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German Pages 66 [68] Year 1849
Die
Aufgabe -er Opposition tu unserer Zeit. Von
Carl Vogt.
Zum Besten der deutschen Flüchtlinge.
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Gießen 3. Nick rr'sehr Suchhandlung. October 1849.
In einem Augenblicke wie der jetzige, wo die allge
meine Verwirrung in Deutschland bei bestimmenden und
bestimmten Personen auf den höchsten Grad gediehen
scheint, dürfte es Pflicht eines Jeden seyn, das Seinige dazu beizutragen, um
die zerstreuten Parteien wieder
unter gemeinsame Fahnen zu sammeln.
verflossenen
Der Kampf des
Jahres hat eine Zersplitterung derjenigen
Partei herbeigeführt, welche früher unter dem Namen
der Opposition in den gesetzgebenden Körpern und in der Tagespresse Deutschlands stritt.
So
nothwendig
diese
Zersplitterung kommen mußte, nachdem einmal eine ein
zige Schattirung dieser Partei, die dynastisch-constitutio-
nelle Fraktion, sich der Märzrevolution bemächtigt hatte und deren Früchte in ihrer eignen Weise ausbeutete, ebenso nothwendig wird jetzt, wo auch diese Partei ihres Sieges
verlustig gegangen ist, aufs Neue eine Verschmelzung der Parteien, eine Vereinigung derselben zu gewissen ge
meinsamen Zielen
stattfinden müssen.
Der Absolutis-
1*
4 MUS herrscht unter der durchsichtig
des
Constitutionalismus
gewordenen Maske
unumschränkt
in
Deutschland
durch jene berüchtigte momentane Gesetzgebung, welche
ein nothwendiges geworden ist.
Bedürfniß seines
Regierungssystemes
Das unumschränkte Königthum hat auf
dem Wege der Gewalt gesiegt, und es ist, in diesem
Augenblicke wenigstens, nicht die mindeste Aussicht vor handen, daß die unterlegene Partei zum zweiten Male
an die Gewalt provociren könne oder werde.
Sie wird
deßhalb andere Mittel und Wege suchen müssen, um das
fetzt herrschende System in seinen Wurzeln zu untergra
ben und seine überstolzen Wipfel zu Fall zu bringen. Bei
diesem Bestreben
werden den Demokraten
ohne
Zweifel aufs Neue Bundcsgeuvssen aus den Reihen Der jenigen zuströmen, welche die Garantie persönlicher Si
cherheit in dem offenen Kampfe vermißten und sich deß halb von demselben zurückzogen.
Die ganze coustitutio-
nelle Partei will den Absolutismus nicht, wenn sie ihn
gleich durch ihre verkehrte Nachgiebigkeit zur Zeit des Sieges möglich machte; sie will ein gewisses Maß von
Freiheit und Selbstbestimmung des Volkes, dessen die
weiter Gehenden ebenfalls als Grundlage ihrer größeren
Ansprüche bedürfen; je nackter der Absolutismus auftritt,
desto mehr wird er die constitutionelle Partei zurück schrecken und zur Annäherung an die demokratische drän
gen.
So wird meiner Ansicht nach sich von Neuem eine
5 geschlossene Oppositionspartei heranbilden, welche stets
weiter und weiter nach rechts hin sich ausdehnen und mit jedem Gewaltschritte des jetzt herrschenden Systemes neue Bundesgenossen gewinnen wird.
Hat doch die gewalt
same Octroyirung eines Wahlgesetzes in Preußen sogar
den Herrn von Binke der demokratischen Partei bei der Verweigerung der
Wahlen
zugesellt,
so daß jetzt in
Preußen eine bedeutende Partei gebildet ist, deren ein zelne Theile sich zwar im Innern gegenseitig abstoßcn, die aber wenigstens in einem Zielpunkte, in der Nicht
anerkennung einer gegen das Gesetz gewählten Kammer, Hand in Hand miteinander gehen.
Gleiche Erscheinungen wird man in der nächsten Zeit in allen deutschen
Ländern beobachten können.
Nicht
nur die Aufrichtig-Constitutionellen, sondern auch Dieje nigen,
welche aus tiefer
berechnetem
Conservatismus
oder aus angeborener Hofdienerei nur den Schein einer konstitutionellen Regierung wollten, alle diese werden, getäuscht in ihren. Hoffnungen, Gegner eines Systems
werden, welches die Maske jetzt abgewvrfen und seine wahre Gestalt gezeigt hat.
Erfahrungen friiherer Jahre
und anderer Personen fruchten wenig in politischen Din
gen; die Parteien wollen selbst erfahren an ihren eige
nen Schicksalen, was ihnen frommen möge; und leider
versäumen sie, bis sie zu solcher Einsicht gelangt sind, sehr oft den richtigen Zeitpunkt zum Handeln.
Die Ge-
6 schichte der Jahre von 1813 an, der schmähliche Bruch
der in der Proklamation von Kalisch gegebenen Ver
sprechen, die ganze, in der Bundestagsperiode befolgte Politik der deutschen Fürsten hätte hinlänglich belehren
können, daß ein fürstliches Wort nur so lange Geltung hat, als es dem Geber desselben unmittelbaren Vortheil
bringt, und daß die deutsche» Fürsten weit davon entfernt sind,
eine
Stellung
anzunehinen oder zu behaupten,
welche derjenigen eines Königs von England auch nur
entfernt
sich näherte.
rung belehrt,
Man hätte längst, durch Erfah
wissen müssen, daß ein absoluter Fürst
niemals aufrichtig constitutionell wird.
Die Partei der
Centren in der Nationalversammlung und in dem Volke wollte aber nichts desto
zweiten Male machen.
weniger diese Erfahrung zuin
Ich sollte denken, daß ihnen jetzt
der Wunsch in reichlichem Maße erfüllt sey; und wenn es Niemanden verwundern konnte, daß nach der Ableh
nung der Kaiserwahl von Seite Preußens ein Schrei der
Entrüstung durch jene Partei flog, welche noch einmal vertraut
hatte,
so
wird
es
auch
jetzt
Niemanden
auffällig seyn, wenn dieselben Personen, welche der Lin ken, ihres
offen ausgesprochenen Fürstenhasses
wegen,
sogar mit Erbitterung entgegentrate», jetzt ihr sich wie der nähern, und von der Erfolglosigkeit ihrer Bestre
bungen überzeugt, radikalere Ansichten haltbar zu finden beginnen.
Ein gebildeter Engländer, welcher den deut-
7 schen Zuständen in Frankfurt während der ganzen Dauer
der Nationalversammlung mit großem Interesse gefolgt
war, und als Engländer ein unbedingter Verehrer der konstitutionellen Monarchie und der Frankfurter Kaiser partei war, schrieb vor einigen Tagen an einen meiner
Freunde: „er habe sich nun doch durch die Thatsachen
überzeugt, daß die Deutschen niemals
zu
dem
Grade
mit
ihren Fürsten
politischer Freiheit
gelangen könnten, welchen die Engländer unter ei nem Könige besäßen."
Der gute Mann hatte vergessen,
daß England einen Karl I. gehabt, und daß in Deutsch
land freien
vielleicht
dieselbe
Möglichkeit
einer
annähernd
constitutionellen Regierung eristiren könnte, wenn
Deutschlands
neuere Geschichte ein ähnliches Beispiel
aufzuweisen hätte. Die Geschichte dieses Mannes ist die Geschichte vieler unserer Parteien in Deutschland.
Ueberzeugt von der
Macht der Freiheitsbestrebungen, welche im März ge
siegt hatten, bliydvertrauend auf das gegebene Wort und auf die Zusicherungen, welche ihnen von Regierungen und Fürsten gemacht worden waren, erschreckt durch die
zunehmende Arbeitslosigkeit und die Stockung in Handel und Wandel, welche
die stete Aufregung vermehrten,
suchten diese Parteien um jeden Preis ein Ende der fie
berhaften Revvlutionsbewegungen, und glaubten es da durch zu finden, daß fie die Macht Derjenigen befestigten,
8 welche sie sich untergeben glaubten und auf deren Wort
sie vertrauten.
Es lag dieser Handlungsweise das Ge
fühl der eignen Schwäche zu
Grunde; man war sich
selbst wohl bewußt, daß man zu ohnmächtig sep, um
auf eignen Füßen wandeln zu können; man wandte sich
mit Zorn und Erbitterung gegen die Parteien, welche die Kraft in sich fühlten, ihren eignen Weg zu gehen, und warf sich unbedingt in
welchem man Nicht besaß.
eine
die Arme des Absolutismus,
Großmuth
zutraute,
die derselbe
Mit berechneter Arglist lieh der Absolutis
mus seine Waffen, um die Revolution zu Boden zu schlagen; als aber die Ehrlichen in der Partei, die Gut
müthigen und Vertrauenden nun auch gegen die Reaction sich wenden wollten, da erst fühlten sie, zu ihrem Schre cken, daß der Boden unter ihnen gewichen sey und ver
zweifelnd klammerten sie sich an den Strohhalm, welchen jesuitische Verschmitztheit ihnen in dem Dreikönigsbunde darbot.
Man wollte aus dem Schiffbruche retten, was
noch zu retten wäre, aber man vergaß, daß man nur
der abnehmenden, nicht aber der wachsenden Fluth Ein halt thun kann durch den Sand, den sie selber an das
Ufer geschwemmt hat. So ist es denn gekommen, daß sogar in den Ländern, wo nach der Meinung der Mittelpartei die Anwendung
der Gewalt nöthig war, um Ruhe und Ordnung herzu stellen, daß sogar in Baden und in der Pfalz die Op-
9 Position unter dem Drucke des Belagerungszustandes durch die zunehmende Brutalität der Unterdrücker zu einer sol
chen Stärke herangewachsen ist, daß die herrschende Partei
sich zugleich auch als die fürchtende anerkennen muß;
und daß in den Reihen der Radikalen von Tag zu Tag aus der Zahl der Gemäßigten Diejenigen ersetzt werden, welche auf fremdem Boden weilend ihrem Vaterlande
entzogen sind.
Ich bin weit entfernt, solche Bundes
genossen zurückzuweisen.
Wenn ich es schon früher für
einen Fehler hielt, daß gewisse Parteien sich auf eine bis in's Brutale gehende, waldursprüngliche Abgeschlossen
heit etwas zu Gute thaten, so
erscheint es mir jetzt,
nachdem unsere Partei im offenen Kampfe unterlegen ist, um so thörichter,
die Mitkämpfer von sich abzustoßen,
welche von freien Stücken sich anbieten.
Die Stellung der Opposition hat sich durch den Sieg des Absolutismus wesentlich verändert : Aus einer
angreifenden ist sie eine vertheidigende geworden.
Wäh
rend sie früher die alten Formen zu zertrümmern und
Neues an ihre Stelle zu setzen suchte, hat sie jetzt die Aufgabe, auf jede Weise, durch jedes ihr zu Gebote
stehende Mittel den Angriffen des Absolutismus auf die Errungenschaften
der Revolution
entgegenzutreten
diese soweit als möglich zu erhalten.
und
Die Partei der
momentanen Gesetzgebung ist jetzt die zerstörende, die Partei der Opposition die konservative geworden, welche
10
den in Folge der Revolution gewordenen Rechtsboden zu
erhalten strebt.
Wenn aber dies richtig ist,
so muß es
auch jedenfalls den Vertheidigern der Freiheiten,
welche
der März 1848 bringen sollte, von Wichtigkeit seyn, sich die Zielpunkte der Feinde klar zu
machen und nach den
zu erwartenden Angriffen ihre Maßregeln zu treffen. Die innere Politik Deutschlands wird jetzt in erster
Linie durch die beiden Großmächte, Baiern und Würtemberg bestimmt.
in zweiter durch Preußen beherrscht
jetzt ostensibel die kleineren Staaten, Oesterreich influen-
zirt die siid - und mitteldeutschen Königreiche. Abgesehen von der Oppositionspartei, welche sich bei
den Wahlen
in Preußen
nicht betheiligte,
streiten sich
dort jetzt zwei Parteien um den Besitz nicht sowohl der Regierung, Das
als
vielmehr
der bestimmenden Person *).
Ministerium Brandenburg schleppt' als
rungenschaft
letzte Er
der Revolution halb unwillig die deutsche
Frage am Fuße nach sich, während die Leo - Gerlach'sche Partei sich
auch von diesem Traume nationaler Ent
wicklung gänzlich frei gemacht und nur das reine Preußen-
thum im Auge
hat.
Die bestimmende Person ist durch
*) Ein Ausdruck neuprcußischcr Sprachweise, der vortrefflich in das constitutionelle System paßt und mit der „momentanen Gesetzgebung", dem „worthaltenden Gemüthe des Königs", dem „Bedürfniß der Zeit" und andern Phrasen eine we sentliche Bereicherung unseres Sprachschatzes bietet.
11 die Reise nach Teplitz bestimmt worden, sich noch bestinnnter für die letztere Partei zu bestimmen. Das Mini
sterium Brandenburg - Manteuffel will Preußens über Deutschland; es
die Hegemonie
will sie erringen durch
Gewalt und befestigen durch den Schein einer Consti tution, die keine Garantien bietet, aber die Möglichkeit offen läßt, mit Zustimmung einer scheinbaren Majorität nach Willkür zu regieren. Deshalb mußte es die Kaiser
krone, welche durch die Vertreter des Volkes
geboten
war, zurückweisen, und auf dem undankbaren Wege des
Wvrtbruches und der Gewalt zu erringen suchen, was ihm freiwillig angeboten wurde.
Freilich schloß die Kaiser
krone das allgemeine Stimmrecht in sich, und hatte somit
ein Gegengewicht gegen die absolutistische Willkür,
mit
welcher
sich eine solche Tendenz
konnte.
Der Zeitpunkt zur Erkämpfung der Manteuffel-
unmöglich vertragen
Radvwitz'schen Plane war vollkommen gut gewählt. Der ungarische Krieg hatte Oesterreichs Kräfte gelähmt, und
trotz der russischen Hülfe war zu erwarten, daß derselbe sich
noch wenigstens den Winter hindurch fortspinnen
und Oesterreichs
nehmen werde.
Aufmerksamkeit
gänzlich in Anspruch
Man war überzeugt in Berlin,
daß
Ungarn nicht siegen werde; man war aber ebenso über
zeugt , daß Oesterreich während der Zeit, Hegemonie feststellen wollte,
wo man die
überreich durch Ungarn be
schäftigt seyn werde, und daß auch der Czaar in Ungarn
12 für ein Jahr seine Macht vergraben müsse.
Man hatte
somit Zeit genug, die kleinen Staaten in das Netz
zu
ziehen, Würtemberg zum Beitritte zu zwingen, Baiern zu isoliren, den Reichstag zusammenzuberufen und die
ganze Maschine des deutschen Scheinconstitutionalismus trotz des Widerstandes von Seiten Oesterreichs, Baierns
und Rußlands einzurichtcn. Man wußte wohl, daß weder
Oesterreich noch Rußland es wagen würden, in sich
einem so
abgeschlossenen fertigen politischen Ganzen ent
gegenzutreten. Der Verrath Görgcy's durchkreuzte diesen
fein angelegten Plan des Herrn von Radowitz.
Ungarn
ist vor der Zeit zu Fall gekommen und in seinen Sturz hat es die Dreikönigsverfassung mit verwickelt. Rußland hat schon die Arme frei und beginnt mit dem ganzen
Gewichte seiner siegreichen Diplomatie nach Westen hin
zu drängen, während es zugleich neue Aushebungen ver
fügt, deren Maß weit den angegebenen Zweck, Deckung der in Ungarn erlittenen Verluste, übersteigt.
Oesterreich
sucht eine Entschädigung für die Wunde, welche ihm trotz des Sieges in Ungarn durch dieselbe russische Di
plomatie geschlagen
wurde,
Einflusses in Deutschland.
durch Vermehrung seines Die Lieblingsidee des Herrn
von Radowitz, ein Regieren nach dem Typus von Louis Philipp, wird wohl vor der Hand noch nicht zur Aus führung kommen, und es scheint mir, als würde er die
Wohnung in Erfurt ebensowenig beziehen, als die, welche
13 er vor wenigen Monaten kurz vor der Kaiserwahl in Wetzlar miethete. Preußen kann unmöglich, auch wenn die Gerlach'sche Partei an das Nuder kommen sollte, die Bestrebungen nach der Hegemonie in Deutschland aufgeben, und auf der anderen Seite ist es, trotz der Reisen des Prinzen von Preußen zum Studium des constitutionellen Systems in England, undenkbar, daß jemals Mitglieder dieses oder irgend eines andern deutschen Königshauses von absoluten Fürsten, die sie gewesen, zu constitutionellen umgewandelt werden. Die preußische Regierung wird also den einzig richtigen Weg, wodurch sie der wankenden Dynastie noch für einige Zeit das Leben hätte fristen können, nicht betreten. Statt durch schrittweises Ent gegenkommen den Wünschen des Volkes Rechnung zu tragen, durch allmähliges Oktroyiren der Märzerrungen schaften die Gemüther zu versöhnen und an sich heran zuziehen, was ihr auch jetzt noch gelingen könnte, wird diese Regierung fortfahren, durch momentane Gesetzge bung den Rechtszustand gänzlich zu untergraben, die Erbitterung gegen Alles, was preußisch heißt, auf's Höchste zu treiben, und so auch Diejenigen von sich weg zustoßen, welche bisher die Plane der Hegemonie aus allen Kräften unterstützten. Man wird, nachdem man Volksstämme und Regierungen in ihrem innersten Wesen abstoßend behandelt und sich selbst im eigenen Staate die
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intensivste Opposition geschaffen hat, nothwendig zu der vollständigen Restauration des in sich abgeschlossenen Preußenthums zurückkehren müssen. Wenn schon die jetzige Tendenz des preußischen Ministeriums eine so ver haßte ist, daß im günstigsten Anschläge nur höchstens ein Drittel der Wähler sich bei den Kammerwahlen betheiligte, so wird dieses Verhältniß noch weit größer wer den , sobald einmal die angedeutete Fortbildung der preu ßischen Verhältnisse von Brandenburg - Manteuffel zu Arnim-Gerlach erfolgt seyn wird. Daß die Regierung eines solchen Ministeriums nur von kurzer Dauer seyn könne, daß ein gewaltiger Rückschlag in das entgegen gesetzte Ertrem erfolgen müsse, ist leicht einzusehen; und es geht schon hieraus eine Hauptaufgabe der demokra tischen Partei in Preußen hervor, die darin besteht, das Ministerium Brandenburg ebenso kräftig anzugreifen, als es die Kreuzzeitung thut. Für das übrige Deutschland braucht die demokratische Partei Preußens nicht zu sorgen; die jetzige Regierung hat den alten Preußenthumshaß SüddeutschlapdS nicht nur vermehrt, sondern ihm auch den Haß Norddeutschlands zugesellt und ein folgendes Ministerium wird nur dazu beitragen, diesen Haß des Preußenthums in jedes Herz, welches Deutsch schlägt, mit Grundwurzeln einzusenken. Herr von Radowitz wußte sehr wohl, daß bei dem deutschen Volke nichts gefährlicher für die Freiheit wirkt,
15 als die scheinbare» Concessionen, welche man der Freiheit macht.
Er wußte sehr wohl,
daß man Preßfreiheit,
Affociationsrecht, und wie alle die schönen Dinge heißen
mögen, welche wir im März zu erobern gedachten, daß
man all' diese Worte ungefährdet in eine Constitution schreiben darf, wenn man nur Sorge trägt, die prak
tische Anwendung derselben durch die gehörigen Bestim
mungen zu verkümmern, und sich durch ein gehörig construirtes Wahlgesetz
eine gefügige Majorität zu sichern.
Herrn von Radowitz würde im Nothfall eine Verfassung genügt haben, wenn sie nur, wie die oktroyirte Preußens,
einen Paragraphen 105 zur Ermöglichung der momen tanen Gesetzgebung und
ein Wahlgesetz enthalten haben
würde, welches der Regierung die Majorität sicherte. Er
würde sein Vertrauen darauf gesetzt haben,
Jahre hindurch
daß man
die Wunden der Regierung mit den
schönen Worten der Constitution zudecken und das Ver langen des Volkes durch die unabsehbar langen Schleich wege der parlamentarischen Entwicklung hätte abschwächen und cinschläfern können.
Er würde gesucht haben, durch
genau abgewogene Concessionen zu rechter Zeit (bei ma terieller Noth) die Unzufriedenheit zu beschwichtigen, bei
guten Zeiten die Zügel wieder strammer zu ziehen und die Zugeständnisse
der Regierung so einzurichten,
daß
durch jedes derselben die Majorität wieder der Regierung
gesichert worden wäre.
Dies war Louis Philipps Spiel
16 während
achtzehn Jahren.
Die Partei des reinen Ab
solutismus, welche jetzt in Preußen an das Ruder zu
kommen sucht,
hat weniger Vertrauen in ihre eigene
Schlauheit, aber desto mehr auf die rohe Gewalt. Durch diese will sie zuerst die Verhältnisse im eignen Lande nach
ihrer Ansicht restauriren, den absoluten König wiederher
stellen und dann erst erobernd gegen das übrige Deutsch land vorgehen.
Sie ist überzeugt, daß das Militär ihr
ergebenes Werkzeug bleiben werde,
und da sie in dem
Staate eigentlich nur eine Nähranstalt für das „herrliche
Kriegsherr" und in den politischen Ansichten eines Garde
lieutenants das höchste Ziel politischer Entwicklung sieht,
so hält sie sich für unüberwindlich in der Zukunft. Was die eine Partei jetzt auf verstecktem Wege durch den
Scheinconstitutionalismus zu erringen strebt, das wollen diese später durch die Gewalt an sich reißen; das Ziel
beider Parteien bleibt das nämliche:
Deutschland
soll in einem absoluten Preußen ausgehen.
Die Beziehungen Oesterreichs zu dem übrigen Deutsch
land waren während des Kampfes in Ungarn so gering, als nur irgend
möglich.
Die deutsche Partei in den
österreichischen Provinzen war im October nicht nur be siegt, sie war faktisch vernichtet worden und die Politik
des österreichischen Cabinets fand kaum Zeit, hie und da
einen schwachen Seitenblick nach Deutschland zu werfen. Das gewaltige Uebergewicht, welches Preußen plötzlich
17 durch die Besetzung Sachsens erhielt,
merksamkeit, und
weckte die Auf
seine Fortschritte nach Süd-Deutsch
land, die Niederwerfung der Revolution in Baden, seine offenbare Verhöhnung des österreichischen Neichsverwesers
mußten den Argwohn nothwendigerweise auf den höchsten Grad bringen.
Die Resultate einer solchen Stimmung
im österreichischen Cabinete treten jetzt hervor.
Es hat
alle Anträge Preußens, die ihm durch den Herrn von Canitz gemacht wurden, schroff zurückgewiesen, es will nur
Herstellung des Bundes von 1815 mit entsprechender Aenderung der Bundesgewalt und zeitgemäßer Erweite
rung der Polizeibefugnisse derselben.
Daß der Vorsitz
Oesterreichs und die Hegemonie des Kaiserstaates eine Bedingung dieser Restauration sey, versteht sich von selbst; und daß Preußen, sobald die Ansichten des Herrn von
Gerlach obsiegen, diesen Anträgen aus voller Seele zu
stimmen werde, sichtlich.
ist aus dem Vorhergehenden leicht er
Für die Freiheiten des Volkes erscheinen die
Absichten der einen Großmacht so verderblich,
als die
der andern. Nur möchten die österreichischen den Vortheil bietey, daß sie sogleich eine weit bedeutendere Opposition auch in der Klaffe Derjenigen finden würden, welchen
unter preußischer Verfassung in einem auch noch so er
bärmlichen Bolkshause Gelegenheit zur fruchtlosen Selbst verherrlichung gegeben würde.
Die ganze Partei der
schönredenden Jämmerlinge, als deren Typus Herr Rieser 2
18 oder Herr Biedermann erscheinen dürsten, würde sich
gegen die österreichischen Vorschläge empören,
während
sie in den Manteuffel'schen Bestrebungen ihre volle Be friedigung gefunden hat, — Zeuge, die Gothaer Ver sammlung.
Aermlicher als die Lage Baierns gegenüber den großen Fragen, welche in dem Revolutionsjahre vorkamen, war wohl nur die Lage Hannovers. In beiden Staaten zeigte
sich die kindische Lust, Großmacht zu spielen, ohne es nur irgendwie zu können; und alle wohltönenden Phrasen
von deutscher Einheit, welche bis zu der jüngsten Er öffnungsrede vor den Kammern in München sich durch
ziehen, dienten nur dazu, um die Blößen der jämmer lichste» Kleinstaaterei nothdürstig zu verdecken. Die Agi
tation für
die Reichsverfassung war so übermächtig in
Hannover, daß sich Stüve gezwungen sah, zuerst abzu treten und später wenigstens zur Beschwichtigung dem Dreikönigsentwurfe seine Zustimmung zu geben, wobei
freilich schon von Anfang an der feste Entschluß des hannoverschen Ministeriums durchleuchtete, diesen Ent
wurf nie zur Wahrheit werden zu lassen.
Man unter
handelte, um die öffentliche Meinung zu beschwichtigen, man trat bei, um nicht als Störenfried zu gelten, aber
daß Hannover jemals zur Ausführung des Dreibundes
einen Finger gekrümmt haben würde, das konnten nur Mitglieder der Gothaer Versammlung und Schreiber der
19 Deutschen Zeitung glauben.
zur Besiegung
Baiern sah sich genöthigt,
einer zum Widerstände durchaus nicht
gerüsteten Provinz das herrliche Kriegsherr zu Hilfe zu rufen
und nach dem Siege über den Aufruhr seinen
kleinlichen Zorn durch Quälerei
Personen kund zu thun.
einzelner, mißliebiger
Herr Kolb sitzt wahrlich nicht
wegen seiner Betheiligung am pfälzischen Aufstande — die Geschichte des griechischen Anleihens schiebt den Riegel
vor seinen Kerker. Die Lage der altbairischen Provinzen, die enge Ver
knüpfung
der materiellen Znteressen, der angestammte
Haß der Wittelsbacher gegen die Hohenzollern, alles dies trug dazu bei, wenigstens den Widerstand gegen die
preußischen Forderungen energisch werden zu lassen. Wenn
es indessen hauptsächlich den Intriguen des bairischen Hofes zu danken ist, daß in Süd-Deutschland die preu
ßischen Bestrebungen unfruchtbar blieben, so erntete doch die Regierung den geringsten Dank davon, da sie es verstand, durch ohnmächtige Verationen einzelner Per
sonen den Unwillen auch der gemäßigten Parteien stets
von Neuem wieder anzufachen. Die Kaiserpartei war in Baiern unter allen die kleinste, und ihre Repräsentanten
in der Nationalversammlung von so höchst geringen Mit teln,
daß
es niemals gelungen wäre,
auch nur die
geringste Manifestation zu Gunsten der Kaiserverfaffung
in Baiern hervorzubringen, wenn nicht die demokratische 2*
20 Partei hier wie überall mit entschiedener Mehrheit sich für die Reichsverfassung bekannt hätte, und zwar aus dem einzigen Grunde, weil sie von den Vertretern des Volkes fcstgestellt, von den Regierungen aber zurückgewiescn wurde. Wir werden später vielleicht noch auf diese Verhältnisse näher eingehen und dann auch die übrigen kleinen Staaten berücksichtige», welche ohne eignen Willen im Gefühle ihrer unzulänglichen Mittel sich heute der Reichsverfassung, morgen dem Dreikönigsbündnisse anschlossen und ebenso treulose Bundesgenossen für die erstere waren, als sie für das zweite seyn werden. Das Verhalten der kleinen Staaten Deutschlands spiegelte sich getreulich ab in derjenigen Partei, welche nach langen Mühen ihre romantische Lieblingsidee durch gesetzt und den Kaiser zur Welt gebracht hatte. Es war vielleicht eine geschichtliche Nothwendigkeit, daß diese Frage endlich zur Erledigung kam. Dem offnen Blicke konnte es nicht entgehen, daß eine jede Form der Ein heit, sie mochte heißen, wie sie wollte, welche im vorigen Jahre geschaffen wurde, bald wieder zu Grunde gehen müsse, so lange man den Fürsten die physische Gewalt in den Händen ließ; diese ihnen zu entwinden, hatte gerade die Kaiserpartei verabsäumt. Daß ein Kaiser unmöglich sey, so lange die einzelnen Fürsten Deutschlands eristiren, ist jetzt thatsächlich erwiesen; — daß man aber bei einer zweiten Revolution nach der Befreiung Deutschlands von
21 seinen Fürsten einen Kaiser schaffen werde, um die Einheit herzustellen, das wird wohl Niemand im Ernste erwarten können. Ohne diese günstige Lage der Dinge würde es schwer gewesen seyn, die Kaiseridee gänzlich mit der Wurzel auszurotten; der von der Nationalversammlung abgewiesene Kaiser würde stets als Einheitsphantom in den Köpfen einer bedeutenden Anzahl romantischer Bur schenschaftler sortgespukt haben, und die constitutionelle Monarchie Deutschlands würde bei jedem auch unver meidlichen Fehler einer anderen Regiernngsform als ein ziger Rettungsanker gepriesen worden seyn. Dies ist in der Zukunft unmöglich, und während allen anderen Par teien die Zukunft noch offen steht, während keine von ihnen vollständigen Schiffbruch erlitten hat, weder die republikanische in ihrer Niederlage, noch die absolutistische in ihrem Siege, so ist es allein diese Kaiserpartei, welche nie vollständig siegte und nie ganz unterlag, die auch für die Zukunft vollständig vernichtet ist. Die Partei verdiente es nicht anders! Sie war von der Revolution an die Spitze gebracht worden, und hatte überall Monate lang die Macht in den Händen gehabt, ohne diese Macht zu etwas Anderem zu benutzen, als zur Untergrabung ihres eigenen Gebäudes. Noch jetzt wie derholt sich der Vorwurf täglich von Seite der Gemä ßigten und der Constitutionellen gegen die verschiedenen Schattirungen der Linken, als seyen diese es gewesen,
22 welche durch
die Unmäßigkeit
ihrer Forderungen den
völligen Sieg der Reaction möglich gemacht hätten. Mit vollem Rechte aber darf man einwerfen, daß die demo
kratische Partei nirgends, weder in den Einzelstaaten, noch in dem zu Grunde gegangenen Gesammtstaate jemals irgend zur Herrschaft gelangt sey; und daß es ihr gerade
durch den Widerstand jener Partei,
welche unmittelbar
nach der Revolution die Macht in Händen hatte, un
möglich wurde, dem Siege der Reaction vorzubeugen. Man betrachte doch die Reihenfolge der Reichsministerien:
Schmerling, Gagern, Grävell, Wittgenstein; man be trachte die Ministerien in den Einzelstaaten der Reihe nach; diese Camphausen, Hansemann, Pfuel, Thon-Dittmer,
Pfordten, Römer, Gagern, Bekk, Jaup, Stüve it. — war in irgend einem von ihnen auch nur ein Funke
demokratischen Elementes? Was thaten jene Ministerien
in Oesterreich, in Preußen, bei der Centralgewalt, die sich mit so großem Eifer constitutionelle nannten, um ihr
constitutionelles System auch wirklich auf sichere Grund lagen zu basiren? Blind gegen die Reaction, waren sie
die getreuen Helfershelfer derselben, Revolution auszurotten.
um jede Spur der
Sie herrschten durch ihre Er
gebenen in der Nationalversammlung,
in den gesetzge
benden Kammern mittelst einer unbedingt zustimmenden Majorität.
Als Minister hatten sie überall die Verwal
tung im ganzen Deutschlande, sie hatten die Verfügung
23 über das Heer und über die finanziellen Hülfsquellen säinmtlicher Staaten;
statt aber die Zeiten zu benutze»,
in welchen die Fürsten noch gedemüthigt waren, um die Reformen durchzusetzen, welche sie selbst gefordert hatten,
ließen sie in der Ueberzeugung ihrer Unentbehrlichkeit und in dem Vollgefühle der endlich erlangten Herrschaft die Augenblicke vorübergehen, in welchen die Ausführung
dieser Reformen noch möglich war.
Es genügte ihnen,
sich selbst an der Spitze der Gewalt zu sehen; — sie glaubten, in aller Gemächlichkeit dieselbe noch lange ge nießen zu können. Man wird behaupten, diese Beurthei
lung der Partei sey zu hart und noch von der Erbitte rung des Kampfes in der Paulskirche dictirt. sie durch ein Beispiel belegen.
Ich will
Da gerade Herr von
Gagern der hervorragendste Repräsentant dieser Partei
war, den sie selbst in ihren Organen vergötterte und, wahrlich unverdienter Weise,
der allein fähig sey,
als den Mann begrüßte,
den revolutionären Gestaltungen
eine festere Form zu verleihen, so mag es hier an dem
Platze seyn, einige Bemerkungen über seine Thätigkeit als Minister im Einzelstaate wie in dem Reiche anzu
reihen.
Sie werden beweisen, daß der Coryphäe so
wenig als seine ganze Partei im Stande war, auch nur
das Geringste zu schaffen, welches einigen Halt gewähren konnte. Die Märztage hatten den Führer der Opposition in
24 der zweiten Kammer von Hessen-Darmstadt znm Mi
nister gemacht und seine erste Proklamation enthielt eine Menge von Versprechungen, wie sie eben in den März
tagen
überall gemacht
Lande war verstummt.
wurden.
Alle Opposition im
Die demokratische Partei erwar
tete mit Sehnsucht die Durchführung jener Verheißungen;
die Bureaukratie hatte sich ohne Ausnahme dem neuen Gestirne zugewandt, und dieselben Beamten, welche vor einigen Wochen bei dem Namen Gagern verächtlich sich
abwandten, schwärmten jetzt maßlos für den edlen Frei heitskämpfer, den neuen Minister.
Die Reaction war entflohen.
Die
Kammern bewilligten, was der Minister wollte.
Das
vollständig
ihre Häupter
gebrochen,
regierende
Haupt unterzeichnete Alles, was man ihm
vorlegte.
Ueberall war tiefe Ruhe im Lande, nur ein
einziges standesherrliches Schloß war demolirt worden. Die
Einen hofften geduldig
Andern
erwarteten
sie
als
auf die Reformen,
etwas
die
Unabwendbares.
Aber nirgendwo geschah auch nur das Mindeste; keine
Umgestaltung der Administration war ersichtlich, keine legislative Thätigkeit
bemerkbar.
Die Aufhebung der
Standesvorrechte war versprochen; — Herr von Gagern
ließ die erste Kammer nach wie vor bestehen. Das ein zige legislative Produkt einer dreimonatlichen Thätigkeit war das Wahlgesetz
zur constituirenden Nationalver
sammlung, welches so spät erschien, daß das Großher-
25 zogthum Hessen der letzte deutsche Staat war, welcher überhaupt wählte.
Die Ernennung zweier Räthe in das
Ministerium, die Pensioniruiig von einem halben Dutzend
Beamten waren die einzigen Veränderungen in der Ad ministration.
Es erschien kein Gesetz zur Sicherung der
Märzversprochenschaften und in der Verwaltung schuf
das Ministerium keine Bürgschaft für Ausführung seiner Grundsätze.
Alles blieb
beim Alten, und die Verwal
tung Gagerns zeichnete sich nur dadurch vor derjenigen seines Vorgängers du Thil aus, daß mit unerhörtem
Aufwande militärischer Kräfte Polizeimaßregeln getroffen
wurden, zu welchen früher einige Gensdarmen genügt hatten.
Richter, von welchen sich ganz Deutschland mit
Abscheu wandte, blieben ruhig in ihren Stellen; Beamte, die in dem ersten Augenblicke der gerechten Entrüstung
des Volkes weichen mußten, wurden sogar befördert;
der abgetretene Minister mit ausgezeichneter
Belobung
seiner Dienste und mit gesetzwidrig erhöhter Pension ent
lassen.
Statt die Verhältnisse der Standesherren zu ih
ren gedrückten Unterthanen Vortheilhaft zu regeln, wurde
Geld über Geld von den Kammern verlangt und zu un nützen Spaziergängen der Truppen verwendet. Der Befehl
über diese blieb in denselben Händen, denen er früher anvertraut gewesen war.
Die versprochene Bewaffnung
des Volkes, die Organisirung der Bürgerwehr fand nir
gends statt.
Ich wiederhole es, ein ganzes Vierteljahr,
26 die Monate
März, April, Mai, verstrichen in Hessen
unter diesem Ministerium Gagern, ohne daß eine einzige der versprochenen Reformen
auch nur angebahnt, ohne
daß eine einzige der verheißenen Freiheiten gesetzlich ge sichert worden wäre.
Die Preßfreiheit war versprochen,
die Censur aufgehoben, aber die alten Gesetze über die
Presse blieben nach wie vor in Kraft.
Das Associations
recht war gewährleistet, aber die Strafgesetze über Ver
sammlungen bestehen noch bis auf den heutigen Tag und
könnten jetzt sogar willkührlich verschärft werden.
Die
Kammer, deren sofortige Auflösung der Minister Gagern mehrmals
versprochen hatte, blieb sogar noch über ein
Jahr zusammen und jetzt erst werden die Wahlen zu neuen verfassungsrevidirenden Kammern ausgeschrieben. Dies waren die Früchte des Gagern'schen Ministe riums in seinem engeren Vaterlande.
Sind die, welche
er als Reichsminister sammelte, etwa besser? Schmerling war abgetreten unter den Verwünschungen der Partei,
die ihn gestützt hatte, Gagern übernahm seine Erbschaft unter den glänzendsten Verhältnissen.
Man hatte sich
endlich überzeugt, daß Schmerling aus bösem Willen die
Centralgewalt erniedrigt, die Nationalversammlung un terwühlt, die Dyuastieen gestützt hatte; man erwartete
von dem Manne mit den olympischen Augenbrauen energi sches Handeln, Kräftigung der Centralgewalt, entschiedene Hebung des
Einheitsinomenteö in Deutschland.
Man
27 bemerkte aber keine Veränderung weder.in dem Gang,
noch in dem Geiste des Ministeriums.
Die Partei, an
deren Spitze Gagern stand, siegte überall, wo sie nur wollte; sie gab dem Ministerium ein Vertrauensvotum
in der österreichischen Frage; sie brachte die Verfassung vollkommen nach ihrem Wunsche zu Stande; sogar den
erblichen Kaiser erhielt sie nach unsäglichen Anstrengungen und erlitt nur bei dem Wahlgesetze eine vollständige par
lamentarische Niederlage, die aber für den Bestand deö Ministeriums keine Folge hatte.
fung nahte heran.
Die Stunde der Prü
Die Verfassung war vollendet; es
handelte sich darum, sie zur Geltung zu bringen.
Mit
überraschender Schnelligkeit nahmen die kleinen Staaten
die Reichsverfassung an, und ebenso leicht, leider nur
zu leicht, gelang es in Württemberg den Widerstand des Königs zu brechen.
Ueberall hatte sich das Volk erhoben,
um das Werk der Nationalversammlung durchzuführen,
und noch war es Zeit, den Widerstand der Regierungen
zu brechen, und mit der Macht, welche man in Händen hatte, den tönenden Phrasen Nachdruck zu geben.
Wel
cher Boden für eine energische Erecutivgewalt!
Man
hatte zur Disposition die ganze Bourgeoisie und alle de mokratischen Parteien; für sich die enorme Mehrheit der
Nationalversammlung; man konnte über Truppen und Geld, über Arme und Credit verfügen.
Die Gegner
standen in den eigenen Landen nicht fest; der Boden, den
28 ihr zum Angriff schreitender Fuß verließ, erhob sich, um ihnen den Rückweg zu versperren. Die legale Executive der Nationalversammlung hatte Deutschland in der Hand, wenn sie diese Hand nur öffnen wollte! Das Reichs ministerium aber blieb thatlos : statt die ihm zu Gebote stehenden Kräfte zu sammeln und unter sich zu concentriren, fürchtete es nur, eine Bewegung anzufachen, die es nicht bemeistern könnte, und es begnügte sich, einige Gesandte nach den größten Höfen zu schicken, welche vor aussichtlich nichts ausrichten konnten. Es war in jenen Zeiten, unmittelbar nach der Rückkehr der Kaiserdeputation, wo Bassermann zum zweiten Male nach Berlin ging, als ich mich, wenn gleich ungern, entschloß, mit Raveaur und Fröbel den Ministerpräsidenten direkt an zufragen, welche Stellung er in dem bevorstehenden Kampfe für die Rcichsvcrfassung einzunehmen gesonnen sey. Wir versicherten ihm, daß wir und unsere Freunde fest entschlossen seyen, ihm und dem Ministerium zu al len energischen Maßregeln unsere Unterstützung zu leihen. Auf seine Frage, ob wir auch entschlossen seyen, mit ihm die Oberhauptsfrage in seinem Sinne dnrchzusetzen, ant worteten wir, daß dies allerdings unsere Absicht sey. Wir stellten ihm die ganze Lage der damaligen Verhältnisse von unserem Standpunkte aus vor, zeigten ihm die Kräfte, welche im Volke zu uns standen; wir sagten ihm geradezu, daß längeres Schwanken nur dazu dienen
29 könne,
die
gänzlich
Verfassung
von
Regierungen
verbündeten
wieder abzulösen und seinem
zu
der
vernichten,
Reichsverfassung
Ministerium ein
sungsfeindliches zum Nachfolger zu geben. die
Richtigkeit
dieser
Auffassung
die
zu,
verfas
Er gestand
kam
nochmals
darauf zurück, .daß wir unsere Unterstützung auch in der
Oberhauptsfrage
ihm
angedeihen
lassen
müßten
und sagte uns endlich zum Schlüsse : „Es ist in dem
Ministerrathe die Frage aufgeworfen worden : Resigna tion oder Revolution?
Ich habe mich
zu
Ersterem
nicht entschließen können; Sie wissen nun meine Mei nung."
Als aber am anderen Tage einige andere Mit
glieder der Linken, welche für den Kaiser gestimmt hat ten, ihn aufs Neue zu energischem Vorgehen drängten,
gestand er Diesen, er fühle wohl den Willen, aber nicht die Kraft dazu in sich, und manchmal zweifle er auch an seinem Willen. — Ist
es zu verwundern, wenn die
Partei mit solchem Führer ihr Spiel verlor und sich später dennoch zur Resignation entschloß?
Was das eine Beispiel dargethan hat, dürfte sich überall zeigen; an allen Orten waren die Märzminister unfähig, die Revolution für die Feststellung ihres Sy
stems auszubeuten, und man muß Herrn von Gerlach vollkommen
beistimmen,
wenn er in der preußischen
Kammer sagte: jene Partei müsse jedem Ministerium ihre Zustimmung unbedingt ertheilen, da sie zur Zeit,
—
30 —
als sie am Ruder gewesen, ihre totale Unfähigkeit zum
Regieren dokumentirt habe.
Wenn es also irgend einer Partei zum Vorwurf ge
macht werden kann, daß die im März momentan er rungenen Freiheiten nicht festgestellt wurden, so ist es ohne Zweifel Diejenige,
welche nach dem März das
Ruder in den Händen hatte, aber die Kraft nicht besaß,
es zu führen, und es deßhalb andern Steuerern wieder
überlassen mußte.
An einigen Orten, wie in Württem
berg und Hessen, sind freilich die Märzminister noch im Besitze der Gewalt, aber um den Preis der Verläugnung
ihrer Principien.
Die demokratische Partei war nur in
Baden eine Zeitlang im Besitze der Gewalt; — warum ist es ihr dort nicht gelungen, so könnte man fragen, die Früchte der Revolution sicher zu stellen? Ich will auf die Fehler, welche in Baden gemacht
wurden, nicht weiter eingehen; — die Geier und Aas
vögel der Revolution sind schon am Werke, aus den
zerfleischten Eingeweiden ihrer eigenen Partei die Todes wunden, welche sie sich selbst schlug, für einige Gulden
Honorar dem staunenden Publikum zu zeigen.
Es sind
viele Fehler gemacht worden; man schlägt sie aber zu hoch an, wenn man ihnen allein das Mißlingen der badisch-pfälzischen Bewegung zuschreiben wollte.
Man
muß bedenken, daß eine Revolution nothwendig verun
glücken mußte, der ein so kleines Gebiet und so wenig
31 Zeit zu Gebote stand.
Es war unmöglich, vor dem
Kampfe oder während des Kampfes selbst hinreichend aufs Neue zu organisiren.
Die Revolution löst noth
wendig die bisher bestandenen Banden der Gesellschaft
und des Staates auf, und ehe neue Formen geschaffen sind, finden wir überall eine Periode, in welcher die un»
organisirte Masse dem Angriffe organisirter Kräfte nicht zu widerstehen vermag,
zumal wenn diese mit solcher
Ueberlegenheit hereinbrechen, als es in Baden und der
Pfalz der Fall war.
Im Anfänge der französischen
Revolution flohen die französischen Truppen unter Du-
mouriez überall bei den ersten Kanonenschüssen, und die selben Ungarn,
welche später
allerorts siegreich dem
Feinde gegenüberstanden, mußten sich hinter die Theiß
zurückziehen und ihre Hauptstadt dem Feinde überlassen.
Aber hinter der Theiß, hinter Valmy lag noch ein wei tes Land, in welchem während des Kainpfes neue Streit
kräfte organisirt wurden, wo jeder Verlust nur zu er höhter Thätigkeit anspornte und jede aufgelöste Heeres
abtheilung durch neue Regimenter ersetzt werden konnte. Der Feldzug des Prinzen von Preußen würde vielleicht
ähnlich dem Feldzuge des Herzogs
von Braunschweig
oder des Fürsten Windischgrätz geendigt haben,
wenn
Baden die Größe von Frankreich oder Ungarn gehabt hätte.
Da man aber im Anfänge versäumt hatte, die
Revolution weiter auszudehnen, so war es später, wäh-
32
rend des Kampfes, unmöglich, politische Fehler gut zu mache» und der Uebermacht zu widerstehen. Man konnte noch auf den Sieg hoffen, so lange die Revolution nicht innerhalb der badischen Gränzen gebannt war; ihre Sache war von dem Augenblick an verloren, wo sie in diesem engen Kreise stehen blieb. Der Ausgang ist leider so gewesen, wie man ihn erwarten konnte, und ein großer Theil der demokratischen Partei, die meisten Führer und Häupter derselben be finden sich im Auslande, wo, wie es scheint, die Hetze auf die Flüchtigen von Seiten der Sieger nun fortgesetzt werden soll. In die kleine Schweiz hat sich eine große Menge von Individuen gerettet, die mehrentheils außer dem herben Loose der Verbannung auch noch dasjenige des physischen Mangels tragen müssen, und sich außer dem des Asylrechtes nicht erfreuen können, da in jedem Augenblicke ihnen die'Ausweisung über das Meer hin über droht. Die Verhältnisse der deutschen Emigration gegenüber der italienischen, polnischen, ungarischen sind eigenthümlicher Art. Dort ist der Kampf mißlungen gegen fremde Unterdrückung, ein Kampf, an dem sich auch die begüterten Elemente der Nation um so wesent licher betheiligten, als sie sich nach Vertreibung der fremden Unterdrücker am ersten zur Herrschaft berufen glauben konnten. In Deutschland hingegen ist cs der Kampf gegen die Unterdrücker des eigenen Stammes,
33 dessen unglücklicher Ausgang die Flüchtlinge aus ihrem
Vaterlande verjagt und so meistens Besitzlose oder solche, deren Erwerb an ihren Aufenthaltsort gebunden war, in die Fremde verstoßen hat. Die aus anderen Völkern
hervorgegangenen Einigrationen sind deshalb wohlhabend
zu nennen im Vergleich zu der deutschen.
Es wird ihr
daraus kein Vorwurf zu machen seyn, da sie sich an
anderen Eigenschaften wohl mit jeder Emigration aus andern Ländern messen kann.
Man irrt sich, wenn man glaubt, daß die Flücht
linge in irgend bedeutender Weise in das politische Leben Deutschlands eingreifen könnten.
Der enge Zusammen
hang mit dem Volksleben selbst, mit den Begebenheiten
des Tages und deren Wirkungen entgeht ihnen; sie blei
ben gleichsam auf dem politischen Boden stehen,
der in
dem Augenblicke eristirte, wo sie das Vaterland verlie
ßen und befinden sich deshalb, je länger ihr Erik dauert,
auf um so falscherem Standpunkte.
Zudem ist es ihnen
nicht möglich, anders als auf literarischem Wege auf die Heimath eiuzuwirken, und daß dieser Weg stets nur ei» unvollkommener ist, läßt sich wohl nicht absprechen. Die
Verfolgungen der politischen Flüchtlinge haben deshalb nicht einmal hinreichenden Grund und sind heute noch,
wie sie es früher waren, das Merkmal niedrig denkender
Herrscher. Ich weiß wohl, daß von Zeit zu Zeit von Seiten
3
34 der Flüchtlinge Einfälle in das Gebiet benachbarter Staa ten
versucht wurden,
Beispiele
als
Grund
und daß die Regierungen diese für
ihre Verfolgung anführen
Wenn man aber bedenkt, daß diese Versuche
könnten.
stets nur von
einer geringen Zahl gemacht und auch
von den crtremsten Parteien im Vaterlande mit entschie
dener Ungunst ausgenommen wurden, so wird man mir
wohl Recht geben, wenn ich behaupte, daß unter den Tausenden von Deutschen, welche sich setzt in der Schweiz befinden, keine zehn zu finden seyn dürften, welche solche Gedanken in fich trügen.
Erst die fortwährende Ver
folgung, die Treibhetze von einem Orte zum andern kann Anschläge dieser Art als Produkt der Verzweiflung
hervorbringen. Es scheint die Absicht der verbündeten Regierungen
zu seyn, um jeden Preis das Meer zwischen die Flücht linge und das pacificirte Deutschland zu bringen, und
die eidgenössische Behörde zeigt eine überraschende Will fährigkeit,
bieten.
zu diesen Bestrebungen hülfreiche Hand zu
Das Asylrecht, auf dessen Besitz die Schweiz so
viel pochte, ist faktisch schon in solcher Weise verkümmert,
daß man
dürfte.
es kaum mehr mit diesem
Namen belegen
Der Bundesrath scheint blos der Vollstrecker
der Proscriptionslisten, welche ihm von Deutschland aus
zugesandt werden, und der Chef des auswärtigen De partements im Bundesrathe, Herr Druey, geht beim
35
Vollzug der Maßregeln mit einer Härte zu Werke, als wollte er dadurch seine radikale socialistische Vergangen heit vergessen machen. Man würde es der Schweiz, einem so kleinen Lande, dessen Macht in keinem Verhält nisse zu seiner politischen Aufgabe steht, nicht verargen können, wenn sie ihre Grenzen allen politischen Flücht lingen verschlösse und feinem ein Asyl, sondern höchstens freien Durchpaß gestattete. Es stünde ein solches Be nehmen im richtigen Verhältnisse zu der übrigen Neu tralitätspolitik, welche die Schweiz seit längerer Zeit befolgt hat. Das ungleiche Maß aber, womit das Asyl recht angewandt wird, dies ist es allein, welches die große Unzufriedenheit erzeugt, die sich überall gegen das Verfahren der schweizerischen Bundesbehörde kund gibt. Als vor einem Jahre in Folge des Struve'schen Ein falls der Reichsgesandte Raveaur bei dem Bundesrathe nur die Jnternirung der Flüchtlinge, oder, sollte diese nicht möglich seyn, die genaue polizeiliche Uebcrwachung derselben an den Grenzen verlangte, so beantwortete der Bundesrath dieses Verlangen in entschieden ablehnenden Noten, in welchen er gegen diese Verletzung des Asyl rechtes, wie er sie nannte, protestirte. Die Linke in Frankfurt unterstützte den Bundesrath und forderte die Zurücknahme der von dem Reichsministerium gestellten Anmuthung. Und damals handelte es sich doch um einen wirklichen Einfall, welcher durch Flüchtlinge von schwei3*
36
zerischem Gebiete aus unternommen worden war. Der selbe Bundesrath, welcher das frühere Verlangen des Reichsrninisteriuins als eine Verletzung des Asylrechtes behandelte und damals formell federn Flüchtling Schutz versprach, welcher nicht von der Schweiz aus in die Verhältnisse der Nachbarstaaten störend eingreifen werde, derselbe Bundesrath weist heute ohne anderen Grund, als das Verlangen einer deutschen Regierung oder sein eigenes bon plaisir, einen jeden deutschen Flüchtling aus, dessen Name ihm nur als vorragend bekannt wird, und mißhandelt so dieselbe Partei, welche im Vaterlande für die Rechte der freien Schweiz auftrat und dieselben den Regierungen gegenüber verfocht. Keiner kann wissen, wann das Loos ihn trifft, binnen 5 oder 10 Tagen die Schweiz räumen zu müssen; sein längerer Aufenthalt in diesem Lande hängt einzig und allein von der Gnade oder von der Vergeßlichkeit der deutschen Regierungen oder des Bundesrathes ab. Daß dieses Mißstimmung erzeugen muß, ist leicht ersichtlich und dürfte für die Zukunft der Schweiz von bedeutenden Folgen seyn. Die Schweiz verdankt ihre Eristenz nur der Eifersucht der großen Mächte und ihrer Uneinigkeit, sowie der Gunst, in welcher sie bei der demokratischen Partei aller Länder stand; die ihr feindlichen Regierungen mußten fürchten, bei einem Angriffe auf die Unabhängigkeit der Schweiz in ihrem eignen Lande bedeutende Gährung, ja selbst
37 ernstliche Unruhen zu erwecken. Das unbillige, in keiner
Weise gerechtfertigte Verfahren gegen die Flüchtlinge, welche in ihrem eignen Vaterlande nur dieselben Grund sätze zur Geltung bringen wollten, deren staatlicher An
erkennung die Schweiz sich rühmt, dürfte geeignet seyn, die Sympathien der Oppositionspartei im Auslande für
die Schweiz wesentlich zu erkalten, während man auf der anderen Seite überzeugt seyn kann, daß solche ge
ringfügige Concessionen, hundert Flüchtlinge,
wie die Verweisung
einiger
den Groll der absoluten Mächte
gegen die Schweiz in keiner Weise zu besänftigen im
Stande ist.
Daß unter solchen Verhältnissen das Fort
bestehen der Schweiz in ihrer bisherigen Weise ernstlich gefährdet ist, ergibt sich leicht.
Der Weg, auf dem der
Bundesrath mit diesem Fortbestände versöhnen will, ist aber wahrlich nicht der geeignete.
Die Regierungen,
welche den Selbstmord der Schweiz verlangen, können und werden sich nicht mit der Verstümmelung dieses oder jenes Gliedes begnügen.
Die Zerfahrenheit, welche jetzt überall in Deutsch
land unter den einzelnen Parteien herrscht, ist eine Folge
des unerwarteten Ausgangs,
den das Nevvlutionsjahr
1848 genommen hat. Eine jede Partei ist in ihren Hoff
nungen getäuscht. Die Siegenden können sich ihres Sieges
nicht freuen, weil sie nicht wissen, wie sie ihn benutzen sollen, und die Unterlegenen haben zwar ihre zersprengten
38 Streitkräfte noch nicht wieder unter gemeinsame Fahnen sammeln können, sind aber nicht so besiegt, daß ihre Kraft gänzlich gebrochen wäre. Daß es so nicht bleiben könne,
wie es jetzt ist, darüber sind alle Parteien einig, obgleich die Mittel und Wege, die Zustände nach ihrem Willen
zu formen, noch nicht gefunden sind. Eine Umgestaltung kann aber nur dann gelingen, wenn sie ein festes Ziel hat.
Befindet man sich in der Unmöglichkeit, ausrei
chende Mittel zu verschaffen, um das Ziel zu erreichen, so muß man auch die unzulänglichen benutzen,
so weit
Ich glaube deshalb,
daß die
man nur irgend
kann.
Opposition jetzt, wo-die demokratische Partei im offnen Kampfe erlegen ist, sich mit um so größerer Energie in
den Kammern der Einzelstaaten, in der Presse, in dem Vereinswesen geltend machen müsse, und daß sie auch den friedlichen Weg parlamentarischer und literarischer
Agitation nicht verschmähen dürfe, wenn er ihr auch als
unzulänglich erscheinen sollte. Die Einheitsbestrebung vom März in der Weise, wie sie damals und
später von der Nationalversamm
lung zu Frankfurt aufgefaßt wurde, ist vollkommen ver
unglückt.
Hunderttausende haben in Adressen Gut und
Blut gelobt, die Rcichsverfassung zur Anerkennung und
Geltung zu bringen
und Hunderttausende vergaßen dies
Versprechen an dem Tage, wo sich die Einschüchterungs politik der Gothaer Partei den Regierungen gegenüber
39
fruchtlos erwies und das Versprechen zur That werden sollte. Die Reichsverfaffung ist zu Grunde gegangen und wird nicht wieder auferstehen, — eine spätere Re volution wird sie weder zum Ausgangs-, noch zum Ziel punkte ihrer Bestrebungen nehmen. Wir dürfen aber in der Reichsverfaffung zwei wesentliche Elemente unter scheiden : die staatliche Form, welche sie dem vereinigten Deutschland geben wollte, und die politischen Rechte, welche sie einem jeden Deutschen verlieh. Die Forin ist zu Grunde gegangen und es wird der Opposition wohl nicht daran gelegen seyn, sie wieder zu erwecken; dagegen muß sie an den Rechten, welche diese Reichsverfaffung gab und die in vielen Staaten theilweise auch schon Gesetz geworden sind, festhalten bis auf das Aeußerste, und jeden Punkt derselben unverkümmert zu erhalten und weiter fortzubilden suchen. Ich lege deshalb die größte Bedeutung auf die Wirksamkeit der Volksvertretungen in den Einzelstaaten. So lange als die Nationalversammlung einen vom Volke gewählten Einheitspunkt darstellte, so lange konnte auch die Bedeutung der Volksvertretung in den einzelnen Staaten nur eine sehr untergeordnete seyn. Jetzt ist dieser Einheitspunkt durch die Macht der Bajonette ge sprengt, und es treten dadurch die einzelnen Kammern wieder in ihre frühere Bedeutung als Hüter und Be wahrer der Volksfreiheiten ein. Es versteht sich von
40 selbst, daß ich hier nur von Kammern rede, welche aus
dem allgemeinen Stimmrecht hervorgegangen sind, und
daß Anstalten moderner Corruption, wie die in Berlin, von
der Opposition gänzlich
unberücksichtigt
gelassen
werden müssen. Unsere Partei hatte das unverbrüchliche Festhalten an
der Reichsverfaffung als
ein gemeinsames Panier auf
gestellt, um welches sich die Mehrheit des Volkes schaaren sollte. Man hat von vielen Seiten, und namentlich auch
von Seiten der extremen Partei dieses unser Verhalten
als ein Verlassen derjenigen Grundsätze dargestellt, welche
uns bis dahin in unserem parlamentarischen Wirken ge leitet hatten.
Es handelte sich damals einfach um die
Frage, ob man den Kampf gegen die vereinten Parteien der Constitutionellen und
der reinen Monarchisten auf
nehmen, somit die Reichöverfassung ihrer politischen Form wegen zurückweisen könne, ober
ob dies unthunlich sey
und ob man zum Kampf gegen die absolute Monarchie allein sich mit den Constitutionellen verbinden müsse. Die demokratische Partei war bis dahin überall so sehr in
der Minderheit gewesen,
sie hatte durch unberechnete
Aufstände so sehr sich selbst geschadet, daß auch in dieser Krisis sie ganz unbezweifelt den Kürzeren gezogen hätte.
Es war demnach wohl kein Fehler der politischen Be
rechnung, wenn man ihr noch eine Menge Streiter zu führte, welche das Werk der Volksvertretung als Ganzes
41 zur Geltung gebracht wissen wollten.
Nur auf diese
Weise war es möglich, die ganze große Partei im Volke,
welche um jeden Preis eine Herstellung gesicherter Ver
hältnisse verlangte, Vertheidiger
enthielt.
auch für diejenigen Freiheiten als
aufzustellen, welche
die
Reichsverfaffung
Man sollte denken, die Bewegungen der letzten
Jahre müßten einem Jeden auf
das Ueberzeugendste
dargethan haben, daß eine Revolution, welche gegen die
Sympathie des dritten Standes von dem vierten Stande oder dem Proletariat allein unternommen wird, keine
Aussicht auf Erfolg bieten kann, und daß nur dann diese Aussicht vorhanden ist, wenn der dritte Stand nicht
Opposition gegen die Bewegung von Anfang an ergreift. Eine jede Bewegung zur Durchführung der Reichsverfassung aber besaß die Sympathie der Mittelklassen nur
in dem Falle, wo sie auch die politische Form definitiv im Sinne dseser Verfassung feststellte. Wir haben oben ausgeführt, in welcher Weise Preußen
diesem Verlangen der Bourgeoisie,
zu einer definitiven
politischen Form zu gelangen, nachzukommen trachtete.
Statt des durch die Vertreter des Volkes geschaffenen Einheitspunktes,
der immerhin,
wenn
auch bedeutend
abgeschwächt, den Stempel der Volkssouveränetät an der
Stirne trug, wollten die Regierungen einen Einheitspunkt
schaffen, ein Produkt der Berufung von Gottes Gnaden
oktroyiern.
Die Veränderungen, welche die Frankfurter
42 Verfassung unter den Händen der Dreikönigsbündler er
hielt, waren diesem veränderten Typus auch durchaus angemessen.
Mit dem Gottes-Gnadenthum ging die
Herstellung der Adelsvorrechte, die Möglichkeit der Auf hebung aller Volksfreiheiten Hand in Hand; — im Uebrigen
wurde der Schein gewahrt,
so viel als möglich, das
Wesen aber zerstört.
Ist cs möglich, sich einem solchen Einheitspunkte an zuschließen, der durch ein allen Principien der Gerech
tigkeit widerstreitendes Wahlgesetz eine gefügige Majorität
schafft, welche Alles in die Hände Regierung Preußens legen würde?
der Hegemonischen Unter dem Scheine
der Freiheit würde ein Druck geschaffen werden, ärger als derjenige des alten Bundestags
noch
und keine
Garantie würde geboten seyn, so lange Preußens perfide Politik die Zügel der Regierung in den Händen hätte.
Die Mitglieder der Gothaer Versammlung haben gesagt, der Dreikönigsentwurf enthalte die wesentlichsten Bedin
gungen, welche sie von einer Reichsverfassung verlangt hätten,
nämlich die Vorstandschaft Preußens und ein
Volkshaus. Wer nach den Vorgängen der letzten Monate noch die Vorstandschaft Preußens in irgend einer Bezie hung wünschen
kann,
gibt
dadurch den Gegnern das
Recht, ihn zu den reinen Absolutisten zu zählen.
Man
spricht von Demoralisation der unteren Volksklassen, aber solche Demoralisation, wie 'sie von oben her durch die
43
Regierung in Preußen durchfiltrirt, findet sich wahrlich nicht in den niedrigsten Schichten der Gesellschaft. Kein gegebenes Wort, keine Zusage ist in diesem Systeme heilig; heute ist es Bedürfniß der Zeit, ein Versprechen zu geben, morgen ist es Bedürfniß der Zeit, seine Er füllung zu verweigern. Mit nackter Schaamlosigkeit ge stehen dies die Vertreter des Systemes selber ein und mit ekelhafter Unterwürfigkeit sanktioniren es die soge nannten Vertreter des Volkes. Heute gibt dieses System eine Verfassung, morgen bricht es'dieselbe, weil es die Laune der bestimmenden Person so will. Man hat ge glaubt, daß die chambre introuvable Alles erschöpfe, was nur irgend gedacht werden könne, an parlamenta rischer Erbärmlichkeit. Man konnte nicht glauben, daß sich eines Tages eine sogenannte Volksvertretung finden könnte, welche selbst den Gewalthaber bittet, seine gege bene Zusage nicht zu erfüllen und die Gewalt ungeschmä lert in Händen zu behalten. Die Kammer bittet den König, das Heer nicht auf die Verfassung zu vereidigen, wie er es doch versprochen hatte, sie ersucht ihn, die physische Gewalt ungeschmälert, unter unverantwortlichem Oberbefehle zu behalten. Wo solche Dinge vorgehen können, da ist keine Ga rantie eines politischen Zustandes möglich; die Dreikönigs verfassung annehmen und Preußen an die Spitze stellen, heißt jede Spur einer solchen Garantie auch in allen
44 übrigen Staaten vernichten.
Das Heer der kleineren
Staaten, ihre Geldquellen werden einer Macht zur Ver
fügung gestellt, welche nur zu deutlich gezeigt hat, daß sie nur die Wiederherstellung des unverfälschten Absolutis mus will.
den
in
Diese Macht würde dann das Recht haben,
kleineren Staaten jede Freiheitsbestrebung
zu
unterdrücken, und sie würde in dieser Bestrebung stets
von der
servilen
Majorität im Reichstage unterstützt
Resultate
der Durchführung des Dreikönigs-
werden.
Die
bündniffes würden also die seyn, daß auf scheinbar lega
lem Wege, ohne Anwendung besonderer Gewalt, die Freiheiten, welche das Volk im März errungen, in einer
solchen Weise verkümmert würden, daß der vormärzliche
Zustand Deutschlands werden müßte.
dagegen ein glücklicher genannt
Der Einheitspunkt würde nur im Heere
und in der Polizei gegeben seyn, und was dieses sagen
will, wissen wir jetzt durch Erfahrung am besten. In gleicher Weise verderblich für die Freiheit würde
der Einheitspunkt seyn, den Oesterreich uns bietet, wenn gleich die materiellen Interessen des Volkes dadurch we niger verletzt werden würden.
Der Dreikönigsbund legt
die Militäreinheit in Preußens Hände und bürdet da durch fast unerschwingliche Lasten den kleineren Staaten auf.
Ueberall würde dasselbe Schauspiel sich wiederho
len, wie in Preußen, wo der Militärstat in Friedens-
45
zeiten beinahe die Hälfte, in unruhigen Zeiten dagegen sieben Achtel der gesammten Staatseinnahme verschlingt. Oesterreich, es mag nun eine Form der Einheit Vor schlägen, welche es wolle, muß dennoch die Militärein heit zurückweisen und sich mit Herstellung einer einheit lichen Polizei im Bunde begnügen. Die einzigmögliche Rettung der vorhandenen Frei heiten liegt setzt im Partikularismus der Einzel staaten. Jede Einheit, sie möge Form und Namen haben, welche sie wolle, wird setzt von den Regierungen nur geboten, um desto wirksamer die Freiheit in den Einzelstaaten unterdrücken zu können. Die Stellung der Opposition, gegenüber diesen Bestrebungen, ist klar. Sie müssen mit aller Anstrengung zurückgewiesen werden, und hoffentlich wird sich das öffentliche Bewußtseyn bis zu dem Zusammentritte der Kammern in Württemberg, Baden, Darmstadt, Sachsen, Hannover und Baiern, so weit ermannt haben, daß über diesen Punkt es nur noch eine Stimme der öffentlichen Meinung gibt. Es wird dies um so leichter geschehen können, als setzt schon der Boden unter dem Bau des Dreiköm'gsbundes wankt, und die Zeit vielleicht nicht ferne seyn wird, wo dieselben Maulwürfe, welche diesen ekeln Haufen auf warfen, ihn auch wieder zerstören. Man hat vielfach behauptet, die Macht und Größe des einigen Deutschlands und seine einflußreiche Stellung
46 dem Auslande gegenüber werde einen hinlänglichen Er satz bieten, selbst für die verlorene Freiheit im Inneren; und um Deutschland eine solche, seiner Größe entspre chende Stellung zu geben, wolle man lieber eine Pe riode des Absolutismus durchmachen, da man doch sicher sey, die Freiheit später auf parlamentarischem Wege zu erringen. Aber, so fragen wir, ist es möglich, mit einer Macht wie Preußen an der Spitze in irgend einer Weise nationale Selbstständigkeit gegenüber dem Auslande zu erringen? Hat dieses System nicht sogar die Waffen ehre seines Heeres, gegenüber den dynastischen Interessen des Auslandes Waffenstillstand des Herrn von und die ganze
in Schleswig-Holstein geopfert? Der von Malmö mit den offiziellen Noten Wildenbruch, der jetzige Waffenstillstand Entwickelung des schleswig-holsteinischen
Kampfes, stehen sie nicht als Brandmale da, als Wahr zeichen für die Politik, welche Preußen dem Auslande gegenüber als Hegemon Deutschlands befolgen wird? Hat nicht der Görgey'sche Verrath die deutschen Trup pen vor der Schmach gerettet, die ihnen von Herrn von Gagern vorgezeichnete Rolle der Russen in Ungarn übernehmen zu müssen? Die unmittelbare Folge einer Hegemonie Preußens wie Oesterreichs über Deutschland würde nur die seyn, daß die russischen Grenzen in Wahrheit bis an den Rhein vorgeschoben wären, und daß man Macht genug aus dem Norden zöge, um wäh-
47 rend einer gewissen Zeit jede Freiheitöbestrebling in dem einigen Deutschland niederzuhalten und zu unterdrücken, während jetzt in der Zersplitterung Deutschlands auch Vie Kraft, welche ein solches Bündniß entwickeln kann, in nach Innen minder mächtigen Strahlen auseinander gehen muß. Alle Anzeigen deuten darauf hin, daß der Dreikö nigsbund, wenngleich noch ungeboren, dennoch schon wieder seinem Verscheiden nahe ist, und daß alle Be strebungen der Partei, welche ihn will, an Kabinetsintriguen scheitern werden. Wäre dies aber auch nicht der Fall, käme wirklich die Berufung eines neuen Reichs tages zu Stande, käme es wirklich dahin, daß jenes jämmerliche Wahlgesetz angewendet werden sollte, nach welchem man den Reichstag des Dreikönigsbündnisses züsammenberilfen will, so müßte sich die ganze Oppo sition zu demselben Schritte einigen, welcher in Preußen so bedeutende Erfolge erzielt hat. Unter keiner Bedin gung darf gewählt werden, und alle Anstrengungen müssen dahin vereinigt werden, um auch hier einen Reichstag der Minorität zu erzeugen, wie jetzt in Preu ßen eine Minoritätskammer eristirt. Die Ständekam mern, in welchen die Opposition die Majorität hätte, dürften unter keiner Bedingung zum Ständehaus wäh len oder Candidaten Vorschlägen. Durch alle ihre Or
gane müßte die Opposition zum Voraus erklären, daß
48
sie in keine Maßregel willigen werde, welche von einem solchen Reichstage beschlossen wird, daß sie, wenn sie einmal zur Regierung käme, keine Auflage, keine Steuer, kein Anlehen, keine Ausgabe anerkennen werde, deren Verwilligung nicht durch einen aus allgemeinem Stimm rechte hervorgegangenen Reichstag geschehen sey. Wir können durch die Erfahrung sehen, welche Be deutung ein solcher Minoritätsreichstag haben würde. Keine Partei in Preußen kümmert sich um die zweite Kammer, welche nach dem oktroyirten Wahlgesetze zu sammenberufen ist; sie stirbt an allgemeiner Interesse losigkeit; ihre Beschlüsse haben keine Bedeutung; — man verachtet sie zu sehr, als daß man sich um sie be kümmern sollte. Die Regierung hat die Unmöglichkeit eingesehen, mit einer solchen Kammer ein Anlehen zu negoziren, und ist dadurch in die Nothwendigkeit versetzt worden, den nach Magdeburg geretteten Staatsschatz, von dessen Größe Herr Hansemann vielleicht später ein mal genauere Angaben machen wird, bis auf die Hefe zu erschöpfen. Ein Minoritätsreichstag würde nicht die mindeste Geltung auf der Börse haben, die als erste Bedingung für ihre Anleihen die Zustimmung der Ma jorität betrachtet. Man täusche sich hierüber nicht; — die Banquiers sind Sklaven der Majorität; ein Fürsten wort kann ihnen keine Garantie mehr bieten.
49 Ueberhaupt
liegt
in dem Geldpunkte jetzt für die
Opposition der einzige Hebel, welchen sie anwenden kann, um das maßlose Fortschreiten der reactionären Bestre
bungen zu hemmen.
Auch die Gewalthaber machen sich
darüber keine Illusion, daß der revolutionäre Geist nur
unterdrückt, keineswegs aber vernichtet ist; die Kugeln
aber und die Bajonette, mit welchen sie die Sicherheits
ventile zur Unterdrückung dieses Geistes beschweren müssen, kosten täglich bedeutendere Summen.
Vergebens ist die
Hoffnung, daß die inländische Industrie sich beleben und der materielle Wohlstand die geistigen Forderungen in
den Hintergrund stellen werde. Was in Frankreich noth
wendig eintreten mußte, die Hebung der Geschäfte nach anderthalbjähriger Zerrüttung, wird in Deutschland nicht
eintreten, weil die englische Industrie beim Stocken der unsrigen aushilft.
steme,
Es kann also dem herrschenden Sy
so lange es mit einer kräftigen Opposition im
Inneren,
mit der Stockung in Handel und Wandel zu
kämpfen hat, nun und nimmermehr gelingen, den Geist der Unzufriedenheit
zu dämpfen
und durch materielle
Vortheile seine Forderungen zu übertäuben.
Nicht minder energisch ist im Widerstande gegen die österreichischen Vorschläge einer einheitlichen Reichspolizei
zu verfahren. So lange noch eine einzige Kammer
in Deutschland eristirt, so lange ist es unmöglich, daß die Regierungen von sich aus ohne Zustim-
4
50
inung dieser gesetzgebenden Körper einseitig den
Bundesvertrag von 1815
ändern.
Die Regierungen
konnten den Bund von 1815 einseitig zu Wien schließen,
weil sie damals allein eristirten und keine Repräsentativ -
kammern zur Seite hatten; heute sind sie nicht mehr allein die Herren über die politische Gestaltung Deutsch
lands — sie müssen
fragen.
die Vertreter ihrer Volksstämme
Zu jeder Aenderung des Bundesvertrages, be
treffe sie auch
nur die formelle Zusammensetzung der
Executive, zu jeder Erweiterung, oder wie es die öster reichischen
Staatsmänner nennen :
Entwicklung seiner
Competenz, gehört nothwendig die Zustimmung
der Kammern
in
den Repräsentativstaaten.
Wäre dies nicht der Fall, so hätten auch zu dem Drei
königsbündnisse die betreffenden Regierungen nicht der Zustimmung ihrer
Kammern bedurft, welche sie doch
überall einzuholen versuchten.
Wenn aber schon in den
meisten Staaten es schwierig war, diese Zustimmung mit
geringer Majorität zu erhalten,
und wenn jetzt schon
in manchen deutschen Staaten, gegründete Aussicht vor
handen ist, daß dieselbe abgelehnt werde, um so
so
ist dieses
sicherer bei den österreichischen Vorschlägen zu
erwarten, als dieselben nur die Herstellung einer ein
heitlichen Reichspolizei zum Ziele haben, und auch der gemäßigt constitutionellen Partei unmöglich genügen kön nen.
Der Dreikönigsbund zerfällt in sich selbst,
er
51 scheitert an dem Widerstände einiger, freilich nur weniger
Regierungen. Die österreichischen Vorschläge werden nur
von der Minderzahl der Regierungen und höchstens von
der preußischen Kainmer und den Bassermännern der
Gothaer Partei angenommen werden. Dadurch ist dann
der Kampf auf sein wahres Gebiet zurückgeführt, näm lich auf den Kampf zwischen demAbsolutismus
einerseits und den Repräsentativverfassun gen andererseits; und es kann nicht fehlen, daß die enorme Majorität des Volkes
und besonders auch der
Bourgeoisie in diesem Streite gegen die Fürsten und ihre Regierungen sich schaaren wird. Seht da den Verräther der deutschen Einheit! wird
man von vielen Seiten mir entgegenrufen. Die Einheit ist uns immer ein Ziel gewesen, welches wir mit allen Mitteln erstrebt haben, und es ist wahrlich nicht meine
und meiner Freunde Schuld, wenn sie nicht erreicht wurde.
Aber daß man eine scheinbare Einheit erkaufen
sollte um den Preis des Verlustes der Freiheit, des zer
rütteten Wohlstandes, um den Preis der Knechtung nach
Innen und der Schmach nach Außen, das wird uns Niemand zumuthen können. Das Volk hat in den März tagen zum letzten Male die Fürsten großmüthig behan delt,
es hat nicht vergessen, daß derselbe König von
Preußen, dessen Versprechungen trotz seines „worthal tenden Gemüthes" nur als momentane Ergüsse seines
4*
52 dynastischen Bedürfnisses dargestellt werden, daß derselbe König öffentlich seinem Volke für die Großmuch dankte, mit welcher es ihn behandelt habe.
Nein, das Volk hat
nicht vergessen, daß es treu und redlich die Einheit er strebte, und daß die einzigen Hindernisse dieser Einheit dieselben Fürsten waren, welche es damals großmüthig
verschonte.
Es wird sich dieser Thatsachen zu erinnern
wissen. Das Bedürfniß einer wahren Einheit wird durch
die momentane Zerrissenheit nur mehr und mehr genährt
und geweckt werden;
und wenn es endlich sich Bahn
bricht, so wird die Parole nicht, wie im März 1848,
„Einheit mit den Fürsten", sondern „Einheit ohne die Fürsten" seyn.
Ich habe in keinem demokratischen Ver
eine, in keiner Volksversammlung, in keiner Gesellschaft, selbst der röthesten Republikaner,
solche Ausdrücke der
Verachtung gegen die Dynastien gehört,
als von den
Mitgliedern und Anhängern der Kaiserpartei nach dem Mißlingen ihres Planes.
Bei Vielen mag diese Stim
mung nicht länger angehalten haben, sondern nur ein
Erguß momentaner Gereiztheit gewesen seyn; — bei den
meisten aber ist sie geblieben; und ich glaube, daß selbst
Herr von Gagern, der mir einst nach einer Aeußerung gegen die Fürsten
mit dem Ausdrucke des tiefsten Be
dauerns halblaut sagte :
„O! Sie kennen sie nicht!"
selbst dieser wird sich überzeugt haben, daß ich und meine
Partei die Fürsten besser kannten, als er, wenn wir uns
-53-
gleich nicht in ihrem persönlichen Umgänge zu sonnen pflegten. Fassen wir also noch einmal die Aufgabe der Op position hinsichtlich der Einheit Deutschlands zusammen, so besteht diese einfach in der Zurückweisung eines jeden Vorschlages, welcher von den Regierun gen gemacht werden könnte, in der Nichtbetheiligung an einer jeden Handlung, welche zur Verwirklichung eines solchen Vorschlages sichren könnte, und in dem unab änderlichen Festhalten der Grundrechte, welche von der Nationalversammlung festgestellt wurden. In dem Festhalten dieser Grundsätze darf die Opposition keine Drohung, keine Auflösung der Kammern scheuen; — sie muß unbekümmert um alle Folgen ihrer Handlungen fest dabei stehen bleiben und die Negierungen zwingen, entweder nachzugeben oder gegen das Nepräsentativsystem selbst mit Gewaltmaßregeln vorzuschreiten. Nur auf diese Weise kann es ihr gelingen, den Geist in dem Volke wach zu halten und zu stets allgemeinerem Widerstände zu stählen; nur indem die Opposition die Fahne der Einheit unbefleckt für künftige Zeiten erhält, kann sie hoffen, die selbe auch triumphiren zu sehen. Eine jede Concession, welche in dieser Beziehung gemacht würde, schiebt die Erreichung des Zieles auf einige Jahre weiter hinaus, denn es gibt stets eine Menge schwacher Geister im Volke/
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54
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deren Genügsamkeit mit gar schmalen Bissen sich befrie« big en läßt.
Möge die Partei der Opposition bei den Wahlen mit aller Entschiedenheit in diesem Punkte zu Werke gehen und die Ablehnung jeder von den Regierungen gebotenen
Einheitsformel als unausweichliche Bedingung für ihren Candidaten aufstellen.
Man lasse sich unter keiner Be
dingung durch die Entschuldigung abspeisen:
„Etwas
müsse doch geschaffen werden; wenn man nichts Besseres
haben könne, müsse man sich mit dem Dreikönigsbunde begnügen."
Wer so spricht, stimmt am Ende jeder von
der Regierung ausgehenden Proposition zu,
sobald er
sich überzeugt zu haben glaubt, daß sein Widerstand doch nichts „Besseres" herbeiführen werde.
Die Benutzung
der gegebenen Thatsachen ist eine Zierde des politischen
Mannes; die Unterwürfigkeit unter die vollendeten That sachen ist stets das Merkmal feiger und gesinnungsloser
Charaktere gewesen.
Ueberblickt man die Geschichte der früheren Kammern in Deutschland, so springt auf den ersten Blick ein ge waltiger Fehler hervor, der sich durch alle Verhandlun gen derselben, wie ein rother Faden, hindurchzieht.
Es
ist dieses die Vernachlässigung der Finanzfragen hinsicht
lich ihres Gebrauches als politisches Zwangsmittel. Die Kammern stellten alle möglichen Forderungen und hiel ten ellenlange Reden darüber; — statt aber hartnäckig
55 darauf zu bestehen und jede, auch die unbedingt nöthigste
Ausgabe der Regierung so lange zu verweigern, bis sie auch das kleinste Jota der Forderungen
erfüllt hatte,
begnügte man sich, die einzelnen Posten zu bekritteln,
hie und da einige Gulden abzuzwacken und am Ende
das Budget zu bewilligen — im Vertrauen, daß die Minister die gemachten Forderungen
erfüllen
würden.
Bei solchem Gebühren konnten die schönsten Reden, die
glänzendsten Verhandlungen nichts nützen, sie waren wie
Spreu im Winde,
so lange die Negierung mit dem
Gelde in der Tasche klingen konnte.
Dieses System der
Opposition muß gänzlich geändert werden.
Ich weiß
wohl, daß der Staat Geld braucht, und daß die unsin
nigste aller Versprechungen die ist, daß man ohne Steu
ern regieren wolle ; — aber ich weiß auch ebenso wohl, daß bei den jetzigen Zuständen die Regierungen die phy
sische Gewalt einzig und allein in den Händen haben, und daß sie im Besitze derselben sich kühn über jedes Gesetz hinwegsctzen können, sobald man ihnen die Mög
lichkeit läßt, diese physische Gewalt nach ihrem Willen
zu ernähren.
Das einzige Mittel, welches die Volks
vertretung in Händen hat, ist gerade die Verweigerung des Budgets, und dieses muß in weitestem Maße ge
handhabt werden.
Unbekümmert um die wirklichen Be
dürfnisse des Staates verweigere man einer Regierung,
welche nicht unbedingt
jede
Forderung der
56 Volks Vertretung augenbli cklich erfüllt, jeg
liches Budget,
und
die
namentlich
außerordentlichen
Ausgaben, welche sie für auch noch so plausible Zwecke
verlangen sollte. DaS verflossene Jahr hat sämmtliche Negierungen ohne Ausnahme zu außerordentlichen Ausgaben genöthigt, welche entweder noch nicht bewilligt oder noch nicht ge
deckt sind.
Zur Bestreitung der Kriegskosten in Schles
wig-Holstein, die mit so vielem Blute nutzlos zur Meh
rung deutscher Schmach vergeudet wurden, zur Erhaltung
des Militärs im Innern sind (Summen
aufgewendet
worden, vor deren Größe die Zahlenden im Volke noch erschrecken
werden.
Man
verweigere
unbedingt
die
Deckung dieser Ausgaben und führe dieselben als schwe bende Schuld überall fort, um stets eine augenblickliche
Handhabe zur Bekämpfung der Regierungen zu haben. In
manchen Staaten läßt die Verfassung eine totale
Verweigerung,
oder eine Verminderung des stehenden
Budgets nicht zu; — aber man bedenke wohl, daß die Regierungen in den nächsten Zeiten ohne außerordent
liche Ausgaben nicht bestehen können, und daß sie zu diese»
die Zustimmung der Kammern
Selbst durch Aenderungen der
nöthig
Ministerien
haben.
lasse man
sich nicht bewegen, auch nur um ein Jota von der er wähnten
Richtschnur abzuweichen.
Das Zutrauen ist
schon zu oft getäuscht worden, als daß man nicht billige
57
Vorsicht anwenden sollte.
Nur zu ost schon ist die Finte
gebraucht worden, daß man ein Ministerium fallen ließ
und ei» anderes ernannte, welches der Opposition in
der Kammer genehm war, nur damit dieses die Geld bewilligung
erhalten möchte.
Sobald dieses geschehen
war, ließ man entweder das Ministerium wieder fallen, oder dieses Letztere selbst setzte sich mit der Kammer in
Opposition und verweigerte die Erfüllung ihrer Forde rung.
Vor
der Wiederholung
solcher Resultate
der
Vertraucnspolitik hüte man sich strengstens. Wenn
in
der angedeutetcn Weise nur durch den
Partikularismus die Zwecke der
Freiheit einigermaßen
gefördert werden können, so ist es auch nöthig, daß die Kammern sich vorzüglich mit den Reformen im Inneren
beschäftigen, welche zur
wendig
sind.
Sicherung der Freiheit noth
Da wo constituirende
Landesversamm
lungen oder mit der Revision der Verfassung beauftragte Stände versammelt sind, hat man vor genmerk darauf
zu richten, daß
Allem sein
Au
alle Bestimmungen,
welche eine momentane Gesetzgebung oder Erlasse von
Verordnungen, Dekreten und
Kabinctoordren mit Ge
setzeskraft möglich machen, vollkommen ausgetilgt werden. Der einzige §. 105 in der oktroyirten Verfassung Preus
sens ist genügend, um diese Verfassung selbst vollkommen
zu vernichte» und zu einem Spielwerke zu machen, wel
ches man nach Laune aufnimmt oder bei Seite schiebt.
58 Fast alle älteren Verfassungen Deutschlands enthalten ziemlich analoge Paragraphen, die, wie sich von selbst versteht, bis auf die letzte Spur ausgetilgt werden müs
sen.
Bei der Diskussion solcher Bestimmungen werden
sich auch in den Reihen
der Opposition die falschen
Freunde der Freiheit, welche die Opposition nur benutzen, um durch dieselbe zur Regierung zu gelangen, von den
uninteressirten Kämpfern unterscheiden.
Es ist so bequem
für den Regierenden, wenn er einen legalen Deckmantel für die Willkür besitzt. Die Gleichberechtigung aller Stände, die Aufhebung
aller Standesvortheile und der daraus herfließenden Ein richtungen im Staate, wie Adelskammern, Reichsräthe ii. s. w., müssen der Gegenstand unablässiger Angriffe
von Seiten der Opposition seyn, so wie nicht minder
die Tagespresse unaufhörlich auf denselben Punkt losar
beiten muß.
Die Gleichberechtigung aller Menschen ist
ein so einfacher Satz, daß Jedermann sie auf der Stelle begreift, und da die Bevorzugten stets nur eine unge
mein kleine Minderzahl ausmachen, so kann man sicher
seyn, für alle diese Bestrebungen eine ungemeine Majo
rität hervorzubringen. Die stehenden Heere sind eine Hauptquelle der natio nalen Armuth, wie der nationalen Bedrückung.
Sie
abschaffen, würde jetzt unmöglich seyn; wohl aber ist die
Möglichkeit gegeben, ihnen die Quellen der Eristenz ab-
59 zuschneiden, indem man die Bewilligung für ihren Un terhalt streicht, oder so karg macht, daß besonders zahl reiche Avancements unmöglich sind.
Der Eifer der herr
lichen Kriegsheere wird dadurch bedeutend abgestumpft werden, und es wird bald an den Tag kommen, daß die
bezahlte und mit Absicht gepflegte Brutalität beim Um schläge der Stimmung sich zuerst gegen ihre früheren
Befehlshaber wendet.
Es gibt wohl keine ekelhaftere Er
scheinung in der Geschichte der Neuzeit, als diese wieder holten Ovationen und Danksagungen an das Heer, als
habe es die Gesellschaft vor dem Untergange gerettet.
Der Keim zu dem Prätorianerregimente ist hierdurch ge
legt, und die Folge wird eine Militäranarchie seyn, deren die Herren selbst nicht mehr Meister werden können.
Daß diese Anarchie herannaht, unterliegt keinem Zweifel. In Oesterreich halten die Generale setzt schon Conserenzen, worin sie ihren unterthänigen Dienern, den Ministern,
vorschreiben was zu thun sey und in dem ganzen übrigen Deutschland gehorchen die Offiziere keinem constitutionellen
Ministerium, sondern nur dem Befehle des Kriegsherren. Welche Früchte kann es aber auch tragen, wenn man
das Gehirn eines Lieutenants als Maßstab politischer
Capacität, und die Ansichten eines Majors als Inbegriff göttlicher und menschlicher Weisheit darzustellen bemüht
ist?
Die Organisation des stehenden Heeres als Ma
schine, die keine Einsicht haben darf, verträgt sich am
60 wenigsten mit diesen Floskeln von der politischen Befähi
gung des Heeres.
Sie untergraben die Grundlage, auf
welcher seine ganze Organisation beruht.
Um den Ein
sturz des Gebäudes zu vollenden, bedarf es von Seiten
der Opposition nur einer einzigen durchgreifenden Maß regel, nämlich der Aufhebung des speziellen Ge richtsstandes für das Militär.
concentrire man seine ganze Kraft.
Auf diesen Punkt
In dem Augenblicke,
wo diese Aufhebung ausgesprochen wäre, würde auch die
Scheidewand zwischen dem Soldaten und dem Bürger fallen, und der bedeutendste Arthieb an dem Stamme der
Militärhierarchie geschehen seyn.
Man halte die materiellen Interessen besonders wohl
im Auge und suche die zeitgemäßen Aenderungen, welche
in dem Besteuerungssystem nothwendig sind, so schnell und so durchgreifend als möglich in das Werk zu setzen.
Es werden freilich diese Maßregeln vielleicht Spaltungen
in der Opposition selbst erregen, da die Partei, welche sich derselben in nächster Zeit anschließen wird, eine stär kere Belastung der Reichen nicht wünschen kann.
Indessen
gelingt es doch schwer, einem allgemein anerkannten Be
dürfnisse die Zustimmung zn versagen, und es gibt Dinge, denen man sich zu widersetzen nicht wagen darf, wenn man es auch gerne möchte. Die Handelsbeziehungen Deutschlands und die Ver hältnisse seiner Binnenstaaten in dieser Hinsicht sind nicht
61 der Art, daß eine baldige Aenderung des gedrückten in dustriellen Zustandes wahrscheinlich wäre.
auch nicht sonst der Gründe genug,
Gäbe es aber
so würde auch die
Richtung Preußens in dieser Hinsicht genügen, um die Hegemonie Preußens über Deutschland auf das Kräftigste zurückzuweisen.
Die preußischen
Handelstraktate wett
eifern an Unvortheilhaftigkeit, und die preußischen Pro vinzen wissen größtentheils nur von zunehmendem Sinken ihres Wohlstandes und der Abnahme ihres Handels zu
erzählen.
Den freundschaftlichen Beziehungen zu Rußland
ist Schlesiens und Ostpreußens Wohlstand geopfert wor
den.
Dänemark zu Liebe liegt der Ostseehandel in den
schwersten Fesseln, und aus zarten politischen Rücksichten für England sind der Rheinschifffahrt unerträgliche Lasten
aufgebürdet.
Der Zollverein hat
den Gewerbfleiß der
meisten deutschen Binnenstaaten vernichtet.
Eine wahre
deutsche Einheit würde die verschiedenen Interessen, welche noch bestehen, sicher versöhnen und eine Handelspolitik
aufkommen lassen, die Jeden befriedigen konnte.
Aber
eine Einheit, welcher die materiellen Interessen des Han dels
entzogen
Mecklenburgs
sehe
die Beitrittserklärung
sind
(man
zum
Dreikönigsbunde)
kann
nur
die
Wunden vergrößern, statt sie zu heilen und vergebens
wird man trachten die Interessen von Süd und Nord,
von Ost und West Deutschlands unter preußischer Hege monie nutzbringend einander zu nähern.
Die Bureau-
62 kratie, welche das Wesen des preußischen Staates bildet,
ist der Todfeind des Handels, den sie mit ihren Maß regeln so lange martert, bis sie ihn an Entkräftung zu
Grunde gehen sieht.
Der Handel schwebt, die Bureau
kratie sitzt — sie sind natürliche Feinde.
Das Gemeindewesen muß ebenso in dem Sinne um gestaltet werden, daß man die Gemeinde dem unmittel
baren Einflüsse der Regierung entzieht und ihre Selbst
ständigkeit und Freiheit herstellt.
Das Bestreben der Ab
solutisten geht nothwendig dahin, die Gemeinden von einem Centralpunkte im Staate abhängig zu machen, und
den Willen der Regierung ohne Widerstand bis in die
entferntesten Orte des Staatskörpers gelangen zu lassen. Das Bestreben der Opposition muß dahin gehen, so viel
Dämme nnd Hindernisse aufzuführen, daß nur das Gesetz, nicht aber die Willkür Geltung erhalten kann. Auf die Aenderung des Gerichtswesens nehme man
die wesentlichste Rücksicht und lasse nicht ab, die freien Institutionen der Schwurgerichte mit allen Garantien zu
umgeben, die sie nur irgend erfordern könnten.
Wie
schon oft, so treten auch jetzt die ungemeinen Vortheile dieser Institute gegenüber dem schändlichen geheimen Ver
fahren offen an den Tag.
Die Abgeordneten in Stutt
gart, welche in Altbaiern in hartem Gefängnisse gehalten werden, würden in der Pfalz auf freiem Fuße sich be finden.
Ein altpreußischer Gerichtshof würde das Urtheil
63 des Anklagesenates zu Cöln über Bernbach nicht gefällt
haben.
Ich brauche mich über diesen Punkt nicht weiter
auszulassen,
die literarische Periode Deutschlands hat
wenigstens den Vortheil gehabt, daß über diese und ähn liche Fragen der Zeit keine Diskussion mehr möglich ist.
Mit vollem Vorbedachte habe ich nur auf die inneren Verhältnisse Deutschlands Rücksicht genommen.
in
den vorstehenden Zeilen
Die Zeit wird hoffentlich vorbei
seyn, wo man in den Einzelkammern lächerliche Anträge
auf Beendigung des Bürgerkrieges
in Spanien oder
Griechenland stellte und von den europäischen Verhält
nissen große Worte machte.
Ein deutscher Einzelstaat
wiegt nicht mehr in der Wage des europäischen Gleich gewichtes — selbst Oesterreich hat nur dadurch wieder
Geltung erlangt, daß es russische Steine in die Tasche nahm, welche ihm jetzt die Schöße abreißen.
Der Ab-
solntismus scheint gesichert wohin man nur blicken mag —
sein Zweck ist, das ganze Festland mit einem einzigen Netze zu uinspinnen und dann England zu demüthigen. Dieses hat, in mißverstandener.Würdigung seiner Lage, seinen Feinden Vorschub geleistet, indem es überall die
constitutionelle Partei begünstigte, die demokratische aber unterdrücken half.
Die Folgen zeigen sich jetzt.
Pb es
aber den russisch influenzirten Regierungen gelingen mag,
mit der einen Hand die gährenden.Elemente in ihrein eigenen Innern niederzuhalten,
während sie mit der
64 andern gegen Großbrittanien
dräuen,
oder gar zum
Schwerte greifen, das ist eine Frage, welche die Zeit
erledigen wird. Der europäische Congreß, von welchem Zeitungen
und Correspondenzen einander in die Ohren munkeln, wird diese, wie überhaupt die Frage von der Neugestal
tung Europa's und Deutschlands sicher nicht erledigen.
Man darf billig an seinem Zustandekommen
zweifeln;
an sein Gelingen kann kein Vernünftiger glauben.
Aber
daran kann man glauben, daß die Reaction auf dem
Festlande erst dann offen gegen England auftreten wird, wenn sie im eigenen Hause reinen Tisch gemacht und das schwache Bollwerk im Herzen Europa's, die Schweiz, vernichtet haben wird.
Ich fürchte, daß auch dieses sich
wird erfüllen müssen; — daß das französische Volk ruhig zusehen wird,
wenn die österreichisch-preußisch-russische
Diplomatie die Schweiz zwingen wird, ebenfalls den
Rückweg nach 1815 anzutreten, uin aus ihren Händen die republikanische Verfassung zu erhalten, welche ihr zu sagt.
Wie aber die Nachwirkung solcher Thaten in Frank
reich sich gestalten werde, ist vielleicht voraus zu sehen.
Guizot und sein König fielen nicht unmittelbar bei ihrem schmählichen Verhalten im Sonderbundskriege, aber die
Revolution desselben.
vom Februar
Vielleicht
war mit eine Nachwirkung
erwartet
Thiers und seinen Bonaparte.
ein
ähnliches
Schicksal
65 Es ist unmöglich auf weitere Einzelheiten des Kampfes einzugehen, der sich in den nächsten Zeiten auf den kleinen
Theatern Deutschlands, wie auf der europäischen Arena entspinnen muß; sie dürsten zu unerquicklich erscheinen.
Denn langwierig und langweilig wird dieser Kampf seyn
und man darf wohl hoffen, daß er durch plötzliche Er eignisse abgeschnittcn werde, aber hierauf rechnen darf man nicht.
Es sind der unerwarteten Ereignisse tut Laufe
der letzten achtzehn Monate so viele gekommen, daß es der klügsten Berechnung unmöglich wäre, in dieser Hin sicht etwas Bestimmtes vorauszusagen; und es liegt des Zündstoffes genug in Europa, um vielleicht plötzlich eine
Flamme aus dem Boden zu zaubern, welche mächtiger und unwiderstehlicher ist, als das kaum gedämpfte Feuer
der Märzrevolution.
Dies darf uns indessen meines Er
achtens nicht verhindern, zu feder Zeit diejenigen Mittel
zu ergreifen, welche der Sache förderlich seyn könnten. Der Verwundete muß so lange auf Krücken gehen, bis
seine Heilung vollständig geworden ist.
Unsere Partei
ist tief verwundet — sollen wir in thörichter Verzweif lung die Krücken wcgwerfen und gar nicht versuchen ztt
gehen?
Es wäre freilich traurig, wenn auf's Neue ein
Zustand der Ermattung und des fruchtlosen kleinen Krieges eintreten sollte, wie wir ihn so lange Jahre hindurch gehabt haben.
Wenn aber eine" solche Periode durchge-
macht werden muß, so denke ich, sey es vorzuziehen, lieber
5
66 noch in ihr zu kämpfen, so lange es möglich ist, müssig die Hände in den Schooß zu legen.
als
Eine neue
Erhebung des Volkes wird und muß kommen; — wann
sie aber eintreten wird, darüber mochte ich mir keine Vorhersage anmaßen.
Für eine solche Zeit der Erhe
bung aber sind die vorhergehenden Worte nicht geschrieben,
sie wird sich andere Zielpunkte stecken und andere Mittel haben, sie zu erreichen; und sie wird hoffentlich, gegen
über der Verbrüderung des Despotismus in allen Staa ten, sich erinnern, daß auch die Freiheitspartei aller Län der sich innig verketten und verbrüdern muß, wenn sie
die gemeinsamen Ketten sprengen soll, welche das Jahr 1848 schüttelte, das Jahr 1849 aber nur um so fester
anzog.
Stemmen wir uns, damit sie springen'
Bern den 24. September 1849.