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German Pages 240 [241] Year 1987
CLAUS EISELSTEIN Die Europäische Gemeinschaft in der Weltwirtschaftsordnung
Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht Herauegegeben von Tbomaa Oppermann in Gemeinschaft mit Klaue J. Hopt, Hans v. Mangoldt Wernbard Möechel, Wolfgang Graf Vitzthum sämtlich in Tübingen
Band 15
Die Europäische Gemeinschaft in der Weltwirtschaftsordnung Zu den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, Standards und Charakteristika im Außenwirtschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaft
Voo
Dr. Claus Eiselstein, LL.M.
DUNCKER & HUMBLOT ! BERLIN
Die Arbeit wurde mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Gemeinschaft - Generaldirektion Information, Kommunikation, Kultur- gedruckt.
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Eiselstein, Claus: Die Europäische Gemeinschaft in der Weltwirtschaftsordnung: zu d. allg. Rechtsgrundsätzen, Standards u Charakteristika im Aussenwirtschaftsrecht d. Europ. Gemeinschaft I von Claus Eiselstein. Berlin: Duncker und Humblot, 1987. (Tübinger Schriften zum internationalen und europäischen Recht; Bd. 15) ISBN 3-428-06246-9 NE : GT
D 21 Alle Rechte vorbehalten
© 1987 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41
Gedruckt 1987 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06246-9
Meinen Eltern
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der EberhardKarls-Universität Tübingen im Sommersemester 1986 als Dissertation angenommen. Für die Druckfassung konnten die aktuellen Entwicklungen, neue Dokumente und teilweise auch neue Veröffentlichungen bis Herbst 1986 eingearbeitet werden. Angesichts der ungeheuren Materialfülle zum Internationalen Wirtschaftsrecht mußte jedoch eine gewisse Auswahl getroffen werden. Ich möchte die Gelegenheit dieses Vorwortes benutzen, meinem verehrten Doktorvater und Lehrer, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Thomas Oppermann zu danken, der die Arbeit über Jahre hinweg betreut, ihre Entstehung möglich gemacht und sie zur Aufnahme in die vorliegende Reihe empfohlen hat. Dank schulde ich auch dem Zweitgutachter, Herrn Prof. Dr. Wernhard Möschel, dem Verlag Duncker und Humblot - insbesondere Herrn Ernst Thamm- für die Aufnahme in die Reihe und nicht zuletzt Frau Brigitte Bako/as für die Anfertigung des Manuskripts. Stuttgart im November 1986
Claus Eiseistein
Inhaltsverzeichnis A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
17
I. Europa und internationales Wirtschaftsrecht als thematische Besonderheit . .
17
II. Die gegenwärtige Krise des Völker-, insbesondere des Wirtschaftsvölkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die neue Komplexität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Krise des Völkerrechts... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Krise des internationalen Wirtschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
21 21 22 24 25
III. Geschichtlicher Hintergrund der Wirtschaftsrechtsdiskussion. . . . . . . . . . . . 1. Entwicklungslinien bis zum Zweiten Weltkrieg. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Entstehung der Ordnung der Nachkriegszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Herausforderungen in neuerer Zeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Phasen der Weltwirtschaftsgeschichte?.... ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30 30 34 35 39
IV. Die Bedeutung der Rechtsgrundsätze und Prinzipien fiir die Diskussion. . 1. Die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten. .... 2. Der Ansatz Verloren van Themaats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die UNITAR- und !LA-Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Position der westlichen Völkerrechtswissenschaft . . . . . . . . . . . . . . . 5. Der RIO-Bericht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Allgemeine Prinzipien in den EG-Materialien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Würdigung der allgemeinen Prinzipien........ . ... .. ......... . ....
40 41 43 45 46 49 50 51
V. Gemeinschaftsrechtliche Kompetenzen und inhaltliche Leitlinien fiir die Außenwirtschaftspraxis der EG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Handelspolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Assoziierung mit dritten Staaten....... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Andere Kompetenzgrundlagen............................... d) Konkurrenz zur mitgliedstaatliehen Restkompetenz. . . . . . . . . . . . . . 2. Inhaltliche Leitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
52 53 53 55 56 59 60
8. Allgemeine Rechtsgrundsätze und Standards in der Außenwirtschaftspraxis der Europäischen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
62
I. Die Materialien des EG-Außenwirtschaftsrechts im Überblick. . . . . . . . . . . 1. Aufteilung nach Art der Materialien........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Völkerrechtliche Verträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Kooperation mit den AKP-Staaten und ihre Vorläufer . . . bb) Die Mittelmeerabkommen......... .. ........... ... .....
62 62 62 63 65
10
Inhaltsverzeichnis cc) Abkommen mit Entwicklungs- und Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Abkommen mit den EFfA-Staaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Sonstige bilaterale Abkommen umfassenderen Charakters . . . II) Abkommen mit internationalen Organisationen. . . . . . . . . . . . gg) Multilaterale Grundstoff- und Warenabkommen.... .. . . . . . . hh) Sonstige multilaterale Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ii) Sonstige bilaterale Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Autonome Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versuche einer Systematisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Von der "Freiheit" zur Wettbewerbssicherung- Von der Wettbewerbssicherung zum Dirigismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die theoretische Diskussion über die Freiheit der Weltwirtschaft . . b) Grundsätzliche Aussagen in den EG-Materialien...... . . . . . . . . . . 2. "Klassische" Erscheinungsformen der Wirtschaftsfreiheit . . . . . . . . . . . . a) Tarifare Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Mengenmäßige Handelsbeschränkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Die Beseitigung "technischer", verwaltungsmäßiger u. ä. Handelshemmnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zugangsfreiheit für Investoren und Anbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Monetäre und fiskalische Freiheiten... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die wettbewerbsrechtlichen Regelungen: Ermöglichung effektiver Freiheit.. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Schutz und Förderung des freien Wettbewerbs . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Antidumping- und Antisubventionsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Schutz im Aufbau befindlicher Industrien... . ................ . . d) Schutz vor Marktzerrüttung und vor Gefahrdung bestimmter Industriezweige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Technologietransfer und geistiges Eigentum. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dirigistische Elemente im Außenwirtschaftsrecht der EG. . . . . . . . . . . . a) Quoten, Kontingente und sonstige Mengenbeschränkungen . . . . . . aa) Gemeinschaftliche Einfuhrregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Allgemeines Präferenzsystem (APS) .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Landwirtschaftliche Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Stahlerzeugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Textilwaren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II) Sonstige Regelungen in Abkommen der EG. . . . . . . . . . . . . . . b) Ausfuhrbeschränkungen..... . ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausfuhrsubventionen und Erzeugerbeihilfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Stabilisierung und Regulierung von Grundstoff- und Warenmärkten. . aa) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirtschaftliche Bestimmungen im einzelnen...... . . . . . . . . . cc) Insbesondere: Die Zusammenarbeit mit den AASM-und AKPStaaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Die Auswirkungen der Grundstoffregelungen. . . . ... . .. . . . . e) Marktaufteilung und Aufrechterhaltung "traditioneller Handelsströme". . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 0 Preisdirigismus....... . ... .. .... . . ... ... .. . .................
68 69 70 71 71 73 74 75 77 79 79 79 81 84 84 89 93 97 99 100 100 106 109 111 115 117 117 117 118 119 122 124 127 128 129 132 132 133 135 137 137 138
Inhaltsverzeichnis g) Fischerei. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Sonstiges. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11 139 139
III. Souveränität im Zeichen von Interdependenz und Abhängigkeit . . . . . . . . 140 1. Einfuhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 2. Nationale Souveränität über die eigene Wirtschaftspolitik . . . . . . . . . . . . 143 a) Zielsetzungen und Programmauswahl. ... ... ... .. . .......... . . 143 aa) Allgemeines..... . .. . . .. .... .. . . . . . . ... . .... . . .. . ... . . 143 bb) Finanzielle Hilfe und Einflußnahme... . ... . ... . . . . . . . . . . . 143 cc) Antidumping- und Wettbewerbsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 b) Insbesondere: Investitionen und Anlegerschutz. . . . . . ... . ...... . 147 aa) Völkerrechtlicher Hintergrund der Problematik..... . .. . .... 147 bb) Haltung der EG und Vertragspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) Schutz der Souveränität anderer Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 aa) Eindämmung grenzüberschreitender Effekte der eigenen Wirtschaftspolitik ... .. ..... .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 bb) Friedliche Streitbeilegung. . ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 d) Sonstiges..... . ......... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. WeiterfUhrende Tendenzen...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 IV. Staatengleichheit versus Präferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 1. Einleitung.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 2. Staatengleichheit im EG-Außenwirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 3. Meistbegünstigung und "wechselseitige Vorteile".... . ... . . .. . . . . ... 162 4. "Materielle Gleichheit" und Präferenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Die Einteilung der Länder in Gruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Das Abstellen auf den Entwicklungsstand und auf die Entwicklungsbedürfnisse... .................. . ... .. .. . .... . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Konkrete Präferenzregelungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 5. Der Sonderfall der "Participatory Equality" ... .. . .. .... . ..... . .... . 173 V. Solidarität und Kooperation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einfuhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Solidaritätskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erweiterung der Problemlösungsr ahmen........ . . . ............ aa) Erweiterung des personellen Problemlösungsrahmens . .. . ... a) Common Heritage ofMankind und ähnliche Ansätze. ... ß) Einbeziehung internationaler Organisationen . . . . . . . . . . . y) Einbeziehung sonstiger (neuer) Rechtssubjekte . . . . . . . . . o) Förderung regionaler Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erweiterung des sachlichen Problemlösungsrahmens. ....... cc) Erweiterung des institutionellen Problemlösungsra hmens.... b) Erweiterung der Problemlösungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Neue inhaltliche Lösungsgrundsätze für konkrete Fragen......... d) Ableitung von Hilfs- und Leistungsansprüchen aus dem Solidaritätsgrundsatz? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einige spezielle Sachgebiete . ................. ....... .. .... ; . . . . .
17 4 174 176 176 176 176 178 180 181 183 184 187 190
VI. Treu und Glauben, Gerechtigkeit und Equity . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
196
192 194
12
Inhaltsverzeichnis
C. Zu einigen übergreifenden Phänomenen im Außenwirtschaftsrecht der EG. . . . . .
199
I. Allgemeine Charakteristika der Entwicklung der Rechtsprinzipien . . . . . . .
199
1. Vom Formellen zum Materiellen- "Vom Verbot zur Gestaltung"....
2. Das Denken in Ordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konstanz der Daten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Hierarchie im EG-Außenwirtschaftsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
199 201 202 204
II. Herausforderung und Wandel des Rechtsquellensystems . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlinien der gegenwärtigen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anhaltspunkte in der EG-Praxis ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
206 206 211
III. Neue Ziele fiir das internationale Wirtschaftsrecht.... . . . . . . . . . . . . . . . .
213
D. Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
217
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
226
Abkürzungsverzeichnis AASM ABI(EG) AETR AJIL AKP
Assoziierte Afrikanische Staaten und Madagaskar (Verträge von Jaunde) Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften; zwei Serien: L = Rechtsakte; C =Mitteilungen Europäisches Übereinkommen über die Arbeit der Fahrzeugbesatzungen im internationalen Straßenverkehr American Journal of International Law Afrikanisch-Karibisch-Pazifische Staaten (Verträge von Lome)
AöR
Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift)
APS ASEAN AVR AWD
Allgemeines (Zoll-) Präferenzsystem der Gemeinschaft Association of South-East Asian Nations Archiv des Völkerrechts (Zeitschrift) Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift)
BGBI BMWi BSP Bull-EG
Bundesgesetzblatt Bundesministerium für Wirtschaft Bruttosozialprodukt Bulletin der Europäischen Gemeinschaften (monatlich
CAEU CERDS
Council for Arab Economic Unity Charter of Economic Rights and Duties of States
CIEC CIHEAM CMLRev
Internationale Kommission für das Zivilstandswesen Centre International de Hautes Etudes Agronomiques Mediterraneennes Common Market Law Review (Zeitschrift)
DISC
Domestic International Sales Corporation (US-Gesetz)
EA
Europa-Archiv (Zeitschrift) Europäische Atomgemeinschaft = Euratom Economic and Social Council (United Nations) European Currency Unit Europäischer Entwicklungsfonds European Free Trade Association
EAG ECOSOC ECU EEF EFTA EG EGKS EGKSV EIB ELRev
+
Sonderheftel
Europäische Gemeinschaft(en) Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl = Montan-Union Vertrag zur Gründung der EGKS Europäische Investitionsbank European Law Review (Zeitschrift)
14
Abkürzungsverzeichnis
EP ERE
Europäisches Parlament Europäische Rechnungseinheit
EuGH EuGHE EuR Euratom EWG EWGV
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften Amtliche Sammlung der Entscheidungen des EuGH Europarecht (Zeitschrift) Europäische Atomgemeinschaft = EAG Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der EWG
FAO FAZ FN
F ood and Agriculture Organization Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußnote
GA GATT GD GSP GY GYIL GZT
General Assembly (UNO) = GY General Agreement on Tariffs and Trade Generaldirektion/ Generaldirektor (der Kommission der EG) Generalized System of Preferences = APS Generalversammlung der Vereinten Nationen = GA German Yearbook of International Law Gemeinsamer Zolltarif (der EWG)
HdEurR Hrsg.
Handbuch des Europäischen Rechts Herausgeber
IBRD ICJ ICLQ IGH ILA ILM ILO IMF IWF
International Bank for Reconstruction and Development = Weltbank International Court of Justice = IGH International and Comparative Law Quarterly (Zeitschrift) International Development Association Internationaler Gerichtshof = ICJ International Law Association International Legal Materials (Dokumentensammlung) International Labour Organisation International Monetary Fund = IWF Internationaler Währungsfonds = IMF
JCMS JEI JWTL
Journal of Common Market Studies Journal of European Integration = RIE Jounal of World Trade Law
KIWZ KOM KSE
Kommissionsdokument Kölner Schriften zum Europarecht
LDC LLDC
Less Developed Countries Least Developed Countries
IDA
Konferenz über Internationale Wirtschaftliche Zusammenarbeit
Abkürzungsverzeichnis
15
MFA MO MSAC
Multifaser-Abkommen Marktordnung Most Severely Affected Countries
NAFO NGO NIEO NIWO NJW NWWO
Northwest Atlantic Fisheries Organization Non Governmental Organization "New International Economic Order" = NIWO = NWWO "Neue Internationale Wirtschaftsordnung" = NIEO = NWWO Neue Juristische Wochenschrift "Neue Weltwirtschaftsordnung" = NIEO = NIWO
OECD
Organization for Economic Cooperation and Development
RabelsZ RBP RdC Rdn. Rev.belge RGBI RIE RIO RIW
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Restrictive Business Practices (UN-Code) Recueil des Cours (Academie de Droit Internationale) Randnummer Revue Beige du Droit International Reichsgesetzblatt Revue d'Integration Europeen = JEI "Reform der internationalen Ordnung" (Bericht an den Club of Rome) Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)
RL RMC Rs RTDE
Richtlinie Revue du Marche Commun Rechtssache Revue Trimestrielle de Droit Europeen
StlGH
Ständiger Internationaler Gerichtshof
TIR
Transport International Routier
ÜLG UN UNCTAD UNDP UNEP UNIDO UNITAR UNRWA UNTS
Überseeische Länder und Gebiete United Nations = VN United Nations Conference on Trade and Development United Nations Development Programme United Nations Environmental Programme United Nations Industrial Development Organization United Nations Institute for Training and Research United Nations Relief and Works Agency United Nations Treaty Series
VN
Vereinte Nationen = UN Verordnung Volksrepublik Verfassung und Recht in Übersee (Zeitschrift)
vo VR VRÜ
16
Abkürzungsverzeichnis
VWD
Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Vereinigte Wirtschaftsdienste (tägl. Wirtschaftsnachrichten)
WHO
World Health Organization
ZaÖRV ZfvgiRWiss
Zeitschrift für ausländisches Öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern Zentrum für Industrielle Entwicklung (Lome-Abkommen)
VVDStRL
ZfZ ZIE
In den Fußnoten des Textteils wird die verwendete Literatur in der Weise abgekürzt zitiert, daß nur der Nachname des Verfassers und eine Kurzform des Titels angegeben wird (z. B. ERLER, Grundprobleme). Die vollständigen Angaben finden sich im Literaturverzeichnis am Ende des Bandes.
A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund I. Europa und internationales Wirtschaftsrecht als thematische Besonderheit Die thematische Kombination von Europäischer Gemeinschaft und Weltwirtschaftsordnung ist eine Verbindungzweier brisanter Problembereiche, die beide in tiefer Krise ohne momentan erkennbare Auswege stecken. Das internationale Wirtschaftsrecht wird den Anforderungen von Rezession, Arbeitslosigkeit, Verschuldung, Unterentwicklung u. v.m. offenbar nicht mehr gerecht, weshalb seine überkommenen Grundlagen Gegenstand herber Fundamentalkritik seitens der Mehrheit der Staaten der Erde sind. Nichtsdestoweniger bewegt sich auf diesem Feld zur Zeit kaum etwas: die Diskussion über eine "neue" Weltwirtschaftsordnung ist festgefahren 1 . Kaum positiver kann der gegenwärtige Zustand der EG beurteilt werden, die die an sie gestellten hohen Erwartungen hinsichtlich des Erreichens einer wirklichen europäischen Einigung nicht erfüllen kann, sondern sich lediglich von Kompromiß zu Kompromiß zu retten scheint. Auch aufinternationaler Ebene sind in besonderem Maße richtunggebende Impulse aus Europa zur Zeit nicht eben häufig. Dennoch, bzw. gerade deshalb ist die Verbindung von beiden Gebieten und die Erkenntnis der Verwandtheit und Verzahnung ihrer Probleme naheliegend. Zum einen ist es ganz natürlich, daß Europa von außen als wichtiger Ansprechpartner betrachtet wird, denn zum einen haben gerade die jetzt in der EG zusammengeschlossenen Staaten die Grundlagen des geltenden (Wirtschafts-)Völkerrechts entscheidend geprägt, zum anderen werden sie auch für die wirtschaftliche Misere verantwortlich gemacht, die die Dritte Welt u.a. auf wirkliche und vermeintliche koloniale Ausbeutung zurückführt. Zahllose Begründungsversuche finden sich hier: von der Annahme deliktischer Ansprüche und solcher aus ungerechtfertigter Bereicherung bis hin zum allgemeinen Selbstbestimmungsrecht 2 • Aber selbst abgesehen von solch "kolonialer Verantwortung", die ja nicht alle Mitgliedstaaten und schon gar nicht die Gemeinschaft als solche trifft, und die im übrigen sicher nicht allein für das Elendsszenario 1 Allgemein dazu Oppermann, Neue Weltwirtschaftsordnung, S. 449ff.; Graf Vitzthum, Neue Weltwirtschaftsordnung, EA 1978, S. 455fT. 2 Vgl. Oppermann, Neue Weltwirtschaftsordnung, S. 460fT.; Bleckmann, Anspruch, VRÜ 1979, S. Sff., 10ff.; Hermann Weber, Anspruch, VRÜ 1978, S. 5ff.
2 Eiseistein
18
A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
verantwortlich gemacht werden kann, prädestiniert die schiere wirtschaftliche Kraft der Zehn (bzw. Zwölf) diese zu bedeutsameren Akteuren im internationalen Wirtschaftsrecht Die Gemeinschaft ist die größte Handelsmacht der Welt 3 , steht in der Spitzengruppe der Wirtschaftsmächte 4 und ist bereits jetzt die wichtigste Quelle öffentlicher Entwicklungshilfeleistungen 5 • Eine wirksame Veränderung der internationalen Arbeitsteilung ist nicht möglich, wenn nicht Europa als Absatzmarkt für verarbeitete Produkte der Dritten Welt geöffnet wird. Eine gesicherte Rohstoffordnung ist ohne Beteiligung der bedeutenden Abnehmer- (teilweise auch Erzeuger-)länder aus Europa gegenstandslos, und im Bereich von Technologie und internationaler Liquidität ist der "Süden" gleichfalls auf die EG angewiesen. Umgekehrt muß die Zehnergemeinschaft an der Wiederherstellung der internationalen Wirtschaftsordnung interessiert sein. Die Außenhandelsabhängigkeit aller Mitgliedstaaten beläuft sich auf rund ein Viertel des Bruttosozialprodukts 6 , bei Rohstoffen und Energie sind diese weitgehend auf Importe angewiesen. Zahlreiche weitere, auch sicherheitspolitische Gründe ließen sich für die zentrale Stellung Europas anführen - eines Europas, das sich ja letztendlich als "Zivilmacht" 7 , als neuer Akteur zwischen den Supermächten und Partner aller Staaten bewähren will und muß. Eben dieses Neue an der europäischen Integration ist es auch, was die Gemeinschaft selbst, und nicht etwa ihre einzelnen Mitgliedstaaten zum Handeln aufruft. Europäische Politik und europäisches Recht ist zweifellos mehr als die bloße Summe der Politiken und Rechtsordnungen seiner Mitgliedstaaten. Diese Unterscheidung gewährt auch die Chance zu belastungsfreiem Handeln, die die Nationalstaaten nicht hätten. Davon abgesehen machen auch schlichte Kompetenzfragen ein europäisches Vorgehen nötig, denn in zahlreichen Bereichen (Handelspolitik, Assoziierung, Agrarpolitik, Zollfragen etc.) dürften die einzelnen Staaten nicht mehr handeln. Ungeachtet der vielfach noch ungeklärten Kompetenzlage 8 , der unbefriedigenden Praxis der "gemischten Verträge" und der sonstigen Einmischungen der Mitgliedstaaten in europäische Angelegenheiten, ist das gemeinschaftliche Auftreten in verschiedenen Erscheinungsformen vom Grundsatz her unbestreitbare Praxis. Eine Untersuchung des europäischen Rechts im Hinblick auf Entwicklungen des internationalen Wirtschaftsrechts 3 Nach "Stichwort Europa" 2/ 82 (Die Europäische Gemeinschaft in der Welt), S. 2 hat die Gemeinschaft ohne innergemeinschaftlichen Austausch ein rundes Fünftel Anteil am Welthandel; nach dem Europäischen Parlament, Sitzungsdokument 1-1335/ 82 v. 14. 3. 1983, S.13 ca. 16%; dem entsprechend auch GATT, International Trade 1981 / 82, Genf 1982, Appendix, Table A4. 4 Rund 1/ 5 der Weltwirtschaftsleistung stammt aus den EG-Ländern; vgl. Thiel, Bilanz und Perspektiven, S. 23fT.; Moreau, C.E.E., S. 256. 5 Rund 40% der öffentlichen Leistungen kommen aus Europa: Thiel, Bilanz und Perspektiven, S. 23 ff. 6 Stichwort Europa (FN 3), S. 1; vgl. auch Sitzungsdokument EP, ebda. 7 s. Duchene, Rolle Europas, S. 11 ff., 33 ff. 8 s. dazu noch unten A. V.!.
I. Europa und internationales Wirtschaftsrecht
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verspricht somit gewichtige Hinweise auf geltende, in Entwicklung befindliche oder nur (bzw. nicht einmal) potentielle Rechtsprinzipien der zukünftigen Ordnung. Dies hat aber auch noch einen ganz anderen Hintergrund. Die Europäische Gemeinschaft ist selbst ein neuer rechtlicher Ansatz zur Lösung internationaler Wirtschaftsprobleme, das Europäische Gemeinschaftsrecht ein Lehrstück für zahlreiche Probleme des internationalen Wirtschaftsrechts der Zukunft. Zu einer Zeit, als die Institutionen des "alten" internationalen Wirtschaftsrechts noch in voller Blüte standen, bildete sich nämlich mit den Gemeinschaften ein Rechtskreis, der tiefgreifende Neuerungen der internationalen Beziehungen beinhaltete. Erstmals wurde versucht, wirtschaftliche Probleme in größerem Rahmen auf übernationaler Ebene zu lösen und die Koexistenz der Staaten durch eine Kooperation zu ersetzen, die auf Solidarität und Ausgleich beruhte. Als Mittel dazu diente ein komplexes rechtliches Instrumentarium, das aus marktwirtschaftliehen und wettbewerbsfördernden Komponenten einerseits, sowie aus einzelnen planwirtschaftlich-dirigistischen Elementen andererseits zusammengesetzt war. Natürlich hatte und hat der Gemeinsame Markt nichts mit den Grundsätzen der sog. "neuen Weltwirtschaftsordung" zu tun und auch von seiner Zielsetzung ist er auf (Wieder)herstellung der Wettbewerbsfähigkeit traditioneller Industriestaaten, nicht aber auf Förderung gänzlich unterentwickelter Länder ausgerichtet. Nichtsdestoweniger hat sich hier aber ein Rechtskreis entwickelt, dem ein gewisser Modellcharakter für einige Zukunftstendenzen zukommen kann. Überspitzt ließe sich die Frage stellen, ob im Gemeinschaftsrecht nicht ein Prototyp für eine zukünftige Weltordnung gesehen werden könnte, wobei allerdings aus den sattsam bekannten Fehlkonzeptionen und Fehlsteuerungen noch gelernt werden müßte. Darüber hinausgehend hat Europa auch in seinen Beziehungen zu Drittstaaten vielfach Anstöße geliefert und Projekte verwirklicht, die als modellhaft angesehen werden können. Die Abkommen von Lome 9 sind dafür die bekanntesten Beispiele. Schließlich spiegelt sich in der Krise des Europäischen Rechts die Krise des internationalen Wirtschaftrechts wider. Die vielfach totgesagte Gemeinschaft überlebt- ähnlich wie die Vereinten Nationen und die Völkerrechtsordnungletztendlich doch, da es in Zeiten zunehmender gegenseitiger Abhängigkeit keine Alternative zu ihnen gibt. Andererseits sind substanzielle Fortschritte nicht erkennbar, da der enger werdende Handlungsspielraum nationale Egoismen überstark hervortreten läßt. Freies Spiel der Kräfte führt hier wie dort zu sich ausweitenden Verzerrungen, während planwirtschaftliche Methoden nicht die Komplexität des Wirtschaftslebens erfassen. Die Diskussion über Einzelfragen 9 Sie werden in der Präambel selbst als Modell für die Beziehungen zwischen entwickelten Staaten und Entwicklungsstaaten bezeichnet; vgl. im einzelnen den Teil B; fundstelle dort FN 12ff.
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erfaßt auch die Grundnormen des Zusammenlebens und die Frage der Rechtsquellen. Im EG-Recht ist dies der Streit pro und contra Mehrheitsbeschlüsse, im internationalen Wirtschaftsrecht die Diskussion über "Soft Law" und ähnliche Durchbrechungen des in Art. 38 IGH-Statut zu findenden Rechtsquellensystems. Bei aller Vergleichbarkeit und Parallelität muß aber im Auge behalten werden, daß die EG immer noch ein Zusammenschluß aus wirtschaftlich und kulturell vergleichbaren Staaten ist, sodaß tiefergreifende Einschnitte in die nationale Souveränität möglich sind als im Weltsystem. Unter Beachtung dieser Restriktion können aber durchaus wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden. In der vorliegenden Arbeit sollen die wesentlichen allgemeinen Grundsätze der internationalen Wirtschaftsordnung herausgearbeitet und zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Dabei ist prinzipiell zwischen allgemeinen Rechtsgrundsätzen 10 und Charakteristika 11 zu unterscheiden, wobei nur erstere wirklich zum Völkerrecht gehören, während letztere den allgemeinen Zustand des internationalen Systems und der in ihm enthaltenen Rechtsprinzipien beschreiben (z.B. zunehmende Verrechtlichung), ohne selbst Rechtsgrundsätze zu sein. Eine Ausnahme gilt insofern freilich für das unter "C" behandelte Rechtsquellensystem. Was "Rechtsquelle" i. S. d. Völkerrechts sein kann, ist natürlich durch Rechtssätze geregelt. Dennoch gehört diese Frage eher auf die "Metaebene" als auf diejenige der eigentlich wirtschaftlichen Prinzipien. Eine strikte Trennung zwischen "alten" und "neuen" Prinzipien wird hier unterlassen und statt dessen auf das Fließende der Entwicklung des Wirtschaftsrechts hingewiesen. Dabei soll das sich wandelnde Ordnungsverständnis und das Verhältnis zu Freiheit, Gleichheit, Souveränität u. dgl. herausgearbeitet werden. Auch die Widersprüche und Brüche müssen hier deutlich werden. Da die Sichtung aller internationalen Quellen unter diesem Aspekt jeden vernünftigen Arbeitsumfang sprengen würde, muß die Materialbasis dieser Untersuchung auf die Außenwirtschaftspraxis der EG beschränkt werden. Allerdings ist dies im Hinblick auf das oben beschriebene Gewicht der Gemeinschaft sowie das Modellhafte ihrer Existenz und ihres Handeins vertretbar und gegeignet, Einsichten in die Völkerrechtsentwicklung zu eröffnen. Gleichfalls müssen nationales (mitgliedstaatliches) Recht und internationales Einheitsrecht ausgeklammert werden. Ziel der Arbeit ist nicht die Auseinandersetzung mit wirtschafts- und ordnungspolitischen Philosophien. Auch die Ziele und Prinzipien der propagierten "neuen Weltwirtschaftsordnung" sollen nicht auf ihre Wünschbarkeit und Richtigkeit hin analysiert werden. Dies wäre Sache der Politik und der Wirtschaftswissenschaften. Dennoch ist grundsätzlich davon auszugehen, daß 10 11
Unten Teil B. Unten Teil C.
II. Die gegenwärtige Krise des Wirtschaftsvölkerrechts
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überhaupt Veränderungen des internationalen Wirtschaftsrechts unvermeidlich sind und der Prozeß des Wandels des internationalen Systems nicht aufgehalten werden kann. Auch die Notwendigkeit, die immense Not von vielen Menschen zu lindern, ist im Prinzip unbestritten. Wichtiger ist demgegenüber aber, welche Rolle das Recht in einer zukünftigen Ordnung spielen kann und muß, wie seine Friedensfunktion gewahrt werden kann und wie es sich dem Chaos von Forderungen und Mißbräuchen erwehren soll. Ein wichtiges Anliegen ist insoweit die Herausarbeitung der Bedeutung des Prozeduralen in einer Welt, die von tiefen Brüchen und Verständnisschwierigkeiten im Inhaltlichen geprägt ist. Auch eine "neue Weltwirtschaftsordnung" ist ohne ein funktionstüchtiges, allgemein akzeptiertes Rechtssystem absurd. Im folgenden soll zunächst ein skizzenhaftes Bild des internationalen Hintergrundes gezeichnet werden. Dabei wird als erstes der gegenwärtig stark empfundene krisenhafte Zustand des Völkerrechts, insbesondere des Wirtschaftsrechts, dargestellt (A) II., sodann ein Querschnitt durch die Geschichte der Weltwirtschaft und die Diskussion über eine "neue Weltwirtschaftsordnung" geliefert (A) III. und schließlich die Bedeutung des hier gewählten Ansatzes der Auseinandersetzung mit allgemeinen Rechtsprinzipien und Charakteristika diskutiert (A. IV.). Abschließend soll die Verbindung der EG-Außenwirtschaftspraxis zu Normen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere im Hinblick auf Kompetenzen und inhaltliche Leitlinien aufgezeigt werden (A. V.). In Teil B. erfolgt sodann die Hauptarbeit in Gestalt der Analyse der EG-Praxis im Hinblick auf erkennbare allgemeine Rechtsgrundsätze, in Teil C wird sie im Hinblick auf "Charakteristika" fortgesetzt. Teil D bildet mit einem Gesamtfazit den Schluß der Arbeit.
II. Die gegenwärtige Krise des Völker-, insbesondere des Wirtschaftsvölkerrechts 1. Der Hintergrund Wie bereits angesprochen, befindet sich das internationale Wirtschaftsrecht seit einigen Jahren in einer Krise, die durch die Diskussion über eine "neue" Weltwirtschaftsordnung exemplifiziert, wenn auch nicht erschöpfend beschrieben wird. Noch weiterreichender muß aber auch das gesamte Völkerrecht in dieses Bewußtsein eines bevorstehenden Umbruchs, einer Art "Zeitenwende" 12 einbezogen werden, die letztlich praktisch alle Bereiche des Zusammenlebens, 12 Vgl. schon Friede/1, Kulturgeschichte, S. 235f.; Toynbee, Gang der Weltgeschichte, Bd. 2, S. 390fT.; aus neuerer Zeit, wenngleich weniger geschichtsphilosophisch als an konkreten Problemen orientiert z. B. Eppler, Ende oder Wende, S. 9fT.; ders., Wege aus der Gefahr, S. 25fT.; Capra, Wendezeit, S. 15fT.; Lasch, Culture of Narcissism im Vorwort, S. XIIIIT.; dagegen Sontheimer, Zeitenwende?, S. 45f., 128.
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A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
national wie international, betrifft 13 . Obwohlall dies an sich nicht beunruhigend sein muß, Veränderungen und Herausforderungen letztlich der Normalzustand und gleichzeitig Motor menschlicher Entwicklung sind, ist dennoch bedenklich, daß in der gegenwärtigen Diskussion allzuoft konstruktive Ansätze und Zukunftsmodelle fehlen, und statt dessen Zuflucht zu rückwärtsgerichteter Larmoyanz gesucht wird 14. Nach einer 1984 veröffentlichten Gallup-Umfrage 15 waren nur ein Viertel der Europäer in der Lage, die Situation der Welt in 30 Jahren positiv zu sehen. Dabei beinhaltet der Begriff der Krise nicht nur das Element des (momentan) problematischen Zustands, der Gefahr, sondern ebenso auch dasjenige der Chance, der Entscheidung für die Entwicklung der Zukunft 16 • Akzeptiert man Toynbees Ansatz von "Challenge and Response" 17 , darf die Kumulation krisenharter Erscheinungen nicht zur Resignation, sondern nur zum Überdenken herkömmlicher Positionen und zum positiv-kreativen Ausarbeiten neuer Möglichkeiten führen. Das gestörte alte Gleichgewicht muß letztlich durch ein neues überwunden werden 18 .
2. Die neue Komplexität Ein besonderes Charakteristikum der Gegenwartssituation ist die Verwischung herkömmlicherweise anerkannter Grenzlinien zwischen Disziplinen. Rechtliche Fragen vermengen sich mit solchen aus den Wirtschafts- und Sozial-, aber auch aus den Naturwissenschaften, wie etwa die Versuche mit der 13 Eine extreme Meinung neigt sogar dazu, das "Ende der Menschheit", bzw. der abendländischen Kultur zu sehen, vgl. Löbsack, Die letzteren Jahre, insbes. S. 20, 226 ff.; Köstler, Der Mensch, Irrläufer der Natur; die Thesen sind natürlich heftig umstritten : vgl. Löbsack selbst, S.l3ff.; wesentlich realistischer die- allerdings auch angegriffenen Berichte von M eadows u.a., Grenzen des Wachstums; M esarovic/ Prestel, Menschheit am Wendepunkt (beide an den Club of Rome) ; wesentlich optimistischer ist die amerikanische Studie GLOBAL 2000; zum "Untergang des Abendlandes" natürlich Spengler, insbes. S. 43ff., 54, aber auch Toynbee (FN 12); zum "Untergang des neuzeitlich-naturwissenschaftlichen Weltbildes Heisenberg, Physik und Philosophie, S. 56ff., 164ff., 169f., 173f.; im Anschluß an ihn Capra (FN 12). In eine ähnliche Richtung geht die Diskussion über "postmaterialistische Werte", vgl. dazu die "Kultbücher" von lnglehart, Silent Revolution, insbes. S. 262ff., 286ff. und Fromm, Haben oder Sein, insbes. S.13ff., 166ff. ; zur innerstaatlichen Äußerungsform solcher Gedanken seitens zahlreicher Jugendlicher, vgl. den Bericht der Enquete-Kommission des Bundestages, Bd. 2, S. 48ff., 111 ff. 14 Vgl. Sontheimer (FN 12), S. !Off.; ein Beispiel für eine positive Zukunftssicht hingegen ist Kahn, Vor uns die guten Jahre. 15 Mitgeteilt in VWD "Europa" v. 24. 4. 1984, S. 2 16 Vgl. Koselleck. Krise, S. 1235ff. 17 FN 12, S. 36f., 107ff. des ersten Bandes. 18 Der Begriff der P olarität der letztlich auch Toynbees Gedanken zugrunde liegt, findet sich als durchgängiges Gedankenphänomen in vielen Philosophien, z. B. bei Heget, Naturphilosophie, § 248 (Bd. 9, S. 57) oder bei Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, S. 1171.
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ökonomischen Analyse des Rechts 19 sowie die Ansätze des sog. "New Haven Approachs" im Völkerrecht 20 zeigen. Dabei wird allerdings auch viel als "neu" ausgegeben, was in Wirklichkeit bereits eine alte Erkenntnis ist 21 • Immerhin gibt es in einigen neueren Rechtsdisziplinen (Umwelt-, Energie-, Ressourcenrecht) wohl kaum einen Alternative zur Einbeziehung außerrechtlicher Kriterien, wenn der Regelungsgegenstand vollständig und richtig erfaßt werden soll. Innerhalb der Rechtswissenschaften zeigen sich weitere Grenzen der Spezialisierung. So wird dem internationalen Wirtschaftsrechtier schon sehr schnell klar, daß die Gegenstände seines Forschungsgebietes von anderen Völkerrechtsdisziplinen kaum zu trennen sind. Wirtschaftsrecht ist insbesondere ohne Seerecht, Umweltrecht, die Fragen der Streitbeilegung, des Menschenrechtsschutzes, ja selbst ohne das Gebiet der kollektiven Sicherheit, des Waffenhandels und des Kriegsrechts etc. nicht mehr darstellbar 22 • Die in Jahrhunderten gewachsene Überzeugung, die stets fortschreitende Detailanalyse, Spezialisierung und Differenzierung in allen Wissenschaftsbereichen werde schließlich zur vollständigen Erforschung und Lösung aller Probleme führen, ist angesichts der Erkenntnis, daß die Systeme der Natur, aber auch des Menschen (dazu gehört natürlich auch das Rechtssystem), ungleich vielgestaltiger und verzahnter sind als bisher vermutet, nicht mehr aufrechtzuerhalten. Die Tendenz zu ganzheitlichen Lösungsversuchen und das Denken in Zusammenhängen 23 sind Ausprägungen eines gewandelten Bewußtseins. Die wachsende Komplexität bedingt allerdings auch eine gewisse Überforderung des internationalen Systems und der an ihm Beteiligten, da diese noch dem Denken in Einzelaspekten verpflichtet sind, obwohl so zahlreiche Fehlsteuerungen zustande kommen. Doch je mehr die Zeit fortschreitet und sich die ungelösten Probleme aufhäufen, desto stärker zeigen sich auch die Grenzen der Einzelsteuerung und die Notwendigkeit integrierender, globaler Betrachtungsweisen in der Praxis.
19 Dazu z. B. Posner, Economic Analysis; Assmann/KirchnerfSchanze (Hrsg.), Ökonomische Analyse. 20 Eine kurze Einführung in diesen Ansatz bei Sehreuer, New Haven Approach, S. 63 ff. m.w.N. 2 1 Man denke etwa an Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, aber ebenso auch an Kants Kritik der reinen Vernunft. 22 Beispielsweise verbindet die sog. Brandt-Kommission in ihrem ersten Bericht (Das Überleben sichern) beide Bereiche (Kapitel 7); Zweiter Bericht: Hilfe in der Weltkrise. 23 Im Bereich des Umweltrechts z. B. das Bewußtwerden von Ökosystemen und Biotopen, im internationalen Wirtschaftsrecht das Streben nach (sektoralen und globalen) Weltordnungen.
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A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
3. Die Krise des Völkerrechts Die Herausforderungen des Völkerrechts im einzelnen zu untersuchen, mag anderen Darstellungen vorbehalten bleiben. Zur Absteckung eines Rahmens für die gegenwärtige Untersuchung genügen einige kursorische Hinweise. Zentralstück des Wandels ist vor allem die grundlegend veränderte Zusammensetzung der Völkerrechtsgemeinschaft Das "ius publicum europaeum" 24 , das noch nach dem Zweiten Weltkrieg den internationalen Beziehungen zugrunde lag, sieht sich jetzt einer überwältigenden Mehrheit von "newly independent states" gegenüber, die seine Grundlagen sowohl mit inhaltlicher als auch formaler Kritik (Nichtbeteiligung der damals noch abhängigen Gebiete bei der Entstehung der geltenden Völkerrechtsordnung) angreifen. So droht sich das Völkerrecht in mehrere Rechtskreise, deren wichtigste das westliche, das sozialistische, das islamische und das Entwicklungsländervölkerrecht sind, zu dissoziieren. Diese Entwicklungen bewirken eine Art "Verfassungswandel" der Vereinten Nationen 25 von einer Organisation der westlichen zu einer solchen vorwiegend der Dritten Welt. Einziges Organ, für das dies noch nicht gilt, ist der Sicherheitsrat mit dem Vetorecht der Großmächte. Natürlich bewirkt gerade dies wiederum eine Verlagerung der Schwerpunkte auf die Generalversammlung, obwohl ihr qua Charta (Art. 10) keine Rechtsetzungsbefugnis zukommt. Um letzteres Manko auszugleichen, hat sich als weitere Folge auch immer stärker die Forderung nach der einen oder anderen Form der Überwindung der Rechtsquellenlehre entsprechend Art. 38 IGH-Statut aufgetan 26 . Die Mehrheit der Staaten der Dritten Welt drängt auf eine Durchsetzung ihrer Interessen, notfalls gegen den Willen des Westens, obwohl diesangesichtsder bestehenden wirtschaftlichen und militärischen Machtverhältnisse als vollkommen unrealistisch anzusehen ist. Nichtsdestoweniger scheint die alte Hierarchie der Völkerrechtsordnung im Umbruch begriffen zu sein 27 • Darüber hinaus verändert sich auch eine der Grundnormen der internationalen Beziehungen: das Völkerrecht wird vom Recht der Koexistenz zum Recht der Kooperation 28, wobei dieser Wandel eine Reihe weiterer Veränderungen nach sich zieht. Zentralbegriffe des Völkerrechts wie Souveränität und Staatengleichheit erleiden eine Uminterpretierung, Sachfragen werden der nationalen Kompetenz entzogen und auf globaler Ebene angesiedelt 29 , wobei zusätzlich Vgl. Carl Schmitt, Nomos der Erde, insbes. S. lllff. Vgl. schon Friedmann, Changing Structure, insbes. S. 60fT., 297fT. ; Goodrich, United Nations, S. 47fT., 63fT., 75fT., Becker, Entwicklungskooperation, S. 31 ff., 39fT., 53fT. 26 s. dazu Teil C. 27 Becker (FN 25), S. 31 IT. 28 Verloren van Themaat, Changing Structure, S. 350fT. ; davor schon Friedmann , G eneral Course, RdC 127 (1969 II), S. 37ff.; s. dazu noch unten Teil B. V2b. 29 Fikentscher, Wirtschaftsrecht I, S. 99, spricht soga r schon von "Weltinnenpolitik", s. dazu noch unten B. V.2. a. aa.a. 24 25
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aber auch regionale 30 und sektorale 31 Ansätze identifizierbar sind. Gleichzeitig finden sich aber auch gegenläufige Tendenzen, wie etwa das Streben nach "Permanent Sovereignty over Natural Resources". So befindet sich die internationale Gemeinschaft in der paradoxen Lage, die Vielgestaltigkeit ihrer Probleme zwar erkannt zu haben, deren Lösung aber vielfach noch im "piecemeal"Verfahren zu betreiben.
4. Die Krise des internationalen Wirtschaftsrechts Wie schon erwähnt, ist einer der Hauptkampfplätze der Völkerrechtsdiskussion das internationale Wirschaftsrecht i. w. S. Die Gründe dafür sind vielgestaltig und einsichtig. Zum einen ist diese Rechtsdisziplin bislang eine der unvollkommenstell und bruchstückhaftesten, deren Existenz als eigenständiger Forschungsgegenstand überhaupt noch sehr jung ist 32 , und die bisher noch nicht ganz eigenes Profil und Konsistenz gewinnen konnte 33 • Dies mag seine Ursache darin haben, daß vor der großen Zeit der politischen Dekaionisierung eine besonders dichte Rechtsmaterie für diesen Gegenstand internationalen Lebens nicht nötig war. Die im großen und ganzen am Prinzip des "laisserfaire" 34 und der Subsidiarität rechtlicher Regelungen gegenüber der freien Privatinitiative orientierten Mitglieder der westlichen Staatengemeinschaft konnten, ungeachtet aller protektionistischer "Ausfälle" in den vorangegangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten 35 , wenigstens vom Ansatz her darauf vertrauen, daß ein rechtlicher Rahmen für privates Handeln genügen und die allseitige Wohlstandsvermehrung fördern würde. Angesichts des vergleichbaren Entwicklungsstandes der Akteure ergab sich auch tatsächlich eine im wesentlichen gleichgewichtige Situation. Die Staaten des Ostblocks bildeten demgegenüber ein in sich geschlossenes System, dessen Existenz kaum als Herausforderung des westlichen (erfolgreicheren) angesehen wurde ; die Welt des Südens war überhaupt ausgeschlossen. Der Prozeß der Unabhängigwerdung hätte nun das internationale Wirtschaftsrecht (nur) in gleichem Maße wie das übrige Völkerrecht betreffen können, wenn nicht hier die Probleme besonders groß, das rechtliche lnstrumenZum Regionalismus vgl. Andemicael (Hrsg.), Regionalism; dazu unten B. V. 2. a. aa. b. Graf Vitzthum (FN 1). 32 Erste Ansätze bei Preuss, Völkerrecht (1891); weitere wichtige Werke Er/er, Grundprobleme (1956); Langen, Studien (1963); neuere Abhandlungen von Verloren van Themaat (FN 28), Fikentscher (FN 29), Meessen, Grundlagen, AöR 1985, S. 398fT.; Petersmann, World Trade. 33 Systematisierungen bei Fischer, Das Internationale Wirtschaftsrecht, GYIL 19 (1976), S. 143ff.; Schwarzenberger, Principles and Standards, RdC 117 (1966 I), S. 1ff. 34 Vgl. Viner, Intellectual History, Journal of Law and Economics 3 (1960), S. 45ff. 35 Dazu gleich unter III. 30
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tariuni demgegenüber aber besonders lückenhaft gewesen wäre. Die Grundsätze der Souveränität, der Vertragsfreiheit und des "pacta sunt servanda" konnten die hegende Funktion, die in Bezug auf die struktur-und wettbewerbsschwachen jungen Staaten notwendig gewesen wäre, nicht erfüllen, und Institute wie die Eigentumsgarantie beließen zahllose Resourcen in den Händen von Unternehmen aus industrialisierten Staaten 36 . Die "bargaining power" der Entwicklungsländer und ihre Reserven waren viel zu schwach, als daß der ,Elementargrundsatz der Freiheit im "alten" System ihnen Vorteile zu bringen vermocht hätte. Während sich Teile der Problematik eine Zeitlang noch mit dem Instrumentarium der "klassischen" Entwicklungshilfe (i. S. v. Transferzahlungen) überdecken ließen, zeichnete sich im Angesicht akut werdender absoluter Begrenzungen ein großangelegter Verteilungskampf ab. Niemals vor der Ölkrise 37 war der Menschheit handgreiflich klargeworden, daß zum einen die Möglichkeiten der Wohlstandsmehrung an Grenzen stießen, also der Gedanke an ein schlichtes "Aufholen" der Entwicklungsländer auf das Niveau des Nordens nichtig war 38, zum anderen die sich abzeichnende Stagnation 39 noch durch die Um Verteilungsnotwendigkeit zugunsten der Dritten Welt verschärft werden würde. Das wohlbekannte - hier deshalb nicht mehr zu wiederholende - Szenario der desolatenWeltwirtschaftund derNot von vielen Menschen 40 bekam und hat bis heute also ein qualitativ anderes Gesicht als es z. B. die teilweise ebenso krasse Notsituation breiter Bevölkerungsschichten der nördlichen Staaten zu Beginn der Industrialisierung gehabt hatte. Anders als in anderen Bereichen der internationalen Beziehungen (z. B. in militärischen Fragen) war und ist es überdies hier den entwickelten Staaten unmöglich, die Probleme der Dritten Welt zu ignorieren. Im Wirtschaftssektor bestehen erhebliche Interdependenzen 36 Das Phänomen wird dementsprechend als Neokolonialismus bezeichnet; vgl. zu diesem Problemkreis z. B. die Declaration on the Establishment of a New International Economic Order, GA-Res. 3201 (S-VI) v. 1. 5. 1974, Ziff.1, 4f., i; abgedruckt z.B. in ILM 1974, S. 715fT.; Art. 16 der Charter of Economic Rights and Duties of States (CERDS), GA-Res. 3281 (XXIX) v. 12. 12. 1974, abgedruckt z.B. in ILM 1975, S. 251 IT. 37 Zu den Ursachen und zum Ablauf der Ölkrise vgl. Colard, Crise de l'energie, Studia Diplomatica 1975, S. 629fT.; Mault, Erdöl als politische Waffe, Die internationale Politik 1973/74, S. 43fT.; vor der Ölkrise war bereits die o.e. (FN 13) Studie von Meadows u.a. erschienen, die aber- wie alle theoretischen Abhandlungen - nur einen kleinen Kreis erreichte. 38 Vgl. Tinbergen u.a., Wir haben nur eine Zukunft (RIO-Bericht an den Club ofRome 1977), S. 86fT. 39 Zu den aktuellen Begriffen und Phänomenen wie dem der "Stagflation" vgl. MüllerjBockjStahlecker, Stagflation, insbes. S. 15fT., 25fT.; Mitton Friedman , Inflation and U nemployment, Journal of Political Economy 1977, S. 451 IT.; Küng, Weltwirtschaftspolitik, S. 12fT., 16fT.; Leontief u.a., Die Zukunft der Weltwirtschaft, mit zahlreichen Entwicklungsmodellen. 40 Neben dem erwähnten RIO-Bericht (FN 38) und den Berichten der sog. "BrandtKommission" (Unabhängige Kommission für Entwicklungsfragen) "Das Überleben sichern" (1980) und "Hilfe in der Weltkrise" (1983) vgl. auch schon früher den PearsonBericht 1969, insbesondere S. 76fT.
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und Abhängigkeiten, die- wie die Ölkrise illustrierte 41 - durchaus wirksame Druckmittel verleihen. Das Bestehen von Interdependenzen bekamen allerdings auch die Rohstofflieferanten selbst zu spüren, als sie lernen mußten, daß der Einsatz der Ölwaffe über eine Schädigung der Industriestaaten letztlich auch wieder auf sie als scheinbare Sieger der Auseinandersetzung zurückfiel. Neben dem Erwähnten ist die Auseinandersetzung im internationalen Wirtschaftsrecht auch durch ein Aufeinanderprallen verschiedener wirtschaftsund gesellschaftspolitischer Philosophien gekennzeichnet, wobei für die entwickelten Staaten Argumentationsschwierigkeiten auftreten, da sie selbst schon vielfach ihre "ordnungspolitische Unschuld" 42 aufgegeben haben, indem sie, wenn ihnen dies nützlich erschien, freiheitliche Positionen durch Dirigismus und Protektionismus ersetzten 43 . Der "Philosophiengegensatz" verschärft sich noch weiter durch die Tatsache, daß das internationale Wirtschaftsrecht auch Gefechtsfeld eines sich abzeichnenden allgemeinen Wertewandels geworden ist. Dieser beginnt - obwohl zur Zeit primär innerstaatlich akut - auch in den Bereich der internationalen Beziehungen vorzudringen. Parallel zur Erkenntnis der Notwendigkeit ganzheitlicher Problemlösungsverfahren 44 entwickelte sich überhaupt eine Grundsatzkritik am Primat des Wirtschaftens und des wirtschaftlichen Erfolges. In den westlichen Industriestaaten ist dies am besten an der Entwicklung sogenannter "postmaterialistischer Werte" zu exemplifizieren 45 , aber auch in der Dritten Welt sind vergleichbare Tendenzen zu spüren. Hier ist der Wunsch nach einer simplen Kopie des Wirtschaftswunders der Industrieländer der Erkenntnis gewichen, daß die emotionalen, mentalen und kulturellen Grundlagen in Entwicklungsländern denen des Nordens nicht entsprechen und deshalb "Entwicklung" für sie anders definiert werden muß 46 • Diese Diskussion steht im Kontext der Frage danach, was überhaupt unter Fortschritt zu verstehen ist. Hier verläßtjedes Bemühen die Grenzen "wertfreier Wissenschaft" und tiefgreifender Dissens über die letztendlichen Ziele und 41 Allerdings sind die für die Erzeuger besonders günstigen Voraussetzungen beim Erdöl (große Importabhängigkeit wichtiger Industrieländer + fehlende Substitutionsmöglichkeiten + Konzentration eines großen Anteils der Weltvorräte bei einer relativ kleinen Gruppe verwandter Staaten) bei anderen Rohstoffen nicht in dem Maße gegeben. 42 Vgl. Oppermann (FN 1), S. 462. 4 3 Ein Beispiel dafür ist leider die EG mit ihren planwirtschaftliehen Politiken im Bereich Landwirtschaft und Stahl; ähnliches gilt durchaus auch in einzelnen Teilen des Außenhandels. 44 Dazu das o.e. Streben nach Ordnungen, vgl. GrafVitzthum (FN 1); ähnlich ist auch die Suche nach "Giobalkonzepten" zu bewerten, wie z. B. das Globalkonzept der EG für den Mittelmeerraum, EA 1972, S. D 509ff.; vgl. noch Tomuschat, Verfassungsstaat, VVDStRL 36 (1978), S. 7ff., 30, 40, 51; Gorenflos, Vereinte Nationen, Außenpolitik 1976, S. 179ff., 189, hat dazu den Begriff der "Ordnungskonferenz" geprägt. 45 Vgl. dazu z. B. lnglehart und Fromm (FN 13). 46 Vgl. Küng (FN 39), sowie den ersten Brandt-Bericht (FN 40), Einführung des Vorsitzenden.
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Zwecke der Menschheit kommt zum Vorschein. Die Forderungen nach Entwicklung von "indigenous technologies" und nach Bewahrung der nationalen Kultur und nationaler sozialer Strukturen 47 sind nur die Spitze eines Eisberges von Fragen, die die Werte der abendländischen Kultur der Staaten des Nordens (wie er im Nord-Süd-Gegensatz abgegrenzt wird) herausfordern. Die Diskussion um das internationale Wirtschaftsrecht hat sich also im Laufe von nur rund dreieinhalb Jahrzehnten völlig gewandelt. Vom Pragmatismus eines Rourkela-Projekts, das letztendlich noch von der Hoffnung getragen war, auch die Entwicklungsländer könnten eines Tages den gleichen Wohlstand erfahren wie die Industriestaaten, bis hin zur Auffassung, daß Bewirtschaftung und Verteilung, Kooperation, Selbstbeschränkung und Schonung zusätzliche Elemente der Ordnung sein müßten, war ein erheblicher Sinneswandel zu vollziehen. Der letztendliche Ausgang des Prozesses ist allerdings noch offen. Aber nicht nur die Grundsatz- und Philosophiebezogenheit der Auseinandersetzung ist es, die das Verständnis des internationalen Wirtschaftsrechts und seiner aktuellen Entwicklung so schwer und unbefriedigend macht. Der oben erwähnte Angriff auf das Rechtserzeugungssystem der internationalen Gemeinschaft verstärkt hier noch die Probleme. Im Rahmen der "neuen internationalen Wirtschaftsordnung" läßt sich- zumindest in der Mehrzahl der Äußerungen von seiten der Gruppe 77 aber auch diverser internationaler Organisationeneine Verwischung der Grenzen von Recht und Nicht- (bzw. Noch-Nicht-)Recht diagnostizieren. Wo es um die Durchsetzung parteiischer Forderungen geht, wird Recht instrumental gebraucht, als Druck- und Kampfmittel eingesetzt 48 , anstatt seine sicherheits- und friedenswahrende Funktion zu achten. In dem Dickicht von Resolutionen, Erklärungen, Aktionsprogrammen u. ä. ist es äußerst schwer, das Quantum an hartem rechtlichem Kern herauszuschälen, das möglicherweise in einem "Prinzip" enthalten ist, Dabei kommt der Verwirrung auch noch zugute, daß der "institutionelle Eskapismus" 49 , mit dem das Festfahren der Sachdiskussion teilweise kompensiert wird 50, die Bewältigung des Materials schon rein mengenmäßig stark erschwert. Dabei sollte in aller Hitze des Gefechts, trotz der unbestreitbaren Dringlichkeit der zu lösenden 47 Art. 13 II CERDS (FN 36); Ziff. 4p der Declaration (FN 36); Teil IV b-d des Programme of Action on the Establishment ofa NIEO, GA-Res. 3202 (S- VI) v.1.5. 1974, abgedruckt z. B. in ILM 1974, S. 720fT.; Decision ofthe Governing Council ofthe UNDP v. 25. 6. 1975 (Annex zu Res. 3405 (XXX) v. 28. 11. 1975), abgedruckt in Yearbook of the UN 1975, S. 415f. 48 Vgl. Petersmann, Dritte Welt, ZaöRV 1976, S. 492ff., 515ff. 49 So der UNO-Generalsekretät, zitiert im Brandt-Bericht (FN 40), S. 260 (englische Ausgabe). 50 Der Brandt-Bericht (FN 49) erwähnt ca. 6000 internationale Treffen pro Jahr allein in New York und Genf, sowie ca. 1 Million Seiten Dokumente im gleichen Zeitraum; vgl. auch Becker, Entwicklungskooperation, S. 73f.
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Probleme, ja sogar trotz des Bewußtseins, daß zahlreiche (auch tiefgreifende) Veränderungen bis zum Erreichen eines neuen halbwegs stabilen Gleichgewichts vonnöten sein werden, nicht die fundamentale Bedeutung des Rechts an sich außer acht gelassen werden. Die Auflösung des überkommenen Rechtsverständnisses, das den Wert seiner Friedensfunktion erkennt, zugunsten kurzfristiger Erfolge mit Verbalkompromissen wie "Soft Law" und dergleichen schädigt letztlich und langfristig die künftige Ordnung, die - wie immer sie auch inhaltlich aussehen mag- nicht daraufverzichten kann, Rechtsordnung zu sein. Die Größe von Problemen und die Notwendigkeit weitreichender Veränderungen rechtfertigt nicht die Aufgabe aller "konservativer" Prinzipien (im wörtlichen Sinne). Die Diskussion über eine "neue internationale Wirtschaftsordnung" gibt auch zu weiteren Mißverständnissen Anlaß. Der. Begriff der "neuen Ordnung" suggeriert den zeitlich klaren Übergang von einem in sich geschlossenen, vollständigen Rechtssystem in ein anderes. Beides ist gleichermaßen irrig. Sowohl bei der "alten" als auch bei der "neuen Ordnung" handelt es sich lediglich um ein Bündel von Rechtsregeln (set of rules), dessen Einzelteile in einer gewissen Verbindung zueinander stehen, aber keinesfalls abgestimmt oder gar in sich schlüssig und widerspruchsfrei sind. Auch erscheint gegenwärtig eine "pluralite d'ordres" 51 im Sinne eines Netzwerkes von regionalen und sektoralen Normgruppen als Produkt der Entwicklung wahrscheinlicher. Darüber hinaus ist natürlich auch eine Trennung von "neu" und "alt" im zeitlichen Sinne nicht zu vollziehen. Das internationale Wirtschaftsrecht befindet sich in einem Prozeß der Entwicklung, in dem es teilweise chaotisch und hektisch zuging 52 , und in dem momentan eine gewisse Ruhephase erreicht ist, die eine Würdigung und Sichtung des Potentials erlaubt, ohne daß die Probleme deshalb an Aktualität eingebüßt hätten. Wenn auch der Begriff der "neuen Weltwirtschaftsordnung" als Terminus möglicherweise verschwindet, so bleiben doch die Sachfragen, deren Behandlung einem steten Wandel unterzogen ist. Das gegenwärtige internationale Wirtschaftsrecht ist facettenreich und beinhaltet alte, neue und der veränderten Problemlage angepaßte, wenn auch prinzipiell schon bekannte Grundsätze in großer Zahl 53 •
CarreaufJuillardfFlory, Droit international economique, S. 88. So etwa im Zeitraum von 1973-1979 mit den Höhepunkten der KIWZ (1975-1977) und der UNCTAD IV (1976). 53 Oppermann (FN 1) weist darauf hin, daß tatsächlich fast alle Transaktionen im internationalen Wirtschaftsleben auf der Basis herkömmlicher Prinzipien ablaufen und prägt den - allerdings nicht begriffsjuristisch zu verstehenden - Terminus der "gemischten Weltwirtschaftsordnung auf liberaler Grundlage" (S. 462, 463). 51
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A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
111. Geschichtlicher Hintergrund der Wirtschaftsrechtsdiskussion In der anhaltenden Diskussion über die künftige Ausgestaltung des Weltwirtschaftssystems ist häufig zu beobachten, daß trotz der Unhaltbarkeit dieser Unterscheidung (s.o.) die unterschiedlichen Positionen auf den Gegensatz alte und neue Ordnung reduziert werden, wobei tendenziell "alt" mit freiheitlichmarktwirtschaftlich und "neu" mit dirigistisch-planwirtschaftlich etikettiert wird 54. Allerdings fehlt insoweit meist eine Klärung der Frage, was überhaupt unter "Freiheit" im Sinne dieser Untersuchung zu verstehen ist, sowie die Prüfung, welche Ausgestaltung die Weltwirtschaftsordnung in den vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten tatsächlich gefunden hat. "Freiheit" kann schon begriffiich als Freiheit von und Freiheit zu etwas verstanden werden. In ersterem Sinne hieße dies für das internationale Wirtschaftsrecht die Freibiet von rechtlichen Reglementierungen, die die wirtschaftliche Betätigung auszuschließen, zu begrenzen oder doch wenigstens zu beeinflussen suchen. Die zweite Variante des Freiheitsbegriffes beinhaltete dann die positiv-rechtliche Garantie bestimmter Freiräume (z. B. Konzessionen u.ä.), wobei noch einmal zwei Unterfälle identifiziert werden können. Für den Ablauf des Wirtschaftslebens macht es nämlich einen großen Unterschied, ob die positivrechtlichen Normierungen nur einen verfahrensmäßigen Rahmen für das im übrigen freie Wirtschaften der Privaten aufstellen, ober ob sie auch die inhaltlichen Elemente dieses Prozesses zu beeinflussen suchen. Zur ersten Alternative gehören- um nur ein Beispiel zu nennen- etwa Streitschlichtungsklauseln, zur letzteren etwa Zollkontingente o. ä. Alle drei Fallgruppen von "Freiheit" sind in der Geschichte der Weltwirtschaft, aber auch in der Gegenwart anzutreffen, wobei tendenziell immer mehr Sachbereiche zunächst vom Stadium des Nichtgeregeltseins in das der Rahmenregeln und von diesem dann in das Stadium der positiven Gestaltung gelangen, sodaß letzteres rein empirisch mittlerweile den Löwenanteil stellt. Dabei erfolgt der gestaltende EingifT zunächst unter dem Zeichen der Sicherung bzw. Ermöglichung wirklichen Wettbewerbs, während in fortgeschrittenem Stadium Planung, Reglementierung und Bewirtschaftung auch expressis verbis nicht mehr ausgeschlossen werden.
1. Entwicklungslinien bis zum Zweiten Weltkrieg Eine völlige Freiheit von rechtlichen Regelungen hat im europäischen Rechtsraum, seit man überhaupt von modernem Völkerrechtim hier interessie54 Bedauernd über den "Zerfall" der liberalen Ordnung z. B. Jackson, Crumbling Institutions, 12 JWTL (1978), S. 93 IT. ; zusammenfassend zu ihren geistesgeschichtlichen Grundlagen Viner, Intellectual History, (FN 34).
III. Geschichtlicher Hintergrund
31
renden Sinne sprechen kann 55 , nie existiert. Schon die ersten Anfänge des Völkerrechts im kriegsrechtliehen Bereich haben für das Wirtschaften von Privatsubjekten einen - wenn auch weiten - Rahmen aufgestellt. Die Entwicklung des Souveränitätsbegriffes ließ es schon prinzipiell ausgeschlossen erscheinen, das Wirtschaften innerhalb der eigenen Grenzen nicht wenigstens verbieten oder von Konzessionen abhängig machen zu können. Während in der Welt des Mittelalters ein besonderer quasi staatsfreier Handlungsraum der Kaufmannschaft feststellbar war, entwickelte sich nun schon bald über die Instrumente des Privilegs oder in den Erscheinungsformen des Fremdenrechts (Schutz von Leben und Eigentum u.ä.) ein gewisser Normenbestand, der allerdings noch nicht Völkerrecht im heutigen Sinne war 56 • Anders war allerdings die Situation außerhalb der europäischen Staatenwelt, wo "die Flagge dem Handel folgte" 57 • Hier waren es in erster Linie Private, die fremde Kontinente erschlossen und sich erst anschließend unter den Schutz ihres Heimatstaates stellten. Bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts hat sich diese Praxis - wie der Erwerb der deutschen Kolonien zeigt - teilweise noch erhalten können. Diese "Freiheit" war allerdings nur der erste Schritt in der Behandlung der Kolonialwirtschaft, denn schon bald zeigten sich Tendenzen zur Absteckung von Interessenspähren,ja zur Aufteilung der Welt überhaupt 58 • Die Staaten ergriffen die Macht über die Kolonien und der Handel mit und in diesen wurde Gegenstand expliziter Klauseln in zwischenstaatlichen Verträgen 59. Im europäischen Machtbereich zeigte sich währenddessen der "souveräne" Staat zunehmend interessiert an der Wirtschaft als bedeutendem Wohlstands- und damit auch Machtfaktor, was seinen Niederschlag in der Politik des Merkantilismus fand 60 . Nach außen zeigte sich dies in Instrumenten wie Monopolen und Privilegien, Einfuhrbehinderung, Ausfuhrförderung u. v. m. Die Zeit stand zunächst im "Zeichen der Handelssperre" 61 . Bereits im 16. und 17. Jahrhundert war man also in der Phase des positiven Narrnierens von Freiheitsräumen angelangt. Korrelat zum prinzipiellen Nicht-Freisein des Wirtschaftens war aber der Auftritt von Klauseln, die einem Begünstigten entweder allein (Monopol),
55 Zu dieser hier nicht näher interessierenden Frage vgl. Grewe, Epochen, S. 19fT. insbes. 33fT. 56 Dazu Er/er, Grundprobleme, S. 46f. m. w. N . Auch die Magna Charta hatte in Art. 41 eine Klausel über die Handelsfreiheit enthalten. 57 Vgl. Stödter, Völkerrecht und Weltwirtschaft, ZaöRV 13 (1950), S. 67fT., 68f.; vgl. auch Carl Schmitt, Nomos der Erde, 1950. 58 Z.B. der Vertrag von Tordesillas v. 7. 6. 1494, Martens, Supplement au Recueil des Traites, 1700-1749, Bd. 1 (1802), S. 372fT. sowie der Vertrag von Saragossa (1536). 59 Z. B. Zugeständnis Spaniens an Ausländer bzgl. des Indienhandels im Frieden von Münster 1648, Stödter (FN 57), S. 72; Grewe, (FN 55), S. 191. 60 Dazu Heckscher, Merkantilismus, 1932; Er/er, Grundprobleme, S. 50ff. 61 Stödter (FN 57), S. 69.
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A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
unter bevor.zugten (Präferenz) oder aber unter gleichen Bedingungen Zugangsrechte gewährten. Im Laufe der Zeit bürgerte sich so das Prinzip des "freedom of commerce" als (optionale) Standardklausel im internationalen Wirtschaftsrecht ein 62 • Im Verlauf des 18. und 19. Jahrhunderts setzte sich dann der Gedanke des Freihandels mehr und mehr durch. Der Bankrott der merkantilistischen Wirtschaftspolitik, das Scheitern der napoleonischen Kontinentalsperre undparallel dazu - der beispiellose wirtschaftliche Erfolg Englands legten die Vermutung nahe, ein Abstreifen der Restriktionen werde den Wohlstand aller vermehren. Philosoph dieser Denkweise war der Engländer Adam Smith, dessen Werk über den Wohlstand der Nationen 63 in nicht unerheblichem Umfang noch heute den Positionen der westlichen Industriestaaten zugrunde liegt. Es blieb England vorbehalten, zunächst unilateral Zollsenkungen einzuführen, um schließlich in dem berühmten Cobden-Vertrag von 1860 mit Frankreich 64 die eigentliche Initialzündung für weitere, ähnliche Handelsverträge zu liefern. So wurde das 19. Jahrhundert zu der klassischen Freihandelsphase 65 , wenngleich zweierlei nicht übersehen werden darf. Zum einen handelte es sich auch damals "nur" um Freiheit zu etwas und zum anderen war diese Freiheit stets vertragsmäßig abgesichert. Eine Pflicht, Freiheit des Wirtschaftens zu gewähren haben die Staaten nie anerkannt, eine "opinio iuris", die diesen Standard zu Gewohnheitsrecht hätte erstarken lassen, ist nicht nachzuweisen. Versuche dies zu konstruieren, scheitern schon an dem recht bald erfolgten Wiedereintritt in die Schutzzollpolitik und dem Entstehen des "Wirtschaftsimperialismus" am Ende des 19. Jahrhunderts und bis zum Ersten Weltkrieg. Immerhin ist es auch bezeichnend, daß gerade die wirtschaftliche Großmacht England, in deren ureigenstem Interesse die Öffnung fremder Absatzmärkte lag, den Freihandel betrieb, während die USA, die in der ersten Jahrhunderthälfte noch "infant industries" zu schützen hatten, rigorose Zolltarife errichteten. Auch die Rechtsprechung des StiGH 66 konnte eine allgemeine Verbindlichkeit des Freiheitsprinzips letztlich nicht bestätigen. Allerdings enthält die Rechtslage insofern eine Besonderheit, als die tatsächliche weite Verbreitung der Liberalisierung auf eine Klausel zurückzuführen ist, der eine letztlich universelle Wirkungskraft immanent ist: die Meistbegünstigungsklausel. Obwohl selbst natürlich nur "optional", ist in ihrer Anwendung ein "kollektives Ordnungselement" enthalten, das durch Generalisierung und Nivellierung eine "ausgesprochen normative Funktion" entwickelt 67 • 62
63 64
S. lff.
Schwarzenberger, Principles and Standards, (FN 33), S. 47ff. An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations 1776. Abgedruckt in De Clercq, Recueil des Traites de Ia France, Bd. 8 (1860-1863), 1880,
65
Eine Zusammenstellung der wesentlichen Verträge bei Er/er, Grundprobleme,
66
Ser. A/ B Nr. 42 (Poln.-lit. Eisenbahnen); Nr. 46 (Freizonen); Nr. 63 (Chinn).
s. 64ff.
III. Geschichtlicher Hintergrund
33
Mit der Verbindlichkeit anderer "Freiheitsgrundsätze" sah es im Ergebnis nicht viel besser aus. Freiheiten in Bezug auf Verkehr, Passage und Zugang konnten bestenfalls auf eine partikulär-, bzw. regionalgewohnheitsrechtliche Basis gestützt werden 68 . Ein Instrument wie die Cromwell'sche Navigationsakte von 1651 69, die immerhin bis ins 19. Jahrhundert in Kraft war und den englischen Schiffen im Englandhandel eine Monopolstellung verlieh, erhellt doch in starkem Maße die wirklichen Ordnungsvorstellungen dieser Wirtschaftsmacht. Dasselbe England blockierte im Jahre 1944 auch die Internationale Konferenz für die zivile Luftfahrt, bei der nunmehr die USA als "Marktführer" eine Liberalisierung der Luftfahrt forderten. Grund war wohl seine offensichtliche Unterlegenheit in diesem Bereich 70. Bereits in den 80er und 90er Jahren des letzten Jahrhunderts begannen zunächst noch gemäßigte Schutzzölle die Freihandelszeit wieder abzulösen. Es folgte die Hochzeit der "klassischen" Handelsverträge, deren Inhalt meist eine Aufhebung mengenmäßiger Beschränkungen und die wechselseitige Gewährung der Meistbegünstigung und der Inländerbehandlung war 71 • Durch die Errichtung des Goldwährungsstandards 72 wurde ein Instrumentarium geschaffen, das nicht nur einen verläßlichen Rahmen für wirtschaftliche Transaktionen schuf, sondern das - über die Eintauschpflicht zu bestimmten Kursen und die sich daraus ergebenden sog. "Goldpunkte"- auch für eine ausgewogene Weltwirtschaftsentwicklung sorgte und notwendige Anpassungsmaßnahmen quasi erzwang. Die zu dieser Zeit zu verzeichnende beispiellose wirtschaftliche Blüte in Europa war also nicht das Produkt orthodoxen "freien" Wirtschaftens, sondern der wohlorganisierten Schaffung funktionstüchtiger Rahmenvorschriften und Funktionsbedingungen. Die Zwischenkriegszeit brachte in erster Linie Versuche, trotzdes Chaos von Kriegsschäden, Reparationslast und Weltwirtschaftskrise das disparate System wieder zu flicken. Im Währungsbereich geschah dies durch den Versuch der Wiederaufnahme des Goldstandards, was aber mangels der Einbeziehung der Einlösungspflicht zum Scheitern verurteilt war 73 . Im Handelsbereich versuchten vor allem die USA (NB: mittlerweile waren sie die konkurrenzfähigste Macht) im Wege bilateraler Handelsabkommen einschließlich der Meistbegünstigungsklausel74 zumindest ein größeres Maß an Liberalisierung zu erreichen. Die Erler, Grundprobleme, S. 59. Vgl. ICJ, Right of Passage over Indian Territory, ICJ Rep. 1960, S. 4ff., 41ff. 69 Zur Navigationsakte vgl. Grewe, Epochen, S. 343f. 70 Erler, Grundprobleme, S. 102f. 7 1 Z. B. Art. 1, 7 und 10 des deutsch-schwedischen Handels- und Schiffahrtsvertrages von 1911; RGBl 1911, Nr. 38, S. 267ff. 72 Eine zusammenfassende Darstellung bei Hauptmann, Geld der Welt, S. 118ff. 73 Er/er. Grundproblcmc. S. 81 ff. 67
68
3 Eiseistein
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A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
katastrophale Wirtschaftslage in den meisten Ländern der Erde und schließlich der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs ließen aber alle Anstrengungen über das Stadium des Experimentierens kaum hinauskommen.
2. Die Entstehung der Ordnung der Nachkriegszeit Teilweise schon während des Zweiten Weltkriegs sowie unmittelbar danach wurde auf energisches Betreiben der USA eine neue Phase der Liberalisierung eingeleitet. Entscheidende Stationen waren hier die Atlantik-Charta von 1941 75 , die Weltwährungskonferenz von Bretton Woods 1944 76 und die Verhandlungen über die Gründung der International Trade Organization und die HavannahCharta von 1948 77 • Zusammen mit den Vereinten Nationen sollte so ein umfassendes System der Kooperation errichtet werden 78 , das aus einer politischen (UN), monetären (IMF,IBRD) und einer realen (gütermäßigen, ITO) Seite bestehen sollte. Die Grundlagen des in Bretton Woods vereinbarten Weltwährungssystems sollten feste Wechselkurse und Konvertibilität i. V.m. einer faktischen Leitwährungsfunktion des Dollars sein, womit an die Vorteile der"konstanten Daten" der Zeit vor dem ersten Weltkrieg angeknüpft werden sollte, ohne den mittlerweile unrealistisch gewordenen Goldstandard wiederaufzu greifen. Darüber hinaus sollten den Mitgliedern finanzielle Ressourcen zugänglich gemacht werden, wofür die (Sonder)ziehungsrechte des Währungsfonds aber auch die Institution der Weltbank geschaffen wurden 79 • Das Welthandelssystem sollte grundsätzlich auf Freiheit und Nichtdiskriminierung beruhen, aber auch Fragen des Wettbewerbs- (Kartell-) rechts und der Entwicklungspolitik behandeln. Ihr rechtliches Kernstück, die ITO-Charta, scheiterte aber am Widerstand der USA, die offenbar eine zu weitgehende Bindung ihrer außenwirtschaftliehen Souveränität fürchteten 80. Immerhin gelang die (zunächst vorläufige) Inkraftsetzung der zollrechtliehen Bereiche in Form des GATT, das bis heute fast universale Geltungskraft errungen 81 und einen erheblichen Beitrag zur Durchsetzung von Nichtdiskriminierung, Meistbegünstigung, Liberalisierung, Kooperation und - last not least - Entwicklungsländerpräferenzierung geliefert hat 82 . Der wichtige Bereich des Kartell-
s
Trade Agreements Act. v. 12. 6. 1934, 19 US Code Annotatcd, 1351. EA S. 343 (Januar 1947). 76 Satzung des IMF z. B. in BGBl 1952 II, S. 637ff. ; vgl. auch EA S. 21 ff., 74ff. (1946), 1165ff., 1215ff. (1948). 77 EA 1329ff., 1485ff., 1547ff. 78 Punkt V der Atlantikcharta. 79 Vgl. Southard, Evolution, S. 1ff.; Albrecht Weber, Geschichte, S. 60ff. 80 So Weber (FN 79); allgemein zu diesem Thema Gross, Welthandel, 1950 und Diebold, The End, 1952. 8 1 122 beteiligte Staaten (1985); Text des GATT in UNTS 55, S. 187ff. (I Nr. 814). 82 Vgl. Weber (FN 79), S. 75ff. 74 75
III. Geschichtlicher Hintergrund
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rechts blieb aber ausgeklammert 83 • Nach dem teilweisen Zusammenbruch der monetären Seite der Wirtschaftsordnung durch das Ende des Systems stabiler Wechselkurse in den Jahren 1971 ff., wobei freilich der IMF als solcher, wenngleich mit geänderten Funktionen, erhalten blieb, ist das GATT schließlich das heute wesentlichste Element der "alten" Ordnung. Inwieweit die Bruchstücke und Reste ein konsistentes freies Weltwirtschaftsgebäude abzugeben vermögen, ist zweifelhaft. Immerhin ist schon jetzt anzumerken, daß das eben erwähnte System, so liberal es auch immer (gewesen) sein mag, nur einen Teil der Welt erfassen konnte, eben den der westlichen industrialisierten Staaten. Sowohl der Ostblock als auch die meisten Staaten der Dritten Welt blieben ihm, freiwillig oder gezwungen, fern und sind auch heute noch nur sehr vereinzelt vertreten (etwa durch wenige Ostblockstaaten im IMF). Ein neues "ius publicum europaeum" 84- hatte sich gebildet.
3. Die Herausforderungen in neuerer Zeit Die große Herausforderung der nach dem Zweiten Weltkrieg etablierten Wirtschaftsordnung (Ordnung gemeint im unter A. II. beschriebenen Sinne als "set of rules") ergab sich aus der politischen Unabhängigkeit der Länder der dritten Welt und der damit verbundenen Wandlung der Grundvoraussetzungen des internationalen Wirtschaftens 85 . Die Ansicht der neuen Staatenmehrheit, daß das internationale Wirtschaftsrecht in seinem gegenwärtigen Zustand einseitig die stärkeren Wirtschaftsmächte begünstige und den Graben zwischen Arm und Reich zementiere, ja erweitere 86, führte schon recht frühzeitig zu einzelnen Anpassungen und Erweiterungen. Das GATT wurde um Regelungen über die Präferenzbehandlung von Entwicklungsländern ergänzt 87 und parallel dazu entstand - sozusagen als "Gegenforum" zur Behandlung der speziellen Entwicklungsländerinteresssen- die UNCTAD 88 , die schon von Beginn an die Forderung nach Präferenzbehandlung der Entwicklungsländer erhob und mit der Einführung von Zollpräferenzsystemen mehrerer Industriestaaten zu Beginn der 70er Jahre erste Erfolge erzielte 89 . Auf der globalen Ebene der Vereinten Nationen kam es zur Proklamation der ersten Entwicklungsdekade 90 und die Zu den Kartellrechtskonferenzen Fikentscher, Wirtschaftsrecht I, S. 96f. Vgl. FN 24. 85 s. dazu oben A. Il. 3., 4. 86 Bericht der Brandt-Kommission I (FN 40) (englische Ausgabe), S. 39ff.; Kemper, Nationale Verfügung, S. 53ff., m.w.N. 87 Teil IV, Art. XXXVIff., angefügt 1965. 88 Einberufen durch Res. 1707 (XVI) v.19. 12. 1961 und Res. 1785 (XVII) v. 8.12.1962, Fundstelle Djonovich, UN Resolutions, Vol. VIII, S. 245 f. ; IX, S. 106f. ; zu den unterschiedlichen Tendenzen beider Institutionen vgl. Heiduk, Ordnungsprinzipien. 89 Z. B. Das Präferenzsystem der EG v. 1971; s. dazu noch unten Teil B. 90 Res. 1710 (XVI) v. 19. 12. 1961, Djonovich Vol. VIII, S. 248f. 83
84
3•
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A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
EG schloß ihr erstes Assoziationsabkommen mit den AASM-Staaten 91 . Im Laufe der Zeit geriet die Diskussion in einen immer grundsätzlicheren Kontext, wofür der mitunter verwendete Begriff der "kollektiven wirtschaftlichen Sicherheit" ein beredtes Beispiel ist 92 . Heute stehen Einzelfragen aus praktisch allen Bereichen des internationalen Lebens zur Debatte: - Im Bereich der Internationalen Arbeitsteilung geht es um die Industrialisierung der Entwicklungsländer, die bis zum Jahr 2000 25% der Weltindustrieproduktion erreichen wollen 93 , wozu Geldmittel 94 und technisches Know-How gefordert werden. - Aus dem Industrialisierungsziel folgen Forderungen für den Sektor des Technologietransfers, wobei eine entsprechende Verpflichtung der Industriestaaten behauptet wird. Seinen Niederschlag findet dies z. B. im Rahmen der neuen Seerechtskonvention 95 , aber auch darin, daß technisches Wissen teilweise dem "gemeinsamen Erbe der Menschheit" zugerechnet wird 96 • - In die gleiche Richtung zielt die Forderung auf präferentiellen Zugang von Verarbeitungserzeugnissen aufMärkte des "Nordens" 97 , sowie das Streben nach Stabilisierung der Rohstofferlöse bzw. Indexierung der Rohstoffpreise 98 , um so den Zustrom finanzieller Mittel zu sichern. - Hinsichtlich der natürlichen Ressourcen besteht eine wesentliche Forderung darin, die ständige, volle Souveränität über die im Herrschaftsgebiet eines Staates liegenden "Schätze" zu erlangen, wobei dieser Begriff weit auszulegen ist. Kernstück sind dabei die Behandlung multinationaler Unternehmen 99 und die Fragen des Enteignungsrechts, insbesondere hinsichtlich zu zahlender Entschädigungen 100.
s. dazu gleich unten B. I.l.a.aa. Präambel der Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten (CERDS) (FN 36), 7. Erwägung; vgl. zu allem Petersmann, International Economic Order. 93 Erklärung der Generalkonferenz der UNIDO 1975 in Lima, EA 1975, S. D 373fT. 94 Am bekanntesten ist die Forderung, daß die industrialisierten Staaten 0,7% ihres Bruttosozialprodukts für die öffentliche Entwicklungshilfe (1 % für die gesamte Hilfe) zur Verfügung stellen sollten : Res. 2626 (XXV) der Generalversammlung, International Development Strategy for the Second UN Development Decade v. 24. 10. 1970, Fundstelle in Djonovich (FN 88), Vol. XIII, S. 255fT., Ziff. 42, 43 ; zu völlig neuen Ansätzen der Entwicklungsfinanzierung vgl. Brandt-Bericht I (FN 40), KapitellS. 95 Art. 144 sowie der gesamte Teil XIV (Art. 266fT.); abgedruckt in ILM 1982, S. 12611T. 96 Vgl. z. B. Becker, Entwicklungskooperation, S. 94. 97 So die Forderungen der Entwicklungsländer auf den ersten beiden Welthandelskonferenzen, vgl. auch die Präferenzsysteme der Industriestaaten (Für die EG unten Teil B.). 98 Ziff. 4j der "Erklärung", Abschnitt I 3 des "Aktionsprogramms" (FN 36 und 47) ; Brandt-Bericht (FN 40), Kapitel9; Beispiele für Rohstoffabkommen unten B.l.l.a.gg. 99 Vgl. dazu Biet, Multinationale Unternehmen; Grewlich, Transnational Enterprises; Rittner, Die multinationalen Unternehmen, S. 221fT.; Simmonds, Legal Problems; Wa/lace, International Regulation; Wildhaber, Multinationale Unternehmen. 100 Art. 2 Ziff. 2c CERDS (FN 36), der einer der am meisten umstrittenen der gesamten Charta ist ; zu seiner Entstehungsgeschichte vgl. Stemberg, Charta, S. 74fT.; allgemein zum Thema: Akinsanya, Expropriation ; Dolzer, New Foundations, AJIL 1981, S. 553fT. ; Seid!91
92
III. Geschichtlicher Hintergrund
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- Umgekehrt sollenjenseits des eigenen Herrschaftsbereiches liegende Ressourcen (z.B. Meeresschätze) als "gemeinsames Erbe der Menschheit" betrachtet und dementsprechend einer internationalen Verwaltung unterstellt werden 101 . - Forderungen an die internationale Währungsordnung sind die SchalTung zusätzlicher internationaler Liquidität zugunsten der Entwicklungsförderung 102 sowie die Modifikation, wenn nicht sogar Aufgabe der Auflagenpolitik des IMF 103 • - Neben den erwähnten Hauptpunkten umfaßt die Diskussion noch unzählige andere Fragen, wie Nahrungsmittelhilfe 104, Energie, 105 Umweltschutz 106 Siedlungsprobleme 107 Eindämmung der Bevölkerungsexplosion sowie allgemein gesundheitliche Fragen 108, schließlich Erziehung und Bildung 109 und sogar Rüstung 110.
Institutionelles Forum der Debatte waren und sind eme Unzahl von Organisationen und Konferenzen, deren Haupt"arbeit" in der Mitte der 70er Jahre geleistet worden ist: - Die 6. Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete 1974 die Erklärung und das Aktionsprogramm über eine neue Weltwirtschaftsordnung m .
Hohenve/dern, Internationales Enteignungsrecht, S. 265fT.; Weston, Charter, AJIL 1981, S. 437fT. 101 Im RIO-Bericht (FN 38) findet sich auf den S. 94ff. eine weitreichende Ausarbeitung eines solchen Konzepts ; vgl. auch Arad u.a., Sharing Global Resources ; Bedjaoui, Remanences, S. 63 ; Schachter, Sharing the World's Resources; Schraven, RohstofTverwaltung. 102 RIO-Bericht (FN 38), S. 142ff. ; Brandt-Bericht (FN 40), 13. Kapitel. 103 In diesem Zusammenhang sei an verschiedene Unruhen im Zusammenhang mit Sanierungsmaßnahmen entsprechend den IMF-Vorstellungen, z. B. 1983 in Tunesien und Marokko erinnert. 104 ZifT. 4g der "Erklärung" (FN 36); Teil 12 des "Aktionsprogramms" (FN 47); RIOBericht (FN 38), S. 38fT., 152fT.; FAO-Konzept einer "neuen internationalen Ernährungsordnung" (Aktionsprogramm angenommen auf der Welternährungskonferenz 1974, ILM 1975, S. 266fT.; vgl. auch Bourrinet(Fiory, L'ordre alimentaire. 105 RIO-Bericht (FN 38), S. 163fT.; hier ist insbesondere der Zusammenhang mit der Ölkrise interessant, in deren Gefol~.e sich die Gruppe der "most severely afTected countries" (MSAC) herausgebildet hat; zur Olfazilität des IMF vgl. ILM 1974, S. 10251T. 10 6 RIO-Bericht (FN 38), S. 42f., 178ff. ; Art. 30 CERDS (FN 36); zur Stockholmer Umweltkonferenz v. 1972 und dem UNEP siehe ILM 1972, s. 14161T.; Rompczyk, Internationale Umweltpolitik. 107 RIO-Bericht (FN 38), S. 41f. ; HABITAT-Konferenz der VN 1976 in Vancouver, Yearbook of the UN 1976, S. 441 IT. 108 RIO-Bericht (FN 38), S. 37f.; Pannenborg, Health Order. 109 Damit in Verbindung stehend das Problem des "umgekehrten Technologietransfers" ("Brain Drain") infolge des Verbleibens der ausgebildeten Kräfte in den Industriestaaten. 110 Brandt-Bericht (FN 40), 7. Kapitel. 111 Vgl. oben FN 36 und 47.
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A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
- Die 29. ordentliche Generalversammlung der VN verabschiedete 1974 mit Mehrheit gegen die Stimmen vieler Industrieländer die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten (CERDS) 112 . - Die UNIDO-Generalkonferenz befaßte sich 1975 in Lima mit dem oben erwähnten 25%-Ziel der Industrialisierung 113 . - Die vierte UNCTAD-Konferenz in Nairobi 1976 erzielte eine Einigung über ein "Integriertes Rohstoffprogramm" mit einem "Gemeinsamen Fonds" als Kernstück 114. - Die Konferenz über internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit (1975-1977: "Globaler Nord-Süd-Dialog") befaßte sich mit übergreifenden Fragen der Weltwirtschaftsordnung, konnte jedoch nur in einem Teil der Fragen Einigkeit erzielen 115 . - Zahllose weitere Konferenzen behandelten Einzelfragen, wie etwa die Weltbevölkerungskonferenz116, die Welternährungskonferenz 117 , die Konferenz über menschliche Siedlungen 118 , die Weltbeschäftigungskonferenz 119, die Wasserkonferenz 120, die Seerechtskonferenz 121 u. v. m.
In neuererZeitist der Verhandlungsimpetus stark zurückgegangen. Insbesondere gelang eine Fortführung des globalen Dialogs nicht und zwei weitere UNCTAD-Konferenzen 122 blieben ohne besondere Ergebnisse. Desgleichen konnte auf diversen Gipfeltreffen 123 kein Fortschritt gemacht werden. Erschwerend wirkte in diesem Zusammenhang vielfach weniger die Palette an Einzelfragen als der bereits erwähnte Streit um allgemeine Prinzipien der künftigen Wirtschaftsordnung und ihre grundsätzliche Ausrichtung an markt- oder planwirtschaftliehen Philosophien, also das Gegenüberstellen von Freiheit und
Res. 3281 (XXIX), FN 36. s. oben FN 93. 114 Dokumente der UNCTAD-Konferenz in EA 1976, S. D 402ff.; Abkommen über den Gemeinsamen Fonds in ILM 1980, S. 896ff. 115 Dokumente der KIWZ in EA 1976, S. D 126ff., D 423fT. und 1977, S. D 469ff. 116 August 1974 in Bukarest, Yearbook ofthe UN 1974, S. 550ff.: Ergebnis: Weltbevölkerungs-Aktionsplan. 117 Vgl. FN 104. 118 Vgl. FN 107. 119 Juni 1976 in Genf, 10. Gesamtbericht der EG (1976), Ziff. 497 (S. 280). 120 März 1977 in Mar del Plata, Yearbook of the UN 1977, S. 553ff.: Ergebnis: Aktionsplan. 121 1973 -1982; vgl. dazu Herber, Seerechtsübereinkommen, RIW 1984, S. 337ff.; Jänicke, Dritte Seerechtskonferenz, NJW 1983, S. 1936ff.; Wolf, Dritte Seerechtskonferenz; Fundstelle der Konvention in ILM 1982, S. 1261.ff.; vgl. auch Platzöder(Graf Vitzthum, Seerecht, als Dokumentensammlung. 122 1979 in Manila und 1983 in Belgrad; vgl. EA 1979, S. D 531ff.; 17. Gesamtbericht der EG (1983), Ziff. 756 (S. 308f.). 123 Z. B. Cancun-Gipfel v. 22./23. 10. 1981, vgl. Bull-EG 1981-10, Ziff. 2.2.10 sowie die verschiedenen, jährlich stattfindenden Weltwirtschaftsgipfel der führenden Industriestaaten. 112 113
III. Geschichtlicher Hintergrund
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Dirigismus, von Souveränität und Solidarität. Das Abgleiten der Diskussion ins Grundsätzliche ist somit ein Kernstück der zu untersuchenden Problematik.
4. Phasen der Weltwirtschaftsgeschichte? Der kurze Überblick über die Entwicklung der weltwirtschaftliehen Regelungen mag dazu verleiten, etwa fünf grundsätzliche Phasen mit jeweils alternierendem Schwerpunkt auf Reglementierung und Freiheit zu unterscheiden: Den Merkantilismus, die Freihandelsära, die Schutzzollzeit, die Wiederherstellung der Ordnung nach dem zweiten Weltkrieg 124 und die jetzt einsetzende Entwicklung einer "neuen" (dirigistischen, vgl. den Anfang dieses Abschnitts) Weltwirtschaftsordnung 125 • Jedoch greifen derartige Vergröberungen zu kurz. Trotz grundsätzlicher Richtigkeit einer Periodisierung, die dann akzeptiert werden kann, wenn man sie als Beschreibung von Tendenzen wertet, war die Praxis in der Vergangenheit (wie auch heute, wo das "Neue" von einem übergroßen Anteil von "Altem" durchaus aufgewogen wird 126) stets durchwachsen, wofür einige Beispiele genügen mögen. Gewisse Ansätze einer Anerkennung von "gemeinsamen Gütern" (der Terminus des "Gemeinsamen Erbes" soll insoweit bewußt nicht gebraucht werden) finden sich schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Gestalt der internationalen Flußkommissionen 127 wenngleich auf einer organisatorisch noch relativ niederen Ebene. In die Richtung "Bewirtschaftung knapper Ressourcen" ging die Schaffung eines institutionellen Rahmens für den Fernmeldeverkehr 128 und erste Rohstoffabkommen finden sich schon lange vor dem ersten Weltkrieg 129 und natürlich auch zwischen den Weltkriegen 130. Gezielte Marktabschottung und - als Gegenstück - Ausfuhrförderung waren Kernelemente des Colbert'schen Merkantilismus und das Embargo zu politischen Zwecken hat ebenfalls eine lange Tradition (Kontinentalsperre). Umgekehrt spielen Freiheit und Souveränität, "Deregulation" und Privatinitiative auch heute noch - trotz aller gegenteiligen Forderungen- eine wichtige Rolle und werden- etwa im 124 Die mehr oder minder chaotisch verlaufeneu Jahre von 1914 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs können dabei außer acht gelassen werden. 125 Vgl. eine ähnliche Einteilung bei Fik entscher, Wirtschaftsrecht I, S. 88ff. 126 Vgl. Oppermann (FN 53). 127 Am bekanntesten ist die Rheinschiffahrtsakte v. 1868, die noch heute gilt, Fundstelle i. d. F. v. 11. 3. 1969, BGBl 1969 II, S. 597 ff. 128 Internationale Telegrafenunion 1865-1932, Internationale Fernmeldeunion seit 1932; BGBI1976 II, S. 1089ff. 1 29 Pariser Zuckerkonvention v. 1864 ; Brüsseler Zuckerkonvention v. 1902. 130 Internationale Zuckerabkommen v. 1931 und 1937 ; Zinnabkommen v. 1931; Weizenabkommen v. 1933; Teeabkommen v. 1933 ; Gummiabkommen v. 1934; weitere Beispiele bei Weber (FN 79), S. 56fT.
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A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
Vorgehen der Entwicklungsländer gegen den "neuen Protektionismus"- auch als grundsätzliche Standpunkte gebilligt. Nichtsdestoweniger ist die Auseinandersetzung um die Zukunft der Weltwirtschaft, wie erwähnt, ins Grundsätzliche abgeglitten. Ungeachtet vielfacher Übereinstimmungen wird um allgemeine Prinzipien, deren Gewichtung und deren Wandel gerungen. Welche Bedeutung das für die Diskussion und die künftig mögliche Ordnung hat, soll im folgenden dargestellt werden.
IV. Die Bedeutung der Rechtsgrundsätze und Prinzipien für die Diskussion Wie im vorangegangenen Abschnitt angedeutet, ist die Auseinandersetzung über die dem internationalen Wirtschaftsrecht zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätze (Prinzipien) in den letzten Jahren im Zuge der Diskussion über eine "neue Weltwirtschaftsordnung" mit besonderer Heftigkeit aufgeflammt und zum eigentlichen Hindernis für konstruktive Fortschritte geworden. Die grundsätzliche Kritik der Entwicklungsländer am gegenwärtigen System, die darauf basiert, daß dieses schon vor seiner Anlage her nicht geeignet sei, für eine "gerechte" Verteilung des Weltwohlstandes zu sorgen 131 , hat auch die Politiker und Wissenschaftler aus den großen Industrienationen veranlaßt, die grundsätzlichen Fragen aufzugreifen 132 • Dabei ist, nach einer Phase des Abwehrensund Sich-Sträubens, jetzt eine zunehmend konstruktive Haltung festzustellen, die sich in dem Versuch äußert, die eigenen Vorstellungen über allgemeine Prinzipien auszudifferenzieren und an die - z. T. unbestrittenen - neuen sachlichen Herausforderungen anzupassen. In diesen Zusammenhang gehört z. B. die Arbeit des UNITAR 133 oder auch der International Law Association (ILA) 134, zu der jetzt mehr und mehr eigene Konzepte aus entwickelten Ländern beitragen 135, sowie Äußerungen verschiedener Völkerrechtslehrer 136 •
13 1 Programm über kollektive Selbstverantwortung von Arusha 1979, EA 1979, S. D 1991f., insbes. Zilf. 17ff., Verloren van Themaat, Changing Structure, S. 31f., 6. 132 Z.B. Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats bei Bundeswirtschaftsministerium, AVR 20 (1982), S. 821f. 133 UN Institute for Training and Research, Studien DS I 4 und DS I 5, vgl. FN 153. 134 Third Report of the Committee on Legal Aspects of a New International Economic Order to the Paris Conference (1984) of the ILA, insbes. Ziff. 62ff. 135 U.a. auch eine deutsche Stellungnahme, vgl. FN 134 Ziff. 64; dazu allgemein Oppermann (FN 1), S. 4491f. 136 Z. B. Verloren van Themaat, Changing Structure; Kimminich, Völkerrecht und neue Weltwirtschaftsordnung, AVR 20 (1982), S. 2ff.
IV. Die Bedeutung der Rechtsgrundsätze und Prinzipien
41
1. Die Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten Erster großer Versuch, einen Prinzipienkatalog von weiterreichender und grundsätzlicher Bedeutung für die Umgestaltung der Weltwirtschaft zu schaffen, war die von der Generalversammlung der Vereinten Nationen 1974 verabschiedete sogenannte "Charta der wirtschaftlichen Rechte und Pflichten der Staaten" (CERDS) 137 • Sie ging auf Resolution 45 (III) der dritten Welthandelskonferenz (UNCTAD) von 1972 zurück, welche die Bedeutung der Prinzipien für eine "gerechte Ordnung" hervorhob. Angesichts der Situation der Entwicklungsländer sei es notwendig, allgemein anerkannte Normen aufzustellen, die auf dem Selbstbestimmungsrecht der Völker und der freien Verfügbarkeit und gerechten Nutzung der wirtschaftlichen Ressourcen basierten 138 • Nach beinahe zweijähriger Diskussion zwischen den beteiligten Staatsgruppen, bei der in Einzelaspekten durchaus verschiedene Kompromißlösungen greifbar schienen, die grundlegenden Fragen aber doch strittig blieben, drängten die Entwicklungsländer auf der 29. Generalversammlung zu Abstimmung. Da vor allem Art. 2 mit seiner Regelung von Enteignungsfragen auf den erbitterten Widerstand der westlichen Industrieländer stieß, erhielt die Charta zwar mit 120 Ja-Stimmen die erforderliche Mehrheit, mußte aber auch 6 Nein-Stimmen und 10 Enthaltungen hinnehmen 139 . Die in Form einer Generalversammlungsresolution verabschiedete Charta, der als solcher wegen Art. 10 UN-Charta keine bindende Wirkung zukommen kann 140, basiert auf einer Kombination mehrerer allgemeiner Rechtsprinzipien, die bereits vorher von der sechsten Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen in der "Erklärung über die Errichtung einerneuen Weltwirtschaftsordnung" entworfen worden waren 141 • Kernstück ist der Grundsatz der "ständigen Souveränität" über natürliche Ressourcen, wirtschaftliche Betätigung und die (natürlichen) Reichtümer der Staaten schlechthin (wichtigste Fundstellen: Kapitel I lit. a, Kapitel II, Art. 2), einem Prinzip, das insbesondere hinsichtlich der wirtschaftlichen Betätigung ausländischer Investoren (Enteignungsrecht !) zu erheblichen Kontroversen geführt hat, aber auch im Bereich der finanziellen Hilfen insbesondere durch den 137 Charter ofEconomic Rights and Duties ofStates (CERDS), Res. GA 3281 (XXIX) v. 12. 12. 1974, abgedruckt z.B. in ILM 14 (1975), S. 251ff. (vgl. auch FN 36); dazu vgl. Petersmann, Charter. 138 Abgedruckt in Mutharika, International Law of Development, Basic Documents, Vol. 2, S. 890ff. 139 Ablehnend u. a. die Bundesrepublik, Großbritannien und die USA ; Frankreich enthielt sich der Stimme; zum Verlauf der Verhandlungen Stemberg, Charta, S. 22 ff.; vgl. auch Tomuschat, Charta, ZaöRV 1976, S. 444ff. 140 s. dazu noch unten C. 141 Res. GA 3201 und 3202 (S- VI) v. 9. bzw. 16. 5. 1974, ILM 13 (1974), S. 715ff., 720ff. (vgl. FN 36 und 47).
42
A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
Weltwährungsfonds und der damit verbundenen Auflagen große Bedeutung hat. Seine logische Ergänzung findet die Souveränitätsbetonung in den in Kapitel I aufgelisteten weiteren Prinzipien des Aggressions- und Interventionsverbots (Lit. c und d), der friedlichen Koexistenz (Lit. f), des Selbstbestimmungsrechts (Lit. g), der Verpflichtung zur friedlichen Streitbeilegung (Lit. h) und des Verbots von Hegemoniebestrebungen (Lit. 1). Jeder Staat soll nicht nur das Recht haben, seine eigene innere Ordnung frei zu gestalten (II, 1), sondern darüber hinaus alle wirtschaftliche Betätigung innerhalb seiner Grenzen seinem Recht unterstellen können. Für die Industriestaaten besonders störend ist insoweit zum einen die starke Betonung des nationalen Rechts auch in Fragen der Enteignung (II, 2 Ziff. 2c), sowie das Konzept der vollen und permanenten Souveränität, das Investitionsschutzverträge mit Stabilisierungsklauseln (Garantie, .daß eine Enteigung oder Entwertung der Investition durch nationales Recht nicht oder nur unter bestimmten Umständen erfolgen soll) de facto entwertet 142 . "Permanent Sovereignty" erscheint in der Charta in Übereinstimmung mit der vorherrschenden Meinung in den Entwicklungsländern wegen seines Zusammenhangs mit dem Selbstbestimmungsrecht der Völker als "ius cogens", angesichtsdessen Vertragsklauseln zurücktreten müßten 143 , während die westliche Völkerrechtslehre vertragliche Bindungen gerade als Manifestation der Souveränität sieht und im "pacta sunt servanda" keinen Widerspruch zu ihr zu entdecken vermag 144. Wie sich schon aus dem in der Charta der Vereinten Nationen (Art. 2 Nr. 1) auftauchenden und in der CERDS (Kapitel I, Lit. b) wiederkehrenden Begriff der "souveränen Gleichheit" ergibt, ist ein weiteres Hauptanliegen der letzteren die Ausgestaltung des Gleichheitsgebots. Hier verbindet sich die Betonung der formalen Staatengleichheit einerseits (Kapitel I lit. g: gleiche Rechte) mit dem Prinzip der materiellen Gleichheit i. S. v. Entwicklungszusammenarbeit und Präferenzbehandlung (Kapitel I lit. n, Kapitel II, Art. 18) andererseits. Die Betonung der Entwicklungsbedürfnisse und die Forderung nach Sonderbehandlung der Entwicklungsländer durchzieht die gesamte Charta wie ein roter Faden, etwa in Fragen von Erzeugerzusammenschlüssen (II, 5), Handelsausweitung (II, 6, 14) Kooperation (II, 8, 9, 11), Technologietransfer (II, 13) u. v.m. Insbesondere die bislang freiwilligen Zollpräferenzsysteme sollen hier als verbindlich festgeschrieben werden (II, 18) 145 •
142 Zu Stabilisierungsklauseln Jimenez de Arechaga, International Law, RdC 159 (1978 1), S. 11T., insbes. S. 307fT.; dagegen Brownlie, Legal Status, RdC 162 (1979 1), S. 245fT., insbes. S. 308fT.; allgemein Elian, Principle of Permanent Sovereignty. 143 Brownlie (FN 142), S. 308fT. ; Bejahung eines "ius cogens"-Charakters z.B. durch Chowdhury, Report to the ILA Committee 1984, § 49 I. 144 Oppermann (FN 1), S. 457f. ; so ausdrücklich auch Res. 1803 (XVII), Permanent Sovereignty over Natural Resources, Djonovich, Vol. IX, S. 107f., Ziff. I. 8, wenngleich unter Vorbehalt der Erfüllung in Treu und Glauben. 145 Stemberg, Charta, S. 129.
IV. Die Bedeutung der Rechtsgrundsätze und Prinzipien
43
Ein besonderes Augenmerk gilt ferner der Beteiligung der Staaten im internationalen Entscheidungsfindungsprozeß und in der Arbeit Internationaler Organisationen, wo im wesentlichen wieder die formale Staatengleichheit (One State, One Vote) im Gegensatz zur Staatengewichtung nach Beiträgen (IMF, IBRD) betont wird (vgl. II, 10). Drittes Standbein von CERDS ist das in dieser Form neu auftretende Prinzip der Solidarität in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen, das seine konkrete Ausformung in der Verpflichtung zur Kooperation und Rücksichtnahme (Kapitel I lit. n, Kapitel II, Art. 9, 11, 14, 17, 24 usw.) und in einem behaupteten Anspruch der Entwicklungsländer auf Unterstützung (Kapitel I Iit. i, m, n, Kapitel II, Art. 14) findet. Dieser Grundsatz wird durch die Forderung nach "Gerechtigkeit" (Equity, Kapitel 1lit. e, i, m, Kapitel II Art. 8 usw.) und "Treu und Glauben" (Kapitel I lit. j) ergänzt. Verhältnismäßig kurz faßt sich CERDS hingegen im Bereich der Wirtschaftsfreiheit. Neben dem Souveränitätsprinzip, das ja letztlich eine Freiheitsgarantie für Staaten darstellt, kommt die Individualfreiheit für einzelne Wirtschaftssubjekte etwas zu kurz. Insbesondere fällt hier Art. 14 von Kapitel II auf, der von einer Fortentwicklung der Handelsfreiheit und der Beseitigung von Handelshemmnissen spricht, dies aber wieder unter ein ganzes Bündel von Vorbehalten stellt. Vor allem tauchen auch hier wieder die Entwicklungsländer auf, deren Handelsmöglichkeiten " in an equitable way" verbessert werden sollen, was letztlich wohl kaum anders als durch irgendwelche Reglementierungen und Beschränkungen für andereAnbietermöglich ist. Darüberhinaus unterstellt die starke Betonung der Souveränität insbesondere in der Form, die in Art. 2 Eingang gefunden hat, die Wirtschaftsfreiheit der Privaten dem praktisch unkontrollierten Belieben des Gaststaates 146 •
2. Der Ansatz Verloren van Themaats Im Anschluß an den Diskussions"schub" über eine "neue Weltwirtschaftsordnung" in den frühen siebziger Jahren hat eine Gruppe niederländischer Wissenschaftler in 29 Einzelstudien die wichtigsten internationalen Organisationen auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts im Hinblick aufbestehende bzw. sich verändernde und entwickelnde allgemeine Prinzipien im internationalen Wirtschaftsrecht untersucht. Eine Zusammenfassung ihrer Ergebnisse durch Pieter Verloren van Themaat ist 1981 in englischer Sprache erschienen 147 • Die Untersuchung, die stark auf dem Gedankengut der CERDS aufbaut ohne jedoch 146 Vgl. Stemberg, Charta, S. 52fT. ; einige kritische Stimmen und Gegenvorschläge zur gesamten Charta bei Verloren van Themaat, Changing Structure, S. 297fT. 147 The Changing Structure of International Economic Law, 1981 (vgl. FN 28).
44
A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
ihre Eigenständigkeil aufzugeben, systematisiert das internationale Wirtschaftsrecht mittels einer Trias von übergeordneten "basic principles" und daraus abgeleiteten Einzelgrundsätzen 148 • Erstere setzt sich zusammen aus Freiheit, Gleichheit und Solidarität, während zur zweiten Gruppe Prinzipien wie Gegenseitigkeit und Meistbegünstigung, aber auch Präferenzbehandlung, Billigkeit, Inländerbehandlung und Mindeststandard, sowie das Prinzip der "offenen Tür" zählen. Nach Verloren 149 ist das Prinzip der Gleichheit gewissermaßen der Urgrund des internationalen Wirtschaftsrechts. Ihre konkrete Ausgestaltung habe diese Gleichheit in Rechtsformen wie der Meistbegünstigung, der Reziprozität und der Inländerbehandlung gefunden, wobei letztere offenbar den ersten Ansatz für eine positive Normierung von Freiheit im Gegensatz zur Freiheit i. S. v. Abwesenheit rechtlicher Regelungen darstellt. Das Gleichheitsprinzip modifizierte sich sodann nach Verloren durch Hinzukommen von Attributen wie "souveräne" Gleichheit oder Gleichheit im Hinblick auf Wettbewerbschancen, also letztendlich in Richtung auf materielle Gleicheit (substantive equality). Weiterhin sei auch zunehmend die Gegenseitigkeitsforderung aufgegeben worden. Zusammen mit dem Souveränitätsbegriff und seiner konkreten Ausformung als Selbstbestimmungsrecht sei schließlich das Prinzip der Solidarität entstanden. Grundlegende Existenzbedingungen für die klassischen Standardnormen seien das Bestehen souveräner Staaten mit völkerrechtlicher Vertragsschlußkompetenz, die Anwesenheit von handeltreibenden Rechtssubjekten innerhalb dieser Staaten und die Vertragsfreiheit gewesen 150 . Auch für die - allerdings erst in der Entstehung befindliche - (Welt)-"Wirtschaftsverfassung" bzw. eine Charta wirtschaftlicher Rechte und Pflichten seien die drei erwähnten Grundprinzipien tragfahig 151 • Trotz der Stringenz der Ableitungen Verlorens bleibt der Nutzen seines Ansatzes sehr fraglich. Mag man auch anerkennen, daß z. B. Solidarität rein tatsächlich notwendig ist und auch vielfach geübt wird, und daß ihr jedwede rechtliche Qualifikation nicht abgesprochen werden kann, beginnt damit das wirkliche Problem doch erst. Unbeantwortet bleiben viele konkrete Fragen, wie Adressat und Justitiabilität sowie die Einbettung des Prinzips in konkrete rechtliche Beziehungen. Unbestreitbar ist etwa "Solidarität" ein Rechtsprinzip innerhalb einer Staatengemeinschaft wie der EG 152, aber für allgemeine internationale Beziehungen ist sie wohl nicht nachweisbar. Auch in ihrer Wirkungsweise sind Differenzierungen angezeigt: Hier erweist sich "Solidarität" ähnlich wie "Equity" als Hilfsprinzip zur Auslegung, Konkretisierung und 148 A.a.O., S.l97; vgl. davor schon ders. , Aufgabe der Rechtswissenschaft, RabelsZ 1979, S. 632fT. 149 A.a.O., S. 192fT. 150 A.a.O., S. 193. 151 A.a.O., S.197. 152 Vgl. etwa Art. 5 EWGV und das Prinzip der Gemeinschaftstreue.
IV. Die Bedeutung der Rechtsgrundsätze und Prinzipien
45
Modifikation anderweit begründeter Rechtspflichten, nicht aber als selbständige Anspruchsgrundlage, aus der etwa ein bestimmter Staat von einem anderen bestimmten Staat ein bestimmtes Verhalten verlangen könnte.
3. Die UNITAR- und !LA-Prinzipien Wie bereits erwähnt, arbeitet das UN Institute for Training and Research (UNITAR) im Auftrag der Generalversammlung der Vereinten Nationen an einer Studie über Rechtsprinzipien einer "neuen Weltwirtschaftsordnung" 153 . Ebenso besteht ein Unterkomitee der International Law Association (ILA) mit dem gleichen Arbeitsgebiet 154, wobei die von UNITARentwickelten Prinzipienlisten deren wesentliche Diskussionsgrundlage bilden. In deutlicher geistiger Verwandschaft mit der CERDS finden sich hier 155 -
die Präferenzbehandlung zugunsten der Entwicklungsländer,
-
die Stabilisierung der Exporterlöse der Entwicklungländer,
-
die "ständige Souveränität über natürliche Ressourcen",
-
das Recht eines jeden Staates, von Wissenschaft und Technologie zu profitieren,
-
das Recht auf Unterstützung im Entwicklungsprozeß (right to development assistance),
-
"participatory equality" 156 der Entwicklungsländer in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen,
-
das "gemeinsame Erbe der Menschheit",
-
sowie Billigkeit und Solidarität.
Wie bereits bei oberflächlicher Lektüre dieses Katalogs deutlich wird, fehlt dem Ansatz sowohl die innere Ausgewogenheit hinsichtlich der Ziele und Interessen aller an der Weltwirtschaft beteiligten Staaten und Staatengruppen, als auch die Systematik der Arbeit Verloren van Themaats. Darüber hinaus verwischen sich hier die Konturen hinsichtlich der rechtlichen Einordnung. Bereits der Titel der UNITAR-Studie ("Progressive Development of the 1s 3 Progressive Development of the Principles and Norms of International Law Relating to the New International Order; bereits erschienen sind zwei Studien, eine erste"Compendium"-UNITAR/ DS / 4 v. 25. 9. 1981 und eine zweite - "Analytical Papersand Analysis of Texts of Relevant Instruments"-UNITAR / DS/5 v. 15. 8. 1982; vgl. A/39/504 / Add. 1 v. 23. 10. 1984. 1 s4 Dazu ILA, Report of the 60th Conference Held at Montreal (1982), London 1983, S. 183ff., sowie 3. Bericht des Unterkomitees an die 61. Konferenz in Paris (1984) (noch nicht veröffentlicht). Iss 3. Bericht (FN 154), Ziff. 67. 1 s6 Gemeint ist die Umgestaltung des Entscheidungsfindungsprozesses in internationalen Wirtschaftsbeziehungen, also insbesondere das Abstimmungsverfahren und die Stimmengewichtung in internationalen Organisationen i. S.d. weitergehenden Gleichberechtigung der Entwicklungsländer.
46
A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
Principles and Norms ...")zeigt dies mit hinreichender Deutlichkeit. Zum einen beinhaltet der Begriff des "Prinzips" sowohl rechtliche Normen besonders hohen Ranges und allgemeinen Anspruchs, als auch einfache Konzepte und Grundsätze außerrechtlichen Charakters 157 . Die Verwendung von "progressive development" " ... refers to the evolutionnot only ofthe substance ofthe norms, but also of their legal status, i. e. their progress towards being generally accepted as law •.• " 158 • Dieses Manko sowie das offensichtliche Fehlen der mit Wirtschafts- und Handelsfreiheit zusammenhängenden Grundsätze hat u. a. die deutsche Sektion der ILA zu einer Gegenstellungnahme veranlaßt, in der - abgesehen von der Einzelkritik an bestimmten "Prinzipien" der zitierten Liste- die Vertragsfreiheit, aber auch die Grundsätze des "pacta sunt servanda", des Investitionsschutzes und der friedlichen Streitbeilegung als zusätzliche Punkte auf der Agenda der Diskussion angeführt werden. Ebenso wird eine deutliche Trennlinie zwischen Recht und Nicht-Recht propagiert 159 • 4~
Die Position der westlichen Völkerrechtswissenschaft
In seinem 1956 erschienenen grundlegenden Werk zum internationalen Wirtschaftsrecht hat Georg Er/er, 160 noch völlig unbeeinflußt von irgendeiner Diskussion über eine etwa erforderlich werdende "neue" Weltwirtschaftsordnung, den Grundbestand westlicher Vorstellungen über allgemeine Prinzipien dieses- nochjungen- Rechtsgebietes niedergelegt. Als "rechtliche Grundkonzeptionen" in diesem Sinne identifizierte er zunächst einmal gewisse "Aufbauelemente" zivilisatorischen Rechts, wie sie in dem Privateigentum und der Vertragsfreiheit zu sehen seien. Diese beiden Grundprinzipien sind für Er/er so wichtig, daß deren Ablehnung oder tiefgehende Modifizierung durch einzelne Staaten oder Staatengruppen zur Zerrüttung, wenn nicht zum Schisma in den international-wirtschaftlichen Beziehungen führen müsse 161 • Neben diesen Fundamentalnormen identifiziert Er/er in Anlehnung an Schwarzenherger 162 den Grundsatz der "gleichmäßigen Behandlung" (Gegenseitigkeit, Gleichbehandlung, Meistbegünstigung, Prinzip der "offenen Tür"), aber auch schon die Präferenz und die Billigkeitsbehandlung. Da Er/er sofort erkennt, daß die soeben aufgezählten Begriffe mit mannigfachen Inhalten angefüllt werden können, kommt er zu der Aussage, daß es sich hier um Äußerungen einer Grundanschau-
157 UNITAR A/39/504 Add. 1 v. 23.10. 1984, S. 34f. ; Petersmann, International Economic Order. 158 UNITAR (FN 157), S. 36. 159 Dazu noch unten 7. 160 Er/er, Grundprobleme des Internationalen Wirtschaftsrechts, 1956 (vgl. FN 32). 161 A.a.O., S. 12. 162 Schwarzenberger, Standards oflnternational Economic Law, ICLQ 1948, S. 402ff., 405ff.
IV. Die Bedeutung der Rechtsgrundsätze und Prinzipien
47
ung handelt, die das wirtschaftliche Zusammenwirken aller Länder und ihrer Angehörigen als einen rechtlich sanktionierten Grundsatz ansehe und lediglich in der Ausgestaltung im Einzelfall Unterschiede erlaube 163 • Besonders erwähnenswert ist für ihn die Etablierung des Grundsatzes der Inländerbehandlung in den sogenannten "klassischen" Handelsverträgen (bis in die 30er Jahre). Charakteristisch an Erlers Ansatz ist die starke Betonung des Spielregelcharakters der Grundprinzipien des internationalen Wirtschaftsrechts. Unter Betonung der Möglichkeit, bestimmte konkrete Wirtschaftsbeziehungen inhaltlich von Fall zu Fall durchaus unterschiedlich zu gestalten, verweist er auf die dann um so größere Wichtigkeit der Beachtung eines (formellen) Rahmens bei der aktiven Mitwirkung im internationalen Wirtschaftsleben, "wenn nicht die gesamte Gemeinschaftsbeziehung zusammenbrechen soll" 164. Zehn Jahre nach Erlers grundlegendem Werk hat Georg Schwarzenherger die Diskussion über das "allgemeine internationale Wirtschaftsrecht" um eine durchgehende, stringente Systematisierung bereichert 165 • Als quasi abstrakteste Ebene identifiziert er hinter dem internationalen Wirtschaftsrecht "working principles", die dieses mit dem Völkerrecht generell gemeinsam habe 166 . Diese seien das "Recht der Macht", das "Recht der Koordination" und das "Recht der Gegenseitigkeit", wobei er das Wirtschaftsrecht als von der Macht weniger beeinträchtigt sieht als andere Bereiche des Völkerrechts. Unterhalb dieser Ebene erscheinen Prinzipien und Standards, wobei letztere entwicklungsgeschichtlich den ersteren vorangingen. Prinzipien seien reine Abstraktionen des überreichen Vertragsmaterials, in dem bestimmte Standardklauseln zu finden seien 167 • Nach Schwarzenherger haben sich im "klassischen" internationalen Wirtschaftsrecht vor allen sieben verschiedene Standards etabliert: -
der Minimumstandard,
-
der Standard der Präferenzbehandlung,
-
der Meistbegünstigungsstandard,
-
der "national standard" (Inländerbehandlung),
-
der Gleichbehandlungsstandard (Behandlung der Staatsangehörigen des Partnerstaates entsprechend der Behandlung der eigenen Staatsangehörigen durch diesen Staat),
-
der Standard der "offenen Tür" und
-
der Standard des "equitable treatment".
Ebenda. A. a. 0., S. 13; vgl. dazu noch unten C. I. 16 5 The Principles and Standards of International Economic Law, RdC 117 (1966 I) S. 1 ff. (vgl. FN 33). 166 A.a.O., S. 25f. 167 A.a.O., S. 66f. 163
164
48
A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
Als Prinzipien tauchen in erster Linie die wirtschaftliche Souveränität samt ihren Begrenzungen durch wirtschaftliche Interdependenz 168 und die Freiheit auf, letztere in den konkreten Erscheinungsformen der Handelsfreiheit, der Kommunikationsfreiheit und der Freiheit der Meere 169. Schwarzenherger zieht aber noch eine weitere Trennlinie, indem er die soeben erwähnten Freiheitsgrundsätze als "functional" bzw. "optional principles" bezeichnet. Gemeinsames Charakteristikum dieser Gruppe sei ihr konsensabhängiger Charakter, obwohl einzelne Elemente durchaus den Charakter von Gewohnheitsrechtsnormen angenommen haben 170 • Schwarzenherger sieht also ebenfalls die Bedeutung des Abgrenzens von allgemeingültigem Recht und bloßer "Option". Daß zu ersterem weniger gehört als oft vermutet, zeigt sich bei ihm in aller Deutlichkeit : Letztlich ist nur die Souveränität übrig geblieben. In der Tradition von Erler zeigt sich auch die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundeswirtschaftsministerium zu Fragen einerneuen Weltwirtschaftsordnung 171 . Ohne selbst einen konkreten Prinzipienkatalog zu entwickeln, durchleuchtet der Beirat doch einige Funktionsbedingungen für eine künftige Ordnung, wobei grundsätzlich gewisse Reformen und Anpassungen angesichtsreal existierender Unzulänglichkeiten anerkannt werden. Besondere Kritik wird hier den Ungleichgewichtigkeiten und Funktionsstörungen der Welthandels- und Weltwährungsordnung (z.B. Inflation) zuteil. Auch das Wohlstandsgefälle zwischen armen und reichen Ländern wird gesehen. Aus diesem Befund entwickelt der Beirat folgende generelle Zielvorstellungen für eine reformierte Weltwirtschaftsordnung 172 : -
Verbesserung und verbindlichere Gestaltung der direkten Umverteilung von Einkommen zugunsten der Entwicklungsländer,
-
Verbesserung der weltwirtschaftliehen monetären Ordnung,
-
Verbesserung des Schutzes der Schwachen, Kontrolle von Wirtschaftsmacht und Eingriffe zur Beseitigung von unerwünschten externen Effekten,
-
Ergänzung und Verbesserung der Welthandelsordnung insbesondere zur Erhöhung der Industrialisierungschancen in den Entwicklungsländern.
Allerdings weist der Wissenschaftliche Beirat daraufhin, daß eine Reform der internationalen Wirtschaftsordnung drei Funktionsbedingungen genügen müsse 173 , was bei den gegenwärtigen Vorstellungen der Entwicklungsländer noch nicht der Fall sei. Erstens sei zu beachten, daß alle Staaten in der künftigen 168 169 170 171 172
173
A.a.O., S. 27ff. A.a.O.,S.43ff. A.a.O., S. 44f. Fragen einerneuen Weltwirtschaftsordnung, AVR 20 (1982), S. 82ff. A.a. O., S. 86f. A.a.O., S. 88ff.
IV. Die Bedeutung der Rechtsgrundsätze und Prinzipien
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Ordnung ihre Interessen verwirklicht sehen müßten, während die gegenwärtigen Konzepte zu einseitig entwicklungsländerorientiert seien. Zweitens müsse nach dem Prinzip der "Maßnahmeeffektivität" verfahren werden, wohingegen zur Zeit nur auf kurzfristige Erfolge gesehen werde. Drittens schließlich müsse dem Prinzip der Trennung der Aufgabenbereiche genügt werden, wonach die großen Perspektiven der Allokation (effiziente Verteilung der knappen Ressourcen), der Stabilisierung (Maßnahmen gegen Störungen des Allokationsmechanismus) und der Distribution (partieller Ausgleich der internationalen Wohlstandsunterschiede) deutlich voneinander getrennt, aber gleichwohl aufeinander bezogen und durch ein Bündel von Regeln und Maßnahmen verwirklicht werden müßten 174•
5. Der RIO-Bericht Wie sich aus diesem kurzen Diskussionsüberblick schon ersehen läßt, liegen die Meinungen über Prinzipien und Grundsätze einer künftigen Weltwirtschaftsordnung noch sehr weit auseinander. Die Divergenzen beginnen schon bei der Wahl des Titels ("neue" Weltwirtschaftsordnung versus Reform der bestehenden, und damit als prinzipiell funktionstauglich anerkannten Ordnung) und enden bei der völlig unterschiedlichen Gewichtung der Einzelprinzipien. Dennoch sollte eine Kompromißlösung nicht völlig unmöglich sein 175 . Die Versuche, solche "objektiven" Vorschläge einzubringen sind dementsprechend zahlreich. Zu nennen ist insoweit natürlich die Tätigkeit der unabhängigen Kommission für internationale Entwicklungsfragen (sogenannte Brandt-Kommission), deren zwei Berichte 176 allerdings in der Praxis ziemlich wirkungslos verpufft sind. Letztlich genauso erfolglos, aber inhaltlich ausgewogener und konstruktiver war der Bericht von 21 Experten unter Vorsitz Jan Tinhergens an den Club of Rome aus dem Jahre 1976 (sogenannter RIO-Bericht) 177 . Auch dieser argumentiert letztlich auf verschiedenen Ebenen. Dabei wird zunächst als Grundziel der Völkergemeinschaft die Erreichung eines Lebens in Würde und Wohlergehenfor alle Bürger der Welt definiert 178 . Auf einer darunterliegenden Ebene folgt dann die Absteckung des zur Erreichung des Ziels erforderlichen rechtlich-institutionellen Rahmens. Grundsätzlich sollten nach der Meinung der Experten alle Entscheidungen auf genügend hoher Ebene gefällt werden, sodaß externe
A.a.O., S. 90. s. dazu unten Teil D. 176 Das Überleben sichern, 1980, sowie Hilfe in der Weltkrise, 1983 (vgl. FN 40). 177 Wir haben nur eine Zukunft, Reform der Internationalen Ordnung (RIO), 1977 (vgl. FN 38). 178 A.a.O., S. 73. 174 175
4 Eiseistein
50
A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
Konsequenzen (die ja bei nationalen Entscheidungen sehr oft auftreten) möglichst eliminiert würden 179• Daß aufgrund einer solchen These der Begriff der nationalen Souveränität neu interpretiert werden muß ("funktionale", "dezentriert planetarische Souveränität" 180), ergibt sich daraus natürlich von selbst. Weiterhin wird auch eine erhebliche Stärkung der internationalen Organisationen gefordert 181 und schließlich die juristische Absicherung und Stabilisierung im Wege eines Rahmenvertrages vorgeschlagen 182 • Hinsichtlich der allgemeinen Prinzipien einer neuen Weltwirtschaftsordnung findet sich folgender Katalog 183 : -
Gerechtigkeit,
-
Freiheit (z.B. im Sinne der UN-Menschenrechtserklärung),
-
Demokratie und Mitbestimmung,
-
Solidarität,
-
Kulturelle Vielfalt und
-
Unversehrtheit der Umwelt.
6. Allgemeine Prinzipien in den EG-Materialien In den Abkommen der EG mit Drittstaaten und internationalen Organisationen finden sich ebenfalls Bezugnahmen auf allgemeine Prinzipien oder gar auf eine "neue" Weltwirtschaftsordnung. Allerdings sind sie noch sehr selten. Am weitesten gehen insoweit die internationalen Grundstoffabkommen, deren Aussagekraft aus mehreren Gründen begrenzt bleibt. Die "commodity agreements" entstammen dem Rahmen der UNCTAD, in dem die Entwicklungsländer dominieren; Bezugnahmen auf die "neue Weltwirtschaftsordnung" überraschen deshalb nicht 184 • Die Tatsache, daß die Industriestaaten, unter anderem auch die EG sich an diesen beteiligen, entstammt der Erkenntnis, daß die Stabilisierung von Rohstoffmärkten in beiderseitigem Interesse liegt, ohne daß daraus eine generelle Anerkennung etwa der CERDS oder des Aktionsprogrammes von 1974 abgeleitet werden könnte.
A.a.O., S. 94. A.a.O., S. 96; s. dazu noch unten B. III. 181 A.a.O., S.l72f. 182 A.a.O., S. 128fT. 183 A. a. 0 ., S. 73 ff. 184 Vgl. dazu etwa das Abkommen über den Gemeinsamen Fonds ILM 19 (1980), S. 896fT., Präambel, 1. Abs.; ähnlich das Naturkautschukabkommen von 1979, ABI L 213, S. 1ff. (1980), Präambel, 1. Abs. 179
180
IV. Die Bedeutung der Rechtsgrundsätze und Prinzipien
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Etwas gewichtiger sind schon die in verschiedenen Präambeln auftauchenden Bezugnahmen auf allgemeine Prinzipien. Früheste Fundstelle ist insoweit das Assoziierungsabkommen mit Marokko aus dem Jahre 1969, dem eine Erklärung der Gemeinschaftsdelegation beigefügt wurde, in der die Bedeutung der Prinzipien der UNCTAD ausdrücklich erwähnt wird 185 . In den Kooperationsabkommen mit den südasiatischen Staaten Indien und Bangla Desh findet sich - ebenfalls in den Präambeln - die Verpflichtung zur Förderung von Wirtschaftsbeziehungen, die auf Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit gegründet sind 186 . Ähnlich liest sich das Kooperationsabkommen mit den AndenpaktStaaten, in dem allerdings abweichend von Gleichheit, Gerechtigkeit und Fortschritt die Rede ist 187 • Schließlich gehört auch die Lome-Politik der Gemeinschaften in diesen Zusammenhang, insbesondere in der Ausgestaltung, die sie jetzt im Lome-III-Abkommen gefunden hat. Hier ist die Idee des Rahmenvertrages zumindest prinzipiell verwirklicht, wenngleich auch die Etablierung eines unbefristeten Abkommens nicht gelungen ist. Dennoch zeigt sich in der jetzt geänderten Abkommenstruktur (Voranstellen eines "allgemeinen Teils") und in der immer weitergehenden Einbeziehung neuer Sachbereiche (z. B. kulturelle und soziale Zusammenarbeit) der stark institutionalisierte Rahmen- und Ordnungscharakter dieses Vertragswerkes 188 • Peter Barry, amtierender Ratspräsident der EG hat anläßlich der Unterzeichung von Lome 111 am 8. Dezember 1984 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß "das gemeinsame Erbe" dieser Kooperation auf einer Reihe von Grundprinzipien aufbaue, und zwar seien dies Interdependenz, beiderseitiges Interesse, gegenseitige Achtung der Souveränität, Gleichheit der Partner und das Recht eines jeden Staates, seinen politischen, sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Kurs selbst zu bestimmen. Ausdrücklich wird ferner der solidarische Charakter der Aktion betont 189 •
7. Würdigung der allgemeinen Prinzipien Auffallendste Charakteristika der meisten hier vorgestellten Prinzipienkataloge sind ihre inhaltliche Beliebigkeit, ihre Unausgewogenheit und ihre mangelnde ABI L 197, S. 83 ff. (1969). Abkommen über handelspolitische Zusammenarbeit mit Indien v. 17. 12. 1973, ABI L 82, S. 1 ff. (1974), Präambel, 7. Abs., sowie v. 23. 6. 1981, ABI L 328, S. 5fT. (1981), Präambel, 8. Abs. ; Abkommen über handelspolitische Zusammenarbeit mit Bangla Desh, ABI L 319, S. 1 ff. (1976), Präambel, 5. Erwägung ; Abkommen über handelspolitische, wirtschaftliche und entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Pakistan v. 1985, ABI C 81, S. 3fT. (1985), Präambel, 7. Erwägung. 187 Abkommen vom 17. 12. 1983, ABI L 153, S. 1fT. (1984), Präambel, 5. Erwägung. 188 Vgl. Kommission der EG, Informatorische Aufzeichnung P-90, November 1984, Text des Abkommens in ABI L 86 (1986). 189 AKP-Staaten und Rat der EG, Pressemitteilung v. 8. 12. 1984, ACP /21/ 025/84 bzw. ACP / CEE /2256/84, S. 4. 185 186
4*
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A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
Differenzierung und Systematisierung. Folgende Unzulänglichkeiten treffen meistens zu: -
Ziele und Mittel werden nicht auseinandergehalten,
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es erfolgt keine Differenzierung nach Rechtsprinzipien und politischen Zielen,
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das Phänomen des "evolving principle", des Rechts in statu nascendi, wird zu wenig einbezogen,
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innerhalb der Rechtsprinzipien wird nicht unterschieden zwischen allgemeingültigen und bloß "optionalen" Standardprinzipien, wie dies Schwarzenberger tut, selbständigen und bloß helfenden (z. B. interpretatorischen) Prinzipien, übergeordneten und daraus abgeleiteten Prinzipien,
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die Auswahl der Prinzipien selbst spiegelt keine gerechte, ausgewogene Interessenberücksichtigung wider.
Angesichts dessen läßt sich wiederum über die Weisheit der Prinzipiendiskussion selbst streiten 190 . Ohne das oben bereits Gesagte wiederholen zu wollen, ist festzuhalten, daß die Diskussion aber nun einmal geführt wird und daß auch die Europäische Gemeinschaft daran teilnimmt. Allerdings ist die Aufstellung von Grundsatzkatalogen eine Sache, die konkrete inhaltliche Ausgestaltung von Verträgen und Rechtsnormen eine andere. Pragmatische Lösungen konkreter Probleme sind oft denkbar, solange keine Seite versucht, ein bestimmtes Zugeständnis zum Pflichtprinzip hochzustilisieren (Zollpräferenzen !). Andererseits kann auch die Formulierung eines Prinzips als "dilatorischer Formelkompromiß" zu schnellen Erfolgen führen, während die Behandlung der Einzelheiten nicht vorankommt ("Gerechte" Marktaufteilung in Rohstoffabkommen). Schließlich können allgemeine Prinzipien als Auslegungshilfen gute Dienste leisten. Jedoch soll ein endgültiges Urteil über alle diese Fragen erst dann erfolgen, wenn die "alltägliche" Praxis untersucht ist, und dadurch eme Einschätzung der realisierbaren Möglichkeiten getroffen werden kann.
V. Gemeinschaftsrechtliche Kompetenzen und inhaltliche Leitlinien für die Außenwirtschaftspraxis der EG Der einführende Teil der Arbeit soll nicht schließen, ohne nach der Darstellung der Hintergründe und Probleme der globalen Diskussion (II- IV) sowie der Besonderheit der Stellung der Gemeinschaft als Diskussionspartner, Forderungsadressat und wirtschaftlichem Modell (1), auf die Bindungen einzugehen, die aufgrund des Gemeinschaftsrechts für die Betätigungen der EG auf 190 Vgl. auch oben III. über die daraus resultierende Blockierung der gegenseitigen Annäherung.
V. Gemeinschaftsrechtliche Kompetenzen und inhaltliche Leitlinien
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weltwirtschaftlichem Gebiet gelten. Von Bedeutung sind hierbei zum einen die Kompetenzen im Verhältnis zu den Mitgliedstaaten, zum anderen die Frage der inhaltlichen Leitlinien für die Gestaltung der auswärtigen Beziehungen.
1. Kompetenzen a) Handelspolitik Die wichtigsten ausdrücklichen Kompetenzen im Außenwirtschaftsbereich bestehen auf dem Gebiet der Handelspolitik und der Assoziierung. Ihre Rechtfertigung basiert letzlieh auf der Notwendigkeit der Ergänzung interner Kompetenzen (Binnenmarkt!) durch gewisse Befugnisse im Verhältnis zu Drittstaaten und internationalen Organisationen. Art. 3 lit. b EWGV 191 nennt die Einführung des gemeinsamen Zolltarifs zusammen mit der gemeinsamen Handelspolitik und trägt so der Tatsache Rechnung, daß die Festsetzung von Zollsätzen zwangsläufig auch die Befugnis einschließen muß, über eben diese Verträge mit Drittstaaten abzuschließen. Aber auch über den rein tarifären Bereich hinaus fordert die Verwirklichung eines Gemeinsamen Marktes die Vereinheitlichung, zumindest aber Koordinierung weiter Bereiche der Außenwirtschaft. Da ferner mehrere Mitgliedstaaten bis in die 60er Jahre hinein noch im wesentlichen Umfang Kolonien und andere abhängige Gebiete besaßen, war auch insoweit die Gemeinschaft selbst aufgerufen. Grundlegende Vorschriften für die Gemeinsame Handelspolitik sind neben dem bereits erwähnten Art. 3 lit. b EWGV die Art. 110-116 EWGV, innerhalb dieser seit Ende der Übergangszeit besonders Art. 113, der beispielhaft handelspolitische Maßnahmen sowie Verfahrensregelungen enthält. Ein wichtiger Bereich des Außenhandels, nähmlich die Änderungen und Aussetzungen des GZT, wird von Art. 28f. EWGV geregelt. Für die Einschätzung des Umfangs und der Bedeutung der gemeinschaftlichen Kompetenzen ist somit entscheidend, was unter "Handelspolitik" im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen ist. Zunächst ist dabei festzuhalten, daß die in Art. 113 enthaltene Aufzählung, wie schon aus dem Wort "insbesondere" folgt, nicht abschließend ist. Die Rechtsprechung des EuGH ist von einer grundsätzlich weiten Auslegung zugunsten des möglichst reibungslosen Funktionierens des Gemeinsamen Marktes ausgegangen 192 und hat vor allem festgestellt, daß "Handelspolitik" für die Gemeinschaft dasselbe bedeute wie für die internationale Betätigung eines Staates 193 • Umfaßt seien nicht nur die herkömmlichen Aspekte wie Zollfragen und dergleichen, 19 1 Fundstellefür den EWGV: UNTS 298, S. 11 ff.: BGBI1957 Il, S. 753, 766; vgl. auch Nöl!, Völkerrechtssubjektivität der Europäischen Gemeinschaften. 19 2 EuGHE 1973, S. 897, 907 "Massey Ferguson". 193 EuGHE 1975, S. 1355, 1362 "Lokale Kosten".
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A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
sondern auch weiterentwickelte, verfeinerte Maßnahmen, wie z. B. die neuen Rohstofforganisationen mit Ausgleichslagern u. ä. Die Fragen der Außenhandelsbeziehungen seien in einer "offenen Perspektive" zu regeln 194. Freilich ist diese Abgrenzung durch die Rechtsprechung nur tendenziell, nicht aber im einzelnen eindeutig. Insbesondere fragt sich, ob zum "Handel" nur der Warenverkehr, oder auch Dienstleistungen gerechnet werden können, wobei letzteres zu bejahen ist 195 . Umgekehrt sind aber auch nicht alle Waren unter Art. 113 zu subsumieren. Agrarprodukte und Montanwaren unterstehenjeweils eigenen Vorschriften. Sinnvollerweise müssen Zahlungen, die im Zusammenhang mit Warenlieferungen stehen, in die Gemeinschaftskompetenz einbezogen werden, während Personenverkehr, Niederlassungsfreiheit und Kapitalverkehr ebenso wie die Verkehrspolitik (dazu aber Art. 75 I lit. a EWGV) nicht dazugehören. Eine weitere wichtige Frage ist, ob es für die Qualifizierung einer Maßnahme als handelspolitisch darauf ankommt, daß diese auf handelspolitischen Erwägungen beruht oder handelspolitischen Zwecken dient 196 , oder ob es ausreicht, daß sie den Handelsverkehr tatsächlich unmittelbar und spezifisch beeinflußt 197 . Überzeugender ist schon aus rein praktischen Gründen die zweite Ansicht. In der Tat werden sich kaum je einmal die Handlungsmotive für eine bestimmte Maßnahme zweifelsfrei erforschen lassen. Oft ist auch ein Bündel von Gründen für sie verantwortlich, sodaß eine eindeutige Abgrenzung mit Hilfe der ersten Meinung nicht erfolgen kann. Aufschlußreich sind in dieser Hinsicht verschiedene in den letzten Jahren vorgekommene Fälle von Wirtschaftssanktionen gegen bestimmte Staaten, die in der Regel politisch motiviert waren, dann aber letztlich doch auf Art. 113 gestützt worden sind 198 . Zu beachten ist weiterhin, daß die handelspolitische Gemeinschaftskompetenz entgegen dem ersten Anschein, den der Wortlaut von Art. 113 11. Hs. erweckt, nicht auf bloße Grundsätze beschränkt ist. Dies folgt schon daraus, daß eine entsprechende Formulierung in anderen Vorschriften (Art. 3lit. b, 111) fehlt. Auch die beispielhafte Aufzähung von Maßnahmen in Art. 113 selbst zeigt, daß die Gemeinschaft offenbar auch recht detaillierte Sachfragen regeln kann 199 . Gleichgültig ist, in welche Rechtsform handelspolitische Maßnahmen gekleidet EuGHE 1979, S. 2871 , 2873 - "Naturkautschuk". Pescatore in: Les Novelles, Rdn. 2296. 196 BeutlerfBieberjPipkornfStreil, Europarecht, S. 488; Sasse, Kooperationsabkommen, in: KSE 25, S. 41; Pescatore in : Les Novelles, Rdn. 2295. 197 Vedder, Auswärtige Gewalt, S. 25; Meng, Wirtschaftssanktionen, ZaöRV 1982, s. 793f. 19 8 Z.B. VO 877/82 v. 16. 4. 1982, ABI L 102, S. I (1982). 199 Vgl. auch BeutlerfBieberfPipkornfStreil, Europarecht, S. 483f. m. w. N. 194 19 5
V. Gemeinschaftsrechtliche Kompetenzen und inhaltliche Leitlinien
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werden. In Betracht kommen sowohl autonome Rechtsakte i. S. v. Art. 189 EWGV als auch Abkommen mit Drittstaaten. Allerdings sind insoweit die besonderen Verfahrensvorschriften des Art. 113 II- IV zu berücksichtigen. Soweit internationale Abkommen zu schließen sind, gilt Art. 228, modifiziert durch Art. 113 111. Bemerkenswert ist vor allem der "besondere Ausschuß", der in ständigem Kontakt zum Verhandlungsführer steht, das Fehlen einer obligatorischen Beteiligung des Parlaments 200 , sowie das Erfordernis einer qualifizierten Mehrheit im Rat (Art. 113 IV) 201 • Selbstverständlich ist der Gemeinschaft auch nicht verwehrt, unterhalb der Ebene rechtlicher Regelungen auf informeller Ebene handelspolitische Aktivitäten zu entfalten. Hierunter fällt u. a. die Teilnahme an internationalen Konsultationen, Dialogen u. v. m. Soweit der Bereich der gemeinsamen Handelspolitik geht, ist die Gemeinschaft auch befugt, als Vollmitglied oder Beobachter in internationalen Organisationen aufzutreten, sowie mit diesen oder in ihrem Rahmen handelspolitische Verträge abzuschließen. Insoweit gelten die eben beschriebenen allgemeinen Regeln. Lediglich soweit eine direkte Beteiligung nicht möglich ist 202 , oder Fragen außerhalb des handelspolitischen Bereichs (mit)betroffen sind, besteht eine Kompetenz der Mitgliedstaaten. Allerdings ist auch dann hinsichtlich aller Fragen, die für den Gemeinsamen Markt von besonderem Interesse sind, gemäß Art. 116 ein gemeinsames Vorgehen geboten.
b) Assoziierung mit dritten Staaten Zweite rechtliche Säule der EG-Außenwirtschaftskompetenzen ist die Assoziierung, wobei zwischen derjenigen der überseeischen Länder und Hoheitsgebiete gern. Art. 131 ff. EWGV (sog. "konstitutionelle Assoziation") und derjenigen anderer (souveräner) Staaten gern. Art. 238 zu unterscheiden ist. Erstere hatte vor allem bei Abschluß der Römischen Verträge große Bedeutung, da die kolonialen "Besitzungen" einzelner Mitgliedstaaten noch recht erheblich waren, während heute nach Abschluß der Hauptphase der Gewinnung politischer Selbständigkeit die zweite Assoziierungsart überwiegt. In der Regel wurden dabei die betreffenden Territorien "nahtlos" von der einen in die andere Form überführt. Die Vorschrift des Art. 238 enthält nach wohl herrschender Meinung nicht lediglich eine Verfahrensvorschrift, wie dies bei Art. 228 der Fall ist 203 • Nach ihr 200 In der Praxis wird das EP aber dennoch am Verfahren beteiligt (Luns-WesterterpVerfahren); vgl. Sehröder in : GroebenjBoeckhjThiesingjEhlermann, Kommentar zum EWGV, Art. 228, Rdn. 16; Rengeling, Befugnisse, S. 877ff. 201 Zum Vertragsschlußverfahren allgemein schon Hermann, Abschlußverfahren ; Krück, Völkerrechtliche Verträge. 20 2 EuGHE 1979, S. 2871, 2874 "Naturkautschuk". 203 Becker in GroebenfBoeckhjThiesingjEhlermann, Kommentar zum EWGV, Art. 238, Rdn. 17.
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A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
kann die Gemeinschaft auch über den handelspolitischen Bereich hinaus im Rahmen der Vertragsziele mit Drittstaaten völkerrechtliche Bindungen eingehen, wobei der erreichte Stand an Vergemeinschaftung im Inneren die Grenze des Zulässigen bilden dürfte 2~. Unklar bleibt dennoch, was genau unter "Assoziierung" zu verstehen ist. Im allgemeinen Völkerrecht wird damit eine Beziehung zu internationalen Organisationenen unterhalb der Mitgliedschaft verstanden, die aber auch mehr ist als eine schlichte Vertragsbeziehung 205. Die Hinweise in Art. 238 I auf "gemeinsames Vorgehen" und "besonderes Verfahren" legen darüber hinaus den Schluß nahe, daß bestimmte organisatorische Mindestanforderungen zu verlangen sind, also eine gewisse institutionelle Selbständigkeit vorhanden sein muß 206, die die Beziehungen zur Gemeinschaft auf eine besonders nahe, mitgliedschaftsähnliche Ebene heben soll. Denkbar ist die Assoziierung in diesem Sinne also als Vorbereitungsstufe für eine spätere Mitgliedschaft, sowie als dauerhafte Beziehung unter nur teilweiser Verwirklichung bestimmter Aspekte des Gemeinsamen Marktes. Darüber hinaus hat die Praxis (Mittelmeerabkommen, Lome-Politik) aber auch gezeigt, daß Assoziierung der Anhindung bestimmter Interessenräume an die Gemeinschaft oder der Verwirklichung entwicklungspolitischer Ziele dienen kann. Gerade dies zeigt aber, daß die Anwendung des Art. 238 im Verhältnis zu anderen Vorschriften zunehmend an qualitativem Unterschied einbüßt und fließende Übergänge entstehen. Dies resultiert nicht zuletzt auch daraus, daß zahlreiche Staaten (AKP-Staaten) eine Assoziierung im Sinne einer mitgliedschaftsähnlichen Bindung gegenüber ehemaligen Kolonialmächten ablehnen und statt dessen "neutralere" Beziehungen wünschen. Aus diesem Grund taucht der Begriff "Assoziation" in den Lome-Verträgen auch nicht mehr auf. Obwohl diese nach wie vor auf Art. 238 EWGV gestützt sind, werden sie als Kooperationsabkommen bezeichnet. c) Andere Kompetenzgrundlagen
Im Laufe derJahrehat die Gemeinschaft noch andere Vertragsvorschriften für die Begründung externer Kompetenzen fruchtbar gemacht. So wird die sog. Selbstergänzungsklausel des Art. 235 zur Grundlage für die Einbeziehung nichthandelspolitischer Kooperationsformen in Abkommen mit Drittstaaten, wenn auch der Weg über Art. 238 nicht weiterhilft, wie dies z. B. bei Beziehungen mit Industriestaaten 207 sowie dann der Fall ist, wenn die vom Assoziationsbegriff geforderte institutionelle, mitgliedschaftsähnliche Nähe nicht vorgesehen wird 208 . Eine Grenze für dieses Vorgehen bilden dabei lediglich die "Ziele des Gemeinsamen Marktes"; das Vorhandensein ausdrücklicher Kompetenzen als Vedder, Auswärtige Gewalt, S. 59; Beutler/BieberfPipkornfStreil, S. 497f. Zum AssoziationsbegritT im Völkerrecht Seidi-Hohenveldern, Internationale Organisationen, Rdn. 05161T. 20 6 Vedder, Auswärtige Gewalt, S. 561T. 207 So z. B. das Abkommen mit Kanada, ABI L 260, S. 1 IT. (1976). 204 205
V. Gemeinschaftsrechtliche Kompetenzen und inhaltliche Leitlinien
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Anknüpfungspunkt, wie es bei der Lehre von "implied powers" erforderlich wäre, gilt hier nicht 209 • Zu verweisen ist weiterhin auf zahlreiche einzelne Vorschriften der Verträge, wie z.B. Art. 75 I lit. a EWGV, aber auch auf die sehr praxiswichtige Norm des Art. 28 hinsichtlich autonomer Änderungen des GZT- einer Materie also, die geradezu zum Kern der Handelspolitik gehört und zentralen Gegenstand von Handelsabkommen bildet. Hinsichtlich der Abgrenzung von Art. 113 und Art. 28 auf diesem Gebiet bestehen demgemäß einige Meinungsverschiedenheiten, die auch deshalb eine gewisse Praxisrelevanz haben, weil das Verfahren nach Art. 113 etwas komplizierter ist. Nach der Meinung, die eine Maßnahme dann als handelspolitisch qualifiziert, wenn sie auf handelspolitischen Erwägungen beruht oder derartigen Zwecken dient (s.o.), können autonome Zollsenkungen dann auf Art. 113 gestützt werden, wenn sie "in gleicher Weise wie vertraglich vereinbarte Zollsenkungen einem handelspolitischen Interesse dienen" 210 . Andere wenden für autonome Zollsenkungen grundsätzlich Art. 28 an 211 , was richtig ist, da letztere Vorschrift gegenüber Art. 113 lex specialis ist, und ein komplizierteres, den Besonderheiten des GZT besser angepaßtes Verfahren vorsieht. Ein bedeutsames Rechtsgebiet sind schließlich noch die Regelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik. In Übereinstimmung mit Art. 40 III l. Unterabsatz a.E. EWGV (" ... gemeinsame Einrichtungen zur Stabilisierung der Ein- oder Ausfuhr ...") enthalten die meisten Agrarmarktordnungen oder spezielle Verordnungen Vorschriften über Handelsregelungen mit Drittstaaten 212 . Diese gehen den allgemeinen Regelungen vor, sodaß z.B. die Einfuhrregelung der EWG neben Art. 113 auch auf die entsprechenden Agrarmarktorganisationen sowie zusätzlich auf Art. 235 gestützt ist. Fast durchweg werden Agrarprodukte auch einer anderen Behandlung unterworfen als z. B. gewerbliche Waren. Im Gegensatz zum EWGV statuiert Art. 71 I EGKSV ausdrücklich, daß die Handelspolitik von einzelnen Ausnahmen abgesehen (Art. 61 I lit. c, Art. 72ff. EGKSV) im Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten verbleiben soll. Proble208 Z.B. die Abkommen mit den südasiatischen Ländern Indien, ABI L 328, S. 5fT. (1981), Pakistan, C 81, S. 3fT. (1985) sowie ASEAN, L 144, S. 1fT. (1980) ; dito das Rahmenabkommen mit Brasilien, L 281, S. 1fT. (1982) sowie den Andenpaktstaaten, L 153, s. 1fT. (1984). 209 Zur Abgrenzung des Art. 235 von der Lehre von den "implied powers" Schwartz in: GroebenjBoeckhjThiesingjEhlermann, Kommentar zum EWGV, Art. 235, Rdn. 26fT. 210 Beutler/Bieber/PipkornjStreil, Europarecht, S. 489. . 211 Nicolaysen , Autonome Handelspolitik, S. 856f.; dem scheint auch die Praxis zu entsprechen: die VO 1177/83 v. 16. 5. 1983 ABI L 130, S. 1 ff. (1983) ist z.B. nur auf Art. 28 gestützt. 212 Z. B. schon die VO 19/ 62 über die schrittweise Einrichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Getreide v. 4. 4. 1962 ABIS. 933 / 62fT.; vgl. auch noch unten B. Il. 2.
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A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
matisch ist nun, ob etwa im Hinblick auf Art. 232 I EWGV eine gemeinsame Handelspolitik für EGKS-Waren nicht stattfindet, oder ob die Mitgliedstaaten durch die spätere Gründung der EWG ihre bisher noch bestehende Kompetenz in die gemeinsame Handelspolitik gleichsam "eingebracht" haben. In Ietzerern Sinne dürfte etwa die ja grundsätzlich kompetenzfreundliche Rechtsprechung des EuGH zu verstehen sein, der die Auffassung vertrat, es erscheine ausgeschlossen, daß Art. 71 den Art. 113f. ihre Wirksamkeit nehme 213 • Nichtsdestoweniger zeigt die Praxis eine gegenteilige Tendenz. EGKS-Abkommen werden bis zum heutigen Tag von den Mitgliedstaaten geschlossen, wenn gleich immer mit entsprechendem Inhalt oder als pauschale Erstreckung auf EGKS-Waren. Wenige Probleme bietet demgegenüber der Euratomvertrag. Hier enthalten die Art. 101-106 eine eigene Regelung für die Außenbeziehungen und Art. 206 sieht auch Assoziationen vor. In der Praxis werden alle vertraglichen Regelungen - auch ohne besondere Zitierung etwa des Art. 206- ohne weiteres auch auf den Euratomsektor angewandt. Abgerundet wird das gemeinschaftliche Kompetenzinstrumentarium noch durch die weitgehende Rechtsprechung des EuGH, die als "AETR-Philosophie" bekannt ist 214 • Kernsatz ist hierbei die Aussage, daß die Gemeinschaft die Fähigkeit, mit Drittstaaten Verträge abzuschließen, im gesamten Bereich der vom Vertrag aufgestellten Ziele hätte. Eine solche Kompetenz ergebe sich nicht nur aus ausdrücklicher Verleihung, sondern auch aus anderen Vertragsbestimmungen und aus in ihrem Rahmen ergangenen Rechtsakten. Die Mitgliedstaaten seien insbesondere in Bereichen, in denen die Gemeinschaften zur Verwirklichung einer gemeinsamen Politik Vorschriften erlassen haben, nicht mehr berechtigt, gegenüber Dritts taaten Verpflichtungen einzugehen 215 . In der Folgerechtsprechung hat sich diese Ansicht konsolidiert und erweitert. Die "Kramer"Entscheidung 216 ging vom Erfordernis innergemeinschaftlichen Gebrauchmachens ausdrücklich ab. In der Begründung wurde darüber hinaus die Ansicht vertreten, daß in dem Maße, in dem die Gemeinschaft von den Mitgliedstaaten Kompetenzen übernehme, ihr auch eine entsprechende Außenkompetenz quasi "anwachse". Den Mitgliedstaaten verbliebe sie allenfalls zu Übergangszwecken. Eben diese wurde im Gutachten 1 /76 zum Binnenschiffahrtsfonds 217 noch weiter eingeschränkt. Keinesfalls dürften die Mitgliedstaaten auf diesem Wege die Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft einschränken 218 .
213 214 215 216 217 218
Gutachten 1 /75, EuGHE 1975, S. 1355 ff. Rs. 22/70, EuGHE 1971, S. 263ff. FN 214, Leitsatz 1 sowie S. 274f. (13-19). Rs. 3, 4 und 6/76, EuGHE 1976, S. 1279ff. EuGHE 1977, S. 741 ff. Ähnlich für den Euratom-Bereich EuGHE 1978, S. 2151 ff.
V. Gemeinschaftsrechtliche Kompetenzen und inhaltliche Leitlinien
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d) Konkurrenz zur mitgliedstaatliehen Restkompetenz Da die Gemeinschaftskompetenz im Außenwirtschaftsbereich trotz allem nicht lückenlos ist, entsteht eine Reihe weiterer Probleme im Zusammenhang mit der den Mitgliedstaaten verbleibenden Zuständigkeit. Unklar ist hier die Situation, bevor die Gemeinschaft selbst tätig wird, oder falls ihr ein Tätigwerden aus verschiedenen Gründen- etwa wegen des Widerstandes dritter Staatenunmöglich ist. Auch werden oft ganze Bündel von Maßnahmen im Rahmen eines Handlungs"paketes" zu treffen sein, von denen nur einige der Gemeinschaftszuständigkeit unterfallen. Im Grundsatz ist dazu festzustellen, daß die Mitgliedstaaten jedenfalls im Bereich der Handelspolitik keine Parallelkompetenz besitzen 219 • Ob aber vor Gebrauchmachen eine konkurrierende Zuständigkeit besteht 220 , ist damit noch nicht eindeutig verneint. In seiner Binnenschiffahrtsfondsentscheidung 221 hat der EuGH grundsätzlich gewisse Übergangskompetenzen anerkannt, wenngleich auch unter starken Einschränkungen. Obwohl dies hinsichtlich der möglichen "Präjudizierung" der Gemeinschaft durch die Mitgliedstaaten erhebliche Gefahren in sich birgt 222 , erfordert doch die Wirklichkeit der internationalen Beziehungen, in denen die EG ja keineswegs universell anerkannt ist, eine pragmatische Lösung. Dementsprechend hat der Rat schon in Entscheidungen vom 9. 10. 1961 und vom 16. 12. 1969 223 zwar die Laufzeit bestehender Abkommen der Mitgliedstaaten begrenzt und sie unter die Kautele gestellt, daß sie die Einführung einer gemeinsamen Handelspolitik nicht behindern dürften, andererseit aber sogar die prinzipielle Möglichkeit des Neuabschlusses solcher Abkommen nicht ausgeschlossen 224 • Insbesondere mit Ostblockstaaten bestehen noch eine ganze Reihe mitgliedstaatlicher Verträge. Wird der Bereich der Gemeinschaftszuständigkeiten verlassen, so ist es selbstverständlich Sache der Mitgliedstaaten, die erforderlichen Rechtsakte zu setzen und Verträge abzuschließen. Allerdings ist auch hier wieder die gemeischaftsfreundliche EuGH-Rechtsprechung zu beachten. Im Gutachten 1/ 78 225 heißt es dazu, daß im Falle der zumindest teilweisen Zugehörigkeit der Materie zur Handelspolitik, der Gemeinschaft nicht die Zuständigkeit unter der Gutachten 1/75, EuGHE 1975, S. 1355 ff. So B/eckmann, Europarecht, S. 462f. 221 Oben FN 217. 222 Deshalb für eine ausschließliche Kompetenz Beutler/Bieber/Pipkorn/Streil, Europarecht, S. 490f.; Sasse, Kooperationsabkommen (FN 196), S. 42fT. 223 AbiS. 1273/ 61ff. und L 326, S. 39fT. (1969). 224 Insofern wird ein Konsultationsverfahren eingerichtet: Entscheidung 74/393 / EWG v. 22. 7. 1974, ABI L 208, S. 23fT. (1974). 225 Gutachten 1/78, EuGHE 1979, S. 2871 ff., 2914 - "Naturkautschuk". 219
220
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A. Einführung und weltwirtschaftsrechtlicher Hintergrund
Bezeichnung als "allgemeine Wirtschaftspolitik" entzogen werden könne. Die kompetenzrechtliche Einordnung habe in Ansehung des wesentlichen Gegenstandes und nicht anhand einzelner Regelungen zu erfolgen 226 . Eine Kompetenz der Mitgliedstaaten könne sich aber u. U. aus der Finanzierung der beabsichtigten Maßnahmen ergeben, etwa wenn diese die Kosten zu tragen hätten. Dieses äußerst praxiswichtige Kriterium hat zusammen mit dem Phänomen, daß immer komplexere "Kooperationspakete" mit zahlreichen Elementen zweifelsfrei außerhalb der Gemeinschaftskompetenzen geschnürt werden, dazu geführt, daß mehr und mehr "gemischte Abkommen (accords mixtes)" unter Beteiligung sowohl der Gemeinschaft als auch der Mitgliedstaaten geschlossen wurden 227 • Zwar hat dies einerseits natürlich die Bandbreite europäischen Auftretens auf der internationalen Ebene vergrößert, andererseits aber auch zu erheblichen Risiken geführt. So besteht insbesondere die Gefahr, daß auch die echt communautairen Kompetenzen von den Mitgliedstaaten mitvereinnahmt und über das Package-Deal-Denken Gemeinschaftspolitiken blockiert werden. Zu beachten ist schließlich noch, daß die in Art. 115 EWGV enthaltene Schutzklausel für Verkehrsverlagerungen u. ä. keinesfalls eine Kompetenz gegenüber Drittstaaten verleiht. Im Gegensatz zu einer "außenhandelspolitischen Schutzklausel" läßt sie nur Abweichungen im Wahrenverkehr mit Mitgliedstaaten zu 228 •
2. Inhaltliche Leitlinien Leitlinien für die inhaltliche Ausgestaltung der EG-Außenwirtschaftsbeziehungen finden sich im Gemeinschaftsrecht nur sporadisch. Für den handelspolitischen Bereich gibt es hier in erster Linie die Art. 110 und 29, während Art. 238 lediglich lapidar die Selbstverständlichkeit statuiert, daß die Abkommen "gegenseitige Rechte und Pflichten" zu enthalten hätten. Dennoch erscheint es auf den ersten Blick so, als sei die EG den Grundsätzen des Liberalismus (rechtlich) verpflichtet. Art. 110 verlangt die "harmonische Entwicklung des Welthandels" und die "schrittweise Beseitigung der Beschränkungen im internationalen Handelsverkehr". Auch Art. 29 lit. a bestätigt die Notwendigkeit der Förderung desselben. Dementsprechend findet sich auch z. B. im Arbeitsprogramm auf dem Gebiet der gemeinsamen Handelspolitik vom 25. 9. 1962 229 als Zielbestimmung die vollständige Liberalisierung der Einfuhren aus GATTLändern. Indes zeigt schon ein Blick auf Art. 29 lit. b-d, daß von der FN 225, S. 2917. Zu den besonderen Problemen der "accords mixtes" vgl. Meessen, Abkommen von Lome, EuR 1980, S. 36fT. 228 Zu Art.115 EWGV vgl. schon Oppermann, Schutzklausel, AWD 1964, S. 97fT.; Kretschmer, Beschränkungen, EuR 1981, S. 63fT. 229 ABIS. 2354/62ff. 226
227
V. Gemeinschaftsrechtliche Kompetenzen und inhaltliche Leitlinien
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Gemeinschaft keine "orthodoxe" Freihandelspolitik zu erwarten ist 230 • Auch der Terminus "harmonische Entwicklung" aus Art. 110 ist bei genauerem Hinsehen ambivalent, da Freihandel ja durchaus auch zu Ungleichgewichten und Disharmonie führen kann. Dementsprechend hat sich bisher auch der EuGH geäußert. Nach ihm sind z.B. die Verbote des Art. 34 EWGVals solche nicht auf die Beziehungen zu Drittstaaten anwendbar 231 , vielmehr habe die Gemeinschaft einen Ermessensspielraum, der handelsbeschränkende Maßnahmen gegenüber Drittstaaten, z. B. bei drohenden Störungen des gemeinsamen Marktes nicht ausschließe 232 • Ein von Marktbürgern vor Gericht durchsetzbarer Anspruch auf Gleichbehandlung von Drittländern existiere ebensowenig 233 • Somit entpuppt sich die Freihandelsverpflichtung als eine Art "Programmsatz", der eine gewisse Tendenz zwar erkennen läßt, aber keine direkte Bindung entfaltet 234. Allerdings enthält natürlich das gesamte Ambiente der Gründungsverträge sowie der Verfassungsordnungen und tatsächlich praktizierten Politiken der Mitgliedstaaten ein grundsätzlich freiheitsorientierte Tendenz. Dem entspricht auch, daß die Gemeinschaft in die Rechtsordnung des GATT integriert, also "GATT-konform" ist 235 . DasGATT-Recht selbst ist integrierender Bestandteil des EG-Außenhandelsrechts 236 • Insofern wäre es sicherlich unzulässig, eine totaldirigistische Außenwirtschaftspolitik zu verfolgen. Im weniger extremen Bereich , in dem es eher um Nuancierungen geht, lassen sich allerdings keine praktikablen Leitlinien feststellen.
Steenbergen, Common Commercial Policy, CMLRev 1980, S. 240f. EuGHE 1979, S. 3160- "Ankeruhren". 232 EuGHE 1981, S. 1095 ff. - "Firma Anton Dürbeck". 233 EuGHE 1982, S. 2745ff.- "EDEKA Zentrale". 234 Zum Streit über die bindende Wirkung von Art. 29 lit. a und 110 EWGV vgl. Bleckmann, Europarecht, S. 463; Steenbergen, Common Commercial Policy, CMLRev 230 231
1980, S. 239 ff. 235 Petersmann, EWG als GATT-MitgliedS. 123, 125. 236 Petersmann, EWG als GATT-MitgliedS. 136fT.
B. Allgemeine Rechtsgrundsätze und Standards in der Außenwirtschaftspraxis der Europäischen Gemeinschaft I. Die Materialien des EG-Außenwirtschaftsrechts im Überblick 1. Aufteilung nach Art der Materialien a) Völkerrechtliche Verträge Die EG unterhält vertragliche Beziehungen mit den meisten Staaten der Erde -insgesamt etwa 120. "Weiße Flecken" auf der Abkommenslandkarte sind im wesentlichen die Sowjetunion nebst einigen anderen Staatshandelsländern (Kuba, Mongolei, Vietnam), Teile Mittelamerikas und Südamerikas, schließlich Libyen, Südafrika, Saudi-Arabien, der Iran und einige kleinere, weniger bedeutende Staaten. Aus der großen Zahl von mehr als 200 geltenden Verträgen längerfristiger Natur (Einzelfallabkommen, die i.d.R. in Briefwechselform zur Festlegung eines bestimmten einmaligen Einfuhrkontingents im Rahmen längerfristiger Verträge geschlossen werden und andere ähnliche, sich aufTagesfragen beziehende Abkommen werden hier nicht berücksichtigt) hat aber nur eine kleinere Anzahl von ca. 30, die etwa 100 Staaten umfaßt, grundlegenden Charakter im Sinne einer allgemeinen Regelung der beiderseitigen Beziehungen. Der Rest ist sektoral (Textil-, Fischereiabkommen usw.) oder zeitlich (Übergangs-, Anpassungsregeln) begrenzt. Die vertraglichen Beziehungen der Gemeinschaft haben ihren Anfang schon in den frühen 50er Jahren genommen und sich seither kontinuierlich - schwerpunktmäßig in den 70er Jahren ausgeweitet und intensiviert. Viele hundert Verträge aller Art sind in diesem Zeitraum geschlossen worden. Rund 350 von ihnen haben Eingang in die vorliegende Untersuchung gefunden, also auch solche, die nicht mehr formell gelten, die aber für die Entwicklung des EG-Außenwirtschaftsrechts dennoch von großer Bedeutung gewesen sind und deren inhaltliche Charakteristika in neueren Dokumenten weiterhin nachzuweisen sind. Bereits die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) hat vertragliche Beziehungen zu ihrer Außenwelt gesucht. Schon im Jahre 1953 hat sie mit der ILO ein Abkommen über Zusammenarbeit geschlossen 1 und ein Jahr 1
ABIS. 167 / 53fT.
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später folgte ein "Assoziationsabkommen" mit Großbritannien, das trotz des Namens nur konsultativen Charakter hatte 2 , sowie ein "Loan Agreement" mit den Vereinigten Staaten 3, das übrigens sehr interessant ist, wenn man es im Zusammenhang der heute von der Gemeinschaft geschlossenen Protokolle über finanzielle und technische Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern liest: Damals war die Gemeinschaft in der Rolle des Hilfsempfängers und mußte sich relativ harte Konditionen gefallen lassen. Ende der 50er Jahre ergriff zunächst die Atomgemeinschaft die Initiative und schloß Zusammenarbeitsverträge mit den USA und Großbritannien ab 4 , während sich die EWG auf Kontakte zur ILO beschränkte 5 . aa) Die Kooperation mit den AKP-Staaten und ihre Vorläufer
Der erste große Durchbruch in den Außenwirtschaftsbeziehungen wird durch die Jahre 1962/63 markiert. Neben den noch unten zu betrachtenden Assoziationen mit Griechenland und der Türkei sowie einem Handelsabkommen mit dem Iran, kam es zum Abschluß der Assoziation mit 18 afrikanischen Staaten und Madagaskar (AASM) durch den (ersten) Vertrag von Jaunde v. 20. 7. 1963, die eine bis heute fortbestehende, sich mittlerweile aber auf 65 Staaten erstreckende neue Kooperationsform ins Leben rief 6 . Die Kooperation war aus der in den Art. 131 ff. EWGV begründeten sog. "konstitutionellen Assoziation" mit den von Mitgliedstaaten abhängigen Ländern und Gebieten hervorgegangen und sollte die Verbindung der nunmehr gewonnenen politischen Selbständigkeit der Partner anpassen, ohne jedoch die historische Verbundenheit und Verantwortung abzustreifen. Die immer noch unselbständigen Länder und Gebiete erhielten im Wege der autonomen EG-Rechtsetzung Assoziationsbestimmungen, die denen des Jaunde-Vertrags im wesentlichen entsprachen 7 • Das Abkommen stellte insofern eine Besonderheit dar, als es neben eher "klassischen" Regeln über Zölle und mengenmäßige Beschränkungen auch den Keim einer weiterreichenden Zusammenarbeit auf finanziellem und technischem Sektor enthielt, und die Entwicklungserfordernisse der Partnerländer anerkannte. Versuche, die Zusammenarbeit auf Nigeria 8 sowie auf Kenia, Uganda und Tansania 9 auszudehnen, scheiterten zunächst, da eine Ratifikation der 2 BGBI19551I, S. 837fT.; im Jahre 1957 folgte ein Abkommen über Handelsbeziehungen, BGBI 1959 II, S. 2ff. 3 ABIS. 327 / 54fT. 4 ABIS. 309 bzw. 312/59ff. sowie 331/59. 5 ABIS. 521 / 59ff. 6 ABI. S. 1429/64ff; zum ersten Abkommen vgl. Everling, Neuregelung, ZaÖRV 1964, s. 472fT. 7 Beschluß 64/349 /EWG v. 25. 2. 1964, ABIS. 1472/ 64ff. 8 Abkommen zur Gründung einer Assoziation, BGBI 1969 II, S. 233 ff. 9 Assoziationsabkommen v. Arusha, erwähnt im 2. Gesamtbericht (1968), Ziff. 518f. (S. 392f.).
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B. Allgemeine Rechtsgrundsätze und Standards in der Praxis der EG
entsprechenden Abkommen bis zum Ablauf des ersten J aunde-Vertrags, an den sie zeitlich angekoppelt waren, mißlang. Im Jahre 1969 wurdenjedoch die beiden Verträge von Jaunde II und Arusha II unterzeichnet 10, die die Kooperation mit den erwähnten Staaten fortsetzten und erweiterten. Mit dem Beitritt Großbritanniens ergab sich die Notwendigkeit der Einbeziehung der britischen Kolonien in die Kooperation entsprechend dem Protokoll Nr. 22 zur Beitrittsakte 11 . Nach dem Auslaufen der Abkommen von Jaunde und Arusha wurde deshalb am 28. 2. 1975 das (erste) Lome-Abkommen unterzeichnet 12, das nunmehr 46 Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik einbezog ("AKP-Staaten"). Unter Beibehaltung des aus der AASM-Kooperation gewonnenen Besitzstandes erhielt das Vertragswerk eine erhebliche Erweiterung, aber auch Modifikation. Schon rein äußerlich fällt auf, daß nicht mehr von "Assoziation", sondern von "Kooperation" die Rede ist, sowie von einem "neuen Modell der Beziehungen zwischen entwickelten Staaten und Entwicklungsländern". Inhaltlich wurden weitere Sachfragen einbezogen, auf Gegenpräferenzen verzichtet, sowie- als Novum auf internationaler Ebene - ein System zur Stabilisierung der Ausfuhrerlöse installiert ("Stabex"). Umfänglich waren auch die institutionellen Vorkehrungen mit Ministerrat, Botschafterausschuß, Beratender Versammlung, Zentrum für industrielle Entwicklung usw. Ein besonderes EGKSAbkommen regelte die Beziehungen zu dieser Gemeinschaft 13 . Im Jahre 1979 wurde schließlich das - nochmals erweiterte und auch verkomplizierte zweite Lome-Abkommen geschlossen 14, dem Ende 1984 Lome III folgte 15 • Letzteres ist nochmals insoweit wesentlich verändert, als nunmehr ein "Allgemeiner Teil" die Grundlagen der Beziehung regelt - eine Tendenz, die den übergreifenden und dauerhaften Charakter der Beziehung dokumentieren soll, auch wenn ein weiteres Element, die Etablierung eines unbefristeten Abkommens für dieses Mal noch nicht gelungen ist. Mit dem Lome-Abkommen ist nicht nur ein wesentliches Element allgemeinen Außenwirtschaftsrechts angesprochen, sondern gleichzeitig auch das Kernstück europäischer Entwicklungspolitik. Die nunmehr über zwanzigjährige Praxis hat insbesondere in dieser Hinsicht eine Unzahl von Bewertungsversuchen, Kritiken, Kommentierungen und Verbesserungsvorschlägen hervorgeru-
10 ABI L282 (1970) S. 1ff. bzw. 54fT.; parallel dazu Beschluß 70/ 549/EWG über die Assoziation der ÜLG, L 282, S. 83fT, 1970. 11 ABI L 73, S. 177 (1972). 12 Ab! L 25 (1976); parallel dazu Beschluß 76/ 568/ EWG über die Assoziation der ÜLG, L 176, S. 8 (1976). 13 ABI L 25, S. 144 (1976). 14 AB1347 (1980), dazu Beschluß 80/ 1186/ EWG überdie Assoziation der ÜLG, L 361 (1980). 15 ABI L 86(1986), dazu Beschluß 86/ 283 / EWG über die Assoziation der ÜLG, L 175 (1986).
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fen. Insbesondere über die Frage, inwieweit Lome tatsächlich die Entwicklung der Partnerstaaten fördert, den Handel ausweitet usw., besteht erheblicher Dissens 16 . Dieser Komplex kann jedoch in einer Arbeit über rechtliche Prinzipien und Charakteristika nicht diskutiert werden. Soweit die LomeKooperation in letzterer Hinsicht Erkenntnisse liefert, erfolgt eine Bewertung in den entsprechenden Abschnitten. bb) Die Mittelmeerabkommen Ein zweiter regionaler Schwerpunktbereich der EG-Abkommen ist der Mittelmeerraum, der auch zu den ältesten Vertragsgebieten gehört. Dabei sind die hier vorkommenden Formen recht unterschiedlich und lassen sich prinzipiell in vier Gruppen einteilen 17 , wenngleich auch immer wieder versucht worden ist, einheitliche Konzeptionen für den Mittelmeerraum zu entwickeln und umzusetzen - bislang mit eher bescheidenem Erfolg. Am ältesten und weitgehendsten sind die sog. "Beitrittsassoziationen" mit Griechenland und der Türkei 18, an deren Endziel die Vollmitgliedschaft in der Gemeinschaft stehen soll. Neben den handelspolitischen Regelungen sowie Kooperationsmaßnahmen im Sinne der Entwicklungsförderung enthalten sie als Besonderheit Vorschriften zur Angleichung der Volkswirtschaften, um so einen Beitritt zu ermöglichen. Kernstück hierbei ist die schrittweise Verwirklichung der Zollunion. Nur eine solche Zollunion wird von der zweiten Gruppe der Mittelmeerabkommen, die dementsprechend auch "Zollunionsassoziationen" genannt wer16 Vgl. z. B. Flory, Droit international de developpement, S. 102fT. über den Erfolg des europäischen Systems; über die Vorgänger Lomes aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht H engsbach, Die Assoziierung; vgl. auch Bouvier, L'Europe et Ia cooperation au developpement; Yakemtchouk, La Convention de Lome ; S immonds über die verschiedenen Lome-Abkommen in CMLRev 1976, S. 315fT., 1979, S. 425fT., 1980, S. 415fT., 1985, S. 389fT.; Long, Political Economy; Focke, Von Lome I zu Lome li; L ister, The Functioning of Lome II, JWTL 1982, S. 434fT.; konkreter zu den Mängeln und Änderungsnotwendigkeiten für die Zukunft Pisani, Die Europäische Gemeinschaft und die Nord-Süd-Frage, EA 1983, S. 589fT.; Hedrich/ Ropp, Chancen einer Neubesinnung, Außenpolitik 1983, S. 348fT.; Goybet, Prochaine Convention, RMC 1984, S. 239fT.; zu den innergemeinschaftlichen Fragen Grabitz, Entwicklungspolitik, EuR 1977, S. 217fT. 17 Allgemein dazu Regul, Die Europäischen Gemeinschaften und die Mittelmeerländer; Krämer, Die Mittelmeerpolitik, EA 1982, S. 665 IT. ; zu den sich aus der Süderweiterung ergebenden speziellen Problemen vgl. Touscoz (Hrsg.), La CEE elargie et Ia Mediterranee. 18 Griechenland: ABI Nr. 2611963, S. 293I631T., ergänzt durch ein Zusatzprotokoll infolge der Erweiterung der EG, L 161 (1978) und ein Finanzprotokoll, L 225, S. 25 (1978); Türkei: ABI Nr. 217 I 1964, S. 3685 I 64fT.; wichtiges, die eigentlichen materiellen Detailregelungen enthaltendes Zusatzprotokoll v. 1970, L 293 (1972); neuestes Protokoll L 67, S. 14 (1979) ; Ergänzungsprotokoll aus· Anlaß der ersten Erweiterung, L 361 (1977); zum Griechenland-Abkommen Oppermann, Die Assoziierung Griechenlands, ZaÖRV 1962, s. 486fT.
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den, angestrebt. Solche Verträge bestehen mit Malta 19 und Zypern 20. Sie enthalten darüber hinaus ebenfalls Elemente der Entwicklungsförderung, befinden sich gegenwärtig aber eher in einer Phase der Stagnation. Die dritte Gruppe von Verträgen beinhaltet das Gros des gemeinschaftlichen Engagements in dieser Region und umfaßt acht Kooperationsverträge mit den Maghrebländern (Algerien, Tunesien, Marokko), den Maschrikstaaten (Ägypten, Jordanien, Libanon, Syrien) und Israel aus den 70er Jahren 21 • Alle drei Untergruppen enthalten prinzipiell die gleichen Regelungen, wenngleich die Beziehungen zu den Maghrebländern am intensivsten sind. Hier bestanden auch schon traditionell ältere Verbindungen, die ihren Niederschlag in den Assoziationsabkommen mit Marokko und Tunesien von 1969 gefunden hatten 22 • Auch mit Ägypten hatte schon seit 1973 ein Handelsabkommen bestanden 23 und mit dem Libanon war 1965 ein Vertrag abgeschlossen worden 24 . Noch davor gab es
19 ABI L 61 (1971); dazu Protokoll und Finanzprotokoll v. 1976, L 111 (1976); Zusatzprotokoll v. 1977, L 304 (1977), mit dem die erste Abkommensstufe bis zum 31. 12. 1980 verlängert wurde; da danach eine Einigung mit Malta nicht mehr zustande kam, wurde die Handelsregelung autonom vom Rat verlängert, z. B. L 367, S. 86 (1980), zuletzt L 335 (1984); Protokoll über finanzielle und technische Zusammenarbeit, ABI L 216, S. 1 (1986). 20 ABI L 133 (1973) mit Anpassungsprotokoll an die erste Erweiterung, L 133, S. 87 (1973); Zusatzprotokoll v. 1977, L 339 (1977); Finanzprotokoll v. 1977, L 332 (1978); Ergänzungsprotokoll, L 172 (1978); Übergangsprotokoll zu erneuten Verlängerung der ersten Abkommensstufe, L 84 (1980); Anpassungsprotokoll an den Beitritt Griechenlands, L 174 (1981); Protokoll zum Verfahren für den Übergang zur zweiten Stufe, L 174, S. 28 (1981); Protokoll über die für 1983 geltende Regelung, L 353 (1983); Protokoll über finanzielle und technische Zusammenarbeit, L 85, S. 37 (1984); autonome Anwendung der Handelsregelung, L 335 (1984); dazu Tsardanidis, The EC-Cyprus Association, JCMS 22, s. 351fT. 21 Algerien: ABI L 263 (1978); Marokko: L 264 (1978); Tunesien: L 265 (1978),jeweils incl. der Protokolle über finanzielle und technische Zusammenarbeit; Ägypten : L 266 (1978), Libanon: L 267 (1978); Jordanien: L 268 (1978); Syrien: L 269 (1978), jeweils incl. der Protokolle über finanzielle und technische Zusammenarbeit; EGKS-Abkommen bei den Maghrebländern, a.a.O., jew. S.l19, bei den Maschrikländern L 316 (1979); neues Protokoll über finanzielle und technische Zusammenarbeit für alle erwähnten Staaten L 337 (1982); Israel : L 136 (1975) mit EGKS-Abkommen L 165, S. 62 (1975); Zusatzprotokoll v. 1978, L 270 (1978), das die Vertragsbeziehungen auf die Ebene der Maghreb- und Maschrikabkommen anhob; Finanzprotokoll L 335, S. 7 (1983) sowie ein weiteres Zusatzprotokoll L 332 (1984), allerdings ohne tiefgreifende Änderungen; vgl. Greilsammer, Israel et l'Europe. 22 Marokko: L 197 (1969) und Anpassungsprotokoll anläßlich des Beitritts neuer Mitgliedstaaten, L 239 (1973); Tunesien: L 198 (1969) und Anpassungsprotokoll L 239, S. 19 (1973). 23 ABI L 251 (1973). 24 ABI L 146 (1968) und Anpassungsprotokoll an den Beitritt neuer Mitgliedstaaten, L 244 (1973); ein Abkommen v. 1972, L 18 (1974) wurde dagegen von Libanon nicht ratifiziert.
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ein Handelsabkommen mit Israel aus dem Jahre 1964, das 1970 erneuert worden war 25 • Die Verträge stellen einerseits mehr als eine reine Handelsregelung dar, beanspruchen andererseits aber nicht das Erreichen irgendeiner Form der "Union" mit der Gemeinschaft. Ihr Ziel ist die Entwicklungsförderung mit einer starken Betonung des Aid-by-Trade Konzeptes, worin sie den Lome-Beziehungen verwandt sind, mit denen sie allerdings nicht die Intensität und gewisse spezielle Instrumente (Stabex, Sysmin, ZIE) teilen. Die übrigen Länder der Arabischen Welt sind bisher noch kaum mit der Gemeinschaft verbunden. Einzige "Brückenköpfe" sind hier ein im wesentlichen konsultatives "Kooperationsabkommen" mit dem Rat für Arabische Wirtschaftliche Einheit (CAEU) 26 und ein Kooperationsabkommen mit der Arabischen Republik Jemen 27 , das allerdings keine besonders intensive Beziehung etabliert. Über ein Kooperationsabkommen mit Golfstaaten wird bisher lediglich diskutiert 28 • Gleichfalls zum Mittelmeerraum zählen die beiden iberischen Staaten Spanien und Portugal, sowie Jugoslawien, zu denen die Beziehungen allerdings sehr unterschiedlich und einzelfallbezogen gestaltet sind. Im Grunde müßte also die vierte Abkommensgruppe in drei Gruppen aufgelöst werden, die je aus einem Land bestehen, wobeijedoch ganz verschiedene Affinitäten existieren. So ist das Abkommen mit Spanien 29 demjenigen mit Israel aus dem Jahre 1970 sehr ähnlich, wenngleich eine Nuance weniger "entwicklungsbezogen" und im wesentlichen auf Handelsfragen beschränkt. Das Abkommen mit Portugal einem EFTA-Staat - ist eine eigentümliche Mischung aus Mittelmeerkooperation und (industriestaatlichem) EFTA-Abkommen, wobei dennoch die Entwicklungsförderung überwiegt 30 • In jüngster Zeit hat der anvisierte Beitritt zur EG noch die dritte Dimension der Angleichung und Beitrittsvorbereitung hinzugefügt 31 . Im Falle Jugoslawiens ergibt sich die Besonderheit der Mischung aus der Verbindung Mittelmeer-, Entwicklungs-, Staatshandels- und blockfreies Land. Hier hatten zwei Verträge aus den frühen 70er Jahren lediglich die Handelsbezie-
ABI S.l517 /64fT.; L 183 (1970). ABI L 300, S. 23 (1982). 27 ABI L 26 (1985). 28 Zu verweisen ist allerdings auf den Euro-Arabischen Dialog, der teilweise auch wirtschaftliche Fragen beinhaltet; vgl. Bourrinet, Le dialoque; Klibi, L'Europe et Je Monde Arabe, Studia diplomatica 1982, S. 245fT. 29 ABI L 182 (1970); Protokoll anläßlich des Beitritts neuer Mitgliedstaaten, L 66 (1973) und L 326 (1981). 30 ABI L 301, S. 164 (1972); EGKS-Abkommen L 350, S. 53 (1973); Finanz- und Zusatzprotokoll, L 274 (1978), das die Kooperation an die übrigen Mittelmeerabkommen (FN 21) angleicht; Ergänzungsprotokoll L 348, S. 43 (1979) ; Handelsregelung mit Griechenland L 236 (1981). 31 Übergangsprotokoll L 355 (1982); Durchführung einer Hilfe vor dem Beitritt, L 349 (1980); spezifische Finanzhilfe zur Verbesserung der Agrarstruktur, L 333, S. 7 (1984). 25
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hungen geregelt 32• Im Jahre 1980 kam es dann zur Vereinbarung einer umfassenden Kooperation, die aber trotz aller Affinitäten mit anderen Mittelmeerabkommen den erwähnten Besonderheiten des Landes Rechnung trägt und deshalb auch als "Abkommen sui generis" bezeichnet wurde 33 • Schwerpunkt ist auch hier wieder der Handel 34. cc) Abkommen mit Entwicklungs- und Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas Für die beiden Regionen Asien und Amerika fehlt ein Gesamtkonzept, wie es für den Mittelmeerraum besteht und eine ähnliche "koloniale Verbundenheit" wie im Lome-Bereich. Zwar war auch Indien ehemals Kolonie eines Mitgliedstaates,jedoch waren die Problemeangesichts der Größe und Bevölkerungszahl des Subkontinents nicht in gleicher Weise zu lösen. Immerhin gab es schon 1973 ein Abkommen über handelspolitische Zusammenarbeit mit diesem Land 35 , das durch mehrere sektorale Verträge für besonders wichtige seiner Ausfuhrgüter ergänzt wurde 36 • Im Jahre 1981 wurde die Zusammenarbeit auf allgemein wirtschaftliche Belange erweitert 37, so daß Indien nunmehr, in Verbindung mit seiner Position als Empfänger des Löwenanteils der Hilfe für Nichtassoziierte, ein besonderes Tätigkeitsfeld der Gemeinschaft darstellt. Sektorale Abkommen hatten zunächst auch die Beziehungen zu Pakistan bestimmt 38 , bis 1976 ein nichtpräferentielles Abkommen über handelspolitische Zusammenarbeit hinzukam 39, das in zeitlichem und inhaltlichem Zusammenhang mit zwei anderen Abkommen mit Sri Lanka 40 und Bangla Desh 41 stand, das aber - als bisher einziges - jüngst zur allgemeinen wirtschaftlichen und entwicklungspolitischen Kooperation ausgeweitet worden ist 42 • Allgemeiner gehaltene Entwicklungskooperationen bestehen noch mit den ASEAN-Staaten 43 und der Volksrepublik ABI L 58 (1970), L 224 (1973). 14. Gesamtbericht (1980), ZifT. 656 (S. 294). 34 Interimsabkommen, ABI L 130 (1980); Kooperationsabkommen L 41 (1983) ; EGKS-Abkommen dazu L 41, S. 113 (1983). 35 ABI L 82 (1974). 36 Juteabkommen, L 82, S. 10 (1974); Kokosabkommen, L 82, S. 16 (1974); Rohzuckerabkommen, L 190, S. 35 (1975); Abkommen über handgearbeitete Waren, L 176 (1970). 37 Abkommen über handelspolitische und wirtschaftliche Zusammenarbeit, ABI L 328, S. 5 (1981); EGKS-Protokoll, L 352, S. 28 (1981). 38 Abkommen über handgearbeitete Waren, ABI L 176, S. 3 (1970) ; Juteabkommen, L 170, S. 4 (1970). 39 ABI L 168 (1976). 40 ABI L 247 (1975). 41 ABI L 319 (1976). 42 Abkommen über handelspolitische, wirtschaftliche und entwicklungspolitische Zusammenarbeit, ABI L 108, S. 1 (1986). 43 ABI L 144 (1980). 32
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China 44, deren Status als Entwicklungsland anerkannt worden ist, während zu anderen asiatischen Staaten vorläufig nur sektorale Verträge meist im Textilbereich bestehen 45 . Das Schwellenland Brasilien war schon sehr frühzeitig in Kontakt zur Gemeinschaft getreten, und zwar zunächst durch den Abschluß eines EuratomVertrages46. 1974 war ein nicht präferentielles Handelsabkommmen hinzugekommen47, das 1980 von einem Rahmenabkommen über die Zusammenarbeit abgelöst wurde 48 • Andere Südamerikanische Staaten sind der Gemeinschaft durch einfache Handelsabkommen verbunden (Uruguay, Mexiko) 49 , oder waren dies, wie Argentinien, dessen Vertrag Ende 1980 ausgelaufen ist 50 • Seit 1983 besteht darüber hinaus ein Kooperationsvertrag mit den Andenpaktstaaten, der jedoch an Intensität mit anderen Kooperationsverträgen nicht zu messen ist, 1985 folgte ein ähnlicher Vertrag mit den Ländern der zentralamerikanischen Wirtschaftsunion 51 . Insgesamt sind die Beziehungen zu Lateinamerika aber noch sehr punktuell 52 .
dd) Abkommen mit den EFTA-Staaten Die EFTA-Staaten sind nicht nur die geographisch nächsten Nachbarn der EG, sondern auch wirtschaftlich und politisch am verwandtesten. Als Mitglieder der Gruppe der Industriestaaten verfolgen sie ähnliche Interessen in der Weltwirtschaftsdiskussion und sehen sich auch gemeinsamen binnenwirtschaftlichen Problemen gegenüber. Potentiell kommen alle EFTA-Staaten für eine EG-Mitgliedschaft in Betracht, wenngleich politische Gründe (Neutralität u.ä.) bisher nicht dazu geführt haben. Aus diesen Gründen kann es nicht verwundern, wenn gegenüber diesen Staaten besonders alte und tiefgehende vertragliche Beziehungen bestehen. Schon im Jahre 1957 hatte beispielsweise die Montanunion ein Kooperationsabkommen mit der Schweiz abgeschlossen 53 und Vereinbarungen über die ABI L 123 (1978); neues Abkommen v. September 1984, L 250, S. 1 (1985). Zu den Textilabkommen s. noch unten gg); ansonsten Abkommen über ManihotEinfuhren mit Indonesien, L 219, S. 56 (1982); aus der asiatischen Region vgl. auch das alte Handelsabkommen mit Iran, ABI S. 2554 I 63. 46 ABI L 79, S. 7 (1969). 47 ABI L 102, S. 23 (1974). 48 ABI L 281 (1982). 49 Uruguay: ABI L 333 (1973); Mexiko: L 247, S. 10 (1975). 50 ABI L 249, S. 18 (1971). 51 ABI L 153 (1984); ABI L 172 (1986). 52 Vgl. Petersen (Hrsg.), Die Beziehungen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und Lateinamerika. 53 ABIS. 85/ 57. 44
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Einführung direkter Eisenbahntarife getroffen 54 • Mit der Norderweiterung der Gemeinschaft durch den Beitritt gewichtiger EFTA-Mitglieder ergab sich Anfang der 70er Jahre die Notwendigkeit der Neugestaltung der Beziehungen, die dann durch die sieben Abkommen des Jahres 1972 erfolgte 55 • Die Verträge sind inhaltlich im wesentlichen gleich, wobei jedoch das schon erwähnte Abkommen mit Portugal im Hinblick auf seine Stellung als Mittelmeer- und künftiges Mitgliedsland erheblich "fördernder" ausgestaltet ist. Auch das Abkommen mit Finnland zeigt insofern leicht andere Züge, als auf die besondere politische Position dieses Landes Rücksicht genommen wurde und z. B. die gleich noch zu erwähnende "Evolutivklausel" hier nicht zu finden ist. Hauptgegenstand der Vereinbarungen ist die Regelung des Warenverkehrs mit dem letztendlichen Ziel der Schaffung einer alle Partner umfassenden Freihandelszone, was mittlerweile auch (fast) erreicht worden ist 56 • Daneben bestehen diverse institutionelle Vorkehrungen, Regelungen im Stahlbereich sowie eine Vorschrift, nach der die Beziehungen auch auf neue Bereiche ausgedehnt werden können, wenn dies nach Auffassung einer Vertragspartei nützlich wäre ("Evolutivklausel") 57 • Zusätzlich zu diesen Verträgen bestehen noch Kooperationsabkommen der EAG 58 • ee) Sonstige bilaterale Abkommen umfassenderen Charakters Über die bisher erwähnten Schwerpunkte hinaus besteht zwar eine Unzahl von bilateralen Verträgen über Spezialfragen (Textilien, Stahl u. v. m.) 59, jedoch kaum ein Vertrag allgemeinerer Natur. Eine Ausnahme bilden insoweit lediglich zwei Staaten. Mit Kanada, das der Gemeinschaft schon über ein EuratomAbkommen aus den 50er Jahren verbunden war 60, wurde 1976 der modellhafte Versuch eines Kooperationsabkommens mit einem Industriestaat auf der Basis des Meistbegünstigungsprinzips begonnen, wobei aber nicht sonderlich konkrete Regelungen anzutreffen sind. Mit Rumänien bestehen als einzigem Ostblockland besondere Beziehungen in Gestalt eines Warenabkommens und eines ABI S. 223 I 57; dito mit Österreich, S. 78 I 58. Österreich: ABI L 300, S. 1 (1972); Schweden: L 300, S. 97 (1972); Schweiz, L 300, S. 188 {1972) sowie Zusatzabkommen über die Geltung in Liechtenstein (S. 281); Island : L 301, S.1 (1972) ; Portugal, L 301, S.164 (1972) ; Norwegen : L 171 (1973); Finnland: L 328 (1973) ; EGKS-Abkommen dazu in L 350 (1973) und L 348 (1974); Ergänzungsprotokolle zu allen Abkommen, L 106 (1975); Anpassung an den Beitritt Griechenlands, L 357 (1980). 56 Vgl. unten II 2a, FN 198. 57 Dazu unten V. 2. a) bb); allgemein zu den EFTA-Abkommen Friedrich, Die Freihandelsabkommen, NJW 1983, S. 1237ff.; Rhein, Westeuropäischer Wirtschaftsraum, EA 1985, s. 417ff. 58 Schweden: L 162, S. 28 (1976); Schweiz: L 242, S. 1 (1978). 59 s. dazu noch gleich gg) und ii). 60 AB! s.1165159. 54 55
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Abkommens über die Einsetzung eines Gemischten Ausschusses, allerdings mit vorsichtiger Diktion im Hinblick auf die unterschiedlichen Wirtschaftssysteme 61 . Eine Verbesserung