fort. 25
Partners in Progress, European Commission, S. 9. Während die Übergangsphase für Industrieprodukte 12 Jahre beträgt, ist sie für Agrarprodukte nur 10 Jahre lang. 26
298
D. Der Agrarhandel Tabelle 5 Die wichtigsten von der Zollbefreiung ausgeschlossenen landwirtschaftlichen Erzeugnisse
Auf Seiten der Europäischen Gemeinschaft (Art. 14 Abs. 8 i. V. m. Anhang IV Liste 7)
Auf Seiten Südafrikas (Art. 15 Abs. 5 i. V. m. Anhang VI Liste 4)
Rindfleisch, Zucker, einige Milchprodukte (einschließlich Milch, Butter und Molke), Zuckermais, Mais und Maiserzeugnisse, Reis und Reiserzeugnisse, Stärke, einige Schnittblumen, bestimmtes Frischobst (bestimmte Zitrusfrüchte, Äpfel, Pfirsiche, Weintrauben und Bananen), zubereitete Tomaten, bestimmtes zubereitetes Obst und Fruchtsäfte, Wermut, Äthyl-Alkohol und bestimmter Fisch
Rindfleisch, Zucker, einige Milchprodukte (einschließlich Milch und Butter), Zuckermais, Mais und Maiserzeugnisse, Gerste und Gerstenerzeugnisse, Getreide und Getreideerzeugnisse, Stärke, Schokolade und Speiseeis
Soweit Zölle erhoben werden, erfolgt die Berechnung regelmäßig als Prozentsatz des Warenwertes (ad valorem). Der Zoll kann aber auch speziell als Mengenzoll, als Kombination beider Alternativen oder auf anderer Grundlage27 ermittelt werden. Welche Zollverpflichtungen die Gemeinschaft und Südafrika auf multilateraler Ebene im Einzelnen eingegangen sind, kann ihren Listen an Zugeständnissen gemäß Art. II GATT entnommen werden.28 Auf dessen Grundlage wird gemäß Art. 7 TDCA auch der Ausgangszollsatz für die schrittweise bilaterale Handelsliberalisierung berechnet. Dabei bestimmt sich der präferenzielle Zollabbau für landwirtschaftliche Erzeugnisse durch die Gemeinschaft nach Art. 14 TDCA, während derjenige für Südafrika nach Art. 15 TDCA durchzuführen ist. b) Tarifierung Einer der wichtigsten Erfolge der Uruguay-Runde bestand darin, dass sich alle WTO-Mitglieder verpflichtet haben, die nichttarifären Handelshemm27 Es gibt beispielsweise noch technische Zölle (z. B. basierend auf den Zuckeralkohol, Inhalt etc.), saisonale Zölle und alternative Zölle. 28 Vom Rechtsstatus her sind Zugeständnisse Teil der vertraglichen Verpflichtungen der Mitglieder, Appellate Body Bericht „EC-Computer Equipment“ WT/DS62/ AB/R, WT/DS67AB/R, WT/DS68AB/R vom 5. Juni 1998, Ziffer 11: „(. . .) a Schedule is (. . .) an integral part of the GATT 1994 (. . .) Therefore the concessions provided for in that Schedule are part of the terms of the treaty. As such, the only rules which may be applied in interpreting the meaning of a concession are the general rules of treaty interpretation set out in the Vienna Convention“.
II. Gestaltung des bilateralen Agrarhandels
299
nisse29 in Zölle umzuwandeln („Zolläquivalente“, Art. 4 Ziffer 2 AoA). Zölle haben gegenüber nichttarifären Marktzugangsbeschränkungen insbesondere den Vorteil, dass sie transparenter sind. Dagegen gelten Letztere als „difficult to quantify, costly to administer, costly to consumers, costly to exporters (in terms of lost trade), inefficient ways of creating jobs, lack transparency, are inherent discriminatory and are most intensively used against developing countries and transition economies. They also drive a wedge between world prices and domestic prices, so that domestic firms are relatively unaffected by price trends on world markets and have little incentives to adopt new technologies or modern business practices“.30
Ziel der Tarifierung war es also, den Marktzugang transparenter zu gestalten und so die erforderliche Marktsicherheit für Händler und Investoren zu erhöhen.31 Auch wenn diese Maßnahmen dem TDCA vorangegangen sind, haben sie Einfluss auf den europäisch-südafrikanischen Agrarhandel, da das TDCA auf den Ergebnissen der Uruguay-Runde aufbaut. Die WTO-Mitglieder sind verpflichtet, ihre Zugeständnisse in Listen festzulegen, die bei der WTO zu hinterlegen sind (Art. 3 AoA).32 Da die Zölle „gebunden“ sind, dürfen einmal eingegangene Zugeständnisse und Verpflichtungen nur noch „bei Vorliegen besonderer Umstände“ gemäß Art. XXVIII GATT 1994 zurückgenommen oder zu Lasten der anderen Vertragsparteien geändert werden.33 Indessen muss die Vertragspartei, die dieses Recht für sich beansprucht, einen Ausgleich („compensation“) anbieten oder Ausgleichsverhandlungen führen, damit die Vertragsparteien mit einem wesentlichen Interesse an den betroffenen Zugeständnissen im Ergebnis nicht schlechter dastehen als vorher.34 Damit ist kein Raum mehr für bewegliche Einfuhrabschöpfungen, die bis zum In-Kraft-Treten des WTOAgrarabkommens am 1. Juli 1995 zum Schutz der gemeinschaftlichen Außengrenze eingesetzt wurden. Sie hatten es den Gemeinschaftsorganen ermöglicht, die Agrarpreise auf einen so genannten Schwellenpreis anzuheben, der sich weitgehend am Richtpreis35 orientierte und je nach Preis29 Als nichttarifäre Handelshemmnisse werden in einer Anmerkung zu Art. 4 Abs. 2 des Agrarabkommens ausdrücklich genannt: mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen, bewegliche Einfuhrabschöpfungen, Mindesteinfuhrpreise, Einfuhrlizenzvergaben nach Ermessen, nichttarifäre Maßnahmen staatlicher Handelsunternehmen, freiwillige Ausfuhrbeschränkungen und ähnliche Grenzmaßnahmen. 30 Laird, Multilateral Approaches to Market Access Negotiations, S. 11. 31 Jackson, The World Trading System, S. 155. 32 Art. 3 AoA entspricht sinngemäß Art. II GATT 1994, wonach jede Vertragspartei dem Handel der anderen Vertragsparteien eine nicht weniger günstige Behandlung gewährt, als in dem betreffenden Teil der entsprechenden Liste zu diesem Abkommen vorgesehen ist (Senti, WTO, S. 471 f., Rz. 1015). 33 Jackson, The World Trading System, S. 143. 34 Jackson, The World Trading System, S. 155.
300
D. Der Agrarhandel
schwankungen auf dem Weltmarkt zum Teil täglich neu festgelegt wurde. Dadurch wurden Importe für unter die Marktordnung fallende Produkte nahezu unmöglich gemacht. Gleichwohl stellen die ausgehandelten Tarifäquivalente nach wie vor erhebliche Handelsbarrieren dar. Im Rahmen der Tarifierung ist es vielen Staaten gelungen, ihre gebundenen Zölle auf hohem Niveau festzusetzen. So wurde beispielsweise der Gemeinschaftszoll auf Zucker auf 250 Prozent, derjenige für Rindfleisch auf 237 Prozent, derjenige für Butter auf 341 Prozent und derjenige für Getreide auf 150 Prozent bzw. 170 Prozent festgelegt.36 Dabei handelt es sich jeweils um Erzeugnisse, die auch von der Handelsliberalisierung im Rahmen des TDCA ausgeschlossen bleiben. Experten gehen davon aus, dass bei 60 Prozent aller Zolläquivalente der Gemeinschaft die Zölle so hoch festgelegt wurden, dass selbst nach der zugesagten 36-prozentigen Reduktion der effektive Schutz mindestens so hoch ist wie vorher, zum Teil sogar noch höher („dirty tariffication“).37 Darüber hinaus lagen die Basiszölle aufgrund des Referenzzeitraums (1986–1988)38 sehr hoch, was ebenfalls den Trend zu hohen Zöllen im Agrarbereich begünstigte.39 Im Ergebnis liegt der Durchschnittszoll auf Agrarprodukten auch nach der Uruguay-Runde noch bei etwa 40 Prozent, während derjenige auf Industrieprodukten bei knapp unter 4 Prozent liegt.40 Allerdings haben sich die Industriestaaten einschließlich der Gemeinschaft verpflichtet, die Zollsätze und die durch Tarifierung ermittelten Maximalzölle bis zum Jahr 2000 um durchschnittlich 36 Prozent und mindestens um 15 Prozent pro Zollzeile zu senken.41 Da in künftigen Verhandlungen mit 35 Unter dem Richtpreis versteht man den Preis, der als Zielvorgabe für die Vermarktung eines Produktes auf der Großhandelsstufe angestrebt wird und im Wesentlichen eine Orientierungsfunktion hat, Streinz, Europarecht, Rz. 787. 36 Harvey, The GATT, the WTO and the CAP, in: Ritson/Harvey (Hrsg.), The Common Agricultural Policy, S. 377, 386 f. 37 Anderson/Ingco/Ingco, Integrating Agriculture into the WTO: The Next Phase; FAO 2000: Experience with the implementation of the Uruguay Round Agreement on Agriuculture, Committee on Commodity Problems, Sixty-Third Session, Rom; Desta, The Law of International Trade in Agricultural Products, S. 75 f. 38 Zum Referenzzeitraum, siehe Anhang 5 des Agrarabkommens. 39 Tangermann, Implementation of the Uruguay Round Agreement on Agriculture by Major Developed Countries, S. 6; Hathaway/Ingco, Agricultural Liberalisation and the Uruguay Round, S. 18. 40 Windfuhr, Everything but Farms, E+Z 2002, S. 82 ff. 41 Modalities for the Establishment of Specific Binding Commitments under the Reform Programme, WTO Dok. MTN.GNG/MA/W/24 vom 20. Dezember 1993: „5. Ordinary customs duties, including those resulting from tariffication, shall be reduced, over the six-year period commencing in the year 1995, on a simple average basis by 36 per cent with a minimum rate of reduction of 15 per cent for each tariff line“.
II. Gestaltung des bilateralen Agrarhandels
301
weiteren Zollsenkungen zu rechnen ist, dürfte zumindest für die Zukunft ein effektives Mittel zum Abbau der verbliebenen Handelsbarrieren im Agrarbereich vorliegen.42 Zudem haben die WTO-Mitglieder dort, wo bisher – etwa aufgrund von Spitzenzollsätzen – keine nennenswerten Importe bestehen, neben der Tarifierung einen Mindestmarktzugang für alle Produkte bis zum Jahr 2004 von bis zu fünf Prozent einzurichten.43 Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Uruguay-Runde zwar nur in sehr begrenztem Umfang zu einer effektiven Senkung der Zölle geführt hat.44 Jedoch wurden zahlreiche, zum Teil undurchsichtige, nichttarifäre Handelshemmnisse abgeschafft. Dadurch baut das TDCA auf einem wesentlich transparenteren Fundament multilateraler Handelsvorschriften auf. Dies erleichtert den Marktzugang der Exporteure auf beiden Seiten und gibt den – im Rahmen des TDCA erzielten – Liberalisierungsverpflichtungen mehr Qualität. c) Zollkontingente Zollkontingente zeichnen sich – wie bereits oben dargelegt45 – dadurch aus, dass ein bestimmtes Volumen an Waren zu einem Zollsatz eingeführt werden darf, der unterhalb des allgemeinen Zollsatzes liegt. Sie stellen eine weitere Möglichkeit der Regelung des Marktzugangs dar und wurden deshalb nach der Tarifierung im Rahmen der Uruguay-Runde genutzt, um sicherzustellen, dass trotz der zum Teil sehr hohen Zolläquivalente das ursprüngliche Handelsvolumen beibehalten werden kann, d.h sie dienten dazu, den Mindestmarktzugang auf bisherigem Handelsniveau abzusichern.46 42 In der Umsetzung dieser Pflicht zur Zollreduktion haben die Industriestaaten bei hochsensiblen Produkten (wie etwa Weizen, Gerste, Zucker, Rindfleisch, Mais) den Zoll häufig nur um 15 Prozent gesenkt, während bei Produkten mit ohnehin niedrigem Zollsatz eine 100-prozentige Absenkung durchgeführt wurde. So konnte der erforderliche Durchschnitt von 36 Prozent bei agrarpolitisch unbedeutenden Positionen relativ schnell erreicht werden, Senti, WTO, S. 476, Rz. 1021; Windfuhr, Everything but Farms, E+Z 2002, S. 82 ff. 43 Ziffer 5 der Modalities for the Establishment of Specific Binding Commitments under the Reform Programme, Dok. MTN.GNG/MA/W/24 vom 20. Dezember 1993. Diese Regelung läuft auf ein Quotensystem heraus, das seinerseits mangels hinreichender Transparenz auch wieder umgangen werden kann, etwa, indem Lizenzen an Anbieter vergeben werden, die ihrerseits nicht in der Lage sind, das gesamte Kontingent zu nutzen (Fritz, Marktzugangsprobleme für Entwicklungsländer im Agrarsektor, S. 15). 44 Nach einer Weltbankstudie führte die Uruguay-Runde nur für ein gutes Viertel aller Zollsätze zu einer Senkung, bei den tarifizierten Produkten lag diese Rate sogar nur bei 14 Prozent. (Nachweis bei Windfuhr, Everything but Farms, E+Z 2002). 45 Siehe B. II. 1. a) aa).
302
D. Der Agrarhandel
Auch die Gemeinschaft und Südafrika haben sich im Rahmen des TDCA auf Liberalisierungsquoten im Agrarhandel verständigt. Von dieser Möglichkeit profitieren gemäß Art. 14 Abs. 6 und 7 i. V. m. Anhang IV Liste 5 und 6 TDCA die folgenden südafrikanischen Agrarprodukte, die 13 Prozent der Importe an landwirtschaftlichen Erzeugnissen aus Südafrika in die Gemeinschaft ausmachen:47 Tabelle 6 Zollkontingente für Produkte aus Südafrika Produkt
Menge
Zoll
Käse
5.000 t
kein Zoll
Rosen, Orchideen, Chrysanthemen Andere Schnittblumen
500 t
–50 Prozent MFN
1.100 t
–50 Prozent MFN
Protea
900 t
kein Zoll
Gefrorene Erdbeeren
250 t
–50 Prozent MFN
Dosenbirnen, -pfirsiche und -aprikosen
40.000 t
–50 Prozent MFN
Gemischte Dosenfrüchte
18.000 t
–50 Prozent MFN
2.000 t
–50 Prozent MFN
700 t
–50 Prozent MFN
5.000 t
–50 Prozent MFN
Wein
32 Mio Liter
kein Zoll
Sekt
450.000 Liter
kein Zoll
Gemischte tropische Dosenfrüchte Gefrorene Orangensäfte Andere Fruchtsäfte
46 Siehe auch Ziffer 6 S. 1 der Modalities for the Establishment of Specific Binding Commitments under the Reform Programme, Dok. MTN.GNG/MA/W/24 vom 20. Dezember 1993: „Current access opportunities, which during the base period are in excess of the minimum access opportunities as defined in paragraph 5 above, shall be maintained and increased over the implementation period“. Es sei allerdings angemerkt, dass die „Modalities“ nicht Bestandteil des AoA sind, Appellate Body Bericht „EC Bananas III“ WT/DS27/AB/R vom 9. September 1997, Ziffer 157, und somit allenfalls als ergänzendes Auslegungsmittel im Sinne des Art. 32 WVK herangezogen werden können. So auch Desta, The Law of International Trade in Agricultural Products, S. 83. 47 European Research Office, Future South Africa – EU Agricultural Trade Relations: Perspectives and Concerns (2000) S. 1 ff.
II. Gestaltung des bilateralen Agrarhandels
303
Umgekehrt gelten für Käse, Wein und Sekt aus der Gemeinschaft ebenfalls Liberalisierungsquoten beim Eintritt in den südafrikanischen Markt:
Tabelle 7 Zollkontingente für Produkte aus der Gemeinschaft Produkt
Menge
Zoll
Käse
5.000 t
–50 Prozent MFN
Wein
1 Million Liter
kein Zoll
Sekt
260.000 Liter
kein Zoll
Zollkontingente stellen keine Eigenart des TDCA dar. Vielmehr finden sie sich auch in den auf der Grundlage von Art. 3 AoA i. V. m. Art. II GATT 1994 erstellten Listen an Zugeständnissen wieder.48 Mehr als ein Viertel aller Zollkontingente gilt dort für Obst und Gemüse. Im Übrigen finden sie insbesondere auf Fleisch, Getreide, Milchprodukte und Ölsamen Anwendung. Die Gemeinschaft rangiert mit 87 Zollkontingenten auf Rang vier und Südafrika mit 53 Zollkontingenten auf Rang 10 der insgesamt 38 WTO-Mitglieder zählenden Liste.49 Durch Zollquoten wird die Importmenge als solche nicht beschränkt. Sie entfalten lediglich die Wirkung, dass der präferenzielle Zoll nur auf Einfuhren innerhalb der Quote stattfindet („in-quota tariff“), während außerhalb dieses Kontingents ein höherer Zollsatz gilt („out-quota tariff“).50 Daraus folgt, dass Zollquoten aus rechtlicher Sicht keine mengenmäßige Beschränkung darstellen.51 Gleichwohl beurteilt sich ihre Rechtmäßigkeit nach dem 48
Diese 38 WTO-Mitglieder haben insgesamt 1.379 Zollkontingente in ihren Listen. Während der Implementierungsphase sollen 562 davon erhöht werden, während 812 unverändert bleiben und fünf veringert werden. 49 WTO Secretariat, Market Access: Unfinished Business – Post Uruguay Round Inventory and Issues, S. 52. 50 In den OECD Staaten liegen die „in-quota tariffs“ im Durchschnitt bei 36 Prozent, während die „out-quota tariffs“ im Durchschnitt 120 Prozent erreichen, WTO Secretariat, Market Access: Unfinished Business – Post Uruguay Round Inventory and Issues, S. 53. 51 WTO Secretariat, Market Access: Unfinished Business – Post Uruguay Round Inventory and Issues (Special Studies 6, Genf 2001), S. 53: „From a legal perspective, tariff quotas are not quantitative restrictions since goods may be imported beyond the quota limit by paying the out-quota tariff.
304
D. Der Agrarhandel
mit „nichtdiskriminierende Anwendung mengenmäßiger Beschränkungen“ überschriebenen Art. XIII GATT 1994, da diese Vorschrift gemäß ihrer Ziffer 5 auch auf Zollkontingente Anwendung findet.52 Den Anspruch auf diskriminierungsfreie Anwendung der Zollquoten können alle WTO-Mitglieder im Hinblick auf die Listenkontingente geltend machen,53 nicht jedoch für die im TDCA vereinbarten Zollquoten, da diese als Handelspräferenzen nur im bilateralen Verhältnis Bestand haben (Art. XXIV GATT). Da davon auszugehen ist, dass die Handelspotenziale der Vertragsparteien über die vereinbarten Präferenzquoten hinausgehen, müssen die Quoten überwacht und verwaltet werden. Die Administration der Quoten wirkt sich unmittelbar auf den Handel aus, da über sie bestimmt wird, ob eine Ware innerhalb oder außerhalb der Quote gehandelt werden kann bzw. muss.54 In der Praxis finden vorwiegend sieben verschiedene Methoden Anwendung,55 die mit unterschiedlicher Häufigkeit eingesetzt werden.56 Als Einfuhrgenehmigungen dienen sie zur staatlichen Durchsetzung der mengenmäßigen Kontrollen und Handelsschranken. Da das TDCA keine Vorgaben zur Verwaltung der Einfuhrkontingente macht, findet diese nach den sonst im Handelsverkehr zwischen den Vertragsparteien praktizierten Verfahren statt. Demnach haben sie den im WTOÜbereinkommen über Einfuhrlizenzverfahren (ILPA) geregelten Grundsatz zu beachten, dass ein Einfuhrverfahren sich jedenfalls nicht als ein zusätzImports can exceed the in-quota volume when the difference between domestic price and the international price exceeds the out-of-quota tariff. If, however, outquota tariffs are prohibitive under normal market conditions, access to the market is effectively limited to the in-quota volume“. 52 Decision by the Arbitrators (DSU Art. 22. Ziffer 6) in „EC-Bananas III“ WT/ DS27/ARB vom 9. April 1999, Ziffer 5.9. 53 Appellate Body Bericht „EC-Bananas III“ WT/DS27/AB/R vom 9. September 1997, Ziffer 162. 54 Desta, The Law of International Trade in Agricultural Products, S. 78 ff. 55 Siehe dazu WTO Background paper: „Tariff quota administration methods and tariff quota fill“, G/AG/NG/S/7 vom 23. Mai 2000. 56 WTO Secretariat, Market Access: Unfinished Business – Post Uruguay Round Inventory and Issues, S. 56: „(. . .), the ‚applied tariff‘ administration method is used in approximately half the cases. With this administration method, tariff quotas are actually not used. All imports are only subject to a tariff at or below the in-quota rate. The second most common method is the allocation of licences on demand which is used for one quarter of the tariff quotas. The third method, by order of importance, and one which is increasingly used, is the allocation of quotas on a first-come, first served at the point of entry basis. This method, while simple from the importer’s point of view, requires the customs authority to be adequately equipped with infrastructure. Most other systems involve the allocation on the basis of some criterion. In many cases, tariff quotas are allocated on a country basis“.
II. Gestaltung des bilateralen Agrarhandels
305
liches Handelshemmnis auswirken darf.57 Da Einfuhrlizenzen im Agrarbereich häufig aus gesundheitspolizeilichen Gründen mit weiteren Auflagen verbunden sind, sind derartig schädliche Auswirkungen auf den Handel gleichwohl zu beobachten. So zeigt sich, dass die Südafrikaner ihre Zollquote für Käse aufgrund der Lizenzregelung in der Gemeinschaft nicht voll ausschöpfen können.58 Dagegen haben die südafrikanischen Käsehersteller die europäischen Konkurrenzprodukte auf dem eigenen Markt zu spüren bekommen, da die Gemeinschaft ihrerseits keinen Schwierigkeiten ausgesetzt ist, die eigene Quote erfolgreich zu bedienen.59 Insoweit ist festzustellen, dass es jedenfalls aus südafrikanischer Sicht mehr Sinn gemacht hätte, im TDCA eigene Regelungen zur Frage der Verwaltung der Einfuhrkontingente zu treffen, welche die besondere Problematik der Einfuhrlizenzen angemessen berücksichtigt hätten. Sofern sich die bisherigen Beobachtungen auch weiterhin bestätigen sollten, ist Südafrika gut beraten, bei einer möglichen Revision des TDCA auf die ausdrückliche Aufnahme weniger restriktiver Vorgaben zur Verwaltung der Kontingente zu bestehen. Einstweilen besteht dagegen nur die Möglichkeit, durch die Zusammenarbeit der Grenzbehörden auf der Grundlage des Art. 48 TDCA i. V. m. dem Protokoll 2 TDCA über die Amtshilfe im Zollbereich für einen fairen Handel zu sorgen.60 Wo nötig, muss ggfs. der Kooperationsrat einberufen werden.
57
Siehe dazu auch Bericht des Appellate Body „EC-Poultry“ WT/DS69/AB/R vom 13. Juli 1998, Ziffer 121. 58 Der Grund dafür liegt vor allem in der Systematik der Vergabe von ImportLizenzen, welche nach den EU-Regularien nur an „approved undertakings“ vergeben werden, die einen bestimmten Gesundheits- und Hygienestandard garantieren. Solche europäischen Unternehmer sind zwischenzeitlich an Käseproduzenten in Südafrika herangetreten und haben den Erwerb von Käse zu Preisen angeboten, die im Schnitt 10 Rand unter den Produktionskosten in Südafrika liegen (European Research Office, Future South Africa – EU Agricultural Trade Relations: Perspectives and Concerns, S. 5 f.). 59 European Research Office, Future South Africa – EU Agricultural Trade Relations: Perspectives and Concerns, S. 5 f. 60 Art. 48 Abs. 1 TDCA lautet: „Die Vertragsparteien fördern und erleichtern die Zusammenarbeit zwischen den Zollverwaltungen, um für die Einhaltung der Handelsvorschriften zu sorgen und den fairen Handel zu gewährleisten. Die Zusammenarbeit umfasst unter anderem einen Informationsaustausch und Ausbildungsprogramme“.
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D. Der Agrarhandel
d) Ausnahmen zu den Zollzugeständnissen Einmal vereinbarte Marktzugangsmöglichkeiten, sei es über Zölle oder Zollkontingente, gelten nicht absolut, sondern können in begründeten Ausnahmefällen eingeschränkt werden. Neben der Möglichkeit, Zugeständnisse im Rahmen von allgemeinen Schutzmaßnahmen nach Art. XIX GATT 1994 zeitlich befristet aufzuheben61 oder Maßnahmen nach Art. 5 AoA zu ergreifen, haben die Vertragsparteien in Art. 16 TDCA zusätzlich eine spezielle Schutzklausel für den Agrarhandel vereinbart: „Sollten die Einfuhren von Ursprungswaren der einen Vertragspartei wegen der besonderen Empfindlichkeit der Agrarmärkte eine ernste Störung auf den Märkten der anderen Partei hervorrufen oder hervorzurufen drohen, so prüft der Kooperationsrat die Angelegenheit unbeschadet der sonstigen Bestimmungen dieses Abkommens, insbesondere des Art. 24, unverzüglich, um eine geeignete Lösung zu finden. Erfordern besondere Umstände ein sofortiges Eingreifen, so kann die betroffene Partei bis zur Entscheidung des Kooperationsrates die zur Begrenzung oder Beseitigung der Störung notwendigen vorläufigen Maßnahmen treffen. Bei der Einführung vorläufiger Maßnahmen trägt die betroffene Vertragspartei den Interessen beider Vertragsparteien Rechnung“.
Diese landwirtschaftliche Schutzklausel ermöglicht einen weitreichenden Eingriff in den bilateralen Agrarhandel. Sobald durch Wareneinfuhren eine „ernsthafte Störung auf den Märkten“ eines Vertragspartners verursacht wird oder verursacht zu werden droht, kann der Kooperationsrat eine „geeignete Lösung“ suchen, wobei er bei seiner Entscheidungsfindung ausdrücklich weder an den Tatbestand des Art. 24 TDCA noch an die Vorgaben des dort zitierten AoA bzw. des ebenfalls genannten WTO-Überkommens über Schutzmaßnahmen (SMÜ) gebunden ist. Vielmehr kann er seine Maßnahmen unmittelbar auf den Tatbestand des Art. 16 TDCA stützen. aa) Die Tatbestände der Art. 16 TDCA, 2–4 SMÜ und 5 AoA Art. 16 TDCA setzt lediglich eine durch Wareneinfuhren verursachte tatsächliche oder drohende ernsthafte Marktstörung voraus, und unterscheidet sich damit deutlich von den Art. 2–4 des SMÜ, die einen – aus dem Anstieg der Einfuhren resultierenden – „ernsthaften Schaden“62 bzw. einen 61
In diesem Sinne hat Korea beispielsweise seine Schutzmaßnahmen gegen die Einfuhr bestimmter Milchprodukte ausschließlich auf Art. XIX GATT und das Übereinkommen über Schutzmaßnahmen, nicht aber auf die landwirtschaftliche Schutzklausel des AoA gestützt, siehe Bericht des Panels „Korea-Dairy“ WT/DS98/R vom 21. Juni 1999 und Bericht des Appellate Body WT/DS98/AB/R vom 14. Dezember 2000. 62 Gemäß der Definition des Art. 4 Ziffer 1(a) ist für einen ernsthaften Schaden eine erhebliche allgemeine Verschlechterung der Lage eines inländischen Wirtschaftszweiges erforderlich. Zur notwendigen Marktanalyse, siehe Art. 4 Ziffer 2.
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„drohenden ernsthaften Schaden“63 verlangen. Da die verursachte Marktbeeinträchtigung bereits durch eine (drohende) Störung ausgelöst werden kann und nicht eine (drohende) Schädigung verursachen muss, liegt die Eingriffsschwelle in Art. 16 TDCA deutlich niedriger als diejenige in den Art. 2–4 SMÜ, d. h. das TDCA erlaubt die Einführung von landwirtschaftlichen Schutzmaßnahmen bereits im Vorfeld der Verwirklichung des Tatbestandes der Art. 2–4 SMÜ. Andererseits ist die Eingriffsschwelle in Art. 16 TDCA wiederum höher als diejenige in Art. 5 AoA, der überhaupt keinen Nachweis über eine kausal verursachte Marktbeeinträchtigung verlangt. Statt an die Wirkungen der Importe auf die Marktsituation anzuknüpfen, ist der Tatbestand automatisch erfüllt, sobald die Importmenge über einem Schwellenwert (Art. 5 Ziffer 1 lit. a AoA) liegt oder der Preis unter einen bestimmten Schwellenwert (Art. 5 Ziffer 1 lit. b AoA) fällt, ohne dass es einer weitergehenden Marktanalyse bedarf.64 Voraussetzung ist allerdings zusätzlich, dass die betroffenen nichttarifären Handelshemmnisse bereits in Zölle umgewandelt wurden (Tarifierung) und dass sich das fragliche WTO-Mitglied das Recht zur Anwendung von Schutzmaßnahmen auf das betreffende Produkt durch Kennzeichnung mit dem Symbol „SGG“ („Special Safeguard“) in der jeweiligen Liste an Zugeständnissen gemäß Art. 3 AoA i. V. m. Art. II GATT 1994 gesichert hat. Vereinbarte Zollkontingente können zwar zur Berechnung des erforderlichen Zusatzzolls herangezogen werden, Schutzmaßnahmen gegen sie oder sonst vereinbarte Mindestmarktzugänge sind gemäß Art. 5 Ziffer 2 AoA jedoch nicht möglich. Die zahlreichen Einschränkungen haben offenbar dazu geführt, dass Art. 5 AoA als spezielle Schutzklausel bisher kaum angewandt worden ist.65 Faktisch konkurriert Art. 16 TDCA damit in erster Linie mit dem allgemeineren SMÜ, während Art. 5 AoA nur in sehr speziellen Fällen Anwendung finden kann. bb) Rechtsfolgen Bezüglich der Wahl der Schutzmaßnahmen gilt nach Art. 16 TDCA lediglich das Kriterium der Geeignetheit, das vom Kooperationsrat zu beachten ist. Es wurde darauf verzichtet, näher zu definieren, unter welchen Um63 Für einen „drohenden ernsthaften Schaden“ nach Art. 4 Ziffer 1 lit. b muss die entsprechende Feststellung auf Tatsachen beruhen und darf sich nicht lediglich auf Behauptungen, Vermutungen oder entfernte Möglichkeiten stützen. 64 Appellate Body Bericht „EC-Poultry“ WT/DS69/AB/R vom 13. Juli 1998, Ziffer 167. 65 Zu der entsprechenden Statistik, siehe: WTO, Committee on Agriculture, Special Agricultural Safeguard: Background Paper by the Secretariat, G/AG/NG/S/9 vom 6. Juni 2000, Ziffer 3.
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ständen eine Lösung als geeignet zu betrachten ist. Eine Vorgabe von Kriterien, wie sie sich etwa in Art. 26 Abs. 3 TDCA finden, hätte die Vorhersehbarkeit von Entscheidungen erhöht. So aber wird sie in das Ermessen des Kooperationsrates gestellt, der trotz paritätischer Besetzung und Konsenszwangs (Art. 1 bzw. 10 der Geschäftsordnung)66 politischen Einflussmöglichkeiten und Zwängen ausgesetzt sein dürfte, was der Durchsetzung eines auf Rechtsnormen aufbauenden Handelssystems abträglich ist. Für Schutzmaßnahmen nach dem SMÜ, die aufgrund eines unverhältnismäßig starken Anstiegs der Importmenge oder eines überdurchschnittlich massiven Einbruchs der Importpreise erlassen werden können, bestehen detaillierte Vorgaben für die Anhebung der bestehenden Zollbelastung. Insbesondere dürfen sie das zur Schadensbeseitigung oder zur Anpassung erforderliche Maß nicht übersteigen (Art. 5 SMÜ) und – einschließlich der Verlängerungsmöglichkeit der Vierjahresfrist – nicht länger als 8 Jahre dauern (Art. 7 SMÜ). Noch detaillierter sind die Vorgaben des Art. 5 AoA, der zwischen mengen- und preisbezogenen Schutzmaßnahmen unterscheidet. Hinsichtlich der ersten Alternative erlaubt Art. 5 Ziffer 4 AoA eine Anhebung der bestehenden Zollbelastung um bis zu einem Drittel, wenn die Importmengen eines Jahres einen Schwellenwert überschreiten, der sich je nach Selbstversorgungsgrad und Importanteil eines Landes unterschiedlich berechnet. Kommt es entsprechend der zweiten Alternative zu einem Preiseinbruch im Importhandel oder zu Preisturbulenzen auf dem inländischen Markt, so können Schutzmaßnahmen auf der Grundlage von Art. 5 Ziffer 5 AoA verhängt werden, der seinerseits fünf Abstufungen für Auslöseschwellen enthält. cc) Vorläufige Schutzmaßnahmen Die Anwendungsschwelle des TDCA für vorläufige Schutzmaßnahmen ist in Art. 16 Satz 3 TDCA geregelt, wonach unter – nicht näher definierten – „besonderen Umständen“ die zur Begrenzung bzw. Beseitigung der Störung „notwendigen Maßnahmen“ getroffen werden können. Der jeweilige Vertragspartner ist bei seinem Auswahlermessen lediglich gehalten, den „Interessen beider Vertragsparteien“ Rechnung zu tragen. Als Zeitrahmen für vorläufige Schutzmaßnahmen gilt, dass sie bis zur Entscheidung des Kooperationsrates aufrecht erhalten werden können. Da eine solche Entscheidung zumindest de jure von der anwendenden Partei durch ihr Veto verhindert werden kann, gibt es im TDCA keinen vertraglichen Schutz gegen die unbegrenzte Anwendung von auf Art. 16 gestützten vorläufigen Schutzmaß66 Beschluss des Rates 2001/631/EG vom 26. Juni 2001, Abl. EG Nr. L 221/37 vom 17.08.2001.
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nahmen. Zum Schutz „junger Industrien und Wirtschaftszweige“ im Sinne des Art. 25 TDCA gilt indessen insofern eine Sonderregelung, als Südafrika – bezogen auf den Zollabbau im Agrarbereich (Art. 15 TDCA) – spezielle vorläufige Schutzmaßnahmen erlassen darf.67 Strenger sind die Voraussetzungen nach der WTO-Übereinkunft über Schutzmaßnahmen. Nach Art. 6 SMÜ können vorläufige Schutzmaßnahmen nur „unter kritischen Umständen, unter denen ein Aufschub einen schwer wieder gutzumachenden Schaden verursachen würde“, angewendet werden. Hinzu kommt, dass „eindeutige Beweise“ für die Kausalität zwischen dem Anstieg der Importmenge und dem (drohenden) „ernsthaften Schaden“ vorliegen müssen. Auch wenn die Tatbestandsmerkmale „preliminary determination“, „critical circumstances“ und „clear evidence“ bisher weder im SMÜ noch in den Berichten der Panels oder des Appellate Body näher definiert worden sind und deshalb Auslegungsspielräume bestehen, ist zu erwarten, dass die Streitbeilegungsorgane im Interesse eines funktionierenden Freihandels enge Maßstäbe anlegen werden. Im Übrigen begrenzt Art. 6 SMÜ die Länge der vorläufigen Schutzmaßnahmen auf 200 Tage. Anders als das TDCA und das SMÜ kennt das AoA keine eigenständige Regelung über vorläufige Schutzmaßnahmen. dd) Fazit Durch seine geringen Anwendungsvoraussetzungen unterscheidet sich die landwirtschaftliche Schutzklausel des TDCA grundlegend von den genannten WTO-Übereinkommen. Wie die südafrikanische Regierung dazu ausführt, war beiden Vertragspartnern daran gelegen, die Zugeständnisse im Agrarbereich jederzeit ohne große Hindernisse wieder einschränken zu können.68 Dieser Schutz war aus Sicht der Südafrikaner insbesondere im Hinblick auf potenziell unfairen Wettbewerb resultierend aus der GAP im Zusammenspiel mit dem Freihandelsabkommen als wichtig empfunden worden. Die geringe Schwelle des Art. 16 TDCA mag insofern geholfen haben, Bedenken gegen den ausgehandelten Liberalisierungsgrad im Agrarbereich auszuräumen. Dafür spricht im Übrigen auch die systematische Stellung der Vorschrift. Sie ist nicht Bestandteil der übrigen Regelungen zu den Schutzmaßnahmen in Titel III des Abkommens, sondern folgt unmittelbar auf die beiden Vorschriften zu den Zollzugeständnissen im Agrarbereich (Titel II, 67 Diese Sonderregelung gilt auch bezogen auf den südafrikanischen Zollabbau im Industriegüterbereich (Art. 12 TDCA). 68 Otto, The Department of Agriculture Perspective, in: Konrad Adenauer Stiftung (Hrsg.), Seminarreport – South African Business and the European Union in the Context of the New Trade and Development Agreement, S. 43 f.
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Abschnitt C, Art. 14 und 15). Dadurch gewinnt sie gleichsam die Funktion eines sich unmittelbar anschließenden „Vorbehalts“. Mangels klar definierter Kriterien birgt Art. 16 TDCA allerdings die Gefahr einer missbräuchlichen Anwendung in sich und verkörpert so gleichsam das Einfallstor für Handelsverzerrungen im Agrarbereich. Dem Einhalt zu gebieten ist die Aufgabe des Kooperationsrates, will er dem Vertragsziel einer Ausweitung und beiderseitigen Liberalisierung des Handels Vorschub leisten.69 Im Interesse von mehr Rechtssicherheit sollten die Vertragspartner jedoch bei einer Revision des TDCA die Erfahrungen mit dieser Klausel kritisch untersuchen und ggfs. die ersatzlose Streichung der Vorschrift erwägen, zumal Schutzmaßnahmen ebensogut auf das SMÜ oder das AoA gestützt werden können. Auswirkungen auf Drittstaaten hat diese Klausel jedoch nicht, weil sie nur das bilaterale Verhältnis betrifft. 2. Interne Stützungen und Subventionen Ein zweites agrarpolitisches Interventionsfeld stellen Stützungsmaßnahmen zugunsten der heimischen Landwirtschaft dar. Sie sind im Agrarhandel so verbreitet, dass die Begriffe „Landwirtschaft“ und „Subventionen“ in der Literatur bereits als synonyme Konzepte bezeichnet werden.70 Insbesondere die Industriestaaten, allen voran die Gemeinschaft, die USA und Japan, haben umfangreiche Subventionssysteme entwickelt, die für zahlreiche Wettbewerbsverzerrungen im internationalen Agrarhandel verantwortlich sind.71 Um diese Wirkungen künftig einzuschränken, wurde als Ergebnis der UruguayRunde eine Neuregelung der internen Stützung vereinbart. Dabei beurteilt sich die Rechtmäßigkeit von Stützungsmaßnahmen für landwirtschaftliche Erzeugnisse gemäß Art. 2 AoA nach dem Landwirtschaftsabkommen, während mögliche Ausgleichsmaßnahmen, soweit materiell vom AoA überhaupt erlaubt, gemäß Art. 21 AoA nach den Verfahrensvorschriften des Abkommens über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (SCM) verhängt werden. Angesichts der ausgeprägten Subventionspraxis – insbesondere in der Gemeinschaft – ist die Frage der internen Stützungen von besonderer Bedeutung für den europäisch-südafrikanischen Agrarhandel. Da das TDCA die Frage der Subventionen nur im Rahmen des insoweit nicht einschlägigen Tatbestands der staatlichen Beihilfen behandelt, ist auf die multilateralen Verpflichtungen der Gemeinschaft und Südafrikas zurückzugreifen. Ein69
Art. 1 (d) TDCA. Palmeter, Agriculture and Trade Regulation: Selected Issues in the Application of U.S. Antidumping and Countervailing Duty Laws, JWT 23 (1989), S. 59. 71 Eine OECD-Studie belegt, dass diese drei Staaten/Staatengemeinschaften 90 Prozent aller internen Stützungen gewähren, OECD, The Uruguay Round Agreement on Agriculture, S. 7 und Teil II. 70
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schlägig sind insoweit das AoA als Spezialtatbestand und die WTO-Subventionsordnung als Auffangtatbestand. a) Interne Stützungen für landwirtschaftliche Erzeugnisse Einkommens- und Preisstützungen auf landwirtschaftliche Erzeugnisse werden im AoA nicht als „Subventionen“, sondern als „interne Stützungen“ („domestic support“) bezeichnet. Faktisch dürfte zwischen beiden Termini kaum ein Unterschied bestehen. Allerdings verhilft die Begriffsschöpfung des AoA den landwirtschaftlichen Beihilfen zumindest zu einem semantischen Sonderstatus.72 Art. 6 AoA teilt den „domestic support“ – je nach seinen Wirkungen auf den Agrarhandel – in abzubauende, bedingt erlaubte und erlaubte Stützungen auf, denen in der WTO in Anlehnung an den Funktionsgedanken einer Ampel die eigenwilligen Farben dunkelgelb („Amber“), blau und grün zugeordnet werden.73 Entsprechende interne Stützungsmaßnahmen sind dem Landwirtschaftsausschuss der WTO gemäß Art. 18 Ziffer 2 AoA jährlich zu notifizieren. aa) Abzubauende Stützungsmaßnahmen: Amber-Box Im Grundsatz gilt nach Art. 6 Ziffer 1 AoA, dass interne Stützungsmaßnahmen wegen ihrer markt- und wettbewerbsverzerrenden Wirkung unerwünscht und daher stufenweise abzubauen sind, soweit sie nicht von den Ausnahmetatbeständen der Blue-Box (Art. 6 Ziffer 5 AoA) oder der GreenBox (Anhang 2 zum AoA) erfasst werden. Die Abbauverpflichtung beinhaltet, dass Industriestaaten die Subventionen bis zum Jahr 2000 um 20 Prozent74 und Entwicklungsländer bis zum Jahr 2004 um 13,3 Prozent75 – bezogen auf den Referenzzeitraum der Jahre 1986–1988 – zurückfahren müssen. Die Verringerung bezieht sich auf das „Gesamte Aggregierte Stüt72 Der Begriff der internen Stützung („domestic support“) bezieht sich sowohl auf interne Subventionen („domestic subsidies“) als auch auf Herstellungssubventionen („production subsidies“), obgleich sich diese in der Praxis kaum voneinander abgrenzen lassen, Desta, The Law of International Trade in Agricultural Products, S. 305 f. 73 Fact Sheet: Domestic Support in Agriculture, The Boxes, WTO (1. Oktober 2002). Die Unterscheidung nach Farben entspricht lediglich der WTO Terminologie. Sie findet sich im Rechtstext nicht wieder. 74 Nach Ziffer 8 der Modalitäten (Dok. MTN.GNG/MA/W/24 vom 20. Dezember 1993) muss das „Gesamte Aggregierte Stützungsmaß“ (Gesamt-AMS) um 20 Prozent gesenkt werden. 75 Entwicklungsländer haben die Senkungsverpflichtung nur zu Zweidrittel zu erfüllen. Siehe Ziffern 5 und 15 der Modalitäten (Dok. MTN.GNG/MA/W/24 vom 20. Dezember 1993).
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zungsmaß“ (Gesamt-AMS, „Total Aggregate Measurement of Support“). Dies ist ein Gesamtindikator, der es ermöglicht, die verschiedenen internen Stützungsmaßnahmen76 einheitlich darzustellen und verschiedene Formen von Stützungsmaßnahmen mit Auswirkungen auf die Erzeugung und den Handel miteinander zu vergleichen.77 Das Gesamt-AMS, das zunächst als „aggregiertes Stützungsmaß“ (AMS) auf produktspezifischer Basis zu berechnen ist,78 entspricht dem Unterschied zwischen den internen Preisen und den Weltmarktpreisen, multipliziert mit dem Produktionsvolumen. Von 144 WTO-Mitgliedern haben 34 Amber-Box-Maßnahmen notifiziert, darunter die Gemeinschaft und Südafrika.79 In die Amber-Box fällt auch das Interventionssystem der Gemeinschaft zur Garantie eines Mindestpreises. Die damit verbundene Abnahmepflicht führte in der Vergangenheit zwangsläufig zu zahlreichen Fehlentwicklungen (Butterberge, Weinseen, Lebensmittelvernichtung etc.).80 Erst im Rahmen der grundlegenden Agrarreform vom 30.06.1992 und der Agenda 2000 erfolgte durch Reduzierung der Interventionspreise eine gewisse Abkehr von der mehr oder weniger unbeschränkten Preisgarantie.81 Die Gemeinschaft 76 Wo diese nicht als AMS berechnet werden können, wird das jährliche Ausmaß der Stützung als so genanntes „äquivalentes Stützungsmaß“ (EMS) in Geldwert ausgedrückt und in die Berechnung des Gesamt-AMS einbezogen, Art. 1 lit. d AoA. 77 Zur genauen Definition des „Gesamt-AMS“, siehe Art. 1 sowie Anhang 3 und 4 AoA. 78 Das AMS ist nach Anhang 3 AoA auf produktspezifischer Grundlage für jedes landwirtschaftliche Grunderzeugnis zu berechnen, für das Marktpreisstützungen, nicht ausgenommene Direktzahlungen oder andere nicht von der Senkungsverpflichtung ausgenommene Beihilfen gewährt werden. Siehe auch Appellate Body Bericht „Korea-Beef“ WT/DS161/AB/R und WT/DS169/AB/R vom 11. Dezember 2000, Ziffer 46. 79 WTO, Committee on Agriculture, Domestic Support, TN/AG/S/4 vom 20. März 2002, Ziffer 4. 80 Bei diesem System wird jeweils produktbezogen ein Richt- und ein Interventionspreis festgesetzt. Der Richtpreis gilt als Zielvorgabe für die Vermarktung eines Produktes. Kann er auf dem (Welt-)Markt nicht erzielt werden, so können die im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisationen (Art. 34 EG-Vertrag) geschaffenen Interventionsstellen verpflichtet sein, das Produkt zum so genannten Interventionspreis aufzukaufen, der unterhalb des für die Vermarktung des jeweiligen Produktes als Zielvorgabe von den Gemeinschaftsorganen bestimmten „Richtpreises“ festgesetzt wird und den Landwirten de facto einen Mindestpreis garantiert. 81 Die Gemeinschaft geht davon aus, dass die im Rahmen der Agrarreform und Agenda 2000 beschlossene Absenkung der Stützpreise zu einer Absenkung des AMS der Gemeinschaft von derzeit ca. 50 Mrd. Euro um etwa 30 Prozent auf 32 Mrd. Euro führt (Information des Verbraucherministeriums, Das Agrarübereinkommen der Uruguay-Runde, in: Spielregeln für die Globalisierung – Verbraucherund agrarpolitische Aspekte der WTO-Verhandlungen, http://www.verbraucher ministerium.de/aktuelles/wto/kap6.htm, aufgerufen am 30.01.2004).
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ist allerdings darum bemüht, die wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Landwirte mit der Einführung direkter Einkommensbeihilfen aufzufangen. Da diese Maßnahmen produktionsentkoppelt sind, fallen sie nicht unter die Amber-Box und unterliegen deshalb zunächst keiner weiteren Abbaupflicht. Im Übrigen lässt die de-minimis Regel in Art. 6 Ziffer 4 lit. a AoA weiterhin Raum für solche Subventionen, die weniger als 5 Prozent der landwirtschaftlichen Gesamtproduktion bzw. – bei produktspezifischen Stützungen – weniger als 5 Prozent der Produktion des entsprechenden Grunderzeugnisses ausmachen, wobei für Entwicklungsländer gemäß Art. 6 Ziffer 4 lit. b AoA jeweils die 10 Prozent Grenze gilt. bb) Nicht abzubauende Stützungsmaßnahmen: Blue-Box und Green-Box Interne Stützungsmaßnahmen, die von den Abbauverpflichtungen ausgenommen sind, können von der AMS-Berechnung ausgenommen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass die WTO-Mitglieder diesen Anspruch geltend machen und rechtfertigen, da Stützungsmaßnahmen ansonsten gemäß Art. 7 AoA automatisch der Amber-Box zugeordnet werden. Stützungsmaßnahmen der Blue-Box entsprechen im Wesentlichen den Kriterien der Amber-Box, allerdings mit dem Unterschied, dass die Stützung nur im Rahmen von Programmen gewährt wird, die der Erzeugerbeschränkung unterliegen. Dazu gehören gemäß Art. 6 Ziffer 5 AoA Einkommensbeihilfen, die zwar an die Produktion gekoppelt sind, wie beispielsweise an die bewirtschaftete Fläche, die Erträge oder die Bestandsgröße, die aber gleichzeitig Erzeugungsbeschränkungen unterliegen wie z. B. Flächenstilllegungen. Die Blue-Box wurde auf Drängen der Gemeinschaft eingerichtet. Neben ihr haben von den 144 WTO-Mitgliedern jedoch nur sechs weitere Länder Blue-Box-Maßnahmen notifiziert, nämlich Island, Japan, Norwegen, die Slowakische Republik, Slovenien und die Vereinigten Staaten.82 Das Finanzvolumen für die Blue-Box-Maßnahmen der Gemeinschaft entspricht in etwa demjenigen seiner Green-Box-Maßnahmen,83 wobei diesbezüglich von der WTO keine Grenzen vorgegeben werden.84 82 Domestic Support, Background Paper by the Secretariat, Supporting Table DS:3, WTO Dok. TN/AG/S/4 vom 20. März 2002, Anhang 2, S. 49–51. 83 Die Blue-Box-Maßnahmen der Gemeinschaft verschlangen im Jahr 1995 US$ 26,850 Mio und sind bis zum Jahre 1998 auf US$ 22,418 Mio leicht zurückgegangen, Domestic Support, Background Paper by the Secretariat, Supporting Table DS:3, WTO Dok. TN/AG/S/4 vom 20. März 2002, Anhang 3, S. 66. 84 Zusätzlich zu den Blue-Box-Maßnahmen sind Entwicklungsprogramme der Entwicklungsländer zur Förderung der landwirtschaftlichen und ländlichen Entwicklung gemäß Art. 6 Ziffer 2 AoA von der Abbauverpflichtung ebenfalls ausgenommen.
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Staatshilfen, die „im Rahmen eines aus öffentlichen Mitteln finanzierten staatlichen Programms (einschließlich Einnahmeverzicht der öffentlichen Hand) bereitgestellt werden, das keinen Transfer von den Verbrauchern mit sich bringt“ und die „sich nicht wie eine Preisstützung für die Erzeuger auswirken“, werden gemäß Anhang 2 Ziffer 1 als handelsneutral eingestuft. Sie gehören in die so genannte Green-Box. Als entsprechende Stützungsmaßnahmen benennt Anhang 2 Ziffer 2–13 AoA beispielhaft allgemeine Dienstleistungen für die Landwirtschaft, öffentliche Lagerhaltung aus Gründen der Ernährungssicherheit, interne Nahrungsmittelhilfe, Direktzahlungen an Erzeuger, finanzielle Beteiligung der öffentlichen Hand an Einkommensversicherungen und anderen Einkommenssicherungsprogrammen, Zahlungen als Hilfe bei Naturkatastrophen, Strukturanpassungshilfen in Form von Ruhestandsprogrammen für Erzeuger, Strukturanpassungshilfen in Form von Programmen zur Stilllegung von Ressourcen, Strukturanpassungshilfen in Form von Investitionsbeihilfen, Zahlungen im Rahmen von Umweltprogrammen und Zahlungen im Rahmen von Regionalbeihilfeprogrammen. Sie sind weiterhin alle erlaubt. Die Freistellung von der Abbauverpflichtung wird in Anhang 2 Nr. 1 AoA damit begründet, dass von entsprechenden Maßnahmen kein unmittelbarer Einfluss auf den Produktionsumfang ausgeht und sie deshalb nicht oder nur sehr gering handels- oder wettbewerbsverzerrend wirken können. Jedoch lässt die weit gefasste Definition der unter die Green-Box fallenden Maßnahmen erhebliche Zweifel an deren Handelsneutralität aufkommen. Im Übrigen ist das Finanzvolumen der notifizierten Green-Box-Maßnahmen beträchtlich: Die Zahlen für die Gemeinschaft lagen im Jahre 1995 bei US$ 24.188 Mio. und gingen bis zum Jahre 1998 auf US$ 20.958 Mio. nur leicht zurück. Dagegen reduzierte Südafrika seine Unterstützung im gleichen Zeitraum um mehr als ein Drittel von US$ 763 Mio. auf US$ 423 Mio.85 b) Exportsubventionen Exportsubventionen waren sowohl in der Gemeinschaft unter der GAP als auch in Südafrika unter seinem „General Export Incentive Scheme“ (GEIS)86 ein verbreitetes Mittel der Absatzförderung. Dabei konnten sich beide Seiten auf Art. XVI Ziffer 3 GATT 1994 stützen, der die Subventionierung landwirtschaftlicher Grunderzeugnisse erlaubte, solange das Export85
Domestic Support, Background Paper by the Secretariat, Supporting Table DS:3, WTO Dok. TN/AG/S/4 vom 20. März 2002, Anhang 3, S. 66 und 85. 86 Dieses Exportsubventionssystem unterstützte bis zu seinem Auslaufen im Juli 1997 natürliche oder juristische Personen beim Export bestimmter Kategorien von Waren, WTO, Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/S/ 114/ZAF vom 24. März 2003, S. A4-254, Ziffer 53.
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land dadurch „nicht mehr als einen angemessenen Anteil am Welthandel“ erhielt. Jedoch sind gemäß Art. 3 SCM-Übereinkommen (mit Ausnahme der Bestimmungen in dem Agrarübereinkommen) nunmehr grundsätzlich alle Exportsubventionen verboten, die gänzlich oder tatsächlich von einer Ausfuhrleistung abhängig oder an die Bedingung geknüpft sind, inländische statt ausländische Waren zu verwenden.87 Das AoA schafft zahlreiche Ausnahmen zum Subventionsverbot, wodurch sich ein drittes Interventionsfeld zum Schutz der nationalen Landwirtschaft etablieren konnte. Allerdings hat die Uruguay-Runde auch dazu geführt, dass die davon profitierenden 25 Mitglieder, darunter die Gemeinschaft und Südafrika, sich zu teilweise erheblichen Einschränkungen ihrer Exportbeihilfen verpflichtet haben.88 Nach der Begriffsdefinition in Art. 1 lit. e AoA findet das WTO-Agrarabkommen auf solche Subventionen Anwendung, die in Abhängigkeit von der Ausfuhrleistung gewährt werden. Da weder in Art. 1 noch an anderer Stelle im AoA eine Definition des Begriffs „Subvention“ getroffen wurde, ist insoweit auf Art. 1 Ziffer 1 SCM-Übereinkommen zurückzugreifen, welcher analog auf das AoA angewendet wird.89 Art. 1 Ziffer 1 SCM-Übereinkommen definiert eine Subvention als eine finanzielle Beihilfe durch eine öffentliche Stelle, die zu irgendeiner Form der Einkommens- oder Preisstützung führt, und dadurch einen Vorteil gewährt. Diese finanzielle Beihilfe muss konditional an die Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder Erzeugnisgruppen anknüpfen, wobei das Übereinkommen keine weiteren Anforderungen an die Natur der Ausfuhrsubvention stellt, also bspw. nicht verlangt, dass die Subvention erst anlässlich der Ausfuhr erfolgen darf.90 87 Art. 3 SCM. In Anhang I SCM werden folgende Ausfuhrsubventionen beispielhaft aufgeführt: direkte Subventionen nach Maßgabe der Ausfuhrleistungen, Devisenbelastungsverfahren im Sinne einer Einfuhrprämie, Transport- und Frachtgebührenermäßigungen für Exportgüter, die Bereitstellung von staatlich verbilligten Vorprodukten und Dienstleistungseinrichtungen für die Exportproduktion, Steuervergünstigungen, Steuernachlässe und Steuerfreibeträge, der Erlass und die Rückerstattung von Einfuhrzöllen, die Gewährung von Exportkreditgarantien, Exportkreditversicherungen und Ausfuhrkredite sowie jede andere Inanspruchnahme öffentlicher Gelder, die eine Ausfuhrsubvention im Sinne des Art. XVI GATT 1994 darstellt. 88 Export Subsidies, Background Paper by the Secretariat, TN/AG/S/8 vom 9. April 2002. 89 Appellate Body Bericht „Canada-Dairy“ WT/DS103/AB/R vom 13. Oktober 1999, Ziffer 85; Panel Bericht „US-FSC“ WT/DS108/R vom 8. Oktober 1999, Ziffer 7.150. 90 Pitschas, Ausfuhrsubventionen nach dem WTO-Übereinkommen über die Landwirtschaft – gegenwärtiger Stand und zukünftige Perspektive, RIW 2001, S. 205, 207.
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Wie sich aus Art. 8 AoA ergibt, sind die WTO-Mitglieder verpflichtet, Exportsubventionen nur nach Maßgabe dieses Übereinkommens und den diesbezüglich übernommenen Verpflichtungen zu gewähren. Den rechtlichen Rahmen dazu bieten die Art. 3, 8–11 und die Ziffern 11 und 12 der „Modalities“ sowie deren Anhänge 7 und 8. Nach Art. 9 Ziffer 1 AoA bestehen Senkungsverpflichtungen für (a) direkte Subventionen der öffentlichen Hand, einschließlich der Sachleistungen an Firmen, Wirtschaftszweige oder Produzenten von Agrargütern, (b) die Überlassung oder der Verkauf von Gütern zum Export aus öffentlichen Lagern zu Preisen, die unter dem Marktpreis liegen, (c) die staatlich finanzierten Zuwendungen an die Ausfuhr von landwirtschaftlichen Gütern,91 (d) die staatlichen Beiträge an das Auslandsmarketing, (e) die Übernahme von Transport- und Frachtkosten im In- und Ausland für Frachtgüter sowie (f) die Beiträge, die indirekt, d. h. über die Subventionierung von Vor- und Nebenprodukten, in die Exportprodukte eingehen. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu beachten, dass diese Aufzählung nicht im Sinne einer trennscharfen Kategorisierung zu sehen ist, sondern dass sich einzelne Kategorien von Ausfuhrsubventionen durchaus überschneiden können.92 Gemäß Art. 3 Ziffer 3 AoA unterwerfen sich die WTO-Mitglieder zwei Bindungen. Zum einen dürfen Ausfuhrsubventionen nur für diejenigen landwirtschaftlichen Erzeugnisse oder Erzeugnisgruppen gewährt werden, die in Abschnitt II Teil VI der jeweiligen Listen aufgenommen wurden. Zum anderen dürfen weder die in den Listen gemäß Art. 9 Ziffer 2 lit. a AoA jährlich anzugebenden Subventionsbeträge noch die dort angegebenen förderungsfähigen Mengen an landwirtschaftlichen Erzeugnissen oder Erzeugnisgruppen überschritten werden.93 Die Liste Südafrikas enthält 62 Produkte, für die eine Pflicht zum Abbau von Exportbeihilfen besteht, diejenige der Gemeinschaft bezieht sich dagegen lediglich auf 20 Erzeugnisse.94 Allerdings ist das Verhältnis in Bezug auf das Ausmaß der Unterstützung umgekehrt. Während die von der Gemeinschaft gewährten Exporterstattungen rund 83 Prozent aller 1995 und 1996 gezahlten Agrarexportsubventionen 91
Zur Auslegung der in Ziffer 1 lit. a–c genannten Kategorien an Exportsubventionen, siehe Appellate Body Bericht „Canada-Dairy“ WT/DS103/AB/R vom 13. Oktober 1999, Ziffer 85. 92 So auch der Panel Bericht „Canada-Dairy“ WT/DS103/R vom 17. Mai 1999, Ziffer 7.35. 93 Zu den rechtlichen Voraussetzungen der WTO-Ausfuhrsubventionen im Einzelnen, siehe: Pitschas, Ausfuhrsubventionen nach dem WTO-Übereinkommen über die Landwirtschaft – gegenwärtiger Stand und zukünftige Perspektive, RIW 2001, S. 205, 206 ff. 94 WTO Export Subsidies, Background Paper by the Secretariat, TN/AG/S/8 vom 9. April 2002, Table 2, S. 3.
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ausmachten, betrugen die entsprechenden Unterstützungsleistungen Südafrikas lediglich 8,5 Prozent.95 Nach Ziffer 11 sowie den Anhängen 7 und 8 der Modalities haben sich Südafrika und die Gemeinschaft wie alle Industriestaaten verpflichtet, in den Jahren 1995 bis 2000 ihre geldwerten Exportsubventionen um 36 Prozent und die Menge der subventionierten Exporte um 21 Prozent im Vergleich zum Referenzzeitraum (1986 bis 1990) zu senken.96 Der Subventionsabbau gilt auch für verarbeitete Nahrungsmittel (z. B. Schokolade und Kekse), die aber nach Anhang 7 der Modalities keiner mengenmäßigen, sondern nur einer budgetären Senkungsverpflichtung unterliegen. Ausfuhrsubventionen für landwirtschaftliche Verarbeitungserzeugnisse dürfen nach Art. 11 AoA im Übrigen nicht höher sein als die Ausfuhrsubventionen, welche für in diesen Verarbeitungserzeugnissen enthaltene Grunderzeugnisse gewährt würden, wenn sie in unverarbeitetem Zustand exportiert werden würden. Die Senkungsverpflichtungen sind aus südafrikanischer Sicht von entscheidender Bedeutung. Nach einer Untersuchung des „European Research Office“ führen die derzeitigen Exporterstattungen97 der Gemeinschaft auf Zucker-, Milch-, Getreide-, Eier- und Reiszusätze in verarbeiteten Produkten dazu, dass südafrikanische Firmen trotz ihrer erheblich niedrigeren Produktionskosten nicht mit europäischen Herstellern von verarbeiteten Nahrungsmitteln konkurrieren können.98 Auf Seiten der Gemeinschaft liegt der Ausnutzungsgrad bei subventionierten Ausfuhren sowohl bezüglich der Finanzbudgets als auch im Hinblick auf mögliche Mengen bei vielen Produkten noch erheblich unter der in den Listen vereinbarten Höchstgrenze. Hinsichtlich bestimmter Produkte 95 Die USA wenden vorwiegend indirekte Exportunterstützungen an, wie beispielsweise vergünstigte Kredite und staatliche Exportkreditversicherungen. Diese werden von der Pflicht zum Subventionsabbau des AoA nicht erfasst. Vielmehr verweist das AoA insoweit auf die noch nicht abgeschlossenen internationalen Verhandlungen zur Regelung solcher Kredite (Art. 10 Ziffer 2). Dadurch liegt der Anteil der USA an den weltweit abzubauenden Exportsubventionen bei nur 2 Prozent und damit viermal niedriger als der Anteil Südafrikas. 96 Für Entwicklungsländer gilt nach Ziffer 15 der Modalitäten die Zweidrittelverpflichtung und ein Zeitraum von jeweils 10 Jahren, d. h. 24 bzw. 14 Prozent. Ausgenommen von der Senkungsverpflichtung sind gemäß Ziffer 16 der Modalitäten die wirtschaftlich schwächsten Länder, die ihre bestehenden Exportsubventionen allerdings auch nicht aufstocken dürfen (Dok. MTN.GNG/MA/W/24 vom 20. Dezember 1993). 97 Entsprechend der Differenz zwischen dem Preis auf dem Gemeinschaftsmarkt und demjenigen auf dem Weltmarkt. 98 European Research Office, Impact of the CAP on the Development of Value Added Food Processing Industries in Southern Africa, „The External Effects of the Common Agricultural Policy“ Series (August 2001).
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D. Der Agrarhandel
führen die budgetäre Begrenzung (z. B. bei Zucker) einerseits und die mengenmäßige Beschränkung subventionierter Exporte (z. B. bei Grobgetreide, Käse, anderen Milcherzeugnissen und Schweinefleisch) andererseits zu spürbaren Einschränkungen.99 Dies gilt erst recht, nachdem nach Art. 9 Ziffer 2 lit. b AoA die Möglichkeit, nicht ausgenutzte Erstattungsbudgets und Exportmengen aus den Vorjahren in bestimmten Grenzen für die Folgejahre in Anspruch zu nehmen, seit dem Ende des „Durchführungszeitraums“ (2000/2001)100 nicht mehr besteht. Die Umsetzung des AoA ist also mit weitreichenden strukturellen Veränderungen auf beiden Seiten verbunden. So hat sich für Südafrika beispielsweise der Export von Dosenfrüchten in die Gemeinschaft nach Abschaffung des GEIS erheblich erschwert.101 Andererseits ist zu erwarten, dass die Reduzierung der Exportbeihilfen an anderer Stelle neue Marktchancen eröffnet. c) Rechtsdurchsetzung aa) Anwendung der „Peace Clause“ in Art. 13 AoA Bisher wurde der WTO-Streitbeilegungsmechanismus, der nach Art. 19 AoA (und Art. 21 AoA) grundsätzlich Anwendung findet, in Bezug auf die Rechte und Pflichten aus dem AoA kaum bemüht. Grund ist die so genannte „Peace Clause“ in Art. 13 AoA, welche die Erhebung von Gegenund Ausgleichsmaßnahmen nach dem insoweit grundsätzlich anwendbaren SCM während des „Durchführungszeitraums“ erheblich einschränkte. Dieser ist gemäß Art. 1 lit. f AoA erst zum 1. Januar 2004 ausgelaufen.102 Bis zu diesem Zeitpunkt konnten gegen Stützungsmaßnahmen der Green-Box überhaupt keine Ausgleichszölle verhängt werden.103 Auch gegen Amber 99 Information des Verbraucherministeriums, Das Agrarübereinkommen der Uruguay-Runde, in: Spielregeln für die Globalisierung – Verbraucher- und agrarpolitische Aspekte der WTO-Verhandlungen, http://www.verbraucherministerium.de/ aktuelles/wto/kap6.htm, aufgerufen am 30.01.2004. 100 Der gemäß Art. 1 lit. f AoA am 1. Januar 2004 endet. 101 In Paarl führte dies u. a. zur Schließung der Langeberg Nahrungsmittelfabrik und dem Verlust von 2.000 Arbeitsplätzen: Head, „Ek het niks“ – The Impact of European Union Policies on Woman Canning Workers in South Africa, S. 3 ff. 102 Zwar wird auch die Auffassung vertreten, dass die Frist für die Anwendung der „Peace Clause“ erst mit der Umsetzung der Zugeständnisse begann, was im Fall der EG der 1. Juli, nicht aber der 1. Januar wäre (Matthews, Agriculture After Cancun, S. 13, Fn. 23). Dies ist jedoch abzulehnen, da die Bezugnahme auf den „Durchführungszeitraum“ in Art. 1 lit. f AoA eindeutig ist und keine Spielraum für die Verschiebung der Frist nach hinten lässt. 103 Insoweit war die Anwendung von Ausgleichsmaßnahmen nach Art. XVI GATT 1994 bzw. Teil III (Art. 5–7) SCM ausgeschlossen (Steinberg/Josling, When
II. Gestaltung des bilateralen Agrarhandels
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und Blue-Box Stützungsmaßnahmen konnten keine Ausgleichszölle verhängt werden, soweit sie gemäß Art. VI GATT 1994 und Teil V SCM-Übereinkommen keine schwer zu beseitigenden Schäden verursacht hatten oder zu verursachen drohten und eine – nicht weiter definierte – Zurückhaltung („due restraint“) ausgeübt worden war. Darüber hinaus waren Maßnahmen des Art. 6 weder gemäß Art. XVI:1 oder Art. 5 und 6 SPS-Übereinkommen anfechtbar, noch waren Mitglieder zu Konsultationen im Hinblick auf vereinbarte Zugeständnisse gemäß Art. II und XXII GATT 1994 verpflichtet, solange die in Rede stehenden Stützungsmaßnahmen das im Wirtschaftsjahr 1992 beschlossene Maß nicht überschritten. Ähnliches galt für Exportsubventionen, die nur dann nicht von Art. 13 AoA geschützt wurden, wenn eine Schädigung oder drohende Schädigung festgestellt werden konnte und die gebotene Zurückhaltung geübt worden war. Umstritten ist jedoch, ob der Schutz nur für Exportsubventionen galt, die dem Teil V des AoA voll entsprachen104 oder ob die Exportsubventionen, welche den vereinbarten Senkungsbetrag nach dem Agrarabkommen überschritten, zwar gegen Art. 8 AoA verstoßen, ohne jedoch dadurch zu verbotenen Exportsubventionen im Sinne von Art. 3 SCM zu werden.105 Diese – nach dem Ablauf der Friedensfrist eher akademische – Frage dürfte im Sinne der ersten Auffassung zu beantworten sein, da keine Gründe dafür ersichtlich sind, eine dem AoA widersprechende Exportsubvention in den Genuss der Immunität von Art. 3 SCM zu bringen. Wie Art. 13 AoA explizit zum Ausdruck bringt, unterliegen die Exportsubventionen, die vollständig im Einklang mit Teil V des AoA stehen, keinen Maßnahmen nach Art. 3, 5 und 6 SCM. Im Umkehrschluss genießen Agrarexportsubventionen, die im Konflikt mit dem AoA gewährt werden, nicht mehr den Schutz des Art. 13 und können daher auch Maßnahmen nach Art. 3 SCM unterliegen. Nach dem Ablauf der Friedenspflicht ist nunmehr eine verstärkte Durchsetzung der Rechte aus dem AoA zu erwarten,106 wodurch zumindest mehr Disziplin in den Agrarhandel gebracht werden dürfte. the Peace ends: The Vulnerability of EC and US Agricultural Subsidies to the WTO Legal Challenge, JIEL 6 (2003), S. 369, 373). 104 So Pitschas, der die Auffassung vertritt, dass Ausfuhrsubventionen, die im Widerspruch zu Art. 3.3, 9, 10.1. und 11 gewährt wurden, nicht nur gegen das AoA, sondern auch gegen das SCM verstoßen könnten (Pitschas, Ausfuhrsubventionen nach dem WTO-Übereinkommen der Landwirtschaft, RIW 2001, S. 206, 211, Fn. 52 m. w. N.). Ebenso Desta, The Law of International Trade in Agricultural Products, S. 294. 105 Steinberg/Josling, When the Peace ends: The Vulnerability of EC and US Agricultural Subsidies to the WTO Legal Challenge, JIEL 6 (2003), S. 369, 377. 106 So auch Chambovey, How the Expiry of the Peace Clause (Article 13 of the WTO Agreement on Agriculture) Might Alter Disciplines on Agricultural Subsidies in the WTO Framework, JWT 36 (2002), S. 305, 306 f.
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D. Der Agrarhandel
bb) Maßnahmen nach Teil II und III SCM: Abhilfemaßnahmen (sog. „Track II“) Soweit Amber-Box- und Blue-Box-Subventionen sowie Exportsubventionen, die den Vorgaben des AoA entsprechen, nicht spezifisch im Sinne von Art. 3 SCM sind, richtet sich das Verfahren gemäß Art. 21 und 13 AoA nach Teil III SCM.107 Was den Bereich der Green-Box-Subventionen betrifft, könnte man zunächst annehmen, dass der Wegfall der Sonderregelungen für nichtanfechtbare Subventionen nach Teil IV (Art. 8 und 9) SCM seit dem 31.12.1999108 dazu geführt hat, dass die Vergabe von Green-BoxSubventionen unbeschränkt – da nicht gesetzlich geregelt – möglich geworden ist.109 Dies würde auch dem Interesse der Mitglieder entsprechen, die sich für die Kategorie der Green-Box-Subventionen stark gemacht hatten. Auf der anderen Seite wird man berücksichtigen müssen, dass sich die Lücke, die insoweit durch den Wegfall von Teil IV des SCM entstanden ist, durch die verbliebenen Vorschriften im SCM schließen lässt. Dies würde jedoch nicht automatisch die Anfechtbarkeit der Green-Box-Subventionen nach sich ziehen, da die Anfechtbarkeit von internen Stützungen nach Art. 5 und 6 SCM-Übereinkommen grundsätzlich voraussetzt, dass sich die Subvention nachteilig auf die Interessen der Handelspartner auswirkt. Dies dürfte bei den meisten Green-Box-Subventionen, die den Vorgaben im Annex 2 entsprechen, nicht der Fall sein.110 Hat eine Green-Box-Subvention hingegen negative Wirkungen, welche die Anwendung von Maßnahmen nach Art. 5 ff. SCM-Übereinkommen rechtfertigen würden, sind keine Gründe ersichtlich, diese Subventionsart nicht auch dem normalen Regime der Schutzmaßnahmen zu unterstellen. Daher ist im Ergebnis davon auszugehen, dass für die im Agrarabkommen als Green-Box zu bezeichnenden Subventionen – wie auch für die Amber-Box- und Blue-Box-Subventionen – die normalen Vorschriften der Art. 5 ff. SCM-Übereinkommen gelten und 107
Steinberg/Josling, When the Peace ends: The Vulnerability of EC and US Agricultural Subsidies to the WTO Legal Challenge, JIEL 6 (2003), S. 369, 388. 108 Wie sich aus Art. 31 SCM ergibt, galten die Vorschriften der Art. 8 und 9 nur für fünf Jahre nach In-Kraft-Treten des WTO-Übereinkommens (d. h. bis zum 31.12.1999), mit der Option, dass der SCM-Ausschuss deren Fortgeltung verlängern konnte. Ein entsprechender Beschluss ist jedoch bislang nicht ergangen, so dass es derzeit keine Sonderregelungen für erlaubte Subventionen gibt (World Trade Organisation, Subsidies and Countervailing Measures Overview, Note 1, siehe http://www. wto.org/english/traptop_e/scm_e/subs_e.htm, aufgerufen am 16. Januar 2004). 109 Chambovey, How the Expiry of the Peace Clause (Article 13 of the WTO Agreement on Agriculture) Might Alter Disciplines on Agricultural Subsidies in the WTO Framework, JWT 36 (2002), S. 305, 317. 110 Chambovey, How the Expiry of the Peace Clause (Article 13 of the WTO Agreement on Agriculture) Might Alter Disciplines on Agricultural Subsidies in the WTO Framework, JWT 36 (2002), S. 305, 318 ff.
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nur von Fall zu Fall entschieden werden kann, ob die Subvention anfechtbar ist oder nicht. Besteht Grund zu der Annahme, dass eine Subvention zu Unrecht gewährt wird oder nur schwer zu beseitigende Schäden verursacht oder zu verursachen droht, so kann ein davon betroffenes Land das Verursacherland um Konsultationen ersuchen. Kommt es dabei nicht in der vorgegebenen oder vereinbarten Frist zu einer einvernehmlichen Lösung, besteht bei verbotenen oder anfechtbaren Subventionen die Möglichkeit, die Angelegenheit zwecks Einsetzung eines Panels vor das WTO-Streitbeilegungsorgan (DSB) zu bringen.111 Die Schlussberichte des Panels werden dem DSB zur Genehmigung vorgelegt. Gegen sie ist Berufung zum Appellate Body möglich. Kommt das die Subventionen gewährende Land der Umsetzung der Ergebnisse dieses Verfahrens nicht in der vorgegebenen Frist nach, so wird das antragstellende Land vom DSB zu Gegenmaßnahmen ermächtigt. Gegenmaßnahmen bestehen in der Aussetzung von Zugeständnissen oder sonstigen Pflichten und können auch in Form einer Ausgleichszollerhebung ergehen.112 Die möglichen Abhilfemaßnahmen für verbotene und anfechtbare Subventionen gleichen einander im Wesentlichen und unterscheiden sich hauptsächlich im Hinblick auf den Zeitraum für den Verfahrensablauf. Für Exportsubventionen gilt Ähnliches: solange sie den Vorgaben des AoA entsprechen, sind sie unter den Bedingungen der Art. 5 ff. SCM-Übereinkommen allenfalls anfechtbar. Anders ist es hingegen bei Agrarexportsubventionen, die nicht den Voraussetzungen des AoA entsprechen. Da Art. 3 SCM vom rigorosen Verbot der Exportsubventionen nur solche Subventionen ausnimmt, die unter das AoA fallen, liegt bei einem Verstoß der Agrarexportsubvention gegen das AoA insoweit auch keine „schutzbedürftige“ Agrarexportsubvention vor und sie unterfällt dem Regime der verbotenen Exportsubventionen.113 Sowohl die anfechtbare wie auch die verbotene Exportsubvention kann vor ein Panel des DSB gebracht werden. Sofern eine Empfehlung zur Beendigung der Subventionspraxis nicht befolgt wird, kann das beschwerdeführende WTO-Mitglied vorbehaltlich der Zustimmung des DSB nach 4.10 Gegenmaßnahmen ergreifen.114
111 Im Hinblick auf anfechtbare Subventionen kann das Panel seinerseits auf die Ständige Sachverständigengruppe (Permanent Group of Experts, PGE) zurückgreifen, deren Entscheidung es dann aber als verbindlich zu akzeptieren hat. 112 Becker, Das WTO-Subventionsabkommen, S. 43. 113 So auch Desta, The Law of International Trade in Agricultural Products, S. 294. 114 Pitschas, Ausfuhrsubventionen nach dem WTO-Übereinkommen der Landwirtschaft, RIW 2001, S. 206, 213.
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D. Der Agrarhandel
cc) Maßnahmen nach Teil V SCM: Ausgleichsmaßnahmen/Ausgleichszölle (sog. „Track I“) Ausgleichsmaßnahmen werden in einem rein nationalen Verfahren festgelegt, wobei das SCM in seinem Teil V verbindliche Vorgaben für die einheitliche Gestaltung der jeweiligen nationalen Verfahren festsetzt.115 Im Hinblick auf das Verfahren für Ausgleichsmaßnahmen verweist Art. 10 SCM auf die Antidumpingordnung in Art. VI GATT 1994, d. h. es kann ein Ausgleichszoll mit dem Ziel erlassen werden, „jede unmittelbar oder mittelbar für die Herstellung, Gewinnung oder Ausfuhr einer Ware gewährte (. . .) Subvention unwirksam zu machen“ (Art. VI:3 GATT 1994). Dabei ist zwischen vorläufigen Maßnahmen und definitiven Ausgleichszöllen zu unterscheiden. Während die vorläufigen Maßnahmen frühestens 60 Tage nach Einleitung der Untersuchung für maximal vier Monate erhoben werden können, dürfen definitive Ausgleichszölle nicht höher als die gewährte Subvention sein und nur so lange und in dem Umfang erhoben werden, wie sie notwendig sind, um die schädigende Subventionierung unwirksam zu machen. Der Ausgleichszoll ist spätestens 5 Jahre nach seiner Einführung wieder aufzuheben, wenn nicht erneut von der zuständigen Behörde des benachteiligten Landes festgestellt wird, dass die schädigenden Wirkungen auf die Wirtschaft fortdauern bzw. wiederkehren würden. Grundsätzlich können von einer Subvention betroffene Mitglieder parallel das Abhilfeverfahren (nach Teil II und III) und das Verfahren zur Erhebung von Ausgleichszöllen nach Teil V SCM-Übereinkommen betreiben. Allerdings dürfen sie den Auswirkungen einer bestimmten Subvention auf den Binnenmarkt des Einfuhrmitglieds nur eine der beiden Formen entgegensetzen,116 selbst wenn die Voraussetzungen sowohl für Gegen- oder Abhilfemaßnahmen als auch für Ausgleichszölle erfüllt sind.117 Insoweit kann ein WTO-Mitglied bspw. mit Ausgleichsmaßnahmen gegen Auswirkungen auf dem Heimatmarkt und mit Abhilfemaßnahmen gegen Auswirkungen auf Drittmärkten vorgehen.118 Da der europäisch-südafrikanische Agrarhandel von einem stark subventionierten Warenaustausch beeinträchtigt wird, ist davon auszugehen, 115
Becker, Das WTO-Subventionsabkommen, S. 37, 38. Lübbig Martin-Ehlers, Beihilfenrecht der EU, S. 12, Rz. 28. 117 Zum Ganzen: Fußnote 35 zu Art. 10 SCM (Fußnote 34 im Text der deutschen Übersetzung, wobei sich die abweichende Nummerierung dadurch erklärt, dass in der deutschen Übersetzung Fußnote 21 zweimal im Text vorkommt, wohingegen im Originaltext die gleichlautenden Fußnoten als Nr 21 und 22 geführt werden, siehe dazu Becker, Das WTO-Subventionsabkommen, S. 46, Fn. 19). 118 Becker, Das WTO-Subventionsabkommen, S. 46. 116
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dass diesbezüglich Gegen- und Ausgleichsmaßnahmen zur Anwendung kommen werden. d) Subventionen für Fisch und Fischereiprodukte als Sonderbereich im Agrarhandel Wie eingangs dargelegt, gelten für Fisch und Fischereiprodukte die allgemeinen Vorschriften der Welthandelsordnung, da sie nicht von der Definition landwirtschaftlicher Erzeugnisse des Art. 2 i. V. m. Anhang 1 AoA erfasst werden. Für die Subventionen in diesem Bereich bedeutet dies, dass nicht das AoA, sondern das SCM als lex generalis zur Anwendung kommt.119 Dementsprechend haben die Ausführungen zu Schutzmaßnahmen im dritten Kapitel auch Gültigkeit im Hinblick auf mögliche Maßnahmen gegen anfechtbare und verbotene Subventionen in der Fischindustrie.120 Die Fischindustrie Südafrikas erwirtschaftet etwa 2,5 Billionen Rand pro Jahr und schafft etwa 25.000 direkte sowie 60.000 indirekte Arbeitsplätze. Problematisch ist in der Fischindustrie allerdings die Gefahr der Überfischung der Gewässer Südafrikas sowie die ungleiche Verteilung von Fischereirechten.121 Insbesondere in ärmeren ländlichen Gebieten entlang der Küste stellt die Fischerei ein wesentliches Element der Grundversorgung und der wirtschaftlichen Betätigung dar.122 Hier liegt einer der wesentlichen Gründe, die einer Verständigung mit der Gemeinschaft im Wege standen. e) Fazit Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Gemeinschaft mit den in der Uruguay-Runde eingegangenen Verpflichtungen deutliche Einschränkungen in ihrem Subventionssystem hinnehmen musste. Dies wird nicht zuletzt durch die erfolgten Anpassungen der GAP im Rahmen der Reformen von 1992, der Agenda 2000 und der Reformbestrebungen in 2003 belegt. Gleichwohl deutet insbesondere der Umfang der Green-, Blue- und AmberBox-Maßnahmen auf den Fortbestand massiver Verzerrungen des Handels hin. Während die Gemeinschaft in den derzeit laufenden Agrarverhandlun119
Siehe auch Anhang 1 Ziffer 2 AoA. Anhang I SCM listet beispielhaft verschiedene Formen von Ausfuhrsubventionen auf. 121 WTO, Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/S/ 114/ZAF vom 24. März 2003, S. A4-269, Ziffer 29. 122 WTO, Trade Policy Review: Southern African Customs Union, WT/TPR/S/ 114/ZAF vom 24. März 2003, S. A4-264, Ziffer 7. 120
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D. Der Agrarhandel
gen123 einerseits eine Senkung der internen Stützungen grundsätzlich befürwortet und auch die de-minimis-Ausnahme für entwickelte Länder weiter reduzieren will, ist sie andererseits darum bemüht, die Blue- und Green-Boxes zu erhalten.124 Dagegen verlangt die Cairns Gruppe um Südafrika eine Abschaffung sämtlicher Amber- und Blue-Box-Maßnahmen sowie eine Verschärfung der Kriterien für Green-Box-Maßnahmen,125 eine Forderung, die von der Afrikanischen Gruppe im Wesentlichen geteilt wird.126 Trotz aller in Art. 14 TDCA gemachten Zugeständnisse dürften die internen Stützungen nach wie vor das größte Handelshemmnis für den europäisch-südafrikanischen Agrarhandel darstellen. 3. Gesundheits- und Hygienestandards Es ist anerkannt, dass insbesondere im Handel mit Lebensmitteln und Agrarprodukten Gesundheits- und Hygienestandards nötig sind, um den Qualitätsansprüchen der Verbraucher auch im Hinblick auf ausländische Produkte gerecht zu werden. Verbraucher zeigen sich besonders skeptisch, wenn Importwaren aus einem Land stammen, das sich auf einem anderen Entwicklungsstand befindet, weil das Vertrauen in dessen Lebensmittelsicherheit geringer ist und nicht zuletzt deshalb abweichende Standards in der Lebensmittelsicherheit vermutet werden. Auf der anderen Seite ist auch anerkannt, dass lebensmittelrechtliche Regelungen sich besonders gut dafür eignen, um als sog. „verschleierte Handelsbarrieren“ zu protektionistischen Zwecken missbraucht zu werden.127 Es ist inbesondere schwierig abzugrenzen, ob tatsächlich der Schutz der Gesundheit und der Belange der Verbraucher oder vielmehr ein protektionistischer Schutz der Landwirtschaft beabsichtigt ist. Soweit in zwei Wirtschaftszonen unterschiedliche Standards für die Lebensmittelsicherheit gegeben sind, besteht daher die Gefahr, dass sich diese als Handelshemmnisse auswirken.128 Obwohl diese Problematik auch im Verhältnis der Gemeinschaft zu Südafrika besteht, ist den Handelsvorschriften des TDCA keine einzige Vorschrift zu den Gesundheits- und Hy123 In Art. 20 des Agrarabkommens wurde die Aufnahme weiterer Verhandlungen für Ende 1999 vereinbart. Die Aufnahme der Verhandlungen erfolgte allerdings erst im März 2000. 124 EC Comprehensive Proposal, Dok. G/AG/NG/W/90 vom 14. Dezember 2000, Ziffern 11 und 12. 125 WTO Negotiations on Agriculture, Cairns Group Negotiating Proposal, Domestic Support, Dok. G/AG/NG/W/35, S. 2 vom 22. September 2000. 126 WTO African Group: Joint Proposal on the Negotiations on Agriculture, Dok. G/AG/NG/W/142 vom 23. März 2001, Ziffer 18, S. 3 f. 127 Hilf/Eggers, Der WTO-Panelbericht im EG/USA-Hormonstreit, EuZW 1997, S. 559, 560. 128 Ministererklärung vom 20.9.1986, Abschnitt D.
II. Gestaltung des bilateralen Agrarhandels
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gienestandards zu entnehmen. Lediglich unter dem Titel „Wirtschaftliche Zusammenarbeit“ findet sich zum Thema Landwirtschaft in Art. 61 lit. d und e TDCA eine Absichtserklärung, wonach die Zusammenarbeit insbesondere darauf ausgerichtet sein soll, „(d) eine Zusammenarbeit in den Bereichen Gesundheit von Tieren und Pflanzen und landwirtschaftliche Produktionstechniken einzurichten und auszubauen, (e) unter Beachtung der geltenden Rechtsvorschriften der beiden Vertragsparteien und im Einklang mit den WTO-Regeln Maßnahmen zur Harmonisierung der Normen und Regeln im Bereich Gesundheit von Tieren und Pflanzen zu prüfen, um den Handel zu erleichtern“.
Die Vorschrift statuiert lediglich einen Prüfauftrag zur Harmonisierung von relevanten Rechtsvorschriften und verschiebt konkrete Aktivitäten zur Integration beider Wirtschaftsräume damit in die Zukunft. Der Vorschrift ist aber auch zu entnehmen, dass die einschlägigen WTO-Vorschriften den rechtlichen Rahmen dafür bieten sollen. Damit lehnt sich das TDCA – wie auch sonst im Agrarbereich – an die multilateralen Vorschriften an. Diese sind im WTO-Übereinkommen über die Anwendung gesundheitspolizeilicher und pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen (Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures, SPS) niedergelegt, das ursprünglich als ein Bestandteil des AoA vorgesehen war und erst kurz vor Abschluss der Uruguay-Runde zu einer eigenständigen Übereinkunft wurde.129 Der unmittelbare Bezug beider Abkommen ist in Art. 14 AoA dokumentiert, der das ganze SPS in das AoA einbezieht: „Members agree to give effect to the Agreement on the Application of Sanitary and Phytosanitary Measures“.
a) Regelungsgegenstand Ob eine Maßnahme als gesundheitspolizeiliche oder pflanzenschutzrechtliche Maßnahme einzustufen ist, bestimmt sich gemäß Ziffer 1 von Anhang A SPS-Übereinkommen nach ihrem Ziel und Zweck. Im Kern kommt es darauf an, ob die fragliche Maßnahme darauf ausgerichtet ist, das Leben und die Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen vor Gefahren zu schützen, die insbesondere von Giften, Zusatzstoffen, Pflanzen- oder Tierkrankheiten, Seuchen oder krankheitserregenden Organismen ausgehen.130 Unter diesen Voraussetzungen vermittelt es den WTO-Mitgliedern das Recht, Schutzmaßnahmen zu erlassen (Art. 2 Ziffer 1 SPS-Übereinkommen). Allerdings werden zahlreiche Regeln aufgestellt, um mittelbar oder unmittelbar handelsverzerrende Wirkungen auf ein Mindestmaß zu reduzieren.131 129
Zu den Hintergründen, siehe Senti, WTO, S. 490, Rz. 1054. Zu den einzelnen Zielen, siehe Anhang A, Ziffer 1 lit. a–d SPS-Übereinkommen. 130
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D. Der Agrarhandel
b) Abgrenzung zu Art. XX lit. b GATT 1994 und dem TBT-Übereinkommen Aufgrund seines Regelungsgegenstandes ist das SPS-Übereinkommen nicht nur mit dem AoA verwandt, sondern insbesondere auch mit dem „ordre public“ Vorbehalt des Art. XX lit. b GATT 1994, der einen Ausnahmetatbestand für Maßnahmen zum Schutz des Lebens und der Gesundheit von Menschen, Tieren und Pflanzen begründet132 und mit dem TBT-Übereinkommen, das im Kern die Anwendung technischer Vorschriften und Normen regelt.133 Nach Art. XX lit. b GATT 1994 stellen nur solche Gesundheitsmaßnahmen eine Verletzung der Vorschrift dar, die eine diskriminierende Wirkung haben. Darüber geht das SPS-Übereinkommen hinaus, indem es eigenständige und speziellere Anforderungen an Handelsmaßnahmen zum Schutz im gesundheitspolizeilichen Bereich stellt134 und nicht danach unterscheidet, ob eine solche Maßnahme diskrimierend ist oder nicht. Das SPS-Übereinkommen soll neben diskriminierenden Maßnahmen gerade auch solche Maßnahmen erfassen, die zwar nicht diskrimierend sind, sich aber dennoch zum Nachteil des internationalen Handels auswirken und auf diese Weise die eigene Wirtschaft vor ausländischem Wettbewerb schützen. Darüber hinaus schafft das SPS-Übereinkommen klare Regelungen für die Anwendung und Beibehaltung erlaubter SPS-Maßnahmen. Aufgrund seines spezielleren Anwendungsbereichs geht das SPS-Übereinkommen dem Art. XX lit. b GATT 1994 somit als lex specialis vor, und es ist vorrangig vor den allgemeinen Tatbeständen der Art. I, III und XX GATT 1994 zu prüfen, ob ein Mitglied die Verpflichtungen aus dem SPS erkennbar eingehalten hat.135 Im Übrigen legt Art. 2 Ziffer 4 ausdrücklich fest, dass Maßnahmen, die mit dem SPSÜbereinkommen im Einklang stehen, auch als vereinbar mit den Pflichten aus Art. XX lit. b GATT 1994 gelten, so dass ein Konflikt zwischen dem Anwendungsbereich beider Vorschriften in jedem Fall ausscheidet. 131 Panel Bericht „EC-Hormones (US)“, Beschwerde der USA, WT/DS26/R/ USA vom 18. August 1997, Ziffer 8.38 und Panel Bericht „EC-Hormones (Canada)“, Beschwerde von Kanada, WT/DS48/R/CAN vom 18. August 1997, Ziffer 8.39. 132 Siehe B. II. 1. d) bb) (2). 133 Siehe C. II. 3. 134 Panel Bericht „EC-Hormones (US)“, Beschwerde der USA, WT/DS26/R/ USA vom 18. August 1997, Ziffer 8.39 ff. und Panel Bericht „EC-Hormones (Canada)“, Beschwerde von Kanada, WT/DS48/R/CAN vom 18. August 1997, Ziffer 8.42. 135 Panel Bericht „EC-Hormones (US)“, Beschwerde der USA, WT/DS26/R/ USA vom 18. August 1997, Ziffer 8.42; siehe auch Pauwelyn, The WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary (SPS) Measures as applied in the first three SPS Disputes, JIEL 1 (1999), S. 641, 644.
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Das TBT-Übereinkommen findet gemäß Art. 1 Ziffer 5 ausdrücklich nicht auf gesundheitspolizeiliche und pflanzenschutzrechtliche Maßnahmen im Sinne des Anhangs A des SPS-Übereinkommens Anwendung. Umgekehrt bestimmt Art. 1 Ziffer 4 des SPS-Übereinkommens, das es das TBTÜbereinkommen im Hinblick auf nicht-SPS-Maßnahmen unberührt lässt. Daraus folgt eindeutig, dass sich der Anwendungsbereich beider Übereinkommen gegenseitig ausschließt. c) Rechte und Pflichten nach SPS aa) Die Grundpflichten Das SPS-Übereinkommen legt drei grundlegende Pflichten für die Anwendung von SPS-Maßnahmen fest. Zum einen sind entsprechende Maßnahmen auf das Notwendige zu beschränken, d. h. es dürfen keine Alternativmaßnahmen zur Verfügung stehen, die nach Art und Ausmaß den Handel nicht oder zumindest weniger einschränken (Notwendigkeitserfordernis, Art. 2 Ziffer 2 SPS-Übereinkommen).136 Zum anderen haben die Maßnahmen auf wissenschaftlichen Grundsätzen zu beruhen und dürfen nicht ohne ausreichende wissenschaftliche Beweise eingeführt oder beibehalten werden (Wissenschaftlichkeitsnachweis, Art. 2 Ziffer 2).137 Schließlich dürfen SPS-Maßnahmen nach Art. 2 Ziffer 3 des SPS-Übereinkommens nur so eingesetzt werden, dass sie zu keiner willkürlichen oder ungerechtfertigten Diskriminierung zwischen Mitgliedern führen, in denen die gleichen oder ähnliche Bedingungen herrschen bzw. eine ungerechtfertigte Diskriminierung zwischen dem eigenen und anderen Gebieten bewirken.138 Außerdem 136 Das Notwendigkeitserfordernis des SPS-Übereinkommens war bisher noch nicht Gegenstand eines Streitbeilegungsverfahrens. Es weist aber deutliche Parallelen zu der entsprechenden Tatbestandsvoraussetzung in Art. XX lit. b GATT 1994 auf, siehe oben B. II. 1. d) bb). 137 Zur Frage, wann wissenschaftliche Kriterien als ausreichend zu betrachten sind, führt der Appellate Body aus (Appellate Body Bericht „Japan-Agricultural Products II“ WT/DS76/AB/R vom 22. Februar 1999, Ziffer 84): „We agree with the Panel that the obligation in Article 2.2 that an SPS measure not be maintained without sufficient evidence requires that there be a rational or objective relationship between the SPS measure and the scientific evidence. Whether there is a rational relationship between the SPS measure and the scientific evidence is to be determined on a case-by-case basis and will depend upon the particular circumstances of the case, including the characteristics of the measure at issue and the quality and quantity of the scientific evidence“. 138 Das Diskriminierungsverbot bezieht sich – anders als im GATT – nicht nur auf „like products“ (Art. I:1 GATT 1994) oder „directly competitive or substitutable products“ (Art. III:2 GATT 1994), sondern kann auch „different products“ betreffen. So wurde im australischen Lachsfall eine Diskriminierung zwischen Lachs aus
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D. Der Agrarhandel
dürfen sie zu keiner verschleierten Beschränkung des internationalen Handels führen. bb) Die Risikobewertung Nach Art. 5 Ziffer 1 SPS-Übereinkommen müssen SPS-Maßnahmen auf einer Risikobewertung basieren, d. h. es muss eine objektive Beziehung zwischen der fraglichen SPS-Maßnahme und der Risikobewertung bestehen,139 die sich dadurch auszeichnet, dass die Risikobewertung die SPSMaßnahme ausreichend rechtfertigt und eine vernünftige Beziehung zwischen beiden besteht.140 Das SPS-Übereinkommen unterscheidet zwischen Risiken, die von Krankheiten ausgehen und solchen, die von Nahrungsmitteln ausgehen. Hinsichtlich der ersten Kategorie ist gemäß Anhang A 4 SPS-Übereinkommen zu ermitteln, welche Wahrscheinlichkeit der Einschleppung, des Auftretens oder der Verbreitung von Schädlingen oder Krankheiten im Gebiet eines einführenden Mitglieds besteht, wobei die gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen, die angewendet werden könnten, ebenso zu berücksichtigen sind wie die potenziellen biologischen und wirtschaftlichen Folgen. Wie der Appellate Body im australischen LachsFall entschieden hat, ist dabei in drei Schritten vorzugehen.141 Zunächst ist festzustellen, welche Schädlinge oder Krankheiten von der Einschleppung, dem Auftreten oder der Verbreitung abgehalten werden sollen und welche potenziellen biologischen und ökonomischen Konsequenzen damit verbunden wären. Sodann ist die Wahrscheinlichkeit der Einschleppung, des Auftretens oder der Verbreitung dieser Schädlinge oder Krankheiten einschließlich ihrer potenziellen biologischen und ökonomischen Konsequenzen zu bewerten. Schließlich ist zu beurteilen, welche Wahrscheinlichkeit der Einschleppung, des Auftretens oder der Verbreitung dieser Schädlinge oder Krankheiten bei Anwendung der anvisierten SPS-Maßnahme bestünde. Die Wahrscheinlichkeit kann quantitativ oder qualitativ dargestellt werden.142 Kanada und anderem Fisch aus Australien festgestellt, weil von diesen beiden unterschiedlichen Waren potenziell dieselbe Gesundheitsgefahr ausging und sie dennoch unterschiedlich behandelt wurden. Zur Auslegung der einzelnen tatbestandlichen Voraussetzungen, siehe den Compliance Panel Bericht, „Australia-Salmon“ WT/ DS18/RW vom 18. Februar 2000, Ziffer 7.111 und 7.112. 139 Appellate Body Bericht „EC-Hormones“ WT/DS26/AB/R; WT/DS48/AB/R vom 16. Januar 1998, Ziffer 189. 140 Appellate Body Bericht „EC-Hormones“ WT/DS26/AB/R; WT/DS48/AB/R vom 16. Januar 1998, Ziffer 193. 141 Appellate Body Bericht „Australia-Salmon“ WT/DS18/AB/R vom 20. Oktober 1998, Ziffer 121.
II. Gestaltung des bilateralen Agrarhandels
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Bezüglich der Risiken, die von Nahrungsmitteln ausgehen, ist nach Anhang A 4 SPS-Übereinkommen zu ermitteln, welche möglichen schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgehen, die durch das Vorkommen von Zusätzen, Verunreinigungen, Toxinen oder krankheitsverursachenden Organismen in Nahrungsmitteln, Getränken oder Futtermitteln entstehen. Wie das Panel im Hormonstreit entschieden hat, ist dabei zunächst festzustellen, welche nachteiligen Wirkungen von der in Rede stehenden Maßnahme für die Gesundheit von Menschen oder Tieren ausgehen, um dann den möglichen Eintritt dieser Auswirkungen zu beurteilen.143 Da lediglich die Möglichkeit, nicht aber die Wahrscheinlichkeit des Risikos zu bewerten ist, sind keine quantitativen Darstellungen erforderlich.144 Bei der Risikobewertung sind gemäß Art. 5 Ziffer 2 SPS-Übereinkommen das verfügbare wissenschaftliche Beweismaterial sowie einschlägige Verfahren und Methoden zu berücksichtigen. Die relevanten Normsetzungsorganisationen haben Richtlinien für die Durchführung von Risikobewertungen entwickelt. Es können aber auch nichtwissenschaftliche Überlegungen Berücksichtigung finden.145 Ökonomische Faktoren sind gemäß Art. 5 Ziffer 3 SPS-Übereinkommen bei der Bewertung des Risikos für die Gesundheit von Tieren und Pflanzen zu berücksichtigen. Dies gilt allerdings nicht im Hinblick auf das Leben und die Gesundheit des Menschen, da diese Priorität über wirtschaftliche Erwägungen genießen. Wie sich aus der Darstellung ihrer tatbestandlichen Voraussetzungen ergibt, erweist sich die Risikobewertung in beiden Fällen als ein komplexes Unterfangen. Gerade im Rahmen der Wissenschaftlichkeitsprüfung geht es häufig um komplizierte naturwissenschaftliche Fragen. Eine Möglichkeit, diesen Schwierigkeiten zu begegnen, ergibt sich aus der Regelung in Art. 3 Ziffer 1 des SPS-Übereinkommens. Danach sind die Mitglieder grundsätzlich verpflichtet, ihre Maßnahmen nach dem Harmonisierungsgebot146 auf bestehende internationale Normen, Richtlinien und 142 Appellate Body Bericht „Australia-Salmon“ WT/DS18/AB/R vom 20. Oktober 1998, Ziffer 123 f. 143 Panel Bericht, „EC-Hormones (Canada)“ Beschwerde von Canada, WT/ DS48/R/CAN vom 18. August 1997, Ziffer 8.101 und Panel Bericht, „EC-Hormones (US)“, Beschwerde der USA, WT/DS26/R/USA vom 18. August 1997, Ziffer 8.98. 144 Appellate Body Bericht „EC-Hormones“ WT/DS26/AB/R; WT/DS48/AB/R vom 16. Januar 1998, Ziffer 186. 145 Appellate Body Bericht „EC-Hormones“ WT/DS26/AB/R; WT/DS48/AB/R vom 16. Januar 1998, Ziffer 187. 146 „In generalised terms, the object and purpose of Article 3 is to promote the harmonisation of the SPS measures of Members on as wide a basis as possible, while recognising and safeguarding, at the same time, the right and duty of Mem-
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Empfehlungen147 zu stützen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Maßnahme voll und ganz mit dem jeweiligen internationalen Standard übereinstimmen muss. Vielmehr reicht es aus, wenn einzelne Elemente dieses Standards in die fragliche Maßnahme einbezogen werden, da ansonsten freiwillige Standards über das SPS-Übereinkommen zu obligatorischen Pflichten werden würden.148 Allerdings haben die Mitgliedstaaten gemäß Art. 3 Ziffer 2 SPS-Übereinkommen internationale Standards auch zu nationalen Standards zu machen. Für sie gilt dann die widerlegbare149 Vermutung, dass sie mit dem SPS-Übereinkommen vereinbar sind, was die Beweislast für die beschwerdeführende Partei im Streitbeilegungsverfahren erhöht. Abweichend von diesen beiden Möglichkeiten dürfen nach Art. 3 Ziffer 3 SPS-Übereinkommen nationale Standards nur dann höher als internationale sein, wenn es eine wissenschaftliche Begründung für sie gibt oder das betreffende Mitglied sich nach einer Risikobewertung für ein höheres Schutzniveau gemäß Art. 5 Ziffer 1–8 SPS-Übereinkommen entschieden hat.150 In beiden Fällen muss die SPS-Maßnahme sich im Einklang mit den übrigen Bestimmungen des SPS-Übereinkommens befinden. So war beispielsweise im Hormonstreit zwischen den USA und der Europäischen Gemeinschaft151 bers to protect the live and health of their people. The ultimate goal of the harmonisation of SPS measures is to prevent the use of such measures for arbitrary or unjustifiable discrimination between Members or as a disguised restriction on international trade, without preventing Members from adopting or enforcing measures which are both ‚necessary to protect‘ human life or health and ‚based on scientific principles‘, and without requiring them to change their appropriate level of protection“, Appellate Body Bericht „EC-Hormones“ WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R vom 16. Januar 1998, Ziffer 177. 147 Die WTO hat selbst nicht die Kompetenz, internationale Standards zu setzen, sondern ist auf die Arbeit der entsprechenden internationalen Gremien angewiesen. Art. 3 Ziffer 4 SPS-Übereinkommen benennt beispielhaft die Kommission des Codex Alimentarius für Lebensmittelstandards, das Internationale Tierseuchenamt und die im Rahmen der Internationalen Pflanzenschutzkonvention tätigen internationalen und regionalen Organisationen. Zur Mitgliedschaft in diesen Organisationen, siehe die vom WTO-Sekretariat erstellte Liste G/SPS/GEN/49/Rev.4 vom 30. April 2002. 148 Appellate Body Bericht „EC-Hormones“ WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R vom 16. Januar 1998, Ziffer 163. 149 Appellate Body Bericht „EC-Hormones“ WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R vom 16. Januar 1998, Ziffer 170. 150 Die genannten Alternativen bestehen nur scheinbar, da ein Mitglied, das von einem existierenden internationalen Standard abweicht, immer verpflichtet ist, eine Risikobewertung gemäß Art. 5 Ziffer 1–8 SPS-Übereinkommen vorzunehmen. Es kommt also nicht darauf an, ob die Abweichung auf wissenschaftliche Gründe oder ein anderes Schutzniveau gestützt wird, siehe auch Appellate Body Bericht „ECHormones“ WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R vom 16. Januar 1998, Ziffer 175 und 176. 151 Der Klage der USA schlossen sich Australien, Kanada, Neuseeland und Norwegen an.
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die Frage zu beantworten, welche Folgen die Verwendung hormoneller Wachstumsförderer in der Rindviehmast sowohl für die Fleischkonsumenten als auch für die Tiere hat. Gestützt auf die Erkenntnisse der konsultierten Experten, vorwiegend Biologen und Toxikologen, kamen das Panel und der Appellate Body zu dem Ergebnis, dass die Maßnahme der Gemeinschaft nicht gemäß Art. 5 Ziffer 1 SPS-Übereinkommen auf Methoden der Bewertung der Risiken für Menschen, Tiere oder Pflanzen beruht, die von den zuständigen internationalen Organisationen entwickelt worden sind. Darüber hinaus stellten sie fest, dass es der Gemeinschaft auch nicht gelungen sei, gemäß Art. 3 Ziffer 3 SPS-Übereinkommen den wissenschaftlichen Nachweis für das erhöhte Schutzniveau zu liefern, mit dem sie die Verwendung von Hormonen in der Rindermast im Gegensatz zu sonst üblichen internationalen Standards in ihren Mitgliedstaaten verbietet. Wie der Hormonstreit belegt, macht die Komplexität der wissenschaftlichen Fragen im Rahmen einer Risikobewertung im Einzelfall umfangreiche Untersuchungen erforderlich. In den Beziehungen zwischen zwei Wirtschaftsräumen mit unterschiedlichem Entwicklungsstand, wie sie zwischen der Gemeinschaft und Südafrika vorliegen, stehen beiden Seiten nicht immer die gleichen technischen Möglichkeiten für die notwendige Risikoabschätzung und -bewertung zur Verfügung. Nicht zuletzt deshalb wurde in Art. 61 lit. b TDCA eine Zusammenarbeit „in Form eines Know-how-Transfers, der Gründung von Joint-ventures und von Qualifizierungsprogrammen“ ins Auge gefasst. Inwieweit eine vertragliche Verpflichtung geeignet ist, bestehende Unterschiede zu überwinden, erscheint dennoch zweifelhaft, zumal entsprechenden multilateralen Verpflichtungen zu technischer Unterstützung gemäß Art. 9 SPS-Übereinkommen bisher auch nur in sehr begrenztem Umfang Folge geleistet wurde. cc) Das Risikomanagement Neben der rechtmäßigen Bewertung eines Risikos kommt es entscheidend darauf an, dass der Umgang mit dem Risiko entsprechend den Vorgaben des SPS-Übereinkommens erfolgt. Grundsätzlich können WTO-Mitglieder gemäß Anhang A Ziffer 5 das von ihnen als angemessen erachtete Schutzniveau wählen. Sie können dabei auch entscheiden, dass ihr Schutzbedürfnis so hoch ist, dass sie kein Risiko eingehen wollen (Nullrisiko). Das entlastet sie aber nicht von der Verpflichtung, im Rahmen der Risikobewertung zu ermitteln, dass überhaupt ein Risiko besteht.152 152 Appellate Body Bericht „Australia-Salmon“ WT/DS18/AB/R vom 20. Oktober 1998, Ziffer 125.
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D. Der Agrarhandel
Wird bei Vorliegen unterschiedlicher Umstände ein unterschiedliches Schutzniveau bestimmt, so sind die Voraussetzungen des Art. 5 Ziffer 5 zu beachten,153 der in Zusammenhang mit Art. 2 Ziffer 3 gelesen werden muss.154 Er ist verletzt, wenn die unterschiedlichen Schutzniveaus willkürliche oder ungerechtfertigte Unterschiede in der Behandlung unterschiedlicher, aber vergleichbarer155 Umstände bewirken und diese willkürlichen oder ungerechtfertigten Unterschiede zu einer Diskriminierung oder verschleierten Beschränkung des Handels führen.156 Im Australia Salmon-Fall sah der Appellate Body diese Voraussetzung als erfüllt an. Er kam zu dem Ergebnis, dass die unterschiedliche Behandlung von importiertem rohen Lachs aus bestimmten Gegenden des nördlichen Pazifischen Ozeans im Vergleich zu anderem importierten rohen Fisch aus anderen Gegenden eine verschleierte Beschränkung des Handels darstelle, weil die diesbezüglichen Gesundheitsrisiken in beiden Fällen mindestens vergleichbar sind. Nach Art. 5 Ziffer 6 SPS-Übereinkommen dürfen Maßnahmen zur Erreichung des angemessenen Schutzniveaus nicht handelsbeschränkender als notwendig sein. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn keine andere Maßnahme unter vertretbaren technischen und wirtschaftlichen Bedingungen zur Verfügung steht, die das angemessene Schutzniveau ebenfalls erreicht, aber wesentlich weniger handelsbeschränkender ist.157 Ausnahmsweise können die Mitgliedstaaten auch nach Art. 5 Ziffer 7 SPS-Übereinkommen vorübergehende SPS-Maßnahmen ergreifen. Dazu ist zunächst erforderlich,158 dass das einschlägige wissenschaftliche Beweismaterial nicht ausreicht. Die vorläufige Maßnahme kann dann auf der Grundlage von verfügbaren einschlägigen Angaben eingeführt werden. Das Mitglied muss allerdings stets darum bemüht sein, die notwendigen zusätz153 Siehe dazu auch die eigens vom SPS-Ausschuss angenommenen Richtlinien zur Umsetzung des Art. 5 Ziffer 5 SPS-Übereinkommen, die allerdings nicht rechtsverbindlich, sondern lediglich als Orientierungshilfe für Verwaltungsbeamte gedacht sind, G/SPS/15 vom 18. Juli 2000. 154 Appellate Body Bericht „EC-Hormones“ WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R vom 16. Januar 1998, Ziffer 212. 155 Diese unterschiedlichen Umstände müssen gleichwohl vergleichbar sein, Appellate Body Bericht „EC-Hormones“ WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R vom 16. Januar 1998, Ziffer 214 f. 156 Siehe dazu auch Appellate Body Bericht „EC-Hormones“ WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R vom 16. Januar 1998, Ziffer 214 f. 157 Siehe Fußnote 3 des SPS-Übereinkommens. 158 Zu den tatbestandlichen Voraussetzungen, siehe auch Appellate Body Bericht „Japan-Agricultural Products II“ WT/DS76/AB/R vom 22. Februar 1999, Ziffer 80 sowie die Besprechung des Berichts von Pauwelyn, The WTO Agreement on Sanitary and Phytosanitary (SPS) Measures as applied in the first three SPS Disputes, JIEL 1 (1999), S. 641, 649 ff.
II. Gestaltung des bilateralen Agrarhandels
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lichen Informationen für eine objektivere Risikobewertung einzuholen.159 Schließlich muss die Maßnahme innerhalb einer vertretbaren, von Fall zu Fall zu bestimmenden Frist entsprechend überprüft werden.160 Die Vorschriften zum Risikomanagement belegen, dass es nicht nur auf das „was“ der Risikobewertung ankommt, sondern insbesondere auch auf das „wie“ ihrer Durchführung. Dies setzt entsprechende Rechtskenntnis im Hinblick auf die Funktionsweise des SPS-Übereinkommens voraus. dd) Äquivalenz Eine Harmonisierung von SPS-Maßnahmen ist nicht immer möglich, weil nicht in allen Bereichen internationale Standards bestehen oder weil die Verbraucherinteressen und technischen Kapazitäten von Land zu Land unterschiedlich sind. Dies führt zu einer Vielzahl von Normen, die sich negativ auf den Handel auswirken. Um dem zu begegnen, haben die Mitglieder gemäß Art. 4 Ziffer 1 des SPS-Übereinkommens vergleichbare SPSMaßnahmen anderer Länder anzuerkennen, wenn das Ausfuhrmitglied dem Einfuhrmitglied objektiv nachweisen kann, dass seine Maßnahmen das vom Einfuhrmitglied als angemessen betrachtete Schutzniveau erreichen. Die Umsetzung dieses Äqivalenzprinzips ist in der Praxis nur unzureichend erfolgt, auch weil häufig statt Gleichwertigkeit Gleichheit von SPS-Standards sowie der Kontroll-, Inspektions-, und Genehmigungsverfahren verlangt wird. Deshalb hat der auf Grundlage von Art. 12 SPS-Übereinkommen eingerichtete SPS-Ausschuss Richtlinien zur Umsetzung des Art. 4 SPS-Übereinkommen verabschiedet, die als Hilfestellung für Antragsteller und Adressaten eines Anerkennungsgesuchs konzepiert sind.161 Neben der Möglichkeit einer formalisierten ad hoc Anerkennung gemäß Ziffer 1 bietet sich auch die Möglichkeit, Übereinkommen zur gegenseitigen Anerkennung bestimmter SPS-Maßnahmen zu schließen, wozu Art. 4 Ziffer 2 SPS-Übereinkommen die Mitglieder ausdrücklich auffordert. Für den bilateralen Handel zwischen der Gemeinschaft und Südafrika hätte das TDCA dafür einen adäquaten Rahmen geboten.
159 Dazu führt der Appellate Body aus (Appellate Body Bericht „Japan-Agricultural Products II“ WT/DS76/AB/R vom 22. Februar 1999, Ziffer 92): „Therefore, the information sought must be germane to conducting such a risk assessment, i. e., the evaluation of the likelihood of entry, establishment or spread of, in casu, a pest, according to the SPS measures which might be applied“. 160 Appellate Body Bericht „Japan-Agricultural Products II“ WT/DS76/AB/R vom 22. Februar 1999, Ziffer 92. 161 G/SPS/19 vom 24. Oktober 2001.
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D. Der Agrarhandel
ee) Transparenz Angesichts der Komplexität und Unbeständigkeit von SPS-Maßnahmen ist das Transparenzgebot in Art. 7 und Anhang B SPS-Übereinkommen von entscheidender Bedeutung für Exporteure, um sich einen Marktzugang zu verschaffen. Es verpflichtet die Mitglieder unter anderem, eine einzige nationale Behörde für das Notifikationsverfahren162 und eine Auskunftsstelle zwecks gegenseitiger Information einzurichten,163 SPS-Maßnahmen unverzüglich und möglichst im Voraus zu veröffentlichen und Maßnahmen, die nicht durch internationale Normen, Empfehlungen und Richtlinen gedeckt sind, dem WTO-Sekretariat notifizieren.164 Um eine effektive Umsetzung des Transparenzgebotes zu erreichen, hat das WTO-Sekretariat ein Handbuch zur Umsetzung der entsprechenden Vorschriften erlassen.165 Eine nähere Ausgestaltung der bilateralen Transparenzpflichten zwischen der Gemeinschaft und Südafrika hätte sich ebenfalls im Rahmen des TDCA angeboten. d) Fazit Wie bereits mehrfach angedeutet, haben es die Gemeinschaft und Südafrika versäumt, über die Absichtserklärung in Art. 61 lit. d und lit. e TDCA hinaus konkrete Regelungen im konfliktträchtigen Raum der gesundheitspolizeilichen und pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen zu treffen. Dass aufgrund des unterschiedlichen Entwicklungsstandes zwischen der Gemeinschaft und Südafrika potenziell ähnliche Spannungen bestehen wie im klassischen Verhältnis der entwickelten Länder zu den Entwicklungsländern, liegt gerade in einem so technischen Bereich auf der Hand: Während die erstgenannten hauptsächlich nichthandelsrechtliche Sorgen wie die Sicherheit von Nahrungsmitteln und Verbraucherbelange haben, ist das Hauptziel der letztgenannten vor allem Zugang zu den Märkten. Auch wenn das SPS-Übereinkommen versucht, einen Ausgleich zwischen diesen divergierenden Interessen zu schaffen, gibt es doch eine Reihe von Unzulänglichkeiten in dem System, die zulasten der Entwicklungsländer gehen und bes162
Für die regelmäßig aktualisierte Liste der nationalen Notifikationsbehörden, siehe G/SPS/NNA/*. 163 Für die regelmäßig aktualisierte Liste der Auskunftsstellen, siehe G/SPS/ ENQ/*. 164 Notifikationen werden vom Sekretariat als offizielle Dokumente veröffentlicht, siehe G/SPS/N/*. 165 Http://www.wto.org/english/tratop_e/sps_e/spshand_e.pdf, aufgerufen am 2.2. 2004. Für Verfahrensvorschläge zur Umsetzung der Transparenzverpflichtungen, siehe auch G/SPS/GEN/27/Rev.9 vom 14. März 2002.
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ser berücksichtigt werden müssten. Zu den Problemfeldern zählen vor allem die Bereiche, in denen das SPS-Übereinkommen eine gewisse Flexibilität zulässt: die Möglichkeit, gemäß Art. 3 Ziffer 3 von internationalen Standards abzuweichen, die Möglichkeit, vorübergehende Maßnahmen nach Art. 5 Ziffer 7 zu ergreifen und die Nichtumsetzung von Maßnahmen zur technischen und finanziellen Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern nach Art. 9 und 10.166 Lösungsvorschläge, die in diesem Zusammenhang entwickelt wurden, zielen vorrangig auf die Schaffung verbindlicherer Vorschriften bzw. auf die Einführung von Richtlinien zur Auslegung dieser Vorschriften ab. So wird bspw. vorgeschlagen, die Bedingungen festzulegen, unter denen vorläufige Maßnahmen ergriffen werden dürfen und dies dahingehend zu beschränken, dass nur Sicherheitsbedenken, nicht aber ethische Bedenken der Verbraucher derartige Maßnahmen rechtfertigen, sowie den Zeitraum, innerhalb dessen die Maßnahme überprüft werden muss, genauer zu spezifizieren.167 Darüber hinaus wird empfohlen, für die Fälle einer Abweichung von internationalen Standards eine Verpflichtung zur rechtzeitigen Mitteilung einzuführen, verbunden mit der weiteren Pflicht, den Entwicklungsländern die nötige technische und finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen, um diesem neuen höheren Standard entsprechen zu können.168 Schließlich wird noch die Einführung eines verpflichtenden Rahmenwerks für die Gewährung technischer und finanzieller Unterstützung angeregt, um die Umsetzung der Art. 9 und 10 sicherzustellen.169 Auch wenn manche dieser Vorschläge eher für LDC als für ein Transformationsland wie Südafrika gedacht sind, ist doch festzustellen, dass diese Ideen zu konkreteren Pflichten, insbesondere der Gemeinschaft, im Hinblick auf eine Integration beider Wirtschaftsräume – unter besonderer Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungsstands – führen könnten. Eine konkrete Maßnahme hätte insoweit der Abschluss eines „Mutual Recognition Agree166
Zu dieser Problematik, siehe auch Prévost/Matthee, The SPS Agreement as a Bottleneck in Agricultural Trade between the European Union and Developing Countries: How to Solve the Conflict, LIEI 26 (2002), S. 43 ff. 167 Prévost/Matthee, The SPS Agreement as a Bottleneck in Agricultural Trade between the European Union and Developing Countries: How to Solve the Conflict, LIEI 26 (2002), S. 43, 53. 168 Die Idee, die dahinter steckt, ist die, dass Mitglieder zum einen nicht leichtfertig von internationalen Standards abweichen, und zum anderen, dass sie die Verantwortung für die Wirkungen auf den Export der Entwicklungsländer übernehmen (Prévost/Matthee, The SPS Agreement as a Bottleneck in Agricultural Trade between the European Union and Developing Countries: How to Solve the Conflict, LIEI 26 (2002), S. 43, 55). 169 Prévost/Matthee, The SPS Agreement as a Bottleneck in Agricultural Trade between the European Union and Developing Countries: How to Solve the Conflict, LIEI 26 (2002), S. 43, 55.
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D. Der Agrarhandel
ments“ (MRA)170 im Hinblick auf bestimmte Herstellungs- und Verarbeitsprozesse für landwirtschaftliche Produkte sein können.
III. Die Schaffung einer bilateralen Handelsordnung für Weine und Spirituosen Bedenkt man, wie sehr sich das TDCA im Agrarbereich auf die multilateralen Regeln der Welthandelsordnung stützt, so erscheint es um so verwunderlicher, dass die Bezeichnung von Weinen und Spirituosen jeweils ein eigenes bilaterales Übereinkommen erforderte. Doch um wohl keinen anderen Verhandlungsgegenstand wurde so sehr gerungen wurde wie um den Wein- und Spirituosensektor. Dabei lagen die Standpunkte der Gemeinschaft und Südafrikas so weit auseinander, dass eine Einigung bis zum Abschluss des TDCA nicht mehr möglich war.171 Erst am 28. Januar 2002 konnte jeweils ein Abkommen über den bilateralen Handel mit Wein172 und den Handel mit Spirituosen173 in Paarl bei Kapstadt unterzeichnet werden. Im Kern ging es bei der emotional hoch geladenen Auseinandersetzung um althergebrachte Bezeichnungen von Weinen und Spirituosen. Die Gemeinschaft wollte erreichen, dass südafrikanische Winzer besondere, in der Gemeinschaft geschützte Namen für Wein und Spirituosen sowohl im eigenen Land als auch im Exportmarkt aufgeben, damit entsprechende Bezeichnungen künftig unverwechselbar nur noch für bestimmte Erzeugnisse aus der Gemeinschaft gelten. Dagegen bemühte sich Südafrika darum, die Frage aus den bilateralen Verhandlungen herauszuhalten, um sie im multilateralen Kontext, wie insbesondere der WTO, zu verhandeln,174 wo es auf die Unterstützung durch andere weinproduzierende Länder als Verbündete vertraute.
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Siehe C. II. 3. b) bb). Dabei hatten die Vertragsparteien noch in einem Briefwechsel festgelegt, dass ein entsprechendes Übereinkommen „so bald wie möglich, spätestens aber im September 1999 geschlossen“ werden soll, Abl. EG Nr. L 311/326 vom 4.12.1999. 172 Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Südafrika über den Handel mit Wein, Abl. EG Nr. L 28/4 vom 30.1.2002. 173 Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Südafrika über den Handel mit Spirituosen, Abl. EG Nr. L 28/113 vom 30.1.2002. 174 Department for Trade and Industry, Statement by the South African government on the decision by the General Affairs Council (GAC) of the European Union (EU) on the proposed Trade, Development and Cooperation Agreement between the European Union and South Africa (24. Februar 1999); Thomas, The EU-South Africa Trade, Development & Cooperation Agreement: precedent or complicating factor? SAYIL 25 (2000), S. 20, 27. 171
III. Schaffung einer Handelsordnung für Weine und Spirituosen
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1. Der Schutz von „Port“ und „Sherry“ Der Streit der Verhandlungspartner entzündete sich an der Forderung der Gemeinschaft, Südafrika dürfe die Namen „Port“ und „Sherry“ nicht länger zur Bezeichnung seiner entsprechenden Likörweine nutzen. Bei diesen Bezeichnungen handele es sich um „geographische Angaben“ im Sinne des TRIPs-Übereinkommens, die untrennbar mit bestimmten Regionen in Portugal bzw. Spanien verbunden seien. Im Folgenden soll zunächst untersucht werden, welchen Schutz die Bezeichnungen „Port“ und „Sherry“ nach dem TRIPs genießen, bevor die im TDCA getroffene Regelung zur Verwendung dieser Namen dargestellt wird. a) Der Schutz von Port und Sherry nach TRIPs Der Schutz geographischer Bezeichnungen richtet sich im TRIPs nach Art. 22–24, die – wie oben ausgeführt175 – über den Verweis in Art. 46 Abs. 1 TDCA auf den bilateralen Handel zwischen der Gemeinschaft und Südafrika Anwendung finden. aa) Der Schutzbereich der Art. 22 und 23 TRIPs Nach Art. 22 Ziffer 1 TRIPs ist der Zusammenhang zwischen einer Ware und ihrer geographischen Herkunft, der so genannte „link“, das entscheidende konstitutive Element für die Begründung einer geographischen Angabe. Es kommt darauf an, dass die Qualität, der Ruf oder die Beschaffenheit der Ware „essentially“ (im Wesentlichen) ihrem geographischen Ursprung zugeschrieben wird. Die Formulierung lässt Raum für Ermessensentscheidungen. Insbesondere muss es ausreichen, wenn das entsprechende Erzeugnis mittelbar seinen Namen von der geograhischen Herkunft ableitet.176 Insofern ist es nicht zwingend, dass Handelsname und Anbaugebiet eines Weinerzeugnisses deckungsgleich sind, um eine geographische Angabe zu begründen.177 Vielmehr muss es ausreichen, wenn die geographische Bezeichnung für ein Erzeugnis aus der Region steht, wie dies zumin175
Siehe C. II. 4. a). Knaak, Der Schutz geographischer Angaben nach dem TRIPs-Übereinkommen, GRUR Int. 1995, S. 642, 647. 177 In der südafrikanischen Presse wurde behauptet, dass überhaupt keine geographischen Ursprungszeichen gegeben seien, da Sherry aus Weintrauben hergestellt werde, die aus Cadiz in Spanien stammen und nicht aus dem Dorf Jerez de la Frontera, von dem der Name herrührt. Außerdem komme Port aus dem Douro Tal und werde nur über den Hafen in Oporto vertrieben, Human, „Storie oor sjerrie en praatjies oor port“, Die Burger vom 27. Februar 1999, S. 9. 176
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D. Der Agrarhandel
dest bei Port und Sherry der Fall ist. Die Kompetenz zur Entscheidung dieser Frage liegt nach dem Schutzlandprinzip bei den Behörden und Gerichten des WTO-Mitglieds, das den Schutz der geographischen Angaben für sich in Anspruch nimmt (Art. 22 Ziffer 2 TRIPs). In der Europäischen Gemeinschaft werden geographische Angaben für Weine nach der Verordnung (EG) Nr. 1493/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein geschützt.178 Darüber hinaus gelten „Port“ und „Sherry“ nach Art. 30 lit. b und e der Verordnung der Kommission Nr. 753/ 2002 vom 29. April 2002179 eindeutig als geographische Angaben. Nach Art. 23 Ziffer 1 und 2 TRIPs ist Südafrika als WTO-Mitglied grundsätzlich verpflichtet, die Verwendung geographischer Angaben zur Kennzeichnung von Weinen und Spirituosen zu verbieten, wenn die entsprechenden Getränke nicht aus dem bezeichneten Herkunftsland stammen. Dabei kommt es – anders als beim allgemeinen Schutz geographischer Angaben (Art. 22 TRIPs) – nicht darauf an, ob überhaupt eine Irreführungsgefahr vorliegt. Selbst wenn südafrikanische Produzenten von „Port“ und „Sherry“ den wahren Ursprung angeben würden, dürften sie die Bezeichnung gleichwohl nicht verwenden. Auch Ausdrücke wie „in der Art“, „im Typ“ oder „im Stil“ eines Wein- oder Spirituosenerzeugnisses anderer Herkunft sind nach Art. 23 Ziffer 1 TRIPs ausdrücklich nicht erlaubt. Damit verbietet Art. 23 Ziffer 1 und 2 TRIPs, dass an geographischen Wein- oder Spirituosenbezeichnungen eines TRIPs-Mitgliedslandes in anderen Mitgliedsländern ein Markenschutz für ortsfremde Produkte begründet werden kann.180 Daraus folgt für die südafrikanischen Weinproduzenten ein grundsätzliches Verbot der Benutzung der Namen „Port“ und „Sherry“. bb) Schutzbereichsausnahmen Eine Einschränkung erfährt das Benutzungsverbot falscher geographischer Wein- und Spirituosenbezeichnungen aus Art. 23 Ziffer 1 TRIPs aber durch den Katalog an Ausnahmebestimmungen in Art. 24 Ziffer 4 bis 6 TRIPs. Nach Art. 24 Ziffer 4 besteht ein Weiterbenutzungsrecht an Weinund Spirituosenbezeichnungen, wenn die Benutzung mindestens seit dem 15.4.1984 stattgefunden hat oder gutgläubig vor dem 15. April 1994, dem Tag der Unterzeichnung des WTO-Übereinkommens, aufgenommen worden ist. Südafrika hat in den Verhandlungen mit der Gemeinschaft zu Recht da178
Abl. EG Nr. L 179/1 vom 14.7.1999, hier: Titel V, Kapitel II, Art. 47 ff. Verordnung (EG) Nr. 753/2002 der Kommission vom 29. April 2002, Abl. EG Nr. L 118/1 vom 4.5.2002. 180 Knaak, Der Schutz geographischer Angaben nach dem TRIPs-Übereinkommen, GRUR Int. 1995, S. 642, 649. 179
III. Schaffung einer Handelsordnung für Weine und Spirituosen
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rauf hingewiesen, dass es bereits „Port“ und „Sherry“ produzierte, als es im Wirtschaftsvölkerrecht überhaupt noch keine Regeln gab, nach denen diese Bezeichnungen hätten geschützt werden können.181 Man könne sogar auf eine 150-jährige Geschichte182 zurückblicken, in der südafrikanische Weinproduzenten sehr viel investiert haben, um ihren eigenen Port und Sherry zu vermarkten.183 Da dieser Nachweis erbracht werden kann, kann Südafrika gemäß Art. 24 Ziffer 4 TRIPs seinen Port- und Sherryproduzenten ein zeitlich unbegrenztes Recht zur weiteren und ähnlichen Benutzung für die gleichen oder gleichartige Waren einräumen. Dies kann von der Europäischen Gemeinschaft nicht verhindert werden, da das Weiterbenutzungsrecht gemäß Art. 24 Ziffer 4 TRIPs nur in dem Mitgliedstaat entstehen und anerkannt werden kann, in dem die Benutzung der fraglichen Bezeichnung stattgefunden hat.184 Andererseits darf das Weiterbenutzungsrecht nur zugunsten der Angehörigen des Schutzlandes oder derjenigen Personen anerkannt werden, die im Schutzland ihren Wohnsitz haben, nicht aber zugunsten von Angehörigen anderer Mitgliedsländer. Daraus folgt, dass Südafrika seinen Port- und Sherryproduzenten den Vertrieb ihrer Erzeugnisse nur auf seinem Territorium erlauben darf. Dagegen fehlt jedem Drittstaat die Möglichkeit einer entsprechenden Anerkennung, weil die südafrikanischen Produzenten nicht den erforderlichen Bezug zu seinem Staatsgebiet aufweisen. Diese Regelung führt, worauf Roland Knaak zu Recht hinweist, zu einer „territorialen Schranke des Weiterbenutzungsrechts auf das Sitzland“. Da die Ausnahmebestimmung ausdrücklich geregelt ist, besteht gleichwohl kein Widerspruch zu den Grundsätzen der Inländerbehandlung (Art. 3 TRIPs) und der Meistbegünstigung (Art. 4 TRIPs).185 Im Ergebnis gewährt Art. 24 Ziffer 4 TRIPs den südafrikanischen Weinproduzenten also nicht das Recht, den bisherigen Export seiner Port- und Sherryprodukte in andere Drittmärkte aufrecht zu erhalten. Für eine Weiterbenutzung auch in Drittstaaten bietet allenfalls Art. 24 Ziffer 6 TRIPs eine Rechtsgrundlage, der sich im Gegensatz zu Art. 24 Abs. 4 181 Thomas, The EU-South Africa Trade, Development & Cooperation Agreement: precedent or complicating factor? SAYIL 25 (2000), S. 20, 27. 182 Zum Teil wird sogar behauptet, dass es eine fast 200 Jahre alte Tradition der Herstellung von Port und Sherry gebe (Laing, More Port anymore? De Rebus, Juli 2003, S. 28, 29). 183 West, Loose ends a thorny issue in 11th-hour SA-EU trade deal, Cape Argus (12. Oktober 1999), S. 5. 184 Die Begründung des Territorialitätsprinzips ergibt sich aus den Worten „in the territory of that member“. 185 Knaak, Der Schutz geographischer Angaben nach dem TRIPs-Übereinkommen, GRUR Int. 1995, S. 642, 650.
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D. Der Agrarhandel
TRIPs nicht nur auf Wein- oder Spirituosenbezeichnungen, sondern auf geographische Angaben jeder Art bezieht. Diese Vorschrift gilt für Angaben, die nach der Verkehrsauffassung im Schutzland zu Gattungsbezeichnungen geworden sind.186 Zumindest solche Handelspartner Südafrikas, die bereits seit Jahrzehnten südafrikanischen Portwein und Sherry beziehen, könnten dieses Recht grundsätzlich für sich in Anspruch nehmen. Es erscheint jedoch zweifelhaft, dass südafrikanischer Port oder Sherry außerhalb der Grenzen der SACU-Zollunion jemals zu einer Gattungsbezeichnung geworden sind. Selbst wenn man dies für bestimmte SADC-Mitgliedstaaten oder andere spezielle Exportmärkte annehmen wollte, so würde dies den südafrikanischen Erzeugern keinen Rechtsanspruch auf ein entsprechendes Weiterbenutzungsrecht ihrer Gattungsbezeichnungen vermitteln. Im Gegensatz zu Art. 24 Ziffer 4 TRIPs dient Art. 24 Ziffer 6 TRIPs nämlich nicht dazu, die Individualinteressen der Produzenten zu schützen, sondern die Allgemeininteressen nach Maßgabe der Verkehrsgepflogenheiten oder der Verkehrsauffassung des Schutzlandes.187 Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass Drittstaaten unter Gemeinwohlgesichtspunkten ein Weiterbenutzungsrecht an den südafrikanischen Bezeichungen Port und Sherry auf ihrem Territorium geltend machen können. Insofern steht den südafrikanischen Produzenten auch nicht mittelbar über Art. 24 Ziffer 6 TRIPs ein Weiterbenutzungsrecht an den Namen Port und Sherry auf bestimmten Drittmärkten zu. Im Ergebnis ist gleichwohl festzuhalten, dass die Forderung der Gemeinschaft zur Frage der Nutzung der Namen Port und Sherry insoweit über die in Art. 24 Ziffer 4 TRIPs verankerten Rechte und Pflichten hinausgeht, als Südafrika auch der Aufgabe dieser Bezeichnungen auf dem eigenen Markt zustimmen sollte. b) Der Schutz der Bezeichnungen „Port“ und „Sherry“ nach dem TDCA Indem das TRIPs – wie bereits dargestellt188 – nur Minimalstandards für die handelsbezogenen Aspekte geistiger Eigentumsrechte festlegt, gewährt es den Mitgliedern das Recht, einen umfassenderen Schutz zu vereinbaren (Art. 1 Abs. 1 Satz 2 TRIPs). Daraus folgt, dass die Forderung der Gemeinschaft nach einer Ausdehnung des Schutzes geographischer Angaben grundsätzlich mit TRIPs vereinbar ist. Die Europäer konnten sich mit ihrem An186 Knaak, Der Schutz geographischer Angaben nach dem TRIPs-Übereinkommen, GRUR Int. 1995, S. 642, 650. 187 Knaak, Der Schutz geographischer Angaben nach dem TRIPs-Übereinkommen, GRUR Int. 1995, S. 642, 650 f. 188 Siehe C. II. 4. a).
III. Schaffung einer Handelsordnung für Weine und Spirituosen
341
liegen auch erfolgreich in den Verhandlungen durchsetzen: Obwohl Südafrika aufgrund seiner TRIPs-Verpflichtungen nicht dazu gezwungen war, den Gebrauch der Namen „Port“ und „Sherry“ zu verbieten, verzichtete es gleichwohl auf die Weiterbenutzung dieser Namen. Die getroffene Vereinbarung sieht vor, dass Südafrika beide Bezeichnungen innerhalb von 5 Jahren in Drittländern, innerhalb von 8 Jahren in SADC und innerhalb von 12 Jahren auf dem eigenen Markt (SACU) aufzugeben habe. Wörtlich wurde vereinbart:189 „1. Südafrika bestätigt erneut, dass bei seinen Ausfuhren in die Europäische Gemeinschaft weder jetzt noch künftig die Bezeichnungen „Portwein“ und „Sherry“ verwendet werden. 2. Südafrika wird die Verwendung der Bezeichnungen „Portwein“ und „Sherry“ innerhalb von 5 Jahren auf allen Exportmärkten schrittweise abbauen; dies gilt nicht für die nicht zur Zollunion Südliches Afrika (SACU) gehörenden Staaten der Entwicklungsgemeinschaft Südliches Afrika (SADC), für die diese Frist 8 Jahre beträgt. 3. Der südafrikanische Binnenmarkt im Sinne des Abkommens über Wein und Spirituosen umfasst die SACU (Südafrika, Botsuana, Lesotho und Swasiland). 4. Während einer Übergangszeit von 12 Jahren können südafrikanische Erzeugnisse auf dem südafrikanischen Binnenmarkt unter den Bezeichnungen „Portwein“ und „Sherry“ in den Verkehr gebracht werden. Danach werden die auf dem südafrikanischen Binnenmarkt zu verwendenden neuen Bezeichnungen für diese Erzeugnisse von Südafrika und der Europäischen Gemeinschaft gemeinsam vereinbart“.
Wie bereits dargelegt, hat Südafrika damit im Wege einer bilateralen Handelsvereinbarung geistige Eigentumsrechte an geographischen Angaben aufgegeben, die der Kaprepublik nach TRIPs durchaus zugestanden hätten. 2. Der Schutz für geographische Angaben anderer Weine Das Weinabkommen trifft eine Reihe detaillierter Regelungen im Hinblick auf den Schutz geographischer Angaben. Wie sich aus Art. 8 des Weinabkommens ergibt, wird ein bilaterales Register aller geschützten geographischen Angaben mit den im jeweiligen Anhang zu den Abkommen genannten Weinen und Spirituosen geführt, denen Schutz von Amts wegen gewährt wird. Damit gewährt das Abkommen – über den besonderen Schutz für Port und Sherry im TDCA hinaus – auch für alle übrigen Weinerzeugnisse einen 189 Anlage zu Anhang X zum TDCA, Abl. EG Nr. L 311/296 vom 4.12.1999. Die Vereinbarung wird in Art. 9 der Verordnung (EG) Nr. 120/2002 des Rates vom 21. Januar 2002 erneut bestätigt, Abl. EG Nr. L 28/7 vom 30.1.2002.
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D. Der Agrarhandel
gegenüber Abschnitt III des TRIPs-Übereinkommens verbesserten Schutz der geographischen Angaben. Statt es einer Ermessensentscheidung zu überlassen, ob die Qualität, der Ruf oder die Beschaffenheit eines Erzeugnisses im Wesentlichen ihrem geographischen Ursprung zugeschrieben werden kann, findet sich jeweils als Anhang zu den beiden Abkommen auf Drängen der Gemeinschaft ein bilaterales Verzeichnis aller geschützten geographischen Angaben, das in Art. 8 des Weinabkommens bzw. Art. 6 des Spirituosenabkommens seine Rechtsgrundlage hat. Insoweit könnte sich das TDCA als ein Vorläufer für das im Rahmen der Doha-Runde angestrebte multilaterale Register für geographische Angaben von Wein und Spirituosen190 erweisen. Jedenfalls erhöht die Einrichtung des Verzeichnisses die Rechtssicherheit für den Schutz der aufgeführten geographischen Angaben. Darüber hinaus wird der Schutz von Amts wegen durchgesetzt. 3. Der ausschließliche Schutz bestimmter Spirituosen Es ist der Gemeinschaft auch gelungen, den ausschließlichen Schutz für eine Reihe von Bezeichnungen in Art. 6 des Spirituosenabkommens festzuschreiben. Dabei handelt es sich um „Grappa“ (Italien)191, „Ouzo/Ouˇzo“ (Griechenland)192, „Korn“ bzw. „Kornbrand“ (Deutschland),193 „Jägertee“ 190
Zum Verhandlungsmandat, siehe Ziffer 18 der Doha Erklärung: „With a view to completing the work started in the Council for Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights (Council for TRIPS) on the implementation of Article 23.4, we agree to negotiate the establishment of a multilateral system of notification and registration of geographical indications for wines and spirits by the Fifth Session of the Ministerial Conference. We note that issues related to the extension of the protection of geographical indications provided for in Article 23 to products other than wines and spirits will be addressed in the Council for TRIPS pursuant to paragraph 12 of this Declaration“. 191 Nach Art. 1 Abs. 4 lit. f Ziffer 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 des Rates vom 29. Mai 1989, Abl. EG Nr. L 160 vom 12.06.1989 „[kann] die Bezeichnung ‚Trester‘ oder ‚Tresterbrand‘ [. . .] nur für die in Italien hergestellte Spirituose durch die Bezeichnung ‚Grappa‘ ersetzt werden“. Als „Trester“ oder „Tresterbrand“ gilt nach Ziffer 1 die „Spirituose, – die aus vergorenem und destilliertem Traubentrester – entweder unmittelbar durch Wasserdampf oder nach Zusatz von Wasser – gewonnen wird, dem in einem Verfahren des Art. 15 zu bestimmenden Umfang Trub zugesetzt worden sein kann, wobei die Destillation unter Beigabe des Tresters zu weniger als 86 Prozent vol vorgenommen wird; eine erneute Destillation auf denselben Alkoholgehalt ist zulässig; – die einen Gehalt an flüchtigen Bestandteilen von 140 g/hl r.A. oder mehr und einen Höchstgehalt an Methanol von 1000 g/hl r.A. aufweist“. 192 Nach Art. 1 Abs. 4 lit. o Ziffer 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 des Rates vom 29. Mai 1989, Abl. EG Nr. L 160 vom 12.06.1989
III. Schaffung einer Handelsordnung für Weine und Spirituosen
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bzw. „Jagertee“ oder auch „Jagatee“ (Östereich)194 und „Pacharan“ (aus Spanien).195 Nach dem Gemeinschaftsrecht ist die Benutzung dieser Namen „[darf] eine Spirituose mit Anis [. . .] als Ouzo bezeichnet werden, wenn sie – ausschließlich in Griechenland hergestellt wird; – durch Zusammenstellung von Alkoholen gewonnen wird, die durch Destillation oder Einmaischen unter Zusatz von Anis- und/gegebenenfalls Fenchelsamen des Mastix eines auf der Insel Chios beheimateten Mastixbaums (Pistacia lentiscus Chia oder latifolia) und von andere würzenden Samen, Pflanzen und Früchten aromatisiert werden, wobei der durch Destillation aromatisierte Alkohol mindestens 20 Prozent des Alkoholgehalts des Ouzo ausmachen muss. Dieses Destillat muss – durch Destillation in herkömmlichen, nichtkontinuierlich arbeitenden Destillationsgeräten aus Kupfer mit einem Fassungsvermögen von 1000 Litern oder weniger gewonnen werden; – einen Alkoholgehalt von mindestens 55 Prozent vol und höchstens 80 Prozent vol aufweisen Ouzo muss farblos sein und darf einen Zuckergehalt von 50 Gramm pro Liter haben“. 193 Nach Art. 1 Abs. 4 lit. c Ziffer 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 des Rates vom 29. Mai 1989, Abl. EG Nr. L 160 vom 12.06.1989 „[gilt] die Spirituose, die durch Destillieren aus vergorener Getreidemaische gewonnen wird und die organoleptischen Merkmale der Ausgangsstoffe aufweist [als Getreidespirituose]. Die Bezeichnung ‚Getreidespirituose‘ kann für das in Deutschland sowie in den Gebieten der Gemeinschaft mit Deutsch als eine der Amtssprachen hergestellte Getränk durch die Bezeichnung ‚Korn‘ oder ‚Kornbrand‘ ersetzt werden, sofern dieses Getränk in diesen Regionen herkömmlicherweise hergestellt wird und wenn die Getreidespirituose ohne Zugabe von Zusatzstoffen dort wie folgt gewonnen wird: – entweder ausschließlich durch Destillieren von vergorener Maische aus dem vollen Korn von Weizen, Gerste, Hafer, Roggen oder Buchweizen mit allen seinen Bestandteilen – oder durch erneutes Destillieren eines gemäß dem ersten Gedankenstrich gewonnen Destillats“. 194 Nach Art. 1 Abs. 4 lit. r Ziffer 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 des Rates vom 29. Mai 1989, Abl. EG Nr. L 160 vom 12.06.1989, eingefügt durch den Beschluss des Rates 95/1/EG, Euratom, EGKS vom 1.1.1995, Abl. EG Nr. L 1 vom 1.1.1995 „[sind] die Bezeichnungen ‚Jägertee‘, ‚Jagertee‘, ‚Jagatee‘ Likören mit Ursprung in Österreich vorbehalten, die unter Verwendung Äthylalkohol landwirtschaftlichen Ursprungs, von Essenzen aus bestimmten Spirituosen oder von Tee gewonnen und denen mehrere natürliche Aromastoffe im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Buchstabe b Ziffer i der Richtlinie 88/388/EWG hinzugefügt werden. Der Alkoholgehalt beträgt mindestens 22,5 Prozent vol. Der Mindestzuckergehalt, ausgedrückt als Invertzucker, beträgt 100g/l“. 195 Nach Art. 1 Abs. 4 lit. l Ziffer 2 der Verordnung (EWG) Nr. 1576/89 des Rates vom 29. Mai 1989, Abl. EG Nr. L 160 vom 12.06.1989 „[kann] als Pacharán [. . .] nur die Obstspirituose bezeichnet werden, die in Spanien durch Einmaischen von Schlehen (Prunus espinosa) mit einer Fruchtmindestmenge von 250 g je Liter reinen Alkohols gewonnen wird“.
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D. Der Agrarhandel
nur im Produktionsland zugelassen. Es wurde vereinbart, dass die Benutzung dieser Bezeichnungen durch Südafrika innerhalb von fünf Jahren nach In-Kraft-Treten des Spirituosenabkommens, d. h. bis Ende 2006, aufzugeben ist. Südafrikas bilaterale Verpflichtung hat zur Folge, dass den Wein- und Spirituosenproduzenten Markennamen genommen werden, in die sie über Jahrzehnte viel Geld investiert haben. Dies führt zu einer Enteignung ihrer geistigen Eigentumsrechte an diesen Namen. Angesichts des in der Bill of Rights der südafrikanischen Verfassung verankerten Eigentumsschutzes196 können die südafrikanischen Winzer eine Entschädigung verlangen. Es dürfte sich allerdings als schwierig erweisen, den genauen Marktwert dieser Namen zu ermitteln.197 Die Gemeinschaft hat sich jedenfalls verpflichtet, den Südafrikanern 15 Millionen Euro für die erforderliche „Umstrukturierung des Weinund Spirituosensektors sowie für die Vermarktung und den Vertrieb südafrikanischer Weine und Spirituosen“ zur Verfügung zu stellen.198 Die südafrikanische Wein- und Spirituosenindustrie steht mit ihren Herausforderungen nicht alleine. So hat sich etwa die Schweiz in ihrem bilateralen Abkommen mit der Gemeinschaft verpflichtet, den Namen „Vin de Champagne“ als geographische Ursprungsbezeichnung für den entsprechenden Waadtländer Schaumwein bis zum 1. Juni 2004 aufzugeben.199 Spanien musste ebenfalls mit Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft im Jahre 1986 den bis dahin als Gattungsbezeichnung verwendeten Begriff „Champana“ aufgeben und ist seit September 1994 auch verpflichtet, den Hinweis zum Herstellungsverfahren „méthode champenoise“ nicht mehr zu benutzen. Zum Ersatz wurde mit „Cava“ eine neue geographische Ursprungsbezeichnung eingeführt und der Herstellungsprozess als „método tradicional“ 196
Section 25 Act No 108 aus 1996; in Bezug auf den Schutz von geistigen Eigentumsrechten in der südafrikanischen Verfassung, siehe de Waal/Currie/Erasmus, The Bill of Rights Handbook, S. 415. 197 Siehe West, Loose ends: a thorny issue in 11th-hour SA-EU trade deal, Cape Argus vom 12. Oktober 1999, S. 5. 198 Siehe Anlage zu Anhang X des TDCA, Abl. EG Nr. L 311/296 vom 4.12.1999. 199 Abl. EG Nr. L 114 vom 30.4.2002, Anhang 7, Art. 5, Ziffer 8: „Der ausschließliche Schutz nach Abs. 1, 2, und 3 dieses Artikel gilt für den Namen „Champagne“, wie er im Verzeichnis der Gemeinschaft in Anlage 2 zu diesem Anhang aufgeführt ist. Dieser ausschließliche Schutz steht jedoch der Verwendung des Wortes „Champagne“ zur Bezeichnung und Aufmachung bestimmter Weine mit Ursprung im schweizerischen Kanton Waadt (Vaud) während einer Übergangszeit von zwei Jahren nach In-Kraft-Treten dieses Abkommens nicht entgegen, sofern diese Weine nicht im Gebiet der Gemeinschaft vermarktet werden und der Verbraucher nicht hinsichtlich des tatsächlichen Ursprungs irregeführt wird“.
III. Schaffung einer Handelsordnung für Weine und Spirituosen
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beschrieben. Auch wenn die Verkaufszahlen zunächst sanken, ist die Produktionsmenge nach einer Übergangszeit erheblich über das ursprüngliche Maß hinaus gestiegen, d. h. es ist den Spaniern gelungen, Cava als hochwertigen Schaumwein am europäischen Markt zu plazieren.200 Auch Südafrika verpflichtete sich bereits 1935 in einem bilateralen Abkommen mit Frankreich, auf die Namen „Champagne“ und „Burgundy“ zu verzichten. Stattdessen wurde für Schaumwein die Bezeichnung „Cap Classique“ eingeführt, die sich zumindest auf dem lokalen Markt einen entsprechenden Namen gemacht hat.201 Nachdem die Aufgabe der genannten Bezeichnungen bilateral vereinbart wurde, erscheint es für die südafrikanische Weinund Spirituosenindustrie ratsam, eigene geographische Bezeichnungen zu entwickeln. Das spanische Beispiel belegt, dass sich damit neue Märkte erobern lassen.202 4. Der Schutz „traditioneller Bezeichnungen“ Die Gemeinschaft wollte darüber hinaus auch noch die Anerkennung bestimmter traditioneller Bezeichnungen in dem Abkommen vereinbaren. Südafrika konnte sich jedoch im Rahmen der Verhandlungen um das Wein- und Spirituosenabkommen erfolgreich dem Drängen der Gemeinschaft nach bilateraler Anerkennung der in den Listen der Gemeinschaft aufgeführten traditionellen Begriffe203 widersetzen.204 Wörtlich heißt es: „Südafrika erkennt an, welche Bedeutung die Gemeinschaft ihrer Regelung zum Schutz der ‚traditionellen Bezeichnungen‘ beimisst. Die Gemeinschaft erkennt an, dass Südafrika grundsätzliche Zweifel an der Art, Reichweite und Anwendbarkeit dieser Regelung hat. Die Vertragsparteien kommen überein, diese Frage im Hinblick auf die künftigen Ergebnisse der multilateralen Verhandlungen in diesem Bereich weiterhin zusammen im Rahmen der Abkommen über Wein und Spirituosen zu behandeln. Die Vertragsparteien kommen überein, das Ziel, die Grundsätze 200 Während im Jahr 1983 etwa 100 Millionen Flachen Cava erzeugt wurden, waren es im Jahr 2001 bereits über 230 Millionen Flaschen. Bill, Cava – mehr als eine analytische Betrachtung, Schweizer Zeitschrift Obst-Weinbau, Nr. 11/01, S. 298 ff. 201 Laing, More Port anymore? De Rebus, Juli 2003, S. 28, 30 f. 202 Laing, More Port anymore? De Rebus, Juli 2003, S. 28, 30 f. 203 „EU list of Traditional Expressions to be protected for the Community“ (25. Juni 1999) VI-E-2. Traditionelle Begriffe werden in der Gemeinschaft geschützt gemäß Verordnung (EG) Kommission Nr. 753/2002 der Kommission vom 29. April 2002; Gemeinschaftsrecht Abl. EG Nr. L 118/30 vom 4.5.2002. 204 Dagegen hat Australien in seinem bilateralen Weinabkommen mit der Gemeinschaft bereits 1994 „traditional expressions“ ausdrücklich anerkannt, siehe Art. 2 lit. c des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Australien über den Handel mit Wein, Abl. EG Nr. L 86 vom 31.03.1994. http://www.europa.eu.int/ comm/agriculture/markets/wine/third/index-de.htm, aufgerufen am 2.2.2004.
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D. Der Agrarhandel
und die Anwendung einer für beide Parteien geltenden Regelung auf bestimmte besondere Fälle zu prüfen. Jedes durch Anwendung dieser Vorschrift gegebenenfalls erzielte Übereinkommen wird in dieses Abkommen aufgenommen“.205
In der WTO gibt es bisher keine Bestrebungen, traditionelle Bezeichnungen zu schützen. So hat die Gemeinschaft inzwischen auch schriftlich versichert, dass es nicht ihre Absicht ist, traditionelle Bezeichnungen in das ins Auge gefasste multilaterale Register für geographische Angaben von Weinen und Spirituosen aufnehmen zu wollen.206 Demgemäß enthält die von der Europäischen Kommission in der WTO vorgelegte Liste mit 41 „etablierten regionalen Qualitätsprodukten“, deren „missbräuchlicher Verwendung“ durch andere Produzenten sie „ein Ende bereiten will“,207 auch keine traditionellen Begriffe im Sinne der Verordnung (EG) 753/2002. Andererseits belegt Art. 9 des bilateralen Abkommens über den Weinhandel mit Chile,208 dass die Gemeinschaft darum bemüht ist, die traditionellen Begriffe sowohl der Liste A als auch der Liste B schützen zu lassen. Sollten jedoch Begriffe wie „Ruby“ (Liste B) langfristig multilateralen Schutz genießen, so müsste die südafrikanische Weinindustrie, die derzeit z. B. von „Port“ auf „Cape Ruby“ umstellt, in absehbarer Zeit erneut eine Neubezeichnung ihres Likörweins vornehmen. Die Bemühungen der Gemeinschaft um den Schutz von „traditionellen Bezeichnungen“, die in der Gemeinschaft zur Etikettierung von Weinen verwendet werden und dort als solche rechtlich geschützt sind, bezogen sich im Wesentlichen auf „ein Verfahren der Erzeugung, Bereitung und Reifung bzw. auf Qualität, Farbe oder Art des Weins oder einen Ort oder ein historisches Ereignis im Zusammenhang mit der Geschichte dieses Weins“.209 Art. 24 der entsprechenden Verordnung (EG) 753/2002 definiert zwei Kategorien traditioneller Begriffe. Nach Art. 24 Abs. 5 muss ein traditioneller Begriff „a) als solcher spezifisch und in den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates genau definiert sein, 205 Art. 24 Abs. 3 des Weinabkommens und Art. 22 Abs. 3 des Spirituosenabkommens, Abl. EG Nr. L 28 vom 30.1.2002, die insoweit wortgleich sind. 206 JOB(03)76. 207 „EU fordert besseren Schutz für regionale Qualitätserzeugnisse“, Pressemitteilung der Europäischen Kommission, Nr. 259-2003 vom 28. August 2003; „WTO talks: EU steps up bid for better protection of regional quality products“ IP/03/1178 vom 28. August 2003. 208 Abl. EG Nr. L 352/1083 vom 30.12.2002. 209 Art. 47 Abs. 2 lit. e, Anhang VII B. 1. b) der Verordnung (EG) Nr. 1493/ 1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein, Abl. L 179 vom 14.7.1999, i. V. m. Art. 24, 23, 28, 14 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchstabe c), Art. 29 und Art. 38 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 753/2002 der Kommission vom 29. April 2002, Abl. EG Nr. L 188 vom 4.5.2002.
III. Schaffung einer Handelsordnung für Weine und Spirituosen
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b) hinreichende Unterscheidbarkeit gewährleisten und/oder innerhalb des Gemeinschaftsmarktes gut bekannt sein, c) traditionellerweise während mindestens zehn Jahren im betreffenden Mitgliedstaat verwendet worden sein, d) für einen oder gegebenenfalls für mehrere Weine oder Weinkategorien der Gemeinschaft verwendet werden“.
Diese Gruppe traditioneller Bezeichnungen findet sich in Abschnitt A des Anhangs III der Verordnung aufgelistet. Eine entsprechende Etikettierung ist geschützt, wenn der entsprechend definierte Wein den aufgeführten Kriterien genügt. Traditionelle Begriffe sind im WTO-Recht im Gegensatz zu geographischen Angaben nicht gesondert geschützt. Soweit sie, wie dies nach der Gemeinschaftsrichtlinie vorgeschrieben ist, zwingend einzuhalten sind, handelt es sich bei den Etikettierungsvorschriften um „Technische Vorschriften“ im Sinne des TBT-Übereinkommens.210 Für den internationalen Handel weitaus problematischer sind die in Abschnitt B in Anhang III der EG Verordnung 753/2002 aufgeführten traditionellen Bezeichnungen, die an den geographischen Ursprungsort eines Weines anknüpfen. Für sie gilt gemäß Art. 24 Abs. 6 folgende Definition: „Um in Anhang III Abschnitt B aufgeführt werden zu können, müssen die traditionellen Begriffe den Voraussetzungen in Abs. 5 genügen, für einen Wein mit geographischer Angabe verwendet werden und den Ursprung eines Weines in der entsprechenden Region oder dem betreffenden Ort des Gemeinschaftsgebiets bezeichnen, soweit eine Eigenschaft, der Ruf oder ein sonstiges Merkmal des Weins, die, der bzw. das durch den betreffenden traditionellen Begriff ausgedrückt wird, im Wesentlichen diesem geographischen Ursprung zuzuordnen ist“.
Da diese traditionellen Begriffe der Liste B seit langer Zeit in Zusammenhang mit den geographischen Angaben genannt werden, sollen sie nur für Weine verwendet werden, die aus dem entsprechenden Anbaugebiet stammen. Damit wird für traditionelle Begriffe dieser Kategorie ein geistiges Eigentumsrecht sui generis begründet,211 was nicht zuletzt bei den Mitgliedstaaten der World Wine Trade Group (WWTG)212 Besorgnis ausgelöst hat.213 Das Beispiel des Wein- und Spirituosensektors zeigt, dass mit fortlaufender Handelsliberalisierung ein Ausbau des Schutzes geistiger Eigentums210 Siehe auch Labelling, Submission by the European Communities, G/TBT/W/ 175 vom 12. Juni 2002. 211 Laing, More Port anymore? De Rebus, Juli 2003, S. 28, 31. 212 Der WWTG gehören die Regierungen von Argentinien, Australien, Chile, Kanada, Neuseeland, Südafrika und den USA an. Brasilien, Mexiko und Uruguay haben Beobachterstatus. 213 Siehe Genfer Erklärung der WTTG vom April 2003.
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D. Der Agrarhandel
rechte einhergeht. Inwieweit es einzelnen Staaten gelingen kann, sich dieser Entwicklung zu widersetzen, erscheint zweifelhaft. Insofern hätte es sich für Südafrika angeboten, im Gegenzug auch den bilateralen Schutz eigener Qualitätsprodukte mit geographischem Ursprung zu vereinbaren. Dafür hätte sich etwa der auch in der Gemeinschaft sehr beliebte „Rooibos Tee“214 oder die insbesondere in England konsumierte „Boerewors“215 angeboten.216 Würde es gelingen, diese Bezeichnungen sogar in das internationale Register aufzunehmen, so könnten die Südafrikaner für Rooibos und Boerewors sogar den gleichen Schutz beanspruchen, den andere Nationen etwa für Roquefort (Käse), Havanna (Tabak), Basmati (Reis), Cylon (Tee) oder Parma (Schinken) geltend machen.217
IV. Fazit Der große Erfolg des TDCA besteht darin, dass im Agrarbereich von Seiten der Gemeinschaft überhaupt Zollkonzessionen gemacht wurden. Wie aber bereits im zweiten Kapitel dargestellt, reichen sie nicht aus, um das von Art. XXIV geforderte Liberalisierungsmaß zu erreichen. Hinzu kommt, dass die nichttarifären Handelshemmnisse auf MFN-Basis bestehen bleiben, so dass die Überwindung der jeweiligen Schutzsysteme – insbesondere der GAP – nach wie vor darüber entscheidet, inwieweit ein Marktzugang möglich ist. Ferner stellen zahlreiche gesundheitspolizeiliche Maßnahmen ebenfalls ein erhebliches Marktzugangshindernis dar. Durch die vereinbarten Zollkontingente im Wein- und Spirituosensektor wird dieser Bereich wesentliche Handelsvorteile haben, welche die Einbußen im Bereich der Etikettierungsrechte in der Bilanz bei weitem überwiegen dürften, wenngleich sich die Gemeinschaft mit dieser Vereinbarung keine Sympathien bei den Südafrikanern erworben hat. Im Ergebnis ist im Agrarbereich noch viel Liberalisierung möglich und nötig. Zweifelhaft ist allerdings, ob auf bilateraler Ebene mehr erreicht werden kann, solange auf multilateraler Ebene nicht ebenfalls umfangreichere Verpflichtungen eingegangen werden.
214 Der Begriff „Rooibos“ stammt aus dem Afrikaans und heißt übersetzt „Rotbusch“. Dabei handelt es sich um eine in Südafrika wachsende Pflanze, aus welcher der gleichnamige Tee hergestellt wird. 215 Der Begriff Boerewors stammt aus dem Afrikaans und heißt wörtlich übersetzt „Bauernwurst“. Da es die Buren als Erfinder und Hersteller der Wurst als Volksgruppe nur in Südafrika gibt (siehe erstes Kapitel), ist der erforderliche geographische Bezug des Namens zu Südafrika gegeben. 216 Laing, More Port anymore? De Rebus, Juli 2003, S. 31. 217 Zum Stand der WTO Verhandlungen im Bereich der Geographischen Angaben, siehe auch http://www.intracen.org/worldtradenet/, aufgerufen am 2.2.2004.
E. Die Streitbeilegung Die Wirksamkeit eines jeden Rechtssystems – sowohl national wie international – hängt von seiner Durchsetzbarkeit ab.1 Gerade im Wirtschaftsverkehr kommt es darauf an, dass Rechtsstreitigkeiten möglichst schnell beigelegt werden, wenn die tatsächliche Entwicklung den Rechtsstreit nicht überholen soll. Andererseits gebietet es die Rechtssicherheit, dass die Streitbeilegung im Rahmen eines geordneten Verfahrens stattfindet, das rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt und zu einem in qualitativer Hinsicht belastbaren Urteil führt. Insofern ist es auch für den europäisch-südafrikanischen Handel wichtig, welche Möglichkeiten für beide Seiten bestehen, die in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen Rechte und Pflichten erforderlichenfalls auf dem Rechtsweg durchzusetzen.
I. Im TDCA ausgewiesene Streitbeilegungsmechanismen In der Völkerrechtsordnung gibt es kein hierarchisch geordnetes Gerichtssystem mit sachlicher Zuständigkeitsverteilung. Vielmehr setzt sie sich aus verschiedenen völkerrechtlichen Vertragsordnungen zusammen, die ihrerseits festlegen, ob und ggfs. wie eine Durchsetzung der vereinbarten Rechte und Pflichten möglich sein soll. Dies führt dazu, dass Streitbeilegungsmechanismen aufgrund von Zuständigkeitsüberschneidungen miteinander konkurrieren können. Eine Zuständigkeitskonkurrenz dieser Art ist bereits im 1 Wohl auch aus diesem Grund wird im Völkerrecht zwischen immerhin zehn verschiedenen Streitbeilegungsmechanismen unterschieden, zwischen denen die zahlreichen, seit der Friedenskonferenz in „The Hague“ 1899 abgeschlossenen Streitbeilegungsvereinbarungen im Wesentlichen differenzieren: (1) Negotiations, (2) Good Offices, (3) Mediation, (4) International Commissions of Inquiry, (5) Conciliation, (6) Arbitration, (7) Judicial Settlement by Permanent Courts, (8) Resort to Regional Agencies or Arrangements, (9) Other Peaceful Means of their Own Choice und (10) Dispute Settlement by the UN Security Council or by Other UN Organs or Other International Organisations. Zur Übersicht, siehe auch Petersmann, Dispute Settlement in International Economic Law – Lessons for Strengthening International Dispute Settlement in Non-Economic Areas, JIEL 2 (1999), S. 189, 195. Nähere Erklärungen zu den einzelnen Verfahren finden sich bei Petersmann, The GATT/WTO Dispute Settlement System – International Law, International Organizations and Dispute Settlement, S. 68–70. Im Rahmen dieser Arbeit werden allerdings nur die Mechanismen ausführlicher behandelt, welche eine direkte Relevanz für Streitfälle im Zusammenhang mit dem TDCA haben.
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E. Die Streitbeilegung
TDCA selbst angelegt. So benennt Art. 104 TDCA neben der Möglichkeit der gütlichen Einigung im Kooperationsrat als mögliche Streitbeilegungsmechanismen einerseits ein vom Kooperationsrat zu initiierendes bilaterales „Schiedsgericht“ und andererseits das WTO-Streitbeilegungsverfahren. 1. Das Schiedsgericht des TDCA Die Vertragsparteien sind nach Art. 104 Abs. 10 TDCA aufgefordert, Streitigkeiten über vertragliche Rechte und Pflichten möglichst nach dem vorgeschriebenen bilateralen Schiedsverfahren des TDCA beizulegen, das – jedenfalls auch2 – für alle Fragen der bilateral vereinbarten Zugeständnisse in Titel II und der bilateralen Handelsordnung in Titel III TDCA zuständig ist: „Unbeschadet ihres Rechts, das WTO-Streitbeilegungsverfahren in Anspruch zu nehmen, bemühen sich die Gemeinschaft und Südafrika, Streitigkeiten über einzelne sich aus den Titeln II und III ergebende Verpflichtungen nach den besonderen Streitbeilegungsbestimmungen dieses Abkommens beizulegen. In den Schiedsverfahren dieses Abkommens werden keine Fragen behandelt, welche die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien im Rahmen der WTO betreffen, es sei denn, die Parteien vereinbaren die Anwendung des Schiedsverfahrens für diese Fragen“.
Nach dem Wortlaut nicht eindeutig abgrenzbar ist die Reichweite der materiellrechtlichen Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Es wird zwar festgelegt, dass Gegenstand des Schiedsverfahrens nur Streitigkeiten über Rechte und Pflichten aus den Titeln II und III des TDCA sein können. Jedoch werden davon Streitigkeiten über „die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien im Rahmen der WTO“ grundsätzlich ausgenommen. Andererseits kann auch die diesbezügliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts von den Parteien von Fall zu Fall ausdrücklich vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung müsste sich allerdings wiederum auf Fragen aus den bilateralen Handelsbeziehungen beschränken, da das Schiedsgericht keine über das TDCA hinausgehenden Rechtsprechungsbefugnisse hat. 2. Das Streitbeilegungsverfahren der WTO Soweit es in einem Rechtsstreit zwischen der Gemeinschaft und Südafrika um die Auslegung von WTO-Ansprüchen geht, die in das TDCA inkorporiert wurden, wie z. B. die Einbeziehung des TRIPs in Art. 46 Abs. 1 TDCA,3 soll den Parteien der Zugang zum WTO-Streitbeilegungsverfahren 2 Nach Art. 104 Abs. 1 TDCA kann sich der Kooperationsrat „mit jeder Streitigkeit über die Anwendung oder die Auslegung dieses Abkommens befassen“ und für diese nach Art. 104 Abs. 4 TDCA das Schiedsverfahren einleiten.
I. Im TDCA ausgewiesene Streitbeilegungsmechanismen
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ausdrücklich erhalten bleiben. Damit wird diesem Forum parallel eine sachliche Zuständigkeit zugesprochen. Art. 23 Ziffer 1 DSU verpflichtet die WTO-Mitglieder, sich im Falle von Streitigkeiten über die „unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen“ an die Regeln und Verfahren dieser Vereinbarung zu halten und sie zu befolgen. Art. 23 Ziffer 2 DSU legt den Mitgliedern darüber hinaus auf, keinerlei WTO-relevante Feststellungen zu treffen, es sei denn durch Inanspruchnahme der Streitbeilegung in Übereinstimmung mit den Regeln und Verfahren der vorliegenden Vereinbarung. Petersmann leitet daraus die Exklusivität des WTO-Streitbeilegungssystems ab.4 Andere sprechen zumindest von einer „Vorrangklausel“.5 Das TDCA ist jedoch nicht Bestandteil der in Anhang 1 des DSU aufgeführten abschließenden Liste der „unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen“. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass zahlreiche WTO-Regelungen in das TDCA inkorporiert wurden. Es bleibt eine bilaterale Handelsvereinbarung, die gemäß Art. XXIV GATT 1994 eine Ausnahme zur multilateralen Handelsordnung darstellt, d. h. alle ihre Vorschriften sind – unabhängig von ihrer Herkunft oder Anlehnung – originäre Regelungen dieses Abkommens. Da ein angerufenes WTO-Panel jedoch nur über „unter die Vereinbarung fallende Übereinkommen“ entscheidet, befasst es sich lediglich mit den multilateralen Pflichten der Gemeinschaft und Südafrikas, d. h. Südafrika und die Gemeinschaft müssten Ansprüche aus der Welthandelsordnung geltend machen, nicht aber solche aus dem TDCA, denn ihre Parteifähigkeit resultiert aus ihrer WTOMitgliedschaft und nicht aus dem bilateralen TDCA.6 3. Vergleich zwischen TDCA und WTO-Verfahren Gemäß Art. 104 Abs. 10 TDCA wollen die Gemeinschaft und Südafrika sich „bemühen“, bevorzugt den TDCA-Streitbeilegungsmechanismus zur Beilegung von handelsrechtlichen Streitigkeiten zu wählen. Mangels einer 3 Andere Beispiele sind das TBT-Übereinkommen (über Art. 47 lit. a TDCA), GATS (über Art. 29 TDCA), das Agrarabkommen (über Art. 24 Abs. 1 TDCA), das Abkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen (über Art. 44 Abs. 1 TDCA) usw. 4 Petersmann, The GATT Dispute Settlement of the WTO and the Evolution of the GATT Dispute Settlement System since 1948, CML Rev 31 (1994), S. 1157, 1208. 5 Reinisch, Was gehört eigentlich vor WTO Panels? RIW 2002, S. 449, 455. 6 So wohl auch Marceau, The Dispute Settlement Rules of the North American Free Trade Agreement: A Thematic Comparison with the Dispute Settlement Rules of the World Trade Organisation, in: Petersmann (Hrsg.), International Trade Law and the GATT/WTO Dispute Settlement System S. 489, 535 f.
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E. Die Streitbeilegung
justiziablen Vorrangregel hat es die beschwerdeführende Partei aber weitgehend selbst in den Händen, an welches Forum sie sich mit dem von ihr geltend gemachten Recht wendet. Sie wird sich dabei naturgemäß von den Erfolgsaussichten leiten lassen, die ihrerseits maßgeblich vom Streitgegenstand her bestimmt werden. Darüber hinaus sind jedoch auch forumsbezogene Kriterien maßgeblich, wie insbesondere die Frage der Kostentragung,7 die Zusammensetzung des Rechtsprechungskörpers, die Vorzüge des vom Forum anzuwendenden Rechts, die Klagebefugnis, das Verfahren, die Berufungsmöglichkeiten, die Reichweite der Rechtskraft der Entscheidung, die Abhilfemöglichkeiten und die Folgen bei Nichtbeachtung des Urteils. Im Folgenden soll das Schiedsverfahren des TDCA in Abgrenzung zum Streitbeilegungsverfahren der WTO in Bezug auf diese Kriterien untersucht werden. a) Konsultationen Streitigkeiten über die „Anwendung und Auslegung“ des TDCA können gemäß Art. 104 Abs. 1 TDCA dem Kooperationsrat vorgelegt werden, der sie nach Art. 97 Abs. 3 i. V. m. Art. 104 Abs. 2 TDCA durch Beschluss beilegen kann. Das Gremium setzt sich nach Art. 1 seiner Geschäftsordnung8 zum einen aus Mitgliedern bzw. Vertretern des Rates der Europäischen Union und der Kommission der Europäischen Gemeinschaft zusammen. Zum anderen gehören ihm Mitglieder bzw. Vertreter der südafrikanischen Regierung an. Es handelt sich also um ein bilateral besetztes Gremium, das seine Beschlüsse und Empfehlungen nach Art. 10 der Geschäftsordnung nur im gegenseitigen Einvernehmen der Vertragspartner treffen kann. Art. 97 Abs. 1 TDCA beschreibt seine Aufgaben wie folgt: „a) Gewährleistung des ordnungsgemäßen Funktionierens und der Durchführung des Abkommens und des Dialogs zwischen den Vertragsparteien; b) Beobachtung der Entwicklung des Handels und der Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien; c) Suche nach geeigneten Methoden, Problemen vorzubeugen, die in den unter das Abkommen fallenden Bereichen aufkommen können; d) Meinungsaustausch und Vorschläge zu allen den Handel und die Zusammenarbeit betreffenden Fragen von beiderseitigem Interesse, einschließlich künftiger Maßnahmen und der für ihre Durchführung erforderlichen Mittel“. 7
Ausführlich dazu: Romano, The Cost of International Justice. Beschluss Nr. 1/2001 des Kooperationsrates zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Südafrika andererseits vom 26. Juni 2001 über die Annahme der Geschäftsordnung des Kooperationsrates (2001/631/EG), Abl. EG Nr. L 221/37. 8
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Aufgrund des von ihm zu beachtenden Konsensprinzips handelt es sich bei den Bemühungen des Kooperationsrates, einen Handelsstreit einvernehmlich zu lösen, im Wesentlichen um einen politisch-diplomatischen Prozess, dessen Ausgestaltung die Parteien bestimmen. Insofern ist das Verfahren vergleichbar mit dem Konsultationsverfahren des DSU. Dies gilt auch im Hinblick auf die Vertraulichkeit seiner Beratungen, die gemäß Art. 4 Ziffer 6 DSU bzw. Art. 11 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Kooperationsrates gewährleistet ist. Das Konsultationsverfahren der WTO unterscheidet sich jedoch von demjenigen des TDCA ganz wesentlich dadurch, dass es bis in seine Einzelheiten formalisiert ist. So muss der Handelspartner, an den der Konsultationsantrag gerichtet worden ist, gemäß Art. 4 Ziffer 3 Satz 1 DSU innerhalb von 10 Tagen Stellung zum Konsultationsantrag nehmen und innerhalb von 30 Tagen Konsultationen mit dem antragstellenden Land aufnehmen. Reagiert das angesprochene Land nicht oder kommen innerhalb der vorgesehenen Frist keine Konsultationen zustande, steht dem antragstellenden Land nach Art. 4 Ziffer 2 Satz 2 DSU das Recht zu, unmittelbar die Einsetzung eines „Panels“ zu verlangen. Führen die Konsultationen binnen 60 Tagen zu keiner Beilegung der Streitigkeit oder sind die Parteien bereits vor Ablauf der Frist über die Unmöglichkeit einer gütlichen Lösung einig, kann beim Streitschlichtungsgremium (Dispute Settlement Body, DSB) die Einsetzung eines Panels beantragt werden (Art. 4 Ziffer 7 DSU). In dringenden Fällen, zum Beispiel beim Handel mit verderblichen Erzeugnissen, verkürzt sich nach Art. 4 Ziffer 8 DSU die Frist für Konsultationen auf 10 Tage und für die Beantragung des Einsatzes eines Panels auf 20 Tage. Der Verzicht auf vergleichbare Fristen für das Konsultationsverfahren im Kooperationsrat ist darauf zurückzuführen, dass dieser keine mit dem DSB vergleichbare, unabhängige dritte Instanz darstellt, die in diesem Prozess eine vermittelnde Funktion wahrnehmen könnte. Insbesondere ist der Kooperationsrat angesichts seiner paritätischen Besetzung nicht in der Lage, im Rechtsstreit „Gute Dienste“, einen Vergleich oder die Vermittlung im Sinne des Art. 5 DSU anzubieten. Vielmehr entscheidet die beschwerdeführende Partei, wann sie die erforderlichen Konsultationen im Kooperationsrat für gescheitert hält. Sie kann dann ohne Beachtung irgendwelcher Fristen unilateral den Streitbeilegungsmechanismus des TDCA in Gang setzen, indem sie einen ersten Schiedsrichter bestellt und die Gegenseite darüber unterrichtet (Art. 104 Abs. 4 TDCA). Unklar ist, wie sich die fehlenden zeitlichen Vorgaben für das Konsultationsverfahren in der Praxis auswirken. De jure kann die beschwerdeführende Partei den Rechtsweg dadurch im Vergleich zum WTO-Verfahren erheblich verkürzen; de facto besteht jedoch eher die Gefahr langwieriger Verhandlungen im Kooperationsrat, die mit der Sorge um politische Implikationen des Rechtsstreits für
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E. Die Streitbeilegung
das bilaterale Verhältnis der Vertragspartner verbunden werden dürften. Insofern wäre die Festsetzung eines mit dem WTO-Recht vergleichbaren maximalen Zeitrahmens für die Konsultationsphase wünschenswert gewesen, um den Druck zu erhöhen, nach einer einvernehmlichen Lösung zu suchen. Dies schließt die Fortführung der Verhandlungen mit dem Ziel einer gütlichen Einigung nicht aus, wie die Tatsache zeigt, dass Verhandlungen häufig auch dann noch geführt werden, nachdem ein Panel bestellt wurde.9 Allerdings stehen die Verhandlungen dann unter einem hohen Erfolgszwang, was wiederum in der Praxis die Chancen für eine gütliche Einigung erhöhen mag. Die in den Konsultationen gefundenen Lösungen müssen nach Art. 3 Ziffer 5 DSU mit den WTO-Übereinkommen vereinbar sein und dürfen die sich daraus ergebenden Vorteile „weder zunichte machen oder schmälern noch die Erreichung eines der Ziele dieses Abkommens behindern“. Eine entsprechende Auflage gibt es für den Kooperationsrat nicht. Angesichts des rein bilateralen Charakters der Gespräche ist mit pragmatischen Lösungsvorschlägen des Kooperationsrates zu rechnen. Für ihn kommt es im Ergebnis lediglich darauf an, zwischen den widerstreitenden Interessen beider Seiten zu vermitteln. Es gibt jedenfalls keine Bestimmung, die einen Einklang der gefundenen Lösung mit den sonstigen Vorschriften des Abkommens oder der WTO verlangt, solange die Handelsbeziehungen zu Drittstaaten nicht betroffen sind. Allerdings gilt auch hier der bereits im zweiten Kapitel erörterte Grundsatz, dass das Freihandelsabkommen insgesamt mit Art. XXIV in Einklang stehen muss. Daher müssen sich Vorschläge des Kooperationsrats jedenfalls insoweit auch an den relevanten Vorschriften des GATT messen lassen, um nicht „durch die Hintertür“ die Anforderungen an die Bildung einer Freihandelszone zu unterlaufen und den Handel mit Drittstaaten zu erschweren. b) Die Einsetzung des Schiedsgerichts aa) Klageantrag und Mandat Erweisen sich die Konsultationen aus Sicht der beschwerdeführenden Partei als fruchtlos, so leitet sie mit der Bestellung eines ersten Schiedsrichters nach Art. 104 Abs. 4 TDCA das Streitbeilegungsverfahren ein. Ein zusätzlicher Antrag ist dafür nicht erforderlich. Insoweit unterscheidet sich 9 So z. B. „EC-Trade Descriptions of Scallops“, Beschwerde von Chile, Kanada und Peru, WT/DS12/R und WT/DS14/R vom 5. August 1996, Ziffer 20 f. und „EC-Measures Affecting Butter Products“, Beschwerde von Neuseeland, WT/DS72/ R vom 24. November 1999, Ziffer 8 ff.
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das Verfahren zur Einsetzung des Schiedsgerichts von demjenigen zur Einsetzung eines WTO-Panels gemäß Art. 6 Ziffer 2 S. 1 DSU: „Der Antrag auf Einsetzung eines Panels muss schriftlich erfolgen. Er muss Angaben enthalten, ob Konsultationen stattgefunden haben, die einzelnen strittigen Maßnahmen nennen und eine kurze Zusammenfassung der Rechtsgrundlage der Beschwerde geben, die zur Verdeutlichung des Problems ausreicht. Beantragt der Antragsteller die Einsetzung eines Panels, das nicht das übliche Mandat hat, so muss der schriftliche Antrag den vorgeschlagenen Wortlaut des besonderen Mandats enthalten“.
Der Hauptgrund für das Fehlen eines Antragsverfahrens dürfte darin liegen, dass es an einem unabhängigen Adressaten fehlt, der mit dem DSB vergleichbar wäre. Darüber hinaus werden mit dem Antragsverfahren des DSU auch andere Zwecke verfolgt, wie der Appellate Body im EC-Bananas III-Fall festgestellt hat: „It is important that a panel request be sufficiently precise for two reasons: first, it often forms the basis for the terms of reference of the panel persuant to Article 7 of the DSU; and, second, it informs the defending party and the third parties of the legal basis of the complaint“.10
Da Drittstaaten aus dem TDCA keine eigenen Rechte und Pflichten herleiten können, besteht ihnen gegenüber auch keine Informationspflicht. Insofern sind die Verfahrensgrundsätze des DSU nicht im vollen Umfang auf das TDCA übertragbar. Hinsichtlich der Rechte des Beschwerdegegners besteht aber kein Unterschied. Er muss zur Vorbereitung seiner Verteidigung wissen, gegen welche Maßnahme sich der Beschwerdeführer wehrt.11 Darüber hinaus sollten ihm auch die angeblich verletzten Vertragsbestimmungen genannt werden, damit er weiß, auf welche Anspruchsgrundlagen sich das Klagebegehren stützt.12 Im WTO-Streitbeilegungsverfahren wird das Mandat des Panels gemäß Art. 7 DSU in so genannten „Terms of Reference“ bestimmt, die ihrerseits regelmäßig auf den Klageantrag Bezug nehmen. Das Panel ist an diese „Terms“ gebunden und darf nur die dort aufgeführten Ansprüche untersuchen.13 Demgemäß erfüllen die „Terms“ die folgenden Zwecke: 10
Appellate Body Bericht „EC-Bananas III“ WT/DS27/AB/R vom 9. September 1997, Ziffer 142. 11 Appellate Body Bericht „EC-Computer Equipment“ WT/DS62AB/R, WT/ DS67/AB/R, WT/DS68/AB/R vom 5. Juni 1998, Ziffer 70. 12 Insoweit soll es ausreichend sein, wenn zumindest die verletzten Vertragsbestimmungen aufgelistet werden, Appellate Body Bericht „EC-Bananas III“ WT/ DS27/AB/R vom 9. September 1997, Ziffer 141. 13 Appellate Body Bericht „India-Patents (US)“ WT/DS50/AB/R vom 19. Dezember 1998, Ziffer 92 und 93.
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E. Die Streitbeilegung
„First, terms of reference fulfill an important due process objective – they give the parties and third parties sufficient information concerning the claims at issue in the dispute in order to allow them an opportunity to respond to the complainant’s case. Second, they establish the jurisdiction of the panel by defining the precise claims at issue in the dispute“.14
Da das TDCA weder Vorgaben für den Klagantrag noch zur Eingrenzung des Mandats des Schiedsgerichts macht, besteht die Gefahr, dass beides zunächst völlig unbestimmt bleibt und womöglich erst während des Verfahrens präzisiert wird. Um dem zu begegnen, wird das Schiedsgericht zu Beginn des Verfahrens in Konsultation mit den Parteien den genauen Streitgegenstand bestimmen müssen. Es wäre ratsam, diesen ebenfalls in Form von „Terms of Reference“ schriftlich zu fixieren. bb) Besetzung des Schiedsgerichts Nachdem der Beschwerdeführer seinen Schiedsrichter bestellt hat, bleiben dem Beschwerdegegner nach Art. 104 Abs. 9 lit. a TDCA 30 Tage, um seinerseits einen zweiten Schiedsrichter zu bestellen.15 Der dritte Schiedsrichter ist schließlich innerhalb von 60 Tagen vom Kooperationsrat zu bestellen (Art. 104 Abs. 9 lit. b TDCA).16 Über seine Person muss Einvernehmen erzielt werden, da die Entscheidungen im Kooperationsrat nur im Konsens getroffen werden können. Zumindest die Zahl der Schiedsrichter17 entspricht derjenigen eines regulären WTO-Panels, wobei das Panel im gegenseitigen Einvernehmen sogar auf fünf Personen aufgestockt werden kann (wozu es bislang aber noch nicht gekommen ist). Ansonsten unterscheidet sich das Verfahren zur Besetzung des Schiedsgerichts grundlegend von demjenigen zur Einsetzung eines Panels gemäß DSU. Im Rahmen der WTO werden die Mitglieder des Panels einschließlich seines Vorsitzenden gemäß Art. 8 Ziffer 6 DSU vom WTO-Sekretariat vorgeschlagen. Kommt es zwischen den Streitparteien innerhalb von 20 Tagen zu keiner Einigung über die nominierten Panel-Mitglieder, so ernennt der Generaldirektor der 14 Appellate Body Bericht „Brazil-Desiccated Coconut“ WT/DS22/AB/R vom 21. Februar 1997, S. 20. 15 Die kurze 30-Tage-Frist gilt nur für handelsrechtliche Streitigkeiten (Titel II und III TDCA). Für sonstige Streitigkeiten gilt eine Zweimonatsfrist (Art. 104 Abs. 4 TDCA). 16 Die kurze 60-Tage-Frist gilt nur für handelsrechtliche Streitigkeiten (Titel II und III TDCA). Für sonstige Streitigkeiten gilt eine Sechsmonatsfrist (Art. 104 Abs. 5 TDCA). 17 Die Anzahl von drei Schiedsrichtern folgt auch einem typischen Muster der Gemeinschaft, wie sich aus einer von Hilf vorgenommenen Untersuchung von 34 Abkommen der Gemeinschaft aus dem Jahr 1983 ergibt (Hilf, Europäische Gemeinschaften und internationale Streitbeilegung, in: FS Moser, S. 387, 418).
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WTO nach Art. 8 Ziffer 7 DSU die Panel-Mitglieder nach objektiven Eignungskriterien. Dabei werden nach Art. 8 Ziffer 1 DSU hohe Anforderungen an die fachliche Qualifikation, Unabhängigkeit und Erfahrung der Panelmitglieder gestellt. Dagegen entspricht die Auswahl der Schiedsrichter nach dem TDCA im Wesentlichen demjenigen, das auch in „commercial arbitration“ regelmäßig Anwendung findet. Jede Streitpartei benennt zunächst ihren „eigenen“ Schiedsrichter, bevor der Kooperationsrat innerhalb eines Zeitraums von 60 Tagen den dritten Schiedsrichter zu bestimmen hat. Dieses Verfahren dürfte den streitenden Parteien recht attraktiv erscheinen, da sie so unmittelbar auf die Besetzung des Panels Einfluss nehmen können. Vorteilhaft erscheint auch, dass auf diese Weise jeweils auch lokale Expertise im Entscheidungskörper vertreten ist. Andererseits lastet auf der jeweils vom Heimatland bestellten Person ein gewisser faktischer Druck, im Interesse des eigenen Landes zu stimmen. Dies stellt die Objektivität und Unabhängigkeit des Schiedsverfahrens in Frage. Deshalb können eigene Staatsangehörige nach dem DSU nur dann in das Panel aufgenommen werden, wenn sich die streitenden Parteien nach Art. 8 Ziffer 3 DSU innerhalb des ihnen zur Verfügung stehenden Zeitrahmens ausnahmsweise darauf verständigen. Die TDCA-Regelung verursacht darüber hinaus einen erheblichen Druck auf den dritten Schiedsrichter, der das Verfahren im ungünstigsten Fall, d. h. wenn die von den Vertragspartnern benannten Schiedsrichter reine Interessensvertreter Südafrikas bzw. der Gemeinschaft sind, faktisch alleine entscheidet. Angesichts seiner zentralen Rolle muss bezweifelt werden, ob es im Kooperationsrat überhaupt gelingen wird, im vorgegebenen Zeitrahmen Einvernehmen über den dritten Schiedsrichter zu erzielen. Scheitert er, so ist die Etablierung des Schiedsgerichts blockiert. Und es gibt kein unabhängiges Gremium, dass diese Blockade im Wege der Ersatzvornahme aufheben könnte.18 Diesbezüglich ist der Mechanismus im DSB dem Verfahren des TDCA überlegen: Die Entscheidung zur Einrichtung eines Panels wird gemäß Art. 6 Ziffer 1 DSU im Wege des „umgekehrten Konsenses“ getroffen, d. h. die Zustimmung zum Panel ist erzielt, wenn nicht einvernehmlich beschlossen wird, dass dieses Panel nicht eingesetzt werden soll. Da aber jedenfalls die beschwerdeführende Partei sich einem solchen Konsens ver18 Insofern ist im Sinne der Effektivität einer Schiedsklausel eine Lösung zu bevorzugen, welche im Fall der Blockade der Ernennung der Schiedsrichter die Möglichkeit vorsieht, das Schiedsgericht durch eine „neutrale“ Instanz einsetzen zu lassen. So auch Hilf, Europäische Gemeinschaften und internationale Streitbeilegung, in: FS Moser, S. 387, 419. Allerdings ist in diesem Zusammenhang fraglich, welche neutrale Instanz man im Kontext des Freihandelsabkommens hätte wählen sollen. Insofern ist diese Regelung wohl auch aus pragmatischen Gründen so getroffen worden.
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E. Die Streitbeilegung
weigern würde, kann die Etablierung eines Panels als „quasi-automatisch“ angesehen werden. c) Die Entscheidungsfindung aa) Anwendbares materielles Recht Das TDCA-Schiedsgericht kann lediglich über geltend gemachte Rechte aus dem TDCA entscheiden, wie auch ein WTO-Panel nur über geltend gemachte Rechte aus den „unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen“ (Art. 1 Ziffer 1 DSU) befinden kann. Wie im dritten Kapitel dargelegt, gehen bestimmte Regelungen im TDCA über diejenigen in den WTOÜbereinkommen hinaus, was nicht zuletzt darin seinen Grund hat, dass mit dem Abkommen innerhalb von 12 Jahren eine Freihandelszone etabliert sein soll. Insofern dürfte für die beschwerdeführende Partei ein gewisser Anreiz bestehen, sich aufgrund des anwendbaren materiellen Rechts bevorzugt an das TDCA-Schiedsgericht zu wenden. Umgekehrt gibt es aber auch Fälle, in denen das TDCA Handelsbeschränkungen rechtfertigt, die das WTO-Recht nicht anerkennt. Als Beispiel sei hier die Einschränkung des Rechts zur Weiterbenutzung der Namen „Port“ und „Sherry“ aus Art. 24 Ziffer 4 TRIPs genannt, die sich als Handelsschranke zu Lasten der südafrikanischen Weinproduzenten auswirkt. Dieses Beispiel wirft die Frage auf, ob die Gemeinschaft sich etwa in einem vor der WTO ausgetragenen bilateralen Rechtsstreit auf die in Anhang X zum TDCA festgehaltene Vereinbarung zur Aufgabe dieser Namen berufen könnte, wenn Südafrika als beschwerdeführende Partei seine Ansprüche aus dem TRIPs geltend macht. Die insoweit entscheidende Frage ist – mit anderen Worten –, ob ein WTO-Panel sich mit Rechten auseinanderzusetzen hat, die sich aus anderen völkerrechtlichen Vereinbarungen ergeben, welche die streitenden Parteien ebenfalls binden. Diese Frage wurde in der WTO-Rechtsprechung bisher noch nicht behandelt. In der Literatur vertreten einige Autoren die Auffassung, dass WTOPanels nur WTO-Recht anwenden können, jedoch keine anderen Normen des Völkerrechts.19 Zum Teil wird aber auch die Meinung vertreten, dass 19 So z. B. Trachtman, The Domain of WTO Dispute Resolution, HILJ 40 (1999), S. 333 und – wenn auch weniger eindeutig – Marceau, Conflict of Norms and Conflicts of Jurisdictions, The Relationship between the WTO Agreement and MEAs and other Treaties, JWT 35 (2001), S. 1081; derselbe, The Dispute Settlement Rules of the North American Free Trade Agreement: A Thematic Comparison with the Dispute Settlement Rules of the World Trade Organisation, in: Petersmann (Hrsg.), International Trade Law and the GATT/WTO Dispute Settlement System, S. 489, 535.
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die Kompetenz des WTO-Panels zur Entscheidung über WTO-Streitigkeiten das Recht einschließt, potenziell alle Vorschriften des Völkerrechts, welche die streitenden Parteien binden, zur Lösung dieser Ansprüche anzuwenden und sich nicht auf die WTO-Verträge zu beschränken.20 Voraussetzung dafür sei, erstens, dass die streitenden Parteien beide der in Frage stehenden Norm zugestimmt haben, zweitens, dass diese Norm der WTO-Norm aufgrund expliziter vertraglicher Regelung21 oder allgemeinen Völkerrechts22 im Rang vorgeht und drittens, dass sich die Anwendung dieser Norm nicht negativ auf dritte Staaten auswirkt,23 da Handelsbeschränkungen nur dann durch Nicht-WTO-Vorschriften gerechtfertigt sein können, wenn sie Länder betreffen, die diesen Vorschriften zugestimmt haben. Würde ein TDCAVertragspartner dagegen die Handelsbeschränkungen auch auf Drittstaaten ausdehnen, so wären diese Maßnahmen unvereinbar mit dem WTO-Recht. Wendet man diese Regeln auf den gewählten Beispielsfall an, so steht außer Frage, dass die Einschränkung zur Benutzung der Namen „Port“ und „Sherry“ zwischen den Parteien verbindlich vereinbart wurde. Diese Vereinbarung geht auch der Vorschrift des Art. 24 Abs. 4 TRIPs vor. Zum einen sieht Art. 1 Ziffer 1 Satz 2 TRIPs ausdrücklich die Möglichkeit vor, weitergehende Schutzmöglichkeiten für geistige Eigentumsrechte zu vereinbaren, zum anderen handelt es sich bei dem TDCA ohnehin um die den WTO-Übereinkünften zeitlich nachfolgende Vereinbarung, so dass die WTO-Vereinbarungen nur insoweit Anwendung finden, als sie mit dem TDCA vereinbar sind.24 Schließlich führt die Einschränkung der Bezeichnungsrechte zu keinen Handelsschranken für Drittstaaten.25 Im Ergebnis könnte sich die Gemeinschaft nach der hier vertretenen Rechtsauffassung 20 Siehe zum Beispiel Bartels, Applicable Law in WTO Dispute Settlement Proceedings, JWT 35 (2001), S. 499, und Pauwelyn, The Role of Public International Law in the WTO: How far can we go? AJIL 95 (2001), S. 535. 21 Das TDCA regelt nicht ausdrücklich sein Verhältnis zur WTO. In der Präambel heißt es lediglich: „Unter Berücksichtigung der sich aus der Mitgliedschaft der Vertragsparteien in der Welthandelsorganisation (WTO) ergebenden Rechte und Pflichten, der Notwendigkeit, einen Beitrag zur Umsetzung der Ergebnisse der Uruguay-Runde zu leisten, und der von den beiden Vertragsparteien in dieser Hinsicht unternommenen Anstrengungen“. Darüber hinaus sollen die Rechte der Vertragsparteien aus anderen Verträgen unberührt bleiben, soweit das TDCA nicht weitergehende Rechte verleiht, Art. 105 TDCA. 22 Siehe insbesondere die Vorschrift über die Anwendung aufeinanderfolgender Verträge über denselben Gegenstand in Art. 30 WVK. 23 Siehe dazu auch Art. 41 Abs. 1 lit. b i) WVK. 24 Dies ergibt sich aus dem Grundsatz lex posterior derogat legi priori, siehe Art. 30 Abs. 3 WVK. 25 Dies gilt jedenfalls soweit, wie die südafrikanischen Bezeichnungen „Port“ und „Sherry“ in keinem Drittstaat zu einer Gattungsbezeichnung im Sinne des Art. 24 Abs. 6 TRIPs geworden sind.
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E. Die Streitbeilegung
also erfolgreich vor einem WTO-Panel auf die Rechte aus der Vereinbarung in Anhang X des TDCA berufen. Umgekehrt müsste aber auch ein TDCA-Schiedsgericht nach der hier vertretenen Rechtsauffassung grundsätzlich potenzielle Einreden aus dem WTO-Recht berücksichtigen, an das die Vertragspartner ebenfalls gebunden sind. Allerdings ist es in diesem Fall wahrscheinlich, dass die TDCARegeln gleichwohl einer Einrede aus dem WTO-Recht vorgehen, weil die TDCA-Handelsvorschriften zeitlich später vereinbart wurden als die WTOBestimmungen und häufig auch spezieller sein werden als die allgemein gehaltenen WTO-Vorschriften. Folgt man diesem Ansatz, findet das ganze Völkerrecht potenziell vor einem WTO-Panel oder dem TDCA-Schiedsgericht Anwendung, so dass ein Normenkonflikt entweder auf der Grundlage ausdrücklicher vertraglicher Regelungen oder nach allgemeinem Völkerrecht zu entscheiden ist. Daraus folgt, dass zwar die Rechte, die vor ein TDCA- oder WTO-Schiedsgericht gebracht werden, unterschiedlich sein können, dass aber das anwendbare Recht, mit dem die Berechtigung dieser Ansprüche entschieden würde, jeweils dasselbe ist. Anders gesagt: Das anwendbare Recht vor einem TDCA-Schiedsgericht wäre das TDCA in dem Umfang, in dem es nicht durch WTO-Vorschriften außer Kraft gesetzt wird; vor dem WTO-Panel wären es die unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen, soweit ihnen nicht rechtmäßig TDCA-Vorschriften vorgehen.26 Schließt man sich jedoch der Gegenauffassung an, wonach ein WTO-Panel nur WTO-Recht und ein TDCA-Schiedsgericht nur TDCA-Vertragsrecht anwenden darf und zwar unabhängig davon, was die streitenden Parteien sonst noch vereinbart haben, dann hängt der Ausgang des Verfahrens ganz entscheidend von der Wahl des Forums ab. Dort, wo das TDCA zum Beispiel mehr Möglichkeiten für Handelsschranken bereithält als das WTORecht, dürfte die beschwerdeführende Partei angesichts der Erfolgsaussichten eher geneigt sein, den Rechtsstreit vor die WTO zu bringen. In den Bereichen, in denen das TDCA jedoch weniger Ausnahmetatbestände bereithält, ist die Anrufung des TDCA-Schiedsgerichts ratsam, weil der Beschwerdegegner weniger Möglichkeiten hat, seine Handelsbeschränkungen zu rechtfertigen. Nach der hier vertretenen Ansicht, dass TDCA-Vorschriften auch eine rechtmäßige Einrede vor einem WTO-Panel darstellen können, räumt die Wahl des Forums dem Beschwerdeführer keine Möglichkeit ein, die weniger strengen Vorschriften zu umgehen, auf die sich die TDCA-Vertragspart26 Dazu auch ausführlich Pauwelyn, Conflict of Norms in Public International Law, S. 475 ff.
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ner geeinigt haben. Vielmehr müssten auch WTO-Panels die weniger strengen TDCA-Vorschriften anwenden und zu dem Ergebnis kommen, dass die Handelsschranken nach diesen Vorschriften gerechtfertigt sind. bb) Auslegungsregeln Das TDCA enthält keine eigenen Regeln zu seiner Auslegung. Auch Art. 11 DSU legt lediglich fest, dass das Panel eine objektive Beurteilung der vor ihm liegenden Angelegenheit vornehmen soll, einschließlich einer objektiven Beurteilung des Sachverhalts und der Anwendbarkeit sowie der Vereinbarkeit mit den einschlägigen, unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen. Hinsichtlich der Frage, auf welche Weise es zu seiner objektiven Beurteilung gelangt, muss deshalb auf die gewohnheitsrechtlichen Regeln zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge zurückgegriffen werden, die in Art. 31 und 32 WVK kodifiziert worden sind.27 Nach der in Art. 31 Abs. 1 WVK statuierten allgemeinen Auslegungsregel ist ein Vertrag „(. . .) nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in diesem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen“.
Ausgangspunkt ist also der Vertragstext,28 von dem aus ein Vertragsbegriff oder eine Vertragsnorm auf den zu regelnden Sachverhalt hin konkretisiert wird (objektiver Ansatz).29 Gleichwohl erlaubt Art. 32 WVK auch, dass der historische Hintergrund des Vertrages, insbesondere der Wille der Parteien bei Vertragsschluss, als ergänzendes Auslegungsmittel herangezogen wird. Das TDCA-Schiedsgericht wird sich bei der Auslegung des TDCA ebenfalls von diesen völkergewohnheitsrechtlich verbindlichen Grundsätzen leiten lassen müssen. cc) Verfahrensordnung Das Verfahren vor dem Schiedsgericht ist kaum geregelt. Vielmehr überträgt Art. 104 Abs. 8 TDCA dem Kooperationsrat eine entsprechende 27 Appellate Body Bericht „US-Gasoline“ WT/DS2/AB/R vom 26. April 1996, S. 17 und Appellate Body Bericht „Japan-Alcoholic Beverages II“ WT/DS8/AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R vom 4. Oktober 1996, S. 10. Zur Auslegung völkerrechtlicher Verträge, siehe auch Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, § 11, Rz. 1 ff., S. 114 ff. m. w. N. 28 Siehe z. B. Appellate Body Bericht „Japan-Alcoholic Beverages II“ WT/DS8/ AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R vom 4. Oktober 1996, Ziffer 11 und Appellate Body Report „US-Shrimp“ WT/DS58/AB/R vom 12. Oktober 1998, Ziffer 114. 29 Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, § 11, Rz. 4 f., S. 116 f.
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E. Die Streitbeilegung
Rechtsetzungskompetenz. Da dieser davon aber bisher nicht Gebrauch gemacht hat, bleibt unklar, wie das Schiedsverfahren im Einzelnen abzulaufen hat. Zur sachgerechten Schließung dieser Lücke bietet es sich für den Kooperationsrat an, ein Arbeitsverfahren in Anlehnung an dasjenige der WTOPanels (Anhang 3 DSU) zu beschließen. Doch auch diese Vorschriften bieten lediglich ein rudimentäres Gerüst, das ergänzungsbedürftig ist und nach Art. 12 Ziffer 1 DSU ohnehin nach Rücksprache mit den streitenden Parteien abgeändert werden kann. Im Ergebnis kommt es darauf an, dass sich die Parteien nach Treu und Glauben an dem Verfahren beteiligen und zwar in dem Bemühen, die Streitigkeit beizulegen (Art. 3 Ziffer 10 DSU). Dazu führt der Appellate Body aus: „By good faith compliance, complaining Members accord to the responding Members the full measure of protection and opportunity to defend, contemplated by the letter and spirit of the procedural rules. The same principle of good faith requires that responding Members reasonably and promptly bring claimed procedual deficiencies to the attention of the complaining Member, and to the DSB or the Panel, so that corrections, if needed, can be made to resolve disputes. The procedural rules of WTO dispute settlement are designed to promote, not the development of litigation techniques, but simply the fair, prompt and effective resolution of trade disputes“.30
Diese Grundsätze sollten auch für das TDCA-Schiedsverfahren gelten. Allerdings reicht der Appell an die Parteien häufig nicht aus. Nicht zuletzt deshalb hat der Appellate Body wiederholt darauf hingewiesen, dass eine detaillierte Verfahrensordnung einem geordneten und fairen Verfahren förderlich wäre.31 Dies gilt ohne Zweifel auch für das TDCA-Schiedsverfahren. Sollte sich der Kooperationsrat jedoch bis zur Eröffnung des ersten Streitbeilegungsverfahrens nicht entsprechend verständigt haben, wird das Schiedsgericht sich ad hoc eine solche Verfahrensordnung geben müssen. dd) Beweismittel Im TDCA gibt es ebensowenig wie im DSU Regeln und Fristen für die Vorlage von Schriftsätzen und Beweismitteln. Gleichwohl sind Art. 12 Ziffer 6 DSU zwei Verfahrensphasen zu entnehmen. In der ersten Phase haben die streitenden Parteien entweder nacheinander oder gleichzeitig ihre 30 Appellate Body Bericht „US-FSC“ WT/DS108/AB/R vom 24. Februar 2000, Ziffer 166. Siehe auch Appellate Body Bericht „US-Lamb“ WT/DS177/AB/R, WT/ DS178/AB/R vom 1. Mai 2001, Ziffer 115. 31 Appellate Body Bericht „EC-Bananas III“ WT/DS27/AB/R vom 9. September 1997, Ziffer 144; Appellate Body Bericht „India-Patents (US)“ WT/DS50/AB/R vom 19. Dezember 1997, Ziffer 95; und Appellate Body Bericht „Argentina-Textiles and Apparel“ WT/DS56/AB/R vom 27. März 1998, Ziffer 79, Fn. 68.
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Schriftsätze einschließlich der sie stützenden Beweise vorzulegen. In der zweiten Phase haben die Parteien Gelegenheit, auf die Schriftsätze der Gegenseite zu erwidern. Dafür muss ihnen genügend Zeit eingeräumt werden.32 Auf die Beachtung dieser Anhörungsrechte hat das Panel im Interesse eines rechtsstaatlichen Verfahrens zu achten. Darüber hinaus steht es in seinem Ermessen, zusätzliche Informationen und fachlichen Rat einzuholen (Art. 13 Ziffer 1 Satz 3 DSU): „Ein Mitglied soll umgehend und umfassend auf einen Antrag eines Panels auf Erteilung von Informationen reagieren, die das Panel für notwendig und angebracht hält“.
Wo sich eine Partei dieser Informationspflicht verweigert, kann das Panel daraus sogar negative Rückschlüsse ziehen.33 Alle diese Verfahrensgrundsätze verdienen vor einem TDCA-Schiedsgericht ebenfalls Beachtung. Da sie jedoch nicht ausdrücklich im TDCA verankert sind und bisher auch nicht vom Kooperationsrat beschlossen wurden, müssten sie im Interesse der Rechtssicherheit vorab vom Schiedsgericht beschlossen werden. Dies gilt insbesondere auch für die im TDCA nicht geregelte Beiziehung von Sachverständigen und die Verwendung von deren Gutachten. Angesichts der Komplexität der im Handelsstreit typischerweise aufgeworfenen technischen und wissenschaftlichen Fragen ist externes Expertenwissen häufig unverzichtbar, zumal neben Art. 13 Ziffer 2 DSU auch andere WTOÜbereinkommen die Möglichkeit und zum Teil sogar die Pflicht zur Beratung durch Sachverständige vorsehen.34 In entsprechenden von einem WTO-Panel entschiedenen Fällen35 wurden die Sachverständigen nach Rücksprache mit den Streitparteien bestimmt. Ihnen wurde eine Liste mit Fragen ausgehändigt, die jeder Experte schriftlich zu beantworten hatte und schließlich fand eine Sitzung mit den Experten statt, um diese und weitere Fragen mit dem Panel und den Parteien zu diskutieren. Es besteht aber auch die Möglichkeit, Sachverständigengutachtergruppen gemäß Anhang 4 32 Appellate Body Bericht „Argentina-Textiles and Apparel“ WT/DS56/AB/R vom 27. März 1998, Ziffer 80–81; und Appellate Body Bericht „Australia-Salmon“ WT/DS18/AB/R vom 20. Oktober 1998, Ziffer 272. 33 Appellate Body Bericht „Canada-Aircraft“ WT/DS70/AB/R vom 2. August 1999, Ziffer 203. 34 Siehe Art. 11 Ziffer 2 SPS Übereinkommen; Art. 14 Ziffer 2 und 3 sowie Anhang 2 TBT-Übereinkommen, Art. 19 Ziffer 3 und 4 sowie Anhang 2 des Übereinkommens zur Durchführung des Art. VII GATT 1994, Art. 4 Ziffer 5 und Art. 24 Ziffer 3 Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen. 35 So z. B. in „EC-Hormones“, Beschwerde der USA, WT/DS26/R/USA vom 18. August 1997 und Beschwerde von Kanada, WT/DS48/R/CAN vom 18. August 1997; „Australia-Salmon“ WT/DS18/R vom 12. Juni 1998, „Japan-Agricultural Products II“ WT/DS76/R vom 27. Oktober 1998 und „EC-Asbestos“ WT/DS135/R vom 18. September 2000.
364
E. Die Streitbeilegung
DSU einzusetzen, deren genaues Mandat das Panel zu bestimmen hat. Allerdings gilt für das Gutachten der Einzelsachverständigen ebenso wie für die Berichte der Sachverständigengruppen, dass sie rein konsultativ sind, d. h. das Panel wird durch sie in keiner Weise gebunden. Vergleicht man diese wenigen Regeln mit den prozessualen Vorschriften zur Tatsachenermittlung bei nationalen Gerichten, so kann hier nur von einer Minimallösung gesprochen werden. In diesem Sinne stellte der Appellate Body fest: „It is worth noting that, with respect to fact-finding, the dictates of due process could be better served if panels had standard working procedures that provided for appropriate factual discovery at an early stage in panel proceedings“.36
ee) Beweislast Dem TDCA können keine Regelungen zur Verteilung der Beweislast entnommen werden. Dagegen haben sich in den Berichten des Appellate Body klare Grundsätze herausgebildet, die u. a. in United States – Shirts and Blouses niedergelegt worden sind: „It is, thus, hardly surprising that various international tribunals, including the International Court of Justice, have generally and consistently accepted and applied the rule that a party who asserts a fact, whether the claimant or the respondent, is responsible for providing proof thereof. Also, it is a generally-accepted canon of evidence in civil law, common law and, in fact, most jurisdictions, that the burden of proof rests upon the party, whether complaining or defending, who asserts the affirmative of a particular claim or defence. If that party adduces evidence sufficent to raise a presumption that what is claimed is true, the burden then shifts to the other party, who will fail unless it adduces sufficent evidence to rebut the assumption“.37
Die hier vorgenommene Beweislastverteilung basiert auf dem Grundsatz des Anscheinsbeweises, wie er aus dem angelsächsischen und dem angloamerikanischen Rechtskreis – und auch in Südafrika – unter dem Namen „prima facie case“ bekannt ist. Der Antragsteller hat einen prima facie Beweis für seinen Vortrag zu liefern. Der Antragsgegner hat, soweit der prima facie Beweis ausreicht, die volle Beweislast für das Gegenteil zu tragen.38 Diese Beweislastverteilung findet Rückhalt in Art. 3 Ziffer 5 DSU, wonach „in den Fällen, in denen Pflichten aus einem unter die Ver36 Appellate Body Bericht „India-Patents (US)“ WT/DS50/AB/R vom 19. Dezember 1997, Ziffer 95. 37 Appellate Body Bericht „US-Wool Shirts and Blouses“ WT/DS33/AB/R vom 25. April 1997, Ziffer 14. 38 Schröter, Lebensmittelrechtliche Vorsorge als Rechtsprinzip – nationale, europäische und welthandelsrechtliche Aspekte, S. 40 f., mit rechtsvergleichenden Hinweisen zur deutschen Zivilprozessordnung.
I. Im TDCA ausgewiesene Streitbeilegungsmechanismen
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einbarung fallenden Übereinkommen verletzt werden, (. . .) die Maßnahme prima facie als Fall der Zunichtemachung oder Schmälerung von Vorteilen betrachtet (wird)“. ff) Vertraulichkeit Das TDCA enthält keine Regelung darüber, ob der nach Art. 11 der Geschäftsordnung für die Tagungen des Kooperationsrates geltende Grundsatz der Vertraulichkeit auch für das TDCA-Schiedsverfahren gilt, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes beschlossen wird. Dafür könnte sprechen, dass ein nicht öffentliches Verfahren ein besonderes Kennzeichen der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist.39 Insbesondere Art. 18 Ziffer 2 sowie Anhang 3 Ziffer 2 und 3 DSU bestimmen die Vertraulichkeit im WTOStreitbeilegungsverfahren. Danach finden die Sitzungen des Panels mit den streitenden Parteien hinter verschlossenen Türen statt und auch die eingereichten Schriftsätze bleiben unter Verschluss, es sei denn, sie werden der Öffentlichkeit von der Partei zur Verfügung gestellt, die sie eingebracht hat. Ohne Zweifel kann es ein schutzwürdiges Interesse geben, dem Panel zur Verfügung gestellte vertrauliche Wirtschaftsdaten der Öffentlichkeit nicht preiszugeben. Das Panel hat dazu im Canada – Aircraft- und Brazil – Aircraft-Fall sogar besondere Vorkehrungen zum Schutz entsprechender Informationen angeordnet.40 Gleichwohl ließe sich der erforderliche Schutz auch sicherstellen, ohne das ganze Verfahren der Öffentlichkeit zu entziehen, etwa indem auf Antrag Vertraulichkeit für bestimmte Sitzungen oder Sitzungsteile beschlossen wird. In diesem Sinne entschied die NAFTA Free Trade Commission am 31. Juli 2001: „NAFTA Parties agree that nothing in the relevant arbitral rules imposes a general duty of confidentiality or precludes the parties from providing public access to documents submitted to, or issued by, Chapter Eleven tribunals, apart from the limited specific exceptions set forth expressly in those rules“.41
Diese Entscheidung steht im diametralen Gegensatz zu dem im TDCA für die Tagungen des Kooperationsrats und im DSU für das WTO-Streitverfahren statuierten Vertraulichkeitsgrundsatz. Sie berücksichtigt aber das 39 Umfassend zum Vertraulichkeitsgrundsatz im internationalen Schiedsverfahrensrecht, Oberhammer, Zur Vertraulichkeit von Schiedsverfahren, in: Fasching/ Gaul/Georgiades/Nakamura (Hrsg.), FS Beys. 40 Panel Bericht „Canada-Aircraft“ WT/DS70/R vom 14. April 1999, aufrechterhalten durch den Appellate Body Bericht WT/DS70/AB/R vom 2. August 1999 und Panel Bericht „Brazil-Aircraft“ WT/DS46/R vom 14. April 1999, modifiziert durch den Appellate Body Bericht WT/DS46/AB/R vom 2. August 1999. 41 Zitat bei: Tietje, Grundstrukturen und aktuelle Entwicklungen des Rechts der Beilegung internationaler Investitionsstreitigkeiten, S. 15.
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E. Die Streitbeilegung
Transparenzgebot, welches das WTO-Vertragswerk wie ein roter Faden durchzieht. Nicht zuletzt deshalb verlangen die USA in der laufenden Doha-Runde mehr Öffentlichkeit in der Streitbeilegung. So wünschenswert dies auch sein mag, kann es dennoch nicht in das TDCA hineingelesen werden. Vielmehr spricht die systematische Nähe zu den Verfahrensvorschriften des Kooperationsrates für die Gültigkeit des Vertraulichkeitsgrundsatzes auch im TDCA-Streitbeilegungsverfahren. gg) Entscheidungsfristen Die Fristen zur Entscheidung eines Rechtsstreits im TDCA entsprechen im Wesentlichen denjenigen des Art. 12 Ziffer 8 DSU. Sie werden in Art. 104 Abs. 9 lit. c Satz 1 TDCA wie folgt bestimmt: „Die Schiedsrichter legen ihre Feststellungen und Beschlüsse in der Regel spätestens sechs Monate nach Einsetzung des Schiedsgerichts den Vertragsparteien und dem Kooperationsrat vor. In dringenden Fällen, unter anderem, wenn es um leicht verderbliche Waren geht, bemühen sich die Schiedsrichter, ihren Bericht den Vertragsparteien innerhalb von drei Monaten vorzulegen“.
Für den Fall, dass diese Regelfristen überschritten werden, sind ebenso wie im WTO-Streitbeilegungsverfahren keine Sanktionen vorgesehen, d. h. das Verfahren kann sich länger hinziehen. Allerdings ist das Panel gemäß Art. 12 Ziffer 9 Satz 1 DSU verpflichtet, schriftlich zu begründen, weshalb es die Regelfristen nicht einhalten kann und bis wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist. Die Praxis in der WTO zeigt, dass selbst der nach Art. 12 Ziffer 9 Satz 2 DSU anzustrebende Maximalzeitrahmen von 9 Monaten häufig nicht eingehalten werden kann, weil die Fälle zu komplex sind, Experten konsultiert werden müssen, Sitzungen sich nur schwer terminieren lassen und relativ viel Zeit für die Übersetzung der Berichte benötigt wird. Im Gegensatz zum TDCA enthält das DSU allerdings zumindest insoweit eine Einschränkung, als es der beschwerdeführenden Partei auf Antrag nur eine Verfahrensunterbrechung von bis zu 12 Monaten erlaubt, weil bei Überschreitung dieser Frist die Genehmigung für die Einsetzung des Panels erlischt (Art. 12 Ziffer 12 DSU).42 d) Die Umsetzung der Entscheidung Das Vertrauen in den Streitbeilegungsmechanismus hängt ganz wesentlich von den Möglichkeiten ab, nicht nur eine schnelle und faire Entschei42 Siehe dazu: „US–The Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act (HelmsBurton Act)“, Beschwerde der Europäischen Gemeinschaft, WT/DS38/6 vom 24. April 1998.
I. Im TDCA ausgewiesene Streitbeilegungsmechanismen
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dung zu bekommen, sondern auch, eine zeitnahe und effektive Umsetzung der Schiedsgerichtsentscheidungen zu gewährleisten. aa) Implementierungsfristen Eine wichtige Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Streitbeilegungsmechanismus sind die Implementierungsfristen. Während Art. 21 Ziffer 3 DSU der betreffenden Vertragspartei nur 30 Tage gewährt, um darzulegen, wie sie die Vertragskonformität wieder herzustellen gedenkt, steht ihr nach Art. 104 Abs. 9 lit. d TDCA der doppelte Zeitrahmen zur Verfügung: „Die betreffende Vertragspartei teilt der anderen Vertragspartei und dem Kooperationsrat innerhalb von 60 Tagen mit, wie sie die Feststellungen und Beschlüsse des Kooperationsrates bzw. der Schiedsrichter durchzuführen gedenkt“.
Trotz der relativ großzügigen Bedenkzeit stellt Art. 104 Abs. 9 lit. e TDCA klar, dass die Umsetzung der Entscheidung „unverzüglich“ zu erfolgen hat, wenn sich die Parteien nicht einvernehmlich auf eine längere Frist einigen. Diese Regelung entspricht den Vorgaben des Art. 21 Ziffer 3 DSU, der im Übrigen grundsätzlich auch 15 Monate als maximalen Zeitrahmen für eine angemessene Umsetzung vorsieht. Allerdings kann diese Frist gemäß Art. 21 Ziffer 3 lit. c DSU „nach den besonderen Umständen kürzer oder länger“ sein, während das TDCA eine Fristverlängerung nur unter der Voraussetzung ermöglicht, dass beide Streitparteien einvernehmlich eine entsprechende Vereinbarung treffen. Das bedeutet, dass der im Rechtsstreit obsiegende Beschwerdeführer grundsätzlich die Möglichkeit hat, sich einer Fristverlängerung zu verweigern, Art. 104 Abs. 9 lit. e TDCA: „Kann eine Vertragspartei den Feststellungen und Beschlüssen des Kooperationsrates oder der Schiedsrichter nicht unverzüglich nachkommen, so wird ihr hierfür eine angemessene Frist eingeräumt. Diese Frist darf 15 Monate nach Übermittlung der Feststellungen und Beschlüsse an die Vertragsparteien nicht übersteigen. Die Frist kann jedoch im gegenseitigen Einvernehmen der Vertragsparteien je nach den Umständen des Einzelfalls verkürzt oder verlängert werden“.
Die Fristenregelung des TDCA erscheint also strikter als diejenige des DSU, weil zumindest die Maximalfrist von 15 Monaten nicht gegen den Willen des Beschwerdeführers verlängert werden kann. Inwieweit eine Frist befolgt wird, richtet sich darüber hinaus auch danach, welche Möglichkeiten es gibt, die Befolgung der Frist durchzusetzen. In dieser Frage unterscheiden sich das TDCA und das DSU grundlegend. Während ein Rechtsstreit über die Einhaltung der Fristen nach TDCA nur in einem neuen Schiedsgerichtsverfahren entschieden werden kann, schafft Art. 21 Ziffer 3 DSU ein für diese Frage eigenständiges Kurzverfahren. Innerhalb von 90 Tagen nach Annahme der Empfehlungen und Entscheidun-
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E. Die Streitbeilegung
gen durch den DSB muss eine schiedsgerichtliche Entscheidung über die Länge des Umsetzungszeitraums unter Berücksichtigung der „besonderen Umstände“ des Falles ergehen. Im Interesse der Durchsetzung des Rechts haben die Schiedsrichter den ihnen eingeräumten Ermessensspielraum bisher eng ausgelegt, wie nicht zuletzt die Entscheidung im Australia SalmonFall belegt: „In the absence of a mutually agreed solution, the first objective is usually the immediate withdrawal of the measure judged to be inconsistent with any of the covered agreements. Only if it is impracticable to do so, is the member concerned entitled to a reasonable period of time for implementation“.43
Durch die weiche Klausel, wonach die Umsetzungsfrist „je nach den Umständen kürzer oder länger sein kann“, ist ein Streit über den angemessenen Zeitrahmen im WTO-Verfahren vorprogrammiert, so dass die Notwendigkeit für das besondere Schiedsverfahren nicht geleugnet werden kann. Gleichwohl muss bezweifelt werden, dass die strikte Regelung des TDCA ein vergleichbares Forum überflüssig macht. Zumindest dort, wo eine Umsetzung der Entscheidung innerhalb von 15 Monaten schlechterdings nicht praktizierbar ist, weil beispielsweise zunächst zahlreiche neue Vorschriften im nationalen Recht geschaffen und abgeändert werden müssen,44 erscheint die Verweigerung einer einvernehmlichen Fristverlängerung rechtsmissbräuchlich.45 Das bedeutet, dass sich der Beschwerdeführer in Einzelfällen möglicherweise auf eine verlängerte Frist zur Implementierung der von ihm erstrittenen Entscheidung einlassen muss. Ist er dazu nicht bereit, bleibt ihm nur das herkömmliche, aber vergleichsweise langwierige Streitbeilegungsverfahren aus Art. 104 TDCA. bb) Vertragsverletzung durch Nichtumsetzung Das TDCA enthält keine spezielle Regelung zu der Frage, wie zu verfahren ist, wenn die betreffende Partei der Entscheidung des Schiedsgerichts nicht nachkommt. Deshalb bleibt insoweit nur der Rückgriff auf die allgemeine Klausel zur Nichterfüllung des Abkommens in Art. 3 TDCA: 43 Award of the Arbitrator „Australia–Salmon“ WT/DS18/9 vom 23. Februar 1999, Ziffer 30; siehe auch Award of Arbitrator „Canada Pharmaceutical Patents“ WT/DS114/13 vom 18. August 2000, Ziffer 45. 44 Award of Arbitrator „Canada Pharmaceutical Patents“ WT/DS114/13 vom 18. August 2000, Ziffer 49–51. Die Entscheidung stellt der Komplexität eines langwierigen Gesetzgebungsverfahrens die Möglichkeit einer schlichten Verwaltungsentscheidung gegenüber, die ad hoc getroffen werden kann. 45 Kritisch zum Verbot des Rechtsmissbrauchs im Völkerrecht: Heintschel von Heinegg, in: Ipsen, Völkerrecht, § 58, Rz. 30, S. 920 m. w. N., der das Missbrauchsverbot auf ein Schikaneverbot beschränkt.
I. Im TDCA ausgewiesene Streitbeilegungsmechanismen
369
„1. Ist die eine Vertragspartei der Auffassung, dass die andere einer Verpflichtung aus diesem Abkommen nicht nachgekommen ist, so kann sie geeignete Maßnahmen treffen. 2. Zuvor stellt sie der anderen Vertragspartei innerhalb von 30 Tagen alle für eine gründliche Prüfung der Lage erforderlichen Informationen zur Verfügung, damit eine für die Vertragsparteien annehmbare Lösung gefunden werden kann. 3. In besonders dringenden Fällen können geeignete Maßnahmen ohne vorherige Konsultationen getroffen werden (. . .). 4. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, dass für die Zwecke der richtigen Auslegung und der praktischen Anwendung dieses Abkommens die in Abs. 3 genannten „besonders dringenden Fälle“ die Fälle erheblicher Verletzung des Abkommens durch eine der Vertragsparteien sind. Eine erhebliche Verletzung des Abkommens liegt (i) in einer nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts nicht zulässigen Ablehnung der Erfüllung des Abkommens oder (ii) im Verstoß gegen den in Art. 2 niedergelegten wesentlichen Bestandteil dieses Abkommens“.
Ohne Zweifel stellt die fehlerhafte Umsetzung einer Schiedsgerichtsentscheidung eine Verletzung des TDCA dar, denn nach Art. 104 Abs. 7 sind die Streitparteien vertraglich „verpflichtet, die für die Durchführung des Schiedsspruchs erforderlichen Maßnahmen zu treffen“.46 Fraglich ist, ob eine solche Unterlassung als „erheblich“ im Sinne des Art. 3 Abs. 4 TDCA zu bewerten ist. Dies wäre der Fall, wenn die Nichterfüllung des TDCA nach den allgemeinen Regeln des Völkerrechts unzulässig wäre. Nach Art. 60 Abs. 3 lit. b WVK liegt eine „erhebliche Verletzung (. . .) in der Verletzung einer für die Erreichung des Vertragsziels oder des Vertragszwecks wesentlichen Bestimmung“. Bei der Beurteilung der Frage, ob „wesentliche Bestimmungen“ des Abkommens verletzt sind, erscheint es angezeigt, auf den Effektivitätsgrundsatz als allgemeine Auslegungsregel (Art. 31 WVK) abzustellen. Danach ist ein Vertrag so auszulegen, dass sein Gestaltungsziel und sein intendierter Regelungszweck („effet utile“) bestmöglich erreicht werden kann.47 Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes kann es nicht darauf ankommen, ob eine im Schiedsverfahren festgestellte Vertragsverletzung „wesentliche Bestimmungen“ des TDCA betrifft. Ein derartiger Durchgriff auf den Streitge46 Zur Frage, ob im WTO-Recht die Empfehlungen des Panels oder des Appellate Body völkerrechtlich bindend sind, siehe Jackson, The WTO Dispute Settlement Understanding – Misunderstandings on the Nature of Legal Obligation, AJIL 91 (1997), S. 60 ff. 47 Köck, Zur Interpretation völkerrechtlicher Verträge, ZÖR 53 (1998), S. 217 ff.; Hilf, Die Auslegung mehrsprachiger Verträge; Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, § 1, Rz. 16, S. 120.
370
E. Die Streitbeilegung
genstand würde zu einer Relativierung des Streitbeilegungsverfahrens führen, weil es sich einer nachträglichen Wesentlichkeitsbewertung zu stellen hätte. Außerdem würde die Eigenständigkeit der in Art. 104 Abs. 7 TDCA statuierten Durchführungspflicht ignoriert. Gäbe es keine absolute Pflicht zur Umsetzung der Schiedsgerichtsentscheidungen, würde das gesamte Schiedsverfahren ad absurdum geführt. Angesichts seiner konstitutiven Bedeutung für die Funktionstüchtigkeit des Streitbeilegungsmechanismus muss die Umsetzungspflicht aus Art. 104 Abs. 7 TDCA als „wesentliche Bestimmung“ des TDCA betrachtet werden. Hinzu kommt, dass die „Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit“ in Art. 2 TDCA zum „wesentlichen Bestandteil“ des Abkommens erklärt werden und Verstöße dagegen nach Art. 3 Abs. 4 (ii) TDCA eine „erhebliche Verletzung“ des Abkommens darstellen. Da die Pflicht zur Befolgung (schieds-) gerichtlicher Entscheidungen dem Rechtsstaatsprinzip entspringt, führt eine Nichtbeachtung zwangsläufig auch aus diesem Grund zu einer „erheblichen Verletzung“ des TDCA. Es ist mithin die Pflicht des Staates, der das Abkommen verletzt, zum völkerrechtsmäßigen Verhalten zurückzukehren, also die schiedsgerichtliche Entscheidung zu befolgen. „Seine Pflicht zur Einstellung des völkerechtswidrigen Verhaltens ist keine Rechtsfolge der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit, sondern Primärpflicht aus dem verletzten Vertragsverhältnis“.48 Demgemäß besteht „das erste Ziel des Streitbeilegungsmechanismus“ gewöhnlich in der Rücknahme der als unvereinbar befundenen Maßnahmen (Art. 3 Abs. 7 DSU). Wo dies nicht möglich ist, muss der Staat die Rechtsfolgen seiner Handlung tragen. Nach Art. 3 Abs. 3 TDCA können bei der Nichterfüllung als Rechtsfolge „geeignete Maßnahmen“ ohne vorherige Konsultationen getroffen werden. Darüber hinaus ergibt sich aus Abs. 5, dass „die in Abs. 1 genannten Maßnahmen solche sind, die im Einklang mit dem Völkerrecht getroffen werden, und dass mit Vorrang die Maßnahmen zu wählen sind, die das Funktionieren des Abkommens am wenigsten behindern“.
Die Verletzung des Völkerrechts durch einen Staat begründet – nach der Staatenpraxis, internationaler Rechtsprechung und Völkerrechtslehre – dessen Verantwortlichkeit.49 Aus ihr resultiert die gewohnheitsrechtlich begründete Pflicht zur „Wiedergutmachung“, die in Form des Schadenersatzes oder der Naturalrestitution erfolgen kann.50 Beide Alternativen finden sich 48
Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, § 40, Rz. 65, S. 571. Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, § 39, Rz. 1, S. 534; Kunig, Das völkerrechtliche Delikt, Jura 1986, S. 344 ff. 50 Der das Völkergewohnheitsrecht widerspiegelnde Art. 42 des ILC-Entwurfs zur Staatenverantwortlichkeit benennt zusätzlich auch die Genugtuung, die gewöhn49
I. Im TDCA ausgewiesene Streitbeilegungsmechanismen
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dem Grunde nach im DSU wieder. Nach Art. 22 Ziffer 2 DSU soll nach fruchtlosem Ablauf des „angemessenen Zeitraums“ innerhalb von 20 Tagen versucht werden, „einvernehmlich eine Entschädigung festzulegen“.51 Kommt diese Einigung nicht zustande, so kann die beschwerdeführende Vertragspartei beim DSB die Genehmigung zur Aussetzung von Zugeständnissen beantragen, d. h. sie kann Leistungen aus dem zugrundeliegenden Handelsabkommen suspendieren. Die Wahl der Mittel wird in Art. 3 Abs. 5 TDCA durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eingeschränkt. Auch dieses Prinzip hat im DSU seinen Ausdruck gefunden. Dies gilt zunächst für die Rangfolge der Rechtsfolgen: Die Entschädigung geht der Aussetzung von Zugeständnissen vor, weil erstere die Funktionsfähigkeit der Handelsvereinbarung weniger beeinträchtigt. Kann eine entsprechende Einigung nicht erzielt werden, darf auf die Aussetzung der Zugeständnisse als das „letzte Mittel“ (Art. 3 Ziffer 7 DSU) zurückgegriffen werden. Dabei ist zu beachten, dass die vertragstreue Partei der vertragsbrüchigen Partei gegenüber zunächst nur die Erfüllung derjenigen Vertragspflichten verweigern darf, die in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu den verletzten Vertragsbestimmungen stehen. In diesem Sinne bestimmt Art. 22 Ziffer 3 lit. a DSU, dass entsprechende Maßnahmen zunächst nur Zugeständnisse in solchen Handelssektoren52 betreffen dürfen, die Gegenstand des Rechtsstreits waren. Ist dies jedoch aus irgendwelchen Gründen nicht „möglich oder wirksam“,53 kann auch auf andere Handelsbereiche des gleichen Übereinkommens ausgewichen werden, wie sich aus Art. 22 Ziffer 3 lit. b DSU ergibt. Nur in Ausnahmefällen soll nach Art. 22 Ziffer 3 lit. b DSU auf die Aussetzung von Zugeständnissen in den Bereichen anderer Übereinkommen54 ausgewichen werden. Um der missbräuchlichen Ausübung des zur Wahl der Mittel eingeräumten Ermessens55 vorlich in Fällen von wertmäßig nicht erfassten Völkerrechtsverletzungen besteht, UN Doc.A/51/10, Ziffer 65; abgedruckt in ILM 1998, 442. Zum Ganzen: Ipsen, in: Ipsen, § 40, Rz. 1 ff., S. 551 ff. 51 Bei der Entschädigungsleistung ist der Meistbegünstigungsgrundsatz zu beachten, d. h. sie darf nicht nur den Beschwerdeführer begünstigen, Appellate Body Bericht „EC-Poultry“ WT/DS69/AB/R vom 13. Juli 1998, Ziffer 100. 52 Art. 22 Abs. 3 f.) definiert den Begriff „Sektor“. Siehe dazu auch „Decision by the Arbitrators, EC–Bananas III, Recourse to Arbitration by the European Communities under Article 22.6 of the DSU“ WT/DS27/ARB vom 9. April 1999, Ziffer 3.10. 53 Zur Auslegung der Begriffe „möglich“ und „wirksam“, siehe „Decision by the Arbitrators, EC–Bananas III, Recourse to Arbitration by the European Communities under Article 22.6 of the DSU“ WT/DS27/ARB/ECU vom 24. März 2000, Ziffer 52 und 53. 54 Um welche Übereinkommen es sich dabei handelt, ist in Art. 22 Abs. 3 lit. g festgelegt.
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E. Die Streitbeilegung
zubeugen, sind einerseits die Rücksichtnahmepflichten aus Art. 22 Ziffer 3 lit. d DSU56 und andererseits das Antrags- und Begründungserfordernis gegenüber dem DSB aus Art. 22 Ziffer 3 lit. e DSU zu beachten. Darüber hinaus gilt nach Art. 22 Ziffer 4 DSU das Gebot der Äquivalenz zwischen dem Umfang der Aussetzung von Zugeständnissen und Pflichten einerseits sowie dem Umfang der zunichte gemachten oder geschmälerten Handelsvorteile andererseits.57 Diesbezügliche Streitigkeiten werden innerhalb von 60 Tagen nach Ablauf des „angemessenen Zeitraums“ in einem eigenständigen Schiedsverfahren beigelegt, das auch über die Einhaltung der Grundsätze und Verfahren aus Art. 22 Ziffer 3 DSU sowie die Vereinbarkeit der vorgeschlagenen Aussetzungen mit den „unter die Vereinbarung fallenden Abkommen“ entscheidet. Dabei wird nach Möglichkeit auch auf das ursprüngliche Panel zurückgegriffen, Art. 22 Ziffer 6 und 7 DSU. Im Ergebnis ist festzuhalten, dass eine Vertragspartei, wenn sie gemäß Art. 3 Abs. 5 TDCA Maßnahmen im Einklang mit dem Völkerrecht und insbesondere dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergreifen will, gut beraten ist, analog den Vorgaben aus Art. 22 Ziffer 3 DSU vorzugehen. Sollte es jedoch zu Streitigkeiten über die Rechtsfolgemaßnahmen kommen, bleibt bei fruchtlosen Konsultationen nur der Rückgriff auf das allgemeine Streitbeilegungsverfahren nach Art. 104 TDCA, dessen Fristen kaum eine schnelle Lösung erwarten lassen. cc) Streitigkeiten über die Umsetzung Das TDCA trifft auch keine spezielle Regelung für die Fälle, in denen die Parteien darüber streiten, ob die vorgenommenen Maßnahmen der Entscheidung des Schiedsgerichts entsprechen oder ob sie ihrerseits mit dem TDCA vereinbar sind. Auch insoweit bleibt deshalb nur der Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften zur Nichterfüllung des Abkommens in Art. 3 TDCA. Danach kann die betreffende Partei, wenn sie mit den gegen sie 55 Zur Überprüfung der Einhaltung des eingeräumten Ermessensspielraums, siehe „Decision by the Arbitrators, EC–Bananas III, Recourse to Arbitration by the European Communities under Article 22.6 of the DSU“ WT/DS27/ARB/ECU vom 24. März 2000, Ziffer 52 und 53. 56 Siehe dazu auch: „Decision by the Arbitrators, EC–Bananas III, Recourse to Arbitration by the European Communities under Article 22.6 of the DSU“ WT/ DS27/ARB/ECU vom 24. März 2000, Ziffer 84–86. 57 Soweit der Beschwerdegegner die Maßnahmen für überzogen hält, trägt er dafür die Beweislast, siehe „Decision by the Arbitrators, EC-Hormones, Recourse to Arbitration by the European Communities under Article 22.6 of the DSU“ WT/ DS48/ARB vom 12. Juli 1999, Ziffer 9–11; „Decision of the Arbitrator, US-FSC, Recourse to Arbitration by the United States under Article 22.6 of the DSU“ WT/ DS108/ARB vom 3. August 2002, Ziffer 2.10–2.11.
I. Im TDCA ausgewiesene Streitbeilegungsmechanismen
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verhängten und unverzüglich notifizierten Maßnahmen nicht einverstanden ist, gemäß Art. 3 Abs. 3 TDCA Konsultationen beantragen, die innerhalb von 30 Tagen nach ihrer Notifikation anzuberaumen sind. Kommt es dabei zu keiner zufriedenstellenden Lösung, steht ihr die Möglichkeit offen, diesbezüglich ihrerseits das Streitbeilegungsverfahren zu bemühen. Von diesem Verfahren unterscheidet sich das DSU zum einen dadurch, dass die Umsetzung der angenommenen Empfehlungen oder Entscheidungen vom DSB überwacht wird. Zu diesem Zweck müssen ihm spätestens 10 Tage vor seinen Sitzungen regelmäßig schriftliche Sachstandsberichte vom betreffenden Mitgliedstaat unterbreitet werden (Art. 21 Ziffer 6 DSU). Zum anderen sieht Art. 21 Ziffer 5 DSU ein eigenständiges Beilegungsverfahren für Umsetzungsstreitigkeiten vor, über die das angerufene Panel grundsätzlich innerhalb von 90 Tagen seinen Bericht vorlegen soll: „Bei einer Meinungsverschiedenheit über die Frage, ob Maßnahmen zur Umsetzung der Empfehlungen und Entscheidung getroffen wurden oder ob sie mit den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen vereinbar sind, wird eine solche Streitigkeit unter Inanspruchnahme dieser Streitbeilegungsverfahren entschieden, wobei nach Möglichkeit auch auf das Panel zurückgegriffen wird (. . .)“.
Wie der Appellate Body in Canada-Aircraft bekräftigt hat, geht es in den Verfahren nach dieser Vorschrift nicht nur darum, ob die durchgeführte Abhilfemaßnahme mit den Empfehlungen und Entscheidungen des DSB vereinbar ist, sondern auch, ob sie mit den jeweiligen unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen übereinstimmt.58 Letzteres dürfte allerdings normalerweise der Fall sein, wenn ersteres bestätigt werden kann. Mangels ausdrücklicher Regelung ist unklar, ob vor Inanspruchnahme dieses Streitbeilegungsverfahrens zwingend Konsultationen erfolgen müssen, wie dies für das WTO-Verfahren in Art. 6 Ziffer 2 DSU vorgeschrieben ist. Dagegen könnte sprechen, dass im Ausgangsverfahren bereits entsprechende Gespräche stattgefunden haben, in denen die wesentlichen Aspekte des Rechtsstreits hinreichend erörtert wurden. Andererseits gibt es im DSU keinen ausdrücklichen Hinweis, dass in einem Verfahren nach Art. 21 Ziffer 5 DSU auf Konsultationen verzichtet werden kann. So vereinbarten die Parteien in US – FSC,59 dass Konsultationen innerhalb von 12 Tagen nach Antragstellung stattfinden müssen. Führen sie zu keiner Einigung, soll das Panel zwecks Abkürzung des Verfahrens sofort einberufen werden. Nicht geregelt ist das Verhältnis zwischen dem Verfahren nach Art. 21 Ziffer 5 DSU und dem Verfahren zur Aussetzung von Zugeständnissen und 58
Bericht des Appellate Body „Canada-Aircraft (Article 21.5 – Brazil)“ WT/ DS70/AB/RW vom 21. Juli 2000, Ziffer 40 und 41. 59 „Understanding between the European Communities and the United States“ in „US-FSC“ WT/DS108/12 vom 5. Oktober 2000.
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E. Die Streitbeilegung
Pflichten nach Art. 22 Ziffer 2 DSU. Diese Frage tauchte etwa in der transatlantischen Bananenkontroverse zwischen den USA und der Gemeinschaft auf. Das Panel und der Appellate Body hatten die Gemeinschaft verpflichtet, ihr Bananenhandelsregime innerhalb einer Frist von 15 Monaten dem geltenden Handelsrecht anzupassen. Demgemäß setzte die Gemeinschaft zum 1. Januar 1999 eine neue Bananenhandelsregelung in Kraft, die jedoch nach Auffassung der USA den Anforderungen des Panels nicht entsprach. Die Gemeinschaft sah darin einen Rechtsstreit über die Umsetzung einer Panelentscheidung gemäß Art. 21 Ziffer 5 DSU, über den das ursprüngliche Panel innerhalb von 90 Tagen zu entscheiden hatte. Dagegen bezogen sich die USA auf Art. 22 Ziffer 2 DSU, der bei Nichterfüllung von Panelentscheidungen Entschädigung oder Aussetzung von Zugeständnissen/Pflichten vorsieht. Es wurde schließlich ein Kompromiss gefunden, wonach beide Verfahren parallel laufen können. Allerdings ist vor Beginn der Maßnahmen nach Art. 22 Ziffer 2 DSU das Ergebnis des Verfahrens nach Art. 21 Ziffer 5 DSU abzuwarten. Ohne Zweifel bedarf die Frage nach der Notwendigkeit von Konsultationen und des Verhältnisses zwischen Art. 21 Ziffer 5 DSU und Art. 22 Ziffer 2 DSU einer eindeutigen Klärung, wie sie möglicherweise im Rahmen der laufenden Doha-Verhandlungsrunde erreicht werden kann. Allerdings ist trotz dieser – im Ergebnis vergleichsweise geringen – Unsicherheiten festzustellen, dass die ausdrückliche Regelung der Umsetzungsstreitigkeiten in Art. 21 Ziffer 5 DSU sehr viel Rechtssicherheit für die Implementierungsphase von Streitbeilegungsentscheidungen schafft. Darüber hinaus dürfte der regelmäßige Rückgriff auf das ursprüngliche Panel eine schnelle und sachgerechte Lösung der Streitigkeit fördern, da die Panelmitglieder mit dem Streitgegenstand vertraut sind und zudem ein gesteigertes Interesse an der effektiven Umsetzung ihres eigenen Berichts haben dürften. Dies gilt erst recht für die Fälle, in denen das Verfahren nach Art. 21 Ziffer 5 DSU wiederholt in Anspruch genommen werden muss,60 weil der Beschwerdegegner nur unzureichende Maßnahmen zur Implementierung der Empfehlungen und Entscheidungen des DSB ergreift. In diesen Fällen dürfte mit einem kurzfristigen Bericht des Panels zu rechnen sein. Im Vergleich dazu ist das Verfahren im TDCA bislang jedenfalls noch nicht so ausgestaltet, dass man mit kurzfristigen Lösungen bei Problemen mit der Umsetzung von Schiedsentscheidungen rechnen kann. Abhängig von den Erfahrungen, welche die Europäer und Südafrikaner in den nächsten Jahren mit dem TDCA und der Lösung von Konflikten machen, ist dies mög60 So z. B. im Bericht des Appellate Body „Canada-Dairy (Article 21.5 – New Zealand and US)“ WT/DS103/AB/RW, WT/DS113/AB/RW vom 3. Dezember 2001.
I. Im TDCA ausgewiesene Streitbeilegungsmechanismen
375
licherweise ein Bereich, in dem man konkretere Regelungen im Rahmen des TDCA treffen könnte. dd) Berufungsmöglichkeiten Ein wichtiger systemischer Unterschied zwischen dem TDCA-Schiedsverfahren und dem WTO-Panel-Verfahren besteht darin, dass gegen Entscheidungen eines WTO-Panels der Rechtsweg vor den Appellate Body als das Ständige Berufungsgremium möglich ist (Art. 17 DSU), während Entscheidungen des TDCA-Schiedsgerichts nicht berufungsfähig sind. Ohne Zweifel hat die Schaffung eines WTO-Berufungsgremiums im Jahre 1995 den bis dahin bestehenden Streitbeilegungsmechanismus weiter formalisiert und verrechtlicht. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil sich der Appellate Body nach Art. 17 Ziffer 6 DSU auf die in dem Panelbericht behandelten Rechtsfragen und auf die Rechtsauslegung des Panels beschränkt. Darüber hinaus spricht eine Vermutung dafür, dass Entscheidungen, die in einer weiteren Instanz überprüft werden können, im Ausgangsverfahren sorgfältiger vorbereitet und rechtlich besser begründet werden. Dies wirkt sich vorteilhaft auf die Legitimität und Vorhersehbarkeit des Systems aus. Dagegen besteht der Nachteil der Berufung darin, dass sie das Verfahren in die Länge zieht. Gleichwohl könnte die Berufungsmöglichkeit ein gewichtiges Argument für die Streitparteien sein, ihren Fall lieber vor die WTO statt vor das TDCA-Streitschlichtungsgremium zu bringen. Soweit durch die Entscheidung des TDCA-Schiedsgerichts keine Präklusionswirkung eintritt,61 könnte derselbe Rechtsstreit immer noch vor ein WTO-Panel und anschließend notfalls vor das WTO-Berufungsgremium gebracht werden. ee) Bindungswirkung der Entscheidung Beschlüsse und Empfehlungen des Kooperationsrates und des TDCASchiedsgerichts können de jure nur die streitenden Parteien binden. Lediglich der Normgeber hat das Recht, allgemeinverbindliche Regelungen festzulegen. Dies gilt im Grundsatz auch für Feststellungen und Empfehlungen des WTO-Panels oder des Appellate Body. Sie können nach Art. 3 Ziffer 2 und Art. 19 Ziffer 2 DSU „die in den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen enthaltenen Rechte und Pflichten weder ergänzen noch schmälern“. Darüber hinaus bestimmt Art. IX Abs. 2 des Übereinkommens zur Errichtung der WTO, dass ausschließlich die Ministerkonferenz und der Allgemeine Rat befugt sind, dieses Übereinkommen und die multilateralen Handelsübereinkommen auszulegen. 61
Siehe E. IV.
376
E. Die Streitbeilegung
In der Praxis ist es aber so, dass die WTO-Panels und der Appellate Body gerne auf frühere Entscheidungen verweisen. Speziell den Entscheidungen des Appellate Body kommt ein besonderes Gewicht zu, da dieses Forum nicht wie die Panels ad hoc gebildet wird, sondern einen ständigen Gerichtskörper darstellt, dessen Mitglieder 4 oder sogar 8 Jahre als Richter dienen. Das Berufungsgremium ist also von einer gewissen Kontinuität geprägt. Es ist bisher noch von keiner seiner Entscheidungen ausdrücklich abgewichen, so dass man de facto von einer stare decisis Wirkung von WTOEntscheidungen sprechen kann.62 Dies bedeutet, dass WTO-Berichte, obwohl sie nur die streitenden Parteien binden, häufig als Argumentationshilfe in Verfahren vor der WTO herangezogen werden. Dagegen käme einer TDCA-Schiedsgerichtsentscheidung weit weniger Autorität zu. Dies mag für die Auswahl des Forums von ganz entscheidender Bedeutung sein. Hat man erst einmal einen WTO-Panel oder gar den Appellate Body von der Rechtmäßigkeit des eigenen Standpunkts überzeugt, so wird eine dritte Partei kaum versuchen, in gleicher Sache erneut einen Rechtsstreit anzustrengen. Dagegen besteht diese Gefahr bei einer bilateralen Schiedsgerichtsentscheidung sehr wohl. ff) Kosten Das TDCA enthält keine Regelung darüber, wer die Kosten eines Streitbeilegungsverfahrens zu tragen hat. Dagegen bestimmt Art. 8 Ziffer 11 DSU, dass die Kosten für Panel-Mitglieder, einschließlich Reisekosten und Tagegelder, aus dem WTO-Haushalt getragen werden. Eine entsprechende Regelung findet sich in Art. 17 Ziffer 8 DSU für die Kosten der im Appellate Body tätigen Personen. Darüber hinaus ist es Praxis in der WTO, dass die vom Panel bestellten Experten ebenfalls aus dem Haushalt der WTO bezahlt werden. Die Kosten für die Vertretung ihrer Interessen vor dem Streitschlichtungsgremium haben die streitenden Parteien allerdings selbst zu tragen. Soweit sie sich dabei nicht durch eigene Regierungsbeamte, sondern anwaltlich vertreten lassen, können in diesem Zusammenhang beträchtliche Kosten entstehen.63 62
Ausführlich dazu mit einer Analyse des Appellate Body Berichts: Bhala, The precedent setters: de facto stare decisis in WTO adjudication, JTLP 9 (1999), S. 1 ff. 63 Um in diesem Zusammenhang insbesondere Entwicklungsländern und LDCs zu helfen, welche finanzielle und personelle Schwierigkeiten im Hinblick auf eine effektive Vertretung in Streitschlichtungsverfahren haben, wurde am Sitz der WTO das sog. Advisory Center on WTO Law (ACWL) gegründet, welches folgende Aufgaben hat: 1.) Juristische Unterstützung in Streitverfahren vor der WTO, 2.) Allgemeine Rechtsberatung zum WTO-Recht und 3.) Angebot und Durchführung von Schulungen zum WTO-Recht. Das Abkommen zur Einrichtung des Advisory Centers (Agreement establishing the Advisory Center on WTO Law) ist noch im De-
I. Im TDCA ausgewiesene Streitbeilegungsmechanismen
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Nach Art. 13 der Geschäftsordnung des TDCA-Kooperationsrates ist lediglich festgelegt, dass jede Seite die ihr im Zusammenhang mit der Teilnahme an den Tagungen entstehenden Kosten für Personal, Reise, Aufenthalt, Post und Telekommunikation selbst zu tragen hat. Dieser Regelung ist das allgemeine – in Schiedsklauseln typischerweise verwendete64 – Prinzip zu entnehmen, dass jede Seite ihre eigenen Kosten selbst zu tragen hat. Eine abweichende Regelung besteht lediglich für die Organisationskosten, die von der Vertragspartei zu tragen sind, welche die Tagung austrägt. Da die Tagungen im Wechsel entweder in Südafrika oder in der Gemeinschaft stattfinden, kann dieser Regelung das Prinzip der hälftigen Teilung für gemeinschaftliche Kosten entnommen werden. In analoger Anwendung auf das Schiedsverfahren ließe sich daraus der Grundsatz ableiten, dass sämtliche Kosten des Schiedsverfahrens, die keiner der beiden Seiten zugeordnet werden können, wie z. B. die Kosten für den dritten, vom Kooperationsrat gemäß Art. 104 Abs. 5 TDCA zu bestimmenden Schiedsrichter, von den streitenden Parteien je zur Hälfte zu tragen sind. Es erscheint im Ergebnis auch sachgerecht, da die Beilegung des Rechtsstreits der Aufrechterhaltung der Rechtsordnung dient und daher in beiderseitigem Interesse erfolgt. Allerdings hätten der Kooperationsrat oder das Schiedsgericht auch die Möglichkeit, diesbezüglich eine abweichende Entscheidung zu treffen, etwa dahingehend, dass diese Kosten von der unterlegenen Partei zu tragen sind. Welche Kostenaufteilung auch immer im Ergebnis erfolgt, ein Verfahren vor der WTO ist unter Kostengesichtspunkten in jedem Fall vorteilhafter, weil die Kosten für den Streitbeilegungsmechanismus dort aus dem Haushalt der WTO getragen werden.
zember 1999 im Zusammenhang mit der 3. WTO-Ministerkonferenz in Seattle unterzeichnet worden und zum 15.07.2001 in Kraft getreten. Zu den bislang 37 Unterzeichnerstaaten des Abkommens gehören Ägypten, Bolivien, Dänemark, Dominikanische Republik, El Salvador, Equador, Finnland, Guatemala, Honduras, Hong Kong, Indien, Indonesien, Irland, Italien, Jordanien, Kanada, Kenia, Kolumbien, Mauritius, Nicaragua, Niederlande, Norwegen, Oman, Pakistan, Panama, Paraguay, Peru, Philippinen, Schweden, Schweiz, Taipei, Thailand, Türkei, Tunesien, Uruguay, Venezuela und das Vereinigtes Königreich, nicht aber Deutschland oder Südafrika (Stand: 1.11.2004). Das Besondere an dem ACWL ist, dass es kostenlose Rechtsberatung für Entwicklungsländer und Transformationsstaaten, die Mitglieder sind, sowie für alle LDCs bietet und diesen Staatengruppen zu reduzierten Gebühren auch juristische Beratung und anwaltliche Vertretung in den Streitbeilegungsverfahren der WTO anbietet. Zu den Einzelheiten der Entstehungsgeschichte und der Dienstleistungen des ACWL, siehe http://www.acwl.ch. Da Südafrika nicht Mitglied dieses Abkommens ist und zudem auch nicht zur Gruppe der finanzschwachen LDCs gehört, scheidet eine Inanspruchnahme dieser kostengünstigen Dienste aus. 64 Hilf, Europäische Gemeinschaften und internationale Streitbeilegung, in: FS Moser, S. 387, 418.
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E. Die Streitbeilegung
e) Fazit Die rechtsvergleichende Auswertung des TDCA-Streitbeilegungsmechanismus mit demjenigen der WTO hat zu dem Ergebnis geführt, dass die Regelungsdichte des WTO-Systems umfassender und weitreichender ist als diejenige des TDCA. Dies erscheint nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die WTO eine multilaterale Rechtsordnung bildet, deren Bestand gesichert werden muss. So ist es nach Art. 3 Ziffer 2 DSU das Ziel des WTO-Streitbeilegungssystems, „(. . .) die Rechte und Pflichten der Mitglieder aus den unter die Vereinbarung fallenden Übereinkommen zu bewahren und die geltenden Bestimmungen dieser Übereinkommen im Einklang mit den herkömmlichen Regeln der Auslegung des Völkerrechts zu klären (. . .)“.
Bereits der Wortlaut dieser Vorschrift lässt darauf schließen, dass bei der Beilegung eines Rechtsstreits die Einhaltung und Durchsetzung der WTOVerträge im Vordergrund steht und weniger die Befriedigung der widerstreitenden Interessen der an einem konkreten Rechtsstreit beteiligten Mitgliedstaaten. Dies gilt auch für das – dem streitigen Panelverfahren gegenüber zu bevorzugende – Vergleichsverfahren, da die dort gefundene Lösung ebenfalls mit den übrigen WTO-Vertragsvorschriften in Einklang stehen muss (Art. 3 Ziffer 7 Satz 2 und 3 DSU). Die Bedeutung, die der Einhaltung der WTO-Übereinkommen beigemessen wird, ergibt sich aber auch aus dem multilateralen Charakter der Rechtsordnung, die auf die Rechte der am Rechtsstreit nicht beteiligten WTO-Drittstaaten Rücksicht nehmen muss. Es handelt sich um eine objektive Rechtsordnung, die Rechte und Pflichten erga omnes partes begründet und deshalb der Verfügungsgewalt einzelner Vertragsparteien entzogen ist. Somit müssen auch die im Rahmen von Konsultationen und Vergleichsverhandlungen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten gefundenen Lösungen mit dem geltenden WTO-Recht übereinstimmen. Die Priorität, die der Erfüllung der WTO-Vorschriften beigemessen wird, findet auch in der Vorrangregel des Art. 22 Ziffer 1 DSU ihren Ausdruck. Nach dieser Vorschrift geht die Umsetzung der Empfehlungen und Entscheidungen des DSB, die ihrerseits mit den Rechten und Pflichten aus den WTO-Übereinkommen übereinstimmen müssen (Art. 3 Ziffer 4 DSU), einem möglichen Rückgriff auf die vorübergehenden Ersatzmaßnahmen „Entschädigung“ bzw. „Aussetzung von Zugeständnissen“ vor. Da die Aussetzung von Zugeständnissen ihrerseits einen Eingriff in die Vertragsbeziehungen darstellt, ist sie gegenüber der Entschädigung wiederum subsidiär (Art. 3 Ziffer 7 DSU). Das TDCA unterscheidet sich von der multilateralen Rechtsordnung der WTO dadurch, dass aufgrund der bilateralen Rechtsbeziehungen alle Ver-
II. Andere spezielle Streitbeilegungsmechanismen
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tragspartner notwendigerweise an einem Rechtsstreit beteiligt sind.65 Da es im TDCA keine unbeteiligten Drittstaaten geben kann, haben der Kooperationsrat bzw. das Schiedsgericht die Möglichkeit, den Rechtsfrieden durch einen Vergleich herbeizuführen, auch wenn dieser nicht in jeder Hinsicht mit den Vorschriften des TDCA im Einklang steht. Das TDCA enthält keine Bestimmung, wonach Beschlüsse des Kooperationsrates oder Schiedssprüche des Schiedsgerichts in Übereinstimmung mit den Rechten und Pflichten des TDCA ergehen müssen. Damit haben diese Entscheidungskörper erheblich weitere Entscheidungsspielräume als beispielsweise der DSB, der nach Art. 3 Ziffer 4 DSU eindeutig an das WTO-Recht gebunden ist. Daraus folgt, dass die Streitbeilegung nach dem TDCA eine andere Zielrichtung hat als das DSU. Es handelt sich hier weniger um eine juristische, als vielmehr um eine handelspolitische Angelegenheit, die auf dem diplomatischen Parkett beigelegt wird. Dies ist symptomatisch für alle bilateralen Freihandelsabkommen. So wurde unter den entsprechenden Handelsabkommen der Gemeinschaft trotz vertraglicher Vorkehrungen für ein entsprechendes Streitbeilegungssystem bisher noch nie ein Schiedsgericht etabliert. Vielmehr konnten Meinungsverschiedenheiten jeweils im Rahmen von bilateralen Konsultationen behoben werden.66 Streitbeilegung ist damit in erster Linie eine Aufgabe des Kooperationsrates. Wenn dieser bei seiner im Einvernehmen mit den Vertragspartnern gefundenen Lösung von geltenden Vertragsbestimmungen abweicht, ist er dazu sogar berechtigt, da ihm nach Art. 106 TDCA ohnehin eine Vertragsänderungskompetenz zusteht. Insofern muss bezweifelt werden, dass das TDCA-Schiedsgericht jemals einen bilateralen Handelsstreit zu entscheiden haben wird.
II. Andere spezielle völkerrechtliche Streitbeilegungsmechanismen Während den beiden vorgenannten Spruchkörpern gemeinsam ist, dass sich ihr materiellrechtlicher Zuständigkeitsbereich im Wesentlichen auf Handelsfragen erstreckt, gibt es für andere völkerrechtliche Spezialordnungen eigene Streitverfahren. Wo deren Regelungsbereich handelsrelevante Aspekte berührt, sind Normenkollisionen möglich, die in Einzelfällen zu 65
Zwar sind auf Seiten der Gemeinschaft neben dieser auch sämtliche Mitgliedstaaten Vertragsparteien zum TDCA. Jedoch werden diese von der Europäischen Kommission in einem Rechtstreit wirksam vertreten. De facto handelt es sich somit um ein bilaterales Vertragsverhältnis. 66 Möglicherweise hat die Vereinbarung von Schiedsverfahren insoweit auch eine nicht zu unterschätzende Präventivfunktion, die Vertragsverletzungen verhindern helfen soll (so auch Hilf, Europäische Gemeinschaften und internationale Streitbeilegung, in: FS Moser, S. 387, 425).
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E. Die Streitbeilegung
einer Parallelzuständigkeit des TDCA-Schiedsgerichts bzw. eines von den Vertragspartnern angerufenen WTO-Panels mit diesen speziellen Streitbeilegungsmechanismen führen kann. Gerade im Bereich des Investitions-, Seeund Umweltvölkerrechts ist potenziell mit einer Überschneidung der relevanten Streitbeilegungsverfahren zu rechnen. 1. Investitionsstreitigkeiten Nach Art. 33 Abs. 1 TDCA gewährleisten die Vertragspartner den freien Kapitalverkehr im Zusammenhang mit Direktinvestitionen in Gesellschaften in Südafrika. Diese Vorschrift schafft für europäische Investoren, die in der südafrikanischen Volkswirtschaft tätig werden wollen, ein gewisses Maß an Rechtssicherheit, insbesondere im Hinblick auf die Liquidation und Repatriierung ihrer Investitionen und der daraus resultierenden Gewinne. Allerdings wird eine vollständige Liberalisierung des Kapitalverkehrs nach Art. 33 Abs. 2 TDCA erst noch angestrebt. Darüber hinaus beschreibt Art. 52 TDCA den Investitionsschutz und die Investitionsförderung lediglich als Ziel künftiger Zusammenarbeit. Soweit es zu Rechtsstreitigkeiten über die Einhaltung des Art. 33 TDCA kommt, kann der Heimatstaat des betroffenen Investors bzw. dessen Gaststaat das Streitbeilegungsverfahren nach Art. 104 TDCA einleiten. Dieser Rechtsweg könnte in Konkurrenz zur Anrufung des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (International Center for the Settlement of Investment Disputes, ICSID) stehen.67 Grundvoraussetzung dafür wäre gemäß Art. 25 ICSID-Konvention, dass der Gaststaat des Investors und sein Heimatstaat die Konvention ratifiziert haben68 und dass eine konkrete Zustimmung zu einem Schiedsverfahren nach den Regeln des ICSID vorliegt. Zwar sind sämtliche Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, nicht jedoch die Gemeinschaft selbst oder Südafrika der ICSID-Konvention bisher beigetreten.69 Die weiterhin bestehende Möglichkeit, nach den ergänzenden Regelungen des ICSID (Additional Facility Rules) auch bestimmte 67 Dazu: Schreuer, The ICSID Convention; Tietje, Grundstrukturen und aktuelle Entwicklungen des Rechts der Beilegung internationaler Investitionsstreitigkeiten S. 8 ff. 68 Zur Liste der Vertragsstaaten, siehe http://www.worldbank.org/icsid/constate/ c-states-en.htm. 69 Stattdessen hat Südafrika mit fünf Mitgliedstaaten der Gemeinschaft (Dänemark, Deutschland, England, Frankreich und den Niederlanden) bilaterale Investitionsschutzverträge abgeschlossen, die bisher jedoch alle noch nicht in Kraft getreten sind, http://www.worldbank.org/icsid/treaties.south.htm. Zur Liste der Mitgliedstaaten, siehe auch http://www.worldbank.org/icsid/constate/c-states-en.htm, aufgerufen am 3.2.2004.
II. Andere spezielle Streitbeilegungsmechanismen
381
Verfahren durchzuführen, die außerhalb des normalen Anwendungsbereichs des ICSID fallen, beschränkt sich auf „fact-finding-proceedings“ bzw. Verfahren, in denen nur eine Partei kein Mitglied der ICSID-Konvention ist.70 Nur insoweit ist eine Zuständigkeitskonkurrenz mit dem TDCA-Schiedsverfahren nicht ausgeschlossen. In diesen Fällen ist der Grundsatz der Ausschließlichkeit des ICSID-Verfahrens aus Art. 26 und 27 der ICSID-Konvention zu beachten, d. h. bei Inanspruchnahme des ICSID-Verfahrens darf in der konkreten Streitsache keine andere Rechtsschutzmöglichkeit gesucht werden. Darüber hinaus dürfen Entscheidungen des ICSID-Gerichts gemäß Art. 53 ICSID-Konvention nicht durch nationale oder internationale Gerichte überprüft werden. 2. Seerechtliche Streitigkeiten Wie bereits im dritten Kapitel dargelegt, bezieht Art. 31 TDCA ausdrücklich die Liberalisierung der Seeverkehrsdienstleistungen in das TDCA ein. Darüber hinaus ist die Zusammenarbeit nach Art. 62 TDCA auf die Verwaltung und Nutzung der Fischereiressourcen ausgerichtet, wenngleich das diesbezügliche Fischereiabkommen bisher noch nicht abgeschlossen werden konnte. Gleichwohl kann den Vorschriften die besondere Bedeutung entnommen werden, welche die Vertragsparteien dem Seerecht im Allgemeinen beimessen, so dass ein Zuständigkeitskonflikt zwischen den Rechtsdurchsetzungsorganen des TDCA und denjenigen der Seerechtskonvention auftreten könnte. Ein Beispiel für einen entsprechenden Streit ist der Schwertfisch-Fall zwischen Chile und der Europäischen Gemeinschaft. Gegenstand des Rechtsstreits war ein von Chile verhängtes Landungsverbot für ausländische wie chilenische Schiffe, die außerhalb seiner ausschließlichen Wirtschaftszone (Teil V Seerechtsübereinkommen, SRÜ) auf hoher See (Teil VII SRÜ) Schwertfischfang betrieben. Chile hatte das Verbot erlassen, weil es den Bestand dieser weit wandernden Fischart (Art. 64 SRÜ) in der Region durch Überfischung bedroht sah. Die Gemeinschaft rügte eine Verletzung der Transitfreiheit nach Art. V:1–3 GATT und ihrer Exportrechte aus Art. XI:1 GATT. Die Handelsbeschränkungen ließen sich nach ihrer Ansicht auch nicht auf der Grundlage von Art. XX lit. b und XX lit. g GATT rechtfertigen, der dem Schutz erschöpflicher Naturschätze dient. Darüber hinaus verletze das Landungsverbot auch die Fischereifreiheit gemäß Art. 87, 89, 116–119 SRÜ. Dagegen rügte Chile die mangelnde Zusammenarbeit der EG zur Sicherung der Fischbestände im Sinne von Art. 64 SRÜ und behauptete zudem eine mangelnde Überwachung der Schiffe durch die EG unter Verletzung der Art. 116–119 SRÜ. Während die 70 Siehe dazu die Additional Facility Rules, wie sie seit dem 1. Januar 2003 gültig sind (http://www.worldbank.org.icsid/).
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E. Die Streitbeilegung
Gemeinschaft nach erfolglosen Konsultationen am 12. Dezember 2000 die Einsetzung eines WTO-Panels erwirkte,71 betrieb Chile am 20.12.2000 im Einvernehmen mit der Gemeinschaft72 die Einsetzung einer Kammer des Internationalen Seegerichtshofs.73 Beide Spruchkörper hätten den Fall parallel verhandeln müssen, wenn es im Januar 2001 zu keiner politischen Einigung zwischen den Parteien gekommen wäre, derzufolge beide Verfahren ausgesetzt wurden.74 Der Fall ist insoweit auf die europäisch-südafrikanischen Handelsbeziehungen übertragbar, als auch dort im Rahmen der bilateralen Beziehungen ein Streit mit seerechtlichen und handelsrechtlichen Aspekten entstehen könnte, den die Parteien vor den Seegerichtshof oder aber vor das TDCASchiedsgericht bzw. ein WTO-Panel bringen könnten, da beide den jeweils zugrundeliegenden völkerrechtlichen Vertragsordnungen, der Seerechtskonvention bzw. dem TDCA und der WTO, angehören. Ein solcher Rechtsstreit würde sich von den Parallelzuständigkeiten im TDCA-Verfahren insofern unterscheiden, als sich die hier kollidierenden Rechtsordnungen primär mit zwei verschiedenen Regelungsbereichen auseinandersetzen, nämlich dem Seerecht einerseits und dem Handelsrecht andererseits. Es verwundert nicht, 71 „Chile–Swordfish“ WT/DS193/1 vom 26. April 2000. Das Panel wurde am 12. Dezember 2000 errichtet. 72 Chile hatte im Sommer 2000 zunächst die Einrichtung eines Schiedsgerichts gemäß Art. 287 Abs. 3 SRÜ beantragt, sich dann im Dezember 2000 jedoch mit der Europäischen Gemeinschaft geeinigt, statt eines Schiedsgerichts eine Kammer des Internationalen Seegerichtshofs anzurufen. Nach Art. 287 SRÜ haben die Vertragsstaaten die Möglichkeit, zwischen folgenden Foren zu wählen: (a) the International Tribunal on the Law of the Sea established in accordance with Annex VI (b) the International Court of Justice (c) an arbitral tribunal constituted in accordance with Annex VII (d) a special arbitral tribunal constituted in accordance with Annex VIII for one or more of the categories of disputes specified therein. Ausführlich zu dem Fall: Neumann, Die materielle und prozessuale Koordination völkerrechtlicher Ordnungen, ZaöRV 61 (2001), S. 529, 534 ff.; derselbe, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, S. 198 ff. 73 International Tribunal of the Law of the Seas, Case Concerning the Conversation and Sustainable Exploitation of Swordfish Stocks in the South-Eastern Pacific Ocean, Chile-European Community, Order on Constitution of Chamber, Order 2000/3 (20.12.2000), abrufbar unter: http://www.un.org/Depts/los/Itlos/Order3_ 2000.pdf. 74 Beschluss der speziellen Kammer des Internationalen Seegerichtshofs vom 15. März 2001 sowie das WTO Dok. WT/DS193/3 vom 6. April 2001; siehe auch Orellana, The EU and Chile Suspend the Swordfish Case Proceedings at the WTO and the International Tribunal of the Law of the Sea, ASIL Insight Feb. 2001; Neumann, Die materielle und prozessuale Koordination völkerrechtlicher Ordnungen, ZaöRV 61 (2001), S. 529, 534 ff.
II. Andere spezielle Streitbeilegungsmechanismen
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dass im Schwertfisch-Fall die Interessen der Vertragsparteien entsprechend verteilt waren. Während Chile sein Recht auf Verhängung des Landungsverbots auf die Seerechtskonvention stützte, machte die Gemeinschaft ein Recht geltend, das sie auf die aus dem GATT resultierenden Seeverkehrsfreiheiten stützte. Es ging also um zwei unterschiedliche „Ansprüche“ („claims“), denen lediglich gemeinsam war, dass sie auf einem identischen Sachverhalt beruhten. Letzterer begründete die unvermeidbare Parallelzuständigkeit der beiden unterschiedlichen Streitbeilegungsorgane, denn Art. 293 Ziffer 1 SRÜ beschränkt das anwendbare Recht auf das Seerechtsübereinkommen, wie auch Art. 3 Ziffer 2 DSU das WTO-Streitbeilegungssystem auf die aus den WTO-Übereinkommen herrührenden Rechte und Pflichten begrenzt oder das TDCA-Streitverfahren nur für Ansprüche aus dem TDCA gilt. Obwohl die Streitbeilegungsverfahren nur für Rechte der jeweils eigenen Völkerrechtsordnung gelten, dürfen sie dennoch nicht „blind“ gegenüber dem Koordinationsbedarf der Völkerrechtsordnung als Ganzes sein. Vielmehr müssen sie sich zumindest mit „Einreden“ („defences“) auseinandersetzen, welche die streitenden Parteien aufgrund ihrer übrigen völkerrechtlichen Rechte und Pflichten vorbringen. Eine entsprechende Öffnungsklausel hat der Appellate Body dem Einleitungssatz des Art. XX GATT75 sogar ausdrücklich entnommen und demgemäß multilaterale Umweltabkommen zur Auslegung herangezogen.76 Doch selbst dort, wo ein entsprechendes Kooperationsgebot nicht ausdrücklich vertraglich festgeschrieben ist, gilt nach den in Art. 31 Abs. 3 (c) WVK niedergelegten und gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätzen, dass Verträge unter Beachtung der zwischen den Parteien einschlägigen Völkerrechtssätze auszulegen sind, einschließlich der Verträge, welche die Vertragsparteien binden. Aus diesem Kooperationsgebot ergibt sich, dass die Zuständigkeitskonkurrenz von den angerufenen Streitbeilegungsorganen gelöst werden kann und muss. Sie sind somit verpflichtet, den Rechtsstreit unter gebührender Berücksichtigung aller übrigen völkerrechtlichen Obliegenheiten der Parteien zu entscheiden. Gleichwohl lässt sich aus diesen Überlegungen keine Allzuständigkeit des TDCA-Schiedsgerichts, eines WTO-Panels oder des Seegerichtshofs für völkerrechtliche Streitigkeiten aller Art herleiten, da sie lediglich dazu kon75
Einleitungssatz zu Art. XX GATT 1994: „Subject to the requirement that such measures are not applied in a manner which would constitute a means or unjustifiable discrimination between countries where the same conditions prevail, or a disguised restriction on international trade, nothing in this agreement shall be construed to prevent the adoption or enforcement by any contracting party of measures: . . .“. 76 Appellate Body Bericht „US-Shrimp“ WT/DS58/AB/R vom 12. Oktober 1998, Ziffer 168, mit Verweis auf Prinzip 12 der Rio-Erklärung und Art. 5 der Konvention über biologische Vielfalt.
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E. Die Streitbeilegung
stituiert wurden, einen Durchsetzungsmechanismus für die jeweils eigene Rechtsordnung zu bieten. Die unterschiedliche Legitimation und Sachkunde der Spruchkörper gebietet es, Grenzen der Rechtsprechungsbefugnisse zu beachten. In diesem Zusammenhang leitet Neumann aus dem Interventionsverbot nach Art. 2 Abs. 1 Satz 4 VN-Charta und dem Gebot der Zusammenarbeit aus der so genannten Friendly Relations Declaration der Generalversammlung in GA Res. 2625 [XXV] ein „Störungsverbot“ her, wonach ein Streitbeilegungsorgan nicht unzulässig in die Kompetenzen eines anderen eingreifen darf.77 Daraus dürfte sich nicht nur die Pflicht zum judicial restraint, sondern in Einzelfällen sogar auf Zurückweisung eines Rechtsstreits herleiten lassen. In diesem Zusammenhang ist in der Literatur die Frage aufgeworfen worden, ob der im Internationalen Privatrecht anerkannte Grundsatz des forum non conveniens Anwendung finden könnte. Nach diesem Rechtsprinzip kann ein Gericht seine Zuständigkeit mit der Begründung verneinen, dass es ein anderes Forum gibt, welches aufgrund seiner Sachnähe, der Kosten, des anwendbaren Rechts, dem Wohnsitz der streitenden Parteien, den Interessen der Parteien, dem allgemeinen Rechtsinteresse etc. „geeigneter“ ist, den Rechtsstreit zu entscheiden.78 Der Grundsatz hat jedoch bisher im Völkerrecht keine Anerkennung gefunden. Zu Recht weist Vaughan Lowe darauf hin, dass er auf Kriterien beruht, welche den prozessualen Interessen von Privatpersonen in einem Rechtsstreit entsprechen. Während vor nationalen Gerichten die Effizienz des Justizwesens entsprechende Zuständigkeitsregeln auch aus rein pragmatischen Erwägungen zulassen mag, basiert das Völkerrecht auf vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Staaten, die nicht im Interesse von prozessualen Zweckmäßigkeitserwägungen übergangen werden können.79 Lowe bemüht stattdessen den Spezialitätengrundsatz und stellt die folgende Regel auf: „In circumstances where the parties have made special provision for a certain category of disputes, in the absence of any indication to the contrary it must be supposed that they intended that it is this special provision, and not some more general acceptance of the jurisdiction of another tribunal that they intended should be applied to disputes in that category“.80
Aus diesen Überlegungen lässt sich der Grundsatz ableiten, dass überall dort, wo ein Rechtsstreit sich überschneidende völkerrechtliche Spezialordnungen mit eigenen Streitbeilegungsmechanismen betrifft, eine Zuständig77 Neumann, Die materielle und prozessuale Koordination völkerrechtlicher Ordnungen, ZaöRV 61 (2001), S. 529, 559 ff. 78 Collins, Dicey and Morris on the conflict of laws, S. 385 ff. 79 Lowe, Overlapping Jurisdiction in International Tribunals, AustrYIL 20 (1999), S. 191, 200. 80 Lowe, Overlapping Jurisdiction in International Tribunals, AustrYIL 20 (1999), S. 191, 195.
II. Andere spezielle Streitbeilegungsmechanismen
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keitsvermutung zugunsten des Spruchkörpers besteht, welcher der für den Streitgegenstand spezielleren Ordnung zugehört.81 Voraussetzung ist allerdings, dass diese Spezialität82 zweifelsfrei bestimmt werden kann. Wo dies – wie im Schwertfisch-Fall – nicht der Fall ist, muss eine Parallelzuständigkeit mit der Maßgabe zugelassen werden, dass die angerufenen Spruchkörper entsprechend den Vorgaben des Art. 31 Abs. 3 lit. c WVK unter gebührender Beachtung anderer völkerrechtlicher Obligationen der Streitparteien zu einer Entscheidung gelangen. Wenn die angerufenen Spruchkörper diese Grundsätze beachten, können sie damit die in handelsrechtlichen Streitigkeiten dringend erforderliche Rechtssicherheit erhöhen. Im Ergebnis wird die Auflösung der Zuständigkeitsparallelität vom Streitgegenstand bestimmt, so dass sich keine allgemeinverbindliche Rangordnung zwischen dem Verfahren nach dem TDCA und demjenigen nach der Seerechtskonvention bestimmen lässt. Vielmehr kann diese von Fall zu Fall unterschiedlich sein. 3. Umweltrechtliche Streitigkeiten Materiellrechtliche Überschneidungen der Streitgegenstände sind aufgrund der Regelungsweite von Handelsfragen nicht nur im Hinblick auf das Seerecht, sondern insbesondere auch im Bereich des Umweltvölkerrechts möglich. Die zunehmende Bedeutung dieses Bereichs findet in Art. 84 TDCA Anerkennung, der die Gemeinschaft und Südafrika u. a. zu einer umfassenden Zusammenarbeit „mit dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung durch rationelle Nutzung nicht erneuerbarer Ressourcen und nachhaltige Nutzung erneuerbarer Ressourcen“ verpflichtet. Darüber hinaus sind beide Seiten verschiedenen multilateralen Umweltschutzabkommen (Multilateral Environment Agreements, MEAs) beigetreten, deren Regelungsgehalt potenziell mit der Freihandelsvereinbarung des TDCA kollidieren könnte.83 Der entscheidende Unterschied besteht allerdings darin, dass diese Systeme 81 In diesem Sinne hat der IGH in „Legality of the use of nuclear weapons in armed conflict“ den Gutachtenantrag der Weltgesundheitsorganisation mit der Begründung abgelehnt, dass sich deren Kompetenz auf Gesundheitsfragen beschränkt. Dabei stellte er klar, dass die Zuständigkeit internationaler Organisationen nach dem „principle of speciality“ auf die ihnen speziell zugewiesen Aufgaben beschränkt ist, IGH Rep. 1996, Ziffer 25. 82 Es handelt sich hier um keine Spezialität im Sinne des Art. 30 WVK, weil kein Anspruch auf ausschließliche Zuständigkeit erhoben werden kann, Neumann, Die materielle und prozessuale Koordination völkerrechtlicher Ordnungen, ZaöRV 61 (2001), S. 529, 564. 83 Siehe dazu den Appellate Body Bericht „US-Shrimp“ WT/DS58/AB/R vom 12. Oktober 1998, Ziffer 168, mit Verweis auf Prinzip 12 der Rio-Erklärung und Art. 5 der Konvention über biologische Vielfalt. Zum Verhältnis von WTO und Um-
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E. Die Streitbeilegung
nicht zu einer rechtsverbindlichen Entscheidung führen, sondern regelmäßig mit so genannten non-compliance Verfahren ausgestattet sind.84 Diese zeichnen sich dadurch aus, dass Streitigkeiten entweder durch eine gütliche Einigung im Rahmen von Verhandlungen oder durch Einschaltung der guten Dienste einer dritten Partei bzw. ein von ihr geleitetes Vermittlungsverfahren („mediation“) gelöst werden. Darüber hinaus kann ein Streit durch ein Schiedsverfahren beigelegt oder dem Internationalen Gerichtshof zur Entscheidung vorgelegt werden, was jedoch von der Zustimmung beider Parteien abhängt. Wo diese Zustimmung nicht eingeholt werden kann, wird auf Antrag einer Partei eine Vergleichskommission eingerichtet, die eine Empfehlung ausspricht. Dieses fakultative Streitverfahren findet sich u. a. in Art. 11 des Wiener Übereinkommens zum Schutz der Ozonschicht,85 Art. 27 des Übereinkommens über die biologische Vielfalt,86 Art. 34 des Biosicherheitsprotokolls,87 Art. 28 des Wüstenübereinkommens88 und Art. 5 des zweiten Protokolls über Schwefelemmissionen.89 Die Zustimmungsbedürftigkeit des streitigen Verfahrens durch die Streitparteien dürfte einer der wesentlichen Gründe sein, weshalb es bisher noch zu keiner Streitbeilegung im Umweltvölkerrecht gekommen ist,90 obwohl der IGH im Jahre 1993 sogar eine eigene, mit 7 Richtern besetzte Kammer für Umweltfälle eingerichtet hat.91 Solange jedoch keine verbindlicheren Durchsetzungsmechanisweltschutz, siehe: Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, S. 112 ff. 84 González-Calatayud/Marceau, The Relationship between the Dispute-Settlement Mechanisms of MEAs und those of the WTO, RECIEL 11 (3) 2002, S. 275, 279. 85 Dem Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht ist die Europäische Gemeinschaft am 17.10.1988 und Südafrika am 15.01.1990 beigetreten. 86 Dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt ist die Europäische Gemeinschaft am 21.12.1993 und Südafrika am 02.11.1995 beigetreten. 87 Dem Biosicherheitsprotokoll ist die Europäische Gemeinschaft am 27.08.2002 und Südafrika am 14.08.2003 beigetreten. 88 Dem Wüstenübereinkommen (UNCCD) ist die Europäische Gemeinschaft am 26.03.1998 und Südafrika am 30.09.1997 beigetreten. 89 Dem zweiten Schwefelprotokoll ist die Europäische Gemeinschaft am 24.04.1998 beigetreten, während Südafrika ihm nicht angehört. 90 Eine ähnliche Klausel für das Streitbeilegungsverfahren findet sich auch in Art. 20 der Baseler Konvention über die grenzüberschreitende Verbringung gefährlicher Abfälle, die bisher noch zu keinem Streitbeilegungsverfahren geführt hat, obwohl sie bereits 1992 in Kraft getreten ist. Die Europäische Gemeinschaft hat der Konvention am 07.02.1994 zugestimmt, während Südafrika sie am 05.05.1994 angenommen hat. 91 Der IGH hat gemäß Art. 26 IGH-Statut von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, „eine oder mehrere, je nach seiner Entscheidung, aus drei oder mehr Richtern bestehende Kammer(n) ein(zu)setzen, um bestimmte Arten von Angelegenheiten zu entscheiden“, Rosenne, The Law and Practice of the International Court:
III. Allgemeine völkerrechtliche Streitbeilegungsmechanismen
387
men in den Umweltabkommen vereinbart werden, sind Überschneidungen mit dem TDCA-Verfahren nicht zu erwarten. Sollten sie aber dennoch auftreten, wären die oben genannten Grundsätze der Spezialität und Parallelität in gleicher Weise zu beachten wie in den Überschneidungen mit seerechtlichen Streitigkeiten.
III. Allgemeine völkerrechtliche Streitbeilegungsmechanismen Die Streitbeilegungsklauseln der genannten Umweltabkommen zeigen eine weitere Möglichkeit auf, bilaterale Streitigkeiten zu entscheiden: die Anrufung des Internationalen Gerichtshofs oder des Internationalen Schiedsgerichtshofs. Diese im Umweltvölkerrecht vertraglich vorgesehene Option ist grundsätzlich auf TDCA-Streitigkeiten übertragbar. Zwar benennt die europäisch-südafrikanische Handelsordnung lediglich das TDCA-Schiedsgericht und das WTO-Verfahren als alternative Foren zur Erledigung von bilateralen Streitigkeiten. Gleichwohl erhebt es keinen Ausschließlichkeitsanspruch zugunsten dieser beiden Mechanismen. Insoweit unterscheidet sich Art. 104 TDCA von Art. 23 DSU, der die WTO-Mitglieder verpflichtet, gegen die Beeinträchtigung ihrer Rechte aus dem WTO-Recht nur mittels WTO-Streitverfahren vorzugehen oder von Art. 292 EG-Vertrag,92 der eine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) für innergemeinschaftliche Streitigkeiten vorsieht. Mangels einer entsprechenden Exklusivitätsklausel im TDCA wäre es der Gemeinschaft und Südafrika somit grundsätzlich möglich, ein drittes Forum anzurufen, ohne sich damit in Widerspruch zu den vertraglichen Pflichten des TDCA zu begeben. Damit kämen der Internationale Gerichtshof und das Internationale Schiedsgericht nicht nur für ordnungsübergreifende Streitigkeiten in Betracht, sondern auch für solche, die ausschließlich die TDCA-Vertragsbeziehungen betreffen. 1. Der Internationale Gerichtshof Obgleich die Mitglieder der Vereinten Nationen gemäß Art. 95 VNCharta die Streitbeilegung auch anderen Gerichten zuweisen können, stellt 1920–1996. Bd. III (Procedure), S. 1117; Reinisch, Der Streit um das Forum – oder: Was gehört eigentlich vor WTO Panels? RIW 2002, S. 449, 453. 92 Art. 292 EG-Vertrag bestimmt: „Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, Streitigkeiten über die Anwendung und Auslegung dieses Vertrages nicht anders als hierin vorgesehen zu regeln“. Darüber hinaus bestimmt Art. 220 EG-Vertrag: „Der Gerichtshof sichert die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrages“.
388
E. Die Streitbeilegung
der IGH nach Art. 92 VN-Charta das „Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen“ dar und kann gemäß Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut über alle völkerrechtlichen Rechtsstreitigkeiten entscheiden, insbesondere auch über die Auslegung völkerechtlicher Verträge. Als Mitglied der Vereinten Nationen steht Südafrika nach Art. 93 Abs. 1 VN-Satzung automatisch auch der Zugang zum IGH offen. Dagegen fehlt es der Europäischen Gemeinschaft an der erforderlichen Staatsqualität93 im Sinne von Art. 34 IGH-Statut. Da die SVN bzw. das IGH-Statut supranationalen Organisationen keine Parteifähigkeit einräumen,94 ist der Rechtsweg insoweit nicht gegeben. Andererseits sind die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft, die allesamt auch Mitglieder des TDCA, der WTO, der SRÜ sowie der meisten MEAs sind, parteifähig und können somit aus diesen Rechtsverhältnissen klagen und verklagt werden. Somit können Streitigkeiten aus dem TDCA-Vertragsverhältnis – mit den dargestellten Einschränkungen – grundsätzlich auch vor den IGH gebracht werden. Da jedoch zahlreiche Mitgliedstaaten und Südafrika keine Unterwerfungserklärung nach der Fakultativklausel in Art. 36 Abs. 2 IGH-Statut gegenüber dem IGH abgegeben haben, muss die Zuständigkeit des Gerichtshofs durch einen besonderen Einwilligungsakt begründet werden, der nach Art. 36 Abs. 3 IGH-Statut mit Vorbehalt versehen sein darf. Die Zustimmung zum Verfahren kann durch Vereinbarung eines so genannten compromis zwischen den Parteien ausdrücklich erteilt werden oder konkludent durch rügelose Einlassung.95 Der Gerichtshof ist nach Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut an das allgemeine Völkerrecht als Entscheidungsmaßstab gebunden, kann aber auch mit Zustimmung der Parteien gemäß Art. 38 Abs. 2 IGH-Statut nach Billigkeit 93 Nach der von Georg Jellinek entwickelten 3-Elemente-Lehre sind für einen Staat ein Staatsvolk, ein Staatsgebiet und eine Staatsgewalt erforderlich (Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 396 ff.). Dagegen spricht Art. 189 EG-Vertrag von den „Völker[n] der in der Gemeinschaft zusammengeschlossenen Staaten“. Darüber hinaus setzt sich das Unionsgebiet nach Art. 299 EG-Vertrag aus mitgliedstaatlichen Territorien zusammen und die Gemeinschaft verfügt über keine umfassende Hoheitsgewalt, da ihre Kompetenzen nur so weit reichen, wie sie ihr vertraglich von den Mitgliedstaaten übertragen worden sind. Andererseits kann der hohe Grad an Integration nicht übersehen werden. Das Bundesverfassungsgericht spricht in seinem Maastricht Urteil deshalb auch von einem „Staatenverbund“, den es von einem Bundesstaat abgrenzt, BVerfGE 89 155 (181, 184, 186, 200). 94 Allerdings nimmt das Statut des IGH von der Existenz auch anderer internationaler Institutionen außerhalb der Familie der Vereinten Nationen Kenntnis und bezieht diese – soweit sinnvoll – zur Sach- und Rechtsaufklärung bspw. über Auskunftsersuchen und die Bitte schriftlicher Stellungnahmen in anhängige Verfahren ein (Hilf, Europäische Gemeinschaften und internationale Streitbeilegung, in: FS Moser, S. 387, 412). 95 Schröder, in: Wolfrum (Hrsg.) Handbuch Vereinte Nationen, S. 588.
III. Allgemeine völkerrechtliche Streitbeilegungsmechanismen
389
(ex aequo et bono) entscheiden. Kommt eine der Streitparteien ihrer nach Art. 94 Abs. 1 VN-Charta bestehenden Pflicht zur Umsetzung des IGH-Urteils nicht nach, so stehen der anderen Seite die aus dem allgemeinen Völkerrecht bestehenden Möglichkeiten der Retorsion96 oder Repressalie97 zur Verfügung.98 Darüber hinaus kann der Sicherheitsrat im Hinblick auf Maßnahmen zur Durchführung das Urteils nach Art. 94 Abs. 2 VN-Charta angerufen werden. Auf den ersten Blick scheint der IGH aufgrund seiner umfassenden völkerrechtlichen Kompetenz zumindest bei ordnungsübergreifenden Streitigkeiten eine geeignete Alternative zu den speziellen Streitbeilegungsmechanismen (TDCA, WTO, SRÜ etc.) zu bieten. Gleichwohl spricht bereits die lange Dauer der IGH-Verfahren99 gegen seine Anrufung in handelsbezogenen Streitigkeiten. Hinzu kommt, dass seine Rechtsprechungskompetenz – wie dargelegt – mit einzelstaatlichen Vorbehalten beschränkt werden kann und auch die Möglichkeit einer Entscheidung nach Billigkeit dem Rechtssicherheitsinteresse widerspricht.100 Weiter erschwerend kommt hinzu, dass auf Seiten der Gemeinschaft – in Abhängigkeit vom konkreten Streitgegenstand – mehrere oder gar alle Mitgliedstaaten Klage erheben müssten, was mit Abstimmungsproblemen verbunden sein dürfte und zumindest auf Seiten Südafrikas aufgrund der Häufung potenzieller Kläger oder Beklagter den Rechtsweg unnötig erschwert. Zudem ist der bereits genannte Spezialitätengrundsatz zu beachten, wonach die in den Spezialordnungen vereinbarten Streitbeilegungsverfahren vorrangig bemüht werden sollten.101 Im Ergebnis kann den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und Südafrika der zuläs96
Partsch, Retorsion, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Volume 4, S. 232 f. Partsch, Reprisals, in: Bernhardt (Hrsg.), EPIL, Volume 4, S. 200 ff. 98 Siehe oben, erstes Kapitel. 99 Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, S. 578; Petersmann, The GATT/WTO Dispute Settlement System – International Law, International Organizations and Dispute Settlement, S. 61 m. w. N. 100 So sind bisher nur vereinzelt Verfahren vor den IGH gebracht worden, wobei sich allerdings in jüngerer Vergangenheit ein leicht gegenläufiger Trend zugunsten der Inanspruchnahme des IGH abzeichnet. Zu den Gründen für die Zurückhaltung gegenüber dem IGH, siehe Petersmann, Dispute Settlement in International Economic Law – Lessons for Strengthening International Dispute Settlement in Non-Economic Areas, JIEL 2 (1999), S. 189, 202 ff. Zur „Renaissance“ des IGH, siehe Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, S. 575. 101 So wohl auch Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, S. 578. Dies dürfte wohl auch einer der Gründe dafür sein, dass wichtige Fragen des Handelsrechts bislang noch nicht vom IGH entschieden wurden (Petersmann, Dispute Settlement in International Economic Law – Lessons for Strengthening International Dispute Settlement in Non-Economic Areas, JIEL 2 (1999), S. 189, 202 ff.). 97
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E. Die Streitbeilegung
sige Gang zum IGH im Interesse einer effektiven Streitbeilegung also nicht empfohlen werden. 2. Die Internationale Schiedsgerichtsbarkeit Für die Gemeinschaft und Südafrika stellt die Internationale Schiedsgerichtsbarkeit eine weitere Option dar, um einen bilateralen Handelsstreit rechtsverbindlich beizulegen. Das Schiedsverfahren unterscheidet sich vom Gerichtsverfahren vor allem dadurch, dass die wesentlichen Elemente des Rechtsstreits wie seine Rechtsgrundlage, die Zusammensetzung des Gerichts und die Ordnung des Verfahrens in den Händen der streitenden Parteien bleiben. Gemäß Art. 17 des I. Haager Abkommens zur friedlichen Beilegung internationaler Streitfälle vom 29.7.1899 sind alle diese Fragen in einem Schiedsabkommen über das Streitverhältnis („compromis“) zu regeln. In dieser Vereinbarung können die Parteien darüber hinaus auch diejenigen Rechtsnormen festlegen, die das zu berufene Schiedsgericht seiner Entscheidung zugrunde zu legen hat. Der Schiedsspruch („arbitrial award“) entscheidet das Streitverhältnis endgültig und ist für die Streitparteien gemäß Art. 81 des I. Haager Abkommens von 1907 verbindlich, wobei sie sich gemäß Art. 83 die Möglichkeit einer Revision offen halten können. Für handelsrechtliche Streitigkeiten ist außerdem bedeutsam, dass die Schiedsgerichte traditionell in nichtöffentlichen Sitzungen tagen und dass auch die Schiedsentscheidung geheim gehalten werden kann. Dies mag insbesondere in Streitigkeiten um Fragen des geistigen Eigentums von Interesse sein, soweit die Streitparteien vertrauliche Informationen als Beweise in das Verfahren einbringen wollen. Andererseits lassen Urteile häufig ein bis zwei Jahre auf sich warten. Auch das Internationale Schiedsverfahren erscheint aufgrund zu erwartender Verfahrensdauer und der Spezialität der vertraglich vereinbarten Verfahren nicht zweckmäßig. Hinzu kommt, dass es den Parteien im Vergleich zum TDCA-Mechanismus, der seinerseits als Schiedsprozess ausgestaltet ist, kaum Vorteile bringt. Es ist unnötig, sich erst auf Rechtsgrundlagen zu verständigen, da diese dem TDCA unmittelbar entnommen werden können. Zudem besteht eine Einflussmöglichkeit auf die Auswahl der Richter nicht nur im Hinblick auf die Besetzung des TDCA-Schiedsgerichts, sondern – in gewissen Grenzen – auch bei der eines WTO-Panels, wenngleich dort nach Art. 8 DSU das bestehende weitreichende Vorschlagsrecht des WTO-Sekretariats zu beachten ist. Auch die gebotene Vertraulichkeit kann in den regulären TDCA/WTO-Verfahren gewährleistet werden. Im Ergebnis bietet die grundsätzlich zulässige Anrufung eines Internationalen Schiedsgerichts damit keine bessere Alternative zu den TDCA/WTO-Verfahren.
IV. Zuständigkeitskonkurrenz bei identischem Streitgegenstand
391
IV. Zuständigkeitskonkurrenz bei identischem Streitgegenstand Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Streitbeilegung aufgrund konkurrierender Zuständigkeiten grundsätzlich vor verschiedenen Foren erfolgen kann. Zur effektiven Herstellung des Rechtsfriedens und im Interesse der Rechtssicherheit ist entscheidend, unter welchen Voraussetzungen durch die einmal getroffene Wahl eines bestimmten Forums der Zugang zu einem anderen Forum präkludiert ist. Ohne jegliche Regelung dieser Frage könnten die Parteien denselben Rechtsstreit vor verschiedene Foren bringen. Dies würde nahezu zwangsläufig die Rechtskraft einmal verkündeter Urteile unterlaufen und zu Widersprüchlichkeiten in der Rechtsprechung führen. Darüber hinaus wäre eine Überlastung der Streitbeilegungsmechanismen zu befürchten. In der WTO diskutierte102 Rechtsinstitute, die diese Gefahren eindämmen könnten, sind res judicata, lis alibi pendens und „abuse of process“. 1. Res Judicata Der Rechtssatz res judicata baut auf dem Grundsatz auf, dass ein Recht, eine Frage oder eine Tatsache, die ausdrücklich von einem zuständigen Gericht entschieden wurde, nicht erneut vor einem anderen zuständigen Gericht angegriffen werden kann.103 Dazu müssen jedoch drei Bedingungen erfüllt sein: Identität der Parteien, Identität des Streitgegenstandes und Identität des Rechtsgrundes.104 Das heißt, ein zuständiges Gericht ist nur dann daran gehindert, den Rechtsstreit oder einen Teil des Rechtsstreits zu entscheiden, wenn dieselben Parteien über genau denselben Streitgegenstand aus denselben rechtlichen Gründen bereits vor einem anderen zuständigen Gericht ein Urteil erstritten haben. Daraus folgt, dass ein Urteil des Seegerichtshofs, das auf der Grundlage der Seerechtskonvention entschieden wurde, trotz gewisser Kooperationspflichten der Streitbeilegungsorgane105 102
So z. B. auf der WTO-Konferenz über regionale Integrationsabkommen am 26. April 2002 in Genf, dazu: Kwak/Marceau, Overlaps and Conflicts of Jurisdiction between the WTO and RTAs, S. 8 f. 103 Pauwelyn, Conflict of Norms in Public International Law, S. 110. 104 Judge Anzilotti, Chorzów Factory, PCIJ, Series A, No 13 S. 23–27, zitiert nach Lowe, Res Judicata and the Rule of Law in International Arbitration, AfrJIL 8 (1996), S. 38 f. 105 Neumann geht aber zu Recht von weitreichenden Koordinations- und Kooperationspflichten aus: „Im Schwertfisch-Fall müsste das WTO-Panel die Kooperationsobliegenheit gemäß Art. XX GATT unter Beachtung des Seevölkerrechts auslegen. Da der Seegerichtshof gemäß Art. 287, 288 SRÜ, Art. 30 FA [FischereiAbkommen] ein für die Auslegung und Anwendung des Seevölkerrechts allgemein zuständiges Organ ist und er im Schwertfisch-Fall von den Streitparteien dazu aus-
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E. Die Streitbeilegung
keine res judicata-Wirkung vor einem WTO-Panel oder dem TDCASchiedsgericht entfaltet, weil zumindest der Rechtsgrund ein seerechtlicher und kein handelsrechtlicher ist.106 Schwieriger ist die Frage zu beurteilen, ob die Entscheidung eines TDCA-Schiedsgerichts über einen TDCA-Anspruch eine res judicata-Wirkung vor einem WTO-Panel entfaltet, das anschließend erneut angerufen wird, um über denselben bilateralen Rechtsstreit zu entscheiden. Formal betrachtet unterscheidet sich auch hier der Rechtsgrund, da das Schiedsgericht lediglich über Rechte aus dem TDCA entscheidet, während das WTO-Panel sich nur mit den multilateralen Rechten aus der Welthandelsordnung befasst. Andererseits sind Fälle denkbar, in denen zwar de jure unterschiedliche Rechtsgrundlagen bemüht werden (müssen), die sich aber de facto nicht unterscheiden. Dies wäre etwa der Fall, wo die Gemeinschaft und Südafrika beispielsweise über Antidumping- und Ausgleichsmaßnahmen gemäß Art. 23 TDCA vor dem TDCA-Schiedsgericht bzw. gemäß Art. VI GATT 1994, dem Übereinkommen zur Durchführung des Art. VI 1994 und dem WTO-Übereinkommen über Subventionen und Ausgleichsmaßnahmen vor einem WTO-Panel streiten. Da Art. 23 TDCA die WTO-rechtlichen Regelungen schlicht übernimmt, besteht faktisch kein Unterschied zwischen beiden Regelungen. Hier könnte der aus dem englischen Recht bekannte Grundsatz des „issue estoppel“ eine hilfreiche Konkretisierung des res judicata-Grundsatzes bewirken. Er setzt voraus, dass: „(1) that the same question has been decided; (2) that the judicial decision which is said to create the estopple is final and, (3) that the parties to the judicial decision or their privies were the same parties as the parties to the proceedings in which the estopple is raised or their privies“.107
Damit entsprechen die Voraussetzungen des „issue estoppel“ denjenigen des Grundsatzes res judicata, außer, dass eine Identität des Rechtsgrundes nicht gefordert wird. Im US-Recht gilt ein vergleichbarer Grundsatz, der dort „collateral estoppel“ genannt wird: gewählt wurde, müsste das Panel seine Entscheidung über eine Berücksichtigung des FA von dessen Auslegung durch den ISGH abhängig machen. Eine divergierende Beurteilung der Relevanz des FA könnte dessen Autorität und Effektivität beeinträchtigen. Diese Pflicht zur Abstimmung mit Organen anderer Vertragsordnungen gilt entsprechend für andere künftige WTO-Verfahren, in denen WTO-fremdes Recht auslegungsrelevant ist“, Neumann, Die materielle und prozessuale Koordination völkerrechtlicher Ordnungen, ZaöRV 61 (2001), S. 529, 566 f. 106 In diesem Sinne auch González-Calatayud/Marceau, The Relationship between the Dispute-Settlement Mechanisms of MEAs und those of the WTO, RECIEL 11 (3) 2002, S. 275, 283. 107 Carl Zeiss Stiftung v. Rayner & Keeler Ltd. (Nr. 2 [1967] A.C. 853 at 935 (per Lord Guest).
IV. Zuständigkeitskonkurrenz bei identischem Streitgegenstand
393
„Collateral estopple extends the res judicata effect of a judgement to encompass the same issues araising in a different action (‚issue preclusion‘) and even to different parties where the issue has been determined in prior litigation with adequate opportunity to be heard for the party to be precluded“.108
Bei Anwendung des „issue estoppel“-Grundsatzes wäre die Gemeinschaft also davon präkludiert, beispielsweise denselben Antidumping-Anspruch gegen Südafrika nach GATT/WTO-Recht vor ein WTO-Panel zu bringen, der zuvor bereits als Anspruch aus Art. 23 TDCA von einem TDCA-Schiedsgericht entschieden worden ist. Der „issue estoppel“-Grundsatz könnte auch auf die Bestimmung von Fakten und die rechtliche Bewertung von Fakten Anwendung finden. Der amerikanische „collateral estoppel“-Grundsatz geht sogar noch darüber hinaus. Nach ihm könnte einer früheren WTO-Panel Entscheidung res judicata-Wirkung zugesprochen werden, selbst wenn das Panel seinerzeit auf Antrag eines anderen WTO-Mitglieds gebildet wurde als demjenigen, das jetzt eine Entscheidung begehrt. Voraussetzung wäre allerdings, dass das betroffene Mitglied seinerzeit eine adäquate Möglichkeit hatte, von seinen Anhörungsrechten Gebrauch zu machen. Nach Art. 59 IGH-Statut bzw. Art. 296 Ziffer 2 SRÜ ist die Entscheidung des IGH bzw. des Seegerichtshofs für die Streitparteien in Bezug auf die Sache bindend, in der entschieden wurde, d. h. deren res judicata-Wirkung beschränkt sich auf die Streitparteien und den Streitgegenstand.109 Diese Grundsätze hat der Appellate Body auch im WTO-Recht für anwendbar erklärt. In Japan-Alcoholic Beverages hat er beispielsweise entschieden, dass angenommene Panel Berichte bindend sind „with respect to resolving the particular dispute between the parties to that dispute“.110 Darüber hinaus findet der res judicata-Grundsatz nach Art. 84 des Haager Abkommens von 1907 und Art. 32 Abs. 2 der Optional Rules111 auch auf Entscheidungen internationaler Schiedsgerichte Anwendung. Insofern muss er analog auch für Entscheidungen des TDCA-Schiedsgerichts gelten, obwohl die Parteien es versäumt haben, ihn ausdrücklich in Art. 104 TDCA festzuschreiben.112 Soweit also von der jeweiligen Rechtsordnung keine Revisionsmög108
Scoles/Hay, Conflict of Laws, S. 1141. In Bezug auf das IGH-Statut, siehe auch: Mosler/Oellers-Frahm, in: Simma, Kommentar, S. 1175. 110 Appellate Body Bericht in „Japan-Alcoholic Beverages II“ WT/DS8/AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/DS11/AB/R vom 4. Oktober 1996, S. 14 und bestätigt in „US-FSC“ WT/DS108/AB/R vom 24. Februar 2000, Ziffer 108. 111 Permanent Court of Arbitration Optional Rules for Arbitrating Disputes Between Two States vom 27.6.1958, abgedruckt bei Oellers-Frahm/Andreas Zimmermann (Hrsg.), Dispute Settlement in Public International Law, S. 20, 31. 112 Für eine Anerkennung des „res judicata“-Grundsatzes als allgemeinen Rechtsgrundsatz des Völkerrechts: Cheng, General Principles of Law as applied by International Courts and Tribunals, S. 336–364; IGH-Gutachten Effect of Awards of 109
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E. Die Streitbeilegung
lichkeiten eingeräumt werden, erwachsen die Entscheidungen der hier untersuchten Spruchkörper in Rechtskraft mit der Rechtsfolge, dass die jeweils anderen Streitbeilegungsorgane sich mit derselben Rechtssache nicht erneut befassen dürfen.113 Zumindest insoweit ist damit eine Verdoppelung der Verfahren ausgeschlossen. 2. Lis Alibi Pendens Ein doppeltes Verfahren könnte auch dadurch eintreten, dass von einer der streitenden Parteien ein zweites Forum angerufen wird, noch bevor der erste zuständige Spruchkörper seine Entscheidung getroffen hat. In diesem Fall könnte das zweite Gericht dem Verfahren ein Ende bereiten, indem es den – in manchen nationalen Rechtsordnungen114 und im europäischen Raum auch für zivilrechtliche Streitigkeiten mit internationalem Bezug gültigen – Grundsatz des lis alibi pendens anwendet. Er besagt, dass ein zweites angerufenes und ebenfalls zuständiges Forum davon Abstand nehmen kann, den Fall anzunehmen, wenn bereits ein im Wesentlichen identischer Rechtsstreit bei einem zuständigen Spruchkörper anhängig ist.115 Wie der Ständige Internationale Gerichtshof (StIGH) im Polish Upper Silesia-Fall ausführt, soll mit der Anwendung dieses Rechtsprinzips vermieden werden, dass sich zwei gerichtliche Entscheidungen in derselben Sache widersprechen.116 Darüber hinaus geht es aber auch darum, einen Wettlauf um die Entscheidung zweier Gerichte zu vermeiden, was bereits für sich betrachtet dem Ziel eines ordnungsgemäßen juristischen Verfahrens widersprechen Compensation Made by the UN Administrative Tribunal, ICJ Reports 1954, 47 (61); differenziert Riphagen, in: Cassese/Weiler (Hrsg.), Change and Stability in International Law Making, S. 35, 37. 113 Im Kontext einer rechtsvergleichenden Untersuchung der Streitbeilegungsregeln im North American Free Trade Agreement (NAFTA) mit denen der WTO hat Gabrielle Marceau im Übrigen festgestellt, dass es trotz der Parallelität der Verfahren in der Praxis noch keine Fallkonstellationen gegeben hat, in denen über identische Sachverhalte mit identischen Streitparteien Verfahren vor dem NAFTA-Streitbeilegungsmechanismus und dem WTO-Streitbeilegungsmechanismus angestrengt wurden. Die in die Untersuchung einbezogenen Fälle betrafen zum Teil die gleichen Produkte, aber immer völlig andere juristische Streitfragen (Marceau, The Dispute Settlement Rules of the North American Free Trade Agreement: A Thematic Comparison with the Dispute Settlement Rules of the World Trade Organization, in: Petersmann (Hrsg.), International Trade Law and the GATT/WTO Dispute Settlement System, S. 489, 533 ff.). 114 Zum Beispiel in der Schweiz gemäß Art. 9 Bundesgesetz über das Internationale Privatrecht (18.12.1987). 115 Fawcett, Decling Jurisdiction in Private International Law, S. 26. 116 StIGH German Interests in Polish Upper Silesia Fall, Ser. A 1925 Nr. 6, S. 19 ff.
IV. Zuständigkeitskonkurrenz bei identischem Streitgegenstand
395
würde.117 In Anwendung dieses Prinzips könnte das TDCA-Schiedsgericht etwa die Annahme eines Falles verweigern, der identisch mit demjenigen ist, der bereits vor der WTO anhängig ist. Zum Teil wird vertreten, der Grundsatz sei im Völkerrecht insbesondere deshalb nicht sinnvoll anwendbar, weil er einer vorschnellen Anrufung von Streitbeilegungsorganen Vorschub leisten würde und zudem der vertraglichen Zuständigkeit des Spruchkörpers widerspreche, da letzterem verboten sei, sich dem Klageantrag zu verweigern.118 Nicht zuletzt deshalb hat der StIGH sich mit diesem Grundsatz auseinandergesetzt, obgleich er ihn im Ergebnis mangels Identität der Streitgegenstände nicht anwenden musste. Allerdings überzeugen die oben genannten Argumente nicht. Die Ratio der Vorschrift ist nicht untrennbar mit dem nationalen Recht verbunden, sondern kann in jedem Rechtssystem Geltung beanspruchen. Es geht auch nicht um rein pragmatische Erwägungen zur Befriedigung rein prozessualer Interessen der Streitparteien. Sinn und Zweck des lis alibi pendens-Grundsatzes ist vielmehr die Aufrechterhaltung der Ordnung des Rechtssystems.119 In diesem Punkt unterscheidet er sich in keiner Weise vom res judicata-Prinzip, kann jedoch wie dieses nur bei Identität der Streitgegenstände zur Anwendung kommen, was in der Praxis selten der Fall sein wird. 3. Abuse of Process Ein drittes Prinzip, das sich von demjenigen des res judicata unterscheidet, ist dasjenige vom Verfahrensmissbrauch („abuse of process“). Es besagt, dass ein Gericht seine Zuständigkeit verneinen soll, wo ein Rechtsstreit schikanös ist. Dies schließt Fälle ein, in denen sich das Ziel des Rechtsstreits darin erschöpft, den Streitgegner zu ärgern oder in denen der geltend gemachte Anspruch mutwillig oder ohne jeden Rechtsgrund ist oder wo der Anspruch bereits in einem früheren Verfahren hätte geltend gemacht werden können und müssen.120 Dieser Rechtsgedanke hat zum Teil Eingang in Art. 3 Ziffer 7 DSU gefunden,121 der bestimmt, dass ein Mitglied prüfen soll, ob Maßnahmen nach dem DSU erfolgreich („fruitful“) wären, 117 Lowe, Overlapping Jurisdiction in International Tribunals, AustrYIL 20 (1999), S. 191, 202. 118 Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, S. 544 ff. 119 Lowe, Overlapping Jurisdiction in International Tribunals, AustrYIL 20 (1999), S. 191, 202; wohl auch Pauwelyn, Conflict of Norms in Public International Law, S. 115 f. 120 Lowe, Overlapping Jurisdiction in International Tribunals, AustrYIL 20 (1999), S. 191 ff. 121 Pauwelyn, Conflict of Norms in Public International Law, S. 116.
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E. Die Streitbeilegung
bevor es einen Fall vorbringt.122 Ungleich deutlicher findet sich der Grundsatz in Art. 300 der Seerechtskonvention abgebildet:123 „Die Vertragsstaaten erfüllen die aufgrund dieses Übereinkommens übernommenen Verpflichtungen nach Treu und Glauben und üben die in dem Abkommen anerkannten Rechte, Hoheitsbefugnisse und Freiheiten in einer Weise aus, die keinen Rechtsmissbrauch darstellt“.124
Grundsätzlich hat das Verbot des Rechtsmissbrauchs („abuse of rights“) auch in der Rechtsprechung des StIGH125 und des IGH126 Anerkennung gefunden, obgleich seine Reichweite bezüglich der daraus fließenden Rechte und Pflichten bis heute eine der umstrittensten Fragen des Völkerrechts ist.127 Für internationale Organisationen gilt jedoch, dass sie ihre Kompetenzen nicht zweckwidrig ausüben dürfen. Bleckmann wählt ausdrücklich den Richter als Beispiel, der prüfen können muss, ob ein Staat bei seiner Entscheidung die Interessen des anderen Staates mit berücksichtigt hat.128 Insofern muss es einem Streitbeilegungsorgan möglich sein, bei einem Verfahrensmissbrauch nach den Grundsätzen der „abuse of process“-Lehre seine Zuständigkeit zu verneinen.129 Da der Nachweis jedoch selten zu führen sein wird, dürfte der Anwendungsbereich dieses Rechtsinstituts auf wenige Ausnahmefälle beschränkt sein.
122 Martha, The duty to Exercise Judgement on the Fruitfulness of Actions in World Trade Law, JWT 35 (2001), S. 1035 ff. 123 Nach Art. 294 Abs. 1 SRÜ soll der Seegerichtshof im Vorverfahren prüfen, ob das Klagebegehren „eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Rechtswegs“ darstellt. Allerdings bezieht sich diese Vorschrift lediglich auf den Missbrauch der Klagemöglichkeit, nicht jedoch auf den Missbrauch des Klagerechts, Neumann, Die Koordination des WTO-Rechts mit anderen völkerrechtlichen Ordnungen, S. 548, Fußnote 64. 124 Zur rechtsmissbräuchlichen Verweigerung der Unterwerfung unter ein Streitverfahren, siehe United States vs Great Britain in North Atlantic Coast Fisheries, AJIL 1910, S. 948 (968 f.). 125 Certain German Interests 1926 Ser. A Nr 7, S. 37 f.; Chorzów Factory, 1927 Ser. A S. 30; Free Zones, 1929 Ser. A Nr 22, S. 167. 126 Fisheries, Rep. 1951, S. 142; Nottebohm, Rep. 1955 S. 26; Barcelona Traction, Rep. 1970, S. 17. 127 Bleckmann, Völkerrecht, S. 96 ff., Rz. 265 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, § 461, S. 281; Ipsen, in: Ipsen, Völkerrecht, § 39, Rz. 44 ff., S. 547 ff. 128 Bleckmann, Völkerrecht, S. 98, Rz. 272. 129 So auch Lowe, Overlapping Jurisdiction in International Tribunals, AustrYIL 20 (1999), S. 191, 202 f.
IV. Zuständigkeitskonkurrenz bei identischem Streitgegenstand
397
4. Fazit Die Vermeidung doppelter Verfahren zu demselben Streitgegenstand dient der Vermeidung von Widersprüchlichkeiten, der Vorhersehbarkeit juristischer Entscheidungen, der zeitnahen Wiederherstellung des Rechtsfriedens und nicht zuletzt dem Vertrauen in die Völkerrechtsordnung insgesamt. Gleichwohl hat sich gezeigt, dass die Rechtsinstitute des res judicata, lis alibi pendens und „abuse of process“ überhaupt nur in den seltenen Fällen zur Anwendung kommen können, in denen neben einer Zuständigkeitskonkurrenz zusätzlich noch eine Identität des Streitgegenstandes gegeben ist.130 Schon eine andere Darstellung des Sachverhalts kann jedoch häufig dazu führen, dass ein Streitgegenstand anders bewertet wird. Im Ergebnis besteht für die hier diskutierten Rechtsgrundsätze deshalb wenig praktische Relevanz.
130 Vergleiche auch die Ergebnisse der Studie von Marceau, The Dispute Settlement Rules of the North American Free Trade Agreement: A Thematic Comparison with the Dispute Settlement Rules of the World Trade Organization, in: Petersmann (Hrsg.) International Trade Law and the GATT/WTO Dispute Settlement System, S. 489, 533 ff.
Schlusswort Mit dem TDCA sollte Südafrika nach Jahren der Apartheid und außenpolitischer Isolation ein neuer Weg zu den Märkten Europas geebnet werden. Darüber hinaus war es auch das erklärte Ziel, die Eingliederung des Landes in die Weltwirtschaft zu erleichtern und die regionale Integration im südlichen Afrika insgesamt zu fördern. Dass all dies nicht leicht unter einen Hut zu bringen sein würde, hatten die über vier Jahre dauernden und zum Teil sehr schwierigen Verhandlungen deutlich ans Licht gebracht. Sind die Ergebnisse zufriedenstellend? Ist es gelungen, den unterschiedlichen Entwicklungsstand beider Wirtschaftsräume hinreichend zu berücksichtigen? Werden die Staaten des südlichen Afrika von der Marktöffnung profitieren? Wird das TDCA zu Frieden und Sicherheit im südlichen Afrika beitragen? Wird Südafrikas Rolle im Welthandelssystem nachhaltig gestärkt? Im Ergebnis wird die Beantwortung dieser Fragen über den politischen und wirtschaftlichen Erfolg der Freihandelsvereinbarung entscheiden. Angesichts der Unwägbarkeiten, die das TDCA-Vertragsverhältnis sowohl von innen als auch von außen beeinflussen, wird man nur wenig verbindliche Aussagen über die konkreten Zukunftsperspektiven des europäisch-südafrikanischen Handels treffen können. Allerdings sprechen die Zahlen für sich: seit In-Kraft-Treten des TDCA hat sich der Handel zwischen Europa und Südafrika im ersten Jahr um 35 Prozent und im zweiten Jahr nochmals um 21 Prozent erhöht. Gleichzeitig erhöhten sich Südafrikas Importe aus der Gemeinschaft um 20 Prozent im Jahr 2000 und um weitere 7 Prozent im Jahr 2001. Im Ergebnis konnte die Kaprepublik ihren Handelsüberschuss von 17 Mrd Rand im Jahr 2000 auf über 25 Mrd Rand im Jahr 2001 erhöhen. Dies zeigt, dass es der Wirtschaft selbst in konjunkturell schwierigen Zeiten gelingt, die europäisch-südafrikanischen Handelsbeziehungen in erheblichem Maße auszubauen. Viele verschiedene Faktoren dürften dafür ursächlich sein. Die vorliegende Arbeit hat sich nur mit einem Teilaspekt befasst, den Rechtsgrundlagen. Sie stellen bei der Standortentscheidung potenzieller Händler und Investoren einen nicht zu unterschätzenden Abwägungsfaktor dar, da für sie ein stabiles und vorhersehbares Umfeld eine Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Expansion und Entwicklung bietet. Insofern ist die Tatsache, dass die europäisch-südafrikanischen Handelsbeziehungen mit dem TDCA erstmals auf eine vertragliche Grundlage gestellt wurden, ein großer Fort-
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schritt für die bilateralen Handelsbeziehungen. Zwar wird man auch künftig Diplomatie und Macht einsetzen, um Ziele auf politischem Weg zu erreichen. Wichtig ist aber, dass es nunmehr ein Rechtssystem gibt, an das beide Seiten gebunden sind und von dem sie einseitig nur um den Preis einer Vertragsverletzung abweichen können. Das TDCA schafft einen Rahmen, der klare Regeln darüber enthält, auf welchen Grundprinzipien die gegenseitigen Handelsbeziehungen aufbauen und welche Rechtsfolgen daran geknüpft sind. An ihrer Einhaltung werden sich beide Seiten messen lassen müssen. Damit sind die Beziehungen zwischen Europa und Südafrika um ein rechtsstaatliches Element reicher geworden. Um dem noch mehr Ausdruck zu verleihen, sollten die Rechtmäßigkeitsdefizite des TDCA, die in dieser Arbeit aufgezeigt wurden, möglichst umgehend beseitigt werden. Poul Nielson, Kommissar für Entwicklung und humanitäre Hilfe der Europäischen Gemeinschaft, bezeichnete das TDCA nach dessen Abschluss als „one of the most ambitious cooperation agreements that the EU has ever concluded with a third country“.1 Man wird ihm insbesondere bezüglich des Liberalisierungsumfangs, der erstmals auch den Agrarsektor mit einbezieht, ohne weiteres zustimmen können. Auch der asymmetrische entwicklungsbezogene Ansatz, der für die Umsetzung der erforderlichen Marktöffnung gilt, dürfte wegweisend für künftige Freihandelsabkommen sein, die zwischen Staaten mit unterschiedlichem Entwicklungsstand geschlossen werden und somit ein Modell für den Nord-Süd-Handel bieten. Die Vertragsinhalte erscheinen konservativ, da sie im Wesentlichen lediglich an die Vorschriften der Welthandelsordnung anknüpfen. Doch darin mag auch die Stärke des TDCA liegen. Indem es auf bekannten und bewährten Grundsätzen aufbaut, ist es für die Anwender leichter zu handhaben. Innovative Regelungen haben dagegen in der Praxis häufig den Nachteil, dass sie unbekannt sind und ihr Potenzial deshalb nicht immer in der gewünschten Weise ausgeschöpft wird. Dennoch bedarf das TDCA der Überprüfung und Nachbesserung. Die vorliegende Arbeit hat zahlreiche „Baustellen“ identifiziert, die im Rahmen von künftigen Verhandlungsrunden im Kooperationsrat beseitigt werden sollten. Nachdem sich das TDCA nun schon seit mehreren Jahren in der Umsetzung befindet, dürften einige Ängste überwunden sein, welche Ende der 90-er Jahre noch weitgehendere und mutigere Lösungen verhinderten. Die Wirtschaft hat jedenfalls bereits unter Beweis gestellt, dass sie die Liberalisierungspotenziale nutzt, die geboten werden. Dies sollte die Entscheidungsträger auf beiden Seiten ermutigen, weiter an der Integration beider Märkte zu arbeiten. Das TDCA bietet dafür ein geeignetes Fundament. 1
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Stichwortverzeichnis Agrarhandel • AoA – Anhang 1 296, 323 – Anhang 2 311, 314 – Anhang 3 312 – Anhang 4 312 – Art. 1 312, 315, 318 – Art. 2 296, 310, 323 – Art. 3 299, 303, 307, 316 – Art. 4 297–299 – Art. 5 306–308 – Art. 6 311, 313 – Art. 7 313 – Art. 8 316, 319 – Art. 9 316, 318 – Art. 11 317 – Art. 13 318–320 – Art. 14 325 – Art. 18 311 – Art. 19 318 – Art. 21 310, 318, 320 – Präambel 292 • Exportsubventionen 314–318 – Exporterstattungen 316–317 – GEIS 314, 318 – Modalities 300–302, 316–317 – Verbot 315 • Fischereiabkommen 115–117 – Junktimklausel im TDCA 117 – Scheitern der Vertragsverhandlungen 117 • Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) 293–295 – Agenda 2000 294, 312, 323 – EG-Agrarreform 1992 294, 312 – EG-Agrarreform 2003 295
– EG-Osterweiterung 294–295 – Kosten 294–295 – Prinzip der Gemeinschaftspräferenz 294 – Ziele 293 • Gesundheits- und Hygienestandards – Abgrenzung zu Art. XX lit. b GATT 326 – Abgrenzung zum TBT-Übereinkommen 327 – Äquivalenzprinzip 333 – Abkommen zur gegenseitigen Anerkennung (MRA) 333 – Ad hoc Anerkennung 333 – Grundpflichten 327–328 – Diskriminierungsverbot 327 – Notwendigkeit 327 – Wissenschaftlichkeit 327 – Risikobewertung 328–331 – Harmonisierungsgebot 329 – Hormonstreit 329–331 – Krankheitsbezogene Risiken 328 – Nahrungsmittelbezogene Risiken 328–329 – Risikomanagement 331–333 – Australischer Lachs Fall 332 – Schutzniveau 331–332 – SPS – Anhang A 325, 327–329, 331 – Anhang B 334 – Art. 1 327 – Art. 2 131, 325–327 – Art. 3 329–331, 335 – Art. 4 333 – Art. 5 319, 328–332
Stichwortverzeichnis – Art. 6 319 – Art. 7 334 – Art. 9 331 – Art. 11 363 – Art. 12 333 – Präambel 131 – Transparenzpflicht 334 • Interne Stützungen 310–314 – Amber-Box 311–313, 320, 323 – Blue-Box 311, 313, 319–320, 324 – De minimis 313, 324 – Direkte Einkommensbeihilfen 311, 313 – Gesamt AMS 311–313 – Green-Box 311, 313–314, 318, 320, 324 – Subventionen siehe staatliche Beihilfen • Kooperationsrat 305–308, 310 • Marktzugang 297–310 – Ausnahmen – Schutzklausel für den Agrarhandel 306–308 – Vorläufige Schutzmaßnahmen 308–309 – Tarifiering 298–301 – Bewegliche Einfuhrabschöpfungen 299 – Dirty tariffication 300 – Umwandlung nichttarifärer Handelshemmnisse 298, 300 – Zölle 297–298 – Ad valorem 297 – Asymmetrie im Zollabbau 297 – Liste an Zugeständnissen 298 – Mengenzoll 298 – Zollkontingente 301–305 – ILPA 304 – In-quota tariff 303 – Out-quota tariff 303–304 – Verwaltung der Einfuhrkontingente 304
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• Rechtsdurchsetzung – Due restraint 319 – Durchführungszeitraum 318 – Peace Clause 318–320 – Track I (Ausgleichsmaßnahmen) 322–323 – Track II (Abhilfemaßnahmen) 320–321 • SMÜ siehe Schutzmaßnahmen • Subventionen für Fisch- und Fischereiprodukte 323 • Südafrikanische Agrarpolitik 295– 296 – Afrikanische Gruppe 296 – Cairns Gruppe 295 • Wein- und Spirituosenhandel 114– 115, 336–348 – Enteignung 344 – Schutz geographischer Angaben 337–345 – Bilaterale Vereinbarung in Bezug auf Port und Sherry 340– 341 – Bilateraler Schutz bestimmter Spirituosen 342–345 – Bilaterales Register 341–342 – „Link“ zwischen Ware und Herkunft 337 – Multilaterales Register 342, 346, 348 – Schutzlandprinzip 338 – Verbot von Markenschutz für ortsfremde Produkte 338 – Weiterbenutzungsrecht 338–340 – Traditionelle Bezeichnungen 345–348 AKP-Staaten 85–93, 104, 147 Anti Apartheid Maßnahmen • Europäische Gemeinschaft – Ausfuhrverbot für Erdöl 31, 36, 43, 58, 62 – Ausfuhrverbot für paramilitärische und sensitive Güter 31, 58, 62
420
Stichwortverzeichnis
– Beendigung der nuklearen Zusammenarbeit 31, 58, 62 – Einfuhrverbot für Eisen- und Stahlerzeugnisse 31, 36, 43, 58 – Einfuhrverbot für Goldmünzen 31, 43, 58, 62 – Kommuniqué der EG-Außenminister 42–43 – Verbot für Neuinvestitionen 31, 43, 58, 62 – Verhaltenskodex für Tochterunternehmen in Südafrika 30 – Waffenembargo 31, 43, 58, 62 • Vereinigte Staaten von Amerika – Comprehensive Anti-Apartheid Act 52 – Veto von Präsident Ronald Reagan 52 • Vereinte Nationen – Generalversammlung – Entzug der Landungsrechte für südafrikanische Schiffe und Flugzeuge 38 – Exportverbot für Waren 38 – Importboykott für Waren 38 – Investitionsstopp 39 – Ölembargo 39 – Waffenembargo 39 – Wissenschafts-, Kultur- und Sportboykott 39 – Sicherheitsrat – Aussetzung von Neuinvestitionen 35–36 – Einschränkung der Beziehungen in Sport und Kultur 35–36 – Suspendierung garantierter Exportdarlehen 35 – Verbot des Verkaufs von Computern und Zubehör für die südafrikanische Armee und Polizei 35 – Verbot des Verkaufs von Goldmünzen 35–37 – Verbot von neuen Verträgen im Nuklearbereich 35
– Veto der USA und des Vereinigten Königreichs 35, 52 – Waffenexportverbot 34–35 – Waffenimportverbot 35–36 • Wirkung 61–62 Antidumping und Ausgleichsmaßnahmen • Abgrenzung zu Schutzmaßnahmen 188–190 • ADÜ – Art. 3 188, 199 – Art. 5 190 – Art. 6 190 – Art. 7 190 – Art. 9 188 – Art. 11 189 – Art. 12 190 – Art. 17 191 • Tatbestand 188 • Unzulänglichkeiten 191–192 • Verfahren 190 AoA siehe Agrarhandel Apartheidgeschichte und -politik • Buren 25, 26, 348 • Burenkrieg 26 • Destabilisierungsmaßnahmen 41 • Dreikammer Parlament 30 • Frontstaaten 30, 42–43, 85 – Angola 29, 42 – Botswana 42 – Lesotho 42 – Malawi 30 – Mosambik 29, 42 – Sambia 42 – Simbabwe 30 – Swasiland 30 – Tansania 30 • Großer Treck 25 • Homelands 28–29 • Kalter Krieg 30, 62 • Ostindien Kompanie 25 • Referendum der weißen Bevölkerungsminderheit 28 • SADCC 29–30, 43, 85
Stichwortverzeichnis • Südafrikanische Befreiungsbewegungen – African National Congress 28 – Pan African Congress 28 • Südafrikas Einrede seiner inneren Zuständigkeit 59–61 • Townships – Sharpeville 28, 34 – Soweto 28 • Verbrechen gegen die Menschlichkeit 47–51, 56 Appellate Body Berichte siehe WTO Aquis Communautaire 155 Arbitrator Entscheidungen siehe WTO Argentinien 46 Auslegung völkerrechtlicher Verträge • Effet Utile 37, 369 • Lex posterior derogat legi priori 171, 359 • Pacta sunt servanda 37 • Wiener Vertragsrechtskonvention – Art. 12 159 – Art. 13 160 – Art. 14 160 – Art. 15 160 – Art. 16 159 – Art. 18 159 – Art. 26 37 – Art. 30 171, 359, 385 – Art. 31 33, 125, 129, 241, 293, 361, 369, 383, 385 – Art. 32 33, 130, 302, 361 – Art. 35 146 – Art. 39 94 – Art. 41 171 – Art. 41 Abs. 1 lit. a 171–172 – Art. 41 Abs. 1 lit. b 172–174, 359 – Art. 53 51 – Art. 60 369 Australien 46, 197, 201, 224 Belgien 27 BLNS 146–147
421
Chile 201, 227, 285, 346, 381–383 Commonwealth 26, 28, 53, 95, 271 Cotonou-Abkommen siehe Europäische Gemeinschaft Dänemark 229, 276 Deutschland 27, 204, 229, 342 Dienstleistungshandel • Ausnahmetatbestände – Nationale Sicherheit 274 – Ordre public Vorbehalt 274 – Schutzmaßnahmen 275 – Waiver in Notfällen 274 – Zahlungsbilanzschwierigkeiten 275 • Diskriminierungen – De facto 270 – De jure 270 • Erbringungsmodalitäten – Grenzüberschreitende Erbringung 268, 276, 281–282 – Kommerzielle Präsenz 268, 276, 281, 283–284, 287 – Nutzung im Ausland 268, 276, 282–283 – Präsenz natürlicher Personen 268, 276 • GATS – Anlage 284 – Art. I 268, 270, 283 – Art. II 269, 271, 275 – Art. III 272–273 – Art. V 96, 156, 267, 285 – Art. VI 273 – Art. VII 271–272 – Art. VIII 274 – Art. IX 274 – Art. X 274 – Art. XI 289 – Art. XII 275, 289 – Art. XIII 273
422
Stichwortverzeichnis
– Art. XIV 130–131, 270 – Art. XIVbis 274 – Art. XV 270, 273 – Art. XVI 270, 275 – Art. XVII 275 – Art. XIX 275, 280, 284 – Art. XXVIII 268, 270 – Art. XXIX 279 – Präambel 273 • Kooperationsrat 350 • Länderspezifische Befreiungen 271 • Rechte und Pflichten – Meistbegünstigung 269–272 – Rechtsstaatlichkeit 272–273 – Transparenzpflicht 272–273 – Wettbewerbssicherung 273–274 • Services Sectoral Classification List 270 • Zugeständnisse im TDCA und in GATS-Folgeverhandlungen – Built-in-agenda 284 – Entwicklungsbezogene bilaterale Liberalisierung 285 – Finanzdienstleistungen 282–283 – Grenzüberschreitender Personenverkehr 283–284 – Lufttransport 284 – Rolle des Kooperationsrates 285 – Seeverkehrsdienstleistungen – Scheitern der GATS-Verhandlungen 280 – TDCA-Vereinbarung zur Meistbegünstigung 280 – Telekommunikation 280–282 • Zugeständnisse in der Uruguay Runde – Horizontale Liberalisierungsverpflichtungen 276 – Vertikale Liberalisierungsverpflichtungen 277 Drittrepressalie 44–47, 54, 56–57, 60
DSU • Anhang 1 351 • Anhang 3 362, 365 • Art. 1 358 • Art. 3 163, 354, 362, 364, 370–371, 378–379, 383, 395 • Art. 4 353 • Art. 5 353 • Art. 6 355, 357, 373 • Art. 7 355 • Art. 8 356–357, 376, 390 • Art. 11 361 • Art. 12 362, 366 • Art. 13 363 • Art. 17 375–376 • Art. 19 375 • Art. 21 367, 373–374 • Art. 22 304, 351, 371, 372, 374, 378 • Art. 23 387 Enabling Clause siehe Ermächtigungsklausel England siehe Großbritannien Entwicklungsland • Abgrenzung der LDCs 68–73 • Definition nach Art. XVIII:4 GATT 69 • Prinzip der Selbstbenennung 72 Erga omnes Pflichten siehe Staatenverantwortlichkeit Ermächtigungsklausel 66–72, 78–79, 81, 83, 87, 96, 100, 157 Europäische Gemeinschaft (EG) • Allgemeines Präferenzsystem – Graduierungsgrundsatz 76–81, 84 – Sonderpräferenzen für Sozial- und Umweltstandards 81–84 – Warenempfindlichkeitskatalog 75, 78 • Bilaterale Handelsabkommen – Bulgarien 122 – Estland 152 – Farörer Inseln 152
Stichwortverzeichnis – Marokko 153, 289 – Polen 122 – Rumänien 122 – Slovenien 103 – Slowakische Republik 122 – Tschechische Republik 122 – Tunesien 153, 289 – Ungarn 122 • Cotonou-Abkommen 89, 91–92, 147, 153 • EG-Vertrag – Art. 30 125, 128, 131–133, 135 – Art. 81 193 – Art. 87 202–204, 206 – Art. 88 205 – Art. 292 387 • EPZ 32, 63 • Europäischer Wahldienst 63 • GAP siehe Agrarhandel • GASP 32, 63–64 • Gemeinsamer Zolltarif 75, 78 • Grünbuch über die Beziehungen der EU zu den AKP-Staaten 90 • Kommission der Europäischen Gemeinschaften 61, 74, 86–88, 90, 155, 186, 196, 200, 204–205, 219, 224, 233, 294, 338, 346, 352 • Lomé-Abkommen 85–93, 104, 107 – Ermächtigungsgrundlage im WTORecht 87–89 – Qualifizierte Mitgliedschaft Südafrikas 89–92 • Sanktionen siehe Anti Apartheid Maßnahmen • STABEX 86 • SYSMIN 86 • Wirtschaftspartnerschaftsabkommen 91–93 EU-Vertrag • Art. A 68 • Art. J. 3. 63 • Art. M 67 EWG 102, 292–293 • Agrarhandel 293
423
• Bilaterale Abkommen – Algerien 151 – Griechenland 151 – Malta 153 – Marokko 151 – Türkei 151 • Liberalisierungsquote 102 Falkland Inseln 46 Fischereiabkommen siehe Agrarhandel Frankreich 27, 95, 132, 276, 345 Friendly Relations Declaration 48, 384 GATS siehe Dienstleistungshandel GATT • Anlage I 105 • Art. I 27, 95, 100–101, 326–327 • Art. II 27, 298–299, 303, 307, 319 • Art. III 27, 134, 326–327 • Art. V 381 • Art. VI 187–188, 199, 201, 207, 319, 322, 392 • Art. VII 363 • Art. VIII 57 • Art. XI 27, 57, 124, 166, 169, 381 • Art. XII 27, 57, 124, 166, 169, 290 • Art. XIII 101, 124, 166, 169, 304 • Art. XIV 124, 166, 169 • Art. XV 124, 166, 169, 288–289 • Art. XVI 203, 207, 314–315, 318 • Art. XVII 57 • Art. XVIII 65, 69, 79, 168 • Art. XIX 57, 167–169, 176, 178, 183, 306 • Art. XX 32, 57, 124–135, 166, 169, 214, 222–223, 274, 383, 391 – Art. XX lit. a 128, 130–131 – Art. XX lit. b 127, 131, 326–327, 381 – Art. XX lit. d 58, 133, 274 – Art. XX lit. f 133 – Art. XX lit. g 127 – Chapeau 124
424
Stichwortverzeichnis
• Art. XXI 32, 38, 57, 129, 168, 274 – Art. XXI lit. b 40–57, 326, 381 – Art. XXI lit. b (i) 40, 43, 54, 58, 59 – Art. XXI lit. b (ii) 40, 43, 54 – Art. XXI lit. b (iii) 40–41, 43, 46, 54–57, 59 – Art. XXI lit. c 33–40, 54 • Art. XXII 319 • Art. XXIV 24, 87–88, 90, 94–173, 192, 265, 293, 304, 348, 351 – Chapeau der Ziffer 5 136, 138 – Drittstaatenschutz 136–143 – Entscheidung über Konformität 162–163 – Interimsabkommen 148–156 – Angemessene Zeitspanne 151– 154 – Asymmetrie 154 – Differenzierung 148–150 – Kritik 95–100 – Legaldefinition der Freihandelszone 95 – Notifikation 156–162 – Inhalt 160–162 – Pflicht 156–158 – Zeitpunkt 158–160 – Other regulations of commerce (ORC) 144 – Other restrictive regulations of commerce (ORRC) 144 – Substantially all the trade – Gestattete Ausnahmen (siehe Art. 27 TDCA) – Qualitativ 106–123 – Präferenzielle Ursprungsregeln (siehe Ursprungsregeln) – Teilbereichsliberalisierungen 101 – Quantitativ 102–106 – Entwicklungsbezogene Asymmetrien 104–106 – Liberalisierungsquote 102, 106 – Reziprozität 104 – Zollkontingente 103–104
– Vereinbarung zur Auslegung des Art. XXIV 96, 101, 138, 163 • Art. XXV 66–67, 88, 117, 172, 274 • Art. XXVIII 143, 299 • Art. XXX 171 • Art. XXXV 172 • Art. XXXVI 79, 105 • Art. XXXVII 79 • Art. XXXVIII 79 • Inländergleichbehandlung 27, 79, 209 • Meistbegünstigung 27, 63, 66–67, 79, 84, 87–89, 95, 97, 100, 102, 107–108, 111–113, 137, 142, 147, 166, 180, 209 – Ausnahmen 67, 100, 166 – Definition 63–64, 100 • Rat 187 • Südafrikas Beitritt 27 • Teil IV 79, 85, 87, 104–105 • Tokio-Runde 67 • Uruguay-Runde 64, 73–74, 79, 99, 101, 130, 165, 199, 203, 275, 279, 280, 282, 292, 295, 298–301, 310, 315, 323, 325 Gebrauchtwarenhandel 123, 125–128 Geistige Eigentumsrechte • Biotechnische Erfindungen – Biotechnologierichtlinie 237 – Patentrechtsfähigkeit 236, 237 – Produkterfindungen 236 – Verfahrenserfindungen 236 • Datenbanken – Datenbankrichtlinie 235–236 – Datensammlungen 234, 236 – Herstellerschutz 235 – Schutzrecht sui generis 235 – Urheberschutz 235 • Gebrauchsmuster – Erfindungshöhe 233 – Gebrauchsmusterrichtlinie 233 – Gewerbliche Muster 234 – Minipatent 233
Stichwortverzeichnis – Pariser Verbandsübereinkunft 232 – Schutzdauer 233 • Patentschutz – Arzneimittelrecht Südafrikas 255, 264 – Generika 255, 257, 263–265 – Klage der südafrikanischen Pharmaunternehmen 264 – Parallelimporte 255 – Einzelfallprüfung 261 – Erschöpfung – Internationale 259–261 – Nationale 259 – Regionale 259 – Tatbestand 256–258 – Zwangslizenzen – Doha-Erklärung 263 – nach südafrikanischem Recht 261 – nach TRIPs 261–263 • Tatbestandsdefinition des TDCA 230–231 • Übereinkommen zum Schutz geistigen Eigentums – Abkommen von Nizza 248 – Anwendung durch Nichtmitglieder 248–249 – Internationale Markenklassifikation 248 – Berner Übereinkunft – Bern-Plus-Elemente 239 – Besondere Bedeutung im TDCA 241 – Inländerbehandlung 238 – Mindestschutzprinzip 238 – Schutzbereichserweiterung – Computerprogramme 239 – Datensammlungen 239 – Vermietrecht 239 – Schutzlandprinzip 238 – Territorialitätsprinzip 238 – Urheberpersönlichkeitsrecht 239
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– Budapester Vertrag 247 – Hinterlegung 247 – Patentierbarkeit von Mikroorganismen 247–248 – Pariser Verbandsübereinkunft – Inländerbehandlung 242 – Internationales Markenrecht nach TRIPs 242–243 – Mindestschutzprinzip 241 – Nichtdiskriminierung 242 – Paris-Plus-Ansatz 243 – Patentschutz nach TRIPs 242 – Produktpatent 242 – Schutzdauer des Patents 241– 242 – Unabhängigkeit von Patenten 241 – Verfahrenspatent 242 – PCT-Vertrag – Anmeldung – Internationale Phase 253 – Nationale/regionale Phase 254 – Beitritt Südafrikas 253 – Bestimmungsstaaten 253 – Protokoll zum Madrider Markenabkommen – Gemeinschaftsmarkensystem 249 – Internationale Registrierung 249–250 – Internationales Büro der WIPO 249 – Mitgliedschaft 249–250 – Rom-Abkommen – Mitgliedschaft 250–251 – Performance Protection Act 251 – Rom-Plus/Minus-Ansatz 252 – Unterschiedliche Regelungsgehalte von RA und TRIPs 251– 252 – TRIPs – Art. 1 228, 251, 258, 340, 359 – Art. 2 232, 239, 243 – Art. 3 339
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Stichwortverzeichnis – – – – – – – – – – – – – – – – –
Art. 4 339 Art. 6 259–260 Art. 7 262 Art. 8 258, 261–262 Art. 9 239 Art. 10 234, 236, 239 Art. 11 239 Art. 13 239 Art. 14 251–252 Art. 15 242–243, 252 Art. 16 242 Art. 22 337–338 Art. 23 337–338 Art. 24 338–340, 358–359 Art. 25 234 Art. 26 234 Art. 27 131, 233, 236–237, 242, 244, 248, 256, 260 – Art. 28 242, 258, 260 – Art. 29 242 – Art. 30 242, 258 – Art. 31 242, 262 – Art. 32 242 – Art. 33 242, 256 – Art. 34 242 – Präambel 260 – UPOV 243 – Beitritt der Gemeinschaft 244 – Doppelschutzverbot 246 – Erfindungshöhe 246 – Landwirteprivileg 246–247 – Schutzdauer 246 – UPOV 1961/72 244 – UPOV 1978 244–245, 247 – UPOV 1991 244–245 – Züchterprivileg 245 – WIPO Urheberrechtsvertrag – Ergänzung der RBÜ 240 – Neue Technologien 240 – Unterlassen der Ratifikation 240 Geographische Angaben siehe Weinund Spirituosenhandel Gesundheits- und Hygienestandards siehe Agrarhandel
Großbritannien 25–27, 31, 46, 53, 85, 95, 229, 271 • England 217, 276, 348, 380 • Vereinigtes Königreich 31, 35, 52– 53, 244, 271, 377 Havanna Charta 65, 96 Honduras 88, 240, 377 Infant Industries siehe Schutzmaßnahmen Integrationsgemeinschaften im südlichen Afrika • SACU 92, 98, 146–148, 161, 181, 185, 340–341 • SADC 85, 92–93, 147–148, 336, 341 Internationale Handelsorganisation (ITO) 65 Internationaler Gerichtshof • Barcelona Traction-Fall 45, 51 • Namibia Gutachten 45 • Nicaragua-Fall 48 • Süd West Afrika-Fall 47 • Teheraner Geisel-Fall 45 • Western Sahara-Fall 48 Iran 46 Island 313 Israel 224 Italien 27, 276, 342 Ius cogens Normen siehe Staatenverantwortlichkeit Japan 168, 224, 310, 313, 393 Kanada 46, 99, 201, 224 Kapitalverkehr 285 • Direktinvestitionen 286 • Portfolioinvestitionen 286 • WTO-Abkommen mit Bezug zum Kapitalverkehr – Finanzabkommen 287 – GATS 287 – TRIMs 287 Kooperationsrat siehe TDCA
Stichwortverzeichnis LDCs 64, 68, 70–71, 79, 81, 90–92, 335 Lomé-Abkommen siehe Europäische Gemeinschaft Luxemburg 27, 248 Metrologie siehe Technische Handelshemmnisse Namibia 45, 92, 146–147 Neuseeland 151, 197, 201, 224 Niederlande 27 Normung siehe Technische Handelshemmnisse Norwegen 313 OECD 70, 220 Öffentliches Beschaffungswesen • Art. VII GPA 212 • Kooperationsrat 209 • Sekundärzwecke im Vergabeverfahren – „Black Economic Empowerment“ 209–210 – Chancengleichheit 211 • Tatbestand – Art. 217 der Verfassung Südafrikas 210, 213 – „Fair, equitable and transparent“ 209 • Transparenz – Gute Regierungsführung 212 – Informationsfreiheit 213 – Rechtmäßiges Verwaltungshandeln 213 – Wirtschaftlichkeit der Vergabe 212 Panel Berichte siehe WTO Parallelität siehe Schutzklausel Persistent objector 50 Portugal 248, 276, 337 Qualitätsmanagement und -sicherung siehe Technische Handelshemmnisse
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Rassendiskriminierung 47, 50–51 Repressalie 44, 56–57, 389 Res Judicata 391–393, 395, 397 Schutzmaßnahmen • Anwendung – Auswahl 178 – Geltungsdauer 179 – Konsultation 178 – Notifikation 178 – Untersuchung 178 • Diskriminierungsverbot – Kritik von Pauwelyn 183–184 – Parallelitätsgrundsatz 182–184 • Institutionelle Regelungen 186–187 • Kooperationsrat 178, 181–182, 186 • Regionalausnahmen – Gebiete in äußerster Randlage der Gemeinschaft 185 – SACU 185 • SMÜ – Art. 2 177, 306–307 – Art. 3 306–307 – Art. 4 177–178, 184, 189, 306– 307 – Art. 5 179, 308 – Art. 6 180, 309 – Art. 7 179, 181, 189, 308 – Art. 8 178, 189 – Art. 12 178 • Sofortmaßnahmen 179–180 • Tatbestand – Einfuhrsteigerung 176 – Schädigung eines Wirtschaftszweiges 177 • Vorläufige Schutzmaßnahmen – Geltungsdauer 181 – Junge Industrien (infant industries) 180 – Notifikation 181 – Schutzbedürftigkeit 181 – Südafrika Privileg 181–182 Schweden 229 Schweiz 224, 344
428
Stichwortverzeichnis
SCM siehe Staatliche Beihilfen Selbstbestimmungsrecht der Völker 48–52 Slovenien 103, 313 Slowakische Republik 122, 313 SMÜ siehe Schutzmaßnahmen Spanien 337, 343–344 SPS siehe Agrarhandel Staatenverantwortlichkeit 45, 51 • Erga omnes Pflichten 45–47, 51– 52, 61 • Ius cogens Normen 51–52, 56 Staatliche Beihilfen • Tatbestände im Europa- und WTORecht – EG-Vertrag 202–203 – Präventives Verfahren 205 – Repressives Verfahren 205 – SCM-Übereinkommen – Anhang 1 323 – Art. 1 203, 315 – Art. 3 203, 315, 319–321 – Art. 5 203, 208, 319–321 – Art. 6 208, 319–320 – Art. 8 203–204 – Art. 9 320 – Art. 10 322 – Art. 18 320 – Art. 31 205, 320 – Ausnahmetatbestände 203–205 – Rechtsfolgen – Abhilfemaßnahmen 205–206 – Ausgleichsmaßnahmen 205– 206 – Teil V 319, 322 • Verbotstatbestand des TDCA 206 – Ausnahmetatbestand 206–207 – Kooperationsrat 207 – Rechtsfolgen 207 Streitbeilegung • Besetzung des Panels/Schiedsgerichts 356–358 – Anzahl der Panelists/Schiedsrichter 356
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– Auswahl der Panelists/Schiedsrichter 357 Einsetzung eines Panels/Schiedsgerichts 354–356 – Antrag an den DSB 355 – Bestellung des ersten Schiedsrichters 354 – Terms of Reference 355 Entscheidungsfindung 358–361 – Anwendbares materielles Recht 358–361 – Auslegungsregeln 361 Grundsätze – bei identischem Streitgegenstand – Abuse of Process 395–397 – Lis Alibi Pendens 394–395, 397 – Res Judicata 391–394, 397 – Collateral estoppel 392–393 – Issue estoppel 392–393 – bei Parallelzuständigkeit – Ansprüche 383 – Einreden 383 – Forum non conveniens 384 – Friendly Relations Declaration 384 – Interventionsverbot 384 – Judicial restraint 384 – Kooperationsgebot 383 – Spezialität 384–385 – Störungsverbot 384 – Streitgegenstand 385 Konsultation 352–354 – Fristen 353 – Konsensprinzip 353 – Vertraulichkeit 365 Kooperationsrat 352–354, 356–357, 361–363, 365–367, 375, 377, 379 Nichtumsetzung der Entscheidung – DSU – Antrag auf Aussetzung von Zugeständnissen 371 – Äquivalenzgebot 372
Stichwortverzeichnis
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– Gegenseitigkeit der Vertragspflichten 371 – Rücksichtspflichten 372 – Schiedsverfahren 372 – Einvernehmliche Festlegung einer Entschädigung 371 – TDCA – Erhebliche Verletzung 369– 370 – Grundsätze der Rechtsstaatlichkeit 370 – Rechtsfolge – Aussetzung von Zugeständnissen 371 – Naturalrestitution 370 – Schadenersatz 370 – Verhältnismäßigkeit 371 – Wesentliche Bestimmungen 369 Spruchkörper mit Allgemeinzuständigkeit – Internationale Schiedsgerichtsbarkeit 390 – Internationaler Gerichtshof 387– 390 Spruchkörper mit Spezialzuständigkeit – ICSID 380–381 – Internationaler Seegerichtshof 381–385 – Non compliance Verfahren in Umweltabkommen 385–387 Streitigkeiten über Art und Umfang der Umsetzung 372 – DSU – Eigenständiges Beilegungsverfahren 373 – Schriftliche Sachstandsberichte 373 – Überwachung der Umsetzung durch DSB 373 – TDCA 372 Umsetzung der Entscheidung 366– 377
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– Berufungsmöglichkeit nach DSU 375 – Bindungswirkung der Entscheidung 375–376 – Inter partes 375 – Stare decisis 376 – Implementierungsfristen 367 – Bedenkzeit 367 – Durchsetzbarkeit der Frist 367 – Eigenständiges Kurzverfahren 367 – Einvernehmliche Vereinbarung 367 – Kosten 376 – Hälftige Teilung bei Tagungen des Kooperationsrates 377 – WTO-Haushalt 376 • Verfahrensordnung 361–366 – Anhörung der streitenden Parteien 363 – Beiziehung von Sachverständigen 363 – Entscheidungsfristen 366 – Prima facie Beweis 364–365 – Rechtsetzungskompetenz des Kooperationsrates 361–362 – Vertraulichkeit 365–366 Südafrikanische Regierungschefs • Daniel François Malan 27 • Frederik Willem de Klerk 62 • Hendrik Frensch Verwoerd 28 • Jan Smuts 26–27 • Nelson Rolihlahla Mandela 62 • Pieter Willem Botha 31 Südafrikanische Union 28, 151 TBT siehe Technische Handelshemmnisse TDCA • Anhang X 114, 358, 360 • Art. 1 310 • Art. 2 370 • Art. 3 368–373
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Stichwortverzeichnis
Art. 5 94, 123 Art. 7 298 Art. 9 102 Art. 11 108 Art. 12 112, 180 Art. 13 296 Art. 14 107–108, 117, 298, 302, 324 Art. 15 112, 117, 180, 298, 309 Art. 16 293, 306–310 Art. 18 106 Art. 19 102, 123 Art. 21 102 Art. 22 187, 202 Art. 23 189, 201, 392, 393 Art. 24 167, 176, 179, 181–182, 186, 306 Art. 25 180–182, 309 Art. 26 178–182, 189, 308 Art. 27 123–135 Art. 28 156 Art. 29 268–269 Art. 30 267, 284–285 Art. 31 280–381 Art. 32 285, 288 Art. 33 285–286, 380 Art. 34 285, 287–288, 290 Art. 35 194, 196 Art. 37 195 Art. 38 196–197 Art. 39 196 Art. 41 202, 206–207 Art. 42 207 Art. 44 202, 207 Art. 45 209–210, 212–213 Art. 46 228, 230–232, 235, 238– 241, 243, 245, 247, 249–250, 252– 253, 256, 337, 350 Art. 47 214–215, 219, 221, 224– 227, 237 Art. 48 305 Art. 52 380 Art. 61 325, 331, 334 Art. 97 352
• Art. 100 182 • Art. 104 350–354, 356, 361, 366– 368, 370, 372, 377, 380, 393 • Art. 106 379 • Art. 109 155, 159, 175 • Ausnahmen vom Freihandel – Gesundheit und Leben 123, 131– 132 – Gewerbliches oder geistiges Eigentum 123, 133–134 – Gold und Silber 134 – Nationales Kulturgut 123, 133 – Öffentliche Ordnung 123, 128– 131 – Öffentliche Sicherheit 123, 128– 131 – Öffentliche Sittlichkeit 123, 128– 131 • Ausnahmeschranken – Diskriminierungsverbot 123–124, 134–135 – Verschleierungsverbot 123, 124, 134–135 • Binnenmarkt 184, 241, 247 • Junktimklausel 117 • Kooperationsrat – Agrarhandel 305–308, 310 – Dienstleistungshandel 350 – Öffentliches Beschaffungswesen 209 – Schutzmaßnahmen 178, 181–182, 186 – Staatliche Beihilfen 207 – Streitschlichtung 350, 352–354, 356–357, 361–363, 365–367, 375, 377, 379 – Wettbewerbspolitik 195–197, 201 • Präambel 292–293, 359 • Protokoll 1 118, 143, 154, 156, 158, 174 – Art. 3 122, 147 – Art. 4 120 – Art. 5 120, 121 – Art. 6 122
Stichwortverzeichnis • Protokoll 2 154, 158, 174, 197, 305 • Schiedsgericht 358, 360–361, 363, 375–376, 379–380, 383, 387, 390, 392–393, 395 Technische Handelshemmnisse • Metrologie 217–218 – Gesetzliches Messwesen 217 – Europäische bzw. südafrikanische Organisationen für Metrologie – EUROMET 217 – NML 217 – WELMEC 217 – Internationale Organisationen für Metrologie – BIPM 218 – OIML 218 – Vereinheitlichung der Maße 217 • Normung 215–217 – Harmonisierung 216–217 – Europäische bzw. südafrikanische Normung 216 – CEN 216 – CENELEC 216 – ETSI 216 – SABS 216 – Internationale Normung 217 – IEC 217 – ISO 217 – ITC1 217 – ITU 217 – Technische Vorschriften 215–216 • Qualitätsmanagement 218 – Gute Laborpraxis (GLP) 218 – ISO EN 45001 218 – ISO EN 9000 ff. 218 • Qualitätssicherung 218–221 – EOQ 221 – SAQI 221 – WQC 221 • TBT – Anhang 1 214, 218, 224 – Anhang 2 363
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– Anhang 3 222 – Art. 2 214, 221–222 – Art. 3 214 – Art. 4 215 – Art. 5 218 – Art. 6 224 – Art. 9 218 – Art. 10 216, 222 – Art. 14 223, 363 – Präambel 223 • Zertifizierung 218–220 – Akkreditierung 218 – Europäische bzw. südafrikanische Zertifizierung – EA 219 – EAL 219 – SANAS 219 – Konformitätsbescheinigung 218 – Prüflaboratorien 218 – Vertrauensbildende Maßnahmen 219 • Zusammenarbeit – Abkommen zwischen EA und SANAS 225 – Anwendung des TBT-Übereinkommens 221 – Aufbau von bilateralen Arbeitsbeziehungen 226 – Mutual Recognition Agreements (MRAs) 223 – Technische Hilfe 226 TRIPS siehe Geistige Eigentumsrechte Tschechisch-Slowakisches Freihandelsabkommen 162 Übereinkommen gegen Rassismus • Allgemeine Erklärung der Menschenrechte 27, 47 • Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte 49 • Internationaler Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte 49
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Stichwortverzeichnis
• Internationales Abkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung 47 • Konvention gegen Apartheid im Sport 48 • Konvention über die Bekämpfung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid 48 • Konvention über die Nichtanwendbarkeit der Verjährung auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit 48 Umweltübereinkommen • Antarktis Übereinkommen 83 • Baseler Übereinkommen 82, 126– 127, 386 • Biosicherheitsprotokoll 386 • Londoner Übereinkommen 83 • Montrealer Protokoll 82 • Ramsar Übereinkommen 83 • Seerechtsübereinkommen 82–83, 381–385, 387 • Thunfischübereinkommen 83 • Übereinkommen über biologische Vielfalt 82, 383, 385–386 • VN Klimakonvention 82 • Walfangübereinkommen 83 • Washingtoner Artenschutzabkommen 82 • Wiener Übereinkommen zum Schutz der Ozonschicht 386 • Wüstenkonvention 82, 386 • Zweites Schwefelprotokoll 386 UNCTAD • Achtes Allgemeines Prinzip 65 • Konferenz in Neu Dehli 66, 72 • Studie zum TDCA 140 Ungarn 103 UPOV siehe Geistige Eigentumsrechte Ursprungsregeln • Ab-Werk-Preis 121 • Gesamtwarenliste 121, 123 • Harmonisiertes System 119, 121
• Kumulationsregeln 119, 122, 147– 148, 156 – Bilaterale Kumulation 122 – Multilaterale/diagonale Kumulation 147–148 – Volle Kumulation 148 • Tarifsprungkriterium/Change of Tariff Heading 120–121 • Territorialitätsprinzip 119, 147 • Vormaterialien aus Drittländern 118–121, 123, 147 • Zweck 118 Vereinigte Staaten von Amerika (USA) 35, 52–53, 65, 72, 78, 96, 98–99, 132, 224, 256, 259, 292, 310, 330, 366, 374 Vereinte Nationen • Sanktionen siehe Anti Apartheid Maßnahmen • Satzung – Art. 1 47, 60 – Art. 2 35, 51, 59 – Art. 10 38 – Art. 11 38 – Art. 13 47 – Art. 18 40 – Art. 24 34 – Art. 25 34, 36, 38 – Art. 27 35 – Art. 34 34 – Art. 36 34 – Art. 39 34–36, 38 – Art. 40 34 – Art. 41 34–36, 38 – Art. 42 34 – Art. 51 41–42, 44 – Art. 55 47, 60 – Art. 56 60 – Art. 103 33, 37 – Präambel 26, 60 • „Uniting for Peace“ Resolution 39 Vereinigtes Königreich siehe Großbritannien
Stichwortverzeichnis Völkergewohnheitsrecht 33, 37, 44, 47–48, 50, 59, 171, 361, 370, 383 Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen (ILC) 45, 49–51, 172, 370 Wahlen 62–64, 74 Wein- und Spirituosenhandel siehe Agrarhandel Wettbewerbspolitik • Competition Act 193 • Kartellverbot 192, 194 • Kooperationsrat 195–197, 201 • Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung 192–194 • Verfahren – Extraterritoriale Anwendung des nationalen Wettbewerbsrechts 195 – Pflicht zu entgegenkommendem Verhalten 196 – Präventives Verfahren 196 – Repressives Verfahren 196 • Verhältnis zu Antidumping 197–201 • Wettbewerbskontrolle 193, 196 • Wettbewerbssicherung 192, 196 Wiener Vertragsrechtskonvention siehe Auslegung völkerrechtlicher Verträge WIPO siehe Geistige Eigentumsrechte WTO • Appellate Body Berichte – Argentina-Footwear 167, 169, 176–177, 182, 189 – Argentina-Textiles and Apparel 362–363 – Australia-Salmon 328–329, 331– 332, 363 – Brazil-Aircraft 365 – Brazil-Desiccated Coconut 356 – Canada-Aircraft 363, 365, 373 – Canada-Cars 268 – Canada-Dairy 315–316, 374 – EC-Asbestos 127, 132 – EC-Bananas 88–89, 270, 302, 304, 355, 362
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– EC-Computer Equipment 298, 355 – EC-Hormones 328–330, 332 – EC-Poultry 305, 307, 371 – EC-Sardines 223 – EC-Tariff Preferences 83–84 – India-Patents 355, 362, 364 – Japan-Agricultural Products II 327, 332–333 – Japan-Alcoholic Beverages II 361, 393 – Korea-Beef 57–59, 274, 312 – Korea-Dairy 165, 176 – Thailand-H-Beams 189 – Turkey-Textiles 101, 138, 145, 165, 169–170, 172–173 – US-FSC 362 – US-Gasoline 124, 127, 135, 361 – US-Lamb 177, 362 – US-Line Pipe 168, 182 – US-Section 211 Omnibus Appropriations Act 243 – US-Shrimp 124, 125, 127, 135, 361, 383, 385 – US-Wool Shirts and Blouses 364 Arbitrator Entscheidungen – Australia-Salmon 368 – Canada-Pharmaceutical Patents 368 – EC-Bananas 304, 371–372 – EC-Hormones 372 – US-FSC 372 Committee on Regional Trade Agreements 98, 103, 119, 137, 144, 157, 160, 162–163, 173–174, 187 Compliance Panel – Australia-Salmon 328 De minimis Regel 80 Doha-Erklärung 212, 257, 262–263, 342 – Doha-Runde 274, 342, 366, 374 Gründungsübereinkommen – Art. II 165
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Stichwortverzeichnis
– Art. IV 157 – Art. IX 89, 162–163 – Art. X 94, 171 – Art. XIII 172 – Präambel 84 • Panel Berichte – Argentina-Footwear 168–169 – Australia-Salmon 363 – Brazil-Aircraft 365 – Canada-Aircraft 365 – Canada-Dairy 316 – Chile-Swordfish 382 – EC-Asbestos 363 – EC-Bananas 88, 269 – EC-Hormones 326, 329, 363 – Japan-Agricultural Products II 362–363 – Korea-Dairy 306 – Thailand-Cigarettes 132 – Turkey-Textiles 98, 137, 143, 162 – US-FSC 203, 315 – US-Line Pipe 177 – US-Tuna/Dolphin 132 • Übereinkommen – AoA siehe Agrarhandel – GPA siehe Öffentliches Beschaffungswesen – SCM siehe Staatliche Beihilfen
– SMÜ siehe Schutzmaßnahmen – SPS siehe Agrarhandel – TBT siehe Technische Handelshemmnisse – TRIPs siehe Geistige Eigentumsrechte • Waiver 66–67, 88–89, 100, 263– 264, 274 Zahlungsbilanzschwierigkeiten 166, 168, 275, 285, 288, 290–291 • IWF-Übereinkommen 290 • Präventive Maßnahmen 290 • Repressive Maßnahmen 290 Zahlungsverkehr • GATS 289 • IWF-Übereinkommen 288–289 • Kontrolle des Devisenhandels 288 • Liberalisierung des Zahlungsverkehrs 288–289 • Unerlaubte Kapitalabwanderung 288 Zertifizierung siehe Technische Handelshemmnisse Zollunion 92, 95–96, 98, 100, 136– 138, 142–143, 145–146, 148–149, 151, 156, 159, 167–168, 170, 173, 185, 340–341