Die Einschränkung des Rechtsschutzes gegen behördliche Verfahrenshandlungen: Ein Beitrag zur Dogmatik, Auslegung und Verfassungsmäßigkeit des § 44 a VwGO [1 ed.] 9783428460601, 9783428060603


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German Pages 281 Year 1986

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Die Einschränkung des Rechtsschutzes gegen behördliche Verfahrenshandlungen: Ein Beitrag zur Dogmatik, Auslegung und Verfassungsmäßigkeit des § 44 a VwGO [1 ed.]
 9783428460601, 9783428060603

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 510

Die Einschränkung des Rechtsschutzes gegen behördliche Verfahrenshandlungen Ein Beitrag zur Dogmatik, Auslegung und Verfassungsmäßigkeit des § 44 a VwGO

Von

Michael Eichberger

Duncker & Humblot · Berlin

MICHAEL

EICHBERGER

Die Einschränkung des Rechtsschutzes gegen behördliche Verfahrenshandlungen

Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 510

Recht

Die Einschränkung des Rechtsschutzes gegen behördliche Verfahrenshandlungen E i n B e i t r a g zur D o g m a t i k , A u s l e g u n g u n d V e r f a s s u n g s m ä ß i g k e i t des § 44a V w G O

Von D r . Michael Eichberger

DUNCKER

& HÜMBLOT

/ B E R L I N

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Eichberger, Michael: Die Einschränkung des Rechtsschutzes gegen behördliche Verfahrenshandlungen: e. Beitr. zur Dogmatik, Auslegung u. Verfassungsmässigkeit d. § 44a V w G O / von Michael Eichberger. — Berlin: Duncker u n d Humblot, 1986. (Schriften zum Öffentlichen Recht; Bd. 510) I S B N 3-428-06060-1 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1986 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Gedruckt 1986 bei Berliner Buçhdruckerei Union GmbH., Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3-428-06060-1

Meiner Frau und meinen Kindern

Vorwort Vor der zunehmenden Relativierung der Verfahrensrechte zu warnen, ist heute gleichermaßen modern, wie die Hypertrophie verfahrensrechtlichen Denkens zu beklagen. In diesem Spannungsfeld zwischen der Ausweitung von Verfahrensrechtspositionen des Bürgers durch Gesetzgebung, Rechtswissenschaft und Teile der Rechtsprechung auf der einen Seite und dem Versuch des Gesetzgebers, die Bedeutung des Verfahrensrechts — genauer: möglicher Verfahrensfehler — für den Bestand der Sachentscheidung zurückzudrängen, auf der anderen Seite steht die Bestimmung des § 44a VwGO an der Nahtstelle zwischen Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Bedeutung und Wirkungsweise dieser — vielfach als textlich und inhaltlich mißglückt gerügten — Vorschrift für das gerichtliche Rechtsschutzverfahren zu klären, ihren Inhalt zu bestimmen und schließlich ihre Vereinbarkeit mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben eines effektiven Rechtsschutzes zu überprüfen. Die Arbeit wurde im Dezember 1985 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Johannes Gutenberg-Universität als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur befinden sich, von einzelnen nachträglich in den Fußnoten berücksichtigten Urteilen und Abhandlungen abgesehen, auf dem Stand von Mai 1985. Mein besonderer Dank gilt meinem verehrten akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Hans-Werner Laubinger, für die stete Betreuung und großzügige Förderung dieser Arbeit, die zum größten Teil während meiner Tätigkeit an seinem Lehrstuhl entstanden ist. Heddesheim, im Februar 1986

Michael Eichberger

Inhaltsverzeichnis §1

Einführung

17 Erster Abschnitt Entstehungsgeschichte, vorheriger Rechtszustand und Parallelvorschriften

§2

Entstehung und ratio des § 44a VwGO I. Entstehungsgeschichte II. Ratio

Vergleichbare

1. Regelung im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten 2. Vergleich mit § 44a VwGO II. Gerichtsverfahren

§4

20 22 24 25

Regelungen

I. Verwaltungsverfahrensrecht

1. 2. 3. 4.

20 22

1. Die Auffassung des Gesetzgebers 2. Beurteilung in Rechtsprechung und Schrifttum 3. Interessenschutz durch §44a VwGO in mehrpoligen Verwaltungsverhältnissen §3

20

§146 VwGO § 128 Abs. 2 FGO, § 172 Abs. 2 SGG, § 161 Abs. 3 EVwPO §305 StPO Bedeutung für § 44a VwGO

26 26 26 27 29 29 32 33 35

§ 44a VwGO als Ausdruck eines bereits früher geltenden Rechtsgrundsatzes I. Meinungsstand 1. These vom „allgemeinen Rechtsgrundsatz" 2. Gegenansicht 3. Bedeutung der Streitfrage II. Rechtszustand vor 1977 - dargestellt anhand von Fallgruppen 1. 2. 3. 4. 5.

Aufklärungsanordnungen Mitwirkungshandlungen - gestufte Verfahren Akteneinsicht und behördliche Auskunft Zurückweisung eines Bevollmächtigten oder Rechtsbeistandes Weitere Einzelfälle

III. Vergleich mit der Regelung in §44a VwGO

39 39 40 41 41 42 46 51 52 54 55

.

39

10

Inhaltsverzeichnis Zweiter Abschnitt Wirkungsweise und prozessuale Bedeutung des § 44a VwGO

§ 5

59

Die Prämissen des § 44a VwGO

59

I. Problemstellung

59

1. Meinungsstand 2. Die beiden Komponenten der Prämisse zu §44a VwGO

§ 6

59 60

II. Auswirkungen von Rechtsbehelfen gegen Verfahrenshandlungen auf das laufende Verwaltungsverfahren

62

1. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage 2. Die Wirkung der anderen Klagearten 3. Vorläufiger Rechtsschutz 4. Ursachen mittelbarer Verfahrensverzögerung

62 66 67 69

III. Erforderlichkeit und Eignung des §44a VwGO aus der Sicht seiner Prämissen

71

Problemaufriß

und Überblick über die Regelungsstruktur

des § 44a VwGO . .

I. Die beiden Regelungskomponenten des §44a S. 1 VwGO II. „Interklusion" des §44a S. 1 VwGO

73 75

III. Die Unabhängigkeit des § 44a S. 1 VwGO von Mißbrauchsgedanken und Verfahrensfehlerlehre 76 § 7

„Gleichzeitigkeitsklauser

und Rechtsschutzkonzentration

I. Die Bedeutung der Gleichzeitigkeitsklausel 1. Deutungsvarianten 2. Die Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung 3. Rechtsschutzkonzentration im Regelfall II. Die prozessuale Handhabung der Gleichzeitigkeitsklausel 1. Beschränkung auf den Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung . 2. Prozessuale Konsequenzen der Inzidentkontrolle 3. Verfahrensverwaltungsakte III. Grenzen der Rechtsschutzkonzentration 1. Keine Rechtsschutzkonzentration bei fehlender Sachentscheidung 2. Zulässigkeit selbständiger nachträglicher Verfahrensrechtsbehelfe im Ausnahmefall 3. Die Zulässigkeit nachträglicher isolierter Verfahrensrechtsbehelfe im übrigen §8

77 78 78 78 80 84 85 85 89 94 94 95 98

Die Stellung des § 44a VwGO im System der prozessualen Sachentscheidungsvoraussetzungen I. Prozessuale Einordnung des § 44a VwGO

99 99

72

Inhaltsverzeichnis II. Verhältnis zu den übrigen Sachentscheidungsvoraussetzungen III. §44a VwGO und die Klagebefugnis nach §42 Abs. 2 VwGO § 9

Verfahrensrechtsbehelf

11 102 103

und Rechtsschutzbedürfnis

I. Problemstellung

106 106

II. Meinungsstand

107

III. Grundlegung und Anwendung des Rechtsschutzbedürfnisses 1. Begriff und Geltungsgrund 2. Fallgruppen und allgemeine Anwendungsvoraussetzungen

109 109 110

IV. Beurteilung des § 44a S. 1 VwGO unter dem Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses 112 1. Der Ausschluß selbständiger Verfahrensrechtsbehelfe vor Ergehen der Sachentscheidung 112 2. §44a S. 1 VwGO und das Rechtsschutzbedürfnis nach ergangener Sachentscheidung 120

Dritter Abschnitt Die Anwendungsvoraussetzungen des § 44a VwGO im einzelnen § 10 Verfahrenshandlung

und Verwaltungsverfahren

I. Einführung II. Die Auffassung der Rechtsprechung 1. Kriterien der Rechtsprechung 2. Verpflichtung zur Vornahme einer Verfahrenshandlung 3. Rechtsnatur der Verfahrenshandlung und maßgeblicher Verfahrensbegriff 4. Fallmaterial III. Meinungsstand im Schrifttum 1. 2. 3. 4. 5.

Begriffselemente der Verfahrenshandlung in der Literatur Der maßgebliche Verfahrensbegriff Die begehrte Verfahrenshandlung Verfahrenshandlung und Verwaltungsaktsqualität Konkrete Beispiele für Verfahrenshandlungen

IV. Untaugliche Ansätze zur Bestimmung der Verfahrenshandlung 1. Inhalt der behördlichen Entscheidung 2. Verwaltungsakt und Rechtsnatur der Verfahrenshandlung 3. Die Ausgrenzung unterlassener Verfahrenshandlungen V. Das für §44a VwGO maßgebliche Verwaltungsverfahren

122 122 122 123 123 125 125 128 129 130 130 132 133 134 138 138 140 143 144

1. Formeller Geltungsbereich des § 44a VwGO 144 2. Keine Beschränkung auf Verwaltungsverfahren im Sinne des §9 VwVfG 146

Inhaltsverzeichnis 3. Verwaltungsverfahren im Sinne des §44a VwGO 4. Die zeitlichen Grenzen des Verfahrensbegriffs 5. Entbehrlichkeit der Sachentscheidung

149 152 156

VI. Die Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a VwGO

157

1. 2. 3. 4.

§11

Begriffsbestimmung Verfahrenshandlung als Teil eines Verwaltungsverfahrens Verfahrenshandlung und Verfahrensgegenstand Drittbehördliche Verfahrensakte

157 158 161 164

VII. Zusammenfassung

170

Die Sachentscheidung

171

I. Stellungnahmen in Literatur und Rechtsprechung II. Der Begriff der Sachentscheidung 1. Handlungsform und Entscheidungscharakter 2. Begriffsbestimmung III. Die Selbständigkeit der Sachentscheidung 1. 2. 3. 4. 5.

Problemaufriß Die „unechte" Sachentscheidung Verfahrensidentität Einzelprobleme Vorbescheid und Teilentscheidung

V. Zusammenfassung

171 172 172 174 174 174 176 176 180 188 192

§ 12 Rechtsbehelfe

192

I. Einführung

192

II. Anfechtungs-und Verpflichtungsbegehren

193

III. Die durch § 44a S. 1 VwGO ausgeschlossenen Rechtsbehelfe im einzelnen 196 1. 2. 3. 4.

Klagearten, Widerspruch und Rechtsmittel Die Rechtsbehelfe des einstweiligen Rechtsschutzes Förmliche und formlose Rechtsbehelfe Außerordentliche Rechtsbehelfe

Vierter

196 198 199 200

Abschnitt

Verfassungsrechtliche Bewertung des § 44a VwGO § 13 Die Lösung des Gesetzgebers I. Das Problembewußtsein des Gesetzgebers II. Vollstreckbare Verfahrenshandlungen - §44a S. 2 1. Alt. VwGO 1. Bedeutung und Inhalt der Regelung 2. Kritische Bewertung der Ausnahmebestimmung

201 201 201 201 201 203

Inhaltsverzeichnis

13

III. Verfahrenshandlungen gegenüber Nichtbeteiligten - §44a S.2 2. Alt. VwGO 204 1. Bedeutung und Inhalt der Regelung 2. Bewertung der Ausnahmebestimmung § 14 Verfassungsrechtliche chung

Bewertung des § 44a VwGO in Schrifttum

204 206 und Rechtspre207

I. Schrifttum 1. 2. 3. 4.

207

Partielle Anwendungsausschlüsse „Leerformeln" Rechtsverletzung durch Verfahrenshandlungen Stimmen für die Verfassungsmäßigkeit des § 44a VwGO

208 209 209 213

II. Rechtsprechung § 15 Vereinbarkeit des § 44a S. 1 VwGO mit den verfassungsrechtlichen schutzgarantien

214 Rechts216

I. Die Auswirkungen des §44a S. 1 VwGO auf den Rechtsschutz der Beteiligten 216 1. Einführung 2. Die rechtsschutzrelevanten Folgen des §44a S. 1 VwGO II. Die Garantie effektiven Rechtsschutzes im Verwaltungsverfahrensrecht 1. Der Inhalt effektiven Rechtsschutzes im allgemeinen 2. Der Umfang der Rechtsschutzgarantie für Verfahrensrechte

216 217 218 218 220

III. Die grundsätzliche Vereinbarkeit des §44a S. 1 VwGO mit der Rechtsschutzgarantie in Art. 19 Abs. 4 GG 224 1. Die Rechtsschutzeinschränkung gegenüber den Verfahrenshandlungen 225 2. Die Bedeutung des §44a S. 1 VwGO für die Wirksamkeit des Rechtsschutzes gegenüber der Sachentscheidung 236 3. Die Rechtfertigung der Rechtsschutzeinschränkung durch §44a S. 1 VwGO 240 IV. Die Verfahrensrelevanz der Grundrechte

242

V. Die verfassungskonforme Einschränkung des §44a S. 1 VwGO im Ausnahmefall 246 1. Die unmittelbare Verletzung selbständiger Rechtspositionen durch eine Verfahrenshandlung 246 2. Die Unzumutbarkeit nachträglichen Rechtsschutzes im Einzelfall. 248 VI. Zusammenfassung und Vergleich der gefundenen Lösung mit den Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung 249 1. Zusammenfassung und Kritik zu §44a S. 2 VwGO 249 2. Bewertung der Stellungnahmen in Literatur und Rechtsprechung . 251

Inhaltsverzeichnis Fünfter Abschnitt Schluß § 16 Ausblick und rechtspolitische

Bewertung

253

I. Die beabsichtigte Regelung in §68 EVwPO

253

1. Entstehungsgeschichte 2. Inhalt und Beurteilung des Entwurfs

253 254

I L , Der rechtspolitische Sinn der § 44a VwGO/§ 68 EVwPO §17

253

Zusammenfassung der Arbeit in Thesen

Literaturverzeichnis

257 262

267

Abkürzungsverzeichnis Die Abkürzungen folgen dem Werk von Hildebert Kirchner I Fritz Kastner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 3. Aufl., Berlin 1983. Folgende Abkürzungen seien noch gesondert genannt: abgedr. Bad.-Württ. BK BWaStrG ders. dies. E Einl. et evtl. EVwPO EVwVfG Fschr. Geb. GVOB1. HandWO hrsg. v. HS insbes. JA-Üb MEVwVfG m. w. Nachw. Rdnr./Rdnrn. sogn. SPE U. u.a. Übers. unveröff. Verf. Vorbem. VRspr. VwVfG zahlr.

= = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = = =

abgedruckt Baden-Württemberg Bonner Kommentar Bundeswasserstraßengesetz derselbe dieselbe(n) Entscheidungssammlung Einleitung Energiewirtschaftliche Tagesfragen (Zeitschrift) eventuell Entwurf zur Verwaltungsprozeßordnung Entwurf zum Verwaltungsverfahrensgesetz Festschrift Geburtstag Gesetz- und Verordnungsblatt Handwerksordnung herausgegeben von Halbsatz insbesondere Übungsblätter (Beilage) zu den Juristischen Arbeitsblättern Musterentwurf zum Verwaltungsverfahrensgesetz mit weiteren Nachweisen Randnummer / Randnummern sogenannt(e, er) Sammlung schul- und prüfungsrechtlicher Entscheidungen Urteil und andere bzw. unter anderem Übersicht unveröffentlicht Verfasser Vorbemerkung Verwaltungsrechtsprechung Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes vom 25. Mai 1976 zahlreich

§1

Einführung

Kopp 1 bezeichnet den § 44a VwGO in seinem Kommentar zur Verwaltungsgerichtsordnung als „unnötig kompliziert, lückenhaft . . . ζ. T. auch sprachlich mißglückt und mißverständlich . . . , außerdem im Grunde überflüssig und rechtspolitisch verfehlt." 2 Sicher ist diese Kritik überzogen; es läßt sich jedoch nicht bestreiten, daß §44a VwGO eine Fülle von Anwendungsproblemen aufwirft. Einige Beispielsfalle mögen dies veranschaulichen: a) Die Straßenverkehrsbehörde gibt dem ungerechtfertigterweise in den Verdacht der Trunksucht geratenen A gem. § 15b Abs. 2 StVZO auf, ein medizinisch-psyschologisches Verkehrsgutachten zum Nachweis seiner Fahreignung beizubringen. Aufgrund des positiven Untersuchungsergebnisses stellt die Behörde das Verfahren ein. A, der sich durch die Untersuchungsanordnung diskriminiert fühlt, möchte die Rechtswidrigkeit der behördlichen Maßnahme gerichtlich geklärt wissen.

Die Aufklärungsanordnungen der Straßenverkehrsbehörde nach § 15b Abs. 2 bzw. § 12 Abs. 1 StVZO werden von der ganz h.M. als Verfahrenshandlungen i.S.d. §44a S. 1 VwGO beurteilt. 3 Kann dies auch gelten, wenn man — wie verschiedentlich vertreten 4 — die Aufklärungsanordnung zugleich als Verwaltungsakt qualifiziert? Allgemeiner formuliert: Können auch Verwaltungsakte Verfahrenshandlungen i.S.d. §44a S. 1 VwGO sein? Bejaht man diese Frage, stellt sich bei Anwendung des § 44a S. 1 VwGO auf Verfahrenshandlungen mit Verwaltungsaktscharakter sogleich das weitere Problem, ob diese dann nicht selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakte einer Rechtsmittelbelehrung bedürfen und ob sie in Bestandskraft erwachsen können. In dem Beispielsfall endet das Verwaltungsverfahren ohne Sachentscheidung. Es fragt sich, ob §44a S. 1 VwGO auch in solchen Fällen den isolierten Rechtsbehelf gegen eine Verfahrenshandlung untersagt. Überhaupt ist der Geltungsumfang der von § 44a S. 1 VwGO angeordneten Rechtsschutzkonzentration auf die Sachentscheidung noch weitgehend ungeklärt, sofern es um den Zeitraum nach Ergehen der Sachentscheidung geht. Kann etwa ein Beteiligter, 1

Kopp, VwGO, Eine ähnliche Erichsenl Martens, 780 (786); Redeker, 1982, 745 (746). 2

3

§44a Rdnr. 1. Einschätzung zu §44a VwGO äußern Brodersen, JuS 1979, 147; Allgemeines Verwaltungsrecht, § 11 I I 5 (S. 179); Henle, DVB1. 1983, DVB1. 1982, 805 (810 f.); Pagenkopf,\ NJW 1979, 2382; Schmidt, JuS

Vgl. die Nachw. in § 10 I I 4 Fn. 28 und § 10 I I I 5 Fn. 77.

4

Vgl. die Nachw. in § 4 I I 1 Fn. 17. Die heute ganz h. M. spricht diesen Aufklärungsanordnungen den Verwaltungsaktscharakter ab; so etwa BVerwG, 28. 11. 1969, E 34, 248; OVG Münster, 29. 6. 1981, DÖV 1982, 411 (412). 2 Eichberger

§ 1 Einführung

18

der sich zwar durch das Verfahrensergebnis nicht beschwert fühlt, jedoch durch eine Verfahrenshandlung in seinen Rechten betroffen glaubt, nach ergangener Sachentscheidung allein die Verfahrenshandlung zum Gegenstand eines Verwaltungsrechtsstreits machen, ohne daran durch § 44a S. 1 VwGO gehindert zu sein? b) Der Bundesminister für Verkehr bestimmt nach § 16 Abs. 1 FStrG die Linienführung einer bestimmten Bundesstraße. B, der in einem nahe der geplanten Trasse liegenden Wohngebiet wohnt, erhebt Klage gegen die Entscheidung des Bundesministers für Verkehr. Sie wird vom Verwaltungsgericht unter Berufung auf § 44a S. 1 VwGO als unzulässig zurückgewiesen.

Die selbständige Anfechtbarkeit der Linienführungsbestimmung nach §16 Abs. 1 FStrG wurde in der verwaltungsgerichtlichen Praxis bisher stets abgelehnt,5 ohne daß dies allerdings mit § 44a VwGO begründet worden wäre. Könnte die Linienführungsbestimmung aber nicht auch eine Verfahrenshandlung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens sein? Der Begriff der Verfahrenshandlung ist bisher jedoch noch wenig diskutiert, seine Begriffselemente sind noch nicht umfassend ausgelotet. Was die Qualifizierung der Linienführungsbestimmung als Verfahrenshandlung betrifft, so wirft sie die Frage auf, ob auch Maßnahmen dritter Behörden Verfahrenshandlungen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens der federführenden Behörde sein können, und des weiteren als damit zusammenhängendes Problem, nach welchen Gesichtspunkten zu entscheiden ist, ob eine behördliche Maßnahme — wie hier die Linienführungsbestimmung — Abschluß eines selbständigen Verwaltungsverfahrens und damit Sachentscheidung oder Endpunkt eines unselbständigen Subverfahrens und damit möglicherweise Verfahrenshandlung im Rahmen eines übergeordneten Verwaltungsverfahrens ist. c) In einem atomrechtlichen Genehmigungsverfahren begehrt der Bürger C die Ergänzung der nach § 6 Abs. 1 AtVfV ausgelegten Unterlagen mit der Begründung, er könne sonst weder seine persönliche Gefährdung durch das Vorhaben noch die Erfolgsaussichten einer möglicherweise dagegen zu erhebenden Klage beurteilen. Scheitert sein Rechtsbehelf an § 44a S. 1 VwGO?

Daß der Streit um die Durchsetzung der begehrten Auslegungsmodalität eine Verfahrenshandlung betrifft, kann kaum zweifelhaft sein. Umstritten ist dagegen, ob §44a S. 1 VwGO überhaupt Verpflichtungsrechtsbehelfe erfaßt. 6 Das eigentliche Problem des Beispielsfalles liegt jedoch in der Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des § 44a S. 1 VwGO. Läßt es sich mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbaren, wenn § 44a S. 1 VwGO subjektiven Verfahrensrechten ihre selbständige Durchsetzbarkeit nimmt? U m diese Frage beantworten zu können, müssen zunächst — was bisher ebenfalls noch nicht geschehen ist — die Auswirkungen des § 44a S. 1 VwGO auf den Rechtsschutz des Bürgers im 5 6

s. § 11 I I I 4 a bb und dort die Nachw. in Fn. 78, 79. Die Darstellung des Streitstandes findet sich in § 10 I I I 3 und in § 12 II.

§ 1 Einführung

19

einzelnen ermittelt werden: Beläßt es § 44a S. 1 VwGO allein beim zeitlichen Hinausschieben des Rechtsschutzes oder schneidet er — bspws. im Zusammenspiel mit § 46 VwVfG 7 — den Rechtsschutz gegen die Verfahrenshandlung u. U. völlig ab? Der vorliegende Fall gibt darüber hinaus Anlaß dazu, die Verfassungsmäßigkeit des § 44a VwGO auch unter dem Gesichtspunkt der Grundrechtsrelevanz von Verfahrensrechten 8 zu überprüfen. Die drei Beispielsfalle haben die mit § 44a VwGO verbundene Problemvielfalt aufgezeigt, sie aber nicht vollständig ausgeschöpft. Vor dem Hintergrund dieser auf verschiedenen Ebenen auftretenden Anwendungsprobleme verfolgt die vorliegende Arbeit zunächst das Ziel, die dogmatischen Auswirkungen des § 44a VwGO zu untersuchen und in das vorhandene Verwaltungs- und Prozeßrechtssystem einzuordnen. Dabei gilt es auch, das Verhältnis des § 44a VwGO zum Institut des Rechtsschutzbedürfnisses sowie zu dem früheren vor 1977 geltenden Rechtszustand zu klären — beides Fragen, die für die verfassungsrechtliche und rechtspolitische Gesamtbewertung der Vorschrift von erheblicher Bedeutung sind. In einem zweiten Schritt geht es dann um die Interpretation der Tatbestandsmerkmale des § 44a VwGO im einzelnen. Auf der so geschaffenen Grundlage soll als drittes die Frage nach der Vereinbarkeit des § 44a VwGO mit der grundgesetzlichen Rechtsschutzgarantie beantwortet werden. Aktuellen Anlaß für die schließlich noch vorzunehmende rechtspolitische Bewertung des § 44a VwGO liefert die Absicht des Gesetzgebers, in die künftige Verwaltungsprozeßordnung eine dem §44a VwGO entsprechende Norm aufzunehmen. 9 Dabei geht es gleichermaßen um die Erforderlichkeit wie auch um die Geeignetheit einer solchen Vorschrift zur Erreichung ihres erklärten Ziels, die Wirksamkeit des Verwaltungsverfahrens und die Arbeitskraft der Gerichte zu schützen. Zu fragen ist daneben aber auch nach der Vereinbarkeit des § 44a VwGO mit den verschiedenen Funktionen des Verwaltungsverfahrens, 10 wobei die Überschrift „Abwertung der Verfahrensrechte", unter der sich § 44a VwGO — zumeist im Zusammenhang mit §§ 155 a - c BBauG und § 46 VwVfG — nicht selten abgehandelt findet, 11 die Regelungstendenz der Norm angibt.

7

s. dazu den Fall des BVerwG, 27. 5. 1981, NJW 1982,120 sowie Hill, Jura 1985, 61 f. Zur Verfahrensrelevanz der Grundrechte vgl. die Darstellung bei Laubinger, VerwArch. 73 (1982), 60ff. und die Leitentscheidung des BVerfG vom 20. 12. 1979, E 53, 30. 9 §68 EVwPO, BR-Drucks. 100/82 i.V.m. BR-Drucks. 148/83. 10 Von Bedeutung sind hier in erster Linie die Rechtsschutz- und die Konsensfunktion des Verwaltungsverfahrens; vgl. dazu Held, Grundrechtsbezug, S. 41 ff., 61 ff. 11 Vgl. dazu den Titel der Dissertation von Kessler, „Die Abwertung der Verfahrensvorschriften im Bauplanungsrecht durch §§ 155a-c BBauG" und dort S. 118 f. sowie Held, Grundrechtsbezug, S. 193 ff. 8

2*

Erster Abschnitt

Entstehungsgeschichte, vorheriger Rechtszustand und Parallelvorschriften § 2 Entstehung und ratio des § 44a VwGO I. Entstehungsgeschichte § 44a VwGO wurde durch § 97 Nr. 2 VwVfG des Bundes vom 25. Mai 1976 mit Wirkung vom 1. Januar 1977 in die Verwaltungsgerichtsordnung eingefügt. Schon der Entstehungsvorgang weist auf die enge Beziehung des § 44a VwGO sowohl zum Prozeß- als auch zum Verwaltungsverfahrensrecht hin. Aus den zahlreichen Gesetzen mit teils umfassenden, teils nur sporadischen verfahrensrechtlichen Bestimmungen, die zur Ausarbeitung des Verwaltungsverfahrensgesetzes herangezogen wurden, 1 kommt allein dem §47 des Ordnungswidrigkeitengesetzes vom 25. März 19522 die Rolle eines Vorläufers für § 44a VwGO zu. 3 Der Gedanke, die Anfechtbarkeit bestimmter behördlicher Verfahrenshandlungen gesetzlich einzuschränken, findet sich schon zu Beginn der Vorarbeiten zu einem bundeseinheitlichen Verwaltungsverfahrensgesetz. Die vom Bundesminister des Innern im Jahre 1957 eingesetzte „Sachverständigenkommission für die Vereinfachung der Verwaltung" legte 1960 ihren Bericht vor, in dem sie u.a. vorschlug, gegen Anordnungen, die nur das Verfahren betreffen, eine selbständige Anfechtung grundsätzlich nicht zuzulassen.4 Eine Begründung für diese Anregung findet sich in dem Bericht nicht. Gewisse Rückschlüsse auf die ratio der danach zu schaffenden Norm erlaubt jedoch der Umstand, daß der erwähnte Vorschlag in unmittelbarem textlichen Zusammenhang mit dem allgemeinen Postulat steht, die Behörde habe sich bei der Durchführung des 1 Vgl. die Liste der bei den Vorarbeiten zum VwVfG zu Rate gezogenen gesetzlichen Regelungen in der Einführung beim MEVwVfG 1963, S. 55 ff.; s. ferner die Nachweise bei Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, Einl. Rdnrn. 3 ff. 2 Näher zu dieser Bestimmung s. unten in § 3 I 2. Λ Auf die besondere Bedeutung der verfahrensrechtlichen Regelungen des OWiG 1952 (BGBl. I S. 177) als Vergleichsmaterial für den MEVwVfG 1963 wird in dessen Allgemeiner Begründung (S. 58) ausdrücklich hingewiesen. Die Vorläuferrolle des § 47 OWiG 1952 wird durch die entsprechenden Verweise auf dessen Absätze 1 und 4 in der Begründung des MEVwVfG 1963 zu § 82 Nr. 2 belegt. 4 Bericht der Sachverständigenkommission für die Vereinfachung der Verwaltung beim Bundesministerium des Innern, Bonn 1960, S. 62; zur Einberufung und Zusammensetzung der Kommission vgl. Stelkens/Bonk j Leonhardt, VwVfG, Einl. Rdnr. 19.

§ 2 Entstehung und ratio des § 44a VwGO

21

Verfahrens von den „Grundsätzen der Zweckmäßigkeit, Einfachheit und Schnelligkeit" leiten zu lassen.5 Der Bund- Länder-Ausschuß 6 erarbeitete in den Jahren 1960 bis 1963 den Musterentwurf eines Verwaltungsverfahrensgesetzes. In dessen § 82 Nr. 2 setzte der Ausschuß den Vorschlag der Sachverständigenkommission in eine Regelung zur Änderung der VwGO um, die wörtlich mit dem später Gesetz gewordenen § 97 Nr. 2 VwVfG übereinstimmt. Seit dem ersten ausgearbeiteten Gesetzesentwurf zum VwVfG hat sich mithin der jetzige § 44a VwGO weder textlich noch inhaltlich verändert. Angesichts der sich über gut eineinhalb Jahrzehnte erstreckenden Entstehungsgeschichte des VwVfG 7 mit den mehrfach geänderten Gesetzesentwürfen und der regen wissenschaftlichen Diskussion 8 zur Gesamtkonzeption wie auch zu Einzelfragen der Kodifikation ist die „Unversehrtheit" des § 82 Nr. 2 M E VwVfG 1963 nicht ohne weiteres selbstverständlich. Eher Ausdruck denn ursächliche Erklärung dieses Umstandes mag das weitgehende literarische Desinteresse an dieser Vorschrift vor ihrem Inkrafttreten sein. Der geplante § 44a VwGO geriet im Grunde zu keinem Zeitpunkt zum Gegenstand eingehender wissenschaftlicher Kritik. 9 Lediglich die Verfasser eines Planspiels zur Begutachtung des M E VwVfG 1963 an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, das dort im SS 1964 durchgeführt wurde, empfahlen, § 82 Nr. 2 M E VwVfG 1963 ersatzlos zu streichen. 10 Sie bezweifelten zum einen seine sachliche Berechtigung 11 und hielten zum anderen die Regelung für kaum mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar. Diese Einwände blieben jedoch ohne

5

Bericht der Sachverständigenkommission (s.o. Fn. 4), S. 62. Zu dessen Bildung und Zusammensetzung s. MEVwVfG 1963, S. 53 ff. 7 Die Hauptstationen der Genese des VwVfG: MEVwVfG 1963 durch den BundLänder-Ausschuß; Referentenentwurf 1965; „Münchner Fassung" des Musterentwurfs durch den Bund-Länder-Ausschuß 1966; Referentenentwurf 1967; Entwurf eines VwVfG durch die Bundesregierung 1970 (BT-Drucks. VI/1173); Regierungsentwurf 1973 (BTDrucks. VII/910); Verabschiedung des VwVfG durch den Bundestag am 25. 5. 1976. Eingehend zur Entstehung des VwVfG: Laubinger, JA 1975, 593 ff.; JA 1976, 539 ff., dort auch zu den Änderungen im Gesetzgebungsverfahren sowie Synopse des VwVfG mit den Entwürfen (JA 1976,695 ff.); vgl. ferner Ule/ Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, §§ 6, 7 (S. 26ff.); Ule, DVB1. 1976, 421 ff.; Stelkens/Bonk/ Leonhardt, VwVfG, Einl. Rdnrn. Iff. 6

8 Vgl. die Nachweise hierzu bei Laubinger, JA 1975, 593 (595) sowie Ule, DVB1. 1976, 421 ff. 9 Lediglich Rietdorf, DVB1. 1964, 293, 333 (336) und Koehler, M D R 1964, 274 (276) erwähnten knapp die geplante VwGO-Änderung, ohne dabei jedoch diese Vorschrift kritisch zu durchleuchten; sie übernahmen vielmehr im wesentlichen die Begründung aus dem MEVwVfG 1963 zu deren Erläuterung. 10 Planspiel MEVwVfG 1963, S. 139 f. Das Planspiel wurde unter Leitung von Ule durchgeführt; der hier zur Diskussion stehende § 82 Nr. 2 MEVwVfG wurde von den Referendaren Borchers, Hundertmark und Rust bearbeitet. 11 Zu den Beweggründen für die Einführung des § 44a VwGO siehe sogleich unten sub II.

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

Auswirkung auf die Ausgestaltung des § 82 Nr. 2 MEVwVfG 1963 im weiteren Gesetzgebungsverfahren. Ebenfalls keine Resonanz fand schließlich der Vorschlag von Battis 12, den künftigen § 44a VwGO durch eine entsprechende Änderung dahin „klarzustellen", daß er die Rechtsstreitigkeiten um die verfahrensrechtliche Partizipation gegen Planungsverfahren nicht erfasse. II. Ratio 1. Die Auffassung des Gesetzgebers

13

Das Ziel, das die Verfasser des VwVfG mit der Schaffung des § 44a VwGO verfolgten, ist in der relativ ausführlichen amtlichen Begründung zu § 92 Nr. 2 EVwVfG 1973 unmittelbar und eindeutig niedergelegt. Bei dieser Begründung fallt ebenso wie bei der Ausgestaltung des §44a selbst ein hohes Maß an Kontinuität auf. So stimmen die Erläuterungen zu § 92 Nr. 2 aus dem EVwVfG 1973 14 in allen wesentlichen Passagen wörtlich mit denen aus dem MEVwVfG 196315 überein. Danach hielt der Gesetzgeber wegen der Kodifizierung des Verfahrensrechts die Gefahr für gegeben, „die Verfahrensvorschriften könnten dazu mißbraucht werden, die sachliche Entscheidung durch Anfechtung der Verfahrenshandlungen zu verzögern oder zu erschweren. Das Verwaltungsverfahrensgesetz würde dann nicht der Verwaltungsvereinfachung dienen, sondern zu einer Erschwerung des Verwaltungsverfahrens und zu einer Vermehrung der Rechtsbehelfsverfahren 16 führen." Die Mißbrauchsgefahr, die die Verfasser des Gesetzentwurfes durch die Schaffung zahlreicher Verfahrensvorschriften begründet wähnten, war also der Anlaß für die Einführung des § 44a VwGO. Die Norm verfolgt damit einen doppelten Schutzzweck. Zum einen soll sie durch die Sicherung eines ungestörten Verwaltungsverfahrens das zügige Erreichen der Sachentscheidung gewährleisten. Dahinter verbirgt sich der Gedanke der Verwaltungseffektivität, womit die Vorschrift im Dienste eines der Gesamtziele des VwVfG steht. 17 Zum

12

So Battis , ZRP 1975, 111 (112f.); ders., Partizipation im Städtebaurecht, S. 232ff.; vgl. dazu unten § 14 I l a . 13 Zum Begriff des „Gesetzgebers" bei der Auslegung von Normen vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 315 ff. 14 BT-Drucks. 7/910 v. 18. Juli 1973, S. 97f.; dessen amtliche Begründung zu§92 Nr. 2 VwVfG entspricht wörtlich der zu dem gleichlautenden § 83 Nr. 2 des EVwVfG 1970, BTDrucks. VI/1173, S. 80f. 15 MEVwVfG 1963, S. 245 f. 16 Der MEVwVfG 1963, S. 245 sprach an dieser Stelle noch von „Rechtsmittelverfahren, einschließlich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens". Die sprachliche Umformulierung soll ersichtlich keine sachliche Änderung sondern lediglich eine klarstellende Vereinfachung bedeuten.

§ 2 Entstehung und ratio des § 44a VwGO

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zweiten hat die amtliche Begründung die prozessuale Ebene im Auge: § 44a VwGO soll auch der Gefahr einer Überlastung der Verwaltungsgerichte entgegenwirken, die — so die Ansicht der Gesetzesverfasser — bei uneingeschränkter Anfechtungsmöglichkeit der Verfahrenshandlungen ansonsten drohen würde. Das erforderliche und geeignete Mittel zur Erreichung der dargestellten Ziele sah der Gesetzgeber in dem Ausschluß selbständiger Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen verbunden mit deren Konzentration auf den Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung. Von diesem Grundsatz glaubte er mit Rücksicht auf Art. 19 Abs. 4 GG lediglich die in § 44a S. 2 VwGO niedergelegten Ausnahmen zulassen zu müssen.18 § 44a VwGO enthält demnach eine klare Wertentscheidung des Gesetzgebers zugunsten eines schnellen und ungehinderten Verwaltungsverfahrens, zugunsten wesentlicher Elemente der Verwaltungseffizienz 19 also. Die zugleich damit bewirkte bewußte Zurückstellung der Rechtsschutzinteressen der Verfahrensbetroffenen hielten die Verfasser der Vorschrift deshalb für gerechtfertigt, weil das verfassungsrechtlich gewährleistete Gebot effektiven Rechtsschutzes entscheidend am „materiellen Gehalt des behördlichen Einzelakts" 20 zu orientieren sei. Nur das Ergebnis des behördlichen Handelns müsse einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen; dies sei durch die Rechtsschutzverlagerung auf die Sachentscheidung der Fall. Die Verfassungsnorm des Art. 19 Abs. 4 GG zwinge jedoch nicht dazu, „jede einzelne verfahrensrechtliche Maßnahme, die der Vorbereitung einer Sachentscheidung dient, einer selbständigen gerichtlichen Kontrolle zu unterwerfen." 20 Der prozeßökonomische Aspekt des §44a VwGO, die Entlastung der Gerichtsverfahren von isolierten Verfahrensstreitigkeiten, erscheint dem Gedanken der Verfahrenseffizienz gegenüber eher als — wenn auch erwünschte, so doch nicht unmittelbar angestrebte — Nebenfolge der primär verwaltungsverfahrensrechtlich motivierten gesetzgeberischen Entscheidung.21

17 Die Verwaltungseffektivität wird dort als Ausprägung des Oberziels Verwaltungsvereinfachung aufgeführt; vgl. BT-Drucks. 7/910, S. 28f., insbes. die eingehenden Erläuterungen in Punkt 5.1 a-c. 18 Vgl. BT-Drucks. 7/910, S. 97. Näher zum Verhältnis des § 44a S. 2 VwGO zu Art. 19 Abs. 4 GG s. unten in den §§ 13, 15 V, VI. 19 Dieser schwer zu fassende Begriff war u. a. Gegenstand der Tagung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1982 in Konstanz; vgl. dazu die Referate von Wahl und Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 153 ff. (162); 194 ff. (196) sowie die einschlägigen Ausführungen in den Begleitaufsätzen von Ossenbühl, NVwZ 1982, 465 (466 ff.); Degenhart, DVB1. 1982, 872 (880 ff.); v. Mutius, NJW1982,2150 (2151); Schenke, VB1BW1982,313 (315 f.) jeweils m. w. Nachw. 20 BT-Drucks. 7/910, S. 97. 21 So auch Meyer/ Borgs, VwVfG, §97 Rdnr. 16.

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

2. Beurteilung in Rechtsprechung und Schrifttum Von Beginn der praktischen Arbeit mit §44a VwGO an, die recht bald zahlreiche Interpretationsprobleme 22 aufwarf, haben Rechtsprechung 23 und Literatur 2 4 für die Auslegung dieser Norm in breitem Umfang auf Sinn und Zweck des §44a VwGO zurückgegriffen, wie sie der Vorschrift von ihren Verfassern in der amtlichen Begründung beigelegt wurden. Durch die Übernahme der Sichtweise des „historischen Gesetzgebers" 25 besteht über die ratio 2 6 des § 44a VwGO im Grundsatz ein allgemeiner Konsens. Die Vorschrift wird dabei, soweit sie das Verwaltungsverfahren betrifft, im Dienste der übergeordneten Prinzipien der Verfahrensökonomie 27 und Effektivität bzw. Effizienz 28 des Verwaltungsverfahrens gesehen. Unter prozessualem Aspekt bringen Rechtsprechung und Schrifttum den §44a VwGO in einen vielfach nicht näher definierten Zusammenhang mit dem allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Für die Anfechtung von Verfahrenshandlungen fehle grundsätzlich deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil zum Zeitpunkt der Anfechtung noch nicht abgesehen werden könne, ob der Kläger durch die Sachentscheidung im Ergebnis überhaupt in seinen Rechten betroffen werde. 29 Unabhängig von der Richtigkeit dieser Aussage30 betrifft der Gesichtspunkt des Rechtsschutzbedürfnisses 22

Vgl. hierzu die Nachw. oben in § 1 Fn. 1,2. BVerwG, 12. 4. 1978, NJW 1979, 177; BayVGH, 26. 7. 1978, BayVBl. 1978, 763; OVG Münster, 23. 4. 1979, DÖV 1980, 222; V G H Bad.-Württ., 10. 4. 1980, Die Justiz 1980,365; OVG Münster, 13. 6. 1980, DVB1.1980,964 (965); BVerwG, 27. 5. 1981, NJW 1982, 120; VG Berlin, 17. 11. 1981, NVwZ 1982, 576 (577). 23

24

Habermehl, JA-Üb 1983, 20 (21); Knack/Busch, VwVfG, §97 Rdnr. 4; Kopp, VwGO, §44a Rdnr. 1; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, §19 Rdnr. 26; Meyer!Borgs, VwVfG, § 97 Rdnr. 15; Pagenkopf, NJW 1979,2382; Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 193 (226); Plagemann, NJW 1978, 2261; Schmidt, JuS 1982, 745 (747); Schunck/De Clerck, VwGO, §44a Anm. 1; Stelkens / Bonk I Leonhardt, VwVfG, §97 Rdnr. 6; Stelkens, NJW 1982, 1137; Tschira / Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, S. 68 f.; Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, S. 98. 25 Zu diesem Auslegungskriterium und den sich dahinter verbergenden Problemen vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 315 ff.; kritisch zum Begriff des historischen Gesetzgebers Ächterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 16 Fn. 16 (S. 243). 26 Zur Mehrdeutigkeit dieses Begriffs vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 326. 27 Kopp, VwGO, §44a Rdnr. 1; Stelkens/Bonk/ Leonhardt, VwVfG, §97 Rdnr. 6; OVG Münster, 23. 4. 1979, DÖV 1980, 222. 28 Pagenkopf, NJW 1979, 2382; Ossenbühl, NVwZ 1982, 465 (470). Die Begriffe Effizienz und Effektivität werden hier wie zumeist im rechtswissenschaftlichen Sprachgebrauch synonym verwandt; beispielhaft dafür Schenke, VB1BW 1982, 313 (315 ff.); ausdrücklich daraufhinweisend Wahl, VVDStRL 41 (1983), 153 (163). 29 So Kopp, VwGO, § 44a Rdnr. 2; ders., NJW 1976,1961 (1966); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rdnr. 26; Meyer-Teschendorf ZBR 1979, 261 (269); BVerwG, 12. 4. 1978, NJW 1979, 177; FG München, 8. 5. 1978, EFG 1978, 598; V G Berlin, 17. 11. 1981, NVwZ 1982, 576 (577). 30 Auf den Zusammenhang zwischen § 44a VwGO und dem Rechtsschutzbedürfnis wird unten in § 9 näher eingegangen werden.

§ 2 Entstehung und ratio des § 44a VwGO

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im Grunde nicht, zumindest nicht unmittelbar, die ratio des §44a VwGO, sondern Fragen seiner Rechtfertigung und dogmatischen Einordnung in das Rechtsschutzsystem des Verwaltungsprozeßrechts. 3. Interessenschutz durch § 44a VwGO in mehrpoligen Verwaltungsverhältnissen Neben der Verfahrenseffizienz und Prozeßökonomie zugunsten von Verwaltung und Justiz dient § 44a VwGO in bestimmten Verfahrenssituationen auch den Interessen einiger der Verfahrensbeteiligten — ein Gedanke, der bisher bei der Beurteilung des § 44a VwGO unberücksichtigt blieb. Durch dessen Regelung werden in den sogenannten mehrpoligen Verwaltungsverhältnissen 31 diejenigen Verfahrensbeteiligten begünstigt, die in Übereinstimmung mit der Verwaltung an einem zügigen Verfahren interessiert sind. In den komplexen Genehmigungsverfahren 32 des Atom- oder Immissionsschutzrechts etwa werden dies grundsätzlich die Antragsteller sein. Entsprechende Konstellationen mit umgekehrten Fronten sind dagegen beispielsweise in Eingriffsverfahren denkbar; denn dann liegt den Drittbetroffenen (so den Nachbarn, wenn es um eine Abrißverfügung zu ihren Gunsten geht) an einer raschen Sachentscheidung. In all diesen Fällen sind stets ein oder mehrere private Bürger verfahrensbeteiligt, denen die Verfahrensverschleppung durch die Geltendmachung von Verfahrensrechten bzw. Anfechtung von behördlichen Verfahrenshandlungen durch die anderen Beteiligten zum Nachteil gereichen würde. § 44a VwGO kommt also objektiv 33 , auch wenn der historische Gesetzgeber dies nicht beabsichtigt haben sollte, den genannten Beteiligtengruppen zugute. Diesem Umstand ist bei der Auslegung der Vorschrift Rechnung zu tragen. Das für § 44a S. 1 VwGO sprechende private Interesse darf vor allem bei dessen verfassungsrechtlicher Beurteilung nicht außer acht bleiben. 34

31

Vgl. dazu Schmidt-Aßmann, Das allgemeine Verwaltungsrecht als Ordnungsidee und System, S. 23 m.w.Nachw.; ders., VVDStRL 34 (1976), 221 (236f.). 32 Zu den Besonderheiten komplexer Verwaltungsentscheidungen etwa SchmidtAßmann, VVDStRL 34 (1976), 221 (223ff.); ders., (s.o. Fn. 31), S. 24f.; Hoppe, in: BVerwG-Festgabe, S. 295 (297 ff.); Steinberg, DÖV 1982, 619 ff. 33 Zur objektiven Ermittlung der ratio legis vgl. Larenz, Methodenlehre, S. 302ff., 320ff., 326. 34 Auf die spezifische Bedeutung der mehrpoligen Verwaltungsverhältnisse für die Rechtsanwendung weist Schmidt-Aßmann (s.o. Fn. 31, S. 23) hin. Zur Vereinbarkeit des §44a VwGO mit Art. 19 Abs. 4 GG im einzelnen unten im 4. Abschnitt der Arbeit.

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

§ 3 Vergleichbare Regelungen I. Verwaltungsverfahrensrecht 1. Regelung im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten a) Eine dem §44a VwGO vergleichbare Regelung existiert weder in der Finanzgerichtsordnung für das steuerrechtliche noch im Sozialgerichtsgesetz für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren. Auch der Rechtsschutz gegenüber den sog. Justizverwaltungsakten nach §§23 ff. EGGVG unterliegt keiner ausdrücklichen Beschränkung hinsichtlich nur vorbereitender Verfahrenshandlungen. 1 b) Für den Bereich des Bußgeldverfahrens hingegen enthält § 62 Abs. 1 S. 2 OWiG eine Bestimmung, die in ihrer Zielsetzung der des § 44a S. 1 VwGO entspricht. 2 Die vom selbständigen Rechtsschutz ausgeschlossenen Verfahrensmaßnahmen sind in § 62 Abs. 1 S. 2 OWiG allerdings wesentlich enger als im § 44a S. 1 VwGO gefaßt. Zum einen spricht § 62 Abs. 1 S. 2 OWiG nur die Ausnahme zur gesetzlichen Regel des Satzes 1 von § 62 Abs. 1 OWiG aus, wonach gegen Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren generell die Entscheidung des zuständigen ordentlichen Gerichts eingeholt werden kann. Zum anderen nimmt § 62 Abs. 1 S. 2 OWiG davon lediglich die behördlichen Maßnahmen aus, die zur Vorbereitung der Entscheidung über den Bußgeldbescheid getroffen werden und keine selbständige Bedeutung haben.3 c) Von besonderem Interesse für den Vergleich mit §44a VwGO ist die Entstehungsgeschichte des § 62 OWiG. Dessen unmittelbarer Vorgänger war 1 Zu den nach den §§ 23 ff. EGGVG anfechtbaren Maßnahmen der Justizverwaltungsbehörden vgl. Kleinknecht, StPO, §23 Rdnrn. 6 ff. BaumbachI Lauterbach I Albers, ZPO, § 23 EGGVG Anm. 1 C. Die nach § 23 Abs. 1 EGGVG der gerichtlichen Entscheidung fähigen Regelungen dürften in aller Regel jedoch selbst Sachentscheidungen sein, so daß durch die begriffliche Eingrenzung in § 23 Abs. 1 EGGVG der selbständige Rechtsschutz gegen Verfahrenshandlungen, die im Rahmen der Vorbereitung einer Sachentscheidung ergehen, weitgehend ausscheidet. Daß die §§23 ff. EGGVG aber keinen speziellen Ausschluß der Anfechtbarkeit behördlicher Verfahrenshandlungen enthalten, wird au- · genfällig in der amtlichen Begründung zu § 62 OWiG 1968 (BT-Drucks. V/1269, S. 88 zu § 50, der dem späteren § 62 entspricht), in welcher § 62 mit den §§ 23 ff. EGGVG und §§ 304ff. StPO im einzelnen verglichen und dabei zu § 62 Abs. 1 S. 2 OWiG die Parallele mit §305 StPO aufgezeigt wird, aber keine entsprechende Regelung in den §§23 ff. EGGVG gegenübergestellt werden kann. 2 Nach der amtlichen Begründung zu § 50 des Entwurfes zum OWiG von 1968 (BTDrucks. V/1269 v. 8. 1. 1967, S. 88) soll die Vorschrift einerseits eine lückenlose Regelung gewähren, andererseits die Möglichkeit von Rechtsbehelfen aber nicht übermäßig ausweiten. 3 Zur Auslegung dieser Bestimmung und zu einzelnen Anwendungsbeispielen derselben vergleiche deren Kommentierung bei Rotberg, OWiG, 5. Aufl. 1975, §62 Rdnr.5; Rebmann ! Roth! Herrmann, OWiG, §62 Rdnr. 10 f.

§ 3 Vergleichbare Regelungen

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der §47 des OWiG von 1952,4 der seinerseits dem §44a VwGO als Vorbild diente.5 Bemerkenswerterweise entspricht § 47 OWiG 1952 eher dem heutigen § 44a VwGO als seiner eigenen Nachfolgeregelung in § 62 OWiG. Nach § 47 Abs. 1 OWiG 19526 waren Maßnahmen der Verwaltungsbehörde, die im Bußgeldverfahren ergingen, nur zusammen mit dem Bußgeldbescheid anfechtbar. Die Absätze 2 bis 4 bestimmten Ausnahmen zu dieser Regel betreffend die Notveräußerung beschlagnahmter Gegenstände (Abs. 2), bei Untätigkeit der Behörde in der Bußgeldsache (Abs. 3) und hinsichtlich betroffener Dritter (Abs. 4). Der Sinn des § 47 OWiG 1952 wurde in der Entlastung des Verfahrens von Rechtsbehelfen zum Zwecke seiner Vereinfachung und Beschleunigung gesehen 7 . Bei der Novellierung des Ordnungswidrigkeitengesetzes im Jahre 1968 wurde § 47 Abs. 1 dann durch den bereits geschilderten § 62 OWiG abgelöst, der nicht unerheblich von seinem Vorgänger abweicht, insbesondere die RegelAusnahmesystematik zur Anfechtbarkeit behördlicher Maßnahmen umkehrt. Begründet wurde diese Konzeptionsänderung von den Verfassern der Novelle damit, daß sich § 47 OWiG 1952 gerade unter dem Aspekt des Art. 19 Abs. 4 GG für das Bußgeldverfahren als lückenhaft erwiesen habe.8 Der neue §62 OWiG sei deshalb in Anlehnung an die §§ 304, 305 StPO geschaffen worden. 2. Vergleich mit § 44a VwGO Mit dem heutigen § 62 OWiG läßt sich § 44a VwGO nur bedingt vergleichen. Zwar entsprechen sich § 44a S. 1 VwGO und § 62 Abs. 1 S. 2 OWiG in ihrem generellen Regelungszweck, die ihnen jeweils zugeordneten Verwaltungsverfahren vor einer Überlastung mit Rechtsbehelfen gegen verfahrensbezogene 4 5

OWiG v. 25. 3. 1952, BGBl. I S. 177ff.

Vgl. dazu den Nachw. oben in § 2 bei Fn. 3. §47 OWiG 1952 wiederum lehnte sich seinerseits an §101 des Gesetzes zur Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz) v. 26. 7. 1949 (Gesetzblatt der Verwaltung des vereinigten Wirtschaftsgebietes, 1949, S. 193) an. Vgl. Rotberg, OWiG, 2. Aufl. 1958, §47 Rdnr. 2. § 101 Wirtschaftsstrafgesetz 1949 jedoch bestimmte lediglich die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte für den Rechtsschutz gegen behördliche Maßnahmen, enthielt aber keine Einschränkung desselben gegen Verfahrenshandlungen. Dieser Teil der Bestimmung in § 47 OWiG 1952 ist wohl dem § 305 S. 1 StPO entnommen — so Patzig, OWiG, § 47 Erl. 3a (S. 95). 7 So Rotberg, OWiG, 2. Aufl. 1958, §47 Rdnr. 2; Patzig, OWiG, §47 Erl. 3a (S. 95). 8 Daß die mit diesen Argumenten begründete Änderung des § 47 OWiG 1952 in dem § 62 OWiG 1968 ohne jede Konsequenz für die Ausgestaltung der sich ursprünglich ja auf § 47 OWiG 1952 berufenden Regelung in § 83 Nr. 2 EVwVfG 1970 (BT-Drucks. V I /1173) und dann schließlich auch des §92 Nr. 2 EVwVfG 1973 ( = 44a VwGO) blieb, ist erstaunlich — dies um so mehr, da der Novellierungsvorgang des OWiG den Verfassern des VwVfG nicht verborgen blieb, wie der ab der amtlichen Begründung des EVwVfG 1970 fehlende Rekurs auf die entsprechende Norm des OWiG bei der ansonsten unveränderten Begründung zu § 44a VwGO zeigt (vgl. BT-Drucks. V I /1173 zu § 83 Nr. 2; BT-Drucks. 7/910 zu § 92 Nr. 2, S. 97). 6

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

behördliche Maßnahmen zu bewahren. In Regelungsgegenstand und -inhalt unterscheiden sie sich jedoch nicht unerheblich voneinander. Der § 62 OWiG bezieht sich auf das behördliche Bußgeldverfahren, welches in wesentlichen Teilen dem formstrengen, mit zahlreichen rechtsstaatlichen Gewährleistungen ausgestatteten Strafprozeß angenähert ist. 9 Demgegenüber regelt § 44a VwGO Maßnahmen aus dem auf Zweckmäßigkeit und Flexibilität ausgerichteten, grundsätzlich formfreien (§10 VwVfG) allgemeinen Verwaltungsverfahren. 10 Auch in der inhaltlichen Aussage bestehen gewichtige Unterschiede. Während § 62 Abs. 1 S. 1 OWiG gegen behördliche Anordnungen, Verfügungen und sonstige Maßnahmen im Grundsatz selbständigen Rechtsschutz gewährt und davon nur in Ausnahmefallen absieht, ist das Regel- Ausnahme- Verhältnis bei §44a VwGO genau umgekehrt. Zudem spricht §44a S. 1 VwGO generell von Verfahrenshandlungen der Behörde, wohingegen § 62 Abs. 1 S. 2 OWiG die von dem Rechtsbehelfsausschluß betroffenen Maßnahmen doppelt einschränkt: zum einen auf die nur der Entscheidungsvorbereitung dienenden Maßnahmen 11 und zum anderen auf solche, die keine selbständige Bedeutung haben. 12 Damit entspricht § 62 Abs. 1 S. 2 OWiG eher den — sogleich näher zu behandelnden — prozessualen Vorschriften zur Einschränkung der Beschwerdemöglichkeiten gegen Verfahrens Verfügungen, denn dem § 44a VwGO. Dem §44a VwGO nach ratio und Ausgestaltung wirklich ähnlich war dagegen der ehemalige §47 OWiG 1952, was angesichts der Entstehungsgeschichte des §44a VwGO nicht verwundern kann. 13 Regelrechtsfolge beider 9 Nach § 46 Abs. 1 OWiG werden die Vorschriften für das Strafverfahren grundsätzlich auf das Bußgeldverfahren für anwendbar erklärt. 10

Zur Struktur des Verwaltungsverfahrens insbesondere in seinem Unterschied zum Prozeßrecht vgl. aus der kaum mehr überschaubaren Literatur: Bettermann, VVDStRL 17 (1959), 118 (168 ff.); Finkelnburg ! Lässig, VwVfG, §10 Rdnrn. 2, 7ff.; Ule I Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, §3 (S. 11 ff., insbes. 15 f.), wobei Ule auch die wichtigen Gemeinsamkeiten beider Verfahren hervorhebt; Ule, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozeß, in: Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 517 ff.; Kopp, VwVfG, Vorbem. § 1 Rdnrn. 26ff., 32, 34f., 39; vgl. auch Schwarze, Der funktionale Zusammenhang, insbes. S. 27ff., 44ff., der mehr den Zusammenhang beider Rechtsgebiete betont. Die amtliche Begründung zu §10 EVwVfG 1973 (BT-Drucks. 7/910, S. 42) lehnt ausdrücklich eine justizförmige Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens zugunsten eines auch im Interesse des Bürgers liegenden raschen, einfachen und wirksamen Verfahrens ab. Die eigenständige Funktion und Zielsetzung des Verwaltungsverfahrensrechts ist erneut in den Vordergrund getreten bei der Behandlung des zweiten Themas der Tagung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1982 in Konstanz; dazu insbes. Wahl, VVDStRL 41 (1983), 151 (157) sowie die Begleitaufsätze zu diesem Thema (s.o. Fn. 19 zu §2). 11

Diese Einschränkung auf Maßnahmen „zur Vorbereitung der Entscheidung" ist allerdings, wie noch zu zeigen sein wird (vgl. unten sub § 10V2) auch im Begriff der Verfahrenshandlungen mit enthalten. 12 Damit sollte § 62 Abs. 1 S. 2 OWiG nach der amtlichen Begründung (BT-Drucks. V /1269, S. 89) dem § 305 StPO angeglichen werden, wie ihn die Rechtsprechung ausgelegt hat. 13 s. dazu oben in § 2 unter I und oben unter I I b dieses Paragraphen.

§ 3 Vergleichbare Regelungen

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Normen ist bzw. war die zwangsweise Konzentration von Rechtsbehelfen gegen behördliche Verfahrenshandlungen auf die das jeweilige Verfahren abschließende Sachentscheidung. Auch die Ausnahmebestimmungen beider Normen (bei vollziehbaren Verwaltungsakten und drittgerichteten Verfahrenshandlungen in § 44a S. 2 VwGO und gegen Notveräußerungen sowie zugunsten betroffener Dritter in § 47 Abs. 2, 4 OWiG 1952) entsprechen sich in ihrer Grundstruktur. Literatur und Rechtsprechung zu § 47 OWiG 1952 können also, soweit sie nicht auf Besonderheiten beruhen, die ihren Ursprung in der Nähe des Bußgeld- zum Strafverfahren haben, grundsätzlich zur Interpretation des §44a VwGO herangezogen werden. 14 II. Gerichtsverfahren Auf prozessualem Gebiet enthalten § 146 Abs. 2 VwGO und die diesem weitgehend entsprechenden § 172 Abs. 2 SGG und § 128 Abs. 2 FGO sowie der § 305 StPO Regelungen über den Ausschluß der Beschwerde gegen bestimmte Maßnahmen aus dem gerichtlichen Verfahren. Die Zivilprozeßordnung, deren Beschwerderecht prinzipiell anders als in den übrigen genannten Prozeßordnungen ausgestaltet ist, 1 5 weist keine entsprechende Vorschrift auf. L § 146 VwGO Nach § 146 Abs. 2 VwGO können prozeßleitende Verfügungen und eine Reihe in Abs. 2 eigens aufgezählter gerichtlicher Entscheidungen nicht mit der Beschwerde angefochten werden. § 146 Abs. 2 VwGO ist eine Ausnahmebestimmung zum Abs. 1 desselben Paragraphen, der den Beteiligten oder sonstigen Betroffenen gegen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, die nicht Urteile oder Vorbescheide sind, und gegen Entscheidungen des Vorsitzenden die Beschwerde als Rechtsmittel einräumt. Sinn und Zweck des § 146 Abs. 2 VwGO werden darin gesehen, die Beschwerde gegen solche gerichtliche Maßnahmen nicht zuzulassen, deren Bedeutung sehr gering ist oder bei denen die Möglichkeit ihrer Anfechtung im Zusammenhang mit der abschließenden Entscheidung als für den Rechtsschutz ausreichend erachtet wird, 1 6 deren gesonderte Beschwerdefähigkeit also nur die Gefahr einer unnötigen Verfahrenshemmung hervorrufen könnte. 17 Soweit §146 Abs. 2 VwGO die Beschwerde gegen bestimmte 14 Falls Anlaß dazu besteht, wird im Verlaufe dieser Arbeit auf solche Quellen im jeweils erforderlichen Fall zurückgegriffen werden. 15 Zu der unterschiedlichen Regelung in ZPO bzw. VwGO vgl. Buck , DÖV 1964, 537; Ey ermann / Fröhler, VwGO, § 146 Rdnr. 19; Baumbach/Lauterbach/Λ/fors, ZPO, Übers. § 567 Anm. 5. 16 So Kopp, VwGO, § 146 Rdnr. 7; ähnlich Bosch!Schmidt, Praktische Einführung, § 70 I (S. 250). 17 Ey ermann \ Fr öhler, VwGO, §146 Rdnr. 13; Redeker/v. Oertzen, VwGO, §146 Rdnr. 7; BayVGH, 11. 10. 1973, BayVBl. 1973, 668: „ . . . , weil diese Vorschrift nur

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

Gerichtsentscheidungen ausschließt, kann die darin enthaltene Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem zulässigen Rechtsmittel gegen die Hauptsacheentscheidung geltend gemacht werden. 18 Der Umfang des Beschwerdeausschlusses in § 146 Abs. 2 VwGO wird durchaus nicht einheitlich beurteilt, wobei die unterschiedlichen Interpretationen jeweils an den Begriff der prozeßleitenden Verfügung anknüpfen. In der Rechtsprechung und auch in weiten Teilen der Literatur hat sich eine insgesamt restriktive, wenn auch in sich wenig konsistente Auslegung zu § 146 Abs. 2 VwGO durchgesetzt. Ausgehend von der Darstellung der prozeßleitenden Maßnahmen bei Rosenberg j Schwab 19 werden als prozeßleitende Verfügungen nur die Maßnahmen erachtet, für die die Verfahrensordnung keine besondere Form vorsieht 20 und die „hinsichtlich ihrer Erfordernisse und ihrer Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens im Range unter den übrigen in § 146 Abs. 2 VwGO angeführten Maßnahmen prozeßleitender Art stehen." 21 Der BayVGH sieht nur die Maßnahmen als prozeßleitende Verfügungen an, die eine bloße Förmlichkeit darstellen, sich als solche lediglich auf den äußeren Fortgang des Verfahrens beziehen und Ausfluß des dem Richter vom Gesetz für die Gestaltung des Verfahrens eingeräumten Ermessensspielraums sind. 22 Daneben wird vereinzelt auf den Gesichtspunkt abgestellt, daß prozeßleitende Verfügungen nur die gerichtlichen Maßnahmen sein können, welche die Beteiligten nicht in ihren Rechten verletzen. 23 verhindern will, daß das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht durch einen Zwischenstreit . . . aufgehalten wird." 18 Bosch!Schmidt, Praktische Einführung, § 70 I (S. 250); Eyermann I Fröhler, VwGO, § 146 Rdnr. 19; Kopp, VwGO, § 146 Rdnr. 7; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 146 Rdnr. 5; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 641 l a (S. 341); a. Α.: Schunck/De Clerck, VwGO, § 146 Anm. 2bff., der hier im Gegensatz zu den vorgenannten Stellungnahmen §512 ZPO entsprechend anwenden will. 19

Rosenberg! Schwab, Zivilprozeßrecht, § 62 S. 351 ff.; dort findet sich auch die immer wieder in Rechtsprechung und Literatur zu § 146 VwGO wiedergegebene Definition der Prozeßleitung (S. 351): „Prozeßleitung ist diejenige Tätigkeit des Gerichts, die einen gesetzmäßigen und zweckfördernden Verlauf des Verfahrens, eine erschöpfende und doch schleunige Verhandlung und eine Beendigung des Rechtsstreits auf kürzestem Wege zum Ziele hat." 20 OVG Lüneburg, 12. 10. 1960, DVB1. 1960, 862 (863); ähnlich V G H Mannheim, 10. 8. 1964, DVB1. 1964, 878 (879). 21 So OVG Lüneburg (Fn. 20), S. 863 und im Anschluß an dieses V G H Mannheim (Fn. 20), S. 879; OVG Münster, 23. 5. 1962, NJW 1962, 1931. 22 BayVGH, 14. 9. 1972, BayVBl. 1972,645; BayVGH, 29. 1.1980, BayVBl. 1980,221 (222); BayVGH, 25. 3. 1983, BayVBl. 1983, 535, wobei der BayVGH das Erfordernis der Verfahrensdienlichkeit aber offensichtlich zu eng auslegt. Ähnlich auch OVG Münster, 13. 12. 1972, DÖV 1973,279; etwas weiter BayVGH, 20. 7. 1970,VGHn.F. 23,132(133). Ähnlich: EyermannIFröhler, VwGO, § 146 Rdnr. 13; Koehler, VwGO, § 146 Anm. V la; Kopp, VwGO, § 146 Rdnr. 8; Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 146 Rdnr. 7. 23 BayVGH, 11.8.1977, BayVBl. 1978, 212; in dieser Richtung auch BayVGH, 23. 4. 1980, BayVBl. 1980, 756 und OVG Münster, 13. 12. 1972, DÖV 1973, 279.

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Als Argument für die insgesamt einengende Auslegung des § 146 Abs. 2 VwGO wird verschiedentlich dessen Entstehungsgeschichte angeführt. 24 Nach der amtlichen Begründung 25 sollte das Beschwerderecht der VwGO in enger Anlehnung an §§ 166 ff. V G G 2 6 und §§ 91 ff. VO Nr. 165 27 geregelt werden. § 91 Abs. 2 VO Nr. 165 und § 116 Abs. 2 V G G enthielten zwar eine dem heutigen § 146 Abs. 2 VwGO weitgehend gleiche Aufzählung einzelner, nicht der Beschwerde unterliegender Maßnahmen, nicht jedoch den allgemeinen Beschwerdeausschluß für prozeßleitende Verfügungen. Die entstehungsgeschichtliche Entwicklung aus den genannten Vorläufernormen scheint zwar für einen unter der VwGO gleichbleibend engen Kreis nicht beschwerdefahiger Entscheidungen zu sprechen; auf der anderen Seite darf aber auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Umstände, also in bewußter Abweichung von der engen Fassung des § 116 V G G etwa, den neuen § 146 Abs. 2 VwGO mit dem vom Wortlaut her eindeutig weiteren Begriff der prozeßleitenden Verfügung versehen hat. 2 8 Die extensive Interpretation des § 146 Abs. 2 VwGO stützt sich auf eine weite Auslegung des Begriffs der prozeßleitenden Verfügungen. Nach dieser Auffassung sind die einzelnen in § 146 Abs. 2 VwGO aufgezählten gerichtlichen Entscheidungen lediglich Beispiele für den Oberbegriff der prozeßleitenden Verfügungen. 29 Insbesondere Meissner 30 definiert die prozeßleitenden Verfügungen aus konsequent verfahrensorientierter Sicht, ohne Berücksichtigung ihrer Form, Bedeutung oder Bezogenheit auf subjektive Rechte der Beteiligten. Sie umfassen demnach alle die Maßnahmen, die nicht das Verfahren selbst zum Abschluß bringen. Neben den in § 146 Abs. 2 VwGO im einzelnen aufgezählten Aufklärungsanordnungen, Beweisbeschlüssen, Schlußbestimmungen usw. wurden von der Rechtsprechung bisher u. a. folgende gerichtliche Maßnahmen als nicht selbständige Verfügungen beurteilt: 31 der Entzug des weiteren Vortragsrechts für 24

So beispielsweise OVG Lüneburg, 12. 10. 1960, DVB1. 1960, 862 (863). Regierungsentwurf zur VwGO v. 5. 12. 1957, BT-Drucks. III/55. 26 Für die süddeutschen V G G sei hier nachgewiesen das bayerische Gesetz über die Verwaltungsgerichtsbarkeit v. 25. 9. 1946 (BayGVOBl. 1946, 281 ff.). 27 Verordnung der Britischen Militärregierung Nr. 165 über die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der britischen Zone (Amtsblatt der Britischen Militärregierung in Deutschland, S. 799ff.); in Kraft getreten am 15. 9. 1948. 28 Vgl. hierzu auch Buck , DÖV1964, 537 (538) und Meissner, DVB1.1967,426 (427 f.). 29 So vor allem Buck , DÖV 1964, 537 (538) und Meissner, DVB1. 1967, 426 (427 f.); ähnlich Kopp, VwGO, § 146 Rdnr. 8; in diese Richtung tendiert ebenfalls BayVGH, 20. 7. 1970, V G H n.F. 23, 132 (133f.). 30 Meissner, DVB1. 1967, 426 (427 f.); insofern bereits ähnlich Buck , DVB1. 1964, 537 (538), der ebenfalls betont, daß weder Rangordnung, noch Form, noch Inhalt maßgebliche Kriterien für die Bestimmung der prozeßleitenden Verfügung sind. 25

31 Die Aufzählung erfolgt ohne Anspruch auf Vollständigkeit lediglich mit dem Ziel, die Bestimmungsschwierigkeiten der Praxis von deren Ergebnis her zu illustrieren.

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den Bevollmächtigten eines Beteiligten; 3 2 die Nichtanberaumung eines Verhandlungstermins; 3 3 die A b l e h n u n g des Antrags durch den Vorsitzenden, A k t e n i n die W o h n - oder Geschäftsräume eines Rechtsanwalts zu übergeben 3 4 u n d die Entscheidung nach § 93 V w G O über Trennung oder Verbindung v o n Verfahren. 3 5 Gegen Entscheidungen über die Aussetzung oder das Ruhen des Verfahrens 3 6 hingegen, über die Zurückweisung eines Bevollmächtigten 3 7 oder über die Erteilung v o n Abschriften gemäß § 100 Abs. 2 S. 1 V w G O 3 8 wurde die Beschwerde zugelassen. 2. § 128 Abs. 2 FGO, § 172 Abs. 2 SGG, § 161 Abs. 3 EVwPO § 128 Abs. 2 1. H S F G O stimmt w ö r t l i c h m i t § 146 Abs. 2 V w G O überein; i h m ist lediglich als 2. H S die Gegenausnahme angefügt, daß der Beschwerdeausschluß nicht für die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens g i l t . 3 9 D i e prozeßleitende Verfügung i.S.d. § 128 Abs. 2 F G O hat demzufolge eine entsprechende Auslegung wie die Bestimmung i n § 146 Abs. 2 V w G O erfahren. 4 0 Gleiches gilt für die Parallelvorschrift i n § 172 Abs. 2 S G G . 4 1 32

BayVGH, 14.9. 1972, BayVBl. 1972, 645; str., zur gegenteiligen h.M. vgl. die Nachw. bei Kopp, VwGO, § 146 Rdnr. 8. 33 BayVGH, 23. 4. 1980, BayVBl. 1980,756; BayVGH, 11.8. 1977, BayVBl. 1978,212. 34 OVG Münster, 13. 12. 1972, DÖV 1973, 279; BayVGH, 20. 7. 1970, V G H n.F. 23, 132. 3-5 BayVGH, 11. 10. 1973, BayVBl. 1973, 668. 36 OVG Lüneburg, 12. 10. 1960, DVB1. 1960, 862; V G H Mannheim, 10. 8. 1964, DVB1.1964, 878; OVG Münster, 23. 5. 1962, NJW 1962,1931; dagegen Meissner, DVB1. 1967, 426 und Buck , DVB1. 1964, 537 (538); auch Rosenberg! Schwab, Zivilprozeßrecht, § 62 I I 3 (S. 352), zählen die Aussetzung zu den prozeßleitenden Maßnahmen. 37 V G H Kassel, 19. 5. 1969, VRspr. 21, Nr. 217 (S. 884); BayVGH, 29. 1. 1980, BayVBl. 1980, 221; vgl. auch BVerwG, 4. 7. 1973, E 42, 318. 38 BayVGH, 25. 3. 1983, BayVBl. 1983, 535; ebenso EyermannIFröhler, VwGO, § 100 Rdnr. 6. 39

Diese Gegenausnahme ist dem § 128 Abs. 2 FGO deshalb angefügt worden, weil die Aussetzung für die Beteiligten von so erheblicher Bedeutung ist und ohne Beschwerdemöglichkeit zu einer zeitweisen Versagung des Rechtsschutzes führen könnte. Vgl. Hübschmann IHepp/Spitaler, FGO, § 128 Rdnr. 22; Kühn/Kutter [Hofmann, FGO, § 128 Anm. 2. Im übrigen schreibt der Gesetzgeber damit lediglich die in der VwGO zu dieser Frage herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur fest (vgl. dazu oben unter I I 1 bei Fn. 36). 40 Zu der mit § 146 VwGO übereinstimmenden Auslegung des § 128 FGO vgl. etwa Gräber, FGO, § 128 Rdnrn. 1,9ff.; KühnIKutterIHofmann, FGO, § 128 Anm. 2. Letztere bezeichnen die prozeßleitenden Verfügungen als Entscheidungen, „die unmittelbar den Verlauf des gerichtlichen Verfahrens selbst betreffen und keinen besonders hohen Stellenwert haben". Besonders deutlich wird bei Hübschmann / Hepp/ Spitaler, FGO, § 128 Rdnrn. 20, 22, die Anlehnung an § 146 Abs. 2 VwGO, wenn sie definieren, daß nicht beschwerdefahig nur die gerichtlichen Verfügungen sind, die keine eigene verfahrensrechtliche Regelung gefunden haben und hinsichtlich ihrer Erfordernisse und Bedeutung für den Fortgang des Verfahrens im Range unter den übrigen in Abs. 2 angeführten Maßnahmen prozeßleitender Art liegen. Der BFH, 24. 3. 1981, BStBl. I I S. 475, weist

§ 3 Vergleichbare Regelungen

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Insgesamt ist festzuhalten, daß die Anwendung des Beschwerdeausschlusses über die Klausel der prozeßleitenden Verfügung in FGO und SGG ebenso wie in der VwGO zurückhaltend gehandhabt wird. 4 2 In den Entwurf einer Verwaltungsprozeßordnung 43 wurde mit § 161 Abs. 3 eine den § 146 Abs. 2 VwGO und § 128 Abs. 2 1. HS FGO fast wörtlich wiedergebende und somit inhaltlich auch mit § 172 Abs. 2 SGG übereinstimmende Regelung aufgenommen. Die einzige Veränderung gegenüber den vorhandenen Bestimmungen in den Prozeßordnungen der drei Verwaltungsgerichtsbarkeiten besteht in der Erweiterung des Katalogs nicht beschwerdefahiger Entscheidungen um die „Aufhebung und Verlegung von Terminen". Der 2. HS des § 128 Abs. 2 FGO über die Anfechtbarkeit der Aussetzungsentscheidung wurde nicht in § 161 Abs. 3 EVwPO übernommen, da er für entbehrlich gehalten wurde. 44 3. § 305 StPO Die Genese des § 44a VwGO weist — wie oben gezeigt — auf dem Umweg über § 47 OWiG auf § 305 StPO hin. § 305 S. 1 StPO enthält zu der allgemeinen Regel des § 304 StPO, welcher die grundsätzliche Beschwerdefahigkeit gerichtlicher Entscheidungen in den Tatsacheninstanzen anordnet, die Ausnahme, daß „Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen", nicht der Beschwerde unterliegen. Die Gegenausnahme dazu findet sich im S. 2 des § 305 StPO, der die Beschwerde gegen einige, einzeln aufgezählte gerichtliche Maßnahmen sowie allgemein durch Dritte zuläßt. Während die Motive den §305 StPO mit dem Schutz von Aufgabe und Stellung des Gerichts erster Instanz vor einem damit unvereinbaren Eingreifen seitens des höheren Gerichts in das noch laufende Verfahren begründen, 45 wird heute die ratio des § 305 StPO in den Erfordernissen der Prozeßökonomie, insbesondere dem Schutz vor Verfahrensverzögerungen gesehen.40 Entscheiausdrücklich auf die gleichartigen Regelungen in § 128 Abs. 2 FGO, § 146 Abs. 2 VwGO und § 172 Abs. 2 SGG hin und betrachtet dementsprechend als prozeßleitende Verfügungen nur die Entscheidungen, „die unmittelbar den Verlauf des gerichtlichen Verfahrens selbst betreffen", sofern sie darüber hinaus „keinen besonderen Stellenwert haben." 41 Dazu Meyer-Ladewig, SGG, § 172 Rdnr. 6; Peters / Sautter / Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, §172 Anm. 4b; Rohwer / Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, § 172 Rdnr. 27, mit Beispielen zu den deshalb nicht beschwerdefahigen Verfügungen. 42 Vgl. dazu die Nachw. oben in Fn. 40 und 41, insbes. Hübschmann / Hepp/ Spitaler, FGO, § 128 Rdnr. 22 und BFH, 24.3.1981, BStBl. I I S. 475 (477). 43 EVwPO, BR-Drucks. 100/82; näher zu diesem Entwurf unten in § 16 I. 44 So die amtliche Begründung zu § 161 Abs. 3 EVwPO, BR-Drucks. 100/82, S. 160. 45 Dieser Teil der Motive ist wiedergegeben bei Löwe/RosenbergIGollwitzer, StPO, §305 Rdnr. 1. 46 Löwe /Rosenberg/ Gollwitzer, StPO, §305 Rdnr. 3 nennt: „Beschleunigung und Konzentration des Hauptverfahrens, Verhinderung der Verfahrensverschleppung durch

3 Eichberger

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düngen, die im inneren Zusammenhang mit dem nachfolgenden Urteil stehen, dessen Vorbereitung dienen und bei dessen Erlaß durch das Gericht nochmals überprüft werden, sollen nur mit dem Rechtsmittel gegen das Urteil und nicht selbständig angefochten werden können; so der Grundgedanke des §305 StPO. 47 Die Beschwerdegründe aus den vorbereitenden Maßnahmen können also zusammen mit der Anfechtung des Urteils geltend gemacht und so der Kontrolle durch das Rechtsmittelgericht unterstellt werden. 45 Der weite Wortlaut des § 305 S. 1 StPO ist nach übereinstimmender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum restriktiv auszulegen.49 Danach wird § 305 S. 1 StPO nur auf die Entscheidungen des erkennenden Gerichts angewandt, die der Urteilsfallung zeitlich vorausgehen, im inneren Zusammenhang mit ihr stehen, lediglich deren Vorbereitung dienen und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußern. 50 Ungeachtet der Einigkeit im Grundsatz ist die Reichweite des § 305 S. 1 StPO im einzelnen umstritten. 51 Anlaß und Gegenstand der Anwendungsprobleme sind dabei besonders die Fragen, wann konkret eine gerichtliche Maßnahme eine „weitere Verfahrenswirkung" äußert und — damit zusammenhängend — wann sie vollendete Tatsachen schafft, die im Wege der Anfechtung des Urteils nicht mehr korrigiert werden können. Das Abstellen der Strafprozeßrechtspraxis auf die genannten Kriterien bedingt freilich eine Loslösung von der eindeutig verfahrensbezogenen Sichtweise des § 305 StPO hin zur Anknüpfung an inhaltliche Merkmale. Die Zulässigkeit der Beschwerde hängt nun nicht mehr allein von der prozessualen Einordnung der betreffenden gerichtlichen Maßnahme, sondern von deren konkreten Inhalt ab. Darin liegt im Grunde ein systematischer Bruch. Augenfällig wird die Problematik anhand des Streites um die Aussetzung der Hauptverhandlung. Von einer verbreiteten Auffassung wird die Beschwerde gegen die Anordnung der Beschwerdeeinlegung"; zustimmend Schlüchter, Das Strafverfahren, Rdnr. 656 (S. 711); ähnlich Roxin, Strafverfahrensrecht, § 54 Β I I 2a (S. 319). 47

So bereits die Motive zu § 305 StPO (wiedergegeben bei Löwe /Rosenberg / Gollwitzer, StPO, § 305 Rdnr. 1). Dieser Gedanke zur Begründung der ratio des § 305 StPO wurde von Rspr. und Lit. allgemein übernommen: vgl. Kleinknecht, StPO, § 305 Rdnr. 1; OLG Frankfurt, 12. 6. 1972, GA 1973, 51; OLG Stuttgart, 6. 2.1976, NJW 1976,1647; OLG Celle, 12. 11. 1970, NJW 1971, 256 (257); BayOblG, 1. 8. 1956, NJW 1957, 272 (273). 48

Auf diesen den § 305 StPO rechtfertigenden Gesichtspunkt weisen u. a. hin: OLG Celle, 12. 11. 1970, NJW 1971, 256 (257); BayOblG, 1. 8. 1956, NJW 1957, 272 (273); O L G Frankfurt, 12. 6. 1972, GA 1973, 51; O L G Stuttgart, 6. 2. 1976, NJW 1976,1647; Löwe/Rosenberg/Gollwitzer, StPO, §305 Rdnr. 3. 49 Vgl. nur Löwe/ Rosenberg/ Gollwitzer, StPO, §305 Rdnrn. 2, 12 sowie OLG Frankfurt, 12. 6. 1972, GA 1973, 51; ferner die amtliche Begründung zu § 50 EOWiG ( = §62 OWiG 1968) in BT-Drucks. V/1269 (S. 89). 50 So Löwe/ Rosenberg/ Gollwitzer, StPO, §305 Rdnrn. 11, 12; Schlüchter, Das Strafverfahren, Rdnr. 656 (S. 711); Kleinknecht, StPO, § 305 Rdnr. 3; aus der Rspr. u.a.: O L G Frankfurt, 12. 6. 1972, G A 1973, 51 f.; O L G Hamburg, 5. 12. 1968, JZ 1969, 241. 51 Vgl. Roxin, Strafverfahrensrecht, § 54 Β I I 2a (S. 319); zu einzelnen Streitfällen Schlüchter, Das Strafverfahren, Rdnrn. 657ff. (S. 712ff.); vgl. auch die Beispiele u. Nachw. bei Löwe/ Rosenberg ! Gollwitzer, StPO, §305 Rdnrn. 14 ff.

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Aussetzung dann für ausgeschlossen erachtet, wenn die Maßnahme der weiteren Sachaufklärung dienen soll, und nur dann stehe sie im Dienste der Urteilsvorbereitung. Beschwerdefahig sei die Aussetzungsanordnung hingegen dann, wenn sie als Mittel zu besseren Sachverhaltsermittlung von vornherein ungeeignet erscheint oder wenn sie ohne sachlichen Grund rechtlich fehlerhaft angeordnet wurde. 52 Nach dieser Auffassung hängt die Zulässigkeit der Beschwerde gegen eine gerichtliche Entscheidung, die nach ihrer prozessualen Struktur und Wirkungsweise jeweils gleich zu beurteilen ist, von Gründen ab, welche eigentlich Fragen der Begründetheit der Beschwerde betreffen. 53 Bei der Bestimmung des Begriffs der Verfahrenshandlung i. S. d. § 44a VwGO werden die hier angesprochenen Unzulänglichkeiten im Auge zu behalten sein mit dem Ziel, ohne Rückgriff auf vergleichbare inhaltliche Kriterien auszukommen. 4. Bedeutung für § 44a VwGO In den Kommentierungen zu §44a VwGO wird vereinzelt auf dessen Verwandtschaft zu § 146 Abs. 2 VwGO hingewiesen.54 Kopp geht dabei so weit, den umfassenden Rückgriff auf die zu § 146 VwGO entwickelten Grundsätze bei der Auslegung und Anwendung des § 44a VwGO zu empfehlen. In den bisher zu §44a VwGO veröffentlichten Entscheidungen55 wurde aber noch in keinem einzigen Fall auf Grundsätze, Literaturauffassungen oder Gerichtsentscheidungen aus dem Rechtskreis des § 146 Abs. 2 VwGO oder dem der anderen Parallelvorschriften des Prozeßrechts zur Stützung der betreffenden Entscheidung abgehoben.56 Dies spricht dafür, daß die Gerichte dem Transfer prozessualen Gedankenguts in das Verfahrensrecht jedenfalls in diesem Punkt äußerst reserviert gegenüberstehen. Dafür gibt es gute Gründe. In der Zwecksetzung — Unterbindung von Verfahrensverzögerungen — entsprechen sich, wie Kopp und Stelkens zutreffend bemerken, 57 § 44a und § 146 Abs. 2 VwGO ebenso wie die anderen im Vorausgegangenen geschilderten Prozeßnormen. Im übrigen aber sind Gegenstand und Inhalt der Vorschriften so 52 Für eine solche Differenzierung: Löwe/Rosenberg/ Gollwitzer, StPO, §305 Rdnr. 16; Schlüchter, Das Strafverfahren, Rdnr. 657 (S. 712) m.w. Nachw. zur Rspr.; OLG Stuttgart, 17. 7.1973, NJW 1973, 2309. Für Beschwerdefähigkeit jeder Aussetzungsanordnung hingegen Roxin, Strafverfahrensrecht, §54 Β I I 2c (S. 319); O L G Frankfurt, 12. 6. 1972, GA 1973, 51 (52). 53 Auf diesen dogmatischen Fehler weist zu Recht O L G Frankfurt, 12. 6. 1972, G A 1973, 51 (52) hin. 54 Kopp, VwGO, § 44a Rdnrn. 1 f.; ders., VwVfG, § 97 Rdnr. 6; Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 97 Rdnr. 6; zurückhaltender Redekerlv. Oertzen, VwGO, § 44a Anm. 1. 55 Vgl. hierzu die Zusammenstellung unten in § 10 I I 4. 56 Lediglich der V G H Mannheim, 10. 2. 81, BWVPr. 1981,147, hat den § 44a als dem § 146 Abs. 2 VwGO nachgebildet bezeichnet, ohne allerdings daraus Schlußfolgerungen für die Entscheidung des anhängigen Rechtsstreits zu ziehen. 57 s. oben die Nachw. in Fn. 54.

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

unterschiedlich, daß die Verwertung der aus dem prozessualen Bereich gewonnenen Erkenntnisse für § 44a VwGO nicht pauschal sondern lediglich für jeden Einzelfall und auch dann nur unter sorgfaltiger Beachtung der — im folgenden aufzuzeigenden — strukturellen Differenzen erfolgen kann. Der erste grundlegende Unterschied zwischen § 44a und § 146 Abs. 2 VwGO liegt darin, daß ersterer auf das Verwaltungsverfahren bezogen ist, letzterer hingegen ausschließlich das Verwaltungsstreitverfahren betrifft. Beide Vorschriften schließen den selbständigen Rechtsschutz gegen die Sachentscheidung nur vorbereitende Maßnahmen 58 aus. Der verschiedenartige Bezugspunkt und der damit einhergehende unterschiedliche Stellenwert, den das generelle Normziel „Verfahrensökonomie" in den beiden Verfahrensarten einnimmt, kann nicht ohne Auswirkungen auf die Interpretation so offener Begriffe wie „Verfahrenshandlung" und „prozeßleitende Verfügung" bleiben. 59 Die Verfahrensgeschwindigkeit als eine wenn auch nicht die einzige Komponente von Verfahrenseffizienz 60 besitzt in dem nicht nur auf Eingriff sondern mehr noch auf Leistung, Gestaltung, Chancenverteilung, Planung und vielfaltige andere Aufgabentypen ausgelegten Verwaltungsverfahren, 61 besonders auch unter dem Aspekt der Massenverfahren, 62 naturgemäß eine erheblich höhere Priorität als sie ihr im gerichtlichen Verfahren zukommt. Dem rechtsschutzsuchenden Bürger erscheint es grundsätzlich eher zumutbar, die Sachentscheidung, die das Verwaltungsverfahren abschließt, ohne vorherige Klagemöglichkeit abzuwarten, wenn danach, falls ihm diese Sachentscheidung ungerechtfertigt vorkommt, noch der gesamte Verwaltungsrechtsweg offensteht, als wenn er sich bereits in dem Prozeß gegen eine ihm mißliebige Verwaltungsentscheidung, also in einem Streitverfahren befindet. Neben den strukturellen finden sich aber auch in der inhaltlichen Ausgestaltung der betreffenden Normen nicht unwesentliche Unterschiede. Das RegelAusnahmeverhältnis ist umgekehrt. § 44a S. 1 VwGO schließt für den Regelfall die Anfechtung der Verfahrenshandlungen aus und erlaubt in seinem Satz 2 zwei 58

Für den hier zur Diskussion stehenden Vergleich der beiden Normen wurde dieser noch bewußt unscharfe, insofern aber auch beiden Vorschriften sowie der hier gestellten Aufgabe genügende Arbeitsbegriff zur Umschreibung der gemeinsamen Grundlage für Verfahrenshandlung und prozeßleitende Verfügung gewählt. 59 Zu den Unterschieden zwischen Prozeß- und Verwaltungsverfahren vgl. bereits oben (Fn. 10) die ausführlichen Schrifttumsnachweise. 60 Eingehend zu diesem Begriff Wahl, VVDStRL 41 (1983), 153 (162); Pietzcker, VVDStRL 41 (1983), 194 (196); vgl. ferner die w. Nachw. zu diesem Thema oben in Fn. 19 zu §2. 61 Vgl. hierzu Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, §1, 4 (S. 43 ff.); Wolff/ Bachof Verwaltungsrecht I, §3 I (S. 18ff.); v. Münch, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 2 I. 62 Zu diesem Phänomen UleILaubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 45 (S. 210 ff.); dort auch zu dem hier in besonderer Weise auftauchenden Zeitproblem.

§ 3 Vergleichbare Regelungen

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generelle Ausnahmen davon. Die prozessualen Parallelvorschriften drehen dieses Verhältnis um. Die darin zum Ausdruck kommende unterschiedliche Einstellung der Gesetze zum Rechtsschutz des Betroffenen im Prozeß gegenüber dem im Verwaltungsverfahren kann ebenfalls nicht ohne Einfluß auf den jeweiligen Anwendungsbereich der Vorschrift bleiben. Schließlich ist die Regelung des Problems in der VwGO ebenso wie in SGG, FGO und StPO ungleich differenzierter als in § 44a VwGO ausgestaltet. Neben den prozeßleitenden Verfügungen im allgemeinen63 sind in § 146 Abs. 2 VwGO, aber darüber hinaus auch in zahlreichen Einzelbestimmungen der V w G O 6 4 , verschiedene gerichtliche Entscheidungen im einzelnen als nicht beschwerdefähig genannt. Auf der anderen Seite läßt die VwGO gegen eine Reihe von Gerichtsentscheidungen, die durchaus einem weitverstandenen Begriff der prozeßleitenden Verfügungen eingeordnet werden könnten, die Beschwerde ausdrücklich zu oder jedenfalls deren Beschwerdefahigkeit eindeutig erkennen. 65 Von besonderem Interesse für den Vergleich mit dem Verwaltungsverfahren und der für dieses in § 44a VwGO getroffenen Regelung sind daraus: die Erklärung eines Ablehungsgesuchs als unbegründet (§ 54 VwGO i. V. m. § 46 Abs. 2 ZPO); die Ablehnung der Wiedereinsetzung (Gegenschluß zu § 60 Abs. 5 VwGO); die Ablehnung der Beiladung (Gegenschluß zu § 65 Abs. 3 S. 3 VwGO) oder die Verweigerung der Akteneinsicht (§ 99 Abs. 2 VwGO). Angesichts einer derart differenzierten Ausgestaltung des Beschwerderechts, die sich in vergleichbarer Weise in SGG, FGO und auch in der StPO findet, 66 steht die Interpretation der allgemeinen Beschwerdeausschlußklauseln im Prozeßrecht von vornherein unter einem anderen Vorzeichen als die Auslegung der umfassenden Regelung in § 44a VwGO. Mit den aufgezeigten Unterschieden ist zur Genüge dargetan, daß sich die zu den prozessualen Parallelvorschriften entwickelten Grundsätze nicht unbesehen auf § 44a VwGO übertragen lassen. Ein Beispiel mag das noch verdeutlichen: Sowohl im Verwaltungs- als auch im Strafprozeß war die Beschwerdefähigkeit der gerichtlichen Aussetzungsentscheidung sub specie § 146 Abs. 2 VwGO bzw. 63 Dabei spielt für den vorliegenden Zusammenhang die umstrittene Frage, ob es sich hier um einen Oberbegriff des Abs. 2 von § 146 VwGO oder um einen Teil seiner Aufzählung handelt (s. o. Fn. 29), keine Rolle. 64 Vgl. dazu die Aufzählung bei Eyermann / Fröhler, VwGO, § 146 Rdnr. 4; Redekerj v. Oertzen, VwGO, § 146 Rdnr. 6. 65 Einen Überblick über die beschwerdefähigen Gerichtsentscheidungen bieten Ey ermann I Fröhler, VwGO, §146 Rdnr. 3; Kopp, VwGO, §146 Rdnr. 6; Redekerj v. Oertzen, VwGO, § 146 Rdnrn. 3 f. 66 Für die StPO vgl. etwa die Aufzählung in § 305 S. 2; eine Aufzählung der nach der FGO ausdrücklich nicht anfechtbaren Entscheidungen findet sich bei Hübschmann j Hepp / Spitaler, FGO, § 128 Rdnr. 17 und desgl. für die Sozialgerichtsbarkeit bei Rohwer / Kahlmann, Aufbau und Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit, §172 Rdnr. 10.

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

§305 S. 1 StPO umstritten. 67 Wichtiges Argument für die Zulassung der Beschwerde gegen die Aussetzungsentscheidung, wie sie sich schließlich allgemein durchgesetzt hat, war der Gedanke, daß ansonsten dem Kläger bzw. Angeklagten gegen die Verzögerung des Rechtsschutzes bzw. des erwarteten Urteils kein effektives Rechtsmittel zur Verfügung stehen würde, da die verlorene Zeit sich auch in der Rechtsmittelinstanz nicht mehr beibringen läßt. I m Verwaltungsverfahren greift diese Erwägung hingegen nicht durch, denn hier steht dem Bürger gegen die untätige Behörde die Klage nach § 75 VwGO zur Verfügung. I m Gegensatz zur prozessualen Lösung bestehen daher für den Bereich des § 44a VwGO —jedenfalls unter diesem Aspekt — keine grundsätzlichen Bedenken dagegen, die Aussetzungsentscheidung einer Verwaltungsbehörde 6 8 als Verfahrenshandlung i.S.d. §44a S. 1 VwGO zu beurteilen. Läßt man die geschilderten Unterschiede zwischen prozessualer und verwaltungsverfahrensrechtlicher Rechtsschutzkonzentration nicht außer acht, so erlaubt es die gemeinsame Zielsetzung der Bestimmungen dennoch, Erkenntnisse, die Rechtsprechung und Wissenschaft zu den Prozeßrechtsnormen gewonnen haben, auch für die Auslegung des § 44a VwGO fruchtbar zu machen. Wichtig ist dabei lediglich die stete Beachtung der geschilderten Unterschiede. Sofern diese Ausdruck spezifischer Verfahrensbesonderheiten der einen oder der anderen Verfahrensart sind, scheidet eine Parallele in der betreffenden Frage aus. Für § 44a VwGO läßt sich der Erörterung der prozessualen Vorschriften jedenfalls die allgemeine Erkenntnis entnehmen, daß sich für diese alle eine insgesamt deutlich restriktive Interpretation des Beschwerdeauschlusses für prozeßleitende Verfügungen durchgesetzt hat. 6 9 Ob auch §44a VwGO einer solchen Auslegung bedarf, wie vielfach gefordert wird, 7 0 wird im folgenden eingehend zu untersuchen sein.

67

Im Bereich der VwGO halten die Aussetzungsentscheidung für anfechtbar: OVG Lüneburg, 12. 10. 1960, DVB1.1960,862; V G H Mannheim, 10. 8. 1964, DVB1.1964,878; OVG Münster, 23. 5. 1962, NJW 1962, 1931; Kopp, VwGO, §94 Rdnr. 7; Redekerlv. Oertzen, VwGO, §94 Rdnr. 4; Eyermann!Fröhler, VwGO, §94 Rdnr. 12; SchunckjDe Clerck, VwGO, §94 Anm. le; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, §64 I l a (S. 340f.); die Gegenansicht vertreten Buck, DÖV 1964, 537 (538 f.); Meissner, DVB1.1967,426 (427 f.). Für die StPO vgl. die Darstellung des Streitstandes zu dieser Frage oben unter I I 3. 68 Zur Übertragbarkeit dieser Rechtsfigur auf das Verwaltungsverfahren vgl. Kopp, VwVfG, Vorbem. § 9 Rdnr. 18; zurückhaltender hierzu Finkelnburg/ Lässig, VwVfG, § 10 Rdnrn. 11 ff. 69 70

Vgl. dazu oben im Text unter I I 1-3. Die Darstellung des Meinungsstandes zu dieser Streitfrage findet sich unten in § 14.

§ 4 § 44a VwGO als Ausdruck eines früheren Rechtsgrundsatzes

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§ 4 § 44a VwGO als Ausdruck eines bereits früher geltenden Rechtsgrundsatzes I. Meinungsstand 1. These vom „allgemeinen Rechtsgrundsatz" Schon in seiner ersten Entscheidung zu § 44a VwGO vom 12. 4.1978 hat das BVerwG 1 die Auffassung vertreten, daß diese Bestimmung „lediglich Ausdruck eines bereits früher geltenden Rechtsgrundsatzes" sei, „wonach behördliche Verfahrenshandlungen, die in einem laufenden Verwaltungsverfahren gegenüber einem Verfahrensbeteiligten ergingen und nicht gesondert vollstreckbar waren, nicht selbständig mit Rechtsbehelfen angefochten werden konnten." Bereits vor Inkrafttreten des § 44a VwGO habe es den allgemeinen Grundsätzen der Prozeßökonomie entsprochen, „daß, vorbehaltlich gesetzlicher Regelung, nicht einzelne Verfahrensabschnitte für sich zum Gegenstand eines gesonderten Rechtsbehelfsverfahrens gemacht werden konnten, wenn es dem Betroffenen zuzumuten war, das Verfahrensergebnis abzuwarten und Rechtsschutz erst dagegen in Anspruch zu nehmen." 2 Da §44a VwGO auf den damals vom BVerwG entschiedenen Fall — den Streit um das Akteneinsichtsrecht des Klägers im Rahmen eines Musterungsverfahrens — noch nicht anwendbar war, mußte das BVerwG seine Entscheidung auf diesen — behaupteten — allgemeinen Grundsatz stützen. In einer nahezu gleichzeitig mit der des BVerwG ergangenen Entscheidung bezeichnete das V G Köln den § 44a VwGO als „allgemeinen Grundsatz der Prozeßökonomie". 3 Und auch der BayVGH 4 befand anläßlich des Streites über das Akteneinsichtsrecht in einem Planfeststellungsverfahren, daß § 44a VwGO den bereits früher geltenden Rechtsgrundsatz zum Ausdruck bringe, wonach im wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten an einer Straffung des Rechtsschutzes und Konzentration desselben auf die Sachentscheidung, die verfahrensleitenden Zwischenentscheidungen nicht in gesonderten, selbständigen Prozessen angefochten und eingeklagt werden könnten. Im Schrifttum ist es vor allem Kopp, der in § 44a VwGO im wesentlichen die gesetzliche Festschreibung eines schon vor dem 1.1.1977, also vor Inkrafttreten des §44a VwGO, geltenden Rechtsgrundsatzes sieht, nach dem bestimmte Verfahrenshandlungen mangels Rechtsschutzbedürfnisses nicht isoliert ange-

1

BVerwG, BayVBl. 1978, 444f., insoweit in NJW 1979, 120 nicht abgedruckt. Das BVerwG beruft sich bei seiner Feststellung auf die Kommentare zur VwGO von Ey ermann/ Fröhler und Kopp. 2 BVerwG, 12. 4. 1978, BayVBl. 1978, 444 (445). 3 V G Köln, 2. 5. 1978, NJW 1978, 1397. 4 BayVGH, 26. 7. 1978, BayVBl. 1978, 763.

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

fochten werden können.5 Eyermann I Fröhler 6 behaupten gar, die Vorschrift des § 44a VwGO ändere im Grunde nichts; sie gebe nur wieder, „was schon seither als Rechtens gehandhabt wurde." Wenn auch in der Regel nicht so weit gehend, steht doch die überwiegende Meinung im Schrifttum 7 auf demselben Standpunkt vom mehr oder minder deklaratorischen Charakter des §44a VwGO, wobei die dogmatische Brücke zum früheren Rechtszustand zumeist über das fehlende Rechtsschutzbedürfnis 8 für die selbständige Anfechtung solcher Verfahrenshandlungen geschlagen wird. 2. Gegenansicht Der Gesetzgeber allerdings hat § 44a VwGO offensichtlich nicht bloß zur Fort- oder Festschreibung eines schon bestehenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes über das Verwaltungsverfahrensgesetz in die Verwaltungsgerichtsordnung aufgenommen, denn in der amtlichen Begründung zu § 97 VwVfG 9 geht er mit keinem Wort auf eine solche Rolle dieser Vorschrift ein. Im übrigen finden sich im rechtswissenschaftlichen Schrifttum auch einige Stimmen, die die These vom „allgemeinen Rechtsgrundsatz" ablehnen. 10 Pagenkopf 11 etwa bestreitet ausdrücklich das Bestehen eines dem § 44a VwGO entsprechenden allgemeinen Rechtsgrundsatzes; ein solcher könne durch die nur gelegentliche und ausgesprochen einzelfallbezogene Rechtsprechung des BVerwG nicht belegt werden.

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Kopp, VwGO, § 44a Rdnrn. 1,2; ders., VwVfG, § 97 Rdnr. 4; so bereits auch ders. in seiner Habilitationsschrift, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 233; ebenso ders., NJW 1976, 1961 (1966f.). 6 Eyermann!Fröhler, VwGO, § 44a Rdnr. 2. 7 In diesem Sinne neben den bereits in Fn. 5 und 6 Genannten: Badura, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 41 I I I 2 (S. 370); Habermehl, JA Üb 1983, 21 (23); Knack j Busch, VwVfG, §97 Rdnr. 4.3; Schenke, BK, Art. 19 Abs. 4 GG Rdnr. 138; Redekerlv. Oertzen, VwGO, §44a Rdnr. 1; Stelkens / Bonk /Leonhardt, VwVfG, §97 Rdnrn. 6, 9; Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, S. 111. Maurer (Allgemeines Verwaltungsrecht, §19 Rdnr. 26), Schmidt (JuS 1982, 745, 747) und TschiraI Schmitt Glaeser (Verwaltungsprozeßrecht, S. 68) verweisen zwar nicht auf einen schon bestehenden Rechtsgrundsatz, sehen in § 44a VwGO aber die gesetzliche Festschreibung einer Fallgruppe fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses. Meyer j Borgs, VwVfG, §97 Rdnr. 18, mißt dem §44a VwGO nur für die Verfahrenshandlungen konstitutive Bedeutung bei, die Verwaltungsakte sind. 8

Unter dieser Rubrik verorten den § 44a VwGO etwa Kopp (s. o. Fn. 5); Eyermann I Fröhler (s.o. Fn. 6) sowie Stern, Schmidt, Maurer und Tschira I Schmitt Glaeser (s. o. Fn. 7). 9 Vgl. BT-Drucks. 7/910 zu §92 Nr. 2 EVwVfG 1973, S. 97f. 10 So Pagenkopf, NJW 1979, 2382 (2383); Seilner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rdnr. 143; Deppen, Beteiligungsrechte des Bürgers, S. 236; zweifelnd auch Brodersen, JuS 1979, 197. 11 NJW 1979, 2382 (2383).

§ 4 § 44a VwGO als Ausdruck eines früheren Rechtsgrundsatzes

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3. Bedeutung der Streitfrage Der aufgezeigte Diskussionsstand und vor allem die Tatsache, daß sich bei den Protagonisten der Idee des allgemeinen Rechtsgrundsatzes außer der Behauptung in der Regel kaum Nachweise aus Rechtsprechung und Schrifttum zum Beleg derselben finden lassen,12 gestatten es nicht, der herrschenden Meinung unbesehen zu folgen. Auf der anderen Seite ist es für die Gesamtbewertung des §44a VwGO — gerade auch mit Blick auf seine Rechtfertigung gegenüber der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG — durchaus erheblich, ob die Vorschrift einen bestehenden Rechtszustand lediglich deklaratorisch festschreibt, oder ob sie dem Verfahrensrechtsschutz neue Grenzen setzt und so ein gewisses Gegensteuern des Gesetzgebers gegen eine seinerseits befürchtete Überbewertung des Verfahrensrechts signalisiert. I m übrigen ist die Erarbeitung der älteren zu diesem Rechtsbereich einschlägigen Rechtsprechung und auch Literatur für die Auslegung, Anwendung und dogmatische Einordnung des § 44a VwGO im Wege des bestätigenden Vergleichs oder auch des Gegenschlusses hilfreich, wenn nicht gar notwendig. II. Rechtszustand vor 1977 — dargestellt anhand von Fallgruppen Die Suche nach den einschlägigen Gerichtsentscheidungen 13 muß sich entsprechend dem Untersuchungsziel danach richten, in welchen Fällen Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen im Hinblick auf den möglichen Rechtsschutz gegen die noch ausstehende Sachentscheidung als unzulässig zurückgewiesen wurden. Ob es sich bei den so gefundenen behördlichen Maßnahmen letztendlich stets um Verfahrenshandlungen i.S.d. §44a VwGO handelt, muß an dieser Stelle noch offen und einer späteren eingehenden Klärung vorbehalten bleiben. 14 Der Überblick über die solcher Art für nicht selbständig anfechtbar erklärten Verfahrenshandlungen zeigt, daß nicht das gesamte Spektrum der Verfahrenshandlungen, 15 sondern nur einige Problemkreise daraus zum Gegen12 Das BVerwG etwa (12. 4. 1978, BayVBl. 1978, 444) beruft sich lediglich auf die Entscheidung des Ο VG Bremen vom 11. 11. 1975 (NJW 1976,770) — näher dazu sub I I 4a —; auch das V G Köln (2. 5. 1978, NJW 1978, 1397) stützt sich allein auf dieselbe Entscheidung des OVG Bremen und der BayVGH (26. 7. 1978, BayVBl. 1978, 763, 764) wiederum begnügt sich mit dem Hinweis auf die hier genannten Entscheidungen des BVerwG und des V G Köln. Auch im Schrifttum finden sich kaum weitergehende Belege; lediglich Kopp (s.o. Fn. 5) zählt mehrere seines Erachtens einschlägige Gerichtsentscheidungen auf. 13 An dieser Stelle soll und kann keine erschöpfende Darstellung der Rechtsprechung zum Rechtsschutz gegen Verfahrenshandlungen erfolgen. Zur Beantwortung der Frage nach dem allgemeinen Grundsatz genügt ein Überblick über die wichtigsten Fallgruppen, wobei im wesentlichen die Judikate seit Inkrafttreten der VwGO berücksichtigt werden. 14 s. dazu unten § 10. 15 Vgl. die Zusammenstellung der von Literatur und Rechtsprechung als Verfahrens-

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

stand gerichtlicher Auseinandersetzung und damit Grundlage und Nachweis des behaupteten allgemeinen Grundsatzes wurden. Demgemäß bietet sich die Darstellung der einschlägigen Rechtsprechung in Fallgruppen an. Die gesonderte Darstellung des Meinungsstandes im Schrifttum aus der Zeit vor 1977 erübrigt sich hingegen. Soweit rechtswissenschaftliche Äußerungen zu den einzelnen Fallgruppen vorliegen, werden sie im Zusammenhang mit jenen abgehandelt werden. Im übrigen sind die generellen Aussagen zur vorliegenden Frage in der Literatur zum Prozeßrecht und zum allgemeinen Verwaltungsrecht unergiebig, denn die vorbereitenden Behördenhandlungen wurden dort ganz in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerwG ausschließlich unter dem Gesichtspunkt ihrer Verwaltungsaktsqualität problematisiert und erörtert. 16 Auf das Anliegen des §44a VwGO, den Schutz und die Straffung des Verwaltungsverfahrens durch den Ausschluß selbständiger Rechtsbehelfe gegen die Sachentscheidung, wurde das Augenmerk dagegen nicht gerichtet. Î. Aufklärungsanordnungen a) Eine der umfangreichsten Fallgruppen betrifft die Anordnung der Straßenverkehrsbehörde an den Bürger, ein bestimmtes Gutachten zum Nachweis seiner Fahreignung beizubringen. Die Anordnungen nach § 3 Abs. 2, § 12 Abs. 1 und § 15b Abs. 2 StVZO dienen der Sachaufklärung im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens, dessen Ziel die eingeschränkte Zulassung zum Straßenverkehr bzw. die Entziehung oder gegebenenfalls eingeschränkte (Wieder-) Erteilung der Fahrerlaubnis ist. Inwieweit der betroffene Bürger eine solche Anordnung gesondert anfechten kann, war in Rechtsprechung und Literatur lebhaft umstritten. Angelpunkt der Diskussion war dabei jedoch nahezu ausschließlich die Frage nach der Verwaltungsaktsqualität der jeweiligen Anordnung der Straßenverkehrsbehörde. Zunächst wurde in zahlreichen verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen17 handlungen im Sinne des § 44a VwGO qualifizierten behördlichen Maßnahmen unten in § 10 I I 4 und I I I 5. 16 Aus dem relevanten Zeitraum vgl. etwa: Forsthoff \ Allgemeines Verwaltungsrecht I, 8. Aufl. 1961, § 11, 1 (S. 183); Klinger, VwGO, 2. Aufl. 1964, §42 Anm. E Id; Koehler, VwGO, §42 Anm. A I I I 7 (S. 248); Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, 3. Aufl. 1976, S. 53 f. Schon unter Bezugnahme auf den künftigen §44a VwGO dagegen Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 233. 17 So V G H München, 24. 11. 1965, NJW 1966, 2030 mit kritischer Anm. Renck, BayVBl. 1967,127; V G H Kassel, 25. 1. 1967, NJW 1967,1527; OVG Münster, 8. 6. 1967, NJW 1968,267; OVG Koblenz, 17. 1. 1968, D A R 1968,138; OVG Lüneburg, 8. 2. 1968, NJW 1968,2310; OVG Hamburg, 22. 3. 1968, D A R 1968, 338 f. Diese Auffassung teilen: Selmer, NJW 1967,1527 (1528 f.); Bouska, D A R 1964,145 (147), der es aber prozeßökonomisch für zweckmäßiger hält, die Anordnung nur inzident im Zusammenhang mit der Sachentscheidung anzugreifen; Schweickhardt, DÖV 1968, 288, läßt offen, ob es sich um einen Verwaltungsakt handelt, will aber jedenfalls selbständigen Rechtsschutz gegen die Anordnung gewähren.

§ 4 § 44a VwGO als Ausdruck eines früheren Rechtsgrundsatzes

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die Auffassung vertreten, die Aufforderung an den Bürger, ein medizinischpsychologisches oder fachärztliches Gutachten zur Vorbereitung der Sachentscheidung beizubringen, sei ein selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt. Die Begründung dafür stützte sich im wesentlichen auf die Erwägung, daß die jeweilige Aufklärungsanordnung einen Verwaltungsbefehl gegenüber dem betroffenen Bürger enthalte, der wegen seines Inhalts, sich einer Begutachtung unterziehen zu müssen, in dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht, seine Intimsphäre, eingreife. Daß die Aufklärungsanordnung nicht vollstreckbar sei, stehe ihrer Einschätzung als Verwaltungsakt nicht entgegen, denn zum einen sei die Vollstreckbarkeit kein notwendiges Kriterium für einen Verwaltungsakt, zum anderen folge die Verbindlichkeit der Anordnungen aus den Konsequenzen, die sich aus deren Nichtbefolgung ergeben. Ihr Verwaltungsaktscharakter zeige sich schließlich auch darin, daß der jeweiligen Anordnung keineswegs notwendig eine Endentscheidung in Form der Fahrerlaubnisentziehung oder deren Nichtgewährung nachfolgen müsse. Unter den genannten Stellungnahmen gingen über die unmittelbare Frage nach der Rechtsqualität der Aufklärungsanordnung nur ganz vereinzelte Äußerungen hinaus, die mit dem Gedanken der Prozeßökonomie 18 oder der möglichen Rechtsschutzverschlechterung 19 bei Verweis auf die nachträgliche Anfechtung der Sachentscheidung argumentierten und daher eher in Richtung der für § 44a VwGO maßgeblichen Gesichtspunkte führen. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang der Beitrag Selmers, der zum einen darauf hinweist, daß der Entscheidung über den Verwaltungsaktscharakter einer behördlichen Maßnahme keine rechtsschutzeröffnende Bedeutung zukommt, 20 ohne damit allerdings schon zum damaligen Zeitpunkt Resonanz bei der Rechtsprechung zu finden. Zum anderen stellt Selmer ausdrücklich in Abrede, daß es einen Grundsatz gebe, wonach Beweiserhebungsmaßnahmen im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens von der Rechtsschutzgewährung grundsätzlich ausgeschlossen seien. Er stünde im übrigen auch im Widerspruch zu Art. 19 Abs. 4 G G . 2 1 I m Gegensatz zu der geschilderten Auffassung stellte sich das BVerwG, nachdem es bereits zuvor in mehreren Entscheidungen gegen die selbständige Anfechtbarkeit von behördlichen Beweisanordnungen tendiert hatte, 22 mit dem 18 Das OVG Koblenz, 17. 1. 1968, D A R 1968, 138, lehnt ausdrücklich den Einwand einer „ i m öffentlichen Interesse unvertretbaren Verzögerung der Fahrerlaubnisentziehung" bei Anfechtbarkeit der Aufklärungsanordnung ab; anders dagegen Bouska, D A R 1964, 145, 147. 19 So V G H Kassel, 25. 1. 1967, NJW 1967, 1527 (1529). 20 Selmer, NJW 1967, 1527 (1528); ebenso Schweickhardt, DÖV 1968, 288. 21 Selmer, NJW 1967, 1527 (1528). 22 Die Frage, ob die Beweisanordnung Verwaltungsakt ist, wurde noch offen gelassen in BVerwG, 2.12. 1960, E 11, 274, und 8. 3. 1966, VRS 30 Nr. 185 (S. 388) — zu diesen Entscheidungen Selmer, NJW 1967,1527. A u f dem Gebiet der Sozialhilfe hat das BVerwG

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Urteil vom 28. 11. 1969 23 endgültig auf den Standpunkt, daß es sich bei der Anordnung nach § 3 Abs. 2 StVZO, ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen, nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt handele. Auch die Argumentation des BVerwG drehte sich dabei ausschließlich um die Rechtsform der Beweisanordnung als Nichtverwaltungsakt. Die Anordnung sei „eine der eigentlichen Entscheidung vorausgehende und diese vorbereitende Maßnahme . . . , deren Voraussetzungen nicht selbständig sondern nur mit der das Verfahren abschließenden Entscheidung geprüft werden können." 2 4 Rechtsprechung 25 und Literatur 26 sind dem BVerwG ganz überwiegend gefolgt, wobei allerdings die Äußerungen im Schrifttum vielfach allein die Beurteilung einer Beweisanordnung als Nichtverwaltungsakt bestätigen, ohne damit auch generell die gerichtliche Unangreifbarkeit dieser Verfahrenshandlung zum Ausdruck bringen zu wollen. b) In augenfälligem Gegensatz zu der geschilderten Beurteilung der Aufklärungsanordnungen nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung durch die herrschende Meinung steht die allgemeine Einschätzung der entsprechenden beamtenrechtlichen Bestimmungen. Nach § 42 Abs. 1 S. 3 und § 45 Abs. 3 BBG 2 7 ist der Beamte auf Weisung seiner vorgesetzten Behörde hin verpflichtet, sich in den gesetzlich vorgesehenen Fällen amtsärztlich untersuchen zu lassen, sei es zum Nachweis seiner Dienstunfähigkeit im Verfahren auf Versetzung in den Ruhestand, sei es im umgekehrten Fall zur Ermittlung der Wiederherstelbereits mit U. v. 27. 4.1966, E 24, 74, entschieden, daß die Anordnung an den Fürsorgeempfänger, sich einer vertrauensärztlichen Untersuchung auf Arbeitsverwendungsfahigkeit zu unterziehen, kein Verwaltungsakt ist. Im Ergebnis ebenso wie das BVerwG gegen separaten Rechtsschutz: V G Minden, 3. 11. 1965, NJW 1966, 901 und V G H München, 15. 12. 1967, NJW 1968, 469. 23

BVerwGE 34, 248, bestätigt in BVerwG, 7. 1. 1974, D A R 1974, 111. BVerwGE 34, 248 (250). 25 OVG Rheinland-Pfalz, 5. 7.1976, VRspr. 28 (1977) Nr. 165 (S. 711 ff.), das darüber hinaus auch das allgemeine Rechtsschutzinteresse für eine Feststellungs- und Leistungsklage verneinte. Unter der Geltung des § 44a VwGO sind die Beweisanordnungen nach der StVZO übereinstimmend als Verfahrenshandlungen im Sinne dieser Norm betrachtet worden: V G H Bad.-Württ., 6. 2. 1979 — X 3142/78 — (unveröff.); 30. 7. 1981 — 10 S 2235/80 — (unveröff.); 10. 4. 1980, Die Justiz, 1980, 365; 8. 3. 1982, VB1BW 1982, 265; OVG Münster, 29. 6. 1981, DÖV 1982, 411. 26 Schon vor BVerwGE 34, 248 waren derselben Auffassung: Renck, BayVBl. 1967, 127; Kieninger, NJW 1967, 266f.; vgl. auch Thierfelder, NJW 1967, 240. Der Beurteilung über die fehlende Verwaltungsaktsqualität solcher Beweisanordnungen sind — zumeist ohne eigene Begründung — gefolgt: Jagusch, Straßenverkehrsrecht, § 15b StVZO Rdnr. 8; Achterberg, Allgemeines Verwaltungsrecht, §20 Rdnr. 64; Ey ermann / Fröhler, VwGO, § 42 Rdnr. 27a; Kopp, VwGO, Anh. § 42 Rdnr. 37; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rdnr. 9; Vie, Verwaltungsprozeßrecht, Anh. zu § 3215a (S. 166); Wolff / Bachof Verwaltungsrecht I, § 64 Ve (S. 382). 24

27 Entsprechende Regelungen enthalten die Beamtengesetze der Länder; vgl. beispielsweise § 47 Abs. 1 S. 3, § 50 Abs. 3 LBG BW; § 56 Abs. 1 S. 3, § 61 Abs. 3 LBG Rh.-Pf.

§ 4 § 44a VwGO als Ausdruck eines früheren Rechtsgrundsatzes

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lung seiner Dienstfähigkeit im Hinblick auf eine erneute Berufung. Diese Untersuchungsanordnungen werden in Rechtsprechung und Schrifttum teilweise als Verwaltungsakte, aber jedenfalls übereinstimmend als selbständig anfechtbare behördliche Maßnahmen beurteilt. 28 In seiner bereits zitierten Entscheidung vom 28. 11. 1969 zu §3 Abs. 2 StVZO versuchte das BVerwG 29 die offenkundige Divergenz in der Beurteilung der beiden Arten von Aufklärungsanordnungen damit zu begründen, daß es sich in den Fällen der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung um eine unselbständige Mitwirkungspflicht der Betroffenen an der Aufklärung des Sachverhalts handele, wohingegen die Untersuchungspflicht nach § 42 Abs. 1 S. 3 BBG selbständiger Natur sei. Die erstere könne im Gegensatz zur letzteren nicht zwangsweise durchgesetzt werden. 30 Die vom BVerwG vorgenommene Differenzierung kann zwar vor dem Hintergrund des Streites um die Verwaltungsaktsqualität der fraglichen Beweisanordnungen nicht überzeugen, unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Anfechtbarkeit dieser Maßnahmen findet sie jedoch eine bemerkenswerte Parallele in der Ausnahmeregelung des § 44a S. 2 1. Alt. VwGO. Beide Typen der Aufklärungsanordnung sind Vorbereitungshandlungen für eine nachfolgende Sachentscheidung und müßten daher dem behaupteten allgemeinen Rechtsgrundsatz von der Rechtsschutzkonzentration auf die Sachentscheidung unterfallen. Soweit das BVerwG aber die beamtenrechtlichen Anordnungen dennoch für anfechtbar erklärt, befindet es sich in Übereinstimmung mit § 44a S. 2 1. Alt. VwGO, da es seine Meinung auf die grundsätzliche Vollstreckbarkeit dieser Gruppe von Verfahrenshandlungen stützt. Nun sind die Anordnungen nach § 42 Abs. 1 S. 3 und § 45 Abs. 3 BBG nicht vollstreckbar im technischen Sinne, 31 sie können bei Nichtbefolgung allenfalls Disziplinarmaßnahmen gegenüber dem betroffenen Beamten nach sich ziehen. 32 Daß das BVerwG sie dennoch den tatsächlich vollstreckbaren Beweisanordnungen gleichstellt, verdient Beachtung nicht zuletzt im Hinblick auf die umstrittene Auslegung des Vollstreckbarkeitsbegriffs 33 in § 44a S. 2 l . A l t . VwGO. 28 Einen Verwaltungsakt nehmen an: V G H Bad.-Württ., 15. 5. 1975, ZBR 1975, 322; offensichtlich auch OVG Münster, 13.1. 1982, RiA 1982,175; ferner Battis , Bundesbeamtengesetz, § 42 Anm. 4, § 45 Anm. 3; Schütz, Beamtenrecht des Bundes u. der Länder, § 45 Rdnr. 13. Die Frage, ob ein Verwaltungsakt vorliegt, haben offengelassen, aber die Anfechtbarkeit der Maßnahme bejaht: OVG Münster, 29. 12. 1961, ZBR 1962,148; OVG Münster, 10. 6. 1974, NJW 1975, 405; BVerwG, 23. 10. 1980, DVB1. 1981, 502 (503). 29 BVerwGE 34, 248 (249 f.). 30 Mit dem Argument der „selbständigen Pflicht", die gegebenenfalls im Wege des Verwaltungszwangs durchgesetzt werden kann, begründet auch der V G H Bad.-Württ. in seinem U. v. 27. 10. 1971, ESVGH 22, 148 (149) die Verwaltungsaktseigenschaft und damit zugleich die isolierte Anfechtbarkeit der Anordnung an einen Gewerbebetrieb, Geräuschpegelmessungen durchführen zu lassen. 31 Im Gegensatz etwa zur entsprechenden, vom BVerwG (E 34, 248,249) ebenfalls zur Begründung herangezogenen Bestimmung des § 3 Abs. 1 S. 2 WPflG. 32 So BVerwGE 34, 248 (249); ebenso V G H Bad.-Württ., 15. 5. 1975, ZBR 1975, 322.

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

c) Ebenfalls der Gruppe von Judikaten über behördliche Maßnahmen zur Sachverhaltsermittlung sind schließlich die Entscheidung des BayVGH v. 31. 8.1962 3 4 und der Beschluß des BVerwG v. 11. 1. 196335 zuzuordnen. Ihnen lag jeweils die Mitteilung der Handwerkskammer an einen Unternehmer zugrunde, daß die Eintragung des Betreffenden in die Handwerksrolle beabsichtigt sei, verbunden mit der Aufforderung, die beigefügten Fragebögen ausgefüllt zurückzusenden. Die gegen diese Maßnahme erhobenen Klagen wurden in beiden Fällen mit dem Hinweis auf deren eine Entschließung der Handwerkskammer nur vorbereitenden Charakter zurückgewiesen. 36 In einem ähnlichen Fall hat das BVerwG 37 die förmliche Mitteilung der Handwerkskammer über die beabsichtigte Eintragung gem. § 11 HandwO zwar als selbständig anfechtbaren Verwaltungsakt gewürdigt, im Rahmen dieser Entscheidung allerdings ausdrücklich auf den in der Rechtsprechung des BVerwG anerkannten Grundsatz hingewiesen, „daß behördliche Maßnahmen, die lediglich der Vorbereitung einer durch einen späteren Verwaltungsakt zu treffenden Regelung dienen oder eine solche Regelung erst in Aussicht stellen, vor den Verwaltungsgerichten nicht angefochten werden können." 38 2. Mitwirkungshandlungen

— gestufte

Verfahren

a) Der Gedanke, daß bestimmte behördliche Mitwirkungshandlungen beim Erlaß eines Verwaltungsakts nur vorbereitenden Charakter für die Endentscheidung besitzen, daher als Verwaltungsinterna keine Verwaltungsakte und also auch nicht selbständig anfechtbar oder einklagbar seien, taucht in nahezu stereotyper Formulierung immer wieder in der Rechtsprechung vor allem des BVerwG zu diesem Problemkreis auf. Die behördlichen Mitwirkungshandlungen wie ζ. B. das gesetzlich angeordnete Einvernehmen, Benehmen oder die Zustimmung und Anhörung sind jedoch, wie das Gericht immer wieder zum Ausdruck gebracht hat, nicht von vornherein und in allen Fällen verwaltungsinterne unanfechtbare Maßnahmen. Maßgeblich kommt es nach Ansicht des BVerwG auf die konkrete Ausgestaltung der 33

Für die extensive Auslegung des § 44a S. 2 1 .Alt. VwGO etwa Kopp, VwGO, § 44a Rdnrn. 6,9f.; Stelkens/ Bonk/ Leonhardt, VwVfG, § 97 Rdnr. 18; dagegen im herkömmlichen Sinn der Vollstreckbarkeit Meyer) Borgs, VwVfG, §97 Rdnr. 27. Näher dazu s. unten in § 13 I I 1 und § 14 I 3a. 34 BayVBl. 1963, 123. 35 GewArch. 1963, 106. 36 Beide Gerichte gründen ihre Entscheidungen wiederum maßgeblich auf die deshalb fehlende Verwaltungsaktseigenschaft der angefochtenen Maßnahmen. 37 BVerwG, 17. 2. 1961, E 12, 75. 38 BVerwGE 12, 75 (77) unter Hinweis auf weitere, zum Teil unveröffentlichte Entscheidungen; vgl. auch den Leitsatz eines Beschlusses des BVerwG v. 12. 6.1953, M D R 1953, 659, der vorbereitende Ermittlungen generell als nicht anfechtbare Verwaltungsakte bezeichnet.

§ 4 § 44a VwGO als Ausdruck eines früheren Rechtsgrundsatzes

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Mitwirkungsbefugnis im jeweiligen Einzelfall an, die vom Gesetzgeber durchaus auch als selbständiger Verwaltungsakt konzipiert sein kann. 3 9 So hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in der Tat in Einzelfallen die Beteiligungshandlungen von Drittbehörden auch als Verwaltungsakte beurteilt, 40 wobei das BVerwG insbesondere darauf abstellte, ob der beteiligten Behörde nach dem Gesetz die ausschließliche Wahrnehmung bestimmter Aufgaben und die Kompetenz, selbst gegenüber dem betroffenen Bürger zu entscheiden, übertragen worden ist. 4 1 Im Regelfall jedoch beurteilte des BVerwG die behördliche Mitwirkungshandlung, gleich ob sie für die federführende Behörde bindend ist oder nicht, als nicht separat anfechtbares Verwaltungsinternum. In der ersten Leitentscheidung zu § 9 Abs. 2, 3 FStrG 4 2 führte der 1. Senat des BVerwG dazu aus: Die Zustimmung der obersten Landesstraßenbaubehörde stehe in unlösbarem Zusammenhang mit der im Baugenehmigungsverfahren zu treffenden Entscheidung. „Die Zustimmung ist auch der rechtlichen Wirkung nach ein im Verwaltungsbereich verbleibender behördeninterner Vorgang, der der Vorbereitung der Entscheidung über den im Baugesuch geltend gemachten Anspruch dient." 4 3 Entscheidend sei, daß der Gesetzgeber von einem einheitlichen Baugenehmigungsanspruch ausgehe. Diese Rechtsprechung hat das BVerwG mit im wesentlichen gleichbleibender Argumentation auch zum gemeindlichen Einvernehmen und der Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde nach dem BBauG fortgesetzt 44 und auf weitere behördliche Mitwirkungsakte ausgedehnt, wie etwa die Zustimmung der Bundesbehörde bei Genehmigungen im Interzonenhändel, 45 die Stellungnahme 39 Vgl. etwa aus der umfangreichen Rechtsprechung: BVerwG, 10. 7. 1958, NJW 1959, 590; 28. 5. 1963, DVB1.1963, 815 (818); 29. 5. 1964, E 18, 332 (335); 19. 1. 1967, E 26, 31 (40); vgl. ferner Schrödter, BBauG, § 36 Rdnr. 5. 40 So etwa die Ausnahmegenehmigung nach § 9 Abs. 8 FStrG; dazu BVerwG, 28. 5. 1963, DVB1.1963, 815 (818); 3. 9. 1963, E 16, 301; 4. 4. 1975, DÖV 1975, 572; vgl. auch Wolff I Bachof, Verwaltungsrecht I, §46 Vc 2 (S. 383). Ein weiteres Beispiel ist die Ausnahmegenehmigung nach § 7 Abs. 2 S. 1 HessBeamtenG durch den Innenminister für die Zulassung eines ausländischen Lehramtsbewerbers zum pädagogischen Vorbereitungsdienst: HessVGH, 25. 2. 1981, DVB1. 1981, 1069. Ein Überblick über Mitwirkungsakte dieser Art findet sich bei Stelkens/ Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 35 Rdnr. 96. 41

So BVerwG, 10. 7. 1958, NJW 1959, 590; 29. 5. 1964, E 18,333 (334); 19. 1. 1967, E 26, 31 (40). Allgemein zu den Unterscheidungskriterien auch HessVGH, 25. 2. 1981, DVB1. 1981, 1069 (1070f.), der entscheidend auf die Folge der fehlenden Mitwirkungshandlung abstellt. Aus der Literatur zu diesem Problem u. a. Wolff / Bachof, Verwaltungsrecht I, §46 Ve (S. 382f.); StelkensIBonk/Leonhardt, VwVfG, § 35 Rdnr. 93f. 42 BVerwG, 28. 5.1963, E 16, 116 = DVB1. 1963, 815. Nachweise zu der bis dahin strittigen Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte bei Fickert, DVB1. 1964, 173 (174); Schrödter, BBauG, §36 Rdnr. 6; Bäumler, BayVBl. 1978, 492 (493); SkourisI Tschaschnig, NuR 1983, 92 (93). 43 BVerwG, DVB1. 1963, 815 (817). 44 BVerwG, 19. 11. 1965, E 22, 342 und DVB1. 1966, 181; 25. 10. 1966, E 28, 145; 10. 5. 1968, DVB1. 1968, 806; w. Nachw. bei Schrödter, BBauG, §36 Rdnr. 7. 45 BVerwG, 29. 5. 1964, E 18, 333.

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

der zuständigen Jugendbehörde im Verfahren auf Bewilligung einer Ausnahme von den Verboten des Jugendschutzgesetzes,40 die Zustimmung der Luftfahrtbehörde nach § 12 Abs. 2 L u f t V G 4 7 oder die Entscheidung des Bundespersonalausschusses zur Übernahme eines Beamten unter Ausnahme von Bestimmungen des Laufbahnrechts. 48 Die Literatur ist der Rechtsprechung des BVerwG, jedenfalls was die Unanfechtbarkeit der Mitwirkungshandlungen betrifft, fast übereinstimmend gefolgt. 49 Bemerkenswert im Hinblick auf den Vergleich mit § 44a VwGO ist die Ansicht des BVerwG, daß dem Bürger durch die Unanfechtbarkeit des Mitwirkungsaktes kein Nachteil, sondern umgekehrt der Vorteil erwachse, daß er dann im Konfliktfall nur einen Prozeß, nämlich den gegen die federführende Behörde führen müsse. In dessen Rahmen werde dann incidenter die Rechtmäßigkeit der Beteiligungshandlung mit überprüft und gegenüber der notwendig beizuladenden Drittbehörde verbindlich entschieden.50 Derselbe Gedanke findet sich in der amtlichen Begründung zu § 44a VwGO, 5 1 wenn es dort heißt, die Rechtsschutzkonzentration auf die Endentscheidung beeinträchtige die Effektivität der Verwaltungskontrolle nicht, sondern erhöhe sie im Sinne einer prozeßwirtschaftlichen Zusammenfassung zusammengehörender Verwaltungsvorgänge. Wie stark das BVerwG bei alledem seine Argumentation nach wie vor am Verwaltungsaktsbegriff orientiert, zeigt dessen Entscheidung vom 23. 10. 1968,52 in welcher es die Klage gegen die formell als Verwaltungsakt ergangene Zustimmung der obersten Landesstraßenbaubehörde nach §9 Abs. 2,3 FstrG zugelassen hat — dies obwohl es sich der Sache nach nur um die als lediglich vorbereitend erkannte Maßnahme gehandelt hat. 46

BVerwG, 8. 7. 1964, E 19, 100. BVerwG, 16. 7. 1965, E 21, 354. 48 BVerwG, 19. 1. 1967, E 26, 31 (40 f.); w. Nachw. zur einschlägigen Rechtsprechung bei Kopp, VwVfG, § 35 Rdnr. 41 sowie die Aufzählung bei Bäumler, BayVBl. 1978, 492 (493 Fn. 13). 47

49 Aus der zu diesem Problemkreis mittlerweile nahezu unüberschaubar gewordenen Literatur vgl. neben den Lehrbüchern zum Allgemeinen Verwaltungsrecht und den Kommentaren zum VwVfG und BBauG die Abhandlungen von Bäumler, BayVBl. 1978, 492; Hager, BayVBl. 1980, 131; Skouris/ Tschaschnig, NuR 1983, 92; Zeitler, in: Festschrift zum 100jährigen Bestehen des BayVGH, S. 51 mit jeweils weiteren Nachweisen zu Literatur und Rechtsprechung. Die Auseinandersetzung auf diesem Gebiet scheint sich dabei weg von der Rechtsschutzfrage des Bürgers hin zur Problematik der internen Bindung der federführenden Behörde an die Beteiligungshandlung der Drittbehörden zu verlagern. Dazu inbes. Hager und Skouris/Tschaschnig jew. a.a.O. 50 So bereits BVerwG, 29. 6. 1954, E 1, 169 (170); 10. 5. 1955, E 2, 95. Zum vorliegenden Zusammenhang vgl. besonders BVerwG, 19. 1. 1967, E 26, 31 (40 f.); 25. 10. 1967, E 28,145 (147), auf S. 148 heißt es dort wörtlich: „ . . . Eine solche doppelte Prozeßführung . . . wäre dem Rechtsschutz keineswegs dienlich". Zu diesem Argument vgl. auch Wolff /Bachof Verwaltungsrecht I, §46 Vc 2 (S. 383). 51 BT-Drucks. 7/910 zu §92 Nr. 2, S. 97. 52 NJW 1969, 444; vgl. dazu bereits BVerwG, 28. 5. 1963, DVB1. 1963, 815 (818 f.).

§ 4 § 44a VwGO als Ausdruck eines früheren Rechtsgrundsatzes

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b) Ebenfalls eine Form behördlichen Zusammenwirkens, deren Grenze gegenüber den erörterten Mitwirkungshandlungen in den Randbereichen fließend verläuft, sind die von Drittbehörden abgegebenen „Gutachten". Dabei handelt es sich nicht um Gutachten im prozeßtechnischen Sinne, sondern um teils allgemein informatorische, teils zu einem konkreten Verwaltungsverfahren ergangene Aussagen besonders sachkundiger Behörden, die von einer anderen Behörde zur Entscheidungsfindung in einem Verwaltungsverfahren herangezogen werden. Separate Klagen gegen solche Gutachten seitens der Bürger, die sich durch diese zu Unrecht belastet glaubten, wurden von der Rechtsprechung in aller Regel als unzulässig angesehen, da dieser Art von Mitwirkungshandlungen jede rechtliche Außenwirkung fehle, es sich also um keine Verwaltungsakte handele. Statt dessen wurde der Bürger auf den Rechtsschutz gegen die das jeweilige Gutachten verwertende Sachentscheidung verwiesen. Einschlägige Beispiele sind das amtsärztliche Gutachten in einem Verwaltungsverfahren, 53 das Gutachten einer staatlich chemischen Untersuchungsanstalt im Rahmen einer Überwachungsmaßnahme durch die Gemeinde als zuständige Lebensmittelbehörde, 54 der Untersuchungsbericht des Luftfahrtbundesamtes über einen Luftunfall, 55 die Mitteilung der zuständigen Landesbehörde an das Finanzamt über die Voraussetzungen bei einem Grundstückskauf für die Grunderwerbssteuerbefreiung 56 oder die Feststellung des Grundstückswertes nach § 15 Abs. 3 StBauFG durch den Gutachterausschuß gemäß § 136 BBauG. 57 Ebenso wie bei den Mitwirkungshandlungen vermied es das BVerwG auch in diesen Fällen, drittbehördliche „Gutachtertätigkeit" generell für unanfechtbar zu erklären. Nach der Rechtsprechung kommt es auch hier darauf an, ob die jeweilige Mitwirkungshandlung nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung und ihrem Sinn unmittelbare Außenwirkung gegenüber dem Bürger entfaltet und deshalb als selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. 5 8

53

BVerwG, 30. 9.1960, DVB1. 1961, 87; vgl. dagegen aber BVerwG, 3. 12. 1976, BStBl. I I 1977 S. 300. 54 BayVGH, 28. 11. 1967, BayVBl. 1968, 69. 55 BVerwG, 20. 7. 1962, E 14, 323. 56 BVerwG, 26. 9. 1969, E 34, 65 = DVB1. 1970, 282. 57 BVerwG, 24. 11.1978, E 57,86 (95), wobei das BVerwG die Verwaltungsaktsqualität der Grundstückswertbestimmung hauptsächlich wegen deren fehlender Verbindlichkeit ablehnte, was sich mit der Argumentation zum gemeindlichen Einvernehmen nach § 36 BBauG nur schwer in Einklang bringen läßt. 58 So BVerwG, 26. 9. 1969, DVB1. 1970, 282. Dementsprechend hat das BVerwG beispielsweise als selbständig anfechtbar angesehen die Entscheidung des Flugmedizinischen Instituts der Luftwaffe über die Wehrfliegerverwendungsfahigkeit eines Soldaten als „verselbständigten Teil der Entschließung des Vorgesetzten" (BVerwG, 4. 12. 1974, DVB1. 1975, 726) und die amtsärztliche Bescheinigung des Gesundheitsamtes im Finanzverwaltungsverfahren (BVerwG, 3. 12. 1976, BStBl. I I 1977, S. 300). 4 Eichberger

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

c) Bei den unecht gestuften komplexen Verwaltungsverfahren 59 schließlich verweigert die Rechtsprechung in verschiedenen Rechtsbereichen 60 den unmittelbaren Rechtsschutz gegen die der Entscheidung vorangehenden Verfahrensstufen. Dabei bedient sie sich Begründungsmuster, die auf den hinter der Regelung in § 44a VwGO stehenden Rechtsgedanken hindeuten. In seiner neuesten Entscheidung zu § 16 FStrG etwa beschreibt das BVerwG 61 in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung die Planungs- und Linienführungsbestimmung des Bundesministers für Verkehr als nicht auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete vorbereitende Grundentscheidung, die rechtliche Außenverbindlichkeit erst in den Festsetzungen des Planfeststellungsbeschlusses erlange. Sie sei daher kein Verwaltungsakt, sondern ein im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als solcher nicht anfechtbarer behördeninterner Vorgang, der erst zusammen mit dem Planfeststellungsbeschluß verwaltungsgerichtlicher Prüfung unterliege. 62 Ein weiteres Beispiel liefert die Rechtsprechung zur Genehmigung nach § 6 LuftVG. 6 3 Obwohl die Genehmigungsentscheidung als Verwaltungsakt anerkannt ist, 6 4 kann sie dennoch nach der Rechtsprechung des BVerwG seitens der betroffenen Nachbarn als insoweit den folgenden Planfeststellungsbeschluß nur vorbereitende Verwaltungsentscheidung nicht angefochten werden. 65 Das BVerwG begründet seine Ansicht zusätzlich mit der so erreichten, auch für die Nachbarn sinnvollen Konzentration des Rechtsschutzes sowie der Bewahrung der Gerichte vor einer sonst drohenden Doppelbelastung. 66 59

Der Begriff der „unechten Stufung" stammt von Badura,, BayVBl. 1976, 515 (518) — aufgenommen von Schmidt-Aßmann, DVB1. 1981, 334 (336) — und bezeichnet vom Gesetzgeber nicht eindeutig in ihrer rechtsdogmatischen Bedeutung gestufte Verwaltungsverfahren wie etwa die nach §§ 16, 17 FStRG, §§ 13, 14 WaStrG, §§ 6, 8ff. LuftVG. Im Gegensatz dazu stehen die echten Stufungen von komplexen Verfahren in Vorbescheid, Teilbescheid und Vollgenehmigung im Bau-, Atom- und Immissionsschutzrecht (näher dazu unten in § 11 III). 60 Neben den im folgenden gebrachten Beispielen aus dem FStrG und LuftVG vgl. noch zu §§ 13,14 WaStrG: Mintzel, BWaStrG, § 13 Rdnr. 9: Planung und Linienführung durch den Bundesminister für Verkehr ist kein anfechtbarer Verwaltungsakt. 61 BVerwG, 26. 6. 1981, NJW 1981,2592; bestätigt nochmals in BVerwG, 14. 9. 1981, Buchholz 407.4 § 16 FStrG Nr. 2; aus der älteren Rechtsprechung: BVerwG, 1. 7. 1968, Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 8; 17. 2. 1969, VRS 37, 154; ferner OVG Lüneburg, 19. 10. 1965, DVB1. 1966, 411 (412); noch weitergehend HessVGH, 17. 1. 1968, VKB1. 1968, 180. 62 So der Leitsatz 1 in BVerwG, 26. 6. 1981, NJW 1981, 2592; zu der die Rechtsprechung in diesem Punkt weitgehend bestätigenden Literatur vgl. die Nachw. unten in § 11 I I I Fn. 78, 80. 63 Vgl. hierzu den Überblick bei Bäumler, DÖV 1981, 43 (44) insbes. aber auch die beiden Entscheidungen des BVerfG vom 12. 5. 1980 (DVB1. 1981, 374) und 1. 8.1980 (DVB1. 81, 374f.) sowie dazu Schmidt-Aßmann, DVB1. 1981, 334ff. 64 So ausdrücklich BVerwG, 22. 3. 1974, DÖV 1974, 418. 65 Leitentscheidung: BVerwG, 11. 10. 1968, NJW 1969, 340 (341).

§ 4 § 44a VwGO als Ausdruck eines früheren Rechtsgrundsatzes

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3. Akteneinsicht und behördliche Auskunft Die Mehrzahl der bisher zu § 44a VwGO ergangenen Gerichtsentscheidungen 67 hat den Streit um ein Akteneinsichtsbegehren zum Gegenstand. Ein Blick auf die vor 1977 zu diesem Rechtsinstitut ergangene Rechtsprechung läßt daher manche Aufschlüsse erhoffen. Wegen der sachlichen Nähe zum Akteneinsichtsrecht soll auch die Judikatur zur behördlichen Auskunftspflicht in die Übersicht mit einbezogen werden. Obwohl aus dem fraglichen Zeitraum zahlreiche Gerichtsentscheidungen zu den beiden Verfahrensrechten vorliegen, bleibt deren Lektüre für die Frage nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz i.S.d. §44a VwGO weitgehend unergiebig. Die Entscheidungen betreffen fast durchweg nur selbständige, d. h. unabhängig von einem konkreten Verwaltungsverfahren erhobene Akteneinsichts- 68 und Auskunftsbegehren. 69 Notwendige Voraussetzung für eine Verfahrenshandlung i.S.d. §44a VwGO ist jedoch, wie das BVerwG 70 zu Recht bereits mehrfach betont hat, daß die jeweilige behördliche Maßnahme in ein laufendes Verwaltungsverfahren eingebettet ist. Verfahrenshandlungen im genannten Sinne haben lediglich zwei Entscheidungen des OVG Lüneburg zum Gegenstand. In dem Fall, über den das OVG Lüneburg mit Beschluß vom 18./20. 4. 1967 71 entschied, versuchte ein Bauherr noch während des Baugenehmigungsverfahrens im Klagewege die Auskunft über eine sein Baugesuch ablehnende Stellungnahme des Verwaltungsausschusses der beteiligten Gemeinde zu erreichen. Das OVG sprach der Leistungsklage das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis ab, da der Kläger seinen Anspruch auf einfacherem und billigerem Wege, nämlich anläßlich der Klage auf die Genehmigungserteilung, hätte verwirklichen können. In dem anderen Beschluß

66 BVerwG, NJW 1969, 340 (341); kritisch zu diesem Argument der Rechtsschutzkonzentration Hofmann, LuftVG, § 6 Rdnr. 72. 67 BVerwG, 12. 4. 1978, NJW 1979, 177; V G Köln, 2. 5. 1978, NJW 1978, 1397; BayVGH, 26. 7. 1978, BayVBl. 1978, 763; OVG Münster, 23. 4. 1979, DÖV 1980, 222; OVG Münster, 13. 6. 1980, DVB1. 1980, 964; BVerwG, 27. 5. 1981, NJW 1982,120; V G Berlin, 17. 11. 1981, NVwZ 1982, 576; BVerwG, 30. 6. 1983, DVB1. 1984, 53. 68 Beispiele für solche Konstellationen sind: BVerwGE 12,296; BVerwG, 23. 8. 1968, E 30,154; 25. 2. 1969, E 31, 301; 15. 10. 1970, E 36,134; 4. 8. 1975, E 49, 89; 27. 2. 1976, E 50, 255; V G H Bad.-Württ., 28. 5. 1974, DVB1. 1974, 817; BayVGH, 4. 5. 1960, DVB1. 1960, 806; 7. 2. 1972, BayVBl. 1972, 364; HessVGH, 23. 7. 1964, JZ 1965, 319; OVG Hamburg, 10. 3. 1978, NJW 1979, 1219; OVG Koblenz, AS 3, 134; OVG Münster, 18. 11. 1958, OVGE 14,199; 22. 6. 1965, M D R 1966, 83; 9. 3. 1972, GewArch. 1973, 73. 69 So z.B. BVerwG, 10. 7. 1964, JR 1966, 75; 25. 2. 1969, E 31, 301; OVG Berlin, 26.9. 1975, DÖV 1976, 53; HessVGH, 24.8. 1961, DÖV 1962, 757; OVG Münster, 18.12. 1957, OVGE 13, 167. 70 BVerwG, 12. 4. 1978, NJW 1979, 177; 27. 5. 1981, NJW 1982, 120; 30. 6. 1983, DVB1. 1984, 53; näher zu diesem Kriterium s. unten in § 10 V I 2. 71 OVG Lüneburg, DVB1. 1967, 859. 4*

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

vom 12. 4. 1976 72 hingegen hatte das OVG Lüneburg keine Bedenken gegen die Zulässigkeit eines Antrags auf einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO zur Durchsetzung des behaupteten Akteneinsichtsanspruchs eines Einwenders im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren. 73 Beide Entscheidungen sind im Hinblick auf § 44a VwGO von besonderem Interesse. Die erstgenannte arbeitet im Unterschied zu den vorher geschilderten Judikaten nicht mit dem Argument des „nur vorbereitenden Charakters" der behördlichen Entscheidung über das Auskunftsbegehren. Statt dessen stützt sich die Entscheidung maßgeblich auf das fehlende Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag—ein Gedanke, mit dem §44a VwGO, wie erwähnt, 74 vielfach in Beziehung gebracht wird. Im Gegensatz dazu läuft die zweite Entscheidung, sofern der dort lediglich als Einwender gekennzeichnete Kläger nicht Dritter i.S.d. §44a S. 2 VwGO ist, 7 5 den Gedanken des §44a S. 1 VwGO zuwider, da sie den Antrag nach § 123 VwGO zuläßt. 76 4. Zurückweisung

eines Bevollmächtigten

oder Rechtsbeistandes

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die Gerichtsentscheidungen zum Recht des Bürgers auf Zuziehung eines Rechtsbeistandes beim Einstellungsgespräch für Beamtenanwärter, bei der Gewissensprüfung für Wehrdienstverweigerer und vergleichbaren Situationen. Auf eines der Judikate aus dieser Fallgruppe, den Beschluß des OVG Bremen vom 11. 11. 1975 77 nämlich, hat sich das BVerwG zur Stützung seiner These vom allgemeinen Rechtsgrundsatz ausdrücklich und ausschließlich berufen. 78 Unter den einschlägigen Entscheidungen lag lediglich beim OVG Berlin 79 vom 25. 6.1974, dem OVG Hamburg 8 0 vom 17. 2. 1975 und dem OVG Bremen 81 vom 23. 9. 1975 und vom 11.11. 1975 der Sachverhalt so, daß er heute die Anwendung des §44a S. 1 VwGO zur Folge gehabt hätte. 82 In den 72

OVG Lüneburg, GewArch. 1976, 206. Diese Entscheidung nimmt Seilner, Immissionsschutzrecht und Industrieanlagen, Rdnr. 142f., als Beleg dafür, daß vor Inkrafttreten des §44a VwGO der allgemeine Grundsatz bestand, wonach dem Bürger auch während des Genehmigungsverfahrens separater Rechtsschutz hinsichtlich einzelner formeller Rechte zustand. 74 Vgl. oben bei Fn. 8. 75 Zu diesem Problem siehe Deppen, Beteiligungsrechte des Bürgers, S. 239f.; näher dazu unten in § 13 I I I 1. 76 Vgl. dazu auch die Stellungnahme von Seilner oben in Fn. 73. 77 OVG Bremen, NJW 1976, 770. 78 BVerwG, 12.4.1978, BayVBl. 1978, 444 — insoweit in NJW 1979, 177 nicht abgedruckt — und im Anschluß an das BVerwG die oben in den Fn. 3 und 4 Genannten. 79 OVG Berlin, ZBR 1974, 335. 80 OVG Hamburg, NJW 1976, 205. 81 OVG Bremen, 23. 9. 1975, NJW 1976, 772; 11. 11. 1975, NJW 1976, 770. 82 A n dieser Stelle muß noch offen bleiben, ob § 44a VwGO auf die Entscheidung über die Zuziehung eines Rechtsanwalts letztendlich Anwendung findet. Von der ganz 73

§ 4 § 44a VwGO als Ausdruck eines früheren Rechtsgrundsatzes

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anderen Entscheidungen wurde die Klage erst nach der Sachentscheidung über die Einstellung des Beamtenbewerbers bzw. die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer erhoben, 83 oder sie wurde von dem Beistand im eigenen Namen eingereicht 84 — beides sind Konstellationen, die auch heute von § 44a VwGO nicht erfaßt würden oder in denen die Klagen nach §44a S. 2 2. Alt. VwGO zulässig wären. In den genannten Fällen war jeweils dem Bewerber für eine Stelle im öffentlichen Dienst die Zuziehung eines Rechtsbeistandes zu dem Einstellungs- bzw. Prüfungsgespräch über seine Verfassungstreue seitens der Behörde verweigert worden. Daraufhin versuchten die Bewerber die Zulassung ihres Rechtsbeistandes im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes nach § 123 VwGO durchzusetzen. Während das OVG Berlin 79 den Antrag wegen unzulässiger Vorwegnahme der Hauptsache ablehnte, gaben das OVG Hamburg 8 0 und der 1. Senat des OVG Bremen 85 den Rechtsschutzbegehren statt. 86 Obwohl auch die den beiden letztgenannten Gerichten vorliegenden Fälle zu der Frage Anlaß gaben, ob der Bewerber nicht die Endentscheidung abwarten müsse, um dann erst anläßlich der Anfechtung seiner Nichteinstellung die Verweigerung der Unterstützung durch einen Rechtsbeistand zu rügen, gingen die Gerichte mit keinem Wort auf dieses Problem ein. Der 2. Senat des OVG Bremen 87 meldete dagegen in seiner Entscheidung — auf die sich das BVerwG bezieht — erhebliche Bedenken gegen die Zulässigkeit des Anordnungsantrags an. Diesem fehle das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis. Denn es entspreche „anerkannten Grundsätzen der Prozeßökonomie, daß, vorbehaltlich gesetzlicher Regelung, nicht einzelne Verfahrensabschnitte oder einzelne Verfahrenshandlungen für sich zum Gegenstand eines gesonderten Rechtsbehelfs gemacht werden können, weil es dem Betroffenen i.d.R. zuzumuten ist, das Verfahrensergebnis abzuwarten und Rechtsschutz erst dagegen in Anspruch zu nehmen." 87 Der Rechtsschutz des Antragstellers werde dadurch nicht geschmälert. Ob dieser Grundsatz in dem konkreten Falle evtl. modifiziert werden müsse, weil durch das Einstellungsge-

herrschenden Meinung jedenfalls wird die Zurückweisung eines Rechtsanwalts im Verwaltungsverfahren als Verfahrenshandlung i.S. des §44a VwGO angesehen. So Ule I Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 17IV 2 (S. 100); Knack / Clausen, VwVfG, § 14 Rdnr. 7.5; Kopp, VwVfG, § 14 Rdnr. 36; MeyerIBorgs, VwVfG, § 14 Rdnr. 19; Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 14 Rdnr. 35. 83 So in BVerwG, 4. 7. 1973, E 42, 318; 24. 10. 1973, E 44,124; 28. 4. 1981, E 62,169. 84 So die in Fn. 83 genannten Entscheidungen sowie das V G Bremen, 18. 12. 1975, NJW 1976, 768. 85 OVG Bremen, 23. 9. 1975, NJW 1976, 772. 86 A u f die dabei hauptsächlich umstrittene Frage, ob bzw. inwieweit ein Anspruch auf Mitnahme eines Rechtsbeistandes in den genannten Fällen überhaupt besteht, kommt es im vorliegenden Zusammenhang nicht an. Zu dieser materiellen Problematik vgl. u. a. BVerwG, 4. 7. 1973, E 42,318, zu § 26 Abs. 8 WPflG; 28. 4. 1981, E 62,169; Schock, NJW 1982, 545. 87 OVG Bremen, 11.11. 1975, NJW 1976, 770.

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

spräch sonst „vollendete Tatsachen" geschaffen würden, ließ das OVG Bremen offen, da der Antragsteller jedenfalls keinen Anspruch auf Zuziehung eines Rechtsanwalts glaubhaft machen könne. Nachweise für den behaupteten „Grundsatz der Prozeßökonomie" lieferte das OVG Bremen nicht. Es fallt auf, daß es seine Aussage zu der Zulässigkeitsschranke nicht wie die meisten der bisher untersuchten Entscheidungen auf die fehlende Verwaltungsaktsqualität der behördlichen Maßnahme, sondern ausschließlich auf den Gedanken der Prozeßökonomie und des Rechtsschutzbedürfnisses stützte. Damit nähert sich das OVG in der Tat der Regelung und Begründung des § 44a VwGO. 5. Weitere Einzelfälle a) In seinem Urteil vom 16. 7. 1965 hat das BVerwG 88 ausgeführt, die Bestimmung einer unter mehreren örtlich zuständigen Behörden durch die nächsthöhere gemeinsame Behörde sei ein innerbehördlicher Vorgang, der als solcher nicht mit der verwaltungsgerichtlichen Klage angegriffen werden könne. In seiner Begründung beschränkt sich das BVerwG auf den Gesichtspunkt, daß es sich bei der Zuständigkeitsbestimmung mangels unmittelbarer Außenwirkung nicht um einen Verwaltungsakt handele und es dem Kläger schließlich unbenommen bleibe, mit der Klage gegen den die Sache abschließenden Verwaltungsakt auch den innerbehördlichen Akt anzugreifen. b) Der Eilantrag nach § 123 VwGO auf Ablehnung eines Prüfers wegen Befangenheit war Gegenstand eines Beschlusses des OVG Hamburg 8 9 vom 10. 12. 1969. Das Gericht gab dem Antrag statt. Es erschien ihm unzumutbar, den Antragsteller auf den nachträglichen Rechtsschutz gegen die Prüfungsentscheidung zu verweisen. Denn dann hätte er selbst im Falle seines Obsiegens die Prüfung vermutlich erneut ablegen müssen. Das OVG richtet seine Argumentation hier allein am Gedanken des effektiven Rechtsschutzes aus, dem die Verlagerung des Rechtsschutzes auf die Anfechtung der Prüfungsentscheidung, wie sie auch § 44a S. 1 VwGO hier grundsätzlich fordern würde, 90 seiner Ansicht nach nicht gerecht wird. c) Abschließend sei noch kurz auf eine Fallgruppe eingegangen, deren Behandlung in der Rechtsprechung auf Ähnlichkeiten mit den von § 44a VwGO geregelten Sachverhalten hindeutet 91 — die sogenannten Einzelnoten. Unabhängig von den zahlreichen Problemen und Streitfragen, mit denen der 88

BVerwGE 21, 352. OVG Hamburg, NJW 1970, 910. 90 Die herrschende Meinung will § 44a S. 1 VwGO auf die Verfahrenshandlungen nach §20 VwVfG anwenden: Kopp, VwVfG, §20 Rdnr. 4; Meyer j Borgs, VwVfG, vor §20 Rdnr. 9; UleI Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 12 I I 4 (S. 70). 91 Bereits an dieser Stelle sei allerdings auf die erheblichen Bedenken gegen die Einordnung dieser Maßnahmen in die Gruppe der Verfahrenshandlungen i.S.d. §44a VwGO hingewiesen. Näher dazu unten in § 10 IV 4c. 89

§ 4 § 44a VwGO als Ausdruck eines früheren Rechtsgrundsatzes

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Rechtsschutz gegen Prüfungsentscheidungen, Benotungen u.a. ohnedies belastet i s t , 9 2 wurde vor allem i n den sechziger Jahren der separate Rechtsschutz gegen Einzelnoten unter anderem 9 3 m i t der Begründung versagt, es handele sich dabei lediglich u m vorbereitende Maßnahmen, die erst zusammen m i t der Endentscheidung anfechtbar seien. 9 4 I n der heutigen Diskussion ist dieser Gesichtspunkt i n den H i n t e r g r u n d getreten. Die Entscheidung über die Anfechtbarkeit v o n Einzelnoten w i r d vielmehr — immer noch stark a u f die Verwaltungsaktsqualifikation a b s t e l l e n d — d a v o n abhängig gemacht, inwieweit der N o t e aufgrund v o n Rechtsvorschriften, die an sie anknüpfen, eine Rechtsfolgen auslösende Bedeutung z u k o m m t . 9 5 I I I . Vergleich mit der Regelung in § 44a V w G O D i e Auswertung der unter I I dargestellten Rechtsprechung zeigt, daß v o r allem das Bundesverwaltungsgericht 9 6 den Standpunkt vertrat, gegen bestimmte G r u p p e n behördlicher M a ß n a h m e n sei kein unmittelbarer Rechtsschutz zuzulassen. Der Versuch, hinter dieser Rechtsprechung einen allgemeinen Rechtsgrundsatz auszumachen, stößt jedoch a u f Schwierigkeiten, da sich weder

92 Vgl. zu diesem Problemkreis aus neuerer Zeit lediglich Bryde, DÖV 1981,193 (195 f.); Jakobs, VB1BW 1981,129 (174); Löwer, DVB1.1980, 952; Grupp, JuS 1983, 351 ff.; sowie umfassend Guhl, Prüfungen im Rechtsstaat, 1978. 93

Maßgebliches Argument war auch damals die fehlende Verwaltungsaktsqualität der angegriffenen Maßnahme: dazu Guhl (s.o. Fn. 92) S. 351; Czermak, NJW 1964, 939; Menger, VerwArch. 55 (1964), 376 (387 f.); Ule, NJW 1964,939; Zimmermann, VerwArch. 62 (1971), 48 (68) sowie die in Fn. 92 Genannten. 94 So beispielsweise V G Wiesbaden, 20. 6. 1963, NJW 1963, 2140; OVG Lüneburg, 16. 2. 1967, NJW 1968, 468; OVG Koblenz, 6. 11. 1974, SPE I I C X S. 11 ff.; Holland, DVB1.1968, 245; Nihues, Schulrecht, Rdnr. 481; auch Bryde, DÖV 1981,193 (196), mißt den Einzelnoten nur vorbereitenden Charakter bei und läßt die Klage gegen sie am fehlenden Rechtsschutzbedürfnis scheitern. 95 Vgl. dazu Grupp, JuS 1983, 351 (352); Jakobs, VB1BW 1981,129,174 (178); Oldiges, JurA, 1970, 611 (615); aus der Rechtsprechung: BVerwG, 22. 10. 1981, RiA 1982, 79. Kritisch gegenüber der h. M . insbes. Löwer, DVB1.1980,952 (959), der Rechtsschutz über die allgemeine Leistungsklage gewähren will; Lässig, DÖV 1983, 876 (879 ff.) stellt dagegen maßgeblich auf das prozessuale Rechtsschutzbedürfnis ab. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist auch die Auffassung von Schweickhardt, DÖV 1968,288 (289), daß der Kläger nach geltendem Recht die Möglichkeit habe, einzelne Verfahrenshandlungen aus dem Verwaltungsverfahren herauszugreifen und mit der substantiierten Behauptung einer Rechtsverletzung gerichtlich anzugehen. Diese Äußerung zeigt die Fragwürdigkeit der Behauptung, der Regel des heutigen § 44a VwGO hätte ein schon seit jeher geltender allgemeiner Rechtsgrundsatz entsprochen. 96 BVerwG, 30. 9. 1960, DVB1. 1961, 87; 17. 2. 1961, E 12, 75; 20. 7. 1962, E 14, 323; 11.1. 1963, GewArch. 1963,106; 28. 5. 1963, E 16,116; 29. 5. 1964, E 18, 333; 8. 7. 1964, E19,100; 16. 7. 1965, E 21,352; 16. 7. 1965, E 21,354; 19. 11. 1965, E 22,342; 27. 4. 1966, E 24, 74; 19. 1. 1967, E 26, 31 (39); 25. 10. 1967, E 28, 145; 26. 9. 1969, E 34, 65; 28.11.1969, E 34, 248; 7.1.1974, D A R 1974, 111; 22.3.1974, DÖV 1974, 418; 24. 11. 1978, E 57, 86 (95); 26. 6. 1981, NJW 1981, 2592.

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

dessen Gegenstand noch dessen rechtliche Herleitung eindeutig ermitteln lassen. Das gemeinsame Merkmal der nicht selbständig anfechtbaren Maßnahmen liegt darin, daß sie entweder unmittelbar eine nachfolgende Sachentscheidung vorbereiten sollten oder sonst in irgendeiner, nicht weiter präzisierbaren Beziehung zu einer gleichsam übergeordneten materiell-rechtlichen Behördenentscheidung standen. Ihren Ausdruck fand diese Auffassung in der stereotyp wiederkehrenden Formel von dem lediglich vorbereitenden Charakter der fraglichen Behördenhandlung, die ohne unmittelbare Auswirkung gegenüber dem Bürger verbleibe. 97 Der Vergleich mit dem Anwendungsbereich des § 44a VwGO zeigt, daß die geschilderte Rechtsprechung einige behördliche Maßnahmen erfaßte, die nicht oder allenfalls am Rande den Verfahrenshandlungen i.S.d. §44a VwGO zugerechnet werden können. 98 Im übrigen blieb, abgesehen von einigen höchstrichterlich geklärten Fallgruppen, im Grunde unklar, welche Behördenhandlungen im einzelnen gemäß dieser Judikatur nicht selbständig anfechtbar sein sollten. Die Ursache solcher Ungewißheit ist in der fragwürdigen rechtlichen Grundlegung der herrschenden Auffassung zu suchen. Maßgeblicher Topos der Rechtsprechung war stets die Verwaltungsaktsqualität der umstrittenen Behördenhandlungen. 99 Daß die fraglichen Akte nur vorbereitender Natur und dem Bürger darüber hinaus der nachträgliche Rechtsschutz über die Anfechtung der späteren Sachentscheidung zumutbar sei, waren in aller Regel nur Hilfsargumente zum Beleg dafür, daß es sich um keine Verwaltungsakte handelte. Dabei ließ sich insbesondere das BVerwG — ohne dies allerdings expressis verbis zum Ausdruck zu bringen — von dem Trugschluß leiten, daß verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz nur gegenüber Verwaltungsakten garantiert sei; eine Auffassung, die unter der Geltung des Art. 19 Abs. 4 GG und der Generalklausel in §40 Abs. 1 VwGO keine Berechtigung mehr besitzt. 100 97 BVerwG, 17. 2. 1961, E 12, 75; 11. 1. 1963, GewArch. 1963,106; 28. 5. 1963, E 16, 116; 16. 7. 1965, E 21, 352; 16. 7. 1965, E 21, 354; 19. 11. 1965, E 22, 342; 25. 10. 1966, E 28, 145; 11. 10. 1968, NJW 1969, 340; 28. 11. 1969, E 34, 248 (249); 26. 6. 1981, NJW 1981, 2592; 22. 3. 1974, DÖV 1974, 418. 98 Ohne daß damit einer näheren Bestimmung des Begriffs der Verfahrenshandlung vorgegriffen würde, kann bereits hier festgestellt werden, daß die Einzelnoten wohl keine Verfahrenshandlungen sind, dies bei den „Gutachten" (vgl. dazu oben unter I I 2b) sehr zweifelhaft ist und auch die Mitwirkungshandlungen (oben I I 2a) eine gewisse Sonderstellung einnehmen. Näher dazu unten sub § 10 V I 4. 99 So teils explizit, teils zwischen den Zeilen sämtliche in Fn. 96 aufgezählten Entscheidungen mit Ausnahme der vom 11. 10. 1968, NJW 1969, 340, zur luftverkehrsrechtlichen Genehmigung, die insoweit eine Sonderstellung einnimmt; dies wird weiter unten (sub § 10 V I 4) bei der Untersuchung des Begriffs der Verfahrenshandlung noch aufzuzeigen sein. 100 Das ist heute im Grunde unbestritten, wenn auch gerade die Rechtsprechung immer wieder diesem Grundsatz zuwider judiziert. Zu diesem Problem vgl. unter vielen anderen etwa Frotscher, DÖV 1971,259; ders., Jura 1980,1; Schenke, JuS 1982,906 (907); Lässig, DÖV 1983, 876 (878); Battis , NVwZ 1982, 87 (88); wie hier jetzt auch ausdrücklich das BVerwG, 22. 5. 1980, E 60, 144 und zu dieser Entscheidung Erichsen, DVB1. 1982, 95.

§ 4 § 44a VwGO als Ausdruck eines früheren Rechtsgrundsatzes

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A n dem gezeigten Gesamtbild ändern auch die vereinzelten Stimmen in der Rechtsprechung nichts, welche die Unanfechtbarkeit behördlicher Verfahrensmaßnahmen auf den Gedanken des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses oder der Prozeßökonomie stützten 101 und sich damit der Regelung des § 44a VwGO näherten. § 44a VwGO nämlich trifft seine Rechtsfolgeanordnung grundsätzlich unabhängig vom Verwaltungsaktsbegriff. 102 Sein Ansatzpunkt ist allein die in ein laufendes Verwaltungsverfahren eingebettete Behördenhandlung. Ziel des § 44a VwGO ist es, die Effizienz des Verwaltungsverfahrens zu schützen; seine Regelung beruht dabei auf der Erwägung, daß ein unmittelbarer Rechtsschutz gegen vorbereitende Verfahrenshandlungen in der Regel weder wünschenswert noch erforderlich ist. Diese grundlegende Divergenz zwischen dem Ansatz des §44a VwGO einerseits und der früheren Rechtsprechung andererseits kann nicht ohne Auswirkungen auf dessen Verständnis und praktische Anwendung bleiben. Schließlich darf nicht übersehen werden, daß der behauptete Grundsatz nie unumstritten war. In jeder der Fallgruppen hatte sich die herrschende Auffassung mit mehr oder minder zahlreichen Gegenstimmen in Literatur 1 0 3 und Rechtsprechung 104 auseinanderzusetzen. Der vom OVG Bremen unterstellte Rechtsgrundsatz läßt sich — so das Fazit der vorangegangenen Untersuchungen — in der behaupteten Form nicht nachweisen. Das scheitert schon daran, daß das OVG sich auf das Prinzip der Prozeßökonomie beruft; ein Gesichtspunkt, der in der einschlägigen Rechtsprechung bis dahin nicht zum Ausdruck gekommen war. Die zusammengetragene Rechtsprechung und Literatur zeigt allerdings, daß bereits vor Einführung des §44a in die Verwaltungsgerichtsordnung eine relativ einheitliche Rechtsprechung 105 zu einigen Gruppen von Verfahrenshandlungen existierte, die immer101 So OVG Lüneburg, 18./20. 4. 1967, DVB1.1967, 859; OVG Bremen, 11.11. 1975, NJW 1976, 770; OVG Koblenz, 5. 7. 1976, VRspr. 28 (1977), 711; BVerwG, 11. 1. 1963, GewArch. 1963, 106 (107). 102 Diese Aussage wird später (s.u. in § 10 IV 2) näher zu belegen sein. Schon hier erscheint dagegen ein Hinweis auf die offensichtlich ganz in der Tradition der früheren Rechtsprechung stehende Entscheidung des BVerwG, 27. 5. 1981, NJW 1982, 120, angebracht, in welcher das Gericht die Regelung in § 44a S. 1 VwGO mit dem für einen Verwaltungsakt an sich erforderlichen, bei den Verfahrenshandlungen jedoch fehlenden Regelungsgehalt begründete. 103 Vgl. dazu die Literaturangaben in den Fn. 17 und 48 sowie die Literaturnachweise gegen die Rechtsprechung des BVerwG zur Unanfechtbarkeit des gemeindlichen Einvernehmens nach dem BBauG bei Bäumler, BayVBl. 1978,492 (493 Fn. 12); zur Kritik an der Rechtsprechung zu § 6 LuftVG vgl. näher in § 10 V I 4. 104 Vgl. dazu die Rechtsprechungsnachweise oben in Fn. 17, 18, 72, 79-81 und 89. 105 Auch die Oberverwaltungsgerichte sind in ihrer Mehrzahl den jeweiligen Leitentscheidungen des BVerwG gefolgt. Vgl. etwa: BayVGH, 31. 8. 1962, BayVBl. 1963, 123; 28. 11. 1967, BayVBl. 1968, 69; OVG Bremen, 11.11. 1975, NJW 1976, 770; OVG Lüneburg, 18./20. 4. 1967, DVB1. 1967, 859; 13.7.1972, DVB1. 1972, 795; OVG Koblenz, 5. 7. 1976, VRspr. 28 (1977), 711.

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1. Abschn.: Entstehung, vorheriger Rechtszustand, Parallelen

h i n i m Ergebnis dieselbe Rechtsfolge erzielte, wie sie heute § 44a S. 1 V w G O a n o r d n e t . 1 0 6 Diese Ü b u n g hat der Gesetzgeber m i t § 44a V w G O aufgegriffen, 1 0 7 aber auf eine andere dogmatische Grundlage gestellt. Es ist daher weit überzogen, i n § 44a V w G O nur die deklaratorische Bestätigung 1 0 8 eines schon bestehenden Rechtsgrundsatzes zu sehen. §44a V w G O k l ä r t den bis dahin Undefinierten Regelungsgegenstand, gibt der Bestimmung eine andere Zielsetzung u n d greift v o r allem inhaltlich erheblich weiter, indem er auch Verfahrensverwaltungsakte e r f a ß t 1 0 9 u n d sogar die selbständige Geltendmachung subjektiver Verfahrensrechte unterbindet.

106

Das betrifft in erster Linie die Grundregel: Kein sofortiger selbständiger Rechtsschutz gegen die Verfahrenshandlung, sondern erst inzident zusammen mit der Anfechtung der Sachentscheidung. Daneben finden sich auch vereinzelt Aussagen, die der Sonderregelung in § 44a S. 2 VwGO entsprechen — so etwa die Judikatur zur beamtenrechtlichen Anordnung, sich ärztlich untersuchen zu lassen (s.o. I I lb), wenn auch die tatbestandliche Übereinstimmung mit § 44a S. 21. Alt. VwGO teilweise fraglich sein mag. 107 Dabei ist zu beachten, daß sich der Gesetzgeber nicht ausdrücklich in die Tradition der bisherigen Rechtsprechung stellte (dazu bereits oben unter 12 bei Fn. 9), also bewußt keine bestimmte Rechtsauffassung „nur festschreiben" wollte. 108 So insbes. Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 233, wenn er von der nur klarstellenden Bedeutung des § 44a VwGO spricht; vgl. ferner die Nachweise oben in den Fn. 1-4 und 6. 109 Zu diesem Streitpunkt näher unten in § 10 IV 2.

Zweiter Abschnitt

Wirkungsweise und prozessuale Bedeutung des § 44a VwGO § 5 Die Prämissen des § 44a VwGO I. Problemstellung 1. Meinungsstand § 44a VwGO wurde vom Gesetzgeber in erster Linie in die Verwaltungsgerichtsordnung eingefügt, um die mißbräuchliche Anfechtung von Verfahrenshandlungen mit dem Ziel der Verfahrensverzögerung oder -erschwerung zu verhindern. 1 Dieser Begründung liegt erkennbar die Prämisse zugrunde, daß Zwischenstreitigkeiten, die mit förmlichen Rechtsbehelfen gegen einzelne Verfahrenshandlungen geführt werden, notwendig oder doch zumindest typischerweise zu Verfahrensverzögerungen führen. Weitergehende Erwägungen oder gar der Nachweis für die Richtigkeit dieser Annahme finden sich in der amtlichen Begründung zu § 44a VwGO nicht. Dem Gesetzgeber erschien die Möglichkeit, das Verwaltungsverfahren durch extensiven Einsatz von Rechtsbehelfen zu obstruieren, erkennbar so evident, daß er sie keiner weiteren Begründung für notwendig erachtete. Auch Rechtsprechung und Schrifttum haben diese Prämisse des § 44a VwGO unbesehen übernommen. Ausführungen zu der Frage, wie sich der Rechtsstreit über Verfahrenshandlungen im einzelnen auf das laufende Verwaltungsverfahren auswirkt, ob er überhaupt und wenn ja, ob er dann bei allen Arten von Rechtsschutzverfahren in gleicher Weise Verfahrensverzögerungen bewirkt, sucht man vergebens. Lediglich Meyer 2 zieht aus Sinn und Zweck des § 44a VwGO die Schlußfolgerung, daß dessen Satz 1 nur die Verfahrenshandlungen unterfallen können, „deren Anfechtung wegen der grundsätzlich aufschiebenden Wirkung nach § 80 VwGO einen Verfahrensstop während des Zwischenprozesses bedeuten würde." Für Verpflichtungsbegehren gelte dies nicht, „da die Behörde auf ihr Risiko das Verfahren unabhängig von diesem Prozeß weiter- und zu Ende führen kann." Wie sich im folgenden zeigen wird, läßt sich diese, zunächst recht einleuchtend erscheinende Anwendungsbeschränkung Meyers für § 44a VwGO im Ergebnis nicht halten. Das liegt nicht zuletzt daran, daß auch er den Auswirkungen von 1 2

BT-Drucks. 7/910, S. 97; näher dazu oben unter §2 I I 1. Meyer/Borgs, VwVfG, §97 Rdnrn. 17, 18.

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2. Abschn.: Wirkungsweise und prozessuale Bedeutung des § 44a VwGO

Rechtsbehelfsverfahren auf das laufende Verwaltungsverfahren nicht näher nachgeht, sondern es bei dem allgemeinen Hinweis auf den Suspensiveffekt eines Anfechtungsverfahrens beläßt. 2. Die beiden Komponenten der Prämisse zu § 44a VwGO Die Prämisse des Gesetzgebers für die Einführung des § 44a VwGO enthält zwei Elemente. Zum einen die Annahme, daß beim Fehlen einer entsprechenden Regelung tatsächlich in verstärktem Maße Verfahrenshandlungen zum Gegenstand von Gerichtsverfahren gemacht werden würden mit dem Ziel, die behördlichen Sachentscheidungen hinauszuzögern. Zum anderen geht der Gesetzgeber davon aus, daß solche Zwischenstreitigkeiten grundsätzlich zur Verschleppung und Erschwerung des jeweiligen Verwaltungsverfahrens führen. a) Hinter dem ersten Element verbirgt sich eine Prognoseentscheidung über das potentielle Verhalten der Regelungsadressaten. Jede Stellungnahme dazu gerät ohne entsprechende rechtstatsächliche Fundierung leicht in den Bereich der Spekulation. So erinnert der pauschale Hinweis in der amtlichen Begründung, die Befürchtung des Mißbrauchs von Verfahrensvorschriften sei nicht von der Hand zu weisen,3 in fataler Weise an die entsprechende Argumentation in der Diskussion um die Ausweitung des Rechtsschutzes im besonderen Gewaltverhältnis. Dort war den Befürwortern eines verstärkten Rechtsschutzes entgegengehalten worden, die weitgehende Eröffnung des Rechtsweges gegen Akte im sogenannten Betriebsverhältnis würde die Funktionsfahigkeit der Verwaltung nachhaltig beeinträchtigen — eine Befürchtung, die trotz erfolgter Rechtsschutzausweitung in keiner Weise eingetreten ist. 4 Trotz dieser Einwände kann die Annahme des Gesetzgebers für die Erforderlichkeit der Regelung des § 44a VwGO nicht einfach als unrealistisch abgetan werden. Der Gesetzgeber hat die Gefahr des Mißbrauchs von Verfahrensrechten prognostiziert, die seiner Ansicht nach durch die Schaffung des Verwaltungsverfahrensgesetzes besonders erhöht wurde. Bei der Einschätzung einer drohenden Gefahr, zu deren Verhütung er glaubt, tätig werden zu müssen, hat das BVerfG dem Gesetzgeber einen weiten Beurteilungsspielraum zugebilligt, „den er nur dann überschreitet, wenn seine Erwägungen so offensichtlich fehlsam sind, daß sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können." 5 3

BT-Drucks. 7/910, S. 97. Speziell zu dieser Frage aus dem mittlerweile nahezu unüberschaubaren Schrifttum zum Rechtsschutz im besonderen Gewaltverhältnis lediglich beispielhaft: Kellner, DÖV 1963, 418 (424); Paetzold, DVB1. 1974, 454 (456); Schenke, JuS 1982, 906 (907); Zimmermann, VerwArch. 62 (1971), 48 (60). 5 So BVerfG, 16. 3. 1971, E 30, 292 (317). Zum Prognosespielraum des Gesetzgebers vgl. ferner BVerfG, 9. 3. 1971, E 30, 250 (263) sowie Ossenbühl, in: Festgabe BVerfG, Bd. 1, S. 458 (498 ff.). In neuerer Zeit hat das BVerfG allerdings unter bestimmten Voraussetzungen zunehmend eine „Nachbesserungspflicht" des Gesetzgebers angenommen; vgl. dazu die Nachweise unten in Fn. 8. 4

§ 5 Die Prämissen des § 44a VwGO

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Offensichtlich unrichtig ist die Befürchtung jedoch nicht, daß Verfahrensbeteiligte ihre durch das VwVfG verstärkte Verfahrensposition mißbräuchlich zur Verfahrensverschleppung einsetzen könnten. So zeigt ein Blick auf das Gebiet des Strafprozeßrechts, daß dort eine Reihe strafprozessualer Normen unter anderem auch deshalb geändert werden mußten, weil vor allem in den Terroristenprozessen und in Großverfahren aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität einzelne Verfahrensrechte gezielt zur Obstruktion der Prozesse eingesetzt wurden. 6 Auch im Verwaltungsverfahren ist daher insbesondere bei politisch hoch emotionalisierten Verfahren wie etwa bestimmten Straßenplanfeststellungen, Flughafenplanungen oder atomrechtlichen Genehmigungsverfahren — aber nicht nur dort — die Gefahr der mißbräuchlichen 7 oder auch nur exzessiven Ausnutzung von Verfahrensrechten zur Verzögerung oder Erschwerung der Sachentscheidung realistischerweise als gegeben zu betrachten. 8 Es ist nicht das Ziel dieser Arbeit, nun der Frage im einzelnen nachzugehen, wie konkret die vom Gesetzgeber prognostizierte Gefahr ist und wie das Verhalten der Adressaten des § 44a VwGO in den verschiedenen Verfahrensarten wohl ohne das Vorhandensein dieser Norm aussehen würde. Für den vorliegenden Zusammenhang genügt die Feststellung, daß der Gesetzgeber in diesem Punkt seinen Entscheidungsspielraum jedenfalls nicht erkennbar überschritten hat. 9 b) Eingehender erörtert werden kann und soll dagegen im folgenden das zweite Element der Prämisse zu § 44a VwGO. Inwieweit die Anfechtung von Verfahrenshandlungen oder die Klage auf Erlaß derselben ein Verwaltungsverfahren belastet oder gar dessen Obstruktion ermöglicht, beurteilt sich ausschließlich nach rechtlichen Gesichtspunkten. Dabei soll auch auf die damit zusammenhängende Frage eingegangen werden, ob §44a VwGO seinem Anspruch gerecht werden kann, diese Störungsmöglichkeiten auszuschließen oder zumindest zu reduzieren — ob er also ein grundsätzlich geeignetes Mittel zur Abwehr der beschriebenen Gefahr ist. 6

So wurden durch das Strafverfahrensänderungsgesetz von 1979 (BGBl. I 1978, S. 1645) unter anderem die Bestimmungen über die Richterablehnung (§ 29 Abs. 2 StPO) und über die Pflicht zur Verwendung präsenter Beweismittel (§245 StPO) mit dem erklärten Ziel geändert, den Mißbrauch dieser Bestimmungen zu unterbinden; vgl. BTDrucks. 8/976, S. 16f. und 22ff.; ferner Vogel, NJW 1978,1217 (1223,1225); Riess, NJW 1978, 2265 (2268, 2270) sowie allgemein zum Mißbrauch prozessualer Rechte im Strafverfahren Weber, GA 1975, 289; Rüping/Dornseifer, JZ 1977, 417. 7 Dazu, daß der Mißbrauchsgedanke zwar gesetzgeberisches Motiv für die Einführung des §44a VwGO war, sich aber nicht als Tatbestandsvoraussetzung in der Norm niedergeschlagen hat, s.u. § 6 I 3. 8 Vgl. dazu für den Bereich des Verwaltungsverfahrens Schmitt Glaeser, in: Verfahren als staats- und verwaltungsrechtliche Kategorie, S. 35 (62) m.w. Nachw. 9 Der weite Prognosespielraum des Gesetzgebers bei Schaffung einer Norm entbindet ihn freilich nicht für alle Zeit von der Verantwortung für die geschaffene Regelung. Erweist sich eine Prognose im nachhinein als fehlerhaft, so ist der Gesetzgeber anerkanntermaßen zur Nachbesserung verpflichtet. Vgl. dazu BVerfG, 14. 1. 1981, E 56, 54 sowie aus der Literatur: Badura, in: Fschr. für Eichenberger, S. 481 ff.; Stettner, DVB1. 1982, 1123 ff.

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2. Abschn.: Wirkungsweise und prozessuale Bedeutung des §44a VwGO

II. Auswirkungen von Rechtsbehelfen gegen Verfahrenshandlungen auf das laufende Verwaltungsverfahren i. Die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage a) Der Eintritt der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO setzt voraus, daß Widerspruch und Anfechtungsklage sich gegen einen Verwaltungsakt richten. Ob Verfahrenshandlungen i. S. des § 44a VwGO ihrer Rechtsnatur nach Verwaltungsakte sein können ist umstritten; unter Vorwegnahme des Ergebnisses dieser weiter unten noch zu erörternden Frage wird im folgenden in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung davon ausgegangen, daß Verfahrenshandlungen auch Verwaltungsaktscharakter besitzen können 10 — Verfahrenshandlungen dieser Art sollen im weiteren Verlauf der Arbeit als „Verfahrensverwaltungsakte" bezeichnet werden. Die Anfechtung eines nicht vollstreckbaren Verfahrensverwaltungsaktes — und nur um solche geht es hier, da die vollstreckbaren verfahrensrechtlichen Verwaltungsakte nach § 44a S. 2 VwGO ohnehin selbständig anfechtbar sind — durch einen Widerspruch und dann gegebenenfalls durch die Anfechtungsklage suspendiert gemäß § 80 Abs. 1 VwGO zunächst dessen Wirkung. Der Suspensiveffekt bedeutet für die gestaltenden und feststellenden Verwaltungsakte nach im Ergebnis übereinstimmender Deutung, 11 daß aus dem Verwaltungsakt vorläufig weder tatsächliche noch rechtliche Folgerungen gezogen werden dürfen. An einem konkreten Beispiel illustriert heißt das: Trotz Bestimmung der örtlich zuständigen Behörde gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 VwVfG durch die gemeinsame Aufsichtsbehörde 12 wäre es der so ausgewählten Behörde verwehrt, das Verwaltungsverfahren von der zuerst mit der Sache befaßten Behörde zu übernehmen, solange die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen die Zuständigkeitsbestimmung besteht. Oder ein anderer Fall: Die Zurückweisung

10

Diese Ansicht vertreten unter anderen Knack /Schwarze, VwVfG, § 35 Rdnr. 4.5.6; Knack / Busch, VwVfG, §97 Rdnr. 4; Martens, NVwZ 1982, 480 (483); Meyer j Borgs, VwVfG, §97 Rdnr. 18; Obermayer, VwVfG, §97 Rdnr. 1; Redekerl ν . Oertzen, VwGO, § 44a Rdnr. 1 ; Stelkens / Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 97 Rdnr. 10. Näher dazu s. unten in § 10 IV 2. 11 Die verschiedenen, zur Bedeutung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO vertretenen Theorien führen jedenfalls aus der Sicht der das Verfahren betreibenden Behörde für die Verfahrensverwaltungsakte zu gleichen Ergebnissen. Vgl. die Darstellung des Streitstandes zu dieser Frage bei Finkelnburg, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdnr. 325; Kopp, VwGO, §80 Rdnrn. 12 ff; Eyermann IFröhler, VwGO, §80 Rdnr. 7 sowie Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 66 I 1 b (S. 349). 12 Die Zuständigkeitsbestimmung nach § 3 Abs. 2 VwVfG ist nach h. M. ein Verwaltungsakt: Knack / Klappstein, VwVfG, §3 Rdnr. 4.2; Kopp, VwVfG, §3 Rdnr. 28; Obermayer, VwVfG, § 3 Rdnr. 54; differenzierend Meyer I Borgs, VwVfG, § 3 Rdnr. 24; nicht als Verwaltungsakt betrachten diese Verfahrenshandlung Finkelnburg I Lässig, VwVfG, §3 Rdnr. 43 sowie zum früheren Recht BVerwG, 16. 7. 1965, E 21, 352.

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eines Bevollmächtigten oder Beistandes nach § 14 Abs. 5, 6 V w V f G 1 3 könnte während der Dauer des Suspensiveffektes nicht die Wirkung des § 14 Abs. 7 S. 2 VwVfG zeitigen, wonach die Verfahrenshandlungen des zurückgewiesenen Bevollmächtigten oder Beistandes unwirksam sind. 14 Die Beurteilung der aufschiebenden Wirkung für die Verfahrensverwaltungsakte selbst unterliegt mithin keinen besonderen Regeln. Damit ist jedoch noch nichts über die für die Prämisse des § 44a VwGO maßgebliche Frage ausgesagt, wie sich die Anfechtung der einzelnen, in Form eines Verwaltungsaktes ergangenen Verfahrenshandlung auf den Fortgang des Verwaltungsverfahrens insgesamt auswirkt. b) Ein allgemeiner Rechtssatz, wonach Verwaltungsverfahren nicht weiterbetrieben werden dürfen oder gar ausgesetzt werden müssen, wenn um einzelne Verfahrensfragen daraus ein Rechtsstreit geführt wird, existiert nicht. 15 Das OVG Koblenz etwa begründete sein Urteil vom 17. 1. 1968 16 , in welchem es die Anordnung der Straßenverkehrsbehörde nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 StVZO, ein medizinisch-psychologisches Fahrtauglichkeitsgutachten beizubringen, als anfechtbaren Verwaltungsakt bewertete, unter anderem damit, daß die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs die Behörde lediglich daran hindere, die Weigerung des Fahrerlaubnisinhabers, das angefochtene Gutachten beizubringen, zu dessen Nachteil zu würdigen. Darüber hinaus aber bleibe es der Behörde unbenommen, ungeachtet des gegen die Anordnung nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 StVZO schwebenden Verfahrens die Fahrerlaubnis aufgrund anderer Erkenntnisse zu entziehen. Aus diesem Urteil spricht die Auffassung, daß die Verwaltungsbehörde ein Verwaltungsverfahren auch dann weiterführen darf, wenn einzelne Verfahrenshandlungen daraus in einem Verwaltungsprozeß streitbefangen sind. Dieser Einschätzung ist grundsätzlich zuzustimmen. Die Behörde bestimmt und gestaltet den Gang des Verwaltungsverfahrens nach ihrem Ermessen. 17 Nach § 10 S. 2 VwVfG ist das Verwaltungsverfahren einfach und zweckmäßig durchzuführen. Dahinter steht auch die Forderung nach einem raschen Verwaltungsverfahren 18 — ein Ziel, an dem die verfahrensleitende Behörde ihr 13 Auch diese Maßnahme ist nach h. M. ein Verwaltungsakt: Knack / Clausen, VwVfG, § 14 Rdnr. 7.5; Kopp, VwVfG, § 14 Rdnr. 36; Obermayer, VwVfG, § 14 Rdnr. 83; Stelkens/ Bonk/Leonhardt, VwVfG, § 14 Rdnr. 35. 14 Deshalb empfiehlt Kopp, VwVfG, § 14 Rdnr. 38, für diese Fälle auch regelmäßig die Anordnung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. 15

So Haueisen, DVB1.1962, 881 (886 f.) für den Fall, daß die Sachentscheidung selbst vor Gericht angegriffen wird. Ebenso Knack / Clausen, VwVfG, §9 Rdnr. 5.4.1. 16 OVG Koblenz, D A R 1968, 138; zu diesen Fallgruppen s. oben §4 I I 1. 17 Kopp, VwVfG, §10 Rdnr. 1; Meyer j Borgs, VwVfG, §10 Rdnr. 2; Obermayer, VwVfG, § 10 Rdnrn. 4 ff. 18 Das ist im Grundsatz unumstritten: Finkelnburgj Lässig, VwVfG, § 10 Rdnr. 33; Obermayer, in: Fschr. Boorberg-Verlag, S. 111 (115ff.); Stelkens/BonkjLeonhardt, VwVfG, § 10 Rdnr. 7.

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2. Abschn.: Wirkungsweise und prozessuale Bedeutung des §44a VwGO

Ermessen in der Verfahrensgestaltung zu orientieren hat. Wie gezeigt, hat die Anfechtung von Verfahrensverwaltungsakten unmittelbare rechtliche Wirkung zunächst nur für diese selbst. Ein direkter rechtlicher Zwang für die Behörde, deshalb das Verfahren bis zur Beendigung des Rechtsstreits zu unterbrechen, läßt sich daraus nicht generell ableiten. Insbesondere ist die Verwaltungsbehörde keineswegs automatisch verpflichtet, das Verwaltungsverfahren auszusetzen. Zwar besitzt die federführende Behörde in Anlehnung an §94 VwGO die Befugnis, das Verwaltungsverfahren auszusetzen;19 doch beim Streit um eine Verfahrenshandlung wird es in aller Regel nicht um ein vorgreifliches Rechtsverhältnis im Sinne des § 94 VwGO gehen, sondern um einzelne Rechtsfragen, die eine Verfahrensaussetzung nicht rechtfertigen. 20 Dieser Befund deckt sich mit der Rechtslage im Verwaltungsprozeß. Dort geht der Prozeß grundsätzlich weiter, auch wenn gegen eine verfahrensleitende Gerichtsentscheidung Beschwerde eingelegt wurde. 21 Dies gilt selbst für den Fall, daß der Beschwerde ausnahmsweise kraft Gesetzes oder aufgrund gerichtlicher Anordnung aufschiebende Wirkung zukommt. Denn in § 149 Abs. 1 S. 2 VwGO wird dem Gericht oder dessen Vorsitzenden lediglich die Befugnis eingeräumt, punktuell die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung einstweilen auszusetzen, die Auswirkungen auf den Ablauf des Prozesses insgesamt werden in § 149 Abs. 1 VwGO dagegen nicht angesprochen. Auch die Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens auf die Weise, daß die Behörde — ohne förmliche Aussetzung — es einfach nicht weiterbetreibt, ist wegen einer durch Anfechtung suspendierten Verfahrenshandlung nicht ohne weiteres erforderlich. Der Einfluß eines Anfechtungsstreites um eine Verfahrenshandlung auf das Verwaltungsverfahren insgesamt hängt vielmehr stets vom konkreten Inhalt und der Bedeutung der betroffenen Verfahrenshandlung für das laufende Gesamtverfahren ab. Die Behörde ist lediglich in den Fällen rechtlich gezwungen, das Verwaltungsverfahren zu. unterbrechen, in denen eine angefochtene Verfahrenshandlung notwendige Voraussetzung für den Fortgang des Verwaltungsverfahrens ist. Davon ist dann auszugehen, wenn ohne ihre Wirksamkeit bzw. ohne ihre verfahrensmäßige Verwirklichung das Verfahren rein tatsächlich oder offensichtlich nicht rechtmäßig zu Ende geführt werden kann. Eine solche Konstellation, in der die Behörde durch den Rechtsstreit um eine Verfahrenshandlung rechtlich gehindert wäre, das Verwaltungsverfahren vor dessen Entscheidung zu Ende zu führen, wäre etwa dann gegeben, wenn die Bestellung eines Sachverständigen, zu der sich die Behörde in dem konkreten 19 So Finkelnburg! Lässig, VwVfG, §10 Rdnr. 11; Knack ! Clausen, VwVfG, vor §9 Rdnr. 5.2; Kopp, VwVfG, Vorbem. §9 Rdnr. 30; Obermayer, VwVfG, §9 Rdnr. 68. 20 Zum Begriff der Vorgreiflichkeit vgl. Kopp, VwGO, § 94 Rdnr. 4; Eyermann I Fröhler, VwGO, §94 Rdnr. 2 f. 21 Vgl. Kopp, VwGO, § 149 Rdnr. 1; Eyermann IFröhler, VwGO, § 149 Rdnr. 1, die sich dabei allerdings jeweils auf Beschwerden mit nicht aufschiebender Wirkung beziehen.

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Verfahren aufgrund des Amtsermittlungsprinzips verpflichtet sieht, 22 durch einen Beteiligten angefochten wurde. 23 Hier darf die Behörde das Verwaltungsverfahren nicht ohne die erforderliche Sachverhaltsaufklärung abschließen.24 Ein weiterer Fall, bei dem der Suspensiveffekt eines Anfechtungsrechtsbehelfs den Fortgang des Verwaltungsverfahrens hemmt, wäre beispielsweise bei der Anfechtung der Feststellung der Handlungsfähigkeit eines Beteiligten gegeben.25 Solange der Streit darüber geht, ob ein Beteiligter handlungsunfähig ist und die Behörde sich deshalb an seinen gesetzlichen Vertreter wenden muß, kann das Verwaltungsverfahren faktisch nicht weitergeführt werden. Auch für den geschilderten Bereich unumgänglich notwendiger Verfahrenshandlungen aber ist die Verwaltungsbehörde der gezielten Verfahrensobstruktion durch deren Anfechtung nicht hilflos ausgeliefert. Ihr steht die Möglichkeit offen, nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO den betreffenden Verfahrensverwaltungsakt für sofort vollziehbar zu erklären und damit dessen Wirksamkeit für den weiteren Verfahrensablauf zunächst 26 zu sichern. Im übrigen gibt es jedoch auch verfahrensrechtliche Verwaltungsakte, die für das Verwaltungsverfahren von eher redundanter Bedeutung sind. Werden Verfahrensverwaltungsakte solcher Art angefochten, steht es der Behörde grundsätzlich frei, das Verwaltungsverfahren trotz Suspendierung dieser Verfahrenshandlungen fortzuführen, wofür im Zweifel der Grundsatz der Verfahrensbeschleunigung 27 spricht. c) Anfechtungsverfahren gegen Verfahrenshandlungen haben also — so das Zwischenergebnis der vorstehenden Überlegungen — lediglich bezüglich der geschilderten notwendigen Verfahrenshandlungen die Verfahrensunterbrechung zwingend zur Folge, und auch diese kann seitens der Behörde über § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vermieden werden. Im übrigen verbleibt es im Ermessen der Verwaltungsbehörde, ob sie das Ergebnis des Verfahrensstreits abwarten oder 22

Zu der sich u. U. zur Pflicht verdichtenden Befugnis der Behörde, einen Sachverständigen zur Sachaufklärung heranzuziehen, vgl. Kopp, VwVfG, § 26 Rdnr. 20. 23 Voraussetzung für Anfechtung und Suspensiveffekt ist natürlich auch hier die Verwaltungsaktsqualität der Bestimmung des Sachverständigen durch die Behörde. Ob es sich dabei um einen Verwaltungsakt handelt, ist umstritten; dafür wohl Obermayer, VwVfG, §26 Rdnr. 24; restriktiv dagegen Stelkens j Bonk j Leonhardt, VwVfG, §26 Rdnr. 4 b; differenzierend Knack j Clausen, VwVfG, §26 Rdnr. 6; die Verwaltungsaktsqualität dieser Maßnahme lehnt ausdrücklich ab Meyer j Borgs, VwVfG, § 35 Rdnr. 58. 24 Die Behörde ist freilich nicht gehindert, sich mit den Beteiligten zu einigen und einen anderen Sachverständigen zu benennen — nur, sie darf die Aufklärung nicht einfach unterlassen, denn sonst wird die Sachentscheidung rechtswidrig: Kopp, VwVfG, §24 Rdnr. 13; Obermayer, VwVfG, §24 Rdnrn. 40ff.; StelkensIBonk/Leonhardt, VwVfG, §24 Rdnr. 17; Weides, Verwaltungsverfahren und Widerspruchsverfahren, §7, 8 (S. 95 ff.). 25 Diese Feststellung kann durch Verwaltungsakt erfolgen: Kopp, VwVfG, § 12 Rdnr. 8; Obermayer, VwVfG, § 11 Rdnr. 36. 26 Zur Reaktionsmöglichkeit der Beteiligten über § 80 Abs. 5 VwGO siehe sogleich unten sub I I 3. 27 s. dazu oben bei Fn. 18.

5 Eichberger

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2. Abschn.: Wirkungsweise und prozessuale Bedeutung des § 44a VwGO

auf ihr Risiko das Verwaltungsverfahren weiterführen will. Einen automatischen Verfahrensstopp, wie Meyer 28 annimmt, können die Beteiligten also auch ohne die Regelung des § 44a S. 1 VwGO mit dem der Anfechtungsklage eigenen Suspensiveffekt nicht nach Belieben erzielen. In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, ob § 44a S. 1 VwGO überhaupt die bewußte Verfahrensverschleppung durch Anfechtungsstreitigkeiten verhindern kann, eine Frage, die nicht auf die Prämissen des § 44a S. 1 VwGO, sondern auf die Tauglichkeit und Geeignetheit dieser Norm zum vorgesehenen Zweck abzielt. Was die Bedenken an der Eignung des § 44a S. 1 VwGO im Hinblick auf die spezifischen Probleme der Anfechtungsstreitigkeiten betrifft, so rühren diese daher, daß der Eintritt des Suspensiveffekts nach § 80 Abs. 1 VwGO auch bei unzulässigen Rechtsbehelfen nicht ohne weiteres ausgeschlossen ist. 2 9 Nach verbreiteter, insbesondere auch von der Rechtsprechung vertretener Auffassung tritt die aufschiebende Wirkung selbst bei Einlegung eines unzulässigen Rechtsbehelfs ein. Der wegen § 44a S. 1 VwGO unzulässige Widerspruch gegen einen verfahrensrechtlichen Verwaltungsakt besäße also dennoch in dem soeben beschriebenen Umfang verfahrenshemmende Wirkung. 3 0 § 44a S. 1 VwGO ist mithin weder ein durchweg notwendiges noch stets taugliches Mittel, die vom Gesetzgeber beschworene Gefahr der Verfahrensverzögerung und - erschwerung zu verhindern, sofern sie nur oder hauptsächlich in der aufschiebenden Wirkung von anfechtenden Rechtsbehelfen gesehen wird. 2. Die Wirkung

der anderen Klagearten

Im Gegensatz zur Anfechtungsklage äußert die Erhebung der Verpflichtungs- 31 , allgemeinen Leistungs- oder Feststellungsklage zunächst keine unmittelbare Wirkung gegenüber der angegriffenen oder begehrten Verfahrenshandlung. Eine direkte rechtliche Beeinflussung des behördlichen Verwaltungsverfah28

Meyer!Borgs, VwVfG, §97 Rdnr. 17. Zu der umstrittenen Frage, wann der Suspensiveffekt auch bei unzulässigen Rechtsbehelfen eingreift, vgl. die Darstellung des Meinungsstandes bei Pietzner ! Ronellenfitsch, Das Assessorexamen im öffentlichen Recht, §44 Rdnrn. 14 ff. sowie TschiraI Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, S. 134 ff.; Eyermann IFröhler, VwGO, § 80 Rdnrn. 14ff. 30 Anders wäre die Bedeutung des § 44a S. 1 VwGO in der angesprochenen Situation dagegen dann zu beurteilen, wenn man mit einer Mindermeinung dem unzulässigen Anfechtungsrechtsbehelf generell keinen Suspensiveffekt zubilligt, oder wenn man die auf § 44a S. 1 VwGO beruhende Unzulässigkeit zu der Gruppe von Unzulässigkeitsgründen zählt, die nach einer vermittelnden Auffassung ebenfalls den Suspensiveffekt ausschließen. Zu den Vertretern der verschiedenen Auffassungen vgl. die Nachweise bei den oben in Fn. 29 genannten Autoren. 29

31 Gleiches wie für die Verpflichtungsklage gilt für den im folgenden nicht eigens erwähnten Verpflichtungswiderspruch nach § 68 Abs. 2 VwGO.

§ 5 Die Prämissen des § 44a VwGO

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rens insgesamt ist daher ebenfalls ausgeschlossen. Wie bereits festgestellt, gibt es keinen allgemeinen Rechtssatz des Inhalts, daß Verwaltungsverfahren innerhalb derer einzelne Verfahrenshandlungen in einem Rechtsstreit befangen sind, ausgesetzt oder in sonstiger Weise unterbrochen werden müssen. Erst wenn über diese Verfahrensstreitigkeiten rechtsverbindlich durch Urteil oder Beschluß befunden ist, erzwingen sie Berücksichtigung im Verwaltungsverfahren. In aller Regel werden zu diesem Zeitpunkt die Verwaltungsverfahren jedoch bereits beendet sein. Während der Rechtshängigkeit der Prozesse ist die Behörde dagegen nicht gehindert, das Verwaltungsverfahren fortzuführen. Das geschieht freilich, wie Meyer zutreffend bemerkt, „auf ihr Risiko". 32 Führt die Verwaltungsbehörde ein Verwaltungsverfahren zu Ende, obwohl darin beispielsweise eine Klage auf Gewährung von Akteneinsicht oder auf Unterlassung eines bestimmten Amtshilfeersuchens rechtshängig ist, ohne diesen Begehren zu entsprechen, so muß sie sich dessen bewußt sein, daß in diesen Punkten jedenfalls die klagenden Beteiligten erhebliche Bedenken an der Rechtsmäßigkeit ihres verfahrensmäßigen Vorgehens haben. Die Situation ist für die federführende Behörde jedoch keine andere, als wenn dieselben Beteiligten wegen der Zulässigkeitsschranke des § 44a S. 1 VwGO zwar keine Klagen erhoben, die Behörde aber nachdrücklich auf ihre Rechtsbedenken hinsichtlich der fraglichen Verfahrenshandlungen hingewiesen und die Geltendmachung der vermeintlichen Verfahrensfehler zusammen mit der Sachentscheidung angekündigt hätten. Verantwortlich für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens ist die Behörde in jedem Fall. Die gezielte Verzögerung des Verwaltungsverfahrens braucht sich die Verwaltungsbehörde gegen ihren Willen also auch ohne den Schutz des § 44a S. 1 VwGO in diesem Bereich nicht aufdrängen zu lassen. 3. Vorläufiger

Rechtsschutz

Beschreitet ein Beteiligter den Weg des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 oder § 123 VwGO, so liegt der wesentliche Unterschied zum soeben behandelten allgemeinen Klageverfahren für die vorliegende Fragestellung darin, daß er häufig noch vor Abschluß des Verwaltungsverfahrens eine gerichtliche Entscheidung erstreiten kann. 3 3 Vor Ergehen der Gerichtsentscheidung, während des Prozeßlaufs also, ist dagegen die Lage für die Behörde nicht anders als bei einem schwebenden Klageverfahren — ein rechtlicher Zwang zur Aussetzung des Verwaltungsverfahrens besteht nicht. Die gerichtliche Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kann diese Situation ändern.

32

Meyer/Borgs, VwVfG, §97 Rdnr. 17. Auch hier darf allerdings die Geschwindigkeit der summarischen Verfahren insbesondere zu komplexen Verwaltungsproblemen nicht überschätzt werden. Badura spricht hier von einer Verfahrensdauer von „nicht selten vielen Monaten" (JA 1984, 83, 33

86). 5»

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2. Abschn.: Wirkungsweise und prozessuale Bedeutung des § 44a VwGO

a) Erreicht der Antragsteller über § 80 Abs. 5 VwGO die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs gegen einen verfahrensrechtlichen Verwaltungsakt, der für den Fortgang des Verwaltungsverfahrens die oben beschriebene notwendige Bedeutung besitzt und den deshalb die Behörde nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO für sofort vollziehbar erklärt hatte, so führt dies im Ergebnis zur Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens bis zur gerichtlichen Hauptsacheentscheidung über den Verfahrensverwaltungsakt. Im Geltungsbereich des § 44a S. 1 VwGO kann ein solcher Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO wegen der daraus resultierenden Unzulässigkeit hingegen keinen Erfolg haben — hier verhindert § 44a S. 1 VwGO also unmittelbar eine mögliche Verfahrensverzögerung. b) Ob die Entscheidung nach § 123 VwGO über eine Verfahrenshandlung die Verzögerung des laufenden Verwaltungsverfahrens zur Folge hat, hängt von deren Inhalt ab, den das Gericht nach freiem Ermessen bestimmt. 34 Hält das Gericht ausnahmsweise die Verpflichtung der Behörde zur Vornahme der in der Hauptsache begehrten Verfahrenshandlung im Wege der sogenannten Leistungsverfügung 35 für gerechtfertigt, so wird daraus lediglich dann eine Verfahrensverzögerung folgen, wenn die angeordnete Verfahrenshandlung einen raschen Abschluß des Verwaltungsverfahrens unmöglich macht (etwa die gerichtliche Verfügung, ein aufwendiges Sachverständigengutachten einzuholen). Denkbar ist aber auch, daß das Gericht zur Sicherung des glaubhaft gemachten Anspruchs des Antragstellers auf Vornahme einer bestimmten Verfahrenshandlung der Behörde vorläufig untersagt, bestimmte, diese Rechtsposition ansonsten vereitelnde Verfahrensmaßnahmen zu ergreifen. Auch hier entfaltet wiederum §44a S. 1 VwGO unmittelbare Wirksamkeit. 36 Denn er verhindert, daß der Antragsteller eine Sicherungs- oder Regelungsanordnung in der Sache erstreiten kann. Im Bereich des einstweiligen Rechtsschutzes resultiert die Gefahr einer Verfahrensverzögerung also nicht aus dem Umstand, daß überhaupt ein Verwaltungsstreitverfahren über eine Verfahrenshandlung durchgeführt wird, sondern allein aus dem Erfolg dieses Rechtsschutzverfahrens. Diese Feststellung ist deshalb bemerkenswert, weil sich der Gesetzgeber ausweislich der amtlichen Begründung vornehmlich durch den erstgenannten Aspekt zur Einführung des § 44a VwGO veranlaßt sah. 37 Das exzessive Prozessieren um Verfahrenshand34

Dies folgt aus § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 938 ZPO; vgl. Finkelnburg, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdnr. 151; Kopp, VwGO, § 123 Rdnr. 30; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 67 IV 2 (S. 366). 35

Zur ausnahmsweisen Vorwegnahme der Hauptsache und den hierzu anerkannten Fallgruppen vgl. Kopp, VwGO, §123 Rdnrn. 13 ff.; Ey ermann / Fröhler, VwGO, §123 Rdnrn. 8, 13a; Bosch/Schmidt, Praktische Einführung, § 58 II, I I I (S. 249ff.); Finkelnburg, Vorläufiger Rechtsschutz, Rdnr. 167. 36 Zur Anwendbarkeit des § 44a VwGO auf die Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes s. unten § 12 I I I 2. 37 Vgl. BT-Drucks. 7/910 zu § 92 Nr. 2 EVwVfG 1973, S. 97.

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lungen als solches ließ ihn befürchten, daß die jeweiligen Verwaltungsverfahren unabhängig von dem Ausgang der Prozesse paralysiert werden könnten. Dennoch ist es legitim, § 44a VwGO auch aus jener Verzögerungsgefahr zu rechtfertigen, die erst durch die Gerichtsentscheidungen selbst realisiert werden kann. Denn die Regelung in §44a VwGO bringt deutlich die Wertung des Gesetzgebers zum Ausdruck, daß vorzeitige Klagen um Verfahrenshandlungen prinzipiell ausgeschlossen sein sollen, gleich ob die zugrundeliegenden Begehren im Ergebnis berechtigt sind — was durch die dem Antragsteller günstigen Judikate im einstweiligen Rechtsschutzverfahren ja zumindest vorläufig festgestellt wäre — oder nicht. Der Gesetzgeber sieht die nachträgliche Rechtswahrung, konzentriert auf die Klage gegen die Sachentscheidung, ausdrücklich als in der Regel zumutbar und ausreichend an. 4. Ursachen mittelbarer

Verfahrensverzögerung

Die bisherigen Überlegungen haben gezeigt, daß die verwaltungsgerichtlichen Prozesse um Verfahrenshandlungen, und dies gilt auch für die suspendierenden Anfechtungsverfahren, nur in Ausnahmefallen unmittelbar zur Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens führen. Es wäre jedoch verfehlt, daraus den Schluß zu ziehen, daß die Gerichtsverfahren im übrigen die parallel dazu verlaufenden Verwaltungsverfahren völlig unberührt ließen. Eine zumindest mittelbare Beeinflussung erfolgt auf mehreren Ebenen. a) Zum ersten fordern die Gerichte grundsätzlich die einschlägigen Verwaltungsakten von den Behörden an. 3 8 Nach § 99 Abs. 1 S. 1 VwGO ist die Behörde verpflichtet, der gerichtlichen Verfügung nachzukommen. 39 Das Gericht bestimmt, orientiert am Streitgegenstand, welche Akten als entscheidungserheblich vorzulegen sind. 40 Dadurch werden der Behörde je nach streitbefangener Verfahrenshandlung und Komplexität des Verwaltungsverfahrens alle oder doch wesentliche Teile der Verfahrensakten entzogen. Will die Behörde das Verfahren neben dem Prozeß weiterbetreiben, muß sie sich Doppel der an das Gericht abgegebenen Akten anfertigen, was je nach Aktenumfang einen kaum vertretbaren Verwaltungsaufwand bedeuten kann. Geht sie nicht diesen Weg, ist die Behörde faktisch gezwungen, das Verwaltungsverfahren für die Dauer des Prozesses um die Verfahrenshandlung ganz oder teilweise ruhen zu lassen.

38

Vgl. dazu das Muster einer Eingangsverfügung bei Bosch / Schmidt, Praktische Einführung, § 34 I 1 (S. 168), in welchem die Aktenanforderung bereits vorgedruckt ist. Das Gericht ist schon aufgrund seiner Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) gehalten, die erforderlichen Akten beizuziehen. Auf die entsprechende Praxis weisen ebenfalls hin Haueisen, DVB1. 1962, 881 (887) sowie Papier, Bitburger Gespräche, S. 81 (83). 39 Der Umstand, daß die Behörde dadurch möglicherweise gehindert wird, das Verwaltungsverfahren weiterzuführen, ist kein Grund, der die Verweigerung der Herausgabe im Sinne des § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO rechtfertigen würde. 40

Kopp, VwGO, §99 Rdnr. 2; Redeker/v.Oertzen,

VwGO, §99 Rdnr. 10.

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2. Abschn.: Wirkungsweise und prozessuale Bedeutung des §44a VwGO

b) Zum zweiten bindet der gerichtliche Streit über eine Verfahrenshandlung durch die damit verbundenen Belastungen wie Schriftwechsel mit den Beteiligten, Beantwortung gerichtlicher Anfragen, Terminswahrnehmung und ähnliche in mehr oder minder großem Umfang Arbeitskapazitäten der das Verfahren betreibenden Behörde. Auch das kann im Ergebnis zur Verzögerung des Verwaltungsverfahrens führen, bedeutet aber in jedem Fall eine Erschwerung der behördlichen Tätigkeit. 41 c) Schließlich gilt es noch den Ermessensspielraum zu beachten, den die Behörde bei der Gestaltung des Verwaltungsverfahrens besitzt. 42 Mögen auch vorgezogene Verwaltungsprozesse um Verfahrenshandlungen die Verwaltungsbehörde in den meisten Fällen nicht unmittelbar zur Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens zwingen, so entbindet sie dies nicht davon, zwischen dem öffentlichen Interesse an einem raschen Verwaltungsverfahren sowie gegebenenfalls gleichgelagerten Interessen bestimmter Verfahrensbeteiligter einerseits 43 und dem Wunsch der anderen Beteiligten, die einzelne Verfahrensposition noch im laufenden Verwaltungsverfahren gerichtlich durchsetzen wollen, sowie den oben unter a) und b) geschilderten verfahrenserschwerenden Problemen andererseits abzuwägen. Werden die faktischen Hindernisse zu groß, so wird es vielfach sachgerecht sein, das Verfahren zu unterbrechen. Der Gestaltungsspielraum der federführenden Verwaltungsbehörde kann aber auch durch das Rechtsstaatsprinzip bis hin zur Verpflichtung der Verfahrensunterbrechung eingeengt sein. Zeichnet sich etwa in einem Zwischenprozeß um eine begehrte Verfahrenshandlung ab, daß dem klagenden Beteiligten der geltend gemachte Verfahrensanspruch zuerkannt werden wird, so wäre es mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen eines gesetzmäßigen und auch fairen Verfahrens 44 unvereinbar, das Verwaltungsverfahren möglichst schnell zu einer Sachentscheidung zu führen, um so den Beteiligten hinsichtlich des umstrittenen Verfahrensrechts vor vollendete Tatsachen zu stellen. Dieser Gesichtspunkt wird zwar dadurch relativiert, daß dem Beteiligten — in den Grenzen des § 46 VwVfG — grundsätzlich stets die Möglichkeit verbleibt, die Sachentscheidung 41 Auch der Gefahr der Verfahrenserschwerung durch isolierte Prozesse um Verfahrenshandlungen wollte der Gesetzgeber ausdrücklich durch § 44a VwGO vorbeugen; s. BT-Drucks. 7/910 zu § 92 Nr. 2 EVwVfG 1973, S. 97. 42 s. dazu die Nachw. oben in Fn. 17. 43 Ein Interessengegensatz zwischen verschiedenen privaten Beteiligten desselben Verwaltungsverfahrens ist für die sog. polygonalen Verwaltungsverfahren typisch. Zu diesen siehe die Nachw. oben in § 2 I I 3. 44 Zum Grundsatz eines fairen Verwaltungsverfahrens vgl. Meyer ! Borgs, VwVfG, vor § 9 Rdnr. 2; Kopp, VwVfG, Vorbem. § 1 Rdnr. 4 mit jeweils weiteren Nachw. Zu den weiteren Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips für das Verwaltungsverfahren, insbes. zum Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung vgl. Kopp, Verfassungsrecht und Verwaltungsverfahrensrecht, S. 54ff., 61 ff.; ferner Laubinger, VerwArch. 73 (1982), 60 (84 f.) sowie Ule, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsgerichtsbarkeit in: Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 297 (309 f.).

§ 5 Die Prämissen des § 44a VwGO

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im nachhinein als verfahrensfehlerhaft zustande gekommen anzugreifen; ein Recht der Behörde, sehenden Auges ein verfahrensfehlerhaftes Verwaltungsverfahren „durchzuziehen", kann jedoch aus der repressiven Rechtsschutzmöglichkeit der Beteiligten nicht abgeleitet werden. I I I . Erforderlichkeit und Eignung des § 44a VwGO aus der Sicht seiner Prämissen Die Überlegungen zur Auswirkung verwaltungsgerichtlicher Streitigkeiten über einzelne Verfahrenshandlungen auf den Fortgang des Verwaltungsverfahrens insgesamt haben ergeben, daß diese nur in einzelnen Teilbereichen unmittelbar zu Verfahrensverzögerungen führen (Suspensiveffekt bei notwendigen Verfahrensverwaltungsakten, einstweilige Rechtsschutzverfahren). Hinzu kommen jedoch erhebliche faktische Erschwernisse, welche im Zusammenhang mit den genannten rechtsstaatlichen Aspekten die Behörde in zahlreichen Fällen zur Unterbrechung des Verwaltungsverfahrens veranlassen werden. Die Erwägungen, die den Gesetzgeber zur Einführung des § 44a VwGO veranlaßten, haben sich im Ergebnis mithin als gerechtfertigt erwiesen. Jedenfalls hat er die Gefahrdungen, die dem Verwaltungsverfahren durch die selbständigen Rechtsstreitigkeiten um Verfahrenshandlungen drohen, nicht grundsätzlich falsch eingeschätzt. Es ist dagegen eine andere Frage, ob § 44a S. 1 VwGO in seiner jetzigen Ausgestaltung ein geeignetes Mittel ist, um den geschilderten Gefahren wirksam zu begegnen. Auf Bedenken hinsichtlich der Fähigkeit des § 44a S. 1 VwGO, den Suspensiveffekt von Anfechtungsverfahren auszuschließen, wurde bereits hingewiesen.45 Dagegen zeigt sich § 44a S. 1 VwGO als wirksames Mittel zur Unterbindung von Versuchen, über § 80 Abs. 5 oder § 123 VwGO einen vorläufigen Verfahrensstopp durch Richterspruch zu erzwingen. Davon abgesehen bleibt es jedoch bei der Erkenntnis, daß auch die unzulässige Klage einen Prozeß zur Folge hat, der die dargelegten faktischen Auswirkungen 46 auf das Verwaltungsverfahren zeitigen kann. 4 7 Ob § 44a S. 1 VwGO in diesen Fällen dem Gericht eine rasche Abweisung der Klage als unzulässig erlaubt, hängt von der Praktikabilität dieser Regelung und der Einfachheit ihrer Handhabung ab. Die Eignung des § 44a VwGO beurteilt sich aber nicht nur danach, wie er sich bei Verstoß gegen seine Bestimmung bewährt, d.h. welche Rechtsfolgen mit welchen praktischen Konsequenzen er bewirkt, wenn entgegen seinem Verbot 45

s. oben unter I I 1. s. oben unter I I 4a, b. 47 Darauf, daß das Unzulässigkeitsverdikt nicht geeignet ist, die „zerstörerische Wirkung des Suspensiveffekts im Betriebsverhältnis" zu verhindern und u.U. den Gerichten mehr Arbeitsaufwand verursacht als eine klare Klageabweisung wegen Unbegründetheit des Begehrens, hat zu der Parallelproblematik im besonderen Gewaltverhältnis zutreffend Kellner, DÖV 1963, 418 (424f.), hingewiesen. 46

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2. Abschn.: Wirkungsweise und prozessuale Bedeutung des § 44a VwGO

ein selbständiger Rechtsbehelf gegen eine Verfahrenshandlung (im folgenden synonym als Verfahrensrechtsbehelf bezeichnet) ergriffen wird. A m besten würde er die ihm zugedachte Funktion dann erfüllen, wenn sich allein durch seine Existenz die potentiellen Rechtsbehelfsführer von der Erhebung eines separaten Verfahrensrechtsbehelfs abhalten ließen. Der tatsächliche Wert eines solchen „Abschreckungseffekts" läßt sich freilich nur schwer feststellen. In der Diskussion um die allgemeine Bedeutung des § 42 Abs. 2 VwGO tauchte das gleiche Argument von der Abschreckungswirkung dieser Bestimmung zum Nachweis ihrer Notwendigkeit auf, wurde jedoch vielfach skeptisch beurteilt. 48 Die dort vorgebrachte Kritik an der angeblichen Unentbehrlichkeit des § 42 Abs. 2 VwGO als Abschreckungsinstrument kann jedoch nicht in gleicher Weise auf § 44a VwGO übertragen werden. Während es nämlich dem Kläger bei einem Anfechtungs- oder Verpflichtungsstreit wohl in der Tat relativ gleichgültig ist, ob der Richter über sein behauptetes subjektives Recht unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit oder der Begründetheit entscheidet,49 hat § 44a S. 1 VwGO zur Folge, daß das Gericht erst gar nicht bis zu der den Rechtsbehelfsführer interessierenden Frage, ob eine Verfahrenshandlung ihn rechtswidrig verletzt oder er Anspruch auf Vornahme einer bestimmten Verfahrenshandlung hat, vordringt. Im letzteren Fall wird der Rechtsbehelf allein aufgrund des Umstandes zurückgewiesen, daß er ausschließlich eine Verfahrenshandlung zum Gegenstand hat, ohne daß sich das Gericht mit den Rechtsfragen um die Rechtmäßigkeit der betreffenden Verfahrenshandlung in der Sache befassen muß. Angesichts dieser Sachlage kann man dem § 44a VwGO einen gegenüber § 42 Abs. 2 VwGO erheblich gesteigerten „Abschreckungseffekt" durchaus zugestehen. § 6 Problemaufriß und Überblick über die Regelungsstruktur des § 44a V w G O Als Regeltatbestand schließt § 44a S. 1 VwGO die selbständige prozessuale Geltendmachung von Verfahrensrechtsbehelfen aus. Dieser Grundnorm stellt der Gesetzgeber in § 44a S. 2 VwGO die beiden Fallgruppen der vollstreckbaren und der gegenüber Dritten ergehenden Verfahrenshandlungen als Ausnahmebestimmung gegenüber. Zu beiden Ausnahmen glaubte er sich durch Art. 19 Abs. 4 GG verpflichtet. 1 Dieser unmittelbare Bezug zur Rechtsschutzgarantie legt es nahe, die Erörterung des Satzes 2 von §44a VwGO der unten im 4. Abschnitt vorzunehmenden Verfassungsmäßigkeitsprüfung vorzubehalten. 48

Vgl. dazu Gierth, DÖV 1980, 893 (895, 897); Rupp, DVB1. 1982,144 (146); Kellner, DÖV 1963, 418 (427); vgl. auch Achterberg, DVB1. 1981, 278 (280). 49 1

So zu Recht Rupp, DVB1. 1982, 144 (146).

s. dazu bereits oben unter § 21 sowie eingehend später in § 13. Vgl. ferner BT-Drucks. 7/910, S. 97 zu §92 Nr. 2 EVwVfG 1973; in diesem Sinne auch StelkensI Bonk/ Leonhardt, VwVfG, §97 Rdnr. 15; Knack/Busch, VwVfG, §97 Rdnr. 4.2.

§ 6 Die Regelungsstruktur des § 44a VwGO

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Hier nun geht es im folgenden darum, die Regelungsstruktur des Satzes 1 von § 44a VwGO — als der zentralen Aussage dieser Norm — aufzuzeigen. Durch die Analyse seiner Regelungsbestandteile soll der Zugang zu den sich dahinter verbergenden dogmatischen Problemen erleichtert und seine Wirkungsweise verdeutlicht werden. I. Die beiden Regelungskomponenten des § 44a S. 1 VwGO Nach § 44a S. 1 VwGO dürfen Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen „nur gleichzeitig" mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Die Vorschrift ordnet also ein umfassendes Verbot isolierter Verfahrensrechtsbehelfe an. Das ist etwas anderes und teilweise auch Weitergehendes als das schlichte Verbot von Verfahrensrechtsbehelfen während des laufenden Verwaltungsverfahrens, wie man es aufgrund der gesetzgeberischen Motive 2 zu § 97 Nr. 2 VwVfG hätte erwarten können. Denn zum einen gestattet § 44a S. 1 VwGO Verfahrensrechtsbehelfe auch schon im laufenden Verwaltungsverfahren, sofern sie zusammen mit den im Wege des vorbeugenden Rechtsschutzes gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen erhoben werden. 3 Zum anderen verbietet §44a S. 1 VwGO —jedenfalls nach seinem Wortlaut 4 — auch nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens, nach ergangener Sachentscheidung also, isolierte Verfahrensrechtsbehelfe. Diese Sichtweise macht die für die Regelung des § 44a S. 1 VwGO wichtige zeitliche Zäsur der Sachentscheidung deutlich. Auf den Zeitraum vor Ergehen der Sachentscheidung konzentrieren sich die konfligierenden Interessen der Verfahrensbeteiligten. Die Behörde will „ihr" Verwaltungsverfahren möglichst „ungestört" durch prozessuale Streitigkeiten zu einem Ergebnis führen; der Bürger ist bestrebt, schon während des laufenden Verwaltungsverfahrens die Weichenstellungen für die künftige Sachentscheidung in seinem Sinne zu beeinflussen. Wie der Blick auf die Entstehungsgeschichte des § 44a VwGO gezeigt hat, liegt der Regelungsakzent der Vorschrift eindeutig auf diesem Zeitraum. Auch wenn § 44a S. 1 VwGO Verfahrensrechtsbehelfe während des laufenden Verwaltungsverfahrens nicht absolut, sondern nur als selbständige verbietet, ist das Ergebnis faktisch doch nahezu dasselbe wie bei einem umfassenden Verbot. Denn für die Zeit des laufenden Verwaltungsverfahrens fehlt es definitionsgemäß an einer Sachentscheidung als notwendiger Voraussetzung für den durch § 44a S. 1 VwGO allein zugelassenen konzentrierten Rechtsbehelf. Die Möglichkeit vorbeugenden Rechtsschutzes gegen die Sachentscheidung und dabei zugleich gegen eine Verfahrenshandlung schon während des Verwaltungsverfahrens ändert an 2 BT-Drucks. 7/910 zu § 92 Nr. 2 EVwVfG 1973, S. 97; eingehend dazu oben unter § 2 I I 1 sowie im einzelnen zu den gesetzgeberischen Prämissen oben in § 5. 3 Dazu, daß die vorbeugend gegen die Sachentscheidung erhobenen Rechtsbehelfe nicht zu denen durch §44a S. 1 VwGO verbotenen zählen, s. unten § 12 I I I 1. 4

Ausführlich zur Bedeutung des §44a S. 1 VwGO für die Zeit nach ergangener Sachentscheidung sogleich in § 7.

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2. Abschn.: Wirkungsweise und prozessuale Bedeutung des §44a VwGO

dieser Beurteilung nichts. Zum einen ist vorbeugender Rechtsschutz im System des Verwaltungsprozeßrechts nur ausnahmsweise zulässig;5 zum anderen kann er schon deshalb kein Mittel zur Verfahrensverzögerung sein, da er das zu erwartende Verfahrensergebnis selbst vor Gericht anhängig macht. Wie § 44a S. 1 VwGO also zutreffend zum Ausdruck bringt, ist es allein der selbständige Verfahrensrechtsbehelf, den es nach seiner ratio zu verhindern gilt. Ist die Sachentscheidung ergangen, so verlagert sich der Regelungsakzent des § 44a S. 1 VwGO. Der Schutz des VerwaltungsVerfahrens kann nun nicht mehr Ziel des Verbots selbständiger Verfahrensrechtsbehelfe sein. Daß der Gesetzgeber auch jetzt noch isolierte Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen ausschließt, muß daher einen anderen Grund haben, der im folgenden näher zu erörtern ist. 6 Aber nicht nur das Regelungsziel, auch die Wirkungsweise des § 44a S. 1 VwGO unterscheiden sich trotz einheitlich geltenden Wortlauts der Vorschrift vor und nach Ergehen der Sachentscheidung. Während des laufenden Verwaltungsverfahrens bewirkt § 44a S. 1 VwGO im Ergebnis ein weitgehendes Verbot von Verfahrensrechtsbehelfen überhaupt. Ist die Sachentscheidung dann ergangen, liegt der Regelungsakzent des § 44a S. 1 VwGO nicht mehr primär auf dem Verbot eines Verfahrensrechtsbehelfs, sondern auf dem Gebot, den Verfahrensrechtsbehelf — wenn er überhaupt geltend gemacht werden soll — zusammen mit dem gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelf zu erheben. Die unterschiedliche Zielsetzung und die verschiedenartige Wirkungsweise des § 44a S. 1 VwGO, je nachdem ob er vor oder nach Ergehen der Sachentscheidung Anwendung findet, verlangen eine differenzierte Betrachtung der beiden Regelungskomponenten, wobei allerdings die grundsätzliche Einheitlichkeit der Bestimmung nicht aus den Augen verloren werden darf. Während die erste Regelungskomponente des § 44a S. 1 VwGO weniger prozeßrechtsdogmatische als vielmehr Fragen ihrer Verfassungsmäßigkeit aufwirft, 7 bringt die mit dem Stichwort „Rechtsschutzkonzentration" 8 zu beschreibende zweite Regelungskomponente eher prozeßtechnische Probleme mit sich. A u f letztere wird im folgenden Paragraphen dieser Arbeit ausführlich eingegangen werden.

5 Vgl. BVerwG, 8. 12. 1977, NJW 1978, 1870; BayVGH, 31. 3. 1980, BayVBl. 1980, 692; ferner aus dem Schrifttum: Bosch / Schmidt, Praktische Einführung, § 29 I I (S. 148 f.); Schenke, AöR 1970, 223; Tschira/Schmitt Glaeser, Verwaltungsprozeßrecht, S. 172ff.; Ule, Verwaltungsprozeßrecht, § 34 I I I (S. 204). 6

Dazu sogleich unten in § 7. Näher dazu unten im 4. Abschnitt der Arbeit. 8 Auch der weitgehende Ausschluß der Verfahrensrechtsbehelfe vor Ergehen der Sachentscheidung ist freilich eine Folge der umfassenden Rechtsschutzkonzentrationsanordnung des § 44a S. 1 VwGO. M i t der Kennzeichnung der zweiten Regelungskomponente durch diesen Begriff soll lediglich der geschilderten unterschiedlichen Akzentsetzung der Regelung in § 44a S. 1 VwGO Rechnung getragen werden. 7

§ 6 Die Regelungsstruktur des § 44a VwGO

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II. „Interklusion" des § 44a S. 1 VwGO Rückt man bei der Betrachtung des § 44a S. 1 VwGO die zeitliche Dimension in den Vordergrund, so läßt sich die Vorschrift auf die Kurzformel bringen: Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen dürfen nicht schon vor, sondern erst nach Ergehen der Sachentscheidung erhoben werden. In dieser Formulierung wird sinnfällig, daß die Vorschrift die ansich gegen Verfahrenshandlungen statthaften Rechtsbehelfe nicht dauerhaft ausschließen, sondern den Rechtsschutz in ihrem Anwendungsbereich im Grundsatz lediglich auf einen späteren Zeitpunkt hinausschieben will. 9 Schmidt hat für diese Rechtsfolge in Entsprechung zu den Präklusionsbestimmungen den Begriff „Interklusion" geprägt. 10 Darin soll zum Ausdruck kommen, daß § 44a S. 1 VwGO dem Bürger etwaige Ansprüche auf Vornahme oder Unterlassung von Verfahrenshandlungen bzw. — in einem Anfechtungsverfahren — den Anspruch auf Aufhebung des Verfahrensverwaltungsaktes 11 nicht auf Dauer zu nehmen, sondern lediglich deren prozessuale Durchsetzbarkeit vorübergehend zu hemmen beabsichtigt. Bei der später vorzunehmenden Bewertung der Rechtsschutzkonzentration 12 wird jedoch zu beachten sein, daß § 44a S. 1 VwGO es nicht allein beim Hinausschieben des Rechtsschutzes beläßt, sondern durch das Gebot der Verknüpfung mit dem Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung auch die Wirkung des Verfahrensrechtsbehelfs nicht unberührt läßt. Je nach prozessualer Konstellation kann es sogar dazu kommen, daß der Rechtsbehelf gegen die Verfahrenshandlung im Ergebnis völlig leerläuft. 13 Schließlich wird zu fragen sein, ob nicht auch die bloße Interklusion, also der dabei eingesetzte Faktor Zeit für sich genommen, bereits die Qualität des Rechtsschutzes gerade im Rahmen einer Materie wie dem Verwaltungsverfahren verändert. 14

9

Deutlich in diesem Sinne Lauhinger, VerwArch. 73 (1982), 60 (79): „ . . . der Rechtsschutz wird durch diese Vorschrift nicht aufgehoben, sondern lediglich aufgeschoben, . . V g l . ferner Ossenbühl, NVwZ 1982, 465 (470). 10 Schmidt, Einführung, § 6 Rdnr. 177 (S. 120). 11 Zu diesem prozessualen Anspruch Rupp, Grundfragen, S. 171 ff.; ders., DVB1.1982, 144 (147); Bettermann, in: Staatsbürger und Staatsgewalt, S. 449 (450ff.); Skouris, Verletztenklagen, S. 58 ff. 12 Zum Inhalt der Rechtsschutzkonzentration und deren Folgen im einzelnen s. unten in §7. 13 s. unten §7 II, §15 1. 14 Zu dieser Frage im einzelnen vgl. unten die Ausführungen im 4. Abschnitt dieser Arbeit.

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2. Abschn.: Wirkungsweise und prozessuale Bedeutung des § 44a VwGO

I I I . Die Unabhängigkeit des § 44a S. 1 VwGO von Mißbrauchsgedanken und Verfahrensfehlerlehre Der Anwendungsbereich des § 44a VwGO wird maßgeblich durch den Begriff der Verfahrenshandlung bestimmt. Zum Verständnis der Vorschrift ist daher die eingehende Klärung dieses Tatbestandsmerkmals unerläßlich. 15 Daneben vermittelt der Umstand, daß § 44a VwGO seine Anwendung im Grunde ausschließlich an das Merkmal der Verfahrenshandlung knüpft, einige zusätzliche Aufschlüsse. a) Wie bereits dargelegt wurde, sah sich der Gesetzgeber im Zuge der Kodifizierung des Verwaltungsverfahrensrechts deshalb zur Einführung des § 44a VwGO veranlaßt, weil er ohne diese Bestimmung den Mißbrauch der Verfahrensvorschriften mit dem Ziel der Verfahrensverschleppung befürchtete. 1 6 In der Gesetz gewordenen Bestimmung des §44a VwGO taucht der Mißbrauchsgedanke jedoch weder ausdrücklich noch zwischen den Zeilen als tatbestandliche Anwendungsvoraussetzung auf. Die Vorschrift greift stets dann ein, wenn ein selbständiger Rechtsbehelf gegen oder für den Erlaß einer Verfahrenshandlung in einem laufenden Verwaltungsverfahren erhoben wird. § 44a S. 1 VwGO verlangt nicht, daß die Verfahrenshandlung unter rechtsmißbräuchlicher Ausnutzung von Verfahrensvorschriften angegriffen bzw. begehrt wird. Die gesetzliche Regelung greift also erheblich weiter als das sie ursprünglich initiierende Motiv. Der Gesetzgeber hat offenbar bewußt keine Mißbrauchsklausel in die Vorschrift aufgenommen, da er es für erforderlich und zumutbar hielt, das Verwaltungsverfahren nicht nur punktuell gegen mißbräuchliche Angriffe zu schützen, sondern generell von jedem isolierten Rechtsstreit um Verfahrenshandlungen freizuhalten. Dies leuchtet ein, weil ein nicht mißbräuchlicher Verfahrensrechtsbehelf das behördliche Verwaltungsverfahren in gleicher Weise beeinträchtigt wie ein mißbräuchlich erhobener. Es besteht daher kein Anlaß, nachträglich die Mißbräuchlichkeit des Rechtsbehelfs als ungeschriebene Anwendungsvoraussetzung in §44a S. 1 VwGO hineinzuinterpretieren. 17 b) § 44a S. 1 VwGO spricht von Verfahrenshandlungen, nicht von Verfahrensfehlern. Freilich wird aus dem Regelungszusammenhang der Bestimmung deutlich, daß sie nur dort Platz greift, wo von einem Beteiligten die Rechtswidrigkeit einer Verfahrenshandlung geltend gemacht wird, da ansonsten ja kein Anlaß bestünde, einen Rechtsbehelf zu ergreifen. M i t der Rüge der Rechtswidrigkeit einer Verfahrenshandlung kann also im Ergebnis nur die Geltendma15

§10. 16

Eine umfassende Darstellung des Begriffs der Verfahrenshandlung erfolgt unten in

Vgl. dazu oben die Nachw. in Fn. 2. Eine solche Forderung wurde bisher weder im Schrifttum noch in der Rechtsprechung zu § 44a VwGO erhoben. 17

§ 7 „Gleichzeitigkeitsklausel" und Rechtsschutzkonzentration

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chung eines Verfahrensfehlers im weitesten Sinne gemeint sein. 18 Die Verwendung des neutralen Begriffs Verfahrenshandlung zeigt jedoch, daß § 44a VwGO unabhängig davon Anwendung findet, ob mit der angegriffenen oder begehrten Verfahrenshandlung ein Form-, Verfahrens- oder Zuständigkeitsfehler gerügt wird. 1 9 U m welchen Verfahrensfehlertyp es sich handelt ist eine Frage, die erst anläßlich der Begründetheit der Klage gegen die Sachentscheidung eine Rolle spielt. § 44a S. 1 VwGO hält sich damit aus der gesamten Diskussion um die Voraussetzungen und Folgen von Verfahrensfehlern im allgemeinen Verwaltungsrecht heraus. 20 Mittelbare Relevanz kann die Verfahrensfehlerlehre und hier insbesondere die Problematik um § 46 V w V f G 2 1 für die Auslegung und Anwendung des § 44a S. 1 VwGO allenfalls dadurch erlangen, daß die teilweise Sanktionslosigkeit von Zuständigkeits-, Form- und Verfahrensfehlern für die darauf beruhende Sachentscheidung eine restriktive Anwendung der in § 44a S. 1 angeordneten Rechtsschutzkonzentration, bzw. über Art. 19 Abs. 4 GG die Unanwendbarkeit dieser Bestimmung für einzelne Fallbereiche überhaupt erfordern könnte. 22

§ 7 „Gleichzeitigkeitsklausel" und Rechtsschutzkonzentration § 44a S. 1 VwGO schließt, wie im vorausgehenden ausgeführt wurde, selbständige Rechtsbehelfe nicht nur während des laufenden Verwaltungsverfahrens aus, er ordnet die Verbindung von Verfahrensrechtsbehelf und Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung auch für die Zeit nach Abschluß des Verwaltungsverfahrens an. Diese zweite Aussagekomponente des § 44a S. 1 VwGO gilt es nun näher zu beleuchten. Zu klären sind dabei zunächst ihr Aussagegehalt im einzelnen, der verschiedene Deutungen zuläßt (I). Darüber hinaus wirft die Bestimmung auch eine Reihe prozeßtechnischer Fragen zu ihrer Durchführung auf (II), und schließlich ist sie auf mögliche, durch ihr Regelungsziel bedingte Einschränkungen ihres Anwendungsbereichs zu untersuchen (III).

18 § 68 EVwPO spricht daher auch von der „Fehlerhaftigkeit behördlicher Verfahrenshandlungen" (BR-Drucks. 100/82, S. 21). 19 Zu diesen verschiedenen Fehlertypen vgl. Laubinger, VerwArch. 72 (1981), 333 ff.; Meyer/ Borgs, VwVfG, §46 Rdnrn. 15 f. 20 Allgemein zum Diskussionsstand um die Verfahrensfehler im weiteren Sinne: Papier, Der verfahrensfehlerhafte Staatsakt, sowie die mittlerweile nahezu unüberschaubare Literatur zu §46 VwVfG; vgl. daraus etwa Bettermann, in: Fschr. für Ipsen, S. 271 ff.; Laubinger, VerwArch. 72 (1981), 333ff.; Krebs, DVB1. 1984, 109ff. 21 In dem Urteil vom 27. 5. 1981, NJW 1982,120, hat das BVerwG einen Einfluß des § 46 VwVfG auf die Anwendung des § 44a VwGO grundsätzlich verneint. 22 s. dazu unten § 15 I I I , V.

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2. Abschn.: Wirkungsweise und prozessuale Bedeutung des § 44a VwGO

I. Die Bedeutung der Gleichzeitigkeitsklausel 1. Deutungsvarianten a) § 44a S. 1 VwGO läßt sich — wörtlich genommen — so verstehen, daß zwischen dem Rechtsbehelf gegen die Verfahrenshandlung und dem gegen die Sachentscheidung lediglich echte Gleichzeitigkeit bestehen muß. Beide Rechtsbehelfe müßten danach zur selben Zeit erhoben werden, brauchten aber nicht in einem gegen die Sachentscheidung gerichteten Rechtsbehelf zusammengefaßt zu sein. Eine Rechtsschutzkonzentration im strengen Sinne wäre dies bloße Abstellen auf die zeitliche Komponente nicht. b) Anders ist die Frage hingegen zu beantworten, wenn man in der Gleichzeitigkeitsklausel die Anordnung einer echten Rechtsschutzkonzentration sieht. Der Angriff gegen die Verfahrenshandlung könnte dann stets nur im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die Sachentscheidung erfolgen. § 44a S. 1 würde danach in keinem Fall den isolierten Rechtsbehelf gegen eine Verfahrenshandlung zulassen. Selbst nach Ergehen der Sachentscheidung könnten Verfahrensrügen nur inzident in Verbindung mit der Klage gegen die Sachentscheidung erhoben werden. c) Schließlich läßt § 44a S. 1 VwGO auch noch die Deutung zu, daß er zwar die selbständigen Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen vor Ergehen der Sachentscheidung umfassend verbietet, nach ergangener Sachentscheidung jedoch die isolierte Verfahrensfehlerrüge zuläßt. Diese Interpretation könnte aus einer streng an der ratio des § 44a VwGO orientierten Auslegung der Norm gewonnen werden. Dient §44a VwGO primär dem Zweck, das laufende Verwaltungsverfahren vor der Behinderung durch zahlreiche Verfahrensrechtsstreitigkeiten zu bewahren, so entfallt diese Zwecksetzung mit dem Ergehen der Sachentscheidung. Nach diesem Zeitpunkt bestünde — allein aus diesem Blickwinkel gesehen — kein Bedürfnis mehr für den Ausschluß selbständiger Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen aus dem vorangegangenen Verwaltungsverfahren. 2. Die Auffassung in Schrifttum

und Rechtsprechung

Die Stellungnahmen in der Literatur zur Bedeutung der Gleichzeitigkeitsklausel sind —jedenfalls was die hier aufgeworfenen Fragen betrifft — wenig ergiebig. Sie sprechen das Problem, ob § 44a S. 1 VwGO auch nach Ergehen der Sachentscheidung selbständige Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen ausschließen will, zumeist nicht oder nur unpräzise an. Meyer 1 und Redekerj v. Oertzen 2 messen der Gleichzeitigkeitsklausel lediglich die Bedeutung bei, „daß nicht ein besonderer Rechtsbehelf gegen die Verfahrenshandlung eingelegt 1 2

Meyer j Borgs, VwVfG, §97 Rdnr. 26. Redekerl v. Oertzen, VwGO, §44a Rdnr. 4.

§ 7 „Gleichzeitigkeitsklausel" und Rechtsschutzkonzentration

79

werden muß, sondern daß der Verfahrensfehler im Verfahren über den Rechtsbehelf über die Sachentscheidung gerügt werden kann." 2 Ob ein separater Rechtsbehelf gegen die Verfahrenshandlung nicht nur überflüssig, sondern auch nicht erlaubt ist, wird von den Autoren nicht erörtert. I m Sinne der oben zuerst genannten Auslegungsvariante scheint Stelkens 3 § 44a S. 1 VwGO zu interpretieren, wenn er es für ausreichend erachtet, daß spätestens zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung auch der Rechtsbehelf gegen die Verfahrenshandlung eingelegt sein muß. I m übrigen geht die überwiegende Meinung 4 davon aus — wobei im Detail vieles unklar bleibt —, daß selbständige Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen durch § 44a S. 1 grundsätzlich ausgeschlossen sind. Die Rüge der Verfahrensfehler kann danach nur einheitlich zusammen mit dem Rechtsbehelf zur gerichtlichen Überprüfung der Sachentscheidung erfolgen. Soweit sich in der Judikatur Äußerungen zu der hier aufgeworfenen Frage finden, bringen sie fast alle—zwar nicht explizit aber im Ergebnis doch deutlich — den Standpunkt zum Ausdruck, daß die Verfahrenshandlungen nicht in gesonderten, selbständigen Prozessen angefochten oder eingeklagt werden können, sondern erst zusammen mit der abschließenden Sachentscheidung überprüfbar sind.5 Eine differenzierende Einschätzung dieser Frage steht hinter dem Urteil des V G Berlin vom 17. 11. 1981.6 Das Gericht hat zur Klage eines Prüflings auf Akteneinsicht in die Prüfungsakte nach ergangener Sachentscheidung ausgeführt, daß § 44a VwGO zwar generell die selbständige Geltendma3

Stelkens/Bonk/Leonhardt, VwVfG, §97 Rdnr. 13. So Ey ermann/ Fröhler, VwGO, § 44a Rdnr. 3, die allerdings nur davon sprechen, daß während des Laufs der Rechtsbehelfsfrist der gegen die Sachentscheidung erhobene Rechtsbehelf noch auf die Verfahrenshandlung ausgedehnt werden kann und umgekehrt. Knack /Busch, VwVfG, §97 Rdnr. 4.1, hält Verfahrensfehler „erst im und mit dem Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung" für rügbar. Eindeutig gegen die Möglichkeit selbständiger Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen sprechen sich Kopp, VwGO, § 44a Rdnr. 7 und Stern, Verwaltungsprozessuale Probleme, S. 111, aus. Ähnlich deutlich für eine Beschränkung auf die Inzidentprüfung von Verfahrensfehlern: Badura, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, §41 I I I 2 (S. 370) sowie Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 19 Rdnr. 26 und Schumacher, DÖV 1982, 806 (807). Schunck/De Clerck, VwGO, § 44a Anm. 2, halten Rechtsbehelfe allein gegen Verfahrenshandlungen für unstatthaft, wenn solche zugleich gegen die Sachentscheidung eingelegt werden können; was allerdings gelten soll, falls der angesprochene Eventualfall eintritt, lassen sie unerwähnt. 4

5 So recht deutlich OVG Münster, 12. 2. 1980, OVGE 34, 309; vgl. ferner BayVGH, 26. 7. 1978, BayVBl. 1978, 763 (764), der diese Ansicht sogar ausdrücklich mit dem Interesse an einer Konzentration des Rechtsschutzes auf die Sachentscheidung begründet. Der V G H Bad.-Württ., 10. 4. 1980, Die Justiz 1980, 365, sieht hinter § 44a VwGO die Bewertung des Gesetzgebers, „daß dem rechtsschutzsuchenden Bürger die Beschränkung auf die sich auf die Hauptsache beziehenden Rechtsbehelfe zumutbar" ist. Das BVerwG, 12. 4. 1978, BayVBl. 1978,444, behauptet lapidar und umfassend, daß nach § 44a VwGO behördliche Verfahrenshandlungen nicht selbständig mit Rechtsbehelfen angefochten werden könnten. 6 V G Bln., NVwZ 1982, 576.

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2. Abschn.: Wirkungsweise und prozessuale Bedeutung des § 44a VwGO

chung von Rechtsbehelfen gegen behördliche Verfahrenshandlungen beschränke. Diese Beschränkung setze jedoch voraus, daß der behördlichen Verfahrenshandlung überhaupt eine Sachentscheidung nachfolge und im Rahmen der Überprüfung der Sachentscheidung gleichzeitig die Kontrolle der Verfahrenshandlung erfolgen könne. Da in dem vom V G Berlin zu entscheidenden Fall die Inzidentprüfung der angegriffenen Verfahrenshandlung nicht möglich war, sah das Gericht die Klage nicht durch § 44a VwGO gehindert. Unabhängig von der Frage, ob in diesem Fall überhaupt eine Verfahrenshandlung im Sinne des § 44a VwGO in Streit stand, 7 vermittelt das V G Berlin die bemerkenswerte Einsicht, daß Sinn und Zweck des §44a VwGO in bestimmten Situationen eine Einschränkung des in dieser Norm ausgesprochenen Verbots selbständiger Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen erfordern. 8 3. Rechtsschutzkonzentration

im Regelfall

a) Die als erstes angebotene Lösungsvariante (oben la) befindet sich zwar in weitgehender Übereinstimmung mit dem Wortlaut des § 44a S. 1 VwGO, ist aber im Grunde wenig sinnvoll. Die strikt verstandene „Gleichzeitigkeit" läßt einerseits isolierte Klagen gegen Verfahrenshandlungen stets zu, sofern sie nach Ergehen der Sachentscheidung erhoben werden, fordert aber zugleich auf der anderen Seite, daß auch — und zwar gleichzeitig — der jeweils zulässige Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung ergriffen wird. Diese Lösung wird keinem der durch diese Vorschrift auszugleichenden Interessen wirklich gerecht. Den von dem Beteiligten u. U. angestrebten alleinigen Angriff gegen die Verfahrenshandlung schließt dieses Verständnis des § 44a S. 1 VwGO aus; andererseits führt es zu jeweils zwei Klagen, die sich im Grunde mit ein und derselben Sache befassen, was prozeßökonomisch nicht vertretbar ist. Wenn also §44a S. 1 VwGO zu dem Rechtsbehelf gegen die Verfahrenshandlung zugleich auch den gegen die Sachentscheidung fordert, dann kann der Rechtsschutz in prozeßökonomisch sinnvoller Weise nur in einer einheitlichen Klage erfolgen. b) Reduziert man hingegen die Bedeutung der Gleichzeitigkeitsklausel auf die Aussage, daß ein separater Rechtsbehelf gegen eine Verfahrenshandlung nur nicht während eines laufenden Verfahrens eingelegt werden darf (so die Lösung oben unter lc), so genügt dieser Ansatz dem zentralen Anliegen des § 44a S. 1 VwGO im Grunde vollkommen. Diese Vorschrift will primär das laufende Verwaltungsverfahren vor Belastungen und Verzögerungen durch Verfahrensrechtsstreitigkeiten bewahren. Zu diesem Zweck schränkt sie den Rechtsschutz der Beteiligten soweit ein, als sie deren Rechtsschutzansprüche für die Dauer des 7

Dies ist im Ergebnis — wie weiter unten im einzelnen belegt wird (vgl. unten sub 10 V 4) — zu verneinen. So hat das BVerwG, 30. 6. 1983, DVB1.1984, 53, in einem ganz ähnlich gelagerten Fall, § 44a auf ein Akteneinsichtsbegehren einfach nicht angewandt. 8 Im einzelnen dazu unten sub III.

§7 „Gleichzeitigkeitsklausel" und Rechtsschutzkonzentration

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Verwaltungsverfahrens hemmt. Für diese Einschränkung besteht dann kein Anlaß mehr, wenn die Sachentscheidung ergangen ist. Ab diesem Zeitpunkt müßten selbständige Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen zulässig sein. Dieser Gedankengang ist zwar in sich schlüssig, wird aber im Ergebnis der Regelung des § 44a VwGO nicht gerecht. aa) Schon nach dem Wortlaut des § 44a S. 1 VwGO fallt es schwer, die Norm in dem hier unterstellten Sinn auszulegen. Hätte der Gesetzgeber in der Tat allein und ausschließlich das Verbot vorzeitiger isolierter Verfahrensrechtsbehelfe gewollt, so hätte doch eher folgende Fassung der Vorschrift nahegelegen: Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen dürfen nicht vor Ergehen der Sachentscheidung geltend gemacht werden. bb) Es darf auch nicht übersehen werden, daß der Schutz des Verwaltungsverfahrens nicht das alleinige Ziel des §44a VwGO ist. Daneben soll die Vorschrift auch prozeßökonomischen Zwecken dienen, nämlich dem Schutz der Gerichte vor Doppelbelastung, oder genauer vor mehreren Rechtsbehelfen in derselben Sache.9 I m Dienste dieses Anliegens steht § 44a S. 1 VwGO auch dann noch, wenn die Bestimmung im Sinne einer zwangsweisen Konzentration des Rechtsschutzes gegen Verfahrenshandlungen auf ein einziges Rechtsbehelfsverfahren, nämlich das gegen die Sachentscheidung, verstanden wird. 1 0 cc) Daß der Gesetzgeber selbst §44a VwGO als Anordnung der Rechtsschutzkonzentration und nicht des bloß zeitlichen Hinausschiebens des Rechtsschutzes verstanden wissen wollte, kommt auch in der amtlichen Begründung zum Ausdruck, wenn es dort heißt: 11 „Die Effektivität der Verwaltungskontrolle wird nicht beeinträchtigt, sondern im Sinne einer prozeßwirtschaftlichen Zusammenfassung zusammengehörender Vorgänge erhöht, wenn die Rechtmäßigkeit des Verfahrens, in dem eine sachliche Entscheidung ergangen ist, nur im Zusammenhang mit der Sachentscheidung nachgeprüft werden kann." Vor dem Hintergrund dieser Auffassung über § 44a S. 1 VwGO ist denn auch die Ausnahmeregel in § 44a S. 2 2.Alt. VwGO zu sehen, wonach die Nichtbeteiligten ungehindert isolierte Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen erheben dürfen. Der Gesetzgeber hat dieser Personengruppe die Ausnahmebefugnis deshalb zugesprochen, weil er davon ausging, daß die Nichtbeteiligten „durch die Entscheidung in der Sache regelmäßig nicht betroffen werden und ihnen somit gegen die Entscheidung ein Rechtsbehelf nicht zusteht." 12 Diese Ausnahme ergibt nur dann einen Sinn, wenn man davon ausgeht, daß § 44a S. 1 VwGO die Rüge von Verfahrensfehlern grundsätzlich nur im Zusammenhang mit dem Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung z u l ä ß t . 1 3 , 1 4

9

Vgl. dazu oben §2 I I 1. So zutreffend Erichsen, Verwaltungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit I, S. 96. 11 BT-Drucks. 7/910 zu § 92 Nr. 2 EVwVfG 1973, S. 97. 12 BT-Drucks. 7/910 (s. o. Fn. 11), S. 97. 10

6 Eichberger

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2. Abschn.: Wirkungsweise und prozessuale Bedeutung des § 44a VwGO

dd) Bestätigt wird die sich hier abzeichnende Bedeutung des § 44a S. 1 VwGO als umfassendes Verbot selbständiger Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen auch nach ergangener Sachentscheidung durch einen Blick auf die bisherigen Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie die dem § 44a VwGO vergleichbaren Bestimmungen des Prozeßrechts. Die Aufarbeitung der einschlägigen Rechtsprechung (oben in § 4) hat gezeigt, daß gerade das Bundesverwaltungsgericht, in weitem Umfang aber auch die Oberverwaltungsgerichte bei einer Reihe von Fallgruppen selbständige Rechtsbehelfe gegen vorbereitende Behördenakte nicht zuließen.15 Wenn die Rechtsprechung dabei auch vielfach von einem falschen oder zumindest zweifelhaften rechtlichen Ansatz ausging, so stand sie bezüglich der Folgen der von ihr abgelehnten selbständigen Anfechtung bestimmter Verfahrenshandlungen — wenn sie sich überhaupt zu diesem Thema äußerte — stets auf dem Standpunkt, daß die als rechtswidrig behauptete Verfahrenshandlung lediglich im Zusammenhang mit dem Rechtsbehelf gegen die Sachentscheidung, also inzident, auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden könne. 16 Auch die dem § 44a VwGO in ihrer Funktion vergleichbaren Bestimmungen der verschiedenen Prozeßordnungen, welche die selbständige Beschwerde gegen verfahrensleitende Verfügungen der Gerichte ausschließen,17 gehen durchweg davon aus, daß die der separaten Anfechtung entzogenen Verfahrensrügen nur zusammen mit dem zulässigen Rechtsmittel gegen die Hauptsacheentscheidung geltend gemacht werden können. 18 In §47 Abs. 1 OWiG 1952 19 hieß es gar wörtlich, daß Maßnahmen der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren „nur zusammen mit dem Bußgeldbescheid" angefochten werden können. c) Als Fazit der vorstehenden Überlegungen gilt es also festzuhalten: § 44a S. 1 VwGO bestimmt neben dem grundsätzlich umfassenden Verbot selbständiger Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen für die Dauer des Verwaltungs13 Von einem ähnlichen Gedankengang läßt sich das V G Berlin in seiner oben wiedergegebenen Entscheidung von 17. 11. 1981 (NVwZ 1982, 576, 577) leiten. 14

Dadurch, daß der Ausnahmebestimmung des § 44a S. 2 2.Alt. VwGO über diese Interpretation der Gleichzeitigkeitsklausel eine darauf bezogene sinnvolle Bedeutung beigemessen wird, ist noch kein abschließendes Urteil darüber gefallt, inwieweit die Bestimmung mit der Konzeption des §44a VwGO insgesamt vereinbar ist. Vgl. dazu ausführlich unten in § 13 III, § 15 V I 1. 15

Vgl. dazu die zusammenfassende Bewertung oben in § 4 I I I mit zahlreichen Nachw. In dieser Richtung äußern sich etwa besonders deutlich: BVerwG, 29. 6. 1954, E 1, 169 (170); 28. 5. 1963, DVBl. 1963, 815 (818); 19. 1. 1967, E 26, 31 (40f.); 11. 10. 1968, NJW 1969, 340 (341): „sinnvolle Konzentration des Rechtsschutzes"; 26. 9. 1969, DVBl. 1970, 282; 28. 11. 1969, E 34, 248 (250); 26. 6. 1981, NJW 1981, 2592. 17 s. dazu oben § 3 II. 18 Das entspricht der einhelligen Auffassung zu sämtlichen dieser Bestimmungen: vgl. etwa zu § 146 Abs. 2 VwGO oben bei § 3 I I 1 sowie Kopp, VwGO, § 146 Rdnr. 7; zu § 305 S. 1 StPO oben § 3 I I 3 sowie Löwe/RosenbergjGollwitzer, StPO, § 305 Rdnr. 3. 19 Zum Verhältnis dieser Vorschrift zu § 44a VwGO s. oben bei § 2 I und § 3 I 1. 16

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Verfahrens in seiner zweiten Komponente, daß die Rüge von Rechtsverstößen gegen Verfahrensnormen auch nach ergangener Sachentscheidung nur im Rahmen eines einheitlichen, gegen die Sachentscheidung gerichteten Rechtsbehelfs, also nur inzident, erfolgen kann. Hinter dieser Aussage des § 44a S. 1 VwGO steht, wie bereits festgestellt wurde, nicht der Schutz des Verwaltungsverfahrens; sie geht in eine andere Richtung und bringt zwei wichtige Wertungen des Gesetzgebers zum Ausdruck: aa) Der als „Rechtsschutzkonzentration" apostrophierten Bestimmung des § 44a S. 1 VwGO liegt die Auffassung des Gesetzgebers zugrunde, daß auch aus der Sicht des betroffenen Bürgers nicht das Verwaltungsverfahren als solches, sondern allein dessen sachliches Ergebnis letztlich maßgeblich und für die Ausgestaltung des erforderlichen Rechtsschutzes bestimmend ist. 2 0 Diese Ansicht spiegelt sich wider in dem häufig verwendeten Satz von der „bloß dienenden Funktion des Verwaltungsverfahrens" 21 und kommt schließlich auch in §46 VwVfG zum Ausdruck. 22 Ob diese Einschätzung der Bedeutung des Verwaltungsverfahrens gerecht wird, ist in anderem Zusammenhang weiter unten näher zu erörtern. 23 bb) Ein Zweites kommt hinzu: Die Bestimmung des § 44a S. 1 VwGO, daß auch nach ergangener Sachentscheidung Rechtsbehelfe gegen Verfahrenshandlungen nur inzident zusammen mit dem gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelf erhoben werden können, läßt sich als gesetzliche Festschreibung eines Falles fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses verstehen. 24 Nach verbreiteter 20 Diese Sichtweise kommt in dem Satz der amtlichen Begründung zu § 92 Nr. 2 EVwVfG 1973 (BT-Drucks. 7/910 S. 97) zum Ausdruck, wo es heißt: „Nur das Ergebnis des behördlichen Handelns muß deshalb einer gerichtlichen Kontrolle unterliegen" (vgl. dazu auch bereits die Ausführungen oben unter § 2 I I 1). Noch deutlicher jetzt die Begründung zu § 68 EVwPO (BR-Drucks. 100/82): „Die Vorschrift geht auf § 44a VwGO zurück, der die Grundaussage des Verwaltungsverfahrensrechts wiederholt, daß die materielle Sachentscheidung Ziel des Verwaltungsverfahrens ist." 21 Vgl· dazu v. Mutius, NJW 1982, 2150 (2156); Ossenbühl, NVwZ 1982, 465 f.; Stelkens/ Bonk / Leonhardt, VwVfG, § 45 Rdnr.