Studien zur Passionsgeschichte 9783666532368, 9783525532362


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Studien zur Passionsgeschichte
 9783666532368, 9783525532362

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Eta Linnemann Studien zur Passionsgeschichte

ETA L I N N E M A N N

Studien zur Passionsgeschichte

G Ö T T I N G E N · VANDENHOECK & R U P R E C H T - 1970

Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Ernst Käsemann und Ernst Würthwein 102. Heft der ganzen Reihe

© Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1970. — Printed in Germany. — Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlags ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen

Rudolf B u l t m a n n in D a n k b a r k e i t zugeeignet

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist im Januar 1970 von der Theologischen Fakultät der Philipps-Universität Marburg als Habilitationsschrift angenommen worden. Inzwischen habe ich sie geringfügig überarbeitet und durch den Anhang ergänzt. Ich danke Herrn Pastor Wolfgang Lorenz, der meine Arbeit mit gutem Rat und hilfreicher Kritik sehr gefördert und so dafür gesorgt hat, daß sie verständlicher und lesbarer wurde. Herrn Assistenten Hans-Hermann Wilke danke ich für das Mitlesen der Korrekturen. Braunschweig, Ostern 1970

Eta Linnemann

Inhalt Vorwort

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Einführung

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Gethsemane Mk. 14, 32-42/Mt. 26, 36-46/Lk. 22, 40-46 Entstehung, Überlieferung und Bearbeitung der Perikope

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Die Verhaftung Jesu Mk. 14,32-52 — ein Beispiel für die Kompositionstechnik des Evangelisten Markus in der Passionsgeschichte

41

Die Verleugnung des Petrus

70

Das Verhör Jesu vor dem Synedrium Mk. 14, 55-64

109

Der Kreuzigungs'bericht' Mk. 15, 21-39

136

Ergebnisse und Fragen

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Anhang : Die Passionstraditionen

178

Literaturverzeichnis

183

Einführung Dieses Buch möchte nicht die Reihe der Arbeiten verlängern, die sich mit den historischen Fragen des Prozesses Jesu beschäftigen. Es setzt sich zur Aufgabe, einige der literarkritischen, form-, traditionsund redaktionsgeschichtlichen Probleme zu lösen, vor welche die Passionsgeschichte des Markusevangeliums und die darin verarbeiteten Traditionen uns stellen, die bisher nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Bewußt wurde darauf verzichtet, übergreifende Fragestellungen zum Leitfaden des Buches zu machen. Der einzelne Text mit seinen Verstehensschwierigkeiten steht jeweils im Mittelpunkt. Der Rückgang auf seine Urfassung und die Verfolgung seiner Traditionsgeschichte sollen seine jetzige Gestalt durchsichtig werden lassen. Dieser Ermittlung der Sprachgestalt, welche die Voraussetzung für die Auslegung ist, gilt die eigentliche Bemühung, während die Auslegung selber oft mehr angedeutet als ausgeführt wird. Exegetische Einzelfragen, die weder in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Aufgabe stehen noch für das Gesamtverständnis der Texte entscheidend sind, werden nicht berücksichtigt. Die Traditionsgeschichte wird in der Regel nicht über das Markusevangelium hinaus verfolgt, da bei der Bearbeitung der Perikopen durch die Seitenreferenten neben den formgeschichtlichen auch redaktionsgeschichtliche Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind, denen man kaum gerecht werden kann, wenn man sich auf die Behandlung der Einzelperikopen beschränkt. Die Frage nach Urfassung und Geschichte der von Markus für die Passionsgeschichte benutzten Traditionen dient aber nicht nur der Erschließung der Einzeltexte, sondern leistet auch einen Beitrag zur Redaktionsgeschichte des Markusevangeliums. Indem die Vorlagen des Evangelisten erkennbar werden, zeichnet sich auch seine Redaktionsarbeit mit ihren kompositorischen und theologischen Implikationen ab. Entscheidend für die Beurteilung der Leistung des Evangelisten in der Gestaltung der Passionsgeschichte ist die Frage, ob ihm bereits ein zusammenhängender Passionsbericht vorgelegen hat oder nicht. Wir werden diese Frage verneinen. Sie beschäftigt uns ausführlich im Zusammenhang mit der Perikope von der Verhaftung Jesu, bleibt aber auch bei den nachfolgenden Abschnitten immer mit im Spiel, insofern als sich zeigen muß, ob hinter den Perikopen vom Verhör vor dem

10

Einführung

Hohen R a t und vor Pilatus, der Verleugnung Petri und der Kreuzigung eine zusammenhängende Vorlage zu entdecken ist. Wir stellen sie nicht als historische Frage nach der ursprünglichen Überlieferung von Jesu Passion, sondern als literarkritische Frage nach einer Quelle oder einem Überlieferungszusammenhang, der der Passionsgeschichte des Markusevangeliums zugrunde liegt. Deshalb meinen wir, daß wir sie von der Analyse der Einzeltexte nicht lösen sollten, obwohl sie diesen Rahmen bei der Verhaftungsperikope zugegebenermaßen nahezu sprengt. Auf Grund der Anschauung, daß exegetische Arbeit kein Selbstzweck ist, wendet sich dieses Buch nicht nur an den neutestamentlichen Fachkollegen, sondern auch an den Prediger und Religionslehrer. Dieser hat nicht wie der Neutestamentier neben den deutschen auch die ausländischen Kommentare und entlegene Monographien zur Hand. Ihm stehen nicht wie dem Theologiestudenten in- und ausländische Fachzeitschriften in Seminaren und Universitätsbibliotheken zur Verfügung. Deshalb habe ich mich nicht mit kurzen Literaturhinweisen begnügt, sondern in der Regel ausführlicher zitiert, als das sonst üblich ist. Aus dem gleichen Grunde konnte ich es auch in der Auseinandersetzung mit entgegenstehenden Ansichten nicht bei den Andeutungen bewenden lassen, die dem Kundigen genügt hätten. Ich wollte einem breiteren Leserkreis die Möglichkeit geben, der Argumentation kritisch zu folgen und sich eine eigene begründete Meinung zu bilden. Die ausführlichen methodischen Erwägungen dienen nicht nur der Begründung des eigenen Urteils, sie sollen auch den Studierenden eine Hilfe sein, in die historisch-kritische Arbeit am Neuen Testament hineinzuwachsen und das differenzierte Gefüge ihrer methodischen Fragestellungen in den Blick zu bekommen.

Gethsemane Mk. 14,32-42 / Mt. 2 6 , 3 6 ^ 6 / Lk. 22,40-46 Entstehung, Überlieferung und Bearbeitimg der Perikope I. Die Schwierigkeiten der Perikope Die Markusfassung der Perikope bereitet bei näherem Zusehen eine Reihe von Schwierigkeiten: 1. „Am Anfang konkurriert die Gesamtheit der Jünger V. 32 . . . mit den drei Vertrauten V. 33 und damit auch die Aussagen V. 32 b und 34" 1 . „Daß diese Doppelung der Jüngergruppen nicht ursprünglich ist, zeigt sich daran, daß sie nachher bei der Rückkehr Jesu zu ihnen nicht wieder aufgelöst wird, sondern völlig unbeachtet bleibt. Weder V. 37 . . . noch V. 40 . . . noch V. 41 . . . wird erkennbar, zu welcher Gruppe Jesus zurückgekehrt bzw. wieso die beiden Jüngergruppen wieder zusammen sind." 2 2. „Doppelt ist auch das Gebet Jesu berichtet, einmal V. 35 in indirekter Rede, einmal V. 36 in direkter Rede." 2 Daß die beiden Fassungen des Gebets ursprünglich nicht zusammengehörten, zeigt sich bereits an den verschiedenen Metaphern (Kelch/Stunde). Wäre V. 35 als Einführung zu V. 36 gedacht 3 , sollte man dieselbe Metapher erwarten. 3. E s wirkt befremdlich, daß allein Petrus nach seinem Vermögen zu wachen gefragt wird, obwohl doch alle Jünger schlafen (V. 37). 4. Die Aufforderung, durch Wachen und Beten die Versuchung abzuwenden (V. 38), läßt sich nicht aus der dargestellten Situation verstehen und kann deshalb in diesem Kontext nicht ursprünglich sein 4 . 5. Da von einer Frage an die Jünger nicht die Rede war, muß die Feststellung ούκ ηδεισαν τί άποκριθώσιν αύτω (V. 40 c) verwundern. R. B U L T M A N N , Geschichte der synoptischen Tradition, 6. A. 1964, S. 288. K. G. K U H N , Jesus in Gethsemane, in Ev. Th. 12 (1952/53) S. 260-285, S. 263. 3 So L O H M E Y E R , Das Evangelium des Markus (MeyerK I, 2), 12. A. 1954, S. 315 und V. T A Y L O R , The Gospel according to St. Mark, London 1959 z.St. 4 Siehe M . D I B E L I U S , Gethsemane (in: Botschaft und Geschichte Bd. 1 1 9 5 3 , S. 2 5 8 - 2 7 1 ) S. 2 6 3 . B U L T M A N N a.a.O. S. 2 8 8 . 1

2

12

Gethsemane

6. V. 41 läßt die Exegeten rätseln, ob die Worte Jesu: καθεύδετε το λοιπόν και άναπαύεσθ-ε als Feststellung oder als Frage, ironisch oder ernst gemeint sind. Das Wort άπέχει gibt weitere Probleme auf. Merkwürdigerweise werden diese Schwierigkeiten von einigen Exegeten völlig übersehen, oder es wird ihnen zumindest keine Rechnung getragen 5 . Andere Ausleger sehen nur das als Schwierigkeiten des Textes an, was es erschwert oder gar unmöglich macht, die Perikope als historischen Bericht zu lesen, und versuchen, zwischen dem historischen Grundbestand und den unhistorischen Zutaten des Textes zu unterscheiden 6. Dabei wird in der Argumentation die literarkritische Frage 5 S C H L A T T E R (Der Evangelist Matthäus, 1929), H U N T E R (The Gospel according to Saint Mark, 7. A. London 1962), G O U L D (Critical a n d Exegetical Comm e n t a r y on t h e Gospel according t o St. Mark, 9. A. 1955) Bernard, das Mysterium Jesu Bd. I I I , Freiburg, Basel, Wien 1961, ignorieren sie völlig. E. LOHM B Ï E B (Das Evangelium des Markus, 16. A. Göttingen 1963 [MeyerK 1 , 2 ] ) , V. T A Y L O R (The Gospel according to St. Mark, 2. A. London 1966) u n d J . S C H M I D (Das Evangelium nach Markus, 5. Α. Regensburg 1963) gehen lediglich auf das Problem von V. 38 ein, den sie aus verschiedenen Gründen dann doch f ü r ursprünglich halten. H A E N C H E N (Der Weg Jesu, Berlin 1966) vermerkt zwar Bultmanns kritische Analyse des Textes (S. 496 A. 10), aber er n i m m t keine Stellung dazu u n d greift sie in seiner Auslegung nicht auf. G R U N D M A N N (Das Evangelium nach Markus, Theol. H a n d k o m m e n t a r z. N T 2, 3. A. o. J.) erwähnt zwar, daß „die Beobachtung von mancherlei Unebenheiten" zu Versuchen einer Dekomposition des Textes geführt hat, schließt sich dann aber ohne Begründung der Auffassung Lohmeyers an, daß der Text einheitlich sei. 6 So stellt Β . H . B R A N S C O M B (The Gospel of St. Mark, 7. Α . London 1964 (Moffat Commentary)) fest: „The account bears the marks of t h e dramatic a n d religious instincts of t h e early Christian community, b u t t o deny it's essential historicity is arbitrary a n d u n w a r r a n t . " (S. 267) Das Gebet in indirekter Rede ist eine Zusammenfassung durch die Jünger, das in direkter eine Bildung der Kirche. Das dreimalige Kommen J e s u zu den J ü n g e r n u n d die allgemeine E r m a h n u n g sind nicht historisch. Ähnlich urteilt S H . E . J O H N S O N (The Gospel according to St. Mark, London 1960). Der Intention nach wäre auch E . S C H W E I Z E R (Das Evangelium nach Markus, Göttingen 1967 [ N T D 1] ) hier zu nennen. E r n i m m t die (literarkritisch gemeinte) Dekomposition des Textes durch Bultmann auf in der Absicht, zwischen dem historischen Grundbestand des Textes u n d späteren Zutaten zu unterscheiden. Aus eben dieser Absicht ist auch J . F I N E G A N S Dekomposition des Textes zu verstehen (Die Überlieferung der Leidens- u n d Auferstehungsgeschichte Jesu, Gießen 1934, S. 70f.): „V. 33-36 sind auszuschalten. Wie 5,37; 9,2; 13,3 sind Petrus, J a k o b u s u. Johannes eingeführt, u m eine besondere Offenbarung zu bekommen. Sonst h ä t t e m a n nur gewußt, daß vor seinem Tode Jesus in Gethsemane gebetet h ä t t e . . . V. 37b-38 sind also auch auszuschalten. Einerseits ist das γρηγορείτε des V. 34 vorausgesetzt, andererseits predigt m a n hier der Gemeinde. V. 39-41 ist auszuschalten, weil hier das Gebet in den bekannten dreifachen R h y t h m u s gebracht wird . . . 4 1 b ist eine christliche Bildung wie 14,21. ήλθεν ή ώρα klingt wie aus späterer Zeit, als m a n die Passionsgeschichte als eine Gesamtheit fassen konnte. V. 42 setzt das genaue Wissen Jesu u m den Verrat voraus . . . ist also auszuschalten. V. 37 a ist beizubehalten. Der wenig heldenmäßige Schlaf der Jünger ist schwerlich erfunden worden . . . Als echte Überlieferung bleibt, daß Jesus mit den Jüngern nach einem Ort Gethsemane k a m u n d allein betete V. 32 u n d daß, als die Jünger schliefen V. 37, der Verräter u n d die Menge kam. Dieses Bild ist als geschichtlich erwiesen durch die immoti-

Gethsemane

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mit der historischen Frage verquickt. Die Frage, was an dem Text historisch denkbar ist, beantwortet jedoch nicht die Frage nach dem ursprünglichen Textbestand. Es können sehr wohl unhistorische Elemente in der Urfassung der Perikope enthalten gewesen sein. Man hat z.B. kein Recht, das dreimalige Kommen Jesu deshalb als sekundär auszuscheiden, weil man es für unhistorisch hält.

Die aufgezeigten Probleme des Textes sind literarkritische Probleme u n d können nur auf dem Wege der Literarkritik gelöst werden. E r s t wenn die literarische Frage nach der ursprünglichen Textfassung beantwortet ist, vermag m a n die historische Frage an den Text sinnvoll zu stellen. II. Die Analyse des Textes Einige Exegeten versuchen, die Probleme des Textes durch seine literarkritische Dekomposition zu lösen. a) D I B E L I T J S möchte als Grundbestand des Textes nur Mk. 14,34.35 gelten lassen. Da die Absonderung der drei Vertrauten gegen E n d e der Szene außer acht gelassen werde, sei sie künstlich, und als künstlich erweise sich auch das Hin- u n d Hergehen Jesu zwischen dem Gebetsort und den Jüngern. Der zweite Gebetsakt 14,39 werde nicht mit Gebetsworten gefüllt, der dritte 14,41 nur angedeutet. Der vorliegende Text sei so entstanden, daß Markus ein überliefertes Jesus-Wort, Mk. 14,38, zum Anlaß genommen habe, u m den überlieferten Stoff Mk. 14,34.35 zu einem Vorgang auszubilden. E r habe diese Mahnung als Warnung vor dem natürlichen Schlaf verstanden, ihr zuliebe die Szene der schlafenden Jünger komponiert u n d auch das Gebet Jesu in direkter Rede ausgeführt 7 . Aber so läßt sich die Entstehung der Perikope nicht denken: 1. E s ist mißlich, wenn der Exeget mit einem MißVerständnis des Autors operieren muß. vierte Benennung des sonst unbekannten Gethsemane, die mit 14,26 konkurriert, den unrühmlichen Schlaf der Jünger und die Unentbehrlichkeit dieser Szene für die folgende Gefangennahme." TH. BOMAN (Die Jesusüberlieferung im Lichte der neueren Volkskunde, Göttingen 1967, S. 208-221) kommt auf Grund fragwürdiger psychologischer Reflektionen, mit denen wir uns hier nicht auseinandersetzen können, zu der Annahme, „in der Erinnerung der Gemeinde" seien „zwei ganz verschiedene Gebetsstunden Jesu" „verwechselt und zusammengeworfen" (S. 211). Dementsprechend unterscheidet er in dem Text eine Schicht, die von der letzten Nacht in Gethsemane berichtet (14,32. 33a. 37. 38. 41f.), eine zweite, die von dem Gebetskampf erzählt (14,33 b. 35 a. 36 a) und eine dritte, welche die Züge enthält, die durch die Verwechslung entstanden sind (14,34. 35b. 36). 7 Die Formgeschichte des Evangeliums, 4. A. Tübingen 1961, S. 213f. Vgl. Botschaft und Geschichte I, Tübingen 1953, S. 265.

14

Gethsemane

2. Dibelius bleibt uns die Erklärung dafür schuldig, wie Markus auf die Idee kommen konnte, 14,34f. mit 14,38 zu kombinieren. Weder die Verse 34f. noch V. 38 boten dafür einen Anhaltspunkt: Das Stichwort 'Beten' reichte nicht aus ; denn eine solche Stichwortanknüpfung hätte nicht zum Entwurf der Szene von den schlafenden Jüngern geführt. Die Mahnung zum Wachen kann die Vorlage von V. 34f. noch nicht enthalten haben ; denn die Leidenspsalmen, auf denen Mk. 14,34f. beruhen sollen, kennen das Motiv nicht. 3. Die Annahme einer markinischen Kombination von Mk. 14,34 f. mit dem Logion 14,38 vermag weder die Absonderung der drei Vertrauten von einem größeren Jüngerkreis durch die Einführung von V. 32 f. zu erklären noch die mangelnde Berücksichtigung derselben am Schluß der Perikope. b) H I R S C H vertritt die Ansicht, daß in der „von Widersprüchen geplagten" Gethsemaneperikope „eine ursprüngliche und eine dogmatisch-kirchliche verbessernde Darstellung von der möglichst alles erhalten wollenden Hand des Redaktors zur Einheit verschmolzen sind" 8 . Die Perikope umschließe vier Gegensatzpaare: I. V. 42/41 (Die Aufforderung an die Jünger aufzuwachen/die Erlaubnis weiterzuschlafen). I I . V. 37/38a (nur Petrus angeredet; Vorwurf/alle Jünger angeredet; sittliche-religiöse Ermahnung). I I I . V. 35/36 (dogmatisch inkorrekt: „wenn es möglich ist"; kein Ergebungsschluß/dogmatisch korrekte Aussage: „Alles ist dir möglich" ; Ergebungsschluß). IV. V. 34/32 (Jesus spricht seine Angst und Not aus; bittet, bei ihm zu bleiben/von Angst und Not ist nicht die Rede; Jesus geht allein weiter.) Von den vier „Gegensatzpaaren" gehen nach Hirsch jeweils die erstgenannten und die letzgenannten Verse „zu einer Gesamtauffassung der Geschichte zusammen. 8

Frühgeschichte des Evangeliums. Erstes Buch: Das Werden des Markus evangeliums, Tübingen 1941, S. 156. •— Hirsche Analyse der Perikope wurde in der Forschung so gut wie völlig ignoriert. BTJLTMANN erwähnt sie nicht, K L O S T E R M A N N gibt in seinem Anhang nicht einmal den Literaturvermerk. K U H N , der einmal Hirsch zitiert, geht auf dessen Analyse des Textes mit keinem Worte ein. L O H M E Y B E , S C H M I D , L O H S E , G R U N D M A N N und S C H W E I Z E R sowie der gesamten angelsächsischen Literatur scheint sie unbekannt zu sein. Einzig H A E N C H E N hat sie erwähnt. Er referiert aber nicht Hirschs Begründung für seine Quellenscheidung, die methodisch durchaus diskutabel ist, sondern nur dessen Interpretation der von ihm herausgearbeiteten Fassung und verwirft Hirschs Analyse allein auf Grund ihrer Tendenz, in einer der beiden Fassungen einen alten Bericht zu finden.

Gethsemane

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I n A haben wir den angefochtenen Jesus, der menschliches Verstehen u n d menschliche Teilnahme sucht; in Β haben wir einen völlig unangefochtenen Jesus, der in Verhalten u n d Gebet ein wahres Meisterstück vollkommener ruhiger Ergebung in Gottes Willen darstellt. I n A haben wir Jünger, die in der schweren Stunde ihres Meisters stumpfsinnig u n d ahnungslos versagen; in Β haben wir Jünger, die wohl eine natürliche menschliche Müdigkeit verraten, aber einem Bedürfnis Jesu mit nicht einem W o r t entgegen handeln. I n A ist dabei von bestimmten Jüngern, nämlich von den engsten Vertrauten und insbesondere von P e t r u s dies Versagen ausgesagt; in Β haben wir die Jünger im allgemeinen. D . h . alles in allem: in A haben wir den alten wahrhaftigen Erzähler (Mk. I) ; in Β haben wir den Mann, der das Bild Jesu u n d der Apostel nach dem Bedürfnis einer gläubigen Gemeinde stilisiert (Mk. I I ) " 9 .

Nach Überlegungen zur Verteilung der inhaltlich neutralen Versstücke kommt Hirsch zu folgender Rekonstruktion: „Mk. I Mk. I I 32 U n d sie kommen an die Stelle, welche Gethsemane heißt, 33 vmd er n a h m Petrus u n d J a k o b u s + u n d er sprach zu seinen J ü n g e r n : u n d Johannes mit sich. U n d er hob Setzt euch hier nieder, solange bis ich an, zu zittern u n d zu zagen, 34 u n d gebetet habe, sprach zu ihnen: Meine Seele ist bet r ü b t bis zum Sterben: bleibet hier u n d wachet. 35 U n d er ging ein wenig nach vorn, warf sich auf die E r d e u n d betete, + wenn es möglich wäre, so möchte 36 und sprach: Abba, Vater, alles ist dir die Stunde a n ihm vorübergehen. möglich: n i m m diesen Kelch von m i r ; doch nicht wie ich will, sondern wie du. 37 U n d er k o m m t und findet sie schlafend u n d spricht + zu P e t r u s : Simon, du schläfst? 38 Wachet und betet, daß ihr nicht K a n n s t d u nicht eine kleine Weile in Anfechtung fallt', wachen? 3 9 U n d ΘΓ g i n g w i e d e r f o r t u n d betete 41 u n d k a m a

+ mit den gleichen Worten. 40 U n d wie er wieder kam, f a n d er sie schlafend, denn ihre Augen fielen ihnen zu, u n d sie h a t t e n keine Gedanken, ihm Antwort zu geben,

und er sprach zu ihnen 42 W a c h t auf, wir wollen gehen. + Schlaft weiter und r u h t euch aus. Siehe, er ist da, der mich verrät. Es ist nichts mehr nötig, die Stunde ist gekommen. Siehe, der Menschensohn wird (jetzt) überantwortet in die H ä n d e der Sünder. f R Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach, a R zum dritten Male." 1 0 3

A . a . O . S. 157.

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A . a . O . S. 261f.

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Gethsemane

Die von Hirsch vorgelegte Dekomposition der Gethsemaneperikope ist nicht so schlüssig, wie sie zunächst erscheinen mag. Es ergeben sich bereits Bedenken gegen die Annahme der vier „Gegensatzpaare": Aus V. 42/41 ergibt sich nur dann ein Gegensatz, wenn m a n die Formulierung κα-9-εύδετε τό λοιπόν καΐ άναπαύεσθε als Erlaubnis weiterzuschlafen versteht ; diese Formulierung k a n n jedoch ebensogut als Tadel, Feststellung oder Frage gemeint sein. I n Y. 37/38a k a n n von einem Gegensatz keine Rede sein, Zwischen einem Vorwurf u n d einer sittlichen E r m a h n u n g besteht zwar ein Unterschied, aber kein Gegensatz. Beide können sehr wohl miteinander verbunden werden. Die Spannung zwischen dem Tadel wegen des körperlichen Schlafens V. 37 u n d der Aufforderung zum Wachen im übertragenen Sinn V. 38, auf die Hirsch sich vielleicht berufen könnte, h a t er übersehen 1 0 . V. 36 k a n n m a n zwar als Korrektur von V. 35 auffassen, aber von einem Gegensatz k a n n m a n nicht reden; dazu ist die Übereinstimmung zwischen beiden Versen zu groß. V. 35 h a t zwar keinen „Ergebungsschluß", aber das Ergebungsmotiv — wenngleich schwächer ausgebildet als in V. 36 — fehlt keineswegs. Es ist in der Wendung εί δυνατόν έστιν enthalten, die doch wohl in dem Sinne zu verstehen ist 'wenn es sein d a r f ' u n d nicht, wie Hirsch möchte, „'wenn es (Gott) möglich i s t ' " 1 1 . Nicht die Allmacht Gottes steht zur Debatte, sondern die Unabwendbarkeit der Passion Jesu.

Die von Hirsch angenommenen Textfassungen enthalten eine Reihe von Unstimmigkeiten und stellen mehr Probleme als sie zu lösen vermögen. W a s Mk. I anbelangt, ist festzustellen : 1. Durch die Auslassung von V. 32 b wird die Konkurrenz zwischen der Gesamtheit der Jünger u n d den drei Vertrauten nicht aufgehoben: neben V . 3 2 a besagt V. 33 notwendig die Aussonderung der drei aus einem größeren Kreise. Die besondere Rolle von Petrus u n d den Zebedaiden, die in V. 33 vorausgesetzt ist, gehört in die Urgemeinde u n d nicht in die Situation des historischen Jesus, aus der Hirsch die Textfassung Mk. I herleiten möchte. 2. E s bleibt befremdlich u n d ist aus dem Ablauf der Erzählung nicht zu erklären, daß nur Petrus auf sein mangelndes Vermögen zu wachen angesprochen wird, obwohl doch alle drei Jünger schlafen. 3. Das wunderbare Vorherwissen Jesu in Mk. 14,42 p a ß t nicht zu der Annahme von Hirsch, in Mk. I h ä t t e n wir es „mit dem alten, wahrhaftigen Erzähler" — d . h . mit anderen W o r t e n : mit einem korrekten historischen Bericht •—• zu t u n . Bei Mk. II steht es nicht besser: 1. Die Annahme einer Korrektur von V. 33 f. durch V. 32 geht von der Voraussetzung aus, daß die Anfechtung Jesu in V. 34 „historisch" sei. Diese Voraussetzung ist zum mindesten nicht selbstverständlich 1 2 . 11

A . a . O . S. 156. Vgl. dazu M. S. 258-271. 12

DIBELTOS,

Gethsemane, in: Botschaft und

Geschichte

Gethsemane

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2. Die Mahnung V. 38a 1 3 wirkt im Zusammenhang von Mk. I I unmotiviert, da sie in der dargestellten Situation keinen Anhalt h a t . Obendrein wird ihr noch durch die nach Hirsch ernstgemeinte Aufforderung zum Weiterschlafen V. 41 widersprochen: Die Gefahr, in Versuchung zu fallen, ist doch durch Jesu Auslieferung nicht behoben, so daß es n u n des Wachens u n d Betens nicht mehr bedürfe. 3. Die Schwierigkeiten von Y. 40 sind nicht beseitigt. 4. Unerklärt bleibt, w a r u m der Bearbeiter V. 42 unterdrückt haben sollte. I c h v e r m a g H i r s c h s D e k o m p o s i t i o n d e s T e x t e s d e s h a l b n i c h t als L ö s u n g f ü r die P r o b l e m e der G e t h s e m a n e p e r i k o p e a n z u s e h e n . c) E i n e n w e i t e r e n D e k o m p o s i t i o n s v e r s u c h der G e t h s e m a n e p e r i k o p e der bisher k a u m k r i t i s c h g e w ü r d i g t w o r d e n i s t 1 4 , h a t K . G. K u h n v o r g e l e g t 1 5 . E r u r t e i l t : „ D a ß dieser Markusbericht alle w e s e n t l i c h e n E r z ä h l u n g s g l i e d e r , E x p o s i t i o n , G e b e t u n d J e s u s w o r t je d o p p e l t u n d m i t e i n a n d e r k o n k u r r i e r e n d h a t , ist n u r d a r a u s erklärbar, d a ß hier zwei Quellenberichte i n e i n a n d e r g e a r b e i t e t sind, d e r e n jeder d e n n o r m a l e n einlinigen A u f b a u h a t t e . " 1 6 D i e Q u e l l e n s c h e i d u n g n i m m t K u h n vor, i n d e m er einerseits d a s S t i c h w o r t γρηγορεΐν, andererseits d a s S t i c h w o r t ή ώρα b e r ü c k s i c h t i g t . D a n a c h u n t e r s c h e i d e t er e i n e n Quellenbericht A , der die V e r s e 32. 35. 4 0 u n d 4 1 e n t h ä l t , u n d e i n e n Quellenbericht B , d e m er die V e r s e 33. 34. 3 6 - 4 8 z u w e i s t . D i e V e r s e 39 u n d 4 2 h ä l t er f ü r Z u t a t e n d e s Evangelisten. E i n e S t ü t z e f ü r diese Q u e l l e n s c h e i d u n g sieht er i n der Lukasparallele, die — n a c h A u s s c h e i d u n g der v o n K u h n f ü r l u k a n i s c h g e h a l t e n e n 13 V. 38b wird von H I R S C H f ü r einen Zusatz des Redaktors gehalten, desgleichen das τό τρίτον in V. 41. 14 H A E N C H E N u n d S C H M I D erwähnen ihn nicht; auch T A Y L O B , H T T K T E R , J O H N S O N u n d B R A N S C O M B haben ihn nicht zur Kenntnis genommen. B T X L T M A N N h a t die Kuhnsche Hypothese lediglich referiert. (Gesch., Erg. H . S . 39) ; S C H R Ä G E (Bibelarbeit über Markus 14,32-42, in: Bibelarbeiten gehalten auf der rheinischen Landessynode in B a d Godesberg, o. O. u. J . , S. 21-39, S. 26) desgleichen. S C H W E I Z E R referiert sie (a.a.O. S . 179) ohne Namensnennung sehr knapp, stellt d a n n jedoch fest: „Leichter zu denken ist aber, daß ein kürzerer Bericht allmählich aufgefüllt worden i s t " — ohne eine Begründung dafür zu geben. E . L O H S E (Die Geschichte des Leidens u n d Sterbens Jesu, Gütersloh 1964) h a t K u h n s Lösungsvorschlag f ü r die Probleme der Perikope ausführlicher referiert. Der von ihm versuchte Nachweis, „daß die Wiederholungen nicht durch das Zusammenweben zweier verschiedener Erzählungsfäden, entstanden sind, sondern vielmehr durch Erweiterungen einer ursprünglich viel kürzeren Fassung der Gethsemane-Überlieferung" (S. 65f.), geht in seiner K n a p p h e i t aber auf K u h n s Argumentation zu wenig ein, u m als überzeugende Widerlegung zu gelten. L E S C O W (Jesus in Gethsemane, in: Ev. Th. 26 (1966) S. 141-159, S. 145) setzt K u h n s Dekomposition des Textes ohne kritische Diskussion voraus. Das gleiche t u n P . Bonnard (L'Evangile Selon Saint Matthieu, Neuchâtel 1963) u n d F . Peleé (Jésus à Gethsémané, in: Foi et Vie 65,4 [1966] S. 89-99). 15 Jesus in Gethsemane, in: E v . Th. 12 (1952/53) S. 260-285. 16 A . a . O . S. 264.

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Verse 43-4417 — den gleichen Aufbau zeige wie die beiden Quellenberichte A und B, die er aus dem Markustext erschlossen hat, indem sie wie diese nur „eine Gruppe von Jüngern, einen Gebetstext, einmalige Rückkehr Jesu zu den Jüngern, eine Schlußpointe" habe. Es sei „nicht denkbar, daß Lukas, wäre hier der Markustext seine Quelle gewesen, den ganzen Markusschluß 14,39-42 mit dem zum Folgenden überleitenden Schlußwort Jesu weggelassen hätte. Das gleiche [gelte] für das Fehlen der Ortsangabe ,Gethsemane' bei Lukas." 18 Kuhn ist jedoch genötigt zuzugeben, daß der Lukastext mit keinem der beiden Quellenberichte des Markus identisch ist: „Mit der Markusquelle A hat Lukas gemeinsam, daß von den Jüngern allgemein, nicht von den drei Vertrauten, die Rede ist. Mit der Markusquelle Β hat er gemeinsam die Formulierung des Gebets (aber nicht im gleichen Wortlaut; . . .) und die Pointe des SchlußWortes Jesu 'ίνα μή είσέλθ-ητε εις πεφασμόν, wobei er sich darin wieder von der Markusquelle Β unterscheidet, daß dort dieses Schlußwort an Petrus gerichtet ist, bei Lukas dagegen an die Jünger allgemein. Die Lukasfassung ist noch straffer als die Markusfassung Β auf das Stichwort πειρασμός hin aufgebaut, dadurch daß dieses Stichwort nicht nur als Schluß erscheint, sondern bereits im einleitenden Wort Jesu ausgesprochen wird. So sind in der Lukasfassung Anfang und Schluß streng aufeinander bezogen."19 Dieser Befund spricht gegen Kuhns Hypothese. Nur dann, wenn der Lukastext entweder dem Quellenbericht A oder dem Quellenbericht Β entsprochen hätte, ließe sich aus ihm ein Argument für die Annahme der beiden Quellenberichte bei Markus gewinnen. Die Gemeinsamkeiten des Lukastextes mit beiden Markusquellen machen es wahrscheinlich, daß dieser eine Bearbeitung der Markusfassung ist. Die von Kuhn dagegen vorgebrachten Argumente lassen sich entkräften 20 . Durch die Lukasparallele wird also die Annahme, daß man im Markustext zwei Quellenberichte zu unterscheiden hat, nicht gestützt. Wie steht es aber mit dem Befund bei Markus? „Entscheidend ist . . . die Frage nach dem sachlichen Gehalt der Quellenberichte"21 — darin hat Kuhn völlig recht. Nur wenn sich 18 A.a.O. S. 271. 19 A.a.O. S. 271. Dazu siehe unten S. 38. Siehe unten S. 37f. K U H N löst mit seiner Annahme einer dritten Überlieferungsvariante die Probleme nicht, welche die Unterschiede zwischen der Lukas- und der Markusfassung der Perikope aufgeben, sondern schiebt sie kurzerhand beiseite. Es würde das Ende der literarkritischen Arbeit bedeuten, wollte man sich mit der Verlegenheitsauskunft Kuhns zufriedengeben, „die drei Gestalten" seien „in ihrem Nebeneinander ein charakteristisches Beispiel sowohl für die Variationsfähigkeit der Gemeindeüberlieferung in ihren verschiedenen Traditionssträngen wie zugleich auch für die Festigkeit der Formstruktur" (a.a.O. S. 272). 21 A.a.O. S. 272. 17 20

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durch die Quellenscheidung sinnvolle Einheiten ergeben, sich glaubhafte Motive für ihre Entstehung angeben lassen und das Nebeneinander der beiden Quellenberichte sich erklären läßt, kann die Quellenscheidung Kuhns als die Lösung der Probleme der Gethsemaneperikope angesehen werden. Der Quellenbericht A lautet nach Kuhn: 32 „ U n d sie kommen zu einem Grundstück mit N a m e n Gethsemane (Ölkelter), u n d er sagt zu seinen J ü n g e r n : Bleibet hier, bis ich gebetet habe. 35 U n d er ging ein wenig weiter u n d fiel zur E r d e u n d betete, daß, wenn es möglich wäre, die Stunde a n ihm vorüberginge. 40 U n d [ ] er k a m u n d traf sie schlafend an ; sie waren nämlich schlaftrunken u n d merkten gar nicht, was sie mit ihm besprachen. 41 [ ] U n d er sagt zu ihnen: D a schlaft ihr n u n so fort u n d r u h t . . . U n d (dabei) ist die Stunde da : der Menschensohn wird dahingegeben in die H ä n d e der Sünder." 2 2

Diesem von ihm unterstellten Quellenbericht möchte Kuhn folgenden sachlichen Gehalt entnehmen: Der in der Quelle A tragende Gedanke ist der der ώρα des Menschensohnes. , , Ή ώρα meint . . . den eschatologischen Zeitpunkt des Handelns Gottes in Gericht u n d Heil, dessen E i n t r i t t Gottes Ratschluß vorbehalten ist. Die B i t t e Jesu V. 35 geht dahin, daß die Stunde a n ihm vorübergehe, d . h . dahin, ob es keinen anderen Weg f ü r den Heilsplan Gottes gibt als das Dahingegebenwerden des Menschensohnes in der Sünder Hände. U n d das ήλθεν ή ώρα V. 41 spricht die Gewißheit aus, d a ß eben dies — u n d dies allein — der Weg des göttlichen Heilsratschlusses ist." D a r u m ist auch V. 41 ιδού παραδίδοται ó ύιός τοϋ άνθρωπου εις τώς χείρας των άμαρτωλών „der Zeitpunkt, auf den hin der ganze Bericht aufgebaut ist", „denn dieser Satz spricht ja aus, was die ώρα bedeutet". Die Schilderung des Verhaltens der Jünger h a t johanneischen Klang. „Sie sind . . . hier . . . die, die nicht verstehen, worum es geht. Sie sind wie Kinder, die ahnungslos den mächtigen Schritt der Stunde verschlafen. E s ist das johanneische Motiv v o m Unverständnis der Jünger, das hier andeutungsweise sichtbar wird. So ist dieser Bericht getragen von dem Kontrast der Ahnungslosigkeit der Jünger zu der im Gebet erkannten Gewißheit Jesu, daß die Stunde des Menschensohnes da ist, und daß sie nach Gottes Plan sich erfüllt in seiner Preisgabe in der Sünder Hände."23

Dem ersten Eindruck, daß die von Kuhn einander zugeordneten Verse eine ursprüngliche Einheit bilden, stellen sich folgende Beobachtungen entgegen : 1. Kuhn dürfte zwar recht haben mit der Annahme, daß die zweimal erwähnte „ώρα" der tragende Gedanke des Textes ist. Aber die Bitte Jesu, daß die Stunde vorübergehen möge, und die Gewißheit, daß sie da ist, stehen in dem von Kuhn postulierten Quellenbericht völlig unvermittelt nebeneinander, ja, sie kontrastieren geradezu. Im Markus22

o*

A . a . O . S. 266f.

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A . a . O . S. 273f.

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text sind sie dagegen mit Hilfe der Andeutung des dreimaligen Gebetes durch das Kommen und Gehen Jesu vermittelt. Diese darf nicht wegen der fehlenden Ausführung der Gebete als überflüssiges Füllsel angesehen werden, wie das zumeist geschieht, sondern muß aus der inneren Dynamik der Erzählung begriffen werden. So macht der Kuhnsche Versuch der Quellenscheidung deutlich, daß der dreimalige Gebetsgang Jesu eine Funktion hat und deshalb in der Perikope ursprünglich sein muß. 2. Die kurze Erwähnung des Gebetes Jesu V. 35, durch keine Wiederholung verstärkt, wird in der Kuhnschen Fassung des Textes völlig erdrückt von der langatmigen, eineinhalb Verse umfassenden Feststellung des Schlafens der Jünger (V. 40. 41). Diese schlechte Verteilung der Gewichte wird man nicht dem Urheber der Perikope zur Last legen dürfen, sondern wird darin ein Zeichen sehen, daß die Dekomposition des Textes durch den Ausleger nicht gelungen ist. 3. Die Aussage über das Schlafen der Jünger ist kein geeignetes erzählerisches Mittel, um ihre Ahnungslosigkeit zum Ausdruck zu bringen, und kann deshalb ihre Entstehung nicht diesem Motiv verdanken. H ä t t e der Erzähler die Ahnungslosigkeit der Jünger zum Ausdruck bringen wollen, würde er nicht formuliert haben: „Sie waren nämlich schlaftrunken und merkten gar nicht, was sie mit ihm besprachen", sondern er hätte doch wohl gesagt: ,,sie waren nämlich ahnungslos und merkten gar nicht, worum es ging, bzw. daß die Stunde nahte". Die Erzählung gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Erzähler das Schlafen der Jünger als ihre Ahnungslosigkeit in bezug auf die Situation gedeutet wissen will. Einen solchen Anhalt hätte der Erzähler aber nicht schuldig bleiben können, wenn ihm an dieser Deutung gelegen gewesen wäre, da sie keineswegs die nächstliegendste Deutung des Schlafens der Jünger ist 24 . 4. Da erst im Schlußvers an die Stelle des Ringens um das Vorübergehen der Stunde die Gewißheit Jesu tritt, daß sie da ist, kann man nicht sagen, daß dieser Bericht getragen wird „von dem Kontrast der Ahnungslosigkeit der Jünger zur . . . Gewißheit Jesu". Wäre es dem Erzähler um diesen Kontrast gegangen, würde er das Gebet Jesu nicht so formuliert haben, wie wir es in Mk. 14,35 finden, sondern er hätte 24 Zu dem Vergleich mit dem johanneischen Mißverständnis, den Kuhn heranzieht, ist zu sagen: Für das johanneische Mißverständnis charakteristisch ist nicht das Ausbleiben des Verstehens der Situation, •—· als das man das Schlafen allenfalls deuten könnte, wenn es im Text irgendwelche Anhaltspunkte für diese Deutung gäbe —, sondern das vordergründige Verstehen eines hintergründig gemeinten Wortes, also ein Verfehlen des Verstehens im Mißverständnis. Man darf das johanneische Motiv des MißVerständnisses, das sich zumeist gar nicht auf die Jünger bezieht, nicht mit dem markinischen Jüngerunverständnis verwechseln, das im Zusammenhang mit dem Messiasgeheimnis steht.

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eher so erzählt wie es Johannes tut: „Jetzt ist meine Seele erregt. Und was soll ich sagen? Vater, rette mich aus dieser Stunde? Doch deshalb bin ich in diese Stunde gekommen. Vater, verherrliche deinen Namen" (12,27f.). Nicht eine „im Gebet erkannte", sondern nur eine am Gebet zu erkennende Gewißheit Jesu konnte diesen Kontrast bilden. Der von Kuhn angenommene Quellenbericht A zeigt also weder einen echten Kontrast zwischen Jesus und seinen Jüngern noch eine Wende von der Bitte zur Gewißheit bzw. von der Bitte zum Ja zur Stunde. Keinem der beiden von Kuhn genannten Motive kann die Erzählung also ihre Entstehung verdanken., Sie ist so wenig pointiert, daß sich kein Motiv entdecken läßt, das zu ihrer Entstehung geführt haben könnte. Es ist deshalb nicht wahrscheinlich, daß die Verse Mk. 14,32. 35. 40 und 41 zusammen jemals ein selbständiger Quellenbericht gewesen sind. Wie steht es nun mit dem von Kuhn postulierten Quellenbericht Β ? Er lautet : 33 „ U n d er nimmt zu sich Petrus u n d J a k o b u s u n d Johannes, 34 u n d er begann zu zittern u n d zu zagen u n d sagt zu ihnen : ,Zu Tode b e t r ü b t ist meine Seele'; bleibet hier u n d wachet. [Und er ging ein wenig weiter] 36 U n d er sprach: Abba, Yater, alles ist dir möglich. N i m m diesen Kelch von mir. Doch (die Frage ist) nicht ,was will ich?', sondern ,was willst du'. 37 U n d er k o m m t u n d trifft sie schlafend a n u n d sagt zu P e t r u s : Simon, du schläfst? Du konntest nicht (einmal) eine (so) kurze Zeit wachen? 38 Wachet u n d betet, damit ihr nicht in Anfechtung geratet. Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach."

Diesem Text möchte Kuhn folgenden sachlichen Gehalt entnehmen : „Hier steht a m Anfang die Forderung Jesu 'wachet' (V. 34) u n d wird wieder aufgenommen in seinem Schlußwort 'wachet u n d betet' (V. 38). D a r u m h a t der Bericht Β auch ausdrücklich den Vorwurf Jesu an P e t r u s . . . U n d dies Wachen u n d Beten ist notwendig f ü r die Junger, weil sie sonst in den πειρασμός geraten. Der Gedanke an den πειρασμός ist der Zielgedanke, auf den hin der ganze Bericht aufgebaut ist 2 5 . So h a t der Markusbericht Β der Gethsemanegeschichte . . . recht eigentlich paränetische Tendenz. . . . Das Gebet Jesu ist in diesem Bericht eigentlich nur das Musterbeispiel dafür, wie m a n es richtig macht, u m die Anfechtung zu bestehen, nämlich so, daß m a n durch den willigen Geist das schwache Fleisch in Zucht nimmt, daß m a n wacht u n d betet, s t a t t dem Fleisch nachzugeben u n d zu schlafen. . . . Die christliche Gemeinde, die dieser Bericht ermahnen will, soll sich das Verhalten der Jünger, die schlafen, zur W a r n u n g dienen lassen u n d so wie hier Jesus durch Wachen u n d Beten mit ihrem willigen Geist ihr Fleisch beherrschen. So können sie siegen in der Anfechtung, so wie Jesus hier sie bestanden h a t . " 2 6 25

A . a . O . S. 274.

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A . a . O . S. 284f.

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Auch hier zeigt sich bei näherem Zusehen, daß der erste Eindruck, der den vorgelegten Text für eine ursprüngliche Einheit hält, getäuscht hat. 1. Die Formulierung des Gebetes Jesu fügt sich in den von Kuhn angenommenen Zielgedanken des πειρασμός nicht ein. Jesu Gebet ist die Bitte an den Vater, den Leidenskelch von ihm zu nehmen, und nicht „Beherrschung und Inzuchtnahme" des Fleisches durch den willigen Geist. Deshalb kann das Gebet Jesu Y. 36 ursprünglich nicht als Beispiel verfaßt worden sein für das Wachen und Beten, wie es in V. 38 gefordert wird. Ein solches Beispiel bedürfte keiner Erwähnung des Leidenskelches Jesu. Es ginge darin auch nicht um die Unterordnung des eigenen Willens unter den Willen Gottes. Es müßte vielmehr von der Bemühung zeugen, mit der sich der Betende gegen die Anläufe Satans und die Schwäche des eigenen Fleisches wehrt: entweder so, daß Gott um Hilfe in diesem Kampfe gebeten wird, oder aber so, daß der Inhalt des Gebetes zwar unspezifisch ist, daß aber der Vollzug des Betens als solche Bemühung erkennbar wird 27 . 2. Auch Jesu Mitteilung seiner Betrübnis V. 34 läßt sich nicht vom Zielgedanken des πειρασμός im Sinne von V. 38 her verstehen. Das ist ein weiteres Indiz dafür, daß die Perikope ursprünglich nicht auf diesen Zielgedanken hin entworfen sein kann. 3. V 34a verdeckt den Bezug von V. 34b zu V. 38. Wegen des Zusammenhangs mit V. 34 a wird die Aufforderung zu wachen leicht als Bitte Jesu an die Jünger verstanden, mit ihm zu wachen, wie die Erweiterung in Mt 26,38 zeigt. Diese Unstimmigkeit spricht gegen die Einheitlichkeit des von K u h n postulierten Quellenberichtes B. 4. V. 37 b läßt sich aus der der Perikope zugeschriebenen paränetischen Absicht nicht verstehen. Um die Mahnung V. 38 anzubringen, hätte V. 37 a genügt. Die Feststellung, daß Petrus nicht in der Lage ist, zu wachen, läßt sich nicht von der Paränese her erklären. 5. Daß das Verhalten der Jünger, die schlafen, in diesem Bericht der Gemeinde zur Warnung dienen soll, könnte man doch nur dann sagen, wenn der Bericht auch zeigen würde, daß das Schlafen der 27 Vgl. zum Letzteren „Berakh 5 a : R. Levi b. Chama . . . hat gesagt, R. Sohim'on b. Laqisch (um 250) habe gesagt: Immer reize der Mensch den guten Trieb wieder den bösen Trieb ; denn es heißt P s 4,5 : 'Erreget euch, damit ihr nicht sündigt.' Wenn er ihn (auf diese Weise) besiegt, so ist es gut ; wenn aber nicht, so beschäftige er sich mit der Tora, s. das: 'Saget in eurem Herzen' (d.h. redet bei euch selbst = studieret die Tora). Wenn er ihn besiegt, so ist es gut; wenn aber nicht, so rezitiere er das Schema ; s. das: 'Auf eurem Lager' (unter der Schema-Rezitation schlief man gern ein). Wenn er ihn besiegt, so ist es gut; wenn aber nicht, so denke er an den Tag des Todes, s. das: 'Und schweiget. Sela.'" (P. BILLERBECK, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, Bd. I, S. 994).

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Jünger unangenehme Folgen für sie hat. Folglich läßt sich auch das Motiv des Jüngerschlafes nicht aus der von Kuhn postulierten leitenden Absicht des Quellenberichtes Β erklären. Auch der von Kuhn angenommene Quellenbericht Β läßt sich demnach nicht als ursprüngliche Einheit glaubhaft machen. Nach alldem kann der Versuch von Kuhn, durch die Annahme von zwei Quellenberichten die Probleme der Perikope Mk. 14,32-43 zu lösen, nicht als gelungen gelten. d) Auch W. KNOX28 nimmt eine Quellenscheidung vor, allerdings nach völlig anderen Gesichtspunkten. E r möchte auf der Suche nach Quellen für die Evangelien noch hinter das Markusevangelium zurückgehen. An Hand der Begriffe οί δώδεκα und oi μα&ηταί meint er — offenbar in Analogie zur alttestamentlichen Quellenscheidung zwischen dem Jahwisten und dem Elohisten —, in den Evangelien eine Quellenscheidung vornehmen zu können. Die Möglichkeit, daß die unterschiedlichen Begriffe, mit denen die Jünger Jesu benannt werden, auf die unterschiedlichen, ursprünglich selbständigen Einheiten der mündlichen Tradition zurückgehen könnten, wird nicht erwogen, ebensowenig die andere, daß einer der beiden eine Eigentümlichkeit des Evangelisten sein könnte. Die Art und Weise, wie die Quellenscheidung im einzelnen vorgenommen wird, ist ein Schreckensbild exegetischer Willkür. Es wird nicht etwa an Hand des Einzeltextes der Versuch gemacht, das Gegebensein der unterstellten Quellen nachzuweisen, sondern diese werden stets vorausgesetzt. Nicht von Anhaltspunkten im vorgegebenen Text, sondern von seinen Vorstellungen über die von ihm postulierten Quellen geleitet, unternimmt Knox die Verteilung der Verse auf die einzelnen Quellen. Wo eine Formulierung des Textes nicht in das Konzept des Exegeten paßt, wird sie dem Evangelisten zugeschrieben, der dadurch die ursprüngliche Formulierung der Quelle ersetzt habe. (Mit solchen Methoden kann man natürlich alles beweisen.) Bei der Gethsemaneperikope werden bezeichnenderweise die Spannungen und Schwierigkeiten in der MarkusFassung nicht einmal registriert. Sie werden nicht zum Anlaß für die Zuweisung der Verse zu den Quellen genommen, sondern kehren in den von Knox postulierten Quellen samt und sonders wieder 29 . Die 28 W. L. K N O X , The Sources of the Synoptic Gospels. Vol I St. Mark, Cambridge 1953. 29 Der Jünger-Quelle weist Knox folgende Verse zu : Mk. 14,26; 32-37a, 42. 44-47. 51. 52. Das ursprüngliche Wort an Petrus sei durch eine markinische Einfügung verdrängt worden, die er vielleicht einer christlichen Predigt entnommen habe. — Zur Zwölferquelle haben nach Knox folgende Verse gehört: Lk. 22,39 [Lk. habe für die Zwölfe die Jünger eingesetzt !] Lk. 22,40-45 ; Mk. 14,40. 41. 43; Lk. 22,47. 48; Mk. 14,47-52. — Die Verse Mk. 14,47 und 51. 52 werden dabei beiden Quellen gleichzeitig zugewiesen. — Demnach hätten also

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Knoxsche Quellenscheidung kann deshalb nicht als Lösung für die Probleme der Gethsemane-Perikope angesehen werden. e) BULTMANN30 vollzieht die Dekomposition des Textes nicht durch eine Quellenscheidung, sondern nimmt an, daß die ursprüngliche Fassung durch sekundäre Zusätze erweitert wurde. V. 42 und 41b scheidet er als redaktionelle Zusätze aus : V. 42 erweise sich dadurch als redaktionelle Zutat, daß er die Szene in den Zusammenhang eingliedert. Gegen V. 41 b spricht nach Bultmann, daß die Szene ursprünglich „mit άπέχει ήλθ-εν ή ώρα V. 41 a als dem eindrucksvollen Höhepunkt" geschlossen haben muß. Ergänzend wäre zu sagen, daß auch in V. 35 die Stunde nicht näher erläutert wird, wo man eine solche Erläuterung eher erwarten sollte. Der Vergleich von Mk. 14,41 b mit Mt. 26,2 b zeigt ferner, daß es offenbar für notwendig erachtet wurde, an den Beginn der Passion Jesu noch einmal eine Leidensvorhersage Jesu zu stellen. Diese Notwendigkeit ergab sich jedoch erst für die zusammenhängende Passionserzählung, nicht für die selbständige Perikope. V. 38 hält Bultmann für ein eingeschobenes Wort der christlichen Erbauungssprache. Von den Dubletten der Exposition, V. 32 und 33f., hält Bultmann die erstere für den ursprünglichen Bestandteil des Textes, „da man für die Nennung des Ortsnamens Gethsemane in V. 32 schwerlich die Redaktion verantwortlich machen kann" 3 1 . Yon den beiden Varianten über das Gebet hält er nach formalen Analogien diejenige in direkter Rede für sekundär. Dafür spricht auch, daß die Metapher ώρα in V. 41 wieder aufgenommen wird, während die Metapher ποτήριον auf das Gebet beschränkt bleibt. Die ursprüngliche Fassung der Perikope bestand also nach Bultmann aus den Versen 32. 35. 37. 39. 40 und 41a 3 2 . f) Bultmanns Dekomposition der Gethsemaneperikope ist gut begründet und hat die Wahrscheinlichkeit für sich. An einer Stelle fordert sie jedoch zu einer Ergänzung heraus. Nach dem Wegfall der beide Evangelisten beide Quellen benutzt. Warum sie jeweils entscheidende Partien ihrer Quellen ausgelassen haben, wird von K n o x nicht erklärt. Auch die Beziehungen der Quellen zueinander werden nicht deutlich. — D a die Arbeitsweise v o n Knox bei den übrigen Perikopen der hier charakterisierten entspricht, wird im folgenden darauf verzichtet, auf seine Auslegung einzugehen. 30 31 A.a.O. S. 288f. A.a.O. S. 289. 32 L O H S E (a.a.O. S . 65f.), SCHWEIZER (a.a.O. S . 179) und SCHRÄGE (a.a.O. S . 2 5 ) haben diese Dekomposition des Textes übernommen. N I N E H A M (The Gospel of St. Mark, 2. Α. 1967, S. 389ff.) stimmt in einigen wesentlichen Zügen mit ihr überein : Er hält V. 36 und V. 38 für sekundäre Zusätze. Er rechnet aber auch damit, daß das zweite und dritte Gebet Jesu eine nachträgliche Erweiterimg sind, ohne sich auf die Frage der Textanalyse im einzelnen einzulassen.

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Aufforderung zu wachen, V. 34, u n d der Mahnung, zu wachen u n d zu beten V. 38, f ü g t sich V. 37b schlecht in den R a h m e n der Perikope ein. Die vorwurfsvolle Frage an P e t r u s wirkt merkwürdig, wenn keine Aufforderung zum Wachen vorausgeht. Die Anrede an Simon allein läßt sich an dieser Stelle nicht so erklären, daß P e t r u s als Repräsentant f ü r alle Jünger steht, denn er ist ausdrücklich nach seinem Vermögen gefragt 3 3 . Die Formulierung: „vermochtest du nicht" fällt auf, denn sie zeigt, daß es eigentlich nicht auf das Wachen Petri ankommt, sondern darauf, was Petrus vermag. E r s t im Zusammenhang mit der Beteuerung Petri Mk. 14,31 wird sie sinnvoll, d.h. erst im Zusammenhang des Markusevangeliums, nicht in der selbständigen Perikope. Demnach dürfte V. 37 b doch wohl als eine sekundäre Einfügung des Evangelisten anzusehen sein. Auch damit sind aber noch nicht alle Schwierigkeiten der Perikope behoben. E s bleiben die Übersetzungsprobleme von V. 41a, u n d es bleibt die merkwürdige Feststellung V. 40 c, daß die Jünger Jesus nicht zu antworten wissen — wo sie doch nach gar nichts gefragt sind! K u h n möchte die letztgenannte Schwierigkeit beheben, indem er άποκρίνεσθοα entsprechend dem hebräischen Π3Ϊ „in dem erweiterten Sinne 'anheben zu sprechen', 'jemanden anreden', 'etwas mit jemandem besprechen'" versteht u n d das ούκ τ,δε'.σαν „nach dem häufigen Gebrauch des hebr. (und aram.) ST s t a t t mit 'wissen' allgemeiner mit 'merken'" wiedergibt. So gebe der Satz „die Folge der Schlaftrunkenheit an (καί = 'und so'): 'so daß sie gar nicht merkten, was sie in ihrer Benommenheit vom Schlaf mit ihm beredeten'" 3 4 . Das wäre zwar sprachlich möglich, dieser Annahme steht jedoch entgegen, daß die Jünger ausdrücklich als schlafend hingestellt werden u n d nicht gesagt wird, daß Jesus sie weckt oder auch nur ein Wort an sie richtet, das ihnen Anlaß zum Reden geben könnte. Wenn schon das Reden selbst als inhaltlos hingestellt wird, so muß es doch wenigstens durch einen Anlaß motiviert werden u n d zum mindesten müssen die physischen Voraussetzungen dafür gegeben sein. Schräge 3 5 möchte die Worte so verstehen, daß die Jünger „ihm nichts zu sagen wissen, daß ihr erneutes Versagen in der Anfechtung 33 Das ist bereits Matthäus aufgefallen: er verbesserte ϊσχυσας in ισχύσατε. Die Beziehung zwischen Mk. 14,37 und Mk. 14,29. 31 h a t auch TAYX-OR gesehen (a.a.O. S. 554). — Lescow vertritt die Ansicht: Darin, daß allein Petrus ein Vorwurf aus dem Schlafen gemacht wird „wie auch in der betont persönlichen Anrede 'Simon' wird m a n einen weiteren erbaulichen Zug der Erzählung erkennen dürfen : Dem Hörer wird so nahegelegt, sich selbst mit dem Angeredeten zu identifizieren" (Jesus in Gethsemane, S. 150). Das ist nicht überzeugend. Die Herausstellung des Petrus gewährleistet keineswegs, daß sich der Hörer mit diesem identifiziert, und k a n n deshalb nicht aus diesem Motiv hervorgegangen sein. 34 35 A . a . O . S. 273. A . a . O . S. 36f.

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ihnen den Mund verschließt". So einleuchtend das zunächst erscheint, kann das doch nicht die Lösung sein, da Y. 40 b sich diesem Sinn nicht f ü g t : Nicht nur für 40c, sondern auch für 40b müßte Schräge zeigen, daß der Satz die Schuld der Jünger festhält. Solange ihm das nicht gelungen ist, muß man auch seine Auslegung von 40 c in Frage stellen. Nun fällt auf, daß in V. 40 von einer Antwort der Jünger die Rede ist, ohne daß ein Anrede oder Frage Jesu vermeldet wird, in V. 41 dagegen auf eine Frage Jesu — sofern man καθεύδετε το λοιπόν καί άναπαύεσθε als Frage und nicht als Feststellung zu lesen hat, was auch möglich wäre — keine Antwort der Jünger erfolgt. Macht man den Versuch, Frage und Antwort einander zuzuordnen, so gibt das nicht nur einen glatten Sinn, sondern es fallen obendrein die Schwierigkeiten von V. 41 weg: Der Vers gewinnt seine Eindeutigkeit, man braucht nun nicht mehr zu schwanken, ob καθεύδετε το λοιπόν και άναπαύεσ&ε als Frage oder als Feststellung zu lesen ist, und es steht dann auch fest, daß sich das άπέχει nicht auf das Schlafen der Jünger beziehen kann, sondern nur auf das ήλθεν ή ώρα. άπέχει ist dann wohl am besten als terminus der Geschäftssprache zu verstehen, als 'den Empfang quittieren' 3 6 . Nicht in dem fernliegenden Sinne, den Zwaan annimmt, daß Judas das Geld empfangen habe 3 7 , sondern so, daß Jesus das Kommen der Stunde, um deren Vorübergehen er zunächst gebeten hatte, angenommen hat und den Empfang bestätigt, so daß nunmehr feststeht: die Stunde ist gekommen. Demnach würde die Urfassung der Gethsemaneperikope lauten : Markus 14 32

„Und sie kommen zu einem Grundstück mit Namen Gethsemane, und er sagt zu seinen Jüngern: ,Setzt euch hier, indes ich bete.' 38

35

Und er ging ein wenig weiter und warf sich auf die Erde und betete, daß, wenn es möglich sei, die Stunde an ihm vorübergehe.

37 a Und er kommt und findet sie schlafend. 39a Und abermals ging er weg und betete 3 9 . 36

W. BAUER, Wörterbuch zum Neuen Testament, 6. A. 1963 s.v.

37

J . DE ZWAAN, E x p o s i t o r , 6. S . X I I ( 1 9 0 5 ) S . 4 5 9 - 4 7 2 z i t i e r t b e i JOHNSON

a.a.O. S. 235. 38 Die ursprünglich selbständige Erzählung muß vor ihrer Einfügung in das Markusevangelium am Anfang einen Hinweis auf ihren Bezug zur Passion gehabt haben, der durch V. 35 sachlich gesichert ist. Auch mußten Jesus und seine Jünger genannt werden. Ihr Anfang konnte etwa gelautet haben : „In der Nacht, da er verraten wurde, ging Jesus mit seinen Jüngern aus der Stadt . . ." Aber natürlich ist über den genauen Wortlaut nichts auszumachen. 39 Es ist zu fragen, ob die Worte τον αύτόν λόγο ν ειπών V. 39 nicht erst eingefügt werden konnten, als das Gebet in direkter Rede vorlag, und demnach auf den Redaktor zurückgehen. Ähnlich urteilt Hirsch (a.a.O. S. 158), der diese Worte dem Bearbeiter Mk. II zuweist, der V. 36 eingefügt hat.

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40a Und als er wiederum kommt, findet er sie schlafend, b denn es war, als läge Blei auf ihren Augen. 41a Und er kommt zum dritten Mal und sagt zu ihnen: .Schlaft ihr weiter und ruht?' 40 c Und sie wußten nicht, was sie ihm antworten sollten. 41b [Und er spricht:] ,Es ist quittiert. Die Stunde ist gekommen.'"

I I I . Die Synthese des Textes Die Analyse des Textes muß durch die Synthese bestätigt werden. Nur wenn es gelingt, die herausgearbeitete ursprüngliche Fassung als sinnvolle Einheit zu verstehen und den Weg von der angenommenen Urfassung zum vorliegenden Text verständlich zu machen, kann die Dekomposition als gelungen gelten. Das soll im folgenden versucht werden. 1. Was ist der Sinn des Textes, den wir in Anlehnung an Bultmann als Urfassung annehmen? Er enthält kein Wort vom Zittern und Zagen Jesu, keine Aufforderung an die Jünger zu wachen, keinen Tadel und keine Mahnung. Die Jünger sind in dieser Fassung stumme Statisten. Sie werden ausgeschaltet durch die Aufforderung Jesu, sich niederzusetzen, während er betet, und erst wieder einbezogen, als alles entschieden ist. Zweimal wird gesagt und ein drittes Mal angedeutet, daß Jesus sie bei seiner Rückkehr schlafend findet. Diese anwesende Abwesenheit der Jünger zeigt, daß sie an dem Geschehen völlig unbeteiligt sind. Ihre Nichterwähnung oder die ausdrückliche Erwähnung ihrer Abwesenheit vermöchte ihr Unbeteiligtsein nicht völlig deutlich zu machen. Das Unbeteiligtsein der Jünger zeigt, daß nur Jesus und der Vater an dem Geschehen beteiligt sind, das erzählt wird. I n ihrer großen Verhaltenheit läßt die Erzählung nur Jesus sichtbar werden. Die Beteiligung Gottes deutet nur das Beten Jesu an. Die Bitte, daß die Stunde vorübergehen möge, wenn es möglich ist, steht im Mittelpunkt der Erzählung. Die „Stunde", absolut gebraucht, hat den Sinn: „die Schicksalsstunde" und ist von Haus aus ein „astrologischer terminus" 4 0 . Was 40 Siehe K L O S T E R M A N N , Das Markusevangelium (HNT 3) 4. A. Tübingen 1950, S. 150. — T A Y L O R dagegen möchte der Stunde unter Verweis auf Daniel 11,40. 45 eschatologischen Ursprung zuschreiben und sagt: "The idea is taken over by Jesus as appropriate to the fulfilment of His Messianic destiny" (a.a.O. S. 553). — In Dan. 11,45 ist jedoch die Formulierung ώρα της συντελείας durch das nachfolgende αύτοϋ auf den König des Nordens bezogen und redet demnach von dessen Tod und — wenngleich dieser im Zusammenhang mit den Endereignissen steht (vgl. 12,1) — nicht von der Endzeit. — In Dan. 11,40 ist

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aber als die Schicksalsstunde zu gelten hat, ergibt der Sachzusammenhang. Mit Recht sagt Kuhn: „Die Bitte Jesu V. 35 geht dahin, . . . ob es keinen anderen Weg für den Heilsplan Gottes gibt als das Dahingegebenwerden des Menschensohnes in der Sünder Hände" 41 . Bittet Jesus den Vater darum, dann macht die Erzählung damit deutlich, daß das Geschehen der Passion allein in dem Willen Gottes gründet, nicht in den menschlichen Machenschaften. Wird erzählt, daß Jesus dreimal bittet, dann kann der Leser spätestens bei den Worten Jesu, daß die Stunde gekommen ist, verstehen, daß die Passion Jesu wirklich unter dem δει des göttlichen Heilsplanes steht. Zugleich zeigt die Erzählung aber auch, daß nicht nur Gottes Wille, sondern auch Jesu Wille bei der Passion beteiligt ist. Das Gebet zeigt, daß Jesus einen eigenen Willen hat, wenn er auch bereit ist, ihn Gott unterzuordnen. Er ist kein willenloses Werkzeug Gottes. Jesu Wille ist mit Gottes Willen nicht von vornherein identisch. Jesus hat aber sein J a zu der Passion gesagt, die Gottes Wille ist. Er hat sie angenommen, wenn anders quittieren, den Empfang bestätigen, voraussetzt, daß angenommen und empfangen wurde. So zeigt die Erzählung, indem sie Gottes Willen und Jesu Willen auseinanderhält, daß Jesu Wille und Gottes Wille in der Passion einig sind und daß darauf allein, nicht auf menschlichen Machenschaften das Geschehen der Passion beruht 42 . Sie berichtet nicht eine Phase des Leidens Jesu, sie deutet das ganze Geschehen der Passion. mit der ώρα συντελείας zwar die Endzeit gemeint, aber ein terminologischer Gebrauch ist damit noch nicht erwiesen. Dagegen spricht nicht nur 11,45, sondern auch 12,4 und 12,7, wo vom καιρός συντελείος gesprochen wird, und V. 6, wo stattdessen ein einfaches συντέλεια steht. Nicht der Begriff der Stunde, sondern der Begriff συντέλεια hält sich durch. — Von einem terminologischen Gebrauch der ώρα kann nach den genannten Danielstellen also keine Rede sein. Hinzukommt, daß ώρα dort nicht absolut gebraucht ist, sondern erst durch den Genitiv συντελείας als „Stunde des Endes" ausgewiesen wird. Somit ist durch den Gebrauch des Wortes ώρα in Dan. 11,40 und 45 für das absolut gebrauchte ή ώρα in Mk. 14,35 ein eschatologischer Sinn nicht nachgewiesen. — Die Annahme, daß Jesus auf Grund von ein oder selbst zwei Danielstellen darauf verfallen sein sollte, "The idea as appropriate to the fulfilment of His Messianic destiny" zu übernehmen, ist phantastisch und läßt sich durch den Gebrauch des Wortes ώρα im Johannesevangelium (!), auf den Taylor verweist, wahrlich nicht stützen. Auch G R U N D M A N N (a.a.O. S. 292), und SCHRÄGE (a.a.O. S. 32) sehen in der ώρα die Stunde der Endzeit. 41 A.a.O. S. 273. 4 2 SCHRÄGE sieht dagegen in der Anfechtung Jesu das tragende Motiv der Perikope: „Die . . . menschlichen Züge im Bild des leidenden . . . Jesus . . . sollen zeigen, . . . daß er nicht Satisfaktions- und Stellvertretungstheorien parat hatte, vielmehr auch für ihn Passion und Tod ein Skandalon waren, . . . eine Versuchung, . . . die Jesus in Gehorsam überwand" (a.a.O. S. 30f.). Eine derartige Absicht mußte einem urchristlichen Erzähler jedoch fernliegen, denn sie setzt jene Theorien und eine ihnen entsprechende Christologie bereits voraus. (Schräges Ausführungen beziehen sich übrigens auf die markinische Endgestalt. Vgl. dazu u. Anm. 45.)

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2. Wie konnte aus dieser Urfassung der Erzählung der uns vorliegende Markustext entstehen? Als erstes wäre zu fragen, ob sämtliche Erweiterungen auf eine einzige Bearbeitung zurückgehen, ob sich zwischen einigen Zusätzen ein Zusammenhang entdecken läßt oder ob sie allesamt isoliert voneinander zugewachsen sind 43 . V. 41b und 42 gehen, wie oben bereits gesagt wurde, auf den Evangelisten zurück. Auch die tadelnde Frage an Petrus V. 37 b ist ihm zuzuschreiben 44 . Die Mahnung V. 38 und die Aufforderung :,Bleibet hier und wachet' V. 34 b dürften zusammengehören. Daß diese Aufforderung ursprünglich zu der Klage Jesu gehörte, ist dagegen nicht wahrscheinlich; sie h ä t t e dann zeigen müssen, daß Jesus um seinetwillen die Jünger bittet zu wachen, und h ä t t e doch wohl gelautet: μείνατε ώδε και γρηγορείτε μετ' εμοϋ. Die Aufforderung zu wachen setzt aber V. 33.34a voraus und muß demnach mit V. 38 zu einer späteren Bearbeitung gehören 45 . E s ist zu fragen, ob V. 33.34a und V. 36 zur gleichen Bearbeitung gehören. Ich möchte das bejahen. Die intensive Klage u n d die völlige Ergebung in den Willen Gottes schließen sich nicht aus, vielmehr gewinnt die Ergebung angesichts solchen Schmerzes an Beispielhaftigkeit. Auf Grund dieser Überlegungen nehme ich an, daß die Erzählung von Gethsemane zwei Bearbeitungen erfahren hat, bevor sie Markus in die Hände k a m und von ihm ein drittes Mal bearbeitet wurde, so daß wir also neben der Urfassung eine Zweitfassung und eine Drittfassung zu unterscheiden haben und schließlich die Endgestalt, die der Evangelist ihr gab 4 8 . Ich möchte nun versuchen, den Weg von der Urfassung zur uns vorliegenden Endgestalt der Perikope nachzuzeichnen: Die Urfassung kam in die H a n d eines Tradenten, der in ihr die Beispielhaftigkeit des Betens Jesu für das Beten der Glaubenden entdeckte. E r zog in seiner Nacherzählung diese Linie nach, indem er das Gebet in wörtlicher Rede (V. 36) einfügte, bei dem er sich an das 43 Wenn B U L T M A N N auf dieses Problem nicht eingeht, dürfte das wohl mit der Fragestellung der „Geschichte der synoptischen Tradition" zusammenhängen. Aber auch L O H S E und S C H W E I Z E R beachten es nicht. 44 Siehe o. S. 24f. 45 Siehe S. 22. 46 S C H B A G E (a.a.O. S . 26ff.) schreibt dagegen alle sekundären Erweiterungen des Textes von vornherein dem Evangelisten zu, ohne die Möglichkeit zu erwägen, ob und wieweit die Perikope in der Tradition gewachsen sein könnte, ehe sie dem Evangelisten vorlag. Man erfährt von ihm auch nichts über Intention und Aussage der Fassung, die Markus vorlag.

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Vaterunser anlehnte und die gebräuchliche Metapher des Leidenskelches verwendete 47 . Die Bitte um Abwendung des Leidens und die Ergebung in Gottes Willen sind in diesem Gebet auf das beste in Einklang gebracht. V. 34 gibt den dunklen Hintergrund ab, vor dem das Ausmaß der Ergebung des Beters deutlich erkennbar ist. Man wird es, wenn nicht für sicher, so doch für möglich halten dürfen, daß der Erzähler aus diesem Grunde die Klage Jesu eingefügt hat. Er konnte das unbekümmert tun; denn das Klagen des leidenden Gerechten war eine Vorstellung, die von den Leidenspsalmen her geläufig war 48 . 47

SCHRÄGE (a.a.O. S. 32) f ü h r t die Einfügung von V. 36 auf den Evangelisten zurück. Der Vergleich mit dem sekundären Einschub Mk. 10,38f. beweist das jedoch keineswegs. 1. ist nicht erwiesen, daß dieser Einschub auf Markus zurückgeht; 2. wäre damit noch nicht der Beweis erbracht, daß Markus auch 14,36 gebildet haben muß, sondern höchstens gezeigt, daß er ihn gebildet haben könnte. Die dem Evangelisten zugeschriebene Motivation: Markus wolle „unterstreichen, d a ß die Stunde, in der Gott eschatologisch handelt, nirgendwo anders anbricht als im Kreuz J e s u " (S. 33), k a n n den Einschub dieses Verses nicht erklären. Die Stunde, u m deren Vorübergehen gebeten wird, m u ß die Leidensstunde sein, denn w a r u m sollte Jesus bitten, daß „die eschatologische S t u n d e " vorübergeht, „in der Gott Gericht u n d Heil anbrechen l ä ß t " ? (S. 32; Hervorhebung von mir) V. 35 unterscheidet sich in dieser Hinsicht nicht von V. 36. H ä t t e Mk. V. 36 gebildet, u m den Begriff der Stunde zu erläutern, würde er k a u m auf den Wechsel der Metapher verfallen sein. I n V. 41 c h a t er überdies den Begriff in einer Weise präzisiert, welche die Bildung von V. 36 aus solchen Motiven überflüssig machen mußte. 48 Eine direkte Abhängigkeit von den Leidenspsalmen — Ps. 22; 31 u n d 69 — möchte ich damit nicht behaupten, d a jede wörtliche Berührung fehlt. Eine Beziehung scheint mir nur insofern zu bestehen, als das Klagen u n d Flehen darin zum Bilde des leidenden Gerechten gehörte u n d es deshalb nicht als anstößig gelten konnte, solches von Jesus auszusagen. I c h halte es nicht f ü r wahrscheinlich, daß „ganz unabhängig von der Gethsemaneszene u n d allein auf das Alte Testament gestützt die Meinung vertreten u n d zu früher Zeit in den christlichen Gemeinden übernommen worden ist, Jesus sei von Angst u n d F u r c h t überwältigt worden u n d habe zu Gott u m Hilfe gebetet" (DIBELIUS, Botschaft u n d Geschichte, S. 263). J o h . 12,27-30 d ü r f t e von der Gethsemane-Perikope abhängig sein (vgl. E . HAENCHEN, Historie u n d Geschichte in den Johanneischen Passionsberichten, in: Zur Bedeutung des Todes Jesu, 2. A. Gütersloh 1967, S. 57-78, S. 58). Hebr. 5,7 wird zwar von der Gethsemane-Perikope unabhängig sein, setzt aber ein solchesTheologumenon nicht notwendig voraus. Auf die Auslegung dieser Stelle, zu der eine umfangreiche Spezialliteratur vorliegt, k a n n hier aber nicht eingegangen werden. •— Mit anderer Begründung wendet sich auch SCHRÄGE (a.a.O. S. 27FF.) gegen diese A n n a h m e von Dibelius. Eine Einwirkung von Ps. 41,6. 12; 42,5 (LXX) u n d J o n a 4,9 auf die Formulierung von V. 34, die allgemein angenommen wird, halte ich f ü r unwahrscheinlich. Die Übereinstimmungen sind minimal : in bezug auf die Psalmstelle beschränken sie sich auf die beiden W o r t e περίλυπος u n d ψυχή, die sich hier in einer Frage, in Mk. 14,34 dagegen in einer Aussage finden. Der einzige Anklang an J o n a 4,9 sind die Worte εως θανάτου, denn das περίλυπος soll ja auf Ps. 41 u n d nicht auf das λελύπημαι in dem Jonavers zurückgehen. I s t die Vermutung, der Erzähler habe sich die Worte f ü r Mk. 14,34 aus diesen beiden weit auseinanderliegenden Stellen des Alten Testamentes zusammengesucht, wirklich wahrscheinlicher als die Annahme, er habe diesen Vers frei gebildet ? K a n n m a n

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Eine kompositorische Schwierigkeit war aber zu überwinden: in V. 32 ließ sich die Klage Jesu weder vor noch nach der Aufforderung Jesu an die Jünger, sich niederzusetzen indes er betet, unterbringen. Wenn er diese Aufforderung nicht streichen wollte, mußte er neu ansetzen. Der Erzähler tat das, indem er auf die Aussonderung der drei Vertrauten zurückgriif, für die ihm vielleicht die Verklärungsgeschichte als Vorlage gedient hat 49 . Es läßt sich denken, daß die solchermaßen erweiterte Erzählung einem Tradenten in die Hände kam, dem auffiel, daß die Jünger Jesu so, wie sie darin ins Bild gebracht sind, kein Beispiel abgeben für die Haltung echter Jüngerschaft, an dem sich der Hörer orientieren kann. Ihm fiel die Mahnung ein, die ihm als isoliertes Jesuswort überliefert war50, „wachet und betet . . .", und er fügte sie in die Erzählung ein, denn im E r n s t behaupten, jede Formulierung des Neuen Testamentes, die bereits im Alten Testament vorkommt, müsse auf dieses zurückgehen? 49 L O H S E f ü h r t die E i n f ü h r u n g der drei vertrauten Jünger Jesu in die Gethsemane-Perikope auf den Evangelisten Markus zurück u n d verweist dafür auf Mk. 5,37; 9,2 u n d 13,3 (a.a.O. S. 66). I n Mk. 9,2 gehört die E r w ä h n u n g der Drei jedoch eindeutig zur Tradition, u n d in Mk. 13,3 sind nicht drei, sondern vier Jünger erwähnt, nämlich Petrus, Jakobus, Andreas u n d Johannes. Bei einer Einfügung durch Mk. sollte m a n jedoch die stereotypen Drei erwarten. I n Mk. 5,37 geht die E r w ä h n u n g der Drei allerdings eindeutig auf eine Einfügung des Markus zurück. Man m u ß deshalb aber nicht annehmen, daß der Evangelist die drei Jünger ebenso in die Gethsemane-Perikope eingeführt h a t . Es läßt sich genauso gut denken, daß er auf den Gedanken, in der Erzählung von der Auferweckung der Tochter des J a i r u s die Absonderung der drei Vert r a u t e n einzufügen, allein deshalb verfallen ist, weil er eine derartige Absonderung der drei von den übrigen J ü n g e r n in der Verklärungs-Perikope u n d in der Gethsemaneüberlieferung vorfand. •— Vgl. zu der Frage L E S C O W ( a . a . O . S. 149). E r weist noch darauf hin, daß in Mk. 5,37 Johannes als Bruder des J a k o b u s eingeführt wird. Sollte m a n nicht erwarten, daß in 14,33 die gleiche Formulierung gewählt wäre, wenn der Vers auf Mk. zurückginge? 50 Nach D I B E L I U S ist mit dem πειρασμός in Mk. 14,38 „die große eschatologische Versuchung gemeint. Der Ruf zur Wachsamkeit bezeichnet das, was viele neutestamentliche Stellen mit derselben W a r n u n g ausdrücken (vgl. Mk. 13,35; l . K o r . 16,13; l . P e t r . 5,8): Der H e r r kommt, aber ihr kennt die Stunde nicht, d a r u m w a c h t ! " (Botschaft u. Geschichte I, S. 263). I m Hinblick auf die Aussage v o m schwachen Fleisch u n d dem willigen Geist scheint mir jedoch die Einordnung des Verses durch K U H N zutreffender zu sein, der ihn auf dem religionsgeschichtlichen Hintergrund von Qumran versteht: „ D e r F r o m m e h a t gemäß göttlicher Prädestination den Geist der Wahrheit, der das Gute will." Aber „der Mensch ·— u n d zwar auch u n d gerade der Fromme — sündigt, weil er Fleisch ist. ,Ich gehöre zur Menschheit des Frevels u n d zur Gemeinschaft des Fleisches der Bosheit'" (a.a.O. S. 281). Wenn der F r o m m e sündigt, obwohl er den Geist der Wahrheit h a t , d a n n liegt das an seinem 'Fleisch'-Sein. „Fleisch ist m a n j a als die K r e a t u r , . . . durch . . . Bedingtheiten, Bedürfnis und Triebe ist m a n anfällig f ü r die Sünde" (ebd. S. 282). — G B Ä S S E R (Das Problem der Parusieverzögerung in den synoptischen Evangelien der Apostelgeschichte, 2. A. Berlin 1960, S. 87 Anm. 6) schließt sich K u h n an. — L O H S E versucht, den Bezug des Wachens auf die endzeitliche Versuchung mit der Auffassung des Verses durch K u h n zu verbinden, was mich nicht überzeugt (S. 62ff.). — S C H W E I Z E R möchte Mk. 14,38 als eine Verbindung von jüdischem u n d griechi-

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um seinen Hörern zur rechten Orientierung zu verhelfen. E r ergänzte auch die Aufforderung zum Wachen in V. 34, offenbar in der Meinung, daß Jesus solches von seinen Jüngern erwarten mußte. Dadurch erschien das Schlafen der Jünger als unerlaubt und erhielt deutlich den Charakter des negativen Beispiels. Dem Evangelisten, der die erweiterte Erzählung in die Hand bekam, fiel auf, daß unter den dreien ja auch Petrus solchem tadelnswerten Schlafen verfallen war, von dem er kurz zuvor die Beteuerung aufgeschrieben hatte, daß er bereit sei, mit Jesus in den Tod zu gehen. So wurde er zur Einfügung der Frage Jesu an Petrus veranlaßt. V. 40c και ούκ ήδεισαν τί άποκριθώσιν αύτω hat er an seinen jetzigen Platz gebracht, um auch beim zweiten Kommen Jesu einen Wortwechsel mit den Jüngern anzudeuten, nachdem er einen solchen beim ersten und beim dritten Kommen bereits vorfand. I n V. 41 h a t er die knappe Angabe, daß die Stunde gekommen sei, im Stile der Leidensweissagung erweitert und durch die Bildung von V. 42 die Verbindung mit der Perikope von der Verhaftung Jesu hergestellt. Auch am Anfang der Gethsemaneperikope muß er eingegriffen haben. Die Urfassung umfaßte demnach die Verse Mk. 14,32. 35. 37a. 39a. 40a.b. 41a. 40c. 41b. Die Zweitfassung enthielt zusätzlich die Verse 33. 34a und 36. Zur Drittfassung gehörten die Verse 32-37a. 38-40ab. 41a. 40 c. 41b. Der Evangelist hat dazu V. 37 b. 41c und 42 ergänzt und den V. 40c an seinen jetzigen Platz gebracht 5 1 . IV. Die Bearbeitung der Perikope durch Matthäus und

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I n den drei übrigen kanonischen Evangelien läßt sich die Traditionsgeschichte der Gethsemaneperikope weiterverfolgen. Da wir uns auf die besonderen Probleme der johanneischen Pessionsgeschichte nicht einlassen wollen, können wir hier jedoch nur die Matthäus- und Lukasparallele berücksichtigen. 1. Matthäus lag im Markustext eine Erzählung vor, die nicht nur mit einigen Unklarheiten behaftet war, sondern in der auch mehrere kerygmatische und paränetische Motive unausgeglichen nebeneinander standen. E r entschied sich dafür, behutsam die Linie nachzuzeichnen, welche die Beispielhaftigkeit des Betens Jesu für das Beten der Glaubenden zeigt, ohne dabei Bestandteile der Markusvorlage, die sich nicht auf diese Linie bringen lassen, zu unterdrücken. I m übrigen beseitigte er die Unklarheiten des Markustextes, so gut er es vermochte. Daß auch sehem Denken verstehen (a.a.O. S. 181). Die Annahme, daß Mk. 14,38 paulinische Theologie bezeuge, hat Kuhn gründlich widerlegt (a.a.O. S. 275f.). 51 Die Texte der verschiedenen Fassungen siehe im Anhang S. 178ff.

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seine Stileigentümlichkeiten ihren Niederschlag in seiner Fassung der Perikope fanden, versteht sich von selbst ; darauf brauchen wir nicht einzugehen. I n V. 36 verdeutlicht Matthäus (Einfügung von μετ' αύτών ó Ίησοϋς und ού άπελθών έκεΐ). I n V. 37 setzt er für die Namen Jakobus und Johannes τούς δύο υιούς Ζεβεδαίου ein und schwächt das έκθαμβεΐσθαι des Markus in λυπεΐσθαι, ab. Den inneren Zusammenhang der Aufforderung zu wachen mit der Mahnung γρηγορείτε και προσεύχεστε . . ., derzufolge die Jünger um ihretwillen wachen sollen, erkennt er nicht mehr. Er bezieht die Aufforderung auf die Klage Jesu und versteht sie als die Bitte, um seinetwillen zu wachen. Deshalb fügt er in V. 38 und V. 40 die Worte μετ' έμοϋ ein. E r verdeutlicht in V. 40 durch die Einfügung von προς τούς μαθητάς, was er in V. 45 wiederholt, eine Verdeutlichung, die dem Leser allerdings nicht viel hilft ; denn die Anrede an Petrus setzt an dieser Stelle die Rückkehr zur Dreiergruppe voraus, während man nach der Formulierung des Matthäus meinen möchte, daß Jesus zu allen Jüngern zurückkehrt. Matthäus ändert die Anfrage an Petrus, Mk. 14,37 b, indem er die Worte Σίμων, καθ-εύδεις; streicht und Petrus durch die Änderung des Singulars ΐσχυσας in den Plural ισχύσατε zum Repräsentanten für alle Jünger macht. Am stärksten ist sein Eingriff in den Markustext bei der Formulierung der Gebete. Das Gebet in indirekter Rede, Mk. 14,35, läßt er zunächst wegfallen, aber auch das Gebet in direkter Rede, Mk. 14,36, wird von ihm nicht wortgetreu überliefert: Er streicht das άββά vor πατήρ und ergänzt dafür ein μου entsprechend seiner Gewohnheit, Jesus von seinem Vater sprechen zu lassen 52 . Anstatt dem πάντα δυνατά σοι von Mk. 14,36 zu folgen, hält er sich lieber an das ει δυνατόν εστίν von Mk. 14,35. I n V. 42 begnügt sich Matthäus nicht mit der Formulierung Mk. 14,39 προσηύξατο τον αύτον λόγον ειπών, sondern formuliert ein Gebet in direkter Rede. Es wird gesagt, daß er dafür Mk. 14,35 zugrunde legt 53 , aber die Berührungen zwischen Mt. 26,42 und Mk. 14,35 sind noch geringer als die zwischen Mt. 26,39 und diesem Markusvers: es findet sich buchstäblich kein gleiches Wort. Matthäus dürfte also das Gebet in 26,42 frei gebildet haben, wobei er die dritte Bitte des Vaterunsers aufnahm 5 4 . Es schließt sich in der Formulierung an 26,39 52

Siehe G. S C H R E N K , Art. πατήρ etc., ThW V, S. 987ff. a.a.O. S. 268. 54 Diesen Anklang an das Vaterunser stellen auch K L O S T E R M A N N (a.a.O. S. 211), K U H N (a.a.O. S . 268), G. S T R E C K E R (Der Weg der Gerechtigkeit, 2. A. Göttingen 1966, S. 183) und S . S C H U L Z (Die Stunde der Botschaft, Hamburg 1967, S. 203 und 228) fest. 53

KUHN

3 Linnemann, Fassionsgeschichte

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an, zeigt aber im Unterschied dazu die völlige Ergebung Jesu in Gottes Willen, hinter der die Bitte, der Kelch möge vorübergehen, zurücktritt 5 5 . E s ist das Besondere an der Fassung der Perikope durch Matthäus, daß er sich bemüht, eine Entwicklung der Haltung Jesu im Gebet hin zur völligen Ergebung zu zeichnen 66 , offenbar als Vorbild für den Glaubenden, damit er lernt, sich wie Jesus in den Willen Gottes zu ergeben. Die Worte καΐ ουκ ήδεισαν τί άποκριθ-ώσιν αύτω aus Mk. 14,40 läßt Matthäus weg. Das entspricht seiner Tendenz, die Jünger nicht zu belasten 57 . Während Markus das dritte Weggehen Jesu zum Gebet nur durch die Erzählung seines Wiederkommens andeutet, verdeutlicht Matthäus durch die Einfügung von V. 44, wozu er Mk. 14,39b benutzt, für den er in 26,42 keine Verwendung hatte. Das schwierige άπέχει Mk. 14,41 ersetzt er in 26,45 durch ιδού und ändert dementsprechend das ίδού des Markus in 41b in καί. Wenn er dabei zugleich das ήλθεν des Markus in ein ήγγικεν verwandelt, könnte man fragen, ob er das Kommen der Stunde lediglich auf das Nahen des Verräters bezieht und nicht auf das Ganze der Passion wie der Markustext. Dazu würde stimmen, daß Matthäus bereits an den Anfang der Passionserzählung (26,2) eine ähnliche Leidensvorhersage gesetzt hat, so daß er in 26,45 auf eine allgemeine Vorhersage des Leidens Jesu verzichten konnte. E r stellt dort gegenüber Mk. 14,42 um, so daß völlige Parallelität entsteht zwischen der Formulierung ιδού ήγγικεν ή ώρα in V. 45 und ίδού ήγγικεν ó παραδιδούς με in V. 46. Durch diese Umstellung des ήγγικεν gewinnt er einen glatteren Übergang zu dem Folgenden. 2. Die ¿«fcosfassung weist gegenüber der Markusfassung erhebliche Unterschiede auf. Viele Exegeten nehmen deshalb an, daß sie nicht auf diese, sondern auf eine andere Quelle zurückgeht 58 . Sie übersehen, 55 So urteilen auch P. R. B E R N A Ä D (Das Mysterium Jesu, Bd. III, Freiburg, Basel, Wien, 1 9 6 1 , S. 2 5 5 ) und F. P E L C É (Jésus à Gethsémané, in: Foi et Vie 6 5 , 4 ( 1 9 6 6 ) S. 8 9 - 9 9 , S. 9 2 ) . Auch K L O S T E R M A N N stellt fest: „Das zweite Mal ist die Ergebung Jesu vollkommener." (Das Matthäusevangelium, 2. A. Tübingen 1 9 2 7 , S. 2 1 1 . ) 56 So urteilen auch S T R E C K E R (a.a.O. S . 183) und S C H R Ä G E (a.a.O. S . 23). 57 Siehe Klostermann (ebd. S. 211 u. 21) und Schräge (a.a.O. S. 23). Ähnlich S C H U L Z (a.a.O. S . 218f.). 58 Diese Ansicht wird vertreten von A. S C H L A T T E R (Das Evangelium des Lukas, Stuttgart 1931, S. 432f.), E . H I R S C H (a.a.O. Bd. II, S. 261f.), Κ. H . R E N G S T O R F (Das Evangelium des Lukas, H . A . 1966, S. 260), W . L. K N O X (a.a.O. S. 126), W . G R U N D M A N N (Das Evangelium nach Lukas, 2. A. Berlin o.J. S. 411), H A E N C H E N (a.a.O. S. 495) und K . G . K U H N (a.a.O. S. 271). Die Abhängigkeit der Lukasfassung von der Markusfassung nehmen an: R. B U L T M A N N (a.a.O. S. 289), D I B E L I U S (Botschaft u. Gesch. S. 269f.),

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daß durch die Annahme einer lukanischen Sonderquelle das Problem nur verschoben wird. Die Unterschiede zwischen der Markus- und der Lukasfassung werden dadurch zwar erklärt, aber um den Preis, daß stattdessen die Beziehung der lukanischen Sonderquelle zur Passionsgeschichte des Markusevangeliums bzw. den darin verarbeiteten Traditionen erklärt werden muß. Solange das unterbleibt, wie es leider durchweg geschieht, ist die Annahme einer lukanischen Sonderquelle nicht ausreichend begründet. Wir wollen dieser Frage nachgehen, soweit sie die Gethsemaneperikope betrifft. a) Läßt sich denken, daß die von Markus aufgenommene Gethsemaneperikope und ihre Entsprechung, die Lukas in seiner Sonderquelle vorgefunden haben soll, unabhängig voneinander entstanden sind? Das wird niemand annehmen wollen; denn dazu sind die Gemeinsamkeiten der beiden Fassungen zu groß. Sie stimmen in den erzählerischen Details überein: der Entfernung Jesu von den Jüngern zum Gebet, seiner Wiederkunft, bei der er sie schlafend findet, seiner Frage und seiner Mahnung. Sie entsprechen sich in der Formulierung des Gebets Mk. 14,36/Lk. 22,42, zum Teil sogar wörtlich. In der Mahnung Mk. 14,38/Lk. 22,44 stimmen sie fast Wort für Wort überein. b) Kann man annehmen, daß die verschiedenen Fassungen der Perikope auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen, die beide Evangelisten in unterschiedlicher Weise bearbeitet haben, oder daß dem Markusevangelium und der für Lukas angenommenen Sonderquelle das gleiche Traditionsstück zugrunde lag? Diese Annahme kann nur dann als erwiesen gelten, wenn die beiden Fassungen gemeinsamen Züge eine Einheit bilden, die ursprünglich selbständig existiert haben kann, und wenn sich sowohl die Entstehung des Markus- als auch die des Lukastextes aus dieser Urfassung begreiflich machen läßt. Beiden Erzählungen gemeinsam sind nur die folgenden Züge : Jesus kommt mit seinen Jüngern an einen Platz, entfernt sich von ihnen, um zu beten, spricht ein Gebet, das in direkter Rede überliefert wird, (a.a.O. S. 18f.), M. G O G U E L (Das Leben Jesu, Zürich, Leipzig, Stuttgart 1934, S. 334), H . C O N Z E L M A N N (Die Mitte der Zeit, δ. Α . Tübingen 1964, S. 74), E. KLOSTERMANN (Das Lukasevangelium, 2. A . Tübingen 1929, S. 215), J. M. C R E E D (The Gospel according to St. Luke, London 1953, S. 272), L O H S E (a.a.O. S . 65), Κ . H. S C H E L K L E (Die Passion Jesu in der Verkündigung des Neuen Testaments, Heidelberg 1949, S. 41 f.), und J . S C H M I D (Das Evangelium nach Lukas, 4. A . 1960, S. 335). Auch J. B L I N Z L E B (Der Prozeß Jesu, 3. A. Regensburg 1960, S. 121ff.) lehnt die Annahme einer lukanischen Sonderquelle ab. Ebenso W . G. K Ü M M E L (Feine-Behm-Kümmel, Einleitung in das Neue Testament, 15. A . Heidelberg 1967, S. 80f. Dort weitere Literatur zu der Frage). FINEGAN

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kommt zu den Jüngern zurück und findet sie schlafend und sagt zu ihnen: „Betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt." Dieser gemeinsame Grundbestand erweist sich aber nicht als sinnvolle erzählerische Einheit. Die beiden Motive, die Bitte Jesu und die Aufforderung an die Jünger zu beten, stehen völlig unverbunden nebeneinander und keines ist soweit durchgeführt, daß es die Erzählung zu tragen vermag. Die Entstehung der beiden Fassungen aus diesem Grundbestand zu erklären, bereitet mehr Schwierigkeiten als die Beweisführung, daß die Lukasfassung eine Bearbeitung der Markusfassung ist. Die Annahme, daß das dreimalige Kommen und Gehen Jesu auf nachträglicher Erweiterung beruht, hat keinen Vorzug vor der entgegengesetzten, daß das dreimalige Kommen und Gehen zu dem einmaligen zusammengestrichen wurde. Dieses läßt sich aus dem Motiv begreifen, die Jünger zu schonen 59 . Für jenes könnte man dagegen nur die Fabulierfreudigkeit und die Durchsetzungskraft der volkstümlichen Dreizahl in Rechnung stellen. Die Verse Lk. 22,43 f. muß man nach wie vor als Erweiterung betrachten. Man ist genötigt anzunehmen, daß die Aufforderung zu wachen Mk. 14,34 und die Aufforderung zu beten Lk. 22,40, die beide am Anfang der Perikope stehen, unabhängig voneinander entstanden sind. Denn wenn man die eine auf die andere zurückführen wollte, würde das ebensogut für die Entstehung der Lukasperikope aus der markinischen sprechen. Gegen alle Regeln der Traditionsgeschichte muß man annehmen, daß Markus das Gebet Jesu in direkter Rede — als ob er daran ein Ungenügen finden könnte — nachträglich durch das Gebet in indirekter Rede ergänzt hat. Das dürfte genügen, um die Annahme ad absurdum zu führen, daß die verschiedenen Fassungen der Perikope auf eine gemeinsame Quelle zurückgehen, die beide Evangelisten in unterschiedlicher Weise bearbeitet haben. Auch die Variante dieser These, daß dem Markusevangelium und der für Lukas angenommenen Sonderquelle das gleiche Traditionsstück zugrunde lag, ist damit erledigt. c) Kann man annehmen, daß die Textfassung des Markus abhängig ist von einer durch Lukas aufgenommenen Sonderquelle oder von der durch dieselbe benutzten Tradition? Den gewandteren Stil der Lukasfassung und einige Eigenheiten der Formulierung könnte man notfalls der Bearbeitung der Tradition durch den Evangelisten Lukas zuschreiben. Die Auslassung von Lk. 22,43 f. ließe sich daraus erklären, daß man an dieser Beschreibung des Leidens Jesu Anstoß nahm. Aber warum sollte Markus die wirkungs59

Siehe unten S. 39f.

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volle Gestaltung der Perikope mit der zweifachen Aufforderung zum Beten am Anfang und am Schluß zerstört haben? Warum sollte ihm das Gebet in direkter Rede nicht genügen, so daß er es in indirekter Rede wiederholt? Was konnte ihn dazu nötigen, das zweite und dritte Fortgehen Jesu zum Gebet zu ergänzen? Mit der Annahme, daß der Markustext jünger sei als die von Lukas verarbeitete Tradition, ist es also gleichfalls schlecht bestellt. d) Vollends absurd wäre es, damit zu rechnen, daß nicht der Evangelist Lukas, sondern bereits dessen Quelle vom Markustext abhängig ist. e) E s dürfte deshalb immer noch das Wahrscheinlichste sein, daß die Lukasfassung der Gethsemaneperikope eine Bearbeitung der Markusfassung durch den Evangelisten Lukas ist. Die Schwierigkeiten, die sich zugestandenermaßen dieser Annahme entgegenstellen, sind nicht unüberwindlich. 1. Der Wegfall des Ortsnamens Gethsemane dürfte kompositorische Gründe haben. Da Lukas die Vorhersage der Verleugnung Petri als Tischgespräch bringt, folgt bei ihm 22,40 par. Mk. 14,32 unmittelbar auf 22,39 par. Mk. 14,26. Deshalb mußte eine Ortsangabe wegfallen. Da Mk. 14,26 nicht nur den Ort nennt, zu dem Jesus sich begibt, sondern auch mitteilt, daß Jesus nun hinausging, war dieser Vers für Lukas weniger entbehrlich als Mk. 14,32 a, in dem der Name Gethsemane erwähnt wird. 2. Die Präzisierung der Perikope durch die Voranstellung des Grundgedankens läßt sich als spätere Bearbeitung sehr wohl begreifen. Das entspricht einer Neigung des Lukas, die sich nicht nur durch 18,1, sondern auch noch durch 14,7 ; 18,9 und 19,1 belegen läßt, wenngleich hier nicht die Aussage des Textes zusammenfassend vorausgenommen, sondern die Situation so angegeben wird, daß sie die Aussage des Textes präzisiert. Die Betonung des drohenden πειρασμός entspricht der Konzeption Lukas 6 0 . Daß dieser Begriff bei ihm eine besondere Rolle spielt, zeigt auch der Vergleich von Lk. 8,13 mit Mk. 4,17 und Mt. 13,21 und Lk. 22,28 mit Mt. 19,28 sowie Act. 20,19. 3. Die Absonderung der drei Jünger dürfte weggefallen sein, weil Lukas an der Klage Jesu Mk. 14,34 und der Mitteilung seines Zitterns und Zagens Anstoß nahm und mit deren Wegfall die Aussonderung funktionslos wurde. 60 Vergleiche zu der Frage H . CONZELMANX, Die Mitte der Zeit, Tübingen 5. A . 1 9 6 4 , S. 73F.

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4. Die Veränderungen in Lk. 22,41 f. gegenüber Mk. 14,35f., erklären sich als sachliche oder stilistische Verbesserungen: Das 'Beugen der Knie' dürfte Lukas als die ihm angemessener erscheinende Gebetsgebärde dem 'sich auf die Erde werfen' vorgezogen haben. Daß diese Wendung lukanisch ist, zeigt der Vergleich mit Act. 7,60; 9,40; 20,36; 21,5 61 . Das Gebet in indirekter Rede mochte dem Evangelisten neben dem in direkter Rede überflüssig erscheinen. Die lukanische Formulierung dieses Gebetes ist stilistisch glatter und stellt Jesu Bereitschaft, sich dem Willen Gottes zu unterwerfen, noch stärker heraus. Ob man sie als Angleichung an die dritte Bitte des Vaterunsers verstehen darf, ist fraglich, da diese Bitte im lukanischen Vaterunsertext, 11,2ff., fehlt 62 . 5. Die Verse 43 und 44, die keine Entsprechung bei Markus haben, können eine lukanische Bildung sein. Daß sie in einigen gewichtigen Textzeugen fehlen 63 , macht nicht wahrscheinlich, daß sie eine spätere Ergänzung sind. Sie werden von der Masse der Handschriften bezeugt und könnten von den übrigen unterdrückt sein, weil man an dieser Darstellung Jesu Anstoß nahm 64 . Die Verse dürften in der lukanischen Fassung der GethsemaneErzählung ursprünglich sein; denn sie haben darin eine wichtige Funktion : Sie sorgen dafür, daß der Eindruck eines längeren Ringens erhalten bleibt, obwohl das dreimalige Fortgehen Jesu zum Gebet weggefallen ist 65 . 61

Diesen Hinweis gibt KUHN a . a . O . S. 270. Vgl. SCHELKLE a . a . O . S. 42 u n d T h . LESCOW, J e s u s in G e t h s e m a n e bei L u k a s u n d i m Hebräerbrief, i n : Z N W 58 (1962) S. 220f. Die Methode, m i t der Lescow d e n Nachweis f ü r die lukanische B e a r b e i t u n g in L k . 22,42 f ü h r e n will, erscheint m i r allerdings fragwürdig. 63 N ä m l i c h in „ B A W , weiter in einigen Minuskeln, insbesondere der F e r r a r g r u p p e ; f, Syr S i n ; bei Marcion, Clem. Al., Orig., Cyr. Al. u . a . " ( K u h n a . a . O . S. 268). 64 So urteilen DIBELIUS ( B o t s c h a f t u n d Geschichte S. 269), HIRSCH ( a . a . O . 62

B d . I I , S. 261), L . BRUN ( E n g e l u n d B l u t s c h w e i ß LC. 2 2 , 4 3 - 4 4 i n : Z N W

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[ 1 9 3 3 J S . 2 6 5 - 2 7 6 , S . 2 7 6 ) , GRUNDMANN ( a . a . O . S . 4 1 0 ) , K U H N ( a . a . O . S . 2 6 8 )

u n d LESCOW ( a . a . O . S. 217 A . 11). " T h e y m a y h a v e been o m i t t e d in some Alexandrian t e x t s for t h e s a m e doctrinal m o t i v e which led St. J o h n entirely t o o m i t t h e a g o n y a n d t h e p r a y e r in t h e garden. E p i p h . records t h a t t h e verses were perplexing to some o r t h o d o x of his own d a y s as seeming incompatible w i t h t h e d i v i n i t y of C h r i s t " (CREED a . a . O . S. 273). 65 Den Z u s a m m e n h a n g der I n t e n s i v i e r u n g des G e b e t s k a m p f e s m i t d e m Wegfall des dreimaligen Gebetes h a t bereits Goguel gesehen. E r ist jedoch n i c h t der Meinimg, d a ß die Verse als E r s a t z f ü r d a s dreimalige B e t e n gebildet w u r d e n , sondern d a ß jenes u m der E i n f ü g u n g dieser Verse willen gestrichen worden ist : „ N a c h d e m diese . . . A n g a b e e i n g e f ü h r t war, k o n n t e der ganze Vorgang n i c h t fortgesetzt werden ; er w a r bis zu einer solchen H ö h e gesteigert, d a ß ein zweites u n d d r i t t e s Gebet ihn n u r abgeschwächt h ä t t e " ( a . a . O . S. 334).

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Ist der Lukastext eine Umformung der Markusfassung der Gethsemaneperikope, dann müssen auch diese Verse von Lukas gebildet sein 66 . Ob man die lukanische Verfasserschaft auch noch durch sprachliche Kriterien erweisen kann, ist mir nicht sicher67. 6. Wenn Jesus in der Lukasfassung im Gegensatz zum Markustext die Jünger nicht dreimal, sondern nur einmal schlafend findet, dann können wir darin eine tendenziöse Änderung durch den Evangelisten sehen: An den Jüngern darf kein Makel haften. Darum wird die Jüngerflucht Mk. 14,50 sowie die Vorhersage des allgemeinen Jüngerversagens Mk. 14,26ff. von ihm weggelassen. Darum fehlt die mehrfache Erwähnung des Schlafens der Jünger 68 . „Sie müssen nicht dreimal 'wach'gerufen werden, sondern nur einmal ermahnt, daß Schlafen jetzt nicht am Platz sei" 69 , und ihr Schlafen wird überdies von Lukas durch ihren Kummer motiviert und entschuldigt. Auch die Frage an Petrus Mk. 14,37 dürfte dieser Tendenz zum Opfer gefallen sein 70 , und Mk. 14,38b könnte Lukas gleichfalls ge66

DIBELIUS hält Lk. 22,43 f. f ü r „echt lukanisch" (Botschaft u n d Geschichte S. 269). LBSCOW hält es dagegen für wahrscheinlicher, „daß nur V. 43 auf Lukas zurückgeht, während Y. 44 eine volkstümliche, bereits ins Legendäre übergehende Erweiterung des Berichtes Β darstellt" (. . . Gethsemane bei Lukas . . . S.217). E r k a n n aber keinen zureichenden Grund angeben f ü r diese Annahme, die den Traditionsvorgang unnötig kompliziert. E s trifft nicht zu, d a ß V. 43 „den unmittelbaren Anschluß an V. 42 u n t e r b r i c h t " (S. 218). Das έκτενέστερον προσηύχετο in V. 44 setzt ein Ereignis voraus, das dieses Beten von dem zuvor erzählten Gebet deutlich abhebt. Dieses k a n n in dem γενόμενος έν άγωνία gefunden werden, solange jedoch keine zwingenden Gründe f ü r die Annahme vorgebracht werden, d a ß V. 43 ein sekundärer Einschub ist, wird m a n es eher in diesem Verse suchen. 67 Zur Frage des lukanischen Stils dieser Verse sagt KUHN: „Vgl. zu V. 43 ένισχύων άυτόν Act. 9,19 (das W o r t nur an diesen beiden Stellen im N T ) ; zu 44 έκτενέστερον προσηύχετο Act. 12,5; 26,7" (a.a.O. S. 268). Lyder BRUN urteilt: „Von sprachlich-stilistischem Gesichtspunkt aus „ k a n n k a u m mehr gesagt werden, als d a ß die Verse allerdings sehr wohl von Lukas gesehrieben sein können, daß aber der Befund den lukanischen Ursprung nicht positiv beweisen kann. Die Koinzidenz έκτενέστερον έκτενώς 22,44 Act. 12,5 wird durch das bei Lukas sonst nie vorkommende άγγελος άπ' ούρανοϋ [sonst κυρίου 1,11; 2,9; Act. 5,19; 7,30; 8,26; 12,7.23, oder άγγελος τοϋ θεοϋ Act. 10,3; 27,23 bzw. άγγελος άγιος Act. 10,22] sowie durch die verschiedene Anwendung von ένισχύειν 23,43 Act. 9,19 [dort intransitiv u n d mit Bezug auf Erstarken durch natürliche, leibliche Nahrung] doch wohl ziemlich aufgewogen" (a.a.O. S. 267). B r u n ist jedoch der Ansicht, daß „die Rücksicht auf das Totalbild der lukanischen Gethsemanegeschichte u n d der Vergleich dieser Geschichte mit den übrigen Leidensperikopen des Evangeliums" dafür spreche, „die textkritische Frage zugunsten des längeren Textes zu lösen" (a.a.O. S. 276). 88 Anders urteilt SCHELKLE: „. . . dadurch, daß Lukas nur einen Gebetsgang u n d nur eine Mahnung an die Jünger berichtet, mildert er den bei Mk./Mt.viel nachhaltigeren Eindruck der N o t des H e r r n " (a.a.O. S. 42). 69 CONZELMANN a . a . O . S. 74, vgl. auch SCHRÄGE a . a . O . S. 23. 70 So urteilt auch SCHRÄGE a . a . O . S. 23.

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strichen haben, weil er ihn im Blick auf die Jünger für unangemessen hält, „denn der Apostel Geist ist nicht schwach"71. 7. Der Zuspitzung der Perikope auf seinen Lieblingsgedanken des πειρασμός scheint Lukas ihren Schluß, den sie bei Markus hatte (14,41 f.), geopfert zu haben. 22,46 bot keinen Anknüpfungspunkt für die Aussage, daß jetzt der Menschensohn in die Hände der Sünder überliefert wird, und sachlich hatte der Evangelist sie bereits in 22,37 vorausgenommen. Die Worte παραδίδοται. ó υιός του άνθρωπου Mk. 14,41 benutzt er für den von ihm gebildeten Vers 22,48 : 'Ιούδα, φιλήματι τόν υίον του άνθρώπου παραδίδως ; und die Wendung ήλ&εν ή ώρα . . . greift er in 22,53 auf. Damit dürfte sich gezeigt haben, daß sich die Lukasfassung der Gethsemaneperikope sehr wohl als eine lukanische Bearbeitung des Markustextes verstehen läßt, während die Annahme, daß Lukas gegenüber Markus den ursprünglichen Text biete oder daß beiden Fassungen eine gemeinsame Quelle zugrunde liegt, an den Texten keinen ausreichenden Anhalt hat. 71

CONZELMANN a . a . O . S. 74.

Die Verhaftung Jesu Mk. 14,43-52 — ein Beispiel für die Kompositionstechnik des Evangelisten Markus in der Passionsgeschichte 1 I. Die Schwierigkeiten der Perikope Auch die Perikope von der Verhaftung Jesu stellt uns vor etliche Probleme : 1. In V. 47 ist zunächst unklar, wer mit den παρεστηκότες gemeint ist. Man sollte erwarten, daß der, welcher durch seinen Schwertstreich für Jesus Partei ergreift, nach V. 43 wie Judas als είς των δώδεκα, oder nach 14,32 als μαθητής bezeichnet wird. Die Wendung εις δέ τις των παρεστηκότων setzt eine andere Einführung der Umgebung Jesu voraus, als wir sie in 14,32 finden. 2. Wenn erzählt wird, daß einer der Anhänger Jesu bei dessen Verhaftung bewaffneten Widerstand gegen die Staatsgewalt leistet, müßte doch wohl auch eine Reaktion der „Schar mit Schwertern und Knüppeln" erzählt werden, denn es ist undenkbar, daß eine solche Reaktion unterblieb. 3. Wenn ein Wort Jesu auf die Parteinahme seines Anhängers folgt, sollte man erwarten, daß es auch auf diese Bezug nimmt, wie die Erweiterungen durch Matthäus und Lukas an dieser Stelle zeigen. 4. V. 48 beginnt mit den Worten: και άποκριθ-είς ó Ίησοΰς εΐπεν αύτοΐς. Grammatisch muß sich das αύτοϊς auf die παρεστηκότες beziehen; sinngemäß kann aber nur ó οχλος μετά μαχαιρών και ξύλων V. 43 gemeint sein, von dem es in V. 46 heißt: οί δε επέβαλαν τάς χείρας αύτώ και έκράτησαν αύτόν. 5. I n V. 48 fällt ferner auf, daß die Formulierung lautet: ως επί ληστήν έξήλθ-ατε μετά μαχαιρών και ξύλων σ υ λ λ α β ε ΐ ν με. Auf die bereits vollzogene Verhaftung wird kein Bezug genommen. 14,48 scheint sich nicht auf 14,46, sondern auf 14,43 zu beziehen, womit der Vers in der Formulierung auffällig übereinstimmt. Es ist auch zu beachten, daß in V. 48 das in V. 44 und V. 46 gebrauchte verbum κρατέω nicht aufgenommen wird: dort heißt es συλλαβεΐν. 1 Dieses Kapitel ist die erweiterte Fassung eines Vortrage, der am 26. 1. 1967 vor der theologischen Fachschaft in Marburg gehalten wurde.

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6. Wenn es in Y. 50 im unmittelbaren Anschluß an das Wort Jesu V. 48/49 heißt: και άφέντες αύτόν εφυγον πάντες, d a n n m ü ß t e n dem Zusammenhang nach die Verhaftenden die Fliehenden sein oder doch mit zu ihnen zählen. Das ist aber sachlich unmöglich und widerspricht dem Fortgang der Erzählung. Sind mit den Fliehenden aber Jesu Jünger gemeint, d a n n ist zu fragen, warum sie ausgerechnet auf das Wort ihres Meisters hin fliehen sollten, mit dem er seinen Häschern entgegentritt. II. Die bisherigen

Lösungsversuche

Die zahlreichen Brüche in der Erzählung lassen vermuten, daß der Text so, wie er uns vorliegt, keine ursprüngliche Einheit war. Man wird fragen müssen, ob m a n nicht verschiedene Schichten zu unterscheiden h a t . Merkwürdigerweise wird auf diese Frage von den Auslegern wenig Mühe verwendet. DIBELIIJS geht auf die Frage der Einheitlichkeit der Perikope nicht ein 2 . Auch CARRINGTON3, GOULD 4 , MOULE 5 , GRUNDMANN u n d SCHMID berücksichtigen sie nicht. BULTMANN begnügt sich mit der Vermutung, daß V. 48/49 „etwas Ursprüngliches verdrängt" habe, „wodurch V. 50 einst besser motiviert war als j e t z t " und daß „wie V. 50 . . . V. 51 f. das R u d i m e n t alter Tradition" sei 6 . FINEGAN scheidet alle Bestandteile des Textes, die auf Grund eines Schriftwortes entstanden sein können, als sekundäre Zutaten aus u n d läßt als ursprünglichen Textbestand nur die Verse 43. 46 u n d 50 gelten, die sich als historisch ansehen lassen 7 . Die Möglichkeit, daß die unhistorischen Bestandteile gleichwohl den Grundbestand des Textes gebildet haben könnten, wird gar nicht in Betracht gezogen. LOHMEYER sieht f ü r die Schwierigkeiten des Textes die Lösung darin, daß die ganze Perikope „aus dem Gesichtskreis der Häscher" erzählt sei. E r sagt: „ N u r einer aus dem Gefolge des J u d a s k a n n von der geheimen Abrede V. 44 wissen . . . Nur aus dem Gesichtskreis der Häscher läßt sich reden von 'einem der Umstehenden' ; nur ein solcher k a n n wissen, daß der vom Schwert Getroffene 'der Knecht des Hohenpriesters' war. Daher begreift es sich, daß das Wort μαθηταί völlig fehlt; daher auch der Schlußsatz: Alle verließen ihn und flohen. Ein 2 Vgl. Formgeschichte S. 205f., Judas und der Judaskuß, in: Botschaft und Geschichte S. 272-277. 3 According to Mark. A running commentary of the Oldest Gospel Cambridge I960, z.St. 4 Critical and Exegetical Commentary on the Gospel according to St. Mark (ICC), Edinburgh, 9. A. 1955, z.St. 5 The Gospel According to Mark, Cambridge 1965, z.St. 7 « Gesch. S. 289Í. A.a.O. S. 71 f.

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solcher Erzähler kann sich auch begnügen, von der Gegenseite, der Jesu, nur Einzelnes zu berichten und zum Schluß den Vorfall mit dem unbekannten Jüngling nachzutragen" 8 . Wenn Lohmeyer dann aber im Blick auf V. 48f. zugeben muß, daß der Standort des Erzählers fiktiv ist, dann hat er, ohne es zu merken, gezeigt, daß sein Lösungsversuch nicht zum Ziele führt. Überdies widerspricht die Formulierung von V. 43: „Und alsbald . . . kommt Judas . . . und mit ihm eine Schar . . .", vor allem aber das αύτοίς in V. 44 deutlich seiner Annahme. Es hätte dann heißen müssen: δεδώκει δέ ó παραδιδούς αύτον σύσσημον ήμΐν. I n Lohmeyers Hypothese ist die Lösung für die Schwierigkeiten des Textes also nicht zu finden. HIRSCH, der die Schwierigkeiten des Textes klar erkennt hat, sieht die Lösung wieder in einer Aufteilung desselben auf die beiden von ihm im Vorhinein angenommenen Markusquellen. ,,Mk I gehören: 43 (ohne είς των δώδεκα und ohne και των γραμματέων); 45 (ohne έλθών ευθύς) ; 46. 48 bis εϊπεν αύτοΐς ; 49 bis άλλ' und mit der Ergänzung aus Luk; 50. 51. 52. — M k l l strich in 43 'Ιούδας bis αύτοΰ, fügte 44, die Worte έλθών εί&ύς in 45 und dann 47 ein, ersetzte 49a (bis άλλ') durch 48 ab ως επί und 49b ab ίνα, und strich 50-52. — R. fügte beide Fassungen zusammen, in 43 είς δε των δώδεκα einfügend, ließ aber den Schluß der Antwort Jesu aus Mk I in 49 fort. Ein Glossator fügte in 43 die Schriftgelehrten ein. Unsicher ist: a) ob wir den Schluß der Antwort Jesu aus Mk. I bei Lk 22,53 wörtlich oder sinngemäß wiederfinden; b) ob 47 nicht vielleicht erst ein Zusatz von R. ist" 9 . Der von Hirsch angenommene Entstehungsprozeß der Perikope ist so kompliziert, daß seine Hypothese nicht überzeugen kann. Wir müssen es uns versagen, seiner Argumentation im einzelnen nachzugehen und wollen uns mit wenigen Hinweisen begnügen: 1. V. 44 hat eine tragende Funktion in der Erzählung von der Verhaftung Jesu mit Hilfe des Judas Verrates, so daß die Urfassung ohne diesen Vers nicht denkbar ist. 2. Auf das Problem, daß auf den Schwertstreich des Jüngers keine Reaktion der Verhaftenden folgt, sondern statt dessen ein Wort Jesu, geht Hirsch überhaupt nicht ein. 3. Fassung I ist dadurch belastet, daß die Jünger auf das Wort Jesu hin fliehen. 4. Fassung I I wird gestört durch den Bruch zwischen V. 47 und 48 a: Jesus beklagt sich, daß man mit Waffengewalt gegen ihn vor8 Markus S. 321. GRTTNDMANN schließt sich Lohmeyer an, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Nach SCHWEIZER ist der Abschnitt „bis V. 46 — v o m Standpunkt der Häscher aus geschrieben" (a.a.O. S. 183). 9 A.a.O. S. 499f.

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geht, obwohl das Verhalten seiner Anhänger zeigt, daß ein solches Vorgehen der Verhaftenden berechtigt war. In der Dekomposition von Hirsch vermag ich deshalb keine Lösung für die Probleme der Perikope zu sehen. LOHSE geht auf die Schwierigkeiten der Perikope gar nicht ein. HAENCHEN begnügt sich im wesentlichen mit der Feststellung: „Die Erzählung von der Gefangennahme Jesu ist während der Periode der Überlieferung, die uns die kanonischen Evangelien überblicken lassen, erheblichen Wandlungen unterworfen gewesen. Das legt die Vermutung nahe, daß auch schon die Markus-Form . . . solche Änderungen aufweist, die wir nur aus Mangel an Vergleichsmaterial nicht nachweisen können." 10 TAYLOR urteilt: "Strictly speaking, the narrative ends at 4 6 Verses 4 7 . . ., 4 8 - 5 0 . . ., and 5 1 f. . . . are seperate items of tradition which Mark has appended." 11 Gegen diese Annahme spricht jedoch, daß die genannten Verse oder Versgruppen keine geschlossenen Einheiten bilden und deshalb in dieser Form nicht selbständig überliefert werden konnten. Die Aufgabe, die Perikope in ihrer Entstehung und ihrer jetzigen Gestalt zu begreifen, liegt also noch vor uns. I I I . Die Analyse der Perikope von der Verhaftung Jesu Mk. 14,43-52 Es fällt auf, wie wenig in den genannten Auslegungen der Versuch gemacht wird, die Perikope in ihrer sprachlichen Gestalt zu verstehen. Mag sich das bei Dibelius und Bultmann aus der Aufgabenstellung ihrer Bücher ergeben und bei Klostermann aus der Eigenart des Lietzmannschen Handbuches verständlich sein, bei den übrigen Exegeten sollte man erwarten, daß diese Frage mehr Beachtung fände. Immer noch stehen die historischen Fragen im Vordergrund. Man geht mit dem Vorverständnis an die Texte heran, daß man es in der Passionsgeschichte mit einem Bericht, also mit der direkten Wiedergabe historischer Fakten, zu tun hat. Gewiß rechnet man mit kerygmatischen und apologetischen Tendenzen, man sieht auch vielfach, daß sich in der Passionsgeschichte, wie sie heute in den Evangelien vorliegt, einzelne Traditionsstücke abheben, die ursprünglich selbständig gewesen sein müssen. Aber man meint eben doch, wenn man unter Berücksichtigung solcher Sachverhalte den Texten auf den Grund gehe, müsse man direkt auf das Historische stoßen oder ihm doch so weit wie möglich nahe kommen. Die Frage nach dem UrA.a.O. S. 160. A.a.O. S. S57. CRANFIELD schließt sich Taylor an, trägt aber eine groteske psychologische Erklärung bei. 10

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sprünglichen stellt sich dann als die Frage, was an dem Text historisch sein kann, und nicht als die Frage, was als die älteste sprachliche Fassung des Textes zu gelten hat und wie die vorliegende Fassung aus dieser entstanden sein kann. Ich vermag dieses Vorverständnis nicht zu teilen; denn ich sehe keinen Grund, an die Passionstexte anders heranzugehen, als an die übrigen Texte der Evangelien. Wer bei diesen nicht annimmt, daß es sich um historische Berichte handelt, hat keinen Anlaß, die Passionstexte von vornherein für solche zu halten. Geht man jedoch mit dem Vorverständnis an die Texte heran, daß es sich um Erzählungen handeln könnte, dann fallen Brüche im Text viel stärker ins Gewicht. Diese Sprachform verträgt keine Auffüllung durch Einzelheiten, dem tragenden Motiv können nicht beliebig andere Motive hinzugesellt werden, ohne die Form zu zerstören. Bei einem Bericht kann man sich damit zufriedengeben, daß unzusammenhängende Einzelheiten gegeben werden; denn der vorgegebene Zusammenhang des Berichtes ist die Realität, auf die er sich bezieht. Eine Erzählung hat ihren Zusammenhang dagegen in sich selbst. Jede Zusammenhanglosigkeit, jeder Bruch ist eine Störung, ja, eine Zerstörung der Erzählung. Ihre Existenz hängt an ihrer sprachlichen Gestalt. Nach diesen allgemeinen Überlegungen wollen wir uns jetzt der Frage nach der sprachlichen Gestalt der Perikope von der Verhaftung Jesu zuwenden. Es war uns bereits aufgefallen, wie stark V. 48 und V. 43 einander entsprechen. Zwischen V. 47 und 50 sind dagegen V. 48 und 49 offensichtlich fehl am Platze. Der unmittelbare Anschluß von V. 48 an V. 46 würde zwar sachlich keine Schwierigkeiten machen, aber es gibt doch Gründe für die Annahme, daß auch dieser Zusammenhang nicht ursprünglich ist: V. 48 geht nicht darauf ein, daß die Verhaftung bereits geschehen ist, und für den Akt der Gefangennahme wird in V. 46 und 48 jeweils ein verschiedenes Verb gebraucht. Ordnet man jedoch versuchsweise V. 48/49 dem V. 43 zu, dann ergibt sich ein glatter Zusammenhang. Zwischen den Versen 47 und 50-52 scheint gleichfalls ein Zusammenhang zu bestehen 12 . Läßt der Schwertstreich des Anhängers Jesu eine Reaktion der Bewaffneten erwarten, dann kann diese den Grund für die Jüngerflucht abgegeben haben. Die Frage ist nur, warum sie nicht überliefert wurde, sondern V. 48/49 an ihre Stelle trat 1 3 . 12

Auch GOGTJEL urteilt, Mk. 14,51 f. sei vielleicht ein Bruchstück derjenigen Überlieferung, „der auch der Vorgang mit dem Schwertstreich entlehiit ist" (a.a.O. S. 339). 13 Dazu siehe unten S. 53f. und 105f.

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Zwischen den Versen 47. 50-52 und den Versen 44-46 besteht dagegen kein sachlicher Zusammenhang, wenn man davon absieht, daß die Verhaftung Jesu für den Schwertstreich seines Anhängers die Voraussetzung angibt. Wenn bei der Verhaftung Jesu, die durch den Verrat des Judas herbeigeführt wird, einer seiner Anhänger zum Schwert greift, dann sollte man erwarten, daß der Schwertstreich dem Verräter gilt und nicht einem beliebigen Knecht des Hohenpriesters. Es fällt auch auf, daß nach V. 45 von Judas nicht mehr die Rede ist. Ich möchte deshalb unterstellen, daß der Perikope von der Verhaftung Jesu Mk. 14,43-52 drei ursprünglich selbständige Traditionen zugrunde liegen: 1. Ein biographisches Apophthegma, das wir in V. 43 und V. 48/49 finden. 2. Eine Erzählung von der Verhaftung Jesu durch den Verrat des Judas, deren Grundbestand in V. 44-46 zu suchen ist 14 . 3. Fragmente einer Erzählung von der Verhaftung Jesu, in der die Jünger nicht tatenlos zusehen, sondern einer von ihnen mit dem Schwerte dreinschlägt, worauf dieselben dann aber doch genötigt sind zu fliehen, 47. 50-52. Die folgenden Einzeluntersuchungen mögen zeigen, ob diese Unterstellung gerechtfertigt ist. 1. Das biographische Apophthegma Mk. 14,43. 48. 49. V. 43 enthält eine Situationsangabe, die deutlich auf das Logion in V. 48 zugeschnitten ist. Auszuscheiden sind jedoch die Worte: „ U n d alsbald, während er noch redete," die eine redaktionelle Überleitung sind, desgleichen die Worte: „. . . Judas, einer der Zwölf, und mit ihm . . .". Der Anfang des Apophthegmas lautet dann: „Es kommt eine Schar mit Schwertern und Knüppeln herbei . . .". Von der Verhaftungsabsicht braucht in V. 43 keine Rede gewesen zu sein, sie wird ja in V. 48 ausgedrückt. V. 49 a: „Täglich war ich bei euch im Heiligtum und lehrte, und ihr habt mich nicht ergriffen", verlangt nach einer anderen Fortsetzung als 49b, wie Lukas richtig erkannt hat, der aus Mk. 14,49a ausdrücklich die Folgerung zieht: „. . . aber dies ist eure Stunde und die Macht der Finsternis". Mk. 14,49b: „Aber [das geschieht,] damit die Schriften erfüllt werden", kann sich nicht darauf beziehen, daß Jesus nicht am Tage, 14

Die Erzählung der Verhaftung Jesu ist sowohl die notwendige Fortsetzung von V. 44 f. als auch die notwendige Voraussetzung für V. 47. Ob ihre Formulierung in V. 46 ursprünglich zu den vorangegangenen oder aber zu den folgenden Versen gehört hat, läßt sich schwer entscheiden. Da das Folgende ohnehin fragmentarisch ist, ziehe ich es vor, sie zum Vorangegangenen zu rechnen.

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sondern in der Nacht, nicht in der Öffentlichkeit, sondern geheim verhaftet wird, sondern nur darauf, daß man wie gegen einen Räuber bewaffnet gegen ihn auszieht, um ihn gefangen zu nehmen 15 . V. 49 a stört also den Zusammenhang1β. Er dürfte auf das Konto des Evangelisten gehen 17 , der durch seine Redaktion die ganze öffentliche Jerusalemer Lehrtätigkeit Jesu in den Tempel verlegt hat 18 . Das Apophthegma wird demnach gelautet haben: „Es kommt eine Schar mit Schwertern und Knüppeln herbei von den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und den Ältesten. Und Jesus antwortet und spricht zu ihnen: ,Wie gegen einen Räuber seid ihr ausgezogen mit Schwertern und Knüppeln, um mich zu fangen. Aber [das geschieht,] damit die Schriften erfüllt werden'." Das Apophthegma stellt das schimpfliche Geschick Jesu in das Licht der Schrift. Es geht in ihm nicht um eine Episode des Leidens Jesu, nicht um eine Station der Passion, sondern um die Passion schlechthin, die an der Gefangennahme „wie ein Räuber" verdeutlicht wird. In diesem schimpflichen Geschick Jesu erfüllen sich die Schriften und damit der Heilswille Gottes, will die Perikope sagen. Die Passion steht unter dem göttlichen δει, und was Jesus an Schimpf angetan wird, muß doch dazu dienen, Gottes Willen zu erfüllen. 2. Die Verhaftungserzählung mit dem Judasverrat. Trotz der erneuten Einführung des Judas als εις των δώδεκα kann diese Erzählung nicht mit V. 43 begonnen haben, denn es wird in 15 F I N E G A J Í , K L O S T E R M A N N , G O U L D u n d M A U B E R (Knecht Gottes u n d Sohn Gottes im Passionsbericht, in Z T h K 50 [1953] S. 1-38, S. 8) sehen in Mk. 14,49b eine Anspielung auf Jes. 53,12, desgleichen G R U N D M A N N , der aber gleichzeitig „ a n Psalmen, die v o m Leiden des Gerechten sprechen", denkt. T A Y L O R schwankt, ob der Vers eine Anspielung auf die Jesajastelle oder nur ein allgemeiner Schriftverweis wie 9,13 u n d 14,21 ist. Nach L O H M E Y E R zeigt „der Plural γραφαί wie das Fehlen jedes konkreten Nachweises", „daß an eine bestimmte Stelle . . . g a r nicht gedacht i s t " (S. 323). Nach M O U L E sind (a.a.O. S.119) " T h e scriptures intended . . . such as Ps. 41,10 and Zech. 13,7, already alluded to in 14,18.27". Dagegen spricht, daß sich die gemeinte Schriftstelle nur aus dem Text selber, nicht aus dem sekundär damit verbundenen K o n t e x t erschließen läßt. 16 D a ß V . 49a fehl a m Platze ist, h a t bereits H I R S C H gesehen (a.a.O. S. 159). Seiner Annahme, daß in V. 48f. zwei Fassungen des Wortes Jesu durcheinandergehen u n d Lk. 22,53 die ursprüngliche Fortsetzung von Mk. 14,49 a gewesen sei, können wir uns jedoch nicht anschließen. 17 Auch S C H W E I Z E R urteilt (a.a.O. S . 182): „ I n V. 49a scheint sich markinische Formulierung zu zeigen (vgl. 12,35), während 4 9 b nicht seinem Stil entspricht. 18 Die Ortsangabe in 11,27 k a n n zwar vorgegeben sein; aber indem Markus der Parabel von den bösen Weingärtnern u n d den drei nachfolgenden Streitgesprächen keine redaktionelle Ortsangabe gibt, läßt er sie gleichfalls im Tempel gesprochen sein. Durch die redaktionelle Situationsangabe 12,35 sichert er auch f ü r die Frage der Davidssohnschaft u n d die nachfolgenden, wieder nicht durch einen Ortswechsel abgesetzten Perikopen, den Tempel als Schauplatz. E r s t 13,1 heißt es dann, daß Jesus aus dem Tempel ging, u n d die Endzeitrede soll dem Tempel gegenüber auf dem Ölberg gesprochen sein.

48

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Y. 44 bereits vorausgesetzt, daß Judas der Verräter ist. Von der Fühlungnahme des Judas mit dem Synedrium, die der Auslieferung Jesu vorausgehen mußte, lesen wir in Mk. 14,10 und 11 : „Und Judas Ischarioth, einer der Zwölf, ging zu den Hohenpriestern, um ihn an sie auszuliefern. Als sie es aber hörten, freuten sie sich und versprachen, ihm Geld zu geben. Da suchte er, wie er ihn bei guter Gelegenheit ausliefern könnte." Mk. 14,10 und 11 aber ist die unmittelbare Fortsetzung von 14,1 und 2, wovon es durch die nachträgliche Einfügung der Perikope von der Salbung in Bethanien, 14,3-9, getrennt wurde. So urteilen jedenfalls DIBELITJS, BULTMANN, KLOSTERMANN und TAYLOR, anders LOHMEYER. 1 4 , 1 1 B läßt eine Fortsetzung erwarten, die in den nachfolgenden Perikopen noch nicht gegeben wird. So hat man geschlossen, daß der ganze Abschnitt 14,1 f. und lOf. eine Einleitung sei, die auf das Ganze der Passion weise und „nur am Anfang einer zusammenhängenden Darstellung der Passion ihren Platz haben" könne 19 . Wir stehen nun aber vor dem Befund, daß wir eine Erzählung von der Durchführung des Judasverrates haben, welcher der Anfang fehlt, und einen Abschnitt, der die Planung des Verrates, eben diesen Anfang, enthält. Sollte beides nicht ursprünglich zusammengehören? Machen wir einen Versuch. Da V. I I b „ D a suchte er, wie er ihn bei guter Gelegenheit ausliefern könnte" erst unter der Voraussetzung sinnvoll ist, daß die Ausführung nicht unmittelbar auf die Planung des Verrates folgt, könnte er entstanden sein, nachdem man — wie wir unterstellen — Planung und Ausführung voneinander trennte. Allerdings ergibt sich auch nach Ausscheidung von I I b noch kein glatter Anschluß zwischen 14,11a und 14,43. Das ist jedoch nicht verwunderlich, wenn man voraussetzt, daß der Redaktor die Bruchstücke in den Zusammenhang einfügen mußte. I n V. 43 a dürften die Worte „Judas, einer der zwölf, und mit ihm . . ." noch zu der redaktionellen Überleitung gehören und nicht, wie man zunächst annehmen möchte, zur Erzählung vom Judasverrat, auf die sie natürlich Bezug nehmen 2 0 . V. 43b muß einen ähnlichen Satz aus der Verratserzählung überflüssig gemacht und dadurch verdrängt haben. Er muß enthalten haben, daß Judas die Verhaftenden an den Aufenthaltsort Jesu führt und könnte etwa gelautet haben : και ήγαγεν αύτοϋς προς τον τόπον οδ ó Ίησοϋς ήν. I n der Realität können zwar die Hohenpriester und Schriftgelehrten nicht selber die Verhaftenden sein, es ist jedoch nicht sicher, daß der Erzähler darüber reflektiert hat. Eine Einführung der Tempel19

DIBELITJS, Formgeschichte S. 181. οι δώδεκα ist nach J. J E R E M I A S (Die Abendmahlsworte Jesu, 3. A. Göttingen 1960, S. 85, Anm. 1) ein markinisches Vorzugswort. 20

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49

wache oder eines anderen bewaffneten Organs in die Erzählung würde deren Gefalle so sehr gestört haben, daß sie mir wenig wahrscheinlich erscheint. Außerdem erscheint es mir gut, bei dem Versuch der Rekonstruktion die Ergänzungen so gering wie möglich zu halten. Die Erzählung von der Verhaftimg Jesu durch den Judasverrat würde dann lauten: Markus 14 1

„ E s w a r zwei Tage vor d e m P a s s a u n d [dem F e s t ] der ungesäuerten Brote, u n d die Hohenpriester u n d Schriftgelehrten t r a c h t e t e n d a n a c h , wie sie [Jesus] m i t List fangen k ö n n t e n , u m ihn zu t ö t e n . 2 D e n n sie s p r a c h e n : ,Nicht in der Festmenge, d a m i t nicht ein Volksauf lauf entsteht.' 10 U n d J u d a s I s c h a r i o t h , einer der Zwölf, ging zu den Hohenpriestern, u m ihn a n sie auszuliefern. I I a Als sie es a b e r h ö r t e n , f r e u t e n sie sich, u n d versprachen, i h m Geld zu geben. [ U n d er f ü h r t e sie a n den Ort, wo J e s u s war.] 44 D e r ihn auslieferte, h a t t e ihnen aber ein Zeichen gegeben: ,Der, d e n ich küssen werde, dieser ist es. E r g r e i f t ihn u n d f ü h r t ihn sicher a b . ' U n d als er k o m m t , g e h t er sofort auf ihn zu, spricht . R a b b i ' u n d h a t i h n g e k ü ß t . 46 Die aber legten H a n d a n ihn u n d n a h m e n ihn f e s t . " 2 1

In der Übersetzung von V. 2 schließe ich mich an B E B T R A M 2 2 und J E R E M I A S 2 3 an, die έν τη εορτή mit „in der Festmenge" wiedergeben, was sprachlich möglich ist, wie die angeführten Parallelen zeigen. Ich verweise auf die Argumentation der genannten Autoren, möchte aber doch noch einmal auf die jüngsten Ausführungen B Ü L T M A N N S ZU dem Problem eingehen. Er sagt: „Man wird doch wohl Mk. 14,1 f. als Zeugnis für die Verhaftung vor dem Pascha ansehen müssen. Denn freilich ist die Motivierung sinnlos, aber der Bericht wird einfach auf der Tatsache beruhen, daß Jesus vor dem Fest verhaftet und hingerichtet wurde." 24 Dazu ist zu sagen: Mit der — durch 14,1 f. nicht gerechtfertigten — Annahme, daß Verhaftung und Hinrichtung Jesu vor dem Fest ein Faktum sei, ist die Entstehung der Motivierung μήποτε έσται θόρυβος του λαοϋ noch nicht erklärt. Daß man Verhaftung und Hinrichtung 21 D a ß diese Verse d e n gleichen sprachlichen C h a r a k t e r h a b e n (vgl. TAYLOR a . a . O . S. 654) zeigt, d a ß ihrer Z u o r d n u n g sprachlich nichts i m Wege s t e h t . Die Verse 44-46 h e b e n sich — in g l a t t e m Koine-Griechisch geschrieben (JOHNSON, a . a . O . S. 237) •— deutlich v o n den folgenden Versen ab, was f ü r ihre Isolierung a u s d e m bisherigen K o n t e x t spricht. Die sprachliche Übereinstimm u n g m i t V. 43 ist sekundär, d a der genitivus a b s o l u t u s auf d a s K o n t o des Evangelisten geht. 22 Die Leidensgeschichte J e s u u n d der Christuskult. E i n e formgeschichtliche U n t e r s u c h u n g , Göttingen 1922, S. 12f. 23 21 A . a . O . S. 65-67. Gesch., E r g . H . S. 41 zu S. 283.

4 Linnemann, Fassionsgeschichte

50

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nicht am Fest erfolgen läßt, ist der Normalfall, für den es nicht eigens einer Motivierung bedarf, um ihn plausibel zu machen. Für den Erzähler bestand also nicht die geringste Nötigung, sich die — unter dieser Voraussetzung sinnlose •— Motivierung auszudenken. Die Argumentation von D I B E L I T T S , auf den sich Bultmann beruft, Lukas habe die Worte έν τη εορτή als Datumsangabe verstanden „und wegen ihres Widerspruchs zu der Passa-Datierung weggelassen"25, beachtet nicht, daß Lukas Mk. 14,2 zwar nicht in 22,2, dafür aber in 22,6 sinngemäß aufnimmt mit den Worten: ατερ οχλου. Damit zeigt Lukas deutlich, daß er έν τη έορτη nicht als Datumsangabe verstanden hat. Mit J E R E M I A S sei auch noch einmal darauf hingewiesen, daß ,,jede temporale Fassung von μή έν τη έορτη an dem vorangehenden γάρ, das die Worte έν δόλω (Mk. 14,1) begründen will" 26 , scheitert. Thema der Perikope, die wir aus Mk. 14,1. 2. 10. I I a . 44-46 erschlossen haben, ist nicht die Verhaftung, sondern der Verrat, in dem einer, der zum engsten Jüngerkreis gehört, Jesus mit dem Zeichen der Jüngerschaft verrät. Um das zu sehen, muß man wissen, was der Kuß des Judas besagt. D I B E U T T S weist darauf hin, daß es bei den Juden in beschränktem Umfange die Sitte des Begrüßungskusses gab, von der man insbesondere Gebrauch machte, „wenn man Höhergestellte, also etwa Rabbinen, bei der Begrüßung ehren wollte . . . Dazu paßt nun", sagt Dibelius, „daß Markus als einziges Wort, das bei diesem Akt gesprochen wird, ein bloßes 'Rabbi' erwähnt; Matthäus hat das richtig als Grußformel gedeutet und 'Rabbi, sei gegrüßt' geschrieben. Dadurch wird klar, daß der ganze Vorgang . . . einfach die übliche Begrüßung des Meisters durch den Jünger [ist] . . . Und sie dient dazu, den im Dunkel lauernden Häschern den zu Verhaftenden kenntlich zu machen."27 Einerlei, ob man mit Dibelius diesen Judasverrat für historisch hält oder nicht, soviel ist deutlich: die Perikope will mehr sein als ein Bericht. Sie will, nicht anders als die Perikope von der Ansage des Verrats, Mk. 14,17-21, verdeutlichen: Der Verräter ist ein Jünger, aus dem Kreise der Jüngerschaft kommt der Verrat. So will sie zur Frage an den Hörer oder Leser werden. 3. Die Verhaftungserzählung mit bewaffnetem Widerstand und Flucht der Jünger. 25

Formgeschichte S. 181, Anm. 2.

26

A . a . O . S . 66.

27 Judas und der Judaskuß, in: Botschaft und Geschichte S. 272-277, S.276. Genauso urteilen B O N N A K D (L'Evangile Selon Saint Matthieu, Neuchâtel 1963),

JOHNSON, BRANSCOMB, C A Ä B I N G T O N , C R A N F I E L D u n d

GOULD.

Verhaftung

51

Die restlichen Bestandteile der Perikope Mk. 14,43-52, die wir einander zugeordnet hatten, die Verse 47. 50-52, ergeben keine geschlossene Erzählung; sie bleiben Fragment. Das Fragment lautet: 47 ,,. . . Einer der Umstehenden aber zog das Schwert, schlug den K n e c h t des Hohenpriesters u n d hieb ihm das Ohr ab . . . 50 U n d alle verließen ihn u n d flohen. 51 U n d ein Jüngling war ihm gefolgt, bekleidet mit einem Linnengewand auf dem nackten Leib, u n d sie ergriffen ihn. E r aber ließ das Linnengewand fahren u n d floh n a c k t . "

Obwohl man über solche Fragmente naturgemäß wenig sagen kann, läßt sich doch ein Motiv erkennen : wenngleich die Flucht aller Jünger ausgesagt wird28, ist hier doch erzählt, daß wenigstens ein Jünger seinem Meister mit dem Schwerte beisteht 29 . Auch V. 51 f. scheint ein Schlaglicht auf die Jüngerflucht werfen zu sollen. Das Zurücklassen des Gewandes ist nach B E R T R A M „ein volkstümliches Fluchtmotiv" 30 : In der äußersten Gefahr läßt man lieber sein Gewand als sein Leben. Die Preisgabe des Gewandes besagt also : Hier ist äußerste Gefahr. Ist selbst ein Jüngling außerstande, Leben und Gewand zu retten, dann verdeutlicht das die Lage; denn die Jünglinge galten als die Kampftüchtigen, die Starken31. Mit Karl Gottfried E C K A R T nehme ich deshalb an, daß mit V. 51/52 an die allgemeine Aussage V. 50 ein spezielles Exempel angehängt worden ist. Er weist darauf hin, daß dieses Verfahren in den rabbinischen Schriften formale Parallelen hat 32 . Die Erzählung, die uns fragmentarisch erhalten ist, scheint weniger die Jünger zu entschuldigen als ihr Versagen in der Passion verstehen 28 Zur Frage, ob das Subjekt von V. 50 die Jünger sind, vgl. unten S. 79Anm. 33 sowie S. 105f. 29 G O G U E L (a.a.O. S. 339) wendet allerdings ein: „Wenn es sich nur d a r u m gehandelt h ä t t e , die Apostel zu verteidigen, indem m a n zeigt, d a ß sie erst geflohen sind, nachdem sie die Nutzlosigkeit des K a m p f e s eingesehen hatten, so h ä t t e m a n den Schwertstreich nicht zuerst einem Ungenannten zugeschrieben, u n d m a n h ä t t e nicht von einem jungen Mann gesagt, der dem Kreis der Zwölf nicht angehört, daß er beinahe m i t Jesus gefangengenommen wurde. " E r hält das F r a g m e n t deshalb f ü r historische Tradition. Darf m a n aber erwarten, daß der Erzähler, der seiner Überzeugung Ausdruck gab, daß die Jünger es nicht a m E i n t r e t e n f ü r Jesus fehlen ließen, durch die E i n f ü h r u n g von Jüngernamen zur bewußten Erfindung griff? (Die E i n f ü h r u n g der N a m e n in einem späteren Stadium der Tradition liegt auf einer anderen Ebene.) 30 A . a . O . S. 91 Anm. 4. 31 νεανίσκος bzw. νεανίας bezeichnen den jungen Mann „etwa v o m vierundzwanzigsten bis vierzigsten J a h r " (Bauer, Wörterbuch z. N T s.v.), also den Angehörigen der waffenfähigen Jahrgänge. Dem entspricht es, daß in Jes. 40,30 die ΒΉνΐ mit den ΠΉΙΠίΐ, der Elitemannschaft, in Parallele gesetzt werden. •τ: τ 32 Diesen Hinweis verdanke ich einer mündlichen Mitteilung.



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zu wollen. Es wäre möglich und wird von mehreren Exegeten 33 erwogen, daß dem Verfasser Arnos 2,16 die entscheidende Verständnishilfe gegeben hat, wo es heißt : „Auch wer unter den Helden ein starkes Herz hat, flieht nackt an jenem Tage." Es läßt sich allerdings nicht mit Sicherheit sagen, ob das Schriftwort bei der Entstehung der Perikope mitgewirkt hat. Der Einwand, wenn Mk. 14,51/52 aus dem Weissagungsbeweis stamme, würde das doch wenigstens Matthäus erkannt haben 34 , erscheint mir jedoch nur eingeschränkt beweiskräftig: Die Möglichkeit, daß auch Matthäus eine alttestamentliche Anspielung übersehen und Mk. 14,51/52 irrtümlich für eine pragmatische Notiz halten konnte, wird man doch wohl zugestehen müssen 35 . IV. Die Synthese

Nachdem wir die Perikope Mk. 14,43-52 analysiert und drei ursprünglich selbständige Traditionen als Grundlage des heutigen Textes erschlossen haben, müssen wir uns der Frage nach dem Recht solcher Dekomposition noch einmal stellen. Es könnte vielleicht doch der Eindruck entstanden sein, hier werde in unzulässiger Weise die Passionsgeschichte des Markusevangeliums atomisiert und der Text willkürlich zurechtgeschnitten. Gegen solche möglichen Einwände sei zunächst noch einmal darauf hingewiesen, daß der einzige Anlaß für die Durchführung der Dekomposition die Schwierigkeiten des vorliegenden Textes gewesen sind. Zum anderen ist zu sagen, daß die Annahme, der Text sei entstanden durch verschiedene Erweiterungen eines alten Berichts, den Text nicht weniger in seine Bestandteile auflöst. Zum dritten soll nun für unsere Analyse durch den Versuch einer Synthese die Gegenprobe angestellt werden. Wenn dem Verfasser der Passionsgeschichte eine Perikope vorlag, die den Todesbeschluß des Synedriums und zugleich Planung und Durchführung des Judasverrats enthielt, dann mußte er die Perikope 33 KLOSTERMANN, Markus, S . 1 5 3 , H A E N C H E N N I N E H A M a.a.O. S . 3 9 7 .

34

35

a.a.O.

S. 503, ANM. 12,

und

BULTMANN, Gesch. S. 2 9 0 A n m . 1.

Die Mehrzahl der Exegeten vertritt die Annahme, daß die Verse Mk. 14, 51 f. einen historischen Vorfall wiedergeben und auf den Bericht eines Augenzeugen zurückgehen. Bei einer derartigen pragmatischen Notiz sollte man aber die Nennung des Namens erwarten wie in Mk. 1 5 , 2 1 f. oder 1 5 , 4 0 bzw. 1 5 , 4 7 . Die Auskunft, daß die Gemeinde wußte, wer gemeint war, befriedigt nicht. Warum sollte sie ihr Wissen nicht mit der Überlieferung weitergeben? Nacktheit, um das Leben zu retten, ist keine Schande ! Diese Auslegung vermag auch nicht zu erklären, warum der Betreffende ausdrücklich als Jüngling bezeichnet wird. — Die Spekulation einiger Exegeten ( B O N N A R D , CARRINGTON, G O U L D , GRUNDMANN), daß dieser Jüngling Johannes Markus und also der Evangelist selber sei, ist in das Reich der Phantasie zu verweisen.

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teilen, wenn anders er in die zusammenhängende Passionserzählung, welche ihm vorschwebte, Traditionen einbeziehen wollte, die notwendig vor der Verhaftung Jesu anzusetzen waren. Der erste Teil der Perikope, der Todesbeschluß, mußte notwendig am Anfang der Passionserzählung stehen. Auf das Stichwort „töten" in V. 14,1, an den sich Y. 2 als Begründung unmittelbar anschließen mußte, wird die Erzählung von der Salbung zum Begräbnis, 14,3-9, angefügt. Damit wird gleich zu Beginn der Passion das wunderbare Vorauswissen Jesu angedeutet 3 6 . Danach fährt Markus mit der Perikope vom Verrat fort, aber nur soweit, daß die Verhaftung noch nicht erzählt wird. Die redaktionelle Erweiterung 14,11b schafft Raum für die folgenden Perikopen. Hier würde die Ansage des Verrats anschließen, so, wie an den Todesbeschluß der Hohenpriester die Perikope von der Salbung anschließt, in der Jesus sein Wissen um seinen nahen Tod erkennen läßt. Aber das Überlieferungsstück von der Vorbereitung des Passamahles 14,12-16 muß vorgezogen werden; denn es kann nur vor der Mahlszene stehen. Darauf wird dann mit der Ansage des Verrats 14,17-21 das Stich wort von V. 10 f. wieder aufgenommen. Die Abendmahlsperikope muß anschließen ; denn sie setzt die Mahlszene fort. Auf das Mahl folgt der Gang zum Ölberg, der wohl durch die Ortsangabe Gethsemane vorgegeben war. Hier fügt Markus die Ansage des Jüngerversagens ein (14,27-31): Sie muß vor der Verhaftung gelesen werden und würde nach der Gethsemaneperikope (14,32-42) stören; denn auf diese muß unmittelbar der Beginn des Leidens folgen. Da Markus drei Überlieferungsstücke vorlagen, in denen die Verhaftung erwähnt wurde, und er offensichtlich auf keines verzichten wollte, mußte er versuchen, sie ineinanderzuarbeiten. Als Anfang der Perikope nahm er die Situationsangabe des Apophthegmas. Auf sie konnte er nicht verzichten, da er sie zur Vorbereitung von V. 48 brauchte. Dagegen konnte der entsprechende Vers aus der Erzählung vom Judasverrat wegfallen. Die zweite Hälfte des Apophthegmas durfte er aber nicht gleich anschließen, wenn er nicht den Erzählungsablauf des Judasverrats empfindlich stören wollte. Der Schwertstreich des Anhängers Jesu mußte natürlich im Anschluß an die Festnahme erzählt werden. Dann war aber für alles, was in diesem Überlieferungsstück der Festnahme Jesu voranging, kein Platz mehr. Warum hat Markus jedoch die ursprüngliche Fortsetuzng von V. 47 unterschlagen und zwischen V. 47 und V. 50 den zweiten Teil des Apophthegmas eingesetzt? Auf diese Weise geriet nicht nur die Verhaftung, sondern auch die Jüngerflucht in das Licht des Wortes, daß sich in solchem 36

und

Ähnlich beurteilt HIRSCH die Funktion von Mk. 14,3-9 zwischen 14,1 f. lOf.

14,

54

Verhaftung

Leiden Jesu die Schrift erfüllt 3 7 . Dieser theologische Bezug scheint dem Evangelisten wichtiger gewesen zu sein als die Logik der Erzählung. Die folgenden Perikopen der Passionsgeschichte reiht Markus am Faden des natürlichen Handlungsablaufes auf. Hier gab es gar keine andere Möglichkeit, ein Tatbestand, der allzu oft übersehen wird. Die Synthese dürfte die Analyse bestätigt haben. Dabei ist nun allerdings vollends deutlich geworden, was schon an der Analyse erkennbar war. Wenn es stimmt, daß in der Perikope von der Verhaftung Jesu drei selbständige Überlieferungsstücke zusammengearbeitet sind, die, jedes auf seine Weise, das Kerygma von der Passion Jesu entfalten, wenn wir es also auch in diesem Abschnitt, der die Passionsgeschichte im engeren Sinn einleitet, nicht mit einem zusammenhängenden Bericht zu t u n haben, dann ist damit das Kompositionsgesetz der Leidensgeschichte deutlich geworden : Sie ist von Anfang bis Ende aus selbständigen Uberlieferungsstücken komponiert. Diese sind, unter Berücksichtigung ihrer Situationsangaben, spätestens von der Verhaftung an am Faden des natürlichen Handlungsablaufs aufgereiht, während sich im ersten Teil daneben auch theologische Motive geltend machen. Ich sehe keinen Anlaß, die Komposition der Passionsgeschichte aus einzelnen Überlieferungsstücken nicht ebenso wie die Gestaltung des übrigen Evangeliums dem Evangelisten Markus zuzuschreiben. Damit setze ich mich freilich in Gegensatz zu dem consensus communis, daß dem Evangelisten Markus bereits eine zusammenhängende Passionsgeschichte vorgelegen hat. Aber dieser consensus communis kann nicht von vornherein über das Recht unserer These entscheiden. Die Erfahrung hat mehrfach gezeigt, daß Ansichten, die allgemeine Zustimmung gefunden haben, nur schwach begründet sind und die Übereinstimmung nicht auf der Durchschlagskraft der Argumente beruht. Deshalb möchte ich, bevor ich darangehe, meine These durch die Untersuchung der auf die Verhaftung folgenden Perikopen der Passionsgeschichte des Markus noch weiter zu erhärten, die Gründe untersuchen, die von den Auslegern für die Annahme einer vormarkinischen Passionsgeschichte vorgebracht werden.

V. Gab es eine vormarkinische

Passionsgeschichte'1.

Die Vorstellungen der Exegeten von Art und Umfang der Vorlage, die Markus für die Passionsgeschichte seines Evangeliums benutzt haben soll, sind recht unterschiedlich. Dementsprechend weichen auch 37 Auch S C H W E I Z E R erwägt die Möglichkeit, daß V. 50 „wegen der Erfüllung von V. 27 direkt neben Y. 49b gesetzt" ist (a.a.O. S. 182).

Verhaftung

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die Argumente, welche für die Annahme dieser vormarkinischen Passionsgeschichte vorgebracht werden, teilweise voneinander ab. a) B U L T M A N N rechnet sowohl mit einem kurzen „Bericht geschichtlicher Erinnerung von Jesu Verhaftung, Verurteilung und Hinrichtung' ' der „für das Zustandekommen der synoptischen Passionsgeschichten mit in Rechnung zu setzen" sei 38 , als auch mit einer vormarkinischen zusammenhängenden Passionsdarstellung, die zunächst durch die Zusammenstellung von selbständigen Einzelstücken entstand und dann durch bereits für diesen Zusammenhang geschaffene Stücke aufgefüllt wurde 3 9 . Da er im letzteren der Ansicht von Dibelius nahekommt, mag das hier um der Kürze willen außer acht bleiben. Was aber bringt Bultmann vor zugunsten der Annahme des alten Berichts, zu dem er — neben dem Grundbestand der Verhaftungsperikope — 14,53a, vielleicht 14,65, den Grundbestand von 15,1-5, 15,15b, 15,20b-24a und etwa (V. 27 und) V. 37 40 rechnen möchte? Für die Begründung sieht man sich auf seine Einzelanalyse der Passionstradition verwiesen. Sucht man hier jedoch die Beweise für das Vorhandensein des alten Berichts, dann muß man feststellen, daß sie fehlen und das Gegebensein des alten Berichts bereits vorausgesetzt wird. I n 14, 53 a gibt es keinen Anhalt dafür, daß dieser Vers älter ist als die Perikope von der Verleugnung des Petrus, zu deren Exposition er notwendig gehört. Wenn Bultmann Mk. 14,65 als Bestandteil des alten Berichtes in Anspruch nimmt, weil Lukas das Traditionsstück offenbar nach anderer Quelle bringe, so wird diese Begründung hinfällig, nachdem Bultmann inzwischen zu der Einsicht gekommen ist, daß sich die Annahme, Lukas habe für die Passionsgeschichte neben Markus noch eine andere Quelle benutzt, nicht halten läßt 4 1 . Bei Mk. 15,1-5 stellt Bultmann mit Recht fest, daß V. 2, der ohne Zweifel unhistorisch ist, mit den Versen 3-5 konkurriert und als sekundäre Erweiterung angesehen werden muß. Das berechtigt ihn aber noch nicht, den „Grundbestand der Perikope" für den „alten Bericht" in Anspruch zu nehmen. Der literarische Befund gibt keinen Anlaß, diese Verse als Bruchstück eines größeren Zusammenhangs anzusehen. Es trifft auch nicht zu, daß Mk. 15,1. 3-5 keine „eigentliche Geschichte", sondern lediglich eine „kurze Angabe" eines fortlaufenden „Geschichtsberichtes" ist 42 . Diese Verse enthalten eine gut aufgebaute Erzählung, der das Schweigemotiv Jes. 53,7; Ps. 38,13-16 38 39 41

Gesch. S. 298. Gesch. S. 297. Erg. H. S. 48 zu S. 303.

40 42

Gesch. S. 301 f. Gesch. S. 301.

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zugrunde liegt. Sie findet in V. 5 ihren stilgemäßen Abschluß. Das wird von Bultmann wohl nur deshalb übersehen, weil er von vornherein mit einem „Bericht geschichtlicher Erinnerung" rechnet. Ein solcher Bericht müßte natürlich auch eine Notiz über ein Verhör vor Pilatus enthalten haben, das zum Ablauf der Ereignisse zwischen der Verhaftung Jesu und seiner Kreuzigung gehört. Von diesem Vorurteil geleitet, nimmt Bultmann die Verse Mk. 15,1. 3-5 für jenen Bericht in Anspruch und hält sie für eine historische Notiz. F ü r die Scheidung zwischen 15,6-15a und 15,15b findet sich kein Anhaltspunkt. V. 15 bietet keinen Anlaß für eine literarkritische Operation. Selbst wenn Bultmann damit recht hätte, daß die Verse 15,20b-24 zusammen mit V. 27 und 37 den Grundbestand der Kreuzigungsperikope bilden, wäre damit noch kein ursprünglicher Zusammenhang dieses Abschnittes mit den zuvor genannten Versen erwiesen, Avas doch die Voraussetzung für die Annahme eines zusammenhängenden Berichtes ist. Mk. 15,27 dürfte aus der Weissagung stammen, eine Möglichkeit, die auch Bultmann erwägt. Was Mk 15,37 anbelangt, so stellt Bultmann selber fest: „Ob der einzig neutrale V. 37 einmal einen Platz in einem älteren, (relativ) legendenfreien Bericht hatte, vermag man nicht zu sagen." Bultmann wird also nicht durch den Textbefund zur Annahme eines alten Berichts genötigt, sondern auf Grund der Annahme, daß es solch einen alten Bericht gegeben haben müsse, nimmt er jene Verse der Passionsgeschichte, die einen „neutralen" Eindruck machen, für den angenommenen alten Bericht in Anspruch. Dasselbe Verfahren finden wir bei F I N E G A N 4 3 . b) Bei DIBELITJS, der keinen alten Bericht, wohl aber eine zusammenhängende vormarkinische Erzählung der Leidensgeschichte annimmt, lassen sich aus seiner Darstellung 44 sechs Gründe für diese Annahme erheben: 1. Die Bedürfnisse der Gemeinde. Man müsse „die frühe Existenz einer geschlossenen Leidensgeschichte voraussetzen, da die Predigt ... einen solchen Text brauchte". E r müsse „gezeigt haben, warum der Messias von seinem eigenen Volke ans Kreuz gebracht wurde, daß sich diese furchtbare und beschämende Begebenheit nach Gottes Willen 43 Nach FINEGAN sind die Verse 14, if. ; 22f. 25. 32. 37a. 43 (z.T.). 46. 50.54a und die Tatsache, die 54c. 66-72 zugrunde liegt, 15,1. 2. 15b. 21. 22a. 24a. 26. 37. 40f. 42a. 43. 45b-46 der „Kern der Leidensgeschichte, der . . . als ursprünglich erwiesen ist, und . . . einen geschichtlich glaubwürdigen Zusammenhang [bildet], in dem kein Teil entbehrlich ist" (a.a.O. S. 82f.). 44 Formgeschichte S. 20-22 und 178-184.

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vollzog, . . . daß Gott sich in der Auferstehung ausdrücklich zu Jesus bekannt habe und den Auferstandenen den Seinen habe erscheinen lassen" 4 5 . Das sieht auf den ersten Blick einleuchtend aus. Wenn man genau hinsieht, erkennt man jedoch, daß die Passionsgeschichte die Frage, warum die J u d e n ihren Messias kreuzigen, gar nicht beantwortet und daß das zweite und dritte Motiv sich sachlich decken. Wird erzählt, daß das Leiden des Messias Jesus sich nach Gottes Willen vollzieht, dann ist damit zugleich gesagt, daß das Leiden Jesu keine Verwerfung ist, daß Gott sich zu ihm bekennt. Die Auferstehung ist darin bereits vorausgesetzt. Deshalb war die Verknüpfung dieser Motive in einer zusammenhängenden Erzählung nicht erforderlich, um diesen Bedürfnissen der Gemeinde zu genügen. Bereits die einzelne Perikope leistete, was nötig war. Daß es möglich war, Jesu Auferstehung und Leiden in der Predigt zur Sprache zu bringen, ohne eine zusammenhängende Leidensgeschichte zu erzählen oder vorauszusetzen, zeigen die Reden der Acta, auf die Dibelius in diesem Zusammenhang selber hinweist. E r verbaut sich diese Erkenntnis, indem er vorschnell den Begriff der Leidensgeschickte einführt. Die Acta-Reden verraten kein „durchgehendes Interesse für die Leidens- und Ostergeschickte in ihrem Zusammenhang" 4 6 . I h r Interesse richtet sich auf Kreuz und Auferstehung und nicht auf die Erzählung vom Ablauf der Passion. Daß solche Predigt eine „geschlossene Leidensgeschichte" als Text brauchte, ist ein Anachronismus, der unser heutiges Verständnis von Textpredigt in die urchristliche Situation einträgt. 2. Die relative Geschlossenheit der Leidensgeschichte. Diese Geschlossenheit ergibt sich jedoch bereits durch den natürlichen Handlungsablauf, und auf jeden Fall besagt diese Geschlossenheit nicht, daß dieser Erzählungszusammenhang vormarkinisch ist, was Dibelius übrigens auch nicht behauptet. 3. Die Tatsache, daß auch der vierte Evangelist, der frei genug mit den von der Überlieferung berichteten Tatsachen umgehe, sich in seiner Darstellung der Passion im stärksten Maße an diese Überlieferung binde. Der Versuch, mit der Übereinstimmung des Johannesevangeliums mit den Synoptikern in der Passionsgeschichte die Annahme einer vormarkinischen Passionserzählung zu begründen, wird besonders eingehend von Jeremias unternommen. Die Frage soll deshalb erst in der Auseinandersetzung mit ihm erörtert werden. « Ebd. S. 21.

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Ebd. Hervorhebung von mir.

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4. Ein weiteres Argument für die Annahme einer vormarkinischen Passionsgeschichte findet Dibelius in Mk. 14,1 und 2. Da diese Verse voraussetzten, daß Jesus vor dem Fest verhaftet wurde, nach der Meinung des Markus Jesus dagegen mit seinen Jüngern das Passamahl hielt, könne Markus „nicht Autor dieser Einleitung und also auch nicht Urheber des Zusammenhanges sein" 47 . Dieses Argument haben wir jedoch durch das oben zu Mk. 14,2 Gesagte bereits entkräftet. 5. Ferner argumentiert Dibelius: Da die älteste Leidensgeschichte — wie 14,28 zeige — einen anderen Abschluß gehabt haben müsse als 16,8, zeige sich auch hier der Zusammenhang eines älteren Berichtes. Dazu ist zu sagen : Der abrupte Schluß des Markusevangeliums läßt eher auf einen nachmarkinischen Eingriff als auf eine vormarkinische Textgrundlage schließen. Die Verse Mk. 14,28 und 16,7 sind im Zusammenhang der betreffenden Perikopen sekundär. Markus hätte überdies diese Verse unterdrücken können, wenn er schon den ursprünglichen Abschluß der Passionsgeschichte wegfallen ließ. Außerdem ist die Argumentation von Dibelius nur schlüssig, wenn man voraussetzt, daß Mk. 16,8 der ursprüngliche Schluß des Markusevangeliums ist. Das ist jedoch zum mindesten umstritten. 6. Schließlich bringt Dibelius noch ins Spiel, daß an zwei Stellen der Passionsgeschichte, Mk. 14,51 und 15,21, Augenzeugen erwähnt seien. Da Markus solche Hinweise sonst nicht bringe, möchte Dibelius sie dem älteren Bericht zuschreiben. Ob aber in Mk. 14,51 die Erwähnung eines Augenzeugen vorliegt, ist zum mindesten fraglich. Warum sollte man gerade für die Verhaftung, die sich als Tatsache doch ohne weiteres aus der Kreuzigung erschließen ließ, einen Augenzeugen in Anspruch genommen haben? Aber selbst wenn wir das gelten lassen, kann mit dieser Argumentation höchstens das Vorliegen von vormarkinischen Traditionen an den genannten Stellen, nicht aber die Vorlage einer zusammenhängenden Erzählung erwiesen werden. Fünf der sechs von Dibelius vorgebrachten Argumente reichen also nicht zu, um die Annahme einer vormarkinischen Passionserzählung wahrscheinlich zu machen. Das sechste wird uns noch beschäftigen. c) Karl Ludwig SCHMIDT48 nimmt eine vormarkinische Leidensgeschichte an, die sich im wesentlichen mit der Passionsgeschichte des Markusevangeliums deckt 4 9 . Für die Annahme, daß Markus bereits 47 48 49

Ebd. S. 181. Der Rahmen der Geschichte Jesu, 2. A. Darmstadt 1964, S. 303-309. Mk. 14,1-11 und 43 werden als spätere Zutat angesehen.

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„eine fortlaufende Erzählung" vorlag, bringt Schmidt folgende Argumente vor : 1. „Die Leidensgeschichte . . . ist der einzige Abschnitt der E w . , der genau örtliche und zeitliche Dinge, ja Tag und Stunde angibt." 5 0 Wir stellen dieses Argument einen Augenblick zurück. I n der Auseinandersetzung mit Jeremias, der es aufgenommen hat, werden wir zeigen, daß die Leidensgeschichte sich keineswegs durch genaue Ortsund Zeitangaben von dem übrigen Evangelium unterscheidet. Hier sei nur gesagt, daß Schmidt den Nachweis dieser Angaben schuldig bleibt. 2. „Es ist ohne weiteres deutlich, daß hier von vornherein eine fortlaufende Erzählung in der Absicht lag. Wer die ersten Worte des Ganzen liest, weiß, daß der Bericht zur Katastrophe führen muß: mit zwingender Notwendigkeit und Logik ergibt sich eins aus dem anderen." 5 1 Dazu ist zu sagen: Die Erzählung von dem Tötungsbeschluß des Synedriums erweckt zwar die Erwartung, daß dieser Beschluß ausgeführt wird, aber damit ist noch nicht erwiesen, daß sich die Erzählung, die mit der Mitteilung des Tötungsbeschlusses beginnt, bis zur Durchführung des Beschlusses fortsetzt. H a t der Tötungsbeschluß die Tötung zur Folge, dann muß noch lange nicht die Erzählung des Tötungsbeschlusses die Erzählung der Tötung zur Folge haben. Die Logik des Sachzusammenhanges von Tötungsabsicht, Verhaftung, Verurteilung und Hinrichtung ist kein Beweis dafür, daß ein literarischer Zusammenhang vorliegt. Dieser wäre an Hand von literarischen Kriterien zu beweisen. Mit Behauptungen ist nichts getan. 3. „Die Einzelerzählung aus dieser Geschichte befriedigte weder das Bedürfnis des Erzählers noch das des Liturgen noch das des Apologeten. Vom Standpunkt des Erzählers aus hatten gewisse Züge wie etwa der Verrat des Judas, die Votbereitung des Passamahles, die Verhandlung vor Pilatus kein rechtes Gewicht." 52 Man würde gern Näheres darüber hören, warum die Einzelerzählung nicht befriedigen soll. Was ist der „Standpunkt des Erzählers", den Schmidt voraussetzt? Warum kann die Vorbereitung des Passamahles nicht eine selbständige Erzählung sein? Sie enthält doch den erbaulichen Zug, daß Jesus alles in wunderbarer Weise zu Gebote steht, und zeichnet ihn durch sein Vorwissen aus. Daß sie sich in einer Erzählung des Mahles fortsetzen müsse, wäre eine irrige Annahme. Enthält nicht die Verhandlung vor Pilatus eine Reihe von Motiven, die in der Lage sind, die Erzählung — oder richtiger — die beiden 50

A.a.O. S. 303.

51

A.a.O. S. 303f.

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A.a.O. S. 304.

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Erzählungen, aus denen sie sich zusammensetzt, zu tragen? 15,1.3-5 enthält das Motiv des Schweigens Jesu, 15,6-16 das Motiv, daß der Schuldige freigesprochen, der Unschuldige aber verurteilt wird. Diese Erzählung hat eine starke apologetische Tendenz. Ist nicht auch die Verratserzählung für die Gemeinde bedeutsam? Schmidt ist den Beweis schuldig geblieben für seine Behauptung: „Manche der Erzählungen aus der Leidensgeschichte hat weder kultische noch auch apologetische Kraft. Nur im Zusammenhang, in dem gewisse Stücke als Vorbereitung anderer Stücke nötig sind, ist diese Kraft ersichtlich." 53 4. „Nur als Ganzes konnte sie [sc. die Leidensgeschichte] Antwort auf eine Frage geben, die in dem Missionsalter der Kirche immer wieder auftauchte: wie konnte Jesus von dem Volke, das mit seinen Zeichen und Wundern begnadet war, ans Kreuz gebracht werden?" 6 4 Das würde nur unter der Voraussetzung gelten, daß die Frage, welche Schmidt erwähnt, sich auf die historischen Zusammenhänge beziehen würde. Aber so hat das Urchristentum nicht gefragt; deshalb mußte seine Frage auch nicht mit einem zusammenhängenden Passionsbericht beantwortet werden, sondern konnte ihre Antwort finden in Erzählungen, die, jede für sich, deutlich machten, daß Jesu Leiden sich nach Gottes Willen vollzog, daß es von Jesus vorhergewußt und bereits in der Schrift vorhergesagt war, selbst in solchen unfaßbaren Einzelheiten wie dem Versagen der Jünger und dem Verrat, der aus dem Jüngerkr eise kam. 5. „Während sonst Jesus mit seinen Gegnern längere Streitgespräche führt, ist er in dem Leidensbericht fast schweigsam. Eine spätere Zeit hätte vielleicht gern aus erbaulichen und apologetischen Zwecken Jesus Worte und Reden einem Hohen Rat, einem Pilatus, einem Herodes gegenüber in den Mund gelegt, aber" „ehe die Überlieferung Zeit hatte, an den Dingen herumzufeilen, . . . war der Bericht über das Leiden und Sterben Jesu schon fixiert."55 Beweiskräftig wäre das nur, wenn man jene Tendenz, für die sich in der Tat Belege in den apokryphen Evangelien finden, bereits für die Zeit vor der Abfassung des Markusevangeliums nachweisen könnte. Aber selbst damit hätte man nicht bewiesen, daß jene festgeformten Traditionen, die nach Schmidt von dem Evangelisten trotz entgegenstehender Tendenzen respektiert wurden, bereits einen zusammenhängenden Bericht gebildet hätten. Die Argumentation von Karl Ludwig Schmidt reicht also nicht aus, um zu beweisen, daß dem Evangelisten Markus bereits eine fortlaufende Passionserzählung vorlag. 63

A.a.O. S. 30ff.

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A.a.O. S. 305.

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A.a.O. S. 305f.

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d) J E R E M I A S führt in seinem Buch: „Die Abendmahlsworte Jesu" einen Vergleich des markinischen Passionsberichts mit dem johanneischen durch, aus dem er weitreichende Schlüsse zieht hinsichtlich der Stadien der Überlieferung der Passionstradition. 1. Jeremias argumentiert zunächst mit den Entsprechungen zwischen Markus und Johannes in der Passionsgeschichte. Er sagt : „Der Markusstoff von der Einzugsgeschichte bis zum leeren Grab . . . k e h r t . . . überwiegend bei Johannes wieder. Eindeutig gibt sich dadurch die Passionsgeschichte als alter Überlieferungszusammenhang zu erkennen." 5 6 Dazu ist zu sagen: Die Übereinstimmung zwischen Markus und Johannes in der Passionsgeschichte ist zwar unverkennbar, aber der Befund ist doch keineswegs so eindeutig, wie Jeremias meint. Die Annahme eines alten Überlieferungszusammenhanges, der beiden Evangelien zugrunde liegt, ist nicht die einzige Möglichkeit, ihre Übereinstimmung in der Passionsgeschichte bei fehlender Übereinstimmung in den übrigen Partien zu erklären. So gewiß es ist, daß die johanneische Passionsgeschichte nicht direkt auf Markus oder einen anderen der Synoptiker zurückgehen kann 5 7 , so sicher ist es ebenfalls, daß die Textgrundlage der johanneischen Passionsgeschichte keine Bestandteile enthält, die älter sein müssen als das Markusevangelium. Es läßt sich nämlich zeigen, daß in allen Fällen die Fassung der Perikopen bei Johannes ein sehr spätes Stadium darstellt. Deshalb kann man die Fassung der Passionserzählung, die dem Johannesevangelium zugrunde liegt, ebensogut als eine Umformung der markinischen Passionsgeschichte oder einer ihrer synoptischen Parallelen begreifen. Es ließe sich z.B. denken, daß eine Gemeinde, die sich eine ganze Evangelienhandschrift nicht leisten konnte, allein die Passionsgeschichte aus einem der synoptischen Evangelien exzerpierte und daß dieses Exzerpt später überarbeitet wurde. Ebenso wäre es denkbar und weitaus wahrscheinlicher, daß die Passionsgeschichte aus einem dieser Evangelien in einer Gemeinde, die keine Evangelienhandschrift besaß, mündlich überliefert und dabei im Laufe der Zeit verändert wurde, bis sie die Gestalt erhielt, in der sie dem Evangelisten Johannes — mündlich oder mittlerweile schriftlich notiert — vorlag. 2. Jeremias findet das Ergebnis seines Vergleichs zwischen dem markinischen und dem johanneischen Passionsbericht durch den Befund bei Markus bestätigt. Er sagt: „Mit Kap. 11 setzt eine straffe, ziel56

A.a.O. S. 83. Vgl. dazu die von HAENCHEN, Historie u. Gesch. S. 57, Anm. 3 und die dort genannte Literatur. 57

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strebige, zusammenhängende Darstellung mit genauen örtlichen und zeitlichen Angaben ein." 68 Den Nachweis dafür bleibt Jeremias allerdings schuldig. Er läßt sich auch nicht erbringen. Zeitangaben finden sich in Kap. 11-13 nur in dem redaktionellen Schema, daß Jesus sich tagsüber in der Stadt bzw. im Tempel, nachts aber in Bethanien aufhält. Dafür, daß dieses Schema vormarkinisch sein müßte, haben wir keinen Anhalt, und das wird auch von Jeremias nicht angenommen. Die Zeitangabe in Mk. 14,1 : „es war aber zwei Tage vor dem Passa und (dem Fest) der ungesäuerten Brote", gehört als Motivierung der Absicht des Synedriums, Jesus mit List zu fangen, zur Exposition der Perikope vom Judasverrat. Die Zeitangabe 14,12, ,,und am ersten Tage (des Festes) der ungesäuerten Brote", ist notwendige Exposition der Perikope von der Vorbereitung des Passamahl es. Sie enthält auch keinen Bezug zur Passion. Diesen bekommt sie lediglich dadurch, daß Markus, der nur von einem Passafest Jesu erzählt, sie notwendig in diesen Zusammenhang einordnen muß. Die Zeitangabe in Mk. 14,17, „als es Abend geworden war", gehört zur redaktionellen Überleitung und ist sachlich durch die Mahlsituation vorgegeben. DieZeitangabe in 15,1, „sogleich in der Frühe", dient ebenfalls der redaktionellen Einordnung der Perikope. Die Zeitangabe in 15,42, „Es war bereits Abend geworden, [und] weil Rüsttag, Vortag des Sabbats, war", hat eine Funktion in der Perikope von der Grablegung. Sie begründet das Verhalten des Joseph von Arimathia. Auch die Zeitangaben in 16,1 und 2, „als der Sabbat vorüber war", und „sehr früh am ersten [Tag] der Woche", haben ihre Funktion im Ablauf der Erzählung vom leeren Grab. Durch die Salbungsabsicht soll das Kommen der Frauen zum Grabe motiviert werden, durch die Sabbatruhe die Verschiebung dieses Kommens auf den dritten Tag, den Auferstehungstag nach Hosea 6,2 59 . Als Ergebnis ist also festzustellen : Die meisten Zeitangaben in den Kapiteln 11-16 des Markusevangeliums unterscheiden sich in nichts von den ungefähren Angaben in den übrigen Kapiteln, wenn wir davon absehen, daß hier die Ereignisse zusammengedrängt sind, so daß statt der Tagesangaben (z.B. Mk. 8,1 ,,in jenen Tagen") tageszeitliche Angaben (z.B. Mk. 14,17 „als es Abend geworden war") vorherrschen 60 . Nur durch den Zusammenhang werden diese Angaben präzisiert. 58

A.a.O. S. 84. Zur Auferstehung „am dritten Tage" vgl. H. GRASS, Ostergesohehen und Osterberichte, 3. A. Göttingen 1964, S. 127-138. 60 Das ist übrigens im Evangelium nicht singular; es findet sich ebenso in Mk. 1,21-39. 59

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Die einzigen präzisen Angaben finden wir in Mk. 14,1 und 14,12, von denen aber nur die Angabe in 14,1 wirklich mit der Passion verbunden ist. Die Angaben in 15,42 und 16,1 f. legen — für sich genommen — nur den Wochentag des Geschehens fest. Den Bezug auf die Festzeit des Passa erhalten sie lediglich durch den Zusammenhang. Überdies ist zu sagen, daß alle vier der präziseren Zeitangaben sich aus ihrer Funktion in der Perikope begreifen lassen, zu der sie gehören. Aus den Zeitangaben in den Kapiteln 11-16 läßt sich also kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, daß wir es in diesen Kapiteln mit einem geschlossenen Überlieferungszusammenhang zu tun haben. Nicht anders steht es mit den Ortsangaben. In Kap. 11-13 finden wir die Ortsangaben zunächst in dem redaktionellen Schema, daß Jesus tagsüber in Jerusalem im Tempel, nachts dagegen in Bethanien weilt. Sehen wir davon ab, bleiben die Ortsangaben in 11,1 ,,. . . in die Nähe Jerusalems, gen Bethphage und Bethanien am Ölberg", 11,15 „in das Heiligtum", 12,41 „dem Opferstock gegenüber" und 13,3 „auf dem Ölberg, dem Heiligtum gegenüber". An zwei von diesen vier Stellen, nämlich 11,15 und 12,41, gehören diese Ortsangaben notwendig zu dem Traditionsstück und verweisen nicht auf einen übergreifenden Zusammenhang. I n Kap. 14-16 finden wir präzise Ortsangaben nur an drei Stellen. Sie bezeichnen den Ort der Salbung, „in Bethanien, im Hause Simons des Aussätzigen" (14,3), den Ort des Gebets ,,. . . zu einem Grundstück mit Namen Gethsemane", (14,32), und die Hinrichtungsstätte ,,. . . an die Stätte Golgatha", (15,22). Allenfalls kann man noch 14,26 hinzunehmen: ,,. . . zum Ölberg hinaus". Für alle übrigen Ereignisse fehlt eine exakte Lokalisierung. Von einem „durchgehenden topographischen Zusammenhang" kann also in der Passionsgeschichte ebensowenig die Rede sein wie in den übrigen Teilen des Evangeliums. 3. Ein weiteres Argument für einen vormarkinischen Überlieferungszusammenhang des Passionsberichtes möchte Jeremias daraus gewinnen, daß drei Abschnitte des heutigen markinischen Passionsberichtes bei Johannes fehlen: ,,a) Die Verfluchung des Feigenbaumes (Mk. 11,12-14) mit dem anschließenden Gespräch über sie (11,20-25); b) die große Sammlung von Streitgesprächen (Kap. 12) und die eschatologische Rede (Kap. 13); c) Der Bericht über die Vorbereitung der Passa-Feier (14,12-16)." 61 Die Möglichkeit, daß diese Texte Johannes vorgelegen haben und er sie weggelassen haben könnte, zieht Jeremias eigenartigerweise nicht in Betracht, obwohl das für die eschatologische Rede oder die Streitgespräche auf der Hand liegt und die Erzählung von der Vor61

A . a . O . S. 84.

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bereitung des Passamahles notwendig wegfallen mußte, da sie sich mit der Datierung des Todes Jesu bei Johannes nicht vereinbaren läßt. Jeremias versucht dann zu beweisen, daß die genannten drei Abschnitte sich auch im Rahmen des Markusevangeliums als Erweiterungen des Berichtes zu erkennen geben. Dabei setzt er bereits voraus, was eigentlich zu beweisen gewesen wäre, nämlich daß in Kap. 11 ff. überhaupt ein alter Überlieferungszusammenhang vorliegt. Beiläufig in einem Nebensatz stellt er die Behauptung auf, daß 11,27-33 in einem „straffen Erzählungszusammenhang" mit 14,1 f. stehe, und ersetzt den Beweis dafür durch die These, daß die Tempelreinigung die Tötungsabsicht zur unmittelbaren Folge habe 6 2 . Dazu ist zu sagen: Zum ersten enthalten die genannten Verse gar nicht die Tempelaustreibung, in der die Tötungsabsicht erwähnt ist, sondern die Vollmachtsfrage, deren ursprünglicher Zusammenhang mit der Tempelreinigung nicht sicher ist, da der Text selber keinen Hinweis auf diese enthält. Zum anderen sichert die Erwähnung der Tötungsabsicht in 11,18 keinen literarischen Zusammenhang mit 14,1 f. Oder will man denselben etwa auch für 3,6 und 12,12 konzedieren? Die historische Frage, ob die Tempelreinigung zum Todesbeschluß geführt hat, darf man nicht mit der literarischen Frage verquicken. Auch bei Jeremias haben wir also keine zwingende Begründung für die Annahme eines vormarkinischen Überlieferungszusammenhangs in der Passionsgeschichte gefunden. e) LOHSE sieht die Frage, wie der älteste Passionsbericht aussah, durch das Passionskerygma Mk. 10,33f. beantwortet: „ I n diesen Sätzen wird ein kurzer Bericht über die Passion vorausgesetzt, der von der Verhaftung Jesu, der Verhandlung vor dem Synedrium, der Verurteilung durch den römischen Statthalter und der Kreuzigung Jesu sprach." 6 3 Ob man Mk. 10,33f., wo im Unterschied zu Mk. 8,31 und 9,31 „Ereignisse festgehalten und ein Bericht gegeben wird" 6 4 , als vormarkinische Tradition ansehen darf, ist aber fraglich. Wahrscheinlich sind die Verse eine markinische Bildung, die der Evangelist im Vorblick auf die von ihm aus Einzeltraditionen komponierte Passionsgeschichte nach der Vorlage Mk. 8,31 (und 9,31) geschaffen hat 6 5 . Selbst wenn man die Verse Mk. 10,33 und 34 als vormarkinisch anzusehen hätte, wäre damit aber noch keineswegs erwiesen, daß 62

63 64 A . a . O . S. 86. A . a . O . S. 23 . A . a . O . S. 20. F. HAHN (Christologische Hoheitstitel, 2. Aufl. Göttingen 1964, S. 47) und G. STRECKER (Die Leidens- und Auferstehungsvoraussagen im Markusevangelium, in: ZThK 64 (1967) S. 16-39, S. 31) halten Mk. 10,32-34 für eine markinische Bildung. Anders U . WILCKENS (Die Missionsreden der Apostelgeschichte (WMANT 5), 1961, S. 112f. 114ff. 136) und H . E. TÖDT (Der Menschensohn in der synoptischen Überlieferung, 2. A. Gütersloh 1963, S. 186f.). 65

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dieses Passionskerygma das Vorhandensein eines Passionsberichtes voraussetzt. Seine Entstehung ist auch ohne diese Voraussetzung möglich ββ . Der Weg der Traditionsbildung kann ebensogut von der Nennung der einzelnen Stationen des Leidens zu deren Gestaltung geführt haben; denn „jedes einzelne Motiv hat die Tendenz, sich zu verselbständigen, zu einer eigenen Erzählung zu werden" 6 7 . f) S C H I L L E 6 8 möchte einen zusammenhängenden „Bericht von der letzten Nacht J e s u " annehmen, „eine Anamnese . . .", die „in einer Agape am Jahrestag des Berichteten entstanden sei" 69 . Er rechnet dazu 14,18-72 ohne das Verhör vor dem Hohen Rat. Schilles Argumentation für den ursprünglichen Zusammenhang dieses Abschnittes ist aber völlig unzulänglich. Wenn sich in demselben keine Zeitangaben finden, die über ihn hinausreichen, dann besagt das gar nichts für seine literarische Einheitlichkeit. Auch die Zeitangaben am Perikopenanfang 14,18 und am Perikopenschluß 14,72 können das Dazwischenliegende nicht als einheitlichen Bericht ausweisen. Ebensowenig ist l.Kor. 11,23ff. ein Beweis dafür, daß Mk. 14,18-72 zusammengehören; denn dort ist weder die Verleugnung des Petrus, noch die Gefangennahme Jesu mit der Jüngerflucht erwähnt. Auf solche Weise läßt sich die allgemein verbreitete Annahme, daß zum mindesten der Abendmahlsbericht 14,22-25 und die Verleugnung des Petrus selbständige Perikopen sind, nicht entkräften. g) T A Y L O R übernimmt in seinem Buch "The Formation of the Gospel Tradition'" 70 die Argumente von Bultmann, K . L . S c h m i d t und Dibelius, um für eine vormarkinische Passionsgeschichte zu plädieren. Wir brauchen darauf nicht mehr einzugehen 71 . Er greift auch die These von Bußmann auf, daß l.Kor. 15,3f. auf einen alten Passionsbericht verweise, gibt aber selber zu, daß man darauf allein die Annahme eines solchen Berichtes nicht stützen könne. 66 Das einzige Detail, das nicht aus der Schrift oder den gegebenen Umständen der Kreuzigung Jesu durch die Römer unter Beihilfe der jüdischen Autoritäten erschlossen werden konnte — die Verurteilung durch die Juden —, müßte dann von Markus eingetragen sein, was durchaus denkbar wäre. 67 B E R T R A M a.a.O. S. 4. 68 Das Leiden des Herrn, in: ZThK 52 (1955) S. 161-205. 69 A.a.O. S. 199. "> London 19352, S. 44-62. 71 Auch F. C. G R A N T (The Gospels, their Origin and their Growth, New York 1957, S. 114; The Earliest Gospel, New York 1943, S. 58f. u.ö.), N I N E H A M (a.a.O. S. 22f. 365-369), L. C E R F A U X (En marge de la question synoptique, in: La Formation des Evangiles, Recherches Bibliques II, o.O. 1957, S. 24-33, S. 31), L O H M E Y E R (a.a.O. S. 250), G R U N D M A N N (a.a.O. S . 272f.), H A E N C H E N (a.a.O. S . 461), K U H N (a.a.O. S. 261) und P. G E O L T R A I N (Les Récits de la Passion dans les synoptics, in: Foi et Vie 65,4 [1966] S. 41-49) übernehmen lediglich die Argumente der Formgeschichtier oder setzen sie voraus. Geoltrain ist dabei der Ansicht, am Anfang der Passionsberichte stehe eine mündliche Tradition in aramäischer Sprache.

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Linnemann, Passionsgeschichte

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In seinem Markus-Kommentar setzt sich Taylor erneut mit dem Problem auseinander72. Er nimmt an, daß Markus ein zusammenhängender Bericht vorgelegen hat, der 14,1 f. lOf. 17-21. 26-31. 43-46. 53a. 15,1. 3-5. 15. 21-24. 26. 29f. 34-37. 39. 42-46 umfaßte. Er begründet seine Annahme folgendermaßen: 1. Diese kurzen, zusammenhängenden Partien, die den Umriß (outline) der Erzählung böten, seien in besserem Griechisch geschrieben und enthielten wenig oder gar keine Semitismen, wodurch sie sich abheben von den übrigen Teilen der Passionsgeschichte, den später hinzugefügten Perikopen und den nachträglichen Ergänzungen zu den Erzählungen, die eine Fülle von Semitismen aufweisen73. 2. Der Bericht sei charakterisiert durch die Betonung der Schuld der Hierarchie, der Schande des Verrates, der Göttlichkeit Jesu, der Realität von Tod, Begräbnis und Auferstehung, seinen häufigen Gebrauch von ποφαδίδωμι, (14, lOf.; 44; 15,1. 15) und seine Anspielungen auf die Zwölf (14,10. 17. 20. 43) 74 . Dazu ist zu sagen: ad 1) Taylors sprachliche Analyse, die wir einstweilen gelten lassen wollen, wenngleich sich manches dagegen sagen läßt, kann nicht den Beweis dafür liefern, daß diese Partien mit gleicher sprachlicher Eigenart einen zusammenhängenden Bericht gebildet haben. „Besseres Griechisch" und „Fehlen von Semitismen" sind keine Kriterien, die es erlauben, einen literarischen Zusammenhang zu konstatieren. Diese Merkmale können die verschiedensten Traditionen aufweisen, die nichts miteinander zu tun haben. ad 2) Nichts von dem, was hier genannt wird, sichert den ursprünglichen Zusammenhang der genannten Texte. Einzelnes ist mehrfach zu finden, nichts aber durchgängig, es sei denn die „Göttlichkeit Jesu", die jedoch kein Unterscheidungsmerkmal bieten kann zwischen diesem 'Bericht' und den übrigen Passionstraditionen. Mit solchen Argumenten läßt sich die Annahme eines vormarkinischen Passionsberichtes nicht beweisen. h) Tbocmé 75 stellt diese These auf, daß das Markusevangelium ursprünglich mit Kapitel 13 geschlossen habe. Kapitel 14-16, die Passionsgeschichte, sei unabhängig von dem Evangelium entstanden, selbständig überliefert und erst später durch einen Redaktor mit dem Evangelium verbunden worden. 72 75

74 A.a.O. S. 662. 73 Ebd. S. 653f. S. 653-664. L a Formation de l'Evangile selon Marc, Paris 1963, S. 176-188.

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Seine Beweisführung überzeugt jedoch nicht, da sie von falschen Voraussetzungen ausgeht. 1. Sie setzt einen literarischen Charakter des Evangeliums voraus, der nicht gegeben ist : ein Werk, das vom Autor so konzipiert ist, daß die späteren Teile durch Anspielungen in den früheren vorbereitet werden. Dementsprechend überprüft Trocmé die Anspielungen auf Jesu Passion in Kap. 1-13 daraufhin, ob sie wirklich Anspielungen auf die Î&ssionsgeschichte sind, und kommt dabei zu einem negativen Ergebnis. Wollte man den von ihm angewandten Maßstab für die Einheitlichkeit des Markusevangeliums aber generalisieren, dann könnte man jeden beliebigen Abschnitt desselben für sekundäre Zutat erklären. Denn derartige literarische Verknüpfungen liegen im ganzen Evangelium nicht vor. 2. Trocmés Beweisführung berücksichtigt nicht, daß der Evangelist sein Evangelium aus Überlieferungsstücken komponiert. Aus der mangelnden Übereinstimmung zwischen den drei Leidensweissagungen mit der Passionsgeschichte in der Datierung des Auferstehungstages und der Bezeichnung des Todes Jesu kann man nicht gleich den Schluß ziehen, daß kein Zusammenhang zwischen der Passionsgeschichte und dem übrigen Evangelium besteht. Man muß vielmehr fragen, wieweit Markus hier durch die übernommenen Traditionen festgelegt war. 3. Trocmé beachtet nicht, daß ein sachlicher Unterschied zwischen der Passionsgeschichte und dem übrigen Evangelium besteht. Die Isolierung Jesu im Leiden und die schlechte Rolle, welche die Jünger dabei spielen, ist nicht ein Zeichen für eine andere Theologie, sondern gehört zur Situation der Passion. Mk. 10,38f. und 8,34 stehen nicht im Widerspruch zur Passionsgeschichte, wie Trocmé meint. Denn die Vorhersage des Martyriums der Zebedaiden und die Aufforderung zum Kreuztragen kann sich zeitlich gar nicht auf die Passion Jesu beziehen. Unmittelbar vor der Kreuzigung Jesu eine Aussendung der (geflohenen!) Jünger zur Mission zu erwarten und aus deren Fehlen eine andere Einstellung der Passionsgeschichte zur Mission zu entnehmen, als sie das übrige Evangelium hat, ist absurd. Überdies wird bei solcher Argumentation immer schon vorausgesetzt, was zu beweisen wäre, daß nämlich die Passionsgeschichte nicht zum Evangelium gehört. Nur unter dieser Voraussetzung spielt es eine Rolle, daß auch nach der Auferstehung eine Aussendung fehlt. Außerdem muß man hier das Problem des Markusschlusses bedenken 76 . Bei dem Unterschied im Gebrauch der Würdetitel ist einmal die Passionssituation zu be76 Vgl. dazu meinen Aufsatz „Der (wiedergefundene) Markussehl uß1 ', in: ZThK 66 (1969) S. 255-287. 5*

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denken, zum anderen zu fragen, wieweit Unterschiede der verarbeit e t e n Tradition dabei eine Rolle spielen. Das gleiche gilt für den Gebrauch des Begriffs εύαγγέλιον. Eine vor- (bzw. außer-)markinische Passionsgeschichte ist demnach auch durch Trocmé nicht nachgewiesen worden. Damit haben wir, soweit ich sehe, alle Argumente geprüft, die f ü r die Annahme einer vormarkinischen Passionsgeschichte vorgebracht wurden. Keines dieser Argumente h a t sich als zureichender Grund f ü r diese Annahme erwiesen. Wir halten deshalb an unserer These fest, daß die Passionsgeschichte ein Werk des Markus ist u n d erst von ihm aus Einzeltraditionen gebildet wurde. VI.

Zusammenfassung

Wir suchten die Lösung f ü r die Schwierigkeiten der Perikope von der Verhaftung Jesu Mk. 14,43-52 in einer Dekomposition des Textes. Wir kamen zu der Annahme, daß in der Perikope drei ursprünglich selbständige Traditionsstücke miteinander verbunden sind: 1. Ein biographisches Apophthegma Mk. 14,43. 48. 49b. 2. Eine Erzählung vom Judasverrat Mk. 14,44-46, deren Anfang in Mk. 14,1. 2. 10 u n d I I a zu suchen ist. 3. Eine uns in Mk. 14,47. 50-52 nur fragmentarisch erhaltene Erzählung, die die Rolle der Jünger in der Passion verständlich machen möchte. F ü r die Dekomposition, die durch die Schwierigkeiten des Textes veranlaßt wurde, ließen sich sprachliche u n d sachliche Anhaltspunkte geltend machen. Das Ergebnis spricht aber auch f ü r sich, insofern die Dekomposition zu Texteinheiten geführt hat, die in sich sinnvoll sind u n d deren Entstehung sich begreiflich machen läßt. Wir überprüften unsere These noch einmal, indem wir versuchten, unter ihrer Voraussetzung sowohl die Komposition der Perikope von der Verhaftung Jesu Mk. 14,43-52 als auch den A u f b a u der ganzen markinischen Passionsgeschichte zu begreifen. Dieser Versuch machte keine Schwierigkeiten. • D a unsere Dekomposition die Feststellung einschließt, daß die markinische Passionsgeschichte von dem Evangelisten durchgehend aus einzelnen Überlieferungsstücken komponiert wurde, setzten wir uns anschließend mit Argumenten auseinander, die f ü r die Annahme eines vormarkinischen Zusammenhangs in der Passionsgeschichte geltend gemacht werden. Wir konnten sie nicht als zwingend ansehen. Zur Erklärung des Befundes reicht die Annahme aus, daß dem E v a n gelisten neben dem Passionskerygma, wie wir es in seinen Leidens-

Verhaftung

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Weissagungen 8,31 und 9,31 finden77, Einzeltraditionen vorgelegen haben. Für die Annahme eines vormarkinischen Zusammenhangs fanden wir am Markustext keinen Anhalt. Der Befund bei Johannes, seine Übereinstimmung mit Markus in der Passionsgeschichte bei aller sonstigen Nichtübereinstimmung, läßt, wie wir sahen, keineswegs als einzige Erklärung die Annahme einer gemeinsamen Textgrundlage zu. Man kann ihn auch darauf zurückführen, daß dem Evangelisten eine außerkanonische Bearbeitung der Passionsgeschichte eines der synoptischen Evangelien vorlag. Wenn man aber annehmen muß, daß die Passionsgeschichte erst von dem Evangelisten Markus aus Einzeltraditionen komponiert wurde und weder Markus, noch Matthäus, Lukas oder Johannes ein alter Bericht vorgelegen hat, bedeutet dies nicht das Ende der historischen Frage nach der Passion Jesu ? J a und nein. Ja, denn die Direktheit, mit der man vielfach den Texten der Passionsgeschichte historische Daten entnommen hat, würde sich verbieten. Nein, denn auch jetzt kann und muß die historische Frage gestellt werden. Sie kann gestellt werden als indirekte: Welche historischen Tatbestände müssen als die Bedingung der Möglichkeit für die Entstehung einer Perikope vorausgesetzt werden ? Sie muß gestellt werden, denn gerade aus der Differenz zwischen dem Erzählten und den historischen Sachverhalten, die vorauszusetzen sind, wird die Intention des Erzählten erkennbar und der Text für das Verstehen erschlossen. Indem wir darauf verzichten, in ihnen einen Bericht zu suchen, gewinnen die Perikopen ihre Bedeutung als Kerygma zurück und erweisen sich als Predigttext. 77

Im Unterschied zu STRECKER halte ich Mk. 9,31 nicht für eine Bildung des Evangelisten, sondern ziehe aus Streckers Ausführungen den Schluß, daß dieser Vers eine hellenistiseh-heidenchristliche Umformung der judenchristlichpalästinensischen Urfassung ist. Für vormarkinische Verfasserschaft von Mk. 9,31 spricht vor allem, daß für Mk. 10,33f. nicht nur Mk. 8,31, sondern auch Mk. 9,31 als Vorlage benutzt ist, wie aus der Synopse von Strecker klar hervorgeht. Die Auffüllung von zwei Passionskerygmata zu der Dreizahl der Leidensweissagungen ist auch wahrscheinlicher als die Annahme, daß Markus zwei von den Dreien erst selber gebildet hat. Zur Frage der Leidensweissagungen bei Markus vgl. außer der bisher genannten Literatur auch H. R. PBEUSS, Galiläa im Markusevangelium, Diss. Göttingen 1966, S. 155ff.

Die Verleugnung des Petrus 1 Der Komplex der Verleugnung des Petrus ist zuletzt von Günter Klein ausführlich und gründlich abgehandelt worden 2 . K L E I H führt in seiner Untersuchung zunächst eine kritische Analyse der Verleugnungstradition durch und kommt dabei auf Grund einer weithin überzeugenden Beweisführung zu dem Ergebnis: „Sämtliche Beobachtungen an der Verleugnungstradition — ihre Isolierbarkeit; synthetische, nicht eliminierbare Einzelzüge; die Existenz alter Konkurrenztradition — führen zu dem Schluß: Die Überlieferung von der Verleugnung des Petrus ist unhistorisch." 3 I m zweiten Teil seiner Abhandlung versucht Klein, „für den aus seinem überlieferten historischen Rahmen gelösten Text den verschütteten 'Sitz im Leben' wiederzufinden" 4 . Dieser — für das Verständnis der Texte in der Tat unabdingbare — Versuch scheint mir jedoch nicht gelungen. Klein will eine begründete Antwort auf „die Frage nach den für das Entstehen der Verleugnungslegende maßgebenden Triebkräften" 5 finden, indem er „den nachösterlichen Lebensgang des Petrus ins Auge f a ß t " e . Dabei kommt er zu dem Ergebnis: „. . . so stellt sich uns Petrus als die einzige Persönlichkeit unter den urchristlichen Autoritäten dar, von der wir mit einer auch der schärfsten Kritik standhaltenden Sicherheit wissen, daß sie nacheinander Mitglied des Zwölferkreises, der Apostelgruppe, des 'Säulen'kollegiums und schließlich ein hervorragender Einzelgänger war. I n seinem nachösterlichen Entwicklungsgang sind also vier Etappen bzw. drei Veränderungen seiner Position zu erkennen." 7 Daraus folgert Klein: „. . . das F a k t u m dieser drei Positionswechsel . . . [ist] derart auffallend, daß es nur natürlich wäre, wenn es sich in der Konzeption des urchristlichen Petrusbildes formbildend niedergeschlagen hätte. I n der Tat scheint die Tradition von der Verleugnung des Petrus nichts anderes als ein legendarischer Reflex dieses dreimaligen Positionswechsels zu sein . . . zurückprojiziert ins Leben Jesu. Es liegt ja auf der Hand, daß jene 1 Dieses Kapitel ist eine geringfügig überarbeitete Fassung des gleichnamigen Aufsatzes in ZThK 63 (1966) S. 1-32. 2 3 ZThK 58, 1961, 285-328. A.a.O. S. 311. 1 5 A.a.O. S. 312. Ebd. 6 7 A.a.O. S. 313. A.a.O. S. 323f.

Verleugnung

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taktische Behendigkeit, die es Petrus offenbar ermöglichte, sich . . . geschmeidig jeder Veränderung der Machtkonstellationen anzupassen, . . . grimmiges Ressentiment in solchen Kreisen wecken mußte, die gegen ihn eingestellt waren." 8 Diese Folgerungen Kleins erscheinen mir fragwürdig. Von „grimmigem Ressentiment" vermag ich in der Erzählung von der Verleugnung des Petrus nichts zu verspüren und kann deshalb darin nicht die Triebkraft sehen, die zu ihrer Entstehung führte. Wollte man die „taktische Behendigkeit" des Petrus anprangern, hätte man ihn dann so gezeichnet, daß er zu weinen beginnt, als er den Hahnenschrei hört? Ein Ausmaß an Reue, das einen Mann bis zu Tränen bewegt, paßt nicht in das Bild eines geriebenen Taktikers. Gewiß, ein Taktiker kann sich auch der Tränen bedienen, um damit etwas zu erreichen; eine Erzählung, die Petrus als geriebenen Taktiker bloßstellen wollte, hätte jedoch dem Leser deutlich machen müssen, daß dessen Tränen als bloße Krokodilstränen zu werten sind. Außerdem konnte m.E. selbst „grimmiges Ressentiment" einen Christen nicht dazu bringen, den dreimaligen Positionswechsel des Petrus in der Gemeinde als dreimalige Verleugnung seines Herrn zu deklarieren. Hinzu kommt, daß die Dreizahl eines der Formmotive volkstümlicher Erzählung ist, so daß es mir abwegig erscheint, sie historisch begründen zu wollen 9 . 8

A . a . O . S. 324. I n seinem Aufsatz: Die Berufung des P e t r u s (ZNW 58 [1967] S. 1-44) weist KLEIN darauf hin, daß er „die Verleugnungstradition in der überkommenen literarischen F o r m keineswegs . . . f ü r den unmittelbaren Ausfluß eines antipetrinischen Ressentiments [hält], vielmehr damit [rechnet], . . . daß die Legendarisierung einsetzte, als der genuine Sinn der Tradition v o m dreimaligen Versagen Petri bereits nicht mehr durchschaut wurde. E r s t damit war die Voraussetzung dafür gegeben, daß eine im Ansatz antipetrinische Überlieferung zum Kristallisationskern einer Erbauungsgeschichte werden k o n n t e " (S. 44). Diese Präzisierung seiner allzu knappen Ausführungen in dem Aufsatz über Petri Verleugnung S. 324 unten scheint meinen Einwand gegen Kleins These zu entkräften. I n Wahrheit macht sie aber nur deutlich, d a ß seine Idee, diejenigen, die nach Kleins eigenem Urteil Petrus aus einer Position nach der anderen verdrängten (vgl. Verleugnung S. 319ff.), h ä t t e n ihm diese Positionswechsel, die doch eine Machtverschiebung zu seinen Ungunsten bedeuteten, als Verleugnung des H e r r n angekreidet, weitere fragwürdige Hypothesen impliziert. 9

1. Klein postuliert eine Überlieferung, welche die Erinnerung daran wachhalten sollte, „wie Petrus dreimal seiner Vergangenheit untreu geworden sei u n d d a m i t seinen Herrn verleugnet h a b e " (Verleugnung S. 324). Das Erleiden einer Degradierung als Untreue eines Menschen gegen sich selbst zu bezeichnen, ist abwegig. Die Vorstellung, daß ein Mensch „seiner Vergangenheit u n t r e u " wird, setzt einen Persönlichkeitsbegriff voraus, der in bezug auf das Urchristent u m ein Anachronismus ist. Einen die Wahrheit mit F ü ß e n tretenden Sarkasmus, der die P e t r u s zugefügte Zurücksetzung in perfider Verleumdung als Petri Verleugnung des Herrn tradiert, wird ohne einen zwingenden Grund (der nicht

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Verleugnung

Trotz der gründlichen Behandlung des Komplexes durch Klein erscheint es mir deshalb nötig, die Frage nach der Verleugnung des Petrus noch einmal aufzurollen. U m dem Leser unnütze Wiederholungen zu ersparen, werde ich jedoch die Abhandlung Kleins — soweit ich mit ihr übereinstimme — zur Grundlage nehmen und nur auf solche Fragen ausführlich eingehen, die m.E. einer erneuten Behandlung bedürfen.

I. Die Verleugnung des Petrus und die Verheißung

Jesu

Von besonderer Wichtigkeit für die Beurteilung der Verleugnungstradition sind die Verse Lk. 22,31 f. Sie werden von Klein mit Recht für ein selbständiges Logion gehalten, dessen Verbindung mit der Ansage der Verleugnung Lk. 22,33 f. sekundär ist 10 . Die Wendung ποτε έπιστρέψας, die einen Bezug zur Verleugnung herstellt, sieht Klein mit Bultmann als lukanische Zutat an, wobei er die Möglichkeit offen läßt, daß das έπιστρέψας auch als Wiedergabe eines aramäischen atri bzw. ηεη verstanden werden könnte, das als „wiederum" zu lesen s e i u . Einen ursprünglichen Bezug zur Verleugnung spricht Klein dem gegeben ist!) auch derjenige einem Vertreter des Urchristentums nicht zuschreiben können, der nicht geneigt ist, die Urgemeinde zu idealisieren. 2. Da sich die Intention der von Klein postulierten Überlieferung mit derjenigen der uns vorliegenden Verleugnungstraditionen nicht deckt, ist Klein genötigt zuzugestehen, daß jene mit diesen nicht identisch ist. 3. E r m a c h t keinen Versuch, diese Überlieferung durch literarkritische Analyse als Grundbestandteil der uns vorliegenden Verleugnungstradition zu erheben, u n d verzichtet damit darauf, a n den uns vorliegenden Texten Anhaltsp u n k t e dafür aufzuzeigen, daß es die von ihm postulierte Überlieferung gegeben hat. 4. Über die Beschaffenheit dieser Überlieferung schweigt Klein. E r überläßt es dem Leser, sich auszudenken, in welcher F o r m m a n jene „Erinnerung wachh a l t e n " konnte. 5. E r m u ß behaupten, daß der ursprüngliche Sinn der von ihm postulierten Überlieferung nicht mehr durchschaut wurde, da sie andernfalls nicht „ z u m Kristallisationskern einer Erbauungsgeschichte werden k o n n t e " (Berufung S. 44). U m seine These zu stützen, ist er also nicht n u r genötigt, eine Überlieferung zu postulieren, f ü r die es keinen Anhaltspunkt an den Texten gibt, sondern obendrein m u ß er noch unterstellen, daß jene Überlieferung „in ihrer ursprünglichen Meinung . . . nicht mehr verstanden" wurde (Verleugnung S.324). 6. Wie der Legendarisierungsprozeß zu denken ist, der aus jener mißverstandenen antipetrinischen Überlieferung eine Erbauungsgeschichte werden ließ, erfährt der Leser nicht. Weil Klein über die Beschaffenheit der von ihm postulierten Überlieferung nichts aussagen k a n n , vermag er selbstverständlich die Traditionsgeschichte von ihr bis zu den uns vorliegenden Texten nicht nachzuzeichnen. 10 A . a . O . S. 298f. 11 A . a . O . S. 301 f. Ich halte die letztgenannte Möglichkeit f ü r wenig wahrscheinlich. Man ist bei dieser R ü c k f ü h r u n g des έπιστρέψας auf den aramäischen Grundtext nicht nur genötigt, ποτε als „Zusatz des griechischen Über-

Verleugnung

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Logion ab, da jener das Wort um seinen Sinn gebracht hätte. Seine Beweisführung ist überzeugend12. Weniger überzeugend ist das Urteil Kleins, daß Lk. 22,31 f. aufs schärfste mit der Verleugnungstradition konkurriert. Auf den ersten Blick erscheint zwar die Frage einleuchtend, ob das Logion „die Verleugnungstradition überhaupt sachlich neben sich verträgt und sie nicht vielmehr ausschließt" 13 . Der Ankündigung, daß Petrus seinen Herrn dreimal verleugnen wird, steht das Logion, das Simon unwandelbare Treue verheißt, anscheinend unvereinbar entgegen. Man darf jedoch nicht übersehen, daß der ausschließende Gegensatz zwischen der Verheißung Jesu und der Verleugnung Petri nur dann besteht, wenn sich die Verheißung Jesu ebenso wie die Ansage der Verleugnung auf die Passion bezieht. Der Bezug von Lk. 22,31 f. zur Passion wird zwar in seltener Einmütigkeit von Auslegern aller Richtungen als selbstverständlich vorausgesetzt, aber er versteht sich keineswegs von selbst. Aus dem Text des Logions ergibt er sich nicht, und ihn aus dem lukanischen Kontext zu entnehmen, ist ein methodischer Mißgriff14. Wir können setzers" anzusehen (J. JEREMIAS, Die Gleichnisse Jesu, 19626, 213 Anm. 5; v g l . H . SCHÜRMANN, J e s u A b s c h i e d s r e d e L k . 2 2 , 2 1 - 3 8 [ N T A X X , 5],

1957,

108f.), sondern m u ß auch postulieren, daß der Übersetzer den Text mißverstanden h a t . Ein als „wieder" aufzufassendes 21Γ) oder ^ΒΠ h ä t t e er nicht mit έ-ιστρέψας übersetzen dürfen, das diesen Sinn nicht hergibt (vgl. BAUER, W B s.v.). 12 A . a . O . S. 299f. 13 A . a . O . S. 299. — DINKLERS Einwand (Petrusbekenntnis u n d Satanswort [in: Zeit u n d Geschichte. Dankesgabe an R . Bultmann, 1964, 127-153], 132 Anm. 20), daß sich die Verheißung Lk. 22,31 f. {bei Ausscheidung des έπιστρέψας V. 32b) als nachösterliches vaticinium ex eventu nicht „mit den Irrungen u n d Wandlungen des Jüngersprechers Simon in vorösterlicher Zeit" stößt, übersieht, daß hier zunächst nicht der Widersprcuh eines nachösterlichen Logions zu vorösterlichen F a k t e n zur Debatte steht, sondern die Konkurrenz zwischen (nachösterlichen) Traditionen v o m vorösterlichen Versagen und einem (nachösterlichen) vaticinium, das anscheinend eine vorösterliche Bewährung des P e t r u s glaubhaft machen will. E s ist nicht anzunehmen, d a ß die Gemeinde gleichzeitig tradieren wollte, d a ß P e t r u s sich in der Passion als treu erwies u n d daß er seinen Herrn verleugnete. Das zeigt gerade der Vermittlungsversuch des Lukas in 22,32b. 14 Die richtige Feststellung von M. DIBELIUS: „Wir wissen nicht, ob es überh a u p t in die Passion gehört" (Die Formgeschichte des Evangeliums, 19614, 201) scheint bisher übersehen worden zu sein. Auch KLEIN, der ausdrücklich auf die Seite verweist, auf der sie steht, scheint sie überlesen zu haben, wenn er im unmittelbaren Anschluß an den Verweis (302 Anm. 2) von der „ T a t s a c h e " redet, „daß über das Verhalten des P e t r u s in der Passion zwei einander ausschließende Überlieferungen existieren". I n Berufung (S. 40) gibt Klein zwar zu, daß der redaktionelle R a h m e n den ursprünglichen H a f t p u n k t des Logions nicht präjudizieren kann. Unverständlicherweise sieht er aber dennoch in der auf Grund dieser Einsicht unausweichlichen Frage nach dem ursprünglichen Sinn dieses Logions u n d nach seiner Ursprungssituation einen überflüssigen „Versuch, den überlieferten Bezug des Logions zur Passion zu k a p p e n " . (S 41). Auf die von mir aufgezeigten Schwierigkeiten, die gegen einen ursprünglichen

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uns nicht an die Platzanweisung halten, die Lukas dem Logion gegeben hat; wir müssen versuchen, dessen ursprünglichen „Sitz im Leben" aus dem Logion selbst zu ermitteln. Das Logion kündigt eine Situation an, in der die Treue der Jünger auf die Probe gestellt wird. Wie das Sieben von Getreide ist diese Situation ein Ausscheidungsprozeß, in dem zwischen Jüngern, die treu bleiben, und solchen, die wankend werden, unterschieden wird. Das Ergebnis einer derartigen Prüfungssituation kann man nicht vorherwissen. Hier wird jedoch in einem Punkte der Ungewißheit ein Ende gemacht. Simon erhält die Zusicherung, daß seine Treue festbleiben wird ; nicht deshalb, weil er besondere Charakterstärke besitzt, sondern weil Jesus für ihn gebeten hat. Diese Fürbitte gilt nicht seiner Person, sondern seiner Funktion: Seine Aufgabe ist es, die Brüder zu stärken und soviel wie möglich vor dem Fall zu bewahren. So ist dem Wirken Satans, das sich gegen die Gemeinde richtet, eine Grenze gesetzt. Die Bitte des Herrn tritt der Bitte Satans entgegen 15 . Aufweiche Situation ist die Verheißung Jesu bezogen? Ist es richtig, sie, wie es allgemein geschieht, auf die Passion zu beziehen? Es spricht doch wohl alles dagegen. 1. In Lk. 22,31f. fehlt jede Anspielung auf Jesu Passion. Während sich die Anfechtung der Jünger nach Mk. 14,27 als unvermeidbare Folge aus der Passion Jesu ergibt, geht sie nach Lk. 22,31 f. auf eine besondere Aktion Satans zurück, die sich nur gegen die Jünger richtet. Bezug des Logions zur Passion sprechen, (siehe u n t e n S. 74ff. = Z T h K 63 [1966] S. 4f.) geht Klein mit keinem Worte ein. 15 K L E I N will dem Logion entnehmen, d a ß mit dem völligen Versagen aller Jünger außer P e t r u s gerechnet sei (vgl. a . a . O . S. 299f. 301). E r argumentiert (ebd. 304): „. . . aufgrund des antithetischen Verhältnisses von V. 31 zu V. 32a m u ß sich der Sinn des σινιάζειν streng aus der Opposition zu dem μή έκλείπειν der πίστις bestimmen, d . h . es k a n n gar nichts anderes gemeint sein als der Zerbruch der Jüngertreue". Aber die Metapher σινιάζειν gibt den Sinn „Zerb r a c h " nicht her, sie bedeutet eindeutig „sieben", also aussortieren. Außerdem ist die Vorstellung undenkbar, daß dem Satan auf seine B i t t e von Gott zugestanden wird, die Treue aller Jünger zu zerbrechen. U n t e r der Voraussetzung, d a ß der Abfall aller J ü n g e r (außer Petrus) von Gott beschlossene Sache ist, wäre auch der A u f t r a g an Petrus, die Brüder zu stärken, völlig sinnlos. — I n B U L T M A N N S Ausführungen findet sich ein eigenartiger Widerspruch. I n Anm. 1 auf S. 288 stellt er selber fest: „ D a s Bild v o m σινιάζειν setzt doch voraus, daß nicht alle Jünger abgefallen sind." I m Text sagt er dagegen auf derselben Seite: „V. 31. 32a setzt offenbar voraus, daß bei der 'Sichtung' der J ü n g e r alle außer P e t r u s abgefallen sind; nur seine Treue h a t nicht g e w a n k t ! " Was sich aus dem Bild in V. 31 nicht entnehmen läßt, gibt aber die Formulierung von V. 32 a auch nicht her. I s t die Treue des P e t r u s durch die F ü r b i t t e Jesu besonders gesichert, d a n n folgt daraus noch nicht der Abfall aller übrigen Jünger. Auf diesen Gedanken k o m m t B u l t m a n n offenbar nur, weil er das Logion offensichtlich von vornherein als vaticinium ex eventu versteht, welches das F a k t u m des Abfalls aller Jünger außer P e t r u s u n d dessen einzigartige Standhaft)gkeit erklären will. Die Bedenken dagegen siehe unten.

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Während in Mk. 14,27 das Versagen der Jünger unter dem göttlichen δει steht und schon in der Schrift beschlossene Sache ist, ist es in Lk. 22,31 f. der Wunsch und Wille Satans, dem Gott Raum gibt und Jesus entgegenwirkt. Diese Züge fügen sich in das Bild nicht ein, das die UrChristenheit von der Passion Jesu gezeichnet hat. 2. Das Logion Lk. 22,31f. bildet eine Einheit aus Ankündigung, Zuspruch und Auftrag. Es ist eindeutig auf die Zukunft bezogen, ohne daß man es jedoch im eigentlichen Sinne als vaticinium bezeichnen könnte. Bezöge es sich auf Jesu Passion, dann würde eine Situation den Bezugspunkt bilden, die zur Zeit der Entstehung des Logions bereits in der Vergangenheit lag. Denn es ist nicht möglich, es als ipsissimum verbum Jesu anzusehen : Nur unter der Voraussetzung, daß Petrus eine Führerstellung in der Gemeinde innehat, ist es verständlich, „warum Jesus einzig für Petrus bittet" 16 . Eine solche Führerstellung des Petrus, die in den Anfängen der Urgemeinde tatsächlich bestanden hat, läßt sich jedoch zu Lebzeiten Jesu nicht nachweisen 17 . Jede Ansetzung des Wortes vor Ostern scheitert also an der in ihm vorausgesetzten Vorrangstellung Petri. Sie scheitert aber auch daran, daß das Wort Jesus eine Stellung zuerkennt, die erst dem Erhöhten zukommt: Es setzt die Wirksamkeit der Fürbitte Jesu als selbstverständlich voraus, wie nicht nur die Entgegensetzung von V. 32 zu V. 31, sondern auch der Auftrag an Petrus zeigt 18 . 16

K L E I N a . a . O . S. 302. C U L L M A N N ist allerdings

der Meinung: „Wir erfahren in den synoptischen Evangelien, daß Petrus tatsächlich [Hervorhebung von mir] eine Sonderstellung innerhalb der Jüngergruppe einnimmt" (Petrus. Jünger - Apostel - Märtyrer, I960 2 , 25), wobei er die Sonderstellung zu Lebzeiten Jesu nicht als Führerrolle, sondern als die Rolle des Sprechers u n d Repräsentanten ansieht (vgl. 33). Cullmann übersieht dabei, daß es nicht möglich ist, von der Darstellung in den Evangelien direkt auf die historische Situation zur Zeit Jesu zurückzuschließen, d a ja auch die Verhältnisse in der Urgemeinde auf die Traditionsbildung eingewirkt haben. Sämtliche von ihm in diesem Zusammenhang zitierten Stelleu sind sekundär. Sie zeigen nur, wie m a n in der Urgemeinde die Stellung des P e t r u s gesehen h a t , aber nicht, wie sie zu Lebzeiten Jesu „tatsächlich" war. 18 C U L L M A N N möchte das Logion nicht direkt, sondern indierekt auf Jesus zurückführen (a.a.O. S. 213f.): „ D e n drei Erzählungen Matth. 16,17ff., Luk. 22,31 ff., J o h . 6,66ff. liegt als gemeinsame Quelle eine Erzählung zugrunde, die einer älteren Tradition angehört u n d die auch dem Verfasser von J o h . 21 bekannt gewesen sein muß. Wir können ihren H a u p t i n h a l t rekonstruieren: beim letzten Abendmahl (oder unmittelbar danach) sagt P e t r u s zu Jesus: d u bist der Sohn Gottes, u n d er gelobt, ihm bis in den Tod nachzufolgen. Jesus a n t w o r t e t ihm, Gott habe ihm diese Offenbarung über ihn geschenkt, u n d er sagt ihm die Verleugnung voraus, gleichzeitig aber f ü g t er hinzu, er werde eine besondere Aufgabe gegenüber der Jüngergemeinde zu erfüllen haben, die in die gleiche Versuchung fallen werde wie e r . " — Der methodische Weg, auf dem Cullmann zu seiner Annahme k o m m t , bedarf einer Uberprüfung, die wir uns jedoch a n dieser Stelle versagen müssen. Hier sei nur darauf hingewiesen, d a ß es Cullmann völlig unterläßt, Gründe anzugeben, die die Reduktion dieser 17

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Welche Motive wären aber denkbar, die dazu führen konnten, daß ein derartig auf die Zukunft ausgerichtetes Logion für eine vergangene Situation entworfen wurde? Die einzige Möglichkeit wäre doch wohl, es als vaticinium ex eventu zu verstehen, wie es offensichtlich von 21 19 20 BULTMANN , FUCHS , KLEIN und D I N K L E E . 22 getan wird, insofern sie einerseits die Entstehung des Logions nach Ostern ansetzen, es andererseits aber auf Jesu Passion beziehen. Wäre das Logion jedoch als vaticinium ex eventu entworfen, könnte es unmöglich den Auftrag an Petrus enthalten. Auch wenn man den Fall setzt, daß das Logion zugleich eine Erklärung dafür geben sollte, warum Petrus nicht nur vom Versagen ausgeschlossen blieb, sondern gar noch in der Lage war, die Brüder zu stärken, dann hätte das — als vaticinium zurückprojiziert -— nicht als Auftrag formuliert werden dürfen, sondern hätte etwa lauten müssen: ,,. . . damit du die Brüder stärken kannst". Auch sonst genügt das Logion den Anforderungen nicht, die man an ein vaticinium ex eventu zu stellen hat. Sollte das Wort erklären, warum alle Jünger außer Petrus in der Passion abgefallen sind, dann reicht der Hinweis auf eine satanische Sichtung dafür nicht zu. Der Begriff der Sichtung schließt die Möglichkeit der Bewährung nicht aus, sondern er schließe sie ein; folglich würde das Logion gar nicht verständlich machen, warum keiner von den übrigen Jüngern standhaft geblieben sei. Leistet das Logion jedoch nicht, was es als vaticinium ex eventu zu leisten hätte, dann wird sich die Auslegung fragen müssen, ob sie das Recht hat, es als ein solches anzusehen. Läßt sich das Logion nicht als Rückprojektion verstehen, dann wird man die Situation, auf die es sich bezieht, nicht in der Vergangenheit, sondern in der Zukunft suchen. Es dürfte sich bei Lk. 22,31 f. um ein urchristliches Prophetenwort handeln, das im Namen des erhöhten Herrn gesprochen ist und die Gemeinde darauf vorbereiten soll, eine besondere Anfechtung zu bestehen 23 . Dabei wird man wohl an eine Verfolgung zu denken haben. Bent N O A C K verweist in diesem Zusamumfangreichen „Quelle" bei den einzelnen Evangelisten begreifbar machen. Es genügt nicht, die Übereinstimmung in einigen Einzelzügen festzustellen, es muß auch die fehlende Übereinstimmung in den übrigen Zügen erklärt werden, um die Annahme literarischer Abhängigkeit zu rechtfertigen. Was Lk. 22,21 f. anbelangt, so setzt Cullmann nicht nur die Einheitlichkeit des ganzen Abschnitts Lk. 22,31-34 voraus, sondern auch dessen ursprünglichen Zusammenhang mit dem letzten Mahle Jesu. Diese Voraussetzungen kann ich nicht mit ihm teilen. 19 A.a.O. S. 288. 20 T h W v u 290f. 21 Vgl. a.a.O. S. 302. 22 Die Petrus-Rom-Frage (ThR N F 25, 1959, 189-230. 289-335; 27, 1961, 33-64), 199 Anm. 1. 23 Zur zeitlichen Ansetzimg des Logions in der Anfangszeit der Urgemeinde s. K L E I N a.a.O. S. 305f.

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menhang auf Apk. 2,10 u n d l . P e t r . 5,6. 8, wo die Verfolgung gleichfalls auf eine Aktivität des Satans zurückgeführt wird 2 4 . Dieser Gedanke scheint dem Urchristentum geläufig gewesen zu sein. II. Die Verleugnung des Petrus: Faktum,'1. Verleumdung ? Legende ? Wird die Geschichtlichkeit der Verleugnung Petri durch Lk. 22,31 f. nicht in Frage gestellt, dann wird es möglich u n d notwendig, sie erneut zu diskutieren. Man wird dabei zu unterscheiden haben zwischen der Geschichtlichkeit (1.) der Verleugnungstraditionen u n d (2.) der Verleugnung selber. 1. a) Die Geschichtlichkeit der Verleugnungserzählung Mk. 14,54. 66-72 läßt sich nicht glaubhaft machen. „Die Verleugnung müßte . . . eine beträchtliche Zeitspanne gewährt haben. Wie sich Petrus, einmal entlarvt, noch länger im engsten Umkreis . . . der äußersten Gefahr aufgehalten haben kann, vermöchte nur eine entfesselte psychologische Phantasie plausibel zu finden. . . . Ganz abgesehen von der zeitlichen Dauer der Szene ist die Dreigliedrigkeit der Verleugnung historisch unglaubhaft und offensichtlich ein literarisches Kunstprodukt. . . . Ansage u n d Bericht der Verleugnung sind derart präzis aufeinander abgestimmt, daß sich auch diese Kongruenz darstellt als 'the result of deliberate literary design'." 2 5 Mit anderen W o r t e n : die Verleugnungserzählung ist ihrer ganzen Struktur nach alles andere als ein historischer Bericht. Jeder Versuch, diese Erzählung durch eine literarkritische Operation auf einen hinter ihr vermuteten historischen Bericht zurückzuführen, m u ß daran scheitern, daß der T e x t Mk. 14,54. 66-72 wenig Anhalt bietet f ü r eine literarkritische Operation 2 8 . Die Annahme, daß jene Züge der Erzählung, die zweifellos unhistorisch sind, auf die Formung des Berichtes in der mündlichen Tradition zurückgehen 2 7 , ist fragwürdig, weil sie voraussetzt, was erst einmal zu beweisen wäre: daß es einen derartigen Bericht gegeben hat. Konkrete Details sind noch kein Beweis f ü r Historizität, selbst dann, wenn sie weder kultisches 21 Satanás und Soteria, Kopenhagen 1948, 102. 116. Ob diese Verfolgungen, wie NOACK meint, als „Messiaswehen" betrachtet wurden, mag hier auf sich beruhen. 25 KLEIN a.a.O. S. 307f. Die Literaturnachweise s. dort. 26 Siehe dazu KLEIN a.a.O. S. 309f. — W. L. KNOX (The Sources of the Synoptic Gospels I : St. Mark, Cambridge 1953, 132ff.) verteilt die Verleugnungserzählung auf seine beiden a priori angenommenen Quellen, ohne auch nur zu fragen, ob der Text eine derartige Quellenscheidung nötig und insofern möglich macht. 27 Vgl. P. BONNARD, L'Evangile selon Saint Matthieu, Neuchâtel 1963, S. 391.

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noch apologetisches Interesse verraten 28 . Die Versuche, die Verleugnungserzählung auf eine einmalige Verleugnung zu reduzieren, verraten oft allzu deutlich das Bemühen, die Erzählung so zu beschneiden, daß der Rest einen Ablauf bietet, der als historisch möglich erscheint und als historischer Bericht ausgegeben werden kann. b) Die Ansage der Verleugnung wird schon durch das wunderbare Vorherwissen Jesu und den Schriftbeweis als eine Schöpfung der christlichen Gemeinde ausgewiesen. Sie ist Legende, nicht historischer Bericht 29 . Angesichts des novellistischen und legendären Charakters dieser Perikopen dürfte feststehen, daß die Verleugnungstraditionen unhistorisch sind. 2. Über die Historizität der Verleugnung ist damit zunächst nur soviel gesagt, daß es einen direkten Beweis für sie nicht gibt; sie könnte nur indirekt erschlossen werden. Die Frage lautet: Konnten die Traditionen von der Verleugnung des Petrus entstehen, wenn Petri Verleugnung kein historisches Faktum war? Hätten sie sich dann „gegen die nachösterliche Tendenz zur Glorifikation des Petrus . . . durchhalten können"? 30 Die Bearbeitung dieser Frage hängt von der Beantwortung weiterer Fragen ab: a) Wie verhielten sich die Jünger während der Passion ihres Meisters? b) In welchem Verhältnis würde die Verleugnung des Petrus zu dem Verhalten der übrigen Jünger gestanden haben? a) Erst Lukas hat die Jünger zu Zeugen der Kreuzigung Jesu gemacht 31 ; Markus weiß nichts von Jüngern unter dem Kreuz. Die 28 Die Argumentation mit dem galiläischen Dialekt des P e t r u s setzt lediglich voraus, daß der Erzähler von den Dialektunterschieden im palästinensischen J u d e n t u m gewußt h a t , u n d die Bezeichnung der P e t r u s anredenden Person als Magd oder Sklavin k a n n m a n schon gar nicht f ü r die historische W a h r scheinlichkeit in Anspruch nehmen. Was B O N N A R D m i t ,,les imprecations habituelles de l'apôtre" meint (ebd.), ist mir nicht klar. 29 Der Versuch G O G U E L S (Das Leben Jesu 1 9 3 4 , S. 3 3 3 ) , die Ansage der Verleugnung auf ein hinter ihr liegendes echtes Jesuswort zurückzuführen, h a t a m Text der Ansage keinen Anhalt. E s ist auch weitaus schwieriger, zu erklären, wie die Gemeinde zu solcher Modifikation des Jesuswortes gekommen sei, als die Ansage der Verleugnung so, wie sie vorliegt, als Schöpfung der Gemeinde zu verstehen. Vgl. im übrigen zu der Frage K L E I N a . a . O . S. 3 0 8 . 30 K L E I N a . a . O . S. 307 als Referat von Dinkier a . a . O . (s. Anm. 20) S. 199 Anm. 1. 31 Lukas redet 23,49 zwar nicht von Jüngern, sondern gebraucht den Begriff γνωστοί. Es d ü r f t e aber klar sein, daß er die Jünger m e i n t ; denn andernfalls wäre seine Erweiterung des Markustextes unmotiviert : Wozu sollte er beliebige Bekannte Jesu erwähnen? Außerdem schließt das πάντες vor γνωστοί die Jünger notwendig ein. Daß Lukas den Begriff γνωστοί auf Grund von Ps. 37,9. 12 (LXX) gewählt h a t , halte ich nicht f ü r wahrscheinlich. Die Unterschiede in Sinn u n d Formulierung zwischen den Psalmstellen u n d dem lukanischen Vers sind zu groß u n d die Kombination, die m a n dem Evangelisten zuschreiben müßte, wäre zu kompliziert.

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ersten Erscheinungen des Auferstandenen fanden in Galiläa statt und setzen voraus, daß die Jünger sich dort aufhalten 32 . Ein Traditionsstück, das Markus in 14,34-52 verarbeitet hat, erzählt ausdrücklich: „Da verließen ihn alle und flohen."33 Es läßt sich schwer vorstellen, daß die Gemeinde diesen Zug erfinden konnte, wenn in Wahrheit die Jünger standhaft unter dem Kreuz ausgeharrt hätten 34 . Auch Mk. 14,27 rechnet mit einem allgemeinen Jüngerversagen. Das hier verwendete Schriftzitat verbietet zwar (u.a.), den Text als historischen Bericht zu lesen, aber es nötigt keineswegs dazu, dieses Jüngerversagen deshalb für eine Erfindung der Gemeinde zu halten. Wenngleich sich mehrfach beobachten läßt, daß ein Motiv der Leidensgeschichte „aus der erbaulichen Verwendung des Alten Testamentes" 35 stammt, muß nicht in jedem Falle der Beleg durch ein Schriftzitat ein Motiv als sekundäre Bildung ausweisen. Man wird die Möglichkeit nicht abstreiten können, daß ein Schriftzitat mitunter eine Theodizee liefern sollte für „Begebenheiten, die der Gemeinde Anlaß zu Fragen und Bedenken boten" 3e . Daß die Jünger ihren Meister im Leiden verlassen, muß te aber der Gemeinde anstößig sein 37 . b) Kommt man zu dem Urteil, daß die Jünger insgesamt versagt und ihren Meister in der Stunde der Passion verlassen haben, dann würde eine Verleugnung Jesu durch Petrus nicht mehr darstellen als einen Spezialfall des allgemeinen Jüngerversagens. Kann dieses Versagen in Mk. 14,27 beschrieben werden als σκανδαλισθήσεσθ-αι, dann 32 F ü r den Nachweis s. H . G R A S S , Ostergeschehen u n d Osterberichte, 1962 2 . 113-127, bes. 126f. 33 K L E I N ( a . a . O . S. 3 0 7 ) fragt im Anschluß an Bultmann ( a . a . O . S. 2 8 9 ) , „ob in Y. 50 nicht ü b e r h a u p t 'ursprünglich andere Subjekte' als die J ü n g e r gemeint waren". B u l t m a n n begründet seine Ansicht mit dem Fehlen des Wortes μαθηταί. Man m u ß jedoch beachten, daß dieses Wort in dem von Markus übernommenen Traditionsstück gestanden haben k a n n u n d vielleicht wegfiel, als Markus dieses für seine Zwecke beschnitt (vgl. B U L T M A N N , ebd. : „Vermutlich h a t V. 48 f. etwas Ursprüngliches verdrängt, wodurch V. 50 einst besser motiviert war als jetzt"). Da es heißt αφέντες αύτόν können mit den Subjekten doch nur Leute gemeint sein, die eine Beziehung zu Jesus hatten, denn jemanden verlassen setzt eine vorgängige Beziehung voraus. 34 Der von K L E I N (a.a.O. S. 325) zum Vergleich herangezogene Topos des Jüngerunverstandes u n d „die Qualifikation der Jünger als υπέρ πασαν άμαρτίαν άνομώτεροι in Barn. 5 , 9 " liegt doch wohl auf einer anderen Ebene, da es sich hier nicht u m Aussagen handelt, die sich auf den Bereich nachweisbarer F a k t e n beziehen. 35 K L E I N a . a . O . S. 306. 36 M . D I B E L I U S , Botschaft 2 3 4 Anm. 2 0 . 37 Markus stellt die Mitteilung „ D a verließen ihn alle und flohen", die in der ihm vorliegenden Tradition doch wohl mit der gewaltsamen Aktion eines der Jünger (Mk. 14,47) in Zusammenhang stand, mit Bedacht erst hinter das Jesuswort 14,49, wo sie zwar psychologisch unmotiviert ist, aber dafür in das Licht des Wortes Jesu gerät, daß die Schriften erfüllt werden m u ß t e n . •— Notabene: Nach dem Verfahren K L E I N S m ü ß t e m a n (wegen Mk. 14,49b) auch die Verh a f t u n g Jesu für unhistorisch h a l t e n !

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besteht zwischen dem allgemeinen Verhalten der Jünger und dem speziellen Verhalten des Petrus doch wohl kein qualitativer Unterschied 38 . Unter solchen Voraussetzungen dürfte die Verleugnung des Petrus nicht „unerfindbar" sein. Wenn D I N K L E R der Meinung ist, die Verleugnung habe sich „nur durchsetzen können, weil sie nicht sekundäre Bildung ist" 3 9 , dann übersieht er, welche positive Funktion die Verleugnungstradition für die Gemeinde haben konnte. Wie Schmithals zeigt, wurde durch sie „ein willkommener Konstrasteffekt zum späteren Osterzeugnis des Petrus erzielt . . ., der diesem Zeugnis ebenso zugute kam wie die Erzählung von der Verfolgerzeit des Paulus dessen Predigt" 4 0 . Dem stimme ich zu, bin allerdings der Meinung, daß weniger Petrus und Paulus als vielmehr die spätere Gemeinde für ihre Verkündigung dies Plus verbuchen konnte. SCHMITHALS weist mit Recht darauf hin, daß es ein Fehler ist, die Verleugnungstradition als eine negative Mitteilung über Petrus aufzufassen, von der man eigentlich erwarten sollte, daß die Gemeinde sie unterdrückt hätte : „Die Absicht einer Disqualifikation des Petrus l i e g t . . . der Verleugnungstradition genauso fern wie eine entsprechende Absicht der Verfolgertradition des Paulus." 4 1 c) Da es weder eine alte Konkurrenztradition gibt, welche die Historizität der Verleugnung unbedingt ausschließt, noch von vornherein feststeht, daß die Verleugnung ein unerfindbares Faktum sei, ist es nicht leicht, hinsichtlich der Faktizität der Verleugnung zu einem begründeten Urteil zu gelangen. Wer sie für eine Tatsache hält, muß dafür den Beweis antreten, wobei er sich auf die Verleugnungstraditionen nicht berufen kann. Wer zu dem Urteil neigt, daß sie erfunden ist, wird sich nicht mit der Feststellung begnügen können, daß die Verleugnungstraditionen unhistorisch und die Verleugnung kein unerfindbares F a k t u m sei ; er muß den Nachweis führen, daß sie erfunden ist, indem er das Motiv aufweist, das zur Erfindung der Verleugnungstraditionen geführt hat. 38

Vgl. dazu unten S. 92f. D I N K L E R a.a.O. S. 199 Anm. 1. Paulus und Jakobus (FRLANT 85), 1963, 94 Anm. 3. Vgl. die Funktion, die das Zweifelsmotiv in den Ostererzählungen hat (s. G B A S S a.a.O. S. 29f.). — S C H M I T H A L S will mit seinen Ausführungen allerdings nur begründen, warum der Bericht über die Verleugnung des Petrus tradiert wurde. Er glaubt nicht, „daß man die Historizität einer Verleugnung durch Petrus überhaupt in Frage stellen kann" (ebd.). Eine Begründung dafür bleibt er schuldig. Seiner Ansicht, daß sich auch in Mk. 8,32 par und Mt. 14,28-31 „Reflexe der historischen Verleugnung des Petrus linden", kann ich mich nicht anschließen. Die „historische Verleugnung des Petrus" setzt S C H M I T H A L S übrigens nicht in der Passion, sondern in der Zeit zwischen Karfreitag und Ostern an. 41 Ebd. 39

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K L E I N möchte dieses Motiv, wie schon gesagt, in einem „grimmigen Ressentiment" gegen Petrus finden42. Aber gesetzt den Fall, daß Petrus durch die Verschiebung der Kräfteverhältnisse in der Jerusalemer Urgemeinde stufenweise aus der Vorrangstellung in eine untergeordnete Position gedrängt worden ist 43 , dann kann ihm die Urgemeinde diesen Vorgang doch unmöglich zur Last gelegt haben in dem Sinne, daß er „dreimal seiner Vergangenheit untreu geworden sei", und solcherlei „Untreue" obendrein noch als Verleugnung des Herrn verstanden haben 4 4 ! Selbst wenn die Positionswechsel des Petrus zugleich „theologische Frontwechsel" 4 5 waren — Klein gibt selber zu, daß man darüber nichts Sicheres wissen kann —, dürfte es doch keine Gruppe in der Urchristenheit gegeben haben, die ihm jeden dieser Frontwechsel angekreidet hätte. Das von Klein genannte Motiv vermag demnach nicht die Entstehung der Verleugnungstradition zu erklären. Martin D I B E L I U S wirft die Frage auf, ob wir es bei der Verleugnung des Petrus „mit einer reinen Personallegende zu tun haben, die eine Nebenperson der heiligen Geschichte mit dem Schimmer wunderbarer Protektion durch Gott oder frommen Heldentums umkleiden will" 46 . Doch er kommt zu dem Schluß: „. . . eben dieser Schimmer fehlt der Erzählung. Eine Legende könnte vom Fall eines Frommen, müßte aber dann auch von seiner Bekehrung erzählen. Die Worte 'da hub er an zu weinen' schildern die Reue, aber nicht die Annahme des Sünders. Das Interesse der Gemeinde an diesem Vorgang scheint anders begründet zu sein . . ." 4 7 Dibelius möchte den Grund für dieses Interesse darin finden, daß „der Vorgang in irgendeiner Weise als Voraussetzung der Oster erscheinungen empfunden worden wäre. Der älteste Bericht der Leidensgeschichte hätte dem Rechnung getragen, indem er die Verheißung der Erscheinungen 14,28 neben die Weissagung der Verleugnung (24,29-31) stellte . . ," 4 8 Doch die Verleugnung des Petrus konnte höchstens als Voraussetzung seiner Ostererscheinung empfunden werden; wollte Mk. 14,28 darauf anspielen, dann hätte der Vers auf 14,30 folgen müssen und nur eine Erscheinung vor Petrus andeuten dürfen. Überdies ist es 42

Vgl. o. S. 70f. und das auf S. 71 dagegen Gesagte. S C H M I T H A L S ( a . a . O . S . 9 4 Anm. 3 ) urteilt: „Schon die behauptete Form der Positionswechsel ist in der vorgetragenen Weise m.E. nicht haltbar." 44 Gegen K L E I N (a.a.O. S . 3 2 4 vgl. o. Anm. 8 ) . Auch S C H M I T H A L S (a.a.O.) urteilt: „Auf keinen Fall konnte auch nur einer dieser 'Positionswechsel' den Petrus als ein Zeichen menschlicher Unzuverlässigkeit moralisch disqualifizieren und so Anlaß zu der Verleugnungsgeschichte geben." 46 45 K L E I N a.a.O. S. 324. Formgeschichte 216. 47 48 Ebd. Ebd. 43

β Linnemann, Fassionsgeschichte

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kaum vorstellbar, daß die Erscheinung des Auferstandenen der Verleugnung seines Jüngers als Voraussetzung bedurfte! Die Annahme, daß „Petrus selbst" „in Verbindung mit seiner Ostererfahrung" von seiner Verleugnung berichtet habe 4 9 , läßt die Frage offen, warum die Gemeinde die Verleugnung nie im Zusammenhang mit der Erscheinung des Auferstandenen erwähnt. H ä t t e die Paradosis l . K o r . 15 dann nicht lauten müssen: „und daß er gesehen worden ist von Kephas, der ihn verleugnete"? Joh. 21,15-19 trägt nichts aus. Sofern das dreimal von Petrus geforderte Bekenntnis, daß er seinen Herrn liebt, auf die dreimalige Verleugnung anspielt, setzt es die Verleugnungstraditionen voraus und sagt nichts über das Motiv ihrer Entstehung. Es läßt sich also keine ursprüngliche Beziehung nachweisen zwischen der Verleugnung des Petrus und der Erscheinung des Auferstandenen vor ihm, die das Motiv zur Entstehung der Verleugnungstraditionen geliefert haben könnte. Wir werden versuchen, ob eine erneute Untersuchung der Texte uns das Motiv erfahren läßt, dem sie ihre Entstehung verdanken.

I I I . Der Text A. Die Ansage der Verleugnung und die Verleugnungserzählung : das literarhritische Problem Zunächst müssen wir einer Frage nachgehen, die bisher merkwürdigerweise zumeist vernachlässigt worden ist, der Frage nach der „literarischen" Beziehung zwischen der Ansage der Verleugnung Mk. 14,27-31 und der Verleugnungserzählung Mk. 14,54. 66-72. Strenggenommen kann diese Beziehung allerdings nicht als literarische bezeichnet werden. Es ist fraglich, ob die eine der beiden Erzählungen — vorausgesetzt, sie bilden keine ursprüngliche Einheit — dem Verfasser der anderen bereits schriftlich vorlag. Der Begriff der literarischen Beziehung muß deshalb hier so weit gefaßt werden, daß er die analoge Abhängigkeit von einer mündlich umlaufenden Erzählung einschließt. Diejenigen Forscher, welche sowohl die Ansage der Verleugnung als auch die Verleugnungserzählung mehr oder weniger direkt auf eine Mitteilung des Petrus zurückführen, konnten die Frage nach der literarischen Beziehung zwischen beiden natürlich nicht stellen. Aber auch jene Exegeten, die beide Perikopen nicht als historischen Bericht verstehen, haben sich diese Frage meist nicht vorgelegt. Weder F I N E G A N noch K L O S T E E M A N N noch L O H M E Y E R noch K L E I N gehen auf 49

E b d . 217.

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sie ein. Bei D I B E L I U S finden sich nur einige verstreute Andeutungen, die sich zum Teil widersprechen. Lediglich B T T L T M A N N h a t sich mit der Frage befaßt. Bultmann hält die Verleugnungserzählung für ein ,,Einzelstück", das „unabhängig von einer zusammenhängenden Darstellung der Passionsgeschichte entstanden" sei 50 . Di e Ansage der Verleugnung sieht er dagegen als eine redaktionelle Bildung an, die als Einleitung f ü r die Verhaftungsszene und die Verleugnungserzählung geschaffen wurde, als man beide miteinander kombinierte 5 1 . Zur Begründung dafür wird — abgesehen von der kategorischen B e h a u p t u n g : ,,Mk 14, 27-31 m u ß . . . eine Fortsetzung gehabt h a b e n " 5 2 — nur gesagt, daß sich der Inhalt von V. 27-31 in der Weissagung der Verleugnung nicht erschöpft, sondern — so ist sinngemäß zu ergänzen — auch die Weissagung der in der Verhaftungsszene erzählten Jüngerflucht enthält 5 3 . Wir müssen jedoch fragen: a) Ist Mk. 14,27-31 wirklich eine redaktionelle Bildung? b) Kann die Ansage der Verleugnung später entstanden sein als die Verleugnungserzählung? a) I s t die Ansage des Verrats ein „ursprünglich selbständiges Traditionsstück" 5 4 , das „unabhängig von einer zusammenhängenden Darstellung der Passionsgeschichte entstanden" ist 5 5 , so m u ß das auch von der Ansage der Verleugnung gelten 5 6 . Wer f ü r Mk. 14,18-21 keine Fortsetzung erwartet, kann nicht gut behaupten: „Mk. 14,27-31 muß . . . eine Fortsetzung gehabt haben." Beide Perikopen sind nach dem gleichen Schema gebaut, das sich aus denselben Elementen zusammensetzt, die mit einer geringen Abweichung kombiniert sind: A. B. C. D.

Die Ankündigung Jesu Die Reaktion der Jünger Die abermalige Ankündigung Der Schriftverweis

Diese Elemente sind in beiden Perikopen folgendermaßen kombiniert : Mk. 14,18-21 Mk. 14,27-31 A A Β D C B D C 50 52 54

51 Gesch. S. 297. Ebd. 3 0 1 . 53 Ebd. 287. Vgl. ebd. 3 0 1 . 55 Ebd. 284, 3 0 0 . Ebd. 297, vgl. 298. 56 Ebd. 3 3 3 f. rechnet denn B U L T M A N N auch Mk. 1 4 , 2 7 - 3 1 ohne Rücksicht auf das S. 287 und 301 Gesagte unter die „Glaubenslegenden", die „aus apologetischen Motiven" entstanden sind. 6*

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Dabei ist zu berücksichtigen, daß Mk. 14,28 eine spätere Einfügung ist, wie längst erkannt wurde 57 . Mk. 14,31, die abermalige Reaktion der Jünger, fügt sich allerdings nicht in das Schema ein. Der Vers ist aber auch nicht stilgemäß : die Perikope müßte mit dem Jesuswort schließen. Man wird die Möglichkeit erwägen dürfen, daß er nachträglich hinzugefügt worden ist, vielleicht aus dem Motiv, die Bereitwilligkeit der Jünger, für Jesus einzutreten, hervorzuheben 58 . Nach B u l t m a n n soll die Ansage der Verleugnung geschaffen sein als redaktionelle Einleitung für die Verhaftungsszene und die Verleugnungserzählung; aber sie steht zu jener keineswegs in der gleichen Beziehung wie zu dieser. Erstens enthält die Verhaftungsszene nicht nur das Moment der Jüngerflucht, sondern auch den Judasverrat und das Wort Jesu, daß sich in seiner Verhaftung, die ihn „unter die Übeltäter rechnet", die Schrift erfüllt. Die Jüngerflucht ist also in der Verhaftungsszene ein Motiv unter anderen, während die Verleugnung des Petrus in der Verleugnungserzählung das einzige Motiv ist. Zweitens ist Mk. 14,27 keineswegs eine Vorhersage der Jüngerflucht, sondern sagt voraus, daß die Jünger Anstoß nehmen, d. h. im Glauben wankend werden. Mag sich solches Wankendwerden der Jünger auch faktisch in ihrer Flucht nach Galiläa dokumentiert haben, dadurch ist eine literarische Beziehung zwischen der Ansage, daß die Jünger Anstoß nehmen werden, und der Erzählung der Jüngerflucht nicht gesichert. Man wird deshalb urteilen müssen, daß zwischen Mk. 14, 27-31 und 14,43-52 keine literarische Beziehung besteht. b) Zwischen Mk. 14,27-31 und Mk. 14,54. 66-72 wird man dagegen eine literarische Beziehung annehmen müssen, schon um der genauen Entsprechung zwischen 14,72 und 14,30 willen. In 14,72 kann diese Entsprechung nicht sekundär hergestellt sein, da das ganze Gefalle der Erzählung auf diesen Vers zuläuft. In 14,30 wäre eine sekundäre Angleichung an 14,72 an sich denkbar. Nun setzt aber die Verleugnungserzählung in Mk. 14,72 voraus, daß ein Wort Jesu bekannt ist, welches die dreimalige Verleugnung Petri voraussagt. Wir haben keinen Grund, dieses Wort nicht in Mk. 14,27-31 zu finden. Demnach ist die Ansage der Verleugnung älter als die Verleugnungserzählung und diese von jener abhängig. In diese Richtung weisen auch die kargen Ausführungen von Dibelitjs zu der Frage. Er sagt mit Bezug auf die Erzählung der Verleugnung: „Man darf . . . annehmen, daß die Erzählung nicht für eine heilsgeschichtliche Darstellung der Passion, also auch nicht für den ältesten Bericht, konzi57

Siehe unten S. 89.

58

Dazu siehe unten S. 89.

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piert ist." 6 9 Über das Verhältnis von Ansage der Verleugnung u n d Verleugnungserzählung deutet Dibelius a n : „Wurde . . . die Verleugnung geweissagt, so mußte sie auch erzählt werden." 6 0 Das Motiv, das sich in dieser Erzählung geltend machte, deutet er an anderer Stelle a n : „Sie wurde . . . erzählt unter dem Gesichtspunkt der Anteilnahme am Schicksal des P e t r u s . " 6 1 Nicht zuletzt ist sie ein Werk novellistischer Erzählfreudigkeit: „Die Verleugnung ist novellistisch reich u n d folgerichtig erzählt . . . Überhaupt darf die ganze Komposition geradezu als künstlerisch gelten." 6 2 Fassen wir zusammen: I m Gegensatz zu Bultmann, der Mk. 14, 27-31 als redaktionelle Bildung betrachtet, sehen wir in dieser Perikope ein ursprünglich selbständiges Traditionsstück, das aus ähnlichen Motiven entstand wie die „Glaubenslegende" von der Ansage des Verrats, der es formal entspricht. Da die Verleugnungserzählung in V. 72 eine Ansage der Verleugnung voraussetzt und Mk. 14,30 in der Formulierung paßgerecht entspricht, dürfte es das wahrscheinlichste sein, das dort Vorausgesetzte in Mk. 14,27-31 zu finden. Demnach ist die Ansage der Verleugnung früher als die Verleugnungserzählung, u n d diese hängt von jener ab. Nachdem die Ansage der Verleugnung bekannt war, f ü h r t e offenbar novellistisches und paränetisches Interesse dazu, die Verleugnung auch zu erzählen. Ob dabei ein besonderes Interesse an der Gestalt des Petrus eine Rolle gespielt hat, ist mir nicht unbedingt sicher. Die Verleugnungserzählung ist natürlich keine Fortsetzung der Ansage der Verleugnung, sondern eine selbständige Perikope, die nur die Bekanntschaft mit jener voraussetzt 6 3 . IV. Der Text B. Die Ansage der Verleugnung 1. D e r M a r k u s t e x t (Mk 14,26-31) a) Zunächst m u ß uns die Frage der Einheitlichkeit des Textes beschäftigen. Dabei ist einmal zu fragen, ob u n d welche Verse nach59 Formgeschichte 216. In scheinbarem Widerspruch dazu sagt DIBELIUS allerdings ebd. 112: „Die Verleugnungsgeschichte . . . ist so sehr mit dem Ganzen der Leidensgeschichte verbunden, daß man sie nicht als isolierte Perikope behandeln kann. Sie hängt aufs engste mit jener Weissagung Mk 14, 26-31 zusammen, die einen wesentlichen Teil der Leidensgeschichte trägt und deutet. . .". 60 61 Ebd. 184. Ebd. 216. «2 Ebd. 216. 63 Vgl. dazu BULTMANN a.a.O. S. 297: „Daß solche Geschichten isoliert überliefert werden konnten, zeigt l.Kor. 11,23ff.; zum Verständnis ist nichts von einem Zusammenhang notwendig ; alles Nötige wird in der kurzen Einleitung gegeben: έν τη νυκτΐ f¡ παρεδίδετο, und dafür ist nur vorausgesetzt, daß jeder Hörer die Tatsache des παραδοθήναι Jesu kennt."

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träglich zugewachsen sind, zum andern, ob der Text aus zwei ursprünglich selbständigen „Motivgruppen" (KLEIN) zusammengewachsen ist. Als späterer Zuwachs gelten die Verse 26 und 28; aber auch für 27 b und 31 wird diese Möglichkeit erwogen. V. 26: Für die Zuordnung dieses Verses kann man nicht von der Voraussetzung ausgehen, daß ύμνήσαντες „nicht einen beliebigen Hymnus, sondern den am Schluß des Pascha gesungenen 2. Teil des Hallel" 64 meint 65 . Jene oft vertretene These ist unzureichend begründet. B I L L E B B E C K , auf den sich alle übrigen Vertreter dieser These beziehen, setzt von vornherein voraus, daß das letzte Mahl Jesu ein Passamahl gewesen ist und bezieht dementsprechend selbstverständlich ύμνήσαντες auf das Hallel. Das Wort selber gibt diesen Bezug nicht her. Die einzige (!) Belegstelle, die Billerbeck dafür angeben kann, daß das Hallel gelegentlich als ΰμνος bezeichnet wird, Pesiq R. 2 (5a), ist —• vorsichtig formuliert — etliche Jahrhunderte jünger als das Neue Testament66. Nur eine größere Anzahl zeitgenössischer oder älterer Belegstellen könnte sicherstellen, daß ΰμνος zur Zeit der Abfassung des Markusevangeliums terminologisch für das Rezitieren des Hallel gebraucht wurde und dementsprechend mit ύμνήσαντες in Mk. 14,26 der zweite Teil des Hallel, das beim Abschluß der Passafeier gesungen wurde, gemeint ist. Als ursprünglicher Perikopenanfang wäre ύμνήσαντες demnach undenkbar: es würde einen Situationsbezug andeuten, der nicht nur überflüssig wäre, sondern auch völlig unklar bliebe. Will man es auf einen vormarkinischen ·—und d.h. möglicherweise judenchristlichen — Erzähler zurückführen, ist man also genötigt, einen ursprünglichen Zusammenhang zwischen der Ansage des Jüngerversagens und der Abendmahlsperikope zu behaupten, wofür sich schwerlich der Beweis antreten läßt. Will man annehmen, daß Markus, der durch die Verbindimg der Abendmahlsperikope mit der Legende von der Vorbereitung des Passamahles das letzte Mahl als Passamahl erscheinen läßt, in 14,26 gleichfalls einen Bezug auf das Passafest herstellen wollte, muß man — von allem andern abgesehen — voraussetzen, daß er nicht nur selber detaillierte Kenntnisse der jüdischen Passafeier besaß, sondern auch bei seinen heidenchristlichen Lesern damit rechnen konnte, daß sie die Anspielung verstanden, was doch wohl mehr als fraglich ist. S C H W E I Z E R dürfte deshalb das Richtige treffen mit seiner Überlegung: „Die Bemerkung könnte . . . auch davon herrühren, daß der Erzähler sich das letzte Mahl Jesu selbstverständlich nach dem Bild der Herrenmahlfeier in seiner Gemeinde vorstellt."67 Mit 1.Kor. 14,26; Kol. 3,16; Eph. 5,19 kann man allerdings lediglich den Nachweis führen, daß in der urchristlichen Gemeinde Psalmengesang üblich war und dementsprechend auch für die Feier des Herrenmahles damit zu rechnen ist. Daß am Schluß des Herrenmahles 6 4 E. K L O S T E R M A N N , Markus S . 149; vgl. B I L L E R B E C K IV, 72f. 75f.; B T J L T M A M Í a.a.O. S . 287; N I N E H A M a.a.O. S . 387; J E R E M I A S , Abendmahlsworte S . 49; L O H M E Y E R , Markus S . 311; G R U N D M A N N a.a.O. S . 288; S C H M I D a.a.O. S . 273. 65 Damit wende ich mich gegen meine eigenen Ausführungen in der ersten

Fassung dieser Studie ZThK 63 (1966) S. 16. 66 Vgl. H . L . S T R A C K , Einleitung in Talmud und Midrasch, 5. A. (Nachdruck) München 1930, S. 196f. und 20Sf. « A.a.O. S. 177.

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der zweite Teil des Halléis gesungen wurde, wie Schweizer offenbar annimmt, läßt sich daraus nicht herleiten. Diese Annahme entspricht offensichtlich dem Wunsch, die neue Einsicht mit der bisherigen Auslegung auszugleichen. D i e E r w ä h n u n g des ύμνήσαντες in M k . 14,26 ist keine A n s p i e l u n g auf das Passafest. Sie ist aber auch nicht bloß eine R e m i n i s z e n z des Erzählers an die H e r r e n m a h l f e i e r n

seiner G e m e i n d e ;

denn

warum

sollte er gerade dieses und nur dieses D e t a i l referieren? Diese E r wähnung hat eine F u n k t i o n als Ü b e r l e i t u n g v o n der

Abendmahls-

perikope zur A n s a g e des Jüngerversagens : A u f die E i n s e t z u n g s w o r t e und den A m e n - S p r u c h k o n n t e unmöglich eine banale N o t i z f o l g e n v o n der A r t „ u n d sie standen auf v o m M a h l und g i n g e n h i n a u s " . D a die nachfolgende P e r i k o p e keiner Ortsangabe bedarf, ist v e r mutlich nicht nur das ύμνήσαντες, sondern der g a n z e V e r s 26 als redaktionelle Ü b e r l e i t u n g v o m E v a n g e l i s t e n Markus gebildet. V . 2 7 b : SUHL 6 8 will g l a u b h a f t machen, daß das S a c h a r j a z i t a t erst nachträglich in die P e r i k o p e e i n g e f ü g t w o r d e n ist 6 9 . Seine A r g u m e n t e sind: (1) „Dieser gewichtige Hinweis auf die Schrift stört den Gang der Perikope. Ohne V . 27b . . . ist sie klar und einheitlich aufgebaut und als Einleitung für eine ursprünglich selbständige Erzählung über die Verleugnung des Petrus verständlich." (2) „ D i e detaillierte Voraussage für die Verleugnung des Petrus war ursprünglich wohl eine Steigerung der allgemeinen Ankündigung V . 27 a. Nach dem Schriftzitat erscheint sie aber nicht mehr als Steigerung, sondern jetzt stehen Weissagung der Schrift und Weissagung Jesu parallel nebeneinander." (3) „Erst durch die Einfügung von V . 27b gewinnt die Ankündigung der Jüngerflucht eine gewisse Eigenständigkeit neben der eigentlichen Petrusgeschichte . . . Außerdem erweckt die Geschichte jetzt den Eindruck, als stünde Petrus selbständig neben den anderen Jüngern und nicht mehr als ein wenn auch besonders hervorgehobener unter ihnen. Er bekommt jetzt eine eigene Weissagung, während es doch eigentlich genügt haben müßte, auf die atl. Weissagung hinzuweisen, vor der auch ein Petrus keine Ausnahmestellung einnimmt." (4) „ A m entscheidendsten ist jedoch, daß Petrus direkt auf Jesu Rede antwortet, aber sich nur auf das σκανδαλισθήσεσθε bezieht, ohne daß doch eigentlich viel entscheidendere, Jesu Worte erst begründende Zitat zu 'berücksichtigen'." 70 D a z u ist zu sagen : a d 1. H i e r w i r d stillschweigend und u n g e p r ü f t vorausgesetzt, daß M k . 14,26-31 später ist als M k . 14,54. 66-72, daß es als E i n l e i t u n g 68 Alfred SUHL, Die Funktion der alttestamentlichen Zitate und Anspielungen im Markusevangelium, 1965. 69 Schon HIRSCH (a.a.O. S. 155) hielt V . 27b für eine „nachträgliche Einschaltung", die die Jünger entschuldigen soll. Aber nicht erst das Schriftzitat, sondern bereits die Vorhersage Jesu macht aus dem Versagen der Jünger einen „vorbestimmten Vorgang". 70 A.a.O. S. 62f.

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für diese Erzählung gebildet ist und daß die Ankündigung des allgemeinen Jüngerversagens nur den „Hintergrund" abgibt für die Ansage von Petri Verleugnung. Das ist jedoch thema probandum. Übrigens, welches Interesse sollte daran bestehen, für eine „ursprünglich selbständige Erzählung" eine „Einleitung" zu bilden? Wäre es aber in Mk. 14,27-31 ursprünglich nur um die Verleugnung des Petrus gegangen, so hätte es der Ankündigung des allgemeinen Jüngerversagens als „Hintergrund" nicht bedurft. ad 2. Suhl hat richtig gesehen, daß die detaillierte Voraussage der Verleugnung des Petrus die Ansage des allgemeinen Jüngerversagens intensiviert. Aber diese Intensivierung wird durch das Schriftzitat keineswegs aufgehoben, sondern verstärkt. Daß Weissagung der Schrift und (die zweite) Weissagung Jesu parallel nebeneinanderstehen, kann man nicht sagen. Diese Weissagung Jesu überbietet noch das Schriftwort, indem sie verdeutlicht, daß es keine Ausnahme konzediert. ad 3. Wenn Suhl das Sacharjazitat ausscheidet, weil es die Perikope nicht aufgehen läßt in einer Einleitung zur Verleugnungserzählung, dann setzt er voraus, was zu beweisen wäre, daß nämlich Mk. 14,26-31 als Einleitung für Mk. 14,66-72 geschaffen wurde. Eine „eigene Weissagung" wird Petrus nicht erst „jetzt", durch „die Einfügung" des Schriftzitats Mk. 14,27b, zuteil. Denn sie ist bereits in V. 30 enthalten, den auch Suhl nicht als sekundäre Zutat ansieht. Das Schriftzitat, dessen sekundäre Einfügung zu beweisen und nicht vorauszusetzen wäre, ändert an dieser Weissagung für Petrus nichts. ad 4. Daß die Erwiderung des Petrus auf das Schriftwort Bezug nimmt, ist nicht gut möglich. Man kann ihm doch nicht die Worte in den Mund legen: „Und wenn alle sich zerstreuen, ich werde mich nicht zerstreuen!" διασκορπίζεσαι kann sinnvollerweise nur auf eine Mehrzahl Anwendung finden; also konnte die Antwort des Petrus aus der Ansage Jesu nur das σκανδαλίζεσ-9-αι aufnehmen. Überdies ist zu sagen: Würde das Schriftzitat im ursprünglichen Text gefehlt haben, dann hätte auf die Ankündigung des Jüngerversagens hin eine Reaktion aller Jünger erzählt werden müssen, denn die Aussonderung des Petrus bliebe dann völlig unmotiviert. Auf das Schriftwort hin, dessen Geltung natürlich nicht in Frage gestellt werden darf, kann dagegen eine Erwiderung nur in der Weise erfolgen, daß versucht wird, eine Ausnahme zu statuieren. Und diese Ausnahme kann natürlich nur der Jünger für sich beanspruchen, welcher den Vorrang besitzt. (Dazu s.u.)

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V. 28 ist „innerhalb V. 27-31 . . . sekundär, da er den Zusammenhang unterbricht u n d über die Verleugnungsgeschichte hinaus auf einen größeren Zusammenhang hinweist" 7 1 . Zu V. 31 ist Suhl der Meinung, daß der „Hinweis auf die πάντες (V. 31 Ende) . . . ursprünglich gefehlt haben mag". „Nach der letzten Beteuerung des Petrus müßte sein Fall erzählt worden sein" 7 2 . Schlüssig ist das allerdings nur auf Grund der petitio principii, daß die Perikope als Einleitung zur Erzählung von der Verleugnung des P e t r u s verfaßt wurde. Man k a n n jedoch erwägen, ob nicht der ganze V. 31 eine spätere Z u t a t ist. Ein vaticinium muß stilgemäß so erzählt werden, daß dem Hörer oder Leser die Erfüllung gewiß erscheint, D a n n muß aber die Vorhersage und nicht der Widerspruch das letzte Wort behalten. E r s t nachdem die Erfüllung der Voraussage bereits erzählt wurde und bekannt war, konnte die Perikope derart erweitert werden. Bilden die Verse 27. 29. 30 eine ursprüngliche Einheit? K L E I N wendet dagegen ein: „Die Voraussage der Jüngerzerstreuung steht zu der Verleugnungsansage in sachlicher Spannung. Sie p a ß t freilich zu V. 50 : xocl άφέντες αύτον έφυγον πάντες, — aber gerade im Lichte dieser Notiz ist es deutlich, daß innerhalb solcher Anschauung vom Verlauf des Passionsgeschehens kein Platz für einen Jünger ist, der sich nicht zerstreuen läßt, nicht flieht, sondern Jesus ins Zentrum der Gegner folgt." 7 3 Damit setzt sich Klein jedoch in Widerspruch zu der richtigen Feststellung, die er auf derselben Seite trifft, daß nämlich das Zerstreutwerden „nicht im lokalen, sondern im prägnant theologischen Sinne" verstanden werden m u ß 7 4 : Das Schriftzitat redet zwar von Zerstreuung, das Wort Jesu jedoch von Anstoßnehmen. D a der Erzähler in seiner eigenen Formulierung freie Wortwahl hatte, bei dem Zitat dagegen gebunden war, ist das Schriftzitat von der Vorhersage Jesu, keinesfalls aber diese von jenem her zu interpretieren. Folgt m a n dieser methodischen Einsicht, d a n n k a n n m a n sich jedoch k a u m der Erkenntnis verschließen, daß in Mk. 14,27-30 von Jüngerflucht keine Rede ist. Der Text sagt nur, daß in der Stunde der Passion alle Jünger von Jesus abfallen. Mag sich, historisch betrachtet, der Abfall der Jünger in ihrer Flucht dokumentiert haben, der Text will nicht sagen, daß die Jünger weglaufen, sondern daß sie den Glauben verlieren. Die Ansage des allgemeinen Jüngerversagens schließt deshalb die Verleugnung des P e t r u s nicht aus. 71 B U L T M A N N a.a.O. S. 287; vgl. W. G . K Ü M M E L , Verheißung und Erfüllung (AThANT 6), 19563, 70; K L E I N a.a.O. S.269f.; K L O S T E R M A N N , Markus S . 148f.; L O H M E Y E R , Markus S . 312; H A E N C H E N a.a.O. S . 488; G R U N D M A N N a.a.O. S . 288; S C H W E I Z E R a.a.O. S . 176f. 73 74 72 S U H L a.a.O. S . 63. A.a.O. S . 2 9 7 . A.a.O. S . 297 Anm. 3.

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Auch „die Aufnahme des σκανδαλισ&ήσεσθ-ε (27) mit σκανδαλισ&ήσοντοα (29)", die auf den ersten Blick künstlich erscheinen mag 7 6 , gibt keinen zureichenden Grund ab für die Annahme, daß die Ansage der Verleugnung erst nachträglich mit der Ansage des allgemeinen Jüngerversagens verbunden wurde. Diese Aufnahme erklärt sich dadurch, daß die Erwiderung Petri die durch die Schrift begründete Vorhersage Jesu für die anderen Jünger gelten läßt, während sie für ihn selbst eine Ausnahme von der Regel erwartet. Das konnte kaum anders formuliert werden als durch die Wiederaufnahme des in der Vorhersage Jesu gebrauchten Verbs 76 . Überdies spricht die Entsprechung von Mk. 14,27. 29f. zu Mk. 14, 18-21 für die Einheitlichkeit der Perikope. b) Wir wenden uns nun der Frage nach dem Aufbau des Textes und der leitenden Absicht zu. So wenig die Perikope einer Ortsangabe bedarf, so sehr bedarf sie einer Zeitangabe, durch welche die Vorhersage auf Jesu Passion bezogen wird. Man wird mit der Möglichkeit rechnen müssen, daß diese bei der Einordnung in den Kontext der Passionsgeschichte verlorenging. Der ursprüngliche Bezug der Vorhersage auf die Passion scheint mir jedoch durch das Sacharjazitat gesichert. Mit dem Hirten kann nur auf Jesus angespielt sein. Außerdem ist ein totaler Abfall der Jünger vom Glauben in keiner anderen geschichtlichen Situation zu verifizieren. Jesus sagt nach Mk. 14,27 seinen Jüngern voraus: πάντες σκανδαλισ&ήσεσ&ε, ,,ihr werdet alle abfallen". Matthäus ergänzt sinngemäß έν έμοί und zeigt dadurch, daß das Abfallen ein „Irrewerden bzw. Zufallkommen" 7 7 an (dem leidenden und erniedrigten) Jesus ist. Die Stellen „Mt. 26,31. 35; 11,6 par. Lk. 7,23; Mt. 13,57 par. Mk. 6,3" „zeigen, daß σκανδαλίξεσθοα έν αύτω das Gegenstück zu πιστεΰσαι είς αυτόν bilden kann" 7 8 . 75

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K L E I N a . a . O . S. 2 9 7 ; E . LOHMEYER S. 312. Auch M. G O G U E L (Did Peter deny His Lord?

[HThR 25, 1932, 1-27] 6) erwägt die Möglichkeit, daß die Perikope nicht einheitlich ist. Seine Begründung ist, daß die Entsprechung zwischen Prophezeiung und Erfüllung im Falle des allgemeinen Jüngerversagens nicht dieselbe sei wie im Falle der Verleugnung des Petrus. Goguel übersieht dabei, daß die Erfüllung in beiden Fällen mit der Verheißung keine literarische Einheit bildet und ihre Entsprechung zur Verheißung deshalb für die Frage der Einheitlichkeit der Perikope Mk. 14,27. 29f. nichts austrägt. 77 G . S T Ä H L I N , σκάνδαλον κτλ., ThW VII, 348, 33. 78 S T Ä H L I N ebd. Ζ. 34-36; vgl. Κ. H. S C H E L K L E , Die Passion Jesu in der Verkündigung des NT, 1949, 20: „'Sich ärgern' ist konträres Wort zu 'gläubig sein' (vgl. Mk. 4,17 zu Lk. 8,13, wo 'sich ärgern' und 'glauben' als gegensätzliche Begriffe erscheinen ; Rom. 9,33, wo 'Ärgernis' und 'glauben' zusammenstoßen; ferner Mk. 6,3 par; Mt. 11,6 par; — Joh. 13,19 und 14,29 ist 'glauben' positiver Ausdruck für 'sich nicht ärgern')."

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I n dem Hinfallen des Glaubens löst sich die Beziehung zu Jesus und ebenso die Beziehung der Jünger untereinander, denn Jesus war es, der sie miteinander verband. So geht das Schriftwort in Erfüllung, daß sich die Schafe zerstreuen, weil der Hirte geschlagen wird 79 . Das Schriftwort verstärkt die Vorhersage Jesu und stellt das Jüngerversagen in besonderer Weise unter das göttliche δει. Läßt der Erzähler auf eine derartige Vorhersage eine Reaktion der Jünger erfolgen, dann vollzieht er damit einen Kunstgriff, der es ihm erlaubt, das vaticinium durch ein abermaliges Wort Jesu zu verstärken und zugleich zu zeigen, daß sich das angesagte Geschehen mit dunkler Notwendigkeit jenseits der guten Vorsätze und der menschlichen Bereitwilligkeit der Jünger vollzieht. Da die Ansage in V. 27 a durch das Schriftwort in V. 27 b verstärkt ist, wäre ein allgemeiner Protest der Jünger allerdings kaum am Platze. Deshalb legt der Erzähler diesen Protest Petrus in den Mund, der ihn stellvertretend übernehmen muß. Dabei ist die Stellung des Petrus als Repräsentant der Jünger vorausgesetzt, die zwar nicht den Verhältnissen im Jüngerkreis zur Zeit Jesu entspricht, wohl aber seine Rolle in den Anfängen der Urgemeinde widerspiegelt. Diese Vorrangstellung des Petrus ist die Voraussetzung dafür, daß der Erzähler in seiner Komposition diesen Jünger eine derartige Ausnahmestellung beanspruchen lassen kann. Da das abermalige Wort Jesu aber eine Bestätigung des vaticinium bringen muß, wird es notwendig zu einer Zurückweisung des Jüngers, den die Erzählung aus kompositiorischer Notwendigkeit dem übrigen Jüngerkreis gegenübergestellt hat. "Peter had singled himself out as the one to be faithful in the midst of general defection. Jesus singles him out as the one out of them all to deny him" 8 0 . D.h. die zweite Herstellung Petri ist eine notwendige Folge der ersten. Haben wir recht mit unserer Annahme, daß Erzählungen wie M i . 14,18-21 und Mk. 14,27. 29f. ein kompositorisches Schema zugrunde liegt, in dem auf eine Reaktion der Angesprochenen hin eine Wiederholung der Vorhersage erfolgen muß, dann werden wir sicher nicht fehlgehen in der Erwartung, daß die Wiederholung zugleich eine Steigerung enthalten muß 8 1 . I n der Perikope von der Ansage des Verrats wird die Steigerung erreicht, indem bei der Wiederholung der Vorhersage das Schriftwort eingeführt wird. Diese Möglichkeit stand dem Erzähler von Mk. 14,27. 29f., der das Schriftwort bereits bei der 79

Vgl. S T Ä H L I N a.a.O. S . 349. Ezra P. G O U L D , A Critical and Exegetical Commentary on the Gospel according to St. Mark (ICC), Edinburgh 19558, S. 276. 81 Vgl. S U H L a.a.O. S . 62. 80

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ersten Vorhersage benutzt hatte, nicht mehr zur Verfügung. E r mußte sich nach anderen Mitteln umsehen. Bei ihm dürfte die Steigerung, die Intensivierung der abermaligen Vorhersage, in der Konkretisierung liegen. Die Vorhersage des Abfalls, die allen Jüngern galt, wird Petrus gegenüber konkretisiert als Verleugnung, dreimal, heute, in dieser Nacht, noch vor dem zweiten Hahnenschrei. Die Ansage einer dreimaligen Verleugnung wird dabei ein Stilmittel sein, um die Totalit ä t und Unentrinnbarkeit dieses Geschehens auszudrücken 82 . Demnach wäre das „ F a k t u m " der Verleugnung des Petrus ein Produkt erzählerischer Notwendigkeit ? ! Das mag auf den ersten Blick phantastisch erscheinen, ist es aber genaugenommen nur solange, wie man daran festhalten will, das Verleugnen des Petrus von dem Verhalten der übrigen Jünger grundsätzlich zu unterscheiden. Die geläufige Unterscheidung zwischen der Verleugnung des Petrus und dem Versagen der übrigen Jünger beruht aber letztlich nur darauf, daß man deren Versagen mit der in Mk. 14,50 genannten Jüngerflucht identifiziert hat. Dazu gibt jedoch der Wortlaut von Mk. 14,27. 29f. keinen Anlaß. Wahrscheinlich sind zwar die Jünger auf Jesu Verhaftung hin nach Galiläa geflohen, und darin zeigt sich, daß sie am Kreuze Jesu Anstoß genommen haben. Man darf aber die Ergebnisse historischer Überlegungen nicht mit literarischen Fragen verquicken. I n Mk. 14,27 wird das Anstoßnehmen der Jünger nicht konkretisiert; von Jüngerflucht ist keine Rede. Der Text Mk. 14,27. 29f. erlaubt es nicht, zwischen dem Anstoßnehmen der Jünger und der Verleugnung des Petrus einen qualitativen Unterschied anzunehmen, weder zugunsten des verleugnenden Petrus, noch zu seinen Ungunsten. Er läßt nicht zu, für Petrus als Plus zu verbuchen, daß er immerhin bis zu seiner Verleugnung dem Herrn nachgefolgt sei, während die anderen Jünger Jesus bereits bei seiner Verhaftung verlassen hätten. E r gestattet es aber ebensowenig, Petrus zum totalen Versager zu stempeln, weil er allein den Herrn verleugnet habe, während die anderen Jünger nur geflohen seien. Lob und Tadel übersehen gleicherweise, daß es dem Text allein um das Versagen des Glaubens geht, worin Petrus sich von den übrigen nicht grundsätzlich unterscheidet. Die Auslegung hat sich an den Wortlaut der Perikope zu halten und sollte sich hüten, vorschnell darüber hinauszugehen. Wie das Anstoßnehmen der Jünger im allgemeinen, so richtet sich auch das Verleugnen des Petrus im besonderen auf die Person Jesu. Während der Gegenbegriff zu σκανδαλίζεσθ-αι έν αύτω durch πιστεϋσοα 82 Vgl. G O G U E L a.a.O. S. 14: ". . . 'deny me thrice' may originally have signified merely 'deny absolutely'."

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εις αυτόν gebildet wird 83 , wird der GegenbegrifF von άρνεΐσ&αι durch όμολογεΐσθ-αι gebildet 84 . D.h. das Anstoßnehmen der übrigen Jünger verhält sich zum Verleugnen des Petrus wie das Glauben zum Bekennen, nämlich als Konkretisierung in einem öffentlichen Akt, nicht aber als ein Geschehen ganz anderer Art 8 5 . So redet der Text nicht von Jüngerflucht und Verleugnung, sondern allgemein vom Anstoßnehmen der Jünger und konkret von der Verleugnung. Die Verleugnung des Petrus ist die — literarische — Konkretisierung des allgemeinen Jüngerversagens. Daß sich diese Konkretisierung mit der Person des Petrus verknüpft, bedeutet keine Herabsetzung dieses Jüngers, sondern ergibt sich literarisch aus dem Reflex seiner Vorrangstellung in der Urgemeinde. 2. Die L u k a s f a s s u n g (Lk 22,33-34) Während die Matthäusfassung der Ansage der Verleugnung gegenüber dem Markustext nur unwesentliche Änderungen aufweist, weicht die Lukasfassung von diesem Text erheblich ab. Deshalb kann die Frage erwogen werden, ob sie nicht auf einer Tradition beruht, die „an der marcinischen Redaktion dieses Stoffes vorbeigeflossen ist" 8 6 . K L E I N sieht „gewichtige Indizien für nichtmarcinisches Gepräge von Lk. V. 33f." sowohl in der „Tatsache, daß hier die Ansage nicht wie bei Markus und Matthäus auf dem Weg zum Ölberg, sondern in der Situation des Herrenmahles lokalisiert ist, als auch" in dem „Fehlen der bei Markus und Matthäus vorliegenden Zeitbestimmung ταύτη τη νυκτι Ä 7 . Dagegen ist jedoch zu sagen: a) Das „Tischgespräch", das Lukas an das Abendmahl anschließt, dürfte von Lukas selbst komponiert sein unter Benutzung von Überlieferungsstücken, die er teils Markus, teils Q, teils seinem Sondergut entnommen hat 8 8 . Auch in Lk. 14,1-24 hat dieser Evangelist die Mahlsituation als redaktionellen Rahmen für eine Reihe von Traditionsstücken benutzt. Aber selbst wenn man — mit S C H Ü R M A N N — annimmt, daß Lukas die Komposition bereits übernommen hat, muß man die Möglichkeit in Betracht ziehen, daß einzelne Traditionsstücke erst vom Evangelisten in diesen Rahmen eingefügt wurden. H a t Lukas S T Ä H L I N a.a.O. S . 348. H. S C H L I E R , άρνέομαι, ThW I, 469. 85 Vgl. S C H E L K L E a.a.O. S . 21: „Mk. 14,30f. 83 84

steht das 'verleugnen' für das 'sich ärgern' in Mk. 14,27. 29." Vgl. auch Rom. 10,10. 8 8E K L E I N a.a.O. S. 294. ' Ebd. 293. 88 Der Nachweis würde den Rahmen dieser Abhandlung sprengen.

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durch die Einfügung des ποτε έπιστρέψας in 22,32 die Verheißung an Petrus mit Petri Verleugnung in Einklang gebracht, dann wird er auch derjenige gewesen sein, der die Verheißung und die Ansage der Verleugnung unmittelbar nebeneinandergestellt hat. Jedenfalls, einerlei ob der Evangelist die Konzeption der Tischgespräche selbst entworfen oder aber übernommen hat, er konnte die Ansage der Verleugnung auch dann, wenn er sie von Markus übernahm, in diese Konzeption einbeziehen und war nicht genötigt, sie als Gespräch auf dem Wege wiederzugeben, wie er sie bei Markus vorfand. Der redaktionelle Rahmen gibt kein Indiz für die Herkunft der Tradition. b) Nicht nur Lukas, sondern auch Matthäus nimmt offenbar Anstoß an der Häufung der Zeitbestimmungen in Mk. 14,30. Während Lukas ταύτη τη νυκτί streicht, hat Matthäus σήμερον gestrichen. Es bedarf also nicht der Annahme einer „lukanischen Aversion gegen mehrfache Zeitbestimmungen des Markus" 8 9 um dieses „Indiz" zu entkräften. Damit sollen natürlich die Unterschiede zwischen Mk. 14,27-31 und Lk. 22,33f. nicht geleugnet werden. Sie erklären sich jedoch daraus, daß Lukas genötigt ist, die Ansage der Verleugnung neu zu formulieren, da er sie aus Tendenzgründen von der Ansage eines allgemeinen Jüngerversagens löst und mit der Verheißung Jesu an Petrus verbindet. Die lukanische Fassung der Perikope geht nicht auf eine Sondertradition, sondern lediglich auf eine tendenziöse Umgestaltung der Markusvorlage durch den Evangelisten zurück. Lukas will von einem allgemeinen Jüngerversagen nichts wissen. Bei der Verhaftung fragen nach seinem Bericht die Jünger, ob sie mit dem Schwert dreinschlagen sollen, und lassen erst auf ausdrückliche Weisung Jesu von weiteren Kampfhandlungen ab 9 0 . Es ist keine Rede davon, daß sie fliehen91, und schließlich stehen alle Bekannten Jesu unter dem Kreuz 92 . Dementsprechend muß Lukas Jesu Ansage des allgemeinen Jüngerversagens streichen. Da er auf die Verleugnungserzählung aber nicht verzichten will, kann er die Ansage der Verleugnung nicht auslassen. Er schwächt sie jedoch ab, indem er sie mit einem Logion aus seinem Sondergut verbindet, in dem Petrus eine besondere, ihn vor allen auszeichnende Verheißung Jesu zuteil wird. Die Verknüpfung beider Traditionen ist allerdings nicht ganz einfach. Zunächst muß der Evangelist die Verheißung abschwächen, um sie mit der Ansage der Verleugnung auszugleichen. E r t u t das, indem 89 K L E I N a.a.O. S . 293 mit Bezug auf S C H Ü B M A N N a.a.O. S . 25 und Ders., Der Pasohamahlbericht Lk. 22,(7-14) 15-18 (NTA XIX/5), 1953, 78. 90 Vgl. Lk. 22,49-51 mit Mk. 14,47. 91 Eine Entsprechung zu Mk. 14,50 sucht man bei Lukas vergebens! 92 Lk. 23,49.

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er die Worte ποτε έπιστρέψας in das Logion einfügt. Da er die Ansage der Verleugnung nicht unmittelbar auf die Verheißung folgen lassen kann, benötigt er ein Wort Petri, das zwischen beiden vermittelt. Für diesen Zweck kann er aber weder Mk. 14,29 noch Mk. 14,31 übernehmen: Mk. 14,31 nicht, weil dieser Vers die Ansage der Verleugnung voraussetzt, Mk. 14,29 nicht, weil die Beteuerung Petri, daß er nicht Anstoß nehmen wird, im Anschluß an die Verheißung Jesu unmotiviert wirken müßte. Lukas ist also darauf angewiesen, V. 33 frei zu formulieren 93 , wobei er sich der Sache nach an Mk. 14,31 hält. „Mit dem Ausfall der Beteuerung hängt es zusammen, daß die Bedingungsform des mark. Satzes in eine Aussage verwandelt werden mußte; richtig liest Lukas die Todesbereitschaft aus der Bedingung heraus und f a ß t diese in einen Aussagesatz." 94 Einige Abweichungen vom Markusvokabular erklären sich durch Vorliebe des Lukas. So die Umwandlung von συναποθανεϊν (Mk. 14,31) in εις θάνατον πορεύεσθαι: „Lukas liebt es, verbale Wendungen zu substantivieren"; ,,πορεύεσθαι ist ein Vorzugswort des Lukas", und „als Terminus der Justiz verwendet Lukas gern θάνατος" 95 . Wenn Lukas neben dem Tod auch noch das Gefängnis erwähnt, will er damit zweifellos den Eindruck „grenzenloser Nachfolgebereitschaft" 9 6 des Petrus erwecken. Für unwahrscheinlich halte ich es jedoch, daß er dadurch den „Kontrast zur folgenden Verleugnungsansage" 9 7 verschärfen will. Das ist zwar das Ergebnis, dürfte aber ebensowenig die Absicht des Lukas gewesen sein, wie im Markustext mit 14,31 dergleichen beabsichtigt ist. I n der Vorhersage der Verleugnung schwächt Lukas, seiner Tendenz entsprechend, die dreimalige Verleugnung Jesu ab in eine dreimalige Verleugnung, ihn zu kennen. Möglicherweise hat er dabei auch an das Logion Lk. 12,9 gedacht. Eine Entsprechung zu Mk. 14,31 kann Lukas im Anschluß an die Vorhersage der Verleugnung nicht bieten, weil er diesen Vers ja bereits in 22,33 verarbeitet hat. Die lukanische Fassung der Ansage der Verleugnung verlangt demnach nicht die Annahme einer eigenen Textgrundlage. Sie läßt sich ohne Schwierigkeiten aus dem Markustext ableiten, wenn man die kompositorische Situation berücksichtigt, die dadurch entstand, daß Lukas die Ansage des allgemeinen Jüngerversagens streichen, die Ansage der Verleugnung bewahren und die Sondertradition der Verheißung Jesu in den Kontext einbauen wollte. 93 Daher das „völlig verschiedene Vokabular", das nach (S. 292) gegen eine Abhängigkeit von Markus spricht. 95 94 S C H Ü E M A N N a.a.O. S . 30f. Ebd. 31. 9 96 D I N K L E R a.a.O. S . 206. ' D I N K L E B ebd.

KLEIN

a.a.O.

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Verleugnung

V. Der Text C. Die Verleugnungserzählung: Mk. 14,54. 66-72

par.

Der Markustext bietet wenig exegetische Probleme, die einer erneuten Diskussion bedürften. Lediglich die Formulierung der ersten Verleugnung des P e t r u s (ουτε οΐδα οΰτε έπίσταμαι σύ τί λέγεις) h a t in jüngster Zeit einigen Exegeten Anstoß bereitet. Peter Boyd hält sie f ü r derart unlogisch, daß er eine psychologische Erklärung f ü r sie sucht und findet: "Peter must have been under considerable stress a t t h e time . . . such a tension would have been too harrowing to permit clear thought and logical replies. Mark's account reveals a progress in t h e degree of Peter's defection which rings so t r u e psycholigically t h a t it suggests an actual occurrence rather t h a n mere literary a r t . " 9 8 Günter K L E I N sieht in ihr eine „unmögliche Auskunft", die „bei jedem Leser, der sich nicht auf die Verwirrung des Denkvermögens Petri zurückzieht, die Frage provozieren [muß] : ' W h a t did Peter actually d e n y ? ' " 9 9 . Der Anstoß, den die Exegeten an der Formulierung nehmen, ist verwunderlich, wenn m a n bedenkt, daß BILLEKBECK uns schon längst den Schlüssel zu ihrem Verständnis in die H a n d gegeben h a t und KLOSTEEMANN ausdrücklich darauf verweist. Billerbeck bringt eine Parallele aus Sch e bu 8,3. 6: „(Wenn einer sagt:) Wo ist mein Ochse? u n d der andre sagt: Ich weiß nicht, was du redest . . ." 10 °. Der Sinn der Stelle liegt klar auf der H a n d . E s ist der Fall gesetzt, daß sich jemand angesichts der Behauptung, den fremden Ochsen zu haben (oder in Verwahrung gehabt zu haben), aus der Affäre zieht, indem er beteuert: „Ich habe mit der Sache überhaupt nichts zu t u n " . Dementsprechend dürfte der Inhalt der ersten Verleugnung des P e t r u s die Beteuerung sein, daß P e t r u s mit der Sache, von der die Sklavin redet, nicht das geringste zu t u n habe 1 0 1 . 98

Peter's Denial. Mark XIV, 68, Luke X X I I , 57 (ET 67, 1955/56, 341). A.a.O. S. 308. K L E I N nimmt dabei eine Formulierung auf von O. J. F. S E I T Z , Peter's „Profanity". Mark 14,71 in the Light of Matthew 16,22 (in: Studia Evangelica [TU 75], 1959, 516-519, 518f.), verbindet damit aber einen anderen Gedanken als dieser (s.u.). 100 Kommentar zum NT aus Talmud und Midrasch II, 19562, 51. 101 S E I T Z möchte der Verleugnungserzählung den Sinn entnehmen, daß Petrus sich — in Unkenntnis des Messiasbekenntnisses Jesu vor dem Hohen Rat — darum bemüht, nicht zu verraten, daß Jesus der Messias ist, um ihn auf diese Weise zu retten. Seitz setzt dabei voraus, daß die Verknüpfung des Verhörs Jesu vor dem Hohen Rat mit der „Verleugnung" des Petrus nicht literarischtheologische Komposition, sondern historisches Faktum sei, daß Petrus nicht von einer Sklavin zufällig angesprochen, sondern im Auftrag des Hohenpriesters ausdrücklich verhört worden sei und daß der Terminus ,,Ναζαρηνός or its variant Ναζωραϊος" (als ob das dasselbe sei ! Markus gebraucht Ναζωραΐος übrigens nie!) eine messianische Nebenbedeutung habe. Das sind Voraussetzungen, die wir nicht zu teilen vermögen! 99

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Die Matthäusparallele läßt sich ohne Schwierigkeiten aus dem Markustext ableiten, wenn man Stil und Eigenart des Evangelisten beachtet 1 0 2 . Für die Lukasfassung muß jedoch erneut die Frage aufgeworfen werden, ob sie von Markus abhängig ist oder auf eine eigenständige Tradition zurückgeht. K L E I N führt gegen eine Abhängigkeit der Lukasfassung von der Markusparallele drei Gründe an: „1. Es ist durchaus nicht einzusehen, daß Lukas die bei Mk. (14,54. 66-72) gespaltene Verleugnungsgeschichte wieder zu dem einheitlichen Komplex Lk. 22,54-62 zusammengefügt haben sollte". 103 Daß Lukas „von keiner nächtlichen Verhandlung gegen Jesus berichtet, mit der Markus und Matthäus den Verleugnungskomplex unterbrechen", ist für Klein „kein Gegenargument" 104 . Lukas hätte die kompositorische Verflechtung des Markus, die Petrus und Jesus gegenüberstellt, wenn nicht durch die Verhandlungs-, so doch durch die Mißhandlungsszene aufrechterhalten können, zumal er durch seinen Zusatz in V. 61a deutlich zu erkennen gibt, daß ihm an dieser Gegenüberstellung gelegen ist. Klein übersieht dabei, daß die Mißhandlung Jesu der Komposition unmöglich den gleichen Dienst erweisen kann wie das Bekenntnis Jesu 1 0 5 . Er bedenkt auch nicht, daß Lukas die Mißhandlung — wie es ihm offenbar angemessener erscheint — aus einem Akt des Synedriums zu einem Zeitvertreib der Bewacher Jesu macht und dementsprechend in den Hof des hohenpriesterlichen Palastes verlegt10®. Würde Lukas unter diesen Umständen die zeitliche Verschränkung von Verleugnung und Mißhandlung aufrechterhalten, dann hätte er Petrus zum Augenzeugen der Mißhandlung Jesu gemacht und ihn in das Angesicht des mißhandelten Herrn verleugnen lassen. Das ist aber mit der Tendenz des Lukas, die Jünger zu entschuldigen, unvereinbar. Insofern ist es durchaus „einzusehen, daß Lukas die Verleug102 LOHMEYER möchte allerdings wie stets so auch für Petri Verleugnung die Unabhängigkeit des Matthäustextes von Markus feststellen (Das Evangelium des Matthäus [MeyerK, Sonderband], 19582, 372). Da sein Hauptargument die Unabhängigkeit des Matthäus in der Verhörszene ist, mag die Frage auf sich beruhen, damit der Rahmen dieses Aufsatzes nicht gesprengt wird. 103 104 A.a.O. S. 290. Ebd. 105 Markus stellt mit Bedacht dem verleugnenden Jünger den bekennenden Herrn gegenüber. 106 Diese Umformung dürfte auf Lukas zurückgehen. Vgl. dazu den umgekehrten Vorgang in Lk. 22,52 par Mk. 14,48, wo Lukas an Stelle des bewaffneten Haufens das Synedrium zum Adressaten des Wortes Jesu macht. Lk. 22,52 gibt sich als Bildung des Lukas dadurch zu erkennen, daß der Evangelist in seiner Parallele zu Mk. 14,43 die „Hohenpriester, Schriftgelehrten und Ältesten", welche Markus als Absender der bewaffneten Schar genannt hat, unerwähnt läßt, um sie 22,52 — als Anwesende •— zu nennen.

7 Linnemann, Passionsgeschichta

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nungsgeschichte wieder zu einem einheitlichen Komplex zusammengefügt haben sollte" 107 . Der lukanische Zusatz in Y. 61a (καί σταφείς ό κύριος ένέβλεψεν τω Πετρω) spricht nicht dagegen, sondern dafür. Entsprechend einer bei ihm immer wieder zu beobachtenden Eigenart, von seinen Traditionen nichts unter den Tisch fallen zu lassen, sondern das, was er an einer Stelle nicht gebrauchen kann, an einer anderen nachzutragen, nimmt Lukas in jenem Zusatz die Absicht des Markus bei der Verschränkung der beiden Perikopen, Petrus mit Jesus zu konfrontieren, auf seine Weise auf. Wenn Lukas in der Regel der Perikopenordnung des Markus folgt und sich nur dort, wo er eine Perikope in einer anderen als der Markusfassung überliefert, nicht an die Ordnung hält, so darf man daraus doch nicht den Schluß ziehen, daß Umstellungen in der Perikopenordnung nicht auf das Konto des Lukas kommen könnten. Daß sich lediglich in der Passionsgeschichte solche Umstellungen klar feststellen lassen, braucht nicht zu bedeuten, daß dem Evangelisten neben dem Markustext noch eine weitere geschlossene Passionsgeschichte vorlag. Es kann ebensogut darauf beruhen, daß die Reihenfolge der Perikopen in der Passionsgeschichte naturgemäß weniger beliebig ist als im übrigen Evangelium. Daher konnten sich hier mehr als sonst Motive geltend machen, die zu einer Kritik an der Markusvorlage führten. Offensichtlich ist Lukas bemüht, den Ablauf der Ereignisse plausibler zu gestalten 108 . Daneben spielen apologetische und theologische Motive eine Rolle. Wenn Lukas sich nicht scheut, zwei Markusperikopen zu einer zusammenzufassen, ist nicht anzunehmen, daß ihn eine „Aversion . . . gegen perikopenweise Umstellungen seiner Mk.-Vorlage" 109 davon abgehalten hätte, die Stücke daraufhin neu zu ordnen. 2. Der nächste Grund, den Klein für die Eigenständigkeit der Lukasfassung angibt, ist die ungeschickte Verknüpfung der Verleugnung des Petrus mit der Mißhandlung Jesu: ,,. . . das Subjekt von V. 62 [ist] grammatisch mit dem Objekt von V. 63 identisch, sachlich aber von ihm unterschieden . . . " n o Klein meint, diese Inkonzinnität sei eher einer vorlukanischen Redaktion zuzuschreiben als dem Schriftsteller Lukas ; aber hätte sie 107

A.a.O. S. 290. Jesu Protest bei der Verhaftung wird an die Obrigkeit adressiert, die Mißhandlung den Bewachern zugeschoben, die zwei Zusammenkünfte des Hohen Rates werden auf eine reduziert und dadurch das ungewöhnliche und ungesetzliche Verhör bei Nacht gestrichen. Pilatus wird zunächst einmal der Anklagepunkt genannt. 109 K L E I N a . a . O . S. 290 im Anschluß an J E R E M I A S . 110 A.a.O. S. 291. 108

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dem Schriftsteller Lukas nicht auffallen und seine Korrektur herausfordern müssen, wenn er sie vorgefunden hätte ? Eher läßt sich denken, daß ihm der Fehler entging, wenn er selbst die Umstellung vornahm. 3. Das dritte Argument Kleins ist die Beobachtung, daß sich die Verleugnung bei Lukas — im Unterschied zur Darstellung des Markus — „in allen drei Stadien in der αύλή" abspielt 111 . Auf Grund des Ortswechsels erscheint Klein „der Markusbericht eher als das Produkt sekundärer Psychologisierung einer archaischen Erzählung, die an der subjektiven Befindlichkeit des Hauptbeteiligten noch so wenig interessiert war, daß sie ihn seine Verleugnungen sozusagen seelenruhig nacheinander μέσος αυτών sitzend ableisten lassen konnte" 1 1 2 . Dazu ist zu sagen: Der Ortswechsel wird zwar von den Auslegern in der Regel psychologisch gedeutet, wird aber von der Markuserzählung selbst auch nicht durch die geringste Andeutung psychologisch motiviert. Überdies bleibt Petrus nach der zweiten Bemerkung der Magd „seelenruhig" in der Vorhalle, wo sich nicht nur die Magd befindet, die ihn erkannt hat, sondern auch die „Umstehenden", denen er entdeckt worden ist. Dann kann mit dem Ortswechsel doch kaum gemeint sein, daß Petrus den Boden verläßt, der ihm zu heiß geworden ist. Der Ortswechsel ist nicht psychologisch zu verstehen, sondern hat seine Funktion in der Erzählung: Er motiviert die abermalige Feststellung durch die gleiche Person. Folgerichtig fehlt er in der Lukaserzählung, die das erste und das zweite Erkennen verschiedenen Personen zuweist und deshalb die Markierung des Szenenwechsels durch den Ortswechsel nicht nötig hat. Trägt der Ortswechsel für die Frage der Priorität nichts aus, so erweist er doch, neben einigen anderen Indizien, daß beide Textfassungen eine gewisse erzählerische Eigenständigkeit besitzen. Läßt sich daraus der Schluß ziehen, daß der lukanische Verleugnungsbericht vom markinischen unabhängig ist? Nur dann, wenn sich die Möglichkeit ausschließen läßt, daß die lukanische Fassung von Lukas unter Benutzung des Markustextes geschaffen ist. Die Lukasfassung verrät —- wie Klein zugibt 113 — deutlich die Hand des Evangelisten: άτενίζειν (Lk. 22,56 άτενίσασα/Mk. 14,67 εμβλέψασα) findet sich — abgesehen von 2.Kor. 3,7. 13 — nur bei Lukas, dort aber zweimal im Evangelium und neunmal in der Apostelgeschichte. βραχύ (Lk. 22,58/Mk. 14,70 μικρόν) verwendet unter den Synoptikern nur Lukas, abgesehen von dieser Stelle noch in Apg. 6,34 und 27,28. διϊσταναι (Lk. 22,59 διαστάσης) kommt im Neuen Testament nur bei Lukas vor (außer hier noch Lk. 24,51 und Apg. 27,28). 111 7*

Ebd.

112

Ebd.

113

A.a.O. S. 291, bes. Anm. 3.

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Dasselbe gilt für διϊσχυρίζεσ&αι (Lk. 22,59; Apg. 12,15). παραχρήμα kommt Mt. 21,19. 20 vor, sonst jedoch im Neuen Testament nur bei Lukas, und dort nicht weniger als zehnmal im Evangelium und sechsmal in der Apostelgeschichte114.

Erst wenn es gelingen würde, die postulierte „archaische" Tradition des Lukas herauszuarbeiten und von seiner Redaktionsarbeit zu unterscheiden, wäre bewiesen, daß Lukas für die Verleugnungserzählung eine außermarkinische Tradition benutzt hat. Solange halte ich mit Finegan die lukanische Passung für eine Umformung des Markustextes. Die treibende Kraft, die sie hervorbrachte, dürfte die schon oft vermerkte Tendenz des Lukas gewesen sein, Petrus zu schonen. Diese Tendenz machte ihm die Worte ó δε ήρξατο άναθεματίζειν και όμνύναι, die er im Markustext bei der letzten Verleugnung des Petrus vorfand, unannehmbar. Mit einer einfachen Streichung war es jedoch nicht getan. Mit diesen Worten fiel die sorgsam aufgebaute Steigerung des Textes dahin. Wollte Lukas nicht auf sie verzichten, mußte er die Perikope völlig neu gestalten. Er tat das im wesentlichen dadurch, daß er ihre einzelnen Bestandteile umgruppierte. Bei Markus ist die Perikope so aufgebaut, daß sowohl die Anfechtungen des Petrus als auch sein Verleugnen gesteigert sind. Die Anfechtung steigert sich, indem die Sklavin zunächst Petrus allein anspricht, dann die Umstehenden auf ihn aufmerksam macht und schließlich diese feststellen, daß Petrus zu Jesus gehört, da er ein Galiläer ist. Die Verleugnung steigert sich von der ersten zur dritten, während die zweite nur die Dreizahl auffüllt. Den gleichen Aufbau finden wir bei Lukas, nur mit anderen Details durchgeführt. Die erste Steigerung der Anfechtung erfolgt hier nicht durch die Einbeziehung der Umstehenden, sondern dadurch, daß an Stelle der Sklavin ein Mann die Feststellung trifft. Die zweite Steigerung liegt wie bei Markus in der ausdrücklichen Bekräftigung (έπ αληθείας) und der Begründung (καί γάρ Γαλιλαίος έστίν), die für Petri Zugehörigkeit zu Jesus gegeben wird. Da Lukas in der letzten Verleugnung nicht nur an den Worten δ δε ήρξατο άναθ-εματίζειν καί όμνύναι Anstoß nahm, sondern auch das verächtliche τον άνθρωπον τούτον nicht stehenlassen wollte, verlor die dritte Verleugnung völlig an Gewicht und wirkte noch schwächer als diejenige, welche Markus als erste überliefert. Folgerichtig stellte Lukas jene an das Ende, mußte sich dann aber an ihrem Platze nach einer neuen Formulierung umsehen. Dafür konnte er die dritte Verleugnung bei Markus gebrauchen, wenn er αύτον an Stelle des verächtlichen τον άνθρωπο ν τούτον einsetzte. Die erste Verleugnung entsprach dann χμ ygi. Finegan a.a.O. S. 23f.

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genau seiner Abschwächung von Mk. 14,50 in Lk. 22,34 : Petrus leugnet lediglich, Jesus zu kennen115. Aus dem gleichen Grunde, aus dem Lukas in 22,34 geändert hatte, konnte er die Formulierung der zweiten Verleugnung (ό δέ πάλιν ήρνεΐτο) nicht von Markus übernehmen116. Lukas leitet seine Formulierung aus der Anrede κ αί συ έξ αυτών εΐ ab und schwächt dadurch die Verleugnung Jesu ab zu der Verleugnung, zu ihm zu gehören. Wie bei Markus wird auch bei Lukas abgewechselt zwischen dem feststellenden ,,er" und dem anredenden „du", nur daß Lukas mit dem ,,er" beginnt und dadurch eine Steigerung zwischen der beiläufigen Feststellung und der direkten Anrede gewinnt. Dementsprechend finden wir das „ e r " bei ihm, anders als bei Markus, ein zweites Mal. In der zweiten Anfechtung des Petrus übernimmt Lukas das έξ αυτών aus dem parallelen Markusvers, verbindet es dann aber, seinem Wechsel von Feststellung und Anrede zufolge, mit dem και σύ aus Mk. 14,67 und ändert dementsprechend έστιν in εϊ. Umgekehrt hat er das οδτος, das er bei Markus in V. 69 vorfand, für die Feststellung der Magd in 22,56 benutzt. Da die Lukasfassung auf den Ortswechsel verzichtet, muß sie die zweite Verleugnung durch eine Zeitangabe von der ersten absetzen. Lukas findet dafür ein Vorbild im Markustext, wo die dritte Verleugnung auf diese Weise von der zweiten abgehoben wird. Er nimmt von dort auch die Formulierung, nur daß er μικρόν durch βραχύ ersetzt, das er vorzieht. Er ist dann aber genötigt, zur Absetzung der zweiten von der dritten Szene eine neue Zeitangabe zu bilden. Er tut das unter Verwendung eines seiner Lieblingswörter. Diese Zeitangabe fällt aus dem Stil volkstümlicher Erzählung heraus und erweckt den Anschein einer genauen Berichterstattung117. Es zeigt sich also, daß die Parallelität zwischen der Lukasfassung der Verleugnungserzählung und dem Markustext weit größer ist, als es zunächst den Anschein hat. Die wörtlichen Entsprechungen sind so zahlreich, daß man an der Annahme literarischer Abhängigkeit wohl kaum vorbeikommt. Man darf sie jedoch nicht nur im Parallelvers suchen, sondern muß die Verschiebungen im Lukastext beachten. 115 Auf diese Umstellung haben bereits F I N E G A N ( a . a . O . S . 23f.) und B O Y D (a.a.O. S. 341) hingewiesen, ohne sie jedoch ausreichend zu begründen. 116 Nebenbei mag auch die Umformung der zweiten Anfechtung in die direkte Rede, die einer allgemeinen Tendenz in der Geschichte der synoptischen Tradition entspricht, hier eine Rolle spielen. Auch dieser Zug zeigt übrigens, daß die Lukasfassung im Vergleich zum Markustext keineswegs eine „archaische Erzählung" ist. 117 Vgl. dazu aber auch GOGUEL, Did Peter deny His Lord, S. 8: "Luke says that between the second and the third about an hour elapsed. He seems to have wanted to prolong the duration of the scene. This was necessary because in his account the story begins earlier than in Mark... and still has to end at cock-crow."

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VI. Das Motiv für die Entstehung der Perikopen vom Jüngerversagen (Mk. 14,18-21 par.; Mk. 14,27-31 par.; Mk. 14,54. 66-71 par.) Wir hatten gesehen, daß das Versagen der Jünger in der Passion Jesu doch wohl ein Faktum ist. Dasselbe dürfte m.E. vom Verrat des Judas gelten 118 . Die Verleugnungstraditionen sind literarische Fiktion, setzen aber das Faktum des allgemeinen Jüngerversagens voraus. Damit sind zwar die Voraussetzungen für die Entstehung der Perikopen vom Jüngerversagen erklärt, nicht aber die Entstehung dieser Perikopen selber. Das bloße Faktum des Jüngerversagens konnte für die Urgemeinde kein zureichender Grund sein, dieses Versagen mitzuteilen. Noch weniger macht es die Art und Weise verständlich, in der diese Mitteilung geschah. Was drängte die Gemeinde dazu, das Jüngerversagen zur Sprache zu bringen? Apologetische Motive scheiden aus. Niemand aus der wachsenden Gemeinde hätte von dem Versagen der Jünger wissen können, wenn jene Jünger nichts davon mitgeteilt hätten. Die beste Apologie würde das Verschweigen gewesen sein. Auch das Motiv der Theodizee reicht nicht aus, um die Entstehung der Perikopen vom Jüngerversagen zu erklären. Ginge es um die Frage, warum Gott es zuläßt, daß seinem Gesalbten solches geschieht, dann hätte es genügt, in einer einzigen Perikope das Verraten- und Verlassenwerden anzusagen und durch die Schrift als gottgewollt zu begründen, und die Ansage hätte dann nicht lauten dürfen: „Einer unter euch wird . . .", „Ihr werdet . . sondern „Ich werde . . oder „Mir wird es widerfahren . . ." 119 . Die Art und Weise, in der die Gemeinde das Jüngerversagen zur Sprache bringt, belastet die Jünger weit mehr, als die objektiven Fakten ihnen angelastet werden konnten. Sind die Jünger bei der Verhaftung Jesu geflohen, so wird der nüchterne Beurteiler der Lage 118 Die von K L E I N (a.a.O. S . 309 und Die zwölf Apostel [FRLANT N F 59], 1961, 56), E. B A R N I K O L (Das Leben Jesu der Heilsgeschichte, 1958, 332f.) und W. SCHMITHALS (Das kirchliche Apostelamt [FRLANT 79], 1961, 58f.) vorgetragene These, daß es „innerhalb des nachösterlichen Zwölferkreises . . . zu einem aufsehenerregenden Fall von Abtrünnigkeit [kam], der, als im Laufe der weiteren Traditionsbildung das Kollegium in die historia Jesu zurückprojiziert wurde, diese Verlegung mitmachte" (KLEIN, Die zwölf Apostel, 36 Anm. 140), hat mich nicht überzeugt. M.E. war der Verräter ein Jünger Jesu, wurde aber nachträglich, als man den Zwölferkreis in das Leben Jesu zurückprojizierte, zu diesem hinzugezählt, weil man aussagen wollte, daß der Verräter zum engsten Kreise der Jesußjünger gehörte. Ähnlich urteilt auch V I E L H A U E R (Gottesreich und Menschensohn in der Verkündigung Jesu [in: Festschr. f. G. Dehn zum 75. Geb., 1957, 51-79], 63f.). 119 Gegen S U H L a.a.O. S . 64.

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sich fragen: „Was h ä t t e n sie denn machen sollen, als die Polizei kam? Zwei Schwerter sind schon zuviel !" 120 . Die Gemeinde aber bringt dieses Verhalten als ein Anstoßnehmen an Jesus zur Sprache. Was den Verrat anbelangt, so könnte m a n verstehen, daß die übrigen Jünger den Verräter verachtet, gehaßt u n d angeklagt hätten. Man sollte erwarten, daß sie sich von ihm distanziert haben würden u n d ihn als in Wahrheit gar nicht zu ihnen gehörig betrachtet hätten. S t a t t dessen bemühen sie sich bei jeder Erwähnung des Verräters darum, ihn ausdrücklich als einen der Ihren zu bezeichnen, und die Perikope von der Ansage des Verrats läßt jeden der Jünger fragen: μήτι εγώ?

Was nötigte die Jünger dazu, ihr Versagen in solcher Weise zur Sprache zu bringen? E s dürfte die Glaubenserfahrung des Versagens selber gewesen sein. Es scheint zwar absurd zu sein, von einer Glaubenserfahrung des Versagens zu reden, aber dennoch ist diese Erfahrung eine solche, die nur unter der Voraussetzung des Glaubens gemacht werden kann. Unter dem Gesetz, wie es der J u d e versteht, h a t sich der Mensch in seiner Hand, wie es in Ps. 119,109 gesagt wird: „Ich trage meine Seele immer in meinen Händen, und ich vergesse deines Gesetzes nicht." Gewiß, der Mensch k a n n straucheln, aber er ist es, der das Böse vollbringt, es war sein Wille, der die Entscheidung traf, auch dann, wenn der böse Trieb ihn dazu reizte. I m Glauben machen die Jünger die Erfahrung, daß sie sich nicht in der H a n d haben, daß sie über die eigentliche Entscheidung nicht verfügen, sondern mit ihrer ganzen Existenz ausgesetzt sind, ohne daß ihnen damit die Verantwortung abgenommen wäre. I m Glauben erfuhren die Jünger ihr Verhalten in der Passion als Versagen des Glaubens. Diese ungeheuerliche E r f a h r u n g des Seiner selbst-nicht-sicher-Seins wollte zur Sprache kommen. Sie suchte nach einer Hilfe zum Verstehen des Rätselhaften, Bedrängenden, und f a n d sie im Wort der Schrift. Es wurde die Antwort gehört: Auch da, wo wir uns selbst nicht in der H a n d haben, sind wir in Gottes H a n d . Nachtrag Die Erwiderungen von G. Klein gegen meine Ausführungen 1 2 1 verlangen eine Replik. Merkwürdigerweise macht er mir zum Vorwurf, ich hätte für das Logion Lk. 22,31 f. eine „Spätdatierung" vorgeschlagen, obwohl ich mich in Anm. 23122 120

E. FUCHS, Glaube und Erfahrung (Ges. Aufs. III), 1965, 18. Notabene: Fuchs hält die Jüngerflucht für ein literarisches Motiv, einen Topos. 121 122 Berufung S. 39-44. = ZThK 63 (1966) Anm. 21 (S. 63).

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in der Frage der zeitlichen Ansetzung des Logions ausdrücklich ihm angeschlossen hatte. Klein übersieht, daß die Frage, ob das Logion ein vaticinium ex eventu oder ein nachösterliches Prophetenwort ist, f ü r die Datierung des Logions nichts austrägt. Auch das vaticinium ex eventu m ü ß t e notwendig nach Ostern entstanden sein, was Klein ja auch annimmt. Zu seiner Argumentation ist zu sagen: ad 1. Ich habe niemals behauptet, daß das Logion in eine Phase gehören müsse, in der der Kephas-Titel sich bereits durchgesetzt hatte. Das ließe sich auch nur d a n n aus meiner Ansetzung des Logions in einer ersten Verfolgung der Gemeinde entnehmen, wenn es feststünde, wann die Phase des konsolidierten Kephas-Titels beginnt. D a ß „der Titel so alt ist wie die grundlegende Ostererfahrung seines Trägers" 1 2 3 ergibt keinen Sinn, denn Klein wird doch nicht sagen wollen, daß Simon sein neuer Titel in einer mit der Erscheinung des Auferstandenen verbundenen Audition mitgeteilt worden ist. Auch abgesehen davon ist die Selbstverständlichkeit fragwürdig, mit der m a n annimmt, daß Simon der Kephas-Titel zuteil wurde, weil er die erste Ostererscheinung h a t t e . An den Texten h a t diese Annahme keinen Anhalt. J o h . 21,15-19 ist eine Verleihung des Kephas-Titels nicht erwähnt. Mt. 16, 13-20 wird dadurch, daß der Auferstandene spricht, wie B u l t m a n n mit R e c h t annimmt, noch nicht zur Ostergeschichte. Jeder Hinweis auf Osterereignisse fehlt, u n d kein Anhaltspunkt läßt darauf schließen, daß eine Urfassung des Textes existierte, in der solche Hinweise enthalten waren. Selbst wenn „die Vermutimg richtig [ist], daß Mt. 16,17-19 ursprünglich den Schluß der Bekenntnisszene gebildet h a t " 1 2 4 , ·— was ich mit Strecker 1 2 5 bezweifle — k a n n m a n der Perikope nicht entnehmen, d a ß Simon der Kephas-Titel wegen seiner „grundlegenden Ostererfahrung" zuteil wurde. Jene Annahme ist zunächst nichts anderes als eine Kombination der beiden uns gegebenen Daten, der Simon auszeichnenden ersten Ostererscheinung u n d des ihn aus dem Jüngerkreis hervorhebenden Kephas-Titels. Einen Zusammenh a n g zwischen beiden wird niemand bestreiten wollen; die Frage ist nur, ob er so simpel u n d direkt ist. F ü r seine Behauptung, daß der Kephas-Titel „auf keinen Fall jünger als die erste Christen Verfolgung" sei 126 , spart Klein sich jede Begründung. Wae gibt ihm die Sicherheit solcher Datierung? L ä ß t sich das E n t s t e h u n g s d a t u m von Mt. 16,17f., „welche Tradition" den Beginn „der Phase des konsolidierten Kephas-Titels . . . markiert" 1 2 7 , u n d das J a h r der ersten Verfolgung der Urgemeinde so genau fixieren, daß sich die E n t s t e h u n g des Logions vor Beginn dieser Verfolgung durch den Vergleich der Daten mit Sicherheit ausschließen läßt ? Klein macht noch nicht einmal den Versuch einer solchen zeitlichen Fixierung! ad 2. Die Frage Kleins, ob sich denken lasse, „daß zur Zeit tingebrochener Suprematie des P e t r u s . . . ein Prophet im N a m e n des Erhöhten, also mit übergeordneter Autorität, dem Felsen der Kirche verbindliche Weisung zu erteilen vermochte?" 1 2 8 beruht auf falschen Voraussetzungen: Klein setzt in seiner Argumentation einen Amtsbegriff voraus, der sich für das Urchristentum nicht nachweisen läßt. E r verwechselt den Vorrang des Petrus mit der Amtsautorität des monarchischen Bischofs, der K r a f t des Amtes den Geist besitzt u n d sich 123 125 126 127

124 E b d . S. 40. B U L T M A N N , Geschichte S. 277. Der Weg der Gerechtigkeit, F R L A N T 82, 2. A. Göttingen, 1966, S. 201. Berufung S. 40. 128 Berufung S. 40. Berufung S. 41.

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deshalb keinem Charismatiker unterordnen kann. Die Suprematie des P e t r u s sehloß es keineswegs aus, daß dieser durch ein Prophetenwort Weisung empfangen konnte. Spricht der Prophet im Namen des Erhöhten, dann ist nicht seine Autorität dem Angeredeten übergeordnet, sondern die des durch ihn redenden Herrn. Die Autorität k o m m t der geistgewirkten Rede zu, nicht dem Redenden u n d begründet keine Amtsstellung, die sich hierarchisch einstufen ließe. ad 3. Kleins Argumentation mit dem F a k t u m „Wir wissen von keiner Verfolgung, bei der außer Petrus alle Gemeindeglieder abgefallen . . . wären 1 2 9 ", ist von vornherein hinfällig ; denn ich habe gerade gegen Klein zu zeigen versucht, daß das Logion einen allgemeinen Abfall gar nicht voraussetzt. Daß die historischen Überlegungen von der uns überlieferten Tradition — also von dem, was das Logion sagt — tinabhängig seien, ist Kleins begreiflicher Wunsch, weil seine Argumentation andernfalls bodenlos ist, aber deswegen noch lange keine Tatsache. Wenn Klein seine Thesen schließlich durch die Behauptung zu retten versucht, ich ginge an den entscheidenden Fragen vorbei, w a r u m Jesus einzig für Petrus bittet u n d warum P e t r u s die andern stärken soll, dann zeigt er damit nur, daß er meine Ausführungen auf S. 74f. 1 3 0 nicht sorgfältig gelesen h a t . Dort habe ich gesagt: „Diese F ü r b i t t e gilt nicht seiner Person, sondern seiner Funktion . . . N u r unter der Voraussetzung, daß Petrus eine Führerstellung in der Gemeinde innehat, ist es verständlich, 'warum Jesus einzig für Petrus bittet'." I n seinen Einwänden gegen das von mir angenommene F a k t u m eines allgemeinen Jüngerversagens übersieht Klein zunächst völlig den Befund, daß im Kreuzigungsbericht des Markus die Jünger nicht erwähnt werden, die lukanische Variante dagegen zeigt, daß die Tendenz bestand, a n dieser Stelle zu korrigieren. Ferner übersieht er, d a ß die ersten Erscheinungen des Auferstandenen nach den ältesten Zeugnissen in Galiläa stattfanden, was voraussetzt, daß die Jünger Jerusalem verlassen haben. Beides wurde von mir auf S. 78 f. 1 3 1 erwähnt. Zu seiner Argumentation ist zu sagen: ad 1. a) Gegen die ausdrückliche Erwähnung der Jüngerflucht in Mk. 14,50 argumentiert Klein erneut mit der Feststellung, daß die Jünger in diesem Vers nicht expressis verbis genannt sind. Mein Argument, daß die Subjekte von V. 50 durch die Formulierung άφέντες αυτόν bereits präzisiert sind, übergeht er mit Schweigen. E r m a c h t d a n n den Versuch, V. 51 f. gegen V. 50 auszuspielen. Aus der richtigen Feststellung, daß der Jüngling zunächst nicht flieht, zieht Klein den unhaltbaren Schluß, „das πάντες der Fluchtnotiz [sei] hier nicht in Geltung" 1 3 2 , wobei er übersieht, daß V. 51 die Flucht dieses Jünglings erzählt u n d demnach V. 50 keineswegs zu V. 51 f. in Spannung steht. Die Aussagen dieser Verse schließen einander nicht aus. Gäbe m a n Klein die Möglichkeit zu, daß V. 50 u n d V. 51 f. ursprünglich nicht zusammengehören ·— den Beweis dafür m ü ß t e er erst noch antreten — d a n n wäre noch lange nicht „methodisch damit zu rechnen, daß V. 50 gegenüber V. 51 traditionsgeschichtlich sekundär ist." E s wäre zunächst einmal zu zeigen, daß beide Überlieferungen nicht unabhängig voneinander entstanden sein können, sodann wäre zu begründen, warum V. 50 von V. 51 f. abhängig sein muß u n d nicht umgekehrt. F ü r die Frage nach dem Ursprung von V. 50 möchte Klein den voranstehenden Hinweis auf die Erfüllung der Schriften V. 49b berücksichtigen. E r b e h a u p t e t : 129 131

Berufung S. 41 = Z T h K 63 (1966) S. 8 f.

130 132

= Z T h K 63 (1966) S. 4f. Berufung S. 41

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Verleugnung

„So allgemein dieser gehalten ist, so sicher soll doch damit auch die Notwendigkeit, daß Jesus 'in grenzenloser Verlassenheit preisgegeben' wird, aus dem AT gefolgert werden." 1 3 3 So sicher, wie Klein annimmt, ist das keineswegs. V. 49b ist durch das άλλ' ίνα grammatisch eindeutig auf das Vorangegangene bezogen, u n d die allgemeine Aussage von der Erfüllung der Schriften wird dadurch präzisiert. Der grammatische Anschluß von V. 50 an V. 49 gibt dagegen keinen Anhaltspunkt f ü r eine Berechtigung, V. 50 auf V. 49b zu beziehen u n d einen ursprünglichen Zusammenhang zwischen beiden Versen anzunehmen, obwohl der Inhalt der Verse dagegen spricht. Ein Erzähler, der ausdrücklich sagt, daß sich in der Verhaftung Jesu wie ein Räuber die Schrift erfüllt, wäre die gleiche Deutlichkeit nicht schuldig geblieben, wenn er h ä t t e sagen wollen, daß in gleicher Weise das Verlassenwerden Jesu Erfüllung der Schrift ist. Anders ist es mit dem späteren Bearbeiter, der an das vorgegebene Material gebunden ist. I n seiner Arbeit wird m a n mit der Möglichkeit von Unstimmigkeiten zu rechnen haben. Man m u ß dann fragen, welcher sachliche Zwang zu der Entstehung der Unstimmigkeiten geführt h a t u n d was dem Bearbeiter die Unstimmigkeiten entweder verdeckte oder aber akzeptabel machte. b) Gegen Mk. 14,27, wo gleichfalls mit einem allgemeinen Jüngerversagen gerechnet ist, wendet Klein ein, daß ein Text, der einer entwickelten Traditionsstufe zuzurechnen sei, f ü r die historische Rekonstruktion keinesfalls den Ausschlag geben könne. Dieser Einwand würde dann treffen, wenn wir die Perikope direkt zur historischen Rekonstruktion heranziehen würden. Wir lesen aber aus ihr keine historischen F a k t e n ab, sondern wir fragen: Was ist an historischen F a k t e n die Bedingung der Möglichkeit, daß Texte entstehen konnten, die von einem allgemeinen Jüngerversagen reden. ad 2. Den Ausführungen Kleins, mit denen er sich gegen meine Annahme wendet, daß die Verleugnung des Petrus die — literarische — Konkretisierung des allgemeinen Jüngorversagens sei, ist entgegenzuhalten: 1. Ich behaupte keineswegs, daß m a n in der frühen Gemeinde „ein so schwerwiegendes Spezialverschulden P e t r i aus keinem anderen Grunde erfand, als u m einer stilgesetzlichen Zwangsläufigkeit zu willfahren 1 3 4 ". Klein übersieht meinen Nachweis auf S. 92f. 135 , daß von einem „schwerwiegenden Spezialverschulden", einem „extremen Versagen" des Petrus keine Rede ist. Meine Ansicht wird bestätigt durch J u s t . I 50,12, wo es heißt: μετά ουν το σταυροθήναι αυτόν καΐ οί γνώριμοι αύτοΰ πάντες άπέστησαν άρνησάμενοι αύτόν136. 2. Zu der Frage, ob die Tradition in der Phase der kirchlichen Vorherrschaft des P e t r u s überliefert werden konnte, m u ß ich noch einmal an meine Ausführungen auf S. 79 f. 137 erinnern, die Klein ignoriert. 3. Kleins Argumentation gegen meine Annahme, daß den Perikopen Mk. 14, 18-21 u n d 14,27. 29f. ein Kompositionsschema zugrunde liegt, ist fragwürdig. Nicht Mk. 14,18-21 als „einziger Beweis", sondern der Vergleich dieser Perikope mit Mk. 14,27-31 läßt dieses Schema erkennen. a) Klein möchte es mit der Feststellung in Frage stellen, d a ß die Wiederholung der Vorhersage in 14,20 schon „ v o m Inhalt her . . . geboten" sei, „ d a das είς έξ ύμών (V. 18) für die Angeredeten eine Präzisierung zwingend erforderlich werden l ä ß t " . E r übersieht, daß in V. 20 gar keine Präzisierung gegeben 133 135 136 137

134 Berufung S. 42. Berufung S. 43 = Z T h K 63 (1966) S. 21. Zitiert nach G B Ä S S E B a . a . O . S. 21 A. 3. = Z T h K 63 (1966) S. 9f.

Verleugnung

107

wird. Die Formulierungen εις των δώδεκα, ó έμβαπτόμενος μετ' έμοϋ εις το [εν] τρύβλιον sind „ f ü r die Angeredeten" nicht präsizer als das εΤς εξ ύμών. Eine Kennzeichnung des Verräters fehlt im Markustext. Der von Klein postulierte Unterschied zwischen Mk. 14,18 u n d 14,27 besteht also nicht. b) Da Klein sich auf Vielhauer zu Unrecht b e r u f t — Vielhauer geht auf diese Frage gar nicht ein — wäre von ihm erst einmal der Nachweis dafür abzuwarten, daß „der ursprüngliche Zusammenhang von V. 21 mit V. 18-20 . . . zweifelhaft" ist. c) Das Kompositionsschema ist in der T a t „das einzige positive Argument" 1 3 8 , das ich f ü r die Einheitlichkeit von Mk. 14,27. 29f. vorgebracht habe. Klein verschweigt aber, daß es keineswegs mein einziges Argument ist. Die Beweislast h a t derjenige zu tragen, der die Einheitlichkeit in Frage stellt. Dementsprechend habe ich nicht den Beweis für die Einheitlichkeit der Perikope geführt, sondern mich lediglich mit den Argumenten auseinandergesetzt, die dagegen vorgebracht werden. Der Verweis auf das Kompositionsschema war ein donum super additum, nicht mein einziges Argument. Neue Argumente gegen die Einheitlichkeit von Mk. 14,27. 29f. werden von Klein nicht vorgebracht, u n d meine Auseinandersetzung mit den alten wird von ihm ignoriert. 4. a) A m Ende zeichnet Klein eine Karikatur des Verfassers der Perikope v o m Jüngerversagen, nach welcher diesem das Kompositionsschema in der „richtigen" Reihenfolge A, B, C, D vorlag, er aber trotzdem unverständlicherweise alles durcheinanderbrachte, indem er den Schriftverweis D bereits auf die erste Ansage folgen ließ. So k a n n sich natürlich niemand die Entstehimg der Perikope vorstellen, und es lag mir ferne, eine derartige Vorstellung zu suggerieren. Ich meine jedoch, m a n sollte das, was z.B. für jede Wundergeschichte recht ist, auch f ü r das Vaticinium als billig gelten lassen. Kein Exeget zieht aus der Feststellung, daß Wundergeschichten einen stilgemäßen A u f b a u haben u n d dieser stilgemäße A u f b a u sich in jeder Wundergeschichte erkennen läßt, die Konsequenz, daß dem Verfasser einer solchen Tradition das Normalschema einer Wundergeschichte als Muster vorgelegen h a t . Dementsprechend sieht sich auch kein Exeget genötigt, die Abweichungen des ihm vorliegenden Textes von einem solchen Normalschema zu erklären. E r begnügt sich vielmehr mit der Feststellung, daß eine stilgemäße Wundergeschichte vorliegt, u n d weist das Strukturgefüge der einzelnen Stilelemente, die zu einer Wundergeschichte gehören, in der Perikope nach. Nicht anders sind wir bei dem Vaticinium verfahren. Wir wissen, daß die Verstärkung der Vorhersage durch einen Schriftverweis stilgemäß ist, daß die Verbindung der Vorhersage mit dem Schriftverweis eine Intensivierung der Vorhersage ist u n d daß die Wiederholung der Vorhersage eine Intensivierimg derselben verlangt. Beobachten wir, d a ß der Erzähler bereits f ü r die erste Vorhersage eine Intensivform bringt, indem er sie mit dem Schriftverweis verbindet, d a n n müssen wir uns fragen, ob er den stilgemäßen A u f b a u des Vaticiniums trotzdem durchzuhalten vermag, der eine Intensivierung der zweiten Vorhersage verlangt. Wir haben festgestellt, daß der Erzähler dazu in der Lage war. Die S t r u k t u r eines Vaticiniums zeigt, daß es sein Formgesetz ist, die Vorhersage unwidersprechbar zu machen u n d damit deutlich abzuheben von der Erwägung von Möglichkeiten. Diese Intention konnte dazu führen, daß der Erzähler bereits die erste Vorhersage intensivierte. E r m u ß t e dann fortfahren 138

Berufung S. 43 ; Hervorhebung von mir.

108

Verleugnung

u n t e r dem Gesetz, nach dem er angetreten war. E s ist aber abwegig, anzunehmen, daß er diese Schwierigkeiten im Vorhinein bedacht h a t . Vollends abwegig ist es, von dem Erzähler zu erwarten, daß er darüber reflektiert, welche „verheerenden Konsequenzen f ü r die Biographie des Felsenmannes" 1 3 9 seine Erzählung h a t . b) Kleins Frage: „Wieso überhaupt erzwingt das Schriftzitat die perspektivische Verengung auf Petrus ?" l4 °, erübrigt sieh auf Grund meiner Feststellung (S. 91) 141 , d a ß das Schriftwort das Jüngerversagen unter das göttliche δει stellt. Dieses δει läßt sich nicht in Frage stellen. Deshalb k a n n der Einwand gegen die Vorhersage nur so erfolgen, d a ß eine Ausnahme aus der allgemeinen Regel behauptet wird. Diese Ausnahme k a n n aber nur der für sich in Anspruch nehmen, welcher ohnehin eine besondere Stellung im Jüngerkreis besitzt — also Petrus. Dieser begeht keineswegs das „Sakrileg", „gegen das Alte Testament aufzubegehren", da er ja die Vorhersage Jesu nicht grundsätzlich in Frage stellt, sondern nur f ü r sich eine Ausnahme behauptet.

Kleins Einwände haben mich zwar dazu gebracht, meine Ausführungen an einigen Stellen zu präzisieren, aber sie sind nicht dazu angetan, daß sie mich nötigen könnten, meine Ansichten zu revidieren. 139

Berufung S. 44. i " = Z T h K 63 (1966) S. 19f.

140

Berufung S. 44.

Das Verhör Jesu vor dem Synedrium Markus 14,55-64 Bei keinem Text der Passionsgeschichte überwuchern in der Auslegung so sehr die historischen Fragestellungen wie bei dieser Perikope : Lange Exkurse versuchen die Frage zu klären, ob ein nächtliches Verhör statthaft gewesen sei, ob die Verhandlung zur Nachtzeit wie vorgeschrieben im Tempelbezirk hätte stattfinden können, ob es möglich war, zu dieser Stunde die nötige Zahl von 23 Mitgliedern des Synedriums zusammenzubekommen, ob der Hohepriester befugt war, Jesus direkt zu fragen oder gar zum Schwur zu nötigen, ob es rechtens war, wenn er seine Kleider zerriß und ob das Messiasbekenntnis Jesu den juristischen Tatbestand der Gotteslästerung erfüllt, u.a. mehr. Der Wert solcher Untersuchungen für die Auslegung soll nicht in Frage gestellt werden. Es muß aber gefragt werden, ob es sinnvoll war, darüber die nächstliegende Frage nach der Sprachgestalt des Textes zu vernachlässigen und so wenig danach zu fragen, was sie hervorgetrieben hat. Erst wenn man sich der Sprachgestalt versichert hat und sich über die Ausformung der ursprünglichen Fassung in Tradition und Redaktion im klaren ist, kann man auch ermessen, welche historischen Untersuchungen für die Auslegung dieses Textes dienlich sein können und welche historischen Fragen er selbst zu beantworten vermag 1 . I. Die Frage der Einheitlichkeit

der

Perikope

Eine Reihe von Schwierigkeiten des vorliegenden Textes sprechen dagegen, daß die Perikope eine ursprüngliche Einheit ist: 1. Die summarische Aussage V. 56 läßt die Fortsetzung in V. 57 f. nicht erwarten. 2. Die Feststellung der Ungleichheit der Zeugnisse V. 59 wirkt unglaubwürdig nach der einhelligen Widergabe ihres Inhalts in V. 58. 1

Sämtliche Fragen, die um die Möglichkeit einer nächtlichen Gerichtsverhandlung kreisen, erübrigen sich z.B. durch die Überlegung, daß die zeitliche Festlegung des Synedrium-Verhörs lediglich in der redaktionellen Einordnung der Perikope durch den Evangelisten erfolgt. Die Tradition selbst enthält keinerlei Zeitangabe. — Zur grundsätzlichen Frage, in welcher Weise der Befund in der Passionsgeschichte des Markusevangeliums es erlaubt, historische Fragen zu stellen, siehe die Abhandlung: „Ergebnisse und Fragen".

110

Verhör

3. Die Frage des Hohenpriesters in V. 60 wirkt unmotiviert, da ja die Feststellung der Ungleichheit in V. 59 den belastenden Zeugnissen jedes Gewicht genommen hat. 4. Das Motiv des Schweigens Jesu V. 61a wird durch die nachfolgende Frage des Hohenpriesters und die dadurch herausgeforderte Antwort Jesu um seine Wirkung gebracht. 5. Die Frage des Hohenpriesters V. 61b und die Antwort Jesu V. 62 b zeigen eine auffallende Differenz in der Titulatur. Diese Schwierigkeiten des vorliegenden Textes, zu denen sich noch die Frage nach seiner Beziehung zu der Perikope vom Verhör vor Pilatus, Mk. 15,1-5, gesellt, wurden fast alle schon längst erkannt. Dennoch gibt es bislang keine Auslegung, die ihnen allen gerecht wird. F ü r BERNARD, BONNARD u n d BRANSCOMB, CARRINGTON u n d CRANFIELD, GOGUEL u n d GOULD, JOHNSON, MOTTLE u n d SCHMID i s t d i e

Einheitlichkeit des Textes keine Frage. LOHMEYER begegnet den Problemen des Textes auf folgende Weise : Er behauptet erstens die sachliche Zusammengehörigkeit der Beschuldigung Mk. 14,58 und der Messiasfrage 2 . E r versucht zweitens zu unterscheiden zwischen dem, was in der Verhandlung wirklich gesagt und festgestellt wurde, und dem eigenen Urteil des Erzählers, auf das er die Bezeichnung der Zeugen als „falsch" und ihrer Zeugnisse als „nicht gleich" zurückführt. Das Erstere läßt sich nicht halten, wie wir unten zeigen werden. Das Letztere ist ein methodischer Fehler: Die literarkritische und die historische Fragestellung werden in unzulässiger Weise miteinander verquickt. Wenn man das, was die Logik der Erzählung stört, als unhistorisch eliminiert, kann man weder die Urfassung der Erzählung noch den ihr zugrundeliegenden historischen Tatbestand ermitteln. Störungen in der Logik der Erzählung kann man nicht mit der Frage begegnen, was historisch und was unhistorisch ist, sondern nur mit der Überlegung, ob der vorliegende Text mit seinen Unstimmigkeiten die ursprüngliche Fassung ist oder ob diese Unstimmigkeiten auf eine spätere Bearbeitung zurückgehen. Erst wenn die Frage nach der Sprachgestalt des Textes beantwortet ist, kann die historische Frage nach den Ereignissen, die dem Text zugrunde liegen, sinnvoll gestellt werden, denn sie besitzt keine anderen Anhaltspunkte als eben diesen Text. Deshalb gebührt bei der Arbeit am Einzeltext der literarkritischen Frage, die sich des Textes vergewissert, das methodische Prius vor der historischen Frage, wenngleich die literarkritische Frage zugegebenermaßen stets von den allgemeinen Ergebnissen der historischen Fragestellung Gebrauch macht. WELLHATJSEN sieht die Verse 61 und 62 als spätere Zutat an, der Einsicht folgend, daß Jesu Messiasbekenntnis nicht zur Verurteilung 2

In dieser Auffassung ist ihm

TAYLOR

gefolgt, a.a.O. S. 563.

Verhör

111

führen konnte. Dagegen weist Norden auf die Unwahrscheinlichkeit hin, „daß die feierliche Zeremonie des Zerreißens der Gewänder auf das Schweigen des der Blasphemie Beschuldigten erfolgt sein soll" 3 , und Bultmann stellt fest, daß es ein methodischer Fehler ist, wenn Wellhausen aus der sachkritischen Erwägung literarkritische Konsequenzen zieht. GOGUEL 4 rekonstruiert allein auf Grund der Fragestellung, was historisch sein kann, eine ursprüngliche Form der Überlieferung vom Verhör, der er die Verse Mk. 14,57. 58. 60a. 61b. 62 zuweist. Darüber, wie es von dieser Urfassung zu dem uns vorliegenden Markustext gekommen sein soll, macht er sich keine Gedanken. Gegen seine Analyse ist einzuwenden, daß der methodische Ansatz falsch ist, da das historisch Wahrscheinliche keineswegs das literarisch Ursprüngliche zu sein braucht. BULTMANN hält die Verse 57-59 für sekundär, „da V. 59 eine matte und sinnlose Wiederaufnahme des Motivs von V. 56 ist" 6 . Er gibt aber keine Auskunft über das Motiv, das zur Einfügung dieser Verse geführt haben konnte. Wenn „der Bericht ursprünglich erzählen wollte, daß Jesus wegen des Messiasanspruchs verurteilt wurde"®, warum sollte dann dieses Motiv und seine Durchführung den späteren nicht mehr genügt haben? Was konnten sich die Tradenten von der Einfügung von V. 57-59 versprechen? Überdies bleiben die übrigen Schwierigkeiten des Textes bei dieser Analyse bestehen. Die Frage des Hohenpriesters wird nicht motivierter, wenn sie auf V. 56 statt auf V. 59 folgt, das Schweigen Jesu kommt noch immer um seine Wirkung und die Differenz in der Titulatur bleibt unerklärt. Nach DIBELIUS „liegt . . . keine einheitliche Erzählung vor, sondern eine Zusammenfügung von Motiven"'. Vorsichtig erwägt er die Möglichkeit, daß „im älteren Bericht" „nur ein Wort Jesu gestanden" habe : „das Tempelwort" 8 , während das Motiv, welches „der Evangelist Markus hervorzuheben wünscht . . . das Bekenntnis Jesu als Messias" sei 9 . Sich mit solchen Andeutungen zu begnügen, käme aber einer Aufgabe des Textes gleich. Denn es bedeutet den Verzicht darauf, seine Sprachgestalt zu verstehen. KLOSTERMANN leistet keinen eigenen Beitrag zur Analyse des Textes. GRUNDMANN behauptet zunächst: „Der Bericht ist in sich geschlossen", fährt dann aber fort: „Die Einheit des Berichtes schließt nicht 3 4 6 8

A.a.O. S. 195 Anm. 2. Loben Jesu S. 345. A.a.O. S. 292. A.a.O. S. 183.

5 7 9

A.a.O. S. 291. A . a . O . S. 192f. A.a.O. S. 193.

112

Verhör

aus, daß in ihr verschiedene Traditionsstücke zusammengefügt sind. Als solche ergeben sich : Das Zeugnis vom Tempelspruch, das Menschensohnbekenntnis — und man kann nun fragen, welches von beiden Stücken einer vor Markus liegenden Formung des Gerichtes angehört hat, und zu verschiedenen Urteilen kommen." 1 0 Er selbst verzichtet auf ein Urteil in dieser Frage und behandelt in seiner Auslegung den Text als Einheit, ohne dessen Schwierigkeiten zu berücksichtigen. TAYLOR hält V. 56 und V. 57-59 für Varianten der gleichen Tradition u . Was zur Entstehung von zwei Versionen, einer generalisierenden und seiner, die ins einzelne geht, geführt haben könnte, warum sie beide in den uns vorliegenden Markustext aufgenommen wurden, überlegt Taylor nicht. Er schweigt sich auch darüber aus, ob V. 56 bzw. V. 57-59 isoliert umlaufen konnten, oder ob man an zwei Variationen der ganzen Verhörerzählung zu denken hat, von denen eine V. 56, die andere V. 57-59 enthielt. Seine Überlegungen gelten nicht dem Text, seiner Sprachgestalt und den Fragen seiner Entstehung, sondern den historischen Ereignissen, zu denen er mit Hilfe des Textes vorzudringen hofft. H A E N C H E N , der die genannten Verse ebenso für Varianten hält, bemüht sich im Unterschied zu Taylor darum, die Doppelung im Markustext zu erklären: „Mk. wird hier zwei Fassungen derselben Überlieferung — eine war schon abgeblaßt — gebracht haben, um die Szene mehr zu füllen." 1 2 Läßt sich aber eine Tendenz, „Szenen zu füllen" durch weitere Belege nachweisen? Ist es denkbar, daß eine Überlieferung wie Mk. 14,57-59 zu einem Vers wie Mk. 14,56 „verblassen" konnte? Anders gesagt: Kann man sich vorstellen, daß im Laufe der Überlieferung ohne ein Motiv, aus purer Nachlässigkeit, das Tempelwort unter den Tisch fiel? Die Ungereimtheit von V. 60, daß der Hohepriester eine Erwiderung Jesu erwartet, obwohl die Haltlosigkeit der Beschuldigungen festgestellt ist, veranlaßt Haenchen nicht zu einer Textanalyse, sondern zu einer historischen Spekulation. Er reflektiert über die Prozeßführung des Hohenpriesters und wirft die Frage auf, warum dieser nicht den Vorgang der 'Tempelreinigung' zum Anklagepunkt gemacht habe. Die weiteren Schwierigkeiten des Textes werden nicht gesehen, weil die historischen Fragen im Vordergrund der Auslegung stehen. Auch bei L O H S E überwiegen die historischen Fragen. Was die Analyse der Perikope anbelangt, muß man sich mit wenigen unklaren Andeutungen begnügen: 10 11 12

A . a . O . S. 300. A . a . O . S. 566, NINEHAM ( a . a . O . S. 406) s c h l i e ß t sieh i h m a n . A . a . O . S. 509.

113

Verhör

„Nun bildet die Darstellung . . . keinen geschlossenen Zusammenhang, sondern ist aus verschiedenen Stücken zusammengefügt worden." 13 Von diesen Stücken erwähnt Lohse zunächst nur den Tempelspruch. Hernach aber, wo er auf die übrigen Bestandteile der Perikopen zu sprechen kommt, h a t er die Frage nach diesen „verschiedenen Stücken" aus den Augen verloren.

„Da der Tempelspruch an so verschiedenen Stellen überliefert worden ist, wird er kaum den eigentlichen Gegenstand des Prozesses dargestellt haben. Der Evangelist schiebt vielmehr diesen ersten Teil der Verhandlung gleichsam beiseite, indem er sagt, das Zeugenverhör sei ergebnislos verlaufen, weil die Aussagen der Zeugen untereinander nicht übereinstimmen (V. 59) . . . Nachdem das Zeugenverhör auf diese Weise abgebrochen worden ist, setzt der Evangelist nun noch einmal völlig neu ein und rückt die Messiasfrage als den eigentlichen Gegenstand der Verhandlung in den Mittelpunkt (V. 60ff.)." 14 „Die christliche Gemeinde wollte durch die Szene der Verhandlung vor dem Hohen Rat . . . das Bekenntnis zu Jesus als dem Christus als den eigentlichen Stein des Anstoßes herausstellen . . . Der Evangelist Markus aber, der die Geschichte vom Prozeß Jesu vor dem Synedrium aus der ihm überkommenen Überlieferung der Gemeinde übernahm, hat die in ihr enthaltene christologische Aussage stark betont." 15 Aus diesen widerspruchsvollen Ausführungen können wir nichts Genaues über Umfang und Gestalt der „verschiedenen Stücke" entnehmen, die dem Evangelisten vorgelegen haben sollen. Dementsprechend ergibt sich auch kein klares Bild über dessen Redaktionstätigkeit. Schiebt der Evangelist das Zeugenverhör beiseite, weil der Tempelspruch nicht Gegenstand des Prozesses war? Unmöglich, denn von diesem Prozeß weiß er ja nur durch die Überlieferungsstücke, die ihm vorgelegen haben. Soll m a n annehmen, daß die Überlieferung, die der Evangelist vorfand, nur bis V. 58 reicht, wenn gesagt wird, daß er durch V. 59 den ersten Teil der Verhandlung beiseiteschiebt ? D a n n k a n n aber nicht der Gemeinde, von der Markus diese Überlieferung übernahm, zugeschrieben werden, daß sie das Bekenntnis zu Jesus als dem Christus u n d Gottessohn als den eigentlichen Stein des Anstoßes herausstellen wollte. Geht die Messiasfrage jedoch bereits auf die Gemeindeüberlieferung zurück, wie k a n n dann Markus dieselbe in den Mittelpunkt gerückt haben? Soll m a n annehmen, daß er zwei Überlieferungen, 14,56-58 u n d 60-63 (64) miteinander verband, d a n n bedeutet diese Verbindung eher eine Beeinträchtigung als eine Hervorhebung der Letztgenannten, auch wenn das keinesfalls in der Absicht des Redaktors lag. H a t Markus das Selbstbekenntnis Jesu als Messias im Zusammenhang mit der Messiasfrage bereits von der Gemeinde übernommen, inwiefern h a t er dann 13

A . a . O . S. 84.

8 Linnemann, Passionsgeschichte

" A . a . O . S. 84f.

15

A . a . O . S. 88.

114

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die in dieser Überlieferung enthaltene christologische Aussage betont ? Dadurch daß er Jesus in den vorangegangenen Kapiteln aus seiner Messianität ein Geheimnis machen läßt? 16 Man kann doch unmöglich das Messiasgeheimnis des Markus aus seinen Intentionen in der Yerhörsperikope ableiten wollen!

Die einzige wirklich umfassende literarkritische Analyse der Perikope vom Verhör Jesu vor dem Synedrium wird von S C H W E I Z E R vorgelegt. Er urteilt : „Da V. 57b 59 einfach V. 56 wiederholen, und zwar fast wörtlich gleich, ist zu vermuten, daß erst Markus das in seiner Tradition hier vorgefundene Tempelwort als falsch bezeugt darstellt 17 . . . . Dann fragt sich, ob nicht auf einer ersten Stufe der Bericht mit V. 58 und dem Todesurteil oder dem Beschluß der Auslieferung an Pilatus geschlossen hat. Dafür könnte sprechen, daß V. 60f. dem 15,4f. Erzählten ähneln und parallel dazu im Laufe des Erzählens gebildet worden wären . . . Es ist also möglich, daß in der expliziten Frage V. 61 schon ein weiteres Stadium des Berichtes zu finden ist. Noch schwerer ist die Traditionsgeschichte von V. 62 zu beurteilen . . . Vermutlich handelt es sich . . . um eine Zusammenstellung zweier alttestamentlicher Sätze durch die Gemeinde." 18 Mit der von Schweizer angenommenen Urfassung des Textes werden einige Probleme gelöst; andere aber bleiben übrig oder werden durch diese Annahme neu geschaffen: 1. V. 64 setzt voraus, daß das Synedrium Ohrenzeuge der Lästerung wurde. Dieser Tatbestand ist aber nicht gegeben, wenn das Lästerwort nur durch eine Zeugenaussage zu Gehör gebracht wurde. 2. Das Tempelwort, welches im juristischen Sinne den Tatbestand der Lästerung, nämlich den Mißbrauch des Jahwe-Namens, ohnehin nicht erfüllt, gibt auch sprachlich die Möglichkeit nicht her, dasselbe eine Lästerung zu nennen. Die Behauptung Jesu, den Tempel abzureißen und in drei Tagen einen anderen zu bauen, könnte als Vermessenheit, aber nicht als Lästerung bezeichnet und empfunden werden. Auf einen aus dem Tempelwort abstrahierten Messiasanspruch wäre der Begriff zwar anwendbar, diese Anwendbarkeit würde sich aber nur der Reflektion, nicht dem unmittelbaren Sprachempfinden erschließen. Nimmt man an, daß V. 63 ursprünglich auf V. 58 folgte, dann muß man eine sprachwidrige Verwendung des Begriffs Lästerung in Rechnung stellen. Das spricht gegen die von Schweizer angenommene Urfassung der Perikope. 16

Vgl. ebd. Im Unterschied zu L O H M E Y E R , der ja auch weist, argumentiert S C H W E I Z E R literarkritisch ! 18 A.a.O. S. 188. 17

V. 59

dem Evangelisten zu-

Verhör

115

3. Ein Messiasanspruch konnte überdies aus dem Tempelwort nicht erschlossen werden 19 . 4. Selbst wenn jedoch im Tempelwort der Messiasanspruch enthalten wäre, hätte es der Erzähler nicht dabei bewenden lassen können, diesen Anspruch in einer derartig verklausulierten Form als Grund für die Verurteilung Jesu anzugeben. Es mußte ihm daran liegen, die Unschuld Jesu herauszustellen und deutlich zu machen, daß Jesus allein deshalb verurteilt wurde, weil er die Würde für sich in Anspruch nahm, welche ihm zukommt. Auch in diesem Punkte würde die von Schweizer postulierte Urfassung sprachlich zu wenig leisten. 5. Versucht man, einigen dieser sachlichen Schwierigkeiten zu entgehen, indem man, wie Schweizer zur Wahl stellt, in 15,1 anstatt in 14,63 f. den Schluß der Urfassung sieht, gerät man statt dessen in formale Schwierigkeiten: 15,1 dürfte als Schlußformulierung kaum in Frage kommen, da dieser Vers nicht nur die Umstände, sondern auch die Personen neu nennt und deshalb nicht die Fortsetzung von 14,58 gebildet haben kann. 6. Durch die Ausschaltung von Mk. 14,57 b. 59 als sekundär wird das Problem des Nebeneinanders der beiden Gruppen von Zeugen nicht beseitigt, sondern noch verschärft. Denn die eine Zeugengruppe legt ein falsches, die andere das wahre Zeugnis ab. Die Erwähnung der falschen Zeugen ist in der von Schweizer angenommenen Urfassung funktionslos. Sie kommt als Unschuldsmotiv nicht zur Geltung, weil den falschen Zeugnissen das wahre sofort und unvermittelt folgt. Es wird aber auch nicht ausreichend deutlich, daß das Tempelwort als wahres Zeugnis anzusehen ist. Ebensowenig wird dem Leser klar, daß es Jesus nicht kompromitiert. 7. Es ist schwierig, sich die Traditionsgeschichte vorzustellen, die aus der von Schweizer postulierten Urfassung die uns vorliegende Perikope werden ließ. Gegen Schweizers Annahme, Mk. 14,60f. sei „im Laufe des Erzählens" parallel zu 15,4f. 20 gebildet worden, ist einzuwenden : War im Tempelwort so eindeutig der Messiasanspruch erhoben, daß es den Grund für die Verurteilung abgeben konnte, wozu bedurfte es dann noch der Messiasfrage? Kann man wirklich annehmen, daß die — unter dieser Voraussetzung mit dem Tempelwort konkurrierende — Messiasfrage allein auf Grund erzählerischer Angleichung an 15,2 in die Perikope eindringen konnte ? Soll man mit einem solchen Zwang zur Konformität rechnen, daß aus dem gleichen Grunde auch das 19 20

Siehe dazu unten S. 125-127. m ü ß t e doch wohl sagen, daß Mk. 14,60f. parallel zu 15,2. 4f. ist,

SCHWEIZER

116

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Schweigemotiv aus 15,4 f. hier eindrang, obwohl es an einen Platz geraten mußte, wo es um seine Wirkung kam? Dafür gibt es keine Analogien. Eine Textanalyse, die sämtlichen Schwierigkeiten der Perikope gerecht wird, ist demnach ein dringendes Desiderat. Ehe sie jedoch in Angriff genommen werden kann, muß noch eine andere Frage geklärt werden: Ist das Tempelwort Mk. 14,58 ein ipsissimum verbum Jesu oder geht es auf ein solches zurück? Diese Frage muß deshalb vor der Textanalyse gestellt werden, weil ihre Beantwortung vielleicht ein Präjudiz für jene ergeben könnte, insofern als sie darüber entscheidet, welcher Schicht das Tempelwort zuzurechnen ist. II. Das Tempelwort Mk. 14,58 Angesichts der Hartnäckigkeit, mit der die Forschung behauptet, daß das Tempelwort in irgendeiner Form auf Jesus zurückgeht, sollte man stichhaltigere Argumente erwarten dürfen, als dafür vorgebracht werden 21 . Es sind drei Argumente, die bei fast allen Exegeten wiederkehren : 1. der Verweis auf die Textparallelen, 2. der Verweis auf die Bemühungen der Gemeinde, das Wort zu entschärfen, und auf ihre eigene Einstellung zum Tempel, die der Tendenz des Logions widersprochen haben soll, 3. der Verweis auf die religionsgeschichtlichen Parallelen. adi. Als Textparallelen werden herangezogen: Mk. 15,29; Act. 6,14 ; Joh. 2,19; Mk. 13,2. Diese Parallelen sind jedoch kein zureichender Grund für die Annahme, daß es „ein solches Wort Jesu . . . tatsächlich gegeben" hat 2 2 . a) Mk. 15,29 dürfte von Mk. 14,58 abhängig sein. Der Textabschnitt Mk. 15,29-32 weist zwei Dubletten auf, die auf eine spätere Ergänzung schließen lassen: 30b konkurriert mit 30a, 32a mit 31b. 30a und 31b dürften ursprünglich zusammengehört haben. Nicht in ihnen, sondern in 29b, 30b, 31a und 32 wird man die spätere Ergänzung zu suchen haben, denn 15,29 entspricht wörtlich 14,58 und dürfte von daher 21 Als Beispiel für die Situation sei C K A N F I E L D zitiert: Aus der richtigen Feststellung, daß das Tempelwort in Mk. 14,57 ausdrücklich als falsches Zeugnis bezeichnet wird, daß Mk. 15,29 und Joh. 2,19 von Mk. 14,58 abhängig sind und Mk. 13,2 mit diesem Vers nicht identisch sein kann, zieht er lediglich den Schluß, man könne das Tempelwort Jesu nicht sicher rekonstruieren und läßt sich nicht von der Behauptung abhalten: There is little doubt that an actual saying of Jesus . . . lies behind this accusation" (a.a.O. S. 441). 22 KiiOSTBBMAinsr a.a.O. S. 155.

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eingetragen sein, zumal V. 31b auch Mk. 14,61 f. entspricht 2 3 . Wollte m a n mit Mk. 15,29 f ü r die Historizität von Mk. 14,58 plädieren, m ü ß t e m a n dasselbe mit Mk. 15,32a für Mk. 14,61 f. t u n ! b) Mit Act. 6,14 ließe sich nur dann f ü r die Historizität des Tempelwortes argumentieren, wenn m a n die Möglichkeit ausschließen könnte, daß der Vers von Lukas nach seiner Vorlage Mk. 14,58 gebildet worden ist. Der Umstand, daß Lukas das Tempelwort im Verhör J e s u vor dem Hohen R a t nicht bringt, spricht nicht dagegen, sondern dafür, daß 6,14 auf Mk. 14,58 b e r u h t : E s entspricht der auch anderswo erkennbaren Arbeitsweise dieses Evangelisten, Verse oder Versteile, die er an der Stelle, wo seine Vorlage sie bringt, nicht verwenden will, an anderer Stelle aufzunehmen 2 4 . c) Auch Joh. 2,19 ist kein Beleg dafür, daß es „ein solches Wort Jesu gegeben h a t " . Die Abweichung dieses Verses in der Formulierung beweist nicht, daß er von Mk. 14,58 unabhängig 2 5 u n d noch weniger, daß er im Vergleich zu diesem „relativ ursprünglich" ist 2 8 . E s läßt sich nämlich zeigen, daß sie auf den Evangelisten zurückgehen muß. Nicht erst 2,20f., wie B u l t m a n n meint 2 7 , sondern bereits 2,18f. stammen von dessen H a n d : 1. Die Doppeldeutigkeit des Begriffes Tempel wird bereits in V. 19 beachtet, insofern an Stelle des zu erwartenden Artikels das Demonstrativpronomen gebraucht wird. Die Formulierung den schlösse die Möglichkeit aus, daß ein anderer Tempel in Betracht kommen könnte als der, von dem bisher die Rede war. Der ausdrückliche Hinweis diesen Tempel f ü h r t eine Unterscheidung ein: außer diesem k a n n es noch andere geben. 2. Die Formulierung der ersten H ä l f t e des Tempel Wortes V. 19 b ist offensichtlich von der Deutung bestimmt, daß der Tempel der Leib Jesu ist. Diesen Tempel zu zerstören, werden die J u d e n aufgefordert, 23 Auch K L O S T E R M A N N urteilt: „Die Spottrede setzt Bekanntschaft mit dem Wort 14,58, vielleicht auch mit 14,62 . . . voraus" (a.a.O. S. 165, ähnlich F I N E G A N S. 75ff. und C E A N F I E L D a . a . O . S. 4 4 2 ) . 24 Die unbegründete Behauptung von F I N E G A N , daß „die falschen Zeugen und der Tempelspruch . . . aus Act. 6,11-14" stammen (a.a.O. S. 72), ist völlig unhaltbar. Sie setzt voraus, daß Act. 6 , 1 1 - 7 , 6 0 ein historischer Bericht ist, der in der Urchristenheit verbreitet war, und vermag auch dann noch nicht zu erklären a) wieso man dazu kam, die darin Stephanus zugeschriebenenWorte zum Gegenstand des Synedriumverhörs zu machen, b) wie zu der Behauptung, Jesus werde diese Stätte zerstören, die Fortsetzung entstehen konnte, daß er sie in drei Tagen wieder aufbauen werde, und c) warum die gewichtigere Behauptung, Jesus wolle die Sitten ändern, die Mose gegeben hat, als Anklagepunkt gegen Jesus nicht aufgenommen wurde. 25 Auch C E A N T I E L D hält es für wahrscheinlich, daß Joh. 2 , 1 9 von Mk. 1 4 , 5 8 abhängig ist, gibt aber dafür keine Begründung. 27 2E B U L T M A N N , Johannes S. 88 Anm. 7. Ebd. S. 89.

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wie sie es ja denn auch tun. Gerade so, nämlich in Kreuz und Auferstehung kommt die Vollmacht Jesu an den Tag, nach der die Juden in V. 18 fragen. Nichts anderes als Kreuz und Auferstehung Jesu ist das Zeichen, das ihnen gegeben werden wird 88 . Der Evangelist dürfte die Perikope von der Tempelreinigung in Verbindung mit der Vollmachtsfrage vorgefunden haben, wie sie bei den Synoptikern vorliegt. Die Gegenfrage Jesu nach der Johannestaufe ersetzte er durch eine eigene Bildung, welche die Vollmacht Jesu in seinem Kreuz und seiner Auferstehung begründet. Dafür verwendete er das Tempelwort Mk. 14,58 par. in einer Umformung, zu der er um der Darstellung des Mißverständnisses willen genötigt war. Es stand ihm zur freien Verfügung, da er es in der Verhörszene nicht verwenden wollte, sondern ihr stattdessen das Logion Mk. 14,49 zugrunde legte 39 . d) Ebensowenig beweist Mk. 13,2, daß es „ein solches Wort Jesu" über den Tempel gegeben haben muß. Die einzige Übereinstimmung dieses Verses mit Mk. 14,58 liegt in der Ansage der dem Tempel drohenden Zerstörung, und selbst diese ist in beiden Versen völlig verschieden formuliert. Für die Annahme, daß die Behauptung Mk. 14,58 eine Verdrehung der Weissagung von Mk. 13,2 ist, fehlt in der Formulierung der Verse jeder Anhaltspunkt 30 . Es ist wahrhaftig leichter, die Entstehung von Mk. 14,58 28 Negativ wird das belegt durch den als mißlungen zu bezeichnenden Versuch B U L T M A N N S , den Versen 18f. als vorjohanneischer Bildung einen Sinn abzugewinnen, der sich a m Text verifizieren läßt. Aus der Aufforderung: 'brecht dieses H a u s ab !' läßt sich auch dann nicht 'das Gericht der Tempelzerstörung' entnehmen, wenn m a n Am. 4,4 u n d Jes. 8,9 f. als formale Parallelen heranzieht : Dort werden die Hörer zu dem aufgefordert, was sie j a ohnehin tun, wenngleich sie andere Erwartungen u n d Wertungen damit verbinden. I n J o h . 2,19 dagegen werden 'die J u d e n ' zu etwas aufgefordert, das sie im buchstäblichen Sinne niemals unternehmen würden. Aus der Aufforderimg zur Tempelzerstörung vermag ich keine Ansage des 'Gerichts der Tempelzerstörung 1 entnehmen. Die Behauptung, durch solche F o r m werde indirekt gesagt, d a ß das Gericht der Tempelzerstörung die Folge des jüdischen Unglaubens an Jesus ist, erscheint mir vollends aus der L u f t gegriffen. Ebensowenig überzeugt die Gleichsetzung der Wiedererrichtung des Tempels nach drei Tagen mit d e m eschatologischen Heil. Dazu will sich nicht nur die Zeitangabe: 'in drei Tagen' schwer fügen, dagegen spricht auch, daß die Wiedererrichtung des Tempels nach den rabbinischen u n d apokalyptischen Parallelen nur ein Teil der Heilsereignisse ist. 29 Vgl. J o h . 18,19-21 mit Mk. 14,49. Durch die Aufnahme dieses Verses, den er bei der Gefangennahme Jesu nicht gebracht h a t , stellt Johannes in den Mittelpunkt der Verhörszene die Lehre Jesu. Eine eingehende Analyse der johanneischen Passionsgeschichte m u ß jedoch einer späteren Studie vorbehalten bleiben. 30 Auch B U L T M A N N f r a g t : „ K ö n n t e ein solches W o r t J e s u der Anlaß dafür gewesen sein, daß m a n ihm ein anders gemeintes W o r t in den Mund legte, in d e m er weissagte, daß er selbst den Tempel zerstören u n d einen neuen a u f b a u e n werde (Mk. 14,58 und Varianten)?" (Gesch. S. 127).

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als einer von Mk. 13,2 unabhängigen freien Bildung zu erklären 31 , als den glaubhaften Nachweis zu führen, daß es auf jenen Vers zurückgehen müsse oder auch nur könne. Dieser Nachweis müßte erst noch erbracht werden. Mit den bisher üblichen Behauptungen ist nichts getan. Die Veränderungen müssen aus den Gesetzen der synoptischen Tradition oder aus der Verleumdungsabsicht erklärt werden. Diese Absicht berechtigt nicht dazu, willkürliche Veränderungen zu erwarten, sondern läßt nur die Annahme solcher Entstellungen zu, die im Sinne dieser Absicht liegen. Dazu dürfte die Behauptung des Tempelneubaus in drei Tagen kaum zu rechnen sein. Wer in der Absicht, das Tempelwort „in irgendeiner Form" auf Jesus zurückzuführen, Mk. 13,2 als Grundlage für Mk. 14,58 ansehen will, hat überdies noch zu beweisen, daß Mk. 13,2 wirklich ein echtes Jesuswort ist. Der Nachweis von jüdischen Parallelen, die dafür sprechen sollen, daß das Wort kein vaticinium ex eventu, sondern eine echte apokalyptische Vorhersage sei 32 , reicht dafür nicht aus. Es besteht kein Anlaß, eine Vorhersage, die sich völlig im Rahmen jüdischer Vorstellungen hält, Jesus zuzuschreiben, zumal es für derartige apokalyptische Vorhersagen in den echten Jesusworten an Parallelen fehlt 33 . Keine der vier Textparallelen gibt demnach Anlaß zu der Annahme, daß das Tempelwort in 'irgendeiner Form' auf den historischen Jesus zurückgeht und demnach im Prozeß gegen ihn eine Rolle gespielt haben kann. Diese Annahme setzt sich überdies in Widerspruch zu dem klaren Wortlaut von Mk. 14,57, wo die angebliche Behauptung Jesu Mk. 14,58 ausdrücklich als falsches Zeugnis eingeführt wird. Das έψευδομαρτύρουν in V. 57 läßt kaum eine andere Deutung zu, als daß damit das „Wort Jesu" in V. 58 als eine verleumderische Erfindung hingestellt werden soll. Auf die Idee, daß damit die Verdrehung eines echten Jesuswortes gemeint sein müsse, kommt man doch nur, wenn man das Gegebensein eines solchen Jesuswortes bereits voraussetzt. Dafür geben aber, wie gesagt, die Paralleltexte keinen Anlaß. 31

Siehe dazu unten S. 131 f. Zur Frage nach dem Vorhandensein solcher Parallelen siehe u. S. 125-127. Einen überzeugenden Nachweis, daß das Logion trotz der bisher dagegen vorgebrachten Einwände ein vaticinium ex eventu ist, liefert W A L T E R a . a . O . S. 41 f. 33 Die Behauptung K Ü M M E L S , „es wird von der eschatologischen Zerstörung des Tempels nur geredet, um damit die Verworfenheit des gegenwärtigen jüdischen Religionsbetriebes und die Gewißheit einer Gottes Willen entsprechenden eschatologischen Gottesverehrung auszusprechen" (Verh. u. Erf. S. 95), ist eine Eintragung ohne jeden Anhalt am Text, die sich vergeblich darum bemüht, Mk. 13,2 einen Platz in der genuinen Verkündigung Jesu anzuweisen. 32

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ad 2. Für die Historizität des Tempelwortes pflegt man seit Wellhausen damit zu argumentieren, daß das Wort der Gemeinde offenbar peinlich gewesen sei, wie die späteren Modifikationen zeigen sollen. „Die vielfachen Bemühungen, das Wort zu entschärfen, zeigen" jedoch keineswegs, „daß es in der Tradition sehr fest saß und schwer abgeleugnet werden konnte", und sprechen durchaus nicht dafür, „daß es sich tatsächlich in irgendeiner Form um ein Wort Jesu handelt" 34 . a) Daraus, daß ein Logion nicht ohne Korrekturen überliefert wurde, kann man nicht folgern, daß seine Tradenten es „abgeleugnet" haben würden, sofern eine Möglichkeit dazu bestanden hätte. Deshalb läßt sich auf diesem Wege auch keine Nötigung nachweisen, die dazu führte, daß das Logion trotz der Anstöße tradiert wurde. Wenn die Anstöße des Logions durch Korrekturen behoben werden konnten, war die extreme Lösung, es zu unterdrücken, überdies unnötig. b) Eine Gemeindebildung konnte von den späteren Tradenten ebenso als peinlich empfunden werden wie ein echtes Jesuswort. Daß ein Logion seinen Tradenten Anstöße bereitete, ist kein Echtheitsbeweis. Wer aus den Bemühungen, es „zu entschärfen", den Schluß ziehen will, es müsse echt sein, der muß notwendig voraussetzen, die Tradenten hätten vor der Weitergabe einer unbequemen Aussage erst über deren Echtheit reflektiert und sich je nachdem dazu entschlossen, sie weiterzugeben oder zu unterdrücken. Diese Annahme ist jedoch absurd. Was man sich darunter vorstellen soll, daß ein Wort ,,in der Tradition sehr fest saß", ist mir nicht klar. Vielleicht ist damit gemeint, daß es mehrfach überliefert wurde. Darf man aber erwarten, daß die Evangelisten ihre Entscheidung, das Wort „abzuleugnen" oder zu überliefern, davon abhängig machten, ob es ihnen einmal oder mehrfach vorlag? Nachweisen läßt es sich ohnehin nicht, daß das Wort ihnen mehrfach vorgelegen hat. c) Die Überlegung, das Tempelwort müsse von Jesus gesprochen sein, da die tempeltreue Haltung der Urgemeinde es verbiete, ihr dasselbe zuzuschreiben35, übersieht erstens, daß dieses Wort ausdrücklich als falsches Zeugnis bezeichnet wird, zweitens, daß es nicht nur die Zerstörung, sondern auch den Neubau des Tempels ankündigt, und man es deshalb nicht gut als Kritik am Tempelkult bezeichnen kann. Es sei denn, man würde von der Voraussetzung ausgehen, daß mit jenem άλλος ναός die christliche Gemeinde gemeint sei — was die Vertreter jener These tatsächlich tun. Aber diese Vorstellung gibt der Text selber nicht her und er liefert auch keinen Anhaltspunkt dafür, 34 35

S C H W E I Z E R a.a.O. T A Y L O R a.a.O. S.

S. 187. 566; G R U N D M A N N a.a.O. S. 301.

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daß es zulässig ist, sie aus anderen neutestamentlichen Stellen hier einzutragen3®. d) Die „vielfachen Bemühungen, das Wort zu entschärfen", verflüchtigen sich, sobald man sie genau betrachtet. Joh. 2,21 muß im Zusammenhang der johanneischen Komposition 2,18-22 gesehen werden. Sowenig diese Komposition durch das Bestreben motiviert ist, das Tempelwort zu entschärfen, ist es dieser Vers. Bei Lukas fällt das Tempelwort im Zuge seiner Umgestaltung der Verhörsperikope weg. Diese Umgestaltung kann man nicht auf den Wunsch zurückführen, das Logion zu unterdrücken. Denn nicht nur dieses, sondern das ganze Zeugenverhör ist bei Lukas übergangen worden, offensichtlich deshalb, weil es ihm „nur darum geht, festzustellen, daß Jesus sich für den Messias ausgegeben hat und ausgibt" 3 7 . Ein Bestreben, das Tempelwort zu entschärfen, läßt sich also auch bei Lukas nicht nachweisen. Die Umwandlung des Logions in Mt. 26,61 kann man vielleicht als solche Entschärfung verstehen. Wie aber steht es mit der Markusfassung selbst? Daß bei Markus das Tempelwort falschen Zeugen in den Mund gelegt ist, kann nur dann als Entschärfung gelten, wenn entweder die Echtheit dieses Wortes außer Frage steht oder aber durch eine überzeugende literarkritische Analyse nachgewiesen wurde, daß έψευδομαρτύρουν in V. 57 eine sekundäre Erweiterung ist. Auch für die Worte χειροποίητος •— άχειροποίητος ist es keineswegs so sicher, wie allgemein angenommen wird, daß sie den Anstoß des Tempelwortes beseitigen wollen. Mögen diese Worte auch eine sekundäre Erweiterung sein — der Tatbestand, den das Logion aussagt, wird durch ihre Hinzufügung nicht wesentlich verändert, άχεφοποίητος besagt: nicht von Menschenhand gemacht, durch außermenschliche Kräfte zustande gekommen. Daß ein Tempel, der innerhalb von drei Tagen erbaut wird, nicht auf gewöhnliche Weise von Menschenhand gemacht sein kann, versteht sich aber von selbst, auch wenn es nicht eigens gesagt wird. Lohmeyer ist deshalb im Unrecht mit seiner Behauptung, daß der Gegensatz χειροποίητος — άχειροποίητος „der Anklage jedes Gewicht nehmen würde" 3 8 . I n der ausdrücklichen Entgegensetzung von χειροποίητος und άχειροποίητος ist freilich eine Wertung enthalten, wie die Verwendung dieser 36

Zu dieser Frage siehe u. S. 122-125. G. Voss, Die Christologie der lukanischen Schriften, Paris-Brügge 1965, S. 114. 38 Markus S. 326. 37

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Begriffe im übrigen Neuen Testament zeigt, wo sie allerdings nicht als Gegensatzpaar, sondern nur einzeln vorkommen: Act. 7,48; 17,24: Der mit H ä n d e n gemachte Tempel ist keine angemessene Wohnung f ü r Gott. E p h . 2,11: Der Vorzug der Beschnittenen vor den Unbeschnittenen wird herabgesetzt durch die Bezeichnung der περιτομή als έν σαρκΐ χειροποίητος. Hebr. 9,11. 24: Die Bedeutung Christi wird herausgestellt, indem gesagt wird, d a ß er nicht in das mit H ä n d e n gemachte Zelt bzw. Heiligtum einging, das nur das Abbild des himmlischen ist. 2. Kor. 5,1: Das nicht mit Händen gemachte H a u s wird als ewiges, das im Himmel ist, dem irdischen entgegengesetzt. Col. 2,11: Hier wird die Wertung nicht deutlich, weil der περιτομή άχειροποίητος die περιτομή χειροποίητος nicht ausdrücklich entgegengesetzt wird u n d diese nicht einmal im Blick ist. Die Formulierung setzt jedoch die Abwertung der jüdischen Beschneidung als bloße περιτομή χειροποίητος voraus.

Die Deutung des άλλος ναός Mk. 14,58 auf die Gemeinde als „geistlichen Tempel" läßt sich aus dem Begriff άχεφοποίητος jedoch auf keinen Fall entnehmen. Die Wortbedeutung erlaubt es nicht, ¿χειροποίητος mit 'geistlich' gleichzusetzen, da jeder Bezug zum πνεύμα fehlt. Der Sprachgebrauch im NT zeigt, daß dieser Begriff und ebenso sein Gegenbegriff jeweils erst durch den Zusammenhang präzisiert wird. Wollte man versuchen, seine verschiedenen Nuancen auf einen Nenner zu bringen, käme am ehesten noch die Formulierung „von Gott gewirkt" in Frage 39 . Wo die Begriffe άχειροποίητος oder χειροποίητος außerhalb von Mk. 14,58 im NT vorkommen, wird nirgends die Gemeinde als „nicht mit Händen gemachter Tempel" bezeichnet oder in den Blick genommen : 2. Kor. 5,1; Kol. 2,11; E p h . 2,11 ist nicht vom Tempel die Rede. Act. 7,48 u n d 17,24, wo v o m mit H ä n d e n gemachten Tempel gesprochen wird, ist als Gegensatz keineswegs die Gemeinde im Blick. Der Gedanke, daß Gott nicht im steinernen Tempel, sondern in seiner Gemeinde als Tempel wohne, liegt völlig fern. Auch Hebr. 9,11 ist bei der σκηνή ού χειροποίητος nicht an die Gemeinde gedacht. I n 9,24 ist als Gegensatz zu dem mit Händen gemachten Heiligtum ausdrücklich der Himmel genannt. 39 M . S I M O N [Retour du Christ et reconstruction du Temple dans la pensée chrétienne primitive, in: Aux Sources de la Tradition Chrétienne, S. 247-257], gibt den Hinweis : L'opposition marcienne 'fait — not fait de main d ' h o m m e ' . . . est exactement dans la ligne de la pensée juive de l'époque, qui oppose a u Temple matériel . . . le Temple de L'avenir, préexistant dans le ciel . . ." (a.a.O. S. 251). I n der T a t läßt sich der Begriff άχειροποίητος ohne weiteres auf das „ N e u e H a u s " Hen. 90,28f. oder die „ S t a d t des H ö c h s t e n " 4.Esra 10,54 bzw. „Zion" 13,36 anwenden. So gewiß mit diesen aber wirkliche Bauwerke gemeint sind — wieso Simon dieselben als „spirituel" bezeichnen kann, verstehe ich nicht — m u ß das auch für den οίλλος άχειροποίητος ναός Mk. 14,58 gelten.

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Der Begriff άχεφοποίητος enthält also keinen Hinweis darauf, daß unter dem άλλος ναός in Mk. 14,58 die Gemeinde zu verstehen ist. Die Vorstellung von der Gemeinde als Tempel Gottes ist im N T zwar zu finden, aber keineswegs so häufig nachzuweisen, wie man angesichts der Selbstverständlichkeit, mit der sie zur Auslegung von Mk. 14,58 herangezogen wird, erwarten sollte. Lediglich an drei Stellen wird die Gemeinde als Tempel Gottes bezeichnet: l.Kor. 3,16f.; 2.Kor. 6,16 und Eph. 2,20-22 10 . Eine vorgeprägte Vorstellung scheint in keinem Falle vorzuliegen; die Formulierung ergibt sich jeweils aus dem Kontext. 1.Kor. 3,16 basiert offenbar auf den Vorstellungen, daß der Geist Gottes in den Angeredeten wohnt, und daß da, wo Gottes Geist wohnt Gottes Tempel ist. 2. Kor. 6,16 wird der Gedanke : „Wir sind der Tempel des lebendigen Gottes" abgeleitet aus Lev. 26,11 : „Ich werde meinen Wohnsitz unter euch nehmen." Aus der Vorstellung, daß Gott in seinem Tempel wohnt, wird gefolgert, daß da, wo Gott wohnt, Gottes Tempel ist. Eph. 2,20-22 liegt dagegen die Vorstellung zugrunde, daß Aposteln und Propheten die Funktion des Fundaments zukommt und Jesus Christus die Funktion des Schlußsteines hat, in dem der ganze Bau zusammenhängt und zum heiligen Tempel emporwächst, in welchen die Angeredeten mit eingebaut werden. Daß dieser Tempel „Wohnung Gottes im Geist" ist, wird nur am Rande erwähnt und ist nicht der tragende Gedanke. Es dürfte abwegig sein, Mk. 14,58 von diesen drei paulinischen bzw. deuteropaulinischen Stellen her zu interpretieren, da dieselben nicht auf eine geprägte Vorstellung von der Gemeinde als Tempel verweisen, sondern auf unterschiedlichem Vorstellungsmaterial beruhen. Keine der Vorstellungen, auf denen in den genannten Stellen die Bezeichnung der Angeredeten als Tempel Gottes beruht, läßt sich für Mk. 14,58 nachweisen. Eine geprägte Vorstellung von der Gemeinde als Tempel Gottes, die man für die Auslegung von Mk. 14,58 in Anschlag bringen könnte, läßt sich auch dann nicht nachweisen, wenn man jene Stellen mit heranzieht, in denen Ps. 118,22; Jes. 28,16; (Jes. 8,14) zitiert wird, nämlich Act. 4,11; l.Petr. 2,4-8 4 1 und Mk. 12,10 42 . In Act. 4,11 ist Ps. 118,22 nur christologisch bezogen: Der gekreuzigte Christus ist der von den Bauleuten verworfene Stein, der zum Eckstein geworden ist. Nicht wegen eines Bezuges auf den Bau der Gemeinde, sondern wegen der 40

l.Kor. 6,19 dürfte von den Auslegern nicht herangezogen werden, denn hier wird lediglich das σώμα des Christen als Tempel Gottes bezeichnet. 41 Herangezogen von G R U N D M A N N a.a.O. S . 3 0 1 . 42 Herangezogen von M I C H E L , ThW IV, S. 888.

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Entsprechung zwischen der Kreuzigung Christi auf Wunsch des Synedriume (ύμεις) und der Verwerfung des Steines durch die Bauleute wird das Psalmzitat eingefügt. Wie sehr hier jeder Bezug auf die Gemeinde fehlt, zeigt V. 12. Er lautet nicht: „Darum laßt euch einfügen in das geistliche Haus, das Christus zum Eckstein hat", sondern „Es ist in keinem andern Heil", d.h. es fehlt jeder ekklesiologische Bezug. In l.Petr. 2,4-8 ist der Bezug auf die Gemeinde zwar gegeben, aber er liegt nicht in der Vorstellung der Gemeinde als Bau, sondern darin, daß nach Jes. 28,16, die Glaubenden nicht zuschanden werden sollen (vgl. V. 7 mit V. 6). Wie wenig an die Vorstellung der Gemeinde als geistlichen Bau gedacht ist, zeigt V. 9 : die Gemeinde wird dort als königliche Priesterschaft bezeichnet, was die Vorstellung der Gemeinde als Tempel geradeswegs ausschließt. Aus Mk. 12,10 herauszulesen, daß „Jesus sich als Erbauer des messianischen Tempels" — „der verklärten Gemeinde" — gewußt hat 4 3 , ist völlig abwegig. Das Zitat Ps. 118,22 muß aus dem Zusammenhang mit der Parabel interpretiert werden. Zu der Vergabe des Weinbergs an 'andere' läßt sich kein Bezug herstellen : Die neuen Inhaber des Weinberges als einer auf den verworfenen Eckstein aufgebauten Tempel anzusehen, wäre eine absurde Eintragung in den Text. Im Zusammenhang mit der Parabel kann der Vers nur besagen, daß eben jener Sohn, der von den Weinbauern getötet und aus dem Weinberg geworfen, also „verworfen wurde", der ganz in ihrer Hand war, derjenige ist, an dem sich ihr Geschick entscheidet. Mit anderen Worten: V. 10 gibt der Aussage von V. 9 einen christologischen Bezug. Jeder ekklesiologische Bezug liegt fern. Was sonst noch herangezogen wird, um zu beweisen, daß die Vorstellung von der Gemeinde als dem Tempel Gottes im Urchristentum verbreitet war, ist noch fragwürdiger. Die Anwendung auf Mt. 12,6 führt die Vorstellung Michels, Jesus habe sich als Erbauer des eschatologischen Tempels gewußt, unter dem man die verklärte Gemeinde zu verstehen habe, ad absurdum. Wollte man die Worte του ΐεροϋ μείζον έστιν ώδε dahingehend verstehen, daß hier nicht der Tempel, sondern der Erbauer des Tempels ist — was eine sehr fragwürdige Auslegung wäre — dann könnte man ihnen doch unmöglich obendrein noch entnehmen, daß mit dem Tempel nicht der Bau in Jerusalem, sondern der eschatologische Tempel, die verklärte Gemeinde gemeint sei. Die Bezeichnung von Jakobus, Kephas und Johannes als στύλοι (Gal. 2,9) 44 läßt nicht auf die Vorstellung der Gemeinde als geistlichen Tempel schließen ; sie besagt lediglich, daß diese drei in der Gemeinde eine tragende Funktion haben, der Funktion von Säulen in einem Gebäude vergleichbar. Desgleichen liegt in Mt. 16,18 keine geprägte Vorstellung von der Gemeinde als Bau zugrunde. Lediglich die Bezeichnung Simons als Fels führt dazu, daß seine tragende Funktion für die Gemeinde in dem Bilde ausgesagt wird, daß dieselbe auf diesem Felsen erbaut wird. Nur über das Verhältnis zwischen Petrus und der Gemeinde ist hier etwas ausgesagt ; es wird keine ekklesiologische Grundaussage gemacht. Die Vorstellung von der Gemeinde als geistlichem Tempel liegt völlig fern. Kurzum, die Bezeichnung der Gemeinde als Tempel Gottes kommt gelegentlich vor (l.Kor. 3,16; 2.Kor. 6,16; Eph. 2,21f.) ist aber keineswegs eine geprägte ekklesiologische Grundanschauung, wofür sie in der Auslegung gehalten wird. Die geringe Verbreitung dieser Anschauung erlaubt es nicht, sie für 43 MICHEL ebd. Daß der messianische Tempel die „verklärte Gemeinde" ist, übernimmt Michel von JEBEMIAS. Siehe ebd. Anm. 16. 44

H e r a n g e z o g e n v o n GEUNDMANN S. 301.

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Mk. 14,58 vorauszusetzen und unter dem Tempel, der nicht mit Händen gemacht ist, die Gemeinde zu verstehen, zumal das Tempelwort und sein Kontext dafür keinen Anhalt bieten.

ad 3. ist zu fragen, ob die religionsgeschichtlichen Parallelen den Schluß erlauben, daß Jesus ein Tempelwort gesprochen hat, welches der Zeugenaussage Mk. 14,58 zugrunde liegen kann. Man argumentiert, die Ansage der Zerstörung des Tempels durch Jesus könne historisch sein, denn die Tempelzerstörung gehöre „hinein in das große endgerichtliche Geschehen als Gericht an Israel" 4 5 . Aber diese Vorstellung, daß die Tempelzerstörung als „Gericht an Israel" in „das große endgerichtliche Geschehen" gehöre, läßt sich religionsgeschichtlich nicht verifizieren; sie hat sich lediglich beim Exegeten gebildet, der zwischen prophetischer Gerichtsdrohung und apokalyptischer Erwartung nicht sorgfältig unterscheidet. Die prophetische Drohung der Tempelzerstörung versteht diese nicht als Teil eines endgerichtlichen Geschehens. Es fehlt der apokalyptische Horizont. Die Apokalyptik ihrerseits hat die als Bußruf gedachte prophetische Drohung der Tempelzerstörung nicht aufgenommen. Auch die rabbinischen Texte verraten keine Erwartung der Tempelzerstörung für das Endgericht 4 ®. Apokalyptische oder rabbinische Parallelen zu Mk. 13,2 lassen sich also nicht finden, und von der prophetischen Gerichtsdrohung unterscheidet sich dieser Vers, weil er die Zerstörung des Tempels nicht mit der Sünde des Volkes begründet und somit kein Bußruf ist, sondern eine apokalyptische Vorhersage. Eine derartige Vorhersage hat aber in den echten Jesusworten keine Parallele und fügt sich in die Verkündigung Jesu nicht ein. E s ist aber auch die These aufgestellt worden, es sei „eine apokalyptische Hoffnung des Judentums, daß der Messias eine neues Heiligtum bauen werde an Stelle des alten, sündig entweihten" 4 ', und Jesus habe mit der Ankündigung, er werde den Tempel zerstören und in drei Tagen einen anderen bauen, den Messiasanspruch erhoben 48 . Doch die Vorstellung, daß der Messias den alten Tempel auflöst und einen neuen baut, wird durch das herangezogene religionsgeschichtliche Material nicht belegt: Die einzige Parallele, in der die Zerstörung des Tempels im unmittelbaren Zusammenhang mit dem eschatologischen Neubau erfolgt, 45

46

GRTXNDMANN a . a . O . S. 262.

p. Joma 6,43 c, 61 Bar deutet ein Ereignis des Jahres 66, das es in das Jahr 30 zurückdatiert, nachträglich als Vorzeichen der inzwischen erfolgten Tempelzerstörung (siehe BILLEBBECK I, 1045). Ein eschatologischer Bezug fehlt. 47 48

LOHMEYER Markus S. 327. LOHMEYEB a . a . O . S. 3 2 7 ; TAYLOB a . a . O . S. 5 6 7 ; SCHWEIZER a . a . O . S. 188.

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finden wir Hen. 90,28f. Derjenige, der das neue Haus bringt, nachdem er das alte 'eingewickelt' hat, ist jedoch nicht der Messias oder der Menschensohn, sondern „der Herr der Schafe", dem Textzusammenhang nach also Gott. Auch in Hen. 91,13 ist von der Erbauung des „Hauses des großen Königs" durch den Messias oder Menschensohn keine Rede. I n den Gesichten des 4. Esra ist die Zerstörung Jerusalems und des Tempels vorausgesetzt. Die Zerstörung des Tempels erfolgt also nicht im Zusammenhang mit dem Neubau. Das Erscheinen der „unsichtbaren Stadt" 4. Esra 7,26 ist nicht das Werk des Christus oder des Menschensohnes. Auch im vierten Gesicht Esras 9,38-10,27 und in der nachfolgenden Deutung wird das Erscheinen (10,27) bzw. Offenbarwerden (10,54) der „Stadt des Höchsten" nicht mit diesen Gestalten in Verbindung gebracht. I m sechsten Gesicht, Esra 13, steht das Erscheinen Zions (13,36) zwar in Verbindung mit dem Kommen des Menschensohnes, aber trotz V. 36 b kann man diesen wohl nicht als den Erbauer Zions bezeichnen. I m Targum zu Jes. 53,5 wird vom Messias erwartet, daß er das Heiligtum bauen wird. Auch hier wird jedoch vorausgesetzt, daß dasselbe bereits zerstört ist, denn andernfalls müßte nicht nur vom Bauen des (neuen) Heiligtums sondern auch von der Beseitigung des (alten) entweihten und den Heiden überlieferten die Rede sein. Die Zerstörung des Tempels, die Mk. 14,58 Jesus zugeschrieben wird, hat also auch an dieser Stelle keine Parallele. Wann der Targum zu Jes. 53,5 zeitlich anzusetzen ist, darüber schweigen jene Exegeten, die ihn als Beleg heranziehen, sich aus. Gesetzt den Fall, er wäre vor dem Tempelneubau unter Esra entstanden, dann hätte er zur Zeit Jesu längst seine Aktualität verloren. Unter diesen Umständen dürfte er Jesu Zeitgenossen kaum so gegenwärtig gewesen sein, daß sie eine Aussage wie Mk. 14,58 darauf bezogen und als Messiasanspruch bewertet hätten. Setzt dieser Targum aber die Zerstörung des Tempels im Jahre 70 voraus, was doch wohl wahrscheinlicher ist, dann war es ohnehin verfehlt, ihn als Parallele heranzuziehen. Die von Billerbeck angegebenen rabbinischen Belege für die Erwartung, daß der Tempel in der Endzeit wiedererstehen wird, setzen die Zerstörung des Tempels im Jahre 70 bereits voraus 49 . Eine unmittelbare Verknüpfung von Wiederaufbau und Zerstörung findet man deshalb hier ebensowenig wie in den genannten Texten aus dem 4. Esra. Diejenigen Texte, welche die Erwartung aussprechen, daß der Messias der Erbauer des neuen Heiligtums sein wird, sind nicht nur spärlich, 49

Siehe

BILLERBECK I ,

S. 1003f.

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sondern auch so spät, daß es sich verbietet, sie zur Erhellung von Mk. 14,58 heranzuziehen 5 0 . Auch die biblischen Texte, die den Wiederaufbau des Tempels in der Heilszeit ankündigen (Ez. 40ff.; Tob. 13,15ff. ; 14,5) 51 , setzen voraus, daß der Tempel in Trümmern liegt, wenngleich dabei nicht an die Zerstörung im J a h r e 70 zu denken ist. Die Verbindung von Auflösung und Neubau des Tempels als eschatologisches Ereignis ist also auch hier nicht belegt und hat es offenbar als geprägte Vorstellung gar nicht gegeben. J e d e Andeutung, daß der Messias oder der Menschensohn der Erbauer des eschatologischen Tempels ist, fehlt. E s h a t sich also kein Beleg gefunden f ü r eine Hoffnung des Judentums zur Zeit Jesu, der Messias oder Menschensohn werde das alte Heiligtum beseitigen u n d an seiner Stelle ein Neues bauen. Gab es diese Erwartung aber nicht, dann kann Jesus das Tempelwort nicht gesprochen haben, um seinen Messiasanspruch deutlich zu machen, denn seine Zeitgenossen hätten es gar nicht verstanden 5 2 . Wir stellen also fest, daß auch die von den Auslegern als religionsgeschichtliche Parallelen herangezogenen Texte kein Argument für die Echtheit des Tempelwortes ergeben.

III. Analyse von Mk.

14,55-64

Zu den Schwierigkeiten des vorliegenden Textes gehört es, daß das Motiv des Schweigens Jesu durch die nachfolgende Frage des Hohenpriesters und die dadurch herausgeforderte Antwort um seine Wirkung gebracht wird. "Jes. 53,7 would demand a total silence", stellt Best mit Recht fest 5 3 . Das Schweigemotiv müßte deshalb am Schluß der Perikope stehen. E s dürfte ihm nichts mehr folgen als allenfalls die Feststellung der Reaktion der Betroffenen darauf. So finden wir es in Mk. 15,5. Was aber könnte diesem Perikopenschluß vorausgegangen sein? V. 59 sicher nicht, denn die Feststellung der mangelnden Überein50

Siehe B I L L E B B E C K I . , S. 1 0 0 5 . Wie man aus Sir. 36,18f. — offensichtlich ist Sir. 36,11 ff. L X X gemeint — eine Bitte um die Wiederherstellung des Tempels herauslesen kann ( B U I / T M A N N , Johannes S. 88 im Anschluß an J E R E M I A S ) , ist mir unklar. Hag. 2,7-9 verheißt zwar die prächtige Ausschmückung, aber nicht den Neubau des Tempels. 52 Die Anfrage des Hohenpriesters Mk. 14,61 ist demnach nicht als Folgerung aus dem von Zeugen vorgebrachten Tempelwort zu verstehen, wie L O H M E Y E R . (Markus S . 328) und T A Y L O R (a.a.O. S . 567) meinen, und die Verurteilung Jesu oder seine Auslieferung an Pilatus kann nicht auf Grund dieses Wortes erfolgt sein, wie S C H W E I Z E R (a.a.O. S . 188) annimmt. 53 A.a.O. S. 151. Er zieht daraus allerdings den Schluß : "In Mark the silence appears to play a definite roll independent of a hidden reference to the Servant . . . The silence in Mark is dramatically rather then biblically determined. 51

128

Verhör

Stimmung der Zeugenaussagen schließt jeden Anlaß für ein Reden Jesu aus. Nur dann ist das Schweigen Jesu bemerkenswert, wenn Jesus allen Grund hätte zu reden. So finden wir es wieder in 15,4, wo Jesus die Anklagen seiner Gegner mit Schweigen beantwortet. Eine Entsprechung dazu würden die Zeugenaussagen in 14,57 f. bilden. 14,59 wäre allerdings auszuschalten als spätere Zutat. Dafür spricht nicht nur, daß er zwischen V. 58 und V. 60 stört, sondern auch seine wörtliche Übereinstimmung mit 14,56, die es wahrscheinlich macht, daß er eine Nachbildung dieses Verses ist. Nach dem Motiv solcher Nachbildung werden wir noch zu fragen haben. V. 60 schließt an V. 58 glatt an. Angesichts der unglaublichen Behauptungen der Zeugen ist das Schweigen Jesu verwunderlich, denn die Feststellung, daß es sich um ein falsches Zeugnis handelt, hindert den Leser daran, das Schweigen Jesu als Eingeständnis seiner Schuld zu deuten. Das feierliche Aufstehen des Hohenpriesters V. 60 a würde allerdings besser zu der Messiasfrage passen. Deshalb ist zu erwägen, ob nicht Y. 60 a mit V. 61 b vertauscht worden ist, als die beiden Fragen des Hohenpriesters miteinander verbunden wurden, weil V. 60 a nicht gut nach V. 61b erzählt werden konnte. Das πάλιν geht dann natürlich auf Konto der Redaktion. V. 56 dürfte dagegen mit V. 57 f. ursprünglich nicht zusammengehört haben, da er mit diesen Versen konkurriert. V. 55 muß ursprünglich mit V. 63 zusammengehören: Die Feststellungen ,,... suchten ein Zeugnis gegen Jesus, um ihn hinzurichten" (V. 55) und „wozu brauchen wir noch Zeugen!" (V. 63) entsprechen sich. Aber auch V. 57 mußte eine Aussage vorangehen, daß Jesus vor dem Synedrium verhört wurde in der Absicht, eine Handhabe für seine Verurteilung zu finden. Der Anfang dieser Perikope dürfte sich also im wesentlichen mit V. 55 decken, so daß wir ihn zu ihrer Rekonstruktion heranziehen können, wenngleich wir wissen, daß er nicht zu ihr gehört, was wir mit den eckigen Klammern andeuten. Der Text der Perikope vom Schweigen Jesu, die wir aus Mk. 14, 55-64 erschlossen haben, lautet dann: A. 55

„[Die Hohenpriester und das ganze Synedrium suchten ein Zeugnis gegen Jesus, um ihn hinzurichten.] 57 Und etliche traten auf und legten falsches Zeugnis gegen ihn ab, indem sie sprachen: 58 ,Wir selber hörten ihn sagen : Ich werde diesen Tempel (den mit Händen gemachten) vernichten und binnen drei Tagen einen anderen (nicht mit Händen gemachten) erbauen.' 61b [Und] . . . der Hohepriester fragte ihn und sprach zu ihm: 60b .Antwortest du nichts auf das, was diese wider dich zeugen?' 61a Er aber schwieg und antwortete gar nichts."

129

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Für unsere Analyse spricht, daß nicht nur die herausgezogenen, sondern auch die übriggebliebenen Verse eine sinnvolle Einheit bilden. Sie ergeben folgenden Erzählungszusammenhang : B. 55

„Die Hohenpriester und das ganze Synedrium suchten ein Zeugnis gegen Jesus, um ihn hinzurichten und fanden es nicht. 56 Denn viele legten falsches Zeugnis gegen ihn ab und die Zeugnisse stimmten nicht überein. 60a Und der Hohepriester stand auf [trat] in die Mitte und fragte Jesus: 61c ,Bist du der Messias, der Sohn des Hochgepriesenen?' 62 Jesus aber sprach: ,Ich bin es. (Und ihr werdet schauen den Menschensohn, sitzend zur Rechten der Kraft und kommend mit den Wolken des Himmels.') 63 Der Hohepriester aber zerriß seine Gewänder und sprach: ,Wozu brauchen wir noch Zeugen ! 64 Ihr habt die Lästerung gehört ; was dünkt euch ? ' Sie alle aber verurteilten, ihn, des Todes schuldig zu sein.

Wie ich nachträglich festgestellt habe, findet sich diese Analyse mit einigen Abweichungen bereits bei H I R S C H 64. Die von mir erschlossene Erzählung A deckt sich im wesentlichen mit dem betreffenden Abschnitt der von Hirsch postulierten Quelle Mk. I, die Erzählung Β mit dem entsprechenden Abschnitt auf Mk. I I . Die von Hirsch vorgenommene Analyse unterscheidet sich allerdings insofern von der meinen, als Hirsch zu beiden Quellenstücken den V. 65 hinzurechnet, V. 59, der die Frage des Hohenpriesters unverständlich erscheinen läßt, aus Mk. I nicht ausschließt und V. 60 a und 61a nicht vertauscht.

Es besteht jedoch ein tiefgreifender Unterschied in der Begründung, die für die Analyse gegeben wird. Hirsch argumentiert nicht literarkritisch, sondern psychologisch: „Der Wutausbruch 65 ist nur verständlich, wenn das Ziel der Verhandlung, Jesus zu überführen und nach klaren Gesetzesgründen zu verurteilen, mißlingt: und daß dies das Ziel ist sowie daß es mißlingt, ist 55 ja deutlich als Überschrift über das Ganze gesetzt. . . Scheitern kann die Verhandlung nur daran, daß die Zeugnisse gegen Jesus nicht übereinstimmen und Jesus schweigt." Daß dieser „Wutausbruch" auf eine alttestamentliche Vorlage zurückgeht und eine psychologische Erklärung weder benötigt noch verträgt, ist Hirsch entgangen. Unter Einbeziehung der richtigen Einsicht: „Der Beschluß der zweiten Sitzung im Morgengrauen 15,1 setzt voraus, daß vorher kein Beschluß gefaßt ist", folgert Hirsch: „Wer 14,55.65; 15,1 zuerst niederschrieb, der hat 61b-64 nicht geschrieben." 55 Diese Folgerung ist aber nur dann schlüssig, wenn man — wie Hirsch das t u t — vor54

A.a.O. S. 162f. und 263f.

9 Linnemann, Passionsgeschichte

55

A.a.O. S. 163.

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aussetzen kann, daß dem Text eine zusammenhängende Quelle zugrunde liegt u n d nicht mehrere selbständige Perikopen. Weitere Schwierigkeiten bereitet die Annahme, daß der betreffende Abschnitt aus Mk. I I aus der Vorlage Mk. I entstanden sein soll. E s ließe sich vielleicht noch denken, daß V. 56 als Ersatz f ü r V. 57-59 gebildet wurde, wenn m a n in Betracht zieht, daß dadurch das problematische Tempelwort ausgeschaltet werden sollte —- was Hirsch allerdings nicht erwägt. K a n n m a n aber annehmen, daß das Schweigen J e s u in der Vorlage den Bearbeiter veranlaßte, an seine Stelle das Messiasbekenntnis zu setzen u n d auf dieses Bekenntnis hin die Verurteilung Jesu zu erzählen? Die Berührungspunkte zwischen Mk. I u n d Mk. I I an dieser Stelle sind doch wohl zu gering, u m eine Abhängigkeit zwischen beiden anzunehmen — vorausgesetzt, daß m a n diese nicht von vornherein postuliert, wie Hirsch das t u t . Wenngleich die Analyse der Perikope vom Verhör J e s u vor dem Synedrium durch Hirsch die meinige weitgehend vorweggenommen hat, darf ich f ü r diese doch wohl Selbständigkeit in Anspruch nehmen, nicht deshalb, weil ich mit jener zufällig erst nachträglich bekannt geworden bin, sondern weil die meinige auf einer völlig anderen Begründung beruht. Hirschs Begründung war nicht dazu angetan, seine Analyse zu empfehlen, die denn auch, soweit ich sehe, von niemandem aufgenommen wurde. E r s t eine zureichende Begründung macht eine Analyse diskutabel.

IV. Synthese von Mk.

14,55-64

E s macht keine Schwierigkeiten, die Entstehung des bei Markus vorliegenden Textes auf Grund der durch die Analyse erschlossenen selbständigen Perikopen zu erklären. Wir h a t t e n bereits an der Perikope von der Verhaftung Jesu gezeigt, daß Markus Einzelperikopen vorlagen, die er am Faden des natürlichen Handlungsablaufs aufgereiht hat. Lagen zu einer Station des Leidens J e s u mehrere Erzählungen vor, m u ß t e er versuchen, sie miteinander zu verschmelzen. So auch in diesem Falle. Die Verbindung der beiden Perikopen vom Verhör Jesu machte keine großen Schwierigkeiten: Eine der beiden Situationsangaben m u ß t e natürlich wegfallen, u n d die Doppelung der Angaben über die Zeugenaussagen war in Kauf zu nehmen. Der Evangelist konnte entweder annehmen, daß in 14,57 f. genauere Angaben zu 14,56 nachgeholt wurden, oder aber, daß diese Verse die Fortsetzung des in 14,65 berichteten erzählten. Offenbar lag ihm sehr daran, an der Unschuld J e s u keinen Zweifel zu lassen. Des-

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131

halb trug er die Aussage von 56b auch hinter 14,58 nach, ohne zu merken, daß sie 14,60 störte. Möglicherweise fügte er auch in V. 58 die Worte χειροποίητον — άχειροποίητον ein. Zwischen den beiden Versen mit der Frage des Hohenpriesters war eine kleine Umstellung nötig, denn dessen Aufstehen und In-die-Mitte-treten hätte unmotiviert gewirkt, nachdem er seinen Dialog mit Jesus bereits begonnen hatte. Am Schluß der Perikope fügte Markus V. 65 an. So wird durch die Synthese des Textes unsere Analyse bestätigt.

V. Die Perikope vom Schweigen Jesu vor dem Synedrium Das tragende Motiv der Perikope ist das Schweigemotiv, das in Jes. 53,7 und Ps. 38,13-16 vorgeprägt ist56. Darin erweist sie sich als Dublette zu Mk. 15,1. 3-5 67 . Sie dürfte von diesem Texte abhängig sein58: Erstens ist das leichter denkbar, als der umgekehrte Fall, denn Mk. 15,1 bot einen Anlaß für die Bildung einer Perikope vom Verhör vor dem Synedrium, während Mk. 14,57-60 keinen Anlaß bot, ein Verhör Jesu vor Pilatus zu gestalten. Zweitens dürfte es das Primäre sein, daß Jesu Schweigen seine Antwort auf Anklagen ist, und es läßt sich gut erklären, warum bei der Übertragung in die andere Situation an Stelle der Anklagen das falsche Zeugnis treten mußte: Es gab ja keine Instanz, die Jesus vor dem Synedrium in gleicher Weise anklagen konnte, wie die άρχιερεΐς vor Pilatus. Die Beschuldigung durch falsche Zeugen ist aber ein zusätzliches biblisches Motiv, vgl. Ps. 27,12; 109,2f.59. Die Mehrung der Motive macht es gleichfalls wahrscheinlich, daß wir in Mk. 14,57ff. die spätere Bildung vor uns haben. Dem Erzähler mußte daran gelegen sein, seinen Hörern deutlich zu machen, daß Jesus fälschlich bezichtigt wurde. Nur so konnte das Schweigemotiv zum Tragen kommen. Wir brauchen uns deshalb nicht darüber zu wundern, daß die in V. 58 Jesus zugeschriebene Behaupttung den Charakter des Absurden hat. Genauer gesagt, sie hat die 56 Auch M A U R E R a.a.O. S. 9 und B O N N A R D a.a.O. S. 387 sehen in dem Motiv des Schweigens Jesu eine Anspielung auf Jes. 53,7. 57 Die bis in Einzelheiten gehende Übereinstimmung der beiden Texte zeigt sehr deutlich die synoptische Zusammenstellung bei Georg BRATTMANN: Mark. 15,2-5 und Mark. 14,55-64, Z N W 52 (1961) S. 273-278. Mk. 15,2 sehe ich mit Bultmann (Gesch. S. 293) als sekundäre Erweiterung an. 58 Auch B R A U M A N N ( a . a . O . S. 2 7 8 ) konstatiert eine Abhängigkeit des Verhörs Mk. 14,55ff. von Mk. 15,Iff. 59 Man kann die Möglichkeit nicht ausschließen, daß dieses Motiv es war, das zur Entstehung der Dublette geführt hat.



132

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Struktur der Behauptung von Unmöglichem, des Sich-vermessens. Nicht erst der Wiederaufbau des Tempels in drei Tagen, bereits seine Zerstörung war in einem Zeitalter, in dem die Sprengstoffe noch nicht erfunden waren, für einen einzelnen eine Unmöglichkeit 60 . Es ist ein bekanntes Märchenmotiv, daß jemand von seinen Feinden eines Sich-Vermessens beschuldigt und daraufhin von seinem Herrn genötigt wird, das für unmöglich Gehaltene zu tun, was natürlich im Märchen dank wunderbarer Hilfe auch stets gelingt. Das Motiv, jemanden eines Sich-Vermessens zu bezichtigen, könnte vielleicht geläufig gewesen sein und zu der Formulierung des falschen Zeugnisses Mk. 14,58 geführt haben. Unabdingbare Voraussetzung ist das jedoch nicht. Das 'falsche Zeugnis' besteht demnach darin, daß Jesus eine vermessene Behauptung zugeschrieben wird, die er gar nicht geäußert hat. F ü r eine andere Auffassung fehlt jeder Anhalt am Text. Wenn die Auslegung das bisher übersehen hat, dann ist das nicht vom Text, sondern nur von der Auslegungsgeschichte her zu begreifen: Man erwartete in der Passionsgeschichte einen historischen Bericht, wenngleich man die Möglichkeit einer tendenziösen Entstellung in Rechnung stellte. Deshalb suchte man in der Perikope nach einem „historischen Kern". Gab das Selbstbekenntnis Jesu als Messias ihn nicht her, mußte man danach trachten, ihn in dem Tempelwort zu finden. Dementsprechend versuchte man entweder das Wort έψευδομαρτύρουν als Zutat des Evangelisten anzusehen oder aber das falsche Zeugnis als die Verdrehung eines echten Jesuswortes zu begreifen. Man ließ sich davon nicht einmal abhalten, wenn man zugeben mußte, daß sich über den Wortlaut eines solchen Jesuswortes nichts ausmachen läßt 61 . So konnte es geschehen, daß die Struktur der Behauptung von Unmöglichem, die das Tempelwort hat, nicht erkannt wurde, zumal V. 59 das rechte Verständnis des έψευδομαρτύρουν erschwerte.

Jesus antwortet auf die ungeheuerliche Beschuldigung mit Schweigen. E r verzichtet darauf, sich zu rechtfertigen — entgegen der dem Menschen zutiefst eingewurzelten Grundhaltung, nach Gerechtigkeit zu schreien, falsche Beschuldigungen nicht erleiden zu können und zu wollen. E r t u t seinen Mund nicht auf, wie das Lamm vor seinem Scherer verstummt. E r ist bereit, das Leiden auf sich zu nehmen. Auch diese Perikope berichtet nicht über eine Station der Passion, sondern deutet das Ganze des Passionsgeschehens. 60 Daß die Ankündigung des Neubaus in drei Tagen das Logion „zu einem zauberhaften Wort" macht, „das die Möglichkeit geben würde, gegen [Jesus] wegen Zauberei vorzugehen", hat bereits G B U N D M A N N gesehen. Er verdirbt sich aber diese Erkenntnis durch das Verständnis des neuen Tempels als geistliches Haus, wodurch er sich durch das «χειροποίητος berechtigt glaubt. 61 Vgl. als eindrucksvollstes Beispiel die bereits in Anm. 21 zitierte Auslegung von C R A N F I E L D z.St.

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VI. Die Perikope von der Verurteilung des Messias Das Anliegen der Perikope ist es offenbar, zu zeigen, daß keine andere Schuld an Jesus zu finden war, als daß er der Christus ist, d.h. daß er um dessentwillen verurteilt wurde, was doch in Wahrheit Grund zu höchster Verehrung ist. Während der Glaube bekennt: 'Jesus ist der Christus', hört der Unglaube dieses Bekenntnis zum Gekreuzigten als Lästerung. Die Unschuld Jesu wird durch das Motiv der falschen Zeugen zum Ausdruck gebracht. Dieses Motiv stellte sich bereitwillig ein, war es doch ein fester Bestandteil der Leidenspsalmen 62 . Der Inhalt der Beschuldigungen interessiert nicht. Es genügen die Feststellungen, daß es viele waren, um zu zeigen, daß sich trotz der Fülle von Beschuldigungen Jesu Unschuld erwies, und daß die Zeugnisse nicht übereinstimmten, sich also als ungültig und unhaltbar erwiesen. So steht Jesu Unschuld für den Hörer und Leser fest. Daraufhin wird vom Hohenpriester feierlich die Messiasfrage gestellt, die Jesus bejaht. Den Worten „Ich bin es" schließt sich eine Zitatenkomposition an, die wahrscheinlich nachträglich eingefügt wurde. D a f ü r spricht die Differenz der Titel in der F r a g e des Hohenpriesters u n d der A n t w o r t J e s u , wie bereits G r a n t gemerkt h a t 6 3 . E s ist nicht einzusehen, d a ß ein Erzähler, d e m die Zitatenkomposition bereits vorlag, einen anderen W ü r d e t i t e l gewählt h a b e n sollte als den, der i h m darin vorgegeben war. E i n e spätere H i n z u f ü g u n g v o n V. 62 l ä ß t sich leicht erklären : d a m i t sollte a n g e d e u t e t werden, d a ß jene, die j e t z t zur Verurteilung J e s u schreiten, den, welchen sie v e r d a m m e n , z u m R i c h t e r h a b e n w e r d e n 6 4 . 62 A n eine Abhängigkeit zwischen A u n d Β in diesem P u n k t e ist deshalb nicht zu denken. Die beiden Perikopen d ü r f t e n u n a b h ä n g i g voneinander ents t a n d e n sein. 63 T h e Earliest Gospel, New Y o r k o. J . , S. 68. M o u l e dagegen m ö c h t e in d e m Wechsel der Titel eine K o r r e k t u r sehen, die J e s u s stillschweigend vorn i m m t . Der T e x t gibt d a s aber nicht her u n d die Voraussetzungen, die in dieser These bezüglich des messianischen Selbstbewußtseins J e s u g e m a c h t sind, k ö n n e n wir nicht teilen. 64 G l a s s o n (The reply t o Caisphas N T S 7 [1960/61] S. 88-93) m ö c h t e allerdings aus d e m ursprünglichen Sinn v o n D a n . 7,13 folgern, d a ß das K o m m e n des Menschensohnes in Mk. 14,62 n i c h t die Parusie des himmlischen R i c h t e r s bedeute, sondern die E r r i c h t u n g der göttlichen Königsherrschaft u n d der neuen Gemeinde symbolisiere. Angesichts der A u f n a h m e des Menschensohnbegriffes in 4 . E s r a 13 u n d in A n b e t r a c h t der Methoden alttestamentlicher Auslegung, die sowohl v o m J u d e n t u m als v o n der Urchristenheit p r a k t i z i e r t w u r d e n , erscheint es mir fraglich, ob m a n den Sinn v o n Mk. 14,62 durch eine I n t e r p r e t a tion v o n D a n . 7,13 a u s seinem Z u s a m m e n h a n g h e r a u s erschließen k a n n . I c h schließe mich deshalb d e n Urteilen von H . K . Mc. Ajrthtjb (Mark 14,62 N T S 4 [1957/58] S. 156-158) u n d C r a n f i e l d ( a . a . O . S. 444) a n . D e r letztere stellt f e s t : "While it is t r u e t h a t D a n . 7,13 refers to a coming t o God r a t h e r t h a n f r o m h i m t o t h e e a r t h , t h e order of t h e two quotations rules out this i n t e r p r e t a t i o n here, for in Mark t h e coming follows t h e s i t t i n g . " Die Frage, ob u n d wie auf die Zitaten-

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N o r m a n PEREIN, der den Vera ebenfalls f ü r s e k u n d ä r hält, h a t g l a u b h a f t g e m a c h t , d a ß er d a s E n d p r o d u k t einer christlichen P e s h e r t r a d i t i o n ist 6 5 . SUHL66 n i m m t dagegen an, d a ß er v o m Evangelisten M a r k u s gebildet wurde, a b e r seine Beweisführung ist nicht überzeugend. L a g d e m Evangelisten in 12,45ff. die christologische D e u t u n g v o n P s . 110,1 vor u n d in 13,26 d a s W o r t v o m K o m m e n des Menschensohnes, d a n n besagt d a s noch lange n i c h t , d a ß die K o m b i n a t i o n beider Traditionen auf i h n zurückgehen m u ß . E r k a n n sie genau wie jene bereits v o r g e f u n d e n h a b e n . D a ß er es war, d e r V . 62 in die Perikope v o m Verhör einfügte, ist möglich; ebensogut k a n n die E i n f ü g u n g a b e r a u c h auf einen ihrer T r a d e n t e n zurückgehen. D a nichts zu der A n n a h m e nötigt, d a ß M a r k u s den Vers gebildet h a t , sollte m a n sich h ü t e n , a u s Mk. 14,62 weitreichende Schlüsse f ü r die Theologie des Evangelisten zu ziehen.

Ohne diese Zitatenkomposition ist die Erzählung stringenter, der Grund der Verurteilung klarer herausgestellt. Die Verse 63 und 64 wollen zeigen, daß die Verurteilung Jesu allein auf Grund seines Messiasbekenntnisses erfolgt ®7. Dem dient die Feststellung des Hohenpriesters: „was brauchen wir noch Zeugen!", in der die Verse 55 und 56 wieder aufgenommen werden. Auch die Perikope von der Verurteilung des Messias setzt möglicherweise die Erzählung vom Pilatusverhör Mk. 15,1. 3-5 voraus und führt das in 15,1 Gesagte selbständig aus. 15,2 dagegen dürfte vom Evangelisten auf Grund der ihm vorliegenden Perikope von der Verurteilung des Messias gebildet worden sein. Bei der Wahl des Titels — König der Juden statt Christus — könnte die Perikope Mk. 15,6-15 eingewirkt haben, in der Jesus von Pilatus als König der Juden bezeichnet wird88. VII. Markus 15,2-5 und Markus 14,55-64 Unter dieser Überschrift haben wir uns mit einer Studie von Georg mit dem gleichen Titel zu beschäftigen, in der er das Abhängigkeitsverhältnis der beiden Verhörsperikopen untersucht69.

BKAITMANN

komposition Mk. 14,62 d a s P r o b l e m der Parusieverzögerung eingewirkt h a t (GRÄSSER, a . a . O . S . 1 7 2 - 1 7 7 ; S U H L S . 5 4 - 5 6 ) k a n n h i e r a u ß e r a c h t b l e i b e n . 65

Mark 14,62; T h e E n d P r o d u c t of a Christian Pesher T r a d i t i o n , i n : N T S 12 (1965/66) S. 150-155. 66 A . a . O . S. 55. 67 M a n darf n i c h t fragen, ob d a s Messiasbekenntnis juristisch d e n Verurteilungsgrund abgeben k o n n t e . M a n m u ß vielmehr fragen, ob es d e n k b a r ist, d a ß in der Urchristenheit erzählt w u r d e , J e s u s sei allein deswegen v e r u r t e i l t worden, weil er sich als der Messias b e k a n n t e , der er ist. Die letztere F r a g e wird m a n k a u m verneinen k ö n n e n . 68 BEST dagegen ( a . a . O . S. 95) ist der Meinung, d a ß der Titel König der J u d e n M a r k u s d u r c h die Kreuzesinschrift Mk. 15,26 vorgegeben war. I c h h a l t e jedoch den t i t u l u s f ü r eine Bildung des Markus. D a z u siehe u . S. 154. 69 Ζ N W 52 (1961) S. 273-278.

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Braumann kommt darin zu folgendem Ergebnis: „Das Verhör vor Pilatus und das Verhör vor dem Hohenpriester sind zwei Berichte, die bis in Einzelheiten hinein Entsprechungen aufweisen. Auf Grund dieser Parallelen muß eine Abhängigkeit des einen vom anderen vorliegen, und zwar wird die Pilatus-Verhandlung gegenüber der Hohenpriester· Verhandlung primär sein. Besteht tatsächlich eine Abhängigkeit, so wird vor der Bildung des zweiten Berichtes Mk. 15,2 auf Mk. 15,3-5 gefolgt sein" 70 . Als Motiv für die Entstehung der Dublette nimmt er an: 1. Es sollte den Juden die Schuld an Jesu Tod zugeschrieben werden. 2. Es sollte erzählt werden, daß Christus der Sohn des Hochgelobten sei. Aber dieser Lösungsversuch, der nach dem Urteil Braumanns gegenüber den früheren den Vorzug der Einfachheit hat, enthält eine Reihe von Schwierigkeiten. 1. Braumann muß eine Erklärung dafür schuldig bleiben, was denn zur Umstellung von 15,2 geführt hat. 2. Er sieht völlig ab von den Versen Mk. 14,63 und 64; er erwähnt sie in seinem Lösungsversuch mit keinem Wort! 3. Sein Lösungsversuch läßt die Schwierigkeiten der Perikope vom Verhör vor dem Hohen Rat, welche die Einheitlichkeit dieses Textes in Frage stellen 71 , völlig außer acht. Damit ist aber die Einfachheit seiner Lösung zu teuer erkauft. Wir halten deshalb daran fest, daß die Übereinstimmungen zwischen den beiden Verhören Mk. 14,55-64 und 15,1-5 folgendermaßen zu erklären sind: Mk. 14,(55)57-60 ist eine Dublette zu Mk. 15,1. 3-5. I n Mk. 14,55. 61-64 liegt eine selbständige Erzählung vor, die möglicherweise Mk. 15,1. 3-5 voraussetzt, indem sie das in 15,1 Mitgeteilte ausführt. Mk. 15,2 wurde vom Evangelisten hinzugefügt, der dafür 14,61 f. benutzte und sich in der Wahl des Würdetitels von 15,9. 12 beeinflussen ließ. 70

A.a.O. S. 278.

71

Siehe o. S. 109f.

Der Kreuzigungs'bericht' I. Die Frage der Einheitlichkeit der Perikope Auch die Kreuzigungsperikope enthält eine Reihe von Schwierigkeiten, die an ihrer Einheitlichkeit zweifeln lassen. Der eigentliche Antrieb zu den verschiedenen Dekompositionsversuchen, die bisher vorgelegt wurden, war aber nicht die traditionsgeschichtliche Fragestellung und nicht das Bemühen, den Text als sprachliche Gestaltung zu verstehen, sondern allein die Frage, wieweit man ihn als historischen Bericht ansehen darf und was als spätere legendarische, apologetische oder sonstwie tendenziöse Zutat zu gelten habe. Den „historischen Kern" des Textes findet J . WEISS in 15,15b, 20b-22, 24a, 27, 31f., 37, 39, 40-41 a \ BULTMANN in 15,20b-24a, (27) 37 2 , FINEGAN in 15,21, 22a, 24a, 26, 37, 40f. 3 , GOGUEL in 15,22-24. 26.34.37 4 , TAYLOR in 15,21-24, 26, 29f., 34-37, 39 5 , 6 SCHWEIZER 15,20b-24a, 26, 27, 29a, 32b, 36a, 37 . Eine Diskussion darüber, wer von diesen Exegeten den Umfang des 'historischen Kreuzigungsberichtes' am zutreffendsten begrenzt hat, erscheint mir wenig sinnvoll, denn ich vermag die Voraussetzung nicht zu teilen, auf Grund deren bei den genannten Autoren die Scheidung in primäre und sekundäre Bestandteile vorgenommen wird. Ich bin nicht der Ansicht, daß als Grundbestandteil der Perikope ein historischer Bericht anzunehmen sei und daß historische Wahrscheinlichkeit gleichbedeutend ist mit literarischer Priorität. Es erscheint mir als eine petitio principii, wenn unhistorische Details wie das Stundenschema, das Zerreißen des Tempelvorhangs oder aus dem Alten Testament erschlossene Begebenheiten wie die Verlosung der Kleider u.a. von vornherein als sekundäre Zutaten angesehen werden. Nur aus dem Textbefund selbst, nicht aus allgemeinen Erwägungen über den historischen oder unhistorischen Charakter einer Textaussage läßt sich ermitteln, ob der betreffende Vers oder Versteil ursprünglicher Bestandteil der Perikope ist. Nicht historische Unwahrscheinlichkeiten, sondern literarische Unstimmigkeiten stellen die Einheitlichkeit des 1

Nach T A Y L O R a . a . O . S. 649. 3 Gesch. S. 294f. A . a . O . S. 82. * A . a . O . S. 371. Seine Rekonstruktion ist allerdings nur inhaltlich skizziert ohne Versangaben. 5 6 A . a . O . S. 651. A . a . O . S. 198, 201 f., 203f. 2

Kreuzigung

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Textes in Frage. Diese Unstimmigkeiten sind aber eigenartigerweise in den Dekompositionsversuchen der genannten Exegeten kaum berücksichtigt worden 7 . Noch weniger werden sie bei jenen Exegeten berücksichtigt, die von vornherein auf eine Dekomposition des Textes verzichten, sei es, weil sie ihn für einheitlich halten, sei es, weil sie allein an der markinischen Endgestalt interessiert sind. Auch die Ausleger, welche eine durchgehende Quellenscheidung im Markusevangelium vornehmen, nehmen die Schwierigkeiten des Textes nicht als Ausgangspunkt dafür. Für KNOX wurde das bereits generell vermerkt. Aber auch bei HIRSCH spielen bei der Analyse des Kreuzigungsberichtes weitaus mehr als sonst Gesichtspunkte eine Rolle, die das Gegebensein von zwei Quellen und einer bestimmten Manier ihrer redaktionellen Vereinigung von vornherein voraussetzen. Deshalb können wir an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen. Erst SCHREIBER hat die Frage nach der Einheitlichkeit des Textes ausdrücklich als literarkritische Frage gestellt 8 , wenngleich er dabei mehrfach auf Beobachtungen zurückgreifen kann, die bereits im Zusammenhang mit der historischen Fragestellung gemacht worden sind. Schreiber stellt in der Kreuzigungsperikope mehrere Dubletten fest : 1. die Angabe der Kreuzigung in 15,24 und in 15,25 2. die Wiederholung von 30a in 31b, 3. die Wiederholung von 30b in 32ab, 4. die doppelte Erwähnung von Jesu Schrei in V. 34 und V. 37, welche die Verse 35f. problematisch macht. Diese Feststellungen treffen im wesentlichen zu, wenngleich sie teilweise noch zu berichtigen, zu präzisieren und durch weitere Beobachtungen zu ergänzen sind. a) V. 30 a wird in V. 31 nicht wiederholt, wie Schreiber meint, sondern fortgeführt. Daraus kann man schließen, daß 31a ursprünglich an 30a anschloß und erst nachträglich durch die Erwähnung der „typischen Gegner Jesu in der sekundären Tradition" 9 davon getrennt wurde. 7 B e i B U L T M A N N finden sich l i t e r a r k r i t i s c h e A r g u m e n t e n u r f ü r die Auss c h e i d u n g v o n Y . 25, V . 26 u n d V . 31 f. T A Y L O R g e h t v o n B u l t m a n n s A n a l y s e a u s u n d d i s k u t i e r t lediglich, w e l c h e V e r s e ü b e r d a s v o n B u l t m a n n Z u g e s t a n d e n e h i n a u s n o c h als h i s t o r i s c h e g e l t e n k ö n n t e n . S C H W E I Z E R a r g u m e n t i e r t f ü r d i e E i n b e z i e h u n g v o n V . 26 u n d V . 3 6 a h i s t o r i s c h , w ä h r e n d er die A u s s c h e i d u n g v o n V . 2 9 b . 30 l i t e r a r k r i t i s c h zu b e g r ü n d e n v e r s u c h t . I m ü b r i g e n f o l g t er B u l t m a n n . 8 Theologie d e s V e r t r a u e n s , H a m b u r g 1967, S. 2 4 - 2 7 . 9 B U L T M A N N , Gesch. 2 9 5 ; S C H R E I B E R a . a . O . S . 2 4 f .

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b) Die Aufforderung, „steige herab vom Kreuz" konkurriert mit der anderen „rette dich selbst", zumal beide unverbunden nebeneinanderstehen 10. c) Die Feststellung: „andere hat er gerettet, sich selbst vermag er nicht zu retten", V. 31b steht in Spannung zu der Aufforderung „der Christus, der König Israels steige herab vom Kreuz, damit wir sehen und glauben!" V. 31b V. 32. läßt diese Fortsetzung nicht erwarten, V. 32 bedarf der Aussage von V. 31 nicht. d) Ähnlich steht es mit V. 29b und V. 30a: 29b läßt nicht V. 30a als Fortsetzung erwarten, sondern eine Bemerkung von der Art: „Wo bleibt nun deine große Macht?", während die Aufforderung von 30a nicht der Erwähnung von 29b, sondern der Fortsetzung in 31b bedarf. e) Es kommt hinzu, daß sich 15,29b durch seinen Bezug zu 14,58 und 15,32 durch seinen Bezug zu 14,61f. als redaktionelle Zutat ausweisen. f) Ferner ist noch zu erwähnen, daß die Verse 20b. 21 nur locker mit dem Folgenden verbunden sind. Simon wird im Fortgang der Erzählung nicht mehr erwähnt. g) Ebenso schwach ist die Verbindung von V. 40 f. mit der Perikope. h) Zuletzt ist noch der schlechte Anschluß von V. 39 an V. 38 zu nennen, den auch Schreiber beobachtet hat 1 1 . Angesichts so vieler Schwierigkeiten ist mit der Einheitlichkeit der Perikope nicht zu rechnen, und die ursprüngliche Textgestalt kann nur durch eine Dekomposition herausgearbeitet werden. Ist diese Aufgabe aber schon zufriedenstellend gelöst? 10 Bezeichnenderweise ändern sowohl Matthäus wie Lukas an dieser Stelle: Matthäus fügt ein „und" ein, während Lukas, der Mk. 14,30 für seinen V. 39 verwendet hat, die Aufforderung, vom Kreuz herabzusteigen, nicht berücksichtigt. 11 H I R S C H sieht noch einen Bruch zwischen V. 33 und V. 34. „Der die Stundenangabe wiederholende Einsatz von 34 [sei] gegen 33 fremd und hart" (a.a.O. S. 172). Aber eine andere Verbindung zwischen beiden Versen war der Sache nach kaum möglich. In V. 33 soll das Sich-Erstrecken der Finsternis ausgesagt werden, dazu müssen Anfangs- und Endpunkt genannt werden. V. 34 will das neu einsetzende Geschehen erzählen, das der Inhalt der Folgezeit ist. Jede engere grammatische Verknüpfung zwischen V. 33 und V. 34, bei der die Wiederholung der Stundenangabe fehlt, würde die Erzählung verderben. Die Ausführlichkeit der Zeitangaben spielt diese in den Vordergrund. Auch in der Annahme, daß sich V. 39 auch auf V. 33 beziehen müsse und die Verse 34-36 den ursprünglichen Zusammenhang unterbrechen, vermag ich Hirsch nicht zu folgen.

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II. Schreibers Analyse des Kreuzigungsberichtes Schreiber selbst macht für die Analyse der Kreuzigungsperikope als Kriterien geltend: „Nur die Analyse darf als zutreffend gelten, die erstens diese Struktur des Textes verständlich macht und zweitens zeigt, welchen Eigenwert die in 15,20b-41 verarbeiteten Traditionen vor ihrer Kombination im jetzigen Bericht hatten . . . Die beschriebene Schwierigkeit und Bedeutung der Aufgabe erfordert den Einsatz aller zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden. Denn nur wenn die durch Text-, Literatur- und Stilkritik sowie durch Vokabelstatistik gesicherte Analyse mit der motiv- und redaktionsgeschichtlichen Interpretation harmoniert, kann die traditionsgeschichtliche Untersuchung von Mk. 15,20b-41b als gelungen bezeichnet werden." 1 2 Wird seine eigene Analyse des Kreuzigungsberichtes diesen Kriterien gerecht? Das Ergebnis seiner Analyse ist die Annahme von zwei Kreuzigungstraditionen (I. Mk. 15,20b-22a. 24-27; I I . Mk. 15,25. 26. 29a. 32c. 33. 34a. 37. 38), die vom Evangelisten verbunden und mit Zusätzen versehen worden sind (Mk. 15,22b. 23. 29b-32b. 34b-36. 39-41). Schreiber stellt zum Abschluß seiner Analyse fest: ,,daß die jeweils von verschiedenem methodischen Standpunkt aus durchgeführte Untersuchung immer wieder zum selben Ergebnis geführt hat" 1 3 . Diese Feststellung können wir nicht unwidersprochen lassen. Es trifft nicht zu, daß seine Analyse sowohl durch Text- und Literarkritik als auch durch Stilkritik und Vokabelstatistik bestätigt würde. A) Der Abschnitt Text- und Literarkritik1* — in dem übrigens von Textkritik mit keiner Silbe die Rede ist — ergibt nicht mehr als die oben referierte Feststellung der Dubletten sowie die Annahme von späteren Einfügungen in den Text (Mk. 15,34b-36 und 15,39-41), die von Schreiber ohne zureichende Begründung dem Evangelisten zugeschrieben werden. Jede Überlegung, welche die Zuordnung der Dubletten zueinander und zu den übrigen Versen betrifft, fehlt an dieser Stelle. Kein Gedanke wird auf die Erwägung verschiedener Möglichkeiten verschwendet. Eine Auseinandersetzung mit den Ansichten anderer Exegeten findet nicht statt, nicht einmal eine Begründung für die eigene These wird gegeben. Selbst das Ergebnis der „Analyse" wird in diesem Abschnitt mit keinem Worte erwähnt. Man erfährt es erst beiläufig in dem Abschnitt über die Stilkritik — was Schreiber offensichtlich nicht an der Behauptung hindert, es sei auch durch die Text- und Literarkritik bestätigt worden. 12 13

A . a . O . S. 24f. A . a . O . S. 32.

11

A . a . O . S. 24-27.

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Β) Auch der Abschnitt Stilkritik16 wirft f ü r die Bestätigung von Schreibers Analyse durch diese Methode wenig ab. 1. Die Berücksichtigung des Erzählungsstils ist nicht nur deshalb wertlos, weil „kurzer erbaulicher Stil" u n d „lebendig-anschauliche Ausschmückung" keine zureichenden Kriterien sind, sondern weil sie vollends entwertet werden durch die Art u n d Weise, wie Schreiber subsumiert. So fällt z.B. die Anspielung auf frühere Worte J e s u (14,58; 15,29), mit denen eine redaktionelle Verbindung zwischen den Perikopen hergestellt wird, f ü r ihn unter „lebendig-anschauliche Ausschmückung" ! 2. „Erklärende Glossen" werden von Schreiber automatisch dem Evangelisten zugeschrieben, als ob sie nicht ebensogut auf ein früheres Stadium der Überlieferung zurückgehen könnten. 3. Der Umstand, daß Jesus in V. 23 der Handelnde ist, sofern er den [ihm dargereichten!] Trunk ablehnt, wird als Stilkriterium angesehen, das zur Quellenscheidung berechtigt! 4. Allein auf Grund des praesens historicum werden die Verse 15,20b-22. 24. 27 einander zugeordnet u n d als einheitlicher Text betrachtet. D a das praesens historicum nach Schreibers eigener Aussage Kennzeichen der Volkssprache ist, kann es in Texten verschiedener H e r k u n f t anzutreffen sein u n d verbürgt demnach nicht die ursprüngliche Zusammengehörigkeit der Verse, in denen es vorkommt. E s sichert nicht einmal ihre gemeinsame H e r k u n f t „aus ältester Zeit". Das praesens historicum k a n n auch deshalb kein Kriterium f ü r die Quellenscheidung sein, weil man einen einheitlichen Tempusgebrauch nicht voraussetzen darf, wie der häufige Tempuswechsel in den vom Markusevangelium überlieferten Traditionen zeigt. Die Möglichkeit, daß jene von Schreiber auf Grund des praesens historicum als Einheit angesehenen Verse ursprünglich mit Versen in anderen tempora zusammengehörten, läßt sich nicht ausschließen. 5. Die H ä u f u n g der Partizipien in 15,34b-36 k a n n vielleicht zeigen, daß diese Verse nicht den gleichen Verfasser haben wie 15,20b-22, damit ist aber noch nicht die Verfasserschaft des Evangelisten erwiesen. Auch die unbegründete Behauptung, daß Markus „literarische A r t " anstrebe, reicht als Beweis d a f ü r nicht aus. 6. Der Partikelgebrauch wirft f ü r die Frage der Textanalyse nichts ab: Wenn Schreiber den Analogieschluß zieht, daß Markus ebenso wie Matthäus und Lukas — wo sich das nachweisen läßt — den Stil seiner Vorlage „mittels einer weit reicheren Gliederung durch δέ, δτε, Ρ arti 15

A.a.O. S. 27-30.

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zipialkonstruktion usw." glättete 1 6 , dann kann er unmöglich zugleich den Partikelgebrauch für seine Analyse auswerten. Dieser Schluß bedeutet doch, daß man sowohl in den redaktionellen Partien als auch in der von Markus überarbeiteten Tradition mit dem Vorkommen der Partikeln zu rechnen hat. Überdies kann man den Gebrauch der Partikeln in der von Markus vorgefundenen Tradition, die ja keineswegs ein sprachlich einheitliches Gepräge hat, unmöglich ausschließen. Der Partikelgebrauch ist somit als Kriterium für die Unterscheidung von Redaktion und Tradition ungeeignet. Die Behauptung Schreibers, daß seine Analyse der Kreuzigungsperikope auch durch die Stilkritik bestätigt werde, muß man demnach wohl als Übertreibung ansehen. C) Nicht besser steht es mit der Unterstützung, die er für seine These durch die Vokabelstatistik gewinnt. I. Der Gebrauch, den Schreiber davon macht, gibt ausreichenden Anlaß, zunächst grundsätzlich auf die Problematik dieser Methode einzugehen, die sich neuerdings immer größerer Beliebtheit erfreut. a) Das häufige Vorkommen eines Wortes besagt für sich genommen noch gar nichts. Es muß gefragt werden 1. Ist sein häufiges Vorkommen dadurch veranlaßt, daß die Sache, die es bezeichnet, häufig erwähnt wird? 2. Welche Äquivalente standen für das betreffende Wort zur Verfügung ? Die Relevanz des statistischen Befundes ist eine andere, je nachdem, ob es mehrere Alternativen gab oder ob f ü r die gemeinte Sache nur eine einzige naheliegende Vokabel zur Verfügung stand. Verwendbare Synonyme wären auf ihre Eigentümlichkeiten zu p r ü f e n ; auf sprachliches Niveau, Bedeutungsnuancen, geographische Verbreitimg etc.

3. Wie verteilt sich der Gebrauch des Wortes auf Tradition und Redaktion ? D a ß ein vielgebrauchtes W o r t „womöglich auch noch in Redaktionsversen zu finden ist", besagt wenig. Der Evangelist könnte in diesem Falle den Sprachgebrauch seiner Tradition teilen. E r s t wenn das Vorkommen des Wortes in der Redaktion ein starkes Übergewicht h a t oder sich eindeutig feststellen läßt, daß der Evangelist durch dasselbe des öfteren die Äquivalente in seinen Vorlagen ersetzt h a t , ist ein Indiz dafür gegeben, daß dieses Wort auch an den übrigen Stellen des Evangeliums auf ihn zurückgehen kann. I m Einzelfalle läßt sich aber niemals mit Sicherheit sagen, daß die Verwendung dieses Wortes auf den Evangelisten zurückgehen muß. Eine Vorliebe des Evangelisten schließt die Möglichkeit, daß auch seine Tradition das Wort gebraucht hat, ebensowenig aus, wie umgekehrt das Vorkommen eines Wortes in der Tradition seine gelegentliche Verwendung durch den Evangelisten. F ü r die Unterscheidung von Tradition u n d Redaktion wirft deshalb die Vokabelstatistik wenig ab. 16 A . a . O . S. 29. Ob der Schluß berechtigt ist, k a n n hier außer acht bleiben; es geht nur darum, die Unlogik von Schreibers Beweisführung aufzuzeigen.

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4. Welcher Ursache ist die relative Häufigkeit des Wortes zuzuschreiben? Die relative Häufigkeit des Vorkommens einer Vokabel im Markusevangelium, die sich aus den Verhältniszahlen des Wortvorkommens und des Evangelienumfangs ergibt, muß nicht als sprachliche Eigenart des Evangelisten gewertet werden. Sie kann auch andere Ursachen haben: α) Der Nicht-Markus-Stoff bei Matthäus und Lukas bot wenig Anlaß für die Verwendung des betreffenden Wortes. ß) Die andere sprachliche Herkunft desselben wirkte sich aus. γ) Das höhere sprachliche Niveau dieser beiden Evangelisten hat dazu geführt, daß die betreffende Vokabel zurückgedrängt wurde.

Demnach ist es nicht erlaubt, jedes Vorkommen eines Vorzugswortes auf den Evangelisten zurückzuführen oder gar Verse, in denen sich solche Worte finden, allein aus diesem Grunde für redaktionelle Bildung zu erklären. Für die Auswertung des Befundes sind immer drei Möglichkeiten in Betracht zu ziehen: Der Evangelist kann das Wort, obwohl es eine Vorzugsvokabel von ihm ist, bereits in der Tradition vorgefunden haben. Der Evangelist kann durch das Wort ein Synonym ersetzt haben, das die Tradition an dieser Stelle bot. Der Evangelist kann den Vers, in dem das Wort vorkommt, selber gebildet haben. Die methodische Anweisung von Schreiber: „Finden sich in einem Vers mehrere solcher Vorzugsvokabeln, so ist der Vers als sekundär zu bezeichnen" 17 , wird dem Sachverhalt nicht gerecht. Es wäre ja denkbar, daß diese Häufung von Vorzugsvokabeln ein Zufallsergebnis ist, das dadurch zustande kam, daß der Evangelist vielleicht ein oder zwei Wörter in dem Vers vorgefunden hat, die er selber gerne gebraucht, und vielleicht in ein oder zwei Fällen vorgegebene Vokabeln durch ihm geläufigere ersetzt hat. Für sich allein genommen, gibt deshalb die Vokabelstatistik kein ausreichendes Kriterium ab, um redaktionelle Ergänzungen auszuscheiden. b) Hapaxlegomena, seltene und in redaktionellen Versen womöglich gar nicht vorkommende Vokabeln besagen für sich genommen wenig und können allein noch keinen Beweis dafür liefern, daß ein Vers, in dem sie sich häufen, der Tradition entstammt. 1. Der Begriff Hapaxlegomenon besagt zunächst nur, daß die betreifende Vokabel im Neuen Testament nur einmal vorkommt und kann in dieser unpräzisen Fassung keinen Anhalt geben für die Scheidung von Tradition und Redaktion. 17

A.a.O. S. 30.

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U m den Begriff relevant zu machen, müßte man unterscheiden zwischen solchen Fällen, in denen das Hapaxlegomenon eine Sache, einen Vorgang, eine Tätigkeit oder eine Eigenschaft bezeichnet, die im Neuen Testament nur einmal erwähnt wird, und den übrigen, in denen das Hapaxlegomenon eine Sache, einen Vorgang, eine Tätigkeit oder eine Eigenschaft bezeichnet, die im Neuen Testament auch an anderer Stelle erwähnt, aber anders bezeichnet wird. I m ersteren Falle trägt das Vorkommen für die Unterscheidung von Tradition und Redaktion nichts aus. Man wird zwar naturgemäß mit dem Vorkommen solcher Hapaxlegomena eher in der Tradition als in der Redaktion zu rechnen haben, da man es aber für die Redaktion nicht grundsätzlich ausschließen kann, gibt es kein Kriterium für die Unterscheidung von Tradition und Redaktion ab. I m letzteren Falle ist sowohl nach der Häufigkeit der Erwähnung zu fragen als auch danach, ob in den anderen Fällen immer das gleiche Wort oder aber verschiedene Vokabeln verwendet werden. Werden verschiedene Vokabeln verwendet, scheint der Sprachgebrauch dem Zufall zu unterliegen. Steht dem einmaligen Gebrauch der einen der häufige Gebrauch einer anderen entgegen, könnte es sich um eine sprachliche Besonderheit handeln. Je nach der Häufigkeit, mit der die andere Vokabel in eindeutig redaktionellen Versen vorkommt, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, in keinem Falle aber eine wirkliche Sicherheit, daß der betreffende Vers, der das Hapaxlegomenon enthält, der Tradition entstammt. 2. Bei den selten vorkommenden Wörtern ist zu unterscheiden zwischen denen, die nur in der Tradition, und denen, die sowohl in der Tradition als auch in der Redaktion vorkommen. Die letzteren besagen nichts für die Unterscheidung von Tradition und Redaktion: Bei einer so kleinen Zahl des Vorkommens, welche die Anwendung des Begriffs „selten" rechtfertigt, kann die Relation des Vorkommens in Tradition und Redaktion statistisch nicht relevant sein. Für die ersteren, die in offensichtlich redaktionellen Versen nicht vorkommen, gilt analog das mit Bezug auf die Hapaxlegomena Gesagte. Wenn man diesen Sachverhalt nicht berücksichtigt, darf man nicht damit rechnen, durch die Anwendung der Methode der Vokabelstatistik zu gesicherten wissenschaftlichen Ergebnissen zu kommen. Überdies wird man beachten müssen, daß die Statistik ihrem Wesen nach nur Durchschnittswerte liefern kann. Verbindliche Auskünfte über einen einzelnen T e x t oder einen Einzelvers wird man von ihr nicht erwarten dürfen. Nur in seltenen Fällen kann die Vokabelstatistik deshalb etwas austragen für die Scheidung von Tradition und Redaktion.

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I I . Nach dem vorgelegten Exkurs zur Methode der Vokabelstatistik kann in aller Kürze gesagt werden, daß die von Schreiber für den Kreuzigungsbericht vorgelegte Vokabelstatistik nichts beweist. Keine der oben angeführten Überlegungen wurde angestellt. Die Beweisführung ist völlig unzureichend. Dem Leser wird nicht nur zugemutet, sich die Hapaxlegomena aus den von Schreiber angegebenen Versen selber zusammenzusuchen, er muß auch raten, welche Wörter Schreiber für selten hält, was bei seiner vagen Formulierung „mehr oder weniger selten" keine leichte Sache ist. Finden sich in den von ihm der Redaktion zugeschriebenen Versen Hapaxlegomena oder seltene Wörter, die man — nach seiner These — darin nicht erwarten dürfte, dann argumentiert Schreiber, daß die Verse „angesichts der beschriebenen Vorgänge besondere Vokabeln erfordern" 1 8 . Daß man die gleiche Überlegung auch bei jenen Versen anwenden müßte, die Schreiber auf Grund des Vorkommens von Hapaxlegomena oder seltenen Wörtern der Tradition zuschreibt, übersieht er. Den nicht in sein Konzept passenden Textbefund versucht er überdies durch den Hinweis zu entkräften, daß sich neben den Hapaxlegomena in den besagten redaktionellen Versen auch häufige Wörter oder Vorzugsvokabeln des Evangelisten finden. Die häufigen Wörter in den Versen, die er der Tradition zuweist, beachtet er dagegen nicht 1 9 . Auf solche Weise wird dem Leser die Nachprüfung der vorgebrachten Behauptungen erschwert. Will er sie nicht unbesehen hinnehmen, dann ist er genötigt, eigene Nachforschungen darüber anzustellen, wie das Verhältnis der Hapaxlegomena und seltenen Wörter zu den geläufigen Wörtern und Vorzugsvokabeln zwischen den zur Tradition und den zur Redaktion gerechneten Versen differiert. Selbst wenn man aber die Thesen Schreibers gelten lassen und die Fragwürdigkeit seiner Argumentation übersehen könnte, würde die Vokabelstatistik nicht mehr erbringen als eine Bestätigung seiner Ausscheidung der redaktionellen Verse. Die Unterscheidung der beiden Kreuzigungstraditionen und die Zuweisung der einzelnen Verse zu diesen angenommenen Überlieferungen, die doch der entscheidende Teil der Analyse des Kreuzigunsgberichtes sind, wird in diesem Abschnitt gar nicht berührt. Den kritischen Leser verblüfft deshalb Schreibers Behauptung, „daß die jeweils von verschiedenen methodischen Standpunkten aus durchgeführte Untersuchung immer wieder zum selben Ergebnis geführt 18

A.a.O. S. 31. Das ερχεσθαι z.B., auf das S C H R E I B E R für 15,36 hinweist, findet sieh ebensogut in 16,21, wo er es unbeachtet läßt. 19

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h a t : I n Mk. 15,20b-41 wurden von Markus zwei Traditionen zusammengefügt und mit Zusätzen versehen." 2 0 Der Mangel an Selbstkritik, den der Verfasser der Analyse des Keuzigungsberichtes darin an den Tag legt, dürfte kaum noch zu überbieten sein. Textkritik hat er gar nicht praktiziert, sondern nur als Vokabel für die Überschrift des ersten Abschnittes in Anspruch genommen. Die Literarkritik ist nicht zu Ende geführt. Am Ende dieses Abschnittes ist der Leser zwar über die Schwierigkeiten des Textes informiert und kennt einige der Voraussetzungen, die den Verf. zu seiner Analyse geführt haben, aber die Analyse selbst wurde ihm nicht mitgeteilt, noch weniger eine zureichende Begründung. Erst in dem Abschnitt Stilkritik erfährt der Leser dann beiläufig die Schreibersche Dekomposition des Textes, die hier allein mit sprachlichen Beobachtungen unzureichend begründet wird. I n dem Abschnitt Vokabelstatistik wird nur ein Teilaspekt der Schreiberschen Hypothese, die Unterscheidung von Tradition und Redaktion, berücksichtigt. Wir können das nicht mit Stillschweigen übergehen, denn es handelt sich um das Werk eines bereits vielzitierten Autors. Überdies kommt ihm durch eine besondere wissenschaftsgeschichtliche Konstellation eine Bedeutung zu, die es nicht erlaubt, in vornehmer Zurückhaltung darüber hinwegzusehen. Schreibers Arbeit muß im Zusammenhang mit der sich gerade erst etablierenden redaktionsgeschichtlichen Erforschung der synoptischen Evangelien gesehen werden. I n dem noch unerschlossenen Gelände einer neuen Forschungsrichtung wird man jeden neu gesetzten Markierungspunkt dankbar begrüßen und sich sofort darauf beziehen. Es bildet sich dann sehr rasch ein geschlossenes Bezugssystem wechselseitiger Verweisungen. Jeder Bezugspunkt wird dadurch vielfältig abgesichert und der kritischen Nachvermessung entzogen. Eine solche Nachvermessung ist aber deshalb so dringlich, weil das ganze System noch an wenigen Bezugspunkten hängt, so daß die kritische Eliminierung auch nur eines einzigen erhebliche Störungen und Veränderungen des Systems bedingt. Indem wir die kritische Nach Vermessung der Schreiberschen Analyse des Kreuzigungsberichtes vornehmen, meinen wir der redaktionsgeschichtlichen Forschung einen Dienst zu tun, durch den die Ausführlichkeit und Rückhaltlosigkeit unserer Kritik gerechtfertigt wird. Auf Schreibers Interpretation der von ihm unterstellten Kreuzigungstraditionen soll an dieser Stelle noch nicht eingegangen werden. Nicht nur deshalb, weil mit der Analyse selbstverständlich auch die 20

A.a.O. S. 32.

10 Linnemann, Passionsgeschichte

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Interpretation ihrer Ergebnisse in Frage gestellt ist, sondern vor allem weil wir auf die Frage der Interpretation erst eingehen können, nachdem die Aufgabe der Analyse gelöst ist. Dem Versuch ihrer Lösung werden wir uns jetzt zuzuwenden haben. I I I . Urfassung

und Traditionsgeschichte

der

Kreuzigungsperihope

Die Einheitlichkeit des Kreuzigungstextes wird, wie wir bereits sahen, durch eine Reihe von Dubletten in Frage gestellt. Wir fragen deshalb nach dem Grundbestand des Textes und nach seinem späteren Wachstum. Diese Frage kann nur als literarkritische und traditionsgeschichtliche, nicht aber als historische Frage gestellt werden. Mögliche Historizität eines Details besagt noch nicht, daß es zum Grundbestand der Perikope gehört. Die Annahme, was nicht historisch sein könne sei in dem Kreuzigungstext notwendig sekundär, ist zu verwerfen als petitio principii : Sie setzt voraus, daß am Anfang der Textgeschichte ein „alter Geschichtsbericht" gestanden haben müsse. Da der Text als Ganzes offensichtlich keine bruchlose Einheit bildet, müssen wir fragen, ob sich hinter den Brüchen des Textes ein ursprünglicher Zusammenhang abzeichnet. Einen solchen Zusammenhang finden wir am ehesten in den Stundenangaben der Kreuzigungserzählung. Sie werden auch in der bisherigen Auslegung vielfach als zusammengehörig betrachtet 2 1 . Alle übrigen Bestandteile der Perikope, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Versen stehen, welche die Stundenangaben enthalten, haben untereinander keine andere Verbindung als den gemeinsamen Bezug auf das Kreuzigungsgeschehen. Man kann sie aus der Erzählung herauslösen, ohne daß deren Ablauf gestört würde : a) Die pragmatische Notiz 15,20b-21 hat keine Verbindung mit dem Folgenden 22 : Simon von Kyrene wird nicht mehr erwähnt. Ein Zusammenhang mit V. 22 ist nicht wahrscheinlich : Man sollte die genaueren Angaben über den Hinrichtungsort in diesem Falle bereits in V. 20 erwarten. Es spricht also alles dafür, daß diese Episode ursprünglich selbständig überliefert wurde. b) V. 40f. steht mit V. 39 in keinem notwendigen Zusammenhang; V. 39 läßt diese Fortsetzung nicht erwarten. Ob auch diese Verse ursprünglich selbständig überliefert wurden oder ob sie eine Bildung des Evangelisten sind, kann nur durch eine Untersuchung geklärt werden, die neben Lk. 8,1-3 die Verse Mk. 15,47 und 16,1 sowie deren Kontext mit einbezieht und die Frage beantwortet, welcher Erwähnung der Frauen die 21 Nämlich insofern sie als ein Stundenschema angesehen werden, daß dem Text nachträglich aufgeprägt wurde, vgl. BULTMANN, Gesch. S. 296; FINEGAN

a . a . O . S. 7 5 ; LOHSE a . a . O . S. 9 7 . 22 S o u r t e i l t a u c h TAYLOR a . a . O . S . 5 8 7 .

Kreuzigung

147

Priorität zukommt u n d wie die Frage der Abhängigkeit der Stellen voneinander zu beurteilen ist 2 3 . c) Gabe u n d Ablehnung des Myrrhenweines (V. 23) setzt nicht mehr voraus als einen allgemeinen Bezug zur Kreuzigung Jesu u n d erwartet keine Fortsetzung. d) Das gleiche gilt f ü r die Verteilung der Kleider V. 24. e) V. 26 stört den Zusammenhang zwischen V. 25 und V. 27. Der Ansehluß an V. 25 ist schlecht : Man sollte eine E r w ä h n u n g der Tafel erwarten, bevor ihr Inhalt mitgeteilt wird. Mit V. 27 besteht keine Verbindung: Schuldinschriften an den Kreuzen der R ä u b e r werden nicht erwähnt. f) Damit ist zugleich gesagt, daß auch V. 27 im Zusammenhang isoliert ist. E r wird allerdings in V. 32 c wieder aufgenommen. g) Ein sachlicher Zusammenhang oder eine unmittelbare Verbindung besteht auch zwischen der E r w ä h n u n g der Mitgekreuzigten u n d der Verspottung des gekreuzigten Jesus V. 29-32 nicht, sofern m a n von V. 32 c absieht, der eine redaktionelle Verknüpfung sein kann. Der Textabschnitt V. 29-32 ist in sich selber nicht einheitlich. Über seine Schwierigkeiten wurde bereits oben gesprochen 2 4 . B U L T M A N N möchte diese Schwierigkeiten bewältigen durch die Annahme, daß ,,V. 29f. und V. 31 f. Dubletten [sind], von denen V. 31 f. die spätere ist; f ü r sie ist charakteristisch 1. das Auftreten der άρχιερεΐς u n d γραμματείς, der typischen Gegner Jesu in der sekundären Tradition . . ., 2. J e s u Verspottung als des Messias, worin wieder die sekundäre Anschauimg zum Ausdruck k o m m t , daß er als der Messias gekreuzigt ist" 2 5 . F I N E G A N 2 6 , G B U N D M A N N 2 7 , NDSTEH A M 2 ' , S C H W E I Z E R 2 9 , T A Y L O R 3 0 u n d L O H S E schließen sich ihm an, wobei der letztere allerdings V. 31 f. f ü r eine Bildung des Evangelisten hält. Durch die Annahme, daß V. 2 9 f. und V. 31 f. Dubletten sind, werden die Probleme des Textabschnitts jedoch nicht gelöst. Zunächst wäre zu fragen, wie denn die E n t s t e h u n g der Dubletten zu denken ist. Eine unabhängige Entstehung d ü r f t e von vornherein ausgeschlossen sein. W u r d e V. 31 f. gebildet, u m das Tempelwort zu verdrängen? D a n n darf m a n nicht annehmen, daß gleichzeitig die Spottgebärde verdrängt wurde. Die Variante konnte deshalb nicht nur V. 31 f., sie m u ß t e auch V. 29a enthalten. Die Formulierung von V. 31 macht aber die Annahme einer früheren Verbindung von V. 31a mit V. 29 a wenig wahrscheinlich. Außerdem läßt sich aus dem Motiv, das Tempelwort zu verdrängen, die E n t s t e h u n g der Verspottung „Andere h a t er gerettet, sich selbst k a n n er nicht r e t t e n ! " V. 31b nicht erklären. Überdies ist noch fraglich, ob das Motiv, das Tempelwort zu verdrängen, gegeben war. 23 S C H R E I B E R , der die Verse 40f. f ü r eine Bildimg des Markus hält, möchte zwischen V. 39 u n d V. 40f. eine theologische Stichwortanknüpfung konstatieren (a.a.O. S. 45). Dagegen ist einzuwenden, daß „das Stichwort sehen", von dem Schreiber spricht, sich nicht durch die Verwendung der gleichen Vokabel als solches ausweist u n d zudem jeweils in verschiedenen Bezügen s t e h t : in V. 39 lesen wir ίδών und als Bezug ist ausdrücklich das Sterben Jesu genannt. I n V. 40 steht θ-εωροϋσαι, was sich hier auf die gesamte Kreuzigung beziehen dürfte. 24 25 S. 163 . Gesch. S. 295. 26 27 A . a . O . S. 76. A . a . O . S. 312. 28 29 A . a . O . S. 425. A . a . O . S. 202. 30 31 A . a . O . S. 651. A . a . O . S. 96.

10·

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E h e r ist es d e n k b a r , d a ß V. 31 f. nicht als E r s a t z f ü r V. 2 9 f. sondern als Zusatz zu diesen Versen e n t s t a n d e n ist. K a n n m a n d a n n aber noch von D u b l e t t e n reden? U n d k a n n m a n erwarten, d a ß zwei völlig verschiedene, voneinander unabhängige Gedanken, nämlich „Andere h a t er gerettet, sich selbst k a n n er nicht r e t t e n ! " u n d „ D e r Christus, der König Israels, er steige jetzt h e r a b v o m Kreuz, d a m i t wir sehen u n d glauben!", gleichzeitig hinzugefügt w u r d e n ? 3 2 E s bleibt d a n n auch immer noch das Problem, d a ß V. 2 9 b auf 14,58 u n d V. 32 auf 14,61 zurückgreift, was m a n doch wohl notwendig als redaktionelle V e r k n ü p f u n g ansehen m u ß . Dieser R ü c k b e z u g wird zwar von etlichen Exegeten gesehen 3 3 , Konsequenzen f ü r die literarkritische Analyse werden aber zumeist nicht daraus gezogen. GRUNDMAISTN d e u t e t lediglich an, d a ß die Z u s a m m e n f ü g u n g der Überlieferungen V. 29 f. u n d 31 f. redaktionell b e s t i m m t sei, ohne den Versuch zu machen, Tradition u n d R e d a k t i o n im einzelnen zu unterscheiden. W e n n S C H W E I Z E R n u r V. 2 9 a (ohne die Spottgebärde) u n d V. 32 c als ursprüngliche Bestandteile der Verspottungsszene gelten lassen will, gewinnt m a n zun ä c h s t den E i n d r u c k , er wolle d a m i t aus der Einsicht in den redaktionellen R ü c k b e z u g literarkritische Konsequenzen ziehen. E s zeigt sich aber d a n n , d a ß er die E i n f ü g u n g v o n V. 2 9 b - 3 2 b oder auch n u r v o n 2 9 b u n d 3 2 a b keineswegs auf den Evangelisten z u r ü c k f ü h r t , sondern s t a t t dessen a n n i m m t , aus der von i h m unterstellten Urfassung seien die beiden Varianten V. 29f. u n d V. 31 f. gebildet u n d v o n Markus lediglich nebeneinandergesetzt worden. S C H E E I B E R jedoch, der den ursprünglichen B e s t a n d des Textabschnittes wie Schweizer b e s t i m m t , f ü h r t die E i n f ü g u n g von V. 2 9 b - 3 2 b auf Markus zurück. D a m i t t r ä g t er der redaktionellen Beziehung ausreichend Rechnung, aber n i c h t den Schwierigkeiten, d a ß in V. 30 das καταβάς άπο του σταυροϋ m i t d e m σώσον σεαυτόν konkurriert u n d die gleiche K o n k u r r e n z auch zwischen B. 31b u n d 3 2 a vorliegt u n d d a ß m a n zwischen σώσον σεαυτόν V. 30 u n d άλλους εσωσεν εαυτόν ού δύναται σώσαι V. 31b doch wohl einen ursprünglichen Z u s a m m e n h a n g annehmen muß. V. 32 c, v o n S C H W E I Z E R u n d S C H R E I B E R f ü r ursprünglich gehalten, k a n n ebensogut eine redaktionelle K o m p l e t t i e r u n g sein, die sich a n P s . 22,8, „Alle, die mich sehen, s p o t t e n m e i n " , orientiert 3 4 u n d die Gruppen der Spottenden zur beliebten Dreizahl auffüllt. Als älteste Bestandteile der Verspottung bleiben d a n n V. 29a, 3 0 a u n d 3 1 b übrig. Ob 30 a + 31b von A n f a n g a n m i t 29 a v e r b u n d e n waren, soll u n t e n erörtert werden. I n jedem Falle gilt jedoch, d a ß sich a u c h bei der V e r s p o t t u n g kein notwendiger Z u s a m m e n h a n g m i t den übrigen Details der Kreuzigungserzählung feststellen läßt. h) Ebenso isoliert ist wahrscheinlich das Gebet J e s u in V. 3 4 b gewesen. M a n sollte a n n e h m e n , d a ß sich die E r w ä h n u n g der n e u n t e n S t u n d e zunächst nicht auf das Beten, sondern auf das Sterben J e s u bezog, d e m die besondere H e r v o r h e b u n g d u r c h die E r w ä h n u n g der S t u n d e eher z u k a m . Die Fortsetzung v o n V. 34a wird deshalb in V. 37 zu suchen sein. 32 Der Ϊνα-Satz schließt die Möglichkeit aus, V. 32 a auf das Vorangegangene zu beziehen ! 33 Nämlich v o n G R U N D M A N N a . a . O . S. 312, K L O S T E K M A I O T a . a . O . S. 165, L O H M E Y E R a . a . O . S. 344, L O H S E a . a . O . S . 96, N I N E H A M a . a . O . S . 4 2 5 , S C H W E I Z E R a . a . O . S. 201 u n d S C H R E I B E R a . a . O . S. 251. H A E N C H E N (a.a.O. S . 535) sieht ihn wenigstens f ü r 15,29f. ; 15,32a will er dagegen auf 15,26 zurückführen. D e r S p o t t setzt jedoch notwendig das Selbstbekenntnis J e s u als Messias voraus. 34 So urteilt H A E N C H E N a . a . O . S. 5 3 5 .

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Auch die Verbindung von V. 35f. mit dem Gebet Jesu V. 34b kann nicht ursprünglich sein35. Das in V. 35 vorausgesetzte Mißverständnis der Gebetsworte bereitet erhebliche Schwierigkeiten. Aus dem aramäischen Wort VlVx konnte man den 36 kaum heraushören. Daß Namen lìl'Vx, ΓΡ^Ν oder dessen Kurzform ,1?K · « T . - T . » die Gottesbezeichnung ursprünglich wie im Matthäustext hebräisch war und lautete, läßt sich nicht halten: Die Lesart von Döpe it ist als lectio facilior

verdächtig. Die matthäische Variante ist eindeutig eine Korrektur des Markustextes. Es gibt keinen Grund, an dieser Stelle eine von Markus unabhängige Tradition für Matthäus anzunehmen37. Die Behauptung, "at some point in the tradition earlier than Mark the Hebrew words were quotet either in whole or in part" 38 , läßt sich nicht damit begründen, daß andernfalls V. 35 f. bedeutungslos werde bzw. das Mißverständnis nicht hätte entstehen können39. Auf diese Weise wird das Problem des Textes nicht gelöst, sondern beiseitegeschoben. Die Annahme, daß der Gebetsvers ursprünglich hebräisch formuliert war, läßt sich auch nicht durch die Vermutung stützen: " I t was changed by someone who knew that Aramaic was the language normally spoken in Jesus' time" 4 0 . Für derartige historisierende Tendenzen haben wir in der Urgemeinde keinen Anhaltspunkt. Außerdem ist es unwahrscheinlich, daß der Korrektor zu diesem Zweck die sachlichen Schwierigkeiten in Kauf genommen hätte, die seine Übersetzung schuf und die ihm als Kenner sowohl des Hebräischen als auch des Aramäischen nicht entgehen konnten. Die Frage GRUNDMANNS, ob Markus ήλί in έλωΐ geändert haben könne, um eine doketische Deutung auszuschließen wie sie im Petrusevangelium vorgenommen wird 41 , muß man doch wohl verneinen, ejâli ist dem ήλί nicht ähnlicher als dem έλωΐ; wer jenes verwandelte, konnte es auch mit diesem tun. Außerdem läßt sich eine Auseinandersetzung mit dem Doketismus bei Markus sonst nicht nachweisen. Gegen die Annahme, die Worte ϊδε Ήλίαν φωνεϊ seien gar nicht als Mißverständnis, sondern als Spott anzusehen42, spricht nicht nur die Formulierang mit dem verweisenden ϊδε, sondern auch die Begründung, mit der die Essig35 Die Frage nach der Ursprünglichkeit der Verbindung dieser Verse wird allerdings selten ausdrücklich gestellt und zumeist nur insofern beantwortet, als die Ausleger entweder sowohl V. 34b als auch V . 35 f. für historisch und insofern den Text für einheitlich halten, oder aber beide als sekundär betrachten und deshalb keinen Grund sehen, nach ihrer Zusammengehörigkeit zu fragen. Einzig S C H W E I Z E R fühlt sich veranlaßt, auf Grund der sachlichen Schwierigkeiten von V. 35 die ursprüngliche Zusammengehörigkeit dieses Verses mit V. 34b in Zweifel zu ziehen (siehe unten S. 150). 36 M. RBHM (Eli, Eli lamma sabaethani, BZ N F 2 [1958] S. 275-278) versucht nachzuweisen, daß es diese Kurzform gegeben hat oder daß Eli zumindest als Kurzform von iirp'jX verstanden werden konnte. τ." 37 Gegen R B H M a . a . O . S . 2 7 8 mit J. G N I L K A (Mein Gott, mein Gott, warum hat du mich verlassen, BZ N F 3 [ 1 9 5 9 ] S . 2 9 4 - 2 9 7 ) S . 2 9 6 . 3 8 B R A N S C O M B a.a.O. S. 297.

BRANSCOMB e b d . b z w . T A Y L O R a . a . O . S. 593, ä h n l i c h G N I L K A a . a . O . S. 296 G O U L D a.a.O. S. 394. 4 0 N I N E H A M a.a.O. S. 429. 41 A.a.O. S. 313; vgl. K L O S T E R M A N N a.a.O. S. 166. 4 2 S C H M I D a.a.O. S . 303. 39

und

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t r ä n k u n g v o r g e n o m m e n w i r d : J e s u T o d soll d a d u r c h hinausgeschoben werden, d a m i t sich zeigen k a n n , ob E l i a als N o t h e l f e r erscheinen wird 4 3 . Die das Gefüge der E r z ä h l u n g störende K o r r e k t u r des λέγων in ελεγον 44 ist d u r c h die abweichende L e s a r t v o n syr 8 nicht gerechtfertigt. Sie b e r u h t auf der A n n a h m e , derjenige der den Essig reicht, müsse ein römischer Soldat gewesen sein. Diese A n n a h m e wird allein d a r a u f gegründet, d a ß οξος έξ οίνου posea, „ d a s E r f r i s c h u n g s g e t r ä n k der F e l d a r b e i t e r u n d S o l d a t e n " ist 4 5 . E s wird a b e r nirgends gesagt u n d l ä ß t sich a u c h n i c h t beweisen, d a ß dieser posea, m i t d e m J e s u s g e t r ä n k t wird, d e m E x e k u t i o n s k o m m a n d o gehört h a b e n m u ß ; er k o n n t e sich ebensogut bei einem der dabeistehenden Neugierigen oder einem Vorübergehenden finden. Ebensowenig wird sich beweisen lassen, d a ß die Soldaten die T r ä n k i m g des Gekreuzigten d u r c h einen solchen v e r h i n d e r t h a b e n w ü r d e n . W a s a b e r m e h r z ä h l t : " S u c h questions lay f a r f r o m t h e m i n d of t h e early C h r i s t i a n s " 4 6 ; die historische Reflektion, einerlei wie ihr Ergebnis ausfällt, wird keine zutreffende A u s k u n f t geben k ö n n e n . M a n wird d a m i t rechnen müssen, d a ß der Erzähler sich gar keine G e d a n k e n g e m a c h t h a t , ob diejenigen, die J e s u W o r t e m i ß d e u t e n u n d der, welcher i h n t r ä n k t , J u d e n oder römische Soldaten sind. I n die rechte R i c h t u n g f ü r d a s Verständnis v o n V. 35 f. weist FINEGAN m i t seiner Ü b e r l e g u n g : „Diese Verwechslung sieht auf griechisch u n d geschrieben sehr viel wahrscheinlicher a u s " 4 ' , u n d SCHWEIZER d ü r f t e i m wesentlichen R e c h t h a b e n , w e n n er u r t e i l t : „ W e r a r a m ä i s c h v e r s t e h t , k a n n den P s a l m v e r s k a u m so grob m i ß v e r s t e h e n , u n d wer das n i c h t t u t , k a n n keinen Hilferuf a n Elia heraushören. Wahrscheinlich h a t also erst die griechische redende Gemeinde d e n Schrei V. 3 4 a übersetzt (34b) u n d d u r c h V. 35 die überlieferte T r ä n k u n g J e s u m i t d e m S c h w a m m als törichtes Mißverständnis u n d V e r s p o t t u n g dargestellt" 4 8 . Lesern, denen der fremdsprachige Vers ohnehin n u r in der Übers e t z u n g zugänglich war, k o n n t e die Verwechslung der ähnlich klingenden W ö r t e r g l a u b h a f t sein. K ö n n e n a b e r die Verse 35 u n d 3 6 b e n t s t a n d e n sein, u m eine in V. 3 6 a überlieferte T r ä n k u n g J e s u als törichtes Mißverständnis darzustellen? D a s ist doch unwahrscheinlich : 1. Der T e x t gibt keinen A n h a l t s p u n k t d a f ü r , d a ß V. 36 a älter ist als die Verse 35 u n d 36 b. Ps. 69,22 allein e r l a u b t diesen R ü c k s c h l u ß nicht. 2. W e n n m a n dieser T r ä n k u n g eine negative W e r t i m g geben wollte, b r a u c h t e m a n nicht so weit auszuholen. E s h ä t t e genügt, zu δξους n a c h P s . 69,22 μετά χολής μεμιγμένου hinzuzufügen, wie es M a t t h ä u s in 27,34 t u t . 3. Auf G r u n d des MißVerständnisses der W o r t e J e s u b e k o m m t die T r ä n k u n g zwar eine falsche Voraussetzung, aber sie wird d a d u r c h doch n i c h t selber z u m Mißverständnis g e m a c h t . 4. Sollte der Gemeinde so viel d a r a n liegen, d e m E x e k u t i o n s k o m m a n d o oder d e n Zeugen der K r e u z i g u n g ein törichtes Mißverständnis a n z u h ä n g e n , d a ß es sie zu einer Bildung wie V. 35f. m o t i v i e r t h ä t t e ? 43

So urteilen GESE, P s a l m 22 u n d das N e u e T e s t a m e n t ( Z T h K 65 [1968]

S . 1 - 2 2 ) S . 15, GOULD a . a . O . S . 2 9 4 , GRUNDMANN a . a . O . S . 3 1 6 , H A E N C H E N a . a . O . S . 5 3 6 , L O H M E Y E R a . a . O . S . 3 4 6 u n d SCHMID a . a . O . S . 3 0 3 . 44 KLOSTERMANN a . a . O . S . 1 6 7 , SCHMID a . a . O . S . 3 0 3 , TAYLOR a . a . O . S . 5 9 5 . 45 KLOSTERMANN a . a . O . S . 1 6 7 , v g l . TAYLOR a . a . O . S . 5 9 4 .

46 NINEHAM a . a . O . S. 429. Mich w u n d e r t , d a ß er sich t r o t z d e m genötigt sieht, den T r ä n k e n d e n f ü r einen R ö m e r zu halten, u n d d a r a u f h i n sogar zwei ursprünglich selbständige Traditionen, V. 35. 3 6 b u n d V. 36a, unterscheidet. 47 48 A . a . O . S. 76. A . a . O . S. 204.

Kreuzigung

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5. Auch das Motiv, die Verspottung J e s u darzustellen, erklärt die E n t s t e h u n g dieser Verse nicht. Verglichen m i t V. 29-32 wäre dieser Spott gelinde. Außerdem ließen sich wohl die Worte, aber nicht die T r ä n k u n g aus diesem Motiv erklären. Sie ist n u r u n t e r der Voraussetzung verständlich, d a ß m i t der Möglichkeit des Eingreifens von Elia gerechnet wird 4 9 . Nichts in V. 35f. d e u t e t an, daß J e s u s hier verspottet werden soll. W a s k ö n n t e aber das Motiv gewesen sein, welches diese sekundäre Bildung hervorgebracht h a t ? Man m u ß beachten, welche F u n k t i o n das Mißverständnis im Ablauf der E r z ä h l u n g h a t : E s weckt die E r w a r t u n g , d a ß der Gekreuzigte d u r c h wunderbares Eingreifen g e r e t t e t werden könne, eine E r w a r t u n g , die sich a u s d r ü c k t in d e m Versuch, das Leben des Gekreuzigten d u r c h die Essigtränkung noch solange zu erhalten, daß Elia Zeit u n d Möglichkeit zum Eingreifen findet. An der E r w a r t u n g der w u n d e r b a r e n R e t t u n g wird d e m Hörer oder Leser der Erzählung verdeutlicht, d a ß solch ein rettendes Eingreifen v o m Himmel her gerade nicht geschieht, sondern an Stelle der R e t t u n g sich J e s u Kreuzestod ereignet. I n dieser Szene wird die Verlassenheit Jesu, von der das Psalmgebet redet, u n ü b e r h ö r b a r zur Sprache gebracht, so d a ß sie einmündet in das wortlose V e r s t u m m e n des Todesschreis 5 0 . Die sachliche Voraussetzung d a f ü r , d a ß so v o m Sterben J e s u geredet werden konnte, ist der Glaube a n den Auferstandenen u n d die Gewißheit, d a ß dessen Kreuzesleiden Gottes Wille war. Die Voraussetzung f ü r die sprachliche Gestaltung m i t d e m Mittel des Mißverständnisses ist die sprachliche Differenz zwischen den aramäischen W o r t e n des Gebets u n d ihrer griechischen Übersetzung. Sie m a c h t e das Mißverständnis g l a u b h a f t : E i n e m nicht historisch denkenden H ö r e r oder Leser k o n n t e es nicht verwunderlich erscheinen, daß ein W o r t J e s u , welches ihm n u r in der Übersetzung zugänglich war, v o n den Ohrenzeugen mißverstanden werden konnte. E s ist also wohl d a m i t zu rechnen, d a ß die W o r t e aus Ps. 22,2 d e m Gekreuzigten bereits in den Mund gelegt wurden, bevor die Szene Mk 14,35-36 e n t s t a n d . Diese traditionsgeschichtliche A u s k u n f t gibt allerdings keine Antwort auf die literarkritische Frage, ob die Verbindung des Psalmwortes m i t d e m Kreuzigungsberieht älter ist als sein Z u s a m m e n h a n g m i t der nachfolgenden Szene. Ebensowenig können wir sagen, ob diese von Evangelisten oder von einem T r a d e n t e n der Perikope gebildet worden ist. χ) V. 39 erweist sich d a d u r c h als isoliert, d a ß er nicht auf V. 38 bezogen ist, sondern wie die W i e d e r a u f n a h m e des έξέπνευσεν zeigt, auf V. 37, mit d e m er allerdings in keinem unmittelbaren Zusammenhang steht, d a er durch V. 38 49 Das würde auch d a n n gelten, wenn die T r ä n k u n g den Tod beschleunigen soll, wie G o g u e l a . a . O . S. 370 a n n i m m t . 50 D a m i t scheint sich die Auffassung S c h r e i b e r s zu b e r ü h r e n : „ D i e in 15,35f. dargestellte totale Blindheit der Gegner J e s u läßt die Gottverlassenheit J e s u (V. 34) als K o m m e n t a r zu der Finsternis von 15,33 erst voll verständlich w e r d e n . " (S. 49). Die konfuse F o r t f ü h r u n g des Gedankens h a t jedoch m i t meiner Auslegung nichts m e h r zu t u n : Die Gottverlassenheit J e s u , sofern sie nach Schreiber darin besteht, Gottes Willen nicht m e h r zu verstehen, wird d u r c h die Episode von V. 35f., die ja d e m Gebetsruf folgt u n d nicht etwa vorangeht u n d ihn motiviert, nicht verständlicher. W e n n Schreiber d a n n die Finsternis von V. 33, die eindeutig als kosmisches Ereignis gemeint ist, gleichzeitig als jene „Gottverlassenheit J e s u " u n d als „den Gekreuzigten nicht als Sohn Gottes erkennen u n d so d e m S a t a n verfallen sein", definiert, d a n n verwirren sich alle Begriffe.

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Kreuzigung

von ihm getrennt ist, Anders gesagt: V. 39 ist mit V. 38 nicht verbunden, sondern er konkurriert mit ihm. Auch zu V. 40 f. liegt ein direkter Bezug nicht vor.

Ein großer Teil dieser isolierten Einzelzüge der Kreuzigungsperikope ist offensichtlich aus der Schrift erschlossen. Das ist nicht nur bei solchen Zügen anzunehmen, die keinen anderen Quellort als die Schrift haben können. Der Schriftbezug kann auch bei solchen Episoden gegeben sein, die dem tatsächlichen Ablauf der Ereignisse entsprechen und insofern als „historisch" anzusprechen sind. Nicht als zufällige Episode waren sie der Gemeinde erwähnenswert, sondern allein wegen ihres Bezuges zur Schrift und ihres theologischen Gehaltes. Solcher Schriftbezug dürfte vorliegen bei den unter d, f, g und h genannten Episoden: Die Verteilung der Kleider geht auf Ps. 22,19 zurück, wie schon die enge Berührung in der Formulierung zeigt. E s mag zwar üblich gewesen sein, daß die Kleidung des Hingerichteten dem Exekutionskommando zufiel u n d insofern mag die Teilung der Kleider Jesu als F a k t u m gelten, aber erst der Schriftbezug d ü r f t e dieses F a k t u m der Gemeinde erwähnenswert gemacht haben 5 1 . Dieses Problem der Motivierung wird von Suhl nicht gesehen, weil er der Meinimg ist, es sei „die natürlichste wahrlich keiner Begründung bedürfende Annahme, d a ß m a n auch unabhängig von der 'Predigt' erzählte, wie es zu Jesu E n d e k a m " 5 2 . Aber mit solchem Verzicht auf Begründung m a c h t m a n es sich zu leicht u n d t r ä g t unhistorisch moderne Voraussetzungen in die historische Situation ein. Es ist m m einmal der Textbefund, daß bei den meisten Details des Kreuzigungsberichts ein Schriftbezug oder eine theologische Ansage erkennbar ist u n d die wenigen Ausnahmen von dieser Regel sich leicht erklären lassen. W ä r e das bloße F a k t u m Grund f ü r die Mitteilung, sollte m a n in größerem Umfange Details erwarten, denen ein solcher Schriftbezug fehlt. Auch die Kreuzigung inmitten zweier Räuber dürfte aus der Schrift erschlossen sein. Dieser Zug geht offensichtlich auf J e s a j a 53,12 zurück, das in dem von einigen Handschriften eingefügten V. 28 ausdrücklich zitiert wird 5 3 . Damit ist nicht gesagt, daß Jesus a n jenem Tage allein gekreuzigt wurde. Aber der Umstand, daß Jesus zusammen mit anderen den Kreuzestod erlitt — sofern er gegeben u n d der Gemeinde bekannt war — fand nur Erwähnimg u m der theologischen Aussage willen. 51

Die Ansicht, daß neben dem F a k t u m auch der Schriftbezug vorliegt, vertreten G B U N D M A N N a . a . O . S. 314, J O H N S O N a . a . O . S. 254, K L O S T E R M A N N a . a . O . S. 164, L O H M E Y E R a . a . O . S. 343, L O H S E a . a . O . S. 95, N I N E H A M a . a . O . S. 424, S C H M I D a . a . O . S. 298 u n d T A Y L O R a . a . O . S. 589. 52 A . a . O . S. 46. 53 So urteilen F I N E G A N a . a . O . S. 7 5 , G O G U E L a . a . O . S. 3 7 1 , J O H N S O N a . a . O . S. 2 5 4 , L O H S E a . a . O . S. 9 5 , u n d N I N E H A M a . a . O . S. 2 9 6 . G B U N D M A N N a . a . O . S . 3 1 4 , H A E N C H E N a . a . O . S. 5 3 2 , L O H M E Y E B a . a . O . S . 3 4 3 , S C H M I D a . a . O . S . 2 9 6 u n d S C H W E I Z E R a . a . O . S . 2 0 1 sind dagegen der Ansicht, daß die Kreuzigung Jesu zwischen zwei R ä u b e r n ein bloßes F a k t u m ist. B U L T M A N N a . a . O . S. 2 9 5 u n d K L O S T E K M A N N a . a . O . S. 1 6 5 legen sich nicht auf eine der beiden Möglichkeiten fest.

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Die Spottgebärde der Vorübergehenden ist gleichfalls aus der Schrift erschlossen, u n d zwar axis Ps. 22, 8 5 4 . Ob das Stichwort der ursprünglichen Spottrede 30 a. 31b auf Ps. 22,9 zurückgeht, ist dagegen nicht mit Sicherheit zu sagen. Die Unterschiede zu diesem Vers sind so erheblich, daß sie die Übereinstimmung in dem Worte σώζειν bei weitem aufwiegen. D a ß das Gebet Jesu V. 34b aus der Schrift erschlossen ist, liegt auf der H a n d . Es ist Zitat von Ps. 22,2. Die Beobachtung, daß Lukas u n d Johannes dieses Gebet des Gekreuzigten nicht überliefern, sichert noch nicht, daß der Gebrauch der Psalmworte auf Jesus selber zurückgeht 5 5 . Wenn einer späteren Christologie diese Worte im Munde Jesu unerträglich waren, ist damit nicht ausgeschlossen, daß sie einer früheren durchaus in das Konzept paßten. Die Behauptung, daß die Gemeinde solche Worte Jesus nicht in den Mund legen konnte, miißte erst noch bewiesen werden 5 6 . Noch nicht beantwortet erscheint mir die Frage, ob die Anspielungen auf das Alte Testament in der Kreuzigungsperikope die L X X zitieren, oder ob sie als freie "Übersetzung des MT anzusehen sind. Übereinstimmungen u n d Abweichungen von der L X X scheinen sich die Waage zu halten. U m hier Klarheit zu schaffen, m ü ß t e untersucht werden, in welchen Fällen sich f ü r die Übersetzimg des MT von der L X X abweichende Formulierungen angeboten h ä t t e n . Diese Frage möchte ich aber auf sich beruhen lassen.

Andere Einzelzüge der Kreuzigungsperikope, c und e, gehen zwar nicht auf die Schrift zurück, enthalten aber eine theologische Aussage. U n t e r den bei B I L L E R B E C K I 1037 angeführten Belegen dafür, daß es üblich war, den Verurteilten vor der Hinrichtung einen Betäubungstrank zu geben, reicht nur einer in die tannaitische Zeit, d . h . er wird wenigstens von Billerbeck, der die Quellenangabe dafür schuldig bleibt, als Baraitha bezeichnet. Selbst wenn m a n aber die Sitte f ü r die Zeit Jesu als gegeben annimmt, ist damit die Historizität des Inhalts von V. 23 b noch nicht erwiesen. Uberliefert ist das Detail auf jeden Fall nicht wegen seiner Faktizität, sondern wegen seiner Aus54 So urteilen B U L T M A N N a . a . O . S. 295, B R A N S C O M B a . a . O . S. 295, F I N E G A N a . a . O . S. 75f., G O G U E L a . a . O . S. 368, H A J E N C H E N a . a . O . S. 535, J O H N S O N a . a . O . S. 254, K L O S T E B M A N N a . a . O . S. 165 und L O H S E a . a . O . S. 95. L O H M E Y E R a . a . O . S. 343f., N I N E H A M a . a . O . S . 425, S C H M I D a . a . O . S . 296f. u n d S C H W E I Z E R a . a . O . S. 201 f. sehen zwar auch den Schriftbezug, weisen aber ausdrücklich darauf hin, daß die Verspottung Jesu offenbar ein F a k t u m ist. T A Y L O R a . a . O . S. 591 möchte lediglich die Formulierung als Angleichung an die Schrift verstehen. Das gleiche meint anscheinend G R U N D M A N N a . a . O . S. 314. G O U L D a . a . O . S. 292f. hält die Verspottung f ü r ein bloßes F a k t u m . Die groteske Annahme von B E R N A R D (Das Mysterium Jesu, Bd. I I I , Freiburg 1961, S. 353), die Spötter seien vom Synedrium bestellt worden, u m Jesus lächerlich u n d damit m u n d t o t zu machen, sei hier lediglich als Kuriosum erwähnt. 55 Gegen T A Y L O R a . a . O . S. 594. 56 B U L T M A N N a . a . O . S. 295, B R A N S C O M B a . a . O . S. 297, F I N E G A N a . a . O . S. 76, G O U L D a . a . O . S. 204, G R U N D M A N N a . a . O . S. 312, L O H S E a . a . O . S. 96, N I N E H A M a . a . O . S. 427ff., S C H W E I Z E R a . a . O . S. 204 und anscheinend auch L O H M E Y E R a . a . O . S. 345f. nehmen an, daß der Gebetsruf Mk. 14,34b aus der Schrift erschlossen wurde. H A E N C H E N a . a . O . S. 537 gesteht das wenigstens als Möglichkeit zu. G O G U E L a . a . O . S. 371, J O H N S O N a . a . O . S. 254, M O U L E a . a . O . S. 127, S C H M I D a . a . O . S. 302f. u n d T A Y L O R a . a . O . S. 593, führen diesen Gebetsruf dagegen auf Jesus zurück.

154

Kreuzigung

sage. Der Verzicht auf den B e t ä u b u n g s t r a n k bedeutet J e s u Einwilligung in das b e w u ß t e Leiden. Gibt m a n diese Möglichkeit zu, d a n n m u ß m a n auch zugestehen, d a ß der Vers u m dieser Aussage willen gebildet sein k a n n . Auch V. 26 e n t h ä l t kein unbezweifelbares historisches F a k t u m , wie vielfach angenommen wird 5 7 , sondern eine theologische Aussage. D a ß „die Angabe der Schuld des Verbrechers . . . bei römischen Kreuzigungen ü b l i c h " 5 8 war, l ä ß t sich nicht belegen. Die a n g e f ü h r t e n Beispiele sagen nichts von einem titulus über d e m Kreuz 5 9 . Die Belege, welche Billerbeck a n f ü h r t 6 0 , reden n u r v o n einer öffentlichen B e k a n n t g a b e des Todesurteils, aber nicht v o n der Aufschrift des Urteils auf einer Tafel, schon gar nicht von einer Tafel a m Kreuz. Die übrigen z u m Vergleich herangezogenen Beispiele 6 1 berichten n u r von Einzelfällen, in denen m a n einem Verurteilten eine Tafel m i t der Angabe seiner Schuld vorant r u g oder u m den Hals h ä n g t e . Sie lassen aber nicht erkennen, d a ß dies allgemeine Sitte war. Die Ausführlichkeit, m i t der dieser U m s t a n d e r w ä h n t wird, spricht sogar dagegen. E i n Anbringen der Tafel a m K r e u z wird nicht einmal Cassius Dio 54,8 erwähnt, wo von einer Kreuzigung die Rede ist. Man möge überdies beachten, d a ß die Kreuzigungsperikope einen solchen titulus n u r f ü r J e s u s , nicht a b e r f ü r die beiden R ä u b e r e r w ä h n t . B U L T M A N N d ü r f t e deshalb R e c h t haben, wenn er V. 26 nicht f ü r die Wiedergabe eines historischen F a k t u m s , sondern f ü r einen Ausfluß des theologischen Motivs hält, die Darstellung der Kreuzigimg u n t e r den Gesichtspunkt zu stellen, d a ß Jesus wegen seines Messiasanspruchs hingerichtet worden ist. Der Zusamm e n h a n g des Verses m i t der sekundären Erweiterung Mk. 15,2 legt es nahe, ihn als eine Bildung des Evangelisten anzusehen 6 2 .

Wie wir sahen, besteht also die Kreuzigungsperikope zum großen Teil aus isolierten Details 63 . Die Isoliertheit dieser Einzelzüge kommt deshalb kaum in den Blick, weil der natürliche Ablauf der Ereignisse ihre Reihenfolge im wesentlichen vorschreibt, so daß der Eindruck eines Geschehens57 F I N E G A N a . a . O . S . 78, G O G U E L a . a . O . S . 371, G R U N D M A N N a . a . O . S.314, K L O S T E R M A N N a . a . O . S . 164, L O H M E Y E R a . a . O . S . 343, L O H S E a . a . O . S . 95, N I N E H A M a . a . O . S . 424f., S C H M I D a . a . O . S . 286, S C H W E I Z E R a . a . O . S . 199 u n d T A Y L O R a . a . O . S. 590 h a l t e n den Titulus f ü r ein historisches F a k t u m . B U L T M A N N a . a . O . S . 293 u n d H A E N C H E N a . a . O . S . 635 sind — aus verschiedenen

G r ü n d e n — anderer Ansicht. 58 S C H W E I Z E R S . 199, ähnlich die in A n m . 57 genannten Autoren, abgesehen von 59

BULTMANN u n d HAENCHEN. So a u c h H A E N C H E N , B e d e u t u n g

S. 7 7 A n m . 3 8 . I S. 1038. Sueton, Caligula 32; Cassius, Dio 548; E u s e b h . e . V. 144. 62 Gesch. S. 293. Ü b e r die historische Frage, ob Jesus als Messiasprätendent hingerichtet worden ist oder nicht, ist d a m i t noch nicht entschieden. 63 Auch T A Y L O R u r t e i l t : " t h e n a r r a t i v e consists of short seperate scenes s t r u n g together in r a p i d succession" (a.a.O. S. 587). H A E N C H E N (a.a.O. S.537) schließt sich diesem Urteil an. C R A N F I E L D (a.a.O. S. 453) m ö c h t e die S t r u k t u r der E r z ä h l u n g darauf zurückführen, d a ß eine Anzahl Zeugnisse v o n Augenzeugen addiert sei. D e m s t e h t entgegen, d a ß etliche der Szenen auf das A T zurückgehen. C R A N F I E L D m e i n t , dieses Gegenargument d u r c h den E i n w a n d e n t k r ä f t e n zu können, daß, wenn alle alttestamentlichen Anspielungen e n t f e r n t würden, n u r wenig Details übrigbleiben. W a r u m sollte a b e r die Urfassung der Perikope nicht eine E r z ä h l u n g gewesen sein, die n u r wenige Details enthielt? 60

61

Kreuzigung

155

Zusammenhanges entsteht. Aber dieser 'Geschehenszusammenhang', den die Kreuzigungsperikope darstellt, ist aus den verschiedenartigsten Elementen hergestellt : aus alter historischer Überlieferung und redaktionellen Bildungen, aus einem übergreifenden Zeitschema und aus isolierten Details, die zum größten Teil aus der Schrift erschlossen sind. Die glatte Einfügung eines Details in den Geschehenszusammenhang sagt demnach noch nichts aus über seine ursprüngliche Zugehörigkeit zu der Perikope. Am Anfang der Traditionsgeschichte kann schwerlich ein Einzelzug oder eine Anhäufung isolierter Einzelzüge gestanden haben. Es ist mit einem Traditionskern zu rechnen, der die verschiedenen Einzelzüge an sich zog. Jeder Versuch, diesen Traditionskern zu fixieren, muß sich dadurch ausweisen, daß er zugleich das spätere Wachstum der Tradition bis zu ihrer heutigen Gestalt begreifbar zu machen vermag. Die Analyse bedarf einer Bestätigung durch die Synthese. Eine solche Bestätigung ist die Forschung aber bisher stets schuldig geblieben. Man hat nicht gefragt, ob sich denn auf Grund der jeweils angenommenen Urfassung ein Wachstum des Textes bis zur heutigen Gestalt verstehen lasse. Es macht keine Schwierigkeiten, jene Einzelzüge der Kreuzigungsperikope, die aus der Schrift erschlossen wurden oder der theologischen Reflektion entstammen, als spätere Auffüllung einer detailarmen Urfassung anzusehen. Das Stundenschema als spätere Hinzufügung verständlich zu machen, dürfte weitaus schwieriger sein. T A Y L O R hält die neunte Stunde für eine historische Angabe, da man sieh an die Zeit des Schreis leicht hätte erinnern können. Diese Zeitangabe sei dann zu dem Drei-Stunden-Schema ausgeweitet worden64. Die Frage nach dem Motiv solcher Ausweitung stellt er sich nicht. B Ü L T M A N N hält die Zeitbestimmungen in V . 23. 33. 34 für „Redaktionsarbeit des Markus" 65 , ohne ein Motiv zu nennen, das Markus zu dieser redaktionellen Einfügung bewegt haben könnte. Auch F I N E G A N stellt keine Überlegungen darüber an, warum man nachträglich „einen dreifachen Rhythmus" in die Geschichte eingeführt haben sollte6®. Nach S C H W E I Z E R will die Angabe der Stunde „nur aussagen, daß Stunde um Stunde nach Gottes Willen abläuft" 67 . Das erscheint mir fragwürdig. Ich kann mir nicht vorstellen, daß einer der Hörer oder Leser der Erzählung, dem die Angabe von Stunden als Zeitangabe alltäglich vertraut war, auf diesen Gedanken kommen konnte. Hätte der Erzähler den Willen gehabt, diesen Gedanken zum Ausdruck zu bringen, würde er wohl zureichendere Mittel gefunden haben als diese Zeitangaben. Das gilt auch gegen SCHREIBER, der dem Stundenschema entnehmen will: „Gericht und Heil sind unaufhaltsam; denn am Tage der Kreuzigung schreitet

64 66

A.a.O. S. 650. A.a.O. S. 75.

65 67

A.a.O. S. 296. A.a.O. S. 200.

156

Kreuzigung

die Zeit im ehernen Rhythmus des Drei-Stunden-Taktes vorwärts." 6 8 Leser, für die an jedem normalen Tag die Zeit im Drei-Stunden-Takt vorwärtsschritt, konnten aus den Zeitangaben der Kreuzigungsperikope nicht den Eindruck eines „ehernen Rhythmus" gewinnen und noch weniger auf die Idee kommen, daß mit ihnen die Unaufhaltsamkeit von Gericht und Heil angedeutet werden soll. S C H I L L E ist der Meinung, daß die Zeitnotiz „von zweiter H a n d " die Zeiten der gottesdienstlichen Begehungen des Kreuzigungstages, die zur Zeit der drei täglichen Gebetsstunden stattfanden, in den Bericht vom Karfreitagsgeschehen eintrug. Er nimmt an, daß der Kreuzigungsbericht aus drei Traditionsstücken zusammenwuchs, die dadurch entstanden, daß jede Gebetsstunde die Erinnerungen an sich zog, die um diese Stunde herum anzusetzen waren 69 . Dagegen ist zu sagen : 1. Schilles Voraussetzung, daß die drei Stundenangaben den drei Did. 8,3 genannten Gebetszeiten entsprächen, läßt sich nicht halten. Eine Gebetszeit in der sechsten Stunde kannte das Judentum nicht und für das Christentum ist sie nicht vor Tertullian belegt 70 . 2. Die Gebetszeiten bezeichnen keine feste Stunde, sondern einen Zeitraum, innerhalb dessen der Einzelne sein Gebet verrichtet. Ein gemeinsames Gemeindegebet ist damit nicht gegeben. Daß die Urchristenheit am Karfreitag der Kreuzigung Jesu in einem Gemeindegottesdienst gedachte, ist wahrscheinlich. Daß solche Gottesdienste in der Zeit des Morgen- und in der Zeit des Mincha-Gebetes stattfanden, wäre vielleicht möglich. Allein auf Grund der Stundenangaben des Kreuzigungsberichtes kann das aber nicht erschlossen werden, zumal sich eine derselben nicht mit einer Gebetszeit deckt. 3. Es fehlt also jeder Anhalt dafür, daß das Stundenschema des Kreuzigungsberichtes auf drei „Feiern" der Gemeinde zurückgeht. Völlig aus der Luft gegriffen aber ist die Annahme, daß diese Feiern die Aufteilung des Erinnerungsstoffes auf drei Erzählungseinheiten zur Folge hatten 7 1 . Der Markustext läßt den Schluß nicht zu, denn man kann V. 33 nicht gut als selbständiges Traditionsstück ansehen, schon gar nicht, wenn man wie Schille meint, daß „die eigentliche Zeitnotiz von zweiter Hand stammt". Der Lukastext läßt zwar eine Dreiteilung erkennen und Schille könnte recht damit haben, daß die von Markus abweichende Formulierung der Zeitangabe in V. 44 a diese auf das Vorangegangene bezieht. Aber die Dreigliedrigkeit der Erzählung läßt nicht den Schluß zu, daß diese aus drei selbständigen Einzeltraditionen entstanden ist. Überdies bedürfte es erst des Nachweises, daß der Lukastext von Markus unabhängig und älter als dieser ist, bevor man aus dem Textbefund bei Lukas Schlüsse für die Herkunft des Kreuzigungsberichtes ziehen kann. Ist die Gliederung „allmählich gewachsen" 72 , dann ist das kein Indiz dafür, daß sie nicht von Lukas stammen kann, wie Schille meint, sondern zeigt im Gegenteil an, daß die Dreigliederung dem Stoff erst nachträglich aufgeprägt wurde und nicht auf das Zusammenwachsen von drei selbständigen Traditionen zurückgeht. 68 69

A.a.O. S. 99. Das Leiden des Herrn, ZThK 52 (1955) S. 161-205. Der Annahme, daß das Stundenschema liturgischen Sinn hat, schließen sich G R U N D M A N N (a.a.O. S. 313) und N I N E H A M (a.a.O. S. 424) an. 70 Siehe B I L L E B B E C K I I , S. 6 9 6 - 6 9 9 . 71 A.a.O. S. 199. 72 A.a.O. S. 195.

Kreuzigung

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Es dürfte, wie gesagt, schwer sein, ein Motiv zu finden, welches eine nachträgliche Einfügung des Stundenschemas, das in der uns vorliegenden Fassung der Kreuzigungsperikope gar nicht zum Tragen kommt, erklärt. Dagegen kann man sehr wohl verstehen, daß ein Erzähler, dem die Einzelzüge, die wir in der Kreuzigungsperikope lesen, noch nicht zur Hand waren, das Nichtwissen vom Leiden des Herrn mit dem Stundenschema überspielte und so die Kreuzigung Jesu erzählbar machte. Entgegen der verbreiteten Ansicht, daß die Stundenangaben eine spätere Zutat zur Kreuzigungsperikope sind, möchte ich deshalb jene Verse, die sie enthalten, als den Grundbestand der Perikope ansehen. Natürlich bedurfte die Erzählung einer Exposition. Da Mk. 15,20 b fest mit der nachfolgenden Episode verbunden ist, kommt dafür nur V. 22 a in Frage. Die Fortsetzung ist in V. 24 a zu suchen, womit die Stundenangabe in V. 25 a zu verbinden ist. V. 25 b wurde später eingefügt, um den Bezug der Stundenangabe zur Kreuzigung nach der Einfügung von V. 24 b wieder herzustellen und zugleich die Voraussetzung zu schaffen für V. 27 a. Auf V. 25a wird dann V. 33 gefolgt sein, an den die Stundenangabe von V. 34 anschloß. Die Fortsetzung war V. 37, ob mit oder ohne Erwähnung des großen Schreis ist schwer zu sagen —, und V. 38 bildete den Schluß der Perikope. Der Text derselben lautet: Markus 15 22 a 24a 25a 33

„Und sie brachten ihn an die Stätte Golgatha und kreuzigten ihn. Es war aber die dritte Stunde. Und als die sechste Stunde eingetreten war, geschah eine Finsternis über die ganze Erde bis zur neunten Stunde. 34 a Und in der neunten S tundo 37 hauchte Jesus seinen Geist aus (einen lauten Schrei ausstoßend). 38 Und der Vorhang des Tempels spaltete sich in zwei [Teile] von oben bis unten."

Die Erweiterung der Urfassung zu der uns heute vorliegenden Perikope wäre so zu denken, daß schriftgelehrte Arbeit im Laufe der Zeit eine Reihe von Einzelmotiven zu Jesu Kreuzestod zutage brachte, worauf das Bedürfnis entstand, sie mit dem Kreuzigungs'bericht' zusammenzulesen. Es ließe sich denken, daß ein christlicher 'Schriftgelehrter', dem diese Motive sämtlich bekannt waren, sie an passender Stelle in den Text eintrug: Die Erwähnung des Myrrhenweines vor, die Kleiderverteilung nach der Kreuzigung, darauf die Erwähnung der mitgekreuzigten Verbrecher und der Verspottung des gekreuzigten Jesus, und schließlich, zwischen der letzten Stundenangabe und der Erzählung des Todes, das Psalmgebet.

158

Kreuzigung

E s ist schwer zu sagen, ob die Spottgebärde bei ihrer Einfügung schon mit der Spottrede Mk. 15,30b-f- 31a verbunden war u n d ob die Episode V. 35 f. zugleich mit der Übersetzung des Gebetsrufes eingefügt oder aber erst später ergänzt wurde. Möglicherweise könnten sprachliche Untersuchungen in dieser Frage weiterführen. Dem Evangelisten werden diese Züge des Textes auf alle Fälle schon vorgelegen haben. Auf sein Konto kommt dann die Verbindung der isoliert überlieferten Episode Mk. 15,20b-21 mit der Kreuzigungsperikope, die Bildung von 15,26 entsprechend seiner Einfügung 15,2, von V. 29b, 30b an H a n d von 14,58, von V. 31a, 3 2 a b an H a n d von 14,61 f. und schließlich von V. 32 c, der die Verbindung mit V. 27 herstellt. Auch V. 39 geht auf ihn zurück 7 3 . Ob er V. 40f. selber gebildet h a t — vielleicht auf Grund der Tradition, die ihm in 16,1 u n d (oder) 15,47 vorlag, oder ob die Verse wie die Episode 15,20b-21 eine selbständige Überlieferung sind, vermag ich nicht zu sagen. Auf alle Fälle dürfte aber die Verbindung der Verse 15,40f. mit dem vorangegangenen auf Markus zurückgehen. So wäre die Traditionsgeschichte von der Urfassung bis zu dem uns vorliegenden Markustext denkbar. Die Synthese h a t also unsere Analyse bestätigt. IV. Die Deutung des Zeichens von Mk. 15,38 F ü r die von uns erschlossene Urfassung der Kreuzigungsperikope, Mk. 15,21a. 24a. 25a. 33. 34a. 37. 38, wäre das, was mit dem Tempelvorhang geschieht u n d häufig als eines der „Zeichen beim Tode J e s u " bezeichnet u n d mit der Finsternis V. 33 als dem anderen zusammengesehen wird 7 4 , das tragende Motiv. Unsere Analyse wird sich auch daran zu bewähren haben, ob V. 38 dieser Funktion, die ihm danach zufällt, genügt. I n der Auslegung ist kontrovers, ob der innere oder der äußere Vorhang, der Vorhang vor dem Allerheiligsten oder der Vorhang vor dem Heiligen des Tempels gemeint ist. KLOSTERMANN u n d LOHMEYER sind der Meinung, daß an den äußeren Vorhang zu denken sei 75 . 73

So urteilen auch

SCHWEIZER 74

L O H M E Y E R ( a . a . O . S. 347), S C H R E I B E R ( a . a . O . S . 2 8 ) , ( a . a . O . S . 2 0 6 ) und anscheinend auch L O H S E ( a . a . O . S . 9 8 ) .

Nämlich von B U L T M A N N (a.a.O. S . 295), F I N E G A N (a.a.O. S. 76), K L O S T E R M A N N (a.a.O. S. 165), L O H S E (a.a.O. S. 97) und S C H W E I Z E R (a.a.O. S. 204). L O H M E Y E R (a.a.O. S. 346f.) weist dagegen ausdrücklich darauf hin: „Markus hat nicht wie Matthäus das Zeichen im Tempel in eine Reihe anderer Wunder, die mit dem Tode Jesu geschehen, eingeordnet. So kann man dieses Eine auch nicht auf den Volksglauben zurückführen, der den Tod seiner Helden von Wundern begleitet sein läßt." 75

KLOSTERMANN a . a . O .

S. 176, LOHMEYER a . a . O .

S.

347.

Kreuzigung

159

Klostermann bleibt die Begründung schuldig7®. Die Argumentation Lohmeyers, es sei „kaum sinnvoll, ein Zeichen zu erwähnen, das nicht oder nur von wenigen Priestern h ä t t e gesehen werden können" 7 7 , geht von falschen Voraussetzungen aus : Die Erwähnung des Zeichens konnte den Hörer oder Leser nicht dazu bringen, nach der Wirkung des Zeichens zu fragen und darüber zu reflektieren, daß ein Zeichen, das nur von wenigen gesehen werden konnte, wirkungslos war. Die Erwähnung des Zeichens m u ß t e und wollte den Hörer oder Leser dazu bringen, die Bedeutung des Zeichens zu verstehen. Die Bedeutung des Zeichens konnte nur verstanden werden, wenn das Zeichen eindeutig war. Ein Zeichen am äußeren Vorhang konnte so wenig eindeutig sein wie das Zeichen an der Tempeltür, von dem Josephus berichtet, daß es von einigen als Heils-, von anderen als Unheilszeichen verstanden wurde. Nur die symbolische Bedeutung des inneren Vorhangs konnte das Zeichen eindeutig machen; deshalb k a n n mit dem καταπέτασμα nicht der äußere, sondern nur der innere Vorhang gemeint sein. D a f ü r spricht auch die Formulierung von V. 38 : es heißt dort το καταπέτασμα. Wenn von dem, Vorhang des Tempels die Rede war, mußte jeder Hörer oder Leser der Erzählung an den allein kultisch bedeutsamen Vorhang zwischen dem Heiligen und dem Allerheiligsten denken. Wollte der Erzähler vom inneren Vorhang reden, konnte er den kultisch bedeutungslosen äußeren außer acht lassen. H ä t t e er dagegen vom äußeren Vorhang sprechen wollen, konnte er den inneren nicht unberücksichtigt lassen, sondern wäre genötigt gewesen, eine Unterscheidung einzuführen 7 8 . Die Mehrzahl der Exegeten bezieht denn auch Mk. 15,38 auf den inneren Tempel Vorhang. F ü r das Zerreißen dieses Vorhangs werden zwei verschiedene Deutungen vorgebracht, die häufig auch miteinander verbunden werden. Die erste versteht das σχίζειν του καταπετάσματος als Zerstörung, die zweite als die Eröffnung des Zugangs zu Gott. Die erste dieser beiden Deutungen k o m m t in den verschiedensten Schattierungen vor: Sie wird verstanden als „Prophezeiung von der 76 Mit dem Verweis auf p. Joma 6,43c und Josephus Bell. VI 53 kann die Frage, ob der äußere oder der innere Vorhang gemeint ist, jedenfalls nicht entschieden werden. 77 A.a.O. S. 347. 78 Hb. 9,3 (von L O H M E Y E R angeführt) ist kein Gegenbeweis. Wenn hier von dem inneren Vorhang als dem δεύτερον καταπέτασμα gesprochen wird, dann zeigt das nur, daß der Schreiber ausdrücklich zwischen beiden Vorhängen zu unterscheiden wünscht. Es folgt daraus nicht, daß nur da vom inneren Vorhang die Rede ist, wo wir diese Formulierung finden, und daß da, wo καταπέτασμα ohne Zusatz steht, der äußere Vorhang gemeint ist.

160

Kreuzigung

Zerstörung des Tempels" 79 , oder als der Anfang der Erfüllung solcher Prophetie 8 0 , als „Vorzeichen des göttlichen Zornesgerichts" 81 , als Auszug Gottes aus dem Tempel, mit dem das Gericht am Tempel beginnt 8 2 , als "the end of the temple system" 8 3 , oder als die Aussage, daß „der Tempelglaube dem Untergang geweiht" ist 84 . Bei der zweiten Deutung stimmen alle Exegeten, die diese Ansicht vertreten 8 6 , darin überein, daß der Zutritt ins Allerheiligste, der durch das Zerreißen des Vorhangs eröffnet wird, der Zugang zu Gott selber, zu seiner Nähe ist. Nuancen finden sich insofern, als betont wird, daß damit ein System der Priesterschaft als Mittler zwischen Gott und Mensch ausgeschlossen wird 86 , daß der Zugang zu Gott dadurch verursacht wurde, daß Jesu Tod die Versöhnung der Menschen mit Gott bewirkte 87 , oder daß die Subjekte, denen der Zugang eröffnet ist, näher bestimmt werden als „Nichtpriester" 8 8 oder „Nichtjuden" 8 9 . Wir werden diese Deutungen an dem zu prüfen haben, was wir über die Funktion des Vorhangs im Tempelkult in Erfahrung bringen und für das Verstehen der Perikope durch ihre ersten Leser oder Hörer voraussetzen können. Der Vorhang, der „als Scheidewand zwischen dem Heiligen und dem Allerheiligsten dient" (Ex. 26,33), der „vor der Lade hängt" (Ex. 27, 21) und die Lade des Gesetzes verdeckt (Ex. 30,6) oder verhüllt (Ex. 40,3) und mit dem man beim Aufbruch des Lagers die Lade des Gesetzes bedecken soll (Nu. 4,5), wird mehrfach als „der verhüllende Vorhang" bezeichnet (Ex. 35,12; 40,21; Nu. 4,5). Nur an wenigen Stellen ist da, wo der Begriff vorkommt, von der Verhüllungsfunktion des Vorhangs keine Rede : I n den Anweisungen zur Besprengung des Vorhangs mit dem Blute des Sündopfers (Lev. 4,5f. 17). in der Bestimmung, daß kein Verkrüppelter zum Vorhang eingehen darf (Lev. 21,23) und in den Anweisungen für den Hohenpriester (Lev. 16,2; 12f. und 15). An den letztgenannten Stellen kommt die ver79

GOGUEL

a.a.O. S. 371, ähnlich

BONNARD

a.a.O. S. 407 und

BRANSCOMB

a.a.O. S. 297. 80 81 82 83

LOHMEYER a . a . O . S. 347. K L O S T E R M A N N a.a.O. S. 167, ähnlich J O H N S O N GRUNDMANN a . a . O . S. 316. TAYLOR a . a . O . S. 5 9 6 . H A E N C H E N a.a.O. S. 538, ähnlich W. P O P K E S ,

a.a.O. S. 257.

81 Christus Traditus, Eine Untersuchung zum Begriff der Dahingabe im Neuen Testament, AThAuNT 49, Zürich 1967, S. 231. 85 C A R R I N G T O N a.a.O. S . 330, G O U L D a.a.O. S . 295, H A E N C H E N a.a.O. S.538, L I G H T F O O T (The Gospel Message of St. Mark, 4 . A . Oxford 1962, S . 55f.), L O H S E a.a.O. S . 98, M O U L E a.a.O. S . 127f., N I N E H A M a.a.O. S . 430, S C H M I D a.a.O. S . 303, S C H W E I Z E R a.a.O. S . 205 und T A Y L O R a.a.O. S . 596. 86 88

MOULE a . a . O . S. 128. SCHWEIZER a . a. O . S . 2 0 5 .

87 89

SCHMID a . A . O . S . 3 0 3 . SCHWEIZER e b d . , N I N E H A M . a. a. O . S . 4 3 0 .

Kreuzigung

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hüllende Funktion des Vorhangs jedoch indirekt zur Sprache: er verhüllt die Erscheinung des Herrn auf der Deckplatte der Lade und verhindert damit, daß der Anblick der unverhüllten Majestät Gottes dem nicht von seinen Sünden durch ein besonderes Opfer Entsühnten den Tod bringt. Begibt sich der Hohepriester hinter den Vorhang, dann hat das Räucherwerk die Funktion des Vorhangs zu übernehmen und die Deckplatte der Lade zu verhüllen (16,12f.). Der Vorhang war kein unersetzlicher Kultgegenstand wie der Brandopferaltar, der siebenarmige Leuchter oder gar die heilige Lade selbst. Mag die Angabe Sch e q 8,5, daß in jedem Jahre zwei Vorhänge angefertigt wurden und dreihundert Priester den Vorhang im Falle der Verunreinigung untertauchten 9 0 , auch als Übertreibung gelten, so zeigt sie doch, daß Ersatz für den Vorhang da war, und man darauf eingestellt war, ihn nötigenfalls auszuwechseln. Das wird bestätigt durch einen in der Tosefta überlieferten „Ausspruch des R. Chananja ben Antigonos, der nach Tos. Arachin I. Ende dem Tempelgottesdienst noch beigewohnt h a t : 'Zwei Vorhänge waren dort, ein aufgezogener und ein zusammengeschlagener; wurde der aufgezogene (levitisch) verunreinigt, so hängte man den zusammengeschlagenen auf. Am Rüsttag zum Versöhnungstag brachte man den neuen herein und trug den alten hinaus'. 1 ' 9 1 Die Hörer oder Leser der Kreuzigungsperikope, denen die Funktion, die der Vorhang vor dem Allerheiligsten im Tempelkult hatte, geläufig war und die von seiner Ersetzbarkeit wußten, konnten unmöglich auf den Gedanken kommen, daß der Riß im Vorhang 'Gottes Auszug aus dem Tempel' oder 'das Ende des Tempelsystems' bedeuten sollte. Die eingebürgerte weitverbreitete Übersetzung: „der Vorhang des Tempels zerriß" dürfte die Auslegung in die Irre führen. Gewiß wird man nicht bestreiten wollen, daß σχίζεσθαι u . U . den Sinn von zer-reißen annehmen kann. Aber man darf doch nicht vergessen, daß es die Grundbedeutung 'sich spalten, trennen, teilen' hat 9 2 und sollte deshalb zunächst fragen, welches Verständnis der Stelle sich von der Grundbedeutung her nahelegt, ehe man sich auf eine einseitig fixierte Wortbedeutung festlegt. Geht man von dieser Grundbedeutung aus, so bedeutet Mk. 15,38 zunächst, daß der Vorhang des Tempels sich in zwei Teile spaltet. Daß solche Spaltung nicht den Sinn des Zerreißens, also der Zerstörung haben muß, zeigt der Vergleich mit Mk. 1,10, wo niemand das σχίζεται 90

BILLEBBECK I 1 0 4 3 f. B I L L E B B E C K I I I , 733 f.

Dort werden auch noch andere Zeugnisse wiedergegeben, in denen von dem herausgetragenen Tempelvorhang die Rede ist. 92 Siehe B E N S E L E R S griechisch-deutsches Schulwörterbuch, 12. A. bearb. von A . K A E G I , Leipzig u. Berlin 1904 s.v. 91

11

Linnemann, Passionsgeschichte

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mit zerreißen wiedergibt, sondern zumeist übersetzt wird : „der Himmel öffnete sich". Danach läßt sich auch das Sich-Spalten des Tempelvorhangs so verstehen, daß sich der Vorhang einen Spalt weit öffnet. Demnach scheint die Auslegung, welche das Sich-spalten des Vorhangs als die Eröffnung des Zugangs zu Gott versteht, dem Text besser gerecht zu werden, zumal sie sich anscheinend auch noch auf Hebr. 10,19f. berufen kann. Ist es der Sinn von Mk. 15,38, daß „in Christi Tod . . . der Zugang zur Heiligen Stätte für uns alle aufgetan [ist], so daß wir hinzutreten und Gott nahen dürfen" 9 3 ? Dagegen spricht, daß der Vorhang nicht im Tempel angebracht ist, um den Zugang zu Gott zu verhindern, sondern um die Erscheinung der Majestät Gottes zu verhüllen, damit der Anblick des heiligen Gottes nicht dem unheiligen Menschen den Tod bringt. Nicht der Vorhang verhindert den Zugang, sondern die Sünde des Menschen und sein unendlicher Abstand von Gott. Deshalb darf der Hohe Priester nur unter der Bedingung hinter den Vorhang treten, daß er sich gereinigt und heilige Kleider angezogen und ein Sündopfer und ein Brandopfer dargebracht hat. Dementsprechend ist auch in Hebr. 10,19 f. nicht davon die Rede, daß Jesus den Zugang zu Gott verschafft, indem er den Vorhang zerreißt, sondern indem er sein Blut als Opfer darbringt und damit die zuversichtliche Hoffnung auf den Eingang in das Heiligtum gewährt 94 . Kein Hörer oder Leser der Kreuzigungsperikope konnte das Sichspalten des Tempelvorhangs als die Eröffnung des Zugangs zu Gott verstehen, denn kein Jude fühlte sich durch den Tempelvorhang in seinem Zugang zu Gott behindert oder empfand ihn als "barrier between God and men" 9 5 . Kein Jude und noch weniger ein Heide des ersten Jahrhunderts konnte auf die Idee kommen, daß es der Vorhang war, der 'die Nichtjuden vom Orte der Gegenwart Gottes ausschloß'. Die Bedeutung der Spaltung des Vorhangs muß im Zusammenhang mit der Funktion des Vorhangs gesehen werden. Hat der Vorhang die Funktion, die Erscheinung der Majestät Gottes zu verhüllen, dann 93

LOHSE a.a.O. S. 98. Vgl. Hebr. 10,19 mit 9,7. Das spricht gegen den. Versuch von LINDESKOG (The Veil of the Temple, Conj. Neot. Xi, 1947, S. 132-137), eine gemeinsame Grundlage für Mk. 15,38 und die betreffenden Stellen im Hebräerbrief zu suchen. Wenn er kombiniert: "Jesus enters the Holiest of all. That means, firstly, He had to die as He was no highpriest in the earthly temple. Further, it implies, that in a new sense He plays the same role as the Jewish high-priest, thus fulfilling the atonic function" (S. 135f.), übersieht Lindeskog, daß nach Mk. 15,37f. Jesu Tod nicht auf den Eingang in das Allerheiligste folgt, sondern als Folge seines Todes der Vorhang zerreißt und von einem Eingehen Jesu in das Allerheiligste ebensowenig die Rede ist wie von einer Versöhnung durch Jesus. Daß in Mk. 15,38 ein kultisches Muster zu einem historischen Ereignis reduziert sei, ist ein unbegründetes Postulat. 94

95

CABBINGTON a . a . O . S. 330.

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macht der Spalt ihn untüchtig, diese Funktion zu erfüllen. Wenn beim Tode Jesu der Vorhang im Tempel sich teilt, dann bedeutet das, daß im Augenblick des Kreuzestodes Jesu, seiner größten und letzten Ohnmacht, die Majestät Gottes unverhüllt in Erscheinung tritt: Im Kreuzestode Jesu wird Gottes Majestät offenbar. I n Mk. 15,38 wird also nicht ein beliebiges Wunder beim Tode Jesu zu dessen Verherrlichung mitgeteilt, sondern es wird das Ungeheuerliche ausgesagt, was Jesu Kreuzestod bedeutet. Man wird demnach keine Bedenken haben, den Vers als das tragende Motiv der Urfassung der Kreuzigungsperikope anzusehen, womit sich unsere Analyse bestätigt. V. Finsternis, Stimme Jahwes, Zerstörung des Tempels und Gericht — ein traditioneller Topos ? Da sich die von SCHREIBEB angenommene zweite Kreuzigungstradition 96 teilweise mit der von uns angenommenen Urfassung der Kreuzigungsperikope 97 deckt, ist es nötig, daß wir uns noch mit seiner Interpretation dieser Tradition auseinandersetzen, wenngleich wir seine Analyse als verfehlt ansehen müssen. Schreiber stellt die These auf, daß „die Gleichzeitigkeit der Ereignisse" in dieser Kreuzigungstradition — „gleichzeitig mit dem Todesschrei Jesu (V. 37) in der neunten Stunde (V. 34a) wird die Finsternis beendet (V. 33) —, zerreißt der Vorhang des Tempels (V. 38)" — plausibel wird, „sobald man erkennt, daß Finsternis, Stimme Jahwes und Zerstörung des Tempels im Alten Testament im Blick auf den Gerichtstag einen traditionellen Zusammenhang bilden, der dann in der Apokalyptik mit Bezug auf den Messias oder Menschensohn in vielfältiger Weise entfaltet wird" 9 8 . Man wäre vielleicht bereit, zu übersehen, daß die Finsternis, welche mit Beginn der neunten Stunde endet, nachdem sie zuvor drei Stunden lang gedauert hat, mit dem Zerreißen des Tempelvorhangs in der neunten Stunde nicht gleichzeitig ist. Man könnte sogar die selbstverständliche Gleichsetzung des wortlosen Schreis Jesu mit der Stimme Jahwes einstweilen gelten lassen. Aber man erwartete doch zumindest den exakten Nachweis, daß Finsternis, Stimme Jahwes und Zerstörung des Tempels im Alten Testament im Blick auf den Gerichtstag einen traditionellen Zusammenhang bilden. Das heißt, man erwartet den Nachweis von alttestamentlichen Belegstellen, in denen die vier Motive miteinander verbunden sind. Denn nur unter dieser Voraus98 97 98

11·

Mk. 15,25. 26. 29a. 32c. 33. 34. 37. 38. Mk. 15,2a. 24a. 25a. 33. 34a. 37. 38. A.a.O. S. 33.

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Setzung k ö n n t e von einem traditionellen Zusammenhang die R e d e sein. Allein der Nachweis eines solchen Zusammenhanges würde es jedoch erlauben, das im Markustext nicht genannte Element, den Gerichtstag, zu ergänzen. Ohne denselben ist Schreibers I n t e r p r e t a t i o n , d a ß „auf d e m H ö h e p u n k t des Gerichtsgeschehens u n d in der entscheidenden S t u n d e (V. 34 a) der Messias plötzlich das drohende Schweigen durchbricht u n d mit seinem Todesschrei das Gericht a u s ü b t " 9 9 , nicht gerechtfertigt. Einen solchen Nachweis erwartet der Leser jedoch vergebens. S t a t t dessen konstruiert Schreiber selber einen gedanklichen Zusammenhang, in dem er die Begriffe Finsternis, Sünde, Gericht, Stimme Jahwes, Zerstörung des Tempels u n d Gerichtstag nach seinem eigenen Ermessen miteinander kombiniert. Dabei f ü h r t er fleißig alttestamentliche Stellen an, aber ohne nach dem von ihnen intendierten Sinn, ihrem K o n t e x t , ihrem geschichtlichen u n d religionsgeschichtlichen Zusammenhang zu fragen. I n einem Atemzug zitiert er Thora u n d Psalmen, P r o p h e t e n u n d Weisheit. D a s Vorkommen des gleichen oder eines v e r w a n d t e n Begriffs ist ihm Grund genug, Bibelstellen verschiedenster H e r k u n f t u n d unterschiedlichster Aussage miteinander zu verbinden. Obwohl Schreiber b e h a u p t e t , eine motivgeschichtliche I n t e r p r e t a tion zu geben, k o m m t er nicht einmal auf die Idee, daß die Motive eine Geschichte gehabt haben können, sondern verbindet Belegstellen miteinander zwischen deren E n t s t e h u n g ein halbes J a h r t a u s e n d liegt. E s m a c h t f ü r ihn keinen Unterschied, ob von Gottes Fluch die Rede ist, der den Übertreter des Gesetzes in seinem irdischen Leben mit Blindheit s t r a f t , oder von der Finsternis a m Tage des Endgerichts. Nicht einmal die Unterscheidung zwischen eigentlicher u n d metaphorischer Rede n i m m t Schreiber wahr. Der Donner des Gewitters, das Schöpfungswort u n d der glühende Zornesatem Gottes sind f ü r ihn gleicherweise Stimme J a h w e s u n d werden in gleicher Weise m i t d e m wortlosen Schrei J e s u parallelisiert ! Ein beliebiger Satz soll aus dem Gedankengang Schreibers herausgegriffen und mit den darin angeführten Bibelstellen konfrontiert werden, um zu zeigen, welcher Art der Rückhalt ist, den Schreibers Ausführungen an den herangezogenen Belegstellen haben. „Diese gottlosen Spötter (Ps. 1,1)" ,Wohl dem Manne, der nicht wandelt im Rate der Gottlosen, noch tritt auf den Weg der Sünder, noch sitzt im Kreise der Spötter.' „haben mit der Unterwelt einen Vertrag geschlossen {Jes. 28,15)" ,Denn ihr sprecht: Wir haben mit dem Tod einen Bund geschlossen und mit dem Totenreich einen Vertrag gemacht. Die wogende Geißel, wenn sie 99

A.a.O. S. 39.

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einherfährt, wird nicht über vins kommen ; denn wir haben Lüge zu unserer Zuflucht gemacht u n d durch Trug uns geborgen.' „um sich in deren Finsternis vor Gott zu verbergen (29,15)" ,Wehe denen, die ihren Plan tief vor dem H e r r n verbergen u n d ihr Werk im Finstern tun, so daß sie sprechen: Wer sieht uns u n d weiß von uns.' „Doch in solcher Verkehrtheit (29,15)" [siehe oben] „und der dadurch bedingten Blindheit (59,1-10)" ,2) eure Mißtaten scheiden euch von eurem Gott, u m eurer Sünden willen h a t er sein Angesicht vor euch verhüllt, daß er nicht hört . . . 9) D a r u m bleibt das Recht fern von uns, u n d das Heil erreicht uns nicht. Wir harren auf das Licht, u n d siehe d a ist Finsternis, auf den hellen Tag, u n d wir wandeln im Dunkel. 10) Wir tappen wie die Blinden an der W a n d , wie ohne Augen tasten wir; wir straucheln a m Mittag wie in der Dämmerung, sitzen im Finstern wie die Toten.' „vollzieht sich schon Gottes Zorngericht (Dt. 28,15. 28/.; ,Wenn du aber auf das W o r t des Herrn, deines Gottes, nicht hörst u n d alle seine Gebote u n d Satzungen, die ich dir heute gebe, nicht getreulich erfüllst, so werden alle diese Flüche über dich kommen u n d werden dich erreichen . . . : 28) Der Herr wird dich schlagen mit Wahnsinn, mit Blindheit u n d m i t Sinnesverwirrung, 29) u n d du wirst a m hellen Mittag tappen, wie ein Blinder im Dunkeln t a p p t , u n d es wird dir auf deinen Wegen nicht gelingen, u n d du wirst allzeit nur unterdrückt u n d beraubt sein, u n d niemand wird dir helfen. Zeph. 1,17; ,Da will ich die Menschen ängstigen, daß sie einhergehen wie die Blinden, weil sie wider den H e r r n gesündigt haben. I h r Blut soll ausgeschüttet werden wie Staub u n d ihr Fleisch wie K o t . ' Gen. 19,11; ,Die Leute vor der Haustüre aber schlugen sie mit Blindheit, klein u n d groß, so daß sie sich umsonst abmühten, die Türe zu finden.' vgl. Ps. 69,24/.)," ,Ihre Augen mögen dunkel werden, daß sie nicht sehen, u n d ihre Lenden laß immerdar wanken. Schütte aus über sie deinen Grimm, u n d die Glut deines Zornes erreiche sie.' „das aller Flucht in die Finsternis ein Ende setzt (Ps. 139,11/.)". ,Und spräche ich: Lauter Finsternis soll mich bedecken, u n d N a c h t sei das Licht u m mich her, so wäre auch die Finsternis nicht finster f ü r dich, die Nacht würde leuchten wie der Tag.' 1 0 0 Hierzu einige Anmerkungen : Jes. 28,14 gibt zwar das Recht, die Redenden von V. 15 als „gottlose S p ö t t e r " zu bezeichnen, rechtfertigt aber nicht, Ps. 1,1 als Belegstelle heranzuziehen, nur weil auch dort von Spöttern die Rede ist. Jes. 28,15 u n d 29,15 k a n n m a n nicht in der Weise kombinieren, wie Schreiber das t u t . Die Sprecher von Jes. 28,15 wollen sich nicht in der Finsternis der 100

A . a . O . S. 34. Die Bibeltexte sind nach der Züricher Bibel zitiert.

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Unterwelt vor Gott verbergen, sondern hoffen, mit Hilfe von Lüge u n d Trug dem durch den Propheten angekündigten Unheil zu entrinnen. Diejenigen, von denen in Jes. 29,15 die Rede ist, wollen nicht sich, sondern ihre bösen Werke vor Gott verbergen, u n d von einem Vertrag m i t der Unterwelt ist hier keine Rede, noch weniger davon, daß sich „in solcher Verkehrtheit" „schon Gottes Zorngericht" vollzieht. Den Gedanken von Rom. 1,24, daß sich in der Auslieferung an die Sünde Gottes Zornesgericht vollzieht, sucht m a n bei Protojesaja vergeblich, u n d findet ihn ebensowenig bei den übrigen in diesem Zusammenhang von Schreiber angeführten Bibelstellen. Nach Jes. 59,1-10 sind zwar Blindheit u n d Finsternis durch die Sünde verursacht, aber die Begriffe stehen als Metaphern f ü r die Ferne von Hilfe, Recht u n d Heil, u n d ein Bezug auf das Zornesgericht ist weder begrifflich noch vorstellungsmäßig gegeben. (In V. 18ff. wo die Vorstellung des Gerichtes gegeben ist, ist keine Rede davon, d a ß sich das Gericht in der Blindheit vollzieht.) D t . 28,15. 28f., Zeph. 1.17; Gen. 19,11 vgl. Ps. 69,24f. u n d Ps. 139, l l f . werden von Schreiber ohne Unterschied auf Gottes Zornesgericht bezogen, obgleich dieser eschatologische Bezug, den der Begriff voraussetzt, nur in Zeph. 1,17 gegeben ist. Dort vollzieht sich aber das Gericht nicht in der Blindheit, geschweige denn in der Verkehrtheit, sondern a m Tag des H e r r n werden die Menschen so geängstigt, daß sie umhergehen wie die Blinden. D t . 28 fehlt nicht nur der eschatologische Bezug, sondern die Blindheit ist n u r einer der Flüche, die den Gesetzesübertreter treffen sollen. Deshalb k a n n die Stelle nicht belegen, d a ß sich in der Blindheit das Gericht vollzieht, I n 15,28 d ü r f t e die Blindheit im eigentlichen Sinne gemeint sein — vgl. V. 27 —, in V. 29 dagegen im übertragenen Sinne als Glückslosigkeit. I n keinem Falle bedeutet sie dasselbe wie in Jes. 59,1-10. Gen. 19,11 in diesem Zusammenhange zu zitieren, ist zu absurd, als daß m a n darauf eingehen müßte. Der zum Vergleich herangezogene „ f r o m m e Wunsch", in dem der Beter des Psalmes seinen Feinden Blindheit a n den Hals wünscht, h a t mit diesem Mirakel nichts zu tun, da die Blindheit hier eigentlich gemeint ist, u n d vermag deshalb auch nicht zu belegen, d a ß sich in der durch die Verkehrtheit bedingten Blindheit schon Gottes Zornesgericht vollzieht. Aus Ps. 139,11 k a n n m a n nicht entnehmen, daß Gottes Zornesgericht aller Flucht in die Finsternis ein E n d e setzt, denn in dem ganzen Psalm ist von Gottes Zornesgericht nicht die Rede, u n d der Flucht wird kein E n d e gesetzt, sondern es wird erkannt, d a ß es unmöglich ist, vor Gott zu fliehen.

Gegen solche Kritik hat Schreiber sich allerdings von vornherein abgesichert mit der Feststellung, bei der „motivgeschichtlichen Interpretation" gehe es „nicht um eine genaue historisch-kritische Exegese alttestamentlicher und apokalyptischer Textstellen, sondern vielmehr darum, die Hauptmotive der zweiten Kreuzigungstradition in ihrem Zusammenhang als in den Frömmigkeitsvorstellungen Israels und des Judentums vorbereitet nachzuweisen". Kann sich die „motivgeschichtliche Interpretation" diesen Verzicht auf historisch-kritische Exegese wirklich leisten? Bedarf sie nicht der historischen Interpretation, wenn sie motivgeschichtlich sein will ? Muß nicht kritisch festgestellt werden, ob das betreffende Hauptmotiv der Kreuzigungstradition in der alttestamentlichen oder apokalyptischen Textstelle wirklich vorliegt? Das Vorkommen der gleichen Vokabel entbindet die moiivgeschichtliche Interpretation doch wohl nicht von der Frage, ob auch das

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gleiche Motiv gegeben ist. Muß nicht der Zusammenhang der Motive in den Frömmigkeitsvorstellungen mit Hilfe von kritischer Textinterpretation nachgewiesen werden ? Wie anders sollte m a n ihn sonst nachweisen ? Trotz Schreibers Einwand bleibt es also dabei, daß seine Anhäufung von Bibelstellen nichts beweist, weil man mit solchen 'Methoden' jeden, aber auch wirklich jeden Gedanken als biblisch belegen k a n n und ihre Anwendung mit wissenschaftlicher Arbeit nichts mehr zu t u n hat. Diese Feststellung entbindet uns aber nicht von der Frage, ob nicht unter den von Schreiber angehäuften „Belegstellen" doch einige sind, die einen traditionellen Zusammenhang von „Finsternis, Stimme Jahwes und Zerstörung des Tempels . . . im Blick auf den Gerichtstag" erkennen lassen. I n der T a t wird der Gerichtstag mehrfach als ein Tag der Finsternis bezeichnet oder beschrieben (Am. 8,9; Jes. 13,10; J o . 2 , I f . lOf.; 3,15 f. ; Zeph. 1,15). Das ist angesichts der metaphorischen Bedeutung von Licht und Finsternis auch gar nicht anders zu erwarten. Aber diese metaphorische Bedeutung ist nicht so eingeengt, daß es erlaubt wäre, alle Aussagen über die Finsternis ohne einen weiteren Anhaltsp u n k t auf das eschatologische Gericht zu beziehen. Bei Joel ist sowohl in dem Abschnitt 2,1-11 als auch in 3,15f. die Finsternis mit der „Stimme" Jahwes verbunden. An den übrigen der genannten Stellen sucht m a n danach vergebens, und die Zerstörung des Tempels wird an keiner der Stellen erwähnt. Am. 1,2; Jer. 25,30f. und Ps. 46,6f. ist von der Stimme Gottes die Rede, die am Gerichtstag ertönt, aber weder von der Finsternis noch von der Zerstörung des Tempels ist etwas zu lesen 101 . I n den Prophezeiungen der Tempelzerstörung (Mi. 3,12; Jer. 7,13f., 26,4r-6) ist nichts von der Stimme Jahwes oder der Finsternis zu finden102. Auch f ü r das J u d e n t u m h a t Schreiber keine einzige Belegstelle genannt, in der die Stimme Jahwes bzw. des Messias oder Menschensohnes, die Finsternis und die Zerstörung des Tempels einen Zusammenhang bilden, der auf das Gericht bezogen ist. E r m u ß selbst zugeben, daß „die Finsternis . . . nur noch selten direkt im Zusammenhang mit dem entscheidenden Gerichtsruf genannt wird" 1 0 3 und 101 S C H R E I B E R a.a.O. S . 34 möchte in Ps. 46,6 die Finsternis hineinlesen. Es steht dort aber eben nicht „am Ende der dunklen Nacht", sondern "am Morgen', und der Anbruch des Morgens ist mit der Hilfe für das Gottesvolk verbunden, was dem metaphorischen Charakter des Wortes entspricht. 102 S C H R E I B E R S Versuch, wenigstens die letztere hineinzubringen (a.a.O. S. 35), ist grotesk. 103 A.a.O. S. 35.

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daß „Stimme u n d Tempelzerstörung zusammengehören] in Texten (4.Esr. 10,25f. ; Apk. Bar [syr.] 8, lf.), die erst nach 70 anzusetzen sind" 1 0 4 . Wir können demnach keinen „traditionellen Zusammenhang" zwischen „Finsternis, Stimme Jahwes [bzw. des Messias oder Menschensohnes] und Zerstörung des Tempels" „ I m Blick auf den Gerichtst a g " 1 0 6 entdecken. Die Elemente sind zwar nachzuweisen, aber der Zusammenhang zwischen ihnen ist nicht „traditionell", denn er läßt sich nicht in den Traditionen, sondern lediglich in Schreibers Kombinationen finden. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, die Kreuzigungsperikope dahingehend zu verstehen, daß sich „der Gekreuzigte mit seinem Todesschrei als der das Gericht ausübende, die Finsternis vertreibende erhöhte 'Menschensohn' bzw. als der mächtige 'Messias' erweist" 1 0 6 . Alttestamentliche oder jüdische Parallelen legen diese Auslegung nicht nahe, u n d der Markustext selber bietet für sie keinen zureichenden Anhaltspunkt. Mk. 15,33 besagt nur, daß die Finsternis bis zur Todesstunde währt, nicht aber, daß der E r h ö h t e die Finsternis vertreibt. F ü r die Vermutung, daß sich der Gekreuzigte durch den Todesschrei als der Erhöhte erweist u n d darin das Gericht vollzieht, fehlt jeder Anhaltspunkt. Die Annahme, daß das Sich-Spalten des Vorhangs als Zerstörung des Tempels zu verstehen sei, ist im Blick auf die Funktion, die dem Vorhang nach alttestamentlichen und jüdischen Vorstellungen zukam, fragwürdig. Deshalb sind wir der Ansicht, daß Schreibers Auslegung den Sinn der Kreuzigungsperikope nicht erfaßt.

VI.

Zusammenfassung

Nachdem wir unsere Analyse an anderen Auslegungen kritisch gemessen haben, können wir unsere Ergebnisse zusammenfassen. Wir sind der Meinung, daß die Urfassung der Kreuzigungsperikope in Mk. 15,22a. 24a. 25a. 33. 34a. 37. 38 zu finden ist. Diese Urfassung teilt keine historischen Einzelzüge mit. Sie stellt das Sterben Jesu am Kreuz mit Hilfe der Stundeneinteilung als ein sich zeitlich erstreckendes Geschehen schematisch dar. Ihre Absicht ist nicht, Einzelheiten aus den letzten Stunden J e s u zu berichten ; sie will die Bedeutung des Kreuzestodes Jesu zur Sprache bringen : Sein Sterben ist ein so ungeheuerliches Ereignis, daß die E r d e sich in Dunkel hüllt, u n d in seinem Kreuzestod t r i t t Gottes Majestät unverhüllt in Erscheinung. Wir nehmen ferner an, daß — zunächst unabhängig von dieser Kreuzigungsperikope — Einzelzüge des Kreuzestodes Jesu aus der 104 105

A.a.O. S. 37 Anm. 61. Vgl. a.a.O. S. 33.

106

A.a.O. S. 39.

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Schrift bzw. aus theologischen Überlegungen erschlossen wurden und daß diese Einzelzüge mit der Kreuzigungsperikope verbunden wurden. Da der Zeitraum der Überlieferung bis zur Übernahme der Perikope durch Markus relativ kurz ist, halte ich es für wahrscheinlicher, daß sämtliche Einzelzüge auf einmal ergänzt wurden, als daß sie allmählich zugewachsen sind. Es läßt sich denken, daß sie von einem christlichen 'Schriftgelehrten', dem sie sämtlich bekannt waren, in die Kreuzigungsperikope eingefügt wurden. Der Platz für die Einfügung ergab sich mehr oder weniger zwingend aus dem natürlichen Handlungsablauf: Der Myrrhenwein (V. 23) mußte vor der Kreuzigung gereicht werden, denn nachher hätte der Betäubungstrank keinen Sinn gehabt. Zur Kleiderverteilung (V. 24 b) konnte das Exekutionskommando erst Muße finden, nachdem der Delinquent gekreuzigt war. Man sollte allerdings erwarten, daß zunächst auch die Mitgekreuzigten erwähnt werden (V. 27). Aber die Verspottung — die erst beginnen kann, als Jesus am Kreuze hängt, — ließ sich nicht unmittelbar an die Kleiderverteilung anschließen, und die Erwähnung der Mitgekreuzigten bot Anlaß, an die Kreuzigung Jesu noch einmal zu erinnern (V. 25b). Ihre Wiedererwähnung wurde erleichtert, wenn man sie mit der Zeitangabe verband, — so läßt sich die Trennung von 24 a und 25 b erklären. Die Verspottung als Spottgebärde (V. 29 a) und vielleicht auch schon als Spottrede (V. 30a. 31b) Schloß sich an V. 27 glatt an. Das Gebet Jesu konnte sinnvollerweise erst seinen Platz finden, nachdem alles bisher Genannte mitgeteilt wurde. Die Stundenangabe V. 34 a bot dafür einen guten Anknüpfungspunkt. Ob mit dem Gebet bereits die folgenden Verse (V. 35. 36) verbunden waren oder bei seiner Einfügung mit ihm verbunden wurden, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen. Es spricht vieles dafür, daß die Verdolmetschung des Gebetes (V. 34 c), wenn nicht früher, dann spätestens gleichzeitig mit jenen Versen ergänzt wurde. Daraus könnte man schließen, daß auch die Verdolmetschung von Golgatha nicht erst von Markus gegeben wurde. Dementsprechend nehmen wir an, daß Markus eine Kreuzigungsperikope vorgelegen hat, welche die Verse 15,22-25. 27. 29a. 30a. 31b. 33-38 enthielt. Außerdem dürfte er die vermutlich sehr alte Tradition Mk. 15,20b-21 vorgefunden haben und möglicherweise eine Tradition, die er in 15,40f. verarbeitet hat. Wir schreiben dem Evangelisten nicht nur die Verknüpfung dieser Traditionen zu, sondern auch die Bildung von 15,26. 29b. 30b. 31a. 32 und 39. Das Motiv für die Bildung von V. 26 war der Wunsch, zu zeigen, daß Jesus als „König der Juden", das heißt als Messias gekreuzigt worden ist. Bei der Wahl des Titels wird sich Markus an der Über-

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lieferung Mk. 15,6-15 orientiert haben, wo die Bezeichnung Jesu als König der Juden Pilatus zweimal in den Mund gelegt wird (15,9. 12). V. 15,32 c ist eine Komplettierung ohne besonderes theologisches Gewicht. Die Bildungen 29b. 30b. 31a stellen nicht nur den redaktionellen Zusammenhang her zwischen der Kreuzigungsperikope und dem Verhör vor dem Hohen Rat, sie enthalten auch die zweimalige Aufforderung an Jesus: „steige herab vom Kreuz". Gewiß ist das vorbereitet durch die Vorlage, welche die Worte: „rette dich selbst" enthielt, aber in der Verbindung mit der Titulatur Jesu V. 31 a und dem Finalsatz „damit wir sehen und glauben!" bedeutet das doch mehr als eine einfache Wiederholung, wie SCHREIBER richtig herausgestellt hat 1 0 7 . Allerdings braucht man zu ihrem Verständnis nicht den gnostischen Erlösermythos zu bemühen, wie es Schreiber tut, denn das Vorkommen der Worte Hinaufgehen und Herabsteigen bei Markus bietet noch keinen zureichenden Grund dafür. Die Aufforderung der Ungläubigen setzt voraus, daß Jesus sich nur dann als der Messias und Sohn Gottes erweisen würde, wenn er vom Kreuz herabsteigen könnte, das Bekenntnis des heidnischen Centurio dagegen, das gleichfalls von Markus gebildet wurde, bezeichnet eben den, der mit einem lauten Schrei am Kreuz verschieden ist, als den Sohn Gottes. Das entspricht der theologischen Aussage des Markusevangeliums, daß der Sohn Gottes der Gekreuzigte und der Gekreuzigte Gottes Sohn ist. Die markinischen Einfügungen bei der Verspottung und das Bekenntnis des Centurio könnten in solcher Weise aufeinander bezogen sein. Ein weiteres Motiv für die Ergänzung von V. 39 durch den Evangelisten ist wohl darin zu suchen, daß von dem Heidenchristen die Aussage von V. 38 nicht verstanden und deshalb durch eine andere ergänzt wurde, die für ihn die Bedeutung des Todes Jesu zur Sprache brachte. 107

A . a . O . S. 4 4 f.

Ergebnisse und Fragen I. Die Passionserzählungen der Evangelien und die historische Frage nach der Passion Jesu Wir haben den Nachweis geführt, daß der Passionsgeschichte des Markusevangeliums kein zusammenhängender Bericht zugrunde lag. Sie ist von Anfang bis Ende vom Evangelisten aus selbständigen Einzeltraditionen komponiert. Diese Einzeltraditionen weisen, von ein oder zwei Ausnahmen abgesehen 1 , nicht die Struktur historischer Berichterstattung auf. Es sind kerygmatische Erzählungen, wie immer auch ihre Gattungen näher zu bestimmen sind. Einige dieser Einzeltraditionen haben im Laufe ihrer Überlieferung bereits eine Umgestaltung erfahren, ehe sie dem Evangelisten in die Hände kamen. Weitere Veränderungen gehen auf das Konto der Redaktion. Durch literarkritische Analyse ließ sich die Urfassung ermitteln und von den späteren Bearbeitungen abheben. I n keinem Falle erwies sich die so ermittelte Urfassung als ein 'historischer Kern'. Diese Untersuchungsergebnisse sind von Bedeutung für die Frage nach der Passion Jesu als historischem Ereignis. Sie schließen die Möglichkeit aus, die Kenntnis der Vorkommnise bei der Passion Jesu auf direktem Wege von der Passionsgeschichte des Markusevangeliums zu beziehen. Keine Quellenscheidung vermag einen historischen Bericht zu ermitteln, und das beliebte Verfahren, die Texte auf einen historischen Kern zusammenzustreichen, indem man Tendenzen der Berichterstattung in Betracht zieht und damit rechnet, daß sich in Einzelzügen apologetische oder legendarische Motive geltend machen, hat sich als ein Irrweg erwiesen. Dem historisch Wahrscheinlichen kommt an sich noch nicht die Qualität des literarisch Ursprünglichen zu. Nicht historische, sondern allein literarkritische Überlegungen können die Urfassung einer Perikope ermitteln. Da die Texte ihrer Struktur nach keine historischen Berichte, sondern kerygmatische Erzählungen sind, geben ihre Details keinen direkten Aufschluß über historische Fakten; sie gehen auf die Vorstellungen des Erzählers oder auf die Regie des Redaktors zurück und lassen sich nicht ohne weiteres für 1

Nämlich Mk. 25,20b. 21 und vielleicht Mk. 15,40f.

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Ergebnisse und Fragen

die Rekonstruktion der Passion Jesu in Anspruch nehmen. Historische Probleme, die solche Details aufgeben, könnten sich leicht als Scheinprobleme entpuppen 2 . Bedeuten solche Überlegungen das Ende der historischen Frage nach der Passion Jesu? Keineswegs. Wenngleich die Texte keine historische Berichterstattung bieten, lassen sich ihnen dennoch Anhaltspunkte für die Rekonstruktion der Passion Jesu entnehmen. Man darf sie allerdings nicht direkt fragen, was sie über Jesu Verhaftung, Verhör und Hinrichtung mitteilen, sondern man muß indirekt fragen, welche Fakten die unabdingbare Voraussetzung sind für das, was sie erzählen. Nennen wir einige Beispiele solcher Fragestellung: Konnte die Erzählung von der Verurteilung Jesu durch Pontius Pilatus entstehen unter der Voraussetzung, daß nicht Pontius Pilatus, sondern ein anderer römischer Statthalter diese Entscheidung getroffen hat oder gar die Römer am Tode Jesu unbeteiligt waren? Setzt die Erzählung von der Wahl zwischen Jesus und Barrabas notwendig ein solches Faktum voraus oder läßt sie sich auch anders erklären? Konnte sie entstehen, wenn das Faktum des Passa-Privilegs nicht gegeben war? Konnte die Flucht der Jünger erzählt werden unter der Voraussetzung, daß die Jünger dem verhafteten Jesus gefolgt sind und standhaft unter dem Kreuz ausgeharrt haben? Konnte die Kreuzigung Jesu erzählt werden, wenn Jesus auf Grund der Verurteilung durch das Synhedrium gesteinigt worden wäre? Konnte das Synedriumsverhör erzählt werden unter der Voraussetzung, daß es niemals stattgefunden hat?

Bei dieser Fragestellung sind alle Motive zu berücksichtigen, die nicht im Bereich des Faktischen liegen, sofern sie zur Entstehung der Erzählung geführt haben können. I n dem Maße, wie die Entstehung der Erzählung ohne die Voraussetzung historischer Fakten zu verstehen ist, verliert sie an Bedeutung für die historische Fragestellung. Auf sicherem Boden steht man nur da, wo der Textbefund ohne die Annahme der betreffenden historischen Fakten nicht zu erklären ist 3 . Zugegebenermaßen ist der Beitrag, den die Texte auf Grund dieser Fragestellung zur Lösung der historischen Fragen der Passion Jesu leisten können, verhältnismäßig gering. Angesichts der Fragwürdigkeit der Versuche, an den Texten der Passionsgeschichte direkt historische Daten abzulesen, ist ihm aber unbedingt der Vorzug zu geben. Die Frage nach der historischen Bedingung der Möglichkeit für die Ent2

Das schlagende Beispiel dafür sind die Erörterungen über die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer zur Nachtzeit stattfindenden Synedriumssitzung und alle damit zusammenhängenden Fragen, die keine andere Basis haben als die redaktionelle Plazierung des Verhörs in der Nacht der Verhaftung. 3 Ein Beispiel für die Durchführung solcher indirekten Befragung der Texte nach historischen Fakten haben wir oben auf S. 77-82 gegeben.

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Ergebnisse und Fragen

stehung der Texte der Passionsgeschichte ist der einzige Weg, auf dem man von den Texten selber eine zutreffende Auskunft über die historischen Fragen der Passion Jesu erhalten kann.

II. Die Passionsgeschichte des Markusevangeliums formgeschichtliche Fragestellung

und die

Es ist merkwürdig zu beobachten, daß die formgeschichtliche Fragestellung bei der Passionsgeschichte bisher nicht recht zum Zuge gekommen ist. Gewiß wurden die Gesetzmäßigkeiten der Weiterbildung der Tradition in der Wiedergabe der Perikopen der markinischen Passionsgeschichte durch Matthäus, Lukas und Johannes entdeckt. Für eine Reihe von Texten wurde auch erkannt, daß es sich um ursprünglich selbständige Einheiten handelt. Aber sowohl Karl Ludwig Schmidt als auch Bultmann und Dibelius scheuen vor der Einsicht zurück, daß die Passionsgeschichte des Markus — nicht anders als die übrigen Partien dieses Evangeliums — allein aus solchen selbständigen Einheiten komponiert wurde, und diese Inkonsequenz hat leider Schule gemacht. Wie wir sahen, wird sie durch den Textbefund nicht gerechtfertigt. Die Annahme eines vormarkinischen Zusammenhangs in der Passionsgeschichte ist letztlich nicht durch die Ergebnisse der Textbeobachtung aufgenötigt worden, sondern war die Voraussetzung, mit der man bereits an die Texte heranging. Wieder einmal bestätigt sich die psychologische Einsicht, daß ein consensus communis nicht immer dadurch zustande kommt, daß für eine Ansicht überzeugende Argumente vorgebracht werden. Häufig genug entsteht er allein deshalb, weil niemand sich genötigt sieht, die These in Frage zu stellen, da sie jedermann nur zu gut in das Konzept paßt. Wir haben uns darum bemüht, die formgeschichtliche Fragestellung für die Passionsgeschichte insofern konsequent durchzuführen, als wir darauf verzichteten, bereits von der Annahme auszugehen, daß Markus ein zusammenhängender Passionsbericht vorlag. Die Einzelanalyse der Texte sollte zeigen, ob wir zu einer solchen Annahme genötigt werden oder ob wir für das Verständnis des Textbefundes ohne sie auskommen würden, wie das die Beschaffenheit der übrigen Partien des Evangeliums nahelegt. Wir kamen zu dem Ergebnis, daß Markus die Passionsgeschichte — nicht anders als das übrige Evangelium — aus Einzelperikopen komponiert hat. Anders als im übrigen Evangelium konnte er sich dabei allerdings nicht mit einer Aneinanderreihung der Perikopen begnügen, sondern er war genötigt, Traditionen, die sich auf die gleiche Station des Leidens Jesu bezogen, ineinanderzuarbeiten.

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Ergebnisse und Fragen

Das erklärt die zweifellos bestehenden Unterschiede zwischen der Passionsgeschichte und dem übrigen Evangelium, soweit sie nicht auf die Geschlossenheit des natürlichen Handlungsablaufs zurückzuführen sind, den Markus selbstverständlich zum Leitfaden seiner Komposition gemacht hat. Haben wir auf solche Weise versucht, die formgeschichtliche Fragestellung f ü r die Passionsgeschichte zum Zuge zu bringen, so ist damit doch die formgeschichtliche Untersuchung der Passionsgeschichte noch nicht ans Ziel gekommen. Vielmehr ergeben sich auf Grund der Ergebnisse unserer Untersuchung weitere Fragen: 1. Wie ist die Gattung (bzw. die Gattungen), der die Passionserzählungen angehören, zutreffend zu bestimmen? Dabei sollten die Kategorien Legende (Dibelius, Bultmann), Geschichtserzählung (Bultmann), Paradigma (Dibelius) und Novelle (Dibelius) daraufhin überprüft werden, ob sie zutreffend, zureichend und eindeutig genug sind, um eine präzise Erfassung der Gattungen zu leisten. Eine Untersuchung des Begriffs Legende, welche die Definition und Verwendung dieses Begriffs bei Dibelius und Bultmann untereinander und mit dem sonst üblichen Sprachgebrauch vergleicht, ist ein besonders dringliches Desiderat.

2. War die Gattung (bzw. die Gattungen), der die Passionserzählungen angehören, in der religionsgeschichtlichen Umwelt des Neuen Testaments vorgegeben oder ist (bzw. sind) sie originär? Wenn das letztere der Fall ist: Welche Nötigung führte zu ihrer Entstehung? 3. Welches ist ihr Sitz im Leben? Dabei ist der Begriff "Sitz im Leben' neu zu präzisieren. Der Gebrauch dieses Begriffs im streng formgeschichtlichen Sinne und in der weiteren Bedeutung, den dieser Begriff durch die Handhabung von J. Jeremias in seinem Buch „die Gleichnisse Jesu" bekommen hat, sind voneinander zu unterscheiden und aufeinander zu beziehen. Unscharfe Bestimmungen wie der von Bertram 1 verwendete Kultusbegriff sollten ausgeschieden werden.

I I I . Die Passionsgeschichte des Markusevangeliums redaktionsgeschichtliche Fragestellung

und die

Alle redaktionsgeschichtliche Arbeit am Markusevangelium, die bisher geleistet wurde, ging von der Voraussetzung aus, daß dem Evangelisten bereits eine zusammenhängende Passionsgeschichte vorgelegen hat. Diese Voraussetzung ist — wie wir zeigen konnten — nicht gegeben. Die redaktionsgeschichtliche Erforschung des Markusevangeliums hat deshalb noch einmal neu anzusetzen und der Tatsache 4

Die Leidensgeschichte und der Christuskult, Göttingen 1922.

Ergebnisse und Fragen

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Rechnung zu tragen, daß der Evangelist ebenso wie das übrige Evangelium auch die Passionsgeschichte aus Einzeltraditionen gebildet hat. Das ganze Evangelium ist der Entwurf des Markus, er hat nicht bloß eine ihm bereits vorgegebene Passionsgeschichte durch die Aufnahme von anderem Stoff nach rückwärts verlängert. Das Evangelium mitsamt seiner Passionsgeschichte ist ein einziger Wurf — eine gewaltige kompositorische und theologische Leistung. Stellt man sich die Frage, warum sich Markus genötigt sah, ein Evangelium zu schreiben, dann wird man sich überlegen müssen, was Markus vorfand, ehe er sich daran machte, das Evangelium zu gestalten: Neben Streitgesprächen, Gleichnissen und etlichen Redestücken lag ihm eine Fülle von Wundergeschichten 5 und eine Vielzahl von Passionserzählungen vor 6 . Wenn Markus nicht ein mechanisch arbeitender Sammler, sondern ein denkender Theologe war, dann mußte das Nebeneinander der Wundergeschichten und der Passionserzählungen ihm zu denken geben. Man muß beachten, welche Folgen das Vorhandensein dieser Fülle von Wundergeschichten, zu denen dann noch die Epiphaniegeschichten wie Taufe und Verklärung Jesu hinzukommen, zwangsläufig haben mußte: Anfangs wird der Gemeinde noch bewußt gewesen sein, daß die Wunder von Jesus von Nazareth, dem Gekreuzigten, erzählt wurden. Nachdem eine Fülle von Wundergeschichten vorlag und das Bild von Jesus bestimmte, mußte das Wissen um das Paradox verlorengehen. Markus bringt dieses Paradox auf neue Weise zur Geltung, insofern er die Wundertraditionen und die Passionstraditionen miteinander verbindet und aufeinander bezieht, so daß der Leser des Evangeliums erkennen muß: Der Gekreuzigte ist der Gottessohn. Sollte das Evangelium, das Markus schuf, seinen Ursprung in dem Bemühen haben, die Passionstraditionen und die Wundertraditionen zusammenzudenken, sollten Messiasgeheimnis, Jüngerunverstand und Parabeltheorie Versuche zur Lösung dieses Problèmes sein]

IV.

Die Passionserzählungen als Sjwachereignis

Die historische Fragestellung, die in der Passionsgeschichte im wesentlichen das Material für die Rekonstruktion der Passion Jesu sieht, und die Betrachtung der Passionsgeschichte als zusammen5 Wir zählen nicht weniger als 15, ohne die Wunder in den Apophthegmata Mk. 2,1-12 und 3,1-6. 6 Wir zählen zwanzig selbständige Einzeltraditionen. Wenn Mk. 15,40 f. auch als eine solche zu gelten hat, sind es sogar einundzwanzig.

176

Ergebnisse und Fragen

hängende Erzählung erbaulichen Charakters übersehen beide in gleicher Weise das eigentliche Phänomen der Passionsgeschichte. Erst nachdem deutlich geworden ist, daß die Passionsgeschichte von Anfang bis Ende aus Einzelerzählungen komponiert wurde, kommt die überraschende Fülle dieser — in wenigen Jahrzehnten entstandenen! — Passionserzählungen in den Blick: Zwanzig verschiedene, ursprünglich selbständige Überlieferungseinheiten können wir bereits im Markusevangelium zählen, von denen die meisten voneinander unabhängig sind. Das eigentlich Erstaunliche ist aber nicht ihre Fülle, sondern die Einheitlichkeit dieser Erzählungen in Struktur und Charakter, die so weit geht, daß man sagen möchte : Es gibt eine Einheit der Passionsgeschichten, die früher ist als ihre Vereinigung in der Passionsgeschichte des Markus. Wiederholen sich in einer zusammenhängenden Erzählung die gleichen Motive, dann braucht das nicht zu verwundern ; findet man sie jedoch in selbständigen Einheiten, die voneinander unabhängig sind, dann ist das schon erstaunlich. Daß zahlreiche Wundergeschichten von Jesus erzählt wurden, daß viele Apophthegmata entstanden, daß eine breite Logientradition sich bildete, ist nichts Überraschendes. Die Gattungen waren bereits vorgeprägt, der Sitz im Leben war da. Anders ist es mit den Passionserzählungen, für die es — soweit ich bis jetzt sehen kann — an Analogien fehlt, die man also als ein Spezifikum ansehen muß. Die alttestamentlichen Bezüge, welche zweifellos gegeben sind, erklären nichts. Selbst wenn sich jedes Detail der Passionserzählungen als Anspielung auf das Alte Testament erweisen sollte, könnte man nicht sagen, daß die christliche Gemeinde diese Erzählungen aus dem Alten Testament herausgelesen hat 7 . Ehe aus dem Alten Testament herausgelesen werden konnte, mußte in dasselbe hineingelesen werden. Anders gesagt: Die Herstellung der Bezüge zwischen dem Leiden Jesu und dem Alten Testament ist in Wahrheit ein Selektionsvorgang. Aus dem umfänglichen Stoff des Alten Testaments werden einige wenige Verse ausgelesen und als Weissagung und Vorabbildung der Passion verstanden. Was aber war das Kriterium, nach dem die Auswahl erfolgte? Ich meine, man muß sagen, daß dieses Kriterium das Bild des leidenden Jesus war, wie es sich dem Glauben eingeprägt hat. Ich möchte nicht mißverstanden werden : Ich will die Passionserzählungen damit nicht auf das zurückführen, was Augenzeugen an Jesus während seiner Passion beobachten konnten! Ich spreche von dem Bild, das sich dem Glauben eingeprägt hat; nicht von dem Eindruck, den seine 7 U m Mißverständnisse auszuschließen : E s geht hier nicht um die Alternative alttestamentliche Anspielung — historisches Faktum.

Ergebnisse und Fragen

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Persönlichkeit hinterließ, sondern von dem Bild, das seine Person geprägt hat. „Es ist das Bild dessen, der nichts für sich sein will, weil er nichts f ü r sich zu sein braucht. Denn Gott t u t das Entscheidende für ihn : wo er ist, da ist ja Gott, u n d Gott ist nicht ein müßiger, sondern ein immerzu tätiger Gott. Das ist der Sinn aller jener Aussagen, die davon reden, daß Jesus Der ist, der schon im Ursprung bei Gott war und als ein Mensch alles Gott anheimstellte. Jesus kann Gott alles anheimstellen, weil er alles, was er h a t und ist, aus Gottes H a n d empfängt . . . So k a n n er sich u m der Liebe willen hingeben." 8 I n den Passionserzählungen ist der leidende Jesus so zur Sprache gekommen, wie er sich dem Glauben eingeprägt hat. Zusammen mit Jesus, dem „Anfänger und Vollender des Glaubens" (Hebr. 12,2), wurde das Versagen des Glaubens zur Sprache gebracht, wie es denen widerfuhr, die sich auf den Glauben eingelassen hatten. Das ist ein „Sprachereignis, in welchem die Sprache die ihr eigene K r a f t der Wahrheit als Sagen bewährt. Das Unerhörte wird laut, obwohl es verschwiegen bleibt, weil noch nicht alles am Tage i s t . " 9 Das Neue Testament, das uns den historischen Bericht von Jesu Passion verwehrt, gibt uns in den Passionserzählungen den Text, der zum Wort werden will, das zum Glauben hilft. 8 E. F U C H S , Zum hermeneutischen Problem in der Theologie, 2. A. Tübingen 1965, S. 29. 9 E. F U C H S , Was ist Wirklichkeit? Anmerkungen zum Wesen der Sprache, in: ThP 2 (1967 )S. 1-14, S. 5 ( = MH, 1967, S. 234).

12 Linnemann, Passionsgeschichte

ANHANG

Die Passionstraditionen 1 Jesus in Gethsemane Urfassung Markus 14 32 „Und sie kommen zu einem Grundstück mit Namen Gethsemane, und er sagt zu seinen Jüngern: ,Setzt euch hier, indes ich bete.' 35 Und er ging ein wenig weiter und warf sich auf die Erde und betete, daß, wenn es möglich sei, die Stunde an ihm vorübergehe. 37 a Und er kommt und findet sie schlafend. 39 a Und abermals ging er weg und betete. 40 a Und als er wiederum kommt, findet er sie schlafend, b denn es war, als läge Blei auf ihren Augen 2 . 41a Und er kommt zum dritten Mal und sagt zu ihnen: ,Schlaft ihr weiter und ruht?' 40 c Und sie wußten nicht, was sie ihm antworten sollten. 41b [Und er spricht:] ,Es ist quittiert. Die Stunde ist gekommen'." Zweitfassung Markus 14 32 „Und sie kommen zu einem Grundstück mit Namen Gethsemane, und er sagt zu seinen Jüngern: ,Setzt euch hier, indes ich bete.' 33 Und er nimmt Petrus, Jakobus und Johannes mit sich. Und er begann zu erschrecken und geriet außer sich. 34a Und er spricht zu ihnen: ,Über die Maßen, bis zum Tode ist meine Seele betrübt.' 35 Und er ging ein wenig weiter und warf sich auf die Erde und betete, daß, wenn es möglich sei, die Stunde an ihm vorübergehe. 36 Und er sprach : , Abba, Vater ! Alles ist Dir möglich. Laß diesen Kelch an mir vorübergehen. Jedoch, nicht was ich will, sondern was Du.' 1 Es werden nur diejenigen Traditionen aufgeführt, die wir durch unsere literarkritische Arbeit ermittelt haben. Ergänzungen zum Wortbestand des Urtextes auf Grund der Rekonstruktion oder als Übersetzungshilfen stehen in [ ]. Sekundäre Einschübe in den Text stehen in ( ). 2 Wörtlich: denn ihre Augen waren schwer (oder: beschwert).

Passionst.raditionen

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37 a 39 a 40 a b 41a

Und er kommt und findet sie schlafend. Und abermals ging er weg und betete. Und als er wiederum kommt, findet er sie schlafend, denn es war, als läge Blei auf ihren Augen 2 . Und er kommt zum dritten Mal und sagt zu ihnen: ,Schlaft ihr weiter und ruht?' 40 c Und sie wußten nicht, was sie ihm antworten sollten. 41b [Und er spricht:] ,Es ist quittiert. Die Stunde ist gekommen'," Dritte Passung Markus 14 32 „Und sie kommen zu einem Grundstück mit Namen Gethsemane, und er sagt zu seinen Jüngern: ,Setzt euch hier, indes ich bete.' 33 Und er nimmt Petrus, Jakobus und Johannes mit sich. Und er begann zu erschrecken und geriet außer sich. 34 Und er spricht zu ihnen: ,Über die Maßen, bis zum Tode ist meine Seele betrübt. Bleibet hier und wachet.' 35 Und er ging ein wenig weiter und warf sich auf die Erde und betete, daß, wenn es möglich sei, die Stunde an ihm vorübergehe. 36 Und ersprach: ,Abba, Vater! Alles ist Dir möglich. Laß diesen Kelch an mir vorübergehen. Jedoch, nicht was ich will, sondern was Du.' 37 a Und er kommt und findet sie schlafend b und spricht : 38 ,Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung kommt. Der Geist ist zwar willig, aber das Fleisch ist schwach.' 39 a Und abermals ging er weg und betete. 40a Und als er wiederum kommt, findet er sie schlafend, b denn es war, als läge Blei auf ihren Augen 2 . 41 a Und er kommt zum dritten Mal und sagt zu ihnen : ,Schlaft ihr weiter und ruht?' 40c Und sie wußten nicht, was sie ihm antworten sollten. 41b [Und er spricht:] ,Es ist quittiert. Die Stunde ist gekommen'." Die Ansage

des

Jüngerversagens

Markus 14 27 „Und Jesus spricht zu ihnen: ,Ihr werdet alle abfallen. Denn es steht geschrieben: I c h werde den H i r t e n schlagen, und die Schafe werden sich zerstreuen.' 29 Petrus aber sprach zu ihm: ,Und wenn alle abfallen, aber ich nicht!' 12·

180

30

Passionstraditionen

Und es spricht zu ihm Jesus : ,Wahrlich, ich sage dir, du wirst heute, in dieser Nacht, ehe der Hahn zweimal kräht, mich dreimal verleugnen.' "

Er ward unter die Übeltäter gerechnet Markus 14 43 b „[Es kommt] eine Schar mit Schwertern und Knüppeln herbei von den Hohenpriestern und den Schriftgelehrten und den Ältesten. 48 Und Jesus antwortet und spricht zu ihnen: ,Wie gegen einen Räuber seid ihr ausgezogen mit Schwertern und Knüppeln, um mich zu fangen. 49b Aber [das geschieht] damit die Schriften erfüllt werden."' Das Zeichen der Jüngerschaft wird zum Zeichen des Verrats Markus 14 1 „Es war zwei Tage vor dem Passa und [dem Fest] der ungesäuerten Brote. Und die Hohenpriester und Schriftgelehrten trachteten danach, wie sie [Jesus] mit List fangen könnten, um ihn zu töten. 2 Denn sie sprachen: ,Nicht in der Festmenge, damit nicht ein Volksauf lauf entsteht.' 10 Und Judas Ischarioth, einer der Zwölf, ging zu den Hohenpriestern, um ihn an sie auszuliefern. I I a Als sie es aber hörten, freuten sie sich, und versprachen, ihm Geld zu geben. [Und er führte sie an den Ort, wo Jesus war.] 44 Der ihn auslieferte, hatte ihnen aber ein Zeichen gegeben : ,Der, den ich küssen werde, dieser ist es. Ergreift ihn und führt ihn sicher ab.' 45 Und als er kommt, geht er sofort auf ihn zu, spricht , Rabbi' und hat ihn geküßt. 46 Die aber legten Hand an ihn und nahmen ihn fest." Der vergebliche Widerstand und die Flucht der Jünger (Fragment) Markus 14 47 „. . . Einer der Umstehenden aber zog das Schwert, schlug den Knecht des Hohenpriesters und hieb ihm das Ohr ab . . .

Passionstraditionen

181

50 51

Und alle verließen ihn und flohen. Und ein Jüngling war ihm gefolgt, bekleidet mit einem Linnengewand auf dem nackten Leib, und sie ergriffen ihn.

52

Er aber ließ das Linnengewand fahren und floh nackt."

Das Schweigen Jesu vor dem Synedrium Markus 14 55a „[Die Hohenpriester und das ganze Synedrium suchten ein Zeugnis gegen Jesus, um ihn hinzurichten.] 57

Und etliche traten auf und legten falsches Zeugnis gegen ihn ab, indem sie sprachen:

58

,Wir selber hörten ihn sagen: Ich werde diesen Tempel (den mit Händen gemachten) vernichten und binnen drei Tagen einen anderen (nicht mit Händen gemachten) erbauen.'

61b [Und] . . . der Hohepriester fragte ihn und sprach zu ihm: 60b ,Antwortest du nichts auf das, was diese wider dich zeugen?' 61a Er aber schwieg und antwortete gar nichts."

Die Verurteilung des Messias Markus 14 55

„Die Hohenpriester und das ganze Synedrium suchten ein Zeugnis gegen Jesus, um ihn hinzurichten und fanden es nicht.

56

Denn viele legten falsches Zeugnis gegen ihn ab, und die Zeugnisse stimmten nicht überein.

60 a Und der Hohepriester stand auf [trat] in die Mitte und fragte Jesus: 61c ,Bist du der Messias, der Sohn des Hochgepriesenen?' 62

63 64

Jesus aber sprach: ,Ich bin es. (Und ihr werdet schauen den Menschensohn, sitzend zur Rechten der Kraft und kommend mit den Wolken des Himmels.') Der Hohepriester aber zerriß seine Gewänder und sprach: ,Wozu brauchen wir noch Zeugen! Ihr habt die Lästerung gehört; was dünkt euch?' Sie alle aber verurteilten ihn, des Todes schuldig zu sein."

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Passionstraditionen Jesu

Kreuzestod

Markus 15 22 a 24 a 25 a 33

„Und sie brachten ihn an die Stätte Golgatha und kreuzigten ihn. Es war aber die dritte Stunde. Und als die sechste Stunde eingetreten war, geschah eine Finsternis über die ganze Erde bis zur neunten Stunde. 34 a Und in der neunten Stunde 37 hauchte Jesus seinen Geist aus (einen lauten Schrei ausstoßend). 38 Und der Vorhang des Tempels spaltete sich in zwei [Teile] von oben bis unten."

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Bereits in 5., durchgesehener und ergänzter Auflage:

ETA LINNEMANN

Gleichnisse Jesu Einführung und Auslegung. Mit einem Geleitwort von Ernst Fuchs 207 Seiten, kart. 13,80 DM, Leinen 16,80 DM „Eine doppelte Ausrichtung läßt dieses Buch so ungemein fruchtbar werden : einerseits ist es darauf angelegt, speziell dem Religionslehrer bei der Behandlung der Gleichnisse im Unterricht zu dienen, ohne Volltheologen mit Sprachkenntnissen vorauszusetzen. Deshalb ist andererseits auf die Auseinandersetzung mit der Forschung in dem umfangreichen Anmerkungsteil verwiesen . . . Für die praktische Arbeit des Lehrers werden die Analysen in ihrer detaillierten Sauberkeit bald nicht mehr aus der Handbücherei wegzudenken sein, da sie ihn in die Arbeit am Text führen. Das ist die wichtigste Voraussetzung für eine echte Verbindung von historisch-kritischer Forschung und evangelischer Unterweisung." Der evangelische Erzieher

J Ü R G E N ROLOFF

Das Kerygma und der irdische Jesus 1970. 289 Seiten, kart. 30,— DM Das Urteil der klassischen Formgeschichte, daß historische Motive bei der Ausformung der Evangelienberichte über Jesus keine Rolle gespielt haben können, wird hier mit Hilfe traditions- und redaktionsgeschichtlicher Analysen einer kritischen Prüfung unterzogen. Dabei zeigt sich, daß die Träger der Jesusüberlieferung gewisse historische Grundzüge bewußt festgehalten haben, auch wenn sie sie aus der nachösterlichen Situation heraus reflektieren. Lukas und Matthäus, die ein geschlossenes Geschichtsbild des Wirkens Jesu zu entwerfen suchen, knüpfen damit an ursprüngliche Motive an. Ihr historisches Interesse ist also nicht die Folge eines Bruches in der inneren Entwicklung des Urchristentums.

EDUARD LOHSE

Märtyrer und Gottesknecht Untersuchung zur urchristlichen Verkündigung vom Sühnetod Jesu Christi 2., erw. Aufl. 1963. 230 Seiten, brosch. 16,50 DM „Die urchristliche Gemeinde hat in dem Tod Christi die Erfüllung der Weissagung gesehen und ihm seine älteste Deutung gegeben, indem sie die Gestalten des Gottesknechtes und des Menschensohnes zu einer Einheit verband. Paulus führt den Schriftbeweis für den Sühnetod Christi nicht weiter, sondern entfaltet und vertieft den Gedanken theologisch." Zeitschrift für Kirchengeschichte

V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N U N D Z Ü R I C H