Die Belagerungen von Torgau und Wittenberg 1813 und 1814


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Table of contents :
Front Cover
Belagerung von Torgau Borwo orwort 1 Früherer Zuſtand
Bau der Festung
Beschreibung des Zustandes der Befestigung Ende 1813
Ereignisse vom ersten Erscheinen der Kosacken bis zur eigent lichen Blokade
Zustand der Defension
a) Besagung
b) Festungsartillerie und Geniekorps c) Verproviantirung und Verpflegung
Die verheerenden Krankheiten
Blokade
Belagerung
Bombardement der Stadt
Allgemeine Bemerkungen 12 Anmerkungen
Vorwort
Belagerung von Wittenberg
Frühere Ereignisse
Ereignisse im Jahre 1813 bis zur Belagerung 3 Zustand der Festung zur Zeit der Belagerung 4 Vorbereitungen zur Belagerung 5 Wahl der Angriffsfront
5 6
19
21
38
63
73
Allgemeine Beschreibung der Angriffs- und Vertheidigungs- Arbeiten
Sturm
Thatsachen, durch welche sich die Belagerung von Wittenberg
Zeile 4 v o ſtatt ſolle lies ſollte
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Die Belagerungen von Torgau und Wittenberg 1813 und 1814

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Die

Belagerungen

von

Torgau und Wittenberg

1813 und 1814.

Bon

J.

L.

Vogel,

K

Major von der Armee.

Mit zwei Plänen.

Berlin, 1844. Verlag der Nauckschen Buchhandlung.

HT

TIS

BRI

‫کان‬

2 4 25

89

Vorrede.

Obgleich es nicht an Nachrichten über die Belagerungen von Torgau und Wittenberg im Jahre 1813 fehlt , so

find

doch in denselben theils viele

Unrichtigkeiten und Irrthümer enthalten, anderntheils find die Begebenheiten von einem Standpunkte aus erfaßt und mitgetheilt worden , nach welchem sich noch nicht läßt ,

eine Uebersicht

während

des

Ganzen

auch den Darstellungen

größtentheils mangelt ,

gewinnen alles

das

was besonders für den Ar-

tilleristen von der größten Wissenswürdigkeit ist.

Der Verfasser dieses , offizier

an

welcher

beiden Belagerungen

genommen hatte, glaubte daher , gebene Arbeit sein

als

Artillerie-

thätigen Antheil daß es keine ver-

vürde , beide Unternehmungen

aus dem Standpunkte eines Artilleristen zu betrachten, und in die Schilderung derselben manche Erfahrungen einzureihen, die bei andern Darstellungen dieser Art . entweder

gar nicht wahrgenommen ,

das rechte Licht gestellt worden sind.

oder nicht in

Wenn es auch einem Subaltern-Offiziere schwer wird , das Ganze einer solchen Unternehmung aufzufassen, so ist es dennoch dem Verfasser durch angestellte Rekognoscirungen an Ort und Stelle, und Einziehung zweckdienlicher Notizen kurze Zeit nach der

Besißnahme

der

Festungen

möglich

gewesen,

diejenigen Materialien zu erhalten, deren es bedurfte, um mit dem ,

erfahren und

was er selbst gesehen ,

aufgezeichnet hatte, ein Ganzes dieser Begebenheiten ` darstellen, und vorurtheilsfrei beurtheilen zu können. Das Vorrecht eines Soldaten benußend , hat der

Verfasser

die

aufgezeichneten

schlichten Worten geschildert ,

die

Thatsachen

in

auch in diesem

Gewande den preußischen Ruhm gewiß nicht schmålern werden.

Er übergiebt diese Arbeit seinen Ka-

meraden mit der vollen Ueberzeugung , alle ihm zu Gebote stehenden Mittel angewendet zu haben , um Ihnen die Wahrheit bis in das kleinste Detail mit zu theilen,

und

mit dem Wunsche ,

Nüßliche derselben anerkennen mögen.

Berlin , im Januar 1844.

daß Sie das

Inhalt.

Belagerung von Torgau. Seite

3

Borwo orwort 1. Früherer Zuſtand . 2. Bau der Festung . •

5

3. Beschreibung des Zustandes der Befestigung Ende 1813 . 4. Ereignisse vom ersten Erscheinen der Kosacken bis zur eigent lichen Blokade

7

6

12

5. Zustand der Defension. a) Besagung .

18 19 21

b) Festungsartillerie und Geniekorps c) Verproviantirung und Verpflegung 6. Die verheerenden Krankheiten · 7. Blokade

25 31

8. Belagerung .

35

9. Angriff des Forts Zinna • 10. Bombardement der Stadt ·

38



59

11. Allgemeine Bemerkungen

52

12. Anmerkungen

63

88883

Belagerung von Wittenberg. Vorwort

1. Frühere Ereignisse 2. Ereignisse im Jahre 1813 bis zur Belagerung 3. Zustand der Festung zur Zeit der Belagerung

4. Vorbereitungen zur Belagerung

73 80



83

101 •

·

105

5. Wahl der Angriffsfront .

107

6. Allgemeine Beschreibung der Angriffs- und VertheidigungsArbeiten .

109

Seite 123

7. Sturm 8. Allgemeine Bemerkungen zu dieser Belagerung und über dieselbe. 1. Eröffnung der Parallele und Ingenieurarbeiten • . · 2. Batteriebau 3. Wirkung der Artillerie des Belagerers 4. Wirkung der Artillerie der Belagerten 5. Fehler, welche begangen wurden. • a. Von Seiten der Belagerer . b. Von Seiten der Belagerten 9. Thatsachen, durch welche sich die Belagerung von Wittenberg besonders auszeichnet .

125 126 128 130

135 139 141

146

10. Anmerkungen 11. Bau der sogenannten Breſchbatterie vor Wittenberg





158

Druckfehler. Seite 7. Zeile 4. v.o. ſtatt ſolle lies ſollte. : 22. 4. v. u. st. Sept. I. Nov. 23. 4. v. o. st. und einige I. und für einige. = ፡ 23. 7. v. v. st. Septembers 1. Novembers. ፡ 16. v. o . st. man am I. man schon am. == 23. : - 32. " 1. v . u. st. des I. das. = 43. 1. v. u. st. tüglich I. täglich. 3 48. 4. v. u. st. demontirt I. demontirte. : 10. v. o. ft. 1813 I. 1814. I 58. - .`60. 3. v. u. ft. was geschehen L als geschehen. = 16. v . o. st. nach I. noch. 3 107. : 10. v. u. ft. Batterie I. Batterien. ፡ 122. 3 = 134. 1. v . o. st. Brlagerer I. Belagerer. = 136. ፡ 15. v. u. ft. Mörserbatterien 1. Mörser batterie. 3 149. ፡ 2. v. u. ft. Tambour 1. Tambor. ፡ 167. 1. v. o. st. allermindeſte I. allergrößte.

Die

Belagerung von Torgau 1813.

Vogel Belagerung z.

Vorwort.

Unstreitig war der Verfaſſer der Erste , der Nachrichten über die Belagerung von Torgau 1813 sammelte , aber den darüber zuerst verfaßten Aufsatz , welchen er schon im Jahre 1822 dem verstorbenen General v. Rauch , auf deſſen Ansuchen , mittheilte , bewahrte er auch außerdem nicht sorgfältig genug , weshalb derselbe ohne seine Genehmigung in dem Archiv für die Offiziere des Königl. Preuß. Artillerie- und Ingenieur - Korps für 1841 nicht bloß im Auszuge , sondern auch in einzelnen Theilen fast wörtlich abgeſchrieben, erſchien. Da er sich einmal für diesen Gegenstand intereſſirte, so bekam er in der Folge Mittheilungen genug, um sich nicht nur in den eigenen ursprünglichen Ansichten selbst zu berichtigen , sondern wurde auch durch dieselben in den Stand gesezt , eine vollſtändige Darstellung dieser Unternehmung verfassen zu können. Er ist daher nicht nur befähigt, die im Archiv enthaltenen, und aus dieſem in die Geſchichte der brandenburgiſch - preußischen Artillerie übergegangenen Mittheilungen über diese Begebenheit, sondern auch den franzöſiſchen Bericht darüber berichtigen und ergänzen zu können. Außer vielen Mittheilungen von sächsischen und preußischen Offizieren, von welchen lezteren der Eine, mit den allgemeinen Anordnungen der Belagerung vertraut , ihm wichtige Aufschlüſſe über die Handlungsweise der Belagerer und die Gründe dazu zu geben vermochte , muß der Verfaſſer hier insbesondere als die wichtigsten Quellen dankbar bezeichnen :

die von dem

Ingenieur - Major Moser gleich nach der Belagerung 1*

jezigen aufge-

nommene sehr geistreich verfaßte Uebersicht des Zustandes der Festung und des

geführten Angriffes, und : das Tagebuch des

Superintendenten Dr. Koch zu Torgau , eines glaubwürdigen Mannes, der zu jener Zeit Repräsentant der Bürger vor dem französischen Gouvernement, und zugleich Bevollmächtigter des legteren bei dem kommandirenden General des Belagerungs - Korps 1 war. Dieses Tagebuch stimmt mit andern in Torgau geführten Tagebüchern genau überein , übertrifft sie aber alle in dem Reichthume der aufgezeichneten Nachrichten , und in der Freisinnigkeit und lobenswerthen Wahrheit, die sein besser unterrichteter Aufzeichner an den Tag gelegt hat.

Es gewährt daher im Gan-

zen genügendere Aufklärungen über die Zustände in Torgau, als der französische Bericht uns darbietet. Was diesen lettern anbetrifft, so stimmt derselbe mit den Zeitangaben des

erwähnten Tagebuches überein , schildert auch

das Lazarethwesen und die Vernachlässigung der Kranken ganz der Wahrheit gemäß ; dagegen weicht derselbe bei solchen Gegenständen, welche der Ehre des Gouvernements oder der Besagung zu nahe treten , bedeutend von derselben ab , ſucht die Umstände zu entschuldigen , oder vermeidet es ganz , davon zú berichten. Der beigefügte Plan ist nach dem, dem Archiv beigegebenen gezeichnet, wobei die erst im Aufbau begriffenen Festungswerke besonders dargestellt sind, dagegen ist der stattgehabte Angriff nach der Wirklichkeit darauf bemerkt.

Hiernach iſt nichts

von einer zweiten Parallele vor Zinna erwähnt, und von den in oben angeführten Schriften aufgeführten 20 erbaut ſein ſollenden Batterien werden nur 7 als wirkliche Angriffsbatterien angenommen, während von 6 Batterien und Geſchüßaufſtellungen nur vorübergehende Anzeige geschieht.

Torg orgau au auf dem linken Elbufer , mit wenigen Ausnahmen vom flachen Terrain umgeben , am schiffbaren Elbstrome gelegen, zählte im Jahre 1813 gegen 5000 Einwohner.

Hier vereinig-

ten ſich die Straßen von Dresden nach Magdeburg , und von Leipzig nach Luckau und Frankfurt a. D., wodurch der Ort damals , vor der Anlage der jezigen Straße von Wittenberg nach Berlin, eine größere Wichtigkeit erhielt. 1. Früherer Zuſtand.

Beim Anfange

des siebenjährigen Krieges hatte Torgau

Mauern und Gräben, vor welchen König Friedrich der Große einige Erdwerke aufführen ließ , um den Ort als Brückenkopf einigermaßen haltbar zu machen. In diesem Zustande wußte der Oberst v. Grollmann diese Stadt im Jahre 1758 mit zwei Bataillonen gegen einen überlegenen Feind zu halten. Im Jahre 1759 wurde Torgau mit einem Walle verstärkt, der jedoch nicht ganz in den gewünſchten Zuſtand kam, und erhielt auch eine Brückenschanze. Mit fünf Bataillonen vertheidigte es der tapfere Oberst v. Wolfersdorf hartnäckig, und hielt einen viermaligen Sturm aus, mußte es jedoch beim gänzlichen Mangel an Munition endlich übergeben.

Durch eine un-

rühmliche Kapitulation wurde es in demselben Jahre wieder eingenommen. Im Jahre 1760 nahm der General v . Hülsen eine vortheilhafte Stellung auf der Anhöhe zwischen dem großen Teiche und dem Rathsweinberge , auf welchem gegenwärtig das Fort Zinna liegt, die er jedoch wieder unnöthig verließ, wodurch der damalige Kommandant , Major v. Normann , bewogen wurde ,

6 ſich mit 60 Offizieren und

2400 Mann Besagung auf die

erste Aufforderung zu übergeben. Nach der Schlacht von Torgau 1760 räumten die Oesterreicher freiwillig den Ort, den sie einer Vertheidigung gar nicht werth hielten.

2. Bau der Festung. Als Napoleon seinen fernen Zug nach dem Norden projektirte , ſchien es ihm angemessen , sich den Rücken zu decken , theils durch den Besitz

der schon innehabenden Elb- , Oder-

und Weichselfestungen , theils durch neu anzulegende Befestigungen. Auf seinen Befehl gab zu jener Zeit Carnpt sein Werkt heraus, welches den Befehlshabern der Festungen in mehr als einer Hinsicht zur Richtschnur dienen , und sie zugleich auf die Widerstandsfähigkeit der ihnen anvertrauten Pläge aufmerkſam machen sollte.

Um die Elbe von Dresden bis Magdeburg mehr beherrschen zu können, schien ihm die Anlage einer Festung auf dieſer Linie nothwendig, und Dresden, Torgau oder Wittenberg waren hiezu geeignet. Ersteres , welches schon theilweise mit einem Walle umgeben war, schien am Leichtesten zu einer Festung umgeschaffen werden zu können, allein der König von Sachſen trug auf die Bitte der Dresdner Bürger darauf an, die bestehenden Werke Dresdens zu zerstören und einen anderen Punkt an der Elbe befestigen zu laſſen. Der sächsische Ingenieur - Oberst

Lecoq wollte, wie es

hieß , eine rein militairische Festung in der Gegend von Mühlberg

anlegen ,

welches aber vom Kaiser Napoleon nicht ange-

nommen ward , dagegen wurde von ihm das in Vorſchlag ge= brachte Torgau genehmigt, wiewohl späterhin ſowohl Dresden, als Wittenberg , zu haltbaren Plägen umgeſchaffen wurden , und letteres heut noch als Festung wichtig ist.

Nach dem Beschlusse

vom 29. Nov. 1810 zur Befestigung Torgaus erhielt der vom Obersten Lecoq hiezu entworfene Plan die besondere Genehmi-

gung des Kaisers, nach welchem Torgau innerhalb eines Jahres so weit als Festung hergestellt werden sollte, daß es im Stande wäre, einen gewaltsamen Angriff abzuschlagen ,

und nach zwei

Jahren solle der Ausbau völlig beendet sein.

Der Bau fing

auch im Frühjahre 1811 an , und seit dieser Zeit wurde Tocgau als Festung genannt.

Fast die ganze sächsische Armee nahm

nach und nach daran Antheil, und mit dem Schlusse des Jahres 1812

hatte Torgau

einen Hauptwall ,

Graben ,

und einige

Außenwerke. 3. Beschreibung des Zuſtandes der Befestigung Ende 1813.

Der Oberstlieutenant Augoyat im f . franz. Genie - Korps giebt eine genaue Beschreibung der Befestigung * ) zur Zeit der Belagerung und deren Vervollkommnung im Laufe derselben, 12ter Band ,

woraus die Redaktion des Archivs von 1841 , 3tes Heft einen Auszug geliefert hat.

Zur Vervollständigung

der leztern Beschreibung möge folgendes dienen : Torgau ist nach dem bastionirten Systeme erbaut , und obs gleich sich die Befestigung nach der Form der Stadt richten mußte, so ist dieselbe doch sehr regelmäßig , und die einzelnen Seiten sind es ganz. Dadurch wurden die Räume in den Bastionen bedeutend, und es fand hinter dem Hauptwalle eine breite Passage statt : zwei vorzügliche Eigenschaften , welche man bei andern Festungen nur zu oft vermißt, auf die hier aber um so mehr Rücksicht genommen werden konnte ,

als sich bei der

Anlage weniger Schwierigkeiten dagegen fanden , als anderswo, eine ganze Vorstadt ausgenommen, die darum abgerissen werden mußte.

*) Relation de la défense de Torgau par les troupes françaises, sous les généraux de division comte de Narbonne, et comte Du Taillis , par le Lieut. col. du génie Augoyat , avec plan, Paris 1840.

8

Eine schöne hölzerne Brücke, 370 Schr. lang, von 7. Pfeilern getragen, verband beide Ufer, deren Ueberdeckung die Franzosen, angeblich zur Erhaltung derselben, abtrugen und verbrannten.

Zur Deckung der Brücke war auf dem rechten Ufer ein

großer Brückenkopf , in Form eines Kronenwerks , von gleichem Profil wie die Festung, erbaut worden. erst 1813 zu bauen angefangen.

Man hatte denselben

Der Graben war tief und

trocken ; Naveline und gedeckter Weg mangelten noch, ebenso das Revetement, und bombensichere Kasematten.

Vor dem Brücken-

kopfe war das ganze Terrain des rechten Ufers ganz eben. Zur Bestreichung dieses Brückenkopfes und des Elbſtromes waren ober- und unterhalb auf jedem Ufer permanente Werke in Form einer Lünette , jedoch in der Kehle geschlossen , und zwar oberhalb auf dem rechten Ufer die Lünette Werdau , ihr gegenüber auf dem linken Ufer die Lünette Loswig ; unterhalb aber auf dem rechten Ufer die Lünette

Zwethau ,

und ihr gegen-

über auf dem linken Ufer die Lünette Repit in angemessenen Entfernungen , erbaut worden , welche als detaschirte Werke betrachtet werden konnten.

Diese Lünetten hatten die Gestalt eines

Bastions, und waren sich beinahe alle gleich, mit trockenen Gräben versehen, wovon der der Lünette Loswig durch Innundation , und der von Repit durch Anstauung des

schwarzen

' Wassers bewässert werden konnten , auch hatte eine jede einen gedeckten Weg und ein Pulver-Magazin. Ihre Kehlen waren durch Gräben und Pallisaden geschlossen, jedoch hatten nur zwei derselben bombensichere

Kasematten.

Unterstüßen

konnten sich

die

gegenüberliegenden unter einander, auch wurden sie wiederum von der Festung und dem Brückenkopfe unterſtüßt. Die eigentliche Festung lag auf dem linken Ufer der Elbe, und bildete , wenn die Kehle der Stadt als eine Seite angenommen wird, ein Sechseck von acht Baſtionen, wovon die beiden Anschlußbastione an der Elbe nur halbe Baſtione und mit Kavalieren versehen waren. Die Bastione ´waren nach Vauban erbaut und ihre Profile sehr stark.

Ein sehr tiefer und breiter

Graben umgab den Hauptwall , welcher von dem nahe liegenden großen Teiche gespeiset wurde. An ein Revetement fonnte nur gedacht , solches aber nicht ausgeführt werden , da die Kriegsunruhen 1813 den völligen Ausbau der Festung unterbrachen, es war jedoch beschlossen worden, und zwar von Pirnaer Steinen, wovon bereits ein großer Vorrath angeschafft war. halb hatte man den Graben noch mehr vertieft.

Des-

Vor die Kurtinen sollten Raveline nach Cormontaigne gelegt werden, womit auch bereits der Anfang mit vier derselben gemacht worden war, jedoch,

das eine ausgenommen , nur in

grober Erdmaſſe. Der gedeckte Weg war vollendet und palliſadirt.

noch nicht überall

An Kasernen und Magazinen für die Lebensmittel war Mangel, so wie an einem Lazareth.

Zwei große bombensichere

Pulvermagazine waren vorhanden, so wie die nöthigen Pulverbehältnisse in den Werken, indeß waren erstere nicht zu gebrauchen, da man sie auf einem ſumpfigen Grunde erbaut hatte, und die Roste späterhin nachgaben. Vor dem rechten Flügel der Festung, auf der Seite nach Wittenberg, liegt eine Anhöhe ( ehemals der Rathsweinberg ) , welche die Stadt dominirt ,

und einen

mäßigen Kanonenschußz

von derselben abliegt. Auf dieser Anhöhe war ein großes Fort, Namens Zinna , erbaut worden. Es hatte die Form eines Vierecks, und war zum Theil ausgebaut, aber nicht bekleidet. Rechts vom Fort Zinna , und in der Mitte zwischen dem ſelben und der Lünette Repit , lag noch ein Fort , Mahla genannt ,

einen starken Kartätſchſchuß von der Festung entfernt,

welches zur Bestreichung

des Grundes ,

welchen jene Anhöhe

bildet, und der sich davon bis zur Elbe zieht, so wie zur Unterstützung des Forts Zinna diente.

Es hatte die Form einer

Pfaffenmüße, mit einem tiefen trocknen Graben, der indeßz leicht zu bewäſſern war, ohne vorliegende Werke , ohne gedeckten Weg , und

ohne bombenſichere Kasematten und Pulvermagazine , und

10 war nicht revetirt. Lünette Repit.

Unterstügt wurde es von Zinna und der

Sämmtliche detaſchirten Werke waren von gleicher Bruſt= wehrstärke mit der Festung, und ihre geſchloſſenen Kehlen waren bekleidet. Außer dem bezeichneten Grunde

und der Anhöhe waren

auf dem ganzen Kanonenbereiche der Festung keine Terrainnachtheile für letztere anzutreffen , und auch diese wurden durch die beiden Forts unschädlich gemacht.

Auf dem linken Flügel war " ganz ebenes Terrain , und lag diese Seite bedeutend tiefer , als die des rechten Flügels. Zwischen dem Fort Zinna

und

der Lünette

Coswig .

befand sich ein sehr großer Teich , und links deſſelben mehrere kleinere,

wie der Kuh- Plan und Zipfel - Teich in einer Reihe

hinter einander liegend , zwischen welchen und dem großen Teiche ein Dammweg führte.

Diese Gewäſſer waren für die Festung

von außerordentlichem Nugen ,

indem durch sie nicht nur die

Annäherung des Belagerers von dieser Seite erschwert, und auf einzelne Dämme beschränkt ward ,

sondern sie auch theils zur

Bewässerung der Gräben , theils zur Innundation vortheilhaft benugt werden konnten . Zwischen der Stadt und den Forts Zinna und Mahla fließt von dem großen Teiche her der sogenannte schwarze Graben, welcher sich dem Fort Mahla sehr nähert und zuletzt vor der Lünette Repig in die Elbe fällt.

Ein anderer Graben auf

dem linken Flügel der Festung flicßt zwiſchen derselben und der Lünette Loswig zur Elbe, und ist der sogenannte Abzugsgraben des großen Teiches .

Auch diese beiden Gewässer waren für die

Festung von der größten Wichtigkeit, indem theils die Festungsgräben von den Teichen durch den schwarzen Graben gespeiset, theils der übrige Theil vor der Festung durch dieselben innun• Der Abzugsgraben aber führte das über-

dirt werden konnten.

flüssige Wasser des Teiches zur Elbe,

und verhinderte somit

jedes Austreten deſſelben zum Nachtheile der Festung.

11

Der Punkt,

wo der schwarze Graben an die Teiche ,

den sogenannten Teichhäusern , ſtößt , ist daher

an

auch von be=

ſonderer Wichtigkeit, indem durch Wegnahme desselben der Feind Herr vom großen Teiche wird, und die Speisung der Festungs- . gräben , wenn solche nicht schon früher stattgefunden hatte , verhindern kann.

Daher war auch dieser Punkt durch ein passa-

geres Werk von mehreren Abschnitten von den Franzosen späterhin gesichert worden , welches aber zu schwach fortifizirt war , und daher auch leicht genommen wurde. Aus dieser kurzen Beschreibung geht hervor, daß Totgau von der Natur schon begünstigt, zu einem äußerst bedeutenden festen Plaze umgeschaffen werden konnte , einen solchen zum Theil bildete.

und

daß es bereits

Der zu früh ausgebrochene

Krieg verhinderte den völligen Ausbau , und bewirkte , daß ein großer Theil der fortifikatorischen Arbeiten mit Uebereilung ausgeführt wurde, ohne welche Torgau auf den Rang eines Plages erster Klaſſe hätte Anspruch machen können. Während des Waffenstillstandes war insbesondere sehr thätig an dem Ausbaue gearbeitet worden , aber auch vor und nach dieser Zeit fanden sich so viele Arbeiten auszuführen nöthig , um den Platz gegen einen gewaltsamen Angriff sicher zu stellen ,

daß die Garnison

den von ihr geforderten Anstrengungen erlegen hätte, wäre sie nicht in verschiedenen Zeiten, durch die Kriegsereigniſſe herbeigeführt, entweder verstärkt, oder einigemal abgelöset worden.

Aber

auch während der Blockade und der Belagerung wurde unablässig an der Verstärkung der Befestigung gearbeitet, wozu Anfangs freilich die große Ueberzahl der Besagung , die sonst nicht hinreichend beschäftigt werden konnte, von selbst einlud .

Später-

hin dürften leichte Arbeiten, als Zerstreuung, der leidenden Beſagung wohl das Gute erzeugen, dieſe in ihrer unglücklichen Lage vor dem so höchst schädlichen Hinbrüten zu bewahren , es scheint aber nach Hrn. Augoyat selbst, daß man auch in der letzten Zeit ,

wo

man

sich mit Ergebung

in sein Schicksal finden .

ſollte, ohne deswegen in der Pflichterfüllung nachzulaſſen , noch

12

immer zu viel neue Entwürfe in Ausführung zu bringen ſuchte, bei welchen an die geisteskranke Besatzung zu große Anforderungen an ihre körperlichen Kräfte gemacht wurden, so daß die Ueberschreitung des rechten Maßes hierbei nicht ohne nachtheiligen Einfluß auf die Gesundheit sein konnte , da man schon bei gesunden Menschen nur dann starke körperliche Anstrengung fordern kann, wenn sie auch gehörige stärkende Nahrung erhalten, die aber hier fehlte. ' Dadurch, daß über die nächsten Dörfer des linken Ufers palliſadirte Verſchanzungen angelegt worden waren, war die Befestigung noch weiter ausgedehnt, und diese Dörfer in den Bereich der Festung gezogen worden.

4. Ereignisse vom ersten Erscheinen der Kosacken bis zur eigentlichen Blockade. Im Februar 1813 fing man an, die Festung in Vertheidigungsstand zu setzen. Damals war der General - Lieutenant v. Zeschau Gouverneur von Torgau, er wurde aber bald nach dem Königsstein verſegt ,

und

bis zur Ankunft des

General

Reynier der General v . Thielemann dazu bestellt. Jm Monate März wurden die Vorstädte demolirt.

Einem

Korps Italiener wurde der Durchmarsch durch die Festung verweigert, das deshalb seinen Uebergang über eine Schiffbrücke bewerkstelligen mußte.

Einem französischen Regimente , angeblich

zur Verstärkung der Garnison bestimmt ,

wurde der Einmarsch

abgeschlagen, und endlich wurde ein franzöſiſcher Ordonateur, der die Verproviantirung der Festung leiten sollte, abgewiesen. Bald Am 10ten März zeigten sich die ersten Kosacken.

darauf erschien ein russisches Korps auf dem rechten Elbufer zur Blockade , ließ jedoch nicht nur Rekruten , sondern

auch

Branntwein und Vieh in die Festung , als es bestimmt erfuhr, Es erschien der daß die Garnison nur aus Sachſen beſtehc. franz. Marschall Davoust

in der Festung und besichtigte die-

13 * .

selbe,

aber seinem Versuche , franz. Truppen in den Plaz zu

bringen ,

wurde standhaft widerstanden ;

russische und preußiſche

Parlamentaire, mit gleichen Anträgen, wurden ebenso abgewieſen. Nachdem sich die Franzosen im April gegen Leipzig zurückgezogen hatten, herrschte zwischen der Garnison , und den die Festung blockirenden, Ruſſen und Preußen das beſte Einverſtändniß ,

das alle Feindseligkeiten verbannte ,

wurden die Thore wieder geöffnet.

Konferenz zwischen dem Gouverneur und neral v. Kleist in Prettin statt, letterer und besichtigte die Festung.

und am 11. April

Am 12. April fand eine

und

dem preußischen Geam 22. April erſchien

In Folge der verschiedenen

Anträge , die zu dieser Zeit dem Gouverneur gemacht wurden, ſah sich dieser veranlaßt , mehre Male Kouriere an den König von Sachsen abzusenden, diese konnten aber den König nirgends finden ! Der 27. April, als der Geburtstag Thielemanns wurde sehr feierlich in Torgau begangen, und bei der Tafel sprach sich derselbe über seine bisherige Handlungsweise offen aus ,

und

zwar wie folgt: Ich habe nicht geglaubt ,

daß der heutige Tag ,

welcher

nur meiner Familie wichtig war, je ein öffentlicher Tag werden Was ich gethan habe, würde in meinen Verhältniſſen fönnte. ein Jeder auch gethan haben.

Glauben Sie aber, daß ich dazu

beigetragen habe, daß wir noch hier in unserer Muttersprache mit einander reden , und nicht in einer fremden Zunge uns armſelig ausdrücken müſſen , daß Torgau noch die einzige Stadt unsers Vaterlandes ist , wo unser König befehlen kann : dann kann ich mir einiges Verdienst beilegen ! Ich habe viel auf mich genommen ! Ich weiß : für das, was ich gethan habe, ist jenseits des Rheins keine Verzeihung zu hoffen, aber ich erkläre auch hiemit , daß ich für Frankreichs Sache nie wieder den Degen ziehen werde!” Ein allgemeiner Jubel folgte dieser Erklärung , der die Stimmen der Generale Steindel und Sahr erstickte , welche jene Erklärung modifiziren wollten.

14 .

Leider zeigten sich schon am 7. Mai wieder Franzosen vor Mit dem General Reynier fand eine Bespre-

der Festung ! chung statt,

aber

Thielemann verweigerte den Einmarsch der

Franzosen bis zur Ankunft eines beſtimmten königlichen Befehls fest und entschieden. Am 10. Mai kam der sächsische Kammerherr v. Friesen mit dieſer Ordre an , und Thielemann begab sich in Begleitung des Chefs seines Stabes , Oberstlieutenants Aster , nach dem Brückenkopfe , von wo aus beide die Festung verließen.

Wäh-

rend dieser Tage herrschte unter der Besatzung abwechſelnd die größte Bewegung und Niedergeschlagenheit , und sie konnte nur • durch Allarmirungen in ihrer Pflicht erhalten werden. Ihr Mitgefühl an der Sache der Deutschen ließ sich bei dieser Gelegenheit , als überhaupt in der ſächſiſchen Armee , in gar keinen Zweifel ziehen ! Unter dem Vorwande von Krankheit lehnte Steindel das Gouvernement ab , und der General Sahr wurde Gouverneur.

Am 11. Mai rückten die Franzosen ein, und große Truppendurchzüge vom 3., 5. und−7. franz . Armeekorps unter Ney , Lauriston und Reynier , gegen 120,000 Mann stark , fanden hierauf statt , die zum Theil auf Schiffbrücken übergingen. Da die Hauptmacht der Preußen am 6. Mai bei Meiſſen , die der Ruſſen am 7. bei Dresden die Elbe passirten , alle von Leipzig kamen und gegen Baugen rückten, der Weg von Leipzig nach Bauzen über Dresden, Meiſſen und Torgau aber fast von gleicher Länge ist ,

die Franzosen am 7. Mai

ebenfalls

vor

Torgau eintrafen, und 4 Tage lang aufgehalten wurden, ſo läßt es sich wohl fragen : ob den Verbündeten wohl ein solcher Rückzug , als er statt gefunden , gelungen wäre , und ob bei Bauzen eine Schlacht noch stattfinden konnte, wenn die Franzosen bei Torgau ungehindert die Elbe passiren konnten ? Jedenfalls wurde den Verbündeten durch das Aufhalten der Franzosen bei Torgau ein wichtiger Dienst erwiesen ! Die sächsische Garniſon marſchirte nunmehr

größtentheils

15

aus, und der französische General d'Avril wurde Gouverneur. Dieser wurde bald darauf durch den General Lauer abgelöst , und während des Kommandos desselben ernannte Napoleon noch den General Brun dazu. Am 10. Juli war Napoleon in Torgau, um sich von der Beschaffenheit des Plages persönlich zu überzeugen.

Am 10. Au-

guſt wurde ſein Geburtstag höchſt feierlich begangen , und ſeine Büste sollte in der Hauptkirche

aufgestellt werden ,

was die

Geistlichkeit nur mit großer Mühe verhindern konnte. Nach der Schlacht von Dennewig fand der Rückzug der franzöſiſch -ſächſiſchen Armee größtentheils auf Torgau statt, in dessen Folge große Lazarethe gebildet wurden. Unter dem Marschall Ney

verblieben diese Truppen auf dem linken Ufer

bis zum 22. Septbr. , wodurch die Gegend außerordentlich litt. Für den General

Lauer ,

welcher auf kaiserlichen Befehl die

Beaufsichtigung sämmtlicher in Torgau befindlichen Depots der großen Armee erhielt ,

ernannte Ney den General Brun de

Villeret zum Kommandanten von Torgau ,

und den Oberst

Girod de Novilars zum Ingenieur des Plages. Am 14. Septbr. kam der neu ernannte Gouverneur , Diviſions -General- Graf Narbonne , früher Gesandter in Berlin und zulegt Abgesandter des Kaisers bei dem Kongreſſe in Prag, an, so daß nunmehr drei Gouverneure vorhanden waren.

Nar-

bonne erklärte in Folge des Befehls des Kaisers Torgau zum Centraldepot der franzöſiſchen Armee, auch gingen bei ſeiner Ankunft die Artillerie- und Ingenieur - Kommandos von sächsischen auf franzöſiſche Offiziere über. Nach der Schlacht von Wartenburg am 3. Okt. erſchie= nen zuerst preußische Truppen auf dem linken Ufer wieder .

Am

5. Okt. erſchienen sie durch Ruſſen ſehr verstärkt , und überwältigten

die von

Verschanzungen zerstörten.

Hessischen bei

Truppen

Neiden ,

vertheidigten palliſadirten

Siptiz 2. welche sie sodann

Auf dem rechten Ufer fand ein starkes Gefecht bei

Kreischau zum Nachtheile der Franzosen statt.

16

*

Am 9. Dkt. fand zwischen der Besatzung und den Blockadetruppen bei Gelegenheit einer großen Fouragirung der erstern ein starkes Gefecht statt , die blockirenden Truppen der Verbündeten auf dem linken Ufer zogen jedoch bald wieder ab. Das rechte Ufer wurde vom 4. preuß. Armee-Korps beobachtet , aber der Wunsch des Kronprinzen von Schweden , einzunehmen , kam nicht in Erfüllung.

den Brückenkopf

Narbonne erklärte am

Sten die Festung in Belagerungsstand. Zum Kasernement für die Truppen wurden nach und nach alle Gasthöfe , und endlich ganze Straßen eingerichtet. Am 12. Oft. wurden alle Bäume und Hecken um die Festung vernichtet. Am 19. Okt. kam der große französische Hauptpark , der ſächſiſche Park, die Brücken-Equipagen, der Artillerie- und Ingenieur - Park, der große Stab des Verpflegungswesens , das 4 das Medizinalwesen , vieles zum kaiserl.

kaiserl. Feldpostamt ,

Hauptquartier Gehörige , und die Kriegskasse der großen Armee Napoleon hatte dieses Alles am 13. Okt.

2c. in Torgau an.

unter dem General

Durrier bei Eilenburg mit dem Befehle

stehen lassen , in steter Bereitschaft zu bleiben , um sich mit der großen Armee wieder zu vereinigen , von wo es ein ruſſiſches Korps von Leipzig ab verdrängte.

Eine große Anzahl Equi-

pagewagen der Generale , ſelbſt die des Kaiſers , befanden sich dabei , und außerdem ein Heer von Militair - Beamten aller Klaſſen und Grade , so wie sehr viele Generale und Offiziere vom Range, worunter der Divisions -General Graf Dutaillis , welcher später das Gouvernement übernahm, die Generale Durrier , Bouchu , Oberst Bernard , Major Finot 2., deren in dem franz. Berichte sehr ehrenvolle Erwähnung geschieht. Da der Park überhaupt aus 6700 Mann ,

2560 Pferden,

540 Wagen, ohne die Geschütze und Munitionswagen bestand , -so war in der Festung ,

die keine öffentlichen Pläge enthielt ,

keine Aufnahme für denselben möglich ,

und man überließ ihm

die Ruinen der Dresdener Vorstadt zwischen der Festung und dem großen Teiche, wo derselbe bivouakirend verblieb.

17 Der Kommandant des Artillerie-Parks, General Bouchu , ſagte bei seinem Eintreffen : „ daß die französische Armee unmög lich noch Munition haben könne ,

und

daß

man es

als

sicheres Zeichen einer verlornen Schlacht annehmen müsse ,

ein

wenn

der Park nicht sogleich Ordre erhalte , umzukehren , nachzurücken, und die Armee mit neuer Munition zu versorgen!" Am 21. Okt. kam ein sächsischer Artillerie- Offizier in die Festung, um den sächsischen Artillerie-Park zur Armee zurück zu führen. Unter der Hand verbreitete er die Nachricht von der verlornen Schlacht von Leipzig und dem Uebergange der Sachsen. Der Park durfte ungehindert abgehen , wurde jedoch bald ( absichtlich ? ) von den Kosacken in Empfang genommen. Am 22. Okt. kam die offizielle Nachricht von dem Uebergange der Sachsen an , und am 24. Okt. rückte das gesammte sächsische Militair unter dem General Melentin zum Brückenkopfe

aus , verblieb jedoch

als Blokadekorps auf dem linken

Ufer. In der Festung wurde nunmehr auf alle königl. Kaſſen Bestig

gelegt,

und

als

die offizielle Nachricht

von

dem

Verluste der Schlacht von Leipzig eintraf, wurde auch der große franzöſiſche Park nach der Stadt geschafft. Nunmehr begannen die Fouragirungen in der Umgegend auf dem linken Ufer , die bereits durch die Neyschen Truppen so sehr gelitten hatte , und jezt völlig ausgeplündert wurde. Seit dem 1. Dkt. hatte der preuß. General

v. Wobeser vom 4. preuß. Armeekorps mit

einem starken Korps das rechte Ufer blokirt gehalten , welches alle Verbindung mit diesem Ufer

durch

abgebrochen wurde.

Die Besatzung versuchte es schon am 2. Okt. und dann später noch einigemale, durch starke Ausfälle die bis dahin völlig verschonten Dörfer dieses Ufers heimzusuchen , wurde aber immer mit Verlust von dem sehr wachsamen Wobefer zurückgewiesen, und seit dem 2. Okt., wo es den Franzosen nur gelang, einen Theil des Dorfes Kreischau abzubrennen, verzichteten sie auf alle weiteren größeren Erfolge auf dieser Seite. Vogel, Velagerung ic.

Die Besagung konnte 2

‫܀‬

18

dieses um so weniger verschmerzen ,

als der General Wobeser

auch alle Waſſertransporte von Dresden nach Torgau mit Munition , bekam .

Lazaratheffekten ,

5.

Bekleidungsstücken 20. in ſeine Hände

Zustand der Defenſion. a.

Besagung.

Jm März 1813 war die erforderliche Besagung von 8000 Mann sächsischer Truppen , incl. 60 Mann Kavallerie vorhanden, wozu indeß noch viele Rekruten , und der Reft der sächsischen Armee aus Polen, unter Lecoq , von etwa 2500 Mann, hinzukamen.

Diese marſchirten nach der Schlacht von Görschen

größtentheils aus , und es verblieb eine gemischte Garniſon von Franzosen und Sachsen , die jedoch im Juni ebenfalls abzog , und durch eine neue ersetzt wurde. Nachdem während des Waffenstillstandes eine große Zahl Rekruten hier ausgebildet worden war , kamen am 16. Septbr. zwei franzöſiſche Infanterie - Regimenter und Rheinbundstruppen an , ſo daß die Garniſon aus Franzosen , Sachſen , Würzburgischen und Hessen-Darmstädtschen Truppen bestand . Am 24. Septbr. Diese Besatzung rückten noch 1000 Mann Franzosen ein. wurde am 16. Okt. noch sehr verstärkt , und am 19 Okt. abermals um 6700 Mann mit 2560 Pferden vermehrt , die zu dem großen Park der französischen Armee gehörten.

Hierdurch stieg

die ganze Stärke der Besagung zur Zeit der Leipziger Schlacht auf 26,125 Mann,

wie sie Hr . Augoyat speziell berechnet ,

mit gegen 1000 Offizieren und einer sehr großen Anzahl Armee-Beamten aller Art , die bekanntlich unter den verschiedenartigsten Benennungen die franz. Armee zu begleiten pflegten , und die mit den Militair-Handwerkern an 2500 Mann betrugen.

Nach dem Abzuge der Sachsen verblieben noch 24,650 Mann, incl. 7400 Kranken, 1346 Nichtkombattanten und 936 Offizieren, und gegen 3000 Pferden. Da es an Kavallerie ganz fehlte, so wurde bei dem großen

19 1 Ueberflusse an Pferden aus solche

von

100 Mann

.

den polnischen Trainknechten eine

unter

dem Namen polnische Kosacken

gebildet, deren Gesammtthaten jedoch nur in der Gefangennahme von 4 preuß. Offizieren bestanden. liebt ,

Sie waren überhaupt unbe-

und mußten den Vorwurf tragen , Veranlaſſung zu dem

Verluste des sehr beliebten Gouverneurs Narbonne gegeben zu haben, der bei der ersten Parade über sie vom Pferde stürzte und nicht wieder genas. Die angezeigte Stärke der Besagung verminderte sich mit der Zeit immer mehr , zuerst durch den Abgang der Würzburgschen und Darmstädtschen Truppen , hauptsächlich aber durch die verwüstende Seuche, die auf eine unerhörte Art wüthete. Am 14. Nov. bestand die Besagung aus 743 Offizieren, 12775 Mann, welche ziemlich gesund waren und 5808 Kranken, zusammen aus 19326 Mann. Am 20. Nov. bestand sie noch aus 17142 ,

am 25. Dez. nur noch aus 9500 Mann incl.

3000 Kranken. Bei der Uebergabe der Festung am 10. Januar 1814 waren sogar nur 8334 Mann incl . 3188 Kranken vorhanden. Das Kommando über die Truppen führten : in der Stadt General Brun ; im Brückenkopfe General Devaur; in den Außenwerken General Durrier ; die Depots und Ehrenkompagnie kommandirte der General Lauer. b. Festungsartillerię und Geniekorps. Torgau war mit Munition jeder Art reichlich

versehen,

und an Geſchüßen war Ueberfluß vorhanden. Die Hauptfeſtung war mit 85 Geschützen , der Brückenkopf mit 50 , das Fort Zinna mit 31 ,

Fort Mahla mit 8 , die vier Lünetten mit 12

Geſchüßen armirt ;

10 Geſchüße waren zur Ausfallbatterie be-

ſtimmt und mit der Reserve ergab sich die Hauptſumme von 199 brauchbaren

meist

neuen

metallnen sächsischen Geschützen.

Wie viel sich Haubißen und Mörser hierunter befanden, konnte nicht ermittelt werden.

Durch den großen Hauptpark der fran2* -

20 zösischen Armee kam

außerdem nicht nur eine große Anzahl Feldgeschütze jeden Kalibers , sondern auch eine sehr große Zahl

beladener` Munitionswagen und Artilleriefahrzeuge aller Art in die Festung.

Im September war die Festung von Neuem mit Munition aus Erfurt versehen worden, und es fehlte nicht an Eisenmunition jeder Art.

Nur an Blei entstand schon Anfangs No-

vember Mangel, und da dieser durch die bei den Kaufleuten vorräthigen 1700 Pfd . Blei nicht gedeckt werden konnte , nahm man zu zinnernen Gewehrkugeln Zuflucht , wozu selbst die Orgelpfeifen der Hauptkirche, wiewohl vergebens , requirirt wurden, da doch das zinnerne Geschirr der Bürger einen großen Ueberfluß dieses Metalls in der Noth geboten hätte.

An Gewehren war

großer Ueberfluß vorhanden. In Torgau war überhaupt alles Kriegsmaterial aufgehäuft worden , was nur in Dresden entbehrt werden konnte , weil es sich stromabwärts leichter dahin, als nach dem Königsstein schaffen ließ, und das schnelle Eintreffen der Kosacken diese Maßregel nothwendig machte.

Der ganze sächsische Geſchüßpark

und

Train befand sich nach der Leipziger Schlacht unbenutzt auf dem Glacis, und durfte ohne Einwendung des Gouverneurs zur Armee abgehen.

Der überflüssige Train der französischen Armee

war schon früher , ehe sich diese gegen Leipzig zurückzog , nach Torgau geschafft worden. Alle diese Parks und Trains mit dem

dazu

gehörigen Geräthe wurden als überflüssig vernichtet

und verbrannt, und das Festungsbauholz größtentheils ruinirt. An Pulver waren gegen 2000 Ctr. vorhanden , die man bei der Unbrauchbarkeit der dazu erbauten Magazine in den Poternen , der Wasserleitung, und wo es nur anging , unterbrachte. Ein Laboratorium fehlte ganz , und man richtete dazu eine Poterne ein ,

dagegen war eine Artilleriewerkstatt auf Befehl des

Kaisers von ziemlicher Bedeutung früher schon etablirt worden. Die Anzahl der Mannschaften für die Artillerie betrug am 19. Oft. incl. der damit vereinigten zwei Detachements Hand-

21

.

werker, acht Kompagnien Pontoniere und vier Kompagnien Train, Sie wurden von dem Artille 70 Offiziere und 1930 Mann. rie-General Bouchu, Oberstlieutenant v. Coston und Major Bei dieser großen Zahl wurde der Mouchel kommandirt. Ueberfluß an das Geniekorps abgegeben ,

und von diesem zum

Festungsbau verwendet. Das Geniekorps wurde vom Oberst Girod de Novilars , dem Major Finot und dem Bataillonschef Marcelot befehligt, und bestand aus einer Kompagnie Mineurs , zwei Kompag nien Sappeurs ,

einem Detachement von 66 Handwerkern und

zwei Kompagnien Train, zuſammen aus 20 Offizieren und 640 Mann.

Der Oberst Bernard gehörte derselben Waffe an, und

verſchaffte ihr viele Beschäftigung. Bei der bekannten Disharmonie zwischen der franzöſiſchen Artillerie

und dem Ingenieurkorps fanden es die Chefs beider

Waffen in Torgau für gut, eine Art Vertrag unter einander zu schließen, dessen wohlgemeinter Zweck dahin ging : stets in Uebereinstimmung zu bleiben , keine Zwiſtigkeiten unter sich und ihren Untergebenen aufkommen zu laſſen , Ganzes zu bestehen ,

einander zu ergänzen ,

als

und dieses wechselseitig zu kommandiren.

Sie haben diesen Vertrag gehalten. c. Verproviantirung und Verpflegung. Bei der Uebergabe der Festung von den Sachſen an die Franzosen nach der Schlacht von Görschen betrug der Werth der Magazinvorräthe 150,000 Thlr. , denn früher schon , im Monate Februar , war Torgau auf zwei , und im März auf sechs Monate verproviantirt worden ,

welches die Russen ungehindert

geschehen ließen. · Durch die beſtändigen Zufuhren nach Dresden, wo sich stets Mangel zeigte , war jedoch viel von diesen Vorräthen eingebüßt worden .

Außerdem nahmen auch die außeror-

dentlichen Durchmärsche viel davon weg. Nach der kaiserlichen Bestimmung sollte die Festung auf 3 Monate für 4000 Mann Besagung verproviantirt werden.

22 Diese erfolgte im August ,

und die nöthigen Vorräthe wurden

von der sächsischen Regierung angeschafft , und im Schloſſe ſicher untergebracht. Für eine größere Besatzung , die bis dahin stets vorhanden war , konnten sie daher nicht ausreichen .

Seitdem

9. Okt. fing daher diese an , die Dörfer der Umgegend auszufouragiren, und da sich bis nach der Leipziger Schlacht nur wenige Truppen der Verbündeten auf dem linken Ufer zeigten, so wurden die Dörfer förmlich ausgeleert , und alle Früchte der An 1000 Stück Nindvieh kamen auf dieſe

Felder eingebracht.

Art in die Festung.´ Am 27. Okt. geschah die lezte Fouragirung, bei welcher die Besatzung zurück geschlagen würde. Da es noch an Palliſaden , an Brennholz aber ganz und gar fehlte ,

was um so auffallender ist ,

als Torgau an einem

schiffbaren Strome liegt , nicht fern davon der große Forst von Annaburg sich befindet , und auf Kanonenschußweite unmittelbar hinter dem großen Teiche ſuchte man sich jetzt ,

ein ausgedehnter Wald vor liegt : so

wiewohl zu spät ,

mit Holz zu versehen.

Dieses gelang jedoch nicht , obwohl man die Truppen durch ungewöhnlich starke Austheilung von Wein , die an Verſchwendung gränzte , anzufeuern suchte.

Man erlangte dadurch nichts weiter,

als daß in der spätern großen Noth der Wein , wo er als die beſte Medizin dienen konnte, ganz fehlte. Durch die Ankunft des großen Parks wurden die im Ganzen geringen Vorräthe an Fourage, die lange noch nicht für das eingetriebene Schlachtvieh ausreichten , bald aufgezehrt ,

und die

Einbringung des Heus aus der Stuterei zu Repiß, so wie die Wegnahme der Vorräthe der Bürger ergaben keine große Ausbeute.

Durch letztere fiel das städtische Vieh , and kam weder

dem Bürger

noch

der Besagung zu gut.

Sehr bald entſtand

daher Futtermangel. Am 9. Sept. fing lästigen Pferde an.

die Vertilgung

der

überflüssigen

und

Einige hundert Stück derselben wurden er-

stochen , todtgeschossen , oder noch lebend in die Elbe getrieben , oder man band lebenden Pferden todte an , und trieb sie damit

23 ins Waſſer ,

damit sie desto sicherer zu Grunde gehen sollten.

Diese Art der Vertilgung wurde von Zeit zu Zeit fortgesetzt , indem man nur 600 Pferde für den Dienst der Artillerie, Fortifikation und einige Offiziere zu erhalten beabsichtigte . Daher sah man die Ufer der Elbe bis Wittenberg mit todten Pferden bedeckt. In der Mitte des Septembers ,

wo

höchsten Grad erreicht zu haben schien ,

die Krankheit den

glaubte man ,

daß die

vorhandenen Lebensmittel für den Rest der Ueberlebenden ausreichen würden , und gab deshalb ganze Portionen.

Hierbei er-

hielten jedoch die nicht im Dienste stehenden Offiziere und Beamten nur halbe Portionen.

Man pökelte 50 Ctr. Pferdefleisch

ein, und nahm den Bürgern 100 Stück Schlachtvieh weg.

Bald

verringerte man jedoch die Brot- und Fleischportionen wieder , und ließ nur die Gemüse unverkürzt verabreichen. Um mit den Vorräthen besser auszukommen, verminderte man am 20. Okt. die Portion Brot auf 1 Pfd., und am 23. Okt. für die Arbeiter , wegen der Vergütigung der Arbeit im Gelde , die jedoch den Leuten nicht ganz zu Theil wurde , auf Die Fleischportion betrug seit längerer Zeit verstärkte man die Portionen des Gemüſes .

Pfd .

Pfd.

Am 26. Okt.

Mit dem Schlach-

ten der Pferde und Einpökeln deren Fleisches

wurde fortge-

fahren.

Seit dem 9. Nov. fehlte es an Bier.

Schon am 6. Nov.

kostete die Kanne Butter ( 2 Pfd . ) 3 Thlr. bei den Bürgern Das eingetriebene Vieh fiel wegen Mangel an Futter , wurde aber selten eingescharrt , vielmehr begierig aufgezehrt. Seit dem 11. Nov. fing man an , frisches Pferdefleisch zu essen . Frisches Rindfleisch wurde immer seltener , auch im Verkaufe , und wenn einmal ein Stück Vieh von einem bürgerlichen Schlächter geſchlachtet ward , so wurde das Fleisch augenblicklich von den Franzosen für die höchsten Preise aufgekauft. Ende Nov. nahm man den Brauern alle Gerste zum Brotbacken weg. Am 6. Dez. waren nur noch 100 Stück Schlachtvich vor-

24 handen. Man kaufte den Bürgern das wenige vorräthige Vieh ab , indessen reichte man damit nicht lange aus. An= fangs

Dez. kostete

die

Kanne

des

schlechtesten Branntweins

2 Thlr. , die Flasche des schlechtesten Landweins 3 Thlr. , das Pfund Zucker oder Kaffee 9 Thlr. , und diese Gegenstände gingen bald ganz aus, so daß sie selbst den Generalen ganz fehlten, da die Nachsuchungen bei den Kaufleuten nichts ergaben. In der Mitte Dez. wurde der Mangel an Lebensmitteln

Die ersten 12 Tage dieses Monats betrug die

sehr fühlbar.

Fleischportion 8 Loth Pferdepökelfleisch oder 4 Loth Speck.

dann und wann

Bis dahin wurde Branntwein nur einmal, Eſſig

zweimal und Wein niemals ausgegeben.

Jezt bedauerte man es,

so viele Pferde unnüß vertilgt, und nicht noch mehr Pferdefleisch eingepökelt zu haben , das nun auch zu fehlen anfing. Am 13. Dez. gab man nur noch täglich 6 Loth dieſes Fleiſches aus. Noch am 16. Dez. während der schon eingeleiteten Unterhandlungen zur Uebergabe wurden 50 Pferde geschlachtet und eingeVon der Bürgerschaft forderte man noch 25 Stück falzen. Schlachtvieh und alles vorhandene Mehl. Am 17. Dez. wurde verordnet , daß die Garnison 2 Tage frisches und 2 Tage Pferdepökelfleisch abwechselnd erhalten solle. Am 19. Dez. börte alles Rindfleisch auf, und von diesem Tage an erhielt der Mann nur noch täglich 4 Loth Pferdepökelfleisch. Am 22. Dez. war der letzte Rest der Fourage aufgezehrt, weshalb fast alle noch lebenden Dienstpferde geschlachtet und deren Fleisch eingesalzen wurde. In dieser Zeit sah man die wankenden französischen Soldaten Hunden , Kazen , Razen , Sperlingen und Mäuſen fleißig nachstellen ,

auch in den Gemüllhaufen nach eßbaren Ueberbleib-

ſeln sorgfältig nachſuchen! Der Gouverneur war

im

Stande ,

den Truppen einen

Theil des rückständigen Soldes auszahlen zu können.

25

6.

Die verheerenden Krankheiten

ſind in der Erzählung der Begebenheiten von Torgau zu wichtig, als daß sie hier übergangen werden sollten.

Sie wurden zuerſt

durch die aus Polen zurückgekehrten Sachsen nach Torgau gebracht. Was Wilna nach der Schilderung Arndts nur vorübergehend Schreckliches gesehen hatte , blieb in dem

unglücklichen Torgau

eine lange Zeit einheimisch. Hier fand eine ganze Armee ihr Grab , und das menschliche Elend in seiner ganzen Größe mag vielleicht noch nie einen Ort, wie diesen , heimgesucht haben ! Die herrschende Epidemie , Lazarethbereiche trat ,

welche Anfangs nicht aus dem

nahm mit der Zeit und der Ausdehnung

der Lazareth- Lokale zu ,

und verbreitete sich zuletzt im Oktober

über die ganze Stadt ,

die selbst durch sie

ihrer Einwohner

verlor , und die sowohl in der Umgegend , als von den Belagerern als

ein Pestort gefürchtet wurde.

Hauptkrankheiten ,

Sie erschien in zwei

als Diarrhöe und als Typhus ,

doch fanden

auch plötzliche und unerwartete Todesfälle nicht selten statt. Schon im März 1813 belief sich die Zahl der Kranken auf 2000 Mann , die , weil das dazu bestimmte Lokal nicht zureichte, wo es nur anging, untergebracht wurden.

Später sollte

ein Lazareth für 6000 Kranke etablirt werden , aber die dazu aus Dresden geschickten Effekten wurden auf der Elbe aufgefangen.

Bei der Zunahme der Kranken führte man sie zwar

sämmtlich nach dem Schlosse Hubertsburg ab , allein nach dem Waffenstillstande wurden sie eilig wieder nach Torgau geschafft. Im Juli kamen 3000 Kranke und 1000 Nekonvaleszenten von Dresden an. Hierher wurde auch der größte Theil der Blessirten nach den Gefechten in der Laufiz , von Bauzen , Luckau und der Schlacht von Großbeeren gebracht, nach der Schlacht von Dennewiß aber kamen sämmtliche Verwundete hier an , deren Zahl ſo groß war ,

daß sie nicht untergebracht werden konnten ,

und

26 viele vor dem Verbande starben ,

da es an so vielen Aerzten

dazu fehlte. Seitdem kamen beständig Krankentransporte aus der Umgegend ,

besonders aus Dresden und von Wartenburg an ,

und

mit der Ueberhäufung der Kranken nahm auch die Sterblichkeit zu.

Schon im September starben im Durchschnitte täglich 80

bis 90 Mann.

Als Marschall Ney Torgau verließ, hinterließ

er hier alle kränklichen Leute seines Korps , durch Gesunde aus der Besagung.

und ergänzte sich

Am 7. Okt. waren 5300

Kranke vorhanden, wozu am 9ten gegen 4000 aus Dresden und am 10ten 1600 ankamen. Obschon bis dahin die Halbkranken nach Leipzig gebracht worden waren , Sterblichkeit,

vermehrte sich die Zahl der Kranken ,

trog der

durch unaufhörliche Zufuhren immer mehr ,

denn

noch am 15. Okt. wurden neue Kranke und Bleſſirte von Dü ben eingebracht.

Das Schloß, Rathhaus, die Magazingebäude, der Marstall und alle disponiblen Schuppen und Boden , und

sonst nur mit einem Dache versehene Räume wurden zu Lazarethen eingerichtet , und am 10. Okt. wurden 82 Bürgerhäuſer gleichfalls dazu bestimmt, welche innerhalb 24 Stunden geräumt Ja , man erblickte die Kranken in Viehſtällen ,

werden mußten.

Küchen und auf den Höfen im Schmuge in großer Zahl.

In

den meisten dieser Krankenbehältnisse fehlte es an den nothwendigsten und unentbehrlichsten Utensilien ganz. Da ein Transport wollener Decken von Dresden in die Hände des General Wobeser gefallen war , wurden 3000 wollene Decken von der Stadt requirirt, die aber nicht zu beſchaffen waren. Bis Ende Sept. starben 1241 Marn ; vom 1. bis 20. Okt. starben 2327 Mann , bis Ende Okt. 4900 Mann.

Anfangs

Nov. starben täglich 250 ,

um das

um den 10. Nov. 300 ,

Ende dieses Monats täglich 336 Mann im Durchschnitt ,

und

die Sterblichkeit nahm bis zur Mitte Dezembers immer noch zu. Vom 19. Oft. bis zum 25. Dez. starben nach der

speziellen

Berechnung des Herrn Augoyat 14000 Mann ! und von da

27

bis zur Uebergabe am 10. Januar 1814 noch 1166 Mann !! Die Todtenwagen waren den ganzen Tag in Thätigkeit, und dennoch lagen alle Straßen und Winkel voller Todten.

Zu

dem Geschäfte des Transportes und der Beerdigung hatte man die preußischen Kriegsgefangenen gezwungen.

Da durch das Beſchießen der bisherige Begräbniß - Plaß zwischen der Stadt und dem Fort

Zinna

unsicher wurde, so

wurden die Todten nicht ferner dort begraben, sondern in den Stadtgraben geworfen und mit Kalk überschüttet. Weil bei der Ueberfüllung der Geruch jedoch sehr läftig fiel, fing man an, die Leichen in die Elbe zu werfen.

Dieses empörte indeß einen je-

den Nichtfranzosen um so mehr, als die Leichen völlig nackt, den Holzkloben gleich ,

auf Leiferwagen geladen durch die Straßen und die Bürger machten Vorstellungen dage-

gefahren wurden ,

gen, in deren Folge von nun an die Todten im Brückenkopfe beerdigt wurden . Erst das Aufhören des Bombardements , die während der Unterhandlungen

eingetretene Waffenruhe ,

die Zurückgabe des

Röhrwassers, vornehmlich aber das Eintreten trockner Kälte verminderten die Krankheiten ,

doch war bei den Belagerern die

Furcht vor Ansteckung so groß ,

daß sie die Uebergabe vom

26. Dez. 1813 bis zum 10. Januar 1814 verzögerte. Es war eine Quarantaine errichtet worden , der sich Jeder aus der Festung unterwerfen mußte , und selbst von dem kommandirenden General Grafen Tauenzien wird erzählt , daß er aus Furcht vor Ansteckung einen Parlamentair am 11. Nov. nicht vor sich lassen wollte. Von den Lazareth-Aerzten war der dritte Theil der Krankheit erlegen. Forscht man den Ursachen dieser großen Sterblichkeit nach, so stellt ihre Aufdeckung , ſehr in Schatten. Bequemlichkeit dar. wollenen Decken.

ohne Widerrede ,

das Gouvernement

Die Lazarethe boten den Kranken gar keine Es fehlte an Bettstellen ,

Matraßen und

Die Lagerstätte des Kranken war die harte

28 Diele mit wenig Stroh bedeckt, woran es mit der Zeit ganz und gar fehlte, und das deshalb nie gewechselt werden konnte. Um davon nichts zu verlieren , wurden die Lokale nie ausgekehrt , ſtarb aber ein Kranker, ſo ſuchte einer dem andern das nun disponibel gewordene Stroh zu entreißen , und es sich anzueignen. Die Kranken waren zu ſehr eingeengt , und bei dem Bombardement der Stadt wurden sie es noch vielmehr. In den Lokalen herrschte die größte Unreinlichkeit , die immer mehr zu nahm , so daß sie endlich förmlichen Kloaken glichen , und die Thüren der Krankenstuben wegen des aufgehäuften Schmutzes nicht geöffnet werden konnten. Die Verstorbenen verblieben tagelang, mitten unter den noch Lebenden und verpesteten die Luft , da Niemand daran dachte , sie zu entfernen .

Wurden sie endlich von hier

fortgeschafft, so verblieben sie doch auf den Hausfluren oder den Straßen lange Zeit ,

oder wurden gar nicht fortgebracht,

und

versperrten die Zugänge zu den Häusern oder die Straßen ; ja man ließ ganze Lokale aussterben , ohne eine einzige Leiche entfernt zu haben. Der Mangel an Bekleidung war so fühlbar, daß sich die zunächst Liegenden um die Kleider eines kaum Verschiedenen unter sich und mit den habsüchtigen Krankenwärtern stritten.

Diese zeichneten sich hier überhaupt durch die größte

Scham- und Gewissenslosigkeit aus ;

bei den meisten war jedes

Mitgefühl und Erbarmen völlig erstorben, und ihr Trachten ging nur dahin , die Beköstigung der Kranken zu verkürzen , und so. bald als möglich die Taschen derselben auszuleeren.

Die Wärme,

dieses Prinzip alles Lebens und jedem Kranken so sehr zusagend, zumal in der kalten Herbst- und Winterzeit, fehlte ganz, und die Kranken erstarrten vor Kälte. Viele Lokale waren sehr schlecht verwahrt ,

viele ohne Fenster ,

und durch das Bombardement

wurden letztere ganz zertrümmert. Da es ganz und gar an Holz zur Heizung fehlte , so würde es gar nicht nöthig , die Krankenbehältnisse mit Oefen zu versehen.

Als sich nun die Kälte ein-

stellte , wurde solche den Kranken unerträglich , und die Medizin fror neben ihnen in den Flaschen ein ! Und bei allem diesem

29

Ungemach war die einzige Bedeckung derselben der oft sehr abgetragene und abgerissene Mantel !! abgeschnitten war ,

Seitdem das Röhrwasser von Siptih

war man nur auf das schlechte Brunnen- und Elbwaſſer angeDer Mangel an Lebensmitteln vollendete diesen Jamwiesen. mer ,

und brachte Manchen zur Verzweiflung.

Die Lazareth-

Beköstigung war an Unternehmer verdungen , und welche Aufsicht und Kontrolle dabei statt gefunden haben möge, mag Jeder ermeſſen, wenn er erfährt, daß die Kranken die Vorübergehenden ansprachen, oder in den Straßen bettelten ! Bei einem solchen Zustande des Lazarethwesens war es daher kein Wunder , daß ein Jeder , der solche Gräuel mit ansah , allen Muth verlor und sich für völlig verloren hielt,

wenn er

nach dem Lazareth geschafft wurde , und daß ſehr Viele es vorzogen, so lange als möglich ,

und als sie ihre Beine zu tragen -

vermochten , im Dienste zu verbleiben , als sich einem so martervollen Tode in den Lazarethen hinzugeben.

Daher kam es, daß

so oft Leute im Dienste plötzlich todt niederfielen , ohne daß es nöthig wird , nehmen.!

hierbei

andere

Ursachen dieser Todesart anzu-

Forscht man dagegen nach den Mitteln ,

welche das Gou-

vernement in einer Zeit, wo ein Jeder der Besagung mehr oder weniger von dem allgemeinen Leiden sich ergriffen fühlte , ange wendet habe, die traurige Gemüthsſtimmung zu beseitigen , dem herrschenden Uebel zu steuern oder es aufzuhalten , und dadurch die Garnison mit neuem Muthe und Hoffnungen zu beleben : ſo ſucht man hierüber in dem franzöſiſchen Berichte vergebens nach einer Auskunft. So

lange

der edle und menschenfreundliche Narbonne

lebte, besuchte er fleißig die Lazarethe, wobei er das Wirken der Gesundheitsbeamten , sowie die Vollziehung seiner Befehle beobachten und etwaige Mißbräuche wahrnehmen konnte. Die Kranken fanden hierin eben so großen Trost , als die Beamten eine Anregung , sich aller Lässigkeit zu enthalten ,

und in der regen

30

Pflichterfüllung fortzufahren.

Nach seinem Tode nahm die Sterb-

lichkeit in einer erschreckenden Steigerung zu , aber weit entfernt, in dieser Zeit einer allgemeinen Hoffnungslosigkeit und Mißstimmung die Besatzung durch Schonung ihrer phyſiſchen Kräfte sich zu erhalten, zu erheben und zu beleben : findet man vielmehr den nicht kranken Theil derselben an den Arbeitstagen mit einer Menge Fortifikations - Arbeiten bis zur Ermüdung beschäftigt , ohne zu bedenken ,

daß gerade in solcher Zeit alle körperlichen

Anstrengungen höchst schädlich einwirken. Das Fort

Zinna ,

welches

man gleich Anfangs

durch

Ueberfall zu nehmen Bedenken trug , das aber vielleicht gefallen wäre, fand später in seinen während des Angriffs

muſterhaft

ausgeführten Anstalten gegen einen Sturm Abwehr genug , auch wiederholt abschlagen zu können ,

auch ,

ihn

wenn ein anderer ,

als der thätige General Durrier darin kommandirt hätte, die Stadt und andere Außenwerke aber wohl schwerlich ! Hatten doch die Truppen bei den letzten Ausfällen entschieden gezeigt, daß sie ſich nicht mehr zu schlagen vermochten :

sie hatten alle moralische

Es scheint überhaupt,

daß dem Geniewesen in

Kraft verloren ! Torgau

(und insbesondere dem Obersten

Bernard ,

ganze Vertrauen des Gouverneurs genoß ) ,

der das

durch die ununter-

brochenen Bauten bis auf die letzten Tage bei dem sich in so starker

Progression

vermindernden

schweren Garnisondienste

und

Dienſtſtande ,

der Kraftlosigkeit

dem Mangel an Lebensmitteln ,

dem

ohnehin´

der Leute bei

durch welche die legten Kräfte

der Gesunden aufgerieben wurden , ein viel zu großes Feld eingeräumt worden war ;

und daß man dabei nicht bedachte , daß

Pallisaden, Gräben und Wälle für den, der sie überſteigen will, kein Hinderniß abgeben, besonders, wenn die die Werke belebende Kraft des Menschen sie nicht mehr zu vertheidigen vermag ! Führt doch der Bericht selbst bei dem Fort

Zinna

an :

,,man arbeitete viel am Tage, und in der Nacht gab es wenig Ruhe," was auch auf die Hauptfeſtung Anwendung findet, und

31

seit der Mitte Novembers mußte

die Infanterie wegen ihrer

Kraftlosigkeit von allem Arbeitsdienste verschont werden. Sonst standen dem Gouverneur die vielen höhern und nie dern Offiziere , die nicht eingetheilt waren und eine Ehrenkompagnie bildeten , und die große Zahl der Beamten , die alle auf eine verminderte Portion gesetzt in ihrer Geschäftslosigkeit und ihrem Mißmuthe verkümmerten ,

und unter welchen sich ohne

Zweifel geeignete Subjekte befinden mußten , die es aus Pflicht und Menschenfreundlichkeit gern übernommen haben würden , zu Gebote , bei dem Lazarethwesen Ordnung und Kontrolle zu erhalten. Außerdem befand. sich seit dem 19. Okt. der GeneralInspektor des Medizinalwesens der franzöſiſchen Armee, Desgenettes, in der Festung , und das ärztliche Personal bestand außer dem bei den Truppen eingetheilten , 61 Chirurgen ,

aus :

14 Aerzten ,

44 Apothekern und 401 Krankenwärtern.

An

Medizin war Ueberfluß vorhanden.

7.

Blokade.

Gleich nach der Leipziger Schlacht rückten die übergegan= genen Sachsen unter General v. Ryfel vor Torgau , und ver blieben auf dem linken Ufer, wo sie sich mit dem Korps , das unter General Mellentin

die Festung verlassen hatte , verei

nigten.

Am 27. Oft. rückte der preuß. General Graf Tauenzien · mit dem größten Theile des 4ten Armee-Korps auf dem linken Ufer an, und nahm ſein Hauptquartier zú Dommißsch. Unter ibm kommandirten noch die Generale Graf Lindenau und v. Jeanneret deren Brigaden zusammen 13 Bataillonen , 8 Eskadronen und 2 Fußbatterien ( Schüler und Gleim ) ſtark waren. Das Korps des Generallieutenants v. Wobeser war 11 Bataillonen , 9 Eskadronen und 2 Fußbatterien (v. Platen und Wegener) stark ; die Brigaden waren jedoch an Mannſchaft nicht vollzählig. Die Artillerie kommandirte der Oberst= lieutenant von Strampf ( später v. Neander ) , unter ihm die

32 Hauptleute v. Bardeleben und Stieler.

Eine preußische

provisorische , eine sehr gut ausgebildete sächsische Kompagnie mit 5 Offizieren und ein Detachement Artillerie kamen nach Siptiz , Der woselbst der Hauptdepot der Artillerie etablirt wurde. übergegangene sächsische Artilleriepark befand sich zu berg bei Dommitsch.

Dahlen-

Die Pioniere kommandirte der Haupt-

mann Thinkel. Am 1. November wurden die franzöſiſchen Besatzungen der Dörfer Welsau und Zinna vertrieben. Am 2. Now, fand eine große Rekognoszirung der Festung statt, wobei derselben das Röhrwasser aus Siptig abgeschnitten wurde , und wobei ein starkes Gefecht stattfand.

Am 2. Nov. machte die Besagung einen Ausfall , um sich mit Holz und Pallisaden zu versehen, und wiederholte denselben am 3., 5. und 6. in gleicher Absicht, wobei sie mit außerordentlich vielem Fuhrwerke erschien, aber sie fand jederzeit die Sachsen in völliger Bereitschaft, luste zurückgeschlagen.

und wurde jedesmal mit großem VerDiese und

ein gleichfalls verunglückter

Ausfall aus dem Fort Zinna belehrten den Gouverneur , daß ſeine Truppen alle Schlagfertigkeit verloren hatten , und er verDie noch zichtete auf jede fernere Unternehmung dieser Art. stehenden Häuser der Dresdener Vorstadt ließ er nunmehr abbrechen. Am 14. Nov. marschirte das sächsische Blokade- Korps zu einer andern Beſtimmung nach Holland ab. In der Festung projektirte man eine Innundation zu be-

wirken, um bei dem immer mehr eintretenden Mangel an dienstthuender Mannschaft die Vorwerke preis zu geben, und sich ganz Während der Anordnach der Hauptfestung zurück zu ziehen. Gouverneur Graf der nungen hierzu starb jedoch am 17. Nov. Narbonne

am Nervenfieber * ).

Obgleich noch zwei

vom

*) Er wurde im Bastion Nr. 8, des nach einem der Kapitulations-

33 Kaiser bestellte Gouverneure in der Festung vorhanden waren, so übernahm dennoch keiner derselben , sondern der älteste anweſende Divisions-General , Graf Dutaillis das Kommando.

( mit einem Arm) ,

Hierdurch veränderten sich die Verhältnisse der

Garnison wesentlich , da der neue Gouverneur mit seinen Rathgebern

und dem Kommandanten hartnäckig für die Erhaltung

der Festung unter allen Umständen stimmten. Es waren schon früher Einverständnisse zwischen dem Grafen Narbonne und der Dresdener Besatzung entdeckt worden, um sich in Torgau zu vereinigen und nach Magdeburg durchzu» schlagen. Obwohl nun die Besatzung Dresdens einen Ausfall gethan hatte und zurückgeschlagen wurde , auch bald darauf kapitulirte ,

die Wiederholung ähnlicher Einverständnisse nicht ferner und auch die Krankheiten die Besatzung von

zu besorgen war ,

Torgau ſehr ſchwächten : ſo ſchien es doch nothwendig ,

die Fe-

ſtung nach den Teichen hin noch enger, als bisher, einzuſchließzen, und Anordnungen zum Beschießen derselben zu treffen. Um zuvörderst die Stadt außzer aller Verbindung nach den Teichen hin zu bringen , wurde beſchloſſen , die Teichschanze ein= zunehmen. Zu diesem Ende wurden in der Nacht vom 21. zum 22. Nov. auf etwa 600 Schritt 2 Batterien, jede zu 2- 12pfdern und 1 Batterie zu 2 -- 10pfdigen Haubigen gegen dieselbe erbaut , welche mit einer Kanone und einer Hau-

bige armirt war.

Am folgenden Tage begann das Beſchießen

Gegen Abend der Schanze , der Teichmühle und Teichhäuſer. zündeten die Granaten die Teichmühle an , und dieser Brand leuchtete zum

Sturm.

Bor demselben wurden die Geschütze

außerhalb der Batterien im Freien so aufgestellt , daß sie noch konnten , ohne die stürmenden Truppen zu gefährden.

wirken

$1 punkte seinen Namen führt , am 18. Nov. begraben, wo ihm ein Denkmal gesezt ist, wozu das Gouvernement eine Geldsumme in die Hände des Bürgermeisters legte. 3 Vogel, Belagerung 2 .

34 *

Ein Bataillon sollte den Angriff auf dem langen Damme, das zweite denselben auf der Seite von Loswig machen . Es fand sich jedoch , daß der Chef des Generalstabes ein Bataillon zu kommandiren vergessen hatte.

Bevor daher andere Truppen aus

den nächsten Bivouaks dazu gesammelt werden konnten , war es ein Glück, daß die Artillerie mit noch so viel Munition versehen war, um das Beſchießzen bis zu deren Ankunft fortsetzen zu können. Die Schanze wurde hierauf gestürmt , zum Theil demolirt, so wie noch einige stehen gebliebene Häuser der Vorstadt abgebrannt.

Die Besagung der Schanze zog sich mit Hinterlaſ-

sung der beiden Geschütze zurück.

Der Besitz der Teichschanze

wurde behauptet, indeß wurde sie später ganz verlaſſen, und von feinem der Theile wieder betreten. Auf dem rechten Ufer hatte der General v. Wobeser die Geschüße seiner Batterien , bis auf 2 Reſervegeſchüße , in zwei Fleschen und einer Redoute gegen den Brückenkopf aufgestellt, und seit dem 24. Nov. die Stadt , die Stadtwerke und den Brückenkopf beschießen lassen.

Der Zweck war

kein anderer ,

als die Garnison auch von dieser Seite zu beschäftigen , keineswegs jedoch weder ernstlich gegen die Stadt gemeint ,

um als

' ein Bombardement zu gelten , weil das Feuer sehr oft unterbrochen , und überhaupt näßig war , noch weniger aber ernst ich gegen den Brückenkopf gemeint ,

weil theils deſſen Wegnahme we-

gen seiner Stärke schwierig war , nig gewonnen worden wäre.

anderntheils auch dadurch we-

Gesezt ,

der

Brückenkopf

wäre

durch ein Bombardement oder andere Mittel zu ſehr geängstigt worden , so

daß die Besazung denselben verlaſſen mußte , so

würde sie gewiß , Werks zu ersehen ,

um den eigentlichen Zweck und Nugen dieses den Uebergang über die Elbe zu hindern ,

höchstwahrscheinlich auch die Brücke abgebrannt haben , eben so sehr einen großen Schaden verursacht ,

welches

als Kostenauf-

wand zur Wiederherstellung derselben erfordert hätte. Daher war es rathsam , die Belagerten hierzu nicht zu reizen. Die Besagung war für die Erhaltung der Brücke eben so bedacht

35

Indessen hatte dieſes frühe Beſchießzen der Festung von dieser Seite auch noch einen andern Grund. Als der Gouverneur Narbonne zur Uebergabe aufgefordert worden war , schien er dazu nicht abgeneigt ,

warf jedoch dem General Tauenzien

vor , daß das Belagerungskorps gar keine Artillerie habe , weshalb

die Geschüßaufstellung und das Beschießen vom

rechten

Ufer, wie vorher angezeigt wurde , hierauf erfolgte, um der Beſatzung das Irrige ihrer Behauptung zu benehmen, ihr glaubend zu machen , die Belagerungsartillerie sei viel stärker ,

als es in

der That der Fall war , und um die Garnison nach allen Seiten hin zu beschäftigen, und dadurch zu ermüden.

In der Folge

wurden die Geschüße der Feldbatterien hier noch durch 3 — 10pfdige Mörser verstärkt.

Am 24. Nov. erlaubte der Gouverneur den Würzburgschen und Heſſen-Darmstädtſchen Truppen, 1836 Mann stark, die Festung zu verlassen.

8.

Belagerung.

Gleich beim Berennen der Festung ,

Ende Oktober , dachte

man von Seiten der Verbündeten an eine ernstliche Belagerung derselben.

Deshalb wurden alle in Berlin und Spandau vor-

räthigen Belagerungsbedürfnisse nach Potsdam gebracht und das ſelbſt im Lustgarten geordnet, um von hier durch VorſpannwaDer erste Transport von Begen weiter geschafft zu werden. lagerungseffekten ging am 3. Nor. ab. Einstweilen hatte man das Dorf Döbrichau

auf dem

rechten Ufer zur Niederlage dieser Effekten ausersehen , auch alle Transporte dirigirt wurden. Hauptdepot für

wohin

In Siptig sollte der

die Artillerie und Ingenieure etablirt werden,

und hier wurden alle Batteriebau-Materialien, welche man seit dem Anfange der Blokade anzufertigen anfing ,

niedergelegt.

Die

12pfdigen fächſiſchen Kanonen nahm man aus dem Parke aus Dahlenberg, die 10 und 50pfdigen Mörser

erwartete man 3

36

aus Berlin und Spandau , Dresden.

und 48pfdige sächsische Mörser aus

Als die Teichschanze eingenommen war , erbaute man zur Verbindung beider Ufer oberhalb Loswig eine Pontonbrücke, welche auf beiden Seiten durch Verſchanzungen gesichert wurde. Nunmehr wurde der Munitionsdepot zu Döbrichau aufgelöset, und durch Artilleriepferde der Batterien und Kolonnen des 'Korps nach Siptig gebracht. Zu dem beabsichtigten Angriffe hatte man Mitte Novembers einen Plan entworfen. ― Was einen Angriff von Torgau betrifft ,

so wird aus der zuerst gegebenen Uebersicht von der

Lage und Beschaffenheit der Festung klar , Angriffsfront zu suchen war.

wo die

eigentliche

Diese konnte nur dort gefunden

werden , wo keine Innundation zu besorgen ſtand , da man bei der regulären Anlage des Plages überdem die schmalſte Front nicht auffinden konnte. Die vorgeschobenen Werke hinderten überall den unmittelbaren Angriff auf die eigentliche Festung , und nöthigten denken.

den Belagerer , zuvor

an

ihre Eroberung zu

Die schicklichste Seite des Angriffes auf die Stadt ſchien auf dem rechten Flügel der Festung ,

vom Fort Mahla

her ,

zu sein, und man mußte zuvor, um Herr des vorliegenden Terrains zur Eröffnung der Laufgräben zu werden , im Besize des Forts Zinna sein , welches daher als der eigentliche Schlüſſel zur Festung angesehen wurde. wäre das Fort Mahla ,

Durch den Besitz von

Zinna

welches von ersterem eingesehen wird,

größtentheils gewonnen worden ,

und es bedurfte nicht des Be-

ſites der Lünette Nepiß, um nunmehr den ungehinderten Angriff auf die Front der Stadt Bastione Nr. 5 und 6 zu

führen.

Vielleicht war man in Torgau gleicher Meinung hierüber , diese Front völlig hergestellt ,

weil

und das anliegende Ravelin bei-

nahe vollständig ausgebaut war. Die Belagerer fingen mit dem ersten Theile dieſes Entwurfes an, ließen ihn aber bald ganz fallen , weshalb auch ihre

37 ganze Unternehmung

keinen

Anspruch

auf den Namen

einer

eigentlichen Belagerung machen kann , sie läßt sich vielmehr nur in den zwei Hauptabſchnitten , als : dem Angriffe des Forts Zinna , und dem Bombardement der Stadt betrachten. Man eröffnete die Laufgräben gegen Zinna,

um deſſen

Geschütze zu demontiren , seine Gebäude und Magazine zu zerstören , und der Besagung , der es an bombensicherem Unterkommen ganz fehlte , den Aufenthalt im Innern der Werke unsicher und unmöglich

zu

machen , welches

alles

vollkommen gelang.

Gleichzeitig theilte man auch die Aufmerksamkeit des Belagerten durch einen zweiten Angriff gegen den linken Flügel der Festung ,

auf die Stadt,

Ufers unterstützt wurde. bekannt ,

der durch die Wurfgeſchüße des rechten Der Zustand der Festung war genau

und man glaubte,

daß die Garniſon durch das fört=

währende Allarmiren bald so herunter kommen würde ,

daß sie

keinen ernstlichen Widerstand zu leiſten fähig sein könnte. In dieser Annahme wurden die Belagerer durch die Zus nahme der verheerenden Seuche unterstüßt, Besatzung täglich mehr schwächte ,

welche die feindliche

und in der Folge ganz auf-

reiben mußte , und bei dem herrschenden Mangel an Lebensmit teln die noch vertheidigungsfähige Mannſchaft entmuthigte.

In-

dessen hielt sich das Fort Zinna viel länger , als man vermuthet hatte. Als es jedoch verlassen und aufgegeben in die Hände der Belagerer fiel , und sich hierauf ein Angriff auf das Fort Mahla

entwickeln sollte ,

zeigte sich

die Schwäche des

Widerstandes der Bésagung durch mehr Nachgiebigkeit bei den Unterhandlungen ,

die öftere Waffenruhe veranlaßte ,

welche nur

dann und wann durch ein schwach fortgesettes Wurffeuer unterbrochen wurde. Bei der

immer mehr

um sich greifenden Krankheit der

Garnison , erschien es sogar weise , die Kapitulation der Festung bis zum Eintritte einer größeren Kälte zu verzögern ,

um die

Seuche theils nicht in die Umgegend, theils nicht unter das Belagerungskorps zu verbreiten.

38 Was die Umgegend auf dem linken Ufer betraf, so erwähnt selbst der französische Bericht, daß aus derselben für die Beſazung nichts mehr zu holen war. In der That hatten hier das Ney = sche Korps und die Besatzung arge Verwüstungen angerichtet , und die unglücklichen Bewohner wurden zum Theil von den Aber dieses Belagerungstruppen kümmerlich mit unterhalten. konnte nicht ohne eigene Aufopferung geschehen ,

da an Auszah-

lung einer Löhnung in jener Zeit nicht gedacht werden konnte, und die Lebensmittel aus der Ferne herangeschafft, unregelmäßig ankamen.

Daher sah man die preußischen Soldaten ,

über die Felder gingen ,

wenn sie

auf den schlecht eingeernteten Aeckern

Nachlese halten , und ihre Taschen mit halb erfrornen Kartoffeln und Rüben füllen. Der Gesundheitszustand der auch sehr dürftig

gekleideten

Belagerungstruppen

auf dem linken Ufer war

unter solchen Umständen und bei dem angeſtrengten Dienſte nicht der beste. Endlich kapitulirte die kaum ins Leben getretene Festung, ohne daß man sagen kann, sie wäre kunstgerecht weder angegrifDieses ist in allgemeinen Umriſſen

fen noch vertheidigt worden.

der Hergang dieser Eroberung, welcher in folgenden zwei Uebersichten speziell betrachtet werden soll.

9. Angriff des Forts Zinna. Das Fort Zinna dominirt die Umgegend und wird durch die Festung und das Fort Mahla unterstügt. Es mag einer Besatzung von 1500 Mann bedürfen , hatte aber zu jener Zeit nur die Hälfte davon.

Sein Kommandant , General Durrier,

hatte alle Fähigkeit und guten Willen es zu vertheidigen , so wie er überhaupt der unternehmendste unter den Generalen in Torgau war.

Die Besatzung wurde nicht abgelöst , und obgleich sie

durch die ihr jede Nacht zugesandte Verstärkung mit der Stadtbesatzung in Berührung kam, in großer Thätigkeit und Anstrengung erhalten wurde und viel erduldete , Seuche verschont.

blieb sie doch von der

Die Ursachen dieser Erscheinung liegen haupt-

39

sächlich in der Absonderung von dem Elende ,

durch welche der

Geist eine andere Richtung erhielt , in der reinen Luft, und in dem Geiste ihres Kommandanten ,

der in einer solchen Leidens-

zeit. jedenfalls den wohlthätigsten Einfluß ausübte.

Zinna war ein großes Werk, und bestand aus zwei ganzen und zwei halben Bastionen , in Form eines Vierecks.

Die

Länge seiner Polygonseiten an jeder der drei Fronten. betrug 70°, die der Kehle 80 °, was für ein detaschirtes Werk sehr beträchtlich ist. Graben.

Vor dem Hauptwalle war ein tiefer trockner Die vorliegenden Raveline waren noch nicht völlig

vollendet ,

das auf der Front nach dem großen Teiche erſt an-

gefangen, doch war diejenige Seite, griff erwartete , beinahe vollendet.

auf welcher man einen AnEin gedeckter Weg umschloß

das Ganze, war aber erst auf zwei Fronten erbaut . Die Kehle war durch Graben und Palliſadirungen geschlossen, und die Franzosen hatten zu mehrerer Deckung derselben von den zum Nevetement schon vorrätbig liegenden Sandsteinen eine Mauer längs der Kehle, und einen Tambour vor dem Eingange durch bloßes trocknes Zusammensetzen errichtet,

und diese mit Creneaux ver-

sehen. Ein Theil des Hauptwalles und die Schießscharten hier und in der Festung war anstatt der Bekleidung mit Salztonnen versehen , die mit Erde gefüllt waren , und diese auch in Form eines Kreuzes errichtet, Hier ,

auf den Wallgang , anstatt der Traversen , da

wo man durch die Scharten eingesehen werden konnte.

wie in Wittenberg , war es ein Fehler der Besaßung ,

daß sie sich

unter den Kanonen des Plates das schönste Wei-

denstrauch zu Faschinen und Schanzkörben weghauen ließ, oder es gleichsam für

den Belagerer

aufſparte,

Scharten mit Tonnen und Brettern bekleidete !

und

ihre

eigenen

Innerhalb fehlte

eine bombensichere Kasematte für die Garnison ganz , die drei Poternen konnten nur dem eilften Theile derselben eine Zuflucht gegen die Bomben gewähren.

Den einzigen Schuh fand die

Besagung unter einer an die innere Böschung des Walles ange-

* 40 lehnten Lage von Balken und Bohlen ,

deren viele durch Bom-

ben durchgeschlagen wurden, und unter welcher sie auch auf Stroh ſchlief, das ſich mit der Zeit in Staub und Moder verwandelte. Blockhäuser wollte man zwar erbauen , sie kamen jedoch nicht zu Stande.

Zwei bombenfeste Pulvermagazine ,

obwohl nur man-

gelhaft erbaut, waren vorhanden.

Um sich in den Besitz dieses Forts zu sehen ,

waren nur

zwei Wege möglich : der förmliche Angriff , oder ein unvermutheter Sturm. Jede Art dieser Unternehmung hatte ihre Gründe für und wider sich. Der Lage und Beschaffenheit nach schien das , obwohl noch nicht ausgebaute , Fort

viele Haltbarkeit zu

besigen ,

und bei einer hinreichenden und muthvollen Besazung war anzunehmen , daß eine zu große Zahl von Menschen auf's Spiel gesetzt werden würde ,

ohne auf einen sicheren Ausgang

des zu unternehmenden Sturmes mit Erfolg rechnen zu können . Daß zur Zeit , außer den aufgestellten Flankengeschüßen , noch keine anderen Gegenanstalten zur Abwehrung eines Ueberfalls im Fort getroffen waren ,

und daß solche nach dem franz . Be-

richte ſelbſt erst am 7. Dez. beendet wurden , man nicht voraussetzen.

konnte und durfte

Dagegen war wieder anzunehmen ,

daß der Belagerte , bei einer wirklichen Attaque alle Kräfte der Fe-

stung anstrengen würde , um durch Konzentrirung derselben von hier aus , die größtmöglichsten Schwierigkeiten dem Belagerer entgegen zu setzen , da er selbst am Besten seinen Nachtheil für die Festung aus dem Verluste des Forts einsehen mußte .

Es fragte sich nun , welche von beiden Arten am Besten geeignet war, um sich in den Besitz des Forts zu setzen ? Die Belagerer wählten den langsameren, aber sicherern Weg durch eine Attaque , indem sie annahmen , daß die Besatzung ein mehrtägiges Bombardement nicht aushalten würde ,

nach deren

detaillirten , nicht immer wahrheitsgemäßen Schilderung ſich Hr. Augoyat nicht enthalten kann , fast spöttisch zu bemerken , daß dem Fort durch den geführten Angriff zu viel Ehre erwiesen worden sei.

41 In der Nacht vom 26. zum 27. Nov. 1813 wurden die Laufgräben gegen das Fort Zinna

eröffnet.

Bei deren An-

lage mußte vor Allem dahin gesehen werden, daß jedes Flankenfeuer der Festung, oder des Forts Mahla vermieden oder unschädlich gemacht wurde.

Daher blieb die Angriffsſeite sehr ein-

geschränkt, und beschränkte sich nur auf das Eckbastion nach dem großen Teiche hin. Aus der Niederung, welche zwischen dem letzteren und dem das den Zwischendepot enthielt, liegt , führte die Kommunikation in der Richtung der Kapitale des angegrifDorfe

Sinna,

fenen Bastions zu den beiden Laufgräben, welche fast rechtwinkelicht auf einander standen, und von welchen ein jeder etwa 800 Schritt lang war , und die als Parallele dienend , die beiden Fronten des Forts, nach dem Dorfe

Zinna und dem großen

Teiche umſchloſſen , von dein Fort zwiſchen 5 bis 600 Schritt entfernt. Der rechte Flügel endete in der Senkung des Terrains gegen die Stadt in einer Redoute , die deshalb eingeſehen wurde , und darum sehr hoher Brustwehren und vieler TraverSie wurde erst am 29. Nov. völlig beendigt. sen bedurfte. Der linke Flügel der Parallele endete an der Straße von Torgau nach Welſau mit einem gewöhnlicheu Haken. In dieser Nacht wurden an ' Batterien erbaut : Nr. 1. auf dem rechten Flügel , unweit der Redoute auf. die Mitte der Kurtine der Front nach dem Teiche , zu 2- 10pfdigen Mörsern, in der Parallele, zum 50pfdigen und 2 — Bewerfen des Innern des Forts . Nr. 2. Demontirbatterie , horizontal , hinter der Parallele , rechts der Kommunikation , zu 4 ― 12pfdigen Kanonen gegen die linke Fase des angegriffenen Baſtions. Nr. 3.

Wurfbatterie, links

der Kommunikation ,

in der

Parallele, zu 4- 10pfdigen Mörsern , zum Bewerfen des angegriffenen Baſtions und des Innern. Nr. 4.

Demontirbatterie unweit des linken Flügels ,

vor

42

der Parallele , gesenkt , gegen die rechte Fase des angegriffenen Bastions, zu 4- 12pfdigen Kanonen. Die Batterien Nr. 2 und 3 wurden völlig fertig erbaut, und eröffneten am Morgen das Feuer, dagegen konnten Nr. Į und 4 nicht vollendet werden ,

da die sächsischen Artillerie- Offi-

ziere , welche sie bauten, zu viele Zeit zum Abstecken verwendet hatten , und wie es schien , im schnellen Aufbau nicht genug geübt waren. Merkwürdig bleibt es , die Gründe zu kennen , weshalb es gelang, die sonst sehr wachſame Besatzung des Forts ſo zu täuschen, daß die Parallelen

unentdeckt

eröffnet werden konnten.

An jedem Abende wurden in der Dämmerung die sämmtlichen feindlichen Bedetten regelmäßig durch preußische verdrängt ins Fort getrieben , aus dem sie erst mit dem Anbruche des Tages wieder heraus kamen, um lettere wieder zu entfernen, und dieses durch 8 Tage gewohnt ,

erstaunten die feindlichen Reiter nicht

wenig, als sie am 27. Nov. früh hervorkamen, um sogleich wieder umzukehren , da sie von den freiwilligen Jägern , welche bereits

vor der Parallele

eingegraben

waren , begrüßt wurden.

Die ganze Besatzung des Forts stieg . auf die Brustwehr ,

um

sich mit eigenen Augen von dem, was die Nacht vor dem Fort vorgegangen war , zu überzeugen. Inzwischen that die Batterie Nr. 2 den ersten Schuß ,

und machte es der feindlichen Be-

sagung deutlich, daß sie angegriffen sei ! Der französische Bericht giebt natürlich eine andere Ursache an, weshalb die Beſagung von Zinna nichts von der Eröffnung der Parallelen gewahr wurde , wodurch diese aber nicht entschuldigt wird.

Ganz originell ist dagegen die Entschuldigung der

Besagung selbst, welche die Paralleleneröffnung gerade in dieser Nacht als eine Art Treubruch ansah , indem sie annahm ,

daß ,

weil man , um nichts zu verrathen ,

diese

ihren Parlamentair

Nacht im Hauptquartiere behielt , sie auch deshalb sicher keine Unternehmung dieser Art erwarten durfte ! Es ist eben so merkwürdig , und vielleicht das Erste Bei-

43

ſpiel ' in der Geschichte der Belagerungen : in derselben Nacht nicht nur die Kommunikation und Parallelen, sondern auch vier Batterien zugleich, zu erbauen , und zwei der leztern zu vollenden ! Hätten die Franzosen das Dorf Zinna , Kanonenschuß vom Fort abliegt , möglich gewesen , so

so wäre es un--

viele Baumaterialien aus dem eine halbe

Meile entfernten Dorfe

Siptih zur Erbauung von vier Bat-

terien heran zu schaffen , möglich , solche

welches noch keinen

abgebrannt ,

als es geschehen war.

durch das Dorf gedeckt,

Fort völlig unbemerkt,

und

So wurde es daher von dem

bequem dahin anfahren ,

und an zwei

Orten niederlegen zu können. Am 27. Nov. beschossen die

beiden Batterien das Fort

lebhaft, das dieſes Feuer eben so erwiederte. In der Nacht vom 27. zum 28. Nov. wurden die Batterien 1 und 4 vollendet. Die feindliche Artillerie hatte ihre Werke ebenfalls stärker armirt. Am 28. machte die Besatzung einen Ausfall auf dem rechten Flügel, der so ernstlich zurückgewiesen wurde , daß er nie Eine sehr nachahmungswürdige Anordnung wiederholt ward . wurde hier zum erstenmale mit Erfolg angewendet , und bestand darin : jede Nacht auf jeden Flügel der Parallelen bespannte Geschütze aufzustellen , die bei dem Ausfalle gleich vorrückten , und ihr Feuer längs den Parallelen dirigirten , wenn der Feind die Laufgraben angreifen wollte. Ausdehnung vor

Eben so waren in der ganzen

den Parallelen Jäger

eingegraben ,

die die

feindlichen Schüßen und Artilleristen zum Ziele nahmen ,

und

hierdurch sehr nüglich wurden , während sie tief genug in der um von dem Gewehrfeuer der Pa-

Erde eingegraben waren , rallelen beschützt zu werden. fangs

noch später ,

als

Der Feind konnte sich, weder An-

die ganze Fläche vor den Parallelen

bis zum Glacis mit Jägern

auf diese Art postirt war , den

Zweck und Nugen jener Vertiefungen durchaus nicht erklären , und in dem franz. Berichte werden sie Wolfsgruben genannt , und derselben tüglich erwähnt.

44 Am Tage des 28. Nov. ſchoſſen beide Theile ſehr ſtark. In der Nacht vom 28. zum 29. verstärkten die Belagerten ihre Armirung noch mehr , und vollendeten dieselbe in der folgenden Nacht völlig, so daß nunmehr ihr Kanonenfeuer ein Ueberge. wicht über das der Belagerer erhalten haben würde ,

wenn es

nicht durch das Feuer der Mörser sehr gedämpft worden wäre. Die Wurfbatterien der letztern konnten sich aber um so mehr einschießen

und

wirken ,

als sie hierin durch nichts behindert

wurden, da der Feind unbegreiflicherweise

gar keine Mörser

in Zinna aufgestellt hatte , und auch später keine zeigte. Diesem Mangel an Mörsern , wirklich fehlten ,

wenn solche den Belagerten

was bisher nicht ermittelt worden ist ,

konnten

dieselben durch Granaten mit schwachen Ladungen und hohem Bogen ersetzen ,

und es schien auch ,

als wenn sie die Batterie

Nr. 3, als ihnen am Meiſten lästig , weil sie die Geſchüßzbedienung des angegriffenen Baſtions ſehr behinderte , zuweilen auf diese Art zu bewerfen gesonnen waren ,

allein diese Schußart

schien von der Artillerie der Besatzung noch nicht genug gekannt zu sein, da nur sehr wenige Granaten in dieſe Batterie fielen. Es muß daher dem französischen Berichte entschieden widersprochen werden, daß die Artillerie des Forts jemals ein Uebergewicht über die des Angriffes erlangt hätte , und zwar weder am ersten Tage , wo das Uebergewicht des Feuers der Ueberraschung, der zur Zeit mangelhaften Armirung des Forts ,

und

der Mörser wegen, jedenfalls auf der Seite der Belagerer war, noch am fünften Tage ,

an welchem die Belagerten ihre Armi-

rung endlich beendigend, mit 20 Geschützen auftraten , indem sich zu dieser Zeit die Mörser der Belagerer , durch kein Gegenfeuer behindert, so gut eingeworfen hatten ,

daß sie die gegenseitigen

Geschütze im wirksamen Schießen auf allen Punkten entschieden hindern konnten, worin ſie von den zahlreichen dieſſeitigen Schüßen, auf das ganze Terrain von den Parallelen bis zum Glacis vertheilt , wurden.

aus ihren gesicherten Ständen außerordentlich unterſtügt Hierzu kommt die eigenthümliche Art der Schartenbe-

45 kleidung mittelst Tonnen und Brettern ,

wodurch die Scharten

nach einigen gut angebrachten Schüſſen ſich so öffneten , französische

Geschüßbedienung

dem

Schüßenfeuer

daß die

bloß

gestellt

wurde, und daß die feindliche Artillerie ihre Scharten nicht ausbesserte.

Daß durch dieses das feindliche Geschüßfeuer eben so

geschwächt, flar sein !

als unsicher werden mußte , wird jedem Sachkenner Erwägt mnn überhaupt ,

welche Wirkung ein Bom-

bardement von täglich 400 auf einen so kleinen Raum , als solchen das Fort bot , geworfenen Bomben äußern kann , so wirdman ohne Bedenken einräumen ,

wie nachtheilig dieses auf die

Geſchützvertheidigung ſelbſt einwirken mußte ! Noch weniger kann zugegeben werden, daß die Angriffsbatterien jemals zum Schweigen gebracht worden wären. An diese Widerlegung knüpfen sich aber noch folgende viel wichtigere an , durch die sowohl die Angaben und Behauptungen des französischen Berichts ,

als die denselben erläuternden und

ergänzenden Mittheilungen der Redaktion des Archivs berichtigt werden müſſen, um das, was wirklich geschehen ist, wahrheitsgemäß der Nachwelt zu überliefern, wobei sich der Verfasser dieses auf das Zeugniß der vielen noch lebenden wohlunterrichteten und unparteiischen Mitkämpfer aus jener Zeit berufen muß , ſeine Glaubwürdigkeit in Zweifel gezogen werden sollte.

wenn

Es hat

diese Unternehmung das eigene Schicksal , daß sie durch sehr ungenaue Berichte entstellt worden ist.

Schon die Zeitungen jener

Zeit berichteten viele falsche Nachrichten über dieselbe, oder stellteu geringe Thatsachen als sehr wichtige oder entscheidende dar. Das Wenige, was v. Plotho davon Th. 2, pag. 540-545 mittheilt, ist meist völlig unrichtig, was aber sehr auffallen muß, ist ,

daß selbst preußische Offiziere des Belagerungskorps ,

die

nach ihrer Stellung sehr wohl eine genaue Kenntniß bis ins Detail davon haben sollten , diese nicht zeigen , was am Meiſten dazu beiträgt, die Nachrichten über diese Begebenheit noch mehr zu verwirren. Die Redaktion des Archivs endlich läßt gegen

46

das Fort und die Stadt Batterien erbauen , stirt hatten.

die gar nicht eri-

1. Bei dem Angriffe des Forts Zinna wurde nicht die, damals noch nicht ausgebaute, und daher zur Vertheidigung kaum eingerichtete Lünette , sondern das Bastion nach dem großen Teiche hin, angegriffen. 2. Der stattgefundene Angriff, durch die Schüßen unterſtüßt , sollte hauptsächlich nur als ein Bombardement des Forts gelten. 3. Es wurden

nur

vier Batterien

mit 8 Kanonen und S

Mörsern in der Parallele, erbaut. 4. Diese Geschützzähl genügte zu dem Zwecke vollkommen, und es wurde nicht nöthig , dieselbe zu vermehren , da sie gegen die feindliche unter den angegebenen Umständen stets ein Uebergewicht behielt.

5. An

ein

weiteres Vorgehen

aus der Parallele ,

an eine

zweite Parallele wurde nicht gedacht. 6. Daß das Fort nicht viel früher schon von seiner Besatzung verlassen wurde ,

lag nur

an der für den vorhabenden

Zweck verhältnismäßig geringen Anzahl von 50 Bombenwürfen für jeden Mörser auf 24 Stunden , an der in der Regel des Nachts erfolgten Einstellung des Feuers ,

und

an der öftern tagelangen Waffenruhe. 7. Gegen die Stadt wurden auf dem linken Elbufer nur drei Burfbatterien erbaut. Durch das Bombenfeuer wurde mehreremale Feuer Fort erregt , und die Baracken sowohl in demselben , der Kehle gingen in Nauch auf.

im

als vor

Bis zum 1. Dez. wurde das

Beschießen ohne Unterbrechung fortgesetzt. Am 1., 2. und 3. Dez. fand viele Waffenruhe , der Unterhandlungen wegen , statt, jedoch nicht in der Art , wie es der franz. Bericht glauben läßt, da es bei den an den Tag gelegten Gesinnungen des franz . Gouvernements wohl widersinnig gewesen wäre, dem Fort gleich nach dem Anfange des Beschießens eine

47

dreitägige Ruhe zu laſſen , während auch auf dem linken Flügel der Festung eine Wurfbatterie gegen die Stadt erbaut , und die lettere daraus bombardirt wurde. Am 4. Dez. begann das Beschießen des Forts von Neuem, und dauerte mit tagelangen Unterbrechungen fort, bis es allmählig schwächer wurde, und sodann aufhörte , ohne daß etwas entschieden worden wäre , da bie Besagung eine seltene Ausdauer zeigte.

Endlich verhielten sich Belagerer und Belagerte völlig

ruhig. Im Ganzen war das Fort vom 27. Nov. bis . 11. Dez. neun Tage lang sehr lebhaft beschossen worden, und dieses Feuer wurde eben so erwiedert. Die Komplettirung der Batterien mit Munition auf 24 Stunden war verschieden ; in der ersten Zeit erhielt jedes Geschüß täglich 50 Schuß.

Der Bericht giebt an,

daß auf das Fort 3000 Kanonenkugeln und eben so viel Bomben geschossen worden wären , was wohl seine Richtigkeit haben. kann ,

wodurch im Innern

deſſelben

alles verwüstet

worden

wäre , und giebt seinen Verlust auf 28 Todte und 102 Verwundete an, den man jedoch viel größer annehmen darf. ----

Die Batterie Nr. 1 hatte vom feindlichen Feuer wenig zu leiden, und bewarf das Fort mit großer Wirkung. nahme des Kommandantenhauſes in demselben ab.

brannte

Mit Aus-

alles nur Brennbare

Von dem Stadtbastion Nr. 5 am Leipziger

Thore konnte diese Batterie von einer 24pfdigen Kanone einigermaßen enfilirt werden ,

und als deren Feuer am 29. Nov. den

in derselben kommandirenden ſächſiſchen Artillerie - Hauptmann inkommodirte , fand sich dieser aus eigener Bewegung veranlaßt , die 50pfdigen Mörser nach der Stadt zu wenden , wobei jedoch die Mörserklöße unbrauchbar wurden . Es wird dieses ' deshalb hier angeführt, weil in dem Berichte des ersten Bombardements der Stadt mit großen Bomben an diesem Tage erwähnt wird. Die Demontirbatterie Nr. 2 diente zum Zielpunkte des ganzen feindlichen Feuers ,

besonders des starken Granatfeuers ,

womit sowohl diese Batterie ,

als die Kommunikation beworfen

48 + wurden.

In dieser Batterie wurden nach und nach mehrere

Geschütze demontirt , mehrere Kanoniere getödtet ,

und die ganze

Batterie , welche aus gefrornen Lehmstücken bestand, wurde sehr oft durch die Menge der in die Kaſten geſchoſſenen feindlichen Kugeln und Granaten so locker und unhaltbar , daß sie kaum, weder den Geſchützen, noch der Bedienung ,

Schuß und Sicherheit gewährte ,

indem oft Kugeln durch die Kasten gingen. Dennoch trat niemals ein Moment ein, wo sie ihr Feuer eingestellt hätte ! Jede Nacht mußte diese Batterie sehr stark ausgebeſſert werden ; oft ein völliges Wiederherstellen derselben ,

war dieses Ausbessern

welches bei dem ziemlich starken Froste, und dem bereits gefrornen Lehmboden viele Schwierigkeiten verursachte ,

da sich diese

Erde nicht mehr ſtampfen ließ , und die gehörige Dauerhaftigkeit der Kasten nur durch ihre Verstärkung erlangt werden konnte. Die Pulverkammer Dagegen leistete

war

dem Auffliegen

diese Batterie

beständig

ausgesezt.

auch außerordentlich viel , und

demontirte dem Feinde viele Geschütze und ihre Scharten .

Au-

ßerordentlich scharf ſchoſſen die ſächſiſchen 12pfder, und man war allgemein

der Meinung , daß dieses eine Folge des geringern

Spielraums bei der Anwendung preußziſcher Kanonenkugeln war. Die Batterie Nr. 3 litt vom feindlichen Feuer fast gar nicht ,

verursachte dagegen dem Feinde desto größern Schaden,

und wendete das Feuer des angegriffenen Baſtions auf die Batterie Nr. 2 mit gutem Erfolge ab. Mit 16, 17 und 18 Loth Ladung und 45 Grad Erhöhung bewarfen die Mörser das Bastion sehr wirksam , welches bei der überhaupt unbekannten Entfernung der Parallele vom Fort dazu dienen könnte ,

die wahre

Entfernung dieser Batterie genau zu ermitteln , indeſſen waren die Kammern der eisernen Mörser ungewöhnlich groß und verschieden. Die Batterie Nr. 4 demontirt mehrere feindliche Geſchüße, hlieb den feindlichen gegenüber stehenden Kanonen ſtets überlegen, und litt nur wenig vom feindlichen Feuer. Wegen der zunehmenden Abnahme der Besagung hatte man

49

schon am 8. Dez. in der Festung beschlossen , das Fort Zinna zu verlassen , und fing von diesem Tage die Vorbereitung hierzu an.

In der Nacht vom 11. zum 12. Dez. war die Besatzung

des Forts, nachdem sie stark kanonirt hatte, mit allen Geſchüßen und der Munition in aller Stille nach der Festung , gegen Mahla hin, von den Belagerern völlig unbemerkt , und daher auch ganz unbehindert, abgezogen, nachdem sie zuvor die beiden massiven bombenfesten Pulvermagazine gesprengt hatte. waren nur zusammengedrückt worden ,

Letztere

weshalb ihre Zerstörung

von den Belagerern nicht bemerkt wurde.

Für die Besatzung

war den Tag vorher Quartier in der Festung gemacht worden. Einige Geschüße, die erst am Morgen abzogen, blieben die Nacht hindurch in Thätigkeit,

und unterhielten ein anhaltendes Feuer,

so daß der Abzug über die Brücke und über das hart gefrorene Feld völlig unbemerkt blieb , hatte,

da man die ' Vorsicht angewendet

beide mit Stroh zu belegen.

Eine Patrouille der vor

dem Glacis eingegrabenen Jäger machte am Morgen die erste Entdeckung, daß das Fort verlassen sei. Das aufgegebene Fort wurde gleich besetzt,

und bot der

preuß. Artillerie in Hinsicht der Wirkung ihres Geſchüßes einen wahren Triumph dar. Es war keine Fläche , kein Winkel im Innern zu finden , die nicht Beweise von der zerstörenden Kraft der Bomben vor Augen gestellt hätten ! Von den vorhanden geweſenen Gebäuden ſtand nur noch das hölzerne nach allen Richtungen durchschossene Kommandantenhaus, jeden Augenblick zum Zusammenstürzen bereit ; von allen übrigen zeigte sich keine Spur. Fast alle Scharten waren völlig vernichtet , die Bettungen aufgewühlt, und überall zeigten sich nur Trümmer! Das feindliche Artilleriefeuer ,

besonders das Granatfeuer ,

war in den ersten Tagen sehr stark ,

doch wurde im Ganzen

meist zu hoch geschossen und die außerordentliche Zahl der feindlichen Schüsse,

welche die der Belagerer bei Weitem übertraf,

stand mit der erlangten Wirkung in gar keinem schicklichen Verhältnisse.

Die französische Artillerie schoß sehr schnell, änderte 4

Vogel, Belagerung ic.

50

aber die einmal genommene Richtung selten , waren im Ganzen unsicher.

und ihre Schüsse

So vermied man die etwas feblers

haft angelegte Kommunikation, und ging entweder neben derselben, oder aus dem Dorfe Zinna über das Feld zur Parallele ,

und

war sicher, nicht getroffen zu werden , während die Kommunikation unaufhörlich beschossen wurde .

Unbegreiflich war der Leicht-

finn, womit ein Theil ihrer Munition angefertigt und verschossen wurde.

Die Zünder der Granaten waren sehr oft gar nicht ab-

geplattet, oder nur hölzerne Pfröpfe, und niemals auf die eigentliche Entfernung eingerichtet.

Mehrmals bemerkte man, daß die

Granaten außer der Sprengladung noch mit kleinen Kugeln, Eisenstücken und Nägeln geladen waren. In dem Bollwerkswinkel des angegriffenen Bastions stand Anfangs eine Haubige, die über Bank feuernd , Schanzkörben ,

und bloß durch einfache Reihen von

rechts und links auf die Brustwehr gestellt, ge-

schüßt , mit außerordentlicher Schnelligkeit und im Ganzen mit guter Richtung abwechselnd die Batterie Nr. 2, die Kommunikation oder die

Batterie Nr. 3 bewarf, bis eine 50pfdige

Bombe der Batterie Nr. 1 ihre Bettung durchschlug , unter Derselben krepirte und alles zertrümmerte , wie es nach der Einnahme noch zu ſehen war .

So lebhaft auch das feindliche Feuer

Anfangs war, so ließ es doch mit der Zeit sehr nach,

da die

demontirten Geschüße nicht immer , und zulegt gar nicht erseßt wurden. Wie schon erwähnt worden ist, wurden die Scharten nicht ausgebeſſert, worden , konnte.

und viele derselben waren so ausgefchoffen

daß hinter denselben unmöglich ein Geſchüß verbleiben In der Regel wurde des Nachts nur wenig oder gar

nicht geschossen , und es fehlte nicht an Zeit zum Ausbeſſern der Scharten, aber der französischen Artillerie fehlte es an Material 1 dazu. Mit Recht führt Hr. Augoyat an,

daß die Vertheidi-

gungsanstalten des Forts gegen einen Sturm als Muster aufgestellt werden können. Bei der Wachsamkeit des General Darrier hätten sie nach ihrer Bollendung jeden Ueberfall zu

51

Schanden werden lassen.

Sie waren erst während des Angriffes

angefangen und vollendet worden.

Die Grabensohle war entwe-

der verpfählt , oder durch andere Hinderniſſe ungangbar gemacht worden. Die äußere Abdachung der Brustwehr und die Esfarpe waren auf jeder Front mit andern Hindernissen versehen. Die eine Eskarpe war mit Latten, die andere mit in einander gefügten behobelten Brettern, die dritte mit dichtem Dornenstrauche besetzt. Die Brustwehren waren mit starken Sturmbalken versehen und die Fußbänke mit Rollbomben überall bestellt. Graben

vor

der Kehle

Der

enthielt ein Hinderniß eigener Art ,

aus Wagen- und Kanonen - Rädern bestehend , die in der ganzen Länge des Grabens ,

immer 2 und 2 durch Ketten oder Taue

zuſammen verbunden waren , wobei sich jedes Rad rückwärts auf einen hochgestellten Karren ohne Rad stüßte . Sonst waren sämmtliche Räder durch Einhauen der Speichen unbrauchbar gemacht worden. Während des Angriffes trat Kälte ein , die mit der Zeit zunahm, und man konnte am 10. Dez. über das Eis der Teiche gehen.

Bei dieser kalten Witterung wurde der Aufenthalt in den

Parallelen und Batterien, besonders bei der öfteren Unthätigkeit, sehr unangenehm , und man lieferte Brennholz dahin. Bei dem früher berührten Zustande der Mannschaft des Belagerungskorps ereigneten sich Fälle, wo einzelne Leute des Nachts in den Parallelen erfroren, oder über einander gelegt, um sich mehr zu erwärmen, am Feuer erstickten. Noch. viel schlimmer war der Aufenthalt der Besagung des Forts, die nicht abgelöset wurde, und bei einer sehr dürftig zugemeſſenen täglichen Quantität Brennholz ausharren mußte, daher ſie Tag und Nacht in einer lärmenden Bewegung blieb ,

oder sich durch

Spiele und gymnaſtiſche Beluſtigungen zu erwärmen ſuchte. Um sich in dem Besige von Zinna zu behaupten ,

wurde

zuvörderst die Kehle durch eine hohe Brustwehr geſchloſſen , weil ohne dieselbe der Aufenthalt in dem Forte bei dem gänzlichen Mangel einer bombensicheren Unterkunft für die Truppen sehr

52

unsicher erschien.

Hieran wurde in den ersten Tagen gearbeitet,

während man zu gleicher Zeit auf der dem Fort Mahla zugekehrten Front im Ravelin und gedeckten Wege Geschütze plazirte, Es kam jedoch um hiernächst das Fort Mahla anzugreifen. keines dieser Geschütze in großze Thätigkeit. Alle diese Arbeiten wurden durch das feindliche Feuer wenig oder gar nicht gestört,

da alle Schüsse der Stadt-Bastione

4, 5, 6 und 7 hoch über das Fort gingen.

Von einem Ueber-

schütten des Forts mit Kugeln, Granaten und Bomben von dieſen Baſtionen ,

dessen man sich in dem französischen Berichte

rühmt, war daher keine Rede, und zwar um so weniger, als die französische Artillerie überhaupt nur mäßig schoß , und auch in der Folge, wo sie sich wohl hätte auf das Fort einschießen kön nen ,

die preußische Besatzung wenig inkommodirte.

Der Ver-

fasser dieses fühlt sich zur Widerlegung jener Behauptung um so mehr berechtigt, als derselbe die Scharten im Ravelin ein12pfdern , im gedeck-

ſchnitt und zwei Batterien , jede zu 4

ten Wege gegen das Fort Mahla mit einer großen Menge sächfischer Landleute erbaute , büßt zu haben .

10.

ohne auch nur einen Menschen einge-

Bombardement der Stadt.

Während des Angriffes von Zinna ,

und als derselbe auf

die Unterhandlungen mit der Garnison von Torgau keinen Einfluß äußern wollte, suchte man die Besatzung auf einer andern Seite der Festung zu beschäftigen.

Nach der Zerstörung der

Teichschanze hatte der Feind auf dem linken Flügel der Festung, außer der Lünette Loswig ,

kein anderes vorgeschobenes Werk

auf dieser Seite, und alles blieb hier ruhig.

Belagerte und

Belagerer hielten die Dämme zwischen den Teichen neutral, und betraten sie nicht.

gleichsam

Am 28. Nov. wurden in der Festung bombenfeste racken von dem zum Festungsbau

vorräthigen Bauholze

Bazu

53 bauen angefangen ,

die sich an die Wälle anlehnten ,

und Mist belegt wurden, erwiesen .

mit Erde

und sich später als sehr zweckmäßig

Am 29. und 30. wurde die Stadt_ſtark_mit_Granaten vom rechten Ufer beworfen. Diese zündeten auch , wurde stets des Feuers mächtig.

aber maa

Am 1. Dez. wurde in den Damm zwischen dem Plan und Kuhteiche die Wurfbatterie Nr. 5 zu 3 50pfdigen Mörsern eingeschnitten. geworden,

Die Kälte war in dieser Zeit bereits so stark

daß das Eis

der Teiche Menschen tragen

konnte.

Der Bau dieſer Batterie begann des Morgens , gleichſam , als wolle man die Besatzung der Stadt hiervon unterrichten ,

und

wurde durch die feindliche Artillerie des Bastions Nr. 3 gar nicht unterbrochen, da ihre Geschosse meist zu kurz, in dem vorliegenden Teiche völlig unschädlich wurden. prächtigen Anblick , und sehen.

Es gewährte einen

eine 48pfdige Bombe das Eis durchschlagen

durch das Krepiren einen hohen Wasserstrahl gebildet zu Abends wurden die Mörser aufgestellt und das Bewer-

fen der Stadt begann , aber es schien , daß man eben so wenig , als der Feind zu treffen vermochte.

Die Entfernung der Bat-

terie von der Stadt ſchien zu groß zu sein. Dennoch waren einige Bomben nach dem in Torgau geführten Tagebuche , in die Stadt gefallen , hatten auch gezündet , das Feuer wurde aber zeitig unterdrückt.

Am 3. Dez. wur-

den die Mörser aus der Batterie gezogen und anstatt derselben. 310pfdige Haubigen aufgestellt. Zur Deckung und Sicherung einer weiter vorzulegenden Wurfbatterie wurde eine Kommunikation ausgeworfen , die an der Batterie Nr. 5 ansing ,

vor der Lünette Loswig defilirte,

und sich hierauf wieder links wendete , wo sie gegen den Planteich stieß.

In der Nacht vom 2. zum 3. Dez. wurde hier die

Wurfbatterie Nr. 6 zu 3

50pfdigen Mörsern erbaut , und

um den bis dahin vergeblichen Unterhandlungen Nachdruck zu

54 geben, fing in der folgenden Nacht um Mitternacht das Bombardement der Stadt an. Die 10pfdigen Granaten aus Nr. 5 schienen bei dem starken Nebel , der beſtändig auf dem vorwärts gelegenen ſumpfigen Terrain ruhte , und die Stadt entfernter darstellte , diese zu ers reichen,

dagegen leistete Nr. 6 wie man zu bemerken glaubte ,

nicht das , was man beabsichtigte , und da auch die feindlichen Bomben die Batterie kaum erreichten , so mußte angenommen werden, daß die Entfernung dieser Batterie von der Stadt noch immer zu groß war , fönnen.

um diese mit guter Wirkung bewerfen zu

Indessen waren diese Beobachtungen und Schlüſſe dennoch trügerisch , denn durch dieses Bombardement wurden 30 Häuſer mehr oder weniger beschädigt;

es brannte auch an mehreren

Stellen, und 2 Häuser brannten völlig nieder. waren voll zerschlagener Fensterscheiben Besatzung half löschen ,

Alle Straßen Die und Dachsteine.

zog sich aber zurück ,

nicht von den Bürgern unterſtügt wurde.

als sie angeblich

Die meisten Bomben

waren indeß doch in den Stadtgraben gefallen und der Belagerte war der Meinung , liegenden Bastion 3,

daß dieses Bewerfen mehr dem vor-

als der Stadt gelten möchte,

besonders ,

als auch zur Zeit vom rechten Ufer her die neben liegenden Bastione 1 und 2 beworfen sein sollten. Der Gouverneur wollte deshalb , oder vielleicht ,

weil er

wegen seiner absichtlich an den Tag gelegten Verzögerungen bei den bis dahin statt gehabten Unterhandlungen bereits in feinem guten Kredit bei dem kommandirenden General des Belagerungskorps stand , nicht gestatten , daß die Stadt den legtern mittelst einer Deputation um Schonung

derselben

änderte aber seine Gesinnung bald ,

bitten

dürfte.

und versuchte es ,

Er

bei der

am 3. Dez. zufällig gefangenen preußischen neue Unterhandlungen anzufnüpfen , was ihm auch

Entlaſſung von 4 , Offizieren ,

gelang und einige Waffenruhe zur Folge hatte. Diese benugte der Feind , an die Militaireffekten Hand

55

anzulegen, sie zu zerschlagen , zu vernichten , und Schanzgeräthe, Gewehre 2c. in die Elbe zu werfen. gebliche

Unterhandeln

fortgesetzten

Bei dem durch das ver-

Bombardement

wurden. 40

Häuser beschädigt. Wegen der scheinbar mangelhaften

Wirkung der Batterie

Nr. 6 wurde beschlossen, noch so weit vorzugehen, als das wäfferige Terrain es nur erlauben wollte, deshalb wurde die Kommunikation verlängert, und in der Nacht vom 6. zum 7. Dez. wurde dicht am Zipfelteiche die Wurfbatterie Nr. 7 zu 3 50pfdigen Mörsern erbaut, zu deren Armirung Batterie 6 ihre Mörser gab, und daher von nun an schwieg.

Der völlige Aus-

bau dieser Batterie mit Pulverkammer, einer Bombenkammer zu 150 50pfdigen Bomben , einer hohen Traverse gegen die Lünette Loswig und einer kleinen Traverse zwischen den Mörſern bei zwei Fuß Grundwasser Lehmboden,

mit sächsischen

und

Landleuten

dem oberhalb gefrornen ausgeführt ,

war eine

außerordentliche Aufgabe. Am 7. und 8. begann aus den Batterien Nr. 5 und 7 ein heftiges Bombardement der Stadt. warfen bei 45 ° und mit 3

Die eisernen Mörser

bis 4 Pfd. Ladung ,

aber man

fonnte, wie es bei dem Nebel schien , nur mit dem einem Mörſer die Stadt erreichen , während der eine Mörser bei 12 Loth Ladung mehr, als die andern, seine Bomben doch nur nach dem vorliegenden Bastion

bringen

konnte.

Dies war unerklärlich!

Es kam ein sächsischer Ingenieur- Offizier, der beim Festungsbau zugegen war , " mit einem Plane in der Batterie an , und nach der Vergleichung mit dem Stande derselben , lag diese so nahe an der Festung, daß man mit der gebrauchten Ladung wohl eher die Stadt überschießen , als zu kurz werfen konnte.

Der feind-

liche Bericht selbst giebt die Entfernung der Brandbatterien auf 900 Schritte an, ohne anzuführen, welche von ihnen derselbe meint. Das äußere Aussehen der Mörser hatte es bis dahin nicht angerathen ,

die Ladung noch zu vermehren ,

und als man dazu

schritt , wurden zwei der Mörser , der eine durch einen Längen-

56

riß von der Mündung 31 Pfd. Ladung

bei

bis

45 °

zur Kammer,

unbrauchbar.

Da

bei den 50pfdigen Mörsern 2200

Schritt ergeben , so ist bis jezt nicht aufgeklärt worden , welche die eigentliche Ursache des mangelhaften Werfens war , und ob außer den sehr großen Kammern der Mörser, die Schuld nicht auch am Pulver gelegen hatte , das damals freilich schlecht aussah.

auch sehr

Der franzöſiſche Bericht klärt diesen Gegenstand

auch nicht auf, indem darin von diesem Angriffe gegen die Stadt immer nur beiläufig Erwähnung geschieht;

auch

werden

die

Wurfbatterien der Belagerer verachtungsweise nur Brandbatterien genannt.

Dagegen wird in jenem Berichte bei Gelegenheit

des Bewerfens des Dorfes Kreischau über das schlechte sächsische Pulver geklagt ,

das damals wenig Wirkung zeigte ,

und es ist

wohl möglich , daß bei diesem Werfen beide Theile sich selbst , und einander durch ihr schlechtes Pulver täuschten. Durch dieses

anscheinend wenig wirksame Bombardement

wurde die Stadt außerordentlich verwüstet.

Am 8. Dez. fielen

blos in das Haus des Gouverneurs allein 5 Bomben und 2 Granaten. Dieser erlaubte auch endlich dem Superintendenten Koch ins Hauptquartier der Belagerer zu gehen, um Schonung für die Stadt zu erbitten ,

und ertheilte ihm zugleich den Auf-

trag, wegen Uebergabe auf freien Abzug zu unterhandeln .

Hier-

bei wurde ermittelt, daß der General Graf Tauengien , ſo ſehr oft bis dahin getäuscht, alle Unterhandlungen als vergeblich, abgewiesen und verboten hatte , Parlamentaire durch die Vorposten durchzulassen. Anstatt der 50pfdigen ,

wurden nunmehr 3 - 48pfdige

sächsische Mörser in der Batterie Nr. 7 aufgestellt ,

welche mit

viel schwächerer Ladung und bester Wirkung die Stadt bewarfen, zu welchen die meiſten 50pfdigen Bomben paßten. In Folge der Unterhandlungen durch den Superintendenten Koch und durch das fortgesette Bombardement traten neue Unter-



handlungen und ein Waffenſkillſtand bis zum 10. Dez. ein, da jedoch der Gouverneur von seinen übertriebenen Forderungen

57

nicht ablassen wollte , sezt.

wurde das Bombardement wieder fortge-

Dieses geschah am 10., 11. und 12., wobei die Wurfge-

schüße des rechten Elbufers ebenfalls sehr thätig mitwirkten. Hierdurch entstand in der Stadt ein sehr großer Brand. Die Franzosen beschuldigen

hierbei

die Bürger ,

welche

eine

Feuerlöschkompagnie gebildet hatten , daß diese in diesem Augenblick der Gefahr keine Hülfe geleistet hätten, allein der Superintendent Koch bemerkt, daß die Beſagung zwar löſchen half, aber auch plünderte, weshalb die unglücklichen Bürger die Brandstätten verließen, um ihr hartes Loos in den Kellern zu beweinen ! Am 11. Dez. waren alle Fensterscheiben in der Stadt zer-

trümmert und 18 Häuſer abgebrannt ! Am 12. Dez. wurde der Superintendent Koch abermals nach Dommißsch gesandt, und der ihm begegnende General v. Lindenau rieth ihm, zu eilen, weil ein hartes. Schicksal Torgau bedrohe.

Auf die grausenhafte

Schilderung der durch das Bombardement bewirkten Zerstörung gab der Graf Tauengien sein Wort, es cinstellen zu wollen, und die gänzliche Einstellung desselben auf immer erfolgte in der Nacht zum 13. Dez.

Seitdem fand ein beständiges Parlamen-

tiren und schwaches Beschießen der Werke ſtatt.

Die Zerstörung der Militaireffekten ſegte man in der Festung fort ; theils , um nichts zu überliefern , theils , um sich bei der zugenommenen Kälte Brennholz zu verschaffen , zerschlug man jezt alle Fahrzeuge,

die schönſten' Staatswagen und die Pontons ,

und ver-

brannte sie.

Diese ganz öffentlich, und nicht hinter dem Rücken " des Gouvernements erfolgte Zerstörung und völlige Vernichtung des außerordentlich großen Armee - Materials , das in Torgau deponirt war , wozu noch der große Train vom 19. Okt. hinzu kam, auf dessen Ueberweisung anzutragen der kommandirende General Graf Tauenzien ein Recht hatte, verursachte vor und nach der abgeſchloſſenen Kapitulation die ernſtesten Mißhelligkeiten zwischen ihm und dem Gouverneur es war indeß nicht 7 mehr vorhanden , und der böse Wille der Besagung , alles zu vernichten, sprach sich bis zum Abzuge entschieden aus.

58 Am 27. Dez. wurden die preußischen Kriegsgefangenen , bis dahin die Todtengräber, entlaſſen. Die Kapitulation wurde am 26. Dez. 1813 im Dorfe Welsau abgeſchloſſen ,

nach welcher der gesunde Theil der Be-

satzung kriegsgefangen nach Schlesien

abgeführt werden sollte ,

während die Kranken in Torgau verblieben , und die nicht mehr Waffenfähigen freien Abzug nach Frankreich erhalten sollten. Am 28. Dez. erhielt die Stadt ihr Röhrwasser wieder und Fort Mahla und Lünette Repig wurden geräumt. Am 10. Januar 1813 marschirten kriegsgefangen aus : 4246 Mann = verblieben frank in Torgau incl. Aerzte 3437 =

651

kehrten nach Frankreich zurück

8334 Mann. (Nach v. Plotho sollen 10000 Mann incl. 4000 Kranke in der Kapitulation begriffen geweſen ſein.) 6 Die Belagerer betrachteten und behandelten Torgau auch nach der Uebergabe als einen Pestort, Außenwerke ,

und besetzten bloß die

ohne daß es einem Soldaten vergönnt war ,

die

Stadt zu betreten. Diese unglückliche Stadt , welche von ihren 557 Häuſern über 100 zu Lazarethen und Magazinen hergegeben hatte ,

die

dadurch sehr viel litten , während sie durch ihre Verpeſtung noch auf lange Zeit unbewohnbar blieben ,

verlor 18 Häuser ,

die

gänzlich niederbrannten ; weit über 200 Häuser hatten durch das Bombardement gelitten.

und alle

übrigen durch das Kasernement ſehr

Durch diese Beschlagnahme und Disposition der Häuser

von Seiten des Gouvernements läßt sich das geringe Intereſſe der Bürger an ihrem Eigenthume wohl erklären , das ihnen in dem französischen Berichte bei Gelegenheit des Löschens vorgeworfen wird. Die ganze Stadt konnte von dem angehäuften Echmutze mit Leichen angefüllt, der die Häuser, Höfe und Stus ben erfüllte , und die Straßen sperrte, nur mit Mühe gereinigt

59 4

werden , und erst im März erklärte man fie für gesund.

Die

Einwohner Torgaus mußten viel erdulden ! Sie hatten sich jedoch reichlich verproviantirt

und

manches davon wegnahm ,

obgleich

ihnen das Gouvernement

und keine Zahlung dafür leistete ,

so

blieb ihnen doch noch viel übrig , um es zu hohen Preisen abſetzen zu können, da der Gouverneur im Stande war, cinigemale die Löhnung auszuzahlen .

Durch den Verkauf der Grundstücke

an die Regierung , durch den Festungsbau und die große Zahl. von Offizieren und Militairbeamten , nicht ohne Kaſſe waren , die hier verblieben. Nach dem franz .

welche lettere bekanntlich

kamen große Summen nach Torgau ,

Berichte waren

7500

Granaten

und

Bomben in die Stadt gefallen ; jedenfalls kann man 3 hiervon streichen.

11.

Allgemeine Bemerkungen.

Für Kunst und Wiſſenſchaft liefert diese sogenannte Belagerung wenig Ausgezeichnetes .

Keiner der intereſſirenden Theile

hat hierbei glänzende Eigenschaften

entwickelt ,

oder entwickeln

fönnen , obschon das Besondere der Umstände beide Theile rechtfertigen mag. Die geschichtliche Uebersicht dieser Eroberung gewährt indeß doch

auch

Interesse, so wie sie auch nachahmungswerthe BeiHierunter kann insbe=

spiele zweckmäßiger Anordnungen enthält. sondere gezählt werden :

das ſyſtematiſche Einſchläfern der Be-

ſagung zur ungestörten Eröffnung der Laufgräben, das hier und später bei Wittenberg mit Erfolg gekrönt wurde , und das an die entgegengesetzte Manier bei Schweidnig erinnert ;- die Erbau* ung der Batterien mit der Parallele zugleich ; die Beschützung der Parallele durch bespannte Geſchüge und andere mehr. Für das preußische Heer muß diese Unternehmung als eine Pflanzschule

im praktiſchen Belagerungskriege ,

der 20 Jahre.

nicht geübt worden war, ohne Zweifel von Wichtigkeit`erſcheinen,

60

so unvollkommen auch die Artillerie hier angewendet ſein mag. Die Früchte davon wurde man bald darauf bei Wittenberg, und 1815 in Frankreich gewahr. Insbesondere muß hier des Fortschrittes rühmend gedacht werden , welchen die preuß. Artillerie im Batteriebau seit der Belagerung von Mainz erlangt ,

1

hatte.

und durch die That bewährt

Mit Ausnahme der Batterien Nr. 1 und 4 vor Zinna, de-

ren Bau sächsischen Offizieren anvertraut war ,

wurde jede der

Batterien im Laufe einer Nacht fertig , und konnte am Morgen das Feuer beginnen ,

und dieses iſt, troß der langen Nächte im

November und Dezember, wahrlich viel , da der Bau von meist sehr junger noch

unerfahrener Mannschaft

ausgeführt

wurde.

Wegen Schwäche des Belagerungskorps wurden sogar zu meh-. reren Batterien Landleute requirirt , welches die Schwierigkeiten für den bauenden Offizier alle Offiziere

und

die

noch vergrößerte.

Indeſſen hatten

ältesten Unteroffiziere viele Uebung im

Batteriebau erlangt gehabt, da dieser Dienstzweig beſonders kultivirt worden war.

Insbesondere war diese Uebung auf ſchnel-

len Aufbau geleitet gewesen ,

und hierin zeigten die Preußen

eine Ueberlegenheit gegen die Sachſen.

Jedenfalls wird man die

Erbauung der ansehen.

etwas

Batterie Nr. 7

als

Nichtgewöhnliches

Aus den allgemeinen Anordnungen zum Angriffe von Zinna läßt sich nicht viel entnehmen.

Schon der Angriff selbst ist nicht nachzuahmen , noch weniger die Unſchlüſſigkeit in dem, was nun

zu thun sei , denn bei mehr Energie mußte das Fort in kürzerer Zeit fallen. Die Ursache lag jedoch in keinem Balby , der mit der Artillerie unbekannt, ihr hinderlich in den Weg getreten wäre ; sie lag in den Ansichten des Artilleriekommandos selbst, chen.

das ganz übersah ,

sich und seine Waffe geltend zu ma-

Ueberdieß läßt sich fragen : warum hatte man, wenn man

nicht mehr im Sinne hatte , war, nicht die eine Front angegriffen?

geschehen zu laſſen , was geschehen nur

( die nach dem Dorfe Zinna )

warum wurden in der Batterie Nr. 1. 50pfdige

61

Mörser aufgestellt ,

+

da innerhalb keine bombenfesten Behältnisse

zu zerstören waren ? warum wurden die 50pfdigen Mörser, wenn ſie einmal aufgestellt werden mußten, nicht lieber in der Batterie Nr. 3 aufgestellt und die 10pfdigen in Nr. 1 x .

So scheint

es auch , daß es Unrecht war , das Fort Zinna , aus dem man doch die Besatzung entfernen wollte ,

an der so sehr oft stattge=

fundenen Waffenruhe Theil nehmen zu laſſen , während welcher es seine Vertheidigungsanstalten gegen einen Sturm ausführen

durfte,

durch

ungestört

die gesichert die Besagung so lange

Trog bot. Läßt sich über den Angriff von Zinna nichts . Rühmliches sagen , so muß man vollends das Bombardement der Stadt tadeln ,

da man auch mit und durch dasselbe nicht einen Tag

früher die Stadt erhielt.

Es erscheint als ein Akt der Gewalt

des Stärkeren gegen einen Wehrlosen , wobei eine ohnehin schon unglückliche wurde.

Stadt

dem

gänzlichen Verderben

Preis

gegeben

Die französische Garnison von Torgau hatte sich in dem Glauben an die Unbeſiegbarkeit ihres Kaisers in der Ausrüstung und Verproviantirung , besonders mit Brennholz , sorglos bewieſen.

Auf Befehl des Kaiſers ursprünglich auf 3 Monate mit

Lebensmitteln für 4000 Mann versorgt, von denen sie noch viel vor dem Anfange der Belagerung weggab,

erhielt sie eine mehr

als viermal größere Stärke , die am 19. Okt. durch 6700 unnüße Miteſſer , welche der Gouverneur nicht zurückweisen konnte, die jedoch seine Verlegenheit vergrößerten , noch vermehrt wurde. Man half sich durch Requisitionen und Ausplünderung des Landes, was ungehindert geschehen konnte.

Sei es, daß der Kaiser

die Dauer der Belagerung besonders bestimmt hatte,

oder daß

sich der Gouverneur durch jene festgesetzten 3 Monate Belage= rungszeit zur Ausdauer gebunden fühlte :

er hielt diese Zeit,

ohne einen einzigen Tag davon aufzugeben, ohne alle Hoffnung des Entsages, vom 8. Oft. 1813, an welchem Narbonne die Festung in Belagerungsstand erklärte, bis zum 10. Januar 1814,

62 an welchem sie übergeben wurde, standhaft aus , richtete die Lebensmittel darnach ein , verkürzte die Portionen , ließ die Mannschaft darben und hungernd verkümmern !

Voll von überspannten

Forderungen, die, so oft sie auch abgewiesen worden waren, doch stets wieder erneuert wurden , den Winkelzügen, sind ,

voller Ausflüchte, und voll von

die seiner Nation

und

ihrer Sprache eigen

war es dem Gouverneur bei allen Unterhandlungen nur

um Hinhaltung und Verzögerung der Uebergabe zu thun , ohne Sorge , seine Gegner endlich zu erbittern.

ganz

Und bei allem

diesem traf er doch erst am 13. Dez. die eigentlichen Anstalten zum Abschlagen eines Sturmes auf die Stadtwälle !!! Der Vorsorge: zur Schonung und Erhaltung der Garnison ; zur Abwendung oder zum Aufhalten des herrschenden Uebels bei den vorhandenen unerhörten Mitteln zur Beaufsichtigung und der Kontrolle ; die Ueberwachung der deshalb jedenfalls doch wohl ´ertheilten Befehle ;

das Aufrichten des gesunkenen Muthes der

Garnison u. s. w . ist schon früher genügende Hinweiſung geschehen. Jedenfalls läßt sich hiervon aus Torgau kein nachahmungswürdiges Beispiel ableiten! Die Mannschaft der Beſagung hatte außer mit dem äußern Feinde, im Innern noch mit einer pestartigen Seuche, dem Hunger und Entbehrungen aller Art zu kämpfen.

Für sie war das

Ausharren ohne Murren in solchem Elende rühmlich,

und sie

gab dadurch ein großes Beispiel der Hingebung! Ohne dem rühmlichen Andenken und der militairischen Ehre des Grafen Narbonne nahe treten zu wollen , läßt sich doch annehmen , daß er edleren Rücksichten folgend , dem herrschenden Elende früher ein Ende gemacht , und doch auch seiner Pflicht genügt hätte, während seinem Lande Tausende von Männern erhalten worden wären.

63

Anmerkungen. 1) , Bei der Erstürmung

der Teichschanze am 22. Nov.

trugen Kanoniere Pechfaschinen ,

um damit die Gebäude anzu-

zünden.

Hierbei ereignete sich ein großes Unglück.

Als näm-

= lich der vorderste seine Bündel anzündete, erfolgte cine Explosion. In dem Gedränge theilte sich das Feuer augenblicklich auch den

1

andern Pechfaschinen mit, und es wurden hierbei 12 Artilleristen Es ergab sich, daß

theils sehr beschädigt , theils verstümmelt.

man jene Faschinen zu ſehr mit Kornpulver bestreut hatte, so daß dieses in den Bündeln ganze Klumpen bildete. 2 ) Am'3. Nov. 1813 ging der erste Transport Belage= rungseffekten, von einem Offiziere und 10 Mann, ohne alle Be waffnung ,

geführt ,

und

414 Pferden bestehend ,

aus

94 Vorspann - Bauerwagen und

von Potsdam

ab.

Zu jedem Wa-

gen gehörten mindestens 3 Bauern , ja es gab Wagen , zu welchen 6 Bauern angeblich gehörten ,

wovon jeder entweder sein

Pferd oder halben Wagen beaufsichtigen wollte.

Man hatte die

Fahrzeuge zum Theil aus großer Ferne lange vorher requirirt, und viele hatten weder Fourage noch Lebensmittel.

Diese Leute

murrten laut, so wie damals der brandenburgsche Bauer durch den Landsturm ſehr aufgeregt war , zeigten sich sehr auffäſſig , und viele wollten ihren höhern Nang beim Landsturm gegen den Offizier geltend machen. Der Transport ſollte nach der Weiſung · des kommandirenden Artillerieoffiziers in Berlin nur bis Jüterbogk geführt werden, wo die Weiterbeförderung nach der Anordnung des kommandirenden Artillerieoffiziers vor Torgau besorgt werden sollte.

Aber diese Kommandirenden schienen ohne

Uebereinstimmung gehandelt zu haben , denn , als der Transportführer in Jüterbogk ankam, fand er hier nichts weiter vor, als ein Schreiben des Generals von Wobeser vor Torgau an den Etappen-Kommandanten ,

worin dem legtern angekündigt wurde,

daß große Munitionstransporte Jüterbogk paſſiren würden , die nach Herzberg bestimmt wären.

64 Hier überraschte den Transport ein heftiges Gewitter mit einem wolkenbruchähnlichen Negen , Schwimmen kamen.

wobei die Wagen fast zum Es ist wohl möglich , daß das mit dieſem

Transporte geführte Pulver sehr gelitten , und vielleicht in der Batterie Nr. 7 gebraucht, deshalb, so schlecht gewirkt haben mag. Der Offizier setzte, um den Transport zusammen zu halten, da bereits einzelne Bauern mit Pferden davon geritten waren, ohne Verzug seinen Marsch nach Herzberg fort , benachrichtigte jedoch hiervon den General v. Bobeser, welchen er, um die widerspenstigen Bauern in Ordnung zu erhalten , um ein Kommando Kavallerie bat , die ihm auch sofort mit einer halben Eskadron zu Theil wurde.

Da die Bauern, Sachsen als feind-

liches Land ansehend , raubten und plünderten , sah sich der Offizier, in der Nähe eines Dorfes angekommen , genöthigt , voran zu reiten, und die Dorfbewohner zu benachrichtigen , ihr Eigenthum nach Kräften zu vertheidigen, da er ihnen selbst Schuß zu gewähren, nicht vermochte. In Herzberg angekommen , wollte kein Mensch etwas von dem Transporte wissen, und er mußte zurück nach Jüterbogk, wo eben der Premierlieutenant Hainsky von der Artillerie zur Abnahme und Weiterbeförderung durch andere Transportmittel nach Döbricháu endlich eingetroffen war.

Aber trotz der Uh-

lanen , die ihn begleiteten und Strenge übten , waren dennoch viele Bauern mit ihren Pferden mitten aus dem Zuge davon geritten, und bei Jüterbogk ergriffen sie, mit Hinterlassung ihrer Wagen, wie verabredet, mit ihren Pferden in Maſſe die Flucht. der Landleute

wurden sehr

viele der in die Elbe getriebenen Pferde erhalten.

3)

Durch die Bemühungen

Die armen,

durch die magere Futterung bereits kraftlosen Thiere schwammen in dem kalten Wasser weit hin , mung begünstigt,

manche sogar, durch die Strö-

auch mit der ihnen angehängten Last,

meilen-

weit, und schwemmten auf dem rechten Ufer an, das meist ganz flach ist.

Durch Herausziehen ans trockene Land , Neiben mit

Stroh oder wollenem Zeuge , oder durch in der Nähe angezün

-→ 65

detes Feuer,

wurden die erstarrten Glieder wieder belebt, und

auf Schlitten fortgebracht und in warmen Mist gelegt, erholten sie sich völlig wieder. 4)

Als der Verfasser dieses in der Nacht vom 6. zum

7. Dez. zum Bau der Batterie Nr. 7 schritt , schien es ihm selbst unmöglich, unter den obwaltenden Umständen die Erbauung derselben auszuführen. gewesen,

Indessen wäre diese die einzige Batterie

die von preußischen Offizieren bisher erbaut,

in einer

Nacht nicht hergestellt worden wäre , und eben dieses war eine mächtige Anregung , waren ihm

das Möglichste zu versuchen.

Zum Bau

außer wenigen Artilleristen gegen 300 Landleute,

meist junge Mädchen und Frauen überwiesen worden.

Wie in

allen Verhältnissen, hing hier alles davon ab, wie man die Leute nahm .

Um sie zusammen zu halten ,

Teich links ,

wurden ihnen zuerst der

das ſumpfige Terrain und die franzöſiſchen Vorpo-

sten in der Front, rechts und schon im Rücken die feuernde Lünette

Loswig ,

rückwärts

die mit

Infanterie beseßten Lauf-

gräben , aus welchen jeder Entweichende niedergeschossen werden würde , und durch alles dieses die Unmöglichkeit gezeigt , zu entkommen, während ihnen auch eröffnet wurde, daß, wenn die Arbeit in der Nacht nicht fertig werden sollte , sie am Tage unter dem Feuer der Festung vollendet werden müßte, wobei ſie ſämmtlich todtgeschossen werden könnten.

Mehr bedurfte es nicht, die

Leute zum größten Fleiße anzuspornen , und sie arbeiteten , ohne eines Antriebes zu bedürfen bei der kalten Witterung ,

bis an

das Knie im Waſſer, auf das Emſigſte. Unter den männlichen Arbeitern zeichnete sich Einer durch . ſein gravitätisches Wesen und die eigenthümliche Art, mit der er Er war ein Schulſeinen Spaten handhabte , besonders aus. meiſter !

Nach der Entdeckung dieses Verhältniſſes wurde er ſo-

gleich zum Aufseher bestellt,

und der Mann vergalt dieſe - ihm

gewordene Auszeichnung durch die wichtigſten Dienſtleiſtungen, indem er es völlig verstand , seine Landsleute in der Thätigkeit ; zu erhalten, die dem eigenen Herrn Magister noch lieber gehorch5 Vogel, Belagerung zc.

66

ten als dem fremden Offiziere , so daß es undankbar wäre , ſeiner hier nicht zu erwähnen ,

da ohne ihn die Arbeit nicht so

früh vollendet worden wäre.

Als der Offizier während des Baues vorgegangen war , um sich zu überzeugen, ob nicht das Geräusch von so vielen Arbeitern zu groß sei, um von den äußersten Vorposten des Stadtbastions Nr. 3 gehört und entdeckt zu werden, sah er sich plög. lich in der

Dunkelheit

von einer französischen Patrouille von

1 Korporal und 3 Mann umgeben , die ihn ohne Weiteres gefangen nehmen konnten.

Da sie dieſes nicht gleich thaten , griff

er nach seiner zufällig bei sich führenden vollen Flasche des gelieferten Branntweins , Zeiten zu.

und trank

den Franzosen auf bessere

Diese Leute mit ihren abgezehrten Gesichtern erquick-

ten sich nicht wenig an diesem Getränke ,

das ihnen , nach ihrer

Versicherung, ſeit Monaten nicht gereicht worden war, und drückten dem Geber dafür dankbar die Hand , der sich jedoch beeilte, so bald als möglich ihre Geſellſchaft zu verlaſſen. Die Stadtbastione 1. 2. 3. schossen , und die Lünette Loswig warf sehr viele Granaten auf die Batterie,

aber weit ent

fernt, dadurch die Arbeit zu stören, da kein einziger Schuß traf, diente dieses Feuer nur dazu, den Fleiß der Arbeiter zu verDadurch war man im Stande, mit denselben Arbeitern

stärken.

noch die Batterie Nr . 6 zu desarmiren , die Mörser in Nr. 7 aufzustellen, die Bombenkammer mit 150 - 50pfdigen Bomben zu füllen , und die Arbeiter noch vor Tagesanbruch zu entlaſſen, ohne daß ein einziger derselben fortgelaufen , oder irgend beſchädigt worden wäre. 5) Die 50pfdigen Mörser in der Batterie Nr. 7 waren auf der Berliner Eisengießerei gegossen , in der Eile nicht abgedreht,

und nicht ausgebohrt , blos über einen Kern gegoſſen und von demselben Guffe mit den berüchtigten eisernen Kanonen, von denen schon beim Probeschießen bei Spandau im Sommer 1813 ein großer Theil ,

und noch später beim Schießen der

Landwehr eine sprang , und Unglück anrichtete ,

und die deshalb

67 außer Gebrauch gesetzt wurden.

Sie waren ein patriotisches

Geſchenk des Oberbergamts an den Staat beim Ausbruche des Krieges 1813. 6)

Es ist schwerlich jemals bei einer belagerten Festung

so viel parlamentirt und unterhandelt worden ,

als bei Torgau.

Es gab Tage, wo eine Ordre die andere verfolgte,

das Feuer

einzustellen und wieder anzufangen, bei legterem mit dem Zuſage; recht lebhaft zu feuern 2c.

Verzögerungen solcher Art erzeugen

bei dem Soldaten , der lieber vorwärts , rück schreiten will ,

als ſtillſtehen oder zu-

Gleichgültigkeit für die Unternehmung oder

lähmen seinen Eifer.

Das Bombardement aber mißbilligte man

allgemein, selbst bei den höheren Offizieren.

So kam der dujour

habende Offizier in die Batterie Nr. 7, und ersuchte den kom mandirenden Offizier derselben ,

doch das Feuer einzustellen , da

ein Brand in der Festung entstanden wäre.

Der Offizier seiner-

ſeits bat den dujour Habenden, ihm doch das Einstellen anzu. befehlen, und da es dieser nicht thun wollte, sondern bloß seine Menschlichkeit in Anspruch nahm , ſehte der Offizier das Bewerfen der Stadt fort. 7) Die kaiserliche Kriegskasse , welche angeblich 17 Millionen Franken enthalten haben sollte, enthielt nach der Angabe des Grafen Dutaillis nur 881,064 Franken baar und 411,000 Fr. in Wechseln , von denen die ersteren verbraucht waren , die leßtern aber nicht versilbert werden konnten, da sie auf Paris lauteten. Der Glaube an jene große Summe war damals allgemein verbreitet ,

und fand darin eine große Unterstüßung ,

daß

sowohl der Gouverneur als seine nächsten Rathgeber ächt napoleoniſche Gesinnungen an den Tag legten , und millionenwerthes Armee-Material böswillig vernichteten, um es nicht in preußische Hände ausliefern zu daß der ,

dürfen.

Auch wollte Niemand glauben,

welcher von Neuem seine Herrschaft in Europa befe-

ſtigen wollte, nur eine so winzige Summe in seiner Kriegskaſſe . haben könnte.

Aber aller Nachforschungen, Nachſuchungen und

Nachgrabungen ungeachtet ist bis heute nicht mehr vorgefunden 5*

68

worden.

Es ist auch nichts an die Besagung vertheilt worden,

denn die Kriegsgefangenen, welche in Schlesien zwiſchen Schweidnig und Silberberg die Zeit verlebten, zeigten, sehr wenige ausgenommen, feine Kaffen. 8) In der Batterie Nr. 2 vor Zinna wurde einem Kanoniere, als er am Richtbaume zum Richten stand, eine 12pfdige Kugel durch den Czakot geſchoſſen , verlegt worden wäre.

ohne daß derselbe dadurch

Er setzte vielmehr seinen Dienst weiter

fort, ohne auch nachher über irgend eine Unbehaglichkeit zu klagen, und überließ den Czakot einem Arzte , als einen Erweis für Ungläubige dieſes Faktums .

Dieſer war der bekannte, ſpäter

als Generalstabsarzt ausgezeichnete Dr. v. Gräfe. kots waren damals etwas höher ,

( Die Cza-

als die jeßigen, mit einem le-

dernen Kinnriemen. ) Als der Trancheemajor

v. Burstini aus eigener Bewe-

gung einen Aufwurf vor Zinna für den Soutien der TrancheeMache aufwerfen ließ ,

der ſpäter wieder weggeräumt werden

mußte , machte eine 12pfdige Kugel auf dem gebogenen Rücken eines Arbeiters einen Aufschlag. Der Mann war augenblicklich tødt, aber außer einem blauen Streifen längs des Rückgrads fand sich sonst keine Verlegung.

Bei der Sezirung durch Gräfe

fand sich die Haut selbst unverletzt, aber die Knochen des Rückgrads unter derselben waren in feine griesartige Körnchen verwandelt worden.

Die

Belagerung von Wittenberg 1813 - 14.

Sr. Excellenz

dem Königl. General - Lieutenant, Inspecteur der Vierten Artillerie - Inspection 2c., des Königl. Preußischen rothen Adlerordens mit Eichenlaub , des eisernen Kreuzes erster Klasse, des St. Johanniterordens, des kaiserlich russischen Wladimirordens 2c. Ritter

Herrn von Bardeleben

ganz unterthänigst und ehrerbietigst zugeeignet.

Vorwort.

Ueber eber die denkwürdige , und in der Reihefolge der von preuBischen Truppen geführten Belagerungen ohne Zweifel oben an stehende , Belagerung von Wittenberg 181 ist außer dem, was v. Plotho in seinem Kriege 3. Th. p. 505 mit den Beilagen p. 124 bis 172, welche die bekannten Tagebücher enthalten , und außer dem Versuche einer Kritik dieser Unternehmung, Mil. W. Bl. vom Jahre 1820 Nr. 229 2c., die vom Verfasſer dieses herrührt ,

nichts weiter öffentlich

erschienen , welches

diese glänzende Waffenthat in ihrer Gesammtheit, dargestellt hätte. In der gegenwärtigen Darstellung hat der mit der Lokalität von Wittenberg, und mit den damaligen Ereigniſſen bekannte V. es versucht ,

das ,

was er ſelbſt geſehen und aufgezeichnet

hatte, und die ihm von seinen Kameraden mitgetheilten Beobachtungen ,

in Berücksichtigung der zu jener Zeit herrschenden An-

ſichten und Urtheile ,

und in Verbindung mit den Tagebüchern

der Belagerer, zu einem Ganzen zusammen zu tragen ,

und da

durch dasselbe hoffentlich so Manches von dieser Unternehmung aufgeklärt und ergänzt , so wie viele irrige Ansichten berichtigt werden, so hofft auch derselbe durch seine Veröffentlichung etwas Verdienstliches gethan zu haben.

74 Was nun jene publizirten vortrefflichen Tagebücher anbe trifft, so geben sie , obwohl die des Ingenieurs etwas im französischen Styl gehalten sind , eine eben so einfache und kunſtloſe, als verständliche und klare Anschauung , die keine zweideutige Auslegung gestattet , alles deſſen , wie die Belagerer es angefangen haben, das Werk zu leiten, und wie sie es zu Ende führten. Indem sie aber auch die Bewegungsgründe aller Handlungen der Belagerer, ohne Rück- oder Hinterhalt, offen darlegen, was bis dahin allen Tagebüchern dieser Art ganz fehlte , erhalten sie und erleichtern jede Kritik dieser In Ermangelung aller andern dergleichen beleh-

dadurch einen hohen Werth , Unternehmung.

renden Anweisungen werden sie daher jedem künftigen Befehlshaber der Artillerie und der Ingenieure bei einer Belagerung zum Muſter dienen.

Welchen Werth müßten nicht Tagebücher

dieser Art von einer größeren Belagerung ,

z . B. von Valen-

ciennes erhalten , aus welchen zu ersehen wäre , wie es möglich war, eine so enorme Zahl Angrifsgeschüße, wie dort, in Bewegung zu sehen, und bis zur Erreichung des Zwecks , und ohne ins Stocken zu kommen, in der Bewegung zu erhalten ! Von der Unternehmung auf Wittenberg datirt sich

eine

neue Zeit im Angriffe , wenigſtens für die Deutſchen und Preufen.

Die

von letteren

zuletzt geführten Belagerungen

von

Mainz und Warschau bieten , wie die kurz vorher von Torgau beendete , wenig Lehrreiches dar. Ohne Zweifel wird der Angriff Wittenbergs , so wie es schon geschehen ist, auch künftig in vieler Hinsicht zum Muster dienen , höchst zweckmäßige

und

da er sich durch so viele

nachahmungswerthe Anordnungen

vor

andern auszeichnet! Lange hatten die Ingenieure an den Systemen

Baubans

festgehalten , ſeinen Geist aber nicht begriffen. Ihre Lehren erschufen eine Chablone für den Angriff, und erzeugten jene Langſamkeit in der Ausführung ,

die allen Geiſt ertödtete.

Diese

methodische Langsamkeit im Angriffe , in der man so weit ging , im Voraus schon genau zu bestimmen ,

was und wie viel an

75

jedem Tage

ausgeführt

werden

müſſe ,

war bereits vorher in

Spanien durch Engländer und Franzosen außer Gebrauch gesezt worden. Durch Kürze der Zeit , oder große Eile in der Ausfüh rung ,

im Gegensaße

zu der im Belagerungswesen bis dahin

herrschenden bedächtigen Langsamkeit , und durch mehr oder weniger Kühnheit des Angriffes selbst, zeichneten sich die Belage= rungen kurz vor und nach der von Wittenberg geführten aus .

Die Annäherung der ersten Parallele war bei Wittenberg ſehr bedeutend !

Durch die Möglichkeit einer solchen Annäherung

wurden manche bis dahin gehegten Wünsche übertroffen erfüllt, und diese Thatsache darf immer als ein großer Fortschritt angesehen werden,

wenn sie auch bei der neuesten Belagerung , der

von Antwerpen , nicht nachgeahmt wurde , wo sich die alte Methode wieder Geltung verschaffte. Wenn aber auch die Anlage der ersten Parallele nach diesem Maßstabe nicht für alle Fälle, und auf immer

Regel bleiben wird, da eine zahlreiche, muthige

und wachsame Besagung in einer gut dotirten Festung, von erfahrnen Offizieren angeführt, stets suchen wird , den Belagerer zu zwingen, solche entfernter anzulegen , so wird es doch das Bestreben der Belagerer sein , sie nach Lage der Umstände und Verhältnisse so nahe als möglich, anzulegen , und sich niemals an eine durch Herkommen und Systeme zur Norm festgesezte Zahl von Hundert Schritten zu binden, Der Hauptmann v. Bardeleben , kommandirender Offi zier der Artillerie vor Wittenberg , war von Torgau gekommen,

Nachahmungswerthe , was jene Unternehmung I wo das wenige bietet, keinem Andern, als ihm, zugeschrieben werden darf. Die Langsamkeit und Unentschloſſenheit bei derselben konnte auch jeden Andern zu der Ueberzeugung bringen,

daß der Angriff eines

Plages ganz anders anzufangen und zu vollführen sei , dort geschehen war .

als es

Es iſt hinreichend , dieſes anzuführen, denn

hierin möchte wohl der Schlüssel zu der Beurtheilung der gan zen Unternehmung

auf Wittenberg und ihres eigenthümlichen

76

Charakters liegen : ein fester Plan von dem , was zu thun ſei , Echnelligkeit und Beharrlichkeit in der Ausführung des einmal Festbeschlossenen ,

und gar kein Zweifel in dem, was, auch bei

Widerwärtigkeiten, geschehen müſſe ! In der Kunst, mit wenigen Hülfsmitteln auszureichen, womit gewöhnliche Geiſter nicht auszureichen vermögen ,

war den

Belagerern bespielsweise schon Wellington in Spanien vorangegan= gen , indessen wurde seine Manier bei Wittenberg nur in einem Theile nachgeahmt . Das Eigenthümliche des Angriffes von Wittenberg besteht, außer der Kühnheit des Unternehmens selbst ,

bei den geringen

vorhandenen lebenden und materiellen Hülfsmitteln in einer spåten Jahreszeit ,

in einem völlig regelmäßigen Angriffe bei sehr

naher erster Parallele ,

mit im Verhältnisse der Schwäche des

Belagerungskorps in sehr kurzer Zeit ausgeführten Nieſenarbeiten , wobei die Artillerie sowohl in der Erbauung , als auch in der Leitung und Wirkung ihrer Batterien glänzend hervortritt. Zu diesen Riesenarbeiten gehörte nicht bloß die Eröffnung der 2500 Schritt langen Parallele und Kommunikation in Einer Nacht durch 1000 Mann ausgeführt , welche Arbeit der Feind als eine von 3000 Mann ausgeführte hielt, deshalb das Belagerungskorps für mehr als noch einmal so stark ſchäßte, und darum keine Ausfälle zu machen wagte , sondern auch der ganze Belagerungsdienst : denn die Artillerie- und Ingenieur Arbeiten erforderten allein 13000 Mann von der Infanterie, was bei dem übrigen schweren Dienste der legtern Waffe , und ihrem schwachen Dienststande

gewiß große Anstrengungen voraussetzt.

Noch größere Anstrengungen wurden von der im Ganzen geringen Anzahl der tüchtigen ,

unermüdeten , jeden Augenblick gleich

tapfern Artilleristen und Pioniere gefordert, die, um hier einmal eine

oft gemißbrauchte fremde Redensart mit Recht auf die

Preußen anzuwenden, Gelegenheit erhielten, ſich mit hohem Ruhme zu bedecken. Von 13 meist in schwierigem - Boden erbauten Batterien wurden 10 in derselben Nacht fertig erbaut, und die

77

Abtheilung Pioniere war in Folge der übergroßen Anstrengungen und des feindlichen Feuers fast gauz aufgerieben worden.

Der Angriff von Wittenberg diente den 1815 in Frankreich geführten Belagerungen zum Vorbilde, unterschied sich aber von dem hier angewendeten Verfahren wesentlich , bei welchem der Angriff nur ziemlich regelmäßig, mit naher erster Parallele, und mit einem damit verbundenen Bombardement war, wobei es nie zum Brescheschießen kam. Von Wellington wird erzählt ,

daß er zur Einschließung

einer Festung Faſchinen mitgeführt habe, um am Tage der Berennung auch die Laufgräben zugleich eröffnen zu können, was Jones

als Scharfsinn von ihm rühmt, da hierdurch eine AbDie weichung von dem gewöhnlichen Gebrauche geschehen war. Eile, mit welcher Wellington belagerte , war ihm gleichsam geboten ,

um vor dem Entsage

der ihn bedrohenden französischen

Marschälle in den Besiß einer Festung zu gelangen ,

wobei ihn

und seine besondere Angriffsweise freilich auch die Eigenthümlichkeit jener Pläge begünstigte. Bei Wittenberg war es der drohende Winter , Eile gebot , und der Zwang ,

der gleiche

mit dem kaum hinreichenden Ma-

terial auszureichen , was bei Torgau übrig geblieben war ,

und

das bei dem Mangel an Transportmitteln außerdem zulegt spärlich zugeführt wurde. In der nämlichen Zeit , wo man ehemals , und auch kürz lich bei Antwerpen wieder , mit den entweder schon früher , oder endlich fertig erbauten Batterien des Angriffes zu feuern anfing, man bei Wittenberg schon zum gedeckten Wege gelangt!

war

Diese Eile im Angriffe erforderte zwar eine besondere Thätigfeit, und nahm die Kräfte jedes Einzelnen gewaltig in Anspruch, aber sie kürzte die Dauer der Belagerungszeit sehr ab, und ließ den Belagerten nicht zu Athem kommen : er wurde überwältigt und erdrückt ! und man findet, daß bei Tortosa, Tarragona 2c., Wittenberg, ( Festungen, bei welchen ſich viel Gleichartiges zeigt, ) wo die Belagerungsartillerie sehr schwach war, und schwach aus-

78 daß diese Festungen nur durch einen forcirten Zeit überwältigt werden konnten, aber auch, kurzer so in Angriff gerüstet erscheint ,

daß eine überlegene gut bediente Festungsartillerie den Angriff nicht aufzuhalten vermochte. V. hat sich nicht enthalten können ,

der Darstellung des

Angriffes, außer einigen Anmerkungen , auch noch eine Beschreibung des Baues der Breſchbatterie hinzuzufügen , in der Meinung , daß , da dergleichen Beschreibungen selten zu finden sind , diese einiges Intereſſe erregen könnte.

1

Die uralte Stadt Wittenberg liegt auf dem rechten Elbufer , einen Gewehrschuß von der Elbe entfernt. selbe so lange der Sig

Obwohl die-

einer Hochschule und die Reſidenz der

Churfürsten von Sachsen war , besigt sie dennoch keine Chronik. Auch von den wichtigen Ereignissen des Jahres 1813 ,

welche

dieſen Ort betrafen, ist bisher wenig Glaubwürdiges veröffentlicht worden. Mit zwei beträchtlichen Vorstädten von 291 Häusern, hatte die Stadt im Ganzen 611 zu bequartirende zum Theil ſchlecht gebaute Häuser und gegen 8000 Einwohner. Im Jahre 1812 wurden in Wittenberg vom 17. März an 67,133 Mann der durchmarschirenden Truppen auf 24 Stunden verpflegt.

Im Verlaufe des Jahres 1813 wurden hier

1,063,822 Mann einquartirt , wovon 344,059 auf die Durchmärsche ,

zu deren Verpflegung die Bürger seit dem 18. April

einen Zuſchuß an Fleisch und Brot erhielten ; 699,000 auf die Besatzung ,

die in der Regel gegen 3000 Mann betrug ;

und

20,763 auf die Gefangenen der Verbündeten kommen, von welden letteren zulegt in der Mitte Oktobers 54 Offiziere , und 1755 Unteroffiziere und Gemeine vorhanden waren. Da die Stadt weder Handel noch Fabriken und Gewerbe besaß ,

durch

welche die Einwohner auf einen besondern Erwerb rechnen konnten, die Universität,

durch welche allein der Nahrungsſtand

etwas

lebbafter wurde , mit dem sämmtlichen dazu gehörigen Personale nach einem andern Orte verlegt worden war , auch die angesehensten und reichsten Einwohner dieselbe nach und nach verlassen hatten,

um der Quartierpflichtigkeit zu entgehen ,

am 6. April

80 + --

endlich auch der größte Theil der Vorstädte abgebrannt worden war, deren Bevölkerung sich seitdem entfernte, und daher zu den Einquartierungslasten nichts mehr beitragen konnte : so waren die übrigen Quartiergeber nahe daran , völlig zu verarmen.

Auch

betrug am 4. Dez. 1813 die gesammte Zahl der Einwohner mit den hierher Geflüchteten nur 4199, von denen bis zum Anfange der Belagerung noch Viele die Stadt verließen.

Frühere Ereignisse.

1.

Wittenberg war schon in den ältesten Zeiten eine wohlverwahrte Stadt ,

und diente Jahrhunderte lang der Umgegend zu

einem sicheren Zufluchtsorte ,

während

diese in den unzähligen

Fehden und Kriegen der alten Zeit jedesmal verwüstet wurde. Auf Jahrhunderte alten Holzstichen erscheint die Befestigung ursprünglich Mauern mit Thürmen - fast eben so, wie sie sich heute noch darstellt.

In den Kriegen der nachfolgend angege

benen Jahre gelang es keiner der kriegführenden Partheien ,

in

die Stadt einzudringen, so lange sie dieselbe auch einſchloſſen oder belagerten, und so oft sie auch dieselbe bestürmten, und hierdurch kam Wittenberg in den Ruf einer außerordentlich festen Stadt: Im Jahre 1183 im Kriege des Landgrafen zu Thüringen ;

12013 im Kriege der Böhmen ;

1233

gegen den

Kaiſer Otto; 1278 im Kriege des Kurfürsten Albrecht zu Sachsen mit dem Erzbischofe Günther zu Magdeburg ; 1292 gegen den Fürsten Eberhard zu Anhalt ;

1395 bis 1406 gegen die

Huſſiten, die mit 100,000 Mann ankamen, lange Zeit die ganze Gegend verwüsteten, die Stadt hart bedrängten, jedoch stets ohne Erfolg bestürmten ;

1449 - 50 gegen die Truppen des Her-

zogs Wilhelm zu Sachsen ; 1462 gegen den Ulrich von Schenk, genannt Quast, gend

aus Dornburg ,

verwüstete und

1485 und 1489 in Matthias u. f. w.

der auf eigene Hand die Ge-

der Stadt vielen Schaden that ; endlich den

Kriegen der Ungarn

unter König

81 Im

Jahre

1547

ließ Kaiser Karl V. die Stadt durch

Moris von Sachsen belagern , pitulation einnahm . brannt.

der sie am 23. Mai durch Ka-

Damals wurden sämmtliche Vorstädte abge-

Im Jahre 1637 schloß der schwedische General Banner` Wittenberg ein,

eroberte auch die Brückenschanze,

konnte aber

nicht in den Besit der Stadt gelangen, da diese die besten Vertheidigungsanstalten getroffen, und auch ihre Vorstädte abgebrannt hatte.

Im 30jährigen Kriege verlor die Stadt 251 Häuſer. Am 29. Sept. 1706 wurde Wittenberg von dem ſchwedi=

schen General Rosenstern besetzt, der ein Jahr lang hier verblieb und mit seinen 8 Fahnen Soldaten die Stadt ganz aussog. Am 20. und 21. Febr. 1707 verweilte Karl XII . in derselben. Im siebenjährigen Kriege wurde Wittenberg von den Preußen nicht immer als Festung angeſehen und benutt. Im Jahre 1760 nahmen es die Reichstruppen durch ein Bombardement ein, und durch den General v . Hülsen erhielt der Ort zuerst eine militairiſche Wichtigkeit von der Art, wie - ſie auch der KaiDer die ser Napoleon später in demselben sogleich erkannte. Stadt auf Kanonenschußweite umgebende Kranz von dominirenden Höhen auf dem rechten Ufer gestattet es leicht , ein verschanztes Lager hier anzulegen , und die Franzosen sicherten sich bei

dem schwachen

fortifikatorischen Zustande der Festung im

Frühjahre 1813, auch ohne Verschanzungen, gegen jeden Ueberfall durch die Besetzung der auf den Höhen liegenden Dörfer und der Vorstädte ,

wobei die Truppen

in der Senkung des

Terrains ruhig lagern konnten. Im Kriege von 1806 wurde Wittenberg weder von den

Sachsen noch Preußen besetzt , und die Franzosen nahmen ungeNapoleon erkannte sogleich die große gestörten Besig davon. Wichtigkeit dieses Elbüberganges an , und indem er seinen Adjutanten , General Lemarroi, sofort zum Gouverneur dieses Plages bestellte , erließ er schon am 21. Oft. einen Befehl´´an den General Chasseloup , Vogel, Velagerung zc.

um sogleich an

der Befestigung

82

Wittenbergs arbeiten. zu laſſen, diesen Platz als Festung so weit herzustellen , daß solche nicht bloß gegen jeden Ueberfall gesichert werde, sondern auch einen dauernden Widerſtand zu leiſten vermöge ,

in diesem Zustande aber den Stand der Armee an der

Elbe bewahren , und zum Mittelpunkte aller Operationen derselben , und zum Depot der Magazine für die Artillerie und für Lebensmittel dienen könnte 2c. Am 25. Okt. besichtigte Napoleon die Festung selbst, und ertheilte hier einen langen Befehl für die Befestigung

dieses

Plates, welcher in Mat. Dumas T. 16. p . 343 abgedruckt iſt. Man erkennt hieraus den vorsichtigen Feldherrn , der sich nicht nur einen sicheren Elbübergang erhalten, sondern

auch in

demselben einen Stügpunkt seiner Operationen schaffen wollte. In seinem ferneren Siegeslaufe stieß er indessen bis zur Weichsel auf kein Hinderniß , das ihn an mißliche Verhältniſſe, oder gar an einen Rückzug denken ließ , und bei dieser Sicherheit traten auch die großen Entwürfe in Absicht Wittenbergs allmählig in den Hintergrund.

Dieſes behielt zwar eine fran-

aber die Eile in der Befestigung ließ sehr nach, der Ausbau kam bald ins Stocken, und hörte endlich ganz So wurde Wittenberg in einem zwar verbesserten Zuauf.

zösische Garnison ,

stande, ohne daß jedoch auch nur ein Theil der projektirten Entwürfe zu deſſen ausgedehnterer Befestigung zur Ausführung - gekommen wäre, den Sachsen später wieder übergeben. 1809 glaubte die königlich ſächſiſche Regierung ihren Schat hier sicherer , als auf dem, dem Kriegsschauplatze ganz nahen, Königsstein verwahren zu können , und dieser hätte bei der Ueberraschung und unzulänglichen Beſaßung ſehr leicht in die Hände wenn dieser es gewollt , oder etwas Schills fallen können davon gewußt hätte. Als Napoleon 1812 nach dem Norden zog, erhielt Wittenberg

wieder einen

französischen

Kommandanten

und

damit

mehr Bedeutung. Die königlich sächsische Regierung hatte mit dem Ausbaue von Torgau genug zu thun , um auch den seit

83 1806 wieder verfallenen

fortifikatorischen Zustand Wittenbergs

Erst nach dem Unfalle in Rußland erhielten die

zu verbessern.

Elbübergänge wieder eine vermehrte Bedeutsamkeit , aber die zu schnell auf einander folgenden Ereignisse gestatteten es nicht, die gewünſchte Herſtellung dieses Platzes zu verwirklichen , und erſt im Waffenstillstande 1813 suchten die Franzosen demſelben mehr Haltbarkeit zu geben , die Mittel,

doch erlaubten es weder die Zeit ,

noch

daraus einen haltbaren Ort von großer Bedeutung

zu schaffen, und man begnügte sich nur, denselben zu einem stark befestigten Brückenkopfe herzustellen. Die Dienste, welche der gesicherte Besit Wittenbergs 1806 Napoleon zu leisten versprach , leistete ihm diese Festung , auch ohne besondere Anlagen , vom März bis Mitte Oktober 1813 in vollem Maße , und durch sie und die darauf später folgende Belagerung wurde sie berühmter , als durch alle Vorgänge seit den ältesten Zeiten.

Seitdem eine Heerstraße und Eiſenbahn

durch Wittenberg geführt die Hauptstadt Preußens mit dem Herzen Deutschlands verbindet, hat dieser Play als ein Hauptübergangspunkt über die Elbe eine vermehrte militairische Wichtigkeit erhalten, und darf es erwarten, aus der Reihe der weniger beachteten Waffenplätze um so mehr zu treten , als die Entfernung der

ehemaligen Vorstädte hinreichenden Spielraum zur

beliebigen Verstärkung der Fortifikation gewährt.

2.

Ereignisse im Jahre 1813 bis zur Belagerung.

Die am 6. März bei Beelitz von Tschernitschew ge= schlagene Abtheilung Franzosen unter Grenier zog sich nach Wittenberg zurück , wohin auch der Vicekönig von Italien seinen Rückzug

nahm.

Elbufer über ,

Ein Theil dieser Truppen ging auf das linke und verblieb in der Umgegend der Festung , so

wie es überhaupt bei den Franzosen hier und überall Grundſah war, die nächste Umgebung um Festungen von den Truppen besetzen zu lassen ,

wodurch der Ort selbst niemals mit denselben 6*

84 überfüllt wurde ,

und nie einem plötzlichen Ueberfalle ausgesezt

blieb, während der Kommandant auch mehr ungestörte Herrschaft über den ihm anvertrauten Plag ausüben durfte.

Diese Anwe-

senheit der Franzosen nöthigte die Verbündeten, Wittenberg beobachten zu laſſen. Bis Russen ,

zum

31.

März

bestand

das

Blokadekorps

aus

über welche seitdem der preußische General v. Kleist

´den Oberbefehl übernahm .

Am 2. April unternahm dieſer Ge-

neral eine genaue Rekognoszirung der Festung, und vertrieb die Besatzungen aus den nächsten Dörfern. Da der Gouverneur eine ernstliche Unternehmung der Verbündeten befürchtete, ließ er am 6. April die Vorstädte , welche bis an die Thore reichten, und ihn daher sehr beengten , größtentheils abbrennen .

Dadurch

aber , daß dieses ganz unvermuthet ausgeführt wurde ,

und der

Gouverneur hierbei außerdem ohne alle Schonung verfuhr , auch die Thore sperren ließ, damit Niemand aus der Stadt den Vorstädtern zu Hülfe eilen möchte ,

zog

ihm diese Maßregel den

Haß der ganzen Bevölkerung in hohem Grade . zu.

Indessen

wurde die Festung ferner nur blokirt. Obgleich sich die Verbündeten einen Uebergang über die Elbe bei Roslau geschaffen hatten , lag dieser nicht nur sehr unbequem für sie, sondern wurde auch durch die Nähe Wittenbergs sehr gefährdet,

und erforderte daher zu ſeiner Sicherung stets

eine zahlreiche Deckung.

Daher entstand der allgemeine Wunsch,

in den Besitz von Wittenberg zu gelangen , um hier einen mehr gesicherten und bequemeren Uebergangspunkt zu erhalten , von dem aus man den Elbstrom und seine Ufer mehr beherrschen fönnte. Deshalb erschien der auf das linke Elbufer bereits übergegangene russische Oberfeldherr Wittgenstein am 16. April in dem Hauptquartiere des General v. Kleist zu Thiesen bei Wittenberg, um mit demselben den Plan zur Eroberung der Festung zu verabreden.

Da man eine Erſtürmung durch Leitererſteigung

nicht für rathsam hielt, beschloß man einen andern Verfuch zu machen , und durch Beschießen zur Eroberung des Plages zu

85 gelangen.

" Indessen schien man über die Oertlichkeit und Be-

schaffenheit der Festuug , und ihre Vertheidigungsmittel nicht ge= hörig unterrichtet geweſen zu ſein. Zur Verfügung standen dem General v. Kleist nur die bei dem Blokadekorps befindlichen zwei russischen schweren und eine preußische 6pfdige reitende und Fuß - Batterie.

Nach der

entworfenen Disposition wurden zuerst in der Nacht vom 16. zum 17. April sämmtliche Vorstadtruinen und Gehöfte vor der Festung eingenommen , welches nicht ohne großen Verlust von beiden Seiten ausgeführt wurde , da man sich außerordentlich hartnäckig schlug.

In´der Nacht vom 17. zum 18. wurden ge-

, gen den untern oder westlichen Theil der Festung vier Batterien erbaut, nemlich 2 große zu 11 und 12 Geſchüßen und 2 kleine jede zu 2 - > 7pfdigen Haubigen. Aus diesen 27 Geſchützen begann am folgenden Tage

um 19 Uhr das Beschießen und

dauerte bis 1 Uhr Nachmittags, wobei die Richtung des Feuers vorzüglich auf die Magazine der Festung geleitet wurde, die man Die mittelst der Granaten und Brandkugeln vernichten wollte. Wirkung blieb jedoch ohne Erfolg ; es brannte nur das Sprigenhaus in der Stadt ab ;

auch beantwortete die Festungsartillerie

das Feuer nur wenig ,

und nur der Brückenkopf wies den An-

griff der Russen lebhaft zurück. Nachdem man nun die Festung aufgefordert, aber eine abschlägliche Antwort erhalten hatte, wurde am folgenden Tage das Beschießen fortgesetzt ,

jedoch ohne bessern Erfolg. `Endlich kam

man zu der Ueberzeugung , Wassergräben ,

daß der Plaz wegen seiner tiefen

und seines guten

Vertheidigungszustandes

ohne

Belagerungsarbeiten und schwere Geschüße nicht zu nehmen sei, weshalb

man

die

ganze Unternehmung aufgab.

Der General

v. Kleist zog am 20. nach Roslau ab, und ließ nur ein schwaches Blokadekorps unter dem General Sieholm zurück, welcher am 24. April von dem russischen General Harpe abgelöset wurde, der von nun an unter den General v. Bülow kam, mit dem er stets in Verbindung blieb.

86

Am 6. Mai ließ der Gouverneur wieder mehrere Häuſer der ehemaligen Vorstadt niederbrennen. Nach der Schlacht von Görschen rückten am 15. Mai das zweite französische Armeekorps unter

Victor und das Reiter-

forps unter Sebastiani in Wittenberg ein, und zwangen den General Harpe

mit seinem kleinen Korps zum Rückzuge ,

ſich mit dem General

v. Bülow

vereinigte.

der

Die Franzosen

marſchirten indeſſen bald nach Schlesien und v. Bülow nach der Lausitz ab , indem letterer Wittenberg mit v. Boyen von Jüterbogk aus beobachten ließ.

der Brigade Letterer mar-

shirte hierauf selbst nach Luckau ab, und ließ nur ein Detaschement kurmärkischer Landwehrkavallerie unter dem Major v. Marwig

zur Blokade zurück.

Am 7. Juni griff das kurmärkſche

Landwehr - Kavallerie - Regiment

die

zur

Besatzung

gehörenden

polnischen Uhlanen an, ein Parlementair machte jedoch allen weitern Feindseligkeiten durch die Nachricht von dem abgeſchloſſenen Waffenstillstande ein Ende. Nunmehr begannen die Arbeiten Festungswerke ,

an der Herstellung der

welche während der ganzen Dauer des Waffen-

stillstandes eifrig fortgesetzt wurden. leon von Torgau an ,

Am 11. Juli kam Napo-

um sich von dem Zustande der Festung

und ihrer Vertheidigungsfähigkeit ſelbſt zu überzeugen , Eifer

der

Besagung

in der

Ausdauer

nicht

was den

wenig belebte.

Während dieser ganzen Zeit ſtand das Korps von Oudinot in der Gegend der Festung.

Gegen das Ende des Waffenſtillſtands

mehrte sich die Zahl der französischen Truppen ,

die jedoch bald

nach der Mark abzogen. Bei Wittenberg verblieb nur die Dis vision Polen unter Dombrowsky , die bei den eingetroffenen Nachrichten über das verlorne Gefecht bei Hagelsberg und die verlorne Schlacht von Großbeeren sich ganz nahe an die Stadt 30g.

Es muß bier bemerkt werden,

daß man in Wittenberg

fast jeden in der Runde von 10 Meilen und darüber abgefeuerten Kanonenschuß deutlich hörte ; aus der Annäherung und Entfernung des Schalles sehr richtig auf den Verlust oder Gewinn

87 *

des Gefechtes schloß;

daß es auch in der franzöſiſchen Armee

äußerst schnellfüßige sogenannte Versprengte gab, die den Verlust einer Schlacht unglaublich schnell verkündeten ,

und daß die Be-

satzung der Festung theils durch das linke ,

meist immer freie

Ufer, theils auf andern Wegen die genauesten Nachrichten über alles ,

was sich in der Nähe und Ferne ereignete ,

besaß , wie

es auch das vom Verfaſſer dieses benutzte Tagebuch eines glaubwürdigen Mannes aus Wittenberg beweiset.

Dieses trug dazu

bei , die Besatzung in einer fortwährenden Aufregung und die Einwohner in steter Spannung über die ihnen noch möglich bevorstehenden Gefahren zu erhalten. Am 28. August kamen die Verwundeten von Belzig, worunter sich auch der General Girard selbst befand, am 29. aber die von Großbeeren in Maſſe an ,

denen auch in den folgenden

Tagen andere nachfolgten. Die geschlagenen Korps von Oudinot, Bertram , Reynier und Padua hatten die Absicht, bei Kroppstädt stehen zu bleiben , griffe

der

aber durch die fortwährenden An-

Verbündeten genöthigt ,

dicht an die Stadt.

rückten sie am 31. August

Diese große Truppenzahl erzeugte großen

Mangel an Lebensmitteln, und fehlte es insbesondere an Brot. Das Verbleiben derselben bei Wittenberg, wo sie ein Lager bezog ,

nöthigte den Kronprinzen von Schweden , den Generalen

Tschernitschew und Hirschfeld unter dem Oberkommando des General v. Bülow die Blokade der Festung zu übertragen, indem er selbst dieselbe von Treuenbriegen aus beobachtete.

Am

3. Sept. fand ein Gefecht mit dem Blokadekorps statt. Am 4. Sept. fam der Marschall Ney an, dessen Ankunft sogleich große Bewegungen unter den franzöſiſchen Truppen verDerselbe marſchirte am 5. mit sämmtlichen Korps nach anlaßte. Zahne ab, gefolgt von starken Kolonnen preußischer und russischer Kavallerie des Blokadekorps , die über die Bagage der FranzoVon der Division ſen herfielen , und viel davon wegführten. Dombrowsky war nur ein Theil zur Beschützung der Festung zurück geblieben, die sogleich enger eingeſchloſſen wurde.

88 Am 6. Sept. ließ der Gouverneur mehrere in der ElsterVorstadt noch stehen gebliebene Häuser abbrennen und abtragen. Von der großen Armee des Marschall Ney , welche bei Dennewig total geschlagen ihren Rückzug nach Torgau nehmen mußte, kehrten nur einzelne Versprengte nach Wittenberg zurück .

Das

Blokadekorps erschien hierauf sehr verstärkt, und der Gouverneur, welcher ine ernstliche Unternehmung der Verbündeten auf die Festung befürchtete , erließ eine Feuerlöschverordnung , und requi rirte die Kirche zu seiner Disposition. Der General Dombrowsky zog nach Deſſau ab , mußte jedoch wieder umkehren, und ging auf das " linke Elbüfer. Auf diesem mehrte sich die Zahl der französischen Truppen täglich, theils durch die bei Torgau übergegangenen ,

theils durch neu hinzugekommene ,

so daß

die Gegend von Pretsch , Schmiedeberg , Düben und Kemberg damit überfüllt war. Ein neues Hervorbrechen derselben war zu befürchten. Seit dem Frühjahre belästigte Wittenberg im Besige der · Franzosen die Verbündeten außerordentlich. einem Naubneste der alten Zeiten ,

Diese Festung glich

aus dem unaufhörlich bald

größere, bald kleinere Heerhaufen zur Bedrohung der Mark und Berlins

auszogen ,

und die geschlagen in diesem Schlupfwinkel

stets Aufnahme und Sicherheit fanden, sich von Neuem zu orga= nisiren , um ihre verheerenden Züge , sowohl in dem verbündeten Sachsen, als nach der Mark hin, fortzusehen.

Obgleich in zwei

Hauptſchlachten mit großem Verluste geschlagen, waren die Franzosen doch nicht zu vertilgen, da sie sich hier und auf dem linken Elbufer stets theils wieder verstärken konnten , theils durch neue ankommende ersetzt wurden. Die Nordarmee der Verbündeten wurde hierdurch unaufhörlich beschäftigt, ohne etwas Entscheidendes herbei führen zu können , wodurch der Kriegsschauplah aus dieser Gegend entfernt worden wäre. Um sich von dieser Belästigung zu befreien, und zugleich einen mehr gesicherten Elbübergang , als bei Roslau , zu gewinnen, wurde von Neuem beschlossen , Wittenberg ernstlicher, als

89 *

es im April geschehen war , men.

anzugreifen und in Besitz zu neh-

Der Kronprinz von Schweden wollte überhaupt nicht eher

über die Elbe gehen,

bevor er nicht einen festen und sichern

Uebergangspunkt an einem der Ufer im Besitz hätte , dem

General

v. Bülow

am

und trug

12. Sept. auf, aus Berlin und

Spandau so viel schweres Geschütz zu requiriren ,

als zu

einer

schnellen Eroberung der Festung nothwendig wäre. Allein denſelben Vorwurf, welchen man dem vorangegangenen und mißlungenen Unternehmen auf dieselbe machte , darf man dem nunmehr darauf folgenden um so mehr machen ,

als zu dieser Zeit weit

mehr Mittel zu Gebote standen , den Zweck zu erreichen. Spandau wurden zuvörderst nur 2 Mörser ,

Aus

2 Haubitzen und

4 schwere 12pfder beordert, indem man, wie es scheint, viel zu viel Vertrauen auf die zu erwartende englisch- kongrevesche Brandraketenbatterie sette. Es war dabei auf nichts Geringeres abgesehen, als brennen,

die Stadt Wittenberg

anzuzünden

Um einen Verſuch hierzu zu machen ,

und niederzu-

und das Verhalten

des Gouverneurs und der Besatzung hierbei zu erforschen, erhielt der General Tschernitſchew von dem Kronprinzen von Schweden den Auftrag , zuerst die nächsten Dörfer und Vorstädte einzunehmen, und ſodann mit einer größzen Anzahl ihm zur Verfügung gestellten Haubigen der Nordarmee die Stadt in Brand zu stecken , auch dem Kommandanten alle möglichen Vortheile bei der Kapitulation zuzusichern, um denselben zur Uebergabe günſtig zu stimmen.

Dieses auf den 12. Sept. um Mitternacht gegen

das untere Ende der Festung angeordnete Bombardement unterblieb jedoch aus unbekannten Gründen , nachdem alle Anstalten dazu bereits getroffen waren. Viel zu spät nach der Schlacht von Deunewig faßte man den Entschluß zu der Einnahme Wittenbergs , und zu den Vorkehrungen ließ man außerdem sehr viel Zeit verstreichen. am 124. Sept, waren diese beendigt, batterie des Kapitains

Erst

und die englische Naketen-

Bogue eingetroffen.

Am Nachmittage

90 dieses Tages um 3 Uhr wurden die nächsten Dörfer ,

Gehöfte

und die Vorstädte eingenommen, und in der Nacht vom 24. zum 25. Sept. wurde gegen den obern Theil der Festung, unterhalb des Luthersbrunnens in der Ausdehnung von der Elbe bis zum Labetzer Bache , Parallele

und von hier bis zum Trajuhner Wege eine

eröffnet.

Die Belagerungsartillerie kommandirte der

Hauptmann Ludwig , auch war eine Kompagnie Pioniere unter dem Hauptmann Rohwedel zu den Belagerungsarbeiten herangezogen worden. Zu gleicher Zeit mit der Eröffnung dieser Parallele wurden auch in derselben : auf dem rechten Flügel am Bache von den Preußen eine Batterie zu 2- 7pfdigen Haubitzen, in der Mitte von den Engländern eine zu 6 Raketengestellen ,

und auf

dem linken Flügel an der Elbe von den Ruſſen eine Batterie zu 4 Einhörnern erbaut. Die Batterien der Preußen und Ruſſen wurden fertig hergestellt ,

und hätten am Morgen feuern können ;

dies lag aber

nicht in der Absicht , auch fehlten zu dieser Zeit die Geschütze und Manition für dieselben. Die englische Batterie wurde erst Mittags fertig erbaut ,

und bestand aus einer hohen Brustwehr

mit flachen Scharten, -und zum Schußte der Bedienungsmannſchaft bei dem befürchteten Zerspringen der Raketen vor dem Aufsteigen waren die Gestelle durch Traversen geschieden. Gleichzeitig wurde an der Einschließzung der Festung nördlich mittelst fortgeſetzten , jedoch nicht zusammenhängenden Gräben und Batterien, und zwar von der Straße nach Teuchel bis zur Bruchstraße mit zwei ,

und von der Sand- nach der Belziger

Straße mit drei Batterien gearbeitet , auch die Batterie an der Teucheler Straße fertig hergestellt. Am Tage des 25. Sept. wurde an der völligen Herstellung dieser Linien gearbeitet ,

durch welche die Festung kreisför-

mig eingeschlossen wurde, und diese Arbeit auch in der folgenden Die Besatzung´schien hierdurch keineswegs sah diese Einschließungsgräben durch die Sie sein. zu überrascht Art, wie sie angelegt wurden, als Theile einer Cirkumvalations-

Nacht fortgesetzt.

91

linie alter Zeiten an, glaubte ihre Munition bis dahin aufzusparen, wenn die Belagerer, ſich mehr nähern würden, unterließ das nußlose Beschießen der Gegner auf die zu großen Entfernungen, und ließ brunnen

nur einige Bomben nach der Parallele am Lutherswerfen.

Inzwischen ließ der Gouverneur doch einige

Geschütze mehr auf die Wälle bringen, und die nöthigen Anordnungen zum Löschen treffen. In der Nacht vom 25. zum 26. Sept. fing das Bombardement aus den Batterien der Parallele am Luthersbrunnen und aus der an der Straße. nach Teuchel gelegenen Batterie an, und dauerte von halb neun Uhr Abends bis eine halbe Stunde nach Mitternacht fort.

Die Entfernungen aller Batterien von

der Stadt waren zu groß, denn was nur die 7pfdigen Haubißen, welche der Ludwigschen Feldbatterie angehörten, betrifft, so erreichten

ihre

Richtteile

Granaten erst

dann

weggenommen hatte.

welche die Häuſer ſo decken , Dächer gewahr wird ,

die Stadt ,

daß man von außerhalb nur ihre

besonders am Elsterthore ,

Geschossen zum Kugelfange. her im Ganzen gering.

als man beide

Die hohen Wälle der Festung,

dienten vielen

Die Wirkung des Feuers war da-

An einigen Stellen in der Stadt war

zwar Brand erregt worden ,

der jedoch nicht um sich griff, und

nur zwei Häuſer brannten ganz nieder. Die kongreveſchen Brandraketen bewirkten zwar wegen ihres ungewöhnlichen Geräusches beim Aufsteigen

bei

den

eigenen Truppen viel Erstaunen ,

da

aber dieses Geräusch bekanntlich bald nachläßt und endlich ganz aufhört, und die Raketen, bis auf eine, sämmtlich zu kurz gingen, wurde man von ihnen in der Stadt diesmal nicht viel gewahr. Nur diese eine Rakete zündete , wurde aber sehr bald unſchädlich gemacht.

Die allzugroßen Entfernungen der Batterien von der

Stadt hatten auch noch die üblen Folgen ,

daß bei den ange-

wendeten großen Ladungen und Erhöhungen der Geschüße sowohl die Laffeten als Mörserklöße ſehr litten, und man ſah ,ſich genöthigt ,

eilig nach Spandau zu senden ,

Klöße heran zu ziehen.

um neue Laffeten uud

* 92

*.

In derselben Nacht wurde auch noch eine Parallele auf der, der Luthersbrunner entgegengesetzten Seite der Festung, zwischen der Scharfrichterei und der rothen Mark, eröffnet, welche an der Elbe anfing ,

und bis über den Weg , welcher vom Schloßthore

nach der rothen Mark führt , reichte , in welcher zwei Batterien erbaut wurden. Auch diese Batterien lagen zu sehr entfernt, um eine günstige Wirkung leisten zu

können.

Die

Artillerie

der Besagung hatte ihre Wälle etwas stärker armirt , und bewarf die Batterien mit einigen Granaten , auch hatte sie vom Brückenkopfe her eine Batterie auf dem linken Elbufer erbaut, um die Parallele

am Luthersbrunnen in die Flanke zu

nehmen , weshalb es nöthig wurde , einige 12pfdige Feldgeschüße auf dem linken Flügel der Parallele derselben entgegen zu - stellen. Am

26. und 27. Sept. wurde nicht geschossen.

Da der

Marschall Ney im Anmarsche nach dieser Gegend war, und die Besatzung von Wittenberg bisher in wenig gestörter Verbindung mit dem linken Ufer blieb , so bemühte

man sich in diesen und

den nachfolgenden Tage vergebens , die Elbbrücke zu zerstören. Auch war in der Nacht vom 26. zum 27 , ein franzöſiſches Korps über diese Brücke eingetroffen , dem Anger zwischen der Stadt und sich dann wieder entfernte .

welches einige Tage auf

und Elbe kampirend verblieb,

In der Nacht vom 27. zum 28. Sept. wurde die Stadt von den sämmtlichen 10 erbauten Batterien , die meiſten mit 4 Wurfgeschützen armirt, deren Art und Kaliber jedoch nicht genau angegeben werden kann, mit Ausnahme der der Elbe zugekehrten Seite, von allen übrigen Seiten von 8 Uhr Abends bis 4 Uhr Morgens außerordentlich heftig beschossen und beworfen. Es gelang diesmal, die Raketen zum Theil nach der Stadt zu bringen, und durch sie , besonders aber durch die Granaten , diefelbe an ſehr vielen Orten anzuzünden, aber der Brand erhielt nicht die Ausdehnung,

wie man es wünschte,

schaffenheit des Ortes ,

und wie man es nach der Be-

der Bauart der Häuser und der Heu-

93

und Strohvorräthe der Bürger erwarten durfte.

Es brannten

völlig nieder 10 Häuser mit ihren Hintergebäuden , sehr wurden ganz ruinirt ,

viele

und es blieb fast kein Haus unbeſchädigt.

An sehr vielen Orten

hatte es außerdem noch gebrannt,

das

Feuer war aber immer gelöscht worden ; nur wo die Granaten oder Raketen Heu oder Stroh fanden, war alles Löschen vergebens .

In ein Haus fielen zwei brennende Raketen ,

jedoch

die

gelöscht wurden. Gegen 3 Uhr des Morgens ſchlug eine Bombe Der obere in den Schloßthurm, der dadurch ganz ausbrannte. hölzerne Theil deſſelben stürzte auf das benachbarte Haus , setzte auch dieses in Flammen.

und

Dicht dabei befand sich ein Pul-

vermagazin im Walle, und man befürchtete ein Auffliegen deſſelZum Glück für Wittenberg wurde aber Ludwig hier ben. nicht ſo, wie bei Spandau, von demselben begünstigt. Den französischen Sapeurs gelang es , die Thüre des Magazins so zu Den ganzen folverwahren , daß jede Gefahr entfernt wurde. genden Tag wurde mit dem Löschen fortgefahren, welches um so schwieriger wurde, weil die Besatzung und Bürger müde, mißDer Parlementair des General müthig und verdroſſen waren. v. Bülow wurde , wie nach dem ersteren Beschießzen , auch dieſesmal ungehört abgewiesen. viele Einwohner die Stadt.

Nach diesem Brande verließzen

Man hatte es von Seiten der Belagerer versäumt , der Stadt nicht bloß das viele Röhrwasser , womit sie , bei der schlechten Beschaffenheit des Brunnenwassers innerhalb, von mehreren Seiten von außerhalb versorgt wird, abzuschneiden, sondern ihr auch zwei Bäche , die faule und die frische Bache , welche in die Festung künstlich geleitet waren , gelaſſen. Diese durchfließen die ganze Stadt in ihrer Länge in zwei neben einander laufenden

Gräben ,

und ist der lettere Bach so wasserreich,

daß er

zuletzt mit dem andern vereinigt innerhalb der Stadt Mühlen Hierdurch war dieselbe mit hinlänglichem zu treiben vermag. Die Wasser zum Löschen der brennenden Häuser verschen!

94

Artillerie der erwiedern.

Festung fing

endlich an,

das Feuer etwas zu

Die folgenden Tage ließ man wieder ,

ohne das Bombar-

dement fortzusetzen , vorübergehn , verstärkte aber den Angriff durch eine vorwärts des rechten Flügels der Parallele am Luthersbrunnen erbaute Redoute und durch zwei neue Batterien in dieſer Gegend; allein in der Nacht vom 29. zum 30. Sept. wurde die Stadt von Neuem stark bombardirt, Nacht 50pfdige

Bomben

in dieselbe.

auch kamen in dieser Das Feuer begann

Abends 11 Uhr und endete Morgens 4 Uhr.

Gleich Anfangs

ſteckte eine Nakete einen Heuboden in Brand , und dieser griff so um sich, daß, als das Bombardement endete, eine ganze Reihe der Häuser im Feuer ſtand . nieder.

6 Häuser brannten völlig

An das Unvermeidliche gewöhnter, zeigten sich die Bür-

ger sehr thätig im Löschen, wodurch der weitern Verbreitung des Feuers schnell Einhalt gethan wurde. Eine andere Rakete fiel in eine Scheune, wurde aber unschädlich gemacht. Nach diesem Bombardement

fehlte

es an Munition zur

Fortsetzung desselben, auch waren die Haubiglaffeten und MörserKlöße mehrentheils ganz zertrümmert worden.

Hierdurch fand

diese sogenannte Belagerung, die ſich ſchwerlich durch irgend eine nachahmungswerthe Anordnung auszeichnet, und die auf die Beſatzung gar keinen Eindruck machte, von selbst ihr Ende.

Let-

tere schien hierin vielmehr Veranlassung zu noch größerem Widerstande zu finden , denn ſie wies auch die lehte Aufforderung troßig zurück, und fing an, aus den nächsten Dörfern des bisher meist ganz freigelaſſenen linken Ufers das Vieh in die Festung einzutreiben .

Am 1., 2. und 3. Okt. beschäftigte sich das Belagerungskorps damit ,

das Röhrwasser

und

die beiden Bäche ,

welche

Wittenberg mit Waſſer versorgen und die Festungsgräben ſpeiſen, abzugraben , und ließ die faule Bache 2c. später durch die Parallele am Luthersbrunnen zur Elbe fließen. Am 3. Okt. erhielt die Besatzung durch. viele Flüchtlinge

•* 95 von Wartenburg eine Verstärkung.

Am

4. wurde endlich das

linke Ufer durch die Besetzung des Dorfes Pratau gesperrt.

Die

Truppen der französischen Armee hatten sich ganz zurückgezogen. Durch den Uebergang Blüchers über die Elbe erhielten die Angelegenheiten

der

Verbündeten

eine

andere Wendung.

Die

Nordarmee , welche so lange auf dem rechten Ufer unthätig verweilt hatte, entschloß sich endlich, dieses Ufer zu verlaſſen, und der General v. Bülow hob am 4. Okt. die Belagerung ganz auf,

marſchirte nach Roslau

v. Thümen

mit seiner

ab ,

Brigade

und überließ dem General die

fernere

Blokade

der

Festung. Dieser behielt die Parallelen noch ferner besetzt,

bezog mit

dem größten Theile der Truppen Lager bei Trajuhn und Teuchel, und erbaute vor dem untern Ende der Festung, bei der Scharfrichterei , ein geſchloſſenes . Werk , welches am 8. Okt. beendet Da auch ein starkes Detachewurde und seitdem besetzt blieb. ment Truppen auf das linke Ufer übergesezt wurde, welches die Verbindung der Besatzung mit der französischen Armee abschnitt, und es dem Hauptmann Ludwig nach vielen vergeblichen - Versuchen endlich gelang,

einen Theil der Elbbrücke sehr zu beschä-

digen : wurde es dem General v . Thümen möglich, die Besatzung Wittenbergs ,

welche durch die vorhergegangenen Ereigniſſe ſehr

aufgeregt worden war, im Zaume zu halten. Plötzlich zeigte sich wieder sächsische Kavallerie auf dem_linten Ufer und in der Nacht vom 10. zum 11. Sept. traf ein Kourier des Kaisers beim Gouverneur ein. Napoleon versuchte es zum letzten Male , sich über Wittenberg und Dessau Luft zu machen ,

und die Vorhut des Korps

des General Reynier, welche am 11. Mittags mit dem leytern eintraf, bestimmte sogleich die Besatzung, das Blokadekorps aus den in dieser Zeit nur noch schwach besezten Parallelen zu vertreiben und zurück zu drängen. Am 12. Okt. warf sich Reynier selbst mit seinem 20,000 Mann starken Korps auf daſſelbe, und

drängte

es

bis

Roslau.

An diesem Tage machten die

96

Franzosen 8 Offiziere und gegen 300 Mann Gefangene von dem Blokadekorps , die sie auf deſſen hartbedrängten Rückzuge durch die übermäßigen Anstrengungen kraftlos und vertheidigungsunfähig auf dem Wege fanden. Am 13. Okt. waren noch mehrere Divisionen angekommen,

und theils gegen Coswig dirigirt worden, theils an der Stadt verblieben. An diesem Tage ließ der Gouverneur mehrere der noch stehen gelassenen Häuser der Vorstadt abbrennen . Am 14. Okt. kehrten alle französischen Truppen von Coswig

und Noslau zurück,

ließen die gemachten Gefangenen des

Tauentzienschen Korps, aus 1 Oberſt, 2 Majors, 36 Kapitains und Lieutenants und 1100 Mann bestehend, in Wittenberg, und gingen auf das linke Elbufer über. Da nun auch die gesammte "bedeutende französische Armee , welche sich in dieser Zeit zwischen Deſſau, Delitzsch

und Düben befand, schleunigst gegen Leipzig

aufbrechen mußte,

so hörten von diesem Lage an alle Durchv. Thümen mit dem

märsche auf, und da das Blokadeforps

vierten preußischen Armeekorps den Rückzug nach Berlin angetreten hatte, wurden die Thore von Wittenberg wieder auf einige Tage geöffnet , bald aber schlöß der Oberſtlieutenant Von diesem übernahm Krauseneck die Festung wieder ein . der General v. Dobschüß mit einer Brigade des vierten preußischen Armeekorps am 23. Okt. die ' fernere Blokade. Der Gouverneur

beschäftigte sich nun mit dem Verpfle-

gungswesen der Garnison,

ließ Nachsuchung nach den für das

bedeutende Lazareth geeigneten Lebensmitteln halten , die Wein Auch wurde

und mit

Branntweinvorräthe

der

Stadt

und nahm in Beschlag.

dem Abbrennen der noch stehen gebliebenen

Häuser im Bereiche der Festung fortgefahren. Auf die am 22. Okt. eingetroffene bestätigte Nachricht von dem Verluste der Schlacht von Leipzig fand sich der Gouverneur, General Lapoype , am 27. Okt. bewogen, die große Zahl der gefangenen Gemeinen der verbündeten Armee, fast von allen Nationen, wovon Biele derselben seit dem Frühjahre in seinem

97

Verwahrsam waren,

zu entlassen, weil es ihm lästig fiel, folche

ferner zu ernähren.

Dagegen behielt er die gefangenen Unter-

offiziere und Offiziere zurück , während wollten.

des Krieges

nicht

weil ihm diese das Versprechen, mehr

zu

dienen ,

nicht abgeben

Seit dem Eintreffen des General v . Dobschüß die Festung immer enger eingeſchloſſen .

wurde

Bis zum 26. Okt. war

das linke Ufer noch frei geblieben , seit dieser Zeit wurde auch dieses blokirt,

und das Blokadekorps fing wieder an ,

an den

Parallelen und Batterien des letzten Angriffes, welche die Besagung einzuebnen versäumt hatte, sich

auch

Schuhe

des

des

Schlachtviehs Brückenkopfs

Probstei weidete ,

zu arbeiten.

bemächtigen, in

dem

Dasselbe wollte

welches

unter dem

grasreichen Gebüsch

der

allein das Unternehmen wurde ohne Geschick

angefangen und mußte daher mißglücken. Der Gouverneur ließ bei dem Mangel an Kasernen bei dem herannahenden Winter zuerst die Stadtſchule,

und sodann

das Provianthaus zum Kasernement, und den Gasthof zur Weintraube zum Lazareth einrichten. Gegen Ende Novembers nahmen die Desertionen der Nichtfranzosen von der Besatzung, besonders der Holländer, aus welchen

die beiden Infanterie - Regimenter bestanden ,

sehr

über-

hand ; am 28. gingen auf einmal 41 Mann geborner Holländer zum Blokade - Korps über, und am folgenden Tage sogar 3 Hauptleute und 3 Lieutenants, derselben Nation angehörend .

Dieses

schlechte Beispiel beförderte die Deſertionen und der Gouverneur sah sich am 3. Dez. veranlaßt , die noch vorhandenen gebornen Holländer zu befragen ,

wer aus dem Dienſte entlaſſen zu ſein

wünschte, in dessen Folge derselbe am 5. Dez. gegen 60 Mann Die einmal eingeriſſene der sich gemeldeten wirklich entließ. Deſertion unterblieb aber dennoch nicht , fangener erschossen wurde.

bis ein wieder Einge-

Eine wiederholte Revision der Brennholzbestände hatte ge= . zeigt, daß es an diesem unentbehrlichen Material sehr fehlte, und 7 Vogel, Belagerung c.

98 die Holznoth wurde mit jedem Tage empfindlicher.

Man sah

sich daher genöthigt , zu den eingeriſſenen Häusern und andern entbehrlichen Hintergebäuden Zuflucht zu nehmen , diese verbrannt waren ,

und als auch

zeigte der Ingenieur des Plages vom

1. Dez. jedesmal an , welche der hierzu kommiſſariſch beſtimmten Häuser , Scheunen , Schuppen und andern entbehrlichen Gebäude nach und nach niedergeriſſen und verbrannt werden sollten. Um die Besatzung zu bindern, von den Schiffmühlen, welche unter dem Schuße des Brückenkopfs das Getraide ungestört vermahlten, und von denen bereits früher eine durch einen Brander zerstört worden, während eine andere von selbst abgegangen war, ferneren Gebrauch zu machen ,

ließ der General v. Dobschüz

am 30. Nov. eine Batterie in der Probstei, unweit des Brückentopfs

erbauen,

armiren ,

dieselbe mit einer Haubige und zwei Kanonen

und am 2. Dez. hierauf die Schiffmühlen und das

Brückenhaus beschießzen. schädigen.

Es gelang nur eine der Mühlen zu be-

Die Festungsartillerie schwieg bei dieſer Gelegenheit.

Um ferner die Besatzung aus den beiden außerhalb Festung noch inne habenden Poſten zu entfernen ,

wurde

der am

2. Dez. noch vor Anbruch des Tages der Posten an der Ziegelei vor dem Schloßthore unerwartet angegriffen und 45 Mann Zu gleicher Zeit von dessen Besatzung gefangen genommen. wurde der andere Posten vor dem Elster-Thore, an der weißen Kanne, ebenfalls überfallen, Die Besatzung

wobei 21 Mann gefangen wurden.

beschuldigte die übergegangenen Holländer als Bei dieser Gelegenheit

Urheber dieser gelungenen Ueberfälle.

wurde die Stadt mit 4 Granaten beworfen.

Von

dieser Zeit

an wurden beide Posten nur vom Anbruche des Tages bis zum Dunkelwerden des Abends noch besetzt. Am 4. Dez. entließ der Gouverneur sämmtliche bisher gefangen gehaltenen preußischen Unteroffiziere. Im Ganzen waren sämmtliche Gefangene nicht übel behandelt worden, und viele achtbare Einwohner Wittenbergs unterſtügten die Offiziere bereitwillig und großmüthig mit nicht unbedeutenden Geldvorschüssen.

99 Um so mehr fiel es auf,

als es der Gouverneur Ende Okt.

den gefangenen Offizieren untersagte, mit einem Deutschen fernerhin Worte zu wechseln ,

und ihnen gebot ,

ihre Kasernen nicht

mehr zu verlassen. Am 5. noch vor Anbruch des Tages wurde der Brückenkopf von dem Dorfe Pratau her, und von der Probstei-Batterie zwei Stunden lang beschossen ; zu derselben Zeit wurde das Krankenhaus und der Kavalier von der rothen Mark her ebenfalls beschossen, Stadt kam.

wobei

der

In der Nacht vom

größte Theil der Geschoſſe in die

6. zum 7. Dez.

ließ der General

v. Dobschüß die Stadt und Werke abermals 24 Stunde lang beschießen, wobei die Granaten hin und wieder einigen Schaden thaten.

Bei dem herrschenden Mangel an Salz ließ der Gou-

verneur

das vorräthige Salz in Beschlag nehmen ,

! und

deſſen

Preis außerordentlich erhöhen. In der Nacht zum 11. wurde Wittenberg wieder beſchoffen. Es kamen 38 Granaten in die Stadt, die viel Unheil anrichteten. Am 14. wurde dieses Befchießen wiederholt, wobei jedoch nur 10 Granaten in die Stadt fielen.

Dieses öftere Beschießen

der Stadt und das beständige Allarmiren der Beſagung erhielt den Bürger und Soldaten Spannung.

in fortwährender

Aufregung

und

Noch mehr wurde man geängstigt durch die wieder

angefangenen Arbeiten der Blokadetruppen in den alten Parallelen und Batterien ,

und durch viele Bewegungen in denselben.

Man wollte Wagen gefehen haben, die ohne Zweifel kongrevesche Raketen enthalten mußten, gewiß war es aber, daß man wiederholt Wagenzüge mit Faschinen nach der rothen Mark geſehen hatte.

Ein

neues Bombardement

wurde

befürchtet,

und der

Gouverneur ließ die Chöre in der Stadtkirche abreißen, um den Ausbruch des Feuers beim Bombardement in derselben zu verhindern.

Wer es konnte, suchte die unglückliche Stadt zu verlaf-

fen, was durch den Brückenkopf ungehindert geschehen konnte. Am

29. Dez. ließ

der Gouverneur

das

Rathhaus 7*

zu

100

ſeiner Disposition räumen , legte in die obere Etage eine KomSapeurs, nahm jedoch

pagnie

Gebäude

in Beſchlag.

erst am 11. Januar das ganze

Auch wurden 10 bis 12 Häuſer als

Zufluchtsörter für die Kranken gefordert , im Falle die bisheri gen Spitäler in Brand gerathen sollten. Obwohl die Gegend von Wittenberg von so zahlreichen Truppen besucht worden war, so wurde sie doch sehr geschont, und man fand keine Spur einer so argen Verwüstung, wie solche auf dem linken Ufer bei Torgau verübt worden war.

Hieran

hatte der Gouverneur der Festung unstreitig einen großen Antheil, der vielen Einfluß auf die durchmarschirenden und kantonirenden fremden Truppen zeigte ,

seine Besagung in Zucht und

Ordnung erhielt, und Erpreſſungen jeder Art, wie sie an andern ron französischen Truppen besetzten Orten stattgefunden hatten, weder selbst

übte ,

noch von seinen Untergebenen duldete.

Die

Stadt Wittenberg behandelte er als eine befreundete , und dieses trug

zu dem nothwendigen

guten Einverständnisse zwischen der

Besatzung und den Einwohnern wesentlich bei.

Diesen gestattete

er volle Freiheit , sich auch außerhalb den Thoren der Festung in gewissen angewiesenen Grenzen zu bewegen , wozu der ungeſtörte Besiz des weiten Angers zwischen der Festung und der Elbe von selbst Gelegenheit gab ,

so wie auch die Freiheit , die

Stadt beliebig zu verlaſſen , und mit den auswärtigen Freunden auch wurde nur Einer kriegsrechtlich er-

zu korrespondiren ; schossen.

Die Bürgerschaft erwiederte dieses Begegnen mit aller Willfährlichkeit in die billigen Wünsche. des Gouverneurs und der Besatzung.

Sie fügte sich in das Unvermeidliche,

gab das,

was zum allgemeinen Dienste als durchaus nothwendig erschien , willig her, hatte aber auch Kraft und Muth genug, Anordnungen durch ihre Vertreter abzuweisen, die ihr nicht nöthig erschienen, wie die am 19. Dez. durch den, obwohl als Deutscher nicht in demselben Grade , als der Gouverneur ,

geachteten Komman=

‫܀‬

101

danten in Anregung gebrachte gewaltsame Hausſuchung nach Lebensmitteln, die deshalb unterbleiben mußte.

3.

Zustand der Festung zur Zeit der Belagerung. Die Befestigung von Wittenberg, welche sich nach der zu=

fälligen Form der Stadt , die einem Pferdekopfe ähnlich sieht, gerichtet hat, ist sehr irregulair,

und beſtand aus einem hohen,

meist mit Mauerwerk bekleideten Hauptwalle, mit wenigen entfernt von einander liegenden Bollwerken und sehr langen Kurtinen , die deshalb an verschiedenen Stellen gebrochen sind.

Das

Schloßbastion war wegen seiner Kleinheit ganz unbedeutend .

Zur

Beschützung Elbe

dieser

unverhältnißmäßigen Kurtinen

an

der der

abgekehrten Seite waren zwar zwei Raveline vorhanden,

aber noch im Ausbau begriffen , und

einer guten Vertheidigung

daher noch nicht fähig . Vor

dem Schloßthore

kenhaus, welches mußte.

befand sich ein zweiſtöckiges Kran-

als drittes Außenwerk auf dieser Seite gelten .

Es diente als Reduit eines Erdwerks, welches auf die-

ser Front die Dienste eines Ravelins ersetzen sollte, mit trocknem Graben und Palliſaden versehen, die tief lagen, und von außen nicht gesehen werden konnten. vermittelst

Mit dem gedeckten Wege hing es

einer verpallisadirten Kommunikation zusammen , die

erst während des Angriffes beendigt wurde. Die Festungsgräben waren zwar tief, aber mangelhaft ausgeworfen, und nicht überall hinreichend mit Waſſer geſpeiſt. Die Kontreskarpe war nur hier und da gemauert.

Auf der Elbfront

mangelte der gedeckte Weg, so wie lezterer auch sonst noch sehr mangelhaft, nicht überall palliſadirt, und das Glacis nicht überall verglichen war. Der weite Anger zwischen der Festung und der Elbe , bei hohem Wasserstande des Stromes Ueberschwemmungen ausgesetzt, war oberhalb

mit

einem Retranchement geschlossen ,

und dieses

durch eine künstliche Ueberschwemmung außerdem gesichert.

Unter-

102

halb war auf dem höchsten , dem Wasser nicht zugängigen Terrain eine Schanze die Angerschanze -- erbaut, mit einem Wassergraben, in der Kehle mit Palliſaden geſchloſſen, blieb jedoch bis zur Eröffnung der Parallele unbesetzt,

da ein Elbarm den

Zugang zum Anger auf dieser Seite schloßz.

Der zu

Eine schöne hölzerne Brücke verband beide Ufer.

ihrer Deckung auf dem linken Ufer befindliche Brückenkopf war in seiner heutigen Gestalt sichtbar , jedoch mehrentheils unvollendet, und kaum der Theil zunächst der Brücke zur Vertheidigung eingerichtet. Die dem Plate genügende Besatzung war vorhanden, und bestand am 23. Nov. 1813 aus : dem 123ſten Linien-Infanterie-Regiment 18 Offiz., 643 Unteroffiziere u. Gemeine, 9 Pferde, dem 124ſten Linien-Infanterie-Regiment 18 Offiz., 483 Unteroffiz. u. Gem., 9 Pferde, 1 abgesondertes Marschbataillon

19 Offiz., 699 Unteroffiz . u .

Gem., 1 Pferd, 3te Kompagnie Marine-Handwerker vom Sten Bataillon 2 Offiz., 176 Unteroffiz. u. Gem., 12 Pferde, 1 Kompagnie Polen 2 Offiz. 145 Unteroffiz. u. Gem., 1

desgl.

Italiener 3 Offiz., 126 Unteroffiz. u. Gem.,

1 Depot 1 Offiz., 163 Unteroffiz . u. Gem., 1 Pferd , 4te Komp. 4tes Artillerie-Regiment 2 Offiz., 61 Unteroffiz. u. Gem ., 2 Pferde, 16te Komp. 7tes Artillerie-Regiment 2 Offiz. 83 Unteroffiz. u . Gem., 2 Pferde, Hülfsartilleristen 105 Unteroffiz. u. Gem., Artillerie-Train 24 Unteroffiz. u. Gem., 30 Pferde, 1ste Komp. vom 7ten Bataillon Sapeure 3 Offiz.

104 Unter-

offiz. u. Gem., 3 Pferde, Spaniſche Sapeure 1 Offiz., 103 Unteroffiz. u. Gem., Portugiesische Kavallerie 2 Offiz. , 44 Pferde.

63

Unteroffiz .

u . Gem.,

* 103 im Ganzen 61 Offiz., 2259 Mann Infanterie, 273 Artillerie, 4 207 --4 Pioniere, 176

2

---

Marinehandwerker, Kavallerie.

63

73 Offiz., 2978 U. -Offiz. u. Gem., 113 Pferde, oder 3051 Mann, 113 Pferde. Hospitalkranke

808

Die Oberoffiziere waren :

Der Gouverneur, Divisionsgeneral Baron de la Poype. Der Chefd'étatmajor und Plagkommandant v. Lohauſen . Oberstlieutenant und Adjutant des Gouverneurs Charpin. Oberst und erster Ingenieur des Plages Treuffart. Oberstlieutenant und zweiter Ingenieur des Plages la Vigne. Major und Kommandant der Artillerie Euvrard. Oberst und Regiments-Kommandeur beider Regimenter Dode. Oberstlieut. u. Regim.-Kom. der Infant. Senacq u. Imbert. Oberstlieut. u. Kom. des isolirten Bataill. Benettini. Außerdem befanden sich in der Festung der Oberkriegskommiſſair Chauvot ,

der Kriegskommiſſair Peragallo und

der Magazininspektor le Moine.

Von dieser Besagung waren

am Tage der Einnahme nur noch 2000 Mann im Dienste. Die Festung war mit 96 mehrentheils ſächſiſchen Geſchüßen dotirt, welche auch zur Vertheidigung vollkommen hinreichten , so wie mit hinreichender Munition und übrigen Vertheidigungsbedürfniſſen versehen. handen,

Die erforderlichen Lebensmittel waren vor-

und Getreide im Ueberflusse zur Stelle, aus welchem

letteren jedoch

das erforderliche Mehl

bei den zuletzt bis auf

zwei verminderten Elbmühlen nicht in hinreichender Quantität beschafft werden konnte. Einige noch fehlende Gegenstände des Verpflegungswesens gab die Stadt. Der Gouverneur ſegte sich aber der üblen Nachrede aus, bei dem Verpflegungswesen keine Kontrolle geführt zu haben, indem seine sonst so brave Besatzung bei den vorhandenen Mitteln keinesweges reichlich verpflegt wurde.

* 104 In

dieser Verfassung

erschien

die

unansehnliche Festung

Wittenberg in Hinsicht ihres fortifikatoriſchen Zuſtandes von Manche Anlagen fehlten noch ganz , oder keiner Wichtigkeit. waren zum Theil unvollkommen ausgeführt , allein mit Bedürfnissen aller Art versehen , um einen Widerstand auf die Dauer noch ferner leisten zu können, hatte sie eine Besagung, wohl

nur

zum

bisher doch stets

Theil aus

französischen

Truppen

den besten Geist gezeigt hatte,

die,

ob-

bestehend,

und niemals

durch Unfälle entmuthet worden war, vielmehr bei den mancherlei verunglückten Unternehmungen der Verbündeten auf die Festung Zeit und Mußze genug erhalten hatte, über das ihr noch bevorstehende Schicksal nachzudenken.. Seit dem Monate März blokirt , entsegt und wieder blokirt , von Russen und Preußen wiederholt bombardirt , von den Engländern mit fongreveschen Brandraketen beworfen , der blokirt ,

und wie-

war hierdurch die Festung in der öffentlichen Mei-

nung zu einem Platze von Wichtigkeit und Haltbarkeit gelangt, ihre Besagung mit allen Arten Gefahren hinlänglich vertraut, und der herangekommene Winter schien von selbst alle weitern Unternehmungen auf dieſelbe zu verſcheuchen. Kein Wunder also, wenn eine solche Besayung sich entschloßſen zeigte, und jedes Anfinnen zur Uebergabe troßig zurück wies. Der kühnste Belagerer

mußte diese

Umstände

erwägen,

und

durfte einer hartnäckigen Vertheidigung gewiß sein ! Durch diese Darstellung wird aber auch die Meinung derjenigen widerlegt , die da glauben , Wittenberg wäre , auch ohne vorhergegangene Belagerung , durch denselben Sturm erobert worden, und die dabei nicht bedenken, welcher Verantwortlichkeit sich nicht der Befehlshaber ausgesetzt haben würde ,

wenn der

Sturm zufälligerweise mißzglückt wäre. Wenn Vorwürfe dieſer Art überhaupt Jemanden treffen könnten , so wären es die Generale v. Wittgenstein , v. Kleist , v. Bülow und der Kronprinz von Schweden , die zu der Art ihrer Unternehmungen ihre

105 Gründe hatten, und die damals in Zweifel zu ziehen Niemanden einfiel. Der Erfolg hat nicht nur die Voraussetzungen der Belagerer bestätigt, sondern auch die Beſagung hat der in ſie gesetzten Erwartung vollkommen entsprochen ,

und ihre Vertheidigung ge-

hört nicht zu den schlechtesten der neuern Zeit.

4.

Vorbereitungen zur Belagerung.

Das Blokadekorps bestand Brigade,

bestehend aus :

aus einer sehr unvollzähligen

dem Sten Reserte- ,

1sten und * 3ten

pommerschen, 2ten neumärkschen und 11ten ' schlesischen LandwehrInfanterie- Regiment , einem Jäger - Detachement des 1sten Res. Inf. =Reg., dem 3ten pommerschen und 7ter furmärkschen Landwehr-Kavallerie-Regiment, mit der 6pfdigen Fußbatterie Nr. 27 des Premierlieutenants Matthias. Wie schon angezeigt worden ist, hatte der General v. DobAuch fanden schüß die Festung auf das Engſte eingeſchloſſen. tägliche und nächtliche Allarmirungen aller Art, und ein Beschießen

und Bewerfen

der Festungswerke von allen Seiten statt,

durch welche die Besatzung allmählig zur Gewöhnung an solche Beunruhigungen und zur Sorglosigkeit verleitet wurde.

Die un-

gestörte Eröffnung der Parallele war eine Folge davon. Als man des Besitzes von Torgau gewiß und sicher war, wurde in der Mitte des Dezembers noch die Einnahme Witten-

bergs mit den bei Torgau disponibel verbliebenen Belagerungsbedürfnissen beſchloſſen. Die Artillerie kommandirte der Hauptmann v. Bardeleben , die Ingenieure der Oberſt v. Plauzen.

Zu der Batte-

rie des Blokadekorps wurde nich die 6pfdigen Batterien v. Platen und

Sannow zugezoger, deren Mannschaft, durch Hülfs-

arbeiter von der Infanterie verstärkt, die Batteriebau-Materialien

angefertigt hatte, und

verwendet wurde.

lie später zum Belagerungsdienste

Hierzu kan noch eine provisorische Artillerie-

106

Kompagnie unter dem Premierlieutenant Hoffmeister , und die sehr schwache sächsische Artillerie-Kompagnie aus Siptig. Die Ingenieure

bestanden

aus

nur zwei Offizieren und

46 Mann, wozu später noch zwei Offiziere kamen... Der Hauptdepot für die Artillerie wurde zu Appollensdorf etablirt, der Zwischendepot wurde später eingerichtet , wurde.

wo

überhaupt

in der rothen Mark

alles Batteriebaugeräthe aufgehäuft

Die Ingenieure legten ihren Depot in Biestrih an.

Die Anfuhr

der Belagerungsbedürfniſſe von Siptiß nach

Appollensdorf geschah

mittelst requirirter Landführen,

da die

Versendung auf der Elbe wegen Mangel an Schiffsfahrzeugen nicht stattfinden kornte. Damit bei den Transporten auf dem 9 Meilen langen Wege nirgends eine Verzögerung oder Stillstand eintreten möchte , wurden der Hauptmann Michaelis in Siptih, der Lieutenait Baldauf in Kemberg, und in der ersten Zeit der Lieutenant Vogel auf dem Luthersbrunnen ſtationirt, welcher lettere die Ueberfahrt über die Elbe auf zweien Tag und Nacht schiffenden Fähren besorgte. Um die Schnelligkeit der Zufuhren zu befördern ,

wurde außerdem das Fuhrwerk in

Kemberg gewechselt.

Anfangs erfolgten die Zufuhren ſehr regelmäßig, die Verheerungen des Feindes waren indeß zu groß, und deshalb gerieth die fernere Anfuhr wegen Mangel an Fuhrwerk ins Stocken. Die so weit vorgerückte Jahreszeit erlaubte keine Zeitverſäumniß :

es mußte schnell überlegt, beſchloſſen und ausgeführt

werden, und eben dieses macht einen Hauptcharakter der Belagerung aus. Am 25. Dez. ging der erste Transport von Belagerungseffekten von Siptitz bei Torgau ab ,

und schon in der

Nacht vom 28. zum 29. Dez. wurde die erste Parallele eröffnet. Die große Kälte,

welche unmittelbar nach der Einnahme sich

einstellte, bewies es, wie sehr rest man gethan hatte, zu eilen. Ueber die vollständigen Mitel der Belagerer läßt sich nicht genau urtheilen , da fich das Behgerungs-Journal darüber nicht ausgesprochen hat, wie viele ungeirauchte Geſchüße, und wie viel

-107

Munition nach der Eroberung des Plages in Appollensdorf verblieben waren. Aus 13 erbauten Batterien, in welchen 38 Geschüße

aufgestellt

waren ,

geschahen

12985

Schüſſe

und

Würfe auf die Festung. Wie es auch aus jenem Journal zu ersehen ist, waren die Mittel der Belagerer im Ganzen nicht zureichend, und wurden zulegt nur ſparſam zugeführt. Zu spät im Jahre wurde die Belagerung unternommen , und es durfte nur das, was bei Torgau übrig geblieben war, benutzt werden. Unter solchen Umständen war eine höchst genaue Kontrolle des Munitionsbestandes in jedem Augenblicke, und eine große Dekonomie der Geschosse nothwendig.

Hierin lag auch der Grund zu dem öfteren Wechſel der Geſchütze in den Batterien , indem entweder die Munition zu einem Kaliber ausgegangen war, oder neue Geschüße ankamen, sowie des Desarmirens der einen Bat-

terie, um eine andere Batterie damit zu armiren. Endlich muß nach der genauen Uebereinstimmung und wechselseitigen Unterstützung der Befehlshaber der Artillerie und der Ingenieure

rühmlich

in

dieser Belagerung

gedacht

werden .

Selten findet man eine gleiche Vereinigung der Ansichten zu Einem Unternehmen durch Entsagung jeder Art Egoismus, und eine so uneigennützige Unterstützung derselben, und aller Waffen überhaupt, ohne welche die Eroberung des Platzes sich leicht in die Länge ziehen, oder unmöglich werden konnte.

5.

Wahl der Angriffsfront.

Die Verbündeten beschossen und bombardirten Wittenberg im April und September von allen Seiten. deutet worden

ist ,

Wie schon ange-

kann ihr Verfahren weder zur Richtschnur

noch weniger zum Maßstabe

bei Beurtheilung gegenwärtig , in

Rede stehender Unternehmung dienen.

Hatte aber die Besagung

bis dahin Grund gehabt, die Wirkung der preuß . Artillerie auf 1200

2000 Schritt bespotten zu können, so sollte sie dieselbe jezt ganz in der Nähe auch kennen lernen. -Die der Elbe abgekehrte Seite Wittenbergs bildet eigent=

108

lich zwei große Fronten ,

die ein dazwischen liegendes bedeutend

hervortretendes geräumiges Bastion mit seinem Kavalier flankirte. Keine derselben gestattete einen regelmäßigen Angriff. Die untere Seite der nordwestlichen großen Front erschien am Meisten zum Angriffe einladend, da sie sich am Besten zu einem einigermaßen regelmäßigen Angriffe erſchien.

eignete,

und

als die schwächſte

Wittenberg konnte nur durch einen förmlichen Angriff genommen werden,

und da, wie schon erwähnt worden ist, keine Versäumniß stattfinden durfte, mußte diejenige Seite den Vorzug verdienen , auf welcher man bei den beschränkten Mitteln in der kürzesten möglichen Zeit in den Besitz der Festung gelangen konnte.

Ueberdies gestattete auch die Schwäche des Belagerungs-

forps nicht, Linien von großer Ausdehnung zu besetzen.

Diesem

nach erschien die Schloßfront als die kleinste, leicht zu umfaſſende, und daher die zweckmäßigste zu sein. Das Krankenhaus erseßte nicht die Stelle eines Ravelins , wodurch ein näheres Anrücken mit der ersten Parallele, und folglich eine Abkürzung der Belagerungsarbeiten gestattet wurde. Die langen Verbindungslinien zur Angriffsfront konnten auf beiden Seiten enfilirt werden, was die Kommunikation mit den anliegenden Werken unterbrach . Die Flanken waren sichtbar und konnten schon früher demontirt werden, was durfte.

später

die Erbauung

von Kontrebatterien ersparen

Das runde Schloßzbaſtion- schien wegen seiner Kleinheit

zur dauernden Vertheidigung nicht geeignet, und das Schloß blos zur Vertheidigung mit Infanterie , nicht aber für Geſchüß , eingerichtet zu sein. Endlich ließ sich erwarten, daß, wenn man in den Besitz des Glacis vor dem Schloßzbastion gekommen war, der Waſſergraben leicht abgelaſſen werden konnte, wodurch eine Hauptschwierigkeit aus dem Wege geräumt worden wäre. Zwar bedrohte das Kavalier - Bastion Vorschreiten in die linke Flanke zu nehmen,

den Angriff_beim allein die übrigen.

Vortheile erschienen überwiegend genug , da auch das anliegende. Ravelin sehr tief lag, die Angerschanze zu unbedeutend und nicht

109 * hinderlich schien, und das Krankenhaus, zwar maſſiv, aber nicht bombenfest, und nur mit einem gewöhnlichen Ziegeldache versehen, sonst in der Eile befestigt und noch nicht ausgebaut , einem dauernden

Angriffe

stellen konnte.

nicht

den

gehörigen

Widerstand

entgegen-

Nächst diesem Allen war der rechte Flügel der

Parallelé an Terrainhindernisse angelehnt , und die rothe Mark zu einer bequemen Niederlage des Materials zu benutzen. Die erste Parallele sollte schon in der Nacht vom 27. zum

28. Dez. eröffnet werden ,

allein der Ingenieur - Befehlshaber ,

der dieselbe mit Leinen rückwärts traciren wollte , verwirrte sich auf dem Terrain so ,

6.

daß er sich nicht wieder zurecht finden

Dieser Umstand konnte leicht nachtheilige Folgen haben.

konnte.

Allgemeine Beschreibung der Angriffs- und Vertheidigungsarbeiten . Erste Nacht vom 28. zum 29. Dez. 1813. In dieser Nacht wurde die erste Parallele und die dahin

führenden Kommunikationen in bekannter Art mit Faſchinen eröffnet.

Die Kommunikation ging von der rothen Mark aus in

der Richtung nach der Ziegelei ,

und war 1400 Schritt lang.

Von derselben führten zwei Kommunikationen zur erſten Parallele, welche sich mit dem rechten Flügel an die der Ziegelei vorliegenden Ruinen der ehemaligen Vorſtadt anlehnte, und 1100 Schritt lang war. Ihre Entfernung betrug : auf dem rechten Flügel von dem ausspringenden Winkel des gedeckten Weges vor dem Schloßbastion 420 Schritt ; in der Mitte von dem Krankenhause 210 Schritt; der linke Flügel von dem ausspringenden Winkel des gedeckten Weges vor dem Bastion Scharfeneck 345 Schritt.

Durch die Anlehnung an die Ruinen der Vorstadt bei

der Ziegelei, rechte

und den

unterhalb fließenden Elbarm war der gesichert. Der linke Flügel wurde

Flügel hinreichend

durch zwei bespannte Geschütze beschützt.

110

Am andern Morgen war der rechte Flügel ,

obgleich hier

vorzugsweise Pioniere und geübte Arbeiter angestellt waren, noch nicht so weit ausgeworfen, um hinreichende Deckung zu geben, dagegen war der übrige Theil der Parallele und Kommunikationen so weit, daß Fußgänger völlig gedeckt wurden. Die Belagerten wurden von der Eröffnung der Parallele durchaus nichts gewahr,

sie sandten vielmehr am Morgen,

wie

gewöhnlich, die Tagesposten an die Ziegelei heraus, und bei der Verwunderung über das Geſchehene vergaßen sie das Schießen. Bald zeigten sie jedoch viele Bewegung in der Armirung, stellten Geschüße auf und schnitten Scharten ein , welches alles nicht gehindert werden konnte, da man noch kein Geſchüß in der Parallele

aufgestellt hatte.

Der Feind

feuerté

aus 7 Scharten

und 2 Mörsern von der angegriffenen Front, und aus Haubigen aus schiefen Scharten von der rechts neben liegenden Kurtine. 2 Haubigen

wurden

auf das Glacis

vor dem Schloßbaſtion

frei aufgestellt, und enfilirten die eine fehlerhaft angelegte Kommunikation. Die Schwäche des Belagerungskorps wird als Ursache an gegeben, weshalb

die Belagerer nicht

mit

Parallele zugleich Batterien gebaut hätten , 4 - 10pfdigen Mörfern, nicht alles für

der Eröffnung der auch soll ,

außer

die Artillerie zur

Hand gewesen sein, vieles noch auf dem Wege von Torgau her, namentlich Haubigen.

Zweite Nacht vom 29. zum 30. Dezember. Verlängerung Hacken,

welche

der Parallele

Arbeit aus

auf

dem linken Flügel und

dem Krankenhauſe ſehr beunruhigt

wurde, indem die zwei Etagen deſſelben mit Schießſcharten versehen ,

und einzelne Dachsteine zum Schießen herausgenommen

waren, wodurch die Laufgräben ſehr unsicher gemacht wurden. An Batterien wurden gebaut : Nr. 1. auf dem

linken

Elbufer

von

2 Geschüßen für 1

10pfdige und 1 – Spfdige Haubigen in der Verlängerung

-

111

der attakirten Front zum Enfiliren derselben. rallele : Nr. 2.

zu

4 -

12pfdigen

Kanonen zum Demontiren des

Schloßbastions und einiger Kurtinenscharten, Enfiliren

In der Pa-

der langen Linie

so wie zum

vom Schloßbastion zum Elb-

thore.

Nr. 3. zu 4 -

10pfdigen Mörsern

zunächst zum

Bewerfen

des Krankenhauses , dann der ganzen angegriffenen Front. Nr. 4. zu 4 —— 12pfdigen Kanonen zum Demontiren der linfen

und zum

Enflliren der

rechten Fase des Bastions

Scharfeneck, zur

Zerstörung des Krankenhauses und der Pallisadan desselben. Nr. 5. von 3 12pfdigen Kanonen zum Enfiliren der linken Fase des Bastions Scharfeneck und ( ſpäter durch Haubigen ) zur Beſchießung der ganzen Front.

Alle diese Batterien wurden gesenkt erbaut.

Hiervon wur

den Nr. 1 , 3 und 4 fertig , und feuerten am andern Morgen ; Nr. 2 konnte in dem steinigen Erdreich und Nr. 5 des Grundwaſſers wegen, das sich einen Fuß tief einfand, nicht völlig erbaut werden. Bei diesem Baue zeigte sich der Mangel an Artilleriſten und im Bauen erfahrnen Leuten insbesondere fühlbar. Die Kommunikation war noch nicht so weit ausgeworfen worden, um die Geſchüße gedeckt nach den Batterien hinbringen zu können, und mußte folches über das freie Feld geschehen. Der Feind hatte in der Nacht die ganze Front armirt, und schoß

aus

12 Scharten,

Mörsern die Parallele bewarf. schwachen ´ Ladungen.

so wie er aus 2 - 48pfdigen Seine Haubigen

warfen

mit

Am Tage vermehrte er sein Feuer durch

Aufstellen neuer Geschütze.

Von dem Kavalierbastion und dem Kavalier wurde aus 5 Scharten , von der anliegenden Kurtine. aus 2 Haubigen geschossen. Durch dieses Feuer wurde die Batterie Nr. 4 am Meisten, und so zugerichtet, daß sie schon am Tage ohne Scharten aus 3 Geſchüßen nur noch feuerte, und gegen Abend völlig über den

112 Haufen

geworfen

Die

wurde.

andern Batterien litten eben-

falls sehr. Dritte Nacht vom 30. zum 31. Dezember. Verlängerung des rechten Flügels der Parallele durch den Schutt bis zum Elbarm. Aus der Parallele ging man 122 Schritt vor. Die Batterien Nr. 2 und 5 wurden beendet, und Nr. 4

völlig wieder hergestellt, welches unter dem Kartätschfeuer ſehr schwierig war. zeigten sich zwei Mörser.

In

dem

anliegenden Ravelin stellte der Feind Haubigen auf,

und

war

überhaupt im Kanonenfeuer noch sehr überlegen.

Auf dem Kavalierbastion

Da ge-

gen die Batterie Nr. 4. 24pfder ſtanden, ſo litt solche auch heut noch sehr, und wurde beinahe, wie gestern, zum Schweigen gebracht, woran übrigens nicht bloß das feindliche Feuer, sondern auch das schlechte Ankern gestern und heut Schuld war. Hierdurch wurde aber die beschlossene Stürmung des Krankenhauses gehindert , deſſen Palliſaden noch nicht hinreichend in der Kehle zerschmettert worden waren.

Bierte Nacht vom 31. Dez. zum 1. Januar 1814. Der Ingenieur

ging

mit

einem Retour von 70 Schritt

Länge mit ganzer Sappe vor, der als ein Theil der 2ten Parallele gelten sollte, wobei das Krankenhaus ein großes Hinderniß abgab. An Batterien wurde gebaut : 50pfdigen Mörsern, die erst diese Nacht Nr. 6. von 4 -

angekommen waren und sofort aufgestellt wurden, weil man ihrer sehr bedurfte. Das häufige Schießen des Feindes mit Kartätſchen war dem Baue und Ausbessern der Batterien sehr hinderlich, dagegen leisteten seine Bomben wenig. In der Batterie Nr. 1. wurde ein Kasten mehr angeſetzt, und statt der 8pfdigen Haubige welche zurückgenommen wurde,

113-

dieselbe mit 3

noch 2

10pfdigen

armirt,

wodurch nunmehr

10pfdige Haubigen in derselben aufgestellt waren.

Diese

Batterie war vom Brückenkopfe durch Traverse und Buschwerk völlig gedeckt und geschüßt, daher von dort wenig und nur unficher zu treffen, und da sie unmittelbar am hohen Uferrand der Elbe lag, waren alle Schüſſe von der Festung auf dieselbe unweshalb auch auf dieselbe immer weniger geschossen

wirksam,

wurde ; sie litt, wie Nr. 5, wenig vom feindlichen Feuer, wirkte aber vortrefflich. Nachdem die 50pfdigen Mörser einige Zeit gespielt hatten, das feindliche Feuer schwächer, und gegen Mittag sehr

wurde

gedämpft, Oberhand

ſo daß von heute ab das Feuer der Belagerer die gewann. Hierzu hatte , außer der Batterie Nr. 6,

auch Nr. 1 wesentlich beigetragen, wie es auch der Gegner ſelbſt einräumte. Die Batterie Nr. 4 war wiederum der Zielpunkt des ganzen feindlichen Feuers und litt sehr.

In dem Eifer zur

Erlangung des dieſſeitigen Uebergewichts hatten sich unsere Batterien fast verschossen, was um so übler war, als bis dahin noch kein Zwischendepot von Munition etablirt war, und der Munitionsersatz bisher erst um Mitternacht von Appollensdorf aus geschah. Dem Feinde wurden heut mehrere Geschütze demontirt, und da die Pallisaden des Krankenhauses hinreichend niedergeschmettert waren, so wurde solches mit 50 Mann gestürmt , 1 -- Spfdigen Kanone erobert.

und mit

Fünfte Nacht vom 1. zum 2. Januar 1814. Bevor man sich in dem Krankenhause einigermaßen fest zu ſehen Zeit erhielt, erschien der Feind in 3 Kolonnen, etwa 600 Mann stark, und nahm es wieder ,

indeß ließ man ihn nicht

lange im Besitz desselben , sondern eroberte es von Neuem, wiewohl

ohne jenes

worden war.

Geschüß,

welches

nach der Festung geschafft

Am Tage kam der Feind abermals, eroberte das

Krankenhaus und zündete es an , wurde aber gegen Abend wie8 Vogel, Velagerung ic.

114 * der vertrieben ,

das Feuer gelöscht , und man blieb von nun an Herr dieses Postens, in welchem man sich nunmehr schnell einwohnte. Ju der Angerschanze stellte der Feind zwei Haubigen auf. Dieses Werk, bisher durch die Batterie Nr. 1 meist schweigend erhalten, war unterdessen mit Traversen versehen worden, und da

die Haubigen, welche ohne Schießscharten feuerten, die zweite Parallele enfilirten, zwangen sie den Belagerer ebenfalls, legtere mit Traversen zu versehen.Das feindliche Feuer erschien gedämpft , wiewohl Batterie Nr. 4 noch sehr viel leiden mußte ; es feuerten noch 12 Schar. ten von der Front, des Nachts stärker ,

als am Tage , man.

konnte aber bis Mitternacht nicht antworten ,

da,

wie schon er-

wähnt, es bis dahin an Munition fehlte. Der Feind stellte an die Kurtinenwinkel des Bastions Scharfeneck 2 --- 48pfdige Mörser , die bisher neben dem Schloßbastion gestanden hatten, und 2 16pfdige Mörser auf, welche mit den Haubigen der Angerschanze vereint die Sappenspize bewarfen. Die Batterie Nr. 1 war nicht im Stande, der Angerschanze Schweigen zu gebieten : indem die Artillerie der Belagerer es noch nicht verstand , Granaten mit schwachen Ladungen und hohem Bogen zu werfen, wiewohl es ihr der Feind selbst lehrte. Die Batterie Nr. 5 erhielt, anstatt Kanonen, 3 Spfdige Haubitzen. Von heut an besserte der Feind seine Scharten nicht mehr aus, weil es ihm an Material dazu fehlte.

Sechste Nacht vom 2. zum 3. Januar. Das Logement im Krankenhause wurde beendigt und ein nochmaliger Versuch zur Wegnahme desselben durch den Hauptmann v. Bardeleben auf immer abgewiesen. Der rechte Flügel der 2ten Parallele wurde unter dem heftigsten Gewehrfeuer des Schloſſes etwas verlängert ;

dieses wirksamen Feuers wegen

mußten alle Arbeiten tiefer geführt werden. Von der angegriffenen Front schoß der Feind nur noch aus 4 Scharten , daher das Feuer derselben viel schwächer war,

115 dagegen beunruhigten seine Mörser und einige Haubigen nicht wenig . Die 4pfdigen Granatſtücke des Kavalierbaſtions gingen meist blind.

Von den 46 Anfangs vorhandenen Pionieren waren heut nur noch 24 vorhanden ; die übrigen todt øder bleſſirt. Gebaut wurde Batterie Nr. 7 zu 2 24pfdigen Mörsern zur Däm pfung des feindlichen Wurffeuers des Baſtions Scharfeneck.

Am

Tage feuerte der Feind nur noch aus den 4 Scharten mäßig, dagegen desto mehr von dem Kavalierbastion und dem Kavalier, von wo aus 4 Scharten mit 12 und 24pfdigen Kanonen geschossen wurde ; die 2 Haubigen des Ravelins warfen sehr unsicher, wie solches seiner niedrigen Lage wegen vorausgesehen ward ; desto besser warfen die Haubigen der Angerschanze .

Die

50pfdigen Mörser der Belagerer bewarfen heut die Schloßkirche, in welcher der Angabe nach die einzige feindliche Noßmühle sich befinden sollte. Wegen der spärlich ankommenden Munitionstransporte mußten die Belagerer mit ihrer Munition ſehr ſchohend umgehen. Da der Feind jetzt so wenig von der angegriffenen Front, desto

mehr

aber von

den Kollateralwerken feuerte , so glaubte

man, er wolle erstere nur schonen, und das Feuer der Belagerer Darum glaubte man auch , desto konsequenter nur

zersplittern.

bei der Beschießzung der Angriffsfront bleiben zu müſſen.

Siebente Nacht vom 3. zum 4. Januar. Hervorbrechen aus der zweiten Parallele mit einem Boyeau in der Richtung

auf den Fuß

Bastions Scharfeneck, Mitte des

Glacis

des Glacis vom Saillant des

weil, wenn man dieses Boyeau auf die

geführt hätte,

man alsdann vom Kavalier-

bastion enfilirt worden wäre, welches von der linken Flanke aus die Attake im Rücken zu nehmen drohte.

Bis man zum Cou-

ronnement des gedeckten Weges gelangte ,

wurde man genöthigt,

auf der Kapitale mit doppelter Sappe vorzugehen , als der einDer Mangel an zigen Möglichkeit in dem steinigen Boden.

8*

116

Pionieren wurde immer fühlbarer, daher des ſchwierigen Bodens und des eingetretenen Frostes wegen die Verlängerung des rechten Flügels

der Parallele bis zum Glacis unmöglich wurde. Bis dahin war nämlich die ſonſt ſehr rauhe Witterung der Erdarbeit immer noch günstig genug gewesen ;

jest stellte sich aber

Frost ein , und der Vollmond war außerdem noch der Sappenarbeit äußerst hinderlich. Um das höchst lästige Feuer der Infanterie von den Wällen abzuhalten , wurde die ganze 2te Parallele mit Sandsäcken und Schießscharten versehen, und es wurDes starken Wurffeuers wegen mußte

den Schüßen angestellt.

die Sappenarbeit am Tage ganz eingestellt werden , und waren die Mörser des Baſtions Scharfeneck besonders lästig. Um das Feuer der Angerschanze, welches die Batterie

Nr. 1 nicht vermögend war zu dämpfen, das jedoch der Sappe äußerst lästig fiel , möglichst zum Schweigen zu bringen , wurde 10pfdigen Mörin der Nacht die Batterie Nr. 8 von 2-ſern aus Nr. 3 entnommen , in lauter Mauerwerk erbaut , und schwächte solches im Laufe des Tages bedeutend . Hiernächst war diese Batterie gegen die rechte Flanke des Schloßbastions bestimmt. Auf der

angegriffenen Frout

feuerte

der Belagerte nur

noch aus einer Scharte , desto mehr von den Kollateralwerken ; von nun an schwieg derselbe am Tage auf der Front , bis auf die Mörser, schoß aber desto mehr des Nachts, daher sollten die Wurfbatterien ihre Munition besonders für die Nacht aufsparen. Ferner sollten die Kanonenbatterien der Belagerer von nun an den Feind durch täglich fortgesettes Schießen am Tage auf die ausgeschossenen Scharten der Front - zum Wiederfeuern zu zwingen suchen. Diesemnach geschahen von nun an auf eine jede der stummen Scharten täglich 20 bis 25 , und vom 7. ab 10 12pfdige Schüsse , ohne daß der Feind am Tage einen einzigen Schuß darauf erwiederte. Der Feind feuerte, anstatt Kartätſchen, die ihm seit einigen

117 Tagen abgingen, mit Blei und Eisenstücken ; die Kartätschen hatten auch den Belagerern bisher gefehlt, und fehlten immer noch. Die Artillerie der legtern war so glücklich, die Pulvervor räthe, und zwar einmal im Baſtion Scharfeneck, und zweimal in der Angerschanze in die Luft zu sprengen.

Achte Nacht vom 4. zum 5. Januar. Fortgesette Sappe und Crochet zur Erbauung einer Batterie, welche Arbeiten jezt aus der 2ten Parallele mehr geschüßt werden, daher auch die Schlangensappe angewendet wurde.

Weil

der Frost stärker geworden war , mußte man alle weitere Verlängerung der 2ten Parallele einſtellen, und den rechten Flügel derselben mit einem Crochet beendigen. Hiermit ging auch die ursprüngliche Absicht der Velagerer verloren, nach welcher die zweite Parallele bis zur Kapitale des Schloßbastions verlängert, der gedeckte Weg hier couronnirt, das Waſſer des Hauptgrabens abgelaſſen, und die Festung am Schloßbastion genommen werden sollte. Nachdem man von diesem Plane nothwendigerweise abgehen mußte , beschloß man , mit dem Cheminement auf das Baſtion Scharfeneck fortzufahren , und dies um so mehr , die Ein

Hoffnung gab ,

daß

möglicher Wechsel

der

Graben hier

als der Frost

zufrieren werde.

der Witterung empfahl jedoch Eile,

es

zeigte sich aber bald , daß das Glacis hier erst kürzlich aufgeworfen worden, und zwar von Schutt , Mauerwerk und Dachsteinen,

ohne Beimischung von Erde.

reiche verursachten die herumgeworfenen aufschlagenden oder krepirenden

In einem solchen ErdSteine bei den vielen

Geschossen vielen Schaden und

führten außerdem den Nachtheil mit sich , daß die Sappenkörbe nicht zu füllen waren.

fort,

Am Tage schwieg die Front ganz, nur die Mörser warfen dagegen feuerte die anliegende Kurtine mit dem Kavalier

aus 8 Scharten, gutem Erfolge ,

7

die Haubigen mit schwachen Ladungen,

aber

auch zeigten sich 2 neue Mörser im Ravelin ,

118 +-

die wahrscheinlich vom Baſtion Scharfeneɗ dahin gebracht worden waren: alles dieses Feuer war auf die Sappenspitze gerichtet. Von den Batterien schwiegen Nr. 1 und 5, um nicht etwa die Sappenspitze ſelbſt zu beſchädigen.

Neunte Nacht vom 5. zum 6. Januar. Die Sappe wurde mit Hohlkugeln aller Art fast überſchüttet, daher deren langsames Vorrücken ; am Tage wurde die Arbeit der ganzen Nacht vernichtet ; Pioniere waren nicht mehr zu zwei Ablösungen vorhanden ; bis jegt waren 4 Rollkörbe ganz vernichtet. Die Artillerie erbaute die Batterie Nr. 9 zu 3 ---- 12pfdigen Kanonen zum Demontiren der

Kurtinenscharten am Schloßthore , die aus den andern Batterien nicht wohl getroffen, und die wegen Mangel an Geſchüß nicht früher gebaut werden konnten. Der Feind

vermehrte sein Wurffeuer, stellte Mörser in

dem gedeckten Wege auf, und veränderte deren Stellung beliebig von Zeit zu Zeit.

Dies zeigte sich auch auf dem Hauptwalle,

jedoch nur scheinbar, wie es sich nach der Einnahme der Festung aufklärte.

Hier

hatte der

Belagerte 2 - 48pfdige Mörser

unter eine zu beiden Seiten gemauerte, vorn und hinten offene, und oben mit 2 Balkenlagen und 5' Erde bedeckte Batterie wie solche Carnot vorgeschlagen hatte - gestellt. Der von verschiedenen Seiten aufsteigende Rauch verleitete die Belagerer zu

Trugschlüſſen

wegen der veränderten Aufstellung,

so daß,

wenn der Rauch hinten herausging, die Batterie mehr zurück zu liegen schien.

Der Feind

warf. immer 2 Bomben zu gleicher Zeit auf

die Sappe; seine Granatwürfe von der Kurtine mit schwachen Ladungen waren die allergefährlichſten. Zehnte Nacht vom 6. zum 7. Januar. Nach dem Ausbessern der Arbeit des vorigen Tages ging man mit ganzer Sappe vor ; diese Arbeit wurde aber auch heut

119

wie

noch,

gestern,

mit

Hohlkugeln

überschüttet .

Hierzu kam

noch, daß auch die Palliſaden des gedeckten Weges mit Sand= säcken couronnirt waren , hinter welchen gute Schüßen ein wohlIn die Sappenspige allein felen gerichtetes Feuer unterhielten. heut 18 Bomben und Granaten, wodurch 5 Pioniere verloren gingen. Die Batterie Nr. 1 wurde mit 3 ---- 12pfdigen Kanonen. um die

armirt,

zerschießen,

dieses

und

in der Kehle der Angerschanze zu

Pallisaden

Werk,

dessen Feuer so hinderlich war,

ſodann zu stürmen. Das langſame Vorgehen der Sappe nöthigte noch mehr zur Sparsamkeit der Munition .

Elfte Nacht vom 7. zum 8. Januar. Da das

Vorgehen

der Sappe auf die bisherige Art so

ſehr erschwert wurde, so wurde beschlossen,

durch ein plötzliches

Hervorbrechen den Feind aus dem gedeckten Wege zu vertreiben, das Couronnement zu Stande zu

bringen und sich dann nach

rückwärts mit der flüchtigen Sappe wieder setzen.

Alles dieses erfolgte ,

in Verbindung zu

ohne einen Mann zu verlieren !

Man sah nun in den gedeckten Weg, das Blockhaus und die Sturmpfähle, die ganz horizontal lagen, und daher bis jetzt we der gesehen noch beschädigt worden waren. Man

entdeckte

auch , daß der Feind Mörser- auf Kähnen

in den Graben gestellt gehabt hatte, und beim Werfen damit hin und her gefahren war , welches nicht nur das Zufrieren des Wassers hinderte , sondern auch bewirkte , daß unsere Artillerie vergebens ein Feuer bekämpfte, das nirgends Stich hielt. (Der Belagerte wollte den Gebrauch der Mörser auf diese Art läugnen. ) Am Tage mißhandelte

der Belagerte das noch nicht ſehr

solide Couronnement, besonders durch 24pfdige Kugeln vom Kavalier und durch Wurffeuer.

Dieses machte alle Arbeit unmög-

lich, doch wollte die Artillerie des dürftigen Vorraths an Munition

wegen nicht an die Bekämpfung des Kanonenfeuers des

Kavaliers gehen.

120

Heute

Abend

wurde

die

Festung wieder

aufgefordert.

Bei dem gegenseitigen Einstellen des Feuers konnte die Sappenarbeit bedeutend verbeſſert und ergänzt werden, allein unglücklicher Weise wurde die Aufforderung zur Zeit der Ablösung der Arbeiter anbefohlen . Die Batterie Nr. 1 hatte zwar ihre Aufgabe gelöset, allein, da die Kehle der Angerschanze durch eine Brustwehr geschlossen, zur Vertheidigung eingerichtet, gegen einen Sturm eine Kanone aufgestellt, und am Tage während des Beschießens eine bedeutende Verstärkung in dieselbe geworfen worden war, ſo unterblieb die Wegnahme der Schanze aus sonst noch unbekannten Gründen, und die Batterie Nr. 1 schwieg von nun an wieder. Zwölfte Nacht vom 8. zum 9. Januar. Die Trancheewache ließ den Feind in den gedeckten Weg • kommen, sogar mit Geschütz , und wurden mehrere Körbe des Couronnements eingeriſſen.

Dadurch wurde die Arbeit ſehr ge-

stört, besonders bei dem zunehmenden Froste.

Klagen der Be-

lagerer über das eigene höchst mangelhafte Trancheefeuer. Die Front schien völlig aufgegeben zu sein, denn es schoß kein

Geschütz

mehr

von

derselben; selbst die Flankenscharten

Dagegen war das Wurffeuer wurden nicht mehr ausgebeſſert. und das Feuer des Kavaliers desto thätiger ; die Mörser im ge4 feindliche Mörser , welche zu glei cher Zeit von drei Seiten auf die Sappenspite warfen, verur-

deckten Wege warfen fort.

sachten in den engen Räumen der Sappe vielen Schaden. Dem Belagerer fehlten Batterien in der 2ten Parallele , um den feindlichen Mörsern mehr zu begegnen, da man aus der Iſten Parallele nur vorsichtig werfen mußte , um nicht die eigenen Leute zu beschädigen, allein zur Zeit war die 2te Parallele des schwierigen Bodens wegen noch zu eng. Die 24pfdigen Bomben gingen aus, daher ein 18pfdiger Mörser in der Batterie Nr. 7 aufgestellt werden mußte. Es war

die Batterie Nr. 7 ,

welche durch

eine

geringe Anzahl

121 Würfe die linke Flanke demontirte.

des Bastions Scharfeneck vollständig

Dreizehnte Nacht yom 9. zum 10. Januar. Descente in den gedeckten Weg, wurde , keine

wiederholte Klagen ,

guten

welche am Tage beendigt

daß die Infanterie der Belagerer

Schüßendienste zu leisten

vermochte,

ja nicht im

Stande war, einzelne feindliche Schüßen, die unaufhörlich in den Die heutige Kälte betrug gedeckten Weg kamen , zu vertreiben. 10 ° R. Die Belagerten veränderten den Stand der Mörser ; der Kavalier und

die

zu demselben führende Kurtine konzentrirten

ihr Feuer mit 7 Mörsern auf die Sappe , so daß hier nicht weiter gearbeitet werden konnte.

Uebrigens war die Zerstörung

der Sappe auch nicht schwer, da man keine Erde zur Füllung der Körbe erhalten konnte. Wirksames Feuer aus Wallbüchsen vom gedeckten Wege aus.

Endlich gedachte die Artillerie an die

Bekämpfung des Seitenfeuers, und baute die Batterien : Nr. 10 in der zweiten Parallele zu 2 zum

10pfdigen Mörsern

Bewerfen des Baſtions Scharfeneck ,

Kavalier und des Navelins.

der Kurtine zum

Hierzu wurden die Mörser aus

Nr. 3 entnommen, welche Batterie jest desarmirt blieb. Nr. 11 von 2-10pfdigen Mörsern gegen

die feindlichen

Mörser im gedeckten Wege, aus der Batterie Nr. 8 entnom men ;

dafür erhielt lettere Batterie , welche immer noch sehr nöthig blieb, 1- 50pfdigen Mörser aus Nr. 6 und 1 ―

18pfdigen aus Nr. 7, welche letztere nunmehr schwieg. wurde im Laufe des Tages gebaut.

Nr. 11

Bierzehnte Nacht vom 10. zum 11. Januar. Da der Frost immer mehr zu nahm, und daher Eile nö thig wurde, so wurde heute Nacht der Bau der Bresch- oder Pallisaden-Batterie Nr. 12 zu 3

12pfdigen Kanonen angefangen.

Diese war

122-

schon früher

beschlossen worden ,

nicht sowohl ,

um

wirklich

Bresche zu schießen , als vielmehr , um die rechte Flanke des Schloßbastions zu

demontiren,

das

Blockhaus im gedeckten

Wege , den Tambour vor dem Schloßthore , und die Sturmpfähle des Hauptwalles zu zerschießen. Die nothwendige Traverse in der linken Flanke zum Schug des Baues gegen den Kavalier, die der Ingenieur 2 Tage früher bauen sollte, und nach seinem Journal auch gebaut hatte , war noch nicht vorhanden , und der Bau derselben mit der Batterie zugleich in dem starken Feuer, bei dem starken Froste und beim Mangel an Erde demnach ungemein schwierig. Zugleich wurde gebaut Batterie : Nr. 13 von 4 12pfdigen Kanonen , Demontirbatterie gegen den Kavalier , um dadurch das Feuer desselben von der Breschbatterie abzuleiten.

Der Feind unterhielt Anfangs ein schwaches Feuer,

wel

ches aber gegen Morgen dermaßen zunahm und wirkte , daß alles, was in der Breschbatterie bis dahin aufgeführt worden war, völlig raſirt wurde.

Es mußte daher dieser Bau auf eine

kurze Zeit eingestellt werden, bis die Batterie Nr. 13 gespielt hatte, unter deren Schußze man zunächst eine Traverse wieder zu bauen anfing. Wegen Mangel an dienstthuender Mannschaft mußte heute die Tranchee-Wache zur Wiederherstellung der Batterie Leute geben. Funfzehnte Nacht vom 11. zum 12. Januar. Die Batterie Nr. 13 hatte das Kanonenfeuer des Kavaliers gemäßigt, und es wurde, wiewohl die feindlichen Haubigen nach wie vor warfen , die Breschbatterie vollendet , sowie das Logement

bis zur

handen war, mehr

Contrescarpe geführt.

Da keine Erde vor

indem bei der heutigen Kälte von 12 ° R. nichts

losgehackt werden konnte, so mußte man nur doppelte

Sappenkörbe setzen, und sie mit Sappenbündeln ausfüllen. Die Belagerten zündeten Bomben auf dem Eiſe an, ohne

123

es sprengen zu können.

Heute Abend um 7 Uhr verstummten

plöglich die Geſchüße der Belagerten, und man vermuthete einen Ausfall , der zwar beschlossen gewesen sein soll , aber nicht ausgeführt wurde. Die Breschbatterie fing an zu spielen ; die gänzliche Zerstörung des Blockhauses wurde durch die vorliegende Traverse gehindert, dagegen die Sturmpfähle und der Tambour vor dem Schloßthore zerschmettert.

Die Festung wurde Abends nochmals

vergebens aufgefordert.

Sechszehnte Nacht vom 12. zum 13. Januar 1814. Die Belagerten verhielten sich immer ruhiger und endlich ganz

ruhig , dagegen

wurde

von Seiten

der Belagerer

von

sämmtlichen aufgestellten Geschützen in den Batterien vom Morgen des 12. an bis um 1 Uhr nach Mitternacht ein so starkes Feuer

unterhalten, daß

an

diesem Tage allein 2477 Schüſſe

und Würfe geſchahen, um der legten Aufforderung zur Uebergabe mehr Gewicht zu geben ,

den Belagerten jeden Aufenthalt auf

den Wällen, insbesondere auf der angegriffenen Front, unmöglich zu machen, und den projektirten Sturm vorzubereiten.

7.

Sturm.

Um 1 Uhr unternahmen 4 Kolonnen , jede 1 InfanterieRegiment stark, die Erſtürmung der Wälle, und zwar : 1ste Kolonne nahm den Brückenkopf ein und marschirte sodann nach dem Elbthore. 2te Kolonne nahm zuerst die Angerschanze weg, entfendete ein Detachement der Isten Kolonne entgegen, brücke zu bemächtigen, fich des Elbthores.

um sich der Elb-

mit dem übrigen Theile bemächtigte ſie

3te Kolonne erstieg die angegriffene Front in 4 Abtheikungen und zwar; /

124

1) die Kurtine links des Schloßbastions, ging sodann die Kurtine entlang, zum Elbthöre, welches sie öffnete ; 2) den Wall im linken Kurtinenwinkel des Bastions feneck ;

Schar-

3) auf der Baſtionsſpige, Baſtion Scharfeneck ; 4) den, Wall im rechten Kurtinenwinkel desselben Bastions . 4te Kolonne sollte den Wall am Bastion Grammatika, am obern Ende der Festung ,

ersteigen ,

drehte aber um ,

weil sie

drei Kartätſch- Schüſſe erhalten hatte , und marſchirte später zum geöffneten Elsterthore ein . Da

die Festungsgraben

überall zugefroren und nirgends

aufgeeiſet waren , auch auf der ganzen Angriffsſeite kein einziges Flankengeschütz

in Thätigkeit war,

so mußte der Sturm wohl

gelingen, besonders, als in den Werken nirgends Abſchnitte vorhanden waren, und die Besatzung der Wälle eilig nach der Stadt flüchtete. Hier waren das Rathhaus und die Kaserne am Schloſſe (jetzt Lazareth)

mit Schießscharten versehen worden ,

Eingang zur letztern

und der

mit Palliſaden geſchloſſen ; in beide warf

sich der größte Theil der Besahung. Gegen die gegebene Disposition wurden beide Gebäude von

unsern

Truppen angegriffen.

Das Rathhaus ergab sich nach

einigen gewechselten Schüſſen bald , dagegen leistete jene Kaserne mehr Widerstand, und hier erlitten wir, besonders bei dem Niederbauen jener Pallisaden

im stärksten Gewehrfeuer

aus den

Fenstern, den beträchtlichsten Verlust. Um 2 Uhr war die Festung völlig erobert. Grobert wurden

außer sehr beträchtlichen Vorräthen an

Munition und Lebensmitteln : 96 Geſchüße und 2 Adler.

Auch

fanden sich in der Festung große Getreidevorräthe vor , die das mals einen hohen Werth erhielten. Der Verlust der preuß Truppen während der ganzen BeBeim Sturm wur• lagerung wird auf 400 Mann angegeben. den 8 Offiziere

und 100 Soldaten theils getödtet ,

theils ver-

125 wundet.

Von der Artillerie wurden 2 Unteroffiz. und

5 Ka-

noniere getödtet, und 2 Unteroffiz. 23 Kanoniere verwundet. V Demontirt wurden dem Belagerer 2- 12pfdige Kano-

nen ganz, und 312pfdige Kanonen auf einige Zeit.

Die

Ingenieurarbeiten erforderten 6400 Mann von der Infanterie. Die Artillerie dedurfte zu ihrem Batteriebau und zur Geſchüßbedienung 70 Offiz. 181 Unteroffiz. 1075 Kanoniere von der Artillerie und

110 Offiz. 262 Unteroffiz. 4895 Gemeine von

der Infanterie.

8.

Allgemeine Bemerkungen zu dieſer Belage rung und über dieselbe.

1 ) Eröffnung der Parallele und Ingenieurarbeiten. Das Unternehmen, mit rallele von

1000 Mann Arbeitern eine Pa-

1100 Schritt Ausdehnung auf 210 Schritt vom

äußersten Posten der Festung, sowie von 1400 Schritt Kommunikationslänge in einer Nacht , und völlig unbemerkt zu eröffnen, bleibt in Bezug auf die Kühnheit deſſelben allerdings merkwürDig !

Ein solches Unternehmen

konnte

natürlich

Nacht nicht vollständig ausgeführt werden,

in der ersten

aber bei der späten

Jahreszeit und beim Mangel vieler Belagerungsbedürfniſſe konnte man nur auf solche außerordentliche Weise sich den Weg zum Besige der Festung bahnen. Die Vortheile, welche die Nähe der ersten Parallele, die vollkommen als zweite benutzt werden konnte, ergab, waren überaus bedeutend, indem dadurch die Belagerungsarbeiten bedeutend abgekürzt wurden, die Batterien nicht weiter vorwärts verlegt zu werden brauchten ,

und sich in dieser Nähe die beste Wirkung

von den Geſchügen erwarten. ließ. Denkt man sich die vielen Schwierigkeiten bei den Erdarbeiten ,

erst im Lehmboden ,

dann im steinigen mit Schutt und

Mauerüberresten , oft Mauerwerk selbst ,

untermischten Boden ,

später beim Sappiren unter einem beständigen Gewehr-, Kano-

126

nen- und Wurffeuer dieselben

Schwierigkeiten in der

übelsten

Witterung, dann durch starken Frost vermehit, so darf man ſich nicht wundern ,

wenn in der zweiten Nacht die Kommunikation

noch nicht überall breit genug war, um mit Geschützen gedeckt nach den Batterien darin fahren zu können, oder daß bei solchen Hinderniſſen

und

dem Mangel an Pionieren die Sappenarbeit

einigemal zum Stillſtehen kam, wiewohl ein solcher Stillſtand immer nur von kurzer Dauer war. 2) Batterie - Bau. Gegen die Zweckmäßigkeit der Anlage aller Batterien kann nichts erinnert werden, da das baldige Schweigen des feindlichen Feuers auf der Angriffsfront den sichersten Beweis ihrer richtigen Stellung abgiebt. mäßig

erbaut

worden,

Auch waren die Batterien so ordnungsdaß der hochseelige Chef der preuß.

Artillerie, Prinz August von Preußen ,

welcher die Angriffsar-

beiten in Augenschein nahm, seine Verwunderung über die,

wie

auf

und

dem

Ererzirplaße“ ,

erbauten

Batterien

bezeugte ,

der Artillerie hierüber die größten Lobſprüche ertheilte. Zu bedauern ist es, daß nicht mit der Eröffnung der Parallele zugleich eine oder einige Batterien erbaut wurden. So konnte eine Mörserbatterie von 4 10pfdigen Mörsern sehr wohl erbaut werden, da diese vorhanden waren, solche Batterien leicht erbaut und schwer über den Haufen zu schießen sind , wenn sie auch das ganze feindliche Feuer auf sich ziehen Eben so nöthig wäre die Enfilirbatterie Nr. 1 gewesen, die der Armirung der Front so viele Hindernisse entgegen sehen konnte ; indessen würde zum Schutz derselben bei deren Erbauung mehr Mannschaft erforderlich gewesen sein , als man in der ersten Nacht entbehren konnte ,

und so mußte man sich ungern dazu entſchließen ,

linken Elbufer nichts in der ersten Nacht zu unternehmen ,

vom um

die geringen Streitkräfte nicht . zu zersplittern. Mit Ausnahme der Batterie Nr. 12, welche ihrer erhöhten Bettungen wegen mehr eine erhöhte zu nennen war, wurden alle

127

andern

12 Batterien

gesenkt

und

in der Parallele

erbaut.

Diese Art des Baues beförderte ihre Vollendung bei den vielen Schwierigkeiten, welche sich darboten, ungemein. 1) Per Kasten 5 Kanoniere,

konnten nie mehr als 3, allerhöchstens und zu 2- 3 Kasten nur 1 Unteroffizier zum

Bau gegeben werden ; 2 ) waren diese Artilleristen bei der damaligen außerordentlichen Vermehrung der Artillerie mit dem größten Theile der Unteroffiziere ſelbſt im Batteriebau sehr unerfahren ; 3) 1 Offizier per, Batterie war kaum im Stande ,

unter

folchen Umständen gehörige Aufsicht zu halten und einen ſoliden Bau aufzuführen ;

4) der Batteriebau fand

meist im wirksamen feindlichen

Gewehr- und Kartätschfeuer statt ; 5) das Erdreich und der Frost späterhin waren dem Bau stets ungünstig. Unter solchen die Batterie

Umständen

ist es nicht zu verwundern, daß

Nr. 2 in besonders steinigem Erdreiche, · 5 im Grundwasser und - 12 beim Mangel einer schützenden Traverse und im

stärksten feindlichen Feuer nicht in einer Nacht völlig erbaut werden konnten ; Batterien kamen stets

am Morgen zum Schuß ,

alle andern obgleich die

Materialien mit der Mannschaft von 40 Mann per Kasten aus dem 1500 Schritt entfernten Depot in der rothen Mark herangetragen werden mußten. Der wenigen Uebung und dem Mangel an Aufsicht bei der großen Anzahl unerfahrener Artilleristen und der ganz ungeübten Infanterie ist es denn auch zuzuschreiben , wenn der Bau selbst einigemale nicht zur Vollkommenheit und Festigkeit gedieh, die er besitzen sollte. Das schlechte, fehlerhafte , oft ganz vernachlässigte Ankern war zum Theil Ursache, daß die Batterie Nr. 4 einige

128

-

Tage hinter einander so bedeutend litt, und daß in der Batterie Nr. 13 eine Schartenwand durch das eigene Feuer einfiel.

Die Batterie Nr. 12 war unter den größten Schwierigkeiten, die jemals ſtatt gefunden haben mögen, erbaut worden. Das Ausbessern

der Kanonenbatterien,

besonders in den

ersten Nächten, war ein gänzliches Wiederherstellen derselben. 3) Wirkung der Artillerie des Belagerers. Bei dem Mangel an Artilleristen , besonders in den ersten Tagen der Belagerung, kamen per Geſchüß 2 – 3 Artilleriſten zur Bedienung ,

welches hinreichend war,

wäre die Mannſchaft

vollkommen hierzu ausgebildet gewesen ; dies war aber nicht immer der Fall ,

und daher die Schwierigkeit bei der - Geſchüßbe-

dienung, die auf die Wirksamkeit der Geschosse selbst wieder einen so üblen Einfluß äußern kann.

Bei

diesem Mangel

mußten

schon in der ersten Nacht Mannschaften , die gebaut hatten , ohne Ablösung in der Batterie zur Bedienung verbleiben, welches die Leute über ihre Kräfte anstrengte. Dieſem Umſtande, und daß zu 2 Geschützen nur 1 Unteroffizier, zu 2 Batterien aber nur 1

Offizier zur Aufsicht

kommandirt

werden

konnten ,

muß

nothwendigerweise die Schuld mancher unwirksamen Schüſſe zugeschrieben werden. Demungeachtet hat unsere Artillerie nicht bloß die Möglichkeit gethan, sondern sich auch unter solchen Umständen übertroffen.

Wenn sie in den ersten Tagen kein Uebergewicht des

Feuers erringen konnte, so lag dieses in den Umständen, besonders zu zählen ist : vorhanden war ,

Vortheil

daß Anfangs nicht so viel Munition

um das überaus lebhafte Feuer des Gegners

hinreichend beantworten einzige

wohin

zu

können.

Hierdurch ging leider der

unserer viel leichtern Kaliber in Absicht ihres

rascheren Feuers völlig verloren,

und so mußte der Feind, der

mehr Geschüße und stärkere Kaliber entgegen zu stellen vermochte, bei seinem Ueberflusse an Munition unbedenklich die Oberhand behalten.

129

Die

erste

Geſchüßaufstellung

richtete sich überhaupt nur

nach den zur Zeit vorhandenen Geſchüßen und ihrer Munition, und erst am 5ten Tage war man im Stande, die Batterien der ursprünglichen Absicht gemäß zu armiren. eine

Daher konnte auch

auffallende Wirkung Anfangs nicht erlangt werden,

beson-

ders, weil das Feuer der angegriffenen Front damals zu ſtark war, und mit den wenigen vorhandenen Geſchützen nach verſchiedenen Seiten Front gemacht werden mußte.

Nachdem aber die

50pfdigen Mörser gewirkt hatten , konnte man von diesem Augenblicke an den Beginn der eigenen Ueberlegenheit datiren. Die Batterie Nr. 1 enfilirte die Angriffsfront sehr zweckmäßig und wirksam , so daß sie außer den 50pfdigen Mörsern wesentlich zu dem erlangten Uebergewichte beitrug; die Batterien Nr. 2 und 4 demontirten und enfilirten zu gleicher Zeit, und würde man mit Rikochetteriren auf die Art ,

wie es früher bei

uns geſchah, ſchwerlich eine gleiche Wirkung erlangt haben. So suchte man durch eine und dieselbe Batterie einen doppelten Zweck zu erreichen ! Die Stellung einer Demontirbatterie war so genommen, daß sie nebenbei auch Flankenscharten demontiren Diese Dekonomie hatte zunächst ihren Grund darin, fonnte. daß man den Zweck nach den vorhandenen Mitteln zu erreichen ſuchen mußte. Die Wurfbatterien warfen zwar mit dem besten Erfolge, konnten aber des feindlichen Wurffeuers nicht so, wie des Kanonenfeuers, auf immer Meiſter werden, und bekämpften vergebens das sogenannte wandernde feindliche Wurffeuer der Mörser. Die größere Zahl derselben, ihre größern Kaliber, und die sehr schmalen Wallgänge der Kurtinen hemmten bei der oft veränderten Aufstellung der feindlichen Mörser die Wirksamkeit der unsrigen, oder gestatteten ihnen kein Uebergewicht. So war die Auf10pfdigen Mörgabe für die Batterie Nr. 10 von nur 2 ſern offenbar zu groß ; es fehlten uns große Mörser ! In den Momenten, wo Geſchüß und Munition unzureichend waren , suchte man dies dadurch dem Feinde zu verbergen, daß Vogel, Belagerung 2 .

130

man das dieſſeitige Feuer auf die ganze Angriffsfront vertheilte, um diese unsicher zu machen.

man noch nicht die großen Vordie aus dem Gebrauche von kleinen Ladungen bei Hau-

zu jener Zeit kannte theile,

bigen erwachsen , ungeachtet sie uns der Feind , mit dem glücklichsten Erfolge für ihn, selbst lehrte; sonst würde man von der Batterie Nr. 1 die Angerschanze damit. beworfen ,

und sie viel

leicht völlig unschädlich gemacht haben, was sehr wichtige Folgen nach sich gezogen hätte, indem die Batterie Nr. 8 nicht im Stande war, das Feuer jener Schanze zum Schweigen zu bringen, das, als Rückenfeuer überhaupt, von dem schädlichsten Einfluſſe, unserer Sappe so lästig fiel , lirte.

und die 2te Parallele- enfi-

Es frägt sich aber hier, ob die Mörser aus Nr. 8 neben

die Batterie Nr. 1 gestellt ,

nicht besser gewirkt hätten ,

da sie

von dort die Angerſchanze nach ihrer Ausdehnung in die Länge bewerfen konnten ? Es muß jedoch auch hier bemerkt werden, daß die Verbindung der Batterie Nr. 1 öfters durch ſtarken Eisgang sehr erschwert, und einige Zeit ganz aufgegeben wurde, ſo daß sich die Batterie ſelbſt überlaſſen blieb. Unsere Artillerie hatte dem Feinde mehrere kleine PulverDie Geschüße der Angriffsfront

vorräthe in die Luft gesprengt. wurden sehr früh

demontirt

die Wälle abgekämmt,

das

und ihre Scharten ausgeschossen, innere der Werke unsicher gemacht,

ſo daß dem Belagerten eine weitere Geſchüßaufstellung hier unmöglich gemacht wurde, oder nur von kurzem Bestande ſein durfte ; eben so war hier die Flankenvertheidigung völlig vernichtet worden,

welches denn auch bei der Erstürmung ein faſt

gänzliches Verstummen der Artillerie der Belagerten bewirkte.

4) Wirkung der Artillerie der Belagerten. Diese hatte den Vortheil der Beherrschung und einer Uleberlegenheit an Geſchüß und Kalibern gegen die Belagerer. Von dem großen Bastione mit seinem Kavaliere und vom Navelin

131

konnten die Angriffs -Arbeiten flankirt, die Sappe enfilirt, so wie von der Angerschanze enfilirt und im Rücken genommen werden . Die unbemerkte Eröffnung der Parallele kommt mehr auf Rechnung

der ganzen Besagung ,

als auf die Artillerie allein,

doch hat diese weder früher noch später mit Leuchtkugeln geworfen.

Sobald die Laufgraben entdeckt wurden , zeigte die Artille-

rie des Plates ,

daß sie nicht unvorbereitet gewesen war ,

und

von nun an suchte sie ihre Aufgabe : die Annäherung des Feindes möglichst zu erschweren, mit großem Erfolge zu lösen. Zweckmäßig war die Aufstellung 1- Spfdigen Kanone am Krankenhause ,

die durch ihr rasirendes wirksames Kartätsch-

feuer den Batteriebau

und die Erweiterung der Parallele in der zweiten Nacht so sehr hemmte, und mit als Ursache angesehen wurde, daß die Batterie Nr. 2 in jener Nacht unvollendet blieb.

Als sich am Morgen nach der Eröffnung der Parallele die fehlerhafte Anlage einer Kommunikation zeigte, benugten ſolches die Belagerten zum Vortheile, indem sie 2 Haubigen links des

Schloßbastions

frei

Kommunikation enfilirten.

auf

das Glacis aufstellten,

Beim

Vorhandensein

der

die jene Batterie

Nr. 1 wäre dieſes unmöglich geworden. Den Grundsag : die Geschüße zu allen Zeiten der Belage rung nach ihrem Kaliber

aufzustellen und sie dem feindlichen

Feuer möglichst zu entziehen ,

hat die französische Artillerie in

der ersten Zeit der Belagerung in seinem ganzen Umfange befolgt, wiewohl ihr doch der Vorwurf gemacht werden muß, die Angriffsfront zu früh verlaſſen zu haben,

und niemals wieder

hier, nicht einmal auf den Flanken, aufgetreten zu sein.

Dage-

gen hat sie alle in neuer Zeit gemachten Erfahrungen und ausgesprochenen Wünsche zur Verstärkung des Widerstandes benutzt, und in dieser Hinsicht dem Belagerer Vieles gelehrt ! In der dritten Nacht war die angegriffene Front armirt worden, und feuerte aus 10 Scharten und 2 Mörsern. Während man sich hier mit Kugeln und Kartätschen zu vertheidigen 9*

132 suchte, wußte man von den nebenliegenden Werken die Angriffsarbeiten durch ein unaufhörliches Flankenfeuer zu beunruhigen. Erst nachdem das Krankenhaus auf immer verloren ging, schwie gen die Kanonen der Front größtentheils am Tage ,

um das

Vorgehen und Ausbeſſern des Belagerers desto mehr dés Nachts zu beunruhigen .

Wie die Erfahrung indeß hier gelehrt hat, ist

das Schießen des Nachts sehr unsicher.

Bon jest ab war das ganze Wurffeuer auf die Sappenspige gerichtet,

und entweder täglich vermehrt , oder in Absicht Aufstel der lung verändert, um hierin stets die Oberhand zu behalten. In dieses Wurffeuer schienen die Belagerten alle Hoffnung zum Mißlingen der Unternehmung der Belagerer gesetzt zu haben. Der

Gebrauch

der Kartätschen

Erfolge angewendet worden ,

ist

überhaupt mit gutem

wie es die häufigen Klagen der

Belagerer beweisen ; dem Batteriebau und dem Ausbeſſern waren sie sehr

hinderlich.

Ihre Wirkung

wäre bedeutender gewesen,

´hätte man nicht in den meisten Fällen zu hoch geschossen ; indeß dienten ſie in dieſem Falle zugleich als Vertikalfeuer, und machten die Parallele und Kommunikation unsicher. Den Belagerern wurde

dieses Kartätschfeuer um so empfindlicher ,

solches zu erwiedern nicht vermochten,

als ſie ſelbſt

wegen Mangel an Kar-

tätschen, dem Gegner ruhig seine Scharten auszubeſſern gestatten mußten, und damit kaum gegen einen Ausfall versehen waren. Eben so guten Effekt erhielt man bei den Belagerten von der Anwendung der kleinen Ladungen bei Haubitzen, indeß war das anfängliche Werfen damit noch unsicher und bildete sich erst mit der Zeit aus ; alsdann war es so vervollkommnet wor den, daß die Belagerer nur zu häufig über die außerordentliche Wirksamkeit der auf diese Art geworfenen Granaten flagten.

Die bedeutende Länge der Kurtinen gestattete überall eine Geſchüßaufstellung, wovon auch ein vortheilhafter Gebrauch geMit 2 Haubigen , welche rechts des Baſtions macht wurde.

133 Scharfenec

von der Kurtine aus schiefen

Scharten feuerten,

nahm man den Angriff in die linke Flanke. Durch das Feuer der Belagerten, die besonders des Nachts schoffen , wurde der Battericbau unterbrochen und die Batterie Nr. 4 einigemale fast vernichtet, so wie das Ausbessern der Batte rien überhaupt, äußerst erschwert. Die Schwäche des Feuers der Belagerer in den ersten Tagen

gestattete

dem Feinde

eine Ueberlegenheit,

noch sehr geschickt zu erhöhen verstand.

die derselbe

So wurden demontirte

Scharten sogleich wieder hergestellt und von neuem armirt ; auch sah man demontirte Scharten auf kürze Zeit verlaſſen, und wieder besezen . Seitdem das Krankenhaus verloren gegangen war, und die Belagerer dadurch zum Vorgehen mit der Sappe Spielraum erhielten, schwieg das Feuer der Front auf die Parallelen größtentheils, und wandte sich von hier und den sämmtlichen KollaHier vereinigte es sich teralwerken gegen das Cheminement. von allen Seiten und erschwerte das Vorrücken so außerordentlich, daß es einigemale zum Stillstehen dieser Arbeit kam . Die Wirkung dieser Geschosse wurde noch vermehrt durch die ausgebrochenen Steine und Mauerstücke, die beim Aufschlagen und Krepiren der Kugeln herumgeworfen wurden und beſchädigten. Bei der rühmlichen Vertheidigung der französischen Artillerie muß man ihr doch den Vorwurf machen, warum sie sich gar nicht der Leuchtkugeln, Spiegelgranaten, Steine 2c . bedient habe. Hätte man noch vom Kavalierbastione Granaten mit schwachen. Ladungen gegen die Sappenspige geworfen, so wäre jedes Fortschreiten derselben gehemmt worden. Ihre Mörser haben im Ganzen nicht den Nugen geleistet, den ſie bei der großen Zahl der geworfenen Bomben hätten leisten können. Ihre Granaten und Bomben waren nicht zweckmäßig tempirt, oft mit blinden Zündern versehen ,

oder die Zünder ragten oft

mehrere Zolle aus dem Mundloche heraus.

Die zahllose Menge

Granaten, welche nach der Kommunikation mit zu hoher Eleva-

134

tion geworfen wurden , hätten die Brlagerer bei zweckmäßigerer Anwendung gleichsam überschüttet. Zwar wurde die stete Bewegung

in den Laufgräben dadurch unsicher gemacht, doch erlitten

sowohl die Fußgänger als die vielen Fuhrwerke, die zur Complettirung der Batterien des Abends hin und her fuhren ,

im

Ganzen wenigen Verlust. Dieser Vorwurf gilt insbesondere dem Artilleriefeuer des Ravelins, des Kavalierbastions und des Kavaliers selbst.

Diese

Werke waren es, die wegen ihrer vorspringenden Lage zur Seite dem ganzen Angriffe hinderlich werden mußten, den sie bei ihrer Ueberhöhung vollkommen ein- und übersehen konnten , das Ravelin wegen seiner tiefen Lage ausgenommen .

Man könnte, wohl

behaupten, daß jene Werke deshalb mehr als gewöhnliche Kollateralwerke waren , ja man möchte sie , ohne großzem Tadel ausgesezt zu werden,

bei der irregulären Anlage der Befestigung

zur Angriffsfront rechnen ,

weil sie sonst als bloße Kollateral-

werke der Sappe an der Schloßfront nicht mehr so hinderlich ſein konnten. Ob nun gleich von jenen Werken gegen die Sappe viel geschehen war, so kann doch die Wirkung im Verhältniſſe der dort verschossenen Munition nicht als zu groß angeschlagen werden, weil die meisten Geschosse zu hoch gingen, schädlich wurden , und

dem Belagerer un-

deshalb eine Verspottung oder

Gering-

schätzung dieses Feuers erzeugten, wovon die späte Erbauung der Demontirbatterie Nr . 13 sicherlich einen Bemeis abgiebt. Fehlerhaft

erscheint es auch , das anliegende Ravelin nicht

noch mehr zur Vertheidigung eingerichtet zu haben, dessen rasirendes Feuer die schädlichsten Folgen für die Belagerer erzeugt hätte.

Hatten doch die letteren zu ihrem großen Schaden nichts

gegen diese Seite unternommen und den Belagerten alles ruhig geschehen lassen.

135

5) Fehler, welche begangen wurden.

a. Von Seiten der Belagerer. Verunglückter Verſuch, mit Leinen rückwärts zu traciren. Die ganze Unternehmung auf Wittenberg ist in Absicht auf die dürftigen und im Ganzen unzureichenden Mittel der Artillerie der Belagerer, und deren unbestimmte unsichere Zufuhren nach dem

Hauptdepot zu

Apollensdorf ein Kunststück,

und muß es

sehr bedauert werden , daß den Tagebüchern nicht eine Nachweifung der nach der Einnahme des Plages noch vorräthig geblie benen Munition beigefügt worden ist, um durch dieselbe jede, auch hier geführte, Kritik mancher Mängel und Unvollkommenheiten, als hart, unbillig oder unnöthig abzuweisen. Aus den mitgetheilten Tagebüchern scheint gefolgert werden zu können,

daß der Angriff zu früh beſchloſſen und ausgeführt

worden ist, indem zu dieser Zeit noch nicht so viel Belagerungsgeschüß

und

Munition

vorhanden war,

um darüber nach dem

Bedürfnisse disponiren und in der ersten Nacht schon Batterien anlegen zu können. Die Enfilirbatterie Nr. 1 mußte unter allen Umständen in der ersten Nacht erbaut werden.

Dadurch würde die Armirung

der Angriffsfront bedeutend gehindert,

und das Feuer derselben

aus den schon aufgestellten Geſchüßen sehr gedämpft worden sein. Durch beides würde man den eigenen beschränkten Mitteln der ersten Geſchüßzaufstellung sehr entgegen gekommen sein ,

auch das

Enfiliren der fehlerhaft angelegten Kommunikation verhindert haben.

Eine Mörserbatterie wäre gleichfalls von großem Nußen

gewesen. Die Angerschanze achtete man zu wenig, und glaubte, daß, wenn auch die Kommunikation vor derselben nicht defilirte, dies keinen schädlichen Einfiuß äußern , auch, daß sie durch ihre tiefe Lage nicht sehr hinderlich werden könnte. Früher schon mußte, Von dem Ravelin zum Angriffe derselben geschritten werden. übersah man , wie es scheint, ganz , daß es wegen seiner großen

136

Nähe noch mehr vorſprang, mehr flankirte.

als das Kavalierbaſtion,

und noch

Die zweite Parallele konnte von der Angerschanze enfilirt werden. Die Eile, mit welcher man Anfangs ans Werk ging, ist zwar sehr lobenswerth , wenn sie hinreichende Garantie für alle getroffenen

Maßregeln sonst

daraus einige Mängel. ger Munition wird und er fand statt ,

gewährte, hier

aber entſprangen

Ueber Mangel an zureichender vorräthi-

in den Tagebüchern zu oft Klage geführt, besonders in den ersten Tagen ,

daher man

auch gegen den Grundsatz : dem Belagerten stets ein überlegenes Feuer entgegen zu sezen ,

handelte.

Vorzüglich gebrach es an

Kartätschen, um die Front unsicher zu machen , und das bessern

der feindlichen Scharten zu hindern ,

Aus-

da vier derselben

per Kanone wohl nicht genügen mögen. Am 7. Januar hatten sich schossen, weil bis

zu

die Batterien fast ganz ver-

dieser Zeit

Munition vorhanden war, Mark etablirt wurde. Früher schon sollten

und

noch kein Zwiſchendepot der

erst von da ab in der rothen

die Mörserbatterien Nr. 7 und die

Batterien der 2ten Parallele erbaut worden sein. Die große Entschloſſenheit ,

die die Belagerer Anfangs so

vortheilhaft auszeichnete, scheint sie in der Folge etwas verlaſſen zu haben; erst am 8. Januar zeigt sie sich wieder bei dem Ingenieur-Befehlshaber ,

als er das regelrechte Verfahren beim

Vorgehen mit der Sappe, nach welchem er noch mehrere Tage bis zum Couronnement hinbringen können , auf einmal verließ; oder hatte man sich absichtlich , und

keine

um der Schule treu zu bleiben,

Ausnahme zu machen ,

nachdem bereits mehrere ge-

macht worden waren , fast 4 Tage und Nächte auf der verhältnißmäßigen kurzen Strecke von der 2ten Parallele zum gedeckten Wege mit einem so schwierigen Sappenbau gequält, wenn man das Feuer darauf nicht vernichten konnte oder vermochte ? Das angenommene System , die Angriffsfront blos zu be-

137 schleßen, das Feuer der nebenliegenden Werke aber unbeantwor tet zu lassen, wurde. durchgängig, und man kann sagen hartnäckig endlich doch hiervon abgehen und Als zum Baue der Demontirbatterie Nr. 13 ſchreiten mußte.

durchgeführt,

wiewohl

man

Grund hierzu wird Munitionsmangel und die zu große Entfernung angegeben.

Wenn

man

4. Januar den Feind dort , zwingen sucht,

und

aber nach der Disposition zum zum Feuern zu

wo er schweigt ,

dieses Auffordern wiederholt,

obgleich der

eben so hartnäckig bei seinem Schweigen verharrt, so

Feind

würde ein Theil dieser auf jene stummen Scharten verwendeten Munition vielleicht hingereicht haben, das Kanonenfeuer des Kavaliers zu dämpfen,

wodurch man

ungemein förderlich gewesen wäre.

dem Fortgange der Sappe Die Entfernung war über-

haupt nicht zu groß, wie es sich aus der Wirkung der an Kaliberleichtern Batterie Nr. 13 bald zeigte. ihre

Scharten

auf

der

Da die Belagerten

angegriffenen Front seit dem 2. nicht

mehr ausbeſſerten, so war es augenſcheinlich,

daß sie hier nicht

mehr Stich halten wollten , sie konnten aber wieder hierher zurück kehren, und deswegen mußten die Scharten im Auge behalten werden , allein einige Schüſſe auf dieſelben erſcheinen hinreichend , um zu zeigen, die

Belagerten

Indem auch

daß man sie noch bewache.

ihr System eben so beharrlich fest hielten, zog

sich die Sappenarbeit so sehr in die Länge. Durch das angenommene System hatte man die Belagerten zwingen

wollen,

die Kollateralwerke zu verlaſſen, und auf die

Angriffsfront zurück zu kehren, man erreichte aber dadurch nichts mehr, als eine Verzögerung der Sappenarbeit unter stets wachſenden Gefahren. geben und endlich doch,

zu

Daher hätte` man bei Zeiten das Syſtem aufeinem Unternehmen schreiten sollen,

wiewohl zu spät,

schreiten mußte :

wozu man

auf jeden Fall

würde man sich ein sehr lästiges Feuer vom Halse geschafft, den Sappenbau befördert, früher die Kollateralwerke verstummen gesehen haben , und hätte somit die Dauer der Belagerung abgefürzt. Am Besten erscheint es immer, von der Zeit an, als

138

man gezwungen worden war , cheminiren ,

auf das Bastion Scharfenec zu

eine tüchtige Batterie gegen den Kavalier zu etabli-

ren, und diese noch mehr vorwärts zu legen. Wenn die zu späte Erbauung der Batterie Nr. 13 hier gerügt worden ist , so muß doch auch zur Steuer der Wahrheit angeführt werden , daß das gewaltige Feuer des Kavaliers mit der Zeit immer mehr abnahm , und der Befehlshaber der Artillerie vielleicht Sorge trug, dessen gedämpftes Feuer durch eine frühere Anlage einer Batterie nicht wieder - aufkommen zu laſſen, wiewohl sich derselbe hierüber nicht ausspricht. Wiewohl das Nachlaſſen des Feuers des Kavaliers einer andern Ursache, als der Wirkung der Batterie Nr. 13 nach dem Journale zugeschrieben wird , so läßt sich noch eine andere bei dem hierauf eintretenden sehr gemäßigten Feuer aller Festungsgeschüße

angeben,

welche vielleicht vieles für sich haben darf,

nemlich : daß die Beſagungsartillerie nur noch jenen Angriff abgewartet habe, um sich sodann für überwunden zu halten. Es sind

Eingangs

dieſes die Gründe entwickelt worden,

welche die Belagerer bewogen , gerade diesen Theil der Festung anzugreifen.

Ob nun gleich in den Tagebüchern nicht entwickelt

worden ist, warum die 2te Parallele von der eigentlichen Richtung auf die Angriffsbastione so abweicht, und warum man die Sappenspitze auf den ausspringenden Winkel des gedeckten Weges vor dem Bastion Scharfeneck geführt hat,

endlich, warum man

ſich immer mehr links ziehend , einem Seitenfeuer sich aussette, anstatt sich demselben zu entziehen : zur Entschuldigung der Belagerer, genstand aufzuklären ,

so muß hier doch ,

weniger

als vielmehr, um diesen Ge-

angeführt werden , daß wohl die Lage der

ersten Parallele , welche schon am rechten Flügel mehr zurückgezogen ist, eine Folge der Gestaltung des Terrains war. Was man vielleicht früher nicht wahr der Eröffnung derselben.

genommen,

zeigte sich nach

Vor dem rechten Flügel, sowohl nach

der Festung als nach dem Elbarme zu, versenkte sich der Boden auf eine

außerordentliche

Weise ,

aus lauter Schutt bestehend.

1391

Deshalb

wurde

ein Vorgehen vom rechten Flügel wegen der

großen Beherrschung des Hauptwalles und Schloſſes, und wegen der Einsicht von der Angerschanze nicht nur sehr schwierig, sondern auch durch die nothwendig tiefer geführten Arbeiten in dem Mauerboden fast unmöglich.

Deshalb wollte man, mit Umge-

hung dieser Senkung erst aus der 2ten Parallele, wo sich das Terrain gegen den gedeckten Weg wieder zu heben begann, gegen das Schloßbastion vorgehen, was man aber aus den bei der 8. Nacht angezeigten Gründen völlig aufgeben mußte. Mitte der

Auf die

Angriffsfront oder den Place d'armes durfte man

des hier befindlichen Blockhauses wegen auch nicht vorgehen, und mehr rechts, als es geschehen, nicht aus den Gründen, die der Ingenieur zur übrig ,

7ten

Nacht angiebt,

und so blieb denn nichts

als die Sappe so zu führen, wie sie ausgeführt wurde,

besonders, als nach dem Einsehen in den gedeckten Weg die Erbauung einer Batterie nöthig erachtet ward,

die, um die ver-

schiedenen Zwecke zu erfüllen, keine andere Lage erhalten durfte, als die, welche die Batterie Nr. 12 erhielt. Dies sind nach der Meinung des Verfassers die Gründe, warum man sich bei dem Vorgehen der Sappe dem so lästigen Feuer in der linken Flanke nicht entzog, und vielmehr gezwungen wurde, sich demselben auszusehen.

Hierdurch wird aber der

Vorwurf noch mehr gerechtfertigt , disponible Feuer zur Dämpfung das früher schon nicht warum

dem

Belagerer

gemachte

oder Vernichtung jenes Flankenfeuers angewendet wurde ! Die Infanterie der Belagerer hat sich als gute Schüßen

nicht ausgezeichnet ; ihr Schießen war mehrentheils unsicher.

b.

Von Seiten der Belagerten.

Die frühern verunglückten

Unternehmungen

der Aliirten

auf die Festung hatten die Besatzung sorglos gemacht : daher die Möglichkeit, die erste Parallele so nahe und so unbemerkt anzu , legen. dieses

Der Besatzung des Krankenhauses insbesondere gereicht nicht zur Ehre ,

aber auch der ganzen Besatzung nicht.

140

Von dieser wurde hier , und mit Recht, gerühmt, Herr der Umgegend geblieben war. war es, der sie verhinderte, aufzugeben.

Wenn sie

daß sie stets

Nicht Mangel an Truppen

diesen Grundsatz auf einmal ganz

aber nicht gesonnen war,

das Terrain

ferner zu halten, mußte sie es doch jedenfalls durch Nachtposten, Patrouillen 2c. beobachten laſſen.

Die Angerschanze, vor jedem

Ueberfalle geschüßt, durfte wohl mit einem oder zwei Feldstücken armirt sein, oder hatte man gar nicht die Idee sie damit zu armiren, und kam erst durch die Fehler der Belagerer darauf ? Die Artillerie der Belagerten hat viel zu früh die angegriffene Front verlaſſen und später keinen Versuch gemacht, sich wieder auf derselben zu zeigen. Sie hat viel zu hoch geschossen und ihre Richtung wenig oder gar nicht gebeſſert , obgleich ihr das Schloß zur BeobachSie hat ferner tung der Schüsse die beste Gelegenheit darbot. keine Aufmerksamkeit auf die Anfertigung ihrer Hohlkugeln verwendet, was ihr

häufiges Blindgehen und lange Liegenbleiben

vor dem Krepiren zur Folge hatte.

Ihre Kartätschen von Ei-

ſenſtücken ( auch häufig von Blei ) haben nicht mehr Effekt gelei. stet, als gewöhnliche Kugeln.

Der Leuchtkugeln und Steine hat

sie sich gar nicht bedient. Die Scharten wurden

nur Anfangs,

ausgebessert,

weil

es

der Besagung

späterhin gar nicht

an Material dazu fehlte,

wiewohl die Ufer der Elbe mit dem schönsten Strauch ( der bekannten Elbweide ) bewachsen sind ,

das dem Belagerer die vorDa die Betrefflichsten Faschinen und Körbe geliefert hatte. satzung des Brückenkopfes ungestört blieb , der mit außerordent-

lich vielem Weidenstrauche umgeben war, so läßt sich wohl anneh men, daß die französische Artillerie vom Ausbessern der Schar ten wenig oder gar nichts hält. In der Angerschanze so wie in den Stadtwerken, den Kavalier

ausgenommen, fehlte

es an Behältnissen zur Aufbewah-

rung der Munition . Das Blockhaus im gedeckten Wege am Schloßthore, welches

141 die Belagerer so sehr fürchteten ,

wurde ihnen nicht so schädlich, als man besorgte, da es zu sehr zwischen Traversen steckte, und

nur

in

der

Absicht

erbaut zu ſein ſchien,

den Eingang zum

Schloßthore unter Feuer zu halten. Gegen das Ende der Belagerung schien die Besatzung allen Muth verloren zu haben. Während man die legte günstige Aufforderung zur Uebergabe trotzig zurück wies,

waren

in den

Werken keine Abschnitte vorhanden ; bei der Erstürmung wurden die Flanken nicht vertheidigt, und selbst die letzten Zufluchtsörter . in der Stadt, das Rathhaus und die Kaserne an der Schloßkirche entsprachen nicht den Erwartungen, die sich die Belagerer davon gemacht hatten. Das Schloß selbst, welches wohl die sicherste Zufluchtsstätte darbot, wurde nicht als solche benugt.

9.

Thatsachen, durch welche sich die Belagerung von Wittenberg

beſonders auszeichnet.

Eine vorangegangene strenge Blokade der Laufgräben stets günstig ;

ist

der Eröffnung

tägliche Allarmirungen

gewöhnen

die Truppen an einander und verleiten die Beſahung zur Sorglosigkeit. Die große Nähe der ersten Parallele verschafft dem Belagerer überwiegende Vortheile. Hier galt die erste Parallele vollständig als zweite. Die Anwendung des Enfilirens ist sehr vortheilhaft.

Das

unsichere Rikochettiren fand hier keine Anwendung. Stellung

der Batterien, um

mehrere Zwecke zugleich zu

vereinigen. Beim Mangel an Belagerungs - Geſchüß möchte dieses Verfahren besonders anzuempfehlen sein. Die Kurtine kann

zur Aufstellung aller Arten Geſchüße´ und Haubigen auf nebenliegenden

benutzt werden.

Kanonen

Kurtinen gestellt,

feuern aus schiefen Scharten ,

was bis dahin

regelwidrig war. Vielfacher Gebrauch der Kartätſchen in der Vertheidigung.

142

Beim Mangel gefüllt.

an Kugeln wurden die Büchsen mit Eiſenſtücken

Haubigen können , besonders wenn sie mit hohen Elevationen werfen, von außen ungesehen überall aufgestellt werden, und feuern ohne Scharten, wie in der Angerſchanze. Obgleich Mörser überhaupt ſchon ſchwer zu bekämpfen sind, so ist eine veränderte Aufstellung derselben in einer Festung, wo man die Entfernungen nach allen Richtungen genau kennt, zweckmäßig.

sehr

Indem der Gegner hierdurch getäuscht wird, ist er

auch nicht im Stande, ſich auf dieſelben einzuſchießen und ſie unDie Artillerie der Belagerten hat große schädlich zu machen. Vortheile daraus gezogen . Hierzu möchten sich indeß nur die kleinern Mörser mehr eignen. Die Anwendung kleiner Ladungen und hoher Elevation bei Haubigen saben die Belagerer zum erstenmale hier.

Ebenso die

Anwendung ganz kleiner Ladungen bei ganz flachem Bogen auf ganz kurze Entfernungen. wärtig

in

Die erstere Art zu werfen ist gegen-

der preuß. Artillerie vollendet ausgebildet ;

von der འ lettern wird man in Zukunft gewiß Anwendung machen. · Gegen die Sappe waren die flachen Granatwürfe die gefährlichſten Geschosse.

Diese vielfache Anwendung der Haubigen von Seiten

der französischen Artillerie zeigte eine genauere Kenntniß dieſer Geschützart, und machte sie für die Defension brauchbarer und bedeutsamer. Kleinere

Bomben,

aus

größeren Mörsern

Kammern geworfen, geben ganz gute Wirkung. machte man in einer Batterie diese Entdeckung. Der Gebrauch der bedeckten Mörserbatterie

bei

koniſchen

Ganz zufällig

ist hier mit

glücklichem Erfolge angewendet worden. Sie deckte Geſchüß und Mannschaft und wurde vergebens bekämpft, da auch der bald vorn bald hinten aufsteigende Dampf zu Trugſchlüſſen über ihre eigentliche Aufstellung verleitete. Die Vereinigung des ganzen Feuers auf die Sappenſpige

143

behindert die Arbeit ganz unmöglich.

außerordentlich

oder

macht sie zuweilen

Selten wurde eine Sappe in so schwierigem Boden, durch harten Frost verstärkt, geführt ; selten, vielleicht nie, ist eine Sappenspige so mitgenommen worden, als hier ! Gegen das Endè einer Belagerung ist Wurffeuer das einzige zweckmäßige und auch das wirksamste Vertheidigungsmittel. Es ist schwer oder gar nicht zu überwältigen. Belagerer

anrückt,

kämpft werden.

mit

Je

näher der

desto größerem Wurffeuer muß er be-

Schon in der Belagerung von Schweidnitz ver-

zweifelte le Fevre an der Möglichkeit, bei der großen Wirkung des Geschützes

der

Festung,

die Sappe weiter vor zu treiben.

In dieser Nähe erleidet man aber selbst Verlust durch die zurück fliegenden Stücke der Hohlkugeln. Selten ist eine

Bresch

oder Contrebatterie in einem zu

dieser Zeit noch so stark stattfindenden Feuer erbaut worden.. Geschickte Benutzung

der Fehler

des Gegners.

Dieſes

darf von der franzöſiſchen Artillerie gerühmt werden. Man muß kein Werk zu gering anschlagen.

Die unbedeu-

tende Angerschanze, Anfangs ohne Besatzung und Geſchüßbewaffnung, wurde später den Angriffsarbeiten außerordentlich lästig. Ein wohl

unterhaltenes

gut

gezieltes

ganzen Laufe der Belagerung, verstärkt terſtügt die Artillerie außerordentlich.

Gewehrfeuer,

Der franzöſiſchen Infan-

terie gebührt in dieser Hinsicht gerechtes Lob . theidigung des Krankenhauſes ,

im

die Defension und un-

Bei der Ver-

vom Schloſſe und von dem Ba-

stione Scharfeneck war ihr Feuer stets wohlgezielt und wirksam. Jede Entfernung von der schützenden Brustwehr in den Parallelen und Sappen mußte gebüßt werden. Beim Baue der Breſchbatterie war Niemand ſicher , in die Hand getroffen zu werden, wenn

er

diese beim Sezen der Körbe, Einschlagen der Pfähle

2c. unbedachtſam blos stellte. Die Versorgung der Batterien mit Munition mittelst Land-

144 *

fuhren zeigte ſich vortheilhaft, war beschleunigend und wenig unsicher. Unternehmung der

Belagerung in

einer so späten Jah-

reszeit.

den

Jnniges Zusammenwirken der Befehlshaber, wodurch einer andern ergänzte, wovon die Tagebücher mehrere nachah-

mungswerthe Beiſpiele aufbewahrt haben. Auch muß hier noch einer Thatsache Erwähnung geschehen, wenn sie auch Widerspruch finden möchte. Bis zur Belagerung von Wittenberg hatte der Ingenieur, fast ohne Ausnahme, das Oberkommando bei einer Belagerung, und nicht ohne Verwunderung sieht

man

bei Schweidnitz 1762 den Generaliſſimus der

Artillerie des großen Königs

unter einen Ingenieurmajor ge-

stellt, der sich nicht zurecht zu finden wußte.

Schon bei Ollmütz

durften die fertig erbauten Batterien nicht feuern, was sich bei Schweidnitz 2c. und neuerlich wieder bei Antwerpen wiederholte ; der Ingenieur ließ es nicht zu.

Andere Beiſpiele könnten hier

noch angeführt werden , welche erweisen , daß der Ingenieur mit Bei Wittenberg dem Artilleristen nicht übereinstimmen wollte. ſtand der

den

v. Bardeleben

Oberbefehl

der Artillerie führende Hauptmann

einem Ingenieurobersten gegenüber,

komman-

dirte aber trotz des nachher geschriebenen und anders lautenden Tagebuches des Ingenieurs völlig unabhängig und ſelbſtſtändig ; nicht ,

weil der

Oberst außer Reihe und Glied war , sondern

vermöge seiner Einsicht, Sachkenntniß und Intelligenz ; auch war er die eigentliche Seele des ganzen Unternehmens. Mag es auch früher gerechtfertigt worden sein, dem Inge-

nieur das Oberkommando zu lassen ,

die alles verändernde Zeit

fordert auch hierin eine Veränderung. Es ist hier nicht die Absicht, dem Ingenieur das Oberkommando wohl

aber

nehmen und es dem Artilleristen zuzuwenden, eine vollkommene Gleichstellung beider zu bewirken.

zu

Das Oberkommando muß nach wie vor dem Korpskommandeur verbleiben , weil dieser im zweckmäßigen Kommandiren und Be-

145 handeln des Soldaten ( worin selbst schon die Artillerie, die denselben sehr oft als Sache nimmt, Verstöße macht, ) ist.

mehr geübt

Auch ist zu erwarten , daß bei der bisher fortgeschrittenen

Bildung der fünftige Kommandirende des Belagerungskorps durch mehr Sachkenntniß auch noch auf andere Art in den allgemeinen Gang der Belagerung eingreifen werde, als zeither , wo bei der geschichtlichen Uebersicht einer solchen Unternehmung sein Name Soll aber das Unternehmen unge-

faum einmal genannt wurde.

hinderten Fortgang und ein glückliches Ende finden, so ist, außer der Entsagung aller herkömmlichen Rechte , Vorrechte und des Egoismus

jeder

von Seiten der Unterbefehlshaber, und

Art

außer der speziellen Kenntniß der Leistungsfähigkeit einer jeden Waffe auch noch Uebereinstimmung derselben vor allem nothwendig. Zu bedauern ist es aber, daß die verschiedenen Waffen bei ihren Schieß- und andern solchen Uehungen,

die einen Begriff

was sie zu leisten fähig seien , geben , einander nicht besuchen, welches schon bei den Friedensmanövern die nachtheiligsten Folgen erzeugt. Was nur die Artillerie betrifft, so ist diese von dem,

in einer so fortschreitenden Ausbildung begriffen , viele

ihrer eigenen Offiziere ,

daß ſich ſelbſt

wenn sie einige Jahre aus dem

praktischen Dienste entfernt waren , schwer wieder zurecht finden. Sie kann daher aus Büchern nicht erlernt werden. Bei einem Angriffe ist es aber gerade die genaueſte Kenntniß, der geschickte Gebrauch , die Anwendung und gute Leitung der Artillerie das, worauf Alles ankommt ! Der Kommandirende der Artillerie vor Wittenberg war im Besize der Eigenschaften dieser Art_im hohen Grade , und ihm und seiner Waffe muß man hauptsächlich diese glückliche Eroberung verdanken. Leztere hat

er

hier

aber zuerst von der Bevormundung

befreit und sie mündig gemacht, und dieses ist ein sehr wichtiger Dienst, welchen er ihr leistete.

Möge die Artillerie solchen dank―

bar anerkennen, aber auch für die Folge bewahren ! Endlich führten die Belagerer nur Krieg gegen den Feind und die Festungswerke, Vogel, Belagerung 2c.

und weder die Beschädigung noch Zer10

146 störung

der wehrlosen

Stadt lag

durchaus

nicht

in

ihrer

Absicht. 1 Bei der Schilderung dieser Eroberung darf man das Verhalten der Truppen nicht unerwähut lassen.

Jeder Belagerungs-

dienst fordert viel größere Anstrengungen und Entbehrungen von denselben, als der Felddienst. Bei einem forcirten Angriffe dieser Art werden aber die Kräfte der Menschen ungewöhnlich angestrengt, und bei nicht zureichender Anzahl der Mannschaft steigern Bei der Jugend sich die Anforderungen bedeutend an dieselbe. des Soldaten

und

der

kalten Witterung fordern solche großen

Anstrengungen auch verstärkte Portionen nahrhafter Lebensmittel, damit der Soldat nicht kraftlos werde, oder bald erliege.

Bei Wittenberg mehrte sich der tägliche Dienst bei allen Waffen in außerordentlichem Grade.

Bei den weitläuftigen Kantonirungen kamen die Leute zuletzt gar nicht mehr zur Ruhe, und bei dem Mangel an Ablösungen nicht mehr aus dem Dienſte. Auf die gewöhnlichen Säße der gelieferten Lebensmittel nur angewiesen, würde sich, bei der dürftigen Bekleidung in der rauhen Witterung, der Dienststand des schwachen Häufleins der Preußen, trog der kurzen Dauer der Belagerung , sehr vermindert haben, hätte nicht die allgemeine Zuversicht in das sichere Gelingen der Unternehmung den Eifer der Soldaten in der Ausdauer und Hingebung erhalten. In Unerschrockenheit und Muth gingen den Truppen der kommandirende General v. Dobschütz und seine sämmtlichen Unterbefehlshaber voran, wie es die Tagebücher nachweisen, und dieses erzeugte jenen edlen Wetteifer, ihnen nachzukommen und einander zu übertreffen , der sich bei dieser Eroberung unter allen Umständen bewährte, und jedenfalls zu dem 1 glücklichen

Ende derselben viel beitrug.

10.

Anmerkungen.

1) Damit die beiden Fähren bei Luthersbrunnen in unaufhörlicher Thätigkeit verbleiben könnten, und nie eine Stockung

147 durch Anhäufung

der Führwerke

daselbst stationirten

Offiziere

entstehen möchte, wurde dem

eine

Abtheilung Kavallerie zur

Verfügung gestellt, mit welcher derselbe, da es sich nicht auf anderem Wege thun

ließ,

Nachts überfallen ließ,

bald

dieses

bald jenes der Elbdörfer

deren männliche des Schiffens kundige

Einwohner nach den Fähren gebracht nach 36 Stunden durch andere abgelöset wurden. stand ,

Die Ueberfahrt sowohl , als der Um-

daß die Fuhrwerke ohne Beihülfe von Mannſchaft bei

dem morastigen Boden an den Ufern nicht fortzubringen waren, strengte die Leute ſo an, daß sie bald erlagen , und immer durch neue ergänzt werden mußten. Hier

geschah

es, daß

eines jener bei Torgau ersäuften

Pferde sich beim Anschwemmen an den Ast eines im Flußbette befindlichen Baumes

( womit leider heut noch die Elbe angefüllt

ist, was ihre Beschiffung so unsicher macht, ) anhing, `welches sehr ·bald Veranlassung zu einer Sandbank,

und nach einigen Tagen

zu einer Insel wurde, die, weil sie durch ihre Vergrößerung in die Linie der Fähren kam, unsägliche Mühe zu ihrer Beseitigung, obwohl völlig vergebens, verursachte, beiden Ufern zu erbauen nöthigte.

2) jekte,

Der

obwohl

und andere Anfahrten an

durch seinen Erfindungsgeist und unzählige Proauch

kannte Hauptmann

durch einige sehr nützliche Erfindungen, beC. v . Neander befand sich zu jener Zeit

auf dem Luthersbrunnen,

und

übte das Ste Reſerve-Regiment

im Sturmlaufen ein, wobei ein Elbarm als Festungsgraben benugt wurde.

Neander beabsichtigte mittelst einer Tonnenbrücke

einen Grabenübergang am Baſtion Grammatika, da, wo die faule Bache über den Festungsgraben geführt ist, es

ist

aber noch sehr die Frage,

zu bewerkstelligen,

ob fein Unternehmen geglückt

wäre.

Die Einrichtung seiner Brücke ist übrigens aus Hoyers Geschichte der Kriegskunst genau zu ersehen. · Wenn auch davon

kein Gebrauch gemacht wurde ,

da die Kälte die Gräben über-

brückte, so kann man doch annehmen, daß durch die viele Ein10 *

148 dieses Regiments

übung

ein Wallerstürmen

durch dasselbe nie

vergeblich gewesen wäre. Da der Hauptmann v. Neander eine besondere Erlaubniß des kommandirenden Generals, sowohl hierzu, als zu einer Art von Höllenmaschine zum Zerstören der Brücke , von welcher in Rede und Schrift damals und nachher viele Erwähnung geschehen iſt, besaß, so ließ ihn der General v. Dobschüß , von der Unſchädlichkeit der Maschine vielleicht überzeugt, ungestört gewähren, auch wurde sie ohne Erfolg angewendet.

Sonst war es ſeit dem ei-

gentlichen Beginne der Belagerung der feste Wille dieses Generals, der auch von seinen Oberoffizieren unverbrüchlich gehalten wurde,

nichts gegen den Brückenkopf zu unternehmen,

um die

Besagung zur Schonung und Erhaltung der kostbaren Brücke zu bestimmen.

In stillschweigender Anerkennung dafür unternahm

dagegen auch die Besatzung nichts gegen die Batterie Nr. 1 und die Fähren am Luthersbrunnen ,

obgleich das bewachsene linke

Ufer jede Unternehmung vom Brückenkopfe sehr begünſtigt hätte. * 3) Am 6. Januar war der Verf. in der Batterie Nr. 1 , aus

welcher

mit

3

12pfdern

und

300 Kugelschüssen die

Palliſaden in der Kehle der Angerschanze niedergeſchoſſen - werden sollten.

Der Feind errieth die Absicht, und suchte die Besatzung

der Schanze um etwa 50 Mann am hellen Tage vom Elbthore her zu verstärken. den Anger ankamen,

Man sah den Franzosen , die zerstreut über die Verlegenheit an,

durch die Schußlinie

in die Schanze zu gelangen, und dieses erfolgte einzeln im ſtarten Laufe in verschiedenen Pausen, wobei es, merkwürdig genug, nicht möglich war, aus Nr. 1 auch nur einen Mann zufällig zu tödten , da man sich streng nur an das Niederschießen der Pallisaden hielt, das Feuer nicht auf einzelne Leute zersplittern wollte, und keine Kartätschbüchsen besaß. Drei Schartengeschüße vermögen bei einer sorgfältigen Richtung nicht so schnell Schuß auf Schuß abzugeben, daß ihre Schußlinie nicht auf Momente paſſirt werden könnte. Obwohl die sächsischen 12pfder schon sehr genau schießen, so bleibt es doch bemerkenswerth , wie sehr sich einzelne

·

149 +-

Leute mit einem Geſchütze einſchießen konnten, während Andere dies gar nicht vermochten , obwohl das Richten einer Kanone so sehr kunstlos ist.

Der Unteroffizier Beckmann und Bombardier

Zank leisteten mit ihren Kanonen alles Mögliche. Der leztere übertraf hierin allen Glauben, denn er schoß jeden ihm bezeichneten Stumpf einer Pallisade mit seiner äußerlich sehr verlegten Kanone, ohne Visir und Korn, weg, und gab außerdem folgende Probe seiner Geschicklichkeit.

Als der französische Offizier, wel-

cher die Verstärkung nach der Schanze geführt hatte, noch immer in deren Nähe sein Pferd tummelte , nachdem seine Leute bereits geborgen waren , und am Ende die Absicht hatte, diesen nachzufolgen, was möglichenfalls der Batterie zur Unehre gereicht haben würde, erhielt Zank im Vertrauen auf seine erworbene Kunst den Auftrag, denselben zu verjagen, ohne ihn jedoch zu Zank schlug selbst vor, dem Offiziere den dreieckigen tödten. Hut vom Kopfe zu schießen, und — that es ! worauf das Pferd durchging, und seinen Reiter nach dem Elbthore brachte. Die dritte Kanone gab, auch von den beiden Scharfschüßen gerichtet, nur wenige Treffer. Als

es schon dunkel geworden war,

erſchien plöglich der

Oberst v . Plauzen , Befehlshaber der Ingenieure, in der Schußlinie unmittelbar an der Schanze, weniger, um die Wirkung der Geſchüße zu erforschen , als vielmehr , um unbemerkt sich persönlich zu überzeugen , was die verstärkte Besagung der Schanze, die sich gar nicht blicken ließ, wohl begonnen haben möge.

Die-

ser eben so einsichtsvolle als außerordentlich brave Offizier verdankte hier die Erhaltung seines Lebens nur der besondern Art von Pelzmüße, die er trug, und an welcher er zufällig noch vor dem Abfeuern wurde.

der auf ihn gerichtet gewesenen Kanone erkannt

4) Die Eisdecke des Festungsgrabens vor der Spitze des Bastions Scharfeneck war so stark, daß sie die ganze Masse der Sturmkolonne trug. Höhe des

Walles

Ein Tambour war hier der Erſte, der die erkletterte,

und gleich Gebrauch von seiner

$ 150 Trommel machte, deren Töne mit einem allgemeinen Hurrah ! der Dieses gab das Eignal zur Flucht

Kolonne erwiedert wurden. von

der Besatzung

den Wällen,

die

durch das fortdauernde

gejagten Rehen

Hurrahrufen aufgescheucht ,

überall die

gleich ,

hohen Wallgänge herabsprang , um nach der Stadt zu kommen, so daß nur wenige derselben von den Stürmenden ereilt werden konnten, während

von diesen

einer dem andern auf den Wall

half, da keiner der Lette sein wollte.

Nirgends fand sich eine

Der Offizier der Breschbatterie war

Spur des Widerstandes.

dadurch auch aller ihm gewordenen Aufträge von selbst entbunden, aber er fand unweit des Kavaliers eine völlig ausgerüstete aufgeprogte Kanone kleinen Kalibers , an die er sich mit ſeinen in der Meinung , daß solche in der

Wenigen vorspannte ,

Stadt selbst gute Dienste leisten könnte, aber die Kräfte reichten und er mußte sie später stehen lassen.

nicht auf die Dauer zu ,

Vielleicht hätte ein einziger Schuß aus derselben

genügt ,

die

Besatzung der Kaserne an der Schloßkirche von ihrem vergeblichen Widerstande zu belehren , und vielen braven Preußen das Leben zu erhalten. Der Eingang zu dieser Kaserne war palliſadirt, und die Landwehr hieb unter dem fürchterlichsten Feuer der feindlichen Infanterie aus den Fenstern und Schießscharten die' Palliſaden um.

Hier erlitten die Belagerer einen großen Verlust an Men-

ſchen ! Dieser wäre noch größer geworden, hätten nicht die Franzosen

innerhalb

einen

unvermutheten Feind erhalten,

der ihre

Verlegenheit noch mehrte , und sie plöglich von einer verzweifelten Vertheidigung zur Kapitulation beſtimmte. Es waren die Offiziere der Verbündeten,

welche der Gouverneur,

als er die

Gemeinen und Unteroffiziere entlassen hatte, noch länger gefangen behielt, und

feitdem

hart und

unwürdig behandelte , die ihre

Befreiungsstunde ahnend , hervorbrachen , und unaufhaltſám die Pforten des Thores öffneten. Es erfolgte nun eine ergreifende Scene. nen

Während die Landwehrleute über das plögliche Erschei-

dieser

Männer

in

den verschiedenartigsten Uniformen und

151

Anzügen und ihre Absichten stugten , fielen diese über sie her, herzten , füßten und liebkoseten ihre Befreier , und suchten ihnen´ ihre Freude auf die ungebundenſte Art auszudrücken.

Auch hier

sah man die Leute ihre Werte auf Augenblicke niederlegen , und ein oder das andere beſſere Bekleidungsstück eines Gefallenèn, besonders Schuhe, schnell wechseln. 5) Als die vierte Sturmkolonne am Bastion Grammatika drei Kartätſchſchüſſe von der rechten Flanke des Kavalierbaſtions erhielt , und deshalb umkehrte , war dennoch ein junger Fähnrich furchtlos die Brustwehr hinauf gestiegen ,

von welcher derselbe

anfragte: ob ihm denn Niemand nachfolgen wolle?

Seine Auf-

forderung erzeugte dennoch keinen Nacheifer , und er sah sich ge= So nöthigt, herabzusteigen , und der Kolonne nachzufolgen. mächtig wirkte der erste Schrecken auf diese! 6) Der Gouverneur hatte am 9. Januar den Parlamentair Damit abgefertigt: „Man könne, bevor Bresche geschossen worden, sich auf Nichts einlaſſen."

Die Meinung der franzöſiſchen Offiz

ziere der Besatzung war auch am 12. allgemein die, daß den folgenden Tag , wenn eine Bresche geschossen worden wäre , kapiHoffentlich wird es Interesse gewähren, tulirt werden würde. dasjenige , was ein sehr wohl unterrichteter, dem Magistrate von Wittenberg angehöriger Mann in seinem Tagebuche

über

die

Vorgänge beim Sturm aufgezeichnet hat , kennen zu lernen , da sowohl von der Stadt oder einem ihrer Einwohner , als auch, so viel bekannt geworden ' ist , von Seiten der franzöſiſchen Behörden hierüber und die Belagerung von Wittenberg noch nichts veröffentlicht worden ist : „ Das Geſchüßfeuer hatte nachgelaſſen , es trat eine Stille ein, worauf viel mit dem kleinen Gewehre geschossen wurde.

Bald

darauf klopfte es an der Stubenthür, und die beiden holländischen Hauptleute Pfeiffer und Noelsen , welche bei mir im Quartiere lagen , standen zitternd vor mir : der Stadt!" ßen ,

,,Die Preußen sind schon in

Bald hörten wir Schuß auf Schuß in den Stra-

das Geschrei der Stürmenden , und das ängstliche Gebrüll

152

der Verfolgten.

In den Straßen ward an die Häuſer geſchlagen,

die Thüren aufgesprengt.

Bei uns waren schon mehrere Trupps

gewesen, hatten aber die feste Thür nicht aufsprengen können, aus den obern Stuben hörten wir aber , daß in den offenen Häusern nichts gethan, sondern nur nach Franzosen gefragt ward, was uns sehr beruhigte.

Als wieder ein Trupp an die Thür

donnerte , öffnete ich sie.

Sechs preußische Soldaten von der

Landwehr drangen ein, sagten uns, wir sollten ohne Furcht sein, ſie wollten blos die Offiziere haben, die hier im Quartiere lägen. Nun waren wir beruhigt, und ließzen die Frauenzimmer aus dem Souterrain hervorkommen. Die sechs Mann betrugen sich musterhaft , behandelten die holländischen Offiziere ſehr gut , und verlangten von uns nichts, als Brot und Branntwein." ,,Da es nun auch auf den Straßen ruhiger geworden war, hielt ich es für Pflicht, um für das Allgemeine nüßen zu können, nach der Seſſionsstube zu gehen. Ein Soldat brachte mich unter dem fürchterlichsten Schießen und Schreien glücklich dahin. Das Rathhaus hatte sich schon ergeben , auf dem Markte und in den Straßen war aber ein schreckliches Getümmel. Thüren und Fenster wurden eingeschlagen , und in den Häusern nach Franzosen Dieses Wesen dauerte so lange , bis es Tag wurde. Sowie es Tag ward , kehrte auch mehr Ordnung zurück ; der

gesucht.

General von Dobschüß sorgte nun für Ruhe , das Schießen in den Straßen mußte aufhören, und viele Truppen abmarschiren." So war Wittenberg frei . Der Verlust der Preußen ist nicht bedeutend gewesen , da die Gegenwehr nur schwach war. Die Franzosen waren schlecht auf ihrer Hut gewesen , hatten sich durch das, den ganzen Tag bis gegen 1 Uhr dauernde fürchterliche Kanonen = und Bombenfeuer einschläfern lassen , und geglaubt, heute würde Bresche geschossen , und morgen kapitulirt werden. Der Stadtgraben war rings herum fest zugefroren, das Aufeiſen konnte bei der strengen Kälte nichts mehr.helfen, und am Schloßthore hatte man es wegen des Feuers der Preußen gar nicht

153

wagen dürfen. Infanterie war gar nicht auf den Wällen , blos im Schlosse waren die Grenadier- und Voltigeur - Kompagnien, ſowie die Marine - Handwerker und Sapeurs in den Thürmen und dem Schlosse vertheilt. Die Kanonen sollten zwar von den Artilleristen besetzt sein , waren es aber schlecht , und die Leute waren ermüdet durch den täglichen scharfen Dienst, muthlos, verhungert und erfroren." ,,Die Sturmkolonnen fanden bei dem Ersteigen des Walles, drei Kartätschschüsse ausgenommen , wenig Widerstand.

Als die

Kolonne an der Angriffsfront den Wall erstieg , auf dem gar keine Infanterie stand , wurde ihr blos das Feuer aus dem Schloſſe und den Schloßthürmen ſchädlich.` Sie theilte sich nun ; der stärkere Theil umringte das Schloß und wollte es forciren, als der Gouverneur Chamade schlagen ließ und sich ergab.

Der

andere Theil dieſer Kolonne ging nach dem Elbthore, und sprengte es von Innen nach Außen , während die andern Kolonnen das Elbthor von vorn nahmen.

Der Offizier der Wache ergab sich

Die vereinigten Kolonnen hier , ohne einen Schuß zu thun. marschirten nun nach dem Markte und Rathhause. Lehteres war unterhalb ganz zugemauert mit nur einem Eingange versehen, der durch eine starke Thür mit einer Bormauer verwahrt wurde. Hier hatte sich der übrige Theil der Infanterie mit dem RegiEs fielen nur ments - Kommandeur Imbert hineingeworfen. einige Hundert Schüsse von beiden Seiten , als Imbert auch kapitulirte, und sich mit Allen zu Gefangenen ergab. Nun vertheilten sich die Preußen in der Stadt zum Aufſuchen der einzelnen Franzosen , und besonders der Offiziere , bei welcher Ge-legenheit denn viele Schüsse in die Häuser fielen , Thüren eingeschlagen wurden 2c.

Der Gouverneur ,

der Ingenieur

des

Plages und andere Staabsoffiziere wurden in der alten Sakriſtei des Schlosses gefangen. Der Lärm und die Unordnung dauerten bis gegen 7 Uhr früh , als der General v. Dobschüß in die Stadt kam , und durch strenge Maßregeln die Ordnung wieder herstellte, was denn auch bald erfolgte.”

154 Die Wahrheitsliebe und Freimüthigkeit, welche den Verfaſſer bei der Mittheilung aller Nachrichten in möglichster Vollständigkeit bisher leitete, gestattet ihm nicht, hier abzubrechen, bevor er nicht das in vorstehender Schilderung berührte Verhalten der preußiſchen Truppen, das er als Augenzeuge lange Zeit beobachtet hatte, mit einigen Worten erläutert hat, da es ihm darum zu thun iſt, dieselben vor jeder üblen Nachrede für die Zukunft zu sichern. Die Truppen, welche durch die glückliche Erftürmung bereits in große Aufregung gekommen waren , wurden durch die ihnen, gleichviel ob auf Befehl oder ſtillſtweigend, gestattete Nachſuchung nach Franzosen in den Bürgerhäusern noch aufgeregter , und bei dem Widerstande oder der Unbereitwilligkeit beim Oeffnen mehrerer Häuser wurden sie dadurch auch gereizt.

Bei dieser Auf-

wallung wurde ihnen der überall zuvorkommend gereichte Branntwein doppelt schädlich , da der hungrige , nüchterne, ausgefrorne Mann mehr davon zu sich nahm , als ihm gut bekam , und in diesem Zustande zur Unordnung geneigt wurde. Als der Feind völlig unschädlich gemacht worden war , lief die Infanterie eine Zeitlang in den Straßen und auf dem Markte hin und her , um sich zu erwärmen , denn es war sehr kalt, und wie es schon angedeutet worden ist, war der Soldat sehr dürftig gekleidet.

Die Truppen hätten nun versammelt und über sie

irgend disponirt werden sollen; das geschah aber nicht , sie verblieben vielmehr in diesem Zustande bis zum Morgen.

In dieser

Zeit fehlte es nicht an Anreizungen durch viele Einheimische, die, vielleicht nicht ohne Eigennut, sich immer von Neuem einfanden, um den Truppen anzuzeigen, wo noch franzöſiſches Eigenthum zu finden sei, wobei sie sich zu Führern erboten, wie es Verf. genau weiß, der selbst auf diese Art zum Ankaufe eines Offizierpferdes gelangte.

Das jedesmalige Auffinden von solchem Eigenthume

gab dann immer neue Anregungen zu fernern Nachsuchungen, die dadurch kein Ende fanden.

Bei der großen Kälte und durch die vorangegangenen Anstrengungen ermüdet , zogen es viele Soldaten vor , auch unein-

155 geladen , lieber in den Häusern , als auf der Straße zu bleiben, und Andere wurden bei der großen Gutmüthigkeit oder Neugier der Einwohner in die Häuser eingeladen , um auch durch sie andere Eindringlinge abzuhalten.

So kam es denn , daß sich

viele Soldaten in die Wohnungen der Bürger verliefen , wo sie bei dem großen Bedürfniſſe nach Ruhe ,

besonders bei einem

warmen Ofen, sehr bald in tiefen Schlaf verfielen, weshalb eine Infanterie = Kompagnie erst am Mittage vollständig wieder zusammengebracht werden könnte. Auf der andern Seite verbreitete sich die Nachricht von der Einnahme der Festung mit Bligesschnelle in der Umgegend , und sowohl die Domeſtikencorps der Belagerungstruppen , die in allen Armeen den eigentlichen fechtenden Soldaten an Induſtrie jeder Art bekanntlich weit übertreffen ,

als auch eine Menge Gesindels der

Gegend, die ihre Absicht nach Beutemachen unverholen aussprachen, ſtrömten , Anfangs durch keine Thorwachen gehindert , nach der Stadt, und mehrten die Unordnung in derselben, durch die Dunkelheit der Nacht begünstigt.

Auch iſt es bekannt, daß Unbefugte

vom Lande Hand an die Getreidevorräthe gelegt hatten. Wenn unter diesen Umständen große Ercesse begangen worden wären, so würde es Niemanden verwundern können . fielen indessen solche nicht vor;

Es

kein Uebermuth oder Muthwille

wurde verübt, Niemand gemißhandelt , noch weniger am Leibe oder Leben beschädigt, weder von der kriegsgefangenen Besatzung, noch von den Bürgern , und es könnten hier einzelne Züge des preußischen Volkscharakters der Pommern, Schlesier und Märker berichtet werden , welche erweisen würden, mit welcher Mäßigung sich diese unter den angezeigten Umständen benommen "hatten. Jedenfalls muß man sich in die Stimmung der damaligen Zeit denken , um dieses gehörig zu würdigen. Die Stadt Wittenberg war noch eine feindliche, und stand wegen ihrer willigen Fügung in das feindliche Interesse bei den Soldaten des Belagerungscorps in dem Rufe , franzöſiſch gesinnt zu sein. Die Besatzung hatte aber oft genug ihren Uebermuth an den Tag gelegt gehabt,

156

und durfte nicht diejenige Schonung erwarten ,

die ihr wurde.

Der Gouverneur endlich war zwar ein braver Soldat , der die verschiedenartigsten Nationalitäten seiner Besatzung

in eine zu

vereinigen, sie an seine und seines Kaisers Sache zu fesseln, und seinen Feinden zu imponiren verstand , aber er war blos guter Soldat im Dienste ſeines Kaisers, ohne solche Rücksichten beobachtet, und Eigenschaften entwickelt zu haben , durch die er auf eine besondere, auf Hochachtung gegründete ehrende Behandlung Anspruch machen konnte.

Es ist auch zu erwarten, daß die kriegs-

gefangene Besatzung mit dem ihr gewordenen Loose nicht unzufrieden gewesen sein wird .

Bei dem Ganzen ist nur zu bedauern,

daß nicht gleich nach der Erſtürmung für die Sicherheit des Besitzes und des Eigenthums, und damit auch zur Erhaltung des guten Rufes der Truppen, bei welchen auch bei den besten niemals Gelegenheit zur Unordnung geboten werden darf, weil sie die Disciplin untergräbt , solche Anordnungen getroffen wurden, die den Bürger von allen unnöthigen Plackereien , welche denselben mit Besorgniß und Widerwillen erfüllten, befreien mußten. 7)

Als die Belagerung begonnen hatte ,

und die ersten

Batterien zu spielen anfingen , ertheilte man dieser Art des Angriffs allgemeines Lob in der Stadt , und prophezeite genau die Zeit, wie lange sich die Festung bei einem solchen Angriffe nur zu halten vermögen würde.

Man erwartete, daß ein Unternehmen

auf Kunst und Wissenschaft gegründet , die Stadt unmöglich in solche Gefahr bringen könnte, als das legte grausame Bombardement.

In der That war es seit dem Bestehen Wittenbergs das

erstemal, daß es der Ehre gewürdigt wurde, regelmäßig belagert zu werden ; denn auch die sogenannte Belagerung Kaiser Karls V. war nichts anders, als ein rohes Bombardement, das Morig von Sachsen der Stadt, in welcher er sich unmittelbar nach der Einnahme als Landesherr huldigen ließ, gewiß erspart haben würde, wenn er einen andern Weg zu deren Besitze gekannt hätte. Man entschuldigte daher die vielen , schon Anfangs in die Stadt gekommenen Geſchoſſe gern als zufällige und unvermeidliche,

157 indem man es anerkannte , daß die Preußen blos die Wälle bekämpften und kein Bombardement bezweckten.

Indeſſen führte

die Richtung aller links in den Parallelen gelegenen Batterien auf die Stadt, und jeder zu hohe Kanonenschuß , jede zu weit gegangene Granate oder Bombe , so wie bei dem außerordentlich schmalen Wallgange jeder

etwas

rechts gegangene Schuß der

Batterie Nr. 1 mußte nothwendig die Häuser treffen beschädigen.

und sie

Auf diese Art litten die Häuſer am Schloßthore

bis zur Mitte der Coswiger Straße sehr, und einzelne Geſchoſſe gingen sogar bis zum Markte und über denselben hinaus .

Selbst

Gewehrkugeln wurden gefährlich, da durch eine derselben eine Frau auf dem Markte durch den Kopf geschossen wurde.

Eine Bombe

schlug das ganze Haus durch, und verwundete drei Menschen im Keller.

Im Ganzen wurden von den Einwohnern vier Menſchen

getödtet und gegen 15 verwundet.

Der Verlust der Besatzung

war beträchtlich, besonders unter den Artilleristen und Offizieren, und auch der Gouverneur wurde durch eine Granate verwundet. An einigen Stellen war zwar Brand erregt worden , der jedoch meiſt bald gelöſcht wurde ; nur zwei Häuſer und ein Stallgebäude brannten völlig nieder , auch wurde die Schloßkirche , welche absichtlich mit Bomben beworfen worden war , sehr beschädigt , und ihre Orgel durch eine 50pfdige Bombe ganz zertrümmert. 8) Alle Verwundeten der französischen Armee aus der Umgegend wurden nach Wittenberg gebracht, und die Zahl der Kranken blieb stets sehr beträchtlich. - Die Ueberreste der großen Armee aus Rußland hatten auch hier den Typhus eingeschleppt , das schöne geräumige Krankenhaus vor dem Schloßthore , deſſen Erbauung 14000 Thlr. gekostet hatte , diente indeß dazu , die Verbreitung dieser Seuche sehr zu beschränken. Während des Jahres 1813 verlor Wittenberg 27 Bürgerhäuser, 23 öffentliche Gebäude und 253 Häuser in den Vorſtädten, die sämmtlich niederbrannten ; 7 öffentliche Gebäude und 43 Häuser wurden total ruinirt, und die übrigen 258 Häuser waren durch das Bombardement so beschädigt, daß man kaum 10 Häuſer

158

unter ihnen auffinden fonnte, die nur mehr oder weniger gelitten hatten.

Außerdem waren alle nur entbehrlichen Hinter- und Seitengebäude zum Holzbedarfe für die Hospitäler, Wachen, Kasernen 2c. niedergerissen und verbrannt worden. Durch die Anfangs angezeigte, außerordentlich starke Einquartirung , den Stillstand allen Gewerbes und diesen Häuserverlust war der Wohlstand der Stadt auf viele Jahre um so mehr untergraben worden, als auch ihre Hochschule seitdem nicht wieder in ihre Mauern zurückkehrte.

11. Bau der sogenannten Breſchbatterie vor Wittenberg. So gering an sich auch der Bau einer Batterie im Verhältnisse des Ganzen bei einer Belagerung scheinen mag , so erscheint er doch auch wiederum in einem speziellen Falle, wo derselbe unter besonders schwierigen Umständen ausgeführt wurde, von Interesse , und Verf. hatte es daher der Mühe werth gehalten , schon vor Jahren die näheren Umstände , so weit sie das Gedächtniß noch behalten hatte , aufzuzeichnen , solche den beiden andern zum Bau kommandirten Offizieren mitzutheilen, und theilt das Ganze mit deren Bemerkungen eingeschaltet hier mit. Im Frieden führt man dergleichen Bauten mit Leichtigkeit und gefahrlos aus , da man hierzu ftets genügende Anweisungen, ein fertiges Emplacement und selten schwierigen Boden findet, und von keiner Störung des feindlichen Feuers behindert wird. Damals fehlten solche Anweisungen und Vorübungen.

Die Er-

bauer waren junge , obwohl im Batteriebaue bereits vielgeübte Offiziere, die ohne weitere besondere Instruction für diesen Zweck ans Werk gingen , nachdem sie sich die Lokalität angesehen und schnell überlegt hatten, wie das Werk am Besten anzufangen und am Schnellsten auszuführen sei. In sehr vielen Fällen würde man eine vollendete Arbeit

ganz anders beginnen, wenn man sie noch einmal ausführen sollte ; mit dem reiferen Berstande und der Ueberlegung späterer Jahre würde man aber dieselbe Sache noch von einer andern Seite

159 aufgefaßt , und die Arbeit noch anders vollendet haben.

Dieses

findet auch auf den in Rede stehenden Bau Anwendung, weshalb die Erbauer eine billige Beurtheilung ihres Verfahrens erwarten müssen.

Belehrend bleibt es dennoch, von diesem Baue Kenntniß zu nehmen, theils weil solche Beschreibungen selten oder gar nicht zu finden sind , theils weil die Kenntniß davon den mit dem Batteriebaue bereits Vertrauten in künftigen ähnlichen Fällen vor Irrthümern mehr bewahren , ihm zur beſſern Einsicht, Beurtheilung und Anpassung in dergleichen Verhältnissen dienen, und alsdann auch nicht so viel Lehrgeld abfordern wird . Detaillirte Berichte einzelner Begebenheiten dienen überhaupt zur größeren Aufklärung des Ganzen , indem sie es mehr zerlegen , und je mehr derselben vorhanden sind , je vielseitiger sie den Gegenstand beleuchten , desto mehr wird auch die Sache von allen Seiten aufgeklärt. -

Mit den vortrefflichen Tagebüchern von dieser Belagerung und dem Plane des Angriffs in der Hand findet man sich heút auf dem Terrain nicht mehr zurecht : alles ist verändert, geebnet, verglichen ! Wo damals bedeutende Ruinen einer Vorstadt , ein tiefer Grund mit steilem Rande gegen den Elbanger sich zeigte, findet man jetzt einen ebenen Ererzierplag für die Garniſon, und begreift nicht, warum der Belagerer die Sappe auf das Baſtion Scharfeneck geführt , und sich dadurch einem gewaltigen Seitenfeuer ausgesetzt habe! So verhält es sich auch mit der chemaligen Baustelle der Batterie , welche jezt eine schöne Baumpflanzung deckt, nachdem das Glacis völlig verglichen, und die Straße davon abgerückt worden iſt. Auch aus diesem Gesichtspunkte erscheint endlich eine Beſchreibung nicht unnöthig , weil durch dieselbe einige Irrthümer jener Tagebücher . berichtigt werden sollen , wovon folgende die vorzüglichsten sind :

1 ) das Emplacement für die Batterie , das der Ingenieur mit einer Traverse völlig hergestellt haben wollte, war so gut, wie gar nicht vorhanden ;

160 2) die Batterie enthielt nicht drei, sondern nur zwei Geschütze ; 3) sie wurde eine erhöhte. Verf. hat sonst in diesen Bericht viele Einzelnheiten aufgenommen , die zwar älteren Offizieren als überflüſſig erscheinen können, die aber den jüngeren zeigen sollen, wie sich so Manches in der Wirklichkeit anders stellt, als man es wohl glaubt.

Man tadelte es, daß die Batterie eine Breschbatterie genannt worden ist , hat wohl auch verlauten laſſen , daß sie überhaupt überflüssig gewesen sei. Was den ersten Vorwurf anbetrifft, so ist wirklich keine Bresche geschossen worden , zum eigentlichen Brescheschießen . war keine Breschbatterie nöthig, und Bresche zu schießzen war überhaupt gar nicht die Absicht. Da jedoch die Batterie einen Namen erhalten muß, so möge man sie anstatt Breschbatterie : DemontirContre- oder eine Zerstörungsbatterie überhaupt nennen. So wie der ganze hier geführte Angriff nicht nach der bis dahin bei uns geltenden eingezwängten Manier beurtheilt werden darf, so darf es auch nicht dieſe Batterie.

Ebenso ist es gewiß,

daß die Belagerer nicht daran dachten, durch die Art ihres Angriffes eine neue Methode oder Manier aufzustellen , und deſſen glorreiches Ende durch eine scheinbare Breschbatterie zu beſchließzen ! Mit Beharrlichkeit erblickt man die Belagerer das vorgesteckte Ziel verfolgen , ohne sich durch die unerwarteten Hinderniſſe abschrecken zu lassen. Angriffsfront

Seit vielen Tagen waren die Kanonen der

verstummt ,

und

die

stummen Scharten wurden

dennoch täglich von Zeit zu Zeit beschossen.

Durch diese Con-

sequenz wurde der Belagerte abgehalten , sich je wieder hinter diesen Scharten blicken zu lassen. Zu gleicher Consequenz muß man die Nothwendigkeit dieser Batterie rechnen. Die hohe Lage des gedeckten Weges gegen die Tiefe des Terrains , auf dem der Angriff geführt wurde , erforderte zulegt nothwendig eine Einsicht in den gedeckten Weg und Festungsgraben. Die Tagebücher erweisen es, warum die Sappe auf das Bastion Scharfeneck geführt werden mußte.

Das Ende krönt

161

das Werk, und mußte gelingen!

So viel auch durch das Stumm-

fein der Front erreicht worden war, so wäre doch nichts erreicht worden , wenn man am Ende eines glorreich geführten Angriffes im gedeckten Wege , Graben , Thore , Blockhause , die bis dahin

::

nicht eingesehen werden konnten, auf irgend einen Widerstand bei der bevorstehenden Erstürmung gestoßen wäre. Daher mußte hier eine Batterie ihren Platz finden , die Graben und gedeckten Weg der Angriffsfront beherrschend, durch Wegräumung der Hindernisse, jede Wahrscheinlichkeit einer Störung entfernen, und die überhaupt folgende Zwecke erfüllen ſollte : 1 ) die rechte Flanke des (runden) Schloßzbaſtions zu demontiren ; 2) das Blockhaus im gedeckten Wege zu demontiren , um die Besagung desselben , die in einigen und 20 Offizieren bestand , die sich die Vertheidigung dieses Postens besonders erbeten hatten, daraus zu vertreiben.

Es

ist bekannt , welchen Widerstand ein Blockhaus überhaupt gewähren kann ; dieses hier lag außerdem für die Erſteigung des Walles für die Stürmenden sehr nachtheilig ; 3) um den Tambour vor dem Schloßzthore einzuschießen ; und endlich 4) um die Sturmpfähle des Hauptwalles zu zerschmettern, und dadurch die Ersteigung des Walles zu erleichtern, da dieſe ohne Leitern sonst nicht möglich war. Dieses sind die Gründe für die Nothwendigkeit der Eristenz dieſer Batterie, und warum der Befehlshaber der Artillerie einen so großen Werth auf dieselbe legte, wenn er sich auch darüber in feinen Tagebüchern nicht so ausspricht. Weniger , als die Nothwendigkeit dieſer Batterie , läßt sich die vor deren Bau noch fehlende Demontirbatterie Nr. 13 gegen den Kavalier vertheidigen ; aber man muß auch wissen, daß deſſen wirkungsloses Feuer bis dahin auch mehr verspottet und gering gefchäßt, als beachtet und gefürchtet worden war , da die unzäh11 Vogel, Velagerung ic.

162

ligen Geschosse deſſelben und seines Baſtions , meiſt in zu hohem Bogen geschossen, und immer derselben Richtung folgend, mehrentheils völlig unschädlich nur das linke Elbufer überschütteten.

Die

Sucht, weit und hoch zu schießen , die man damals in der französischen Artillerie überall wahrnahm, steckte auch zum Theil ihre Infanterie an , denn beständig hörte man Gewehrkugeln hoch in der Luft über die Laufgräben gehen. Man tadelte es endlich , daß der Bau der Batterie unternommen wurde, als der Belagerte noch ein viel zu starkes Feuer unterhielt.

Allein eine tüchtige , früher erbaute , und noch mehr

vorwärts gelegte Demontirbatterie , als die Nr. 13 gegen den Kavalier , die zur Zeit noch fehlte,

ausgenommen , waren die

übrigen noch thätigen Geſchüße des Belagerten, als Wurfgeſchüße, schwer oder gar nicht zum Schweigen zu bringen. Seitdem man die Festungen mehr mit Wurfgeschüß ausrüstet , diese besser gebraucht, und die Kurtinen und Nebenwerke mehr armirt und benugt, wird es unmöglich , zur Zeit der Einnahme des gedeckten Weges alles Festungsfeuer zum Schweigen zu bringen.

Wenn man überhaupt fortfahren wird, die Festungen

von Anfang an näher als früher anzugreifen, und dieſe ſich eine verhältnißmäßige Zeit halten, und die auf sie verwendeten großen Kosten und Hoffnungen einigermaßen rechtfertigen ſollen : ſo muß man nach Einnahme des gedeckten Weges auf noch mehr Widerstand von der Festungsartillerie, als hier, stoßzen.

Die französische

Artillerie, so viel Lob sie auch verdient, that hier doch noch viel zu wepig !

Seit langer Zeit mußte die Angriffsbatterie Nr. 1

schweigen, um nicht dem eigenen Angriffe zu ſchaden.

Bei dem

hohen Walle und sehr schmalen Wallgange war jeder Wurf des Belagerers verloren , der nicht unmittebar bei dem ersten Aufschlage traf; es mußten daher die Kurtinen der Angriffsfront und bis zum Kavalier weit stärker armirt ſein, als sie es waren ! Es scheint aber, daß die Festungsartillerie, ſelbſt mit ihren, damals für Zaubergeschütze gehaltenen Mörsern der bedeckten

1634 Batterie , nur den Moment abgewartet hatte, wo die Demontirbatterie Nr. 13 einige Zeit gewirkt hatte , um sich alsdann für überwunden zu halten , denn sie mäßigte bald darauf ihr Feuer, und schwieg endlich ganz.

Nur die Infanterie zeigte bis zum

Augenblicke der Wallersteigung ihre ganze Wuth gegen die Batterie.

Vierzehnte Nacht vom 10. zum 11. Januar. Zum Baue der Batterie , welche horizontal und zu 312pfdern erbaut werden sollte , wurden 3 Offiziere , 4 Unteroffiziere, 36 Kanoniere und 80 Infanteristen kommandirt. Mit Recht wurde in dem Tagebuche der Artillerie die Voraussetzung gemacht, daß bei dem ungünstigen Boden und dem starken Froste es nicht zu erwarten sei , die Batterie in Einer Nacht herzustellen.

Auch wird im Voraus der Verlust an Men-

schen bedauert, der bei dem starken Feuer auf den Bauplat vorausgesetzt wird .

Zu dieser Zeit standen nemlich an feindlichen

Geschützen noch in Thätigkeit : im Kavalier und seinem Bastione : 2 Granatstücke, 2-12pfder und 2-24pfoer ;

im Ravelin daneben : 2 Haubigen, 1 Mörser ; auf der Kurtine vom Kavalier bis zum Bastion Scharfeneck : 2 Haubigen , 4 Mörser ( 2-48pfdige Mörser unter bedecktem Stande);

im gedeckten Wege : 2 Mörser ; in der Angerschanze : 2 Haubigen, zusammen 19 Geschütze, deren Feuer sämmtlich nach der Sappenspige , oder der Baustelle gerichtet war.

Von diesen Geschützen wurden nur die Mörser und die beiden Haubigen in der Angerschanze bekämpft! Als die Erbauer Abends zum Baue anlangten, brachten sie so viel Material mit , als nur fortgebracht werden konnte; etwa die Hälfte der Infanteristen wurde zum Herantragen des übrigen 11 *

164 Materials verwendet , weil der Weg zum Zwischendepot in der rothen Mark durch die vielen Wendungen der Sappe und Laufgräben weit über 3000 Schritt betrug , und das vielė Material viele Leute und Zeit erforderte.

Nach freundschaftlicher Ueber-

einkunft übernahm der Lieutenant Igel , als zur Zeit der rüſtigſte, das Kommando über diese Heranträger , da die beiden andern Offiziere schon sehr mitgenommen waren , um solche Gänge auf die Dauer aushalten zu können , besonders der älteste derselben, Remschel, der als Adjutant des Kommandirenden völlig hinfällig geworden war.

Das zum Baue nöthige Emplacement und die Traverse will der Ingenieur nach seinem Tagebuche schon in der Nacht vom Das , was 8. zum 9. angefangen und zum 10. beendet haben. man als solches vorfand , bestand aus der äußersten Spige der geführten Sappe, zwar gehörig tief, aber ohne gehörige Länge zu 3 Geschützen , und nicht breiter, als für einen Mann . Von der Traverse war so wenig vorhanden, daß man mit Recht sagen kann, nichts vorgefunden zu haben. Vergebens bemühten ſich die 3 zur Zeit nur noch disponiblen Pioniere , Sappeńkörbe zu ſehen ; im nächsten Augenblicke wurden solche umgeworfen , oder zerschossen, da sie nicht mit Erde gefüllt werden konnten. Eine starke Traverse zur Linken zum Schuße des Baues gegen ein so gewaltiges Seitenfeuer der Kanonen und Haubißen war durchaus nöthig .

Gegen das übrige von allen Seiten an-

kommende Wurffeuer konnte man sich durch nichts schützen , und mußte es alſo`geschehen laſſen.

Aber , ebenso nöthig , als die

Traverse zur Linken, und in diesem Augenblicke fast noch nöthiger, erſchien eine hinreichende Deckung in der Front gegen das höchſt lästige Gewehrfeuer des vorliegenden Bastions Scharfeneck und des Schloſſes, das bei dem hellen Mondenſcheine um so beschwerlicher wurde.

Von Zeit zu Zeit fanden sich auch Trupps feinds

licher Infanterie im gedeckten Wege ein, die durch ihr Feuer den Bauplaz gleichfalls sehr beunruhigten.

Unsere Infanterie war.

165

nicht im Stande , dieses Feuer zu dämpfen , ja nicht einmal den gedeckten Weg von einzelnen feindlichen Schüßen rein , zu halten ! Um sich von diesem beunruhigenden Feuer, insbesondere aber von dem Einsehen des vorliegenden Baſtions zu verwahren, wurde zuvörderst eine Reihe leerer Schanzkörbe längs den Pallisaden, faſt auf die Krete des Glacis hingestellt , und da es sich fand, daß die Gewehrkugeln diese leeren Körbe , welche von den -vortrefflichen Elbweiden überaus gut und fest geflochten waren, nicht durchzuschlagen vermochteu , so war , in Ermangelung aller Erde zu deren Füllung, der Zweck vorerst schon erreicht. Hierauf wurde zu der Traverse geschritten , und , um auch hier zuerst eine Schutzwehr gegen das Gewehrfeuer des Bastions und gedeckten Weges zu erhalten , wurde eine lange Reihe leerer Körbe senkrecht auf den gedeckten Weg gestellt.

Man gedachte,

diese Reihe durch eine zweite davon abgelegte zu verstärken, beide und ihren Zwischenraum mit Erde zu füllen, und zu ihrer Verstärkung hinreichend Erde vorzuwerfen , worauf auf das Ganze noch ein Aufſag von Körben oder Faſchinen, je nachdem die einen oder andern zur Hand waren, kommen sollte. Um die nöthige Erde hierzu zu erhalten, wurde die Mannschaft, weil es vorn ohne eine neue Deckung nicht anging, dahinter angestellt, um einen Graben anzufangen ;

es war indeſſen , eine

einzige Stelle auf dem rechten Flügel ausgenommen, nicht möglich, in die Erde einzudringen , da das Glacis hier erſt kürzlich ohne Beimischung von Erde, aus lauter Schutt aufgefahren war. Seit 5 Tagen war starker Frost eingetreten, derselbe bereits tief eingedrungen, und

die Kälte im beständigen Zunehmen,

12 Grad R. stark. In dieser Zeit war eine feindliche Patrouille in den gedeckten Weg gekommen, die zwischen den Körben in der Front durchschoß ; auch wurden von derselben einige Körbe in der Front mit Hacken in den gedeckten Weg gerissen , und man sah sich abermals der

166

Einsicht und dem Gewehrfeuer des Baſtions und des gedeckten Weges ausgesetzt. Da die Arbeit durch solche Störungen sehr aufgehalten wurde , verfügte sich Verf. zu dem kommandirenden Offiziere der Schüßen, dem die Reinhaltung des gedeckten Weges besonders zur Pflicht gemacht worden war ; indessen wollte sich dieſer Offizier, der das Dasein der Patrouille im gedeckten Wege läugnete , auf nichts einlaſſen.´ ´In diesem Augenblicke kam der Befehlshaber der Artillerie heran, der nach Anhörung der Sachlage augenblicklich entschied , daß ihm jener Offizier mit einem Kommando folgen solle.

Durch Verf. dieſes um die angefangene

Traverse geführt, überraschte man hier 5 Mann hinter den Pallisaden.

Da das Glacis nicht verglichen war, erblickten sich beide

Theile erst, nachdem nur noch die Pallisaden fie trennten.

,,Sehen

Sie sie nun, Herr Lieutenant? Jezt schießen Sie ! " befahl der Befehlshaber, und der Offizier kommandirte auch sofort : Feuer! das die Franzosen freilich viel früher abgeben- konnten , allein so überrascht , waren sie unfähig dazu .

Hierdurch hatte man auf

einige Zeit Ruhe. Nachdem die beschädigte Front wieder hergestellt worden war, und man auch hier Leute angestellt hatte , die nothdürftig gefüllten Sappenkörbe zu füllen , auf welche sodann Schanzkörbe zu stehen kommen sollten , wurden die meisten Arbeiter , da ſich der Sappengraben nur höchst mühsam erweitern ließ, auf den innern Flächenraum vertheilt, um die Erde los zu hacken ; indeſſen wurden die Hacken in kurzer Zeit entzwei geschlagen , und man konnte mit den mühsam abgelöſten Stücken nur unvollkommen die Körbe füllen. Es war ein Theil der Straße, die fest gefahren, mit Schutt überschüttet , beregnet und festgefroren war, auf welcher man arbeitete! Da man nun auch nicht daran denken konnte , die Erde zu stampfen , und den Körben der Traverse durch Einschlagen der Pfähle mehr Festigkeit zu geben, so gewährte die Traverſe unter

167

ſolchen Umständen nicht die allermindeſte Haltbarkeit.

Indeſſen

hatte man es durch fortgesezte Thätigkeit so weit gebracht , daß - auf die untern zwei Reihen, welche man zur größern Haltbarkeit durch Anker mit einander fest verband, der Aufsatz gebracht werden sollte, womit der Anfang gemacht wurde. Der durch die Füllung der Sappenkörbe in der Bruſt erweiterte Sappengraben blieb, und wurde mit Faschinen überdeckt, damit eine horizontale Fläche für die Bettungen erhalten wurde. Dieser Sappengraben unter der Bettung diente später zum Munitionsmagazin für die Batterie , und erfüllte diesen Zweck vollkommen.

Zur Füllung der auf die Sappenkörbe gestellten Schanz-

körbe in der Brust wurde die nöthige Erde von hinten in den Mänteln der Arbeiter, als Schürzen gebraucht, herangetragen. Diese mühsame Arbeit wurde nur zu oft durch Granaten und Bomben, die in den Raum fielen, unterbrochen.

Ihre meist

zu langen Zünder brachten zwar den Vortheil , daß der Verlust an Mannschaft beim Krepiren nicht zu groß wurde ,

indeſſen,

wenn sie gar nicht krepirten, was auch oft geschah, störten sie um so

mehr die Arbeit durch die Zeit , welche müßig hingebracht

wurde, bis die Hohlkugel zersprang, oder zerspringen sollte. Es waren bereits viele Leute todt oder verwundet, und die Menschenmenge auf dem kleinen Raume verhältnißmäßig zu groß;

das

Wurffeuer erfolgte aber regelmäßig in kleinen Pausen , und seit mehreren Tagen auf Richtung und Entfernung eingeübt, verfehlten die Geschosse nicht das Ziel. Sehr unangenehm und störend war dabei die Art , wie die Franzosen ihre Geſchüße durch Zündlichte abfeuerten , denn der kommende Schuß wurde stets durch das Anzünden und Emporhalten des brennenden Zündlichtes lange vorher verrathen , und dies erzeugte das sehr störende Bucken der Leute, was ungemein schwer zu hindern war , und bei den. Wurfgeschossen doch keinen Nugen schaffte.

Bei den in der Regel etwas zu hohen Kanonen-

schüssen in der linken Flanke war es von Nugen , weshalb zur

168+

Satisfaktion der Arbeiter, die höchst, willig und emsig waren, ein Aufpasser gegen den Kavalier gestellt werden mußte. So war der Morgen angerückt, bevor die Bettungen gelegt waren. Die Brustwehr war bis dahin 4 Körbe stark geworden, und soweit waren auch die Scharten durchstochen , eine Arbeit, die beständig unterbrochen , und wieder fortgesetzt , jezt bald eingestellt werden mußte.

Am Tage des 11. Januar. Bis dahin wurde man mehr mit Bomben und Granaten beworfen , da die Kanonenkugeln des Kavaliers meist zu hoch gingen.

Mit der Dämmerung des Tages

änderten jedoch jene

Kanonen ihre Elevation , und das heftigste Kanonenfeuer auf die Batterie begann.

Bei der geringen Entfernung von 775 Schritt

von daher war es kein Wunder , daß schon nach einigen Lagen der 12 und 24pfder nicht blos die Brustwehr der Batterie ſehr beſchädigt, ſondern auch in die Traverse große Lücken geſchoſſen wurden.

Es dauerte auch nicht lange, so war die höchſt mühsam

aufgeführte Arbeit der Nacht zum Theil raſixt, und man ſah die 24pfdigen Kugeln ganze Körbe von der Stelle wegschieben , und ihren Inhalt zerstäuben.

Mit diesem Kanonenfeuer vereinigte sich

auch das viel lebhafter gewordene Wurffeuer auf die Batterie, und sobald die Brustwehr eingeschossen- war, wurde man auch dem mörderischen Gewehrfeuer des Bastions und des Schlosses ausgesetzt. Eine 48pfdige Bombe aus der bedeckten feindlichen Mörserbatterie warf einen der Mittelkasten ganz aus einander ;

eine

24pfdige Kugel nahm einem Manne den Kopf weg ; eine andere 24pfdige Kugel packte den zur Erde Fallenden , schleuderte ihn in der Luft umkehrend weit fort über einen Schanzkorb dergestalt, daß die Füße bis zum Kniegelenk in den Korb kamen, und eine 48pfdige Bombe warf denselben von hier in den gedeckten Weg : dies Alles in derselben Minute !



169 小

Die Arbeit fortzusetzen wurde geradezu unmöglich, weil man wie am Abend vorher , hätte anfangen müſſen , und ein längeres Verweilen war nicht blos ganz nutzlos , sondern hätte auch noch die übrigen Leute ganz unnöthig gekostet. ließ

Der älteste Offizier

diese Umstände dem Befehlshaber der Artillerie melden.

Dieser kam bald selbst, wäre aber schon beim Betreten des Plages beinahe erſchlagen worden.

Erst, nachdem einige feindliche Geſchüß-

lagen die Zerstörungen noch sehr vermehrt, mehrere Leute getödtet und verwundet hatten, gab derselbe den Befehl, die Bauſtelle zu verlaſſen. Die Mannschaft wurde nach der Demontirbatterie Nr. 13, welche zur Bekämpfung des Kavaliers dieſe Nacht erbaut wurde, bis dahin aber immer noch nicht zu feuern angefangen hatte, ge= führt, um dabei hülfreiche Hand zu leisten.

Diese sing auch end-

lich zu spielen an, und war so glücklich, ſchon in den erſten Lagen einige sehr glückliche Treffer anzubringen , wovon heut noch ein 24pfder, der auf derselben Stelle liegt, wo er damals ſtand, ein deutliches Zeichen auf seiner Stirn trägt.

Das Feuer des Ka-

valiers theilte sich hierauf, indeß war es den ganzen Tag noch so lebhaft auf die Breschbatterie , daß hier durchaus nicht viel hergestellt werden konnte. Da man bei dem Mangel an Erde die Unzulänglichkeit einer Traverse von Körben erfahren hatte, beschloß man, eine dergleichen massiv von Faschinen zu erbauen , und schickte den größten Theil der Mannschaft in den Depot nach Faschinen ab , welchen Gang dahin sie mehremale machen mußte.

Mit dem übrigen Theile der

Leute marschirte man nach der Breschbatterie, wo man Alles vernichtet vorfand. Die nächste Arbeit beschränkte sich auf abermalige Aufstellung von leeren Körben in Front und linken Seite zur Verhinderung der Einsicht und Abhaltung des Gewehrfeuers von dem Bastion, im Aufräumen der Ueberreste , vornehmlich aber in Herstellung einer starken Traverse.

Am Schwierigsten war es bei dieser, die

170

untere Lage der Faschinen zu befestigen , und da es nach unten nicht möglich war , so mußte es unter einander durch Anker und Pfähle geschehen , wobei die Zwischenräume mit Erde ausgefüllt wurden.

Die Faschinen wurden lagenweise über Kreuz gelegt,

und das Ganze, 12 Faſchinen lang und breit, und 10 Faschinen hoch, war so dauerhaft, daß es sich gegen die 24pfdigen Kugeln, wie man es bald gewahr wurde , vollkommen fest und ſtark bewährte.

Funfzehnte Nacht vom 11. zum 12. Januar. Zum Baue wurden an neuer Mannschaft kommandirt : 2 Unteroffiziere ,

15 Kanoniere und 60 Infanteristen , wozu dieſelben

Offiziere der vorigen Nacht und des Tages verblieben. Obgleich , wie die Tagebücher bezeugen ,

es Grundſag des

Befehlshabers war , daß jeder Offizier , dem etwas aufgetragen worden war, dasjenige, was etwa dabei verabsäumt wurde, nachträglich bestimmt ausführen mußte , so hatten die Offiziere der Breschbatterie doch keine Ursache, ihr Verbleiben bei diesem Baue auf ähnliche Art zu deuten.

Sie durften hierzu keinen andern

Grund , als den finden , daß sie die Ehre eines ihnen so theuer gewordenen Baues keinem Andern überlaſſen konnten ! In der ersten Hälfte der Nacht verhielt ſich das Geſchüßfeuer des Belagerten viel ruhiger, eine kurze Zeit verstummte es sogar ganz .

Diese Ruhe wurde denn auch auf's Beste benutzt.

Beim Untersuchen des Bodens wurde in einiger Entfernung rückwärts der Batterie eine Sandscholle entdeckt, in welche der Frost nicht sehr tief eingedrungen war. beſchloß man zu benutzen.

Diesen glücklichen Fund

Es fand sich aber, daß von den Seiten,

welche den Sandfleck umgaben , durchaus keine Erde losgehackt werden konnte, weshalb man dem Sandlager folgend , in eine beträchtliche Tiefe zuletzt gehen mußte , was das Auswerfen des Sandes sehr erschwerte.

Vielleicht waren noch andere dergleichen

171 Stellen in der Nähe vorhanden, aber bereits bedeckte Schnee das Feld, und sie blieben verborgen. Das Glück wollte, daß von den vielen nun noch geworfenen feindlichen Hohlkugeln niemals eine in dieſe tiefe Grube fiel, wodurch sonst viele Leute verloren gegangen wären. Um eine ordnungsmäßige Batterie und Traverse zu erbauen, blieb nur ein Mittel übrig , nemlich den Sand in Säcken heran. zu tragen.

Da dieſes aber ebenſo mühsam, als gefährlich erſchien,

indem die Leute bei dem fortdauernden heftigen Gewehrfeuer des Walles und Schloſſes in aufrechter Stellung hierbei nicht arbeiten konnten , so blieb kein anderes Mittel übrig , als die einfache Schanzkorbtraverse bis an jene Grube zu verlängern , und die Leute unter dem Schuge derselben so in Reihen aufzustellen, daß sie sich die Erde kniend zuwarfen. Hierbei ereignete es sich ,

daß eine Granate´drei hinter

einander Arbeitenden die Köpfe wegnahm und die Körper derselben mit den Schippen in den Händen , in der arbeitenden Stellung, zum großen Entsetzen der Uebrigen verblieben. Da die Hohl= kugeln von allen Seiten ankamen , und eine derselben einen Arbeiter , der sich nach deren Falle auf dieselbe geworfen , so zerrissen hatte, daß derselbe nicht fortgebracht werden konnte , und doch auch nicht sterben wollte, auch Andere durch Hohlkugeln beim Krepiren schwer verwundet, die Uebrigen durch ihr klägliches Geſchrei entmutheten, das Fortbringen der Schwerverwundeten aber die Arbeiter sehr verminderte , weil viele dazu Bestimmten nicht wieder zurückkehrten, jede Verminderung der Arbeiter jedoch wegen der Vollendung der Batterie, die, es koste, was es wolle, endlich hergestellt werden sollte , verhütet werden mußte : so mußte es Einer der Offiziere ſchon übernehmen, nach dem Falle einer Hohlkugel umher zu gehen , und diejenigen Leute , welche derselben zu ´nahe lagen , oder die ſich gleichsam wie blind auf dieselbe hingeworfen hatten, von der Hohlkugel wegzuziehen, damit solche beim Zersprengen Niemanden verletzte.

172 Verf. dieses , der aus früher beigewohnten Versun die Art des Zerspringens von Hohlkugeln genau kannte ,

und der

auch einige Tage früher , ohne Schaden zu nehmen , nicht v über einen Schritt neben einer krepirenden 48pfdigen Bombe gelegen hatte, übernahm diese Verrichtung nicht ohne große Satisfaktion, da fortan nur diejenigen Leute verloren gingen , die unmittelbar durch den Fall der Hohlkugel erschlagen wurden. Er kann versichern , daß auch schon ein Fuß Entfernung von der Hohlkugel für den Liegenden genügt, der nur nöthig hat, wenigstens das derselben zugewendete eine Ohr sich zuzuhalten. Da die feindlichen Hohlkugeln mit großzem Leichtsinne angefertigt, selten mit blinden , nicht zweckmäßig tempirt , meist mit zu langen , abgeplatteten, oder einige Zoll über die Kugel vorragenden Zündern versehen waren , so war die Gefahr nicht immer zu groß. Dies führte auch zu der Maßregel , daß wenn eine Hohlkugel nicht zerspringen wollte , sie einer der Arbeiter nach einiger Zeit ergreifen , und wegwerfen mußte , damit das Hinderniß von der Seite geschafft war, und die liegenden Arbeiter zur fernern Thätigkeit aufſtehen konnten , wobei sich niemals ein Unglück zutrug. Ernste Scenen dieser -Art wurden auch oft durch. komische unterbrochen.

So bejammerte Einer laut seinen gefallenen Lands-

mann, oder nahen Verwandten , während er ,

bei dem großen

Mangel an Bekleidungsstücken in jener Zeit, sich beeilte, der Erste zu sein , um den kaum Verblichenen zu entkleiden, oder sich doch wenigstens in den Beſig seiner beſſern Schuhe zu ſehen ! Durch die Herstellung der Traverse in der´gestrigen Nacht war auf dem rechten Flügel derselben eine beträchtliche Erdvertiefung entstanden , werden konnte.

welche heut weder ausgefüllt noch überdeckt

Man

mußte daher die neue Faschinentraverſe

davon abrücken, wodurch sich das Emplacement, zu drei Geſchützen sehr verengte.

Da man nun auch für nöthig erachtete, wenigstens

eine einfache Schanzkorbtraverſe zwiſchen zwei Geſchüge zu legen, und es zu schwierig wurde, durch Aufräumung mehr rechts Plaz

173-

zu gewinnen, so blieb nur noch Raum zu zwei Geschüßen übrig, und man gab die Aufstellung des Dritten auf. Die Brustwehr wurde , wie beim vorigen Tage erwähnt worden ist ,

aufgeführt ,

und

da die feindliche Infanterie mit

Erbitterung schoß, geschah es , troß aller Vorsicht , nicht ohne Opfer.

Beim Legen der Bettungen fanden sich Schwierigkeiten.

Es war nemlich an dieser Stelle das Glacis nicht verglichen, sondern so abschüffig und abgetreten , blieb ,

als

daß weiter nichts übrig

entweder die Krete des Glacis wegzustechen ,

aber die Bettungen so zu erhöhen ,

oder

daß man gehörig in den

Festungsgraben einsehen konnte , da das sonst gewöhnliche Durchschießen hier nicht rathſam erſchien.

Das heftige Gewehrfeuer

des Walles gestattete das Erstere nicht,

und man mußte das

lettere Verfahren wählen , weshalb denn auch bei den erhöhten Bettungen die Batterie eine erhöhte wurde. auf gut verglichenen Faſchinen , sich beim Schießzen nicht ,

und

Die Rippen lagen

die Bettungen verrückten

unterhalb der rechten Flügelbettung

aber befand sich, wie erwähnt, die Pulverkammer. Trog der langen Nacht und des Fleißes der Arbeiter war der Morgen herangekommen, und der Kavalier hatte bereits sein Feuer , wiewohl nunmehr nicht weiter schädlich, wieder begonnen, als die Geschüße noch fehlten.

Diese waren schon Tages vorher

so weit als möglich in der Sappe vorgebracht worden, hier aber gleichsam festgefahren ,

da sie der engeren Sappe wegen nicht

weiter vorgebracht werden konnten , und ein Abstechen der Erde zum Herausfahren seitwärts unmöglich war.

Sie mußten daher

förmlich herausgehoben werden, und wurden dann über das freie Feld zur Batterie gefahren. So hatte denn der Bau dieser Batterie vom 10. Abends bis zum 12. Morgens,, also einen Tag und zwei Nächte gedauert, und an Todten und meist schwer Verwundeten mindestens 50 Menschen gekostet , wovon von der Artillerie ein Unteroffizier, 2 Kanoniere todt, und 8 Kanoniere verwundet waren.

Vogel, Belagerung 2c.

12

-174 Die Erbauer wurden nun abgelöset, Verf. verließ aber die Stelle nicht eher, bis er in jene tiefe Sandgrube sämmtliche Todte begraben hatte, aus der das Erdreich zum Erbauen der Batterie genommen war.

Jeht führt die Straße nach Belzig über diese

Stelle weg, neben welcher eine kleine Fontaine sprudelt, bei deren Einrichtung der Landrath v. Jasmund wohl nicht ahndete, daß ſie neben andern Zwecken, zugleich zum Todtendenkmale dienen würde.

Als die zerstörendsten feindlichen Geschosse muß man bei dieſem Baue die Granaten , aus den sehr nahe gelegenen ſchiefen Scharten der Kurtine kommend, mit sehr kleiner Ladung und im flachen Bogen abgeschossen, bezeichnen. Eine 24pfdige Kugel ging entweder durch einen Korb , oder hob denselben , und setzte ihn weiter fortschiebend wieder nieder , wobei sie ihn während des Durchgehends heftig schüttelte, aber sie warf denselben selten um. Die Granaten warfen den unterhalb nicht befestigten Korb jedesmal um, wobei sie dabei liegen blieben, und öffneten dadurch dem Gewehrfeuer jedesmal die Einsicht.

Die fertige feuernde Batterie am Tage des 12. Januar 1814 von Morgens 8 Uhr bis nach Mitternacht. Wenn die Geschichte der Erbauung dieser Batterie Jemanden einiges Interesse gewährt hat; so wird derselbe vielleicht auch noch wiſſen wollen, ob dieselbe auch ihrem Zwecke entsprochen, und sich für den großen Aufwand an Zeit , Mühe und für den starken Menschenverlust auch bezahlt gemacht habe.

Die Batterie wurde mit 600 Schuß komplettirt , und fing des Morgens um 8 Uhr ihr Feuer an , das sie ohne Unterbrechung bis 1 Uhr nach Mitternacht fortsette. Beim Richten des ersten Schusses, das der Unteroffizier selbst beſorgte , wurde derselbe durch eine Gewehrkugel in die Stirn Noch vor nicht langer Zeit in der französischen Armee dienend , hatte derselbe viele Preziosen an sich , und beim Ent-

getödtet.

175

kleiden fand sich noch eine große Geldkage mit Napoleonsd'ors gut gefüllt um den Leib , wodurch die Bedienungsmannſchaft zu einer reichen Erbschaft gelangte.

Gegen Mittag wurde der kom-

- mandirende Offizier verwundet und der älteste Unteroffizier übernahm das Kommando in der Batterie. Eine Batterie, wie dieſe, die in diesem Augenblicke als Hauptbatterie des ganzen Angriffes bestand , durfte aber ohne einen Offizier nicht gelaſſen werden.

Ohne den Verf. dieses , wie es

schien, kommandiren zu wollen, da derselbe ſo eben nach Appollensdorf zurückgekehrt war, ließ ihm der Befehlshaber der Artillerie blos sagen : „ die Breſchbatterie ſei ohne Offizier ! " und bei einem Kommandeur, wie dieser , war ein solcher Wink mehr als hinreichend, um sogleich hinzueilen, und dem ihm gezeigten Vertrauen zu entsprechen. Als derselbe gleich Nachmittags in die Batterie kam , fand er beide Geschüße von den Bettungen herunter gelaufen , und außer Thätigkeit.

Bei den glatten Bettungen durch den vielen

Rücklauf und gefallenen Schnee war dieses kein Wunder, besonders wenn man annahm, daß die Geschüße zum Feuern, des Gewehrfeuers wegen, nicht weit genug vorgebracht worden waren . Er ließ daher sofort beide Bettungen durch Faſchinen verlängern, damit sich ein solcher Unfall nicht wiederholen möchte. ་ Es war keine leichte Aufgabe , die diese Batterie bei so vielen zu beschießenden Gegenständen mit nur zwei Geschützen zu lösen hatte , besonders, als den ganzen Tag ein heftiges Schneegestöber statt fand, das dem genauen Richten sehr hinderlich war. Auch waren die Scharten nicht geblendet , und das Gewehrfeuer auf dieselben sehr stark.

Dennoch hatte die Batterie bis zum

Abende einen guten Theil ihres Pensums

gelöst.

Von dem

Blockhause, als dem Hauptobjekte, war derjenige Theil, der nicht durch die vorliegende Traverse gedeckt war , so eingeschossen , daß sich die Deckbalken zur Erde neigten.

Der Tambour vor dem

Eingange des Schloßthores war größtentheils zertrümmert ; die

176 gegenüberliegende Flanke des runden Bastions zeigte keine Regung, und viele Sturmpfühle waren zerschossen. Die gute Wirkung dieser und der andern Kanonbatterien muß man zum Theil auch den sächsischen 12pfdern verdanken , die bei dem geringen Spielraume mit preußischen Kugeln vortrefflich schossen. Das Geschützfeuer der Festung hörte beim Einbruche der Nacht ganz auf, wahrscheinlich in Folge der großen Kanonade von sämmtlichen 38 aufgestellten Geschüßen der Angriffsbatterien, die, das Geschüß mit mindestens 50 Schüssen komplettirt , vom Morgen bis zur Mitternacht, mit über 2000 Schüſſen und Würfen die Wälle überschüttend, die Erſtürmung vorbereiten sollten.

Nur

die muthige feindliche Infanterie setzte ihr Feuer raftlos fort. Da unsere Infanterie, wie schon erwähnt, die feindliche nicht behinderte, und endlich behufs der Zuſammenziehung und Formirung zu Sturmkolonnen - vielleicht auch, um dem beabsichtigten feindlichen Ausfalle zu begegnen ― ganz aus der Nähe der Batterie verschwand , so war man jezt öfters genöthigt , auf die feindlichen Schüßen des Bastions einen Kartätſchſchüß zu thun, um nur auf einige Zeit Ruhe zu erhalten, und ungestörter fortschießen zu können. So geschah es auch , daß einmal ein ungewöhnlich starkes und anhaltendes Feuer auf eine Scharte erfolgte, bei welcher Gelegenheit der Kanonier aus eignem Willén eine Kartätschbüchse auf den schon eingeladenen Kugelschußz sezte.

Das

Geschütz erhielt einen so starken Rücklauf, daß es von der Bettung herunter lief, und bei den durch die ununterbrochene Bedienung abgematteten Leuten nur mühsam wieder werden konnte.

auf dieselbe gebracht

Zur Verhütung eines noch möglichen ähnlichen Falles wurden Faschinen hinter die Räder gelegt , und solche Ladungen ſtreng untersagt; als sich jedoch eine französische Patrouille vor eine Scharte gestellt hatte , und in dieselbe schoß , sette ein anderer Kanonier wieder eine Büchse auf den geladenen Kugelschuß, worauf das Geschütz wegen der untergelegten Faschine so stark zurücklief,

177 daß es sich hinter der Bettung überschlug. Auch zu dieser Zeit sollte der gedeckte Weg von unserer Infanterie beseßt sein!! Es fehlte jezt an Kräften , das Geschütz wieder auf die Bettung zu bringen , und so kam es denn , daß diese Batterie, Anfangs zu drei Geſchüßen bestimmt, deren nur zwei erhielt, und die letzte Zeit nur mit einem feuerte. Unerklärlich bleibt es, warum diese Batterie überhaupt ohne alle Bedeckung von Infanterie blieb ; nichts hinderte eine feindliche Patrouille , um die Traverse herum in den Rücken der Batterie zu kommen , und die Geſchüßzbedienung niederzustoßen ; auch sah diese einem solchen Falle mit Resignation entgegen, und ihr Offizier unterrichtete sie über die Art ihrer Selbstvertheidigung. Zum Glück für sie erschien weder ein kleiner noch der beabsichtigte große Ausfall der Besagung , zu welchem letztern sich der dazu kommandirte feindliche Oberst geweigert haben soll. Um Schlag 1 Uhr hörte alles Schießen der Angriffsbatterien auf, und die Mannschaft der Batterie stellte sich an die Spitze der, das vorliegende Bastion ersteigenden, Sturmkolonne, indeſſen waren dem Verf. nur 1 Unteroffizier, 1 Bombardier und 2 Kanoniere auf den Wall gefolgt , die übrigen hatten krumme Wege gesucht , und fanden zu ihrer Strafe , daß sie ihrem Offiziere, der sich ihnen überdies durch eine stark brennende Lunte kenntlich machte, nicht gefolgt waren, einen elenden Tod im Eise des Feſtungsgrabens , in das sie an einer noch nicht völlig zugefrornen Stelle einbrachen, und aus dem sie sich, trotz der geringen Tiefe, bei ihrer Kraftlosigkeit in Folge der vorangegangenen Anstrengung wahrscheinlich nicht herauszuarbeiten vermochten. 1 Der Zweck der Batterie war vollkommen erreicht, denn bei der Erstürmung fiel kein einziger Kanonenschuß von der Angriffsfront.

Die Besatzung des Blockhauses hatte zwar dasselbe nicht

verlaſſen , allein sie war in einen Winkel des stehen gebliebenen Theils desselben gedrängt worden ; sie feuerte wohl, aber eben die Traverse, die das gänzliche Einschießen deſſelben hinderte, erlaubte

178

ihr auch nicht, mit Wirkung zu feuern. Blockhauses war eingeschossen.

Der gefährlichste Theil des

Man kann daher wohl ſagen, die

Sturmkolonne sei durch nichts gestört worden.

Um 2 Uhr Mor-

gens befand sich die Festung im Besige der Belagerer, das Blockhaus wurde aber erst Mittags nach der Erſtürmung von seiner Besagung übergeben.

H

TIS

Druck der Nauckschen Buchdruckerei in Berlin .

u.1814. Plan der Belagerung von Wittenberg im Jahre 1813 #18th.

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Plan der Belagerung von Torgau im Jahre 1813.

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