Die Berücksichtigung familiärer Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung: Ein Beitrag zur Rentenreform [1 ed.] 9783428448876, 9783428048878


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German Pages 252 Year 1981

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Die Berücksichtigung familiärer Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung: Ein Beitrag zur Rentenreform [1 ed.]
 9783428448876, 9783428048878

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S ozialp olitis che S chriften Band 42

Die Berücksichtigung familiärer Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung Ein Beitrag zur Rentenreform

Von

Ernst-Jürgen Borchert

Duncker & Humblot · Berlin

ERNST-JÜRGEN

BORCHERT

Die Berücksichtigung familiärer Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung

Sozialpolitische Heft 42

Schriften

Die Berücksichtigung familiärer Kindererziehung i m Recht der gesetzlichen Rentenversicherung E i n B e i t r a g zur R e n t e n r e f o r m

Von D r . Ernst-Jürgen Borchert

D U N C K E R

&

H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1981 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1981 bei Buchdruckerei A. Sayffaerth - E. L. Krohn, Berlin 61 Printed in Germany ISBN 3 428 04887 3

Vorwort Bei seiner Arbeit über die „Berücksichtigung familiärer Erziehung i m Recht der gesetzlichen Rentenversicherung" ist Ernst-Jürgen Borchert auch auf die K r i t i k gestoßen, die ich an der Ungerechtigkeit i n unserer sozialen Rentenversicherung übe, sowie auf einen zwar nicht von m i r stammenden, aber von mir wiederaufgegriffenen Vorschlag, diese Ungerechtigkeit abzustellen. Er und ich sehen übereinstimmend ein schweres Unrecht darin, daß der ganz unterschiedliche Beitrag, den die Versicherten zu dem für das System unentbehrlichen Nachwuchs leisten, nicht berücksichtigt wird. Da es immer die nachwachsende Generation ist, die das Alter der ihr voraufgegangenen sichert, verstößt es gegen die Gerechtigkeit, die dem Versicherten zustehende Versorgung i m Alter ausschließlich nach den von ihm i n Geld entrichteten Beiträgen zu bemessen ohne Rücksicht darauf, ob er viel oder wenig oder nichts zur Bestanderhaltung der Versichertengemeinschaft beigetragen, ob er viele, wenig oder keine Kinder aufgezogen hat. I n seiner Untersuchung verfolgt Bordiert diese Ungerechtigkeit anhand der gesetzlichen Bestimmungen bis i n ihre letzten Schlupfwinkel. Genau die gleiche Ungerechtigkeit erweise ich aus den ökonomischen Zusammenhängen, d. i. aus der elementaren Tatsache, daß jede Generation ihre Versorgung i m Alter nur dadurch sichern kann, daß sie eine Nachwuchsgeneration aufzieht, die das erarbeitet und den Alten überläßt, was diese für ihren Unterhalt benötigen. M i t vollem Recht bezeichnet Borchert sein Ergebnis als juristischen Beweis für das, was ich aus ökonomischen Überlegungen ableite. Zur Versorgung der uns vorangegangenen Generation tragen w i r zu einem Teil bei durch nach der Höhe unseres erarbeiteten Einkommens (Lohn, Gehalt oder wie immer) bemessene Beiträge i n Geld; das findet später sein Entgelt i n der entsprechenden Höhe der Rente. Der unterschiedliche Beitrag dagegen, den w i r zu dem anderen Erfordernis des Systems, der Bestanderhaltung der Versichertengemeinschaft leisten, zu dem die einen viel, andere wenig und andere nichts beitragen, findet keinen Ausdruck in der Höhe der Rente, die sie später beziehen. Von dem, was die Kinder der Kinderreichen an Beiträgen aufbringen, fließt ein Großteil nicht kinderreichen Eltern zu; davon beziehen vielmehr die Kinderarmen und Kinderlosen, die nichts oder

6

Vorwort

i m Vergleich zu anderen zu wenig dazu beigetragen haben, ihre Renten; deren Renten werden aus den von den Kindern der Kinderreichen entrichteten Beiträgen gezahlt. Daß für die soziale Rentenversicherung die Aufzucht von Kindern genau so notwendig ist wie die i n Geld geleisteten Beiträge, darin sind Borchert und ich ganz einer Meinung. Das ist so offenkundig, daß heute niemand mehr es bestreitet, aber viele sehen es nicht oder wollen doch i n der Nichtberücksichtigung kein Unrecht sehen und lehnen jede Änderung ab. Einem aufmerksamen Leser w i r d jedoch ein Unterschied zwischen Borchert und m i r nicht entgehen. W i r sprechen verschiedene Sprachen; er spricht von „familiärer Erziehung" (so i m Buchtitel) oder kurz von „Erziehung"; ich gebrauche das häßliche und abstoßende Wort „ A u f zucht". Was verbirgt sich hinter dieser unterschiedlichen Sprechweise? Borchert hat das für die menschliche Gesellschaft wertvolle Ergebnis der elterlichen („familiären") Erziehung i m Auge. Die Eltern (oder ein Elternteil, vielleicht auch jemand, der Elternstelle vertritt) haben ein K i n d aufgezogen und damit zum Fortbestand der Gesellschaft (hier der Versichertengemeinschaft) beigetragen und ihr eine neue Schaffenskraft zugeführt. Ich denke an den Aufwand an Unterhaltsmitteln und/oder an den Einkommensverzicht, den es kostet, dieses Ergebnis herbeizuführen. Man kann das auch so sehen: Borchert argumentiert von der Zielursache her, „teleologisch"; ich dagegen denke, obwohl auch ich unsere sozialen Maßnahmen heute gern weniger als „kausal" und mehr „teleologisch" ausgerichtet sähe, i n diesem Fall von der Wir/cursache her, streng „kausal". Seinen Blick ganz auf das erreichte Ziel der Erziehung richtend, w i l l Borchert weder den materiellen Unterhalt des Kindes noch dessen Betreuung noch den unter Umständen vom Erzieher auf sich genommenen Verzicht auf Erwerbstätigkeit und die daraus sich ergebende Einkommensminderung für die Bewertung der Leistung des Erziehers i n A n schlag bringen. Als ethisch-kultureller Wert entzieht das Ergebnis der Erziehung sich jeder quantifizierenden Bewertung, erst recht i n Geldwert. Demzufolge sucht Borchert nach einem anderen Maßstab für die Bemessung der den Eltern zustehenden Rente. Diese seine Argumentation bezeichne ich i m Unterschied zu meiner ökonomischen als ethisch. Ich dagegen frage nach dem Preis, den man zu zahlen hat, um beanspruchen zu können, i m Ruhestand, wenn das Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit entfällt, aus „Transfer-Einkommen" (hier Rente) die

Vorwort

i m Arbeitsleben errungene Lebenshaltung aufrecht zu erhalten, ja sogar an dem zu erwartenden allgemeinen Aufstieg des Wohlstands (sog. „dynamische Rente") weiter teilzunehmen. Zu diesem „Preis" gehört nach meiner Meinung beides: sowohl der Beitrag des Versicherten in Geld, woraus die Renten der derzeitigen Rentner gezahlt werden, als auch, was der Versicherte i n angemessenem Verhältnis zu seiner Lebens- und Einkommenslage aufwendet, um Kinder aufzuziehen. Beide Leistungen sind für die soziale Rentenversicherung unentbehrlich; beide tragen tüirfcursächlich dazu bei, sie m i t den M i t t e l n zu versehen, die sie benötigt, um die ihr gesetzte Aufgabe zu erfüllen. Beide Sichten, die Borchert'sche und die meinige, bestehen zu Recht. Die eine ist die Sicht des Juristen, die andere die Sicht des Sozialökonomen. Aus beiden Sichten lassen sich wohlbegründete Folgerungen ziehen. Diese Folgerungen werden verschiedener Art sein. Zum einen Teil werden sie sich auf ganz verschiedene Rechts- und Sachbereiche beziehen und daher einander nicht berühren und noch weniger durchkreuzen; zu einem anderen Teil werden sie die gleichen Gegenstände betreffen und können daher miteinander i n K o n f l i k t geraten. I m letzteren Fall stellt sich die Frage, welche der beiden Sichten, die des Juristen oder die des Sozialökonomen, für die vom Gesetzgeber zu treffende Entscheidung maßgeblich ist. Meine, des Sozialökonomen, Meinung hierzu ist diese: w i r leben i n einer Gesellschaft und Wirtschaft, i n der alles seinen Preis hat. Darum suche ich nach einer Lösung, die sich in diese gesellschaftliche und w i r t schaftliche Ordnung einfügt. Auch die Altersversorgung soll als Geschenk nur erhalten, wer den Preis nicht zahlen kann; wer dazu fähig ist, soll den gerecht zu bemessenden Preis voll entrichten. Das besagt: für das gleiche Maß an Sicherung hat jeder (zahlungsfähige) den gleichen Preis zu zahlen; das höhere oder geringere Maß an Sicherheit (Rente) hat den entsprechend höheren oder geringeren Preis. Den i n Aufzucht von Nachwuchs bestehenden Teil dieses Preises entrichten die Versicherten i n ganz unterschiedlicher Höhe. Das muß ihrem freien Entscheid überlassen bleiben und läßt sich nicht vereinheitlichen, entzieht sich vielmehr jeder Regelung. Daß trotzdem alle Versicherten den gleichen Preis zahlen, läßt sich daher nur so erzielen, daß jeder um so viel mehr an bar entrichteten Beiträgen zahlt, wie er an Aufzucht von Nachwuchs weniger zahlt und umgekehrt; die Summe der beiden Teilzahlungen muß bei allen Versicherten für die gleiche Sicherung die gleiche sein. Das fordert die Gerechtigkeit; damit ist aber auch nach meiner Meinung der Gerechtigkeit i m Rahmen des Menschenmöglichen Genüge getan.

8

Vorwort

I n ökonomischer Sicht ist diese Lösung „system-immanent". Ich erachte diesen Weg aber auch i n ethischer Hinsicht als völlig einwandfrei und folgerecht als grundsätzlich gangbar. Offen bleibt, ob sich eine technisch praktikable Verfahrensweise dafür finden und ob eine solche Lösung sich politisch durchsetzen läßt. Dieser Weg, der die Verrechenbarkeit der beiden Teilleistungen i n Geld und i n „Erziehung" bzw. „Aufzucht" voraussetzt, kommt für Borchert nicht i n Frage, weil nach seiner Meinung die von i h m als „Betreuung" bezeichnete Teilleistung aus grundrechtlichen Gründen nicht i n individuell differenzierenden Geldgrößen gemessen werden darf. So kann er eine Lösung nur auf grundsätzlich anderem Wege und i n anderer Richtung suchen. Einen Vorschlag dafür legt er i n den wesentlichen Umrißlinien vor. Wenn eine Lösung i n meinem Sinn sich als nicht praktikabel oder als politisch nicht realisierbar erweist, die seinige dagegen Chance hat, verwirklicht zu werden, bin ich gern bereit, das Meinige dazu beizutragen, um ihr zum Erfolg zu verhelfen. Es geht nicht um „rechthaben", es geht darum, soziales Unrecht auszuräumen, ein Stück mehr Gerechtigkeit zu verwirklichen. Frankfurt/Main — Sankt Georgen Ende 1980 Oswald

von Nell-Breuning

S.J.

Vorbemerkung Diese Arbeit entstand während der Tätigkeit des Verfassers als Wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Arbeits- und Sozialrecht am Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin. Sie w u r de i m Juni 1980 abgeschlossen und als Dissertation vorgelegt. Die während der Dauer des Promotionsverfahrens erschienene Literatur wurde soweit wie möglich zumindest i n den Fußnoten noch berücksichtigt. Ereignisse, die Ergebnisse oder Beurteilungen dieser Untersuchung infrage gestellt hätten, sind i n der Zwischenzeit nicht eingetreten. I m Gegenteil. Der Rücktritt des Fraktionsvorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, Herbert Wehner, vom Vorsitz der Arbeitsgruppe „Sozialpolitisches Programm" lenkte die Aufmerksamkeit der sozialpolitisch interessierten Öffentlichkeit auf einen bemerkenswerten Vorgang: Das sogenannte „Babyjahr", bis zur Bundestagswahl i m Herbst 1980 ein Kernpunkt des Reformprogramms der SPD, ist i n unmittelbarer Gefahr, aus finanzpolitischen Erwägungen heraus fallengelassen zu werden (Der SPIEGEL, Nr. 3/1981). Die Einschätzung, die i n dieser Untersuchung bereits gegeben wurde, und damit zugleich ihre Berechtigung w i r d durch diese Entwicklung eindringlich aktualisiert. Der Verfasser dankt seinem Lehrer Herrn Prof. Dr. Bernd Baron von Maydell, der die Arbeit als hervorragender Sachkenner kritisch begleitet und durch wertvolle Hinweise bereichert hat. Einen wesentlichen und persönlich sehr beeindruckenden Beitrag zur Klärung und Verdeutlichung des i n dieser Schrift vertretenen Standpunktes verdankt der Verfasser zudem Herrn Prof. Dr. Dr. Oswald von Nell-Breuning S.J. Für vielfältige Unterstützung verdienen weiter die Freunde und Kollegen am Lehrstuhl und Fachbereich ebenso herzlichen Dank wie Frau Klimek und Frau Michitsch für die Betreuung des Manuskripts und Herr Prof. Dr. Broermann für die Aufnahme i n die Sozialpolitische Schriftenreihe. Meiner Frau, deren Geduld und Ungeduld für diese Arbeit gleichermaßen entscheidend waren, bleibt zu wünschen, daß ihr und unserer Tochter die vorliegenden Ergebnisse einmal zugute kommen mögen. Berlin, i m Februar 1981

Ernst-Jürgen

Bockert

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

21

I. Anlaß der Untersuchung — zugleich eine Einführung i n die Problematik

21

I I . Gegenstand der Untersuchung

29

I I I . Z u r Methode der Untersuchung

30

I V . Gang der Untersuchung

31

1. T e i l Familiäre Kindererziehung als sozialpolitisches Problem

33

A. Soziologische Aspekte der Kindererziehung

34

B. ökonomische Aspekte der Kindererziehung

36

I. Der Familienlastenausgleich: Die „Privatisierung" erziehung

der

Kinder-

I I . Die „Bestrafung" der Kindererziehung durch das Rentensystem .. C. Rentenreform u n d Bevölkerungsentwicklung

37 40 42

2. T e i l Der gegenwärtige Stand der Berücksichtigung der Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung 1. Kapitel: Zum Begriff tenversicherung

der „Erziehung"

i m Recht der gesetzlichen

49 Ren-

A. Die Auslegung des Erziehungsbegriffs durch das Bundessozialgericht .

49 51

12

nsverzeichnis

Β . K r i t i k an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Auslegung des Erziehungsbegriffs 52 C. Ergebnis — Konsequenzen für die weitere Untersuchung

2. Kapitel:

Die Berücksichtigung

des Bedarfsfalls

„Kinder er Ziehung"

56

..

58

A. Die Erhöhung der W i t w e n - bzw. Witwerrente bei Kindererziehung ..

58

I. Geschichte der Vorschriften

58

1. Witwenrente

58

2. Witwerrente

60

I I . Sozialpolitische Aspekte der Regelung I I I . Die Problematik der Begriffe „Sorge"

„Waisenrentenberechtigung"

60 und

61

1. Die Problematik der Waisenrentenberechtigung

62

2. Das Tatbestandsproblem „Sorge"

64

B. Die „Erziehungsrente" I. Zur Geschichte der Vorschrift I I . Sozialpolitische Aspekte I I I . Die konstruktionsbedingte Problematik der Vorschrift

65 67 70 72

1. Das Problem der „Mindestversicherungszeit"

72

2. Das Problem der Unzumutbarkeit einer mehr als geringfügigen Tätigkeit a) Verdienstgrenze b) Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit

73 73 76

3. Das Problem der Zurechnungszeit bei der Berechnung der E r ziehungsrente

78

4. Die Problematik des Kinderbegriffs

79

I V . Die verfassungsrechtliche Problematik der Erziehungsrente

83

1. Z u r Frage der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zur Einführung der Erziehungsrente i n das System der Rentenversicherung

83

2. Zur Frage der Vereinbarkeit m i t A r t . 3 Abs. 1 GG

85

a) Die Problematik der A n w e n d u n g des allgemeinen Gleichheitssatzes als Kontrollmaßstab der Gesetzgebung

85

b) Die gleichheitsgrundrechtliche Problematik der Regelung . .

87

3. Zur Frage der Vereinbarkeit m i t A r t . 6 Abs. 5 GG

91

nsverzeichnis 4. Z u r Frage der Vereinbarkeit m i t A r t . 6 Abs. 1 GG

92

5. Die verfassungsrechtliche klauseln

94

Problematik

der

6. Die Systemwidrigkeit der Erziehungsrente rechtliches Problem

Zumutbarkeitsals verfassungs-

C. Der Kinderzuschuß

95 98

I. Die gesetzliche Regelung i m Überblick

98

I I . Z u r Geschichte der Regelung

99

I I I . Sozialpolitische Aspekte der Regelung

100

I V . Verfassungsrechtliche Überlegungen zum Kinderzuschuß

102

3. Kapitel:

Die altersrentensteigernde

Berücksichtigung

A . Die Anrechnung von SchwangerschaftsAusfallzeiten

der Erziehung

. 105

u n d Wochenbettzeiten als

I. Z u r Geschichte der Vorschrift I I . Sozialpolitische Aspekte I I I . Z u r Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung 1. Der Vergleich zur Ersatzzeitenregelung

105 105 110 110 111

2. Die verfassungsrechtliche Problematik der individuellen Bew e r t u n g der Schwangerschafts- u n d Wochenbettzeiten 112 B. Die rentensteigernde Berücksichtigung der Mutterschaftszeiten nach dem Gesetz zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs 114 I. Z u r Geschichte der Regelung I I . Sozialpolitische Aspekte

115 120

I I I . Die Möglichkeit sozialpolitisch bedenklicher Idealkonkurrenz . . . . 124 I V . Die verfassungsrechtliche Problematik der rentenrechtlichen A u s gestaltung des Mutterschaftsurlaubs 125 1. Allgemeiner Gleichheitssatz, A r t . 3 Abs. 1 GG

125

2. Gleichberechtigungsgrundsatz, A r t . 3 Abs. 2 GG

126

C. Die rentensteigernde Berücksichtigung der Bezugszeiten der Erziehungsrente 128 I. Z u den geschichtlichen u n d sozialpolitischen Aspekten der Regelung 128

14

nsverzeichnis I I . Z u r Problematik der Ausfallzeitenregelung

129

I I I . Die verfassungsrechtliche Problematik der Ausfallzeitenregelung D. Das vorgezogene Altersruhegeld für Frauen

130 133

I. Die geschichtliche Entwicklung

133

I I . Sozialpolitische Aspekte

134

I I I . Z u r Vereinbarkeit des vorgezogenen Altersruhegeldes m i t A r t . 3 Abs. 2 GG 136 4. Kapitel:

Binnensystematische

Gesamtwürdigung

der Regelungen

. . . . 139

Die beitragsäquivalente Bedeutung der Kindererziehung für die gesetzliche Rentenversicherung

143

3. T e i l

A. Die konditionale Gleichwertigkeit von Kindererziehung u n d monetären Beitragsleistungen für die gesellschaftliche Alterssicherung 143 I. Der familiäre „ Gener ationenvertrag" I I . Der Übergang zu einer sozialen Sicherung

144 144

I I I . Das Verständnis der Bedeutung der Kindererziehung f ü r die gesetzliche Alterssicherung unter der Herrschaft des Anwartschaftsdeckungsprinzips 147 I V . Die Bedeutung der Kindererziehung f ü r die nach dem „Umlageverfahren" finanzierte gesetzliche Rentenversicherung: der gesellschaftliche „Generationenvertrag" 149 V. Ergebnis B. Z u r Notwendigkeit rentenrechtlicher Konsequenzen

150 151

I. Die konditionale Gleichwertigkeit der Kindererziehung u n d das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung 152 1. Die Problematik der Überprüfung

153

2. Gründe gegen die Gleichbehandlung von Kindererziehung u n d monetären Beitragsleistungen a) Lohnersatz b) Keine Volks Versicherung c) Sozialpolitische Einwände d) Finanzierung

155 155 156 156 157

nsverzeichnis 3. Überprüfung der Argumente a) Z u r Finanzierungsfrage

157 158

b) Keine sozialpolitischen Bedenken c) Z u m Problem der fehlenden Volks Versicherung d) Z u m Problem des Lohnersatzcharakters der Renten 4. Ergebnis

158 159 160 161

I I . Der Maßstab des A r t . 6 Abs. 1 GG

161

I I I . Z u r Verdeutlichung: der Vergleich m i t Personengesellschaften . . . 162 I V . Ergebnis: Die Notwendigkeit einer beitragsäquivalenten Berücksichtigung der Kindererziehung 163

4. T e i l Die Berücksichtigung der Kindererziehung in den Reform vor schlagen

165

1. Kapitel: Die Überlegungen zur Berücksichtigung der Kindererziehung in der zweiten Witwerrentenentscheidung, den Diskussionsmodellen und dem Modellversuch „Erziehungsgeld"

167

A. Die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts gung der Kindererziehung bei der Rentenreform

167

zur Berücksichti-

B. Die Berücksichtigung der Kindererziehung i n den Diskussionsmodellen 169 I. Die Gruppe der Hinterbliebenenerziehungsrenten-Modelle

170

I I . Die Gruppe der Kombinationsmodelle (abgeleitete Hinterbliebenen-Erziehungsrente u n d Anrechnung von Erziehungszeiten als Beitragszeiten) 172 I I I . Das „Regensburger Modell"

174

I V . Der Modellversuch „Erziehungsgeld"

176

2. Kapitel:

Modellkritik

178

A. Die Bedeutung der Witwerrentenentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts für die Reformdiskussion 178 I . Die Berücksichtigung der Kindererziehung i n der ersten W i t w e r rentenentscheidung 179 I I . Die Rezeption der Entscheidung i n der sozialpolitischen Diskussion 181

16

nsverzeichnis I I I . Die zweite Witwerrentenentscheidung: stungstatbestand

Erziehung als Nichtlei182

B. M o d e l l k r i t i k aus dem Gesichtspunkt der Beitragsäquivalenz der K i n dererziehung 183 I. Die „einseitige" Erziehungszeitenanrechnung

185

I I . Die nicht-beitragsäquivalente, erwerbsabhängige Anrechnung . . . 186 I I I . Dauer u n d Höhe der Bewertung

190

I V . Die Finanzierung der Erziehungszeiten durch den B u n d

191

V. Ergebnis

194

C. Probleme der Modellverwirklichung I. Die Vorschläge zur Bedarfsrente I I . Die Vorschläge zur Anrechnung von Beitragszeiten

194 194 195

5. T e i l Die Suche nach Alternativen: Das „Modell" der Beamtenversorgung, die Berücksichtigung der Kindererziehung in der DDR, das „Modell Elternrente" sowie die Vorschläge der Staffelung der Rentenbeiträge nach Kinderzahl (v. Nell-Breuning, Schmidt-Kaler)

197

A . Die Berücksichtigung der Kindererziehung i m Recht der Beamtenversorgung 197 I. Die Regelungen 1. Mindestpension

198 198

2. Die Möglichkeit der Arbeitszeitermäßigung bzw. Beurlaubung während Erziehungszeiten 198 3. Die Staffelung des Steigerungsquotienten

199

I I . Die Bedeutung dieser Regelungen für die Berücksichtigung der Kindererziehung 199 1. Mindestpension

199

2. Sonderurlaub, Arbeitszeitermäßigung

199

3. Steigerungsquotient

200

I I I . Übertragbarkeit i n das System der Rentenversicherung 1. Mindestrente

200 200

nsverzeichnis 2. Sonderurlaub, Teilzeitarbeit u n d Steigerungsquotient

202

3. Ergebnis

203

I V . Beurteilung der Anregungen anhand des Maßstabes der Beitragsäquivalenz der Kindererziehung 203 1. Mindestrente für Eltern

203

2. Der Gedanke eines speziellen „Erziehungssteigerungssatzes" . . 205 B. Berücksichtigung der Kindererziehung i m Rentensystem der DDR I. Die Regelungen

205 206

I I . Z u r Übertragbarkeit der Regelungen i n das Rentensystem der Bundesrepublik 208 I I I . Beurteilung der Regelungen

209

C. Das „Modell Elternrente" i n der gesetzlichen Unfallversicherung I . Die Regelung der Elternrente I I . Der Unterhaltsersatzcharakter der Elternrente

211 211 212

I I I . Z u r Übertragbarkeit des Modells der Elternrente i n das System der Rentenversicherung 214 I V . Die Idee einer Elternrente als Ansatz einer leistungsgerechten Berücksichtigung der Kindererziehung 215 D. Die Vorschläge einer Beitragsstaffelung nach Kinderzahl I. Die Konzeptionen

216 216

1. Der Vorschlag v. Neil-Breunings

216

2. Der Vorschlag einer „bevölkerungsdynamischen Rente"

218

I I . Kritische Stellungnahmen i n der L i t e r a t u r

219

1. Die K r i t i k Molitors

220

2. Die K r i t i k Rürups

220

I I I . Eigene Stellungnahme

222

6. T e i l Skizze eines gerechten Rentensystems A. K r i t e r i e n einer gerechten Neuordnung

225 225

I. Die „beitragsäquivalente" Bedeutung der Kindererziehung für das System der gesetzlichen Rentenversicherung 225 2 Bordiert

18

nsverzeichnis I I . Die Ungerechtigkeit des gegenwärtigen Rentenrechts I I I . Vier K r i t e r i e n einer gerechten Neuordnung

226 228

B. Vorschlag: E n t w i c k l u n g eines dualen Rentensystems, bestehend aus einem Elternrenten- u n d einem Barbeitragsrentensystem 229 I. Grundzüge eines dualen Rentensystems

229

1. Beibehaltung des Systems der Barbeitragsrenten unter Halbierung der Rentenleistungen 229 2. Errichtung eines Elternrentensystems a) Höhe der Elternrente b) Die Verteilung der Elternrente auf die Eltern I I . Begründung des Modells I I I . Z u r Problematik des Modells

229 229 230 230 234

1. „Bestrafung" der Kinderlosigkeit

235

2. Tod eines Kindes

235

3. Das Problem der notwendigen Ubergangsregelung

236

4. Die Frage der Erziehungs-Bedarfsrenten

237

I V . Schlußbemerkung

239

Literaturverzeichnis

240

Abkürzungsverzeichnis * ABl. AEMR AN AnV AöR ArbuSozR ArV ArVNG AuA AuS BAT BB BIStArbSozVers

= Amtsblatt B e r l i n = Allgemeine E r k l ä r u n g der Menschenrechte = Amtliche Nachrichten des Reichsversicherungsamts (Zeitschrift) = Angestelltenversicherung = Archiv des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) = Arbeits- u n d Sozialrecht (Zeitschrift) = Arbeiterrentenversicherung = Arbeiterrentenversicherungsneuregelungsgesetz = Arbeit u n d Arbeitsrecht (Zeitschrift — DDR) = A r b e i t und Sozialpolitik (Zeitschrift)

BR BT

= Bundesangestelltentarif = Der Betriebs-Berater (Zeitschrift) = Blätter für Steuerrecht, Arbeitsrecht u n d Sozialversicherung (Zeitschrift) = Bundesrat = Bundestag

DAngVers DAVorm DJT DP

= = = =

EDV EheRG

= Elektronische Datenverarbeitung = Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts

FamRZ FAZ FR FVP

= Zeitschrift für das gesamte Familienrecht, Ehe und Familie i m privaten u n d öffentlichen Recht = Frankfurter Allgemeine Zeitung = Frankfurter Rundschau = Freie Volkspartei

JR

= Juristische Rundschau (Zeitschrift)

NDV

= Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche u n d private Fürsorge (Zeitschrift)

RAG RdA RV RVA RV-BEVO

= Rentenanpassungsgesetz = Recht der A r b e i t (Zeitschrift) = Die Rentenversicherung (Zeitschrift) = Reichsversicherungsamt = Rentenversicherungs-Beitragsentrichtungsverordnung

Die Angestelltenversicherung (Zeitschrift) Der A m t s v o r m u n d (Zeitschrift) Deutscher Juristentag Deutsche Partei

* I m übrigen siehe Kirchner, 2*

Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache.

Abkürzungsverzeichnis

20 SozFortschritt SozR SozSicherheit SozVers VersRdschau VSSR WiSta WRV WzS ZfBevWiss ZfS ZfSH ZSR ZVersWiss

= =

= =

= =

= = =

= =

= = =

Sozialer Fortschritt (Zeitschrift) Sozialrecht, Entscheidungssammlung, bearbeitet von den Richtern des Bundessozialgerichts Soziale Sicherheit (Zeitschrift) Die Sozialversicherung (Zeitschrift) Versicherungsrundschau (Zeitschrift) Viertelj ahresschrift für Sozialrecht Wirtschaft und Statistik (Zeitschrift) Weimarer Reichsverfassung Wege zur Sozialversicherung (Zeitschrift) Zeitschrift für Bevölkerungswissenschaft Zentralblatt für Sozialversicherung, Sozialhilfe u n d Versorgung Zeitschrift für Sozialhilfe Zeitschrift für Sozialreform Zeitschrift f ü r die gesamte Versicherungswissenschaft

Einleitung I . Anlaß der Untersuchung — zugleich eine Einführung in die Problematik

Aller Sozialaufwand muß immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden; für allen Sozialauf wand gibt es nur eine Quelle, das laufende Volkseinkommen. Volkswirtschaftlich gesehen, existiert keine Möglichkeit einer Versicherung gegen irgendwelche Risiken, nicht einmal gegen die mit Sicherheit eintretenden Ereignisse wie Alter und Invalidität. Jede Ansammlung von Fonds w i r d i n der Geldwirtschaft zu volkswirtschaftlicher Kapitalbildung und kann dann nicht mehr i n Sozialaufwand, d.h. Konsumgüter zurückverwandelt werden; Fabriken, Anlagen, Maschinen sind nicht verzehrbar. Das Versicherungsprinzip ist zwar geeignet, den Einzelnen zu sichern gegen die Abweichung seines Falles von der sozialen Norm; es kann aber nicht die Volkswirtschaft selbst sichern gegen eine Änderung der sozialen Norm, gegen eine soziale Katastrophe. Diese einfache und klare Erkenntnis Mackenroths aus dem Jahre 19521 ist seit den damaligen Anfängen bundesdeutscher Sozialreformüberlegungen bekannt. Übertragen auf den Sozialaufwand der gesellschaftlichen Alterssicherung beinhaltet sie nichts anderes als die Feststellung, daß dieser immer vom Nachwachsen neuer Generationen und deren Produktivität abhängt. Erwirtschaftung von Volkseinkommen ohne den Einsatz menschlicher Arbeitskraft ist allenfalls als Utopie denkbar. Konkret bezogen auf die gesellschaftliche Alterssicherung findet man die Analyse Mackenroths dann i n einer zwei Jahre später veröffentlichten, sozialpolitisch ebenfalls bedeutsamen Stellungnahme des „Arbeitsausschusses für die Große Steuerreform" wieder 2 . I n dem Bericht heißt es, bei der Fiktion einer Altersversicherung durch Rückstellung eines bestimmten Einkommensanteils werde übersehen, daß nur die Kindergeneration den alten Menschen der vorhergehenden Generation einen sorgenfreien Lebensabend verschaffen kann. Daraus folge, daß die 1 Mackenroth, Die Reform der Sozialpolitik durch einen deutschen Sozialplan, Vortrag vor dem Verein für Sozialpolitik am 19. A p r i l 1952 i n Berlin, abgedruckt bei Richter, Sozialreform, Bd. 9, Ν I X . 2 Troeger (Hrsg.), Diskussionsbeiträge des Arbeitsausschusses f ü r die Große Steuerreform. E i n Bericht an den Finanzausschuß des Bundesrates, S. 22 f.

Einleitung

22

Eltern mit Kindern die Rentenansprüche derjenigen sicherstellen, deren Ehe kinderlos bliebe. Erstere vollbrächten durch die Existenz und die Erziehung ihrer Kinder nicht hoch genug zu veranschlagende Leistungen zugunsten der letzteren. Die Höhe der Leistung durch diese „moderne Frondienstpflicht der Familie" w i r d i m Bericht mit dem Hinweis unterstrichen, daß der Unterhalt eines einzigen Kindes i m Schnitt rund 12 — 1 5 % des Betrages ausmache, den ein kinderloses Ehepaar bei gleicher Lebenshaltung für sich ausgebe3. Nach Meinung der Autoren läßt sich dementsprechend eine Deklassierung der Familien mit Kindern einerseits und ein zwangsläufig i n den Luxuskonsum einströmender Kaufkraftüberhang bei den Ledigen, den kinderlosen Ehepaaren und auch bei den Familien m i t nur einem K i n d andererseits feststellen: da aber die A u f wendungen für die Heranbildung der künftigen Generation auch diesen Personenkreisen ohne eine entsprechende Gegenleistung zugute kämen, bedeute dies, daß die Aufwendungen für die Alterssicherung i n höchstem Maße ungleich verteilt seien 4 . Zwischen Kindererziehung und dem System gesellschaftlicher Alterssicherung besteht also ein unmittelbarer Zusammenhang. Da diese Tatsache damals bereits bekannt war, hätte es nahe gelegen, ihr bei der großen Rentenreform des Jahres 1957 durch entsprechende Regelungen Rechnung zu tragen, die die Beziehungen zwischen den drei am w i r t schaftlichen Kreislaufsystem beteiligten Generationen — Kinder, A k t i ve und Alte — berücksichtigen. Das ist jedoch nicht geschehen. I n dem i m Jahre 1957 geprägten System der gesetzlichen Rentenversicherung kommt dieser Zusammenhang nicht zum Ausdruck. Das System berücksichtigt — von gewissen Ausnahmen abgesehen5 — vielmehr nur die Beziehung zwischen den zwei Generationen der Beitragszahler und der Alten. Die Leistung der Kindererziehung als solche w i r d rentenrechtlich nicht anerkannt. Die K r i t i k an dieser Entscheidung des Gesetzgebers blieb nicht aus. Ausgehend von der Feststellung, daß i m Rentensystem die kinderlose Hausfrau und die kindererziehende Mutter rentenrechtlich gleichbehandelt werden, wurde bald nach der Reform i m Jahre 1959 von Hansen-Blanke betont, dies stelle i n Anbetracht der vom gesellschaftlichen Standpunkt aus ungleichwertigen Leistungen der Hausfrauen einerseits und der Mütter andererseits eine große Ungerechtigkeit dar 6 . 3

Ebd., S. 22. Ebd., S. 23; ausführlich zu diesen Zusammenhängen v. Nell-Breuning, Soziale Sicherheit?, S. 75 ff. 5 Siehe Teil 2 dieser Arbeit. 6 Hansen-Blanke, Erwerbstätigkeit und Mutterschaftsleistungen als G r u n d lage für eine selbständige Sozialversicherung für jede Frau, S. 292 ff. 4

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I h r Vorschlag, Kindererziehung deshalb i m System der Rentenversicherung durch Anrechnung einer bestimmten Anzahl von Versicherungsjahren zu berücksichtigen 7 , wurde seinerzeit — soweit ersichtlich — in der sozialpolitischen Öffentlichkeit jedoch nicht aufgegriffen. Erst i m Sachzusammenhang mit der Diskussion um die eigenständige soziale Sicherung der Frau, die sich nach der sogenannten 1. Witwerrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. J u l i 19638 m i t zunehmender Intensität entwickelte, wurde das Problem unter dem Gesichtspunkt des als sozialpolitisch für notwendig erachteten Ausgleichs des Versorgungsnachteils nicht-erwerbstätiger Mütter wieder angeschnitten. Die zahllosen Stellungnahmen 9 und die große Zahl von Vorschlägen 10 , die i m Zusammenhang m i t dieser Diskussion entwickelt und erörtert wurden, wiesen dabei trotz ihrer konzeptionellen Unterschiede i m einzelnen doch einen Konsens i m Grundsätzlichen bezüglich der Notwendigkeit der Berücksichtigung der Erziehungsleistungen von Müttern, zumindest der nicht-erwerbstätigen Mütter, i n der Rentenversicherung auf 1 1 . Diese sozial- und familienpolitischen Vorstellungen sollten nach dem Willen der Bundesregierung ihr erstes legislatives Echo bei der Rentenreform des Jahres 1972 finden; in ihrem Regierungsentwurf zum Rentenreformgesetz 1972 machte sie den Vorschlag der Anrechnung eines sogenannten „Baby-Jahres", mit dem die Nachteile, die — allerdings nur die selbst versicherten — Frauen durch die Geburt eines Kindes i n ihrem Versicherungsleben erleiden, wenigstens ansatzweise ausgeglichen werden sollten 1 2 . Der Vorschlag sah vor, daß die Rente von Müttern für jedes lebend geborene K i n d um einen dynamisch gestalteten Betrag, der dem durchschnittlichen Rentenzuwachs einer Frau für ein Versicherungsjahr entspricht, erhöht werden sollte. Dabei sollte für die Ermittlung der Er7 Bezüglich der Einzelheiten siehe unten, I I . Teil, 2. Kap. Β . I., Text zu Fn. 17. 8 BVerfGE 17, S. 1 ff. 9 Vgl. hierzu n u r die umfangreiche A u s w a h l bei Zacher, DRV 1977, S. 197 ff. (Fn. 4). 10 Vgl. die Zusammenfassung bei Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 442 ff. 11 Den Grundzügen nach lassen sich i n der damaligen Diskussion drei V o r schläge zur Nachteilsausgleichung unterscheiden: Rentenbeitragszahlungen für nicht-erwerbstätige M ü t t e r m i t kleinen K i n d e r n aus M i t t e l n des F a m i lienlastenausgleichs, vgl. Eherechtskommission, Vorschläge (II), S. 20 ff.; E i n führung eines Frauenzuschlags, w e n n ein Ehepaar mehrere K i n d e r aufgezogen hat, vgl. Krause/Ruland, ZSR 1969, S. 261; Berücksichtigung der M u t t e r jahre als „Ausfallzeiten" i. S. d. § 1259 RVO, vgl. Wannagat, SozSich 1967, S. 164, bzw. „Ersatzzeiten" i. S. d. § 1251 RVO, vgl. Schulte Langforth, M u t t e r geld, S. 148. 12 § 1260 c, vgl. BR-Drucks. 566/71, S. 5.

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höhungsbeträge davon ausgegangen werden, daß die persönliche Bemessungsgrundlage 13 einer Frau für ein Versicherungsjahr i m Durchschnitt 70 °/o der allgemeinen Bemessungsgrundlage 13 beträgt. Dieser Entwurf scheiterte dann i m Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens am Widerstand des Bundesrates, obwohl — und das ist das Überraschende und das Bemerkenswerte an diesem Vorgang — alle Beteiligten des Verfahrens grundsätzlich über die Notwendigkeit einer derartigen Regelung einig waren 1 4 . Nunmehr steht die gesetzliche Rentenversicherung der Bundesrepublik Deutschland vor ihrer dritten großen Reform. Diese soll nach dem Willen des Bundesverfassungsgerichts bis zum Jahre 1984 durchgeführt werden 1 5 . Das Bundesverfassungsgericht äußert dabei die Erwartung, die Reform werde an die „Grundlagen des Rentensystems" rühren 1 6 . Für die Bundesregierung ist die rentenwirksame Anerkennung von Erziehungszeiten für kindererziehende Elternteile eines der drei Ziele dieser Reform 1 7 . Einer entsprechenden Initiative müßte dabei die volle parlamentarische und außerparlamentarische Unterstützung eigentlich sicher sein, denn alle i m Deutschen Bundestag zur Z e i t 1 8 vertretenen Parteien und nahezu ausnahmslos alle Verbände, Institutionen und Gremien, die sich mit einem gewissen Gewicht an der sozialpolitischen Diskussion beteiligen, haben entsprechende Vorstellungen formuliert, die sich i n ihren konzeptionellen Einzelheiten zwar unterscheiden, jedoch hinsichtlich 13 Die persönliche Bemessungsgrundlage, § 1255 Abs. 1 RVO, bringt prozent u a l zum Ausdruck, wie hoch das Erwerbseinkommen des Versicherten i m Verhältnis zum Durchschnittseinkommen aller Versicherten i n jedem Jahr des gesamten Versicherungsverlaufs durchschnittlich gewesen ist. Durch die allgemeine Bemessungsgrundlage, § 1255 Abs. 2 RVO, sollen die L o h n - und Gehaltsverhältnisse i m Zeitpunkt des Rentenfalles zum Ausdruck gebracht werden; sie w i r d ermittelt nach dem Durchschnittsentgelt aller Versicherten i n den letzten drei Jahren v o r dem E i n t r i t t des Rentenfalles. Die Beziehung zwischen der persönlichen u n d der allgemeinen Bemessungsgrundlage soll gewährleisten, daß die errechnete Rente dem jeweils aktuellen L o h n - und Gehaltsniveau entspricht. Z u r Rentenformel siehe unten, V . T e i l , A . I I I . 2. Fn. 17. 14 Dazu siehe i m einzelnen unten, I I . Teil, 3. Kap. Β . I., Text zu Fn. 25 ff. 15 BVerfGE 39, S. 169 (195). 16 BVerfGE 39, S. 169 (194). 17 Neben der V e r w i r k l i c h u n g der v o m Bundesverfassungsgericht geforderten Gleichbehandlung von M a n n u n d Frau i n der Rentenversicherung sowie der Herstellung einer Balance von Renten einerseits u n d Arbeitnehmereinkommen andererseits, — so der Bundesminister für A r b e i t u n d Sozialordnung, Ehrenberg, i n der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestages v o m 13. Dezember 1979, zitiert nach „Der Tagesspiegel" v o m 14. Dezember 1979. 18 Februar 1981.

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der Betonung der grundsätzlichen Bedeutung der Berücksichtigung der Kindererziehung i n der gesetzlichen Rentenversicherung übereinstimmen. Nach den Vorstellungen des Vorstandes der SPD soll für Frauen, die künftig in Rente gehen, für jedes K i n d ein „Baby-Jahr" als zusätzliches Versicherungsjahr auf der Basis von 75 °/o des Durchschnittsentgeltes aller Versicherten angerechnet werden 1 9 . Bei der CDU/CSU hat man sich nunmehr auf die Forderung festgelegt, für Mütter fünf Erziehungsjahre auf der Basis des Durchschnittseinkommens aller Versicherten rentensteigernd zu berücksichtigen 20 . Die FDP w i l l für jedes K i n d drei, insgesamt jedoch maximal 15 Versicherungsjähre, bewertet entsprechend dem jeweiligen Durchschnitts verdienst der Versicherten, zur Anrechnung bringen 2 1 . Der Reformentwurf der D A G sieht ebenfalls vor, Zeiten der Kindererziehung bis zum vollendeten dritten Lebensjahr rentenrechtlich anzuerkennen 22 . Dies entsprach ursprünglich auch den Vorstellungen des D G B 2 3 , der sich i n seinem jüngst veröffentlichten sozialpolitischen Programm aber nicht mehr festlegt, sondern lediglich „die rentengerechte Berücksichtigung der Zeiten der Kindererziehung" fordert 2 4 . Von Seiten der beiden großen Kirchen haben die evangelische Frauenarbeit i n Deutschland (EFD) und der Diözesanverband Regensburg der katholischen Arbeitnehmerbewegung („Regensburger Modell") sich geäußert. Die Überlegungen der EFD gehen dahin, Kindererziehung rentensteigernd zur Anrechnung zu bringen, solange Kinder die A r beitskraft der Mutter ganz oder teilweise beanspruchen 25 . Das sogenannte „Regensburger Modell" schließlich ist ein detailliertes Rentenreformmodell mit den vergleichsweise weitestgehenden Forderungen zur rentenrechtlichen Anerkennung der Kindererziehung 2 6 . Neben diesen hier genannten bestehen noch zahlreiche weitere sozialpolitische Stellungnahmen mit gleichen oder ähnlichen Forderungen, deren Erwähnung sich i m einzelnen deshalb erübrigt 2 7 . Insgesamt 19

Vorstand der SPD, Programm der zukunftsgerechten Weiterentwicklung der Alterssicherung, E n t w u r f , Ziff. 12,13. 20 CDU/CSU, Wahlprogramm für die Bundestagswahl 1980, S. 27. 21 FDP, 32 Thesen zur Alterssicherung, Thesen 24 ff. (26). 22 DAG, Modelle zur Neuordnung der sozialen Alterssicherung, S. 11 f.; näheres dazu unten, I V . Teil, 1. Kap. Β . I I . 23 DGB, i n : Frauen u n d Arbeit, 5/1975, S. 16 f. 24 Vgl. Muhr, SozSich 1980, S. 106. 25 EFD, Stellungnahme des Rechtsausschusses — Vorschläge zur Alterssicherung der Frau, S. 4. 26 Vgl. Lischke, R V 1978, S. 21 ff.; dazu siehe unten, I V . Teil, 1. Kap. B . I I I . 27 Eine Zusammenstellung findet sich bei Thieme, Rechtsgutachten, S. 320 ff.

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zeigt sich also eine eindrucksvolle Übereinstimmung hinsichtlich der grundsätzlichen Bereitschaft, Kindererziehung bei den rentenpolitischen Reformüberlegungen zu berücksichtigen. Wie das Schicksal des „Baby-Jahres" i m Regierungsentwurf zum RRG 1972 jedoch lehrt, bedeutet ein solcher Konsens noch lange keine Garantie dafür, daß wenigstens der kleinste gemeinsame Nenner v e r w i r k licht wird. Skepsis ist insbesondere deshalb angebracht, weil die Vorstellungen des SPD-Vorstandes i n den Einzelheiten gegenüber dem damaligen Entwurf nahezu unverändert sind; der SPD-Vorstand w i l l heute ein „Baby-Jahr" auf der Basis von 75 °/o der allgemeinen Bemessungsgrundlage zur Anrechnung bringen, damals war eine Anrechnung auf der Basis von 70 °/o geplant. Hinzu kommt allerdings, daß das „Baby-Jahr" auch Witwenrentenbezieherinnen zugute kommen soll 2 8 . Die Distanz zu den sozialpolitischen Absichten der gegenwärtigen CDU/CSU-Opposition ist gegenüber damals sogar eher noch größer geworden; denn i m Jahre 1971 hatte die Union noch keine konkreten Forderungen formuliert. Wie die Stellungnahme der unionsregierten Bundesländer beweist 2 9 , hatte sie lediglich in Form eines „so nicht"Vorbehaltes zu erkennen gegeben, daß ihr der Vorschlag des „BabyJahres" nicht ausreichend erschien 30 . Darüberhinaus ist folgendes zu bemerken: Von Seiten der SPD w i r d die Anrechnung des „Baby-Jahres" pro K i n d vor allem mit dem Gedanken der Solidarität der Generationen begründet 3 1 . Der Opposition dürfte der Nachweis allerdings kaum schwer fallen, daß die Anrechnung nur eines einzigen „Baby-Jahres" dem Grundgedanken der Generationensolidarität nicht hinreichend Rechnung trägt; dafür bieten sich allein schon die zahlreichen anderen sozialpolitischen Stellungnahmen an, die — ebenfalls ausgehend von der Idee des sogenannten „Generationenvertrages" — weit höhere Mindestanrechnungen vorsehen 32 . Soweit schließlich mit dem „Baby-Jahr" ausdrücklich die Erwartung verknüpft ist, die Versicherungslücken von Frauen zu schließen und so durch Erhöhung des gesamten Versorgungsvolumens die Voraussetzungen zur Einführung der Teilhaberente als Reformmodell zu schaffen 33 , sind der Opposition die Argumente bereits geliefert, die mangelnde 28

SPD-Vorstand, Ziff. 12. Siehe dazu unten, I I . Teil, 3. Kap. Β . I., Text zu Fn. 28 u n d 29. 30 Vgl. auch unten, I V . Teil, 1. Kap. Β. I V . 31 SPD-Vorstand, Ziff. 10. 32 ζ. B. die Überlegungen der FDP, des DGB, des Diözesanverbandes Regensburg der Katholischen Arbeitnehmerbewegung. 33 SPD-Vorstand, Ziff. 6. 29

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Begründetheit dieser Annahme aufzuzeigen. Die Beurteilung Pappais aus dem Jahre 1973, hierzu würde nicht einmal die Anrechnung von sechs Versicherungsjähren pro K i n d ausreichen 34 , findet in letzter Zeit nämlich zunehmend Bestätigung 35 . Abgesehen von der Verfestigung dieser kontroversen Positionen gibt es gegenwärtig noch gewisse weitere Anhaltspunkte, die die Berücksichtigung der Kindererziehung bei der kommenden Reform sehr fraglich erscheinen lassen. So enthält bereits die reformweisende sogenannte 2. Witwerrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts an den Gesetzgeber nur einen bindenden Auftrag zur Verwirklichung der Gleichbehandlung von Mann und Frau i n der Rentenversicherung 36 . Diese Aufgabe läßt sich jedoch lösen, ohne gleichzeitig die Frage der Erziehungszeitenanrechnung entscheiden zu müssen. Das bestätigt das Gutachten der vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung eingesetzten Sachverständigenkommission: Das Problem der rentenwirksamen Berücksichtigung von Erziehungsjähren w i r d dort gesondert behandelt; die entsprechenden Vorschläge zählen zu einem Katalog von Maßnahmen, die von den verschiedenen Reformmodellen unabhängig sind 3 7 . Nicht zu übersehen sind schließlich auch die beständig angemeldeten Vorbehalte, daß die Reform sich i n den — angesichts der chronisch angespannten Finanzlage der Rentenversicherungen — äußerst engen Grenzen der Finanzierbarkeit bewegen müsse 38 . Vereinzelt w i r d sogar das Gebot der Kostenneutralität zur Richtschnur der Reform erhoben 39 . Die rentenwirksame Anrechnung von Kindererziehungszeiten, für die — je nach Dauer und Höhe der Anrechnung — Kosten i n Höhe von mindestens 3,5 Mrd. D M zu errechnen sind 4 0 , verträgt sich freilich schlecht mit diesen Forderungen; dies gilt um so mehr, als angesichts der sich deutlich abzeichnenden Tendenz, den Versicherten ihren ge34

RV 1973, S. 169 f. Vgl. Krupp/Meinhardt, W S I - M i t t e i l u n g e n 1979, S. 677 ff.; Bley, SGb 1979, S. 245 ff.; deutliche K r i t i k am „ B a b y - J a h r " äußert auch die Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 73 (Rdnr. 207). 36 BVerfGE 39, S. 169 (194 f.). 37 Sachverständigenkommission, S. 32, 72 ff. 38 Vgl. z.B. SPD-Vorstand, Ziff. 11, 34 ff.; FDP, These 26; zum Stand der Diskussion i m F r ü h j a h r 1980 vgl. auch Kannengießer, DAngVers 1980, S. 125 f. („Bei der Anrechnung des ,Baby-Jahres' zeigen sich eindeutig die Grenzen zwischen dem politisch Wünschbaren und dem finanziell M ö g l i c h e n . . . " ) . 39 ζ. B. Kaltenbach, DAngVers 1978, S. 33; vgl. auch FDP, These 29. 40 So belaufen sich die Berechnungen auf seiten der SPD für n u r ein einziges „ B a b y - J a h r " auf der 75 %-Basis auf die Summe von 3,5 M r d . DM, vgl. SPD-Vorstand, Ziff. 38. Siehe auch unten, I I I . Teil, Β . I. 2. d). 35

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genwärtig erreichten oder nach gegenwärtigem Recht noch zu erzielenden Besitzstand auch i n Zukunft zu gewährleisten 41 , anderweitige Einsparungsmöglichkeiten kaum ersichtlich sind. Erste Abstriche von Seiten der SPD/FDP-Regierungskoalition sind denn auch bereits erkennbar. Hatte die Sachverständigenkommission noch eine Anzahl von drei anzurechnenden Jahren genannt und lediglich von weitergehenden Vorschlägen i m Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen als unrealistisch abgesehen 42 , war die Arbeitsgruppe „Sozialpolitisches Programm" der SPD bereits auf „mindestens ein Versicherungsjahr für jedes K i n d — und zwar für alle Frauengenerationen" heruntergegangen 43 . I m Vorstandsentwurf schließlich w i r d diese als Mindestleistung bezeichnete Anrechnung jedoch insoweit noch verkürzt, als Rentenbezieherinnen das „Baby-Jahr" je K i n d nur als Zuschlag zu ihrer Rente erhalten sollen 4 4 , d. h. die unter Umständen kostspieligen weitergehenden versicherungsmäßigen Wirkungen eines Versicherungsjahres 45 werden dadurch nicht erzielt 4 6 . Die FDP hatte sich die Rückzugsmöglichkeit auf — mindestens — ein Versicherungsjahr von Anfang an durch ihren Finanzierungsvorbehält offengelassen 47 . Tendenziell einer Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten entgegen w i r k t schließlich möglicherweise ein weiterer, neuer Umstand. Hatte nämlich i n den letzten Jahren — und das war bisher der wesentliche Unterschied gegenüber der Situation bei der Rentenreform des Jahres 1972 — der besorgniserregende Rückgang der Geburtenziffer ein Problembewußtsein hinsichtlich der Zusammenhänge zwischen Geburtenentwicklung und Finanzierung des Alterssicherungssystems hervorgerufen und die Anrechnung der Kindererziehungszeiten vor allem auch als bevölkerungspolitische Maßnahme ins Gespräch gebracht 4 8 , verlauten nunmehr aus dem Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit Nachrichten, die — wenn auch nicht von einer 41 Vgl. z.B. Sachverständigenkommission, S. 60 ff.; SPD-Vorstand, Ziff. 5; FDP, These 11; siehe auch das U r t e i l des B V e r f G v o m 28. Februar 1980 zur Verfassungsmäßigkeit des Versorgungsausgleichs — 1 B r L 17/77 u.a. —, DAngVers 1980, S. 128 ff., das Versichertenrenten u n d Rentenanwartschaften aus den gesetzlichen Rentenversicherungen dem Schutz des A r t . 14 GG unterstellt. 42 Sachverständigenkommission, S. 74 (Rdnr. 209). 43 Arbeitsgruppe „Sozialpolitisches Programm" der SPD, Zukunftsgerechte Weiterentwicklung der Alterssicherung, S. 13. 44 SPD-Vorstand, Ziff. 12. 45 ζ. B. hinsichtlich der Voraussetzungen der Wartezeiterfüllung, §§ 1246— 1248 RVO, oder der sog. „Halbbelegung", § 1259 Abs. 3 RVO. 46 Vgl. dazu Kannengießer, DAngVers 1980, S. 126. 47 FDP, These 26. 48 Siehe unten, I. Teil, C.

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ausdrücklichen Trendwende — von einer eindeutigen Verbesserung der Geburtenentwicklung i n den ersten Monaten des Jahres 1980 sprechen 49 . Sollte dieser Umschwung anhalten, entfiele für die politisch Verantwortlichen möglicherweise ein entscheidender Druck, weiter an Überlegungen hinsichtlich der Berücksichtigung der Kindererziehung festzuhalten. Die Frage, ob und ggf. wie die Kindererziehung i m Rentenrecht berücksichtigt werden wird, ist also offen. Das ist der Anlaß zu dieser Untersuchung. Das rechtswissenschaftliche Interesse w i r d dabei insbesondere durch den Umstand herausgefordert, daß ein der Sozialpolitik vorgegebener Wertmaßstab für die Frage der Einbeziehung der Kindererziehung in das System der Rentenversicherung offensichtlich bisher nicht gefunden wurde. Vielmehr beweist das Schicksal des „Baby-Jahres" i m Regierungsentwurf zum RRG 1972 ebenso wie heute die Verknüpfung der prinzipiellen Bereitschaft zur Lösung des Problems m i t dem Finanzierungsvorbehalt, daß die Sozialpolitik i n dieser Frage ihren Regelungsraum und die Regelungsmaßstäbe völlig autonom bestimmt. Angesichts der Betonung der Bedeutung der Kindererziehung für die Gesellschaft i m allgemeinen und das System der gesetzlichen Rentenversicherung i m besonderen 50 , regt diese Beliebigkeit allerdings zu juristischem Nachdenken an.

I I . Gegenstand der Untersuchung

Gegenstand der Untersuchung ist also zum einen das gegenwärtige Rentensystem. Hier interessieren insbesondere die Regelungen, i n denen bereits eine Berücksichtigung der Kindererziehung zum Ausdruck kommt. Zum anderen sind die Reformmodelle, die i n der sozialpolitischen Öffentlichkeit zur Zeit diskutiert werden, auf die i n ihnen vorgeschlagenen Wege der Einbeziehung der Kindererziehung i n das Rentensystem h i n zu überprüfen. Für diese Analyse einen geeigneten Wertmaßstab zu finden, ist die zentrale Aufgabe, die m i t der vorliegenden Arbeit verfolgt wird. Ihre Lösung setzt dabei die Ermittlung der tatsächlichen Bedeutung der Kindererziehung für das System der Alterssicherung notwendigerweise voraus. 49

Siehe unten, I . Teil, C., Text zu Fn. 17. Vgl. dazu z.B. Sachverständigenkommission, S. 24 f., 72 ff.; Wahlprogramm 1980, S. 24 ff. 50

CDU/CSU,

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Einleitung I I I . Zur Methode der Untersuchung

Das Rentenrecht ist Teil des Sozialrechts. Sozialrecht aber, als ein Teil des Gesamtrechtssystems, läßt sich durch nichts anderes definieren als durch die Intensität seines sozialen Zweckes; Sozialrecht ist also „Medium der Sozialpolitik" 5 1 . Dieser Tatsache ist i m Verlauf dieser Untersuchung Rechnung zu tragen. Das bedeutet, daß die spezifisch juristische, hermeneutischdogmatische Methodik notwendig der Ergänzung durch die für die Sozialpolitik wesentlichen Entscheidungsgrundlagen bedarf. Soweit dies i m Rahmen dieser Untersuchung und auf der Grundlage des verfügbaren Materials überhaupt möglich ist, sollen deshalb auch die problembezogenen Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Forschung, vor allem der drei großen sozialwissenschaftlichen Disziplinen Soziologie, Ökonomie und Psychologie, berücksichtigt werden. Falls Fragen, die für die vorliegende Arbeit von wesentlicher Bedeutung sind, i m sozialwissenschaftlichen Bereich offensichtlich kontrovers behandelt sind, werden i m Einzelfall auch die jeweiligen Streitstände i n die Untersuchung einbezogen. Als Beispiele für dieses Vorgehen seien hier die bevölkerungswissenschaftliche Auseinandersetzung um die demographische Entwicklung 5 2 sowie die Diskussion um die Frage der Ausw i r k u n g mütterlicher Erwerbstätigkeit auf die Persönlichkeitsentwicklung der K i n d e r 5 3 genannt. Eine weitere methodische Notwendigkeit ergibt sich aus der reformbezogenen Ausrichtung dieser Arbeit. Das m i t der Reform verbundene Bewegungselement macht nämlich eine dynamische Betrachtungsweise erforderlich. Das bedeutet, daß die Darstellung der sozialpolitischen und sozialrechtlichen Problematik auch ihr Wesen als Ergebnis eines langen, von vielen Faktoren bestimmten Entwicklungsprozesses verdeutlichen muß, um den Betrachter i n die Lage zu versetzen, die auch für die Weiterentwicklung bestimmenden Faktoren und Strukturen zu erkennen. Diese Aufgabe läßt sich nur dadurch lösen, daß neben die Einbeziehung sozialwissenschaftlicher Aspekte auch eine historische Aufarbeitung tritt. Denn da Strukturen nicht durch eine eindimensionale Betrachtungsweise erschließbar sind, läßt allein ein Pluralismus konkurrierender — sozialwissenschaftlicher, historischer und juristischer — Methoden es überhaupt als möglich erscheinen, die endogene strukturelle Bedingtheit der Entwicklungsprozesse zu erfassen 54 . 51 52 53 54

Zacher, VSSR 1974, S. 28. Siehe unten, I. Teil, C. Siehe unten, I V . Teil, 2. Kap. Β . II., Text zu Fn. 12 ff. Vgl. Wehler, Geschichte als historische Sozialwissenschaft, S. 53 ff.

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Besonders deutlich stellt sich die Notwendigkeit dieser Methodenkombination dementsprechend bei der Bestandsaufnahme und der Analyse des gegenwärtigen Standes der Berücksichtigung der Kindererziehung i m Rentenrecht 55 . I V . Gang der Untersuchung

Der Gang der Untersuchung folgt den methodischen Notwendigkeiten, die sich wiederum aus der Eigenart des Untersuchungsgegenstandes ergeben. Entsprechend dem mit der reformbezogenen Ausrichtung der Arbeit verbundenen Bewegungselement bedeutet das, daß die Untersuchung entsprechend dem Spannungsverhältnis zwischen Istund Soll-Zustand erfolgen soll. I m ersten Teil der Arbeit w i r d deshalb versucht, den gesellschaftlichen Status quo des Problems zu skizzieren. I m zweiten Teil w i r d dieser für die sozialpolitische Behandlung des Problems notwendigen Bestandsaufnahme die Ermittlung des gegenwärtigen rentenrechtlichen Zustands gegenübergestellt. Zentrale Bedeutung kommt dafür der Klärung des Begriffs der „Erziehung" i m Rentenrecht zu, da dieser ausschlaggebend für die Frage ist, welche rentenrechtlichen Regelungen als Ausprägungen der Berücksichtigung von Kindererziehung i n die Untersuchung einzubeziehen sind. Wenn anschließend ein Schwerpunkt der Untersuchung bei diesen Tatbeständen gesetzt wird, so beruht das auf der Tatsache, daß die i n Umrissen bereits erkennbaren Reformbestrebungen am geltenden System der Rentenversicherung orientiert sind 5 6 . Die Analyse von vorhandenen Ausgestaltungen kann so zum einen zur Vermeidung von Widersprüchen zwischen alten und neuen Regelungen dienen, zum anderen bietet das anhand der Problematik konkreter Regelungen gewonnene Erfahrungspotential die Voraussetzungen, die Problemzonen künftiger Ausgestaltungen deutlicher zu erkennen. Schließlich schafft eine Analyse der gegenwärtigen Regelungen die Möglichkeit, für die Reform auch Korrekturen an den vorhandenen Vorschriften vorzuschlagen, soweit sich diese abseits der jetzt absehbaren Reformbereiche und Reformvorstellungen als notwendig herausstellen sollten. I m nachfolgenden dritten Teil der Arbeit w i r d dieser binnensystematische Standpunkt der Betrachtung verlassen und der Frage nach der tatsächlichen Bedeutung der Kindererziehung für das System der 55

Teile I I und I I I dieser Untersuchung. So ζ. B. ausdrücklich die Vorschläge der S. 4 (Rdnr. 8). 5e

Sachverständigenkommission,

32

Einleitung

Rentenversicherung sowie den daraus sich ergebenden rechtlichen Postulaten nachgegangen. I n diesem Kernstück der Arbeit soll versucht werden, einen verbindlichen Maßstab für die rentenrechtliche Bewertung der Kindererziehung zu finden. Anhand dieses Maßstabes werden sodann die detaillierteren der Reformmodelle auf ihre A n t w o r t zur Frage der Berücksichtigung der Kindererziehung h i n untersucht. I m fünften Teil der Arbeit w i r d die Suche nach weiteren Lösungsmöglichkeiten aufgenommen. Hier werden relevante Regelungen i m Recht der Beamtenversorgung und i m Rentensystem der DDR, das I n stitut der Elternrente i n der Unfallversicherung sowie die Vorschläge einer Rentenbeitragsstaffelung nach Kinderzahl auf ihre Verwendbarkeit bzw. Übertragbarkeit h i n überprüft. Der Schlußteil der Arbeit enthält schließlich die Zusammenfassung der Ergebnisse der Untersuchung i n Form eines eigenen Lösungsvorschlages.

Erster Teil

Familiäre Kindererziehung als sozialpolitisches Problem Noch i m Jahre 1970 schreibt Bünger, daß die Familie nach den Erkenntnissen der Soziologie eine Reihe von Funktionen erfülle, welche sich i m Zuge der Industrialisierung zwar gewandelt hätten, i n ihrem wesentlichen Gehalt für die Gesellschaft aber unverzichtbar und unersetzbar seien. Dazu gehörten neben der Fortpflanzungsfunktion die Erziehungs- und Schutzfunktion 1 . Hinsichtlich der letzteren ist diese Aussage jedoch zu bezweifeln. Der Schutz und die Sicherung bei Krankheit, Invalidität und Alter ist weitestgehend nämlich längst von speziellen sozialen Sicherungssystemen übernommen worden. Die unaufhaltsame Entwicklung von der Mehrgenerationen-Großfamilie zur Kernfamilie als „typischer Familie unserer Z e i t " 2 brachte es m i t sich, daß die Familie von diesen Aufgaben zunehmend überfordert wurde. Die Errichtung sozialer Sicherungssysteme war die A n t w o r t auf die m i t der Industrialisierung entstandenen sozialen Probleme. Wenn i m Titel dieser Arbeit die familiäre Kindererziehung als Regelungsgegenstand eines Teilbereichs staatlicher sozialer Sicherung angesprochen wird, so w i r d damit offensichtlich als Ergebnis bereits vorweggenommen, daß sich auch hier, i m familiären Kernbereich, ein sozialpolitisches Problem entwickelt hat. Dieses bedarf jedoch erst noch der näheren Erläuterung und soll deshalb nachfolgend dargestellt werden. Zuvor sei aber noch angemerkt, daß — ebensowenig wie die Schutzfunktion der Familie es gewesen ist — auch die Erziehungsfunktion der Familie nicht unersetzlich erscheint. Jedenfalls deuten die jüngst veröffentlichten, überwiegend als positiv beurteilten Ergebnisse des vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit durchgeführten Modellversuchs „Tagesmütter" 3 i n diese Richtung. 1 2 3

Bünger, Familienpolitik, S. 38. Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 11. Siehe unten, I V . Teil, 2. Kap. Β . II., Text zu Fn. 17.

3 Bordiert

34

I. Teil: Familiäre Erziehung als Problem der Sozialpolitik

A. Soziologische Aspekte der Kindererziehung I n der Bundesrepublik und Berlin-West leben zur Zeit ca. 15,7 Mio. Kinder unter 18 Jahren 1 . Von diesen waren am Jahresende 1976 rd. 950 000 unter einem Jahr, rd. 1,2 Mio. 2 bis 3 Jahre, rd. 2,075 Mio. 3 bis 6 Jahre, rd. 5,72 Mio. 7 bis 12 Jahre, rd. 3,1 Mio. 13 bis 15 Jahre und rd. 2,91 Mio. 16 bis 18 Jahre alt 2 . I n der großen Mehrzahl ( = 92,3 °/o) wachsen diese Kinder i n „vollständigen" Familien auf, d. h. ihre Eltern sind verheiratet und leben zusammen. Die Zahl der Kinder, die von alleinstehenden Elternteilen erzogen werden, beträgt ca. 1,215 Mio.; davon werden rd. 1,06 Mio. von alleinstehenden Müttern großgezogen 3. Dabei ist davon auszugehen, daß grundsätzlich Mütter auch heute noch den Hauptanteil bei der Erziehungsarbeit tragen 4 . Bei vielen Müttern kumulieren dabei sogar Hausarbeit und Erwerbsarbeit. So waren i m Jahre 1975 46 °/o der Mütter von Kindern bis zu 18 Jahren ganztags außerhäuslich erwerbstätig, d. h. 40 und mehr Stunden; ein Viertel etwa arbeitete bis zu 20 Stunden, ein weiteres Viertel zwischen 21 und 39 Stunden 5 . Aufgeschlüsselt nach Lebensalter der Kinder ergibt sich folgendes Bild: Die Erwerbstätigkeitsquote der Mütter von Kindern unter 3 Jahren betrug (im Mai 1976) 31,5 °/o, unter 6 Jahren 34 °/o und unter 15 Jahren 40 °/o€. 919 000 erwerbstätige Mütter hatten gleichzeitig für zwei Kinder unter 15 Jahren zu sorgen (Erwerbstätigkeitsquote = 35,7 %), 355 000 ( = 32 o/o) sogar für drei und mehr Kinder. Insgesamt waren von 4,728 Mio. Kindern unter 15 Jahren, davon 524 000 Kinder unter drei Jahren, die Mütter erwerbstätig 6 . Der Vergleich der Erwerbsquoten zeigt dabei, daß die Erwerbstätigkeit der Alleinstehenden, von diesen wiederum die Ledigen, gefolgt von den geschiedenen Müttern, besonders hoch ist: Sie betrug i m Jahre 1

D r i t t e r Familienbericht, BT-Drucks. 8/3121, S. 15. Statistisches Jahrbuch 1978, S. 59 f. 3 D r i t t e r Familienbericht, S. 15. Andere Zahlen nennt allerdings Finger, Familienrecht, S. 257: Danach leben rd. 2,2 Mio. K i n d e r i n unvollständigen Familien. 4 Vgl. D r i t t e r Familienbericht, S. 20. Der F a l l eines „Hausmannes" bzw. „Hausvaters" ist immer noch als K u r i o s u m erwähnenswert, wie die Nachricht zeigt, daß der Generaldirektor der Schwedischen Post einen Vaterschaftsurlaub angetreten hat, während seine Frau erwerbstätig ist, F A Z v. 16. J u n i 1979. 5 D r i t t e r Familienbericht, S. 25. β Ebd., S. 24. 2

Α. Soziologische Aspekte

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1976 bei verheirateten Müttern m i t Kindern unter 15 Jahren 38,4%, bei den Alleinstehenden aber 59,6 °/o, darunter bei den Ledigen 73,6 °/o und bei den Geschiedenen 66,9 °/o. Ledige und geschiedene erwerbstätige Mütter sind dabei m i t 80 % bzw. 63 °/o auch i n erheblich größerem A n t e i l vollzeitbeschäftigt 7 . Bei einem seit dem Jahre 1950 kaum wesentlich veränderten A n t e i l von Frauen an der Zahl der Erwerbspersonen insgesamt ist festzustellen, daß sich der Anteil der verheirateten, erwerbstätigen Frauen dabei von 34,6% i m Jahre 1950 auf 60,9 °/o i m Jahre 1975 nahezu verdoppelt hat. Besonders bemerkenswert an der Entwicklung der weiblichen Erwerbsquote seit 1950 ist jedoch der Anteil der erwerbstätigen Frauen mit Kindern, der sich seit 1950 bis 1975 versechsfacht hat 8 . Diese rasante Zunahme der Müttererwerbstätigkeit bezieht sich zu einem Drittel etwa auf Vollzeitarbeitsplätze und zu zwei Dritteln auf Teilzeitarbeitsplätze, wobei m i t steigender Kinderzahl auch der A n t e i l der teilzeitarbeitenden Frauen steigt. Bei Müttern mit kleinen Kindern unter drei Jahren indes ist der Anteil der Vollzeitbeschäftigten mit 59,7 o/o bei einem K i n d und sogar 64,7 °/o m i t zwei und mehr Kindern überraschend hoch 9 . Angesichts der insgesamt nahezu unveränderten Erwerbsbeteiligung der Frauen bedeutet die starke Zunahme der Müttererwerbstätigkeit, daß „ i n einem erheblichen Maße (bei gängiger gesellschaftspolitischer Bewertung) ,falsche' Personenkreise erwerbstätig bzw. nicht erwerbstätig sind" 1 0 . I n diesem Zusammenhang ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Erwerbstätigkeitsquote der geschiedenen und ledigen Mütter seit 1970 kontinuierlich und deutlich abnimmt 1 1 . Es drängt sich eine Kausalverknüpfung dieses Vorgangs m i t dem Steigen der Anzahl der entsprechenden Sozialhilfeempfänger auf. Nach der amtlichen Statistik hat sich die Zahl der Haushalte alleinstehender Elternteile (Differenzierung nach Geschlecht nicht möglich), die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt empfangen, seit 1972 um 8 8 % erhöht 1 2 . Dieser der allgemei7 E m n i d - I n s t i t u t , Sicherung des Unterhalts für K i n d e r alleinstehender Elternteile, S. 16 f. 8 Vgl. Statistisches Bundesamt, Die Frau i n Familie, Beruf und Gesellschaft, S. 11; siehe auch Däubler-Gmelin, Frauenarbeitslosigkeit oder Reserve zurück an den Herd, S. 44 ff.; ferner Krupp/Meinhardt, WSI-Mitteilungen 1979, S. 677 ff., und Bley, SGb 1979, S. 247. 9 D r i t t e r Familienbericht, S. 25 ff. u n d Anhang, Tabelle 5; ausführlich zur Situation weiblicher Teilzeitbeschäftigung vgl. WiSta 9/1978, S. 571 ff. Vgl. auch Enquête-Kommission, Z u r Sache 1/77, S. 25: „Gelegenheiten zur T e i l zeitarbeit bei weitem nicht ausreichend". 10 Standfest, W S I - M i t t e i l u n g e n 1979, S. 687. 11 Siehe D r i t t e r Familienbericht, S. 24 f.

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I . T e i l : Familiäre Erziehung als Problem der Sozialpolitik

nen Entwicklung der Müttererwerbstätigkeit entgegengesetzte Trend ist vermutlich eine Auswirkung der Verschlechterung der Arbeitsmarktsituation, von der Frauen ohnehin und Mütter i n besonderem Maße betroffen sind 1 3 . Hinzuweisen bleibt schließlich i m Zusammenhang m i t der Erörterung der Müttererwerbstätigkeit noch auf die Tatsache, daß auch heute noch die Eheschließung, vor allem aber die Geburt des ersten Kindes, für 36 o/o, bzw. 44 °/o der Frauen Anlaß ist, sich zumindest vorübergehend aus dem Erwerbsleben zurückzuziehen 14 . B. ökonomische Aspekte der Kindererziehung Schätzungen von Ökonomen berechnen den Wert der Leistungen von Hausfrauen für das Bruttosozialprodukt insgesamt auf mehr als 400 Mrd. D M 1 . Der Arbeitsaufwand der Hausfrauen (einschließlich des häuslichen Arbeitsaufwandes der erwerbstätigen Frauen) beläuft sich dabei auf 45—50 Mrd. Stunden i m Jahr. Damit ist er annähernd so groß wie der Arbeitsstundenaufwand i n der Erwerbswirtschaft von ca. 54 Mrd. Stunden 2 . A u f die Betreuung von Kindern i n den Familien entfallen davon jährlich rd. 20 Mrd. Arbeitsstunden 3 . Bezogen auf eine Durchschnittshausfrau 4 beansprucht die Hausarbeit wöchentlich ca. 60 Stunden, von denen sich für die kindbezogene Arbeit einschließlich der Beaufsichtigung der Schulaufgaben etwa 27,5 Stunden ergeben 5 . Es ist dabei keineswegs so, daß nur oder vor allem die nicht erwerbstätigen Hausfrauen für diese Zahlen verant12 WiSta 4/1979, S. 284 ff. Damit leben rd. 28 % der geschiedenen, verheiratet-getrennt lebenden u n d ledigen M ü t t e r m i t K i n d e r n unter 16 Jahren von Sozialhilfeleistungen, E m n i d - I n s t i t u t , S. 27 ff. 13 Vgl. D r i t t e r Familienbericht, S. 26 f.; siehe auch SozVers 1979, S. 55 (ο. V). 14 Däubler-Gmelin, Frauenarbeitslosigkeit oder Reserve zurück an den Herd, S. 50; andere Zahlen (27,3 °/o / 38,7 °/o) nennt Ρ faff, Typische Lebensläufe von Frauen der Geburtenjahrgänge 1910—1975, S. 149; jedoch ist auch dort der Trend eindeutig ablesbar, daß die Eheschließung als G r u n d der E r werbsunterbrechung bzw. -aufgabe an Bedeutung verliert. 1 Stand des Jahres 1974, vgl. Geißler, Die Neue Soziale Frage, S. 58. 2 Pross, Die W i r k l i c h k e i t der Hausfrau, S. 14. 3 D r i t t e r Familienbericht, S. 32, 165. 4 Nach Pross, Die W i r k l i c h k e i t der Hausfrau, S. 54, ist dies eine nichterwerbstätige M u t t e r von zwei schulpflichtigen K i n d e r n u n d 35 Jahre alt. 5 Pross, Die W i r k l i c h k e i t der Hausfrau, S. 96 f. ; zur Problematik der Bew e r t u n g der Hausfrauentätigkeit i m Schadensersatzrecht vgl. Schacht, FamRZ 1980, S. 107 ff. Z u r Problematik einer „Monetarisierung der Familie" siehe Derleder, Wirkungszusammenhänge des Unterhaltsrechts, i n : Posser/ Wassermann (Hrsg.), V o n der bürgerlichen zur sozialen Rechtsordnung, S. 158 f.

Β . ökonomische Aspekte

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wortlich wären. Auch die teil- und Vollzeiterwerbstätigen „Familienfrauen" (Pross) tragen unter entsprechender Ausdehnung ihrer täglichen Arbeitszeit ihren A n t e i l daran 6 . Diese enormen volkswirtschaftlichen Leistungen der Familie, die auch i n ihrer gesellschaftspolitischen Bedeutung offensichtlich gar nicht genug hervorgehoben werden können 7 , werden i n Wirklichkeit von der Gesellschaft kaum honoriert. Das äußert sich bereits i n dem negativen Bild, das vor allem die nicht-erwerbstätigen Hausfrauen bzw. Mütter hierzulande von sich selbst haben 8 . Zur Tatsache w i r d diese Geringschätzung, insbesondere der Erziehungsleistung, jedoch durch den Umstand, daß i n der Bundesrepublik weibliches Geschlecht, Kinderreichtum und Alter die meist zusammentreffenden, häufigsten Gründe und deutlichsten Merkmale der A r m u t sind 9 . I . Der Familienlastenausgleich: Die „Privatisierung" der Kindererziehung

Es existiert zwar ein staatlicher Familienlastenausgleich, dieser deckt jedoch weder die mit dem Barunterhalt von Kindern verbundenen Kosten noch die Kosten der Zeit, die für die Betreuung des Kindes aufgewendet werden muß 1 0 . Von einem monetären Äquivalent gar für die gesellschaftlich notwendige Arbeit der Kindererziehung kann nicht einmal entfernt die Hede sein, wie die folgenden Zahlen erkennen lasNach einer Untersuchung des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesund6 Dazu siehe unten, I V . Teil, 2. Kap. B . I I . ; vgl. auch Pross, W i r k l i c h k e i t der Hausfrau, S. 143 ff. 7 Vgl. Bünger, Familienpolitik, S. 37 ff.; Wingen, SozFortschritt 1971, S. 169 ff.; siehe ferner CDU/CSU, Wahlprogramm, S. 25 ff. 8 Siehe dazu Pross, W i r k l i c h k e i t der Hausfrau, S. 14, 169 ff. (187, 195, 212, 243). Die sozialpolitische Konzentration allein auf die erwerbstätige Frau k o m m t insbesondere i m Zwischenbericht der Enquête-Kommission „ F r a u und Gesellschaft" zum Ausdruck, vgl. BT-Drucks. 7/5866, S. 5 ff.; diese W e r t schätzung der Erwerbstätigkeit der Frau steht dabei i n auffallendem K o n trast zu der verbreiteten Geringschätzung der Erwerbstätigkeit von Müttern, vgl. dazu unten, I V . Teil, 2. Kap. Β . II., Text zu Fn. 12 f. I n diese W i d e r sprüchlichkeit zwischen Wertschätzung der Frauenerwerbstätigkeit u n d Geringschätzung der Müttererwerbstätigkeit lassen sich auch neuere Regelungen w i e die sog. „Erziehungsrente" u n d der verlängerte Mutterschaftsurlaub einordnen, die zwar n u r für erwerbstätige M ü t t e r Sozialleistungen vorsehen, diese aber an die (zeitweise) Aufgabe der Erwerbstätigkeit knüpfen, dazu unten, S. 82 ff., 170 ff. 9 So Geißler, Neue Soziale Frage, S. 29, 50. 10 Die sog. „Opportunitätskosten", vgl. S ehr ey er, SozFortschritt 1979, S. 74. 11 Die nachfolgenden Erörterungen beruhen auf dem D r i t t e n Familienbericht, S. 137 ff.

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I. Teil: Familiäre Erziehung als Problem der Sozialpolitik

heit beliefen sich die von Eltern und Gesellschaft gemachten Aufwendungen für Kinder auf etwa 157 Mrd. DM, ohne daß allerdings der Wert der Arbeitsleistung der Eltern, d. h. vorwiegend der Mütter, i n dieser Summe enthalten wäre. Bewertet nach der durchschnittlichen Entlohnung von Frauen i m Erwerbsleben von 7,88 DM/Stunde i m Jahre 1974, werden dafür zusätzlich 162 Mrd. D M (1974) und somit ein Gesamtaufwand von 319 Mrd. D M errechnet. Nur 84 Mrd. D M dieses Gesamtaufwands wurden von der öffentlichen Hand getragen; von diesen wiederum wurden sogar nur 37 Mrd. D M i n Form von Einkommensübertragungen zur Minderung der Familienlasten an die Familien selbst geleistet, während die restlichen 47 Mrd. D M i n kollektiv von der öffentlichen Hand angebotenen Gütern und Dienstleistungen, vor allem auf dem Schul- und Bildungssektor, bestanden. Von den durchschnittlich 600,— DM, die von den Familien pro K i n d monatlich i m Jahre 1978 durchschnittlich ausgegeben wurden 1 2 , trägt der Staat somit nur einen Bruchteil; unter Berücksichtigung des sehr niedrig angesetzten Zeitaufwandes der Betreuung sind es ca. 27 °/o 13 . Dabei bleiben jedoch außer Ansatz die Fälle des Einkommens Verlustes infolge der Aufgabe der Erwerbstätigkeit, der — ebenfalls niedrig geschätzt — mit rd. 60 Mrd. D M (1978) errechnet w i r d 1 4 . Insgesamt wurde für das Jahr 1974 bei Gesamtausgaben der öffentlichen Hand von 453 Mrd. D M ein kindbezogener A n t e i l von 18—19 °/o errechnet, blieb also fast um die Hälfte hinter dem Kinderanteil der Gesamtbevölkerung zurück. Dabei sind überdies mehr als die Hälfte dieser Ausgaben dem öffentlichen Schul- und Bildungssektor zuzurechnen, woraus folgt, daß die übrigen Bereiche entsprechend geringer dotiert sind 1 5 . Einen insoweit bereinigten Eindruck vermittelt das funktionale Sozialbudget, das für 1979 auf einen familienbezogenen A n t e i l von 9,971 % geschätzt wird, von dem auf Kinder wiederum nur 7,78 °/o entfallen 1 6 . Diese gesellschaftliche Beteiligung ist, vor allem gemessen an dem materiellen Nutzen, den Eltern von ihren Kindern erhalten, minimal. Denn direkte materielle Leistungen haben die Eltern von Kindern nur 12 D r i t t e r Familienbericht, S. 138; ein erheblicher Anstieg gegenüber den Schätzungen i m Jahre 1954, siehe oben, Einleitung, Text zu Fn. 3. 13 Vgl. dazu — differenziert nach Kinderzahl pro Familie — die Berechnungen Zeppernicks, Finanzarchiv, Bd. 37, Heft 2 (1979), S. 295. 14 D r i t t e r Familienbericht, S. 138. 15 D r i t t e r Familienbericht, S. 138 f.; der Bericht betont allerdings an dieser Stelle, daß m i t Hilfe dieser Globalzahlen u n d Relationen eine befriedigende Beurteilung der Leistungen der öffentlichen Hand für K i n d e r nicht möglich sei. 10 Schewe, u. a., Soziale Sicherung, S. 29; bemerkenswert ist das kontinuierliche Absinken dieser Quote seit 1970; diese Entwicklung w i r d ebd. m i t dem Rückgang der Geburtenziffer begründet.

Β. ökonomische Aspekte

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nach Maßgabe des bürgerlichen Unterhaltsrechts zu erwarten. Dort sind jedoch die Anspruchs Voraussetzungen nicht vollständig wechselseitig ausgestaltet, vielmehr besteht für Eltern minderjähriger, unverheirateter Kinder eine gesteigerte Unterhaltspflicht 17 . Zudem sind die Unterhaltsansprüche von der Bedürftigkeit der Eltern einerseits und der Leistungsfähigkeit der Kinder andererseits abhängig 18 . Bedürftigkeit w i r d ζ. B. durch einen Anspruch auf ausreichende Sozialleistungen jedoch ausgeschlossen. Die Leistungsfähigkeit von Kindern wiederum w i r d einmal durch ihre Sozialbeitragsund Steuerpflicht, zum anderen dann berührt, wenn sie ihrerseits wieder Kinder haben, denen sie vorrangig leistungsverpflichtet sind; das ist, wenn die Elterngeneration das Ruhestandsalter erreicht hat, i n der Regel der Fall. Daß der Leistungsfluß i m Unterhaltsrecht i n absteigender Linie zu den Kindern dem Schwerkraftprinzip folgt, während i n aufsteigender Linie zu den Eltern allenfalls Kapillareffekte erzielt werden, w i r d an Zahlen deutlich, die belegen, daß lediglich noch 5 °/o der A l t e n von ihren Kindern Unterhaltsbeihilfen erhalten, während 90 % ihren Lebensabend mit Sozialleistungen bestreiten, die ihnen über die gesellschaftliche Umverteilung zukommen 1 9 . A n dieser Umverteilung nehmen jedoch auch die Kinderlosen teil. Das bedeutet i m Ergebnis, daß der Nutzen von Kindern sozialisiert wird, während die m i t den Reproduktions- und den damit zusammenhängenden Dienstleistungsfunktionen verbundenen Kosten vor allem privat getragen werden müssen 20 . Für die Familien hat das zur Folge, daß Kinder zum Kostenfaktor werden und zumindest bis zum Berufsbeginn die finanziellen Möglichkeiten der Eltern einschränken 21 . Die Geburtenzahl ist nicht mehr — wie i n der vorindustriellen Zeit — maßgeblich für die soziale Absicherung, sondern kann vielmehr über den sozialen Abstieg der Familie entscheiden 22 . Damit hat sich die Bedeutung von Kindern i m Sinne einer KostenNutzenrechnung für die Familie i n ihr Gegenteil verkehrt. Ursprüng17

Vgl. §§ 1602 Abs. 2,1603 Abs. 2 BGB. Vgl. §§ 1602 Abs. 1,1603 Abs. 1 BGB. 19 Blume, Altenhilfe, S. 40; siehe dazu auch unten, I I I . Teil, A . I I . 20 Zeppernick, Finanzarchiv, Bd. 37, Heft 2 (1979), S. 294; vgl. auch die k r i tischen Überlegungen zur Familienpolitik durch soziale Transfers bei Bäcker, WSI-Mitteilungen, 1980, S. 43 ff. 21 Angesichts der Lehrstellenknappheit u n d der Jugendarbeitslosigkeit w i r d diese Zeit f ü r immer mehr Familien immer länger, vgl. § 2 Abs. 4 a B K G G ; siehe auch D r i t t e r Familienbericht, S. 93. 22 Dörner, Industrialisierung u n d Familienrecht, S. 69. 18

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I. Teil: Familiäre Erziehung als Problem der Sozialpolitik

lieh waren Kinder nämlich bereits von früh an i n den Produktionsprozeß der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft des „ganzen Hauses" integriert und i n den Anfängen der Industrialisierung sogar auch schon i m frühen Kindesalter außerhäuslich erwerbstätig. Der i n erster Linie durch gesamtgesellschaftliche Interessen begründete Jugendarbeitsschutz und die allgemeine Schulpflicht sowie deren beständige Ausweitung 2 3 lassen sich dabei als wesentliche normative Faktoren dieses Umkehrungsprozesses identifizieren. Mögen dabei ursprünglich auch die wohlverstandenen Interessen der Kinder mitberücksichtigt worden sein, so hat insbesondere die fehlende materielle Unterstützung der Gesellschaft für die finanziell immer mehr belasteten Familien bei zugleich massiver Jugendarbeitslosigkeit heute jedenfalls ein für Kinder bedrohliches Ausmaß erreicht. Dieses Fazit legen die sich ζ. B. i n brutaler Gewalttätigkeit gegenüber K i n dern 2 4 äußernde allgemeine Kinderfeindlichkeit 2 5 und der kausale Zusammenhang zur materiellen Lebenssituation der Familien 2 6 dringend nahe. I I . Die „Bestrafung" der Kindererziehung durch das Rentensystem

Von den Personen, die i m Jahre 1972 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt außerhalb von Anstalten aus Sozialhilfemitteln erhielten, waren rd. 79 °/o Frauen und davon fast drei Viertel Frauen i m Alter von 60 und mehr Jahren 2 7 . Damit sind jedoch bei weitem nicht alle alten und armen Frauen erfaßt. So ermittelte Geißler, daß von 7,4 Mio. Frauen i m Alter von über 60 Jahren allein 3,6 Mio. Witwen sind, deren Altersversorgung weit davon entfernt ist, ihnen ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben zu sichern. Denn allein 1,78 Mio. Witwen i n der gesetzlichen Rentenversicherung müssen von Renten leben, die unter dem Sozialhilfeniveau liegen 2 8 . Wenn die Genauigkeit dieser Zahlen i m einzelnen auch bezweifelt w i r d 2 9 , so ist das Fazit, daß die Lage älterer Frauen 23 Vgl. Molitor u.a., Jugendarbeitsschutzgesetz, S. 36 ff.; Stolleis, Quellen zur Geschichte des Sozialrechts, S. 67 f. 24 So weist allein die Polizeistatistik des Jahres 1975 159 getötete Kinder, 91 Tötungsversuche und 4000 schwere Körperverletzungen u n d M i ß h a n d l u n gen auf, vgl. Finger, Familienrecht, S. 258. 25 Vgl. D r i t t e r Familienbericht, S. 118. 26 Vgl. Wolff, Kindesmißhandlungen u n d ihre Ursachen, S. 33 ff.; Zenz, Kindesmißhandlung u n d Kindesrecht, S. 185 ff.; Giesen, Kindesmißhandlung?, S. 43 f. 27 Geißler, Neue Soziale Frage, S. 56. 28 Oers., ebd. 29 Vgl. Hartmann, W S I - M i t t e i l u n g e n 1979, S. 664 Fn. 30.

Β . ökonomische Aspekte

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i n der Bundesrepublik ein sozialpolitisches Ärgernis ersten Ranges ist, unbestreitbar. Keinen Aufschluß allerdings geben die Zahlen darüber, wie viele dieser armen Frauen i m Rentenalter früher Kinder großgezogen haben und nun erleben müssen, daß diese Kinder durch ihre Pflichtbeiträge zur Rentenversicherung i m Umlageverfahren 3 0 die Renten anderer Leute aufbringen, ihre Eltern aber leer ausgehen lassen (müssen). Es dürften aber die meisten sein, da kinderlose Ehen früher die Ausnahme waren und kinderlose Frauen i n weitaus größerem Maße selbst erwerbstätig (gewesen) sind als Mütter, d. h. also auch eigene Rentenansprüche zu ihren abgeleiteten Rentenansprüchen hinzu und damit i n der Regel ausreichende Alterssicherungsansprüche erwerben konnten 3 1 . Unbestreitbar ist jedenfalls auch, daß die weitgehende Nichtberücksichtigung der Kindererziehung i m Rentenrecht dabei als eine der Ursachen der niedrigen Frauenrenten anzusehen ist; denn Versicherungspflicht und Rentenberechtigung i n der gesetzlichen Rentenversicherung knüpfen grundsätzlich an die abhängig ausgeübte Erwerbstätigkeit an. Zwar besteht die Möglichkeit zu einer freiwilligen Versicherung, diese ist jedoch m i t Beitragslasten verbunden und dürfte deshalb gerade für die ohnehin mit Kindern belasteten Familien nicht zu bezahlen sein 32 . Die Arbeit der Frau als Mutter, Hausfrau und Mithelfende i n ihrem tatsächlichen Wert w i r d rentenrechtlich paradoxerweise nur nach ihrem Tode anerkannt 3 3 . Auch der i m Zuge der Familienrechtsreform neu geschaffene Versorgungsausgleich geht zwar von der Gleichwertigkeit der Leistungen i n Beruf und Familie aus, stellt jedoch keine gesellschaftliche Anerkennung der gesellschaftlich notwendigen Leistungen von Eltern dar. Denn durch den Versorgungsausgleich kommt es lediglich zu einer Umverteilung der durch außerhäusliche Erwerbstätigkeit erworbenen Rentenanwartschaften zwischen den Geschiedenen. Für diesen Umverteilungsvorgang ist dabei die geleistete Kindererziehung bedeutungslos. Die hier insoweit geäußerte K r i t i k am Rentensystem erfolgt jedoch von einem systemexternen Standpunkt, da sie die exklusive Rentenwirksamkeit der außerhäuslichen Erwerbstätigkeit i n Frage stellt. 30

Dazu siehe unten, I I I . Teil, Α. I V . Siehe unten, I I . Teil, 3. Kap. D . H . , T e x t zu F n . 8 f f . ; vgl. auch Pf äff, Gutachten, S. 177. 32 Vgl. Gitter, 50. DJT, Teilgutachten Sozialrecht, D 134. 33 Bei der E r m i t t l u n g der Witwerrente, § 1266 R V O ; siehe BVerfGE 17, S. 1 (Leitsatz). 31

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I. Teil : Familiäre Erziehung als Problem der Sozialpolitik

Unter einem anderen, nämlich systemimmanenten Blickwinkel w i r d das Problem i n der Rentenreformdiskussion betrachtet. Dort konzentriert sich das Interesse insoweit auf den rentenmindernden Einfluß, den die Kindererziehung auf die Rentenhöhe der ehemals erwerbstätigen und deshalb selbst versicherten Frau i m Vergleich zur Rentenhöhe von Männern ausübt. Das Ergebnis diesbezüglicher Untersuchungen läßt sich dahingehend zusammenfassen, daß der Einfluß der Kindererziehung auf die Rentenhöhe zwar spürbar, aber — gemessen an anderen Faktoren — gering ist 3 4 . Allerdings läßt sich den Untersuchungen entnehmen, daß mit zunehmender Erwerbstätigkeit von Frauen und einer allgemeinen Verbesserung ihres Ausbildungsniveaus etc., die rentenmindernde Bedeutung der Kindererziehung relativ zunimmt, da zu erwarten ist, daß Kindererziehung langfristig der einzige Grund einer Erwerbsunterbrechung bleiben w i r d 3 5 . Es liegt auf der Hand, daß die Betrachtung der Kindererziehung durch dieses versicherungsbiographische Loch ebenso wie beim Versorgungsausgleich die grundsätzliche Problematik der gesellschaftlichen Anerkennung der Erziehung als gesellschaftlich notwendiger Leistung ausspart. Sie legt vielmehr die alleinige Betonung auf die entgeltliche außerhäusliche Beschäftigung und beinhaltet damit letztlich eine Diskriminierung der Leistung der Kindererziehung 3 6 .

C. Rentenreform und Bevölkerungsentwicklung Die Bundesrepublik verzeichnet seit etwa 1963 einen sowohl i n historischer Sicht als auch i m internationalen Vergleich beispiellosen Geburtenrückgang. Sie liegt nunmehr i m prozentualen Rückgang wie 34 Frauen m i t K i n d e r n weisen zwar deutlich kürzere Versicherungszeiten auf als kinderlose Frauen, als letztlich entscheidend w i r d jedoch weniger die geringere Anzahl der Versicherungsjahre als vielmehr die bei Frauen vor allem wegen der verbreiteten Teilzeitbeschäftigung u n d der L o h n d i s k r i m i nierung i m Durchschnitt besonders niedrige Bemessungsgrundlage angesehen, vgl. Kirner, DIW-Gutachten, S. 7 ff.; Pf äff, Gutachten, S. 144 ff. (160). 35 „ N u r f ü r ledige u n d kinderlose Frauen zeichnet sich tatsächlich eine Konvergenz m i t der Situation von Männern a b . . . Eine Anrechnung von Kindererziehungsjähren würde also zweifelsohne bei vielen Frauen die V e r sicherungslücke i n ihrer Länge reduzieren, wenn nicht verschwinden lassen . . . " , Pfaff, Gutachten, S. 202 f. Siehe auch Gerschermann, Alterssicherung der geschiedenen Frau, S. 218. 36 Passend erscheint dazu die Bemerkung von Ina Philipps, Hausfrauenarbeit als Beruf, Saarbrücker Zeitung v. 12. März 1971, die Frauen hätten eine neue A r t des Widerstandes gegen ihre soziale Diskriminierung entdeckt: „Sie bekommen ganz einfach weniger K i n d e r " , zitiert nach Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 445, Fn. 67.

C. Rentenreform und Bevölkerungsentwicklung

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in den Absolutwerten der Geburtenhäufigkeit mit Abstand an letzter Stelle unter allen Ländern der Welt 1 . Wurden noch i m Jahre 1965 i m Bundesgebiet mehr als 1 Mio. deutsche Kinder geboren, waren es 1977 nur noch rd. 500 000. Diese Entwicklung hatte zur Folge, daß die Zahl der Sterbefälle die der Geburten i m Jahre 1976 bereits um 210 000 übertraf. Selbst unter Einbeziehung des geburtenstarken Ausländeranteils ist seit 1974 ein Rückgang der Gesamtbevölkerung des Bundesgebietes zu verzeichnen 2 . Seit dem Jahre 1970 liegt die sogenannte Nettoreproduktionsrate 3 unter dem Wert 1 und ist seitdem ständig weiter gesunken. Sie hat 1978 etwa den Wert 0,65 erreicht 4 . Verschiedene Projektionen der Bevölkerungsentwicklung, die von entweder optimistischen, pessimistischen oder Status-quo-(konstanten-)Grundannahmen ausgehen, zeigen, daß i m Zeitraum nach 1988 die Geburtenzahlen i n allen drei Varianten so rasch zu fallen beginnen, daß sich die Schere zwischen Geburtenund Sterbekurve weit öffnet und die jährlichen Sterbeüberschüsse erheblich zunehmen 5 . Dabei nimmt die Zahl der Erwerbsfähigen langfristig überproportional ab, die Zahl der Rentner entsprechend zu. Bis zur Jahrtausendwende würden diese Auswirkungen des generativen Verhaltens auf die Bevölkerungsstruktur zwar vergleichsweise gering bleiben, danach sind jedoch erhebliche Veränderungen zu erwarten. Beträgt der A n t e i l der unter 15jährigen heute noch 22 °/o und der über 65jährigen 15 °/o, so ist — auf der Basis der Status-quo-Annahme — i m Jahre 2030 damit zu rechnen, daß das Verhältnis 13 : 23 °/o lauten wird. Betrachtet man das Verhältnis der Bevölkerung von 60 und mehr Jahren zur Bevölkerung von 15 bis unter 60 Jahren, ausgedrückt i n Prozent 6 , so ergibt sich für das Jahr 1978 abgerundet die Zahl 33, für das Jahr 2030 jedoch fast eine Verdoppelung auf rd. 60,57. Ein längeres Anhalten der gegenwärtigen Geburtenentwicklung kann also zu einer wesentlichen Verschiebung i m Altersaufbau der Bevölkerung und damit zu erheblichen Problemen für die Rentenver1 Vgl. Interministerielle Arbeitsgruppe der bayerischen Landesregierung, Erster Tätigkeitsbericht, S. 1 f. 2 Bevölkerungsentwicklung i n der BRD, Zwischenbericht der Bundesregierung, S. 1. 3 Die Nettoreproduktionsrate stellt ab auf die Geburt von weiblichem Nachwuchs. Eine Nettoreproduktionsrate von 1 bedeutet dabei, daß die Ausgangszahl von Frauen, also potentiellen Müttern, wieder ersetzt ist, vgl. Zwischenbericht der Bundesregierung, S. 14. 4 Zwischenbericht der Bundesregierung, S. 14. 5 Interministerielle Arbeitsgruppe, Erster Tätigkeitsbericht, S. 4. 8 Das ist der sog. „Alterslastquotient". 7 Kaltenbach! Or singer, DAngVers 1979, S. 3.

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I. T e i l : Familiäre Erziehung als Problem der Sozialpolitik

Sicherung führen, da diese nach dem sogenannten Umlageprinzip 8 finanziert wird, welches auf der „Gewißheit der Kontinuität des Volksdaseins" 9 beruht. So wurden bereits Rentenbeitragssätze in Höhe von 36 o/o für das Jahr 2030 vorausberechnet, die zur Erfüllung des sogenannten „Generationenvertrages" 10 notwendig würden 1 1 . Angesichts dieser Zukunftsaussichten, die bei unverändertem generativen Verhalten die Leistungsfähigkeit des gesetzlichen Rentensystems ernsthaft i n Frage stellen, w i r d bereits die Zulässigkeit der Rücklagenbeschränkung auf lediglich eine Schwankungsreserve 12 bezweifelt und darauf hingewiesen, daß die Beitragspflicht zur Rentenversicherung ohne ausreichende Gewähr für eine spätere Altersversorgung i m Hinblick auf die Eigentumsgarantie i n A r t . 14 GG zunehmend verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen muß 1 3 . I m Rahmen der Rentenreformdiskussion w i r d deshalb vereinzelt eine bevölkerungspolitische Bedeutung der Reform betont und die vorrangige Berücksichtigung der Kindererziehung i m Rentenrecht gefordert 1 4 . Überwiegend ist jedoch eine deutliche Zurückhaltung der sozialpolitischen Öffentlichkeit gegenüber diesem Thema zu beobachten 15 . Dieses Zögern erscheint i n Anbetracht der komplexen Problematik und ihrer außerordentlich kontroversen Beurteilung durch die Bevölkerungs- und Wirtschaftswissenschaften selbst allerdings verständlich; denn bereits die Verläßlichkeit der zwangsläufig auf lange Zeiträume h i n erstellten demographischen Prognosen bzw. Projektionen ist äußerst umstritten 1 6 . Als aktuelles Beispiel für die Unsicherheit derartiger Voraussagen zur Bevölkerungsentwicklung sind ζ. B. die vom Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit jüngst veröffentlichten Zahlen zur Geburtenentwicklung i m Januar und Februar 1980 zu nennen, die 8

Dazu siehe unten, I I I . Teil, Α. I V . Schreiber, Existenzsicherheit i n der industriellen Gesellschaft, S. 89. 10 Dazu unten, I I I . Teil, Α. I V . 11 Schmidt, DAngVers 1978, S.288; ders., DAngVers 1979, S. 417 ff.; Oeter, SozVers 1976, S. 286. 12 Vgl. § 1383 a RVO. 13 Neukamm, FamRZ 1977, S. 378 ff. 14 Schmidt-Kaler, Rentengesetzgebung als Instrument zur rationalen Steuerung und Rückkoppelung des Bevölkerungsprozesses, ZfBevWiss 1978, S. 75 ff.; dazu siehen unten, V . T e i l , D . I . 2.; Lischke, RV 1978, S. 21 („Regensburger Modell" — unten, I V . Teil, 1. Kap. B. III.). 15 Vgl. Kannengießer, DAngVers 1979, S. 215 ff. 16 Vgl. Toman u. a., Faktoren der Bevölkerungsentwicklung, S. 37 ff. ; Rürup, Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament", Β 27/1979, S. 26 ff. 9

C. Rentenreform u n d Bevölkerungsentwicklung

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um 8,8 % bzw. 10,1 % über den entsprechenden Zahlen des Vorjahreszeitraumes und damit auch höher lagen, als nach der Altersstruktur der Eltern zu erwarten w a r 1 7 . Besonders verständlich erscheint zudem die Zurückhaltung, die i n der rentenpolitischen Diskussion zu beobachten ist; angesichts der Komplexität der das generative Verhalten beeinflussenden Faktoren 1 8 ist die Wirksamkeit finanzieller, insbesondere rentenpolitischer Maßnahmen schwer einzuschätzen. Schließlich werden dem Bevölkerungsschwund sogar positive Aspekte abgewonnen. So ergeben Berechnungen Schubnells bis zur Jahrtausendwende eine finanzielle Entlastung der Gesellschaft und damit auch der Rentenversicherung, da die Gesellschaft für die Erziehung und Ausbildung eines Heranwachsenden von der Geburt bis zum 20. Lebensjahr rd. 33 % mehr bezahlen müsse als für den Unterhalt eines älteren Mitbürgers von seinem 60. Lebensjahr an 1 9 . Führt man derartige Überlegungen, die auf finanzielle Entlastung der Gesellschaft durch schwindende Kinderzahlen hinweisen, jedoch konsequent weiter, ergibt sich allerdings sogar ein gewichtiges A r g u ment für bevölkerungspolitische Maßnahmen. Es w i r d nämlich deutlich, daß langfristig drei gesellschaftliche Belastungsfaktoren kumulieren und zu einer überkritischen Situation führen würden 2 0 . Auszugehen ist dabei von der Feststellung, daß das Geburtendefizit selbst durch eine stark erhöhte Geburtenhäufigkeit dann nicht mehr ausgeglichen werden kann, wenn die Zahl der Frauen i m gebärfähigen Alter zu weit absinkt 2 1 . U m dies zu verhindern, sind deshalb bereits vorher pronatalistische Maßnahmen erforderlich. Bei einer dann aller Wahrscheinlichkeit nach hohen gesellschaftlichen Belastung durch die Altengeneration, die wahrscheinlich nur durch maximale Frauenerwerbstätigkeit aufgefangen werden kann 2 2 , müßten also zum einen vermehrt Frauen aus dem Erwerbsleben ausscheiden, zum anderen dazu auch noch die — wie Schubnell errechnete — wesentlich höheren Kosten für Kinder von der Gesellschaft aufgebracht werden 2 3 . 17 FR, Nr. 107 v. 8. M a i 1980; Gründe oder auch n u r Vermutungen werden für diese Änderung nicht genannt. Es wäre jedoch zu überlegen, ob diese Entwicklung nicht möglicherweise auch auf die neue Mutterschaftsurlaubsregelung zurückzuführen ist, siehe dazu unten, I I . Teil, 3. Kap. Β . I I . 18 Tornau u.a., Faktoren der Bevölkerungsentwicklung, S. 3 ff.; D r i t t e r Familienbericht, S. 112 ff. 19 Bericht i n der F A Z v. 9. August 1979; vgl. auch den Bericht eines A r beitskreises der Gesellschaft für Sozialen Fortschritt „Bevölkerungsentwicklung u n d nachwachsende Generation", i n : SozFortschritt 1980, S. 145 ff. 20 Der „Point of no return", Schmidt-Kaier, ZfBevWiss. 1978, S. 80. 21 Interministerielle Arbeitsgruppe, Erster Tätigkeitsbericht, S. 7. 22 Kaltenbach/Orsinger, DAngVers 1979, S. 7. 23 V g l auch Kaltenbach/Orsinger, DAngVers 1979, S. 5.

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I. Teil : Familiäre Erziehung als Problem der Sozialpolitik

Ob sich eine derartige Zuspitzung möglicherweise dadurch verhindern ließe, daß Einwanderungsbeschränkungen aufgehoben werden, ist zweifelhaft. Wegen der mit der sogenannten „Unterschichtung" verbundenen Probleme ist eine Einwanderung aus außereuropäischen Ländern i n größerem Umfange realistischerweise auszuschließen 24 . Für langfristige Planungen kommt deshalb nur eine innereuropäische Wanderungsbewegung i n Betracht. Ob angesichts des i m gesamten Raum der europäischen Gemeinschaft zu beobachtenden Bevölkerungsrückgangs allerdings auf lange Sicht hier ein nennenswertes Einwanderungspotential bestehen bleibt, ist fraglich, denn lediglich Irland und Italien weisen noch Nettoreproduktionsraten von -f 1 auf 2 5 . Hinzu kommen die soziokulturellen Barrieren. Schließlich ist zu erwarten, daß sich das generative Verhalten von Ausländern bald dem deutschen Niveau anpassen w i r d 2 6 . I m übrigen ist auch zu berücksichtigen, daß eine i m Vergleich zu den Nachbarländern überproportionale Steigerung der Abgabenbelastung die A t t r a k t i v i t ä t einer Erwerbstätigkeit i n der Bundesrepublik entscheidend mindern könnte. Der „point of no r e t u r n " 2 7 erscheint demnach entgegen der Ansicht Rürups 28 durchaus nicht als bloß unrealistisches Gedankenspiel. Ein weiteres Argument für bevölkerungspolitische Sofortmaßnahmen ergibt sich i m übrigen aus der Tatsache, daß die gegenwärtige Bevölkerungsstruktur dafür günstige Voraussetzungen bietet. Denn bis zum Jahre 1988 w i r d infolge der hohen Geburtenziffern vor allem i n den frühen 60er Jahren sowie der Geburtenausfälle i m 1. Weltkrieg der Rentenbelastungsquotient langsam sinken und erst kurz vor der Jahrtausendwende wieder den heutigen Wert erreichen. Diese finanzielle Entlastung vor allem der Rentenversicherung bietet somit günstige Bedingungen zur Einleitung geburtenfördernder Maßnahmen 2 9 . Allerdings stellt sich die Frage, ob insbesondere das Rentensystem auch als geeignetes bevölkerungspolitisches Instrument anzusehen ist. Es gibt einige Gesichtspunkte, die diese Annahme nahelegen. Entgegen der gelegentlich geäußerten Skepsis ist der Einfluß ökonomischer Momente auf das generative Verhalten jedenfalls offenkundig 3 0 . Er 24 Vgl. die Studie des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Sport des Landes Rheinland-Pfalz „Wenig K i n d e r — wenig Kosten?", S. 26 ff. (m. w. N.). 25 „Wenig K i n d e r — wenig Kosten?", S. 27; vgl. auch Wingert, ZfSozialreform 1976, S. 722 f. 26 Zwischenbericht der Bundesregierung, S. 2. 27 So drastisch Schmidt-Kaler, i n : ZfBevWiss 1978, S.80. 28 I n : Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte, Β 27/1979, S. 26. 29 Schmidt-Kaler, ZfBevWiss 1978, S. 88; Interministerielle Arbeitsgruppe, S. 14 f.

C. Rentenreform u n d Bevölkerungsentwicklung

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spiegelt sich ζ. B. bei der Korrelation von Einkommen und Geburtenzahl wider. Hohe Geburtenzahlen weisen nur die höchsten und die niedrigsten Einkommensschichten auf, während bei der breiten Mittelschicht der Bevölkerung eine geringe Kinderzahl der Familien auff ä l l t 3 1 . Diese Verteilung läßt sich dahingehend interpretieren, daß bei den mittleren Einkommensschichten die Furcht vor dem sozialen A b stieg die „rationalistisch-planerische Einstellung" 3 2 beeinflußt 33 , während die höchsten Einkommensschichten sich Kinder „leisten" und die niedrigsten Einkommensschichten von einem weiteren sozialen A b stieg nicht betroffen werden können 3 4 . Von einiger Bedeutung für das generative Verhalten scheint schließlich auch das Bestehen gesellschaftlicher Sicherungssysteme zu sein. Dafür spricht nämlich die auffallende weltweite Übereinstimmung zwischen der Geburtenrate und dem Grad der Industrialisierung. Trotz großer Unterschiede religiöser, weltanschaulicher, kultureller und politischer A r t weisen alle hochindustrialisierten Länder m i t entsprechend hoch entwickelten Systemen sozialer Sicherung signifikante Parallelen der Bevölkerungsentwicklung auf 3 5 . I m übrigen findet diese These der generativen Bedeutung gesellschaftlicher Sicherungssysteme, dabei insbesondere der Rentenversicherung, Unterstützung zum einen durch die Untersuchung von Hatzold 36, zum anderen auch durch den Erfolg der pronatalistischen Sozialpolitik i n der DDR 3 7 . Die von Hatzold durchgeführte Probeerhebung zur Wirksamkeit bevölkerungspolitischer Maßnahmen ergab nämlich, daß 61 °/o der Befragten aus einem Katalog möglicher Vorschläge (Kindergeld, Erziehungsgeld, Darlehen und Rentenanspruch für Mutterschaft) den Rentenanspruch als für die Realisierung ihres Kinderwunsches besonders wichtig auswählte 38 . Die seit 1974 i n der 30 D r i t t e r Familienbericht, S. 117 ff.; Toman u.a., Faktoren der Bevölkerungsentwicklung, S. 81 ff. 31 Toman u. a., Faktoren der Bevölkerungsentwicklung, S. 4. 32 Schreyer, SozFortschritt 1979, S. 74. 33 Nach einer Umfrage des Bayerischen Sozialministeriums verwenden 76 fl/o der Paare i n entsprechendem A l t e r u n d 95 % der Ehepaare ohne K i n der orale Ovulationshemmer, weitere 19 °/o andere Methoden, Toman u. a., Faktoren der Bevölkerungsentwicklung, S. 34. Die Zahl der legalen Schwangerschaftsabbrüche belief sich i m Jahr 1978 auf 73 548, N D V 1980, S. 9. 34 Vgl. 3. Familienbericht, S. 117. 35 Vgl. Meadows u. a., Grenzen des Wachstums, S. 98 f. 36 Probeerhebung zur Wirksamkeit bevölkerungspolitischer Maßnahmen, Soziologische Arbeitshefte, Heft 17, S. 106 ff. 37 Vortmann, DIW-Wochenbericht 1978, S. 210 ff. (230); Schmidt-Kaler, Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte, S. 19. Siehe dazu unten, V. Teil, Β . I. 38 Z u m Vergleich: 5 0 % für höheres Kindergeld (200,—DM), 3 0 % für sehr großzügige Familiendarlehen, Hatzold, S. 111.

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I. T e i l : Familiäre Erziehung als Problem der Sozialpolitik

DDR durchgeführten bevölkerungspolitischen Maßnahmen setzten einen Schwerpunkt i m Bereich der Alterssicherung. Die Geburtenzahl ist seitdem kontinuierlich angestiegen 39 . Bei aller angesichts der wissenschaftlichen Kontroverse gebotenen Zurückhaltung spricht demnach also doch einiges dafür, bevölkerungspolitische Überlegungen i n die rentenpolitischen Planungen einzubeziehen 40 .

39 Geburtenzunahme 1976 86 Vo, 1977 9 1 % (generative Komponente), V o r t mann, S. 224. 40 Ausführlich zu dieser Thematik v. Nell-Breuning, Soziale Rentenversicherung aus familien- u n d bevölkerungspolitischer Sicht, i n : Schenke/ Schmähl (Hrsg.), Alterssicherung als Aufgabe f ü r Wissenschaft u n d Politik, S. 369 ff.; vgl. weiter Schmähl, ZVersWiss 1980, S. 315.

Zweiter Teil

Der gegenwärtige Stand der Berücksichtigung der Kindererziehung i m Recht der gesetzlichen Rentenversicherung I n diesem Teil der Untersuchung w i r d der Frage nachgegangen, wie Kindererziehung i m Rentenrecht gegenwärtig berücksichtigt wird. U m die betreffenden Regelungen möglichst vollständig zu erfassen, ist es zunächst notwendig, den Inhalt des Erziehungsbegriffs i m Rentenrecht zu klären.

1. Kapitel Z u m Begriff der „Erziehung" i m Recht der gesetzlichen Rentenversicherung Drei Vorschriften i m Recht der Rentenversicherung knüpfen an die „Erziehung" waisenrentenberechtigter Kinder besondere Rechtsfolgen. Gemäß § 1265 RVO w i r d einer früheren Ehefrau eines Versicherten, deren Ehe mit dem Versicherten vor dem 1. J u l i 1977 geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben ist, nach dessen Tode dann eine Rente gewährt, wenn sie i m Zeitpunkt der Scheidung, Nichtigerklärung oder Aufhebung der Ehe mindestens ein waisenrentenberechtigtes K i n d zu erziehen hat. Diese Norm kommt nach § 1266 Abs. 2 RVO entsprechend auch auf einen früheren Ehemann zur Anwendung. Gemäß § 1268 Abs. 2 RVO werden die Hinterbliebenenrenten m i t einem höheren Steigerungssatz 1 berechnet, solange der Berechtigte mindestens ein waisenrentenberechtigtes K i n d erzieht. 1 Steigerungssätze sind v o m Gesetzgeber festgelegte, versicherungsmathematische Werte, die je nach Rentenart zwischen 1 und 1,5 differieren, vgl. § 1253 Abs. 1 u n d 2 RVO. Z u r Rentenformel siehe unten, V. Teil, A. I I I . 2 Fn. 17.

4 Borchert

I I . T e i l : Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

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I m Falle nach dem 30. Juni 1977 geschiedener, aufgehobener oder für nichtig erklärter Ehen sieht schließlich § 1265 a Abs. 1 RVO Rentenleistungen an frühere Ehegatten nach dem Tode des ehemaligen Ehepartners unter bestimmten Voraussetzungen 2 für die Zeit der Erziehung waisenrentenberechtigter Kinder vor. Diesen Tatbeständen, die ausdrücklich den Begriff der „Erziehung" verwenden, ist außerdem seit 1975 die „Sorge für ein waisenrentenberechtigtes K i n d mit körperlichen oder geistigen Gebrechen" 3 , bzw. „für ein Kind, das wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen Waisenrente erhält" 4 gleichgestellt. Daß mit diesen Vorschriften jedoch nicht alle Regelungen erfaßt sind, die materiell als normative Berücksichtigung der Erziehung anzusehen sind, erschließt sich bei dem Versuch, die inhaltliche Substanz des i n diesen Fällen verwendeten Erziehungsbegriffs zu ermitteln. Über das nämlich, was unter „Erziehung" i n diesen Tatbeständen zu verstehen ist, besteht keineswegs Klarheit; vielmehr ist zu beobachten, daß sowohl i n der Literatur als auch i n der Rechtsprechung bereits seit der erstmaligen Verwendung des Erziehungsbegriffs i m Recht der Rentenversicherung i m Jahre 19375 eine gewisse Unsicherheit über den konkreten Inhalt dieses Begriffes besteht. Damals 6 wie heute 7 lassen sich dabei i m wesentlichen drei Fragen unterscheiden: — Setzt „Erziehung" voraus, daß der Rentenberechtigte das K i n d (bzw. die Kinder) bei sich hat und durch dessen Betreuung fortlaufend persönlich i n Anspruch genommen wird? Bzw. — wie ist der Fall zu beurteilen, daß der Rentenberechtigte und die Kinder nicht zusammenleben? — Oder ist „Erziehung" hier überhaupt i m zivilrechtlichen Sinne zu verstehen, d.h. einerseits abhängig von der Innehabung des Personensorgerechts und damit auf minderjährige unverheiratete Kinder beschränkt, andererseits unabhängig von der tatsächlichen Gestaltung der Eltern-Kind-Beziehung und unabhängig von der Unterhaltsbeziehung?

2 3 4 5 8 7

Siehe unten, I I . Teil, 2. Kap. B. § 1265 a Abs. 1 Satz 3 RVO. §§ 1265 Ziff. 2 u n d 3, 1268 Abs. 2 Ziff. 2 RVO. Siehe unten, I I . Teil, 2. Kap. Α. 1.1. Vgl. R V A , i n : A N 1939, S.454f.; Bothe, D R V 1939, S. 20 ff. Vgl. BSGE27, S. 139—141; 32, S. 117—119.

l . K a p . : A . Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts

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Α. Die Auslegung des Erziehungsbegriffs durch das Bundessozialgericht Das Bundessozialgericht hatte sich mit der Problematik des Erziehungsbegriffs i n zwei Entscheidungen auseinanderzusetzen 1 . I n ausdrücklicher Anlehnung an die bereits i m Jahre 1939 vertretenen A u f fassungen 2 stellt das Gericht fest, daß der Begriff der Erziehung i m Rentenversicherungsrecht von Anfang an i m tatsächlichen Sinn verstanden worden sei und dabei stets eine weite Auslegung erfahren habe 3 . Die Voraussetzung der Kindererziehung kann deshalb nach Ansicht des Bundessozialgerichts auch dann noch gegeben sein, wenn das K i n d z.B. i n einem Internat untergebracht, i n den Haushalt seines Lehrherrn aufgenommen oder durch Vermittlung des Jugendamtes i n Pflegestellen untergebracht ist, solange die sich aus dem Familienzusammenhang ergebenden Beziehungen und damit vor allem der elterliche Einfluß i n irgendeiner Form, wenn auch nur durch gelegentliche Besuche oder Briefe, erhalten bleiben. Nur i n Fällen, i n denen die Witwe nicht mehr zur Erziehung befugt ist und aus diesem Grunde eine Heimunterbringung des Kindes erfolgte, ist nach dem Bundessozialgericht ausnahmsweise das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzung „Erziehung" zu verneinen. Dabei kommt es nach Ansicht des Bundessozialgerichts nicht darauf an, ob die Witwe dem K i n d i n irgendeiner Form Unterhalt gewährt 4 . Das bedeutet i m Ergebnis eine Übernahme des bürgerlich-rechtlichen Erziehungsbegriffes, wie er i n § 1631 BGB zum Ausdruck kommt. Das Bundessozialgericht knüpft sprechung an. I n seinem Urteil vom nämlich, daß der familienrechtliche i n seinen Grundzügen" — auch für zu beachten sei 6 . Dahingestellt läßt

damit an seine frühere Recht30. August 19675 sagte das Gericht Erziehungsbegriff — „wenigstens das Recht der Rentenversicherung das Gericht die Frage, ob der Be-

1 Vgl. BSGE27, S. 139—141; 32, S. 117—119. Bei der ersten Entscheidung ging es u m die Frage, ob eine W i t w e auch dann einen Anspruch auf eine wegen Kindererziehung erhöhte Witwenrente hat, wenn das K i n d v o l l j ä h r i g ist; i m zweiten F a l l mußte das BSG entscheiden, ob der Anspruch auf diese erhöhte Witwenrente auch dann besteht, wenn sich das K i n d auf Anordnung des Vormundschaftsgerichts i n Fürsorgeerziehung i n einem M ä d chenheim befindet. 2 Vgl. R V A , i n : A N 1939, S.454f.; Bothe, D R V 1939, S. 20 ff. 3 BSGE 32, S. 118. 4 BSGE 32, S. 119; vgl. auch die zustimmende A n m . von Heyden, SGb 1972, S. 323. Ebenso: Meyer zu Helligen, M i t t . L V A Rheinprovinz 1969, S. 320; Pabel, M i t t . L V A Württemberg 1975, S. 12. 5 BSGE 27, S. 139 ff. 6 BSGE 27, S. 140.

A*

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

griff ohne jede Abwandlung den gleichen Inhalt wie i m bürgerlichen Recht hat; jedenfalls liege Erziehung dann nicht mehr vor, wenn nach der bürgerlich-rechtlichen Ordnung davon nicht mehr zu sprechen wäre 7 . Zur Begründung dieser Auffassung stellt das Bundessozialgericht fest, daß das Problem des Erziehungsbegriffs dem Gesetzgeber der Rentenversicherungsreform des Jahres 19578 bekannt gewesen sei und dieser bewußt Abstand genommen habe von Formulierungen wie „Pflicht zur Sorge", von der „tatsächlichen Sorge" für das Kind, von „unterhalten" oder (Bei-sich-) „haben" oder einfach „sorgen für" bzw. i m „eigenen Haushalt erziehen". Damit sei eine Fassung gewählt worden, „die einer Verweisung auf die bürgerliche und familienrechtliche Ordnung nahekommt" 9 . B. Kritik an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Auslegung des Erziehungsbegriffs Das Ergebnis wie auch die Begründung des Bundessozialgerichts überzeugen nicht. Zunächst ist der dem Gericht offensichtlich vorschwebenden Vorstellung entgegenzutreten, das Familienrecht enthielte einen fest umrissenen, einheitlichen Erziehungsbegriff. Das war bereits zum Zeitpunkt der Entscheidungen nicht und ist heute noch weniger der Fall. I m Familienrecht w i r d „Erziehung" grundsätzlich zwar neben „ A u f sicht" und „Aufenthaltsbestimmung" als ein Teil des Personensorgerechts und damit neben dem Vermögenssorgerecht lediglich als ein eng eingegrenzter Bestandteil der elterlichen Gewalt und demnach insoweit auch nicht i m Sinne einer Tätigkeit, sondern — unabhängig von den tatsächlichen Beziehungen — als Recht verstanden; dies ist dabei klar zu trennen von dem Recht und der Pflicht zur Aufsicht, Aufenthaltsbestimmung und der Vermögenssorge 1 . Vor allem sind auch die gesondert normierten Unterhaltsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern insofern grundsätzlich von der „Erziehung" zu unterscheiden 2 . Diese Systematik w i r d jedoch für den wichtigsten, den Regelfall der „Erziehung", durchbrochen; denn gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB erfüllt die Mutter „ihre Verpflichtung, zum Unterhalt eines minderjährigen Kindes beizutragen, i n der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes" 3 . 7

Ebd., S. 140. Als die i n Rede stehenden Vorschriften der §§ 1265, 1268 RVO konzipiert wurden, siehe unten, I I . Teil, 2. Kap. Α. 1.1. 9 BSGE 27, S. 141. 1 Vgl. §§ 1626 ff. BGB. 2 Vgl. §§ 1601 ff. BGB. 8

l . K a p . : Β . Kritische Würdigung

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Überdies findet sich seit dem 1. Eherechtsreformgesetz (1. EheRG) i n § 1570 BGB das Begriffspaar „Pflege oder Erziehung". Nach dieser Vorschrift kann ein geschiedener Ehegatte „von dem anderen Unterhalt verlangen, solange und soweit von i h m wegen der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann". I n der Verknüpfung mit der Frage nach der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit, die nach tatsächlichen Kriterien ermittelt wird, zeigt sich dabei eine Verwendung des Begriffs i m tatsächlichen Sinne einer Betreuung und damit i m Gegensatz zum Sprachgebrauch des § 1631 BGB. Daß hier allerdings auch eine rechtliche Komponente i m Begriff der Erziehung enthalten ist, zeigt der Vergleich zur Vorschrift des § 1629 Abs. 2 BGB, wo bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen getrennt oder i n Scheidung lebender Personen auf die bloße „Obhut" abgestellt w i r d 4 . Darüber hinaus ist die Auffassung des Bundessozialgerichts zu bezweifeln, daß der Gesetzgeber i m Jahre 1957 das Problem, das durch den unscharfen Erziehungsbegriff ausgelöst wird, gesehen und in bewußter Anlehnung und Annäherung an das zivilrechtliche Verständnis gehandelt habe. Da nämlich konkrete Anhaltspunkte dafür fehlen, kann das Bundessozialgericht dies allenfalls vermuten. Immerhin ist i m Gegenteil festzustellen, daß jedenfalls der Gesetzgeber i m Jahre 1975 bei der Beratung der sogenannten „Erziehungsrente" eine Übernahme oder Annäherung an eine familienrechtliche Fassung bewußt vermieden hat. 3 Der Wortlaut der Vorschrift erinnert deutlich an die Fassung des § 1360 B G B i. d. F. vor dem ersten EheRG. Die i h r zugrundeliegende Typisierung der innerehelichen Rollenverteilung zwischen Ehemann ( = Verdiener) und Ehefrau ( = Hausfrau) w a r Gegenstand verfassungsgerichtlicher Beanstandungen, vgl. BVerfGE 17, S. 1 ff. u n d 39, S. 169 ff. Angesichts des i m Zuge der Zunahme weiblicher Erwerbstätigkeit veränderten Rollenverständnisses sowie insbesondere unter Berücksichtigung des aus diesem Grunde reformierten Eherechts muß die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift i n Zweifel gezogen werden. 4 Insgesamt zeigt sich damit bei dem Begriff „Pflege oder Erziehung" i n § 1570 B G B eine Übereinstimmung m i t der Formulierung i n A r t . 6 Abs. 2 GG. Dort soll unter „Pflege" die allgemeine Sorge für die Person des K i n des, für sein körperliches W o h l und für seine geistige u n d charakterliche Entwicklung, unter „Erziehung" jedoch die Sorge für Ausbildung u n d B i l dung durch Entfaltung der Fähigkeiten des Kindes zu verstehen sein. Dabei w i r d allerdings betont, es sei nicht ersichtlich, daß der Grundgesetzgeber selbst an Unterschiede gedacht habe, zumal dieser keine unterschiedlichen Rechtsfolgen an diese Begrifflichkeit geknüpft hat. Es steht deshalb „nichts i m Wege, Pflege u n d Erziehung als einen zusammengehörenden einheitlichen Begriff aufzufassen, der sowohl die Sorge für die Person u n d ihre E n t w i c k l u n g w i e auch die vermögensrechtlichen Rechte u n d Pflichten einschließlich der Unterhaltspflicht erfaßt", vgl. Maunz, i n : Maunz/Dürig/Herzog, GG, A r t . 6 Rdnr. 24. Die Formulierung „Pflege u n d Erziehung" i n § 1570 B G B hat der Gesetzgeber i m übrigen gewählt, u m zum Ausdruck zu bringen, daß der nacheheliche Unterhaltsanspruch nach Beendigung der Erziehung des K i n des bei E i n t r i t t der V o l l j ä h r i g k e i t fortbestehen kann, wenn das K i n d weiterh i n der Pflege bedarf, BT-Drucks. 7/650, S. 122.

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Dies belegt ein Bericht aus dem Rechtsausschuß, nach dem eine Minderheit die Terminologie der „Erziehungsrente" an die Terminologie des § 1570 BGB anpassen wollte. Die Mehrheit ist jedoch diesem A n t r a g nicht gefolgt, da nach ihrer Auffassung i n einer rentenversicherungsrechtlichen Vorschrift nicht die Terminologie des bürgerlichen Rechts, sondern zur Vermeidung unrichtiger Umkehrschlüsse die der Sozialversicherung verwandt werden sollte 5 . K r i t i k an der Entscheidung des Bundessozialgerichts übt auch Brackmann6, der bezweifelt, ob das Gericht den Gesetzgeber insoweit richtig interpretiert hat, als es durch seine Entscheidung zu einer starren Altersbegrenzung des erhöhten Witwenrentenanspruches gelangt. Denn seiner Ansicht nach läßt — i n direktem Gegensatz zur Auffassung des Bundessozialgerichts — gerade die von diesem dargestellte Entstehungsgeschichte der Vorschrift erkennen, daß auch der Gesetzgeber eine starre Altersgrenze nicht gewollt hat. Seiner Meinung nach soll Sinn und Zweck dieser Regelung sein, die Rente der W i t w e zu erhöhen, die wegen der Kindererziehung keiner Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Brackmann betont nun, daß es — bereits abgesehen von andauernder Ausbildung des Kindes — nicht wenige Fälle gibt, i n denen die Erziehung des Kindes auch jenseits der Volljährigkeitsgrenze erforderlich ist, z.B. bei seelischem Fehlverhalten des Kindes. Er sieht seine Auffassung schließlich durch die spätere Entscheidung des B u n dessozialgerichts 7 bestätigt, i n der das Gericht die Erziehung eines geistesschwachen Kindes auch nach dessen Volljährigkeit angenommen hat. Der Ansicht Brackmanns ist zuzustimmen. Abgesehen davon, daß auch Zivilgerichte vor allem seit der Herabsetzung der Volljährigkeitsgrenze eine Erziehungsbedürftigkeit auch bei erwachsenen K i n d e r n annehmen 8 und zudem der Gesetzgeber eine entsprechende Übergangsvorschrift geschaffen hat 9 , beweist i n der Tat die von i h m zur Be5 BT-Drucks. 7/4361, S. 55. Z u m Problem der Interpretation zivilrechtlicher Begriffe i m Sozialrecht vgl. i m übrigen insbesondere v. May dell, in: Festschrift für Bosch, S. 645 ff., sowie Gitter, VSSR 1977, S. 323 ff. 6 Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I I I , S. 707 η f. 7 BSGE 38, S. 44. 8 Vgl. z.B. A G Mettmann, FamRZ 1975, S. 709 (zu §1612 Abs. 2 B G B : „ . . . bleibt nämlich zu berücksichtigen, daß dem Volljährigen m i t 18 Jahren ganz einfach noch eine Menge an Lebenserfahrung fehlt, was zugleich eine Gefährdung i n sich birgt. Insoweit w i r d dem jungen Menschen i m Elternhaus und i n der familiären Gemeinschaft auf jeden F a l l ein größerer Schutz geboten als anderswo"). Hinsichtlich weiterer Beispiele vgl. Finger, Familienrecht, S. 289 ff. 9 Nach A r t . 10 Nr. 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des V o l l j ä h r i g keitsalters v. 31. J u l i 1974 (BGBl. 1/1713) ist eine erhöhte Witwenrente, auf die bei Inkrafttreten des Gesetzes (1. Januar 1975) wegen der Erziehung eines waisenrentenberechtigten Kindes ein Anspruch besteht und deren Voraus-

l . K a p . : Β . Kritische Würdigung

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gründung seiner Auffassung herangezogene spätere Entscheidung des Bundessozialgerichts, daß i n erster Linie die Ausgestaltung der tatsächlichen Beziehung zwischen Witwe und K i n d maßgebend ist. Über die von Brackmann lediglich punktuell auf die Handhabung der starren Altersgrenze durch das Bundessozialgericht beschränkte K r i t i k hinaus bedeutet dies aber, daß der Anlehnung an den familienrechtlichen Erziehungsbegriff in dem von Unterhaltsbeziehungen abstrahierenden Sinn, i n dem ihn das Bundessozialgericht i n seinen früheren Entscheidungen verstanden hat, die Grundlage entzogen ist. Gegen die ursprüngliche, zwar implizit aber nicht explizit veränderte Auffassung des Bundessozialgerichts spricht noch ein weiterer Grund, der überdies zugleich deutlich macht, daß der Inhaltsschwerpunkt des Erziehungsbegriffs für das Recht der Rentenversicherung i n der Unterhaltsbeziehung zwischen Eltern und Kindern liegt. Angesichts der Tatsache nämlich, daß zu den waisenrentenberechtigten Kindern auch Enkel und Geschwister sowie Stief- und Pflegekinder gehören, ist i n diesen Fällen, i n denen das Personensorgerecht i n der Regel anderen Personen zusteht, „nach der bürgerlich-rechtlichen Ordnung", die typischerweise 10 auf die ehelichen 11 , für ehelich erklärten 1 2 , an Kindes Statt angenommenen 13 , minderjährigen, unverheirateten K i n d e r 1 4 sowie auf das Verhältnis nichtehelicher Kinder zu ihren M ü t t e r n 1 5 beschränkt ist, von „Erziehung" ganz gewiß nicht mehr zu sprechen. Dieser Unterschied hinsichtlich des Kinderbegriffs i m Familienrecht einerseits und i m Sozialrecht andererseits beruht — wie Ruland 1G überzeugend feststellt — darauf, daß das Sozialrecht nicht an der verwandtschaftlichen Beziehung anknüpft, sondern letztlich allein am K r i t e r i u m der Unterhaltsbeziehung 17 ; den Fällen, i n denen allein auf das Verwandtschaftsverhältnis Bezug genommen wird, liegt dann eine Setzungen entfallen, w e i l das K i n d aufgrund des Gesetzes v o l l j ä h r i g w i r d , bis zum A b l a u f des Monats zu zahlen, i n dem das K i n d das 21. Lebensjahr vollendet. Vgl. dazu Meyer zu Helligen, A m t l . M i t t . L V A Rheinprovinz 1976, S. 398. 10 Z u den Ausnahmen vgl. Diekmann, FamRZ 1977, S. 93 (gemeinschaftliche Pflegekinder), u n d BT-Drucks. 7/650, S. 123, und 7/4361, S. 29 (Stiefkinder). 11 Vgl. BGB, 4. Buch, 5. T i t e l : Elterliche Gewalt über eheliche Kinder, §§ 1626 ff. 12 Vgl. §§ 1719 ff. BGB. 13 Vgl. §§ 1741 ff. BGB. 14 Siehe §§ 1626,1633 BGB. 15 § 1705 BGB. 16 Familiärer Unterhalt, S. 144 f. 17 Vgl. §6 S G B - A T ; dazu Burdenski, i n : Burdenski/v. Maydell/Schellhorn, S G B - A T , A n m . 1 zu § 6.

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

typisierte Unterhaltsbeziehung zugrunde, die schließlich von der tatsächlichen Gewährung des Unterhalts auch völlig unabhängig ist. Der Unterhalt beschränkt sich dabei schließlich nicht auf den BarUnterhalt, sondern umfaßt entsprechend der Regelung des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB ebenso die „Erziehung" des Kindes, da sich Unterhalt und „Erziehung" i m Bereich der Familie nicht trennen lassen 18 . Deutlich w i r d dies insbesondere für das Recht der Rentenversicherung am System der Voll- und Halb Waisenrenten 19 : Selbst wenn der die Familie allein mit Bar-Unterhalt versorgende Versicherte stirbt, erhalten die Kinder nämlich nur eine Halbwaisenrente. Das Gesetz geht insoweit davon aus, daß auch die verbleibenden Betreuungsleistungen ihren eigenen wirtschaftlichen Wert haben 2 0 .

C. Ergebnis — Konsequenzen für die weitere Untersuchung Als Ergebnis ist somit festzuhalten, daß für die Anwendung des bürgerlich-rechtlichen Erziehungsbegriffes i m Sinne des § 1631 BGB, der die tatsächlichen oder rechtlichen Unterhaltsbeziehungen unberücksichtigt läßt, i m System der gesetzlichen Rentenversicherung kein Raum ist. Vielmehr ist hier als ausschlaggebendes K r i t e r i u m der „Erziehung" für das Recht der Rentenversicherung das Element der Unterhaltsbeziehung zwischen Eltern und Kindern ermittelt worden. Diese Unterhaltsbeziehung schließt dabei die (immaterielle) Betreuung und den Bar-Unterhalt ein. Knüpft man jedoch vor allem an der Unterhaltsbeziehung zwischen Eltern und Kindern an, so folgt für die weitere Arbeit hier daraus, daß nicht nur die Regelungen zu untersuchen sind, die ausdrücklich von „Erziehung" sprechen, sondern daß letztlich alle an das Eltern-KindVerhältnis anknüpfenden Regelungen zu untersuchen sind, die für die Eltern rentenrechtliche Folgen haben. Ausgehend von dieser Substanz des Erziehungsbegriffs lassen sich unter den für die weitere Untersuchung damit i n Frage kommenden Vorschriften zwei Gruppen unterscheiden. Bei der ersten handelt es sich u m Vorschriften, die Erziehung als aktuellen Bedarfsfall berücksichtigen; dies sind die Erhöhung der Witwen- bzw. Witwerrente i m Falle der Kindererziehung 1 , die sogenannte „Erziehungsrente" 2 und der Kinderzuschuß 3 . A u f eine Erörte18

Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 281 ff. (283). Vgl. § 1269 RVO. 20 Dazu siehe unten, I V . Teil, 2. Kap. Α. I. 1 Dazu unten, I I . Teil, 2. Kap. A. 2 Dazu unten, I I . Teil, 2. Kap. B. 19

1. Kap.: C. Ergebnisse u n d Folgerungen

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rung der sogenannten Geschiedenen-Witwenrente, § 1265 RVO, w i r d dagegen verzichtet, da sie bereits durch die Erziehungsrente abgelöst ist. Die zweite Gruppe besteht aus Regelungen, i n denen die abgeschlossene Erziehungszeit erst i m späteren Rentenfall als Versicherungszeit rentensteigernd zur Anrechnung kommt. Hierzu zählen die Berücksichtigung von Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten 4 sowie der Zeiten des Bezugs einer „Erziehungsrente" 5 als sogenannte „Ausfallzeiten" 6 und darüber hinaus die Anrechnung von Beitragszeiten für Zeiten des Bezugs von Mutterschaftsgeld nach dem Mutterschutzgesetz 7 . Schließlich ist auch das vorgezogene Altersruhegeld für Frauen 8 als Unterfall dieser Gruppe i n die Untersuchung einzubeziehen.

3 4 5 6 7 8

Dazu unten, I I . Teil, Dazu unten, I I . Teil, Dazu unten, I I . Teil, Vgl. § 1259 RVO. Dazu unten, I I . Teil, Dazu unten, I I . Teil,

2. Kap. C. 3. Kap. A. 3. Kap. C. 3. Kap. B. 3. Kap. D.

2. Kapitel D i e Berücksichtigung des Bedarfsfalls „Kindererziehuag"

A. Die Erhöhung der Witwenbzw. Witwerrente bei Kindererziehung Die Höhe der Witwenrente 1 i n der Rentenversicherung w i r d i n der Regel auf der Grundlage von 6/10 der Berufsunfähigkeitsrente des verstorbenen Versicherten ohne Berücksichtigung einer Zurechnungszeit 2 berechnet 3 . Erzieht die Witwe jedoch mindestens ein waisenrentenberechtigtes K i n d 4 oder sorgt für ein Kind, das wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen Waisenrente erhält, w i r d der Rentenberechnung statt der Berufsunfähigkeitsrente die höhere Erwerbsunfähigkeitsrente des verstorbenen Ehemannes zugrunde gelegt 5 . Während die Witwe nach einem Versicherten eine Rente ohne weitere Voraussetzungen und damit sozusagen „unbedingt" erhält, hat ein Witwer nur dann einen Anspruch, wenn seine (versicherte) Ehefrau ihn überwiegend unterhalten hat 6 . I. Geschichte der Vorschriften 7 1. Witwenrente Die Geschichte der „Erziehungs-Witwenrente" beginnt lange vor ihrer ersten gesetzlichen Ausprägung i m Jahre 19378. Bis dahin ist sie 1

§ 1264 RVO. § 1260 RVO; siehe dazu unten, I I . Teil, 2. Kap. B. I I I . 3. § 1268 Abs. 1 i. V. m. § 1253 Abs. 1 RVO. 4 Vgl. § 1267 RVO. 5 § 1268 Abs. 2 i. V. m. § 1253 Abs. 2 RVO. Das gleiche gilt für die Fälle, daß die W i t w e das 45. Lebensjahr vollendet hat oder berufsunfähig bzw. erwerbsunfähig ist, § 1268 Abs. 2 Ziff. 1 u n d 2 RVO. 6 § 1266 Abs. 1 RVO. 7 Die Darstellung beschränkt sich hier auf die Regelung der Arbeiterwitwenrente. Die Angestelltenversicherung kannte bereits seit ihrem Beginn i m Jahre 1912 die „unbedingte" Witwenrente. Erst seit dem 1. J u n i 1949 gibt es einheitlich i n allen Rentenversicherungszweigen n u r noch die „unbedingte" Witwenrente, vgl. Brackmann, S. 707 k. 8 § 1256 Abs. 1 Ziff. 4 RVO i. d. F. v. 21.12.1937 (RGBl. I S. 1393). 2

3

2. Kap. : Α. Die Erhöhung der Hinterbliebenenrenten

59

mit der Geschichte der Witwenrente selbst eng verbunden. Eine W i t wenrente wurde erstmals mit der RVO i n das System der Arbeiterrentenversicherung eingefügt, obwohl diese Forderung bereits seit den Vorarbeiten zum I A V G immer wieder erhoben worden war 9 . Als m i t den Verhandlungen zum Zolltarifgesetz von 1902 die Planung der Witwenversorgung konkrete Formen annahm, wurde von vornherein nur eine Sicherung von erwerbsunfähigen Witwen ins Auge gefaßt; kinderlosen, erwerbsfähigen Witwen sollte eine volle, Witwen mit Kindern zumindest eine teilweise Berufstätigkeit zugemutet werden 1 0 . Die ursprüngliche Regelung der Witwenrente in der RVO von 1912 schließlich machte den Anspruch auf Witwenrente von einer dauernden Invalidität der Witwe abhängig. Diese wurde dann angenommen, wenn die Witwe nicht imstande war, „durch eine Tätigkeit, die ihren Kräften und Fähigkeiten entspricht und ihr unter billiger Berücksichtigung ihrer Ausbildung und bisherigen Lebensstellung zugemutet werden kann, ein D r i t t e l dessen zu erwerben, was körperlich und geistig gesunde Frauen derselben A r t und m i t ähnlicher Ausbildung . . . durch Arbeit zu verdienen pflegen" 1 1 . Diese Vorschrift beließ der Praxis einigen Spielraum bei der Rentenbewilligung. Das hatte zur Folge, daß es sehr bald zu Auslegungsstreitigkeiten kam. Dabei ging es insbesondere um die Frage, inwieweit die Pflicht zur Versorgung von Kindern neben gesundheitlichen Gründen berücksichtigt werden konnte; sie wurde damals verneint. Dreher 12, berichtet davon, daß das Bayerische Landesversicherungsamt umgekehrt sogar die langjährige Betreuung eines Haushalts mit sieben Kindern als Indiz für die Erwerbsfähigkeit wertete. Erst i m Jahre 1937 traf der Gesetzgeber für die Frage der Sicherung der Witwe i m Falle der Kindererziehung eine andere Entscheidung. Gemäß § 1256 Abs. 1 Nr. 4 R V O 1 3 erhielt auch diejenige Witwe einen Rentenanspruch, die „zur Zeit des Todes ihres Ehemannes mehr als drei rentenberechtigte Kinder" erzog. I m Jahre 1942 wurde die Anspruchsberechtigung dahingehend erweitert, daß die Witwe auch dann eine Rente erhielt, solange sie mindestens zwei rentenberechtigte Kinder unter sechs Jahren erzog, oder wenn sie mindestens 55 Jahre alt war und mindestens vier lebende Kinder geboren hatte 1 4 . 9 Dazu vgl. Dreher, Die Entstehung der Arbeiterwitwenversicherung, S. 31 zu Fn. 127, der berichtet, daß die Verzögerung eintrat, w e i l man eine unzumutbare Belastung f ü r die Industrie befürchtete. 10 Vgl. Dreher, S. 34, 57. 11 Vgl. § 1258 RVO i. d. F. von 1911, zitiert nach Dreher, S. 60. 12 Ebd., S. 81. 13 RGBl. I S. 1393. 14 § 1256 Abs. 2 RVO i. d. F. v. 22. J u n i 1942 (RGBl. I S. 411).

60

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

I m Zuge der Rentenreform des Jahres 1957 erhielt die Vorschrift dann i m wesentlichen ihre heutige Fassung, die lediglich i m Jahre 1975 um den Passus der Sorge für behinderte Kinder ergänzt wurde 1 5 . 2. Witwerrente Der Fall der Kindererziehung durch den hinterbliebenen Ehemann w i r d erst seit der Rentenreform des Jahres 1957 rentenerhöhend berücksichtigt, obwohl bereits seit der Erstfassung der RVO vom Jahre 1911 eine Witwerrente existierte 1 6 . Die der Witwenrente entsprechende Ausgestaltung der Witwerrente war nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 7. März 1957 i m Hinblick auf Art. 117 Abs. 1 GG notwendig geworden 17 . Ihre Geschichte ist seitdem m i t derjenigen der Witwenrente identisch. Π . Sozialpolitische Aspekte der Regelung

Die Doppel- bzw. Dreifachbelastung 18 der W i t w e m i t Kindern, die infolge ihrer Nichteinbeziehung i n den Schutz der Hinterbliebenen Versicherung zur Erwerbstätigkeit gezwungen wurde, ist seit der ersten Ausgestaltung einer Witwenversorgung gesehen worden. Dennoch war die Erweiterung der Hinterbliebenensicherung auf die W i t w e mit mindestens drei Kindern in erster Linie wohl nicht Ausdruck einer gesellschaftlichen Sorge um das Familienwohl, sondern vielmehr bedingt durch bevölkerungspolitische Überlegungen i n der Vorkriegszeit 1 9 . Dreher 20 macht darüber hinaus darauf aufmerksam, daß zumindest zu Beginn der 30er Jahre auch arbeitsmarktpolitische Überlegungen eine Rolle gespielt haben. I n den Vordergrund trat jedoch seitdem immer mehr ein dritter Gesichtspunkt, nämlich die starke Betonung der Erziehung i n der Familie, bzw. durch die M u t t e r 2 1 . Dies führte jedoch nicht dazu, daß die 15

Durch das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter v. 7. M a i 1975 (BGBl. I S. 1601). 16 Vgl. Dreher, S. 99. 17 BSGE 5, S. 17. 18 Haushalt — K i n d e r — Erwerbstätigkeit. 19 So Zschimmer, Soziale Praxis 1938, S. 68; R V A A N 1939, S. 455; vgl. auch BSGE 32, S. 117. 20 Dreher, S. 81 Fn. 20, zitiert einen Literaturbeitrag aus dem Jahre 1933 m i t dem T i t e l „Die Frau gehört ins Haus", — u m die Arbeitslosigkeit der Männer zu verringern, w i e er meint. Diese Devise habe sich angesichts der Lückenhaftigkeit der sozialen Sicherung der W i t w e jedoch schlecht gemacht. 21 Vgl. die Entscheidung des R V A v. 9. September 1937, zitiert nach Bothe, Deutsche Rentenversicherung 1939, S. 20: „ . . . heute mehr als früher besonders stark betonte Tendenzen zur Förderung u n d K r ä f t i g u n g des Familien-

2. Kap. : Α. Die Erhöhung der Hinterbliebenenrenten

61

Leistungsgewährung von einer Erwerbsabstinenz der W i t w e abhängig gemacht wurde, wie dies vereinzelt gefordert 2 2 und z.B. bei der Erziehungsrente 23 und dem neuen Mutterschaftsgeld 24 vorausgesetzt wird. Angesichts der Höhe der Rente wäre dies auch kaum zu rechtfertigen. M i t durchschnittlich ca. 800,— D M monatlich i n der Angestelltenversicherung und 562,— D M monatlich i n der Arbeiterrentenversicherung 25 liegt die „große Witwenrente" i m Jahre 1979 zwar wesentlich über den Beträgen, die die Versichertenrenten an Frauen durchschnittlich erreichen 26 , aber unter Berücksichtigung der mit zu versorgenden Kinder, für deren Unterhalt der jährliche Kinderzuschuß i n Höhe von 1.834,80 D M bei weitem nicht ausreicht, i n der Arbeiterrentenversicherung unter dem Sozialhilfeniveau 27 , i n der Angestelltenversicherung kaum darüber. Nach der Rentenbestandsaufnahme vom 1. J u l i 1976 erhielten insgesamt 67.066 Witwen und Witwer der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten unter 45 Jahren die nach ErwerbsunfähigkeitsGrundsätzen berechneten Hinterbliebenenleistungen 28 .

I I I . Die Problematik der Begriffe „Waisenrentenberechtigung" und „Sorge"

Neben der bereits oben erörterten Problematik des Erziehungsbegriffs 2 9 werfen i m Wortlaut der Vorschrift auch die Begriffe der „Waisenrentenberechtigung" bzw. die Formulierung der „Sorge für ein Kind, das wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen Waisenrente erhält" Fragen auf. lebens"; ebenso R V A A N 1939, S. 455. Nach der Begründung zum Regierungsentwurf des Rentenversicherungsgesetzes von 1957 soll der W i t w e „ i m Interesse der Erziehung ihrer K i n d e r eine Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden", abgedruckt bei Richter, Sozialreform, Bd. 2, F I X , S. 200. 22 Siehe unten, I V . Teil, 2. Kap. Β . II., Text zu Fn. 12 ff. 23 Siehe unten, I I . Teil, 2. Kap. B. I I I . 2. b). 24 Siehe unten, I I . Teil, 3. Kap. B. 25 Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 25 (Rdnr. 44). 26 D M 499,— (AngV) bzw. D M 273,— (ArV) i m Jahre 1978, vgl. Kaltenbach, DAngVers 1980, S. 78. 27 Z u r Zeit (1980) ca. 800,—DM (eigene Schätzung: 310,—DM Regelbedarf [Berlin]; 93,—DM Mehrbedarf, §23 Abs. 2 B S H G ; ca. 100,—DM [ = ca. 25°/o des Regel- u n d Mehrbedarfs] einmalige Leistungen, § 21 B S H G ; ca. 300,— D M Miete [Annäherungswert i n Anlehnung an Wohngeld-Höchstbetragstabellen, vgl. § 8 WohnGG]). 28 E r m i t t e l t aus: Bundesministerium für A r b e i t und Sozialordnung (Hrsg.), Rentenbestände, Tab. 1 b u n d 2 b, S. A 3 u n d A 8. 29 Siehe oben, I I . Teil, 1. Kap.

62

I I . Teil : Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

1. Die Problematik

der Waisenrentenberechtigung

Klammert man zunächst einmal die m i t dem Begriff „Sorge" verbundene Problematik aus und wendet die Aufmerksamkeit der Frage der Waisenrentenberechtigung zu, so fällt auf, daß die Vorschrift die Voraussetzung der Waisenrentenberechtigung für den Fall der Erziehung einerseits und den der Sorge andererseits verschieden regelt: Während i m einen Falle von der Erziehung eines „waisenrentenberechtigten Kindes" gesprochen wird, setzt die rentenerhöhende Berücksichtigung der „Sorge" voraus, daß das K i n d wegen seiner körperlichen oder geistigen Behinderung „Waisenrente erhält" 3 0 . Damit scheint bei der Sorge ein tatsächlicher Waisenrentenbezug erforderlich zu sein, während der Umkehrschluß für den Fall der Erziehung ergibt, daß lediglich die Berechtigung als solche ausreicht. I n der L i t e r a t u r 3 1 herrscht jedoch Einigkeit, daß auch bei Erziehung ein tatsächlicher Rentenbezug des Kindes als Anspruchsvoraussetzung nötig ist. Dabei genügt es allerdings auch, daß der Anspruch unter Umständen erst nachträglich für eine zurückliegende Zeit festgestellt wird; i m übrigen ist nicht erforderlich, daß die Waisenrente aus dem Versicherungsverhältnis geleistet wird, aus dem auch die Witwenrente fließt 3 2 . Die i n beiden Fällen unterschiedliche Formulierung findet ihre Erklärung i n der bereits erwähnten Entscheidung des Bundessozialgerichts 33 , i n der dieses feststellte, der Zweck der erhöhten Witwenrente — die Ermöglichung der Wahrnehmung mütterlicher Verantwortung frei von Existenzsorgen — verlange die Anwendung dieser Vorschrift ausnahmsweise auch über die Volljährigkeit hinaus für den Fall, „daß eine Witwe für die Erziehung ihres auf ihre dauernde Anleitung angewiesenen geistesschwachen Kindes ständig Zeit und K r a f t aufwendet". Aufgrund dieser Entscheidung sah sich der Gesetzgeber veranlaßt, die Voraussetzungen der Waisenrentenberechtigung für behinderte Kinder neu zu fassen 34 . Angesichts des ausdrücklichen Endes der Waisenrentenberechtigung behinderter Kinder mit der Vollendung des 25. Lebensjahres w i r d allgemein angenommen, daß m i t diesem Zeitpunkt auch der Anspruch auf die erhöhte Witwenrente endet. 30

§ 1268 Abs. 2 Ziff. 2 RVO. Vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I I I , S. 707 m m. w. Ν.; Maier, Versorgungsausgleich, S. 185. 32 Brackmann, ebd. S. 707 m, n. 33 BSGE 38, S. 44 ff.; dazu oben, I I . Teil, 1. Kap. B. 34 Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter v o m 7. M a i 1975 (BGBl. I S. 1601); vgl. auch Maier, Versorgungsausgleich, S. 203. 31

2. Kap. : Α. Die Erhöhung der Hinterbliebenenrenten

63

Unter Berücksichtigung der richtungsweisenden Entscheidung des Bundessozialgerichts 35 ist diese Annahme allerdings zweifelhaft. Denn das Bundessozialgericht hat mit seiner Durchbrechung der zeitlichen Grenzen der Waisenrentenberechtigung Rücksicht genommen auf die besondere Verantwortung der Mütter behinderter Kinder. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift ist m i t dieser Verantwortung eine zeitliche Begrenzung jedoch nicht zu vereinbaren. Insofern lassen sich die Entscheidungsgründe für eine Durchbrechung der Altersgrenze ohne weiteres auch auf die nunmehr auf 25 Jahre angehobene Altersgrenze übertragen. Dieser Ansicht steht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juni 1975 36 , i n der dieses die zeitliche Begrenzung für die Regelung der Waisenrente für verfassungsgemäß erklärte, nicht entgegen; denn sie beurteilt nur die Situation des Kindes und diese nur unter dem Aspekt des A r t . 6 Abs. 1 GG, des allgemeinen Gleichheitssatzes und des Sozialstaatsprinzips. I m vorliegenden Falle könnte sich eine für ein älteres behindertes K i n d sorgende Witwe jedoch auf das Grundrecht und die Grundpflicht (!) der Pflege ihres Kindes gemäß A r t . 6 Abs. 2 GG berufen. Solange von staatlicher Seite keine anderen Leistungen gewährt werden, die es der Witwe — wie es Sinn und Zweck der Vorschrift des § 1268 Abs. 2 Nr. 2 RVO ist — ohne Existenzsorgen ermöglichen, sich u m ihr K i n d zu kümmern, muß die Verfassungsmäßigkeit einer Auslegung der Vorschrift i m Sinne der Abhängigkeit der erhöhten Witwenrente von der zeitlichen Begrenzung der Waisenrentenberechtigung bezweifelt werden. Dagegen spricht auch nicht etwa, daß der Grundgesetzgeber bei A r t . 6 Abs. 2 GG entweder stillschweigend oder durch Erwähnung des Erziehungsbegriffs von einer bestimmten Altersgrenze beim K i n derbegriff ausgegangen wäre; denn dafür finden sich keinerlei A n haltspunkte. Die Grundrechtsnorm unterstreicht vielmehr die vorrangige Verantwortung der Eltern für ihre Kinder — unabhängig von ihrem Alter — gegenüber staatlichen Institutionen. W i r d jedoch die Witwe aufgrund der erheblichen Leistungsminderung 3 7 gezwungen, sich einer Erwerbstätigkeit zuzuwenden, so w i r d das i n der Regel bedeuten, daß die Pflege für das behinderte K i n d staatlichen Institutionen anheimfällt. Zumindest für den Fall des behinderten Kindes stößt die zeitliche Begrenzung der Erhöhung der Witwenrente infolge der Abhängigkeit 35

BSGE 38, S. 44 f. BVerfGE 40, S. 121 ff. 37 Der Rentensteigerungssatz — u n d damit die Rente — sinkt von 1,5 auf den Wert 1, d. h. die Rente w i r d u m ein D r i t t e l vermindert, vgl. § 1253 Abs. 1 u n d 2 RVO. 36

64

I I . T e i l : Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

von der Waisenrentenberechtigung angesichts der i n A r t . 6 Abs. 2 GG normierten Pflicht zur Pflege somit auf verfassungsrechtliche Bedenken. 2. Das Tatbestandsproblem

„Sorge"

Hinsichtlich des Begriffs „Sorge" ist i m Anschluß an die — oben dargestellte 38 — Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Erziehungsbegriff umstritten, ob dieser Begriff inhaltlich i m Sinne der Ausübung der Personensorge zu verstehen ist, ob also der Rechtsbegriff der „Sorge" insoweit m i t dem Rechtsbegriff der „Erziehung" identisch ist. Dies bejaht Meyer zu Helligen 39. Seiner Meinung nach setzt die rentenrechtliche Berücksichtigung der „Sorge" für ein volljähriges behindertes K i n d deshalb voraus, daß der Witwe die Vormundschaft oder eine Pflegschaft für das K i n d übertragen worden sein muß; es sei nämlich wenig überzeugend anzunehmen, der Gesetzgeber habe hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Erziehen" die Erfüllung einer Rechtspflicht gefordert, hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals „Sorge" dagegen nicht. Dem hält Brackmann 40 entgegen, der Gesetzeswortlaut und die Entstehungsgeschichte gäben dafür keinerlei Anhaltspunkte. I m übrigen würde es Sinn und Zweck der Regelung des § 1268 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RVO widersprechen, allein wegen einer Weitergewährung der Rente eine i n die Persönlichkeitssphäre von Behinderten wesentlich eingreifende Vormundschaft oder Pflegschaft anzuordnen. Diesen zutreffenden Überlegungen ist lediglich hinzuzufügen, daß es — wie oben dargestellt 4 1 — nicht auf die rechtlichen, sondern auf die entweder typisierten oder tatsächlichen Unterhaltsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern ankommt. I m übrigen ist bei dem Begriff „Sorge" weiter umstritten, ob diese Anspruchsvoraussetzung dann noch gegeben ist, wenn das K i n d i n einem Heim untergebracht und/oder die Mutter ganztägig erwerbstätig ist. Nach Auffassung von Brackmann 42 ist zur Beantwortung der ersten Frage davon auszugehen, daß die Sorge für ein behindertes K i n d dessen persönliche Betreuung voraussetzt. Die Mutter übt seiner Ansicht nach nicht schon dann ihre Sorge aus, wenn sie bei einer Heimunterbringung die Kosten dieser Maßnahme trägt. 38 39 40 41 42

Siehe oben, I I . Teil, 1. Kap. A. I n : A m t l . M i t t . L V A Rheinprovinz 1976, S.399f. I n : Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I I I , S. 707 q. Siehe oben, I I . Teil, 1. Kap. B., Text zu Fn. 16 ff. Ebd., S. 707 p.

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

65

Gegen diese Auffassung ist einzuwenden, daß dieses — offensichtlich weit verbreitete 4 3 — inhaltliche Verständnis von Sorge nicht aus dem Begriff selbst zu erschließen und von Brackmann auch nicht näher begründet ist. Wenn aber der Gesetzgeber diese Absicht hätte zum Ausdruck bringen wollen, so hätten i h m m i t „Pflege" und „Betreuung" zwei präzisere Begriffe zur Verfügung gestanden. Ohne diese petitio principii, die Brackmann verwendet, bleibt als verläßliches — und dem Sozialrecht spezifisches — K r i t e r i u m eben doch nur der von der Witwe dem K i n d gewährte Unterhalt. Darüberhinaus vermeidet das Abstellen auf die Unterhaltsbeziehung, sei sie materiell oder immateriell ( = Pflege) ausgestaltet, den Widerspruch zwischen der erziehenden Witwe, die ihre erhöhte Witwenrente sogar auch bei nur gelegentlichem brieflichen Kontakt beziehen soll, und der sorgenden Witwe. Daraus ergibt sich auch die Lösung für die Frage, ob bei Erwerbstätigkeit der Witwe noch von „Sorge" gesprochen werden kann: Zwar kann dem Gesetzgeber unterstellt werden, daß er davon ausgegangen ist, daß die Witwe durch die Sorge für ein behindertes K i n d i m Regelfall an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist; dies hat er jedoch i n der Vorschrift selbst nicht zum Ausdruck gebracht. Wenn jedoch Erwerbstätigkeit nach allgemeiner Ansicht i m Erziehungsfalle leistungsunschädlich ist, kann das jedenfalls i m Sorgensfalle dann nicht anders beurteilt werden, wenn die Witwe wenigstens zum Unterhalt des Kindes beiträgt. I m Ergebnis bedeutet dies, daß die Anspruchsberechtigung nicht von einer ständigen Betreuung durch die Witwe selbst abhängig gemacht werden kann. B. Die „Erziehungsrente" Besondere Aufmerksamkeit i m Hinblick auf das Ziel dieser Untersuchung verdient die sog. „Erziehungsrente", m i t der seit dem 1. J u l i 1977 neben die Versicherungsfälle der Berufsunfähigkeit, Erwerbsunfähigkeit und des Alters erstmals der Versicherungsfall „Kindererziehung" getreten ist 1 . Ihre Entstehung ist eine Folge der m i t der Abkehr des Scheidungsrechts vom Verschuldens- auf das Zerrüttungsprinzip verbundenen Verlagerung der sozialen Sicherung der Ehegatten von der abgeleiteten Hinterbliebenensicherung zur eigenständigen Sicherung aus eigenem Recht. Die Erziehungsrente w i r d dabei als „gesetzgeberische Absichts43 1

Vgl. die weiteren Nachweise bei Brackmann, § 1265 a RVO.

5 Bordiert

ebd., S. 707 p.

66

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

erklärung zur Neugestaltung der Hinterbliebenenversorgung" angesehen2. Angesichts dieses „zukunftsweisenden Gehalts" 3 ist somit eine vertiefte Befassung mit der Erziehungsrente notwendig. Anspruch auf Gewährung der Erziehungsrente haben nur unverheiratete frühere Ehegatten, deren Ehe nach dem 30. Juni 1977 geschieden, für nichtig erklärt oder aufgehoben 4 ist. Die Leistung w i r d nach dem Tode des früheren Ehegatten für die Zeit der Erziehung mindestens eines waisenrentenberechtigten Kindes gewährt, wenn der Berechtigte vor dem Tode des früheren Ehegatten eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt hat und keine Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit gegen ein Entgelt oder Arbeitseinkommen ausübt, das durchschnittlich i m Monat 3/10 der für Monatsbezüge geltenden Beitragsbemessungsgrenze 5 überschreitet und eine solche Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit wegen der Kindererziehung nicht erwartet werden kann 6 . Der Erziehung eines waisenrentenberechtigten Kindes steht die Sorge für ein waisenrentenberechtigtes K i n d m i t körperlichen oder geistigen Gebrechen gleich 7 . Die Höhe der Rente w i r d nach Berufsunfähigkeits (BU)- bzw. Erwerbsunfähigkeits (EU) -Grundsätzen 751 bemessen: Eine Rente nach BU-Grundsätzen erhält der/die Berechtigte für die Zeit der Erziehung mindestens eines waisenrentenberechtigten Kindes; EU-Grundsätze kommen zur Anwendung, wenn vom Berechtigten wegen der Erziehung von mindestens drei waisenrentenberechtigten Kindern oder zwei waisenrentenberechtigten Kindern unter 6 Jahren eine Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit gegen ein Entgelt oder Arbeitseinkommen, das durchschnittlich i m Monat 1/8 der für Monatsbezüge geltenden Beitragsbemessungsgrenze überschreitet, nicht erwartet werden kann 8 . Die nach BU-Grundsätzen berechnete Rente gilt als BU-, die nach EUGrundsätzen berechnete als EU-Rente 9 . Vor allem wegen dieser BU-/EU-Fiktion, aber auch wegen der Voraussetzung einer Mindestversicherungszeit sowie wegen der Verdienst2

Maier, Versorgungsausgleich, S. 192. Ders., ebd., S. 200. 4 Vgl. §§ 1564 ff. BGB, 16 ff. u n d 28 ff. EheG. 5 Siehe § 1385 RVO; i m Jahre 1979 lag die Beitragsbemessungsgrenze bei 48 000,—DM jährlich bzw. 4000,—DM monatlich; die Grenze möglichen H i n zuverdienstes lag also i m Jahre 1979 bei 1200,— DM. 6 § 1265 a Abs. 1 Satz 1 RVO. 7 § 1265 a Abs. 1 Satz 3 RVO. 7a Vgl. §§ 1246 f., 1253 RVO. 8 § 1265 a Abs. 1 Satz 2 RVO. 9 § 1265 a Abs. 1 Satz 4 RVO. 3

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

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beschränkung w i r d die Erziehungsrente allgemein dem System der Versichertenrenten zugeordnet, obwohl der Standort i m Gesetz sie als Hinterbliebenenrente und damit i m System der abgeleiteten Renten ausweist 10 . I. Zur Geschichte der Vorschrift

Die Bestimmung wurde i n das System der Rentenversicherung eingefügt durch das Erste Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14. Juni 1976 11 . I m Zuge der m i t dem Versorgungsausgleich durchgeführten Umstellung der sozialen Alterssicherung geschiedener Eheleute von der abgeleiteten Versorgung zur Sicherung aus eigenständigem Recht löste die Erziehungsrente die sog. Geschiedenen-Witwenrente ab 1 2 . Diese sah eine abgeleitete Versorgung vor, die m i t gewissen Einschränkungen der bereits dargestellten Witwen- und Witwerrentenregelung entsprach. Die Vorschrift der „Erziehungsrente" ist von ihrer Ausgestaltung her ohne eigentliche Vorläufer 1 3 und somit auch ohne eine eigentliche Normgeschichte. Ihre Entstehung und Eigenart verdankt sie nach A u f fassung von G er schermann 14 sowohl der langjährigen Familienrechtsreformdiskussion wie auch der Diskussion um die eigenständige soziale Sicherung der Hausfrau. Er führt diese zweigleisige Entstehungsgeschichte darauf zurück, daß die unzureichende und unbefriedigende soziale Sicherung geschiedener Frauen einerseits vor allem auf nicht versicherte Hausfrauentätigkeit während der Ehe zurückzuführen ist, andererseits die ungenügende Sicherung der Hausfrau immer dann und oft zu einem Problem wird, wenn die Ehe durch eine Scheidung aufgelöst wird. Die Wurzeln dieser familien- und sozialpolitischen Thematik reichen dabei weit zurück. So berichtet Dreher 15 ζ. B. davon, daß bei den Beratungen zur RVO von den „Verbündeten kaufmännischen Vereinen für weibliche Angestellte" Stimmen für eine echte (Ehe-) Frauen Versicherung erhoben wurden. 10 Vgl. Bergner, D R V 1977, S. 18; Hahn-Kemmler, BIStSozArbR 1977 S. 347; Maier, Versorgungsausgleich, S. 193; Mankewitz, Kompaß 1978, S. 203; Marburger, Z f S H 1980, S. 70 f.; Pappai/Voskuhl/Niemeyer, Versorgungsausgleich i n der Praxis, S. 99; Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich u n d steuerliche Folgen der Ehescheidung, S. 235 ff. (Rdnr. 644, 657 — „Systemwidrig"); Ver weyst, WzS 1977, S. 193 („Versichertenrente eigener A r t " ) . 11 BGBl. I, S. 1241 ff. 12 § 1265 RVO; zur Geschichte der Geschiedenen-Witwenrente vgl. Dreher, Entstehung der Arbeiterwitwenversicherung, S. 97—99. 13 Maier, Versorgungsausgleich, S. 192. 14 Die Alterssicherung der geschiedenen Frau, S. 79. 15 Arbeiterwitwenversicherung, S. 67 Fn. 223; siehe dort auch S. 94.

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Versucht man nun, Entwicklungsanstöße aus der jüngeren Zeit zu ermitteln, so sind aus der nahezu unübersehbaren L i t e r a t u r 1 6 wohl vor allem die Namen von Hansen-Blanke, Planken und Junker zu nennen. Der Beitrag Hansen-Blankes 17 ist die erste pointierte Stellungnahme m i t der Forderung nach einer eigenständigen Sozialversicherung für alle Frauen auf der Basis von Mutterschaft und Erwerbstätigkeit. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen war die Feststellung, daß durch die abgeleitete Sicherung der deutschen Sozialversicherung die kinderlosen Hausfrauen und die nicht-erwerbstätigen Mütter gleich behandelt werden. Das bedeute, daß die Allgemeinheit die gesamten Kosten der M i t versicherung bei Hausfrauentätigkeit trage, diese Tätigkeit aber allein der Lebensstellung des Ehepaares zugute komme. Diesen „Nur-Hausfrauen" seien entweder eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit oder eine vom Ehemann aufzubringende Pflichtversicherung zumutbar. Dagegen müßten die Mütter den erwerbstätigen Frauen gleichgestellt werden, da sie mit ihren Dienstleistungen an ihren Kindern die Grundlage für das Heranwachsen der kommenden Generation schaffen. Dazu sollten die Beiträge für die Mütter als „abgegolten" gelten, solange die Frauen ein oder mehrere Kinder unter 15 Jahren betreuten. Nach der Erziehung von mindestens 3 Kindern sollte eine Barbeitragspflicht nicht wieder eintreten. Ohne daß dies bei ihr ausdrücklich betont wird, hat Hansen-Blanke damit das bis heute vielfach 1 8 als unerträglich empfundene Problem angesprochen, daß Mütter durch die Erziehung ihrer Kinder ihre Altersversorgung gefährden, während kinderlose Doppelverdiener i m Alter auch doppelt Renten erhalten, die dann jedoch von den Kindern jener Frauen aufgebracht werden, die unter Umständen bei ihrer Altersversorgung selbst leer ausgehen. Als eine die wesentlichen Prinzipien des heutigen Versorgungsausgleichs vorwegnehmende Stellungnahme ist ein Jahr später die Untersuchung Plankens 19 zu werten. Er schlug eine „Zugewinnrente" vor, bei der beide Ehepartner grundsätzlich an den jeweiligen vom anderen erworbenen Rentenanwartschaften teilnehmen, indem jedem die Hälfte gutgeschrieben wird. I m Scheidungsfall sollte dabei jeder Ehegatte den i h m gutgeschriebenen A n t e i l des Anspruchs, i m Todesfall der Über16

Vgl. ζ. B. n u r die A u s w a h l bei Zacher, D R V 1977, S. 198 Fn. 4. Erwerbstätigkeit u n d Mutterschaftsleistung als Grundlage für eine selbständige Sozialversicherung für jede Frau, i n : Die ökonomischen Grundlagen der Familie, S. 292 ff. 18 Vgl. z. B. Schmidt-Kaler, Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte, Beil. zur Wochenzeitung „Das Parlament", Β 27/9 (7. J u l i 1979), S. ' l l : „Schreiende Ungerechtigkeit"; v.Nell-Breuning, Wirtschaftswoche Nr. 23/1978. 19 Die soziale Sicherung der nicht-erwerbstätigen Frau, B e r l i n 1961. 17

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

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lebende von der zusammengefaßten Rente 60 °/o erhalten. Obwohl er bei der Witwe m i t Kindern deren Bedarfssituation ausdrücklich betont, findet i n seinem Vorschlag die vergleichbare Situation der geschiedenen Witwe m i t Kindern jedoch keine Berücksichtigung 20 . Nachdem inzwischen i n der ersten Witwerrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts i m Jahre 1963 21 und der „Frauenenquête" 2 2 wie auch der „Sozialenquête" 23 die Rezeption des Problemkreises auf höchster legislativer und judikativer Ebene deutlich geworden war, erschien i m Jahre 1967 die Arbeit von Junker 24, die den Mittelpunkt der Reform der sozialen Sicherung der einkommenslosen Angehörigen in der Witwe mit Kindern sah. Er schlug vor, die Rentenversicherung um eine zusätzliche selbständige Pflichtversicherung für den Fall der Witwenschaft zu ergänzen. Damit sollte eine Garantie dafür erreicht werden, daß die Witwe m i t Kindern nicht zu arbeiten braucht; die Rechtfertigung dieser Garantie ergibt sich seiner Meinung nach aus dem gesellschaftlichen Interesse an der positiven Entwicklung von Kindern 2 5 . Die gegensätzliche Position brachte ein Jahr später auf dem 47. Deutschen Juristentag Langkeit m i t einem Gutachten zur Frage „Empfiehlt es sich, die gesetzlichen Vorschriften über die soziale Sicherung der nicht berufstätigen Frau während und nach der Ehe, insbesondere i m Falle der Scheidung zu ändern?" zum Ausdruck, der weiterhin an einer abgeleiteten Sicherung festhalten wollte 2 6 . Während schließlich wesentliche Stationen des legislativen Prozesses durch die drei Teilberichte der Kommission zur Vorbereitung der Reform des Ehe- und Scheidungsrechts, den Diskussionsentwurf des Bundesjustizministers, die Referentenentwürfe sowie die Gesetzentwürfe der Bundesregierung markiert werden 2 7 , begleiten zahllose Stellungnahmen i n der L i t e r a t u r 2 8 diese Entwicklung, i n deren Endphase 20

Vgl. Planken, S. 90—93. BVerfGE 17, S. 1 ff. 22 Bericht der Bundesregierung über die Situation der Frauen i n Beruf, Familie u n d Gesellschaft v o m 14. September 1966 (BT-Drucks. V/909). 23 Soziale Sicherung, Bericht der Sozialenquête-Kommission, 1966 (BTDrucks. V/961). 24 Die Lage der M ü t t e r i n der BRD, Teil 2, S. 103 ff. 25 Kritisch dazu Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 399. 26 Langkeit, 47. DJT, Bd. 1, T e i l F , Gutachten, F 88 ff.; siehe auch die Z u sammenfassung der Empfehlungen, ebd. F 117 f.; vgl. auch das Referat von Zacher zum gleichen Thema, 47. DJT, Bd. 2, Ο 7 ff., der die Sicherung der Halbfamilie nach Scheidung nicht als Aufgabe der Rentenversicherung ansah, Ο 28 f. 27 Vgl. dazu Gerschermann, Die Alterssicherung der geschiedenen Frau, S. 79 ff. m. w. N. 28 Vgl. als A u s w a h l nur Fink/Kollenberg, ZSR 1975, S. 603 ff.; Gitter, FamRZ 1974, S. 233 ff.; Maier/Löschau, DAngVers 1973, S. 409 ff.; v. May dell, 21

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

vom Bundesverfassungsgericht m i t der zweiten Witwerrentenentscheid u n g 2 9 bereits die endgültige Weichenstellung i n Richtung Rentenreform vorgenommen wurde. Da das Bundesverfassungsgericht i n seinen Entscheidungsgründen auf „Pläne für eine eigenständige soziale Alterssicherung der Frau" ebenso wie auch auf die „absehbaren Veränderungen i m Familienrecht" Bezug genommen hat, k o m m t der „Erziehungsrente" m i t ihrem „zukunftsweisenden Gehalt" als „gesetzgeberische Absichtserklärung für die Neugestaltung der Hinterbliebenenversorgung" 3 0 besondere Bedeutung zu; denn da ihre Ausgestaltung zur Zeit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bereits präzise erkennbar war, ist die A n nahme nicht auszuschließen, daß dem Gericht bei seinen Vorschlägen die Erziehungsrente als Modellfall vor Augen stand 3 1 .

I I . Sozialpolitische Aspekte

Die Regelung der durch die Erziehungsrente verdrängten sog. Geschiedenen-Witwenrente entsprach hinsichtlich der Kindererziehung i m wesentlichen der Witwenrente. Diese Identität ist Ausdruck davon, daß auch die soziale Situation der nicht-geschiedenen wie der geschiedenen Hinterbliebenen m i t K i n d e r n i m wesentlichen identisch ist. Wenn der Gesetzgeber n u n für den geschiedenen Ehegatten m i t K i n d e r n eine Neuregelung einführt, so bedeutet das keineswegs ein Abrücken von dem sozialpolitischen Gehalt jener Regelungen. Vielmehr ist der U m stand, daß die Geschiedenen-Witwenrente nicht ersatzlos entfiel, gerade als eine Anerkennung dieser sozialen Schutzbedürftigkeit als — entgegen Zacher 32 — eines Risikos der Rentenversicherung zu werten. Die Veränderung ist also i n erster L i n i e Folge des Zwanges, dem der Gesetzgeber m i t der grundsätzlichen Entscheidung gegen ein System abgeleiteter Sicherungsansprüche bei den Scheidungsfolgen unterlag 3 3 . Grundsätzlich ist demnach auf die Behandlung der sozialpolitischen Aspekte bei der Witwenrente zu verweisen, insbesondere auf das Ziel der wirtschaftlichen Sicherung der wegen Kindererziehung nicht erwerbstätigen Mütter. VSSR 1975, S. 206 ff.; Meyer-Harter, Die Stellung der Frau in der Sozialversicherung, 1974; Krasney, VSSR 1974, S. 150 ff.; Pappai , RV 1973, S. 161 ff.; Ruland, FamRZ 1975, S. 144 ff.; Neises, ZfSH 1975, S. 308 ff.; Eichner, ZfSH 1975, S. 329 ff. 29 U r t e i l v. 12. März 1975, BVerfGE 39, S. 169 ff. 30 Maier, Versorgungsausgleich, S. 192. 31 Vgl. BR-Drucks. 260/73 v. 13.4.1973; BT-Drucks. 7/650 v. 1.6.1973 (mit Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung). 32 47. DJT, Bd. 2, Ο 7 ff. (O 28 f.). 33 Vgl. BT-Drucks. 7/650 S. 225.

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Darüber hinaus enthält die Regelung der Erziehungsrente jedoch auch neue sozialpolitische Aspekte. So besteht gegenüber der gegenwärtig noch geltenden abgeleiteten Sicherung ein wesentlicher Unterschied der Erziehungsrente darin, daß sie weiblichen und männlichen Versicherten unter völlig gleichen Voraussetzungen zusteht. Das bedeutet den Abschied von der Typisierung der Erzieherrolle als Mutterrolle. Zudem setzt die Einführung der rentenschädlichen Verdienstgrenzen einen unmißverständlichen Akzent gegen die Erwerbstätigkeit erziehender Elternteile, da regelmäßig der berechtigte Elternteil dadurch zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit gezwungen werden dürfte. Ob über den familienpolitischen Akzent hinaus deshalb jedoch auf latente arbeitsmarktpolitische Überlegungen geschlossen werden kann, erscheint angesichts der geringen Zahl der i n Frage kommenden Personen jedoch sehr zweifelhaft. Bereits die Geschiedenen-Witwenrente nämlich hatte i n der sozialen Wirklichkeit eine nur relativ geringe Bedeutung; so bezogen i m Jahre 1974 lediglich 4 °/o aller geschiedenen Frauen eine solche Rente, deren Durchschnittshöhe bei der — ζ. B. wegen Kindererziehung erhöhten — „großen" Geschiedenen-Witwenrente monatlich 308,— D M betrug 3 4 . Die Erziehungsrente dagegen ist i n der Rentenstatistik noch seltener. Soweit bisher ersichtlich, gibt es i n der Arbeiterrentenversicherung lediglich eine einzige Erziehungsrente 3 5 . I n der Statistik der Angestelltenversicherung w i r d eine Erziehungsrente erstmals i m September 1979 ausgewiesen, und zwar als „kleine Erziehungsrente"; ihre Höhe ist mit 534,— D M angegeben 36 . Bis Dezember 1980 sind lediglich zwölf weitere „kleine Erziehungsrenten" hinzugekommen, deren Summe, d. h. alle 13 zusammen, monatlich 4.486,70 D M beträgt 3 7 . Stellt man diesen Rentenleistungen die der durchschnittlichen „großen" Witwenrente, die von der Erziehungsrente abgelöst wurde 3 8 , gegenüber, so fällt dieser Vergleich angesichts deren Höhe von rd. 800,— D M 3 9 zugunsten der abgelösten Regelung aus. Allerdings ist dieser Vergleich insofern problematisch, als bei der Durchschnittsermittlung der „großen" Witwenrentenleistungen insbesondere auch die älteren Witwen über 45 Jahre erfaßt sind; d. h. bei diesen ist aufgrund der entsprechend längeren Versicherungsdauer ihrer Ehepartner 34

Vgl. BGH, N J W 1979, S. 1290 m. w. N. Vgl. Die Rentenversicherungen der Arbeiter und Angestellten i n der Bundesrepublik Deutschland i m Jahre 1977, Statistischer u n d finanzieller Bericht des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, Tab. 3; zur Höhe der Rente sind hier keine Angaben gemacht. 38 Vgl. DAngVers 1979, S. 402. 37 Vgl. DAngVers 1981, S. 55. 38 Vgl. §§ 1265, 1268 RVO. 39 Siehe oben, I I . Teil, 2. Kap. Α. II., Text zu Fn. 25. 35

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

von entsprechend höheren Rentenansprüchen auszugehen als bei jüngeren, kindererziehenden Witwen. Angesichts der geringen Höhe der Rentenleistungen, vor allem aber wegen der Anspruchsbegrenzung nur auf geschiedene Mütter bzw. Väter und dazu unter besonders engen Voraussetzungen, erübrigt sich — ebenso wie bei der Witwenrente — deshalb hier auch eine Diskussion darüber, ob die Erziehungsrente möglicherweise als monetäres Äquivalent für die gesellschaftlich notwendige Arbeit der Kindererziehung anzusehen ist. Berücksichtigt man schließlich, daß jede erziehende (geschiedene) Witwe bei der Erziehung auch nur eines Kindes Anspruch auf die „große" Rente bei gleichzeitig unbeschränkter Hinzuverdienstmöglichkeit hat (bzw. gehabt hat), so w i r d deutlich, daß die Erziehungsrente die soziale Situation geschiedener Witwen m i t Kindern nicht verbessert hat 4 0 . Die folgende Untersuchung läßt vielmehr i m Gegenteil klar erkennen, daß mit der Erziehungsrente eine Regelung geschaffen wurde, deren Konstruktion ihre soziale Funktionsfähigkeit schwerwiegend beeinträchtigt. I I I . Die konstruktionsbedingte Problematik der Vorschrift

Der Normtatbestand der Erziehungsrente w i r f t zahlreiche Fragen auf. Angesichts der Fülle der Probleme w i r d die folgende Erörterung sich jedoch auf die für das Ziel dieser Untersuchung wesentlichen Aspekte beschränken; das sind die Fragen nach der Mindestversicherungszeit, der Beschränkung des Hinzuverdienstes und der damit verbundenen Problematik der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit, schließlich die Frage nach der Anrechenbarkeit von Zurechnungszeiten sowie das Problem des Kinderbegriffs. 1. Das Problem der „Mindestversicherungszeit" Der Anspruch auf Erziehungsrente setzt voraus, daß der Berechtigte vor dem Tode des früheren Ehegatten eine Versicherungszeit von 60 Monaten zurückgelegt hat. Hier w i r f t Bergner 41 die Frage auf, ob diese Regelung nicht w i l l k ü r lich i m Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu A r t . 3 GG sei, da die Mindestversicherungszeit „vor" dem Tod des früheren Ehegatten zurückgelegt sein muß, der Tod aber nicht das Ereignis ist, welches den Versicherungsfall auslöst. A u f den rechtferti40 41

Wie ζ. B. Hahn-Kemmler, D R V 1977, S. 19.

BIStSozArbR 1977, S. 347, meint.

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

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genden Grund dieser Regelung weist jedoch Maier 42 hin. Anders als bei den übrigen Versichertenrenten ist der E i n t r i t t des Versicherungsfalles i n seinem wesentlichen Element — der Kindererziehung — der Gestaltung durch den überlebenden Ehegatten zugänglich. Es ist somit Ausdruck des Versicherungsprinzips, daß die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erst ganz oder teilweise zu einer Zeit erfüllt werden, zu der der E i n t r i t t des Versicherungsfalles nur noch vom überlebenden früheren Ehegatten abhängt. I m übrigen besteht Einvernehmen über den Katalog der für diese Mindestversicherungszeit anrechenbaren Zeiten. Es sind dies — die Zeiten einer eigenen Pflichtversicherung aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit, — die Zeiten der eigenen freiwilligen Beitragsentrichtung, — die eigenen Ersatzzeiten (§ 1251 RVO), soweit sie — abgestellt auf den Zeitpunkt des Todes des früheren Ehegatten — anrechenbar sind (z.B. § 1251 Abs. 2 RVO), — die nach einem Versorgungsausgleich gemäß § 1304 a RVO zu berücksichtigenden Zeiten 4 3 . 2. Das Problem der Unzumutbarkeit einer mehr als geringfügigen Tätigkeit Eine Erziehungsrente w i r d nur gewährt, wenn der überlebende frühere Ehegatte keine berufliche Tätigkeit mit monatlichem Einkommen von durchschnittlich mehr als 3/10 bzw. bei der als EU-Rente berechneten Erziehungsrente 1/8 der für Monatsbezüge geltenden Beitragsbemessungsgrenze 44 , ausübt und eine solche wegen der Kindererziehung auch nicht erwartet werden kann. a) Verdienstgrenze M i t der ersten dieser beiden kumulativen weiteren Voraussetzungen des Versicherungsfalles hat der Gesetzgeber neben der geringfügigen 42

Versorgungsausgleich, S. 214 f. Vgl. Maier, Versorgungsausgleich, S. 214 ff.; Pappai/Voskuhl/Niemeyer, Versorgungsausgleich i n der Praxis, S. 100; Ludwig, RV 1977, S. 23 f.; Kubier, VSSR 1978, S. 58 f.; w e n n Maier gesondert sowohl auf die gemäß § 1587 b B G B übertragenen und/oder begründeten Anwartschaften wie auf die gemäß § 1587 b Abs. 3 B G B von dem Verstorbenen für den Berechtigten zu entrichtenden Beiträge hinweist, die übrigen Autoren jedoch lediglich auf gemäß § 1304 a RVO zu berücksichtigende Zeiten, so liegt darin kein W i d e r spruch. Denn § 1304 a RVO gilt f ü r beide Fälle, da § 1304 b Abs. 1 S. 1 RVO insoweit auf § 1304 a RVO verweist; vgl. Verbandskommentar, § 1304 a A n m . 2 a. 44 § 1385 Abs. 2 RVO. Die Beitragsbemessungsgrenze beträgt ζ. B. f ü r das Jahr 1979 bei Monatsbezügen 4000,— DM, i m Jahre 1980 4200,— D M . 43

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Beschäftigung, § 8 SGB IV, der gelegentlichen, § 1248 Abs. 4 a RVO, und der regelmäßigen, aber auf 1.000,— D M begrenzten Beschäftigung, § 1248 Abs. 4 RVO, nunmehr eine weitere Erwerbsgrenze eingeführt. Angesichts der familienpolitischen Komponente der Erziehungsrente verwundert dabei, daß nicht statt dieser Entgeltgrenzen Zeitgrenzen für die Beschäftigung gewählt wurden 4 5 , um die persönliche Betreuung der Kinder damit sicherzustellen. Denn für sehr gering entlohnte Tätigkeiten kann unter Umständen ein erheblicher zeitlicher Aufwand für Einkommen bis zu dieser Entgeltgrenze eingesetzt werden. Andererseits dürfte für besonders gut entlohnte Tätigkeiten diese Anspruchsvoraussetzung einen Zwang zur völligen Berufsaufgabe zur Folge haben, sofern die Erziehungsrente gewünscht w i r d 4 6 . Gegen diese Erwerbsgrenzen sind darüber hinaus noch weitere Bedenken anzumelden. Denn es fällt auf, daß diese Regelung i m Widerspruch zur Fiktion der Erziehungsrente als BU- bzw. EU-Rente steht; bei diesen Renten nämlich ist die Beschränkung eines Hinzuverdienstes gesetzlich nicht geregelt. Zwar ist Berufsunfähigkeit nach Ansicht des Bundessozialgerichts zu verneinen, wenn ein berufsunfähiger Versicherter eine Ganztagsbeschäftigung ausübt, bei der er zumindest die gesetzliche Lohnhälfte verdient 4 7 , und für den Fall der Erwerbsunfähigkeit hat der Große Senat des Bundessozialgerichts auch entschieden, daß die Voraussetzungen für diese Rente nicht vorliegen, wenn aus einer Beschäftigung Einkünfte erzielt werden, die 1/8 der Beitragsbemessungsgrenze überschreiten 48 . Ob durch diese Entscheidungen jedoch grundsätzliche Aussagen über den zulässigen Hinzuverdienst getroffen werden, oder ob sie nicht nur für die Rentenbewilligung bzw. für die Frage, wann ein Rentenbewerber als berufsunfähig bzw. erwerbsunfähig anzusehen ist, gelten, ist umstritten 4 9 . 45 Dazu vgl. Merten, i n : Krause/v. Maydell/Merten/Meydam, SGB I V , § 8 Anm. 10, 29 ff. 46 Als Alternative zu dieser offensichtlich unbefriedigenden Ausgestaltung wäre ζ. B. eine Regelung i n Anlehnung an § 115 A F G denkbar; dort w i r d Einkommen, das der Arbeitslose während des Bezuges von Arbeitslosengeld erzielt, zur Hälfte auf dieses angerechnet. Eine andere Regelung sieht allerdings das neue Mutterschaftsurlaubsrecht vor: A l s rechtliche Konsequenz einer gegen das Verbot des § 8 b MuSchG n. F. verstoßenden Erwerbstätigkeit w i r d i n der Begründung zum Regierungsentwurf primär die volle Anrechnung des daraus erzielten Verdienstes genannt, vgl. Buchner, N J W 1979, S. 1797. 47 U r t e i l v. 14. September 1978 m i t A n m . von Hnida, DAngVers 1978, S. 574 ff.; vgl. hierzu auch Maier, DAngVers 1979, S. 149 f. 48 Entscheidungen des Großen Senats v. 10. Dezember 1976, BSGE 43, S. 75 ff. (85). 49 Vgl. die Kontroverse zwischen Bierei, DAngVers 1979, S. 345, u n d Maier, DAngVers 1979, S. 346.

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

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Diese Frage kann hier i m einzelnen jedoch dahingestellt bleiben; denn i m Zusammenhang zur Erziehungsrente kommt es zur Beurteilung dieses Problems entscheidend nur auf die sozialpolitische Zielsetzung des Gesetzgebers bei der Schaffung der BU- bzw. EU-Rente an, nämlich darauf, daß diese Renten Lohnausgleichs- bzw. Lohnersatzfunktion haben. Dies hat zur Folge, daß die Qualifizierung für diese Renten von dem effektiv noch erzielbaren Lohn abhängt 5 0 . Dabei ist nach der konkreten Betrachtungsweise des Bundessozialgerichts auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt zu berücksichtigen: „Für die Beurteilung, ob ein Versicherter, der aufgrund seines Gesundheitszustandes nur noch Teilzeitarbeit verrichten kann, berufsunfähig i m Sinne des § 1246 Abs. 2 RVO oder erwerbsunfähig i m Sinne des § 1247 Abs. 2 RVO ist, ist es erheblich, daß für die i n Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten Arbeitsplätze vorhanden sind, die der Versicherte m i t seinen Kräften und Fähigkeiten noch ausfüllen k a n n " 5 1 . Damit soll sichergestellt werden, daß der von Berufsunfähigkeit bzw. Erwerbsunfähigkeit Betroffene ausreichend versorgt wird; umgekehrt heißt dies, daß eine Berufsunfähigkeitsrente allein zur Existenzsicherung nicht als ausreichend angesehen wird. Das bedeutet, daß also zumindest bei der „kleinen" Erziehungsrente auch der Gesetzgeber davon ausgegangen sein muß, daß der Erziehungsrentenempfänger zur Erwerbstätigkeit gezwungen sein wird. U m so unverständlicher mutet die Verdienstbeschränkung an. Sie ist i n der Regel wohl gleichzusetzen m i t dem Zwang, nur eine Teilzeiterwerbstätigkeit auszuüben. Teilzeitarbeitsplätze sind indessen — wie einleitend dargestellt w u r d e 5 2 — ohnehin rar, für alleinstehende Elternteile angesichts der Arbeitsmarktlage aber wohl besonders schwer zu bekommen. Darüber hinaus ist i m Gegensatz zu den BU-/EU-Renten von dieser Leistung bei der Erziehungsrente i m m e r mindestens ein K i n d m i t zuversorgen. Die zusätzlichen Kindeskosten werden jedoch durch den Kinderzuschuß bzw. die Waisenrente 53 nur teilweise abgedeckt. Deshalb ist eine Verdienstbeschränkung, deren Grenze sogar durchschnittlich noch niedriger als bei den BU-Renten liegt, sozialpolitisch besonders fragwürdig. Wahrscheinlich dürfte diese Regelung dazu führen, daß jeder Anreiz zur Inanspruchnahme der Erziehungsrente, insbesondere dabei der „großen" Erziehungsrente mit der nur geringfügigen Hinzuverdienstmöglichkeit, genommen wird; insofern fällt nämlich auf, daß die Verdienstgrenze von 1/8 der Beitragsbemessungsgrenze zu einer 50 51 52 53

Dazu ausführlich Kunze, SozVers 1979, S. 33 ff. (m. w. N.). BSGE 43, S. 75 (1. Leitsatz). Siehe oben, I. Teil, A . Vgl. § 1262 Abs. 1 Ziff. 2 RVO.

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Benachteiligung führt, die durch die erhöhte Rentenleistung bei weitem nicht ausgeglichen w i r d 5 4 . b) Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit I n diesem Zusammenhang erscheint ferner die Frage problematisch, wann denn eine über die Verdienstgrenze hinausgehende Erwerbstätigkeit des kindererziehenden Hinterbliebenen erwartet werden kann. I m Schrifttum w i r d dazu auf den unmittelbaren und i m Wortlaut der Norm deutlich ablesbaren Bezug zum nachehelichen Unterhaltsrecht verwiesen und gesagt, dies gebiete eine Übertragung der i m Unterhaltsrecht zum Begriff der Zumutbarkeit entwickelten Grundsätze auf die Erziehungsrente, soweit dies mit dem Wortlaut und dem Normzweck der Vorschrift zu vereinbaren i s t 5 5 ; zum Teil w i r d eine Orientierung anhand der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts i m Zusammenhang mit der i n § 1265 Satz 1 RVO geforderten Unterhaltspflicht nach den Vorschriften des Eherechts vorgeschlagen und gesagt, es sei jeweils i m Einzelfall zu entscheiden, ob hiernach eine die Verdienstgrenze des § 1265 a Satz 1 RVO überschreitende Beschäftidung oder Erwerbstätigkeit wegen Kindererziehung nicht erwartet werden könne 5 6 . M i t der Zielsetzung der Erziehungsrente ist dabei nach Maier 57 nicht zu vereinbaren, daß nur dann die Zumutbarkeit der beruflichen Tätigkeit geprüft wird, wenn eine solche nicht oder unterhalb des Grenzwertes ausgeübt wird. Dem Begriff der Zumutbarkeit kommt seiner Meinung nach vielmehr eine Doppelfunktion i m Sinne eines Regulativs zu. Dies bedeutet, daß — wenn eine berufliche Tätigkeit m i t Einkünften über der Verdienstgrenze ausgeübt w i r d — zu prüfen ist, ob diese Tätigkeit möglicherweise wegen der Kindererziehung unzumutbar ist. Dies stellt zwar nach Kübler 58 eine zu weitgehende Loslösung vom Wortlaut einer sozialversicherungsrechtlichen Vorschrift zugunsten 54 N i m m t man ζ. B. die erste i n der Statistik der Angestelltenversicherung m i t DM534,— ausgewiesene „kleine" Erziehungsrente als Ausgangspunkt u n d rechnet diese auf das Niveau der entsprechenden EU-Rente hoch — d. h. statt 1 als Steigerungssatz 1,5 —, so w ü r d e diese D M 801,— betragen. Die Hinzuverdienstmöglichkeit wäre dann auf D M 500,— (1979) beschränkt, d. h. der Berechtigte könnte insgesamt monatlich n u r 1301,— D M erzielen; m i t einem möglichen Gesamtvolumen (Erziehungsrente + Hinzuverdienst) von 1734,— D M ist die nach BU-Grundsätzen berechnete Erziehungsrente somit k l a r vorteilhafter. A u f diesen Konstruktionsfehler ist es wahrscheinlich auch zurückzuführen, daß bisher ausschließlich „kleine Erziehungsrenten" i n der Rentenstatistik erscheinen, siehe Fn. 37 vorstehend. 55 Vgl. Maier, Versorgungsausgleich, S. 204 ff. 56 So Bergner, D R V 1977, S. 20 (m. w . N.). 57 Versorgungsausgleich, S. 210. 58 VSSR 1978, S. 62.

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

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eines unterhaltsrechtlichen Grundsatzes dar, ansonsten aber läßt sich „ m i t allen Vorbehalten" 5 9 weitgehende Übereinstimmung i n der Literatur feststellen. Danach kann die Ausübung einer Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden bei Erziehung eines oder mehrerer Kinder bis zu 12 Jahren. Neben der Erziehung mindestens eines 13- bis 15jährigen Kindes w i r d eine Halbtagsbeschäftigung für zumutbar gehalten. Nach der Vollendung des 16. Lebensjahres schließlich w i r d eine Beeinträchtigung der Erziehungsaufgaben durch eine Vollzeiterwerbstätigkeit verneint 6 0 . Diese i m Ergebnis übereinstimmende Auslegung der unbestimmten Tatbestandsvoraussetzung erscheint angesichts anderer normativer Regelungen vergleichbarer Lebenssachverhalte problematisch. Wenn dabei auch die bereits behandelte Erhöhung der Witwenrente i m Hinblick auf die Reform außer acht gelassen werden darf, so ist jedoch darauf hinzuweisen, daß die Frage nach der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit trotz Kindererziehung ebenfalls i m Sozialhilferecht gestellt und dort anders beantwortet wird. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe gegenüber eigenen Hilfemöglichkeiten des Hilfesuchenden, § 2 BSHG, ist nämlich i n § 18 Abs. 3 Satz 2 BSGH insofern durchbrochen, als der Hilfesuchende dann nicht auf den Einsatz seiner Arbeitskraft verwiesen werden darf, wenn dies wegen der Gefährdung der geordneten Erziehung eines Kindes unzumutbar ist. Für die Frage der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit sind dabei andere Kriterien üblich als die soeben erörterten. So soll nach Schellhorn/Jirasek/Seipp 61 nur die Erziehung von drei oder mehr schulpflichtigen Kindern bzw. die Erziehung eines Säuglings oder Kleinkindes bis zu drei Jahren zur Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit führen. Ausführungsvorschriften zum BSHG sehen dagegen von der Forderung nach dem Einsatz der Arbeitskraft von Elternteilen ab, wenn diese nicht-schulpflichtige Kinder zu betreuen haben 6 2 . Diese divergierende Auslegung der unbestimmten Tatbestandsvoraussetzung soll jedoch hier nicht weiter problematisiert werden, da dies i n erster Linie eine verfassungsrechtliche Frage ist und deshalb gesondert behandelt w i r d 6 3 . 59

Bergner, DRV 1977, S. 20. Maier, Versorgungsausgleich, S. 210; Bergner, DRV 1977, S. 20, i h m wörtlich folgend Kühler, VSSR 1978, S. 62. 61 Bundessozialhilfegesetz, § 18 Rdnr. 15 ff. (17). 62 Vgl. ζ. B. Ziff. 97 b der Berliner Ausführungsvorschriften zur Hilfe zum Lebensunterhalt v o m 27. September 1978, A B l . S. 1852 ff. 63 Siehe unten, I I . Teil, 2. Kap. I V . 5.; das K r i t e r i u m „Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit" ist i m übrigen i m Rahmen der A r b e i t der Sachverständigenkommission Gegenstand einer Kontroverse gewesen, vgl. G u t achten, S. 64 f. (Rdnr. 180); vgl. ferner die reformorientierte Analyse der U n 60

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

3. Das Problem der Zurechnungszeit bei der Berechnung der Erziehungsrente Die vorhin angeschnittene gesetzestechnische Verknüpfung der Erziehungsrente m i t den Regelungen der BU-/EU-Renten führt noch zu einer weiteren Komplikation, die ebenfalls die soziale Funktionsfähigkeit der „Erziehungsrente" i n Frage stellt. Es handelt sich dabei um das Problem der Anrechnung der Zurechnungszeit, die einen wesentlichen Faktor für die Berechnung der Erziehungsrente darstellt, da sie einen fiktiven zeitlichen Ausgleich für die bei vorzeitiger Arbeitsunfähigkeit für die Rentenberechnung fehlenden Versicherungsjähre schafft 64 . Als Zurechnungszeit gilt die Jahresdifferenz zwischen der Vollendung des 55. Lebensjahres und dem Eintritt des Versicherungsfalles; diese Zeit w i r d bei der Ermittlung der anrechenbaren Versicherungsjahre berücksichtigt. Voraussetzung zur Anrechnung dieser Zeit ist, daß entweder von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt des Versicherungsfalles mindestens 36 Kalendermonate m i t Beiträgen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind oder die Zeit vom Kalendermonat des Eintritts i n die Versicherung bis zum Kalendermonat, i n dem der Versicherungsfall eingetreten ist, mindestens zur Hälfte m i t Beiträgen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt ist. Die Bezugnahme auf Pflichtbeiträge macht dabei deutlich, daß zur Anrechnung dieser Zeit nur die vom Berechtigten selbst begründeten Pflichtbeiträge zählen. Das bedeutet, daß die infolge der Scheidung möglicherweise nach § 1587 b Abs. 1 BGB zugesplitteten Anwartschaften insoweit keine Wirksamkeit entfalten 6 5 . Festzuhalten ist somit, daß Voraussetzung für die Anrechnung der Zurechnungszeit die überwiegende Erwerbstätigkeit vor dem E i n t r i t t des Versicherungsfalles ist. Andererseits ist Voraussetzung der Erziehungsrente, daß der Berechtigte zwar eine Versicherungszeit von 60 Monaten aufweisen muß, ansonsten aber von i h m eine (rentenversicherungspflichtige) Beschäftigung nicht erwartet werden kann. Das setzt jedoch regelmäßig Erwerbsabstinenz vor dem E i n t r i t t des Versicherungsfalles voraus, da ansonsten die Vermutung der Zumutbarkeit besteht 66 . Stellt man nun diese Voraussetzungen für die Anrechnung der Zurechnungszeit einerseits und für die Gewährung der Erziehungsrente zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit als Leistungsanlaß der Rentenversicherung bei Bley, DAngVers 1980, S. 146 ff. 64 Vgl. § 1260 RVO. 65 Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich, S. 147 (Rdnr. 383). ββ Vgl. Maier, Versorgungsausgleich, S. 210.

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

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andererseits einander gegenüber, so w i r d folgendes deutlich: Entweder der Berechtigte ist erwerbstätig und erfüllt damit die Voraussetzungen für die Zurechnungszeit, dann gefährdet er wegen des „ZumutbarkeitsFilters" den Erziehungsrentenanspruch. Oder — umgekehrt — er ist nicht erwerbstätig und erfüllt damit die Voraussetzungen der Erziehungsrente, nicht aber die der Zurechnungszeit. Letzterer Fall dürfte dabei unter Berücksichtigung des — noch — typischen Erwerbsverhaltens deutscher Frauen nach Heirat und Geburt 6 7 der häufigere sein. K o m m t es jedoch bei der Berechnung der Erziehungsrente nicht zur Anrechnung von Zurechnungszeiten, ergeben sich wegen der meist geringen Anzahl von Versicherungsjähren nur Minimalrenten. A u f grund dieser i m Regelfall somit zu erwartenden niedrigen Rentenhöhe werden die Berechtigten wiederum auf eine die Geringfügigkeitsgrenzen überschreitende Erwerbstätigkeit angewiesen sein. A n dieser Scherenwirkung der nicht aufeinander abgestimmten Leistungs- und Berechnungsvoraussetzungen dürften i m Endeffekt viele der Fälle scheitern, die das Nadelöhr der kumulierten Anspruchsvoraussetzungen selbst noch passieren konnten. Diese Kollision der Voraussetzungen der Erziehungsrente einerseits und der Zurechnungszeit andererseits stellt sich somit als eine gravierende und den Normzweck erheblich beeinträchtigende gesetzestechnische Unzulänglichkeit dar. 4. Die Problematik

des Kinderbegriffs

Die Gewährung der Erziehungsrente knüpft an die Erziehung (mindestens) eines „waisenrentenberechtigten Kindes" an. Über die Auslegung des Begriffs „waisenrentenberechtigtes K i n d " herrscht Streit. Soweit ersichtlich, stimmen dabei alle bisher vertretenen Auffassungen insoweit überein, als auf das Erfordernis einer konkreten Waisenrentenberechtigung verzichtet w i r d 6 8 . Der Streit beim Begriff der Waisenrentenberechtigung kreist jedoch um die Frage, i n bezug auf wen die Waisenrentenberechtigung gegeben sein muß, d.h. ob es sich um eine (abstrakte) Waisenrentenberechtigung 67

Siehe oben, I. Teil, Α., Text zu Fn. 14. Die von Kübler, VSSR 1978, S. 59 f., offensichtlich i n Anlehnung an Maier, Versorgungsausgleich, S. 198 ff., gegebene Darstellung der Streitfrage als Neuauflage der bekannten Auslegungsproblematik dieses Begriffes i n den §§ 1268 Abs. 2 Nr. 2 u n d 1265 Satz 2 Nr. 3 RVO einerseits — dort w i r d ein konkreter Waisenrentenbezug verlangt, vgl. Maier, Versorgungsausgleich, S. 198 — u n d dem § 1265 Satz 2 Nr. 2 RVO andererseits — dort w i r d an den Status des Kindes als „ a n sich" waisenrentenberechtigt angeknüpft, vgl. Maier, Versorgungsausgleich, S. 198 f. — t r i f f t den Streitstand insofern nicht. I m übrigen mißversteht Kübler, ebd., Text zu Fn. 40, die Ansicht Ludwigs, R V 1977, S. 22, völlig. 68

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

nach dem Verstorbenen oder dem Erziehungsrentenberechtigten handeln muß. 70 Bergner 69 und Pappai/Voskuhl/Niemeyer vertreten dabei die A n sicht, auf das Verhältnis zum Verstorbenen komme es nicht an. Diese A u toren wollen alle Kinder i m Sinne der §§ 1267, 1262 RVO als i m Sinne dieser Vorschrift „waisenrentenberechtigt" gelten lassen; die Erziehungsrente soll deshalb auch dann i n Betracht kommen, wenn „die Versicherte ein nach dem Tode des früheren Ehegatten geborenes nichteheliches K i n d erzieht" 7 1 . Sie begründen dies mit der Eigenschaft der Erziehungsrente als Versichertenrente.

Anderer Ansicht sind dagegen Ludwig 72 und Maier 73. Ludwig meint, der Begriff der Waisenrentenberechtigung sei insoweit einschränkend zu konkretisieren, als eine nicht unbedingt rentenversicherungsrechtlich konkrete Verbindung des Kindes zum Verstorbenen i m Sinne der §§ 1267, 1262 RVO notwendig sei. Dies begründet er unter Bezugnahme auf § 1570 BGB positiv m i t der Unterhaltsersatzfunktion der neuen Rentenart und — negativ — mit dem Argument, daß es nicht richtig sein könne, daß z.B. eine frühere Ehefrau durch Adoption eines waisenrentenberechtigten Kindes einen Rentenanspruch erlangt, eine andere Versicherte bei Adoption eines Kindes jedoch leer ausgehen würde. A u f ein ähnliches Argument stützt auch Maier seine einschränkende Auslegung. Zwar würde die weite Auslegung nach seiner Ansicht die Kindererziehung schlechthin schützen, wodurch die Erziehungsrente ihre stärkste familienpolitische Wirkung i m Hinblick auf die künftige Ausgestaltung der Hinterbliebenenversorgung erhielte. Diese Lösung habe neben verhältnismäßig großer Praktikabilität auch den Vorzug, dem zukunftsweisenden Gehalt der Erziehungsrente am besten gerecht zu werden. Dennoch überschreite eine derart weite Auslegung seiner Meinung nach Grenzen einer verfassungskonformen Auslegung, erhielte doch so die frühere Ehefrau nach dem Tode ihres geschiedenen Ehegatten bei Geburt eines nicht-ehelichen Kindes oder der Aufnahme eines Pflegekindes eine Erziehungsrente, während die unverheiratete Frau leer ausginge. Da i n der Erziehung eines Kindes durch die geschiedene Frau bzw. durch die nicht verheiratete Frau jedoch ein wesentlich gleicher und deshalb auch gleich zu behandelnder Sachverhalt liege, verstößt dieses Ergebnis nach seiner Auffassung gegen das Gleichbehandlungsgebot des A r t . 3 Abs. 1 GG. Er schlägt deshalb vor, den Begriff „waisenrentenberechtigt" m i t „familienrechtlichem Inhalt" 69 70 71 72 73

D R V 1977, S. 20. Versorgungsausgleich i n der Praxis, S. 100. Bergner, D R V 1977, S. 20. RV 1977, S. 22 f. Versorgungsausgleich, S. 198 ff.

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

81

zu sehen. Entscheidend soll es deshalb auf das Bestehen familienrechtlicher oder sonstiger i n der Rentenversicherung für den Waisenrentenanspruch maßgebender Beziehungen zum Verstorbenen i m Zeitpunkt seines Todes ankommen 7 4 . Damit ist Maiers Ansicht i m Ergebnis deckungsgleich m i t der von Ludwig. Sie überzeugt jedoch nicht. Wenn Ludwig den inneren Zusammenhang zur nachehelichen Unterhaltsvorschrift des § 1570 BGB betont, wonach dem geschiedenen Ehegatten ein Unterhaltsanspruch zusteht, solange von i h m wegen der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden kann, so ist ihm allerdings insoweit recht zu geben, als auch i n der Begründung des Gesetzentwurfs auf diese Vorschrift ausdrücklich Bezug genommen wurde 7 5 . Auch die systematische Stellung der Erziehungsrente i m Bereich der (abgeleiteten) Hinterbliebenenversorgung und damit der Unterhaltsersatzleistungen scheint seine Ansicht zu bestätigen. Diese Auslegung ist aber unvereinbar m i t der Konzeption der Erziehungsrente als Versichertenrente. Daß der Gesetzgeber i m übrigen die unterhaltsbezogenen Aspekte bei der Ausgestaltung der Erziehungsrente auch ausdrücklich ausklammerte, zeigt die gleichzeitig geschaffene entsprechende Regelung i n der Unfallversicherung 76 . Dort hat der Gesetzgeber nämlich die nach der Scheidungsfolgenreform entstandene Situation durch gesetzliche Verweisung auf die entsprechenden Normen des nachehelichen Unterhaltsrechts unmißverständlich berücksichtigt. Was schließlich die verfassungsrechtliche Argumentation Maiers anbetrifft, so ist festzustellen, daß seine Lösung dieses Problem nicht beseitigt. Denn wie er richtig feststellt, ist der für die Rentenleistung maßgebende Lebenssachverhalt die Erziehung, so daß die Erziehung eines Kindes durch die geschiedene Frau oder durch die nicht verheiratete Frau einen wesentlich gleichen Sachverhalt darstellt. Seine Lösung schließt jedoch die ein nichteheliches oder ein Pflegekind erziehende geschiedene oder ledige Mutter ebenso aus, würde also ebenfalls auf eine Ungleichbehandlung hinauslaufen. Hier ist darüber hinaus noch der besondere Gleichbehandlungsgrundsatz des A r t . 6 Abs. 5 GG zu beachten, nach dem für nichteheliche Kinder vergleichbare Lebensbedingungen zu schaffen sind. Da die Regelung der Erziehungsrente insbesondere auch dem Recht des Kindes auf Erziehung durch seine Eltern Rechnung tragen soll, darf diese 74 75 76

Maier, Versorgungsausgleich, S. 200 f. BT-Drucks. 7/650, S. 225. Vgl. § 592 R V O ; vgl. dazu BT-Drucks. 7/650, S. 184 f.

6 Bordiert

82

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

grundlegende verfassungsrechtliche sehen werden.

Wertentscheidung 77

nicht

über-

Zu überlegen ist deshalb, ob nicht eine Lösung möglich ist, die die weite Auslegung der Waisenrentenberechtigung mit einem plausiblen Abgrenzungskriterium gegenüber anderen alleinerziehenden und nicht anspruchsberechtigten Elternteilen verbindet. Dafür böte es sich an, den Tod des früheren Ehegatten insoweit als wesentliches und damit die Ungleichbehandlung rechtfertigendes Element des Versicherungsfalles anzusehen, als die Erziehung des (im weit verstandenen Sinne) „waisenrentenberechtigten Kindes" bereits i m Zeitpunkt des Todes des früheren Ehegatten gegeben sein muß. Diese Lösung würde somit einen Mittelweg zwischen den beiden unterschiedlichen Meinungen darstellen. Versicherungsrechtlich würde eine derartige Konstruktion insofern befriedigen, als es damit nicht mehr i m Belieben des geschiedenen überlebenden Ehegatten steht, ob er nun die Voraussetzungen für den Anspruch auf Erziehungsrente durch beispielsweise eine Adoption oder Erziehung eines Pflegekindes erst selbst herbeiführen w i l l ; dieser Umstand w i r d ja als der entscheidende Nachteil der weiten Auslegung angesehen 78 . Eine derartige Interpretation ist indes nicht möglich. Abgesehen davon, daß der Wortlaut der Vorschrift sich zur Begründung nicht heranziehen läßt, würde die Erziehungsrente dann nämlich i n all jenen Fällen nicht gewährt werden können, i n denen der verstorbene Ehegatte das Personensorgerecht hatte und der geschiedene überlebende Ehegatte erst nach seinem Tode wieder die Erziehung übernimmt. Dieses Ergebnis ist jedoch m i t Art. 6 Abs. 1 GG nicht zur vereinbaren. Letztlich erweist sich damit, daß die Streitfrage nicht i n verfassungsrechtlich befriedigender Weise zu lösen ist. Insofern läßt sich von einem Fall innerer und nicht zu beseitigender Widersprüchlichkeit („Perplexität") sprechen. Offensichtlich beruht dies darauf, daß die Verwendung der Terminologie des Systems der Unterhaltsersatzrenten sich m i t der Ausgestaltung der Erziehungsrente als Versichertenrente nicht vereinbaren läßt. Das bedeutet, daß die Problematik des Kinderbegriffs letztlich nicht eine Auslegungsfrage, sondern eine Frage der Systemgerechtigkeit der Norm und damit eine Frage ihrer Verfassungsmäßigkeit insgesamt ist. Diese ist gesondert zu untersuchen 79 . I n diesem Zusammenhang sei lediglich noch angemerkt, daß die Sachverständigenkommission für die soziale Sicherung der Frau und 77 78 79

Vgl. υ. Münch, Grundgesetz, A r t . 6 Rdnr. 38. Siehe hier Text zu Fn. 72 u n d 73. Siehe unten, I I . Teil, 2. Kap. Β. I V . 6.

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

83

der Hinterbliebenen i n ihrem Gutachten dieses Dilemma klar erkannt hat. Sie hat eine Erziehungsrente allein aus eigenen Anwartschaften lediglich an Hinterbliebene wegen der damit verbundenen ungerechtfertigten Benachteiligung der anderen Alleinerziehenden abgelehnt und sich mehrheitlich für eine abgeleitete Rente ausgesprochen 80 .

I V . Die verfassungsrechtliche Problematik der Erziehungsrente

I m Verlauf der bisherigen Untersuchung der Erziehungsrente w u r den bereits verfassungsrechtlich relevante Problemzonen angeschnitten. Dabei zeigte sich, daß vor allem der allgemeine Gleichheitssatz, Art. 3 Abs. 1 GG, als tangiertes Grundrecht i n Betracht zu ziehen ist. Vom Standpunkt des durch die Regelung notwendigerweise mit-betroffenen Kindes ist die Erziehungsrente darüber hinaus auch anhand des Maßstabes des besonderen Gleichbehandlungsgrundsatzes für nicht eheliche Kinder, Art. 6 Abs. 5 GG, zu überprüfen. Unter dem Aspekt des Schutzes der Ehe, Art. 6 Abs. 1 GG, erscheint ferner der Wegfall der Erziehungsrente bei Wiederheirat verfassungsrechtlich problematisch. Schließlich legt die Ausgestaltung der Erziehungsrente auch die Frage nach ihrer Vereinbarkeit m i t dem Rechtsstaatsprinzip nahe. Diesen Überlegungen sei jedoch die Frage vorangestellt, ob die Einführung des Versicherungsfalles „Erziehung" überhaupt durch die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes gedeckt war. 1. Zur Frage der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes zur Einführung der Erziehungsrente in das System der Rentenversicherung Ein konstitutives Merkmal der Erziehungsrente ist der Erziehungstatbestand. Ob die Regelung des Versicherungsfalles „Erziehung" von der Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 74 Ziff. 12 GG erfaßt wird, ist nicht ganz zweifelsfrei, da die Ansichten über die Auslegung dieser Vorschrift, nach der der Bund die konkurrierende Zuständigkeit für das Recht der Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung besitzt, auseinandergehen. So w i r d teilweise die Meinung vertreten, unter „Sozialversicherung" i m strengen und eigentlichen Sinn dieser Vorschrift seien nur die vier ursprünglich i n der RVO geregelten Versicherungszweige gegen K r a n k heit, Alter, Invalidität und Unfall zu verstehen 81 . M i t der Erziehungsrente wurde jedoch ein neues Risiko, die Erziehung, i n das System 80 81

*

Vgl. Gutachten, S. 66 ff. Vgl. BVerfGE 11, S. 105 (111).

84

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

der Rentenversicherung eingefügt. Daß dieser neue Versicherungsfall dabei aus dem herkömmlichen Rahmen der Rentenversicherung herausfällt, lassen auch die bereits aufgezeigten Schwierigkeiten der Einordnung dieses Instituts i n das Rentensystem erkennen. Dieser Ansicht kann nicht entgegengehalten werden, daß i m Recht der Rentenversicherung zum Teil bereits lange vor dem Inkrafttreten des Grundgesetzes mit der sog. Witwen-Invalidenrente 8 2 und dem Kinderzuschuß 83 einzelne Elemente eines sozialen Ausgleichstatbestandes „Kindererziehung" Berücksichtigung fanden. Soweit dies nämlich der Fall ist, hat der Erziehungstatbestand jeweils lediglich eine anspruchsmodifizierende Bedeutung, nicht jedoch den für die Erziehungsrente spezifischen, anspruchsbegründenden Charakter. Gegen die Regelungszuständigkeit des Bundes könnte schließlich noch die von der sog. „Versicherungstheorie" vertretene Auffassung sprechen, daß sozialversicherungsrechtliche Risiken nur solche Ereignisse sein könnten, die auch als Risiko i m Recht der Privatversicherung i n Frage kämen 8 4 ; insofern ließe sich sagen, daß — da die Eltern den Erziehungsfall ja bewußt herbeiführen können — Kindererziehung grundsätzlich kein Risiko i m privatversicherungsrechtlichen und — dieser Theorie zufolge — dann auch nicht i m sozialversicherungsrechtlichen Sinne sein kann. Dazu ist jedoch zu bemerken, daß dem Versicherungsmerkmal der Ungewißheit des Versicherungsfalles bei der Erziehungsrente jedenfalls dadurch i n ausreichendem Maße Rechnung getragen ist, als diese Vorschrift gleichzeitig an den Tod des früheren Ehegatten anknüpft. I m übrigen macht schließlich aber vor allem die Einbeziehung der Arbeitslosenversicherung i n den Wortlaut des A r t . 74 Nr. 12 GG den Charakter des Begriffes „Sozialversicherung" als verfassungsrechtlichen Gattungsbegriff deutlich, der alles umfaßt, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt 8 5 . Denn die „Arbeitslosenversicherung" w i r d hier nicht als außerhalb der „Sozialversicherung" stehend betrachtet, sondern w i r d i n sie „eingeschlossen", u m dem bei dieser Versicherung besonders naheliegenden Mißverständnis vorzubeugen, das Wort „Sozialversicherung" sei i n der Verfassung nicht als Gattungsbegriff gemeint, und stehe auch hier nur für die vier „klassischen Versicherungszweige" 86 . 82

Siehe oben, I I . Teil, 2. Kap. Α. 1.1. Siehe unten, I I . Teil, 2. Kap. C. I. 84 Vgl. Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, (m. w. N.). 85 Ders., ebd., S. 11. 86 BVerfGE 11, S. 105 (112). 83

Bd. I, S. 9 ff.

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

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Nach dem Bundesverfassungsgericht ist die Einbeziehung neuer Lebenssachverhalte i n das Gesamtsystem „Sozialversicherung" jedenfalls dann möglich, wenn das sozialpolitische Ziel auf dem spezifischen Wege der Sozialversicherung erreicht werden soll und die neuen Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturelementen dem B i l d entsprechen, das durch die klassische Sozialversicherung geprägt ist. Dazu gehört insbesondere die gemeinsame Deckung eines i n seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf die Versichertengemeinschaft 87 . Diese Erfordernisse sind bei der Erziehungsrente erfüllt: Die Zahl der i n Frage kommenden Versicherungsfälle läßt sich insbesondere anhand der Inanspruchnahme der (entsprechenden) GeschiedenenWitwenrenten ermitteln; die Leistungen der Erziehungsrente entsprechen schließlich auch in ihren wesentlichen Strukturelementen dem B i l d der klassischen Sozialversicherung, da sie gesetzestechnisch durch Verweisung auf die Fälle der BU- bzw. EU-Renten geregelt sind. Angesichts dieser Ausgestaltung kann deshalb auch kein Zweifel daran bestehen, daß der Gesetzgeber das mit der Erziehungsrente verfolgte Ziel auf dem spezifischen Wege der Sozialversicherung erreichen wollte. A n der Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes bestehen i m Ergebnis also keine Bedenken 88 . Ob schließlich jedoch der Fall anders zu beurteilen wäre, wenn der Gesetzgeber der Rentenversicherung die Aufgabe übertragen wollte, allgemein den Bedarfsfall „Kindererziehung" ζ. B. durch eine A r t „Erziehungsgeld" abzudecken, erscheint wenig wahrscheinlich. Denn i n einer späteren Entscheidung 89 hat das Bundesverfassungsgericht erkennen lassen, daß es grundsätzlich i n der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers liege, die A r t der Sozialleistung und den Leistungsträger zu bestimmen. 2. Zur Frage der Vereinbarkeit

mit Art. 3 Abs. 1 GG

a) Die Problematik der Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes als Kontrollmaßstab der Gesetzgebung Es ist ein allgemeines Symptom grundrechtlicher Normativität, daß Grundrechte i n erster Linie objektiv-rechtliche Grundpfeiler, elementare Rechtsprinzipien, tragende Elemente der Rechtsordnung sind und daher noch der gesetzlichen Konkretisierung, Ausfüllung und Gestaltung bedürfen 9 0 . 87

BVerfGE 11, S. 105 (112). Vgl. i m übrigen auch Zuleeg, FamRZ 1980, S. 210, der für familienpolitische Maßnahmen i m Bereich des öffentlichen Rechts die Bundeskompetenz aus A r t . 74 Ziff. 7 GG herleitet. 89 BVerfGE 40, S. 121 (136 ff.). 88

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen

entenrecht

Besonders der allgemeine Gleichheitssatz läßt dabei für die gesetzgeberischen Entscheidungen einen sehr weiten Ermessens- und Bewertungsspielraum, da er an sich nur ein Relationsurteil über das Verhältnis verschiedener Gegenstände zueinander, damit aber nicht zugleich eine Aussage über den Richtigkeitsvorrang eines dieser Gegenstände sowie darüber zuläßt, welcher Gegenstand an welchen anzugleichen ist 9 1 . Dementsprechend zurückhaltend ist die Handhabung des Gleichheitssatzes als Kontrollmaßstab durch das Bundesverfassungsgericht. Seit der Entscheidung vom 12. Oktober 1951 92 verwendet das Bundesverfassungsgericht i n ständiger Rechtsprechung die Auslegungsformel, der Gleichheitssatz besage, daß wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches entsprechend seiner Verschiedenheit und Eigenart ungleich zu behandeln sei. Nur dann, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muß", sei der Gleichheitssatz verletzt. Die Aussagefähigkeit des Gleichheitssatzes als Kontrollprinzip w i r d durch diese Bewertungsregel offensichtlich sehr eingeschränkt, umgekehrt verdeutlicht sie die Weite des Ermessens- und Beurteilungsspielraums des Gesetzgebers. Dieser Freiraum w i r d vom Bundesverfassungsgericht noch besonders unterstrichen, wenn es davon spricht, es reiche aus, daß ein Gesetz nur eine für möglichst viele Tatbestände angemessene Regelung schaffe und dabei angesichts der typisierenden Natur von Gesetzen, die fast immer m i t allen Interessen i n Konflikt geraten müßten, gewisse Härten für einzelne i n Kauf zu nehmen seien 93 . Zu dieser Rechtsprechung ist kritisch vermerkt worden, sie „ m i n i malisiere" die Gleichheitskontrolle nur auf die Frage, ob die äußersten Grenzen des von dem Willkürverbot eingegrenzten Bereichs überschritten seien 94 . Ohne die Berechtigung dieser K r i t i k hier i n Zweifel zie90 Rupp, i n : Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bundesverfassungsgerichts, S. 364. 91 Rupp, S. 366; gegen die Auffassung Friesenhahns, 50. DJT, Bd. I I , Teil F/ G, G 20, der Gleichheitssatz sei wegen seiner Offenheit, wegen seines M a n gels an subjektiv-rechtlicher Anspruchspräzision überhaupt kein G r u n d recht, siehe die überzeugende Argumentation von Rupp, S. 367. 92 BVerfGE 1, S. 14 (52); vgl. i m übrigen die zusammenfassenden Darstellungen zur Rechtsprechung des BVerfG zu A r t . 3 GG i m Zusammenhang zum Sozialrecht bei Rüfner, VSSR 1974, S. 68 ff., und Thieme, Rechtsgutachten über die Verfassungsmäßigkeit der Modelle für eine Neuordnung der sozialen Sicherung der Frau (Einzelgutachten der Sachverständigenkommission), S. 290 ff. 93 BVerfGE 13, S. 230 (236).

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

87

hen zu wollen, ist allerdings darauf hinzuweisen, daß jedenfalls i m Sozialrecht, das so zahllose unterschiedliche Lebenssachverhalte weitgehend ohne die Hilfe von Generalklauseln regeln muß, die V e r w i r k lichung von Gleichheit besonders schwer ist 9 5 . Hinzu kommt der besondere Charakter des Sozialrechts als „Medium der Sozialpolitik"; der Sozialpolitik nämlich kann der Gleichheitssatz kaum mehr als Impulse geben, insbesondere lassen sich sozialpolitische Strukturfragen allein mit seiner Hilfe nicht beantworten 9 6 . Vor allem unter Berücksichtigung der bevorstehenden Rentenreform und der besonderen Rolle, die der Erziehungsrente hierbei zuerkannt w i r d 9 7 , ist deshalb insoweit die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Juni 19 7 5 9 8 hervorzuheben. Ausgehend von der Feststellung, daß die Vereinheitlichung und Verbesserung der gleichen oder ähnlichen Zielen dienenden sozialen Leistungen ein ständiges sozialpolitisches Anliegen sein müsse, sagt das Gericht nämlich weiter, daß es dabei angesichts der Verzweigtheit und Vielgestaltigkeit der historisch ohne einheitlichen Plan gewachsenen Regelungen jedoch dem Gesetzgeber überlassen bleiben müsse, i n welcher Zeitfolge er gebotene Änderungen und Verbesserungen vornehmen wolle; denn „die Forderung, der Gesetzgeber müsse i m Interesse sozialer Gerechtigkeit überall strikte Gleichförmigkeit schaffen und auch bei zukünftigen Änderungen wahren, könnte dazu führen, daß Reformen, die sich etwa aus finanziellen Gründen oder wegen der beschränkten Kapazität des Gesetzgebungs- und Verwaltungsapparates nur schrittweise verwirklichen lassen, von vorherein unterbleiben — ein Ergebnis, das gewiß sozialer Gerechtigkeit nicht entsprechen würde" 9 9 . Die nachfolgende Überprüfung soll deshalb anhand des vom Bundesverfassungsgericht vorgezeichneten Maßstabes erfolgen. b) Die gleichheitsgrundrechtliche Problematik der Regelung Ansatzpunkt der verfassungsrechtlichen Bedenken gegenüber der Regelung der Erziehungsrente bereits während der parlamentarischen Beratungen i m Rechtsausschuß 100 sowie anschließend i n der L i t e r a t u r 1 0 1 94

Zacher, AöR 93, S. 341 (357); i h m folgend Rüfner, VSSR 1974, S. 83. Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 277. 06 Zacher, Sozialpolitik, S. 34; siehe auch Scholz/Pitschas, i n : Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bundessozialgerichts, S. 627 ff. 97 Siehe oben, I I . Teil, 2. Kap. B, Text zu Fn. 2 f. 98 BVerfGE 40, S. 121 ff. 99 BVerfGE 40, S. 121 (140). 100 V g l > p r o t . R A 7/65, S. 91 ff., 203 ff. (Gitter, S. 94: „Die dargestellten Fälle 95

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

war der Vergleich der Situation geschieden-verwitweter mit derjenigen (nur) verwitweter Personen. Dabei wurde die Problematik anhand eines Leistungsvergleichs erörtert: Geschiedene Witwen/Witwer erhalten je nach der Zahl der Kinder entweder die B U - oder die EURenten; dagegen bekommt die Witwe lediglich eine Rente i n Höhe von 6/10 der Erwerbsunfähigkeitsrente des Verstorbenen. Das bedeutet — nach abstrakter Betrachtungsweise —, daß die/der geschiedene Witwe/Witwer gegenüber der verwitweten Frau bevorzugt ist. Für die EU-Rente liegt dies auf der Hand, da i n beiden Fällen der gleiche Steigerungssatz zur Anrechnung kommt. Aber auch die volle B U Rente ist vorteilhafter, da wegen der 6/10-Quote hier der Steigerungssatz — wenn auch nur geringfügig — höher i s t 1 0 2 . Nach der abstrakten Betrachtungsweise ist eine Grundrechtsverletzung somit indiziert. Allerdings bemißt Art. 3 Abs. 1 GG die Gleichheit — i n der Hauptsache jedenfalls — weniger an abstrakt-rechtstechnischen als vielmehr an ihren konkreten Auswirkungen 1 0 3 . Für diese konkrete Betrachtungsweise ist nach Ruland/Tiemann 104 insofern immer noch zulässigerweise davon auszugehen, daß es typischerweise die Frauen sind, die als Geschiedene oder Verwitwete die Kinder zu erziehen haben. Z u berücksichtigen sei deshalb auch, daß Frauen als Arbeitnehmerinnen und A n gestellte i m Durchschnitt immer noch zwischen 30 bis 4 0 % weniger verdienen als Männer; unter Einbeziehung des Versorgungsausgleichs ergäbe sich i m M i t t e l eine Differenz um 17,5 °/o. Das bedeute, daß die Leistungen gemäß § 1265 a RVO immer noch höher ausfallen müßten, als die der „großen" Witwenrente. I m Zusammenhang mit diesem — abstrakt berechneten — immer noch erheblichen Einkommensunterschied gewinnt jedoch für Ruland/Tiemann der Gesichtspunkt an Bedeutung, daß es sich bei der Witwenrente um eine abgeleitete, bei der Erziehungsrente dagegen u m eine Rente aus eigener Versicherung handelt; denn unter Einbeziehung der Überlegung, daß die für die Witwenrente maßgebende Versicherungszeit des früheren Ehemannes i n der Regel länger ist als die von Erziehungsrentenberechtigten, würde so meist eine Annäherung der Leistungsbeträge zu verzeichnen sein. sind Ungleichbehandlungen, die sozialpolitisch auch für mich unerträglich sind. Über die verfassungsrechtliche Seite der Frage k a n n man streiten"). 101 Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich, S. 237 ff. (Rdnr. 652 ff.) ; Rolland, 1. EheRG, Vorbem. zu §§ 1587 ff., Rdnr. 58, 19; Kaltenbach, DAngVers 1975, S. 135; ders., ebd., S. 256. 102 6/10 X 1,5 = 0,9, vgl. Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich, S. 238 (Rdnr. 653). 103 Friauf, Prot. R A 7/65, S. 206. 104 Versorgungsausgleich, S. 238 (Rdnr. 654).

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

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I m übrigen dürften ihrer Meinung nach die weiteren Vorteile der erhöhten Witwenrente nicht übersehen werden, nämlich die Unbedingtheit der Witwenrente, die überdies nicht an Einkommensgrenzen gekoppelt ist und schließlich bis zum Tode oder zur Wiederheirat gewährt wird, während die Erziehungsrente auf die Dauer der Kindererziehung beschränkt ist. Da wegen der Einkommensgrenzen bei der Erziehungsrente der Fall als atypisch angesehen werden kann, daß ein geschiedener Mann einen Anspruch auf Erziehungsrente hat, w i r d es ihrer Ansicht nach auch zu einer Benachteiligung des Witwers nicht kommen. Ruland/Tiemann gelangen deshalb zu dem Ergebnis, daß die Erziehungsrente zumindest i m Regelfall zu keiner Bevorzugung des Geschiedenen führt; wenn dies i n Einzelfällen möglich sei, begründe dies noch keine Verfassungswidrigkeit, zumal es sich bei der Erziehungsrente um schon reformiertes, bei der Witwenrente aber u m noch zu reformierendes Recht handele. Nach allem sind sie der Ansicht, die Ausgestaltung der Erziehungsrente liege an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit, ohne diese aber letztlich zu überschreiten 105 . Diese Argumentation kann jedoch nicht überzeugen. So bleibt i n ihren Überlegungen unberücksichtigt, daß bei der Witwenrente eine Anrechnung einer Zurechnungszeit nicht erfolgt 1 0 6 . Die tatsächliche Differenz der Leistungsbeträge bei der Witwenrente einerseits und bei der Erziehungsrente andererseits kann deshalb — die Seltenheit der Erziehungsrente einmal außer acht gelassen — erheblich größer sein als von Ruland/Tiemann angenommen, nämlich i n den Fällen, i n denen der Ehemann sehr früh gestorben und sein Versicherungsleben von entsprechend kurzer Dauer gewesen ist. Andererseits ist nicht zu übersehen, daß die Zahlbeträge der „großen" Witwenrente — zumindest i m Bereich der Angestelltenversicherung — durchschnittlich höher sind, als die der „kleinen" Erziehungsrente 107 . A u f die Problematik dieses Vergleichs wurde allerdings bereits hingewiesen 1 0 8 . Insgesamt erweist sich damit, daß sich mangels entsprechend differenzierten statistischen Materials stichhaltige, konkrete Feststellungen nicht treffen lassen. Unberücksichtigt lassen Ruland/Tiemann ferner die Regelung des § 1270 RVO; danach ist für den Fall, daß aus Anlaß des Todes eines Versicherten mehrere Hinterbliebenenrenten zu leisten sind, deren 105 106 107 108

Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich, S. 237. Vgl. § 1268 Abs. 1 RVO. Siehe oben, I I . Teil, 2. Kap. Α. I I . Siehe oben, I I . Teil, 2. Kap. Β . I I .

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Höhe auf einen bestimmten Gesamtbetrag beschränkt; bei Überschreitung dieses Höchstbetrages sind die Renten anteilig zu kürzen 1 0 9 . Angesichts der bevorstehenden Rentenreform, bei der insbesondere die Hinterbliebenensicherung einer Neuregelung zugeführt werden soll, erscheint es jedoch wenig sinnvoll, sich hier noch vertieft mit dem Vergleichsfall Witwenrente/Erziehungsrente zu beschäftigen. Vielmehr stellt sich die Frage einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes in anderer Richtung, nämlich i m Hinblick auf die Situation der nicht verwitweten, insbesondere der ledigen Mütter. Der Vergleich zur Lage dieser Mütter war bereits während der Beratungen der Erziehungsrente i m Rechtsausschuß Anlaß zu Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Erziehungsrente 110 . Bei den Beratungen der Sachverständigenkommission für die soziale Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen war die Einbeziehung dieses Personenkreises i n die Überlegungen ausschlaggebend dafür, daß man sich mehrheitlich gegen eine Berücksichtigung des Bedarfsfalls „Kindererziehung" i n Form einer Versichertenrente aussprach 111 . Unter Beachtung der eingangs gemachten Einschränkungen w i r d man allerdings bei einer Einbeziehung dieses Personenkreises i n den Vergleichsrahmen nicht schlechthin von einer willkürlichen Regelung durch die Erziehungsrente sprechen können: Bei sonst gleichen Tatbeständen ist letztlich das entscheidende Anspruchshindernis der Tod des früheren Ehegatten. Dieser Anspruchsvoraussetzung kommt insofern eine wesentliche Bedeutung für die als Rente aus eigener Versicherung ausgestaltete Erziehungsrente zu, als sie ein unveränderliches Element des Versicherungsfalles darstellt und somit verhindert, daß der Eintritt des Versicherungsfalles vom Willen der Erziehenden abhängt. Insofern hat der Normgeber innerhalb des vergleichbaren Personenkreises eine Abgrenzung vorgenommen, die jedenfalls grundsätzlich durch einen sachlich einleuchtenden Grund gerechtfertigt ist. Nur der Ausschluß der ledigen Mütter, deren Partner und Vater des nichtehelichen Kindes gestorben ist, muß i n diesem Zusammenhang als w i l l kürlich erscheinen: Der Tod des nichtehelichen Vaters, soweit seine Vaterschaft feststeht oder anerkannt ist, kann die Funktionen eines Versicherungselements nämlich i n gleicher Weise ausfüllen wie der Tod eines früheren Ehegatten. Überdies ist auch die Waisenrentenberechtigung eines nichtehelichen Kindes zu seinem Erzeuger renten109 110

203 f. 111

Vgl. dazu Marburger, Z f S H 1980, S. 70. Vgl. die Einwände des Abgeordneten Müller, Prot. R A 7/65, S. 93 f., Siehe Text zu vorstehender Fn. 80.

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

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rechtlich anerkannt 1 1 2 . Soweit die Erziehungsrente schließlich — zumindest latent — von einer Unterhaltsbeziehung der geschiedenen Eheleute ausgeht, ist schließlich anzumerken, daß das bürgerliche Recht auch eine Unterhaltsbeziehung zwischen nichtehelicher Mutter und nichtehelichem Vater regelt 1 1 3 . Der einzige Unterschied ist insofern, daß diese Unterhaltsbeziehung auf lediglich ein Jahr nach der Entbindung befristet i s t 1 1 4 . Da die Erziehungsrente aber keine Unterhaltsersatzrente, sondern vielmehr eine Rente aus eigener Versicherung ist, kann die Beschränkung dieses Unterhaltsanspruchs nicht als so gewichtiges K r i t e r i u m gewertet werden, als daß es eine Rechtfertigung des Ausschlusses dieser Mütter darzustellen vermag. Angesichts der Zahl von rd. 63 000 geschiedenen Ehen mit K i n d e r n 1 1 5 und rd. 38 000 nichtehelich geborenen K i n d e r n 1 1 6 sind diese Fälle höchstwahrscheinlich auch nicht um so vieles seltener, als daß sie wegen der notwendigen Typisierung unberücksichtigt bleiben dürften. Damit zeigt sich, daß für den Ausschluß der ledigen Mütter, deren Kindesvater verstorben ist, sachlich einleuchtende Gründe nicht vorliegen und die verfassungsrechtlichen Bedenken aus dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG somit insofern durchgreifen. Gestützt w i r d dieses Ergebnis schließlich durch eine Beurteilung dieser Frage anhand des Art. 6 Abs. 5 GG. 3. Zur Frage der Vereinbarkeit

mit Art. 6 Abs. 5 GG

Nach Art. 6 Abs. 5 GG ist der Gesetzgeber verpflichtet, für nichteheliche Kinder die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung zu schaffen wie für eheliche Kinder. Das hat der Normgeber bei der Erziehungsrente jedoch — wie soeben dargestellt — unterlassen. Ob dieses Versäumnis einen Verstoß gegen A r t . 6 Abs. 5 GG begründet, ist aber deshalb zweifelhaft, weil die Regelung der Erziehungsrente i n erster Linie das Versicherungsverhältnis zwischen der Versichertengemeinschaft und dem Berechtigten, nicht jedoch das Verhältnis der Versichertengemeinschaft zum Kinde betrifft. Bei einer derartigen Betrachtungsweise w i r d allerdings übersehen, daß der Regelungstatbestand der Norm der Erziehungsfall ist. Erziehung setzt jedoch notwendigerweise ein K i n d immer voraus; dieses ist deshalb auch immer mitbetroffen. Angesichts dieser notwendigen 112

Vgl. §§ 1267 Abs. 1 Satz 1,1262 Abs. 2 Ziff. 5 RVO. na v g l . §§ 1615 ff. BGB.

114

Vgl. § 1615 1 Abs. 2 BGB. I m Jahre 1977, vgl. Statistisches Jahrbuch 1978, S. 75, Tab. 3.30. 118 I m Jahre 1977, vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Die Situation der K i n d e r i n der BRD, S. 25, Tab. 2.3. 115

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

„ D r i t t w i r k u n g " ist es also gerechtfertigt, A r t . 6 Abs. 5 GG zur ergänzenden Betrachtung heranzuziehen. Da nichtehelichen Kindern i n den vergleichbaren Fällen die Erziehung durch ihre Mütter nicht i n gleicher Weise gewährleistet ist wie den Kindern geschiedener Ehegatten, läßt sich insoweit von einer Verletzung der Chancengleichheit nichtehelicher Kinder und damit einer Verletzung der „eindeutigen verfassungsrechtlichen Wertentscheid u n g " 1 1 7 in Art. 6 Abs. 5 GG sprechen. 4. Zur Frage der Vereinbarkeit

mit Art. 6 Abs. 1 GG

Anlaß zu verfassungsrechtlichen Überlegungen gibt auch eine weitere, bisher nicht erörterte Tatbestandsvoraussetzung: Es handelt sich dabei um die Beschränkung der Anspruchsberechtigung auf unverheiratete frühere Ehegatten. Dieses Tatbestandselement w i r d allgem e i n 1 1 8 so verstanden, daß die Erziehungsrente bei erneuter Eheschließung des Berechtigten wegfällt. Maier 119 ist darüber hinaus der Ansicht, daß der Anspruch damit für alle Zeiten untergeht. Dieser drohende Rentenverlust stellt offensichtlich eine Gefährdung der Bereitschaft zur Eheschließung dar und indiziert somit einen Verstoß gegen das Gebot des Ehe- und Familienschutzes, Art. 6 Abs. 1 GG. Diese Norm verbietet nämlich, daß Verheiratete „allein deshalb, weil sie verheiratet sind, benachteiligt werden, insbesondere geringere staatliche Leistungen erhalten als Ledige" 1 2 0 . Für eine Differenzierung zu Lasten Verheirateter müssen sich einleuchtende Sachgründe aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses ergeben; keinesfalls dürfen die konkreten Maßnahmen als „Bestrafung" der Heirat anzusehen sein 1 2 1 . Legt man diese Interpretation des Bundesverfassungsgerichts der Überprüfung zugrunde, so ist zunächst davon auszugehen, daß die Erziehungsrente der besonderen Bedarfssituation Rechnung trägt, die typischerweise dann auftritt, wenn der unterhaltspflichtige frühere Ehegatte bzw. Vater verstirbt; dieser, die frühere GeschiedenenWitwenrente noch prägende Charakter des Unterhaltsersatzes, ist bei der Erziehungsrente jedoch nicht beibehalten worden. 117

Maunz, i n : Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, A r t . 6 Rdnr. 49. Vgl. Bergner, D R V 1977, S. 1 (21); Maier, DAngVers 1977, S. 5 (14); ders., Versorgungsausgleich, S. 224; Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich, S. 237 (die entgegengesetzte Auffassung von Ruland i n N J W 1976, S. 1713 (1715, A n m . 40) w i r d nicht weiter aufrechterhalten, vgl. ebd. Fn. 32). 119 Versorgungsausgleich, S. 224. 120 BVerfGE 28, S. 234 (347). 118

121

BVerfGE 28, S. 234 (347).

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

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I n diesem Bedarfsfall soll es dem erziehenden Hinterbliebenen ermöglicht werden, sich der Erziehung des Kindes ohne den Zwang zu einer Erwerbstätigkeit weiter widmen zu können. Grundsätzlich kann dieser Zweck auch durch eine Wiederheirat dann erreicht werden, wenn der neue Ehegatte den Unterhalt entsprechend sichert. Dies ist die den Hinterbliebenenrenten auch heute noch als typisch zugrundeliegende Annahme; so entfallen Witwen- und Witwerrenten ebenfalls bei Wiederheirat 1 2 2 . Ob dies indes als ausreichender Sachgrund anzusehen ist, erscheint zweifelhaft. Gegenüber den überkommenen Hinterbliebenenrenten weist die Erziehungsrente insofern nämlich einige Unterschiede auf. War der Wegfall des Rentenanspruchs bei der früheren Geschiedenen-Witwenrente 1 2 3 ζ. B. noch damit zu rechtfertigen, daß es sich bei dieser systematisch und auch begrifflich 1 2 4 um eine Witwenrente handelte, die Witwe diese Rechtsstellung m i t der Wiederheirat aber verl o r 1 2 5 , fehlt dieses Merkmal i m Normtatbestand der Erziehungsrente. Entscheidender aber noch scheint folgendes zu sein: Bei den abgeleiteten Renten läuft parallel zur Witwenrente i n der Regel die Waisenrente des Kindes; dieses bleibt auch nach der erneuten Eheschließung abgeleitet vom verstorbenen Vater sozial gesichert, zumal Halbwaisen zusätzlich zu ihrer Rente den Kinderzuschuß erhalten 1 2 6 . Anders bei der Erziehungsrente. Wie bereits erörtert, ist für diese Rentenleistung eine konkrete Waisenrentenberechtigung nicht erforderlich. Kinder sind bei der Erziehungsrente also nicht unbedingt abgeleitet gesichert. I n diesen Fällen bedeutet der Wegfall der Erziehungsrente bei Wiederheirat also, daß der Mutter bzw. dem Vater die Möglichkeit genommen wird, ihre Kinder aus den Rentenleistungen, d. h. Erziehungsrente plus Kinderzuschuß selbst zu unterhalten. Gegenüber dem neuen Ehegatten sind die Kinder jedoch nach bürgerlichem Recht nicht ohne weiteres unterhaltsberechtigt. Die Folge des Verlustes der Erziehungsrente ist somit, daß der Elternteil zur Erwerbstätigkeit gezwungen ist, u m die Unterhaltsansprüche des Kindes zu erfüllen. Das aber ist ein Ergebnis, welches dem familienpolitischen Ziel der Erziehungsrente klar zuwiderläuft. Mag der Wegfall der Erziehungsrente für den wiederheiratenden Elternteil, der ja nach bürgerlichem Recht gesichert ist, auch einleuch122 123 124 125 126

§ 1291 Abs. 1 RVO. Vgl. § 1291 Abs. 3 RVO. Vgl. § 1265 Abs. 1 Satz 2 RVO; a. A . Marburger, So Bogs, 43. DJT, Gutachten, G 43 Fn. 109. § 1269 Satz 2 RVO.

Z f S H 1977, S. 270 f.

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

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tend erscheinen, so fehlt es nach allem aber an überzeugenden Gründen, wenn man die Situation des Kindes m i t i n die Überlegungen einbezieht. Die erheblichen Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Erziehungsrente mit dem verfassungsrechtlichen Gebot des Schutzes von Ehe und Familie werden demnach bestätigt. I m übrigen verdeutlicht dieses Ergebnis erneut, daß die Einbettung der Erziehungsrente in das System der abgeleiteten Hinterbliebenenrenten ihrer Eigenschaft als Versichertenrente zuwider läuft. 5. Die verfassungsrechtliche Problematik der Zumutbarkeitsklauseln Verfassungsrechtlich problematisch erscheint ferner die Anspruchsvoraussetzung der Unzumutbarkeit einer über die Verdienstgrenze hinausgehenden Erwerbstätigkeit. Wie bereits erwähnt, stellt sich die i m wesentlichen gleiche Frage auch i m nachehelichen Unterhaltsrecht und i m Sozialhilferecht und w i r d dort unterschiedlich beantwortet 1 2 7 . M i t der Formulierung dieser unbestimmten Tatbestandsvoraussetzung i m Wortlaut des § 1265 a RVO, hinsichtlich derer i n anderen Rechtsbereichen offensichtlich Unsicherheit besteht, hat der Normgeber somit eine gleichermaßen unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung wie dem der Rechtssicherheit verfassungsrechtlich problematische begriffliche Ausgestaltung vorgenommen. Beide Gesichtspunkte sind i m vorliegenden Fall kongruent, so daß eine Unterscheidung wenig sinnvoll erscheint; vielmehr handelt es sich letztlich bei beiden u m Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips. Diesem ist das Gebot gleichmäßiger oder materieller Gerechtigkeit, deren Gehalt wiederum demjenigen des allgemeinen Gleichheitssatzes entspricht, immanent 1 2 8 . Für die Frage nun, ob diese begriffliche Unschärfe i m Normtatbestand verfassungsrechtlich zu beanstanden ist, ist davon auszugehen, daß das Rechtsstaatsprinzip kein „statisches Prinzip eines lebensfremden Traditionalismus", vielmehr ein „höchst modern dynamisches Prinzip" ist; deshalb muß einer Gesetzgebung, „wenn sie nicht zur kirchhoff riedlichen Erstarrung des Rechtslebens führen w i l l " , zugebilligt werden, daß sie ohne unbestimmte Rechtsbegriffe nicht ausk o m m t 1 2 9 . Nur i n Extremfällen können unklare und unbestimmte Gesetzestatbestände wegen Verstoßes gegen rechtsstaatliche Grundsätze nichtig sein, was nicht schon dann der Fall ist, wenn der Gesetzgeber 127

Siehe oben, I I . Teil, 2. Kap. B. I I I . 2. a); zur zivilrechtlichen J u d i k a t u r vor dem 1. EheRG vgl. Brühl/Göppinger/Mutschier, Unterhaltsrecht, Rdnr. 580 ff. 128 Vgl. BSGE 6, S. 238 (242) und 26, S. 146 (151). 129 Maunz/Dürig (1960), i n : Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, A r t . 20 Rdnr. 90.

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

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auslegungsbedürftige Begriffe verwendet 1 3 0 . Dabei w i r d vom Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit der Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe insbesondere für die Fälle anerkannt, i n denen der Gesetzgeber wegen der Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte seiner Aufgabe nicht anders gerecht werden k a n n 1 3 1 . Schließlich ist bei derartigen Fällen immer darauf zu achten, ob nicht bereits eine Konkretisierung i n der Rechtsprechung erfolgt i s t 1 3 2 . Legt man vorstehende Maßstäbe nun der verfassungsrechtlichen Bewertung der Zumutbarkeitsklausel i m Tatbestand des § 1265 a RVO zugrunde, so ist zunächst festzustellen, daß trotz weitgehender Übereinstimmung der zivil- und sozialgerichtlichen J u d i k a t u r 1 3 3 von einer Konkretisierung i m Sinne einer verbindlichen und für den einzelnen vorhersehbaren Auslegung durch die Rechtsprechung nicht die Rede sein kann; denn die Gerichte haben jeweils zum Ausdruck gebracht, daß sich die Frage der Zumutbarkeit jeder Schematisierung entziehe, vielmehr immer aufgrund aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen sei 1 3 4 . Diese Begründung verdeutlicht indes, daß die Problematik der Zumutbarkeitsklausel nicht i n ihrer Normklarheit und Justiziabilität, sondern i n der Vielgestaltigkeit der gesetzlich zu erfassenden Lebenssituationen liegt. Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgend ist die Verwendung der Zumutbarkeitsklausel i m Tatbestand des § 1265 a RVO verfassungsrechtlich somit nicht zu beanstanden. 6. Die Systemwidrigkeit der Erziehungsrente als verfassungsrechtliches Problem Die Erörterung der Tatbestandsproblematik der Erziehungsrente hat wiederholt gezeigt, daß die einzelnen Bestandteile der Regelung i n der Gesamtkonstruktion der Erziehungsrente nicht widerspruchsfrei funktionieren können. Dabei hat sich erwiesen, daß dies auf der i n mehrfacher Weise systemwidrigen Ausgestaltung der Erziehungsrente liegt. Auch das Prinzip der Systemgerechtigkeit hat jedoch als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips verfassungsrechtliche Bedeutung. So sieht das Bundesverfassungsgericht das Prinzip der Systemgerechtigkeit dann als verletzt an, 130 Maunz/Dürig (1960), i n : Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, A r t . 20 Rdnr. 90. 131 Vgl. BVerfGE 4, S. 352 (357 f.); 11, S. 234 (237). 132 Maunz/Dürig, ebd., Rdnr. 90. 133 Vgl. ζ. B. BSG, FamRZ 1971, S. 90, u n d BSG, FamRZ 1973, S. 634, sowie die L e i t l i n i e n des O L G H a m m zum Unterhaltsrecht, FamRZ 1980, S. 26. 134 Vgl. (auch) BSG, FamRZ 1977, S. 198; ebenso: L e i t l i n i e n des O L G Hamm, FamRZ 1980, S. 26.

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen

entenrecht

— wenn eine Bestimmung auch von ihrem eigenen System her nicht mehr sinnvoll i s t 1 3 5 , — bzw. wenn der Gesetzgeber seine das Gesetz rechtfertigende Motivation nicht folgerichtig durchführt 1 3 6 . Wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip nichtig kann ein Gesetz ferner dann sein, — wenn seine Fassung den wirklichen Gehalt nicht zum Ausdruck bringt, — wenn sie mißverständlich oder — wenn sie irreführend i s t 1 3 7 . Überprüft man nun den Normtatbestand der Erziehungsrente anhand dieser Maßstäbe, so sind es vor allem folgende Gesichtspunkte, die zu berücksichtigen sind: — Die systemwidrige Konzeption der Erziehungsrente als Hinterbliebenenrente aus eigener Versicherung 1 3 8 und — die i m Widerspruch zur BU-/EU-Fiktion stehende Ausgestaltung der Erziehungsrente (Verdienstbeschränkung, Zurechnungszeit). Schließlich weckt auch die rentensteigernde Ausgestaltung der Erziehungsrente Zweifel hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit dem Prinzip der Systemgerechtigkeit; dieser Frage soll jedoch i m Zusammenhang mit der eingehenden Erörterung dieser Regelung gesondert nachgegangen werden 1 3 9 . Bei der Behandlung der Problematik des Begriffs des „waisenrentenberechtigten Kindes" hat sich gezeigt, daß eine verfassungsrechtlich befriedigende Auslegung nicht möglich war. Offensichtlich beruhte diese Perplexität auf der unverträglichen Verknüpfung von Elementen der eigenständigen und der abgeleiteten Sicherung. Diese Verwicklung ist vor allem auf den Umstand zurückzuführen, daß der Normgeber zwar ausdrücklich die den §§ 1570 BGB bestimmende Lebenssituation vor Augen hatte, jedoch entgegen dieser zugrundeliegenden Vorstellung eine unterhaltsabstrakte Ausgestaltung der Norm gewählt hat, u m gleichzeitig die Umstellung des Systems iss BVerfGE 11, S. 283 (293). 136 BVerfGE 19, S. 101 (116). Kritisch zu dieser Rechtsprechung Zacher, AöR, Bd. 93, S. 341 (352 ff.); siehe auch Scholz/Pitschas, i n : Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bundessozialgerichts, S. 664 f. ( K r i t i k an der Rechtsprechung des BSG zur Frage der Folgerichtigkeit u n d Systemgerechtigkeit

von Einzel Vorschriften). 137 138 139

BVerfGE 1, S. 14 (16; Leitsatz Nr. 14). Vgl. Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich, S. 235 (Rdnr. 645). Dazu siehe unten, I I . Teil, 3. Kap. C.

2. Kap.: Β . Die Erziehungsrente

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der Hinterbliebenensicherung auf die eigenständige Sicherungskonzeption einzuleiten. Das bedeutet also, daß der Gesetzgeber insoweit zwar seine das Gesetz rechtfertigende Motivation folgerichtig ausgeführt hat, das Gesetz gleichwohl den wesentlichen Gehalt, nämlich die Versorgung in den § 1570 BGB entsprechenden Lebenssituationen zu sichern, nicht zum Ausdruck bringt und die Fassung des Gesetzes insofern nicht nur mißverständlich oder irreführend, sondern sogar perplex zu nennen ist. Weiter ist hinsichtlich der BU-/EU-Fiktion i m Rahmen der Erziehungsrente festzustellen, daß die besondere Verdienstbeschränkung bei der Erziehungsrente — ohne Berücksichtigung der Arbeitsmarktbedingungen — zumindest m i t der Lohnausgleichsfunktion der B U Renten nicht zu vereinbaren ist; vom System der BU-/EU-Renten her ist somit die BU-Fiktion bei der Erziehungsrente nicht mehr verständlich. Ähnliches gilt hinsichtlich der mit den Voraussetzungen der A n rechenbarkeit von Zurechnungszeiten nicht abgestimmten Tatbestandsvoraussetzung der Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit, die i m systematischen Zusammenhang zwischen der Regelung der BU-/EURenten und derjenigen der Zurechnungszeit als nicht sinnvoll erscheinen muß. Schließlich kann dem Zweck der Erziehungsrente auch noch ihr Wegfall bei der Wiederheirat zuwiderlaufen. I m Ergebnis sind somit mehrere Verstöße gegen das Prinzip der Systemgerechtigkeit festzustellen, die die Verfassungswidrigkeit der Ausgestaltung der Erziehungsrente begründen. Darüber hinaus ist sogar zu überlegen, ob die Regelung des § 1265 a RVO nichtig zu nennen ist. Denn offensichtlich handelt es sich bei der Erziehungsrente um „eine neuartige, aus System, Sinn und Zweck des bisherigen Gesetzes herausfallende abweichende Regelung"; mit dieser Formulierung hat jedenfalls das Bundesverfassungsgericht i n der Vergangenheit bereits eine Nichtigkeitsfeststellung begründet 1 4 0 . Auch unabhängig von dieser Frage bestehen aber keine Zweifel an der Notwendigkeit einer umgehenden, grundlegenden Korrektur dieser Norm.

140 Vgl. BVerfGE 7, S. 129 (153), i m Anschluß an BVerfGE 4, S. 219 (245 ff.). Zur Differenzierung bei der Feststellung von verfassungsimperfekten Rechtslagen i n „bloß verfassungswidrig" u n d „nichtig" vgl. v. Pestalozza, i n : Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bundesverfassungsgerichts, Bd. I , S. 520 ff.

7 Bordiert

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen

entenrecht

C. Der Kinderzuschuß I. Die gesetzliche Regelung im Überblick

Die Empfänger von BU-, EU-, Erziehungs- oder Altersrenten erhalten für jedes K i n d mindestens bis zu dessen 18. Lebensjahr einen Kinderzuschuß i n Höhe von 1834,80 D M zu ihrer Rente 1 . Für Kinder, die sich i n Schul- oder Berufsausbildung befinden, ein freiwilliges soziales Jahr leisten oder sich infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen nicht selbst unterhalten können, w i r d der Kinderzuschuß bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres gezahlt; darüber hinaus kommt eine entsprechende Verlängerung nur i n den Fällen i n Frage, i n denen sich die Schul- oder Berufsausbildung durch die Erfüllung der gesetzlichen Wehr- oder Ersatzdienstpflicht des Kindes verlängert. Für diese Zeiten der Schul- bzw. Berufsausbildung w i r d der Kinderzuschuß dann geleistet, wenn die Ausbildung die Zeit und Arbeitskraft des Kindes mindestens überwiegend i n Anspruch nimmt und das K i n d während dieser Zeit nur über ein begrenztes eigenes Einkommen verfügt 2 . Als „ K i n d e r " i m Sinne dieser Regelung gelten neben den ehelichen, für ehelich erklärten oder adoptierten Kindern auch die i n den Haushalt des Rentenberechtigten aufgenommenen Stiefkinder sowie die nichtehelichen Kinder von Versicherten; bei Vätern muß jedoch die Vaterschaft oder die Unterhaltspflicht feststehen 3 . Bei gleichzeitigem Anspruch auf Kinderzulage aus der Unfallversicherung oder beim Bezug von Waisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung durch das K i n d ist der Anspruch ebenso ausgeschlossen wie i n den Fällen, i n denen dem Rentenberechtigten bereits kindbezogene Beträge i n seinen Dienst- oder Versorgungsbezügen i n bestimmten Versicherungs- oder Versorgungsleistungen oder i n seinem Arbeitsentgelt gewährt werden 4 . Der Bezug des Kinderzuschusses schließt die Gewährung von Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz aus 5 . Seit jedoch das staatliche Kindergeld für die dritten und weiteren Kinder den festen Satz des Kinderzuschusses i n der Rentenversicherung übersteigt, w i r d für diese Kinder vom Träger der Rentenversicherung ein Ausgleichsbetrag i n 1

§ 1262 RVO. § 1262 Abs. 3 Satz 4 und 5 RVO; vgl. auch Verbandskommentar, §1262 A n m . 15. 3 § 1262 Abs. 2 RVO. 4 § 1262 Abs. 1 Ziff. 3, 4 RVO. 5 § 8 Abs. 1 Ziff. 1 B K G G . 2

2. Kap. : C. Der Kinderzuschuß

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Höhe des Unterschiedsbetrages gezahlt. Diese Zahlungen werden vom Bund erstattet 6 . I I . Zur Geschichte der Regelung

Bereits seit dem Inkrafttreten der RVO i m Jahre 1912 ist der K i n derzuschuß Bestandteil der Rentenleistungen. Er stellt damit die älteste unmittelbar kindbezogene Leistung i m System der gesetzlichen Rentenversicherung dar. Seit dieser ersten Ausgestaltung bis i n die jüngste Vergangenheit hinein erlebte der Kinderzuschuß eine wechselvolle Geschichte. Ständige Veränderungen der Bezugsdauer und -höhe sowie des Kreises der berechtigenden Kinder spiegeln die i m Laufe der Zeit jeweils unterschiedlichen Akzente der Sozialpolitik wider und verdeutlichen zugleich, daß der Kinderzuschuß offensichtlich stets die beweglichste Manövriermasse für die soziale Tagespolitik i n der Rentenversicherung darstellte. Wegen dieser ausgeprägten Unbeständigkeit muß darauf verzichtet werden, die Regelungen bzw. ihre Diskontinuität i m einzelnen nachzuzeichnen 7 . Nicht unerwähnt bleiben soll jedoch die großzügige Ausgestaltung der Bezugsdauer für behinderte Kinder i n den Jahren 1926 bis 1931: Der Kinderzuschuß sollte damals ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihres Beginns für die ganze Dauer der Behinderung, unter Umständen also lebenslang, gewährt werden 8 . Erwähnenswert ist ferner, daß i m Jahre 1938 der Kinderzuschuß für dritte und weitere Kinder erhöht wurde. Diese Maßnahme ist Ausdruck des natalistischen Programms der nationalsozialistischen Sozialpolitik 9 . I m Jahre 1942 wurde die Staffelung jedoch aufgegeben und der Betrag des Kinderzuschusses — für alle Kinder gleich — auf das höhere Niveau angehoben 10 . Als Beispiele für die Kurzlebigkeit der Kinderzuschußregelungen i n der jüngsten Vergangenheit seien hier nur die Veränderungen seit 1974 aufgeführt. So wurde i m Rahmen der Reform der sozialen Ausgleichsmaßnahmen für Kinder („Kindergeldreform") der Anspruch auf Kinderzuschuß für die Fälle beseitigt, i n denen für dasselbe K i n d Leistungen auch aus der gesetzlichen Unfallversicherung gewährt w u r den 1 1 . Dieser Abbau sozialpolitisch unerwünschter Doppelleistungen 6

§§ 8 Abs. 2, 45 a B K G G i. V. m. § 1395 a RVO. Vgl. die Übersicht i m Verbandskommentar, Bd. I, § 1262 RVO, Rdnr. 1: Gesetz v o m 25. J u n i 1926 (RGBl. S. 311). 9 Vgl. oben, I I . Teil, 2. Kap. Α. I I . 10 Gesetz v o m 19. J u n i 1942 (BGBl. I S. 407). 11 Siehe dazu Verbandskommentar, Bd. I, § 1262 RVO, Rdnr. 4 a.

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

aus öffentlichen Kassen w i r d durch das 20. R A G fortgeführt, das den gleichzeitigen Anspruch auf Kinderzuschuß bei Bezug einer Waisenrente durch das K i n d ebenso entfernt wie für die große Gruppe öffentlich Bediensteter und Versorgungsempfänger, deren Einkommen bereits kindbezogene Beträge enthalten 1 2 . I n die gleiche Richtung zielen auch die durch das Haushaltsstrukturgesetz festgelegten Einkommensgrenzen des Kindes, deren Überschreitung die Gewährung des Kinderzuschusses ausschließt 13 . Das 20. RAG brachte zwei weitere erwähnenswerte Änderungen, nämlich die Einschränkung des Kinderbegriffs und die Festlegung des Kinderzuschusses auf einen festen Betrag. Zählten bis zur Neuregelung durch das 20. RAG unter bestimmten Voraussetzungen auch Pflegekinder sowie Enkel und Geschwister zum Kinderbegriff des § 1262 RVO, so sind diese Gruppen seitdem entfallen. Da diese Personen jedoch i m Katalog der waisenrentenberechtigten Kinder weiter enthalten sind, löste diese Veränderung den bisher einheitlichen Kinderbegriff i m System der Rentenversicherung auf 1 4 . Da nach dem Bundeskindergeldgesetz Pflegekinder, Enkel und Geschwister weiter kindergeldberechtigt sind 1 5 , ergibt sich ferner auch innerhalb dieser beiden sehr eng verwandten Leistungen ein unterschiedlicher Kinderbegriff. Eine — sollte dies ausnahmsweise einmal der Fall sein — langfristig erhebliche Veränderung bedeutet auch das „Einfrieren" des Kinderzuschusses. Bis zum Inkrafttreten des 20. R A G bestand der Kinderzuschuß aus einem Betrag, der als Prozentsatz der Rentenleistung ( = 1 0 o/o) berechnet wurde und damit automatisch an den Rentenerhöhungen teilnahm. Obwohl diese Veränderung die Eigenschaft des Kinderzuschusses als integrierter Rentenbestandteil nicht berührte 1 6 , führt die neue Regelung langfristig jedoch zu einem Absterben dieser Leistung i m Bereich der Rentenversicherung,

I I I . Sozialpolitische Aspekte der Regelung

Die Berücksichtigung von Kindern nur auf der Leistungsseite des Versicherungsverhältnisses ist ihrer A r t nach grundsätzlich eine versicherungsfremde Leistung und Ausdruck des Prinzips des sozialen Aus12

Verbandskommentar, Bd. I, § 1262 RVO, Rdnr. 4 b. Verbandskommentar, Bd. I, § 1262 RVO, Rdnr. 20 f. 14 Siehe § 1267 Abs. 1 Satz 1 RVO. 15 Vgl. §2 B K G G ; siehe dazu Ruland, i n : Festschrift zum 25jährigen Bestehen des Bundessozialgerichts, S. 462 ff. 16 Das bedeutet ζ. B., daß er ohne besonderen Antrag, § 1545 Abs. 1 Nr. 2 RVO, m i t der beantragten Versicherungsrente zu bewilligen ist, vgl. V e r bandskommentar, § 1262 RVO, Rdnr. 4; vgl. auch BSGE 10, S. 131. 13

2. Kap.: C. Der Kinderzuschuß

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gleichs durch die Solidargemeinschaft 17 . Daß diese Berücksichtigung zwar traditionell, aber nicht unbedingt institutionell eine Aufgabe der Versichertengemeinschaft ist, macht die Überschneidung m i t den K i n dergeldleistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz deutlich: Gemäß § 8 Abs. 1 Ziff. 1 B K G G w i r d Kindergeld nicht für Kinder gezahlt, für die Anspruch auf Kinderzuschuß besteht. Andererseits werden vom Bund die Ausgaben erstattet, die der Rentenversicherungsträger für dritte und weitere Kinder als Ausgleichsbetrag zwischen Kinderzuschuß und dem höheren Kindergeldanspruch zu leisten hat. Insbesondere diese Doppelzuständigkeit von Versichertengemeinschaft (bis zur Höhe von 1834,80 DM) und Staat (Differenz bis zu 2880,—DM, § 10 BKGG) offenbart dabei die Unsicherheit hinsichtlich der materiellen Verantwortlichkeit für derartige Leistungen 1 8 ; auch die Uneinheitlichkeit des Kinderbegriffes und der Leistungen werden als Ausdruck dieser Unsicherheit verständlich. Allerdings läßt die Entwicklung der letzten Jahre eine Tendenz erkennen, diese Leistungen eines „besonderen" Familienlastenausgleichs der Versichertengemeinschaft durch die staatlichen Leistungen des „allgemeinen" Familienlastenausgleichs zu verdrängen. Darauf deuten sowohl das „Einfrieren" der Kinderzuschußleistungen 19 als auch die Erhöhung der Kindergeldleistungen und die Einschränkung des anspruchsberechtigenden Kinderbegriffs hin. Diese Überschneidung bzw. Verlagerung verdeutlicht andererseits aber, daß trotz der unterschiedlichen Ausgestaltung und organisatorischen Zuordnung der Kinderzuschuß als akzessorische Leistung der Sozialversicherung den gleichen sozialpolitischen Zweck wie das eigenständig ausgestaltete Kindergeld erfüllen soll, nämlich die Erhöhung des Familieneinkommens. M i t dieser Erhöhung soll ein allgemeiner und gleicher Ausgleich vor allem der Lasten erzielt werden, die als Mehraufwendungen oder Mindereinnahmen für eine Familie regelmäßig mit der Kindererziehung verbunden sind 2 0 . I n diesem Zweck bündeln sich familienpolitische Ziele ebenso wie bevölkerungs-, w i r t schafts- und sozialpolitische Zielsetzungen. Familienpolitisch soll der 17 Z u m Prinzip des sozialen Ausgleichs i n der Rentenversicherung siehe Schewe, i n : Festschrift f ü r Walter Bogs (1959), S. 333 f.; Bogs, Harald, Die Sozialversicherung i m Staat der Gegenwart, S. 417 ff.; Meydam, Eigenschutz u n d sozialer Ausgleich i n der Sozialversicherung, S. 70 ff. 18 Eine ähnliche Unsicherheit besteht auch bei der Regelung der Erstattung fiktiver Beitragszeiten beim Mutterschaftsurlaub, siehe unten, I I . Teil, 3. Kap. Β. I I . 19 A l l e i n i n der knappschaftlichen Rentenversicherung sind dadurch f ü r 1978 Einsparungen i n Höhe von rd. 12 Mio. D M erwartet worden, vgl. B T Drucks. 8/119, S. 97. Entsprechende Zahlen für die Arbeiter- u n d Angestelltenversicherung sind — soweit ersichtlich — nicht veröffentlicht. 20 Siehe oben, I. Teil, Β . I.

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Kinderzuschuß den Familien die Wahrnehmung ihrer Erziehungs- und Schutzfunktion erleichtern. Bevölkerungs- und wirtschaftspolitisch soll er zur Reproduktion des Wirtschaftsfaktors Arbeitskraft beitragen 2 1 und sozialpolitisch sollen die Lebensbedingungen von Familien m i t und ohne Kinder durch Minderung der kinderbedingten Belastungen einander angeglichen werden 2 2 . Diese Multifunktionalität des Kinderzuschusses — wie auch des K i n dergeldes — steht jedoch i n gewissem Gegensatz zur Höhe der Leistung, die die Unterhaltslasten nicht annähernd abdeckt. So ist auch insbesondere i m Hinblick auf die bevölkerungspolitische Funktion eingewandt worden, daß Familienausgleichsleistungen einen gegenteiligen, geburtenhemmenden Effekt erzielen, solange sie so signifikant unter den tatsächlichen Kosten liegen und damit den Eltern beständig die ökonomische Belastung durch Kinder signalisieren 23 . Zur zahlenmäßigen Bedeutung der Kinderzuschüsse ist folgendes festzustellen: Bei einem Rentenbestand an Versichertenrenten am 1. J u l i 1976 von insgesamt 3 287 596 (ArV: 2 358 736 / A n V : 928 860) wurden an 219 819 Rentner Kinderzuschüsse geleistet (ArV: 158 913 / A n V : 60 916). Von diesen erhielten 147 286 Kinderzuschüsse für ein K i n d (ArV: 102 310 / A n V : 44 976), 41 305 für zwei Kinder (ArV: 29 660 / A n V : 11 645) und 21 228 für drei oder mehr Kinder (ArV: 16 943 / A n V : 4285) 24 . I V . Verfassungsrechtliche Überlegungen zum Kinderzuschuß

Wegen des krassen Mißverhältnisses zwischen der Belastung durch Kinder und der mit dem Kinderzuschuß (ebenso m i t dem Kindergeld) daran soweit zurückbleibenden gesellschaftlichen Beteiligung fordert die Ausgestaltung des Kinderzuschusses zur verfassungsrechtlichen Überprüfung aus dem Gesichtspunkt des A r t . 6 Abs. 1 GG heraus, demzufolge die Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ord21

Bley, Sozialrecht, S. 282. Vgl. §6 S G B - A T , u n d dazu Burdenski, i n : Burdenski/v. Maydell/Schellhorn, S G B - A T , A n m . 1; siehe auch BVerfGE 11, S. 105 (115). 23 Schmidt-Kaier, ZfBevWiss 1978, S. 78; vgl. auch Hatzold, Soziologische Arbeitshefte, Heft 17, S. 107, der annimmt, bevölkerungspolitische Maßnahmen müßten wahrscheinlich eine Mindestgröße aufweisen, u m einen bestimmten Schwellenwert für eine Reaktion zu erreichen. „ E i n höheres K i n dergeld u m ζ. B. D M 50,— erreicht angesichts der 10 m a l so hohen K i n d e r kosten u n d von etwa 20 m a l so hohen Opportunitätskosten allein für den Wegfall eines Erwerbseinkommens diesen Schwellenwert aller Wahrscheinlichkeit nach n i c h t . . . " . 24 Quelle: Rentenbestände i n der Rentenversicherung der Arbeiter u n d der Angestellten, Stand 1 J u l i 1976, Tab. 6 b, S. A 42 f. (neuere Daten sind zur Zeit — Februar 1980 — nicht verfügbar. 22

2. Kap. : C. Der Kinderzuschuß

103

nung steht. I n dieser Norm ist nicht lediglich ein bloßer Programmsatz 20 , sondern eine „wertentscheidende Grundsatznorm" 2 6 zu sehen, deren Gehalt sich nicht i n einem Eingriffsverbot an den staatlichen Gesetzgeber erschöpft. Sie enthält vielmehr eine Institutsgarantie, daß Ehe und Familie als wesentliche Einrichtungen der Rechtsordnung erhalten bleiben 2 7 . Sie verpflichtet den Staat darüber hinaus zur aktiven Förderung der Familien durch geeignete Maßnahmen 28 . Dieses Gebot ist überdies i n Art. 16 Europäische Sozialcharta dahingehend verdeutlicht, daß zur Schaffung der notwendigen Voraussetzungen für die Entfaltung der Familie der wirtschaftliche und soziale Schutz des Familienlebens zu fördern ist, insbesondere durch Sozial- und Familienleistungen, steuerliche Maßnahmen, Förderung des Baues familiengerechter Wohnungen usw. 2 9 . Das Gebot der aktiven Familienförderung bedeutet nun zwar nicht, daß Familien als solche bereits einen Anspruch auf angemessene Versorgung durch den Staat haben, noch daß es Aufgabe des Staates ist, jede die Familie treffende Belastung abzugleichen 3 0 . Die typischen Belastungen jedoch, vor allem die wirtschaftlichen Belastungen durch Kinder, müssen nach verbreiteter Ansicht einem Ausgleich zugeführt werden 3 1 , i n welchem die eigentliche, sozial- und familienpolitische Finalität des Kinderzuschusses ebenso wie die des Kindergeldes zu sehen ist 3 2 . Wenn dieses Ausgleichsziel durch die öffentlichen Leistungen aber so deutlich verfehlt wird, wie es zur Zeit sowohl beim Kinderzuschuß wie beim Kindergeld geschieht 33 , dann liegt eine Verletzung der aus Art. 6 Abs. 1 GG folgenden Förderungspflicht allerdings sehr nahe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist indes davon auszugehen, daß die Wertentscheidung des A r t . 6 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip zwar eine allgemeine Pflicht des Staates zu einem Familienlastenausgleich beinhaltet, nicht aber die Entscheidung darüber, i n welchem Umfang und i n welcher Weise ein solcher 25 Wie i n der WRV, vgl. Maunz, i n : Dürig/Maunz/Herzog, Grundgesetz, A r t . 6 Rdnr. 6. 26 BVerfGE 6, S. 55 (71). 27 BVerfGE 6, S. 55 (72). 28 BVerfGE 6, S. 55 (76); 28, S. 104 (113). 29 Siehe auch A r t . 16 Ziff. 3 A E M R ; dazu Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 280. 30 BVerfGE 23, S. 258 (264); 28, S. 104 (118). 31 Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 286 (m. w. N.). 32 Vgl. dazu auch Wilke/Schachel, VSSR 1978, S. 316 f.; BVerfGE 39, S. 316 (326 — m . w. N.). 33 Siehe oben, I. Teil, Β. I.

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

sozialer Ausgleich vorzunehmen ist. „Dies liegt vielmehr grundsätzlich i n der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers 34 ." Wenn unter Berücksichtigung dieses Wertungsrahmens zur Zeit deshalb eine Verletzung des A r t . 6 Abs. 1 GG auch verneint werden muß, so zeigt immerhin bereits die 2. Witwerrentenentscheidung, daß tatsächliche Entwicklungen auch imperative Folgen für den Gesetzgeber haben können. Angesichts des anhaltenden Geburtenschwundes ist — bei weiterem Zögern des Gesetzgebers — ein Verstoß gegen A r t . 6 Abs. 1 GG (durch Unterlassen) nicht auszuschließen, zumal für das Bundesverfassungsgericht eine derartige willkürliche Pf licht Versäumnis des zur sozialen A k t i v i t ä t verpflichteten Gesetzgebers durchaus nicht undenkbar ist 3 5 .

34 35

BVerfGE 39, S. 316 (326). Vgl. BVerfGE 1, S. 97 (105); siehe dazu auch unten, I I I . Teil, Β . I V .

3. K a p i t e l

D i e altersrentensteigernde Berücksichtigung der Erziehung A. Die Anrechnung von Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten als Ausfallzeiten Zeiten der Schwangerschaft und des Wochenbettes können gemäß § 1259 Abs. 1 Ziff. 2 RVO als sog. „Ausfallzeiten" bei der Rentenberechnung berücksichtigt werden. Ausfallzeiten sind beitragslose, jedoch für die Ermittlung der anrechnungsfähigen Versicherungszeiten wirksame Zeiten; hinsichtlich der Voraussetzungen der Wartezeiterfüllung z.B. bleiben sie dagegen unberücksichtigt 1 . Voraussetzung für eine Anrechnung ist dabei zunächst, daß durch die Schwangerschaft und das Wochenbett eine versicherungspflichtige Beschäftigung unterbrochen worden sein muß. Ferner werden Ausfallzeiten nur dann angerechnet, wenn die Zeit vom Kalendermonat des Eintritts i n die Versicherung bis zum Kalendermonat, i n dem der Versicherungsfall eingetreten ist, mindestens zur Hälfte, aber nicht unter 60 Monaten, m i t Pflichtbeiträgen belegt ist 2 . Ausfallzeiten werden bei der späteren Rentenberechnung indes nur dann berücksichtigt, wenn dieselbe Zeit nicht bereits als Versicherungszeit i n Frage kommt 3 . Die Anrechnung dieser Zeiten erfolgt grundsätzlich nach dem Durchschnitt des individuellen Versicherungsverlaufs bis zum Ende des Kalenderjahres vor dem Eintreten der Schwangerschaft und des Wochenbettes4. I . Zur Geschichte der Vorschrift 5

Die Qualifizierung der Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten als Ausfallzeiten ist ein Ergebnis der Rentenreform des Jahres 1957. 1 2 3 4 5

Vgl. §§ 1249—1251 RVO. Das ist die sog. „Halbbelegung", § 1259 Abs. 3 RVO. § 1258 Abs. 1 RVO. § 1255 a Ziff. 2 a RVO. Die Darstellung beschränkt sich auf die Arbeiterrentenversicherung.

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Rentenrechtlich berücksichtigt wurden diese Zeiten jedoch letztlich bereits seit dem Beginn der deutschen Rentenversicherung. Zwar wurde eine gesetzliche Regelung dieser Tatbestände erst i m Invalidenversicherungsgesetz 6 geschaffen, diese hatte nach einer Entscheidung des RVA vom 6. Juni 1901 jedoch rückwirkende K r a f t auch für die Zeiten vor 19007. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden Schwangerschaft und Wochenbett nicht als Regelungsgegenstände der Rentenversicherung angesehen. So enthielt das Invaliditäts- und Altersversicherungsgesetz vom 22. Juni 18898 keine die Mutterschaft betreffenden Regelungen, obwohl bereits das Gesetz betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung vom 17. J u l i 18789 ein mutterschutzrechtliches Beschäftigungsverbot 10 normierte und Mutterschaft bereits seit dem Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15. Juni 1883 11 als Problem der Sozialversicherung gesehen wurde 1 2 . Eine i m Zusammenhang mit einer Entbindung eingetretene A r beitsunterbrechung wurde vom R V A i n einer Revisionsentscheidung 13 erstmals am 10. März 1897 als Krankheitszeit i m Sinne des § 17 Abs. 2 I A V G und damit als bis zu maximal einem Jahr anrechenbare B e i t r a g s z e i t anerkannt und damit den Zeiten der Wehrpflicht oder den Zeiten freiwilliger militärischer Dienstleistungen grundsätzlich gleichgestellt 14 . Für die als Leistungsvoraussetzung 15 normierte Wartezeit 1 6 sowie für die damals notwendige Erhaltung der Anwartschaft war sie somit voll wirksam. Bei der Rentenberechnung 17 wurden für 0

§ 30 Abs. 6 I V G i. d. F. der Bekanntmachung v. 19. J u l i 1897 (RGBl. S. 463). R V A A N 17. Jg. (1901), S. 639 (Nr. 944). 8 RGBl. S. 97. 9 RGBl. S. 199. 10 § 135: „Wöchnerinnen dürfen drei Wochen nach ihrer Niederkunft nicht beschäftigt werden". 11 RGBl. S. 73. 12 § 20 Ziff. 2: Krankenunterstützung „ a n Wöchnerinnen auf die Dauer von 3 Wochen nach ihrer Niederkunft". 13 R V A A N 13. Jg. (1897), S. 320 (Nr. 573). 14 § 17 Abs. 2 und 4 I A V G ; es galt lediglich eine Begrenzung der Anrechenbarkeit auf ein Jahr. „Den auf die Dauer militärischer Dienstleistungen entfallenden A n t e i l der Rente übernimmt das Reich, § 89", § 28 Abs. 2 I A V G . 15 Bis zum I n k r a f t t r e t e n des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes i m Jahre 1957 kannte man „Ersatztatsachen", die f ü r die Leistungsvoraussetzungen der Erhaltung der Anwartschaft, der E r f ü l l u n g der Wartezeit u n d für die Rentensteigerung unterschiedlich w i r k s a m wurden. Dabei w a r der Kreis der Ersatztatsachen bei der Rentenberechnung am kleinsten, bei der Anwartschaft am größten, vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I I I , S. 700 a. 16 §§ 15,16 I A V G . 17 Vgl. §§ 25—27 I A V G . 7

3. Kap. : Α . Schwangerschafts- und Wochenbett-Ausfallzeiten

107

Krankheits- und Militärzeiten i m Sinne des § 17 I A V G pauschal die Lohnklasse I I einer i n vier Klassen geteilten Skala zugrundegelegt 18 . Sachverhalt und Entscheidungsgründe lassen allerdings deutlich werden, daß das R V A damals Wochenbettzeiten als solche auf gar keinen Fall als rentenrechtlich relevant anerkennen wollte: Es ging um die jeweils mehrmonatige Erwerbsunfähigkeit einer Mutter anläßlich von zwei Entbindungen. Das erstinstanzlich m i t der Sache befaßte Schiedsgericht hatte die Arbeitsunterbrechung als nicht anrechenbar für die Erfüllung der Wartezeit angesehen, „ w e i l die durch Entbindungen der Klägerin eingetretenen Arbeitsunterbrechungen als Krankheitszeiten selbst dann nicht gelten könnten, wenn sich bei einer weniger kräftigen Natur infolge der Niederkunft eine längere Zeit hindurch andauernde Körperschwäche eingestellt hätte" 1 9 . Das R V A ist dieser Auffassung entgegengetreten. Da unstreitig war, daß die jeweils mit den Entbindungen auf getretene Erwerbsunfähigkeit i m wesentlichen auf die bereits vor der Entbindung vorhandene Körperschwäche zurückzuführen war, „ist die Annahme einer Anomalie und damit einer Krankheit während des Wochenbettes jedenfalls dann berechtigt, wenn durch das Wochenbett ein bereits vorhandener Krankheits- oder Schwächezustand verschlimmert wird, dergestalt, daß das Wochenbett nicht mehr als alleinige Ursache der eingetretenen Erwerbsunfähigkeit i n Betracht kommen k a n n " 2 0 . Der hier bereits erkennbaren und — abgesehen von der Schwangerschaft — bis i n die Ziff. 1 und 2 des heutigen § 1259 Abs. 1 RVO verfolgbaren Unterscheidung zwischen Krankheit und Wochenbett wurde dann tatbestandlich Rechnung getragen i n der bereits erwähnten Vorschrift des § 30 Abs. 6 des I V G 2 1 . Gemäß § 30 Abs. 2 Ziff. 3 I V G galten Krankheitszeiten — wie bereits beim I A V G — als Beitragszeiten. Abgesehen davon, daß das I V G nunmehr fünf Lohnklassen unterschied, änderte sich auch hinsichtlich der Leistungsvoraussetzungen 2 2 und der Rentenberechnung 23 gegenüber dem I A V G nichts. Insbesondere blieben Krankheitszeiten den Militärdienstzeiten gleichgestellt 2 4 . 18 Klasse I, Jahresarbeitsverdienst bis zu 350,— D M einschl., Klasse I I bis zu 550,—DM, Klasse I I I bis 850,—DM, Klasse I V mehr als 850,—DM; vgl. §§ 22, 28 I A V G . 19 Vgl. R V A A N 13. Jg. (1897), S. 320. 20 R V A A N 13. Jg. (1897), S. 320. 21 V/ortlaut: „Die an eine K r a n k h e i t sich anschließende Genesungszeit w i r d der K r a n k h e i t gleichgeachtet. Dasselbe gilt von einem regelmäßig verlaufenden Wochenbette für die Dauer der dadurch veranlaßten Erwerbsunfähigkeit, aber höchstens für sechs Wochen von der Entbindung an gerechnet". 22 Vgl. §§28 ff. I V G (Wartezeit, §29; Anwartschaftserhaltung, §46). 23 §§ 35 ff. I V G : Pauschale Anrechnung nach Lohnklasse I I , § 40 I V G .

108

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Die Neuerung, die die RVO dann brachte, war die Einbeziehung der Schwangerschaft und die Verlängerung der anrechenbaren „Beitragszeiten" auf 8 Wochen 25 . Diese Regelung entsprach derjenigen i n der Krankenversicherung 26 . Damit lief die sozialversicherungsrechtliche Regelung erstmals m i t der mutterschutzrechtlichen parallel, da ein 8wöchiger Mutterschutz bereits durch das Gesetz vom 28. Dezember 1908 eingeführt worden w a r 2 7 . Die Anrechenbarkeit dieser Zeiten für die Leistungsvoraussetzungen und die Rentenberechnung blieb unverändert 2 8 . I m Jahre 1934 fand schließlich der bis dahin bereits i n der L i t e r a t u r 2 9 gebräuchliche Begriff „Ersatzzeiten" Eingang i n den Gesetzeswortlaut, wobei Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten als „Ersatzzeiten" (unverändert) sowohl auf die Wartezeit als auch auf die Anwartschaftszeit angerechnet wurden 5 0 . Die für die heutige Trennung i n (auf die Wartezeit anrechenbare) Ersatzzeiten und (darauf nicht anrechenbare) Ausfallzeiten entscheidende Weichenstellung kam mit dem Gesetz über den Ausbau der Rentenversicherung vom 21. Dezember 193731. Während danach Wehrpflichts- oder Reichsarbeitsdienstzeiten für die Erfüllung der Wartezeit anrechenbar blieben 3 2 , waren Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten nurmehr für die Erhaltung der Anwartschaft wirksam 3 3 .

24 Vgl. § 30 Abs. 2 I V G ; hinsichtlich der der Rentenversicherung entstehenden Kosten f ü r Militärzeiten t r u g das Reich — wie bisher — den entsprechenden Anteil, vgl. §§ 40 Abs. 2, 125 I V G . 25 § 1393 RVO i. d. F. v. 11. J u l i 1911, RGBl. S. 509. 26 Vgl. §195 ff. RVO (1911) (Wochenhilfe: Wochengeld i n Höhe des K r a n kengeldes f ü r 8 Wochen). 27 RGBl. S. 667; § 37: „ . . . Arbeiterinnen dürfen vor u n d nach ihrer Niederk u n f t i m ganzen während 8 Wochen nicht beschäftigt werden. I h r Wiedere i n t r i t t ist an den Ausweis geknüpft, das seit ihrer Niederkunft wenigstens 6 Wochen verflossen sind". 28 Vgl. §§ 1251, 1278 (Wartezeit), 1280 (Anwartschaften), 1286 ff. (Rentenberechnung), 1393 f. (Militärdienst- und Krankheitszeit) ; lediglich die Finanzierung der Militärdienstzeiten entfiel, dafür leistete das Reich jedoch einen Zuschuß zu jeder Rente, vgl. §§ 1284—1286 RVO (1911). 29 Vgl. Richter, Sozialversicherungsrecht (1931), S. 137 f. 30 Vgl. §§ 1263—1266 RVO i. d. F. der V O des Reichsarbeitsministers v. 17. M a i 1934, RGBl. I S. 419; mutterschutzrechtlich galt seit dem Gesetz über die Beschäftigung vor und nach der Niederkunft v. 16. J u l i 1927 (RGBl. I S. 184) ein insgesamt 12wöchiges Arbeitsverweigerungsrecht m i t Kündigungsschutz. 31 RGBl. I S. 1393. 32 Vgl. § 1262 RVO i. d. F. des Ausbaugesetzes v o m 21. Dezember 1937 (RGBl. I S. 1393). 33 §§ 1264, 1267 RVO i. d. F. des Ausbaugesetzes v. 21. Dezember 1937 (RGBl. I S. 1393).

3. Kap.: Α. Schwangerschafts-und Wochenbett-Ausfallzeiten

109

Bei den Vorbereitungen zur Rentenreform des Jahres 1957 versuchte die SPD-Fraktion des Deutschen Bundestages diese Differenzierung i n zwei unterschiedliche Kategorien beitragsloser Zeiten m i t ihrem Gesetzentwurf eines Renten Versicherungsgesetzes vom 18. A p r i l 1956 zu verhindern. Dieser sah i n seinem § 9 Ziff. 6 einen einheitlichen Ersatzzeitenkatalog unter Einschluß der Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten vor 3 4 . Nach dem Regierungsentwurf dagegen war damals die Anrechnung von Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten überhaupt nicht geplant; lediglich bei krankheits- oder unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit über die Dauer von 13 Wochen hinaus, sollten die entsprechenden Zeiten berücksichtigt werden 3 5 . Erst nach langen Auseinandersetzungen 36 erhielt die Vorschrift des § 1259 Abs. 1 Ziff. 2 RVO dann ihre heutige Fassung. Angesichts der langen Tradition, die die Berücksichtigung dieser Zeiten i n der Rentenversicherung aufweist, läßt sich die Kontroverse nur schwer erklären. Wahrscheinlich beruht die zunächst außerordentlich eingeschränkte Bereitschaft, diesen Tatbestand einzufügen, auf der allgemeinen Tendenz der Reform, vor allem das Versicherungsprinzip i m Rentensystem zu betonen. Damit sind beitragslose rentenwirksame Zeiten nur schwer zu vereinbaren, da sie zu nicht durch Beiträge gedeckten Ausgaben führen 3 7 . Andererseits ist in den Materialien jedoch eine grundsätzliche Übereinstimmung festzustellen, daß ein solcher Ausgleich für Fälle unverschuldeter Beitragsverhinderung geschaffen werden sollte. Lediglich die Risikoverteilung zwischen Individuum und Solidargemeinschaft war umstritten. So wurde i n den parlamentarischen Beratungen auch immer wieder um die Frage gestritten, ab welcher Dauer der Arbeits- und Beitragszeitenverhinderung eine A n rechnung vorzunehmen sei. Dabei wurde offen ausgesprochen, daß man bei einer zu kurzen Bemessung dieser Frist möglicherweise denjenigen Arbeitern rentensteigernde Zeiten anrechnen könnte, die auf Kosten der anderen Mitglieder „krankfeierten" 3 8 . 34

Vgl. Richter, Sozialreform, Bd. 2, F X , S. 46 f. Vgl. § 1263 des Regierungsentwurfs eines Rentenversicherungsgesetzes, abgedruckt bei Richter, Sozialreform, Bd. 2, F X , S. 135. 38 Die CDU unterbreitete ζ. B. i n der zweiten Lesung v o m 16.—18. u n d 21. Januar 1957 den Vorschlag, n u r „Zeiten, i n denen eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit durch Schwangerschaft oder Wochenbett länger als 6 Wochen unterbrochen ist" anzurechnen, vgl. Richter, Sozialreform, Bd. 2, F X I I I , S. 389 sowie S. 386—388, 390—394. 37 I n der Begründung zum Regierungsentwurf, der n u r die 13 Wochen übersteigenden Zeiten der Arbeitsunfähigkeit erfassen sollte, k o m m t dies deutlich zum Ausdruck, vgl. Richter, Sozialreform, Bd. 2, F X I I I , S. 197; die Anrechnung von Ausfallzeiten ist deshalb schließlich auch von einer längeren Beitragszugehörigkeit zur Solidargemeinschaft abhängig gemacht worden, vgl. § 1259 Abs. 3 RVO. Z u diesem Problemkreis vgl. Schlie, ZVersWiss 1966, S. 53 ff. 35

110

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Insbesondere dieser Verlauf der Diskussion w i r d jedoch das Verständnis für die Notwendigkeit einer Durchbrechung des versicherungsmäßigen Äquivalenzprinzips durch das Prinzip des sozialen Ausgleichs gerade für den Fall der Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten geweckt haben, da an der naturgesetzlichen Bedingtheit dieser Beitragsverhinderung schließlich nicht vorbeizukommen w a r 3 9 .

I I . Sozialpolitische Aspekte

Sozialpolitisch ist die Ausfallzeitenregelung die rentenrechtliche Abrundung des Mutterschutzes. Von dessen drei primären Zielen — Schutz der (werdenden) Mutter und des (werdenden) Kindes vor Gefahren, Überforderung und Gesundheitsschädigung am Arbeitsplatz, vor Arbeitsplatzverlust und vor finanziellen Einbußen 4 0 — ist die Ausfallzeitenregelung dem letzteren zuzuordnen, da eine Rentenminderung vermieden werden soll. Die sozialpolitische Bedeutung dieser Regelung dürfte jedoch gering sein, seit die Novellierung des Mutterschutzgesetzes i m Jahre 1968 41 für die Schutzfristen eine Entgeltfortzahlung einführte und diese Zeiten damit Beitragszeiten wurden 4 2 . Genaue Angaben über die verbleibende Bedeutung der Regelung lassen sich i n gängigen Rentenstatistiken indes nicht finden. I I I . Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelung

Zweifel an der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Regelung bestehen i n zweifacher Hinsicht, wobei sich beide Male die Frage einer Verletzung des Gleichbehandlungsgebots, A r t . 3 Abs. 1 GG, stellt. Zum einen werden die Zweifel durch den Vergleich zur Ersatzzeitenregelung des § 1251 RVO, zum anderen dadurch hervorgerufen, daß diese Ausfallzeitenregelung zu einer individuell unterschiedlichen A n rechnung führt. 38 Vgl. die Rede des Abgeordneten Dr. Berg (FVP) : „dann . . . möchte ich . . . doch w i r k l i c h einmal fragen: Gibt es denn nach I h r e r Meinung tatsächlich keine Leute, die leichtfertig u n d unberechtigt k r a n k feiern? Nach meinen Erfahrungen gibt es die, u n d es ist die Aufgabe der Sozialpolitik, diesen Mißbrauch zu v e r h ü t e n . . a b g e d r u c k t bei Richter, Sozialreform, Bd. 2, F X I I I , S.394. 39 Dies spiegelt auch der Verlauf der weiteren Diskussion wider, vgl. Richter, Sozialreform, Bd. 2, F X I I I , S. 515 f. 40 Vgl. Zmarczlik, A u R 1979, S. 171. 41 BGBl. I S. 315. 42 Vgl. dazu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I I I , S. 700 h (f).

3. Kap. : Α . Schwangerschafts- und Wochenbett-Ausfallzeiten

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1. Der Vergleich zur Ersatzzeitenregelung Die historische Darstellung hat gezeigt, daß urspünglich die Ausgestaltung der Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten derjenigen der Wehrdienstzeiten entsprach. Das deutet darauf hin, daß — so verschieden die rentenrechtlich berücksichtigten Lebenssachverhalte auch sind — grundsätzlich eine Vergleichbarkeit dieser Regelung gegeben ist. Diese Vergleichbarkeit besteht nun darin, daß i n beiden Fällen die Versicherten an der Ausübung einer versicherungspflichtigen Besunäftigung und damit an einer Beitragszahlung verhindert sind und daß diese Beitragsverhinderung um den Preis der Durchbrechung des Äquivalenzprinzips aus sozialen Gründen ausgeglichen werden soll. Es stellt sich deshalb die Frage, ob die wartezeitwirksame Berücksichtigung der i m Ersatzzeitenkatalog zusammengefaßten Zeiten einerseits und der insoweit wirkungslosen Ausgestaltung der Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten andererseits als willkürlich i m Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu A r t . 3 Abs. 1 GG anzusehen ist. Bei der Betrachtung der i m Ersatzzeitenkatalog zusammengefaßten Tatbestände zeigt sich, daß diese ausschließlich Zeiten der Beitragsverhinderung aus staatspolitischen Gründen, insbesondere Kriegsfolgensachverhalte, regeln und somit einen Ausgleich für bestimmte aus Gründen des Allgemeinwohls abverlangte Sonderopfer darstellen 43 . Demgegenüber scheint es sich bei Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten um einen Tatbestand zu handeln, der ausschließlich individuelle und damit private Relevanz hat. Daß eine solche Betrachtungsweise jedoch oberflächlich ist, w i r d durch den zur Zeit rapiden Rückgang der Geburtenzahlen deutlich. Dieser Vorgang macht nämlich die Funktionsweise des gesellschaftlichen „Generationenvertrages" und die entscheidende Rolle, die der heranwachsenden Generation zukommt, offenbar 4 4 . Angesichts der weitgehenden Sozialisierung des Nutzens von K i n dern und der Privatisierung der Lasten 4 5 läßt sich der Sonderopfergedanke deshalb ebenso auf die Zeiten der Beitragsverhinderung aus Gründen der Mutterschaft übertragen. Der Sonderopfergedanke kann deshalb nicht als ein die Willkürlichkeit der unterschiedlichen Regelungen ausschließender, ausreichend vernünftiger Grund gewertet werden. Eine Rechtfertigung läßt sich jedoch aus einem anderen Aspekt herleiten: Der Vergleich der Ersatzzeittatbestände mit dem Fall der 43 44 45

Vgl. dazu v. Maydell, i n : Festschrift für Sieg, S. 372. Siehe dazu unten, I I I . Teil, Α. I V . Siehe oben, I . Teil, Β . I.

112

I I . T e i l : Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Schwangerschafts- und Wochenbettausfallzeiten macht deutlich, daß es sich einerseits durchweg u m längere Zeitperioden handelt, die — würden sie nicht als Ersatzzeiten angerechnet — unter Umständen sogar häufig die Wartezeiterfüllung gefährden könnten, während andererseits die Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten regelmäßig doch nur von relativ viel kürzerer Dauer sind und damit die Gefahr einer Nichterfüllung der Wartezeit regelmäßig nicht gegeben ist. I m Ergebnis kann die Nichteinbeziehung der Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten i n den Ersatzzeitenkatalog deshalb nicht als w i l l kürlich i m Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu A r t . 3 Abs. 1 GG angesehen werden.

2. Die verfassungsrechtliche Problematik der individuellen Bewertung der Schw anger schaftsund Wochenbettzeiten Für die Anrechnung der Ausfallzeiten ist gemäß § 1255 a Ziff. 2 a RVO für jeden Kalendermonat der Wert zugrundezulegen, der sich aus den bis zum Ende des Kalenderjahres vor der Schwangerschafts- und Wochenbettzeit zurückgelegten Versicherungs- und Ausfallzeiten als Monatsdurchschnitt des Versicherten ergibt. Das bedeutet, daß das biologisch gleiche Ereignis bei verschiedenen Müttern rentenrechtlich i m konkreten Ergebnis unterschiedlich gewürdigt wird. Ob sich dieses Ergebnis m i t dem Grundsatz der Gleichbehandlung vereinbaren läßt, muß deshalb bezweifelt werden. Denn der allgemeine Gleichheitssatz des A r t . 3 Abs. 1 GG fordert, Gleiches gleich, Ungleiches nach seiner Eigenart entsprechend zu behandeln 46 . Wenn dabei auch grundsätzlich der Gesetzgeber darüber zu entscheiden hat, welche Elemente der zu ordnenden Lebensverhältnisse als für die Gleich- oder Ungleichbehandlung i m Recht maßgebend anzusehen sind 4 7 , dürfen jedoch Gesetzlichkeiten, die i n der Sache selbst liegen, ebenso wie die fundierten allgemeinen Gerechtigkeitsvorstellungen der Gemeinschaft nicht verletzt werden 4 8 . Auszugehen ist zur Beurteilung dieser Frage von der historischen Beobachtung der Ausgestaltung dieser Zeiten bis zum Jahre 1957. Wie oben dargestellt, wurden bis zur Rentenreform des Jahres 1957 die Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten für alle Frauen gleich 46 BVerfGE 1, S. 14 (52); 3, S. 58 (135); 9, S. 237 (244); 18, S. 38 (46); 38, S. 241 (257); 42, S. 64 (72); zur Problematik des A r t . 3 Abs. 1 GG als Kontrollmaßstab der Gesetzgebung vgl. oben, I I . Teil, 2. Kap. Β . I V . 2. a). 47 Vgl. BVerfGE 3, S. 225 (240 — ständige Rechtsprechung). 48 BVerfGE 9, S. 338 (349).

3. Kap. : Α . Schwangerschafts- und Wochenbett-Ausfallzeiten

113

bewertet; der individuelle Versicherungsverlauf blieb also unberücksichtigt. Zur Rechtfertigung der m i t der damaligen Rentenreform herbeigeführten Differenzierung bietet sich jedoch die Überlegung an, daß die Ausfallzeiten Lücken i n der Versicherungsbiographie abdecken sollen, die durch letztlich unfreiwillige Beitragsverhinderung entstanden sind. Diese Argumentation würde demzufolge an den (verhinderten) Beiträgen und damit letztlich am Versicherungsprinzip anknüpfen. Dahinter steht der Gedanke, daß für i m Durchschnitt besser verdienende Frauen auch eine höhere Anrechnung dieser beitragslosen Zeiten deshalb gerechtfertigt erscheint, weil diese i m Durchschnitt der Versichertengemeinschaft auch ihrerseits höhere Beiträge beisteuern. Diese Begründung geht jedoch daran vorbei, daß die Ausfallzeitenregelung gerade eine Durchbrechung des Äquivalenzprinzips durch das Prinzip des sozialen Ausgleichs darstellt. Es ließe sich deshalb sagen, daß das Äquivalenzprinzip insoweit von dem Prinzip des sozialen Ausgleichs verdrängt wird; für die Berücksichtigung des Äquivalenzprinzips bleibt deshalb kein Raum mehr. Sozialer Ausgleich in diesem Sinne bedeutet, daß er nicht nur zwischen Beitragszahlern und Beitragsverhinderten stattfindet, sondern auch innerhalb der vom sozialen Ausgleich selbst begünstigten Personengruppen w i r k t . Dem i n so umfassender Weise verstandenen Prinzip des sozialen Ausgleichs läuft es allerdings zuwider, wenn die von der Solidargemeinschaft unter Durchbrechung des Äquivalenzgedankens erbrachten Leistungen wiederum i m Sinne des Äquivalenzprinzips differenziert werden. Die hier zutage tretende Ungleichbehandlung der Mütter läßt sich somit nicht überzeugend rechtfertigen. Ob dies jedoch vom Bundesverfassungsgericht bereits als Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz angesehen würde, scheint nicht sicher. Denn das Bundesverfassungsgericht beschränkt seinen diesbezüglichen Prüfungsmaßstab auf die Frage, ob die äußersten Grenzen des vom W i l l k ü r verbot eingegrenzten Bereichs überschritten sind 4 9 , bzw. ob die „ U n sachlichkeit der getroffenen Regelung evident" ist 5 0 . Beides w i r d man aber i m vorliegenden Fall i n dieser krassen Form nicht behaupten können. Ob die Regelung jedoch den „fundierten allgemeinen Gerechtigkeits Vorstellungen der Gemeinschaft" 51 entspricht, muß zumindest bezweifelt werden. Eine Korrektur — vielleicht ähnlich der der Ausbildungsausfallzeitenregelung 52 — erscheint jedenfalls angebracht. 49 50 51 52

BVerfGE 3, S. 58 (135). BVerfGE 12, S. 326 (333); 18, S. 121 (124). BVerfGE 9, S. 338 (349). Vgl. § 1255 a RVO.

8 Bordiert

114

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

B. Die rentensteigernde Berücksichtigung der Mutterschaftszeiten nach dem Gesetz zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs Durch das Gesetz zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25. Juni 19791 wurde das Mutterschutzrecht u.a. auch in rentenrechtlicher Hinsicht erheblich erweitert. Anknüpfend an die bisherige Regelung sieht das Gesetz einen insgesamt sechsmonatigen Mutterschaftsurlaub nach der Entbindung für Frauen vor, die bei Beginn der Mutterschutzfrist vor der Entbindung i n einem Arbeitsverhältnis stehen oder i n Heimarbeit beschäftigt sind 2 . Während dieser Zeit des Mutterschaftsurlaubs, also die vier bzw. drei (Mehrlingsgeburt) Monate i m Anschluß an die Mutterschutzfrist, erhalten die Mütter aus Mitteln des Bundeshaushalts ein Mutterschaftsgeld i n Höhe von 750,— D M 3 . Dieses Mutterschaftsgeld können auch die Frauen erhalten, deren Arbeitsverhältnis während ihrer Schwangerschaft vom Arbeitgeber zulässig aufgelöst worden ist und die i n der Zeit zwischen dem 10. und 4. Monat einschließlich dieser Monate vor der Entbindung für mindestens 12 Wochen i n der gesetzlichen Krankenversicherung versichert waren oder i n einem Arbeitsverhältnis gestanden haben 4 . Die Leistung ist an ein Verbot gleichzeitiger Erwerbstätigkeit geknüpft, welches der entsprechenden Regelung i m Bundesurlaubsgesetz nachgebildet ist 5 ; w i r d verbotswidrig Einkommen erzielt, so w i r d dieses auf das Mutterschaftsgeld angerechnet 6 . Die Regelung gilt i m übrigen auch für arbeitslose Frauen, die bei Beginn der Schutzfrist vor der Entbindung Anspruch auf Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe oder Unterhaltsgeld nach dem A F G hatten 7 . Während der Zeit dieses verlängerten Mutterschaftsurlaubs bleiben die Mütter i n der Rentenversicherung pflichtversichert 8 . Diese Pflichtversicherung ist beitragsfrei; die Beiträge „gelten" jedoch gemäß § 1385 Abs. 4 a RVO als „entrichtet", wobei als Bemessensgrundlage das während der neu eingeführten Zeit des Mutterschaftsurlaubs geleistete Mutterschaftsgeld i n Höhe von einheitlich 750,— D M für alle Mütter 1 BGBl. I, S. 797. — F ü r Bundesbeamtinnen wurde eine weitgehende parallele Regelung m i t der gleichzeitig verkündeten 3. V O zur Änderung der VO über den Mutterschutz für Beamtinnen v. 27. J u n i 1979 getroffen (BGBl. I, 5. 835). 2 § 1 MuSchG. 3 §§ 8 a Abs. 1, 13 MuSchG i. V. m. § 200 Abs. 4 RVO. 4 § 13 Abs. 2 MuSchG. 5 Vgl. §§ 8 b MuSchG, 8 B U r l G ; siehe dazu Buchner, N J W 1979, S. 1796 f. 6 § 200 c Abs. 2 RVO; vgl. dazu Buchner, N J W 1979, S. 1797. 7 § 200 a Abs. 3 RVO; vgl. Schroeter, B B 1979, S. 993. 8 § 1227 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 RVO.

3. Kap.: Β . Die rentenrechtliche A b r u n d u n g des Mutterschaftsurlaubs

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herangezogen w i r d 9 . Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung bekommen die hierfür anzusetzenden Ausgaben vom Bund erstattet, wobei diese Regelung zunächst bis zum 31. Dezember 1981 befristet ist 1 0 . I . Zur Geschichte der Regelung

Der Regelungsgegenstand des Mutterschaftsurlaubs ist demjenigen der Schwangerschafts- und Wochenbettzeitenregelung verwandt. I n beiden Fällen soll der gesundheitlichen Situation von Müttern i n unmittelbarem Zusammenhang mit der Geburt leiblicher Kinder Rechnung getragen werden 1 1 . Die folgende Darstellung der Geschichte der neuen rentenrechtlichen Regelung kann deshalb an die historische Betrachtung der Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten anknüpfen. Dabei ergibt sich für die Rückschau ein spezifischer Aspekt der Betrachtung, da der Gesetzgeber trotz der weitgehenden Identität der Regelungsmaterie so deutlich voneinander abweichende Normentscheidungen getroffen hat. Es stellt sich nämlich die Frage, welche Einflüsse möglicherweise für die divergierende Regelung, dort Ausfallzeit — hier Beitragszeit, maßgebend gewesen sind. Für diese Untersuchung ist nun an die zunehmende Aufmerksamkeit zu erinnern, die einerseits der familiären Erziehung bereits seit dem Ende der 30er Jahre, andererseits der sozialen Sicherung erziehender Mütter seit dem Ende der 50er Jahre zugewandt wurde 1 2 . Schließlich finden sich parallel m i t der Flut von Stellungnahmen gegen die Erwerbstätigkeit von Müttern viele Vorschläge, die Mütter durch einkommenspolitische Hilfen zum Verzicht auf ihre Erwerbstätigkeit bewegen sollen 13 . Auch die Empfehlung Nr. 123 der Internationalen Arbeitskonferenz vom 2. Juni 1965 betreffend die Beschäftigung von Frauen mit Familienpflichten sprach sich für eine bezahlte Freistellung von Arbeitnehmerinnen für eine längere Zeit nach der Entbindung aus 14 . 9

§ 1385 Abs. 3 i RVO; dazu Buchner, N J W 1979, S. 1799. A r t . 7 Abs. 2 des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs v. 25. 6.1979. 11 Zur gesundheitspolitischen Begründung des Mutterschaftsurlaubs vgl. Zmarzlik, A u R 1979, S. 174, u n d Zipperer, R V 1980, S. 41. 12 Siehe oben, I I . Teil, 2. Kap. Β . I. 13 Vgl. Bünger, Familienpolitik i n Deutschland, S. 41 ff. (m. w. N.); vgl. auch die Vorschläge eines „Muttergeldes" von Klaje, Über die Notwendigkeit eines neuen Familienmodells i n der industriellen Gesellschaft, S. 123; eines „Ausgleichsgeldes" von Pfeil, Die Frau i n Beruf, Familie und Haushalt, S. 141; eines „Mutterpflegeausgleichsgeldes" von Harmsen, in: BMJFG (Hrsg.), M ü t t e r u n d K i n d e r i n der BRD, Bd. 2, S. 466; eines „ M u t t e r - G e h a l tes" von Schönbauer, ZSR 1963, S. 641. 10

81

116

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Detailliertere Vorschläge wurden jedoch erst relativ spät gemacht. Hier sind insbesondere die Überlegungen Schulte Langforths 15 und Rulands 16 zu nennen. Die genetische Beziehung ihrer Vorschläge zu der Ausgestaltung des Mutterschaftsurlaubs ist jedoch nicht ohne weiteres erkennbar, da sie die arbeitsrechtlichen Aspekte unberücksichtigt ließen. Daß sie jedoch als ideelle Vorläufer der jetzt geltenden Regelung angesehen werden können, folgt aus dem Verbund laufender Leistungen an Mütter mit einer korrespondierenden sozialversicherungsrechtlichen Absicherung, beides finanziert aus Steuermitteln des Bundes. Ausgehend von der These der Kindesgefährdung und der gesundheitlich unzumutbaren Doppelbelastung durch die Erwerbstätigkeit der Mütter kleiner K i n d e r 1 7 , sah der Vorschlag Schulte Langforths vor, daß Mütter, die mit ihrem leiblichen K i n d unter 3 Jahren i n Haushaltsgemeinschaft leben und keine Erwerbstätigkeit ausüben, ein festes monatliches Muttergeld erhalten sollten. Dieses sollte je nach den Umständen des Einzelfalles von dem letzten Nettoerwerbseinkommen oder der Schul- bzw. Berufsausbildung ausgehen. Das Muttergeld sollte nur für die Betreuung des ersten, zweiten und dritten Kindes und dabei längstens für 8 Jahre gewährt werden 1 8 . Zur rentenrechtlichen Absicherung dieser Zeiten schwebte SchulteLangforth eine Ausgestaltung dieser Zeiten als von einer Vorversicherungszeit unabhängige Ersatzzeiten vor 1 9 . Anders dagegen Ruland. Sein Vorschlag ging ebenfalls davon aus, Müttern, die sich ihrer Kinder wegen auf den Haushalt zurückgezogen haben, für den Ausfall an Erwerbseinkommen einen Ausgleich zu gewähren. Muttergeld sollte dabei subsidiär gegenüber Einkommensersatzleistungen nach dem MuSchG oder vergleichbaren Leistungen sein. Sein Bezug sollte bis zum 3. Lebensjahr des Kindes dauern, da dieser Zeit der kindlichen Sozialisation entscheidende Bedeutung zukomme. M i t jedem weiteren K i n d sollte sich die Bezugsdauer u m zwei Jahre erhöhen. 14 Vgl. Zipperer, RV 1979, S. 41; i n Österreich gilt seit 1973 eine vergleichsweise großzügige entsprechende Regelung, vgl. das rechtsvergleichende G u t achten von v. Maydell, Die soziale Alterssicherung der Frau (Sachverständigenkommission, Anlageband II), S. 27 f. 15 Muttergeld, S. 136 ff. 16 Familiärer Unterhalt, S. 448 ff. 17 Das entspricht nahezu wörtlich der Begründung des Regierungsentwurfs zum neuen MuSchUrlG, vgl. BT-Drucks. 8/2613 S. 1. 18 U m „eine überdurchschnittliche Zunahme der Geburten" zu vermeiden, vgl. Schulte Langforth, Muttergeld, S. 140. 19 Dies., Muttergeld, S. 148.

3. Kap. : Β . Die rentenrechtliche A b r u n d u n g des Mutterschaftsurlaubs

117

I m Gegensatz zu Schulte-Langforth steht jedoch die Konzeption Rulands hinsichtlich des Ausgleichs des Altersversorgungsnachteils nicht erwerbstätiger Mütter; diese sieht vor, daß Mütter während der Dauer des Muttergeldbezuges i n ihrer jeweiligen Rentenversicherung mit Mitteln des Familienlastenausgleichs auf der Basis des Durchschnittsentgelts aller weiblichen Versicherten versichert werden sollten 2 0 . Das bedeutet, daß diese Zeiten als Beitragszeiten zu qualifizieren sind. Teilzeitarbeit sollte nach Rulands Vorstellungen sowohl das Muttergeld wie die Versicherungsbeiträge entsprechend kürzen 2 1 . Insoweit entsprechen seine Vorstellungen in den Grundzügen der heutigen Ausgestaltung. Während diese Forderung von der CDU/CSU-Opposition mit ihrem Gesetzentwurf für ein „Erziehungsgeld" 2 2 zu großen Teilen übernommen und seit 1978 i n einem Modellversuch Erziehungsgeld i n Niedersachsen sogar experimentell i n die Tat umgesetzt wurde 2 3 , blieb eine Rezeption derartiger Überlegungen i n die sozialpolitischen Planungen der sozialliberalen Regierungskoalition aus. Die Koalition beschränkte sich vielmehr einerseits hinsichtlich der Bedarfssituation „Erziehung" auf die Reform des Kindergeldrechts 2 4 und andererseits hinsichtlich der Erziehungszeiten bei der Altersrente auf den Vorschlag der Anrechnung eines sog. „Baby-Jahres" 2 5 . Dieser „Baby-Jahr "-Entwurf i m Regierungsentwurf zum Rentenreformgesetz 1972 scheiterte dann, obwohl sich alle am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten grundsätzlich über die Notwendigkeit einer derartigen Regelung einig waren, am Widerstand des Bundesrates. Der Entwurf und dieser Vorgang sind es dabei wert, hier näher dargestellt zu werden, zumal der Verlauf der Kontroverse auch einige Gesichtspunkte deutlich macht, die die Beurteilung der Regelung des Mutterschaftsgeldes erleichtern. Der Regierungsentwurf zum Rentenreformgesetz 1972 sah i n seiner ursprünglichen Fassung eine Regelung vor, die die Rente versicherter Frauen jährlich um einen dynamischen Beitrag erhöhen sollte, der dem durchschnittlichen Rentenzuwachs einer Frau für ein Versicherungsjahr entspricht 26 . 20

Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 451 ff. Ders., Familiärer Unterhalt, S. 449, 452. 22 BT-Drucks. 7/2031. 23 Siehe unten, I V . Teil, 1. Kap. Β . I V . 24 Durch das Einkommensteuerreformgesetz v o m 5. August 1974 (BGBl. I S. 1769); dazu Büttner, Kindergeld, S. 15 ff. 25 § 1260 c des Regierungsentwurfs zum RRG, BT-Drucks. 556/71, S. 5. 26 Der Gesetzesvorschlag i m W o r t l a u t : „Der Jahresbetrag der Rente wegen Berufsunfähigkeit einer Versicherten erhöht sich zur Abgeltung eines zu21

118

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Nach der amtlichen Begründung sollten dadurch „ i m Rahmen der finanziellen Möglichkeiten" die Nachteile angemessen ausgeglichen werden, die Frauen durch die Geburt eines Kindes hinsichtlich ihrer eigenständigen Alterssicherung erleiden. Die Begründung ging davon aus, daß Frauen in der Regel nach der Geburt eines Kindes ihre Erwerbsfähigkeit für kürzere oder längere Zeit unterbrechen, um sich der Pflege und Erziehung ihres Kindes zu widmen. Darüber hinaus habe die Geburt eines Kindes für die Mutter oft einen Verlust des Arbeitsplatzes, Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung sowie — früher sogar regelmäßig — eine Beendigung des beruflichen Aufstiegs zur Folge 2 7 . I n der Stellungnahme des Bundesrates wurde jedoch bemängelt, daß die Regelung ausschließlich an die Geburt eines leiblichen Kindes anknüpfe, für die Erziehung eines Adoptiv- oder Stiefkindes jedoch keine entsprechende Vergünstigung vorsah 2 8 . Darüber hinaus hatte ein gemeinsamer Antrag der Länder Rheinland-Pfalz, Bayern und SchleswigHolstein die Vorschläge der Bundesregierung insoweit nicht für ausreichend erachtet, als die Vergünstigung nur auf nach Inkrafttreten des Gesetzes eintretende Versicherungsfälle beschränkt sein sollte. Dies würde zu sozial nicht vertretbaren Härten und Ungerechtigkeiten für die gegenwärtigen Rentnerinnen und die nicht versicherten Frauen führen 2 9 . Die i m Beschluß des Bundesrates enthaltene K r i t i k weist somit auf den wesentlichen Nachteil einer Regelung i n Form eines „Baby-Jahres" hin: Sie knüpft lediglich an die Geburt eines Kindes, nicht jedoch an die Erziehungsleistung der Eltern an. So werden Erziehungsleistungen von Vätern i n dieser Ausgestaltung nicht berücksichtigt. Schließlich werden durch diese Form eines „Baby-Jahres" die Mütter benachteiligt, die wegen der Kindererziehung nicht oder nur kurz erwerbstätig waren und deshalb die Voraussetzungen der Wartezeit nicht erfüllen. Diese sätzlichen Versicherungsjahres für jedes von i h r vor E i n t r i t t des Versicherungsfalles lebend geborene K i n d u m einen Betrag von 0,7 v. H., der Jahresbetrag der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit und das Altersruhegeld u m einen Betrag von 1,05 v. H. der für die Berechnung der Rente maßgebenden allgemeinen Bemessungsgrundlage (§ 1255 Abs. 2). Die Leistung nach S. 1 w i r d bei A n w e n d u n g der §§ 1253, 1254, 1268, 1269 Abs. 1 S. 1, §§ 1270, 1278, 1279, 1310 Abs. 6 u n d § 1318 wie ein Kinderzuschuß behandelt". Bei der E r m i t t l u n g der genannten Erhöhungsbeträge wurde davon ausgegangen, daß die persönliche Bemessungsgrundlage einer F r a u für ein Versicherungsjahr i m Durchschnitt 7 0 % der allgemeinen Bemessungsgrundlage beträgt. Dabei sollten die unterschiedlichen v. H.-Sätze für BU-Renten einerseits und E U Renten sowie Altersruhegeld andererseits auf den unterschiedlichen Steigerungsbeträgen beruhen, vgl. A m t l . Begründung, BR-Drucks. 566/71, S. 41. 27 Vgl. A m t l . Begründung, BR-Drucks. 566/71, S. 38. 28 Vgl. Beschluß des BR, Anlagen zu dem Schreiben des Präsidenten des BR v. 3.12.1971 an den Bundeskanzler, S. 2 (BR-Drucks. 566/71). 29 BR-Drucks. 566/71/2, S. 3 f.

3. Kap. : Β. Die rentenrechtliche A b r u n d u n g des Mutterschaftsurlaubs

119

Regelung wäre deshalb gerade den Müttern nicht zugute gekommen, die wegen der Erziehung mehrerer Kinder ihre Erwerbstätigkeit lange unterbrechen mußten 3 0 . Letztlich folgt aus der soeben dargestellten Konzeption des „BabyJahres", daß die für die jetzige Ausgestaltung des Mutterschaftsurlaubs maßgebenden Überlegungen später stattfanden. Zu vermuten ist, daß sowohl das Zwischenergebnis der Enquête-Kommission, die ebenfalls ein „Ausgleichsgeld" bzw. „Erziehungsgeld" für nicht erwerbstätige M ü t t e r 3 1 und die Anrechnung von Beitragszeiten bzw. Ausfallzeiten für Erziehungsjähre vorgeschlagen hatte 3 2 , vor allem aber auch die A r beiten der Sachverständigenkommission für die soziale Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen für die rentenrechtliche Ausgestaltung des Mutterschaftsurlaubs maßgebend waren 3 3 . Bei der Kommission war das alte 3 4 Problem der Anrechnung von Erziehungszeiten eingehend erörtert und schließlich mehrheitlich zugunsten von Beitragszeiten m i t der Begründung entschieden worden, es sei der Vorteil von Beitragszeiten, daß diese auch bei den Leistungsvoraussetzungen berücksichtigt würden 3 5 . Dies gelte z.B. für die Wartezeit, die besonderen Voraussetzungen der Anrechnung beitragsloser Zeiten, die Rente nach Mindesteinkommen, das vorgezogene Altersruhegeld bei Frauen sowie das flexible Altersruhegeld. Schließlich bedeute die derartige Gleichstellung der Kindererziehung mit einer versicherungspflichtigen Tätigkeit eine sozialpolitisch konsequente Fortführung der Einbeziehung von Hausfrauen i n die gesetzliche Rentenversicherung, die m i t der Öffnung der Rentenversicherung durch das Rentenreformgesetz i m Jahre 1972 begonnen worden war. Als Nachteil der Beitragszeiten-Lösung wurden vor allem zwei Punkte betont; einmal bedinge die Anrechnung von Erziehungszeiten als Beitragszeiten einen erhöhten Verwaltungsaufwand, zum anderen würden damit auch die ausländischen Eltern begünstigt, die selbst und deren Kinder nicht langfristig i m Bundesgebiet arbeiten und damit auch nicht zur Sicherung des Umlageverfahrens i m Generationenvertrag 30 Vgl. Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 450 f.; vgl. auch Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 73 (Rdnr. 207). 31 Vgl. Zwischenbericht der Enquête-Kommission „ F r a u und Gesellschaft", Zur Sache 1/1977, S. 41, 48. 32 Vgl. Zwischenbericht der Enquête-Kommission, ebd., S. 34. 33 Das legt zumindest die zeitliche Abfolge nahe: So datiert der Regierungsentwurf des Mutterschaftsurlaubsgesetzes, BT-Drucks. 8/2613, v. 5. März 1979; zu diesem Zeitpunkt w a r die Arbeit der Sachverständigenkommission jedoch weitgehend abgeschlossen (der Öffentlichkeit vorgestellt am 21. M a i 1979). 34 Siehe oben, Einleitung, Fn. 11. 35 Gutachten, S. 72 f. (Rdnr. 205).

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen

entenrecht

beitragen würden. A u f diesen Gesichtspunkt stützten sich deshalb auch die Befürworter einer Ersatz- bzw. Ausfallzeitenregelung, die den entscheidenden Vorteil einer beitragslosen Ausgestaltung darin sahen, daß die Anrechnung von Erziehungszeiten dann wegen der erforderlichen Halbbelegung auf Versicherte beschränkt blieben, die der Solidargemeinschaft kontinuierlich angehörten 36 . Die für den Mutterschaftsurlaub gefundene Regelung kann deshalb nicht nur als gesetzgeberische Entscheidung einer alten Streitfrage angesehen werden, sondern muß auch i n ihrer Bedeutung hinsichtlich der zu erwartenden Berücksichtigung der Erziehungszeiten i m Rahmen der bevorstehenden Reform gesehen werden.

I I . Sozialpolitische Aspekte

Der soeben dargestellte Zusammenhang zur bevorstehenden Rentenreform stellt bereits einen Bezug der rentenrechtlichen Ausgestaltung als fiktive Beitragszeiten zu einem sozialpolitischen Aspekt dieser Regelung her. Ob es darüber hinaus überhaupt sinnvoll bzw. möglich ist, diese rentenrechtliche Ausgestaltung isoliert auf weitere m i t ihr verbundene sozialpolitische Aspekte zu hinterfragen, erscheint angesichts der Komplexität der gesamten Regelung des Mutterschaftsurlaubs zweifelhaft. So spricht auch die Aussage des federführenden Bundesarbeitsministers gegen einen eigenständigen Stellenwert dieser Regelung. Denn dieser betonte, Kern der Novelle sei die um 4 Monate erweiterte Freistellung, während alle anderen damit zusammenhängenden Maßnahmen — Fortzahlung des Mutterschaftsgeldes, Aufrechterhaltung der sozialen Sicherung und Arbeitsplatzgarantie — lediglich notwendige Rahmenbedingungen seien 37 . Das würde gegen eine isolierte und für eine schwerpunktmäßig am Mutterschutzgedanken orientierte Betrachtungsweise sprechen 38 . A l l e r dings hat Buchner 39 zu Recht festgestellt, daß eine derartige Sichtweise wie die des Bundesarbeitsministers nicht überzeugt, wenn sie die über die Freistellung hinausgehenden Bestandteile der Regelung lediglich als Annex bezeichnet. Zur Begründung erinnert Buchner an Löwisch, der i n seinem Gutachten zum 50. Deutschen Juristentag die Frage, ob der Mutter über die von ihm geforderte Beurlaubung hinaus noch ein Muttergeld aus Sozialversicherungs- oder Steuermitteln gezahlt wer36

Gutachten, S. 73 (Rdnr. 206). Vgl. Rede des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung, Ehrenberg, vor dem Deutschen Bundestag a m 10. M a i 1979, Sozialpolitische I n f o r mationen, Jg. X I I I / 1 0 , v. 14. M a i 1979. 38 Wie sie ζ. B. bei Zmarczlik A u R 1979, S. 171 ff., zu finden ist. 39 N J W 1979, S. 1801. 37

3. Kap.: Β. Die rentenrechtliche A b r u n d u n g des Mutterschaftsurlaubs

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den solle oder könne, ausdrücklich offengelassen hat m i t der Begründung, diese Frage sei i m Rahmen eines arbeitsrechtlichen Gutachtens nicht zu erörtern 4 0 . Das spricht gegen eine notwendige Abhängigkeit der sozial rechtlichen Elemente der Regelung von dem arbeitsrechtlichen Kern. U m jedoch den Zusammenhang der komplexen Regelung nicht durch eine isolierte Betrachtungsweise des hier vor allem interessierenden Aspektes der rentensteigernden Ausgestaltung zu zerreißen, sollen i n der folgenden Darstellung deshalb zunächst die sozialpolitischen Aspekte der Gesamtregelung, i m Anschluß daran die rentenrechtlichen Besonderheiten berücksichtigt werden. Eine so eingehende Beschäftigung mit diesem Komplex rechtfertigt sich auch deshalb, weil die hier zu erörternden Gesichtspunkte zumindest tendenziell auch für jede bereits bestehende oder zukünftig zu entwickelnde Regelung, die Sozialleistungen für Erziehungspersonen von der Aufgabe der Erwerbstätigkeit abhängig macht, Bedeutung gewinnen. Erklärtes sozialpolitisches Ziel der Bundesregierung i n ihrem Gesetzentwurf war die Entlastung der erwerbstätigen Mütter von der Doppelbelastung durch Beruf und K i n d e r 4 1 . Ob die geschaffene Regelung dafür allerdings tauglich ist, bezweifelt Schreyer 42. Denn — wie sie zutreffend bemerkt — die Festschreibung der Zuständigkeit der Frau für die Kinderbetreuung w i r d sich nicht auf die ersten 6 Monate beschränken, sondern darüber hinaus erhalten bleiben. Die neue Regelung beinhalte paradoxerweise somit gerade eine entgegengesetzte Wirkung, nämlich eine Verpflichtung auf die Doppelbelastung, es sei denn, der Mutterschaftsurlaub würde verbreitet zu einem längerdauernden Ausstieg aus der Erwerbstätigkeit führen. Diese Überlegung ist angesichts der zu erwartenden wachsenden emotionalen Bindung von Mutter und K i n d während dieser sechs Monate naheliegend 43 . Das Argument der „Doppelbelastung" erklärt jedoch die Beschränkung auf die erwerbstätigen bzw. sozialversicherten Frauen 4 4 . 40

Löwisch, Gutachten zum 50. DJT, D 89 Fn. 99. Vgl.BT-Drucks. 8/2613, S. 1, 9; die Zahl dieser M ü t t e r w i r d dabei auf jährlich ca. 300 000 geschätzt. 12 SozFortschritt 1979, S. 75. 43 Vgl. die Rede des Bundesministers für Arbeit u n d Sozialordnung, Ehrenberg, in: Sozialpolitische Informationen, Jg. X I I I / 1 0 , v. 14. M a i 1979: „ U n d wenn so oft von dem Schock geredet worden ist, den die Frau erleben w i r d , wenn sie sich nach sechs Monaten von ihrem K i n d trennt: Solange das geltende Recht diesen Schock nach acht Wochen zuließ, hat niemand von Ihnen dies als unerträglich empfunden. Erst als w i r den Mutterschutz erweitert haben, erst als w i r aus acht Wochen sechs Monate gemacht haben, kamen Sie m i t der Schockwirkung . . . " 41

122

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Daß i m Windschatten dieser Begründung jedoch möglicherweise auch arbeitsmarktpolitische Überlegungen eine Rolle spielten, ist nicht auszuschließen; daß diese Vermutung sogar naheliegt, w i r d verschiedentlich betont 4 5 . Eine sichere Prognose über das Ausmaß der Arbeitsmarktentlastung ist nach Meinung Schreyers jedoch kaum zu erstellen. Für problematisch hält sie jedoch die Ausklammerung der Option, welche Person zur Betreuung des neugeborenen Kindes zeitweilig aus dem Erwerbsleben ausscheidet, da daraus möglicherweise eine Verschlechterung der Arbeitsmarktchancen von Frauen resultiert; dem hätte durch ein potentielles Ausscheiden männlicher Arbeitskräfte tendenziell entgegengewirkt werden können 4 6 . Der zeitliche Zusammenhang mit der seit einiger Zeit immer kontroverseren Debatte um den Rückgang der Geburtenziffern i n der Bundesrepublik sowie die Ähnlichkeit der Regelung mit ausdrücklich pronatalistischen Maßnahmen i n der D D R 4 7 legen darüber hinaus nahe, daß auch bevölkerungspolitische Intentionen m i t dem Mutterschaftsurlaub verfolgt werden, wenn dies auch i m Hinblick auf die A n t w o r ten der Bundesregierung auf Anfragen der Opposition zur Bevölkerungsentwicklung und damit zusammenhängenden Problemen ausdrücklich nicht konstatiert werden kann 4 8 . Eine halbwegs verläßliche Prognose über den geburtenfördernden Effekt des Mutterschaftsurlaubs läßt sich dabei jedoch nicht erstellen 49 . Über die materiellen Wirksamkeitsfaktoren hinaus ist allerdings auch zu bedenken, daß die Beschränkung der neuen Maßnahmen auf Frauen implizit und ihre Begründung explizit eine Wiederbelebung der Mutterschaftsideologie beinhalten. Der erwerbstätigen Mutter i m Rollenkonflikt w i r d wieder der Primat der Mutterrolle gegenüber der Berufsrolle durch einen funktionalen partiellen Rollenwandel suggeriert: Nicht die Frau gehört ins Haus, sondern die Mutter zu ihren Kindern. Es ist deshalb nicht auszuschließen, daß diese Regelung bei den betroffenen Frauen, die hinsichtlich ihrer Rollenidentität möglicherweise 44 Gegen diese Beschränkung wandte sich vor allem die K r i t i k des BR i n konsequenter Verfolgung der familienpolitischen Ansätze der Opposition, vgl. die Empfehlungen der Ausschüsse, BR-Drucks. 221/79/1, S. 4. Siehe auch BT-Drucks. 8/2828 (Änderungsantrag der CDU/CSU-Fraktion). I m ü b r i gen vgl. den Erziehungsgeldentwurf der CDU/CSU-Fraktion, BT-Drucks. 7/2031, sowie unten, I V . Teil, 1. Kap. Β . I V . 45 Schreyer, SozFortschritt 1979, S. 73; Kruse, SozVers 1979, S. 154. 46 Schreyer, SozFortschritt 1979, S. 74. 47 Siehe unten, V. Teil, B. 48 Vgl. Schreyer, SozFortschritt 1979, S. 73. 40 Dies., ebd., S. 74.

3. Kap. : Β . Die rentenrechtliche A b r u n d u n g des Mutterschaftsurlaubs

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eine gewisse Ambivalenz empfinden, wieder verstärkt zu einer Verinnerlichung des traditionellen Frauenbildes führt — eventuell verbunden mit den Folgen einer Erhöhung der Geburtenrate 50 . Zusammenfassend lassen sich über die ausdrücklich i n den Vordergrund gestellte gesundheits- und familienpolitische Zielsetzung hinaus somit zusätzlich arbeitsmarkt- und bevölkerungspolitische Aspekte erkennen. Untersucht man nun vor diesem Hintergrund die rentenrechtliche Ausgestaltung auf ihre sozialpolitische Substanz hin, so fallen — neben der bereits erörterten Reformbezogenheit dieser Regelung — vor allem zwei Dinge auf. Zum einen ist dies die von der eng verwandten Schwangerschafts- und Wochenbettzeitenregelung abweichende Ausgestaltung als nicht-individuell, sondern für alle Mütter auf gleicher Grundlage bemessene Beitragszeit; zum anderen ist bemerkenswert der Umstand, daß den Rentenversicherungsträgern die dadurch entstehenden Aufwendungen vom Bund erstattet werden. Wie hinsichtlich der Ausfallzeitenregelung des § 1259 Abs. 1 Ziff. 2 RVO bereits dargestellt, w i r d nämlich die Schwangerschafts- und Wochenbettzeit anderen Zeiten der Erwerbsverhinderung aus persönlichen Gründen gleichgestellt und als solche der Rücksichtnahme der Solidargemeinschaft anvertraut. Mutterschaft w i r d insoweit also rentenrechtlich als Nichtleistung begriffen. Wenn auch die Beschränkung der Mutterschaftsurlaubsregelung auf Arbeitnehmerinnen die Diskussion darüber erübrigt, ob das Mutterschaftsgeld als monetäres Äquivalent für die gesellschaftlich notwendige Arbeit der Kindererziehung anzusehen ist 5 1 , so ist doch nicht zu verkennen, daß die Beitragszeiten-Ausgestaltung einer leistungsäquivalenten Anerkennung der Mutterschaft nahekommt, da sie die gleiche Wirkung wie eine versicherungspflichtige Erwerbstätigkeit zur Folge hat. Die Anerkennung des Leistungscharakters der Mutterschaft folgt insbesondere auch aus der für alle Frauen i n gleicher Höhe erfolgenden Anrechnung. Während nämlich für die Anrechnung der Ausfallzeiten letztlich die individuelle Beitragsverhinderung entscheidet und so von individuellen Unterschieden geprägte Differenzierungen entstehen, bringt die für alle, individuell so unterschiedlich versicherten Frauen gleiche Anrechnung zum Ausdruck, daß hier etwas gleich zu bewerten ist. Da dies nicht die Aufgabe der Erwerbstätigkeit sein kann — denn diese stellt sich ja i n Einzelfällen sehr unterschiedlich dar —, kann der Anknüpfungspunkt nur die Mutterschaft bzw. die 50 51

Dies., ebd., S. 74. Dies., ebd., S. 74.

124

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Kindererziehung sein. Hier w i r d also nicht die Beitragsverhinderung oder das „Opfer" der Berufsaufgabe, sondern die „Leistung" der M u t ter honoriert; diese ist aber „natürlich" gleich. Was schließlich die Erstattungsregelung anbetrifft, so ist i m Hinblick auf die Begründung zum Gesetzentwurf davon auszugehen, daß diese zeitlich begrenzte Erstattung durch den Bund deshalb vorgenommen wurde, um die Rentenreform nicht zu präjudizieren 5 2 . Es sind deshalb Spekulationen darüber müßig, ob i n dieser Regelung möglicherweise eine grundsätzliche Verteilung von Verantwortungsbereichen zwischen Bundeshaushalt und Versichertengemeinschaft zum Ausdruck kommt.

I I I . Die Möglichkeit sozialpolitisch bedenklicher Idealkonkurrenz

Die Ausgestaltung der rentenrechtlichen Abrundung des Mutterschaftsurlaubs schließt nicht aus, daß diese Zeit zusammenfällt m i t anderen rentenrechtlich relevanten Zeiten. Zu denken ist hier vor allem an ein Zusammentreffen mit Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten und den Zeiten des Bezugs einer Erziehungsrente. Angesichts des eindeutigen Wortlauts der Regelung hinsichtlich des Erwerbsverbotes und den Folgen des Zuwiderhandelns ist dagegen wohl ein Zusammentreffen der fiktiven Beitragszeiten mit einer Pflichtbeitragszeit entgegen der teilweise anderen Ansicht von Buchner auszuschließen 53 . Während die Möglichkeit des Zusammentreffens mit den Zeiten des Bezugs einer Erziehungsrente — abgesehen von der Seltenheit der Erziehungsrente — auf der Hand liegt, ergibt sich dies für Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten daraus, daß die entsprechende Ausfallzeitenregelung unter Umständen über die Mutterschutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz hinaus zur Anwendung k o m m t 5 4 . Hinsichtlich der Altersruhegeldberechnung i n diesen Fällen gilt folgendes: Da (fiktive) Beitragszeiten und Ausfallzeiten sowie — u. U. bei der Erziehungsrente — Zurechnungszeiten zusammenfallen, ermittelt sich die Zahl der anzurechnenden Versicherungsjähre gemäß § 1258 Abs. 1 RVO; d. h. die Beitragszeit verdrängt die beitragslosen Zeiten 5 5 . 52

Vgl. BT-Drucks. 8/2613, S. 16, 19. Buchner gelangt gemäß der Begründung zum Regierungsentwurf i n Anlehnung an die Regelung i m Bundesurlaubsgesetz zu einer Einschränkung des Tätigkeitsverbots und damit zur Möglichkeit einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit während des Mutterschaftsurlaubs, N J W 1979, S. 1796 f. 54 Vgl. Müller, Gesamtkommentar, Bd. I I , § 1259 Anm. 3. 55 Dazu vgl. Verbandskommentar, Bd. I, § 1258 Rdnr. 2; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I I I , S. 700 c I I I ff. 53

3. Kap. : Β. Die rentenrechtliche A b r u n d u n g des Mutterschaftsurlaubs

125

Der Wert der anzurechnenden Zeiten w i r d i n diesen Fällen folgendermaßen bemessen: Zunächst werden die Werte der Ausfallzeiten gemäß § 1255 a RVO ermittelt und sodann der Rentenberechnung zugrundegelegt, §§ 1255 Abs. 3, 1255 Abs. 7 Satz 2 RVO. Hierauf werden schließlich die Beitragszeiten gemäß § 1260 a RVO als Steigerungsbeträge angerechnet 56 . Das bedeutet, daß das Nebeneinander der verschiedenen kindkausalen Regelungen i m Ergebnis zwar nicht i m eigentlichen Sinne zur Kumulation, wohl aber — sozusagen i n Idealkonkurrenz — zu einer i m Ergebnis ähnlichen Rentensteigerung führt. Unter dem Gesichtspunkt der Überversorgung 57 sind derartige Effekte grundsätzlich als sozialpolitisch bedenklich einzustufen, insbesondere dann, wenn — wie dies hier bei Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten, Zeiten des Mutterschaftsurlaubs und des Bezugs der Erziehungsrente der Fall ist — letztlich der gleiche Lebenssachverhalt mehrfach berücksichtigt wird. Eine derartige Höherbewertung hätte sich ζ. B. durch eine Ausgestaltung der Mutterschaftsurlaubsregelung als Ausfallzeit allerdings vermeiden lassen; denn der Wert von Schwangerschafts- und Wochenbett-Ausfallzeiten und der Erziehungsrentenbezugs-Ausfallzeiten w i r d gemäß § 1255 a Ziff. 2 lit. a RVO einheitlich ermittelt. I V . Die verfassungsrechtliche Problematik der rentenrechtlichen Ausgestaltung des Mutterschaftsurlaubs

Die neue Regelung erscheint zum einen unter dem Aspekt der Gleichbehandlung, Art. 3 Abs. 1 GG, zum anderen unter dem Gesichtspunkt der Gleichberechtigung der Geschlechter verfassungsrechtlich problematisch. 1. Allgemeiner

Gleichheitssatz,

Art.

3 Abs. 1 GG

Die rentenrechtliche Absicherung des Mutterschaftsurlaubs unterscheidet sich deutlich von den verwandten Regelungstatbeständen der Schwangerschafts- und Wochenbett-Ausfallzeiten und der Erziehungsrentenbezugs-Ausfallzeit; denn während diese Tatbestände als Ausfall58 Vgl. Verbandskommentar, Bd. I, § 1255 Rdnr. 23; das insoweit anders lautende Ergebnis (Nichtberücksichtigung von während angerechneter Ausfallzeiten geleisteter Beiträge) i n BSGE 45, S. 264 ff., beruht auf der ausdrücklichen Beschränkung der Steigerungsregel des § 1260 a RVO auf Fälle nach dem 31. Dezember 1956. 57 Z u r Problematik dieses Begriffs vgl. v. May dell, Schriftenreihe des Deutschen Sozialgerichtsverbandes, Bd. X V I I , S. 27, 30.

126

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

zeiten aufgrund des individuellen Versicherungsverlaufs berücksichtigt werden, kommt die Mutterschaftsurlaubszeit als Beitragszeit mit der allgemeinen, gleichen Bemessungsgrundlage von D M 750,— zur A n rechnung. I m übrigen werden den Rentenversicherungsträgern i m Gegensatz zu den Ausfallzeitenregelungen ihre Aufwendungen erstattet, wobei dieser Modus allerdings als Provisorium ausgewiesen ist. Angesichts der i m Regierungsentwurf gegebenen Begründung, daß es sich um eine Erweiterung des Mutterschutzgedankens handele 58 , hätte schließlich eine rentenrechtliche Ausgestaltung entsprechend der vorgegebenen Schwangerschafts- und Wochenbettzeitenregelung nahegelegen. Gleichwohl w i r d man die vorliegende Ausgestaltung weder als w i l l kürlich noch als evident unsachlich 59 noch als systemwidrig 6 0 ansehen können; denn für die Ausgestaltung dieser Zeit als Beitragszeit sprechen durchaus vernünftige Gründe, wie bereits oben dargelegt wurde 6 1 . I m übrigen ist daran zu erinnern, daß wegen der seit 1968 eingeführten Entgeltfortzahlung während der Mutterschutzfristen 6 2 auch i n Fällen der Schwangerschaft und des Wochenbettes die Anrechnung als Beitragszeit vorherrschend sein dürfte.

2. Gleichberechtigungsgrundsatz,

Art.

3 Abs. 2 GG

Da die neue Regelung sich auf Frauen beschränkt, stellt sich die Frage ihrer Vereinbarkeit mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter, Art. 3 Abs. 2 GG. Danach müssen alle Regelungen von der Gleichwertigkeit von Mann und Frau ausgehen; dazu gehört insbesondere, daß beide die gleichen Möglichkeiten haben müssen, erwerbstätig zu sein 63 . Erlaubt, unter Umständen sogar notwendig, sind besondere Regelungen nur noch dann, wenn sie den biologischen Unterschieden zwischen Mann und Frau Rechnung tragen 6 4 . Die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des Mutterschaftsurlaubs hängt deshalb davon ab, ob sich aus biologischen Gründen eine Rechtfertigung ergibt. Dies ist dann der Fall, wenn man den gesundheitspo58

Siehe oben, I I . Teil, 3. Kap. Β . I I . Vgl. BVerfGE 3, S. 58 (135 f.); 12, S. 326 (333) — ständige Rechtsprechung. 60 Dazu vgl. oben, I I . Teil, 2. Kap. Β . I V . 6. 61 Vgl. den Text zu Fn. 34 ff. vorstehend. 62 Vgl. oben, I I . Teil, 3. Kap. Α. I I . 63 BVerfGE 6, S. 55 (82). 64 Vgl. BVerfGE 3, S. 225 (239 ff.); 5, S. 9 (11) — ständige Rechtsprechung. 59

3. Kap.: Β. Die rentenrechtliche A b r u n d u n g des Mutterschaftsurlaubs

127

litischen Aspekt der Regelung hervorhebt. So begründete die Bundesregierung ihren Gesetzentwurf damit, daß Frauen über die eigentliche Mutterschutzfrist hinaus noch schonungsbedürftig seien 65 . Gegen die Argumentation läßt sich jedoch einwenden, daß die Regelung des Mutterschaftsurlaubs i n erster Linie und ausdrücklich eine Doppelbelastung durch K i n d und Beruf verhindern soll 6 6 . Eine Doppelbelastung würde jedoch auch dann verhindert und insofern auch der Schonbedürftigkeit der Frau Rechnung tragen, wenn sich der Vater der Betreuung des Säuglings bzw. Kleinkindes widmet. Eine derartige Austauschbarkeit der familiären Rollen entspräche zudem dem Ideal einer gleichberechtigten, d. h. partnerschaftlichen Ehe. Daß dagegen die Regelung des Mutterschaftsurlaubs i m Widerspruch zu den Zielen der Familienrechtsreform zu einer weitreichenden Festschreibung der innerehelichen Rollenverteilung entsprechend der überkommenen Typisierung der Erzieherrolle als Mutterrolle führt, wurde bereits erörtert 6 7 . Die Regelung des Mutterschaftsurlaubs läßt also die Gefahr deutlich werden, m i t Hilfe biologisch-medizinischer Begründungen die Idee der partnerschaftlichen Rollenverteilung zu unterlaufen. Wenn zukünftige Anschlußregelungen einen Rollenwechsel vorsehen sollten, würde dieser wegen der einmal geschaffenen Zuständigkeiten hinsichtlich der Betreuung des Kindes kaum noch realisierbar sein 68 . I m übrigen ist festzuhalten, daß die Mutterschutzfristen bisher jedenfalls als ausreichend i m Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Schutz- und Fürsorgeanspruch der Mütter, Art. 6 Abs. 4 GG, angesehen wurden 6 9 ; auch dieser Umstand läßt die geschlechtsspezifische Begründung der Mutterschaftsurlaubsregelung verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen. Über die insofern hier dargelegten schwerwiegenden Bedenken hinaus ist allerdings eine A n t w o r t auf die Frage der Vereinbarkeit der Regelungen mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung der Geschlechter an dieser Stelle nicht möglich. Ausschlaggebend für die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Regelung wäre nämlich das Gewicht der biologisch-medizinischen Begründung. Solange diese aber nicht in wissenschaftlich stichhaltiger Weise vorliegt, läßt 65 BT-Drucks. 8/2613, S. 1; ebenso die Empfehlung des Ausschusses für A r b e i t und Sozialordnung, BT-Drucks. 8/2797, S. 1 ; vgl. auch Zmarczlik, A u R 1979, S. 174. 66 Siehe oben, Text zu Fn. 41. 67 Siehe vorstehend Text zu Fn. 42 f. 68 Z u den psychologischen Auswirkungen eines Wechsels der Bezugsperson vgl. unten, I V . Teil, 2. Kap. Β . I I . 09 Vgl. Zacher, Sozialpolitik u n d Verfassung, S. 1012.

128

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

sich die notwendige Abwägung verständlicherweise hier nicht vornehmen. C. Die rentensteigernde Berücksichtigung der Bezugszeiten der Erziehungsrente Die Konstruktion der Erziehungsrente als BU- bzw. EU-Rente 1 hat zur Folge, daß Erziehungszeiten unter Umständen eine rentensteigernde Wirkung beim späteren Altersruhegeld entfalten; denn unter bestimmten Voraussetzungen kann die Zeit des Bezuges der „Erziehungsrente" als Ausfallzeit 2 bei der Ermittlung der Anzahl der anrechenbaren Versicherungsjähre 3 berücksichtigt werden. Voraussetzung einer Anrechenbarkeit als Ausfallzeit ist jedoch die sog. „Halbdeckung". Danach werden Ausfallzeiten nur dann angerechnet, wenn die Zeit vom Kalendermonat des Eintritts i n die Versicherung bis zum Kalendermonat, i n dem der Versicherungsfall eingetreten ist, mindestens zur Hälfte mit Beiträgen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt ist 4 . Die Bewertung dieser „Erziehungs-Ausfallzeiten" richtet sich nach dem individuellen Versicherungs verlauf; sie ist nach oben jedoch durch eine Höchtsgrenze beschränkt, die dem Doppelten der allgemeinen Bemessungsgrundlage entspricht 5 . I. Zu den geschichtlichen und sozialpolitischen Aspekten der Regelung

Die rentensteigernde Ausgestaltung der Erziehungsrente als Folge der BU-/EU-Fiktion ist geschichtlich nicht isoliert von der Entstehung der Gesamtregelung zurückzuverfolgen. Es ist deshalb auf die historische Abhandlung der Erziehungsrente i m ersten Abschnitt zu verweisen 6 . Die mit der rentensteigernden Ausgestaltung der Erziehungsrente verbundenen sozialpolitischen Aspekte sind — soweit ersichtlich — weder während der parlamentarischen Behandlung noch in der Literatur bisher erörtert worden 7 . Da angesichts der widersprüchlichen Kon1

§ 1265 a Abs. 1 Satz 4 RVO. Vgl. § 1259 Abs. 1 Ziff. 5 RVO. Vgl. § 1258 RVO. 4 § 1259 Abs. 3 RVO; siehe oben, I I . Teil, 3. Kap. A. 5 § 1255 a Ziff. 2 lit. a RVO. 6 Siehe oben, I I . Teil, 2. Kap. Β . I. 7 Lediglich Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich, S. 237 (Text zu Fn. 33) erwähnen sie überhaupt. 2

3

3. Kap.: C. Die Ausfallzeitenregelung bei der Erziehungsrente

129

struktion der Erziehungsrente jedoch ohnehin damit zu rechnen ist, daß die Gewährung der Erziehungsrente und damit die Wahrscheinlichkeit einer Ausfallzeitenanrechnung eine Rarität sein dürfte, kann dieser Umstand — über seine Erwähnung hinaus — kaum zu k r i t i schen Anmerkungen herausfordern; letztlich liefe ein Diskurs über die sozialpolitischen Aspekte der Erziehungsrente auf ein Schattenboxen hinaus 8 . I I . Zur Problematik der Ausfallzeitenregelung

Wenn auch auf die Analyse der potentiellen sozialpolitischen Substanz der Erziehungsrente aus den genannten Gründen verzichtet wurde, so ist wegen des „zukunftsweisenden Gehalts" der Regelung eine Auseinandersetzung mit der Problematik der rentensteigernden Ausgestaltung dennoch unbedingt erforderlich. Die Qualifizierung der Zeiten des Bezugs der Erziehungsrente als Ausfallzeiten kann nämlich vor allem bei langen Erziehungszeiten, d. h. bei Erziehung mehrerer Kinder und vor allem bei der Sorge für ein gebrechliches Kind, minimale Altersrenten zur Folge haben; i n Einzelfällen scheint sogar der Totalverlust von Altersruhegeldansprüchen möglich. Es wurde bereits erörtert, daß die altersruhegeldsteigernde W i r kung der Erziehungsrente nur eintritt, wenn die Voraussetzungen der sog. „Halbbelegung" erfüllt sind. Dabei ist daran zu erinnern, daß für die Erfüllung dieser Voraussetzungen die nach § 1587 b BGB zugesplitteten und nach § 1304 a Abs. 5 RVO berechneten Anwartschaften außer Betracht bleiben 9 . Konsequenz davon ist, daß lange Erziehungs- und insbesondere Pflegezeiten, zu denen unter Umständen noch längere Ausbildungszeiten treten 1 0 , die Halbbelegung verhindern. Daneben erscheint trotz der Wirkung der i m Versorgungsausgleich zugesplitteten Werteinheiten insbesondere bei kurzer Ehedauer 1 1 auch der Fall nicht unwahrscheinlich, daß die Erfüllung der „großen" Wartezeit von 180 Monaten als Voraussetzung des Altersruhegeldes 12 nicht erreicht wird. Dieses Ergebnis beweist erneut, daß die BU-/EU-Fiktion der Erziehungsrente nicht paßt; denn anders als bei den BU-/EU-Fällen, bei denen eine einmal bestehende BU-Rente i n der Regel nach einem Jahr 8

Vgl. dazu oben, I I . Teil, 2. Kap. Β . I I . Vgl. Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich, S. 147 (Rdnr. 383); vgl. auch oben, I I . Teil, 2. Kap. B. I I I . 3. 10 Vgl. § 1259 Abs. 1 Ziff. 4 RVO. 11 Vgl. dazu Ruland/Tiemann, Versorgungsausgleich, S. 145 f. (Rdnr. 374 ff.). 12 § 1248 Abs. 7 Satz 2 RVO. 9

9 Bordiert

130

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Arbeitslosigkeit i n eine EU-Rente umgewandelt 1 3 und dann i n der Regel auf Dauer gewährt w i r d 1 4 , entfällt bei der Erziehungsrente die Voraussetzung des Erziehungstatbestandes naturgemäß immer; damit entfällt auch die Rente. Gelingt es dem früheren Rentenbezieher bis zur Altersgrenze dann noch, die Wartezeitvoraussetzungen zu erfüllen, so erhält er zumindest eine Altersrente; deren Höhe ist nun aber davon abhängig, daß die unter Umständen langen Erziehungszeiten anrechenbar sind. Das ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn die sog. Halbdeckung vorliegt, d. h. die Versicherungsbiographie mindestens zur Hälfte Beitragszeiten aufweist. Diese Regelung kann also die spätere Altersversorgung des Elternteils schwerwiegend beeinträchtigen. Besonders deutlich zeichnet sich die Möglichkeit einer derartigen Konsequenz für die Fälle der Sorge für behinderte Kinder ab 1 5 . Es ist deshalb als Ergebnis festzuhalten, daß die Ausfallzeiten-Ausgestaltung der Erziehungsrente einen erheblichen Unsicherheitsfaktor für das spätere Altersruhegeld darstellt. Dieses Ergebnis unterstreicht zudem die Berechtigung entsprechender Überlegungen, die i m Rahmen der Arbeit der Sachverständigenkommission angestellt wurden. Dort wurde nämlich eine Überbrükkungsrente für die Zeit erwogen, die zwischen der Beendigung der Erziehungsaufgabe und dem Erreichen des erneut rentenauslösenden vorgerückten Alters liegt 1 6 . I I I . Die verfassungsrechtliche Problematik der Ausfallzeitenregelung

Ebenso wie die Ausgestaltung der Erziehungsrente i m Hinblick auf den Bedarfsfall begegnet auch die Ausfallzeitenregelung verfassungs13

Vgl. dazu oben, I I . Teil, 2. Kap. I I I . 2. a). Falls sie nicht bei E r f ü l l u n g der entsprechenden Voraussetzungen von A m t s wegen i n eine Altersrente umgewandelt w i r d , siehe § 1254 Abs. 2 RVO. 15 d. h. (mindestens) bis zu dessen 25. Lebensjahr, vgl. oben, I I . Teil, 2. Kap. A. I I I . 1. Denkbar wäre es, hier entsprechend der Regelung des § 1254 Abs. 2 i. V. m. § 1253 Abs. 2 Satz 3 RVO durch Anrechnung der „Erziehungs-Ausfallzeiten" Abhilfe zu schaffen, wie dies für die U m w a n d l u n g von B U - i n EU-Renten u n d EU-Renten i n Altersruhegeld vorgeschlagen w i r d , vgl. Verbandskommentar, Bd. I, § 1254 Anm. 12 b. Die Tragfähigkeit dieser K o n s t r u k t i o n ist jedoch zu bezweifeln. Wenn auch Sinn u n d Zweck der genannten Regelung es nahelegen, grundsätzlich auch Ausfallzeiten einzubeziehen, so darf jedoch nicht übersehen werden, daß erstens diese Auslegung v o m Wortlaut nicht gedeckt w i r d , zweitens die Regelung des § 1254 Abs. 2 RVO sich auf den — bei Beendigung der Erziehung nicht vorliegenden — F a l l des gegenwärtigen Rentenempfangs beschränkt, und d r i t tens, daß die maßgebende Vorschrift des § 1259 Abs. 3 RVO dadurch unterlaufen würde. 16 Gutachten, S. 64 f. (Rdnr. 177 ff.). 14

3. Kap.: C. Die Ausfallzeitenregelung bei der Erziehungsrente

131

rechtlichen Bedenken, wenn man sie auf ihre Vereinbarkeit mit dem aus dem Hechtsstaatsprinzip folgenden Prinzip der Systemgerechtigkeit überprüft. Dabei wurden die Anhaltspunkte für Verstöße gegen den Grundsatz der Systemgerechtigkeit oben bereits erörtert 1 7 ; auf sie w i r d deshalb verwiesen. Danach läßt sich sagen, daß die Ausfallzeitenregelung zwar weder mißverständlich noch irreführend ist; i m übrigen läßt sich auch ein Verstoß gegen die den Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Ausfallzeitenregelung leitende Motivation nicht ermitteln. Vielmehr ist zu vermuten, daß keine besonderen diesbezüglichen Überlegungen angestellt wurden. Insofern sind Verstöße gegen das Prinzip der Systemgerechtigkeit also schwer zu begründen. Aber es wurde soeben erörtert 1 8 , daß die Koppelung der Erziehungsrente an die Regelung der BU-/EU-Renten i m Hinblick auf die damit erfolgte Einbettung i n das System der Ausfallzeitenregelung wegen der Halbbelegungsvoraussetzung i m Gegensatz zur BU-/EU-Ausgestaltung zu sozialpolitisch sinnwidrigen Ergebnissen führt; denn anders als die BU-/EU-Tatbestände ist der Erziehungstatbestand befristet, d. h. die Erziehungsrente w i r d nicht — wie dies für die BU-/EU-Renten zutreffen kann — bis zum Tode gewährt, sondern endet zugleich m i t der Beendigung der Erziehungszeit. Die Sinnwidrigkeit dieser Ausgestaltung der Erziehungsrente erweist sich dabei besonders am Beispiel der Personen, die eine eigene Erwerbstätigkeit dem i n der Erziehungsrente ausgedrückten gesellschaftlichem Wunsche folgend für besonders lange Zeit zugunsten der Betreuung von Kindern aufgeben und somit nach dem Zweck der Erziehungsrente eigentlich auch besonders gesichert sein sollten: Die Pflege von behinderten Kindern, die sich de lege lata auf die Dauer von unter Umständen 25 Jahren erstrecken kann, hat m i t hoher Wahrscheinlichkeit nur minimale Altersrentenansprüche zur Folge, wenn nicht sogar ein Totalverlust infolge nicht erfüllter Wartezeit eintritt. Auch bei der rentensteigernden Ausgestaltung der Erziehungsrente zeigt sich somit wiederum, daß das Gewebe der BU-/EU-Regelung für die Aufnahme des Erziehungstatbestandes nicht geeignet ist; die verfassungsrechtliche Überprüfung der rentensteigernden Ausgestaltung der Erziehungsrente unter dem Gesichtspunkt der Systemgerechtigkeit gelangt bereits aus diesem Grunde zu dem gleichen Ergebnis wie bei der Bedarfszeitenausgestaltung. Die Systemwidrigkeit der Erziehungsrenten-Ausfallzeit erschließt sich darüber hinaus jedoch auch noch aus einem Vergleich m i t den 17 18

9'

Oben, I I . Teil, 2. Kap. Β . I V . 6. Vgl. Text zu vorstehenden Fn. 9—15.

132

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

übrigen i m Ausfallzeitenkatalog erfaßten Tatbeständen: Obwohl die i n § 1259 Abs. 1 RVO aufgeführten Fälle zwar ein nach den jeweiligen unterschiedlichsten sozialpolitischen Notwendigkeiten zusammengewürfeltes Mosaik darstellen 1 9 , ist diesen Ausfallzeiten nämlich gemeinsam, daß sie zeitlich relativ begrenzte Versicherungslücken abdecken sollen. Dies gilt deutlich für die Fälle der Krankheit, der Schwangerschaft und des Wochenbettes sowie des Schlechtwettergeldes 20 . Soweit i m Katalog noch (zumindest potentielle) Dauerrisiken enthalten sind, wie zum einen Arbeitslosigkeit, zum anderen Sozialhilfebezugszeiten 21 , ist dazu zu bemerken, daß Zeiten (versicherter) Arbeitslosigkeit seit dem 1. Januar 1979 weitgehend als Versicherungszeiten ausgestaltet sind 2 2 und für Sozialhilfebezugszeiten gemäß § 14 BSHG die Möglichkeit der Kostenübernahme von Altersversicherungsbeiträgen aus M i t t e l n der Sozialhilfe vorgesehen ist 2 3 . Die zeitliche Begrenzung von Ausfallzeiten kommt schließlich noch bei der auf maximal 5 Jahre festgelegten A n rechnungsmöglichkeit von Ausbildungszeiten zum Ausdruck 2 4 . Die einzige Ausnahme stellt somit die BU-/EU-Rentenbezugszeit dar. Es wurde jedoch bereits erwähnt, daß i n diesen Fällen dann, wenn die Voraussetzungen für ein Altersruhegeld nicht erfüllt werden, die soziale Sicherung immer noch durch diese Renten gewährleistet ist 2 5 , was bei der Erziehungsrente jedoch nach der notwendig eintretenden Beendigung der Erziehung nicht zutrifft. Die Gefahr des Verlustes oder der Verschlechterung der sozialen Sicherung t r i t t somit bei der Ausfallzeitenausgestaltung der BU-/EUFälle i m Gegensatz zur Erziehungsrente nicht auf. Insofern ist dieser Ausfallzeitentatbestand mit dem Erziehungstatbestand auch nicht vergleichbar. I m Ergebnis ist somit festzuhalten, daß die Ausgestaltung der Zeit des Erziehungsrentenbezugs als Ausfallzeit verfehlt ist, da die Erziehungszeit i n der Regel von sehr viel längerer Dauer ist als die übrigen i m Ausfallzeiten-Katalog erfaßten Tatbestände. Entgegen dem Sinn der Ausfallzeitenregelung besteht i n diesen Fällen deshalb die Gefahr, daß die Versicherungslücken wegen der Voraussetzung der Halbbelegung nicht abgedeckt werden. 19 20 21 22 23 24 25

Vgl. v.May dell, i n : Festschrift für Sieg, S. 374 f. Vgl. § 1259 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 a RVO. § 1259 Abs. 1 Ziff. 3 RVO. Vgl. § 1227 Nr. 10 RVO. Vgl. dazu Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, § 14 A n m . 1. Vgl. § 1259 Abs. 1 Ziff. 4 RVO. Vgl. vorstehend Text zu Fn. 13 f.

3. Kap.: D. Das vorgezogene Altersruhegeld für Frauen

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Auch der Vergleich zu den übrigen Ausfallzeittatbeständen macht somit deutlich, daß die Aufnahme der Erziehungsrenten-Bezugszeit i n diesen Katalog eine verfassungsrechtlich zu beanstandende Systemwidrigkeit darstellt. D. Das vorgezogene Altersruhegeld für Frauen Als rentensteigernde Berücksichtigung der Kindererziehung kommt schließlich noch die Regelung des vorgezogenen Altersruhegeldes für versicherte Frauen, § 1248 Abs. 3 RVO, i n Betracht; dieser Charakter der Norm erschließt sich allerdings nicht unmittelbar aus der Regelung selbst, sondern folgt letztlich aus ihrer sozialpolitischen Begründung, wie nachfolgend zu zeigen ist. Gemäß § 1248 Abs. 3 RVO können versicherte Frauen, die das 60. Lebensjahr vollendet und die 15jährige Wartezeit des § 1248 Abs. 7 Satz 2 RVO erfüllt haben, Altersruhegeld beantragen, sofern sie i n den letzten 20 Jahren überwiegend eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt haben. Der Berechnungsmodus ist der gleiche wie beim normalen Altersruhegeld; ein versicherungsmathematischer Abzug, etwa zum Ausgleich für die gegenüber der durchschnittlichen Rentenbezugsdauer erheblich verlängerte Zeit der Inanspruchnahme, erfolgt nicht. Die Regelung hat i m Ergebnis somit eine rentensteigernde Auswirkung zur Folge, da die aufgrund der geringeren Anzahl anrechenbarer Versicherungsjähre eintretende Rentenminderung durch die Verlängerung der Bezugsdauer i n der Regel überkompensiert w i r d 1 . Daß diese Regelung dabei auch als eine rentenrechtliche Berücksichtigung der Erziehung anzusehen ist, ergibt sich aus ihrer Entstehungsgeschichte, vor allem aber aus ihrer sozialpolitischen Zielsetzung. I. Die geschichtliche Entwicklung

Die Altersgrenze für versicherte Frauen wurde erstmals i m Jahre 1942 herabgesetzt. Damals erhielt eine versicherte Frau nach dem Tode ihres Ehemannes 2 eine Invalidenrente, sofern sie das 55. Lebensjahr vollendet und mindestens 4 lebende Kinder geboren hatte 3 . 1 Siehe dazu Koppelmann, Intertemporale Einkommensumverteilung, S. 118 ff., der nachweist, daß unter Renditegesichtspunkten ein möglichst früher Beginn des Rentenbezuges am vorteilhaftesten ist. 2 Diese K o n s t r u k t i o n als Versichertenrente einerseits, Hinterbliebenenrente andererseits erinnert an die heutige „Erziehungsrente" i n § 1265 a RVO. 3 § 1253 Abs. 2 RVO i. d. F. des Gesetzes v o m 19. J u n i 1942 (RGBl. I S. 407). Ob diese Sonderrente jedoch als Altersrente anzusehen war, scheint nach

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

I m Zuge der Rentenreform des Jahres 1957 wurde diese so explizit an Kinderreichtum geknüpfte Rente fallengelassen. Obwohl damals bereits seit 10 Jahren i n der DDR und i n allen 4 Sektoren Berlins eine allgemeine Altersgrenze von 60 Jahren für Frauen galt 4 , und obwohl es seinerzeit eine entsprechende Empfehlung der Europäischen Konferenz des internationalen Arbeitsamtes gab 5 , wurde eine allgemeine Herabsetzung des Rentenalters für Frauen bei der Beratung des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes von 1957 jedoch aus rechtlichen und finanziellen Gründen abgelehnt. Stattdessen entschloß man sich, die seitdem nur geringfügig veränderte Regelung des vorgezogenen Altersruhegeldes einzuführen 6 .

I I . Sozialpolitische Aspekte

Die Vorschrift wurde ausdrücklich geschaffen, um einer weiblichen Versicherten, von der man annahm, sie sei regelmäßig durch Beruf und Haushalt doppelt belastet, durch die Möglichkeit des vorgezogenen Altersruhegeldes einen Ausgleich für die vorzeitige Abnutzung ihrer Kräfte zu gewähren, auch wenn die Voraussetzungen für eine Rente wegen Berufs- oder Erwerbsfähigkeit oder des von der Vollendung des 65. oder 63. oder 62. Lebensjahres an zu gewährenden Altersruhegeldes noch nicht gegeben sind 7 . Da der A n t e i l lebenslang lediger Frauen i m M i t t e l bei ca. 12 °/o liegen dürfte 8 und zudem der Anteil kinderloser Ehen i m Durchschnitt der Jahre 1899 bis 1969 bei einem Mittelwert von ca. 15,7% lag 9 und schließlich der Anteil der nichtehelich geborenen Kinder, deren Mütter sehr hohe Erwerbstätigkeitsquoten aufweisen bzw. aufwiesen 10 , im M i t t e l bei ca. 6 % liegt 1 1 , läßt sich sagen, daß zu den von der Regelung des vorgezogenen Altersruhegeldes berücksichtigten Haushaltsaufgaben dem Gesetzeswortlaut zweifelhaft, da die lange Wartezeit von 180 Beitragsmonaten für Altersinvalidenrenten nicht erfüllt zu sein brauchte, vgl. § 1262 Abs. 1 RVO i. d. F. der VO v o m 17. März 1945 (RGBl. I S. 41) — zitiert nach Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I I I , S. 684 ff. I I I . 4 Vgl. Richter, Sozialreform, Bd. I I , S. 538. 5 Vgl. ders., ebd., S. 359. 0 Vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I I , S. 684 g. 7 Vgl. Richter, Sozialreform, Bd. I I , S. 359; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. I I I , S. 684 g. 8 Das ist jedenfalls der A n t e i l an den gestorbenen Frauen i m A l t e r von 50—75 Jahren i m Jahre 1976; vgl. Statistisches Jahrbuch 1978, S. 74. 9 Eigene Schätzung nach den Zahlen bei Meyer-Harter, Stellung der Frau i n der Sozialversicherung, S. 148. 10 Siehe oben, I. Teil, A. 11 Vgl. 2. Familienbericht, S. 151, Tab. II/6.

3. Kap. : D. Das vorgezogene Altersruhegeld für Frauen

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typischerweise auch und vor allem die Kinderbetreuung gehört, deren Anteil an der wöchentlichen Haushaltsbelastung erheblich ist 1 2 . Dabei ist davon auszugehen, daß zum Entstehungszeitpunkt der Vorschrift die Kinderbetreuung eine — sogar normativ fixierte 13 — Pflicht der Ehefrau war und sich an dieser Rollenverteilung trotz der Eherechtsreform des Jahres 1977 bis heute faktisch wenig geändert hat 1 4 . Die Begründung der Vorschrift als soziale Ausgleichsmaßnahme für die Abnutzung der Kräfte durch die häuslichen Aufgaben überzeugt jedoch nur insoweit, als diese Pflichten und außerhäusliche Berufstätigkeit auch tatsächlich parallel gehen. Das w i r d allerdings angesichts der Erwerbsunterbrechungen bzw. -aufgaben anläßlich der Heirat oder der Geburt von Kindern häufig nicht der Fall sein 15 . I n Anbetracht des Geburtenrückganges, mit dem eine entsprechende Entlastung vor allem der Frauen einhergeht, schwindet die Stichhaltigkeit der einst gegebenen sozialpolitischen Begründung naturgemäß noch mehr. Auch die zunehmende Ausstattung der Haushalte mit technischen Hilfsmitteln w i r d das Leben von Frauen insoweit erleichtert haben 1 6 . I m übrigen spricht schließlich die allgemein wesentlich höhere Lebenserwartung von Frauen 1 7 gegen das Argument einer erhöhten Belastung von Frauen, welches dieser rentenrechtlichen Typisierung zugrundeliegt. Zudem ist anzunehmen, daß insbesondere die Frauen, die tatsächlich durch Haushalt und Kindererziehung belastet waren, häufig gar nicht in den Genuß des vorgezogenen Altersruhegeldes kommen, da sie die notwendigen versicherungsmäßigen Voraussetzungen m i t 60 Jahren häufig gar nicht erfüllen 1 8 , weshalb der Verdacht nicht unbegründet erscheint, daß diese Privilegierung vor allem von nicht-mehrfachbelasteten Frauen i n Anspruch genommen w i r d 1 9 . 12

Siehe oben, I. Teil, B. Vgl. § 1356 Abs. 1 B G B i. d. F. vor dem Gleichberechtigungsgesetz v. 18.6.1957: „Die Frau i s t . . . verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten", sowie i. d. F. des Gleichberechtigungsgesetzes: „Die Frau f ü h r t den Haushalt i n eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies m i t ihren Pflichten i n Ehe und Famlie vereinbar ist". 14 Vgl. ζ. B. die Angaben i m 2. Familienbericht, S. 155 f. (insbesondere Tab. I I I / 4 ) ; für die DDR nennt Vortmann, DIW-Wochenbericht 1978, S. 211, entsprechende Zahlen aus dem Jahre 1973, nach denen der wöchentliche Zeitaufwand für Haushalt u n d K i n d e r bei Männern 20,3 u n d bei Frauen 48,3 Stunden betrug. Siehe auch nachfolgende Fn. 23. 15 Dazu vgl. Pf äff, Typische Lebensläufe von Frauen, S. 144 ff.; Kirner, Gutachten, S. 31 ff. 16 Siehe D r i t t e r Familienbericht, BT-Drucks. 8/3121, S. 191 (Tab. 10). 17 Vgl. Pf äff, Typische Lebensläufe, S. 138 ff. 18 Vgl. dies., ebd., S. 177. 19 Soweit ersichtlich, existieren keine genauen Angaben über Familienstand, Versicherungsdauer etc. der Frauen, die vorzeitig i n den Ruhestand 13

136

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

Abschließend bleibt festzustellen, daß die tatsächliche Inanspruchnahme der Regelung eine erhebliche Bedeutung der Vorschrift deutlich werden läßt: So haben i m Jahre 1977 von insgesamt 63 010 i m Rentenzugang erfaßten pflichtversicherten Frauen i n der Arbeiterrentenversicherung und 47 363 i n der Angestelltenversicherung 43,3 bzw. 49,3 % von dem vorgezogenen Altersruhegeld Gebrauch gemacht 20 .

I I I . Zur Vereinbarkeit des vorgezogenen Altersruhegeldes mit Art. 3 Abs. 2 G G

Gemäß § 1248 Abs. 3 RVO ist nur Frauen die Möglichkeit eröffnet, bei Erfüllung bestimmter versicherungsmäßiger Voraussetzungen das vorzeitige Altersruhegeld i n Anspruch zu nehmen. Die Vorschrift n i m m t also den Geschlechtsunterschied zum Anlaß einer zwischen Männern und Frauen differenzierenden gesetzlichen Behandlung und weckt deshalb Zweifel an ihrer Vereinbarkeit m i t dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gleichberechtigung der Geschlechter, A r t . 3 Abs. 2 GG. Diese Norm verbietet nämlich, daß allein der Geschlechtsunterschied vom Gesetzgeber als beachtlicher Differenzierungsgrund angesehen wird. Sie schließt allerdings nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Regelungen nicht aus, die „ i m Hinblick auf die objektiv biologischen und funktionalen (arbeitsteiligen) Unterschiede nach der Natur des jeweiligen Lebens Verhältnisses zwischen Männern und Frauen differenzieren" 2 1 . Wie soeben dargestellt, beruht die Vorschrift auf der typisierenden Vorstellung einer Doppelbelastung von versicherten Frauen durch häusliche und außerhäusliche Verantwortung. Da die Verrichtung von Hausarbeit „nicht zu den geschlechtsbedingten Eigenheiten von Frauen" gehört und die Norm ausdrücklich nur die Mehrfachbelastung von Frauen ausgleichen w i l l und somit nicht etwa an eine geringere körperliche Leistungsfähigkeit von Frauen anknüpft 2 2 , scheiden objektiv biologische Unterschiede zur Rechtfertigung aus. Die Ausgestaltung der Regelung des vorgezogenen Altersruhegeldes an Frauen kann somit nur treten; über die Schwierigkeit, anhand des unvollständigen Datenmaterials noch stichhaltige Aussagen über das vorgezogene Altersruhegeld zu machen, klagt auch Kirner, Gutachten (DIW), S. 73; Lotsch, DAngVers 1963, S. 265, berichtet allerdings, daß vor allem alleinstehende Frauen von der Möglichkeit des § 1248 Abs. 3 RVO Gebrauch machen. 20 Pf äff, Typische .Lebensläufe (Gutachten), S. 180 (Tab. IV/4). Vgl. auch die Zahlen bei Kirner, Gutachten, S. 72 ff. (insbesondere vgl. Tab. S. 76). 21 BVerfG, Beschluß v. 13. November 1979 (Hausarbeitstag), DB 1980, S. 404 — i m Anschluß an BVerfGE 3, S. 225 (242); 5, S. 9 (12); 10, S. 59 (74); 15, S. 337 (343); 21, S. 329 (343 f.); 31, S. 1 (4 f.); 37, S. 217 (249); 43, S. 213 (225). 22 Vgl. BVerfG, D B 1980, S. 404.

3. Kap. : D. Das vorgezogene Altersruhegeld für Frauen

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dann noch verfassungsgemäß erscheinen, wenn sich rechtfertigende funktionale Unterschiede finden lassen. Angesichts der i m neuen Familienrecht zum Ausdruck kommenden Idee der partnerschaftlichen Rollenverteilung zwischen Mann und Frau i n der Ehe lassen sich normativ bedingte Erwägungen zur Begründung funktionaler Unterschiede jedenfalls nicht mehr heranziehen. A l l e r dings wurde bereits darauf hingewiesen, daß sich die Aufteilung der beiderseitigen Aufgaben in Beruf und Familie durch das neue Familienrecht kaum grundlegend geändert haben dürften 2 3 . Das i m gesellschaftlichen Durchschnitt wohl nach wie vor typische Rollenverhalten zwischen Mann und Frau kann deshalb als funktionaler Unterschied und damit als Anknüpfungspunkt zur Differenzierung durchaus noch i n Frage kommen. Problematisch erscheint dabei jedoch, daß die Regelung des vorgezogenen Altersruhegeldes die Berechtigung weder an den Ehestatus noch an den Mutterstatus der Frau knüpft und somit kinderlose, ledige oder sonst alleinstehende und deshalb häufig nicht mehrfach belastete Frauen i n die Privilegierung einbezieht. I n diesen Fällen lassen sich jedoch funktionale Unterschiede gegenüber der Stellung von entsprechend situierten Männern nicht mehr erkennen 24 . I n Anbetracht der problemlos erscheinenden Möglichkeiten, die gesetzgeberische Motivation durch entsprechende Differenzierung hinsichtlich der einzubeziehenden Frauen i m Tatbestand der Vorschrift zum Ausdruck zu bringen, kann die Ausgestaltung des vorgezogenen Altersruhegeldes wohl kaum mit dem Argument notwendiger Typisierung gerechtfertigt werden; von einem Zwang zur Typisierung kann hier jedenfalls nicht gesprochen werden 2 5 . I m übrigen würde selbst dann, wenn man hier einen Grenzfall möglicher Typisierung annehmen sollte, der Nachweis ihrer Legitimation anhand einer genaueren Aufschlüsselung des weiblichen Personenkreises, der von der Möglichkeit Gebrauch macht bzw. machen könnte, erst noch zu erbringen sein. Nach allem bleibt deshalb festzustellen, daß die Regelung des vorgezogenen Altersruhegeldes für Frauen nur noch m i t erheblichen und 23 So auch B A G , D B 1979, S. 799 f. (ebenfalls zum Hausarbeitstag) : „ G r ö ßere Bedeutung hat die Änderung des Familienrechts. Dem Beklagten ist zuzugeben, daß der Freizeitausgleich für berufstätige Frauen seine Berechtigung verlieren könnte, wenn Männer u n d Frauen gleichermaßen i m Haushalt tätig werden. Dazu bedarf es jedoch einer veränderten Einstellung der Ehepartner bei der A u f t e i l u n g ihrer beiderseitigen Aufgaben i m Haus u n d i n der Familie. Eine solche Änderung ist bisher noch nicht erkennbar". 24 Vgl. dazu ν . Maydell, VSSR 1975, S. 199. 25 Vgl. BVerfGE 17, S. 1 (23 m. w. N.).

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I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

nur mangels genauerer Untersuchungen nicht weiter zu präzisierenden Vorbehalten als an der Grenze zur Verfassungswidrigkeit stehend angesehen werden kann. Wahrscheinlich aber ist, daß die Vorschrift diese Grenze bereits überschritten hat.

4. K a p i t e l

Binnensystematische Gesamtwürdigung der Regelungen Der heutige Stand der Berücksichtigung der familiären Kindererziehung i m Rentenrecht ist nicht das Ergebnis einer planvollen Entwicklung, die auf einer sorgfältigen Analyse ihrer tatsächlichen Bedeutung für das gesellschaftliche Alterssicherungssystems basiert. Vielmehr hat die historische Betrachtung verdeutlicht, daß die einzelnen Regelungen ohne zeitlichen oder systematischen Bezug zueinander und aus den unterschiedlichsten sozialpolitischen Erwägungen heraus geschaffen wurden. Angefangen bei der rentenwirksamen Berücksichtigung der Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten, über die Regelungen der Kinderzuschüsse, der Witwen- und Witwerrenten und des vorgezogenen Altersruhegeldes für Frauen bis h i n zur Erziehungsrente und der rentenrechtlichen Absicherung des Mutterschaftsurlaubs finden sich jeweils Anhaltspunkte für gesundheits-, familien-, arbeitsmarkt- und bevölkerungspolitische Aspekte, die i m einzelnen wirksam wurden. Dementsprechend isoliert und ohne klare Konzeption entworfen, bieten die Regelungen — sowohl untereinander als auch i n sich selbst — ein äußerst uneinheitliches, ja sogar widersprüchliches Bild. Dies spiegelt sich bereits i n der Unsicherheit hinsichtlich der Verwendung des Erziehungsbegriffes wider. So soll es nach allgemeiner Auffassung rentenunschädlich sein, wenn die Witwe m i t Kindern einer vollen außerhäuslichen Erwerbstätigkeit nachgeht. Die Unterhaltsbeziehung zwischen K i n d und Elternteil w i r d als unerheblich, nur gelegentlicher brieflicher Kontakt dagegen als ausreichend zur Ausfüllung des Erziehungsbegriffs angesehen. Bei der Sorge für behinderte Kinder, i n den Gesetzestatbeständen der Erziehung jeweils gleichgestellt, w i r d andererseits allerdings eine vollzeitliche Betreuung verlangt. Daß Erziehung und Unterhalt jedoch nicht zu trennen sind, zeigt sich wiederum bei der Ermittlung des für die Witwerrente maßgeblichen „überwiegenden Unterhalts" des Mannes durch die Frau. Hier soll die Erziehungsleistung der Mutter i n ihrem tatsächlichen, monetär zu bemessenden Wert als Unterhaltsleistung zur Anrechnung kommen. Ebenso geht das System der Voll- und Halbwaisenrenten von einem

140

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

unterhaltsidentischen Charakter der Erziehungsleistung des überlebenden Elternteils aus, unabhängig von der Frage, ob dieser daneben erwerbstätig ist oder nicht. Abgerundet w i r d dieses verworrene B i l d schließlich durch die neuen Regelungen der Erziehungsrente und des Mutterschaftsurlaubs. Hier werden Erziehung und Erwerbstätigkeit letztlich als einander ausschließende Tatbestände begriffen. Anknüpfungspunkt für die Rentenleistung ist damit jedoch nicht mehr die Erziehung an sich, sondern die Aufgabe oder zumindest Einschränkung der Erwerbstätigkeit. Ausdruck der Konzeptionslosigkeit ist ferner der i n den jeweiligen Normtatbeständen verwendete Kinderbegriff; von der Berücksichtigung nur der leiblichen Kinder i n der Schwangerschafts- und Wochenbettzeitenregelung und beim Mutterschaftsurlaub bis h i n zur Einbeziehung auch der Enkel und Geschwister eines verstorbenen Versicherten bei der Witwenrente zeigt sich, daß jede Norm den Kreis der einzubeziehenden Kinder jeweils unterschiedlich weit faßt. Die Auflistung institutionalisierter Prinzipienlosigkeit w i r d endlich noch vervollständigt, wenn man die jeweils unterschiedliche Dauer und Höhe der Leistungen betrachtet. Während bei der Witwenrente und beim Kinderzuschuß Kinder mindestens bis zu ihrem 18. Lebensjahr berücksichtigt werden, entfällt die Erziehungsrente i n der Regel mit der Erreichung des 12., spätestens aber des 16. Lebensjahres der Kinder. Hinsichtlich der Höhe der Leistungen ist festzustellen, daß diese beim Kinderzuschuß und beim Mutterschaftsurlaub jeweils allgemein und gleich bemessen sind, bei der Witwenrente und der Erziehungsrente jedoch individuell und sogar nach verschiedenen Berechnungsmethoden ermittelt werden. Hinzu kommt, daß die Höhe der Erziehungsrente auch von der Zahl der zu berücksichtigenden Kinder abhängt, während dies für die Witwenrente ohne Bedeutung ist. Selbst bei so eng verwandten Regelungen wie der rentenwirksamen Berücksichtigung der Schwangerschafts- und Wochenbettzeiten als i n dividuell berechnete Ausfallzeiten einerseits und dem Mutterschaftsurlaub als allgemein gleich bemessener Beitragszeit andererseits zeigt sich die vollkommene systematische Uneinheitlichkeit. Angesichts dieser Unübersichtlichkeit verwundern mögliche Überschneidungen und Ungereimtheiten nicht. Beispiele dafür sind das denkbare Zusammenfallen von Mutterschaftsurlaubs- und Erziehungsrentenbezugszeiten sowie das sozialpolitisch unhaltbare Ergebnis, daß die als BU-Rente berechnete Erziehungsrente bei einem K i n d zusammen m i t der wesentlich größeren Hinzuverdienstmöglichkeit i n der Regel klar vorteilhafter ist als die nach Erwerbsunfähigkeitsgrundsät-

4. Kap. : Binnensystematische Gesamtwürdigung

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zen berechnete EU-Erziehungsrente i m Fall der Erziehung mehrerer Kinder. Versucht man nun, aus diesen vielen einzelnen Unterschieden und teilweise auch Widersprüchen Gemeinsamkeiten und Strukturen der Berücksichtigung der Kindererziehung herauszufinden, so lassen sich eigentlich nur zwei und zudem sogar noch kongruente Aussagen treffen, die für alle Regelungen gelten. Zum einen hat sich erwiesen, daß die Leistungen der Rentenversicherung i n keinem einzigen Falle entweder den tatsächlichen Kosten der Kindererziehung oder dem Wert der Leistung der Kindererziehung auch nur annähernd so nahekommen, daß man von einem monetären Äquivalent sprechen könnte; zum anderen ist deutlich geworden, daß Kindererziehung i m gegenwärtigen System der gesetzlichen Rentenversicherung nur i m Ausnahmefall des Vorliegens bestimmter sozialer Besonderheiten und damit nur i m Rahmen des sozialen Ausgleichs i n der Rentenversicherung berücksichtigt wird. Von diesem Fazit scheinen jedoch insofern Abstriche notwendig zu sein, als die Einbeziehung der Mutterschaft sich nicht als soziale Besonderheit verstehen läßt. Dazu ist allerdings zu sagen, daß die Fälle, i n denen die Solidargemeinschaft aufgrund der Schwangerschafts- und Wochenbettzeitenregelung i n Anspruch genommen wird, wegen der Mutterschaftsgeldzahlung während der Mutterschutzfristen äußerst selten geworden sein dürften; hinsichtlich der (geschätzten) Zahl von fast 300 000 Müttern, die von der Möglichkeit des Mutterschaftsurlaubs Gebrauch machen, ist i m übrigen festzustellen, daß diese Kosten nicht von der Versichertengemeinschaft, sondern vom Bund getragen werden. Etwas ähnliches gilt schließlich auch für die große Zahl bezuschußter Kinder: Hier ist die Substitution der Rentenleistungen durch das allgemeine Kindergeld bereits eingeleitet; angesichts des „Einfrierens" der Kinderzuschußleistungen scheint die völlige Verdrängung dieser Regelung nur noch eine Frage der Zeit zu sein. Letztlich widerspricht die Entwicklung, die aus den Regelungen des Mutterschaftsurlaubs und des Kinderzuschusses tendenziell abzusehen ist, also nicht der Feststellung, daß Kindererziehung i m Rentenrecht grundsätzlich nur als Ausnahmefall und i m Rahmen des sozialen Ausgleichs berücksichtigt wird; soweit Kindererziehung i m sozialen Normalfall i n die Rentenversicherung einbezogen ist, liegt die materielle Verantwortlichkeit nämlich beim Staat. Ob diese Verteilung der Verantwortungsbereiche der besonderen Bedeutung der Kindererziehung für die gesetzliche Rentenversicherung

142

I I . Teil: Erziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht

gerecht wird, ob also die gegenwärtige Form der Berücksichtigung der Kindererziehung i m Rentenrecht gerecht zu nennen ist, war nicht die Frage, die i n diesem Teil der Arbeit untersucht werden sollte; sie w i r d anschließend behandelt. Zuvor ist jedoch noch auf die Ergebnisse hinzuweisen, die eine unmittelbare, letztlich auch reformunabhängige Korrekturbedürftigkeit einzelner Regelungen erkennen ließen. So erscheint zum einen die Erziehungsrente i n ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung unhaltbar; ihre konstruktionsbedingten Widersprüche beeinträchtigen nicht nur die soziale Funktionsfähigkeit dieser Einrichtung, sondern sind letztlich so schwerwiegend, daß an der Verfassungswidrigkeit der Regelung kaum noch Zweifel bestehen dürften. Daraus folgt zugleich für die bevorstehende Reform, daß das „Modell Erziehungsrente" unbrauchbar ist. Als zweite, verfassungsrechtlich ebenfalls unbefriedigende und korrekturbedürftige Regelung ist schließlich noch das vorgezogene Altersruhegeld für Frauen zu nennen; es gibt ausreichende Anhaltspunkte dafür, daß m i t dieser Norm nicht ein Ausgleich übermäßiger Beanspruchung, sondern vielmehr eine nahezu einseitige Bevorzugung vollerwerbstätiger und dabei nicht i m eigentlichen Sinne doppelt belasteter Frauen erreicht wird, die gesetzgeberische Motivation also dem „falschen" Empfängerkreis zugute kommt.

Dritter

Teil

Die „beitragsäquivalente" Bedeutung der Kindererziehung für die gesetzliche Rentenversicherung Die bisherige Untersuchung hat sich mit der (reformrelevanten) Problematik der Vorschriften befaßt, die i m gegenwärtigen Rentenrecht die Kindererziehung berücksichtigen. Es zeigte sich dabei, daß letztlich alle entsprechenden Normen Ausprägungen des sozialversicherungsrechtlichen Prinzips des sozialen Ausgleichs sind und sich somit als Durchbrechung des Prinzips der Beitragsäquivalenz darstellen. I m folgenden soll nun dieser binnensystematische Standpunkt verlassen und der elementaren Frage nachgegangen werden, ob diese Form der Berücksichtigung der Bedeutung der Kindererziehung für die Rentenversicherung i n tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gerecht wird.

A. Die konditionale Gleichwertigkeit von Kindererziehung und monetären Beitragsleistungen für die gesellschaftliche Alterssicherung Die tatsächliche Bedeutung der Kindererziehung für die Gesellschaft ist bereits i n der Einleitung dieser Untersuchung beschrieben worden. Dabei wurde jedoch der Frage der tatsächlichen Bedeutung der K i n dererziehung für das System der Rentenversicherung nicht weiter nachgegangen. Eine derartige Analyse ist jedoch für die Beurteilung des Gerechtigkeitsgehaltes der normativen Berücksichtigung der Kindererziehung i m gegenwärtigen Rentenrecht ebenso notwendige Voraussetzung, wie für die Uberprüfung der Reformvorschläge 1 . Sie soll deshalb hier erfolgen. Ausgangspunkt der Untersuchung ist dabei der gesellschaftliche Zustand vor der Entwicklung sozialer Sicherungssysteme, da dort die Bedeutung von Kindern für die Alterssicherung noch am deutlichsten zutage t r i t t und diese Kenntnis der ursprünglichen Zusammenhänge das Verständnis für den heutigen Zustand erleichtert. 1

Siehe T e i l I V .

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I I I . Teil: Die „Beitragsäquivalenz" der Kindererziehung I . Der familiäre „Generationenvertrag"

Bis zur Industrialisierung und der Entwicklung eines sozialen Sicherungssystems war die Hilfe i n Wechselfällen des Lebens eine Aufgabe der Familie bzw. des „Ganzen Hauses" selbst. Das entsprach den ökonomischen Bedingungen der vorindustriellen Gesellschaft, die durch geringe Marktverflechtung, weitgehende Selbstversorgung und eigene Verarbeitung landwirtschaftlicher Erzeugnisse gekennzeichnet waren und eine relative Autarkie der einzelnen bäuerlichen Wirtschaft, die vor allem von der lohnlosen Zusammenarbeit der Familienmitglieder getragen wurde, mit sich brachten. Die vorherrschende Familienform jener Zeit war die Mehrgenerationenfamilie; einbezogen i n die umfassende Lebensgemeinschaft war auch das Gesinde. Diese Charakteristika wies auch das Zusammenleben eines großen Teils der Bevölkerung i n den Städten auf, wo Werkstatl und Haushalt nicht getrennt waren und Gesellen und Gehilfen i m Haushalt ihrer Herren und Meister lebten 2 . I n diesen kollektiven Unterhaltsverbänden kamen die Funktionen und die Bedeutung von Kindern unmittelbar zum Ausdruck. Die Elterngeneration sorgte für die Kinder, solange diese noch nicht selbst i n den Wirtschaftsprozeß der Gemeinschaft einbezogen waren und sorgte damit zugleich für ihre eigene Sicherung i m späteren K r a n k heits- bzw. Altersfall vor. Die Beziehungen in diesen „reinen Unterhaltsverbänden" 3 waren insofern auch zwischen den Generationen vollkommen wechselseitig ausgestaltet: Der, der keine Kinder hatte, erhielt i m Alter keinen Unterhalt, während der, der viele Kinder hatte, dafür entsprechend seiner Vor-(Sorge-)leistung um so größere Aussicht besaß, i m A l t e r versorgt zu sein. I I . Der Ubergang zu einer sozialen Sicherung

Diese Lebens-, Wirtschafts- und Sicherungsgemeinschaft verfiel m i t fortschreitender Industrialisierung sehr rasch. Die Verlagerung des Arbeitsplatzes aus dem „Haus" zerstörte m i t dem Bindeelement der gemeinsamen Arbeit auch die Basis des bisherigen familiären Zusammenlebens und führte zur Trennung von Familie und Beruf. Landflucht, Urbanisierung und soziale Entwurzelung sind aus gesamtgesellschaftlicher Betrachtung die Stichworte, die diesen Vorgang umreißen 4 . 2 3 4

Vgl. dazu Dörner, Industrialisierung u n d Familienrecht, S. 20 ff. (m. w. N.). Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 236. Dörner, Industrialisierung u n d Familienrecht, S. 68.

Α. Die konditionale Gleichwertigkeit

145

A m Ende dieser Entwicklung steht schließlich die nur aus Eltern und Kindern bestehende Kernfamilie als „typische Familie unserer Zeit" 5 . Diese Auflösung des Familienverbandes führte dazu, daß ein großer Teil der herkömmlichen Funktionen, insbesondere Krankenund Altenfürsorge, von der Restorganisation nicht mehr versehen werden konnte und i n einem Prozeß der „Desintegration" auf spezielle gesellschaftliche Leistungsträger überging 6 . Für den Bereich der Alterssicherung war die Entstehung der Arbeiterrentenversicherung der Ausgangspunkt dieser Entwicklung 7 . Zwangsmitgliedschaft — verbunden m i t der entsprechenden Beitragspflicht — führte dazu, daß einerseits i n dem der Beitragshöhe entsprechenden Umfang die Fähigkeit der Versicherten eingeschränkt wurde, ihren Eltern den notwendigen Altersunterhalt zu leisten, und sie sich andererseits zugleich von (ihren) Kindern unabhängig eine Altersversorgung aufbauen konnten bzw. mußten. Eine besondere Rolle i n diesem Prozeß spielte schließlich die Kodifizierung des Verwandtenunterhaltsrechts i m BGB, welches elf Jahre später i n K r a f t trat. Dessen rechtliche Struktur, die schematisch nur i n vertikaler Richtung die Beziehungen innerhalb der blutsverwandten (Kern-)Familie regelt und dabei das bürgerlich-rechtliche System individueller Anspruchsbeziehungen nicht antastet, beinhaltet normativ die Abkehr von dem ursprünglichen kollektiven Unterhaltsverband der Großfamilie. M i t der gesteigerten Unterhaltspflicht i n absteigender Linie 8 und dem Ausschluß des Unterhaltsanspruchs bei fehlender Leistungsfähigkeit des Verpflichteten i n aufsteigender Linie 9 , stellte es die materiellrechtliche Vorbedingung dar, um die Umverteilung des Einkommens der Aktiven-Generation hinsichtlich der Kinder i m Rahmen der Familie, hinsichtlich der A l t e n auf dem Wege gesellschaftlicher Umverteilung durchzusetzen 10 . Insbesondere die Abhängigkeit der Unterhaltsansprüche der AltenGeneration von der Leistungsfähigkeit der Aktiven-Generation bedeu5 Wingert, Familienpolitik, S. 22; vgl. auch Mayntz, Der Wandel der modernen Gesellschaft u n d seine Auswirkungen auf die Familie, S. 95 ff. ; k r i tisch Finger, Familienrecht, S. 27 ff. 6 Dörner, Industrialisierung u n d Familienrecht, S. 68. 7 Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung v o m 22. J u n i 1889 (RGBl. S. 97); siehe dazu Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. I, S. 68 ff., sowie Peters, Die Geschichte der Sozialversicherung, S. 64 ff. 8 Vgl. § 1603 Abs. 2 BGB. 9 Vgl. § 1603 Abs. 1 BGB. 10 Z u dieser Wechselwirkung vgl. auch Gitter/ Η ahn-Kemmler, SGb 1979, S. 195 ff.; Gitter, N J W 1979, S. 124 ff.; Naendrup, BIStSozArbR 1980, S. 225 ff.

10 Bordiert

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I I I . Teil: Die „Beitragsäquivalenz" der Kindererziehung

tet nämlich für die Ausweitung der durch Pflichtbeiträge finanzierten Sozialversicherung, daß Pflichtenkollisionen i n der Person der A k t i v e n — zwischen der Unterhaltspflicht für die Altengenerationen i m familiären Rahmen und der Beitragspflicht für die Rentenversicherung — rechtlich verhindert wurden 1 1 . War die Beschränkung der Unterhaltsansprüche der Eltern somit eine der wesentlichen normativen Vorbedingungen für die Ausweitung des Alterssicherungssystems, so bewirkte diese immer umfassendere institutionalisierte Alterssicherung umgekehrt wiederum, daß mehr und mehr auch die weitere Unterhaltsanspruchsvoraussetzung der Bedürftigkeit der Altengeneration wegen des Bezugs von Renten entfiel. Die Alterssicherung wurde auf der individuellen Ebene deshalb immer unabhängiger von eigenen Kindern, auch Kinderlose waren nun gesichert. A m Ende dieser Entwicklung steht nunmehr eine fast vollkommene Funktionsteilung zwischen Familie und Gesellschaft; Kinder werden i m familiären Unterhaltssystem versorgt, die A l t e n mittels Sozialleistungen 12 . Heute sind fast 90 °/o der deutschen Bevölkerung von der gesetzlichen Rentenversicherung erfaßt 1 3 ; hinzu kommen das öffentlich-rechtliche Versorgungssystem für die Beamten (und — als Zusatzversorgung — für die Arbeiter und Angestellten i m öffentlichen Dienst). I m Jahre 1967 bestritten 90 % der Alten ihren Lebensabend mit Leistungen der Renten-, Unfallversicherung, Kriegsopferversorgung, Beamtenversorgung, der Versorgungskassen der freien Berufe und des Lastenausgleichs. Nur noch etwa 5 %> erhielten Unterhaltsbeihilfen von ihren Kindern. Die restlichen 5 °/o waren noch erwerbstätig 1 4 . Damit ist die i m ursprünglichen Sicherungsverband der Familie so offen zutage tretende Bedeutung des Kindererziehens als notwendiger Voraussetzung der eigenen Altersversorgung aus dem Blickfeld geraten. Der Zusammenhang zwischen Kindern und Alterssicherung ist gleichwohl, allerdings auf dem Wege gesellschaftlicher Vermittlung, immer noch vorhanden. Das zeigt nämlich die unveränderte Zahl von Leistungsströmen zwischen den Generationen: Jede Generation emp11 a. A. Münder, i n : Posser/Wassermann (Hrsg.), Von der bürgerlichen zur sozialen Rechtsordnung, S. 134 f., der meint, die gesetzliche Regelungsstruktur des Unterhaltsrechts entspreche konsequent dem Gedanken des privaten Aequivalententauschs; siehe ebd., S. 171 ff., ferner v. Maydell, der auf die D y n a m i k der Wechselwirkung von Sozialrecht und Unterhaltsrecht hinweist. 12 Vgl. Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 236. 13 Maier, DAngVers 1978, S. 355 (m. w. N.). 14 Blume, Altenhilfe, S. 40.

Α. Die konditionale Gleichwertigkeit

147

fängt heute ebenso wie damals zwei Leistungen — i n ihrer Kindheit und i n ihrem Alter. Wegen der Funktionsteilung zwischen dem Solidarverband Familie und der Solidargemeinschaft der Rentenversicherten hängt jedoch für den einzelnen der Erhalt dieser beiden Leistungen nicht mehr davon ab, daß er auch seinerseits zwei Leistungen gewährt hat. Vielmehr genießen diejenigen, die keine Kinder großziehen und sich damit Leistungen an die heranwachsende Generation ersparen, insoweit ebenso einen Vorteil wie die, die unterdurchschnittlich viele Kinder haben. Den entsprechenden Nachteil tragen diejenigen, die überdurchschnittlich viele Kinder aufziehen 15 . Daß diese Alterssicherungsfunktion von Kindern i m gesellschaftlichen Rahmen jedoch kaum noch erkennbar ist 1 6 , beruht wohl vor allem auf der m i t der vormaligen Finanzierungstechnik der Rentenversicherung lange Zeit verbundenen Fiktion, daß die Altersversorgung mittels einer A r t Sparversicherung auch i m gesellschaftlichen Umfang bewerkstelligt werden könne. Dieser die Finanzierung der Alterssicherung ursprünglich beherrschende Gedanke soll deshalb kurz erläutert werden.

I I I . Das Verständnis der Bedeutung der Kindererziehung für die gesetzliche Alterssicherung unter der Herrschaft des Anwartschaftsdeckungsprinzips

Ähnlich wie dies immer noch bei der privaten Lebensversicherung der Fall ist, wurde auch bei der gesetzlichen Rentenversicherung lange Zeit nach dem Prinzip der Anwartschaftsdeckung verfahren. Dieses verlangt, daß die Beiträge, die der Versicherte während seines Arbeitslebens gezahlt hat, zuzüglich der Zinsen und Zinseszinsen beim E i n t r i t t des Versicherungsfalles zur Deckung der Leistungen bereitstehen müssen. Unter der Herrschaft dieses Prinzips stellte sich die soziale Altersvorsorge somit als System des Zwangssparens dar. Jeder Versicherte mußte danach also seine Alterssicherung aus seinem eigenen Erwerbseinkommen finanzieren und mußte deshalb auch den Eindruck ge15 Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 236; siehe auch v. Nell-Breuning, Soziale Sicherheit?, S. 75 ff. 16 So nennt Jahn, i n : Festschrift für Schieckel, S. 154, ζ. B. nur Sparen oder Versichern als Element der Einzelvorsorge u n d läßt dabei die Möglichkeit, sich durch Erziehung von K i n d e r n spätere Unterhaltsansprüche zu sichern, ganz aus der Betrachtung ausscheiden. Erwähnung verdient i n diesem Z u sammenhang eine Meldung des Berliner Tagesspiegels v. 4. Januar 1981 über ein neues französisches Modell privater Alterssicherung: Nach der Formel „Tausche Ausbildung gegen Rente" f ü h r t eine Agentur Studenten m i t Geldproblemen u n d vermögende Bürger zusammen, die gegen Gewährung eines Stipendiums einen Rentenanspruch erwerben sollen.

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I I I . Teil: Die „Beitragsäquivalenz" der Kindererziehung

Winnen, selbst für seine spätere Altersversorgung zu arbeiten und demzufolge von einer Nachwuchsgeneration unabhängig zu sein. Die Bedeutung von Kindern w i r d bei diesem Verfahren demnach immer schwerer erkennbar. A l l e i n monetäre Beitragsleistungen scheinen die soziale Alterssicherung zu ermöglichen. Dieses Prinzip überstand Inflation und Währungsreform und wurde vom Gesetzgeber teilweise erst bei der Rentenreform des Jahres 1957 17 , vollends jedoch erst durch das Dritte Renten versicherungsänderungsgesetz von 1969 aufgegeben 18 , obwohl Mackenroth 19 bereits i m Jahre 1952 überzeugend festgestellt hatte, daß aller Sozialauf wand immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode gedeckt werden müsse, da es volkswirtschaftlich keine Ansammlung von Fonds, keine Übertragung von Einkommensteilen von Periode zu Periode, kein „Sparen" i m privatwirtschaftlichen Sinne gebe. Jede Fondsansammlung werde nämlich i n der Geldwirtschaft zu volkswirtschaftlicher Kapitalbildung, wobei jedoch einmal gebildetes Kapital nicht wieder i n Sozialaufwand umgesetzt werden könne. Eine volkswirtschaftliche Parallele zum Vorgang der privatwirtschaftlichen Versicherung gebe es nicht. Daraus folgt, daß soziale Sicherung immer von der jeweiligen Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft, d. h. von dem laufenden Produktionsergebnis der Gesellschaft abhängt 2 0 . A u f den Bereich der Alterssicherung bezogen, heißt dies demnach, daß diese immer abhängig ist von der Leistungsfähigkeit der nachfolgenden Generation. Da volkswirtschaftliche Produktivität nur i n der Utopie ohne Einsatz menschlicher Arbeitskraft denkbar ist, setzt soziale Alterssicherung also immer auch eine nachfolgende Generation voraus. Wenn diese Einsicht unter der Herrschaft des AnwartschaftsdeckungsVerfahrens auch verloren gegangen ist, so w i r d dadurch jedoch zumindest erklärt, daß man die Berücksichtigung von Kindern nicht anders als ausschließlich auf der Leistungsempfangsseite des Versicherungsverhältnisses und damit als Ausprägung des das Versicherungsprinzip durchbrechenden Prinzips des sozialen Ausgleichs verstehen konnte; alle gegenwärtigen Vorschriften, die Kindererziehung 17 Da das Anwartschaftsdeckungsverfahren eine Kapitalrücklage von damals (!) mehr als 2000 Mrd. D M erfordert hätte, entschloß man sich i m Jahre 1957, ein lOjähriges Abschnittsdeckungsverfahren einzuführen, vgl. Richter, Grundlagen des Rechts der sozialen Sicherheit, S. 72; H er der-Dorneich, DAngVers 1979, S. 141 (143), nennt allerdings die Z a h l von 800 Mrd. DM, die heute als Kapitalrücklage nötig sei. 18 Vgl. dazu Bogs, Harald, Die Sozialversicherung i m Staat der Gegenwart, S. 438; Jantz, SGb 1969, S. 282—284. 19 Siehe oben, Einleitung, Text zu Fn. 1 f. 20 Vgl. Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. I, S. 149.

Α. Die konditionale Gleichwertigkeit

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berücksichtigen, mit Ausnahme der neuen Mutterschaftsregelung, haben so auch ihre Wurzeln i n jener vergangenen Epoche. I V . Die Bedeutung der Kindererziehung für die nach dem „Umlageverfahren" finanzierte gesetzliche Rentenversicherung: der „gesellschaftliche Generationenvertrag"

Der Einsicht folgend, daß Sozialleistungssysteme immer nur aus dem Volkseinkommen der jeweiligen Periode finanziert werden können, ist der Gesetzgeber mit dem Dritten Rentenversicherungsänderungsgesetz und dem 20. und 21. Rentenanpassungsgesetz 21 vom Kapitaldeckungsverfahren vollends abgerückt. Die Renten werden nunmehr nach dem sog. „reinen Umlage verfahren" finanziert, d. h. die Beitragseingänge werden sogleich für die Finanzierung der laufenden Rentenleistungen verwendet. Lediglich eine Schwankungsreserve aus Betriebsmitteln und Rücklagen i n der Höhe von eineinhalb Monatsausgaben ist gesetzlich noch vorgeschrieben 22 . Der Beitrag eines Arbeitnehmers zur Rentenversicherung bringt also i m volkswirtschaftlichen Sinne keinerlei Sicherheit, insbesondere keine Rückstellung für seine Altersversorgung mehr mit sich. Die spätere Altersversorgung eines Beitragszahlers ist vielmehr ausschließlich von der Produktivität der Nachwuchsgeneration abhängig 23 . Das Umlageverfahren beruht demnach auf der „Gewißheit der K o n t i nuität des Volksdaseins" 24 , was deutlich vom Extrem her zu erkennen ist: Wenn keine Kinder mehr geboren werden, gibt es i n Zukunft niemanden mehr, der die Altersversicherung für die jetzt Erwerbstätigen übernimmt. Ruland nennt Kinder deshalb das „Deckungskapital der Sozialversicherung" 25 , das Gleiche meint Schmidt-Kaler, wenn er vom „Humankapital" der Rentenversicherung spricht 2 6 . Der ursprüngliche Wert von Kindern für die Alterssicherung t r i t t somit beim Umlageverfahren wieder deutlich hervor. I n Anlehnung an die ursprüngliche Sicherungsform der Mehrgenerationen-Großfamilie 21

Dazu vgl. Geyer/Genzke, DAngVers 1979, S. 105 ff. §§ 1383 a f. RVO. 23 Neukamm, FamRZ 1977, S. 379, bemerkt zutreffend, daß die Verwendung des Wortes „Versicherung" für die gesetzliche Rentenversicherung heute deshalb irreführend ist, es handele sich bei i h r vielmehr u m eine staatliche Umverteilung. 24 Schreiber, Existenzsicherheit i n der industriellen Gesellschaft, S. 89. 25 Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 237. 28 Schmidt-Kaler, ZfBevWiss 1978, S. 78. 22

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I I I . Teil: Die „Beitragsäquivalenz" der Kindererziehung

w i r d deshalb auch von einem „gesellschaftlichen Generationenvertrag" gesprochen 27 . Allerdings gehen die Auffassungen dabei zum Teil insoweit auseinander, als darunter einerseits ein intertemporaler 2 8 , andererseits ein interpersonaler Ausgleich 2 9 zwischen den aktiven und den inaktiven Generationen verstanden wird. Diesen Meinungsstreit jedoch weiter zu verfolgen, erscheint deshalb überflüssig, weil letztlich beide Definitionen nicht i n Widerspruch zueinander stehen, sondern sich bei genauer Betrachtung ergänzen. Denn für das Funktionieren der Rentenversicherung sind — wie soeben festgestellt wurde — Kinder ebenso notwendige Voraussetzungen wie die Zahlung der monetären Beiträge. Die Leistungen a n s i e werden zwar bereits heute erbracht und sind insofern interpersonal. Jedoch stellen diese die zwingenden Voraussetzungen für die Leistungen d u r c h s i e dar, die erst später erwirtschaftet werden. Den Leistungen an Kinder, also Betreuung und Unterhalt, haftet somit ein „Echoeffekt", ein zeitliches Element an, das es rechtfertigt, insofern von einem intertemporalen Ausgleich zu sprechen. A l l e i n die lineare Betrachtungsweise des interpersonalen Ausgleichs w i r d dem Investitionscharakter der Leistungen an Kinder jedenfalls nicht gerecht. Zusammenfassend läßt sich somit sagen, daß das Funktionieren des Generationenumlageverfahrens ausschließlich von zwei Faktoren garantiert wird, nämlich den interpersonalen (monetären) Leistungen der A k t i v e n an die A l t e n und den intertemporalen, materiellen und immateriellen Leistungen der A k t i v e n an die Nachwuchsgenerationen. Ob die zukünftige Alterssicherung schließlich mehr von der Zahl der dann A k t i v e n oder mehr von der gesellschaftlichen Produktivitätssteigerung und der daraus resultierenden Höhe der dann erzielbaren Einkommen oder von weiteren Faktoren abhängt 3 0 , ist dann erst eine sekundäre Frage. V. Ergebnis

Kindererziehung und monetäre Beitragsleistungen sind beide für das Funktionieren der gesetzlichen Rentenversicherung unersetzliche Voraussetzungen und somit konditional gleichwertig. Daß diese Gleich27

Eine Bezeichnung, „die einen Juristen schaudern lasse", meint Rürup, Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte (Beilage zur Zeitschrift „Das Parlament"), Β 27,1979, S. 22. 28 So Schreiber, Existenzsicherheit i n der industriellen Gesellschaft, Heft 3 der Schriftenreihe des Bundes Katholischer Unternehmer, N. F., 1956 (zitiert nach Schewe, i n : Festschrift für Bogs [1967], S. 149 Fn. 3). 29 So Schewe, ebd., S. 149. 30 Dazu vgl. z.B. Bäcker, W S I - M i t t e i l u n g e n 1980, S. 44.

Β. Die Notwendigkeit rentenrechtlicher Konsequenzen

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Wertigkeit lange Zeit nicht erkannt wurde, läßt sich nur m i t dem über Jahrzehnte hinweg geltenden Anwartschaftsdeckungsprinzip erklären. Dieses ging nämlich von der Vorstellung aus, Alterssicherung könne i m gesellschaftlichen Umfange monetär angespart werden. I n einem System, das als rein monetär funktionierend verstanden wurde, mußten natürlich die Kinder, die weder Beiträge zahlen noch Renten beziehen und damit i m Zahlenbild der Finanzen nicht erscheinen, übersehen werden; als „Dreh- und Angelpunkt des Rentensystems" erschienen nur die Beitragszahler 31 . M i t der Abkehr von dieser Fiktion und der Umstellung der Rentenversicherung auf das Umlage verfahr en w i r d jedoch die Bedeutung der Nachwuchsgeneration und damit der Wert der Kindererziehung für die Gewährleistung der sozialen Alterssicherung wieder deutlich sichtbar. B. Zur Notwendigkeit rentenrechtlicher Konsequenzen Obwohl die Zusammenhänge zwischen Kindererziehung und Alterssicherung bereits i m Jahre 1954 klar erkannt und unter ausdrücklichem Hinweis auf die Ungerechtigkeit des Rentensystems publik gemacht worden sind 1 , hat der Gesetzgeber bei der „Großen" Rentenreform des Jahres 1957 keine rentenrechtlichen Konsequenzen daraus gezogen. Auch die Umstellung auf das Umlageverfahren, die die Bedeutung der Kindererziehung für das Rentensystem wieder entschleiert, blieb ohne Folgen für ihre rentenrechtliche Behandlung. Kindererziehung und Alterssicherung werden i n den verschiedenen, familiären und sozialen Leistungssystemen berücksichtigt; dabei sind die mit den Erziehungsleistungen verbundenen Lasten jedoch weitgehend „privatisiert" 2 . Familiäre Erziehung w i r d als Leistung von der Rechtsordnung überhaupt nur ausnahmsweise anerkannt. Die Fälle wurden bereits genannt: Zum einen i m Familienrecht, wo die Erziehungsleistung der Mutter den monetären Unterhaltsleistungen des Vaters gleichgestellt und damit als zur Erfüllung des familiären Generationenvertrages taugliche Leistung angesehen w i r d 3 , zum anderen i m Rentenrecht; wie bereits erwähnt, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner ersten Witwerrentenentscheidung verlangt, daß zur Ermittlung des für Witwerrenten maßgeblichen „überwiegenden Unterhalts" die Leistung 31

Vgl. v. Nell-Breuning, Soziale Sicherheit?, S. 77. Von der sog. Troeger-Kommission, vgl. Troeger (Hrsg.), Diskussionsbeiträge des Arbeitsausschusses für die Große Rentenreform, S. 22; siehe dazu oben, S. 2 f. 2 Zeppernick, Finanzarchiv, Bd. 37, Heft 2 (1979), S. 294. 3 § 1606 Abs. 3 Satz 2 B G B ; vgl. dazu oben, I I . Teil, l . K a p . B . , Text zu Fn. 12. 1

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I I I . Teil: Die „Beitragsäquivalenz" der Kindererziehung

der Ehefrau als Mutter m i t ihrem tatsächlichen Wert zu berücksichtigen ist 4 . Das paradoxe Ergebnis dieser Entscheidung ist also, daß Erziehung zwar als rentenrechtlich relevante Leistung, aber erst nach dem Tode der Erziehenden anzuerkennen ist. Insbesondere jetzt, wo die Gewißheit der „Kontinuität des Volksdaseins" so offensichtlich erschüttert wird, muß sich deshalb die Frage nach der Gerechtigkeit des gegenwärtigen Rentensystems stellen, welches die Leistung der Kindererziehung nur i n Ausnahmefällen berücksichtigt, sie also systematisch letztlich unberücksichtigt läßt. Ausgangspunkt zur Beantwortung dieser Frage soll angesichts der konditionalen Gleichwertigkeit von Erziehung und Beiträgen das verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgebot, Art. 3 Abs. 1 GG, sein, nach dem der Gesetzgeber Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend zu behandeln hat; diesem kommt ohnehin i m Recht der öffentlich sozialen Leistungen wegen seiner inneren Verbundenheit m i t dem Rechtsstaats- und Sozialstaatsprinzip die größte Bedeutung zu, da „die Verwirklichung austeilender Gerechtigkeit, der justitia distributiva, . . . den Sozialstaat nicht nur als „Verteilerstaat", sondern als den die öffentlichen Leistungen gerecht verteilenden Staat (kennzeichnet). Wesentliches Erfordernis für eine solche gerechte Verteilung ist aber die Beachtung des Gleichheitssatzes" 5 . Als weiterer Überprüfungsmaßstab ist darüber hinaus Art. 6 Abs. 1 GG anzuwenden, da die Frage der Berücksichtigung der Kindererziehung zugleich die Frage der Berücksichtigung der Familie ist und damit das Schutzobjekt dieser Grundrechtsnorm unmittelbar betrifft. Zur Verdeutlichung des hier gewonnenen Standpunktes soll schließlich ergänzend noch eine Parallele zum Recht der Personengesellschaften gezogen werden. I. Die konditionale Gleichwertigkeit der Kindererziehung und das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichbehandlung

Die Problematik des Gleichbehandlungsgebots als gesetzgeberisches Kontrollprinzip sowie die einschlägige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu dieser Frage wurden i m Verlauf dieser Untersuchung bereits eingehend erörtert; insoweit kann also auf die entsprechenden Ausführungen verwiesen werden 6 . 4 5 β

BVerfGE 17, S. 1 (Leitsatz 1). Bogs, Gutachten 43. DJT, G 36 f. Siehe oben, I I . Teil, 2. Kap. Β . I V . 2. a).

Β. Die Notwendigkeit rentenrechtlicher Konsequenzen

153

Ebenso ist an die K r i t i k gegenüber dieser Rechtsprechung, die nicht die Frage, ob die Lösung des Gesetzes die gerechteste oder zweckmäßigste, sondern nur die Frage, ob sie vor dem Willkürverbot Bestand hat, als ausschlaggebend ansieht, zu erinnern 7 . Bevor nun jedoch anhand dieser Rechtsprechung die Frage, ob trotz der konditionalen Gleichwertigkeit der Erziehungsleistungen einerseits und der monetären Beitragsleistungen andererseits ihre differenzierende normative Berücksichtigung noch aus Erwägungen der Gerechtigkeit und/oder Zweckmäßigkeit gerade für das Recht der Rentenversicherung gerechtfertigt erscheint 8 , untersucht wird, ist noch auf die besondere Problematik dieser hier vorzunehmenden Überprüfung hinzuweisen; sie ergibt sich aus der Dimension des zu untersuchenden Problems. 1. Die Problematik

der Überprüfung

Vorliegend geht es nicht, wie dies bei verfassungsrechtlichen Überprüfungen normalerweise der Fall ist, um die Untersuchung des Gerechtigkeitsgehaltes einer einzelnen Norm, deren Sachgerechtigkeit sich anhand der Strukturprinzipien eines umfassenden Normenkomplexes erschließen läßt, sondern um eben die Strukturprinzipien selbst. Diesen wohnt grundsätzlich jedoch bereits aus Gründen ihrer historischen Legitimation, ihres Gewordenseins, eine Vermutung der Sachgerechtigkeit inne. Auch das Bundesverfassungsgericht hat i n der Vergangenheit wiederholt deutlich gemacht, welches erhebliche verfassungsrechtliche Gewicht es der Tradition zumißt. Dies kommt ζ. B. zum Ausdruck, wenn das Gericht meint, ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG könne „dann gegeben sein, wenn es sich insoweit um eine neuartige, aus System, Sinn und Zweck des bisherigen Gesetzes herausfallende Regelung handeln würde" 9 ; auch wenn Klarheit, Einheit und „innere Autorität" der Rechtsordnung als Schutzgüter des A r t . 3 Abs. 1 GG genannt werden 1 0 , w i r d der „positivistisch-legalistische Zug des Systemdenkens des Bundesverfassungsgerichts" 11 ebenso erkennbar wie bei dem Hinweis auf „andere systematische und sozial-geschichtliche Zusammenhänge", die unterschiedliche Regelungen rechtfertigen können 1 2 . Zacher äußert dazu die Vermutung, das Gericht scheine davon auszugehen, daß die Rechtsordnung i n Teilsysteme zerfalle, die unter7

Siehe ebd., Text zu Fn. 94. Vgl. BVerfGE 3, S. 240. 9 BVerfGE 7, S. 129 (153); 12, S. 264 (273). 10 BVerfGE 13, S. 321 (340). 11 Zacher, AöR, Bd. 23 (1968), S. 353 Fn. 41. 12 BVerfGE 11, S. 283 (293).

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I I I . Teil: Die „Beitragsäquivalenz" der Kindererziehung

einander oder gegenüber dem Gleichheitssatz mehr oder minder autonom sind 1 3 . Schließlich lassen seiner Meinung nach einige Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts es als selbstverständlich erscheinen, daß dem Gesetzgeber das Recht zustehe, Besitzstände zu wahren 1 4 . Obwohl eine derartige Rechtsprechung insbesondere i m Hinblick auf das Thema dieser Untersuchung zur K r i t i k herausfordert, soll und kann jedoch auf eine Auseinandersetzung verzichtet werden, da an dieser Stelle nur eine Darstellung der Überprüfungsproblematik gegeben werden sollte 1 5 . Die Hinwendung zu der hier aufgeworfenen Ausgangsfrage fällt insbesondere auch deshalb leicht, weil das Bundesverfassungsgericht keineswegs starr an der geschilderten Linie festhält. So stellte es ζ. B. klar, daß traditionelle Regelungen aus sachlich vertretbaren Gründen aufgehoben werden dürften 1 6 ; Tradition sei kein Ersatz für „überzeugende Gründe" 1 7 . Überdies weist Neukamm 18 zutreffend darauf hin, daß das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt, i m Rentenrecht speziell i n der zweiten Witwerrentenentscheidung, ausgesprochen hat, daß bislang verfassungsrechtlich zulässige Bestimmungen durch eine Änderung der gesellschaftlichen Verhältnisse verfassungswidrig werden können. Eine derartige Veränderung sieht er mit Recht dabei i n der gegenwärtigen Geburtenentwicklung. Die Ausgangsfragestellung ist nach allem also dahingehend zu präzisieren, ob es unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Veränderungen sachgerechte Gründe gibt, trotz der erkannten konditionalen Gleichwertigkeit der Kindererziehung am bisherigen System der Beitragsäquivalenz — nur bezogen auf die monetären Beitragsleistungen — festzuhalten, oder ob nicht die überzeugenderen Gründe dafür sprechen, das Prinzip der Beitragsäquivalenz auch für die Beitragsleistung „Kindererziehung" gelten zu lassen. Dabei liegt für die Sammlung der i n Betracht kommenden Argumente auf der Hand, daß angesichts der Dimension des Problems i m Rahmen dieser juristischen Untersuchung nur ein Bruchteil aller i n Be18

Zacher, AöR, Bd. 23 (1968), S. 354. Oers., ebd., S. 358. 15 Siehe ζ. B. Schmidt, JZ 1967, S. 403, der eine Verfassungsgerichtsbarkeit kritisiert, die sich vor allem auf eine durch die Tradition bestimmte Natur der Sache stütze u n d damit Besitzstände konserviere, statt der Verfassung eigenen Wert u n d W i r k l i c h k e i t zu verleihen. 1C BVerfGE 16, S. 6 (24 f.). 17 BVerfGE 20, S. 374 (377). 18 FamRZ 1977, S. 380 Fn. 3. 14

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tracht kommenden Aspekte hier i n die Diskussion gebracht werden kann, nämlich nur die, die sich aus rentensystematischen und rentenpolitischen Gesichtspunkten ergeben. Andere Aspekte, wie ζ. B. aus dem kaum zu übersehenden haushalts- oder strukturpolitischen Bereich, können i m Rahmen dieser Arbeit verständlicherweise nicht behandelt werden; Anhaltspunkte dafür, daß ihre Berücksichtigung zu einer anderen Beurteilung führen könnte, sind zudem nicht ersichtlich. Angesichts der anhaltenden wissenschaftlichen Kontroverse über diese Frage bleiben auch die bevölkerungspolitischen Aspekte, die ein starkes Argument für die Gleichstellung beinhalten würden, aus der Untersuchung ausgeschlossen. 2. Gründe gegen die Gleichbehandlung von Kindererziehung und monetären Beitragsleistungen Versucht man, die Gründe, die gegen eine Gleichbehandlung von Kindererziehung und monetären Beitragsleistungen sprechen, zu sammeln, so ergeben sich i m wesentlichen die nachstehend erörterten vier Aspekte. a) Lohnersatz Als sachlicher Grund gegen eine beitragsäquivalente Anerkennung der Kindererziehung kommt i n Betracht, daß die Rentenversicherungspflicht i n der Regel an ein Beschäftigungsverhältnis, d. h. eine lohnabhängige Arbeit, anknüpft, während der Arbeit der Kindererziehung dieses Element der Fremdbestimmung ebenso wie das der Entlohnung fehlt. Die Lohnersatzfunktion w i r d aber allgemein als das wesentliche Charaktermerkmal der an ein Beschäftigungsverhältnis anknüpfenden Versicherungsarten angesehen. Dabei w i r d zum Teil betont darauf hingewiesen, Renten seien lohn-, nicht beitragsproportional; dies zeige sich ζ. B. daran, daß ein 14 € /oiger Beitrag vom Durchschnittslohn des Jahres 1957 genauso viel zählt wie ein 18 °/oiger von 1974. Grundgedanke der Rentenversicherung sei es also nicht, dem Versicherten das Äquivalent seiner Beiträge zu bieten, sondern eine seinem bisherigen Lebensstandard entsprechende Rente 19 . Kindererziehung bietet aber für die Ermittlung des rentenmaßgeblichen Lebensstandards keinerlei Anhaltspunkte. 19 Rüfner, V V d S t R L 2 8 , S. 196 (m. w . N . ) ; vgl. auch Albers, Transferzahlungen an Haushalte, S. 909 : „ E i n Zusammenhang zwischen den eigenen Beiträgen u n d der absoluten Höhe der späteren Altersrente besteht nicht"; ebenso Zeppernik, Finanzarchiv, Bd. 37, Heft 2 (1979), S. 298.

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I I I . Teil: Die „Beitragsäquivalenz" der Kindererziehung

Selbst wenn man jedoch entgegen der Ansicht, für die Beiträge lediglich die Funktion von Lohn- und damit Lebensstandardindikatoren haben, entweder der sog. „kapitalorientierten" oder der „leistungsorientierten" Betrachtungsweise folgt und davon ausgeht, daß Rentenleistungen ein Äquivalent der Beitragsleistungen sind 2 0 , so ergibt sich zwar eine Basis für die Gleichbehandlung der Kindererziehung auf der Grundlage ihres Leistungscharakters, jedoch kein Maßstab. Während nämlich die monetären Beitragsleistungen selbst den für den Gegenwert maßgeblichen Wert darstellen und Wert und Gegenwert sich i n diesem Verhältnis noch als monetäre Leistungen entsprechen, läßt sich für die Kinderbetreuung ihr Wert nicht annähernd so präzise ermitteln und vermitteln. b) Keine Volksversicherung Ein weiteres Argument gegen die beitragsäquivalente Einbeziehung von Erziehungsleistungen in die gesetzliche Rentenversicherung ist, daß in der Bundesrepublik keine Volksversicherung besteht, d. h. ein bestimmter A n t e i l der Bevölkerung w i r d nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung erfaßt. Es ergibt sich somit das Problem, daß — wenn man Kindererziehung als beitragsäquivalente Leistung anerkennt — für Eltern möglicherweise spätere Rentenansprüche auch dann entstehen könnten, wenn ihre Kinder gar nicht der Gemeinschaft der Rentenversicherten beitreten und etwa i n selbständigen Berufen tätig sind. Insbesondere betrifft dieses Problem die nur vorübergehend in der Bundesrepublik lebenden ausländischen Bevölkerungsteile. c) Sozialpolitische Einwände Schließlich werden gegen eine Anrechnung der sozialpolitische Bedenken erhoben.

Kindererziehung

Es w i r d darauf hingewiesen, daß eine aus dem Grund der Kindererziehung zu zahlende Rente der Familie regelmäßig nicht während, sondern erst später, nach der Kindererziehung und damit i n einem Stadium zugute kommt, i n dem die Lasten der Familie durch Kindererziehung nicht mehr gegeben seien 21 . Insbesondere wenn bei Nichterwerbstätigen ein voller Ausgleich i n der Rente stattfinde, würde man die Ehepartner i m Rentenalter auf 20

Vgl. dazu ausführlich Meydam, Eigentumsschutz u n d sozialer Ausgleich i n der Sozialversicherung, S. 31 ff. (m. w. N.). 21 Kaltenbach, DAngVers 1978, S. 36; i h m folgend Rauschenbach, DAngVers 1978, S. 217; ebenso Klier, ArbuSozR 1979, S. 163 ff.

Β. Die Notwendigkeit rentenrechtlicher Konsequenzen

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das Niveau von Doppelverdienern anheben, was sie i m Erwerbsleben niemals waren 2 2 . d) Finanzierung Nicht zuletzt stellt sich die Frage der Finanzierung. Die Kosten einer rentenwirksamen Berücksichtigung von Zeiten der Kindererziehung wären erheblich. So ergeben die Berechnungen der Sachverständigenkommission für die soziale Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen, daß die Anrechnung von Erziehungszeiten bis zum 3. Lebensjahr des Kindes als fiktive Beitragszeiten auf der Basis von 100 °/o bzw. 75 °/o des Durchschnittsentgeltes aller Versicherten zu einer Mehrbelastung von rd. 7,6 Mrd. DM/Jahr bei einer Bewertung mit 100 % bzw. 5,7 Mrd. DM/Jahr bei einer solchen mit 75 °/o führe; diese Kosten würden allerdings nicht sofort, sondern erst nach der Jahrtausendwende entstehen, wenn die Kindererziehenden eine Rente erhalten 2 3 . Für ein „Baby-Jahr" auf der Basis von 75 °/o des Durchschnittsentgelts aller Versicherten, das allen Frauen, die Kinder geboren haben und noch nicht Rente beziehen, gewährt werden soll, dürften die Mehrkosten nach Schätzungen der Sachverständigenkommission bei Beschränkung auf den Rentenzugang i m Anfangsjahr rd. 100 Mio. D M betragen, i m 15. Jahr nach Inkrafttreten der Maßnahme rd. 1,9 Mrd. DM/Jahr (Basis 1979)24. Eine andere Zahl weist insofern der Programmentwurf zur zukunftsgerechten Weiterentwicklung der Alterssicherung des Vorstandes der SPD aus, demzufolge die Anerkennung von einem Kindererziehungsjahr je K i n d i n der Rentenversicherung auf der Basis von 75 o/o des Durchschnittsentgelts einen Betrag von 3,5 Mrd. DM/Jahr — langfristig absinkend auf 2 Mrd. DM/Jahr — erfordert 2 5 .

3. Überprüfung

der Argumente

Die vorstehend aufgeführten Argumente werden i m folgenden i n umgekehrter Reihenfolge auf ihre Stichhaltigkeit überprüft.

22

Rauschenbach, DAngVers 1978, S. 216 f. Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 90 f. (Rdnr. 262) ; den Zahlen liegen die Verhältnisse des Jahres 1979 i m Beharrungszustand zugrunde. 24 Sachverständigenkommission, S. 91 (Rdnr. 263). 25 SPD-Vorstand, Programmentwurf, Ziff. 38; zur Debatte u m die F i n a n zierung von Erziehungszeiten vgl. „Der Tagesspiegel" v. 7. Februar 1980 (S. 2 — Kontroverse zwischen dem Vorsitzenden der CDU-Sozialausschüsse, B l ü m , u n d der sog. Wehner-Kommission). 23

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I I I . Teil: Die „Beitragsäquivalenz" der Kindererziehung

a) Zur Finanzierungsfrage Bei einer Realisierung der Gleichstellung der Kindererziehungsleistungen mit monetären Beitragsleistungen würde die Finanzierungsfrage angesichts der chronisch angespannten Situation der Rentenfinanzen mit Sicherheit i m Vordergrund stehen. Das beweist bereits die gegenwärtige, heftige Diskussion um die i n verschiedenen Reformentwürfen vorgeschlagene, vergleichsweise bescheidene Anrechnung von Erziehungszeiten. Dazu ist jedoch zu bemerken, daß die Finanzierungsfrage die Ebene des „wie", nicht aber die hier allein zu untersuchende Frage des „ob" einer beitragsäquivalenten Behandlung der Kindererziehung i m Rentenrecht betrifft. Deshalb scheidet die Finanzierungsfrage, ebenso die Frage, ob die Gleichstellungsmaßnahmen denn nun aus dem Staatshaushalt oder innerhalb der Versichertengemeinschaft ζ. B. auf dem Wege von Beitragserhöhungen vor allem für Kinderlose, Heraufsetzung des Rentenalters oder Rentenkürzungen geleistet werden soll, als der hier zu beurteilenden rechtlichen Problematik nachgelagerte Fragestellung und somit als Argument gegen die beitragsäquivalente Berücksichtigung der Kindererziehung aus der Untersuchung aus. Anzumerken bleibt insofern jedoch, daß es sich aus rechtlicher Sicht hier weniger um eine Finanzierungsfrage, als vielmehr um eine Frage der Umverteilung handelt. b) Keine sozialpolitischen Bedenken Auch die sozialpolitischen Bedenken können nicht durchgreifen. Abgesehen davon, daß nach diesen Vorstellungen die entsprechenden Beitrags- oder Ausfallzeiten nur einem Ehepartner gutgeschrieben werden sollen und damit die von dem anderen Elternteil ebenfalls erbrachten, vor allem baren Leistungen nicht berücksichtigt werden, verkennt diese Argumentation mit dem Bedarfsprinzip die Bedeutung der Kindererziehung als „Leistung" vollends. Wie letztlich unhaltbar diese Auffassungen von ihrem eigenen A n satz aus sind, zeigt sich, wenn man sie konsequent zu Ende denkt: Auch jeder erwerbstätige Elternteil nimmt während der Erziehungsphase von Kindern deutlich spürbare Einschränkungen hinsichtlich der Verwendbarkeit seines Einkommens und damit seines Bedarfs hin. So reduziert sich der Lebensstandard durch zwei Kinder durchschnittlich um 30—40 o/o gegenüber einem Ehepaar mit gleichem Nominaleinkommen 2 6 . Trotzdem erhält der erwerbstätige Elternteil i m Alter,

Β. Die Notwendigkeit rentenrechtlicher Konsequenzen

159

wenn die Belastungen durch Kinder fortgefallen sind, die gleiche Rente wie ein kinderloser Erwerbstätiger, der sich Zeit seines Lebens deshalb auf einen höheren Bedarf eingestellt hat. I n Fortführung der geschilderten sozialpolitischen Bedenken müßte also konsequenterweise die Rente von Eltern i n Relation zu den Renten von Kinderlosen herabgesetzt werden. So absurd dieses Ergebnis auch klingt, es entspricht der Tatsache, daß vom gegenwärtigen Rentenrecht allein die kinderlosen Versicherten profitieren. Es unterstreicht damit erneut, daß die rentenrechtliche Berücksichtigung der Kindererziehung vom rechtlichen Standpunkt aus i n erster Linie also sich als Problem der gerechteren Verteilung darstellt, für welche Finanzierungsfragen jedoch unmittelbar keine Bedeutung haben können, da es sich nicht etwa um die Einführung neuer sozialer Leistungen handelt. c) Zum Problem der fehlenden Volksversicherung Zur Frage des Ausfallrisikos, welches die Versichertengemeinschaft angesichts der immer noch nicht lückenlosen Erfassung der Bevölkerung durch die Rentenversicherung möglicherweise zu tragen hat, ist zu bemerken, daß ein Finanzausgleich zwischen den Haushalten des Bundes und der Versicherungsträger sich als flexibles und sachgerechtes Instrument der Korrektur anbietet. Der bereits bestehende Finanzausgleich zwischen den verschiedenen Trägern der Arbeiter- und Angestelltenversicherung 27 zeigt dazu ebenso wie der Bundeszuschuß 28 mögliche Wege auf. I m übrigen stellt sich dieses Problem angesichts der Erfassung des so überwiegenden Anteils der Rentenversicherten an der Gesamtbevölkerung als einer legislativen (bevorzugenden) Typisierung 2 9 ohne weiteres zugänglich. Problematisch erscheint allerdings angesichts eines ausländischen Bevölkerungsanteils von fast 4 Mio. Menschen, darunter fast 1 Mio. 26 Vgl. Lischke, Rentenversicherung 1978, S. 22; siehe auch Zeppernick, F i nanzarchiv, Bd. 37, Heft 2 (1979), S. 294 ff.; deutlich auch BVerfGE 44, S. 249 (Leitsätze 3 u n d 4) : „ A r t . 33 Abs. 5 GG, der heute auch i m Zusammenhang m i t den i n A r t . 6 GG u n d i m Sozialstaatsprinzip enthaltenen Wertentscheidungen der Verfassung zu sehen ist, verlangt, daß i n der Lebenswirklichkeit die Beamten ohne Rücksicht auf die Größe ihrer Familie ,sich annähernd das Gleiche leisten' können. Die derzeitigen Dienstbezüge der Beamten u n d Soldaten m i t mehr als zwei K i n d e r n i n allen Besoldungsordnungen u n d -gruppen gewährleisten diesen nicht mehr ein auch n u r annähernd gleiches Lebensniveau wie ihren nicht durch die Kosten des Unterhalts u n d der Schul- u n d Berufsausbildung der K i n d e r belasteten ranggleichen Kollegen". 27 Vgl. §§ 1390 ff. RVO, 110 u n d 111c A V G ; dazu Richter, Grundlagen des Rechts der sozialen Sicherheit, S. 194, 233 ff. 28 Vgl. § 1389 RVO, 116 A V G ; dazu Richter, ebd., S. 236 ff. 29 Vgl. zur Zulässigkeit von Typisierungen ζ. B. BVerfGE 17, S. 1 (23 ff.).

160

I I I . Teil: Die „Beitragsäquivalenz" der Kindererziehung

K i n d e r 3 0 , die Frage, wie das Ausfallrisiko i n diesen Fällen zu beurteilen ist, i n denen die Kinder später nicht i n der Bundesrepublik ihren Teil zur Erfüllung des Generationenvertrages, sei es auch nur als Steuerzahler, beitragen. Hier sind jedoch Sonderregelungen denkbar, die das Prinzip der leistungsäquivalenten Behandlung der Kindererziehung entsprechend präzisieren müßten. Angesichts des funktionalen Aspektes der Sicherung des Generationenvertrages würden Regelungen, die an der Besonderheit des Ausländerstatus anknüpfen und für derartige Fälle die Berücksichtigung der Kindererziehung ausschließen, ohne weiteres als sachlich gerechtfertigt i m Hinblick auf A r t . 3 Abs. 1 GG erscheinen 31 . d) Zum Problem des Lohnersatzcharakters der Renten Seit der Öffnung der Rentenversicherung durch das Rentenreformgesetz i m Jahre 1972 für freiwillig Versicherte 32 ist das Beschäftigungsverhältnis nicht mehr das konstituierende Element der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft der Rentenversicherten, sondern nur noch die Beitragszahlung. Damit ist zugleich das Lohnersatzprinzip durchbrochen, da diese freiwilligen Beiträge einkommensunabhängig sind 3 3 . Ob schließlich die Aufrechterhaltung des Lebensstandards eine A u f gabe der Rentenversicherung sein kann, ist zweifelhaft, weil der Lebensstandard von vielen weiteren, versicherungsunabhängigen Faktoren beeinflußt wird, wie eben ζ. B. die Kinderzahl oder auch ererbtes Vermögen, Grundbesitz usw. Richtig erscheint es deshalb, nicht von der Erhaltung des Lebensstandards, sondern von einer angemessenen Versorgung als rentenpolitischem Ziel auszugehen 34 . Maßgebend für die Angemessenheit müssen dabei die vom Versicherten für die Versichertengemeinschaft erbrachten Leistungen sein. 30

Siehe Statistisches Jahrbuch 1978, S. 66. Diese außerordentlich komplexe Problematik ist auch i m Gutachten der Sachverständigenkommission angeschnitten u n d letztlich offengelassen w o r den; vgl. Vorschläge zur sozialen Sicherung der Frau u n d der Hinterbliebenen, S. 109 ff. (Rdnr. 327—334); siehe dazu auch v.Maydell, Einzelgutachten, Anlageband 2, S. 121 ff. 32 Vgl. § 1233 RVO. 33 Nach Ansicht des Ersten Senats des BSG ist das Lohnersatzprinzip bereits seit der Lockerung u n d schließlichen Beseitigung der Notwendigkeit, die Anwartschaft zu erhalten, i n Frage gestellt, vgl. BVerfGE 17, S. 1 (6,14). 34 Vgl. Rüfner, W d S t R L 28, S. 196. 31

Β. Die Notwendigkeit rentenrechtlicher Konsequenzen

161

Auch Kindererziehung stellt jedoch eine Leistung für die Versicherten dar. Wenn deren Bewertung i n monetären Kategorien auch Probleme bereitet, so ist sie jedoch grundsätzlich möglich, wie die verschiedenen Entwürfe zur Rentenreform 1984 beweisen 35 . Insbesondere ist darauf hinzuweisen, daß auch das Bundesverfassungsgericht m i t seiner Forderung, bei der Ermittlung des überwiegenden Unterhalts i n § 1266 RVO die Leistung der Mutter i n ihrem tatsächlichen Wert zu berücksichtigen, von deren monetärer Meßbarkeit ausgegangen ist 3 6 . Schließlich wäre es denkbar, die Bewertung der Erziehungsleistung am Alterssicherungswert von Kindern selbst zu messen. Der durchschnittliche Alterssicherungswert von Kindern ergibt sich aus dem durchschnittlichen Beitragsaufkommen pro Versicherten ab dem Jahr des Renteneintritts der Eltern. Er läßt sich also problemlos feststellen 37 . 4. Ergebnis Die Überprüfung der i n Erwägung zu ziehenden, wesentlichen Gründe gegen die Berücksichtigung der Kindererziehung als rentenrechtlich ebenso relevante Leistung wie die monetären Beitragszahlungen hat gezeigt, daß diese nicht überzeugen können. Damit fehlt der konstatierten Ungleichbehandlung eine ausreichende Rechtfertigung. Die aus diesem Ergebnis folgenden durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den gegenwärtigen Rechtszustand i n der gesetzlichen Rentenversicherung begründen die Notwendigkeit einer Korrektur, die die Gleichwertigkeit der Kindererziehung m i t den monetären Beitragsleistungen als Funktionsbedingungen der gesetzlichen Rentenversicherung normativ zum Ausdruck bringen muß.

I I . Der Maßstab des Art. 6 Abs. 1 GG

Das soeben gefundene Ergebnis w i r d bestätigt, wenn man den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Familienschutzes ergänzend zur Beurteilung heranzieht. Der Gesetzgeber ist nämlich nicht nur an den allgemeinen Gleichheitssatz, sondern vor allem auch an die speziellen Wertentscheidungen der Verfassung wie die des Art. 6 Abs. 1 GG gebunden 3 8 . 35

Dazu siehe unten, I V . Teil, 1. Kap. B. BVerfGE 17, S. 1; vgl. dazu auch Schef fier, Zf Sozialreform 1967, S.24ff.; Schacht, FamRZ 1980, S. 107 ff. 37 Siehe dazu unten, V I . Teil, Β . I., I I . Vgl. auch Schmidt-Kaler, ZfBevWiss 1978, S. 84. 38 Vgl. BVerfGE 28, S. 324 (349). 36

11 Bordiert

162

I I I . Teil: Die „Beitragsäquivalenz" der Kindererziehung

M i t dieser verfassungsrechtlich verbindlichen Wertentscheidung aber, die die Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt, ist eine so deutliche Schlechterstellung der Familie, wie sie das gegenwärtige Rentenrecht enthält, nicht mehr zu vereinbaren. Denn wenn „selbstverständlicher I n h a l t " 3 9 dieser Wertentscheidung eine Förderungspflicht des Staates für die Familie ist, so folgt daraus erst recht, daß Benachteiligungen wie i m gegenwärtigen Rentenrecht schlechterdings verboten sind. Die Frage der Rentenwirksamkeit der Kindererziehung ist dabei auch keine der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers überlassene Frage des Familienlastenausgleichs 40 . Vielmehr geht es um die äquivalente Anerkennung der Leistung, die die Familie für die Gemeinschaft der Rentenversicherten erbringt. Dabei ist daran zu erinnern, daß die Familie als eigenständiger Alterssicherungsverband faktisch nicht mehr existiert 4 1 . Deshalb verbietet sich eine Argumentation etwa mit der Überlegung, angesichts der weiterbestehenden unterhaltsrechtlichen Absicherung von Eltern sei die Nichtberücksichtigung der Kindererziehung durch das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, von selbst. Da es um Familienleistungen geht, stellt sich auch das Problem hier nicht, daß der Ausgleich von Familienlasten i n einem den Ledigen und Kinderärmeren gegenüber vertretbaren Ausmaß erfolgen muß und nicht zu einer „Bestrafung" der Kinderlosigkeit führen darf 4 2 . Denn auch wenn die äquivalente Berücksichtigung der Kindererziehung zu einer erhöhten Beitragspflicht der Personen mit gar keinen bzw. unterdurchschnittlich vielen Kindern führen sollte, so bedeutet dies lediglich, daß für diesen Personenkreis die Symmetrie der zweifachen Lebensleistungen entsprechend dem zweifachen Leistungsempfang in Jugend und Alter wiederhergestellt ist. I m Ergebnis folgt also auch aus A r t . 6 Abs. 1 GG die Notwendigkeit der Korrektur des Rentensystems. I I I . Zur Verdeutlichung: der Vergleich mit Personengesellschaften

Die Gleichwertigkeit der Kindererziehung m i t monetären Beitragsleistungen und die daraus folgende Gleichbehandlungsaufgabe des Gesetzgebers läßt sich schließlich noch durch einen Vergleich m i t dem Recht der Personengesellschaften verdeutlichen. Wenn auch die Un39 40 41 42

Maunz, i n : Maunz/Dür ig/Her zog, Grundgesetz, A r t . 6 Rdnr. 17. Dazu siehe oben, I I . Teil, 2. Kap. C. I V . Vgl. oben, I I I . Teil, Α. I I . Vgl. Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 286.

Β. Die Notwendigkeit rentenrechtlicher Konsequenzen

163

terschiede zwischen den Gemeinschaften der Rentenversicherten und den Personengesellschaften i m Zivilrecht es geraten sein lassen, diesen Vergleich juristisch nicht überzustrapazieren, so gibt es doch gewisse Ähnlichkeiten, die i h n rechtfertigen. Denn die Rentenversichertengemeinschaften sind ebenso wie die Personengesellschaften Zusammenschlüsse zur Erreichung eines bestimmten Zwecks, der bei ersteren i n der gegenseitigen Alters- und Invaliditätssicherung, bei letzteren meist i n der Erreichung bestimmter wirtschaftlicher Ziele besteht. Dabei ist die für die Personengesellschaften charakteristische Freiwilligkeit des Zusammenschlusses seit der Öffnung der Rentenversicherung i m Jahre 1972 kein grundsätzlicher Unterschied mehr. Zur Erreichung des verfolgten Zwecks leisten die Mitglieder der Rentenversicherung ebenso wie die von Personengesellschaften Beiträge. I m Unterschied zur Rentenversicherung, die dazu ausschließlich monetäre Beitragsleistungen gestattet, ist die A r t des Beitrages bei den Personengesellschaften der freien Übereinkunft der Gesellschafter überlassen. Es genügt dafür jede A r t der Förderung 4 3 . Insbesondere können auch Dienstleistungen als beteiligungswirksame Beiträge angesehen werden 4 4 . Die Bewertung dieser Leistungen ist nun zwar i n erster Linie den gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen überlassen, grundsätzlich sind jedoch unterschiedliche Arbeitsleistungen sowie die Bedeutung des Arbeits- i m Vergleich zum Kapitaleinsatz zu berücksichtigen; dabei ist eine willkürliche Minderbewertung der Einlagen bzw. Beiträge nicht zulässig 45 . Der Vergleich zu den Personengesellschaften zeigt somit zum einen, daß die Beteiligungswirksamkeit von Beiträgen dort i m Unterschied zur Rentenversicherung durchaus nicht davon abhängt, daß sie monetären Charakter auf weisen. Vielmehr ist jede Förderung des Gesellschaftszwecks als Beitrag bewertbar. Entscheidend ist zum anderen dabei jedoch, daß dort i m Zivilrecht die jeweiligen Einlagen nicht willkürlich minderbewertet werden dürfen. Dieses Willkürverbot muß also i m Recht der öffentlichen Leistungsverwaltung erst recht gelten. I V . Ergebnis: Die Notwendigkeit einer beitragsäquivalenten Berücksichtigung der Kindererziehung

Das hier gefundene Ergebnis läßt sich i n bezug auf die bevorstehende Rentenreform nach allem dahingehend zusammenfassen, daß der Ge43

Teichmann, Gestaltungsfreiheit i n Gesellschaftsverträgen, S. 166. Westermann, Harry, Personengesellschaftsrecht, Bd. I, S. 190. 45 Westermann, S. 218 ff. (222); Sudhoff, Der Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaften, S. 219. 44

11*

164

I I I . Teil: Die „Beitragsäquivalenz" der Kindererziehung

setzgeber die äußersten Grenzen seines legislativen Ermessens überschreitet, wenn er i n Zukunft nicht für Regelungen sorgt, die der konditionalen Gleichwertigkeit der Kindererziehung i n gleicher Weise, wie dies bei monetären Beitragsleistungen geschieht, Rechnung tragen; d. h., es w i r d hier die Forderung nach einer „beitragsäquivalenten" Behandlung der Kindererziehung i m Rentenrecht aufgestellt. Der Begriff der Beitragsäquivalenz ist insofern i n diesem Zusammenhang i n einem doppelten Sinne zu verstehen: Zum einen soll damit die Gleichwertigkeit der Leistung der Kindererziehung mit der Leistung monetärer Beiträge zum Ausdruck gebracht werden, zum anderen w i r d er auch i m herkömmlichen Sinne der Wert-Gegenwert-Relation von (monetären) Beiträgen und späteren Rentenleistungen verwandt 4 6 . Wenn also die Bundesregierung i m Zuge der anstehenden Rentenreform „unter dem Gesichtspunkt der Beitragsäquivalenz soziale Ungerechtigkeiten" korrigieren w i l l 4 7 , ist dies nach dem hier gewonnenen Verständnis der Beitragsäquivalenz insbesondere i n Richtung auf eine wertgerechte Berücksichtigung der Kindererziehung h i n auszulegen und zu beziehen. Abschließend ist noch darauf hinzuweisen, daß ein gesetzgeberisches Unterlassen i n dieser Frage möglicherweise m i t einer Verfassungsbeschwerde angreifbar sein kann. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts kann nämlich auch „ein Unterlassen des Gesetzgebers Gegenstand einer Verfassungsbeschwerde sein, wenn der Beschwerdeführer sich auf einen ausdrücklichen Auftrag des Grundgesetzes berufen kann, der Inhalt und Umfang der Gesetzgebungspflicht i m wesentlichen umgrenzt h a t " 4 8 . Vom Vorliegen dieser Voraussetzung könnte gemäß den obigen Ausführungen ausgegangen werden.

46 I n dieser letzteren Bedeutung ist der Begriff der Beitragsäquivalenz allerdings sehr umstritten, siehe Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 15 (Rdnr. 11); ausführlich zu dieser Problematik: Ruf, DAngVers 1979, S. 335 ff. 47 Beschluß der Bundesregierung v. 17. August 1977, Ziff. 1, abgedruckt i m Gutachten der Sachverständigenkommission, S. 11 (Rdnr. 1). 48 BVerfGE 11, S. 255 (261); 12, S. 139 (142); zur Beschwerdebefugnis vgl. BVerfGE 8, S. 28 (35).

Vierter

Teil

Die Berücksichtigung der Kindererziehung i n den Reformvorschlägen Die Notwendigkeit einer Rentenreform unter besonderer Berücksichtigung der Kindererziehung ist i m Verlauf der bisherigen Untersuchung deutlich geworden. Letztlich bestätigt sich damit nur die Berechtigung der entsprechenden Forderung Hansen-Blankes, die schon vor über 20 Jahren erhoben wurde, aber — bis auf den Vorschlag des „Baby-Jahres" i m Regierungsentwurf zum Rentenreformgesetz 1972 — ohne jedes legislative Echo blieb. Selbst jene bescheidene Initiative wurde jedoch trotz eines gesellschaftlichen Grundkonsenses über die Notwendigkeit einer derartigen Maßnahme zu Fall gebracht 1 . Wegen der Dringlichkeit des Problems hat das Land Niedersachsen mittlerweile eine eigene Konzeption entwickelt; es erprobt seit J u l i 1978 i n einem Modellversuch die seit einigen Jahren von der CDU/CSUOpposition favorisierten Überlegungen eines sog. „Erziehungsgeldes", das ähnlich der Regelung des Mutterschaftsurlaubs auch eine rentenrechtliche Abrundung aufweist. Aus Baden-Württemberg schließlich kam die — rentenrechtlich allerdings uninteressante — Nachricht der Gewährung eines sog. „Baby-Geldes" an nicht-berufstätige Mütter 2 . Seit der zweiten Witwerrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts steht der Gesetzgeber nun unter Entscheidungszwang. Für die 1 Siehe oben, I I . Teil, 3. Kap. Β . I.; zu den Parallelen, die die gegenwärtige Diskussionsphase m i t der „Baby-Jahr"-Auseinandersetzung i m Jahre 1971 aufweist, vgl. oben, Einleitung, I. 2 E i n steuerfreier, einmaliger Betrag von D M 2000,— bei der Geburt eines Kindes an nicht-erwerbstätige Mütter, die mindestens ein Jahr bereits i m Lande wohnen u n d deren Nettoeinkommen bei Ehepaaren den dreifachen, bei Alleinstehenden den vierfachen Regel- u n d Mehrbedarfssatz nach dem B S G H nicht überschreiten (in Baden-Württemberg damals ζ. B. 2800,— D M / m o n a t lich bei einer Familie m i t einem K i n d ; 3300,— D M m i t zwei K i n d e r n u n d 3800,— D M netto bei drei Kindern). Nach dem W i l l e n der Landesregierung sollen durch diese Zahlung die nicht-erwerbstätigen M ü t t e r den erwerbstätigen, die i n den Genuß des Mutterschaftsgeldes nach dem Mutterschutzgesetz kommen, gleichgestellt werden. Die Z a h l der begünstigten M ü t t e r w i r d auf 27 000 jährlich geschätzt. Die Zielsetzung ist dabei ausdrücklich pronatalistisch, vgl. Schwäbische Zeitung v. 21. J u l i 1979 (Nr. 166).

166

I V . Teil: Kindererziehung i n Reform o r s c h l g e n

Frage der Berücksichtigung der Kindererziehung ist es dabei völlig ungewiß, ob überhaupt oder wie diese ausgestaltet werden wird. Denn i n erster Linie beschränkte sich der bindende Auftrag des Bundesverfassungsgerichts an den Gesetzgeber darauf, die Gleichbehandlung von Männern und Frauen i n der Hinterbliebenenversorgung zu realisieren. Dieses Ziel läßt sich jedoch erreichen, ohne daß die Frage der Kindererziehung überhaupt angeschnitten werden muß 3 . Sozialpolitisch zur Diskussion stehen aber mehrere Reformmodelle, die auch Überlegungen zur Frage der Berücksichtigung von Erziehungszeiten enthalten. A u f die detaillierteren unter diesen, die alle nach dem reformweisenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts konzipiert wurden, w i r d sich die folgende Untersuchung konzentrieren.

3 ζ. B. fehlen diesbezügliche Überlegungen völlig i n den Reformvorstellungen des Verbandes der Lebensversicherungsunternehmen, vgl. Kaltenbach, Sonderheft „7 Modelle zur sozialen Sicherung der Frau u n d der H i n t e r b l i e benen", Beilage zu DAngVers, Dezember 1978, S. 4 ff.

1. K a p i t e l

D i e Überlegungen zur Kindererziehung i n der zweiten Witwerrentenentscheidung, den Diskussionsmodellen und dem Modellversuch „Erziehungsgeld" Die zweite Witwerrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts setzte nicht nur die Frist für die Rentenreform, sondern enthielt zugleich Anregungen des Gerichts für die Reformplanungen. Bevor deshalb die i n der rentenpolitischen Öffentlichkeit diskutierten Modelle vorgestellt werden, sollen zunächst die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts dargelegt werden.

A. Die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts zur Berücksichtigung der Kindererziehung in der Rentenreform Anknüpfend an die Feststellung der wegen der veränderten gesellschaftlichen Bedingungen tendenziellen Verfassungswidrigkeit der gegenwärtigen Ausgestaltung der Witwerrente 1 , enthält die Begründung der verfassungsgerichtlichen Entscheidung i n Form eines obiter dictum schließlich verschiedene Überlegungen, wie möglicherweise eine befriedigende Lösung der Gleichberechtigungsproblematik i m Rentenrecht zu erreichen wäre. Dabei favorisiert das Bundesverfassungsgericht erkennbar eine Lösung, bei der die Situation eines kindererziehenden Hinterbliebenen als neues K r i t e r i u m einer Rentenleistungsvoraussetzung zu berücksichtigen ist: Insbesondere sei nämlich daran zu denken, „daß derjenige überlebende Ehegatte Hinterbliebenenrente erhalten soll, der durch die Betreuung der Kinder gehindert gewesen ist, überhaupt einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Ferner könnte danach differenziert werden, inwieweit der hinterbliebene Ehegatte durch Alter, Berufsunfähigkeit oder Aufgaben i n der Familie noch i n der Lage ist, wenigstens eine Teilzeitbeschäftigung oder eine nicht seiner Ausbildung entsprechende, geringer bezahlte Tätigkeit auszuüben". Dadurch erhielte die Hinterbliebenenrente die Funktion einer Ausgleichsleistung für Tatbestände, 1

BVerfGE 39, S. 169 (185 ff.).

168

I V . Teil: Kindererziehung i n Reformvorschlgen

i n denen aus sozialpolitisch vertretbaren Gründen von der Witwe oder dem Witwer eine Erwerbstätigkeit gar nicht oder nur zum Teil erwartet werden kann 2 . I m übrigen ist der Entscheidung indirekt ein Votum für eine eigenständige soziale Alterssicherung der Frau zu entnehmen 3 , wenn das Gericht dem Gesetzgeber auch grundsätzlich die Freiheit lassen w i l l , wie der Gleichheitsgrundsatz i m Rentenrecht verwirklicht werden soll: „Schließlich sind i n diesem Zusammenhang die Pläne zum Aufbau einer eigenständigen Sicherung der Frau i n der Rentenversicherung zu berücksichtigen. Sie hängen m i t der Reform des Ehe- und Familienrechts zusammen.. ." 4 . A n welche der vielen Pläne das Gericht jedoch konkret gedacht hat, bleibt offen. Zur Zeit der Entscheidung existierte jedenfalls bereits eine Vielzahl von Vorschlägen. Außer bereits genannten 5 sind ζ. B. die Überlegungen Wannagats 6, W. Bogs7, Schräders 8 sowie Hahns 9 zu nennen, die alle eine Anrechnung der Zeiten der Kindererziehung als beitragslose Zeit vorgeschlagen haben. Z u denken wäre ferner an den Vorschlag von Alb er s 1 0 , nach dem die Mütter kleiner Kinder beitragsfrei versichert werden sollten, und zwar bei Erziehung mindestens eines Kindes unter sechs Jahren oder mindestens zweier Kinder unter 10 oder von mindestens drei K i n dern unter 15 Jahren oder älter, wenn noch i n der Ausbildung oder erwerbsunfähig. Schließlich kämen weiter die Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats für Familienfragen beim Bundesminister für Familie und Gesundheit vom Jahre 1970 sowie des Finanzwissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium für Wirtschaft und Finanzen aus dem Jahre 1971 i n Betracht, die jeweils eine beitragsfreie Versicherung während der Zeit der Kindererziehung vorsahen 11 . 2

BVerfGE 39, S. 169 (193). Kolleriberg, Partnerschaft i m Rentenrecht, S. 10. 4 BVerfGE 39, S. 169 (193). 5 Siehe oben, Einleitung, I. 6 Protokoll Nr. 37, 38 des Ausschusses für Sozialpolitik des Deutschen B u n destages, Sitzung v o m 8./9. März 1967, S. 6,12. 7 SozFortschritt 1969, S. 241; ders., N J W 1968, S. 1649 f. 8 ZSR 1970, S. 405. 9 Mitteilungen L V A Württemberg 1971, S. 105 (108). 10 SozFortschritt 1971, S. 265—272 (268). 11 Vgl. Thieme, Einzelgutachten, S. 236 f.; vgl. dazu auch R d A 1970, S. 112; ZSR 1970, S. 229. 3

1. Kap.: Β. Die Modelle der gegenwärtigen Diskussion

169

Von gewerkschaftlicher Seite hatte sich darüber hinaus Muhr zu diesem Thema geäußert; seiner Meinung nach sollte dem Erziehenden während der Zeit der Kindererziehung — und zwar bis zu einem A l ter des Kindes von 6 Jahren — keine Erwerbstätigkeit zugemutet und diese Zeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gleichgestellt werden. Der Beitrags- und Leistungsbemessung sollten mindestens 75, besser aber 100 °/o des Durchschnittseinkommens aller Versicherten zugrunde gelegt werden 1 2 . Den Vorschlägen einer Anrechnung beitragsfreier Zeiten hatte sich i m übrigen auch Krasney 13 angeschlossen14. Möglicherweise ist der Hinweis auf die Familienrechtsreform jedoch auch allein als Hinweis auf die damals bereits klar erkennbare Konzeption der Erziehungsrente zu verstehen 15 . Letztlich erweist es sich deshalb als müßig, i n dieser Richtung weitere Überlegungen anzustellen, insbesondere auch, weil das Bundesverfassungsgericht seinen Ausführungen nämlich schließlich selbst wieder ihren i n gewisser Hinsicht präjudizierenden Charakter nimmt, indem es sagt, daß die bevorstehende Reform „an die Grundlagen der Rentenversicherung rühren w i r d " 1 6 . B. Die Berücksichtigung der Kindererziehung in den Diskussionsmodellen Ein Überblick über die detaillierteren der seit der zweiten Witwerrentenentscheidung veröffentlichten Stellungnahmen zeigt, daß — abgesehen von den weithin unbekannten und später gesondert zu untersuchenden Vorschlägen v. Neil-Breunings und Schmidt-Kalers 1 — die Frage der Einbeziehung von Kindererziehungszeiten nur für ein Modell den Ausgangspunkt der Überlegungen darstellt, wobei auf dieser Grundlage auch Vorschläge für die Neuregelung der Alterssicherung, d. h. insbesondere der Hinterbliebenenversorgung, gemacht werden 2 . 12

Muhr, Soziale Sicherheit 1971, S. 321 ff. (324). VSSR 1974, S. 127 ff. 14 Vgl. zur damaligen Diskussion z.B. noch Gitter, FamRZ 1974, S. 233 ff.; ders.y 50.DJT, Teilgutachten Sozialrecht, D 109 ff. (158—161); Pappai , RV 1973, S. 161 ff.; Schnapp, JR 1974, S. 316 ff.; Surminski, B B 1974, S. 1078 ff. Einen guten Überblick über den Diskussionsstand i m März 1975, dem Zeitpunkt der 2. Witwerrentenentscheidung des Bundesverfassungsgerichts (12. März 1975), gewährt schließlich die eingehende Stellungnahme Rulands, i n : FamRZ 1975, S. 144 ff. 15 Siehe oben, I I . Teil, 2. Kap. Β . I. 16 BVerfGE 39, S. 169 (194). 1 Siehe unten, V. Teil, D. 2 Das sog. „Regensburger Modell", vgl. Lischke, R V 1978, S. 21 ff. 13

170

IV. Teil : Kindererziehung i n Reformvorschlgen

Die überwiegende Mehrheit der Beiträge jedoch setzt den Schwerpunkt umgekehrt und entwickelt dabei jeweils verschieden weitgehende Möglichkeiten der Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten. Dabei lassen sich zwei Gruppen unterscheiden: Eine Reihe von Vorschlägen w i l l die Erziehungszeiten sowohl — wie das Bundesverfassungsgericht — als sozialpolitisch vertretbaren Bedarfsfall auf der Leistungsseite durch Gewährung einer bedingten Hinterbliebenenrente berücksichtigen, als auch auf der Beitragsseite eine bestimmte Anzahl von Jahren der Kindererziehung als rentensteigernde Zeit zur Anrechnung bringen. Die zweite Gruppe dagegen bezieht lediglich den Bedarfsfall Kindererziehung bei hinterbliebenen Elternteilen i n ihre Überlegungen ein; bei dieser Gruppe ist die Berücksichtigung der Kindererziehung somit am schwächsten ausgeprägt. Diese Vorschläge sollen nun in umgekehrter Reihenfolge von der schwächsten zur stärksten Ausprägung der Einbeziehung der K i n dererziehung vorgestellt werden. Dieses Vorgehen läßt die vom Standpunkt einer möglichst weitgehenden Berücksichtigung der Kindererziehung bestehenden Abstufungen deutlich werden. Eine Ausnahme bildet insoweit der Modellversuch „Erziehungsgeld", dessen Schwerpunkt zwar nicht i m Rentenrecht liegt, der aber gleichwohl als Beispiel für die familienpolitischen Vorstellungen der gegenwärtigen CDU/CSU-Opposition einigen Kontrast bietet und deshalb zuletzt erörtert wird. I. Die Gruppe der Hinterbliebenenerziehungsrenten-Modelle

Alle Vorschläge dieser Gruppe 3 laufen darauf hinaus, das dem Versorgungsausgleich zugrundeliegende Prinzip der Teilhabe an den von beiden Ehegatten i n der Ehe erworbenen Rentenansprüchen auf den Hinterbliebenenfall auszudehnen. Zwei Modelle 4 sehen dabei vor, daß der Hinterbliebenenversorgungsausgleich zugunsten oder auch zu Lasten des Hinterbliebenen durchgeführt werden soll, während der dritte Vorschlag 5 nur eine Begünstigung schaffen w i l l . Grundsätzlich 8 Dazu gehören das Modell der Union der Leitenden Angestellten (ULA), das sog. Berliner Modell u n d das Ruland-Modell, vgl. Kaltenbach, 7 Modelle zur sozialen Sicherung der Frau und der Hinterbliebenen, Beilage zu D A n g Vers, Dezember 1978, S. 7 ff., 10 ff. 4 Ruland, U L A ; i n Anbetracht der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts v o m 28. Februar 1980 (Versorgungsausgleich), FamRZ 1980, S. 326 ff., nach der Versichertenrenten und Rentenanwartschaften aus den gesetzlichen Rentenversicherungen dem Schutz des A r t . 14 GG unterfallen, ist allerdings nunmehr die Verfassungsmäßigkeit dieser Modelle zu bezweifeln.

1. Kap. : Β. Die Modelle der gegenwärtigen Diskussion

171

ist in allen drei Modellen vorgesehen, den auf dieser Grundlage ermittelten Rentenanspruch erst bei Vorliegen der bisherigen Rentenvoraussetzungen, d. h. Alter, B U oder EU, entstehen zu lassen. Diese Regelung bedarf jedoch nach allen drei Modellen übereinstimmend für den Fall einer Ergänzung, i n dem der überlebende Ehegatte weder invalide ist noch die Altersgrenze erreicht hat, sich aber aus sonstigen Gründen in einer Bedarfssituation befindet. Das w i r d insbesondere für den Fall der Kindererziehung angenommen. Die Autoren verweisen dazu auf die Erziehungsrente. Nach ihrer Auffassung muß auch der hinterbliebene Ehegatte unter gleichen Bedingungen eine Erziehungsrente erhalten, w i l l man den überlebenden Ehegatten aus intakter Ehe nicht schlechter stellen als den geschiedenen überlebenden Ehegatten. Die Dauer der als Bedarfssituation anzuerkennenden Erziehungszeiten w i r d dabei mit 16 Jahren konkretisiert 6 . Zur Begründung ihrer Modelle vertreten die Verfasser die Ansicht, daß sich die Rentenversicherung dem absoluten Vorrang der Elternpflichten und -rechte, wie dieser ζ. B. i n der besonders starken Ausgestaltung des Unterhaltsanspruchs wegen Kindererziehung nach Scheidung, § 1570 BGB, zum Ausdruck komme, nicht verschließen könne. Zwar würden Kinder auch über dieses Lebensalter hinaus bis zur Volljährigkeit erzogen, es sei aber i m Unterhalts- und Sozialversicherungsrecht anerkannt, daß die nach Vollendung des 16. Lebensjahres verbleibenden Erziehungsaufgaben nicht an einer zumutbaren vollen Erwerbstätigkeit hindern. Hinsichtlich des Kinderbegriffs w i r d der der waisenrentenberechtigten Kinder zugrunde gelegt, ohne daß jedoch eine konkrete Waisenrentenberechtigung verlangt wird. Völlig übereinstimmend m i t der bevorstehenden Erziehungsrente setzt der Versicherungsfall eine Mindestversicherungszeit des erziehenden Hinterbliebenen von 60 Monaten voraus. Ebenfalls der Konzeption der Erziehungsrente folgt die Regelung, daß der Rentenanspruch mit Wiederheirat entfällt. Schließlich soll die Rente nur dann gewährt werden, wenn der Hinterbliebene nicht oder allenfalls geringfügig erwerbstätig ist. Zusammenfassend läßt sich somit feststellen, daß diese Vorschläge das Modell der Geschiedenen-Erziehungsrente des § 1265 a RVO unverändert auf den Hinterbliebenenfall übertragen wollen. 5 Das sog. „Berliner Modell", Schöning/Weiß, Rentenversicherung S. 1 ff. 6 Vgl. Schöning/Weiß, Rentenversicherung 1978, S. 4.

1978,

172

I V . Teil: Kindererziehung i n Reform o r s c h l g e n I I . Die Gruppe der Kombinationsmodelle (abgeleitete Hinterbliebenen-Erziehungsrente und Anrechnung von Erziehungszeiten als Beitragszeiten)

Auch die nächste Gruppe 7 setzt den Schwerpunkt ihrer Überlegungen auf die Neuordnung der Hinterbliebenensicherung und geht ebenfalls von der Übertragung des Versorgungsausgleichsprinzips auf den Hinterbliebenenfall aus. Ebenso wie bei der gerade besprochenen Reihe von Vorschlägen, gelangen auch sie zu dem Bedarfsfall „Erziehung" und schlagen deshalb vor, dem Hinterbliebenen eine Rente für die Zeit der Kindererziehung zu gewähren. I n der Konstruktion dieser „Hinterbliebenen-Erziehungsrente" fällt jedoch ein entscheidendes Abgrenzungsmerkmal zur vorherigen Gruppe auf; denn es w i r d vorgeschlagen, diese Rente als abgeleitete, d. h. aus den Rentenanwartschaften des verstorbenen Ehegatten berechnete Rente zu gewähren 8 . I n der jeweiligen weiteren Ausgestaltung gibt es innerhalb dieser Gruppe nun aber erhebliche Unterschiede. Die Überlegungen der D A G gehen dahin, die Bedarfssituation K i n dererziehung je nach Alter des Kindes abgestuft zu berücksichtigen. So soll bis zu einem Alter des Kindes von drei Jahren der Rentenhöchstsatz von 75 ϋ/ο der Erwerbsunfähigkeitsrente/Altersruhegeld des Verstorbenen gewährt werden; dieser soll anschließend alle drei Jahre um 15 °/o zurückgestuft werden, so daß vom 10. bis zum vollendeten 12. Lebensjahr des Kindes der Hinterbliebene einen Rentensatz von 30 °/o der Erwerbsunfähigkeitsrente des Altersruhegeldes des Verstorbenen erhalten soll 9 . Diese Rente soll nur gezahlt werden, falls der Hinterbliebene i m Zeitpunkt des Todes des Ehepartners keine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat. War und bleibt der Hinterbliebene erwerbstätig, soll sich die Hinterbliebenenrente um jeweils 15 Vo-Punkte verringern und m i t dem vollendeten 9. Lebensjahr des Kindes enden 10 . Der Vorschlag der Sachverständigenkommission geht dagegen dahin, den Hinterbliebenen bis zum 18. (alternativ 15.) Lebensjahr eine gleichbleibende Rente wegen Kindererziehung zu gewähren 1 1 . Nach der 7 Das sind die Vorschläge der Sachverständigenkommission f ü r die soziale Sicherung der F r a u u n d der Hinterbliebenen, veröffentlicht i m Gutachten der Sachverständigenkommission, u n d das Modell der D A G zur Neuordnung der sozialen Alterssicherung. 8 So die Mehrheit der Mitglieder der Sachverständigenkommission, vgl. Gutachten, S. 47 f., 66 f. (Rdnr. 187—190); D A G , Modell zur Neuordnung der sozialen Alterssicherung, S. 13. 9 DAG, S. 13. 10 D A G , S. 14. 11 Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 66 (Rdnr. 184).

1. Kap. : Β. Die Modelle der gegenwärtigen Diskussion

173

Mehrheit der Kommissionsmitglieder soll zum Rentenbezug ein unbeschränkter Hinzuverdienst möglich sein 1 2 . Der wesentliche Unterschied der Vorschläge dieser Gruppe zur vorhergehenden besteht demnach darin, daß abgesehen von der abgeleiteten Hinterbliebenen-Erziehungsrente ganz allgemein Zeiten der K i n dererziehung i n die Rentenversicherung einbezogen werden sollen. Hinsichtlich der Ausgestaltung dieser vorgeschlagenen Regelung gehen die Meinungen jedoch auseinander. Das DAG-Modell sieht vor, daß Zeiten der Kindererziehung bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres, oder solange noch ein K i n d nicht das dritte Lebensjahr vollendet hat, als Beitragszeiten, hilf s weise Ersatzzeiten, angerechnet werden. Die Höhe der Anrechnung soll sich nach dem individuellen Versicherungsverlauf, mindestens aber nach dem durchschnittlichen Bruttojahresarbeitsentgelt aller Versicherten des jeweiligen Rentenversicherungsträgers — ohne Auszubildende und Anlernlinge — richten 1 3 . Der Vorschlag der Sachverständigenkommission sieht ebenfalls eine Anrechnung als Beitragszeiten mindestens bis zum vollendeten dritten Lebensjahr von Kindern vor. Bei mehreren Kindern besteht innerhalb der Kommission keine Einigkeit. Es werden zwei Lösungsmöglichkeiten aufgezeichnet 14 : — Unabhängig von der zeitlichen Abfolge der Geburten werden pro K i n d eine bestimmte Zahl von Jahren angerechnet, oder — es werden bei mehreren Kindern die Erziehungszeiten stufenweise berücksichtigt, ζ. B. bei zwei Kindern i m A l t e r bis zu 6 Jahren, bei drei Kindern i m A l t e r bis zu 12 Jahren. Dabei wurde zwar für die Zahl der anzurechnenden Erziehungsjähre die Feststellung einer Obergrenze erwogen, von der Mehrheit der Kommission jedoch abgelehnt. Die Bewertung dieser Zeiten soll unabhängig von der Kinderzahl einheitlich für alle m i t einem bestimmten Prozentsatz des Durchschnittsentgelts (mindestens 75 %, nach Ansicht der Mehrheit der Kommissionsmitglieder 100 °/o) erfolgen 15 . Darüber hinaus verlangt die Kommission, mittels einer Sondervorschrift sicherzustellen, daß nicht durch die Anrechnung von Erziehungsjahren Ersatz- und Ausfallzeiten sowie eine Zurechnungszeit schlechter bewertet werden und infolgedessen insgesamt eine niedrigere Rente festgesetzt w i r d 1 6 . 12 13 14 15

Sachverständigenkommission, S. 67 f. (Rdnr. 191). D A G , Modell, S. 11 ff. Sachverständigenkommission, S. 74 (Rdnr. 209). Sachverständigenkommission, S. 72 ff. (75 — Rdnr. 213).

174

IV. Teil: Kindererziehung i n Reformvorschlgen

Diese Vorschläge der Berücksichtigung von Erziehungszeiten greifen letztlich somit eine seit vielen Jahren diskutierte Möglichkeit auf. Interessant ist dabei, daß — während früher die Berücksichtigung dieser Zeiten überwiegend als Ersatz- oder Ausfallzeiten 1 7 gefordert wurde — sich offensichtlich nunmehr ihre Qualifizierung als Beitragszeiten durchgesetzt hat. I I I . Das „Regensburger Modell"

I m Gegensatz zu den vorstehenden Vorschlägen, die sich vorrangig m i t der Neuregelung der Witwen- und Witwerrenten und erst sekundär mit der Frage der Berücksichtigung von Erziehungszeiten befassen, beschäftigt sich das sog. „Regensburger M o d e l l " 1 8 umgekehrt vor allem mit der Berücksichtigung von Erziehungszeiten bei der Rentenberechnung als Basis für eine eigenständige Versorgung des Erziehers und baut auf diesen Überlegungen dann ein Modell zur Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung auf. Danach soll der Ehepartner, der wegen Kindererziehung auf eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit verzichtet oder diese einschränkt, eine Pflichtbeitragszeit i n der Rentenversicherung gutgeschrieben bekommen. Die Höhe dieser Gutschrift richtet sich nach der Anzahl der Kinder und dem Ausmaß der Erwerbseinschränkung. Eine Anrechnung als Ersatzzeit w i r d hilfsweise erwogen, eine Anrechnung als Ausfallzeit w i r d abgelehnt 19 . Zur Dauer der Anrechnung w i r d vorgeschlagen, dem kindererziehenden Ehepartner Beitragszeiten oder gleichgestellte Ersatzzeiten gutzuschreiben, solange Kinder mit einem Alter bis einschließlich 12 Jahren i m Haushalt sind 2 0 . Hinsichtlich der Höhe der Anrechnung w i r d es für ideal gehalten, wenn diese einer Beitragszahlung gemäß B A T V I I bis I X entsprechen würde, da diese Bezahlung den wissenschaftlich errechneten Wert der Leistung und die Schwierigkeit der Tätigkeit angemessen berücksichtige. Hilfsweise w i r d vorgeschlagen, den Erzieher von bis zu zwei K i n dern unter 12 Jahren so zu versichern, als hätte er 75 °/o des durchschnittlichen Bruttoverdienstes verdient (Einteilungsgruppe 1). Bei drei 16 Sachverständigenkommission, S. 75 (Rdnr. 213) — das entspricht der Forderung der D A G , den individuellen Versicherungsverlauf der Bewertung zugrundezulegen. 17 Vgl. z. B. Schulte/Lang forth, Muttergeld, S. 148 (Ersatzzeit), u n d Wannagat, Soziale Sicherheit 1967, S. 164 (Ausfallzeit). 18 Vgl. Lischke, Rentenversicherung 1978, S. 21 ff. 19 Oers., S. 27. 20 Oers., S. 28.

1. Kap. : Β . Die Modelle der gegenwärtigen Diskussion

175

Kindern unter 12 Jahren steigt dieser Prozentsatz auf 100 % (Einteilungsgruppe 2). Eine Vollerwerbstätigkeit des Erziehers soll den Anspruch ausschließen, ist er dagegen teilerwerbstätig, w i r d die (spätere) Rente für Erziehungszeiten anteilig gekürzt; solange ein Erziehungsgeld oder kostengerechtes Kindergeld nicht gewährt wird, soll der Erzieher mindestens den Wert der Einteilungsgruppe 1 oder 2 erhalten, um die Wahlfreiheit zwischen Erwerbstätigkeit und Kindererziehung unter Verzicht auf Erwerbstätigkeit herzustellen. Für gut verdienende Ehepaare, die auch aus einem Einkommen beide Ehepartner Rentenanwartschaften aufbauen können, sieht „Regensburger Modell" einen Ausschluß von dieser Regelung vor. Höchstgrenze, bis zu der noch eine Anrechnung erfolgen soll, liegt dem Doppelten der Beitragsbemessungsgrenze 21 .

für das Die bei

Diese Anerkennung von Erziehungsleistungen soll nach den Vorstellungen des „Regensburger Modells" die Grundlage für eine sachgerechte Neuregelung des Hinterbliebenenrechts bilden. Danach w i r d jeder Ehegatte allein auf seinen Rentenanspruch verwiesen, wobei jedoch durch eine Härteregelung eine Garantiehinterbliebenenrente von 80 °/o des höheren Rentenanspruchs gewährt werden soll. Damit entfiele die abgeleitete Rente, und Witwe und Witwer würden gemäß den Forderungen des Bundesverfassungsgerichts gleichbehandelt. Die Härteregelung soll zugleich verhindern, daß das neue Recht neue Sozialhilfefälle schafft. Auch das „Regensburger Modell" sieht aber die Notwendigkeit einer Berücksichtigung der Bedarfssituation „Kindererziehung" i m Hinterbliebenenfall. Hier versucht das „Regensburger Modell" einen M i t t e l weg zwischen abgeleiteter und eigenständiger Hinterbliebenensicherung zu finden 2 2 . Die wenig deutlichen Ausführungen lassen dabei vermuten, daß die Autoren des „Regensburger Modells" die zu gewährende Bedarfsrente als Versichertenrente ausgestalten wollen. Es bleibt jedoch unklar, wie bei einem Tod vor Erreichen des Rentenalters, wie dies beim Erziehungsfall meist der Fall sein wird, die „volle Hinterbliebenenrente" berechnet werden soll. 21 Ders., S. 29; die Beitragsbemessungsgrenze betrug für das Jahr 1979 ζ. B. 4000,—DM/monatlich; vgl. § 1385 Abs. 2 RVO. 22 Ders., S. 30: „ H a t er (der Hinterbliebene) die Voraussetzungen für einen eigenen Versicherungsfall noch nicht erfüllt, so k o m m t es darauf an, ob i h m der Verstorbene unterhaltspflichtig gewesen wäre. Ist dies der Fall, bekommt er ebenfalls die volle Hinterbliebenenrente. Es w i r d sozusagen ein neuer V e r sicherungsfall der ausgefallenen Unterhaltspflicht eingeführt. Das ist j a auch schon bei der Erziehungsrente, § 1265 a RVO, geschehen." E i n eigener V e r sicherungsfall wäre deshalb entsprechend der analogen Situation bei der Scheidung die Kindererziehung, vgl. § 1570 BGB.

176

IV. Teil: Kindererziehung i n Reformvorschlgen I V . Der Modellversuch „Erziehungsgeld"

Gegenüber allen anderen bisher erörterten Modellen nimmt der Modellversuch „Erziehungsgeld" des Landes Niedersachsen insoweit eine Sonderstellung ein, als er nicht mit Blick auf die Rentenreform konzipiert wurde, sondern eine experimentelle Erprobung der bereits seit langem von der CDU/CSU-Opposition entwickelten Konzeption eines erweiterten Familienlastenausgleichs-Modells darstellt 2 3 . Die Verwandtschaft m i t den alten Vorschlägen Rulands und Schulte Langforths ist dabei nicht zu übersehen 24 . Teilnahmeberechtigt am Modellversuch sind erwerbstätige Väter oder Mütter, deren K i n d zwischen dem 1. J u l i 1978 und dem 30. Juni 1979 geboren wurde und die mindestens das Jahr vor der Geburt versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sind. Für Beamte und Selbständige gelten insoweit Sonderregelungen. Voraussetzung für die Teilnahme ist die Aufgabe der Erwerbstätigkeit durch den entsprechenden Elternteil, zumindest für die Dauer der Zahlung des Erziehungsgeldes. Diese beträgt grundsätzlich 18 Monate für Personen, die keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Mutterschutzgesetz haben, ansonsten verkürzt sie sich entsprechend. Die Höhe des Erziehungsgeldes beträgt bei verheirateten Teilnehmern des Modellversuchs monatlich 350,— DM, bei Alleinstehenden 426,— DM, i n Einzelfällen bis zu 850,— DM. Dabei ist jedoch vorgesehen, diese Leistungen nur bis zu einem Netto-Familieneinkommen von 2.500,— D M zuzüglich 500,— D M für jedes K i n d zu gewähren. 23 Vgl. BT-Drucks. 7/2031 u n d 8/2828 sowie BR-Drucks. 221/79; offensichtlich bestanden eine zeitlang jedoch i n dieser Frage Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Union. Nach einer Meldung der „Süddeutschen Zeitung" v o m 14. März 1979 lehnte es die CSU aus finanziellen wie grundsätzlichen E r w ä gungen ab, die Gesetzesinitiative der C D U zur Einführung eines Familiengeldes zu unterstützen. Dabei sollten sich die Bedenken der CSU vor allem gegen die Kosten i n Mrd.-Höhe, die der C D U - E n t w u r f für ein Familiengeld für alle M ü t t e r i n Höhe von 400,— D M über den Zeitraum von 1 1/2 Jahren m i t sich brächte, gerichtet haben. Außerdem sollen die CSU-Abgeordneten die m i t der Gesetzesinitiative verbundenen pronatalistischen Erwartungen bezweifelt haben. A u f dem 28. Bundesparteitag (18.-20. M a i 1980 i n Berlin) sind entsprechende Vorstellungen i m Wahlprogramm der Union für die B u n destagswahl 1980 jedoch beschlossen worden, vgl. die Vorlage zu Tagesordnungspunkt 11, S. 25. 24 Vgl. oben, I I . Teil, 3. Kap. Β . I. Der Schwerpunkt des Modells liegt somit i m Bereich des allgemeinen Familienlastenausgleichs. Wegen der K o m b i n a t i o n von Elementen des allgemeinen Familienlastenausgleichs u n d rentenversicherungsrechtlicher Abrundung, die j a grundsätzliche Fragen der Z u ordnung der Verantwortung für die Berücksichtigung der Kindererziehung auf w i r f t , scheint es jedoch gerechtfertigt, diesen Vorschlag m i t zu berücksichtigen.

1. Kap. : Β . Die Modelle der gegenwärtigen Diskussion

177

Die Teilnehmer sind für die Bezugsdauer des Erziehungsgeldes auf Kosten des Landes Niedersachsen freiwillig rentenversichert. Die Beitragshöhe entspricht jedoch nicht der Höhe des Erziehungsgeldes, gezahlt w i r d vielmehr nur der Mindestbetrag, d. h. seit dem 1. Januar 1979 72,— D M monatlich 2 5 . I n Einzelfällen jedoch — insbesondere wenn Modellteilnehmer vor der Teilnahme am Versuch bereits für mindestens 60 Kalendermonate Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt haben — können die den entsprechenden Personen bei Zahlung der Mindestbeträge zustehenden Gesamtbeträge entsprechend der Höhe der sich aufgrund der vor der Teilnahme am Modellversuch ergebenden Durchschnittswerte auf weniger Monate mit einem dann entsprechend höheren Wert aufgeteilt werden. Eine Arbeitsplatzsicherung besteht nur für i m Landesdienst beschäftigte Versuchsteilnehmer, während den übrigen Zuwendungsempfängern empfohlen wird, Einzelvereinbarungen mit den Arbeitgebern zu treffen.

25

§§ 1233, 1407 RVO i. V. m. § 2 Abs. 1 R V - B E V O .

12 Bordiert

. Kapitel

Modellkritik K r i t i k an den geschilderten Entwürfen ist vor allem aus dem Gesichtspunkt der Gleichwertigkeit der Kindererziehung mit monetären Beitragsleistungen („Beitragsäquivalenz" der Kindererziehung) zu üben. Da die Aussichten einer Korrektur des Rentensystems unter Berücksichtigung der aus ihrer konditionalen Gleichwertigkeit folgenden Beitragsäquivalenz der Kindererziehung angesichts des gegenwärtigen sozialpolitischen Diskussionsstandes realistischerweise als äußerst schlecht einzustufen sind, sollen jedoch ganz pragmatisch auch einige Aspekte erörtert werden, die sich bei einer Einführung der Vorschläge i n das geltende Rentensystem als problematisch erweisen könnten. Diese Skepsis scheint deshalb berechtigt, weil — nach dem gegenwärtigen Stand der politischen Überlegungen zu urteilen — nur vom Bundesverfassungsgericht noch zu erhoffen wäre, daß die Reformplanungen i n Bahnen gelenkt würden, die der Leistung der Kindererziehung i m Rentensystem gerecht werden. Das aber würde auf Seiten des Bundesverfassungsgerichts selbst eine nahezu totale Kehrtwendung i n dieser Frage voraussetzen, da vor allem durch seine Rechtsprechung die Weichen der sozialpolitischen Diskussion so gestellt wurden, daß der Charakter der Kindererziehung als gesellschaftsbezogene Leistung kaum noch zu erkennen ist. Dieser so entscheidende Einfluß des Bundesverfassungsgerichts soll deshalb zunächst näher erläutert werden.

A. Die Bedeutung der Witwerrentenentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts für die Reformdiskussion I n seiner ersten Witwerrentenentscheidung 1 erörtert das Bundesverfassungsgericht zwar Aspekte, aus denen sich der Leistungscharakter der Kindererziehung deutlich ergibt, durch die geschlechtsfixierte Mann/Frau-Fragestellung gerät die ansatzweise erkennbare Klarheit jedoch wieder verloren, indem die Erziehungsleistungen unterschieds1

BVerfGE 17, S. 1 ff.

2. Kap. : Α. Die Bedeutung der Witwerrentenentscheidungen

179

los m i t d e n b l o ß e n H a u s f r a u e n l e i s t u n g e n i n e i n e r R e i h e g e n a n n t u n d i n s o f e r n auch gleichgestellt w e r d e n 2 . Dieser A n s a t z des Bundesverfassungsgerichts w u r d e z u m A u s g a n g s p u n k t der gesamten s o z i a l p o l i t i s c h e n D i s k u s s i o n z u r F r a g e der r e n t e n r e c h t l i c h e n S i c h e r u n g der F r a u u n d p r ä g t e entscheidend d e r e n B e t r a c h tungsweise. I n f o l g e dieser E n t w i c k l u n g k o m m t es so fast z w a n g s l ä u f i g dazu, daß n i c h t n u r d e r L e i s t u n g s c h a r a k t e r der K i n d e r e r z i e h u n g aus d e m B l i c k f e l d gerät, s o n d e r n das B u n d e s v e r f a s s u n g s g e r i c h t i n seiner zweiten Witwerrentenentscheidung den Tatbestand der Kindererzieh u n g sogar m i t N i c h t l e i s t u n g s t a t b e s t ä n d e n gleichstellt. Dieser V o r g a n g v e r d i e n t es deshalb, n ä h e r d a r g e s t e l l t z u w e r d e n .

I. Die Berücksichtigung der Kindererziehung in der ersten Witwerrentenentscheidung A u f d e n l e t z t e n S e i t e n d e r U r t e i l s b e g r ü n d u n g s t e l l t das G e r i c h t fest, daß auch die m i t d e r Sorge f ü r die P e r s o n des K i n d e s v e r k n ü p f t e n m ü t t e r l i c h e n U n t e r h a l t s l e i s t u n g e n n i c h t w e n i g e r als M i t h i l f e oder eigene E r w e r b s t ä t i g k e i t der F r a u i h r e n s e l b s t ä n d i g e n W e r t h ä t t e n u n d ( f ü r d e n M a n n ) ohne b e t r ä c h t l i c h e M e h r a u f w e n d u n g e n n i c h t ersetzbar seien. E t w a s anderes a n z u n e h m e n , sei schon nach d e m Sachzusammenh a n g der R e n t e n b e s t i m m u n g a b w e g i g : „Denn wenn die mütterlichen Unterhaltsleistungen wirtschaftlich keinen Eigenwert über die v o m M a n n u n d Vater für den Unterhalt der Familie aufgewendeten Geldbeträge hinaus besäßen, dann bestünde kein Grund, die mütterlichen Unterhaltsleistungen bei der Gestaltung der Waisenrente überhaupt zu berücksichtigen. Es müßten dann folgerichtig n u r alle Vater-Waisen Renten, u n d zwar die Vollrenten erhalten, gleichviel ob die M u t t e r noch lebt oder nicht. Stattdessen hat der Gesetzgeber das System der V o l l - u n d Halbwaisenrenten gewählt, das auf dem wirtschaftlichen Eigenwert der mütterlichen Leistungen aufbaut. Diese Entscheidung des Gesetzgebers entspricht der W i r k l i c h k e i t ; zwar ist die geldliche U n t e r haltsleistung des Mannes i m allgemeinen eine der Voraussetzungen, die der Frau erst die Entfaltung ihrer mütterlichen wie ihrer hausfraulichen Tätigkeit ermöglicht; aber die Höhe seiner wahren Leistungen für ihren Unterhalt sagt nichts über den wirtschaftlichen Wert ihrer Leistungen für die K i n d e r aus. Mögen die Leistungen der Frau für den M a n n seinen baren Geldleistungen für ihren Unterhalt etwa die Waage halten, so leistet die M u t t e r für die K i n d e r jedenfalls — abgesehen vielleicht von einem geringen Prozentsatz besonders wohlhabender Familien 3 — w e i t mehr als ihrem A n t e i l am Geldverbrauch der Familie entspricht 4 ." 2 Vgl. Leitsatz 1 der Entscheidung: „ A r t . 3 Abs. 2 GG gebietet, die A r b e i t der Frau als Mutter, Hausfrau u n d Mithelfende m i t ihrem tatsächlichen Wert als Unterhaltsleistung zu berücksichtigen." 3 A n m e r k u n g d. Verf.: Dies erinnert deutlich an die Einschränkung der

12*

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I V . Teil: Kindererziehung i n Reformvorschlgen

Dieses Ergebnis w i r d vom Bundesverfasungsgericht dann noch näher begründet, wobei darauf hingewiesen wird, daß der Arbeitsaufwand der Hausfrau i n einem städtischen Vier-Personen-Arbeitnehmerhaushalt täglich reichlich 10 Arbeitsstunden bei einer 7-Tage-Arbeitswoche beträgt. „Der Witwer, der m i t unerwachsenen K i n d e r n zurückbleibt, müßte also, u m diesen eine der mütterlichen materiell gleichwertige Betreuung zuzuwenden, mindestens eine vollbeschäftigte Angestellte i n den Haushalt aufnehmen, u n d auch dann würde er viel mehr Mühe und Zeit für die K i n d e r selbst aufwenden müssen 5 ."

Das Bundesverfassungsgericht stellt somit dreierlei fest: — Den selbständigen, wirtschaftlichen und der Erwerbstätigkeit gleichwertigen Wert der m i t der Sorge für die Person des Kindes verknüpften mütterlichen Unterhaltsleistungen. — Den Sonderleistungscharakter der Kindererziehung, da der Mutter kein Äquivalent für diese Tätigkeit zuteil wird. — Die rentenrechtliche Relevanz der Kindererziehung. Von diesem Erkenntnisstand ist der Weg zur Entschleierung des Charakters der Kindererziehung als beitragsäquivalente Leistung jedoch kurz: Beide Elternteile leisten ihren A n t e i l zum Familienunterhalt, der außerhäuslich erwerbstätige Elternteil zahlt darüber hinaus auch Steuern und Sozialabgaben. Zusammen m i t den Barunterhaltsleistungen, die er für die Kinder erbringt, addieren sich somit auch bei i h m Leistungen, die — ebenso wie beim kinderbetreuenden Elternteil — durch seinen A n t e i l am Geldverbrauch der Familie und durch den monetären Ausgleich der Dienstleistungen des nichterwerbstätigen Elternteils nicht erfaßt werden. Beide Elternteile erbringen somit Sonderleistungen. Stellt man diese einander gegenüber, so w i r d sichtbar, daß dies die gesellschaftsbezogenen Steuer- und Sozialabgaben und kindbezogenen Unterhaltsleistungen des Erwerbstätigen auf der einen Seite und die Betreuungsleistungen gegenüber dem Kinde auf der anderen Seite sind; dies verdeutlicht also erneut den gesellschaftsbezogenen Leistungscharakter der Kindererziehung. Zugleich w i r d der große Unterschied zwischen „einfacher" Haushaltsleistung und „Elternleistung" sichtbar, der insbesondere vom gesellschaftlichen Standpunkt aus besteht.

Anrechenbarkeit von Erziehungszeiten bei Verdienern über dem Doppelten der Beitragsbemessungsgrenze i m Regensburger Modell, siehe oben, I V . Teil, 1. Kap. B. I I I . 4 BVerfGE 17, S. 1 (36). 5 BVerfGE 17, S. 1 (37).

2. Kap.: Α. Die Bedeutung der Witwerrentenentscheidungen

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Beansprucht durch die konkrete Entscheidungssituation, bei der es nicht um den Vergleich der rentenrechtlichen Behandlung der Kindererziehung und Erwerbstätigkeit, sondern um die rentenrechtliche Berücksichtigung der geschlechtsspezifischen Rollenverteilung i n Verdienerund Nichtverdienerrollen ging, mußte das Bundesverfassungsgericht i n seiner Konzentration auf Mann hier und Frau dort freilich die Unterschiede, die zwischen Mütterleistungen und Hausfrauenleistungen bestehen, wieder aus den Augen verlieren. Nur so ist es jedenfalls verständlich, daß das Gericht die Mutterleistungen m i t den Hausfrauenleistungen „ i n einen Topf" geworfen hat 6 . Solcherart — i n einer Reihe m i t den Hausfrauenleistungen gleichgestellt — w i r d die eigentliche Bedeutung der Kindererziehung für die Rentenversicherung jedoch unsichtbar. Das beweist die von dieser Entscheidung ausgelöste Diskussion.

I I . Die Rezeption der Entscheidung in der sozialpolitischen Diskussion

Der Ansatz des Bundesverfassungsgerichts wurde i n der sozialrechtlichen und sozialpolitischen Diskussion unbesehen übernommen. So konzentrierte man sich i n der Folgezeit nämlich nur auf das Vergleichspaar nichterwerbstätige Hausfrau/- erwerbstätiger Ehemann und warf die Frage auf, ob aus der dem Urteil zu entnehmenden Gleichstellung der Hausfrauentätigkeit nicht der Aufbau eines eigenen Sozialversicherungsschutzes für die Hausfrau folgen müsse — etwa analog den Hausangestellten 7 . Diese Frage wurde jedoch umgehend verneint. Das wurde damit begründet, daß der allgemeine Gleichheitssatz den Gesetzgeber lediglich verpflichtet, Gleiches gleich, Ungleiches aber seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Als insoweit maßgebenden Unterschied sah man dabei an, daß die von der Sozialversicherung erfaßten Personen i n der Regel i n einem Beschäftigungsverhältnis stehen und also hinsichtlich ihrer Tätigkeit (von einem Arbeitgeber) persönlich (und wirtschaftlich) abhängig sind, was bei einer Hausfrau nicht der Fall sei. Das Fehlen eines direkten 6

Vgl. BVerfGE 17, S. 1 (Leitsatz 1). Vgl. zu diesem gängigen Ansatz ζ. B. Tennstedt, Hausfrauenrente — Probleme und Möglichkeiten, Soziale Sicherheit 1968, S. 39 ff.; ferner Bogs, Die sozialrechtliche Sicherung der nicht-berufstätigen Hausfrau, N J W 1968, S. 1649 ff.; Rohwer-Kahlmann, Die soziale Sicherung der nicht-berufstätigen Frau i n der Industriegesellschaft, ZSR 1970, S. 389 ff. (396); Lohnes, Die soziale Sicherung der nicht-berufstätigen Frau, JR 1968, S. 252 ff.; Krasney, Eigenständige Sicherung der Hausfrau, VersRdsch 1974, S. 242 ff. Vgl. i m übrigen die zusammenfassende Darstellung zur Hausfrauenrente bei v. Harbou, Die Stellung der Frau i m Sozialrecht, S. 139 ff. 7

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I V . Teil: Kindererziehung i n Reformvorschlgen

Sozialversicherungsschutzes der Hausfrau könne also durch einen Hinweis darauf, daß sie i m Rahmen der ehelichen Gemeinschaft tätig w i r d und damit durch eine für den gesetzgeberischen Zweck, für das Wesen der Institution Sozialversicherung relevante, tatsächliche Ungleichheit zwischen einer Hausfrau und einer Hausangestellten gerechtfertigt werden 8 . Es soll an dieser Stelle auf eine Auseinandersetzung m i t dieser Argumentation, die spätestens seit der Öffnung der Rentenversicherung für die Selbständigen und der Möglichkeit der freiwilligen Beitragsentrichtung obsolet ist, sich zu diesem Zeitpunkt (1973) jedoch schon allzusehr verselbständigt hatte, verzichtet werden, um stattdessen die Folgen dieser Diskussion für die Bewertung der Kindererziehung deutlich zu machen. Die Polarisierung auf den Gegensatz Hausfrauentätigkeit einerseits — Erwerbstätigkeit andererseits unterschlägt nämlich den qualitativen Unterschied, der vom gesellschaftlichen Standpunkt aus zwischen Hausfrauentätigkeit und Erziehungstätigkeit besteht. Denn das A u f und Erziehen von Kindern ist für die Gesellschaft lebensnotwendig, die Führung eines Haushalts dagegen Privatsache; als Leistung für die Rentenversicherung ist sie irrelevant. I n „einen Topf geworfen" m i t der Hausfrauentätigkeit w i r d jedoch die besondere Bedeutung der Kindererziehung unsichtbar. Die anschließende Gegenüberstellung m i t der Erwerbstätigkeit unter dem vergleichenden Aspekt der sozialversicherungsrechtlichen Relevanz muß dann zwangsläufig die alleinige Betonung der Erwerbstätigkeit zur Folge haben. Das w i r d durch die zweite Witwerrentenentscheidung bestätigt. I I I . Die zweite Witwerrentenentscheidung: Erziehung als Nichtleistungstatbestand

I n der zweiten Witwerrentenentscheidung hat das Bundesverfassungsgericht, wie bereits erörtert 9 , zur Reform der Hinterbliebenensicherung den Vorschlag gemacht, neben den Fällen des Alters und der Berufsunfähigkeit noch die Kindererziehung als Fall der Erwerbsverhinderung anzuerkennen. Damit w i r d Kindererziehung leistungstatbeständen gestellt. 8 9

i n eine Reihe m i t

diesen

So ζ. B. Tennstedt, Soziale Sicherheit 1968, S. 40 (m. w . N.). Siehe oben, I V . Teil, 1. Kap. A .

Nicht-

2. Kap.: Β . Die „Beitragsäquivalenz" als Maßstab der K r i t i k

Das impliziert zugleich die Bewertung der Erwerbstätigkeit rentenrechtlich exklusiv wirksame Leistung.

183

als

Diese Auffassung des Gerichts erschließt sich insbesondere auch aus der in der Entscheidung enthaltenen Formulierung, es sei zu erwägen, ob der erziehende Hinterbliebene nicht „ w e n i g s t e n s eine Teilzeitbeschäftigung oder eine . . . geringer bezahlte Tätigkeit auszuüben in der Lage i s t " 1 0 . Wenn es auch bei der vom Gericht angeschnittenen Frage um das Problem der Erziehungssituation als Bedarfssituation geht und sich dabei ohnehin darüber streiten läßt, ob die Berücksichtigung dieser Bedarfssituation wirklich eine Aufgabe der Versichertengemeinschaft oder nicht vielmehr des allgemeinen Familienlastenausgleichs ist 1 1 , so ist die Auffassung des Gerichts von der Kindererziehung als rentenversicherungsrechtlich minderwertigem, d. h. äquivalenzentferntem Tatbestand jedoch eindeutig erkennbar. Diese Wertung ist letztlich das konsequente Ergebnis des m i t der Verdiener-Mann/Nichtverdiener-Hausfrau-Polarisierung begonnenen und der Gleichstellung von Mutterleistungen und Hausfrauenleistungen sowie der Gegenüberstellung von Hausfrauentätigkeit und Erwerbstätigkeit fortgeführten Denkprozesses. Die offenkundige Ungerechtigkeit dieser Wertung hat jedoch nicht verhindern können, daß auch die sozialpolitische Diskussion i m A n schluß an diese Entscheidung erneut die Aussage des Bundesverfassungsgerichts widerstandslos akzeptiert und ihre Überlegungen auf ihr aufgebaut hat. I m Wege dieses fortzeugenden Prozesses sind nämlich durchweg Reformentwürfe entstanden, die einer Überprüfung am Maßstab der Beitragsäquivalenz der Kindererziehung 1 2 nicht standhalten. B. Modellkritik aus dem Gesichtspunkt der „Beitragsäquivalenz" der Kindererziehung Soweit die vorgestellten Modelle, den Überlegungen des Bundesverfassungsgerichts folgend, das Beispiel der Erziehungsrente kopieren 1 , scheiden sie aus zwei Gründen von vornherein aus dieser Untersuchung 10

BVerfGE 39, S. 169 (193). Wie ζ. B. bei der Regelung des Mutterschaftsurlaubs, siehe oben, I I . Teil, 3. Kap. B.; siehe dazu ferner unten, V I . Teil, B. I I I . 4. 12 Z u r doppelten Bedeutung dieses Begriffes i m Rahmen dieser U n t e r suchung u n d seiner Problematik siehe oben, I I I . Teil, Β. I V . 1 Das betrifft das Regensburger Modell, U L A - M o d e l l , Ruland-Modell, Berliner Modell. 11

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I V . Teil: Kindererziehung i n Reformvorschlgen

aus. Zum einen hat die genauere Untersuchung dieser Regelung ergeben, daß es sich bei ihr grundsätzlich u m eine — zudem noch verfassungswidrige — Fehlkonstruktion handelt 2 . I m übrigen ist sie versicherungsrechtlich und -technisch i n das System der BU-/EU-Renten integriert; vom Standpunkt der i m doppelten Sinne zu verstehenden „Beitragsäquivalenz" der Kindererziehung 3 aus bedeutet das, daß sie i m Sinne der soeben dargelegten K r i t i k 4 als „Nichtleistungsrente" ausgestaltet ist. Die letztere Beurteilung gilt gleichermaßen auch für die entsprechenden Bedarfsrenten der beiden anderen Modelle 5 . Diese sind als abgeleitete Renten und damit als Ausprägungen des Prinzips des sozialen Ausgleichs i n der Rentenversicherung konzipiert, — eine Konstruktion, die der „konditionalen Gleichwertigkeit" 6 und dem aus ihr folgenden eigenständigen rentenanspruchbegründenden Charakter der Kindererziehung nicht gerecht w i r d 7 . Unter dem Gesichtspunkt der Beitragsäquivalenz überprüfbar bleiben somit allein die Vorschläge, Erziehungszeiten rentensteigernd anzurechnen. Als dem Prinzip des sozialen Ausgleichs zuzurechnen, müssen dabei allerdings die Überlegungen ausgeklammert werden, die Erziehungszeiten als beitragslose Zeiten anrechnen wollen 8 . Unter dem Gesichtspunkt der Beitragsäquivalenz i m einzelnen bleiben somit nur die Vorschläge zu untersuchen, die Erziehungszeiten als (fiktive) Beitragszeiten berücksichtigen wollen, denn eine solche Anrechnung stellt ja i m Ergebnis eine den aufgrund von Erwerbstätigkeit gezahlten Beiträgen gleiche Wirkung und damit zumindest i m Ansatz jedenfalls eine äquivalente Berücksichtigung der Erziehung dar. Eine nähere Betrachtung läßt jedoch erkennen, daß diese Vorschläge von einer am tatsächlichen Wert der Kindererziehung als Leistung gemessenen gerechten Bewertung weit entfernt sind.

2

Siehe oben, I I . Teil, 2. Kap. Β . I V . u n d 3. Kap. C. I I I . Siehe oben, I I I . Teil, Β . I V 4 Siehe oben, I V . Teil, 2. Kap. A . I I I . 5 Das betrifft den Vorschlag der Sachverständigenkommission sowie das DAG-Modell. 6 Dazu siehe oben, I I I . Teil, A. 7 Z u r grundsätzlichen Frage, ob die Bedarfsdeckung i m Erziehungsfall überhaupt eine Aufgabe der Rentenversicherung sein sollte, siehe unten, V I . Teil, B. I I I . 4. 8 Hilfsvorschläge: Regensburger Modell, D A G - M o d e l l , Sachverständigenkommission. 3

2. Kap.: Β . Die „Beitragsäquivalenz" als Maßstab der K r i t i k

185

I. Die „einseitige" Erziehungszeitenanrechnung

Alle hier noch zur Überprüfung i n Frage kommenden Entwürfe sehen vor, entsprechende Beitragszeiten nur einem Elternteil anzurechnen. Da die Vorschläge insofern keine gesonderte Begründung enthalten, ist davon auszugehen, daß sie einer bestimmten Vorstellung des Erziehungsbegriffes folgen und ausschließlich die persönliche Betreuung der Kinder durch einen Elternteil anerkennen wollen. Zwar spricht prima facie für dieses Verständnis von Kindererziehung, daß in der Regel der erzieherische Aufwand seitens der Mutter den finanziellen Aufwand i n Form des Bar-Unterhalts durch den Vater um einiges übersteigen wird. M i t dem Gerechtigkeitspostulat einer den monetären Beiträgen entsprechenden und i n diesem Sinne beitragsäquivalenten Behandlung der Kindererziehung ist diese Auffassung jedoch nicht zu vereinbaren. Wie nämlich bereits eingangs des zweiten Teils dieser Untersuchung festgestellt wurde 9 , sind i m Bereich der familiären Erziehung und damit auch i m Sozialrecht, soweit dies daran anknüpft, Erziehung i n Form der Betreuung und Erziehung i n Form des Bar-Unterhalts nicht voneinander zu trennen. Die prinzipielle Gleichwertigkeit beider Leistungen den Kindern gegenüber w i r d i n der Rentenversicherung insbesondere auch durch das System der Voll- und Halbwaisenrenten unterstrichen 10 . M i t einer äquivalenten Betrachtungsweise und deshalb auch m i t dem Gleichbehandlungsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG, ist es deshalb unvereinbar, lediglich eine von beiden Leistungen zu berücksichtigen. Zwar w i r d i m Falle des Versorgungsausgleichs und bei den Modellen, die ein Splitting i m Hinterbliebenenfalle vorsehen, auch insoweit ein Verteilungseffekt für diese angerechneten Zeiten erzielt. I n wieweit dieser jedoch zu einer äquivalenten Verteilung führt, hängt in erster Linie von der ursprünglichen Bewertung ab; er kann also nur dann gerecht sein, wenn er urspünglich für den einen Elternteil zu hoch und damit nicht-äquivalent angesetzt war. I m übrigen bleibt auch i n diesen Modellen die eine Leistung immer unberücksichtigt, solange beide Elternteile leben. Werden schließlich nach durchgeführtem Versorgungsausgleich noch Unterhaltszahlungen an die Kinder geleistet, so entfalten auch diese keine äquivalente Rentenwirksamkeit mehr. Vom Standpunkt der beitragsäquivalenten Behandlung der Kindererziehung können die diskutierten Modelle insoweit also nicht überzeugen. 9

Siehe oben, I I . Teil, 1. Kap. B. Vgl. §§ 1267, 1269 RVO; vgl. dazu oben, I I . Teil, 1. Kap. B. u n d I V . Teil, 2. Kap. Α. I. 10

186

IV. Teil : Kindererziehung i n Reform vorschlagen I I . Die nicht-beitragsäquivalente, erwerbsabhängige Anrechnung

I m Grunde das gleiche Problem ergibt sich bei den Modellen, die entweder die Anrechnung der Erziehungszeiten von einer vollständigen Erwerbsabstinenz abhängig machen oder zumindest die aufgrund der Erwerbstätigkeit geleisteten Pflichtbeiträge von der Anrechnung abziehen wollen 1 1 . Auch insoweit ist offensichtlich ein auf allein die Betreuung fixierter Erziehungsbegriff vorherrschend. Das kommt i m „Regensburger Modell" deutlich zum Ausdruck, wenn dort gesagt wird, eine „tatsächliche Erziehungsleistung" werde während der Erwerbstätigkeit nicht erbracht 12 . Soweit also die Entwürfe wiederum die Bar-Unterhaltsleistungen unberücksichtigt lassen, genügen sie bereits aus diesem Grunde nicht dem Maßstab der Beitragsäquivalenz. Selbst wenn man sich den von den Modellen verwendeten Erziehungsbegriff jedoch einmal zu eigen macht, zeigt sich, daß die Modelle auch dann das Prinzip der Äquivalenz verletzen. Denn auch erwerbstätige Eltern betreuen ihre Kinder, selbst wenn diese schon zur Schule gehen oder i n Ganztagsbetreuungseinrichtungen untergebracht sind. Gerade nach einem mehrstündigen Schulbesuch und ebenso nach einer ganztägigen Kindertagesheimoder Kindergartenbetreuung haben die Eltern einem zumeist sogar erhöhten kompensativen Zuwendungsbedarf ihrer Kinder nachzukommen, wie dies besonders deutlich die auf Abendstunden, Wochenenden und Ferien konzentrierte häusliche Zweitbelastung alleinstehender berufstätiger Elternteile zeigt 1 3 . Auch eine berufstätige Mutter erbringt schließlich für ihre Kinder Dienstleistungen wie Zuteilung von Nahrung, Raumpflege, Krankenpflege, Einkaufen, Wäsche instandsetzen und -halten usw., wobei selbst für einen 17jährigen Lehrling oder Schüler eine tägliche Arbeitsbelastung von mindestens zwei Stunden errechnet wurde 1 4 . Vom Standpunkt der Äquivalenz entscheidend ist insofern, daß die Betreuung überhaupt erbracht wird, nicht jedoch, wann dies geschieht. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn die Betreuung durch berufstätige Elternteile als mangelhafte Leistung aus gesundheitspolitischen oder sonstigen, gesellschaftlich begründeten Gründen nicht anerkannt werden dürfte; denn dann wäre es m i t dem staat11 So der Vorschlag der Sachverständigenkommission, das D A G - M o d e l l sowie das Regensburger Modell. 12 Vgl. Lischke, Rentenversicherung 1978, S. 28; man beachte allerdings, daß nach der Auffassung der Sachverständigenkommission, S. 67 f. (Rdnr. 191), neben dem Bezug der Bedarfsrente ein unbeschränkter Hinzuverdienst möglich sein soll ! 13 Derleder/Derleder, N J W 1978, S. 1132 ( m . w . N . ) . 14 Puls, D A V o r m 1975, S. 583 f.

2. Kap.: Β. Die „Beitragsäquivalenz" als Maßstab der K r i t i k

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liehen Wächteramt 1 5 allerdings kaum zu vereinbaren, diese Form der Betreuung zu honorieren. Voraussetzung wäre dafür jedoch eine gewissen Stichhaltigkeit der gesundheitspolitischen oder sonstigen Gründe, d. h. es müßte feststehen, daß die Betreuung durch erwerbstätige Elternteile die Erziehung des Kindes zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit 1 6 gefährdet. I n der Tat war es lange Zeit vorherrschende Meinung, daß die mütterliche Berufstätigkeit die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder erheblich beeinträchtige; i n konsequenter Fortsetzung dieser Auffassung wurde zum Teil sogar vorgeschlagen, die außerhäusliche Erwerbstätigkeit von Müttern zu verbieten 1 7 . Der Meinungsstand zu dieser Problematik verleitete Bünger zu der Feststellung, die jüngere Psychologie und Medizin seien sich darüber einig, daß eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit der Mütter „äußerst schädlich" für die Entwicklung der Kinder sei 18 . Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf den von Bünger postulierten Konsens hat jedoch ζ. B. eine eingehende Untersuchung von Koch nachgewiesen, daß damit eine wissenschaftstheoretische Kontroverse unterschlagen wurde 1 9 . I n den letzten Jahrzehnten ist — entgegen Bünger — vielmehr zu beobachten, daß die Verbesserung der Forschungsmethoden und die differenziertere Einsicht i n die komplexe wechselseitige Bedingtheit soziologischer und psychischer Faktoren dazu führte, daß neuere Untersuchungen, die Faktoren wie das B i l dungsniveau des Vaters und der Mutter, das Pro-Kopf-Einkommen der Familie, das Qualifikationsniveau des ausgeübten Berufs, die Zufriedenheit m i t der Berufsrolle, die Zufriedenheit i n der ehelichen Beziehung" usw. berücksichtigen, zu Ergebnissen kommen, die die Möglichkeit einer positiven Vereinbarkeit von Erziehung und Erwerbstätigkeit belegen 20 . Interessant ist i n diesem Zusammenhang, daß in der sog. „FrauenEnquête" der Bundesregierung die Feststellung zu finden ist, daß K i n 15

Vgl. A r t . 6 Abs. 2 Satz 2 GG. Vgl. § 1 Abs. 1 JWG. 17 Vgl. die exemplarische Darstellung bei Bünger, Familienpolitik i n Deutschland, S. 37—43 u n d 88 ff., m i t vielen Nachweisen. 18 Bünger, Familienpolitik i n Deutschland, S. 41. 19 Koch, Berufstätigkeit der M u t t e r und Persönlichkeitsentwicklung des Kindes, S. 7. 20 Vgl. Meyer-Harter, Die Stellung der F r a u i n der Sozialversicherung, S. 83 ff., m i t vielen Nachweisen. Bereits i m Jahre 1925 schrieb Oekinghaus, Gesellschaftliche u n d rechtliche Stellung der deutschen Frau, S. 62 f., daß wegen der für die Erziehung notwendigen Kenntnis sozialer Verhältnisse u n d Zusammenhänge die Erwerbstätigkeit einer M u t t e r grundsätzlich zu begrüßen sei. 16

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I V . Teil: Kindererziehung i n Reformvorschlgen

der von Witwen i n der Regel einen besseren Allgemeinzustand und bessere Leistungen i n der Schule aufweisen und darüber hinaus auch seltener straffällig werden als Kinder aus vollständigen Familien und — das ist das bemerkenswerte — dies unabhängig davon, ob die Witwe berufstätig ist oder nicht 2 1 . Hinzuweisen ist schließlich auf die jüngst veröffentlichten Ergebnisse des Modellversuchs „Tagesmütter" des Bundesministeriums für Jugend, Familie und Gesundheit 22 . Die Forscher kommen i n ihrem Abschlußbericht über den Versuch zu dem Ergebnis, daß das von manchen Familienpolitikern propagierte „Baby-Jahr" für berufstätige Mütter und die Empfehlung, erst i m zweiten Lebensjahr m i t einer Fremdbetreuung des Kindes zu beginnen, falsch seien. Während sich das K i n d i m Säuglingsalter „relativ problemlos" an eine Tagesmutter gewöhne, sei bei Kindern, die erst i m zweiten Lebensjahr zu einer Tagesmutter kamen, „ein deutliches Anwachsen der Eingewöhnungsprobleme" zu beobachten gewesen. Die Folgen der Entwicklungsstörung hätten noch nach zwei Jahren nachgewiesen werden können. Der Unterschied setze „ziemlich abrupt vom 12. Lebensmonat an ein". Nach dem vollendeten zweiten Lebensjahr dagegen bringe eine wechselnde Betreuung für die Kinder weniger Probleme m i t sich. Auch die Form der Berufstätigkeit der Mutter ist nicht ohne Belang für die Entwicklung der Kinder. Dazu bemerkt der Bericht: „Die Mutter-Kind-Beziehung bei halbtags berufstätigen Müttern und entsprechend halbtags fremdbetreuten Kindern ist i m Schnitt harmonischer als bei ganztags fremdbetreuten Kindern. Diese Mütter sehen zwar immer noch mehr Konflikte i n ihrer Beziehung zum K i n d als nichtberufstätige Mütter", doch sei — so der Bericht — bei diesen Hausfrauen-Müttern „eine Tendenz zur Harmonisierung" zu vermuten. Diese führe dazu, daß sie ihre Beziehung zum K i n d „unrealistisch freundlich erleben". Jedenfalls seien bei halbtags fremdbetreuten Kindern „weniger Verhaltensstörungen" beobachtet worden als bei Familienkindern einerseits und ganztags fremdbetreuten Kindern andererseits. Die Studie ergab ferner, daß „ein Fünftel der berufstätigen Mütter i n jedem Fall aus dem Beruf ausscheiden möchte und lieber Hausfrauen wären". Von der Mehrzahl der vollberufstätigen Mütter werde eine Teilzeitarbeit als Alternative erwogen, doch auch von einem großen Teil der Hausfrauen werde sie gewünscht. Der Modellversuch habe gezeigt, daß es aber auch viele Frauen, vor allem „ m i t mittlerer und niedriger Berufsqualifikation", gebe, die i n Kinderbetreuung und 21 22

BT-Drucks. V/909, S. 21. Vgl. Bericht i n der F A Z v o m 11. März 1980.

2. Kap.: Β . Die „Beitragsäquivalenz" als Maßstab der K r i t i k

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Nachbarschaftshilfe, wenn sie genügend anerkannt und bezahlt werden, nach eigenem Bekunden „eine echte Berufsalternative" sehen. I m Ergebnis sprechen sich die Wissenschaftler schließlich gegen ein „Erziehungsgeld für alle Mütter" als Ersatz für Berufstätigkeit aus, vor allem mit der Begründung, daß „sich Kinder von isolierten und unzufriedenen Müttern häufig nicht optimal entwickeln" 2 3 . Der Ausschluß oder die Minderung der Anrechnung von Erziehungszeiten bei gleichzeitiger Erwerbstätigkeit ist somit nicht i n sozialwissenschaftlich fundierter Weise gesellschaftspolitisch begründbar. Das bedeutet also, daß diese Vorschläge auch insoweit eine Verletzung des Prinzips der Äquivalenz beinhalten. Davon abgesehen, gehen sie an der Tatsache vorbei, daß viele Eltern gerade wegen der Kinder gezwungen sind, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, um ihren Kindern so auch die materiellen Voraussetzungen für ihre Entwicklung, ζ. B. Spielzeug, Bücher, Nachhilfeunterricht, Sprachreisen, Sportgeräte etc. zu bieten. Übersehen w i r d schließlich i n diesen Entwürfen auch, daß die (erzwungene) Aufgabe einer Erwerbstätigkeit zu einer betreuerischen und damit häuslichen Alleinverantwortlichkeit eines Elternteils führt und insofern die überkommene Vorstellung einer Ausgestaltung des familiären Pflichtenkreises nach dem Modell der Hausfrauenehe nicht überwunden ist 2 4 . Angesichts der i m Regelfall immer noch erheblich höheren Erwerbseinkommen von Männern, die einen Rollentausch wegen der zusätzlichen Einkommensminderung unmöglich machen, führt der Zwang zur Aufgabe der Erwerbstätigkeit also regelmäßig doch dazu, daß „Frauen hinter den Kochtopf" kommen 2 5 . Soweit schließlich die Modelle die Möglichkeit einer Halbtagsbeschäftigung einräumen wollen, w i r d an der Tatsache vorbeigegangen, daß angesichts des gegenwärtigen Mangels an Teilzeitarbeitsplätzen selbst dem seine Erziehungsaufgaben sehr ernst nehmenden Elternteil i n der Regel gar kein anderer Ausweg bleibt, als eine Vollzeittätigkeit anzunehmen 26 . Gesehen, aber nicht gelöst, w i r d von den Entwürfen schließlich die Problematik der Situation für den betreuenden Elternteil, wenn diese Aufgabe endet und er wieder ins Erwerbsleben eintreten w i l l 2 7 . 23 Die Ergebnisse des Modellversuchs sind damit insofern deckungsgleich m i t denen der Untersuchung von Koch, Berufstätigkeit der M ü t t e r und Persönlichkeitsentwicklung des Kindes, S. 163 ff. 24 Vgl. Derleder/Derleder, N J W 1978, S. 1133. 25 Was die Autoren des Regensburger Modells allerdings bestreiten wollen, siehe Lischke, Rentenversicherung 1978, S. 32. 26 Siehe oben, I. Teil, A .

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IV. Teil: Kindererziehung i n Reform vorschlagen

I m Ergebnis zeigt sich somit, daß die Entwürfe, soweit sie die A n rechnung von Erziehungszeiten bei gleichzeitiger Erwerbstätigkeit einschränken oder sogar ganz ausschließen, nicht nur aus Gründen der Beitragsäquivalenz, sondern auch deshalb abzulehnen sind, weil zum einen ihre Begründung einer sozialwissenschaftlichen Überprüfung nicht standhält und zum anderen die gesellschaftlichen Verhältnisse, insbesondere die Arbeitsmarktsituation, es den betreffenden Personen einfach nicht erlaubt, ihren Arbeitsplatz aufzugeben. I I I . Dauer und Höhe der Bewertung

Nicht-äquivalent sind die Modelle ferner hinsichtlich der Dauer und der Bewertung der anzurechnenden Zeiten. M i t Ausnahme vielleicht des „Regensburger Modells" entspricht die Zahl der anzurechnenden Zeiten — drei bzw. zwei Jahre — offensichtlich in keinem Fall der tatsächlichen Dauer der von der Familie erbrachten Erziehungsleistungen. Für das Gutachten der Sachverständigenkommission ζ. B. verdeutlicht dies augenfällig der Vorschlag, daß für die Bedarfsrente die Zeit bis zum 18. bzw. 15. Lebensjahr des K i n des als angemessene Erziehungszeit zugrundegelegt werden soll 2 8 . Weiter erscheint die Bewertung dieser Beitragszeiten problematisch. M i t Ausnahme des „Regensburger Modells" gibt kein Vorschlag zu erkennen, was für den jeweiligen Bewertungsmaßstab ausschlaggebend war. Lediglich das „Regensburger Modell" orientiert sich an den Tarifgruppen, die für i m öffentlichen Dienst tätige Erzieher gelten. Ob tatsächlich die Erziehung von ein oder zwei Kindern unter 12 Jahren eine Zugrundelegung von 75 υ /ο des durchschnittlichen Bruttoverdienstes rechtfertigt, ist jedoch nicht näher begründet. Hinzuweisen ist insofern deshalb auf Pross, die für zwei Kinder einen wöchentlichen Arbeitsaufwand von 27,5 Stunden und damit weniger als den vom „Regensburger Modell" zugrundegelegten 75 %-Satz ermittelt 2 9 . A u f die Problematik der Bewertung i m einzelnen braucht hier jedoch nicht näher eingegangen zu werden; zumindest für die Vorstellungen der D A G und der Sachverständigenkommission nämlich t r i t t die fehlende Leistungsgerechtigkeit insofern offen zutage: Legt man einmal das durchschnittliche Arbeitsentgelt aller Versicherten als Maßstab für die Bewertung solcher Jahre zugrunde, so würde sich auf der 27 Vgl. Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 67 (Rdnr. 191) u n d S. 74 (Rdnr. 211, 214). 28 Sachverständigenkommission, S. 66 (Rdnr. 184); für die Kommission d ü r f te insofern der Kostenfaktor ausschlaggebend gewesen sein, vgl. ebd., S. 74 (Rdnr. 209). 29 Siehe oben, I . Teil, B., Text zu Fn. 5.

2. Kap.: Β. Die „Beitragsäquivalenz" als Maßstab der K r i t i k

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Basis von 1979 ein Zuschlag zur Rente von 26,33 D M für ein Erziehungsjahr ergeben 30 ; das bedeutet bei drei anrechenbaren „BabyJahren" eine Rentenerhöhung u m ca. 80,— DM. Mißt man dagegen die Erziehungsleistung der Eltern am Beitragsaufkommen ihrer Kinder zur gesetzlichen Rentenversicherung ( = „Alterssicherungswert" der Kinder), so erhält man bereits bei einem niedrig angesetzten Einkommen von rd. 2000,— DM/monatlich und einem Beitragssatz von 18 Ό/ο den Betrag von 360,— D M pro Kind. U m diesen Betrag wäre also die Unterhaltsfähigkeit von Kindern erhöht, wären sie nicht zwangsversichert; entsprechend besser stünden die Erziehungspersonen i n einem reinen Unterhaltssystem. Darüber hinaus verdeutlichen die „Baby-Jahr"-Werte, daß das Vorschlagsziel, die niedrigen Frauenrenten signifikant anzuheben, durch diese bescheidene Anrechnung wohl nicht erreicht werden dürfte. Soweit hinter diesen Vorschlägen i m übrigen die Erwartung steht, derartige Zeiten würden bei weiter steigenden Erwerbsbeteiligungen von Frauen ausreichen, um Lücken i n der Versicherungsbiographie zu füllen 3 1 , ist auf fundierte Stellungnahmen zu verweisen, die auf die Problematik solcher Erwartungen aufmerksam gemacht haben. So hat Pappai 32 bereits i m Jahre 1973 dargestellt, daß selbst eine Anrechnung von sechs Versicherungsjahren pro K i n d kaum ausreichend wäre, u m das gewünschte Ziel zu erreichen. I n die gleiche Richtung gehen auch die Bedenken Bleys 33 sowie Krupp!Meinhardts 34 und Kirners 35. I m übrigen hat sich die Erwerbstätigkeitsquote von Frauen insgesamt nicht wesentlich verändert, wie bereits eingangs dieser Untersuchung erörtert wurde 3 6 . I V . Die Finanzierung der Erziehungszeiten durch den Bund

Nahezu alle i n der Öffentlichkeit diskutierten Modelle, die eine Anrechnung von Erziehungszeiten vorsehen, enthalten dazu den Vorschlag, die Kosten dieser Maßnahme seien aus M i t t e l n des allgemeinen Familienlastenausgleichs vom Bundeshaushalt zu tragen 3 7 . Soweit die30

Kirner, DIW-Wochenbericht 1980, S. 215. Vgl. Sachverständigenkommission, Vorschläge, S. 74 (Rdnr. 211); Ρ faff, Einzelgutachten, S. 202. 32 Rentenversicherung 1973, S. 169. 33 SGb 1979, S. 245 ff. 34 W S I - M i t t e i l u n g e n 1979, S. 677 ff. 35 DIW-Wochenbericht 20/1980, S. 215 f. 36 Siehe oben, I. Teil, A . 37 Vgl. ζ. B. Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 76 (Rdnr. 215); Kaltenbach, DAngVers 12/1978 (Sonderheft), S. 20 (DAG-Modell), S. 21 („Regensburger Modell"), S. 27 (FDP-Modell) ; SPD-Vorstand, Programm der zukunftsgerechten Weiterentwicklung der Alterssicherung, Ziff. 38. 31

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I V . Teil: Kindererziehung i n Reformvorschlgen

ser Vorschlag näher begründet wird, ist zu lesen, eine Abwägung der Aufgabenstellung der Solidargemeinschaft und der öffentlichen Hand ergebe, daß es sich bei den Ausgaben für eine Anrechnung von Erziehungszeiten um Leistungen handele, die nicht der Solidargemeinschaft der Rentenversicherung zuzuordnen seien, sondern der Erfüllung von Aufgaben der Allgemeinheit dienten und deshalb vom Bundeshaushalt getragen werden müßten 3 8 ; zum Teil w i r d eine Parallele zum Wehrdienst gezogen 39 . A u f die komplexe Problematik, die durch diesen Finanzierungsvorschlag angeschnitten wird, kann i m einzelnen i m Rahmen dieser A r beit nicht näher eingegangen werden, da dies umfangreiche steuerrechtliche und — wegen der Transferwirkungen — volkswirtschaftliche Überlegungen erfordern würde; so wäre ζ. B. die Frage auf zuwerf en, ob eine Steuerfinanzierung nicht die Ungerechtigkeit, die das Rentensystem hinsichtlich der Kindererziehung aufweist, lediglich i n das Steuersystem verlagert. Denn zwangsläufig würden — nach gegenwärtigem Steuerrecht — die begünstigten Eltern durch ihr eigenes Steueraufkommen zumindest teilweise ihre Begünstigung selbst finanzieren 4 0 , dies insbesondere dann, wenn die diskutierte Rentenbesteuerung Wirklichkeit werden sollte 4 1 . Da zudem die Kosten aus kreislauftheoretischen Gründen — den Erfordernissen des Umlageverfahrens entsprechend — den Rentenversicherungsträgern jeweils i m Wege der Kostenerstattung und damit immer von der erzogenen Generation aufgebracht werden müßten 4 2 , würde dies dazu führen, daß die Kinder der Erziehenden die kinderarmen und kinderlosen Jahrgangsteilnehmer ihrer Eltern insoweit wieder — wie bisher — von dieser Aufgabe entlasten. Diesem i n den Bereich des Steuerrechts hineinragenden wesentlichen Teil der Problematik kann hier i n dieser — rentenrechtlichen — Untersuchung nicht weiter nachgegangen werden. Hier soll vielmehr das Ergebnis der bisherigen Untersuchung als Maßstab zur Beurteilung dieses Finanzierungsvorschlages herangezogen werden. Geht man von dem Charakter der Kindererziehung als monetären Beiträgen gleichwertige Leistung und damit von dem daraus folgenden Prinzip ihrer beitragsäquivalenten Behandlung aus, so zeigt sich, daß 38 Vgl. Sachverständigenkommission, Gutachten, ebd.; SPD-Vorstand, ebd. („Beitrag zur Stärkung der Familie"). 39 Lischke, Rentenversicherung 1978, S. 27 („Regensburger Modell"); vgl. auch Sachverständigenkommission, S. 25 (Rdnr. 41). 40 Vgl. Kaltenbach, DAngVers 12/1978 (Sonderheft), S. 21. 41 Vgl. Arbeitsgruppe „Sozialpolitisches Programm" der SPD, Zukunftsgerechte Weiterentwicklung der Alterssicherung, S. 14. 42 Vgl. Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 76 (Rdnr. 215).

2. Kap. : Β. Die „Beitragsäquivalenz" als Maßstab der K r i t i k

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die vorgeschlagene Finanzierungsweise diesem Maßstab nicht entspricht. Zum Prinzip der Beitragsäquivalenz i n der Sozialversicherung gehört nämlich notwendigerweise, daß Leistung und Gegenleistung innerhalb der homogenen Gruppe der jeweiligen Solidargemeinschaft erbracht werden 4 3 . Dieser Rahmen w i r d durch eine staatliche Finanzierung der Erziehungszeiten jedoch verlassen. Wenn dafür nun das Argument vorgebracht wird, die Berücksichtigung der Kindererziehung sei keine Aufgabe der Solidargemeinschaft der Rentenversicherung, sondern eine Aufgabe der Allgemeinheit, so entspricht dies exakt der traditionell gewachsenen Anschauung, die Kindererziehung auch nur ausnahmsweise i m Rahmen des sozialen Ausgleichs i n der Rentenversicherung berücksichtigt, und geht genau an der Tatsache vorbei, daß Aufgabe der Rentenversicherung die Alterssicherung der Mitglieder der jeweiligen Solidargemeinschaft ist und daß zwingende Voraussetzung dieser Alterssicherung einerseits die monetäre Beitragsleistung, andererseits jedoch die Erziehung von K i n dern ist; der Zusammenhang zwischen Kindererziehung und Alterssicherung ist unmittelbar. Natürlich sind Kinder später nicht nur Garanten der Alterssicherung, sondern auch Steuerzahler und damit Träger allgemeiner gesellschaftlicher und staatlicher Verantwortung. Dieser Aspekt kann es deshalb durchaus rechtfertigen, den Eltern während der Erziehungsphase soviel gesellschaftliche und staatliche Unterstützung wie möglich zukommen zu lassen, darf aber nicht dazu führen, daß Kindererziehung etwa m i t Wehrdienstzeiten gleichgesetzt und damit zur Fremdlast für die Rentenversicherung deklariert wird. Anders als die Kindererziehung ist Wehrdienst nämlich keine natürliche, funktionale Voraussetzung der Alterssicherung und seine Berücksichtigung durch die Solidargemeinschaft deshalb tatsächlich eine Fremdlast, die Erstattung durch den B u n d 4 4 deshalb aufgabengerecht. Solange jedoch keine Volksversicherung und damit ein prinzipieller Unterschied zwischen Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern besteht 4 5 , ist die Berücksichtigung der Kindererziehung bei der Alterssicherung eine originäre, von dem ursprünglichen Sicherungsverband der Familie auf die Rentenversicherung übergegangene Aufgabe der Solidargemeinschaft.

43

Vgl. Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 18. Vgl. § 1389 RVO. 45 Vgl. dazu Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 51 f.; ferner Krause, VSSR 1980, S. 152 ff. 44

13 Bordiert

194

IV. Teil: Kindererziehung i n Reform orschlgen

I m Ergebnis läuft der Finanzierungsvorschlag somit lediglich auf eine Ergänzung des besonderen sozialen Ausgleichs i n der Rentenversicherung durch den allgemeinen staatlichen Familienlastenausgleich hinaus. Überspitzt — um die Gegenposition zu der allzu selbstverständlichen Aufgabenverteilung durch diesen Finanzierungsvorschlag zu verdeutlichen — läßt sich vielleicht sogar sagen, daß durch diese versicherungsexterne Zuordnung die materielle Konnexität zwischen Kindererziehung und Alterssicherung noch weiter aus dem Blickfeld gerückt wird, als dies durch das gegenwärtige Rentensystem bereits geschieht. Gemessen am Maßstab der Beitragsäquivalenz der Kindererziehung ist demnach jedenfalls auch dieser Finanzierungsvorschlag als dem System der Rentenversicherung — von seiner Aufgabenstellung aus betrachtet — materiell inadäquate und deshalb nicht leistungsgerechte Form der Berücksichtigung der Kindererziehung abzulehnen. V. Ergebnis

Als Ergebnis ist festzuhalten, daß die untersuchten Modelle dem Anspruch einer leistungsgerechten Bewertung der Kindererziehung i m Rentenrecht nicht genügen.

C. Probleme der Modellverwirklichung Wenn auch die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, daß die gegenwärtig diskutierten Modelle bereits i m Ansatz keine befriedigende Lösung des Problems der rentenrechtlichen Berücksichtigung der Kindererziehung beinhalten, sollen hier dennoch — i n wohl realistischer Einschätzung des Reformverlaufs — vorsorglich einige Probleme skizziert werden, die bei einer Integration der jeweiligen Modellvorstellungen i n das gegenwärtige Rentenrecht entstünden 1 . I . Die Vorschläge zur Bedarfsrente

Eine Erörterung der Vorschläge, die die gegenwärtige Regelung der Erziehungsrente auf den Hinterbliebenenfall generell ausdehnen wollen, erübrigt sich, da insoweit inhaltlich voll auf die entsprechenden Ausführungen i m zweiten Teil dieser Arbeit verwiesen werden kann. 1 Dabei beschränkt sich die Untersuchung ausschließlich auf die m i t der Problematik der Erziehung verbundenen Fragen; zur konzeptionellen K r i t i k an den Modellen insgesamt vgl. ζ. B. Krupp/Meinhardt, WSI-Mitteilungen 1979, S. 669 ff.; Kirner, DIW-Wochenbericht, 14/1979; Kirner/Krupp, DIWWochenbericht, 40—41/1979; Bley, SGb 1979, S. 245 ff.

2. Kap.: C. Probleme der Modellverwirklichung

195

Es sei lediglich wiederholt, daß die Konstruktion der Erziehungsrente systemwidrig und i m einzelnen so widersprüchlich ist, daß sie letztlich durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. I m übrigen deutet die bisherige Erfahrung mit dieser Rente darauf hin, daß sie zur Erfüllung des mit ihr verfolgten sozialen Sicherungszweckes nicht geeignet ist. Die genannten drei Modelle und der entsprechende Minderheitsvorschlag der Sachverständigenkommission scheiden deshalb von vornherein aus dieser Untersuchung aus. Bei den beiden Kombinationsmodellen, die ebenfalls die Bedarfssituation „Erziehung" bei hinterbliebenen Elternteilen, jedoch als abgeleitete Sicherung 2 berücksichtigen wollen, liegt insoweit auf der Hand, daß eine entsprechende Korrektur der Erziehungsrente dann unumgänglich wäre. I I . Die Vorschläge zur Anrechnung von Beitragszeiten

Hinsichtlich der vorgeschlagenen Anrechnung der Kindererziehungszeiten als Beitrags jähr e ist bereits auf den Widerspruch hingewiesen worden, der darin liegt, daß die Bedarfsrente i m Falle der Kindererziehung bis zum 18. bzw. 15. Lebensjahr des Kindes gezahlt werden soll, während Erziehungszeiten generell nur bis zu drei Jahren, unter Umständen pro Kind, angerechnet werden sollen. Das heißt, daß diese Vorschläge einerseits eigentlich von einer Unzumutbarkeit der Erwerbstätigkeit ausgehen, andererseits aber die Erwartung äußern, daß Frauen nach Ablauf von drei Jahren wieder arbeiten sollen 3 . I m übrigen ist darauf aufmerksam zu machen, daß m i t einer Bewertung auf der Basis von 75 °/o bzw. 100 °/o des Durchschnittsentgelts neben die Schwangerschafts- und Wochenbett-Ausfallzeitenregelung auf der Basis des individuellen Versicherungsverlaufs und die Beitragszeiten-Regelung nach dem Mutterschutzgesetz auf der Berechnungsgrundlage von 750,— D M somit eine dritte unterschiedliche A n rechnung letztlich kausal verwandter Zeiten treten würde 4 . Da die Anrechnung dieser Jahre nicht i n Form einer pauschalen Verlängerung der Versicherungszeiten, sondern konkret auf das Lebensalter des Kindes bezogen wird, ergibt sich hier i m übrigen insbesondere das Problem, ob das Einkommen von D M 750,— nach dem Mutterschutzgesetz insoweit wie Einkommen aus Erwerbstätigkeit zu behandeln ist. Diese Problematik vermeidet das Niedersachsen-Modell, das aus2 So jedenfalls die Mehrheit der Mitglieder der Sachverständigenkommission, vgl. S. 66 (Rdnr. 184,185). 3 Siehe auch oben, I V . Teil, 2. Kap. B. I I . Fn. 12. 4 Z u dieser Problematik siehe oben, I I . Teil, 3. Kap. B. I I I .

13*

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I V . Teil: Kindererziehung i n Reform orschlgen

drücklich gegenüber den Mutterschutzregelungen subsidiär ausgestaltet ist. Dagegen ist diese Frage beim „Regensburger Modell" — weil längere Zeit vor der neuen Mutterschutzregelung entwickelt — unberücksichtigt. Dem Grundgedanken des Modells entsprechend, w i r d man jedoch sagen können, daß die Inanspruchnahme des bezahlten Mutterschaftsurlaubs wegen des damit verbundenen Kündigungsschutzes keinen Verzicht auf eine Erwerbstätigkeit darstellt und somit zu einer entsprechenden Minderung der Anrechenbarkeit führt. Problematisch erscheint beim „Regensburger Modell" dagegen das Zusammentreffen der Beitragszeiten-Anrechnung m i t den Zeiten des Bezugs einer Bedarfsrente. Zwar sind die Vorstellungen i n dieser H i n sicht ziemlich vage 5 , aber anscheinend schwebt den Autoren das Modell der Erziehungsrente für die Ausgestaltung vor. I n diesem Falle wäre jedoch ein Zusammentreffen von Ausfallzeiten- (aus der Erziehungs-Bedarfsrente) und Beitragszeiten-Anrechnung (aus der K i n dererziehung) wahrscheinlich 6 . A l l e i n der Umstand der Kindererziehung würde also doppelt berücksichtigt. Diese Kumulation 7 aber ist sozialpolitisch unvertretbar. Das gleiche Problem würde sich übrigens, wenn auch wegen der begrenzten Zahl der anrechenbaren Beitrags jähre sozialpolitisch weniger kraß, auch bei der von der Minderheit der Kommissionsmitglieder vorgeschlagenen Teilhaberente für den Erziehungs-Bedarfsfall ergeben 8 .

5

Vgl. oben, I V . Teil, 1. Kap. B. I I I . Z u r Rentenberechnung i n diesen Fällen siehe oben, I I . Teil, 3. Kap. B. I I I . , Text zu Fn. 56. 7 Siehe hierzu die Ausführungen i m I I . Teil, 3. Kap. B. I I I . 8 Vgl. Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 67 f. (Rdnr. 188). 6

Fünfter

Teil

Die Suche nach Alternativen Das „Modell" der Beamtenversorgung, die Berücksichtigung der Kindererziehung in der DDR, das „Modell Elternrente" sowie die Vorschläge der Staffelung der Rentenbeiträge nach Kinderzahl (v. Nell-Breuning, Schmidt-Kaler)

Vom Standpunkt einer gerechten Berücksichtigung der Kindererziehung sind die gegenwärtigen sozialpolitischen Perspektiven der Reform als unbefriedigend zu beurteilen. Das macht die Suche nach weiteren Lösungsmöglichkeiten erforderlich. Dafür bietet es sich an, zunächst real existierende Sicherungssysteme der Bundesrepublik und anderer Staaten auf verwendbare Regelungen oder zumindest Anregungen hin zu untersuchen. Ausgehend von erziehungsrelevanten Besonderheiten i m Recht der Beamtenversorgung werden deshalb nachfolgend spezifische Regelungen des Rentensystems der DDR und die Elternrechte aus dem Bereich der Unfallversicherung untersucht. Zu erörtern bleiben schließlich noch die Vorschläge eines nach Kinderzahl gestaffelten Beitragssystems, die aus dem Rahmen der gegenwärtigen Reformdiskussion herausfallen.

A. Die Berücksichtigung der Kindererziehung im Recht der Beamtenversorgung Wenn auch das Recht der Beamtenversorgung nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts 1 ein mit dem Sozialrecht (im Hinblick auf A r t . 3 Abs. 1 GG) nicht vergleichbares Rechtsgebiet darstellt, ist es m i t dem Zweck dieser rechtsvergleichenden Betrachtung, nämlich Anregungen für das Recht der Rentenversicherung zu gewinnen, jedoch gleichwohl vereinbar, es auf spezifische Ausprägungen hin zu untersuchen.

1 Vgl. BVerfGE 21, S. 329 (352); 39, S. 169 (185); BSG FamRZ 1978, S. 104 (109).

198

V . T e i l : Die Suche nach Alternativen I. Die Regelungen

Tatsächlich enthält das Beamtenversorgungsrecht mit der Mindestpension, der Möglichkeit der Arbeitszeitermäßigung bzw. Beurlaubung während Erziehungszeiten und der Staffelung des für die Bewertung der Dienst jähre maßgeblichen Steigerungsquotienten Regelungen, die einzeln und kombiniert interessante Aspekte hinsichtlich denkbarer Formen der Berücksichtigung der Kindererziehung eröffnen.

1.

Mindestpension

Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 BeamtenVG w i r d jedem Beamten, der Anspruch auf ein Ruhegeld hat, d. h., der eine Mindestdienstzeit von fünf Jahren 2 und die — gleich lange — Wartezeit 3 abgeleistet sowie die Altersgrenze 4 erreicht hat, unabhängig von den tatsächlich erreichten ruhegehaltfähigen Dienstbezügen und Dienst jähren eine M i n destversorgung i n Höhe von 65 °/o der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge aus der Endstufe der Besoldungsgruppe A 3 gewährt. Zur Zeit (1979) errechnet sich die Höhe dieser Garantieversorgung m i t 748,09 DM. Bei Ruhestandsbeamtinnen erhöht sich diese Mindestpension noch um 45,— D M 5 . Damit liegt der Betrag dieser Mindestpension erheblich über den Leistungen der Versichertenrenten an Frauen, die dafür mindestens 15 Jahre lang versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein müssen 6 . 2. Die Möglichkeit bzw. Beurlaubung

der Arbeitszeitermäßigung während Erziehungszeiten

Ein Beamter — oder eine Beamtin —, der/die mindestens ein K i n d unter 18 Jahren zu betreuen hat, kann eine Reduzierung der regelmäßigen Arbeitszeit bis auf die Hälfte oder eine Beurlaubung ohne Dienstbezüge bis zu drei Jahren m i t der Möglichkeit der Verlängerung beantragen; die entsprechenden Zeiten sollen zusammen eine Dauer von 15 Jahren, Beurlaubungen allein eine Dauer von 6 Jahren nicht überschreiten 7 . 2

§ 4 BeamtenVG. § 28 BRRG. 4 §25 BRRG. 5 § 14 Abs. 1 Satz 4 BeamtenVG und Anlage I V zum Bundesbesoldungsgesetz. 6 I m Rentenzugang 1978 ζ. B. betrugen die Versichertenrenten an Frauen i m Durchschnitt i n der Angestelltenversicherung rd. 499,— DM, i n der A r b e i terrentenversicherung rd. 273,— D M , vgl. Kaltenbach, DAngVers 1980, S. 78. 3

Α. Erziehung i m Recht der Beamtenversorgung

199

Allerdings werden Beurlaubungen bei der Dienstzeitberechnung außer Betracht gelassen 8 ; auch die Kürzung der Arbeitszeit w i r k t sich nachteilig auf die ruhegehaltfähige Dienstzeit aus, da als Ausgleich für die geringere Arbeitsleistung die Dienstzeit i n entsprechendem Verhältnis herabgesetzt w i r d 9 . 3. Die Staffelung

des Steigerung s quotient en

Wegen der Besonderheit der Berechnung des Ruhegehaltes von Beamten fallen diese Lücken jedoch i m Regelfall nicht ihrer tatsächlichen Dauer entsprechend ruhegehaltmindernd ins Gewicht. Denn die Höhe des Ruhegehaltes ist je nach Dauer des Beamtenverhältnisses gestaffelt und beträgt bis zur Vollendung einer 10jährigen Dienstzeit 35 °/'o der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge; i n jedem weiteren Dienstjahr erhöht sich dieser Satz um 2 °/o, nach Vollendung des 25. Dienstjahres jedoch nur noch um 1 °/o. Dies hat zur Folge, daß Beamten bereits nach 35 Dienst jähren das M a x i m u m von 75 °/o des zuletzt gezahlten Gehaltes zusteht 10 . Eine darüber hinausgehende Dienstzeit hat insofern keine ruhegehaltsteigernde W i r k u n g mehr.

I I . Die Bedeutung dieser Regelungen für die Berücksichtigung der Kindererziehung

1.

Mindestpension

Die Mindestpension ist erziehungsunspezifisch ausgestaltet. Ihre Bedeutung für die Altersversorgung, insbesondere für lange Zeit m i t Betreuungsaufgaben belastete Elternteile, erschließt sich jedoch deutlich, wenn man sich das Beispiel der Erziehungsrente i n Erinnerung ruft. Dort nämlich war zu sehen, daß insbesondere lange Zeiten betreuender Verantwortung gegenüber Kindern den Altersrentenanspruch von Elternteilen insgesamt gefährden oder zumindest sehr nachteilig beeinflussen können. 2. Sonderurlaub,

Arbeitszeitermäßigung

Angesichts der zur Zeit außerordentlich angespannten Arbeitsmarktlage ist auch die Möglichkeit der status- und arbeitsplatzerhaltenden 7 §48 a Abs. 1 B R R G i. d. F. des D r i t t e n Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften v o m 10. 5.1980 (BGBl. I S. 561). 8 § 6 Abs. 1 Ziff. 5 BeamtenVG. 9 § 6 Abs. 1 Satz 3 BeamtenVG. 10 Vgl. § 14 Abs. 1 BeamtenVG.

200

V. Teil: Die Suche nach Alternativen

Sonderurlaubsregelung als wertvolle Hilfe für viele i m Rollenkonflikt zwischen Erwerbstätigkeit und Elternschaft stehende Personen anzusehen. Die Inanspruchnahme setzt allerdings voraus, daß der/die Berechtigte während dieser Zeit der vor allem durch den Nachwuchs erhöhten, auch finanziellen Belastung ausreichend versorgt ist. Das w i r d jedoch vor allem bei alleinerziehenden Elternteilen häufig nicht der Fall sein. Besondere Bedeutung kommt deshalb der Regelung der Arbeitszeitermäßigung zu, denn diese bietet eine zur Lösung des Rollenkonflikts i n diesen Fällen hilfreiche Möglichkeit an. 3. Steigerung s quotient I m Hinblick auf die spätere Altersversorgung findet diese Berücksichtigung der Betreuungszeit selbst i m Berechnungsmodus der Beamtenversorgung ihre sinnvolle Ergänzung, da angesichts der m i t 35 Dienst jähren zu erreichenden Endhöhe der Versorgung — wobei i m übrigen sogar noch weitere Zeiten, wie ζ. B. Ausbildungs- und Wehrdienstzeiten anrechenbar sind — i n den meisten Fällen eine altersversorgungsmindernde W i r k u n g selbst längerer Sonderurlaubs- bzw. Teilzeitbeschäftigungszeiten nicht eintreten wird. I I I . Übertragbarkeit in das System der Rentenversicherung

1. Mindestrente Die Einführung einer Mindestrente i n Anlehnung an die Sockelrente der „kaiserlichen Sozialversicherung", i m Gegensatz zu dieser aber mit einer Bedürfnisprüfung verbunden, war bei den Beratungen zur Rentenreform des Jahres 1957 eine Forderung der FDP, scheiterte aber am Widerstand der CDU/CSU, SPD und DP. Während von Seiten der CDU/CSU und DP der Vorschlag aus systematischen und versicherungsprinzipiellen Gründen abgelehnt wurde, vertrat für die SPDFraktion der Abgeordnete Dr. Schellenberg die Ansicht, das FDPModell laufe auf eine allgemeine Staatsbürgerversorgung hinaus; i m übrigen gefährde die Einführung einer Bedürfnisprüfung das Fundament der Rentenversicherung, den unbedingten Rechtsanspruch auf die Leistung. Schließlich meinte er, die Bedürfnisprüfung bedinge einen Aufwand, der verwaltungstechnisch überhaupt nicht zu bewältigen sei 11 . Der FDP-Abgeordnete Dr. Hammer entgegnete dieser Stellungnahme, die Fixierung auf versicherungsmathematische, metho11 Vgl. die Protokolle der 2. Lesung des A r V N G bei Richter, Bd. 2, S. 422—426.

Sozialreform,

Α. Erziehung i m Recht der Beamtenversorgung

201

dische und systematische Prinzipien verletze den Grundsatz, „daß das System aufhört vor der sozialen Aufgabe" 1 1 . Wenn auch die Einfügung einer Mindestrente aus den geschilderten Gründen unterblieb, sah sich der Gesetzgeber bei der Rentenreform des Jahres 1972 jedoch i n Anbetracht der äußerst unbefriedigenden Rentenhöhe vieler alter Menschen, insbesondere von Frauen, veranlaßt, die sog. Rente nach Mindesteinkommen einzuführen 1 2 . Denn trotz langjähriger, einkommensgerechter Beitragsentrichtung kamen vor allem Frauen, die niedrig bewertete und gering entlohnte Tätigkeiten ausgeübt hatten, nach der entgeltbezogenen Rentenformel nur i n den Genuß einer Rente, die unter oder nur wenig über den Sozialhilfesätzen lag 1 3 . Bei der Rente nach Mindesteinkommen w i r d die Rente von Versicherten, die mindestens 25 Jahre lang pflichtversichert gewesen sind, auf den Wert von 75 Ό/ο der allgemeinen Bemessungsgrundlage angehoben, wenn ihre persönliche Bemessungsgrundlage i n den vor dem 1. Januar 1973 liegenden Pflichtbeitragszeiten diesen Wert nicht erreichte 14 . Die Rente nach Mindesteinkommen beinhaltet somit einen „Härteausgleich" für die Lohndiskriminierung der Vergangenheit 15 . Diese Rentenleistung ist — i m Gegensatz zu den FDP-Vorstellungen bei der Rentenreform des Jahres 1957 — nicht von einer Bedürfnisprüfung abhängig gemacht worden. Da sie vor allem Frauen zugute kommt, bei denen meistens auch die Kinderbetreuung ein ausschlaggebender Grund ihrer niedrigen Rentenhöhe ist, gewinnt sie durchaus als Ausgleich der dadurch verursachten Nachteile eine gewisse Bedeutung. Von der Mindestpension der Beamtenversorgung unterscheidet sie jedoch zum einen die Höhe, zum anderen die Voraussetzung der langjährigen Versicherungszugehörigkeit. I m Gegensatz zur Mindestpension kommt sie also gerade dem besonders lange m i t Betreuungsaufgaben bei gleichzeitigem Verzicht auf Erwerbstätigkeit befaßten Elternteil nicht zugute. Sie zeigt jedoch, daß grundsätzlich jedenfalls i m Rahmen des sozialen Ausgleichs i n der Rentenversicherung eine das Prinzip der Äquivalenz durchbrechende Mindestrente möglich erscheint. Hinzuweisen ist i n diesem Zusammenhang darauf, daß nun auch die SPD i n ihrem Programm zur Rentenreform des Jahres 1984 eine bedarfsorientierte Mindestrente vorschlägt, die m i t einer Einkommens12

A r t . 2 § 55 a, b A r V N G (BGBl. I S. 1965). BT-Drucks. VI/2584, S. 4. 14 Vgl. Verbandskommentar, Bd. I I I , A r t . 2 § 55 a A r V N G , A n m . 2, 3 u n d A r t . 2 § 55 b, A n m . 2 ff.; vgl. auch Gitter, 50. DJT, Teilgutachten Sozialrecht, D 125. 15 WSI-Studie, Die Lebenslage älterer Menschen i n der BRD, S. 125. 13

202

V. Teil: Die Suche nach Alternativen

a n r e c h n u n g v e r b u n d e n sein s o l l u n d d e r e n K o s t e n n i c h t v o n d e r S o l i d a r g e m e i n s c h a f t d e r R e n t e n v e r s i c h e r t e n finanziert w e r d e n soll, sond e r n aus E i n s p a r u n g e n , die L ä n d e r n u n d G e m e i n d e n b e i der S o z i a l h i l f e entstehen16.

2. Sonderurlaub,

Teilzeitarbeit

und

Steigerungsquotient

D i e S o n d e r u r l a u b s - u n d T e i l z e i t a r b e i t s r e g e l u n g selbst i s t d i e n s t rechtlicher, n i c h t v e r s o r g u n g s r e c h t l i c h e r N a t u r . N u r i n V e r b i n d u n g m i t d e r S t a f f e l u n g des S t e i g e r u n g s q u o t i e n t e n e r h a l t e n diese Z e i t e n i h r e besondere B e d e u t u n g als F o r m d e r B e r ü c k s i c h t i g u n g d e r K i n d e r erziehung. D i e Ü b e r n a h m e dieser R e g e l u n g i n das S y s t e m d e r R e n t e n v e r s i c h e r u n g i n seiner g e g e n w ä r t i g e n A u s g e s t a l t u n g i s t jedoch n i c h t m ö g l i c h , da sie das P r i n z i p der R e n t e n f o r m e l 1 7 d u r c h b r i c h t . B e i d e r B e r e c h n u n g der R e n t e n w i r d n ä m l i c h d e r D u r c h s c h n i t t des gesamten Versicherungslebens e r m i t t e l t 1 8 . 16 Vgl. SPD-Vorstand, E n t w u r f eines Programms zur zukunftsgerechten Weiterentwicklung der Alterssicherung, Ziff. 14, 39 (beschlossen auf dem A u ßerordentlichen Parteitag i n Essen am 9./10. J u n i 1980, vgl. „Der Tagesspiegel" v o m 11. J u n i 1980). 17 Vgl. §§ 1253 ff. RVO; danach w i r d die Jahresrente wie folgt ermittelt: P x B x J x S = Jahresrente (P = persönliche Bemessungsgrundlage, prozentuales Verhältnis von individuellem Arbeitsentgelt u n d durchschnittlichem Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten; Ρ dient dazu, daß sich die relative Einkommensposition des Rentners, i n der er sich während des Arbeitslebens befand, auch i n der relativen Höhe seines Altersruhegeldes widerspiegelt (das ist die individuelle Komponente der Lohnersatzfunktion der Rente). J = Zahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjähre (Beitrags-, Ersatz-, Ausfall- u n d Zurechnungszeiten). S = v o m Gesetzgeber festgelegter, nach den verschiedenen Rentenarten zwischen 1 u n d 1.5 differierender Satz der persönlichen Bemessungsgrundlage pro anrechnungsfähigem Versicherungsjahr; S beträgt beim Altersruhegeld u n d bei der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit 1,5%; dies bewirkt, daß sich bei 40 anrechnungsfähigen Jahren die Rente auf 6 0 % des Lebensarbeitseinkommens beläuft. Β = allgemeine Bemessungsgrundlage, gleitender Durchschnitt der durchschnittlichen Bruttoarbeitsentgelte aller V e r sicherten während des Dreijahreszeitraums vor dem Kalenderjahr, das dem Renteneintritt vorausgegangen ist. Durch Β werden die Renten über die E n t wicklung des Arbeitseinkommens — die Durchschnittsbildung w i r k t schwankungsglättend u n d ggf. auch antizyklisch — an die allgemeine Wirtschaftsbzw. Einkommensentwicklung u n d damit Produktivitätsentwicklung angebunden. M i t dem 21. R A G wurde allerdings die Rentendynamik für die nächsten drei Jahre von der tatsächlichen allgemeinen Lohnentwicklung abgekoppelt. Die Renten werden 1979 u m 4,5 % u n d 1980 u n d 1981 (jeweils zum 1. Januar u n d nicht — wie bisher — zum 1. Juli) u m 4 % erhöht. A b 1982 sollten die Renten wieder entsprechend der Lohnentwicklung der V o r j a h r e angepaßt werden.) (Nach Rürup, Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament", Β 27/79, 7. J u l i 1979, S. 23 Fn. 3). 18 Anders ζ. B. i n Österreich, wo bestimmte Referenzzeiten zur E r m i t t l u n g des rentenmaßgeblichen Arbeitseinkommens herangezogen werden, vgl. v. Maydell, Die soziale Alterssicherung, Einzelgutachten, S. 22.

Α. Erziehung i m Recht der Beamtenversorgung

203

3. Ergebnis Aus dem Recht der Beamtenversorgung kommt somit allein die Regelung der Mindestpension als übertragbare Form der Berücksichtigung der Kindererziehung für das Recht der Rentenversicherung i n Betracht. I m übrigen lassen sich die erziehungsrelevanten Besonderheiten der Beamtenversorgung, die i n ihrer Ausgestaltung deutliche Anklänge an duale Alterssicherungssysteme m i t einer Kombination aus Staatsbürgergrundversorgung mit sozialversicherungsrechtlich ausgestalteter Zusatz Versorgung erinnert 1 9 , nicht — jedenfalls nicht unverändert — in das Gefüge der gesetzlichen Rentenversicherung einbauen.

I V . Beurteilung der Anregungen anhand des Maßstabes der Beitragsäquivalenz der Kindererziehung

1. Mindestrente

für Eltern

Wie das Beispiel der Erziehungsrente gezeigt hat, würde die Einführung einer Mindestrente die besonders krassen Folgen gerader langer Zeiten der intensiven betreuerischen Verantwortung gegenüber K i n dern mildern, indem sie als vorrangige Leistung der Sozialversicherung diesen nachteilig betroffenen Personen den Gang zum Sozialamt ersparen würde. Die Vorzüge einer derartigen Regelung sind also insoweit i n erster Linie an den zwischen einer sozialversicherungsrechtlichen Mindestversorgung und den Leistungen der Sozialhilfe zum Lebensunterhalt bestehenden Unterschieden zu messen. Daneben allerdings stellt sich die Frage, ob die Einrichtung einer Mindestversorgung, selbst wenn man sie ausschließlich auf Eltern beschränkt, der gesellschaftsbezogenen Leistung der Kindererziehung gerecht wird. Für die Beurteilung der Vorzüge einer Mindestrente gegenüber den Leistungen der Sozialhilfe ist dabei davon auszugehen, daß die Leistungsbeträge der Mindestrente nicht wesentlich über dem Niveau der Sozialhilfe liegen dürften, da ansonsten das am Lohn ausgerichtete, 19 Vgl. so ζ. B. das schwedische u n d das holländische System, v. Maydell, Die soziale Alterssicherung, Einzelgutachten, S. 60 ff., 65 ff.; gegen eine Umgestaltung des deutschen Alterssicherungssystems i n ein System der Staatsbürgerversorgung bestehen nach überwiegender Ansicht keine grundlegenden, insbesondere keine verfassungsrechtlichen Hindernisse, vgl. H. Bogs, Die Sozialversicherung i m Staate der Gegenwart, S. 619 ff. m i t Nachweisen zum Meinungsstand. V o m Standpunkt einer gerechten Berücksichtigung der K i n dererziehung aus betrachtet, enthalten jedoch die Systeme Schwedens u n d Hollands keine brauchbaren Lösungsansätze, vgl. v. Maydell, ebd., S. 76 ff.

204

V. Teil: Die Suche nach Alternativen

leistungsdefinierte System der gesetzlichen Rentenversicherung durchbrochen würde. Klammert man einmal die — für die alten Mitbürger allerdings sicher wesentlichen — Aspekte wie Wege und Treppen, Laufereien i m Sozialamt, lange Wartezeiten, Routineabfertigung, umfangreiche und komplizierte Antragsformalitäten („Papierkrieg") aus 20 , so stellt — abgesehen vielleicht von ihrer Unkenntnis über ihnen zustehende Ansprüche — den für alte Leute entscheidenden Nachteil der Sozialhilfe ihre Subsidiarität dar, soweit diese mit der Heranziehung unterhaltspflichtiger Angehöriger und der Prüfung der Bedürftigkeit verbunden ist 2 1 . Die Unterhaltspflicht ihrer Kinder oder auch nur die Befürchtung, diese könnten zur Unterhaltsleistung herangezogen werden, hält viele sozialhilfeberechtigte alte Menschen von der Inanspruchnahme dieser Leistungen ab 2 2 . Allerdings heißt das nicht, daß der gegenüber der Konstruktion einer Mindestrente einfachere Weg einer Aufhebung der Unterhaltspflicht der Kinder gegenüber den Eltern eine der Mindestrente gleichkommende Verbesserung bringen würde 2 3 . Denn die Gewährung von Sozialhilfe ist gleichzeitig abhängig von der mit behördlicher Kontrolle verbundenen Bedarfsprüfung 24 . Bedarf besteht jedoch nur, wenn die Alten nicht selbst, ζ. B. aufgrund ihrer Vermögensverhältnisse, i n der Lage sind, sich selbst zu helfen 2 5 . Sozialhilfe würde also — neben behördlicher Überprüfung — die Verwertung des Vermögens voraussetzen, welches die alten Menschen lieber ihren Kindern hinterlassen möchten. Der Effekt der Bedarfsprüfung ist somit ähnlich wie die potentielle Heranziehung der Kinder zu Unterhaltsleistungen 26 . Diese wenigen 2 7 — hier nur kurz skizzierten — Nachteile zeigen bereits, daß die Einrichtung einer Mindestrente gegenüber dem gegenwärtigen Rechtszustand, grundsätzlich jedenfalls, vorteilhafter erscheint. Dennoch ist eine Mindestrente, selbst wenn man sie ausschließlich auf Eltern beschränken wollte, unter Berücksichtigung des eigenstän20 Vgl. dazu Theorie u n d Praxis der Sozialhilfe, Schriftenreihe des B M J F G , Bd. 56, S. 18, 24. 21 Vgl. §§ 2, 90, 91 BSGH. 22 Theorie u n d Praxis der Sozialhilfe, S. 23, 139; angesichts der hohen D u n kelziffer der an sich sozialhilfeberechtigten, aber nicht -beziehenden alten Menschen, würde eine Mindestrente w o h l k a u m allein aus den Einsparungen der Länder u n d Gemeinden zu finanzieren sein, wie dies die S P D - E r w a r t u n gen zum Ausdruck bringen (vgl. vorstehende Fn. 16). 23 I m B S H G ist die Unterhaltspflicht bereits jetzt auf Verwandte ersten Grades beschränkt, § 91 Abs. 1 BSGH. 24 Vgl. §§ 2 f. BSHG. 2 * Vgl. §§ 2, 88 BSHG. 26 Theorie u n d Praxis der Sozialhilfe, S. 23. 27 Vgl. zu weiteren Aspekten: Theorie u n d Praxis der Sozialhilfe, S. 15 ff.

Β . Kindererziehung i m Rentensystem der DDR

205

digen Wertes der Kindererziehung abzulehnen, da sie nur solange zur Geltung kommen würde, als sie nicht von beitragsäquivalenten Renten aufgesogen würde. Das beinhaltet diesen gegenüber jedoch eine relative Abwertung der Kindererziehungsleistungen, die m i t ihrem beitragsäquivalenten Charakter unvereinbar erscheint. 2. Der Gedanke

eines speziellen

„Erziehungssteigerwigssatzes"

Wenn auch der gestaffelte Steigerungsquotient der Beamtenversorgung selbst i n dieser Form nicht i n das System der Rentenversicherung übertragen werden kann, stellt sich jedoch die Frage, ob nicht vielleicht neben dem BU- und dem EU-/bzw. Altersrentensteigerungsgrundsatz ein spezieller, höherer Steigerungssatz für Eltern eine Lösungsmöglichkeit darstellen könnte. Das ist jedoch nicht der Fall. Ein derartiger Steigerungssatz würde zwar die Rente von Eltern bzw. Elterteilen erhöhen und wäre somit prinzipiell auch geeignet, zum einen erziehungsbedingte Lücken i n der Versicherungsbiographie i n ihren Auswirkungen abzumildern und zum anderen gleichzeitig auch die Doppelleistung einer Erwerbstätigkeit + Erziehung zum Ausdruck zu bringen; ein derartiger Steigerungssatz würde i m Ergebnis die Erziehungsleistung jedoch unterschiedlich, je nach der Höhe des erzielten Einkommens, bewerten. Die Höhe des Elterneinkommens kann jedoch keinen Maßstab für den Wert der Kindererziehung darstellen, diese kann vielmehr nur allgemein und gleich bewertet werden. Denn der Wert der Erziehungsleistung kommt letztlich i m Alterssicherungswert der jeweiligen K i n der, d. h. i n ihrem Beitragsaufkommen zur gesetzlichen Rentenversicherung, zum Ausdruck. Da es kaum möglich erscheint, diesen i n jedem Einzelfalle jeweils individuell zu berechnen, kommt nur eine typisierende Betrachtungsweise zur Bewertung als Möglichkeit in Frage 2 8 . B. Berücksichtigung der Kindererziehung im Rentensystem der D D R 1 Seit dem alarmierenden Geburtenrückgang i m Jahre 1972 gelten die besonderen Anstrengungen der verantwortlichen Sozial- und Fa28

Siehe hierzu unten, V. Teil, D. I I I . Eine auffallende Ähnlichkeit m i t den Regelungen der D D R weist noch das französische Sozialsystem auf, vgl. v. Maydell, Die soziale Alterssicherung, Einzelgutachten, S. 37 ff., 44, 77 f. Deshalb w i r d hier auf eine gesonderte Behandlung der französischen Sicherungsformen verzichtet. I m europäischen Bereich böte sich darüber hinaus einzig noch Großbritannien als L a n d m i t einem differenzierten Ansatz der Berücksichtigung von Erziehungsjähren an, 1

206

V. Teil: Die Suche nach Alternativen

milienpolitiker der DDR gebündelten Maßnahmen zur Induktion eines Geburtenanstiegs 2 . Tatsächlich spiegelt der Verlauf der Geburtenkurve signifikante Reaktionen der Geburtenentwicklung auf Maßnahmen i n den Jahren 1972 und 1976/77 wider 3 .

I. Die Regelungen

Die i m Rahmen des pronatalistischen Maßnahmenkataloges zusätzlich zu den bereits bestehenden Ausgestaltungen entwickelten, vielfältigen Formen der Berücksichtigung der Mutterschaft und Erziehung finden ihre Ergänzung i n den folgenden — vergleichsweise zur Bundesrepublik — großzügigen rentenrechtlichen Regelungen. Auch i m Rentensystem der DDR 4 besteht ein Anspruch auf Altersrente grundsätzlich erst nach mindestens 15jähriger versicherungspflichtiger Tätigkeit und Erreichen der Altersgrenze (Männer 65, Frauen 60 Jahre) 5 . Frauen, die mehr als zwei Kinder geboren und erzogen haben, erhalten für das dritte und jedes weitere K i n d für je vier Betreuungsjähre jeweils ein Jahr auf die Wartezeit angerechnet, wenn sie eine Mindestversicherungszeit von fünf Jahren nachweisen 6 . Seit dem 1. J u l i 1973 besteht für Frauen, die fünf und mehr Kinder geboren haben, Anspruch auf eine Alters- oder Invalidenrente auch ohne eigene Versicherungszeiten; seit dem 1. Dezember 1976 beträgt ihre Höhe monatlich 230,— Mark 7 . Die spezifischen Nachteile, die i n der Versicherungsbiographie von Frauen durch Mutterschaft, Kindererziehung und früheren Rentenbeginn entstehen, sollen schließlich durch besondere Regelungen bei der vgl. v. Maydell, ebd., S. 51; diese Regelung, die an die alte deutsche Bedingung der Erhaltung der Anwartschaft erinnert, soll jedoch nur die G r u n d sicherung der Erziehungsperson erhalten u n d enthält i n keiner Weise Aspekte einer äquivalenten Berücksichtigung der Kindererziehung, vgl. v. Maydell, ebd., S. 74. 2 Dazu vgl. i m einzelnen Mitzscherling, Z w e i m a l deutsche Sozialpolitik, S. 56 ff., u n d Vortmann, DIW-Wochenbericht 1978, S. 210 ff. 3 Vgl. Vortmann, ebd., S. 230. 4 Vgl. zum System sozialer Sicherung, das auch i n der DDR durch die Sozialversicherung geprägt ist, v. Maydell, Die soziale Alterssicherung, E i n zelgutachten, S. 15 ff. 5 Vgl. Mitzscherling, Z w e i m a l deutsche Sozialpolitik, S. 74. 0 Ebenso wie Frauen, die wegen eines dauernd pflegebedürftigen Angehörigen nicht arbeiten konnten, vgl. Mitzscherling, Z w e i m a l deutsche Sozialpolitik, S. 74; siehe auch v. Maydell, ebd., S. 19. 7 Es verdeutlicht die relative Höhe dieser Leistung, daß i n der DDR infolge der niedrigen Beitragsbemessungsgrenze bei 50 Versicherungs jähren n u r eine Höchstrente von 410,— M a r k monatlich (1977) erreicht werden kann, vgl. Mitzscherling, S. 75.

Β. Kindererziehung i m Rentensystem der D D R

207

Ermittlung der für die Rentenberechnung wichtigen Versicherungszeiten ausgeglichen werden: Frauen erhalten danach für jedes vor Rentenbeginn geborene oder jedes vor Vollendung des 8. Lebensjahres — an Kindes Statt angenommene Kind, — aufgenommene Stiefkind und jedes uneheliche K i n d (nach dem Tode der Mutter) und jedes — aufgenommene Pflegekind, wenn später die Annahme an Kindes Statt erfolgte, eine „Zurechnungszeit" von einem Jahr 8 . Darüber hinaus werden Frauen i n Abhängigkeit von der Dauer der Erwerbstätigkeit weitere ein bis fünf Jahre an Zurechnungszeiten gutgeschrieben, nämlich — ein Jahr nach 20jähriger, — zwei Jahre nach 25jähriger, — drei Jahre nach 30jähriger, — vier Jahre nach 35jähriger und — fünf Jahre nach 40jähriger versicherungspflichtiger Tätigkeit 9 . Mutterschaft findet schließlich unter bestimmten Voraussetzungen bei der Rentenberechnung doppelt Berücksichtigung: Seit dem 1. J u l i 1972 erhalten alleinstehende Mütter, die ihre Arbeit unterbrechen müssen, weil ihnen kein Krippenplatz zur Verfügung steht, eine monatliche Unterstützung aus M i t t e l n der Sozialversicherung. Diese M ü t terhilfe entspricht der Höhe des Krankengeldes, auf das die Mutter bei eigener Arbeitsunfähigkeit von der 7. Woche an Anspruch hat, und beträgt für Vollbeschäftigte m i t einem K i n d mindestens 250,— Mark, mit zwei Kindern 300,— Mark und m i t drei oder mehr Kindern mindestens 350,— Mark monatlich 1 0 . Ebenso sind Mütter auf Antrag nach dem Wochenurlaub bis zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes von der Arbeit freizustellen. Während dieser Zeit erhalten sie ab dem zweiten K i n d eine monatliche Unterstützung, wenn die Freistellung erfolgte, um die Mutter das K i n d i n häuslicher Pflege selbst betreuen zu lassen 11 . Falls danach für das K i n d kein Krippenplatz zur Verfügung steht, verlängert sich die Frist und damit auch die Gewährung von 8 Püschel/Riihl, A u A 1976, S. 643 ff.; Mitzscherling, Z w e i m a l deutsche Sozialpolitik, S. 74. 9 Vortmann, DIW-Wochenbericht 1978, S. 213. 10 Mitzscherling, S. 73. 11 Dazu vgl. dens., S. 71 f.; v. May dell, Die soziale Alterssicherung, Einzelgutachten, S. 19.

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V. Teil: Die Suche nach Alternativen

Mütterunterstützung bis zum Ende des dritten Lebensjahres des Kindes bzw. des ersten Lebensjahres des zuletzt geborenen Kindes 1 2 . Diese Zeiten des Bezugs von Mütterunterstützung gelten als Zeiten einer versicherungspflichtigen Tätigkeit für die Gewährung und Berechnung von Renten der Sozialversicherung 13 . Das bedeutet eine zweifache Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten, da zum einen für jedes geborene K i n d ein Jahr Zurechnungszeit angerechnet w i r d und dieses Jahr zum anderen darüber hinaus als Zeit einer versicherungspflichtigen Tätigkeit g i l t 1 4 . I m Ergebnis führen diese Regelungen also zu einem ziemlich weitreichenden Nachteilsausgleich. Sie werden zudem noch ergänzt durch die Besonderheit der Rentenberechnung. Die monatliche Altersrente errechnet sich nämlich — aus einem Festbetrag von 110,— Mark, — aus einem Steigerungsbetrag i n Höhe von einem Prozent des Durchschnittsverdienstes für jedes Jahr einer versicherungspflichtigen Tätigkeit und für die Zurechnungszeiten und von 0,85 °/o der insgesamt zur (früheren) freiwilligen Rentenversicherung gezahlten Beiträge 1 5 . Außerdem werden die Renten i n der DDR nach unten durch M i n destrenten begrenzt, die — abhängig von der Zahl der Erwerbs jähre — zwischen 230,— und 300,— Mark monatlich liegen. Für Personen, die weniger als 15 Arbeitsjahre aufweisen, beträgt sie ζ. B. 230,— Mark; ab 15 Arbeits jähren erhöht sich die Mindestrente für jede weiteren 5 Jahre um 10,— M a r k 1 6 . Da maximal ein Altersrentenanspruch von nur 410,— Mark monatlich erreicht werden kann 1 7 , sind — i m Gegensatz zur Bundesrepublik — die Alterssicherungsleistungen nur innerhalb eines relativ geringen Rahmens der Höhe nach differenziert 1 8 . I I . Zur Übertragbarkeit der Regelungen in das Rentensystem der Bundesrepublik

I n dem breiten Raum, den das Prinzip des sozialen Ausgleichs i n der gesetzlichen Rentenversicherung der Bundesrepublik einnimmt, ließen 12

Vortmann, DIW-Wochenbericht 1978, S. 212; Mitzscherling, S. 71 f. v. Maydell, Die soziale Alterssicherung, Einzelgutachten, S. 20. 14 Mitzscherling, S. 75. 15 Oers., S. 75. 16 Vgl. i m einzelnen dazu dens., S. 76; siehe auch v. Maydell, ebd., S. 16. 17 I m Gegensatz dazu i n der BRD bis zu 2500,—DM (im Jahre 1977), vgl. Mitzscherling, S. 75. 18 Diese Begrenzung erinnert deutlich an die Regelung i n der Schweiz, vgl. v. Maydell, ebd., S. 30, 32. 13

Β. Kindererziehung i m Rentensystem der DDR

209

sich grundsätzlich auch Regelungen wie die Mindestrente einfügen; das wurde bereits erörtert. Auch zur Anrechnung besonderer Versicherungszeiten, die ja i n den verschiedenen zuvor diskutierten Modellen eine Rolle spielten, ist nichts mehr hinzuzufügen; sie sind mit unserem Rentensystem prinzipiell verträglich, wenn auch die Einzelheiten hinsichtlich des Zusammenspiels m i t den anderen Trägern der Sozialversicherung, ζ. B. den Krankenkassen, i m Detail Zuordnungs- und Ausgestaltungsprobleme mit sich brächten 19 . Nur versagen sich die Besonderheiten der Rentenberechnung i n der DDR einer Überführung i n das bundesdeutsche Rentensystem, da sie mit der „dynamischen Rentenformel" kollidieren müßten; denn ein Festbetrag als Sockel der Rentenberechnung würde den der Rentenformel zugrundeliegenden Äquivalenzgedanken i n seinem Kernbereich treffen. Außerhalb der Klammer der Rentenformel wäre jedoch ein — dann i m Rahmen des sozialen Ausgleichs anzusiedelnder — ζ. B. auf Eltern beschränkter Sockelbetrag wiederum denkbar. Das zeigt die Kombination einer Waisenrente mit dem Kinderzuschuß 20 . I I I . Beurteilung der Regelungen

Gemessen an der Berücksichtigung der Kindererziehung i m Rentensystem der Bundesrepublik sind die Regelungen i n der DDR als großzügig zu bezeichnen. Legt man allerdings den Maßstab einer beitragsäquivalenten Bewertung der Kindererziehung der Beurteilung zugrunde, so ist zu erkennen, daß auch die vergleichsweise weitgehenden Regelungen i n der DDR diesem kaum entsprechen. So w i r k t allein die mindestens fünffache Mutterschaft unmittelbar rentenbegründend; abgesehen von den Zeiten des Bezugs von Mütterunterstützung, die den Zeiten einer versicherungspflichtigen Tätigkeit gleichgestellt sind, sowie von der einjährigen „Zurechnungszeit" pro K i n d w i r d der Erziehungstatbestand ansonsten jeweils i n Abhängigkeit von der Erwerbstätigkeit berücksichtigt. Anknüpfungspunkt ist demnach also nicht der Beitrag „ K i n d " zur Alterssicherung, sondern — ebenso wie i n der Bundesrepublik — die monetäre Beitragsleistung. Insofern läßt sich also nicht von einer diesen Geldleistungen gleichwertigen Behandlung der Kindererziehung sprechen. Damit w i r d jedoch nicht zugleich behauptet, daß die Berücksichtigung der Kindererziehung i n der DDR nicht leistungsgerecht wäre. Eine der19 20

Beispiel: die neue Mutterschaftsurlaubsregelung. Vgl. §§ 1262,1267,1269 RVO.

14 Bordiert

210

V. Teil: Die Suche nach Alternativen

artige Bewertung erscheint i m Rahmen dieser Betrachtung zum einen nicht notwendig, da vor allem Anregungen für Reformüberlegungen gewonnen werden sollten, zum anderen aber auch nicht möglich, da dies eine umfassende Auseinandersetzung m i t dem anderen Gesellschaftsund Wertsystem der DDR voraussetzen würde. So wäre auf das gesellschaftspolitische Leitbild des Marxismus-Leninismus mit seiner vorrangigen Betonung der Wirtschaftspolitik und den konzeptionellen Konsequenzen für die Sozialpolitik 2 1 ebenso einzugehen wie auf die Unzahl von sozialen Tatsachen und Verhältnissen. Beispielhaft seien hier nur der bevorzugte Ausbau der Infrastruktur i n den Bereichen, die Frauen bei Hausarbeit und Kindererziehung entlasten, sowie einige Daten zur beruflichen Stellung von Frauen genannt. Die Angebote von Einrichtungen zur Kinderbetreuung, Gemeinschaftsverpflegung der Kinder und Haushaltsdienstleistungen sind so ζ. B. größer und ihre Inanspruchnahme ist ungleich höher als i n der Bundesrepublik 2 2 ; das bedeutet, daß die gesellschaftliche Beteiligung an der eigentlichen Kinderbetreuung somit erheblich umfangreicher, die „privatisierten" Lasten entsprechend geringer sind als i n der Bundesrepublik. Zudem spielen die i n der Bundesrepublik so außerordentlich komplexen Probleme der Arbeitsmarktsituation und ihre besonderen Auswirkungen auf die Stellung der Frau i n der DDR eine ebenso — wenn überhaupt noch — untergeordnete Rolle wie Fragen der Lohndiskriminierung etc. 23 . Seit Mitte der fünfziger Jahre sind Arbeitskräfte i n der DDR knapp. Das führt dazu, daß heute die Quote der berufstätigen Frauen, gemessen an der Zahl der Frauen i m erwerbsfähigen A l t e r (einschließlich Rentnerinnen) rd. 80 °/o beträgt 2 4 . Der A n t e i l der erwerbstätigen Frauen m i t einem K i n d unter 17 Jahren beträgt 80 °/o der entsprechenden Mütter i n der gleichen Altersgruppe, m i t zwei Kindern unter 17 Jahren 76%, m i t drei Kindern unter 17 Jahren immer noch 69 °/ο 2δ . Insgesamt sind rd. 49 €/o aller Beschäftigten Frauen 2 6 . Der A n t e i l weiblicher Facharbeiter übertrifft m i t durch21 Dazu vgl. z.B. Leenen, Deutschland-Archiv 1975, S. 254ff., 512ff., u n d Faude, N D V 1977, S. 180 ff. 22 Vier Fünftel der 3—6jährigen K i n d e r ζ. B. werden i n Tagesstätten betreut, Helwig, Frau 75, S. 11; vgl. ferner Vortmann, DIW-Wochenbericht 1978, S. 213; zum Vergleich für die Bundesrepublik: Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Die Situation der K i n d e r i n der Bundesrepublik Deutschland, S. 79 (Schulkindergärten) u n d S. 132 (verfügbare Plätze i n Kindertagesstätten). 23 Vgl. Helwig, Zwischen Familie u n d Beruf, S. 77 ff. 24 Vortmann, S. 211; diese Zahlen machen zudem den Zielkonflikt der Sozialpolitik bei Erlaß der geburtenfördernden Maßnahmen deutlich, vgl. Vortmann, ebd. 25 Helwig, F r a u 75, S. 69 — vgl. die entsprechenden Zahlen für die Bundesrepublik oben, I. Teil, A . 26 I m Jahre 1972, Helwig, S. 69.

C. Das „Modell Elternrente"

211

schnittlich 30 € /o die westdeutsche Quote um ein Mehrfaches, bei den erwerbstätigen Frauen unter 25 Jahren liegt er sogar bei über 40 °/o 27 . Ebenso deutlich fällt der Vergleich bei den hochschulqualifizierten Berufen wie ζ. B. Ärzten, Zahnärzten und Rechtsanwälten aus 28 . Diese Skizze müßte genügen, u m zu verdeutlichen, daß angesichts der gesellschaftlichen Bedingungen, wie sie die DDR aufweist, eine vergleichend wertende, isolierte Betrachtung des Alterssicherungssystems i m Hinblick auf seine erziehungsspezifischen Regelungen und damit auch die Frage nach der Übertragbarkeit dieser Regelungen kaum sinnvoll oder möglich erscheint. Die DDR zeigt insofern einen gesellschaftssystembedingten, anderen Weg zu einer möglichen Lösung auf. Insgesamt bleibt allerdings der Eindruck, daß sie auf diesem Wege deutlich weiter vorangeschritten ist als vergleichsweise das bundesdeutsche Alterssicherungssystem auf dem seinen.

C. Das „Modell Elternrente" in der gesetzlichen Unfallversicherung Soweit die Unfallversicherung wie die gesetzliche Rentenversicherung Waisenrenten, Kinderzuschläge, Witwenrenten sowie Renten an die frühere Ehefrau gewährt, weisen diese Regelungen i n ihrer Ausgestaltung zwar deutliche Unterschiede gegenüber dem Rentenrecht auf 1 , sind i m Prinzip jedoch vergleichbar. Ein i m Bereich der Sozialversicherung genuines Institut enthält die Unfallversicherung jedoch mit der Elternrente. I. Die Regelung der Elternrente

Für die Verwandten aufsteigender Linie sowie die Stief- oder Pflegeeltern 2 eines durch Arbeitsunfall verstorbenen Versicherten, die dieser 27 Helwig, S. 75; i n der Bundesrepublik sind i m Durchschnitt nicht einmal 10 % der Frauen als Facharbeiter tätig, dies., S. 74. 28 36 % aller Ärzte, 24,7 °/o aller Zahnärzte, 30 °/o aller Rechtsanwälte i n der DDR sind Frauen; zum Vergleich i n der Bundesrepublik: 20 °/o / 14 %>/ 5,5 °/o; vgl. Helwig, S. 76 f. Wenn trotz a l l dieser Zahlen die beschriebenen Regelungen i n erster L i n i e frauenspezifisch ausgestaltet sind und deshalb hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit verfassungsrechtlich bedenklich erscheinen müssen, so beruht das auf der auch i n der DDR ungebrochenen Tradition der Rollenverteilung i m Haushalt, vgl. Vortmann, DIW-Wochenbericht 1978, S. 211. 1 ζ. B. w i r d die Kinderzulage für Schwerverletzte nicht w i e bei der Rentenversicherung als fester Betrag geleistet, sondern als Prozentsatz der U n fallrente, vgl. §583 R V O ; weiter ist i m Gegensatz zum Recht der Rentenversicherung auch ein Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn der begründete Verdacht einer Versorgungsehe besteht, vgl. § 594 RVO. 2 Die Erweiterung auf die Stief- u n d Pflegeeltern wurde erst durch das

u-

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V . T e i l : Die Suche nach Alternativen

aus seinem Arbeitsverdienst wesentlich unterhalten hat oder ohne den Arbeitsunfall wesentlich unterhalten würde, besteht Anspruch auf Rente i n Höhe von Vs des Jahresarbeitsverdienstes für einen Elternteil, bzw. 3 /io des JahresarbeitsVerdienstes für ein Elternpaar, solange diese ohne den Arbeitsunfall einen Anspruch auf Unterhalt gegen den Verstorbenen hätten geltend machen können. Falls mehrere Aszendenten verschiedenen Grades vorhanden sind, gehen die näheren den entfernteren vor. Dabei sind die Stief- oder Pflegeeltern den Eltern grundsätzlich gleichgestellt 3 . I I . Der Unterhaltsersatzcharakter der Elternrente

Der Charakter dieser Leistung als Unterhaltsersatz folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm. Dabei kommt der Unterhaltsbeziehung zwischen dem Getöteten und dem Geschädigten (Eltern) in mehrfacher Weise entscheidende Bedeutung zu. Z u m einen muß der Unterhalt „wesentlich" sein. Der Gegenschluß aus § 593 RVO, wo für den Witwerrentenanspruch der Begriff des „überwiegenden Unterhalts" verwendet wird, ergibt, daß die anspruchsauslösende Unterhaltsleistung somit auch geringer als die Hälfte des benötigten Unterhalts sein kann. „Wesentlich" ist der Unterhaltsbeitrag des Getöteten somit dann, „wenn der Wegfall der Unterstützung die auskömmliche Lebenshaltung" gefährdet und „durch die Gewährung des Unterhalts die sonst vorhandene wirtschaftliche Notlage beseitigt w i r d " 4 . Das setzt jeweils i n Einzelfällen eine Überprüfung aller Einzelumstände voraus, wobei auch zu berücksichtigen ist, ob der Unterhalt möglicherweise i n Gestalt von Sachleistungen, ζ. B. durch Arbeitsleistung i m Unternehmen vom Aszendenten geleistet wird. Die Anknüpfung an Maßstäbe des bürgerlichen Unterhaltsrechts hat zur Folge, daß die Rente nur gefordert werden kann, solange der Berechtigte bedürftig ist 5 . Dabei bereitet die Ermittlung der Bedürftigkeit Unfallversicherungsneuregelungsgesetz v o m 30. A p r i l 1963 (BGBl. I S. 241) herbeigeführt. Dazu lautete die Begründung: „Die Vorschrift des §593 RVO (Anmerkung: der Vorläufer des jetzigen § 596 RVO) ist u m die Stief- u n d Pflegeeltern als Rentenberechtigte erweitert worden. Die Verhältnisse bei den Stief- und Pflegeeltern liegen nicht anders als bei den Verwandten der aufsteigenden Linie. Darüber hinaus erscheint es aber nicht angezeigt, den berechtigten Personenkreis zu erweitern (ζ. B. auf haushaltsführende Schwestern), da die Unfallversicherung grundsätzlich von dem Entschädigungsgedanken ausgehen muß und i n aller Regel nur die unmittelbar geschädigten Personen einen Anspruch auf Entschädigung geltend machen können", B T Drucks. IV/120, S. 59. 3 Vgl. dazu i m einzelnen § 596 RVO. 4 So Lauterbach, Unfallversicherung, § 596 Anm. 6 (m. w. N.). 5 I m Gesetzentwurf, BT-Drucks. IV/120, w a r der Begriff der „Bedürftigk e i t " noch enthalten, wurde i n der endgültigen Fassung jedoch fallengelassen,

C. Das „Modell Elternrente"

213

Schwierigkeiten. Sozialhilferichtsätze können jedenfalls nur sehr bedingt als Vergleichsmaßstab herangezogen werden, da diese nur als Richtwerte für das Maß des notwendigen Lebensunterhalts, §§ 11, 12 BSHG, angesehen werden können, wohingegen gemäß § 1610 BGB ein Anspruch auf angemessenen Unterhalt besteht 6 . Bei der Prüfung der Unterhaltsberechtigung ist jedenfalls abzustellen auf die gesamte Einkommens« und Vermögenslage der Eltern, wobei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts die Unterhaltsverpflichtung lebender Kinder gegenüber ihren Eltern den Rentenanspruch des Berechtigten nicht beseitigt, da die Unterhaltsverpflichtung weiterer Abkömmlinge gegenüber der Leistung der Unfallversicherung nicht vorrangig ist 7 . Diese Verwobenheit unterhaltsrechtlicher und sozialversicherungsrechtlicher Elemente ist jedoch insoweit durchbrochen, als durch das UVNG auch Stief- und Pflegeeltern in die Berechtigung einbezogen wurden und die ursprüngliche Fassung noch um die Unterhaltsfiktion 8 bzw. die Unterhaltsanspruchsfiktion 9 erweitert wurde. Eine derartige Ausgestaltung einer sozialpolitischen Entscheidung, die dem Entschädigungsgedanken i n höherem Grade Rechnung tragen soll 1 0 , paßt nicht i n dieses Gefüge einer kausal verknüpften Unterhalts- und sozialversicherungsrechtlichen Konstruktion. Denn die Gleichstellung der Stiefund Pflegeeltern in § 596 Abs. 2 RVO läßt ihren bürgerlich-rechtlichen Status unberührt; i m bürgerlichen Unterhaltsrecht findet sich keine Anspruchsgrundlage. I m sonstigen bürgerlichen Recht ließe sich — bei allerdings völliger Überdehnung der dogmatischen Voraussetzungen — allenfalls eine A n wendung der bereicherungsrechtlichen Ausgleichskonstruktion eines Anspruchs wegen Nichteintritts des mit der Leistung bezweckten Erfolges, entsprechend § 812 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 BGB (sog. „condictiocausa data causa non secuta") denken 1 1 . Tatsächlich w i r d für diese Anspruchskonstruktion als möglicher Zweck auch die Erlangung einer u m Anklänge an die fürsorgerechtliche Terminologie zu vermeiden, vgl. B T Drucks. IV/938, S. 15. 6 Vgl. BSG N J W 1975, S. 280. 7 BSG, U r t e i l v. 23. A p r i l 1975, i n : SozR 2200 zu § 596 Nr. 4; BSG v. 19.5. 1978 — 8 R u 102/77 — zitiert nach Lauterbach, Unfallversicherung, §596 A n m . 6 g. 8 Vgl. den Wortlaut von § 596 Abs. 1 RVO: „oder ohne den Arbeitsunfall wesentlich bestreiten würde". 9 Vgl. den Wortlaut von §596 Abs. 1 RVO: „solange sie ohne den Arbeitsu n f a l l gegen den Verstorbenen einen Anspruch auf Unterhalt hätten geltend machen können". 10 Vgl. BT-Drucks. IV/120, S.59; vgl. auch §50 B V G u n d §844 Abs. 2 BGB. 11 Vgl. Esser, Schuldrecht, Besonderer Teil, 103 I I ; Larenz, Schuldrecht I I , § 69 I I .

214

V. Teil: Die Suche nach Alternativen

nicht-geschuldeten Gegenleistung anerkannt 1 2 . Insofern ließe sich bei Stief- und Pflegeeltern überlegen, ob diese nicht bei ihrer Betreuung des später durch Arbeitsunfall Getöteten den Zweck verfolgten, ihre eigene Altersversorgung zu erreichen. Da diese Leistung i n aller Regel jedoch einer sittlichen Pflicht entsprochen haben wird, wäre sie auf keinen Fall rückforderbar, § 814 BGB. Diese Unterhaltsfiktionsersatzrente ist somit ohne Parallele i m System der Sozialversicherung; dort knüpfen Unterhaltsersatzrenten nämlich entweder — bei Verwandten bzw. Eheleuten — an typisierte, oder — bei Geschwistern, Stief- und Pflegekindern z. B. — an tatsächliche Unterhaltsbeziehungen an 1 3 . Letztlich läßt sich diese Leistung also nur als der in § 814 BGB normierten sittlichen Pflicht korrespondierend verstehen. I I I . Zur Übertragbarkeit des Modells der Elternrente in das System der Rentenversicherung

Die Forderung nach Einfügung einer Elternrente i n die Rentenversicherung ist nicht neu. Bereits während des Gesetzgebungsverfahrens zum A r V N G i m Jahre 1956 wurde sie von den Fraktionen der SPD, FDP und DP mehrfach erhoben 14 . Ihre Realisierung scheiterte aber am Widerstand der CDU/CSU, die vor allem systematische und verwaltungstechnische Einwände erhob. Exemplarisch für die ablehnende Argumentation ist dabei die Stellungnahme der Abgeordneten Rösch, die deshalb i n Auszügen hier wiedergegeben werden soll: „Sie (Anmerkung: die Elternrente) ist i n diesem Sozialversicherungsgesetz etwas v ö l l i g Fremdes. Deshalb können w i r hier keine Ausnahme machen, die . . . auf allen Gebieten eine nicht verantwortbare Steigerung der öffentlichen Ausgabenlast nach sich ziehen w ü r d e . . . W i r legen aber Wert darauf, ausdrücklich zu betonen, daß es nicht n u r die finanziellen Gesichtpunkte sind, die uns zu unserer Einstellung veranlassen. E i n Sozialversicherungsgesetz ist n u n m a l kein Fürsorgegesetz . . . W i r können aber auf der anderen Seite niemals überprüfen, ob der alte Mensch — auch wenn er ausschließlich von Söhnen u n d Töchtern unterhalten w i r d — nicht doch i m Genuß einer Rente ist, es sei denn, w i r stellen bei jeder L V A u n d bei der B f A ein Heer von Fürsorgebeamten ein. W e i l das nicht durchführbar ist, erscheint uns die Einführung der Elternrente i n dieses Gesetz unmöglich" 1 5 .

Überprüft man diese Einwände auf ihre Stichhaltigkeit, so liegt — ausgenommen vielleicht das Kostenargument — ihre Unbegründetheit 12 13 14 15

ζ. B. Erbeinsetzung, vgl. Medicus, Bürgerliches Recht, Rdnr. 691 (S. 325). Dazu siehe oben, I I . Teil, 1. Kap. B. Vgl. Richter, Sozialreform, Bd. 2, S. 397 — 400, 516—518. Nach Richter, Sozialreform, Bd. 2, S. 518.

C. Das „ M o d e l l Elternrente"

215

allerdings auf der Hand. Denn i m Recht der Rentenversicherung finden sich einige Tatbestände, die eine Überprüfung der finanziellen Verhältnisse von Leistungsempfängern voraussetzen 16 . I m übrigen sind derartige verwaltungstechnische Argumente angesichts der durch die Anwendung von EDV eröffneten Möglichkeiten wohl hinfällig. Systematische und rechtliche Gesichtspunkte, die gegen die Einfügung dieser neuen Form einer Unterhaltsersatzrente sprechen könnten, sind dagegen nicht ersichtlich. I V . Die Idee einer Elternrente als Ansatz einer leistungsgerechten Berücksichtigung der Kindererziehung

Der bisherige Verlauf der Untersuchung hat erkennen lassen, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Altersversorgungsproblemen der heutigen Elterngeneration, der Verdrängung des Unterhaltsrechts und der Entwicklung sozialer Sicherungssysteme besteht. Deshalb ist die Überlegung, der Rentenversichertengemeinschaft das Risiko des Unterhaltsausfalls für die Elterngeneration zuzuordnen, als durchaus sachgerechter Ansatz einzustufen. Er entspricht auch genau der Funktion einer vergesellschafteten „sozialen" Sicherung, nämlich Schicksalsschläge, die die kleinen Familienverbände der Gegenwart nicht mehr bewältigten könnten, solidarisch aufzufangen. I n der Ausgestaltung, wie sie die Elternrente i n der Unfallversicherung vorzeichnet, würde allerdings gerade keine am Unterhaltsrecht orientierte Lösung gefunden; denn der Tod des Unterhaltsverpflichteten würde i m „reinen" Unterhaltssystem auch zum Verlust der i h m gegenüber bestehenden Ansprüche führen. Die Einführung einer Elternrente müßte sich deshalb nicht an dieser — durch Schicksal — bedingten Anspruchsauslösung orientieren, sondern an der latent immer vorhandenen und nur durch ihre Eingebundenheit i n die Zwangsversicherung beschränkten Unterhaltsverpflichtung der Kinder. Das würde bedeuten, daß der Tatbestand dieser Elternrente dahingehend erweitert werden müßte, daß anspruchsberechtigt Eltern auch dann sind, wenn ihre Kinder als Pflichtversicherte wegen ihrer Beitragsverpflichtung i n ihrer Unterhaltsfähigkeit eingeschränkt sind. A n gesichts der geringen Zahl der Unterhalt empfangenden Elternteile könnte die Unterhaltsverhinderung bereits heute typisiert unterstellt werden. 16 So insbesondere bei der Witwerrente, § 1266 RVO; i m übrigen sei beispielsweise nur erinnert an die Fälle einer Erzielung von Nebenverdienst neben dem Bezug eines vorgezogenen Altersruhegeldes i n § 1248 Abs. 4 RVO, oder an die Einschränkung der Kinderzuschußberechtigung, wenn das K i n d selbst bereits nennenswertes Einkommen erzielt, vgl. § 1262 Abs. 3 RVO.

216

V. Teil: Die Suche nach Alternativen

Ein derartiger Anspruch ließe sich mit dem allgemeinen, i n der Rechtsordnung mehrfach zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken begründen, daß die Vorteile, die Dritte ( = Rentenversicherungsträger) aus dem Scheitern einer Anspruchsbeziehung zwischen Gläubiger ( = Eltern) und Schuldner ( = Kinder) erhalten, zu einer neuen Rechtsbeziehung zwischen dem Dritten und dem ehemaligen Gläubiger führen. Dieser Rechtsgedanke kommt z.B. i m zivilrechtlichen Bereich in den §§ 419, 426, 765 ff. BGB zum Ausdruck. Ferner läßt sich anführen, daß auch die Einwirkung auf Schuldverhältnisse durch den Dritten selbst zu einer der Leistungsbeziehung entsprechenden Verpflichtung des Dritten führt; das zeigen ζ. Β. die §§ 844 Abs. 2, 845 BGB. Diesen Rechtsvorschriften sind i m sozialrechtlichen Bereich ζ. B. die §§ 90, 91 BSGH, 1531, 1542 RVO verwandt. Wenn man zudem noch auf die unterhaltsrechtliche Voraussetzung der Bedürftigkeit verzichten könnte, erhielte die Elternrente den Charakter einer unbedingten, von weiteren — versicherungsmäßigen — Voraussetzungen, wie ζ. B. der Wartezeiterfüllung, unabhängigen und damit letztlich beitragsäquivalenten Rente. Die Idee einer so konzipierten Elternrente erscheint somit als brauchbarer Ansatz, um das Problem der gerechten Berücksichtigung der Kindererziehung i m Recht der Rentenversicherung zu lösen; auf sie w i r d deshalb zurückzukommen sein 17 .

D. Die Vorschläge einer Beitragsstaffelung nach Kinderzahl Abschließend bleiben zwei — weitgehend übereinstimmende — Vorschläge zu untersuchen, die i m Rahmen der allgemeinen Diskussion zur Rentenreform bisher wenig Beachtung gefunden haben, gleichwohl zur Frage der Kindererziehung einen ungewöhnlich interessanten Ansatz beinhalten. Dies sind die Vorschläge v. Neil-Breunings und Schmidt-Kalers, die Kindererziehung auf der Beitragsseite des Versicherungsverhältnisses durch Koppelung des Beitragssatzes an die Kinderzahl berücksichtigen wollen. I. Die Konzeptionen

1. Der Vorschlag v. Neil-Breunings Ausgehend von der Erkenntnis, daß die Alterssicherung auf der Solidarität dreier Generationen beruht, kritisiert v. Nell-Breuning 1 die 17

Teil V I dieser Untersuchung.

D. Beitragsstaffelung nach Kinderzahl

217

ungerechte Verteilung der Last der „Aufzucht" der nachwachsenden Generation, die individualisiert den Familien verbleibe, ohne daß diese aber daraus noch Vorteile ziehen könnten. Es sei ein großes Mißverständnis des Gesetzgebers der Rentenreform i m Jahre 1957 gewesen, nur die zwei Generationen der Erwerbstätigen und A l t e n zu sehen und die noch nicht erwerbstätige Generation zu übersehen. Denn allein aus seinen Beitragszahlungen habe der Versicherte kein Kapital aufgebaut, aus dem sein Lebensunterhalt i m Alter bestritten werden könne; damit habe er vielmehr nur die Vorleistung seiner Elterngeneration abgegolten. Daraus folge, daß die „Kinderlosen ihre Zukunft auf die Kinder der anderen aufbauen", während die Personen, die Kinder erzögen, durch dieses Rentensystem um die Früchte ihrer Vorleistung gebracht würden 2 . Diese schwerwiegende Unterlassung ist nach Ansicht v. Nell-Breunings bei der anstehenden Rentenreform unbedingt zu korrigieren. I n einfachster Weise könnte das seiner Meinung nach so geschehen, daß je nach Zahl der Kinder, für die der Versicherte die „Aufzuchtkosten" trägt, Beitragsklassen zu bilden wären. Da der Gesamtbetrag der durch die Beiträge zu finanzierenden Renten also gleich bliebe, bliebe auch der durchschnittliche Beitragssatz und das Verfahren, ihn zu errechnen, völlig unberührt. Nur Multiplikatoren (Koeffizienten) würden benötigt. Für die Kinderlosen gelte dabei der höchste M u l t i plikator. Je nach der Zahl der Kinder („gegebenenfalls noch differenziert je nachdem, ob die gesamten Aufzuchtkosten oder nur ein Teil getragen werden") könnte ein kleinerer Multiplikator angewandt werden. Bei einer bestimmten Kinderzahl könnte er auf N u l l sinken, bei noch größerer Kinderzahl auch negativ werden. Dabei müsse die A r t der Staffelung nach Kinderzahl oder — anders ausgedrückt — die Breite des Fächers allerdings vom Gesetzgeber festgelegt werden. Nach Auffassung v. Neil-Breunings wären für die Versicherungspflichtigen neben dieser bereinigten oder berichtigten Bemessung ihrer Versicherungsbeiträge weder steuerliche Kindervergünstigungen noch ein Kindergeld notwendig, wodurch für den weitaus größten Teil der Bevölkerung eine viel gerechtere Einkommensverteilung verwirklicht werde als bisher — ohne erhöhten Verwaltungsaufwand, vielleicht sogar unter Fortfall einer Menge heute benötigten Verwaltungsaufwands 3 . 1 Wirtschaftswoche Nr. 23 (vom 2. J u n i 1978) u n d Nr. 30 (vom 21. J u l i 1978); nach eigenen Angaben entsprechen seine Überlegungen einem bereits A n fang der fünfziger Jahre entwickelten sog. „Hamburger Plan", der bereits zur Rentenreform des Jahres 1957 vorgelegen habe, jedoch damals und seitdem ignoriert worden sei. 2 v. Nell-Breuning, Wirtschaftswoche Nr. 23/1978; ders., Soziale Sicherheit?, S. 75 ff.; ders., i n : Festschrift für Meinhold, S. 369 ff. 3 Ders., Wirtschaftswoche Nr. 30/1978.

218

V . T e i l : Die Suche nach Alternativen

2. Der Vorschlag einer „bevölkerungsdynamischen

Rente"

Einen i m Prinzip mit der Konzeption v. Neil-Breunings übereinstimmenden Vorschlag macht schließlich auch Schmidt-Kaler m i t seinem Modell einer „bevölkerungsdynamischen Rente" 4 . I m Gegensatz zu v. Nell-Breuning, der betont, daß aus dem Kreis seiner Überlegungen bevölkerungspolitische Gesichtspunkte ausscheiden 43 und er vielmehr allein den Preis, den ein jeder für seine Alterssicherung zu zahlen hat, gerecht bemessen wissen w i l l , hebt Schmidt-Kaler bei seinem weitgehend inhaltsgleichen Vorschlag die besondere bevölkerungspolitische Komponente einer derartigen Konzeption der Beitragsstaffelung nach Kinderzahl hervor; diese mache seiner Meinung nach nämlich jedem von dem Ab- und Zuschlägen am Rentenversicherungsbeitrag Betroffenen unmißverständlich klar, daß Kinder nicht nur Geld kosten, sondern daß Kinder eine Lebens- und Alterssicherung positiv gewährleisten. Durch diese sich jeden Monat wiederholende Signalwirkung dürfte nach seiner Auffassung ein echter Regelkreis des Bevölkerungsprozesses i n Gang gesetzt werden 5 . Kernpunkt seines unter umfassender Einbeziehung von versicherungsmathematischen, wirtschaftswissenschaftlichen, sozialpolitischen und bevölkerungspolitischen Aspekten entwickelten Modells ist dabei die bevölkerungspolitisch zu verankernde Zielgröße einer langfristig vorgegebenen optimalen Nettoreproduktionsrate. Das heißt, die durchschnittliche Kinderzahl pro Familie, die dieser Größe entspricht, soll für die Eltern zur Folge haben, daß ihr Beitragssatz den durchschnittlichen Rentenbeitragssatz darstellt. Für Eltern m i t weniger Kindern erhöht sich ihre Beitragspflicht entsprechend, während sie bei überdurchschnittlicher Kinderzahl entsprechend abnimmt. Bezogen auf ein stationäres Bevölkerungsmodell, d. h. die Aufrechterhaltung des gegenwärtigen Bestandes, stellt sich das vereinfachte Modell der bevölkerungsdynamischen Rente folgendermaßen dar: Übereinstimmende Berechnungen der Bevölkerungswissenschaftler haben ergeben, daß gegenwärtig pro Paar eine Kinderzahl von durchschnittlich 2,6 Kindern notwendig wäre, um langfristig den Bevölkerungsstand zu erhalten. Tatsächlich beträgt die durchschnittliche Kinderzahl pro Paar jedoch nur rd. 1,7 Kinder. Da die durchschnittlichen Rentenbeiträge sich an der durchschnittlich erforderlichen Kinderzahl orientieren sollen, muß der gegenwärtige Beitragssatz deshalb auf die Paare 4 Schmidt-Kaler, ZfBevWiss, Bd. 2, 1978, S. 75 ff.; Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament", Β 27/79, 7. J u l i 1979, S. 3 ff.; Die politische Meinung, 25. Jg., Januar 1980, S. 66 ff. 4a Vgl. allerdings v. Nell-Breuning, i n : Festschrift für Meinhold, S. 369 ff. (zur bevölkerungspolitischen Bedeutung der Rentenversicherung). 5 Schmidt-Kaler, ZfBevWiss 1978, S. 78.

D. Beitragsstaffelung nach Kinderzahl

219

zur Anwendung kommen, die 2,6 Kinder haben. Entsprechend der höheren oder niedrigeren Kinderzahl müssen sich die Zu- oder A b schläge verteilen. I m linearen Ansatz gelangt Schmidt-Kaler bei seinen Berechnungen auf einen Rentenbeitrag von 31 °/o bei Kinderlosen und 0 °/o bei sechs (und mehr) Kindern 6 . Da die finanzielle Hauptlast von Kindern aber von denjenigen Personen getragen wird, bei denen ein Elternteil auf nennenswerte Erwerbstätigkeit verzichtet und der Gesellschaft die Kosten für außerfamiliäre Betreuung und Erziehung der Kinder nicht aufbürdet, wäre es nach Ansicht des Autors logisch, den Rentenbeitrag so zu verteilen, daß Paaren mit nur einem erwerbstätigen Partner die doppelte Entlastung zuteil w i r d wie Doppelverdienern. A u f diese Weise gelangt Schmidt-Kaler zu dem Ergebnis, daß Paare m i t vier Kindern und mit einem erwerbstätigen Elternteil Beitragsfreiheit genössen. Den entsprechenden Entlastungseffekt pro K i n d berechnet der Autor (bezogen auf das Jahr 1977) mit 220,— D M monatlich. Statt diese Entlastung jedoch auf das ganze Versicherungsleben, das i m Durchschnitt 40 Jahre dauert, verteilt zu gewähren, hält er es für zweckmäßig, diese nur während der Zeit auszuschütten, in der die Familie die erhöhten Belastungen durch minderjährige Kinder trägt. Bei einem Paar mit drei Kindern dauert diese Zeit typischerweise rd. 22 Jahre; die Entlastungen würden sich dementsprechend nahezu verdoppeln, auf durchschnittlich 400,— D M monatlich pro Kind. SchmidtKaler schlägt nun vor, die vor den einzelnen Geburten geleisteten — nun überflüssigen — Beiträge verzinst zurückzuzahlen. Damit würden Geburten von Kindern für die Familien nicht mehr zu finanziellen Härten führen. Diese Modifikation des Modells entspreche effektiv einem Familiengründungsdarlehen mit gestaffeltem Schuldenerlaß nach Anzahl der Geburten. A u f den Entlastungen des Ehepaares könnte man nach den Überlegungen Schmidt-Kaler s nun eine Rentenanwartschaft der Mutter aufbauen und damit den entscheidenden Schritt zur Gleichstellung der Frau i m Rentenbereich und damit zur Erfüllung der Forderung des Bundesverfassungsgerichts tun. I I . Kritische Stellungnahmen in der Literatur

Die Vorschläge v. Neil-Breunings und Schmidt-Kaler s sind i n der Fachliteratur auf Ablehnung gestoßen. Erwähnung verdienen hier insbesondere die Auseinandersetzungen Molitors m i t dem Konzept v. Neil6

Ders., ZfBevWiss 1978, S. 84; Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte, S. 13.

220

V . T e i l : Die Suche nach Alternativen

Breunings sowie Rürups mit dem Vorschlag der bevölkerungsdynamischen Rente. 1. Die Kritik

Molitors

Nach Meinung Molitors 7 wäre eine Beitragsstaffelung, wie sie v. NellBreuning vorschlägt, abgesehen von den Problemen ihrer Realisierung („wie sollen ζ. B. Ehepaare behandelt werden, die keine Kinder haben können oder denen ein K i n d stirbt?") nur dann gerechtfertigt, wenn es nicht schon außerhalb der Rentenordnung eine Palette von kindbezogenen Entlastungen bzw. Leistungen der öffentlichen Hand gäbe; denn das Entfallen dieser „Kindervergünstigungen" sei nicht nur politisch ein äußerst schwieriges Vorhaben. Vielmehr betont Molitor, daß es auch i n der Sache gute Gründe gäbe, warum man in den fünfziger Jahren die Rentenordnung und die Familienpolitik „getrennt marschieren ließ"; die Altersversicherung sei nämlich lohnbezogen. Ebenso wie es aus „naheliegenden Gründen" i n der Lohnpolitik keinen Familienlohn geben können, sollte deshalb auch die Rentenpolitik nicht m i t derartigen Aufgaben „kompliziert" werden. I m übrigen sei die Bedeutung der Familienpolitik zu groß, als daß sie „auf die schmale Basis von Differenzierungen i m Beitrag zur Altersversicherung" konzentriert werden könnte. 2. Die Kritik

Rürups

Neben die von Molitor an v. Nell-Breuning und damit i m Prinzip ebenso an Schmidt-Kaler geübte K r i t i k t r i t t die Ablehnung des Konzeptes der „bevölkerungsdynamischen Rente" durch Rürup 8. Ausgehend von der Erkenntnis Mackenroths, daß jede Sozialleistung und damit auch alle Renten immer durch entsprechenden Konsumverzicht der Erwerbsbevölkerung getragen werden müssen, betont Rürup zunächst, daß der Generationenvertrag kein „Agreement", sondern ein „von der jeweiligen ,Finanzierungstechnik' und dem jeweiligen Bevölkerungsstand unabhängiger Sachzwang" sei 9 . Unter Berufung auf einen diesbezüglichen Konsens der ökonomischen Wissenschaft folgert Rürup daraus, daß für die Sicherheit des Rentenbzw. Sozialsystems weniger die Besetzungszahlen der Generationen, als vielmehr die Ergiebigkeit des wirtschaftlichen Wertschöpfungspro7 8 9

AuS 1980, S. 50 ff. (52). Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte, ebd., S.22ff.; D R V 1979, S. 349 ff. Rürup, D R V 1979, S. 354; Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte, S. 31.

D. Beitragsstaffelung nach Kinderzahl

221

zesses maßgebend sei. Gegen die „apokalyptische Überdimensionierung" der Konsequenzen der Bevölkerungsentwicklung durch SchmidtKaler wendet Rürup zudem noch den von Schubnell errechneten volkswirtschaftlichen Entlastungseffekt durch rückläufige Kinderzahlen ein 1 0 , um dann die Monokausalität der „ökonomischen Fruchtbarkeitstheorie" zu kritisieren; es lasse sich bei aller Problematik des schwer durchschaubaren Feldes der Motivation jedoch mit Sicherheit sagen, daß eine eindimensionale ökonomische Erklärung des generativen Verhaltens abzulehnen sei, wenngleich auch seiner Meinung nach eine zunehmende Relevanz wirtschaftlicher Faktoren zu konzedieren ist 1 1 . I m Ergebnis schließlich erkennt auch Rürup das durch die Geburtenentwicklung entstandene Problempotential an. Er hält es — unabhängig von der politisch-ideologischen Frage einer aktiven Bevölkerungspolitik — jedoch stattdessen für notwendig, durch eine „vorausschauende Sozialstrukturpolitik" eine Anpassung der sozialen Sicherungssysteme an die Bevölkerungspolitik zu erreichen 12 . Dazu hält er für erforderlich — Schaffung von Transparenz hinsichtlich der tatsächlichen Verteilungswirkung des Sozialleistungssystems 13 , — Vermeidung einer Reduktion von Wachstumsmöglichkeiten 14 , — struktureller Umbau des staatlichen Einnahmesystems 15 , — familienpolitische Offensive 16 . 10

Siehe oben, I. Teil, C. Rürup, D R V 1979, S. 358 f. 12 Ders., D R V 1979, S. 360 ff.; Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte, S. 40 ff. 13 d. h. erst auf der Basis der abschließenden Ergebnisse der TransferEnquête-Kommission sei zu prüfen, w i e bestimmte Relationen i n der V e r teilung der verfügbaren Einkommen auf einzelne Personengruppen erreicht werden könnten; diese Aufgabe gehe weit über den Bereich der Rentenversicherung hinaus u n d umfasse u. a. auch das gesamte Familienlastenausgleichssystem, das Steuerinstrumentarium etc., vgl. Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte, S. 40 ff. 14 ζ. B. generelle Vorverlegung des Rentenalters, forcierte Arbeitszeitverkürzungen, Behinderung von Rationalisierungsinvestitionen, D R V 1979, S. 362. 15 Ausbau des indirekten Steuersystems, D R V 1979, S. 262. 16 ζ. B. Erhöhung des Kindergeldes, Erziehungsgeld auch für nicht-berufstätige Mütter, kinderzahlabhängige Mietzuschüsse etc., Umbau des Ehegattensplitting i m Rahmen der Einkommensbesteuerung zu einem die Kinderzähl berücksichtigenden „Familiensplitting", „abkinderbare" Familiengründungsdarlehen, Anrechnung von nicht-berufstätigen Erziehungsjahren als Ausfallzeiten in der Rentenversicherung, Subventionierung von Tagesmüttern, K i n derkrippen und Betriebskindergärten, Förderung von Teilzeitarbeit sowie „mindestens genau so wichtig und e r f o r d e r l i c h . . . eine nicht kurzatmige, a k tive staatliche Werbekampagne" gegen Kinderfeindlichkeit, gegen soziale Diskriminierung von Kinderreichtum, „gegen die Vorstellung, n u r (kinderlose und) berufstätige Frauen seien ,emanzipiert'", „ f ü r die — auch gesellschaftlich — hohe Wertigkeit der Hausfrauentätigkeit", D R V 1979, S. 363. 11

222

V. Teil: Die Suche nach Alternativen Ι Π . Eigene Stellungnahme

Es soll i m Rahmen dieser Arbeit auf eine weitere Auseinandersetzung mit der K r i t i k Molitors und Rürups bzw. auch auf die Darstellung der weiteren Auseinandersetzung verzichtet werden 1 7 , da diese Ausführungen bereits weit über das hinausgingen, was für eine i n erster Linie rechtswissenschaftliche Beurteilung an ergänzenden Aspekten notwendig erscheint. Ihre Darstellung verfolgte jedoch den Zweck, hier — gegen Ende dieser Untersuchung — noch einmal die über die konkrete rentenrechtliche und rentensystematische Problematik hinausreichende Komplexität der Fragen aufzuzeigen. Vom juristischen Standpunkt aus ist zu dieser Kontroverse jedoch noch ein Aspekt beizusteuern. So ist auffallend, daß die Stellungnahmen sowohl Molitors als auch Rürups eine Einbeziehung der Frage der Gerechtigkeit des gegenwärtigen Rentensystems völlig vermeiden; dies erstaunt deshalb, weil dieser Aspekt bei v. Nell-Breuning ebenso wie bei Schmidt-Kaler als fundamental zutage t r i t t 1 8 . A u f die rechtlich nicht länger haltbare Verteilung von Lasten und Nutzen i m Rahmen des Systems der Rentenversicherung braucht dabei hier nicht erneut eingegangen zu werden; es sei dazu vor allem auf die Ausführungen i n Teil 3 dieser Arbeit verwiesen 19 . Insofern entsprechen die Vorschläge v. Neil-Breunings und Schmidtdie die Symmetrie von Leistungsgewährung und -empfang auf seiten der Kinderlosen und Kinderarmen wieder herstellen wollen, i n ihrem Ansatz dem Ideal der „justitia distributiva", des gerecht verteilenden Staates; leider allerdings nicht i n ihrer Konsequenz.

KalerSy

Denn die Einbeziehung der Kinderzahl i n die Rentenformel entwertet die Leistung der Kindererziehung zu einer von der jeweiligen Lohnhöhe abhängigen, koeffizienten Größe. Das bedeutet, daß die Kindererziehung gut verdienender Personen entsprechend besser, die von niedrig Entlohnten dementsprechend schlechter bewertet wird.

17 So wäre angesichts des unter Ökonomen nahezu unumstrittenen Konsenses des regressiven Charakters indirekter Steuern die Erhöhung dieses A n teils an der Revenue i n seiner sozialen Konsequenz — die niedrigen E i n kommen werden relativ stärker betroffen — als v o m Standpunkt sozialer Gerechtigkeit äußerst problematisch hervorzuheben; sehr widersprüchlich erscheint zudem die Forderung Rürups nach Schaffung von Transparenz einerseits u n d sein Maßnahmenkatalog andererseits, der einen recht intransparenten Eindruck hinterläßt. Vgl. ansonsten die überwiegend schlüssige Replik Schmidt-Kaier s auf Rürup , i n : Aus P o l i t i k u n d Zeitgeschichte, ebd., S. 43 ff. 18 Vgl. Aus P o l i t i k und Zeitgeschichte, S. 20 ff.: Schmidt-Kaler nennt dort drei Kriterien, 1. Gerechtigkeit, 2. Stabilität, 3. Transparenz. 19 Oben, I I I . Teil, B.

D. Beitragsstaffelung nach Kinderzahl

223

Ein solches Ergebnis ist jedoch m i t der konditionalen Gleichwertigkeit und dem beitragsäquivalenten Charakter der Kindererziehung als Leistung für das Rentensystem nicht vereinbar. Wenn man die Erziehungsleistung individuell gerecht bewerten wollte, käme einzig eine individuelle Orientierung an dem späteren Alterssicherungswert des jeweils erzogenen Kindes i n Betracht. Hier jedoch zu sagen, Kinder gut verdienender Eltern würden später generell entsprechend qualifizierte Berufe haben und dementsprechend mehr zur Alterssicherung ihrer Elterngeneration beitragen, verbietet sich naturgemäß von selbst. Ein derartiges Ergebnis, wie dies mit der Beitragsstaffelung erzielt würde, stünde i n diametralem Gegensatz zu den gesamten gesellschaftspolitischen Bemühungen der letzten Jahrzehnte, die darauf hinausliefen, die Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen gerade aus ärmeren Elternhäusern zu erhöhen 20 . Dahinter stand die Erkenntnis, daß die immer noch begrenzte Durchlässigkeit dieser Gesellschaft insbesondere von finanziellen Faktoren bestimmt wird. Das Ziel einer auch das Wohl der Rentenversicherung berücksichtigenden Sozialpolitik muß deshalb genau umgekehrt das erzieherische Qualifikationspotential der finanziell schlechter gestellten Bevölkerungsgruppen . erhöhen. Dieses Ziel würde durch die koeffiziente Koppelung der Kinderzahl an das Einkommen jedoch exakt konterkariert, da bestehende Ungleichheiten noch verschärft würden. Hier würde allenfalls eine innerhalb des Bezugrahmens von unterer und oberer Beitragsbemessungsgrenze umgekehrte Koppelung der Beitragsstaffelung, d. h. eine Koppelung an die Differenz zur oberen Einkommensgrenze, einen nennenswerten Ausgleich schaffen. Dieses Verfahren würde der Logik der vom Steuerrechtsinstrumentarium her bekannten Umverteilung durch Progression entsprechen 21 . Vom Ziel eines vor allem die kinderreichen Bezieher niedriger Einkommen bevorzugt berücksichtigenden sozialen Ausgleichs her wäre dieser Umverteilungseffekt sicher zu begrüßen 22 . Eine solche Lösung läßt sich jedoch mit der beitragsäquivalenten Bewertung der Kindererziehung nicht vereinbaren. Diese mißt nämlich die Leistung der Kindererziehung an dem Nutzen des Kindes für die 20

ζ. Β . BaföG. Vgl. Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 344. 22 So vertreten ζ. B. Wingen, Kinderfreibeträge, S. 374, und Fredersdorf, Minderheitsgutachten, S. 12, die Forderung, als Ziel des Kinderlastenausgleichs über den Ausgleich von Mindestaufwendungen hinaus durch egalisierende Leistungen die Chancengleichheit der K i n d e r auf den verschiedenen sozialen Schichten herzustellen; vgl. auch Oeter, i n : Schmollers Jahrbuch für Wirtschafts- u n d Sozialwissenschaft, Bd. 89 (1969), S. 33 ff. 21

224

V. Teil: Die Suche nach Alternativen

Gesellschaft, und es läßt sich „nicht leugnen, daß der Nutzen der Gesellschaft an einem K i n d gleich groß ist, unabhängig davon, welche Aufwendungen für das K i n d erbracht werden" 2 3 . Zudem folgt aus der i n dieser Untersuchung ermittelten beitragsäquivalenten Bedeutung der Kindererziehung, daß Kindererziehung unabhängig von der Erzielung eines Einkommens zu einem eigenständigen Rentenanspruch führen muß. Eine Koppelung an die monetären Beitragsleistungen wäre dagegen ζ. B. bereits dann nicht möglich, wenn die Elternteile Sozialhilfe bezögen. Dem Leistungscharakter der Kindererziehung widerspräche es schließlich, zur Rechtfertigung der Vorschläge eines beitragsgestaffelten Rentensystems die Argumente der Befürworter des „schichtenspezifischen Kinderlastenausgleichs" anzuführen, die darauf hinauslaufen, daß der mit wachsenden Einkommen steigende Aufwand für Kinder auch eine progressive Entlastung rechtfertige 2 4 ; wenn der „schichtenspezifische Kinderlastenausgleich" i m Steuerrecht möglicherweise auch als Pendant zur Progression — die Bezieher höherer Einkommen mit höheren Steuersätzen belegt — angesehen werden kann, so ist das bei der linearen Äquivalenz infolge der Rentenformel i m Rentensystem jedenfalls nicht der Fall. Ergebnis So müssen auch die Vorschläge zur Einführung eines nach der K i n derzahl gestaffelten Beitragssystems als Lösungsmöglichkeit ausscheiden.

23

Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 344. Vgl. Ruland, Familiärer Unterhalt, S. 342 ff., der sich allerdings n u r an dem Personenkreis orientiert, der bei gleichem Einkommen unterschiedlich viele K i n d e r hat; die Problematik des Personenkreises, der bei unterschiedlichen Einkommen gleich viele K i n d e r hat, bleibt unberücksichtigt, ebd., S.345. 24

Sechster Teil

Skizze eines gerechten Rentensystems Rückblickend ist festzuhalten, daß die gegenwärtige rentenrechtliche Berücksichtigung der Kindererziehung äußerst ungerecht ist. Eine tiefgreifende Reform zur Beseitigung dieses rechtlich untragbaren Zustandes ist unumgänglich. Die i m Hinblick auf die bevorstehende Rentenreform des Jahres 1984 konzipierten Vorschläge sind dazu allerdings ungeeignet. Ebenso wenig verwendbar sind die untersuchten Regelungen i m Recht der Beamtenversorgung und i m Rentenrecht der DDR. Auch die Elternrente i m Recht der Unfallversicherung bietet i n ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung keine Lösungsmöglichkeit. Es ist deshalb notwendig, eigene Vorstellungen davon zu entwickeln, wie ein Rentensystem, das Kindererziehung gerecht berücksichtigt, aussehen müßte und könnte.

A. Kriterien einer gerechten Neuordnung Ausgangspunkt und zugleich Maßstab bei der Entwicklung eines gerechten Rentenmodells ist die Analyse der tatsächlichen und rechtlichen Bedeutung der Kindererziehung für das System der gesetzlichen Rentenversicherung; die weiteren Orientierungspunkte für die Überlegungen ergeben sich dann aus den erkannten Ungerechtigkeiten des gegenwärtigen Rentensystems. Die insofern wichtigsten Ergebnisse dieser Arbeit werden deshalb nachfolgend noch einmal zusammengefaßt, bevor dann m i t der A u f stellung eines Kriterienkatalogs begonnen wird. I. Die „beitragsäquivalente" Bedeutung der Kindererziehung für das System der gesetzlichen Rentenversicherung

Leistungen der Rentenversicherung sind Sozialaufwand und müssen somit immer aus dem Volkseinkommen der laufenden Periode erbracht werden; volkswirtschaftlich gesehen existiert keine Möglichkeit, 15 Bordiert

226

V I . Teil: Skizze eines gerechten Rentensystems

i n gesellschaftlichem Umfang die M i t t e l zur Altersversorgung anzusparen. Voraussetzung der Erwirtschaftung von Volkseinkommen ist dabei notwendigerweise immer das Vorhandensein einer erwerbsaktiven Generation. Voraussetzung des Nachwachsens dieser Generation ist wiederum immer die elterliche Erziehungsleistung. Soziale Alterssicherung ist weder ohne die Leistung von Beiträgen noch ohne die Kindererziehung möglich. Tatsächlich also sind die monetären Beitragsleistungen und die Erziehungsleistungen konditional und funktional gleichwertig. Dieser realen Gleichwertigkeit muß ihre rechtliche Berücksichtigung entsprechen, d. h. Kindererziehung ist i m Rentenrecht prinzipiell genauso zu bewerten wie die monetäre Beitragsleistung. I I . Die Ungerechtigkeit des gegenwärtigen Rentenrechts

Der Tatsache der Gleichwertigkeit von Erziehungs- und Beitragsleistungen trägt das gegenwärtige Rentenrecht keine Rechnung. Soweit Kindererziehung überhaupt Berücksichtigung findet, geschieht dies ausnahmsweise und i m Rahmen des sozialen Ausgleichs, also gerade unter Durchbrechung des Prinzips der Leistungsäquivalenz. Daß Erziehung i m rentenrechtlichen Sinne sogar ausdrücklich als Nichtleistung begriffen wird, zeigt sich insbesondere bei der Einfügung der Erziehungsrente i n das System der BU-/EU-Renten. Die Betreuung von Kindern w i r d i m Rentenrecht allerdings i n zwei Fällen monetären (Unterhalts-)Leistungen gleichgestellt, nämlich bei der Ermittlung des für die Witwerrente maßgeblich überwiegenden Unterhalts und bei der Halbwaisenrente. Eine Gegenleistung indes erhalten die Leistenden selbst nicht. I m Recht der Rentenversicherung w i r k t leistungsanspruchbegründend allein die Zahlung monetärer Beiträge. Folge davon ist, daß die nichterwerbstätige Mutter der nicht-erwerbstätigen Hausfrau gleichgestellt ist. Ebenso — und dieser Aspekt w i r d i n der öffentlichen Diskussion übersehen — ist aber auch der erwerbstätige Vater, der für die — prinzipiell gleichwichtigen — materiellen Voraussetzungen der Kinderbetreuung sorgt, dem kinderlosen Erwerbstätigen leistungsrechtlich gleichstellt. Er erwirbt zwar mit seinen Rentenbeiträgen zugleich den Anspruch auf eine Hinterbliebenenversicherung, diese kommt i h m selbst jedoch nicht zugute. Daß diese Hinterbliebenensicherung vom Wert seiner Unterhaltsleistungen für die Kinder i m übrigen völlig unabhängig ist, folgt beispielsweise aus der Höchstbetragsbegrenzung der

Α. K r i t e r i e n einer gerechten Neuordnung

227

Hinterbliebenenrenten, § 1270 RVO, d. h. unabhängig von der Zahl der Hinterbliebenen ist die Summe der Rentenleistungen an sie der Höhe nach begrenzt. Schließlich ist auch die erwerbstätige Mutter der kinderlosen erwerbstätigen Frau rechtlich grundsätzlich gleichgestellt, sie begegnet jedoch gesellschaftlich verbreiteter Geringschätzung. Juristisch kommt diese gängige gesellschaftliche Bewertung der Müttererwerbstätigkeit — wie vor allem das Beispiel der Erziehungsrente zeigt — i m Verständnis des Erziehungbegriffs zum Ausdruck; Erziehung und Erwerbstätigkeit werden als einander ausschließende Tatbestände betrachtet, d. h. Erziehung w i r d mit Betreuung gleichgesetzt. Die Analyse des Erziehungsbegriffs ließ jedoch erkennen, daß der für das Sozialrecht maßgebliche inhaltliche Schwerpunkt des Erziehungsbegriffs nicht i n der Betreuung des Kindes, sondern in seinem Unterhalt zu suchen ist; i m übrigen sind familiärer Unterhalt und familiäre Erziehung untrennbar. I m Ergebnis hat sich gezeigt, daß vom rechtswissenschaftlichen Standpunkt aus das inhaltlich auf die persönliche und ständige Betreuung des Kindes begrenzte Verständnis des Erziehungsbegriffs nicht haltbar ist. Dem entspricht, daß auch die gesellschaftliche Geringschätzung der Müttererwerbstätigkeit vom Standpunkt der entsprechenden sozialwissenschaftlichen Disziplinen aus erheblichen Bedenken begegnet. Das Rentenrecht behandelt somit die Eltern und die Kinderlosen gleich, obwohl die Eltern die Voraussetzungen der Altersversorgung auch der Kinderlosen ihrer jeweiligen Generation schaffen und damit einen ungleich größeren Beitrag zur Alterssicherung erbringen. Dieses Ergebnis wäre dann nicht ungerecht zu nennen, wenn die Eltern für ihre Erziehungsvorleistung i m Rahmen des familiären Unterhaltsrechts einen Ausgleich erhielten. Wegen dessen normativer Struktur und seiner Überlagerung durch die soziale Zwangsversicherung ist dies jedoch nicht der Fall. Das bedeutet, daß die Leistung der Kindererziehung privat erbracht, ihr Nutzen aber sozialisiert wird; die Kinder erbringen die Rentenleistungen für andere Leute, die wegen ihrer Betreuung nicht-erwerbstätige Mutter erhält jedoch nie einen eigenen, ihrer Erziehungsleistung angemessenen Anspruch. Würde dies Versicherten widerfahren, nämlich Beitragszwang ohne je die Möglichkeit einer Gegenleistung, würde dies einen Verstoß gegen die Eigentumsgarantie i n Art. 14 GG bedeuten. Insoweit läßt sich also sagen, daß durch die Errichtung eines allein monetär determinierten Zwangsversicherungssystems i n wechselwirkender Verbindung mit der Normierung eines flankierenden bürgerlichen Unterhaltsrechts eine 15*

228

V I . Teil: Skizze eines gerechten Rentensystems

entschädigungslose und deshalb rechtswidrige gesellschaftliche eignung von Eltern bewirkt wird.

Ent-

I I I . Vier Kriterien einer gerechten Neuordnung

Aus den Ergebnissen, die i m Verlauf dieser Untersuchung gefunden wurden, läßt sich nun ein Katalog von vier Kriterien erarbeiten, die für eine gerechte Berücksichtigung der Kindererziehung als entscheidend anzusehen sind. 1. Wiederherstellung des durch die Einführung der Zwangsversicherung gestörten familiären, intertemporären Synallagmas i m Rahmen des vergesellschafteten Alterssicherungssystems Die Begründung für dieses K r i t e r i u m ergibt sich aus der Tatsache, daß unter den gegenwärtigen gesellschaftlichen Bedingungen Alterssicherung nur als soziale Sicherung möglich ist. Die Alterssicherung auf familiärer Grundlage w i r d notwendigerweise verdrängt. Wie i m ursprünglichen Sicherungsverband der Familie ist jedoch auch die vergesellschaftete Alterssicherung von den Vorleistungen der Elterngeneration abhängig. Es ist deshalb ein Gebot der Gerechtigkeit, diesen natürlichen Zusammenhängen auch i m System der Rentenversicherung Rechnung zu tragen. 2. Rentenrechtliche Anerkennung der konditionalen Gleichwertigkeit der Kindererziehung für das System der Rentenversicherung durch ihre beitragsäquivalente Behandlung Die Begründung für dieses K r i t e r i u m folgt aus dem Charakter der Kindererziehung als für das Alterssicherungssystem unbedingt notwendiger und damit den monetären Beiträgen gleichwertiger Leistung. Das Gebot der Gleichbehandlung erfordert deshalb, daß — entsprechend der rentenrechtlichen Behandlung monetärer Beiträge — auch der Erziehungsbeitrag zu einem Rentenanspruch führt. 3. Leistungsgerechte Bewertung der Kindererziehung unter Berücksichtigung der Barunterhaltsleistungen an Kinder Dem Prinzip der Beitragsäquivalenz folgend, muß sich der Wert der Rentenleistung am Wert der Erziehungsvorleistung orientieren. Dabei darf nicht übersehen werden, daß sich Erziehung nicht allein auf die (immaterielle) Betreuung beschränkt, sondern auch den (materiellen) Unterhalt umfaßt. 4. Herstellung der Symmetrie von Empfang und Gewährung der Lebensleistungen

229

Β. Das duale Rentensystem

I m gegenwärtigen Rentensystem geben Eltern mehr als sie bekommen und Kinderlose erhalten mehr als sie geben. W i l l man einen gerechten Ausgleich schaffen, so muß dieser notwendigerweise zu Lasten der Kinderlosen und Kinderarmen gehen.

B. Vorschlag: E n t w i c k l u n g eines dualen Rentensystems, bestehend aus einem Elternrentenu n d einem Barbeitragsrentensystem

Versucht man nun anhand des soben aufgestellten Kriterienkatalogs ein gerechtes Rentenmodell zu entwickeln, so zeigt sich, daß diesen Anforderungen ein duales Rentensystem, bestehend aus einem Elternrenten- und einem Barbeitragsrentensystem gerecht würde.

1. Grundzüge eines dualen Rentensystems

Vereinfacht stellt sich das den Gerechtigkeitsmaßstäben entsprechende Rentenmodell folgendermaßen dar: 1. Beibehaltung renten

unter

des Systems Halbierung

der

der

Barbeitrags-

Rentenleistungen

Das an die Barbeiträge der Versicherten anknüpfende bisherige System der Rentenversicherung bleibt im Prinzip unverändert, allerdings erhält die Rentenformel den Nenner 2. Das bedeutet, daß alle Personen, die Barbeiträge zur Rentenversicherung zahlen, dadurch wie bisher einen Rentenanspruch erwerben, dessen Höhe jedoch gegenüber dem gegenwärtigen Zustand halbiert ist. 2. Errichtung

eines

Elternrentensystems

Neben dieses Barbeitragssystem t r i t t ein Elternrentensystem. Für jedes Kind, das sie großgezogen haben, erhalten Eltern einen Anspruch auf Elternrente. Dieser ist von keinen weiteren Voraussetzungen abhängig, als von der Tatsache der (abgeschlossenen) Kindererziehung und der Erreichung des Rentenalters; insofern ist diese Rentenleistung nicht etwa zu verwechseln m i t der Regelung der Elternrente in der Unfallversicherung. a) Höhe der Elternrente I m einzelnen ermittelt sich die Höhe des jeweiligen Elternrentenanspruchs wie folgt: Die Elternrente bemißt sich pro K i n d nach dem

230

V I . Teil : Skizze eines gerechten Rentensystems

Produkt der allgemeinen Bemessungsgrundlage 1 multipliziert mit dem jeweiligen Beitragssatz, sodann geteilt durch 2. Das bedeutet, daß die Hälfte der von einem K i n d durchschnittlich eingezahlten Rentenbeiträge auf das Rentenkonto der Eltern fließt, während die andere Hälfte zur Finanzierung des Barbeitragssystems verwandt wird. b) Die Verteilung der Elternrente auf die Eltern Die Verteilung der Elternrente auf die Eltern berücksichtigt die Betreuungsleistungen und die Barunterhaltsleistungen wie folgt: Es werden die jeweiligen monetär erworbenen Rentenansprüche gegenübergestellt. Die Umkehrung des sich ergebenden Quotienten ergibt den jeweiligen Anteil. Dazu ein Beispiel: Rentenanspruch des Mannes der Frau

1000,— D M 500,— D M .

V o m Gesamtanspruch i n Höhe von entfallen auf den M a n n auf die Frau

1500,— D M 2/3, 1/3.

Daraus folgt ein Elternrentenanteil f ü r die Frau von für den M a n n von

2/3, 1/3.

I I . Begründung des Modells

Dieses Modell entspricht vollständig dem Kriterienkatalog, der aufgrund der Untersuchungsergebnisse dieser Arbeit entwickelt wurde. Es entspricht dem Ideal sozialer Gerechtigkeit ebenso wie dem rentenrechtlichen Prinzip der Äquivalenz, indem es die Gleichwertigkeit der Kindererziehung und Barbeitragsleistungen sowohl bei der Entstehung wie auch bei der Berechnung des Rentenanspruchs zum Ausdruck bringt. Die Einführung einer Elternrente stellt i m Rahmen des sozialen Rentensystems das intertemporäre Synallagma des Unterhaltssystems wieder her und verdeutlicht zugleich, daß Alterssicherung zum einen unter heutigen gesellschaftlichen Bedingungen nur i m gesellschaftlichen Rahmen möglich ist, zum anderen aber auch, daß Alterssicherung nach wie vor positiv nur durch das Heranwachsen einer neuen AktivenGeneration und damit nur durch familiäre Erziehungsleistungen gewährleistet werden kann. 1

Vgl. Einleitung, Fn. 13.

Β. Das duale Rentensystem

231

Ebenso verdeutlicht auch das Weiterbestehen des Barbeitragssystems das bivalente Funktionieren des Gesamtsystems der Alterssicherung, das aufrechterhalten w i r d durch die zwei unabdingbaren Faktoren K i n dererziehung und Beitragsleistung. Damit bleibt zudem die Möglichkeit erhalten, die unterschiedlichen monetären Beitragsleistungen entsprechend dem Wert der geleisteten Arbeit weiterhin wie bisher differenzierend zu berücksichtigen. Die Höhe sowohl der Elternrente als auch der an Barbeiträge anknüpfenden Rentenleistungen folgt aus der Notwendigkeit, i m gesamtgesellschaftlichen Rahmen die individuellen Interessen der Familien, für die ein reines Unterhaltssystem gegenüber dem gegenwärtigen Rentensystem vorteilhafter wäre, und die Interessen der Kinderlosen und Kinderarmen, die einseitig durch den gegenwärtigen Rechtszustand begünstigt werden, zum Ausgleich zu bringen. Es stellt sich hier selbstverständlich die Frage, ob die Halbierung der monetär bestimmten Rentenleistungen und die Verwendung der dadurch freiwerdenden M i t t e l für das Elternrentensystem nicht die Erziehung überbewertet; während nämlich für den Lohnersatzanspruch ein A r beitsleben von durchschnittlich etwa 40 Jahren erfüllt sein muß, reichen bei der Elternrente 18 Jahre Erziehung aus 2 . Die Bewertung ist jedoch gerecht. Sie berücksichtigt außer der Betreuung nämlich auch die materiellen Unterhaltsaufwendungen für das Kind, die i m Jahre 1978 im Monat durchschnittlich pro K i n d 600,— D M betrugen. Diese Summe als Barbeitrag zur Rentenversicherung geleistet, würde einem versicherten Einkommen von 3.333,— D M entsprechen. Bezogen auf die gemäß § 2 der VO vom 16. 12. 19773 für das Jahr 1978 auf 21.608,— D M jährlich = rd. 1.800,— D M monatlich festgesetzte allgemeine Bemessungsgrundlage kommt dieser Betrag also etwa dem l,8fachen des damals versicherten Druchschnittseinkommens gleich. Diese Unterhaltsleistungen wiederum, die i n der Regel mindestens für die Dauer von 18 Jahren erbracht werden, entsprächen einer Beitragsleistung i n Höhe des Durchschnittseinkommens für die Dauer von rd. 32 Jahren und 5 Monaten. Zusammen mit den i n der Regel mindestens 18 Jahre währenden Betreuungsleistungen, deren monetäre Bewertung noch erheblich höher angesetzt werden müßte, w i r d also der Wert eines 40jährigen Arbeitslebens für die Alterssicherung durch Kindererziehung allemal erreicht. Es läßt sich dabei nicht behaupten, daß die staatliche Beteiligung an den Unterhaltslasten über den Familienlastenausgleich an diesen 2 Vgl. Kaltenbach, 1980, S. 213. 3 BGBl. I S. 2581.

DAngVers 1980, S. 78; Kirner,

DIW-Wochenbericht 20/

232

V I . Teil: Skizze eines gerechten Rentensystems

Zahlen nennenswert etwas ändert, wobei i m übrigen noch zu bedenken ist, daß Eltern nach gegenwärtigem Steuerrecht ihre Entlastung über ihr eigenes Steueraufkommen wahrscheinlich sogar mitfinanzieren 4 . Die Verteilung der Elternrente auf die Elternteile schließlich beruht auf der typisierenden Annahme, daß die Höhe der monetär erworbenen Rentenanwartschaft einen Schluß auf das Ausmaß der Beteiligung an der — bei monetärer Bewertung — überwiegend maßgeblichen betreuerischen Verantwortung zuläßt. Hinter dieser Annahme steht das auch für das neue Eherecht und den Versorgungsausgleich grundlegende Prinzip der Gleichwertigkeit von Erwerbstätigkeit und häuslicher, d. h. für das Rentenrecht erzieherischer Verantwortung. Wendet man das Modell mit dieser Verteilung auf die Elternteile einmal schematisch auf die Zahlenverhältnisse des Jahres 1978 (— vor der Neuregelung durch das 21. RAG —) an, so ist von folgenden Zahlen auszugehen: I m Jahre 1978 betrug die durchschnittliche Rentenhöhe für Männer i n der Angestelltenversicherung abgerundet 1.100— D M monatlich, in der Arbeiterrentenversicherung — ebenfalls abgerundet — 800,— DM; die entsprechenden Zahlen für Frauen lauten rd. 500,— D M bzw. 270,— D M 5 . Die allgemeine Bemessungsgrundlage für das Jahr 1978 weist das Durchschnittseinkommen aller Versicherten i n Höhe von rd. 1.800,— D M monatlich aus. Unter Zugrundelegung eines Beitragssatzes von 18 % ergibt sich m i t h i n ein monatlicher Durchschnittsbeitrag zur Rentenversicherung pro Versicherten von rd. 320,— DM. Die Anwendung des Modells auf diese Zahlen hat nun zur Folge, daß die durchschnittliche Barbeitragsrente i n der Angestelltenversicherung für Männer m i t 550,— DM, für Frauen m i t 250,— DM, i n der Arbeiterrentenversicherung mit 400,— D M bzw. 135,— D M anzusetzen ist. Der Elternrentenanspruch pro K i n d betrüge schließlich 160,— DM. Bei einem Rentnerehepaar, von dem beide i n der Angestelltenversicherung versichert sind, würde sich somit aus den Barbeitragsrenten 4 Die Halbierung des Wertes der Rentenanwartschaften bedeutet, daß letztlich eine „Globaladäquanz" zwischen Beiträgen u n d Leistungen dadurch erst geschaffen w i r d ; denn „gegenwärtig beträgt der Erwartungswert der j ä h r lich erworbenen Anwartschaften das Doppelte des Wertes der Beiträge", Krause, VSSR 1930, S. 152 (m. w. N.), — eine ökonomische Bestätigung dieser juristischen Analyse! 5 Kaltenbach, DAngVers 1980, S. 78; ders., ebd., S. 78 ff., betont jedoch, daß diese Durchschnittsrenten i n keiner Weise repräsentativ und aussagekräftig seien, da bei der Durchschnittsberechnung auch die kleinen, häufig n u r zusätzlichen Renten, insbesondere von f r e i w i l l i g Versicherten — Selbständigen, Beamten, Hausfrauen — erfaßt seien; das insoweit bereinigte Rentenniveau ermittelt er erheblich höher, vgl. ebd., S. 80. Wenn hier die Durchschnittsrenten zugrundegelegt werden, hat dies also ausschließlich Modellcharakter u n d nicht etwa Aussagekraft bezüglich des bei Einführung des Modells t a t sächlich zu erwartenden Rentenniveaus.

Β. Das duale Rentensystem

233

eine Summe von 800,— D M und ein Elternrentenanspruch von 160,— D M pro K i n d errechnen. Von dieser Elternrente entfiele ein A n t e i l von 50,— D M (X = 160 X 250 : 800) auf den Ehemann, von 110,— D M auf die Ehefrau; d. h. bei bei einem K i n d beträgt die Gesamtrente des Mannes 600,— DM, die der Frau 360,— DM, bei zwei Kindern entsprechend 650,— D M und 470,— DM, bei drei Kindern schließlich 700,— D M und 580,— DM. Hat die Ehefrau keine Anwartschaft i n der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, bleibt die Mannesrente bei 550,— D M und die Ehefrau erhält die volle Elternrente, d. h. ihr Rentenniveau liegt bei drei Kindern bei 480,— DM. Die Berechnung für ein Ehepaar, dessen beide Partner i n der A r beiterrentenversicherung versichert sind, ergeben entsprechend einen Elternrentenanteil von rd. 40, — D M für den Mann (X = 160 X 135 : 535) und 120,— D M für die Frau; bei einem K i n d also belaufen sich die Rentenbeträge auf 440,— D M für den Mann, 255,— D M für die Frau, bei zwei Kindern auf entsprechend 480,— bzw. 375,— DM, bei drei Kindern auf 520,— bzw. 495,— DM. War die Ehefrau nicht erwerbstätig, erhielte sie bei drei Kindern dann den Betrag von 480,— DM. Diese Zahlen verdeutlichen zudem weiter, daß selbst die Erziehung von 10 Kindern nicht zu einer Überversorgung 6 führen würde, da dadurch ein Elternrentenanspruch i n Höhe von lediglich 1.600,— D M erzielt würde. Angesichts der so niedrigen Elternrentenbeträge ist allerdings unbedingt daran zu erinnern, daß es sich bei dem hier konzipierten Modell lediglich um die Skizze einer Idee handelt. Für eine i n die Praxis umsetzbare Konzeption wären für die Höhe des Elternrentenanspruchs weitere Wertfaktoren zu berücksichtigen, so ζ. B. das Verhältnis Erwerbstätige/Nichterwerbstätige (bezogen auf die Gesamtzahl der von der Rentenversicherung erfaßten Bevölkerung) oder eventuell auch das Verhältnis der durchschnittlichen Erwerbsdauer zur durchschnittlichen Renten-Bezugsdauer. I n dem hier dargestellten Modell bleibt nämlich die Tatsache, daß die inaktive Elterngeneration (noch) zahlenmäßig geringer als die Erwerbsgeneration ist, ebenso unberücksichtigt, wie der Umstand, daß die Zeit des Rentenbezugs i n der Regel sehr viel kürzer als die Zeit des beitragspflichtigen Erwerbslebens ist. Das bedeutet aber, daß die Elternrentenhälfte, die ja von jedem Beitrag abgezweigt werden soll, von dem zahlenmäßig geringeren Empfängerkreis nicht ausgeschöpft wird. Eine entsprechende Erhöhung des Elternrentenanteils wäre also ohne weiteres möglich 7 . 6 Z u r Problematik dieses Begriffs vgl. v. Maydell, Schriftenreihe des Deutschen Sozialgerichtsverbandes, Bd. X V I I , S. 27 ff. 7 Diesen Spielraum auszuloten u n d den exakten Erhöhungsfaktor zu e r m i t -

234

V I . Teil: Skizze eines gerechten Rentensystems I I I . Zur Problematik des Modells

I m Gegensatz zu den anderen Modellen, die Vorschläge zur Berücksichtigung der Kindererziehung i m Rentenrecht enthalten, ist das vorstehend in seinen Grundzügen erörterte Modell eines dualen Rentensystems in erster Linie nicht der Versuch, in sozialpolitisch pragmatischer Weise einen Vorschlag zur Realisierung begrenzter Reformabsichten zur Diskussion zu stellen, sondern vor allem der Versuch, die Möglichkeit und die Tragweite einer Anwendung des i n dieser Arbeit entwickelten Gerechtigkeitsmaßstabes zu skizzieren; als das Ideal einer gerechten Berücksichtigung der Kindererziehung i m Rentenrecht soll es einen Orientierungspunkt markieren; es soll zeigen, in wie weiter Entfernung die gegenwärtige Diskussion sich davon noch bewegt. Entsprechend der sogar noch größeren Distanz zwischen diesem Ideal und dem gegenwärtigen Rechtszustand ist auch die Dimension der Probleme größer, die sich bei einer Realisierung dieses Modells ergeben w 7 ürden; auch nur der Versuch ihrer annähernd vollständigen Erfassung ist i m Rahmen dieser Untersuchung, deren Blickwinkel auf das Rentenrecht beschränkt ist, schlechterdings unmöglich. Eine Beschränkung allein auf die rentenrechtlichen Aspekte erscheint indes kaum sinnvoll, da sich ganz wesentliche Probleme und Fragestellungen so nicht erfassen ließen. Ausgeklammert bliebe beispielsweise die Frage, welche Auswirkungen die Umwandlung des Rentensystems auf die übrigen sozialen Sicherungssysteme, vor allem auf die neben der gesetzlichen Rentenversicherung bestehenden Alterssicherungssysteme haben würde. Ausgeklammert bliebe ferner die Frage, durch welche sozial- bzw. steuerpolitischen Maßnahmen bei einem möglicherweise zu erwartenden Absinken der Altersversorgung vor allem der Kinderlosen und Kinderarmen an oder unter die Grenze der Sozialhilfebedürftigkeit ein Teil ihrer während der Erwerbsphase vergleichsweise sehr hohen Einkommen für Altersvorsorgezwecke gebunden und damit sozusagen als der Sozialhilfe vorrangige Selbsthilfe vorweggenommen werden könnte. Ausgeklammert bliebe beispielsweise weiter auch die Frage, welche Konsequenzen sich für das System des Familienlastenausgleichs ergeben würden, — hier müßte man sich — vielleicht ausgehend vom Investitionscharakter der Kindererziehung — Gedanken machen, ob nicht während der Erziehungsphase selbst flankierend steuerrechtliche Präferenzen bzw. abschreibungsanaloge Regelungen möglich wären. teln, muß allerdings einem Fachmann überlassen bleiben, — dem Verf. als Juristen fehlen dazu leider die erforderlichen Kenntnisse.

Β. Das duale Rentensystem

235

Wenn also diese Problembereiche i m Rahmen dieser Untersuchung auch nicht mehr behandelt werden können, sollen jedoch abschließend noch vier Fragen angeschnitten werden, die sich unmittelbar aus dem Modell selbst ergeben. 1. „Bestrafung"

der

Kinderlosigkeit

So stellt sich die Frage, ob das Modell nicht letztlich zu einer Bestrafung von Kinderlosigkeit führt 8 . Das ist nicht der Fall. Zwar führt das Modell zu erheblichen Renteneinbußen bei Kinderlosen, diese Rentenminderung beinhaltet jedoch nichts anderes, als lediglich einen Abbau der Privilegierung von Kinderlosigkeit i m gegenwärtigen Rentensystem. Umgekehrt w i r d vielmehr die Diskriminierung der Eltern i m Rentenrecht beendet. I m übrigen ist zwischen freiwilliger und unfreiwilliger Kinderlosigkeit zu unterscheiden: Personen, die keine Kinder bekommen können, haben grundsätzlich die Möglichkeit zur Adoption. Personen, die keine Kinder bekommen wollen, verzichten aufgrund eines freien Willensentschlusses i n Kenntnis der Folgen für ihre Altersversorgung; sie bewerten also offensichtlich die Vorteile der Kinderlosigkeit höher als die Nachteile bei ihrer Altersversorgung. Schließlich besteht für derartige Fälle, die als von der sozialen Norm abweichend anzusehen wären 9 , die Möglichkeit, sich auf Kosten des — relativ zu den Kindererziehenden — erhöhten Konsumanteils ihres Einkommens während ihrer Erwerbsphase entweder zusätzlich freiw i l l i g zu versichern, i n private Lebensversicherungen auszuweichen oder durch Eigentums- bzw. Vermögensbildung vorzusorgen. 2. Tod eines

Kindes

Da die Elternrente am Alterssicherungswert des Kindes, also an seinem späteren Aktivbeitrag zur Altersversorgung anknüpft, stellt sich notwendigerweise die Frage, wie der Fall zu behandeln ist, daß ein K i n d stirbt. Zu diesem Problem wären zwei Lösungsmöglichkeiten denkbar: Entweder man legt entsprechend dem Alter des Kindes bei seinem Tod die bis dahin erbrachten Erziehungsleistungen der Berechnung der Elternrente zugrunde oder man entschließt sich dazu, i m Elternrentensystem entsprechend dem Barbeitragsrentensystem einen Bereich des sozialen Ausgleichs mit einem entsprechenden Tatbestand zu schaffen. 8 Vgl. die K r i t i k Molitors an dem Modell von v. Nell-Breuning, V. Teil, D. I I . 1. 9 Siehe oben, Einleitung, Text zu Fn. 1.

oben,

236

V I . Teil: Skizze eines gerechten Rentensystems 3. Das Problem

der notwendigen

Übergangsregelung

Ein wesentliches Problem einer Annäherung des Rentenrechts an das Ideal der gerechten Berücksichtigung von Kindererziehung liegt schließlich darin, daß dieses Ziel nur langfristig und schrittweise erreichbar ist. Es ist nämlich nicht zu übersehen, daß die nach gegenwärtigem, wenngleich auch ungerechtem Rentenrecht erworbenen A n wartschaften nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Schutzbereich des A r t . 14 GG unterfallen 1 0 und somit für die heute Versicherten insoweit eine Besitzstandgarantie besteht, jedenfalls solange das Bundesverfassungsgericht seine Auffassung nicht modifiziert. Abgesehen von dieser juristischen Problematik ist es schließlich einsichtig, daß eine Realisierung dieses oder eines ähnlich weitreichenden Modells nur über die Zeitspanne einer vollen Rentenbiographie hinweg möglich ist, da sich erst die jetzt i n das Erwerbsleben eintretende Generation auf das neue System einrichten kann. Über die hinsichtlich der Einzelheiten offensichtlich komplexe Problematik der notwendigen Übergangsregelung hinaus stellt diese Langfristigkeit jedoch kein grundsätzliches Problem dar; die intertemporären Auswirkungen jeder rentenrechtlichen Neuregelung werfen vielmehr die Frage nach Übergangsregelungen immer wieder auf. Beispielsweise gelangte auch die Sachverständigenkommission zu der A n sicht, die bevorstehende Rentenreform erfordere eine 25jährige Übergangsphase 11 . Hinzuweisen ist auch auf die Rentenreform i n Großbritannien, die ebenfalls erst nach einer 20jährigen Übergangszeit volle Geltung erlangen w i r d 1 2 . Angesichts der Radikalität der notwendigen Neuordnung des Rentenrechts ist deshalb auch eine entsprechend langfristige Perspektive notwendig. Dabei erscheint es durchaus als möglich, die Weichen bereits kurzfristig außerhalb des Rentenrechts zu stellen: Es wäre ζ. B. denkbar, die Änderung m i t einer Reform des Steuerrechts einzuleiten; eine an der Kinderzahl orientierte und zugleich einkommensprogressive Besteuerung könnte so durch eine erhöhte Belastung Kinderloser und Kinderarmer bereits bald die M i t t e l freisetzen, die für den Überbrückungszeitraum die Einrichtung einer Elternversorgungskasse oder aber auch eine Steigerung des Familienlastenausgleichs bis zu einer Höhe ermöglichen würde, die den Eltern die Chance zum Aufbau einer ihren Leistungen angemessenen gleichwertigen Alterssicherung — sei es i n Form von Wohnungseigentum oder wie auch immer — bietet. 10 11 12

Siehe oben, Einleitung, Fn. 41. Vgl. Ziff. 133, 248 des Gutachtens der Sachverständigenkommission. Vgl. v. Maydell, Einzelgutachten, Anlageband 2, S. 46.

Β. Das duale Rentensystem 4. Die Frage der

237

Erziehungs-Bedarfsrentert

Das duale Rentenmodell sieht einen Elternrentenanspruch lediglich bei Erreichung der Altersgrenze vor. Deshalb stellt sich die Frage, wie die Fälle zu behandeln sind, i n denen das gegenwärtige Rentenrecht der besonderen Bedarfssituation erziehender Hinterbliebener durch entsprechende Leistungstatbestände Rechnung trägt. Z u diesem Problemkreis w i r d hier die Auffassung vertreten, daß die Berücksichtigung dieser Lebenssituationen grundsätzlich vorrangig als eine Aufgabe der Arbeitslosenversicherung und nicht der Rentenversicherung anzusehen ist. Die Berechtigung dieses Postulats folgt bereits aus der genaueren Betrachtung des gegenwärtigen Rentenrechts. Weder die erhöhte Witwenrente 1 3 noch die Erziehungsrente 14 weisen ein Leistungsniveau auf, welches den Bedarf der Erziehungsperson zu decken vermag. Das heißt, daß auch nach gegenwärtigem Recht die Berechtigten gezwungen sind, sich entweder zusätzliche Einkommensquellen zu suchen oder sich m i t dem Leistungsniveau der Sozialhilfe zufrieden zu geben. Daneben kommt für die Bezieher der Witwenrente sowie — in allerdings begrenztem Umfang — der „kleinen" Erziehungsrente noch die Möglichkeit i n Betracht, sich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen und — falls sie die rechtlichen Voraussetzungen erfüllen — unter Umständen Leistungen der Arbeitslosenversicherung zu erhalten; für die Bezieher der „großen" Erziehungsrente, denen eine Hinzuverdienstmöglichkeit von lediglich 500,— D M (1979) offensteht 15 , scheidet dieser Weg jedoch aus. Abgesehen davon, daß diese Differenzierungen i m einzelnen als widersprüchlich und willkürlich erscheinen, ist erneut darauf hinzuweisen, daß die ledigen Mütter, deren Bedarfssituation sich i n nichts von der Lebenslage der anderen alleinerziehenden Elternteile unterscheidet 16 , durch das gegenwärtige Rentenrecht i n verfassungsrechtlich bedenklicher Weise auf sich gestellt bleiben 1 7 . Besonders wenn die Sozial- bzw. Familienpolitik ihre eigene Begründung bei der Schaffung ζ. B. der Erziehungsrente sowie der Regelung des Mutterschaftsurlaubs ernst nehmen würde — nämlich die die Unzumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit begründende Betonung der besonderen Betreuung des Kleinkindes durch (ausschließlich) die 13 14 15 16 17

Siehe Siehe Siehe Siehe Siehe

oben, I I . Teil, 2. Kap. Α. I I . oben, I I . Teil, 2. Kap. Β . I I . oben, I I . Teil, 2. Kap. B. I I I . 2. a). oben, I I . Teil, 2. Kap. Β. I V . 2. a). oben, ebd., Text zu Fn. 110).

238

V I . Teil: Skizze eines gerechten Rentensystems

Mutter —, würde aus den verfassungsrechtlichen Geboten der Familienförderung, A r t . 6 GG, und der Gleichbehandlung, Art. 3 Abs. 1 GG, die Notwendigkeit auch der Einbeziehung dieses Personenkreises in das Rentensystem folgen. Läßt man die Frage einmal dahingestellt, ob das Rentensystem angesichts der großen Zahl alleinerziehender Elternteile 1 8 zur Bewältigung dieser Aufgabe überhaupt i n der Lage wäre, würde das bedeuten, daß der Teilzeitarbeitsmarkt um ein Vielfaches mehr belastet würde. Daraus folgt wiederum, daß — angesichts der absolut unzureichenden Rentenhöhe — entsprechend mehr Frauen zu Vollzeittätigkeiten und damit sowohl tatsächlich zur erheblichen Einschränkung ihrer Betreuungsleistungen, als auch der Aufgabe ihres Rentenanspruches gezwungen wären; d. h., ausgerechnet die Mütter werden mit dem Arbeitsmarktrisiko belastet. Ausgehend zum einen von den Ergebnissen der neueren sozialwissenschaftlichen Forschung, die durchaus die Vereinbarkeit von (Teilzeit-) Erwerbstätigkeit und Kinderbetreuung betonen 19 , und zum anderen auch der Feststellung, daß das gegenwärtige Rentenrecht eine Erwerbstätigkeit zwar stillschweigend, aber ohne die Berücksichtigung der Arbeitsmarktbedingungen voraussetzt, w i r d deshalb hier vorgeschlagen, der Bedarfssituation alleinerziehender Elternteile durch besondere Regelungen i m Recht der Arbeitslosenversicherung Rechnung zu tragen; wegen der notwendigen strukturpolitischen Maßnahmen ist die Arbeitslosenversicherung, d. h. letztlich die Arbeitsmarktpolitik jedenfalls der sachnähere Adressat für diese Problematik 2 0 . Nicht anders als für den gegenwärtigen Rechtszustand 21 muß schließlich auch für die hier vorgeschlagene Neuregelung parallel die Forderung nach einer ausreichenden Zahl von institutionalisierten (Halbtags») Beteuungsmöglichkeiten besonders auch für Kinder unter drei Jahren weiter erhoben bleiben; solange deren Angebot unzureichend ist, könnte man anknüpfend an den Nachweis der erfolglosen Bewerbung um einen Betreuungsplatz einen Sozialleistungstatbestand schaffen, dessen Leistungsniveau einer durchschnittlichen Halbtagsentlohnung zumindest nahekommen müßte. Als Beispiel einer derartigen Lösung läßt sich die entsprechende Regelung i n der DDR anführen 2 2 . 18

Siehe oben, I. Teil, A . Siehe oben, I V . Teil, 2. Kap. Β. I I . 20 Dieser Einsicht folgt ansatzweise ζ. B. das österreichische System sozialer Sicherung m i t seiner Regelung des „Karenzurlaubs", dazu vgl. v. Maydell, Einzelgutachten, S. 27 f. 21 Vgl. z.B. Schreyer, SozFortschritt 1979, S. 75; Meyer-Harter, Die Frau i n der Sozialversicherung, S. 86—89, 91. 22 Siehe oben, V. Teil, Β . I. 19

Β. Das duale IV.

entensystem

239

Schlußbemerkung

Diese Untersuchung hat die rechtlich zwingende Notwendigkeit einer Rentenreform aufgezeigt, die — um die Formulierung des Bundesverfassungsgerichts abschließend noch einmal i n Erinnerung zu rufen — tatsächlich „an die Grundlagen der Rentenversicherung r ü h r t " 2 3 und nicht lediglich versucht, „billige" und vordergründige Korrekturen entsprechend den legislativ befristeten, aktuellen sozialpolitischen Nöten vorzunehmen. Die eigentliche Problematik des Systems der Rentenversicherung und seiner Reform liegt nicht i n der Frage der Gleichbehandlung von Mann und Frau, sondern in der Frage der Behandlung der Kindererziehung. W i r d dieses Problem gerecht gelöst, bleibt möglicherweise die Altersversorgung der nicht-erwerbstätigen, kinderlosen Hausfrau noch als Problem übrig; eine Leistung, an die Gegenleistungen der gesetzlichen Alterssicherung anknüpfen könnten, w i r d von ihr nicht erbracht. Insofern sollte man die Problematik dieses Personenkreises aber auch nicht als soziale, sondern als Frage des privaten Verantwortungsbereiches begreifen 24 . I m übrigen würde eine Realisierung des dualen Rentensystems wegen der Herstellung der Symmetrie der Lebensleistungen für Kinderlose und Kinderarme eine Zusatzsicherung außerhalb der Rentenversicherung notwendig machen; diese Zusatzsicherung, die i m Hinterbliebenenfalle dem überlebenden Ehepartner voll erhalten bliebe, würde zum einen das Versorgungsvolumen von Ehepaaren so erhöhen, daß ein „reines Splitting" i m Hinterbliebenenfalle möglich würde 2 5 , zum anderen damit aber auch eine ausreichende Altersversorgung der niemals erwerbstätigen, kinderlosen Personen bewirken. Das Ziel, das Ideal eines gerechten Rentensystems, wurde vielleicht wenigstens i n Umrissen erkennbar, ohne daß dafür viel Phantasie nötig war; es zu erreichen allerdings w i r d ein Höchstmaß an Vorstellungskraft und Einfallsreichtum erfordern: Politik ist die Kunst des Möglichen — ist Gerechtigkeit die Kunst des Unmöglichen?

23

BVerfGE 39, S. 169 (194). So z.B. Kirner, DIW-Wochenbericht 20/1980, S. 213; vgl. auch Standfest, W S I - M i t t l g . 1980, S. 686. 25 Vgl. dazu Sachverständigenkommission, Gutachten, S. 42 f. (Rdnr. 101 ff.). 24

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