Die Entführung Kores: Studien zur athenisch-eleusinischen Demeterreligion 3515086153, 9783515086158

Die Mysterien von Eleusis (neben Olympia und Delphi das wichtigste religiöse Zentrum Griechenlands) ziehen seit ältester

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INHALT
VORWORT
1. EINLEITUNG
2. FORSCHUNGSBERICHT
2.1 DIE INTERPRETATIONSANSÄTZE DER ANTIKE
2.1.1 Die naturallegorische Interpretation
2.1.2 Die euhemeristische Interpretation
2.2 DIE MODERNE FORSCHUNG
2.2.1 Agrarische Interpretationen
2.2.2 Matriarchatstheorie und feministische Ansätze
2.2.3 Die Initiationstheorie
3. DER MYTHOS VON DEMETER UND KORE
3.1 RITES DE PASSAGE IM MYTHOS VON DEMETER UND KORE
3.1.1 Kores Übergang vom Mädchen zur Frau
3.1.2 Demeters Übergang von der Mutter zur Großmutter
3.1.3 Der Übergang Metaneiras und ihrer Töchter in einen neuen Status
3.1.4 Der Übergang der Menschheit zu einer neuen Kulturstufe
3.1.5 Demophons gescheiterte Initiation
3.1.6 Zusammenfassung
3.2 DIE AGRARISCHE KOMPONENTE DES DEMETERMYTHOS
3.2.1 Die jahreszeitlichen Bezüge des Demetermythos
3.2.2 Die Spiegelung von Kores Erlebnissen im agrarischen Jahr
3.2.3 Zusammenfassung
4. DIE FESTE ZU EHREN DEMETERS
4.1 DIE THESMOPHORIEN
4.1.1 Einleitung
4.1.2 Der Kreis der Thesmophoriazusen
4.1.3 Die Vorbereitung auf das Fest: Stenia und Feiern von Halimus
4.1.4 Kein Zentralfest für ganz Attika
4.1.5 Die Thesmophorienriten
4.1.6 Demeter Thesmophoros
4.1.7 Die Verteilung von heiligem Saatkorn
4.1.8 Weitere Riten der Thesmophorien: Diogma und Zemia
4.1.9 Die Theorie nach Eleusis
4.1.10 Die Mysterien von Halimus
4.1.11 Zusammenfassung
4.2 DIE CHLOIA
4.3 DIE SKIRA
4.3.1 Die Festgottheiten
4.3.2 Der Ort des Festes: das Skironische Feld
4.3.3 Demeter- oder Athenafest?
4.3.4 Der aitiologische Mythos vom Krieg zwischen Athen und Eleusis
4.3.5 Das Frauenfest der Skira
4.3.6 Die Skira als agrarisches Fest
4.3.7 Zusammenfassung
5. ZUSAMMENFASSUNG
6. ANHANG
7. LITERATURVERZEICHNIS
7.1 ABGEKÜRZT ZITIERTE LEXIKA UND SAMMLUNGEN
7.2 FORSCHUNGSLITERATUR
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Die Entführung Kores: Studien zur athenisch-eleusinischen Demeterreligion
 3515086153, 9783515086158

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Palingenesia-Bd. 84

Die Entführung Kores

Entführung Kores zugrunde. Die älteste erhaltene Version dieses Mythos, der Homerische Hymnos an Demeter, wird hier interpretiert, wozu soziologische, anthropologische sowie agrarische Gegebenheiten berücksichtigt werden. Die Ergebnisse dieses Teils dienen als Basis für den folgenden Versuch einer Rekonstruktion dreier athenischer Demeterfeste.

Annette Kledt

Die Entführung Kores Studien zur athenisch-eleusinischen Demeterreligion

www.steiner-verlag.de

Klassische Philologie

Franz Steiner Verlag

Franz Steiner Verlag

Annette Kledt

Die Mysterien von Eleusis (neben Olympia und Delphi das wichtigste religiöse Zentrum Griechenlands) ziehen seit ältester Zeit die Menschen in ihren Bann. Die Göttinnen Demeter und Kore, denen der Kult galt, wurden jedoch nicht nur in Eleusis, sondern auch in Athen und ganz Attika, ja in ganz Griechenland verehrt. Ihrer Verehrung lag jeweils ein Mythos von der

ISBN 978-3-515-08615-8

9 7 83 5 1 5 0861 58

Palingenesia Band 84

Annette Kledt Die Entführung Kores

PALINGENESIA Schriftenreihe für Klassische Altertumswissenschaft

Begründet von Rudolf Stark nach Otto Lendle und Peter Steinmetz herausgegeben von SEVERIN KOSTER –––– Band 84

Annette Kledt

Die Entführung Kores Studien zur athenisch-eleusinischen Demeterreligion

Franz Steiner Verlag Stuttgart 2004

Meinen Eltern

Bibliographische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 3-515-08615-3 Dissertation der Universität Konstanz Tag der mündlichen Prüfung: 23.07.2002 Referent: Prof. Dr. Gerhard J. Baudy Referent: Prof. Dr. Wolfgang Schuller

Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier. © 2004 by Franz Steiner Verlag Wiesbaden GmbH, Sitz Stuttgart. Druck: Printservice Decker & Bokor, München Printed in Germany

INHALT Vorwort

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1.

Einleitung

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2.

Forschungsbericht 2.1 Die Interpretationsansätze der Antike 2.1.1 Die naturallegorische Interpretation 2.1.2 Die euhemeristische Interpretation 2.2 Die moderne Forschung 2.2.1 Agrarische Interpretationen 2.2.1.1 Demeter als Allegorie der Erde 2.2.1.2 Demeter als Allegorie des Getreides 2.2.1.3 Die Deutung von Nilsson und Cornford 2.2.1.4 Zusammenfassung 2.2.2 Matriarchatstheorie und feministische Ansätze 2.2.2.1 Die Matriarchatstheorie Bachofens 2.2.2.2 Feministische Theorien 2.2.2.3 Zusammenfassung 2.2.3 Die Initiationstheorie 2.2.3.1 Zusammenfassung

13 13 13 15 16 16 16 20 25 27 28 28 33 34 34 36

3.

Der Mythos von Demeter und Kore 3.1 Rites de passage im Mythos von Demeter und Kore 3.1.1 Kores Übergang vom Mädchen zur Frau 3.1.2 Demeters Übergang von der Mutter zur Großmutter 3.1.3 Der Übergang Metaneiras und ihrer Töchter in einen neuen Status 3.1.4 Der Übergang der Menschheit zu einer neuen Kulturstufe 3.1.5 Demophons gescheiterte Initiation 3.1.6 Zusammenfassung 3.2 Die agrarische Komponente des Demeterhymnos 3.2.1 Die jahreszeitlichen Bezüge des Demeterhymnos 3.2.1.1 Der Zustand der Natur vor der Entführung Kores 3.2.1.2 Der Zustand der Natur bei Kores Rückkehr aus der Unterwelt

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3.2.1.3 3.2.2

3.2.3 4.

Demeters Eingriff in die Natur während Kores Gefangenschaft Die Spiegelung von Kores Erlebnissen im agrarischen Jahr 3.2.2.1 Die Entführung Kores und die Getreideernte 3.2.2.2 Kores kurzfristige Rückkehr und die Aussaat 3.2.2.3 Die Ausbildung der Ähren 3.2.2.4 Nochmals: Die Getreideernte Zusammenfassung

Die Feste zu Ehren Demeters 4.1 Die Thesmophorien 4.1.1 Einleitung 4.1.2 Der Kreis der Thesmophoriazusen 4.1.3 Die Vorbereitung auf das Fest: Stenia und Feiern von Halimus 4.1.4 Kein Zentralfest für ganz Attika 4.1.5 Die Thesmophorienriten 4.1.5.1 Das Lukianscholion als Quelle 4.1.5.2 Zuordnung der Riten zu den drei Festtagen 4.1.5.2.1 Der mittlere Festtag: die Nesteia 4.1.5.2.2 Der erste Festtag: die Anodos 4.1.5.2.3 Der dritte Festtag: die Kalligeneia 4.1.6 Demeter Thesmophoros 4.1.7 Die Verteilung von heiligem Saatkorn 4.1.8 Weitere Riten der Thesmophorien: Diogma und Zemia 4.1.9 Die Theorie nach Eleusis 4.1.10 Die Mysterien von Halimus 4.1.11 Zusammenfassung 4.2 Die Chloia 4.3 Die Skira 4.3.1 Die Festgottheiten 4.3.2 Der Ort des Festes: das Skironische Feld 4.3.3 Demeter- oder Athenafest? 4.3.4 Der aitiologische Mythos vom Krieg zwischen Athen und Eleusis 4.3.5 Das Frauenfest der Skira 4.3.5.1 Das Motiv des Mädchenopfers 4.3.5.1.1 Die Erechthiden 4.3.5.1.2 Makaria 4.3.5.1.3 Die Leokorai 4.3.5.1.4 Aglauros

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7

4.3.6

4.3.7

4.3.5.2 Die Retterin als Vorbild 4.3.5.3 Die Arrhephoria 4.3.5.4 Das Verhältnis der Arrhephoria zu den Skira 4.3.5.5 Die kultische Funktion der Heroinnen 4.3.5.6 Die Geburt des göttlichen Knaben Die Skria als agrarisches Fest 4.3.6.1 Ernte und männliche Initiation 4.3.6.2 Ernte und weibliche Initiation 4.3.6.2.1 Die Etymologien des Namens ‚Skira‘ 4.3.6.2.2 Theseus und die Gipsstatuette der Athena Skiras 4.3.6.2.3 Weiße Erde und Mädcheninitiation Zusammenfassung

168 169 171 173 175 176 176 178 178 181 184 187

5.

Zusammenfassung

188

6.

Anhang

190

7.

Literaturverzeichnis

193

VORWORT Dieses Buch ist die geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Sommersemester 2002 von dem Fachbereich Literaturwissenschaft der Universität Konstanz als Dissertation angenommen wurde. Termin der mündlichen Prüfung war der 5. Juli 2002. Danken möchte ich den beiden Referenten, Gerhard Baudy und Wolfgang Schuller, für die kritische Lektüre der Arbeit. Dem umfassenden Wissen meines Doktorvaters Gerhard Baudy verdanke ich außerdem zahlreiche wertvolle Hinweise. Des weiteren haben mich Dorothea Baudy, William Furley, Sarah Henze und Christoph Riedweg mit Vorschlägen und Literatur unterstützt. Gedankt sei außerdem Anton Bierl, der mir ein Exemplar seiner damals noch unveröffentlichten Habilitationsschrift „Der Chor in der antiken Komödie“ zur Verfügung stellte. Dank gebührt weiterhin Ulrich Schmitzer: Obwohl er in turbulenter Zeit nur vertretungsweise in Konstanz lehrte, ermöglichte er mir, im Rigorosum eine These in Lateinischer Literatur zu vertreten, und setzte sich sehr für einen frühen Prüfungstermin ein. Danken möchte ich ferner Severin Koster für die unkomplizierte Aufnahme der Arbeit in die Reihe Palingenesia sowie dem Steinerverlag für die umsichtige Betreuung. Die Arbeit an der Monographie wurde im Jahr 2000 beendet, allerdings wurden Promotion und Veröffentlichung der Arbeit durch unterrichtliche Tätigkeit in der Schweiz und durch mein Referendariat erheblich verzögert. Literatur, die seit dem Jahr 2000 erschien, konnte nicht mehr berücksichtigt werden. St. Blasien, im Mai 2004 A.K.

Einleitung

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1. EINLEITUNG „Als Demeter auf der Suche nach Kore umherirrte, kam sie in unser Land; aufgrund der ihr erwiesenen Wohltaten war sie unseren Vorfahren wohlgesinnt und übergab ihnen zwei Geschenke, die in jedem Fall die bedeutendsten sind, die Feldfrüchte, denen wir zu verdanken haben, daß wir nicht mehr wie die Tiere leben, und die Weihe — wer an ihr Teil hat, hat süße Hoffnungen für das Lebensende und die gesamte Ewigkeit.“ Mit diesen Worten preist im 4. Jh. v. Chr. der athenische Redner Isokrates die griechische Göttin Demeter, die den Menschen durch ihre beiden Geschenke, das Getreide und die Eleusinischen Mysterien, zu einer menschenwürdigen Existenz verhalf, und noch im 4. Jh. n. Chr. kann der heidnische Rhetor Himeros seinem Vorgänger mit den Worten beipflichten: „Sie gab die Feldfrüchte und die Mysterien — durch die einen zähmte sie die Nahrung, durch die anderen die Gesinnung der Menschen.“ 1 Nicht als Gattin oder als Tochter von Zeus, wie Hera oder Athena, sondern insbesondere durch diese beiden Gaben, das Getreide und die Mysterien, gewann Demeter ihre bedeutende Stellung im griechischen Pantheon. Während zahlreiche Texte von der Einführung des Ackerbaus durch die Göttin berichten, äußern sich die antiken Autoren zu den Eleusinischen Mysterien nur mit größter Vorsicht, denn die Geheimriten öffentlich preiszugeben, war strengstens verboten2. Allein einige christliche Schriftsteller nennen in der Absicht, die paganen Religionen bloßzustellen, einige Details der Mysterienweihen. Durch die Berühmtheit der Eleusinischen Mysterien3 und durch die sie umgebenden Geheimnisse beflügelt, widmen sich die Forscher seit langem weit mehr diesem Geheimkult Demeters als

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Isokr. Paneg. 28: Dhvmhtro" ga;r ajfikomevnh" eij" th;n cwvran, o{tæ ejplanhvqh th'" Kovrh" aJrpasqeivsh", kai; pro;" tou;" progovnou" hJmw'n eujmenw'" diateqeivsh" ejk tw'n eujergesiw'n […] kai; douvsh" dwrea;" ditta;", ai{per mevgistai tugcavnousin ou\sai, touv" te karpou;", oi} tou' mh; qhriwdw'" zh'n hJma'" ai[tioi gegovnasin, kai; th;n teleth;n, h|" oiJ metascovnte" periv te th'" tou' bivou teleuth'" kai; tou' suvmpanto" aijw'no" hJdivou" ta;" ejlpivda" e[cousin … Himer. or. 6,5 Colonna: … karpou;" carivzetai kai; musthvria, w|n toi'" me;n th;n trofhvn, toi'" de; th;n gnwvmhn hJmevrwsen. Aus den zahlreichen Zeugnissen, die von der Geheimhaltung der Mysterienriten berichten oder auch von Personen, die dieses Gebot übertraten, möchte ich hier nur Pausanias herausgreifen, der sagt, ein Traum habe ihm verboten niederzuschreiben, was er innerhalb des eleusinischen Demeterheiligtums sah, weil die Nichteingeweihten nichts davon erfahren dürfen (Paus. 1,38,7). Laut Pausanias 4,10,1 waren die Eleusinischen Mysterien neben den Zeusspielen in Olympia das bedeutendste griechische Götterfest. Zur Bedeutung der Eleusinischen Mysterien vgl. weiterhin Cic. nat. deor. 1,119; Diod. 5,4,4; Aristeid. 22,8 9 Keil.

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Einleitung

der Göttin selbst, der Interpretation ihrer Mythen oder der Deutung anderer Demeterfeste1 . Doch erschöpft sich die Leistung Demeters in der Stiftung von Getreide und Mysterien bei weitem nicht. Sie ist als Göttin des Ackerbaus für die Ernährung und den Fortbestand der Menschheit zuständig, sie ist eine Kurotrophos, die sich um Kinder sorgt, sie wird für die Stiftung der legitimen Ehe verantwortlich gemacht, sie ist Gesetzgeberin und damit für Recht und Ordnung unter den Menschen verantwortlich. In den bisher genannten Bereichen nimmt sich Demeter gleichermaßen um Mann und Frau an, doch ist sie nicht zuletzt auch eine Göttin des weiblichen Geschlechts, ihre Feste boten den Frauen immer wieder die Möglichkeit, unter sich zu sein und ohne ihre Männer zu feiern. Demeter besitzt also sehr verschiedene Zuständigkeiten, einen sehr großen Wirkungsbereich. Die hier vorliegende Studie hat es sich zum Ziel gesetzt, die eher vernachlässigten Aspekte der Demeterreligion zu behandeln. Sie konzentriert sich auf Athen und Attika, da die Quellenlage für diese Region relativ gute und genaue Ergebnisse erwarten läßt. Nach einem ausführlichen Forschungsbericht bietet die Arbeit eine eingehende Interpretation der frühesten und wichtigsten Version desjenigen Mythos, der dem gesamten Demeterkult zugrunde liegt: des Homerischen Hymnos an Demeter, der bereits um 600 v. Chr.2 detailliert die Umstände von Kores Entführung schildert, von Demeters Trauer über den Verlust ihrer Tochter ebenso wie von ihrer Freude bei deren Rückkehr berichtet, und schließlich von ihren Geschenken an die Menschen. Bei der Deutung des Hymnos wird ein besonderes Augenmerk auf die Darstellung der Protagonistinnen des Mythos gelegt, wobei hauptsächlich auf Übereinstimmungen zwischen ihrem Schicksal und dem Leben der realen Athenerin geachtet wird. Im Mittelpunkt des zweiten Teils steht die Frage, in welcher Weise sich die Geschehnisse des Mythos mit dem von Demeter eingeführten Ackerbau in Verbindung bringen lassen, inwieweit das Schicksal der Göttinnen den Ablauf des agrarischen Jahres spiegelt. Den Abschluß der Untersuchung bildet ein heortologischer Teil, in dem drei Demeterfeste behandelt werden, die den Ergebnissen des agrarischen Teils zufolge an drei markanten Zeitpunkten des landwirtschaftlichen Jahres lagen. Es handelt sich um Feste, die für das Leben der Frauen wie für den Ackerbau gleichermaßen wichtig sind. Hier sollen die Ergebnisse aus dem ersten und zweiten Teil der Arbeit zu einer Synthese gebracht werden.

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2

Um diese Behauptung mit einem Zahlenbeispiel zu untermauern: Seit 1981 mit der Studie von Allaire Brumfield zuletzt eine Monographie erschienen ist, in der Demeter und ihr attischer Kult mit weiterem Blickwinkel untersucht werden, sind allein in deutscher Sprache zwei Monographien zu den Eleusinischen Mysterien (Greiner; Lauenstein) erschienen sowie drei weitere, in denen neben anderen antiken Mysterienkulten auch der eleusinische behandelt wird (Burkert; Giebel; Kloft). Hinzu kommen zahlreiche Untersuchungen in anderen Sprachen, aus denen ich nur Clinton 1992 herausheben möchte. Die Datierung des Hymnos ist ausführlich diskutiert bei Richardson 5 11; dort findet sich auch weiterführende Literatur zu dieser Frage.

Die moderne Forschung

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2. FORSCHUNGSBERICHT Der eindrucksvolle Mythos, der von der Trennung und Wiedervereinigung von Demeter und ihrer Tochter Kore erzählt, liegt uns über die gesamte Antike hin in zahlreichen Fassungen vor, deren älteste der Homerische Hymnos an Demeter darstellt1. Schon in der Antike hat dieser Mythos eine Vielzahl von Deutungsversuchen hervorgerufen. Damals bediente man sich zu seinem Verständnis vorwiegend der naturallegorischen Deutung — ein Interpretationsansatz, der auch in der Moderne lange Zeit vorherrschend war. Im allgemeinen besitzt diese Methode der Mythenexegese heute zwar keine große Relevanz mehr, für die Deutung des KoreMythos hingegen ist ihre Bedeutung nach wie vor groß. Ein weiteres Modell, das in der Antike für die Auslegung dieser Erzählung verwendet wurde, ist das des Euhemerismus; davon ist allerdings nur eine spätantike Fassung auf uns gekommen. Neueren Datums sind hingegen zwei andere Interpretationsmodelle: Die Matriarchatstheorie, deren Begründer Johann Jakob Bachofen ist, entstammt der Mitte des 19. Jahrhunderts. Auf sie stützen sich heutzutage viele feministische Arbeiten. Auch die Initiationstheorie wird in den letzten Jahrzehnten vereinzelt für die Interpretation des Kore-Mythos herangezogen. In den folgenden Abschnitten sollen die genannten Interpretationsansätze skizziert werden.

2.1 DIE INTERPRETATIONSANSÄTZE DER ANTIKE 2.1.1 Die naturallegorische Interpretation Sehr weit läßt sich die Identifikation Demeters mit der Erde zurückverfolgen. Schon Euripides bezeichnet in den Bakchen Demeter als Gh' (,Erde‘)2. Eben diese Gleichsetzung findet sich auch im Papyrus von Derveni3 , dem Kommentar4 zu 1 2 3

Da weite Teile dieser Arbeit auf dem Demeterhymnos basieren, aber nicht jedem, der diese Arbeit liest, diese Version des Mythos in ihren Details geläufig sein wird, enthält der Anhang eine Paraphrase des Textes. Eur. Ba. 275 6: Dhmhvthr qeav Gh' dæ ejstivn. Zu Alter und Herkunft dieser von Euripides gebrauchten Etymologie vgl. A. Henrichs, Die ‚Erdmutter‘ Demeter (P. Derveni und Eurip. Bakch. 275f.), ZPE 3, 1968, 111 112. Pap. Derveni Col. 18,9 11: Dhmhvthr de; wjnomavsqh w{sper hJ Gh' Mhvthr, ejx ajmfotevrwn e{n o[noma: to; aujto; ga;r h\n. Zu der Gleichsetzung von Demeter und der Erde vgl. neben den in Anm. 6 bis 8 genannten Stellen SVF II fr. 1093 (= Plut. De Is. 367C); Schol. in Eur. Phoen.

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Forschungsbericht

einer orphischen Theogonie, der im 4. Jh. v. Chr. 1 entstanden sein dürfte. Zu Hilfe kommt seinem Autor die in der Antike gängige Etymologie von Dhmhvthr als Gh' Mhvthr (,Erde Mutter‘)2. Begründet wird diese Ableitung damit, daß die Erde wie eine Mutter Nahrung hervorbringe3 . Auch der lateinische Name der Göttin wird über eine Etymologie mit der Erde in Verbindung gebracht: Ceres wird von ,Geres‘ abgeleitet — a gerendis frugibus (,vom Tragen der Feldfrüchte‘)4 . Ebenso wie Demeter mit der Erde, wird Kore-Persephone mit dem Getreide5 , meist speziell mit dem Saatkorn6 in Beziehung gesetzt; teilweise steht sie auch für dessen Fruchtbarkeit7. Verschiedene Etymologien sollen dies bezeugen: So sehen Porphyrios und das Etymologicum Magnum den Ursprung des Namens Kovrh in dem Verb koresqh'nai (‚sich sättigen‘) 8 ; der lateinische Name Proserpina soll mit proserpere (,hervorkriechen‘)9 zusammenhängen. Aber nicht nur die beiden Göttinnen werden als Allegorien der Natur aufgefaßt, sondern es wird auch der gesamte Mythos entsprechend gedeutet: Nach Varro betrauerte die Erde Proserpinas Entführung durch Orcus, indem sie Sterilität verursachte. Daher meinte man, Orcus halte die Fruchtbarkeit selbst in der Unterwelt gefangen, was öffentliche Trauer hervorgerufen habe. Einige Zeit später sei die Rückkehr der Fruchtbarkeit als Rückkehr Proserpinas aus der Unterwelt

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838; Schol. vet. in Hes. Op. 32b; Arnob. Adv. nat. 5,32; Firm. Mat. Err. prof. 17,3; EM s.v. Dhwv. Ähnlich auch Porphyrios bei Eus. Praep. ev. 3,11,7 und passim. In den ersten Kolumnen findet sich eine Einleitung, ab col. V stellt der Text einen Kommentar zu einer orphischen Dichtung dar. Deshalb scheint es mir berechtigt, den Text trotz verschiedener Widersprüche in der Forschung dieser Gattung zuzurechnen. Vgl. dazu West 1983, 77 78, und Maria S. Funghi, The Derveni Papyrus, in: A. Laks / G.W. Most (Hgg.), Studies on the Derveni Papyrus, Oxford 1997, 25 37, hier 26 30. Zu dieser Datierung siehe West 1983, 77, und Funghi (wie Anm. 4) 33 36, die sogar vermutet, der Derveni Papyrus könnte einer derjenigen Texte gewesen sein, gegen die Platon im Kratylos polemisiert (34). Sie liegt auch dem bei Diodor (1,12,4) unter Orpheus’ Namen überlieferten Hexameter Gh' mhvthr pavntwn, Dhmhvthr ploutodovteira sowie der Diodor Stelle selbst zugrunde und findet sich an zahlreichen weiteren Stellen der griechischen und lateinischen Literatur (z.B. Cic. Nat. deor. 2,66; vgl. auch die nächsten beiden Anm.). Cornut. Theol. 28 p. 52 Lang: … dia; de; to; mhtro;" trovpon fuvein te kai; trevfein pavnta Dhvmhtran oiJonei; gh'n mhtevra ou\san h] Dhw; mhtevra… Cic. Nat. deor. 2,66; vgl. Firm. Mat. Err. prof. 17,3. EM s.v. koresqh'nai. Cic. Nat. deor. 2,26: [Dis] rapuit Proserpinam […] quam frugum semen esse volunt. Vgl. Cic. Nat. deor. 2,66; Firm. Mat. Err. prof. 17,3; Arnob. Adv. nat. 5,32; Fulgent. Myth. 1,10. Varro bei Augustinus Civ. Dei 7,20: Proserpinam […] dicit significare fecunditatem seminum. Vgl. auch Kleanthes SVF I fr. 547; SVF II fr. 1093; Euseb. Praep. ev. 3,11,9; 17. Porph. bei Euseb. Praep. ev. 3,11,7; vgl. Euseb. Praep. ev. 3,11,8; EM s.v. koresqh'nai. Varro bei Augustinus Civ. Dei 7,20: … filiam Cereris, id est ipsam fecunditatem, quod a proserpendo Proserpina dicta esset, …; vgl. Fulgent. Myth. 1,10. Schwer nachvollziehbar ist die bei Firmicus Maternus gebotene Etymologie, die den Namen Proserpina von prodesse und seri ableitet (Err. prof. 17,3: frugum substantiam volunt Proserpinam dicere, quia fruges hominibus cum seri coeperint prosunt). Vgl. zu dieser Etymologie K. Hoheisel, Das Urteil über die nichtchristlichen Religionen im Traktat ‘De errore profanarum religionum’ des Iulius Firmicus Maternus, Diss. Bonn 1972, 57 58.

Die moderne Forschung

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verstanden, mit Freude aufgenommen und durch ein jährlich wiederkehrendes Fest gefeiert worden 1 . Arnobius stellt den Mythos ähnlich dar2 . Besonderes Interesse verdient die Version des Porphyrios, da er zwei unterschiedliche Arten der Allegorie voraussetzt. Für ihn ist Pluton die Sonne, die im Winterhalbjahr über der südlichen Hemisphäre steht. Diese ziehe bei ihrem Weg „unter die Erde“, in den „unsichtbaren“ Teil der Erde, Kore, die Fruchtbarkeit des Getreidesamens, mit sich 3 . So vereinen sich bei Porphyrios eine agrarische und eine solare Form der Naturallegorese.

2.1.2 Die euhemeristische Interpretation Rund drei Jahrzehnte, bevor das Christentum Staatsreligion des Imperium Romanum wird, fordert Firmicus Maternus, ein aus Sizilien stammender Römer, in seinem Traktat De errore profanarum religionum die römische Regierung zur Zwangschristianisierung der Heiden auf. In den Zusammenhang dieser polemischen Schrift gehört eine Passage4, in der sich der christliche Autor ausführlich mit dem heidnischen Mythos von Demeter und Kore auseinandersetzt. Die sonst göttlichen Protagonisten erscheinen in seiner euhemeristischen Version5 als Menschen. 1

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Varro bei Augustin Civ. Dei 7,20: In Cereris autem sacris praedicantur illa Eleusinia, quae aput Athenienses nobilissima fuerunt. De quibus iste [sc. Varro] nihil interpretatur, nisi quod adtinet ad frumentum, quod Ceres invenit, et ad Proserpinam, quam rapiente Orco perdidit; et hanc ipsam dicit significare fecunditatem seminum; quae cum defuisset quodam tempore eademque sterilitate terra maereret, exortam esse opinionem, quod filiam Cereris, id est ipsam fecunditatem, quod a prosperendo Proserpina dicta esset, Orcus abstulerat et aput inferos detinuerat; quae res cum fuisset luctu publico celebrata, quia rursus eadem fecunditas rediit, Proserpina reddita exortam esse laetitiam et ex hoc sollemnia constituta. Ob Varro die terra mit Demeter gleichgesetzt hat, geht aus Augustins Referat nicht hervor, läßt sich aber aus dem Zusammenhang als sehr wahrscheinlich erschließen. Arnob. Adv. nat. 5,32: et qui rursus perhibet lascivias eum exercuisse cum filia, nihil de foedis voluptatibus loquitur, sed pro imbris nomine ponit Iovem, in filiae significatione sementem. sic et ille, qui raptam Dite a patre Proserpinam dicit, non ut reris turpissimos adpetitus viraginem dicit raptam, sed quia glebis occulimus semina, isse sub terras deam et cum Orco significat foedera genitalis conciliare feturae. Porph. bei Euseb. Praep. ev. 3,11,9: ∆Epei; de; kai; tw'n eij" gh'n ballomevnwn spermavtwn h\n ti" duvnami", h}n h{lio" peri; to; kavtw hJmisfaivrion ijw;n e{lkei, kata; ta;" ceimerivou" tropav", Kovrh me;n hJ duvnami" hJ spermatou'co", Plouvtwn de; oJ uJpo; gh'n ijw;n h{lio" kai; to;n ajfanh' perinostw'n kovsmon kata; ta;" ceimerivou" tropav" (o}" aJrpavzein levgetai th;n Kovrhn, h}n poqei' hJ Dhmhvthr kruptomevnhn uJpo; gh'n), … Firm. Mat. Err. prof. 7. Die Stelle wird von Hoheisel (wie Anm. 13), 108 115, und jüngst von Kledt 1999 besprochen. Der Sophist Prodikos scheint den Mythos schon im 5. Jh. ‘euhemeristisch’ gedeutet zu haben (84 B5 DK). Danach ist uns eine entsprechende Deutung wieder bei Philochoros greifbar (FGrHist 328 F 103 104, v.a. 104c). Sicherlich hat auch sein Zeitgenosse Euhemeros in seiner ÔIera; ajnagrafhv diesen Mythos nicht übergangen, ein Zeugnis dafür besitzen wir aber ebenso wenig wie für Ennius’ Behandlung dieser Erzählung in seinem Euhemerus. Allerdings legen mehrere Stellen bei Lactanz die Vermutung nahe, daß Euhemeros bzw. Ennius Demeter und

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Forschungsbericht

In Enna werben mehrere junge Männer um Proserpina, die einzige Tochter der Großgrundbesitzerin Ceres 1 . Da die Mutter die Entscheidung hinauszögert, entführt Pluton, ein reicher Bauer2, das Mädchen beim Blumenpflücken: Er zieht es zu sich auf den Wagen und fährt davon. Als er merkt, daß Ceres und die Bürger von Enna ihn entrüstet verfolgen, lenkt er in seiner Verzweiflung den Wagen in einen nahegelegenen See — das junge Paar ertrinkt vor den Augen der Mutter. Um Ceres’ Trauer zu lindern, behaupten ihre Mitbürger, Proserpina sei vom Gott der Unterwelt entführt worden, und um dieser Behauptung Glaubwürdigkeit zu verleihen, fügen sie hinzu, das Mädchen sei bei Syrakus durch einen anderen See wieder emporgekommen, und weihen dem Räuber und seinem Opfer einen Tempel. Die trauernde Ceres glaubt dem Gerücht und sucht zusammen mit ihrem Verwalter Triptolemus ihre Tochter bei Syrakus. Als ihr dort gesagt wird, Pluton habe mit ihrer Tochter ein Schiff bestiegen, beschenkt sie aus Dankbarkeit die Stadt reich (wofür die Syrakusaner einen Proserpinakult einführen) und sticht in See. Sie kommt nach Eleusis, wo sie gastlich aufgenommen wird. Als Dank dafür schenkt sie den Eleusiniern Weizen, der ihnen bislang nicht bekannt ist. Nach Ceres’ Tod bestatten die Eleusinier sie und vergöttlichen sie sowie ihre Tochter, da die Sizilianerin ihnen Getreide gebracht und dessen Verarbeitung gelehrt hat. Firmicus’ Ziel ist es, die Kulte von Demeter und Kore als Totenkulte ganz gewöhnlicher Menschen darzustellen. Und so verurteilt er in den folgenden zwei Paragraphen die Heiden wegen ihrer Verehrung von Toten aufs Schärfste. Dennoch bleiben die wesentlichen Bestandteile des Mythos erhalten.

2.2 DIE MODERNE FORSCHUNG 2.2.1 Agrarische Interpretationen 2.2.1.1 Demeter als Allegorie der Erde Die traditionelle Interpretation des Mythos von der Entführung Kores ist die naturmythologische. Seit der Antike herrscht dieses Interpretationsschema vor, und speziell für diesen Mythos hat es bis in die heutige Zeit große Bedeutung.

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Kore behandelt haben (Lact. Div. inst. 1,11,33 [Euhem. Test. 65 Winiarczyk]; Div. inst. 1,11,45; Epit. div. inst. 13,4 [Euhem. Test. 69 A & B Winiarczyk]. Vgl. auch Lact. Div. inst. 1,11,35 [Euhem. Test. 67 Winiarczyk] und Diod. Sic. 6,1,9 [Euhem. Test. 60 Winiarczyk]). Daß Firmicus’ Darstellung nicht von Euhemeros abhängig sein kann, wie es gelegentlich angenommen wird (so rechnet z.B. Winiarczyk den hier besprochenen Text zu den Dubia, T 93), zeigt zuletzt R.J. Müller, Überlegungen zur ÔIera; ajnagrafhv des Euhemeros von Messene, Hermes 121, 1993, 276 300. Sie wird wiederholt als mulier bezeichnet: Firm. Mat. Err. prof. 7,1; 3; 4; 5. Firm. Mat. Err. prof. 7,1: … dives rusticus cui propter divitias Pluton fuit nomen …

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Doch vor allem für die Forschung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts war die Naturallegorie wesentlicher Bestandteil der Auslegung von antiken Mythen1 . Meinen Überblick über die zentralen Stationen der modernen Demeterforschung möchte ich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beginnen. Ludwig Preller war der erste, der den Göttinnen Demeter und Kore eine Monographie2 widmete. Für ihn ist Demeter ursprünglich eine reine „Ackerbaugöttin“3 ohne mystische Züge. Erst später wurde Demeter eine Mysteriengöttin, die auch Mutter der Persephone war. Als solche war sie „die chthonische, die Personification der nach geheimnißvollen Gesetzen producirende Erdtiefe“, was „der eigentliche Sitz aller Demetermystik“ ist4 . Die homerische Persephone wiederum ist nach Preller mit der Demetertochter Kore-Persephone nicht identisch, dieses „Zwitterwesen“ entstand erst durch „eine Combination der Homerischen Unterwelts-Herrscherin mit einer in gewissen Culten gegebenen Demeters-Tochter“5 . Deren Funktion als Königin der Unterwelt und ihre Ehe mit Hades ist „blos etwas Aeußerliches, selbst nach dem Mythus etwas Angezwungenes. Ihre eigentliche Bedeutung liegt darin, daß sie der Demeter Kind, d. h. des fruchtbaren Erdreiches Product ist. Denn sie ist eine bloße Allegorie, die Allegorie des geheimnißvollen Treibens, welches in der Vegetation ist, wie sie zu gewissen Jahreszeiten aus dunkeler Erdtiefe emporgesendet, zu anderen wieder in dieselbe verschlungen wird.“6 In diesem Zusammenhang „erscheint der Tod als ein ganz allgemeines Naturprincip, eigentlich nur als die andere Seite vom Werden“. Somit wird der chthonische Zeus (also Hades) zur „abstracten Naturregel, daß zu einer bestimmten Zeit die Pflanzenwelt absterben müsse, um zu einer anderen wieder emporzukeimen“. In seiner Person vereinen sich also der „destructive Todesgott“ und der „productive Gott der Flur“7 . Gemäß dieser Deutung ist für Preller die Entführung Kores „das Rauben des Todesgottes, der in der Gestalt der winterlichen Jahresvernichtung kommt, um die Blüthe von den Feldern zu entführen. Eine so wahre als einfach tiefe Allegorie.“8 — Im wesentlichen dieselbe Auffassung liegt auch den entsprechenden Kapiteln seiner

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Einen guten Überblick über die ältere Forschung zur antiken Religion und Mythologie gewährt O. Gruppe, Geschichte der klassischen Mythologie und Religionsgeschichte während des Mittelalters im Abendland und während der Neuzeit, Leipzig 1921. Preller 1837. Preller 1837, 4: „Homer […] gedenkt der Demeter […] blos in der Einen Eigenschaft der Ackergöttin, daß man mit Sicherheit behaupten kann, er hat nur dieses gekannt.“ In dieser Auffassung folgt ihm noch rund 60 Jahre später Bloch 1890 1894, 1311. Preller 1837, 6. Preller 1837, 10. Später spricht er von der „seltsamen Duplicität“ Persephones (23). Für diese Kombination macht Preller Hesiod verantwortlich (11 12 und 18). Preller 1837, 10. Preller 1837, 12. Preller 1837, 25; vgl. dazu auch Preller 1872, 622.

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griechischen Mythologie zugrunde, wenngleich dort detaillierte Ausführungen zu dieser Frage fehlen1 . Karl Ottfried Müller weicht insofern von Preller ab, als er Demeter primär als „die Erde als Mutter, als Gebärerin und liebevolle Pflegerin alles dessen, was auf ihr lebt“2 ansieht. Bei der Aussaat würde der Samen dem „Schooße der Erde“ übergeben, damit durch seinen Tod neues Leben entstehen könne, woran sich „die Vorstellung von dem Hinabsinken des Naturlebens in eine geheimnißvolle Todtenwelt sehr natürlich“ anknüpfe3 . Aus diesem Grunde sei der Raub Persephones (für Müller nicht Allegorie des Samens sondern die „reizende, volle Jugendblüthe“) „mit dem Verwelken und Vertrocknen der Vegetation — womit das Ausfallen der Samen im Ganzen zusammentrifft“ zu verbinden4 . Dadurch bestünde eine „symbolische Beziehung zwischen den Handlungen des Ackerbaus und dem Schicksale des menschlichen Lebens“5 . Rund zwei Jahrzehnte später schließt sich Friedrich G. Welcker im wesentlichen seinen Vorgängern an. Er versteht Demeter als „Erdemutter“6 und leitet dies aus dem Namen ab, indem er postuliert: „Die Griechen selbst verstanden unter da', dh' Erde“7 . Als solche war sie für den Ackerbau zuständig, aber auch Totengöttin8 . Ihrer Tochter unterstellt er „die Doppelbedeutung des Keimens und des Hinwelkens, des Erwachens zum Leben und des Todes“. So betrifft Persephone das Pflanzenreich und das Totenreich zugleich9 . Als Kind von Zeus und Demeter kann sie nichts „anders als die Frucht des Feldes“ sein10. Der Mythos und die „Naturfeier der Entführung der Tochter […] waren von Anfang auf die Saat im Spätherbst bezogen, wo mit dem Versenken des Korns in den Boden Abschied vom Leben der Natur genommen und der Todten gedacht wurde“ 11. 1

Preller 1872. Es handelt sich um die Kapitel „Demeter und Persephone“ (618 655) und „Pluton und Persephone“ (655 662). 2 Müller 1840a, 289. In seiner Rezension von Prellers Monographie weist er entschieden dessen Ansicht zurück, Homer habe Persephone als Tochter Demeters nicht gekannt (Müller 1840b, 91). Müllers Gedanken zur Demeterreligion wurden jüngst behandelt von F. Graf, Karl Otfried Müller: Eleusinien (1840), in: William M. Calder III / Renate Schlesier (Hgg.), Zwischen Rationalismus und Romantik. Karl Otfried Müller und die antike Kultur, Hildesheim 1998, 217 238. 3 Müller 1840a, 290. 4 Müller 1840a, 289. Vgl. Müller 1840b, 94: „Die Athener aber müssen […] die Trauer und Todeszeit mit der Saat verbunden haben […]; wie ja auch das Verstreuen und Versenken des Saatkorns, in dem die Frucht der Vegetation überhaupt gedacht wird, dieser Empfindungs und Betrachtungsweise den natürlichsten Anlaß bietet.“ 5 Müller 1840a, 292. 6 Welcker 1857 1863, 1, 386. Welcker hatte sich schon viel früher, auch Prellers Monographie vorausgehend, mit Demeter und Kore beschäftigt. Vgl. Welcker 1818a und 1818b. 7 Welcker 1857 1863, 1, 385. Allerdings lehnt Welcker (386) die antike Etymologie dh' = gh' ab! 8 Welcker 1857 1863, 1, 388 und passim. 9 Welcker 1857 1863, 1, 393. 10 Welcker 1857 1863, 1, 398. 11 Welcker 1857 1863, 2, 498.

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Zu Beginn des 20. Jahrhunderts vertritt Albrecht Dieterich dezidiert den Standpunkt, daß die Erde in den „Volksreligionen“ als Muttergottheit, genauer gesagt als Mutter der Menschen verstanden werde 1 . Auch die griechische Demeter faßt er als „Mutter Erde“ auf2 . Demeter steht zwar nicht im Mittelpunkt von Dieterichs Monographie (immerhin gibt er als Zeitpunkt für Kores Anodos den Frühlingsbeginn an) 3 ; dennoch wird deutlich, was für sein Verständnis der Göttin entscheidend ist: Wiederholt hebt der Usener-Schüler hervor, daß Volksreligionen wie die griechische die Entstehung von Getreidepflanzen aus der Erde mit Zeugung und Geburt eines Kindes parallelisierten, wobei die Rollen von Erde und Frau einander entsprächen4. Diesem Nachweis dient seine ganze Erörterung, und gegen Ende des Buches kann er für sich in Anspruch nehmen, ihn geleistet zu haben: „Und so ist es uns hoffentlich wirklich klar geworden, daß für diese Volksreligion das Zeugen der Zauberakt ist, der die Erde fruchtbar macht, daß für sie Regen und menschlicher Same, Pflug und männliches Gliede, die Erdengrube und der weibliche Schoß, Ackerfurche und weiblicher Geschlechtsteil, daß das Getreidekorn, das zugleich Same und Frucht ist, und der menschliche Same und das menschliche Kind identische Dinge sind.“5 Trotz der Identifizierung des Getreidekorns mit dem menschlichen Samen und Kind versäumt es Dieterich, diese Erkenntnisse für eine Deutung des Demetermythos fruchtbar zu machen. In neuerer Zeit hat Hubert Petersmann auf sprachwissenschaftlicher Ebene versucht, die Identität von Demeter und der Erde zu erweisen6 . Er leitet den Namen Demeter, der die äolische Nebenform Dwmav t hr (und die dorische Damavthr) hat, von dw— / da— ab, einem „alten Lallnamen“ für die Erdgöttin7 . Diese Form habe sich auch in dem theophoren Ortsnamen Dodona bzw. Dodo(n) erhalten8 . Als Göttin, von der sich dieses Toponym ableite, postuliert er die reduplizierte Form Dwdwv , wobei es sich „bei Dodo und Demeter um ein und dieselbe Göttin handelt“9 . Das „zweite Glied“ des Namens Demeter bringe zum Ausdruck, „daß sie die Muttergöttin der Griechen katæ ejxochvn ist“10. Ihre Tochter 1 2 3 4

Dieterich 1905, 12 und passim. Dieterich 1905, 45; 55 und passim. Dieterich 1905, 106. Dieterich 1905, passim, z.B. 33: „[…] wie nahe es dem Menschen liegt, Zeugung und Geburt unmittelbar zu sehen in dem Bilde des Säens in die Erde und des Hervorbrechens der Pflanze. Wie die Parallelität dieser Vorgänge des Erdlebens und des Menschenlebens als Identität erscheint und wiederum unmittelbar in ursprünglichem Denken zur Kausalität wird, […].“ 5 Dieterich 1905, 101. 6 Ausführlich dargelegt in Petersmann 1986; vgl. auch Petersmann 1987a und Petersmann 1987b, wo er seine Gedanken weiterführt. 7 Petersmann 1986, 72 74. 8 Petersmann 1986, 70 72; vgl. Petersmann 1987b, 177 178. 9 Petersmann 1986, 74 75, hier: 75. Demeter wurde in Dodona als „Erd und Vegetationsgöttin“ verehrt (vgl. Petersmann 1987a, 5 8). Das Element dw— steckt auch im Namen einer fruchtbaren thessalischen Ebene, in der Demeter ein Heiligtum hatte: Dwvtion (Petersmann 1986, 76). 10 Petersmann 1987b, 175.

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Kore-Persephone stellt nach Petersmann allerdings keine agrarische, sondern eine solare Allegorie dar: Unter Verweis auf althethitische Texte und auf die altanatolische Vorstellung, wonach die Sonne als Tochter der Erde1 gedacht wurde, deutet er sie als Sonne und sieht in deren Auf- und Untergang den „Bezug zum Mythos von der a[nodo" und kavqodo" der Kore“ 2 . Ihr Aufstieg bringt nach Petersmann „die Hoffnung auf Fruchtbarkeit und friedliche Ordnung durch göttliche Satzung mit sich, ihre kavqodo" den Glauben an Tod und Absterben der Vegetation“3 . Die Vorstellung, daß es sich bei der Sonne um eine Tochter der Erde handle, begründet Petersmann damit, daß die Erde allein zum Gedeihen der Vegetation nicht ausreiche, sondern auch die Beteiligung der Sonne bei diesem Prozeß nötig sei4 . Schon in einer früheren Arbeit hatte Petersmann — ebenfalls unter Verweis auf althethitische Texte — Kore als Sonnengöttin gedeutet und in deren Bahn, die sich im Lauf des Jahres ändert, den Bezug zum Mythos von Kores Anodos und Kathodos gesehen5 . Das wiederum würde bedeuten: Wenn sich im Winterhalbjahr die Sonne dem südlichen Wendekreis nähert, ist Kore-Persephone in der Unterwelt, im Sommerhalbjahr befindet sich die Göttin über der Erde und spendet den Pflanzen Wärme und Licht zum Gedeihen 6 .

2.2.1.2 Demeter als Allegorie des Getreides Dieser Form der Naturallegorese stellte Wilhelm Mannhardt gegen Ende des 19. Jahrhunderts sein eigenes, von Vergleichen mit Sagen und Bräuchen nordeuropäischer Völker7 ausgehendes agrarisches Verständnis der beiden Göttinnen gegenüber. Für ihn ist Demeter eine deutlich „von Gaia unterschiedene Göttin, welche ausschliesslich im Wachstum der Halmfrucht ihre Wirksamkeit entfaltet“8 . Sie ist 1 2 3 4

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Offenbar nennen auch die Hethiter die Erde ,Mutter’ (Beleg bei Petersmann 1987b, 183). Petersmann 1987b, 181 184, hier: 183 184. Petersmann 1987b, 184. Petersmann 1987b, 191: „Alle Vegetation in der Natur geht auf die Erdmütter zurück: Demeter wirkt durch ihr Element, die Erde; die Erde kann Fruchtbarkeit jedoch nicht von selbst bewerkstelligen. Sie bedarf ihrer Tochter, der Sonne, die das Leben in der Natur wachsen und groß werden läßt.“ Petersmann 1986b, 295. Petersmann (1986b, 292 293, hier: 293) stellt mit Blick auf diverse Riten, die sich auf die Sonne beziehen, fest, „daß Feuer, Licht und Sonne als lebensspendend und fruchtbarkeitsfördernd galten“. Der von Petersmann vorgetragene Gedanke erinnert stark an die spätantike neuplatonische Allegorese: vgl. Porphyrios bei Euseb. Praep. ev. 3,11,9: ∆Epei; de; kai; tw'n eij" gh'n ballomevnwn spermavtwn h\n ti" duvnami", h}n h{lio" peri; to; kavtw hJmisfaivrion ijw;n e{lkei, kata; ta;" ceimerivou" tropav", Kovrh me;n hJ duvnami" hJ spermatou'co", Plouvtwn de; oJ uJpo; gh'n ijw;n h{lio" kai; to;n ajfanh' perinostw'n kovsmon kata; ta;" ceimerivou" tropav" (o}" aJrpavzein levgetai th;n Kovrhn, h}n poqei' hJ Dhmhvthr kruptomevnhn uJpo; gh'n). Mannhardt 1884, 296 350. Vgl. auch seinen Aufsatz Kind und Korn, in: Mythologische Forschungen, Straßburg / London 1884, 351 374. Mannhardt 1884, 224. Vgl. auch 241: „Die Göttin Gaia (Gê) war eine kosmogonische Potenz, der Erdboden als die Urmutter und Nähramme alles Lebendigen (pavntwn mhvthr, pammhvteira),

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nicht die Mutter Erde, auch wenn das Getreide ihr Geschenk, ihr Erzeugnis ist1 — „die Erzeugerin, die Hervorbringerin der Kornfrucht, des Getreidesegens“ verkörpert sich in ihr2 . Sie ist für das „spriessende, wachsende, reifende Getreide“ zuständig, „Führerin und Begleiterin desselben auf seinem Werdegang“ 3 . Ihre Wesenszüge und Funktionen lassen sich am besten erklären, „wenn es ihre ursprüngliche Bestimmung war, das Lebensprincip, die causa efficiens, der cerealischen Vegetation auszudrücken. Auf der Vorstufe ihrer geschichtlichen Erscheinung die immanente Psyche des Halmenvolks, wäre nach dieser Auffassung Demeter nächstdem zur Beherrscherin und Vorsteherin ihres Naturgebietes und der darauf bezüglichen menschlichen Verrichtungen geworden, sie wäre Hervorbringerin, Erzeugerin der Früchte als Personification der in den Pflanzen innewaltenden Triebkraft.“4 Diese Deutung Demeters entspricht weitgehend der stoischen Interpretation ihrer Tochter Kore-Persephone, die z.B. von Kleanthes als to; dia; tw'n karpw'n ferovmenon kai; foneuovmenon pneu'ma bezeichnet wird5. Für Mannhardt stellt Demeter ein Äquivalent des nordeuropäischen Getreidedämons dar. Dort gab es bis in Mannhardts Zeit hinein den Brauch, bei der Ernte der letzten Garbe menschliche Gestalt zu verleihen und ihr besondere Ehren zu erweisen. In dieser Getreidepuppe verkörpere sich der Getreidedämon, der das ganze Jahr über im Feld präsent und für die Entwicklung der Frucht verantwortlich sei, die ,Kornmutter‘6 . Der wesentliche Unterschied zwischen der griechischen und der nordeuropäischen Getreidegottheit liege darin, daß Demeter „eine im Nationalbewusstsein lebendige hohe und grosse Göttin, die Kornmutter eine nur im Aberglauben abseits der herrschenden Religion fortdauernder Dämon ist“7 . Indes „spiegeln sich“ in beiden Gestalten „Zustände des im Wachsthum begriffenen Kornes ab“8. Den Namen Demeter leitet Mannhardt der Deutung Demeters als ,Kornmutter‘ entsprechend von dem kretischen Wort dhaiv (,Gerste‘) ab9. Mannhardt ist sich freilich dessen bewußt, daß seiner These sowohl die antike Identifikation von Demeter und Ge als auch zu seiner eigenen Zeit die communis

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Demeter ausschliesslich Herbeiführerin, Urheberin oder Gebärerin der Culturfrucht.“ Dort arbeitet er auch weitere Differenzen zwischen Gaia und Demeter heraus. Mannhardt 1884, 225 226. „Sie lässt die Saaten spriessen, Aehren ansetzen und zur Reife bringen.“ (226) In diesem Zusammenhang weist Mannhardt auch darauf hin, daß sich viele Epitheta Demeters auf die Getreidepflanze und deren Entwicklungsstufen beziehen (227). Mannhardt 1884, 238. Mannhardt 1884, 244. Mannhardt 1884, 243. Siehe dazu oben Kap. 2.1.1. Mannhardt scheint diese Parallele zwischen der stoischen Interpretation Persephones und seinem Demeterverständnis zu entgehen. Die Sagen und Bräuche, die mit der nordeuropäischen Kornmutter zusammenhängen, sind bei Mannhardt 1884, 296 350, ausführlich dargestellt. Mannhardt 1884, 349. Mannhardt 1884, 350. Mannhardt 1884, 281 295, ausführlich zur Etymologie des Namens Demeter.

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opinio entgegenstanden1: Demeter wurde jeweils als Erdgöttin aufgefaßt. Gegen die ihm widersprechenden antiken Zeugnisse führt Mannhardt ins Feld, daß erst die Orphiker Demeter und Ge gleichsetzten, während die Griechen zuvor klar zwischen den beiden Göttinnen unterschieden 2 . Er muß allerdings einräumen, daß diese Identifizierung naheliegend war, „da die Gaben, welche Demeter spendet, einen Theil der Güter ausmachen, welche Gaia gewährt“3 . Die communis opinio seiner Zeitgenossen versucht Mannhardt zu entkräften, indem er zwischen den beiden Göttinnen nochmals genauer differenziert: Ge mache „die Saat aus dem Boden aufgehen“ und werde „ausschliesslich dadurch zur Nahrungsspenderin“; für Demeter hingegen sei es charakteristisch, „dass sie […] in allen einzelnen Phasen der Entwicklung und des Schicksals der Getreidepflanze des Amtes zu warten hat. So erscheint sie zwar auf dem Saatfelde und inmitten desselben hausend und wirkend, aber nicht in dem Erdreich, unter der Oberfläche desselben.“4 Mannhardt fand in dem britischen Altertumswissenschaftler James George Frazer einen Nachfolger. Auch er sieht in den beiden Göttinnen Personifikationen des Getreides5 . Frazer schließt sich der allgemeinen Auffassung seiner Zeit an, daß es sich bei Persephone um die Verkörperung der Vegetation, insbesondere des Getreides handle6. Von der communis opinio, daß Demeter eine Erdgöttin sei, distanziert er sich dagegen deutlich. Denn der Demeterhymnos stehe einer solchen Identifikation entgegen: Dort wird Gaia als eine deutlich von Demeter unterschiedene Göttin, ja sogar als deren Gegenspielerin dargestellt. Nur eine Getreidegöttin könne eine solche Macht über das Getreidewachstum haben, wie es der Hymnos Demeter zuschreibt7 . Auch das Attribut ,blond‘, das Demeter häufig trägt, deutet auf diesen Zuständigkeitsbereich hin. Es paßt, so Frazer, zu einer Göttin des reifen Getreides8 . Das entscheidende Argument ist für Frazer jedoch die Entsprechung von Mutter und Tochter: „If the daughter goddess was a personification of the 1

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Die communis opinio faßt Mannhardt in folgende Worte: Demeter sei „ihrer Grundidee nach doch nichts anderes als der zur Göttin erhobene productive Erdboden, nur in engerem Sinne als Ackerland gedacht. […] Denn für jenes Wesen, welches im Zeitpuncte der Saatausstreuung den Lebenskeim der Erntefülle (Plutos) in sich aufnimmt, drängt sich die Deutung auf das Ackerfeld selbst unwillkürlich auf.“ Mannhardt 241. Für Mannhardt war die Orphik eine relativ junge Erscheinung, heute weiß man, daß sie viel weiter zurückreicht, als er ahnte. Burkert 1998, 390, datiert die Entstehung der orphischen Theogonie auf das 6. Jh. zurück. Mannhardt 241. Darin sieht Mannhardt auch den Grund dafür, daß sich die Epitheta der beiden Göttinnen teilweise überschneiden. So Mannhardt 242 243. Vgl. Frazer 39: „The figures of the two goddesses, the mother and the daughter, resolve themselves into personifications of the corn.“ Vgl. auch 58; 90 und passim. Frazer 40: „This goddess can surely be nothing else than a mythical embodiment of the vegetation, and particularly of the corn, which is buried under the soil for some months of every winter and comes to life again, as from the grave, of the sprouting cornstalks and the opening flowers and foliage of every spring. No other reasonable and probable explanation of Persephone seems possible.“ So Frazer 41. Frazer 41 42.

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young corn of the present year, may not the mother goddess be a personification of the old corn of the last year, which has given birth to the new crops?“1 Allerdings läßt sich dieser Befund nach Frazer nicht durch die Etymologie des Namens Demeter untermauern: Er hält die von Mannhardt propagierte Ableitung von dhaiv (,Gerste‘) für zu unsicher2. Der britische Forscher zieht in seinem Werk agrarische Bräuche aus den verschiedensten Gegenden der Welt zum Vergleich heran. Dabei ergibt sich ihm (wie schon zuvor Mannhardt) der Schluß, daß sich die beiden Göttinnen aus ursprünglichen Getreidedämonen entwickelt haben. Ihnen liegen die ,Kornmutter’ und das ,Kornmädchen‘ zugrunde3, sie stellen deren fortschrittliche Formen dar4 . Folgerichtig postuliert Frazer, daß es auch im antiken Griechenland einen Erntebrauch gab, wie er volkskundlich so reich belegt war: daß ,Kornmutter‘ und ,Kornmädchen‘ aus der letzten Garbe gebildet wurden 5 . Frazer gesteht ein, daß es gewisse logische Probleme bei der Identifikation des Getreides mit anthropomorphen Göttinnen gebe. Aber mit derartigen Fragen hätten sich die antiken Bauern sicherlich nicht aufgehalten6 . Ferner räumt Frazer ein, daß die Griechen zwei Getreidegöttinnen hatten, während andere Völker nur entweder die ,Kornmutter‘ oder das ,Kornmädchen‘ verehrten. Diesen Unterschied begründet er zum einen damit, daß Demeter das letztjährige Getreide, Kore hingegen das diesjährige verkörpere, das gleichsam das Kind des ersteren sei7 . Als weitere Erklärung fügt er hinzu, daß dieser Zustand nicht der ursprüngliche war: Durch eine Fortentwicklung in der Religion wurde der dem Getreide innewohnende Dämon, der für dessen Wachstum und Gedeihen verantwortlich war, zur Göttin Demeter. Da jedoch die einfache Bevölkerung nicht ohne im Getreide selbst befindliche Gottheit bleiben wollte, gab sie dieser Göttin eine Tochter bei, die eben diese Funktion erfüllte. Um die Wende zum 20. Jahrhundert unternimmt Lewis Richard Farnell den Versuch, die widersprüchlichen Auffassungen von Demeter als ,Erdmutter‘ und als ,Kornmutter‘ miteinander in Einklang zu bringen. Schon zu Beginn des Kapitels „Demeter and Kore-Persephone“ stellt er beide Deutungen nebeneinander: „The Greek cult [sc. of Demeter] may be regarded as merely a local development of the

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Frazer 39. Frazer 131. Zu den Unterscheidungsmerkmalen von Dämonen und Göttern vgl. Frazer 169. Frazer 207 208 und passim. Frazer 208: „Indeed, if we knew more about the peasant farmers of ancient Greece, we should probably find that even in classical times they continued annually to fashion their Corn mothers (Demeters) and Maidens (Persephones) out of the ripe corn on the harvest fields.“ Ein mögliches Indiz dafür sieht er in Theokr. 7,155ff. Frazer 59. Frazer 209. Vgl. auch 59: „As the seed brings forth the ripe ear, so the Corn Mother Demeter gave birth to the Corn Daughter Persephone.“

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European worship of the corn-mother or earth-mother.“1 Denn „either term, ‘earthmother’ or ‘corn-mother’ sums up most of the myth and most of the cult of Demeter“. Gleich im Anschluß bemerkt er indes: „The evidence makes it clear that her individuality was rooted in the primitive and less developed personality of Gaia.“2 Diese Worte zeigen, daß sich Farnells Verständnis Demeters deutlich von dem Mannhardts unterscheidet: Für jenen ist Demeter nämlich eine von Gaia verschiedene Göttin, eine reine Korngöttin, Farnell hingegen sieht in ihr eine Emanation Gaias: eine Erdgöttin, die speziell für das Getreide zuständig ist3 . Folglich lehnt er auch die Identifikation Demeters mit dem Getreide, z.B. der letzten Garbe, ab: Für diesen Brauch, der bei so vielen Völkern belegt ist, finden sich in Griechenland keine Anzeichen4 : „Therefore Dr. Frazer’s suggestion […] that Demeter and Proserpine […] were probably evolved from the primitive cornfetiches of the field, lacks the one crucial point of evidence.“ Einen weiteren Einwand führt Farnell noch an: „Demeter’s whole character in worship cannot be entirely explained as developed from a primitive cult of a corn-mother. There is the shadowy personality of an earth-goddess in the background […] which lends magnitude and grandeur to the Demeter-religion.“5 Inkonsequenterweise lehnt Farnell jedoch die etymologische Ableitung des Namens ,Demeter’ von Ge als falsch ab und zieht stattdessen die Verwandtschaft mit dhaiv (,Gerste’) vor6. Nur mit Hilfe einer deutlichen Modifizierung der Position von Mannhardt und Frazer gelingt es Farnell also, die beiden divergierenden Ansätze miteinander zu verbinden: Die ,Kornmutter‘ Demeter ist in seinen Händen eine Erdgöttin mit primärer Zuständigkeit für das Getreide geworden. Anders löst der junge Martin P. Nilsson in einem Frühwerk das Problem: Ihm sind die beiden entgegengesetzten Verständnismöglichkeiten Demeters als Erdoder Getreidegöttin ebenfalls geläufig, aber er sieht weder in der Etymologie noch in Parallelen einen entscheidenden Hinweis auf die Richtigkeit der einen oder anderen Auffassung. Folglich prüft er, „welche alten Sondergötter sich der Demeter untergeordnet haben“ und stellt fest, daß die meisten „mit dem Getreide zu tun haben“, während nur wenige Epitheta auf eine Erdgöttin deuten7 . Ein 1

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Farnell 29. Farnell 30. Vgl. Farnell 34: „There is no doubt that the idea of the corn mother belonged to the earliest conception of Demeter, and was always by far the most prominent and important in myth and cult.“ In dieser Sonderfunktion könne auch der Grund für die Differenzierung zwischen Demeter und Gaia liegen. Farnell 35: „[…] but as regards Demeter the evidence is lacking.“ Vgl. 36: „There were certainly corn heroes or corn spirits in early Greece, and the myth about them […] is natural harvest folklore; but none of them reveal themselves as animate corn sheafs. Still less does Demeter.“ Farnell (36/37) weist eigens darauf hin, daß es auch im Griechenland des 19. Jahrhunderts keine Hinweise auf entsprechende Bräuche gab. Farnell 37. Farnell 29 30. Nilsson 1906, 311 312 (die beiden Zitate stammen von S. 311).

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Übergewicht zugunsten der Korngöttin bemerkt er auch in den Kulten: Der zentrale Ritus der Thesmophorien ist, so Nilsson, „eine magische Einwirkung auf das Korn“, das höchste Mysterium in Eleusis der Anblick einer Ähre. Folglich schließt er sich Mannhardt an, schränkt aber gleichwohl ein: „Man muß sich aber erinnern, daß, sobald eine höhere Gottheit ausgebildet worden ist, die kornspendende Kornmutter und die kornspendende Erde zusammenfließen und beide an sie ihre Züge abgeben müssen. […] Daher hat Demeter naturgemäß, wenn auch nicht so oft, auch die Eigenschaften der Mutter Erde.“1 Wie Farnell nimmt Nilsson in diesem frühen Werk also eine vermittelnde Position ein.

2.2.1.3 Die Deutung von Nilsson und Cornford So weit die Standpunkte der bisher genannten Forscher in mancher Beziehung auseinander liegen, in einem Punkt besteht doch Einigkeit (nur Nilsson, dessen Position ich im folgenden wiedergeben werde, nimmt eine Sonderstellung ein): Alle gehen davon aus, daß der Zeitpunkt von Kores Entführung im Herbst lag, zur Zeit der Aussaat also, der ihrer Rückkehr zu Demeter im Frühling, wenn das Getreide zu spießen beginne. Gegen diese communis opinio wandte zunächst Martin Nilsson in seinen Griechischen Festen ein, daß solche Überlegungen zwar der mittel- bzw. nordeuropäischen Witterung entsprächen, das Klima im Süden hingegen andere Wachstumsbedingungen biete: Dort stehe das Getreide den ganzen Winter über grünend auf den Feldern2 . In dieser frühen Arbeit vertritt der schwedische Religionswissenschaftler noch die Ansicht, daß es sich beim Raub Kores durch Hades ursprünglich um die Erzählung von einem Brautraub gehandelt hatte, die anfänglich keine Beziehung zu den Jahreszeiten gehabt hätte. Erst allmählich sei vom eleusinischen Kultpersonal Kores Anodos den Procharisterien, einem Frühlingsfest zu Ehren Athenas, angeschlossen worden, wodurch zwangsläufig für die Kathodos nur noch ein Herbsttermin übrig blieb3 . Wenige Jahre später tritt der britische Altertumswissenschaftler Francis Cornford ebenfalls für eine von der communis opinio abweichende Datierung von Kores Unterweltsaufenthalt ein — mit vollkommen anderen Argumenten als Nilsson. Frazers Ansatz folgend identifiziert er das Saatkorn mit dem Kornmädchen, für Eleusis speziell: mit Kore4 . Von Warde Fowlers These ausgehend, daß in Rom das Saatgetreide vom Sommer bis zur Zeit der Aussaat in einem unterirdischen Speicher, dem sogenannten mundus, aufbewahrt wurde, postulierte er dasselbe Lage-

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Nilsson 1906, 312 313. Nilsson 1906, 354: Die communis opinio trifft „nicht auf den Süden [zu], wo das Korn im Winter nicht verborgen ist, sondern nicht lange nach der Aussaat hervorsprießt; die Saaten stehen grünend und wachsen den ganzen Winter hindurch.“ Nilsson 1906, 354 355. Cornford 154.

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rungsverfahren auch für Eleusis1. Auf diese Weise gewinnt Cornford die Möglichkeit, neben die übliche Deutung des Kore-Raubs als das herbstliche Versinken des Getreides in der Erde eine zweite Anodos und Kathodos der jungen Göttin zu setzen: „her descent, namely, into the underground treasury and dwelling of Pluton, when the ajparcaiv were stored after harvest, and her ascent, when they were taken out again at seed-time.“2 Somit entspräche der unterirdische Getreidespeicher sowohl Kores Brautkammer (Kore-Persephone wird ja zur Gattin von Pluton-Hades) als auch ihrem Grab (sie befindet sich in der Unterwelt)3 . In seinen späteren Arbeiten nimmt Nilsson4 diese Ergebnisse Cornfords auf. Auch er geht nun von der Annahme aus, daß Kore das Kornmädchen darstelle5 . Auf seine Feststellung, daß sich die communis opinio über Kathodos und Anodos Kores nicht mit dem Klima im Mittelmeerraum vereinbaren lasse, sondern dort eine ungefähr viermonatige Ruhezeit der Natur von der Ernte- bis zur Saatzeit anzusetzen sei6 , postuliert auch er: „Die Niederlegung des Getreides in die unterirdischen Behälter ist die Kathodos der Kore.“ Herr der unterirdischen Getreidespeicher sei Pluton. „Kore, das Kornmädchen, ist in seiner Gewalt, bis die Vorratsräume, wenn die Zeit der Aussaat kommt, aufgetan werden, damit Kore hinaufsteige; das ist ihre Anodos und ihre Wiedervereinigung mit ihrer Mutter.“ 7 In der Forschung ist diese Position auf wenig Zustimmung gestoßen. Zum einen wandte man sich von ihrer wichtigsten Voraussetzung, nämlich der Deutung Demeters und Kores als ,Kornmutter‘ und ,Kornmädchen‘, weitgehend ab8 , zum anderen hielt man Cornford und Nilsson entgegen, daß ihre Rekonstruktion des zeitlichen Ablaufs nicht mit den antiken Quellen in Einklang zu bringen sei. Schon

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Cornford 155 156. Er bezieht sich auf folgenden Aufsatz: W.W. Fowler, Mundus patet. 24th August, 5th October, 8th November, JHS 2, 1912, 25 33. Cornford 157. Dort verweist er auch darauf, daß der Mythos durchgehend davon spricht, daß Kore in ein cavsma in der Erde oder in eine Höhle entführt wird, was einen geeigneten Ort für das Speichern von Getreide darstellt, nicht jedoch für die Aussaat. Cornford 159. Nilsson 1935, 570 581; Nilsson 1942, 216 218; Nilsson 1967, 469 477. Cornford dagegen scheint Nilsson 1906 nicht durch eigene Lektüre gekannt zu haben: Er verweist zwar auf Nilssons Deutung eines sizilischen Demeterfests (157), die Stelle gehört jedoch zu einem Zitat aus Frazer. So schon Nilsson 1906, 356; später z.B. Nilsson 1967, 471. Nilsson 1967, 473: „Die geläufige Deutung ist […] falsch, weil sie die Naturverhältnisse Griechenlands nicht beachtet. […] Die Naturverhältnisse führen aber unweigerlich darauf, daß die Kathodos im Anfang des Sommers bei der Ernte, die Anodos im Herbst bei der Aussaat stattfand.“ Nilsson 1967, 473. Die Gründe für die Ablehnung der These von Cornford und Nilsson lassen sich im Einzelnen oft nicht konkret fassen sondern lediglich aus dem Zusammenhang erschließen. Als z.B. Otto 1939, 319, die Position der genannten Forscher referiert, leitet er diese Passage mit den Worten ein: „Neuerdings suchte man sich mit einer überaus künstlichen Erklärung zu helfen“ und schließt sie mit dem Satz ab: „Ich glaube nicht, daß eine solche Mythendeutung viele Freunde finden wird.“ Näher begründet wird diese Haltung jedoch nicht. Später allerdings erkennt man, daß Otto die Identifikation Kores mit dem Getreide leugnet (321 322).

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allein der Demeterhymnos lege den Zeitpunkt der Rückkehr Kores eindeutig in den Frühling, wenn es dort heißt, daß immer dann die Erde voll von Frühlingsblumen sei1 . Eine gewisse Sympathie für die Theorie von Cornford und Nilsson äußert immerhin Walter Burkert: „Dies geht weit besser auf, doch haben die Griechen es nicht so verstanden; man wird auf Vorgriechisches, vielleicht Neolithisches geführt.“2

2.2.1.4 Zusammenfassung Innerhalb der naturallegorischen, agrarischen Interpretation des Demetermythos stehen einander zwei unvereinbare Auffassungen Demeters gegenüber. Die Vertreter der einen leiten den Namen der Göttin von Ge ab und sehen in ihr entsprechend die ,Mutter Erde‘; für die anderen ist Demeter ein Analogon zur nordeuropäischen ,Kornmutter‘, der Name etymologisch verwandt mit dem kretischen Wort für Gerste, dhaiv. Obwohl die Ausführungen Farnells beweisen, daß es einen echten Kompromiß zwischen diesen beiden Positionen nicht geben kann, haben insbesondere seine Bemühungen um eine Lösung dieses Problems immerhin eines gezeigt: Demeter hat Aspekte einer Erd- und einer Getreidegöttin. Nur sein Ansatz unternimmt wenigstens den Versuch, jedem dieser zwei Aspekte gerecht zu werden. Durch die Beiträge von Cornford und Nilsson wurde die Forschungdiskussion etwas verlagert: Ihre Frage war weniger die nach dem Wesen Demeters — sie interessierten sich vielmehr dafür, wie die Abläufe des agrarischen Jahres im antiken Griechenland durch den Mythos von Demeter und Kore gespiegelt wurden. Doch ihrer Position wurde es zum Verhängnis, daß sich das Verständnis von Demeter als ,Kornmutter‘ in der Forschung nicht durchsetzen konnte. Die rein agrarische Interpretation deckt einen sehr wichtigen, vielleicht den augenfälligsten Aspekt des Mythos ab. Gibt es aber nicht auch andere Perspektiven, aus denen sich der Mythos betrachten läßt? Immerhin handelt es sich um eine Erzählung zwar aus der Welt der Götter, aber mit ,menschlicher‘ Thematik: eine (Götter-)Familie, Trennung und Wiedervereinigung, Trauer und Freude, Tod und Hochzeit etc. Auf diese Aspekte geht der agrarische Ansatz nicht ein.

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Hymn. Hom. in Cer. 401 403. So z.B. die Argumentation bei Kourouniotes 6 8. Burkert 1977, 250. Ähnlich zurückhaltend spricht auch Foley 59 ihre Sympathie für die These von Cornford und Nilsson aus. Anhänger der These dieser beiden Wissenschaftler sind z.B. Greene; Cross 34 35; Càssola 25.

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2.2.2 Matriarchatstheorie und feministische Ansätze 2.2.2.1 Die Matriarchatstheorie Bachofens Vor rund 150 Jahren entwickelten zeitgleich, jedoch unabhängig voneinander zwei Gelehrte die Theorie, daß in der Frühzeit der Menschheit eine matriarchale Epoche bestanden habe. Es handelt sich bei ihnen um den amerikanischen Juristen Henry Morgan und um den Basler Juristen Johann Jakob Bachofen. Die These einer matriarchalen Epoche war zu jener Zeit nicht grundsätzlich neu, stieß aber erst im Zeitalter der Evolutionstheorie auf öffentliches Interesse1 . Die beiden Wissenschaftler arbeiteten mit ganz unterschiedlichen Ansätzen: Morgan argumentierte aus einer ethnologischen Perspektive, Bachofen hingegen ging von der Interpretation antiker (insbesondere griechischer) Mythen aus. Diese Vorgehensweise Bachofens macht ihn zu dem für diese Arbeit Interessanteren. Bachofen legt seine Theorie der Gynaikokratie (er selbst verwendet den Ausdruck ,Matriarchat‘2 nicht) in zahlreichen altertumswissenschaftlichen Werken dar, am populärsten (wenn auch nur selten wirklich gelesen) ist seine zweibändige Abhandlung „Das Mutterrecht“ von 18613. In der Einleitung dieses Werkes erläutert er seine Vorstellungen der Entwicklung des menschlichen Zusammenlebens. Grundlegend für Bachofens Theorie ist zunächst seine Überzeugung, daß „das Mutterrecht keinem bestimmten Volke, sondern einer Kulturstufe angehört“4 . Das Matriarchat stellt für ihn somit eine menschheitsgeschichtliche Epoche dar. Historisch betrachtet geht es dem Patriarchat voraus. Zeuge dieser Entwicklung ist für Bachofen der Mythos, in dem er ein „echtes, von dem Einfluß frei schaffender Phantasie durchaus unabhängiges Zeugnis der Urzeit“ sieht: „Die mythische Überlieferung […] erscheint als der getreue Ausdruck des Lebensgesetzes jener Zeiten, in welchen die geschichtliche Entwicklung der alten Welt ihre Grundlagen hat, als die Manifestation der ursprünglichen Denkweise, als unmittelbare historische Offenbarung, folglich als wahre, durch hohe Zuverlässigkeit ausgezeichnete Geschichtsquelle.“5 Zeitlich umschlossen wird das Matriarchat von dem ihm vorausgehenden „Hetärismus“ und von der ihm nachfolgenden Epoche der „Paternität“. Diese Mittelstellung der Gynaikokratie macht sie zum „Durchgangspunkt der Menschheit aus

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Vgl. zu dieser Entwicklung Wagner 13 16. Der Begriff ,Matriarchat’ ist ein Kunstwort, das offenbar erst in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts aufkam. Vgl. dazu Wagner Hasel 1992b, 4 5, und Wagner Hasel 1989, 338 Anm. 5. Zu den großen Bedeutungsunterschieden in seiner Verwendung siehe Wagner Hasel 1992b, 6. Eine sehr hilfreiche Darstellung der geistesgeschichtlichen Entwicklung bis zu Bachofen und von dessen Gedankengang stellt die Arbeit von Baeumler dar. Bachofen 1861, 11. Bachofen 1861, 13.

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ihrer tiefsten Stufe des Daseins zu der höchsten“1 . In einer anderen Schrift charakterisiert Bachofen den Hetärismus folgendermaßen: „Regellose Geschlechtsverbindung, Abwesenheit jedes Eigentums, überhaupt jedes Sonderrechts irgend welcher Art, Gemeinschaft der Weiber, der Kinder und als notwendige Folge davon auch aller Güter, daneben vollkommene, gestalt- und gliederungslose Freiheit aller Geschöpfe und als einziges Bindeglied unter denselben die aphroditische Lust.“2 Die Hauptgöttin dieser Epoche ist Aphrodite. „In bewußtem und fortgesetztem Widerstande der Frau gegen den sie erniedrigenden Hetärismus“ wurde die Gynaikokratie ausgebildet. Denn „dem Mißbrauche des Mannes schutzlos hingegeben und […] durch dessen Lust zum Tode ermüdet, empfindet sie zuerst und am tiefsten die Sehnsucht nach geregelten Zuständen und einer reinern Gesittung“. In einer Gegenbewegung dazu entwickelt die Gynaikokratie eine „strenge Zucht des Lebens“, deren oberstes Gesetz „die eheliche Keuschheit“ ist3. Die Epoche der Gynaikokratie ist für den Schweizer ein nahezu ideales Zeitalter, dem er offenkundig viel Sympathie entgegenbringt. Nachdem er ihre Atmosphäre beschrieben hat, faßt er zusammen: „Ein Zug milder Humanität […] durchdringt die Gesittung der gynaikokratischen Welt.“4 Dem „vorherrschend weibliche[n] Weltalter“ schreibt Bachofen zu, „was des Weibes Natur vor jener des Mannes auszeichnet“, wozu Harmonie, Religion, Liebe, unreflektierte Naturweisheit, Stetigkeit und Konservativismus des ganzen Daseins gehören5. Aufgrund dieser positiven Charakteristik des Matriarchats faßt Bachofen den Übergang zu dieser Epoche als „die erste Erhebung des Menschengeschlechts, de[n] erste[n] Fortschritt zur Gesittung und zu einem geregelten Dasein“ auf, es knüpfe sich „an das Weib […] der Genuß jedes höhern Gutes an“6 . Richtig erkennt Bachofen das Außergewöhnliche, das der Vorstellung eines Matriarchats anhaftet: „Die Erhebung des Weibes über den Mann erregt dadurch vorzüglich unser Staunen, daß sie dem physischen Kraftverhältnis der Geschlechter widerspricht. Dem Stärkern überliefert das Gesetz der Natur den Szepter der Macht.“7 Die Erklärung dafür sieht er darin, daß hier nicht die physische Kraft, sondern die Religion (bzw. Religionsausübung) ausschlaggebend war8. Die Göttin des Matriarchats ist Demeter. Diese „tellurische Urmutter“ ist das Vorbild für den hohen Stellenwert der Frau, ihre „sterbliche Stellvertreterin“ ist die menschliche Mutter9 . Was in dieser Form zunächst als „religiöse“ Gynaikokratie entstanden ist, zieht die „zivile“ Gynaikokratie nach sich. Zusammenfassend erklärt der Jurist: 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Bachofen 1861, 36. Bachofen 1859, 240 241. Bachofen 1861, 37. Bachofen 1861, 22. Bachofen 1861, 30 31. Bachofen 1861, 34. Bachofen 1861, 26. Bachofen 1861, 26 27. Bachofen 1861, 28.

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„Mit Einem Worte: das gynaikokratische Dasein ist der geordnete Naturalismus, sein Denkgesetz das stoffliche, seine Entwicklung eine überwiegend physische: eine Kulturstufe, mit dem Mutterrecht ebenso notwendig verbunden als der Zeit der Paternität fremd und unbegreifbar.“ 1 Die Voraussetzung für den Aufstieg vom Hetärismus zum Matriarchat bildet der Übergang zum Ackerbau2. Entsprechend ist die oberste Gottheit dieses Zeitalters Demeter. Deren inniger Verbindung zu ihrer Tochter Kore entspricht im menschlichen Bereich das „Successionsverhältnis der Mutter und der Tochter“. Ebenfalls eng an diese Göttin gebunden ist die wichtige Rolle der Frau im Feld der Mysterien. Den Kern der demetrischen Religion bildet, dem Wesen der Frau entsprechend, das Mysteriöse. Denn mit der Naturanlage der Frau ist „das Sinnliche und Übersinnliche stets unlösbar“ verbunden. Das Mysterium Demeters liegt nach Bachofen darin, daß durch die Verwandlung des Saatkorns „das Wechselverhältnis von Tod und Leben“ und damit der „Untergang als Vorbedingung höherer Wiedergeburt“ gespiegelt wird. Dieses „cerealische Mysterium“ findet in der menschlichen Ehe sein Abbild. Denn durch den Ackerbau ist die Erde „zur Gattin und Mutter, der Mensch, der den Pflug führt und den Samen streut, zum Gatten und Vater geworden“3. Bachofen geht sogar so weit, gavmo" (,Ehe‘) von ga' (,Erde‘) und guvh" (,Pflugschar‘) von gunhv (,Frau‘) sowie Gai'a (die Erde als Göttin) etymologisch abzuleiten4 . Die eben angesprochene Verwandlung des Saatkorns bezeichnet er als „das Gesetz des demetrischen Muttertums“. Auf diese Weise wird Demeter zur qesmofovro" (,Gesetzgeberin‘)5. Die Frau ordnet sich dem Mann nicht mehr unter, wie zur Zeit des Hetärismus, „sie meidet vielmehr alles Männliche, unterliegt der Gewalt und dem Raube und bewahrt den Mysteriencharakter unentweihten Matronentums“. Bachofen bezeichnet diese fortschrittliche Stufe des Matriarchats als „eheliches Mutterrecht“6 . So, wie Bachofen die Verhältnisse für das frühe Griechenland nachzeichnet, sind sie seiner These nach immer und überall, wo die Gynaikokratie herrscht 7 .

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Bachofen 1861, 35. Bachofen 1859, 241: „Das rein aphroditische Prinzip weicht dem cerealischen. Mit diesem tritt an die Stelle der Gemeinsamkeit das ausschließliche Recht des Einzelnen, an die Stelle des Hetärismus die Ehe, an die Stelle der Sumpfzeugung und aphroditisch selbständiger Vegetation die laborata Ceres.“ Bachofen 1859, 241 2. Vgl. auch 244: „Demeter dient dem irdischen Weibe, der Ackerbau der Ehe zum Vorbild.“ 245: „Das Weib ahmt der Erde nach, der gavmo" dem Ackerbau. In beiden liegt das gleiche Mysterium.“ Bachofen 1859, 242. Vgl. dazu seine Erläuterung: „Der Erde wie des Weibes Schoß öffnet die männliche Pflugschar; diese doppelte Tat ist im Grunde nur Eine und gegenüber der Erde sowohl als gegenüber dem Weibe nicht mehr vorübergehende hetärische Geschlechtsmischung, sondern eheliche Verbindung. Nicht auf Befriedigung sinnlicher Lust, sondern auf Erzielung goldener Früchte ist des Mannes Tat gerichtet.“ Bachofen 1859, 243. Bachofen 1859, 243. Bachofen 1861, 29.

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Die Ausschließlichkeit und Strenge der demetrischen Lebensform bringt freilich auch Gefahren mit sich: Es droht nicht nur beständig der Rückfall in das Zeitalter Aphrodites, auch die Verehrung eines neu aufkommenden Gottes, nämlich des Dionysos, stellt eine Bedrohung für die Gynaikokratie dar und kann sie schließlich tatsächlich überwinden. Doch die Epoche des Dionysos, der eng mit Aphrodite verbunden ist, ist für die Menschheit die schlimmste: Sie stellt für die „ganze Gesittung des Altertums“ einen „verderblichen Rückschlag“ dar. Diese Religion hat „am meisten zur Entwürdigung des Mannes und zu seinem Falle selbst unter das Weib bei[ge]tragen“1. Letztlich erweist sich indes eine andere Lebensform als siegreich und überlegen: die Paternität. Ihr liegt „die Losmachung des Geistes von den Erscheinungen der Natur“2 zugrunde. Das neue Weltalter ist das apollinische. Eine neue Gesittung entsteht, wobei „auf die Göttlichkeit der Mutter die des Vaters“ folgt. Im Patriarchat „liegt die Quelle der Unsterblichkeit nicht mehr in dem gebärenden Weibe, sondern in dem männlich-schaffenden Prinzip, dieses bekleidet er nun mit der Göttlichkeit, die die frühere Welt jenem allein zuerkannte“3. Die Herrschaft des Apollon hat sich „vollständig von jeder Verbindung mit dem Weibe“ befreit. „Mutterlos ist seine Paternität, eine geistige, […] mithin unsterblich.“ 4 Ihre höchste Ausprägung erfuhr die Paternität nach Bachofens Auffassung im Imperium Romanum5. In der altertumswissenschaftlichen Forschung konnte Bachofens Theorie vom Mutterrecht zu keiner Zeit nachhaltig Fuß fassen6 . Gleichwohl fand er immer wieder Anhänger. Eine neuere Arbeit, die vor dem Hintergrund der Matriarchatstheorie entstanden ist, stellt E. Vardimans „Die Frau in der Antike“ dar. Vardiman schreibt die gesamte Kulturentstehung der Frau zu. Sie ist es, der wir die Seßhaftigkeit, die feste Behausung und schließlich die Dorfgemeinschaft verdanken, sie begann, Getreide zu kultivieren7 . Entsprechend wird „Demeter als Göttin der Erde verehrt, die die Menschen den Ackerbau lehrte. Das sterbende Saatkorn und die 1 2 3 4 5 6

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Bachofen 1861, 44. Zu Dionysos’ enger Verbindung mit Aphrodite vgl. 46. Die dionysische und die demetrische Religion stellt Bachofen auf Seite 47 einander vergleichend gegenüber. Bachofen 1861, 54. Bachofen 1861, 55 56. Bachofen 1861, 59 60. Bachofen 1861, 61. Zur Akzeptanz der Matriarchatstheorie in den Altertumswissenschaften vgl. Wagner 16 18 mit Anmerkungen; Georgoudis 457 460, und besonders Wagner Hasel 1989. Zwei neuere Sammelbände setzen sich mit dem Thema auseinander: Wagner 1992a und H. J. Heinrichs (Hg.), Das Mutterrecht von Johann Jakob Bachofen in der Diskussion, Frankfurt a.M. 1987. Im Gegensatz zu der überwiegend ablehnenden Haltung, die man der Matriarchatstheorie in der altertumswissenschaftlichen Forschung entgegenbrachte, waren ihre Nachwirkungen in anderen Wissenschaftsgebieten (wie Soziologie, Ethnologie, Psychologie u.a.) ungleich größer; vgl. Wagner Hasel 1989. Übrigens ist die sozialistische Geschichtsphilosophie von der Matriarchatstheorie abhängig: Friedrich Engels entwarf sein Modell der klassenlosen Urkultur in Anlehnung an die Arbeiten von Morgan. Vardiman 18.

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daraus aufsprießende Ähre verkörperte ihre Tochter Kore.“ 1 Die Verehrung dieser beiden Göttinnen, der Mutter-Tochter Verbindung Demeter-Kore, betrachtet Vardiman als den „höchste[n] religiöse[n] Ausdruck des Matriarchats“2 . Der primitive Ackerbau wurde von der Frau mit dem Hackstock durchgeführt. Die entscheidende Weiterentwicklung erfuhr die Landwirtschaft aber erst durch den Mann, dem es durch die Erfindung des Pfluges gelang, die Produktionsergebnisse deutlich zu steigern. Dieser Wendepunkt in der Agrikultur wird im Demetermythos dargestellt: Dort hat Demeter einen Sohn, „Triptolemos, der den Menschen im Auftrag der Mutter den Pflug gebracht haben soll“3 . Bachofens altertumswissenschaftliche Werke sind in Opposition zum wissenschaftlichen Rationalismus entstanden, der sich zu seiner Zeit in der historischen Forschung durchgesetzt hatte. Für ihn ist denn auch mehr seine Intuition wichtig als Fakten 4 . Das brachte dem Basler Gelehrten immer wieder den Ruf der Unwissenschaftlichkeit ein. Bachofens Theorie sind heute die wichtigsten Grundlagen entzogen. Er stützt sich in seiner Argumentation vor allem auf den antiken Mythos, der seiner Meinung nach die historische Erinnerung an frühere Zustände und Gesellschaftsformen konserviert hat. Heute ist jedoch erwiesen, daß es eine so weit zurückreichende historische Erinnerung in schriftlosen Kulturen nicht gibt5 . Weiterhin konnte die moderne ethnologische Forschung Bachofens These, daß alle Völker einmal eine Phase des Matriarchats durchmachten, als falsch erweisen. Es gibt zwar durchaus Völker mit einer matrilinearen Verwandtschaftsstruktur, doch von einer Gynaikokratie im bachofenschen Sinne kann keine Rede sein6 . Außerdem ist gegenüber der Ansicht, daß der Ackerbau von Frauen erfunden und in seiner Frühphase von ihnen betrieben wurde, Vorsicht geboten. Denn die Frau betreibt mit ihrem Hackstock immer nur Hortikultur, während effektiver Ackerbau ohne den Einsatz des Pfluges unmöglich ist7 . 1 2 3 4

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Vardiman 19. Vardiman 64. Vardiman 19. Siehe dazu Wagner Hasel 1989, 298 302. Vgl. auch Baeumlers emphatische Worte (221): "Das Geheimnis Bachofens besteht nun darin, daß er selber weiblich sinnlich zu sehen und zu empfinden vermochte. Der mütterliche Urgrund in ihm war so stark, daß er zu Erlebnissen Zugang hatte, die Männern sonst verschlossen zu bleiben pflegen. Man muß Bachofen einen wahren Eingeweihten der Demeter nennen: ohne die Weihen von Eleusis hätte er das gynaikokratische Weltalter niemals entdeckt." Grundlegend: J. Vansina, Oral tradition as history, London 1985. Auf die athenische Geschichte angewandt von K. Raaflaub, Athenische Geschichte und mündliche Überlieferung, in: J. v. Ungern Sternberg / H. Reinau (Hgg.), Vergangenheit in mündlicher Überlieferung, Stuttgart 1988, 197 225. Vgl. auch Bamberger 267: „Rather than replicating a historical reality, myth more accurately recounts a fragment of collective experience that necessarily exists outside time and space. Composed of a vast and complex series of actions, myth may become through repeated recitation a moral history of action while not in itself a detailed chronology of recorded events.“ Dazu ausführlich Wagner 13 37. Zur Kritik an Bachofens Matriarchatstheorie über die genannten Punkte hinaus siehe Bamberger; Wagner; Georgoudi.

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2.2.2.2 Feministische Theorien In den letzten Jahrzehnten hat das gestärkte Selbstbewußtsein der Frauen in unserer Gesellschaft ein wachsendes Interesse an der Frau in der Antike nach sich gezogen. Dieses äußert sich unter anderem in einer Vielzahl von Arbeiten mit feministischer Ausrichtung, die oft (zumindest implizit) Bachofen als ihren Vorläufer betrachten. Das geschieht nicht ganz zu Unrecht, denn schließlich gehörte Bachofen zu den ersten, die der Stellung der Frau in der antiken Gesellschaft größeres Interesse entgegebrachten. Doch war Bachofens eigener Ansatz eher ein geschichtsphilosophischer als ein feministischer. Letztlich sieht er das Patriarchat und nicht das Matriarchat als den Höhepunkt der Gesellschaftsentwicklung an. In Abkehr von Bachofens Verwendung des Wortes ,Gynaikokratie‘ zur Bezeichnung einer bestimmten Epoche der Menschheitsgeschichte wird in den feministischen Arbeiten vielfach der Begriff ,Matriarchat‘ verwendet, um eine "allgemeine Dominanz des Weiblichen" auszudrücken1. Dieses verstärkte Aufkommen feministischer Interpretationsmodelle ist auch am Demetermythos nicht spurlos vorbeigegangen. In ihrer Deutung des Demeterhymnos2 ist in dieser Erzählung primär ein Konflikt zwischen den Geschlechtern zu erkennen: Sie bilde den Übergang vom Matriarchat zum Patriarchat ab3 . Die männlichen Gottheiten (Zeus und Hades) mischen sich gewaltsam in die Welt der Frauen (Demeter und Kore) ein und versuchen, diesen ihren Willen aufzuzwingen4. Durch die Entführung verliert Demeter neben ihrer Tochter auch ihre Rolle als Muttergottheit 5 . Indem sich Demeter gegen die ihr selbst und Kore entgegengebrachte Gewalt zur Wehr setzt, sichert sie sich und ihrer Tochter eine feste Position innerhalb der patriarchalischen Weltordnung6 . Wenn die Göttin am Ende des Hymnos auf den Olymp zurückkehrt, paßt sie sich in ihrer neuen Rolle in das neue, patriarchalische System ein 7 .

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Wagner Hasel 1992a, 6, setzt sich kurz mit Bedeutungsverschiebungen des Begriffs ‚Matriarchat‘ auseinander. Von dort stammt auch das Zitat. Ich beziehe mich bei meinen Ausführungen vor allem auf den Aufsatz von Marylin Arthur und das „interpretive essay“ Helen P. Foley (Foley 77 178). Foley 105 spricht von einem „conflict between genders“. Etwas später (109) äußert sie sich zur Entführung Kores: „We witness an attempt to achieve a divine version of what Engels called ‘the world historical defeat of the female sex’.“ Nach Ansicht Arthurs (216) behandelt der Hymnos „the transition from ‘matriarchy’ to ‘patriarchy’ from the female point of view“. Vgl. Arthur 218 22. Folgender Satz (222) bringt ihre Auffassung auf den Punkt: „The second, the patriarchal order controlled by men, carelessly and brutally disregards women’s feelings and imposes helplessness upon them.“ Arthur 224. So hält Arthur 216 für das zentrale Problem des Hymnos „Demeter’s search for recognition and identity in a male dominated cosmos“. Arthur 238: „In the Homeric hymn, Rheia’s arrival marks both Demeter’s return to her true, feminine, divine nature and her incorporation into the patriarchally ruled world of Olympus. She does not capitulate, however. On the contrary, she has her special privileges affirmed.“

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2.2.2.3 Zusammenfassung Für Bachofen ist Demeter also ebenfalls die Göttin des Getreideanbaus, darüber hinaus stellt sie aber die Hauptgottheit einer menschheitsgeschichtlichen Epoche dar, die der Schweizer als das Zeitalter des Mutterrechts (bzw. der Gynaikokratie) bezeichnet. Als solche ist sie nicht nur der religiöse Bezugspunkt ihrer weiblichen Verehrerinnen sondern gleichzeitig deren göttliche Repräsentantin. Nach dem Vorbild des Ackerbaus schafft sie die menschliche Ehe und wird damit zur Urheberin der sozialen Ordnung jener Epoche. Mit diesem Ansatz ist Bachofen wohl der erste, der ein theoretisches Konzept über die Rolle der Frau in der Antike entwickelt. Gleichzeitig erkennt er die große Bedeutung des Agrarischen im Zusammenhang mit Demeter an. Dadurch kann man ihm in gewissem Sinn zuschreiben, einen ersten Versuch unternommen zu haben, eine soziale Fragestellung mit der naturallegorischen Mythendeutung zu verbinden. Leider ging er von falschen Voraussetzungen aus. Die soziologische Komponente von Bachofens Werken wird in den Arbeiten des heutigen Feminismus weitergepflegt — allerdings in weitaus stärkerer Zuspitzung auf das Verhältnis (bzw. den Kampf) zwischen Mann und Frau. Was den Demeterhymnos betrifft, so sucht dieser Ansatz nicht wirklich eine Verbindung zwischen dem Mythos und der sozialen Wirklichkeit in der Antike. Außerdem vernachlässigt er den agrarischen Aspekt der Erzählung von der Entführung Kores, ja blendet ihn meist sogar vollkommen aus. Insofern sind die feministischen Interpretationsansätze ein Rückschritt gegenüber Bachofens Ergebnissen.

2.2.3 Die Initiationstheorie In seinem Buch Couroi et Courètes widmet Henri Jeanmaire ein Kapitel Theseus und seinen Festen. Aufgrund der zeitlichen Nähe der Theseia zu den Thesmophorien1 beschäftigt er sich dort auch mit Kore und dem Mythos von ihrer Entführung. Jeanmaire deutet beide Feste parallel: die Theseia als Initiationsfest2 der Epheben,

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Auch Foley (112) sieht als Ergebnis: „Demeter and Persephone lose some autonomy and gain new powers.“ Die Theseia fanden am 8. Pyanopsion statt, die Thesmophorien vom 11. 13. Pyanopsion, wobei die Stenia schon am 9., die Thesmophorien von Halimus am 10. lagen. Vgl. Jeanmaires Kapitel 4, Les origines rituelles de la geste de Thésée, 227 275. Der Begriff „Initiation“ ist von dem lateinischen Wort initium (,Anfang’) abzuleiten und bezeichnet die Eingliederung in eine bestimmte Personengruppe, oft den Eintritt in einen neuen Lebensabschnitt. Somit gehört die Initiation in den Kreis der Übergangsriten bzw. rites de passage. Diese zeichnen sich durch drei aufeinanderfolgende Phasen aus, die man nach van Gennep als rites de séparation (Trennungsriten), rites de marge (Schwellenriten) und rites d’aggrégation (Eingliederungsriten) bezeichnet. In traditionellen Gesellschaften stellt die Einweihung von männlichen und weiblichen Jugendlichen in das Erwachsenenleben die wichtigste Form der Initiation dar. Im Verlauf der Initiation lernen die jungen Menschen alles,

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die Thesmophorien als Initiationsfest für Mädchen1 . Entsprechend stellt für ihn der Mythos auch eine typische Initiationserzählung dar. „A ces rites de passage que sont essentiellement rites d’entrée et rites de sortie d’une phase critique, s’impose comme une sorte de schéma liturgique, l’alternance d’une descente et d’une remontée, cathodos et anodos.“ 2 Kore selbst ist „la jeune fille par excellence“. Ihre Unterweltsreise spiegelt eine Erfahrung wider, die jedes Mädchen in seiner Adoleszenz einmal durchmacht, wenn es die Obhut seiner Mutter aufgeben muß 3 . Der Mythos beschreibt letztlich „une affaire de famille un peu compliquée“4 . Allerdings ist die soziale Bedeutung der Demeterkulte, so Jeanmaire, im Laufe der Zeit immer mehr in Vergessenheit geraten, und für uns ist sie nicht mehr sehr deutlich greifbar5 . Aus diesem Grunde konnte der Mythos schon in der Antike falsch verstanden und Kores Entführung als Allegorie des Getreides gedeutet werden, das nach der herbstlichen Aussaat erst im Frühling keime. Wie Jeanmaire überhaupt eine agrarische Deutung des Mythos ablehnt, so hält er auch dieses Verständnis für falsch6 . Kore sei nämlich im späten Frühling bzw. Frühsommer7 entführt worden, ihre Rückkehr sei Gegenstand der Thesmophorienfeiern gewesen, die im Herbst stattfanden8 . Kores Unterweltsaufenthalt symbolisiert für Jeanmaire aber nicht (wie für Cornford oder Nilsson) eine sommerliche Ruhephase der Vegetation, sondern die Separationsphase eines rite de passage. Den Ansatz Jeanmaires greift 40 Jahre später Bruce Lincoln wieder auf9 , der sich unter anthropologischen Gesichtspunkten intensiv mit weiblichen Initiationsriten befaßt hat. Er verweist darauf, daß Kore zu Beginn aller Versionen des Mythos als Jungfrau dargestellt sei10. Der Bruder des Vaters habe in manchen

was sie für ihr späteres Leben brauchen. Standardwerke zum Thema ,Initiation’ sind nach wie vor van Gennep und Eliade, auf die griechische Antike bezogen sind vor allem Jeanmaire, Brelich und Dowden zu nennen. 1 Jeanmaire 278: „De ces deux temps rituels, liés originairement à des coutumes sociales qui se sont effacées à l’époque historique en laissant seulement une trace persistante dans le rituel, le conte de Thésée et de son voyage en Crète, comme le mythe du rapt et de la restitution de Coré, nous apparaissent comme deux traductions légendaires coordonnées aux deux principaux ensembles de cérémonies auxquels avaient donné naissance les mystères concernant l’un et l’autre sexe.“ Kurz zuvor (274) hält Jeanmaire die von ihm festgestellten Parallelen fest. 2 Jeanmaire 269. Vgl. auch 277: „Les rites d’adolescence comportent normalement une période de retraite et d’entraînement à l’écart, un séjour réel ou fictif des novices dans la brousse, séjour qui est conçu mythiquement comme impliquant un voyage dans l’au delà.“ 3 Jeanmaire 269; vgl. 301. 4 Jeanmaire 281. 5 Jeanmaire 269 70 und passim. 6 Jeanmaire 270 71. 7 Jeanmaire 272 gibt die Monate Munichion bzw. Skirophorion an. 8 Jeanmaire 271 und passim. 9 Lincoln beruft sich explizit auf Jeanmaires Erkenntnisse (72: „It [sc. the myth of Demeter and Persephone] has been interpreted in many fashions, […] but most convincingly, in my opinion, by Henri Jeanmaire as the description of a woman’s initiation.“). 10 Lincoln 74.

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Forschungsbericht

traditionellen Gesellschaften die Aufgabe „to care for his niece or nephew in a protective way“, also der Initiation vorzustehen. Deshalb „Hades acts properly, undertaking the dangerous task of transforming Kore from child to woman“1 . Vielerorts wird die Separationsphase einer Initiation mit einem Aufenthalt in der Unterwelt gleichgesetzt. Der Initiand durchläuft symbolisch Tod und Wiedergeburt. In eben dieser Position befinde sich Kore aufgrund ihrer Entführung2 . Verstärkt werde dies dadurch, daß Kore in der Unterwelt ihre Jungfräulichkeit verliere. Am Ende der Initiation erhalte Kore statt der allgemeinen Bezeichnung ,Mädchen’ einen eigenen Namen: Persephone 3 . Wenn Zeus, als er im Demeterhymnos die Dreiteilung des Jahres ankündigt, seine Tochter wieder ,Kore’ nennt, dann deute der Dichter damit an, daß Kore jedes Jahr von neuem die Rolle einer Initiandin annimmt4. Jeanmaire folgend geht Lincoln davon aus, daß Kore im Frühling entführt wurde5. Im Rahmen des Mythos mache aber nicht nur Kore selbst, sondern auch die gesamte Menschheit einen bedeutenden Schritt in ihrer Entwicklung. Denn sie würden von Sammlern zu Bauern, als Demeter im Zusammenhang mit der Entführung ihrer Tochter den Ackerbau einführt 6 .

2.2.3.1 Zusammenfassung Die Interpretation des Demetermythos nach dem Paradigma der Initiationstheorie leistet einen entscheidenden Beitrag zum Verständnis des sozialen Aspekts des Mythos. Kore wird bei diesem Ansatz als das Urbild des adoleszenten Mädchens angesehen, das mittels bestimmter Riten einen Statuswechsel zur erwachsenen Frau vollzieht. Doch in der Form, in der diese Theorie bislang auf den vorliegenden Mythos angewendet wurde, lehnt sie jeden Bezug zu agrarischen Deutungsversuchen ab7. Unser Überblick über die Forschung der letzten beiden Jahrhunderte dürfte jedoch hinreichend gezeigt haben, welche Bedeutung gerade das Agrarische für unseren Mythos besitzt. Diese Richtung wiederum hat sich bislang (wie wir bereits gesehen haben) gegenüber der sozialen Komponente des Mythos mit Erfolg verschlossen gehalten.

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Lincoln 77. Dort vergleicht er Hades’ Wirken mit dem des Onkels unter den Tukuna, die er im selben Buch behandelt. Lincoln 77 78. Lincoln 79 meint, diese Interpretation mit dem Text des Demeterhymnos stützen zu können, muß dazu aber recht willkürlich die Hekate Szene athetieren. Lincoln 79. Lincoln 77. Lincoln 84 85. Lincoln sieht im Demeterhymnos zwar einen solchen Bezug, indem er den Übergang der Menschheit von einer nichtagrarischen zu einer agrarischen Stufe annimmt. Aber auch er geht auf das seasonal pattern nicht ein.

Die moderne Forschung

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Die Defizite der Forschung lassen sich nur beheben, indem man den Versuch unternimmt, beide Interpretationsansätze miteinander zu kombinieren. Die Initiationstheorie in ihrer bisherigen Form muß um eine agrarische Komponente erweitert werden. Das bedeutet keine Rückkehr zur naturallegorischen Mythendeutung, soll sehr wohl aber zu einem Revival der Berücksichtigung der landwirtschaftlichen Bedingungen für unser Verständnis der antiken Religionen führen. Nur auf diese Weise wird es uns gelingen, beide Hauptaspekte des Demetermythos zu erfassen.

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Der Mythos von Demeter und Kore

3. DER MYTHOS VON DEMETER UND KORE 3.1 RITES DE PASSAGE IM MYTHOS VON DEMETER UND KORE Wie mein knapper Überblick über die Forschung der letzten rund 170 Jahre gezeigt hat, ging man bei der Beschäftigung mit dem Koremythos weit auseinanderliegende Wege und gelangte folglich zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Die verschiedenen Richtungen stehen isoliert und scheinbar unvereinbar nebeneinander. Versuche, sie miteinander zu vereinbaren, sind mir nicht bekannt1. Jeder dieser Ansätze fokussiert jedoch einen anderen Aspekt des Mythos: das Verhältnis zwischen Mythos und Agrikultur, die Rolle der weiblichen Gestalten im Mythos, die Spiegelung sozialer Wirklichkeit durch den Mythos. Alle drei Fragestellungen sind gleichermaßen berechtigt. Stellen sie etwa drei eigentlich zusammengehörige Aspekte des Mythos dar? Dieser Frage möchte ich in diesem Abschnitt meiner Arbeit nachgehen und untersuchen, ob sich die verschiedenen Wege der Demeterforschung nicht zusammenführen lassen. Als Folie für die Ausführungen wird mir primär der Homerische Hymnos an Demeter dienen.

3.1.1 Kores Übergang vom Mädchen zur Frau Dhvmhtræ hju?komon semnh;n qea;n a[rcomæ ajeivdein, aujth;n hjde; quvgatra tanivsfuron h}n ∆Ai>dwneu;" h{rpaxen, dw'ken de; baruvktupo" eujruvopa Zeuv", novsfin Dhvmhtro" crusaovrou ajglaokavrpou paivzousan kouvrh/si su;n ∆Wkeanou' baqukovlpoi", a[nqeav tæ aijnumevnhn rJovda kai; krovkon hjdæ i[a kala; leimw'næ a]m malako;n kai; ajgallivda" hjdæ uJavkinqon navrkissovn qæ, o}n fu'se dovlon kalukwvpidi kouvrh/ Gai'a Dio;" boulh'/si carizomevnh poludevkth/ qaumasto;n ganovwnta, sevba" tovte pa'sin ijdevsqai ajqanavtoi" te qeoi'" hjde; qnhtoi'" ajnqrwvpoi". (1-11)2

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Einen Schritt in diese Richtung tut lediglich Allaire C. Brumfield, die in ihrer Monographie zu den attischen Demeterfesten trotz einer insgesamt agrarischen Interpretation des Mythos auf seine Polyvalenz und dabei auch auf seinen Initiationscharakter hinweist (Brumfield 225 230); allerdings geht sie nicht so weit, diese Erkenntnis für die Deutung der Feste fruchtbar zu machen. Zitiert wird, sofern nicht anders vermerkt, nach der kritischen Ausgabe des Homerischen Hymnos an Demeter von N. Richardson.

Rites de passage im Mythos von Demeter und Kore

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Demeter, die schönhaarige, die hehre Göttin will ich besingen, sie selbst und ihre Tochter mit den schlanken Fesseln, die Hades raubte (die Erlaubnis gab der lautdonnernde weitblickende Zeus), als sie getrennt von Demeter, der Göttin mit dem goldenen Schwert und der glänzenden Frucht, mit den Mädchen des Okeanos, die tiefbauschende Gewänder trugen, spielte und Blumen pflückte: die Rose, den Krokos und das schöne Veilchen auf einer lieblichen Wiese, die Iris, die Hyazinthe und die Narzisse, die wunderbare, glänzende, die Gaia nach Zeus’ Willen als Falle für das knospengesichtige Mädchen hervorgebracht hatte, um dem alle aufnehmenden Hades einen Gefallen zu erweisen, sie war ein Wunder zu sehen für die unsterblichen Götter und die sterblichen Menschen.

Nachdem der Dichter in den ersten drei Versen den Inhalt des Demeterhymnos bereits in knappster Form umrissen hat, wird in der ersten ausführlich dargestellten Szene Kore klar als Mädchen in heiratsfähigem Alter geschildert. Schon bei ihrer ersten Erwähnung trägt sie das Attribut tanivsfuro" (,mit schlanken Fesseln‘), das allgemein zur Beschreibung attraktiver Jungfrauen dient1 . Die Angabe, daß sich Kore am Ort ihrer Entführung getrennt von Demeter aufhält, impliziert eine noch enge Verbindung von Mutter und Tochter2 . Kore spielt mit ihren Altersgenossinnen, den Okeaniden — wie sie selbst adoleszente weibliche Jugendliche, worauf das Adjektiv baquvkolpo" (,mit tiefem Gewandbausch‘) hinweist3 . Das Verb paivzw (‚spielen‘, ,tanzen‘) deutet an, daß die Mädchen das Kindesalter noch nicht vollständig verlassen haben. Vielleicht ist an dieser Stelle die Bedeutung ,tanzen’ zu bevorzugen: Zum einen gilt der Reigentanz als typische Beschäftigung weiblicher Jugendlicher; zum anderen werden im antiken Mythos Männer des öfteren auf die Reize von Mädchen aufmerksam, wenn diese tanzen, und entführen sie4 . 1

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Hymn. Hom. in Cer. 2, vgl. 77. Zur Bezeichnung der jugendlichen Attraktivität adoleszenter Mädchen wird das Adjektiv tanivsfuro" bzw. tanuvsfuro" auch sonst gebraucht: siehe Hes. Theog. 364 (Okeaniden), Hes. fr. 43a, 37 (Mestra), Hes. fr. 73, 6 (Atalante), Hes. fr. 75, 6 (Atalante), Hes. fr. 141, 8 (Europa), Hes. fr. 195 (= Scut.) 35 (Alkmene), Hes. fr. 198, 4 (Helena), Ibyk. fr. S151, 11 Davies (Kassandra), Bakch. 3,60 (Töchter des Kroisos). Etwas aus dem Rahmen scheint lediglich Bakch. 5,59 zu fallen: Dort wird der Hades Gattin Persephone das Attribut tanivsfuro" beigelegt; allerdings hat der antike Rezipient bei der oszillierdenden Gestalt der Persephone sicherlich immer das Konnotat der Jungfräulichkeit mitgehört. In gleicher Weise wie tanivsfuro" wird auch das verwandte Adjektiv kallivsfuro" gebraucht. Hymn. Hom. in Cer. 4. Arthur 219 und passim spricht von einer Symbiose von Mutter und Tochter. Eine weitere Implikation des novsfin Dhvmhtro" ist, daß die Entführung ohne Wissen und gegen den Willen Demeters durchgeführt wird. Hymn. Hom. in Cer. 5. Das Adjektiv verweist auf die vollentwickelten Brüste der Mädchen. Homer verwendet baquvkolpo" als Epitheton der Trojanerinnen (Stellen bei Richardson ad loc.); auch sonst steht dieses Wort gelegentlich als Attribut bei erwachsenen Frauen (Lykophronides PMG 1, 2 = Athen. 13, 564b). Deutlich häufiger dient baquvkolpo" hingegen zur Beschreibung adoleszenter Mädchen: Hymn. Hom. in Ven. 257 (Nymphen); Pind. Pyth. 1, 12 (Musen); Pind. Paian 6, 135 (Aegina); Theokr. 17, 55 (Thetis); Orph. Hymn. 44, 2 (Semele); Orph. Hymn. 60, 2 (Eunomia); Nonn. Dion. 42, 99 (Nymphe); vgl. Aisch. Sept. 864. Das Adjektiv hat offenbar die Konnotation der Fruchtbarkeit und kann deshalb von Pindar auch auf die Erde angewandt werden (Pyth. 9, 101).

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Der Mythos von Demeter und Kore

Außerdem vergnügen sich Kore und ihre Gespielinnen mit dem Pflücken von Blumen, was im Mythos ebenfalls oft Anlaß zum Mädchenraub gibt1 . Weiterhin ist diese kurze Schilderung der Spiele, mit denen sich Kore und ihre Freundinnen die Zeit vertreiben, ein Zeichen für die Unbedarftheit der Mädchen. Wenig später nennt der Dichter Kore ,knospengesichtiges Mädchen‘ (v. 8), was auf dieselbe Altersstufe schließen läßt2 , die man bereits den bisher gegebenen Informationen entnehmen konnte. Andererseits weist dieser Vergleich der jungen Göttin mit einer Blume, wie insgesamt das Motiv der Anthologie, auf ihre Verletzlichkeit hin 3 . hJ dæ a[ra qambhvsasæ wjrevxato cersi;n a{mæ a[mfw kalo;n a[qurma labei'n: cavne de; cqw;n eujruavguia Nuvsion a]m pedivon th'/ o[rousen a[nax poludevgmwn i{ppoi" ajqanavtoisi Krovnou poluwvnumo" uiJov". aJrpavxa" dæ ajevkousan ejpi; crusevoisin o[coisin h\gæ ojlofuromevnhn: ijavchse dæ a[ræ o[rqia fwnh'/ keklomevnh patevra Kronivdhn u{paton kai; a[riston. oujdev ti" ajqanavtwn oujde; qnhtw'n ajnqrwvpwn h[kousen fwnh'", ... kouvrh" keklomevnh" patevra Kronivdhn: oJ de; novsfin h|sto qew'n ajpavneuqe polullivstw/ ejni; nhw'/ devgmeno" iJera; kala; para; qnhtw'n ajnqrwvpwn. (15-29) Staunend streckte sie beide Hände aus, um das schöne Spielzeug zu ergreifen. Da tat sich die breitstraßige Erde auf in der nysischen Ebene. Aus ihr stürzte der Herr, der viele aufnehmende, mit seinen unsterblichen Pferden auf sie zu, der vielnamige Sohn des Kronos. Er raubte sie auf seinem goldenen Wagen und führte die Klagende weg. Sie schrie mit lauter Stimme, rief ihren Vater, den Kroniden, den höchsten und besten. Aber keiner der Unsterblichen und keiner der

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Beim Tanz entführt werden Polymele (Hom. Il. 16,181), Oreithyia (Apoll. Rhod. 1,213), Helena (Plut. Thes. 31,2); Aphrodite fingiert ihre Entführung beim Tanz (Hymn. Hom. in Ven. 117); vgl. das Komödienmotiv bei Men. Epitrep. 451 und den Bericht von Paus. 4,16,9. Nausikaa spielt mit ihren Gefährtinnen ein mit Tanz verbundenes Ballspiel, als sie sich auf ihre Hochzeit vorbereitet (Hom. Od. 6, 99 109). Auch bei der athenischen Arrhephorie muß das Ballspielen eine Rolle gespielt haben (Plut. Vit. dec. orat. 839c überliefert uns die Existenz eines Ballspielplatzes (sfairivstra) auf der Akropolis). Ausführlich behandelt wird das Motiv der Entführung vom Tanzplatz von Lonsdale 222 233. So z.B. Hes. fr. 26, 18ff. (Stratonike); Eur. Ion 887 896 (Kreusa); Eur. Hel. 241 251 (Helena); Mosch. Eur. 63 114 (Europa), ebenso wohl schon Aisch. (fr. 99, 1 Radt); Choiril. Sam. fr. 7 Bernabé (Oreithyia). Vgl. Hymn. Hom. in Ven. 284; Bakch. fr. 20A, 17; Paus. 4, 30, 4; Orph. Hymn. 24, 1; Orph. Hymn. 60, 6. Laut Hesych s.v. kavlux kann dieses Substantiv auch Synonym für hJ nuvmfh verwendet werden. Beim Tanz „she is shown to be at her most beautiful, ready to be plucked like the flowers she gathers“ (Lonsdale 224).

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sterblichen Menschen hörte die Stimme […] des Mädchens, als es seinen Vater rief, den Kroniden. Der aber saß abseits von den Göttern in einem vielverehrten Tempel und empfing schöne Opfer von den sterblichen Menschen.

Die Narzisse, nach der Kore greift, wird als kalo;n a[qurma (v. 16) bezeichnet: Das Blumenpflücken ist also ebenfalls Bestandteil des Spiels bzw. Tanzes der Jungfrauen. In einem dramatischen Kontrast zu der friedvollen Eingansszene steht die nun folgende Passage, in der die Entführung ausführlich geschildert wird. Plötzlich tut sich die Erde auf, Hades stürmt heran, reißt seine Auserwählte zu sich auf den Wagen und fährt davon. Kore ist unwillig und klagt; sie ruft Zeus zu Hilfe (v. 20-21; 27), doch der ist außer Hörweite (v. 28). Auch sonst bleibt ihre Lage fast vollkommen unbemerkt, sie ist ganz auf sich allein gestellt (v. 22). Die Tatsache, daß Kore primär bei ihrem Vater Hilfe sucht, ist nicht nur deswegen bemerkenswert, weil sie sich damit, ohne es zu wissen, an den Urheber der Entführung wendet — also einen, von dem sie bestimmt keine Hilfe erwarten kann —, sondern weil diese Verse ein weiteres Indiz dafür liefern, daß die Eltern noch ihr eigentlicher Bezugspunkt sind. Dafür spricht auch die nächste Passage, in der zum Ausdruck kommt, daß sich das Mädchen besonders nach seiner Mutter sehnt: o[fra me;n ou\n gai'avn te kai; oujrano;n ajsteroventa leu'sse qea; kai; povnton ajgavrroon ijcquoventa aujgav" tæ hjelivou, e[ti dæ h[lpeto mhtevra kednh;n o[yesqai kai; fu'la qew'n aijeigenetavwn, tovfra oiJ ejlpi;" e[qelge mevgan novon ajcnumevnh" per. (33-38) Solange sie die Erde und den bestirnten Himmel sah, die Göttin, und das starkwo gende, fischreiche Meer und die Strahlen der Sonne, solange hoffte sie noch, ihre hehre Mutter zu sehen und das Geschlecht der immerwährenden Götter. So lange betörte ihr die Hoffnung das große Herz, obgleich sie voller Kummer war.

Durch Hades’ Entführung wird die junge Göttin aus ihrem gewohnten Umfeld gerissen und völlig isoliert. Vater und Mutter, Spielgefährtinnen und andere Götter, das Leben auf Olymp und Erde — das alles muß Kore gegen einen Aufenthalt bei ihrem Onkel in der Unterwelt eintauschen1. Als Ziel der Entführung gibt Helios wenig später die Ehe von Hades und Kore an: oujdev ti" a[llo" 1

Zu Recht weist Nancy DeBloois (252 253) darauf hin, daß ,Sehen‘ und ,Sonnenlicht‘ Metaphern für ,Leben’ sind, daß also der Weg in die Unterwelt ebenso wie die Gestalt des Hades selbst als Hinweise auf den ,Tod’ Kores dienen.

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Der Mythos von Demeter und Kore

ai[tio" ajqanavtwn eij mh; nefelhgerevta Zeuv", o{" min e[dwkæ ∆Ai?dh/ qalerh;n keklh'sqai a[koitin aujtokasignhvtw/: oJ dæ uJpo; zovfon hjeroventa aJrpavxa" i{ppoisin a[gen megavla ijavcousan. (77-81) Kein anderer der Unsterblichen als der wolkensammelnde Zeus ist der Schuldige, der es seinem Bruder Hades gestattete, sie seine blühende Gattin zu nennen. Der aber hat sie geraubt und mit seinen Pferden in das schattige Dunkel gebracht, die laut Schreiende.

Der Sonnengott betont, daß Zeus Urheber des Unternehmens ist. Klar bezeichnet er Kore als Mädchen in blühender Jugend (qalerhv), das Hades’ Gattin werde. Demeter will er damit trösten, daß ihre Tochter immerhin eine gute Partie mache, da Hades großes Ansehen besitze (v. 82-87). In der Tat finden sich in der bisherigen Handlung einige Begebenheiten, die an eine Hochzeit denken lassen1: So kann schon allein in der Beschreibung einer Blumenwiese ein Hinweis auf Sexualität liegen2 . Darin, daß sich Zeus und Hades ohne Wissen von Demeter und Kore selbst über deren Entführung geeinigt haben, kann man eine Entsprechung zur ejgguhv (,Verlobung‘) sehen, die eine Abmachung zwischen Brautvater und Bräutigam, also reine Männersache war3 . Es ist allerdings davon auszugehen, daß in der Realität Braut und Brautmutter über die bevorstehende Hochzeit Bescheid wußten, da zahlreiche Vorbereitungen in der Hand der Frauen lagen4 .

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Auch Aphrodite Avagianou sieht in dem hier beschriebenen Geschehen eine Parallele zu den Hochzeitsriten (siehe bes. 115 118). Ausführlich nachgewiesen von J.M. Bremer, The meadow of love and two passages in Euripides’ Hippolytus, Mnemosyne 28, 1975, 268 280. Dort deutet Bremer die Eingangsszene des Demeterhymnos „as a place where virginity finds its end and fulfilment in sexuality“ (269). Calame 1992, 115, erkennt in der Blumenwiese eine „prairie d’ initiation à l’amour“ und Calame 1996a, 176, weist darauf hin, daß „ce paysage est largemente érotisé“ und „le pré fleuri représente plutôt l’espace imprégné d’Éros qui sert de prélude immédiat à la réalisation du désir sexuel“. Vgl. auch Foley 127. Zumindest in manchen Gegenden könnte das Blumenpflücken ein Bestandteil der Hochzeitsriten gewesen zu sein (vgl. L. Gernet, Anthropologie de la Grèce, Paris 1968, 40). Tanz und Spiel gehören jedenfalls in den Kontext von Werbung und Hochzeit, vgl. dazu Lonsdale 206 233. Zur ejgguhv vgl. A.R.W. Harrison, The law of Athens: The family and property, Oxford 1968, 3 9 und 17 21; Oakley / Sinos 9 10; Redfield 186 88; Rehm 11 12. Wie lange vor der Entführung Zeus und Hades ihre Abmachung getroffen haben, wird nicht gesagt; die ejgguhv kann schon in der frühen Kindheit der Braut stattfinden (siehe Oakley / Sinos 10). So z.B. das Brautbad sowie das Ankleiden und Schmücken der Braut. Die Hochzeitsvorbereitungen werden von Oakley / Sinos 11 21 ausführlich beschrieben; vgl. auch Redfield 189; Rehm 12 14. Zahlreiche der von Edward Westermarck im Kapitel „Marriage by capture“ (2, 240 277) seines monumentalen Werkes „The history of human marriage“ angeführten Beispiele lassen erkennen, daß die Braut in den meisten Fällen über die ihr bevorstehende Entführung Bescheid wußte (es ist mehrfach davon die Rede, daß sie bei ihrer Entführung die Hochzeitskleidung trug, daß sie einen speziellen Ort aufsuchte o.ä.).

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Frauen wurden im antiken Griechenland verheiratet, sobald die Pubertät eintrat, d.h. mit dreizehn oder vierzehn Jahren1 . Dagegen wird das ideale Heiratsalter für den Mann bei dreißig Jahren oder mehr angesetzt2 . Wie wir oben gesehen haben, stellt der Demeterhymnos Kore als adoleszentes Mädchen dar; man muß sie sich also in demselben Alter wie die griechischen Bräute vorstellen. Zwischen ihr und Hades besteht ein erheblicher Altersunterschied: Als Bruder ihrer Eltern ist er eine Generation älter als Kore. Dem niedrigen Alter der Bräute entsprach ein Ritus, den sie vor der Eheschließung durchzuführen hatten: Sie weihten ihre Spielsachen derjenigen Göttin, die ihr bisheriges Leben beschützt hatte. Oft war das Artemis3 . Dadurch zogen sie symbolisch einen Schlußstrich unter ihre Kindheit und waren nun für ihre Aufgaben als Ehefrau und Mutter bereit. Zu Beginn des Demeterhymnos ist mehrfach vom Spielen Kores die Rede — sie hat zu diesem Zeitpunkt folglich den wichtigen Schritt ins Erwachsenenleben noch nicht getan. Die antike Hochzeit brachte für die Braut mit wenigen Ausnahmen immer einen Wechsel des Wohnorts mit sich. Sie mußte ihre eigene Familie verlassen und siedelte am Abend des Hochzeitstags von ihrem Elternhaus in das Haus ihres Bräutigams über 4 . Er selbst wie auch seine Familie waren ihr in der Regel unbekannt. Den Weg zum gemeinsamen Heim legte das Brautpaar meist mit einem Wagen zurück5 . Ihnen folgte eine Prozession von Angehörigen 6 . Unter ihnen spielte die Brautmutter eine bedeutende Rolle. Sie ging mit Fackeln hinter dem

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Aristot. HA 581a; Didym. ap. Harp. s.v. ejpi; diete;" hJbh'sai und Schol. Aischin. Ktes. 122 geben das Alter, in dem die Menarche einsetzt, mit vierzehn Jahren an, Plat. Leg. 833cd scheint dreizehn zu implizieren. Vgl. dazu D.W. Amundson / D.J. Diers, The age of menarche in classical Greece and Rome, Human Biology 41, 1969, 125 132 (dort auch weitere Belege). Das Heiratsalter scheint Hes. Op. 698 mit vierzehn anzugeben (vgl. Poll. 1,58 und Porph. in Il. 10,252. Vgl. außerdem die Diskussion dieses umstrittenen Verses bei C. Sourvinou Inwood, Studies in girls’ transitions, Athen 1988, 26 28). Ischomachos’ Frau (Xen. Oik. 7,5) ist vierzehn. In medizinischen Texten wird gefordert, daß ein Mädchen möglichst bald nach der Menarche verheiratet werden soll, vgl. Helen King, Bound to bleed: Artemis and Greek women, in: A. Cameron / A. Kuhrt (Hgg.), Images of women in antiquity, London 1983, 109 127. Von einigen Autoren wird ein etwas höheres Heiratsalter für Frauen gefordert (knapp unter zwanzig: Plat. Leg. 785b; Aristot. Pol. 1335a), doch entsprach dies nicht der Praxis. Zum Heiratsalter der Männer: Hes. Op. 695 97; Solon fr. 27,9 10 West; Plat. Leg. 772de; 785b; Aristot. Pol. 1335a. Zu den typischen Weihungen gehörten auch Haarlocken und Kleidungsstücke wie z.B. das Haarnetz. Diese sind für unseren Zusammenhang allerdings nicht relevant. Mehrere ent sprechende Weihepigramme finden sich in der Anthologia Graeca (z.B. AG 6,276. 280). Vgl. auch Oakley / Sinos 14 15. Ausführlich behandeln diesen Teil der Hochzeit Oakley / Sinos 26 34. Vgl. Redfield 189. Bei dem Wagen ist wohl nur in seltenen Fällen an eine Kutsche zu denken, meist wird man sich lediglich einen einfachen, von Maultieren oder Ochsen gezogenen Landkarren vorstellen müssen (vgl. Jenkins 1986, 38 99). Eine sehr eindrückliche Schilderung einer solchen Hochzeitsprozession bietet Sappho fr. 44 Voigt.

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jungen Paar her1. Diesen Riten vergleichbar ist Kores Entführung gestaltet: Ihr künftiger Gatte Hades bringt sie aus der ihr vertrauten Umgebung mit einem Wagen in eine neue Heimat, sein Reich. Auch ihr folgt die Mutter mit Fackeln, allerdings wird im Mythos aus der zielgerichteten Begleitung der Brautleute eine planlose, umherirrende Suche nach der Tochter. Was aber ging in der Braut vor, die weitgehend unvorbereitet und abrupt in eine neue Familie eingegliedert werden sollte? Man muß sich vergegenwärtigen, daß Frauen und ganz besonders Jungfrauen in Griechenland sehr gut behütet wurden. Sie kamen nur selten und dann nur für kurze Zeit aus dem Haus2 . Die Ehe drohte, sie für immer von ihrer eigenen Familie zu trennen. Ihr neues Zuhause war ihnen hingegen völlig fremd. Diese Umstände mußten bei einem Mädchen von etwa vierzehn Jahren Unbehagen, ja Widerstand auslösen. Sicher beschlich es das Gefühl der Angst vor der neuen Situation, das Gefühl des Verlustes von lieben Verwandten, der Geborgenheit, die ihm dort gegeben wurde, das Gefühl der Einsamkeit unter lauter Fremden3 — Emotionen, die man unter dem Begriff der Trauer4 zusammenfassen kann. Wie wurde es mit solchen Gefühlen fertig? Margaret Alexiou verdanken wir eine ausführliche diachrone Betrachtung der rituellen Klage in Griechenland. Ein Kapitel ihres Buches hat sie der Klage um 1 2

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Wie zentral dieser Ritus war, zeigt der Ausdruck ajda/douvchto" gavmo" (Schol. Eur. Alc. 984) für eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Vgl. auch Eur. IA 732 734 und Eur. Phoen. 344 345. Siehe z.B. Demand 9: „The girl was carefully watched and guarded to protect her honor and that of the oikos until she could be safely married off. Clearly, the less contact the young female had with the world outside the house, the less opportunity she had to jeopardize her own and its honor.“ Aus der Vielzahl von wissenschaftlichen Arbeiten zur Rolle der Frau im antiken Griechenland möchte ich hier herausgreifen: Carson; Bremmer 1987. Darauf, daß die Abgeschiedenheit von Frauen aus einfachen Verhältnissen notwendigerweise geringer war als bei wohlhabenderen Familien, macht D. Cohen, Seclusion, separation and the status of women in classical Athens, G&R 36, 1989, 3 15, aufmerksam (vgl. auch Jenkins 1986, 16); ausführlich setzen sich mit dieser Frage Schuller, bes. 44 64, und Schnurr auseinander. Allerdings ist es selbst im heutigen Griechenland auf dem Land noch so, daß die Frauen dem Kontakt zu Fremden ausweichen, wenn sie sich z.B. zur Erntearbeit außerhalb des Hauses aufhalten. Vgl. dazu Anna Caraveli, The bitter wounding. The lament as social protest in rural Greece, in: J. Dubisch (Hg.), Gender and power in rural Greece, Princeton 1986, 169 194, hier: 169 171. Vgl. Jenkins 1983, 142; Seaford 1987, 106; Demand 14. Demand rechnet auch damit, daß die Braut in der Familie ihres Mannes als ,Eindringling’ betrachtet und deshalb nur widerwillig akzeptiert wurde (3 4). Die psychologischen Aspekte der Trauer sind in verschiedenen Arbeiten von Verena Kast aufgearbeitet. Trauer wird nicht nur durch den Tod einer nahestehenden Person ausgelöst: In ihrem Buch „Loslassen und sich selber finden. Die Ablösung von den Kindern“ (Kast 1991) beschäftigt die schweizer Psychologin vor allem der Aspekt der Trauer in der Mutter Kind Beziehung. Dort schreibt sie (17): „Die Emotion, die uns hilft, Abschied zu nehmen, Verluste aufzuarbeiten, das ist Trauer. Wenn wir etwas verlieren, das für uns einen großen Wert darstellt, dann erleben wir einen Verlust, wir sind traurig. Die Trauer ist die Emotion, die den Verlust ausdrückt, die uns aber auch hilft, den Verlust zu verarbeiten.“ Mit dieser Emotion können Kummer, Angst, Zorn, Schuld u.a. „verdichtet“ sein (Kast 1991, 19). Vgl. auch Kast 1986 und Kast 1992.

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Personen gewidmet, die ihre Heimat verlassen1 . Zu diesen gehört auch die Braut bei ihrer Hochzeit. Wenn im modernen Griechenland die Braut gerade im Begriff ist, ihre Familie zu verlassen, beginnt ihre Familie und an erster Stelle die Mutter, um das Mädchen zu klagen, als wäre es gestorben 2 . Die Braut ihrerseits klagt und weint. Doch fordert sie den anwesenden Brautführer auf, sie trotz ihres Weinens wegzuzerren. Schließlich bittet sie ihre Mutter, sie doch zu verstecken. Dieser Widerstand bringt die Mutter zur Besinnung: Sie sieht ein, daß die Tochter ab jetzt nicht mehr zu ihr, sondern zu ihrem Bräutigam gehört, und redet ihr gut zu. Nun kann es zur Eheschließung kommen 3 . Alexiou betont mehrfach, daß die Klagen, die um das aus der Familie ausscheidende Mädchen ausgestoßen werden, genau denjenigen entsprechen, die für eine eben verstorbene Jungfrau vorgetragen werden4. Leider fehlen uns für die Hochzeit im antiken Griechenland die Belege für entsprechende Klagen um die Braut. Doch hielte ich es für durchaus plausibel, hier von einer Kontinuität der Riten auszugehen, da die äußeren Umstände im wesentlichen gleich geblieben sind5 . Sollte es im Rahmen der griechischen Hochzeit eine rituelle Klage um die Braut gegeben haben, dann müßten wir auch zu diesem Ritus eine Parallele im Demeterhymnos erwarten. In der Tat: Kore klagt und sucht bei ihren Eltern Hilfe, als Hades sie wegschleppt. Das Verb ojlofuvromai, das in diesem Zusammenhang verwendet wird (v. 20), bezeichnet auch die Totenklage6. Als Demeter die Schreie ihrer Tochter hört, ist sie sehr bestürzt7 und macht, was sonst Frauen im Kontext

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M. Alexiou, The ritual lament in Greek tradition, Cambridge 1974; dort das Kapitel Moirológia for departure from home, change of religion, and marriage, S. 118 122. Ein entsprechender Brauch aus dem modernen Griechenland seiner Zeit wird auch von Wachsmuth 87 89 dargestellt; was in seinem Bericht gegenüber dem von Alexiou Beschriebenen hinzukommt, ist eine Klage darüber, daß der Bräutigam „sein jungfräuliches Leben verlassen und weltlich werden wolle, und welche mit einem klagenden Weinen endig[t]“ (87). Alexiou 120: „Her [sc. the bride’s] family take leave of her as they do for the dead, while she replies with complaints similar to those made by the dead in laments.“ Vgl. Alexiou / Dronke 848/9: „The laments sung for the dead girl before she departed for the Underworld have an exact counterpart in the laments sung for the bride before she left for her new home.“ Als Vergleichsmaterial für die Klagen der Braut dienen Alexiou auch literarische Klagen von Jungfrauen, die vor ihrer Hochzeit bewußt sterben (oft einen Opfertod, wie z.B. Iphigenie). Die Totenklage war eine klassische Aufgabe der Frauen (vgl. Alexiou 4 7; Rehm 22); ebenso scheinen sich im Hochzeitsbrauchtum die Männer der Klage weitgehend enthalten zu haben. Vgl. Alexiou 120 122. Vgl. auch Alexiou / Dronke 848 851. Siehe die vorletzte Anm. Zur Frage der Kontinuität von Klagebräuchen äußert sich Alexiou 36 sehr vorsichtig, doch scheint auch sie eine solche für wahrscheinlich zu halten; auch Wachsmuth 89 Anm. 42 spricht sich für die Kontinuität aus. Catull c. 61 & 62 sind immerhin ein Zeichen dafür, daß es bei der römischen Hochzeit entsprechende Bräuche gab. Z.B. Hom. Il. 24,328; Od. 19,522; Soph. El. 148; vgl. Hom. Il. 8,202; 245; 11,656; 22,169; Od. 4,719; Hymn. Hom. in Cer. 247. Hymn. Hom. in Cer. 40: ojxu; dev min kradivhn a[co" e[llaben.

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der Totenklage tun: Sie zerreißt ihr Kopftuch1 und legt sich schwarze Kleidung, Trauerkleidung, an2. Die Göttin verhält sich also, als ob Kore gestorben wäre. Die Ikonographie bestärkt uns in dieser Deutung weiter. Zahlreiche attische Vasen zeigen nämlich Ausschnitte aus Hochzeiten. Manchmal wird dargestellt, wie der Bräutigam die Braut auf einen Wagen hebt3 , manchmal, wie er die Braut fortführt, wobei er sie am Handgelenk (cei'r ejpi; karpw/') festhält4 . Jede dieser Aktionen dokumentiert einen Besitzanspruch des Mannes über die Frau5. Die neuere Forschung bringt sie beide mit Scheinentführungen in Verbindung, wobei hier weniger an Relikte eines früheren Brautraubs zu denken ist als an einen rite de passage6: Die Braut geht mit ihrer Hochzeit vom Status des Kindes bzw. der Jugendlichen zu dem der erwachsenen Frau über, sie wechselt von ihrer Familie in die ihres künftigen Mannes. „Dieser Wechsel der Gruppenzugehörigkeit schwächt die Gruppen, die ein Mitglied verlieren, stärkt aber die anderen, die es hinzugewinnen.

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Das Zerreißen (bzw. Herunterreißen) des Kopftuchs in Verbindung mit der Totenklage läßt sich schon in frühester Zeit nachweisen, siehe Hom. Il. 22,405 407 und 468 472; vgl. dazu Richardson ad 42; Rehm 22 24. Offenbar steht das Zerreißen des Kopftuchs (zumindest im modernen Griechenland) mit dem für die Totenklage häufig belegten Haareraufen im Zusammenhang (Alexiou 41). Hymn. Hom. in Cer. 40 42. Vgl. Richardson ad loc. Im Verlauf des Hymnos wird weitere fünf Mal auf die Trauerkleidung Demeters hingewiesen (182 183; 197; 360; 374; 442). Zu diesem Brauch siehe Sourvinou Inwood 1973; vgl. auch Sourvinou Inwood 1991, 153. Er wird v.a. auf schwarzfigurigen Vasenbildern dargestellt. Ein vergleichbarer Brauch ist nach Westermarck (2, 272) für Südmakedonien belegt. Dieser Brauch wird von Jenkins 1983 untersucht, vgl. auch Sourvinou Inwood 1991, 65 68; Rehm 35 40. Seine Darstellung begegnet uns hauptsächlich auf rotfigurigen Vasen, er ist also später belegt als das Heben der Braut auf den Wagen. „The difference is probably due to emphasis on different moments in time, rather than a change in marriage custom, and the act of leading the bride X.E.K. was probably as much a part of sixth century marriage ritual as it was of the fifth century“ (Jenkins 1983, 140). Für Abbildungen siehe z.B. den Bildteil von Oakley / Sinos (zahlreiche Beispiele zwischen Abb. 82 und 119). Den Gestus des cei'r ejpi; karpw/' bezeichnet Neumann, 59 66, als Gestus des Besitzergreifens. Jenkins 1983, 140, beschreibt seine Funktion folgendermaßen: „The X.E.K. gesture is used to indicate the control or possession of one person by another, in scenes of escort and, especially, in scenes of abduction and repossession.“ Vgl. auch Sutton 345. Das Umfassen des Handgelenks gehört nicht nur zur griechischen Hochzeit, sondern ist durch die anthropologische Forschung weiträumig nachgewiesen, siehe z.B. Westermarck 2, 256; 267 und passim; R. Firth, We, the Tikopia. A sociological study of kinship in primitive Polynesia, London 21957, 533. An die reale Existenz von Raubehen in einer früheren Entwicklungsstufe der Menschheit glauben z.B. Bachofen 1859, 243; Neumann 60; neuerdings Evans Grubbs. Gegner einer solchen Theorie sind: Jenkins 1983, passim; Jenkins 1986, 38 40; Sourvinou Inwood 1973, 17; Sourvinou Inwood 1991, 68. Derartige Riten der Scheinentführung sind uns von anderen Völkern recht zahlreich belegt: Westermarck (der sich vehement gegen die frühere Existenz von Raubehen ausspricht) widmet ihnen sein 21. Kapitel „Marriage by capture“ (2, 240 277); ebenfalls zentral: C.S. Wake, The development of marriage and kinship, London 1889, 402 434; R. Firth (wie Anm. 35) 531 574. Die einzigen mir bekannten antiken Zeugnisse entstammen der ausgehenden römischen Republik: Cat. c. 61 & 62; vgl. dazu O. Thomsen, Ritual and desire. Catullus 61 and 62 and other ancient documents on wedding and marriage, Aarhus 1992 (Thomsen kennt leider die Ausführungen von Alexiou bzw. Alexiou / Dronke nicht).

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Es handelt sich sowohl um eine zahlenmäßige Schwächung (womit die Gruppe gleichzeitig an Stärke verliert) als auch um eine ökonomische und emotionale Schwächung. […] Die sogenannten Raub- und Entführungsriten bringen also den Widerstand zum Ausdruck, den die Gruppen dem Verlust eines Mitglieds entgegensetzen.“ 1 Das ‚Wegnehmen‘ des Mädchens kann sogar als feindseliger Akt gegen dessen Familie gedeutet werden2. Wie bei den Trauergesängen an der Hochzeit eines Mädchens und ihrem Ausscheiden aus der Familie haben wir es auch bei den Riten, die Braut in den Hochzeitswagen zu heben bzw. sie cei'r ejpi; karpw'/ zu führen, mit Bräuchen zu tun, die in den psychischen Spannungen wurzeln, unter denen die Beteiligten zu leiden haben. Die Bindung zwischen dem Mädchen und seiner Familie ist so stark, daß der Bräutigam es symbolisch losreißen, entführen, muß. Die genannten Riten drücken die Dominanz des Mannes, den Widerstand 3 und die letztendliche Unterwerfung der Braut aus. Ebenso sind sie ein Zeichen für einen Verlust, denn aus der Familie der Braut wird ein Teil herausgebrochen. So haben die betroffenen Personen die Möglichkeit, im Rahmen dieser Riten ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen und dadurch die Veränderungen leichter zu tragen 4 . Blicken wir auf den Homerischen Hymnos an Demeter zurück, so werden wir feststellen, daß Kore bei ihrer Entführung genau das widerfährt, was die Ikonographie an Hochzeitsriten festhält: Hades hebt seine Braut auf den Wagen und fährt mit ihr davon. Sicherlich dürfen wir ergänzen, was der Hymnos ausläßt: Er führt Kore cei'r ejpi; karpw/' in ihre neue Heimat. Wie schon erwähnt, wird auch Kores Widerstand deutlich. Sie klagt und schreit, sie ruft um Hilfe; zweimal wird sie als unwillig bezeichnet5 ; als Hades mit ihr in die Unterwelt verschwindet, betont der

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Van Gennep 121 22. Westermarck hingegen weist bei seiner Schilderung der Riten wiederholt auf die Trauer der Braut hin und folgert daraus, daß diesen Hochzeitsriten die Gefühle der Braut zugrunde liegen (2, 262; vgl. 591/92). So A.R. Radcliffe Brown, The comparative method in social anthropology, in: Method in social anthropology. Selected essays by A.R. Radcliffe Brown, Chicago / London 1966, 108 129 (zuerst: JRAL 51, 1952, 15 22), hier: 121: Durch den Verlust, den die Verheiratung eines Mädchens der Familie zufügt, „the taking of a woman in marriage is represented as in some sense an act of hostility against her kin“. Der Widerstand der Braut scheint gesellschaftlich als Zeichen der Reinheit und Jungfräulichkeit erwartet zu werden. Vgl. Westermarck passim; Evans Grubbs passim; Ormand 31: „The abduction marriage is advantageous for both husband and wife in that the husband’s courage is proven, as is the wife’s purity.“ Vgl. van Gennep 122: „Die sogenannten Raub und Entführungsriten bringen also den Widerstand zum Ausdruck, den die Gruppen dem Verlust eines Mitglieds entgegensetzen. […] Auch die Gefühle der betroffenen Gruppenmitglieder sollten in Betracht gezogen werden. […] Wenn eine Tochter ihre Mutter verläßt, werden Tränen vergossen, und selbst wenn es sich dabei um ein ritualisiertes Weinen handelt, drückt es doch realen Schmerz aus.“ Zur Ritualisierung von potentiell störenden Handlungen im Zusammenhang der Trauer erklärt Kast 1992, 196: „Was als ,Störung‘ erlebt werden könnte, wurde bei den Trauerbräuchen zu einem ,Gebot’: der Trauernde darf daher nicht nur seiner Trauer Ausdruck geben, er muss ihr Ausdruck geben.“ Hymn. Hom. in Cer. 19; 39.

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Dichter nochmals den Schmerz des Mädchens1 . Die beobachteten Parallelen mit Hochzeitsriten werden durch die Tatsache noch verstärkt, daß Kore bei ihrer Entführung ikonographisch oft mit Brautschmuck dargestellt ist2 . Ausgehend von Helios’ Bemerkung, Zeus habe seine Tochter Kore Hades zur Frau gegeben, sind wir bislang den Parallelen zwischen dem Demeterhymnos und der griechischen Hochzeit gefolgt. Andererseits ist Kores Entführer und Bräutigam Hades, der Gott der Unterwelt. Dorthin wird die junge Göttin entführt. Entsprechend herb ist der Verlust, den Demeter und Kore erleiden müssen: Die Trennung zwischen Mutter und Tochter ist absolut. Dieser Fortgang der Erzählung legt die Nähe zu Bestattungsriten nahe. Auf verschiedene Bezüge des Demeterhymnos zu Trauerriten habe ich im Verlauf meiner bisherigen Ausführungen schon hingewiesen: Das Klagen Kores und die Schmerzäußerungen Demeters über die Entführung stehen in der Tradition des Lamentos3. Demeter zerreißt nicht nur ihr Kopftuch und kleidet sich, als nähme sie an einer Bestattung teil4 , signifikant sind auch die Fackeln, die sie bei der Suche trägt, ähnlich wie die Angehörigen bei der ejkforav (dem ,Hinaustragen’) eines Leichnams Fackeln tragen. Die ejkforav ist eine Prozession vom Haus des Verstorbenen zum Friedhof, der Tote wird meist auf einem Wagen transportiert, die Angehörigen folgen klagend 5 — entsprechend spielt sich Kores Entführung in die Unterwelt ab. Demeter fastet und wäscht sich nicht: Auch das sind Reaktionen der Trauer6 . Alexiou weist darauf hin, daß die Gestik der Frauen bei der antiken Totenklage an „wild ecstasy“ erinnern7 — vielleicht soll Demeters Davonstürzen und hastige Suche darauf anspielen8. Auch könnte Demeters neuntägiges Umherirren, bis Hekate auf sie zugeht, mit Bestattungsbräuchen zusammenhängen, denn dort scheint eine Zeitspanne von neun Tagen größere Bedeutung zu haben9 . 1 2 3 4 5 6 7 8 9

Hymn. Hom. in Cer. 37: ajcnumevnh" per. Vgl. J. Oakley, Hochzeitliche Nuancen. Hochzeitliche Bildelemente in nicht hochzeitlichen mythologischen Szenen, in: Reeder 1995, 63 73, hier: 70. Bezeichnenderweise verweist Richardson ad 38ff. zu dieser Passage auf Hom. Il. 22,401 470, also auf Andromaches Reaktion auf den (zunächst nur geahnten) Tod Hektors. Vgl. S. 46 Anm. 1. Vgl. dazu Donna C. Kurtz / J. Boardman, Thanatos. Tod und Jenseits bei den Griechen, Mainz 1985, 172; R. Garland, The Greek way of death, London 1985, 31 34. Zum Fasten siehe Hom. Il. 19,203 214; 305 08; 319 321; 23,48; 24,601 620; Petr. Sat. 111; Luk. De luctu 24; Apul. Met. 2,24. Vgl. Arbesmann 25 28. Zum Nicht Waschen siehe Hom. Il. 23,43 47; vgl. 24,161 168. Alexiou 6. Sie stehen „round the bier in varying attitudes and postures“. Vgl. auch: „[…] lamentation involved movement as well as wailing and singing. […] the scene must have resembled a dance, sometimes slow and solemn, sometimes wild and ecstatic.“ Hymn. Hom. in Cer. 44. Gestützt wird diese Vermutung durch Hom. Il. 22,460, wo Andro mache in einer Vorahnung von Hektors Tod mainavdi i[sh aus ihrer Wohnung stürzt. So dauert Hom. Il. 24,784 787 Hektors provqesi" neun Tage. Vgl. Alexiou 6 7; Richardson ad 47 (S. 166); W.R. Halliday, The Greek Questions of Plutarch, Oxford 1928, 121 123. Im modernen Griechenland wird am 9. Tag nach dem Tod in besonderer Weise eines Verstorbenen gedacht, vgl. Wachsmuth 122.

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Den heutigen Leser des Demeterhymnos mögen diese Anspielungen auf sowohl Hochzeits- als auch Bestattungsriten erstaunen. Weshalb wurde Kore in die Unterwelt entführt? Weshalb galt ausgerechnet Hades als ihr Gatte? Für die Griechen hingegen scheint es sich bei Hochzeit und Bestattung um vergleichbare Vorgänge gehandelt zu haben1 . Die Hochzeit stellte für ein Mädchen nicht nur einen räumlichen Übergang dar, sie wurde zugleich von einer parqevno" (,Jungfrau‘) zur gunhv (,Frau‘)2 . Redfield hält fest: „The woman is transformed in the process. She leaves one house a daughter and arrives in the other a wife. The daughter whom the father gave up simply disappears.“3 Eine Hochzeit implizierte also für die Braut einen Statuswechsel, für ihre Familie und sie selbst einen herben Verlust. Dieser Verlust und die Trauer, die er auslöste, gaben Anlaß dazu, die Hochzeit als Tod und Wiedergeburt der Braut zu inszenieren4: Für ihre Familie ,stirbt’ sie als Mädchen, wenn sie das Haus verläßt, als erwachsene Frau wird sie ,wiedergeboren’, wenn sie das Haus ihres Ehemanns betritt. In der Zeit des Übergangs, während der Prozession also, gehört sie keiner der beiden Gruppen an — der Weg in ihr neues Heim stellt somit eine besonders heikle Phase für die Braut dar. Diese Abfolge von Ereignissen entspricht genau dem Schema von rites de séparation — rites de marge — rites d’aggrégation, das van Gennep für die Übergangsriten festgestellt hat 5 . Ebenso stellen Tod und Bestattung eines Menschen für ihn einen Statuswechsel dar, der von den Angehörigen im Rahmen der Bestattung mit rites de passage begangen wird6 . Aus diesem Grund scheint mir auch Redfields Äußerung, die Ähnlichkeiten zwischen den griechischen Hochzeits- und Bestattungsriten seien nur „superficial […] and result from the fact that both are family festivals, and both are initiations“7 , nicht ausreichend zu sein: Vielmehr wurde die Hochzeit bewußt der Bestattung nachgestaltet, da sie ebenfalls einen Übergangsritus darstellte und dieser

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Ausführlich dargestellt sind die Parallelen zwischen Hochzeits und Bestattungsriten bei Alexiou / Dronke und im einführenden Kapitel von Rehm (11 29). Vgl. auch Redfield 188 189; Seaford 1987, 106 107; Barbara F. McManus, Multicentering: the case of the Athenian bride, Helios 17, 1990, 225 235, hier: 230. Das griechische Wort gunhv bedeutet ,(erwachsene) Frau‘ und ,Ehefrau‘ zugleich. Redfield 187. Die Inszenierung der Hochzeit als Tod des Mädchens gab den emotional Beteiligten die Möglichkeit, mit Hilfe von Trauerarbeit das Gefühl des Verlusts zu verarbeiten, ihn zu akzeptieren und sich selbst in der neuen Rolle neu zu definieren. So nennt Kast 1992, 192, die Trauerarbeit ein „sozial und psychologisch wünschenswertes Verhalten, das dazu führt, sich von einem verstorbenen Menschen abzulösen und den Verlust zu verarbeiten.“ Ähnlich Kast 1991, 10 11. Die abschließende Phase der Trauer ist die „Phase des neuen Selbst und Weltbezugs“ (Kast 1986, 71 78; 1991, 26 27; 1992, 201 202). Van Gennep 21. Siehe van Gennep 142 159; Garland (wie Anm. 46) 38 47; Parker 59 61. Vgl. auch Redfield 188: „Both ceremonies are literally rites of passage." Redfield 189.

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durch das Bild von ,Tod‘ und ,Wiedergeburt‘ besonders gut inszeniert werden konnte1 . Die Gestaltung von Kores Entführung im Demeterhymnos trägt also Züge von Hochzeit und Bestattung. Da es sich dabei jeweils um einen rite de passage handelt, ist anzunehmen, daß ein solcher auch bei Kores Entführung gespiegelt ist. Ein wichtiges Indiz dafür könnte schon in den Hinweisen auf Kores Adoleszenz zu Beginn des Hymnos liegen. Da Helios Demeter eine Ehe von Kore und Hades angekündigt hat, stellen sich die Fragen: Bedeutet etwa Kores Entführung bereits den Beginn ihrer Ehe mit Hades? Ist sie seit ihrer Ankunft in der Unterwelt Hades’ Gattin? Zur Beantwortung dieser Fragen werfen wir zunächst einen Blick auf die Passage des Hymnos, an der das erste Mal wieder von Kore die Rede ist2 . Demeter hat inzwischen durchgesetzt, daß ihre Tochter zu ihr zurückkehren darf. Hermes ist gerade in der Unterwelt eingetroffen, um Hades in Zeus’ Auftrag um die Rückgabe Kores zu bitten und diese zurückzuführen. Sie sitzt bei Hades auf dem Bett. tevtme de; tovn ge a[nakta dovmwn e[ntosqen ejovnta h{menon ejn lecevessi su;n aijdoivh/ parakoivti povllæ ajekazomevnh/ mhtro;" povqw/ Êhjdæ ejpæ ajtlhvtwn e[rgoi" qew'n makavrwn mhtivseto boulh'/Ê. (342-345) Der aber traf den Herrn in seinem Palast, auf dem Bett sitzend mit seiner ehrbaren Gattin, die sehr unwillig war aus Sehnsucht nach ihrer Mutter † die noch immer auf Rache für die Werke der unsterblichen Götter sann.

Hier wird die junge Göttin als aijdoivh paravkoiti" bezeichnet, was zunächst dafür sprechen könnte, daß sie zu diesem Zeitpunkt schon Gattin des Unterweltgottes ist3. Der weitere Verlauf dieser Szene läßt daran aber wieder Zweifel aufkommen. Denn Kores Gefühlszustand hat sich seit ihrer Entführung offenbar nicht geändert. Noch immer ist sie unwillig und sehnt sich nach ihrer Mutter4 . Die nächsten beiden Verse sind wohl unheilbar korrupt 5 . 1

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Spätestens seit Eliade ist bekannt, daß viele Initiationsriten von einem symbolischen Tod des Initianden und seiner Wiedergeburt in einem neuen Status ausgehen. DeBloois versucht in ihrem Aufsatz, die gender spezifischen Unterschiede in der Sicht der Entführung herauszuarbeiten, die im Demeterhymnos zwischen dem ,unparteiischen Erzähler‘, den weiblichen und den männlichen Figuren des Mythos bestehen. Allerdings entgeht ihr dabei, daß die Hochzeit generell als ,Tod‘ und ,Wiedergeburt‘ dargestellt wird. Hom. Hymn. in Cer. 342 374. Hymn. Hom. in Cer. 343. Vgl. LSJ s.v. paravkoiti". In seiner Grundbedeutung heiß paravkoiti" jedoch nichts weiter als ,Beischläferin‘. Hymn. Hom. in Cer. 344. Avagianou (134 136) parallelisiert diese Szene mit den Epaulia, d.h. die Hochzeit wäre bereits vollzogen. Dieser Interpretation steht jedoch der Fortgang des Hymnos entgegen. Vgl. Richardson ad 344 45.

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Hermes ergreift nun das Wort und bittet Hades, Kore aus der Unterwelt mitnehmen zu dürfen. Anschließend schildert er kurz die Situation auf der Erde1 . Lächelnd befolgt Hades Zeus’ Aufforderung. In einer kurzen Rede gestattet er Kore, zu ihrer Mutter zurückzukehren. ejssumevnw" dæ ejkevleuse dai?froni Persefoneivh/: e[rceo Persefovnh para; mhtevra kuanovpeplon h[pion ejn sthvqessi mevno" kai; qumo;n e[cousa, mhdev ti dusquvmaine livhn periwvsion a[llwn. ou[ toi ejn ajqanavtoisin ajeikh;" e[ssomæ ajkoivth" aujtokasivgnhto" patro;" Diov": ejnqavdæ ijou'sa2 despovssei" pavntwn oJpovsa zwvei te kai; e{rpei, tima;" de; schvshsqa metæ ajqanavtoisi megivsta", tw'n dæ ajdikhsavntwn tivsi" e[ssetai h[mata pavnta oi{ ken mh; qusivaisi teo;n mevno" iJlavskwntai eujagevw" e[rdonte" ejnaivsima dw'ra telou'nte". (359-369) Sofort trug er der umsichtigen Persephone auf: „Geh, Persephone, zu deiner schwarzgewandeten Mutter, behalte in deiner Brust ein mildes Herz und eine gütige Einstellung und sei nicht zu verbittert, mehr als die andern. Fürwahr, unter den Unsterblichen werde ich dir kein unwürdiger Gatte sein, der Bruder deines Vaters Zeus. Wenn du hierher zurückkommst, wirst du herrschen über alles, was lebt und kriecht. Die größten Ehren unter den Unsterblichen wirst du haben. Für alle Zeiten werden diejenigen bestraft werden, die Unrecht tun, die nicht mit Opfern deinen Sinn besänftigen, indem sie die gebührenden Riten ausführen und angemessene Gaben darbringen.“

Hades fordert Kore auf, zu ihrer noch trauernden3 Mutter zu gehen, selbst aber mild und wohlwollend gestimmt zu sein. Anschließend preist er sich, den Bruder ihres Vaters Zeus, als nicht unwürdigen Gatten für sie4 . Das Futur in dieser Äußerung (363: e[ssom[ai]) zeigt klar, daß er sich zum Zeitpunkt der Rede noch nicht als Kores Gatten betrachtet5. Seiner Aussage fügt er eine Ankündigung von timaiv (,Ehren‘) für Kore hinzu — für den Fall, daß sie zu ihm zurückkehrt 6 , werde 1 2

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Hymn. Hom. in Cer 347 356. ejnqavdæ ijou'sa M : e[nqa dæ ejou'sa Ruhnken. Ruhnkens Konjektur, die sich durch alle mir bekannten Ausgaben des Demeterhymnos zieht, ist überflüssig und macht den Text unverständlich. Richardson ad 363ff. äußert, die überlieferte Version sei „just possible“. Auf das Problem, an dieser Stelle e[ n qa zu lesen, wurde schon Wegener 250 aufmerksam, allerdings ohne zur überlieferten Lesart zurückzukehren. Darauf verweist das Epitheton kuanovpeplo". Denselben Hinweis hatte schon Helios Demeter gegeben: Hymn. Hom. in Cer. 83 87. Darauf weist bereits Wegener 250 mit Nachdruck hin. Nur so läßt sich m.E. ejnqavdæ ijou'sa (,wenn Du [sc. wieder] hier bist‘) in Vers 364 verstehen (vgl. Anm. 2). Andernfalls lassen sich die Probleme, die Richardson ad 363ff. erwähnt, nicht

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sie über alle Lebewesen auf der Erde herrschen, die größten Ehren unter den Unsterblichen besitzen und die Aufgabe haben, über Recht und Unrecht zu richten1 . timaiv werden einer ,jungen‘ Gottheit dann zugeteilt, wenn sie ,erwachsen‘ geworden ist 2 . ,Erwachsen‘ ist Kore in Hades’ Verständnis offenbar erst, wenn sie sich von ihrer Mutter losreißt und zu ihm zurückkehrt, wenn sie seine Frau wird. Erst durch die Ehe mit Hades wird sie ihr ,Ressort‘ als Göttin der Unterwelt erhalten. ’W" favto: ghvqhsen de; perivfrwn Persefovneia, karpalivmw" dæ ajnovrousæ uJpo; cavrmato". (370-371) So sprach er. Es freute sich aber die umsichtige Persephone; sofort sprang sie vor Freude auf.

Hades’ Worte nimmt Kore hocherfreut auf. Allerdings bleibt unklar, ob sie sich mehr darüber freut, daß sie bald ihre Mutter wiedersehen darf, oder ob sich ihre Freude eher auf die angekündigten timaiv bezieht. Ihr Attribut periv f rwn (,umsichtig‘) deutet vielleicht eher auf die zweite Alternative hin. aujta;r o{ gæ aujto;" rJoih'" kovkkon e[dwke fagei'n melihdeva lavqrh/ ajmfi; e} nwmhvsa", i{na mh; mevnoi h[mata pavnta au\qi paræ aijdoivh/ Dhmhvteri kuanopevplw/. (371-374) Er selbst aber gab ihr heimlich den Kern eines Granatapfels zu essen, eine süße Speise, nachdem er ihn um sich herumgeführt hatte, damit sie nicht für immer dort bleibe, bei der ehrbaren Demeter, der schwarzgewandeten.

Heimlich, d.h. ohne daß Hermes es merkte, gibt Hades jetzt seiner Braut einen Granatapfelkern zu essen. Diesen hatte er zuvor um sich herumgeführt 3 , um eine

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vermeiden: Hades’ Worte wären „ambiguous, suggesting that Persephone will return to the upper world […], but that he will remain her husband“. Es ist jedoch überdeutlich, daß Hades seine Ehe mit Kore als etwas Zukünftiges ansieht. Richardsons Erklärung dieser Stelle ist gewunden und widerspricht seinem Verständnis von 357f. Hymn. Hom. in Cer. 365 369. Vgl. dazu Richardson ad 365 9 und ad 367 9. Zur Rolle der timaiv im allgemeinen und speziell im Demeterhymnos vgl. Rudhardt. Auch er geht davon aus, daß Kore zu Beginn des Hymnos noch nicht mit eigenen timaiv ausgestattet ist die Zuteilung eigener Kompetenzen an die junge Göttin erfolgt erst am Ende der Erzählung (so Rudhardt 204 07). Ein besonders eindrückliches Beispiel dafür, wie ein junger Gott sich Schritt für Schritt als lebenstüchtig erweist und schließlich von den anderen Göttern anerkannt wird und seinen eigenen Aufgabenbereich zugeteilt bekommt, stellt Hermes im gleichnamigen Homerischen Hymnos dar. Vgl. dazu D. Baudy 1989, 1 13. Richardson ad 373 führt verschiedene Möglichkeiten des Verständnisses von ajmfi; e} nwmhvsa" an. Er selbst scheint die Übersetzung dieser Formulierung mit „peering round him“ (und zwar zu dem Zweck, daß er nicht beobachtet werde) zu bevorzugen. In diesem Fall wäre sie nach lavqrh/ redundant. Diese Redundanz läßt sich vermeiden, wenn man (mit Eitrem und Bonner [bei R.]) ajmfi; e} nwmhvsa" als „nachdem er [den Kern] um sich herumbewegt hatte“ versteht. lavqrh/ ist folglich ajpo; koinou' auf e[dwke und nwmhvsa" zu beziehen (Hades möchte ja, daß die

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Verbindung zwischen sich und dem Kern herzustellen. Dadurch wurde der Granatapfelkern quasi zu seinem Stellvertreter. Der Granatapfel galt den Griechen als sexuelles Symbol. Die Vielzahl seiner Kerne weckte die Assoziation der überdurchschnittlichen Fruchtbarkeit. Sie ließen an den männlichen Samen denken1. Folglich dürfte diese Szene als symbolische Schwängerung Kores durch Hades zu verstehen sein 2 . Dadurch konnte er sich sicher sein, Kore an sich binden zu können. Durch diese Gewißheit erklärt sich Hades’ Lächeln zu Beginn der Szene 3 . Nach diesen Ereignissen bringt Hermes Kore zu ihrer Mutter zurück. Der Dichter schildert die freudige Begrüßung in neun Versen, die allerdings nur schlecht erhalten sind4. In den ersten Worten an Kore (auch der Anfang dieser Rede ist lückenhaft) fragt Demeter ihre Tochter besorgt, ob sie denn in der Unterwelt auch nichts gegessen habe. In diesem Fall dürfe sie für immer bei ihr und Zeus bleiben. Falls sie aber etwas zu sich genommen habe, müsse sie ein Drittel jeden Jahres bei Hades wohnen, die restlichen zwei Drittel dürfe sie bei ihr und den anderen Göttern zubringen. Sie werde aus der Unterwelt jeweils dann zurückkehren, wenn die Erde mit Frühlingsblumen bedeckt sei5 . Nachdem Kore den ganzen Hymnos über als passive Figur erschienen war, ergreift sie hier zum ersten (und einzigen) Mal aktiv das Wort. Das könnte ein erster Hinweis darauf sein, daß sie sich weiterentwickelt und von ihren bisherigen Bezugspersonen emanzipiert hat6 . Kore sichert ihrer Mutter zunächst zu, ihr alles wahrheitsgemäß zu berichten. Doch der nächste Satz, den ihr der Dichter in den Mund legte, hat den modernen Leser des Demeterhymnos immer wieder in Erstaunen versetzt. Dort behauptet sie nämlich, auf Zeus’ Aufforderung hin, sie aus der Unterwelt zu entlassen, habe Hades ihr unter Gewaltanwendung einen Granatapfelkern zu Essen gegeben.

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ganze Aktion von Hermes nicht bemerkt wird). Faraone 1999, 76, sieht in Hades’ Umgang mit dem Granatapfelkern ein „consecration ritual“. Vgl. dazu Richardson, Allen etc., Càssola, Foley und Gemoll ad loc.; Muthmann 72; Hehn 242 243; Murr 50 53. So schon Hehn 243 (Persephones Essen des Granatapfelkerns bedeute, daß sie „mit dem Aïdoneus sich geschlechtlich verbunden habe und ihm dadurch verfallen sei“) und Murr 52 (für ihn ist Persephones Genuß des Granatapfelkerns „symbolischer Ausdruck für die eheliche Verbindung“); vgl. Faraone 1999, 76. Verfehlt ist hingegen Lincolns Verständnis, daß es sich um die tatsächliche Schwängerung Kores handle (28 29). Ähnlich wie Lincoln äußert sich schon Welcker 1818a, 10. Faraone 1990, 237/8, weist darauf hin, daß die Assoziation des Apfels und ähnlicher Früchte mit Liebe und Sexualität nicht daran gebunden ist, daß die ganze Frucht eingesetzt wird. Hymn. Hom. in Cer. 357. Hymn. Hom. in Cer. 384 392. Hymn. Hom. in Cer. 393 403. Vgl. dazu Foley ad 405 440.

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toiga;r ejgwv soi mh'ter ejrevw nhmerteva pavnta: eu\tev moi a[ggelo" h\lqæ ejriouvnio" ∆Argeifovnth" pa;r patevro" Kronivdao kai; a[llwn oujraniwvnwn ejlqei'n ejx ∆Erevbeu", i{na mæ ojfqalmoi'sin ijdou'sa lhvxai" ajqanavtoisi covlou kai; mhvnio" aijnh'", aujta;r ejgw;n ajnovrousæ uJpo; cavrmato", aujta;r oJ lavqrh/ e[mbalev moi rJoih'" kovkkon, melihdevæ ejdwdhvn, a[kousan de; bivh/ me proshnavgkasse pavsasqai. (406-414) Fürwahr, Mutter, ich will dir alles der Wahrheit gemäß berichten: Als zu mir der Bote kam, der heilbringende Argeiphontes, vom Vater, dem Kroniden, und den anderen Göttern, [um mir zu sagen,] daß ich aus der Unterwelt heraufkommen solle, damit du mich mit deinen Augen siehst und den Unsterblichen von deinem Zorn und schlimmen Groll abläßt, da sprang ich auf vor Freude, der aber flößte mir heimlich einen Granatapfelkern ein, eine süße Speise; obwohl ich mich wehrte, zwang er mich mit Gewalt, sie zu essen.

Deutlich ist der Unterschied zwischen Persephones Bericht an ihre Mutter und der Schilderung des Tathergangs durch den Dichter. Dort war von Gewalt keine Rede. Weshalb also diese Änderung? In der ,objektiven‘ Version des Dichters hören wir nichts davon, daß Hades Persephone zum Verzehr des Granatapfelkerns gezwungen habe. Wir müssen also davon ausgehen, daß sie damit einverstanden war, ihn zu essen. In ihrer eigenen Version1 lenkt Persephone hingegen jede Schuld am Gang der Dinge auf Hades ab. Sie selbst will sich ja gewehrt haben, konnte aber gegen Hades nichts ausrichten2 . Damit verschleiert sie ihre eigentliche Einstellung, bekennt ihrer Mutter gegenüber nicht, daß sie selbst bereitwillig ihren Teil dazu beigetragen hat, daß sie wieder zu Hades zurückkehren muß3 . Mit anderen Worten könnte man vielleicht 1

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Caroline Perkins spricht von „Persephone’s lie“. Sie weist darauf hin, daß ihre Rede „begins with an assertation of the truth, mixes false and true details, suits the character of the listener, and protects the person and persona of the liar“ (136), was für Trugreden charakteristisch ist (vgl. Fuchs 37 38 und passim). Allerdings läßt sie die Frage offen, ob Persephone bewußt lügt oder nicht. Schon Richardson ad 406 (vgl. ad 413) hatte sich gefragt: „Does Persephone […] protest too much?“ Vgl. auch Clay 256 257, die bemerkt, daß Persephone zwar einerseits ihren Unwillen über die Ereignisse bekundet, andererseits aber „nowhere expresses anger at her abductor“. Interpretiert wird diese Szene auch von Ormand 31 32. Interessant ist die Beobachtung von Perkins, daß, als Kore gegen Ende des Hymnos endlich die Stimme erhebt, „her sole independent action in the hymn is a lie that stresses her passivity“ (137). Vgl. Faraone 1990, 238: „Persephone’s version is understandably designed to save face.“ Vgl. Perkins 139/40: „Her […] lie about this act [sc. das Essen des Granatapfelkerns] signifies her acceptance of its consequences.“ Ähnlich Ormand 32: „She [sc. Persephone] masks from all parties the possibility that she is a sexual subject, that in accepting the ‘seeds’ from Hades she has transferred her allegiance to another household, that she is in fact desiring actor and not just a passive object of violence. We do not acutally see Persephone as a subject in this poem; but her ‘lie’ to Demeter suggests that she is covering up precisely such subjectivity.“

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sagen: Persephone ist sich mit Hades über ihre Ehe einig geworden. Da sie ihre Mutter aber so wenig wie möglich kränken will, gibt sie nicht zu, daß sie mit der Trennung von ihr einverstanden ist, sondern versucht, ihr zu suggerieren, daß alles ganz anders gekommen wäre, wenn nicht Hades Gewalt angewendet hätte. Noch einen weiteren Unterschied zu einer früheren Passage des Hymnos bieten Persephones Worte: Zu Beginn war nur allgemein von den Töchtern des Okeanos als Gespielinnen die Rede. Im Gegensatz dazu sind hier die einundzwanzig Mädchen namentlich aufgeführt, mit denen die junge Göttin bei ihrer Entführung spielte; zu den anfangs genannten kommen noch Athena und Artemis hinzu1 . Dieser Katalog von Kores Spielgefährtinnen dürfte im Lichte der Situation der Frau in der Antike zu sehen sein. Zu ihrem eigenen Schutze lebte sie sehr zurückgezogen. Wenn eine junge Frau einmal etwas außer Haus zu erledigen hatte, so konnte sie es am ungefährdetsten in Gesellschaft anderer (oft: gleichaltriger) Frauen tun2. Die Aufzählung dient also dazu, Demeter über die große Anzahl der Begleiterinnen zu informieren, die eigentlich ihre eigene Sicherheit hätte gewährleisten müssen3 . Damit lenkt sie von dem Verdacht ab, sie sei zu unvorsichtig gewesen, ohne die Aufsicht ihrer Mutter spielen zu gehen. Auch hier versucht Kore also, jede Mitverantwortung für das Geschehene weit von sich zu weisen. Persephones Lüge ist somit ein Zeichen dafür, daß sie danach strebt, den Status vom Mädchen zur Frau zu wechseln4. Ihr Statuswechsel wird indes nicht nur durch diese Lüge angezeigt. Denn während im Zusammenhang mit der Entführung noch wiederholt Kores Nähe zur Kindheit betont wurde5, hebt der Dichter jetzt mit verschiedenen Mitteln ihr Erwachsensein hervor: Zu Beginn des Hymnos wird die Demetertochter ,Kore‘ (,Mädchen‘) genannt, erst nachdem Zeus ihre Rückkehr beschlossen hat, erhält sie den Namen ,Persephone‘6 . Eine solche Umbenennung

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Hymn. Hom. in Cer. 417 425. Das bekannteste Beispiel dafür ist wohl die Phäakenprinzessin Nausikaa im 6. Buch der Odyssee. Auch die Töchter des Keleos gehen gemeinsam zum Wasserholen (Hymn. Hom. in Cer. 105 110). In allen Kulturen, die Wert darauf legen, daß Frauen jungfräulich in die Ehe eingehen, werden sie bis zu diesem Zeitpunkt besonders geschützt; vgl. hierzu Schuller 61 und Schnurr 160. So auch Lefkowitz 1986, 45. Vgl. Perkins 136: „Within the context of the hymn, Persephone’s lie cements her transformation from pai'" to tevleia, from Kore to Persephone. […] Persephone’s lie marks her change, explicitly and implicitly, it acknowledges her understanding and acceptance of the change.“ In diesen Zusammenhang gehört auch die Beobachtung von Calame 1992, 107, daß Kore bei ihrer Beschreibung der Wiese angibt, sie habe ihr Verlangen erregt (v. 417: iJmertov"; v. 425: ejrovei"). Vgl. oben S. 39 41. Mit einer Ausnahme: Als Hekate Demeter auf die Entführung ihrer Tochter anspricht, nennt sie sie „Persephone“. Dies scheint mir aber der obigen Interpretation nicht zu widersprechen. Denn gerade in diesem Punkt dürfte der entscheidende Erkenntnisgewinn liegen, den Demeter durch Hekate erhält: Während Demeter bislang nur wußte, daß ihre Tochter verschwunden ist, bekommt sie durch diese Umbenennung einen Hinweis auf den Grund ihres Verschwindens. Diese Passage zu athetieren, um diese Ausnahme zu beseitigen (so Lincoln 79), halte ich für keine akzeptable Lösung.

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ist typisch für Initiationsriten1 . Entsprechend der Namensgebung erhält ,Persephone‘ auch andere Epitheta als ,Kore‘. Zunächst bezeichnet Zeus sie als aJ g nh; Persefovneia (,hehre Persephone‘), wenige Verse später sehen wir sie als aijdoivh parakoivti" (,ehrbare Gattin‘) des Hades, in Hermes Worten ist sie ajgauh; Persefovneia (,erhabene Persephone‘); gleich darauf heißt sie dai?frwn Persefoneivh (,verständige Persephone‘) bzw. perivfrwn Persefovneia (,umsichtige Persephone‘)2. Alle diese Attribute passen nicht zu einer mädchenhaften Gestalt, sondern verweisen klar auf Persephone als ‘erwachsene’ Göttin3 . Es mag zunächst als Widerspruch erscheinen, daß Demeter selbst ihre Tochter bei ihrem Wiedersehen mit tevknon (,Kind‘) anredet, und Zeus nennt sie kouvrh (,Mädchen‘), als er später Kores wechselnde Aufenthaltsorte bekräftigt4 . Doch dürfte tevknon lediglich das Verwandschaftsverhältnis zwischen Demeter und ihrer Tochter bezeichnen; in gleicher Weise spricht Rhea ihre Tochter Demeter mit tevko" (,Kind‘)5 an. Entsprechendes mag man ebenso von kouvrh vermuten, wobei dies zumal im Zusammenhang der Rede des Zeus auch als Hinweis auf das Oszillieren der Göttin zwischen Kindheit und Erwachsensein aufzufassen sein könnte 6 . Nachdem Persephone ihre Mutter über die Umstände ihrer Entführung informiert hat, erfreuen sich die beiden Göttinnen für den Rest des Tages an ihrem Zusammensein7 . Dann läßt Zeus Demeter durch ihre gemeinsame Mutter Rhea auffordern, zu den Göttern zurückzukehren. Im Gegenzug sichert er ihr zu, daß Kore-Persephone zwei Drittel eines jeden Jahres bei ihr verweilen darf. Außerdem verspricht er ihr diejenigen timaiv (,Ehren‘), die sie für sich wählt. Diese Botschaft übermittelt Rhea8. Indem Demeter nun von ihrem Zorn abläßt, für die Menschen wieder Getreide wachsen läßt und auf den Olymp zurückkehrt, akzeptiert auch sie, daß ihre Tochter von dieser Zeit an ein Drittel des Jahres bei Hades in der Unterwelt leben wird9 . Der Hymnos bietet uns zwar keine konkreten Informationen darüber, was Kore in der Unterwelt erlebte. Es dürfte aber klar geworden sein, daß sie einen Reifungsprozeß durchlaufen hat. Am Ende ihres Aufenthalts bei Hades ist sie vom Mädchen zur erwachsenen Frau, zu Persephone, transformiert. Das tevlo" (,Ziel‘) jeder

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Vgl. dazu Lincoln 79. Die Stellen in der Reihenfolge der Aufzählung: Hymn. Hom. in Cer. 337; 343 (zur Bedeutung von parakoivti" siehe oben S. 50 Anm. 4); 348; 359; 370. So ist z.B. aijdoivh parakoivti" bei Homer und Hesiod eine gängige Junktur zur Bezeichnung der Ehefrau; perivfrwn ist in der Odyssee das Standardepitheton der Penelope. Auch die anderen genannten Attribute verleihen Persephone einen Zug von Erhabenheit und Würde. Hymn. Hom. in Cer. 393; 445, wiederholt durch Rhea 463. Hymn. Hom. in Cer. 460; vgl. tevknon in 467. Ähnlich Lincoln 79. Hymn. Hom. in Cer. 434 440. Hymn. Hom. in Cer. 441 469. Hymn. Hom. in Cer. 470 489.

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antiken Ehe war die Zeugung von legitimen Nachkommen1. Auf die Geburt eines Kindes weist der Verzehr des Granatapfelkerns voraus, die symbolische Schwängerung Kores durch Hades. Der Hymnos enthält folglich auch einen Ausblick auf die tatsächliche Mutterschaft der jungen Göttin. Wir hatten gesehen, daß die Ehe von Kore-Persephone und Hades noch nicht vollzogen war, als Hermes die Göttin aus der Unterwelt abholte. Das geschieht erst unmittelbar am Ende der vom Hymnos berichteten Ereignisse: Demeter ist einverstanden, daß ihre Tochter einen Teil des Jahres bei Hades verbringt, sie billigt also die Ehe zwischen den beiden. Erst jetzt handelt es sich um eine legitime Verbindung. Erst jetzt kann es auch wirklich zur Schwängerung Kores kommen. Interessant könnte in diesem Zusammenhang die Beobachtung sein, daß Persephone von dem Zeitpunkt an, als Rhea ins Spiel kommt, nicht mehr erwähnt wird. Ist dies vielleicht die Methode des Dichters auszudrücken, daß Kore-Persephone nicht nur vom Mädchen zur erwachsenen Frau, Ehefrau und (baldigen) Mutter wurde, sondern daß sie durch diese Transformation in die Rolle ihrer eigenen Mutter schlüpfte, daß sie zu Demeter wurde? Um diese Frage beantworten zu können, muß zunächst überprüft werden, ob Demeter im Rahmen des Hymnos einen ähnlichen Statuswechsel durchläuft.

3.1.2 Demeters Übergang von der Mutter zur Großmutter Wie das vergangene Kapitel gezeigt hat, beschreibt der Demeterhymnos den Übergang Kores von der Kindheit zu einem neuen Lebensabschnitt als erwachsene Frau. Die zentrale Figur des Hymnos ist jedoch nicht das Mädchen, sondern dessen Mutter, Demeter selbst. Für sie hat die neue Situation im Leben Kores zunächst zur Folge, daß sie ihre Tochter nicht mehr für immer bei sich haben kann. Denn Zeus hatte festgesetzt, daß Kore ein Drittel jeden Jahres bei ihrem Ehemann Hades in der Unterwelt verbringen muß. Ist darin nun der Gehalt des Hymnos voll ausgeschöpft, oder lassen sich bei näherem Hinsehen weitere Konsequenzen des mythischen Geschehens für Demeter erkennen? Unter dieser Fragestellung möchte ich im Folgenden das Gedicht nochmals durchgehen. Als Demeter im Hymnos das erste Mal in Erscheinung tritt, hört sie die Schreie ihrer Tochter, als Hades mit ihr in die Unterwelt verschwindet. th'" dæ e[klue povtnia mhvthr. ojxu; dev min kradivhn a[co" e[llaben, ajmfi; de; caivtai" ajmbrosivai" krhvdemna dai?zeto cersi; fivlh/si, 1

Siehe Demosth. in Neaer. 122; vgl. auch Men. Dys. 842; entsprechend verweist auch Westermarck 1, 72, darauf hin, daß für viele Völker die Ehe erst dann als rechtskräftig gilt, wenn das erste Kind geboren ist (Beispiele: Westermarck 1, 72 75).

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kuavneon de; kavlumma katæ ajmfotevrwn bavletæ w[mwn, seuvato dæ w{" tæ oijwno;" ejpi; traferhvn te kai; uJgrh;n maiomevnh. (39-44) Die aber hörte die hehre Mutter. Ein heftiger Schmerz ergriff ihr Herz, und um ihre ambrosischen Haare zerriß sie mit ihren Händen das Kopftuch und warf ein schwarzes Tuch um ihre beiden Schultern. Dann stürzte sie wie ein Vogel über Festland und Wasser, suchend.

Ihr mütterliches Herz weiß sofort, daß etwas Schlimmes geschehen ist. Schmerz (a[co") befällt sie. Sie zerreißt ihren Schleier und wirft sich ein schwarzes Tuch um die Schultern — Handlungen, die in den Kontext der Totenklage gehören1 . Neun Tage lang zieht sie nun irrend umher und sucht ihre Tochter, schließlich erfährt sie von Hekate und Helios, was geschehen ist2 . Doch diese Auskunft vergrößert Demeters Schmerz nur (a[co" aijnovteron kai; kuvnteron), hinzu kommt außerdem die Entrüstung (cwsamev n h) darüber, daß Zeus seinem Bruder eigenmächtig erlaubte, Kore zu entführen. Trauernd und grollend zieht sie sich von den anderen Göttern zurück und mischt sich unter die Menschen3. th;n dæ a[co" aijnovteron kai; kuvnteron i{keto qumovn. cwsamevnh dh[peita kelainefevi> Kronivwni nosfisqei'sa qew'n ajgorh;n kai; makro;n “Olumpon w[/cetæ ejpæ ajnqrwvpwn povlia" kai; pivona e[rga ei\do" ajmalduvnousa polu;n crovnon. (90-94) Ein schlimmerer und hündischerer Schmerz befiel ihr Herz. Darauf trennte sie sich, dem schwarzumwölkten Kroniden grollend, von der Gemeinschaft der Götter und vom hohen Olympos und ging zu den Städten der Menschen und ihren fruchtbaren Feldern; für lange Zeit hatte sie ihr [sonstiges] Aussehen entstellt.

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Vgl. dazu oben S. 45 46 mit Anmm. Was ich im vergangenen Kapitel in bezug auf Kore festgestellt habe, das gilt freilich auch für Demeter: Diejenigen Verhaltensweisen der Göttin, die dem Kontext der Trauer entstammen, dienen der Verarbeitung des Verlusts, der für Demeter durch Kores Ehe entsteht. Hymn. Hom. in Cer. 47 87. Foleys Kommentar (ad 90 97), daß „Demeter’s motive for wandering on earth and withdrawing from the gods is anger at Zeus“, läßt den zentralen Aspekt der Trauer und des Schmerzes außer acht. Ein wichtiger Unterschied zwischen dem Homerischen Demeterhymnos und zahlreichen anderen Fassungen des Mythos ist, daß Demeter hier nicht während ihrer Suche nach ihrer Tochter nach Eleusis gelangt, also auch nicht von einem Eleusinier über deren Schicksal informiert wird. Hier sind die beiden Ereignisse voneinander abgekoppelt: Zuerst erfährt Demeter von Helios, wo ihre Tochter sich befindet, und kann somit die Suche aufgeben; erst danach kommt sie nach Eleusis.

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Um von den Menschen nicht erkannt zu werden, nimmt sie die Gestalt einer alten Frau an1 . So läßt sie sich in Eleusis als Kinderfrau2 anstellen. Wir können bereits hier feststellen, daß sich Demeter im Verlauf der Erzählung von ihrer bisherigen Umgebung trennt (sie verläßt den Olymp und sondert sich von den Göttern ab) und für eine gewisse Zeit außerhalb der Göttergesellschaft lebt (sie wohnt in Eleusis, zunächst als ,Greisin‘ bei der dortigen Königsfamilie, später als Göttin in einem Tempel). Der Hymnos endet bekanntlich mit Demeters Rückkehr auf den Olymp. Hier liegt also ebenso, wie wir es schon mit Bezug auf die Veränderungen in Kores Leben festgestellt hatten, das von van Gennep etablierte dreiteilige Schema von Übergangsriten (rites de séparation — rites de marge — rites d’aggrégation) vor. Wechselt denn auch Demeter während des mythischen Geschehens ihren Status? Im vergangenen Kapitel hatten wir gesehen, daß die Entführung Kores zum Teil mit Trauerriten parallelisiert wird 3 . Demeter benimmt sich, als wäre ihre Tochter gestorben. Der Tod eines Menschen bringt nicht nur für diesen selbst einen Statuswechsel mit sich, sondern er stellt ebenso für dessen Angehörige einen bedeutenden Übergang dar. So schreibt van Gennep über die Trauerzeit: „Sie ist für die Hinterbliebenen eine Umwandlungsphase, in die sie mit Hilfe von Trennungsriten eintreten und aus der sie mit Hilfe von an die Gesellschaft wieder angliedernden Reintegrationsriten (Riten, die die Trauerzeit aufheben) heraustreten.“ Die Trauernden befinden sich in einer „Zwischensphäre“, sie gehören „weder der Welt der Lebenden noch der der Toten“ an 4 . Die „Zwischensphäre“, in der sich Demeter befindet, ist die Welt der Menschen. Doch dort verharrt sie nicht in untätiger Trauer, sondern sie nimmt eine Anstellung als Kinderfrau an. Bei ihrem Zögling handelt es sich um Demophon, den spätgeborenen Sohn des eleusinischen Herrschers Keleos. Metaneira, Keleos’ Gattin, vertraut der vermeintlichen Greisin den Säugling mit der Bitte an, sich gut um ihn zu kümmern. Die Göttin versichert, gut für den Jungen zu sorgen und schädliche Einflüsse von ihm fernzuhalten5 .

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Hymn. Hom. in Cer. 94 104. Die Rolle einer alten Frau bietet sich für Demeter an, da in der griechischen Gesellschaft eine alte Frau erheblich mehr Unabhängigkeit besitzt als eine junge, vgl. Schnurr 184 187. In der Forschung hat sich als Bezeichnung für Demeters Tätigkeit in Eleusis etabliert das Wort ,Amme’ etabliert, das indes insofern problematisch ist, als Demeter gerade die charakteristische Aufgabe einer Amme, nämlich das Kind zu säugen, nicht erfüllen kann (vgl. v. 101 102). Deshalb wähle ich den Begriff ,Kinderfrau’. Siehe oben S. 48 49. Van Gennep 143 44; vgl. Parker 1983, 60. In Übereinstimmung damit sprich Kast davon, daß die trauernde Person sich von einem „Beziehungsselbst“ auf ihr „individuelles Selbst“ zurückorganisieren muß (z.B. Kast 1991, 20; 1992, 194). Hymn. Hom. in Cer. 213 230. Zu den Worten der Demeter vgl. A. Kledt, Zu den Versen 228 230 des Homerischen Demeter Hymnos, Philologus 140, 1996, 349 350.

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Von nun an strebt Demeter danach, Demophon unsterblich zu machen. Sie gibt dem Knaben keine menschliche Nahrung zu essen, sondern salbt ihn wie einen Gott (wJ" eij qeou' ejkgegaw'ta) mit Ambrosia und haucht ihn mit ihrem göttlichen Atem an. Nachts steckt sie ihren Schützling heimlich wie ein Holzscheit ins Feuer. Das Kind entwickelt sich prächtig. Doch Demeters Plan wird durch Metaneiras Neugier vereitelt: Die besorgte Mutter beobachtet das nächtliche Treiben, und in ihrem Schrecken schreit sie auf1. Demeter bemerkt sie erzürnt, legt Demophon auf den Boden und gibt sich als Göttin zu erkennen2. Damit ist ihre Tätigkeit im Hause des Keleos beendet. Worin aber liegt der Grund dafür, daß Demeter sich ausgerechnet als Kinderfrau verdingt? Im vergangenen Kapitel haben wir gesehen, daß der Aufenthalt in der Unterwelt Kore vom adoleszenten Mädchen zur erwachsenen Frau transformiert. Unmittelbar vor der Rückkehr zu ihrer Mutter erhält Kore von Hades einen Granatapfelkern zu essen. Wir waren davon ausgegangen, daß dadurch eine zukünftige Schwangerschaft in ihrer neuen Rolle als Ehefrau und Mutter evoziert werden soll3 . Im gesellschaftlichen System nimmt sie damit den bisherigen Status und die Funktion Demeters an. Demeter selbst wird dadurch eine Stufe weiter gedrängt: Durch die Geburt von Kores Kind wird sie zur Großmutter 4 . Als Großmutter wird sie genau die Aufgaben bekommen, die sie während ihrer Tätigkeit als Kinderfrau auch hat. Wie Kores Separationsphase diese auf den bevorstehenden Lebensabschnitt vorbereitete, so wird Demeter, während sie unter den Menschen weilt, zu ihrer neuen Aufgabe hingeführt. Demophon müßte folglich die menschliche Projektion des zu erwartenden göttlichen Sohnes von Kore darstellen. Zu überprüfen wäre nun, ob der Hymnos weitere Hinweise bietet, die diese Deutung bestätigen. Wenden wir unseren Blick nochmals zurück, und zwar zu der Szene, als Demeter die Gestalt einer alten Frau 1 2 3 4

Hier werden Metaneira und Demeter als liebende Mütter, die um das Wohlergehen ihres Kindes besorgt sind, parallelisiert. Vgl. dazu Rubin/Deal 192 und Clay 240. Hymn. Hom. in Cer. 231 269. Siehe oben S. 53. Wie im Forschungsbericht erläutert (Kap. 2.2.3), fällt es der Initiationstheorie gerade im Falle des Demetermythos besonders schwer, Fuß zu fassen. Diejenigen Wissenschaftler, die die Initiationstheorie auf diesen Mythos anwenden (bzw. deren Anwendung akzeptieren), sehen lediglich den Übergang Kores in die Rolle der Demeter. Meist wird das dann strikt im Sinne der Generationenfolge gedeutet: Jede Tochter wird einmal selbst zur Mutter werden. So schreibt Tyrrell 1984, 35: „Persephone the daughter inevitably becomes Demeter the mother, the biological wheel upon which male society and human life depend.“ Die logische Konsequenz aus diesem Statuswechsel, nämlich daß auch Demeter eine Stufe weiterrückt und von der Mutter zur Großmutter wird, wurde bislang m.W. nicht gesehen. Das mag daran liegen, daß nur in orphischen Versionen dieses Mythos Kore/Persephone tatsächlich als Mutter genannt wird (vgl. z.B. Tyrrell/Brown 105: „Yet the identity achieved by Demeter is restricted to that of mother, and by Persephone, to that of daughter. Demeter as wife and sexual being is suppressed, while Persephone enjoys sex only in a symbolic fashion. The mother’s identity remains inextrincably bound to her fertility, the daughter’s and wife’s to her accession to her father’s and husband’s will.“). Durch dieses Versäumnis bleibt jedoch ein wichtiger Aspekt des Mythos unberücksichtigt.

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annimmt. Der Dichter weist darauf hin, daß Frauen eben dieses Alters Kinderfrauen oder Haushälterinnen an Königshöfen sind1 . e{zeto dæ ejggu;" oJdoi'o fivlon tetihmevnh h\tor Parqenivw/ frevati o{qen uJdreuvonto poli'tai ejn skih'/, aujta;r u{perqe pefuvkei qavmno" ejlaivh", grhi÷ palaigenevi> ejnalivgkio", h{ te tovkoio ei[rghtai dwvrwn te filostefavnou ∆Afrodivth", oi|aiv te trofoiv eijsi qemistopovlwn basilhvwn paivdwn kai; tamivai kata; dwvmata hjchventa. (98-104) Sie setzte sich in der Nähe des Weges, Kummer im Herzen, am Parthenion Brunnen, wo die Bürger Wasser holen, in den Schatten, über ihm war ein Ölbaum gewachsen; sie glich einer alten Frau, die sich jenseits der Gebärfähigkeit und der Geschenke der lieblich bekränzten Aphrodite befindet, wie es die Ammen der Kinder sind bei den Gesetze gebenden Königen und die Haushälterinnen in den hallenden Palästen.

Auf diese Weise unkenntlich gemacht setzt sich die Göttin an den ParthenionBrunnen von Eleusis2. Dort wird sie von den Töchtern des Keleos entdeckt. Die vier sind offenbar Jungfrauen in demselben Alter wie Demeters eigene Tochter. Mit Kore werden sie im Folgenden auch parallelisiert, zunächst durch die Formulierung, sie seien von jugendlicher Blüte wie Göttinnen (108: w{" te qeai; kourhvi>on a[nqo" e[cousai)3 . Intensiviert wird diese Beziehung dadurch, daß eines der Mädchen den Namen Dhmwv trägt, der auch ein Beiname Demeters ist4 ; durch das Attribut ejrovessa (,lieblich‘) wird wiederum auf ihr jugendliches Alter hingewiesen.

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Zur Rolle von alten Frauen in der griechischen Gesellschaft vgl. Bremmer 1987. Es ist wohl davon auszugehen, daß Demeters Gemütsverfassung in ihrer Körperhaltung zum Ausdruck kam. Sie wird nach vorn gebeugt, den gesenkten Kopf in die Hand gestützt, den Blick zu Boden gerichtet, dagesessen sein eine Haltung, die wir von der Darstellung trauernder Personen aus der antiken Kunst kennen. Vgl. dazu Neumann 136 140; 145 150. Demeters Trauer spiegelt sich auch im Namen des Steines wieder, auf dem sie sich niederließ: Sie saß auf der sogenannten ajgevlasto" pevtra (dem ,Stein ohne Lachen‘); so z.B. Apollod. 1,5,1; Hesych a 431 s.v. ajgevlasto" pevtra. Zu Beginn des Hymnos war auch Kore mit einer Metapher aus der Blumenwelt beschrieben worden: kouvrh kalukw'pi" (8). H.J. Blumenthal, Homeric Hymn to Demeter 108: kourhvion a[nqo", Glotta 60, 1982, 225 227, hier: 226, weist mit Recht darauf hin, daß durch dieses Bild auch ein Gegensatz zu Demeter aufgebaut werden soll, die sich eben die Gestalt einer alten Frau gegeben hat. Hymn. Hom. in Cer. 109 wird der Name erwähnt. Vgl. EM 264,8; Suda s.v. Dhmwv. Richardson ad loc. schlägt hingegen vor, daß der Name deshalb einer der Keleos Töchter gegeben wurde, weil er „suitable of a future servant of Demeter“ sei.

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Die Mädchen sprechen die Alte auf ihre Herkunft an. Demeter stellt sich in einer Trugrede 1 mit dem Namen Dodo 2 vor. Hubert Petersmann, dem wir diese Emendation verdanken, erklärt Dodo als alten Lallnamen für Demeter 3 . Die Richtigkeit von Petersmanns Konjektur vorausgesetzt, dürfte in diesem Lallnamen ein weiteres Indiz für den von Demeter intendierten Tätigkeitsbereich als Kinderfrau bzw. Großmutter liegen. Denn insbesondere Kleinkinder benutzen Lallnamen. Im Anschluß an diese Selbstvorstellung erzählt Demeter eine Lügengeschichte über ihr Schicksal: Sie stamme aus Kreta4 . Dort sei sie von Räubern entführt und übers Meer verschleppt worden. Als das Schiff bei Thorikos landete, sei sie ihren Peinigern entwischt 5 . Diese Erzählung dient im Zusammenhang des Hymnos zum einen der Begründung von Demeters Trauer6 , zum anderen soll sie den KeleosTöchtern erklären, weshalb sie als Fremde nach Eleusis kommt. Darüber hinaus evoziert die Geschichte von Demeters Entführung aber auch Kores Los. Bedingt durch ihre Lage wisse sie nicht, wo sie sich momentan befinde, gibt Demeter weiter an. Doch wie wenn sie sich von den tristen Gedanken an ihr eigenes Geschick losreißen und zuversichtlich dessen Bewältigung zuwenden wollte7 , wünscht sie nun den Töchtern des Keleos alles Gute: Die Olympier möchten ihnen Ehemänner geben und sie Kinder gebären lassen, wie es Eltern wollen8 . Darauf bittet sie die Mädchen, ihr doch zu sagen, wo sie eine Stelle als Kinderfrau oder Haushälterin finden könne. Wie Richardson bemerkt, stellt der 1 2 3 4

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Zur Trugrede in der griechischen Literatur siehe folgende Arbeiten: Fuchs; Louise H. Pratt, Lying and poetry from Homer to Pindar. Falsehood and deception in archaic Greek poetics, Ann Arbor 1993 (beide erwähnen die Trugrede des Demeterhymnos nur am Rande). So die ansprechende Emendation dieser vielbehandelten Korruptel in Vers 122 (eine Übersicht über weitere Lösungsvorschläge bietet Richardson ad loc.) von Petersmann 1986, 74 75. Petersmann 1986, 73; zwei Seiten später bekräftigt Petersmann nochmals seine Überzeugung, „daß es sich bei Dodo und Demeter um ein und dieselbe Göttin handelt“. Dort erschließt er auch Dodo als Demeters Kultnamen in Dodona. Diese Auskunft der Protagonistin wurde in der religionsgeschichtlichen Forschung lange Zeit als Hinweis darauf gesehen, daß die Mysterien Demeters ursprünglich auf Kreta zu Hause gewesen seien; so z.B. Kern 1, 143. Diese Position wird mit Recht heute allgemein zurückgewiesen. Vgl. Richardson ad 123. Vielmehr ist es als Topos zu betrachten, daß Lügengeschichten auf Kreta lokalisiert werden (vgl. Hom. Od. 13,256; 14,199; 19,172; Hymn. Hom. in Apoll. 469 470). Im Zusammenhang damit dürfte der Ausspruch stehen, dem zufolge ,alle Kreter lügen’ (Kall. Hymn. in Iovem, aufgegriffen von Athenag. Leg. 30,3). Allerdings enthält der Hinweis auf Kreta aber auch eine Anspielung auf den kretischen Mythos, nach dem Demeter eben dort einen Sohn, Plutos, geboren haben soll; vgl. dazu unten Kap. 3.2.2.1 und 3.2.2.4. Hymn. Hom. in Cer. 123 132. Daß die Göttin auch in ihrer menschlichen Gestalt nicht aufhört zu trauern, geht schon aus Vers 98 hervor, wird aber auch später mehrfach hervorgehoben: 147 148 und 216 217 (die ermutigenden Worte der Keleos Töchter bzw. der Metaneira); 181 183 (Demeter folgt in tiefer Trauer zum Haus des Keleos); 200 201 (Demeter trauert im Haus des Keleos um ihre Tochter). Der Einleitung einer solchen Überlegung scheint mir das ajllæ zu dienen, das den Vers 135 einleitet. Vgl. Denniston s.v. ajllav 5, II (S. 16); LSJ II, 3. Demeters Wunsch an die Keleos Töchter stellt einen der zahlreichen Belege dafür dar, daß das Ziel jeder Eheschließung die Zeugung von rechtmäßigen Nachkommen war.

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Wunsch Demeters eine typische Einleitung einer dringenden Bitte dar1 . Es sollte indes nicht übersehen werden, daß die Göttin mit diesen Worten den Jungfrauen genau das wünscht, wovon sie fürchtet, daß es ihrer eigenen Tochter widerfahren sein könnte. Entsprechend wird im Folgenden nochmals die Parallelisierung der Mädchen mit Kore (vor der Entführung, wie sie Demeter in Erinnerung ist) hervorgehoben, mit deutlichem Hinweis auf ihren jungfräulichen Status: Zunächst wird eine der Töchter als parqevno" ajdmhv" (,ungejochte Jungfrau‘, v. 145)2 bezeichnet, als sie der alten Frau anbietet, sie könne im Haus des Keleos Arbeit finden; als die Mädchen dann, nachdem sie die Zustimmung ihrer Mutter Metaneira für Demeters Beschäftigung als Kinderfrau des Demophon eingeholt haben, wieder zum Brunnen zurückeilen, setzt der Dichter sie in einem Gleichnis mit ungezähmten Tieren gleich, die im Frühling auf einer Wiese herumspringen und weiden. aiJ dæ w{" tæ h] e[lafoi h] povrtie" h[aro" w{rh/ a{llontæ a]n leimw'na koressavmenai frevna forbh'/, w}" aiJ ejpiscovmenai eJanw'n ptuvca" iJmeroevntwn h[i>xan koivlhn katæ ajmaxitovn, ajmfi; de; cai'tai w[moi" aji?ssonto krokhi?w/ a[nqei oJmoi'ai. (174-178) Gleich wie Hirschkühe oder Kälber im Frühling auf einer Wiese springen, nach dem sie mit Futter gesättigt sind, so rannten sie, die Falten ihrer lieblichen Ge wänder liftend, den hohlen Weg hinab; um ihre Schultern wehten die Haare einer Safranblüte gleich.

Dieses Gleichnis enthält nicht nur einen Hinweis auf die Jungfräulichkeit der Mädchen, sondern es stellt darüber hinaus eine Reminiszenz an die einleitende Szene dieses Hymnos dar: Dort war beschrieben worden, wie Jungfrauen auf einer Wiese spielen, tanzen und Blumen pflücken, in dem Gleichnis findet sich nun eine Schilderung von Hirschkühen und Kälbern — in diesen Tieren verkörpern sich ebenfalls adoleszente Mädchen —, die sich auf einer Wiese vergnügen3 . Verstärkt wird dieser Bezug dadurch, daß die wehenden Haare der rennenden KeleosTöchter mit Krokos-Blüten4 verglichen werden. Als die Göttin den Mädchen nun zum Palast des Keleos folgt, steht ihr Gang in krassem Gegensatz zum lebhaften, unbesorgten Springen und Laufen ihrer Führerinnen. Sie trauert noch immer um ihre Tochter (fivlon tetihmevnh h\tor, v. 181): Würdevoll schreitet sie dahin, von Kopf bis Fuß in ein langes schwarzes Gewand 1 2 3 4

Richardson ad 135ff. (mit Vergleichsmaterial). Der Vergleich noch unverheirateter adoleszenter Mädchen mit noch ungejochten bzw. noch nicht gezähmten Tieren ist in der Antike sehr verbreitet. Zu diesem Bild vgl. z.B. Seaford 1987, 106 und passim. Vgl. auch die Ausführungen von Calame 1992 zur Symbolik der Wiese. Der Krokos ist eine der auch im Blumenkatalog erwähnten Blumen, siehe Hom. Hym. in Cer. 6 bzw. 426.

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gehüllt1. Am Zielort angekommen bleibt Demeter auf der Türschwelle stehen. Ihr Haupt reicht bis an die Decke, ein göttlicher Glanz geht von ihr aus. Unter dem Eindruck dieser Teilepiphanie 2 erhebt sich Metaneira und bietet der Fremden ihren eigenen Sessel an. Die jedoch lehnt diese Sitzgelegenheit ab und verharrt trauernd3 unter der Tür. Sie nimmt erst Platz, als Iambe — offenbar eine Haushälterin oder Magd im Haus des Keleos4 — ihr einen Holzstuhl bringt, auf dem ein Schaffell liegt. Auf diesem Stuhl nimmt sie Platz und bedeckt ihr Gesicht mit dem Schleier. So sitzt sie lange wort- und regungslos, ohne zu lachen, ohne etwas zu essen oder zu trinken, und sehnt sich nach ihrer Tochter. Die genannten Verhaltensweisen sind alle deutliche Zeichen von Trauer5 . Doch Iambe gelingt es, die Göttin aufzuheitern: e[nqa kaqezomevnh prokatevsceto cersi; kaluvptrhn: dhro;n dæ a[fqoggo" tetihmevnh h|stæ ejpi; divfrou, oujdev tinæ ou[tæ e[pei> prosptuvsseto ou[te ti e[rgw/, ajllæ ajgevlasto" a[pasto" ejdhtuvo" hjde; poth'to" h|sto povqw/ minuvqousa baquzwvnoio qugatrov", privn gæ o{te dh; cleuvh/" min ∆Iavmbh kevdnæ eijdui'a polla; para; skwvptousæ ejtrevyato povtnian aJgnh;n meidh'sai gelavsai te kai; i{laon scei'n qumovn. (197-204) Dort setzte sich die Göttin und hielt sich mit ihren Händen den Schleier vors Ge sicht. Lange saß sie bekümmert, ohne zu sprechen, auf dem Stuhl und richtete an keinen ein Wort oder eine Geste, sondern sie saß, ohne zu lachen, ohne Nahrung oder ein Getränk zu sich zu nehmen, und verzehrte sich in Sehnsucht nach ihrer tiefgegürteten Tochter, bis die umsichtige Iambe mit Scherzen, viel spottend, die hehre Göttin aufheiterte und zum Lachen brachte und ihr Herz fröhlich werden ließ.

In der Version des Demeterhymnos lesen wir lediglich, Iambe habe es verstanden, die Göttin durch Scherze zum Lachen zu bringen — im allgemeinen vermutet man hinter dem skwvptousa obszöne Scherze, Aischrologie6. Was sich aber wirklich

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Hymn. Hom. in Cer. 181 183: hJ dæ a[ræ o[pisqe fivlon tetihmevnh h\tor | stei'ce kata; krh'qen kekalummevnh, ajmfi; de; pevplo" | kuavneo" rJadinoi'si qea'" ejlelivzeto possivn. Richardson ad 169 88 und passim arbeitet verschiedene Methoden des Dichters heraus, diesen Kontrast zu betonen. Zu Demeters Teilepiphanie vgl. Richardson ad 188 90. In der antiken Kunst gilt es als ein Zeichen von Trauer und Gram, wenn eine Person ihre Augen auf den Boden richtet. Vgl. Neumann 136 und passim; Richardson ad loc. Auch Richardson (ad 192 211, S. 213) vermutet, daß Iambe im Demeterhymnos die Funktion einer tamivh hat. So auch Richardson ad 197 201: „These elements are all typical of scenes of mourning.“ Dort führt er auch Parallelen auf. So z.B. Richardson ad 203; Foley ad 202 4.

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hinter Iambes Erheiterung verbirgt, wird erst durch spätere Zeugnisse deutlich: Dort ist die mit Iambe identische Baubo Königin von Eleusis. Diese Baubo1 heitert Demeter nicht durch derbe Scherze auf, sondern durch entsprechende Gesten. Unsere Hauptquelle dazu stellt Clemens von Alexandria dar. In seinem Protreptikos zitiert er Verse des Orpheus, die den Hergang des Geschehens schildern2: Baubo zieht ihren Peplos hoch und zeigt der Göttin ihre Schamteile. Dort befindet sich offenbar ihr Sohn, den Orpheus Iakchos nennt, und lacht hervor. Dieser Anblick soll Demeter also aufgeheitert und zum Lachen gebracht haben3 . Eine Deutung dieser Szene bietet Jenny S. Clay: Sie schlägt vor, daß Iambe durch Demeters Körperhaltung zu ihrem Verhalten angeregt worden sei: „I suggest […] that Demeter’s attitude resembles nothing so much as a woman in labor on a 1

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Die Figur der Baubo / Iambe ist in der Forschung auf großes Interesse gestoßen. Ich möchte nur einige Arbeiten anführen: A. Ludwich, Baubo und Demeter, NJbb für Class. Philol. 36, 1890, 51 58; L. Radermacher, Baubw, RhM 59, 1904, 311 313; H. Diels, Arcana Cerealian, in: Miscellanea di Archeologia, Storia e Filologia dedicata al Prof. Antonio Salinas nel XL anniaversario del suo insegnamento accademico, Palermo 1907, 3 14; M.A. Murray, Female fertility figures, JRAIA (Journal of the Royal anthropological institute of Great Britain and Ireland) 64, 1934, 93 100; Graf 1974, 194 199 und passim; Marcovich; M. Franz, Der Mythos von Baubo, in: H. P. Duerr, Die wilde Seele. Zur Ethnopsychoanalyse von Georges Devereux, Frankfurt 1987, 64 84; Arans; Olender. M.E. handelt es sich bei der Iambe bzw. Baubo Episode um eine unterschiedliche erzählerische Ausgestaltung von sehr ähnlich verlaufenden Kulthandlungen im Rahmen der Demeterverehrung in verschiedenen Gebieten Griechenlands. Dadurch reduziert sich die Frage nach der Priorität der Versionen auf die Frage danach, welche dieser Fassungen als erste literarisch ausgearbeitet wurde. Die Chronologie der Quellen spricht dafür, daß die Priorität beim Demeterhymnos liegen könnte. Vielleicht ging man in früherer Zeit mit größerer Dezenz mit einem derartigen Thema um. Clem. Alex. Protr. 20,3 21,1: Kai; dh; (ouj ga;r ajnhvsw mh; oujci; eijpei'n) xenivsasa hJ Baubw; th;n Dhw; ojrevgei kukew'na aujth'/: th'" de; ajnainomevnh" labei'n kai; piei'n oujk ejqelouvsh" (penqhvrh" ga;r h\n) perialgh;" hJ Baubw; genomevnh, wJ" uJperoraqei'sa dh'qen, ajnastevlletai ta; aijdoi'a kai; ejpideiknuvei th'/ qew'/: h} de; tevrpetai th'/ o[yei hJ Dhw; kai; movli" pote; devcetai to; potovn, hJsqei'sa tw'/ qeavmati. (21,1) Tau'tæ e[sti ta; kruvfia tw'n ∆Aqhnaivwn musthvria. Tau'tav toi kai; ∆Orfeu;" ajnagravfei. Paraqhvsomai dev soi aujta; tou' ∆Orfevw" ta; e[ph, i{næ e[ch/" mavrtura th'" ajnaiscuntiva" to;n mustagwgovn: w}" eijpou'sa pevplou" ajnesuvrato, dei'xe de; pavnta swvmato" oujde; prevponta tuvpon: pai'" dæ h\en “Iakco", - ceiriv tev min rJivptaske - gelw'n Baubou'" uJpo; kovlpoi": hJ dæ ejpei; ou\n meivdhse qeav, meivdhsæ ejni; qumw'/, devxato dæ aijovlon a[ggo", ejn w|/ kukew;n ejnevkeito. Vgl. Euseb. Praep. ev. 2,3,30 35. Die lateinische Fassung bietet Arnob. Adv. nat. 5,25 26; ich gebe hier nur seine Version der Verse des Orpheus wider: sic effata simul vestem contraxit ab imo obiecitque oculis formatas inguinibus res: quas cava succutiens Baubo manu nam puerilis ollis vultus erat plaudit, contrectat amice. tum dea defingens augusti luminis orbes tristitias animi paulum mollita reponit: inde manu poclum sumit risuque sequenti perducit totum cyceonis laeta liquorem. Bei Philochoros (FGrHist 328 F 103) scheinen die beiden Überlieferungsstränge zusammengekommen zu sein: Dort ist davon die Rede, daß Iambe Demeter durch ridiculas narratiunculas et sales iambico metro aufgeheitert habe.

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birthing stool, about to give birth. Iambe notes the resemblance — and its absurdity. For Demeter has disguised herself as an old woman well past the age of childbearing. In her good-natured ignorance of the goddess’s identity, Iambe jeers and mocks the ridiculous figure cut by the old woman.“1 Diese Erklärung ist nicht plausibel. Denn die von Clay vorausgesetzte weite Verbreitung eines Geburtsstuhles ist nicht ausreichend belegt2 . Darüber hinaus war Demeters Körperhaltung gerade nicht der einer gebärenden Frau ähnlich: Die Göttin neigte sich nicht nach hinten, sondern eher nach vorne 3 . An Clays Grundgedanken möchte ich gleichwohl festhalten: Die Gesten Iambes spiegeln einen Geburtsvorgang. Dabei handelt es sich aber nicht um irgendeine Geburt, sondern es soll im Leser gezielt das Schicksal Kores4 evoziert werden: Denn die Konsequenz aus deren Unterweltsaufenthalt ist letztlich ihre Ehe mit Hades, ihre Schwängerung und die Geburt ihres Kindes. Doch der Knabe an den Geschlechtsteilen Baubos kann — wenn man weniger den Aspekt des Kindlichen als den des Männlichen im Vordergrund sieht — auch einen Zeugungsvorgang evozieren. Insofern würde Iakchos Hades’ Funktion spiegeln. Was Demeter betrifft, so stellt ihr diese Szene die Zeugung und baldige Existenz eines Enkels in Aussicht. Baubos Darstellung von etwas eigentlich Unaussprechlichem läßt Demeter an ihre eigene Tochter und deren Schicksal denken. Sie erkennt sich selbst, erkennt, wogegen sie sich wehrt, und beginnt zu lachen5. Nun ist die Grundvoraussetzung dafür geschaffen, daß sie ihre Tätigkeit als Kinderfrau aufnehmen, sich um einen Säugling kümmern kann. In dieselbe Richtung weist auch das Trinken des Kykeon: Die Göttin gewinnt eine gewisse Distanz zu ihrer Trauer, was es ihr ermöglicht, eine Stärkung zu sich zu nehmen. Folgerichtig bittet Metaneira die Fremde erst dann darum, die Aufsicht über ihren Sohn zu übernehmen, als sie durch ihr Lächeln und ihre Nahrungsaufnahme gezeigt hat, daß sie bereit ist, ihre Trauer zu überwinden6 . 1 2 3

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Clay 235. Vgl. die von Clay 235, Anm. 99, angeführte Literatur. Die Verse 192 201 zeigen deutlich, daß sich Demeter ganz in sich selbst zurückzieht. Sie hat den Blick (und somit auch den Kopf) zu Boden gesenkt (194: katæ o[mmata kala; balou'sa), und als sie sitzt, verbirgt sie ihr Gesicht hinter ihrem Schleier (197: prokatevsceto cersi; kaluvptrhn). Diese beiden Stellen sprechen für eine eher nach vorne geneigte Körperhaltung, und dieser Verdacht wird in Vers 201 bestätigt, als nochmals ihre schmerzliche Sehnsucht nach Kore hervorgehoben wird. Denn wie bereits erwähnt, werden Trauernde in der griechischen Kunst nach vorne geneigt dargestellt (siehe oben S. 61 Anm. 2; vgl. auch S. 64 Anm. 4). A. B. Cook, Zeus. A study in ancient religion, New York 1965 (1925), 132, faßt Baubo sogar als orphische Göttin der Unterwelt auf. Zu vergleichbaren Abläufen siehe S. Freud, Der Witz und seine Beziehung zum Unbewussten, Leipzig / Wien 1921, 137 207. Daß Essen und Trinken als klare Zeichen des Überwindens von Trauer gewertet werden, wird schon allein durch die Institution des Leichenschmauses deutlich. So wehrt sich Achill, bevor Patroklos gerächt ist, bzw. Priamos, bevor er den Leichnam Hektors aus Achills Hand befreit hat, etwas zu sich zu nehmen (Hom. Il. 19,203 214; 304 308; 319 321; 24,601 620). Zu verschiedenen Aspekten der Trauer vgl. im Kapitel 3.1.1 die Seiten 45 49.

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Als Demeters Plan, ihren Zögling unsterblich zu machen, durch Metaneiras Neugier gescheitert ist und die Göttin voll Zorn ihre wahre Identität enthüllt und den Ammendienst quittiert hat, übernehmen schließlich die Keleos-Töchter die Fürsorge für ihren kleinen Bruder — die Mutter steht durch die Epiphanie unter Schock und kann sich nicht um das schreiende Baby kümmern. So ist es jetzt Aufgabe der Mädchen, die, wie wir gesehen haben, kurz vor der Heirat stehen1 , das Kind zu tragen, zu waschen und zu liebkosen. Sie können es jedoch nicht beruhigen, denn sie sind, wie der Dichter betont, viel schlechtere Kinderfrauen als die Göttin2 . Die Mädchen, die zuvor deutlich als Spiegelbilder Kores beschrieben worden waren, übernehmen also hier die ,Mutterpflichten‘ gegenüber ihrem Brüderchen3 . Sie üben somit ihre eigene Mutterrolle ein. Durch die angesprochene Parallelisierung von den Keleos-Töchtern und Kore wird diese Szene ebenfalls zum Vorverweis auf Kores eigene Mutterschaft. Es bleibt nun die Frage, weshalb Demeter ein menschliches Kind unsterblich machen möchte. Häufig ist die Antwort, daß die Göttin sich Ersatz für die verlorene Tochter verschaffen wollte4 . Doch hätte sie sich in diesem Fall konsequenterweise ein Mädchen als Zögling verschaffen müssen. Eine andere Erklärung für Demeters Verhalten gibt Jenny Clay5 : Wenn es ihr gelungen wäre, Demophons Unsterblichkeit zu erreichen, dann hätte aus ihm ein Widersacher für Zeus erwachsen können. Dem obersten Gott wäre die Rache seiner Schwester, sein Sturz durch deren Günstling, sicher gewesen6 . Kores Rückkehr zu ihrer Mutter wäre unter diesen Bedingungen nicht mehr aufzuhalten. Dieser Deutung stehen indes zwei Überlegungen im Wege. Zum einen stützt sich Clay bei ihren Ausführungen auf Hesiods Theogonie7 . Gerade dort aber finden wir keinen Hinweis darauf, daß Zeus’ Herrschaft eine ähnliche Gefährdung drohen könnte wie der seiner beiden Vorgänger. Zeus’ Herrschaft gilt Hesiod als endgültig. Zum anderen liefert der Demeterhymnos ebensowenig wie andere Versionen des Mythos einen Hinweis auf irgendwelche Umsturzbestrebungen Demeters.

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Siehe oben S. 61 64. Hymn. Hom. in Cer. 275 291. Man beachte, daß der Altersunterschied zwischen den Mädchen und ihrem kleinen Bruder ungefähr ebensogroß ist wie der zwischen einer jungen Mutter und ihrem ersten Kind. So z.B. Rudhardt 205; Foley 114; Parker 1991, 8, gibt sich skeptisch gegenüber allen Deutungsversuchen: Demeter nehme sich des kleinen Demophon an „for reasons that are not given, and cannot be guessed“. So Clay 222 245, bes. 225 226. Clay (225) denkt dabei an einen ausgeklügelten Plan Demeters: „Her opposition to Zeus […] surfaces in a considered plan of action, whose intention is to avenge herself upon Zeus. The original boule and dolos of Zeus demand a counterplan and strategem on the part of Demeter.“ Clay 226: „Adopting a male child and rendering him immortal would allow the goddess to defy the authority of Zeus.“ Sie spricht zwar an dieser Stelle selbst (226) nur von der „theogonic tradition“, bezieht sich aber sonst oft auf Hesiod.

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Die Begründung dafür, weshalb sich Demeter eines sterblichen Knaben annimmt, ist folglich in einer anderen Richtung zu suchen. Zu Beginn dieses Kapitels wies ich darauf hin, daß die Göttin durch den Statuswechsel ihrer Tochter vom Mädchen zur erwachsenen Frau und Mutter zwangsläufig selbst die Stufe zur Großmutterschaft hinaufsteigen muß. Als Einübung ihres neuen Tätigkeitsbereichs deutete ich ihren Dienst als Kinderfrau in Eleusis. Bereits dort nannte ich Demophon hypothetisch „die menschliche Projektion des zu erwartenden göttlichen Sohnes von Kore“ 1 . Die inzwischen festgestellte starke Parallelisierung von Metaneira und ihren Töchtern mit Demeter und Kore2 ist als Bestätigung dieser Hypothese zu verstehen: Demeters Zögling ist deshalb ein Junge, weil Kore einen Sohn gebären wird. Man wird diesem Verständnis entgegenhalten, daß Kore in ihrer neuen Funktion als Demeter doch selbst auch wieder eine Tochter gebären müsse, damit der Mutter-Tochter-Zyklus erhalten bleibe. Doch hängt diese Idee eines Zyklus offenbar eng mit einer naturallegorischen Deutung des Demetermythos zusammen, eine initiationstheoretische Interpretation kommt hingegen leicht ohne diesen Gedanken aus: Kore ist die archetypische göttliche Repräsentantin derjenigen Mädchen, die das heiratsfähige Alter erreicht hatten und kurz vor ihrer Ehe und Mutterschaft standen. Die aber wünschten sich als erstes Kind einen Sohn3 . Wenn wir uns in den antiken Texten umsehen, die über Demeter und Kore handeln, so finden wir dort weitere Hinweise auf die Richtigkeit dieser These. Der Mythos von Kreta beispielsweise schreibt Demeter die Geburt eines Sohnes zu4 . Andere — wohl orphisch beeinflußte — Versionen des Mythos erwähnen einen Sohn von Kore selbst5. Es ist also davon auszugehen, daß der Gedanke an einen Sohn Kores dem antiken Publikum durchaus geläufig war.

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Siehe oben S. 61. Vgl. dazu außerdem das folgende Kapitel. Vgl. dazu Demand 3; 17 und passim. Schon Burkert 1977, 251, hatte betont, daß der Demetermythos nicht einen Zyklus implizieren kann; die Rückkehr in den Zustand vor dem Raub (bzw. vor der Hochzeit) ist unmöglich. Hes. Theog. 969 974: Dhmhvthr me;n Plou'ton ejgeivnato di'a qeavwn, ∆Iasivw/ h{rwi migei'sæ ejrath'/ filovthti neiw'/ ejni; tripovlw/, Krhvth" ejn pivoni dhvmw/, ejsqlovn, o}" ei|sæ ejpi; gh'n te kai; eujreva nw'ta qalavssh" pa'san: tw'/ de; tucovnti kai; ou| kæ ej" cei'ra" i{ketai, to;n dæ ajfneio;n e[qhke, polu;n dev oiJ w[pasen o[lbon. Ähnlich Diod. 5,77,1 2; vgl. auch Hellanikos FGrHist 323 F 135; Cornut. Theol. 28 p. 55 Lang. An einer anderen Stelle bezeichnet Diodor Demeter als Mutter des Dionysos. Siehe Diod. 3,62,6: paradedwkovtwn de; tw'n muqogravfwn kai; trivthn gevnesin, kaqæ h{n fasi to;n qeo;n ejk Dio;" kai; Dhvmhtro" teknwqevnta diaspasqh'nai me;n uJpo; tw'n ghgenw'n kai; kaqeyhqh'nai, pavlin dæ uJpo; th'" Dhvmhtro" tw'n melw'n sunarmosqevntwn ejx ajrch'" nevon gennhqh'nai, eij" fusikav" tina" aijtiva" metavgousi tou;" toiouvtou" lovgou". Diod. 3,64,1: deuvteron de; muqologou'si genevsqai Diovnuson ejk Dio;" kai; Fersefovnh", wJ" dev tine", ejk Dhvmhtro". Vgl. auch Diod. 4,4,1. Clem. Alex. Protr. 2,16 spricht von einem pai'" taurovmorfo", den er offenbar mit Dionysos Sabazios identifiziert. Tzetz. in Aristoph. Ran. 316: a[lloi de; to;n “Iakcon uiJo;n Persefovnh" fasivn. Vgl. auch Arr. Anab. 2,16,3; Schol. in

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Es hat sich somit gezeigt, daß in der gesamten Szenenfolge, die Demeters Aufenthalt in Eleusis schildert, das Schicksal Kores präsent bleibt. Diese Präsenz besteht allerdings nicht nur in Gedanken an die Vergangenheit (in Gestalt von Demeters Trauer), sondern es werden auch (sogar: insbesondere) zukünftige Ereignisse vorbereitet: Einerseits versucht Demeter, die Rückkehr ihrer Tochter durchzusetzen, andererseits führt uns der Dichter in einer Brechung den tatsächlichen Gang der Dinge vor Augen. Somit können wir zusammenfassend feststellen, daß diese Passage entgegen der Meinung zahlreicher Gelehrter kein ,Fremdkörper‘ im Hymnos ist1 . Im Gegenteil, sie stellt einen integralen Bestandteil des Gedichts dar. Nachdem Demeters Plan, Demophon unsterblich zu machen, fehlgeschlagen ist und die Göttin Eleusis verlassen hat, versucht sie mit allen Mitteln, die Rückkehr ihrer Tochter zu erzwingen. Die ersten Hinweise darauf finden sich schon in ihrer Scheltrede an Metaneira. Nachdem sie Demophon bleibende Ehren zugesichert hat, stellt sie sich in ihrer wahren Eigenschaft als Göttin vor, wobei sie sich als größte Erquickung und Freude für Götter und Menschen bezeichnet: eijmi; de; Dhmhvthr timavoco", h{ te mevgiston ajqanavtoi" qnhtoi'siv tæ o[near kai; cavrma tevtuktai. (268-269) Ich bin Demeter, die hoch in Ehren steht, für die Unsterblichen und Sterblichen die größte Erquickung und Freude.

In diesem Satz wird bereits angedeutet, daß Demeter eine gewisse Macht auch über die Götter hat. Allerdings werden wir zunächst darüber im unklaren gelassen, worin diese Macht besteht. Im Anschluß an ihre Selbstvorstellung fordert sie die

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Aristid. p. 648, 15 16 Dind. Der orphische Hymnos auf Persephone nennt diese Mutter des Eubuleus (v. 8: mh'ter ejribremevtou polumovrfou Eujboulh'o"). Vgl. z.B. Malten 1909b, 433 Anm. 4: „Eine der Stellen, an der der homerische Hymnus seiner jetzigen Form nach auseinanderbricht, ist um vs. 95. Nachdem die Göttin durch Helios den Namen der Räubers erfahren, wendet sie sich den Städten der Menschen zu. […] Weshalb geht Demeter nach Eleusis? Nicht der Tochter wegen; Helios hat ihr ja schon den Räuber verraten. Die Geraubte wiederbringen können die Eleusinier bei aller Frömmigkeit nicht. Mit keiner Silbe fragt die Göttin auch in Eleusis nach ihrer Tochter; den Eleusiniern gegenüber sind diese und ihr Geschick völlig vergessen. […] Eine Interpretation des Hymnus […] führt dazu, die Verbindung verschiedener Komplexe in diesem Gedicht zu konstatieren, deren Sonderung einen Rückschluß zuläßt auf ältere reichere hieratische Poesie in Eleusis, die der Verfasser des Hymnus in einem Gefäße zusammenführt.“ Wilamowitz 2, 50: „Man muß das ganze überschauen, dann springt in die Augen, daß der Raub der Persephone und die eleusinische Geschichte zusammengestückt sind. Sobald man Eleusis ausscheidet, ist ein geschlossener Zusammenhang da. Als Demeter gehört hat, daß ihre Tochter in der Gewalt des Hades ist, ihr also unerreichbar, gibt sie das Suchen auf und zwingt den Zeus durch die Hemmung des Wachstums. Dieser Mythos geht Eleusis nichts an; vom Raube erzählte man sich an vielen Orten.“ Zuntz stellt fest, daß nach der Eleusis Episode „the situation is exactly as before (v. 91 ~ 304) and the action now takes the expected course“ (79). Auch Richardson (S. 81) bemerkt: „Demeter’s wanderings on earth and visit to Eleusis have no special purpose.“ Ähnlich äußern sich ebenfalls Wegener 240. Neuerdings zeigt sich auch Foley (ad 190 211) verwundert, daß man während der Demophon Episode nichts mehr von Demeters Trauer um Kore höre.

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Eleusinier auf, ihr einen Tempel zu errichten1 . Durch ihr göttliches Einwirken2 schreitet der Bau rasch voran, und schon bald kann Demeter sich in ihre neue Behausung zurückziehen. Dort ist der Grad ihrer Absonderung noch größer als zuvor. Denn nun lebt sie getrennt von Göttern und Menschen und trauert um ihre Tochter3. Eindrücklich schildert uns der Dichter nun das Druckmittel, das die Göttin jetzt anwendet: Sie ruft eine Periode der Unfruchtbarkeit hervor, die zur Folge hat, daß kein Samenkorn aufgeht. Die Menschen werden von einer furchtbaren Hungersnot bedroht. Doch diese Entwicklung hätte auch für die Götter negative Auswirkungen: Sie würden ihrer Ehrengeschenke und Opfer beraubt werden. kaiv nuv ke pavmpan o[lesse gevno" merovpwn ajnqrwvpwn limou' uJpæ ajrgalevh", geravwn tæ ejrikudeva timh;n kai; qusiw'n h[mersen ∆Oluvmpia dwvmatæ e[conta", eij mh; Zeu;" ejnovhsen eJw'/ tæ ejfravssato qumw'/. (310-313) Und jetzt hätte sie das gesamte Geschlecht der sterblichen Menschen durch schlimmen Hunger zugrunde gerichtet, denjenigen, die den olympischen Palast bewohnen, hätte sie die Ehre der Geschenke und Opfer geraubt, wenn nicht Zeus es bemerkte und [die Sache] in seinem Geiste erwogen hätte.

Aufgrund dieser Gefahr sieht sich Zeus gezwungen, einzuschreiten4 . Er schickt zunächst Iris, später alle Götter aus, um seine Schwester zu besänftigen und zum Einlenken zu bewegen. Ohne Erfolg: Die beharrt nämlich darauf, erst wieder für das Getreidewachstum zu sorgen, wenn sie ihre Tochter zu Gesicht bekommt5 . Jetzt muß Zeus nachgeben. Er fordert seinen Bruder auf, Kore zu ihrer Mutter zurückkehren zu lassen. Wie wir im vergangenen Kapitel gesehen haben, tut Hades das auch, nachdem er symbolisch die Ehe mit seiner Braut vollzogen hat6 . Voller Freude empfängt Demeter ihre Tochter. Als Kore ihre Mutter über die Geschehnisse in der Unterwelt informiert, ist sie — erstaunlicherweise — nicht erzürnt über Hades’ Tat, sondern mit der Ehe ihrer Tochter mit dem Gott der Unterwelt einverstanden. Sie akzeptiert also, daß Kore vom Mädchen zur erwachsenen Frau geworden ist und fügt sich damit ebenso in die Verschiebung ihres eigenen Status von dem der Mutter zu dem der Großmutter.

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Hymn. Hom. in Cer. 268 272. Hymn. Hom. in Cer. 300: oJ dæ ajevxeto daivmono" ai[sh/. Hymn. Hom. in Cer. 292 304. Für die Beantwortung der Frage, weshalb Demeter ihren Bruder mit diesem Schachzug unter Druck setzen kann, möchte ich verweisen auf Auffarth, bes. 75 80; in seinem Aufsatz hat Auffarth das Vergleichsmaterial zu diesem Motiv zusammengestellt. Hymn. Hom. in Cer. 314 333. Die Ähnlichkeit dieser Szene mit der Presbeia im 9. Buch der Ilias wird in der Forschung allgemein gesehen. Siehe dazu Kap. 3.1.1.

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Während die beiden Göttinnen die Wiedersehensfreude genießen, trägt Zeus seiner Mutter Rhea auf, Demeter auf den Olymp zurückzuholen1. Auffälligerweise wird von dieser Stelle an Kore nicht mehr erwähnt. In den letzten 55 Versen des Hymnos sind die beiden Göttinnen, die in Aktion treten, Rhea und Demeter, ebenfalls Mutter und Tochter, Rhea die Frau als Großmutter, Demeter die Frau als Mutter. Genau das sind aber die Funktionen, zu denen sich Demeter und Kore im Verlauf der Erzählung entwickelt haben: Demeter ist Rhea geworden, Kore wiederum Demeter. Entsprechend erhält Demeter gleich das Attribut kallivsfuro" (,mit schönen Fesseln‘), das ansonsten adoleszente Mädchen tragen. So wurde Kore zu Beginn des Hymnos zwei Mal das nahe verwandte Epitheton tanivsfuro" (,mit schlanken Fesseln‘) gegeben2 . Und als Rhea ihre Tochter anspricht, nennt sie sie in gleicher Weise tevko", wie auch Demeter kurz zuvor Kore mit tevknon angeredet hatte3. Die zentrale Frage für das Verständnis von Demeters Verhalten im Verlauf des Hymnos ist, was sich für eine Frau in der Antike damit verband, Großmutter zu sein. Wie jeder Statuswechsel brachte auch dieser gewisse Veränderungen mit sich. Die bedeutsamste war sicherlich, daß die Großmutter als alte Frau4 galt. In einer Gesellschaft wie der athenischen, in der sich die Funktion der Frau weitgehend darin erschöpft, legitime Nachkommen zu gebären, sind Menopause und Großmutterschaft eine deutliche Zäsur5 : Die Frau verliert ihre Attraktivität, sie kann ihre wichtigste Aufgabe, nämlich Kinder hervorzubringen, nicht mehr erfüllen6, die eigenen Kinder sind erwachsen und brauchen sie in ihrer Funktion als Mutter nicht mehr — somit wird sie quasi nutzlos7 . In der modernen Psychologie spricht man in diesem Zusammenhang von der „empty-nest“ Phase. In dieser Situation muß sich die Frau neu definieren. Sie muß, ja sie darf nicht nutzlos sein, sie soll neue Aufgaben übernehmen. Denn durch ihr vergleichsweise hohes Alter verfügt sie über einen wertvollen Erfahrungsschatz. Sie hat selbst

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Hymn. Hom. in Cer. 434 448. kallivsfuro" als Attribut Demeters erscheint in Hymn. Hom. in Cer. 453. Das Attribut taniv s furo" trägt Kore in Vers 2 und 77. Zum Gebrauch der Epitheta kallivsfuro" bzw. tanivsfuro" siehe oben S. 39 mit Anm. 2. Hymn. Hom. in Cer. 460 bzw. 393. Die einzige mir bekannte Arbeit, die sich mit der ,alten Frau‘ in der griechischen Antike befaßt, ist Bremmer 1987. Verschiedene Aspekte des Alterns bzw. Alters im antiken Griechenland werden untersucht in den Beiträgen zu U. Mattioli (Hg.): Senectus. La vecchiaia nel mondo classico, vol. 1: Grecia, Bologna 1995. Vgl. Bremmer 1987, 191. Eine Folge davon war, daß eine alte Frau mehr soziale Freiräume hatte. Vgl. Bremmer 1987, 192: „In archaic Athens old women apparently also constituted a category which had more freedom than women who had not yet reached menopause." Daß sich die Definitionen der Frauenrolle selbst in unserer Gesellschaft bis in die heutige Zeit kaum geändert haben, zeigen zahlreiche moderne Studien aus den Bereichen der Soziologie und Psychologie wie z.B. Kast 1991 oder François Höpflinger: Frauen im Alter Alter der Frauen. Ein Forschungsdossier, Zürich 1997.

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mehrere Kinder zur Welt gebracht und kennt dadurch die Abläufe einer Geburt; sie hat ihre eigenen Kinder großgezogen, sie kennt sich also aus, wenn ein Kind krank1 wird. Dieses Wissen ermöglicht es einer Frau fortgeschrittenen Alters, eine neue Aufgabe zu übernehmen — sei es als Großmutter, als Hebamme oder als Kinderfrau2 . Egal, welche dieser drei Rollen sie ausfüllt, ihre Erfahrungen gehen für die Gesellschaft nicht verloren, sondern sie werden an jüngere Frauen weitervermittelt. Die ,alte‘ Frau hat damit wiederum eine zentrale Aufgabe, die dazu beiträgt, den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern. Genau in dieser Übergangsphase befindet sich Demeter in unserem Hymnos. Zunächst versucht sie, sich dem Gang der Dinge in den Weg zustellen, indem sie Kore zurückfordert. Durch ihren Dienst als Kinderfrau übernimmt sie probeweise die Aufgaben einer Großmutter. Als Kore letztlich aus der Unterwelt zurückkehren darf, hören wir auffälligerweise nichts davon, daß Demeter zornig oder traurig darüber wäre, daß die Tochter nicht für immer bei ihr bleiben darf, sondern sie akzeptiert deren bevorstehende Ehe mit Hades, deren Ziel die ‘Zeugung legitimer Nachkommen‘ ist. Damit nimmt Demeter aber auch die Verschiebung ihres eigenen Status von dem der Mutter zu dem der Großmutter an. Sie vermag es, sich selbst in ihrer neuen Rolle zu definieren — und ist dadurch ein Vorbild für alle Frauen, die sich in dieser lebensgeschichtlichen Krisensituation befinden: Nach dem göttlichen Muster werden auch sie die Situation meistern. Die Mythenerzählung des Hymnos endet damit, daß die Göttinnen, nachdem sie auf der Erde alles geregelt haben, gemeinsam zum Olymp zurückkehren und sich den anderen Göttern zugesellen. Dort erhalten sie, wie man aus Zeus’ Versprechen3 schließen kann, ihre neuen Ehren4 endgültig aus der Hand des obersten Gottes. Zeus besiegelt also die im Mythos geschilderte Entwicklung von Kore und Demeter jeweils in die Rolle ihrer Mutter. Die Separationsphase der beiden Göttinnen ist zu Ende, ihre Initiation, bei der beide einen neuen Status erreicht haben, ist mit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft abgeschlossen5. 1 2 3 4 5

Vgl. zu diesem Aspekt Demand 22 23. Zu diesen und weiteren möglichen Aufgaben der ,alten‘ Frau in der Antike vgl. Bremmer 1987. Hymn. Hom. in Cer. 326 328; 443 444. Zur Verleihung von timaiv an eine Gottheit siehe oben S. 52 mit Anm. 4. Auch Alderink, 7, sieht in den Konzessionen, die Zeus Demeter machen muß, eine Verschiebung des Status der Göttin. Wie bereits mehrfach angesprochen, sind im Demeterhymnos die Statuswechsel der beiden Göttinnen vor der Folie von Bestattungs und Trauerriten stilisiert. Der Verlust eines nahestehenden Menschen sei es durch Tod oder eine andere Art der Trennung wird mit Trauer aufgenommen und durch Trauerarbeit bewältigt. Aus soziologischer Perspektive konnten wir die rites de passage erkennen, aus einer psychologischen Perspektive (die mit der ersteren durchaus kompatibel ist) können wir bei Demeters Verhalten im Verlauf des Hymnos die vier „typischen“ Phasen des Trauerns unterscheiden: Kast (1992, 195 202; 1986 passim; 1991 passim) benennt sie (1) „Phase des Nicht wahrhaben Wollens“, (2) „Phase der aufbrechenden chaotischen Emotionen“, (3) „Phase des Suchens Findens und Sich

Rites de passage im Mythos von Demeter und Kore

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3.1.3 Der Übergang Metaneiras und ihrer Töchter in einen neuen Status Es scheint mir sinnvoll zu sein, an dieser Stelle den Blick von den beiden Göttinnen auf die sterblichen Frauen zu lenken, die im Demeterhymnos selbst vorkommen: Metaneira und ihre Töchter. Denn die Eleusinierinnen sind die ersten Menschen, die nach der Entführung Kores mit deren Mutter in Kontakt kommen. Sie sind diejenigen, die als erste versuchen, die Göttin zu besänftigen. Da liegt die Vermutung nahe, daß es sich bei ihnen um die Archegetinnen der Demeterverehrung handelt. Wie wir bereits im vorausgehenden Kapiteln gesehen haben, parallelisiert der Dichter die Frauen und die beiden Göttinnen stark1. Ich möchte die wesentlichen Punkte hier nochmals zusammenfassen. Schon die Tatsache, daß die vier Töchter des Keleos auf Demeter treffen, als sie am Parthenion-Brunnen sitzt und sich in Sehnsucht nach ihrer eigenen Tochter verzehrt, dürfte ein erster Hinweis in diese Richtung sein2. Die Mädchen sind gleichen Alters wie Kore3, auch sie stehen nicht mehr weit von der Hochzeit entfernt4 . Die Beschreibung der Königstöchter evoziert die Kores: Das w{" te qeai; kourhvi>on a[nqo" e[cousai (,die wie Göttinnen eine mädchenhafte Blüte besaßen‘, v. 108) nimmt Bezug auf den Ausdruck kaluvkwpi" kouvrh (,knospengesichtiges Mädchen‘, v. 8) durch den die junge Göttin charakterisiert wird. Später werden die Haare der Mädchen mit einer Krokosblüte verglichen5 , womit abermals auf die Eingangsszene des Hymnos zurückverwiesen wird. Als Demeter im Palast des Keleos eintrifft, befindet sich Demophon bei seiner Mutter Metaneira. Von den Mädchen hören wir von nun an für längere Zeit nichts mehr. Erst als die Göttin nach ihrer Epiphanie den schreienden Knaben auf den

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3 4 5

Trennens“ und (4) „Phase des neuen Selbst und Weltbezugs“. Spiegel (57 89) unterscheidet ebenfalls vier Phasen des Trauerns, die allerdings inhaltlich mit den von Kast beschriebenen nicht vollkommen deckungsgleich sind; dennoch ergänzen sich die Beobachtungen. Auf den Demetermythos angewandt, lassen sich so folgende Abschnitte ausmachen: (1) Als Demeter die Schreie ihrer Tochter hört, begreift sie sofort, daß etwas Schreckliches geschehen sein muß, will es aber nicht wahrhaben; deshalb macht sie sich auf die Suche nach Kore. Erst als ihr Hekate und Helios berichten, was sich wirklich ereignet hat, kann Demeter den ,Verlust‘ ihrer Tochter vor sich selbst nicht mehr leugnen (39 87). (2) Demeter ist nun von verschiedenen Emotionen beherrscht. Für ihre „Mitgötter“ ist sie nicht mehr zugänglich (88 291). (3) Demeter befindet sich nun in ihrer isoliertesten Phase. Sie versucht, Kore zurückzubekommen, was ihr auch gelingt. Doch ist für sie jetzt der Zeitpunkt erreicht, zu dem sie deren Ehe (d.h.: die Trennung) akzeptieren kann (292 440). (4) Jetzt ist es für Demeter an der Zeit, sich selbst neu zu definieren und einen neuen Bezug zu ihrer Umwelt zu suchen (441 489). Siehe oben Kapitel 3.1.2. Hymn. Hom. in Cer. 94 110. Die oben angestellt Vermutung wird gestützt durch Ov. Fast. 4,513, wo die Tochter des Keleos Demeter anspricht: ,mater‘ ait virgo (mota est dea nomine matris). Demeter spricht die Mädchen wiederholt mit tevkna (119; 138) bzw. kou'rai (137) an, später nennt der Dichter Kallidike parqevno" ajdmh;" (145). Nur so erklärt sich, daß Demeter ihnen gute Ehemänner wünscht (Hymn. Hom. in Cer. 136). Hymn. Hom. in Cer. 178.

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Der Mythos von Demeter und Kore

Boden legt, treten sie wieder in Erscheinung. Nun sind sie es, die sich um den kleinen Bruder kümmern1 . Damit übernehmen sie die Rolle der Mutter, die durch das Vorgefallene zu Tode schockiert und somit handlungsunfähig ist. Vom Altersunterschied her könnte Demophon ihr eigener Sohn sein. Sie haben also gelernt, mit einem Kleinkind umzugehen. Auch von dieser Seite her sind sie nun in der Lage, selbst Kinder großzuziehen2 . Der letzte Vers dieser Szene, der die Fähigkeiten der Mädchen mit denen Demeters vergleicht, legt den Schluß nahe, daß sie ihr Wissen von der Göttin bezogen3 . Damit stehen sie auf der selben Stufe wie Kore, als Hermes sie aus der Unterwelt zurückholt: Sie sind in allen Belangen für eine nahe Ehe gerüstet. Die Verbindungen zwischen Metaneira und Demeter sind ebenfalls mannigfach. Beide haben adoleszente Mädchen als Töchter, denen jeweils die Ehe und eigene Mutterschaft kurz bevorsteht. Dadurch steht den Müttern der Statuswechsel zur Großmutter bevor. Beiden Müttern wird ein Kind, an dem sie sehr hängen, weggenommen: Demeter wird ihre Tochter durch Hades’ Entführung gewaltsam entrissen; Metaneira ist im Begriff, ihren Sohn zu verlieren, als Demeter ihn unsterblich machen will. Die eine trauert über den Verlust, die andere ist entsetzt, als wäre ihr Kind tot. Durch das Wegnehmen des Kindes wird jeweils der Statuswechsel der Mutter vorbereitet: Beiden Frauengestalten steht ein neuer Lebensabschnitt als Großmutter vor Augen. Für die Göttin ist Demophon der Stellvertreter des zu erwartenden göttlichen Sohnes von Kore — an ihm übt sie ihre bevorstehende Rolle als Großmutter ein. Nachdem Demeter ihre Tätigkeit als Kinderfrau niedergelegt hat, repräsentiert der Königssohn den zu erwartenden menschlichen Sohn seiner eigenen Schwestern, der Keleos-Töchter, und damit Metaneiras Enkel. Diese Ergebnisse können wir von den Figuren des Hymnos auf die attische Gesellschaft übertragen. Demeter und Kore bieten die Folie für Mutter und Tochter, die gerade einen Statuswechsel durchmachen: Jede Mutter wird einmal von ihrer Tochter aus der Mutterrolle in die der Großmutter gedrängt, wenn das Mädchen selbst Ehefrau und Mutter wird. Dieser Ablösungszyklus bildet das Grundgerüst des Demetermythos. Anhand dieser Erzählung wird den Frauen die Notwendigkeit der Veränderungen und Übergänge in ihrem Leben demonstriert: In ihrer Jugend ist jede Frau eine menschliche Kore, wenn sie heiratet und Kinder bekommt, wird sie zur menschlichen Demeter, schließlich wird sie zur menschlichen Rhea, nachdem ihre Kinder erwachsen sind und eigene Kinder haben. Die drei Göttinnen sind also im Grunde nur eine einzige, die in verschiedenen Abschnitten ihres Lebens gezeigt wird. Der Mythos hat Kore, Demeter und Rhea nebeneinandergestellt, um den Menschen den archetypischen Charakter für Mädchen, Frauen 1 2 3

Hymn. Hom. in Cer. 284 291. Demand (10 und passim) verweist mehrfach darauf, daß eine junge Frau all ihr Wissen über den Umgang mit einem Säugling bzw. Kleinkind den Erfahrungen zu verdanken hat, die sie mit ihren eigenen kleineren Geschwistern in ihrem Elternhaus gemacht hat. Hymn. Hom. in Cer. 291: ceirovterai ga;r dhv min e[con trofoi; hjde; tiqh'nai.

Rites de passage im Mythos von Demeter und Kore

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und Greisinnen klarer vor Augen führen zu können1. Im Mythos wird geschildert, wie es Demeter und Kore gelingt, den Schmerz zu verarbeiten, der ihnen durch ihre Statuswechsel entsteht2 . Dazu gehört vor allem, daß sie ihrer Trauer eine gewisse Zeit freien Lauf gewähren können. Der Kult von Demeter und Kore bietet den Frauen die Möglichkeit, diese Mechanismen rituell zu wiederholen und so selbst über die Probleme, die ihnen im Zusammenhang der Verschiebung ihrer sozialen Funktionen entstehen, hinwegzukommen.

3.1.4 Der Übergang der Menschheit zu einer neuen Kulturstufe Aber nicht nur die weiblichen Figuren des Hymnos machen einen Statuswechsel mit. Im vorliegenden Mythos wird noch ein weiterer Übergang geschildert: Die Menschheit wechselt von ihrer bisherigen Kulturstufe in eine neue. Im Demeterhymnos tritt uns diese Veränderung allerdings weniger deutlich vor Augen als in anderen Versionen des Mythos. Deshalb möchte ich in diesem Abschnitt von meiner Konzentration auf den Demeterhymnos abweichen und zunächst andere Fassungen desselben Mythos betrachten. Bei Diodor beispielsweise lesen wir, daß Demeter nach der Entführung Kores in tiefe Trauer verfällt und überall nach ihrer Tochter sucht. In allen Teilen der Welt kommt sie herum und schenkt denjenigen Menschen, die sie am freundlichsten aufnehmen, als Gegengabe das Getreide 3 . Dieses Geschenk Demeters läßt sich nur durch die Annahme erklären, daß die Menschen zum Zeitpunkt von Kores Entführung den Ackerbau noch nicht kannten. Erst der Beistand, den sie der trauernden Demeter leisten, bringt ihnen dieses Kulturgut ein. Ganz klar wird bei Firmicus Maternus ausgesprochen, daß den Menschen das Getreide unbekannt war, bevor die Göttin es ihnen schenkt4 . Ovid schildert in seinen Fasti die Entwicklung der Menschheit über mehrere Kulturstufen5 hin: Zuerst ernährten sich die Menschen von Kräutern, dann kamen Gräser und Blätter hinzu; später lernten sie, Eicheln als Nahrungsmittel zu verwenden. Den Höhepunkt der Klimax stellt das Getreide dar, das Ceres den Menschen

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2 3

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Bereits Kerényi 1962 (passim) ging davon aus, daß Demeter und Kore eigentlich eine Einheit darstellen und daß in ihrem Mythos etwas Archetypisches, etwas Menschliches dargestellt wird. Kerényi ist von der Initiationstheorie weit entfernt und konzentriert sich bei der Deutung ganz auf die Eleusinischen Mysterien. Vgl. dazu Kap. 3.1.1 und 3.1.2. Diod. 5,4,3: meta; de; th;n th'" Kovrh" aJrpagh;n muqologou'si th;n Dhvmhtran mh; dunamevnhn ajneurei'n th;n qugatevra lampavda" ejk tw'n kata; th;n Ai[tnhn krathvrwn ajnayamevnhn ejpelqei'n ejpi; polla; mevrh th'" oijkoumevnh", tw'n dæ ajnqrwvpwn tou;" mavlistæ aujth;n prosdexamevnou" eujergeth'sai to;n tw'n purw'n karpo;n ajntidwrhsamevnhn. Firm. Mat. Err. prof. 7,5: Illic hospitio recepta incolis incognitum adhuc triticum dividit. Ovids Angaben über die Kulturentwicklung entsprechen den allgemeinen Vorstellungen in der Antike zu diesem Thema. Vgl. Theophr. fr. 2 Pötscher.

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Der Mythos von Demeter und Kore

schenkte1 . Doch nicht die Feldfrüchte allein waren die Gabe der Göttin, das Wissen über Aussaat und Pflügen als grundlegende Anbaumethoden für das neue Nahrungsmittel gehört jeweils zu ihren Geschenken2. In Ovids Fasten folgt auf diese Einleitung des Mythos die Entführung Proserpinas. Auch dort kündigt Ceres nach ihrer freundlichen Aufnahme in Eleusis ihr Geschenk an, die Einführung des Ackerbaus3. Demeters Geschenk bringt in der hier wiedergegebenen Version (wie auch in zahlreichen weiteren) also einen Kulturstufenwechsel mit sich: Aus den Menschen, die sich bislang von Gräsern und Eicheln ernährten, werden jetzt Ackerbauern. In der antiken Vorstellung verband sich damit der Wechsel von der Unzivilisiertheit zu Kultur und Zivilisation. Damit ist der Statuswechsel der Menschheit parallel mit dem Übergang Kores vom ,ungezähmten‘ Mädchen zur erwachsenen Frau zu betrachten4. Im Gegensatz zu diesen Versionen des Mythos lesen wir im Demeterhymnos, daß den Menschen bereits vor Demeters Ankunft in Eleusis der Anbau von Getreide bekannt war: Das Mittel, das die Göttin wählt, um die Rückkehr ihrer Tochter durchzusetzen, besteht nämlich darin, daß sie das Getreide nicht mehr wachsen läßt5 . Darüber hinaus wird explizit darauf verwiesen, daß den Menschen das Pflügen und die Aussaat bekannt waren. Fehlt hier also der für andere Versionen des Mythos festgestellte Aufstieg zu einer neuen Kulturstufe? Oder wird dieser Übergang in unserem Hymnos vielleicht lediglich anders dargestellt? 1

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3

4 5

So Ov. Fast. 4, 395 402: panis erat primis virides mortalibus herbae, quas tellus nullo sollicitante dabat; et modo carpebant vivax e caespite gramen, nunc epulae tenera fronde cacumen erant. postmodo glans nota est: bene erat iam glande reperta, duraque magnificas quercus habebat opes. prima Ceres homine ad meliora alimenta vocato mutavit glandes utiliore cibo. Vgl. auch Ov. Met. 5,341 343. Der Version, daß Demeter erst im Zusammenhang mit der Entführung ihrer Tochter dem Menschen das Getreide und den Ackerbau schenkt, folgen außer den drei bislang genannten Autoren auch Apollod. 1,5 (dem allgemein eine starke Abhängigkeit vom Demeterhymnos zugeschrieben wird) und Cic. Verr. 4,108. Kallimachos’ Demeterhymnos dürfte ebenfalls dieses Verständnis voraussetzen (18 23). So z.B. Diod. 5,5,2: cwri;" ga;r th'" euJrevsew" tou' sivtou thvn te katergasivan aujtou' tou;" ajnqrwvpou" ejdivdaxe. Ov. Fast. 403 404: illa iugo tauros collum praebere coegit: | tum primum soles eruta vidit humus. Ov. Fast. 4,559 560. Ich muß allerdings darauf hinweisen, daß Ovid am Ende seiner Erzählung vorauszusetzen scheint, daß die Menschen den Ackerbau schon kennen (617 618). Vermutlich ist er aus Gründen der Eindrücklichkeit seines Berichts zu einer anderen Version übergegangen. Vgl. dazu Bömer ad 617. So bereits Lincoln 84: „This transition from gathering to agriculture is, of course, a shift from chaos to cosmos, nature to culture, or savagery to civilization. As such, it corresponds to Persephone’s […] transformation from maiden to adult.“ Dieser Version folgen ebenfalls Eur. Hel. 1327 1334; Ov. Met. 5,474 486; Fast. 4,615 618 und vermutlich auch Karkinos TrGF 70 F 5 (= Diod. 5,5,1).

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Letztlich gibt es ja noch andere Versionen des Mythos, in denen die Menschen bereits vor der Entführung Kores das Getreide als Nahrung und den Ackerbau kennen. Ausformuliert finden wir dies bei Diodor, als er an einer späteren Stelle des 5. Buches seines Geschichtswerks nochmals von der Einführung des Getreideanbaus spricht: Demeter hat das Getreide bereits gefunden, die Methoden seines Anbaus entdeckt und seine Aussaat gelehrt, bevor Kore entführt wurde. Nach diesem Ereignis verbrennt sie jedoch aus Feindschaft gegen Zeus und aus Trauer über das Verschwinden ihrer Tochter das gesamte Getreide. Als Kore zurückgekehrt, versöhnt sich die Mutter wieder mit Zeus, verteilt das Getreide von neuem an die Menschen und lehrt sie die Aussaat1 . Hier wird der Kulturstufenwechsel sogar verdoppelt: Die Menschheit steigt zunächst vom Hirtentum zu einer neuen Existenzform als Ackerbauern auf, wird aber nach einiger Zeit durch Demeters Groll in ihr vorheriges Dasein zurückversetzt. Nach der Versöhnung der Göttin mit Zeus gibt sie den Menschen das verlorene Kulturgut wieder zurück. In ähnlicher Weise scheint auch der Homerische Hymnos an Demeter den Wechsel der Kulturstufe verdoppelt zu haben, wobei die Betonung hier auf der Wiedereinführung des Getreideanbaus liegt. Dazu kamen weitere Neuerungen, die uns in Kapitel 3.2 noch beschäftigen werden2 . Vorerst möchte ich nur noch einen Punkt klären: Können wir davon ausgehen, daß Demeter im Demeterhymnos schon vor der Entführung Kores als Göttin des Ackerbaus verehrt wurde? Explizit erwähnt wird das nicht, doch deutet alles darauf hin. Betrachten wir zunächst Demeters Selbstvorstellung bei ihrer Epiphanie im Hause des Keleos. eijmi; de; Dhmhvthr timavoco", h{ te mevgiston ajqanavtoi" qnhtoi'siv tæ o[near kai; cavrma tevtuktai. (268-269) Ich bin Demeter, die hoch in Ehren steht, für die Unsterblichen und Sterblichen die größte Erquickung und Freude.

In diesen Worten weist die Göttin klar darauf hin, daß sie timaiv besitzt, nennt sie aber nicht. Es wird jedoch deutlich, daß diese keine geringe Bedeutung haben,

1

2

Diod. 5,68,1 2: Dhvmhtran dev, tou' sivtou fuomevnou me;n wJ" e[tuce meta; th'" a[llh" botavnh", ajgnooumevnou de; paræ ajnqrwvpoi", prwvthn sugkomivsai kai; th;n katergasivan aujtou' kai; fulakh;n ejpinoh'sai kai; speivrein katadei'xai. (2) euJrei'n me;n ou\n aujth;n to;n si'ton pro; tou' gennh'sai th;n qugatevra Fersefovnhn, meta; de; th;n tauvth" gevnesin kai; th;n uJpo; Plouvtwno" aJrpagh;n ejmprh'sai pavnta to;n karpo;n diav te th;n e[cqran th;n pro;" to;n Diva kai; th;n ejpi; th'/ qugatri; luvphn. meta; de; th;n eu{resin th'" Fersefovnh" diallagh'naiv te tw'/ Dii; kai; tw'/ Triptolevmw/ ajpodou'nai to;n tou' sivtou spovron, w|/ suntavxai pa'sin ajnqrwvpoi" metadou'nai th'" te dwrea'" kai; ta; peri; th;n ejrgasivan tou' spovrou didavxai. Der Gedanke an den Aufstieg der Menschheit aus einer niedrigeren in eine höhere Kulturstufe war dem Demetermythos gewiß nicht erst seit der Sophistik eigen, wie Graf 1974, 34 39, postuliert. Er war mit Demeters doppeltem Geschenk, dem Getreide und den Mysterien, von Anfang an Verbunden. Daß der Homerische Hymnos an Demeter das Aition für einen Fortschritt in der Zivilisation darstellt, wird sich aus Kapitel 3.2 und den folgenden Kapiteln klar ergeben.

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Der Mythos von Demeter und Kore

wenn sie sowohl Göttern wie Menschen zum Wohl gereichen. Worin ihre timaiv liegen, läßt sie Menschen und Götter wenig später spüren, indem sie das Wachstum des Getreides verhindert. Dadurch hat sie Zeus, der seinerseits über das Gedeihen des Getreides ganz offensichtlich keine Macht hat, in der Hand. Ist es dann aber nicht etwas hochtrabend, wenn sich Demeter als tæ o[near kai; cavrma für Götter und Menschen bezeichnet, nur weil die einen ohne ihr Produkt nicht leben können, die andern aber auf die Opfergaben von jenen angewiesen sind? Das wäre es wohl tatsächlich, wenn sich in der Antike mit dem Getreide nur der Gedanke an ein beliebiges Nahrungsmittel verbunden hätte. Dem war jedoch nicht so: Mit dem Übergang vom Hirtentum zum Ackerbau war der Aufstieg von der Wildheit zur Zivilisation verknüpft 1 . Deshalb kann auch Diodor behaupten, ihre Gaben umfaßten sowohl das Leben selbst als auch das gut Leben2 . Folglich dürfte auch unserem Hymnos eine solche Vorstellung zugrunde liegen. Ich werde zu gegebener Zeit wieder auf dieses Thema zu sprechen kommen.

3.1.5 Demophons gescheiterte Initiation Nach Demeters Willen hätte der kleine Demophon ebenfalls einen Statuswechsel mitmachen sollen: Wäre ihr Plan geglückt, wäre der sterbliche Knabe zu einem jungen Gott geworden. Über Demophon erfahren wir zunächst, daß er der spätgeborene einzige Sohn der Familie des Keleos ist3 — seine vier Schwestern sind schon herangewachsen. Bislang kümmert sich noch Metaneira um ihn, und so finden wir ihn auch in deren Armen4, als Demeter den Palast betritt. Dies ändert sich jedoch, als die Göttin den Ammendienst antritt: Nun übernimmt sie die alleinige Fürsorge für den Knaben. Damit ist seine Trennung von der Familie nicht so streng wie die Absonderung der beiden Göttinnen aus dem Kreis der Olympier. In der Zeit, die Demeter für ihn sorgt, wird der Junge auf sein späteres Leben als Gott vorbereitet: Er bekommt keine menschliche Nahrung zu essen5 , sondern er wird mit Ambrosia gesalbt, und wenn seine Pflegemutter ihn in den Armen hält, haucht sie ihn mit ihrem göttlichen Atem an 6 . Darüberhinaus steckt sie ihn Nacht für Nacht wie ein Holzscheit ins Feuer. Mit diesen Methoden bewirkt Demeter, daß sich ihr Zögling unglaublich schnell entwickelt und schon einem Gott sehr

1 2 3 4 5 6

Vgl. dazu z.B. Ov. Fast. 4, 395 402 (wie oben Anm. 88). Diod. 5,5,3: Demeters Geschenke to; zh'n kai; to; kalw'" zh'n perievcousi. Hymn. Hom. in Cer. 164 165: thluvgeto" dev oiJ uiJo;" ejni; megavrw/ ejuüphvktw/ | ojyivgono" trevfetai, polueuvceto" ajspavsiov" te. Hymn. Hom. in Cer. 187: pai'dæ uJpo; kovlpw/ e[cousa nevon qavlo". Zur Bedeutung dessen siehe Furley 77. Vgl. dazu Richardson S. 235/36.

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ähnlich sieht (v. 241: qeoi'si de; a[nta ejwv/kei) — letztlich hätte sie ihn auf diese Weise unsterblich gemacht1 . Innerhalb dieser Szene steht vor allem eine Frage im Zentrum einer kontroversen Diskussion der Forschung: Weshalb steckt Demeter Demophon jede Nacht ins Feuer? Immer wieder werden die entsprechenden Verse mit den Amphidromia in Verbindung gebracht 2 , einem Ritus, der der Aufnahme eines neugeborenen Kindes in seine Familie diente. Er fand kurz nach der Geburt statt und bestand darin, daß die Eltern den Säugling rings um das Herdfeuer trugen3. Die Parallelen zwischen den Amphidromia und dem von Demeter durchgeführten Ritus bestehen in der Wichtigkeit des Herdfeuers, im Ziel der Initiation eines Menschen4 und darin, daß der Initiand ein Kleinkind ist. Es bestehen jedoch wesentlich mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Riten. Die entscheidende Differenz ist die, daß gerade der Ritus, dem die Amphidromia ihren Namen verdanken, im Geschehen des Hymnos fehlt: Demeter legt den Königssohn ins Feuer, während bei dem Familienfest die Angehörigen um den Herd herumlaufen und das Kind um ihn herumtragen. Weitere Abweichungen liegen darin, daß Demophon bereits einen Namen hat, als Demeter ihn in ihre Obhut nimmt, die Amphidromia hingegen hängen mit der Namensgebung eng zusammen; der Ritus wird von Demeter durchgeführt und nicht von den Eltern des Kindes; Demeter ist die einzige Anwesende, während an den Amphidromia die ganze Familie teilnimmt; Demeter steckt ihren Schützling Nacht für Nacht ins Feuer, die Amphidromia sind jedoch ein einmaliger Ritus im Leben eines Neugeborenen; und schließlich soll Demophon nicht in seine menschliche Familie aufgenommen werden, sondern Demeter will ihn vergöttlichen. Aufgrund dieser doch erheblichen Unterschiede lehne ich es ab, hier eine Parallele zu den Amphidromia zu sehen 5 .

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Hymn. Hom. in Cer. 232 242. Z.B. von J.G. Frazer, Apollodorus: The Library, vol. II, Cambridge (Mass.) / London 1989 (zuerst 1921), 311 317; Allen etc. ad 237sq.; Càssola ad 239 62; Richardson S. 231/32. Hesych a 3995 s.v. ajmfidrovmia. hJmevra ajgomevnh ãejpi;Ã toi'" paidivoi", ejn h|/ to; brevfo" peri; th;n eJstivan e[feron trevconte" kuvklw/. Siehe auch Hesych d 2400 s.v. dromiavmfion h\mar; Suda a 1722 s.v. aj m fidrov m ia; Harpokration s.v. aj m fidrov m ia. An Forschungsliteratur zu den Amphidromia sind zu nennen: P. Stengel, Amphidromia, RE I,2, Stuttgart 1894, 1901 1902; L. Deubner, Die Gebräuche der Griechen nach der Geburt, RhM 95, 1952, 374 377; Furley 65 70; Parker 1996 (1983), 50 52; R. Hamilton, Sources for the Athenian Amphidromia, GRBS 25, 1984, 243 251; Annalisa Paradiso, L’agregation du nouveau ne au foyer familial: les Amphidromies, DHA 14, 1988, 203 218. Zu Einzelheiten in der Rekonstruktion dieses Festes vgl. die genannten Arbeiten. Diese Parallele in der Konzeption der beiden Riten wird von Furley (74 75) klar herausgearbeitet. Ebenfalls keine direkte Verbindung zwischen den beiden Riten sehen Furley 72 75; Paradiso 208; Clay 239.

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Eine enge Parallele zur Demophon-Episode ist bei Plutarch1 geschildert: Dort ist es Isis2 , die trauernd nach Byblos gelangt und dort im Königshaus eine Anstellung als Kinderfrau annimmt. Ihren Zögling zieht Isis auf und bei Nacht brennt sie seine sterblichen Teile weg3. Eines Nachts kommt die Königin hinzu und verhindert durch diese Störung die Vergöttlichung des Knaben. Außerdem stößt einem der bekanntesten griechischen Heroen ungefähr das gleiche wie Demophon zu: Achill. Nach dessen Geburt versucht seine Mutter Thetis, ihn unsterblich zu machen, indem sie ihn nachts ins Feuer steckt. Als Peleus das bemerkt, schreit er aus Angst auf. Thetis nimmt Achill aus dem Feuer, legt ihn auf den Boden und entfernt sich erzürnt. Begründet wird die Tat der Göttinnen jeweils damit, daß sie die sterblichen Teile der Knaben wegbrennen wollten4 . Demselben Muster folgt auch die Apotheose des Herakles, der sich auf dem Oita verbrennen läßt und dadurch zum Gott wird5. Es ist also davon auszugehen, daß es sich bei Demeters Vorgehen mit Demophon parallel zu den angeführten Beispielen um den (gescheiterten) Versuch einer Vergöttlichung6 handelt, der zu den Amphidromia keinen Bezug hat. Unmittelbar nach dem Scheitern seiner Initiation verläßt Demeter den Jungen. Er ist und bleibt ein Mensch und wird als solcher dem Tod nicht entgehen können7. Seine Schwestern kümmern sich um den Verängstigten. Über Demophons weiteres Schicksal erfahren wir nichts. Allerdings sollte man nicht davon ausgehen, daß er schon bald nach den geschilderten Ereignissen einen realen Tod starb8. Demeters Ankündigung, er werde immerwährende Ehren genießen, weist darauf hin, daß Demophon das Jünglingsalter erreichte. Denn gewiß lag der Grund für Demophons Verehrung nicht allein darin, daß er, wie die Göttin sagt, auf ihren Knien gesessen sei und in ihren Armen geschlafen habe. Die Heroenverehrung setzte nämlich in irgendeiner Form eine ,Heldentat‘ voraus, die oft in einer 1 2 3 4

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Plut. de Is. et Os. 357 A C. Vgl. dazu T. Hopfner, Über Isis und Osiris, Erster Teil, Darmstadt 1967 (zuerst Prag 1940), 52 58. Isis wird im allgemeinen als die ägyptische Demeter angesehen, vgl. Hdt. 2,59,2. Plut. de Is. et Os. 357 C: nuvktwr de; perikaivein ta; qnhta; tou' swvmato". Für Demophon bei Apollod. 1,5,1 (boulomevnh de; aujto; ajqavnaton poih'sai, ta;" nuvkta" eij" pu'r katetivqei to; brevfo" kai; perihv/rei ta;" qnhta;" savrka" aujtou'.), für Achill bei Apoll. Rhod. 4, 869 870 (hJ me;n ga;r broteva" aijei; peri; savrka" e[daien | nuvkta dia; mevsshn flogmw'/ purov" ); Schol. in Aristoph. nub. 1068; Apollod. 3,16,6. Zur Kindheit Achills vgl. Monique Roussel, Biographie legendaire d’Achille, Amsterdam 1991, 69 120, zu seiner „Feuertaufe“ speziell 74 80; Mackie behandelt dieses Motiv ebenfalls und geht davon aus, daß Achills Bezug zum Feuer viel enger war als allgemein erkannt. Vgl. dazu H.A. Shapiro, Heros Theos: The death and apotheosis of Herakles, CW 77, 1983, 7 18, bes. 15 16. Um Unsterblichkeit zu erlangen reicht es nicht aus, Nektar und Ambrosia zu sich zu nehmen bzw. für das Beispiel Demophons: mit Ambrosia gesalbt zu werden; vgl. dazu J.S. Clay, Immortal and ageless forever, CJ 77, 1981 82, 112 117. Auf den Übergangscharakter der ,Feuertaufe’ weist Mackie in seiner Darstellung wiederholt hin. Vgl. Demeters Worte: ajqavnatovn kevn toi kai; ajghvraon h[mata pavnta | pai'da fivlon poivhsa kai; a[fqiton w[pasa timhvn: | nu'n dæ oujk e[sqæ w{" ken qavnaton kai; kh'ra" ajluvxai (Hymn Hom. in Cer. 261 263). Das tun Clay 243/4 und wohl auch Richardson ad 254.

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Leistung als Kulturbringer bestand. Die genannten Ehrungen für den Königssohn bestehen nach Demeters Worten in einem Scheinkampf der jungen Männer von Eleusis1 und werden im allgemeinen mit der Balletys identifiziert2. Die Feuertaufe Demophons ist uns indes nicht nur aus dem Demeterhymnos bekannt, Apollodor berichtet ebenfalls von ihr3. Dort ist der Junge allerdings nicht der einzige Sohn des eleusinischen Königspaares, er hat einen älteren Bruder namens Triptolemos4. Auch hier wird Demeter Kinderfrau des kleinen Demophon, und wiederum wird sie von Metaneira bei dem Versuch gestört, den Knaben unsterblich zu machen, indem sie ihn in das Feuer legt. Im Gegensatz zum Hymnos lesen wir bei Apollodor jedoch vom Tod des Königssohnes: In ihrem Zorn über die Störung läßt die Göttin das Kind im Feuer verbrennen. An diesem Punkt tritt sein Bruder Triptolemos in Erscheinung: Demeter gibt ihm den berühmten Schlangenwagen und schickt ihn aus, um das Getreide unter die Menschheit zu verteilen. Triptolemos ist einer der Kulturheroen par excellence. Könnte es sich bei Demophon und Triptolemos um eine Doppelung einer einzigen Person handeln? Zur Beantwortung dieser Frage wollen wir noch Ovids Zeugnis hinzuziehen. Er kennt die Episode der Feuertaufe5 ebenfalls. Doch tritt dort Triptolemos an 1 2

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Hymn. Hom. in Cer. 263 267: timh; dæ a[fqito" aije;n ejpevssetai ou{neka gouvnwn | hJmetevrwn ejpevbh kai; ejn ajgkoivnh/sin i[ausen. | w{rh/sin dæ a[ra tw'/ ge periplomevnwn ejniautw'n | pai'de" ∆Eleusinivwn povlemon kai; fuvlopin aijnh;n | aije;n ejn ajllhvloisi sunavxousæ h[mata pavnta. Zum Ritus der Balletys und dem dazugehörigen Fest Eleusinia siehe G.J. Baudy, Cereal diet and the origins of man. Myths of the Eleusinia in the context of ancient Mediterranean harvest festivals, in: J. Wilkins / D. Harvey / M. Dobson (Hgg.), Food in Antiquity, Exeter 1995, 177 195; dort finden sich auch Hinweise auf weiterführende Literatur. Apollod. 1,5: o[nto" de; th'/ tou' Keleou' gunaiki; Metaneivra/ paidivou, tou'to e[trefen hJ Dhmhvthr paralabou'sa: boulomevnh de; aujto; ajqavnaton poih'sai, ta;" nuvkta" eij" pu'r katetivqei to; brevfo" kai; perihv/rei ta;" qnhta;" savrka" aujtou'. kaqæ hJmevran de; paradovxw" aujxanomevnou tou' Dhmofw'nto" (tou'to ga;r h\n o[noma tw'/ paidiv) ejpethvrhsen hJ ãMetavneiraÃ, kai; katalabou'sa eij" pu'r ejgkekrummevnon ajnebovhse: diovper to; me;n brevfo" uJpo; tou' puro;" ajnhlwvqh, hJ qea; de; auJth;n ejxevfhne. Triptolevmw/ de; tw'/ presbutevrw/ tw'n Metaneivra" paivdwn divfron kataskeuavsasa pthnw'n drakovntwn to;n puro;n e[dwken, w|/ th;n o{lhn oijkoumevnhn diæ oujranou' aijrovmeno" katevspeire. Der Name Triptolemos fällt auch im Demeterhymnos, allerdings ohne weitere Signifikanz: Eine der Keleos Töchter nennt ihn als einen der in Eleusis Herrschenden, bei denen Demeter eventuell eine Stelle finden könnte (Hymn. Hom. in Cer. 153); später wird er als einer derjenigen genannt, denen die Göttin die Mysterien anvertraut (477). Ov. Fast. 4,449 460: noctis erat medium placidique silentia somni: Triptolemum gremio sustulit illa suo, terque manu permulsit eum, tria carmina dixit, carmina mortali non referenda sono, inque foco corpus pueri vivente favilla obruit, humanum purget ut ignis onus. excutitur somno stulte pia mater, et amens ‘quid facis?’ exclamat, membraque ab igne rapit. cui dea ‘dum non es’, dixit ‘scelerata fuisti: inrita materno sunt mea dona metu. iste quidem mortalis erit: sed primus arabit et seret et culta praemia tollet humo.’

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Der Mythos von Demeter und Kore

Demophons Stelle: Er ist der Zögling Demeters, dessen Unsterblichkeit sie erreichen möchte. Als sie von dessen Mutter Metaneira gestört wird, holt die Göttin den Knaben aus dem Feuer und kündigt an, er werde als erster Mensch pflügen, säen und ernten. Bei Ovid erhält also Triptolemos, der als Baby von Demeter gepflegt wurde, in späteren Jahren die Funktion eines Kulturstifters. Eben dies ist auch für Demophon zu postulieren. Blicken wir von hier auf den Demeterhymnos zurück, so läßt sich unsere Vermutung erhärten, daß wir nicht mit Demophons baldigem Tod zu rechnen haben. Wenn er in Apollodors Version dennoch stirbt, wobei unmittelbar darauf Triptolemos an seine Stelle tritt, ist damit ein symbolischer Tod gemeint: Demophon stirbt als durchschnittlicher Mensch und wird zum kulturbringenden Heros Triptolemos. Damit hat auch er einen Statuswechsel vollzogen (wenn auch nicht den von Demeter ursprünglich intendierten). Es handelt sich bei ihm in der Tat um dieselbe Figur, die in anderen Versionen unter dem Namen Triptolemos bekannt ist. Unter Heranziehung von Ovids Darstellung der Feuertaufe wird auch klar, was die Göttin in unserem Hymnos meint, als sie ein sich jährlich wiederholendes Fest zu Demophons Ehren ankündigt: Dadurch, daß der eleusinische Königssohn in frühester Kindheit von ihr betreut wurde, erhält er das Privileg, später zu einem Kulturbringer zu werden. Dafür gedachte man seiner im Rahmen der Balletys.

3.1.6 Zusammenfassung Im Verlauf dieses Abschnitts hat sich gezeigt, daß der Demeterhymnos eine ganze Reihe von Statuswechseln wiedergibt. Der schon von Henri Jeanmaire erkannte Übergang Kores vom Mädchen zur erwachsenen Frau bringt zwangsläufig eine Veränderung in der Rolle Demeters mit sich: Sie wird zur Großmutter. Diese beiden Vorgänge ziehen weitere Initiationen nach sich: Der eleusinische Königssohn Demophon, das mythische Vorbild von Kores zu erwartendem Sohn, wird zum Kulturbringer. Die menschlichen Frauen, Metaneira und ihre Töchter, machen dieselben Statuswechsel mit wie die beiden Göttinnen, die sie spiegeln. Und letztlich führt das Getreide, das Demeter den Menschen zum Geschenk macht, für

Ganz ähnlich wie Ovid schildert auch Hygin (fab. 147) die Ereignisse um die Feuertaufe: Cum Ceres Proserpinam filiam suam quaereret, devenit ad Eleusinum regem, cuius uxor Cothonea puerum Triptolemum pepererat, seque nutricem lactantem simulavit. (2) hanc regina libens nutricem filio suo recepit. Ceres cum vellet alumnum suum immortalem reddere, interdiu lacte divino alebat, clam in igne obruebat. (3) itaque praeterquam solebant mortales crescebat; et sic fieri cum mirarentur parentes, eam observaverunt. cum Ceres eum vellet in ignem mittere, pater expavit. (4) illa irata Eleusinum exanimavit, at Triptolemo alumno suo aeternum beneficium tribuit. nam fruges propagatum currum draconibus iunctum tradidit, quibus vehens orbem terrarum frugibus obsevit.

Rites de passage im Mythos von Demeter und Kore

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diese dazu, daß sie zu Bauern werden können. Somit ist also Hades’ Tat der Auslöser für gewaltige Veränderungen in der gesamten Weltordnung. Doch sind die im Mythos geschilderten Initiationen keine von der Welt der Menschen losgelösten Vorgänge. Wie es schon dadurch angedeutet wird, daß im Hymnos selbst die Frauen der Königsfamilie Demeter und Kore nachgebildet sind, so stellen die beiden Göttinnen auch die mythischen Projektionen aller künftigen Frauen dar. Diese Identifikationsmöglichkeit hilft den Frauen, im Rahmen des Demeterkults die psychischen Probleme zu verarbeiten, die diese Veränderungen für sie mit sich bringen. In Riten wiederholen sie das Schicksal der Göttinnen, was ihnen hilft, sich auf ihre eigene neue Rolle einzustellen.

3.2 DIE AGRARISCHE KOMPONENTE DES DEMETERMYTHOS „Seit Homer ist unbestritten, daß Demeters zentraler Machtbereich das Getreide und sein Anbau ist.“1 Überall in Griechenland, wo sie in Erscheinung tritt, wird Demeter als Göttin des Ackerbaus verehrt. Zahlreiche ihrer Epiklesen verweisen auf diesen Bereich. Demeters zentrale Stellung für die Belange des Getreidebaus führte zum Teil sogar so weit, daß man sie naturallegorisch deutete: In der Antike sah man in ihr die Erde, später wurde sie gelegentlich auch als Personifikation des Getreides gedeutet 2 . Wie im Forschungsbericht dieser Arbeit bereits deutlich wurde, darf man sich bei einer Interpretation des Demetermythos nicht auf nur einen Aspekt des Wesens und Wirkens unserer Göttin beschränken. Im ersten Teil dieses Kapitels betrachteten wir den Mythos aus einem soziologischen Blickwinkel und stellten die Frage, welche Rolle Demeter und Kore für das Leben der griechischen Frauen spielten. Dabei blendeten wir den agrarischen Aspekt vorübergehend aus. Gegenstand dieses zweiten Teils wird hingegen eine agrarische Deutung des Mythos sein, wobei die bisherigen Ergebnisse dieser Arbeit durch ein tieferes Verständnis der agrarischen Funktion der beiden Göttinnen ergänzt werden sollen.

3.2.1 Die jahreszeitlichen Bezüge des Demetermythos Die Frage nach dem Zeitpunkt von Kores Entführung bzw. Rückkehr aus der Unterwelt stellt den Knackpunkt in der naturallegorischen Interpretation des Mythos dar. Denn während sowohl die traditionelle naturmythologische Allegorese als auch Mannhardt und seine Nachfolger, der antiken Überlieferung folgend, davon ausgingen, daß Kore im Herbst entführt wurde und sich die vier Monate des

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Graf 1997, 421. Zu den vorgeschlagenen Deutungen Demeters vgl. den Forschungsbericht (Kap. 2).

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Der Mythos von Demeter und Kore

Winters in der Unterwelt aufhielt, postulierten demgegenüber Cornford und Nilsson als Zeitpunkt für die Entführung einen Termin im Frühsommer und datierten ihren Unterweltsaufenthalt in die Zeit bis zur Aussaat, also in denjenigen Zeitraum, in dem das (Saat-)Getreide in unterirdischen Silos gespeichert war. Aufgrund dieser Divergenzen ist es geboten, im folgenden den Hinweisen auf die Jahreszeiten, die der Demeterhymnos und andere Versionen des Mythos geben, detailliert nachzugehen.

3.2.1.1 Der Zustand der Natur vor der Entführung Kores Der Demeterhymnos schildert die Umstände von Kores Entführung zwei Mal weitgehend identisch. Das Mädchen spielt auf einer saftigen Wiese (leimwvn malakov", v. 7), die jeweils durch einen Blumenkatalog1 beschrieben wird. Die in diesen Katalogen genannten Blumen sind rJovdon (,Rose‘), krovko" (,Safran‘), i[on (,Veilchen‘), ajgavlli" (,Iris‘), uJavkinqo" (,Hyazinthe‘) und navrkisso" (,Narzisse‘), wobei im zweiten Katalog die Veilchen durch leivria (,Lilien‘) ersetzt sind. Es liegt nahe zu hoffen, daß die Blütezeit dieser Blumen einen Rückschluß auf den Zeitpunkt der Anfangsszene des Hymnos zuläßt. Einen ersten Hinweis darauf, wann Kore entführt wurde, dürfte bereits das der Wiese beigelegte Attribut malakov" liefern, das die Grundbedeutung ,weich‘ hat; da es sich hier auf eine Wiese bezieht, müssen wir die Paraphrase ,mit weichem Gras‘ oder das Adjektiv ,saftig‘2 wählen. Das deutet also auf junges, frisches Gras hin, wie es im Frühling wächst. Die Ereignisse dürften sich also zu dieser Jahreszeit abgespielt haben. Da das Gras ungefähr dieselbe Entwicklung wie das Getreide durchläuft und mit zunehmender Wärme an Frische und Saftigkeit verliert, läßt sich der Zeitraum, dem man zutreffenderweise einen leimwvn malakov" (eine ,saftige Wiese‘) zuschreiben kann, durch den Beginn des Monats Mai nach hinten ungefähr abgrenzen3 . Auch der Blumenreichtum auf der Wiese läßt an diese Jahreszeit denken4 . An erster Stelle nennt der Dichter die Rose. Nach Theophrast gehört die Rose zu den spätesten Frühlingsblumen5 . Dabei ist an eine in Griechenland häufig vorkommen-

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Zu Beginn des Hymnos v. 6 8, in Kores Rede an ihre Mutter v. 426 428. LSJ s.v. geben als Grundbedeutung „soft“ an, die Junktur leimw'ne" malakoiv übersetzen sie „soft grassy meadows“. Vgl. zur Vegetationsentwicklung im Mittelmeergebiet das Kapitel „Lebenszyklus" bei Rikli Bd. 1, 147 167. Sehr instruktiv, was den Zusammenhang von Jahreszeiten und Vegetation betrifft, sind auch die von Mommsen 1873 zusammengetragenen Bauernregeln. Nach Mommsen 1873, 44, ist der April die Zeit, die „an Blüthen sowohl die reichste als auch die schöpferischste" ist; vgl. auch 55 56 und Mommsen 1870. Thphr. HP 6,8,2 (er scheint von wilden Rosenarten zu sprechen). Einen hilfreichen Überblick über die antiken Quellen zu den verschiedenen Blumen bietet H.O. Lenz, Botanik der alten Griechen und Römer, Wiesbaden 1959, unter dem jeweiligen Stichwort.

Die agrarische Komponente des Demeterhymnos

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de Wildrosenart wie Rosa sempervirens oder Rosa canina zu denken 1 , die beide im Juni blühen2 . Bei der zweiten angeführten Blume, krovko", handelt es sich um Safran (Crocus sativus L.)3 . Dessen Blütezeit liegt zwischen Oktober und November4 und weicht somit stark von dem ab, was wir erwartet haben. Wie schon die Rose stellt uns auch das als nächstes genannte i[on vor das Problem, daß seine Identifikation mit einer modernen Blumenart unsicher ist. In der Antike unterschied man zwischen einem i[on leukovn und einem i[on mevlan. Das erstgenannte gehört botanisch nicht zur Familie der Violen, sondern es handelt sich um eine Levkoje. Vermutlich ist an Matthiola incana zu denken, nach Theophrast eine der frühesten Blumen, die schon ausgangs des Winters erscheint5 . Das i[on mevlan ist unser Märzveilchen, Viola odorata L., das etwas später zur Blüte gelangt als die Levkoje, wie uns Theophrast mitteilt 6 . Da im Demeterhymnos das unterscheidende Attribut fehlt, läßt sich keine Entscheidung treffen. Bei der ajgavlli" handelt es sich um ein Schwertliliengewächs, Iris attica. Sie gehört zu den ersten Frühlingsblu-

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Richardson ad loc. stellt fest, daß es sich hier um eine Wildrose handeln muß. Lembach (153) identifiziert die Wildrose mit Rosa sempervirens. Baumann (77) geht davon aus, daß es sich bei den Rosen in den griechischen Mythen generell um Rosa canina handle. Zur Blütezeit von Rosa canina übereinstimmend Halácsy, Bd. 1, s.v.; Strid 1980 s.v. Die Blütezeit von Rosa sempervirens wird von Halácsy, Bd. 1, s.v. und Strid 1980 s.v. ebenfalls mit Juni angegeben. Für den Hinweis von Huxley / Taylor s.v. Rosa sempervirens, daß diese Blume von Februar bis Juli blühe, habe ich keine Bestätigung gefunden. Es ist zu beachten, daß die Angabe von Blütezeiten in der botanischen Literatur nicht bedeutet, daß die entsprechende Blume an einem Ort über die ganze genannte Zeitspanne hinweg blüht. Die Blütedauer ist meist eher kurz, kann sich aber von Ort zu Ort unterscheiden, je nachdem, wie das jeweilige Klima ist. Vgl. dazu Richardson ad loc. Der Safran kam offenbar noch gegen Ende des 19. Jh. in Attika gehäuft vor (vgl. T. von Heldreich, Die Nutzpflanzen Griechenlands, Athen 1862). Zu Vorkommen und Verwendung des Safran in Griechenland siehe Hehn 264 270; Baumann 155 158. Auch Theophrast kennt die späte Blütezeit des Safran (Thphr. HP 6,6,10: meta; Pleiavda ga;r ajnqei' kai; ojlivga" hJmevra"). Vgl. Huxley / Taylor s.v. Crocus cartwrightianus (= Crocus sativus cartwrightianus) und G. Skifas, Flowers of Greece, Athen 1984, s.v. Crocus cartwrightianus. Thphr. HP 6,8,1. Huxley / Taylor s.v. Matthiola incana geben als Blütezeit März Mai an, ähnlich Halácsy Bd. 1 s.v. Von anderen (siehe v.a. Billerbeck 45 46) wird das i[on leukovn mit dem Leucojum autumnale L. identifiziert, das im Herbst blüht (nach Huxley / Taylor s.v. im September); von Piccaluga 237 mit Cheiranthus Cheiri L. Dieser Deutung steht jedoch Theophrast entgegen. Lembach (158) ist hier ein Irrtum unterlaufen, wenn er die Blütezeit von Matthiola incana R. Br. (Cruciferae) mit Herbst /Winter angibt. Richardson ad loc. versäumt es, auf die unklare Identifikation des i[on aufmerksam zu machen. Thphr. HP 6,8,1. Die Blütezeit der Veilchen liegt nach Huxley / Taylor (s.v. Violaceae) zwischen März und Juni (Viola odorata selbst erscheint dort allerdings nicht); Halácsy, Strid 1980 und Strid 1986, jeweils s.v. Viola odorata, nennen als deren Blütezeit März bis Anfang Mai. Murr 259 64 geht davon aus, daß generell Viola odorata gemeint ist, wenn im griechischen Mythos von i[on die Rede ist. Richardsons (ad loc.) Hinweis darauf, daß die Veilchen nach Theophrast (HP 6,8,2) das ganze Jahr über blühen können, ist irreführend, da Theophrast ausreichende Pflege voraussetzt, also nicht von Wildblumen spricht.

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Der Mythos von Demeter und Kore

men und blüht von Februar bis April 1 . Welche Blume mit uJavkinqo" gemeint ist, ist ebenfalls unklar. Theophrast unterscheidet zwischen einer wilden und einer kultivierten uJavkinqo" und rechnet beide zu den Frühlingsblumen, die zu einem mittleren Zeitpunkt erscheinen2 . Die Forschung identifiziert die uJavkinqo" meist mit der Wildform der Gartenhyazinthe (Hyacinthus orientalis L.)3 , aber es wurden auch zahlreiche andere Blumen ins Spiel gebracht 4 . Hyacinthus orientalis blüht im März und April5. Die letzte Blume des ersten Katalogs ist der navrkisso". Der navrkisso" ist die einzige Blume, die im Hymnos näher beschrieben wird: ein Schaft der gemeinten Narzissenart trägt zahlreiche Blüten. Außerdem wird auf den wunderbaren Duft der Blume hingewiesen 6 . Eine Narzissenart entspricht dieser Beschreibung: Narcissus tazetta L., der von Dezember bis März blüht7 . Während im zweiten Katalog ansonsten dieselben Blumen wie im ersten genannt sind, ist das Veilchen durch leivrion ersetzt. Damit ist Lilium candidum L. gemeint, eine im Sommer (Mai-Juli) blühende Lilienart 8 . Zusammenfassend können wir also festhalten, daß von den sieben verschiedenen Blumen, die der Demeterhymnos nennt, drei (rJodovn, krovko", leivrion) ganz klar nicht den Frühlingsblumen zuzurechnen sind. Auch die Tazette blüht für eine Zugehörigkeit zu dieser Gruppe eher früh. Lediglich die Blütezeit von i[on (bei einer Identifikation mit Viola odorata), ajgavlli" und uJavkinqo" liegt im Frühling9 . 1

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So Baumann 65; Huxley / Taylor s.v. Iris pumilia ssp. attica; Halácsy 3 und Strid 1986, 2, s.v. Iris attica. D. Phitios, Wild flowers of Greece, Athen 1965, 17, gibt präzise an: "When growing near the sea the plant blossoms in early February but at higher altitudes in April and May." Thphr. HP 6,8,2. So Murr 256; Richardson ad loc.; Huxley / Taylor s.v. Hyacinthus orientalis. LSJ s.v. uJavkinqo" schlägt Scilla bifolia vor; deren Blütezeit läge (nach Huxley / Taylor s.v.) zwischen März und Mai. Rittersporn (Billerbeck 141), Gladiole (Dierbach 136 137) sind nur einige der weiteren Vorschläge. So Huxley / Taylor und Halácsy s.v. Hyacinthus orientalis. Hymn. Hom. in Cer. 12 13. Der im Demeterhymnos genannte nav r kisso" wird übereinstimmend mit dem Narcissus tazetta identifiziert (siehe z.B. Murr 346ff.; Richardson ad loc.). Zu seiner Blütezeit siehe Huxley / Taylor; Halácsy s.v.; N.A. Goulandris / C.N. Goulimis, Wild flowers of Greece, Kifissa 1968, s.v. Narcissus tazetta. Nach Lembach 86 trägt auch Narcissus serotinus mehrere Blüten auf einem Stengel, was ich leider nicht verifizieren konnte. Dessen Blütezeit liegt zwischen September und Dezember. Die Identifikation von leivrion mit Lilium candidum ist weitgehend unstrittig, siehe z.B. Hehn 253; Lembach 165 167; Richardson ad 427. Die Blütezeit zwischen Mai und Juli, die Huxley / Taylor s.v. angeben, stimmt mit den Worten Theophrasts überein, der sie zu den Sommerblumen rechnet (HP 6,8,3). Vgl. auch Halácsy s.v. und Goulandris (wie Anm. 20) s.v. Lilium candidum. Giulia Piccaluga hat in ihrem Aufsatz von 1966 die Blumen ebenfalls einzeln untersucht und kommt erstaunlicherweise zu dem Ergebnis, daß es sich bei allen um Frühlingsblüher handle: „Si tratta sempre di piante la cui fioritura ha luogo all’inizio della primavera o anche nel tardo inverno.“ Leider läßt sich für den Leser nicht nachvollziehen, auf welcher Grundlage die Identifikation griechischer Pflanzennamen mit heutigen Blumen geschieht, und es wird nicht klar, welchen Quellen sie die Datierung der Blütezeit der einzelnen Blumen entnommen hat,

Die agrarische Komponente des Demeterhymnos

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In der Realität ist es folglich unmöglich, alle diese Blumen gleichzeitig auf einer Wiese vorzufinden1 . Wider Erwarten ist es also nicht die Absicht des Dichters, einen Katalog von Frühlingsblumen2 zusammenzustellen. Worin liegt aber dann die Funktion des Blumenkatalogs? Die Antwort auf diese Frage liefern die sizilianischen Versionen des Demeterhymnos. Sie beschreiben nämlich den Platz, an dem Kore entführt wurde, als locus amoenus und behaupten einhellig, dort blühten das ganze Jahr über Blumen in Hülle und Fülle3 . Aus der Üppigkeit der Vegetation muß man auf einen ewigen Frühling schließen4. Fraglos hat es einen derartigen Ort in Wirklichkeit nie gegeben5 . Eine solche Fiktion kann nur entstanden sein, weil es dem Mythos nach zum Zeitpunkt von Kores Entführung noch keine Jahreszeiten gab6 . Ein derartiger idealisierter Ort, wie ihn der Mythos für Sizilien schildert, ist auch für den Demeterhymnos zu postulieren. Mit dieser These im Hinterkopf möchte ich als nächstes den Hinweisen auf den Zeitpunkt von Kores Rückkehr aus der Unterwelt nachgehen und anschließend den dazwischenliegenden Bericht daraufhin untersuchen, ob er Rückschlüsse auf eine jahreszeitliche Einordnung des Geschehens zuläßt.

3.2.1.2 Der Zustand der Natur bei Kores Rückkehr aus der Unterwelt Die Umstände von Kores Rückkehr aus der Unterwelt werden im Demeterhymnos ebenfalls ausführlich erzählt. Auf Demeters Worte hin, sie werde kein Getreide wachsen lassen, bevor ihre Tochter sich wieder bei ihr befinde7, muß Zeus für deren umgehende Rückkehr sorgen. Hermes bringt die junge Göttin also wieder zu

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die ich zum Teil weder anhand von antiken noch von modernen botanischen Handbüchern verifizieren kann. Erschwerend kommt noch hinzu, daß Theophrast all den von ihm genannten Frühlingsblumen mit Ausnahme von der uJavkinqo" äußerst kurze Blütezeiten bescheinigt (Thphr. HP 6,8,2). Auch Rikli (147 155) weist wiederholt auf den raschen Wechsel der Flora im Frühling hin. Denselben Befund weisen übrigens auch andere Blumenkataloge auf (um nur einige Beispiele zu nennen: Cypr. fr. 4; Mosch. Eur. 65 70; Ov. Fast. 4,435 442; Verg. Ecl. 2,45 50). Diod. 5,3,3: ta; de; i[a kai; tw'n a[llwn ajnqw'n ta; parecovmena th;n eujwdivan paradovxw" diæ o{lou tou' ejniautou' paramevnein qavllonta kai; th;n o{lhn provsoyin ajnqhra;n kai; ejpiterph' parecovmena. Cic. Verr. 4,107: quam circa lacus lucique sunt plurimi atque laetissimi flores omni tempore anni. Firm. Mat. Err. prof. 7,1: Nam per omnem annum vicissim sibi succedentibus floribus coronatur. Davon spricht Ovid in diesem Zusammenhang (Met. 5,391): perpetuum ver est. Es ist ein Topos der antiken Literatur, einer idealisierten Frühzeit oder idealisierten Orten einen ewigen Frühling zuzuschreiben, so z.B. Hom. Od. 4,566 468; Hor. Epod. 16,63 62 (Elysische Gefilde); Ov. Met. 1,107 (Goldenes Zeitalter); Hom. Od. 7,114 128 (Garten des Alkinoos); Verg. Georg. 2,149 (Italien). Dies vermuten auch Rudhardt 207 208; Alderink 7; Foley 34. Daß am Anfang der Welt ein lange dauernder Frühling herrschte, ist in der Antike eine verbreitete Auffassung, vgl. z.B. Lucr. 5, 801 820; Verg. Georg. 2,336 342; Pervigilium Veneris 2. Hymn. Hom. in Cer. 331 333.

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Der Mythos von Demeter und Kore

ihrer Mutter, die beiden begrüßen sich herzlich. Nachdem Zeus bestätigt hat, daß seine Tochter von nun an nur ein Drittel des Jahres bei Hades verbringen müsse, die restlichen zwei Drittel aber bei den anderen Göttern bleiben dürfe, sorgt Demeter dafür, daß das Getreide wieder wächst. Und nicht nur das Getreide beginnt zu sprießen, sondern gleichzeitig erstrahlt die Erde in einem wahren Blumenmeer: ai\ya de; karpo;n ajnh'ken ajrouravwn ejribwvlwn. pa'sa de; fuvlloisivn te kai; a[nqesin eujrei'a cqw;n e[brisæ. (471-473) Sofort ließ sie die Frucht aus den starkscholligen Feldern wachsen. Und die ganze breite Erde strotzte vor Blättern und Blumen.

Das Getreidewachstum beginnt in Griechenland im Herbst, nach dem ersten Herbstregen1 . Die einsetzenden Niederschläge und die noch milden Temperaturen lassen die Saat innerhalb kurzer Zeit aufgehen2 , führen aber auch sonst zu einer Wiederbelebung der Vegetation: Es folgt eine Blüteperiode, die allerdings kürzer und weniger vielfältig ist als die im Frühling3 . Das geht nach den Regenfällen sehr schnell4 . Zu dieser Zeit kehrt Kore also von ihrem Aufenthalt bei Hades zurück. Auf das Wiedereinsetzen der Vegetationstätigkeit wird schon wenige Verse vor der eben referierten Stelle hingewiesen. Rhea, die Demeter als Botin des Zeus aufsucht, landet auf dem Rarischen Feld bei Eleusis. In einem scharfen Gegensatz wird dessen momentaner Zustand mit dem vor Demeters Eingriff in die Natur und mit dem unmittelbar bevorstehenden verglichen. ejssumevnw" dæ h[i>xe katæ Oujluvmpoio karhvnwn, eij" dæ a[ra ∆Ravrion i|xe, ferevsbion ou\qar ajrouvrh" to; privn, ajta;r tovte gæ ou[ ti ferevsbion, ajlla; e{khlon

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Rikli 64 beschreibt denjenigen Streifen der Mediterraneis, dem auch Griechenland angehört, als ein „Gebiet ausgesprochener Frühjahrs und besonders ergiebiger Herbstregen“. Zur Niederschlagsverteilung in der Mediterraneis vgl. Rikli 63 79; Philippson 1922, 89 103; zum Klima Griechenlands Philippson 1948. Die intensiven Herbstregen haben aber noch eine andere Funktion, als den Pflanzen die zum Gedeihen notwendige Feuchtigkeit zu liefern: Sie weichen die Erde auf, die unter dem Einfluß der Hitze und der Trockenheit des Sommers steinhart geworden ist, und ermöglichen so erst das Pflügen und das Ausbringen der Saaten. Vgl. dazu Mommsen 1870, 13; Heldreich 571 572. Thphr. HP 8,1,5; Varro RR 1,45. Nach Mommsen 1873, 87 95, war im vergangenen Jahrhundert in Attika der November der Monat, in dem die Aussaat hauptsächlich erfolgte. Die Bauernregel besagt, daß diejenigen Saaten, die vor dem Pleiadenuntergang ausgebracht worden waren, innerhalb von acht Tagen aufgingen, während das später gesäte Getreide erst nach dreißig Tagen sprieße (90). Vgl. auch Mommsen 1870, 1 2; 13. Vgl. dazu Rikli 147/48. Vgl. Rikli 148: „Wie durch Zauberschlag entsprossen sie [sc. die Blumen] oft über Nacht dem vor wenigen Tagen noch steinharten, toten Boden und bedecken das Gelände mit einem Blumenflor von seltener Farbenpracht und erstaunlicher Vielgestaltigkeit. Der Boden ist förmlich in Bewegung; er scheint lebendig geworden zu sein.“

Die agrarische Komponente des Demeterhymnos

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eJsthvkei panavfullon: e[keuqe dæ a[ra kri' leuko;n mhvdesi Dhvmhtro" kallisfuvrou: aujta;r e[peita mevllen a[far tanaoi'si komhvsein ajstacuvessin h\ro" ajexomevnoio, pevdw/ dæ a[ra pivone" o[gmoi brisevmen ajstacuvwn, ta; dæ ejn ejlledanoi'si dedevsqai. (449-456) Eilig stürzte sich Rhea von den Gipfeln des Olympos. Sie gelangte zum Rarischen Gefilde, einst ein lebenspendender Euter des Feldes, aber damals überhaupt nicht lebenspendend, sondern brach und ganz ohne Blätter lag es da. Es verbarg ja die weiße Gerste nach dem Willen der schlankfesseligen Demeter. Aber dann sollte es schnell im Laufe des Frühlings mit langen Ähren behaart, die fetten Furchen des Feldes mit abgemähten Ähren schwer belastet sein, während andere mit Bändern zusammengebunden sind.

Diese Passage verweist zunächst indirekt auf das bald folgende herbstliche Keimen der Frucht, dann spricht sie direkt vom Frühling, in dem schon lange Ähren auf den Feldern stehen, und schließlich, als Höhepunkt, deutet sie auf die sommerliche Ernte voraus. Mit der Aussaat sowie dem Treiben der Saat einerseits und der Ernte andererseits sind hier zwei äußerst wichtige Termine im landwirtschaftlichen Jahr genannt. Eine signifikante agrarische Bedeutung hat sicherlich auch der Frühling, den der Dichter eigens erwähnt. Gewiß zielen seine Worte auf den Zeitpunkt, zu dem die Getreidepflanzen ihre Fruchtkörper ausbilden und die noch unreifen Ähren zum ersten Mal zu sehen sind1. Diese Phase ist für den Landwirt deshalb so wichtig, weil von der Entwicklung der Ähren gerade in dieser Phase Qualität und Quantität der Ernte abhängen. Die Funktion der eben zitierten Passage liegt indes nicht nur darin, den Kontrast zwischen der momentanen Unfruchtbarkeit des Rarischen Feldes mit der Fülle an Getreide, die dort bald entstehen soll, herauszuarbeiten. Es zeigt sich in ihr darüber hinaus eine bedeutende Veränderung im Jahresablauf, die den Menschen bevorsteht: Nach Kores Rückkehr aus der Unterwelt gibt es die Jahreszeiten, die vor ihrer Entführung noch unbekannt waren. Aus diesem Grund wird die Entwicklung des Getreides so ausführlich beschrieben. Wir können also festhalten, daß Kore im Herbst von ihrem durch Hades erzwungenen Aufenthalt in der Unterwelt zu ihrer Mutter zurückkehrt, unmittelbar bevor die Herbstregen zu einem Wiederaufleben der Vegetation und zum Aufgehen der ausgebrachten Getreidesaaten führt. Frühling und Sommer sind noch in Ferne. Diesem Ergebnis scheint allerdings eine Äußerung Demeters entgegenzustehen. Die Göttin kündigt nämlich an, daß Kore künftig ein Drittel jedes Jahres in der Unterwelt bei Hades zubringen müsse, sich die restlichen zwei Drittel hingegen 1

Siehe dazu unten Kap. 3.2.2.3.

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Der Mythos von Demeter und Kore

bei ihr aufhalten dürfe. Aus der Unterwelt werde sie immer dann zurückkehren, wenn die Erde voll von Frühlingsblumen sei. oJppovte dæ a[nqesi gai'æ eujwvdeªsinº hjarinoªi'siº pantodapoi'" qavllei, tovtæ ajpo; zovfou hjerovento" au\ti" a[nei mevga qau'ma qeoi'" qnhtoi'" tæ ajnqrwvpoi". (401-403) Sooft die Erde mit allerlei wohlriechenden Frühlingsblumen bedeckt ist, wirst du aus der dunklen Finsternis wieder emporkommen, ein großes Wunder für Götter und sterbliche Menschen.

Diese Worte Demeters1 sind ein eindeutiger Hinweis darauf, daß Kores alljährliche Rückkehr aus der Unterwelt im Frühling liegt. Damit wird in dieser Passage der Endpunkt von Kores Aufenthalt in der Unterwelt klar anders datiert als es sich aus den oben angeführten Stellen ergab. Greene versuchte, diesen Widerspruch mit dem Hinweis darauf aufzulösen, daß die Niederschläge im Herbst eine reiche Vegetation hervorbrächten, die der im Frühling sehr ähnlich sei. Seiner Meinung nach sind hier also keine Frühlingsblumen, sondern die Blüten des Herbstes gemeint2 . Dieser Lösungsvorschlag ist jedoch abzulehnen, da er sich über die deutlichen Worte des Textes hinwegsetzt. Die Forschung hat bislang allerdings den wesentlichen Unterschied übersehen, der zwischen Kores vergangenem Aufenthalt in der Unterwelt und ihren künftigen, sich jährlich wiederholenden Besuchen dort besteht. Hades hatte seine Braut in sein Reich entführt, sie also in einem einmaligen Akt gegen ihren eigenen Willen und den ihrer Mutter gewaltsam dorthin gebracht. Ob und wann ihre Gefangenschaft in der Unterwelt enden würde, war für die beiden Göttinnen nicht absehbar. Doch in Zukunft wird Kore freiwillig und mit Demeters Einwilligung für die Dauer einer klar festgesetzten Zeitspanne zu Hades zurückkehren. Hier handelt es sich nicht mehr um Kores Entführung, sondern um deren legitime Ehe mit dem Gott der Unterwelt3 . Die Phase, in der die junge Göttin entführt war, muß durchaus nicht mit derjenigen Periode identisch sein, in der sie zur Erfüllung ihrer legitimen Ehe bei ihrem Gatten weilt.

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Die hier begründete Dreiteilung des Jahres wird im weiteren Verlauf des Hymnos noch zwei Mal bekräftigt (445 445; 463 465), dort allerdings ohne einen Hinweis auf den Zeitpunkt von Kores jährlicher Rückkehr. Greene 106: „In Mediterranian lands the parched fields and hills of summer rapidly regain their freshness after the summer rains, and wild flowers shoot up again […]. This season, in fact, is sometimes called in Italy the ‘second spring’. […] Accordingly, I suggest that line 401 of the Hymn refers to the season of the autumn planting and of the sprouting of fields, attended by the appearance of springlike flowers, as the time when Demeter’s daughter returned from her captivity to gladden her mother and to gladden the earth.“ Als Unterstützung von Greenes These könnte man die Ausführungen von Heldreich 571 572 zur attischen Herbstvegetation anführen. Siehe dazu oben S. 54 57.

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Die vorschnelle Gleichsetzung dieser beiden Zeiträume ist die Crux aller bisherigen Deutungen. Vermeidet man sie, so enthält der Demeterhymnos keinen Widerspruch, was den Zeitpunkt von Kores Rückkehr aus der Unterwelt betrifft. Ihre Gefangenschaft im Reich des Hades endet im Herbst. Die Zeit ihres legitimen Aufenthalts bei Hades läuft hingegen im Frühling aus. Sie umfaßt vier Monate. Daraus können wir schließen, daß sie im Herbst beginnt. Für die Interpretation des Hymnos ergibt sich daraus eine wichtige Konsequenz: Kores jährlich wiederkehrender Aufenthalt in der Unterwelt ist keine regelmäßige Wiederholung ihrer Entführung. Es besteht keine zeitliche Entsprechung zwischen beiden Zeiträumen. Bald, nachdem Kore nach dem Ende ihrer Entführung ihre Mutter wiedergesehen hat, kehrt sie als Ehefrau zu Hades zurück. Der Beginn ihrer legitimen Ehe mit Hades, ihr von Demeter akzeptierter Aufenthalt bei ihrem Gemahl in der Unterwelt schließt sich fast unmittelbar an die Phase ihrer Gefangenschaft an. Doch Kore ist jetzt eine erwachsene Frau.

3.2.1.3 Demeters Eingriff in die Natur während Kores Gefangenschaft Kore wird also in einer Zeit entführt, in der es noch keine Jahreszeiten gibt, und ihre Rückkehr aus der Unterwelt ist die Voraussetzung für das Wiederaufleben der Natur infolge der Herbstregen. Zwischen diesen beiden Zeitpunkten liegt — nimmt man die Angaben des Hymnos ernst — ein relativ großer Abstand. Als Demeter nämlich registriert, daß sich ihre Tochter in erheblicher Gefahr befindet, sucht sie zunächst neun Tage nach ihr, am zehnten erfährt sie von Hekate und Helios, was sich wirklich ereignet hat1. Daraufhin verdingt sie sich für einen nicht näher bezeichneten Zeitraum als Kinderfrau in Eleusis. Diese Tätigkeit wird allerdings nicht allzu lange gewährt haben — vermutlich dürfen wir für sie nur wenige Wochen ansetzen2. Nachdem die Göttin ihren Dienst als Kinderfrau quittiert hat, wird für sie in Eleusis ein Tempel errichtet. Allerdings schreitet dessen Bau wundersam schnell voran3. Schließlich zieht sie sich in diesen Tempel zurück und sorgt dafür, daß kein Getreide mehr wächst. Ein Jahr soll diese Phase gedauert haben4 . Folglich befand sich Kore insgesamt mehr als ein Jahr in den Händen ihres Entführers. In dieser Zeit kommt es zu einer nachhaltigen Veränderung in der Natur. Verantwortlich dafür ist Demeter. Denn nachdem sich die Göttin aus Eleusis zurückgezogen hat, versucht sie durch einen Eingriff in die Natur die Rückkehr ihrer 1 2

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Hymn. Hom. in Cer. 47 bzw. 51. Daß sich Demeter eine gewisse Zeit lang um Demophon gekümmert hat, geht daraus hervor, daß der Dichter das iterative Imperfekt verwendet, um zu beschreiben, wie Demeter ihren Zögling unsterblich zu machen versucht (237: criveskæ; 239: kruvpteske). Auch finden die Eltern Zeit, sich über die zügige Entwicklung ihres Sohnes zu wundern (240 241). Hymn. Hom. in Cer. 300: oJ dæ ajevxeto daivmono" ai[sh/. Hymn. Hom. in Cer. 305.

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Der Mythos von Demeter und Kore

Tochter zu erzwingen: Sie sorgt dafür, daß die Erde den Getreidesamen nicht aufgehen läßt. Im Hymnos wird die Situation folgendermaßen geschildert: aijnovtaton dæ ejniauto;n ejpi; cqovna poulubovteiran poivhsæ ajnqrwvpoi" kai; kuvntaton, oujdev ti gai'a spevrmæ ajnivei: kruvpten ga;r eju>stevfano" Dhmhvthr. polla; de; kampuvlæ a[rotra mavthn bove" ei|lkon ajrouvrai", pollo;n de; kri' leuko;n ejtwvsion e[mpese gaivh/. (305-309) Das schlimmste Jahr ließ sie auf der viele ernährenden Erde den Menschen entstehen und das hündischste, und kein Samenkorn ließ die Erde keimen. Denn die schönbekränzte Demeter verbarg es. Oft zogen die Ochsen vergeblich die gekrümmten Pflüge über die Felder, viel weiße Gerste fiel vergeblich in die Erde.

Als Konsequenz aus Demeters Einwirkung auf den bisherigen Zustand der Natur haben die Menschen unter einer schrecklichen Hungersnot zu leiden. Die plötzlich eingetretene Unfruchtbarkeit der Erde ist ihnen unbegreiflich: Wiederholt versuchen sie, durch erneutes Pflügen der Felder, durch erneute Aussaat des Getreides wieder zu Nahrung zu kommen. Vergebens. Es fehlt also nicht an der Bereitschaft der Menschen, etwas für ihren Lebensunterhalt zu tun, sondern an der Fähigkeit der Erde, die ausgebrachte Saat keimen zu lassen. Auf irgend eine Weise hemmt Demeter also die Fruchtbarkeit der Erde. Welche wirkungsvollen Möglichkeiten gibt es, das zu tun? Nun, die wichtigste Voraussetzung für das Keimen eines Samens ist die ausreichende Bewässerung. Bleibt der Regen aber aus, so geschieht genau das, was der Hymnos beschreibt: oujdev ti gai'a spevrmæ ajnivei (,und kein Samenkorn ließ die Erde gedeihen‘). Hohe Temperaturen verstärkten die Wirkung mangelhafter Bewässerung zusätzlich. Könnte es also sein, daß Demeter die Hungersnot bewirkt, indem sie für das Ausbleiben des nötigen Regens sorgt? Wenden wir unseren Blick zunächst nochmals auf die Menschen zurück, die versuchen, durch verstärkten Einsatz die Felder zum Sprießen zu bringen. Die neue Situation übersteigt ihr Verständnisvermögen. Bis zu Kores Entführung kannten sie keine Jahreszeiten, es herrschte ewiger Frühling. Dazu gehörte freilich auch, daß es immer genügend Regen gab, so daß die Frucht gedeihen konnte 1 . Aus diesem Grund waren die Menschen bisher nicht darauf angewiesen, sich bei der Aussaat von Getreide an irgendwelchen zeitlichen Rahmenbedingungen zu orientieren. Eine Periode von Hitze und Trockenheit könnte solche Verhältnisse schnell in Unordnung bringen. Den Menschen, die es durch das beständige Nachwachsen des Getreides bisher nicht nötig hatten, Getreidevorräte anzulegen, gingen innerhalb von kurzer Zeit die Nahrungsmittel aus. Die lange Dauer einer

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So spricht z.B. Homer in seiner Beschreibung von Alkinoos’ Garten (Od. 7, 114 131) davon, daß die Obstbäume und die Reben ständig reife Früchte tragen.

Die agrarische Komponente des Demeterhymnos

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solchen Phase täte dazu ihr übriges1 . Halten wir also als Hypothese fest, daß Demeter auf die eben beschriebene Weise das Aufgehen der Saaten verhindert. Erst nachdem sie ihre Tochter wieder zu Gesicht bekommen hat, beendet Demeter die Dürreperiode wieder, das Getreide beginnt umgehend zu keimen und zu gedeihen. Die agrarische Realität in Griechenland ließ uns diesen Vorgang auf den Herbst datieren2 . Wir sahen bereits, daß es von Kores Rückkehr an Jahreszeiten gibt. Vor dem Herbst liegt jedoch der Sommer, der in Griechenland und im ganzen Mittelmeergebiet tatsächlich eine Dürreperiode darstellt3 : Es herrschen hohe Temperaturen, und die Niederschläge bleiben aus. In dieser Zeit ruht die Vegetation. Die Ernte wird im Mai und Juni eingebracht4, an die nächste Aussaat ist erst im Herbst zu denken. Offenbar hat Demeter also durch die Einführung des Sommers die den Menschen vertrauten klimatischen Verhältnisse gestört und auf diese Weise die besagte Hungersnot hervorgerufen. Dieser erste Sommer war nach Auskunft des Hymnos von beträchtlicher Länge: Er dauerte ein Jahr5 . Daß die bisherigen Ergebnisse dem antiken Verständnis entsprechen, bestätigen einige Verse aus dem zweiten Stasimon von Euripides’ Helena. In diesem Chorlied bietet der Tragiker eine Version des Mythos von der Entführung Kores. Bei seiner Schilderung der Konsequenzen der Gefangenschaft der jungen Göttin lehnt er sich stark an den Homerischen Demeterhymnos an6. brotoi'si dæ a[cloa pediva ga'" 〈

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∪∪

〉7

Auch Rudhardt 207/8 faßt diese Szene als erste Unterbrechung eines bislang kontinuierlichen Pflanzenwachstums auf. Allerdings bezieht er, der communis opinio folgend, die beschriebenen Ereignisse auf den Winter. Siehe das Kapitel 3.2.1.2. Zum Vegetationszyklus im Mittelmeergebiet vgl. Rikli 147 155. Zu den Lebensbedingungen der Mittelmeerflora siehe Rikli 63 106; Huxley / Taylor 6 12. Vgl. auch Philippson 1922, 89 131 und 143 58; Philippson 1948. Nach Hesiod findet die Ernte zur Zeit des Frühaufgangs der Pleiaden statt (Erg. 383 384); vgl. auch Plin. NH 18,60. Zu den Terminen der Getreideernte im modernen Griechenland vgl. Philippson 1922, 159 (Gerste: Ende Mai; Weizen: Juni). Präzisere Auskünfte erhält man aus Mommsen 1870 und 1873: In den wärmsten Gegenden Griechenlands, zu denen auch die Ebenen von Athen und Eleusis gehören, liegt die Ernte früher als in anderen Gebieten (vgl. Mommsen 1870, 7 8). In Attika beginnt der Gerstenschnitt ungefähr Mitte Mai, in günstigen Jahren auch schon früher, der Weizenschnitt liegt ungefähr vierzehn Tage später (Mommsen 1873, 54 und pass.; Mommsen 1870, 6 8). Dagegen findet in kühleren Gebirgsregionen Griechenlands die Weizenernte erst im August statt (Mommsen 1870, 8). Für Gesamtgriechenland erstreckt sich die Zeit der Getreideernte also über fast vier Monate, von Mai bis August. Vgl. Hymn. Hom. 305. Die Verse sind nach der Ausgabe von Richard Kannicht wiedergegeben. Die Parallele zum Demeterhymnos geht noch einige Verse weiter als hier zitiert: Zeus wird durch das Ausbleiben der Opfer zum Einlenken gezwungen und schickt andere Götter aus, die zürnende Göttin zu besänftigen. Der Vers, der hier entfallen ist, muß ein Verb wie teu'ce oder tivqhsi enthalten haben.

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Der Mythos von Demeter und Kore

ouj karpivzousæ ajrovtou"1: law'n de; fqeivrei geneavn. poivmnai" dæ oujc i{ei qalera;" boska;" eujfuvllwn eJlivkwn: polevwn2 dæ ajpevleipe bivo". oujdæ h\san qew'n qusivai bwmoi'" dæ a[flektoi pevlanoi. phga;" dæ ajmpauvei drosera;" leukw'n ejkbavllein uJdavtwn pevnqei paido;" ajlavstw/. (1327-1337)

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Den Menschen aber die Ebenen bewuchslos konnten sie sie nicht mit ihrem Pflügen fruchtbar machen, sie vernichtete das Geschlecht der Menschen. Und den Herden ließ sie keine üppigen Weiden von blätterreichem Geränk wachsen: Vielen ging die Nahrung aus. Es gab keine Opfer für die Götter, und keine Opferkuchen brannten auf den Altären. Sie ließ die wäßrigen Quellen aufhören, ihr helles Wasser auszuströmen, aus unvergeßlichem Schmerz um ihre Tochter.

Auch bei Euripides lesen wir, daß Demeter das Keimen des Getreides verhindert, während die Menschen versuchen, sich durch Pflügen der Felder zu helfen. Eine Hungersnot bricht aus. Die Götter sind ebenfalls Leidtragende dieser Situation. Über das hinaus, was wir schon im Demeterhymnos lesen konnten, erfahren wir hier, daß auch das Vieh kein Futter mehr fand: Es gibt keine saftigen Weiden mehr. Außerdem kommt es zu einem Wassermangel, da die Quellen versiegen. Alle diese Hinweise deuten beim mediterranen Klima auf eine bestimmte Phase des Jahres hin, nämlich den Hochsommer. Freilich ist das Thema „Dürre“ und „Hungersnot“ ein Topos in der antiken Literatur. Doch taucht dieses Motiv gerade in Verbindung mit einem Hinweis auf den Hochsommer häufig auf. Dieser Hinweis kann in der Erwähnung des Hundssterns liegen. Denn der Sirius galt in der Antike als notorischer Auslöser von Hitze, Trockenheit und ihren Folgen3 . Im Zusammenhang mit einer Erwähnung dieses Sterns haben die antiken Autoren häufig auf dessen verderbenbringende Wirkung hingewiesen. Teils handelt es sich bei diesen Hinweisen nur um kurze Andeutungen4 , teils werden seine schlimmen Einflüsse auf das Leben auf der Erde

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Ich folge hier der Konjektur von Maas, der auch Kannicht (in apparatu) mit Sympathie gegenübersteht. Überliefert ist ajrovtoi". Gegen das überlieferte povlewn ist hier mit Musurus polevwn (= pollw'n) zu lesen. Siehe W. Gundel, Sirius, RE III A1, Stuttgart 1927, 314 351. Begriffe wie kauvma (Hes. Erg. 588), caligo aestuosa (Colum. Re rust. 11,2,53), ardor (Colum. Re rust. 10,1,1) finden sich häufig bei Erwähnungen des Hundssterns, insbesondere in der Kommentarliteratur.

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auch näher erläutert1. Exemplarisch dafür möchte ich einige Verse Vergils und den dazugehörigen Kommentar des Servius2 wiedergeben: subito cum tabida membris corrupto caeli tractu miserandaque venit arboribusque satisque lues et letifer annus. linquebant dulcis animas aut aegra trahebant corpora; tum sterilis exurere Sirius agros, arebant herbae et victum seges aegra negabat. Da plötzlich kam aus einer verpesteten Gegend des Himmels eine schlimme Seuche, die unsere Glieder verzehrte und die Bäume und Saaten, und ein todbrin gendes Jahr. Meine Leute ließen das liebliche Leben oder schleppten ihre kranken Körper; damals versengte Sirius die Felder, so daß sie unfruchtbar wurden, die Gräser verbrannten und die welken Saaten versagten die Nahrung.

Exurere sirius agros. Sirius stella est in ore canis posita, quae annis omnibus oritur circa VIII K. Augustas,3 quae orta plerumque pestilentiam toto anno facit, plerumque paucis diebus, interdum innoxia nascitur. hinc est ‘et in totum regnaret Sirius annum’, item supra ‘et letifer annus’. Sirius verbrannte die Felder. Der Sirius ist ein am Mund des Sternbilds ‚Hund‘ gelegener Stern, der jedes Jahr um den 25. Juli aufgeht. Nach seinem Aufgang bewirkt er oft Verderben für das ganze Jahr, oft für wenige Tage, bisweilen geht er ohne schädliche Wirkung auf. Daher sagt Vergil ,und Sirius beherrscht das ganze Jahr’, ebenso weiter oben ,und ein todbringendes Jahr’.

Unverkennbar liegt in den zitierten Versen Vergils eine enge Parallele zu den Passagen im Demeterhymnos und bei Euripides vor. Doch wird hier ganz klar der Sirius als der Verursacher des Übels4 benannt, während in den beiden griechischen

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Schol. in Oppian. Hal. 154; Schol. in Apoll. Rhod. 2,498 527 (p. 170 171 Wendel); Schol. in Arat. Phaenom. 332; Schol. in Hes. Erg. 415; Verg. Aen. 3,141; Sil. Ital. 1, 256 8; 14,621 2; 16,99 100; Mart. 4,66,13; Serv. in Verg. Georg. 1,218; 4,424 wird der Schaden erwähnt, den der Sirius der Vegetation zufügt. Zu weiteren negativen Einflüssen des Sirius vgl. z.B. Arat. Phaenom. 1,335; Schol. in Oppian. Hal. 152; Quint. Smyrn. Posthom. 8,31; Joannes Laur. Lyd. De mens. 4, 114; Plin. NH 8,152; Pompon. Porphyr., Comm. in Horati Sermones 1,7,25 26; Serv. in Verg. Aen. 10,273. Verg. Aen. 3,137 142, und Serv. in Verg. Aen. 3,141. Statt des überlieferten VIII K. Iulias (24. Juni) ist VIII K. Augustas (= 25. Juli) zu lesen. Der Siriusfrühaufgang lag im antiken Rom ca. am 2. August, im östlichen Mittelmeergebiet war der Hundsstern schon Ende Juli zu sehen. Vermutlich hatte Servius hier einen späten Juli termin anvisiert und aus diesem Grunde versehentlich Iulias statt Augustas geschrieben. limov" und loimov" sind Topoi, die dem Siriusfrühaufgang stereotyp zugeordnet werden. Zu den Motiven von limov" und loimov" in der antiken Literatur (allerdings ohne Berücksichtigung des

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Der Mythos von Demeter und Kore

Texten die Schuld an der Hungersnot Demeter zugeschrieben wird. Wir haben aber bereits erkannt, daß sich die Göttin dabei desselben Mittels bedient wie der Sirius, nämlich der Hitze. Es stellt sich nun die Frage, ob die Wirkung des Sirius und der Demeter lediglich parallelisiert werden, oder ob sich auch im Demeterhymnos ein Anhaltspunkt dafür finden läßt, daß der Hundsstern Ursache der Misere ist. Betrachten wir die betreffende Stelle nochmals, so erkennen wir, daß der Dichter in der Tat einen verdeckten Hinweis auf den Hundsstern gegeben hat: Er bezeichnet die von Demeter ausgelöste Phase nämlich als aijnovtaton ejniauto;n […] kai; kuvntaton (,das schlimmste Jahr und das hündischste‘)1. Was anderes könnte mit einem ejniauto;" kuvntato" gemeint sein als ein Jahr, das vom kuv w n (,Hund‘), vom Sirius2 , bestimmt ist? Die weiter oben gemachte Feststellung, Demeter habe durch Hitze und Trockenheit, wie sie im Sommer herrscht, das Wachstum des Getreides verhindert, läßt sich also weiter präzisieren: Die Junktur ejniauto;" kuvntato" deutet darauf hin, daß es sich um ,Hundstage‘ handelt, die sich bis zu Kores Rückkehr aus der Unterwelt erstrecken. Ein erstes Anzeichen für eine solche klimatische Veränderung dürfte schon viel früher im Hymnos gegeben sein, denn nachdem Demeter gehört hat, daß Zeus für die Gefangenschaft ihrer Tochter verantwortlich ist, erfahren wir, daß sich ihrer „ein schlimmerer Schmerz und ein hündischeres Empfinden“ bemächtigt3. Freilich gab es ein solches ,Hundsjahr‘ in der Realität ebensowenig wie den ewigen Frühling. Doch der Vorstellung der Griechen nach bildete es offenbar den Übergang von den ehemals herrschenden paradiesischen Zuständen zu der noch heute bestehenden Jahresordnung. Als nächstes ist der Zeitpunkt innerhalb des normalen Jahresablaufs zu bestimmen, auf den die Griechen Kores Entführung legten. Aus dem Demeterhymnos erhalten wir die Auskunft, daß Hades’ Aktion quasi den Endpunkt des ewigen Frühlings bildet. Bald darauf ruft Demeter den Sommer und die Hundstage hervor, die im Mythos allerdings unrealistisch auf die Dauer eines Jahres zerdehnt sind. Solange

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Sirius) siehe die Untersuchung von Marie Delcourt, Stérilités mystérieuses et naissances maléfiques dans l’antiquité classique, Liège 1938. Hymn. Hom. in Cer. 305 306. Leider sind mir sonst keine Quellen bekannt, die eine Verbindung von Demeter und dem Sirius bezeugten. Sie ist allerdings impliziert in der Datierung des Übergangs von Theros zu Opora auf den Siriusfrühaufgang. Dagegen ist in der ägyptischen Religion die Verbindung von Isis, in der die Griechen Demeter sahen (siehe Hdt. 2,59,2; 156,5; Diod. 1,25,1; 96,5; 5,69,1; Apollod. 2,1,3; Euseb. Praep. Ev. 3,11,50), mit dem Hundsstern sehr geläufig: Der Sirius (Sothis) galt als Stern der Isis (siehe I.K. 5,41,9: [Isis spricht] ejgwv eijmi hJ ejn tw'/ tou' Kuno;" a[strw/ ejpitevllousa; PGM 7,495; OGI 56,36; Plut. De Iside 359 C; E; 376 A ); in der Kunst wurde Isis oft mit einem Hund dargestellt, der vielfach als Sothis kenntlich war (vgl. dazu G. Roeder, Sothis, in: Roscher 4, 1273 80; Merkelbach 1963, 27 28 & Anmm.; Merkelbach 1995, 13 14; 110 111 [mit Abb.] und passim). Hymn. Hom. in Cer. 90. Die Steigerungsformen kuvntero" bzw. kuvntato" kommen auch mehrfach in den Homerischen Epen vor (Il. 8,483; 10,503; Od. 7,216; 11,427; 20,18), allerdings ohne daß ein Bezug auf den Sirius zwingend wäre.

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es keine Jahreszeiten gibt und frühlingsähnliche Zustände herrschen, können die Menschen jederzeit Getreide ernten und sind mit Nahrungsmitteln immer ausreichend versorgt. Dies ändert sich vollkommen in der folgenden Hitzeperiode. Übertragen wir diese mythische Schilderung in die Realität, so ergibt sich, daß Kore in der Übergangszeit zwischen dem Frühling und dem Sommer entführt wurde. Auf die agrarischen Gegebenheiten bezogen ist das die Zeit nach der Getreideernte. Damit sind also alle drei Zeitpunkte, in denen sich eine entscheidende Wendung in Kores Schicksal vollzog, nach dem realen Jahresablauf rekonstruiert: Man stellte sich vor, sie sei zwischen Frühling und Sommer (Skirophorion) entführt worden, das Ende ihrer Gefangenschaft bei Hades legte man unmittelbar vor die Saatzeit (Pyanopsion), die vier Monate ihrer legitimen Ehe mit dem Gott der Unterwelt endeten im Anthesterion. An dieser Stelle empfiehlt es sich, einen Blick auf die griechischen Jahreszeiten zu werfen1. Heute ist uns das solare Jahr mit seiner Gliederung in vier Jahreszeiten, die durch die Solstitien und Äquinoktien begrenzt werden, zur Selbstverständlichkeit geworden. Doch ist diese Einteilung verhältnismäßig neu. Dagegen wurde nach landläufiger Forschungsmeinung das Jahr ursprünglich lediglich grob in zwei Jahreszeiten unterteilt. So habe man in Griechenland eine warme (qevro") und eine kalte Jahreszeit (ceimwvn) unterschieden2 . Diese Hypothese mag korrekt sein, für unsere Belange entscheidend scheint mir jedoch die Erkenntnis Nilssons zu sein, daß bei ackerbautreibenden Völkern eine Zweiteilung des Jahres in eine Phase der Feldarbeit (d.h. von den Vorbereitungen zur Aussaat bis zum Abschluß der Ernte) und eine Ruhephase (zwischen Ernte und Aussaat) vorherrscht. Hier erfolgt die Einteilung nach rein agrarischen Gesichtspunkten3. Die Ruhephase der cerealischen Vegetation liegt in Griechenland bekanntlich im Sommer4 . In der übrigen Zeit des Jahres hingegen ist auf den Feldern Arbeit zu leisten: Diese Phase

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Zwei unersetzliche Standardwerk zum Thema der antiken Chronologie sind nach wie vor Ginzel und Nilsson 1920. Vgl. aber auch J. Gunning, Jahreszeiten, RE Suppl. 3, Stuttgart 1918, 1164 1175; Nilsson 1962; W. Hübner, Jahreszeiten IIA, NP 5, 1998, 837 838 und H. Heckel, Jahreszeiten IIB, NP 5, 839 841. Außerdem sei verwiesen auf das Kapitel „Kalender“ in Isager / Skydsgaard, 160 168. So z.B. Ginzel 2, 1911, 308; Gunning (wie Anm. 61), 1164 1166; Heckel (wie Anm. 61), 839. Der ursprünglich enge Zusammenhang des Jahres mit den Verhältnissen in der Natur wird von Nilsson 1962, 23/4, hervorgehoben: „Das Jahr ist ursprünglich das Naturjahr, das von dem Sonnenstand und den davon abhängigen Jahreszeiten, dem Pflanzen und Tierleben bestimmt wird.“ Nilsson 1920, 268. In einer wenig früher erstmals erschienenen Studie zum griechischen Kalender (Nilsson 1962 [zuerst 1918], 24) war er noch von der für griechische Klimaverhältnisse falschen Prämisse ausgegangen, daß die kalte Jahreszeit mit der Ruhephase, die warme mit der Arbeitsphase zusammenfalle. Das stimmt zumindest für die Feldarbeit nicht. Vgl. auch Hesiods Rat (Op. 607 608): aujta;r e[peita (sc. nach den Erntearbeiten) dmw'a" ajnayu'xai fivla gouvnata kai; bove lu'sai.

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Der Mythos von Demeter und Kore

erstreckt sich über einen relativ langen Zeitraum, von der Aussaat im Pyanopsion bis zum Ernteabschluß im Skirophorion1 , rund zwei Drittel des Jahres. Offenbar sah man eine Veranlassung, diesen Zeitabschnitt nochmals zu unterteilen. Wir wissen nämlich, daß Homer und Hesiod drei Jahreszeiten kannten: qevro" (,Sommer‘), ceimwvn (,Winter‘) und e[ar (,Frühling‘)2 . Sicherlich legte man auch den Übergang von ceimwvn zu e[ a r aufgrund einer Beobachtung im agrarischen Bereich fest, es dürfte sich also um ein für den Bauern markantes Ereignis gehandelt haben. Dabei ist wohl an die Zeit zu denken, in der die Getreidepflanzen ihre Ähren ausbilden3. Je nachdem, wie günstig die Witterungsverhältnisse sind, entwickeln sich die Ähren besser oder weniger gut, wovon freilich auch der 1

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Es waren also diejenigen acht Monate, in denen sich die Frucht auf den Feldern befand. Der Abschluß der Erntearbeiten im engeren Sinne (Mähen und Binden der Garben sowie der Transport der Ernte zu den Tennen) lag in den Ebenen Attikas in der zweiten Junihälfte (≈ Skirophorion). Als Endpunkt der Erntearbeiten insgesamt betrachtete man Ende des 19. Jahrhunderts den 27. August (alten Stils = 15. August = Mariä Himmelfahrt) (≈ Hekatombaion). In der Zeit, die zwischen diesen beiden Terminen liegt, wurde das Getreide gedroschen, für die Speicherung fertig gemacht und schließlich magaziniert. Die Dreiteilung des Jahres wurde kürzlich von Monserrat Camps Gaset einer eingehenden Untersuchung unterzogen. Nach Nilsson 1920, 71, entstammen die drei Jahreszeiten indoeuropäischer Tradition (vgl. auch Nilsson 1962, 24). In seinem 2. Kapitel („The seasons“) gibt Nilsson mehrere Beispiele für eine (ursprüngliche) Einteilung des Jahres in drei Teile. Von einer Dreiteilung des agrarischen Jahres der Griechen geht auch Richter 89 aus. Außer dem Demetermythos weist auch der Adonismythos auf eine Dreiteilung des Jahres hin (Apollodor 3,14,4). Die ursprüngliche Dreizahl der Horen (Hes. Theog. 901 903) ist ebenfalls ein Zeichen für dieses Phänomen. Von besonderer Wichtigkeit ist die Parallele zum agrarische Jahr der Ägypter, das ebenfalls in drei viermonatige Abschnitte unterteilt wurde, die Überschwemmungszeit (ab Juli), den Winter (ab November), zu dessen Beginn das Getreide ausgesät wurde, und den Sommer (ab März), in dem das Getreide geerntet und verarbeitet wurde (vgl. dazu Merkelbach 1963, 12 13). Ebenso wie in Griechenland der Mythos von Demeter war in Ägypten der Osirismythos eng mit dem Jahresablauf und den agrarischen Arbeiten in ihm verbunden. Diese Thematik ist bei Merkelbach 1963, 12 44, ausführlich besprochen. Hinweise darauf, wann in Griechenland die Ähren erscheinen, gibt es nur spärlich. Einzig Mommsen 1870, 5 6, gibt in bezug auf den in der Antike weitgehend unbekannten Roggen den 18. Februar an (Termin für die „erste Sichtbarkeit der vollständigen Ähre“). Rund einen Monat später (20. März) beginnt er zu blühen. Aus den Daten, die mir bezüglich der Getreideblüte sonst vorliegen (Gerstenblüte: Ende März / Anfang April; Weizenblüte: Mitte April; siehe Mommsen 1870, 7; Mommsen 1873, 41 mit Anm. *; Heldreich 519 520; Brumfield 35), läßt sich auf den Zeitpunkt der ersten Sichtbarkeit der vollständigen Ähren zurückschließen: Sie lag folglich für die Gerste Ende Februar / Anfang März, für den Weizen Mitte März. Der Beginn der Ausbildung der Ähren liegt nochmals etwas früher. Dem attischen Kalender nach lagen diese Daten im Monat Anthesterion. Vgl. auch Mommsen 1873, 44 und passim. Damit stimmt ungefähr die Angabe Hesiods (Op. 565 566) überein, der den Frühling mit dem Spätaufgang (akronychischer Aufgang) des Arkturos beginnen läßt (nach West ad loc. für Hesiods Zeit und Heimat ungefähr der 13. Februar; für das klassische Athen nach Ginzel ungefähr der 26. Februar). Auch für den Beginn des Winters mit der Aussaat läßt sich ein Beleg finden: Hesiod (Op. 384) nennt als Termin für die Aussaat den Frühuntergang (kosmischen Untergang) der Pleiaden (nach West ad loc. für Hesiods Zeit und Heimat ungefähr der 31. Oktober; für das klassische Athen nach Ginzel ungefähr der 4. November). Eben diesen Zeitpunkt nennt auch Thphr. De signis tempest. 6 (er geht jedoch von einer Zweiteilung des Jahres aus). Allerdings ist hier zu beachten, daß die Feldarbeit schon einige Tage vor der Aussaat mit einer Pflügung beginnt!

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Ernteertrag abhängig ist. Fülle oder Mangel im nächsten Jahr — das entscheidet sich zu diesem Zeitpunkt. Das Getreide bildet seine Ähren ungefähr in der Mitte zwischen der Aussaat und der Ernte aus, die lange Arbeitsphase wird so also in zwei weitgehend gleich lange Abschnitte unterteilt. Das agrarische Jahr der Griechen bestand demzufolge aus drei Jahreszeiten, die jeweils rund ein Drittel des Jahres umfaßten1. Da die Witterungsverhältnisse nicht jedes Jahr identisch sind wie im Vorjahr, ist auch das System der Jahreszeiten nicht fix. Je nachdem, ob beispielsweise die Herbstregen etwas früher oder später einsetzen, verschiebt sich die Aussaat dementsprechend. Die Jahreseinteilung entspricht noch den natürlichen Jahreszeiten und ist nicht auf eine bestimmte Anzahl von Tagen begrenzt2. Schon früh erkannte man den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den regelmäßig wiederkehrenden Witterungsveränderungen (wie z.B. Sommerhitze, Herbstregen u.a.) und bestimmten Sternauf- bzw. untergängen und schrieb den Sternen sogar die Verantwortung für die Wetteränderungen zu 3 . Die Sternbeobachtung war somit eine recht zuverlässige Methode der Zeitbestimmung. Im Gegensatz dazu war der antike Mondkalender für die Bedürfnisse eines Bauern ziemlich unbrauchbar. Denn dadurch, daß das Mondjahr nur auf rund 354 Tage kommt, während das Sonnenjahr rund 365 Tage mißt, kam es zu erheblichen Verschiebungen im Kalender4 . Man versuchte zwar, das Mondjahr mit dem Naturjahr in Einklang zu halten, indem man in gewissen Abständen einen Schaltmonat einfügte, doch geschah dies ohne ausreichende Präzision5 . Erst die Kalenderreform Caesars, die den Lunisolarkalender durch ein reines Sonnenjahr ersetzte, machte agrarische Arbeiten nach dem bürgerlichen Kalender datierbar. Aus diesem Grunde war die Sternbeobachtung für die griechischen Bauern ein unverzichtbares Mittel der Zeitmessung, das lange Zeit neben dem offiziellen Kalender existierte6 . Mit der Einführung des lunisolaren Kalenders in den verschiedenen griechischen Poleis versuchte man, auch das agrarische Jahr mit all seinen Festen in das neugewonnene, vergleichsweise starre System zu integrieren. Aufgrund der bereits erwähnten Schwierigkeiten, die sich aus der fehlenden Kongruenz von Mond- und Sonnenjahr ergaben, konnte dies freilich nur näherungsweise geschehen7 . Den1 2 3 4 5 6

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Dieselbe Unterteilung schwebte offenbar auch Richter (S. 89) vor: Winter: November Februar; Frühling: März Juni; Sommer: Juli Oktober. Nilsson 1962, 24. Vgl. dazu Nilsson 1962, 26. Zum Mondjahr und seinen Problemen siehe Ginzel 2, 1911, 330 331; zum Verhältnis von Mond zu Sonnenjahr 367. Vgl. auch Nilsson 1962, 35. Zur Interkalation im antiken Griechenland vgl. Ginzel 2, 1911, 366 419. Nilsson 1920, 113: „The time indications from the stars are […] much older in Greece than the lunisolar calendar, and always existed alongside of the latter which was of a religious and civil character as the calendar of peasants and seamen, who must hold to the natural year and its seasons.“ Ein Extrembeispiel dafür, wie sehr der offizielle Kalender vom Naturjahr abweichen konnte, bietet das ägyptische Sonnenjahr: Dieses Jahr bestand aus 365 Tagen, also einem Viertel Tag

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noch dürfen wir das als das Ideal betrachten: So bot sich die Möglichkeit, die drei ungefähr gleich langen Perioden des bäuerlichen Jahres mit drei kalendarisch exakt festgelegten Zeiträumen zu identifizieren, wobei allerdings potentielle Schaltmonate unberücksichtigt bleiben mußten. Ebenso konnten Festtermine genau festgelegt werden, so daß die Feste jedes Jahr im selben Monat stattfanden. Wurde vielleicht auch die im Demetermythos angesprochene Dreiteilung des Jahres mit Hilfe von drei Demeterfesten fixiert, die an den drei Eckpunkten des Jahres lokalisiert waren, um auf diese Weise drei exakt gleichlange Teile des Jahres voneinander abzugrenzen? Sie müßten dann die Wendepunkte in Kores Leben gespiegelt haben. In der Tat gab es solche Feste: Es handelt sich — so meine These — um die Skira im Skirophorion, die Thesmophoria im Pyanopsion und die Chloia im Anthesterion. Diese drei Feste werde ich im heortologischen Teil meiner Arbeit ausführlich besprechen. Aus den Ergebnissen dieses Kapitels läßt sich eines der zahlreichen Epitheta Demeters erklären: Als wJrhfovro" wird die Göttin in unserem Hymnos drei Mal bezeichnet, ein Beiname für die Göttin, der auch aus der orphischen Dichtung geläufig ist 1 . Meinen bisherigen Ausführungen zufolge beschreibt der Hymnos den Übergang von einer ,paradiesischen‘ Urzeit im ewigen Frühling zu unserem heutigen Jahr. Verantwortlich für diese mythische ,Klimaveränderung‘ ist keine andere als Demeter selbst. Das Epitheton wJrhfovro" (,die Jahreszeiten bringend‘)2 bezeichnet sie als diejenige Göttin, die den Zyklus der Jahreszeiten eingeführt hat.

3.2.2 Die Spiegelung von Kores Erlebnissen im agrarischen Jahr Bevor ich mich dem heortologischen Teil meiner Arbeit zuwenden und zu einer Untersuchung der drei Feste übergehen kann, die an den kritischen Punkten des agrarischen Jahres institutionalisiert waren, an denen sich für Kore entscheidende Änderungen vollzogen, muß zunächst überprüft werden, ob das Zusammenfallen dieser Termine nur auf einem Zufall beruht oder ob sich interpretativ ein Zusammenhang zwischen den Wendepunkten in Kores ,Leben‘ und den agrarischen

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weniger als das Naturjahr, und man hatte es versäumt, alle vier Jahre einen Tag zu interkalieren, um mit dem Naturjahr in Einklang zu bleiben. Es entstand ein Wandeljahr, bei dem der Neujahrstag und alle offiziellen Feste der Reihe nach auf jeden Tag des Jahres fielen, bis nach 1461 Jahren wieder der Ausgangszustand erreicht war. Vgl. dazu Merkelbach 1963, 9 11. Hymn. Hom. in Cer. 54; 192; 492; Orph. fr. 49,102. Richtig erfaßt von Allen u.a. ad Hymn. Hom. in Cer. 54; Rudhardt 208. Vgl. auch Mannhardt 1884, 227 („dass Demeter die zur Kornreife günstige Zeit herbeiführe“). Dagegen geben LSJ s.v. als Bedeutung an: „leading on the seasons, or bringing on the fruits in their seasons“. Richardson ad loc. äußert sich zur Bedeutung dieses Epithetons nicht.

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Tätigkeiten der Griechen1 herstellen läßt. Der Beantwortung dieser Frage sollen die nächsten Kapitel dienen.

3.2.2.1 Die Entführung Kores und die Getreideernte Das erste Ereignis, das der Hymnos aus dem Leben der beiden Göttinnen erzählt, ist die Entführung Kores. Wir haben zwar gesehen, daß Hades diese Tat noch vor der Einführung der Jahreszeiten vollbrachte, daß die Griechen sie aber nach dem realen Jahresablauf in die Zeit datierten, in der das Getreide eben geerntet ist2. Zu diesem Ergebnis war auch schon Francis Cornford3 bei seiner Interpretation des Demetermythos gelangt. Der britische Wissenschaftler unterbreitet in seiner Arbeit auch einen Vorschlag, in welcher agrarischen Tätigkeit die Griechen eine Spiegelung des Schicksals der jungen Göttin gesehen haben könnten. Er sieht in ihr das Kornmädchen, also eine Vertreterin des eben geernteten Getreides, insbesondere des Saatkorns, und zieht eine Parallele zwischen Kores Weg in die Unterwelt und der Methode, die die Griechen für die Getreideaufbewahrung anwendeten. Sie pflegten nämlich (wie viele andere ackerbautreibende Völker im Mittelmeergebiet, in Nordafrika sowie in zahlreichen anderen Teilen der Welt), ihre Getreidevorräte in unterirdischen Speichern, sogenannten siroiv , zu lagern4 . Jedem Griechenlandbesucher sind gewiß die riesigen tönernen Pithoi bekannt, die in die Mauern von Pylos eingelassen sind. Ähnlich, nur viel größer, muß man sich jene unterirdischen Magazine vorstellen: Riesige flaschenförmige Behältnisse wurden 1

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An hilfreicher Forschungsliteratur zum Thema Landwirtschaft bzw. Ackerbau in der Antike sind zu nennen: H. Beheim Schwarzbach, Ackerbau der Römer, 1866 (Ndr. Hildesheim 1968); M. Schnebel, Die Landwirtschaft im hellenistischen Ägypten, München 1925; Richter; Marie Claire Cauvin, Rites et rythmes agraires, Lyon 1991; Burford; Isager / Skydsgaard. Siehe dazu die Kapitel 3.2.1.1 und 3.2.1.3. Siehe hierzu den schon im Forschungsbericht referierten Aufsatz von Cornford. Für Eleusis ist die Existenz solcher siroiv inschriftlich belegt (IG II2 1672.292; I2 76,10 12). Auch die antiken Agrarschriftsteller wußten von der Verbreitung dieses Speichertyps, siehe z.B. Varros Beschreibung (RR 1,57,2): quidam granaria habent sub terris speluncas, quas vocant sirouv", ut in Cappadocia ac Thracia; alii, ut in Hispania citeriore, puteos, ut in agro Carthaginiensi et Oscensi. horum solum paleis substernunt et curant, ne umor aut aer tangere possit, nisi cum promitur ad usum. quo enim spiritus non pervenit, ibi non oritur curculio. sic conditum triticum manet vel annos L, milium vero plus annos C. Vgl. auch Plin. NH 18,306; Colum. Re rust. 1,6,15 16. Andernorts wurden vergleichbare Bauten nicht nur als Magazine, sondern auch als Stall für das Vieh und als Quartier für die Menschen genutzt, wie Xen. Anab. 4,5,25 27; Tac. Germ. 16; Vitr. arch. 2,1,5 berichten. Vgl. dazu auch Harrison 1913. An Forschungsliteratur zur unterirdischen Getreidespeicherung sind zu nennen J.F. Hofmann / K. Mohs, Die Getreidespeicher, Berlin 21934, 10 16; D.W. Hall / G.A. Haswell / T.A. Oxley, Underground storage of grain, London 1956; F. Sigaut, Significance of underground storage in traditional systems of grain production, in: J. Shejbal (Hg.), Controlled atmosphere storage of grains, Amsterdam / Oxford / New York 1980, 3 13; G.K. Girish, Studies on the preservation of foodgrains under natural airtight storage, ebd., 15 23; A.H. Kahmel, Underground storage in some Arab countries, ebd., 25 38. Zur Getreidespeicherung in Griechenland siehe Burford 141 142.

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aus der Erde ausgehoben, die man oben wasser- und luftdicht verschließen konnte1 . Auf diese Weise war es möglich, relativ lange eine unbeschadete Haltbarkeit dieses kostbaren Lebensmittels zu gewährleisten. Wenn die Griechen also ihr Getreide in jenen Siroi deponierten, so hätten sie nach Cornford damit die Entführung Kores nachvollzogen. Die herbstliche Rückkehr Kores aus der Unterwelt versteht er demgemäß als das Heraufholen des Saatkorns aus besagten unterirdischen Getreidespeichern. Auf den ersten Blick scheint diese Erklärung des Mythos überaus attraktiv. Sie bietet eine zunächst plausible Entsprechung für Kores Kathodos und Anodos durch Tätigkeiten, die in der griechischen Landwirtschaft tatsächlich Jahr für Jahr ausgeführt wurden. Zudem erfolgen sie im erforderlichen Abstand von rund einem Drittel eines Jahres. Im Gegensatz zum konventionellen Verständnis von Kores Unterweltsaufenthalt stimmt Cornfords These außerdem mit den klimatischen Bedingungen in Griechenland hervorragend überein2 . Doch bei näherer Betrachtung treten erhebliche Zweifel an Cornfords Interpretation auf. Denn auf zwei entscheidende Probleme, die diese Deutung mit sich bringt, ist er nicht aufmerksam geworden. Zum einen ist zu bedenken, daß Kores Entführung auf das Ende der Getreideernte (entsprechend dem attischen Monat Skirophorion) zu datieren ist, während das Getreide erst um einiges später magaziniert werden konnte3 . Die Zwischenzeit diente nämlich der Verarbeitung der frischgeernteten Ähren, was bei den damaligen Methoden viel Zeit in Anspruch nahm. Gerste und Weizen mußten gedroschen und geworfelt werden4 , 1

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So z.B. Varro RR 1,57,2 (zitiert in der vorigen Anm.); Plin. NH 18,306; Colum. 1,6,15 16. Vgl. Burford 142: „The essential requirement for the storage places was that they be dry and free of dust, weevils, and other pests.“ Siehe auch die in der letzten Anm. genannte Literatur, passim. Darauf hat vor allem Nilsson in seinen Arbeiten zu Demeter hingewiesen, z.B. Nilsson 1935, 570 581; Nilsson 1942, 216 218; Nilsson 1967, 469 477. Vgl. auch Burkert 1977, 250. Mommsen 1870, 9, gibt an, daß in Attika zu seiner Zeit erst am 27. August (= Mariä Himmelfahrt) alle Erntearbeiten abgeschlossen waren zuletzt kam sicherlich das Einlagern des Getreides. Bestätigt wird dies von Brumfield 41: „Threashing done in the old way takes a great deal of time, up to two month.“ Andere Getreidearten als die in Attika gewöhnlich angebaute Gerste und der verhältnismäßig seltene Weizen, wie Dinkel, Emmer und Hirse, sind so fest von ihren ungenießbaren Spelzen umschlossen, daß man sie durch Dreschen allein nicht von ihren lästigen Hüllen befreien konnte. Hier mußte man anderen Mitteln greifen, deren verbreitetstes offenbar war, das Getreide zu rösten, damit sich die Spelzen lockerten. Danach ließen sie sich durch Zerstampfen im Mörser entfernen (Plin. NH 18,97 99, beschriebt diese Verarbeitungsweise; nachvollzogen wurde sie von J.R. Harlan, A wild wheat harvest in Turkey, Archaeology 20, 1967, 197 201; L. Foxhall / H.A. Forbes, Sitometreiva : The role of grain as a staple food in Classical Antiquity, Chiron 12, 1982, 41 90, hier: 77). Das Rösten des Getreides hatte auch eine bessere Haltbarkeit zur Folge. Nach Palmer 477 gehört auch die Gerste denjenigen Getreidesorten an, die so fest von ihren Spelzen umschlossen sind, daß sie der eben beschriebenen Verarbeitungsmethode bedürfen; ihre Spelzen sollen rund ein Drittel des Volumens einer Ähre ausmachen. Doch stehen diese Angaben im Widerspruch zu den Äußerungen der antiken Agrarschriftsteller, nach denen die Gerste kaum umhüllt ist, so daß Dreschen und Worfeln ausreicht. Vgl. Thphr. HP 8,4,1 (mavlista ga;r dh; gumnospevrmaton hJ kriqhv) und Plin. NH 18,61 (Tunicae frumento plures, hordeum maxime nudum et arinca, set

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anschließend ließ man das Getreide in der Sonne noch weiter trocknen, damit es nicht faulte und von Schädlingen befallen wurde1. Schwerer wiegt jedoch der Umstand, daß die Identifikation Kores mit dem Saatkorn dem Denken der griechischen Bauern widersprach. In der antiken Welt besaß das Korn ein männliches Konnotat. Derselbe Ausdruck bezeichnet im Griechischen den Getreidesamen und den männlichen Samen: spevrma (,Sperma‘)2 . Wie der Samen des Mannes die Frau befruchtet, so ,befruchtet‘ der Bauer durch die Aussaat des Getreides die Erde. In ihr sah man den weiblichen Partner. Die reiche Metaphorik der griechischen Sprache, die teils agrarische Vorgänge mit Begriffen aus dem sexuellen Bereich belegt, teils umgekehrt sexuelle Funktionen mit agrarischen Metaphern umschreibt3 , bezeugt, wie stark die Menschen in der Antike die Parallele zwischen diesen beiden Bereichen empfanden. So wurden denn auch mit dem Saatkorn männliche, mit der Erde hingegen weibliche Gottheiten in Beziehung gesetzt. Zu diesen Göttinnen gehören im griechischen Kulturkreis Chthon, Gaia und insbesondere Demeter4 , in Ägypten ist Isis zu nennen. Deren männlicher Konterpart ist Osiris, in dessen Schicksal die Ägypter das des Getreides gespiegelt sahen5 . Als griechischer Getreidegott ist Plutos bekannt, den Demeter auf Kreta mit einem Heros namens Iasion (oder: Iasios) gezeugt haben soll6 . Außerdem kennt der Mythos mit Adonis, Attis7 und anderen einige weitere Gestalten, die mit dem Getreide parallelisiert wurden.

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praecipue avena. calamus altior frumento quam hordeo, arista mordacior hordeo. in area exteruntur triticum et siligo et hordeum; sic et seruntur pura qualiter moluntur, quia tosta non sunt. e diverso far, milium, panicum purgari nisi tosta non possunt; itaque haec cum suis folliculis seruntur cruda. et far in vaginulis suis servant ad status atque non torrent.). In der Antike war man der Meinung, daß sich bei falscher Handhabung aus jeder Getreideart eine eigene Art von Schädlingen entwickeln konnte. Vgl. Thphr. HP 8,10,4; Thphr. CP 3,22,3 5; Plin. NH 18,73. Siehe z.B. LSJ s.v. spevrma. Vgl. auch L. Foxhall, Natural sex. The attribution of sex and gender to plants in ancient Greece, in: L. Foxhall / J. Salmon (Hgg.), Thinking men. Masculinity and its self representation in the Classical tradition, London / New York 1998, 57 70, hier: 61. Beispiele für diese Metaphern ist bei Dieterich 1905, 46 47 & Anmm., zusammengestellt. Zur Parallelisierung von Frau und Erde vgl. Plat. Menex. 238a. Grundlegend zu diesem Thema ist Dieterich 1905; zahlreiche Belege für Demeter sind in Kapitel 2.1.1 dieser Arbeit genannt. Für Isis als Erdgöttin siehe z.B. Plut. De Iside 363D; 366A (vgl. auch 366E); Salustios Peri; qew'n 4,3; Firm. Mat. Err. prof. 2,6 (zahlreiche weitere Stellen bei Merkelbach 1995, 7 Anm. 5); für Osiris als Getreidegott Plut. De Iside 377B; Porph. bei Euseb. 3,11,50; Athenag. Supplicatio 22,9; Firm. Mat. Err. prof. 2,6; Tert. Adv. Marcionem 1,13,5. Zum Mythos von Isis und Osiris und seinen agrarischen Bezügen siehe Merkelbach 1963, 12 44, und Merkelbach 1995, 3 331, passim. So z.B. Hom. Od. 5, 125 128; Hes. Theog. 969 974; Diod. 5,77,1 2. Siehe z.B. für Adonis: Cornut. Theol. 28 p. 54 Lang; Orph. Hymn. 56; Porph. bei Euseb. Praep. ev. 3,11,12; 17; Salustios Peri; qew'n 4,3; Johannes Lydus De mensibus 4, 64 p. 116,6 7 Wünsch; für Attis: Porph. bei Euseb. Praep. ev. 3,11,12; 17; Firm. Mat. Err. prof. 3. Zum Adonismythos und seiner Deutung vgl. G. Baudy 1986 und G. Baudy, Adonis, NP 1, 1996, 120 122; zu Attis vgl. G. Baudy, Attis, NP 2, 1997, 247 248.

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Bevor ich auf den eben erwähnten Plutos näher eingehen kann, möchte ich zunächst die anderen beiden Zeitpunkte betrachten, die in Kores Leben eine wichtige Rolle spielen. Im Anschluß daran wird es leichter möglich sein zu bestimmen, auf welche Weise die Entführung Kores mit den jährlich wiederkehrenden Arbeiten der griechischen Landwirtschaft im Zusammenhang steht.

3.2.2.2 Kores kurzfristige Rückkehr und die Aussaat Es hatte sich gezeigt, daß Kore zwischen ihrer Gefangenschaft in der Unterwelt und ihrer legitimen Ehe mit Hades für kurze Zeit zu ihrer Mutter und den anderen Göttern zurückkehrt. Ab diesem Augenblick gibt Demeter ihren Widerstand gegen die Verbindung ihrer Tochter mit dem Gott der Unterwelt auf und akzeptiert ihre Ehe. Kore ist nun eine erwachsene Göttin und kehrt mit ihren eigenen timaiv (,Ehren‘) ausgestattet zum Vollzug ihrer Ehe in das Reich ihres Gatten zurück. Es ist zwar im Demeterhymnos und anderen Versionen desselben Mythos nirgends davon die Rede, daß Hades seine Ehefrau Kore-Persephone schwängern würde, doch läßt sich dies zwingend daraus ableiten, daß es ihm gelingt, die junge Göttin an sich zu binden, indem er ihr einen Granatapfelkern zu essen gibt. Dieser Vorgang ist nämlich, wie die Forschung seit langem sieht, als der symbolische Vollzug der Ehe zu verstehen1 . Der für Kore bedeutende Übergang vom Mädchen zur Frau liegt zur Saatzeit. Die Griechen erkannten hier eine Parallele im Leben der Göttin mit den Vorgängen auf dem Feld: Ebenso wie die Erde bei der Aussaat durch den Getreidesamen ,schwanger‘ wird, macht zeitgleich auch der Gott der Unterwelt seine junge Ehefrau zur Mutter2 . Von demselben Zeitpunkt an tragen nun diese beiden weiblichen Wesen ein Kind aus, die eine das neue Getreide, die andere einen jungen Gott. Die Schwangerschaft von Göttin und Erde vollzieht sich in der Anschauung der Griechen parallel, wir können damit rechnen, daß beide auch ihr Kind zur selben Zeit zur Welt bringen werden.

3.2.2.3 Die Ausbildung der Ähren Rund vier Monate nach der Aussaat gab es auf den Feldern einen Entwicklungsschub, der für die griechischen Bauern von immenser Wichtigkeit war: Aus den jungen, grünen Getreidepflanzen begannen die Ähren emporzuwachsen. Auf diesen Vorgang richteten die Menschen ihre Hoffnung, denn von ihm war der Ertrag der Ernte entscheidend abhängig. Blieb just zu jenem Zeitpunkt der Regen aus,

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Siehe dazu oben S. 53. Zu der diesem Gedanken zugrundeliegenden Symbolik siehe S. 103 Anm. 5.

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bildeten die Pflanzen nur kümmerliche Fruchtkörper und den Menschen stand eine karge Ernte ins Haus. Unterstützte jedoch in jener Zeit eine günstige Witterung das Pflanzenwachstum, so brauchte man sich um den Lebensunterhalt für das nächste Jahr keine Sorgen mehr zu machen1. Bei der großen Bedeutung, die die Ausbildung der Ähren für die Griechen hatte, ist es nicht verwunderlich, daß sie auch dieses Ereignis mit einer Station im Leben Kores parallelisierten. Da sie offenbar die Schwängerung Kores durch Hades als das Vorbild der Aussaat begriffen, müssen wir hier an eine Begebenheit denken, die ungefähr in der Hälfte der Schwangerschaft eintritt. Man sieht der jungen Mutter nun die Schwangerschaft an, man sieht, daß sie einen Nachkommen in sich trägt — genau wie man beim Getreide erst zu diesem Zeitpunkt die Ähren, die dessen Nachkommen darstellen, zu Gesicht bekommt. Mutter und Pflanze, beide werden ihre Kinder noch für einige Zeit ,in‘ sich behalten und ernähren.

3.2.2.4 Nochmals: Die Getreideernte Die Erntezeit bildet Anfangs- und Endpunkt des agrarischen Zyklus zugleich. Die eine Getreidegeneration wird geerntet. Indem ihr das Korn für die herbstliche Aussaat entnommen wird, legt sie jedoch auch den Grundstein für eine neue Generation von Getreidepflanzen. Der Zyklus von Kores Erlebnissen beginnt und endet ebenfalls hier. Sie wird im Skirophorion entführt, im Pyanopsion wird sie schwanger, wobei im mythischen Denken eine enge Verbindung zwischen dem Ablauf der Schwangerschaft der jungen Göttin und dem Getreidewachstum besteht. Die Ernte setzt diesem ein Ende — in gleicher Weise sollten wir hier das Ende von Kores Schwangerschaft ansetzen. Die Getreideernte beginnt in Attika mit dem Gerstenschnitt ungefähr Mitte Mai und zieht sich, bis auch in den höheren Lagen die Ernte abgeschlossen worden ist, fast den ganzen Monat Juni hindurch2 . Das

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Damit ist freilich nicht auszuschließen, daß die Ernte immer noch durch einen Krieg oder Unwetter vernichtet werden konnte. Mommsen 1873, 5 9 und 36 44, hat zahlreiche Sprüche zusammengestellt, die sich (für Attika und klimatisch vergleichbare Gegenden) einen regenreichen März wünschen. Als Ideal galt offenbar, daß an Weihnachten Schnee liegt, der Januar trocken ist, der Februar feucht, der März reich an Regen: Dann sollte es eine reiche Ernte geben. Der Frühlingsregen ist für das Gedeihen des Getreides ebenso wichtig wie der Herbstregen, aber er muß in die richtige Zeit fallen. Zu früh, d.h. wenn die Temperaturen noch zu niedrig sind, nützt er wenig, wenn der Regen zu spät fällt, dann überschneidet er sich mit der Getreideblüte (für Gerste liegt sie in Attika Ende März / Anfang April, für Weizen etwas später, und dauert nach Thphr. HP 8,2,5 nur vier bis fünf Tage) und erschwert so die Befruchtung, die hier wie bei anderen Gräsern durch den Wind vollzogen wird, oder er kommt erst, wenn die durch den vorausgehenden Wassermangel nur kleinen Ähren schon befruchtet sind. Logischerweise wirkt sich beides negativ auf den Ernteertrag aus. Nur genügend Niederschläge zur richtigen Zeit sind ein Garant für eine gute Ernte. Das entnehme ich Mommsen 1873, 54 und passim; Mommsen 1870, 6. Der Weizen ist zwei bis drei Wochen später erntereif als die Gerste (siehe auch die folgende Anm.).

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Getreide stand rund acht Monate auf den Feldern, etwa ebenso lange währte Kores Schwangerschaft1 . Mit dem Ende der Ernte bringt sie ihr Kind zur Welt. Zwischen dem Ablauf der Schwangerschaft der Göttin und der Entwicklung der Feldfrucht auf den Äckern sahen die Griechen offenbar eine enge Beziehung. Ich habe die Göttin bislang als „Kore“ bezeichnet, damit klar ist, daß es sich hier um Ereignisse handelt, die der jungen Göttin nach dem Ende ihrer Entführung widerfahren. Den Ergebnissen des Kapitels 3.1.1 zufolge müßte ich eigentlich den Namen „Demeter“ gebrauchen, da sie ja seit dem Beginn ihrer Ehe mit Hades und ihrer Schwangerschaft kein „Mädchen“ mehr ist, sondern Ehefrau und (werdende) „Mutter“. Besinnen wir uns nun auf die antiken Zeugnisse zurück, die versuchen, das Wesen Demeters zu deuten2 , so dürften die Ausführungen dieses Kapitels eine Erklärung dafür liefern, weshalb die Griechen die genannte Göttin mit der Erde, speziell dem Ackerboden, parallelisieren konnten. Sie setzten eine Koinzidenz der „Schwängerung“ von Erde und Göttin sowie der weiteren Entwicklung in der „Schwangerschaft“ voraus. Offenbar empfand man in der Antike eine viel größere Nähe zwischen dem Werden von menschlichem Leben und dem des Getreides. So lesen wir beispielsweise in Platons Menexenos, daß die menschlichen Frauen bei den Geburten von Kindern die Erde nachahmten, die Frucht hervorbringt 3 . Wenn Kore-Demeter den Griechen als göttliche Präfiguration der Erde galt und die Schwängerung der Göttin zeitlich mit der Aussaat zusammenfällt, so können sie in Kores Gatten Pluton-Hades nur die Entsprechung des Saatkorns gesehen haben. Diese Konsequenz mag erstaunen, da Pluton-Hades im allgemeinen als Gott der Unterwelt angesehen wird. Das Verständnis von Pluton als Getreidegott war indes weniger außergewöhnlich als es auf den ersten Blick scheinen mag. Bevor ich jedoch diesen Gedanken weiterverfolge, ist es angebracht, nach der Identität des Kindes von Kore-Demeter zu fragen. Wer also ist Kores Kind? Unter den im Demeterhymnos genannten männlichen Göttergestalten kann für diese Funktion nur eine in Frage kommen: Plutos, der Getreidereichtum4. Er erscheint hier in personifizierter Form, ohne daß indes eine verwandtschaftliche Beziehung zu einer der beiden Göttinnen sichtbar würde. Wir erfahren lediglich, daß sie Plutos zu denjenigen Menschen schicken, die sie lieben: mevgæ o[lbio" o{n tinæ ejkei'nai

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Nach Thphr. HP 8,2,7 steht die Gerste bis zur Ernte sieben bis acht Monate auf den Feldern, der Weizen braucht etwas länger. Ebenso Plin. NH 18,60. Eine genaue Entsprechung zu den neun Monaten der menschlichen Schwangerschaft zu erwarten, wäre fehl am Platze. Vgl. Kap. 2.1.1. Plat. Menex. 238a: ouj ga;r gh' gunaivka memivmhtai kuhvsei kai; gennhvsei, ajlla; gunh; gh'n. Die Erde ist hier die Urmutter der Athener, die ihre Kinder als Autochthone hervorgebracht hat. Zur Parallelisierung von Frau und Erde im antiken Bewußtsein siehe oben S. 104 Anm. 2. Siehe z.B. Hesych s.v. plou'to": hJ ejk tw'n spermavtwn ejpikarpiva, kai; hJ panspermiva . Vgl. zu Plutos allgemein Eisele; Zwicker; Clinton 1994a.

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profronevw" fivlwntai ejpicqonivwn ajnqrwvpwn: ai\ya dev oiJ pevmpousin ejfevstion ej" mevga dw'ma Plou'ton, o}" ajnqrwvpoi" a[feno" qnhtoi'si divdwsin. (486-489) Überaus glücklich (ist) derjenige der irdischen Menschen (zu preisen), den jene gütig lieben: Bald nämlich schicken sie ihm als Genossen am Herd Plutos in das große Haus, der den Menschen Reichtum gibt.

Nach Hesiod ist Plutos Demeters Sohn, den sie gebar, nachdem sie sich auf Kreta mit Iasion vereinigt hatte1 . Wenn wir uns die Ergebnisse des soziologischen Teils dieser Arbeit in Erinnerung rufen, stellen wir fest, daß dieser kretische Mythos zu der hier postulierten Mutterschaft Kores gar nicht in Widerspruch steht. Denn dort hatte sich ergeben, daß die junge Göttin durch ihre herbstliche Schwängerung den Schritt zum Erwachsenendasein vollzieht, daß sie zur Mutter und somit zu Demeter wird2 . Wie sein Sohn Plutos galt offenbar auch Iasion3 selbst als getreidespendende Gottheit: Auf Samothrake wurde von ihm erzählt, daß er der einzige war, der nach einer Sintflut Saatgetreide besaß4 . Daß er dieses für eine Aussaat verwendete, fand im Mythos vom iJero;" gavmo" (von der ,heiligen Hochzeit’) zwischen ihm und Demeter seinen symbolischen Ausdruck. Somit ging nach dem samothrakischen Mythos der Getreideanbau von eben diesem Heros aus, wie in Eleusis Triptolemos die Verteilung des Korns zugeschrieben wurde. Dieser Parallelisierung entsprechend kannte man Iasion in verschiedenen Gebieten Griechenlands in der Rolle des Triptolemos: Er soll auf Sizilien und in anderen Gegenden herumgezogen sein und den Getreideanbau gelehrt sowie die Weihen Demeters verbreitet haben5. Iasion und Triptolemos sind folglich als funktionsgleiche mythische Figuren zu betrachten6 . Der Mythos von der Geburt des Plutos ist ursprünglich offenbar auf Kreta beheimatet, in späterer Zeit ist er auch für Samothrake bezeugt. Läßt es sich evident machen, daß dieser Gott des Getreidereichtums auch in Athen bzw. Eleusis eine Rolle spielte? In der Tat sprechen neben dem Demeterhymnos zahlreiche weitere Zeugnisse dafür, daß Plutos schon früh zu den dort verehrten Göttern gehörte. 1

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Hes. Theog. 969 974: Dhmhvthr me;n Plou'ton ejgeivnato di'a qeavwn, ∆Iasivw/ h[rwi migei'sæ ejrath'/ filovthti neiw'/ ejni; tripovlw/, Krhvth" ejn pivoni dhvmw/, ejsqlovn, o}" ei\sæ ejpi; gh'n te kai; eujreva nw'ta qalavssh" pa'san: tw'/ de; tucovnti kai; ou| kæ ej" cei'ra" i{khtai, to;n dæ ajfneio;n e[qhke, polu;n dev oiJ w[pasen o[lbon. Vgl. Hom. Od. 5, 125 128; Diod. 5,77,1 2. Später wurde Iasion mit dem offenbar funktionsgleichen samothrakischen Heros Eetion identifiziert, und der Mythos von der Zeugung des Plutos dort lokalisiert (z.B. Hellanikos FGrHist 4 F 23; 135). Siehe oben Kap. 3.1.1. Zu Iasion siehe K. Seeliger, Iasion, in: Roscher 2,1, 59 63; Erika Simon, Iasion, LIMC 5,1, 1990, 627 628; G.J. Baudy, Iasion, NP 5, 1998, 864 865. Hellanikos FGrHist 4 F 135. Nach Eustath. ad Hom. Od. 5,125ff. hat Iasion das Getreide nach einer Sintflut gefunden, was der Grund war, weshalb sich Demeter in ihn verliebte. Eustath. ad Hom. Od. 5,125. Entsprechend wurden Iasion und Triptolemos auch nebeneinander im Zodiakalzeichen der Zwillinge erkannt (Hyg. astr. 2,22).

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Der Mythos von Demeter und Kore

Aristophanes nennt ihn als einen derjenigen Götter, die im Rahmen der Thesmophorien verehrt wurden1 . Ein attisches Skolion nennt ihn den Sohn der Demeter2. Entscheidender ist jedoch seine Präsenz in zahlreichen ikonographischen Darstellungen, die sich seit dem frühen 5. Jahrhundert nachweisen läßt3 . Auf diesen Vasenbildern wird Plutos regelmäßig als kleiner bis halbwüchsiger Junge in Gegenwart der beiden Göttinnen, insbesondere Demeters, gezeigt. Sein Standardattribut ist weniger das Füllhorn als reife Kornähren. Keine der Quellen gibt indes einen direkten Hinweis darauf, wer in Attika als Plutos’ Vater angesehen wurde. Doch kommt für diese Funktion nur der Ehemann von Kore-Demeter in Frage, PlutonHades, der Herr der Unterwelt. Die Gründe dafür haben wir bereits kennengelernt: Die enge Parallelisierung von Kores Schwangerschaft mit der Entwicklung der Getreidepflanzen auf dem Feld läßt zwingend darauf schließen, daß die Ehe zwischen den beiden Göttern zur Zeit der Aussaat vollzogen wurde. Die Forschung ist seit langem darauf aufmerksam geworden, daß die Namen dieser beiden Götter, Plutos und Pluton, eng miteinander verwandt sind. Die communis opinio geht dahin, Plou'to" für die ursprüngliche, Plouvtwn hingegen für die abgeleitete Namensform zu halten 4 . Einhergehend mit dieser Beobachtung ist die These, daß Plutos und Pluton ursprünglich keine verschiedenen Gottheiten darstellten, sondern erst im Laufe der Zeit unterschieden worden seien5 . Stützen läßt sich diese Annahme damit, daß Pluton nicht selten in der Rolle des Getreidespenders auftritt. Ich möchte hier nur zwei frühe Stellen als Beleg für diesen Hypokorismus anführen. So weist uns Platon darauf hin, daß Pluton nach dem (Getreide-) Reichtum benannt sei, der aus der Erde wächst6 . Doch schon Sophokles benutzte den Namen Pluton, um den Getreidegott zu bezeichnen7 . Explizit wird Pluton von Porphyrios ein agrarischer Wirkungsbereich zugeschrieben. Der 1 2 3 4 5 6 7

Aristoph. Thes. 298. PMG 885: Plouvtou mhtevræ ∆Olumpivan ajeivdw | Dhvmhtra stefanhfovroi" ejn w}rai", | sev te, pai' Diov", Fersefovnh. Zur Ikonographie des Plutos siehe Clinton 1992, 49 61; 81 84; 91 96, und Clinton 1994a. So z.B. Höfer 2569; Nilsson 1967, 471 472. Diese These wird unter anderem vertreten von Preller 1837, 190; Usener 16 17; Eisele; Wilamowitz 2, 158; Kern 1, 130; Zwicker (1027 1028; 1041 und passim); vgl. auch Höfer. Dezidiert gegen diese Annahme hat sich Clinton (1992 passim und 1994a) ausgesprochen. Plat. Krat. 403a: to; de; Plouvtwno", tou'to me;n kata; th;n tou' plouvtou dovsin, o{ti ejk th'" gh'" kavtwqen ajnivetai oJ plou'to", ejpwnomavsqh. Soph. fr. 372 Radt (= Schol. in Aristoph. Plut. 727). Vgl. Orph. Hymn. 18,4 5: Plouvtwn, o}" katevcei" gaivh" klhi'da" aJpavsh", | ploutodotw'n geneh;n brotevhn karpoi'" ejniautw'n. Schol. Hom. Il. 15,192 193; Aristoph. fr. 488,1 2 Kock (= Edmonds). Dieser Gedanke liegt auch noch der Aussage des Firmicus Maternus zugrunde, der Räuber Proserpinas sei ein reicher Bauer gewesen (Err. prof. 7,1: dives rusticus, cui propter divitias Pluton fuit nomen). Weitere Stellen sind aufgeführt bei Zwicker 1027 1028 und passim; Höfer 2569. Auch Wüst, der darauf besteht, daß Plutos und Pluton nur „spielerisch […] vermengt“ worden seien (999), muß zugeben, daß Pluton Hades nicht nur der schreckliche Herr der Unterwelt ist, sondern auch „der wohltätige Förderer alles Lebens, das die Erde spendet“ (998). Entsprechend führt er mehrere Epitheta Plutons an, die eindeutig in den agrarischen Bereich gehören und Plutons „Reichtum und Fruchtsegen verleihende“ Funktion bezeichnen (1002).

Die agrarische Komponente des Demeterhymnos

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neuplatonische Philosoph unterscheidet eine gewrgikhv (,agrarische‘) und eine fqartikhv duvnami" (,Verderben bringende Kraft‘) des Gottes, wobei er die agrarische Kraft für den Reichtum verantwortlich macht1. Einen weiteren Hinweis auf die Richtigkeit dieser These liefern ikonographische Darstellungen, die PlutonHades mit einem Füllhorn zeigen2 . Diese Beobachtungen sprechen in der Tat für eine ursprüngliche Identität von Plutos und Pluton. Sie verleiteten Nilsson und andere zu der Schlußfolgerung, daß Pluton und Hades nicht von Anfang an als Namen ein und desselben Gottes angesehen worden seien. Erst im Laufe der Zeit hätten die Griechen den Getreidegott Plutos/Pluton mit Hades, dem Herrn der Unterwelt, gleichgesetzt3. Doch diese Frage wird uns später beschäftigen. Kehren wir vorerst zu dem Ergebnis zurück, daß Plutos und Pluton keine voneinander verschiedenen Götter sind. Wie ist in diesem Fall der Mythos von der Entführung Kores zu verstehen? Die Göttin kann doch nicht von ihrem eigenen Sohn entführt worden sein, zumal die Entführung genau zu dem Zeitpunkt liegt, den wir auch als Plutos’ Geburtstermin nachgewiesen haben! Bei diesem Problem hilft uns keine antike Quelle. Dagegen dürfte unsere Deutung der Dreiergruppe Kore — Demeter — Rhea den Ansatz für eine Lösung liefern. Das Ergebnis des soziologischen Teils dieser Arbeit war es nämlich, daß die genannten drei Göttinnen die Frau in ihren drei Alters- bzw. sozialen Stufen zeigt: Kore ist die archetypische Jungfrau vor ihrer Heirat, Demeter ist das Urbild der erwachsenen Frau und Mutter, Rhea steht für die Frau jenseits der Fortpflanzungsfähigkeit, die Großmutter. Da eine Göttin allein nicht alle drei Funktionen der Frau zugleich darstellen kann, wurden ihr Mutter und Tochter hinzugesellt. Im Grunde genommen handelt es sich immer um dieselbe Gottheit — eben nur in einer jeweils anderen Lebensphase4 . Eine analoge Deutung möchte ich für Plutos — Pluton vorschlagen. Plutos stellt den jungen Gott dar, das göttliche Vorbild des menschlichen Knaben bis zum Alter der Zeugungsfähigkeit. Pluton hingegen ist der Archetyp des erwachsenen Mannes, der sich eine Frau nehmen und Kinder zeugen kann. Man muß hier wiederum vom Mythos abstrahieren und darf nicht auf den Gedanken einer inzestuösen Beziehung zwischen Kore und ihrem eigenen Sohn kommen. Jeder Mann ist in seinem Leben zuerst Plutos, dann Pluton, jede Frau beginnt als Kore, wird zu Demeter und endet schließlich als Rhea. Der Mythos ist lediglich der Reflex eines Initiationsritus, der den Menschen das Überschreiten der Schwelle zur nächsten Altersstufe erleichtern soll. Mit diesem Ziel zeigt der Kore-Mythos

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Porph. bei Euseb. Praep. ev. 3,11,28: th'" dæ au\ gewrgikh'" aujtou' dunavmew", kaqæ h}n aiJ dovsei" tou' plouvtou, suvmbolon oJ Plouvtwn. oJmoivw" mevntoi kai; fqartikh;n e[cei duvnamin. Vgl. Nilsson 1967, 472. Auf diesen Vasenbildern wird Pluton als reifer oder alter Mann dargestellt, der das Füllhorn im Arm trägt. Vgl. auch Lindner 1988 passim. So z.B. Nilsson 1967, 453. Siehe oben Kap. 3.1.

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Der Mythos von Demeter und Kore

mit seiner engen Verbindung zum Ackerbau die Notwendigkeit der Generationenfolge und des Alterns nicht nur der Frau, sondern auch des Mannes. Ein weiteres Indiz für die Richtigkeit dieser These finden wir in der Ikonographie. Auf zahlreichen Vasenbildern hält Pluton als Symbol des Reichtums ein Füllhorn. Oft ist dieses Füllhorn leer1 . Ist es nicht paradox, einen Gott des Getreidereichtums mit einem leeren Füllhorn darzustellen? Vielleicht hilft es weiter, sich nach einer menschlichen Entsprechung des Gottes umzusehen. Wir haben bereits gesehen, daß Plutos, der Getreidereichtum, für den Knaben und adoleszenten Jüngling steht. Im Laufe einer Initiationsphase wird aus ihm ein erwachsener Mann, Pluton. Dieser Pluton ist es, der sich im Herbst mit Kore-Demeter sexuell verbindet, was die Griechen als Parallele zur herbstlichen Aussaat des Getreides empfanden. Auf der menschlichen Ebene bieten sich mehrere Identifikationsmöglichkeiten für Pluton an. Er ist zum einen der Mann, der sich eine Frau nimmt und eine Familie gründet — oder etwas weiter gefaßt: der Ehemann und Familienvater. Er ist zum anderen aber auch der Mann, der die Felder bewirtschaftet und die Erde durch die Aussaat von Korn ,befruchtet‘ — der Ackerbau treibende Bauer. Diese beiden Deutungen Plutons schließen einander nicht aus, im Gegenteil: Erst dann, wenn ein Mann in der Lage ist, eine Familie zu ernähren, hat er auch das Recht zu heiraten und Kinder zu zeugen. In einer agrarisch geprägten Gesellschaft wie dem antiken Griechenland mußte er zuerst die Fähigkeit besitzen, Ackerland zu bebauen, und es mußte ihm solches Land zur Verfügung stehen 2 . Die erforderlichen handwerklichen bzw. technischen Voraussetzungen erwarb der Mann nicht zuletzt in der Phase seiner Initiation3. Von hier aus ist es nur noch ein kleiner Schritt zum Verständnis derjenigen Darstellungen, die Pluton mit einem leeren Füllhorn zeigen. Denn wenn Pluton unter anderem das archetypische Vorbild des griechischen Bauern ist, müssen wir uns fragen, wann das „Füllhorn“ des Bauern leer sein kann. Dafür gibt es nur zwei Möglichkeiten: Zum einen in der Zeit kurz vor der Ernte, wenn die Getreidevorräte von der letzten Ernte langsam knapp zu werden beginnen. In diesem Fall stünde das Füllhorn metonymisch für das gesamte im Vorjahr geerntete Nahrungsgetreide. Aber auch gleich nach der Aussaat kann das „Füllhorn“ leer sein. Denn für die Aussaat muß der Bauer einen Teil des von ihm erwirtschafteten Getreides für den unmittelbaren Konsum aufgeben und seine Hoffnung darauf setzen, daß 1 2 3

Zur Ikonographie des Pluton/Hades siehe Lindner 1988. Ein eindeutig leeres Füllhorn trägt Pluton z.B. in den Darstellungen 16; 17; 19; 38; 44; 46; 70. Vgl. z.B. die Worte des vermeintlichen Sklaven Daphnis in Longos’ Roman, der bei der Werbung um Chloe deren Vater seine Fähigkeiten im agrarischen Bereich ausführlich schildert (3,29,2). Hiermit sind selbstverständlich nicht alle Voraussetzungen genannt, die ein junger Mann erfüllen mußte, um als gleichwertiges Mitglied der Gesellschaft anerkannt zu werden. Beispielsweise war es auch wichtig, daß ein Mann den Umgang mit Waffen beherrschte, um die Unversehrtheit des Landes und die Sicherheit der Gemeinschaft gewährleisten zu können. Eine sehr anschauliche Schilderung gerade des Aspekts der Wissensvermittlung im Rahmen der Initiation in einer traditionellen Gesellschaft bietet Himmelheber.

Die agrarische Komponente des Demeterhymnos

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das gesäte Korn ihn im nächsten Jahr durch eine erneute reiche Ernte für diesen Verzicht entschädigen werde. In diesem Fall wäre das Füllhorn als Metonymie für den Behälter anzusehen, in dem der Bauer sein Saatkorn aufbewahrt. Es gibt einen entscheidenden Grund, das zweite Verständnis der Darstellung Plutons mit dem Füllhorn zu bevorzugen. Dieser liegt darin, daß im Mythos ein besonderes Gewicht auf den Ereignissen des Herbstes liegt, während die Zeit vor der Ernte nicht eigens erwähnt wird. Die Aussaat des Getreides in den fruchtbaren Boden ist für den frühen Bauern (wie bereits angedeutet) immer auch ein schwieriger Schritt gewesen, denn die weitere Entwicklung der Frucht war vollkommen seiner Einwirkung entzogen und lag allein in den Händen der Götter, die günstige, aber auch ungünstige Witterungsverhältnisse bescheren, ja das Getreide sogar ganz vernichten konnten. Die Gestalt des Pluton konnte durch ihre Vorbildfunktion in dem Bauern indes das Vertrauen darauf wecken, daß er nicht umsonst handle, daß sich die Aussaat lohnen werde. Denn das Ergebnis seiner Aussaat ist Plutos, der Getreidereichtum. Zu den Rechten, ja sogar zu den Pflichten eines athenischen Bürgers gehörte die Gründung einer Familie: Wenn er sich als fähig erwiesen hatte, für eine Familie zu sorgen, durfte er sich eine Frau nehmen. Aber erst durch seine Heirat und die Zeugung von Kindern wurde er zum vollwertigen Mitglied der Gesellschaft, da er auf diese Weise zu deren Fortbestehen beitrug. Aus diesem Grunde ist es für Pluton/Hades wichtig, Kore als Frau zu bekommen1. Er dient damit als mythische Folie für den jungen Mann, der das heiratsfähige Alter erreicht hat. Zum Schluß dieses Kapitels stellt sich noch die Frage, weshalb Pluton, der für die Griechen primär eine positive Gestalt, nämlich der Gott des Getreidereichtums war, und Hades, der furchterregende Gott der Unterwelt und Herr über die Toten, miteinander identifiziert werden konnten. Die Antwort auf diese Frage dürfte sein, daß Pluton und Hades einst aus ein und derselben Gottheit hervorgegangen waren, daß sie positive und negative Seite desselben Gottes verkörperten. Dafür liefert die Interpretation des Mythos von der Entführung Kores mehrere Indizien. Die Menschen pflegten nämlich von alters her, ihre Verstorbenen unterirdisch zu bestatten, was zu der Vorstellung führen mußte, dort herrsche ein Gott über deren Seelen, nämlich Hades. Als man später begann, Ackerbau zu treiben und es weit verbreiteter Brauch war, die Getreidevorräte in unterirdischen Behältern zu lagern2 , dürfte man das so gespeicherte Getreide ebenfalls dieser Gottheit unterstellt haben. Diese Vorräte stellten den Reichtum (plou'to") der Menschen dar, wurden als Gottheit personifiziert und Plutos genannt. So trennte sich im Laufe der Zeit vom Herrscher der Unterwelt die positive, auf den Fortbestand der Mensch-

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Entsprechend Alderink, 7, der ebenfalls eine Veränderung in Hades’ Status feststellt: „Plouton has a wife and hence Hades is no longer a realm of ‘man alone’ but of ‘man and wife’.“ Vgl. oben Kapitel 3.2.2.1.

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Der Mythos von Demeter und Kore

heit gerichtete Seite als Plutos/Pluton1 ab, während die negative, mit dem Tod verbundene Seite bei Hades verblieb. Eine Bestätigung dieser Überlegungen dürfte eine Vorstellung liefern, die allen traditionellen Gesellschaften eigen ist: Jede Initiation ist mit einem symbolischen Tod verbunden. Der Demetermythos berichtet, Pluton-Hades habe Kore in sein Reich — ursprünglich wohl ein unterirdischer Getreidespeicher — entführt. Kore ‚stirbt‘ dadurch in ihrer bisherigen Daseinsform2. Diese doppelte Konnotation der Entführung, die zum einen mit der Getreidespeicherung und somit mit dem Ackerbau in Verbindung steht, zum anderen aber auch mit der Sphäre des Todes, erhärtet das soeben gewonnene Ergebnis. Zusammenfassend ist also festzuhalten, daß Pluton und Hades aus einer einzigen Gottheit hervorgegangen sind, der eine als Gott des Getreidereichtums eine positive Gestalt, der andere als Herr über die Toten eine furchterregende. Es bleibt nun noch eine unbeantwortete Frage: Wo bleibt in diesem Zusammenhang Kore selbst? Die von Cornford angeregte Möglichkeit ihrer Identifikation mit dem unterirdisch gelagerten Getreide fällt, wie wir bereits gesehen haben, weg. Denn in diesem sah man Plutos-Pluton. Doch war es eines unserer Ergebnisse, daß die Griechen Kore-Demeter vom Zeitpunkt ihrer Schwängerung an mit dem Ackerboden parallelisierten, der bestellt wird und im nächsten Sommer neues Getreide hervorbringt. Konsequenterweise müssen wir davon ausgehen, daß die Felder auch schon vor der Aussaat als Äquivalent der Göttin galten. Letztlich hat sie durch ihre Initiation nur die Schwelle zum Erwachsenenalter überwunden, nicht aber ihre Identität geändert: Idealerweise verband sich damit der Übergang von der vorpubertären, noch unfruchtbaren Jungfrau zur reifen, gebärfähigen Frau. Übertragen wir die eben festgehaltene Veränderung von Kore auf die Erde, so dürfte hier ebenfalls an den Wechsel zwischen Unfruchtbarkeit und Fruchtbarkeit zu denken sein. Bekanntlich gab es ihn zur Saatzeit tatsächlich: Denn während in den vier heißen Sommermonaten das Wachstum der Ackerpflanzen zum Erliegen kommt und an Aussaat nicht zu denken ist — die Erde ist in dieser Zeit gewissermaßen unfruchtbar — führen die Herbstregen zum Wiederaufleben der Natur. Die Fruchtbarkeit der Erde kehrt zurück, die Pflanzen können wieder gedeihen. Die jungfräuliche Göttin steht also für den sterilen, unfruchtbaren sommerlichen Ackerboden.

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Zum Verhältnis von Plutos und Pluton siehe oben S. 107 109. Vgl. dazu Kapitel 3.1.1.

Die agrarische Komponente des Demeterhymnos

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3.2.3 Zusammenfassung Der agrarische Teil dieser Arbeit hatte das Ziel, die Verbindungen der Göttinnen Demeter und Kore zur antiken Landwirtschaft neu darzustellen, wobei die Ergebnisse des religionssoziologischen Teils zu berücksichtigen waren. Wir stellten fest, daß der Mythos für die älteste Zeit einen ewigen Frühling ansetzte, der erst durch Kores Entführung unterbrochen wurde. Denn die trauernde und grollende Demeter verursachte eine langandauernde Hitzeperiode, um die Rückgabe ihrer Tochter zu erzwingen. Nach deren Rückkehr sollte sich diese Periode jährlich im Sommer mit seinen Hundstagen wiederholen, wodurch Demeter nicht nur den Wechsel der Jahreszeiten einführte, sondern auch den agrarischen Zyklus begründete. Der Wechsel der Jahreszeiten war im Denken der Griechen eng an das Schicksal Kores gebunden; ebenso gab es eine Parallelisierung von Kores Entwicklung mit der agrarischen: In die Erntezeit legte man den Zeitpunkt ihrer Entführung, in der Saatzeit soll Hades ihr die Rückkehr zu Demeter gestattet haben; diese wiederum akzeptierte jetzt die Ehe ihrer Tochter mit dem Gott der Unterwelt, woraufhin die junge Göttin gleich zu ihrem Gatten zurückkehrte und die Ehe vollzogen wurde. Im Frühling, wenn die Getreidepflanzen ihre Ähren ausbildeten, wurden die Zeichen von Kores Schwangerschaft ebenfalls sichtbar. Die Schwangerschaft ging zu Ende, als auch das neue Getreide geerntet wurde. Als Sohn von Pluton und Kore ging aus ihrer Ehe Plutos hervor, den die Griechen mit dem Getreidereichtum identifizierten. Die Verbindung zwischen dem Schicksal der Göttinnen und dem agrarischen Zyklus ist also sehr eng. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, daß die Demeterfeste, die an jedem der drei genannten Zeitpunkte stattfanden, sowohl einen Bezug zum Ackerbau als auch zum Leben von Demeter und Kore aufweisen.

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Die Feste zu Ehren Demeters

4. DIE FESTE ZU EHREN DEMETERS 4.1 DIE THESMOPHORIEN Die Interpretation des Mythos von Demeter und Kore hat ergeben, daß die Griechen drei Zeitpunkte im Leben Kores für besonders markant hielten. Es handelt sich um ihre Entführung, um das Ende ihres erzwungenen Aufenthalts in der Unterwelt und um den Endpunkt ihrer viermonatigen Ehephase, die von ihr und Demeter akzeptiert ist. Den Angaben des Demeterhymnos zufolge liegen diese drei Zeitpunkte in einem Abstand von vier Monaten zueinander. Die enge Verbindung, die im Verständnis der Griechen zwischen Kores Schicksal und den regelmäßig wiederkehrenden Phasen des Getreideanbaus in Griechenland besteht, ermöglichte es, diese drei Termine im athenischen Kalender zu lokalisieren: Sie fallen in den Skirophorion, wenn die Getreideernte abgeschlossen ist, in den Pyanopsion, unmittelbar bevor die Aussaat beginnt, und in den Anthesterion, wenn die Getreidepflanze die Ähren ausbildet. Zu eben diesen Zeitpunkten liegen Demeterfeste: die Skira, die Thesmophorien und die Chloia. Doch verleiht die angesprochene Parallelisierung von Kore und Ackerbau dem erstgenannten Zeitpunkt eine zusätzliche Valenz: An ihm dürfte nicht nur der Entführung der jungen Göttin gedacht worden sein, sondern auch der Geburt ihres Sohnes. Auf diesen Informationen aufbauend möchte ich mich im folgenden der Untersuchung dieser Feste widmen. Meine These ist, daß die Demeterfeste nicht rein agrarischen Charakter haben, sondern auch Feste der Mädcheninitiation sind. Am Beginn dieses heortologischen Teils werden, abweichend vom Demetermythos, die Thesmophorien stehen — dasjenige Demeterfest, über das wir die meisten Informationen besitzen.

4.1.1 Einleitung Die Thesmophorien sind das einzige antike Fest, von dem wir wissen, daß es über die ganze griechische Welt hin gefeiert wurde1 . Seine zentralen Riten waren Geheimriten, die allerorten allein in der Hand von Frauen lagen. Zu ihnen waren Männer nicht zugelassen, meist waren sie von dem Fest ganz ausgeschlossen 2 . 1 2

Siehe hierzu Nilsson 1906, 313 16; Nilsson 1967, 463; Graf 1985, 277 Anm. 47. So wissen wir, daß in Pellene ein siebentägiges Demeterfest stattfand, an dem teilweise auch Männer anwesend waren. An dessen drittem Tag wurden heiligen Riten ausgeführt, zuvor aber nicht nur Männer, sondern auch männliche Hunde aus dem Heiligtum vertrieben. Am Folgetag durften die Männer offenbar wieder zurückkehren (Paus. 7,27,10).

Die Thesmophorien

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In Athen lagen die Thesmophorien (wie fast überall in der griechischen Welt) kurz vor Beginn der Aussaat. Bei den stadtathenischen Thesmophorien handelte es sich um ein dreitägiges Fest, das vom 11. bis zum 13. Pyanopsion1 gefeiert wurde. Schon an den beiden Vortagen fanden zwei Feste statt, die Stenia (9. Pyanopsion) und die Thesmophorien von Halimus (10. Pyanopsion)2 — ihrerseits ebenfalls Frauenfeste zu Ehren Demeters3 . Vermutlich stellten sie ursprünglich selbständige lokale Thesmophorienfeiern zweier attischer Demen dar, die im Laufe der Zeit als eine Art ,Vorspiel‘ zu den athenischen Thesmophorien betrachtet und gelegentlich zu diesen gezählt wurden 4 .

4.1.2 Der Kreis der Thesmophoriazusen Umstritten ist in der Forschung die Frage, welchen Restriktionen die Teilnahme an den Thesmophorien unterworfen war. Traditionell wird die Meinung vertreten, nur verheirateten Frauen aus angesehenen Familien Athens sei der Besuch des Festes gestattet gewesen5 . Die Teilnahme wäre somit ein exklusives Recht von Wenigen gewesen. Eine solch rigorose Beschränkung steht jedoch in krassem Gegensatz zu dem, was anerkanntermaßen Zweck der Thesmophorien war: Sollen die an diesem Fest durchgeführten Riten sich doch günstig auf das Gedeihen der Feldfrüchte und des menschlichen Nachwuchses auswirken. Beides zusammen war die Grundvoraussetzung für den Fortbestand der Polis Athen. Ist es da nicht eher anzunehmen, daß sich alle Frauen, die auf irgendeine Weise zur Erfüllung einer dieser beiden Voraussetzungen beitragen konnten, an diesem Fest im Thesmophorion einfinden konnten — ja sollten? 1 2 3 4

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Schol. in Aristoph. Thesm. 80, vgl. Phot. s.v. Qesmoforivwn hJmevrai dæ. Vgl. Mikalson 71 73. Stenia: Schol. in Aristoph. Thesm. 834: ta; me;n Sthvnia pro; duei'n tw'n Qesmoforivwn Puaneyiw'no" qæ. Thesmophorien von Halimus: Schol. in Aristoph. Thesm. 80: dekavth/ ejn ÔAlimou'nti Qesmofovria a[getai. Vgl. Phot. s.v. Qesmoforivwn hJmevrai dæ. Vgl. Mikalson 71. Stenia: Schol. in Aristoph. Thesm. 834. Thesmophorien von Halimus: Plut. Sol. 8,4 5; Polyain. Strat. 1,20,2. Vgl. Aristoph. Thesm. 80 mit Schol. und Phot. s.v. Qesmoforivwn hJmevrai dæ. In Aristoph. Thesm. 834 dürften die Stenia pars pro toto für die gesamten Thesmophorien stehen. Momm sen 1864, 296 97, Rohde 550, Mommsen 1898, 319, und Brumfield 79 bezeichnen die Thes mophorien als ein fünftägiges Fest, als deren ersten Tag sie die Stenia werten. Jüngst wurde von Robertson 1999, 1 14 (speziell zu den Thesmophorien in Athen: 2 10; vgl. Robertson 1998, 566 68), die These aufgestellt, daß es sich bei den Thesmophorien ursprünglich generell um ein fünftägiges Fest gehandelt habe. Diese These steht in klarem Widerspruch zu sämtli chen antiken Zeugnissen über das athenische Fest und seine lokalen Varianten, ein Wider spruch, der sich durch Robertsons Erklärungsversuche nicht beheben läßt. Siehe z.B. Alkiphr. 2,37,2; Schol. in Aristoph. Thesm. 585, wo jeweils die Anodos klar als erster Tag bezeichnet wird. Clinton 1996, 115 117, geht davon aus, daß die Thesmophorien in Halimus ebenfalls dreitägig gefeiert wurden, nur einen Tag früher beginnend als die Feiern im Zentrum Athens. Um nur einige Vertreter der communis opinio zu nennen: Preller 1872, 640; Farnell 84; Deubner 53 54; Detienne 1972, 78 81 und passim; Detienne 1989, 137; Versnel 1993, 235; 246 und passim; Calame 1996b, 343; Calame 1997a; Hupfloher 57; Bierl 134.

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Die Feste zu Ehren Demeters

In ihrem Kapitel über die Thesmophorien hat Allaire Brumfield die für die Festteilnahme relevanten Quellen neu ausgewertet. Vor allem konnte sie die Interpretation zweier Passagen aus Isaios 1 auf eine völlig neue Grundlage stellen, die es ermöglicht, seine Aussage in Ergänzung und nicht im Gegensatz zu den übrigen Hinweisen zu sehen. Auf diese Weise gelang ihr der Nachweis, daß jede attische Bürgerin, egal ob arm oder reich, ob Hetäre oder Ehefrau, das Demeterfest besuchen konnte. Auch Sklavinnen waren zugegen, doch daß auch sie an den Geheimriten teilhaben durften, ist zu bezweifeln2 . Wichtig für unsere Belange ist vor allem die Frage, ob Jungfrauen zu dem Fest zugelassen waren oder nicht. In diesem Punkt konnte in der Forschung bis heute kein Konsens erzielt werden, was nicht zuletzt daran liegt, daß es lediglich zwei Zeugnisse gibt, die sich zu dieser Angelegenheit äußern — und zwar genau entgegengesetzt zueinander. So findet sich in den Aitia des Kallimachos die Aussage, einer Frau sei die Teilnahme erst nach dem Vollzug der Ehe möglich, während Lukian klar bezeugt, daß auch adoleszenten Mädchen der Besuch des Festes gestattet war3 . Beide Stellen seien hier in ihrem Wortlaut wiedergegeben: Kallimachos fr. 63 Pfeiffer: ºdoi su;n paidiv: q ≥ª ≥ ≥º ≥ ≥ ≥ ≥avei ≥ ≥ª ≥ ≥ ≥ ≥ ≥ ≥º ≥ ≥ª pºo≥llo;n kh'ri baruªnomevºn≥h ºkalevousa gunh; t ≥ª ≥ ≥ ≥ ≥º ≥ ≥ª ≥ºu≥ ≥av≥n: ≥ ≥ª ≥ ≥ ≥º ≥ª º ≥hi grhu÷" geivtoªn ≥º ≥ª ≥ºrcomevnh º ≥æ ijdei'n ouj gavr min ª ≥ ≥ ≥ºklhvi>ssenª ≥ºo≥n≥t≥a4 º ≥": a[far dæ ajna; me;n qumo;" ªe[ºgento qeªh'º" º ≥to": pollo;n de; peri; fresi;n ajcqhvnasa ºq≥h kouvrh/ pªovºtna caleyamevnh. tou[nºeken ou[ pw" ejsti;n ej≥pæ o[qmasin oªi|ºsin ijdevªsqºai parqeniºkai'" Dhou'" o[rgia Qesmofovrou ºposi;n ejlqevmenai5 pri;n nuvmfia levktra te≥l≥evssai eujagºe;≥" ejk keivnou crhvm≥a≥t≥o≥"≥ ∆Aktiavsin. 1 2

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5

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Isaios 6,49 50 und 8,19. Für die Teilnahme von Hetären an den Thesmophorien sprechen Menand. Epitr. 749; Alkiphr. 2,1 und 2,37; für die Zulassung von Sklavinnen spricht Aristoph. Thesm. 279 94; 537; daß Sklavinnen nicht an den Geheimriten teilnehmen durften, sagt Aristoph. Thesm. 294; Isaios 6,50. Für weitere Einzelheiten sowie die Isaios Interpretation verweise ich auf Brumfield 84 88. Vgl. auch Burkert 1977, 365. Jede andere Deutung von Isaios zwingt dazu, die übrigen Zeugnisse entweder für unglaubwürdig zu erklären oder unbeachtet zu lassen. Es gibt noch eine dritte Quelle, die sich zu diesem Thema äußert und für die Teilnahme von Jungfrauen an den athenischen Thesmophorien spricht, und das ist Schol. in Theokr. 4,25. Da dieses Scholion in der Forschung allgemein als apokryph betrachtet wird, möchte ich es nicht als weiteres Indiz heranziehen, obwohl ich diese Meinung nicht teile. Vgl. unten Kap. 4.1.9. Pfeiffer zweifelnd im Apparat: „[ajne]klhvi>ssen [ij ]ovnta ‘non revocavit abeuntem’ ?“. Pfeiffer liest hier povsin und erläutert im Apparat: „sententiae structuram non intellego; una tantum syllaba deest (prob. 4 litt).“ Er bietet zwei Konstruktionsmöglichkeiten an: „eij" povsin ejlqevmenai sc. parqenikav" aut privn] povsin ejlqevmenai kai; ktl.“.

Die Thesmophorien

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… mit dem Kind; … schwer tragend im Herzen … rief die Frau …; … die Alte den Nachbarn … (5) zu sehen … denn nicht rief sie den gehenden zurück …; sogleich aber wallte der Zorn der Göttin auf …; sie war sehr unwillig in ihrem Herzen [und] … sie grollte dem Mädchen, die Hehre. Deshalb ist es seit jenem Ereignis attischen Jungfrauen verboten, die Feiern der Demeter Thesmophoros (10) mit ihren eigenen Augen zu sehen und sich zu Fuß dorthinzubegeben, bevor sie Hochzeit gefeiert haben.

Lukian, dial. mer. 2,1: gamei'" dæ ouj kalh;n parqevnon: ei\don ga;r aujth;n e[nagco" ejn toi'" Qesmoforivoi" meta; th'" mhtrov", oujdevpw eijdui'a o{ti diæ aujth;n oujkevti o[yomai Pavmfilon. Du heiratest kein schönes Mädchen: Ich sah sie nämlich kürzlich mit ihrer Mutter bei den Thesmophorien; da wußte ich noch nicht, daß ich wegen ihr Pamphilos nicht mehr sehen werde.

Bislang entschied sich die Forschung fast durchweg dazu, Kallimachos’ Angaben zu folgen und den Zeugniswert Lukians zu leugnen1 . Es wäre damit ausgeschlossen, daß auch Jungfrauen an den Thesmophorien zugegen waren. Doch ist es methodisch nicht korrekt, das spätere der beiden Zeugnisse einfach beiseite zu schieben. Vielmehr sollte überprüft werden, ob nicht die Möglichkeit besteht, die beiden Stellen interpretativ miteinander in Einklang zu bringen. Einen ersten Versuch dazu unternahm jüngst Dorothea Baudy. Sie weist darauf hin, daß Kallimachos’ Aussage keineswegs eine reale Ehe voraussetzen muß, sondern einen Ritus meinen kann, durch den der Vollzug der Ehe spielerisch vorweggenommen wird 2 . Durch diese Handlungen überschritten die Jungfrauen symbolisch die Schwelle zum Erwachsenenleben. Zusätzliche Plausibilität gewinnt Baudys Hypothese dadurch, daß Kallimachos bei seiner Darstellung des Mythos von Akontios und Kydippe in demselben Aitienbuch eine solche rituelle Spielhandlung erwähnt, die die Hochzeit antizipierte3 . Entsprechende Riten könnten im Rahmen der Thesmophorien selbst ausgeführt worden sein (eventuell aber auch schon an 1

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So erklärt z.B. Deubner (53 54) die Aussage Lukians willkürlich damit, daß „sich die Sitte in der Kaiserzeit gelockert haben mag“, hält aber auch für möglich, daß „Mutter und Tochter bei einer Festlichkeit des Tages angetroffen wurden, die in profaner Umgebung abseits vom Thesmophorion veranstaltet wurde“. Auch für Versnel 1993, 246, ist Lukians Angabe „untrustworthy“. Dagegen Brumfield 86 zu den Angaben Lukians: „There is no reason to think this was an invention.“ Auch Johansen; Burkert 1977, 365; Simms 1980, 55 und pass.; D. Baudy 1989, 24 27; M. Golden, Children and childhood in classical Athens, Baltimore / London 1990, 76 77 (vgl. auch Golden) und Foxhall 106 (in Anm. 43 präzisierend: „post menarcheal daughters“) gehen meist ohne sich näher zur schwierigen Zeugnislage zu äußern von der Teilnahme von Jungfrauen aus. D. Baudy 1989, 25 Anm. 93. Ihr folgt G. Baudy 1992, 24 Anm. 132. Kall. fr. 75,1 3 Pfeiffer. Solche rituellen Spielhandlungen sind auch sonst gut belegt, vgl. D. Baudy 1989, 25 Anm. 93.

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einem vorausgehenden Demeterfest), so daß die teilnehmenden Jungfrauen dadurch bereits der Gruppe der erwachsenen Frauen angehörten. Selbstverständlich ist hier nicht an Mädchen generell zu denken, sondern lediglich an adoleszente weibliche Jugendliche, die kurz vor ihrer Hochzeit stehen. Indes kann auch eine Interpretation, die das gesamte Kallimachos-Fragment ins Auge nimmt, zur Lösung dieses Dilemmas beitragen. Denn die Verse 1-8 sind der Schluß eines Mythos, der das Verbot begründet1 , weshalb Jungfrauen den Thesmophorien nicht beiwohnen dürfen. Leider sind gerade diese Verse nur sehr schlecht erhalten. Die Personen, die in ihnen vorkommen, sind ein Kind, eine Frau, eine Alte, ein Nachbar und die Göttin Demeter. Pfeiffer geht im Apparat zu Fragment 63 davon aus, daß es sich um eine fabula […] adhuc ignota handle. Doch scheinen die Worte des Kallimachos deutliche Parallelen zu einer bestimmten Episode anderer Demetermythen aufzuweisen. Oft kehrt Demeter nämlich auf der Suche nach Kore bei Menschen ein, regelmäßig nimmt sie dabei selbst menschliche Gestalt an und erscheint als alte Frau. Die grhu?" aus Vers 4 dürfte also mit der Göttin zu identifizieren sein. Die Episode endet häufig damit, daß die Menschen sich falsch verhalten und auf diese Weise Demeter aufbringen2 . So beschreiben auch die Verse 6-8 des Kallimachos-Fragmentes, wie Zorn in Demeter aufsteigt und sich ihrer bemächtigt. Als ‚Übeltäterin‘ ist in dieser Version ein Mädchen auszumachen (v. 8: kouvrh3), von dem die Göttin auf eine nicht näher kenntliche Weise gereizt wird. Vielleicht ist wie bei Ascalabus an eine Verspottung Demeters zu denken4 . Die Verfehlung des Mädchens zieht die bereits genannte Strafe nach sich: Jungfrauen dürfen die Weihen der Demeter Thesmophoros nicht sehen. Doch ist wirklich an einen Auschluß adoleszenter Mädchen zu denken? Ist es nicht vielmehr so, daß Riten häufig eine verbotene Handlung, ein ,Verbrechen‘ mythischer Vorläufer, wiederholen? Aus zahlreichen Beispielen möchte ich nur wenige herausgreifen: Im athenischen Athenakult wird jährlich das Vergehen zweier Töchter des Urkönigs Kekrops wiederholt. Sie hatten trotz Athenas Verbot einen Blick in den ihnen anvertrauten Deckelkorb geworfen, in dem die Göttin den kleinen Erichthonios verborgen hatte. Durch den Anblick des Knaben wurden die Mädchen wahnsinnig und stürzten sich vom höchsten Punkt der Akropolis in den Tod. Komplementär zu diesem Mythos findet der Arrhephoren-Ritus statt, bei dem 1 2

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Vgl. Vers 9: tou[n]eken. Im Demeterhymnos ist Metaneira diejeinige, die die Göttin erzürnt, als sie sie bei dem Versuch stört, Demophon unsterblich zu machen (Hymn. Hom. in Cer. 248 255); eine vergleichbare Version lesen wir bei Ov. Fast. 4,555 558. Von Ascalabus wird Demeter verspottet und ebenfalls aufgebracht (vgl. unten Anm. 4). Vermutlich ist das Mädchen mit dem in Vers 1 genannten pai'" zu identifizieren. Ob das Kind der Frau oder dem Nachbarn zuzuordnen ist, läßt sich nicht entscheiden. Siehe Nik. Ther. 483 487 und Schol. in Nik. Ther. 484c; Anton. Lib. 24. In der ältesten Version des Mythos ist es Iambe, die spottet (vgl. Hymn. Hom. in Cer. 202 204), aus hellenistischer Zeit sind Versionen bekannt, in denen die Göttin von Minthe beleidigt wird. Siehe dazu unten S. 120.

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jährlich zwei Mädchen, die zuvor ein Jahr lang in Diensten der Athena Polias gestanden hatten, mit Körben auf den Köpfen den Nordhang der Akropolis auf einem schmalen Pfad bis in ein nahegelegenes Aphroditeheiligtum hinabsteigen. Mit diesem Weg wiederholen sie symbolisch den Todessturz der Kekropiden, nachdem sie das Geheimnis Athenas mißachtet haben1 . An den Buphonien wird Jahr für Jahr ein Stier getötet, obwohl eben diese Tat als Verbrechen betrachtet und rituell bestraft wird2 . Der Aufstand und Männermord der Frauen von Lemnos wird alljährlich in einem Hephaistosfest nachvollzogen 3 . In Patrai wird jährlich bei einem Fest zu Ehren von Dionysos und Artemis die verbotene Liebesverbindung zweier Jugendlicher rituell wiederholt4. Schon diese kurze Liste, die sich weiter verlängern ließe, dürfte deutlich gemacht haben, daß die rituelle Wiederholung eines ‚Urfrevels‘ den Kern zahlreicher griechischer Kulte bildet. Entsprechendes ist auch für die athenischen Thesmophorien zu postulieren: Bei diesem Fest waren adoleszente Mädchen zugegen, die den Fehler jener von Kallimachos erwähnten Jungfrau rituell nachvollziehen mußten. Der Mythos von der Nymphe Minthe gibt den entscheidenden Hinweis, worin die Strafe für das Vergehen der Mädchen lag. Minthe beleidigte nämlich Demeter und ihre Tochter, indem sie sich rühmte, schöner als Kore zu sein, und drohte, ihr Hades auszuspannen und sie aus der Unterwelt zu verjagen. Darüber waren die Göttinnen erzürnt und töteten die Nymphe5 . Ihr Tod steht symbolisch für das Ende ihrer bisherigen Daseinsform als Nymphe, sie geht damit in die Klasse der erwachsenen Frauen über. Entsprechend sah die Bestrafung aus, die die Mädchen in festlichem Rahmen für den Nachvollzug des Vergehens auf sich nehmen mußten: Sie verloren ihren bisherigen Status als Jungfrauen und ‚mußten‘ Ehefrauen und Mütter werden. Auch der Gründungsmythos für die Thesmophorien in Paros deutet klar auf die zentrale Rolle von Jungfrauen im Rahmen dieses Festes hin. Auf jener Insel soll die trauernde Demeter von König Melissos gastlich aufgenommen worden sein. Aus Dankbarkeit schenkte sie dessen sechzig Töchtern Persephones Webstuhl 6 . Außerdem vertraute sie den Mädchen deren „Leiden und Mysterien“ an, 1

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Der Mythos wird referiert bei Paus. 1,18,2, den Ritus schildert Paus. 1,27,3. Den engen Zusammenhang von Mythos und Ritus hat zuerst Walter Burkert in seinem epochemachenden Aufsatz „Kekropidensage und Arrhephoria“ erkannt und ist dort eingehend besprochen. Vgl. zu den Arrhephoria auch unten Kap. 4.3.5, bes. 4.3.5.3 und 4.3.5.4. Vgl. dazu z.B. Burkert 1972, 153 161. Vgl. dazu W. Burkert, Neues Feuer auf Lemnos. Über Mythos und Ritual, in: Wilder Ursprung, Berlin 1990, 60 76 (zuerst engl.: CQ 1970, 1 16). Vgl. dazu G. Baudy 1998. Der Mythos von Minthe läßt sich aus verschiedenen Zeugnissen rekonstruieren: Opp. Hal. 3,485 497; Strab. 8,3,14; Schol. in Nic. Alex. 374b; Orph. Frag. 44 Kern = Etym. Gud. 395; Phot. m 458 s.v. mivnqa; Pollux 6,68. Nach einer Version wird Minthe von Persephone zerrissen, nach einer anderen von Demeter zertrampelt. Vgl. Detienne 1972, 72 73. Apollodor von Athen, FGrHist 244 F 89 (= P.Oxy. 15, 1802): ejpªavgouºsan de; to;n kavlaqon tai'" nuvmfai" su;n tw/' iJstw/' kai; toi'" e[rgoi" th'" Persefovnh" a– me;n paragenevsqai eij" Pavron kai; xenisqei'san para; tw/' basilei' Melissw/' carivsasqai tai'" touvtou qugatravsi ou[sai"

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womit die Thesmophorien gemeint sind. Von diesen Töchtern des Melissos leite sich die Bezeichnung ‚Melissai‘1 für die die Thesmophorien feiernden Frauen ab. Auf Paros galten also mythische Jungfrauen als die ersten Thesmophoriazusen. Daraus ergibt sich zwingend, daß adoleszente Mädchen die zentralen Figuren dieses parischen Festes waren. Durch diese Analogie werden unsere Ergebnisse bezüglich der athenischen Thesmophorien gestützt. Doch schon allein der aitiologische Mythos der athenischen Thesmophorien führt zu dem Schluß, daß an diesem Fest auch adoleszente Mädchen teilnahmen. Die Thesmophorien sind nämlich, wie die Forschung längst erkannt hat 2 , eine rituelle Inszenierung des Mythos von Kore. In ihm wird, wie in Kapitel 3.1 gezeigt wurde, der Übergang der Demetertochter zur ‚erwachsenen‘ Göttin erzählt, wozu ihre Ausstattung mit eigenen timaiv und ihre Aufnahme in die Göttergemeinschaft ebenso gehören wie der Beginn ihrer Ehe mit Hades und ihrer Schwangerschaft. Wie der Koremythos die Initiation der jungen Göttin schildert, so stellen die Thesmophorien ein Initiationsfest für weibliche Jugendliche dar, die an der Schwelle zum Erwachsenenalter stehen3 . Sie vollzogen die Rolle der entführten Demetertochter symbolisch nach und wurden, deren Vorbild folgend, zu erwachsenen Frauen. Somit können wir abschließend festhalten, daß die Thesmophorien keineswegs ein nur den Matronen vorbehaltenes Fest waren, sondern daß die Restriktionen — abgesehen vom Ausschluß von Männern — nur die noch nicht heiratsfähigen Mädchen betrafen.

4.1.3 Die Vorbereitung auf das Fest: Stenia und Feiern von Halimus Zu den Stenia besitzen wir leider nur wenige Informationen. Photios bezieht sich auf Eubulos, einen attischen Komiker des 4. Jhs. v. Chr., wenn er berichtet, bei den Stenia würde Demeters a[nodo" (‚Weg nach oben‘, ‚Aufstieg‘) gefeiert, Aischrologie gehöre zu diesem Fest, und es handle sich um ein Nachtfest4 . Letzteres

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eJxhvkonta to;n th'" Fersefovnh" iJstovn, kai; prwvtai" aujtai'" ajnadou'nai ta; peri; aujth;n pavqh te kai; musthvria, o{qen kai; melivssa" e[ktote klhqh'nai ta;" qesmoforiazouvsa" øklhqh'naiØ gunai'ka". Melissa (melivssa) bedeutet ‚Biene‘. Zu den Konnotationen der melivssa vgl. Xen. Oikon. 7. Clem. Alex. 2,17 bezeichnet den Koremythos explizit als den aitiologischen Mythos der Thesmophorien. Vgl. Preller 1837, 124; Rohde 554 (allerdings mit Bezug auf die Mysterien von Halimus): „Das Ganze aber stellt sich als eine dramatische Vergegenwärtigung des Raubes der Kore dar.“ Um nur wenige Beispiele aus neuerer Zeit zu nennen: Zeitlin 138; D. Baudy 1989, 24 27. Zu den Thesmophorien als Initiationsfest siehe v.a. Johansen und D. Baudy 1989, 24 27. Phot. s.v. Sthv n ai: eJorth; ∆Aqhvnhsin, ejn h/| ejdovkei hJ a[nodo" genevsqai th'" Dhvmhtro": ejloidorou'nto dæ ejn aujth'/ nukto;" aiJ gunai'ke" ajllhvlai": ou{tw" Eu[boulo". Aischrologie als Bestandteil der Stenia wird von Hesych bestätigt (s 1825 s.v. sthvnia: eJorth; ∆Aqhvnhsin kai; .... diaskwvptousi kai; loidorou'sin).

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weist auf den Mysteriencharakter der Stenia hin. Doch gab es außer dem nächtlichen Frauenfest von Staats wegen ein öffentliches Opfer 1 . Bei den Thesmophorien von Halimus wird die Nähe zu den Mysterien ausdrücklich erwähnt. In ihrem Rahmen scheinen Nachbildungen von männlichen Geschlechtsteilen eine gewisse Rolle gespielt zu haben2 . Eine weitere Nachricht über die Feiern in Halimus verdanken wir pseudo-historischen Notizen, die eine Kriegslist Solons wiedergeben 3 : Solon hieß die opfernden Frauen das Heiligtum verlassen und ließ an ihrer statt junge Männer in Frauenkleidern tanzen. Auf diese Weise gelang es ihm, die angelockten Feinde zu überrumpeln. Zu besagtem Fest gehörten also Tänze von Frauen am Strand bei Kolias und Opfer an Demeter. Für Halimus ist uns ein Demetertempel bezeugt 4 , der das Zentrum dieses Festes gewesen sein dürfte.

4.1.4 Kein Zentralfest für ganz Attika Die stadtathenischen Thesmophorien darf man sich nicht, wie es in der Regel getan wird, als Zentralfest für die Frauen aller Demen vorstellen — darauf hat Kevin Clinton kürzlich mit Nachdruck hingewiesen5 . Die Demen feierten — mancher 1 2

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IG II2 674,6: e[qusan de; kai; ta; Sthvnia paræ auJtwn th'/ Dhvmhtri kai; th'/ Kovrh/ uJper th'" boulh'" kai; tou' dhvmou. Clem. Alex. Protr. 34,2: ∆Alla; ta; me;n ejpi; “Agra/ musthvria kai; ta; ejn ÔAlimou'nti th'" ∆Attikh'" ∆Aqhvnhsi periwvristai: ai\sco" de; h[dh kosmiko;n oi{ te ajgw'ne" kai; oiJ falloi; oiJ Dionuvsw/ ejpitelouvmenoi, kakw'" ejpinenemhmevnoi to;n bivon. Arnobius Adv. nat. 5,28: Pudor me habet Alimuntia illa proferre mysteria, quibus in Liberi honorem patris phallos subrigit Graecia et simulacris virilium fascinorum territoria cuncta florescunt. Plut. Sol. 8,4 5; Polyain. Strat. 1,20,2. Die Zugehörigkeit der Riten zu den Thesmophorien von Halimus wird in den Zeugnissen nicht explizit erwähnt, doch da es sich offensichtlich um ein bedeutendes Demeterfest handelt und da Kap Kolias zum Demos Halimus gehört, ist von der Identität der Feste auszugehen, wie es in der Forschung allgemein getan wird (vgl. Mommsen 1864, 298; Mommsen 1898, 320; Deubner 52; Brumfield 82). Paus. 1,31,1: ∆Alimousivoi" ãme;nà Qesmofovrou Dhvmhtro" kai; Kovrh" ejsti;n iJerovn. Hesych k 4816 s.v. Kwliav": […] e[sti de; kai; Dhvmhtro" iJero;n aujtovqi poluvstulon. Es dürfte sich um dasselbe Bauwerk handeln. So schon Clinton 1992, 32 & Anm. 90; ausführlich nachgewiesen bei Clinton 1996. Das Hauptargument Clintons ist, daß die Thesmophorien in Staatsdokumenten praktisch gar nicht vorkommen, während sie in den Dokumenten der attischen Demen häufig Erwähnung finden; außerdem wissen wir bei einer ganzen Reihe von Demen, daß sie eigene Thesmophorienhei ligtümer besaßen (112 15). Schon Mommsen 1898, 317 Anm. 3, geht davon aus, daß die Frauen der einzelnen Demen im wesentlichen unter sich bleiben. Dezidiert zurückgewiesen wird Clintons These von Robertson 1999, 8 9 und Anm. 25, dessen Hauptargument es ist, daß die Quellen die Thesmophorien als ein „general gathering“ schilderten. Zu diesem Argument ist dreierlei zu bemerken: Zum einen haben diejenigen, die uns über die attischen Feste berich ten, immer in ganz besonderem Maße die reichausgestatteten stadtathenischen Feste im Blick (das waren diejenigen Feste, mit denen Athen Verbündete wie Feinde beeindrucken wollte), die zwangsläufig kleineren ländlichen Feste bleiben meist vollkommen unerwähnt; öffentli ches Interesse finden die Feste der Demen lediglich dann, wenn dort eine Feier von großer Be

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vielleicht zusammen mit einer Nachbargemeinde — ihre eigenen Thesmophorienfeste. Doch besaßen die Thesmophorien im Zentrum Athens die größte Bedeutung. Dafür spricht schon der Ort, an dem die Feier stattfand: das städtische Eleusinion. Es lag im Demos Melite, am Fuße der Akropolis1 . Einem so bekannten und wohlhabenden Heiligtum wie dem athenischen Eleusinion war es sicherlich möglich, das Fest aufwendiger zu gestalten, als dies in den ländlichen Gegenden Attikas der Fall war. Deshalb dürfte es für die Frauen aus ganz Attika ein besonderes Erlebnis gewesen sein, einmal die Thesmophorien im Eleusinion feiern zu können2 . Vielleicht war es für die Frauen aus den umliegenden Stadtgebieten die Regel, an dem dortigen Fest teilzunehmen — das Eleusinion bot genügend Platz.

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deutung stattfindet, wie z.B. die Eleusinischen Mysterien oder das Artemisfest in Brauron. Zum anderen lassen die von Robertson angesprochenen Quellen keine präzisen Rückschlüsse auf den gemeinten Kreis der Teilnehmerinnen zu: Es ist immer von ‚Athenerinnen‘ die Rede sind damit aber nur die stadtathenischen Frauen gemeint, oder schließt diese Bezeichnung auch die Frauen aus den übrigen Demen Attikas ein? Schließlich steht Robertsons Argument Clintons These nicht entgegen, denn da die Frauen aller Demen zeitgleich (oder nur mit mini maler zeitlicher Varianz) in den jeweiligen Heiligtümern die Thesmophorien feiern, entsteht durchaus der Eindruck eines „general gathering“. Als zweites Argument gegen Clintons These gebraucht Robertson die Festkalender der attischen Demen, wo zwar andere Demeterfeste genannt sind, nicht aber die Thesmophorien. Doch wird das Fest, wie schon gesagt, in zahl reichen Dokumenten attischer Demen erwähnt, wodurch auch dieses Argument hinfällig wird. Zusätzliche Unterstützung erfährt Clintons These dadurch, daß wir verschiedene Zentren des Demeterkults kennen (v.a. Gela und Syrakus), in denen es mehrere Thesmophorienheiligtümer gab, das Fest somit also ebenfalls nicht als Zentralfest gefeiert wurde (vgl. dazu die bei Miles 22 Anm. 37 genannte Literatur und außerdem Hinz). Die communis opinio (ausgehend von Aristoph. Thesm. 658), daß die Pnyx einem städtischen Thesmophorienheiligtum Raum geboten habe, wurde schon 1942 von Broneer zurückgewie sen. Vgl. auch Clinton 1996, 119 120 und 123 125; Miles 22 23. Die kürzlich von Robertson ins Spiel gebrachte These, nach welcher das athenische Thesmophorion zwischen dem Areopag, dem Gefängnis Athens und dem Heiligtum der Semnai lag (Robertson 1999, 9), ist aus ökonomischen Gründen nicht plausibel: Weshalb hätte man ein Eleusinion und ein Thesmophorion in unmittelbarer Nähe voneinander errichten sollen? Ebenfalls unglaubhaft erscheint mir Robertsons Meinung, das Thesmophorion sei schon bald zugunsten einer Besiedlung mit Häusern wieder aufgegeben worden. In einem der Briefe Alkiphrons (2,37) rühmt eine Hetäre, die im Zentrum Athens wohnt, bei ihrer auf dem Land lebenden Mutter die städtischen Thesmophorien und drängt sie, dieses Fest zu besuchen. Auch Aristophanes’ Thesmophoriazusen stützen die oben dargestellte Auffas sung: Beim Verhör des als Frau verkleideten Verwandten von Euripides, Mnesilochos, zeigt sich, daß die Thesmophoriazusen einander zwar kennen, was auf ein überschaubares Einzugs gebiet hindeutet eine unbekannte Frau ist jedoch nicht per se verdächtig, woraus ersichtlich wird, daß auch Frauen anderer Demen dieses Fest besuchen durften. Mnesilochos wählt für sich einen kleineren relativ entfernten Demos (Kothokidai, ein wenig nordöstlich von Eleusis) als angeblichen Herkunftsort. An diese Auskunft schließt sich die Frage an, ob er schon in früheren Jahren am stadtathenischen Fest teilgenommen habe (ajnh'lqe" h[dh deu'ro provteron…), was offenbar nicht selbstverständlich ist. Mnesilochos jedoch, in seinem auf Angst be gründeten Übereifer, ja als gute, pflichtbewußte Frau dazustehen, gräbt sich selbst eine Grube, indem er bejahend antwortet, er sei noch jedes Jahr da gewesen diese Auskunft eröffnet den Thesmophoriazusen nämlich die Möglichkeit, ihn über Interna zu befragen (Aristoph. Thesm. 618 635). All das dürfte dafür sprechen, daß im stadtathenischen Thesmophorion im wesentlichen die Frauen aus dem Zentrum Athens vereint waren, daß jedoch Frauen aus entlegeneren Demen Attikas gelegentlich am Fest im Stadtzentrum teilnahmen.

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4.1.5 Die Thesmophorienriten Jeder der drei Tage der Thesmophorien hatte seinen eigenen Namen. Der erste Tag hieß “Anodo" (‚Weg nach oben‘, ‚Aufstieg‘)1, eine Bezeichnung, die im allgemeinen davon abgeleitet wird, daß die Frauen zu einem höhergelegenen Demeterheiligtum hinaufgehen mußten2. Doch hatte dieser Festtag auch einen alternativen Namen, nämlich Kavqodo" (‚Weg nach unten‘, ‚Abstieg‘)3 . Der zweite Tag trug den Namen Nhsteiva (‚Fasten‘)4 , offensichtlich vom Fasten der Frauen an diesem Tag abgeleitet. Er wurde aber auch Mevsh (‚der Mittlere‘)5 genannt. Der dritte und letzte Tag des Festes hieß Kalligevneia (‚der Schönes Hervorbringende‘)6 . Unter diesem Beinamen scheint Demeter am letzten Festtag Verehrung gefunden und zum Abschluß Opfer empfangen zu haben7 . Zu den Thesmophorien gehörte nicht nur die absolute Trennung zwischen Männern und Frauen, die den Bestand der Familien für die Dauer des Festes sozusagen auflöste. Die Frauen wählten sich sogar eigene Anführerinnen (a[rcousai)8 und konstituierten ihre eigene Gesellschaft. Insofern sind die Thesmophorien eine Phase der Anormalität9. Dennoch war jeder Mann verpflichtet, seine Frau an dem Fest teilnehmen zu lassen und für die Kosten aufzukommen10. Ein Gebet aus Aristophanes’ Thesmophoriazusen gibt einen Hinweis auf die Gottheiten, die im Rahmen der Feierlichkeiten Verehrung fanden: Demeter und

Hesych a 5234 s.v. a[nodo": ajnavbasi". hJ eJndekavth tou' Puaneyiw'no", o{te aiJ gunai'ke" ajnevrcontai eij" Qesmofovrion, ou{tw kalei'tai. Schol. in Aristoph. Thesm. 80: eJ n dekav t h Puaneyiw'no" a[nodo". Alkiphr. 2,37,2: hJ me;n ou\n “Anodo" kata; th;n prwvthn gevgonen hJmevran, hJ Nhsteiva de; to; thvmeron ei\nai paræ ∆Aqhnaivoi" eJortavzetai, th/' Kalligeneiva/ de; eij" th;n ejpiou'san quvousin. Schol. in Aristoph. Thesm. 585 (vgl. nächste Anm.). 2 Darauf weist Schol. in Aristoph. Thesm. 585 hin: dio; kai; a[nodo" hJ prwvth levgetai (paræ ejnivoi" kai; kavqodo", dia; th;n qevsin tw'n qesmoforivwn), ejpei; kai; a[nodon th;n eij" to; qesmofovrion a[fixin levgousin: ejpi; uJyhlou' ga;r kei'tai to; qesmofovrion. Vgl. auch Hesych a 5234 (siehe vorige Anm.). Entsprechend verstehen u.a. Mommsen 1898, 320; Deubner 54 den Namen; Zweifel an dieser Deutung äußert Brumfield 82. 3 Photios s.v. Qesmoforivwn hJmevrai dæ: ejndekavth/ kavqodo"; Schol. in Aristoph. Thesm. 585 (vgl. die letzte Anm.). 4 Schol. in Aristoph. Thesm. 80: dwdekavth nhsteiva. Alkiphr. 2,37,2 (siehe Anm. 1); Photios s.v. Qesmoforivwn hJmevrai dæ: dwdekavth/ nhsteiva. 5 Aristoph. Thesm. 80 & Schol. ad. loc. Hesych t 1440 s.v. trivth qesmoforivwn. Vgl. auch Athen. 7,307F. 6 Schol. in Aristoph. Thesm. 80: triskaidekavth kalligevneia. Alkiphr. 2,37,2 (siehe Anm. 21; Photios s.v. Qesmoforivwn hJmevrai dæ: triskaidekavth/ kalligevneia. 7 Alkiphr. 2,37,2: th/' Kalligeneiva/ […] quvousin. 8 Isaios 8,19; vgl. IG II/III2 1184. Vgl. hierzu Burkert 1977, 370; Versnel 1993, 240. 9 Besonders ausführlich behandelt wird dieser Aspekt bei Zeitlin 139 150. Zeitlin 138: „Their (sc. the women’s) entry into ‘Thesmophoric time’ signals the momentary interruption of that ‘normal’ Demetrian time at home.“ 10 Menand. Epitr. 749; Isaios 3,80. 1

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Kore, Plutos, Kalligeneia, Kurotrophos, Ge, Hermes und die Chariten sind genannt1 .

4.1.5.1 Das Lukianscholion als Quelle Die wichtigste Quelle für die Riten, die im Rahmen der Thesmophorien durchgeführt wurden, ist ein Scholion zu Lukians Dialogi Meretricii 2 . Der Text lautet folgendermaßen: Qesmoforivoi"º Qesmoforiva eJorth; ÔEllhvnwn musthvria perievcousa, ta; de; aujta; kai; Skiroforiva kalei'tai. h[geto de; kata; to;n muqwdevsteron lovgon, o{ti, ão{teà ajnqologou'sa hJrpavzeto hJ Kovrh uJpo; tou' Plouvtwno", tovte katæ ejkei'non to;n tovpon Eujbouleuv" ti" subwvth" e[nemen u|" kai; sugkatepovqhsan tw'/ cavsmati th'" Kovrh": eij" ou\n timh;n tou' Eujboulevw" rJiptei'sqai tou;" coivrou" eij" ta; cavsmata th'" Dhvmhtro" kai; th'" Kovrh". ta; de; sapevnta tw'n ejmblhqevntwn eij" ta; mevgara kavtw ajnafevrousin ajntlhvtriai kalouvmenai gunai'ke" kaqareuvsasai triw'n hJmerw'n kai; katabaivnousin eij" ta; a[duta kai; ajnenevgkasai ejpitiqevasin ejpi; tw'n bwmw'n: w|n nomivzousi to;n lambavnonta kai; tw'/ spovrw/ sugkatabavllonta eujforivan e{xein. levgousi de; kai; dravkonta" kavtw ei\nai peri; ta; cavsmata, ou}" ta; polla; tw'n blhqevntwn katesqivein: dio; kai; krovton givnesqai, oJpovtan ajntlw'sin aiJ gunai'ke" kai; o{tan ajpotiqw'ntai pavlin ta; plavsmata ejkei'na, i{na ajnacwrhvswsin oiJ dravkonte", ou}" nomivzousi frourou;" tw'n ajduvtwn. ta; de; aujta; kai; ajrrhtofovria kalei'tai kai; a[getai to;n aujto;n lovgon e[conta peri; th'" tw'n karpw'n genevsew" kai; th'" tw'n ajnqrwvpwn spora'". ajnafevrontai de; kajntau'qa a[rrhta iJera; ejk stevato" tou' sivtou kateskeuasmevna, mimhvmata drakovntwn kai; ajndreivwn schmavtwn. lambavnousi de; kwvnou qallou;" dia; to; poluvgonon tou' futou'. ejmbavllontai de; kai; eij" ta; mevgara ou{tw kalouvmena a[duta ejkei'nav te kai; coi'roi, wJ" h[dh e[famen, kai; aujtoi; dia; to; poluvtokon eij" suvnqhma th'" genevsew" tw'n karpw'n kai; tw'n ajnqrwvpwn oi|on caristhvria th'/ Dhvmhtri, ejpeidh; tou;" Dhmhtrivou" karpou;" parevcousa ejpoivhsen h{meron to; tw'n 1 2

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Aristoph. Thesm. 295 300: Eu[cesqe toi'n Qesmofovroin th'/ Dhvmhtri kai; th'/ Kovrh/ kai; tw'/ Plouvtw/ kai; th'/ Kalligeneiva/ kai; th'/ Kourotrovfw/ th'/ Gh'/ kai; tw'/ ÔErmh'/ kai; Cavrisin, … Zu den genannten Gottheiten und ihrem Bezug zu den Thesmophorienfeiern vgl. Bierl 179 180. Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 (p. 275,23 276,28 Rabe). Der Einfachheit halber folgt die Zeilen nummerierung der Ausgabe von Rabe.

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ajnqrwvpwn gevno". oJ me;n ou\n a[nw th'" eJorth'" lovgo" oJ muqikov", oJ de; prokeivmeno" fusikov". Qesmoforiva de; kalei'tai, kaqovti qesmofovro" hJ Dhmhvthr katonomavzetai tiqei'sa novmou" h[toi qesmouv", kaqæ ou}" th;n trofh;n porivzesqaiv te kai; katergavzesqai ajnqrwvpou" devon.

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An den Thesmophorien: Die Thesmophorien sind ein Fest der Griechen, das Mysterien beinhaltet, die auch Skirophoria genannt werden. Sie werden nach der mythenartigen Erzählung begangen, derzufolge damals, als Kore beim Blumenpflücken von Pluton ge raubt wurde, an jenem Ort ein Schweinehirt namens Eubuleus seine Schweine weidete und sie von dem Chasma der Kore mitverschluckt wurden. Zu Ehren des Eubu leus also würden Ferkel in die Chasmata von Demeter und Kore geworfen. Die verrotte ten Überreste der in die Megara hinabgeworfenen bringen ‘Antletriai’ genannte Frauen herauf, die drei Tage lang Reinheitsvorschriften beachtet haben; sie gehen in die Adyta hinab und legen , nachdem sie sie heraufge bracht haben, auf die Altäre. Sie glauben, daß der, der davon nimmt und es mit dem Saatkorn vermischt, reichen Ertrag haben werde. Sie sagen aber, daß auch Schlangen unten in den Chasmata seien, die das meiste von dem Hinabgeworfenen aufäßen. Deshalb werde auch Lärm gemacht, sooft die Frauen schöpfen und wenn sie jene Gebilde wieder weglegen, damit sich die Schlangen (man hält sie für die Wächter der Adyta) zurück ziehen. Derselbe Ritus wird auch Arrhetophoria genannt und wird aus demselben Grund durchgeführt, nämlich für das Entstehen der Feldfrüchte und für die Fortpflanzung der Menschen. Es werden von dort aber auch unsagbare heilige Gegenstände aus Getreide teig heraufgetragen, Nachbildungen von Schlangen und männlichen Geschlechtsteilen. Sie nehmen auch Pinienzweige, da diese Pflanze sehr fruchtbar ist. werfen jene und die Ferkel in die Megara genannten Adyta, wie ich bereits sagte, auch diese auf grund ihrer Fruchtbarkeit, als Zeichen für das Entstehen von Feldfrüchten und Men schen, als ein Dankopfer für Demeter, da sie das menschliche Geschlecht zivilisierte, indem sie ihm die Demetrischen Früchte gab. Der oben angeführte Grund für das Fest ist also der mythische, der zugrundeliegende ist aber physischer Natur. Thesmophorien aber wird genannt, wie ja auch Demeter den Beinamen Thesmophoros trägt, da sie Gesetze, also ‚Thesmoi‘, gab, denen zufolge die Menschen sich durch Arbeit ihre Nahrungsmittel verschaffen müssen.

Bei dem Scholion1 handelt es sich um das Exzerpt eines uns nicht näher faßbaren Textes hellenistischer Zeit 2 . Dort waren die Riten der athenischen Thesmophorien 1

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Das Scholion wurde zuerst 1870 von Rohde herausgegeben und seither mehrfach interpretiert. Zu nennen sind vor allem Mommsen 1891; Robert; Mommsen 1898, 308 322; Harrison 1908, 121 124; Gjerstad 230 37; Nilsson 1955, 461 466; Deubner 40 60; Brumfield 73 79; Riedweg 117 123 (ausgehend von Clem. Alex. Protr. 12 23,1) und jüngst Lowe. Man dürfte wohl nicht falsch liegen, wenn man mit Riedweg 118 119 als Vorlage ein Sachbuch vermutet, das ein Athener in hellenistischer Zeit verfaßt hat. Riedweg denkt an eine „Abhandlung peri; musthrivwn“. Die Vorschläge, die bislang zur Urheberschaft des dem

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offensichtlich ausführlich beschrieben1 . Der Autor des Kommentars hat seine Vorlage beim Abschreiben stark gekürzt, wodurch eine Reihe von Unklarheiten und Lücken entstanden sind. Eines der Probleme dieser verkürzten Fassung liegt darin, daß der Scholiast die Thesmophorien in die Nähe von den Skira und den Arrhephoria stellt2 . Sicherlich ist hier nicht an eine Identifikation der Feste zu denken, denn wir wissen, daß die beiden anderen genannten Feste rund vier Monate vor den Thesmophorien gefeiert wurden, im Monat Skirophorion3 . Dagegen dürfte der Prätext des Scholions eine große Ähnlichkeit (vielleicht sogar strukturelle Gleichheit) bestimmter Riten postuliert haben, die an jedem der Feste ausgeführt wurden. Zunächst möchte ich mich der Interpretation des LukianScholions zuwenden, das uns trotz der angesprochenen Schwierigkeiten bei genauerer Betrachtung doch recht genau Aufschluß über das geben kann, was sich im Rahmen der Thesmophorien ereignete. Nach Auskunft des Scholions werden an den Thesmophorien Geheimriten (musthvria)4 ausgeführt. Mythisches Aition des Kultes soll ein Mißgeschick sein, das dem Schweinehirten Eubuleus widerfuhr: Zum Zeitpunkt der Entführung Kores weidete er in der Nähe gerade seine Schweine. Als sich die Erde auftat und Hades mit seiner Beute dort in die Tiefe verschwand, stürzte der Hirte samt seinen Tieren in eben dieses Chasma hinab. Die Erzählung ist mit dem Koremythos folglich nicht nur zeitlich und lokal verknüpft, sie stellt auch insofern eine Parallele dar, als hier ebenfalls eine Person (und ihre Tiere) gegen ihren Willen in die Unterwelt befördert wird. Diesem Eubuleus zu Ehren fänden die Riten statt, die der Scholiast im folgenden referiert: Ferkel werden in die Chasmata von Demeter und Kore geworfen. Weshalb verwendet der Scholiast hier den Plural (ta; cavsmata)? Hades kann mit Kore doch nur durch eine Erdspalte in die Unterwelt hinabgefahren sein. Die Antwort auf diese Frage liefert das Scholion selbst: Schon im nächsten Satz ist davon die Rede, daß Frauen die Überreste der genannten Ferkel aus ‘Megara’ heraufholten, gleich darauf wird gesagt, daß sich diese Frauen bestimmten Reinheitsgeboten unterwerfen müßten, bevor sie in die ‚Adyta‘ hinabsteigen. Das führt zu dem Schluß, daß die Quelle unseres Scholiasten das, was sie im mythischen Kontext als

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Scholion zugrundeliegenden Traktats gemacht wurden, sind bei Lowe 157 60 zusammengestellt und diskutiert. Die charakteristische Methode des Autors wird von Lowe 153 160 deutlich herausgearbeitet. Daß dies kein Hirngespinst des Scholiasten ist, zeigt Clem. Alex. Protr. 2,17, der seine Informationen offensichtlich aus demselben Prätext schöpfte: Bouvlei kai; ta; Ferefavtth" ajnqolovgia dihghvswmaiv soi kai; to;n kavlaqon kai; th;n aJrpagh;n th;n uJpo; ∆Aidwnevw" kai; to; scivsma th'" gh'" kai; ta;" u|" ta;" Eujboulevw" ta;" sugkatapoqeivsa" tai'n qeai'n, diæ h}n aijtivan ejn toi'" Qesmoforivoi" megarivzonte" coivrou" ejmbavllousin… Tauvthn th;n muqologivan aiJ gunai'ke" poikivlw" kata; povlin eJortavzousi, Qesmofovria, Skirofovria, ∆Arrhtofovria, polutrovpw" th;n Ferefavtth" ejktragw/dou'sai aJrpaghvn. Zu diesen beiden Festen siehe das Kapitel 4.3. Der Mysteriencharakter der Thesmophorien wird auch sonst erwähnt: Aristoph. Thes. 948; Hdt. 2,171 (vgl. dazu Burkert 1977, 365 Anm. 9); für Ephesos: SIG 820; für Paros: Apollodor von Athen FGrHist 244 F 89.

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‚Chasma‘ bezeichnete, im kultisch-realen Bereich ‚Megaron‘ und ‚Adyton‘1 nannte. Es handelte sich bei diesen ‚Megara‘ also um von Menschenhand geschaffene Nachbildungen jener Erdspalte, durch die Kore in die Unterwelt entführt wurde. Aus dem Text des Scholions kann man schließen, daß es größere unterirdische Räume waren, die das Reich des Hades evozierten. Denn offenbar konnten Frauen (sei es einzeln oder sei es in kleinen Gruppen) in die Megara hinabsteigen und sich dort aufhalten 2 . Der Begriff ‚Adyton‘ (das ‚Unbetretbare‘, also ein in besonderem Maße heiliger Ort) weist darauf hin, daß ein solches ‚Megaron‘ im alltäglichen Leben nicht zugänglich war3 . Derartige unterirdische Kammern mit dem Konnotat der Unterwelt sind uns in einem vorausgehenden Kapitel bereits begegnet, und zwar in Gestalt der unterirdischen Getreidespeicher, der sogenannten Siroi4 . Ich 1 2 3

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Daß ‚Adyton‘ eine andere Bezeichnung für ‚Megaron‘ ist, wird in Zeile 19 ausgeführt. Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 276,4 6 und 10 11 Rabe. Die sprachgeschichtliche Ableitung des Begriffs mevgaron konnte in der Forschung bislang ebensowenig unstrittig geklärt werden wie die Frage, ob dieses kultische ‚Megaron‘ mit jenem homerischen, das man im allgemeinen als Herrscherpalast bzw. dessen zentralen Raum deutet, in Zusammenhang steht. Meist führt man die beiden Bedeutungen jedoch auf zwei Wörter ver schiedenen Ursprungs zurück: Das homerische mev g aron sei aus * megagaron entstanden, während sich der unterirdische Kultraum vom hebräischen me‘ara (‚Höhle‘) ableite (so z.B. É. Boisacq, Dictionnaire étymologique de la langue Grecque, Heidelberg / Paris 1916, 617; L. Ziehen, Mevgaron, RE Suppl. 7, 1940, 439 446, hier: 441; auch H. Frisk, Griechisches etymo logisches Wörterbuch 2, Heidelberg 2 1973, 189; P. Chantraine, Dictionnaire étymologique de la langue Grecque, Paris 1980, 674, gehen von unterschiedlicher Ableitung aus). 1980 hat Siegfried Lauffer die Verwendung des Wortes mevgaron im Epos einer gründlichen Untersu chung unterzogen und dabei festgestellt, daß es keineswegs nur den ‚Herrscherpalast‘ oder den ‚Männersaal‘ bzw. das ‚Frauengemach‘ bezeichnet. Vielmehr wird der Begriff allgemein für jede Art von ‚Haus‘ verwendet, darüber hinaus kann sogar „jeder Raum innerhalb des Hauses mevgaron heißen“ (209). Das Wort steht also für „das ‚Innere‘ der Wohnung, das e[ndon“, es kann auch speziell „das Innerste des Hauses, wo man das Wertvollste verwahrt, also die Schatzkammer“ bezeichnen (211), eine Deutung, die von Pugliese Carratelli 459 übernommen wird. Wie schon Lauffer sah (211 14), liegt mevgaron in der Bedeutung von ‚das Innere einer Behausung‘ in der Tat sehr nahe beim mevgaron als unterirdischer Kultraum. Denn Demeter und Persephone stellte man sich in der Antike als in der Erde wohnend vor, nichts anderes als das ‚Innere der Behausung‘ wird auch hier mevgaron genannt. Entsprechend wird der Begriff von den Lexikographen auch als ‚Behausung‘ unterirdischer Gottheiten bezeichnet (Hesych m 483 s.v. mevgara: oiJ me;n ta;" katwgeivou" oijkhvsei", kai; bavraqra. oijkiva. kai; qew'n oi[khma. Eustath. in Hom. Odyss. 1,27 = p. 1387, 15: Mevgaron de; wJ" ejn rJhtorikw'/ fevretai lexikw'/, ouj movnw" to; koinw'", ajlla; kai; ijdikw'" mevgara, katavgeia oijkhvmatav fhsi tai'n qeai'n h[goun Dhvmhtro" kai; Persefovnh". Porph. antr. nymph. 6 nennt als Kultbauten bzw. räume für die Unterirdischen bovqrou" kai; mevgara). An weiterer Literatur zum mevgaron seien genannt: Fowler; Harrison 1913; Cornford; L. Ziehen, Mev g aron, RE Suppl. 7, 1940, 439 446; Henrichs; Dietrich; Pugliese Carratelli. Zu den Siroi siehe Kap. 3.2.2.1, zur Verbindung dieser unterirdischen Speicher mit Demeter, Persephone und Hades Kap. 3.2.2.4. Das homerische Wort mevgaron kann, wie Lauffer 211 gezeigt hat, auch den innersten und somit sichersten Teil des Hauses, die Schatzkammer, be zeichnen. Der wichtigste Schatz der Menschen im antiken Griechenland war ihr Getreide (vgl. plou'to" ‚reiche Getreideernte‘; ‚Schatz‘), zugleich Hauptnahrungsmittel und Saatkorn. Dieses Gut suchte man an einem möglichst sicheren Ort aufzubewahren, gewissermaßen in einer ‚Schatzkammer‘, die Außenstehenden nicht zugänglich ist und die die Vorräte auch vor Unbilden der Witterung schützt. Diesen Zweck erfüllten die Siroi bzw. die mit ihnen identischen Megara vortrefflich.

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möchte hier eine These aufgreifen, die schon zu Beginn dieses Jahrhunderts von Warde Fowler aufgestellt wurde, und als Arbeitshypothese festhalten, daß es sich bei den Megara um unterirdische Getreidespeicher handelt1. In diese Megara werden also Ferkel geworfen — ein Ritus übrigens, der nach den unterirdischen Räumen megarivzein genannt wurde2 —, um des Schicksals von Eubuleus zu gedenken. Doch es werden auch verschiedene andere Dinge hinabgeworfen, das Scholion nennt sie a[rrhta iJerav (‚unsagbare heilige Gegenstände‘) und führt Gebäckstücke in Gestalt von Schlangen und männlichen Geschlechtsteilen an. Außerdem sind Pinienzweige genannt. All das werde zusammen mit den Ferkeln in die unterirdischen Kammern hinabgeworfen3. Als Wächter haben die Megara — so das Scholion — Schlangen, das ‚chthonische‘ Tier par excellence4 . Diese fräßen auch einen guten Teil des Hinabgeworfenen auf (ta; pollav tw'n blhqevntwn katesqivein). Diesen Angaben ist die Forschung lange Zeit blindlings gefolgt. Sind sie wirklich realistisch? An Gebäckstücken und Pinienzweigen haben Schlangen sicherlich kein Interesse, es blieben also lediglich die Ferkel als Futter für die Kriechtiere übrig. Doch Schlangen verschlingen ihre Beute am Stück, sind dagegen nicht in der Lage, ein Stück von ihr abzubeißen bzw. sie anzunagen. Sie lassen also keine Reste zurück. Ferkel sind indessen zu groß, um von einer der in Griechenland heimischen Schlangen verschlungen zu werden. Hinzu kommt, daß Schlangen kein Aas, sondern ausschließlich lebende Tiere fressen. Damit fallen die Ferkel als potentielle Beute der Schlangen ebenfalls weg. Aber auch die Behauptung, Schlangen wohnten in den Megara, läßt sich nicht verifizieren: Schlangen leben zwar in Mulden wenig unterhalb der Erdoberfläche, nicht jedoch in unterirdischen Kammern. Allaire Brumfield war die erste, die sich über die Lebensweise von Schlangen informierte und so auf diese Widersprüche aufmerksam wurde5 . Daß reale Schlangen in den Megara lebten, war also reine Fiktion. Andererseits erfahren wir, daß Gebäckstücke in die Megara geworfen wurden, die die Gestalt von Schlangen und männlichen Geschlechtsteilen besaßen. Schlangen besaßen eine stark phallische Konnotation 6 . Es könnten mit ihnen also auch 1 2 3 4 5

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Fowler 33. Wenig später griff Cornford die These auf und gründete auf sie seine Interpretation der Eleusinischen Mysterien. Auch Jane E. Harrison (1913) folgte Fowlers Theorie (mit zahlreichen weiteren Belegen). Clem. Alex. Protr. 2,17 (siehe S. 127 Anm. 2). Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 276,15 20. Zur Schlange in der griechischen Religion siehe den 2. Teil von Küsters Arbeit (56 158). Vgl. Brumfield 160 161 und Anm. 17, wo sie weiterführende Literatur nennt. Leider entstehen nach wie vor Arbeiten über Schlangen in griechischen Kulten, denen Realitätsbezug und Verständnis für die Lebensweise dieser Tiere fehlen (so z.B.: Raquel López Melero, La serpiente guaridana en la antigua Grecia. Mito y realidad, in: Jaime Alvar / Carmen Blánquez / Carlos G. Wagner (Hgg.): Héroes, semidioses y daimones, Madrid 1992, 11 31). Vgl. Küster 149 153; G. Baudy 1992, passim, und zuletzt G. Baudy, Das verratene Geheimnis. Zur Rolle der Schlange in antiken Initiationsriten und Kulturentstehungsmythen, in: A. Assmann / J. Assmann (Hgg.): Schleier und Schwelle, 3: Geheimnis und Neugierde, München 1999, 137 163.

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phallische Objekte gemeint sein. Von entsprechend geformtem Gebäck dürfte sich die Fiktion realer Schlangen abgeleitet haben. Was aber hat es mit den Ferkeln auf sich, die man in die unterirdischen Kammern warf? Auffällig ist eine gewisse Inkonsistenz zwischen Mythos und Ritus: Während Eubuleus mit seinen Schweinen (u|") in jenes Chasma stürzt, werden sie im Kult durch Ferkel (coi'roi) ersetzt. Das griechische Wort coi'ro" hat jedoch nicht nur die Bedeutung ‚Ferkel‘, sondern auch die der ‚weiblichen Scham‘1 . Das dürfte darauf hindeuten, daß wir die coi'roi nicht als reale Ferkel sondern ebenfalls als Nachbildungen von (in diesem Fall: weiblichen) Geschlechtsteilen zu betrachten haben2. Daß die weibliche Scham im Rahmen der Thesmophorien Verehrung fand, ist durch ein Zeugnis Theodorets3 gesichert, entsprechend geformte Gebäckstücke sind für die Thesmophorien in Syrakus bezeugt4 . Ein solches Verständnis des Wortes coi' r oi könnte schon im Prätext des Lukian-Scholions erwähnt gewesen sein. Im Scholion ist nämlich unvermittelt von ta; plavsmata ejkei'na (‚jene Gebilde‘)5 die Rede, ein Ausdruck, der aus dem vorhergehenden Text nicht verständlich wird. Erst später werden die Nachbildungen von Schlangen und männlichen Geschlechtsteilen erwähnt. Bislang behalf man sich mit der Vermutung, diese Gebäckstücke seien in der Vorlage des Scholiasten schon vor dem Verweis ta; plavsmata ejkei'na erwähnt worden, was der jedoch ausgelassen habe. Indes traute man bei einer solchen Annahme dem Verfasser der Schrift, die hier als Quelle benutzt wurde, kein großes schriftstellerisches Können zu. Sollte er wirklich die Nachbildungen männlicher Geschlechtsteile in Form von Gebäckstücken bereits genannt haben, bevor er sie mit ta; plavsmata ejkei'na wieder aufnimmt, wenn er sie kurz darauf6 wie etwas Neues einführt? Doch könnten in jener Schrift auch andere plavsmata genannt gewesen sein, nämlich Gebäckstücke, die weibliche Geschlechtsteile darstellen7 . In diesem Fall hätte der Scholi1 2 3 4

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LSJ s.v. coi'ro" nennen als geläufigste Bedeutung „young pig, porker“, selten wird das Wort aber auch synonym mit u| " , su'" verwendet. Als zweite Bedeutung nennen LSJ „pudenda muliebria“. Siehe auch Suda c 601 s.v. coi'ro". Vgl. Zeitlin 144; Golden. So werden die coi'roi auch gedeutet von D. Baudy 1989, 26 Anm. 94, und von G. Baudy 1992, 23 24. Theodor. Graec. aff. cur. 3,84: […] kai; to;n ktevna to;n gunaikei'on (ou{tw de; to; gunaikei'on ojnomavzousi movrion) ejn toi'" Qesmoforivoi" para; tw'n tetelesmevnwn gunaivwn qeiva" timh'" ajxiouvmenon. Herakleides von Syrakus bei Athen. 14,647a: ÔHrakleivdh" oJ Surakovsio" ejn tw'/ peri; Qesmw'n ejn Surakouvsai" fhsi; toi'" Panteleivoi" tw'n Qesmoforivwn ejk shsavmou kai; mevlito" kataskeuavzesqai ejfhvbaia gunaikei'a, a} kalei'sqai kata; pa'san Sikelivan mullou;" kai; perifevresqai tai'" qeai'". Ein Großteil der in IG II2 1184, einer Inschrift aus dem attischen Demos Cholargos aus dem Jahr 334/333, genannten Nahrungsmittel könnte sich auf die Anfertigung derartiger Gebäckstücke beziehen. Leider beharrt der überwiegende Teil der Forschung bis heute auf dem Irrtum, bei den in die Megara geworfenen coi'roi handle es sich um reale Ferkel, siehe zuletzt Sfameni Gasparro 90 und passim oder Bierl 176. Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 276,11 Rabe. Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 276, 15 17 Rabe. Dieser Gedanke findet sich m. W. zuerst bei Mommsen 1891, 133 Anm. 52, jedoch aufgrund von anderen Überlegungen: „Die unqualifizierbaren (ejkei'na, euphemistisch) Gebilde mochten

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ast die Erklärung weggelassen, die seine Vorlage zu den coi'roi bot. Diese Hypothese hat den Vorteil, daß man mit ihr eine glatte Entwicklung der Gedanken des Prätexts rekonstruieren kann. Pars pro toto konnte der Begriff coi'ro" auch als anderer Ausdruck für ‚Mädchen‘ eingesetzt werden1 . Stehen die coi'roi, die in die Megara geworfen werden, etwa für Kore, die von Hades in die Unterwelt hinabgerissen wird? Dann wäre das Entführungsmotiv im Eubuleus-Mythos des Lukian-Scholions verdoppelt worden. Bei Eubuleus müßte es sich folglich um eine Entsprechung des Unterweltsgottes handeln. In der Tat findet sich der Name Eubuleus (und die Nebenform Eubulos) als Beiname bzw. euphemistische Bezeichnung für Hades2 und den (mit ihm identischen) chthonischen Zeus3. Der orphische Hymnos an Pluton nennt Eubuleus als den Entführer Kores, wobei diese Version des Mythos den Raub in Eleusis lokalisiert4 . Neben diesem mit Hades identischen Eubuleus steht ein autochthoner Eleusinier desselben Namens, der als Bruder des Triptolemos gilt: Die Brüder hätten vermocht, Demeter über das Schicksal ihrer Tochter zu informieren, wofür die Göttin sie den Getreideanbau gelehrt habe5. In dieser Version dient Eubuleus als reine

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coi' r oi in dem Sinne wie Ar. Thesm. 289 (th;n qugatevro" coi'ron), andere wieder Ferkel darstellen, weil ja Ferkel weggenommen waren.“ Mommsen 1898, 318 Anm. 4, erwähnt die frühere Deutung nicht mehr, sondern identifiziert die Plasmata nun mit den mimhv m ata drakovntwn kai; ajndrw'n schmavtwn. Bei Aristophanes und anderen Komödiendichtern wird coi'ro" oft in diesem Sinne gebraucht, wobei die Dichter mit der Homonymie von ‚Ferkel‘ und ‚weiblichen Geschlechtsteilen / Mädchen‘ spielen, so z.B. Aristoph. Acharn. 760ff. Vgl. auch Versnel 1993, 257: „It […] appears that the Greek term choiros is predominately applied to young pigs and, accordingly, to (parts of) young girls.“ Cornut. nat. deor. p. 74 Lang: eu[boulon de; kai; eujbouleva kata; ajpoduspevthsin wjnovmasan aujto;n (sc. Hades) wJ" kalw'" peri; tw'n ajnqrwvpwn bouleuovmenon dia; tou' pauvein aujtouv" pote tw'n povnwn kai; tw'n frontivdwn. Hesych e 6720 s.v. Eujbouleuv": Eujbouleuv": oJ Plouvtwn para; ªde;º toi'" polloi'", oJ ãde;Ã Zeu;" ejn Kurhvnh/. Siehe auch Nik. Alex. 14 und Schol. An Literatur zu Eubuleus ist zu nennen Jessen, Eubuleus, RE 6,1, Stuttgart 1907, 861 869; Clinton 1992, 56 63. So (nach Graf 1974, 172 Anm. 72; vgl. Clinton 1992, 60 Anm. 178): IG XII 7,76/77 (Amorgos); IG XI 287 A 69 (Delos); SEG XVI, 478 (Naxos); IG XII 5,277 (Paros); SEG XVIII 343 (Thasos); SEG XI 188 (Korinth); LSCG 96,16 17 (Mykonos); IG V 2,289 (Mantineia). In allen genannten Inschriften ist Zeus Eubuleus (bzw. Buleus) mit Demeter und Kore assoziiert und nimmt offensichtlich die Rolle des Pluton Hades ein. Vgl. dazu Clinton 1992, 58 60. Auch Jessen (wie Anm. 73) und Clinton gehen von einer Wesensgleichheit zwischen Pluton Hades, Zeus Eubuleus und Eubuleus aus. Orph. Hymn. 18,11 15: o}" kratevei" qnhtw'n qanavtou cavrin, w\ poludevgmwn Eu[boulæ, aJgnopovlou Dhmhvtero" o{" pote pai'da numfeuvsa" leimw'no" ajpospadivhn dia; povntou tetrwvroi" i{ppoisin uJpæ ∆Atqivdo" h[gage" a[ntron dhvmou ∆Eleusi'no", tovqi per puvlai ei[sæ ∆Aivdao. Clem. Alex. Protr. 2,20,2; Arnob. adv. nat. 5,25; Paus. 1,14,3 (= Orph. Fr. 51 Kern); vgl. auch Aristid. Panathen. 105,11 p. 53 Dind. Ich betrachte die angeführten Stellen als unterschiedliche Ausgestaltungen derselben Version des Mythos.

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Dublette seines Bruders Triptolemos, dessen Präfiguration wiederum Plutos ist1 . Auch auf diesem Wege gelangt man also zu Pluton-Hades, denn wie bereits gesehen, stellt Plutos nichts anderes dar als diesen Gott als Kind2 . Nur durch seine Identität mit Plutos/Pluton ist es zu erklären, daß Eubuleus in einigen Zeugnissen als Sohn von Kore-Demeter bezeichnet wird 3 . Die Erzählung von Eubuleus, der mit seinen Schweinen von der Erde verschluckt wird, ist demzufolge lediglich eine verschlüsselte Version des Mythos von der Entführung Kores. In ihr wird auf ein Ereignis Bezug genommen, dessen im rituellen Kalender der Athener vier Monate früher gedacht wird: Wie sich in Kapitel 3.2 ergeben hatte, muß die Entführung Kores in die Erntezeit datiert werden, das damit verbundene Fest sind die Skira. Das Lukian-Scholion gibt aber auch Aufschluß darüber, was mit den a[rrhta, den Nachbildungen männlicher und weiblicher Geschlechtsteile also, geschah, nachdem sie in die Megara hinabgeworfen worden waren. Bestimmte Frauen, die sogenannten Antletriai (‚Schöpferinnen‘), stiegen in die Adyta hinab und brächten jene unsagbaren Dinge wieder herauf, um sie dann auf die Altäre zu legen. Wer sich davon nehme und es mit seiner Saat vermische, fügt der Scholiast hinzu, der sichere sich damit dem allgemeinen Glauben nach ein gutes Gedeihen4. Über die Identität der Antletriai wird nichts weiter gesagt. Wir erfahren nur, daß sie sich vor ihrem Gang in die Megara hinab drei Tage lang speziellen Reinheitsvorschriften unterziehen mußten.5 Im Scholion werden sie als gunai'ke" (‚Frauen‘) bezeichnet. Gleichwohl ist davon auszugehen, daß es sich bei ihnen um adoleszente Mädchen handelte6 . Denn wenn sie in einen unterirdischen Raum hinabstiegen, der das Reich des Hades evozierte, dann vollzogen sie damit die Kathodos Kores nach. Entsprechend wird bei ihrem Abstieg in die Megara auch Angst aufgebaut: Lebendige Schlangen — so die Ritualfiktion — halten sich dort auf. Um die (imaginären) gefährlichen Kriechtiere zu vertreiben, machen sie auf ihrem Weg unter die Erde Lärm. Nachdem sie auf diese Weise einen symbolischen Tod erlitten haben, kommt ihre Rückkehr aus den Megara ihrer Wiedergeburt gleich — ein Muster, wie es für Initiationsriten üblich und wie es ebenso im KoreMythos selbst zu finden ist7 . Ihr kurzer Aufenthalt in der ‚Unterwelt‘ markierte 1 2 3 4 5 6

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Zur Figur des Triptolemos vgl. Kap. 3.1.5 und 3.2.2.4. Auch Clinton 1992, 56 59 und passim, stellt Eubuleus, Triptolemos und Plutos zusammen. Siehe oben Kap. 3.2.2.4. So Cic. nat. deor. 3,53; Diod. 5,76,3; Orph. Hymn. 30,6 7; 29,7 8; 41,6 7; 56 (vgl. 52,4). Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 176,4 8 Rabe. Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 176,5: kaqareuvsasai triw'n hJmerw'n. Für die Bezeichnung der Antletriai als gunai'ke", obwohl es sich um Jugendliche handelt, gibt es mehrere potentielle Erklärungen: Zum einen wäre es möglich, daß der Scholiast hier seine Vorlage nicht präzise wiedergibt. Es könnte auch sein, daß der Ausdruck gunai'ke" die Antletriai lediglich als Personen weiblichen Geschlechts charakterisieren soll (vgl. den Ausdruck gunh; parqevno" zur Bezeichnung Pandoras bei Hes. Theog. 513 514). Eine dritte Möglichkeit wird im weiteren Verlauf der Erörterung geboten. Siehe dazu oben Kap. 3.1.

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auch für die Antletriai den Übergang von der Jugend zum Erwachsenendasein, von der parqevno" (‚Jungfrau‘) zur gunhv (‚Frau‘). Als Grund für die Durchführung dieser Riten gibt das Scholion an, sie würden für „die Entstehung der Feldfrüchte und die Zeugung von Menschen“ vollzogen1 . Auch die Wahl von Pinienzapfen und Ferkeln für das megarivzein (‚in die Megara Werfen‘) steht damit in Zusammenhang: Ihre Fruchtbarkeit sei ein Zeichen für „die Entstehung von Feldfrüchten und Menschen“2 . Diese Angaben haben die Forschung lange Zeit dazu bewegt, magische Fruchtbarkeitsriten im Kult der Demeter zu vermuten3 .

4.1.5.2 Zuordnung der Riten zu den drei Festtagen Die Interpretation des Lukian-Scholions hat also die Prämisse bestätigt, von der wir schon seit Beginn dieses Kapitels ausgegangen waren: Das mythische Aition der Thesmophorien bildet die Erzählung vom Schicksal Kores. Das Scholion bezeichnet diese Erklärung des Ritus als lovgo" muqikov" (‚mythischen Grund’)4 . Ist es möglich, die in dem Kommentartext beschriebenen heiligen Handlungen, die ja eng auf den Koremythos zu beziehen sind, auf die drei Festtage der Thesmophorien zu verteilen? Diese Frage läßt sich nur unter Hinzuziehung weiterer Quellen beantworten, die wir zu diesem Demeterfest besitzen.

4.1.5.2.1 Der mittlere Festtag: die Nesteia Am besten sind wir über den mittleren Festtag unterrichtet. Die Nhsteiva ist ein Tag der Trauer, und es handelt sich, wie schon der Name verrät, um einen Fast-

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Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 176,14 15 Rabe. Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 176,17 22 Rabe. Die Pinienzapfen gelten als poluvgonon (18), die coi'roi als poluvtokon (21). So liest man selbst bei Burkert 1977, 369: „Die Manipulation mit den Resten verwester Ferkel zugunsten einer guten Ernte ist das deutlichste Beispiel von Agrarmagie in der griechischen Religion.“ Deubner 51 war davon ausgegangen, daß die Ferkel als „Fruchtbarkeitsträger“ dienten, um „der nach der Ernte erschöpften Erde neue Kräfte zuzuführen“; „mit den Kräften der Erde vollgesogen“ seien sie „als Fruchtbarkeitszauber für die neue Aussaat verwendet“ worden. Nilsson 1967, 463, spricht von einer „auf das Gedeihen der Saat bezüglichen Zauber handlung“. Mommsen (1891, 117 22; 1898, 313 15) war der Auffassung, daß den Ferkeln, um den Gestank des verrottenden Fleisches zu überdecken, Kalk nachgeschüttet wurde; beides zusammen sei dann mit dem Saatgut als Dünger vermischt worden. Simon, 22, und Clinton 1988, 76, interpretieren das verrottete Fleisch der Ferkel ebenfalls als Dünger. Auch Zeitlin, 138, Winkler, 194, und Versnel 1993, 236 Anm. 21 (um nur wenige Beispiele herauszu greifen) schließen sich in diesem Punkt der communis opinio an und sprechen von Fruchtbar keitsmagie, wie in neuster Zeit auch Hupfloher, 57. Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 176,24 25 Rabe; vgl. p. 175, 25: muqwdevstero" lovgo".

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tag1 . Verbunden mit diesem Tag war offenbar auch die rituelle Regression zu einer früheren Kulturstufe: Die Frauen setzten sich auf den Boden 2 , sie lebten in Laubhütten3 und bereiteten sich stibavde" (‚Lager‘) aus Keuschlamm- und anderen Zweigen, denen man antaphrodisische Wirkung zuschrieb4. Von den Thesmophorien in Eretria (Euböa) wird berichtet, die Frauen hätten Fleisch statt im Feuer in der Sonne gebraten5 — eine Fiktion, die zum Ausdruck bringen soll, daß sich die Thesmophoriazusen der Ritualfiktion nach in einer Zeit befanden, in der die Nutzung des Feuers noch unbekannt war. Diesem Befund gemäß spricht Diodor mit Bezug auf die syrakusanischen Thesmophorien von einer Nachahmung des ajrcai'o" bivo" (des ‚altertümlichen Lebens‘)6, was sich ohne weiteres auf die Feiern andernorts übertragen läßt. Durch ihr Verhalten vollzogen die Frauen die Trauer Demeters über den Verlust ihrer Tochter und ihr daraus resultierendes Fasten nach7 . Auch die Göttin selbst hatte sich in ihrer Trauer um einen Verzicht auf kulturelle Errungenschaften bemüht: Sie setzte sich nicht auf Metaneiras Thron, sondern wählte stattdessen einen einfachen Schemel als Sitzgelegenheit; sie wollte keinen Wein zu sich nehmen, sondern bevorzugte mit dem Kykeon ein altertümlicheres Getränk8 . — Vermutlich gehört auch die für die Thesmophorien gut bezeugte Aischrologie in den Kontext dieses Festtages 9 . 1 2 3 4

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Plut. Dem. 30,5; Plut. Is. 378DE (siehe nächste Anm.); Cornut. nat. deor. p. 55 Lang; Athen. 7,307F. Auch Plut. def. orac. 417C dürfte sich auf die Thesmophorien beziehen. Plut. Is. 378DE: kai; ga;r ∆Aqhvnhsi nhsteuvousin aiJ gunai'ke" ejn Qesmoforivoi" camai; kaqhvmenai, (E) kai; Boiwtoi; ta; th'" ∆Acaiva" mevgara kinou'sin ejpacqh' th;n eJorth;n ejkeivnhn ojnomavzonte", wJ" dia; th;n th'" Kovrh" kavqodon ejn a[cei th'" Dhvmhtro" ou[sh". Aristoph. Thesm. 624; 658 und Schol. ad loc. Zur Laubhütte im antiken Griechenland vgl. H. Schäfer, Die Laubhütte. Ein Beitrag zur Kultur und Religionsgeschichte Griechenlands und Italiens, Borna Leipzig 1939, zu den Thesmophorien speziell: 56 57. Siehe z.B. Ael. nat. anim. 9,26; Schol. in Theokr. 4,25b; Schol. in Theokr. 7,68a; Schol. in Nik. Ther. 71a&b; Hesych k 3098 s.v. knev w ron. Zur Bedeutung der Verwendung von Keuschlamm im Rahmen der Thesmophorien siehe D. Baudy 1989, bes. 24 27; zum Keuschlamm allgemein N.M. Borengässer, Agnus Castus ein Kraut für alle Fälle, in: Chartulae. Festschrift für Wolfgang Speyer, Münster 1998, 4 13. Plut. Quaest. Graec. 298BC: Dia; tiv toi'" qesmoforivoi" aiJ tw'n ∆Eretrievwn gunai'ke" ouj pro;" pu'r ajlla; pro;" h{lion ojptw'si ta; kreva, kai; Kalligevneian ouj kalou'sin… Vgl. Plut. def. orac. 417C: eJorta;" de; kai; qusiva", w{sper hJmevra" ajpofravda" kai; skuqrwpav", ejn ai|" wjmofagivai kai; diaspasmoi; nhstei'aiv te kai; kopetoi; pollacou' de; pavlin aijscrologivai pro;" iJeroi'" . Diod. 5,4,7: th'" de; Dhvmhtro" to;n kairo;n th'" qusiva" proevkrinan ejn w|/ th;n ajrch;n oJ spovro" tou' sivtou lambavnei, ejpi; dæ hJmevra" devka panhvgurin a[gousin ejpwvnumon th'" qeou' tauvth", th/' te lamprovthti th'" paraskeuh'" megaloprepestavthn kai; th/' diaskeuh'/ mimouvmenoi to;n ajrcai'on bivon. Plut. Dem. 30,5: katevstreye dæ e{kth/ ejpi; devka tou' Puaneyiw'no" mhnov", ejn h|/ th;n skuqrwpotavthn tw'n Qesmoforivwn hJmevran a[gousai para; th'/ qew'/ nhsteuvousin aiJ gunai'ke". Die Datumsangabe hier ist zwar falsch, Plutarchs Angaben sind aber dennoch klar auf die Nesteia zu beziehen. Vgl. auch Plut. Is. 378DE (siehe Anm. 2). Hymn. Hom. in Cer. 191 196 und 206 211. Für Sizilien bezeugt Diodor Aischrologie an einem traurigen Festtag (Diod. 5,4,7; die Stelle schließt unmittelbar an das Zitat aus Anm. 93 an): e[qo" dæ ejsti;n aujtoi'" ejn tauvtai" tai'" hJmevrai" aijscrologei'n kata; ta;" pro;" ajllhvlou" oJmiliva" dia; to; th;n qeo;n ejpi; th/' th'" Kovrh" aJrpagh'/ lupoumevnhn gelavsai dia; th;n aijscrologivan. Vgl. auch Aristoph. Thesm. 538 539; Plut. def. orac. 417C (wie Anm. 92); Cleomen. 2,1 (p. 61 Todd); und für Pellene Paus.

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Die Feste zu Ehren Demeters

Auf diese Weise machten die Frauen die gesamte Kulturgeschichte gleichsam rückgängig: Die Ehe hatte für diese Tage keinen Bestand (wodurch die verheirateten Frauen in die Zeit vor ihrer Ehe zurückversetzt wurden), man verzichtete auf alle Zeichen der Zivilisation. Der Zustand der ‚verkehrten Welt‘ an der Nesteia diente als Vorbereitung der Mädchen und Frauen auf ihre Aufgaben als Ehefrau und Mutter1 . Gleichzeitig weist die Anormalität dieses Festtages auf die Rückkehr zur Normalität am darauffolgenden Tag voraus.

4.1.5.2.2 Der erste Festtag: die Anodos Aus den Informationen, die wir über die Nesteia besitzen, läßt sich erschließen, daß ihr die Vergegenwärtigung von Kores Entführung vorausging2 . Demzufolge muß sie Bestandteil des ersten Festtages, der [Anodo" (‚Weg nach oben‘, ‚Aufstieg‘) gewesen sein und als Motivation für die Trauer und Entsagungen der Frauen während des zweiten Festtages gedient haben. Es gibt noch ein weiteres Indiz für die Richtigkeit dieser Hypothese, nämlich den in zwei Quellen überlieferten alternativen Namen dieses Tages, Kavqodo" (‚Weg nach unten‘, ‚Abstieg‘)3 . Das Aristophanesscholion hält sogar ausdrücklich fest, daß diese Bezeichnung vom „Niederlegen der heiligen Gegenstände“ herrührt (dia; th;n qevsin tw'n qesmoforivwn). Mit diesen Worten wird offenbar ein zentraler Ritus des ersten Festtages beschrieben: Kores Entführung dürfte evoziert worden sein, indem die Frauen Gebäckstücke in Gestalt von männlichen und weiblichen Geschlechtsteilen in die unterirdischen Megara hinabwarfen, also den Ritus des megarivzein ausführten. Bei

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7,27,10. Auch die Analogie zum Demetermythos spricht dafür, die Aischrologie auf die Nesteia zu legen, denn Iambe heiterte die Göttin während deren Fasten auf (Hymn. Hom. in Cer. 198 205). Mit der Aischrologie usurpierten die Frauen die Sprache der Männer (vgl. dazu Zeitlin 144 145; Versnel 1993, 244). Schon Burkert 1977, 368, hatte darauf hingewiesen, daß „die Enthaltung ihrerseits gegenstrebige Vorbereitung [ist], die auf Erfüllung in Zeugung und Geburt drängt, wie das Fasten zum Opfermahl“. Vgl. D. Baudy 1989, 25: „Wenn also die unter Ausschluß der Männer feiernden Frauen mit dem qesmov " der Ehe zugleich die Kulturgeschichte insgesamt rückgängig machten, so nur deshalb, damit die Lebensordnung rituell neu begründet werden konnte wozu der Fast Tag bereits die Vorbereitung war.“ Auch D. Baudy spricht davon, daß die Frauen in „ihre voreheliche Jugend zurückversetzt waren“. Zum Sinn der Anormalität während der Thesmophorien vgl. auch Koepping 87 93 und passim. Daß die Frauen im Fest zur Jungfräulichkeit regredierten, verleitete Versnel 1993 zu der These, daß sämtliche Indizien, die auf eine Teilnahme realer Jungfrauen an den Thesmophorien deuten, nur eine Umschreibung dieses Sachverhalts sei. Bei seinem Versuch, diese These zu untermauern, gewinnt Versnel zahlreiche wichtige Erkenntnisse über diesen Aspekt, den die Thesmophorien freilich auch haben. Leider entgeht ihm, daß die Thesmophorien ein Initiationsfest sind (er spricht sich S. 253 Anm. 88 ausdrücklich gegen diese Auffassung aus, ohne sie entkräften zu können). Entsprechend scheint auch Bierl 136 die Thesmophorien zu verstehen. Die Entführung selbst fand ja in der Vorstellung der Griechen dem realen Jahresablauf nach zur Erntezeit statt und war Gegenstand des Festes Skira. Schol. in Aristoph. Thesm. 585 (wie Anm. 38); Phot. s.v. Qesmoforivwn hJmevrai dæ: Dekavth/ Qesmofovria, ejndekavth/ kavqodo", dwdekavth/ nhsteiva, triskaidekavth/ kalligevneia.

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dem Gebäck handelte es sich um die symbolischen Entsprechungen von Kore und Pluton-Hades. Die göttlichen Protagonisten wiederum wurden in der Festwirklichkeit von adoleszenten Mädchen repräsentiert, deren Initiation im Verlauf dieses Festes vollzogen wurde1 , und von deren imaginären Bräutigamen2. Vermutlich fand dieser Ritus bei Nacht statt3 .

4.1.5.2.3 Der dritte Festtag: die Kalligeneia Der dritte und letzte Tag der Thesmophorien, die Kalligeneia, brachte die Rückkehr zur Normalität nach der Anormalität der ersten beiden Festtage, insbesondere der Nesteia, mit sich. Nach allgemeinem Verständnis zielte dieser Tag darauf, „sich einen untadeligen Nachwuchs zu sichern“4. Dagegen spricht das Lukianscholion davon, daß die Geheimriten der Thesmophorien „für das Entstehen der Feldfrüchte und für die Fortpflanzung der Menschen“ nützlich seien5 — eine Äußerung, die in den Kontext der Kalligeneia einzuordnen sein dürfte. Entgegen

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Vgl. Johansen 82: „The fact that the swine disappear along with Kore tells us quite simply that when pigs were thrown into megara the real meaning was that Kore, and thus girls of tender years, disappeared into the underworld.“ Daß ebenfalls Nachbildungen männlicher Geschlechtsteile in die Megara hinabgeworfen wurden, erscheint mir auch deshalb wichtig, weil den Mädchen dadurch verdeutlicht wurde, daß nicht nur sie selbst mit bestimmten Riten den Übergang in die Welt der Erwachsenen vollzogen, sondern daß männliche Jugendliche mit vergleichbaren Riten ihren Status wechselten, bevor sie heiraten konnten. Doch war die Initiation der jungen Männer Bestandteil anderer Kulte. Die hier vorgeschlagene Deutung des megariv z ein als symbolischen Nachvollzug der Entführung Kores behebt das Problem der Datierung dieses Ritus, der ja von Clem. Alex. Protr. 2,17 unmißverständlich den Thesmophorien zugewiesen wird (ejn toi'" Qesmoforivoi" megarivzonte" coivrou" ejmbavllousin): Da das Fest, an dem die Frauen in alljährlicher Wiederholung die Entführung Kores begingen, zur Zeit der Thesmophorien bereits vier Monate zurücklag, wurde an dem Herbstfest durch das megarivzein der Grund von Demeters Trauer in Erinnerung gerufen. Damit werden alle Deutungen hinfällig, die das megarivzein auf einen Termin außerhalb der Thesmophorien datieren; in der Vergangenheit wurden vorgeschlagen: die Skira (zuerst von Deubner, 42, ihm folgen z.B. Nilsson 1967, 441; Parke, 83; Versnel 1993, 235), der 21. Boedromion, ein Tag der Eleusinischen Mysterien (Clinton 1988, 76 79) bzw. die Stenia am 9. Pyanopsion (Simon, 20). Daß die zentralen Riten der Thesmophorien bei Nacht stattfanden, wird von Arnob. adv. nat. 5, 24 bezeugt: Vultis enim consideremus mysteria et illa divina, quae Thesmophoria nominantur a Graecis, quibus gente ab Attica sancta illa pervigilia consecrata sunt et pannychismi graves? Für die eleusinischen Thesmophorien ist inschriftlich eine Pannychis bezeugt (L. Ziehen, Leges Graecorum Sacrae, Leipzig 1896 1906, 31, bezieht die Stelle fälschlicherweise auf die Stenia), nämlich durch IG II 2 1363,14 18: iJerofavnthi kai; tai'" iJereivai" tai'" ejn ∆Eleusi'ni ejn tei' pannucivdi parevcein spondav" kai; yaistav . So die Formulierung von Deubner, 57; Mommsen 1864, 301, spricht von der „Geburt schöner Kinder“, Mommsen 1898, 321, von „hübschen Kindern“, Simon, 18, von „beautiful offspring“; Parke, 88, schreibt: „when the women of Athens met together in seed time the climax of their thoughts and interest was the bearing of fine children“; bei Brumfield, 83, lesen wir „that this day concerned fair offspring, human or animal“. Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 276,14 15 Rabe: peri; th'" tw'n karpw'n genevsew" kai; th'" tw'n ajnqrwvpwn spora'"; vgl. p. 276,21 22 Rabe.

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der geläufigen Deutung beziehen sich die Thesmophorien und speziell die Kalligeneia folglich nicht allein auf den menschlichen Nachwuchs, sondern auch (und zwar offensichtlich gleichberechtigt) auf das Keimen und Gedeihen der Saaten. Offenbar ist an diesem Tag die Trauer um Kores Verschwinden vorüber. Die Frauen richten ihren Blick in die Zukunft, auf ihre Rückkehr in die Familie, auf ihre Aufgabe als Ehefrau und Mutter sowie auf die unmittelbar bevorstehende Aussaat — und die jüngsten unter ihnen, die eben erst in die Gemeinschaft der Erwachsenen aufgenommen wurden, auf baldige Ehe und Mutterschaft. Im mythischen Geschehen nimmt die Kalligeneia den Zeitpunkt ein, zu dem Demeter von ihrer Trauer und ihrem Zorn abläßt, sich mit Zeus wieder versöhnt und die Natur zu neuem Leben erweckt. Voraussetzung dafür war Kores Rückkehr aus der Unterwelt — es folgten Kores Ehe und Mutterschaft. Wir müssen also davon ausgehen, daß eine rituelle Inszenierung ihrer Anodos dem letzten Festtag voraus ging1. An dieser Stelle kommen wir wieder auf die im Lukian-Scholion referierten Geheimriten der Thesmophorien zurück. Die an der sogenannten ‚Anodos‘ in die Megara geworfenen Gebäckstücke wurden nach dem Zeugnis des Scholiasten im Rahmen dieses Festes von den Antletriai wieder emporgeholt. In der Diskussion des Lukianscholions hatte ich diesen Vorgang bereits als symbolischen Tod und Wiedergeburt jugendlicher Initiandinnen gedeutet2 . Durch ein Hantieren mit den Nachbildungen männlicher und weiblicher Geschlechtsteile konnte symbolisch der Verbindung zwischen Hades und Kore gedacht werden. Zugleich nahmen die Novizinnen so den Vollzug ihrer eigenen Ehe vorweg3 . Demselben Zweck diente der Verzehr von Granatapfelkernen im Rahmen des Fests4 , der gleichzeitig die symbolische Schwängerung Kores durch Hades mittels eines Granatapfelkerns widerspiegelte. Der Transport der a[rrhta iJerav (‚unsagbaren heiligen Gegenstände‘) wurde wohl in kivstai (in ‚Deckelkörben‘) vorgenommen. Davon zeugt ein athenischer Kalenderfries, bei dem im Monat Pyanopsion, also in der Zeit der Thesmophorien, eine weibliche Figur mit einer kivsth auf dem Kopf dargestellt

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Darauf deutet auch der Kommentar des Photios zu den Stenia, die vermutlich eine lokale Thesmophorienfeier darstellten: eJorth; ∆Aqhvnhsin, ejn h/| ejdovkei hJ a[nodo" genevsqai th'" Dhvmhtro". Daß Photios von der Anodos Demeters spricht läßt sich dadurch erklären, daß Kore nach Beendigung ihrer Initiation die Rolle der Demeter einnahm (vgl. Kap. 3.1.1). Siehe oben S. 132 133. Zurecht sieht also Zeitlin, 144, eine Verbindung zwischen den Nachbildungen von Genitalien und dem Anasyrma Baubos, da dadurch, wie wir gesehen haben der Vollzug der Ehe zwischen Hades und Kore evoziert wird. Clem. Alex. Protr. 2,19,3: w{sper ajmevlei kai; aiJ qesmoforiavzousai th'" rJoia'" tou;" kovkkou" parafulavttousin ejsqivein: tou;" ãga;rà ajpopeptwkovta" camai; ejk tw'n tou' Dionuvsou ai{mato" stagovnwn beblasthkevnai nomivzousi ta;" rJoiav" .

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ist1. All das dürfte in der Nacht vom zweiten auf den dritten Tag der Thesmophorien stattgefunden haben2 . Nachdem die Antletriai die heiligen Gegenstände aus den unterirdischen Räumen emporgeholt hatten, wurden sie auf die Altäre gelegt3 . Offenbar weihte man sie nun der Demeter — das Lukianscholion spricht von caristhvria th/' Dhvmhtri (‚Dankopfer für Demeter‘)4 . Den Grund des Dankes gibt es damit an, daß die Göttin den Menschen zu einem zivilisierten Dasein verholfen habe (ejpoivhsen h{meron to; tw'n ajnqrwvpwn gevno"). Das tat sie, indem sie ihnen die Feldfrüchte zur Verfügung stellte5 . Mit dieser Begründung rekurriert unser Informant über die Thesmophorienriten auf die in der Antike geläufige Vorstellung, daß die Evolution des Menschen eng mit der Veränderung seiner Nahrungsmittelgrundlage zusammenhänge. Durch die Einführung der Getreidenahrung sei die Menschheit in eine neue Kulturstufe eingetreten — eben die von Zivilisation und Kultur 6 .

4.1.6 Demeter Thesmophoros Es bleibt die Frage, worin man in der Antike den Zusammenhang zwischen dem Getreideanbau und der Zivilisation sah. Die Antwort darauf läßt sich ebenfalls dem Lukianscholion entnehmen: Demeter wurde an den Thesmophorien weniger als Getreidespenderin an sich verehrt, sondern vielmehr als Gesetzgeberin (qesmofovro" katonomavzetai). Sie gab Gesetze (tiqei'sa novmou" h[toi qesmouv"), nach denen sich die Menschen durch Arbeit ihre Nahrung verschaffen müssen 7 . Über den Inhalt der Gesetze wird weiter nichts gesagt. Doch der entscheidende Hinweis ist bereits gegeben: Für die Durchführung des Ackerbaus ist Arbeit notwendig, und es gibt gewisse Regeln, wann und wie diese Arbeiten durchzuführen sind (z.B. wann gesät werden kann). Während die Menschen früher in einer Art goldenem

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Abbildung bei Simon plate 1,2 und 3,1. Siehe Arnob. adv. nat. 5,24 (wie Anm. 102). Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 276,6 Rabe. Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 276,22 Rabe. Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 276,22 24 Rabe. Vgl. die Ausführungen und Zeugnisse zu diesem Thema in Kap. 3.1.4. Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 276,25 28 Rabe. Dies ist die in der Antike geläufige Erklärung von Demeters Beinamen. So auch Diod. 5,5,2 3: oujk a[xion de; paralipei'n th'" qeou' tauvth" th;n uJperbolh;n th'" eij" tou;" ajnqrwvpou" eujergesiva": cwri;" ga;r th'" euJrevsew" tou' sivtou thvn te katergasivan aujtou' tou;" ajnqrwvpou" ejdivdaxe kai; novmou" eijshghvsato kaqæ ou}" dikaiopragei'n eijqivsqhsan, diæ h}n aijtivan fasi;n aujth;n qesmofovron ejponomasqh'nai. touvtwn de; tw'n euJrhmavtwn oujk a[n ti" eJtevran eujergesivan eu{roi meivzona: kai; ga;r to; zh'n kai; to; kalw'" zh'n perievcousi. Serv. in Verg. Aen. 4,58: Legiferae Cereri: leges enim ipsa dicitur invenisse nam et sacra ipsius ‘thesmophoria’ vocantur ((id est ‘legumlatio’)), sed hoc ideo fingitur quia, ante inventum frumentum a Cerere, passim homines sine lege vagabantur; quae feritas interrupta est invento usu frumentorum, postquam ex agrorum discretione ((divisione)) nata sunt iura. thesmophoria autem vocantur legumlatio, an quia in aede Cereris aere incisae positae leges ferunt? Phot. s.v. Qesmofovro": oJ tou;" novmou" ejpiferovmeno".

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Zeitalter lebten und sich um nichts kümmern mußten, waren sie durch die Konstituierung der Jahreszeiten durch Demeter1 auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen, zu arbeiten und die gegebenen Regeln zu befolgen. Als Thesmophoros wird Demeter also verehrt, wenn in ihrem Kult speziell der Aspekt der Gesetzmäßigkeit des von ihr geschaffenen Jahresablaufs und der entsprechenden bäuerlichen Arbeiten im Vordergrund steht2 . Wie sich gezeigt hat, ist der Kulturstufenwechsel der Menschheit im Mythos an den lebensgeschichtlichen Übergang Kores vom Mädchen zur Frau gekoppelt. Doch die Ereignisse im Leben der jungen Göttin werden auch mit den Vorgängen im agrarischen Jahr parallelisiert3 . Mit der Aussaat vollziehen die Menschen die Schwängerung Kores durch Hades nach, den Vollzug der Ehe also, die Demeter kurz zuvor gebilligt hatte. Durch die Akzeptanz der Ehe ihrer Tochter wird Demeter zusätzlich zur Ehegöttin4 , denn die Menschen folgen dem göttlichen Vorbild nicht nur im Ackerbau, sondern auch, indem sie gleichfalls Ehen schließen und Kinder in die Welt setzen. Die qesmoiv (‚Regeln‘, ‚Gesetze‘) Demeters umfassen also über den agrarischen Bereich hinaus das menschliche Zusammenleben. Eben dieser Kulturstufenwechsel wird von den Frauen beim Thesmophorienfest nachvollzogen, wenn sie an der Nesteia den ajrcai'o" bivo" (das ‚altertümliche Leben‘) nachahmen und am darauffolgenden Festtag, nach der Inszenierung von Kores Rückkehr, die Einführung des Getreidebaus und der qesmoiv (‚Regeln‘, ‚Gesetze‘) Demeters feiern. Das Anliegen der Frauen ist es, daß Demeter für „das Entstehen von Feldfrüchten und für die Fortpflanzung der Menschen“ sorgt — das eine Grundvoraussetzung für den Fortbestand der Zivilisation, das andere Grund1

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Vgl. dazu Kap. 3.2, bes. 3.2.1. Daß unter qesmov" bevorzugt ein von Göttern gegebenes Gesetz verstanden wurde, bezeugt Hesych q 379 s.v. qesmovn: qei'on novmon; siehe auch Hesych q 382 s.v. qesmouv"; vgl. Cornut. Theol. 28 p. 56 Lang. In der Forschung wird die Etymologie von qesmov" seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert, vgl. die Diskussion der wichtigsten Vorschläge bei Brumfield 1981, 70 73; sie selbst deutet die qesmoiv als „the divine rites, […] all the women’s traditional rituals, whose performance was first revealed by her [sc. Demeter]“, ein Verständnis, das m.E. zu kurz greift. Sollte die oben gegebene Interpretation von qesmov" / qesmofovro" vielleicht auch nicht die ursprüngliche sein, so zeigt die weite Verbreitung eben dieses Verständnisses von Demeters Beinamen qesmofovro" (vgl. auch die vorige Anm.), daß damit ein eminent wichtiger Aspekt von dem Wesen und Wirken der Göttin erfaßt wurde. Auch Cornut. Theol. 28 p. 56 Lang leitet Demeters Beinamen Thesmophoros von den Regeln ab, die die Menschen in der Landwirtschaft befolgen müssen: dia; de; th;n ajfqonivan tw'n sithrw'n ejpauvsanto oiJ a[nqrwpoi duspovristan kai; ajmfidhvriton th;n trofh;n e[conte", w{ste kai; suntiqevmenoiv tina pro;" ajllhvlou" peri; tw'n kata; ta; hjrotriwmevna mevtrwn kai; dianemovmenoi ta; gennwvmena dikaivw" ajrchgo;n e[legon novmwn kai; qesmw'n th;n Dhvmhtran aujtoi'" gegonevnai: ejnteu'qen qesmoqevtin aujth;n proshgovreusan oi|on nomoqevtin ou\san, oujk ojrqw'" tinwn qesmo;n uJpolabovntwn eijrh'sqai to;n karpo;n ajpo; tou' aujto;n ajpotivqesqai kai; qhsaurivzesqai. Die Wichtigkeit der Arbeit in der Landwirtschaft, insbesondere der pünktlichen Durchführung der einzelnen agrarischen Tätigkeiten, wird von Hesiod in den Erga immer wieder betont. Nur durch Arbeit kann der Mensch dem Hunger entgehen (z.B. Hes. Erg. 299 326; 392 395). Ausführlich dargestellt in Kap. 3.2, bes. 3.2.2. Zu Demeter als Ehegöttin siehe Serv. in Verg. Aen. 4,58. In Serv. in Verg. Aen. 4,99 wird Demeter mit Hymenaios und der Ehe in Verbindung gebracht. Auf diesen Aspekt Demeters legt Detienne 1972, 60 71 und passim, zurecht größten Wert.

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voraussetzung für den Fortbestand der Spezies Mensch. Das veranlaßt die Frauen, am Schlußtag der Thesmophorien zu Kalligeneia zu beten, womit niemand anders gemeint ist als Demeter selbst1 , die für das ‚gute Entstehen‘ von Saaten und menschlichen Nachkommen sorgen soll.

4.1.7 Die Verteilung von heiligem Saatkorn Die Aufgabe der Antletriai dürfte jedoch nicht darin erschöpft gewesen sein, daß sie die iJerav aus den Megara emporholten und sie auf den Altären von Demeter plazierten. Darauf deutet der Satz im Lukianscholion hin, wonach, wer „davon“ (w|n) nehme und es mit dem Saatkorn vermische, sich „reichen Ertrag“ (eujforivan) versprechen könne2 . Syntaktisch ist der relative Satzanschluß w|n eindeutig zu beziehen, nämlich auf die im vorhergehenden Satz genannten ta; de; sapevnta tw'n ejmblhqevntwn eij" ta; mevgara kavtw (‚die verrotteten Überreste der in die Megara hinabgeworfenen Dinge‘), doch wie sinnvoll ist diese Aussage wirklich? Es handelt sich ja nur der Ritualfiktion nach um die Reste der in die Megara geworfenen Ferkel, in Wirklichkeit sind Gebäckstücke gemeint, die männliche und weibliche Geschlechtsteile nachbilden. Weshalb sollte man solches Gebäck mit dem Saatkorn vermischen, bzw. weshalb sollte man aufgrund der Vermischung solchen Gebäcks mit dem Saatkorn eine reiche Ernte erwarten? Wenn dieser Ritus noch an den Thesmophorien (und das heißt auch: im Thesmophorion) stattfand, woher kam dann plötzlich das Saatkorn? Wenn aber ein Ritus gemeint ist, der erst zu Hause mit dem eigenen Saatgut durchgeführt wurde, die Frauen also jene Gebäckstücke mit nach Hause nehmen mußten, war damit nicht das Geheimnis der Thesmophorien gefährdet? Meine Hypothese zu diesem Problem beruht auf der weiter oben postulierten Identität zwischen den Megara und den unterirdischen Getreidespeichern, den Siroi. Wir wissen, daß dem eleusinischen Demeterheiligtum große Mengen von ajparcaiv (‚Erstlingsopfer‘) zuflossen3 , in geringerem Ausmaß dürfte auch das Eleusinion in Athen (und die anderen Thesmophorienheiligtümer Attikas) in den Genuß solcher Abgaben gekommen sein. Es ist anzunehmen, daß dieses Getreide wie in Eleusis in unterirdischen Kammern aufbewahrt wurde, um (zumindest zum Teil) als Saatgut zu dienen4 . Die Thesmophorien waren bekanntlich ein Fest vor 1

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Hesych k 472 s.v. Kalligevneian: ouj th;n gh'n, ajlla; th;n Dhvmhtran. oujdei;" ga;r ou{tw" e[fh th;n gh'n kalligevneian. Falsch ist es, Kalligeneia mit Arbesmann, 91, als Beinamen Demeters zu verstehen, der sich von ihrer Funktion als „Mutter des schönen Kindes, das auf bunter Wiese Blumen pflückt und dessen Liebreiz den Räuber Hades lockt“ ableite. Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 276,7 8. Vgl. das sogenannte Aparche Dekret, IG I2 76 = LSCG 5 = Syll3 83. Die Lagerung in unterirdischen Speichern ist freilich nur dort möglich, wo die Bodenverhältnisse es zulassen. Andernorts muß diese symbolische ‚Unterwelt‘ durch ein andersartiges Bauwerke ersetzt worden sein.

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der Saatzeit, wodurch sie der geeignete Zeitpunkt waren, das zur Aussaat bestimmte Korn wieder heraufzuholen. Folglich könnte es Aufgabe der Antletriai gewesen sein, das Saatkorn aus den Megara mitzubringen. Der Gedanke, daß dieses heilige Saatkorn aus dem Demeterheiligtum zu einer Ertragssteigerung führen kann, wenn es mit dem eigenen Getreide vermischt wurde, dürfte sehr nahe gelegen sein. Schließlich handelte es sich bei ihm in den Gedanken der Kultteilnehmerinnen um die Entsprechung jener Körner, die einst Triptolemos den Menschen geschenkt hatte, und mit der jeweils bevorstehenden Aussaat wurde die mythische erste Aussaat in der Menschheitsgeschichte nachvollzogen. Ob diese Funktion der Antletriai in der Vorlage des Lukian-Scholions genannt war oder nicht, läßt sich nicht entscheiden. Jedenfalls dürfte der Grund dafür, daß diese Komponente des Ritus nicht erwähnt wird, in der Gebräuchlichkeit der ‚Megara‘ als Getreidespeicher liegen. Wenn nun in der Antike derartige unterirdische Räume an die Aufbewahrung von (Saat-)Korn denken ließen, dann assoziierte man quasi automatisch das Emporbringen des Saatkorns, wenn von Frauen die Rede war, die unmittelbar vor der Aussaat in unterirdische Kammern hinabstiegen1 . Sicherlich ist die Bezeichnung „Antletriai“ (‚Schöpferinnen‘) selbst als Indiz für die Richtigkeit der hier vorgestellten Hypothese zu betrachten: Die Metapher des Schöpfens paßt für das Heraufholen von Gebäckstücken nicht, während man sich gut vorstellen kann, daß die Entnahme von Getreide aus einer unterirdischen Vorratskammer das Bild des ‚Schöpfens‘ evozierte. Möglicherweise gibt es auch dafür, daß gerade die Frau das heilige Saatgetreide mitbrachte, eine mythische Grundlage, die allerdings nur ikonographisch belegt ist. Auf einigen Vasenbildern ist Triptolemos auf seinem Schlangenwagen abgebildet, vor ihm stehen Menschen. Der Heros hält in einer Hand Getreidehalme. Es handelt sich offensichtlich um eine Szene, in der er den Menschen Getreide schenkt. Die Frauen betrachten jeweils einen kleinen Gegenstand in ihrer Hand, den Clinton als eine Ähre gedeutet hat 2 . Triptolemos hat seine Aufgabe bei diesem Paar also bereits erfüllt, das Saatkorn in Gestalt dieser Ähre hat er der Frau gegeben, die das unbekannte Objekt noch bestaunt. Nach dieser Übergabe können die Menschen die erste Aussaat von Getreide vornehmen. Daß die Antletriai Saatgetreide und Gebäck in Gestalt von Geschlechtsteilen aus den Megara emporholten, bringt die Parallelisierung von menschlicher und agrarischer Zeugung klar zum Ausdruck: Mit dem Gebäck hatten die Novizinnen symbolisch die Verbindung zwischen Hades und Kore wiederholt und damit gleichzeitig ihre eigene Eheschließung vorweggenommen. Mit dem Saatkorn, das

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Die Verwaltung der Vorräte oblag im antiken Griechenland der Frau. Siehe Xen. Oikon. 7,25. Clinton 1994b, 164. Dort auf S. 165 die Abbildungen der Vasen (Göttingen, Archäologisches Institut der Universität J 14 = LIMC IV 2 Hades 34; Würzburg, Martin v. Wagner Museum der Universität L 197 = LIMC VIII 2 Triptolemos 54; vgl. außerdem LIMC VIII 2 Triptolemos 62 und 63).

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sie mitbrachten, wurde bald darauf die Aussaat vollzogen, was im Denken der Griechen eine rituelle Wiederholung der ersten Aussaat durch Triptolemos und zugleich die Schwängerung Kores durch Hades darstellt. Es bedarf noch einer Erklärung, wie es zu der doppelten Benennung des ersten Festtages kommen konnte, zumal die beiden Namen genau entgegengesetzte Bedeutung haben: “Anodo" (‚Aufstieg‘) und Kavqodo" (‚Abstieg‘). Die Bezeichnung Kathodos dürfte von den Riten dieses Tages herrühren, durch die Kores Entführung in die Unterwelt evoziert wurden. Dagegen ist das Fest insgesamt eine Feier der Rückkehr Kores aus der Unterwelt — also ihrer Anodos — und der sich daraus ergebenden Konsequenzen1 . Könnte es sein, daß “Anodo" ursprünglich als (vielleicht alternativer) Name für das gesamte Fest diente, der im Laufe der Zeit durch Qesmofov r ia ersetzt wurde? Die eine Bezeichnung leitete sich aus der mythischen Vorstellung von der Rückkehr Kores ab, der andere von den Festriten, anhand deren der Kulturstiftung durch Demeter Thesmophoros gedacht wurde. Durch die größere Prägnanz desjenigen Namens, der sich von den Riten ableitet, könnte er sich durchgesetzt haben.

4.1.8 Weitere Riten der Thesmophorien: Diogma und Zemia Weitere Riten werden mit den Thesmophorien verbunden. So berichtet uns Hesych von einem Opfer namens divwgma (‚Verfolgung‘)2 , das im Rahmen des Festes stattgefunden habe. Aus der Bemerkung, es sei ejn ajporrhvtw/ (‚in dem, was man nicht sagen darf‘) dargebracht worden, ist zu schließen, daß es Bestandteil der Geheimriten war. Vermutlich denselben Teil des Demeterkults meint die Suda, wenn sie von einem Calkidiko;n divwgma spricht3 . Diese Bezeichnung wird darauf zurückgeführt, daß die Thesmophoriazusen einst im Krieg für die erfolgreiche Verfolgung der Feinde beteten, und diese sich daraufhin tatsächlich nach Chalkis zurückziehen mußten. Sicherlich ist dies nicht als historische Tatsache zu werten, sondern vielmehr als historisiertes Aition für einen Ritus (novmimon), den die Frauen durchführten: die Verfolgung eines Feindes. Mit Blick auf den Koremythos gibt es nur eine Möglichkeit zur Identifikation dieses Feindes: Hades. Verschiedene Versionen des Mythos berichten, die Spielgefährtinnen Kores hätten den Entführer

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Diese Doppelbenennung des ersten Festtages wird in der Forschung nur selten ernst genommen. Harrison 1908, 123, und Dietrich, 8, folgern aus ihr, daß Abstieg und Rückkehr der Antletriai an diesem Festtag stattfanden. Hesych d 2036 s.v. divwgma: qusiva ti" ∆Aqhvnhsin ejn ajporrhvtw/ teloumevnh uJpo; tw'n gunaikw'n ejn toi'" Qesmoforivoi". to; aujto; kai; ajpodivwgma u{steron ejklhvqh. Suda c 43 s.v. Calkidiko;n divwgma: toi'" Qesmofovroi" ∆Aqhvnhsiv ti novmimon ejn polevmw/ gunaikw'n eujxamevnwn diwcqh'nai tou;" polemivou", kai; sunevbh fugei'n eij" Calkivda: wJ" kai; Sh'mo".

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in der Absicht verfolgt, ihn aufzuhalten und die Göttin zu befreien1 . Diese Situation dürfte durch das Diogma evoziert worden sein. Damit wäre dieser Brauch dem ersten Festtag zuzuordnen2. Zhmiva (‚Strafe‘) war der Name eines anderen Opfers, das an den Thesmophorien stattfand. Es werde für das dargebracht, was sich im Laufe des Festes ereignet habe, lesen wir bei Hesych3 . Das legt die Kalligeneia als Zeitpunkt für dieses Opfer nahe. Deubner hält die Zemia für ein „Sühnopfer für Verfehlungen […], die sich während des Festes zugetragen hatten“4. Dagegen könnte man auch damit rechnen, daß von den Initiandinnen erwartet wurde, ein Gebot zu übertreten bzw. ein Verbot zu mißachten, wie es z.B. nach Walter Burkerts Interpretation für das Arrhephorenritual durch den zugehörigen Mythos vorgegeben wird5 . Wenn hier wirklich eine Parallele vorliegt, so könnte die Strafe darin liegen, daß die Novizinnen keine Jungfrauen bleiben durften, bei dem Opfer könnte es sich um ein Zeichen der zu Ende gegangenen Jungfräulichkeit handeln, beispielsweise eine Haarlocke. Es könnten aber auch diejenigen Gebäckstücke als Opfer dargebracht worden sein, mit denen die Mädchen zuvor symbolisch den Geschlechtsverkehr nachvollzogen hatten. Weiterhin ist überliefert, daß es Brauch war, für die Dauer der Thesmophorien die Gefangenen freizulassen6. Versnel erklärt dies mit dem Charakter der Thesmophorien als Fest der „verkehrten Welt“ 7 .

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So auch Farnells Vermutung, die er jedoch selbst gleich wieder verwirft, um ein ursprüngliches Menschenopfer ins Spiel zu bringen (92/3). Für Attika ist die Verfolgung Plutons durch die Spielgefährtinnen Kores bezeugt bei Eur. Hel. 1315 1318. Vgl. auch Firm. Mat. err. prof. 7,3. In diesen Zusammenhang scheint man auch die Berichte darüber stellen zu müssen, daß Männer, die den Versuch unternahmen, die Thesmophoriazusen bei ihrem Tun zu beobachten, von diesen ertappt und bestraft / getötet wurden (besonders prominent: Battos (z.B. Suda s 1714 s.v. sfavktriai); vgl. auch Mnesilochos, den Voyeur in Aristophanes’ Thesmophoriazusen). Denn da die Frauen während des Festes in die Rollen von Demeter und ihrer Tochter schlüpften, muß es sich bei dem Spion um die Entsprechung des Entführers handeln. Deubner, 60, legt das Diogma auf den letzten Festtag und erklärt es als einen magischen Brauch. Nur ausweichend äußert sich Mommsen 1864, 302, und Mommsen 1898, 322 Anm. 2, zu diesem Ritus. Hesych z 145 s.v. zhmiva: qusiva ti" ajpodidomevnh uJpe;r tw'n ginomevnwn ejn Qesmoforivoi". Deubner, 59. Dazu ausführlich oben S. 147 188. So Hermogenes Rhet. Gr. ed. Walz 4, 460: Oi|on e[dei tou;" desmwvta" leluvsqai toi'" qesmoforivoi": moiceivan uJponohvsa" ti" prov" to;n oijkevthn th'" gunaiko;", dhvsa" ejkei'non ajpedhvmhsen: luqei;" toi'" qesmoforivoi" para; th'" gunaiko;", ajpevdra oJ oijkevth". Vgl. auch die Scholien in Hermog. Rhet. Gr. ed. Walz 4,462 und Rhet. Gr. ed. Walz 8,67. Derselbe Brauch scheint an den städtischen Dionysien und an den Panathenäen bestanden zu haben (siehe Schol. in Demosth. 22,170b). Versnel 1993, 243: Der Brauch der Gefangenenfreilassung ist „the very expression of the anomia characteristic of these type of festival of reversal“.

Die Thesmophorien

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4.1.9 Die Theorie nach Eleusis Einem Scholion zu Theokrit läßt sich entnehmen, daß eine Theorie nach Eleusis ebenfalls Teil der Thesmophorien war: Jungfrauen hätten die heiligen Schriften auf ihren Köpfen getragen und seien unter Gebeten nach Eleusis gezogen1 . Die Verläßlichkeit dieser Angabe ist in der Forschung meist in Zweifel gezogen worden. So bezeichnet Deubner das Scholion als „apokryph“ und den dort beschriebenen Brauch als „ungriechisch“2 . Außerdem bestreitet er, daß die Thesmophorien etwas mit Eleusis zu tun gehabt hätten 3 . Diesem letzten Argument ist durch den Nachweis Clintons, daß jeder Demos seine eigenen Thesmophorien feierte, der Boden entzogen4 . Auch sonst wäre eine Verbindung der athenischen Thesmophorienfeier mit Eleusis keineswegs abwegig, gilt Eleusis doch als Ursprungsort und Zentrum des attischen Demeterkults. Was Zweifel an der realen Existenz einer solchen Prozession nach Eleusis aufkommen lassen könnte, ist lediglich die Erwähnung von heiligen Schriften. Doch finden sich Hinweise auf die Benutzung der Schrift in zahlreichen Kulten. Die Belege erstrecken sich vom 4. Jh. v. Chr. bis in die Spätantike hinein. Demosthenes bezeugt uns die Existenz von heiligen Schriften in einem privaten attischen Dionysoskult5 . Die Einrichtung der Lernaia wurde im dortigen Volksglauben in älteste Zeit datiert und ebenso wie die Abfassung des rituellen Textes einem gewissen Philammon zugeschrieben6 . Nachdem Epaminondas 371 v. Chr. Messenien von den Spartanern befreit hatte und die Mysterien von Andania wieder 1

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Schol. in Theokr. 4,25c: novmo" toi'" ∆Aqhnaivoi" katæ e[to" telei'n ta; Qesmofovria. RT eijsi; de; ta; Qesmofovria toiau'ta: parqevnoi gennai'ai kai; to;n bivon semnai; kata; th;n hJmevran th'" teleth'" ta;" nomivmou" bivblou" kai; iJerav", wJ" ejdovkei toi'" ∆Aqhnaivoi", uJperavnw tw'n aujtw'n korufw'n ajnetivqesan kai; wJsanei; litaneuvousai ajphvrconto eij" ∆Eleusi'na. hJ de; ∆Eleusiv" ejsti limh;n th'" ∆Attikh'" . Deubner 53. Heilige Schriften seien am ehesten in orientalischen Kulten zu erwarten, in Griechenland könnten sie „höchstens für einen ganz späten Synkretismus in Frage kommen“. Ein weiteres Argument gegen dieses Zeugnis war, daß das Scholion von einer Theorie von Jungfrauen spricht, während doch der communis opinio nach nur verheiratete Frauen an den Thesmophorien teilnehmen durften. Die Ablehnung dieses Zeugnisses geht schon auf Preller (1837, 243 Anm. 30) zurück und durchzieht weite Teile der Forschung, siehe z.B. Harrison 1908, 137; Burkert 1990, 118 Anm. 25 (er postuliert eine Konfusion von Thesmophoria und Mysteria und liest kivsta" statt bivblou"). Dagegen bezieht Mommsen 1864, 299 300, das Scholion auf eine Prozession von Halimus zum athentischen Eleusinion, die Erwähnung von „Eleusis“ hält er für einen Irrtum des Scholiasten (Mommsen 1898 erwähnt die Stelle nicht). Farnell, 86 87, akzeptiert das Zeugnis, lehnt allerdings die Teilnahme von Jungfrauen ab und bezweifelt die Herleitung des Namens „Thesmophoria“ von der beschriebenen Handlung. Entschieden zurückgewiesen wird die Skepsis gegenüber dem Theokrit Scholion von Simms, 1980, 56 59. Deubner 53: „Die Verbindung von Thesmophoria und Eleusis beruht überall, wo sie in späten Quellen erscheint, auf Unkenntnis.“ Clinton 1996. Demosth. 18,259 sagt von Aischines: ajnh;r de; genovmeno" th'/ mhtri; telouvsh/ ta;" bivblou" ajnegivgnwske". Vgl. dazu Baumgarten, 131 135. Paus. 2,37,3. Pausanias verwehrt sich allerdings gegen die Wahrheit der Altersangabe für den Text.

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eingerichtet werden sollten, wurde aufgrund eines Traums in der Erde eine Zinnrolle mit dem Text des Festes der Megalai Theai gefunden1 . Auch für den Mysterienkult der Demeter Eleusinia in Pheneos ist die Verwendung von heiligen Schriften bezeugt2 . Außerdem scheint man im Isiskult von der Schrift Gebrauch gemacht zu haben3 . Weitaus interessanter als diese Belege ist für uns eine Stelle bei Kyrill von Alexandria, die einen Brauch referiert, der der im Theokritscholion beschriebenen Prozession recht ähnlich sein dürfte. Der Kirchenvater informiert uns nämlich über den Adoniskult im phönizischen Byblos: Während die Frauen dieser Stadt am Strand den Tod des jungen Gottes betrauerten, kam regelmäßig aus dem Land „jenseits der äthiopischen Flüsse“ auf dem Meeresweg ein versiegelter Tonkrug an, der einen Brief der dortigen Frauen enthielt. In ihm wurde den Byblierinnen gemeldet, daß Adonis gefunden sei. Diese Botschaft veranlaßte die Phönizierinnen, ihre Trauer einzustellen und sich mit Aphrodite über das Wiederfinden ihres Liebhabers zu freuen4. Entsprechend könnte man sich den Ablauf bei den Thesmophorien vorstellen: Nachdem Kore aus ihrer Gefangenschaft in der Unterwelt befreit war, freuten sich die Athenerinnen mit Demeter über die Rückkehr ihrer Tochter. Diese gute Nachricht wurde von den jüngsten Teilnehmerinnen, den menschlichen Stellvertreterinnen Kores, den eleusinischen Thesmophoriazusen übermittelt, so daß auch bei ihnen die Trauer in Freude umschlagen konnte. Das würde bedeuten, daß bei den Thesmophorien die Feiern im stadtathenischen Eleusinion gegenüber den eleusinischen die größere Bedeutung hatten, daß Athen aber dennoch darauf bedacht war, Eleusis nicht zu übergehen sondern in die eigene Feier einzubeziehen5.

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Paus. 4,26,7 und 27,5. Siehe auch LSCG 65,12. Vgl. dazu Baumgarten, 126 128 und W. Speyer, Bücherfunde in der Glaubenswerbung der Antike, Göttingen 1970, 66 68. Paus. 8,15,2. Vgl. dazu Baumgarten 128 131. Apul. Met. 11,17. Zum Gebrauch von heiligen Schriften in Mysterienkulten vgl. auch Burkert 1990, 59 61 (mit weiteren Belegen) und Baumgarten, 122 143. Kyrill von Alex. in Ies. 2,3 (PG 70 col. 441): ejpravtteto dev ti toiou'ton para; tw'n o[ntwn ejn th'/ gh'/ th'/ ejpevkeina potamw'n Aijqiopiva", peri; h|" ejn toi'" ajnwtevrw bracu; safw'" eirhvkamen. kevramon labovnte" ei\ta gravfonte" ejpistolh;n pro;" ta;" ejn Bivblw/ gunai'ka" wJ" huJrhmevnou tou' ∆Adwvnido" kai; ejnqevnte" te aujth;n tw'/ keravmw/ kai; sfragivsante" kaqivesan eij" th;n qavlassan teletav" tina" ejpæ aujtw/' poihsavmenoi. kai; w{" ge e[faskon aujtomavtw" eij" Bivblon ajpekomivzeto kata; fanera;" tou' e[tou" hJmevra". o}n dh; kai; ajpodexavmenai gunai'kev" tine" th'" ∆Afrodivth" fivlai ei[ta labou'sai th;n ejpistolh;n ejpauvonto tou' qrhnei'n wJ" huJrhmevnou para; th'" ∆Afrodivth" tou' ∆Adwvnido". Auf denselben Brauch dürfte auch Luk. de dea Syr. 7 verweisen. Vgl. dazu G. Baudy 1986, 38. Eine andere Erklärung für die bivbloi iJeraiv gibt Simms 57: „They may […] have been papyrus copies (bivbloi) of leges sacrae decreed by the Athenian Ekklesia (thus novmimoi); early laws, perhaps, establishing certain cult relationships of Athens and Eleusis.“

Die Thesmophorien

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4.1.10 Die Mysterien von Halimus Die Thesmophorien sind also ein komplettes, in sich geschlossenes Fest. An seinen drei Festtagen vollzogen die Frauen die Entführung Kores, Demeters Trauer und schließlich die Rückkehr der Göttin aus der Unterwelt nach. Diese Struktur des Festes entspricht genau dem dreiteiligen Aufbau von Initiationsriten: Separation, Marginalität und Reintegration nehmen je einen eigenen Tag ein. Dennoch wurde offenbar in klassischer Zeit zumindest zeitweilig die halimusische Feier am 10. Pyanopsion als Teil der Thesmophorien betrachtet, aus dem ursprünglich dreitägigen wurde somit ein viertägiges Fest1 . Eine solche Erweiterung ist nur dann plausibel, wenn sich die kultischen Handlungen, die an dem zusätzlichen Tag ausgeführt wurden, in die vorgegebene Feststruktur problemlos integrieren ließen. Was in Halimus erinnert wurde, muß im Mythos also vor der Kathodos Kores liegen. Das Thesmophorion von Halimus befand sich auf Kap Kolias, also direkt am Meer2. Darauf weist auch die bereits knapp referierte Erzählung über die Kriegslist Solons hin. Sicherlich wird dort kein historisches Ereignis wiedergegeben, doch könnte der Bericht, der uns durch Plutarch und Polyainos erhalten ist, auf Gedanken beruhen, die dem genannten Fest zugrunde lagen. Betrachten wir die betreffenden Passagen nochmals: Als Athen sich im Kriegszustand mit Megara befand, begab sich Solon nach Kolias, wo gerade ein Demeterfest stattfand. Von dort aus sandte er einen Mann zu den Feinden, der vorgab, ein Überläufer zu sein. Er sollte ihnen sagen, daß sie auf Kolias die vornehmsten Athenerinnen gefangennehmen könnten. Daraufhin schickte Solon die Frauen fort und ließ an ihrer Stelle junge, bartlose Männer in Frauenkleidern tanzen. Die Feinde segelten heran, hielten die Tanzenden für Frauen, und als sie diese rauben wollten, wurden sie von den Athenern überfallen und getötet 3 . Was hier durch einen Kriegsbericht überschrieben wurde, dürfte eine Erzählung über einen Frauenraub sein. Wenn Frauen an einem Fest, das unter Ausschluß männlicher Teilnehmer stattfand, in Meeresnähe tanzten, waren sie besonders

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Vgl. dazu oben Kap. 4.1.1 und 4.1.3. Leider ist uns nichts darüber bekannt, seit wann und wie lange die Thesmophorien als ein viertägiges Fest galten, doch deuten verschiedene Zeugnisse darauf hin, daß dies nur eine vorübergehende Erscheinung war. So sind z.B. bei Alkiphr. 2,37 nur Anodos, Nesteia und Kalligeneia als Thesmophorientage genannt. Polyain. Strat. 1,20,2: aiJ gunai'ke" Dhvmhtri eJorth;n ejtevloun ejpæ aujth'/ th'/ qalavssh. Plut. Sol. 8,4 5: Ta; me;n ou\n dhmwvdh tw'n legomevnwn toiau'tæ ejstin, o{ti pleuvsa" ejpi; Kwliavda meta; tou' Peisistravtou, kai; katalabw;n aujtovqi pavsa" ta;" gunai'ka" th'/ Dhvmhtri th;n pavtrion qusivan ejpitelouvsa", e[pemyen a[ndra pisto;n eij" Salami'na prospoiouvmenon aujtovmolon ei\nai, keleuvsonta tou;" Megarei'", eij bouvlontai tw'n ∆Aqhnaivwn ta;" prwvta" labei'n gunai'ka", ejpi; Kwliavda plei'n metæ aujtou' th;n tacivsthn. wJ" de; peisqevnte" oiJ Megarei'" a[ndra" ejxevpemyan ejnovplou", kai; katei'den oJ Sovlwn ploi'on ejlaunovmenon ajpo; th'" nhvsou, ta;" me;n gunai'ka" ejkpodw;n ajpelqei'n ejkevleuse, tw'n de; newtevrwn tou;" mhdevpw geneiw'nta" ejnduvmasi kai; mivtrai" kai; uJpodhvmasi toi'" ejkeivnwn skeuasamevnou" kai; labovnta" ejgceirivdia krupta; paivzein kai; coreuvein prosevtaxe pro;" th'/ qalavtth/, mevcri a]n ajpobw'sin oiJ polevmioi kai; gevnhtai to; ploi'on uJpoceivrion. Vgl. Polyain. Strat. 1,20,2.

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anfällig für feindliche Übergriffe. Ebenso wie hier die Thesmophoriazusen ohne männlichen Schutz feiern, spielt und tanzt zu Beginn des Demeterhymnos Kore, nur von einigen gleichaltrigen Mädchen begleitet. Die Identität dieser Mädchen deutet darauf hin, daß man sich den Ort ihrer Entführung in nur geringer Entfernung vom Meer vorstellen muß: Es sind die Okeaniden, die Töchter des Meeresgottes Okeanos1 . Wenig später fingiert Demeter ihre eigene Entführung: Sie sei in Kreta geraubt und über das Meer (Krhvthqen ejpæ eujreva nw'ta qalavssh") weggebracht worden 2 . Eine orphische Version des Mythos lokalisiert den Raub Kores explizit am Meer3 . Diese Szene könnten die Frauen durch ihre Tänze auf Kap Kolias nachvollzogen haben. Der den Thesmophorien vorgeschaltete Festtag in Halimus hätte dann dazu gedient, die Thesmophoriazusen in eine entsprechende Gefahrensituation zu bringen wie die Kores bei ihrer Entführung. In denselben Zusammenhang ist eine Notiz des Servius zu stellen, mit der er den griechischen Begriff für Hochzeit, ‚Hymenaios‘, erklären will4 : Ein junger Athener namens Hymenaios war so schön, daß man ihn für ein Mädchen halten konnte. Er liebte eine junge Athenerin und folgte ihr überallhin. Eines Tages brachten athenische Jungfrauen Demeter Eleusina Opfer dar, wurden dabei von Piraten überrascht und geraubt — unter ihnen auch, unerkannt, Hymenaios. Später, als sich die Seeräuber erschöpft zur Ruhe legten, tötete der Jüngling sie alle. Auf diese Weise rettete er die Mädchen und verdiente sich seine Braut. Wie der Erzählung über Solons Kriegslist liegt diesem Mythos ebenfalls die Ritualfiktion eines Demeterfestes zugrunde, das offenbar nahe am Meer und ohne die Teilnahme von Männern gefeiert wurde. Die Entführung der Jungfrauen steht parallel zu der Kores. Wie die junge Göttin im Zeitraum ihrer Gefangenschaft erwachsen wird, so die Mädchen in der Erzählung des Servius. Hymenaios hat hier dieselbe Funktion wie im Kore-Mythos Pluton-Hades, er steht für den imaginären Bräutigam der Mädchen. Beide Mythen enden mit der Hochzeit. Auf welche Weise es möglich war, selbst im Herbst Kores Spielen auf einer blühenden Wiese nachzuvollziehen, lehrt uns Lukian. In seiner Schrift peri; ojrchvsew" (‚Über den Tanz‘) zählt der Autor eine Fülle von Tanzthemen auf, zu

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Hymn. Hom. in Cer. 4 5. Hymn. Hom. in Cer. 123 125. Orph. fr. 43 Kern (= Schol. in Hes. Theog. 914): hJrpavsqai de; aujthvn fasin … ∆Orfeu;" ejk tw'n peri; ∆Wkeano;n tovpwn …. Serv. in Verg. Aen. 4,99: Hymenaeus, Atheniensis, adeo pulcher fuit, ut adulescens puella putaretur. is cum unam virginem nobilem ipse mediocriter ortus adamasset eiusque nuptias desperaret, quod unum poterat, sequendo puellam amori satis faciebat. sed cum Atheniensium nobilissimae virgines Eleusinae Cereri sacra facerent, subito adventu piratarum raptae sunt: inter quas etiam Hymenaeus, qui illo amatam fuerat secutus, tamquam puella raptus est. sed cum piratae praedam per maria longinqua portassent, in desertam regionem delati ac fatigati somno se dederunt: quos cum universos occidisset Hymenaeus, relictis ibi virginibus Athenas reversus est petiitque a civibus, ut, si virgines quae raptae fuerant reduxisset, dilectae nuptias impetraret. quas cum reduxisset, optatam in matrimonium virginem meruit. quod coniugium quia felix fuerat, placuit [omnibus] Atheniensibus omnibus nuptiis Hymenaei nomen interesse.

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denen auch der Mythos von Demeter und ihrer Tochter gehört 1 . Auch der von Clemens verwendete Begriff ejktragw/devw2 dürfte auf eine tänzerisch-mimetische Darstellung des Mythos hindeuten. Und von Tänzen zu Ehren Demeters berichten ja unsere beiden Hauptquellen zu den Thesmophorien von Halimus. Vielleicht ließ sich sogar konkret das Blumenpflücken darstellen: Die Griechen kannten seidene Festtagsgewänder, die mit bunten Blumen verziert waren3 . Sollten die tanzenden Jungfrauen solche Gewänder getragen haben, so konnte eine mimetisch dargestellte Blumenlese in den Bausch des mit Blumen geschmückten Kleides leicht die Anthologie Kores evozieren4.

4.1.11 Zusammenfassung Werfen wir zum Schluß noch einen zusammenfassenden Blick auf die Thesmophorien. Wir haben gesehen, daß sie nicht nur einen einzigen Zweck haben, sondern daß sich in diesem Fest mehrere Aspekte vereinen: Sie sind zunächst ein Initiationsfest, bei dem Mädchen die Grenze zwischen Adoleszenz und Erwachsenendasein überschreiten. Eng damit verbunden ist die psychologische Hilfe, die die Riten über die Folie des Demetermythos den beteiligten Personen für die Überwindung der mit diesem Übergang zusammenhängenden Probleme bietet5 . Auch der längst gesehene Bezug auf die Fruchtbarkeit läßt sich von hier erklären: Die jugendlichen Initiandinnen werden auf ihre Aufgaben als künftige Ehefrau und Mutter vorbereitet, die schon verheirateten Frauen kehren an der Nesteia in ihren vorehelichen Zustand zurück und vollziehen eben diesen Übergang nochmals nach. Durch die enge Beziehung zum agrarischen Bereich werden sich die Frauen der Bedeutung ihrer eigenen Rolle bewußt: Wie in der Landwirtschaft nur durch den von Demeter begründeten Zyklus von Aussaat und Ernte immer wieder Getreide entstehen kann, so darf auch unter den Menschen die Fortpflanzung nicht zum Erliegen kommen — nur so ist der Fortbestand der Menschheit gesichert.

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Luk. de salt. 40: ejxairevtw" de; th;n Dhvmhtro" plavnhn kai; Kovrh" eu{resin kai; Keleou' xenivan kai; Triptolevmou gewrgivan … Vgl. auch Strab. 10,3,10. Als Tanz deutet diesen Ritus auch Bierl 159 Anm. 139. Clem. Alex. Protr. 2,17 (zitiert oben Anm. 52). Eustath. in Dionys. Perieg. 752, p. 241 Bernhardy: o{ti Sh're" e[qno" bavrbaron Skuqiko;n, ejx w|n ta; Shrika; uJfavsmata levgontai. ou|toi bova" men;, fhsi;n, ajnaivnontai kai; i[fia mh'la, aijovla de; xaivnonte" ejrhvmh" a[nqea gh'" ei{mata teuvcousi poludaivdala timhventa, ejoikovta kata; croia;n leimwnivdo" a[nqesi pova" (für den Hinweis auf diese Textstelle danke ich G. Baudy). Ov. Fast. 4,432 nennt die Gewandbäusche, gleich darauf (435 436) Weidenkörbe, den Schoß und wiederum Gewandbäusche. Ov. Met. 393 gibt die Alternative zwischen calathos und sinus; 399 deutet ebenfalls auf das Sammeln in den Gewandbausch. Dagegen könnte Clem. Alex. Protr. 2,17 auf das Sammeln in einen Korb hinweisen. Vermutlich war beides in gleicher Weise üblich. Darauf bin ich in Kapitel 3.1 anhand des Mythos ausführlich eingegangen.

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4.2 DIE CHLOIA „Im Frühling opfern sie [sc. die Athener] der Demeter Chloe mit Spielen und Freude, weil sie sehen, daß [sc. die Felder] grünen und ihnen Zeichen der Hoffnung auf reiche Ernte tragen. Aus diesem Grunde schien ihnen Plutos der Sohn Demeters zu sein.“1 Mit diesen Worten beschreibt Kornutos ein Frühlingsfest zu Ehren von Demeter Chloe2 . Dieser Beiname bezeichnet Demeter speziell als Göttin der jungen grünen Getreidepflanze, die attisch hJ clovh (ion. hJ cloivh) heißt3 . Entsprechend lautet der Name des Festes Chloia4 . In Übereinstimmung mit dem Epitheton der Göttin und dem Festnamen fanden die Feiern im Frühling statt. Kornutos’ Worte lassen den Festtermin recht genau erschließen, denn sie umschreiben klar denjenigen Zeitpunkt in der Entwicklung der Getreidepflanzen, an dem zum ersten Mal zwischen den grünen Getreideblättern die Ähre sichtbar wird — erst sie kann den Menschen die ejlpi;" ajfqoniva" gewähren, da sie die ersehnten Getreidekörner tragen wird5 . Dieser Schritt in der Entwicklung der Frucht findet, wie wir bereits in einem früheren Kapitel gesehen haben, bei der in Attika hauptsächlich angebauten Gerste Ende Februar / Anfang März6 statt, ein Termin, der im attischen Kalender in der ersten Hälfte des Monats Antestherion lag. Um dem Erscheinen des Fruchtkörpers nicht zuvorzukommen, müßte das Fest ungefähr in der Mitte des Monats stattgefunden haben7.

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Cornut. Theol. 28 p. 55 Lang: peri; de; to; e[ar th'/ Clovh/ Dhvmhtri quvousi meta; paidia'" kai; cara'", ijdovnte" cloavzonta kai; ajfqoniva" aujtoi'" ejlpivda uJpodeiknuvnta. ejnteu'qen de; kai; oJ Plou'to" th'" Dhvmhtro" uiJo;" e[doxen ei\nai. Das im griechischen Text nicht eigens genannte Bezugswort zu cloavzonta und uJpodeiknuvnta muß die Felder bzw. die auf ihnen stehende Frucht bezeichnen, es ist wohl ta; e[rga (wie LSJ s.v. e[rgon 3a) zu ergänzen (Brumfield 1981, 133, ergänzt hier „fields“, dagegen ist Hays’ Übersetzung „… for they have seen things turning green“ zu unpräzise). Diese Form des Namens ist relativ gut belegt (siehe z.B. Aristoph. Lys. 835 & Schol. ad loc.; IG II2 1356,16; 1358 col. II 49; 1472 B,39); daneben existierten auch die Varianten Demeter Chloia (IG II2 5006), Euchloos (Soph. OC 1600 & Schol. ad loc.) und Euchloe (IG III 191). Siehe z.B. Plat. Tim. 80d; Xen. Oecon. 17,10; Thphr. CP 4,4,7; HP 8,2,4; vgl. auch LSJ s.v. clovh I 1, und Brumfield 132: „As en epithet, Chloe would denote Demeter’s role as patroness of the green shoot, the growing crop.“ Im einzelnen sind verschiedene Versionen des Namens überliefert: Clovia (IG II2 949), Cloiav (Hesych s.v.), Cloai'a (IG I3 250 = LSS 18 B 26, zur Lesung des Festnamens hier vgl. M.H. Jameson in seinen Rezensionen zu Richardson, CW 69, 1970, 459 460, hier: 460, bzw. Athenaeum 54, 1976, 441 446, hier: 444 Anm. 5). Vielleicht enthält auch das Verb cloavzein einen Hinweis auf diesen Zeitpunkt, denn es hat nicht nur die Bedeutung „grünen, grün sein“, sondern auch „sprout, bud“ (LSJ s.v. cloavzw II; vgl. Nik. Ther. 576; 917). Nach Hesych c 526 kann das Verb sogar die Blüte bezeichnen, eine Entwicklungsphase also, die nochmals etwas später folgt (cloavzei: ajnqhrov" ejstin, ajnqhreuvetai). Siehe oben S. 99 Anm. 1. Sollte der lunisolare Kalender Athens tatsächlich, wie oben vermutet (siehe S. 100 101), dazu gedient haben, die durch den Demetermythos vorgegebene Dreiteilung des Jahres zu fixieren und drei exakt gleichlange Teile des Jahres voneinander abzutrennen, so wäre der 12. Anthe sterion als Festdatum zu postulieren, in Analogie zu den Terminen von Thesmophorien (11.

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Weiter läßt sich das Festdatum auch durch epigraphische Zeugnisse nicht präzisieren, sie bestätigen indessen eine solche Datierung: Eine hellenistische Inschrift aus Eleusis1 reiht die Chloia zwischen die Haloen im Poseideon (≈ Januar) und Kalamaia, die nach allgemeiner Auffassung wohl im Thargelion oder Skirophorion stattfanden. Weiterhin nennt eine Inschrift aus dem attischen Demos Paiania2, die aus dem 5. Jh. v. Chr. stammt, die Chloia, und zwar zwischen den Proerosia im Pyanopsion (≈ Ende Oktober) und einem nicht näher bekannten Fest namens Antheia3 , das jedenfalls in den Frühling gehört4 . Ein Kalender aus der attischen Tetrapolis (4. Jh. v. Chr.)5 enthält eine genauere Angabe: Dort wird ein Opfer an Chloe, also Demeter Chloe, im Anthesterion erwähnt. Der Demeter Eleusinia wurde ebenfalls geopfert, und zwar jeweils eine trächtige Sau6. Auch dieser Befund deutet also darauf hin, daß die Chloia im Anthesterion stattfanden — somit bestätigen die Inschriften das Festdatum, das sich bereits aus Kornutos’ Worten ergeben hatte. Zwei Scholien nennen ein anderes Datum für ein Opfer an Demeter Chloe: Das eine führt Philochoros als Gewährsmann an und erklärt, der Göttin würde im Thargelion in ihrem Tempel auf der Akropolis geopfert 7 . Das andere präzisiert diese Angabe in zweierlei Hinsicht: Zum einen erfahren wir dort, daß es sich um ein Widderopfer handelt, zum zweiten wird als Datum der 6. Thargelion genannt8 . Für die attische Tetrapolis ist im Thargelion ebenfalls ein Widderopfer bezeugt,

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13. Pyanopsion) und Skira (12. Skirophorion). Mommsen 1898, 420, vermutet einen Termin um den 20. Anthesterion. IG II2 949 = SIG 661. IG I3 250 = LSS 18. Man wird die Antheia wohl mit den ∆Anqesfovria, einem sizilianischen Fest zu Ehren Kores (Poll. 1,37; Strab. 6,5,1), und den ∆Hrosavnqeia, einem peloponnesischen Frauenfest im Früh ling (Hesych h 822 s.v. ∆Hrosavnqeia; vermutlich identisch mit den ∆Hroavnqia bei Photios s.v.), zu parallelisieren haben. Für letztgenanntes Fest bezeugt Hesych die Anthologie. Zu diesen Festen siehe Nilsson 1906, 357. Daß es sich bei den Antheia ebenfalls um ein Demeter bzw. Kore Fest handelt, ist sehr wahrscheinlich. Vgl. dazu Nilsson 1944, hier: 96. Es darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, daß ein Dionysos Anthios bekannt ist (IG II2 1356; Paus. 1,31,4), dessen Epitheton mit dem Festnamen Antheia ebenfalls in Verbindung stehen könnte. Ob diese Anordnung der Festnamen wirklich eine relative Datierung der Chloia zwischen Proerosia und Antheia erlaubt, wie es z.B. Brumfield 132/3 annimmt, muß dahingestellt bleiben, da in dem Sakralgesetz offenbar mehrere ursprüngliche Einzelbestimmungen „ohne systematische Anordnung zusammengefaßt wurden“ (W. Peek, Heilige Gesetze, Athen. Mitt. 66, 1941, 171 217, hier: 180; Nilsson 1944, 93). IG II2 1358 col. II 49 = LSCG 20, B 49. IG II2 1358 col. II 48 49. Dasselbe Opfer für Demeter Chloe wird auch von Kornutos erwähnt (Cornut. Theol. 28 p. 56 Lang). Die Sau ist das typische Opfertier im Demeterkult, denn sie gilt als besonders fruchtbar; vielleicht verweist die Trächtigkeit des Tieres auf den Zustand der Ähre zum Festzeitpunkt. Schol. in Aristoph. Lys. 835 = Philochor. FGrHist 328 F 61: Clovh" Dhvmhtro" iJero;n ejn ajkropovlei, ejn w|/ oiJ ∆Aqhnai'oi quvousi mhno;" Qarghliw'no", wJ" Filovcorov" fhsin ejn "æ. Schol. in Soph. OC 1600: tw; dæ eujclovou Dhvmhtro"Ú eujclovou Dhvmhtro" iJerovn ejsti pro;" th'/ ajkropovlei: kai; Eu[poli" Marika'/: ajllæ eujqu; povlew" ei\mi: qu'sai gavr me dei' krio;n Clovh/ Dhvmhtri. e[nqa dhlou'tai o{ti kai; krio;" qhleiva/ th'/ qew'/ tauvth/ quvetai: ou{tw oJ tima'tai ajpo; th'" tw'n karpw'n clovh": quvousiv te Qarghliw'no" e{kth/ . (Das Eupoliszitat ist Fr. 183 Kock.)

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Die Feste zu Ehren Demeters

dieses jedoch zu Ehren von Demeter Achaia1 . Das für Demeter ungewöhnliche Opfertier und die zeitliche Übereinstimmung weisen den Riten denselben Zweck zu. Doch ist mit diesem Opfer gewiß nicht das Fest der Chloia gemeint, da für dieses späte Datum der Bezug zur clovh, der jungen grünen Getreidepflanze, fehlt: Der Thargelion ist in Attika Erntemonat — die Gerstenernte kann dort bereits in der zweiten Maihälfte beginnen2 . Davor liegt eine mehrwöchige Phase, in der das Getreide gelb wird und reift. Ihr wird man (was die Gerste betrifft) fast den ganzen April zurechnen müssen3 . Vielmehr scheint es sich bei dem Opfer an Demeter Chloe am 6. Thargelion um einen Brauch zu handeln, der am Anfang der Erntesaison steht, also wohl ihren Beginn markiert. Zu genau der fraglichen Zeit, dem 6. und 7. Thargelion, fand in Athen ein Apollonfest statt: die Thargelia4 , nach denen der ganze Monat seinen Namen erhalten hat. Dessen erster Tag bestand in Reinigungsriten, zu denen insbesondere die Vertreibung zweier als Pharmakos fungierender Männer aus Athen gehörte5 . Das eigentliche Fest — eine Geburtstagsfeier für Apollon Pythios — folgte am nächsten Tag. Die Athener hielten eine Prozession ab, in deren Rahmen sie dem Gott die Erstlinge des Getreides darbrachten, gekocht in Krügen (qavrghloi) oder als frischgebackene Brote. Dadurch sind die Thargelia klar als ein Fest ausgewiesen, das zu Beginn der Ernte gefeiert wird 6 . Man sollte indessen erwarten, daß zu diesem Zeitpunkt insbesondere Demeter Verehrung findet, zumal der Ackerbau in Athen nicht primär in den Zuständigkeitsbereich Apollons fällt. Es mag sein, daß das bereits erwähnte Widderopfer für Demeter Chloe bzw. Achaia am 6. Thargelion auf ein Demeterfest schließen läßt, das sich zeitlich mit den Thargelia überlappte bzw. das im Laufe der Zeit von dem prominenteren Apollonfest absorbiert wurde7 . Denken könnte man hier vielleicht an die Kalamaia, ein Frauenfest zu Ehren Demeters8. 1 2 3

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IG II2 1358 col. II 27. Diese Daten nennen Mommsen 1870, 6 7; 1873, 54; 58; Heldreich 1877, 571/2; vgl. Philippson 1948, 156; 220 und passim. Eine genaue Angabe dazu fehlt mir zwar (vgl. allerdings Mommsen 1873, 41), doch läßt sich diese Angabe durch zwei Überlegungen erhärten: Zum einen wissen wir, daß die nur wenige Tage dauernde Gerstenblüte auf den Übergang vom März zum April fällt, der Reifungsprozeß der Frucht kann unmittelbar nach der Blüte beginnen. Zum anderen hat Mommsen zahlreiche Bauernregeln zusammengestellt, in denen für den März reichlich Regen erbeten wird, während sich die Niederschläge im April in Grenzen halten sollen zu viel Feuchtigkeit nach der Blüte würde zunächst die Reifung, später auch die Haltbarkeit des Korns beeinträchtigen. Dion. Hal. 1,63,1 bezeichnet den 23. Thargelion sogar schon als teleutw'nto" tou' qevrou". Thuk. 4,6 bezeichnet den Frühling mit tou' sivtou e[ti clwrou' o[nto". Die wichtigsten Quellen: Hesych q 104 s.v. qarghvlia; Suda q 49 s.v. qarghvlia; Krates bei Athen. 3, 114 a. Vgl. auch Mommsen 1898, 468 486; Deubner 179 198; Simon 76 79. Suda f 105 s.v. farmakov". Zu diesen Riten siehe Nilsson 1967, 107 110; Burkert 1977, 139 142; J.N. Bremmer, Scapegoat rituals in ancient Greece, HSPh 87, 1983, 299 320; außerdem: Mommsen 1898, 470 477; Deubner 179 188. Vgl. auch Burkert 1977, 345: „Die thargélia im Thargelión leiten die Getreideernte ein.“ Eine Parallele für eine solche zeitliche Nähe besteht in den Herbstfesten von Demeter und Apollon: Die Pyanopsia zu Ehren von Apollon fanden am 7. Pyanopsion statt, in größter

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Es mag zunächst überraschen, daß Demeter Chloe, die durch ihr Epitheton als Herrin über das grüne Getreide ausgewiesen ist, zu einem Zeitpunkt, an dem das Korn bereits reif auf den Feldern steht, nochmals ein Opfer erhält. Bedenkt man jedoch, daß die Frucht erst geerntet werden kann, wenn die Pflanze vollkommen trocken und dürr ist, wird die Verehrung der Chloe im Thargelion verständlich: Unter ihrer Obhut stehen die Pflanzen, bis der letzte Saft aus ihnen entwichen ist. Am 6. Thargelion hat sie diese Aufgabe erfüllt. Kehren wir zu den Chloia zurück. Kornutos schildert sie als fröhliches, heiteres Fest — ein Fest der Vorfreude auf die (hoffentlich reiche) Ernte im Sommer. Der Anthesterion war dazu der richtige Zeitpunkt: Es war ungefähr die Hälfte der Zeit zwischen Aussaat und Ernte vergangen; jetzt sah man, daß die Getreidepflanzen den Winter gut überstanden hatten und begannen, die Fruchtkörper auszubilden. Hoffnung und Vorfreude auf die nahende reiche Ernte war für die Menschen gerade in dieser Phase des Jahres auch psychologisch sehr wichtig, denn es galt nun, mit den oft schon zur Neige gehenden Vorräten besonders sorgsam umzugehen1. Kornutos zufolge war das Entwicklungsstadium des Getreides zum Zeitpunkt der Chloia Grund dafür, daß die Griechen Plutos für den Sohn Demeters hielten. Nachdem die Feldfrucht als Geschenk Demeters an die Menschen galt2 , war es nur folgerichtig, die jetzt entstehende Ähre mit den in ihr geborgenen Getreidekörnern als ihr Kind zu betrachten. Mit der Ernte war ein Reichtum an Korn zu erwarten, welchen die Griechen als Plutos personifizierten und Demeters Sohn nannten. Der Monat Anthesterion war in diesem Zusammenhang deshalb besonders signifikant, weil die zu dieser Zeit heranwachsende Ähre für die Menschen ein erster Hinweis auf die tatsächlich vorhandene Fruchtbarkeit der Getreidepflanze und auf die dadurch zu erwartende Nachkommenschaft war. Spiegelbildlich zeigte sich in den agrarischen Abläufen, daß die Befruchtung Kores durch Hades erfolgreich war — aus dieser Ehe war ein Sohn, Plutos, zu erwarten. Gegenstand der Chloia war also nicht nur eine für die Menschen lebenswichtige Entwicklung im agrarischen Bereich, sondern die Frau stand in gleicher Weise im Zentrum der Feiern, denn von ihrer Fruchtbarkeit war der Fortbestand der Familie abhängig. Kore, das archetypische Vorbild der jungen Athenerin, hatte jetzt die Hälfte ihrer Schwangerschaft hinter sich, man hoffte auf einen erfolg-

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zeitlicher Nähe also zu den Proerosia (um den 5. Pyanopsion, vgl. Brumfield 54 59) und den Thesmophoria (11. 13. Pyanopsion, mit den Stenia am 9. und den Thesmophoria von Halimus am 10.; vgl. dazu oben Kapitel 4.1). Zu diesem Fest siehe Brumfield 150 152. Siehe Mommsen 1873, 55 56; 64 65 und passim. Dafür stehen neben den Mythen insbesondere mehrere zahlreich belegte Wendungen zur Bezeichnung des Getreides wie oJ karpo;" th'" Dhvmhtro" (z.B. Aristot. fr. 637,6); Dhvmhtro" karpov" (z.B. Hdt. 1,193; 4,198; Xen. Hell. 6,3,6; Aristid. Panath. p. 185,4 Jebb); Dhmhtriakoi; karpoiv (z.B. Diod. 2,36,3; Dion. Hal. Ant. Rom. 7,72,15; Ars rhet. 1,6,18; Cornut. Theol. p. 54 Lang); Dhvmhtro" ajkthv (Eur. fr. 884 N.; Argon. Orph. 323)

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reichen Verlauf der restlichen Zeit und freute sich jetzt schon auf ihren Sohn. Der zyklische Gedanke, der dem Demetermythos zugrunde liegt, und der Zyklus der agrarischen Arbeiten fallen also auch hier zusammen.

4.3 DIE SKIRA Als drittes und letztes Demeterfest sollen uns hier die Skira bzw. Skirophoria1 beschäftigen. Sie waren für die Athener ein Fest von großer Bedeutung, was die Tatsache bezeugt, daß der Monat Skirophorion nach ihnen benannt ist. Der Skirophorion ist der letzte Monat des athenischen Jahres, die Skira fanden an seinem 12. Tag statt2 , also wenig mehr als zwei Wochen vor dem Jahreswechsel. Dieses Datum entspricht nach unserem Kalender einem Junitermin, durchschnittlich dem 14. Juni3 . Die Skira sind somit ein Fest der Erntezeit, zumindest idealerweise lagen die Skirenfeiern ungefähr zur Zeit des Übergangs zwischen Getreideernte und Drusch4 . Es liegt nahe, zu diesem Zeitpunkt ein Fest zu vermuten, das mit den Erntearbeiten in Zusammenhang steht.

4.3.1 Die Festgottheiten Ähnlich wie bei den Thesmophorien gab es nicht ein zentrales attisches Skirafest, sondern ein Hauptfest, das wohl die stadtathenischen Bezirke gemeinsam begingen, und weitere Feiern in den Demen — durch epigraphische Zeugnisse wissen wir von Skira in Paiania, Piräus und Marathon5 . Die Inschriften aus Paiania und Piräus erweisen die Skira klar als Demeterfest, denn als Ort der Feiern wird das eine Mal das lokale Eleusinion, das andere Mal das lokale Thesmophorion genannt6 . Hinzu kommt, daß die Skira in der piräischen Inschrift mit drei weiteren Demeterfesten zusammengestellt werden. Aus derselben Quelle wissen wir ferner, daß die Skira ein Frauenfest waren7 . 1

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Beide Namen wurden verwendet, was immer wieder Forscher dazu veranlaßte, Skira und Skirophoria für zwei verschiedene Feste zu halten. Siehe z.B. Müller 1848, 162 164, oder kürzlich Calame 1996b, 342 und passim. Aus anderen Gründen postulierte Mommsen (z.B. 1891) ein Sommer und ein Herbstfest dieses Namens. Schol. in Aristoph. Ekkl. 18. Bestätigt Plut. de glor. Athen. 350A, wo berichtet wird, die Athener hätten einen heiligen Tag, den 12. Skirophorion, durch einen Sieg gegen Mantineia noch heiliger gemacht (die Skira selbst werden allerdings nicht genannt). Errechnet von Brumfield 1981, 168. Vgl. hierzu Kap. 3.2.2.1 und 3.2.2.4 sowie Brumfield 168; Foxhall 105. Paiania: IG I3 250 = LSS 18; Piräus: IG II2 1177; Marathon: IG II2 1358. Eleusinion in Paiania: IG I 3 250,15 16 u. pas.; Thesmophorion in Piräus: IG II2 1177,2 u. 24. IG II 2 1177,1 12: ªejpimelei'sqai < < < to;n dhvmarconº ªmeta;º th'" iJereiva" to;n ªajei; dhmarcou'ºnta tou' qesmoforivou, ªo{pw" a]n mhdºei;" ajfevtou" ajfiei' mhde; qiavªsou"º sunavgei mhde; iJera; ejnidreuvwªntaºi mhde; kaqarmou;" poiw'sin mhdªe;º pro;" tou;" bwmou;" mhde; to; mevgaron prosivwsin a[neu th'" iJereva" ªajºll∆ h] o{tan hJ eJorth; tw'n Qesmoforivwn kai;

Die Skira

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Einige der literarischen Zeugnisse zu den Skira (gemeint ist hier jeweils das stadtathenische Hauptfest) bestätigen die Angaben der Inschriften und ergänzen sie, andere hingegen scheinen ihnen diametral entgegenzustehen. Daß die Skira ein Frauenfest waren, bezeugen beispielsweise ebenfalls Aristophanes und Menander1 . Daß es sich um ein Demeterfest handelt, geht gleichermaßen aus den Äußerungen dieser Autoren und den dazugehörigen Scholien hervor — wobei jedoch einige Zeugnisse alternativ zu Demeter auch Athena als Festgöttin nennen2 . Gar nicht erwähnt ist Demeter bei einem mit Sicherheit seriösen Gewährsmann über die Skira, Lysimachides, der um die Zeitenwende ein heortologisches Werk mit dem Titel Peri; tw'n ∆Aqhvnhsi mhnw'n (‚Über die Monate in Athen‘) verfaßte3 . Nach der Feststellung, daß es sich bei den Skira um ein im Monat Skirophorion gefeiertes athenisches Fest4 handle, referiert Harpokration5 dessen Aussagen über die Skira folgendermaßen: „skivron ist ein großer Sonnenschirm, unter dem, während er getragen wird, von der Akropolis zu einem gewissen Ort namens Skiron die Athenapriesterin, der Priester des Poseidon und der des Helios ziehen; es tragen diesen aber die Eteobutaden. Dies geschieht als Zeichen dafür, daß man Häuser errichten muß und ein Schutzdach anfertigen, da diese Zeit die beste für den Hausbau ist.“ Darauf fährt Harpokration fort6 : „Und die Athener verehren Athena Skiras, über die Philochoros im zweiten Buch seiner Atthis sagt, sie sei nach einem gewissen

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Plhrosivai kai; Kalamaivoi" kai; ta; Skivra kai; ei[ tina a[llhn hJmevran sunevrcontai aiJ gunai'ke" kata; ta; pavtria. Aristoph. Thesm. 834 835 und Schol. ad loc.; Aristoph. Ekkl. 17 18; 57 59; Men. Epitr. 749 750; vgl. auch Clem. Alex. Protr. 2,17; Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 (p. 275,23 276,28 Rabe). Schol. in Aristoph. Thesm. 834: […] ta; de; Skivra levgesqaiv fasiv tine" ta; ginovmena iJera; ejn th'/ eJorth'/ tauvth/ Dhvmhtri kai; Kovrh/. oiJ de;, o{ti ejpi; Skivrw/ quvetai th'/ ∆Aqhna'/. Schol. in Ari stoph. Ekkl. 18: Skivra eJorthv ejsti th'" Skiravdo" ∆Aqhna'", Skiroforiw'no" ibæ. oiJ de; Dhvmhtro" kai; Kovrh". Vgl. auch Steph. Byz. s.v. Skivro": tine;" me;n o{ti ejpi; Skivrw/ ∆Aqhna/' quvetai, a[lloi de; ajpo; tw'n ginomevnwn iJerw'n Dhvmhtri kai; Kovrh/ ejn th'/ eJorth'/ tauvth/ ejpi; Skivrw/ kevklhtai. Zu Person und Werk des Lysimachides vgl. A. Tresp, Die Fragmente der griechischen Kultschriftsteller, Gießen 1914, 101 105. Die Fragmente sind zusammengestellt bei Jacoby, FGrHist 366. Der Festname Skira bzw. der Monatsname Skirophorion ist uns in der Tat nur aus Attika geläufig, vgl. Trümpy 34 36 mit Anm. 143. Lysimachides FGrHist 366 F 3 = Harpokrat. s.v. Skivron: Lukou'rgo" ejn tw'/ peri; th'" iJereiva". Skivra eJorth; paræ ∆Aqhnaivoi", ajfæ h|" kai; oJ mh;n Skiroforiwvn. fasi; de; oiJ gravyante" periv te mhnw'n kai; eJortw'n tw'n ∆Aqhvnhsin, w|n ejsti kai; Lusimacivdh", wJ" to; skivron skiavdiovn ejsti mevga, uJfæ w|/ feromevnw/ ejx ajkropovlew" ei[" tina tovpon kalouvmenon Skivron poreuvontai h{ te th'" ∆Aqhna'" iJevreia kai; oJ tou' Poseidw'no" iJereu;" kai; oJ tou' ÔHlivou: komivzousi de; tou'to ∆Eteoboutavdai. suvmbolon de; tou'to givnetai tou' dei'n oijkodomei'n kai; skevpa" poiei'n, wJ" touvtou tou' crovnou ajrivstou o[nto" pro;" oijkodomivan. kai; ∆Aqhna'n de; Skiravda timw'sin ∆Aqhnai'oi, h}n Filovcoro" me;n ejn bæ ∆Atqivdo" ajpo; Skivrou tino;" ∆Eleusinivou mavntew" keklh'sqai, Praxivwn de; ejn bæ Megarikw'n ajpo; Skivrwno". Weitgehend identisch mit dieser Harpokrationstelle, allerdings ohne die namentliche Erwähnung des Lysimachides: Suda s 623 s.v. Skivron = Phot. s.v. Skirovn. Wie weit genau Lysimachides referiert wird, ob nur der erste Satz auf sein Werk zurückgeht oder ob Harpokration weiter, vielleicht sogar bis zu der Aussage, die Athener hätten Athena Skiras verehrt, von ihm abhängt, bleibt letztlich unklar. In der Regel sieht man das Ende des Lysimachides Referats vor dem letzten Satz, hält also die Aussage über Athena Skiras für nicht mehr von ihm abhängig; vgl. z.B. die beiden Editionen der Fragmente (oben Anm. 10).

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Skiros, einem Seher aus Eleusis, benannt worden, nach Skiron dagegen Praxion im zweiten Buch seiner Megarika.“ Hier erscheinen die Skira als ein Fest von Athena und Poseidon1 . Nach Lysimachides war eine Prozession Bestandteil der Skira. Sie begann auf der Akropolis und begab sich, der iJera; oJdov" (‚heiligen Straße‘) nach Eleusis folgend, zu dem Ort Skiron, der schon außerhalb der Mauern lag, aber noch vor dem Fluß Kephisos2 . Die Protagonisten dieser Prozession waren die Priesterin der Athena und der Priester des Poseidon3 — gemeint sind Athena Polias und Poseidon-Erechtheus, wie sowohl die Zusammenstellung der beiden Namen als auch die Erwähnung der Eteobutaden verdeutlicht. Die Familie der Eteobutaden stellte nämlich die Priester der beiden genannten Gottheiten4 . Daß an Poseidon-Erechtheus zu denken ist, wird außerdem dadurch bestätigt, daß in einem Scholion zu Aristophanes’ Ekklesiazusen im Zusammenhang mit den Skira vom „Priester des Erechtheus“ die Rede ist5. Während dieser Prozession gingen die Priester unter einem großen weißen Sonnenschirm — gemeint sein muß ein Baldachin —, der nach Lysimachides von Eteobutaden, laut Aristophanesscholion vom Erechtheuspriester selbst getragen wurde. Der bei den Skira getragene Sonnenschirm heiße skivron bzw. ski'ron. Hier wird auch das Problem der Etymologie des Begriffs ‚Skira‘ angesprochen, dem ich mich aber erst zuwenden möchte, nachdem Klarheit über die Festgottheiten besteht. Harpokrations Exzerpt aus Lysimachides gibt uns keinen Anhaltspunkt darüber, was am Zielort der Prozession geschah. Um diese Frage zu beantworten, müssen wir also auf andere Quellen zurückgreifen: Pausanias kannte in

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Dieses Zeugnis veranlaßte insbesondere im 19. und frühen 20. Jhdt. viele Altertumswissen schaftler zu der Hypothese, daß die Skira/Skirophoria ein (reines oder wenigstens ursprüng liches) Athenafest seien, so z.B. Müller 1848; Welcker 1857 1863, Bd. 2, 282; Gjerstad. Zur Lage von Skiron siehe Paus. 1,36,3 4. Vgl. Carl Wachsmuth, Die Stadt Athen im Alter thum, Leipzig 1874 1890, Bd. 1, 261; Bd. 2,1, 274 276; Walther Judeich, Topographie von Athen, München 2 1931, 177; Geyer, Skiron (3), RE 2,5, 1927, 545; zur Veranschaulichung die Skizze bei Brumfield 1981, 181. Der als drittes genannte Heliospriester stellt die Forschung vor ein Rätsel, da wir aus archa ischer und klassischer Zeit keine Nachrichten über einen Helioskult in Athen besitzen. Seine Rolle könnte im Zusammenhang mit der nahe bevorstehenden Sommersonnenwende stehen. Burkert 1972, 163, vermutet, wie schon Gjerstad 214 215, eine „hellenistische Neuerung“; Robertson 1996, 52, identifiziert Helios mit dem auf der Akropolis nahe dem Erechtheion verehrten Zeus Hypatos, dessen „epithet denotes the sun’s position in the bright sky“. Das athenische Adelsgeschlecht der Eteobutaden führt seine Abstammung auf den Ahnherrn Butes zurück (so z.B. Harpokrat. s.v. Bouvth"), der in früher Zeit als Sohn des Poseidon( Erechtheus) galt (Hes. fr. 223 Merkelbach West), später als Sohn der Pandion (Apollod. 3,14,8). Nach dessen Tod teilten er und sein älterer Bruder, ein weiterer Erechtheus, die Herr schaft des Vaters unter sich auf: Erechtheus erbte das Königtum, Butes die Priesterschaft von Athena und Poseidon Erechtheus (Apollod. 3,15,1). Die Funktion des Priesters des Poseidon Erechtheus wurde von männlichen (siehe hierzu J. Toepffer, Attische Genealogie, Berlin 1889, 113 117), die der Priesterin der Athena Polias von weiblichen Mitgliedern der Familie der Eteobutaden ausgefüllt (siehe z.B. Aischin. 2,147 und Schol.; Harpokrat. s.v. ∆Eteoboutavdai). Schol. in Aristoph. Ekkl. 18: Skiv r oi"Ú Skiv r a eJ o rthv ej s ti th' " Skirav d o" ∆Aqhna' " , Skiroforiw'no" ibæ. oiJ de; Dhvmhtro" kai; Kovrh". ejn h|/ oJ iJereu;" tou' ∆Erecqevw" fevrei skiavdeion leuko;n, o} levgetai ski'ron.

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unmittelbarer Nähe von Skiron einen Tempel von Demeter und Kore, wo mit den beiden Göttinnen gemeinsam Athena und Poseidon verehrt wurden1 . In diesem Tempel sind also alle vier Gottheiten vereint, denen zu Ehren den Zeugnissen zufolge die Skira stattfanden. Daß Lysimachides bei seinem Bericht von der Prozession Demeter und Kore nicht erwähnt, ist leicht verständlich, da die beiden Göttinnen nicht auf der Akropolis beheimatet waren und somit auch den Weg von dort nach Skiron nicht zurücklegen mußten 2 .

4.3.2 Der Ort des Festes: das Skironische Feld Über Skiron wissen wir weiterhin, daß dort eines der drei heiligen Felder Attikas lag, nämlich das Skironische Feld. Dort fand alljährlich, wie auch auf dem Rarischen Feld bei Eleusis und dem Buzygischen Feld am Fuße der Akropolis, eine heilige Pflügung und Aussaat statt 3 . Wenn auf dem Skironischen Feld und den beiden anderen heiligen Feldern zu Beginn des agrarischen Jahres heilige Pflügungen und Aussaaten stattfanden, ist für die Zeit der Skira zu postulieren, daß in Analogie dazu ebendort wiederum heilige Handlungen aus dem agrarischen Bereich ausgeführt wurden4. In der Forschung ging man bislang von einer der folgenden drei 1 2

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Paus. 1,37,2: e[sti de; kai; […] Dhvmhtro" iJero;n kai; th'" paidov": su;n dev sfisin ∆Aqhna' kai; Poseidw'n e[cousi timav". Deubner 47 geht aufgrund von Pausanias’ Worten davon aus, daß der Tempel zu Skiron selbst gehörte. Vgl. auch Brumfield 167. Für Lysimachides’ Behandlung der Skira ist zu postulieren, daß sie weit umfassender war als das, was von Harpokration referiert wird. Der Lexikograph hatte offenbar nur am Beginn von Lysimachides’ Beschreibung des Festes Interesse und referierte nur diesen, da ihn ausschließlich die Etymologie des Festnamens interessierte, was durch die Erwähnung zweier eponymer Heroen im Anschluß an das Lysimachides Referat belegt wird. Plut. Coniug. praec. 144 A: ∆Aqhnai'oi trei'" ajrovtou" iJerou;" a[gousi, prw'ton ejpi; Skivrw/, tou' palaiotavtou tw'n spovrwn uJpovmnhma, deuvteron ejn th'/ ∆Rariva/, trivton uJpo; povlin to;n kalouvmenon Bouzuvgion. Daß wir, obwohl Plutarch nur von „heiligen Pflügungen“ spricht, auch an „heilige Aussaaten“ zu denken haben, wird zum einen dadurch klar, daß er die Pflügung auf Skiron als „Gedenken an die älteste Aussaat“ begründet, zum anderen durch den Fortgang der Passage: Noch heiliger als das alles sei „die eheliche Aussaat und Pflügung zur Zeugung von Kindern“ (144B: touvtwn de; pavntwn iJerwvtatov" ejstin oJ gamhvlio" spovro" kai; a[roto" ejpi; paivdwn teknwvsei). Pausanias’ Ausführungen zum Rarischen Feld sind eine Bestätigung dafür, daß dort neben der Heiligen Pflügung auch andere agrarische Arbeiten im Kult wiederholt wurden: Dort habe man zuerst Korn gesät und dort sei zuerst Getreide gewachsen; deshalb benutze man die dort geernteten Körner für die Herstellung von Opferkuchen. Neben einem Altar des Heros werde dort auch die sogenannte ‚Tenne des Triptolemos‘ gezeigt (Paus. 1,38,6: to; de; pedivon to; ÔRavrion sparh'nai prw'ton levgousi kai; prw'ton aujxh'sai karpouv", kai; dia; tou'to oujlai'" ejx aujtou' crh'sqaiv sfisi kai; poiei'sqai pevmmata ej" ta;" qusiva" kaqevsthken. ejntau'qa a{lw" kaloumevnh Triptolevmou kai; bwmo;" deivknutai). Die zitierte Passage deutet darauf hin, daß auch Ernte, Drusch und Weiterverarbeitung des Getreides vom Rarischen Feld im Rahmen des Demeterkultes stattfanden. Entsprechend galt Triptolemos auch im umfassenden Sinne als Prototyp des antiken Bauern. Andere Mythen verbinden mit diesem Heros ebenfalls nicht nur (wie allgemein bekannt) die erste Aussaat (z.B. Athanas. c. gent. 18: ejfeu'ron (…) sivtou de; spora;n Triptovlemo") und die Verbreitung des Getreides über die ganze Welt (z.B. Diod. 5,68,2: (levgetai Dhvmhtran) tw'/ Triptolevmw/ ajpodou'nai to;n tou' sivtou spovron, w|/ suntavxai

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Tätigkeiten aus: Ernten des auf dem heiligen Feld wachsenden Getreides als Abschluß der Getreideernte1; Dreschen des auf dem heiligen Feld geernteten Getreides als Zeichen für den Beginn der Druschphase2; Magazinieren des gedroschenen Getreides vom heiligen Feld in einem Getreidespeicher im Inneren des Heiligtums derjenigen Gottheit, die für das jeweilige Feld zuständig ist, als Zeichen für den Beginn der Getreidespeicherung3 . Aufgrund der idealen zeitlichen Lage der Skira (Mitte Juni) läßt sich die als drittes genannte Möglichkeit von vornherein ausschließen, denn die Magazinierung des Getreides erfolgte erst nach dem Ende der Druschphase, also rund acht Wochen nach den Skira 4 . Dem Beginn der Druschphase können die Skira ebenfalls nicht gegolten haben: Aus den Agrarschriftstellern wissen wir zwar, daß die Bauern ungefähr zur fraglichen Zeit begannen, das geerntete Getreide zu dreschen, doch erst die Buphonien am 14. Skirophorion lei-

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pa'sin ajnqrwvpoi" metadou'nai th'" te dwrea'" kai; ta; peri; th;n ejrgasivan tou' spovrou didavxai.); auch das Pflügen (Schol. Hes. Erg. 32: Triptovlemo" prw'to" ajrovsa" kai; speivra"), Ernten und Dreschen (Kallim. Hymn. Cer. 19 21: kavllion, wJ" kalavman te kai; iJera; dravgmata pravta ajstacuvwn ajpevkoye kai; ejn bova" h|ke path'sai, aJnivka Triptovlemo" ajgaqa;n ejdidavsketo tevcnan) soll mit ihm seinen Anfang genommen haben. Deshalb befand sich auf dem Rarischen Feld auch die oben erwähnte Tenne des Triptolemos. Triptolemos selbst wurde, in Konkurrenz zu dem athenischen Heros Buzyges, zum ägyptischen Osiris und anderen, auch als prw'to" euJrevth" des Pfluges genannt (so z.B. Plin. N.H. 7,200: invenerunt (…) bovem et aratrum Buzyges Atheniensis, ut alii, Triptolemus; Serv. in Verg. Gerog. 1,147: quaestionem movent commentarii, dicentes Osirin vel Triptolemum aratrum invenisse). Weit verbreitet war auch die Ansicht, daß Demeter alle mit dem Ackerbau verbundenen Tätig keiten erfunden, an ihren Schützling Triptolemos weitergegeben und durch ihn über die ganze Welt verbreitet habe (siehe z.B. Ov. Met. 5,341 343: Prima Ceres unco glaebam dimovit ara tro, prima dedit fruges alimentaque mitia terris, prima dedit leges; Cereris sunt omnia munus; Hymn. Orph. 40,8 9: (…) hJ prwvth zeuvxasa bow'n ajroth'ra tevnonta kai; bivon iJmeroventa brotoi'" poluvolbon ajnei'sa (…); Serv. in Verg. Georg. 1,147: instituit prima Ceres omne agricul turae genus hominibus indicavit; vgl. Serv. in Verg. Georg 1,163 und die eben zitierte Kalli machos Stelle). An die erste Pflügung des Rarischen Feldes durch Triptolemos erinnerten die dort gefeierten eleusinischen Proerosia, die vermutlich das Marmor Parium A 12 erwähnt (FGrHist 239: ajf∆ ou| Dhmhvthr ajfikomevnh eij" ∆Aqhvna" karpo;n ejfªeu'rºen kai; Prªohrosiva ejºpravªcqh prºwvth dªeivxanto" Tºriptolevmou tou' Keleou' kai; Neaivra"; vgl. auch Eur. Suppl. 28 36). An Forschungsliteratur zu Triptolemos sind zu nennen: F. Schwenn, Triptolemos, RE 2,13, 1939, 213 230; Mylonas 20 22; Schwarz; Hayashi; Matheson; Pötscher. So G. Baudy 1992, 28 29. So Robertson 1996, für den die Skira ein „threshing festival“ sind, und Erechtheus der personifizierte Drescher. Nach der These von Cornford und Nilsson ist die Entführung Kores mit der Speicherung des Getreides in unterirdischen Magazinen zu identifizieren. Bei Cornford werden die Skira überhaupt nicht genannt, doch er setzt die Sendung von ajparcaiv nach Eleusis sowie die Getreidespeicherung in die Monate Mai und Juni. Nach Nilsson 1967, 474, liegen die Skira zwar „ungefähr um die Zeit des Ausdreschens“, eine Seite zuvor hatte er jedoch konstatiert, daß die „Kathodos (sc. Kores) im Anfang des Sommers bei der Ernte“ zu denken sei und daß die „Niederlegung des Getreides in die unterirdischen Behälter“ eben dieser Kathodos entspreche. Da Nilsson die Kathodos Kores vier Monate vor dem Fest ihrer Anodos, den Thesmophorien, ansetzt, kommt man auch hier auf die Zeit der Skira. Vgl. dazu Kap. 3.2.2.1 und 3.2.2.4.

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teten den Getreidedrusch ein 1 . Doch auch das Abernten des heiligen Feldes kann nicht Gegenstand der Skira gewesen sein: Wenn man nämlich mit der heiligen Pflügung eine mythische Ur-Pflügung, mit der heiligen Aussaat eine mythische Ur-Aussaat und mit der heiligen Ernte eine mythische Ur-Ernte nachvollzog, dann ist davon auszugehen, daß die heiligen Tätigkeiten jeweils am Anfang der entsprechenden agrarischen Phase standen, daß die Bauern die archetypischen Verrichtungen auf dem heiligen Feld auf ihren eigenen Feldern ‚nachahmten‘, wie in mythischer Vorzeit die Menschen von den kulturbringenden Heroen durch Nachahmung den Ackerbau gelernt hatten. Diese Überlegung berechtigt zu der Hypothese, daß die Athener den Beginn der Erntezeit durch eine heilige Ernte einleiteten, die im Rahmen eines Götterfestes durchgeführt wurde2 . Gegen die Identifikation der Skira mit der Ernte des Getreides auf dem Skironischen Feld spricht weiterhin, daß das Kephisostal zu den klimatisch günstigsten Gebieten Attikas gehört, also ein früher Erntetermin zu erwarten ist. Das athenische Kalenderwesen konnte aber dazu führen, daß die Skira in manchen Jahren zwei Wochen nach ihrem Idealtermin lagen — eine Situation, die für auf den Feldern stehendes reifes Getreide verheerende Folgen hat3 . So weit haben es die Athener sicherlich nicht kommen lassen und das heilige Getreide zur rechten Zeit geerntet. Keiner der drei bisher gemachten Vorschläge, mit welcher agrarischen Tätigkeit die Skira zu verbinden seien, konnte einer näheren Prüfung standhalten. Dagegen scheint das Fest idealiter genau in den Zwischenraum zwischen dem Abschluß der Getreideernte und dem Beginn des Druschs gefallen zu sein. Man freute sich über die abgeschlossene Ernte und gedachte rituell derjenigen mythischen Vorbilder4 , deren archetypische Handlungen man bei der Ernte wiederholt und dadurch reichlich profitiert hatte. Insofern waren die Skira ein Erntefest. Daneben hatten sie aber auch die wichtige Funktion, den Erntearbeitern zur Erholung zwischen zwei anstrengenden Arbeitsphasen zu dienen.

4.3.3 Demeter- oder Athenafest? Die drei genannten heiligen Felder bieten auch den Schlüssel zu der Frage, ob Demeter oder Athena die Haupt- und ursprüngliche Göttin der Skira war. Das

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Hes. Erg. 597 599 nennt für Böotien den Frühaufgang des Orion als Signal für den Beginn des Getreidedruschs, ein Termin der um die Sommersonnenwende lag. Laut Geop. 3,6,8 begann der Drusch am 23. Juni. In Attika, einer der klimatisch günstigsten Gegenden Griechenlands, wird der Drusch einige Tage früher begonnen haben (vgl. dazu z.B. Mommsen 1870, 7 9; Mommsen 1873, 54). Zu den Buphonien als Beginn der Druschphase vgl. Mommsen 1864, 13; 454; Mommsen 1898, 12; 522 523; G. Baudy 1992, 29 Anm. 160. Es handelt sich bei diesem Fest wohl um die Kalamaia, vgl. Kap. 4.2. Zu denken sind u.a. an Vernichtung durch Vögel, Mäuse und andere Schädlinge, durch Unwetter oder Krieg. Zum aitiologischen Mythos der Skira als Erntefest siehe unten Kap. 4.3.4.

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Die Feste zu Ehren Demeters

Rarische Feld liegt bei Eleusis, es ist das heilige Feld des dortigen Demeterkults, wo die Göttin durch den eleusinischen Kulturbringer Triptolemos die erste Aussaat vollzogen haben soll1 . Auf dem Buzygischen Feld im Zentrum Athens soll dagegen der athenische Kulturbringer Buzyges im Auftrag Athenas als erster Mensch gepflügt und Getreide ausgesät haben2 . Das Skironische Feld läßt sich indes a priori mit keiner der beiden Göttinnen verbinden, der antike Mythos nennt auch keinen Heros, der dort den Getreideanbau eingeführt hätte. Skiron scheint also durch nichts von vornherein zum heiligen Feld prädestiniert gewesen zu sein — und wurde dennoch so wichtig, daß man dort in klassischer Zeit ein bedeutendes Fest feierte. Dieser Sachverhalt läßt sich nur dadurch erklären, daß man von einem Kompromiß zwischen zwei konkurrierenden Kulten ausgeht, zwischen dem eleusinischen Demeterkult und dem athenischen Athenakult3 . Voraussetzung für ein solches Konkurrenzverhältnis wie auch für die Verschmelzung eines Demeterfestes mit einem Athenafest zu einem einzigen gemeinsamen Fest beider Göttinnen ist eine große strukturelle wie inhaltliche Ähnlichkeit der Kulte. Demeter ist bekannter- und anerkanntermaßen die griechische Getreide1

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Das Rarische Feld wird bereits im Homerischen Demeterhymnos als bedeutsam erwähnt, siehe Hymn. Hom. in Cer. 450 456. Das Marmor Parium verbindet Triptolemos namentlich mit der Ur Aussaat (und Ur Ernte?) auf dem Rarischen Feld (FGrHist 239, A 13): ajf∆ ou| Triptovªlemo" ejqevrise to;n karpovn, o}nº e[speiren ejn th'/ ÔRariva/ kaloumevnh/ ∆Eleusi'ni. Implizit auch bei Paus. 1,38,6: to; de; pedivon to; ÔRavrion sparh'nai prw'ton levgousi kai; prw'ton aujxh'sai karpouv" (…). ejntau'qa a{lw" kaloumevnh Triptolevmou kai; bwmo;" deivknutai. Vgl. auch Schol. Hes. Erg. 32. Ein gewisser Rar oder Raros gilt in manchen Genealogien als Vater des Triptolemos (Paus. 1,14,3; Choiril. Fr. 1 Snell; Hesych s.v. ∆Ra'ro"; Phot. s.v. ∆Ravr), ∆Rariav" ist ein Beiname der Demeter (Kallim. Fr. 21,10 Pfeiffer; Suda s.v. ∆Rariav"). Das auf dem Rarischen Feld geerntete Getreide diente zur Zubereitung von Op ferkuchen (Paus. 1,38,6) und als Siegespreis bei den Eleusinia, einem mit Agonen verbun denen Sommerfest zu Ehren Demeters (IG II2 1672, 258 9; Schol. Pind. Ol. 9,150; Aristid. Eleusin. p. 257 Dind.). Zu den Eleusinia jüngst Gerhard J. Baudy, Cereal Diet and the Origins of Man. Myths of the Eleusinia in the context of Ancient Mediterranean Harvest Festivals, in: J. Wilkins / D. Harvey / M. Dobson (Hgg.), Food in Antiquity, Exeter 1995, 177 195. Zu Buzyges siehe J. Toepffer, Buzygai, RE 1,5, 1897, 1094 1096; Buzyges (1), RE 1,5, 1897, 1095 1097; Emily Kearns, Buzyges [1], NP 2, 1997, 862. Als Buzyges’ kulturbringende Leistung wird in den antiken Quellen genannt, daß er als erster Ochsen vor den Pflug spannte (wie auch sein Name, ‚Ochseneinspanner‘, sagt) und damit die Erde für den Ackerbau brauch bar machte. Siehe z.B. Aristot. fr. 386 Rose: h{rw" ∆Attiko;" oJ prw'to" bou'" uJpo; a[rotron zeuvxa" (= Hesych s.v. Bouzuvgh"); EM s.v. Bouzugiva: Bouzuvgh" gavr ti" tw'n hJrwvwn prw'to" bou'" zeuvxa" th;n gh'n h[rose kai; eij" gewrgivan ejpithvdeion ejpoivhsen. Doch sind Pflügen und Säen zwei eng miteinander verbundene agrarische Tätigkeiten (vgl. z.B. Pötscher 174: „Mit dem Pflügen geht das Säen Hand in Hand.“). Daß Buzyges im Auftrag Athenas handelte, wird explizit gesagt von Aristid. Athena 13: kai; Bouzuvgh" ti" uJph'lqev me tw'n ejx ajkropovlew", kai; wJ" oujk h\n tw'/ gewrgw'/ ou[te to; a[rotron ou[tæ, ejpeidh; kai; to; a[rotron, tov ge zeu'xai ta;" bou'", eij mh; ejpifrosuvnhn dw'ke glaukw'pi" ∆Aqhvnh, diæ h|" a[rotron me;n kai; nau'" ejdhmiourghvqh, ejzeuvcqhsan de; i{ppoi kai; bove". Laut Schol. in Aischin. 2,78 s.v. tou' Bouzuvgou stellte das Geschlecht der Buzygen eine Athenapriesterin ([…] gevno" […] ejx ou| ejgivneto hJ iºevreia th'" jAqhna'"). Daß das Buzygische Feld der Athena heilig ist, wird bestätigt durch Plut. Sulla 460a (tw'n ajnqrwvpwn sitoumevnwn to; peri; th;n ajkrovpolin fuovmenon parqevnion). Diese Annahme hat sich, nachdem sie schon im 19. Jahrhundert von Robert vertreten worden war, in den letzten Jahrzehnten als communis opinio etabliert, siehe z.B. Pfister 530; Jacoby; Burkert 1972, 162; Simon 24; Baudy 1992, 24 25; Robertson 1996; Calame 1996b, 342.

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und Ackerbaugöttin par excellence, doch hat Athena ganz offensichtlich ebenfalls eine Zuständigkeit für diesen Bereich, wenngleich sie in klassischer und späterer Zeit primär als Stadtgöttin, besonnene Kriegerin sowie Erfinderin und Schutzherrin des Handwerks gilt1. Es ist wohl davon auszugehen, daß Athena in der Stadt Athen ursprünglich die allein für die Agrikultur verantwortliche Göttin war. Doch weil der eleusinische Kult — und damit auch Demeter — ständig an Ansehen und Bedeutung gewann, in Athen selbst eingeführt und der dazugehörende Mythos von den Politikern schon früh als Propagandainstrument benutzt wurde2 , verlor der agrarische Aspekt Athenas allmählich an Wichtigkeit. Gleichwohl ist er in den Mythen präsent und für uns heute nachvollziehbar: Zum einen gilt die schon erwähnte, mit Athena verbundene Figur des Buzyges als Erfinder des Pfluges und wird für die erste Pflügung der Menschheitsgeschichte verantwortlich gemacht — auf einem der Athena heiligen Acker3 . Dann die Procharisteria: Die führenden Beamten Athens opferten der Göttin ausgangs Winters für die aufsprießenden Feldfrüchte4 . Des weiteren wissen wir, daß der Pflug des Buzyges als Weihgeschenk auf der Akropolis stand5 , daß im Kult der Athena Mädchen als ajletrivde" (‚Mahlende‘) fungierten, dafür zuständig, das Getreide für die Opferkuchen zu mahlen, und daß die Mühlsteine heilig waren6 . Schließlich bezeugt das uns schon aus dem Kapitel über die Thesmophorien bekannte Lukianscholion, daß die Arrhephoria, ein im Monat Skirophorion gefeiertes Athenafest, neben der Fortpflanzung der Menschen auch das Gedeihen des Getreides zum Ziel haben7 .

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So die Charakterisierung Athenas z.B. bei Nilsson 1967, 433 444, oder Burkert 1977, 220 225. Eine (zumindest ursprüngliche) Zuständigkeit Athenas für den Ackerbau wird häufig vorausgesetzt (z.B. Hayashi 26); Arbeiten, die diese Frage eingehender behandeln, sind z.B.: Simms 1980, 120 145; G. Baudy 1992; Robertson 1996; Calame 1996b passim. Der Demetermythos als Propagandainstrument der athenischen Politik z.B. bei Xen. Hell. 6,3,6; Isokr. 4,28 31. Vgl. dazu z.B. Matheson. Vgl. dazu oben S. 159 mit Anm. 4. In Thessalien gab es eine Athena Bouvdeia (Lykophr. Alex. 359 und Schol.; Steph. Byz. s.v.); dieses Epitheton ist gleichbedeutend mit Bouzuvgh. Vgl. dazu Catherine Trümpy, Athena Boudeia, ZPE 100, 1994, 407 412. Suda p 2928 s.v. Procaristhvria: hJmevra ejn h|/ oiJ ejn th'/ ajrch'/ pavnte" ajrcomevnwn karpw'n fuvesqai, lhvgonto" h[dh tou' ceimw'no", e[quon th'/ ∆Aqhna'/. th'/ de; qusiva/ o[noma Procaristhvria. Lukou'rgo" ejn tw'/ Peri; th'" iJerwsuvnh": th;n toivnun ajrcaiotavthn qusivan dia; th;n a[nodon th'" qeou', ojnomasqei'san de; Procaristhvria, dia; th;n blavsthsin tw'n karpw'n tw'n fuomevnwn. Vgl. Harpokrat. s.v. Proscairhthv r ia und Bekker, Anekd. 1,295,3. Siehe dazu auch Mommsen 1898, 420; Deubner 17; Nilsson 1967, 440. Schol. Aischin. 2,78: to; a[rotron aujtou' ajnevkeito ejn th'/ ajkropovlei pro;" mnhvmhn. Schol. in Aristoph. Lys. 643: givnontai dev tine" tw'n eu\ gegonuiw'n ajletrivde" th'/ qew'/ parqevnoi, ai{tine" ta; eij" th;n qusivan povpana ajlou'si: kai; e[stin e[ntimon tou'to. h\san de; kai; iJeroi; mulw'ne". Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 (p. 276, 14 15): a[getai (…) peri; th'" tw'n karpw'n genevsew" kai; th'" tw'n ajnqrwvpwn spora'".

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4.3.4 Der aitiologische Mythos vom Krieg zwischen Athen und Eleusis Doch mit Skiron assoziierten die Athener nicht nur ‚Landwirtschaft‘, sondern auch einen urgeschichtlichen ‚Krieg‘: In der Regierungszeit von Erechtheus, dem erdgeborenen1 König Athens, sollen die Eleusinier unter Eumolpos die benachbarte Stadt angegriffen und in ihrer Existenz ernsthaft bedroht haben2 . In dieser Gefahr erhielt der König den Orakelspruch, daß er seine Stadt nur retten könne, wenn er vor der Schlacht eine seiner Töchter opfere. Euripides behandelt diesen Mythos in seiner nur fragmentarisch überlieferten Tragödie Erechtheus3 , wo er Praxithea, die Gattin des Königs, in einem bewegenden Monolog der Opferung einer Tochter zustimmen läßt4. So wurde also vor Kampfbeginn eine der Königstöchter geopfert, die beiden Schwestern nahmen sich aus Solidarität das Leben — sie hatten sich geschworen, nur gemeinsam zu sterben5 . Die Schlacht fand auf dem Skironischen Feld statt. Der gegnerische

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So die frühesten Zeugnisse zu Erechtheus, Hom. Il. 2,547 548 und Hdt. 8,55. Zu Erechtheus siehe Escher, Erechtheus, RE 11, 1907, 404 411; Robertson 1996; Emily Kearns, Erechtheus, NP 4, 1998, 56 57. Der Krieg als Bestandteil der Stadtgeschichte wird schon von Thuk. 2,15,1 erwähnt (kaiv tine" kai; ejpolevmhsavn pote aujtw'n, w{sper kai; ∆Eleusivnioi metæ Eujmovlpou pro;" ∆Erecqeva). Zu den Kriegen zwischen Athen und Eleusis siehe Mylonas 24 29; Padgug; Simms 1983. Die Fragmente der Tragödie sind in Austin, Nova fragmenta Euripidea 22 40, zusammengestellt; hier fr. 50 Austin. Vgl. auch die kommentierte Edition des Erechtheus von Paolo Carrara und zuletzt die mit englischer Übersetzung und Kommentar versehene Ausgabe von Martin Cropp. Die ausführlichsten erhaltenen Darstellungen des wiedergegebenen Mythos sind Lykurgos in Leocrat. 98 99 (fasi; ga;r Eu[molpon to;n Poseidw'no" kai; Ciovnh" meta; Qra/kw'n ejlqei'n th'" cwvra" tauvth" ajmfisbhtou'nta, tucei'n de; katæ ejkeivnou" tou;" crovnou" basileuvonta ∆Erecqeva, gunai'ka e[conta Praxiqevan th;n Khfisou' qugatevra. megavlou de; stratopevdou mevllonto" aujtoi'" eijsbavllein eij" th;n cwvran, eij" Delfou;" ijw;n hjrwvta to;n qeovn, tiv poiw'n a]n nivkhn lavboi para; tw'n polemivwn. crhvsanto" dæ aujtw'/ tou' qeou', th;n qugatevra eij quvseie pro; tou' sumbalei'n tw; stratopevdw, krathvsein tw'n polemivwn, oJ de; tw'/ qew'/ piqovmeno" tou'tæ e[praxe, kai; tou;" ejpistrateuomevnou" ejk th'" cwvra" ejxevbale) und Apollod. 3,15,5 (kai; polevmou ejnstavnto" pro;" ∆Aqhnaivou" toi'" ∆Eleusinivoi", ejpiklhqei;" uJpo; ∆Eleusinivwn meta; pollh'" sunemavcei Qra/kw'n dunavmew". ∆Erecqei' de; uJpe;r ∆Aqhnaivwn nivkh" crwmevnw/ e[crhsen oJ qeo;" katorqwvsein to;n povlemon, eja;n mivan tw'n qugatevrwn sfavxh/. kai; sfavxanto" aujtou' th;n newtavthn kai; aiJ loipai; eJauta;" katevsfaxan: ejpepoivhnto gavr, wJ" e[fasavn tine", sunwmosivan ajllhvlai" sunapolevsqai. (genomevnh" de; meta; ãth;nà sfagh;n th'" mavch" ∆Erecqeu;" me;n ajnei'len Eu[molpon, Poseidw'no" de; kai; to;n ∆Erecqeva kai; th;n oijkivan aujtou' kataluvsanto", Kevkroy oJ presbuvtato" tw'n ∆Erecqevw" paivdwn ejbasivleusen). Fr. 50 Austin. Zu dem Monolog der Praxithea vgl. Harder 336 342; Lefkowitz 1996, 85 87. Zu Praxitheas Darstellung durch Euripides und mit Blick auf ihre kultische Funktion siehe Sissa / Detienne 215 222. Hier ist, wie in ähnlich gelagerten Fällen (Makaria, Polyxena, Iphigenie [bei Euripides]), an einen ‘freiwilligen’ Opfertod der Königstochter zu denken (siehe Demosth. 60,27; Phanodemos FGrHist 325 F 4); siehe zu den Heroinnen in Attika und speziell zu den Erechthiden Kearns 58 63; Larson 101 110; vgl. auch Sissa / Detienne 208 229; zu attischen Mädchenopfermythen Loraux; Lefkowitz 1996; zu den Mädchenopfer Tragödien des Euripides John Wilkins, The state and the individual. Euripides’ plays of voluntary self sacrifice, in: Anton Powell (Hg.), Euripides, women, and sexuality, London / New York 1990, 177 194; Geneviève Hoffmann, Macarie, Polyxene et Iphigenie: Les vierges héroïques dans le théâtre d’Euripide, in: Odile Cavalier (Hg.), Silence et fureur: la femme et la mariage en Grèce, Avignon 1996, 249 270 (ohne Besprechung des Erechtheus); zur Bedeutung des

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Feldherr fiel1 , die Eleusinier wurden geschlagen, doch die siegreichen Athener kehrten ohne ihren König in die Stadt zurück: Poseidon hatte ihn getötet, indem er mit seinem Dreizack auf die Erde schlug und dadurch eine Kluft öffnete, in die Erechtheus versank 2 . Am Ende der Tragödie tritt die Stadtgöttin Athena als dea ex machina zu der über den Verlust all ihrer Familienangehörigen trauernden Praxithea3 , gebietet Poseidon Einhalt, der nun noch ein Erdbeben verursacht4. Gleichzeitig verkündet sie der Königin, daß die drei Töchter am Ort der Opferung beigesetzt werden sollen5 , ihre Seelen habe sie jedoch als Gestirn an den Himmel versetzt6 . Unter dem Namen Hyakinthidai verehrten die Menschen sie künftig als Göttinnen, in einem jährlichen Fest brächten die Athener ihnen blutige Opfer dar und führten

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freiwilligen Selbstopfers Versnel 1981; zum Menschenopfer in der griechischen Religion A. Henrichs, Human sacrifice in Greek Religion: three case studies, in: Le sacrifice dans l’antiquité, Genf 1981, 195 235. Das Motiv des Eides, durch den sich die Erechthiden gegenseitig verpflichtet hatten, alle zu sterben, wenn eine von ihnen geopfert würde, findet sich bereits bei Euripides (Erechth. fr. 65,68 70 Austin) und auch später in zahlreichen Varianten des Mythos (Apollod. 3,15,5; Hygin fab. 46; Schol. Aristid. 13,118,10; 20). Über die Anzahl der Königstöchter schwanken die Angaben, Namen sind uns aus frühen Quellen nicht bekannt. Vermutlich kamen bei dem Selbstopfer für die Stadt in der ursprünglichen Version des Mythos alle Erechthiden ums Leben. In Euripides’ Erechtheus hatten sich offenbar drei Mädchen jenen Eid gegeben, es dürften also zwei der geopferten Schwester in den Tod gefolgt sein (fr. 47 Austin: zeu'go" tripavrqenon; fr. 50,36; vgl. fr. 65,68 74); laut Eur. Ion 280 gab es noch eine vierte Schwester, Kreusa, die jüngste Tochter des Erechtheus, die das Schicksal der übrigen Königstöchter nicht teilte, weil sie zu jenem Zeitpunkt noch ein Säugling war; Phanodemos FGrHist 325 F 4 zählt die Namen von insgesamt sechs Schwestern auf, von denen nur zwei geopfert worden seien. Diejenigen Zeugnisse, die von der Opferung nur einer Tochter sprechen (z.B. Demaratos FGrHist 42 F 4 (die älteste), Apollod. 3,15,5 (die jüngste), Lykurg in Leocr. 99; Plut. Parall. min. 310D (mit Hinweis auf Euripides’ Erechtheus)), unterscheiden offenbar zwischen der von einer Gottheit geforderten Opferung des einen Mädchens und dem Tod der Schwestern (wie dies auch Euripides selbst tut, vgl. die Wortwahl in fr. 65,65 70 Austin). Nach manchen ist Eumolpos selbst der Feldherr (Eur. Erechth. fr. 50,48 Austin; Thuk. 2,15,1; Isokr. 12,193; Apollod. 3,15,5; Schol. Eur. Phoen. 854), nach anderen sein Sohn Immarados (Paus. 1,5,2; 27,4; 38,3; Schol. in Hom. Il. 18,483 606). Das Grab des Immarados war nach Clem. Alex. Protr. 3,45,1 im athenischen Eleusinion zu sehen. Eumolpos gilt als Sohn Poseidons z.B. bei Isokr. 4,68; 12, 193; Lykurgos in Leocrat. 98 (oben Anm. 43); Paus. 1,38,2; Apollodor 3,15,5 (oben Anm. 43); Schol. in Eur. Phoen. 854; Suda b 357 s.v. Bohdromiva. Mit G. Baudy 1992, 15 (implizit) sowie 29 30, und Robertson 1996, passim, gehe ich davon aus, daß Erechtheus auf dem Skironischen Feld ums Leben kam, und nicht, wie vielfach vermutet wird (siehe z.B. Burkert 1972, 167; Sissa / Detienne 221), auf der Akropolis. Dafür spricht auch Eur. Erechth. fr. 65,12 21 Austin, wo ein Bote der auf der Akropolis wartenden Praxithea von der Schlacht und dem Tod ihres Gatten Bericht erstattet. Zur Reaktion Praxitheas über diesen Verlust vgl. Harder 340 341. Fr. 65,55 62 Austin. Fr. 65,65 70 Austin. Als Ort der Bestattung der Erechthiden nennt Phanodemos FGrHist 325 F 4 den Hügel Hyakinthos (vielleicht der heutige Nymphenhügel, vgl. R. Wycherley, The stones of Athens, Princeton 1978, 188). Euripides könnte in dem nur bruchstückhaft erhaltenen Vers 76 ebenfalls auf diesen Ort hingewiesen haben. Fr. 65,71 71 Austin. Das gemeinte Gestirn sind die Hyaden, die später noch genannt werden (fr. 65,107 Austin; Schol. in Arat. 172 (= Eur. Erechth. fr. 357 Nauck); vgl. auch Serv. in Verg. Aen. 1,744).

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ihnen zu Ehren Mädchenchöre auf, vor jedem Auszug in eine Schlacht spendete das Heer (und mit ihm sicherlich die Epheben1 ) ihnen für den glücklichen Ausgang des Kampfes Honig und Quellwasser2 . Ihr Heiligtum werde a[baton (‚unbetretbar‘) sein, damit dort nicht Feinde zu Ungunsten Athens opfern könnten3 . Erechtheus solle in der Mitte der Stadt ein Heiligtum4 bekommen, nach seinem Mörder den Beinamen Poseidon tragen und blutige Opfer empfangen. Praxithea selbst schließlich, die durch den Verzicht auf eine ihrer Töchter die Rettung Athens überhaupt erst ermöglicht hatte, wird Athenapriesterin 5 . In dieser Auseinandersetzung zwischen Athen und Eleusis wiederholt sich der Streit zwischen Athena und Poseidon um die Stadt Athen, nur ist er hier aus der göttlichen in die menschlich-heroische Sphäre hinabverlagert. Die beiden Protagonisten sind der Zögling der Athena, Erechtheus, und Eumolpos, Sohn des Poseidon. Auch diesen zweiten Kampf um Athen kann die Stadtgöttin für sich entscheiden6. Auffallend ist, daß Eleusis zwar als Gegenspielerin Athens eingeführt, dann aber durch Eumolpos mit Poseidon verbunden wird. Fehlen die eleusinischen Göttinnen Demeter und Kore in diesem Mythos ganz? Sicher ist, daß Athena am Ende ihrer Rede in Euripides’ Erechtheus — sie gibt dort Anordnungen von Zeus wieder — Demeter mehrfach erwähnt hat 7 , doch läßt 1 2

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So wird Eur. Erechth. fr. 65,81 86, auch verstanden von Wilkins 1990, 333 und 1993, xxiv; vgl. auch Burkert 1972, 78. Fr. 65,77 86 Austin. Das jährliche Fest mit blutigen Opfern und Mädchenchören (das Schicksal der Erechthiden als Tanzthema ist auch erwähnt bei Luk. de salt. 41) erinnerte offenbar in regelmäßigen Abständen an den ‚Heldentod‘ und wohl auch den nachfolgenden Katasterismos der Königstöchter. Bei der als zweites genannten Opferart handelt es sich um die sogenannten nhfavliai spondaiv (‚nüchterne Spenden‘), die offenbar insbesondere weiblichen Gottheiten dargebracht wurden (vgl. Philoch. FGrHist 328 F 12). Zu dieser Sonderform des Opfers siehe Graf 1980. In seinem Aufsatz erweist Graf das weinlose Opfer als „Zeichen der Ausnahme gegenüber dem Hier und Jetzt“, da die verwendeten Flüssigkeiten abnorm und marginal sind. Damit ist diese Opferform dem Feld der Übergangsriten zuzuordnen (216 219). Der Kultname Hyakinthidai soll sich vom Ort des Opfers, dem Hügel Hyakinthos ableiten; daneben wurden die Erechthiden aber auch unter der Bezeichnung parqevnoi (‚Jungfrauen‘) verehrt, vgl. Phanodemos FGrHist 325 F 4. Vergöttlichung bzw. Verstirnung der Erechthiden wird auch sonst erwähnt, vgl. z.B. Demosth. 60,27; Cic. nat. deor. 3,50. Der Übergang vom Menschen zum göttlichen Heros durch den Vorgang der Selbstopferung und die nachfolgende Aufnahme in den neuen Status wird von Versnel 1981, 148 152 und passim, als typisches Motiv im Kontext der devotio herausgearbeitet. Fr. 65,87 89 Austin. Das a[baton ist die typische Form des Heiligtums für diejenigen, die sich selbst opferten, vgl. Versnel 1981, 158. Zur Lage des ‚echten‘ Erechtheion auf der Akropolis siehe Robertson 1996, 29 44, bes. 40 44. Fr. 65,90 97 Austin. Vgl. zur Beziehung zwischen Praxithea und Athena Sissa / Detienne 218 219. So z.B. auch Burkert 1972, 177. Athena, die selbst Siegerin in der Auseinandersetzung mit Poseidon ist und den Athenern den Sieg über ihre Angreifer verlieh, ist Athena Nike, vgl. dazu Robertson 1996, 44 46 und passim. Fr. 65,100 17 Austin. Klar erkennbar ist die Nennung Demeters in v. 102 und 109. Schon zuvor, in der Klage des Chores über den Tod des Herrschers und seiner Töchter, wurde Demeter erwähnt (fr. 65,34 Austin); hier könnte allerdings mit James Diggel und Christopher Collard (im Apparat der Ausgabe von Cropp) Dhou'" kovra zu lesen sein, also ein Hinweis auf Persephone als Empfängerin des Opfers?

Die Skira

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der fragmentarische Charakter den genauen Kontext nur schwer erschließen. Die Nennung von „Eumolpos, Sohn des gestorbenen Eumolpos“ und der „Kerykes“1 könnte darauf hinweisen, daß in dieser Passage von der Einrichtung der Eleusinischen Mysterien die Rede war; ebenso könnte a[rrhta (‚Unsagbares‘)2 in diesen Kontext gehören — es kann jedoch auch lediglich ein Fest mit Mysteriencharakter gemeint sein, an dem eleusinisches Personal ebenfalls beteiligt war. In welcher Weise die Hyaden in diesen Zusammenhang eingebettet waren, ist aus dem Erhaltenen nicht zu entnehmen3 . Die Schaffung der Hyaden durch Athena im aitiologischen Mythos der Skira wiederholt sich allerdings jährlich durch den Frühaufgang des Gestirns zur Erntezeit 4 . Der hier anhand von Euripides’ Erechtheus referierte Mythos vom Krieg zwischen Athen und Eleusis stellt ein Aition der Skira dar: Wenn die Athenapriesterin und der Priester des Poseidon-Erechtheus von der Akropolis auf das Skironische Feld ziehen, so folgen sie damit dem Weg derer, die sie auf menschlicher Ebene repräsentieren: Athena und ihr Schützling Erechtheus. Die antiken Quellen informieren uns darüber nicht, aber die Logik des Mythos legt die Schlußfolgerung nahe, daß gleichermaßen ein Nachkomme des Eumolpos und weitere Repräsentanten des eleusinischen Kultes zum ehemaligen Schlachtfeld zurückkehrten. Mit dem, was jetzt auf dem Skironischen Feld passierte, wurden die Ereignisse jenes Krieges nachvollzogen.

4.3.5 Das Frauenfest der Skira Die Skira hatten offensichtlich zwei Phasen: Laut den Zeugnissen unterschied man zwischen einem öffentlichen Festabschnitt, an dem insbesondere Männer Anteil hatten, und einem nächtlichen, mysterienhaften Frauenfest5. Dieses erinnerte an den Opfertod der Erechthiden, jenes an die Kampfhandlungen auf dem Schlachtfeld. Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen: (1) Der Tod einer Königstochter war die Voraussetzung für den Sieg der Athener über die angreifenden Eleusinier und für den Erhalt der Stadt. Desgleichen fand dasjenige Ritual, das jenes Mädchenopfer nachvollzog, vor der rituellen Wiederholung des mythischen 1

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Fr. 65,100 101 bzw. 114 Austin. Von Eumolpos und Keryx leiten sich die beiden wichtigesten Priestergeschlechter der Mysterien ab, die jedoch auch bei anderen Demeterfesten in Erschei nung traten. Es gab eine Tradition, in der Keryx als Sohn des Hermes und einer Kekrops tochter galt deshalb wohl die Nennung von Hermes in v. 113. Fr. 65,110 Austin. Die Hyaden werden fr. 65,107 namentlich genannt, also ungefähr in der Mitte der Anordnungen des Zeus. Vgl. dazu Robert Hannah, The constellations on Achilles’ shield (Iliad 18.485 489), ElectronAnt 2,4, 1994 1995; Robertson 1996, 53. Zu den Skira als Frauenfest siehe oben S. 154 Anmm. 3 und 4; der Mysteriencharakter wird erwähnt in Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 p. 275,23 Rabe. Von dem von Männern dominierten Teil sprechen Lysimachides und verwandte Zeugnisse.

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Krieges statt. Die symbolische Wiederholung dieses Opfertodes dürfte an dem für die Skira bezeugten Frauenfest durchgeführt worden sein. Folglich müßte das Frauenfest der Skira vor dem von Männern dominierten Teil liegen; da es sich um eine nächtliche Feier handelt, ist die Nacht des 12. Skirophorion, also die dem Männerfest vorausgehende Nacht, als Zeitpunkt dieses Festes zu erschließen. (2) Athena und Poseidon-Erechtheus sind für den zweiten Teil des Festes zuständige Gottheiten, da sich ja im Kampf zwei von ihnen protegierte Heroen gegenüberstanden. Welchen Gottheiten galt aber der erste Teil des Festes? Und welchen Anteil hatten Demeter und Kore an den Skira?

4.3.5.1 Das Motiv des Mädchenopfers 4.3.5.1.1 Die Erechthiden Um diese Fragen zu beantworten, wenden wir uns zunächst nochmals dem Mädchenopfer einer der Erechtheus-Töchter zu. Die Quellen berichten, ein Orakel — oder speziell der delphische Apollon — habe Erechtheus den Sieg über die Angreifer prophezeit, wenn er eine seiner Töchter opfere. Welche Gottheit dieses Mädchenopfer fordert, wird nicht erwähnt. Einzig Demaratos, ein Historiker hellenistischer Zeit, nennt den Namen der Göttin, der das Opfer der Königstocher zukommt: Persephone1 . An ihrem Altar wird das Mädchen getötet. Euripides’ Erechtheus bietet in seiner überlieferten Form diese Information nicht, doch ist wohl in fr. 68,34 ein Schreibfehler zu postulieren und mit James Diggle Dhou'" kovra zu lesen2 . In diesem Fall hätte schon Euripides Kore-Persephone als Empfängerin des Opfers gekannt. Diese Auskunft ist aus mehreren Gründen glaubhaft: Erstens wird durch sie eine Verbindung zwischen der eleusinischen Göttin Kore-Persephone und dem auf Athena und Poseidon konzentrierten Erechtheusmythos geschaffen. Zweitens ist Kore-Persephone auch in Euripides’ Herakliden diejenige Gottheit, die ein Mädchenopfer fordert 3 . Drittens ist es die Entführung von Kore-Persephone selbst, die durch den Tod der Königstochter gespiegelt wird — als „Hadeshochzeit“ pflegte man bekanntlich in der Antike den Tod von Mädchen vor ihrer Hochzeit zu

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Demarat. FGrHist 42 F 4 (= Stobaios 39,33): Dhmaravtou ejn trivtw/ Tragw/doumevnwn. ∆Aqhnaivwn pro;" Eu[molpon to;n Qra/kw'n basileva povlemon ejcovntwn, ∆Erecqeu;" oJ th'" ∆Attikh'" proi>stavmeno" crhsmo;n e[laben, o{ti nikhvsei tou;" ejcqrouv", eja;n th;n presbutavthn tw'n qugatevrwn Persefovnh/ quvsh/. paragenovmeno" dæ eij" ∆Aqhvna" Praxiqeva/ th'/ gunaiki; th;n puqovcrhston manteivan ajphvggeilen: ei\qæ ou{tw th;n kovrhn prosagagw;n toi'" bwmoi'" ajnei'len, kai; sumbalw;n to;n povlemon ejgkrath;" ejgevneto th'" nivkh". Diggle liest in fr. 68,34 Dhou'" kovra (vgl. S. 164 Anm. 5), unmittelbar darauf macht der Chor die angeredete Person für sein Leid verantwortlich (v. 34 35). Dadurch wird die Tochter Demeters als Urheberin des Menschenopfers wahrscheinlich. Siehe Eur. Heraclid. 408 409; 489 490; 601.

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bezeichnen1 —, um so mehr, weil die Entführung Kores durch Hades ebenfalls in die Zeit zu datieren ist, in der die Skira stattfanden2 . Eine weitere Parallele zwischen Kore- und Erechtheusmythos besteht in der Todesart des Schweinehirten Eubuleus einerseits und des Erechtheus andererseits: Beide verschwinden durch ein cavsma (einen ‚Erdspalt‘) in die Tiefe3 — und das jeweils zur Zeit der Skira. Aufgrund dieser Überlegungen also ist Kore als Empfängerin des Mädchenopfers auch für Euripides’ Tragödie zu vermuten 4 .

4.3.5.1.2 Makaria Allerdings gibt es neben den Erechthiden weitere Mädchen, die sich dem Mythos nach für die Rettung der Stadt Athen freiwillig opfern ließen. Bei ihnen handelt es sich zum einen um Makaria, die Tochter des Herakles, deren Schicksal zahlreiche Parallelen zum Stoff des Erechtheus aufweist: Athen wird von einem feindlichen Heer bedroht; den Athenern wird der Sieg im Kampf prophezeit, wenn sie ein Mädchen vornehmer Abkunft opfern; Makaria stellt sich für das Opfer freiwillig zur Verfügung; es kommt zur Schlacht, aus der die Athener als Sieger hervorgehen5 . Der zentrale Unterschied zwischen diesen beiden Mythen ist, daß sich hier mit Makaria keine Athenerin sondern eine Fremde opfern läßt6 . Dies hinderte die Athener jedoch nicht daran, auch Makaria als Heroin kultisch zu verehren7 . Der Kult der Heraklestochter war offenbar auch für die Epheben von Bedeutung8. 1

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So z.B. Soph. Ant. 1240 1241; Eur. Troad. 445; Iph. Aul. 460 461. Vgl. zu diesem Motiv Loraux 59 64; Seaford 1987; Rehm passim. Auch wenn in Euripides’ Herakliden Kore die Opferung eines Mädchens fordert, ist dies mit dem eigenen Schicksal der Göttin zu begründen und zu parallelisieren (so auch Wilkins 1993, xxiii xxiv). Vgl. dazu oben die Kapitel 3.2.1 und 3.2.2. Zu Eubuleus siehe oben Kap. 4.1.5.1. Das cavsma in bezug auf Erechtheus wird erwähnt bei Eur. Ion 281. Dies wird in der Forschung auch getan, vgl. z.B. O’Connor Visser 148; Wilkins 1993, ad Eur. Heracl. 408 09; Cropp 150 und ad fr. 370,34. Der Heraklidenmythos ist in Euripides’ Heraklidai ausführlich dargestellt. Vgl. zu der Tragödie allgemein und dem Mädchenopfer in ihr: O’Connor Visser 19 49; Wilkins 1993 (dort S. xiv xviii sind auch weitere Quellen zu diesem Mythos zusammengestellt); Lefkowitz 1996. In Euripides’ Tragödie motiviert Makaria ihre freiwillige Bereitschaft zum Tod gleichwohl eindeutig mit der Rettung ihrer Geschwister u n d der Stadt Athen (Eur. Herakl. 622: prov tæ ajdelfw'n kai; ga'"), vgl. dazu Wilkins 1990, 337 Anm. 103. Der Kult ist durch Aristoph. Equ. 1151 schon für die klassische Zeit belegt. Nach Auskunft der Scholien ad loc. hatten die Athener das Mädchen, das für sie gestorben war, aufwendig beigesetzt und ehrten ihr Grab durch Blumen und Kränze (vgl. auch Schol. Plat. Hipp. mai. 293A). In Marathon gab es eine Quelle, die nach der Heraklestochter "Makaria" genannt war (Paus. 1,32,6). Die fulloboliva , mit der die Athener Makaria ehrten, ist eine mit den für den Hyakinthidenkult bezeugten nhfavlioi spondaiv vergleichbare Sonderform des Opfers, dem ebenfalls die Vorstellung von Abnormalität anhaftet, vgl. Graf 1980, 182. Daß schon Aristophanes und Platon ein ej " makariv a n als stehenden Ausdruck für eij" o[leqron verwendeten, ist ein klarer Hinweis darauf, daß der Makariakult in Marathon nicht erst durch

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Die Feste zu Ehren Demeters

4.3.5.1.3 Die Leokorai Weiterhin waren es die Leokorai, die freiwillig in den Tod gingen, um ihre Vaterstadt vor dem Untergang zu retten1 . Die Konstellation ist hier allerdings etwas anders als in den beiden vorigen Fällen: Nicht ein Krieg, sondern eine Hungersnot oder eine Seuche bedrohen die Existenz Athens2 . Durch das Opfer wiederum dreier Mädchen wird das Unheil abgewendet. Zum Gedenken an die Heroinnen errichteten die Athener im Zentrum der Stadt das sogenannte Leokorion. Über den dortigen Kult besitzen wir leider keine Informationen. Eine versuchsweise Identifikation des Leokorions mit einem Gebäude auf der Agora trug Homer Thompson vor3. Sollte er mit ihr recht haben, so würde es sich um ein a[baton (‚Unbetretbares‘) handeln, wie es Euripides in seinem Erechtheus für den heiligen Bezirk der Hyakinthiden beschrieben hat. Dort fanden die Archäologen eine Vielzahl von Spielsachen als Weihgeschenke. Ist diese Identifikation korrekt, so folgt daraus, was schon der Mythos vermuten läßt, daß nämlich der Kult für die Töchter des Leos in einem Zusammenhang mit der Kindheit stand — wohl speziell mit dem Ende der Kindheit, der Initiation in die Erwachsenenwelt, wo die Weihung von Spielzeug als eine Art von Abschiedsgeschenk an die für die Kindheit zuständigen Gottheiten angesehen wurde4 .

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Euripides’ Herakliden entstand (gegen Wilkins 1993, xvi und passim, der das freiwillige Selbstopfer der Makaria für eine Erfindung des Dichters hält). Kearns 58 erwägt, ob der Kult von Makaria mit dem von Kore verbunden gewesen sein könnte. Wilkins 1990 weist eine enge Verbindung der gesamten Tragödie mit Jugendlichen allgemein und speziell mit den Epheben nach. Makarias Vater Herakles galt wie Theseus, der Vater des athenischen Königs Demophon, als ein Prototyp der athenischen Epheben. Nicht nur Makaria (die Fremde, die sich für die Stadt geopfert hatte) wurde von den Athenern kultisch verehrt, sondern auch der Angreifer Eurystheus: er wurde zum „enemy hero“, sein in Attika bestatteter Leichnam sollte die Athener vor Angriffen seitens der Nachkommen der Herakliden schützen (siehe Eur. Herakl. 1026 1044 und vgl. dazu Wilkins 1993, xxiv xxv und ad 928 1055; zur Verehrung von „enemy heroes“ allgemein siehe Margaret Visser, Worship your enemy. Aspects of the cult of heroes in ancient Greece, HThR 75, 1982, 403 428). Eine bereits 1952 gefundene aber erst zwanzig Jahre später veröffentlichte Inschrift belegt Makarias Verehrung durch Epheben, vgl. dazu W. Peek, Zu einem Epheben Epigramm aus Athen, AAA 6, 1973, 125 127; A.N. Oikonomides, The shrine of Makaria in Athens, AncW 21, 1990, 19 20. Zuerst erwähnt wird der Mythos bei Demosth. 60,29, schon dort wie auch später meist stehen die Leokorai neben anderen Beispielen für freiwilliges Selbstopfer; vgl. z.B. Cic. nat. deor. 50; Aristid. 13,119. Zu weiteren Einzelheiten siehe die Lexikonartikel von O. Höfer, Leos, Roscher 2,2, 1894 1897, 1946 1947; Kock, Leokorion, RE 1,24, 1925, 2000 2001. Vgl. auch Kearns 59 und Larson 102 103. Die Zeugnisse sind zusammengestellt bei R.E. Wycherley, The Athenian Agora, vol. 3, Princeton 1957, 109 113. Eine Hungersnot wird genannt bei Schol. in Thuk. 1,20,2; Suda l 261 s.v. Lewkovrion; eine Seuche bei Aristid. 13,119. Neben Krieg sind limov" und loimov" die typischen Ursachen für eine devotio, siehe Versnel 1981, 141 143. H.A. Thompson / R.E. Wycherley, The Athenian Agora, Bd. 14, Princeton 1972, 121 123; H.A. Thompson, Athens faces adversity, Hesperia 50, 1981, 347 348. Vorsichtig skeptisch zu dieser Identifikation äußert sich J.M. Camp, The Athenian Agora. Excavations in the heart of classical Athens, London 1992, 78 82; ablehnend Robertson 1992, 98 105. Vgl. dazu oben S. 43 mit Anm. 4.

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4.3.5.1.4 Aglauros Schließlich ist noch das freiwillige Selbstopfer der Aglauros1 zu nennen, deren Verehrung die Athener besondere Bedeutung beimaßen. Wie uns Philochoros berichtet, beruhte ihr Kult auf folgendem Mythos: Im Krieg zwischen Eumolpos und Erechtheus gab Apollon den Athenern das Orakel, daß sich jemand für die Stadt opfern müsse. Als Aglauros davon hörte, schied sie freiwillig aus dem Leben, indem sie sich von der Akropolismauer stürzte. Nach dem Ende des Krieges errichteten die Athener ihr an jener Stelle ein Heiligtum. Dort leisteten die Epheben ihren Eid2 . Ganz offensichtlich sind die typologischen Beziehungen dieses Mythos zu den bereits referierten Erzählungen über die Erechthiden bzw. Makaria. Als Anlaß des freiwilligen Selbstopfers wird wiederum der Krieg zwischen Eleusis und Athen genannt, der dem Erechtheusmythos zufolge den Tod der drei Töchter jenes Königs auslöste. Bei Philochoros ist Aglauros (wie ihre Schwestern Herse und Pandrosos) eine Tochter des Kekrops, in einem Scholion zu Aristides dagegen werden die drei als Töchter des Erechtheus bezeichnet: Aglauros habe sich für den Erhalt ihrer Vaterstadt freiwillig geopfert, Herse und Pandrosos seien aufgrund eines Schwures gemeinsam mit ihr in den Tod gegangen3 . Auch für Hygin ist Aglauros eine Tochter des Erechtheus4 . Es sind lediglich späte Zeugnisse, die Aglauros eine Tochter des Erechtheus nennen, doch zeigen sie — mag es sich dabei um eine Verwechslung handeln oder um eine eigene Mythenversion, die bewußt die Kekropiden und die Erechthiden miteinander verschmolz —, wie eng das Verdienst jener Erechtheustochter, die sich opfern ließ, um ihre Vaterstadt vor

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Es gibt die Namensformen Aglauros und Agraulos, wobei Aglauros der eigentliche und offizielle Name sein dürfte, da allein er auch inschriftlich bezeugt ist. Siehe dazu W. H. Roscher, Aglauros, in: Roscher Bd. 1, Leipzig 1884 1886, 105 07, hier: 105; Toepffer 826. F 105: “Agraulo" kai; ”Ersh kai; Pavndroso" qugatevre" Kevkropo", w{" fhsin oJ Filovcoro". levgousi de; o{ti polevmou sumbavnto" paræ ∆Aqhnaivoi", o{te oJ Eu[molpo" ejstravteuse kata; ∆Erecqevw", kai; mhkunomevnou touvtou, e[crhsen oJ ∆Apovllwn ajpallaghvsesqai ejavn ti" ajnevlhi eJauto;n uJpe;r th'" povlew". hJ toivnun “Agraulo" eJkou'sa auJth;n ejxevdwken eij" qavnaton. e[rriye ga;r eJauth;n ejk tou' teivcou". ei\ta ajpallagevnto" tou' polevmou, iJero;n uJpe;r touvtou ejsthvsanto aujth'i peri; ta; propuvlaia th'" povlew": kai; ejkei'se w[mnuon oiJ e[fhboi mevllonte" ejxievnai eij" povlemon. Das Heiligtum der Aglauros liegt am Ostabhang der Akropolis (und nicht, wie früher meist vermutet, am Nordhang), vgl. dazu G. Donatas, The true Aglaureion, Hesperia 52, 1983, 48 63. Schol. in Aristid. 13,118,10: Eu[molpo", Qrav/kh" basileu;", uiJo;" Poseidw'no" kai; Ciovnh", th'" ÔErmou', ajmunovmeno" ∆Aqhnaivoi", wJ" hJtthqevnto" aujtw'/ tou' patro;" ∆Aqhna'/ th;n peri; th'" povlew" krivsin, ejstravteuse katæ aujtw'n. mhkunomevnou de; tou' polevmou, e[crhsen oJ qeo;", ∆Erecqeva qu'sai th;n qugatevra “Agraulon. […] ijstevon de; o{ti hJ “Ersa kai; Pandrovsa, aiJ th'" ∆Agrauvlou ajdelfai;, sunanei'lon eJauta;" th'/ ajdelfh'/: o{rkw/ ga;r provsqen eJauta;" katevlabon koinwnei'n ejn a{pasi tauvth/. Vgl. 13,118,20: qugatevra (sc. tou' ∆Erecqevw") levgei th;n “Agraulon, peri; h|" kai; Dhmosqevnh" ejn tw'/ parapresbeiva" fhsi;, kai; tw'n tou' ejfhvbou th'" ∆Agrauvlou o{rkwn. aiJ de; tauvth" ajdelfai; sunanei'lon eJauta;" th'/ ajdelfh'/, h{ te “Ersa kai; Pandrovsh. o{rkw/ ga;r ajllhvla" katevkleisan koinwnh'sai ejn a{pasin eJautai'". Hygin Fab. 253: Procris cum Erechtheo patre, ex quo natus est Aglaurus. ‘Aglaurus’ ist eine Verschreibung für Aglauros, vgl. Toepffer 830.

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Die Feste zu Ehren Demeters

dem Untergang zu bewahren, in den Augen der Griechen mit der vergleichbaren Retterfunktion der Aglauros verbunden war.

4.3.5.2 Die Retterin als Vorbild Die entscheidende Parallele zwischen den Mythen von den Erechthiden, Makaria und Aglauros wie auch dem von den Leokorai besteht in dem freiwilligen Selbstopfer uJpe;r th'" cwvra" bzw. povlew" (‚für das Land / die Stadt‘); für die Athener hatten die Heroinnen damit die Funktion einer swvteira (‚Retterin‘) inne, für die sie in eigenen Heiligtümern verehrt wurden. Ihr Einsatz für die Stadt verlieh den vier Mädchen bzw. Gruppen eine Vorbildfunktion, und die Redner konnten immer wieder dazu auffordern, ihnen nachzueifern 1 . Bei den Erechthiden, Makaria und Aglauros, die sich im Krieg für Athen opferten, wissen wir, daß ihr Kult für die Epheben von besonderer Bedeutung war: Den jungen Männern, die in ihrem Eid, den sie im Aglaureion ablegten, bei Aglauros und anderen Göttern schworen, für den Erhalt des Vaterlandes zu sorgen, dienten sie als Muster für das eigene Verhalten2: Auch sie sollten in Gefahrensituationen bereit sein, ihr Leben für die Stadt einzusetzen3 . Der kalendarische Zeitpunkt, zu dem die Epheben im athenischen Aglaureion ihren Eid ablegten, ist zwar nicht überliefert, wird aber durch den Verlauf dieser Mädchenopfermythen nahegelegt: Da der freiwillige Opfertod der Schlacht vorausgeht und der Mut der Mädchen die Krieger zu eigener Tapferkeit im Kampf und damit zur Rettung des Vaterlandes anspornen soll, ist der Zeitpunkt zwischen diesen beiden Ereignissen geradezu prädestiniert für einen solchen Eid. Wenn der Opfertod der Mädchen in der Nacht der Skira rituell wiederholt wurde, später die Prozession von Athenapriesterin und Poseidonpriester nach Skiron den Zug des Erechtheus zum Schlachtfeld abbildete, dann dürften dazwischen die Epheben, die die athenischen Krieger repräsentierten, ihren Eid abgelegt haben. Auf dem Ski-

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Siehe z.B. Demosth. 60,29; Aristid. 13,118 119; vgl. Cic. Nat. deor. 3,49 50. Zum Ephebeneid allgemein und der Funktion von Aglauros in ihm siehe Merkelbach 1972; vgl. auch Sissa / Detienne 222 229. Der Ephebeneid wurde zuerst ediert und besprochen von L. Robert, Ètudes épigraphiques et philologiques, Paris 1938, 296 307. Zur Ephebie selbst siehe den kurzen, aber sehr instruktiven Artikel von H. J. Gehrke, Ephebeia, NP 3, 1997, 1071 1075; außerdem: Chrysis Pélékidis, Histoire de l’éphébie attique des origines à 31 avant Jesus Christ, Paris 1962; Oscar W. Reinmuth, The ephebic instriptions of the fourth century B.C., Leiden 1972; mit Deutung der Ephebie als Initiationsphase: Pierre Vidal Naquet, The Black Hunter and the origin of the Athenian Ephebia, in: The Black Hunter, Baltimore / London 1986, 106 128. Vgl. Merkelbach 1972, 91 92; Sissa / Detienne 222 229; Larson 101 104.

Die Skira

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ronischen Feld wurde dann der mythische Kampf mit symbolischen Handlungen nachvollzogen1 .

4.3.5.3 Die Arrhephoria Der Krieg gegen Eleusis, der die Ursache für den Tod der Erechthiden bzw. der Aglauros ist, und die Forderung des Mädchenopfers durch Kore-Persephone zur Zeit ihrer eigenen Kathodos im Erechtheus- und Heraklidenmythos machen deutlich, daß die jeweiligen Ereignisse in der Zeit der Skira zu lokalisieren sind. Doch über Aglauros und ihre Schwestern gibt es einen weiteren Mythos, der ihren Tod anders motiviert: Athena habe den Kekropiden Aglauros, Herse und Pandrosos einen verschlossenen Korb (kivsth) mit dem neugeborenen Erichthonios darin übergeben und den Mädchen verboten, den Korb zu öffnen. Aglauros und Herse konnten ihrer Neugier jedoch nicht widerstehen: Sie öffneten den Korb und erblickten dort neben dem kleinen Erichthonios eine (oder zwei) Schlange(n). Aus Schreck darüber stürzten sie sich von der Akropolis hinab2. Nach anderen wurden sie beim Blick in den Korb wahnsinnig und stürzten sich deshalb in den Tod3 . Walter Burkert erkannte als erster, daß dieser Kekropidenmythos das Aition für das athenische Fest Arrhephoria darstellt. In seinem Aufsatz „Kekropidensage und Arrhephoria“ wies er in allen Einzelheiten die Entsprechungen des Mythos mit dem Arrhephorenritual nach4 — ich werde mich hier auf das Wesentliche beschränken: Die Arrhephoria waren ein nächtliches Fest im Monat Skirophorion5 ,

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G. Baudy 1992, 19, hat die Skira als dasjenige Fest ausgemacht, an dem die Epheben ihren Eid leisten mußten. Da Baudy aber das Frauenfest auf die sich an die Skira anschließende Nacht legt (siehe dazu unten S. 174 Anm. 7), entgeht ihm allerdings ein zentrales Argument für diese Datierung. Der Argumentation Baudys, daß Philochoros’ Formulierung, die Epheben legten ihr Gelübde ab, bevor sie in einen Krieg aufbrachen, durchaus keinen realen Krieg meinen muß, „da nicht jede Ephebengeneration in Kriegszeiten aufwuchs“, ist zuzustimmen; jener Krieg ist eine „Ritualfiktion“, ein „Scheinkrieg“, der die Auseinandersetzung zwischen Athen und Eleusis wiederholt (Baudy 1992, 19). Mit leichten Varianzen wird dieser Mythos relativ oft erzählt, siehe z.B. Eur. Ion 20 24; 265 274; Apollod. 3,14,6; vgl. auch Amelesagoras FGrHist 330 F 1. Siehe z.B. Paus. 1,18,2; Hygin Fab. 166; Astronom. 2,13,1. Für weitere Quellen dieses Mythos siehe die Lexikonartikel s.v. Aglauros von Roscher in: Roscher Bd. 1, 105 107, Toepffer, RE 1,1, 1893, 825 830 und Uta Kron, Aglauros, Herse, Pandrosos, LIMC 1,1, Zürich / München 1981, 283 298, hier 283 286. Burkert 1966; zu den Arrhephoria äußert Burkert sich ferner 1972, 169 173; 1977, 248 249; zu den Arrhephoria vgl. außerdem folgende neueren Arbeiten (dort auch reichlich Hinweise auf ältere Literatur zu dem Thema): Noel D. Robertson, The riddle of the Arrhephoria at Athens, HSPh 87, 1983, 241 288; Laurence van Sichelen, Nouvelles orientations dans l’étude de l’arrhéphorie attique, AC 56, 1987, 88 102; G. Baudy 1992; Guy Donnay, L’arrhéphorie: initiation ou rite civique? Un cas d’école, Kernos 10, 1997, 177 205. Die antiken Quellen nennen kein präzises Datum für die Arrhephoria, sie sprechen nur allgemein vom Monat Skirophorion, siehe Et.Gen. und EM s.v. ∆Arrhfovroi kai; ajrrhforiva.

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bei dem zwei sieben- bis elfjährige Mädchen 1 , die sogenannten Arrhephoren2 , vom Tempel der Athena Polias auf der Akropolis durch einen unterirdischen Gang hinab in das Heiligtum der Aphrodite in den Gärten gehen mußten. Dabei trugen sie eine kivsth (einen ‚(Deckel-)Korb‘) auf dem Kopf, deren Inhalt ihnen selbst wie auch der Athenapriesterin, die sie ihnen gab, unbekannt gewesen sein soll. An ihrem Zielort angekommen ließen die Mädchen das Mitgebrachte zurück und nahmen an seiner Statt etwas anderes, Eingehülltes auf, was sie mit sich trugen. Danach wurden sie aus dem Dienst entlassen3 . Wie Burkert bemerkte, hat der Korb, den Athena den Kekropiden anvertraute, seine Entsprechung in demjenigen, den die Arrhephoren trugen, die Zweizahl der Arrhephoren erklärt sich dadurch, daß es zwei Königstöchter waren, die dem Verbot Athenas entgegen in den Korb schauten, der unterirdische Weg die Akropolis hinab vollzog den Todessturz von Aglauros und Herse nach4 . Auf diese Weise unterziehen sich die Mädchen einem symbolischen Tod, sie kehren danach als neue Menschen zurück — das entspricht dem bekannten Schema von Initiationsriten 5 , wie es uns schon beim Schicksal Kores begegnet war6 . Weitere Einzelheiten stützen die Deutung der Arrhephoria als Initiationsphase: Während die Arrhephoren auf der Akropolis lebten, mußten sie unter anderem die Webarbeiten an dem heiligen Peplos beginnen, der Athena alljährlich an den

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Zu den Auswahlkriterien und dem Zeitpunkt des Eintritts der Arrhephoren in den Dienst der Athena vgl. Burkert 1966, 41 42; vgl. auch Burkert 1972, 169. Zum Namen Arrhephoroi und anderen Schreibweisen vgl. Burkert 1966, 42 43. So der Bericht bei Paus. 1,27,3: a} dev moi qaumavsai mavlista parevscen, e[sti me;n oujk ej" a{panta" gnwvrima, gravyw de; oi|a sumbaivnei. parqevnoi duvo tou' naou' th'" Poliavdo" oijkou'sin ouj povrrw, kalou'si de; ∆Aqhnai'oi sfa'" ajrrhfovrou": au|tai crovnon mevn tina divaitan e[cousi para; th'/ qew'/, paragenomevnh" de; th'" eJorth'" drw'sin ejn nukti; toiavde. ajnaqei'saiv sfisin ejpi; ta;" kefala;" a} hJ th'" ∆Aqhna'" iJevreia divdwsi fevrein, ou[te hJ didou'sa oJpoi'ovn ti divdwsin eijdui'a ou[te tai'" ferouvsai" ejpistamevnai" -- e[sti de; perivbolo" ejn th'/ povlei th'" kaloumevnh" ejn Khvpoi" ∆Afrodivth" ouj povrrw kai; diæ aujtou' kavqodo" uJpovgaio" aujtomavth --, tauvth/ kativasin aiJ parqevnoi. kavtw me;n dh; ta; ferovmena leivpousin, labou'sai de; a[llo ti komivzousin ejgkekalummevnon: kai; ta;" me;n ajfia'sin h[dh to; ejnteu'qen, eJtevra" de; ej" th;n ajkrovpolin parqevnou" a[gousin ajntæ aujtw'n. Die Bezeichnung kiv s th für das, was die Arrhephoren auf dem Kopf tragen, findet sich in Schol. Aristoph. Lys. 642. Zu den Einzelheiten vgl. Burkert 1966, 46 47. Henri Jeanmaire, 264 268, und Angelo Brelich, Le iniziazioni, 2, Rom 1961, 123ff., hatten das Arrhephorenritual bereits als Ritus der Mädcheninitiation gedeutet (schon Jane E. Harrison, Mythology and monuments in ancient Athens, London 1890, xxxvi, hatte von „unconscious initiation“ gesprochen), Burkert konnte diese Deutung dadurch untermauern, daß er die Beschreibung des Rituals mit dem dazugehörigen Mythos in Verbindung setzen und zeigen konnte, wie sich Mythos und Ritual gegenseitig erhellen. Seiner Deutung folgen (zum Teil mit geringfügigen Modifikationen): M. Schmidt, Die Entdeckung des Erichthonios, MDAI (A) 83, 1968, 200 212; Brelich 1969, 229 238; Calame 1997b, 131 133; P. Brulé, La fille d’Athènes. La religion des filles à Athènes à l’époque classique. Mythes, cultes et société, Paris 1987, hier: 83 98; E. Specht, Schön zu sein und gut zu sein. Mädchenbildung und Frauensozialisation im antiken Griechenland, Wien 1989, hier: 37 41; H.S. Versnel, What’s sauce for the goose is sauce for the gander: myth and ritual, old and new, in: L. Edmunds (Hg.), Approaches to Greek myth, Baltimore 1990, 25 90, hier: 46; G. Baudy 1992. Vgl. oben Kap. 3.1 und passim.

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Panathenäen übergeben wurde1 — von den Kekropiden erzählte man, sie hätten als erste für Menschen Gewänder aus Wolle gefertigt2 ; es gab einen Ballspielplatz der Arrhephoren auf der Akropolis3 , andererseits lesen wir von Tänzen der Kekropiden ebendort4 . So wissen wir also, daß die Mädchen im Dienste der Athena handwerkliche Fähigkeiten erwarben, daß sie sich spielerisch Tänze aneigneten, und daß sie durch ihre Mitwirkung im Athenakult sicherlich auch athenische Mythen lernten und in die Religion eingeführt wurden — alles Wissensgebiete, die für den Traditionserhalt, für den Fortbestand einer Gemeinschaft unerläßlich sind und deshalb im Rahmen der Initiationsphase an die Novizinnen weitergegeben wurden5. Ein weiterer Bestandteil jeder traditionellen Initiation ist eine Einführung in den sexuellen Bereich. Eine solche Einführung war auch Bestandteil der Kenntnisse, die die Mädchen erwarben: Durch die kivsth, die die Arrhephoren, ihren mythischen Vorbildern folgend, öffneten, bevor sie die Akropolis hinabstiegen, wurden sie mit einem Äquivalent des Erichthonioskindes konfrontiert, dazu mit einer Schlange, die für die Griechen ein Symbol des Phallos war6 ; wenn die Initiandinnen von ihrem Zielort etwas Eingehülltes (ti; ejgkekalummevnon) wieder herauftrugen, evozierte dies ein neugeborenes Kind7 . Zwischen diesen beiden Ereignissen dürften symbolische Handlungen stattgefunden haben, welche die Mädchen auf ihre spätere Funktion als Ehefrau und Mutter vorbereiteten8.

4.3.5.4 Das Verhältnis der Arrhephoria zu den Skira Schon allein die Tatsache, daß Aglauros eine sowohl mit dem mythischen Krieg zwischen Athen und Eleusis als auch mit dem Kekropidenmythos verbundene Gestalt ist, führt zu der Hypothese, daß der Tod der Kekropiden sozusagen als synchron mit dem der Erechthiden betrachtet wurde, daß also die Arrhephoria zeitlich mit demjenigen Teil der Skira zusammenfielen, für den der freiwilligen Tod der Erechthiden Pate stand. Daß Aglauros, wie wir bereits gesehen haben, in ihrer Funktion als Retterin Athens als eine der Töchter des Erechtheus angesehen

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Siehe Suda c 35 s.v. Calkei'a. So Phot. s.v. protov n ion: […] prwvth Pavndroso" meta; tw'n ajdelfw'n kateskeuvase toi'" ajnqrwvpoi" th;n ejk tw'n ejrivwn ejsqh'ta. Plut. Vit. dec. orat. 839C. Eur. Ion 495 498. Vgl. dazu Burkert 1966, 47 50, und 1972, 169 171. Zur Entsprechung von Schlange und Phallos vgl. Burkert 1966, 49; Burkert 1972, 171; und oben Kap. 4.1.5.1). Vgl. dazu Burkert 1966, 50. Ein Versuch, die entsprechenden Riten nachzuvollziehen, findet sich bei G. Baudy 1992, 31 45.

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werden konnte1 , erhärtet diese Hypothese ebenso wie die noch weitergehende Parallelisierung zwischen Erechthiden und Kekropiden: Bei Hygin lesen wir nämlich, daß die Königstöchter, denen Athena den kleinen Erichthonios anvertraute, die Erechthiden waren2 . Doch es gibt auch außerhalb des Mythos Hinweise darauf, daß die Arrhephoria dem Frauenfest entsprachen, das ein Bestandteil der Skira war. Walter Burkert war vor rund drei Jahrzehnten in seinen Arbeiten zu den Arrhephoria noch davon ausgegangen, daß eine Passage aus dem Kalender aus Erchia, der für den 3. Skirophorion Opfer für Aglauros, Kurotrophos, Athena Polias und andere Gottheiten erwähnt, auf eben dieses Fest zu beziehen sein könnte3. Ein Kalender aus Thorikos hat jedoch inzwischen erwiesen, daß sich jenes Opfer auf ein anderes Athenafest bezieht, die Plynteria4. Es ist also an einen späteren Zeitpunkt zu denken. Weiter hilft bei der Bestimmung des Datums der Arrhephoria eine Notiz zu den Buphonien, die am 14. Skirophorion stattfanden5 . Sie besagt, die Buphonien würden meta; ta; musthvria (‚nach den Mysterien‘) gefeiert6. Mit dem Begriff ‚Mysterien‘ ist ein Fest gemeint, dem seine Geheimriten Mysteriencharakter verliehen, was für Frauenfeste typisch war7. Aufgrund der zeitlichen Nähe können nur die Skira gemeint sein, und es hat sich bereits gezeigt, daß deren erster Teil in einem nächtlichen Frauenfest bestand, das von dem heldenhaften Tod der Erechthiden ausging. Da einerseits dieser mit dem Tod der Kekropiden korrespondiert und wir andererseits wissen, daß die Arrhephoria als Mysterien bezeichnet werden

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Oben S. 209. Hygin Astron. 2,13,1: Ex hoc autem nascitur Erichthonius anguis, qui ex terra et eorum dissensione nomen possedit. Eum dicitur Minerva in cistula quadam ut mysteria contectum ad Erechthei filias detulisse et his dedisse servandum; quibus interdixit ne cistulam aperirent. Sed ut hominum est natura cupida, ut eo magis adpetant quo interdicatur saepius, virgines cistam aperuerunt et anguem viderunt. Quo facto, insania a Minerva iniecta, de arce Atheniensium se praecipitauerunt. Anguis autem ad Minervae clipeum confugit et ab ea est educatus. So Burkert 1966, 54 Anm. 8 und Burkert 1972, 169 Anm. 61. Der Erchia Kalender ist Sokolowski, Lois sacrées 18 (zuerst publiziert von G. Daux, La grande Démarchie, BCH 87, 1963, 603 633). Außer den im Haupttext aufgezählten Gottheiten sind noch Zeus Polieus und Poseidon genannt. Publiziert von G. Daux, La calendrier de Thorikos au Musée J. Paul Getty, AC 52, 1983, 150 174. Vgl. dazu Larson 39; Robertson 1996, 49 52, zum Datum speziell 51. Aglauros Verbindung zu den Plynteria und Kallynteria ist auch durch lexikographische Zeugnisse gesichert, siehe Hesych s.v. plunthvria; Photios s.v. Kallunthvria kai; plunthvria. Das Datum der Buphonien ist klar überliefert, siehe Schol. in Aristoph. Pax 420b; EM s.v. Boufovnia: […] h[geto […] Skiroforiw'no" mhno;" tetavrth/ ejpi; devka. Vgl. auch Schol. in Luk. dial. mer. 2,1, wo offenbar das Frauenfest der Skira mit den Thesmophorien in Beziehung gesetzt und als musthvria perievcousa charakterisiert wird (p. 275,23 24 Rabe); einige Zeilen später lesen wir: ta; de; aujta; kai; ajrrhtofovria kalei'tai (p. 276,13 Rabe); die Arrhetophoria sind mit den Arrhephoria zu identifizieren, vgl. Burkert 1966, 42 44. Schol. Aristoph. Nub. 985. So werden auch die Thesmophorien als ‚Mysterien‘ bezeichnet, siehe oben S. 127 mit Anm. 4.

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konnten1 , ist die Folgerung nur konsequent, daß dieses Fest als Bestandteil der Skira aufgefaßt und ebenfalls der Nacht vom 11. auf den 12. Skirophorion zugeordnet wird2.

4.3.5.5 Kultische Funktionen der Heroinnen Ausgehend von dem Mythos, daß Athena den Kekropiden jenen Korb mit dem kleinen Erichthonios zur Aufbewahrung anvertraute, wurden die Kekropiden als Kurotrophoi verehrt3 , weiterhin sind sie und speziell Aglauros mit Initiationsriten verbunden — mit der Mädchenweihe durch die Arrhephoria, mit der Weihe von männlichen Jugendlichen durch den Ephebeneid. Im Kult der Erechthiden/ Hyakinthiden führten laut Euripides Mädchen Tänze auf, vor kriegerischen Einsätzen sicherten sich die Epheben durch Opfer deren Beistand. Die Hyaden, als die die Erechthiden an den Sternenhimmel versetzt wurden, galten als Ammen des Dionysos4, so daß auch für diese Mädchengruppe die Funktion als Kurotrophoi gesichert scheint5 . Für Makaria ist lediglich die Beziehung zur Ephebie gesichert, eine Rolle in der Mädcheninitiation ist aufgrund der Parallelität ihres Schicksals zu dem der 1 2

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Athenag. Legat. 1,1: kai; ∆Agrauvlw/ ∆Aqhnai'oi kai; teleta;" kai; musthvria a[gousin kai; Pandrovsw/, ai} ejnomivsqhsan ajsebei'n ajnoivxasai th;n lavrnaka. Schon G. Baudy 1992 war aufgrund einer unterstellten gedanklichen Inkonsequenz in der Gedankenführung von Burkert (dazu: Baudy 1992, 15 16) und aufgrund der Parallelität zwischen Erechtheus und Kekropidenmythos von der Datierung der Arrhephoria auf den 3. Skirophorion abgerückt. Auch Baudy hatte schon die Aussage, die Buphonien fänden meta; ta; musthv r ia statt, als Beleg dafür gewertet, daß die Arrhephoria ein Brauch der Skira sind. Allerdings legt er diese Riten in die auf die Skira folgende Nacht (ihm folgt Bierl 236 mit Anm. 260), was sich mit dem Mythos nicht vereinbaren läßt: Die Erechthiden bzw. Aglauros hatten sich vor der Schlacht geopfert, folglich müssen die Riten, die deren Tod symbolisch wiederholten, auch vor demjenigen Festteil stattgefunden haben, den die mythische Schlacht präfigurierte. Gegen Baudys These, die Arrhephoria folgten auf die Skira, spricht ferner die Tatsache, daß für die Skira der 12. Skirophorion als Festdatum überliefert ist, die auf die Skira folgende Nacht nach antikem Denken jedoch schon zum nächsten Tag, dem 13. Skirophorion, gehört, die Skira somit zu einem zweitätigen Fest würden. Burkerts Argument, daß der Aorist im Wortlaut des Pausanias (1,27,3: paragenomevnh" de; th'" eJorth'" drw'sin ejn nukti; toiavde) „zeigt, daß die drwvmena der Inhalt des nächtlichen Festes waren, nicht etwa in die Nacht vor einem Fest fielen“ (Burkert 1966, 54 Anm. 8), greift für die oben vorgestellte Deutung nicht, da dort die Arrhephoria nicht als Fest vor den Skira, sondern als Bestandteil, als erster, bereits in der Nacht stattfindender Teil der Skira verstanden werden. Genau diesen Anfangspunkt scheint mir das von Pausanias gesetzte Tempus auszudrücken. C.F. Hermann datierte die Arrhephoria auf die Nacht des 12. Skirophorion (siehe Mommsen 1864, 444), Mommsen selbst hielt in seinem frühen Werk die sich an die Skira anschließende Nacht für plausibler (Mommsen 1864, 444 446); später scheint er sich doch dafür entschieden zu haben, die Arrhephoria als Bestandteil der Skira anzusehen, also auf die Nacht des 12. Skirophorion zu datieren (Mommsen 1898, 509). Vgl. dazu Kearns 61. Pherekydes FGrHist 3 F 90. ”Uh" als Epitheton des Dionysos ist belegt bei Kleidemos FGrHist 323 F 27. Zu den Hyaden vgl. R. Engelmann, Hyades, Roscher 1,2, 1886 1890, 2756 2758 und W. Hübner, Hyaden, NP 5, 1998, 762 763. Vgl. dazu Kearns 61 62.

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anderen Heroinnen zu postulieren, als Kurotrophos könnte sie aufgrund ihrer zahlreichen jüngeren Geschwister gegolten haben. Auch die Leokorai dürften sich in diesen Kontext einordnen lassen1 . Eine weitere attische Mädchengruppe scheint mir hier jedoch noch zu fehlen: Die Töchter des eleusinischen Fürsten Keleos, die die Fürsorge für den kleinen Demophon übernahmen, nachdem Demeter mit dem Versuch gescheitert war, den Knaben zu vergöttlichen 2 . Sicherlich wurden sie aufgrund der Pflege ihres kleinen Bruders als lokale eleusinische Kurotrophoi verehrt— ihren Gräbern in Eleusis und damit auch ihrer kultischen Verehrung galt die Polemik des Clemens von Alexandria3. Da der Mythos sie als adoleszente Mädchen schildert, die während Demeters Aufenthalt in Eleusis den wichtigen Schritt zur heiratsfähigen Frau vollziehen4 , ist darauf zu schließen, daß sie für die dortigen Mädchenweihen eine Rolle spielten. Vielleicht liefern die Karyatiden der Kleinen Propyläen des eleusinischen Demeterheiligtums sogar einen Hinweis auf ein den Arrhephoria ähnliches Ritual: Ebenso wie die Mädchenfiguren des athenischen Erechtheions trägt jede von ihnen eine kivsth (einen ‚Korb‘)5 . Wie von den Kekropiden so wird auch von den Töchtern des Keleos nichts von einem freiwilligen Selbstopfer uJpe;r th'" povlew" (‚für die Stadt‘) berichtet, durch welches sie eine Vorbildfunktion für männliche Jugendliche hätten erlangen können. Deren Prototyp aus der eleusinischen Königsfamilie war der Sohn, Demophon-Triptolemos.

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Zu böotischen Mädchengestalten mit parallelen Mythen und kultischen Funktionen siehe Kearns 59 63. Hymn. Hom. in Cer. 284 291. Clem. Alex. Protr. 3,45,1. Die Töchter des Keleos sollen von Demeter die Mysterien (mit diesem Begriff dürften die Thesmophorien gemeint sein, vgl. den Gründungsmythos der Thesmophorien von Paros [siehe oben S. 120/1]) empfangen haben, siehe Suda e 3585 s.v. Eu[molpo" (ou|to" e[graye teleta;" Dhvmhtro" kai; th;n eij" Keleo;n a[fixin kai; th;n tw'n musthrivwn paravdosin, th;n tai'" qugatravsin aujtou' genomevnhn), und waren dem Mythos nach die ersten Demeterpriesterinnen in Eleusis, siehe Paus. 1,38,3 (ta; de; iJera; toi'n qeoi'n Eu[molpo" kai; aiJ qugatevre" drw'sin aiJ Keleou'), vgl. Richardson ad Hymn. Hom. in Cer. 105ff. Außerdem wissen wir von einem Heiligtum ihrer Mutter Metaneira bei dem “Anqion frevar (Paus. 1,39,2) und von der Verehrung von Keleos und Metaneira durch die Athener (Athenag. Legat. 14,1). Vgl. dazu im Einzelnen oben Kap. 3.1.3. Die Töchter des Keleos werden auch von Richardson ad Hymn. Hom. in Cer. 231 255 (p. 235) mit den Kekropiden parallelisiert. Weitere Parallelen zwischen den Töchtern von Keleos und Kekrops könnte man in ihrer Anzahl sehen (abgesehen vom Homerischen Demeterhymnos, wo vier Namen aufgezählt (v. 108 110) sind, werden sonst immer drei Schwestern genannt, in der orphischen Version (Orph. fr. 49,53 55) und laut Pausanias ebenfalls von Pamphos sowie Homer (Paus. 1,38,3) (demnach gab es mehr als einen Demeterhymnos im ‚homerischen‘ Stil); vgl. dazu Richardson ad Hymn. Hom. in Cer. 105ff.); außerdem die Fürsorge für einen Zögling einer Göttin, Erichthonios bzw. Demophon. Nach G. Baudy 1992, 13, war die eleusinische cista mystica „ein genaues Gegenstück der athenischen Erichthonioskiste“. Die Karyatiden der sogenannten Korenhalle des Erechtheions werden in der Forschung immer wieder als Repräsentationen der Arrhephoren angesehen, siehe dazu z.B. Andreas Scholl, Die Korenhalle des Erechtheion auf der Akropolis. Frauen für den Staat, Frankfurt a. M. 1998.

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Die Erechthiden, Makaria, Aglauros und die Kekropiden haben alle ein gemeinsames Schicksal: Sie sind menschliche Jungfrauengestalten der heroischen Frühzeit Athens, die jäh aus ihrem noch jungen Leben gerissen werden. Ihr Los spiegelt das der göttlichen Jungfrau Kore, die durch ihre Entführung in die Unterwelt gleichsam ebenfalls stirbt. Die Heroinnen sind damit die mythischen Bindeglieder zwischen der Göttin und den adoleszenten Mädchen im historischen Athen, die im Rahmen ihrer Initiation ebenfalls ‚sterben‘ mußten, um im Anschluß daran ‚wiedergeboren‘ und in die Gemeinschaft der erwachsenen Frauen aufgenommen werden zu können. Der oben referierte Bericht des Pausanias über das Ritual beim Fest Arrhephoria beschreibt, auf welche Weise ein solcher Mythos vom Tod einer Heroin im Kult nachvollzogen werden konnte. Wie uns die Arrhephoria zeigen, gab es in Athen als Bestandteil des Kultes der Athena Polias ein Kathodos-Anodos-Ritual für junge Mädchen, während der Kult für die Erechthiden-Hyakinthiden ebenso wie der für Makaria in den von Kore und Demeter eingegliedert gewesen zu sein scheint1 . An anderen Orten, wie zum Beispiel in der Stadt Eleusis selbst, wird man sich keiner Heroinnen als Mittlerinnen bedient haben, sondern direkt die Kathodos der Kore nachvollzogen haben2 . Bei den Skira auf dem Skironischen Feld dürften sich auch bei demjenigen Teil, der den Frauen vorbehalten war, athenischer Athena- und eleusinischer Demeterkult zu einem gemeinsamen Ritual zu Ehren beider Göttinnen verbunden haben.

4.3.5.6 Die Geburt des göttlichen Knaben Doch wurde bei dem Frauenfest der Skira nicht nur der Kathodos Kores gedacht, sondern auch der Geburt ihres Sohnes Plutos, dem auf der menschlich-heroischen Ebene Demophon bzw. Triptolemos entspricht; verbunden damit ist der Umstand, daß Kore von nun an Mutter ist. Das athenische Pendant dieses Knaben ist Erichthonios — zwar nicht der Sohn, aber doch der Zögling und Schützling Athenas, für den die Göttin eine Art Mutterrolle spielt3 . Ein Gedenken an Erichthonios’ Geburt scheint Gegenstand der athenischen Skirenfeiern gewesen zu sein, denn in jener Nacht übergibt ihn Athena den Kekropiden, in jener Nacht voll1

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Das schließe ich daraus, daß jeweils Kore das Opfer fordert, siehe dazu oben Kap. 4.3.5.1. Bezüglich Makaria äußerte die These bereits Kearns 58 („It is possible that a heroic cult of Makaria was attached to some local divine cult of Kore, but we have no concrete information on this effect.“). So ist auch die Bemerkung des Clemens von Alexandrien zu verstehen, daß die Athenerinnen an Skira und Arrhephoria die Entführung Kores „nachspielten“ und dadurch rituell nachvollzögen (Protr. 2,17: Tauvthn th;n muqologivan aiJ gunai'ke" poikivlw" kata; povlin eJortavzousi, Qesmofovria, Skirofovria, ∆Arrhtofovria, polutrovpw" th;n Ferefavtth" ejktragw/dou'sai aJrpaghvn). Dazu z.B. neuerdings Walter Pötscher, Athene Mythen und ihre Behandlung bei Lukian (Qew'n diavlogoi 13 [8] und Qew'n krivsi" 10), WJA 21, 1996/1997, 309 317, hier: 313 317, wo auch die einschlägigen Quellen zitiert sind.

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ziehen die Arrhephoren deren Verletzung von Athenas Verbot nach, und anschließend auf einem unterirdischen Weg den Todessturz der ungehorsamen Königstöchter. Als sie dann aber auf die Akropolis zurückkehren, haben sie etwas „Eingehülltes“ dabei, die Entsprechung eines neugeborenen Kindes, wie wir bereits gesehen haben1 , ein Abbild des kleinen Erichthonios, durch das sie selbst symbolisch in die Mutterrolle schlüpfen. Wir kennen zwar nicht die Riten, die im Kult von Demeter und Kore durchgeführt wurden, doch ist davon auszugehen, daß sie analog zu denjenigen des Athenakultes verliefen und ebenfalls den Rollenwechsel vom Mädchen zur Mutter symbolisierten.

4.3.6 Die Skira als agrarisches Fest 4.3.6.1 Ernte und männliche Initiation Was aber hat der mythische Krieg zwischen Athen und Eleusis, was hat die Kathodos Kores und das Opfer der Erechthiden bzw. verwandter Mädchen(gruppen), was hat die Geburt von Plutos und Erichthonios mit einem agrarischen Fest zu tun? Plutos war für die Griechen der personifizierte Getreidereichtum; er war gewissermaßen durch die Getreideernte geboren worden2. Über Erichthonios’ Zeugung und Geburt erzählte man folgendes: Die Jungfrau Athena habe das Verlangen des Hephaistos erregt. Er verfolgte sie, um sie zu vergewaltigen, doch die Göttin konnte ihm entkommen. Allerdings tropfte der Same des Gottes auf den Boden. Die Erde wurde davon schwanger und gebar den Erichthonios3 . Aufgrund der reichbelegten Metaphern aus dem agrarischen Bereich für die Zeugung menschlichen Nachwuchses4 läßt sich Hephaists Ejakulation als Präfiguration einer Aussaat von Getreide deuten, während Erichthonios’ Geburt der Ernte entspricht5 — seine eigene Entwicklung spiegelt also, wie auch die des Plutos, diejenige des Getreides6 . Mit bezug auf die Skira können wir folglich festhalten, 1 2 3

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Siehe oben S. 173. Siehe dazu oben Kap. 3.2.2.4. Der Mythos ist erzählt von Amelesagoras FGrHist 330 F 1 (∆Amelhsagovra" […] fhsi; ga;r ÔHfaivstw/ doqeivsh" th'" ∆Aqhna'" sugkatakliqei'san aujth;n ajfanisqh'nai, to;n de; ”Hfaiston eij" gh'n pesovnta proi?esqai to; spevrma, th;n de; gh'n u{steron aujtw'/ ajnadou'nai ∆Ericqovnion, o}n trevfein th;n ∆Aqhna'n …), Apollod. 3,14,6; Hygin Fab. 166; Astronom. 2,13. Die Bekanntheit des kompletten Mythos ist bereits in Euripides’ Ion vorausgesetzt. Belege und weiterführende Literatur dazu sind zusammengestellt Kap. 3.2.2.1 mit Anm. 87. Entsprechend der Zeugung und Geburt von Plutos. Im Monat Pyanopsion wurden zu Ehren von Athena und Poseidon die Chalkeia gefeiert dasjenige Fest, an dem auch die Arrhephoren ihren Dienst für Athena Polias antraten. Im Rahmen dieses Festes weihten die Handwerker (d.h. die ‚Nachfolger‘ des archetypischen Schmiedes Hephaistos) der Athena liv k na (‚Getreideschwingen‘); diese dienten in Griechenland nicht nur zur Trennung des gedroschenen Getreides von seinen ungenießbaren Hüllen, sondern auch als Wiegen für Kleinkinder (siehe Hesych s.v. liknivth"; Schol. in Kallim. Hymn. Iov. 48). Außerdem spielten die livkna bei Hochzeitsbräuchen eine Rolle (siehe

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daß die Geburt des Königskindes in Gestalt der eben abgeschlossenen Getreideernte dem Fest unmittelbar vorausgeht1 . Die Skira waren aber nicht nur mit der Geburt von Erichthonios und Plutos assoziiert, sondern auch mit dem Tod von Erechtheus und Eubuleus. Auch hier ist von einer Verbindung zur Getreideernte auszugehen: Sie symbolisiert nicht nur die Entstehung von neuem Leben, da aus ihr das Saatkorn für die nächste Getreidegeneration entnommen wird, sie evoziert auch den Gedanken an Tod, denn es ist das Leben der aktuellen Getreidegeneration, das beendet wird. Das Absicheln einer Getreideähre bei der Ernte ermöglicht erst das Werden einer neuen Pflanze aus dem Samen. Synchron zueinander verlaufen also in der Getreideernte der Tod der alten und die Entstehung der neuen Getreidegeneration. Ein vergleichbarer Generationenwechsel, diesmal auf menschlicher Ebene, wird durch den Mythos von Erechtheus’ Tod beschrieben: Der König findet seinen Nachfolger in Erichthonios2. Wenn die athenischen Epheben an den Skira einen Scheinkampf aufführten, mit dem sie jenen mythischen Ur-Krieg zwischen Athen und Eleusis wiederholten, wenn sie dabei zu Tode getroffen zu Boden sanken und sich dann wieder erhoben, lebten sie damit den Übergang von Erechtheus zu Erichthonios nach: Durch ihr Aufstehen vom Erdboden wurden sie wie die mythischen Könige Erechtheus/ Erichthonios sozusagen aus der Erde geboren. Gleichzeitig bildeten die Jugendli-

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Zenob. 3,98; Eustath. ad Hom. Od. 12,357; Hesych und Suda s.v. e[fugon kakovn). An diesem Fest scheint also in irgendeiner Weise der Zeugung des Erichthonios gedacht worden zu sein, und auch hier tritt wieder der Bezug zur Agrikultur hervor. Im Kontext mit dem Erichthoniosmythos und der Arrhephorie behandelt G. Baudy 1992, 26 28, dieses Fest. Zu Funktionen und Konnotaten des Liknon siehe Jane E. Harrison, Mystica vannus Iacchi, JHS 23, 1903, 292 234, und JHS 24, 1904, 241 254; die Verwendung des Liknon in der antiken Religion und besonders im Kult des Dionysos behandelt Reinhold Merkelbach, Die Hirten des Dionysos. Die Dionysos Mysterien der römischen Kaiserzeit und der bukolische Roman des Longus, Stuttgart 1988, 88 94. Es scheint mir auf der Hand zu liegen, daß die Epheben an den Skira keine realen Erntearbeiten ausführten (gegen G. Baudy 1992, 28 29, der das Abernten des heiligen Feldes auf das Fest legt), da die Getreideernte wie jede andere agrarische Tätigkeit zu dem durch die Natur vorgegebenen richtigen Zeitpunkt, in diesem Fall: die Reife des Getreides, ausgeführt werden muß. Der Idealtermin der Skira lag zwar am 14. Juni, das athenische Kalenderwesen brachte es aber mit sich, daß sich das Fest gegenüber diesem Ideal um bis zu zwei Wochen nach vorn oder hinten verschieben konnte. Wenn an den Skira wirklich das heilige Feld abgeerntet worden wäre, hätte dies in vielen Fällen zur Folge gehabt, daß man den idealen Erntetermin, nämlich die richtige Getreidereife, verfehlte und zu früh oder zu spät erntete. Letztere Gefahr war im Kephisostal, einer klimatisch begünstigten Gegend, sicherlich größer: Die Körner springen bei der kleinsten Berührung aus den Hülsen und fallen zu Boden, sind begehrtes Futter von Vögeln und Nagern; ein plötzliches Gewitter (oder auch ein Angriff von Feinden) hätte das Ergebnis monatelanger bäuerlicher Arbeit in minutenschnelle zerstören können, während man bei rechtzeitiger Ernte noch die Möglichkeit gehabt hätte, die Vorräte in Sicherheit zu bringen. Hier ist nochmals auf Platons Menexenos zu verweisen, wo die enge Verbindung, die die Griechen zwischen dem Werden und Vergehen des Menschen und in der Agrikultur sahen, klar und deutlich zum Ausdruck gebracht wird (Plat. Menex. 238a: ouj ga;r gh' gunaivka memivmhtai kuhvsei kai; gennhvsei, ajlla; gunh; gh'n).

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chen durch ihr rituelles Verhalten die Ernte und damit das Schicksal der Getreidepflanze ab, die durch die Ernte stirbt, mit jedem Samenkorn aber neu entsteht1 . Mit den ausgeführten Riten zeigten sie ihre Bereitschaft, für das Vaterland zu sterben, und ließen ihr Verständnis für das Werden und Vergehen von menschlichem wie agrarischem Leben erkennen. Dies qualifizierte die jungen Männer für die Aufnahme unter die Erwachsenen, für die Gründung einer eigenen Familie und die Bewirtschaftung von eigenem Ackerland. Die Skira waren also auch ein Initiationsfest für männliche Jugendliche, das diesen den Zugang zum Status des Erwachsenen öffnete2.

4.3.6.2 Ernte und weibliche Initiation In welchem Zusammenhang mit der agrarischen Bedeutung der Skira steht aber der Mädchentod? Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir uns zunächst um das Verständnis des Festnamens bemühen.

4.3.6.2.1 Die Etymologien des Namens ‚Skira‘ Bereits kennengelernt haben wir Lysimachides’ Interpretation des Namens: Für ihn ist skiv r on der große Sonnenschirm, in dessen Schutz die Priester von der Akropolis zum Ort des Festes ziehen 3 . Für den Brauch des Schirmtragens gibt

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Schon Mommsen 1864, 13, und 1898, 503 504, sah den Tod des Erechtheus durch das Absicheln der Ähren parallelisiert; ähnlich Simms 139 143; auch Robertson 1996 zieht die Parallele zwischen dem Tod des Erechtheus und der Getreideernte, er hält außerdem das Skironische Feld für den Geburtsort dieses Königs, ohne allerdings dessen Geburt mit den Skira in Verbindung zu bringen (siehe z.B. 28: „Erechtheus personifies Athenian agriculture: he springs up from the farmland, […] and finally returns to the farmland.“). Burkerts Formel „Erechtheus ist tot, es lebe Erichthonios!“ bezeichnet den Aspekt von Initiation und Generationenwechsel, allerdings sieht Burkert keinen Bezug zum agrarischen Bereich. G. Baudy 1992, 28 29, sieht in der Ernte ebenfalls den Aspekt des Generationenwechsels. Dadurch entfällt auch Baudys Argument für die Datierung der Arrhephoria auf die Nacht des 13. Skirophorion, daß die Geburt des Erichthonios auf den Tod des Erechtheus folgen und somit auch die Arrhephoria nach den Skira stattfinden müßten. Denn der Übergang vom alten zum neuen König sah man in der Ernte selbst gespiegelt; dieser Übergang wie auch die Ernte wurden in den Scheinkämpfen der Epheben rituell wiederholt. Mit dem Gedanken der Erdgeburt und der damit verbundenen Vorstellung der Kulturentstehung dürfte es zu verbinden sein, wenn Lysimachides davon spricht, jener große weiße Schirm habe als Symbol dafür gedient, daß man Schutzdächer und Häuser errichten müsse (zitiert oben S. 173 Anm. 5). Vgl. hierzu G. Baudy 1992, 18 20; Baudy vergleicht dort den mythischen Krieg zwischen Athen und Eleusis mit der Eroberung Trojas, die gleichfalls auf den 12. Skirophorion datiert ist. Lysimachides FGrHist 366 F 3 (siehe oben S. 154 Anm. 8); vgl. Schol. in. Aristoph. Ekkl. 18 (siehe oben S. 154 Anm. 5). Die Deutung von skivron als Sonnenschirm findet sich außerdem in Schol. in Hom. Il. 23,331 332; Schol. Theokr. 15,38; Poll. 7,174; vgl. auch die in der folgenden Anmerkung zitierten Stellen.

Die Skira

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Lysimachides die Begründung, dies sei ein Zeichen dafür, daß man sich Schutzdächer bzw. Häuser errichten müsse. Einer anderen Überlieferung zufolge sollte Athena dadurch geehrt werden, da sie bei großer Hitze den Sonnenschirm erfand1 . Demnach wären die Skira bzw. Skirophoria ein „Schirm-“ oder „Schirmträgerfest“2 . Doch ist gegen diese Deutung mit Recht Einspruch erhoben worden3 . Denn der Begriff skivron ist als Bezeichnung für einen Sonnenschirm nie allgemein gebräuchlich gewesen — er wurde ausschließlich für den an den Skira getragenen Baldachin gebraucht. Seiner Bildung dürfte lediglich die Assoziationreihe Skivraskivron-skierovn (‚schattig‘) zugrundegelegen haben4 . Für das Wort Skira werden jedoch eine Reihe weiterer Etymologien angeboten: Es ist offensichtlich, daß der Endpunkt der Prozession, der Ort Skiron an der iJera; oJdov" (‚heiligen Straße‘), denselben Wortstamm enthält wie der Festname. Die antike Überlieferung nennt zwei potentielle eponyme Heroen zu diesem Ortsnamen: Die Athener machen den aus Dodona stammenden Seher Skiros, der auf Seiten der Eleusinier gegen die Athener unter Erechtheus kämpfte, an diesem Platz fiel und dort begraben liegt, als Patron dieses Ortes namhaft, die Megarer leiten den Namen von ihrem Heros Skiron ab5 . Eine weitere Ableitung des Ortsnamens besagt, daß es in Skiron einen Tempel der Athena Skiras gegeben habe6 . Manche unserer Quellen zu den Skira nennen

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Suda s 624 s.v. Ski'ro"Ú skiavdion. eJorthv ti" ajgomevnh th'/ ∆Aqhna'/, o{te skiadeivwn ejfrovntizon ejn ajkmh'/ tou' kauvmato". skivra de; ta; skiavdeia. Vgl. Phot. s.v. Skirov" und Lexicon Seguerianum, Becker Anekdota 1,304. So bezeichnet z.B. von Pfister 532; schon Müller 1848, 162, hatte den Festnamen Skirofovria von der „Tragung von Schirmen“ abgeleitet. Die Etymologie der Skira, die von der Identifikation von skivron mit dem skiav d ion ausgeht, wird gerade in der Forschung des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jh. recht häufig akzeptiert, so von Pfister 531 532, van der Loeff 1916b, 326 327. Vgl. Mommsen 1864, 442 443 und Anm. **; Robert 360 361; Mommsen 1891, 111; Mommsen 1898, 505 506; Gjerstad 204 205 und pass.; Deubner 49 50; Jacoby 200 201; Burkert 1972, 162 Anm. 35; Simms 1980, 75 76. Die genannten Stellen enthalten jeweils auch eine Begründung der Ablehnung. Brumfield 1981 erwähnt in ihrem Kapitel über die Skira diese Etymologie gar nicht erst. So z.B. auch Mommsen 1891, 111 Anm. 10, und Burkert 1972, 162 Anm. 35. Die etymologischen Wörterbücher postulieren eine Verwandtschaft von skiv r on und skiav (‚Schatten‘) und halten dieses skiv r on für den dem Festnamen Skivra zugrundeliegenden Begriff (so z.B. G. Curtius, Grundzüge der griechischen Etymologie, Leipzig 1897, 168; É. Boisacq, Dictionnaire étymologique de la langue Grecque, Heidelberg / Paris 1916, 877; J. B. Hofmann, Etymologisches Wörterbuch des Griechischen, München 1955, 319). Dagegen gesteht Frisk s.v., daß das Wort „nicht sicher erklärt“ ist; entsprechend erklärt auch Chantraine s.v. „tout cela (sc. die Ableitung von skiav) est douteux“ bzw. „l’étymologie reste ignorée“. Das Toponym abgeleitet von dem Seher Skiros bei Philochoros FGrHist 328 F 14 = Harpokrat. s.v. Skivron (siehe oben S. 154 Anm. 8); Paus. 1,36,4; Suda s.v. Ski'ro"; Phot. s.v. Skirov"; abgeleitet vom megarischen Heros Skiron bei Praxion bei Harpokrat. s.v. Skivron (siehe oben S. 154 Anm. 8). Auch Schol. in Clem. Alex. Protr. 14,6 nennt diesen Skiron als eponymen Heros der Skira. Zu Skiros siehe J. Schmidt, Skiros (1), RE 2,5, Stuttgart 1927, 547 548; zu Skiron M. C. van der Kolf, Skiron (1), RE 2,5, 1927, 537 544. Bezeugt vor allem durch Phot. s.v. Skivron: tovpo" ∆Aqhvnhsin, ejfæ ou| oiJ mavntei" ejkaqevzonto, kai; Skiravdo" ∆Aqhna'" iJerovn. kai; hJ eJorth; skivra. ou{tw" Ferekravth". Siehe auch Eustath. in

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Die Feste zu Ehren Demeters

diese Göttin als Hauptgöttin des Festes1 . Zahlreichen Forschern scheint diese Ansicht indes unglaubwürdig, da bei Lysimachides Athena Polias als Festgöttin erscheint2 . Außerdem wird häufig selbst die Existenz eines Tempels der Athena Skiras in Skiron bestritten, denn Pausanias erwähnt ihn in seiner Beschreibung Attikas nicht — er nennt nur denjenigen in Phaleron, den der besagte eleusinische Seher Skiros der Athena Skiras errichtet haben soll3 . Vielleicht lassen sich die Zeugnisse so verstehen, daß man den erwähnten Tempel der Athena Skiras mit dem gemeinsamen Heiligtum von Demeter, Kore, Athena und Poseidon identifiziert, das Pausanias im Bereich des Skironischen Feldes gesehen hat. An diesem Ort und im Zusammenhang mit dem Fest Skira könnte Athena mit dem Beinamen Skiras verehrt worden sein4. Athena Skiras soll eigentlich auf der Insel Salamis heimisch sein5 , die ihrerseits ursprünglich den Namen Skiras trug6 — benannt nach dem salaminischen Heros Skiros, dem Sohn von Poseidon und Gatten der Salamis7 . Nach Strabon war er nicht nur der Eponymos der Insel, sondern das Epitheton der Athena, der Ort Skiron in Attika, die dort begangene heilige Handlung sowie der Monat Skirophorion leiteten sich ebenfalls von ihm ab 8 . Dieser Heros wurde nicht nur auf Salamis, sondern auch in Phaleron kultisch verehrt9 , wo Athena Skiras ebenfalls

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Hom. Od. 1,107 (p.28,37 Stallbaum); vgl. EM s.v. skeiravfia. Zu Athena Skiras siehe Robert; van der Loeff 1916a; C. Kock, Skirav" (2), RE 2,5, Stuttgart 1927, 534 535. Explizit nur bei Schol. in Aristoph. Ekkl. 18 (siehe oben S. 154 Anm. 5); die Wendung kai; ∆Aqhna'n de; Skiravda timw'sin ∆Aqhnai'oi bei Harpokrat. s.v. skivron dürfte sich ebenfalls auf das Fest beziehen. Außerdem wird der Monatsname Skirophorion anstatt vom Fest Skira/Skirophoria von Athenas Beinamen Skiras abgeleitet von Suda = Phot. s.v. SkiroforiwvnÚ mh;n ∆Aqhnaivwn dwdevkato". wjnomavsqh de; ajpo; th'" Skiravdo" ∆Aqhna'". Eine Verbindung von Athena Skiras zu den Skira wurde zunächst von Robert geleugnet, ihm folgten u.a. van der Loeff 1916a und b; Pfister; Gjerstad 220 225; Deubner 47. Paus. 1,1,4; 1,36,4: ∆Eleusinivoi" polemou'si pro;" ∆Erecqeva ajnh;r mavnti" h\lqen ejk Dwdwvnh" o[noma Ski'ro", o}" kai; th'" Skiravdo" iJdruvsato ∆Aqhna'" ejpi; Falhrw'/ to; ajrcai'on iJerovn . Paus. 1,37,2. So auch Calame 1996b, 343 und passim. So z.B. van der Loeff 1916a und b; Kock, Skirav", RE 2,5, 1927, 534 535. Strab. 9,1,9: ejkalei'to (sc. Salamiv") dæ eJtevroi" ojnovmasi to; palaiovn: kai; ga;r Skira;" kai; Kucreiva ajpov tinwn hJrwvwn, ajfæ ou| me;n ∆Aqhna' te levgetai Skira;" kai; tovpo" Skivra ejn th'/ ∆Attikh'/ kai; ejpi; Skivrw/ iJeropoiiva ti" kai; oJ mh;n oJ Skiroforiwvn. Hesych s.v. Skªeºira;" ∆Aqhna': Skivron fasi; to;n Poseidw'no" uiJovn, ghvmanta Salami'na th;n ∆Aswpou'. Vgl. zu diesem Heros J. Schmidt, Skiros (2), RE 2,5, Stuttgart 1927, 548 549. Strab. 9,1,9 (Zitat siehe oben Anm. 4); daß Strabon den Ort in Attika Skivra anstatt von Skivron nennt, wird ein Schreibfehler sein. Die Ableitung von Athena Skiras von diesem Heros wird bestätigt durch Hesych s.v. Skªeºira;" ∆Aqhna' (wie vorige Anm.); die des Ortsnamens Skiron und des Festnamens Skira durch Suda s 624 s.v. Ski'ro" = Photios s.v. Skirov". Philochoros FGrHist 328 F = Plut. Thes. 17,6 7: Filovcoro" de; para; Skivrou fhsi;n ejk Salami'no" to;n Qhseva labei'n kubernhvthn me;n Nausivqoon, prwreva de; Faivaka, mhdevpw tovte tw'n ∆Aqhnaivwn prosecovntwn th'/ qalassh/: kai; ga;r ei\nai tw'n hjiqevwn e{na Menevsqhn Skivrou qugatridou'n. marturei' de; touvtoi" hJrw'ia Nausiqovou kai; Faivako", eisamevnou Qhsevw" Falhroi' pro;" tw'/ tou' Skivrou iJerw'/: kai; th;n eJorth;n ta; Kubernhvsiav fhsin ejkeivnoi" telei'sqai. Daß die Salaminioi, die dortigen Priester (LSS 19,10; 52,92), auch dem Skiros opferten, geht aus LSS 52,92 hervor.

Die Skira

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einen Tempel1 hatte und wo für sie alljährlich am 7. Pyanopsion die Oschophoria gefeiert wurden — ein Fest, das an Theseus’ Rückkehr aus Kreta erinnerte2 .

4.3.6.2.2 Theseus und die Gipsstatuette der Athena Skiras Auch Theseus selbst wird für den Festnamen Skira bzw. Athenas Epitheton Skiras verantwortlich gemacht: Er soll eine Gipsstatuette der Athena angefertigt haben, als er von seinem Minotaurosabenteuer zurückkam — nach anderen, als er nach Kreta aufbrach3 . Ein griechisches Wort für dieses Material war ski'ro"4. Allerdings kann diese Beziehung von Theseus zu den Skira so nicht stimmen: Nach Kreta fuhr er im Monat Munichion ab5 (also rund zwei Monate vor den Skira), seine Rückkehr von dort lag, wie gesagt, im Pyanopsion und stand im Zusammenhang mit dem Fest Oschophoria. Und weshalb sollte Theseus bei seiner Abfahrt nach oder Rückkehr aus Kreta mit dem Ort der Skira, dem Skironischen Feld, weit im Landesinneren, verbunden werden? Sicherlich ist er von Phaleron abgefahren und auch in diesen Hafen zurückgekehrt. Sollte man jene Statuette der Athena Skiras unter diesen Umständen nicht eher mit ihrer Verehrung in Phaleron in Verbindung bringen? Oder bringen die Zeugnisse jene Statuette fälschlicherweise mit Theseus’ Rückkehr aus Kreta in Verbindung, ist in Wirklichkeit an eine andere Heimkehr des Helden nach Athen zu denken? In der Tat dürfte eine andere Ankunft des Theseus in Athen mit dem Skironischen Feld in Verbindung stehen: seine Ankunft aus Troizen, wo er aufgewachsen war. Auf der Reise in seine Vaterstadt stellten sich ihm eine Reihe von Ungeheuern und Unholden in den Weg, die er beseitigte. Unter diesen war auch ein Megarer namens Skiron. Dieser zwang die Wanderer, ihm die Füße zu waschen, und stürzte sie dabei von den nach ihm benannten Skironischen Felsen ins Meer, wo eine Schildkröte sie fraß. Auf eben diese Weise überwand Theseus den Ski-

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So Paus. 1,1,4. Aus den antiken Quellen zu den Oschophoria greife ich lediglich Photios 322a s.v. ∆Wscoforikav heraus, der das Fest ausführlich beschreibt; für weitere Informationen und Zeugnisse siehe Mommsen 1898, 282 288; Deubner 142 147; Parke 77 80; Robertson 1992, 120 133; Calame 1996b, 128 129; 143 148; 324 337. Schol. in Paus. 1,1,4 (also eine Anmerkung zum Heiligtum der Athena Skiras in Phaleron): Dhvmhtro" iJerovn: Kai; skirofovria o[noma eJorth'", para; to; fevrein skivra ejn aujth'/ to;n Qhseva h] guvyon: oJ ga;r Qhseu;" ajpercovmeno" kata; tou' Minwtauvrou th;n ∆Aqhna'n poihvsa" ajpo; guvyou ejbavstasen. EM s.v. Skirroforiwvn und Suda ≈ Phot. s.v. Ski'ro" sprechen im gleichen Zusammenhang von Theseus’ Rückkehr (Burkert 1972, 165 Anm. 45, hält diese Angabe für korrupt). Diese Bedeutung von ski'ro" (auch: skivrro") ist reich belegt, z.B. Suda s 614 s.v. SkivrraÚ gh' leukhv, w{sper guvyo"; Suda s 625 s.v. Skivrro"Ú oJ guvyo"; Hesych s 892 s.v. skirovn: latuvphn. h] sklhrovn. Plut. Thes. 18.

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ron1 . Dieser Skiron gehört, wie bereits angesprochen, zu denjenigen, die als eponyme Heroen des Skironischen Feldes namhaft gemacht werden2 . Die Umstände seines Todes werden aber auch anders geschildert: Athena persönlich habe Skiron getötet. Davon leite sich der Festname Skirophoria ab3 . Und in der Tat finden wir hier ein Mythologem, das ebenfalls Bestandteil von aitiologischen Mythen der Skira ist: den Todessturz von einem Felsen in die Tiefe. Skiron galt als Sohn Poseidons, wie der Kampf zwischen Eumolpos und Erechtheus dürfte die Tötung des Megarers durch Theseus, den Prototyp des Atheners, oder die Stadtgöttin Athena persönlich gleichfalls den Ur-Streit zwischen Athena und Poseidon um Athen evozieren4 . Durch die Morde an Skiron und den anderen Unholden befleckt konnte Theseus das Stadtgebiet Athens nicht betreten, bevor er sich entsühnt hatte. Das geschah am Altar des Zeus Meilichos am Fluß Kephisos5 . Als der jugendliche Held schließlich den Kephisos überschritt und seinen Fuß auf athenischen Boden setzte, war es Skiron, das er als erstes betrat. Das soll am 8. Hekatombaion gewesen sein6, also nicht ganz einen Monat später, als die Skira gefeiert werden. Kann es sein, daß Theseus in einer verlorenen Version des Mythos bei dieser Ankunft in Athen jene Gipsstatuette für Athena Skiras angefertigt hat? Daß ihre Weihung in Zusammenhang steht mit dem erfolgreichen Bestehen zahlreicher Heldentaten durch den jugendlichen Theseus, also mit dem Abschluß einer Initiationsphase7 ? 1

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Der Mythos von Theseus’ Reise nach Athen und seinem Kampf gegen die Unholde wird häufig erzählt, siehe z.B. Bakchyl. 18, 15 30 Snell Maehler; Diod. 4,59,1 5; Ov. Met. 7,433 447; Apollod. 3,14 und Epit. 1,1 4; Plut. Thes. 8 11. Zu seinem Kampf mit Skiron siehe außerdem Paus. 1,44,8; Schol. Eur. Hipp. 979. Vgl. zu diesem Thema Herter; Merkelbach 1973; Calame; Walker 83 111; Mills 21 25. Einen Versuch, den Theseusmythos und die Skira miteinander zu verbinden, unternahm bereits D. G. Roberts, Theseus and the robber Sciron, JHS 32, 1912, 105 110. Siehe oben S. 181 mit Anm. 5. So Schol. in Clem. Alex. Protr. 14,6: Skirofovria: Skirofovria eJorth'" o[noma ejpiteloumevnh" th'/ ∆Aqhna'/ dia; Skivrwna to;n lumainovmenon pa'si toi'" paræ aujto;n kataivrousin, wjqou'nta eij" th;n parakeimevnhn qavlassan bora;n th'/ karadokouvsh/ celwvnh/, ajnaireqevnta de; uJpo; th'" ∆Aqhna'". Skiron galt als Sohn des Poseidon oder des Peleus, siehe z.B. Gell. Noct. att. 15,21; Apollod. Epit. 1,1,2; vgl. den Lexikonartikel von van der Kolf. Paus. 1,37,4; Plut. Thes. 12,1. Plut. Thes. 12,2 nennt dieses Datum: ÔHmevra/ me;n ou\n ojgdovh/ levgetai Kronivou mhnov", o}n nu'n ÔEkatombaiw'na kalou'si, katelqei'n. katelqw;n dæ eij" th;n povlin eu|re … Weitere Quellen sind zusammengestellt bei Herter 1080. Theseus’ Kämpfe auf Reise von Troizen nach Athen wurden in letzter Zeit nachdrücklich als Spiegelung von Initiationsriten männlicher Jugendlicher gedeutet von Calame 1996b, 434 435 und passim; Walker 94 101; vgl. auch Mills 21. Daß Theseus der Prototyp des athenischen Epheben ist, wurde längst gesehen, siehe z.B. die Äußerung von Jeanmaire 245, wonach der Theseusmythos „fut d’abord le roman de l’éphébie“; vgl. Merkelbach 1973; Calame; Walker. Theseus’ Funktion als Vorbild der Epheben wird auch von Forschern gesehen, denen die Initiationstheorie fremd ist, wie z.B. Herter 1064 und passim. Wie von Mills sehr gut herausgearbeitet wird, schafft Theseus auf seiner Reise Sicherheit und Ordnung für seine Mitmenschen, wie es auch von den athenischen Epheben erwartet wird. Er erscheint als „sole defender of Greek civilization“ und „embodiment of best qualities“ (Mills 25).

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Daß die Skira (neben anderen Ereignissen aus der mythischen Frühzeit Athens) auch Theseus’ Sieg über Skiron feierten, den er bei Megara errungen hatte, nicht allzu lange Zeit bevor er athenischen, ‚skironischen‘ Boden betrat? Bezeichnenderweise gibt es noch eine weitere Tradition über den Tod des Skiron, nach der Theseus ihn nicht schon auf seiner Reise von Troizen nach Athen tötete, sondern erst später, als er schon König von Athen war, und die Megarer Eleusis besetzt hielten1 . Fand ein Kampf auf dem Skironischen Feld statt? Ist Skiron jener Heros, der dort bestattet ist? Erinnerten die Skira vielleicht an diese Schlacht2? Mit Sicherheit können wir nur so viel sagen: Dieser Krieg von Theseus gegen Megara/Eleusis ist eine reine Dublette des früheren, zwischen Erechtheus und Eumolpos ausgetragenen Krieges 3 . Doch nicht nur über den mythischen Krieg, den Theseus gegen die Eleusinier geführt haben soll, wird eine Beziehung des Helden mit den Skira hergestellt, sondern auch dadurch, daß er derjenige athenische König ist, der die Herakliden von Eurystheus schützte: Unter seiner Herrschaft waren die Kinder des Herakles nach Athen gekommen, unter seiner Herrschaft kam es auf Geheiß des Orakels zu jenem freiwilligen Opfer der Makaria, unter seiner Herrschaft wurden Eurystheus und das peloponnesische Heer besiegt 4 . Der Tod Makarias entspricht, wie wir bereits sahen, typologisch dem der Kekropiden und Erechthiden und dürfte insofern das Aition von lokalen Skirenfeiern dargestellt haben. Ihr Tod parallelisiert aber auch ganz konkret den der Aglauros, der Göttin des Ephebeneids, wodurch dieser Mythos auch dazu gedient haben könnte, die Figur des Theseus mit dem Ephebeneid zu verbinden. Auffallend ist, daß es auf dem gesamten attischen Festland lediglich zwei Heiligtümer der Athena Skiras gab, und diese ausgerechnet an denjenigen beiden Orten, an denen Theseus nach Abschluß einer abenteuerlichen Reise als erstes eintraf: in Skiron bei seiner ersten Ankunft in Athen, und in Phaleron, wo sein Schiff

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Dies ist die megarische Tradition, die Skiron nicht als Frevler, sondern als positiven Helden sieht (Plut. Thes. 10,2). Plut. Thes. 10,4: ajlla; Qhseva fasi;n oujc o{te to; prw'ton ejbavdizen eij" ∆Aqhvna", ajllæ u{steron ∆Eleusi'nav te labei'n Megarevwn ejcovntwn, parakrousavmenon Diokleva to;n a[rconta, kai; Skeivrwna ajpoktei'nai. Vgl. auch Praxion bei Harpokrat. s.v. Skivron. Laut Hellanikos hat Theseus zur Sühne für die Ermordung Skirons die Isthmischen Spiele eingerichtet (Hellan. FGrHist 323a F 15 = Plut. Thes. 25,6). Zu den Kriegen zwischen Athen und Eleusis sehr aufschlußreich ist Simms 1983. So berichtet Paus. 1,32,6: ejpei; de; ajpelqovnto" ejx ajnqrwvpwn ÔHraklevou" ejxhv/tei tou;" pai'da" Eujrusqeuv", ej" ∆Aqhvna" pevmpei sfa'" oJ Tracivnio" ajsqevneiavn te levgwn th;n auJtou' kai; Qhseva ouj k aj d uv n aton ei\ n ai timwrei' n : aj f ikov m enoi de; oiJ pai' d e" iJ k ev t ai prw' t on tov t e Peloponnhsivoi" poiou'si povlemon pro;" ∆Aqhnaivou", Qhsevw" sfa'" oujk ejkdovnto" aijtou'nti Eujrusqei'. levgousi de; ∆Aqhnaivoi" genevsqai crhsmo;n tw'n paivdwn ajpoqanei'n crh'nai tw'n ÔHraklevou" tina; ejqelonthvn, ejpei; a[llw" ge oujk ei\nai nivkhn sfivsin: ejntau'qa Makariva Dhianeivra" kai; ÔHraklevou" qugavthr ajposfavxasa eJauth;n e[dwken ∆Aqhnaivoi" te krath'sai tw'/ polevmw/ kai; th'/ phgh'/ to; o[noma ajfæ auJth'". Euripides hatte in seinen Herakliden Theseus’ Sohn Demophon als Retter der Herakliden dargestellt, doch ist für dessen Tragödie insgesamt der Aspekt der Jugend wichtig, vgl. Wilkins 1990.

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einlief, als er aus Kreta zurückkehrte1 . Jede dieser genannten Reisen des athenischen Heros wird in der Forschung als mythisches Vorbild für Initiationsriten männlicher athenischer Jugendlicher interpretiert, durch die sie unter die erwachsenen Bürger aufgenommen wurden2 . Daß Theseus’ erstes Betreten von athenischem Boden nach der Tötung zahlreicher Unholde eine Initiationsphase abschloß, wurde bereits angesprochen. In Phaleron wiederum feierte man mit den Oschophoria Theseus’ glückliche Heimkehr nach dem bestandenen Minotaurosabenteuer — sie waren klar ein Initiationsfest für Epheben 3 . Auch an den Skira wirkten Epheben mit: Sie verkörperten die Krieger des Erechtheus, die gegen das eleusinische Heer ins Feld zogen. Aufgrund der Beziehungen, die zwischen Theseus und den Skira zu bestehen scheinen, dürfte er, der für die Athener der archetypische Ephebe par excellence war, auch dort als Vorbild der jungen Männer fungiert haben.

4.3.6.2.3 Weiße Erde und Mädcheninitiation Doch kehren wir zur Frage nach der Bedeutung des Namens ‚Skira‘ zurück. Seit langem wird der alte Name von Salamis ebenso wie Athenas Epitheton Skiras und die Heroennamen Skiros bzw. Skiron von ski'ro", dem griechischen Wort für ‚weiße Erde, Kalk, Gips‘, abgeleitet4 . In den letzten Jahren setzte sich die Auffassung immer mehr durch, daß auch der Festname Skira / Skirophoria mit diesem Begriff zu verbinden ist5 . Die antiken Grammatikernotizen, die von Theseus’ Gipsstatuette der Athena berichten, bestätigen diese These. Entsprechend läßt sich in Skiron, auf Salamis wie auch auf der Insel Skyros weiße, d.h. kalkhaltige Erde nachweisen6 . Halten wir also fest, daß der Name Skira etwas mit

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Damit zusammen hängt eine weitere Gemeinsamkeit zwischen diesen beiden Orten, nämlich daß es sich jeweils um Grenzorte Athens handelt, Skiron in westlicher Richtung zum angrenzenden Festland, Phaleron in südlicher Richtung zum Meer hin. Wie Calame 1996b, 344 und passim (gefolgt von Walker 98 101), herausgearbeitet hat, verläßt man mit deren Durchquerung das kultivierte athenische Land und gelangt in unkultivierte Gebiete bzw. auf das Meer. Entsprechend deutet er Athena Skiras als "l’Athéna des limites" (339). In Walkers Formulierung „the hero enters the adult world twice“ (95). Siehe hierzu z.B. Jeanmaire 338 375; Walker 84 94; 98 101; Calame 1996b, 432 434 und passim. Belege siehe S. 183 Anm. 2. Diese Etymologie wird vertreten z.B. von Kock (wie oben Anm. 146); van der Kolf; Schmidt, Skiros (2) (wie oben Anm. 140); Robert; van der Loeff 1916a. Ein früher Verfechter dieser Etymologie war Mommsen (1864, 442 443; 1891, 111 112; 117 120; 1898, 313; 505 506). Ihm folgen Jacoby 201 203; Burkert 1972, 164 165 mit Anm. 44; Simms 1980, 71; 75 76; Brumfield 157 158; Calame 1996b, 343; 346 und passim; Foxhall 105. Gegen das Argument von van der Loeff 1916a, 110, und Deubner 46 Anm. 11, die unterschiedliche Quantität des i in Skivra (Kürze erwiesen durch Aristoph. Ekkl. 18; Thesm. 834) und Ski'ro" siehe Burkert 1972, 164 Anm. 44; vgl. auch Robert 349 350. Vgl. dazu die in der vorletzten Anm. genannte Literatur und außerdem Pfister 203 204.

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‚weißer Erde‘ zu tun hat, daß diese vielleicht, wie die Bezeichnung Skirophoria nahelegt, im Rahmen dieses Festes ‘getragen’ wurde. August Mommsen hatte als erster versucht, dieser ‚weißen Erde‘ eine agrarische Bedeutung abzugewinnen: In seinen Arbeiten zu den Skira ging er davon aus, daß im Rahmen des Festes Kalk als Dünger auf die eben abgeernteten Felder ausgebracht wurde1 . Diese Erklärung für die Verwendung von ‚weißer Erde‘ birgt ein entscheidendes Problem: Wir wissen zwar, daß schon in der Antike in zahlreichen Gegenden Kalk als Dünger eingesetzt wurde, doch gerade für Athen und Attika haben wir nicht einen Hinweis darauf. Der attische Boden ist offenbar von Natur aus so kalkhaltig, daß ein zusätzliches Kalken überflüssig war2 . Dagegen bezeugen die antiken Agrarschriftsteller den Brauch gut, das Getreide, wenn es gedroschen war, mit ‚weißer Erde‘ zu bestreuen, um seine Haltbarkeit zu fördern3. Für diese Verwendung liegen die Skira jedoch zu früh, denn die Druschphase endet einige Wochen später4. Bei Varro lesen wir indes die Empfehlung, die Wände und den Boden überirdisch gelegener Getreidespeicher mit Marmorstaubmörtel oder einem Gemisch aus ‚weißer Erde‘, Spreu und Ölschaum zu „panzern“; das halte Schädlinge ab und mache die Körner haltbarer 5 . Läßt sich eine ähnliche Verwendung auch für die in Eleusis bezeugten, aber gewiß auch in anderen Orten Attikas verwendeten unterirdischen Getreidespeicher, die siroiv, vermuten? Für Eleusis haben wir zumindest den Beleg, daß zu einem bestimmten Zeitpunkt drei Fuhren ‚weißer Erde‘ in das Heiligtum geschafft werden mußten — das war also offenbar ein profaner Akt, der ohne besondere Riten erfolgte 6 . Zur Zeit der Skira, wenn in Kürze die Einlagerung des neuen Getreides erfolgen sollte, war es sicherlich nötig, die leeren Magazine für die Aufnahme von Vorräten bereit zu machen. Sie mußten dicht sein, für Luft und Wasser undurchlässig, und am besten auch so fest, daß Mäuse und andere Schädlinge nicht eindringen konnten7 . Offenbar war ‚weiße Erde‘ das geeignete

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Ausführlich bei Mommsen 1891; vgl. auch Mommsen 1898, 508 511. Für Einzelheiten verweise ich auf Brumfield 169 172, die die Frage der Benutzung von Kalk als Dünger eingehend behandelt hat. Siehe hierzu Thphr. HP 8,11; Plin. NH 18,305; Geop. 2,29; Varro RR 1,57; Plut. Quaest. conviv. 676B. Brumfield 172 hält dies für die an den Skira praktizierte Verwendung der ‘weißen Erde’. Siehe dazu oben Kap. 3.2.1.3. Varro RR 57,1: Et triticum condi oportet in granaria sublimia, quae perflentur vento ab exortu ac septemtrionum regione, ad quae nulla aura umida ex propinquis locis adspiret. parietes et solum opere tectorio marmorato loricandi; si minus, ex argilla, mixta acere e frumento et amurca, quod murem et vermem non patitur esse et grana facit solidiora ac firmiora. IG II2 1672, col. II, fr. a 195: gh'" Skiravdo" ajgwgai; trei'". Der Festname ‘Skirophoria’ leitet sich also jedenfalls nicht von dem Transport von ‘weißer Erde’ in das Heiligtum ab. Zu den unterirdischen Getreidespeichern siehe oben 3.2.2.1. Daß vor dem Befüllen der Speicher bestimmte Vorkehrungen getroffen wurden, um sie zu dichten und zu trocknen, ist auch durch moderne Untersuchungen belegt, für eine Beschreibung derartiger Methoden siehe D.W. Hall / G.A. Haswell / T.A. Oxley, Underground storage of grain, London 1956, 3 4; vgl.

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Die Feste zu Ehren Demeters

Material für derartige Reparaturen. Wir wissen nicht, wem die Ausführung derartiger Arbeiten anvertraut war, doch wir wissen, daß im antiken Griechenland die Frau für die Getreidevorräte verantwortlich war; ferner scheinen (Jung-)Frauen im Rahmen der Thesmophorien das Saatgetreide aus den Speichern geholt zu haben1 . Sollten es ebenfalls adoleszente Mädchen gewesen sein, die solche Ausbesserungsarbeiten vornahmen? Auch wenn die Quellenlage eine definitive Beantwortung dieser Frage nicht zuläßt, gibt es immerhin einige Indizien, die für eine derartige Hypothese sprechen. Die Skira waren im Denken der Griechen mit der Kathodos Kores verbunden, außerdem mit einer Reihe von Mythen, die vom frühen Tod weiblicher Jugendlicher berichten. Wir hatten gesehen, daß Mädchen bei den Arrhephoria den Todessturz der Aglauros bzw. Kekropiden durch ein Kathodos-Ritual nachvollzogen. Wenn adoleszente Mädchen an den Skira in die Siroi hinabstiegen, konnte dies ebenso Kores Weg in die Unterwelt abbilden wie das uns bereits bekannte Kathodos-Anodos-Ritual der Thesmophorien. Weiter paßt die Assoziation des unterirdischen Magazins mit dem uterus gut zu einem Initiationsritus: Die Rückkehr der Mädchen aus dem Speicher versinnbildlichte dann ihre Wiedergeburt2. Wenn die Arrhephoria Teil des stadtathenischen Festes waren und die Skira in anderen Bezirken analoge Frauenfeste umfaßten, die jeweils an Kores Entführung erinnerten, ist es auch leicht verständlich, weshalb die gemeinsame Quelle von Clemens Alexandrinus und des Scholiasten zu Lukian Thesmophorien, Skira und Arrhephoria miteinander parallelisierte3 . Daß bei den Frauenfesten der Skira sexuelle Symbole ebenso eine Rolle spielten wie bei den Thesmophorien, geht aus dem, was wir über die Arrhephoria wissen, klar hervor4 . Auf diese Weise verbinden auch die Skira die Aspekte der menschlichen und der agrarischen Fortpflanzung, die von den Menschen der Antike in so engem Zusammenhang gesehen wurden.

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auch A.H. Kamel, Underground storage in some Arab countries, in: J. Shejbal (Hg.): Controlled atmosphere storage of grains. An international symposium held from 12 to 15 May 1980 at Castelgandolfo (Rome), Italy, Amsterdam / Oxford / New York 1980, 25 38, hier: 25. Siehe dazu oben Kap. 4.1.7. Zu dieser Funktion des Siros siehe oben Kap. 4.1.5.1, S. 127 129. Clem. Alex. Protr. 2,17,1: Tauvthn th;n muqologivan aiJ gunai'ke" poikivlw" kata; povlin eJortavzousi, Qesmofovria, Skirofovria, ∆Arrhtofovria, polutrovpw" th;n Ferefavtth" ejktragw/dou'sai aJrpaghvn. Schol. in Luk. dial. mer. 2,1 (p. 275,23 276,28 Rabe) (zitiert und übersetzt in Kap. 4.1.5.1, S. 153 155). Siehe dazu oben Kap. 4.3.5.3. Mit Deubner (42 43; ihm folgten z.B. Nilsson 1967, 119; Calame 1996b, 242 243) den Ritus des megariv z ein den Skira zuzuweisen, ist nicht gerechtfertigt. Erstens entspringt Deubners Idee der falschen Voraussetzung, daß lebendige Ferkel in die Megara hinabgeworfen würden. Zweitens weist Clemens von Alexandrien das megarivzein klar den Thesmophorien zu (Clem. Alex. Protr. 2,17,1: … diæ h}n aijtivan ejn toi'" Qesmoforivoi" megarivzonte" coivrou" ejmbavllousin). Drittens dürfte an den Skira die Kathodos Kores unmittelbar durch den Abstieg von Mädchen in die Siroi nachvollzogen worden sein, während man an den Thesmophoria eines Ritus bedurfte, der am ersten Festtag die rund vier Monate zurückliegende Unterweltsfahrt Kores evozierte; dies wurde durch das Hinabwerfen besagter coi'roi und anderer Sexualsymbole erreicht.

Die Skira

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4.3.7 Zusammenfassung Die Skira haben sich als ein sehr komplexes Fest erwiesen, das in die kurze Zäsur zwischen dem Abschluß der Getreideernte und dem Beginn des Druschs fiel. Das stadtathenische Fest, das auf dem Skironischen Feld gefeiert wurde, vereinte den Kult der auf der Akropolis verehrten Götter Athena und Poseidon mit dem der eleusinischen Göttinnen Demeter und Kore, während die ländlichen Skira in anderen Orten Attikas nur Demeter und Kore gegolten zu haben scheinen. Die mythischen Folien des Festes sind vielfältig: Einerseits die Entführung Kores in die Unterwelt, parallel dazu an mehreren Orten der freiwillige Opfertod von Königstöchtern; andererseits die Geburt von Plutos bzw. Erichthonios und der Todessturz der Kekropiden — Mythen, die dazu dienten, athenische Mädchen auf die Funktionen von Zeugung und Geburt im menschlichen wie im agrarischen Bereich und damit auf eine neue Lebensphase vorzubereiten, die sie dann durch das symbolische Nachvollziehen des Todes ihrer mythischen Vorbilder erreichten. Da gab es aber auch den Mythos vom Krieg zwischen Athen und Eleusis, in dem Athen zwar obsiegte, aber der König Erechtheus sein Leben verlor, den Mythos von Theseus, der auf dem Weg nach Athen die Umwelt von Verbrechern befreite, Erzählungen also von siegreichen Kriegern, denen die attischen Epheben ebenso nacheifern sollten wie dem Einsatz jener Mädchen, die sich für die Vaterstadt geopfert hatten. Schließlich war da noch der kleine Erichthonios, der in Kürze in die Fußstapfen des gefallenen Erechtheus treten sollte. Der Mythos von der Geburt des Erichthonios und dem Tod des Erechtheus, der auch in den agrarischen Bereich und auf die Abfolge von Ernte und Aussaat verwies, bildete ein Stirb-WerdeRitual ab, dem die jugendlichen Athener folgten und dadurch in die Gemeinschaft der Erwachsenen aufgenommen wurden. Die Skira hatten also einen Bezug zum Agrarischen wie auch zum Sozialen, zum lebensgeschichtlichen Übergang junger Athenerinnen und Athener in die Welt der Erwachsenen. Auf diese Weise waren an dem Fest die Initiationsriten für männliche und für weibliche Jugendliche miteinander verzahnt.

5. ZUSAMMENFASSUNG Diese Arbeit sollte am Beispiel Attikas zeigen, daß die Verehrung der Göttin Demeter längst nicht nur für die griechischen Bauern wichtig war. Sie ist eine viel facettenreichere Göttin, als die frühere Forschung sah, die Demeter meist auf einen einzigen Wirkungsbereich zu reduzieren versuchte (Kap. 2). Wie die vorliegende Interpretation des Mythos verdeutlicht, die vom ältesten literarischen Zeugnis ausgeht, vom Homerischen Hymnos an Demeter, war der Ackerbau nicht der einzige Zuständigkeitsbereich Demeters. Der Mythos von der Entführung Kores bietet nämlich eine Folie für den lebensgeschichtlichen Übergang jugendlicher Athenerinnen zum Erwachsenendasein, verbunden mit Ehe und Mutterschaft. Er liefert ein Verhaltensmuster, dem Mädchen und Mutter, um den Schmerz ihrer Trennung zu überwinden, rituell folgen konnten. Dem Statuswechsel des Mädchens folgte der der Mutter: Sie wurde zur Großmutter. Hier ist Demeter Göttin der Frauen, Göttin der Mädcheninitiation, Göttin der Ehe und der Mutterschaft (Kap. 3.1). Daneben steht gleichberechtigt und eng verbunden der Bereich der Landwirtschaft: Demeter schenkte den Menschen das Getreide, durch ihren Zögling Triptolemos lehrte sie sie den Anbau, sie ließ im Zusammenhang mit der Entführung ihrer Tochter die Jahreszeiten entstehen, sie auferlegte den Menschen Regeln, wann und wie sie ihre Arbeiten auf dem Feld zu erledigen haben, und sicherte so ihre Ernährung, sie lehrte die Menschen das friedliche Zusammenleben, sie machte sie aus Barbaren zu wirklichen Menschen. Hier ist Demeter in der Tat Göttin des Ackerbaus, aber eben auch Göttin von Kultur und Zivilisation (Kap. 3.2). Diese verschiedenen Aspekte Demeters stehen aber nicht lose und unverbunden nebeneinander, in Mythos und Kult sind sie eng miteinander verwoben, zum einen durch den ursächlichen Zusammenhang zwischen den einzelnen mythischen Ereignissen, zum anderen dadurch, daß man durch den Vollzug der Ehe und die Schwangerschaft Kores die Aussaat und die Entwicklung der Getreidepflanze gespiegelt sah. Dies wird auch durch die Feste deutlich, von denen hier die drei exemplarisch untersucht wurden, die die drei Teile des agrarischen Jahres umrahmten und gleichzeitig an die Schlüsselereignisse aus dem Leben Kores erinnerten. Thesmophoria, Chloia und Skira waren Frauenfeste, an denen mehrerer wenn nicht gar aller Aspekte der Göttin gedacht wurde. Bei den Thesmophoria konnten wir neben Initiationsriten für adoleszente Mädchen die Verteilung von heiligem Saatgut an die Festteilnehmerinnen als zentrale Riten erweisen; bei den Chloia, über die wir leider nur spärlich unterrichtet sind, stand in gleicher Weise im Zentrum

Zusammenfassung

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des Festes, wie zeitgleich bei Getreidepflanze und göttlicher Mutter zum ersten Mal der Nachkomme sichtbar wird; bei den Skira spielten wiederum Initiationsriten für weibliche Jugendliche eine wichtige Rolle, und in enger Verknüpfung damit die Getreideernte, die für die Griechen die Geburt eines männlichen Kindes spiegelte. Gleichzeitig wurde bei diesem Fest deutlich, daß männliche und weibliche Initiationsriten miteinander verzahnt waren (Kap. 4). Demeter ist eine vielschichtige, komplexe Göttin, sie ist für Ernährung und Fortbestand der Menschheit zuständig. Zu Recht sagt also die Göttin von sich: eijmi; de; Dhmhvthr timavoco", h{ te mevgiston ajqanavtoi" qnhtoi'siv tæ o[near kai; cavrma tevtuktai. 1 Ich bin Demeter, die hoch in Ehren steht, für die Unsterblichen und Sterblichen die größte Erquickung und Freude.

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Hymn. Hom. in Cer. 268 269.

6. ANHANG Der Homerische Hymnos an Demeter Nach einer kurzen Anrufung Demeters beginnt schon im zweiten Vers der Hauptteil des Hymnos. Kore, Tochter von Demeter und Zeus, wird von ihrem Onkel Hades entführt, als sie — von der Mutter unbeaufsichtigt — gemeinsam mit den Töchtern des Okeanos spielt und Blumen pflückt. Zeus hat Hades sein Einverständnis gegeben (1-6). Unter den Blumen auf der Wiese erregt eine Narzisse durch ihre außergewöhnliche Schönheit besondere Aufmerksamkeit. Sie stellt jedoch eine List Gaias dar: Als Kore nämlich nach dieser Narzisse greift, tut sich die Erde auf, Hades kommt mit einem Wagen hervor und raubt das Mädchen (6-18). Dieses schreit verzweifelt und ruft ihren Vater um Hilfe, doch der ist weit weg. Lediglich Hekate und Helios bemerken die Entführung. Solange das Gespann des Hades über die Erde fährt, schreit Kore (19-37). Schließlich hört Demeter die Schreie. Schmerz befällt sie. Sie zerreißt ihr Kopftuch und kleidet sich schwarz. Gleich einer Rasenden sucht sie überall nach ihrer Tochter — keiner kann sie jedoch über deren Verbleib informieren. Neun Tage lang sucht die Göttin die Erde ab, Fackeln in den Händen haltend, ohne Nahrung zu sich zu nehmen, ohne sich zu waschen (38-50). Am zehnten Tag geht Hekate, die ebenfalls eine Fackel trägt, auf Demeter zu und fragt, wer denn Persephone entführt habe. Sie selbst habe nur deren Stimme gehört aber nichts gesehen (51-58). Daraufhin gehen beide zu Helios. Demeter appelliert an seine Ehrfurcht und bittet ihn, ihr Aufschluß zu geben, wer ihre geliebte Tochter geraubt habe. Helios gibt ihr zur Antwort, daß kein geringerer als Zeus Urheber ihres Schmerzes sei: Er habe Hades seine Tochter zur Gattin gegeben. Der habe sie nun entführt. Doch rät Helios Demeter, von ihren Klagen abzulassen: Hades, ihr eigener Bruder, sei schließlich kein unwürdiger Schwiegersohn; bei der Aufteilung der Welt habe er sein Reich erhalten (59-89). Aber Helios kann den Schmerz der Göttin nicht lindern, im Gegenteil: jetzt kommt noch Zorn auf Zeus hinzu. Aus Bekümmerung sondert sie sich von den Göttern und vom Olymp ab. In Gestalt einer alten Frau begibt sie sich unerkannt nach Eleusis und läßt sich dort am Parthenios-Brunnen nieder (90-104). Als die Töchter des eleusinischen Königs Keleos dorthin kommen, um Wasser zu holen, sehen sie die fremde Alte. Sie treten zu ihr und erkundigen sich, wer sie denn sei und weshalb sie nicht in der Stadt bei den anderen Frau weile (105-117). Demeter stellt sich den Mädchen vor und erzählt, sie sei von Räubern aus Kreta entführt und verschleppt worden. Als sich eine Gelegenheit geboten habe, sei sie ihnen entflohen. Nun wisse sie nicht, wo sie sich befinde. Den Mädchen wünscht sie alles Gute und bittet sie um ihre Hilfe bei der Suche nach einer Stelle als Amme

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oder Haushälterin (118-144). Die älteste der Keleos-Töchter spricht Demeter Trost zu. Dann nennt sie der Göttin Personen, die eine Haushälterin gebrauchen könnten. Auch Metaneira, ihre eigene Mutter, habe einen spätgeborenen Sohn — wenn Demeter einverstanden sei, wollten sie ihre Mutter fragen, ob die Fremde zu ihnen kommen solle. Sie erwarte reichlicher Lohn, wenn sie den Knaben aufziehe (145168). Als sie sich der Zustimmung ihrer Mutter versichert haben, führen die Mädchen die trauernde Göttin zum Palast (169-183). Demeter tritt auf die Schwelle — ihr Kopf berührt beinahe die Decke, und ein göttlicher Glanz umstrahlt die Tür. Metaneira wird blaß vor (Ehr-)Furcht. Sie bietet der Göttin ihren Sessel an, doch diese zieht einen einfachen, mit Schaffell belegten Hocker vor, den ihr Iambe bringt. Jetzt verharrt sie schweigend, bis Iambe sie mit Scherzen aufheitert. Da bietet Metaneira der Fremden einen Becher Wein an, die aber läßt sich ein Mischgetränk aus gemahlenem Getreide, Wasser und Minze zubereiten, den sogenannten Kykeon (184-211). Als Demeter getrunken hat, vertraut die Königin ihr den kleinen Demophon an und verheißt ihr reichen Lohn, wenn der Knabe erwachsen sei. Die Göttin empfängt das Kind und verspricht, alle Übel von ihm abzuwehren (212-230). Sie füttert ihn nicht mit menschlicher Nahrung, sondern salbt ihn mit Ambrosia und haucht ihn sanft an1 . Bei Nacht steckt sie das Kind wie ein Holzscheit in das Feuer. Demophon entwickelt sich unter der Fürsorge der Göttin unglaublich schnell. Doch eines Nachts beobachtet Metaneira das Treiben: Als sie ihren Sohn im Feuer erblickt, fürchtet sie um sein Leben und schreit (231-250). Zornig legt die Göttin den Knaben auf den Erdboden und schilt die Mutter wegen ihrer Torheit: Die Menschen seien so unverständig, daß sie ihr Schicksal nicht vorher erkennen. Sie habe die Absicht gehabt, Demophon unsterblich zu machen, Metaneira habe dies verhindert. Aber jährlich würden in Erinnerung daran, daß sie den Königssohn aufgezogen habe, in Eleusis Festspiele stattfinden. Jetzt stellt sie sich als Demeter vor und fordert, daß ihr in Eleusis Tempel und Altar gebaut werden. Dort wolle sie Mysterien einrichten (251-274). Bei diesen Worten nimmt die Göttin wieder ihre wahre Gestalt an. Metaneira ist so schockiert, daß die Töchter sich um Demophon kümmern müssen. Anschließend versuchen sie die ganze Nacht, die Göttin zu versöhnen (275-291). Bald darauf ist der Tempel errichtet. Dorthin zieht sich Demeter zurück und trauert um ihre Tochter. Sie läßt ein für die Menschen furchtbares Jahr anbrechen: Kein Samen kann keimen, alle Arbeit auf den Feldern ist umsonst. Den Menschen droht eine fürchterliche Hungersnot, die Götter sind ihrer Opfergeschenke beraubt. Nun schreitet Zeus ein: Er schickt Iris los, seine Schwester zu holen. Doch Demeter bleibt hart. Daraufhin sendet Zeus alle Götter zu ihr, die abwechselnd mit ihr reden, ihr Geschenke und diejenigen Zuständigkeitsbereiche anbieten sollen,

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An dieser Stelle befindet sich im Text eine Lücke, so daß wir nicht erfahren, was Demeter ihrem Zögling statt der menschlichen Nahrung zu Essen gibt.

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die sie für sich wählt. Demeter jedoch kündigt an, sie werde erst dann auf den Olymp zurückkehren, erst dann das Getreide wieder wachsen lassen, wenn sie ihre Tochter wiedergesehen habe (292-333). Jetzt lenkt Zeus endgültig ein: Hermes soll Kore aus der Unterwelt zurückholen. Hades willigt ein. Doch bevor er Kore ziehen läßt, gibt er ihr einen Granatapfelkern zu essen. Dann weist er die junge Göttin darauf hin, daß er kein unwürdiger Gatte für sie sei; wenn sie zu ihm zurückkomme, werde sie in seinem Reich herrschen (334-369). Als Persephone bei ihrer Mutter angelangt ist, begrüßen sich beide voll Freude. Besorgt erklärt Demeter ihrer Tochter, daß sie ein Drittel jedes Jahres bei Hades verbringen müsse, falls sie in der Unterwelt etwas zu sich genommen habe; den Rest des Jahres dürfe sie bei ihr zubringen. Sie werde immer dann zurückkehren, wenn die Erde mit Frühlingsblumen blühe (370-404). Im Anschluß an ihr Geständnis, bei Hades einen Granatapfelkern gegessen zu haben, berichtet Persephone von ihrer Entführung (405-434). Zu den beiden Glücklichen gesellt sich Hekate. Nun sendet Zeus die Göttermutter Rhea als Botin zu Demeter, um seine Schwester auf den Olymp zurückzurufen. Auf ihrem Weg nach Eleusis landet Rhea auf dem Rarischen Feld, einem ehemals äußerst fruchtbaren Acker, der jetzt völlig ohne Bewuchs daliegt — doch bald werde seine Fruchtbarkeit zurückkehren (434-456). Rhea begrüßt ihre Tochter herzlich und richtet ihr aus, Zeus habe ihr diejenigen Ehren versprochen, die sie sich aussuche; außerdem bestätigt sie die Dreiteilung des Jahres. Aber Demeter solle sich mit Zeus versöhnen und das Getreide wieder wachsen lassen (457-469). Sofort macht Demeter sich auf, Rheas Bitte zu erfüllen: Die ganze Erde strotzt von Blättern und Blumen. Daraufhin teilt sie den Königen von Eleusis ihre Weihen mit, die allein dem Menschen zur Glückseligkeit auf Erden und nach dem Tode verhelfen. Dann geht sie mit ihrer Mutter auf den Olymp. Dort leben die Göttinnen, und den Menschen, die sie lieben, schicken sie Plutos, den Getreidereichtum, in ihr Haus (470-489). Der Hymnos endet mit einer Anrufung der beiden Göttinnen und der Bitte um Lebensunterhalt als Gegengabe für den Gesang (490-495).

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