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German Pages 275 Year 2002
ALEXANDER BIRNSTIEL
Die Abwehr der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen im EG-Recht
Beiträge zum Europäischen Wirtschaftsrecht Herausgegeben im Auftrag des Instituts für Europäisches Wirtschaftsrecht der Universität Erlangen-Nümberg durch die Professoren Dr. Wolfgang Blomeyer (t) und Dr. Karl Albrecht Schachtschneider
Band 19
Die Abwehr der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen im EG-Recht Von Alexander Bimstiel
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Birnstiel, Alexander: Die Abwehr der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen im EG-Recht I Alexander Bimstiel. - Berlin : Duncker und Humblot, 2002 (Beiträge zum europäischen Wirtschaftsrecht ; Bd. 19) Zug!.: Bonn, Univ., Diss., 2000 ISBN 3-428-10490-0
Alle Rechte vorbehalten
© 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0947-2452 ISBN 3-428-10490-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706§
Meinen Eltern und meiner Frau Birgit
Vorwort Die vorliegende Arbeit habe ich im April 2000 bei der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedeich Wilhelms-Universität Bonn eingereicht. Mein Interessse an dem Thema geht im wesentlichen auf zwei Seminare zum EG-Außenwirtschaftsrecht von den Antidumpingpraktikern Professor Bourgeois und Professor van Bael am Buropakolleg Briigge zuriick. Meinem Doktorvater Professor Dr. Mattbias Herdegen möchte herzlich für sein Interesse an meinem Themenvorschlag, für die Betreuung meines Dissertationsvorhabens, für seine Unterstützung meiner Aufnahme in das Graduiertenkolleg "Europäisches und internationales Wirtschaftsrecht" der Universität Bonn und schließlich für die Erstkorrektur danken. Für die Zweitkorrektur möchte ich Professor Dr. Wulf-Henning Roth danken. Herrn Professor Dr. Ulrich Everling möchte ich stellvertretend für das Graduiertenkolleg "Europäisches und internationles Wirtschaftrecht" und die Deutsche Forschunggemeinschaft für die Aufnahme in und Förderung durch das Graduiertenkollg danken, die mich wesentlich dabei unterstützt hat, mein Thema in größeren Zusammenhängen zu sehen. Meine Arbeit beruht zu einem nicht unbedeutenden Teil auf dem Gedankenaustausch mit einer Vielzahl von Gesprächspartnern, die auf die ein oder andere Art und Weise mit der Antidumpingpraxis der Europäischen Gemeinschaften beschäftigt sind. Stellvertretend für viele möchte ich für ihre Gesprächsbereitschaft und ihre Anregungen danken: den Herrn Hoojier, Irrurizaga, Khan, McDonald, Monfort, Dr. Müller, Van der Hauwert, Weigl, Wenig und White (alle Europäische Kommission, Briissel und Genf), Dr. Becher und Herrn Heinzelmann (Bundeswirtschaftsministerium), Frau Leuchter und Herrn Wülbers (Auswärtiges Amt), den Herrn Evans und Miranda (Welthandelsorganisation, Genf), Herrn Kajit Sukhum (Ständige Vertretung von Thailand, Genf, vormaliger Vorsitzender des WTO-Antidumpigausschusses) und Herrn Nagatsuka (Ständige Vertretung von Japan, Genf, Mitglied des WTO-Antidumpingausschusses). Mein besonderer Dank gilt auch Dr. Schütte (Freshfields Bruckhaus Deringer, Brüssel), der mir die Mitarbeit in einem großen Antidumpingverfahren auf Seiten der europäischen Industrie ermöglicht hat und ferner Dr. Vermulst und Dr. Waer (Vermulst & Waer, Advocaten, Briissel), bei denen ich die Praxis von Antidumpinganwälten auf Seiten der von Antidumpingverfahren betroffenen Industrie aus Drittstaaten kennengelernt habe.
Vorwort
8
Herrn Prof. Dr. Blomeyer und Herrn Prof. Dr. Schachtschneider danke ich für die Aufnahme in die Schriftenreihe "Beiträge zum Europäischen Wirtschaftrecht". Die Arbeit widme ich meinen Eltern und meiner Frau Birgit: Meinen Eltern als Ausdruck großer Dankbarkeit dafür, daß sie mir ein unbeschwertes Studium und damit auch die Promotion ermöglicht und meinen Weg immer interessiert begleitet haben; meiner Frau Birgit als Zeichen besonderer Dankbarkeit für ihre liebe-, verständnisvolle und selbstlose Unterstützung in allen Phasen der Entstehung dieser Arbeit. Sie hatte nicht nur Verständnis für meine längeren Studienaufenthalte in Brüssel und Genf, sondern hat mich auch klaglos zahllose Abende, Wochenenden und Ferientage vor dem PC gewähren Jassen, währenddessen unser gemeinsames Leben alleine organisiert und nicht zuletzt zweimal Urlaub genommen, um meine Arbeit korrekturzulesen. München, im Juni 2001
Alexander Birnstiel
Inhaltsübersicht Teil] Einleitung
21
A. Anlaß ...... .............. ......... .. ... . . ..... . . . ..... . .. .. . .... .... ........ . .. .. ..
21
B. Normativer Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
C. Ziel der Arbeit und Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
D. Gang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
Teil2 Umgehung von Antidumpingmaßnahmen
32
A. Problembeschreibung an Hand von Beispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
B. GATI I WTO-Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
C. Begriff der Umgehung im Gemeinschaftsrecht (Art. 13 Grundverordnung) . . . . . . . . . .
49
D. Dogmatische Betrachtungen zur Umgehung - die Umgehungslehren . . . . . . . . . . . . . . . .
51
E. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
Teil3 Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
57
A. Vorgeschichte
57
B. Art. 13 Grundverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
C. Exkurs zu Umgehungsabwehrvorschriften und-praxisanderer WTO-Mitglieder . . . . 145 D. Vereinbarkeil von Art. 13 Grundverordnung mit den GATI- und WTO-Regelungen 159
10
Inhaltsübersicht
Teil4 Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Antidumpingrechts
209
A. Allgemein vorbeugende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 B. Sonstige Ansatzpunkte im allgemeinen Antidumpingrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229
TeilS Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Zollrechts
230
A. Ursprungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 B. Zollklassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245
Tei/6 Verhältnis von Art. 13 Grundverordnung zu den zollrechtliehen Instrumentarien
249
A. Verhältnis zwischen Art. 13 VO 384/96 und dem allgemeinen Zollrecht . ..... . . ... . 249 B. Verhältnis zwischen Art. 13 VO 384/96 und der Grundverordnung ....... . ..... .. .. 251 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
Teil7 Zusammenfassung und Ausblick
252
A. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 252 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 Literaturverzeichnis . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. . . . . . . . . . . 259 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273
Inhaltsverzeichnis Teil] Einleitung
21
A. Anlaß... . .. . .................. .. .. . ...... . .......... .. .. . ..........................
21
8. Normativer Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
24
C. Ziel der Arbeit und Vorgehensweise
27
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D. Gang der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
29
Tei/2 Umgehung von Antidumpingmaßnahmen
32
A. Problembeschreibung an Hand von Beispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
32
I. Fallgruppe 1: Veränderung der eingeführten Ware mit dem Ziel einer veränderten Zollklassifizierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
1. Einfuhr von Teilen und anschließende Montage in der Gemeinschaft ("assemb1y-dumping") . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
33
2. Leichte Veränderung von Waren ("s1ightly altered merchandise") . . . . . . . . . . .
34
3. Umwandlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
II. Fallgruppe 2: Veränderung des Warenursprungs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
35
1. Klassische Drittlandsumgehung durch Einfuhr und Montage von Teilen in einem Drittland und anschließender Einfuhr in die Gemeinschaft . . . . . . . . . . .
35
2. Sonstige Ursprungsmanipulationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
III. Fallgruppe 3: Sonstige Umgehungspraktiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
36
I. Produktionsverlagerung in die Gemeinschaft oder einen Drittstaat . . . . . . . . . .
36
2. "Channeling" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37
3. Umgehung im Zusammenhang mit Verpflichtungserklärungen . . . . . . . . . . . . .
37
IV. Beispiele als Grundlage für die Begriffsbildung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
12
Inhaltsverzeichnis
B. GATT /WTO-Sicht........ . ..... . .. . ...... . ...... . . . . .. . . ...... . . . ...... . . .. . . . . . .
39
I. Uruguay-Runde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
39
li. WTO-Antidumpingausschuß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
40
1. Einigung auf ein Arbeitsprogramm .. .. . .. . .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. . . . . .. .. .. .. .
41
2. Suche nach einer Umgehungsdefinition . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . .
41
a) Europäische Gemeinschaft............... . .......... .. .. . ...... .. .. .. . . .
41
b) USA...... . ........ . ..................... .. .. . ................ . . .. .. . ...
42
c) Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
43
d) Türkei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
44
e) Japan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
45
f) Hongkong (China) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
47
g) Association of South-East Asian Nations . . . .. . . . . . .. .. . . . . .. . . . . .. . . . . . .
47
h) Vergleich der Positionen . . . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . .. .. .. . . . .. .. . . . . . . . .
47
C. Begriff der Umgehung im Gemeinschaftsrecht (Art. 13 Grundverordnung) . . . . .
49
D. Dogmatische Betrachtungen zur Umgehung- die Umgehungslehren . . . . . . . . . . . .
51
I. Römisch-rechtliche Ansätze
51
li. Subjektive Umgehungslehre
52
III. Objektive Umgehungslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53
IV. Abgrenzung der Umgehung vom Scheingeschäft I Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . .
54
E. Zusammenfassung .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. .. . .. . . . .. . .. .. .
54
Teil3 Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
57
A. Vorgeschichte .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. .. . .. .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. . . .. .. .. .
57
I. Alte Regelung- Art. 13 Abs. I 0 VO 2423 I 88 .. .. . .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. .. . .. ..
57
li. Panel-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
59
III. Uruguay Runde .. . .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .
61
IV. Ministerielle Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
Inhaltsverzeichnis B. Art. 13 Grundverordnung
13 67
I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
67
II. Materielle Aspekte: Art. 13 Abs. 2 und Abs. 1 der Grundverordnung . . . . . . . . . .
70
I. Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung: Die "klassische" Umgehung . . . . . . . . . . . . .
70
a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
70
b) Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
aa) Produktionsbeginn bzw. erhebliche Steigerung nach oder kurz vor der Verfahrenseinleitung und Ursprung der Teile - Art. 13 Abs. 2 a) Grundverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
71
bb) Anteil der Teile und Mehrwert - Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .
74
(1) Der60%-Test .. .. ...... ..... .... .. .. .. . .. . .... ... ... .. .. .. .. .. .
75
(a) Die Ermittlung des Wertes von Teilen im allgemeinen . . . . . .
76
(b) Wertbestimmung bei vormontierten Teilen . . . . . . . . . . . . . . . . .
77
(c) "ln-house" produzierte Teile und der 60%-Test
79
(d) "Multi-country proceedings" und der 60%-Test
82
(e) Würdigung des 60%-Test .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .
82
(2) Der 25 %-Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
83
(a) Herstellkosten .. .. . .. .. .. . .. .. .. . .. . . .. . .. . . .. .. . .. . . .. . .. .
85
(b) "Wert, der während der Montage oder Fertigstellung [... ] hinzugefügt wurde" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
86
(c) Bewertung des 25%-Test .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. ..
88
(3) Einordnung von Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung . . . . . . . . . . .
89
cc) Untergraben der Abhilfewirkung und Beweis für Dumping - Art. 13 Abs. 2 c) .. . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89
(1) Untergraben der Abhilfewirkung . .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. . .
90
(a) Allgemeines .. .. .. .. .. .. .. .. . . .. .. . .. .. .. .. .. .. . .. . .. . . . .. .
90
(b) Preisbetrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
90
(c) Untergraben der Abhilfewirkung durch die Verkaufsmengen . . . . . . . . . .. . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
91
(d) Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
92
(2) Beweise für Dumping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
(a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
93
(b) Dumping im Verhältnis zu den in der Ausgangsuntersuchung festgestellten Normalwerten. . ..... .. .. .. ... . . . .. . ...
94
(c) Würdigung von Art. 13 Abs. 2 c) Grundverordnung . . . . . . . .
95
14
Inhaltsverzeichnis 2. Die sonstigen Fälle der Umgehung, Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung . .
97
a) Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Drittländern und der Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
97
b) Praxis, Fertigungsprozeß oder Arbeit, für die es keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gibt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
99
aa) Praxis, Fertigungsprozeß oder Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 bb) hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung . . . . . . 100 (1) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (2) Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (3) Negative und I oder positive Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (4) Beweislast mit Blick auf hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (5) Bedeutung des Kriteriums........... . .. . ............... . ... . ... 108 c) Resumee zu Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Verhältnis von Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 Grundverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 111 III. Abwehrmaßnahmen unter Art. 13 Grundverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 2. Zeitlicher Anwendungsbereich ausgeweiteter Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Höhe der ausgeweiteten Zölle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 4. Richtige Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 IV. Verfahrensaspekte - Art. 13 Abs. 3 und 4 Grundverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Zollamtliche Erfassung, Art. 13 Abs. 3 S. 2 iVm. Art. 14 Abs. 5 Grundverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Befreiungsverfahren- Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 a) Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 b) Die drei Befreiungsfalle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 aa) Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr durch ein vom Zoll befreites Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr im Rahmen der Bestimmungen über die Kontrolle der besonderen Verwendung . . . . . . . 123 (1) Einfuhr durch nicht-zollbefreite Partei zur Lieferung an eine
zollbefreite Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
(2) Einfuhr durch nicht-zollbefreiten Kleinunternehmer oder zur Lieferung an ein solchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 cc) Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr durch ein nicht-zollbefreites Unternehmen, das Antrag auf Zollbefreiung gestellt hat . . . . . 125
Inhaltsverzeichnis
15
c) Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Verfahren zur Befreiung von Parteien (Art. 3-13 VO 88 /97) . . . . . . 126 bb) Verfahren zur Befreiung von Einfuhren durch nicht-befreibare Parteien (Art. 14 VO 88/97 und Art. 82 Zollkodex, Artt. 291 ff. DVO) 128 d) Verpflichtungen für die befreiten Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 e) Rechtswirkungen der Befreiung............. . ... . ................ . ... . .. 129 f) Bewertung des Befreiungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129
V. Erste praktische Erfahrungen mit Art. 13 Grundverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. 3,5"-Mikroplatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 2. Fahrräder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 3. Elektronische Waagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 4. Polyester-Spinnfasern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136
5. Einwegfeuerzeuge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 6. Fernsehkamerasysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 7. Gesamtbewertung der bisherigen Verfahren unter Art. 13 Grundverordnung
142
VI. Gesamtwürdigung von Art. 13 Grundverordnung . . ... . .. ............ . ... . . .. . . 143
C. Exkurs zu Umgehungsabwehrvorschriften und -praxis anderer WTO-Mil· glieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 I. Die Umgehungsabwehrvorschrift der USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 II. Umgehungsvorschriften weiterer WTO-Mitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 III. Umgehungsabwehrpraxis ohne gesetzliche Fixierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Australien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Kanada . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 IV. "Scope Deterrninations" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
D. Vereinbarkeil von Art. 13 Grundverordnung mit den GATT· und WTO-Regelungen .... .. .. . ................ . .. . .. ................ . .. . ... . ............. .. ...... . 159 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Prüfungsmaßstab . . . . . . . . .. . . . . . . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . 160 2. Prüfungsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . 164 3. Grundpositionen zur Frage nach der Vereinbarkeit..... . .......... .. ... . ... . 166 a) Gegner von Maßnahmen zur Umgehungsabwehr................ . ... . .. . 166 b) Befürworter von Maßnahmen zur Umgehungsabwehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 c) Position des Verfassers. . . . . . . .. . ... . . . .. . . . . .... . .. . . . . .. .... . . . . . ... . .. 168 4. Allgemein zur Auslegung von GATT I WTO-Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169
16
Inhaltsverzeichnis
li. GAIT-Kompatibilität
172
I. Verstoß gegen Art. I, II und I oder III GAIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172
a) Art. III GAIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 b) Art. I und Art. II GAIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 2. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 a) Ministerieller Beschluß zur Frage der Umgehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 aa) Wortlaut-Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 bb) Systematische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. .. .. .. .. 177 cc) Historische Auslegung . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. . . .. .. .. .. 178 dd) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Art. VI GAIT und das Antidumpingübereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 aa) Wortlaut-Auslegung...................... .. ........................ 180 bb) Systematische Betrachtungen zu Art. VI GAIT und dem Antidumpingübereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 cc) Teleologische Auslegung......................................... . . 190 dd) Dynamische Auslegung . .. . .. . . . . . . . . . . . . .. .. . .. . . . .. .. .. . . . . . . .. . . 193 (l) "Spätere Übereinkommen"......... .. ........................ .. 193
(2) "Spätere Übung" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 (3) Entstehungsgeschichtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 ee) "Effet utile" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 ff) Zusammenfassung zu Art. VI GAIT . .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. . .. .. 199
c) Art. XX (d) GAIT .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. 199 3. Verletzung von Art. X Abs. 2 GATT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 4. Übereinkommen über nicht-präferenzielle Ursprungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . 205 5. Zusammenfassung .... . ... .. .......... . ....... .. .. . ...... . . .. .. .. . . ... . .. . . 207
Teil4 Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Antidumpingrechts
209
A. Allgemein vorbeugende Maßnahmen .. .. .. .. .. .. .. .. . .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. 209 I. Gleichzeitige Untersuchung und gleichzeitiges Ergreifen von Maßnahmen bezüglich Endprodukt und Einzelteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209
II. Fassung von Verpflichtungserklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . .. . . . 211 III. Versagung der "Einzelfallbehandlung" ("individual treatment") . . . . . . . . . . . . . . . 214 IV. Produktspezifsche Ursprungsregeln nach Art. 14 Abs. 3 Grundverordnung . . . . 218
Inhaltsverzeichnis
17
B. Sonstige Ansatzpunkte im allgemeinen Antidumpingrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 I. Neue Antidumpinguntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 II. Extensive Auslegung der Grundverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Weite Auslegung des Konzepts der "gleichartigen Ware" ("like product") . . 222
2. Interimsüberprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227
C. Zusammenfassung
229
Tei/5
Umgehungsabwehr mit Mitteln des Allgemeinen Zollrechts
230
A. Ursprungsregeln ............ .. .. . ....... . ..... . ....... . .. . . ............... . ....... 230 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 li. Nicht-präferenzielle EG-Ursprungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 III. Internationaler Rahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 IV. Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244
B. Zollklassifizierung
245
Tei/6
Verhältnis von Art. 13 Grundverordnung zu den zollrechtliehen Instrumentarien A. Verhältnis zwischen Art.13 VO 384/96 und dem allgemeinen Zollrecht
249 249
B. VerhältniszwischenArt.13V0384/96undderGrundverordnung . . ... . . . . . . .. 251
C. Zusammenfassung
251
Tei/7
Zusammenfassung und Ausblick
252
A. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 B. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 I. Antidumpingspezifische Lösung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 II. Internationales Kartellrecht als Alternative? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 111. Handelshemmnis-Verordnung als Alternative? . . . . . . . .. . .. . ... ....... . . .. . . . . . 257
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Stichwortverzeichnis 2 Birnstiel
273
Abkürzungsverzeichnis a.A.
anderer Ansicht
AB.
Appellate Body
a.E ABI AGBG. AJIL
am Ende Amtsblatt der Gemeinschaft Gesetz zur Regelung des Allgemeinen Geschäftsbedingungen American Journal of International Law (Zeitschrift)
AO
Abgabenordnung
Art.
Artikel Association of South-East Asian Nations
ASEAN Auf!. Bd. BISD bzw.
c
Auflage Band Basic Instruments and Selected Documents beziehungsweise
CMLR
Serie C des Amtsblatts der Gemeinschaft cost, insurance, freight (cif-Klausel: Verlade-, Versicherung- und Frachtkosten sind vom Verkäufer zu tragen) Comrnon Market Law Review (Zeitschrift)
COM CTH
Dokumentenserie der Europäischen Kommission change of tariff heading (Wechsel in der Zolltarifposition)
d. h.
das heißt
DS DSU DVO
Dispute Settlement Understanding Durchführungsverordnung
cif
EC ed EEC
Dispute Settlement
European Comrnunity edition (Ausgabe)/editor (Herausgeber) European Econornic Comrnunity
EG EGV EU
Europäische Gemeinschaft
EuG
Europäisches Gericht erster Instanz
Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EUV
Vertrag über die Europäische Union
EuZW
Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)
EWG EWGV
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftgemeinschaft Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)
EWS
Abkürzungsverzeichnis
f. (ff.) fob Fn. FS GATT
folgende (fortfolgende)
GD.
Generaldirektion
19
free on board Fußnote Festschrift General Agreement on Tariffs and Trade (Allgemeines Zoll und Handelsabkommen)
Geo.Wash.J.Int'L.&Econ. The George Washington Journal of International Law and Economics (Zeitschrift) GRURint. GZT
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht International (Zeitschrift) Gemeinsamer Zolltarif
Hrsg.
Herausgeber
HS
Halbsatz
HS
Harmonisiertes System
ICJ
International Court of Justice
IGH ILM
Internationaler Gerichtshof
inkl.
International Legal Materials inklusive
INT.TLR.
International Trade Law Review (Zeitschrift)
iSv iVm
im Sinne von in Verbindung mit
JWT KOM
Journal of World Trade (Zeitschrift) Dokumentenserie der Europäischen Kommission
KN
Kombinierte Nomenklatur
L
Serie L des Amtsblatts der Gemeinschaft
lit.
LJIL
littera Leiden Journal of International Law (Zeitschrift)
MFN MJIL
Most Favored Nation (Meistbegünstigung) Michigan Journal of International Law (Zeitschrift)
mwN
mit weiteren Nachweisen
OECD
Organization for Economic Co-operation and Development (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)
par.
paragraph
Pkt. RIW
Punkt Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)
R
R&D
Report research and development expenses (Forschungs- und Entwicklungskosten)
Rn.
Randnummer
Rs Rz
Rechtssache Randziffer
s.
siehe
2*
20 S. SGA Sec. Slg. s.o. StiGH TARIC TRIMs UAbs. UNCTAD USA
u.s.c.
u.U. VerbrKrG vgl. VJIL
Abkürzungsverzeichnis Seite selling, generaland administrative costs (VVG-Kosten) Section (Sektion) Sammlung des Europäischen Gerichtshofs siehe oben Ständiger Internationaler Gerichtshof Tarif integre communautaire Agreement on Trade Trade-Related Investment Measures Unterabsatz United Nations Conference on Trade and Development United States of America United States Code unter Umständen Verbraucherkreditgesetz vergleiche
Vol. VVG-Kosten
Virginia Journal of International Law (Zeitschrift) Verordnung Valurne Vertriebs-, Verwaltungs- und Gemeinkosten
WRP
World Customs Organization (Weltzollorganisation) Wettbewerb in Recht und Praxis (Zeitschrift)
vo
wco
WTO
World Trade Organization (Welthandelsorganisation)
z. B.
zum Beispiel Zeitschrift für Rechtspolitik (Zeitschrift) Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft (Zeitschrift)
ZRP ZVglRWiss.
"Der Widerstand gegen die fraus legi facta erfordert einen gewissen persönlichen Mut: die sichere Bahn der Gesetzesworte oder einer beinahe zum Gewohnheitsrecht verdichteten Kommentar- und Präjudizieninterpretation muss verlassen, die herkömmliche äusserliche schematische Auffassung eines Thatbestandes muss aufgegeben, neue unbegangene Pfade, auf denen nur die eigene Geistesthätigkeit den Führer macht, müssen eingeschlagen werden, um zum Ziele zu gelangen. Es ist begreiflich, dass derjenige, der sich selbst misstraut - um nicht in die Lage zu kommen, eine eigene Meinung haben zu müssen - die Möglichkeit leugnet, auf einem anderen Wege als dem erstgenannten einem Thatbestand beizukommen. Da hat dann die Partei, die bei der bewussten fraus legi facta gerade auf die Kurzsichtigkeit des Richters rechnete, gewonnenes Spiel. Das Gericht aber, das eine Entscheidung dahin abgiebt, dass ein bestimmter Thatbestand keine Verletzung, sondern nur eine Umgehung des Gesetzes enthalte, und das[s] aus diesem Grunde die Anwendung des Gesetzes vermeidet, hat sein eigenes Urteil gesprochen." (aus Paul Neff, Beiträge zur Lehre der fraus legi facta in den Digesten, 1895, S. 75)
Teil]
Einleitung A. Anlaß Die Abwehr der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen (eng!.: "anti-circumvention") gehört seit gut einem Jahrzehnt zu den umstrittensten Problemen des europäischen und internationalen Antidumpingrechts. Das Thema stieß in der Öffentlichkeit und zum Teil auch in der Fachliteratur Ende der achtziger und Anfang der neunziger Jahre unter dem Stichwort "Schraubenzieher-Fabriken" (engl.: "screwdriver plants") auf Interesse, ist inzwischen aber wieder weitgehend in Vergessenheit geraten. Dies ist umso erstaunlicher, als die von Umgehungspraktiken verursachten Effizienzdefizite im Bereich der Dumpingabwehr stetig drängender werden.1 Maßnahmen zur Abwehr von gerlumpten Einfuhren, d. h. von Einfuhren, die im Einfuhrland unter Kosten oder zumindest billiger angeboten werden, als im Heimatmarkt des Herstellers 2 , haben entgegen vieler Prognosen aus rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fachkreisen im internationalen Warenverkehr im verI So auch die Einschätzung von Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 388; Holmes, Anti-Circurnvention: Legitimale Defence or Just Another Protectionist Ploy?, INT.TLR, No. 5, 1995, 186. 2 Siehe Art. VI Abs. I GATT, Art. 2 Antidurnpingübereinkornrnen, Art. I Abs. 2 und Art. 2 EG VO 384/96 (ABI. 1996, L 56/I). Siehe zum Dumpingbegriff auch statt vieler: Viner, Dumping, A Problern in International Trade; Galinski, Theoretische Grundlagen der Handelspolitik gegenüber Dumpingeinfuhren ; Jackson, The World Trading System, 2"d ed., S. 251 ff.
22
I. Teil: Einleitung
gangeneu Jahrzehnt ganz maßgeblich an Bedeutung gewonnen. Das ist u. a. daran abzulesen, daß sich Antidumping in der achten Welthandelsrunde, der Uruguay Runde 3 , zu einem der zentralen Streitpunkte entwickelt hat und daß die Zahl der Staaten, die über eine nationale Antidumpinggesetzgebung verfügen und diese auch anwenden, ständig ansteigt. 4 Sie liegt weltweit inzwischen bei über 50. 5 Antidumpingmaßnahmen (hauptsächlich Antidumpingzölle) sind nach wie vor das mit Abstand bedeutendste handelspolitische Schutzinstrument überhaupt. Ihre Bedeutung dürfte angesichts des kontinuierlich sinkenden allgemeinen Zollniveaus in Zukunft sogar noch zunehmen, da letzteres bei der jeweils heimischen Industrie den Bedarf nach anders geartetem Importschutz wachsen läßt. Antidumpingmaßnahmen haben sich unter den vom GATT /WTO-Recht gebilligten Schutzmaßnahmen als dasjenige Instrument erwiesen, mit dem diesen Schutzbedürfnissen am ehesten entsprochen werden kann. Einen erheblichen Bedeutungsverlust erleiden konkrete Antidumpingmaßnahmen aber immer dann, wenn sie im Einzelfall umgangen werden. Dieses Phänomen ist an sich nicht neu; neu ist aber der Umfang, in dem Umgehung von Antidumpingmaßnahmen seit etwa Mitte der achtziger Jahre mit stetig wachsender Tendenz zu verzeichnen ist. Daß sich das Effizienzproblem bei Antidumpingmaßnahmen zunehmend verschärft, überrascht kaum. Die Globalisierungstendenzen bei Produktion und Vertrieb von Waren erleichtern es zusehends, die auf selektive Wirkung zugeschnittenen Antidumpingmaßnahmen zu umgehen. Dem GATT I WTO-Recht entsprechend ist der Anwendungsbereich einer konkreten Antidumpingmaßnahme auf eine bestimmte Warenkategorie eines bestimmten Ursprungslandes beschränkt. Die technischen Möglichkeiten, die internationalen Vernetzungen und die fortschreitende internationale Arbeitsteilung ermöglichen es heute schneller als je zuvor, Produktion und Vertrieb derart umzustellen, daß sich Warenkategorie und/oder Ursprungsland einer Importware für Zwecke der Zollanmel3 Achte Welthandelsrunde (1986 - 1993). - Für einen kurzen Überblick über die Geschichte und Entwicklung des GATT bis zur Uruguay Runde siehe z. B. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, § 7 Rz. 1 ff.; Weiss, From Havana to Marrakesh: Treaty Making for Trade in Klabbersl Lefeber (Hrsg.), Essays on the Law of Treaties, A Collection of Essays in Honour of Bert Vierdag, S. 155. 4 Für statistisches Material siehe M iranda I Torres I Ruiz, The International U se of Antidumping: 1987- 1997, JWT, Vol. 32, No. 5, Oct. 1998, S. 5 ff. ; siehe auch Zwölfter Jahresbericht der Kommission über Antidumping- und Antisubventionsmaßnahmen der Gemeinschaft, KOM (95) 16 vom 14. 2. 1995. 5 Über eine nationale Antidumpinggesetzgebung verfügen inzwischen u. a. folgende Staaten: Argentinien, Australien, Barbados, Bolivien, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Costa Rica, Ecuador, die Europäische Gemeinschaft, Guatemala, Indien, lndonesien, Irland, Israel, Jamaika, Japan, Kanada, Kenia, Kolumbien, Kuba, Süd Korea, Malawi, Malaysia, Mauritius, Mexiko, Neuseeland, Norwegen, Panama, Paraguay, Peru, Philippinen, Polen, Rumänien, Rußland, St. Lucia, Senegal, Singapur, die Slowakische Republik, Slowenien, Südafrika, Taiwan, Thailand, Trinidad & Tobago, Tunesien, Türkei, Uganda, die USA, Uruguay, Venezuela, Sambia, Simbabwe. Abgdruckt z. B. bei Stevenson, The Global Anti-Dumping Handbook.
A.Anlaß
23
dungjederzeit verändern lassen und auf diesem Weg aus dem Anwendungsbereich einer Antidumpingmaßnahme herausfallen. Die für den Einfuhrvorgang vorgenommenen Änderungen ermöglichen es regelmäßig, daß die fraglichen Waren ihre Zielmärkte unbehelligt von Antidumpingmaßnahmen erreichen und dort zu weiterhin gerlumpten Preisen abgesetzt werden können. Hierdurch wird die von der Antidumpingmaßnahme intendierte Wirkung, den Warenabsatz zu gerlumpten Preisen zu verhindern, bei wörtlicher und restriktiver Auslegung der entsprechenden Antidumpingmaßnahme verfehlt. Dabei prallen grundsätzlich zwei Interessensphären aufeinander. Da ist einerseits diejenige des Importeurs, der den Denkgesetzen der ökonomischen Logik folgend versucht, den jeweils günstigsten Importweg zu ermitteln und auf diesem Weg seine Waren in den Zielmarkt zu importieren. Machen Antidumpingmaßnahmen einen bislang genutzten Importweg unattraktiv, wird sich der betroffene Importeur regelmäßig um neue, billigere Möglichkeiten zur Bedienung des Zielmarktes bemühen. Auf der anderen Seite stehen die Interessen einer Importschutz begehrenden Industrie und einer Antidumpingadministration, die nach einem langen, aufwendig geführten Antidumpingverfahren 6 , in dem komplexe ökonomische und technische Aspekte umfassend beleuchtet werden, nicht bereit sind, tatenlos jeder Art von Vermeidungsstrategie zuzusehen. Im Spannungsfeld dieses Interessengegensatzes ist es in der Praxis eine äußerst schwierige Aufgabe, im Einzelfall sachgerecht abzugrenzen zwischen Umgehung einerseits und dem normalen Ausnützen komparativer Kostenvorteile verschiedener Produktionsstandorte und Vertriebswege andererseits. Versuche, auf internationaler Ebene eine derartige Abgrenzung in abstakt-genereller Form vorzunehmen, sind bislang gescheitert. Daß das Problem der Abwehr der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen in der Antidumpingdiskussion ganz besonders heikel ist, läßt sich z. B. daran ablesen, daßtrotzjahrelangen Ringens um eine ausdrückliche Regelung zur Umgehungsabwehr im Rahmen der Uruguay Runde nicht einmal ein Minimalkonsens zwischen Befürwortern und Gegnern unter den Mitgliedsstaaten der World Trade Organization (nachfolgend: WTO) erzielt werden konnte. Die Umgehungsproblematik wurde statt dessenperMinisterieller Erklärung in Marrakesch zur Weiterbehandlung an den Antidumpingausschuß der WTO verwiesen. Dies hat die Europäische Gemeinschaft (nachfolgend: Gemeinschaft oder auch EG) nicht daran gehindert, auch ohne ausdruckliehe multilaterale Billigung jetzt nach 1987 zum zweiten Mal eine Umgehungsabwehrvorschrift zu erlassen und diese auch praktisch umzusetzen. Dieses Vorgehen hat insbesondere im ost- und südostasiatischen Raum, dem Lager der schärfsten Gegner von Antidumping- und Umgehungsabwehrmaßnahmen, zu regelrechten Proteststürmen geführt. Daß die Gemeinschaft für ihre neue Umgehungsabwehrvorschrift noch nicht, wie schon 6 In der Gemeinschaft sind es z.Z. regelmäßig 15 Monate; vor der Einführung strikter zeitlicher Beschränkungen der zulässigen Verfahrensdauer waren auch wesentlich längere Verfahrensdauern üblich.
24
I. Teil: Einleitung
1990, mit dem Vorwurf der GATT I WTO-Widrigkeit vor ein Panel zitiert worden ist, liegt allein daran, daß die Gemeinschaft es bislang vermieden hat, auf der Grundlage der neuen Umgehungsabwehrvorschrift gegen Einfuhren aus WTOMitgliedsstaaten vorzugehen. Diese jüngsten Entwicklungen im Bereich der europäischen Umgehungsabwehr bilden gerade vor dem Hintergrund der auf internationaler Ebene sehr kontrovers geführten Debatte einen überaus interessanten Untersuchungsgegenstand.
B. Normativer Kontext Die Umgehungsproblematik und die von der Gemeinschaft praktizierten Lösungsansätze sind vor dem Hintergrund des internationalen und des europäischen Antidumpingrechts zu würdigen. Das internationale Antidumpingrecht findet seinen Niederschlag in Art. VI GATT und im "Agreement on Implementation of Article VI of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994"7 (nachfolgend: Antidumpingübereinkommen). In Art. VI GATT wird Dumping zwar nicht verboten, aber doch als "unfair" geächtet. Ferner werden die WTO-Mitgliedsstaaten 8 autorisiert, gegen gedumpte Einfuhren vorzugehen. Voraussetzung dafür ist, daß die fraglichen Einfuhren im Schutzmaßnahmen anstrebenden Einfuhrstaat zu gedumpten Preisen verkauft werden und daß der konkurrierende heimische Wirtschaftszweig dadurch geschädigt wird. Als Schutzmaßnahme werden regelmäßig Antidumpingzölle (Ausgleichszölle) auf die gedumpten Einfuhren erhoben.9 Es besteht auch die Möglichkeit, daß ein Importeur sich verpflichtet, in Zukunft nicht mehr zu dumpen, d. h. nicht mehr unter einem bestimmten Preis auf dem Markt des Einfuhrstaates anzubieten. 10 Art. VI GATT wird vom Antidumpingübereinkommen 11 ergänzt. Dieses wurde letztmals in der Uruguay Runde umfassend geändert und ist - anders als noch die 7 Siehe World Trade Organization (Hrsg.), The Results of the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, The L~gal Texts, S. 168 ff. Für eine deutsche Übersetzung, siehe z. B. ABI. 1994, L 336/103. Da GATT /WTO-Texte nur in Englisch, Französisch und Spanisch, nicht aber in Deutsch authentisch sind (siehe 2 (c) (i) der Explanatory Notes zum GATT 1994) wird die vorliegende Arbeit jeweils von der englischen Version ausgehen und auch nur diese zitieren. s Vormals die GATT-Vertragsstaaten. 9 Art. VI Abs. 2 S. 1 GATT; Art. 7 und Art. 9 Antidumpingübereinkommen. IO Sog. Verpflichtungserklärungen (eng!.: "undertakings"), Art. 8 Antidumpingübereinkommen. II Siehe z. B. Didier; Le Code Anti-Dumping du Cycle de I'Uruguay: Impactdans Ia Communaute, Cahier du Droit Communautaire, 1994, 251 ; Horlick! Shea, The World Trade Organization Antidumping Agreement, JWT, Vol. 29, No. 1, Feb 1995, S. 5; Kaulen, The New Anti-Dumping Code through its Negotiating History in Bourgeois/Berrod/Gippini (Hrsg.),
B. Normativer Kontext
25
Vorgängerversionen aus der Kennedy Runde 12 und der Tokio Runde 13 für alle WTO-Mitgliedsstaaten verbindlich. 14 Das Antidumpingübereinkommen enthält u. a. Regelungen dazu, wie Dumping 15 und Schädigung 16 zu ermitteln sind und stellt Mindestanforderungen für Antidumpingverfahren auf. 17 Ferner ist darin die Bildung eines Committee on Anti-Dumping Practices (nachfolgend: AntidumpingausschuB oder auch WTO-Antidumpingausschuß) vorgesehen, das unter der Obhut des WTO-Sekretariats als Diskussionsforum für Probleme des internationalen Antidumpingrechts fungiert. 18 Für Streitfälle über Antidumpingmaßnahmen verweist das Antidumpingübereinkommen 19 auf das "Understanding on Rules and Procedures Goveming the Settlement of Disputes" (nachfolgend: Dispute Settlement Understanding, DSU oder auch Streitschlichtungsverfahren). 20 In diesem Übereinkommen ist der Streitschlichtungsmechanismus der WTO geregelt. Führen Konsultationen21 zwischen den streitenden Mitgliedsstaaten zu keiner Einigung, kann auf Betreiben einer Partei ein Panel, ein dreiköpfiges schiedsgerichtsartiges Gremium, gebildet und zur Entscheidung des Streites berufen werden. 22 Gegen die daraus resultierende Panelentscheidung kann dann noch beim sogenannten "AppeiIate Body" Berufung eingelegt werden. 23 Antidumping ist im EG-Kontext Bestandteil der "Gemeinsamen Handelspolitik"24 gemäß Art. 133 Abs. 1 EGV 25 und fällt damit in die ausschließliche KompeThe Uruguay Round Results, S. 151 ; Pa/meter; A Commentary on the WTO Anti-Dumping Code, JWT, Vol. 30, No. 4, August 1996, S. 43;. 12 Sechste Welthandelsrunde ( 1964 -1967). 13 Siebte Welthandelsrunde (1973 - 1976). 14 Siehe Art. II Abs. 2 Marakesh Agreement establishing the World Trade Organization: "The agreements and associated legal instruments included in Annexes I, 2 and 3 ... are integral parts of this Agreement, binding on all Members." Das Antidumpingübereinkommen ist in Annex I (Annex lA) enthalten. \S Art. 2 Determination of Dumping. 16 Art. 3 Determination of Injury. 17 Art. 5 Initiation and Subsequent Investigation; Art. 6 Evidence; Art. II Duration and Review of Anti-Dumping Duties and Price Undertakings; Art. 12 Public Notice and Explanation of Derterminations. 18 Art. 16 Committee on Anti-Dumping Practices. 19 Art. 17 Antidumpingübereinkommen. 20 Siehe World Trade Organization (Hrsg.), The Results of the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, The Legal Texts, S. 404 ff. 21 Art. 4 und Art. 5 DSU. 22 Art. 6 ff. DSU. 23 Art. 17 ff. DSU. 24 Art. 131 ff. EGV n.F. (Art. 110 ff. EGV a.F.). Siehe z. B. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., § 5 Rz. 17 ff.; Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl., S. 522 ff.; Neumann/Welge, Die Gemeinsame Handelspolitik und ihre Instrumente in Röttinger / Weyringer (Hrsg.), Handbuch der europäischen Integration, S. 638 ff.; Krenzier/ Da Fonseca-Wollheim, Die Reichweite der gemeinsamen Handelspolitik nach dem Vertrag von Amsterdam - Eine
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I. Teil: Einleitung
tenz der Gemeinschaft. Auf dieser Grundlage setzt die Gemeinschaft die GATT I WTO-Vorgaben in einer eigenen Verordnung um. Die aktuelle Verordnung ist die Verordnung (EG) 384/96 des Rates vom 22. Dezember 1995 über den Schutz gegen gedumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft gehörenden Ländern (nachfolgend: "Grundverordnung" oder "VO 384/96").26 Die Grundverordnung enthält das gesamte materielle und formelle Antidumpingrecht der Gemeinschaft.27 Mit Art. 13 findet sich hier auch die neue spezifisch auf Umgehungsabwehr zugeschnittene Vorschrift der Gemeinschaft. 28 Die im Ausgangs_29 wie auch im Umgehungsverfahren 30 erforderlichen Untersuchungen werden von der Generaldirektion Handel (nachfolgend wie vormals: GD 1)31 der Europäischen Kommission (nachfolgend auch: Kommission) durchgeDebatte ohne Ende?, Europarecht, 1998,223 ff.; Van den Bossche, The European Community and the Uruguay Round Agreements in Jackson/Sykes, Implementing the Uruguay Round, S. 23 ff.; Vedders vor Art. 110 und zu Art. 110 ff. in Grabitzl Hilf (Hrsg.) Kommentar zur Europäischen Union; Bourgeois zu Art. 113 in Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU-lEG-Vertrag, 5. Auf!.; Oppermann, Europarecht, 2. Auf!., Rz. 1730 ff. 25 Art. 133 in der Amsterdamer Fassung des EG-Vertrages (vormals Art. 113 EGV). 26 ABI. 1996, L 5611; geändert durch VO 2231196, ABI. 1996, L 31711. Spezialbestimmungen für Kohle und Stahlprodukte finden sich in der Entscheidung Nr. 22771961EGKS der Kommission zum Schutz gegen gerlumpte Einfuhren aus nicht zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl gehörenden Ländern, ABI. 1996, L 308111. - Spezialbestimmungen für den Schiffsbau sind in enthalten VO 385196, ABI. 1996, L 56121 . 27 Siehe dazu Bierwagen, Die neue Antidumpinggrundverordnung nach dem Abschluß der Uruguay Runde, EuZW 1995, 231; Müller, Das neue Antidumpingrecht der EG, EWS, 1995,146; Bronckers, WTO Implementation in the European Community, JWT, Vol. 29, No. 5, Oct. 1995, S. 73; Clough, EU Anti-dumping after the WTO Agreement in INT.TLR Vol. 2, 1995, 43; EU Anti-dumping after the WTO Agreement Part li: The New Procedural Rules, INT.TLR Vol 3, 1995 S. 96 und EU Anti-dumping after the WTO Agreement Part Ill: Antidumping Measures and Remedies, INT.TLR Vol. 5, 1995, 189; Hansen/ Andersen, Le Nouveau Reglement Communautaire Antidumping, RDAIIIBLJ No. 4, 1995, S. 465 ff.; Vander Schueren, New Antidumping Rules and Practice: Wide Discretion held on a Tight Leash?, CMLR, Val. 33, 1996, 271 ff.; Van Bael, The 1994 Anti-Dumping Code and the New EC Anti-Dumping Regulation in Bourgeois/Berod/Gippini (Hrsg.), The Uruguay Round Results, 1995, S. 233; Clough/ Randolph, Recent Developments in EC-Anti-Dumping Practice and the GATT in Emiliou/O'Keeffe (Hrsg.), The European Union and World Trade Law, 1996, S. 218; Müller/Kahn/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96; Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice; Van Bael/Bellis, Antidumping and other Trade Protection Laws ofthe EC, 3'd ed.; Bourgeois, Rz. 86 ff. zu Art. 113 in Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU-lEG-Vertrag, 5. Auf!. 28 Auch in der Entscheidung 22771961EGKS findet sich mit deren Art. 13 eine spezielle Umgehungsvorschrift, die wortgleich zu Art. 13 VO 384196 gefaßt ist. Der einzige Unterschied zwischen den beiden Umgehungsvorschriften besteht darin, daß Art. 13 der Entscheidung 2277 /961EGKS im Gegensatz zur VO 384/96 keinen Absatz zur Umgehung durch Montagevorgänge in der Gemeinschaft oder einem Drittland enthält. Mit Blick auf diese Übereinstimmung im Wortlaut und die eingeschränkte Bedeutung der EGKS-Vorschriften soll Art. 13 der Entscheidung 22771961 EGKS nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit werden. 29 Art. 6 Grundverordnung. 30 Art. 13 Abs. 3 S. 3 Grundverordnung.
C. Ziel der Arbeit und Vergehensweise
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führt. Dies geschieht in Abstimmung mit den Vertretern der EG-Mitgliedsstaaten im Beratenden Ausschuß 32 und mit dem Juristischen Dienst der Europäischen Kommission. Auf der Grundlage der Ergebnisse dieser Untersuchungen werden endgültige Maßnahmen im Ausgangsverfahren 33 sowie Maßnahmen im Umgehungsverfahren vom Rat mit einfacher Mehrheit beschlossen. 34
C. Ziel der Arbeit und Vorgehensweise Mit der vorliegenden Arbeit soll umfassend untersucht werden, wie die Gemeinschaft sich dem Effizienzproblem im Bereich des Antidumpingrechts stellt. Zentraler Untersuchungsgegenstand der Arbeit werden der neue, spezifisch auf Umgehungsabwehr zugeschnittene Art. 13 Grundverordnung sowie die hierzu geübte Praxis der Europäischen Kommission sein. Dabei wird insbesondere auch auf die Frage einzugehen sein, ob sich die Vorgehensweise der Gemeinschaft unter Art. 13 Grundverordnung konfliktfrei in den von der WTO vorgegebenen Ordnungsrahmen einfügt. Eine umfassende Würdigung des Umgehungsabwehrinstrumentariums der Gemeinschaft erfordert darüber hinaus auch eine Untersuchung der Ansatzpunkte, die das übrige europäische Antidumpingrecht und insbesondere auch das europäische allgemeine Zollrecht bieten. Ferner wird zu bestimmen sein, in welchem Verhältnis diese Instrumentarien zueinander stehen. Soweit ersichtlich gibt es zu diesem Themenkreis bislang keine umfassende, der aktuellen Rechtslage Rechnung tragende Untersuchung. In der englischsprachigen Literatur finden sich einige vereinzelte Stellungnahmen zum neuen Art. 13 Grundverordnung. Die Behandlung erfolgt aber regelmäßig eher beiläufig und stammt durchweg aus einer Zeit, zu der man sich in Ermangelung praktischer Fälle noch weitgehend auf Mutmaßungen über die konkrete Anwendung von Art. 13 beschränken mußte, wohingegen nunmehr nach Abschluß der ersten Verfahren eine umfassende Analyse und Würdigung möglich sind. Es sei ausdrücklich betont, daß es nicht Ziel der vorliegenden Arbeit ist, die "normative Vernünftigkeit" des Antidumpingrechts im allgemeinen zu thematisieren. Diese war Gegenstand zahlloser rechts- und wirtschaftswissenschaftlicher Veröffentlichungen der vergangenen Jahre und ist dort regelmäßig verneint worden? 5 Konkret: GD IC und IG. Art. 15 Grundverordnung. 33 Art. 9 Abs. 4 Grundverordnung. 34 Art. 13 Abs. 3 S. 4 Grundverordnung. 35 Siehe z. B. Bellis /Vermulst! Waer, Further Changes in the EEC Anti-Dumping Regulation: A Codification of Controversia1 Methodologies, JWT, Vol. 23, No. 2, April 1989, S. 21; Nicolaides, Anti-dumping Measures as Safeguards: the Case of the EC, Intereconomics, 31 32
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I. Teil: Einleitung
Man mag den Verfassern insoweit zustimmen, als Antidumping weder juristisch noch ökonomisch zwingend ist. 36 Die teils herbe Kritik am bestehenden Antidumpingrecht darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß auf absehbare Zeit nicht mit der Abschaffung oder auch nur mit einem entscheidenden Wandel im internationalen Antidumpingrecht zu rechnen ist? 7 Es erscheint deshalb weit interessanter und für die Praxis auch relevanter, sich dem exekutiven und legislativen Umgang mit dem Antidumpinginstrumentarium, hier speziell dem Instrumentarium zur Umgehungsabwehr, zu widmen, als neuerlich über Vernunft oder auch Unvernunft von Antidumpingmaßnahmen nachzudenken. Vol. 25, No. 6, Nov. I Dec. 1989, S. 273; Rowat, Protectionist Tilts in Antiduming Legislation of Developed Countries and the LDC Response: Is the "Race to the Bottom" Inevitable, JWT Vol. 24, No. 6, Dec. 1990, S. 5; Bierwagen, GATT Article VI and the protectionist bias in antidumping laws; Matsumoto/ Finlayson, Dumping and Antidumping: Growing Problems in World Trade, JWT, Vol. 24, No. 4 August 1990, S. 5; Davenport, The Economics of Antidumping and the Uruguay Round, Intereconomics, Vol. 25, No. 6, Nov./Dec. 1990; Finger, Antidumping, How it Works and Who Gets Hurt; Van Bael, Improving GATT Disciplines Relating to Anti-Dumping Measures, in Oppermann/Molsberger (Hrsg.), A New GATT for the Nineties and Europe '92, S. 171; Van Bael, EEC Anti-Dumping Law and Procedure Revisited, JWT, Vol. 24, No. 2, April 1990, S. 5; Stegemann, The International Regulation of Dumping: Protection Made Too Easy, The World Economy, Vol. 14, No. 4, December 1991, S. 375; Hagelstam, Some Shortcomings of International Anti-Dumping Provisions, JWT, Vol. 25, No. 5, Oct. 1991, S. 99; TfUJrakan (Hrsg.), Policy Implications of Antidumping Measures, 1991; Hizon, Antidumping and the European Policy vis-a-vis the East Asian Newly Industrializing Countries, World Competition, Vol. 18, No. 1, September 1994, S. 111; Langer, Grundlagen einer internationalen Wirtschaftsverfassung, S. 224 ff.; Langer. Kritik und Neukonzeption des internationalen Antidumpingrechts, ZvglRWiss 94 (1995), S. 353; Hoekmanl Kostecki, The Political Economy of the World Trading System, S. 171 (174 ff., 177 ff.); Grimwade, Anti-Dumping Policy after the Uruguay Round - an Appraisal, National Institute Economic Review, February 1996, S. 98; Hoekman/Mavroidis, Dumping, Antidumping and Antitrust, JWT, Vol. 30, No. I, Feb. 1996, S. 27; Hindley /Messerlin, Antidumping, Industrial Policy, Legalized Protectionism in the WTO and What to Do about It; Peters, Antidumping-Politik; siehe auch Überblick über die maßgebliche Literatur bei Belderbos, Antidumping and Tariff Jumping: Japanese Firms's DFI in the European Union and the United States, Weltwirtschaftliches Archiv, 1997, Vol. 133 (3), S. 419 f.- Weniger kritisch: Bourgeois, L'action anti-dumping comme moyen de defense des producteurs de Ia Communaute, Revue du Marche unique europeen, 1991, S. 11; Morgan, Competition and Anti-Dumping, Is it Timefora Reality Check?, JWT, Vol. 30, No. 5, Oct. 1996, S. 61; Bronckers, Rehabilitating Antidumping and other Trade Remedies through Cost-Benefit Analyses, JWT, Vol. 30, No. 2, April 1996, S. 5; Bourgeois, EC Trade Policy Measures, Their Costs and Benefits, INT.TLR, No. 6, 1996, S. 226; European Parliament (Hrsg.), The Economic Impact ofDumping and the Community's Anti-Dumping Policy (Report prepared by Ernst & Young); Miranda / Torres I Ruiz, The International Use of Antidumping: 1987 - 1997, JWT, Vol. 32, No. 5, Oct. 1998, S. 5; Engering!Brabander/Vermulst, EC Antidumping Policy in a Globalizing World, JWT, Vol. 32, No. 5, Dec. 1998, S. 115. 36 So auch schon Hahn, "Assembly-Dumping" in der EG und den USA, RIW, 1991,739. 37 So z. B. auch Jackson, The World Trading System, 2"d. ed., S. 274; Niets / Kate, Trusting Antitrust to Dump Antidumping, JWT, Vol. 31, No. 6, Dec. 1997, S. 29 Miranda/Torres!Ruiz, The International Use of Antidumping: 1987 - 1997, JWT, Vol. 32, No. 5, Oct. 1998, S. 5 (61); Engering/Brabander/ Vermulst, EC Antidumping Policy in a Globalizing World, JWT, Vol. 32, No. 5, Dec. 1998, S. 115.
D. Gang der Arbeit
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Da im Zusammenhang mit der Umgehungsabwehr im Antidumpingbereich Literatur, wie angesprochen, nur sehr spärlich vorhanden ist, konzentriert sich die nachfolgende Untersuchung ganz wesentlich auf die Auswertung der einschlägigen Veröffentlichungen im Amtsblatt der Gemeinschaft. Als Vergleichsmaßstab für die darin reflektierte aktuelle Gemeinschaftspraxis wird auf die Praxis unter der alten Umgehungsvorschrift der Gemeinschaft sowie auf die dazu ergangene GATT-Panelentscheidung aus dem Jahre 1990 zurückgegriffen. Da die Amtsblattveröffentlichungen über die eigentlichen Hintergründe der maßgeblichen Verfahren nur sehr beschränkt Auskunft geben und auch die internationalen Entwicklungen im Bereich der Umgehungsabwehr in Genf hinter verschlossenen Türen stattfinden 38, würde eine Beschränkung auf die zuvor beschriebenen Quellen nur eine sehr ausschnitthafte, unvollständige Würdigung erlauben. Diesem Umstand Rechnung tragend wurde versucht, Hintergründe und Zusammenhänge in zahlreichen Gesprächen mit Antidumping-"Insidem" aufzuklären. Gesprächspartner des Verfassers waren u. a. Mitarbeiter der Rules Division der WTO, Vertreter des WTO-Antidumpingausschusses, Mitarbeiter der Generaldirektion I und des Juristischen Dienstes der Europäischen Kommission, Mitarbeiter des Bundeswirtschaftsministeriums und der Ständigen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland in Genf und Brüssel, Rechtsanwälte, von denen ein Teil in Antidumpingverfahren auf Seiten der europäischen Industrie auftritt und der andere Teil die Interessen von Drittstaatenherstellern vertritt und schließlich Industrievertreter.39
D. Gang der Arbeit Die Arbeit besteht aus insgesamt sieben Teilen. Im Anschluß an diese Einleitung wird in Teil 2 der Arbeit zunächst auf das Phänomen der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen einzugehen sein. Die Umgehungsproblematik wird mit Hilfe von solchen Beispielsfällen illustriert, die von den nationalen Antidumpingadministrationen der Antidumping-Hauptakteure40 regelmäßig als "Umgehung" angesehen werden und die als solche die aktuelle Umgehungsdiskussion beherrschen. Die Aufzählung dieser Beispiele wird zeigen, daß die Umgehung von Antidumpingmaßnahmen sehr vielgestaltig sein kann und daß sich aufgrund dessen aus Beispielen letztlich kaum ein Beitrag zur Begriffsbildung gewinnen läßt.
38 Die Beratungen im WTO-Antidumpingausschuß finden unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Einschlägige Dokumente sind "restricted", d. h. nicht öffentlich zugänglich. 39 Siehe dazu das Vorwort. 40 Die USA, Kanada, Australien und die Europäische Gemeinschaft.
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l . Teil: Einleitung
Die Arbeit wird sodann den Diskussionstand im GATT IWTO-Rahmen wiedergeben. Dabei wird sich zeigen, daß sich Befürworter und Gegner von Umgehungsabwehrmaßnahmen schon bei der Frage nach der Begrifflichkeit nach wie vor unversöhnlich gegenüberstehen. Trotz mehrjähriger Bemühungen, dem Begriff der Umgehung Konturen zu geben, ist praktisch keine Annäherung zwischen den stark divergierenden Positionen der an den Gesprächen Beteiligten zu verzeichnen. Zwar hat die Gemeinschaft in ihre nach Abschluß der Uruguay Runde geschaffene Umgehungsabwehrvorschrift (Art. 13 Grundverordnung) dem Wortlaut nach eine Definition aufgenommen. Aber auch dieser "Definition" fehlt es nach hier vertretener Auffassung an Überzeugungskraft Aus diesem Grund wird in der Folge der Versuch unternommen, das Problem der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen von dogmatischer Seite her anzugehen. Dabei wird ausgehend von römisch-rechtlichen Ansätzen und in Fortführung der "objektiven Umgehungslehre" die Auffassung vertreten, daß sich die Rechtsanwendung im Normalfall und im Umgehungsfall nicht wesentlich voneinander unterscheiden und es deshalb überflüssig ist, Umgehung zu definieren bzw. ein eigenständiges Rechtsinstitut der Umgehung zu schaffen. Teil 3 der Arbeit ist der neuen gemeinschaftsrechtlichen Umgehungsabwehrvorschrift Art. 13 VO 384 I 96 gewidmet. Nach einem kurzen Rückblick auf die gemeinschaftsrechtliche Vorgängervorschrift, die dazu ergangene GATT-Panelentscheidung und die Ergebnisse der Uruguay Runde in Sachen Umgehungsabwehr werden die materiellen und formellen Aspekte der neuen Regelung unter Berücksichtigung der jüngsten Praxis, d. h. der ersten Entscheidungen hierzu analysiert. Dabei wird sich zeigen, daß Art. 13 VO 384196 trotzseines hohen Abstraktionsgrades einer sachgerechten Anwendung durchaus zugänglich ist. Der Vergleich mit der Praxis unter der alten Umgehungsabwehrvorschrift wird zeigen, daß die Gemeinschaft bei der Ausgestaltung der neuen Vorschrift und bei der aktuellen Praxistrotz einer offensiven handelspolitischen Grundhaltung bisher sehr um Zurückhaltung und das Vermeiden von Angriffsflächen bemüht war. Die Ausführungen zu Art. 13 VO 384196 schließen mit der Behandlung der zentralen Frage, ob die neue Umgehungsabwehrvorschrift mit den GATT I WTO-Vorschriften vereinbar ist. Entgegen einer sonst weitverbreiteten, wenn nicht sogar ganz vorherrschenden Ansicht, kommt die vorliegende Arbeit zu dem Ergebnis, daß die neue Regelung von Art. VI GATT gedeckt ist und auch sonst mit GATT- und WTO-Vorschriften in Einklang steht. In Teil 4 und Teil 5 wird untersucht, inwieweit das allgemeine Antidumpingrecht41 bzw. das allgemeine Zollrecht42 sich zur Umgehungsabwehr instrumentali41 Näher erörtert werden die gleichzeitige Untersuchung und Ergreifung von Maßnahmen bezüglich Endprodukt und Einzelteilen, die Fassung von Verpflichtungserklärungen, die Versagung der Einzelfallbehandlung, die Schaffung produktspezifischer Ursprungsregeln nach Art. 14 Abs. 3 Grundverordnung, die Einleitung neuer Antidumpinguntersuchungen, die extensive Auslegung des Konzepts der "gleichartigen Ware" und die verstärkte Nutzung des Instruments der Interimsüberprüfung.
D. Gang der Arbeit
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sieren lassen. Dabei wird sich zeigen, daß beide Ansatzpunkte nur sehr beschränkt dazu geeignet sind, die Effizienzdefizite im Bereich der Dumpingabwehr auszugleichen. Hinzu kommt, daß beide Wege alles andere als transparent sind und damit insbesondere aus Sicht der von Abwehrmaßnahmen betroffenen Drittstaatenhersteller und Exporteure keinerlei Vorteile gegenüber dem Verfahren unter Art. 13 Grundverordnung aufweisen. Sie stellen mithin - anders als von Gegnern spezifischer Umgehungsabwehrvorschriften regelmäßig behauptet - keinesfalls die allgemein vorzugswürdige Alternative dar. Teil 6 ist der Frage nach dem Verhältnis zwischen dem spezifisch auf Umgehungsabwehr zugeschnittenen Art. 13 VO 384/96 einerseits und allgemeinem Antidumping- und Zollrecht andererseits gewidmet. Es wird sich zeigen, daß die Gemeinschaft aufgrund handelspolitischer Erwägungen hier nicht von einem Spezialitätsverhältnis ausgeht, sondern durchaus gewillt ist, die drei Regelungskomplexe je nach Bedarf komplementär oder auch alternativ zur Anwendung zu bringen. Teil 7 wagt nach einer kurzen Zusammenfassung einen Ausblick auf die zukünftige Entwicklung im Bereich der Umgehungsabwehr. Im Zusammenhang damit wird festzustellen sein, daß kurz- und mittelfristig nicht mit multilateralen Antworten zu den von der Umgehungsabwehr aufgeworfenen Fragen zu rechnen ist. Mit Blick auf handelspolitische Realitäten ist auch nicht damit zu rechnen, daß Antidumping- und Umgehungsabwehrmaßnahmen in nächster Zeit von einem internationalen Kartellrecht abgelöst oder durch das Aufbrechen von Handelshemmnissen im internationalen Handel hinfallig werden. Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Umgehungsabwehrstrategien dürften damit noch länger zu den maßgeblichen handelspolitischen Optionen der Gemeinschaft gehören.
42 Thematisiert werden in diesem Zusammenhang die nicht-präferenziellen Ursprungsregeln und die Zollklassifizierung.
Tei/2
Umgehung von Antidumpingmaßnahmen Die EG-rechtlichen Instrumentarien zur Umgehungsabwehr lassen sich nur sinnvoll würdigen, wenn man das Phänomen "Umgehung von Antidumpingmaßnahmen" als solches vorab näher bestimmt. Es liegt bei der Umgehung in der Natur der Sache, daß diese sich nur schwer und definitorisch jedenfalls nur sehr abstrakt fassen läßt. Umgehung als handelspolitisches Problem soll deshalb zunächst nur an Hand von Beispielen illustriert werden. Im Anschluß werden die Bemühungen um eine Umgehungsdefinition im Rahmen der WTO sowie das EG-rechtliche Verständnis von Umgehung darzustellen sein. Abgeschlossen werden soll dieser Teil mit dogmatischen Betrachtungen.
A. Problembeschreibung an Hand von Beispielen Das Problem der Umgehung läßt sich am einfachsten an Hand von Beispielen beschreiben. 1 Gemein ist diesen Beispielen, daß ein Drittstaatenhersteller I Importeur jeweils eine Gestaltung wählt, bei der die Zahlung von Antidumpingzöllen vermieden und damit die Schutzfunktion bestehender Antidumpingmaßnahmen aufgehoben oder zumindest beeinträchtigt wird. 2 I Auf die weitgehend uneinheitlich gebrauchte und damit letzlieh wenig hilfreiche Terminologie einiger Autoren wird hier bewußt verzichtet. Siehe z. B. Vermulst/Waer, Anti-diversion rules in antidumping procedures: interface or shortcircuit for the management of interdependence, MJIL 1990, Vol. 11, S. 1119 ff. (1120 ff.); Bierwagen/Hailbronner, Input, Downstream, Upstream, Secondary, Diversionary and Components or Subassembly Dumping, JWT, Vol. 22, No. 3, June 1988, S. 27 ff. 2 Auch die Absorption von Antidumpingzöllen durch den Hersteller I Exporteur verhindert, daß die verhängten Antidumpingzölle die intendierte Schutzwirkung entfalten können. Sie unterscheidet sich aber vom Tatbestand der Umgeghung insofern, als der Antidumpingzoll in den fraglichen Fällen nicht - auch nicht teilweise - vermieden wird. Der Antidumpingzoll wird bei der Einfuhr in die Gemeinschaft ordnungsgemäß entrichtet; nur wird er anschließend entgegen aller rationalen und ökonomischen Erwartung nicht im Verkaufspreis auf dem Gemeinschaftsmarkt reflektiert, sondern statt dessen vom Hersteller I Exporteur getragen. - Zwar wird auch in diesen Fallkonstellationen die Wirksamkeit der entsprechenden Antidumpingmaßnahmen wie auch bei den geschilderten "Umgehungsfällen" in Frage gestellt. Da der Zoll aber entrichtet wird, handelt es sich schon vom Wortsinn her nicht um Umgehung. Im übrigen würde die Einbeziehung der Absorptionsproblematik den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. Auf eine Behandlung der Antiabsorptionsmaßnahmen (Art. 12
A. Problembeschreibung an Hand von Beispielen
33
Zum Zwecke der Systematisierung sollen Fallgruppen gebildet werden. Da Antidumpingmaßnahmen produkt- und ursprungslandspezifisch ausgestaltet sind, bietet es sich an, die Fälle der Produktveränderungen und die Fälle der Ursprungsmanipulationen jeweils in einer Fallgruppe zusammenzufassen. Die sonstigen Umgehungsfalle werden eine dritte Fallgruppe bilden. Die Aufnahme der einzelnen Fallgestaltungen in die nachfolgende Übersicht soll nicht präjudizieren, daß in den fraglichen Fällen Abwehrmaßnahmen zu ergreifen sind. Es handelt sich aber durchweg um Fälle, die Antidumpingadministrationen wie auch schutzbedürftige Industriezweige über die Möglichkeit und Erforderlichkeit einer Abwehr nachdenken lassen.
I. Fallgruppe 1: Veränderung der eingeführten Ware mit dem Ziel einer veränderten Zollklassifizierung
In dieser Fallgruppe wird auf eine grundsätzlich Antidumpingzöllen unterliegende Ware so eingewirkt, daß sie bei der Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr als eine andere, von der fraglichen Antidumpingmaßnahme nicht erfaßte Ware deklariert werden kann. Da Antidumpingzölle bestimmten Zolltarifpositionen zugeordnet sind, werden die zuständigen Zollbehörden den Antidumpingzoll nur dann erheben, wenn die Klassifizierung der Einfuhrware eine Zuordnung zu einer entsprechenden Tarifposition ergibt. Andernfalls kann die Ware das gemeinschaftliche Zollgebiet frei von Antidumpingzöllen erreichen. Wie der Wechsel von einer Tarifposition zu einer anderen zu erreichen ist, hängt von der entsprechenden Ware und damit ganz vom Einzelfall ab. In Betracht kommen - bei typisierender Betrachtung- z. B. die Einfuhr von Teilen mit anschließender Montage im Einfuhrland, die leichte Veränderung oder Umwandlungen der Ware. 1. Einfuhr von Teilen und anschließende Montage in der Gemeinschaft ("assembly-dumping")
Bei der bekanntesten und inzwischen schon als "klassisch" bezeichneten Form der Umgehung werden statt der fertigen Ware lediglich Einzelteile eingeführt, die dann erst in der Gemeinschaft zum Endprodukt zusammengefügt werden.3 Das Grundverordnung) wird deshalb verzichtet. Siehe insoweit z. B. Müller/ Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 12, Rz. 12.1 ff.; Demataki, Absorption in EC Antidumping Proceedings, JWf, Vol. 32, No. 6, Dec. 1998, S. 57. 3 Aktuelles Beispiel: Einfuhr von Fahrradteilen aus China zur Umgehung von Antidumpingzöllen auf fertige Fahrräder aus China (s. VO 2474/93, ABI. 1993, L 228/ 1; VO 703 I 96, ABI. 1996, L98/3; V071/97, ABI. 1997, L 16/55). Siehe unten, Teil3, B. V. 2. -Siehe auch die in den 80er Jahren unter Art. 13 Abs. 10 VO 2423/88 eingeleiteten Verfahren bezüglich der Einfuhr von Teilen von elektronischen Schreibmaschinen, elektronischen 3 Bimstiel
34
2. Teil: Umgehung von Antidumpingmaßnahmen
führt dort zu einer Umgehung, wo Antidumpingzölle nach der entsprechenden Verordnung nur auf das Endprodukt, nicht aber auch auf dessen Einzelteile erhoben werden. 4 Da die Montage in diesen Fällen oft in eigens für einfache Montagevorgänge errichteten Betrieben erfolgt, wurde für diese Betriebe der Begriff "Schraubenzieherfabriken" geprägt. Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß die Montage oft mittels Einsatz eines einfachen Schraubenziehers bewältigt werden kann, ohne daß dadurch eine weitergehende Wertschöpfung erfolgen würde.
2. Leichte Veränderung von Waren ("slightly altered merchandise") Der Wechsel der Tarifposition läßt sich teilweise auch schon durch eine leichte Veränderung der zur Einfuhr in den gemeinsamen Markt bestimmten Ware erreichen. Dabei wird die Veränderung regelmäßig so bemessen sein, daß der Endabnehmer in der Gemeinschaft diese nicht als nachteilig empfindet, sie aber dennoch ausreicht, um einen Wechsel in der Tarifposition zu erreichen. 5 Dabei muß auf die Zuordnung zu einer Tarifposition hingewirkt werden, für die keine Antidumpingmaßnahmen vorgesehen sind. 6
Waagen, hydraulischen Baggern, Normalpapierkopierern, Kugellagern und Matrix-Druckern jeweils mit Urspung in Japan (siehe unten, Teil 3, I.). 4 Anders Kaufmann, Ursprungsregeln: Die internationale und europäische Gestaltung der Ursprungsregeln, S. 90 f., der diese Art der Umgehung als "ursprungsrechtliche Umgehung" einordnet. Dem liegt wohl die Überlegung zugrunde, daß mit der Montage in der Gemeinschaft für das montierte Endprodukt letztlich auf Gemeinschaftsursprung abgezielt werden könnte. Die Frage, ob tatsächlich Gemeinschaftsursprung erzielt wird, ist aber allenfalls für Reexportsituationen von Relevanz. Mit Blick auf die Einfuhr in die Gemeinschaft ist maßgeblich, daß mit der Einfuhr von Teilen statt der fertigen Ware regelmäßig auf eine andere Zollklassifizierung abgezielt wird. Wird bei der Einfuhr eine Ware so deklariert und dementsprechend klassifiziert, daß schon die Ware als solche nicht in den Anwendungsbereich einer Antidumpingmaßnahme fällt, bedarf es keines anderen Ursprungs mehr, um aus dem Anwendungsbereich der fraglichen Antidumpingmaßnahme zu fallen. - Insofern auch mißverständlich Exler, Die Ursprungsregeln im internationalen Wirtschaftsrecht, S. 30 f. u. 226 ff. (232 ff.). 5 Im Einwegfeuerzeug-Verfahren haben chinesische Hersteller nach den Feststellungen der Gemeinschaft Einwegfeuerzeuge nur deshalb mit Nachfüllventilen versehen, um diese als nachfüllbare Feuerzeuge deklarieren zu können, nicht aber um sie auch als solche zu verkaufen (ABI. 1999, L 22/1). Siehe unten, Teil3, B. V. 5. 6 Zum Ganzen siehe Kleinfeld/Gaylor, Circumvention of Antidumping and Countervailing Duty Orders through Minor Alterations in Merchandise - Where to Draw the Line?, JWT Vol. 28 No. I, June 1994, S. 76 ff.
A. Problembeschreibung an Hand von Beispielen
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3. Umwandlungen
Sogenannte Umwandlungen sind auf verschiedene Art und Weise möglich. So läßt sich z. B. ein mit Antidumpingzöllen belegtes chemisches Produkt "A" nur zu Einfuhrzwecken mit einem anderen Produkt "B" zur chemischen Verbindung "C'' vermischen. Nach erfolgreicher Einfuhr wird "C" dann wieder in seine Grundstoffe "A" und "B" getrennt. - Möglich ist auch, statt der mit Antidumpingzöllen belegten Ware ein Produkt einzuführen, das auf einer niedrigeren ("upstream" Produkt)7 oder auf einer höheren Produktionsstufe ("downstream" Produkt) steht. Bisweilen wird auch eine bestimmte Verarbeitungsstufe nur für die Einfuhr erreicht und anschließend wieder rückgängig gemacht. Zu erwarten ist das nur, wo die Kosten für die Umwandlung unter denen liegen, die durch die Belastung mit Antidumpingmaßnahmen entstehen.
II. Fallgruppe 2: Veränderung des Warenursprungs Wie erwähnt sind Antidumpingmaßnahmen aufgrund der GATT I WTO-Vorgaben nicht nur produkt-, sondern auch herkunftslandspezifisch (teilweise ursprungsland- und teilweise exportlandspezifisch) ausgestaltet. Damit findet eine Antidumpingmaßnahme auch dann keine Anwendung, wenn die Zollbehörden beim Vergleich der Einfuhrware mit den Vorgaben der Antidumpingmaßnahmen anordnenden Verordnung nur Produkt-, nicht aber Ursprungsübereinstimmung feststellen können. Vermeiden lassen sich Antidumpingmaßnahmen mithin prinzipiell schon dadurch, daß der Ware ein anderer, neuer Ursprung verliehen wird. Wann das der Fall ist, regeln für den EG-Antidumping-Kontext grundsätzlich die nicht-präferenziellen EG-Ursprungsregeln. 8 1. Klassische Drittlandsumgehung durch Einfuhr und Montage von Teilen in einem Drittland und anschließender Einfuhr in die Gemeinschaft
Mit dem Ziel einen anderen Ursprung bei der Einfuhr in die Gemeinschaft deklarieren zu können, werden häufig statt der fertigen, EG-Antidumpingmaßnahmen unterliegenden Ware deren Bestandteile zur Endmontage in ein Drittland verbracht und dann erst nach der Montage von dort aus in die Gemeinschaft eingeführt. - Da diese Strategie in der Vergangenheit recht häufig anzutreffen war, spricht die Kommission - wie bei Einfuhr von Teilen und Endmontage in der Ge7 Letztere Fallgestaltung liegt VO 693 I 97, ABI. 1997, L I 02 I 14 zugrunde. Siehe unten, Teil 3, B. V. 4. s Siehe z. B . Witte I Prieß , Zollkodex , 2. Auf!., Artt. 22 ff.- Siehe auch unten, Teil 5, A.
3*
2. Teil: Umgehung von Antidumpingmaßnahmen
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meinschaft9 - von einem Fall der "klassischen Umgehung" 10, der Drittlandsumgehung (engl.: "third-country-circumvention"). 2. Sonstige Ursprungsmanipulationen
Über die Drittlandsumgehung hinaus sind in der Praxis noch andere Arten der Ursprungsmanipulation anzutreffen. So werden mit Antidumpingmaßnahmen belegte Waren bisweilen über Drittstaaten verschickt und dort dann lediglich umgeladen, umgepackt oder unbedeutenden Produktionsprozessen (wie z. B. Etikettieren) unterworfen.
111. Fallgruppe 3: Sonstige Umgehungspraktiken
Die Wirksamkeit vom Antidumpingmaßnahmen läßt sich - wie schon angedeutet - nicht nur durch Verhaltensweisen untergraben, die Zollklassifizierung oder auf Ursprungsveränderungen abzielen. Ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit seien hier noch drei weitere Strategien angeführt, mit denen die Entrichtung von Antidumpingzöllen teilweise oder auch gänzlich vermieden wird. 1. Produktionsverlagerung in die Gemeinschaft oder einen Drittstaat
Eine Antidumpingmaßnahme kann z. B. ihre Wirkung auch dadurch einbüßen, daß die gesamte Produktion der betreffenden Ware (nicht nur der Vorgang der Montage oder Fertigstellung) in die Gemeinschaft verlegt wird. 11 Damit wird der "ausländische" Produzent selbst Teil eines Wirtschaftszweiges der Gemeinschaft und kann als solcher nach herkömmlichem Verständnis grundsätzlich nicht zum Ziel gemeinschaftsrechtlicher Antidumpingmaßnahmen werden. Es fehlt ja schon an einem Einfuhrvorgang. Eine Schädigung der heimischen Produktion kann dennoch entstehen, wenn die Produktionsstätte den Gemeinschaftsmarkt zu - untechnisch gesprochen - "gedumpten" Preisen beliefert und dies z. B. im Wege der Quersubvention durch die Muttergesellschaft im Drittland finanzieren läßt. 12 Siehe oben, Teil 2, A. I. 1. Siehe KOM (94) 414 final, S. 164 unter Gliederungspunkt 10 b) (i). 11 Dafür werden teilweise die englischen Begriffe "transplant" und "transplant factory" verwendet.; siehe z. B. Kaufmann, Ursprungsregeln: Die internationale und europäische Gestaltung der Ursprungsregeln, S. 136. 12 Ein Extrembeispiel dafür ist die Ansiedlung der Japanischen Halbleiterindustrie in den Vereinigten Staaten in den achtziger Jahren. Mit Ausnahme des US-Herstellers Micron haben alle US-amerikanischen Produzuenten ihre Produktionsstätten in den Staaten aufgegeben, um der aggressiven Preispolitik quersubventionierter japanischer Hersteller zu entgehen. 9
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A. Problembeschreibung an Hand von Beispielen
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2. "Channeling" Das "Channeling" ist eine Praktik, bei der Waren von mehreren Produzenten desselben Herkunftslandes durch dasjenige Unternehmen in die Gemeinschaft eingeführt werden, welches mit dem niedrigsten Antidumpingzollsatz belegt worden ist. Im Antidumpingverfahren mit der Kommission kooperierende Unternehmen erhalten regelmäßig einen individuellen Antidumpingzollsatz, d. h. einen solchen, der sich an ihrer individuellen Dumpingspanne orientiert. Nicht kooperierende Unternehmen und Marktneulinge (engl.: "newcomer") werden hingegen mit einem regelmäßig weit höheren Residualzollsatz belegt. Für diese wie für Unternehmen mit einem hohen Individualzollsatz macht es Sinn, die Einfuhr durch ein kooperierendes, mit einem möglichst niedrigen Individualzollsatz belegtes Unternehmen vornehmen zu lassen. Auf diese Weise läßt sich die Differenz zwischen den entsprechenden Individualzollsätzen bzw. dem Individualzollsatz und dem Residualzollsatz einsparen. Diese Vorgehensweise wurde in der Vergangenheit v.a. Unternehmen aus Staatshandelsländern unterstellt. Es wird angenommen, daß der Staat in diesen Fällen seinen Einfluß auf die staatlichen Unternehmen entsprechend ausnutzt. "Channeling" wird aber auch außerhalb der Staatshandelsländer bei verbundenen Unternehmen unterstellt. 3. Umgehung im Zusammenhang mit Verpflichtungserklärungen
Auch im Zusammenhang mit Verpflichtungserklärungen wird bisweilen von Umgehung gesprochen. 13 Eine Antidumpinguntersuchung kann ohne die Auferlegung vorläufiger oder endgültiger Zölle eingestellt werden, wenn sich ein Exporteur freiwillig verpflichtet, seine Preise zu ändern oder die Ausfuhr zu Dumpingpreisen in das betreffende Gebiet zu unterlassen. 14 Dazu bedarf es eines sogenannten Verpflichtungsangebotes seitens des Exporteurs. Wenn die Kommission dieses annimmt, kommt es zur Verpflichtung (engl.: "undertaking"). 15 Regelmäßig werden diese Verpflichtungen zwischen Exporteuren und der Kommission ausgehandelt. Das konkrete Verhandlungsergebnis wird nicht veröffentlicht. Es ist aber dennoch bekannt, daß sich Exporteure im allgemeinen verpflichten, bei der Einfuhr einer bestimmten Ware eines bestimmten Ursprungs in die Gemeinschaft einen be13 Anders als in den übrigen hier geschilderten Fällen geht es dabei aber nicht unmittelbar darum, die Zahlung von Antidumpingzöllen zu vermeiden. Zölle werden dem Erklärenden beim Instrument der Verpflichtung ja gerade nicht auferlegt. Umgangen wird hier die Verpflichtung, eine bestimmte Ware nicht unter einem festgelegten Preis zu importieren. 14 Art. 8 Grundverordnung. 15 Siehe im einzelnen Kleinmann, Verpflichtungsangebote und Verpflichtungen im Antidumpingverfahren sowie deren kartellrechtliche Beurteilung, RIW, 1993, 928; Vermulst/ Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 67 ff. ; Van Bael/Bellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Law of the EC, 3. Aufl., S. 232 ff., Rz. 615 ff.
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2. Teil: Umgehung von Antidumpingmaßnahmen
stimmten CIF-Ausfuhrpreis 16 nicht zu unterschreiten. Gewöhnlich wird dabei für alle Hersteller eines bestimmten Exportlandes derselbe Preis vereinbart. 17 Die Kommission hat aber auch schon Verpflichtungsangebote angenommen, in denen sich die Hersteller verpflichten, nicht unter einem unternehmensspezifischen, auf den unternehmenseigenen Kosten basierenden Minimumpreis in die Gemeinschaft auszuführen. 18• 19 Verstößt der Exporteur gegen diese Verpflichtung werden ihm vorläufige oder endgültige Zölle auferlegt. 20 Neben der klaren Verletzung einer Verpflichtung kommt aber auch deren mannigfaltige Umgehung in Betracht. 21 Auf zwei konkrete Varianten soll hier im besonderen eingegangen werden. Das sind einmal das "versteckte" (engl.: "disguised") und "gezielte" (engl.: "targeted") Dumping. Verpflichtet sich der Hersteller, zukünftig nicht mehr zu dumpen und wird dafür als Maßstab die Einhaltung eines gewogenen Durchschnittsausfuhrpreises vereinbart, kann er zu bestimmten Zeitpunkten oder auch auf einzelnen Teilmärkten nachhaltig dumpen, ohne den vereinbarten Durchschnittspreis zu unterschreiten. Er muß nur dafür sorgen, daß die gerlumpten Ausfuhren von solchen ausgeglichen werden, deren Preis über dem Durchschnittsausfuhrpreis liegt (sog. Negativ-Dumping). 22 Das kann dazu führen, daß weit mehr als die Hälfte der Ausfuhren einer bestimmten Ware de facto gedumpt sind und der Gemeinschaftsindustrie Schaden zufügen, obwohl der vereinbarte Durchschnittspreis und damit die entsprechende Verpflichtung ihrem Wortlaut nach eingehalten wird. 23 16 Der Preis setzt sich aus den Posten "costs" (Produktionskosten), "insurance" (Versicherungskosten) und "freight" (Frachtkosten) zusammen. 17 Vermulst/Waer, E.C. Antidumping Law and Practice, S. 70 f. 18 So im koreanischen DRAM-Fall, ABI. 1993, L 66/37; siehe auch Vermulst!Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 103, Fn. 39; Van Bael/Bellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Laws ofthe EC, 3. Aufl., S. 237 f., Rz. 617. 19 Der Vorteil der auf den unternehmensspezifischen Kosten basierenden Minimumpreise besteht darin, daß dem einzelnen Hersteller seine individuellen Kostenvorteile erhalten bleiben. Es wird mithin nicht unnötig in den Wettbewerb zwischen den einzelnen Herstellern eines Herkunftslandes eingegriffen. Die Fixierung eines landesweit einheitlichen Ausfuhrpreises kann hingegen unter kartellrechtlichen Gesichtspunkten bedenklich sein. 2o Art. 8 Abs. 9 und Abs. 10 VO 384/96. 21 Nachdem auch der Anwendungsbereich ("scope") einer Verpflichtungserklärung durch die Produktbeschreibung und Ursprungsbezeichnung bestimmt wird, kommen wie in Fällen der Auferlegung von Antidumpingzöllen grundsätzlich an die Ware und I oder ihren Ursprung anküpfende Umgehungsstrategien in Betracht. Diesen läßt sich bei der Verhandlung und Abfassung einer Verpflichtungserklärung ebensowenig begegenen, wie bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs in der Antidumpingzölle auferlegenden Kommissions- oder Ratsverordnung. 22 Siehe Rechenbeispiel bei Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law- Commentary on Regulation 384/96, Art. 2 Rz. 2.253 f. 23 Die Techniken des "versteckten" und "gezielten" Dumpings sind nicht nur eine theoretische Gefahr, sondern gehören seit langem zu den Hauptsorgen der europäischen und wie auch der amerikanischen Antidumpingadministrationen. Sie waren auch während der Verhandlun-
B. GATI /WTO-Sicht
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Die zweite Form der Umgehung bei Verpflichtungserklärungen, auf die hier besonders hingewiesen werden soll, kommt in den Fällen in Betracht, in denen sich der Hersteller zur Einhaltung eines an seinen unternehmenseigenen Kosten orientierten Minimumpreises verpflichtet. Der Hersteller wird dann regelmäßig bemüht sein, seine Herstellungskosten als möglichst niedrig auszugeben. Das ermöglicht ihm, seine Waren auf dem Gemeinschaftsmarkt zu einem niedrigen, "wettbewerbsfähigeren" Preis anzubieten. Abschreibungstricks24 , die nicht sachgerechte Allokation von Forschungs- und Entwicklungskosten sowie das Unterschlagen von "ramp-up costs" ermöglichen es, enorme Kostenposten zu verstecken und den vereinbarten Minimumpreis damit künstlich zu drücken. Der im konkreten Fall mit Antidumpingzöllen und der Annahme von Verpflichtungserklärungen angestrebte Schutz vor Billigeinfuhren wird so umgangen. Die Verpflichtung und der damit gewählte Maßstab der Produktionskosten erfüllen nur dann ihren Schutzzweck, wenn die Kalkulation der Produktionskosten auch den tatsächlichen Umständen entspricht. IV. Beispiele als Grundlage für die Begriffsbildung?
Die vorstehende Aufzählung von Beispielen zeigt, daß Umgehungshandlungen überaus vielfaltig sein können; so vielfältig, daß eine abschließende Auflistung aller denkbaren Fälle nicht möglich erscheint. Die Beispiele ermöglichen leider keinerlei Eingrenzung des Phänomens und vor allem keine Grenzziehung zwischen "zulässiger" und "unzulässiger" Umgehung. Die Aufzählung ist mithin mehr Problembeschreibung, denn Beitrag zur Begriffsbildung.
B. GATT /WTO-Sicht I. Uruguay Runde
Im Rahmen der Verhandlungen der Uruguay Runde zur Revision des Antidumping Übereinkommens der Tokio Runde wurde zwar heftig über die Umgehungsabwehr gestritten, und einzelne Verhandlungsparteien stellten dabei auch dar, welche Probleme sie in diesem Bereich als drängend ansehen. Eine nähere Bestimgen der Uruguay Runde über ein neues Antidumpingübereinkommen Anlaß für erbitterte Auseinandersetzungen. Siehe Stewart, The GATI Uruguay Round, A Negotiating History (1986-1993) S. 1538 f.; Koulen, The New Anti-Dumping Code through its Negotiation History in Bourgeois/Berrod/Gippini (Hrsg.), The Uruguay Round Results, S. 151 (171); Müller!Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 2 Rz. 2.255). 24 Siehe z. B. Ausführungen dazu bei White, A Test of Consistency in the Administration ofU.S. Antidumping Law, JWT, Vol. 31, No. 4, August 1997, S. 117 ff.
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2. Teil: Umgehung von Antidumpingmaßnahmen
mung und Abgrenzung dessen, was alles als Umgehung angesehen werden kann, erfolgte mangels Konsenses aber nicht. Zwar anerkennt die Ministerielle Erklärung von Marakesch zur Umgehung von Antidumpingmaßnahmen das Problem als solches, faßt dieses allerdings nicht näher, sondern überantwortet es zur Weiterbehandlung dem WTO-Antidumpingausschuß .25
II. WTO-Antidumpingausschuß
Auch im WTO-Rahmen hat sich daran zumindest bisher nichts geändert. Zwar beschäftigt man sich im Antidumpingausschuß26 im Gefolge der min.isteriellen Erklärung mit Umgehung und Umgehungsabwehr. Zu substantiellen Ergebnissen ist man bislang allerdings nicht gekommen. Vielmehr wurde über zwei Jahre hinweg gestritten, welchen Rahmen man diesen Verhandlungen geben soll. Zunächst wurden lediglich "informelle Gespräche" geführt. Erst im April 1997 konnte man sich bei einem regulären Treffen des Antidumpingausschusses darauf einigen, eine sogenannte "informal group on anti-circumvention" (nachfolgend auch: "informal group" oder "informelle Gruppe") ins Leben zu rufen. 27 Die Betonung liegt dabei klar auf "informal", da man von japanischer, wie allgemein von ost- und südostasiatischer Seite, diesen Gesprächen so wenig Bedeutung und Aufmerksamkeit zukommen lassen möchte, wie irgend möglich. Die Beteiligung an formellen Gesprächen sähe die asiatische Seite als Zugeständnis und Problemanerkenntnis an, welches man zumindest bislang unter keinen Umständen machen will. Insofern fällt insbesondere Japan als Hardliner im asiatischen Raum mit seiner derzeit vertretenen Position sogar noch hinter das zurück, worauf man sich in der Marrakesch Erklärung verständigt hatte. Einziger "Fortschritt" ist bislang die Verständigung auf eine Art Arbeitsprogramm für die informelle Gruppe und schriftliche Stellungnahmen von sieben WTO-Mitgliedern zur Frage, was Umgehung ist. 28
Zu Text und Auslegung siehe unten, Teil 3, A. IV und Teil 3, D. II. 2. a). Das Antidumping Kommittee ist ein ständiges, mindestens zweimal jährlich tagendes Kommittee, das sich aus Vertretern der WTO-Mitgliedsstaaten zusammensetzt; siehe Art. 16 Antidumpingübereinkommen. 27 Report ( 1997) of the Committee on Anti-dumping Practices, World Trade Organization, G/L/204 vom 6. November 1997, S. 4, Pkt. 15. 28 Report (1997) of the Committee on Anti-dumping Practices,World Trade Organization, G/L/204 vom 6. November 1997, S. 4, Pkt. 15. 25 26
B. GAIT IWTO-Sicht
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1. Einigung auf ein Arbeitsprogramm
Das Arbeitsprograrrun geht auf einen Vorschlag des Vorsitzenden des Antidumpingausschusses vom 20. März 1997 zurück und wurde bei der Bildung der informellen Gruppe als Leitfaden für die weiteren Gespräche angenorrunen. Der Vorschlag für ein Arbeitsprograrrun wie auch die angesprochenen schriftlichen Stellungnahmen sind zwar nicht öffentlich zugänglich ("restricted"). 29 Aus dem Kreis der an den Gesprächen Beteiligten sind aber dennoch Einzelheiten zu erfahren. Das Arbeitsprograrrun sieht danach prinzipiell drei Schritte vor. Zur Problemerfassung will man sich zunächst der Frage widmen, was Umgehung ist. Aus Gründen der Transparenz soll in einem zweiten Schritt untersucht werden, was von einzelnen WTO-Mitgliedsstaaten in Umgehungsfällen untemorrunen wird. In einem letzten Schritt soll dann mit Blick auf eine multilaterale Lösung untersucht werden, ob und wenn ja, in welchem Umfang unter bestehenden GATT /WTO-Regeln gegen Umgehung vorgegangen werden kann und welche anderen Lösungsansätzen gegebenenfalls in Betracht zu ziehen wären. 2. Suche nach einer Umgehungsdefinition
Zur Zeit befindet man sich bei den Gesprächen irruner noch auf der ersten Stufe des Arbeitsprograrruns. Im Zusarrunenhang mit der Suche nach einer Umgehungsdefinition liegen bislang schriftliche Stellungnahmen der Association of SauthEast Asian Nations (nachfolgend: ASEAN), der Europäischen Gemeinschaft, von Hongkong (China), von Japan, von der Türkei, von Kanada und von den USA vor. Auf den bisher abgehaltenen Treffen der informellen Gruppe haben sich auch noch weitere WTO Mitgliedsstaaten zu Wort gemeldet. Nachfolgend soll aber nur auf die Positionen eingegangen werden, die auch schon in schriftlicher, wenn auch nicht öffentlich zugänglicher Form vorliegen. Auch diese vermitteln schon einen repräsentativen Querschnitt über das derzeitige Meinungsspektrum. a) Europäische Gemeinschaft Die Europäische Gemeinschaft vertritt im Rahmen der informellen Gruppe die Ansicht, Umgehung käme grundsätzlich dann in Betracht, wenn im Gefolge einer Antidumpingmaßnahme Importe so vorgenommen werden, daß sie aus dem Anwendungsbereich der Maßnahme herausfallen oder zumindest an sich geschuldete Antidumpingzölle nicht gezahlt werden. Betont wird insbesondere der reaktive Charakter jeglicher Form von Umgehung. 29
1 ff.
Die Stellungnahmen zirkulieren als Dokumente unter der Signatur GI ADP I IG I W I
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2. Teil: Umgehung von Antidumpingmaßnahmen
Zu unterscheiden sei grob zwischen "einfachen" Formen und "anderen" Formen der Umgehung. Zu den "einfachen" Formen sind aus Sicht der Gemeinschaft die Praktiken zu zählen, für die die meisten WTO Mitgliedsstaaten schon über nationale gesetzliche Regelungen verfügten. Das seien "transshipment-Fälle"30 und Fälle unrichtiger Erklärungen zum Ursprung, zur Zollklassifizierung und zum Zollwert der fraglichen Importware, im wesentlichen Zollbetrugskonstellationen. Unter "andere" Formen der Umgehung seien u. a. Fälle leicht veränderter Waren und der Export von Einzelteilen mit anschließender einfacher Montage in der Gemeinschaft oder einem Drittstaat zu fassen. Zur Abgrenzung legitimer Geschäftsstrategien von unerwünschter Umgehung könnten Kriterien wie Timing und Umfang der in der Gemeinschaft oder einem Drittstaat getätigten Investitionen herangezogen werden. Allgemeiner könne auch die Frage nach der wirtschaftlichen Rechtfertigung einer bestimmten Vorgehensweise des Drittstaatenherstellers I Exporteurs gestellt werden. Eine Grenzziehung sei zwar sehr umstritten und damit schwierig. Sie sei aber aus Gründen der Transparenz und Vorhersehbarkeit für alle beteiligten Wirtschaftsakteure dringend erforderlich. Die Gemeinschaft läßt damit erste konzeptionelle Ansätze erkennen und spricht sich für einen weiten und offenen Umgehungsbegriff aus; offen insofern, als neben Betrugskonstellationen leicht veränderte Waren und Montagefälle nur beispielhaft aufgezählt werden. Von Bedeutung ist insbesondere das Bemühen um Abgrenzungskriterien. Die Position reflektiert im wesentlichen die Gedanken, die auch der neuen Umgehungsabwehrvorschrift der Gemeinschaft - Art. 13 Grundverordnung - zugrunde liegen. 31 Selbstverständlich hält man sich im Rahmen der informellen Gruppe aber bedeckter, da man die eigene - für WTO-kompatibel erachtete - Vorschrift schon aus verhandlungstaktischen Gründen nicht zum Gegenstand der laufenden Gespräche machen kann. b)USA Nach bislang von amerikanischer Seite geäußerter Auffassung ist Umgehung die Veränderung einer Ware, seiner Produktion oder seiner Verschiffung in Fällen, in denen die Ware zunächst von Antidumpingmaßnahmen erfaßt wird, die eingetretene Veränderung dann letztlich aber Ziel und Wirksamkeit der fraglichen Antidumpingmaßnahme untergräbt.
30 Von "transshipment" wird gesprochen, wenn Waren nicht direkt, sondern über einen Drittstaat ins Zielland verschifft werden. 31 Siehe unten, Teil 3, B.
B. GATI /WTO-Sicht
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Zusätzlich werden von amerikanischer Seite hypothetische Beispielsfälle bemüht, die man eindeutig für Umgehung hält. Erfasse die Warenbeschreibung einer Antidumpingmaßnahme z. B. ein Salz in kristalliner Form, 99prozentiges Nickel oder auch komplette Scharniere und würden dann als Reaktion auf die Maßnahme von den selben Herstellern im Exportland an die selben Abnehmer im Importland plötzlich nur noch nicht mehr explizit von der Warenbeschreibung der Antidumpingmaßnahme erfaßtes Salz in Syrupform, 98,5prozentiges Nickel oder schnell montierbare Scharniereinzelbestandteile zu gleichen Bedingungen, Preisen und in gleichen Mengen geliefert, so seien dies eindeutige Umgehungsfälle. 32 Eine einheitliche Regelung im WTO-Rahmen sei dringend erforderlich, um die Glaubwürdigkeit des antidumpingrechtlichen Instrumentariums zu bewahren. Diese Regelung dürfe aber nicht nur auf die angeführten Fälle beschränkt werden, sondern müsse der komplexen wirtschaftlichen Wirklichkeit gerecht werden, die angesichts des technischen Fortschritts und der Globalisierung eine Vielzahl von Umgehungsmöglichkeiten eröffne. Diese einheitliche Regelung solle sich aber nicht auch auf Betrugskonstellationen beziehen. Zwar wollen die USA der von Japan und der Gemeinschaft vertretenen Auffassung nicht widersprechen, daß es ich dabei um extreme Fälle der Umgehung handele. Zollbetrug sei aber wohl am besten unter den bestehenden nationalen Vorschriften zu behandeln. Insbesondere solle Umgehung als solche nicht kriminalisiert werden. Die USA beschränken sich mithin im wesentlichen auf die Aufzählung einiger markanter Beispiele (smoking gun examples). Damit soll Problembewußtsein geschaffen werden. Auch sie sprechen sich für einen weiten und grundsätzlich offenen Umgehungsbegriff aus. An einem Bemühen um verallgemeinerungsfähige Kriterien fehlt es aber weitgehend. Die Position der USA bringt gegenüber denjüngsten OS-amerikanischen Umgehungsabwehrvorschriften keine Neuerungen. Mit der Aufzählung von Beispielen und den allgemein politischen Erwägungen vermeiden die USA - ähnlich wie die Gemeinschaft - ihr eigenes Umgehungsabwehrrecht zum Gegenstand der Gespräche zu machen. c) Kanada Nach kanadischer Vorstellung ist Umgehung das Vorgehen eines Exporteurs, das direkte Auswirkungen auf die Importware oder deren Herstellungsort hat und das darauf gerichtet ist, die Zahlung von Antidumpingzöllen zu vermeiden. Im Gegen32 Der japanische Vertreter in der "informal group on circumvention" hat auf dem Treffen der Gruppe im April 1998 den Begriff "Umgehung" für alle drei Beispiele ausnahmslos zuriickgewiesen. Wolle man gegen die "neuen" Produkte vorgehen, so können das nur im Rahmen eines eigenen Antidumpingverfahrens geschehen.
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2. Teil: Umgehung von Antidumpingmaßnahmen
satz zur japanischen aber auch der EG-Position will Kanada jede Art von betrügerischer Praxis, wie z. B. unrichtige Angaben bezüglich Warenursprung, Zollklassifizierung und Zollwert, vom Umgehungsbegriff ausschließen. Eine Umgehung soll nur dort angenommen werden können, wo im spezifischen Fall dem einzelnen Exporteur aufgrund von Tatsachen die Absicht zur Umgehung von Antidumpingmaßnahmen nachgewiesen werden kann. Als Tatsachen, die für eine solche Umgehungsabsicht sprechen, kommen für Kanada u. a. Timing und die Veränderung des Handelsgefüges in Betracht. Danach könne das Vorgehen eines Exporteurs nur dann als Umgehung angesehen werden, wenn es nach Einleitung des zu Antidumpingmaßnahmen führenden Ausgangsverfahrens erfolge. Beispiele für maßgebliche Veränderungen des Handelsgefüges sind nach kanadischer Sicht die Veränderung einer Ware, der Wechsel vom Export des fertigen Produkts zum Export von Teilen oder auch eine Verlagerung der Produktion. Maßgeblich könnten ferner die Qualität der Investition in einem Drittstaat oder auch im Einfuhrland sowie das Verhältnis zwischen von Antidumpingmaßnahmen betroffenen Exporteuren und anderen involvierten Parteien sein. Ferner wird die Kontinuität auf der Abnehmerseite trotz Veränderung der Ware oder Wechsel bei den Ausfuhren von Fertigware zu Teilen als mögliches Kriterium angesehen. Wichtig erscheint Kanada ferner die Würdigung des entstehenden Schadens. Nur wenn die Einfuhr einer veränderten Ware nach Einleitung des Ausgangsverfahrens zur Schädigung der Industrie führt, die das Ausgangsverfahren eingeleitet hat, macht Umgehungsabwehr nach kanadischer Auffassung Sinn. Ferner sei eine Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalles erforderlich. Ein einzelner der angeführten Faktoren könne regelmäßig nicht ausschlaggebend sein. Auch Kanada vertritt mithin einen offenen Umgehungsbegriff, scheint aber mit der Forderung nach dem subjektiven Merkmal der Umgehungsabsicht und der damit Hand in Hand gehenden Forderung nach einer Einzelfallprüfung (herstellerspezifisch) auf eine sehr restriktive Handhabung einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschritt abzuzielen.
d) Türkei Die Türkei spricht im Rahmen der "informal group" in zwei Fallkonstellationen von Umgehung. Umgehung kann nach türkischem Verständnis einmal in den Fällen der leicht veränderten Ware vorliegen. Dazu muß die Veränderung nach Erlaß einer Antidumpingmaßnahme vorgenommen werden und dazu führen, daß das neue Produkt nicht mehr von der Ausgangsmaßnahme erlaßt wird. Ferner darf neben der Antidumpingmaßnahme kein anderer ausreichender Grund bzw. keine sonstige wirtschaftliche Rechtfertigung für die Veränderung bestehen.
B. GATT /WTO-Sicht
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Montage im Import- oder im Drittland als Reaktion auf eine Antidumpingmaßnahme wird dann als Umgehung angesehen, wenn eine mit dem Hersteller I Exporteur verbundene Partei (engl.: "related party") diese nach Einleitung des Ausgangsverfahrens aufnimmt oder wesentlich ausweitet, der Wert der verwendeten Teile aus dem mit Maßnahmen belegten Land nicht weniger als 80% des Gesamtwertes aller verwendeten Teile beträgt (nachfolgend: "80120% Ratio") und weniger als 20% der "ex-factory" Kosten als Mehrwert geschaffen werden (nachfolgend: 20% Mehrwertest). Schließlich sollen zusätzlich noch Dumping im Verhältnis zu den im Ausgangsverfahren bestimmten Normalwerten vorliegen und Maßnahmen erforderlich sein, um die heimische Industrie vor Schaden zu bewahren. Anders als die ersten drei geschilderten Positionen überrascht die türkische Stellungnahme durch ihre Konkretheit. Bei der Abfassung hat man sich offensichtlich durch den "Dunkel Draft"33 und durch die ebenfalls daran anknüpfende neue Europäische Umgehungsabwehrvorschrift34 inspirieren lassen. Der Umstand, daß es nach türkischer Auffassung aber nur zwei fixe Fallgruppen geben soll sowie die für die Montagefälle angestrebten Schwellenwerte ("80120% Ratio" und 20% Mehrwerttest), lassen selbst für das Lager der Befürworter ernste Zweifel an der Konsensfähigkeit dieses Entwurfes aufkommen. Mit Blick auf die "80 I 20% Ratio" ist sogar zweifelhaft, ob die Türkei für Montagefälle überhaupt zu den Befürwortern von Umgehungsabwehrmaßnahmen gehört. Eine 20%-Schwelle zu überbzw. eine 80%-Schwelle zu unterschreiten, wird dem potentiellen "Umgeher" im internationalen Wirtschaftsverkehr regelmäßig relativ leicht fallen. 35 Der Anwendungsbereich der Vorschrift würde mithin sehr klein. Den in der Praxis überaus relevanten Montagefällen hätte eine Antidumpingadministration dann nicht viel entgegenzuhalten. e) Japan Die Japaner, die Hardliner im asiatischen Lager, vertreten eine Minimalposition. Sie sehen allenfalls Neuetikettierung (engl.: "re-labelling") - wenn zur Vortäuschung eines anderen Ursprungs angewendet- und unrichtige Zollerklärungen als "Umgehung" an. Da die bestehende Rechtslage zur Bekämpfung derartiger Fälle hinreichende Mittel zur Verfügung stelle, besteht aus japanischer Sicht keine Notwendigkeit für Siehe unten, Teil 3, A. III. Siehe unten, Teil 3, B. 35 Während der Uruguay Runde haben die Antidumpingspezialisten des GATT-Sekretariats im "Dunkel-Draft" eine "70/30% Ratio" vorgeschlagen. - Die Gemeinschaft arbeitet in Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung z.Z. mit einer "60 /40% Ration". - Bei diesen Schwellenwerten muß der ausländische Hersteller ungleich mehr tun, um dem Vorwurf der Umgehung und entsprechenden Abwehrmaßnahmen zu entgehen. 33
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2. Teil: Umgehung von Antidumpingmaßnahmen
spezifische WTO-Regeln zur Umgehungsabwehr. Antidumpingmaßnahmen seien Ausnahmen zu Meistbegünstigung und Nichtdiskrirninierung, die sich - selbst wenn in Übereinstimmung mit dem Antidumpingübereinkommen ergriffen - negativ auf internationale Handels- und Investitionsströme auswirkten. Daher solle deren Anwendungsbereich ("scope") unter keinen Umständen ausgeweitet werden. Von Japan waren in Vergangenheit auch schon wesentlich sanftere Töne zu hören. So hat Japan z. B. im Parts-Panelverlabren verlauten lassen, daß es sich ein abgekürztes Verfahren vorstellen könnte, wenn es darum ginge, "compliance" mit bestehenden Antidumpingmaßnahmen durchzusetzen. 36 Zum Bemühen um eine Umgehungsdefinition stellt Japan fest, daß eine sich von Beispielen lösende, auf abstrakten Kriterien beruhende Umgehungsdefinition kaum zu realisieren sei. Allgemeingültige Kriterien für eine sinnvolle Abgrenzung von behaupteter Umgehung und legitimen Geschäftsinteressen für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen seien nur schwerlich denkbar. Im übrigen verweist Japan darauf, daß das von der Marrakesch Erklärung zur Umgehungsabwehr erteilte Mandat, sich um "uniform rules" zu bemühen, völlig offen sei. Es sei nicht vorgegeben, internationale Grundlagen für die Umgehungsabwehr zu schaffen. Es sei ebenso denkbar, ein explizites Verbot von außerhalb der bestehenden Vorschriften liegender Umgehungsabwehrmaßnahmen im Antidumpingübereinkommen zu verankern. Diese Negativhaltung Japans muß vor dem Hintergrund gesehen werden, daß Japan in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre Hauptziel der europäischen Umgehungsabwehrvorschrift und -praxis war und auch jetzt wieder um die Handlungsfreiheit seiner Wirtschaftsakteure bangt. Die bisherige Verweigerungshaltung wird von Insidern jedoch im wesentlichen als Verhandlungstaktik angesehen. Danach wird zunächst auf Zeit gespielt. Zugeständnisse könnten sich die Japaner schließlich abkaufen lassen. Ein Sinneswandel ist auch insofern zu erwarten, als Japan inzwischen selbst über ein Antidumpingregime verfügt und auf Dauer selbst mit dem Phänomen der Umgehung konfrontiert werden dürfte.
36 Im Parts-Panel-Report läßt sich - wenn auch vor dem Hintergrund von Art. XX (d) GATT- eine gemäßigtere japanische Position erkennen: "If Article XX (d) were interpreted to permit departures from these fundamental obligations laid down in Article VI the result would be that the stringent conditions imposed by this Article and intended to prevent a protectionist abuse of anti-dumping measures would be rendered meaningless. In this light, one could envisage a situation where Article XX (d) might have permitted, for instance, a procedural departure which would not render the other Articles of the General Argeement meaningless. Such a procedural departure could include dispensing with the requirement for a full-fledged investigation to determine the existence of dumping and injury, but total disregard for their determination would seem to go beyond what might be permissible under Article XX (d)." (Hervorhebung durch den Verfasser) Panel Report European Economic Community, Regulation on imports od parts and components, L/6657, 37 BISD, S. 132 (161), Pkt. 3.68.
B. GATI /WTO-Sicht
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t) Hongkong (China)
Hongkong räumt ein, daß Umgehung und Umgehungsabwehr ernstzunehmende, komplexe Probleme darstellen. Von Umgehung könne man grundsätzlich dann reden, wenn nach Erlaß von legalen Antidumpingmaßnahmen gedumpte Einfuhren so erfolgen, daß der Anwendungsbereich einer solchen Maßnahme vermieden wird ("evade"). Diese Vermeidung liege auch in Zollbetrugskonstellationen, so bei falschen Ursprungserklärungen, falscher Produktbeschreibung und in "transshipment" Fällen, vor. Bei den von anderen Verhandlungsparteien als Umgehung deklarierten Fällen der leichten Produktveränderung und der Ausfuhr von Teilen mit anschließender Montage in einem Drittstaat oder im Importland meldet Hongkong aber Bedenken an. So könne die leichte Produktveränderung eine Vielzahl von Gründen haben. Sie könne die Antwort auf Konsumentenbedürfnisse, Folge des technologischen Fortschritts, Mehrwertsteigerung oder auch allgemeine Strategie zur Kostensenkung sein. Mithin könne jedenfalls die bloße Produktveränderung im Gefolge einer Antidumpingmaßnahme nicht schlechthin als Umgehung angesehen werden. Auch Produktionsverlagerungen in ein Drittland oder in das Importland sollten im Zeitalter der Globalisierung nicht "automatisch" als Umgehung angesehen werden. Im Prinzip böten die bislang in der "informal group" angesprochen Fälle keinen Anlaß, auf die Umgehungsabwehr zugeschnittene Vorschriften zu erlassen. Die klare Bestimmung des Anwendungsbereichs von Antidumpingmaßnahmen, die Ursprungsregeln und die Zollklassifizierungsregeln reichten aus, um den herkömmlichen Umgehungsfallen zu begegnen. Hongkong schwimmt damit in japanischem Fahrwasser, schlägt aber ungleich moderatere Töne an. g) Association of Sauth-East Asian Nations Die Association of South-East Asian Nations (nachfolgend: ASEAN) vertritt im Gegensatz zu Japan eine versöhnlichere Position. ASEAN versucht sich aber nicht ernsthaft an einer Definition von Umgehung, sondern beschränkt sich auf den Hinweis, daß die Auswirkungen der immer stärker zunehmenden Globalisierung auf Einkaufs-, Produktions- und Vertriebsstrukturen nicht als Umgehung mißverstanden werden sollten. Umgehung könne nur im Einzelfall nach einer umfassenden, gewissenhaften Prüfung angenommen werden. h) Vergleich der Positionen Ein Vergleich der vorstehend dargestellten Positionen zeigt, daß man im WTORahmen bislang von einer gemeinsamen Position in Sachen Umgehung noch weit entfernt ist.
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2. Teil: Umgehung von Antidumpingmaßnahmen
Konzeptionelle und um eine ernsthafte Begriffsbildung bemühte Ansätze sind nur vereinzelt anzutreffen. Insbesondere fallt auf, daß im Gegensatz zum gefaßten Vorsatz, sich zunächst nur mit der Umgehungsdefinition zu beschäftigen, Begriffsbildung und Formulierung von Eingriffsvoraussetzungen praktisch durchweg untrennbar miteinander vermengt werden. Gegner und Befürworter von Maßnahmen zur Umgehungsabwehr stehen sich nach wie vor weitgehend unversöhnlich gegenüber. Wahrend Japan als derzeit schärfster Gegner von Maßnahmen zur Umgehungsabwehr und ähnlich auch Hongkong allenfalls Fälle des Zollbetruges unter den Begriff der Umgehung fassen wollen, setzen die Befürworter solcher Maßnahmen bei der begrifflichen Fassung den Schwerpunkt im wesentlichen auf "leicht veränderte Waren" und "Verschiffung von Teilen mit anschließender Montage bzw. Fertigstellung in einem Drittland oder dem endgültigen lmportland". Aber auch im Lager der Befürworter kann von einer einheitlichen Position noch keine Rede sein. Zwar gleichen sich die Positionen insofern, als jedenfalls ein reaktives Verhalten gefordert wird, das im wesentlichen auf die Nichtzahlung von Antidumpingzöllen gerichtet ist. Sowohl bei der leichten Veränderung von Waren als auch bei den Montagefällen wird Handlungsbedarf gesehen. Uneins ist man aber, wo darüber hinaus die Grenzen zu ziehen sind. Wahrend die Türkei diese zwei Fallgruppen anscheinend für abschließend hält, halten insbesondere die Gemeinschaft und die USA dies nur für eine beispielhafte Aufzählung und sind nicht bereit, schon hier eine Grenzlinie zwischen Umgehung und legitimer Geschäftsstrategie eines Drittstaatenherstellers I Exporteurs zu ziehen. Aber auch die Gemeinschaft und die USA, die bisherigen Protagonisten in der internationalen Umgehungsabwehrdiskussion, haben unterschiedliche Vorstellungen. So will die Gemeinschaft - wie geschildert - Betrugskonstellationen vom Begriff der Umgehung erfaßt wissen. Die USA gestehen zwar zu, daß es sich bei Betrugsfallen um einen Extremfall der Umgehung handeln kann. Sie halten es aber mit Verweis auf bestehende nationale Vorschriften nicht für erforderlich, diese Fälle in das Antidumpingübereinkommen miteinzubeziehen. Kanada wiederum will ohne nähere Begrundung Betrugsfälle auf gar keinen Fall unter Umgehung subsumieren. Zwei weitere in der kanadischen Position enthaltene Elemente zeugen davon, daß auch darüber hinaus im Lager der Befürworter noch erheblicher Abstimmungsbedarf besteht. So will Kanada im Gegensatz zu den übrigen Befürwortern Umgehung nur annehmen, wo auch eine Umgehungsabsicht nachgewiesen wird, eine subjektive Komponente, die zumindest in dieser Deutlichkeit sonst nicht zu verzeichnen ist. Ferner soll - damit im Zusammenhang stehend - nur im Einzelfall gegen den spezifischen Exporteur vorgegangen werden, dem eben diese Umgehungsabsicht nachgewiesen werden kann.37
C. Begriff der Umgehung im Gemeinschaftsrecht (Art. 13 Grundverordnung)
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Eine Einigung auf einen GAIT /WTO-einheitlichen Begriff der Umgehung gibt es mithin bislang nicht und der Weg dahin erscheint mit Blick auf das zuvor Geschilderte noch weit. Etliche unmittelbar an den Gesprächen Beteiligte halten einen isolierten Konsens im Rahmen der "informal group" sogar für schlicht ausgeschlossen und können sich eine Einigung allenfalls im Rahmen einer Paketlösung in einer neuen multilateralen Handelsrunde vorstellen.
C. Begriff der Umgehung im Gemeinschaftsrecht (Art. 13 Grundverordnung) Anders als noch in der alten Umgehungsvorschrift Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 hat sich die Gemeinschaft im neuen Art. 13 Grundverordnung explizit mit dem Begriff der Umgehung auseinandergesetzt 38 Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung39 beschreibt die Voraussetzungen unter denen ein Montagevorgang in der Gemeinschaft oder auch in einem Drittstaat als Umgehung angesehen wird. Dabei bemüht sich der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht um eine allgemeine, umfassende Umgehungsdefinition, sondern greift zwei Fälle heraus, die der Gemeinschaft in der Vergangenheit als Kern der Umgehungsproblematik erschienen, die Fälle der lmportlands- und der Drittlandsumgehung. Prinzipiell ist dieser Ansatz zu begrüßen, da er die Konturen des gemeinschaftlichen Umgehungsverständnisses bei der Ausfuhr von Teilen bzw. unfertigen Waren mit anschließender Montage bzw. Fertigstellung in der Gemeinschaft oder einem Drittstaat erkennen läßt. Für eine "Umgehungsvorschrift" überrascht Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung auf den ersten Blick sogar mit seiner Konkretheit. Die nähere Analyse wird aber noch zeigen, daß die Vorschrift zumindest bislang mit zahlreichen Unsicherheiten behaftet ist. Das gibt dem Antidumpingadministrator die für 37 Ganz anders dagegen der von der Gemeinschaft verfolgte, auf den Erlaß einer allgemeingültigen Maßnahme gerichtete, objektivierte Ansatz mit prospektiver Ausrichtung. Siehe unten, Teil3, B. 38 Im Parts Panel hatte Japan das Fehlen jeglichen Definitionsversuches in Art. 13 Abs. 10 VO 2423/88 scharfkritisiert (BISD 37S, S. 132 ff. (139), Rz. 3.12.). 39 Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung: "Ein Montagevorgang in der Gemeinschaft oder in einem Drittland wird als Umgehung der geltenden Maßnahmen angesehen, wenn a) die Montage seit oder kurz vor der Einleitung der Antidumpinguntersuchung begonnen oder erheblich ausgeweitet wurde und die verwendeten Teile ihren Ursprung in dem Land haben, für das Maßnahmen gelten, und b) der Wert dieser Teile 60 v.H. oder mehr des Gesamtwerts der Teile der montierten Ware ausmacht; als Umgehung gilt jedoch nicht der Fall, in dem der Wert, der während der Montage oder Fertigstellung den verwendeten eingeführten Teilen hinzugefügt wurde, mehr als 25 v.H. der Herstellkosten beträgt, und c) die Abhilfewirkung des Zolls durch die Preise und/ oder Mengen der montierten gleichartigen Ware untergraben wird und Beweise für Dumping im Verhältnis zu den Normalwerten vorliegen, die für gleichartige oder ähnliche Waren früher festgestellt wurden."
4 Bimstlei
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2. Teil: Umgehung von Antidumpingmaßnahmen
Umgehungsfälle gewünschte Flexibilität, ist aber aus Sicht des Drittstaatenherstellers I Exporteurs insofern unbefriedigend, als er nicht zweifelsfrei weiß, was zu tun ist, um den Umgehungsvorwurf zu vermeiden. Da die Gemeinschaft in der Vergangenheit die Erfahrung machen mußte, daß Alltidumpingmaßnahmen nicht nur mittels Ausfuhr von Teilen und unfertigen Waren mit anschließender Montage in der Gemeinschaft oder einem Drittland vorkommen, hat der Gemeinschaftsgesetzgeber über den Abs. 2 hinaus mit Art. 13 Abs. 1 Grundverordnung eine Art von Generalklausel geschaffen, in der Umgehung zumindest dem Wortlaut nach "definiert" wird. 40 Die Aufzählung einer Reihe unbestimmter Rechtsbegriffe in Abs. 1 S. 2 erscheint grundsätzlich geeignet, eine unbestimmte Vielzahl von Umgehungsfällen zu erfassen. Aufgrund der Unbestimmtheit sind diese Rechtsbegriffe allerdings wenig geeignet, Umgehung als solche klar zu umreißen. Dariiber hilft auch das Explanatory Memorandum der Kommission nicht hinweg. Dort zählt die Kommission nämlich nur beispielhaft einige Sachverhalte auf, die nach ihrer Auffassung unter Art. 13 Abs. 1 Grundverordnung fallen sollen41 und betont im übrigen, daß man nur in eindeutigen Fällen von Umgehung Maßnahmen ergreifen wolle. Ferner ist festzustellen, daß auch in Art 13 Abs. I S. 2 Grundverordnung- wie schon in Abs. 2- Umgehung nicht im engeren Sinne definiert wird. Statt dessen werden Eingriffsvoraussetzungen aufgezählt. Der in der deutschen Fassung syntaktisch etwas verunglückte Anschluß des zweiten an den ersten Halbsatz (" ... , und wenn Beweise wie ...") könnte zwar vermuten lassen, daß nur der erste Satzteil als Definition gedacht ist und der zweite die Eingriffsvoraussetzungen formuliert. 42 Der Blick auf Abs. 2 und insbesondere der Vergleich mit anderen sprachlichen Fassungen von Art. 13 Grundverordnung43 zeigen aber, daß dies nicht so gedacht war. 40 Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung: "Die Umgehung wird als eine Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Drittländern und der Gemeinschaft definiert, die sich aus einer Praxis, einem Fertigungsprozeß oder einer Arbeit ergibt, für die es außer der Einführung des Zolls keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gibt, und wenn Beweise wie Preise und I oder Mengen der montierten gleichartigen Ware dafür vorliegen, daß die Abhilfewirkung des Zolls untergraben wird, und Beweise für Dumping im Verhältnis zu den Normalwerten vorliegen, die für gleichartige oder ähnliche Waren früher festgestellt wurden." 41 COM (94) 414 final. 42 Dann wäre "Umgehung" im Antidumpingbereich "eine Veränderung des Handelsgefüges" (im Gefolge des Erlasses einer Antidumpingmaßnahme), "für die es keine wirtschaftliche Rechtfertigung gibt" (und die dazu führt, daß keine Antidumpingzölle gezahlt werden müssen). 43 Verwiesen sei hier insbesondere auf die englische Fassung, die schon insofern Beachtung verdient, als Art. 13 Grundverordnung in Englisch entworfen worden ist. In der englischen Version ist Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung wie folgt gefaßt: "Circumvention shall be defined as a change in the pattern of trade between third countries and the Community which stems from a practice, process or work for which there is insufficient due cause or economic justification other than the impostion of the duty, and where there is evidence that the remedial effects of the duty are being underminded in terms of the prices and I or quantities of the like products and ther is evidence of dumping in relation to the normal value previously established for the like or similar products."
D. Dogmatische Betrachtungen zur Umgehung - die Umgehungslehren
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Eine von den Eingriffsvoraussetzungen unterscheidbare Definition gibt es entgegen des Wortlautes von Abs. 1 mithin nicht.
D. Dogmatische Betrachtungen zur Umgehungdie Umgehungslehren Der nachhaltige Streit über die Umgehungsabwehr im Antidumpingbereich und die Art, in der er geführt wird, legen beredtes Zeugnis davon ab, daß die Auseinandersetzung ganz wesentlich auf politischen und ökonomischen Interessengegensätzen der Beteiligten beruht. Eine Besinnung auf juristische, insbesondere dogmatische Strukturen wurde darüber weitgehend vergessen. Das ist insofern bedauerlich, als Umgehung grundsätzlich kein antidumping-spezifisches Problem ist, sondern in Form der Umgehung von Gesetzes- und Vertragsnormen auf nationaler und internationaler Ebene in den verschiedensten Lebens- und Rechtsbereichen auftritt und die Beschäftigung damit durchaus schon beachtenswerte und vor allem übertragbare Erkenntnisse zu Tage gefördert hat. Angesprochen ist damit das Bemühen der sogenannten Umgehungslehre um die Begrifflichkeit und Behandlung von Umgehungen .44 Da Umgehung im Antidumpingbereich dieselbe Grundstruktur45 aufweist, wie die Gesetzumgehung in anderen Bereichen und auch darüber hinaus keine Besonderheiten erkennbar sind, kann und soll hier auf die dogmatischen Erkenntnisse der Umgehungslehre zurliekgegriffen werden.
I. Römisch-rechtliche Ansätze Obwohl erste rechtsdogmatische Ansätze zur Erfassung des Phänomens der Umgehung bis in die römische Antike zurliekreichen und aus dieser Zeit auch erste Definitionsversuche stammen46, hat die Umgehungslehre bis heute keine wirklich befriedigende Umgehungsdefinition hervorgebracht. Aus der "in fraudem legis 44 Zur Geschichte der Umgehungslehre siehe z. B. Tamussino, Die Umgehung von Gesetzes- und Vertragsnormen, S. 6 ff. 45 Ein angestrebter Erfolg wird trotz eines entgegenstehenden Hindernisses auf indirektem Weg, d. h. unter "Umgehung" des Hindernisses erreicht oder zu erreichen versucht. 46 Paulus, Dig. I, 3, 29: "Paulus libro singulari ad Iegern Cinciam: Contra Iegern facit, qui id facit quod Iex prohibit, in fraudem vero, qui salvis verbis legis sententiam eius circumvenit" (Übersetzung " ... : Gegen das Gesetz verstößt, wer tut, was das Gesetz verbietet; das Gesetz umgeht, wer ohne Verstoß gegen den Wortlaut des Gesetzes den Sinn des Gesetzes hintergeht"); ähnlich Ulpian, Dig. I, 3, 30: "Ulpianus libro 1111 ad edictum: Fraus enim legi fit, ubi quod fieri noluit, fieri autem non vetuit, id fit et quod distat dieturn a senttentia, hoc distat fraus ab eo quod contra Iegern fit." - Siehe dazu z. B. Neff, Beiträge zur Lre von der fraus legi facta in den Digesten, S. 19 ff.
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2. Teil: Umgehung von Antidumpingmaßnahmen
agere" Lehre des römischen Rechts ergeben sich zwar schon die Grundvoraussetzungen für die dogmatische Bewältigung der Umgehung, nämlich die Betonung des Zweckgedankens im Recht und der Möglichkeit der analogen Rechtsanwendung. Damit erschöpfen sich diese "Definitionen" aber auch. Sie sind praktisch nicht mehr als der Verweis auf die Teleologie einer "umgangenen" Norm. Dieser dogmatische Ansatz wird heute von der subjektiven Umgehungslehre bestritten, hingegen von der objektiven Umgehungslehre gedanklich fortgeführt.
II. Subjektive Umgehungslehre
Die sogenannte subjektive Umgehungslehre geht von der Notwendigkeit eines eigenständigen Rechtsinstituts der Umgehung aus und unterstreicht, welche zentrale, spezifische Bedeutung eine subjektive Komponente, die Umgehungsabsicht, für die Normanwendung/Rechtsfolgenbestimmung in Umgehungsfällen hat. 47 Worin diese spezifische Bedeutung liegen soll, hat die subjektive Umgehungslehre allerdings bis heute nicht dargelegt. Genau das muß ihren Vertretern auch entgegengehalten werden. Wenn in einer Umgehungskonstellation schon im Wege der teleologischen Auslegung oder der Analogie die Anwendung der "umgangenen" Norm geboten ist, bedarf es keiner Umgehungsabsicht mehr. Wenn andererseits die Auslegung, insbesondere die teleologische, gegen die Anwendung einer bestimmten Norm auf eine Umgehungshandlung spricht, kann daran auch eine etwa vorhandene Umgehungsabsicht nichts ändern. Die Umgehungsabsicht könnte für sich auch nur Relevanz haben, wenn sie rechtlich mißbilligenswert wäre. Rechtlich mißbilligenswert ist sie aber nicht schon aus sich heraus. Wenn man Umgehungsabsicht als das Wollen eines bestimmten, materiellen Rechtserfolges unter bewußter Vermeidung der Anwendung einer bestimmten Norm faßt, ist Umgehungsabsicht zumindest in den Fällen unschädlich, in denen der "Umgeher" sein Ziel auf einem zulässigen, rechtlich nicht zu beanstandenden und damit anerkennungsfähigen Weg erreicht. Nicht jeder zur Umgehung vorgenommenen Handlung ist die rechtliche Anerkennung zu versagen. Daran zeigt sich, daß die Umgehungsabsicht als solche keine Handhabe für die Beurteilung einer Umgehungshandlung bietet. Eine rechtliche Mißbilligung läßt sich der Umgehungsabsicht erst dann entgegenbringen, wenn eine Umgehungshandlung schon als unzulässige bzw. nicht anerkennungsfähige Umgehung qualifiziert worden ist. 48 Der umgekehrte Schluß von der Umgehungsabsicht auf 47 Barthelmes, Das Handeln in fraudem legis, S. 10; Pfaff, Zur Lehre vom sogenannten in fraudem legis agere; Mayer-Maly in MüKo Rz. 11 ff. zu § 134 für Verbotsgesetze. 48 Das Erfordernis eines subjektiven Elements ist typischerweise bei solchen Normen zu verzeichnen, die ein Verhalten mißbilligen und daher auf der Rechtsfolgenseite sanktionieren, so vor allem im Strafrecht. Bei Umgehungen ist aber ein mißbilligtes Verhalten als solches nicht bestimmt und es wäre auch nicht sachgerecht, die Rechtsanwendung als Sanktion zu verstehen.
D. Dogmatische Betrachtungen zur Umgehung- die Umgehungslehren
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die Unzulässigkeit oder Nichtanerkennbarkeit einer Umgehungshandlung ist hingegen nicht möglich. Er würde zu Zirkelschlüssen führen. Daraus ergibt sich letztlich, daß die Anwendbarkeit einer Norm nicht von der Umgehungsabsicht abhängig gemacht werden kann. Die Umgehungsabsicht ist kein rechtlich relevantes Kriterium der Normanwendung in Umgehungskonstellationen. 49
111. Objektive Umgehungslehre
Die objektive Umgehungslehre greift demgegenüber die römisch-rechtlichen Überlegungen auf und führt diese fort. 5° Danach sind Umgehungsversuche allein mit Mitteln der teleologischen Auslegung der vermeintlich umgangenen Norm und u.U. auch im Wege der Analogie zu bewältigen. Eine wesentliche Unterscheidung zur Rechtsanwendung im Normalfall ist zu verneinen. Insbesondere bedarf es, wie aufgezeigt, nicht des Nachweises einer wie auch immer gearteten Umgehungsabsicht, um gegen Umgehung vorzugehen. Auch sonst lassen sich bei der Untersuchung und rechtlichen Bewertung von Umgehungshandlungen keine Gesichtspunkte finden, die über die gewöhnliche (teleologische) Auslegung bzw. analoge Anwendung der "umgangenen" Norm hinaus von Bedeutung wären. Da dies von anderer Seite schon ausgiebig untersucht und dargestellt worden ist, sei hier nur auf die entsprechende Literatur verwiesen. 5 1 Daraus läßt sich folgern, daß die Bildung eines Begriffs der Umgehung zumindest aus dogmatischer Sicht wertlos ist.52 In Ermangelung unterscheidungsfahiger Merkmale kann ein solcher Begriff tatsächlich nur auf die konkrete Frage der Anwendbarkeit der umgangenen Norm im Einzelfall nach den Grundsätzen der teleologischen Auslegung oder der analogen Anwendung verweisen. Daraus folgt auch, daß es keinen Sinn macht, sich der Begriffsbildung oder gar Schaffung eines eigen49 Ausführlich zu diesem Komplex: Tamussino, Die Umgehung von Geselzes- und Vertragsnormen, S. 61 ff.; siehe auch Teichmann, Die Geselzesumgehung, S. 9, 15 ff. und 105 f.; Neff, Beiträge zur Lehre von der fraus legis facta in den Digesten, S. 18 f. 50 Siehe insbesondere Neff, Beiträge zur Lehre von der fraus legis facta in den Digesten, S. 13 ff.; Teichmann, Die Gesetzesumgehung, S. 9, S. 15 ff. und S. 105 f.; Schroeder; Gesetzesumgehung und Gesetzesauslegung, S. 32 ff. und 124 ff. ; siehe auch Flume, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts, Band II: Das Rechtsgeschäft, 4. Aufl., S. 350, § 17/5 und S. 408, § 20/2 cc); Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 7. Aufl., S. 248, Rz. 660 f. ; Hübner; Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Geselzbuches, 2. Aufl., S. 379, Rz. 889; Soergel-Hefermehl, Bürgerliches Geselzbuch, 12. Aufl., Rz. 37 ff. zu§ 134; Staudinger/Sack, Rz. 145 f. zu§ 134; teilweise a.A. Larenz, Allgemeiner Teil des deutschen bürgerlichen Rechts, 7. Aufl., § 22 II, S. 433, Fn. 20 und Larenz/Wolf, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl., § 40 Rz. 30, Fn. 41. 51 Mit vielen weiteren Verweisen Tamussino, Die Umgehung von Gesetzes- und Vertragsnormen, S. 51 ff. 52 Ohne nähere Begründung offensichtlich a.A. Kopke, Rechtsbeachtung und -durchsetzung in GATT und WTO mit Ausführungen zu einer Definition von "Vertragsumgehungen".
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2. Teil: Umgehung von Antidumpingmaßnahmen
ständigen Rechtsinstituts der Umgehung zu widmen. Die Existenz von spezifischen Umgehungsvorschriften in den verschiedensten Rechtsbereichen 53 beweist nicht das Gegenteil. Diese Vorschriften haben allenfalls insofern Bedeutung, als man sie als eine Art von authentischer Interpretation oder auch ausdrückliche Analogieanordnung versteht. 54 Dieses Verständnis von Umgehung wird der Arbeit im folgenden zugrunde gelegt.
IV. Abgrenzung der Umgehung vom Scheingeschäft/Simulation Wenn sich das Problem der Umgehung auch nicht auf begrifflichem Weg und damit in abstrakter, positiver Form fassen läßt, kann jedoch durch die Unterscheidung zum Scheingeschäft der Problemkreis mittels dogmatischer Betrachtungen im Wege der negativen Abgrenzung verkleinert werden. Sowohl der Umgehung als auch dem Scheingeschäft liegt regelmäßig eine Normvermeidung zugrunde. Das reicht aber nicht aus, um beide Konstellationen gleichzusetzen. - Die Abgrenzung wird in der (Zivilrechts-) Dogmatik heute regelmäßig in der Weise vorgenommen, daß ein Scheingeschäft als "nur erklärt, nicht aber gewollt" angesehen wird und es mithin am Rechtsfolgewillen fehlt. Im Gegensatz dazu wird ein Umgehungsgeschäft als "ernstlich gewollt" angesehen. 55 Weitergehend ist festzuhalten, daß Scheingeschäfte, wie alle Formen der Simulation, im Gegensatz zur Umgehung immer mit der Täuschung über Tatsachen verbunden sind und damit Tatfragen aufwerfen. Bei der Umgehung wird nicht getäuscht und nicht verheimlicht; es stellen sich grundsätzlich keine Tatfragen, sondern nur die Rechtsfrage, ob die vermeintlich umgangene Norm im Wege der teleologischen Auslegung oder auch einer Analogie angewendet werden soll.56
E. Zusammenfassung Die in Abschnitt D. beschriebene, aus römisch-rechtlichen Ursprüngen abgeleitete deutsche Zivilrechtsdogmatik hat zu Erkenntnissen geführt, die sich durchweg als abstrahhierbar und damit auf die Umgehungsproblematik im Antidumpingbereich übertragbar erweisen. Der Rückgriff darauf bietet einen Weg, sich mit der Siehe z. B. § 42 AO, § 7 AGBG, § 18 VerbrKrG. Siehe auch Tamussino, Die Umgehung von Gesetzes- und Vertragsnormen, S. 118. 55 Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 58. Aufl., Rz. 5 zu § 117; MüKo-Kramer, 3. Aufl., Rz. 1 zu § 117; Soergel-Hefermehl, Bürgerliches Gesetzbuch, 12. Aufl., Rz. 1 zu § 117; Staudinger I Dilcher; Rz. 2 und 32 ff. zu § 117. 56 Tamussino, Die Umgehung von Gesetzes- und Vertragsnormen, S. 27 ff. 53
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E. Zusammenfassung
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Umgehungsabwehr abweichend von der im WTO-Kontext bislang weitgehend undogmatischen, stark politisierten Behandlung der Problematik der Umgehungsabwehr im Antidumpingrecht auf eine für die juristische Auseinandersetzung geeignete Ebene zu bringen. Mit Blick auf die Ergebnisse der objektiven Umgehungslehre erscheint die Genfer Suche nach einer Umgehungsdefinition und einem eigenen Rechtsinstitut im Antidumpingübereinkommen verfehlt. Festzuhalten ist insbesondere, daß der Streit um praktische Beispiele für Umgehungshandlungen nicht zielführend sein dürfte. Maßgeblich ist nicht die wie auch immer geartete Umgehungshandlung. Es kommt alleine darauf an, ob der mit der Umgehungshandlung bewirkte materielle Rechtserfolg von der umgangenen Norm erfaßt wird. Dabei ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Bedenklich ist aber nicht nur der generelle Ansatz der Genfer Bemühungen im Bereich der Umgehungsabwehr. Auch die Positionen einzelner Beteiligter sind bei dogmatischer Betrachtung zu beanstanden. In diesem Zusammenhang kann z. B. auf Kanada verwiesen werden, welches Umgehungsabwehr unbedingt vom Vorliegen einer Umgehungsabsicht abhängig machen will. Wie dargestellt kann aus einer etwa vorhandenen Umgehungsabsicht kein Schluß auf die Normanwendung gezogen werden. Dogmatisch bedenklich ist ferner der Ansatz von Japan57, Hongkong und der EG58, soweit diese Betrugskonstellationen unter Umgehung subsumieren wollen. Der Umgehung fehlt gerade ein Element der Täuschung Diese vorgenannten Positionen mögen im wesentlichen auf verhandlungstaktsichen Überlegungen beruhen und damit ihre Berechtigung haben. Sie tragen aber nicht zur Lösung der anstehenden Probleme bei. Abschließend läßt sich feststellen, daß man mit Blick auf den Stand der Gespräche in Genf von einer WTO-rechtlichen Lösung der mit der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen verbundenen Probleme nach wie vor weit entfernt ist. Das derzeitige Bemühen um den Begriff der Umgehung erscheint mit Blick auf den dogmatischen Hintergrund kaum aussichtsreich. Lösungen erwarten viele unmittel57 Wie angedeutet kann Japan damit eine Minimalposition einnehmen und entgeht so dem Vorwurf einer absoluten Verweigerungshaltung, ohne auch nur annähernd ernstzunehmende Zugeständnisse zu machen. 58 Die EG nimmt mit der Einbeziehung der Betrugskonstellationen eine Maximalposition ein und sucht auf diese Weise wohl nach Verhandlungsspielräurnen. Wichtiger ist aber vielleicht noch die gesteigerte Handhabung von Art. 13 Abs. 1 Grundverordnung, in dem dieser Ansatz ja schon Eingang gefunden hat. Mit dem angedeuteten Nebeneinander von Umgehungs- und Betrugskonstellationen in Art. 13 Abs. 1 Grundverordnung erspart man sich Abgrenzungsschwierigkeiten und kornmissionsinterne Kompetenzstreitigkeiten. Außerdem kann die resourcen- und personalstarke GD I bei einer derartig weiten Ausgestaltung der Umgehungsabwehr über die Möglichkeiten der GD Steuern und Zollunion und der nationalen Zollverwaltungen hinaus und ohne deren Abstimmungsschwierigkeiten mit Wirkung für die Zukunft und damit präventiv eingreifen. Die Möglichkeiten der GD Steuern und Zollunion und der 15 nationalen Zollverwaltungen sind hingegen im wesentlichen nur reaktiv.
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2. Teil: Umgehung von Antidumpingmaßnahmen
bar Beteiligte allenfalls im Rahmen einer neuen Paketlösung in einer kommenden multilateralen Handelsrunde, nicht aber als Ergebnis der isoliert geführten Gespräche der informellen Gruppe. Wie diese Lösungen aussehen werden, ist kaum vorhersehbar und wird letztlich - wie regelmäßig in der internationalen Handelspolitik - von den handelspolitischen Machtverhältnissen der Beteiligten abhängen.
Tei/3
Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift A. Vorgeschichte Etwa Mitte der achtziger Jahre hat die Gemeinschaft begonnen, über die Schaffung einer spezifischen, auf die Umgehung von Antidumpingmaßnahmen zugeschnittenen Vorschrift nachzudenken. Die Umgehung von Antidumpingzöllen als solche war auch schon zu dieser Zeit kein neues Phänomen. Neu war aber der Umfang gewisser Vermeidungsstrategien. Die Erhebung von Antidumpingzöllen auf gewisse, meist technisch hochwertige japanische Produkte 1 führte durchweg nicht mehr zu den erwünschten Preissteigerungen auf dem europäischen Markt. Gleichzeitig war zu beobachten, daß die mit Antidumpingzöllen belegten Hersteller statt der fertigen vom Antidumpingzoll erfaßten Produkte jetzt im wesentlichen nur noch nicht explizit erfaßte Einzelteile importierten und diese dann in eigens dafür in Europa errichteten Montagebetrieben zum Endprodukt zusammenfügten?
I. Alte Regelung- Art.13 Abs.lO VO 2423/88 Den ersten Versuch, der Umgehung ihrer Antidumpingmaßnahmen mit einer spezifischen Vorschrift zu begegnen, unternahm die Gemeinschaft im Jahre 1987. Mit VO 1761/873 wurde in die damalige Grundverordnung 2176/844 eine Bestimmung eingefügt, die der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen auf fertige Produkte durch die Einfuhr von Teilen zur Montage eben dieser Produkte in der Gemeinschaft Einhalt gebieten sollte. Diese Verordnung ist in der Folge dann als Schraubenzieher-Verordnung (engl.: "screwdriver regulation") bekannt geworden und hat damit später auch den Namen des einschlägigen Panels geprägt. t Z. B. hydraulische Bagger, elektronische Waagen, elektronische Schreibmaschinen und Normalpapierkopierer. 2 Siehe dazu auch Verteidigungsvorbringen der Gemeinschaft im Parts Panel, BISD, 37S, s. 132 (141) Rn. 3.17 ff. 3 ABI. 1987, L 167/9. 4 ABI. 1984, L 201/ I.
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Nach Überarbeitung der Grundverordnung und Neuerlaß im Jahre 1988 fand sich die Umgehungsvorschrift schließlich in Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 wieder. Konkret sah Art. 13 Abs. 10 VO 2423188 vor, daß auf in der Gemeinschaft montierte oder hergestellte Waren, die dort in den Wirtschaftskreislauf gebracht wurden, abweichend vom Normalfall endgültige Antidumpingzölle erhoben werden konnten, wenn - "die Montage oder Herstellung von einem Beteiligten durchgeführt wurde, der mit einem Hersteller, dessen Ausfuhren gleichartiger Waren einem endgültigen Antidumpingzoll unterliegen, verbunden ist; - die Montage oder Herstellung begonnen oder wesentlich ausgeweitet wurde, nachdem das Antidumpingverfahren eröffnet wurde; - der Wert der bei der Montage oder Herstellung verwendeten Teile oder Werkstoffe mit Ursprung im Land der Ausfuhr der einem Antidumpingzoll unterliegenden Ware den Wert aller anderen verwendeten Teile oder Werkstoffe um mindestens 50 v. H. übersteigt."
Unter dieser Vorschrift wurden insgesamt acht Umgehungsabwehrverfahren eingeleitet. 5 Da die vorliegende Arbeit den aktuellen Instrumenten der gemeinschaftsrechtlichen Umgehungsabwehr gewidmet ist, soll hier von einer näheren Betrachtung der alten Regelung und Praxis unter Grundverordnung 2423 I 88 abgesehen werden. Für eine Analyse6 von und Kritik7 zu Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 sei auf die dazu erschiene Literatur verwiesen. -Im Zusammenhang mit der Untersuchung der neus Nachweis aller zwischen 1987 und 1989 betriebenen Verfahren in chronologischer Reihenfolge und unter Nennung der beteiligten japanischen Hersteller bei Vermulst/Waer, E.C. Antidumping Law and Practice, S. 415, Fn. 22; siehe auch Van Bael/ Bellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Laws of the EC, 3rd ed., S. 345, Rz. 804, Fn. 10. 6 Für eine detaillierte Untersuchung der einzelnen Voraussetzungen: Griffith, Antidumping Duties on Parts in the EEC in Jackson/Vermulst, Antidumping Law and Practice: A Cornparative Study, S. 311 ff.; Van Bael/ Bellis, Antidumping and other Trade Protection Laws of the EEC, 2nd ed., S. 231 ff.; Adamantopoulos, The "Cornponents Parts" Amendrnents of the EC Anti-dumping Rules as Implernented by the Intstitutions of the EEC: An Infringernent of GATT Law?, in Ress (Hrsg.),Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut der Universität des Saarlandes/Nr. 159; Glashoff, Antidumpingzoll auf in der Gemeinschaft hergestellte Waren, RIW 1987, 774 ff.; Landsittel, Antidumpingzölle auf in der Gerneinschaft hergestellte Waren, WRP 1988, 21 ff.; Wagner, Antidumpingzoll auf in der EG zusammengesetzte oder hergestellte Waren, RIW 1988, 968; Vermulst/Waer, Anti-Diversion Rules in Anti-Dumping Procedures: Interface or Short Circuit for the Management of Interdependence?, MJIL, 1990, S. 1119 ff.; McGovem (Hrsg.), European Cornrnunity Anti-Dumping Law and Practice, Loseblattsarnrnlung, § 448. 7 Kritiker: Hailbronner I Bierwagen, "Neue" Formen des Dumping und ihre Regelung im Außenwirtschaftsrecht der Europäischen Gemeinschaften, RIW 1988, 705 ff.; Bierwagen / Hailbronner, Input, Downstream, Upstrearn, Secondary, Diversionary and Cornponents or Subassernbly Dumping, JWT, Vol. 22, No. 3, Juni 1988, 27 ff.; Van Bael, Japanese Investment in the EC: Torjan Horse or Hostage?, International Financial Law Review, Juni 1987, S. 10; Vermulst/Waer, Anti-Diversion Rules in Anti-Dumping Procedures: Interface or Short
A. Vorgeschichte
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en Regelung- Art. 13 VO 384/96- soll an anderer Stelle nur insoweit darauf eingegangen werden, als die Neufassung an die alte Vorschrift anknüpft oder aber eben gerade eine Abkehr von dieser darstellt.
II. Panel-Entscheidung
Japan hat mit Blick auf den vorerwähnten Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 im Jahre 1988 die Einleitung eines GAlT-Panelverfahren nach Art. XXII und XXIII GATT beantragt und dabei geltend gemacht, die Vorschrift und die auf ihr beruhende Praxis verstoße gegen Art. I, II, Ili und X GATT und sei weder von Art. VI noch von Art. XX (d) GATT gedeckt. Das Panel hat sich in seiner Entscheidung8 aus dem Jahre 1990 im Ergebnis weitgehend dem Beschwerdeführer Japan angeschlossen. Die von der Gemeinschaft in Umgehungsfällen ergriffenen Maßnahmen wurden als gegen Art. Ili (2) GAIT9 verstoßende interne Abgaben ("internal taxes") qualifiziert. 10 Die Verpflichtung 11 , in Zukunft bei der Montage weniger importierte Teile zu verwenden, die die Gemeinschaft japanischen Herstellern in einigen Fällen als Gegenleistung für die Einstellung der Umgehungsverfahren abverlangte hatte, sah das Panel als Verstoß gegen Art. Ili (4) GAIT 12 an. 13 Die Rechtfertigungsvorschrift des Art. XX (d) GATT wurde vom Panel als Ausnahmevorschrift eng ausgelegt und mit HinCircuit for the Management of Interdependence?, MJIL, 1990, S. 1119 ff. - Befürworter: Grolig/Bogaert, The Newly-Amended EEC Anti-Dumping Regulation: Black Holes in the Common Market?, JWT, Vol. 21, No. 6, December 1987, S. 79 (83); Reszel, Die Feststellung der Schädigung im Antidumping- und Antisubventionsrecht der Europäischen Gemeinschaften, S. 62 ff.; Wagner, Antidumpingzoll auf in der EG zusammengebaute oder hergestellte Waren, RIW 1988,968 (971). 8 European Econornic Community, Regulation on Imports of Parts and Components, Report adopted on 16 May 1990 (L/6657) (nachfolgend: Parts Panel), BISD 37S, S. 132 ff.; eine Zusammenfassung liefert z. B. Petersmann, GATT Dispute Settlement Proceedings in the Field of Antidumping Law, CMLR Vol. 28, 1991,69 (78 ff.). 9 Art. III Abs. 2 GATT: "Waren, die aus dem Gebiet einer Vertragspartei in das Gebiet einer anderen Vertragspartei eingeführt werden, dürfen weder direkt noch indirekt mit höheren inneren Abgaben oder sonstigen Belastungen unterworfen werden als gleichartige inländische Waren. Auch sonst darf eine Vertagspartei innere Abgaben oder sonstige Belastungen auf eingeführte oder inländische Waren nicht in einer Weise anwenden, die den Grundsätzen des Absatzes 1 widerspricht." (deutsche Übersetzung aus HummeriWeiss, Vom GATT '47 zur WTO '94, S. 565). 10 Parts Panel, BISD 37 S, S. 132 ff. (191 ff.), Rn. 5.4 ff. II Art. 10 vo 2423 I 88. 12 Art. III Abs. 4 GATT: "Waren, die aus dem Gebiet einer Vertagspartei in das Gebiet einer anderen Vertragspartei eingeführt werden, dürfen hinsichtlich aller Gesetze, Verordnungen und sonstigen Vorschriften über den Verkauf , das Angebot, den Einkauf, die Beförderung, Verteilung oder Verwendung im Inland keine weniger güngstige Behandlung erfahren als gleichartige Waren inländischen Ursprungs . ... " (deutsche Ubersetzung aus Hummer I Weiss, Vom GATT '47 zur WTO '94, S. 566).
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
weis darauf wurde der Gemeinschaft verwehrt, sich darauf zu berufen. 14 Eine etwaige Rechtfertigung durch Art. VI GAIT wurde im Rahmen dieser Entscheidung mangels entsprechender Geltendmachung durch die Gemeinschaft überhaupt nicht geprüft. 15 Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 selbst wurde vom Panel hingegen nicht beanstandet. Da die Vorschrift nicht zwingend zur Auferlegung von Maßnahmen führe, sondern letztere jeweils ins Ermessen der zuständigen Institutionen stelle, könne die bloße Existenz der Vorschrift nicht als Verstoß gegen GAIT-Verpflichtungen angesehen werden. Eine Aufhebung oder Änderung von Art. 13 Abs. 10 VO 2423/88 sei zwar wünschenswert, die Gemeinschaft käme ihren GAIT-Verpflichtungen aber auch schon dann nach, wenn sie die Vorschrift nicht weiter anwende. 16 Für Details sei auch hier auf die Entscheidung selbst sowie die dazu erschienen Veröffentlichungen 17 verwiesen. Auf die Argumente der Parteien und der diversen Intervenienten sowie auf die Gedankenführung des Panels soll an anderer Stelle nur insoweit eingegangen werden, als dies für die Bewertung der neuen Umgehungsvorschrift von Bedeutung ist. Trotz heftiger Kritik18 an der Entscheidung hat die Gemeinschaft sich der Annahme der Entscheidung im GAIT-Rat nicht entgegengestellt. 19 Sie hat ihre Zustimmung aber quasi "auflösend bedingt" davon abhängig gemacht, daß für die Umgehungsproblematik in der Uruguay Runde auf multilateraler Ebene annehmbare Lösungen gefunden würden. 20 Sie hat Art. 13 Abs. 10 VO 2423/88 in der Folge zwar nicht aufgehoben, ihn allerdings nicht mehr angewendet. Festzuhalten ist, daß das Panel sich im Rahmen der vorgenannten Entscheidung darauf beschränkt hat, die konkreten Maßnahmen der Gemeinschaft für GAITwidrig zu erklären. Es hat sich hingegen nicht allgemein zur Umgehungsabwehr Parts Panel, 37 BISD, S. 132 ff. (197), Rn. 5.19 ff. Parts Panel, 37 BISD, S. 132 ff. (S. 194 ff.) Rz. 5.12 ff. 15 Dieses Phänomen wird im GATT /WTO-Kontext unter dem Begriff ,judicial economy" gefaßt. Siehe dazu z. B. Vermulst!Mavroidis/Waer; The Functioning of the Appellate Body After Four Years- Towards Rule Integrity, JWT, Vol. 33, No. 2, April 1999, S. 1 (12 f.). 16 Parts Panel, 37 BISD, S. 132 ff. (S. 198 f.) Rz. 5.25 f. 17 Hahn, "Assemb1y-Dumping" in der EG und den USA, RIW 1991,739 ff., hält die Panelentscheidung im Ergebnis zwar für richtig, weist aber auf "erhebliche materielle und verfahrensmäßige Mängel" hin; Landsittel, Die EG-Antidumpingregelung für "Schraubenzieherfabriken" nach der Entscheidung des GATT-Panel, EuZW 1990, 177 ff.; Wenig, Ende der Schraubenzieherverordnung?, EuZW 1990, 106; Torremans, Anti-Circumvention duties after the Screwdriver Panel Report, European Law Review, Vol. 18, No. 4, 1993, 288. 18 Siehe z. B. Vermulst/Waer; Anti-Diversion Rules in Antidumping Procedures: Interface or Short Circuit for the Management of Interdependence? MJIL, 1990, S. 1119 ff. (1182 ff.). 19 Vereinzelt wird dieser Schritt noch heute in der Generaldirektion I der Europäischen Kornmission bedauert. 20 Siehe z. B. Wenig, Antidumping und Antisubventionsrecht (Stand Juni 1992) in Dauses (Hrsg.), Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, K. Il Rz. 155. 13
14
A. Vorgeschichte
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geäußert und hat wie angesprochen insbesondere keinerlei Ausführungen zu Art. VI GAIT, der zentralen Antidumpingvorschrift im GAIT, gemacht. Die Frage, in welchem Umfang Umgehungsabwehr in Einklang mit dem GAIT betrieben werden kann, ist mithin völlig offen geblieben. 21
111. Uruguay Runde
Parallel zu den vorstehend beschriebenen Ereignissen wurde auch in der von 1986- 1993 laufenden Uruguay Runde über Antidumping im allgemeinen und Umgehung im besonderen verhandelt. Während es sich dabei zunächst nur um Randthemen handelte, wurden diese im Laufe der Zeit zu einem der Hauptstreitpunkte der gesamten Verhandlungen. Ganz erbittert wurde dabei insbesondere um den Punkt der Umgehungsabwehr gerungen. 22 Als Hauptbefürworter von Maßnahmen zur Umgehungsabwehr traten die USA23 , die Gemeinschaft24, Australien25 und Kanada26 auf. Als erklärte Gegner erwiesen sich vor allem Japan, Korea, Hongkong und Singapur sowie die skandinavischen Länder Schweden, Norwegen und Finnland.27 Aus diesen Verhandlungen gingen zahlreiche Entwürfe zu spezifischen Umgehungsabwehrvorschriften hervor.Z8 Von Bedeutung ist dabei vor allem der Entwurf aus dem sogenannten "Dunkel Draft".29 Zwar haben die einschlägigen Vorschrif21 A.A. Kaufmann, Ursprungsregeln: Die internationale und europäische Gestaltung der Ursprungsregeln, S. 155. Kaufmann behauptet, der Panelbericht habe klar zum Ausdruck gebracht, daß "fast jede Lösung der Umgehungsproblematik erlaubt sei, die das Problem an der Grenze und nicht erst im Inland anzupacken versuche". Das ist mit Blick auf die Panel-Entscheidung allerdings nicht nachvollziehbar. 22 Zum Verlauf der Verhandlungen: Dunn, Antidumping, in Stewart (Hrsg.), The World Trade Organization, The Multilateral Trade Framework for the 21'' Century and U.S. Implementing Legislation, S. 239 ff.; siehe auch Stewart (Hrsg.), The GATT Uruguay Round, A Negotiating History (1986-1992), Vol. Two, S. 1383 ff. (1462 ff.). 23 Zur Verhandlungsposition der USA s. z. B. Vermulst/Waer, Anti-Diversion Rules in Antidumping Procedures: Interface or Short Circuit for the Management of Interdependence? MJIL, 1990, S. 1119 ff. (1169 ff.); Komuro, U.S. Anti-Circumvention Measures and GATT Rules, JWT, Vol. 28, No. 3, June 1994, S. 5 (26 ff.); Van Bael/Bellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Laws of the EC, 3rd ed., S. 346. 24 Zur Verhandlungsposition der Gemeinschafts. z. B. Vermulst!Waer, Anti-Diversion Rules in Antidumping Procedures: Interface or Short Circuit for the Management of Interdependence? MJIL, 1990, S. 1119 ff. (1174 ff.). 2s Stewart (Hrsg.), The GATT Uruguay Round, A Negotiating History (1986 -1992), Vol. Two, S. 1383 ff. (1620 f.). 26 Stewart (Hrsg.), The GATT Uruguay Round, A Negotiating History (1986 -1992), Vol. Two, S. 1383 ff. (1620 ff.). 27 Stewart (Hrsg.), The GATT Uruguay Round, A Negotiating History (1986 -1992), Vol. Two, S. 1383 ff. (1624 ff.) mit weiteren Verweisen.
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
ten des "Dunkel Drafts" in der Endfassung des neuen Antidumpingübereinkommens keinerlei Niederschlag gefunden. Sie sind aber doch insofern für die Umgehungsabwehr von Bedeutung, als sie heute fester Bestandteil des internationalen Antidumpingrechts wären, wenn die USA nicht unmittelbar vor Abschuß der Uruguay Runde - im Dezember 1993 - noch ihr Veto eingelegt hätten. 30 Von Interesse ist der Entwurf auch insoweit, als Fachleute davon ausgehen, daß eine etwaige zukünftige Regelung auf internationaler Ebene den Vorschlägen des "Dunkel Drafts" zumindest nicht unähnlich werden dürfte. Letzteres hat auch die Gemeinschaft dazu bewogen, ihre neue Umgehungsabwehrvorschrift an den "Dunkel Draft" anzulehnen, soweit dies eben mit den Interessen der Gemeinschaft vereinbar war. Aus diesen Griinden sollen die für die Umgehungsabwehr relevanten Vorschriften des "Dunkel Drafts" hier wiedergegeben und im weiteren auch Parallelen zur alten und zur neuen Umgehungsabwehrvorschrift der Gemeinschaft gezogen werden?1 Der "Dunkel Draft" enthält sowohl zur Importlands- und zur Drittlandsumgehung als auch zum sog. "country-hopping" konkrete Regelungen. Art. 12 der Section F des "Dunkel Drafts" sah folgende Regelung für die Fälle der Importlandsumgehung vor: "12.1 The authorities may include within the scope of application of an existing definitive anti-dumping duty on an imported product those parts or components destined for assembly in the importing country, if it has been established that: (i) the product assembled or completed from such parts or components in the importing country is a like product to a product which is subject to the definitive anti-dumping duty; (ii) the assembly or completion in the importing country of the product referred to in Subparagraph (i) is carried out by a party which is related to or acting on behalf of an exporter
28 Siehe unter anderem die Entwürfe Carlisle I und II, New Zeeland III und den sogenannten "Dunkel Draft", abgedruckt bei Stewart (Hrsg.), The GATT Uruguay Round, A Negotiating History (1986 -1992), Vol. Two, S. 1383 ff. (1626 ff.), table 14. 29 Der "Dunkel Draft" war der Entwurf einer alle Ergebnisse der Uruguay Runde umfassenden Schlußakte. Er wurde unter der Federführung von Artbur Dunkel, dem ehemaligen GATT-Generalsekretär, vom GATT-Sekretariat ausgearbeitet und im Dezember 1991 als Grundlage für die Fortführung der ins Stocken geratenen Verhandlungen der Uruguay Runde veröffentlicht. - Siehe allgemein Dunn, Antidumping, in Stewart (Hrsg.), The World Trade Organization, The Multilateral Trade Framework for the 21" Century and U.S. Implementing Legislation, S. 239 ff. (244 ff.); Horlick, How the GATT Became Protectionist, JWT, Vol. 27, No. 5, October 1993, S. 5 ff.; Komuro, U.S. Anti-Circumvention Measures and GATT Rules, JWT, Vol. 28, No. 3, June 1994, S. 5 (27 f.); Platt, A Comparison of Anti-Circumvention of Anti-Dumping Duty Rules in the United States and the Dunkel Draft Proposal, World Competition, Vol. 16, No. 4, June 1993, S. 89. 30 Siehe unten, in diesem Abschnitt. 31 Parallelen zu Art. 13 Abs. 10 VO 2423/88, siehe oben, Teil 3., A. I.; Parallelen zu Art. 13 Grundverordnung, siehe unten, Teil 3 B.
A. Vorgeschichte
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or producer whose exports of the like product to the importing country are subject to the definitive anti-dumping duty, as referred to in sub-paragraph (i); (iii) the parts or components have been sourced in the country subject to the anti-dumping duty from the exporter or producer subject to the definitive anti-dumping duty, suppliers in the exporting country who have historically supplied the parts or components to that exporter or producer, or a party in the exporting country supplying parts or components on behalf of such an exporter or producer; (iv) the assembly or completion operations in the importing country have started or expanded substantially and the imports of parts or components for use in such operations have increased substantially since the initiation of the investigation which resulted in the imposition of the definitive anti-dumping duty; (v) the total cost32 of parts or components referred to in sub-paragraph (iii) is not less than 70 per cent of the total cost of all parts or components used in the assembly or completion operation of the like product33 , provided that in no case shall the parts and components be included within the scope of definitive measures if the value added by the assembly or completion Operation is greater than 25 per Cent of the ex-factory cose4 of the like product assembled or completed in the territory of the importing country. (vi) there is evidence of dumping, as deterrnined by a comparison between the price of the product when assembled or completed in the importing country, and the prior normal value of the like product when subject to the original definitive anti-dumping duty; and (vii) there is evidence that the inclusion of these parts or components within the scope of application of the definitive anti-dumping duty is necessary to prevent or offset the continuation or recurrence of injury to the domestic industry producing a product like the product which is subject to the definitive duty. 12.2 The authorities may impose provisional measures in accordance with Article 7:2 on parts or components imported for use in an assembly or completion operation only when they are satisfied that there is sufficient evidence, that the criteria set out in subparagraphs (i)-(vi) are met. Any provisional duty imposed shall not exceed the definitive anti-dumping duty in force. The authorities may levy a definitive anti-dumping duty once all of the criteria in paragraph 1 are fully satisfied. The amount of the definitive anti-dumping duty shall not exceed the arnount by which the normal value of the product subject to the existing definitive anti-dumping duty exceeds the comparable price of the like product when assembled or completed in the importing country. 32 Fußnote 1 auf Seite 24 des ,,Dunkel-Draft" lautet wie folgt: "The cost of a part or component is the arm's length acquisition price ofthat part or component, or in the absence of such a price (including when parts or components are fabricated intemally by the party assembling or completing the product in the importing country), the total material, labour coust and factory overhead cost incurred in the fabrication of the part or component." 33 Fußnote 2 aufS. 24 des "Dunkel-Drafts" lautet wie folgt: "i.e. parts or components purchased in the importing country, parts or components referred to in sub-paragraph (iii), other imported parts or components (including parts or components imported freom a third country) and parts or components fabricated intemally." 34 Fußnote 3 aufS. 24 des "Dunkel-Drafts" lautet wie folgt: "i.e., cost of materials, labour and factory overheads."
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift 12.3 The provisions of this Code concerning rights of interested parties and public notice shall apply mutatis mutandis to investigations carried out under this Article. The provisions of Articles 9 to 11 regarding refund and review shall app1y to anti-dumping duties imposed, pursuant to this Article, on parts or components assembled or completed in the importing country."
Bei einem Vergleich dieses Entwurfs mit der alten Umgehungsvorschrift der Gemeinschaft - Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 fallt insbesondere auf, daß es sich bei ersterem im Gegensatz zu letzterer um eine "Grenzrnaßnahrne" (engl.: "border rneasure") handelt. Die Zölle sollten nur "parts and cornponents destined for assernbly" bei der Einfuhr in das Importland erfassen. Die alte EG-Regelung sah hingegen vor, daß die Antidumpingzölle auf "in der Gerneinschaft montierte und hergestellte Waren" erhoben werden, soweit diese "dort in den Wirtschaftskreislauf gebracht werden", d. h. auf die fertige, das in der EG gelegene Fabrikgelände verlassende Ware. Letzteres war vorn Panel nicht mehr als Antidurnpingzoll, sondern als interne diskriminierende Steuer eingeordnet worden. 35 - Von Bedeutung ist ferner, daß der "Dunkel Draft" Abwehrmaßnahmen erst dann erlaubt, wenn mindestes 70% des Wertes der bei der Produktion verwendeten Teile aus dem mit Antidumpingmaßnahmen belegten Ausfuhrland stammen (Art. 12 (v) 1. HS). 36 In der Gemeinschaft genügten nach Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 schon 60% der bei der Herstellung verwendeten Teile oder Werkstoffe, um Abwehrmaßnahmen einzuleiten?7 - Der "Dunkel Draft" legt mit einer 70%-Schwelle mithin eine weit höhere Eingriffsschwelle fest. Auf eine restriktivere Handhabung als unter der alten EGRechtslage zielt auch die Berücksichtigung der Wertschöpfung im Importland ab (Art. 12 (v) 2. HS.). Bei einer Wertschöpfung im Importland von 25% oder mehr sollten nach dem "Dunkel Draft" Umgehungsabwehrmaßnahmen auf jeden Fall ausgeschlossen sein. Vergleichbares hatte es in Art. 13 Abs. 10 VO 2423188 noch nicht gegeben. Ferner forderte der "Dunkel Draft" für Umgehungsabwehrmaßnahmen erneute Beweise für Dumping und Schädigung, wenn wohl auch keine erneute umfassende Untersuchung (Art. 12 (vi)). Auch dies war unter der alten EG-Regelung nicht vorgesehen. Für das Problern der Drittlandsumgehung sah der "Dunkel Draft" hingegen keine eigenständige Vorschrift vor. Für diese Fälle sollte nur in größerem Umfang die retroaktive Auferlegung von Antidumpingzöllen möglich sein: "10.5. [ ... ] a definitive anti-dumping duty imposed when determinations of dumping and injury have been made following an investigation consistent with the relevant provisions of this Code may also be levied retroactively on products which entered for consumption Siehe oben, Teil 3, A. II. Im Englischen: value-of-parts test. 37 Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 spricht allerdings nicht von 60%, sondern umschreibt diese Marke mit "der Wert der bei der Montage oder Herstellung verwendeten Teile oder Werkstoffe mit Ursprung im Land der Ausfuhr der einem Antidumpingzoll unterliegenden Ware den Wert aller anderen verwendeten Teile oder Werkstoffe um mindestens 50 v.H. übersteigt". 35
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not more than 150 days prior to the date of application of provisional measures if the product referred to in sub-paragraph (i) of paragraph 4 is assemb1ed or completed in the third country under conditions identical to those set forth in Artic1e 12 (ii)-(v) with regard to assembly or completion operationsinan importing country."
Danach hätte in Fällen der Drittlandsumgehung grundsätzlich ein neues Antidumpingverfahren eingeleitet und durchgeführt werden müssen. 38 Der einzige Unterschied zum Normalfall hätte darin bestanden, daß Zölle in größerem Umfang retroaktiv hätten verhängt werden können. 39 Die unterschiedliche Behandlung von lmportlands- und Drittlandsumgehung sollte wohl zu einem Komprorniß zwischen Befürwortern und Gegnern von Umgehungsabwehrmaßnahmen führen. Die Regelung für die Importlandsumgehung wäre als Zugeständnis an die BefürworteT zu verstehen gewesen. Mit der Regelung der Drittlandsumgehung suchte der "Dunkel Draft" augenscheinlich den Gegnern entgegenzukommen. Schließlich findet sich im "Dunkel Draft" mit Art. 10.4 auch noch eine Vorschrift zum sogenannten "country hopping": "A definitive anti-dumping duty imposed when deterrninations of dumping and injury have been made following an investigation consistent with the relevant provisions of this Code may be levied on products which entered for consumption not more than 150 days prior to date of the application of provisional measures, if: (i) the product subject to investigation is a Iike product to that in respect of which a definitive anti-dumping duty is in force in the importing country and is produced in or exported from a country not subject to that definitive anti-dumping duty; (ii) an exporter or producer in the country subject to the existing definitive anti-dumping duty has a controlling interest in the party exporting the product subject to investigation from the third country; (iii) exports of the product subject to investigation from the third country have increased significantly since the initiation of the investigation which resu1ted in the imposition of the existing definitive anti-dumping duty, and there is a corresponding decline of exports from the country to which that duty applies by the exporter or producer which has a Controlling interest in the party in the third country; (iv) production in the third country of the product subject to investigation takes p1ace in pre-existing facilities used to produce that product; and (v) the authorities deterrnine that imports of the product which take place under the conditions described in sub-paragraphs (ii) - (iv) seriously underrnine the remedial effect of the existing definitive anti-dumping duty." 38 Siehe auch Komuro, U.S. Anti-Circumvention and GATI Rules, JWT, Vol. 28, No. 3, June 1994, S. 5 (40); Van Bael/Bellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Laws of the EC, 3. Aufl., S. 348 ff. 39 Aus Sicht der Gemeinschaft hätte der "Dunkel Draft" auf ihre Praxis der Abwehr von Drittlandsumgehungen allerdings kaum Auwirkungen gezeitigt. Da Art. 10.5 im "Dunkel Draft" trotz intensiver Bemühungen einiger Verhandlungsparteien nicht für abschließend erklärt wurde, hätte die Gemeinschaft auch weiterhin Umgehungsabwehr mit Hilfe ihrer nichtpräferenziellen Ursprungsregeln betrieben (siehe oben, Teil 3, A. III.).
5 Bimstiel
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Wie sich aus der Vorschrift ergibt, entspricht nach Auffassung der Verfasser des "Dunkel Drafts" das "country hopping" im wesentlichen den Fällen der Drittlandsumgehung. Anders als bei letzterer muß aber keine 70%-Schwelle überschritten werden und bedarf es auch keiner erneuten vollständigen Untersuchung von Dumping und Schädigung, um bestehende Antidumpingmaßnahmen retroaktiv auszuweiten. Statt dessen setzt Art. 10.4 aber beschränkend voraus, daß die Produktion in bestehende Drittlands-Produktionsstätten verlagert wird, die der von Antidumpingmaßnahmen betroffene Hersteller beherrscht. 40 - Die Vorschrift ist insofern bemerkenswert, als es Vergleichbares selbst in den bei Umgehungsabwehr progressivsten nationalen Antidumpinggesetzen41 bislang nicht gab und hier im Prinzip die Grundlage für eine insoweit erweiterte Umgehungsabwehr vorgesehen war. Mit Blick auf das Erfordernis der Produktionsverlagerung in eine bestehende Drittstaaten-Produktionsstätte wäre die Regelung aber ihrerseits leicht zu umgehen gewesen und damit wohl nur von untergeordneter praktischer Bedeutung. Jedenfalls hat Art. 10.4 die USA und die Gemeinschaft nicht über die mit Art. 12 und Art. 10.5 verbundenen Beschränkungen42 hinwegtrösten können. Sowohl die USA als auch die Gemeinschaft sahen die im "Dunkel Draft" vorgesehenen Möglichkeiten zur Umgehungsabwehr letztlich nicht als befriedigend an. Die USA haben, unterstützt von der Gemeinschaft, wenn nicht sogar durch diese veranlaßt, unmittelbar vor Abschluß der Verhandlungen im Dezember 1993 massive Änderungswünsche mit Blick auf die Umgehungsabwehrvorschriften angemeldet und signalisiert, daß sie im Falle einer Ablehnung dieser Wünsche auf die gänzliche Streichung von Umgehungsvorschriften aus dem Antidumpingübereinkommen bestehen würden. Gefordert wurde dreierlei. Bei der Importlandsumgehung sollte statt einer 70%-Schwelle die niedrige Eingriffsschwelle von 60% angesetzt werden. Außerdem sollte die Drittlandsumgehung nach dem Vorbild der Importlandsumgehung behandelt werden. Und schließlich sollte das Erfordernis nach erneuten Beweisen für Dumping und Schädigung in Umgehungsfallen entfallen. 43 Da sich für diese Änderungswünsche keine Mehrheiten finden ließen, hat man letztlich ganz auf die Aufnahme einer Umgehungsabwehrvorschrift in das Antidumpingübereinkommen verzichtet. 44 Einziges Ergebnis der Uruguay Runde mit 40 Siehe auch Komuro, U.S. Anti-Circumvention and GATT Rules, JWT, Vol. 28, No. 3, June 1994, S. 5 (40). 41 D.h. weder in der Gemeinschaft noch in den USA. 42 So auch Van Gerven, Recent Developements in EEC Anti-Dumping, RDAI/IBLJ, No. 7, 1992, S. 857 (865). 43 Der US-Vorschlag ist z. B. wiedergegeben in Inside US Trade, 3 Dezember 1993, S. 2 f.; siehe auch Komuro, U.S. Anti-Circumvention and GATT Rules, JWT, Vol. 28, No. 3, June 1994, s. 5 (28 ff.). 44 Waer/Vennulst, EC Anti-Dumping Law and Practice after the Uruguay Round, JWT, Vol. 28, No. 2, April 1994, S. 5 (20) bedauern das aus folgendem Grund: "As the draft provisions on importing-country and third-country circumvention were relatively liberal and, above all, laid down clear and transparent rules, they would have been better for free trade."
B. Art. 13 Grundverordnung
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Blick auf das Problem der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen ist deshalb eine in die Schlußakte aufgenommene Ministerielle Erklärung zur Umgehungsabwehr.
IV. Ministerielle Erklärung Die Ministerielle Erklärung (im englischen Originaltext: "Ministerial Decision"/5 lautet: ,,Ministers, Noting that while the problern of circurnvention of anti-durnping duty rneasures formed part of the negotiations which preceded the Agreement on Irnplernentation of Article VI of GATT 1994 negotiators were unable to agree on specific text,
Mindful of the desirability of the applicability of uniform rules in this area as soon as possible, decide to refer this matter to the Cornrnittee of Anti-dumping Practices established under that Agreement for resolution. " 46
Über Auslegung und Rechtswirkungen dieser Erklärung wird heftig gestritten. 47 Die Erklärung muß jedenfalls sowohl für die USA als auch für die Gemeinschaft als Verhandlungsniederlage angesehen werden, da für beide eine befriedigende internationale Absicherung des Instruments der Umgehungsabwehr erklärtes Verhandlungsziel war. Unabhängig von Auslegung und Rechtswirkungen hat diese Erklärung aber jedenfalls eine dauerhafte und andauernde Beschäftigung des WTO Antidumpingausschusses mit der Suche nach Lösungsmöglichkeiten bewirkt.48
B. Art. 13 Grundverordnung I. Einleitung
Der neue Ansatz der Gemeinschaft, der Umgehung ihrer Antidumpingmaßnahmen zu begegnen, findet sich in Art. 13 der Grundverordnung, welcher wie folgt lautet: "( 1) Die gemäß dieser Verordnung eingeführten Antidumpingzölle können auf die Einfuhren der gleichartigen Ware oder von Teilen dieser Ware aus Drittländern ausgeweitet wer45 WTO (Hrsg.), The Results of the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations The Legal Texts, S. 453. 46 Dt. Übersetzung z. B. in ABI. 1994, L 336/261. 47 Siehe unten, Teil 3, D. II. 2. a). 48 Siehe oben, Teil 2, B. II. 5*
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift den, wenn eine Umgehung der geltenden Maßnahmen stattfindet. Die Umgehung wird als eine Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Drittländern und der Gemeinschaft definiert, die sich aus einer Praxis, einem Fertigungsprozeß oder einer Arbeit ergibt, für die es außer der Einführung des Zolls keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gibt, und wenn Beweise wie Preise und I oder Mengen der montierten gleichartigen Ware dafür vorliegen, daß die Abhilfewirkung des Zolls untergraben wird, und Beweise für Dumping im Verhältnis zu den Normalwerten vorliegen, die für gleichartige oder ähnliche Waren früher festgestellt wurden. (2) Ein Montagevorgang in der Gemeinschaft oder in einem Drittland wird als Umgehung der geltenden Maßnahmen angesehen, wenn a) die Montage seit oder kurz vor der Einleitung der Antidumpinguntersuchung begonnen oder erheblich ausgeweitet wurde und die verwendeten Teile ihren Ursprung in dem Land haben, für das Maßnahmen gelten, und b) der Wert dieser Teile 60 v.H. oder mehr des Gesamtwerts der Teile der montierten Ware ausmacht; als Umgehung gilt jedoch nicht der Fall, in dem der Wert, der während der Montage oder Fertigstellung den verwendeten eingeführten Teilen hinzugefügt wurde, mehr als 25 v.H. der Herstellkosten beträgt, und c) die Abhilfewirkung des Zolls durch die Preise und I oder Mengen der montierten gleichartigen Ware untergraben wird und Beweise für Dumping im Verhältnis zu den Normalwerten vorliegen, die für gleichartige oder ähnliche Waren früher festgestellt wurden. (3) Untersuchungen werden nach Maßgabe dieses Artikels eingeleitet, wenn der Antrag ausreichende Beweise für die in Absatz I genannten Faktoren enthält. Die Einleitung der Untersuchung erfolgt nach Konsultation im Beratenden Ausschuß durch eine Verordnung der Kommission, die auch den Zollbehörden Anweisung gibt, die Einfuhren gemäß Artikel 14 Absatz 5 zollamtlich zu erfassen oder Sicherheiten zu verlangen. Die Untersuchungen werden von der Kommission durchgeführt, die von den Zollbehörden unterstützt werden kann, und innerhalb von neun Monaten abgeschlossen. Wenn die endgültig ermittelten Tatsachen die Ausweitung der Maßnahmen rechtfertigen, wird diese Ausweitung vom Rat auf Vorschlag der Kommission mit einfacher Mehrheit von dem Zeitpunkt an eingeführt, zu dem die Einfuhren gemäß Artikel 14 Absatz 5 zollamtlich erfaßt wurden. Die einschlägigen Verfahrensbestimmungen dieser Verordnung zu der Einleitung und der Durchführung der Untersuchungen finden Anwendung. (4) Waren, denen eine Bescheinigung der Zollbehörden beigefügt ist, aus der hervorgeht, daß die Einfuhr der Waren keine Umgehung darstellt, werden nicht gemäß Artikel 14 Absatz 5 zollamtlich erfaßt und nicht mit Zöllen belegt. Diese Bescheinigungen können den Einführern auf schriftlichen Antrag nach Genehmigung durch eine von der Kommission nach Konsultationen im Beratenden Ausschuß gefaßte Entscheidung oder durch die Entscheidung des Rates über die Einführung der Maßnahmen erteilt werden und gelten für den darin festgesetzten Zeitraum und unter den darin festgesetzten Bedingungen. (5) Dieser Artikel steht der normalen Anwendung der geltenden Zollbestimmungen nicht entgegen."
Vor einer näheren Untersuchung dieser Bestimmung soll einleitend auf einige entstehungsgeschichtliche Aspekte hingewiesen werden, die für das Verständnis der derzeitigen Fassung unabdingbar erscheinen.
B. Art. 13 Grundverordnung
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Ob eine auf die Umgehungsabwehr zugeschnittene Vorschrift in die Grundverordnung aufzunehmen sei, ohne dabei auf eine explizite multilaterale Absicherung zurückgreifen zu können, war zwischen den Mitgliedsstaaten überaus umstritten. Das lag zum Teil an den gerade im Antidumpingbereich bisweilen stark divergierenden handelspolitischen Konzeptionen der Mitgliedsstaaten. 49 Zusätzlich wird man Gründe dafür im Fehlschlagen des ersten Versuchs und der damit verbundenen Niederlage im einschlägigen GATT-Panelverfahren suchen können. 5° Vor diesem Hintergrund mußte es der Kommission bei Abfassung der Vorschrift in erster Linie einmal darum gehen, den Mitgliedsstaaten die kontroverse Regelung schmackhaft zu machen. Aber auch über die Fassung des Art. 13 hinaus waren Zugeständnisse an die Kritiker unter den Mitgliedsstaaten erforderlich. So soll der neue Art. 21 Grundverordnung - eine zumindest auf dem Papier erfolgte Aufwertung des Gemeinschaftsinteresses im Europäischen Antidumpingverfahren51 - eine konkrete Gegenleistung der Kommission für die Zustimmung der Gegner zu Art. 13 gewesen sein. 5 2 Die Entwürfe zu Art. 13 Grundverordnung boten aber nicht nur Anlaß zu Streit zwischen der Kommission und den Mitgliedsstaaten sowie den Mitgliedsstaaten untereinander; auch innerhalb der Europäischen Kommission waren Abstimmungen zwischen der für u. a. Antidumping zuständigen GD I und der für Zollangele49 Seit Jahren ist in der Europäischen Antidumpingpraxis eine generelle Spaltung der Mitgliedsstaaten in ein nördliches und südliches Lager zu beobachten. Dabei steht ersteres für eine eher restriktive Anwendung des europäischen Antidumpinginstrumentariums, während zweiteres regelmäßig für eine extensivere Auslegung und Anwendung votiert. Die Abstimmungsergebnisse im Beratenden Ausschuß und im Rat werden zwar prinzipiell "geheim" gehalten, sind aber für die beteiligten Kreise in Brüssel allenfalls ein offenes Geheimnis. 8:7 bzw. 7:8 Ergebnisse bestimmen den Brüsseler Antidumping-Alltag, seitdem die EG eine Fünfzehnergemeinschaft ist. 50 Siehe oben, Teil 3, A. li. 51 Wenn in einem Verfahren Dumping und Schädigung festgestellt werden, muß zusätzlich ermittelt werden, ob Abwehrmaßnahmen im Interesse der Gemeinschaft liegen. Diese Regelung existierte auch schon unter der alten Grundverordnung (Art. 11 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1). Mit Art. 21 wurde jetzt aber erstmals ein eigenständiger Artikel für das Gemeinschaftsinteresse geschaffen. Ob dieser tatsächlich zu einer Bedeutungssteigerung und der von seinen Befürwortem erhofften restriktiveren Anwendung von Antidumpingmaßnahmen fuhren wird, ist noch offen. Bislang gibt es jedenfalls keinen Fall, in dem mit Blick auf ein entgegenstehendes Gemeinschaftsinteresse auf Antidumpingrnaßahrnen verzichtet worden wäre. Zur Zeit laufen aber zumindest kornmissionsinterne Bemühungen, das Kriterium des Gemeinschaftsinteresses fortzuentwickeln, insbesondere zu quantifizieren. Der Wille, dem Gemeinschaftsinteresse an Maßnahmen in größerem Urngfang Rechnung zu tragen, manifestiert sich inzwischen zumindest in standardisierten Fragebögen für Einführer sowie repräsentative Verwender und Verbraucherorganisationen. -Siehe allgernein zum Gerneinschaftsinteresse: Vennulst/Waer, E.C. Antidumping Law and Practice, S. 369 ff.; Müller/Kahn/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, S. 479 ff., Rz. 21.1 ff.; Bronkers, Rehabilitating Antidumping and other Trade Rernedies through Cost-Benefit Analyses, JWT, Vol. 30, No. 2, Aprill996, S. 5 (19 ff.). 52 Holmes, Anti-Circurnvention under the European Union's New Anti-Dumping Rules, JWT,Vol. 29, No. 3, June 1995, S. 161 (172), Fn. 34.
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
genheiten zuständigen und die Interessen der nationalen Zollverwaltungen vertretenden Generaldirektion Steuern und Zollunion (nachfolgend wie vormals: GD XXI) erforderlich. Ferner waren alle an der Ausarbeitung und Beschlußfassung Beteiligten daran interessiert, die Vorschrift "panel-sicher" zu machen. Insofern war Kompromißbereitschaft gegenüber den WTO- Mitgliedern, insbesondere gegenüber den Asiaten, gefragt. Die nachfolgende Untersuchung von Art. 13 Grundverordnung orientiert sich am Aufbau der Vorschrift, wobei in materielle (Abs. 1 und 2) und formelle (Abs. 3 und 4) Aspekte untergliedert wird.
II. Materielle Aspekte: Art. 13 Abs. 2 und Abs. 1 der Grundverordnung
Art. 13 Abs. 2 und Abs. 1 Grundverordnung regeln die Grundzüge des neuen materiellen Umgehungsabwehrrechts. Abs. 2 ist die Spezialbestimmung für die Montagefälle. Abs. 1 S. 2 ist Auffangtatbestand und bezieht sich auf die "sonstigen Fälle" der Umgehung. In Abs. 1 S. 1 findet sich die Rechtsfolgeregelung.
1. Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung: Die "klassische" Umgehung a) Einleitung Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung erfaßt zwei spezifische Formen der Umgehung, die Importlands- und die Drittlandsumgehung. Konkret regelt Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung, daß Montagevorgänge in der Gemeinschaft sowie in Drittländern bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen als Umgehung angesehen werden. Das ist nach Art. 13 Abs. 1 S. 1 Grundverordnung Voraussetzung dafür, daß bestehende Antidumpingzölle der Gemeinschaft auf die Einfuhr der entsprechenden Teile bzw. der im Drittland montierten Waren ausgeweitet werden können. Diese beiden Formen der Umgehung werden von der Kommission als die "klassischen" Formen der Umgehung bezeichnet. Damit kommt zum Ausdruck, daß die Bestimmung auf Konstellationen abzielt, die auch schon in der Vergangenheit als Umgehung charakterisiert und bekämpft worden sind. Eine rechtliche Bedeutung kommt dieser Bezeichnung nicht zu. Sie ist lediglich Oberbegriff für Importlandsund Drittlandsumgehung und dient als solches der begrifflichen Abgrenzung zu den "sonstigen" Formen der Umgehung iSv. Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung. Bemerkenswert ist, daß die Eingriffsvoraussetzungen für lmportlands- wie Drittlandsumgehung damit erstmals identisch sind. Die Kommission rechtfertigt die
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Neuaufnahme der Drittlandsumgehung in die aktuelle Umgehungsvorschrift und die damit erfolgte Gleichstellung mit dem Hinweis darauf, daß die bisherige Praxis unter Zuhilfenahme der nicht-präferenziellen Ursprungsregeln53 nicht mehr zu befriedigenden Ergebnissen geführt habe. 54· 55 Mit der Gleichstellung soll aber auch vermieden werden, daß Investitionen nach Art der "Schraubenzieherfabriken" eher in Drittstaaten als in der Gemeinschaft getätigt werden. 56 Anders als noch Ende der achtziger Jahre wird diese Art von Investitionen und die damit verbundene Schaffung von Arbeitsplätzen offensichtlich nicht mehr rundherum als "minderwertig" und "unerwünscht" angesehen. 57 Eine Bewertung von Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung erfordert eine nähere Untersuchung der dort formulierten Voraussetzungen.
b) Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung Nach Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung wird ein Montagevorgang in der Gemeinschaft oder in einem Drittland als Umgehung geltender Maßnahmen angesehen, wenn die unter Abs. 2 a), b) und c) genannten Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind. Da einige dieser Voraussetzungen gewisse Ähnlichkeiten zu den Voraussetzungen der alten Umgehungsvorschrift aufweisen58, kann bei der Auslegung vorsichtig auf die bisherige Umgehungsabwehrpraxis unter Art. 13 VO 2423 I 88 zurückgegriffen werden. 59
aa) Produktionsbeginn bzw. erhebliche Steigerung nach oder kurz vor der Verfahrenseinleitung und Ursprung der Teile- Art. 13 Abs. 2 a) Grundverordnung Diese erste Voraussetzung für eine Maßnahmenausweitung in Montagefällen ist weitgehend unproblematisch. Die Frage nach dem Beginn der Montagetätigkeit Siehe unten, Teil 5, A. II. KOM (94) 414 final, S. 164, unter Gliederungspunkt 10. a). 55 Van Bael!Bellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Laws of the EC, 3rd ed., S. 351 glauben dies insbesondere in den Verfahren betreffend Kameras, Fahrrädern und Mikroplatten beobachten zu können. - Sie führen das aber nicht auf die Unzulänglichkeiten der nicht-präferenziellen Ursprungsregeln zurück, sondern deuten an, daß die Gründe dafür in Organisationsmängeln der für Ursprungsuntersuchungen zuständigen DG XXI der Kommission zu suchen seien. 56 Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384/96, Art. 13, Rz. 13.28. 57 Es erscheint mithin nicht verfehlt, hier insbesondere auch eine arbeitsmarktpolitische Motivation zu vermuten. 58 Siehe oben, Teil 3, A. I. 59 So auch Stanbrook/Bentley, Dumping and Subsidies, S. 80. 53
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
wird regelmäßig einfach und eindeutig zu beantworten sein. Wenn der Montagebeginn zeitlich mit der Verfahrenseinleitung eng zusammenfällt, hier mithin ein Reaktionszusammenhang bzw. schlicht ein Kausalzusammenhang unterstellt werden kann, ist die erste Voraussetzung erfüllt. Probleme sind aber u.U. dennoch mit Blick auf folgende drei Fragen zu erwarten: (1) Was fallt unter "kurz vor der Einleitung der Antidumpinguntersuchung", (2) auf welchen Zeitpunkt ist im Zusammenhang mit einem Überprüfungsverfahren abzustellen und (3) wann ist eine Montagetätigkeit "erheblich ausgeweitet"? (1) Das Tatbestandsmerkmal "kurz vor Einleitung der Antidumpinguntersuchung" gab es unter der alten Regelung noch nicht. Dort wurde nur erlaßt, was nach Verfahrenseinleitung eintrat. 60 Die bisherigen Fälle unter der neuen Vor-
schrift gaben noch keinen Anlaß zu einer Auslegung. Es bleibt mithin abzuwarten, was die Gemeinschaft unter "kurz vor Einleitung" verstehen wird. Jedenfalls sollte der Zeitraum "kurz" bemessen sein, d. h. einige Wochen nicht überschreiten. 61 Bei größeren Zeitspannen ließe sich ein Reaktionszusammenhang zwischen Verfahrenseinleitung und der in Frage stehenden Geschäftsstrategie regelmäßig nicht unterstellen. Dumpingvorwürfe werden von heimischen Industrien oft Monate und Jahre vor der eigentlichen Einreichung einer Beschwerde erhoben. Die damit u.U. verbundene diffuse Aussicht auf ein zukünftiges Verfahren kann nicht der Anknüpfungspunkt für ein Umgehungsverfahren sein. Andernfalls würden die Beschwerdegegner in einem Umgehungsverfahren an einem längst nicht mehr aktuellen Sachverhalt festgehalten. Das liefe auf ein Zementieren vormalig bestehender Produktionsverhältnisse und Vertriebswege hinaus. Andererseits ist in Brüsseler Fachkreisen trotz aller Geheimhaltungsbemühungen von Seiten der Kommission meist schon Wochen vor einer offiziellen Verfahrenseinleitung bekannt, daß es zu einer solchen kommen wird. Damit haben Drittstaatenhersteller und Exporteure auch schon vor Verfahrenseinleitung die Gelegenheit, sich auf zukünftige Dumpingzölle einzustellen und entsprechende Vermeidungsstrategien einzuleiten. Dem läßt sich mit dem Tatbestandsmerkmal "kurz vor Einleitung" begegnen. (2) Nachdem in Abs. 2 a) neutral und allgemein auf die "Einleitung einer Antidumpinguntersuchung" abgestellt wird, dürften nicht nur Ausgangsverfahren62 an-
gesprochen sein. Die Anwendung von Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung kommt zumindest dem Wortlaut nach auch im Zusarnrnenhang mit Überprüfungsverfahren63 in Betracht. Fraglich ist dann nur, auf welchen Zeitpunkt abzustellen ist: Auf die Einleitung des Überprüfungsverfahrens oder aber auf die des Ausgangsverfahrens? Wenn man Art. 13 Grundverordnung restriktiv handhaben will, wird man auf die So auch der "Dunkel Draft". Zu denken wäre etwa an den Zeitraum von 45 Tagen (Art. 5 Abs. 9 Grundverordnung), innerhalb derer sich die Europäische Kommission in Antidumpingverfahren für oder gegen eine Verfahrenseinleitung zu entscheiden hat. 62 Art. 5 Grundverordnung. 63 Art. 11 Grundverordnung. 60
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Einleitung des Überprüfungsverfahrens abstellen müssen. Nur insofern wird man mit Verweis auf die zeitliche Nähe einen Reaktionszusammenhang vermuten können. Soll auf Umgehungskonstellationen zwischen der Einleitung des Ausgangsverfahrens und der Einleitung des Überprüfungsverfahrens eingegangen werden, kann mit Blick darauf ein Umgehungsverfahren eingeleitet werden. Es wird sich aber nicht ausschließen lassen, daß die Gemeinschaft auf den für sie jeweils günstigeren Zeitpunkt abstellen wird. 64 (3) Das Tatbestandsmerkmal der "erheblichen Ausweitung" der Montage nach der Verfahrenseinleitung ist bislang ebenfalls noch weitgehend ungeklärt. Die Formulierung gab es zwar schon unter der alten Regelung. Da aber Mitte der achtziger Jahre nahezu alle betroffenen japanischen Produktionsstätten neu gebaut oder zumindest neu erworben worden sind, stellte sich die Frage nach einer erheblichen Ausweitung eher selten. Anhaltspunkte für die Auffassung der Gemeinschaft lassen sich nur in zwei zu Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 ergangenen Entscheidungen finden. In einem Fall wurde eine Produktionssteigerung von mehr als 24% im ersten und von über 40% in den ersten zwei Jahren nach Einleitung des Antidumpingverfahrens als "erheblich" angesehen.65 Eine vier-prozentige Produktionsausweitung über einen Zeitraum von vier Jahren wurde hingegen in einem anderen Verfahren nicht als "erheblich" angesehen.66 Da diese Werte zwei alten Einzelfallentscheidungen entstammen, können sie allenfalls eine grobe Orientierung, aber keine sichere Grenzziehung zwischen "erheblicher" und "unerheblicher" Produktionsausweitung bieten. Zumindest aus Sicht der von Antidumpingmaßnahmen und deren Ausweitung aktuell oder potentiell Betroffenen wären konkretere Werte sicher wünschenswert. Diese lassen aber auch unter den neuen Entscheidungen auf sich warten. In dem unter der neuen Vorschrift durchgeführten Fahrräder-Verfahren stellt die Gemeinschaft lediglich lapidar fest, daß die dort fraglichen Montagevorgänge, soweit nicht nach Einleitung des Ausgangsverfahrens begonnen, zumindest "erheblich ausgeweitet" worden seien. Konkrete Werte spricht die einschlägige Verordnung67 überhaupt nicht an. Zu beachten ist, daß solche Produktionsaufnahmen bzw. -ausweitungen im Rahmen von Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung nur dann relevant sind, wenn es sich bei den montierten Teilen um solche handelt, die ihren Ursprung in dem mit 64 So Holmes, Anti-Circumvention under the European Union's New Anti-Dumping Rules, JWT Vol. 29, No. 3, June 1995, S. 161 (166). 65 Entscheidung der Kommission 89/57/EWG, ABL 1989, L25/90 Erwägungsgrund (7) (Kugellager). - Bei diesen Zuwächsen wurde insbesondere gewürdigt, daß sie auf einen Vierjahreszeitraum relativer Stabilität folgten, in dem die Produktion nur um 2,3 v.H. gestiegen
war.
66 67
Normalpapierkopierer, ABL 1988, L 284/36, Erwägungsgrund (8) und (11). VO 71/97, ABL 1997, L 16/55 (57), Erwägungsgrund (13).
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Antidumpingmaßnahmen belegten Land haben. 68 Nur unter dieser zusätzlichen Voraussetzung kann überhaupt an Umgehung gedacht werden. Erforderlich ist ferner, daß die montierte Ware und die im Ausgangsverfahren betroffene Ware gleichartig sind.
bb) Anteil der Teile und Mehrwert- Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung Nach Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung ist jetzt nicht nur- wie früher- der Wert der importierten Teile zu berücksichtigen. Zusätzlich ist zu ermitteln, welcher Wert den Teilen bei der Montage oder Fertigstellung hinzugefügt wird. Grundsätzlich ist von Umgehung auszugehen, wenn der Wert der Teile 60% oder mehr des 68 In der deutschen Fassung von Art. 13 Abs. 2 a) Grundverordnung, auf den der Abs. 2 b) Bezug nimmt, ist tatsächlich maßgeblich, daß "die verwendeten Teile ihren Ursprung in dem Land haben, für das Maßnahmen gelten" (Hervorhebung durch den Verfasser). Das war schon unter der alten Regelung in Art. 13 Abs. 10 a) dritter Spiegelstrich der Fall. Auch die englische Fassung der Vorgängerregelung war insofern eindeutig ("parts or materials . .. originating in the country of exportation of the product subject to the anti-dumping duty"). Weniger deutlich wird dies in der englischen Version von Art. 13 Abs. 2 a) Grundverordnung: Dort wird lediglich von "parts ... from the country subject to measures" gesprochen. Diese Formulierung würde sowohl Teile mit Ursprung im von Maßnahmen betroffenen Land erfassen, als auch Teile, die nur aus dem betreffenden Land ausgeführt werden, ohne aber dessen Ursprung zu haben. Der Verfasser der englischsprachigen Fassung (dem Orginal) hat sich die Entscheidung, ob Ursprung oder Exportland maßgeblich sein sollen, wohl zunächst vorbehalten. Eine Beschränkung der 60%-Ratio auf Ursprungsprodukte (Teile) wäre ja auch nicht zwingend. Auch im Ausgangsverfahren wird die Maßnahme gegen die fertige Ware nicht vom Ursprung ihrer Einzelteile abhängig gemacht. - Die Praxis unter Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung spricht inzwischen aber dennoch für eine Auslegung im Sinne der deutschen Fassung (eindeutig in dieser Richtung die Ausführungen der Kommission im Fahrräder-Fall VO 71/97, ABI. 1997, L 16/55, Erwägungsgründe (14) und (15) und in Elektronische Waagen, EinstellungsVO 984/97, ABI. 1997, L 141 I 57 Erwägungsgründe (13) und (14)). Hinzu kommt, daß der deutschen Fassung in der traditionell stark von deutscher Seite beeinflußten und bestimmten GD I regelmäßig ganz besonderes Gewicht zukommt. - Ohne Begründung, aber im Ergebnis gleich: Stanbrook! Bentley, Dumping and Subsidies, S. 80 und Holmes, Anti-Circumvention under the European Union's New Anti-Dumping Rules, JWT, Vol. 29, No. 3, June 1995, S. 161 (167).- A.A. Van Bael/Bellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Laws of the EC, 3rd ed., S. 354, die darauf verweisen, daß der "Dunkel Draft", dem Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung in weiten Teilen nachempfunden ist, ebenfalls nicht auf den Ursprung abstellt.- A.A. auch Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Rz. 13.34, die auf den englischen Wortlaut abstellen und darauf verweisen, daß 13 Abs. 1 und Abs. 2 sich insofern nicht unterscheiden. - Dem kann nicht gefolgt werden. In Art. 13 Abs. 1 Grundverordnung wird ganz bewußt auf das Ursprungskriterium verzichtet. Das ist logisch, da Produkte die unter Umgehung von bestehenden Antidumpingzöllen eingeführt werden, nicht zwingend aus dem Land stammen müssen, aus dem sie importiert werden. Anders als normale Antidumpingzölle, die nur auf Waren mit Ursprung in einem bestimmten Drittstaat verhängt werden, können Zölle zur Umgehungsabwehr auf alle Waren angewendet werden, die von dem fraglichen Drittstaat importiert werden, unabhängig von jeder Ursprungsfrage (siehe dazu auch Vermulst/Waer, E.C. AntiDumping Law and Practice, S. 380).
B. Art. 13 Grundverordnung
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Gesamtwerts der Teile der montierten Ware ausmacht. 69 Dies gilt aber dann nicht, wenn der Wert, der während der Montage oder Fertigstellung den verwendeten eingeführten Teilen hinzugefügt wird, mehr als 25% der Herstellkosten beträgt. Damit gibt Art 13 Abs. 2 b) zwei verschiedene Tests vor: Den 60%- und den 25%-Test. Beide Tests erscheinen auf den ersten Blick objektiv, rein arithmetisch und von daher unproblematisch. Bei genauerer Betrachtung und praktischer Anwendung führen sie dennoch zu einer Reihe von Problemen. Daher ist eine eingehende Untersuchung geboten. (1) Der 60%-Test
Beim 60%-Test (engl.: "value-of-parts test"70) kommt es nur darauf an, ob 60% oder mehr des Gesamtwertes der Teile einer montierten Ware ihren Ursprung in einem mit Antidumpingmaßnahmen belegten Land haben. Die übrigen 40% können aus der EG oder aber auch aus jedem beliebigen Drittstaat stammen? 1 Das erste mit einer Maßnahmenausweitung unter Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung abgeschlossene Verfahren deutet an, daß der 60%-Test wie in der Vergangenheit mit Blick auf einzelne Montagebetriebe durchgeführt wird. 72
69 Im "Dunkel Draft" waren noch 70% als Voraussetzung für Umgehungsmaßnahmen vorgesehen. Die Kommision sah aber - so ihr Explanatory Memorandum - keine Veranlassung, vor einem abschließenden Verhandlungsergebnis zum Thema Umgehungsabwehr von der auch schon unter der alten Regelung vorgesehenen und als "workable" ausgewiesenen 60%Schwelle abzuweichen. Auch wollte man die Europäische Verhandlungsposition für die Genfer Gespräche über Umgehungsabwehr nicht schwächen.- Eine Korrektur könnte hier in Zukunft anstehen. Das hängt wesentlich davon ab, ob die Verhandlungspartner im Antidumping Committee insoweit zu einem Konsens kommen. - Holmes, Anti-Circumvention under the European Union's New Anti-Dumping Rules, JWT Vol. 29, No. 3, Juni 1997 hält einen Wechsel zu einem 65% oder auch 70% Wert für möglich. - Z.Z. scheint man in der GD I aber nicht bereit, ernsthaft an einen Prozentsatz über 60% zu denken. Mit dem 60%-Test glaubt man, noch eine ganze Reihe von Fällen zu erfassen, aber auch potentielle Umgeher abschrekken zu können; bei 65% oder 70%, so ist von der Kommission zu hören, sei die Aussicht, damit ernsthaft Umgehungen abzuwehren, kaum noch von praktischer Bedeutung. - Mit dem 60%- Test ist man wohl auch insofern zufrieden, als man hier den im Ursprungsregelbereich getroffenen Wertungen sehr nahe ist (s. z. B. Fernseherursprungsregel mit 45% value added Kriterium). 70 So die Bezeichnung in der englischsprachigen Literatur, siehe z. B. Müller I Khan/ Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384/96, Rz. 13.32; Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 383. 71 So auch Müller!Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Rz. 13.33; Holmes, Anti-Circumvention under the European Union's New AntiDumping Rules, JWT, Vol. 29, No. 3, June 1995, S. 167. 72 Fahrräder, ABI. 1997, L 16/55 (57), Erwägungsgrund (14) ff.; siehe aber Elektronische Waagen, ABI. 1997, L 141 I 57 (58), Erwägungsgrund (11) und ABI. 1997, L 141/61 (62) Erwägungsgrund (13): Hier wurden jeweils zwei geschäftlich miteinander verbundene und funktionell voneinander abhängige Unternehmen als ein Montagebetrieb angesehen.
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Im Rahmen des 60%-Tests sind für den Untersuchungszeitraum zweierlei Werte zu ermitteln. Zum einen muß der Wert der im Montagebetrieb verwendeten Teile mit Ursprung im fraglichen Land ermittelt werden. Zum anderen ist auch der Gesamtwert aller bei der Montage in diesem Betrieb verwendeten Teile zu ermitteln. Es geht bei letzterem hingegen nicht um den Gesamtwert des montierten Endprodukts. (a) Die Ermittlung des Wertes von Teilen im allgemeinen Die Grundverordnung enthält- anders als der ,,Dunkel Draft"73 -keinerlei Hinweis auf die Art und Weise, in der der Wert von in Montagevorgängen verarbeiteten Teilen zu ermitteln wäre. In der Vergangenheit, d. h. unter Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88, hat die Gemeinschaft den Wert von Teilen auf der Basis der "into factory, duty paid"-Preise ("frei Werk, verzollt") ermittelt. 74 Als Wert wurde mithin der Einkaufspreis angesetzt, den der untersuchte Montagebetrieb im Untersuchungszeitraum für die Teile zu zahlen hatte. Dieser Preis umfaßte mithin auch die Kosten für den Transport bis zum Montagebetrieb und alle damit verbundenen Kosten, ferner Zoll und Zollabfertigungsgebühren etc. Inzwischen hat eine der Entscheidungen zu Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung deutlich gemacht, daß die Gemeinschaft daran wohl auch in Zukunft festhalten wird. In dem Verfahren zu elektronischen Waagen75 • 76 wurde der Wert der Teile "in der Regel auf der Grundlage der Einkaufspreise bei Lieferung an den Montagebetrieb, d. h. auf der Stufe an Werk" ermittelt. 77 Dazu fordert die Gemeinschaft die betroffenen Unternehmen auf, ihre Einkaufspreise für alle von der Untersuchung betroffenen Teile mitzuteilen. Ferner verlangt die Gemeinschaft nach Informationen zum Ursprung aller Teile und dringt u.U.
73 Fußnote 1 aufS. F.22 ("Dunkel Draft"): "The cost of apart or component is the arm's length acquisition price ofthat part or component, or in the absence of such a price (including when parts or components are fabricated intemally by the party assembling or completing the product in the importing country) the total material, Iabor and factory overhead costs incurred in the fabrication of the part or component." 74 Normalpapierkopierer, ABI. 1988, L 284136 (38), Erwägungsgrund (12); Hydraulische Bagger, ABI. 1988, L 101124 (25) Erwägungsgrund (8); Elektronische Waagen, ABI. 1988, L 10111 (2), Erwägungsgrund (8); Elektronische Schreibmaschinen, ABI. 1988, L 101 I 4 (5), Erwägungsgrund (9); Kugellager, ABI. 1989, L 25190 (91), Erwägungsgrund (9). 75 VO 984197, ABI. 1997, L 141 I 57 (58), Erwägungsgrund (11). 76 Die VO zur Maßnahmenausweitung im Fahrräder-Verfahren - ebenfalls ein Verfahren zu Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung- enthält in dieser Hinsicht hingegen überhaupt keinen Hinweis. 77 Insoweit bestätigend: Müller I Khan/ Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384196, Art. 13, Rz. 13.35.
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auch auf Material- und Kostenaufgliederungen für die einzelnen Teile, wo sie den Ursprungsangaben oder auch den Ursprungszertifikaten mißtraut. 78 Ein in diesem Zusammenhang in der Praxis häufig auftretendes Problem ist das der Transferpreise (engl.: "transfer prices"). Darunter versteht man das Preisgebahren zwischen miteinander verbundenen Unternehmen. Wo Transferpreise aus Sicht der Gemeinschaft nicht die tatsächlichen Kosten des (verbundenen) Lieferanten deckten, wurden seit jeher Korrekturen vorgenommen. Dabei wurden entweder die Preise zugrundegelegt, die beim Einkauf von einem unabhängigen dritten Lieferanten zu zahlen gewesen wären oder aber sämtliche Produktionskosten inkl. Vertriebs-, Verwaltungs- und Gemeinkosten (nachfolgend: "VVG-Kosten"; engl.: SGA (selling, generaland administrative costs)), die sich aus den Büchern des verbundenen Lieferanten ergaben.79 Auch insoweit wird die alte Praxis vom neuen Verfahren in Sachen elektronische Waagen bestätigt. Da die Hersteller aus Japan und Singapur in diesem Verfahren mit den Montagebetrieben in der Gemeinschaft verbunden waren, wurde auch gepriift, ob die den Montagebetrieben in Rechnung gestellten Preise den Marktpreisen entsprachen, mithin über den Produktionskosten für die Teile zuzüglich eines angemessenen Gewinns bzw. über den Einkaufspreisen lagen. 80 Wäre dem nicht so gewesen, hätte die Kommission Anpassungen vorgenommen. Sie bleibt insoweit ganz der schon unter der alten Regelung vorgenommenen Wertbestimmung treu. (b) Wertbestimmung bei vormontierten Teilen Besondere Probleme ergeben sich bei der Wertbestimmung von vormontierten Teilen (engl.: "sub-assemblies", "sub-parts"). Oft werden für einen Endmontagevorgang vorbereitete "Teile" ihrerseits aus zwei oder mehreren Einzelteilen (Materialien) bestehen, die dann auch noch unterschiedlicher Herkunft sind. Fraglich ist in diesen Fällen, was als Teil iSv. Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung anzusehen ist. Je nach dem sind die für den 60%-Test erforderlichen Ursprungsbetrachtungen mit Blick auf die vormontierten Teile oder auch mit Blick auf deren einzelne Bestandteile vorzunehmen. Denkbar wäre, vormontierte Teile gedanklich in ihre kleinsten Bestandteile zu zerlegen und grundsätzlich nur diese kleinsten Bestandteile als "Teile" iSv. Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung anzusehen. 81 Bei vormontierten Teilen, für die ein Ur78 79
(11).
Siehe Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 383. Elektronische Schreibmaschinen, ABI. 1988, L 101 I 4 (5), Erwägungsgrund (10) und
VO 984197, ABI. 1997, L 141 I 57 (59), Erwägungsgrund (13). Diese Vergehensweise wird teilweise als "molecular approach" bezeichnet. Siehe z. B. Van Bael/Bellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Laws of the EC, 3rd ed., S. 355. Der "molecular approach" ist nicht mit dem "destruction test" zu verwechseln. 80 81
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
sprung außerhalb des mit Antidumpingmaßnahmen belegten Exportlandes deklariert wird, ließen sich so kleinste Bestandteile herausfiltern, bei denen letztlich doch der Ursprung in eben diesem Exportland liegt. Auf diese Weise ließen sich im Einzelfall u.U. eine größere Anzahl von "Teilen" mit Ursprung im Exportland nachweisen und damit aus Sicht der Gemeinschaft eher die 60%-Marke als Voraussetzung für die Ausweitung von Antidumpingmaßnahmen erreichen. So könnte sich die Gemeinschaft gegen gezielten "Teile-Mix" zur Wehr setzen. 82 Problematisch ist dieser Ansatz insofern, als es im Einzelfall schwierig sein wird, zu bestimmen, wo das Zerlegen in "kleinste Bestandteile" ein Ende haben muß. 83 Ferner wäre dieser Ansatz aus Sicht des montierenden Unternehmens nicht unproblematisch. Es wird nur selten wissen, ob ein angekauftes Teil Bestandteile mit Ursprung im Exportland enthält. Und selbst wenn es über diese Information verfügt, ist es unwahrscheinlich, daß es von seinem Lieferanten Informationen über den Wert dieser Bestandteile erlangt. Und schließlich würde auch die Kommission Probleme haben, hier verläßliche Informationen zu bekommen. Das würde z. B. die Kooperationsbereitschaft des Lieferanten voraussetzen. Im übrigen stieße man hier schnell an praktische Grenzen, wenn eine größere Zahl von Lieferanten existiert. Die Gemeinschaft geht mit Blick auf diese Probleme einen teilweise anderen Weg. Eine gedankliche Zerlegung von vormontierten Teilen (auch halbfertigen Waren) erfolgt nur dort und nur soweit eine derartige Zerlegung auch tatsächlich möglich wäre, ohne dabei die einzelnen Bestandteile zu beschädigen. 84 Erst auf der damit gedanklich erreichten Produktionsebene werden dann die Ursprungsbetrachtungen des Art. 13 Abs. 2 a) Grundverordnung angestellt und es wird daran anknüpfend festgestellt, ob der Wert der Teile mit Ursprung im Exportland 60% oder mehr des Wertes aller Teile der montierten Ware ausmacht. 85 82 Wo hingegen für vormontierte Teile der Ursprung im Exportland angegeben wird, besteht kein Bedarf für dieses Vorgehen. Siehe auch Stanbrook/Bentley, Dumping and Subsidies, S. 81. 83 Stanbrook/ Bentley, Dumping and Subsidies, S. 81 führen zur Illustration des Problems als Beispiel Farbbänder für elektrische Schreibmaschinen an. Diese bestehen regelmäßig aus einem mit Tinte getränkten Stoffstreifen der im Inneren eine Plastikkartusche um eine Spindel gewunden ist und außen meist mit einem Etikett beklebt ist. Soll nun das Farband als "Teil" einer Schreibmaschine angesehen werden oder soll es gedanklich zerlegt werden in Plastik, Plastikfarbstoff, Stoff (u.U. Baumwolle), Tintenfarbstoff, Wasser, Etikett und Druckfarbstoff auf dem Etikett? 84 Holmes, Anti-Circumvention under the European Unions's New Anti-Dumping Rules, JWT Vol. 29, No. 3, June 1995, S. 161 (168) Fn. 20 spricht vom "destruction test": Wenn ein Teil in seine Bestandteile zerlegt, dann aber auch wieder zusammengesetzt werden kann, so handelt es sich bei dem zu betrachtetenden Teil tatsächlich um eine Ansammlung von mehreren einzelnen "Teilen"( Holmes führt als Beispiel einen Füller an). Wenn hingegen ein Gegenstand nicht in seine Bestandteile zerlegt werden kann, ohne gleichzeitig auch zerstört zu werden, so handelt es sich um ein einheitliches Komposit-Teil (Holmes Bsp.: Bleistift). 85 Siehe Elektronische Waagen, ABI. 1997, L 141/61 (62) Erwägungsgrund (13). Damit wird angeküpft an die Praxis unter der alten Umgehungsvorschrift seit Serielle Punkt-MatrixDrucker, ABI. 1989, L 291152 (53) und L 291157 (58), Erwägungsgrund (12) und Kugel-
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Dieser Ansatz ist von der Gemeinschaft mit Bedacht gewählt worden. Er vermeidet die angesprochenen praktischen Probleme einer unbegrenzten gedanklichen Zerlegung in kleinste Bestandteile. Zusätzlich fördert er in zweifacher Weise das Erreichen bzw. Überschreiten der 60%-Schwelle, erleichtert mithin bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen den Umgehungsvorwurf. Zum einen ermöglicht das gedankliche Zerlegen u.U. das Identifizieren eines größeren Anteils von Teilen mit Ursprung im Exportland, für das die Antidumpingmaßnahmen gelten. Zum anderen wird der Wert von Teilen mit Ursprung außerhalb des Exportlandes verkleinert. Wird ein vormontiertes Teil gedanklich in seine Bestandteile (Materialien) zerlegt, bleibt für die anschließende wertmäßige Betrachtung im Rahmen des 60%-Tests nur noch der Wert dieser Bestandteile übrig. Die Kosten der Vormontage, Vertriebs-, Gemein- und Verwaltungskosten sowie der Gewinn des vormontierenden Betriebes werden hingegen ausgeklammert. Diese Posten gehören dann ja nicht mehr zum Wert der betrachteten "Teile". Wo hingegen nicht gedanklich zerlegt wird, kommt dies bei vormontierten Teilen, die ihren Ursprung außerhalb des fraglichen Exportlandes haben, dem Montagebetrieb zugute. Dann trägt der komplette Wert des vormontierten Teils (Materialkosten, Kosten der Vormontage, Vertriebs-, Gemein- und Verwaltungskosten und Gewinn des vormontierenden Unternehmens) zum Erreichen der aus Sicht des Montagebetriebes rettenden 40% des Wertes aller bei der Montage verwendeten Teile bei. Das wird mit dem Ansatz der Gemeinschaft soweit als möglich vermieden. (c) "ln-house" produzierte Teile und der 60%-Test Fraglich ist ferner, ob und inwieweit "in-house"86, d. h. im Montagebetrieb selbst produzierte Teile, beim 60%-Test zu berücksichtigen sind. Denkbar wäre, diese voll und ganz dem 60%-Test zu unterstellen. Das würde dem Montagebetrieb jedenfalls dann zugutekommen, wenn die "in-house"-Produktion nicht ihrerseits auf Materialien zurückgreift, die ihren Ursprung im Land haben, für das Antidumpingmaßnahmen gelten. Dadurch würde sich für den Montagebetrieb die Chance erhöhen, durch Einsatz von "in-house" produzierten Teilen die 60%-Marke zu unterschreiten und damit auch dem Umgehungsvorwurf zu entgehen. - Möglich wäre auch, den Wert von "in-house" produzierten Teilen gar nicht dem 60%-Test, sondern statt dessen ganz dem 25 % Test zuzuordnen. Auch dieser Ansatz würde den Montagebetrieb bei Überschreiten der 25%-Marke vor der Ausweitung von Antidumpingmaßnahmen schützen. Iager, ABI. 1989, L 25/90 (91), Erwägungsgrund (9). Siehe auch Vennulst/Waer. E.C. AntiDumping Law and Practice, S. 383; Müller!Khan / Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 13, Rz. 13.36 deuten an, daß es wohl auch in Zukunft bei dieser Praxis bleiben wird. 86 Vennulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 384 sprechen von "locally originating parts".
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Unter der alten Umgehungsregelung hat die Gemeinschaft bei "in-house" produzierten Teilen zunächst nur den Wert der Bestandteile dieser Teile berücksichtigt und diesen gegebenenfalls dem Wert der nicht aus dem Exportland stammenden Teile zugeschlagen. 87 Der verbleibende Wert der "in-house" produzierten vormontierten Teile (Vormontagekosten, Vertriebs-, Gemein- und Verwaltungskosten und Gewinn) wurden hingegen - anders als bei den Teilen aus dem Exportland - bei der Wertberechnung außer Acht gelassen. 88 Der Umstand, daß damit "in-house" geschaffener Mehrwert bei den Berechnungen der Wertanteile in zum Teil nicht unerheblichem Umfang ausgeklammert wurde, hat der Gemeinschaft von den damals betroffenen japanischen Unternehmen heftige Kritik eingebracht. Daran konnte auch die in späteren Fällen vorgenommene Einbeziehung gewisser "inhouse" angefallener Produktionskosten89 in den Wert der nicht aus dem Exportland stammenden Teile nichts ändern. 90 Der unter Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung eingeschlagene Weg scheint ein neuer zu sein. Was "in-house" hergestellt, montiert oder entwickelt wird, gilt nur dann als einzelnes Teil iSv. Art. 13 Abs. 2 a) und b) Grundverordnung, wenn "die Herstellung, Montage oder Entwicklung nicht rückgängig gemacht werden [kann], ohne den Wert der Komponente erheblich zu verringern".91 • 92 Ist Rückgängigmachung möglich, werden nur die einzelnen Bestandteile eines vormontierten Teils beim 60%-Test berücksichtigt. Der "in-house" geschaffene Mehrwert, so z. B. die Montage ist hingegen beim 25%-Test zu berücksichtigen. 93 Damit bekennt sich die Gemeinschaft im Zusammenhang mit "in-house"-Produktion erstmals ausdrücklich zum sogenannten "destruction test". 94 Das kann sich
"Molecular approach"; siehe oben, Teil 3, B. II. 1. a) aa) (1) (b). Siehe Elektronische Waagen, ABI. 1988 L 101 I 4 (5), Erwägungsgrund (11), Hydraulische Bagger; ABI. 1988 L 101124, Erwägungsgrund (9). 89 Dabei handelte es sich aber ausdrücklich nicht um die im Sreit befindlichen Vormontagekosten. 90 Normalpapierkopierer, ABI. 1988, L 284136 (38), Erwägungsgrund (14); Kugellager, ABI. 1989, L 25190 (91), Erwägungsgrund (8): "In-house"-Produktionkosten sollten aber nur dann dem Wert der nicht aus dem Exportland stammenden Teile zugeschlagen werden, wenn es sich um Teile iSv. Art. 13 Abs. 10 a) VO 2324188 handelte und für diese Teile Gemeinschaftursprung iSd. VO 802 I 68 angenommen werden konnte. - Diese Produktionskosten waren aber nach dem Willen der Gemeinschaft von den Montagekosten zu unterscheiden. Letztere sollten dem Wert der nicht aus dem Exportland stammenden Teile auch weiterhin nicht zugerechnet werden. 91 Elektronische Waagen, ABI. 1997, L 141161 (62), Erwägungsgrund (13). 92 Für diese nicht demontierbaren Teile werden dann bei der Wertbestimmung die Kosten der verwendeten Teile zuzüglich der direkten Arbeitskosten und der Fertigungsgemeinkosten zugrundegelegt Siehe dazu ABI. 1997, L 141161 (63), Erwägungsgrund (14). 93 Elektronische Waagen, ABI. 1997, L 141161 (62), Erwägungsgrund (13), zweiter Absatz. 94 Siehe oben, Teil 3, B. II. 1. a) aa) (1) (b). 87 88
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zugunsten des Montagebetriebs auswirken, wenn mit Blick auf das konkrete vormontierte Teil nicht "zerlegt" wird und das vormontierte Teil nach den EG-Ursprungsregeln Gemeinschaftsursprung hat. - Kommt die Gemeinschaft bei Anwendung des "destruction test" hingegen zu der Auffassung, das vormontierte Teil sei bei der Wertermittlung für den 60%-Test in seine Bestandteile aufzugliedern, hat sich im Vergleich zur heftig kritisierten alten Rechtslage kaum etwas verändert. Der "in-house" geschaffene Mehrwert (Montagekosten etc.) wird jetzt aus der Betrachtung zwar nicht mehr völlig ausgeklammert. Die Aufspaltung des Wertes von "in-house" vormontierten Teilen in den Wert der einzelnen Bestandteile und den bei der Produktion geschaffenen Mehrwert und die Behandlung in zwei verschiedenen Tests stellt aber nach wie vor eine Ungleichbehandlung im Verhältnis zu aus dem Exportland stammenden vormontierten Teilen dar. 95 Deren Wert wird ja ungekürzt in den 60%-Test eingebracht und damit letztlich gegen den Montagebetrieb verwendet. Das wird regelmäßig auch nicht durch die Berücksichtigung des "inhouse" produzierten Mehrwertes beim 25%-Test ausgeglichen. Reine Montagekosten werden nur äußerst selten die 25%-Schwelle erreichen, was erforderlich wäre, um den Umgehungsvorwurf zu entkräften. Dem alten Vorwurf der mangelnden Berücksichtigung des "in-house" geschaffenen Mehrwerts wird mithin auch unter der neuen Vorschrift nur oberflächlich begegnet. Die Aufteilung des Wertes von "in-house" produzierten Waren auf die zwei Tests des Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung schwächt die Verteidigungsposition des untersuchten Montagebetriebes u.U. ganz erheblich. Die Aufteilung des Wertes auf zwei Tests macht es für ihn schwerer, die 60% -Schwelle des Wertes eingeführter Teile zu unterschreiten bzw. die rettenden 25% Mehrwert zu überschreiten. Dies hatte zwar in den Verfahren zu elektronischen Waagen letztlich keine Auswirkung; negative Folgen sind aber für den mutmaßlichen Umgeher im Einzelfall in der Zukunft durchaus möglich. Dieser Ansatz der Gemeinschaft deutet auf eine eher extensive Auslegung und Anwendung von Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung hin. Aus Sicht von Montagebetrieben wäre eine Korrektur wünschenswert. Wenn schon "in-house" produzierte Teile nicht dem 25% Test zugeordnet werden, dann sollten diese den aus dem Exportland importierten Teilen zumindest für die Wertermittlung innerhalb des 60% Tests gleichgestellt werden.
95 Den Vorwurf der Ungleichbehandlung lehnen Vertreter der GD I aber regelmäßig ab. Sie weisen darauf hin, daß grundsätzlich alle den Montagebetrieb erreichenden Teile streng formal gleich behandelt werden und quasi beim Eintritt in den Betrieb bewertet würden. Es würde dabei eben gerade kein Unterschied zwischen vormontierten Teilen aus dem Exportland und Materialien oder Teilen gemacht, die den Betrieb zur betriebsinternen Vormontage erreichen. - Das mag bei formaler Betrachtung stimmen. Materiell führt die Praxis der Gemeinschaft dennoch zu einer Ungleichbehandlung zwischen aus dem Exportland stammenden und im Montagebetrieb vormontierten Teilen.
6 Bimstiel
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
(d) "Multi-country proceedings" und der 60%-Test Fraglich ist auch, wie der 60%-Test in Fällen angewendet werden soll, in denen im Ausgangsverfahren für Produzenten der gleichen Ware aus mehreren Ländern Antidumpingzölle verhängt werden ("multi-country proceedings"). Wenn z. B. mit Blick auf eine bestimmte Ware bei der Einfuhr aus Land A und Land B in den Gemeinschaftsmarkt jeweils Antidumpingzölle erhoben werden und ein Produzent aus Land C diese Ware unter Zuhilfenahme von 50% Teilen aus Land A und 15% Teilen aus Land B produziert und ebenfalls in die Gemeinschaft ausführt, stellt sich die Frage, ob diese Anteile dann kumuliert werden müssen. Bei Kumulation wäre die 60%-Marke mit 65% deutlich überschritten und insoweit die Voraussetzung für die Zollausweitung gegeben. Ohne Kumulation könnte der Produzent aus Land C bei entsprechend geschicktem Einkauf zu einem erheblichen Prozentsatz auf Teile aus den von Antidumpingmaßnahmen betroffenen Ländern zurückgreifen, ohne eine Ausweitung der Antidumpingzölle fürchten zu müssen. Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung trifft insoweit keine Aussage. Er bezieht sich lediglich unter a) auf Teile, die "ihren Ursprung in dem Land haben, für das Maßnahmen gelten". 96 Daraus ließe sich u.U. ableiten, daß Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung nur den Fall erfaßt, in dem Antidumpingmaßnahmen gegen ein Land ergriffen worden sind. Auch ein Rückgriff auf die Verfahren zu Art. 13 Abs. lO VO 2324 I 88 hilft in dieser Hinsicht nicht weiter, da sich das Problem damals nicht gestellt hat. In allen alten Fällen handelte es sich um die Umgehung von Antidumpingzöllen, die japanischen Herstellern mit Blick auf deren Montagetätigkeit in der Gemeinschaft auferlegt worden sind. Einzig betroffenes Land war Japan. Mit der Entscheidung in Sachen elektronische Waagen deutet sich an, daß die Gemeinschaft in "multi-country proceedings" im Zusammenhang mit dem 60%Test kumuliert. 97 - Das erscheint vernünftig. Andernfalls könnten Montagebetriebe - wie schon angedeutet - das 60% Kriterium mittels eines "Teile-Mixes" relativ leicht "umgehen". Beim Einkauf müßte nur darauf geachtet werden, daß aus dem einzelnen von Antidumpingmaßnahmen betroffenen Land wertmäßig nicht mehr als 60% der Teile bezogen werden. (e) Würdigung des 60%-Tests Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, daß der 60%-Test mit einer Reihe von schwierigen, teilweise offenen Fragen belastet und bei weitem nicht so einfach zu handhaben ist, wie man grundsätzlich bei einem arithmetischen Test vermuten würde. 98 Dabei ist anzumerken, daß hier nur auf markante Punkte hingewieHervorhebung vom Verfasser hinzugefügt. ABI. 1997, L 141 I 57 (59), Erwägungsgrund (14). 98 Indiz für die Schwierigkeiten, die mit dem 60%-Test verbunden sind, ist auch, daß eine der ersten Klagen im Zusammenhang mit Art. 13 Grundverordnung im wesentlichen mit 96 97
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senwerden konnte. Es ist durchaus zu erwarten, daß die Praxis zu Art. 13 Abs. 2 b) 1. HS. Grundverordnung im Laufe der Zeit noch andere schwierige Detailprobleme mit sich bringen wird. Trotz allem sorgt ein solcher Test mit festen prozentualen Schwellen für Montagefälle eher für Transparenz und Vorhersehbarkeit als ein Test, bei dem jeweils Einzelfallentscheidungen ergehen müssen, ohne daß eine feste Richtschnur vorgegeben wäre. Insofern ist der Test für alle Beteiligten als positiv zu werten. Bei den Anforderungen an Transparenz und Vorhersehbarkeit darf nicht vergessen werden, daß es sich um eine Umgehungsvorschrift handelt, die von Natur aus generalklauselartigen Charakter haben muß, um einer unbestimmten Vielzahl von zukünftigen Umgehungsfallen gerecht werden zu können. Im übrigen muß die Bestimmung in ihrem völkerrechtlichen Kontext gewürdigt werden. Der Rahmen des internationalen Antidumpingrechts, der hier den Maßstab abgibt, ist selber nicht von einem Höchstmaß an Klarheit, Transparenz und Vorhersehbarkeit geprägt. Hinzu kommt, daß im Wirtschaftsvölkerrecht der Grundsatz der Reziprozität gilt und mithin der Gemeinschaft hier im Prinzip nicht mehr abverlangt werden kann, als ihre Handelspartner bieten. (2) Der 25%- Test Der zweite Test in Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung ist der 25%-Test ("valueadded test"99). Wenn der Wert, der den verwendeten eingeführten Teilen während der Montage oder Fertigstellung hinzugefügt wird, mehr als 25% der Herstellkosten100 beträgt101 · 102, besteht eine unwiderlegliche Vermutung dafür, daß keine diesem Test befaßt ist; siehe die anhänigige Klage Starway SA/Rat, eingereicht am 28. März 1997, Rs. T-80/97, ABI. 1997, C 212/27: Der Rat, so der Vorwurf der Kläger, sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Fahrradteile aus China, die die Klägerin im Untersuchungszeitraum eingeführt habe, 60% oder mehr des Gesamtwertes der Teile des montierten Erzeugnisses dargestellt hätten. 99 So die englischsprachige Terminologie; siehe z. B. Vermulst/Waer, E.C. Antidumping Law and Practice, S. 384. 100 So die Begrifflichkeil in der deutschen Fassung der Grundverordnung; eng!. Fassung: "manufacturing costs"; auch zu übersetzen mit Herstellungskosten. 101 Stanbrook/Bentley, Dumping and Subsidies, S. 82 geben folgendes Rechenbeispiel, in demtrotzeines Überschreitens der 60% Markeaufgrund der 25% Regel keine Umgehung vorliegt: "Parts imported from country subject to measures 65 Parts imported from third countries 35 Total value of parts I 00 Community manufacturing costs 50 Total costs !50 Added value 50/150 = 33,3%" 102 Dieser "value added"-Test unterscheidet sich in zweilerlei Hinsicht von den "value added"-Tests, die regelmäßig im Zusammenhang mit Ursprungsuntersuchungen unternommen 6*
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
"Umgehung" vorliegt. Die Anwendung von Umgehungsabwehrmaßnahmen ist in solchen Fällen ausgeschlossen. Inspiriert wurde diese Regelung offensichtlich durch den "Dunkel Draft". In diesem sah Art. 12 (v) vor, daß die Annahme einer Umgehung ausgeschlossen sein soll, "if the value added by the assembly or completion operation is greater than 25 per cent of the ex-factory cost ...".
Im übrigen ist sie sicher auch Reaktion auf die in der Vergangenheit von japanischer Seite geäußerte sehr heftige Kritik daran, daß unter Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 der in Montagebetrieben geschaffene Mehrwert gänzlich unberücksichtigt blieb. 103 Der 25%- Test ist in dieser Form und Bestimmtheit neu. Etwas Vergleichbares gab es unter Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 noch nicht. 104 Dort war lediglich vorgesehen: "Bei der Anwendung dieser Vorschrift werden die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt, unter anderem die variablen Kosten der in der Gemeinschaft durchgeführten Montage oder Herstellung, Forschung und Entwicklung sowie dort eingesetzten Technologie."
Das hätte zwar theoretisch einen dem 25 %-Test vergleichbaren Effekt haben können. Die Vorschrift fand aber in der Praxis - wohl weil zu unbestimmt und schon vom Wortlaut her wenig zwingend - keine Anwendung. Für die konkrete Anwendung des 25%-Test ist einmal der in Art. 13 Abs. 2 b) 2. HS. Grundverordnung verwendete Begriff der "Herstellkosten" näher zu bestimmen. Außerdem ist zu ermitteln, was mit dem Merkmal "Wert, der während der Montage oder Fertigstellung den verwendeten eingeführten Teilen hinzugefügt wurde" gemeint ist.
werden. In Ursprungsuntersuchungen wird im allgemeinen nicht nur der Wert berücksichtigt, der während der Montage oder Fertigstellung den verwendeten eingeführten Teilen hinzugefügt wird, sondern auch der Wert der einheimischen Teile wird in die Rechnung rniteinbezogen. Im übrigen wird der hinzugefügte Wert ("value added") nicht in Relation zu den Herstellkosten gesetzt; verglichen werden vielmehr hinzufügter Wert und der "ex works-Preis" der fertigen Ware (d. h. incl. Vertriebs-, Verwaltungs- und Gemeinkosten und Gewinnmarge). 103 Siehe oben, Teil 3 , A. I. 104 Im Parts-Panelverlabren hatte die Gemeinschaft value-added-Kriterien noch als unbrauchbar abgelehnt: " ... the EEC, in evaluating the nature of assembly operations, relied on purely objective and easily verfiable criteria, such as the value of the parts used in the assembly operation, and not on subjective notions such as value added which might be artificially fixed to realize a particular profit in the country of assembly depending on the corporate requirements of the exporting company"(Hervorhebung durch den Verfasser) (Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (165), Rz. 3.82).
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(a) Herstellkosten Als Bezugsgröße für den 25%-Test weist Art. 13 Abs. 2 b) 2. HS. Grundverordnung die "Herstellkosten" aus. Eine eindeutige Definition dieses Begriffs hat die Gemeinschaft bislang nicht geliefert. In einer der verfahrenseinstellenden Verordnungen im Fall der elektronischen Waagen findet sich bislang nur eine Andeutung. Danach setzten sich Herstellkosten "im wesentlichen aus dem auf dem Markteinkaufspreis an Werk basierenden Wert aller Teile zuzüglich der Wertsteigerung während der Montage oder Fertigstellung" zusammen. 105 Herstellkosten im Sinne von Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung 106 sind identisch mit den Herstellkosten im Sinne von Art. 2 Abs. 3 Grundverordnung 107 bei der Normalwertermittlung, umfassen also Teile, Grundstoffe, Arbeitskosten und Fertigungsgemeinkosten (inkl. Forschungs- und Entwicklungskosten etc.), aber weder VVG-Kosten noch eine Gewinnmarge. 108 Gewichtigstes Argument dafür ist die Ähnlichkeit des 25%-Tests der Grundverordnung mit seinem Vorbild im "Dunkel Draft". Diese Ähnlichkeit legt nahe, die nicht näher definierten "Herstellkosten" iSv. Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung so auszulegen, wie die "ex-factory cost" im "Dunkel Draft". Letzterer präzisiert in einer Fußnote zu Art 12, daß eben "cost of materials, labour and factory overheads" gemeint sind. Mehrwertbetrachtungen mit dem Bezugspunkt "Herstellkosten" ("ex-factory cost") müssen als eine klare, bewußte Entscheidung für eine limitative Handhabung des 25 %-Tests angesehen werden. Mehr als 25% der Herstellkosten in einem Montagebetrieb zu erwirtschaften, ist verhältnismäßig schwierig. Einfacher zu erreichen wären etwa 25% des Preises ab Werk ("ex-factory price"), da dann VVG-Kosten und Gewinn in der Mehrwertberechnung mitzuerfassen wären und sich durchaus zugunsten des Montagebetriebes auswirken könnten. Die handelspolitische Entscheidung der Gemeinschaft zugunsten der Herstellkosten muß vor dem Hintergrund gesehen werden, daß man sich davon in einem besonders wichtigen Produktbereich, nämlich dem der (Verbraucher-) Elektronik, Vorteile versprach. Der Elektronikbereich ist eines der Hauptbetätigungsfelder der europäischen Antidurnpingpolitik, d. h. ein Bereich, in dem die Gemeinschaft eine Fülle von Antidumpingmaßnahmen erlassen hat und wohl auch weiterhin erlassen wird. 109 Hier sah und sieht sich die ABI. 1997, L 141/57 (59), Erwägungsgrund (15). In der englischen Fassung: "manufacturing cost". 107 In der englischen Fassung: "cost of production". 108 Holmes, Anti-Circumvention under the European Union's New Anti-dumping Rules, JWT, Vol. 29 No. 3, June 1995, S. 161 (170); Vennulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 384; Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 13, Rz. 13.41. 109 Beispielhaft sei hier auf Produkte wie Farbfernseher, Videorecorder, Faxgeräte, elektronische Schreibmaschinen, Photokopiergeräte, elektronische Waagen, optische Laserabnehmersysteme und Bauteile wie Halbleiter und Kondensatoren verwiesen. 105
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Gemeinschaft jeweils im Gefolge ihrer Antidumpingmaßnahmen umfangreichen Produktionsverlagerungen - vorwiegend in Niedriglohnländer - ausgesetzt. Würde man da den Umgehungsvorwurf schon bei einer Mehrwertschöpfung von 25% des "ex works" ("ab Werk") Preises fallen lassen, könnte man der Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer nicht mehr viel entgegenhalten, sähe sich mithin erneut dem Effizienzproblem im Antidumpingbereich ausgesetzt. 110 (b) "Wert, der während der Montage oder Fertigstellung [ ... ] hinzugefügt wurde" Die Bedeutung dieser Formulierung erschließt sich nicht schon aus der einfachen Lektüre von Art. 13 Abs. 2 b) 2. HS. Grundverordnung. Auch dieses Tatbestandsmerkmal ist erstmals im Verfahren in Sachen elektronische Waagen konkretisiert worden. Der Wert, der den Teilen iSd. 25%-Tests hinzugefügt wird, wird danach durch "die Summe der Arbeitskosten und der Fertigungsgemeinkosten bestimmt, die [ ... ] nach Lieferung bei der eigentlichen Montage anfielen. Die Vertriebs-, Verwaltungs- und Gemeinkosten, die Gewinne und die Teile mit angeblichem Gemeinschaftsursprung wurden grundsätzlich nicht als Wertsteigerung im Sinne von Art. 13 Abs. 2 Buchstabe b) der Grundverordnung angesehen." 111
Die auf diese Weise ermittelte Wertsteigerung wird dann als Prozentsatz der Herstellkosten ausgedruckt, die sich im wesentlichen aus dem auf dem Markteinkaufspreis an Werk basierenden Wert aller Teile zuzüglich der Wertsteigerung der Teile während der Montage oder der Fertigstellung zusammensetzen. Diese Ausführungen aus der Verordnung zur Einstellung des Verfahrens bezüglich der behaupteten Umgehung von Antidumpingzöllen auf elektronische Waagen durch Montage in der Gemeinschaft ergeben noch kein abschließendes Bild über das, was Mehrwert iSv. Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung ist. Hier werden nur schlicht "Teile mit angeblichem Gemeinschaftsursprung" von den Mehrwertbetrachtungen ausgeschlossen. Unklar bleibt aber, ob der Wert der Bestandteile von "in-house" vormontierten Teilen mehrwertfähig ist oder nicht. 112 110 Daß auch im "Dunkel Draft" auf Mehrwert von mehr als 25% der "ex-factory cost" abgestellt wurde, beruht auf den vereinten Bemühungen der USA und der Gemeinschaft, deren Interessen insofern gleichgerichtet sind. Auch die USA sind im Elektronikbereich mit Antidumpingmaßnahmen stark vertreten. 111 VO 984/97, ABI. 1997, L 141/57 (59), Erwägungsgrund (15) (Hervorhebung vom Verfasser hinzugefügt). 112 A.A. offensichtlich Müller!Khan/Neumann, EC Antidumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 13, Rz. 13.41: "The 25% refers to the value added to the assembled product within the factory and may cover such items as labour costs, manufacturing overheads and the value of parts manufactured intemally by the company carrying out the assembly operation." (Hervorhebung durch den Verfasser) unter Verweis auf die gleiche Ratsverordnung.
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Eindeutig erscheint insoweit aber die verfahrenseinstellende Verordnung des Rates im Parallelverfahren zur behaupteten Drittlandsumgehung. Aus ihr ergibt sich, daß die Gemeinschaft auch bei "in-house" produzierten Teilen die Materialkosten dem 60%-Test zuschlägt. 113 Nur Montagekosten von "in-house" vormontierten Teilen werden als Mehrwert betrachtet, der "während der Montage ... den verwendeten ... Teilen hinzugefügt wird" und deshalb bei der Berechnung der 25%Schwelle zu beriicksichtigen ist; das aber auch nur, sofern diese Teile unter dem Gesichtspunkt des "destruction test" als demontierbar angesehen werden können. 114, 115 Das Thema der "in-house" produzierten Teile wird hier trotz der ausführlichen Behandlung im Zusammenhang mit dem 60%-Test noch einmal aufgegriffen, weil sich die Entscheidung über deren Einordnung maßgeblich auf Bedeutung und Tragweite des 25%-Tests auswirkt. Es gibt zwar Stimmen, nach denen die Einordnungsfrage an Brisanz verloren haben soll. Dazu wird angeführt, daß eine Einordnung jedenfalls entweder beim 60%- oder beim 25% -Test zu erfolgen habe und beides grundsätzlich dem Montagebetrieb zugutekäme. 116 Dem kann aber allenfalls bedingt zugestimmt werden. Tatsächlich muß darauf hingewiesen werden, daß die Zuordnung für die praktische Relevanz des 25%-Tests doch von maßgeblicher Bedeutung ist. Vertritt man die Auffassung, daß bei dem 25%-Test nur die Herstellkosten erfaßt werden, die nicht Materialkosten (Wert der Teile) sind 117, so wird der 25%-Test nur äußerst selten erfüllt sein. Die Kosten für die reine Montage werden regelmäßig keine 25% ausmachen. 118 Würde man hingegen "in-house" produzierte Teile innerhalb der 25% Ratio beriicksichtigen, bestünde für den Monteur im Einzelfall eine realere Chance, die 25% zu erreichen und damit vom Vorwurf der Umgehung befreit zu sein. Der Wortlaut von Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung ist für die Frage der Zuordnung der "in-house" produzierten Teile bei einem Vergleich der verschiedenen sprachlichen Versionen nicht eindeutig. Die deutsche Fassung könnte auch für eine Zuordnung zum 25%-Test sprechen. So heißt es "als Umgehung gilt jedoch nicht 113 VO 985/97, ABI. 1997, L 141161 (62), Erwägungsgrund (12) ff., insbesondere (13) und (14). Siehe auch oben, Teil 3, B. II. 1. b) bb) (1) (c). 114 VO 985/97, ABI. 1997, L 141/61 (62), Erwägungsgrund (13). 115 Für die nicht oder nicht mehr weiter demontierbaren Teile werden dann bei der Wertbestimmung für den 60%-Test die Kosten der verwendeten Teile zuzüglich der direkten Arbeitskosten und der Fertigungsgemeinkosten zugrundegelegt Siehe dazu VO 985/97, ABI. 1997, L 141/61 (63), Erwägungsgrund (14). 116 Holmes, Anti-Circumvention under the European Union's New Anti-Dumping Ru1es, JWT, Vol. 29, No. 3, Juni 1995, S. 161 (170) in Fn. 27. 111 Also Arbeitskosten und Fertigungsgemeinkosten. 118 Das wird die Gemeinschaft aber mit Hinweis auf den Fall zu elektronischen Waagen (Import1andumgehungsfall) bestreiten. Dieses Verfahren wurde mit Verweis auf ein Überschreiten der 25%-Schwelle eingestellt. Siehe ABI. 1997, L 141/57 (59), Erwägungsgrund (16).
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
der Fall, in dem der Wert der während der Montage oder Fertigstellung den verwendeten eingeführten Teilen hinzugefügt wurde, mehr als 25% der Herstellkosten beträgt" 119 • Es geht nach dem Wortlaut also nicht schlicht um den Wert, der den verwendeten Teilen hinzugefügt wurde, sondern um den Wert, der den "verwendeten eingeführten Teilen" hinzugefügt wurde. Bei wörtlicher Betrachtung wird den eingeführten Teilen ja sowohl in Form des Montageaufwandes als auch in Form von "in-hause" produzierten Teilen Wert hinzugefügt. Weniger eindeutig ist hingegen die englische Fassung: " ... in no case shall circumvention be considered to be taking place where the value added to the parts brought in, during the assembly operation, is greater than 25% of the manufacturing cost . .. " 120• Mit Blick auf die englische Version werden "in-hause" produzierte Teile in der Literatur - regelmäßig ohne nähere Begrundung - teils dem 60%-Test 121 , teils auch dem 25%-Test zugeordnet. 122 Vor diesem Hintergrund erscheint es auch nach der ersten eindeutigen Stellungnahme der Gemeinschaft zum Thema "in-hause" vormontierte Teile nicht abwegig, sich für eine umfassende Beriicksichtigung des Wertes dieser Teile im Rahmen des 25-%Tests und gegen eine Aufspaltung auf die zwei Tests des Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung auszusprechen. Dafür lassen sich - genau wie für den von der Gemeinschaft bislang eingeschlagenen Weg - keine zwingenden juristischen Argumente finden. Es geht dabei vielmehr um die handelspolitische Entscheidung, wie liberal sich die Gemeinschaft geben will. Die umfassende Einbeziehung von "inhause" produzierten Teilen in die Mehrwertbetrachtungen im Rahmen des 25%Tests wäre jedenfalls der liberalere Ansatz. 123 Dieser Ansatz würde auch insofern Sinn machen, als sich ein Betrieb mit größerer "in-house"-Produktion vom Leitbild der "Schraubenzieherfabrik" löst, welches Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung zugrunde liegt. (c) Bewertung des 25%-Test Insgesamt muß der 25%-Test als Fortschritt angesehen werden. Die Gemeinschaft hat damit die Grenze ihrer Eingriffsbefugnisse relativ klar abgesteckt. Auch dieser Test fördert Transparenz und Vorhersehbarkeit und gewährleistet damit in gewissem Umfang die für den internationalen Handelsverkehr unverzichtbare PlaHervorhebung durch den Verfasser. Hervorhebung durch den Verfasser. 121 Van Bael/Bellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Laws of the EC, 3'd ed., S. 357: "As is made quite clear by the wording of art. 13 (2)(b) of the Regulation, the added value referred to in this provision is that corresponding to the difference between the value of all materials (whether locally sourced or fabricated intemally) and the manufacturing cost, that is essentially labour and manufacturing overhead." 122 Holmes, Anti-Circumvention under the European Union's New Anti-Dumping Rules JWT, Vol. 29 No. 3, Juni 1995, S. 161 (170) in Fn. 27. 123 So auch Vermulst!Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 385. 119
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nungssicherheit. Die Produzenten haben einen sicheren Anhaltspunkt, wie sie dem Vorwurf der Umgehung jedenfalls entgehen können. 124 Andererseits ist festzuhalten, daß die Meßlatte mit dem Erfordernis der Mehrwertschöpfung von mehr als 25% der Herstellkosten relativ hoch liegt und deshalb in Montagebetrieben relativ selten erreicht werden dürfte. Die praktische Bedeutung des 25%-Tests aus Sicht der potentiellen oder mutmaßlichen Umgeher dürfte damit verhältnismäßig klein sein. Das mag aus Sicht der von Umgehungsmaßnahmen Bedrohten bedauerlich sein und wird von Niedriglohnländern als ernsthaftes Investitionshemmnis gegeißelt. Aus Sicht der Gemeinschaft als Antidumpinganwender und der Gemeinschaftsindustrie als potentiellem Nutznießer muß der Test aber hinreichend streng ausgestaltet sein. Soll die Umgehungsabwehr im Bereich der Montagefälle eine ernstzunehmende Option der europäischen Antidumpingpolitik sein, so darf der Umgehungsvorwurf nicht zu schnell aufgegeben werden. (3) Einordnung von Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung Insbesondere von Seiten der Vertreter asiatischer Interessen ist zu vernehmen, daß Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung eine besondere Ursprungsregel darstelle und daher vor dem Hintergrund des WTO-Ursprungsregelübereinkommens äußerst bedenklich sei. 125 Da sich die Gemeinschaft im WTO-Prozeß zur Harrnonisierung der Ursprungsregeln zeitweise für ein Mehrwertkriterium ausgesprochen hat, läßt sich nachvollziehen, woher dieser Gedankengang ruhrt. Tatsächlich dienen der 60% und der 25% Test aber nicht dazu, den Ursprung des montierten Endprodukts zu bestimmen. Vielmehr dürften diese Schwellen als Quantifizierung des Merkmals der "hinreichenden Begrundung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung" iSv. Art. 13 Abs. 1 Grundverordnung zu verstehen sein. Eine Gegenüberstellung der in Abs. 1 und Abs. 2 aufgezählten Kriterien legt das nahe. Mit Ausnahme des Kriteriums von der "hinreichenden Begrundung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung" in Abs. 1 und der Tests in Abs. 2 sind die Kriterien in beiden Vorschriften identisch.
cc) Untergraben der Abhilfewirkung und Beweis für Dumping -Art. 13 Abs. 2 c) Schließlich setzt die Annahme einer Umgehung nach Art. 13 Abs. 2 noch voraus, daß die Abhilfewirkung des ursprungliehen Antidumpingzolls untergraben wird und dariiber hinaus Beweise für Dumping vorliegen (Art. 13 Abs. 2 c)).
124 Vennulst / Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 384 sprechen treffend vom "safe harbour test". 125 Siehe unten Teil 3, D. li. 4.
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
(1) Untergraben der Abhilfewirkung (a) Allgemeines Die Abhilfewirkung eines Antidumpingzolls muß nach Art. 13 Abs. 2 c) Grundverordnung "durch die Preise und I oder Mengen der montierten gleichartigen Ware untergraben" werden. Es handelt sich dabei um ein für die europäische Umgehungsabwehr gänzlich neues Erfordernis. In der alten Regelung- Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 findet sich nichts Vergleichbares. Häufig wird das "Untergraben der Abhilfewirkung" als der Schädigungstest (eng!.: "injury test") des Umgehungsverfahrens ausgegeben. 126 Damit werde auch insoweit an den "Dunkel Draft" angeknüpft. 127 -Zwar enthält der Wortlaut keinen ausdrücklichen Verweis auf einen Schädigungstest Die Formulierung "Untergraben der Abhilfewirkung" ließe sich aber u.U. dahingehend interpretieren. Inwieweit dies gerechtfertigt ist, soll nachfolgend ermittelt werden. Dazu sind die Preis- und Mengenbetrachtungen zu untersuchen, die die Gemeinschaft im Zusammenhang mit dem "Untergraben der Abhilfewirkung" vornimmt. (b) Preisbetrachtungen Grundsätzlich stellt die Gemeinschaft in einem ersten Schritt Preisbetrachtungen an. 128 Konkret untersucht die Gemeinschaft dazu, ob die Verkaufspreise der Waren, die Gegenstand der Umgehungsuntersuchung sind, die Abhilfewirkung eines Antidumpingzolls in Frage stellen. Das ist nach bisheriger Praxis der Gemeinschaft dann der Fall, wenn die Preise im Untersuchungszeitraum des Umgehungsverfahrens den "nicht-gedumpten" Ausfuhrpreis des Ausgangsverfahrens unterbieten. 129 Der "nicht-gedumpte" Ausfuhrpreis setzt sich dabei aus drei Elementen zusammen: Dem in der Ausgangsuntersuchung ermittelten Ausfuhrpreis, den GZT126 Siehe insbesondere COM (94) 414 final (Begründung des Entwurfs einer Post-Uruguay Runden Grundverordnung) unter Gliederungspunkt 10 (b)(ii); siehe auch Müller I Khan/ Neumann, EC Anti-Dumping Law, A Commentary on Regulation 384/96, Art. 13, Rz. 13.13; Holmes, Anti-Circumvention under the European Union's New Anti-Dumping Ru1es, JWT, Vol. 29, No. 3, June 1995, S. 161 (170 f.); a.A. Vermulst/Waer, The Post-Uruguay Round EC Anti-Dumping Regulation: After a Pit Stop, Back in the Race, JWT, Vol. 29, No. 2, April 1995, s. 53 (73). 127 Art. 12 (vii) des "Dunkel Draft": "there is evidence that the inclusion of these parts or components within the scope of app1ication of the definitive anti-dumping duty is necessary to prevent or offset the continuation or recurrence of injury to the domestic industry producing a product like the product which is subject to the definitive anti-dumping duty." 128 Polyester-Spinnfasem, ABI. 1997, L 346/ I; Fahrräder, ABI. 1997, L 16/55. 129 Im Fahrräder-Verfahren wurden so z. B. die Preise für in der Gemeinschaft aus chinesischen Fahrradteilen "montierten Fahrrädern" mit den Preisen für "fertige Fahrräder" aus China verglichen.
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Zöllen 130 und den als Ergebnis des Ausgangsverfahrens verhängten Antidumpingzöllen.131 Diesem wird dann der gewogene Durchschnittspreis für die montierte Ware gegenübergestellt. Letzterer ist dabei zu berichtigen, soweit dies für die Vergleichbarkeit der Preise erforderlich ist. 132 Um festzustellen, in welchem Umfang die Abhilfewirkung des Zolls untergraben wird, werden etwaige Differenzbeträge dann als Prozentsatz des in der Ausgangsuntersuchung ermittelten gesamten nicht-gerlumpten Einfuhrwerts ("cif' frei Grenze der Gemeinschaft) ausgedrückt. 133 (c) Untergraben der Abhilfewirkung durch die Verkaufsmengen In einem zweiten Schritt stellt die Gemeinschaft im Zusammenhang mit dem Untergraben der Abhilfewirkung dann Mengenbetrachtungen an. Die Gemeinschaft nimmt ein Untergraben der Abhilfewirkung durch die Verkaufsmengen jedenfalls dort an, wo die Verkäufe einer vom Antidumpingzoll betroffenen Ware zu einem wesentlichen Teil durch Verkäufe von Waren ersetzt werden, die in der Gemeinschaft oder in einem Drittland montiert werden. Im Fahrräderverfahren wurde als in diesem Sinne "wesentlich" angesehen, daß die Einfuhr fertiger Fahrräder um 1,5 Mio. Stück (98%) zurückging und die Einfuhr von Fahrradrahmen um rund 450.000 (mehr als 139%) zunahm. 134 Im Polyester-Spinnfaser-Verfahren wurde ein Untergraben durch die Verkaufsmengen bejaht, nachdem die von den Antidumpingmaßnahmen ursprünglich erfaßte Ware "fast vollständig" durch eine andere ersetzt worden war. 135 Im Feuerzeugeverfahren haben die Untersuchungen zu dem Ergebnis geführt, daß "die eine Ware gegen die andere ausgetauscht wurde. " 136 "GZT" steht für den Gemeinsamen Zolltarif der Gemeinschaft. Polyester-Spinnfasem, ABl. 1997, L 346/1 (4), Erwägungsgrund 18; Fahrräder, ABL 1997, L 16/55 (58), Erwägungsgrund (19). In Feuerzeuge (ABL 1999, L 22/1 (4) Erwägungsgrund (25) ff.) bedient sich die Gemeinschaft einer leicht veränderten Terminologie. Dort wird wird nicht von "nicht-gedumptem Ausfuhrpreis", sondern von einer "Schadensschwelle" gesprochen, "die in der vorausgegangenen Untersuchung als der Preis ermittelt wurde, der die schädigende Wirkung des Dumping ausgleichen würde". 132 Regelmäßig werden die Preise auf der Stufe "cif' ("cif'-K.lausel: Verlade-, Versicherung und Frachtkosten sind vom Verkäufer zu tragen) frei Grenze der Gemeinschaft miteinander verglichen. Dazu müssen gegebenenfalls Berichtigungen vorgenommen werden. Bei in der Gemeinschaft montierten Waren müssen z. B. etwaige Rabatte, VVG-Kosten und (die nicht in den VVG-Kosten enthaltenen) Transportkosten abgezogen werden. 133 Siehe zur praktischen Anwendung: Polyester-Filamente, ABL 1997, L 346/1 (4), Erwägungsgrund 18; Fahrräder, ABl. 1997, L 16/55 (58), Erwägungsgrund (19 ff.). Im Polyester-Fall wurde der nicht-gedumpte Ausfuhrpreis nach Berechnungen der Gemeinschaft um 19,45% unterboten, im Fahrradfall um 14,5%. 134 ABI. 1997, L 16/55 (56), Erwägungsgrund (11). 135 ABI. 1997, L 346/1 (5), Erwägungsgrund (18). 136 ABI. 1999, L 22/1 (4), Erwägungsgrund (26). 130
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Die in diesen Fällen aufgetretenen Veränderungen sind Extrembeispiele. Mit Blick auf den insofern gänzlich offenen Wortlaut der Grundverordnung ist es durchaus möglich, daß die Gemeinschaft in Zukunft auch schon bei weniger drastischen Veränderungen ein Untergraben der Abhilfewirkung durch die Verkaufsmengen annimmt. Auffällig ist, daß sowohl im Fahrräderverfahren als auch im Polyester-Spinnfaser-Verfahren die Ausführungen im Zusammenhang mit dem Untergraben der Abhilfewirkung durch die Verkaufsmengen sehr kurz ausfallen und sich im wesentlichen auf den Verweis auf Ausführungen zur "Veränderung des Handelsgefüges" beschränken. 137 Das erweckt den Eindruck, daß es diesem Prüfungspunkt - zumindest für die generelle Entscheidung, ob bestehende Antidumpingzölle ausgeweitet werden sollen - an eigenständigem Gehalt fehlt. Spezifischere quantitative Betrachtungen werden unter dem Aspekt des Untergrabens der Abhilfewirkung allerdings in anderem Zusammenhang angestellt, nämlich bei der Frage nach der möglichen Befreiung von ausgeweiteten Maßnahmen im Einzelfall. 138 (d) Würdigung Preis- und Mengenbetrachtungen der vorbeschriebenen Art sind im Rahmen eines normalen Antidumpingverfahrens Bestandteil der Schädigungsuntersuchungen. Schädigungsuntersuchungen iSv. Art. 3 Grundverordnung 139 bzw. Art. 3 Antidumpingübereinkommen 140 erschöpfen sich aber nicht in diesen beiden Elementen, sondern erfordern insbesondere auch eine Untersuchung der Auswirkungen auf die heimische Industrie. Nachdem dieser Aspekt bei der Prüfung des Untergrabens der Abhilfewirkung sowohl nach dem Wortlaut von Art. 13 Grundverordnung als auch in der bisherigen Anwendungspraxis völlig ausgeblendet wird, kann von 137 ABI. 1997, L 34611 (5), Erwägungsgrund (18) mit Verweis auf Erwägungsgrund (12); ABI. 1997, L 16 I 55 (56), Erwägungsgrund (22) mit Verweis auf Erwägungsgrund (11). 138 Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung. Siehe VO 88197, ABI. 1997 L 17 I 17, Erwägungsgrund (4). Hier stellt die Gemeinschaft im Zusammenhang mit dem Fahrräder-Verfahren fest: "Werden pro Monat weniger als 300 Stück eines bestimmten wesentlichen Fahrradteils zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet oder an eine Partei geliefert, so sind derartige Einfuhren wesentlicher Fahrradteile wirtschaftlich kaum von Bedeutung und dürften die Auswirkungen des ... eingeführten Zolls nicht untergraben." (Hervorhebung durch den Verfasser). Siehe auch Erwägungsgrund 38 und unten Teil 3 B. V. 2. 139 Art. 3 Abs. 2 Grundverordnung: " Die Feststellung einer Schädigung stützt sich auf eindeutige Beweise und erfordert eine objektive Prüfung a) des Volumens der gedumpten Einfuhren und ihrer Auswirkungen auf die Preise gleichartiger Waren auf dem Gemeinschaftsmarkt und b) der Auswirkungen dieser Einfuhren auf den Wirtschaftszweig der Gemeinschaft." 140 Art. 3 Abs. 1 Antidumpingübereinkommen: "A determination of injury for purposes of Article VI of GATT 1994 shall be based on positive evidence and involve an objective exarnination of both (a) the volume of dumped imports and the effect of the dumped imports on prices in the domestic market for the like product, and (b) the consequent impact of these imports on domestic producers of such products."
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einem Schädigungstest im eigentlichen und herkömmlichen Sinn 141 nicht gesprochen werden. Befremdlich ist, daß die Grundverordnung für das Untergraben der Abhilfewirkung auf "die Preise und! oder Mengen der montierten gleichartigen Ware" abstellt. Entscheidend dürften im Regelfall die kumulativen Effekte sein. Es ist nur schwer vorstellbar, daß die Preise oder die Mengen jeweils für sich alleine die Abhilfewirkung untergraben. Das "oder" wird daher - wie schon in den bisherigen Fällen- zu überlesen sein. 142 Aus Sicht vermeintlicher Umgeher ist das neue Erfordernis zu begrüßen. Es gibt ihnen zwei zusätzliche Ansatzpunkte für ihre Verteidigung. So können sie versuchen, den Beweis zu führen, daß tatsächlich keine Preisdifferenzierungen auftreten. Ferner können sie argumentieren, daß die importierten Mengen so gering sind, daß ein Untergraben der Abhilfewirkung nicht in Betracht kommt. - Wo dies die Umgehungsabwehrmaßnahmen nicht als solches verhindert, können einschlägige Argumente zumindest im Befreiungsverfahren geltend gemacht werden und damit dem einzelnen Montagebetrieb zugute kommen. 143 (2) Beweise für Dumping (a) Allgemeines Art. 13 Abs. 2 c) der Grundverordnung fordert über das Untergraben der Abhilfewirkung hinaus, daß "Beweise für Dumping im Verhältnis zu den Normalwerten vorliegen, die für gleichartige oder ähnliche Waren früher festgestellt wurden". Dieses Erfordernis kam erst im Endstadium des Gesetzgebungsprozesses in die Grundverordnung. Der Beweis für Dumping war im "Dunkel Draft" als eine Voraussetzung für die Umgehungsabwehr gefordert worden. 144 Die Kommission hatte - so die Begründung ihres Verordnungsentwurfs - auf dieses Erfordernis aber zunächst ganz bewußt verzichtet. 145 Erst auf Druck seitens des Rates wurde dann als 141 Siehe z. B. Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 3; Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 281 ff.; Van Bael/ Bellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Laws ofthe EC, 3'd ed., S. 143 ff.; Jackson, The World Trading System, 2nd ed., S. 266 ff.; Sykes, The Economics of lnjury in Antidumping and Countervailing Duty Cases in International Review of Law and Economics, Vol. 16, 1996, 5; Langer, Kritik und Neukonzeption des internationalen Antidumpingrechts, ZVglRWiss 94, 1995, S. 353 (364 ff.); Reszel, Die Feststellung und Schädigung im Antidumping- und Antisubventionsrecht der Europäischen Gemeinschaften; Pangratis/Vermulst, Injury in Anti-Dumping Proceedings - The Need to Look Beyond the Uruguay Round Results, JWT, Vol. 28, No. 5, October 1994, S. 61 ff. 142 Siehe auch Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 382; Stanbrook/ Bentley, Dumping and Subsidies, 3'd. ed., S. 82 f. 143 Siehe unten, Teil 3, B. IV. 3. 144 Art. 12.1 (vi) der Section F des "Dunkel Draft"; siehe oben, Teil3, A. III. 145 COM (94) 414 final, S. 164 unter Gliederungspunkt 10. b) (i): "Sorne of the rnore burdensorne and, in sorne cases, illogical conditions contained in the Dunkel Draft, including an
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Kompromiß die Formel des "Beweises für Dumping im Verhältnis zu den im Ausgangsverfahren festgestellten Normalwerten" aufgenommen. Hauptmotiv dafür war die Überzeugung, die Vorschrift sei so in einem WTO-Panelverfahren eher zu verteidigen. 146 (b) Dumping im Verhältnis zu den in der Ausgangsuntersuchung festgestellten Normalwerten Wie "Dumping im Verhältnis zu den in der Ausgangsuntersuchung festgestellten Normalwerten" zu verstehen und insbesondere in der Praxis zu bestimmen ist, war zunächst Gegenstand einiger Spekulationen. 147 Auch hier geben die ersten positiven Entscheidungen zu Art. 13 Grundverordnung eine erste Orientierung. Umgehung ist danach nur dann anzunehmen, wenn der Preis für die Ware, die Gegenstand des Umgehungsverfahrens ist, unter den im Ausgangsverfahren ermittelten Normalwerten liegt. In Montagefällen wird mithin der Verkaufspreis für die montierte Ware mit den im Ausgangsverfahren ermittelten Normalwerten der fertigen Ware verglichen. Dazu wird der Verkaufspreis der montierten Ware Berichtigungen unterzogen, um ihn auf einer "möglichst angemessenen Grundlage" mit den friiher ermittelten Normalwerten vergleichen zu können. 148• 149 Die Bezugnahme auf früher festgestellte Normalwerte zeigt deutlich, daß es sich bei diesem Erfordernis nicht um eine normale Dumpinguntersuchung handelt. 150 additional dumping test, have been omitted. The aim is to combat the circumvention of existing measures quickly and not to carry out lengthy de novo investigations of dumping and injury. However, the proposal maintains the "Dunkel" provision that measures may only be extended where the remedial effects are being undermined, and this will ensure that these provisions are only used in truly deserving cases." 146 So auch Van Bael/ Bellis, Anti-Dumping and Other Trade Protection Laws of the EC, 3'd ed., S. 358. 147 Siehe Stanbrook/Bentley, Dumping and Subsidies, 3'd ed., S. 82 f.; Holmes, Anti-Circumvention under the European Unions's New Anti-Dumping Rules, JWT, Vol. 29, No. 3, June 1995, S. 161 ff. (171) Fn. 32. 148 Im Fahrräder-Verfahren waren die Normalwerte z. B. auf der Stufe ,,fob" ("free on board") Taiwan ermittelt worden. Die Wiederverkaufspreise für in der Gemeinschaft verkaufte montierte Fahrräder wurden deshalb auch auf dieses Niveau zurückgerechnet, um vergleichbar zu sein. Siehe im einzelnen ABI. 1997, L 16/55(58) Erwägungsgrund (24). Siehe auch Polyester-Spinnfasern, ABI. 1997, L 346/1 (5), Erwägungsgrund (19). 149 Siehe auch Müller I Khan/ Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 13, Rz. 13.26; Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, s. 382 f. ISO Der Rückgriff auf früher festgestellte Normalwerte wird von einigen Praktikern in der Brüsseler Szene insbesondere bei Montageverlagerungen von Hochlohnländern in Niedriglohnländer als verfehlt angesehen. Der Normalwert in den Niedriglohnländern mit Blick auf Lohnniveau /-kosten würde bei neuen Untersuchungen praktisch immer unter dem des Allsgangsverfahrens liegen. Beim Vergleich dieses Normalwertes mit den Exportpreisen müßte der Dumpingvorwurf u.U. ganz fallengelassen werden. Dabei wird aber übersehen oder
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Diese würde voraussetzen, daß Normalwerte und Exportpreise für diejenige Ware untersucht würden, die den Umgehungstatbestand verwirklichen soll. 151 Die Verkaufspreise der montierten Waren mit den Normalwerten aus dem Ausgangsverfahren zu vergleichen, ist für die Gemeinschaft insofern von Interesse, als sie sich damit eine erneute, regelmäßig zeit- und kostenintensive Normalwertbestimmung im Rahmen des Umgehungsverfahrens erspart. Die bisher mit der Ausweitung von Maßnahmen abgeschlossenen Fälle lassen die Anwendung dieses Kriteriums als relativ unproblematisch erscheinen. Es läßt sich aber durchaus auch an Konstellationen denken, in denen der Rückgriff auf die Normalwerte des Ausgangsverfahrens Probleme bereitet. So ist die Bezugnahme auf früher festgestellte Normalwerte z. B. dann problematisch, wenn im Ausgangsverfahren Hersteller aus mehreren Ländern untersucht und als Dumping betreibend angesehen werden. 152 In einem solchem Fall sind die Normalwerte regelmäßig von Land zu Land verschieden. Es stellt sich dann die Frage, welcher Normalwert im Umgehungsverfahren zugrunde zu legen ist. Fraglich ist auch, wo die Grenzen für Preisberichtigungen liegen, wenn ein Modellwechsel oder ein großer zeitlicher Abstand zwischen Normalwertbestimmung im Ausgangsverfahren und dem Umgehungsverfahren die Vergleichbarkeit der Preise beeinträchtigt. Möglich ist, daß die Gemeinschaft hier keinerlei Grenzen sieht. Hinweis dafür könnte der Wortlaut sein, nach dem auch die Normalwerte von "ähnlichen" Waren herangezogen werden können. 153 - Wie die Gemeinschaft dies im Einzelfall angehen wird, ist weniger eine juristische als vielmehr eine handelspolitische Entscheidung, die nicht auf Vorrat, sondern- wie auch sonst im Antidumpingrecht - von Fall zu Fall entschieden wird. (c) Würdigung von Art. 13 Abs. 2 c) Grundverordnung Festzuhalten ist mit Blick auf Art. 13 Abs. 2 c) Grundverordnung, daß hier weder ein kompletter Schädigungstest noch eine komplette Antidumpinguntersubewußt ausgeblendet, daß es nach den Eingangsvoraussetzungen (reaktives Verhalten, Teileanteil und nicht ausreichende Mehrwertschöpfung) nur noch um eine Plausibilitätskontrolle geht, d. h. um die Frage ob der Umgehungssachverhalt dem Ausgangssachverhalt so nahe steht, daß sich eine Ausweitung der bestehenden Maßnahmen rechtfertigen läßt. Ist das der Fall, fehlt der Montageoperation die Eigenständigkeit und wäre mithin auch eine eigenständige, die Zusammenhänge außer Acht lassende Betrachtung unangebracht. 151 Art. 2 Grundverordnung; Art. 2 Antidumpingübereinkomrnen. 152 3,5"-Mikro-Platten, ABI. 1995, L 252/9 (Einleitung), ABI. 1996, L 186/14 (Einstellung): Hier waren so unterschiedliche Länder wie Japan, Taiwan, und China Gegenstand des Ausgangsverfahrens. 153 Diese Formulierung findet sich wortgleich in Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 Grundverordnung. Im Zusammenhang mit Abs. 1 dient das u. a. dazu Produktveränderungen zu erfassen. Bei Montagefallen sollte unter diese Formulierung der Modellwechsel fallen. - Zu Letzterem siehe auch Van BaellBellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Laws, 3'd ed., S. 358.
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
chung vorgesehen sind. Statt dessen werden das Dumping- und das Schädigungselement nur in stark verkürzter Form untersucht. Das ist nicht überraschend, da es nicht Ziel dieser Untersuchungen ist, die Grundlage für eine neue eigenständige Antidumpingmaßnahme abzugeben. Umgehungsabwehr ist erst recht kein eigenständiges handelspolitisches Schutzinstrument Es geht lediglich darum, bestehende Antidumpingmaßnahmen anzuwenden und wirksam durchzusetzen. 154 Konkret zielen diese beiden Tests lediglich auf den Nachweis der funktionalen Gleichartigkeitiss zwischen den Einfuhren, die den Gegenstand der Umgehungsuntersuchung bilden und den gerlumpten Einfuhren, die Gegenstand einer normalen Antidumpinguntersuchung waren. Wenn zuvor festgestellt wurde, daß ein bestimmtes Produktions- und Einfuhrverhalten lediglich die Reaktion auf den Erlaß von Antidumpingzöllen darstellt und daß ein genügend hoher Teileanteil Ursprung im von diesen Zöllen betroffenen Exportland hat, dienen die Preis- und Mengenbetrachtungen sowie der Vergleich mit früher ermittelten Normalwerten nur noch als Plausibilitätskontrolle. Das ist nach hier vertretener Auffassung nicht zu beanstanden. Aus Sicht der hier favorisierten objektiven Umgehungstheorie handelt es sich ja bei der Umgehungsabwehr allgemein nur um die Auslegung, Anwendung und Durchsetzung bestehender Normen, hier konkret um die Anwendung einer bestehenden Antidumpingmaßnahme. Damit besteht auch kein Anlaß, das Prüfungsprogramm eines Ausgangsverfahrens für den Erlaß einer eigenständigen Maßnahme zu absolvieren. Die Entstehungsgeschichte und der Wortlaut von Art. 13 Abs. 2 (und auch von Abs. 1) Grundverordnung deuten darauf hin, daß dies auch die Überzeugung der geistigen Vater von Art. 13 Grundverordnung war. Auch die bisherige Praxis reflektiert diese Grundüberzeugung. Bedauerlich ist aber, daß dies in Stellungnahmen der Gemeinschaft zur Umgehungsabwehr nicht entsprechend dargestellt wird. Kritikern und Zweiflern mit ihrer Behauptung der GATT-Widrigkeit wird regelmäßig entgegengehalten, man prüfe Dumping und Schaden und komme damit den Voraussetzungen von Art. VI GATT für den Erlaß von Antidumpingmaßnahmen nach. Diese Behauptung läßt sich - wie dargestellt - nicht ernsthaft vertreten und ist allenfalls geeignet, die Position der Gemeinschaft zu schwächen. Es ist davon auszugehen, daß sie im wesentlichen auf die im Rat artikulierten Bedenken einiger Mitgliedsstaaten zurückgeht, man würde das Prüfungsprogramm von Art. VI GATT nicht einhalten. Auslöser für diese Bedenken dürfte das traumatische Erlebnis des verlorenen Schraubenzieher-Panelverfahrens seien; sie beruhen aber gerade nicht auf einer dogmatischen Durchdringung der Umgehungsproblematik.
154 So auch Holmes, Anti-Circumvention under the European Union's New Anti-Dumping Rules, JWT, Vol. 29, No. 3, June 1995, S. 161 (170). 155 So auch Müller I Khan/ Neumann, Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 13 Rz. 13.25.
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2. Die sonstigen Fälle der Umgehung, Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung
Anders als beim vorstehend untersuchten Abs. 2 greift Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung 156 keine bestimmten Umgehungsformen heraus. AnstaU das Bestehen einer Umgehung unwiderlegbar zu vermuten, "definiert" Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung. Definiert werden sollen nach dem Verständnis der Kommission die "sonstigen" Fälle der Umgehung, in Abgrenzung zu den sogenannt "klassischen" Fällen des Abs. 2. An anderer Stelle wurde schon darauf eingegangen, daß es sich entgegen des Wortlauts hier nicht um eine Definition im engeren Sinn handelt157, sondern daß lediglich vier abstrakte Voraussetzungen aufgezählt werden, die für eine Maßnahmenausweitung erforderlich sind. Diese vier Voraussetzungen sind die folgenden: • die Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Drittländern und der Gemeinschaft, • das Vorliegen einer Praxis, eines Fertigungsprozesses oder einer Arbeit, für die es keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gibt, • das Untergraben der Abhilfewirkung des Zolls und • Dumping im Verhältnis zu den Normalwerten, die für gleichartige oder ähnliche Waren früher festgestellt wurden. Die ersten zwei dieser vier Voraussetzungen sollen nachfolgend eingehend untersucht werden. Für die beiden anderen kann darauf verzichtet, da diese mit Art 13 Abs. 2 c) Grundverordnung wort- und inhaltsgleich sind und insoweit auf oben verwiesen werden kann. a) Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Drittländern und der Gemeinschaft Zur Feststellung einer Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Drittländern und der Gemeinschaft iSv. Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung ist zu untersuchen, in welchem Maß sich die einschlägigen Handelsströme zwischen der Gemeinschaft und einem oder mehreren Drittländern verändert haben. Konkret gilt es zu ermitteln, welche quantitativen Veränderungen bei der Einfuhr des mit Antidumpingmaßnahmen belegten Produkts auftreten und ob und inwieweit diese Einfuhrvorgänge durch andere Einfuhren substituiert werden. 158 "Andere Einfuhren" Abgedruckt oben, Teil 3, B. I. Siehe oben, Teil 2. C. 158 So auch Müller/Kahn/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Rz. 13.16; Dorsch-Lux, Zollrecht, FI 1/13, Rz. 6; anders, aber zu eng Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 380: "[Change in the pattem of trade] 156
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3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
können dabei sowohl die Einfuhr anderer, z. B. leicht veränderter Waren, als auch die Einfuhr einer Ware mit einem behaupteten oder tatsächlich neuen Ursprung sein. Dabei betrachtet die Kommission teils alternativ und teils kumulativ die prozentualen Veränderungen wie auch Veränderungen in absoluten Zahlen. 159 Welche Größenordnungen erreicht sein müssen, um von einer Veränderung des Handelsgefüges im Sinne von Art. 13 Abs. I S. 2 Grundverordnung sprechen zu können, ist bislang noch nicht festgeschrieben worden. 160 Die Kommission hat aber schon mehrfach festgestellt, daß es dazu keiner vollständigen Substitution der mit Antidumpingmaßnahmen belegten Ware bedarf. Der Umfang der Substitution muß nicht dem höchsten Niveau entsprechen, das die Einfuhren der ersetzten Ware im Vergleichszeitraum erreicht haben. Es reicht aus Sicht der Kommission aus, wenn über einen längeren Zeitraum ein "eindeutiger und anhaltender Substitutionstrend" zu erkennen ist. 161 means that it will have to be established that there is an increase in imports from the third country after the imposition of anti-dumping duties on other countries or, possibly after the initiation of the anti-dumping proceeding .. .". Damit würde Art. 13 Abs. I S. 2 Grundverordnung auf Fälle der Drittlandsumgehung beschränkt. Dagegen sprechen aber sowohl der Wortlaut als auch die bisherige Kommissionspraxis. 159 So z. B. im Polyester-Spinnfaser-Verfahren, ABI. I998 L 346/1 (3), Erwägungsgrund (I2). 160 In Mikroplatten, ABI. 1995, L 252/9, einem Verfahren zu Art. I3 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung, hat die Kommission es für die Verfahrenseinleitung als ausreichend angesehen, daß der Marktanteil der von den Antidumpingmaßnahmen betroffenen Einfuhren in einem Zweijahreszeitraum von 20% auf 4% fiel wä!Jrend gleichzeitig der Marktanteil der vom Umgehungsvorwurf betroffenen Drittländer von 2I % auf 36% stieg. -In Fahrräder, ABI. I997, L 16/56, einem Fall der Importlandsumgehung (Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung), wurde ein Rückgang der von Antidumpingmaßnahmen betroffenen Fahrradeinfuhren um 1,5 Mio Stück (mehr als 98%) bei gleichzeitiger Zunahme der Einfuhren von Fahrradrahmen um 450.000 Stück (mehr als 139%) als beachtliche Veränderung des Handelsgefüges bewertet.In Elektronische Waagen, ABI. 1997, L 22l/47 (behauptete Drittlandsumgehung, Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung) war ein Rückgang der von Antidumpingmaßnahmen erfaßten Einfuhren von 25.470 auf 652 bei gleichzeitigem Anwachsen der Einfuhren aus einem Drittland von 0 auf 1000 Anlaß für die Verfahrenseinleitung. -Im Verfahren zu elektronischen Waagen, ABI. 1997, L 22l/50 (behauptete Importlandumgehung, Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung) reichte der Kommission der vom Antragsteller dargetane Rückgang der Einfuhr der fertigen Ware um 27% bei gleichzeitiger Zunahme der Einfuhr von Teilen um 30%. -In Polyester-Spinnfasem, ABI. 1997, L 346/1 (Art. 13 Abs. I Verfahren) hat sich das Verhältnis der Einfuhren von ursprünglicher Importware und späterem Substitut von 99% zu 1% in 0,73% zu 99,27 gewandelt. - In Einwegfeuerzeuge, ABI. 1999, L 22/I (Art. 13 Abs. I Verfahren) stieg das Substitut von 22, 8 Mio. Einheiten in 1994 auf 144 Mio. Einheiten in 1997, wäl!rend die ursprüngliche Importware von 133,5 Mio. Einheiten in 1994 auf 6,8 Mio in 1997 zurückging. 161 So ausdrücklich im Polyester-Spinnfaser-Verfahren, ABI. 1998, L 346/1 (3), Erwägungsgrund (12), als Antwort auf das Vorbringen der betroffenen Produzenten, das Substitut habe nicht das Einfuhrvolumen der ursprünglichen Waren erreicht und deshalb könne nicht von einer Veränderung des Handelsgefüges gesprochen werden. Implizit ergab sich das auch schon aus der Maßnahmen ausweitenden Verordnung im Fahrrad-Verfahren, ABI. 1997, L 16/55 (56), Erwägungsgrund (11).
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In zeitlicher Hinsicht wäre denkbar, auf die Veränderungen im Handelsgefüge seit Einleitung der ursprünglichen Antidumpinguntersuchung oder auch erst auf die nach Wirksamwerden der Antidumpingmaßnahme eintretenden Veränderungen abzustellen. 162 Während Art. 13 Abs. 2 für die Montagefälle ausdrücklich auf ersteres, nämlich auf den Zeitraum "seit oder kurz vor der Einleitung der Antidumpinguntersuchung" abstellt, läßt Art. 13 Abs. 1 Grundverordnung diese Frage offen. Es spricht im Prinzip alles dafür, auch bei Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung auf den Regelungsansatz aus Abs. 2, d. h. auf den Zeitraum "seit oder kurz vor der Einleitung der Antidumpinguntersuchung" abzustellen. Für eine unterschiedliche Behandlung von Umgehung nach Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 wäre insofern schwerlich ein Differenzierungsgrund zu finden. Im übrigen werden Drittstaatenhersteller und Exporteure, die sich ihrer Dumpingpraktiken bewußt sind und mit der Verhängung von Abwehrmaßnahmen rechnen, regelmäßig ab Kenntnis von der Verfahrenseinleitung über die Vermeidung der zu erwartenden Maßnahmen nachdenken und entsprechend disponieren. Das tatsächliche Wirksamwerden einer vorläufigen Antidumpingmaßnahme führt meist nur noch zu einer Intensivierung der schon zuvor gewählten Praktiken. 163 Das Abstellen auf einen späteren Zeitpunkt würde Dumper dazu anhalten, ihre Umgehungsstrategien möglichst nur noch schneller nach Einleitung eines Antidumpingverfahrens einzuleiten und umzusetzen. 164 So würde der "Umgehung" der Umgehungsabwehr Tür und Tor geöffnet. In den bislang entschiedenen Verfahren zu Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung hatte die Kommission keine Veranlassung, zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Es ist aber davon auszugehen, daß sie sich aus besagten Gründen erforderlichenfalls in der beschriebenen Art und Weise entscheiden würde.
b) Praxis, Fertigungsprozeß oder Arbeit, für die es keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung gibt Die angesprochene Veränderung des Handelsgefüges zwischen den Drittländern und der Gemeinschaft muß auf einer "Praxis, einem Fertigungsprozeß oder einer Arbeit" beruhen, für die es "keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung" gibt. Siehe auch Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 380. Siehe auch Müller/ Kahn/ Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Rz. 13.16. 164 Da vorläufige Maßnahmen frühestens nach 60 Tagen und spätestens (aber auch regelmäßig) erst nach neun Monaten erlassen werden (Art. 7 Abs. 1 Grundverordnung), wäre bei Abstellen auf den Zeitpunkt des Maßnahmenerlasses im Regelfall genug Zeit, eine Umgehung einzuleiten, die nicht von der Umgehungsabwehrvorschrift erfaßt würde. 162 163
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aa) Praxis, Fertigungsprozeß oder Arbeit Die Aufzählung "Praxis, Fertigungsprozeß oder Arbeit" ist bewußt weit gefaßt. Die Gemeinschaft will darunter u. a. so verschiedene Fälle subsumieren wie falsche Ursprungsangaben, den Import von Bausätzen, Umpackvorgänge ("repackaging"), vorübergehende Produktveränderungen ("reversible product alterations") und auch leichte Produktveränderungen. 165 Da sich die Veränderung des Handelsgefüges aus der Praxis, dem Fertigungsprozeß oder der Arbeit "ergeben" soll, bedarl es insofern eines Kausalzusammenhangs. bb) hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung "Praxis, Fertigungsprozeß oder Arbeit" iSv. Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung dürfen keine "hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung" haben. Diese Voraussetzung ist mit Blick auf ihren Inhalt und ihre Tragweite innerhalb und außerhalb der Kommission besonders umstritten. ( 1) Allgemeines Die Einführung des Antidumpingzolls im Ausgangsverfahren wird für den Drittstaatenhersteiler I Exporteur regelmäßig die wirtschaftliche Rechtfertigung für die "Umgehung" sein. Diese wird aber nicht als Rechtfertigung iSv. Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung anerkennt. 166 Soll der Vorwurf der Umgehung abgewehrt werden, müssen deshalb andere wesentliche Gründe für die neue Praxis, den neuen Fertigungsprozeß bzw. die neue Arbeit vorhanden sein. Bei der Formulierung "keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung" handelt es um eine Übersetzung der englischen Orginalformulierung "insufficient due cause or economic justification" 167 , welche dem englischen Zollrecht entlehnt bzw. durch dieses zumindest inspiriert worden ist, allerdings ohne daß damit ein fest umrissenes Konzept übernommen worden wäre. Vielmehr spiegelt sich in dieser das Bemühen der Kommission um eine eingängige, vertrauenserweckende Formulierung. "Insufficient due cause or economic justification" vermittelt den Eindruck, ein objektiver, über jeden Zweifel erhabener Maßstab zu sein. Dessen bedurfte es, um im Gesetzgebungsverfahren die Bedenken der Mitgliedsstaaten aus dem "nördlichen Lager" zu zerstreuen. Hinzu kommt, daß mit der Formulierung ein Grad an Abstraktion erreicht wird, mit der Art. 13 Abs. 1 S. 2 16S Siehe z. B. Müller/ Khan/ Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation, Art. 13, Rz. 13.25. 166 Art. 13 Abs. 1 S. 2: ,.... für die es außer der Einführung des Zolls keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertiung gibt, ..." . 167 Die Vorschrift ist tatsächlich zunächst auf Englisch entwickelt worden.
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Grundverordnung neben dem relativ konkreten Art. 13 Abs. 2 zum Auffangtatbestand ("catch-all provision") avanciert. (2) Praxis Aus drei inzwischen auf Art. 13 Grundverordnung gestützten Verordnungen ergeben sich erste Anhaltspunkte, wie die Kommission das Kriterium des "Fehlens einer hinreichenden Begrundung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung" verstehen und handhaben will. 168 • So hat die Kommission im Mikroplatten-Fall in ihrer verfahrenseinleitenden Verordnung folgenden Vortrag der europäischen Industrie zum Fehlen einer "hinreichenden Begrundung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung" für einschlägig und ausreichend erachtet 169 : Die Verschiffung über dritte Länder bei Nutzung der selben Produktionsstätten verursache nur zusätzliche Kosten. Diese würden nur mit dem Ziel aufgewendet, um in den fraglichen "transshipment"Ländem Arbeitsvorgänge von untergeordneter Bedeutung (so z. B. Etikettieren, Umpacken) durchzuführen. Letzteres würde lediglich in der Hoffnung betrieben, einen anderen Ursprung angeben zu können, um damit den ursprungliehen Antidumpingzoll zu umgehenY0 • 171 • Eine erste ausführlichere Stellungnahme der Gemeinschaft zu diesem Problemkreis findet sich in Form eines obiter dictums 172 in der Verordnung zur Maßnahmenausweitung im Fahrräderverfahren. 173 Hier hat sich die Gemeinschaft mit dem Argumentzweier Unternehmer auseinandergesetzt, die Fahrradmontage sei nur deshalb in die Gemeinschaft verlegt worden, weil die Präferenzzölle für Fahrräder mit Ursprung in China im Rahmen des Allgemeinen Präferenzsystems (APS) zugunsten von Entwicklungsländern für die Jahre 1991 und 1992 ausgesetzt worden seien. Die Gemeinschaft weist dieses Argument als nicht überzeugend zuriick. Die APS-Präferenzzölle für Fahrräder mit Ursprung in China seien nur vorobergehend in diesen zwei Jahren ausgesetzt gewesen. Das Argument sei 168 Eine vierte, allerdings wenig erhellende Stellungnahme findet sich im Verfahren zu Einwegfeuerzeugen, ABI. 1999, L 22/1 (3) Erwägungsgrund (15) ff. 169 ABI. 1995, L 252/9, Erwägungsgrund (4). 11o ABI. 1995, L 252/9, Erwägungsgrund (5). 17 1 Da dieses Verfahren aber aus anderen Gründen später eingestellt wurde (ABI. 1996, 186/ 14), lassen sich daraus keine weiteren Schlüsse ziehen. 172 Eine diesbezügliche Stellungnahme war im Fahrräder-Verfahren eigentlich nicht zwingend geboten. Es ging in diesem Verfahren um einen Fall der sog. "klassischen" Umgehung, für den die Voraussetzungen abschließend in Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung niedergelegt sind. Die Prüfung einer hinreichenden Begründung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung als eine in Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung formulierte Voraussetzung spielte damit für die Maßnahmenausweitung eigentlich keine Rolle; jedenfalls dann nicht, wenn man - wie die Kommission - von zwei verschiedenen Umgehungstatbeständen in Art. 13 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 ausgeht. Siehe dazu unten, Teil 3, B. II. 3. 173 VO 71/97, ABI. 1997, L 16/55, Erwägungsgrund (12).
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auch insofern nicht stichhaltig, als die Liefervereinbarungen für die importierten Fahrradteile kostspielig und mit erheblichem logistischen Mehraufwand verbunden gewesen seien. Mit Blick auf die Höhe der bei der Ausgangsuntersuchung festgestellten Dumpingspannen, den Zeitpunkt der Aufnahme der Montagevorgänge, das Produktionsvolumen der Kaufvereinbarungen und die geringe Wertsteigerung könne nur geschlossen werden, daß es außer der Einführung des Antidumpingzolls keine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung für die Praktiken gegeben habe. • Im Polyester-Spinnfaser-Fall, dem ersten mit einer Maßnahmenausweitung abgeschlossenen Art. 13 Abs. 1 - Verfahren 174, hat sich die Kommission relativ ausführlich mit dem Tatbestandsmerkmal der "hinreichenden Begründung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung" auseinandergesetzt 175 Eine hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung ist danach regelmäßig zu verneinen, wenn "die neue Praxis, der Fertigungsprozeß oder die Arbeit" mit vorläufigen Antidumpingmaßnahmen zeitlich zusammenfallen. 176 Anderes soll nur dann gelten, wenn Praxis I Fertigungsprozeß I Arbeit zumindest schon in geringem Umfang vor Verfahrenseinleitung bzw. Verhängung der ursprünglichen Maßnahme eingesetzt haben oder neben dem Antidumpingverfahren zumindest noch andere nennenswerte Veränderungen eingetreten sind. 177 Nach Auffassung der Gemeinschaft wird die Vermutung für das Fehlen einer hinreichenden Begründung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung noch verstärkt, wenn die neu einsetzende Praktik Kosten verursacht 178 , die durch keine nennenswerten anderen Kosteneinsparungen oder Preisaufschläge ausgeglichen werden. 179 Wo ein dem Umgehungsvorwurf ausgesetzter Hersteller I Exporteur Einsparungen geltend macht, sind diese zu quantifizieren und dürfen nicht nur von "sekundärer Bedeutung" sein. 180 Das bloße Fehlen sogenannter "Opportunitätskosten" will die Kommission für sich jedenfalls nicht als hinreichenden Grund oder wirtschaftliche Rechtfertigung anerkennen. 181 Auch die Entwicklung der Ausfuhren in Drittstaaten kann von Relevanz sein. Ändern sich die Ausfuhrgewohnheiten nur mit Blick auf die Ausfuhren in die Gemeinschaft, nicht aber in andere Ausfuhrländer, so ist nachhaltig an der hinreichenden Begründung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung zu zweifeln. 182 174 Polyester-Spinnfasem, VO 693/97, ABI. 1997, L 102/ 14; VO 2513/97, ABI. 1997, L 346/1. 175 VO 2513/97, ABI. 1997, L 34611 (3), Erwägungsgründe (13)- (17). 176 Gleiches muß auch für die mit der Verfahrenseinleitung zusammenfallende Praktiken gelten. Dieser Zeitpunkt spielte im Polyester-Verfahren allerdings keine Rolle. m VO 2513/97, Abi. 1997, L 346/ I (3) Erwägungsgrund (13). 178 In der Verordnung nennt die Kommission beispielhaft zusätzliche Verpackungskosten und Lohnkosten. 179 ABI. 1997, L 346/1 (3), Erwägungsgrund (14). 1so ABI. 1997, L 346/ 1(4), Erwägungsgrund (16). 181 ABI. 1997, L 346/1 (4), Erwägungsgrund (17).
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Aus diesen drei Stellungnahmen ergibt sich noch kein vollständiges Bild. Festzuhalten ist aber mit Blick auf die Polyester-Spinnfaser-Entscheidung in jedem Fall, daß die Kommission grundsätzlich vom Fehlen einer hinreichenden Begründung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung ausgeht, wenn die das Handelsgefüge verändernde Praktik zeitlich mit der Einleitung des Ausgangsverfahren bzw. mit der Verhängung von Maßnahmen zusammenfällt. Dabei handelt es sich weniger um eine inhaltliche Ausgestaltung des Kriteriums, als vielmehr um die Aufstellung einer - als widerleglieh ausgestalteten - Vermutung. 183 Der zeitliche Zusammenhang indiziert das Fehlen einer Rechtfertigung. Diese Vermutung kann aber im Einzelfall durch ökonomische Argumente widerlegt werden. Deutlich wird, daß die Kommission den Umgehungsvorwurf nicht schon bei jeder neben die Vermeidung eines Antidumpingzolls tretenden Begründung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung fallen läßt. 184 Erforderlich ist dazu vielmehr eine "hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung", wobei "hinreichend" umschrieben wird als "nennenswert" 185, "quantifiziert", "bedeutend", nicht nur von "sekundärer Bedeutung". 186 Als Vergleichsmaßstab kommt dabei wohl v.a. die Höhe der in der Ausgangsuntersuchung festgestellten Dumpingspanne in Betracht. 187 Es sind mithin durchaus Fälle denkbar, in denen eine nachvollziehbare Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung erkennbar ist, diese aber letztlich nicht als hinreichend, d. h. als nicht ausreichend angesehen werden kann, um den Vorwurf der Umgehung zu entkräften. Die vorgetragene Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung muß tatsächlich der wichtigste Grund für die fraglichen Operationen im Drittland oder in der Gemeinschaft sein. Die Kommission bestätigt mit diesen Verordnungen ferner, daß es sich hier um ein objektives Kriterium handelt, nicht etwa um ein subjektives. Die Ausweitung hängt gerade nicht von einer "Umgehungsabsicht" oder vom "vorsätzlichem" Han182 ABI. 1997, L 346/1 (3), Erwägungsgrund (14). Der gleiche Gedankengang findet sich auch in der VO zur Maßnahmenausweitung im Verfahren zu Einwegfeuerzeugen (ABI. 1999, L 22/1 (3) Erwägungsgrund (16)). 183 Das wird in der Verordnung nur indirekt aber doch unverkennbar ausgesprochen. Der zeitgleich entstandene Konunentar von Müller!Kium!Neumann, EC Anti-Dumping LawA Conunentary on Regulation 384/96, Art. 13, Rz. 13.22 spricht das ebenfalls vorsichtig, aber doch deutlich aus: "It would appear that this is an objective test which is satisfied if there is a coincidence of timing between on the one hand, the beginning of circumvention and, on the other, the initiation of the anti-dumping proceeding or the imposition of antidumping duties." 184 Anders war dies unter Art. 6 VO 802/68, ABI. 1968, L 148/1. Dort mußte die Annahme gerechtfertigt sein, daß die Vermeidung von Antidumpingzöllen das einzige Motiv für die fraglichen Transaktionen war.- Die damit verbunden Schwierigkeiten sind wohl der wesentliche Grund dafür, daß die Vorschrift kaum praktische Bedeutung erlangt hat. 185 ABI. 1997, L 346/1 (3), Erwägungsgrund (14). 186 ABI. 1997, L 346/1 (4), Erwägungsgrund (16). 187 Angedeutet in ABI. 1997, L 16/55 (56), Erwägungsgrund (12).
104 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
dein ab 188, sondern beruht alleine auf objektiven Kriterien, u. a. auf dem objektiven Konzept des Fehlens einer "hinreichenden wirtschaftlichen Rechtfertigung".189 Auf subjektive Elemente hatte man auch schon in der alten Umgehungsabwehrvorschrift, Art. 13 Abs. lO VO 2423 I 88, ganz bewußt verzichtet. Dies wurde damals damit begründet, daß auch Art. VI GATI lediglich auf objektive Kriterien abstelle, subjektive Elemente hingegen gänzlich ausgeklammert seien. 190 Mit dem subjektiven Element der Umgehungsabsicht hat die Gemeinschaft in einer vergleichbaren Umgehungsabwehrvorschrift keine guten Erfahrungen gemacht. 191 Zusätzlich war - wie angedeutet - eine um Objektivität und möglichst über den Verdacht des Protektionismus erhabene Vorschrift erforderlich, um diese den Antidumpingkritikem unter den EG-Mitgliedsstaaten schmackhaft zu machen. (3) Negative und I oder positive Auslegung Es fällt auf, daß sich die Kommission bislang praktisch nicht positiv dazu geäußert hat, was sie als "hinreichende Begründung oder ökonomische Rechtfertigung" anerkennen würde. Statt dessen hat sie sich bisher im wesentlichen auf eine negative Abgrenzung beschränkt. Diese Praxis korreliert mit der negativen Fassung des Wortlauts der Grundverordnung (.,keine hinreichende Begründung oder ökonomische Rechtfertigung"; in der englischen Fassung: ,.insufficient due cause or economic justification"). Die Grundverordnung verlangt der Kommission bei der Normanwendung nur die Subsumption unter die negativ gefaßte Formulierung ab. Darüber hinaus dürfte dieses behutsame Vorgehen aber auch Indiz dafür sein, daß der 188 So aber Stanbrook/Bently, Dumping and Subsidies, S. 80, von denen diese Voraussetzung wie folgt beurteilt wird: ,.subjective in nature: it establishes the intention to circumvent anti-dumping duties".- Vennulst/Waer. E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 380, nehmen eine derart deutliche Einordnung des Kriteriums als ,.objektiv" oder subjektiv nicht vor. Sie sprechen aber davon, daß in diesem Zusammenhang " ... the exact nature and motives for a practice . .. " (Hervorhebung durch den Verfasser) untersucht werden müßten. - Auch aus dem BMWi ist zu hören, daß man trotz des objektiv gehaltenen Wortlauts von Art. 13 Abs. 1 S. 2 davon ausgeht, daß hier letzlieh auf die Motive des Wirtschaftsakteurs und damit auf subjektive Elemente abgestellt wird. -Auch in der Kommission gibt es vereinzelt Stimmen, die in Art. 13 Abs. 1 S. 2 ein subjektives Element hineinlesen wollen und sich dabei von Erwägungsgrund (20) der Grundverordnung bestätigt sehen: "Da die multilateralen Verhandlungen bisher scheiterten ... sind neue Bestimmungen in das Gemeinschaftsrecht aufzunehmen, um Praktiken ... zu regeln, die in erster Linie auf die Umgehung von Antidumpingmaßnahmen abzielen. " (Hervorhebung durch den Verfasser). 189 Dies wird so wohl auch von den meisten involvierten Casehandlern und Policymakern der GD I vertreten. Siehe auch die drei Kommissionbeamten Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384/96 Art. 13, Rz. 13.22. 190 So auch die Argumentation der Gemeinschaft im Schraubenzieher-Panelverfahren, siehe Parts Panel , BISD 37S, S. 165, Rn. 3.82. 19 1 Siehe Art. 25 Zollkodex (VO 291 3 /92, ABI. 1992, L 302/1), die Umgehungsvorschrift im Bereich der nicht-präfernziellen Ursprungsregeln; siehe auch die Vorgängervorschrift Art. 6 VO 802/68 (ABI. 1968, L 148/1). Art. 25 Zollkodex ist mit einer Ausnahme bislang nie angewendet worden.
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Formulierung entgegen allem Anschein keine vorab bestimmte Konzeption zugrunde lag. Statt dessen wird die Begrifflichkeit erst jetzt Fall für Fall mit Leben ausgefüllt und so allmählich abgeschichtet. Das erscheint bei einer generalklauselartig ausgestalteten Umgehungsabwehrvorschrift nicht ungewöhnlich. Aus Sicht des jeweils schutzbegehrenden europäischen Industriezweiges sowie auch Sicht der Kommission erscheint dies auch insofern sinnvoll, als sich die Gemeinschaft damit den größtmöglichen Spielraum für zukünftige Umgehungsverfahren vorbehält. Andererseits ist dies unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit und Rechtssicherheit aus Sicht der von einem Antidumpingzoll betroffenen Drittstaatenhersteller I Exporteure überaus bedauerlich. Für den Dumper des Ausgangsverfahren wäre es interessant zu wissen, welche Reaktionen auf die Verhängung eines Antidumpingzolls in Betracht kommen, die nicht dem Umgehungsvorwurf ausgesetzt sind. Wie die Praxis zeigt, hilft es dem Dumper zunächst nicht, seinen Exportpreis anzuheben und damit nicht mehr zu dumpen. Er wird jedenfalls bei der Einfuhr der vormals gedumpten und nun von einer Antidumpingmaßnahme erfaßten Ware in die Gemeinschaft Antidumpingzölle für zumindest ein Jahr abführen müssen. 192 Theoretisch werden die in der Gemeinschaft prospektiv erhobenen Antidumpingzölle193 zwar zurückerstattet, wenn sich nachträglich herausstellt, daß die entsprechenden Waren zu nicht-gerlumpten Preisen auf dem Gemeinschaftsmarkt verkauft werden. Die Rückerstattung dieses Geld ist in Folge äußerst restriktiver Handhabung des für solche Fälle an sich vorgesehenen Rückerstattungsverfahrens 194 aber überaus mühselig und oft überhaupt nicht durchzusetzen. 195 Um so mehr wäre für den Dumper von Interesse, abschätzen zu können, welche Handlungsmöglichkeiten ihm im Gefolge des Erlasses eines Antidumpingzolls zur Verfügung stehen, ohne daß er sich damit einem Umgehungsvorwurf aussetzt. Aus dieser Perspektive besehen wäre es wichtig, auch positiv bestimmen zu können, was als "hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung" anerkannt 192 Frühestens nach einem Jahr kann ein Drittstaatenhersteller/Exporteur den Antrag auf Einleitung eines Überprüfungsverfahrens stellen (Art. 11 Abs. 3 UAbs. 1 Grundverordnung). 193 Antidumpingzölle werden im EG-Antidumpingrecht mit Blick auf die Ergebnisse im Untersuchungszeitraum des Antidumpingverfahrens bei der Einfuhr einer bestimmten Ware erhoben, d. h. unabhänig davon, ob die Ware auf dem Gemeinschaftsmarkt letztlich zu gedumpten Preisen verkauft wird oder nicht. Das ist nach Art. 9.3.2 des Antidumpingübereinkommen nicht zu beanstanden, sofern im Falle nicht gedumpter Einfuhren eine prompte Rückerstattung vorgesehen ist. Siehe dazu z. B. Bentley, The Law, Calculus and Statistics of Dumping Margins, European Business Law Review, December 1995, S. 299. 194 Art. 11 Abs. 8 Grundverordnung. - Siehe dazu allgemein z. B. Müller I Khan/ Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 11, Rz. 11.84 ff.; Vennulst!Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 131 ff.; Van Bael!Bellis, AntiDumping and other TradeProtection Laws of the EC, 3'd ed., S. 318 ff. 195 Kritiker des europäsichen Antidumpingrechts sprechen in diesem Zusammenhang auch von den strukturellen Schwächen des Rückerstattungsverfahrens und behaupten bisweilen, die Gemeinschaft schaffe so selber den Anreiz zur Umgehung.
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werden kann und das Kriterium damit zu einer Art "Rechtfertigungsgrund" zu entwickeln. Es soll deshalb anknüpfend an die negative Auslegung der Kommission sowie an den Wortlaut der Grundverordnung nachfolgend über eine positive Auslegung nachgedacht werden. Nach dem Wortlaut ("hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung") des Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung sollten im Prinzip zwei Fallgruppen unterscheidbar sein: Das ist zum einen die ,,hinreichende Begründung" und zum anderen die "hinreichende wirtschaftliche Rechtfertigung". Erstere, die "hinreichende Begründung", hat bislang inhaltlich praktisch keinerlei Niederschlag in den zu Art. 13 Grundverordnung ergangenen Verordnungen gefunden.196 Denkbar wäre, daß die Kommission hierin schlicht keine eigenständige Fallgruppe sieht, sondern daß es sich lediglich um eine redundante Formulierung handelt und daß man die im Englischen alles und nichts sagende Formulierung des "due cause" nur des seriösen Klangs und der Vertrautheit wegen zusammen mit "economic justification" aufgenommen hat ohne ihr eigenständige Bedeutung zuzumessen. Denkbar wäre aber auch, daß es in den entsprechenden Fällen nur keinerlei Anlaß gab, darauf gesondert einzugehen, weil es schon an einem einschlägigen Verteidigungsvorbringen der betroffenen Verfahrensbeteiligten gefehlt hat. Nach Ansicht des Verfassers ist die Formulierung jedenfalls offen genug, um bei entsprechender Gelegenheit ausgefüllt zu werden. Da die zweite Alternative ("hinreichende wirtschaftliche Rechtfertigung") den ökonomischen Bereich umfassend abdeckt, müßte es sich bei der "hinreichenden Begründung" prinzipiell um nichtökonomische Aspekte handeln und könnte diese mithin als Öffnungsklausel und Auffangtatbestand verstanden werden. Dabei ließe sich etwa an soziale Aspekte, an Umweltschutz oder ähnliche aus Sicht der Gemeinschaft schützens- und anerkennenswerte Motivationen denken. Dies wird zwar keine große praktische Relevanz haben, könnte aber doch im Einzelfall helfen, spezifischen Konstellationen gerecht zu werden und andere Politikziele der Gemeinschaft in diesem speziellen Bereich der Antidumpingpolitik zu berücksichtigen. 197
196 Eine Ausnahme bildet das Einwegfeuerzeug-Verfahren (ABI. 1999, L 22/1). In diesem Fall sind mit Antidumpingmaßnahmen belegte Einwegfeuerzeuge mit einem Nachfüllventil ausgestattet worden und dann als nachfüllbare Feuerzeuge deklariert worden. Die Gemeinschaft untersuchte, ob es dafür einen "hinreichenden Grund" gab. Nach den Feststellungen der Gemeinschaft wurden derartige Veränderungen nur an Einwegfeuerzeugen aus der Volksrepublik China, dem Ziel der Antidumpingmaßnahmen, vorgenommen. Ferner soll das Nachfüllen trotz des Nachfüllventils kaum praktikabel gewesen; die mögliche Ersparnis für den Verbraucher soll gering gewesen sein; beim Marketing wurde die von chinesischer Seite bei der Zollanmeldung behauptete Nachfüllbarkeil nicht berücksichtigt. Diese Aspekte reichten der Gemeinschaft, um den "hinreichenden Grund" zu verneinen. 197 Die Frage nach der praktischen Relevanz dieser Sichtweise ist sicher nicht der einzige Einwand, den man erheben kann. Schwer vorstellbar wäre auch, wie derartige nicht-ökonomischen Faktoren in Geld bewertet werden sollten. Das wäre ja erforderlich, um den "Nutzen" mit der Höhe der Dumpingspanne in Relation zueinanderzusetzen.
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Die zweite Alternative, die "hinreichende wirtschaftliche Rechtfertigung", ließe sich - positiv gefaßt - immer dann als erfüllt ansehen, wenn eine bestimmte Praxis nach betriebswirtschaftlicher Kosten-Nutzen-Analyse zu einem substantiellen geldwerten Vorteil führt, der sich nicht in der Ersparnis von Antidumpingzöllen erschöpft.198 Darunter ließen sich dann durchaus Aspekte subsumieren, wie sie von japanischer Seite Ende der achtziger Jahre schon einmal für die damals erfolgten und von der Kommission verfolgten Produktions- und Montageverlagerungen angeführt worden sind 199, wie z. B. die Notwendigkeit, marktnah zu produzieren, starke und anhaltende Währungsaufwertungen im Export- bzw. Abwertung im lmportland, die Förderung industrieller Kooperationen, Anreize für ausländische Direktinvestition im Importland oder einem Drittland, der allgemeine Wunsch, die Auswirkungen internationaler Handelspolitik auf das eigene Geschäft zu verringern etc. Der Rückgriff auf betriebswirtschaftliche Maßstäbe klingt einfach, wäre aber in der Praxis, insbesondere bei größeren lnvestitionsentscheidungen, mit nicht unbedeutenden Schwierigkeiten verbunden. Maßstäbe hat die Kommission bisher nicht geschaffen. Der Ruf nach einer Quantifizierung von "wirtschaftlicher Rechtfertigung" verhallt weitgehend ungehört.200 (4) Beweislast mit Blick auf hinreichende Begründung oder wirtschaftliche Rechtfertigung Zur Frage der Beweislast nimmt Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung nicht ausdrücklich Stellung. Nach dem Wortlaut könnte man die Beweislast der Gemeinschaft auferlegen. Im Polyester-Spinnfaser-Verfahren hat die Kommission die Beweislast jedoch den vom Umgehungsvorwurf betroffenen Unternehmen auferlegt. Zwar wird in 198 In diesem Sinne wird auch "wirtschaftliche Rechtfertigung" iSv. Art. 24 Zollkodex verstanden (zu dieser nicht-präferenziellen Ursprungsregel siehe unten, Teil 5 unter All.). Die wirtschaftliche Rechtfertigung der Warenbehandlung ist immer dann gegeben, wenn sie einen nicht nur im Ursprungserwerb liegenden Kostenvorteil mit sich bringt. - Witte I Prieß, Zollkodex, Art. 24, Rz. 12 zählen beispielhaft preisgünstigere Lager-, Transportskapazitäten und geringere Lohnkosten auf. - Siehe auch Dorsch, Zollrecht, BI I 24, Rz. 7, der darauf hinweist, daß sich auch Entscheidungen über die "wirtschaftliche Rechtfertigung" im Zusammenhang mit Art. 24 Zollkodex im Ausschußverfahren des Art. 247 durch Kornmissionsverordnung und damit nur "kasuistisch" treffen lassen. - Schwarz /Wockenfoth, Zollrecht, 3. Aufl., Art. 24 Rz. 90 sehen hingegen in "wirtschaftlicher Rechtfertigung" iSv. Art. 24 Zollkodex kein eigenständiges TatbestandsmerkmaL Wenn eine "wesentliche Be- oder Verarbeitung" iSv. Art. 24 Zollkodex vorgenommen werde, sei diese "normalerweise auch" wirtschaftlich gerechtfertigt. 199 Siehe Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (137), Rn. 3.6 und (158), Rn. 3.60. 200 Folgefragen wie "Wer würde eine solche Bewertung vornehmen - die Kornmrnission, oder unabhängige Dritte?" und "Welche Betrachtungsweise wäre geboten- ex-post oder ex ante?" werden daher bislang praktisch kaum gestellt.
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der entsprechenden Verordnung nicht explizit von Beweislast gesprochen. In dem Verfahren wird aber die generelle Vermutung für das Fehlen einer hinreichenden Begründung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung für den Fall aufgestellt, daß die "neue" Praxis in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Einleitung des Ausgangsverfahrens oder mit der Verhängung von vorläufigen Maßnahmen steht. 201 Außerdem wurde den betroffenen Unternehmen angelastet, daß behauptete Einsparungskosten nicht quantifiziert worden waren.202 Diese zwei Faktoren laufen auf eine Beweislastverteilung zu Lasten der betroffenen Unternehmen hinaus. Mithin dürfte die Gemeinschaft immer dann von einer nicht hinreichenden Begründung I wirtschaftlichen Rechtfertigung ausgehen, wenn der von Antidumpingzöllen betroffene und im Umgehungsverfahren untersuchte Unternehmer keine überzeugenden Beweise für deren Vorhandensein liefern kann. 203 Dabei kann sich die Gemeinschaft auf ein Diktum des EuGH im Brother-Fall204 stützen. In diesem Fall ging es zwar um die Umgehungsvorschrift in der alten Verordnung über die nicht-präferenziellen Ursprungsregeln.205 Die Grundkonstellation ist aber vergleichbar. Der EuGH postulierte hier aufgrund des zeitlichen Zusammenfallens von Montageverlagerung und lokrafttreten der belastenden Verordnung eine Beweislastumkehr und damit die generelle Vermutung für eine Umgehung. Übertragen auf Art. 13 Abs. 1 Grundverordnung hieße das, daß ein zeitliches Zusammenfallen von "Praxis, Fertigungsprozeß oder Arbeit" iSv. Art. 13 Abs. 1 S. 2 mit dem Beginn der Antidumpinguntersuchung oder dem Erlaß vorläufiger Maßnahmen die Vermutung erlaubt, daß es an einer hinreichenden Begründung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung fehlt. (5) Bedeutung des Kriteriums Welche Bedeutung das Kriterium des "insufficient due cause or economic justification" zur Zeit hat und welche ihm in der Zukunft tatsächlich zu kommen wird, ist umstritten. Selbst in der GD I variieren die Bewertungen erheblich. Teilweise wird vertreten, es handele sich im Zusammenhang mit Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung um das zentrale, maßgebliche Kriterium für die Bestimmung dessen, was Umgehung ist. Alles andere sei nur Nebensache. AB11997, L 346/1 (3), Erwägungsgrund (13) f. ABI. 1997, L 346/1 (4), Erwägungsgrund (16). 203 So schon vorhergesagt von Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 381; bestätigend Müller/Khan/Neumann, E.C. Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 13, Rz. 13.22; so wohl auch Dorsch-Lux, Zollrecht, FI I I 13, Rz. 7. 204 EuGH, Rs. 26/88 Brother International GmbH/Hauptzollamt Gießen, Slg. 1989, 4253 (4282) Rn. 28. 2os VO 802/68, ABI. 1968 L 148/ l. 2o1
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Von anderer Seite ist aber auch zu hören, daß es sich lediglich um ein Kriterium von untergeordneter Bedeutung handele. Im Kern gehe es bei der Umgehung darum, reaktives Verhalten nachzuweisen. Daneben bedürfe man des Kriteriums der hinreichenden Begründung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung nur noch, um in einigen Fällen durchaus erwünschter "Umgehung" den Vorwurf der Umgehung entkräften zu können - etwa bei größeren ausländischen Direktinvestitionen in der Gemeinschaft im Gefolge der Verhängung eines Antidumpingzolls. Der ersten Einschätzung liegt offensichtlich die Überzeugung zugrunde, man könne Umgehungsfälle und legitime Investitionsentscheidungen bzw. Geschäftsstrategien im Wege ökonomischer Analyse voneinander abgrenzen. Dem ist entgegenzuhalten, daß die Frage danach, was Umgehung ist und wo deren Grenzen zu ziehen sind, juristischer, nicht aber ökonomischer Natur ist. Die juristische Wertung muß getroffen sein, bevor dieser mit ökonomischen Hilfsmitteln zur Anwendung verholfen werden kann. - Ob die bisher von der Gemeinschaft im Einzelfall getroffene juristische Wertung eine verallgemeinerungsfähige Konkretisierung erfahren wird, hängt zu einem guten Teil vom politischen Gestaltungswillen der Gemeinschaft in diesem Bereich ab. Ein derartiger Gestaltungswille erscheint derzeit nicht wahrscheinlich. Fraglich ist auch, ob er wünschenswert wäre. Auf gesetzgebenscher Ebene erscheint eine Konkretisierung unwahrscheinlich, da man diese bei Schaffung des Art. 13 nur in Abs. 2 für Montagefälle vorgesehen, im Zusammenhang mit der Generalklausel in Abs. 1 S. 2 aber bewußt darauf verzichtet hat. Mit einer gezielten Selbstbindung der Kommission ist insofern auch nicht zu rechnen. Dies würde einer jahrzehntelang geübten Praxis im Antidumpingrecht zuwiderlaufen. Außerdem würde die Gemeinschaft damit einseitig Zugeständnisse machen, zu denen aus handelspolitischer Sicht keinerlei Veranlassung besteht. Insbesondere fällt dabei ins Gewicht, daß das internationale Antidumpingrecht206, der rechtliche Rahmen des europäischen Antidumpingrechts, Völkerrecht ist, zu dessen tragenden Prinzipen das Reziprozitätsprinzip207 gehört. In den Erwägungsgründen der Grundverordnung wird sogar explizit darauf hingewiesen, daß dem bei der Auslegung und Anwendung der Grundverordnung Rechnung zu tragen ist. 208 Da auch die Rechtsordnungen der anderen WTO-Mitgliedsstaaten im Bereich der Umgehungsabwehr weit von sehr bestimmten Regelungen entfernt sind, fehlt es auch der Gemeinschaft an einem Motiv für gesteigertes Entgegenkommen in diesem Bereich. Art. VI GATI und das Antidumpingübereinkommen der Uruguay-Runde. Präambel des GATI 47 Abs. 3; siehe auch Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., § 7 Rz. 22; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., § 64 ff. nach denen Gegenseitigkeit (Reziprozität) eine "Säule" ist, auf der das Völkerrecht ruht (siehe auch § 368: Der ,,klassische" Teil des GATI wird "vom Grundsatz strikter Gegenseitigkeit beherrscht"); Graf Vitzthum, Raum, Umwelt und Wirtschaft im Völkerrecht in Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, S. 507, Rz. 196. 208 ABI. 1996, L 56/1, Erwägungsgrund (4): "Bei der Anwendung dieser Regeln ist es zur Aufrechterhaltung des mit dem GAlT-Übereinkommen errichteten Gleichgewichts zwischen den Rechten und Pflichten unbedingt notwendig, daß die Gemeinschaft der Auslegung dieser durch ihre wichtigsten Handelspartner Rechnung trägt." 206 207
110 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Bejaht man Sinn und Zweck einer Umgehungsvorschrift, kommt noch hinzu, daß eine exakte Grenzziehung - so überhaupt möglich - insofern nicht wünschenswert erscheint, als sie zur Umgehung der Umgehungsvorschrift einladen würde. Aber auch die zweite Einschätzung, nach der dem Kriterium in der Zukunft allenfalls Hilfs-und Korrekturfunktion zukommen soll, stößtangesichtsihrer Radikalität auf Bedenken. Sie würde bedeuten, daß man quasi jedes reaktive Verhalten auf den Erlaß von Antidumpingzöllen als Umgehung ansehen und nur in einigen wenigen Fällen gegensteuern würde. Dieses Umgehungsverständnis dürfte zu ausufernd sein. Es ist mit der hier vertretenen Auffassung von Umgehung und Umgehungsabwehr und mit der objektiven Umgehungstheorie nicht zu vereinbaren. Die Teleologie einer Antidumpingverordnung steht nicht jedweder Reaktion des Dumpers entgegen, die auf fortgesetzte Marktpräsenz und Marktpenetration gerichtet ist. Gegen diese zweite Einschätzung ist auch Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung anzuführen. Bei den Parallelen, die Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 aufweisen, kann man Abs. 2 b) als eine Konkretisierung von "hinreichender Begrundung oder wirtschaftlicher Rechtfertigung" ansehen. Nachdem Abs. 2 b) mit dem 60%- und dem 25%-Test in Montagefällen eine ganz erhebliche Rolle spielt, kann nicht angenommen werden, daß das abstrakter gehaltene Äquivalent in Abs. 1 S. 2 von lediglich untergeordneter Bedeutung sein soll. Welche Bedeutung die Gemeinschaft dem Kriterium in der Zukunft einräumen wird, ist keine juristische, sondern eine handelspolitische Frage. Es ist aber zu hoffen, daß die Antwort nicht im Sinne der eben dargestellten Extrempositionen ausfällt. Wünschenswert wäre ein Mittelweg. Die Bedeutung des Kriteriums darf nicht überbetont werden; insbesondere kann die rechtliche Wertung nicht durch eine rein ökonomische ersetzt werden. Andererseits sollte aber auch kein unangemessen weites Umgehungsverständnis zugrunde gelegt werden. Der angesprochene Mittelweg könnte darin bestehen, "hinreichende Begrundung oder wirtschaftliche Rechtfertigung" als Verweis auf die Teleologie der umgangenen Antidumpingverordnung und damit auch als Verweis auf die sogenannt "wirtschaftliche Betrachtungsweise" zu verstehen.
c) Resümee zu Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung als eine Aneinanderreihung von unbestimmten Rechtsbegriffen aus Sicht des Rechtsunterworfenen mit einer Reihe von Unwägbarkeiten behaftet ist. Transparenz und Vorhersehbarkeit sind insbesondere mit Blick auf das Kriterium des FehJens der "hinreichenden Begrundung oder wirtschaftlichen Rechtfertigung" bislang nicht uneingeschränkt gewährleistet. Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung bleibt insofern wohl auch hinter Abs. 2 zuruck. Daraus resultierende Probleme werden sich aber in Grenzen halten, solange die Gemeinschaft sich ankündigungsgemäß
B. Art. 13 Grundverordnung
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darauf beschränkt, nur gegen "eindeutige" Umgehungen vorzugehen, d. h. Grenzfälle zu meiden und sich statt dessen nur auf die Extremfälle zu konzentrieren. 209 Es ist im übrigen zu erwarten, daß sich die Unsicherheit im Umgang mit zunehmender konkreter Anwendung von Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung gibt. Einen ersten Schritt in Richtung auf eine inhaltliche Ausgestaltung hat die Gemeinschaft mit ihrer Entscheidung im Polyester-Spinnfaser-Fan schon gemacht. Eine weitergehende Konkretisierung ist in kommenden Verfahren zu erwarten. An diese Konkretisierung dürfen andererseits aber keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Abs. 1 S. 2 kommt neben Abs. 2 eindeutig die Funktion eines Auffangtatbestandes zu. Hinzu kommt, daß es sich bei der Umgehungsproblematik um ein normativ - wenn überhaupt- jedenfalls nur schwer faßbares Phänomen handelt. Ferner darf auch nicht übersehen werden, daß sich Antidumpinganwender über Jahrzehnte hinweg ein großes Maß an handelspolitischen Entscheidungsspielräumen vorbehalten haben. Dies wird nachhaltig durch die Vorschriften des internationalen Antidumpingrechts dokumentiert. Es kann deshalb nicht erwartet werden, daß sich die Gemeinschaft solcher Spielräume gerade in einem so brisanten Bereich wie dem der Umgehungsabwehr begibt. 3. Verhältnis von Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 Grundverordnung
Schließlich stellt sich die Frage nach dem Verhältnis der beiden Bestimmungen zueinander. Die Abfassung von Art. 13 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 Grundverordnung hat offensichtlich zunächst zu einigen Mißverständnissen Anlaß gegeben. Zwar war schon dem den Grundverordnungsentwurf begleitenden "Explanatory Memorandum" zu entnehmen, daß die Kommission in Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 verschiedene Tatbestände geregelt wissen wollte. 210 Das hat die antragstellende europäische Industrie zunächst aber nicht davon abgehalten, "Beweise" zu Tatbestandsmerkmalen des Abs. 1 auch in Fällen anzubieten, in denen offensichtlich eine Umgehung iSv. Abs. 2 behauptet wurde.Z 11 Die Verwirrung wurde dann im Fahrräder-Verfahren noch dadurch erhöht, daß die Gemeinschaft auf diese "Beweise" eingegangen ist, ohne insofern eine Richtigstellung vorzunehmen. 212 209 KOM (94) 414 endg., S. 164 unter Gliederungspunkt 10; siehe auch Holmes, Anti-Circumvention under the European Union's New Anti-Dumping Rules, JWT, Val. 29, No. 3, 1995, S. 161 (172). 21o COM (94) 414 final, S. 164, unter Gliederungspunkt 10. 211 Fahrräder (Einleitung), ABI. 1996, L 98/3, Erwägungsgrund (6); Elektronische Waagen (Einleitung), ABI. 1996, L 221147, Erwägungsgrund (5) und ABI. 1996 L 221150, Erwägungsgrund (5). 212 ABI. 1997, L 16/55 (56), Erwägungsgrund (11) f.
112 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Das hat zunächst den Eindruck erweckt, Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung lege nur ganz allgemein fest, daß gegen Umgehung mit der Ausweitung bestehender Maßnahmen vorgegangen werden könnte und nur Abs. 2 bestimme die konkreten Ausweitungsvoraussetzungen. Seit dem Verfahren über elektronische Waagen213 und insbesondere seit dem Polyester-Spinnfaser-Verfahren214 scheint die Kommission nun aber doch bemüht, eine klare Abgrenzung zwischen Art. 13 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 Grundverordnung vorzunehmen und mithin die Tatbestandsmerkmale nicht mehr zu vermischen. Insofern scheint man sich auf die Ausgangsüberlegungen zu Art. 13 und den Willen zu einer umfassenden Umgehungsabwehr zu besinnen. Damit bleibt festzuhalten, daß Art. 13 Grundverordnung- wie dargestellt- zwei verschiedene Tatbestände mit zum Teil unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen enthält, die "klassischen" Umgehungsfälle in Abs. 2 und die "sonstigen" Fälle in Abs. 1 S. 2. Der Wortlaut des Abs. 1 S. 2 ist so weit gefaßt, daß darunter auch die klassischen Umgehungsfälle, die Montagefälle, subsumiert werden könnten. Damit würden aber die relativ präzisen Vorgaben des Abs. 2 mit seinem 60%und dem 25%-Test unterlaufen. Um das zu verhindern, muß Abs. 2 für Montagefälle als Iex specialis verstanden werden. In Montagefällen sollte bei Nicht-Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 2 mithin ein Rückgriff auf Abs. 1 nicht mehr möglich sein. 215
111. Abwehrmaßnahmen unter Art. 13 Grundverordnung
1. Allgemeines
Wenn eine Umgehung von geltenden Antidumpingmaßnahmen iSv. Art. 13 Abs. 1 S. 2 oder Abs. 2 Grundverordnung stattfindet, können gemäß Art. 13 Abs. 1 S. 1 Grundverordnung bestehende Antidumpingzölle auf die Einfuhr der gleichartigen Ware oder von Teilen dieser Ware aus Drittstaaten ausgeweitet werden. Anders als im Ausgangsverfahren geht der "endgültigen" Maßnahmenausweitung keine "vorläufige Maßnahme" voraus. 216 213 ABI. 1997, L 141157 (58), Erwägungsgrund (8) ff.; ABI. 1997, L 141161 (62) Erwägungsgrund (7) ff.; in diesen Verfahren hat die Kommission ihre Untersuchung auf die Voraussetzungen von Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung beschränkt und dies damit begründet, daß es in dem Fall um Montagevorgänge ging. 214 ABI. 1997, L 346/l. 215 So auch Müller/Khan/Neurrumn, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 13, Rz. 13.42. Siehe auch Vermulst/Waer, E.C.Anti-Dumping Law and Practice, S. 385; Dorsch-Lux, Zollrecht, Fl 1/13, Rz. 15. 216 Im normalen Verfahren werden regelmäßig vor dem endgültigen Erlaß von Antidumpingmaßnahmen von der Kommission sogenannte "vorläufige Maßnahmen" (Art. 7 Grund-
B. Art. 13 Grundverordnung
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Es können auch keine Verpflichtungserklärungen angenommen werden. 217 Das ergibt sich zum einen daraus, daß Art. 13 Abs. 1 S. 1 Grundverordnung ausdrücklich nur eine Ausweitung von Antidumpingzöllen vorsieht. Zum anderen verweist Art. 13 Abs. 3 Grundverordnung a.E. nur auf die "einschlägigen Verfahrensbestimmungen dieser Verordnung zu der Einleitung und der Durchführung der Untersuchungen". Die Vorgängerregel Art. 13 Abs. 10 d) VO 2324/88 bezog sich noch ausdrücklich auf die Vorschriften über "Untersuchung, Verfahren und Verpflichtungserklärungen ".218
2. Zeitlicher Anwendungsbereich ausgeweiteter Maßnahmen
Die Maßnahmenausweitung wird von dem Zeitpunkt an eingeführt, zu dem die Einfuhren gemäß Art. 14 Abs. 5 Grundverordnung zollamtlich erlaßt wurden? 19 Von Kommissionsvertretern ist bisweilen zu hören, daß es sich dabei um eine "rückwirkende" Anwendung handele. Dieser Aussage muß widersprochen werden. Es handelt sich bei der Ausweitung von Antidumpingzöllen auf Waren, die während des Untersuchungszeitraums des Umgehungsverfahrens eingeführt werden, nicht um "Rückwirkung". Zumindest kann nicht im technischen Sinn von Rückwirkung gesprochen werden. 220 Rückwirkung im technischen Sinn liegt im Antidumpinghereich nur vor, wenn ein Antidumpingzoll auf Waren erstreckt wird, die vor dessen Inkrafttreten eingeführt worden sind?21 Das ist aber bei der Zollausweitung nach Art. 13 Abs. 1 S. 1 Grundverordnung nach dem hier vertretenen Verständnis von Umgehung und Umgehungsabwehr222 gerade nicht der Fall. Mit der als Zollausweitung bezeichneten abschließenden Entscheidung im Umgehungsverfahren tritt kein Antidumpingzoll in Kraft. Es wird keine Zollschuld begründet, sondern nur festgestellt, daß ein bestehender Antidumpingzoll auf die Waren anzuverordnung) erlassen. Diese vorläufigen Maßnahmen werden nach einer kursorischen Prüfung von Dumping, Schädigung und Gemeinschaftsinteresse eingeführt. Sie sollen den betroffenen europäischen Industriezweig auch schon während des langen Verfahrens bis zur Entscheidung über endgültige Maßnahmen vor den schädigenden Auswirkungen von Dumpingeinfuhren bewahren. Die Anordnung der Rückwirkung von endgültigen Maßnahmen könnte diesen Schutz nicht bieten, da sie keinen Ausgleich für einen einmal entstandenen Schaden erbringt. Im übrigen ist die Rückwirkung von Antidumpingmaßnahmen nur sehr eingeschränkt möglich (Art. 10 Grundverordnung). 217 So auch Van Bael / Bellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Laws of the EC, S. 358. Vorsichtig verneinend auch Müller/ Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 13, Rz. 13.54. 218 Hervorhebung durch den Verfasser. 219 Art. 13 Abs. 3 S. 4 Grundverordnung. 22o A.A. aber Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law, - A Commentary on Regulation 384/96, Art. 10, Rz. 10.1. 221 Das ist nur in Ausnahmefälle möglich. Grundsätzlich ist Rückwirkung aber ausgeschlossen (Art. 10 Abs. 1 Grundverordnung; Art. 10 Antidumpingübereinkommen). 222 Siehe oben, Teil 2, D. und E. 8 Bimstiel
114 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
wenden ist, die Gegenstand der Umgehungsuntersuchung waren. Diese Feststellung ist rein deklaratorischer Natur. Die Erstreckung der Zollausweitung auf Waren, die während des Umgehungsverfahrens eingeführt werden, kann mithin allenfalls als "unechte" Rückwirkung angesehen werden, hat mit der eigentlichen Rückwirkungsproblematik im Antidumpingrecht aber nichts zu tun. Abgesehen davon erscheint die Qualifizierung der Zollausweitung als "riickwirkende" Maßnahme auch vor dem GATT I WTO-rechtlichen Hintergrund der Umgehungsproblematik als ungeschickt. Die Qualifizierung als "riickwirkend" impliziert nämlich, daß es sich um eine eigenständige Maßnahme handelt. Als solche müßte sie sich dann aber auch umfassend am GATT IWTO-Recht, respektive an Art. VI GATT messen lassen. Bei Dumping und Schädigung weitgehend auf eine Prüfung zu verzichten und an die Ergebnisse des Ausgangsverfahrens anzuknüpfen, erschiene dann äußerst problematisch. 223 Die Beschränkung der Zollausweitung auf die Zeit ab zollamtlicher Erfassung ist deshalb auch wenig überzeugend. Jedenfalls kann dies nicht mit dem Verweis auf die "Rückwirkungsproblematik" begrundet werden. Im Prinzip müßte die Zollausweitung auf sämtliche Umgehungstransaktionen erstreckt werden können, die von Sinn und Zweck der Ausgangsmaßnahme erfaßt werden. 224 Das insoweit zuriickhaltende Vorgehen der Gemeinschaft kann wohl nur vor dem Hintergrund der schlechten Erfahrungen der Vergangenheit erklärt werden. Die zeitliche Beschränkung ist aus Sicht der Drittstaatenhersteller I Importeure zu begriißen, da sich zusätzliche Belastungen aus deren Sicht eher vorhersehen lassen. Vor Einleitung eines Umgehungsverfahrens ist zumindest unter dem Gesichtspunkt von Art. 13 Grundverordnung nicht mit Belastungen zu rechnen. Zu bedauern ist die zeitliche Beschränkung der Zollausweitung aber insofern, als sie die Kohärenz von Art. 13 Grundverordnung in Frage stellt und damit die Verteidigungsposition der Gemeinschaft in einem zukünftigen Panel schwächen könnte.
3. Höhe der ausgeweiteten Zölle Unklar war zunächst, ob der nach Abschluß des Ausgangsverfahrens verhängte Zollsatz uneingeschränkt Anwendung finden sollte oder ob dieser an die im Umgehungsverfahren ermittelten Dumpingwerte angepaßt wird. 225 Im Fahrräder-Verfahren wendet die Gemeinschaft den Zollsatz des Ausgangsverfahrens 226 auch in Fällen der Einfuhr von Fahrradteilen uneingeschränkt an.Z27 Eine etwaige Kürzung 223 Zum Problem der GATT-Kompatibilität von Art. 13 Grundverordnung, siehe unten, Teil3,D. 224 Ähnlich: Holmes, Anti-Circumvention under the European Union's New Anti-Dumping Rules, JWT, Vol. 29 No. 3, June 1995, S. 161 (173) Fn. 38. 225 Siehe Van Bael/ Bellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Laws of the EC, 3rd ed., S. 358. 226 Art. 1 Abs. 2 VO 2474/93, ABI. 1993 L 228/1 (9). 227 Art. 2 Abs. 1 VO 71/97, ABI. 1997 L 16/55 (62).
B. Art. 13 Grundverordnung
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des auf vollständige Fahrräder aus China erhobenen Antidumpingzolls von 30,6% wird bei der Ausweitung auf Einfuhren von Fahrradteilen nicht erwogen?28 Auch aus dem Polyester-Spinnfaser-Fall ergeben sich keinerlei Hinweise auf eine Anpassung an die im Umgehungsverfahren ermittelten Dumpingwerte. Kritiker halten dem entgegen, daß Antidumpingzölle immer an der Dumpingmarge ausgerichtet werden müssen. Die ungeprüfte Übernahme des Antidumpingzolls aus dem Ausgangsverfahren wäre mit den GATT /WTO Vorgaben nicht vereinbar. Dem ist aber zu entgegnen, daß das Umgehungsverfahren kein neues Antidumpingverfahren darstellt, bei dem der Maßstab des Art VI GATT und des Antidumpingübereinkommens umfassend anzulegen wäre. Es handelt sich vielmehr nur um ein Verfahren, in dem ermittelt werden soll, ob sich bestehende Maßnahmen ausweiten lassen. Zwar arbeitet die Gemeinschaft nicht explizit mit "scope rules" US-amerikanischer Art. Im Prinzip geht es aber auch bei dem von der Gemeinschaft verfolgten Ansatz darum, zu ermitteln, ob der zu untersuchende (Umgehungs-)Sachverhalt dem Sachverhalt des Ausgangsverfahren so nahe ist, daß eine Erstreckung bestehender Maßnahmen auf der Grundlage der Vergleichbarkeit der Sachverhalte gerechtfertigt erscheint. Mithin steht die Anwendbarkeit der Verordnung, aufgrund derer im Ausgangsverfahren Abwehrmaßnahmen verhängt wurden, im Zentrum des Interesses. 229 Mittels der das Umgehungsverfahren beendenden Verordnung wird auf die Frage der Anwendbarkeit dann nicht nur eine einzelfallbezogene Antwort gegeben, sondern es werden bestimmte Sachverhalte generell den im Ausgangsverfahren verhängten Antidumpingmaßnahmen unterworfen. Bei diesem Verständnis fügt sich Art. 13 Grundverordnung problemlos in die Strukturen der Grundverordnung ein. Im Einklang mit den GATT I WTO-Vorschriften wird nach der endgültigen Entscheidung über Antidumpingmaßnahmen eine Korrektur der Antidumpingzölle vor Ablauf der Regellaufzeit von fünf Jahren230 nur ausnahmsweise und nach eingehenden Untersuchungen in speziellen Verfahren (Interim-Überprüfungen etc.) vorgenommen. In der Praxis werden im Zusammenhang mit der Zollausweitung noch eine Reihe weiterer Fragen zu beantworten sein. So ist z. B. bislang nicht geklärt, welcher Zollsatz in Fällen anzuwenden ist, in denen im Ausgangsverfahren neben einem Residualzollsatz für kooperierende Drittstaatenhersteller individuelle Antidumpingzollsätze festgelegt worden sind. 231 VO 71/97, ABI. 1997, L 16/55 (59), Erwägungsgrund (26). Diese Auffassung wird von der Kommission nicht geteilt. Sie scheint aber nicht nur sachgerecht, sondern als GATI /WTO-konforme Interpretation auch dringend geboten. 230 Art. 11 Abs. 2 Grundverordnung. 231 Im allgemeinen wird eine Antidumpingverordnung für kooperierende Drittstaatenhersteller individuelle Zollsätze festsetzen, die sich an deren individuellen Dumpingmargen orientieren. Daneben wird regelmäßig ein Residualzollsatz für nicht kooperierende bzw. im Untersuchungszeitraum nicht exportierende Hersteller ausgewiesen. Siehe allgemein, Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384/96, Art. 14, Rz. 14.48 ff. 228 229
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116 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Denkbar wäre, in diesen Fällen auf den regelmäßig weit höheren Residualzollsatz zurückzugreifen. Das würde einen ungleich höheren Abschreckungseffekt auf die vormals kooperierenden und mit einem Individualzollsatz belohnten Drittstaatenhersteller ausüben. 232 Damit würde Art. 13 Grundverordnung aber einen Strafcharakter erhalten, der an sich nicht in das Konzept der auf rein objektiven Kriterien beruhenden gemeinschaftsrechtlichen Umgehungsabwehr paßt. Es erscheint daher wahrscheinlicher, daß individuelle Zollsätze ausgeweitet werden, soweit eine Zuordnung des Umgehungssachverhalts zu einem mit individuellem Zollsatz bedachten Drittstaatenhersteller möglich ist. Nur wo das nicht der Fall ist, dürfte auf den Residualzollsatz zurückzugreifen sein. Fraglich ist auch, welcher Zollsatz Anwendung findet, wenn in "multi-country proceedings" kumuliert wird.Z 33 - Es bietet sich an, bei der Beantwortung dieser Frage zwischen Importlands- und Drittlandsumgehung zu unterscheiden. In den Fällen der Importlandsumgehung erscheint es naheliegend, jeweils den Antidumpingzollsatz anzuwenden, der für das Land gilt, aus dem nun die Teile importiert werden. In Drittlandsumgehungsfällen wäre das jedoch nicht möglich. Hier erfolgt die Einfuhr in die Gemeinschaft ja erst nach der Montage im Drittland. Denkbar wäre das gewogene Mittel aus den jeweiligen landesspezifischen Zollsätzen zu nehmen ("weighted average duty").234 Das wird von Kommissionsseite bisweilen aber auch als nicht mit dem akzessorischen Charakter von Umgehungsabwehrmaßnahmen vereinbar angesehen. Statt dessen wird vorgeschlagen den Ursprung der montierten Ware zu bestimmen und diesen für maßgeblich zu erachten, sofern eines der Länder zum Ursprungsland wird, das Teile liefert und den Antidumpingmaßnahmen ausgesetzt ist. 235 Dem ist entgegenzuhalten, daß die Durchschnittsbildung die Akzessorietät zu allen betroffenen Verfahren sicher am besten gewährleistet. Der Lösungsansatz, der auf die Bestimmung des Ursprungslandes abstellt, stellt die Akzessorietät zu den Ländern, aus denen zwar Teile stammen, die aber nicht Ursprungsland des Endproduktes werden, ja gerade gänzlich in Frage. Zusätzliche Probleme werden auftreten, wenn es sich bei dem auszuweitenden Zoll nicht um einen "ad valorem"-Zoll, sondern um einen "variablen" oder "festen"236 Antidumpingzoll handelt.
232 Das würde auch der Behandlung entsprechen, die einem Drittstaatenhersteller bei Verstoß gegen eine Verpflichtungserklärung droht. Auch hier wird regelmäßig nicht auf den individuellen Zollsatz, sondern auf den Residualzollsatz zurückgegriffen. 233 Siehe dazu oben, Teil 3, B. II. I. bb) (I) (d). 234 So auch einzelne Vertreter der GD I; siehe auch Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 384. 235 Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384/96, Art. 13, Rz. 13.60. 236 Zur Begrifflichkeil siehe z. B. Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 14, Rz. 14.57 ff.
B. Art. 13 Grundverordnung
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4. Richtige Bemessungsgrundlage
Bei der Maßnahmenausweitung erweist sich aber nicht nur die Höhe des anzuwendenden Zollsatzes problematisch. Auch mit Blick auf die Bemessungsgrundlage können sich Zweifel ergeben. In Fällen der Drittlandsumgehung wäre denkbar, den Zoll nur proportional zum Wert der Teile zu erheben, deren Ursprung im mit Antidumpingmaßnahmen belegten Land anzusiedeln ist. Andererseits könnte auch der Zollwert der komplett eingeführten Ware als Bemessungsgrundlage dienen. Die zweite Auslegung könnte als diskriminierend angesehen werden. Drittlandsinvestitionen würden de facto schlechter gestellt als Investitionen in der EG. Da Antidumpingmaßnahmen aber als Grenzmaßnahmen ausgestaltet sind, ist das schon in Art. VI GATI so angelegt und erscheint vor dem GATT I WTO-rechtlichen Hintergrund unbedenklich. Es spricht daher viel dafür, daß bei Drittlandsumgehung auf den Zollwert der kompletten Ware abzustellen ist. Letztlich handelt es sich dabei aber um Spekulationen. Von Kommissionsvertretern ist zu hören, daß man solche Probleme erst angehen werde, sobald sie sich in einem praktischen Fall stellten. 237 Die Entscheidung wird dann immer auch von handelspolitischer Opportunität im Einzelfall abhängen.
IV. Verfahrensaspekte - Art. 13 Abs. 3 und 4 Grundverordnung 1. Allgemeines
Die Verfahrensaspekte der neuen gemeinschaftsrechtlichen Umgehungsabwehr sind in Art. 13 Abs. 3 und 4 Grundverordnung geregelt. Art. 13 Abs. 3 S. 5 Grundverordnung sieht vor, daß sich das Umgehungsverfahren im wesentlichen an den allgemeinen Verfahrensvorschriften der Grundverordnung orientiert. Umgehungsverfahren beginnen mit einer Beschwerde (Antrag) seitens der betroffenen europäischen Industrie, in der diese die Umgehung von bestehenden Antidumpingmaßnahmen geltend machen muß. Diese Beschwerde soll Beweise für die eine Umgehung konstituierenden Faktoren enthalten.Z38 Wenn die Kommission zu der Überzeugung kommt, daß ausreichende (prima facie-)Beweise für eine Umgehung vorliegen239 , wird nach Anhörung des "Bera237 Siehe Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384/96, Art. 13, Rz. 13.55. 238 Art. 13 Abs. 3 S. 1 Grundverordnung. 239 In diesem frühen Stadium prüft die Kommission - so wie es Art. 5 Abs. 3 Grundverordnung vorsieht - soweit möglich die Richtigkeit und die Stichhaltigkeit der dem Antrag beigefügten Beweise, um festzustellen, ob genügend Beweise vorliegen, um die Einleitung einer Untersuchung zu rechtfertigen.
118 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
tenden Ausschusses"240 mittels Erlaß einer Verordnung eine Umgehungsuntersuchung eingeleitet. 241 Diese Verordnung enthält u. a. die Anweisung an die Zollbehörden, die fraglichen Einfuhren gemäß Art. 14 Abs. 5 Grundverordnung zollamtlich zu erfassen oder Sicherheiten von den Importeuren zu verlangen. Die anschließenden Untersuchungen werden von der Kommission geleitet. 242 Diese wird dabei von den nationalen Zollbehörden unterstützt. Das ganze Verfahren soll nicht mehr als neun Monate in Anspruch nehmen. In den bisher abgeschlossenen Verfahren ist es der Kommission gelungen, diese Zeitvorgabe einzuhalten. Wenn die endgültig ermittelten Tatsachen für eine Umgehung sprechen und damit eine Ausweitung bestehender Maßnahmen rechtfertigen, kann (die Grundverordnung spricht von "wird") der Rat auf Vorschlag der Kommission diese Ausweitung mit einfacher Mehrheit beschließen. 243 Die Ausweitung gilt sowohl für zukünftige Einfuhren als auch für die Einfuhren, die während der Dauer des Umgehungsverfahrens zollamtlich erlaßt worden sind.244 Das Umgehungsverfahren läuft zwar im wesentlichen nach dem Vorbild des normalen Antidumpingverfahrens ab. Es sind aber auch einige beachtliche Abweichungen zu verzeichnen. So wird das Umgehungsverfahren eben durch Erlaß einer Kommissionsverordnung eingeleitet, während im Ausgangsverfahren die Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt245 genügt. 246 Ferner wird die Einleitung eines Umgehungsverfahrens automatisch von der zollamtlichen Erfassung begleitet. Im normalen Verfahren fallen Verfahrenseröffnung und zollamtliche Erfassung nur ausnahmsweise und nur bei Vorliegen besonderer Voraussetzungen zusarnmen?47 Schließlich fehlt der Kommission bei Art. 13 Grundverordnung jegliche Kompetenz, vorläufige Maßnahmen iSv. Art. 7 der Grundverordnung zu ergreifen. Die Ausweitung von Antidumpingzöllen ist das alleinige Recht des Rats.
Siehe Erwägungsgrund (24) zur Grundverordnung. Art. 13 Abs. 3 S. 2 Grundverordnung. 242 Innerhalb der Kommission ist die GD I C 3 für diese Verfahren zuständig. 243 Art. 13 Abs. 3 S. 4 Grundverordnung. 244 Art. 13 Abs. 3 S. 4 Grundverordnung. 245 Amtsblatt Serie C. 246 Art. 5 Abs. 9 Grundverordnung. 247 Siehe Müller/Khan/Neumann, EC Antidumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 14, Rz. 14.96 ff.; Vermulst/Waer, E.C. Antidumping Law and Practice, S. 425 f.; Van Bael/ Bellis, Anti-Dumpig and other Trade Protection Laws of the EC, 3'd ed., S. 280, Rz. 723. 240 241
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2. Zollamtliche Erfassung, Art. 13 Abs. 3 S. 2 iVm. Art. 14 Abs. 5 Grundverordnung Ein neues Element im Verfahren zur Umgehungsabwehr ist die in Art. 13 Abs. 3 S. 2 Grundverordnung vorgesehene zollamtliche Erfassung der betreffenden Einfuhren. Mit der Verordnung, mit der die Kommission das Umgehungsverfahren förmlich einleitet, werden gemäß Art. 13 Abs. 3 S. 2 Grundverordnung die Zollbehörden angewiesen, die entsprechenden Einfuhren gemäß Art. 14 Abs. 5 Grundverordnung248 zollamtlich zu erfassen249 oder Sicherheiten zu verlangen250 • Damit wird die Zollabfertigung für diese Einfuhren für die Dauer des Umgehungsverfahrens (max. neun Monate) aufgeschoben. Das hat zur Folge, daß die fraglichen Waren keinen Freiverkehrswarenstatus iSv. Artt. 9 Abs. 2 und 10 EGV erlangen. Die endgültige Zollabfertigung erfolgt dann erst nach Abschluß des Umgehungsverfahrens, wenn feststeht, ob ein bestehender Antidumpingzoll auszuweiten ist. Wenn das der Fall ist, wird diese Ausweitung von dem Zeitpunkt an eingeführt, ab dem die Einfuhren gemäß Art. 14 Abs. 5 Grundverordnung zollamtlicherfaßt wurden?51 Für die Frage nach dem Sinn und Zweck der zollamtlichen Erfassung im Zusammenhang mit Art. 13 Grundverordnung gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Von Kommissionsseite ist z. B. zu hören, daß das Vorgehen im Wege der zollamtlichen Erfassung die "rückwirkende" Anwendung der Zollausweitung ermögliche. 252• 253 Dem ist zu widersprechen. An anderer Stelle wurde schon darauf eingegangen, daß sich bei Umgehungsabwehrmaßnahmen die Frage der "Rückwirkung" im technischen Sinne nicht stellt. 254 248 Art. 14 Abs. 5 Grundverordnung: "Die Kanunission kann nach Konsultation im Beratenden Ausschuß die Zollbehörden anweisen, geeignete Schritte zu unternehmen, um die Einfuhren zollamtlich zu erfassen, so daß in der Folge Maßnahmen gegenüber diesen Einfuhren vom Zeitpunkt dieser zollamtlichen Erfassung an eingeführt werden können. Die zollamtliche Erfassung der Einfuhren kann auf einen Antrag des Wirtschaftszweiges der Gemeinschaft vorgenommen werden, der ausreichende Beweise für die Rechtfertigung dieser Maßnahme enthält. Die zollamtliche Erfassung wird durch die Verordnung eingeführt, in der der Zweck dieser Erfassung und, soweit angemessen, der geschätzte Betrag der möglichen zukünftigen Zollschuld angegeben werden. Die Einfuhren dürfen nicht länger als neun Monate zollamtlich erfaßt werden." 249 Siehe hierzu allgemein Müller!Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 14, Rz. 14.96. 250 Auf Sicherheiten - als die belastendere Maßnahme - wird die Gemeinschaft wohl nur im Ausnahmefall bestehen. Siehe Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Cornrnentary on Regulation 384/96, Art. 13, Rz. 13.45. 251 Art. 13 Abs. 3 S. 4 Grundverordnung. 252 So Müller I Khan/ Neumann, EC Anti-Dumping Law, A Cornrnentary on Regulation 384/96, Art. 14, Rz. 14.96. 253 So auch Dorsch-Lux, Zollrecht, FI 1/13, Rz. 4. 254 Siehe oben, Teil 3, B. 111. 2.
120 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Von anderer Seite wird mit leicht anderer Akzentsetzung vertreten, die zollamtliche Erfassung im Zusammenhang mit Art. 13 Grundverordnung sei ein "bemerkenswerter zollverfahrensrechtlicher ,Kunstgriff'", der dazu diene, "die GATTrechtliche Einordnung der zu erhebenden Umgehungsabgabe als ,interne Abgabe' zu verhindern." 255 Die Auffassung knüpft an die "Parts"-Panelentscheidung an, die die Zollausweitung unter Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 - wie beschrieben256 - als GATT-widrige interne Abgabe qualifiziert hatte. Tatsächlich wird mit der zollamtlichen Erfassung erreicht, daß die Zollausweitung auch für die während der Umgehungsuntersuchung eingeführten Waren streng formal betrachtet im Zusammenhang mit der Einfuhr erfolgt, mithin als "border measure" iSv. Artt. I und II GATT und nicht "internal charge" iSv. Art. III GATT anzusehen ist. Es ist durchaus möglich, daß diese formale Betrachtungsweise die Entscheidung zu Gunsten der Aufnahme der zollamtlichen Erfassung in Art. 13 Abs. 3 Grundverordnung beeinflußt hat. 257 Wichtiger als dieser formale Aspekt erscheint jedoch die materiell-rechtliche Ausgestaltung der Umgehungsabwehr. Entscheidend ist, wann die Zollschuld materiell-rechtlich begründet wird. Anders als früher wird jetzt in Art. 13 Grundverordnung materiell auf den Vorgang der Einfuhr abgestellt. 258 Wenn man mit der hier vertretenen Auffassung davon ausgeht, daß die Entscheidung über die Ausweitung nur deklaratorisch ist, wird die Zollschuld auch bei unter Umgehung von bestehenden Maßnahmen eingeführten Waren schon mit dem Einführvorgang selbst begründet. 259 Daß die Gemeinschaft den ihr daraus entstehenden Anspruch erst später - nämlich nach der Feststellung, daß Umgehungsfall und Ausgangsfall gleich zu behandeln sind- geltend macht, ist für die Einordnung der Maßnahmenausweitung als "border measure" unerheblich.Z60• 261 Es bedarf dazu also keines "zollverfahrensrechtlichen Kunstgriffs". 255 So Kaufmann, Ursprungsregeln: Die internationale und europäische Gestaltung der Umgehungsregeln, S. 155. 256 Siehe oben, Teil 3, A. li. 257 Den Bezug zum Parts Panel hat auch die Komrossion bisweilen hergestellt (COM (94) 414 final S. 165 unter Gliederungspunkt 10 b) (iii)). 258 Siehe Wortlaut von Art. 13 Abs. 1 S. I Grundverordnung: "Die gemäß dieser Verordnung eingeführten Antidumpingzölle können auf die Einfuhren der gleichartigen Ware oder Teilen dieser Ware aus Drittländrn ausgeweitet werden, wenn eine Umgehung stattfindet." (Hervorhebung durch den Verfasser). 259 Insoweit kann auf Art. 201 Abs. 1 Zollkodex verwiesen werden. Die Einfuhrzollschuld entsteht regelmäßig u. a. wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wird. Die Zollschuld entsteht konkret im Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung abgegeben wird (Art. 201 Abs. 2 Zollkodex). Siehe dazu z. B. WittePrieß, Zollkodex, Vor Art. 20, Rz. 1 ff. mwN. und Art. 201, Rz. 1 ff.; Dorsch, Zollrecht, B 1/ 201, Rz. 1 ff. 260 Es geht dann im Prinzip nur noch um eine Nacherhebung. Zur Nacherhebung siehe Art. 220, 221 Zollkodex. Siehe Dorsch, Zollrecht, B 11220 Rz. 1 ff. 261 Vergleichbar ist die Situation bei vorläufigen Antidumpingzöllen. Auch hier erfolgt die endgültige Erhebung erst nachträglich und dennoch besteht Einigkeit darüber, daß das im technischen Sinne nichts mit Retroaktivität zu tun hat. Siehe z. B. Müller I Khan/ Neumann,
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Sinn und Zweck der zollamtlichen Erfassung im Zusammenhang mit Art. 13 Grundverordnung sind nach hier vertretener Auffassung einzig und allein praktischer Natur. Es geht darum, der Kommission und den nationalen Zollbehörden genaue Daten über Einfuhrmengen und Einführer der betroffenen Ware zu verschaffen. Diese Daten ermöglichen dann bei Feststellung einer Umgehung, Antidumpingzölle für den Zeitraum der zollamtlichen Erfassung ohne weitere Nachforschungen zügig einzufordern.
3. Befreiungsverfahren- Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung
Ein weiteres neues verfahrensrechtliches Element findet sich mit dem Befreiungsverfahren in Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung?62 a) Allgemeines Nach Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung kann auf Antrag im Einzelfall Befreiung von der zollamtlichen Erfassung und Zollausweitung gewährt werden. Damit soll den Interessen von Unternehmen Rechnung getragen werden, die die von einem Umgehungsverfahren betroffenen Waren einführen oder abnehmen, dabei selbst aber nachweislich keinen Umgehungstatbestand erfüllen. Werden z. B. von einem Unternehmen Teile einer mit Antidumpingzöllen belegten fertigen Ware eingeführt, um als Ersatzteile genutzt oder vertrieben zu werden, ist keiner der Umgehungstatbestände von Art. 13 Grundverordnung erfüllt. Unter solchen Umständen gibt es keinen Grund, das Unternehmen mit einer zollamtlichen Erfassung oder auch Zollausweitung zu belasten. Da zollamtliche Erfassung und Zollausweitung aber abstrakt-generell ausgestaltet sind, mußte für solche Einzelfälle eine Befreiungsmöglichkeit vorgesehen werden. Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung sieht zwar die Befreiungsmöglichkeit vor, regelt aber weder das Verfahren für die Erteilung der Genehmigungen noch die anschließende Ausstellung der Bescheinigungen im einzelnen. Aus eben diesem Grund gibt sich die Gemeinschaft im Zusammenhang mit dem Fahrräder-Verfahren, dem ersten Verfahren unter Art 13 Grundverordnung, in dem sich die Frage nach der Befreiung iSd. Abs. 4 stellt, vergleichsweise große Mühe, ihre Vorstellungen von Wirkungs- und Funktionsweise des Befreiungsverfahrens darzustellen. So nimmt sie in der entsprechenden Ratsverordnung verhältnismäßig ausführlich zu EC Antidumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 10, Rz. 10.3: "[T]he definitive collection of a provisional anti-dumping duty is a false retroactivity in EC law since the liability to pay the duty already subsisted pursuant to the provisional duty regulation." (Hervorhebung durch den Verfasser). 262 Für den vollen Text von Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung siehe oben, Teil 3, B. I.
122 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
den Grundsätzen und Regeln für eine Befreiung Stellung.Z63 Das wird dann noch durch eine eigens dem Befreiungssystem gewidmete Kommissionsverordnung konkretisiert. 264 Es ist nicht zu übersehen, daß diese Verordnungen - auch und gerade in puncto Befreiungen - auf den spezifischen Fall der Importlandsumgehung zugeschnitten und damit nicht uneingeschränkt verallgemeinerungsfähig sind.Z65 In Ermangelung anderer Anhaltspunkte zur möglichen Auslegung von Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung soll nachfolgend trotzdem ausführlich auf die Ausgestaltung des Befreiungsverfahrens in diesem spezifischen Fall eingegangen werden. Da die Fälle der Importlandsumgehung von Natur aus diejenigen sein werden, die am häufigsten zu Befreiungen Anlaß geben werden, wird damit ein wesentlicher Teil des Anwendungsbereichs von Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung erfaßt. b) Die drei Befreiungsfälle Ausnahmen, d. h. Befreiungen der Einfuhren vom ausgeweiteten Zoll, kommen bei Importlandsumgehungskonstellationen in drei Fällen in Betracht. 266 Das ist einmal der Fall, wenn die Einfuhren von einer "befreiten Partei" zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet werden. Die zweite Fallgruppe betrifft die Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr im Rahmen der Bestimmungen über die Kontrolle der besonderen Verwendung.Z67 Eine dritte Ausnahme bilden die Fälle, in denen eine "untersuchte" und mithin noch nicht befreite Partei die Zollanmeldung vornimmt. aa) Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr durch ein vom Zoll befreites Unternehmen
Einfuhren sind immer dann vom ausgeweiteten Zoll zu befreien, wenn sie von einer sogenannt "befreiten Partei" oder in deren Namen zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet werden.Z68 • 269 Für das Verständnis dieser Fallgruppe ist erfor263 Art. 3 VO 71197, ABI. 1997, L 16155 (62 f.) und die dazu gehörigen Erwägungsgründe (30) bis (44). 264 V088197, ABI.1997,L 17117. 265 Siehe auch Müller/Khan/Neui1Ulnn, EC Anti-Dumping Law - A Comrnentary on Regulation 384196, Art. 13, Rz. 13.65. 266 Art. 2 VO 88197, ABI. 1997, L 17 I 17 (19);- Vennulst/Driessen, New Battle Lines in the Anti-Dumping War, JWT Vol. 31, No. 3; June 1997, S. 135 (151 f.) unterscheiden zwischen vier Befreiungsfälle. 267 Art. 82 VO 2913192 (Zollkodex) und Artt. 291 bis 304 VO 2454193 (DurchführungsVO zum Zollkodex). 268 Zur Überführung in den zollrechtliehen freien Verkehr siehe Artt. 79 ff. Zollkodex. Siehe dazu z. B. Komrnentierung bei Wirte I Alexander, Artt. 79 ff. 269 Art. 2 Abs. 1 erster Spiegelstrich VO 88 I 97, Abi. 1997, L 17 I 17 ( 19).
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derlich, daß begrifflich "befreite Parteien" und in Abgrenzung dazu "befreite Einfuhren" bestimmt werden. "Befreite Partei" wird von VO 88 I 91 definiert als "Partei, bei der festgestellt wurde, daß ihre Montagevorgänge nicht unter Art. 13 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 384/96 fallen und die gemäß Artikel 7 oder 12 vom ausgeweiteten Zoll befreit wurden". 270 Dabei wird an anderer Stelle auch noch ausdrücklich festgestellt, daß nur Montagebetriebe befreit werden können. 271 Diese Beschränkung soll Mißbrauch vorbeugen. 272 "Befreite Einfuhren" sind konkrete Einfuhrvorgänge, die von der Zollausweitung ausgenommen sind, weil sie direkt von einer "befreiten Partei" oder in deren Namen veranlaßt werden. Die Befreiung von Einfuhren ist mithin grundsätzlich ein der "befreiten Partei" vorbehaltenes Privileg. Im Fahrräder-Verfahren wurden vor allem Gemeinschaftshersteller, die in den vorangegangenen Untersuchungen dem Wirtschaftszweig der Gemeinschaft zugerechnet worden waren, bei Import chinesischer Teile auf Antrag von der Zollausweitung befreit. 273 Befreit wurden ferner Montagebetriebe, die noch während des fraglichen Untersuchungszeitraums den Anteil chinesischer Fahrradteile auf unter 60% des Gesamtwertes der verwendeten Teile (Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung) drücken konnten. bb) Anmeldung zum zollrechtlichfreien Verkehr im Rahmen der Bestimmungen über die Kontrolle der besonderen Verwendung
In zwei Fällen kann - abweichend von der erstgenannten Fallgruppe - eine Befreiung von der Zollausweitung auch dann erfolgen, wenn eine nicht-befreite und auch als solches nicht-befreibare Partei274 die Einfuhr zum zollrechtlich freien Verkehr anmeldet. Der eine Fall betrifft Einfuhren durch eine nicht-zollbefreite Partei, die an eine zollbefreite Partei liefern will. Im zweiten Fall geht es um die Einfuhr durch einen nicht-zollbefreiten Kleinunternehmer oder zur Lieferung an einen solchen.
no Art. 1 letzter Spiegelstrich VO 88 I 97, ABI. 1997, L 17 I 17 ( 19). VO 88197, ABI. 1997, L 17 I 17, Erwägungsgrund (5). Müller/ Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384196, Art. 13.65. 273 Siehe Auflistung in Anhang II zu VO 88197, ABI. 1997, L 17 I 17. 274 Wo Antidumpingzölle mit Blick auf Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung ausgeweitet werden, können nur Montagebetriebe eine Befreiung nach Art. 13 Abs. 4 beantragen (VO 88197 ABI. 1997, L 17 I 17 Erwägungsgrund (5)). Eine Partei, die keine Montagebetrieb ist, ist dementsprechend nicht-befreibar. 271
272
124 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
(1) Einfuhr durch nicht-zollbefreite Partei zur Lieferung
an eine zollbefreite Partei
Einer dieser Fälle liegt vor, wenn eine nicht-zollbefreite Partei - etwa ein Zwischenhändler - die fragliche Ware einführt und dabei gewährleistet wird, daß die Ware nach der Einfuhr letztlich an eine zollbefreite Partei geliefert wird. 275 Damit verhindert die Gemeinschaft, daß der Handel mit der entsprechenden Ware über Gebühr beeinträchtigt wird. Es wäre auch nicht einzusehen, warum das bloße Dazwischenschalten eines Händlers zwischen Hersteller I Exporteur und befreiter Partei mit Blick auf die Zollbefreiung zu einem anderen Ergebnis führen sollte, als dies bei der direkten Einfuhr durch oder im Namen der befreiten Partei der Fall ist. Wo die Waren (z. B. Fahrradteile) nicht direkt von der befreiten Partei (einem Montagebetrieb, dem "end-user") eingeführt werden, muß aber sichergestellt werden, daß diese auch tatsächlich der mit der Befreiung bezweckten Endverwendung zugeführt werden, nämlich der Verarbeitung im Betrieb einer befreiten Partei. Dazu wird der zollrechtliche Mechanismus zur Kontrolle der Endverwendung276 iSv. Art. 82 Zollkodex 277 und Artt. 291 ff. DurchführungsVO zum Zollkodex (nachfolgend: DV0)278 sinngemäß angewendet. Die Zollbefreiung erfolgt mithin nur vorbehaltlich der Kontrolle der besonderen Verwendung. 279 Den Fällen der Lieferung an eine befreite Partei sind Fälle gleichgestellt, in denen an den Inhaber einer Bewilligung im Sinne des Art. 291 DVO geliefert wird. 280 (2) Einfuhr durch nicht-zollbefreiten Kleinunternehmer oder zur Lieferung an ein solchen Eine Befreiung von den unter Art. 13 Grundverordnung ausgeweiteten Antidumpingzöllen kommt auch dann in Betracht, wenn nur geringfügige Mengen zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet, bzw. an eine Partei geliefert werden. Die Einfuhren durch oder Lieferung an einen nicht befreiten Kleinunternehmer ("small scale operator") werden ausgenommen, da diesen regelmäßig keine oder kaum wirtschaftliche Bedeutung zukommt und deren Auswirkungen mithin regelmäßig die Auswirkungen eines eingeführten Zolls nicht untergraben dürften.281 275 Art. 3 Abs. 2 zweiter Spiegelstrich VO 71197, ABI. 1997, L 16155 (62) und Art. 14 lit. a) VO 88197, ABI. 1997, L 17 I 17 (21). 276 Siehe dazu Witte I Alexander; Art. 82 Rz. 1 ff. Siehe auch unten, Teil 3, B. IV. 3. c) bb) 277 VO 2913192, ABI. 1992, L 30211. 278 VO 2454 I 93, ABI. 1993, L 253 I 1. 279 Art. 14 VO 88197, ABI. 1997, L 17 I 17 (21). 280 Art. 141it. b) VO 88197, ABI. 1997, L 17117 (21). 28 1 VO 88197, ABI. 1997, L 17 I 17, Erwägungsgrund (4).
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Im Fahrräder-Verfahren hat die Kommission für die betroffenen Fahrradteile die Grenze zwischen beachtlicher und unbeachtlicher Einfuhrmenge konkret gezogen. Eine Befreiung ist im Rahmen dieser Fallgruppe nur möglich, wenn monatlich weniger als 300 Stück eines "wesentlichen Fahrradteiles" von einer Partei angemeldet oder an sie geliefert werden. 282· 283 Aber auch unter diesen Umständen erfolgt eine Zollbefreiung nur vorbehaltlich der Kontrolle der besonderen Verwendung, d. h. eine Befreiung setzt zusätzlich voraus, daß die Anmeldung in Einklang mit der in Anhang III von VO 88 I 97 vorgegeben TARIC-Struktu~84 und vorbehaltlich der sinngemäß anzuwendenden Bedingungen gemäß Art. 82 Zollkodex und Art. 291 ff. DVO erfolgt. 285 Endgültig ist die Befreiung erst dann, wenn die Endverwendung durch einen Kleinunternehmer feststeht. Um dem Mißbrauch dieser Befreiungsmöglichkeit vorzubeugen, ist vorgesehen, daß sowohl die Kommission als auch die zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten von sich aus die von geringfügigen Lieferungen betroffenen Parteien untersuchen können. Wo die 300er-Schwelle sich dabei als überschritten erweist, wird nicht länger vom Fehlen der Voraussetzungen des Art. 13 Grundverordnung (insb. vom Fehlen des Untergrabens der Abhilfewirkung) ausgegangen. Außerdem wird angedroht, den nicht erhobenen ausgeweiteten Zoll nachzuerheben, wo Art. 14 lit. c) VO 88/97 zur Umgehung des ausgeweiteten Zolls mißbraucht wird.286 cc) Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr durch ein nicht-zollbefreites Unternehmen, das Antrag auf Zollbefreiung gestellt hat
Eine vorläufige (bedingte) Befreiung vom ausgeweiteten Zoll ist schließlich noch vorgesehen, sofern die Einfuhr von einer "untersuchten Partei" oder in deren Namen zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet wird. 287 "Untersuchte Partei" definiert die VO 88/97 dafür als "Partei, die Montagevorgänge durchführt und für die eine [ ... ] Untersuchung läuft"? 88 Art. 14lit. c) VO 88/97, ABI. 1997, L 1717 (21). Die Anzahl der von einer Partei angemeldeten oder an sie gelieferten Teile wird anband der Anzahl der Teile errechnet, die von allen Parteien angemeldet oder an sie geliefert werden, die mit dieser Partei geschäftlich verbunden sind oder Ausgleichsvereinbarungen getroffen haben. Siehe Art. 14lit c) S. 2 VO 88/97, ABI. 1997, L 17/17 (21). 284 TARIC seht für Integrierter gemeinschaftlicher Zolltarif (Tarif integre communautaire); es handelt sich dabei um eine automationsgerechte, als Datenbank mit ständiger, unverzüglicher Aktualisierungsmöglichkeit ausgestattete Nomenklatur, die die KN weiter untergliedert. Siehe etwa ABI. 1998 C 115/1 ff., ABI. 1999, C 212/1 ff. 285 Art. 14 VO 88/97, ABI. 1997, L 17/17 (21), siehe im übrigen, Teil3, B. IV. 3. c) bb). 286 Art. 15 VO 88/97, ABI. 1997, L 17117 (21). 287 Art. 2 Abs. 2 VO 88/97, ABI. 1997, L 17117 (19). 288 Art. 1 sechster Spiegelstrich VO 88/97, ABI. 1997, L 17/17 (19). 282
283
126 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Vom Tag des Befreiungsantrages bis zur Entscheidung über dessen Begründetheit wird die Entrichtung des auf der Zollausweitung beruhenden Zollschuldbetrages ausgesetzt. 289 Diese Aussetzung kann aber von den zuständigen Behörden der Mitgliedsstaaten von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden. Diese kann erforderlich sein, um die Entrichtung des ausgeweiteten Zolls für den Fall zu gewährleisten, daß der Antrag auf Zollbefreiung als unzulässig oder auch als unbegründet abgelehnt wird.Z90 Faßt man das mit diesen Fallgruppen abgesteckte Terrain zusammen, so ist festzuhalten, daß die Einfuhr von Teilen von der Zollausweitung befreit wird, wenn sichergestellt ist, daß diese nicht für einen Montagevorgang verwendet werden, bei dem der Tatbestand der Umgehung gemäß Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung erfüllt ist. Dies wird sich insofern verallgemeinem lassen, als eine Befreiung von Maßnahmenausweitungen dann in Betracht kommt, wenn die eingeführten Waren nicht Teil einer Transaktion sind, bei der der Tatbestand der Umgehung iSv. Art. 13 Abs. 1 S. 2 oder Abs. 2 Grundverordnung erfüllt wird. c) Verfahren Zu unterscheiden sind zwei verschiedene Verfahren: Dasjenige zur Befreiung von Parteien und dasjenige zur Befreiung von Einfuhren durch nicht-befreibare Parteien.
aa) Verfahren zur Befreiung von Parteien (Artt. 3-13 VO 88/97) Über die Fälle möglicher Befreiungen hinaus enthält VO 88 I 97 auch Vorschriften zum Befreiungsverfahren als solchem. Die Kommission kommt damit den vom Rat in VO 71 I 97 niedergelegten Vorgaben an die Ausgestaltung eines Befreiungssystems nach.Z91 In den Artt. 3-13 VO 88 I 97 hat die Kommission das Verfahren zur Befreiung von Parteien ausgestaltet. Das Verfahren wird durch einen schriftlichen, an die Kommission gerichteten Antrag eingeleitet. 292 Der Antrag muß u. a. (Anscheins-)Beweise dafür enthalten, Art. 5 Abs. 1 VO 88197, ABI. 1997, L 17 I 17 (19). Das Verlangen nach einer Sicherheitsleistung ist allerdings kein Spezifikum der Umgehungsabwehr, sondern normaler Bestandteil des zollrechtliehen Instrumentariums. Siehe Artt. 189 ff. Zollkodex und Artt. 857,858 DVO; - siehe dazu Witte/Huchatz, Vor Artt. 189-200 Rz. 1 ff. und Artt. 189 ff. Rz. 1 ff.; Witte/Wolffgang, Lehrbuch des europäischen Zollrechts, 2. Auf!., S. 294. 291 Art. 3 Abs. 2dritterSpiegelstrich V071197,ABI. 1997L 16155 (62). 292 Art. 3 Abs. I VO 88197, ABI. 1997, L 17 I 17 (19). 289 290
B. Art. 13 Grundverordnung
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daß die zu befreiende Transaktion keine von Art. 13 Grundverordnung erfaßte Umgehung darstellt. 293 Zulässig ist der Antrag auch nur dann, wenn in den 12 Monaten vor Antragstellung keine beantragte Befreiungsgenehmigung versagt bzw. keine erteilte Befreiungsgenehmigung widerrufen wurde. 294 Wichtigste Folge eines Antrages auf Befreiung ist, daß vom Tag des Antragseingangs bis zu einer Entscheidung die Errichtung des Zollschuldbetrages aufgrund des ausgeweiteten Zolls für die Einfuhren ausgesetzt wird, die von der untersuchten Partei zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldet werden (s.o. dritter Fall der Zollbefreiung unter b) cc)). 295 Über die Zulässigkeil eines solchen Antrages soll die Kommission grundsätzlich innerhalb von 45 Tagen entschieden haben. 296 Dabei dürfte es sich um eine eher optimistische Vorgabe handeln. Inwieweit sie sich in der Praxis durchhalten läßt, wird sich erst noch zeigen. 297 Hält die Kommission den Antrag für zulässig, leitet sie unverzüglich eine Untersuchung ein. Andernfalls wird er nach Konsultation des Beratenden Ausschusses durch Entscheidung der Kommission abgelehnt. 298 Eine Begründetheilsprüfung soll normalerweise nicht länger als 12 Monate dauem.299 Eine Befreiung soll nur nach "genauer Prüfung der Sachlage" erteilt werden?00 Die Untersuchung betrifft regelmäßig einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten vor Antragseingang. 301 In Fällen, in denen eine Befreiung gewährt wird, kann die Kommission von sich aus jederzeit eine Überprüfung einleiten302 und die gewährte Zollbefreiung gegebenenfalls widerrufen. 303 Art. 4 Abs. llit. b) VO 88197, ABl. 1997, L 17 I 17 (19). Art. 4 Abs. llit. c) VO 88197, ABl. 1997, L 17 I 17 (19). 295 Art. 5 Abs. 1 VO 88197, ABl. 1997, L 17 I 17 (19). 296 Art. 4 Abs. 3 VO 88197, ABl. 1997, L 17 I 17 (19). 297 Vermulst/Driessen, New Battle Lines in the Anti-Dumping War, JWT, Vol. 31 , No. 3, June 1997, S. 134 (153) halten diese Zeitvorgabe für schlicht nicht durchsetzbar. 298 Art. 4 Abs. 4 und 5 VO 88197, ABl. 1997, L 17 I 17 (20). 299 Art. 6 Abs. 3 VO 88197, ABI. 1997, L 17 I 17 (20). 300 VO 71197, ABl. L 16155 (60), Erwägungsgrund (31). 301 Art. 6 Abs. 1 S. 2 VO 88 I 97, ABl. 1997, L 17 I 17 ( 19). - Die tatsächliche Dauer des Untersuchungszeitraums kann stark variieren. Einer ablehnenden Entscheidung der Kommission (Eurocycles, ABl. 1998, L 141 136) lag ein einjähriger Untersuchungzeitraum zugrunde. Einer anderen abiehenden Entscheidung lag hingegen nur ein halbjähriger Untersuchungszeitraum zugrunde (Renak International, ABl. 1998, L 133123). 302 Art. 9 VO 88 I 97, ABl. 1997, L 17 I 17 (19); im Erwägungsgrund (28) zu VO 88 I 97 macht die Kommission deutlich, daß sie dabei an Stichprobenkontrollen denkt, um zu überprüfen, ob die vom Zoll befreiten Montagebetriebe weiterhin die Voraussetzungen für die Zollbefreiung erfüllen. 303 Art. 10 VO 88197, ABl. 1997, L 17 I 17 (20). 293
294
128 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Im übrigen verweist VO 88 I 97 für die Durchführung von Untersuchungen, Kontrollbesuchen, die mangelnde Bereitschaft zur Mitarbeit und vertrauliche Informationen auch im Zusammenhang mit dem Befreiungsverfahren auf die einschlägigen Bestimmungen der Grundverordnung. 304 bb) Verfahren zur Befreiung von Einfuhren durch nicht-befreibare Parteien (Art. 14 VO 88/97 und Art. 82 Zollkodex, Artt. 291 ff. DVO)
In Rats-VO 71197 war vorgegeben worden, daß auch für Fälle, in denen Montagebetriebe die Waren nicht direkt einführen, ein Verfahren festgelegt werden muß, um prüfen zu können, ob mit der Einfuhr von Teilen "eine Umgehung bezweckt" wird. 305 Statt ein neues Verfahren zu schaffen, greift die Kommission auf Anregung der GD XXI dafür auf bestehende zollverfahrensrechtliche Vorschriften zurück. Daher enthält VO 88 I 97 keine spezifischen Vorschriften über das Verfahren zur Befreiung von Einfuhren durch nicht-befreibare Parteien, sondern verweist in Art. 14 lediglich auf eine sinngemäße Anwendung der Vorschriften über die Kontrolle der besonderen Verwendung (Art. 82 Zollkodex und Artt. 291 ff. DV0)? 06 Im Unterschied zum Verfahren zur Befreiung von Parteien handelt es sich dabei um ein unter Verantwortung der nationalen Zollbehörden ablaufendens Verfahren. Die englischen Bezeichnungen für dieses Verfahren ("control of end-use" bzw. "end-use monitoring system") bringen deutlicher als die deutsche Terminologie zum Ausdruck, daß es im wesentlichen darum geht, daß sich die Zollbehörden die Kontrolle der Endverwendung der eingeführten Teile vorbehalten und entsprechende Vorkehrungen dafür treffen. Von einer näheren Darstellung soll hier abgesehen werden, da es sich dabei um ein Verfahren des allgemeinen Zollrechts handelt, das für den Gegenstand der vorliegenden Arbeit von keiner besonderen Bedeutung ist. Insoweit sei auf die einschlägige zollrechtliche Literatur verwiesen.307 d) Verpflichtungen für die befreiten Parteien Die befreite wie auch schon die untersuchte Partei müssen jederzeit sicherstellen, daß die Waren, die sie zum zollrechtlich freien Verkehr anmelden, nicht der Art. 13 VO 88/97, ABI. 1997, L 17 I 17 (21). VO 71/97, ABI. 1997, L16/ 55 (61), Erwägungsgrund (36). Vetfehlt erscheint die Wortwahl ("bezweckt"), da es bei Art. 13 Grundverordnung - wie festgestellt -nicht auf Motivationen ankommt, sondern nur auf objektive Sachverhalte. 306 Siehe auch Vermulst/Driessen, New Battle Lines in the Anti-Dumping War, JWT, Vol. 31, No. 3, June 1997; Müller!Khan / Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384/96, Art. 13, Rz. 13.66. 307 Witte I Alexander, Zollkodex, Art. 82 Rz. 1 ff. ; Dorsch, Zollrecht, B 1182; Witte ! Wolffgang, Lehrbuch des Zollrechts, 2. Aufl., Rz. 414 -455 und 1680-1803. 304 305
B. Art. 13 Grundverordnung
129
Erfüllung von Umgehungstatbeständen dienen. Im Fahrräder-Verfahren heißt das konkret, daß zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldete Fahrradteile entweder bei der befreiten Partei verwendet, vernichtet bzw. zerstört oder wiederausgeführt werden? 08 In diesem Zusammenhang treffen die befreite Partei auch Buchführungspflichten. Nur so wird es für die Kommission möglich, das "Wohlverhalten" der befreiten Parteien zu überprüfen, d. h. zumindest stichprobenartig zu überwachen. Buchzuführen ist dabei über die gelieferten und verwendeten Teile. Diese Bücher und alle sonstigen erforderlichen zusätzlichen Belege sind mindestens drei Jahre aufzubewahren und der Kommission auf Anforderung hin zu übermitteln. 309 e) Rechtswirkungen der Befreiung Bei der Frage nach den Rechtswirkungen einer Befreiung muß zwischen der Befreiung von Parteien und der Befreiung von Einfuhren unterschieden werden. Wird eine Partei befreit, so werden alle von ihr oder in ihrem Namen zum zollrechtlich freien Verkehr angemeldeten Waren von der zollamtlichen Erfassung und der Zollausweitung befreit. 310 Die während des Laufs des Befreiungsverfahrens auf der Grundlage der zollausweitenden Verordnung u.U. entstandene Zollschuld gilt als erloschen. 311 Für schon während des Umgehungsverfahrens gestellte Befreiungsanträge wird die Befreiung mit Rückwirkung auf den Tag der Einleitung des Umgehungsverfahren gewährt? 12 Später gestellte Anträge313 führen bei positiver Verbescheidung hingegen nur zu einer Befreiung, die auf den Tag der Antragstellung zurückwirkt. 314 Bei der Befreiung von Einfuhren wird die Zollbefreiung für den einzelnen Einfuhrvorgang und nur vorbehaltlich der Kontrolle der besonderen Verwendung gewährt. f) Bewertung des Befreiungsverfahrens
Das Befreiungsverfahren ist das maßgebliche Instrument, um die Zollausweitung nach Art. 13 Abs. 1 S. 1 Grundverordnung zu beschränken. Von seiner generellen Zielsetzung geht es darum, ungerechtfertigte und unverhältnismäßige Belastungen des internationalen Warenverkehrs zu vermeiden. Der einzelne Unterneh308 309 310
Art. 6 Abs. 2 S. 1 VO 88197, ABI. 1997, L 17117 (20). Art. 6 Abs. 2 S. 2 VO 88 I 97, ABI. 1997, L 17 I 17 (20). Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung.
Art. 7 Abs. 2 S. 2 VO 88197, ABI. 1997, L 17 I 17 (20). Art. 12 VO 88197, ABI. 1997, L 17117 (20). 313 Siehe z. B. im Fahrräder-Verfahren in ABI. 1997, C 11219 Auflistung von insgesamt 78 Parteien, deren Untersuchung im April 1997 noch nicht abgeschlossen war. 314 Art. 7 Abs. 2 S. 1 VO 88197, ABI. 1997, L 17 I 17 (20). 311
312
9 Hirnstiel
130 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
mer, der sich nachweislich an keiner Umgehung beteiligt, muß von der Umgehungsabwehr verschont bleiben. Von daher ist Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung zu begrüßen. Die Befreiungsmöglichkeit ist das notwendige Korrelat zur abstrakt generellen Ausgestaltung der zur Umgehungsabwehr vorgenommenen Zollausweitung in Art. 13 Grundverordnung? 15 Sie ist nicht nur vor dem Hintergrund der GATT I WTO-Pflichten der Gemeinschaft zu sehen. Es geht der Gemeinschaft auch nicht in erster Linie um Ausgleich in der international nach wie vor erbittert geführten Auseinandersetzung über Umgehungsabwehr. Die Befreiungsmöglichkeit wurde insbesondere notwendig, um der europäischen Industrie die Möglichkeit zu geben, der Zollausweitung zu entgehen. Da die neue Vorschrift die Zollausweitung - anders als die Vorgängerregelung 316 - nicht mehr auf Unternehmen beschränkt, die mit den Dumpern des Ausgangsverfahrens verbunden sind, können jederzeit die europäische (heimische) Industrie und selbst die Teile eines Industriezweiges, die als Beschwerdeführer des Umgehungsverfahrens auftreten, der Zollausweitung ausgesetzt sein. Das ist immer dann der Fall, wenn sie Waren (z. B. Teile) einführen, auf die bestehende Antidumpingzölle erstreckt werden. 317 Die Konturen des Befreiungssystems werden im Fahrräder-Verfahren nur ansatzweise deutlich. Das Vorgehen der Gemeinschaft in diesem Verfahren ist ganz spezifisch auf Fälle der Importlandsumgehung zugeschnitten und kann damit grundsätzlich nicht zum Modell für alle Befreiungen unter Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung erhoben werden. Das gilt insbesondere für die Einbeziehung der zollverfahrensrechtlichen Vorschriften für die Kontrolle der besonderen Verwendung?18 Das Fahrräder-Verfahren bietet aber zumindest eine erste Orientierung und wird zumindest den Ausgangspunkt für eine etwaige Weiterentwicklung des Befreiungsverfahrens bei Importlandsumgehungen sein. 315 Denkbar wäre natürlich auch gewesen, nur auf im Einzelfall festgestellte Umgehung zu reagieren. Dann bedürfte es keiner Befreiungen. Diesen Ansatz favorisiert z. B. Kanada bei den derzeitigen Gesprächen der informellen Gruppe Anti-circumvention in Genf (siehe oben, Teil 2, B. II.). Die Gemeinschaft erkennt darin aber keine ernstzunehmende Alternative zum von ihr gewählten Ansatz. 316 Art. 13 Abs. 10 lit. a) erster Spiegelstrich VO 2423/88. 317 Der Wegfall des Tatbestandsmerkmals "verbundenes Unternehmen" in Kombination mit der Ausgestaltung der Umgehungsabwehrmaßnahme als "border measure" führt für die europäische Industrie in Form des Befreiungsverfahrens zu einem nicht unerheblichen Mehraufwand. Den Aspekt des Mehraufwandes greift auch der japanische Industrial Structure Council auf, wenn er gegen das Befreiungsverfahren vorbringt "[ ... ] it is still hardly rationale to require firms to go to the trouble of obtaining certificates for transactions that have nothing to do with dumping."; siehe dazu Industrial Structure Council (Japan) (Hrsg.), 1996 Report on the WTO Consistency of Trade Palieies by Major Trading Partners, S. 116. 318 Siehe dazu Rs. T-74/97 Büchel & Co Fahrzeugteilefabrik GmbH/Rat, ABI. 1997, C 166/18. In diesem vor dem EuG anhängigen Verfahren, macht der Kläger geltend, daß es für die Einbeziehung der Vorschriften über die besondere Verwendung an einer Rechtsgrundlage fehlt.
B. Art. 13 Grundverordnung
131
Eine Weiterentwicklung ist durchaus zu erwarten. Dafür spricht, daß das Verfahren in seiner derzeitigen Ausprägung sowohl für die Gemeinschaft als auch für die nationalen Zollbehörden einen immensen Verwaltungsaufwand bedeutet, der nur im Einzelfall zu bewältigen sein wird. Das gilt umso mehr, als das Befreiungsverfahren bei potentiellen Antragstellern weit mehr Zuspruch gefunden hat, als zunächst erwartet worden ist. Im Fahrräder-Verfahren ist die Stellung eines Befreiungsantrageseher der Regelfall als die in Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung an sich angelegte Ausnahme. Ferner weisen diverse Stellungnahmen der Gemeinschaft auf ihren Willen zu notwendigen Anpassungen hin. 319 Die Anwendung von Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung dürfte bei der Drittlandsumgehung und regelmäßig auch in den sonstigen Umgehungsfällen iSv. Art. 13 Abs. I S. 2 Grundverordnung einfacher sein? 20 Bei der Drittlandsmontage ist die Anwendung der Vorschriften über die besondere Verwendung nicht und in den Fällen "sonstiger Umgehung" allenfalls in Ausnahmefällen denkbar. Bemerkenswert ist an Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung, daß die Mitgliedsstaaten hier in bisher einmaliger Weise in eine Kompetenz der Europäischen Kommission eingewilligt haben, im Einzelfall eine von den Mitgliedsstaaten mehrheitlich erlassene Verordnung (die jeweilige Verordnung zur Umgehungsabwehr) nach bloßer Konsultation des beratenden Ausschusses außer Kraft zu setzen. Man kann berechtigte Zweifel daran haben, ob die Mitgliedsstaaten sich der Tragweite des Absatzes 4 bei der Beschlußfassung über Art. 13 Grundverordnung im klaren waren.
V. Erste praktische Erfahrungen mit Art. 13 Grundverordnung
Wie in den vorangehenden Abschnitten schon angesprochen, hat die Gemeinschaft inzwischen erste praktische Erfahrungen mit Art. 13 Grundverordnung sammeln können. Bislang sind sechs Umgehungsverfahren eingeleitet worden. Davon wurden drei ohne Maßnahmenausweitung abgeschlossen. In den übrigen drei Fällen hat die Gemeinschaft bestehende Antidumpingzölle ausgeweitet.
319 VO 71/97, ABI. 1997, L 16/55 (62), Erwägungsgrund (44); KOM (94) 414 endg., S. 176 unter Gliederungspunkt 10. b) (iii). 320 Es erscheint durchaus möglich, daß in diesen Fällen Bescheinigungen iSv. Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung erteilt werden und es mithin keiner vorläufigen und endgültigen Freistellungen mit Veröffentlichung im Amtsblatt sowie keiner eigenen Durchführungsverordnung bedarf. Den Weg des Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung generell als "nicht praktikabel" anzusehen, erscheint verfrüht (so aber Dorsch-Lux, Zollrecht, F I 1 I 13, Rz. 17).
9*
132 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
1. 3,5" -Mikroplatten
Die Einleitung 321 der ersten Untersuchung zu Art. 13 Grundverordnung betraf die behauptete Umgehung von Antidumpingmaßnahmen auf 3,5"-Mikroplatten mit Ursprung in Japan, Taiwan und der Volksrepublik China. 322 Der Antragsteller323 hatte behauptet, die im Ausgangsverfahren eingeführten Antidumpingmaßnahmen würden durch Einfuhren aus Kanada, Hongkong, Indien, Indonesien, Macao, Malaysia, den Philippinen, Singapur und Thailand umgangen. In den vorgenannten Ländern seien die in der Volksrepublik und in Taiwan hergestellte Mikroplatten lediglich umgeladen und unbedeutenden Behandlungen, wie Etikettieren und Neuverpackung unterzogen worden. Die vom Antragsteller gelieferten (Anscheins-)Beweise reichten der Kommission zwar aus, um eine Untersuchung nach Art. 13 Grundverordnung einzuleiten. Diese wurde allerdings neun Monate später ohne eine Maßnahmenausweitung eingestellt.324 Zur Begründung hat die Kommission teilweise auf die geringfügigen Einfuhrmengen325 verwiesen und dabei festgestellt, daß es "unwahrscheinlich" sei, daß diese die Abhilfewirkung der eingeführten Antidumpingzölle untergraben könnten. 326 Dort, wo Teile aus den mit Antidumpingzöllen belegten Ländern verwendet wurden, wurde nach Berechnungen der Kommission die 60% Schwelle des Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung nicht erreicht. 327 Bisweilen wurden auch trotz "on the spot"-Untersuchungen schlicht keine Beweise für das behauptete Umladen gefunden.328 Die große Zahl von untereinander sehr verschiedenen Ländern, die nach der verfahrenseinleitenden Verordnung den Gegenstand dieser Untersuchungen bilden sollten, hat zu einem Verfahren von enormer Komplexität geführt. Als solches war es sicherlich nicht geeignet, um das neue Instrument der Umgehungsabwehr unter Art. 13 Grundverordnung erstmalig zu testen. Die Einstellung des Verfahrens erVO 2451195, ABI. 1995 L 252/9. VO 2861/93, ABI. 1993, L 262/4. 323 Das Committee of European Diskette Manufacturers (Diskma). 324 VO 1445/96, ABL 1996, L 186/14. 325 Für die Frage nach der Geringfügigkeit stellte die Kommission auf den Marktanteil der untersuchten Länder im Untersuchungszeitraum ab. Den Marktanteil bestimmte sie anband der Außenhandelsstatistik der Gemeinschaft (COMEXT). Dieser wurde dann an den Werten aus Art. 9 Abs. 3 Grundverordnung und Art. 5 Abs. 8 Antidumping-Kodex gemessen. 326 VO 1445/96, ABl. 1996, L 186/14 Erwägungsgründe (7) f. und (13). 327 VO 1445/96, ABl. 1996, L 186/14, Erwägungsgründe (9), (14), (16) und (17). 328 Eine Ausweitung der Antidumpingmaßnahmen wurde lediglich mit Blick auf Macao ernsthaft in Betracht gezogen und zwar mit Verweis auf die Nicht-Kooperation der betreffenden Unternehmen. Im vorliegenden Fall wurde darauf nur verzichtet, da nach Untersuchungen der mit der Betrugsbekämpfung befaßten Kommissionsdienststellen (UCLAF) auch eine rückwirkende Erhebung von Antidumpingzöllen unter der entsprechenden Verordnung aus dem Ausgangsverfahren in Betracht kam (VO 1445/96, ABl. 1996, L 186/14, Erwägungsgrund (15)). 321
322
B. Art. 13 Grundverordnung
133
scheint daher unabhängig davon, ob hier Umgehungspraktiken nachzuweisen gewesen wären, als sinnvoll. Trotz Einstellung dürfte dieses Verfahren von nicht zu unterschätzender handelspolitischer Bedeutung gewesen sein. Es hat die Bereitschaft der Gemeinschaft zu aktiver Umgehungsabwehr unterstrichen und wird auch dazu beigetragen haben, die Verhandlungsparteien in Genf wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Eine weitere Umgehungsuntersuchung zu 3,5"-Mikroplatten hat die Kommission im Juli 1999 eingeleitet. 329 In diesem Verfahren geht es um die angebliche Umgehung der mit VO 2861/93 330 eingeführten Antidumpingzölle auf entsprechende Einfuhren mit Ursprung in Taiwan und der Volksrepublik China durch Montagevorgänge in der Gemeinschaft. 2. Fahrräder
Fahrräder bzw. Fahrradteile aus China waren Gegenstand des ersten Verfahrens unter Art. 13 Grundverordnung, das tatsächlich zu einer Maßnahmenausweitung geführt hat. 331 Mit der VO 703 I 96 hat die Kommission im April 1996 eine entsprechende Untersuchung eingeleitet. 332 Der Antragsteller333 hatte behauptet, Antidumpingzölle auf die Einfuhren von Fahrrädern mit Ursprung in der Volksrepublik China334 würden durch die Einfuhr von Fahrradteilen und deren Montage zu Fahrrädern in der Europäischen Gemeinschaft umgangen. Die Kommission hat sich dieser Auffassung nach neun-monatiger Untersuchung angeschlossen und deshalb dem Rat die Ausweitung der gegen komplette Fahrräder verhängten Antidumpingzölle auf die Einfuhr von Fahrradteilen vorgeschlagen. Diesem Vorschlag kam der Rat mit Erlaß von VO 71 I 97 nach. 335 Die Untersuchungen der Kommission ergaben, daß mehrere im Binnenmarkt angesiedelte Montagebetriebe bei den Herstellern in China fast vollständige Fahrräder - zerlegt in Einzelteile - orderten. Beim Versand dieser Teile wurde darauf geachtet, daß die für ein und denselben Montagebetrieb bestimmten Teile in verschiedenen Containern verladen, zu verschiedenen Zeitpunkten versandt und teilweise in verschiedenen Häfen angelandet wurden. 336
329 330 331 332 333 334 335 336
VO 164611999, ABI. 1999, L 195/9. ABI. 1993, L 262/4. V071!97,AB1.1997,L16/55. VO 703/96, ABI. 1996, L 98/3. Die European Bicycle Manufacturers Association. VO 2474/93, ABI. 1993, L 228/l. ABI. 1997, L 16/55. VO 71/97, ABI. 1997, L 16/55 (56), Erwägungsgrund (10).
134 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Erstaunlich ist, daß die maßnahmenausweitende Verordnung zunächst ausführlich auf die "Veränderung des Handelsgefüges"337 und das "Fehlen einer wirtschaftlichen Rechtfertigung"338 und damit also auf Tatbestandsmerkmale des Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung eingeht, obwohl es sich um einen Montagefall iSv. Abs. 2 gehandelt hat. Das kann nur als Unsicherheit im Umgang mit der neuen Vorschrift ausgelegt werden. Erst im Anschluß an diese Feststellungen hat sich die Kommission der Prüfung der hier an sich einschlägigen Voraussetzungen des Art 13 Abs. 2 Grundverordnung zugewandt. Da die Voraussetzungen sämtlich als erfüllt angesehen wurden, hat der Rat die Ausweitung der bestehenden Zölle in der entsprechenden Höhe auf die untersuchten wesentlichen Fahrradteile aus China beschlossen. Dieser Fall bot auch Anlaß, erstmals über das von Art. 13 Abs. 4 vorgesehene Befreiungssystem umfassender nachzudenken. Um Vorgaben zum Befreiungssystem war schon der Rat in VO 71/97 bemüht. Diese hat die Kommission dann in VO 88/97339 und diversen Entscheidungen und Bekanntmachungen 340 umgesetzt. 3. Elektronische Waagen
Im Zusammenhang mit elektronischen Waagen hat die Kommission im August 1996 zwei Verfahren unter Art. 13 Grundverordnung eingeleitet. Dabei ging es in dem einen Verfahren um die Umgehung von Antidumpingzöllen auf Einfuhren bestimmter elektronischer Waagen mit Ursprung in Japan341 durch Einfuhren der gleichen, in lndonesien montierten bzw. dort umgeladenen Ware. 342 Das zweite Verfahren bezog sich auf in der Europäischen Gemeinschaft montierte Teile dieser Waagen? 43 Mit der Montage in der Gemeinschaft sollten - so die Antragsteller Antidumpingzölle auf Einfuhren dieser Waagen aus Japan und Singapur umgangen werden? 44 VO 71/97, ABI. 1997, L 16/55 (56), Erwägungsgrund (11). VO 71/97, ABI. 1997, L 16/55 (56), Erwägungsgrund (12). 339 ABI. 1997, L 17/17. 340 Negative Befreiungsentscheidung (Eurocycles) 98/323/EG, ABI. 1998 L 141/36; negative Befreiungsentscheidung (Renak) 98/299/EG, ABI. 1998 L 133/23; positive Befreiungsentscheidung 97/447/EG (Befreiung für 47 Unternehmen), ABI. 1997, L 193/32; positive Befreiungsentscheidung 98/684/EG (Befreiung für 10 Unternehmen), ABI. 1998 L 320/60; Bekanntmachung 97/C 112/04, ABI. 1997, C ll2/8 (Liste von 78 "untersuchten" Parteien); Bekanntmachung 1999/ C 186/04, ABI. 1999 C 186/6 (Aktualisierung der Liste der "untersuchten Parteien"). 341 VO 993/93, ABI. 1993, L 104/4. 342 VO 1717/96,ABI.1996,L22l/47. 343 VO 1718/96,ABI.1996L221/50. 344 VO 993/93, Abi. 1993, L 104/4 (Japan) und VO 2887/93, ABI. 1993, L 263 11, geändert durch VO 2937/95, ABI. 1995, L 307/30 (Singapur). 337 338
B. Art. 13 Grundverordnung
135
Beide Verfahren wurden im Mai 1997 ohne Maßnahmenausweitung eingestellt. 345 Im Verfahren zur vermeintlichen Drittlandsumgehung hat die Kommission zwar festgestellt, daß der "gewogene durchschnittliche Wert" der bei der Montage verwendeten Teile mit Ursprung in Japan über der 60% Schwelle lag. 346 Insofern lag die Voraussetzung für eine Zollausweitung mithin vor. Die Kommission hat aber auch ermittelt, daß eine Verlagerung der Produktion347 bestimmter Teile nach Indonesien gegen Ende des Untersuchungszeitraums348 bei den elektronischen Waagen zu einer erheblichen Verringerung der Teile japanischen Ursprungs geführt hat. Dieser Wert lag dann deutlich unter der 60% Schwelle. Ferner ging die Kommission davon aus, daß diese Änderung in der Produktionskette Bestand haben würde. Mit Blick auf diese "besonderen Umständen" hat die Kommission die Voraussetzung des Art. 13 Abs. 2 b) Grundverordnung als nicht erfüllt angesehen und damit eine Zollausweitung abgelehnt. 349 Das erscheint durchaus sachgerecht. Es ist aber insofern überraschend, als sich die Entscheidung über die etwaige Einführung von Maßnahmen in der Regel auf die Situation während des gesamten Untersuchungszeitraums stützt. Es muß abgewartet werden, ob es bei dieser "neuen Milde" bleibt oder ob die Kommission sich diese Sichtweise nur ausnahmsweise zu eigen gemacht hat. So ließe sich mutmaßen, daß es sich bei den von der Kommission angesprochenen "besonderen Umständen" weniger um die Produktionsverlagerung als vielmehr um das im "Parts"-Panelverfahren gewonnene japanische Selbstvertrauen handelt. Es läßt sich nicht ausschließen, daß sich japanische Drohungen mit einem neuen Panelverfahren hier maßgeblich auf die Entscheidungstindung der Kommission ausgewirkt haben. In dem zweiten Verfahren zu elektronischen Waagen, in dem es um die behauptete Umgehung mittels Import von Teilen und Montage in der Gemeinschaft ging, hat die Kommission zwar angenommen, daß die 60%-Schwelle überschritten sei. Sie hat dann aber auch die 25%-"value added"-Schwelle als erreicht angesehen und damit das Vorliegen einer Umgehung abgelehnt. 350 Auch dieses Verfahren ist trotz seiner Einstellung von ganz erheblicher Bedeutung. Wie an anderer Stelle schon beschrieben wurde, hat die Gemeinschaft in der einstellenden Verordnung klärende Worte zur Abgrenzung von Art. 13 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 Grundverordnung und zur Anwendung des 60%- und des 25%-Tests gesprochen. VO 984197, ABI. 1997, L 141 I 57 und VO 985197, ABI. 1997 L 141161. VO 985197, ABI. 1997, L 141 I 61 (63), Erwägungsgrund (15). 347 April 1996. 348 Die Untersuchung betraf den Zeitraum 1. Juli 1995 bis zum 30 Juni 1996. Siehe VO 985197, ABI. 1997, L 141161 Erwägungsgrund (5). 349 V0985197,AB1.1997,L 141161 (63),Erwägungsgrund(16)-(18). 350 VO 984197, ABI. 1997, L 141 I 57 (59), Erwägungsgrund (14) und (16). 345
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136 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Bemerkenswert ist auch noch, daß das Thema Umgehung im Zusammenhang mit elektronischen Waagen auch mit der Einstellung dieser Umgehungsverfahren unter Art. 13 Grundverordnung noch nicht beendet ist. Inzwischen hat die Gemeinschaft ein Überprüfungsverfahren eingeleitet ("expiry review"). 351 Hintergrund dafür war das bevorstehende Auslaufen der Antidumpingmaßnahmen auf elektronische Waagen aus Japan. Einer der Gründe, die für diese Überprüfung angeführt werden, ist die behauptete drohende Zurückverlagerung der Produktion nach Japan. 4. Polyester-Spinnjasern
Mit Bezug auf Polyester-Spinnfasem (nachfolgend als PSF bezeichnet) aus Belarus hat die Kommission im April 1997 erstmalig ein Umgehungsverfahren zu Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung eingeleitet. 352 Der Antragsteller353 macht im Namen von PSF-Gemeinschaftsherstellem geltend, daß Antidumpingzölle auf PSF mit Ursprung in Belarus354 durch die Einfuhren von Kabeln aus Polyester-Spinnfasem (nachfolgend als KPF bezeichnet) mit Ursprung in Belarus umgangen werden, die anschließend in der Gemeinschaft in PSF umgewandelt werden. 355 Mit Verordnung 2513 I 91 hat die Gemeinschaft die Antidumpingzölle auf PSF antragsgemäß auf KPF-Einfuhren ausgedehnt. 356 Die Gemeinschaft prüft und bejaht das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung. Von Bedeutung ist vor allem, daß sie dabei erstmals umfänglich auf das Kriterium des "Fehlens einer wirtschaftlichen Rechtfertigung" eingeht. 357 Bemerkenswert ist darüber hinaus insbesondere, daß KPF und PSF in der maßnahmenausweitenden Verordnung mit dem Verweis auf ihre "gleichen grundlegenden materiellen und chemischen Eigenschaften" als "gleichartige Waren" im Sinne von Art. 1 Abs. 4 Grundverordnung bezeichnet werden. Daß PSF im Gegensatz zu KPF zugeschnitten ist, wird als lediglich geringfügige Veränderung qualifiziert, die nichts daran ändere, daß es sich grundsätzlich um die gleiche Ware handele. Die Untersuchungen haben ergeben, daß alle aus Belarus eingeführten KPF zu PSF zugeschnitten und nicht etwa einer anderen Verwendung zugeführt wurden. In diesem Zusammenhang betont die Gemeinschaft, daß aus den eingeführten KPF, genau wie aus Teilen, die für Montagevorgänge bestimmt sind, 35 1 352 353 354 355 356 357
ABI. 1998, C 128111. Art.l V0693/97,ABI.l997, L 102114. Das International Committee of Rayon and Synthetic Fibres (C.I.R.F.S.). VO 1490/96, ABI. 1996, L 189/13. VO 693/97, ABI. 1997, L 102/14, Erwägungsgrund (1). ABI. 1997, L 346/1. Abi. 1998, L 346/1 (3), Erwägungsgrund (13) ff. Siehe oben, Tei13, B. II. 2. a) bb).
B. Art. 13 Grundverordnung
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letztendlich eine Ware hergestellt wurde, die der von der Ausgangsuntersuchung betroffenen Ware PSF, nicht nur gleiche, sondern mit ihr identisch sei. Diese Ausführungen zur Gleichartigkeit der betroffenen Produkte zeigen, daß sich die Gemeinschaft offensichtlich entgegen des Wortlauts von Art. 13 Grundverordnung auch im Umgehungsverfahren grundsätzlich nicht von der Gleichartigkeitsformel des Art. 1 Abs. 4 Grundverordnung lösen möchte. Wenn auch beim Grenzübertritt Gleichartigkeit im strengen Sinne nicht vorliegt, so kommt die Gemeinschaft mit Hilfe einer "Gesamtbetrachtungsweise" zu diesem Ergebnis. Im Endergebnis liefe ein derartiges Vorgehen auf die Anerkennung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise und damit auf eine Aufweichung des bislang von der Gemeinschaft als eng ausgelegten Begriffs der "gleichartigen Ware" hinaus. Dieses Vorgehen überrascht insofern, als es unter Art. 13 Grundverordnung auf das ohnehin heftig umstrittene Konzept der "gleichartigen Ware" an sich nicht ankommt. Schon vom Wortlaut her sieht Art. 13 Grundverordnung für Fälle der vorliegenden Art in seinem Abs. 1 ja auch noch die Alternative der "ähnlichen Ware" vor. Die Subsumption unter "gleichartige Ware" wäre mithin entbehrlich gewesen. Daß die Gemeinschaft sich trotzdem die Mühe gemacht hat, PSF und KPF als gleichartig zu bezeichnen, wirkt wie der Versuch, auch im Umgehungsverfahren zumindest formal den Vorgaben des Antidumpingübereinkommens für ein normales Antidumpingverfahren gerecht zu werden. Es wird nicht nur vorgegeben, daß Dumping und Schädigung iSd. Antidumpingübereinkommens geprüft werden. Es wird sogar so getan, als würden nur "gleichartige" Waren zum Gegenstand von Antidumpingmaßnahmen gemacht. Das dürfte als erhebliche Unsicherheit und Sorge vor dem nächsten WTO-Panelverfahren zu verstehen sein.
5. Einwegfeuerzeuge Im Mai 1998 hat die Kommission mit VO 971/98 eine Umgehungsuntersuchung betreffend nicht- nachfüllbarer Taschenfeuerzeuge mit Feuerstein für Gas (nachfolgend als Einwegfeuerzeuge bezeichnet) mit Ursprung in der Volksrepublik China eingeleitet. 358 Dem lag die Behauptung des Antragstellers 359 zugrunde, Alltidumpingzölle auf Einfuhren von Einwegfeuerzeugen aus der Volksrepublik China360 würden auf zweierlei Art umgangen. Zum einen würden Einfuhren von Einwegteuerzeugen mit Ursprung in der Volksrepublik China über Hongkong, Macao ABI. 1998, L 135 I 38. Europäischer Verband der Feuerzeughersteller (European Federation of Lighter Manufacturers, EFLM) im Namen von Bic (Frankreich), Flamagas (Spanien) und Tokai Seiki (Deutschland). 360 VO 3433/91 (ABI. 1991, L 326/l), zuletzt geändert durch VO 423/97 (ABI. 1997, L 65). 358 359
138 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
und Taiwan versandt und mit falschem Ursprung beim Zoll angemeldet. 361 Zum anderen würden geringfügig veränderte Einwegfeuerzeuge mit Ursprung in der Volksrepublik eingeführt und bei der Zollanmeldung als nachfüllbare und I oder mit neuem Feuerstein versehbare Feuerzeuge für Gas angemeldet, ohne daß dies auch tatsächlich zuträfe?62 Das Verfahren führte im Januar 1999 zu einer Ausweitung der bestehenden Maßnahmen auf die Einfuhren aus der Volksrepublik China und Taiwan. Mit Blick auf Hongkong und Macao wurde das Verfahren hingegen eingestellt. 363 Für die Volksrepublik China ergaben die Untersuchungen der Kommission, daß die als nachfüllbar ausgewiesenen Feuerzeuge den Einwegfeuerzeugen der Ausgangsuntersuchung mit einer Ausnahme entsprechen. Die jetzt aus China eingeführten Feuerzeuge sind mit einem Nachfüllventil ausgestattet, das den Feststellungen zufolge lediglich eine ineffektive Ergänzung darstellt und den Verbraucher in der Praxis nicht daran hindert, die fraglichen Feuerzeuge als Einwegartikel zu betrachten. Die Gemeinschaft kommt deshalb zu dem Ergebnis, daß die "nachfüllbaren" Feuerzeuge und die ursprünglich untersuchten Einwegfeuerzeuge gleichartige Waren sind. Auch die übrigen Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 1 S. 2 VO 384/96 sind nach den Feststellungen der Kommission erfüllt und rechtfertigen eine Maßnahmenausweitung. Im Fall von Taiwan stand der Kommission kein taiwanesischer Hersteller als Ansprechpartner und Untersuchungssubjekt zur Verfügung. Die Feststellungen wurden daher auf der Grundlage der verfügbaren Fakten (Art. 18 VO 384/96) getroffen. Das waren vorliegend taiwanesische Ausfuhrstatistiken und Eurostat-Statistiken. Im übrigen wird in solchen Fällen in der Praxis der Vortrag des Antragstellers regelmäßig als wahr unterstellt und nur noch auf Plausibilität hin kontrol361 Für den "transshipment-Vorwurf" verweisen die Antragsteller auf Eurostat-Statistiken, laut derer sich das Handelsgefüge zwischen den betroffenen Drittländern und der Gemeinschaft nach Verfahrenseinleitung im Ausgangsverfahren insofern verändert hat, als die Einfuhren aus der Volksrepublik China um mehr als 70% zurückgegangen sind und sich gleichzeitig die Einfuhren der fraglichen Einwegfeuerzeuge aus Hongkong, Macao und Taiwan mehr als verdreifacht haben. Ferner legte der Antragsteller Beweise dafür vor, daß die Preise für diese Einfuhren sogar noch niedriger liegen als im Ausgangsverfahren und daß Preise und Mengen die Abhilfewirkung des ursprünglichen Antidumpingzolls untergraben. 362 ABI. 1998, L 135/38, Erwägungsgrund (1). - Gestützt auf Eurostat-Statistiken wird darauf verwiesen, daß sich die Einfuhren der angeblich nachfüllbaren Feuerzeuge im Gefolge der Verfahrenseinleitung im Ausgangsverfahren um mehr als 400% erhöht haben. Der Antragsteller beruft sich auch auf technische Tests, laut derer die Anbringung eines zusätzlichen Ventils ein Nachfüllen und die Wiederverwendung der fraglichen Feurzeuge weder praktisch möglich noch wirtschaftlich rentabel mache, woraus sich das Fehlen einer hinreichenden wirtschaftlichen Rechtfertigung ergäbe. Außerdem würden - so der Antragsteller - die Einführer bei ihren Kunden nicht einmal mit Nachfüllbarkeit werben. Ferner wird Beweis dafür angeboten, daß die aktuellen Preise unter den im Ausgangsverfahren ermittelten Normalwerten liegen, obwohl sich die Produktionskosten aufgrund des zusätzlichen Ventils prinzipiell erhöhen müßten. 363 ABI. 1999, L 22/1.
B. Art. 13 Grundverordnung
139
liert. 364 Das hat der Gemeinschaft gereicht, um die Voraussetzungen von Art. 13 Abs. 1 S. 2 VO 384196 als erfüllt anzusehen. Dabei wurde unterstellt, daß die verfahrensgegenständlichen Einfuhren entgegen der Einfuhrerklärungen nicht aus Taiwan, sondern aus der Volksrepublik China stammen. Auf diesem Weg hat die Gemeinschaft erstmals einen Fall mutmaßlichen Zollbetrugs unter die Umgehungsvorschrift subsumiert und damit einen Fall erfaßt, der nach hier vertretener Auffassung keine Umgehung im eigentlichen Sinne darstellt. Die Einfuhrmengen aus Hongkong sollen so klein gewesen sein, daß das Untergraben der Abhilfewirkung der geltenden Maßnahmen als Voraussetzung von Art. 13 Abs. 1 S. 2 VO 384196 verneint wurde? 65 Mit Blick auf Macao hat die Kommission sowohl Art. 13 Abs. 1 S. 2 als auch Abs. 2 VO 384 I 96 geprüft. Eine Umgehung iSv. Abs. 2 wurde verneint, da auf Teile aus der Volksrepublik China weniger als 60% des Wertes der Teile der montierten Ware entfielen. 366 Der Umgehungsvorwurf iSv. Abs. 1 S. 2 wurde mit dem lapidaren Hinweis fallen gelassen, daß der untersuchte Macao-Hersteller genügend Produktionskapazität und tatsächlichen Output für die Gesamtausfuhren mit Ursprung in Macao aufweise. 367 Auch in diesen beiden Fällen wissen nur die unmittelbar Beteiligten, ob die Voraussetzungen für eine Maßnahmenausweitung tatsächlich nicht vorgelegen haben oder ob die WTO-Mitgliedschaft von Hongkong und Macao als handelspolitisches Argument den Ausschlag für die Verfahrenseinstellung gegeben hat.
6. Fernsehkamerasysteme Im Juni 1998 hat die Kommission mit VO 1178 I 98 eine weitere Umgehungsuntersuchung eingeleitet. Diese betraf bestimmte Fernsehkamerasysteme aus Japan.368 Laut Antragsteller369 werden die mit VO 1015194 eingeführten Antidumpingzölle auf Einfuhren von Fernsehkamerasystemen mit Ursprung in Japan370 durch 364 Siehe im einzelnen Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Conunentary on Regulation 384/96, Art. 18; Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 40 f. 365 ABI. 1999, L 22/1 (7), Erwägungsgrund (53). 366 ABI. 1999, L 22/1 (8), Erwägungsgrund (62). 367 ABI. 1999, L 22/1 (8), Erwägungsgrund (66). 368 ABI. 1998, L 163/20. 369 Philips Broadcast Television Systems BV. 370 ABI. 1994, L 111/106, zuletzt geändert durch VO 1952/97, ABI. 1997, L 276/20 und VO 19311999, ABI. 1999 L 22/10. Im April 1999 wurde auf Antrag der europäischen Hersteller Philips Digital Video Systems und Thomson Broadcast Systems auf der Grundlage von Art. 11 Abs. 2 VO 384/96 ("expiry review") eine Überprüfung dieser Maßnahmen eingeleitet (ABI. 1999, C 119/11). Seit Januar 1999 läuft ferner eine Antidumpingunter-
140 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
die Einfuhren von Modulen, Bausätzen, Teilen von Baugruppen und Teilen aus Japan umgangen. Letztere werden dann in der Gemeinschaft - so der Vorwurf - zur Montage von Fernsehkamerasystemen verwendet. 371 Überraschend ist, daß die verfahrenseinleitende Verordnung trotz des eindeutigen Bezugs des Falles zu Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung erneut u. a. "Anscheinsbeweise" zu den Tatbestandsmerkmalen von Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung aufzählt. 372 Nach den eindeutigen Stellungnahmen der Gemeinschaft in den Verfahren zu elektronischen Waagen und Polyester-Spinnfasern, wäre eigentlich zu erwarten gewesen, daß die Gemeinschaft an der klaren Abgrenzung zwischen den Fällen des Art. 13 Abs. 1 S. 2 und Abs. 2 festhält und auch darauf dringt, daß dies von Antragstellern bei deren Beweisangeboten berücksichtigt wird. Da zum jetzigen Zeitpunkt nicht angenommen werden kann, daß die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Fallgruppen der Umgehung in Art. 13 Grundverordnung wieder aufgehoben werden soll, kann der unkritische Abdruck von nicht relevanten Beweisangeboten in der verfahrenseinleitenden Verordnung erneut nur als Unsicherheit im Umgang mit der inzwischen gar nicht mehr so neuen Umgehungsvorschrift gewertet werden. Das Verfahren wurde im Februar 1999 ohne Ausweitung der bestehenden Antidumpingmaßnahmen eingestellt. Im Einstellungsbeschluß der Europäischen Kommission wird nur lapidar darauf verwiesen, daß der Antragsteller seinen Antrag auf Ausweitung der Maßnahmen zurückgezogen hat. 373 Ob dies auf Beweisschwierigkeiten beruhte oder auf handelspolitische Überlegungen und eine Absprache zwischen der Europäischen Kommission und dem Antragsteller zurückzuführen ist, ist aus dem Einstellungsbeschluß nicht zu ersehen. Letzteres ist nicht unüblich. Hier liegt es nahe, daß handelspolitische Überlegungen und in diesem Zusammenhang insbesondere die Scheu vor einer Auseinandersetzung mit Japan über die GATT-Kompatibilität von Art. 13 Grundverordnung die Europäische Kommission veranlaßt haben, beim Antragsteller auf eine Antragsrücknahme im Umgehungsverfahren zu drängen und dies mit der Zusage eines neuen Antidumpingverfahrens zu verbinden. Dafür spricht u. a., daß die Kommission nur drei Tage nach Einstellung des Umgehungsverfahrens von Amts wegen ein Antidumpingverfahren betreffend die Einfuhren bestimmter Teile von Fernsehkamerasystemen mit Ursprung in Japan eingesuchung, die die Einfuhren bestimmter Teile von Fernsehkamerasystemen mit Ursprung in den USA betrifft (ABI. 1999, C 17 I 4). Nach Angaben der europäischen Antragsteller sind von diesem letztgenannten Verfahren auch japanische ausführende Fernsehkamerasystemhersteller bzw. deren Tochtergesellschaften betroffen. 371 ABI. 1998, L 163120, Erwägungsgrund (4). 372 ABL. 1998, L 163 I 20, Erwägungsgrund (7) f. 373 Beschluß der Kommission 19991 1231EG, ABI. 1999 L 38156.
B. Art. 13 Grundverordnung
141
leitet hat?74 Da es sich bei dem neuen Verfahren nicht um ein Umgehungsverfahren handelt, läßt sich auf diesem Wege die Auseinandersetzung mit Japan (einem WTO-Mitglied) über die GATT-Kompatibilität von Art. 13 Grundverordnung ein weiteres Mal vermeiden. Dafür spricht ferner, daß der Umgehungsfall zunächst als besonders schwerwiegend eingestuft worden war und keinerlei Hinweise dafür bestehen, daß sich dies in der Zwischenzeit geändert hätte. Daß Antragsteller und Kommission von einem besonders eklatanten Umgehungsfall ausgingen, ließ sich schon aus der verfahrenseinleitenden Verordnung ablesen. Zwar sind die Schilderungen von Antrag und Beweislage völlig neutral gehalten. An anderer Stelle wird aber ausdrücklich, wenn auch ohne jede Präzisierung, auf die "Besonderheiten dieses Falles" und die "Schwere der angeblichen Umgehung" hingewiesen. Mit diesen Hinweisen wurde sogar gerechtfertigt, daß Kontrollbesuche 375 bei den betroffenen japanischen Herstellern umgehend nach Veröffentlichung der Verordnung im Amtsblatt erfolgen sollten.376 Das ist ungewöhnlich. Normalerweise werden auch in Umgehungsverfahren zur Tatsachenfeststellung zunächst Fragebögen377 an die betroffenen Hersteller verschickt und zu deren Beantwortung eine mindestens 30-tägige Frist gesetzt. 378 Kontrollbesuche werden regelmäßig erst danach festgesetzt und durchgeführt, um im Falle kooperationswilliger Hersteller deren Antworten zu überprüfen.379 Art. 16 Abs. 1 S. 2 der Grundverordnung sieht sogar ausdrücklich vor, daß Kontrollbesuche ohne eine "ordentliche und fristgerechte Antwort" nicht durchgeführt werden können.
Bekanntmachung 1999/C 38/02, ABI. 1999, C 38/2. Art. 16 Grundverordnung. 376 ABI. 1998, L 163 20 (21), Erwägungsgrund (10). 377 Diese enthalten im Falle von Herstellern/Exporteuren regelmäßig spezifisch auf Produkt und Verfahren zugeschnittene Fragen, deren Beantwortung der Kommission die Dumpinguntersuchung ermöglichen soll. Das sind u. a. Fragen zum betreffenden Unternehmen, zu Absatzwegen, Produktionskosten, Exportmengen und -preisen, Verkäufen und Preisen auf dem Heimatmarkt (Normalwert), Faktoren die sich auf die Vergleichbarkeit von Exportpreisen und Normalwerten auswirken, etc. Siehe auch allgemein Müller/Khan!Neumann, EC Antidumping Law - A Commentary on Regulation 384/96, Art. 6, 6.14; Vermulst/ Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 31 ff.; Van Bael / Bellis, Antidumping and other Trade Protection Laws of the EC, 3'd ed., S. 260. 378 Art. 13 Abs. 3 S. 5 iVm. Art. 6 Abs. 2 Grundverordnung. 379 Nach Müller I Khan/ Neumann, EC Antidumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 16, 16.4 erfolgen die Kontrollbesuche in der Regel zwei bis vier Wochen, nachdem die Kommission die Antworten auf ihre Fragebögen bekommen hat. Tatsächlich dauert es in der Praxis aber wohl doch etwas länger. 374
375
142 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
7. Gesamtbewertung der bisherigen Verfahren unter Art. 13 Grundverordnung Mit Blick auf die dargestellten praktischen Anwendungsfälle lassen sich zusammenfassend folgende Anmerkungen machen: Anders als unter der alten Regelung Art. 13 Abs. 10 geht die Gemeinschaft unter Art. 13 Grundverordnung mit wesentlich mehr Bedacht ans Werk. Beredetes Zeugnis davon legen die Verfahren ab, die bislang ohne eine Maßnahmenausweitung abgeschlossen wurden. Unter der alten Vorschrift führten alle eingeleiteten Verfahren zu einer Zollausweitung bzw. Annahme von Verpflichtungserklärungen. In den drei bisher mit einer Maßnahmenausweitung abgeschlossenen Verfahren, im Fahrrad-Verfahren, im Polyester-Spinnfaser-Verfahren und im Einwegfeuerzeuge-Verfahren, war die Gemeinschaft ganz offensichtlich darum bemüht, den Verfahren Modellcharakter zu geben. Die einschlägigen Verordnungen, Entscheidungen und Mitteilungen sind vergleichsweise ausführlich und damit um Transparenz bemüht. Auffällig ist, welche Mühe sich die Europäische Kommission im Fahrräder-Verfahren mit dem neuen Befreiungsverfahren nach Art. 13 Abs. 4 Grundverordnung macht. Damit sollen Unklarheiten im Zusammenhang mit dem recht abstrakt gehaltenen Art. 13 Grundverordnung beseitigt und der Anschein von ungerechtfertigtem Protektionismus vermieden werden. Die bislang sanfte Art der Gemeinschaft bei der Umgehungsabwehr korrespondiert zumindest aus Sicht der involvierten europäischen Industriezweige nicht unbedingt mit den drängenden Problemen in diesem Bereich. Sie dürfte im wesentlichen auf die Verunsicherung der Gemeinschaft nach der Niederlage im Panelverfahren zum alten Art. 13 Abs. 10 VO 2324/88 zurückzuführen sein. Der Gefahr einer nochmaligen Niederlage möchte man sich nicht aussetzen. So ist auch nicht erstaunlich, daß die bisherigen Maßnahmenausweitungen nur mit Blick auf Importe aus solchen Staaten (China und Belarus) erfolgte, die zum Zeitpunkt der Maßnahmenerweiterung nicht der WTO angehörten. Als Nicht-Migliedern ist diesen die Geltendmachung etwaiger WTO-Rechtsverletzungen verwehrt. Die Verfahren mit Beteiligung von WTO-Mitgliedern wurden hingegen bisher ausnahmslos eingestellt. Es läßt sich nicht ausschließen, daß dies im wesentlichen auf die aus Ostasien stammenden Drohungen mit einem Panelverfahren zurückzuführen ist. Da es bislang an einer eindeutigen, expliziten und multilateralen Billigung von Maßnahmen zur Umgehungsabwehr fehlt und auch noch nicht absehbar ist, wann sich dieser Zustand ändern wird, ist auch weiterhin mit einer behutsamen Vorgehensweise der Gemeinschaft zu rechnen. Bedeutung hat Art. 13 Grundverordnung dennoch. Wenn auch kaum quantifizierbar, so ist doch davon auszugehen, daß die Vorschrift einen gewissen Abschreckungseffekt auf die Hersteller und Exporteure aus Drittstaaten ausübt, die über Umgehungsstrategien nachdenken. Es kann unterstellt werden, daß dieser Abschreckungseffekt ein wesentlicher Grund für die Ge-
B. Art. 13 Grundverordnung
143
meinschaft war, erneut einseitig im Bereich der Umgehungsabwehr gesetzgebefisch tätig zu werden und Verfahren gegen WTO-Mitglieder einzuleiten?80
VI. Gesamtwürdigung von Art. 13 Grundverordnung Zusammenfassend ist festzuhalten, daß die Gemeinschaft mit Art. 13 Grundverordnung nachdrücklich ihre Bereitschaft unterstreicht, sich mit der Umgehung ihrer Antidumpingmaßnahmen auseinanderzusetzen. Die Erstreckung von Art. 13 Grundverordnung auf Importlands-, Drittlands- und "sonstige" Umgehungen sowie die Entscheidungsspielräume, die sich die Gemeinschaft mit der abstrakten Ausgestaltung der Regelung vorbehalten hat, müssen vom Ansatz her als Ausdruck einer offensiven Handelspolitik verstanden werden. Andererseits sieht sich die Gemeinschaft nach der Niederlage im Panelverfahren zur alten Umgehungsvorschrift durchaus auch in der Defensive. Das wird in Form von mannigfachen Zugeständnissen sowohl in der Vorschrift selbst, als auch in der bisherigen Praxis deutlich. Die Gemeinschaft hat sich nicht nur darauf beschränkt, die Vorgaben der "Parts"-Panelentscheidung zu berücksichtigen. Als Zugeständnis ist auch das Bemühen um inhaltliche Nähe zum "Dunkel Draft" zu verstehen. Hervorzuheben ist ferner, daß die Gemeinschaft sich auch einer ganzen Reihe japanischer Beschwerde- und Kritikpunkte an der alten Regelung angenommen hat, die die Panelentscheidung selbst nicht aufgegriffen hat. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang noch einmal hingewiesen auf die Aufnahme eines Dumping-381 und eines Schädigungselements382, den Versuch, Umgehung zu definieren 383 , den Verzicht auf das Kriterium der "verbundenen Unternehmen"384 und den Umstand, daß beim 60%Test offensichtlich nicht mehr auf gewogene Mittelwerte abgestellt wird.385 380 Weitere Gründe dürften auch das Interesse der Gemeinschaft an einer multilateralen Lösung und das Schaffen von Verhandlungsmasse für entsprechende Verhandlungen sein. 381 Japan hatte kritisiert, daß Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 eine Maßnahmenausweitung zuließ, ohne einen Bezug zum Dumping herzustellen (BISD 37S, S. 132 ff. (160), Rn. 3.66). 382 Japan hatte beanstandet, daß unter Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 kein Schadenstest und keine Kausalitätsprüfung vorgesehen waren (BISD 37S, S. 132 ff. (160), Rn. 3.67). 383 Japan hatte bemängelt, daß die Gemeinschaft "Umgehung" in Art. 13 Abs. 10 VO 2423188 nicht definiert hat (Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (139), Rn. 3.12). 384 Japan hatte moniert, daß Art. 13 Abs. l 0 VO 2423/88 zwischen verbundenen und nicht-verbundenen Unternehmen differenziert hat. Nur im Falle der Montage durch mit japanischen Herstellern verbundene Unternehmen waren Umgehungsabwehrmaßnahmen vorgesehen. Japan sah darin eine nicht zu rechtfertigende Diskriminierung gegenüber mit Drittstaatenherstellern verbundenen Unternehmen (Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (137) Rn. 3.7). Daß die Gemeinschaft auf das Kriterium der verbundenen Unternehmen jetzt verzichtet, macht nun Umgehungsabwehr in noch größerem Umfang möglich. Das japanische Vorbringen hat sich insofern als kontraproduktiv erwiesen. 385 Japan hatte gerügt, daß die Gemeinschaft bei der Untersuchung des Prozentsatzes von Teilen japanischen Ursprungs auf gewogene Mittelwerte abstellte, was dazu führte, daß Zölle
144 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Ziel dieser weitreichenden Zugeständnisse dürfte vor allem sein, für die Zukunft, d. h. insbesondere für den Fall eines erneuten Panelverfahrens, möglichst wenig Angriffsflächen zu bieten. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung von Art. 13 Grundverordnung ist auch auf die Funktion dieser Vorschrift einzugehen. Wie schon im Kapitel über die Begrifflichkeit der Umgehung dargestellt wurde, ist nach hier vertretener Auffassung aufgrund von umgehungstheoretischen Überlegungen eine Umgehungsvorschrift an sich entbehrlich. 386 Ihr kann damit grundsätzlich nur deklaratorische Funktion zugesprochen werden. Diese Aussage muß aber jedenfalls im Antidumpingbereich und damit konkret für Art. 13 Grundverordnung relativiert werden. Art. 13 Grundverordnung hat sehr wohl eine eigenständige Bedeutung. Zwar bedarf es für die Umgehungsabwehr als solche nach hier vertretener Auffassung keiner spezifischen Rechtsgrundlage. Umgehungsfalle im Antidumpingbereich sind aber regelmäßig von einer derartigen Komplexität, daß eine adäquate Auslegung und Anwendung von Antidumpingverordnungen durch die dafür zuständigen nationalen Zollbehörden nicht gewährleistet werden können, sobald ein Sachverhalt nicht exakt unter den Wortlaut der entsprechenden Verordnung paßt. Die Entscheidung, ob ein "Umgehungs-" Sachverhalt noch von Sinn und Zweck der "umgangenen" Antidumpingmaßnahme erfaßt wird, erfordert die eingehende Untersuchung und gewissenhafte Würdigung komplexer wirtschaftlicher Zusammenhänge. Diese kann bei der normalen Zollabfertigung nicht geleistet werden. Wenn Art. 13 Grundverordnung unter diesen Bedingungen die Untersuchungen vermeintlicher Umgehungsfälle auf die Kommission und die letztendliche Entscheidung über eine Maßnahmenausweitung auf den Rat überträgt, wird Art. 13 Grundverordnung damit zur Verfahrens- und quasi sonderzuständigkeitsbegründenden Norm. Art. 13 Grundverordnung ist auch insofern von Bedeutung, als es nicht nur darum geht, eine Auslegung der "umgangenen" Antidumpingverordnung für den Einzelfall vorzunehmen, sondern diese Auslegung für eine unbestimmte Vielzahl von gleichartigen Einfuhrvorgängen in Form einer Verordnung verbindlich vorzugeben. Das ermöglicht es, nach Abschluß des Umgehungsverfahrens Auslegung, Anwendung und Durchsetzung der "ausgeweiteten Zölle" im konkreten Einzelfall wieder den nationalen Zollbehörden zu überlassen. Wie ausführlich beschrieben wurde, enthält Art. 13 Grundverordnung auch materielle Vorgaben und geht damit über eine reine Verfahrens- und Zuständigkeitsbestimmung hinaus. Diese machen Art. 13 Grundverordnung aber nicht etwa zu einem eigenständigen handelspolitischen Schutzinstrument Inhalt, Ausgestaltung auch dort erhoben werden konnten, wo gegen Ende des Untersuchungszeitraums die von der Verordnung vorgegebenen 60% unterschritten wurden und mithin auch nach Gemeinschaftsdefinition eigentlich keine Umgehung mehr stattfand (Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (138), Rn 3.11 ). 386 Siehe oben, Teil 2, D. und E.
C. Exkurs zu Umgehungsabwehrvorschriften und-praxisanderer WTO-Mitglieder
145
und praktische Anwendung dieser Vorgaben machen deutlich, daß es lediglich darum geht, den engen sachlichen Zusammenhang zwischen dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und dem vermeintlichen Umgehungssachverhalt festzustellen. Damit gibt die Gemeinschaft verbindlich vor, wann sie einen Umgehungssachverhalt und den Sachverhalt der zum Erlaß eines Antidumpingzolls geführt hat, für so ähnlich hält, daß eine Gleichbehandlung geboten ist. Mit dem umfassenden Prüfungsprogramm, daß sich die Gemeinschaft in Art. 13 Abs. I S. 2 und Abs. 2 Grundverordnung auferlegt hat, geht sie mit Blick auf die Auslegung bestehender Antidumpingmaßnahmen eine Selbstbindung ein. Man wird Art. 13 Grundverordnung daher als eine Festschreibung von Auslegungsrichtlinien ansehen können. Das kann durchaus als Bemühen um Transparenz und Vorhersehbarkeit verstanden werden und kommt insofern potentiellen Umgehern zugute. Daß Art. 13 Grundverordnung unbestimmte Rechtsbegriffe enthält, ist nicht erstaunlich, sondern ist mit der notwendigen Unbestimmtheit von Gesetzen im allgemeinen wie Umgehungsvorschriften im besonderen zu erklären und ist deshalb nicht zu beanstanden.
C. Exkurs zu Umgehungsabwehrvorschriften und -praxis anderer WTO-Mitglieder Die nachfolgende Darstellung von Umgehungsabwehrvorschriften und -praxis anderer WTO-Mitgliedsstaaten soll vor dem Hintergrund des Prinzips der Reziprozität bei der Anwendung von GATT I WTO-Vorschriften387 als Vergleichsmaßstab für vertretbare Anforderungen an die Bestimmtheit der gemeinschaftlichen Umgehungsabwehrvorschrift dienen. Es wird im Folgenden hingegen nicht darum gehen, funktionale Rechtsvergleichung zu betreiben. Die Lösungsansätze anderer WTO-Mitgliedsstaaten sind auch insofern interessant, als sich darin die Rechtsauffassung und Rechtspraxis eines nicht unerheblichen Teils von WTO-Mitgliedsstaaten zur Umgehungsabwehr widerspiegelt. Dies spielt bei der Frage nach der Vereinbarkeit von Umgehungsabwehrmaßnahmen mit dem bestehenden GATT I WTO-Recht unter dem Gesichtspunkt der "Übung" der Mitgliedsstaaten eine nicht unwesentliche Rolle. 388 Inzwischen haben mindestens zwölf WTO-Mitglieder spezifische nationale Vorschriften zur Umgehungsabwehr geschaffen. Damit haben von den über 50 Staaten, die weltweit über ein nationales Antidumpingrecht verfügen, ca. ein Viertel spezi387 Siehe zur allgemeinen Geltung und Bedeutung im GATT I WTO-Kontext: Petersmann, Constitutional Functions and Constitutional Problems of International Economic Law, S. 237 ff.; siehe auch Erwägungsgrund (4) der Grundverordnung, der darauf verweist, daß "es zur Aufrechterhaltung des mit dem GATT-Übereinkommen erreichteten Gleichgewichts zwischen Rechten und Pflichten unbedingt notwendig [ist], daß die Gemeinschaft der Auslegung dieser Regeln durch ihre wichtigsten Handelspartner Rechnung trägt." 388 Siehe unten, Teil 3, D.
10 Birnstiel
146 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
fische Vorschriften geschaffen. Auch Staaten, die bislang insoweit untätig geblieben sind, gehen im Einzelfall auf unterschiedlichsten und regelmäßig weitgehend intransparenten Wegen gegen die Umgehung ihrer Antidumpingmaßnahmen vor. Oft geht es dabei um eine erweiternde Auslegung des "scope", des Anwendungsbereichs einer Antidumpingmaßnahme. 389
I. Die Umgehungsabwehrvorschriften der USA
Von besonderem Interesse sind die Regelungen der USA. Diese sind - wie die Vorschriften der Gemeinschaft - eine Fortentwicklung von schon Ende der achtziger Jahre geschaffenen Regelungen 390 und mithin vergleichbar weit entwickelt. Sec. 781 des TariffActs sieht in seiner gegenwärtigen Fassung unter der Überschrift "Prevention of Circumvention of Anti-Dumping and Countervailing Duty Orders" vier Fälle vor, in denen gegen Umgehung vorgegangen werden kann, nämlich gegen die lmportlands- und die Drittlandsumgehung, die leichte Veränderung und die Fortentwicklung von Waren. 391 389 Eine erschöpfende Übersicht über die diversen Vorgehensweisen fehlt bis heute und kann auch hier nicht erbracht werden. Die "infomal group on circumvention" hat sich - wie beschrieben - vorgenommen, sich in einem zweiten Arbeitsschritt nach Erarbeitung einer "Umgehungsdefinition" um eine Bestandsaufnahme aller tatsächlich gehandhabten Praktiken zu bemühen. Die vorliegende Arbeit, die sich auf die Praktiken der Gemeinschaft konzentriert, deutet schon an, welche Fülle an Material dazu zu sichten sein wird. 390 Siehe allgemein z. B. Clinton/ Porter, The United States' New Anti-Circumvention Provision and Its Application by the Comrnerce Department, JWT, Vol. 24, No. 3, June 1990, S. 101; Macrory/Vennulst/Waer, United States and European Comrnunity Antidumping Law: Similarities and Differences, U. Miami Y.B. Int'l Law, Vol. 1, 1991, S. 74 (83 ff.); Stewart, Administration of the Antidumping Law: A Different Perspective in Boltuck/Litan, Down in the Dumps, S. 288 (327 ff.); Pa/meter, The Antidumping Law: A Legaland Adminitrative Non-Tariff Barrier in Boltuckl Litan, Down in the Dumps, S. 64 (81 ff.); Dunn, Antidumping, in Stewart (Hrsg.), The World Trade Organization, The Multilateral Trade Framework for the 21 51 Century and U.S. Implementing Legislation, S. 239 ff. (257 ff.); Hahn, "Assembly-Dumping" in der EG und den USA, Die Entscheidung des GATT-Rates im "Srewdriver"-Fall, RIW 1991, 739 (741); Bierwagen, GATT Article VI and the Protectionist Bias in Anti-Dumping Laws, S. 53 (58 ff.); Komuro, U.S. Anti-Circumvention Measures and GATT Rules, JWT, Vol. 28, No. 3, June 1994, S. 5 (38); Horlick, The United States Antidumping System in Jackson/Vennulst (Hrsg.), Antidumping Law and Practice, S. 99 (118 ff. u. 150 ff.); Platt, A Comparison of Anti-Circumvention of Anti-Dumping Duty Rules in the United States and the Dunkel Draft Proposal, World Competition, Vol. 16, No. 4, June 1993, s. 89. 391 Siehe dazu allgemein Komuro, U.S. Anti-Circumvention Measures and GATT Rules, JWT, Vol. 28, No. 3, June 1994, S. 5; Holmer/Horlick/Stewart, Enacted and Rejected Amendments to the Antidumping Law: In Implementation or Contravention of the Antidumping Agreement?, The International Lawyer, Vol. 29, No. 2, 1995, 483; Rosen!Husisian, Anti-dumping and Anti-circumvention: The New US Regime, INT.TLR, Vol. 5, 1995, 194; Pa/meter, United States Implementation of the Uruguay Round Antidumping Code, JWT,
C. Exkurs zu Umgehungsabwehrvorschriften und-praxisanderer WTO-Mitglieder
147
Sec. 781 (a) ist den Fällen der Importlandsumgehung gewidmet: .,(a) MERCHANDISE COMPLETED OR ASSEMBLED IN THE UNITED STATES (1) In general: - If(A) merchandise sold in the United States is of the same dass or kindas any other merchandise that is the subject of (i) an anti-dumping duty order issued under Section 736, (ii) a finding issued under the Anti-Dumping Act, 1921, or (iii) a countervailing duty order issued under Section 706 or Section 303, (B) such merchandise sold in the United States is completed or assembled in the United States from parts or components produced in the foreign country with respect to which such order or finding applies, (C) the process of assembly or completion in the United States is minor or insignificant,
and
(D) the value of parts or components referred to in subparagraph (B) is a significant portion of the total value of the merchandise, the administrating authority, after taking into account any advice provided by the Corninission under subsection (e), may include within the scope of such order or finding the imported parts or components referred to in subparagraph (B) that are used in the completion or assembly of the merchandise in the United States at any time such order or finding is in effect. (2) Determination of whether process is minor or insignificant. - In determining whether the process of assembly or completion is minor or insignificant under paragraph (1) (C), the administering authority shall take into account (A) the Ievel of investment in the United States, (B) the Ievel of research and development in the United States (C) the nature ofthe production process in the United States,
(D) the extent of production facilities in the United States, and (E) whether the value of the processing performed in the United States represents a small proportion of the value of the merchandise sold in the United States. (3) Factars to consider. -In determining whether to include parts or components in a countervailing or anti-dumping duty order or finding under paragraph (1), the administering authority shall take into account such factors as (A) the pattem of trade, including sourcing pattems, Vol. 29, No. 3 June 1995, S. 39 (79 f .); Dunn, Antidumping in Stewan (Hrsg.), The World Trade Organization,The Multilateral Trade Framework for the 21st Century and U.S. Implementing Legislation, S. 239 (258 f.); UNCTAD (Hrsg.), Handbook on the Trade Laws of the United States of America, S. 98 ff. ; Bhala, Rethinking Antidumping Law, Geo.Wash.J.Int'l L.&Econ., Vol. 29, No. I, 1995, I ff. (111 ff.). 10*
148 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift (B) whether the manufacturer or exporter of the parts or components is affiliated with the person who assembles or completes the merchandise sold in the United States from the parts or components produced in the foreign country with respect to which the order or finding described in paragraph ( 1) applies, and (C) whether imports into the United States of the parts or components produced in such
foreign country have increased after the initiation of the investigation which resulted in the issuance of such order or finding."
Für Drittlandsumgehungen haben die USA mit Sec. 781 (b) eine Regelung vorgesehen: "(b) MERCHANDISE COMPLETED OR ASSEMBLED IN OTHER FOREIGN COUNTRIES (1) In general. - If -
(A) merchandise imported into the United States is of the same class or kind as any merchandise produced in a foreign country that is the subject of(i) an anti-dumping duty order issued under Section 736, (ii) a finding issued under the Anti-Dumping Act, 1921, or (iii) a countervailing duty order issued under Section 706 or Section 303, (B) before importation into the United States, such imported merchandise is completed or assembled in another foreign country from merchandise which (i) is subject to such order or finding, or (ii) is produced in the foreign country with respect to which such order or finding applies, (C) the process of assembly or completion in the foreign country referred to in Subpara-
graph (B) is minor or insignificant,
(D) the value of the merchandise produced in the foreign country to which the antidumping duty applies is a significant portion of the total value of the merchandise exported to the United States, and (E) the administering authority deterrnines that action is appropriate under this paragraph to prevent evasion of such order or finding, the administering authority, after taking into account any advice provided by the Commission under subsection (e), may include such imported merchandise within the scope of such order finding at any time such order or finding is in effect. (2) Determination of whether process is minor or insignificant. - In deterrnining whether the process of assembly or completion is minor or insignificant under paragraph (I) (C), the administering authority shall take into account (A) the Ievel of investment in the United States, (B) the Ievel of research and development in the United States (C) the nature of the production process in the United States,
C. Exkurs zu Umgehungsabwehrvorschriften und-praxisanderer WTO-Mitglieder
149
(D) the extent of production facilities in the United States, and (E) whether the value of the processing performed in the United States represents a small proportion of the value of the merchandise sold in the United States. (3) Factors to consider. - In determining whether to include merchandise assemb1ed or completed in a foreign country in a countervailing duty order or an anti-dumping duty order or finding under paragraph (I), the administering authority shall take into account such factors as(A) the pattem of trade, including sourcing pattems, (B) whether the manufacturer or exporter of the merchandise described in paragraph (1) (B) is affiliated with the person who uses the merchandise described to assemble or complete in the foreign country the merchandise that is subsequently imported into the United States, and (C) whether imports into the foreign country of the merchandise described in paragraph (l)(B) have increased after the initiation ofthe investigation which resulted in the issuance of such order or finding."
In Sec. 781 (c) des TariffAct ist festgehalten, wie geringfügige Veränderungen einer mit Antidumpingzöllen belegten Ware gehandhabt werden: "(c) MINOR ALTERATIONS OF MERCHANDISE.( 1) In general. - The class or kind of merchandise subject to (A) an investigation under this title, (B) an anti-dumping duty order issued under Section 736, or (C) a finding issued under the Anti-dumping Act, 1921, or (D) a countervailing duty order issued under Section 706 or Section 303, shall include articles altered in form or appearance in minor respects (including raw agricultural products that have undergone minor processing), whether or not included in the sarne tariff classification. (2) Exception. - Paragraph (1) shall not apply with respect to altered merchandise if the administering authority determines that it would be unnecessary to consider the altered merchandise within the scope of the investigation, order, or finding."
Schließlich enthält der TariffAct mit Sec. 781 (d) auch noch eine Bestimmung über weiterentwickelte Waren: "(d) LATER-DEVELOPED MERCHANDISE. (1) In general. - For purposes of determining whether merchandise developed after an investigation is initiated under this title or Section 303 (hereafter in this paragraph referred to as the "later-developed merchandise") is within the scope of an outstanding antidumping or countervailing duty order issued under this title or Section 303 as a result of such investigation, the administering authority shall consider whether, (A) the later-developed merchandise has the same general physical characteristics as the merchandise with respect to which the order was originally issued (hereafter in this paragraph referred to as the "earlier product"),
150 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift (B) the expectations of the ultimate purchasers of the later-developed merchandise are the
same as for the earlier product,
(C) the ultimate use of the earlier product and the later-developed merchandise are the same, (D) the later-developed merchandise is sold through the same channels of trade as the earlier product, and (E) the later developed merchandise is advertised and displayed in a manner similar to the earlier product. The adrninistering authority shall take into account any advice provided by the Commission under subsection (e) before making a determination under this subparagraph. (2) Exclusion from orders. - The administering authority may not exclude a later-developed merchandise from a countervailing or anti-dumping duty merely because the merchandise(A) is classified under a tariff classification other than that identified in the petition or the adrninistering authority's prior notices during the proceeding, or (B) perrnits the purchaser to perform additional functions, unless such additional functions constitute the primary use of the merchandise and the cost of the additional functions constitute more than a significant proportion of the total cost of production of the merchandise."
Wie angedeutet, können und sollen diese Vorschriften hier nicht einer vertieften Untersuchung unterworfen werden392, sondern sollen vorwiegend unter dem Aspekt der Bestimmtheit gewürdigt werden. Sec. 781 (a) und (b) zur Importlands- bzw. zur Drittlandsumgehung enthalten anders als ihr europäisches Gegenstück - Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung - weder einen 60%- noch einen 25%-Test. Von zentraler Bedeutung ist bei den US-amerikanischen Regelungen, ob ein Montagevorgang bzw. Endfertigungsarbeiten "minor or insignificant" sind und ob der Wert der Teile einer Ware, die aus dem mit Maßnahmen belegten Staat stammen, als "significant portion of the total value of the merchandise" angesehen werden kann. Dabei handelt es sich um zwei unbestimmte Rechtsbegriffe. Nur ersterer wird im jeweiligen Abs. 2 von Sec. 781 (a) und (b) näher spezifiziert. Damit wird aber lediglich vorgegeben, daß Elemente, wie die im Montageland getätigten Investitionen sowie die dort vorgenommene Forschungs- und Entwicklungsarbeit, "zu berücksichtigen" sind?93 Das trägt allenfalls sehr bedingt zur Bestimmtheit bei. Auch gibt es unter diesen Vorschriften zu392 Siehe insoweit insbesondere Komuro, U.S. Anti-Circumvention Measures and GATT Rules, JWT, Vol. 28, No. 3, June 1994, S. 5. 393 Aufgrund der im jeweiligen Abs. 2 genannten Elemente wird "minor or insignificant" als qualitatives, nicht als quantitatives Kriterium verstanden. Anders war das in der Prä-Uruguay Runden Fassung. Dort war entscheidend, ob der Wertunterschied zwischen der fertigen Ware und den aus dem von Antidumpingmaßnahmen betroffenen Land stammenden Teilen "small" war. Das wurde als quantitatives Kriterium verstanden.
C. Exkurs zu Umgehungsabwehrvorschriften und-praxisanderer WTO-Mitglieder
151
mindest bislang keine Praxis, die klärend gewesen wäre. 394 - Der 60%- und der 25%-Test in Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung versprechen insoweit eine eindeutigere Grenzziehung. Sec. 781 (c) und (d) konzentrieren sich- anders als der generalklauselartig ausgestaltete Art. 13 Abs. 1 S. 2 Grundverordnung- auf zwei spezifische Fallkonstellationen, nämlich die leichten Produktveränderungen ("minor alterations") und die weiterentwickelten Produkte ("later-developed merchandise"). Insofern scheint der amerikanische Ansatz der Leitvorstellung von Bestimmtheit eher zu entsprechen, als die europäische Lösung. Zu berücksichtigen ist aber, daß die USA über diese Fälle hinaus mit "scope determinations" arbeiten 395 und insbesondere in den Genfer Gesprächen immer wieder unterstreichen, daß es sich bei den Sec. 781 (a) bis (d) aufgezählten Fällen nur um Beispielsfälle handelr396, die bei Bedarf jederzeit erweitert werden können. Vor diesem Hintergrund bleibt die europäische Umgehungsabwehrvorschrift bei einer zusammenfassenden Betrachtung mit Blick auf die Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit kaum hinter der amerikanischen Regelung zurück. Festzuhalten bleibt für die Zwecke der vorliegenden Arbeit ferner, daß nach den OS-Regelungen Waren, die einen "Umgehungstatbestand" erfüllen, auch ohne erneute Untersuchung von Dumping und Schädigung von bestehenden Antidumpingzöllen erfaßt werden können. Insoweit wird auf die Ergebnisse des Ausgangsverfahrens zurückgegriffen. Es ist nicht einmal eine Plausibilitätskontrolle vorgesehen, wie sie in Art. 13 Grundverordnung mit den Kriterien des Dumping im Verhältnis zu den Normalwerten des Ausgangsverfahrens und dem Untergraben der Abhilfewirkung zu finden ist. Insoweit entspricht die europäische Regelung dem WTO-Recht ohne Zweifel eher, als das bei den OS-amerikanischen Bestimmungen der Fall ist.
394 Es sind bislang nur zwei Verfahren eingeleitet worden. Im ersten Fall gingen die USA gegen Samsung Farbfernseher aus Süd-Korea vor (United States- Anti-Dumping Duties on Imports of Colour Television from Korea, WT I DS8911 ). Nur die Einstellung hat Korea dazu bewegen können, ein schon eingeleitetes Panelverfahren bei der WTO zunächst nicht weiter zu verfolgen (WT IDS8918, 15. Januar 1998). Die endgültige Rücknahme des verfahrenseinleitenden Antrages hat Süd-Korea auf dem DSB-Meeting arn 22. Sept. 1998 erklärt. - In einem zweiten Verfahren geht es um Stahlprodukte aus Deutschland und Großbritannien. In diesem Verfahren hat das Department of Cornmerce seine Einstellungsabsicht schon öffentlich bekundet. Siehe Department ofCornmerce, International Trade Administration, Hot-Rolled Lead and Bismuth Carbon Steel Products From Gerrnany and the United Kingdom; Negative Prelirninary Deterrninations of Circumvention of Antidumping and Countervailing Duty Orders, Federal Register I Vol. 63 No. 841 Friday, May I, 19981 Notices. 395 Siehe dazu gleich unten, Teil 3, C. IV. 396 Siehe dazu oben, Teil 2, B. li. 2. b).
152 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
II. Umgehungsvorschriften weiterer WTO-Mitglieder
Weitgehend unbekannt ist, daß inzwischen weitere zehn WTO-Mitglieder explizite Umgehungsabwehrvorschriften erlassen und diese dem WTO-Antidumping Ausschuß in englischer Fassung zugeleitet haben. Anders als bei der Gemeinschaft und den USA handelt es sich dabei nicht um Fortentwicklungen, sondern um Neuschaffungen aus der Zeit nach Abschluß der Uruguay Runde. Da diese zehn WTOMitgliedsstaaten zumindest bislang nicht zu den Antidumping-Hauptakteuren gehört haben, dürfte die Bedeutung dieser Vorschriften im einzelnen allenfalls von untergeordneter Bedeutung sein. Auf sie soll hier deshalb nur der Vollständigkeit halber hingewiesen werden. (1) Argentinien hat eine Vorschrift zur Abwehr von Importlandsumgehungen erlassen.397
(2) Bulgariens Umgehungsabwehrvorschrift ist vom Wortlaut her gegen Umgehung schlechthin gerichtet. Konkrete Formen werden nicht angesprochen? 98 397 Art. 66 der argentinischen Antidumpinggesetzgebung: "The competent authority may include within the scope of the definitive anti-dumping or countervailing duty in force, imported parts and components intended for assembly or finishing in the Argentine Republic when it is established that: (a) the product assembled or finished from such parts or components is a like product to the one subject to the definitive anti-dumping or countervailing duty; (b) assembly or finishing in the country importing the product referred to in subparagraph (a) above is carried out by a party related to an exporter or producer whose exports of the like product to the Argentine Republic are subject to a definitive anti-dumping or countervailing duty or which acts on behalf of such exporter or producer; (c) parts or components were obtained in the country of the exporter or producer subject to a definitive anti-dumping or countervailing duty, from suppliers in the exporting country who traditionally have supplied parts or components to such exporter or producer or from a third party supplying parts or components on behalf of such exporter; (d) assembly or finishing Operations in the Argentine Republic have undergone substantial growth and imports of parts or components for such Operations have increased substantially since the initiation of the investigation which gave rise to the imposition of the definitive anti-dumping or countervailing duty; (e) the total cost of the parts or components referred to in the subparagraph (c) represents a substantial part of the total cost of the parts or components used in the assembly or finishing operation. The competent implementing authority may impose preventive anti-dumping or countervailing duties in accordance with Article 49 et seq. of the present decree, on parts or components imported for use in assembly or finishing operations when it considers that there is sufficient evidence that the criteria established in subparagraphs (a) to (e) of the present article are fulfilled. The competent implementing authority may establish a definitive anti-dumping or countervailing duty when all the criteria set out in this Article are fully met. The definitive anti-dumping or countervailing duty that may be imposed may not be higher that the definitive anti-dumping or countervailing duty in force on imports of the finished product subject to investigation." (GI ADP/N/1/ARG/1 S.41). 398 Artikel 34 der bulgarischen Antidumpinggesetzgebung: "(1) Antidumping or countervailing duties imposed pursuant to this regulation may be extended to apply to imports from third countries of like products, or parts thereof, when circumvention of the measures in force is taking place. Circumvention shall be defined as: 1. A change in the pattem of trade between third countries and the Republic of Bulgaria the due cause for which is the imposed
C. Exkurs zu Umgehungsabwehrvorschriften und-praxisanderer WTO-Mitglieder
153
(3) Island widmet sich in seiner Umgehungsabwehrvorschrift ausschließlich der Importlandsumgehung. 399 (4) Auch Kolumbien400 erwähnt in seiner Umgehungsabwehrvorschrift nur Importlandsumgehungskonstellationen. 401 duty; 2. There is evidence that the remedia1 effects of the duty are being undermined, in terms of prices; 3. The imported 1ike products or parts thereof still benefit from the anti-dumping or subsidy. (2) Investigation shall be initiated pursuant to this article upon a decision of the Council of Ministers where sufficient evidence exists for circumvention pursuant to paragraph (1). The investigation shall be carried out under the general procedure and concluded within 9 months." (GI ADPIN I 1 IBGRI I, S. 26). 399 Die isländische Antidumpinggesetzgebung zur Umgehungsabwehr: "Anti-dumping and countervailing duties may be imposed on products that are introduced into the commerce of this country after having been assemb1ed or produced in this country, provided that: I. The assemb1y or production is carried out by a party related or associated to a manufacturer of the like export products on which anti-dumping or countervailing duties will be imposed. 2. The assembly or production was Started or substantially increased after the opening of the antidumping investigation. 3. The value of parts or materials, used in the assembly or production and originating in the country of exportation of the product subject to the anti-dumping or countervailing duty, exceeds the value of all other parts or materials used by at least 50 per cent. - In applying this provision, account shall be taken of the variable cost incurred in the assembly or production and of the research and development costs and the technology applied. - Products assembled or produced in this country shall be declared to the customs authorities before they are introduced into commerce. For the purpose of levying anti-dumping or countervailing duties, such a declaration shall be considered to be equivalent to an import declaration under the Customs Law. - The amount of the anti-dumping or countervailing duty shall be that applicable to the manufacturers in the countfies of origin of products which may be subject to anti-dumping duty and to which a domestic manufacturer is related or associated. The amount shall be proportional to the anti-dumping or countervailing duty applicable to the manufacturer of the complete product on the c.i.f. value of the parts or materials imported." (GI ADP IN II IISLI 1, S. 16 f.). 400 Siehe allgemein lbarra, Applying a New Antidumping Regime - The Experience of Colombia, JWT, Vol. 28, No. 1, February 1994, S. 43 ff. 401 Kolumbiens Antidumpinggesetzgebung: Artikel 24 "Anti-Avoidance Measures. The scope of a definitive duty in force on an imported product may extend to parts or components for assembly or finishing operations in Colombia where it is established that: 1. The product assembled or finished with such parts or components in Colombia is the like product to that subject to definitive duties; 2. The assembly or finishing in Colombia is carried out by a party who is related to the exporter or producer whose exports are subject to definitive duties, or who acts on their behalf; 3. The parts or components have been obtained in the country subject to the duty in force from the exporter or producer to whom the definitive duty is applied, from suppliers of the exporter or the producer or from a party in the exporting country who acts as supplier on behalf of the exporter or producer; 4. Imports of parts or components and assembly or finishing operations have increased subsequent to the initiation of the investigation which gave rise to the imposition of definitive duties; 5. The total cost of the parts or components is equal to or exceeds 70 per cent of the total cost of all parts or the components used in the assembly or finishing of a Iike product; 6. When there is evidence of the dumping of the product produced with such parts, on the basis of a comparison of the price of the product assembled or finished in Colombia and the normal value previously established for a like product when subject to the initialdefinitive anti-dumping duty; 7. There is evidence that it is necessary to include such parts within the scope of application of resolutions to impose
154 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
(5) Korea hat zwar im eigentlichen Sinne noch keine Umgehungsabwehrvorschrift geschaffen, hat aber in seinem Zollrecht schon Vorkehrungen getroffen, die eine sofortige automatische Anwendung einer etwaigen WTO-Regelung zur Umgehungsabwehr ermöglichen sollen. 402 • 403 (6) Malaysia scheint sich eine umfassende Umgehungsabwehr vorzubehalten. 404 (7) Mexiko405 erlaßt in seiner Vorschrift zu Umgehungsabwehr ausdrücklich die Fälle der Importlands- und Drittlandsumgehung und will sich von der Anwendung bestehender Antidumpingzölle auch bei leichten Produktveränderungen nicht abhalten lassen. 406 (8) Peru sieht hingegen wieder nur eine Bestimmung für Importlandsumgehungsfalle vor. 407 definitive duties in order to avoid injury to the domestic industry for a like product subject to definitive duty. - The authorities may impose provisional duties on parts or components up to the amount of the definitive duties in force on the finished product when there is sufficient evidence of occurrences under subparagraphs 1- 6 and final duties when there exists sufficient evidence of occurrences under subparagraphs 1-7." (GI ADP IN 111COLI1, S. 12). 402 Siehe GI ADPINI11KORI3, S. 11 (12) und GI ADPIW/74, S. 23. 403 Im übrigen zeichnet sich ab, daß Korea über die Auslegung des .,like product"-Konzepts Umgehungsabwehr betreiben wird. Siehe Kim, The Korean Anti-Dumping System, JWT, Vol. 30, No. 2, April1996, S. 101 (118). 404 Malaysias Antidumpinggesetzgebung sieht unter der Überschrift "Anti-circumvention measures" folgendes vor: .,37. The Govemment may take action to prevent circumvention of the application of countervailing and anti-dumping duties as may be prescribed." (GI ADP I NI 11MYSI1, S. 24). 405 Siehe allgemein Andere, The Mexican Antidumping Regime - Regulatory Framework, Policies and Practice, JWT, Vol. 27, No. 2, April1993, S. 5 ff. (zur Rechtslage vor Abschluß der Uruguay Runde). 406 Artikel 71 der mexikanischen Antidumpinggesetzgebung: .,In cases where parts or components are introduced into the national territory for the purpose of assembly on that territory of goods subject to provisional or final duties with a view of eluding payment of such duties, the duty in question shall be imposed on the importation of the said parts or components. The same rule shall apply to cases where the parts or components are assembled in a third country and the finished product is introduced into the national territory, or to the exportation of products having relatively slight physical differences in comparison with those subject to provisional or final countervailing duties for the purpose of eluding payment of such duties." (GI ADP IN I 1 IMEXI 1, S. 9). 407 Artikel 48 der peruanischen Antidumpinggesetzgebung: .,The Commission may apply provisional or definitive anti-dumping or countervailing duties on the import of spare parts or components imported from the country of origin of the final product subject to definitive duties if there is proofthat such goods are being imported for the purpose of circumventing the application of anti-dumping or countervailing duties imposed on the final product. Forthis purpose, the Commission shall take the following factors into account, inter alia: (a) Whether the product sold in Peru has been assembled or finished in Peru using spare parts or components produced in the country of origin of the final product subject to definitive duties; (b) whether the product sold in Peru has been assembled or finished in a third country using spare parts or components produced in the country of origin of the final product subject to definitive duties; (c) whether the product has been assembled or finished by a party related to
C. Exkurs zu Umgehungsabwehrvorschriften und-praxisanderer WTO-Mitglieder
155
(9) Thailands Umgehungsabwehrvorschrift ist sowohl auf Importlands- als auch auf Drittlandsumgehung ausgerichtet. 408 ( 10) Venezuela scheint nach seiner speziell auf Umgehungsabwehr zugeschnittenen Vorschrift nur gegen Importlandsumgehung vorgehen zu wollen. 409· 410 Schon die Lektüre dieser Vorschriften macht deutlich, daß die verschiedenen Lösungsansätze relativ große Unterschiede aufweisen. Von der schlichten Willensbekundung zur Umgehungsabwehr bis zur relativ ausführlichen Regelung von Importlands- und Drittlandsumgehung ist alles anzutreffen. Mit Blick auf die Bestimmtheit dieser Vorschriften ist auch hier festzustellen, daß sich auch aus den längeren, ausführlichen Regelungen keinerlei genaue Abgrenzung von Umgehung und legitimer Geschäftsstrategie ergibt. Der Dumper und potentielle Umgeher wird von keiner dieser Vorschriften in die Lage versetzt, Strathe exporter or producer of the final product subject to definitive duties; (d) whether the impoft of spare parts or components for the product subject to definitive duties and assembly of finishing of such products have increased following publication of the decision initiating the investigation; (e) any other circumstances determining a change in the characteristics of trade for which there is no economic cause or justification other than imposition of the duty and if there is proof that payment of the definitive duties imposed on the final product is being circumvented. - The review procedure shall be govemed by the provisions laid down in Articles 18 to 53 of these Regulations, where applicable."(GI ADP IN I I I PER I 1 I Suppl.2, S. 13). 408 Artikel 12 der thailändischen Antidumpinggesetzgebung: "Measures to Prevent Avoidance of a Special Duty- 12.1 The Committee may submit to the Minister a proposal to impose a definitive special duty on imported parts or components destined for the assembly of finished products in the country when the following conditions are satisfied: (I) Those parts and components are imported for the assembly of a like product which is subject to a special duty. (2) The importer of those parts and components is related to a producer or an exporter of the product which is subject to a special duty. (3) Partsand components of such products are imported from the same source of the product which is subject to a special duty. (4) Those parts and components are considered essential for the finished product. (5) Imports of those parts have increased substantially since the initiation of the investigation of the product which is subject to a special duty. (6) After a comparison between the price of finished products assembled from those parts and the normal value of the like product which is subject to a special duty, there is sufficient reason to believe that those parts are imported at unfair price or are subsidised products. (7) It is necessary to prevent a recurring of injury to the domestic industry producing like product.- 12.2 In cases where parts and components which are imported at unfair price or are subsidised, are assembled in the third country and imported into Thailand in the form of finished products, the Committee may recommend to the Minister to impose a definitive special duty on such finished products. - 12.3 The provision on rate of special duties, review of special duties and refund of special duties in Articles 8, 10 and 11 shall be applied mutatis mutandis." (GI ADP IN I I ITHAI2, S. 11). 409 Artikel 54 der venezulansichen Antidumpinggesetzgebung: "Provisional or definitive anti-dumping or countervailing duties shall also be imposed on goods in the form of inputs or components of finished goods referred to in Article 5 of these Regulations when the Commission determines that the purpose of importing them in this form is to avoid such du lies." (GI ADPINI l/VEN/1, S. 15). 410 Castro-Bemieri! Levine, The Venezuelan Antidumping and Countervailing Duties Regime, JWT, Vol. 30, No. I, February 1996, S. 125 (137).
156 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
tegien zu entwickeln, die ihm den Umgehungsvorwurf sicher ersparen. Die Gemeinschaft wird insofern durchaus in die Lage versetzt, Forderungen nach mehr Bestimmtheit im Zusammenhang mit Art. 13 Grundverordnung unter dem Gesichtspunkt der Reziprozität mit Verweis auf die gesetzgebensehe Praxis anderer WTO-Mitglieder abzuweisen. Würdigt man die aufgelisteten Umgehungsabwehrvorschriften als "spätere Übung"411 bei der Anwendung von Art. VI GATI und dem Antidumpingübereinkommen412, ist als Gemeinsamkeit festzuhalten, daß alle Vorschriften die "Ausweitung" von bestehenden bzw. die "Einbeziehung" in bestehende Antidumpingmaßnahmen auch ohne neue Untersuchung von Dumping und Schädigung vorsehen. Lediglich in einigen der Vorschriften sind gewisse Dumping- und Schädigungselemente ähnlich wie in Art. 13 Grundverordnung anzutreffen.
111. Umgehungsabwehrpraxis ohne gesetzliche Fixierung Auch Staaten, die über nationale Antidumpingvorschriften verfügen, aber bislang keine spezifisch auf die Umgehungsabwehr zugeschnittene Vorschrift erlassen haben, gehen gegen Praktiken vor, die sie als Umgehung ihrer Antidumpingmaßnahmen ansehen. Beispielhaft sei hier auf Australien und Kanada hingewiesen.
1. Ausfralien
In Australien413 wird neben dem allgemeinen zollrechtliehen Instrumentarium auch ohne gesetzliche Normierung in Umgehungsfällen ein "beschleunigtes Verfahren" ins Auge gefaßt, in dessen Rahmen der Rückgriff auf Informationen als zulässig angesehen wird, welche aus dem ursprünglichen Antidumpingverfahren stammen.414 Zum Teil wird auch über eine für die australische Industrie vorteilhafte Auslegung des Begriffs "like product" Umgehungsabwehr betrieben. 415
Im Sinne von Art. 31 Abs. 3 b) WVRK. Siehe unten, Teil 3, D. II. 2. b) dd) (2). 413 Siehe allgemein Feaver/Wilson, An Evaluation of Australia's Anti-dumping and Countervailing Law and Policy, JWT, Vol. 29, No. 5, October 1995, S. 207 ff. mwN.; zur Rechtslage vor Abschluß der Uruguay Runde: Keith/Steele, The Australian Antidumping System in Jackson/Vermulst (Hrsg.), Antidumping Law and Practice, S. 223 ff. 414 Moulis, Australia, in Steele (Hrsg.), Anti-dumping under the WTO: A Comparative Review, S. 62. 415 Feaver / Wilson, An Evaluation of Australia's Anti-dumping and Countervailing Law and Policy, JWT, Vol. 29, No. 5, October 1995, S. 207 (221). 4 11
412
C. Exkurs zu Umgehungsabwehrvorschriften und-praxisanderer WTO-Mitglieder
157
2. Kanada Auch Kanada416 ist bereit, in Einzelfällen auf Umgehungsstrategien zu reagieren, ohne daß es dafür einer kompletten neuen Antidumpinguntersuchung bedürfte.417 In der Vergangenheit wurde in den fraglichen Fällen zumeist ein sehr weites Verständnis des Begriffs "gleichartige Ware" ("like product") zugrunde gelegt.418 Die bestehende Maßnahme wird auf diese Weise erweiternd ausgelegt. 419
IV. "Scope Determinations"
Im Zusammenhang mit Umgehungsabwehr muß auch auf die sogenannten "scope determinations" hingewiesen werden. Wenn man vom "scope" einer Antidumpingmaßnahme spricht, ist damit regelmäßig der sachliche Anwendungsbereich dieser Antidumpingmaßnahme gemeint. Beim "scope" geht es mit anderen Worten darum, welche importierten Waren von einem Antidumpingzoll erfaßt werden. Dies wird in Antidumpingmaßnahmen mehr oder weniger konkret umschrieben. Für den Fall, daß bei der Auslegung Probleme auftreten, sehen einige nationale Antidumpinggesetzgebungen "scope determinations" (auch "scope investigations" oder "scope inquiries") vor. Das trifft z. B. auf die US-amerikanische Antidumpinggesetzgebung zu. Die Vorschriften zu "scope rulings" finden sich in Sec. 351 .225 des Tariff Act und sind damit Bestandteil der Vorschriften über "Anti-dumping and Countervailing Duty Procedures". 420 Sec. 351.225 (k) des TariffAct sieht vor: "[In] considering whether a particular product is included within the scope of an order or a suspended investigation, the Secretary will take into account the following: 416 Siehe allgemein Magnus, The Canadian Antidumping System in Jackson ! Vermulst (Hrsg.), Antidumping Law and Practice, S. 167 ff. 417 Cheng, Canada, in Steele (Hrsg.), Anti-dumping under the WTO: A Comparative Review, S. 93. 418 Siehe dazu auch Teil4 B. II. I . 419 Siehe Vermulst!Waer, Anti-Diversion Rules in Antidumping Procedures: Interface or short-circuit for the Management of Interdependence, MJIL, Vol. 11, Summer 1990, S. 1119 (1166 ff.) mwN. 420 Siehe UNCTAD (Hrsg.), Handbook on the Trade Laws of the United States of America, S. 98 ff.; Shorin, Anti-Circumvention and Scope Inquiries: Basic Legal Principles and the Limits on Order Expansion, Annual International Trade Update, June 23- 24, 1994 (Georgetown University Law Center); Cameron!McGarr!Lewis, Searching for Balance in Antidumping Duty Scope Inquiries, Annual Trade Update, June 23 - 24, 1994 (Georgetown University Law Center); Vermulst/Waer, Anti-Diversion Rules in Antidumping Procedures: Interface or short-circuit for the Management of Interdependence, MJIL, Vol. 11, Summer 1990, s. 1119 (1138 ff.).
158 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift (1) The descriptions of the merchandise contained in the petition , the initial investigation,
and the determination of the Secretary (including prior scope determinations) and the Commission. (2) When the above criteria are not dispositive, the Secretary will further consider. (i) The physical characteristics of the product; (ii) The expectations of the ultimate purchasers;
(iii) The ultimate use of the product; (iv) The channels ofthe product; (v) The manner in which the product in advertised and displayed."
Damit bieten "scope rulings" -über die ausdrücklich als Umgehungsabwehr gekennzeichneten Fälle in Sec. 781 (a) - (d) hinaus- die Möglichkeit, Waren, die nicht ausdrücklich vom Anwendungsbereich einer Antidumpingmaßnahme erlaßt werden, nachträglich als erlaßt anzusehen.421 Dieses nachträgliche Einbeziehen wird von US-amerikanischer Seite regelmäßig als "clarifying the scope", nicht aber als Ausweitung des "scope" ("expansion") ausgegeben. 422 Die Befugnis zu letzterem ist dem zuständigen Department of Commerce immer wieder von gerichtlicher Seite explizit abgesprochen worden. 423 Wo die Grenze zwischen "clarification" und "expansion" zu ziehen ist, wird sich aber im Einzelfall immer nur sehr schwer und selten trennscharf bestimmen lassen. So wird den USA auch immer wieder vorgeworfen, daß sie im Wege der "scope rulings" den "scope" in einer 421 Die USA fahren mithin zweigleisig. Einfache "scope rulings" stehen neben den spezifischen Umgehungsabwehrvorschriften Sec. 781 (a) - (d). - Siehe auch Kleinfeld/Gaylor; Circumvention of Antidumping and Countervailing Duty Orders through Minor Alterations in Merchandise, JWT, Vol. 28, No. I, February 1994, S. 77 ff.- Anders dagegen die Gemeinschaft: Im Gemeinschaftsrecht sind "scope rulings" als solches kein fester Bestandteil des Antidumpingrechts. Es fehlt auch an passenden einfachen Entscheidungsstrukturen und Zuständigkeiten in der Gemeinschaft. Während "scope rulings" in den USA weitgehend Sache des Department of Commerce sind, sind abschließende Entscheidungen im Antidumpingrecht der Gemeinschaft mit der regelmäßig erforderlichen Entscheidung des Rates ein Politikum. Eine abschließende Entscheidung ist in der Praxis weniger vom "Gemeinschaftsinteresse" als vielmehr von den nationalen Interessen der fünfzehn EG-Mitgliedsstaaten abhängig. 422 Der Begriff der "Ausweitung" ("expansion") von Antidumpingmaßnahmen wird in den USA im Zusammenhang mit der Umgehungsabwehr ganz bewußt vermieden. Auch bei den ausdriicklich als Umgehungsabwehrvorschriften ausgewiesenen Regelungen Sec. 781 (a) - (d) werden bestehende Maßnahmen - anders als in nach Art. 13 Grundverordnung - nicht "ausgeweitet", sondern die streitgegenständliche Ware wird in eine bestehende Maßnahme "einbezogen" (siehe z. B. Sec. 781 (a): " ... the administering authority .. . may include within the scope ... "). Diese Wortwahl muß vor dem GATT I WTO-rechtlichen Hintergrund gesehen werden. In den USA scheint man zu glauben, daß es einfacher sei, den Verzicht auf die Prüfung der Voraussetzungen des Art. VI GATT in Umgehungabwehrfällen zu erklären, wenn man Waren in den Anwendungsbereich einer bestehenden Antidumpingmaßnahme "einbezieht", als wenn man diesen Anwendungsbereich "ausweitet". 423 Siehe z. B. Mitsubishi Electric Corp. v. United States, 802 F. Supp. 455, 458 (Ct. Int'l Trade 1992); Smith Corona Corp. v. United States, 915 F. 2d 683,686 (Fed. Cir. 1990).
D. Vereinbarkeit Art. 13 Grundverordnung mit GAlT- und WTO-Regelungen
159
Art und Weise auslegen, der de facto auf "expansion" hinausläuft. 424 Tatsache ist, daß sich über den "scope" auch Korrekturen anbringen lassen, mit denen Umgehungsstrategien bekämpft werden können. Der Vorteil von "scope rulings" aus Sicht nationaler Antidumpingverwaltungen ist dabei, daß diese das Ergebnis eines relativ unspektakulären, kurzen425 Verwaltungsverfahren sind und daß man auf diesem Wege Umgehungsabwehr betreiben kann, ohne die Reizworte "Umgehung" und "Umgehungsabwehr" auch nur zu benutzen. Fachleute in Genf und Brüssel gehen davon aus, daß Umgehungsabwehr in Form von "scope determinations" wesentlich weiter verbreitet ist, als ein Vorgehen über explizite Umgehungsabwehrvorschriften und daß insbesondere auch solche Staaten auf "scope"-Betrachtungen zurückgreifen, die sich als Gegner von spezifischen Vorschriften zur Umgehungsabwehr darstellen. 426 Aus Sicht des Dumpers und potentiellen Umgehers gestalten sich "scope determinations" als weitgehend intransparent und unvorhersehbar. Wirtschaftlich sinnvoll disponieren läßt sich deshalb kaum. Auch insofern werden also für Transparenz und Bestimmtheit keine Maßstäbe geschaffen, an denen sich die Gemeinschaft mit ihrem Art. 13 Grundverordnung messen lassen müßte.
D. Vereinbarkeit von Art. 13 Grundverordnung mit den GATT- und WTO-Regelungen I. Einleitung
Die Frage, ob Umgehungsabwehr im allgemeinen- so wie Art. 13 Grundverordnung im besonderen - mit den GATT- und WTO-Vorschriften vereinbar sind, ist nach wie vor heftig umstritten. Im Bereich der Umgehungsabwehr hat es zwar bereits 1990 ein Panelverfahren mit einer abschließenden Entscheidung gegeben. Insofern gibt es ansatzweise eine Orientierungshilfe. Nachdem das Panel in diesem Fall aber keine spezifischen Ausführungen zur Umgehungsproblematik gemacht hat, sondern lediglich das spezifische Erhebungsverfahren der Europäischen Gemeinschaft als Widerspruch zu 424 Siehe z. B. UNCTAD (Hrsg.), Handbook on the Trade Laws of the United States of America, S. 99. 425 Nach US-amerikanischem Recht sollen normale "scope inquiries" iSv. Sec. 351.225 (k) innerhalb von 120 Tagen ab Verfahrenseinleitung abgeschlossen sein (Sec. 351.225 (f) (5) S. 1 des Tariff Act). Hingegen sind für die unter Sec. 781 (a)- (d) eingeleiteten Verfahren grundsätzlich bis zu 300 Tage vorgesehen (Sec. 351.225 (f) (5) S. 2 des Tariff Act). 426 Erhebungen gibt es darüber- wie gesagt - bislang nicht. Es bleibt abzuwarten, was die "informal group on circumvention" gemäß dem von ihr aufgestellten Arbeitsprogramm hier zusammentragen wird.
160 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Art. III GATT angesehen hat, lassen sich daraus kaum allgemeine und auf die neue Vorschrift übertragbare Aussagen gewinnen. Auch die Hoffnungen auf Lösung des Problems durch einen neuen Panelspruch haben sich bislang nicht materialisiert. Die Gemeinschaft hat es - wie beschrieben - bislang vermieden, auf der Grundlage ihrer neuen Vorschrift, Maßnahmen gegen WTO-Mitglieder zu ergreifen. Gleiches ist auch in den USA zu beobachten. Erste klärende Worte seitens eines Panels erhoffte man sich allenthalben, nachdem Korea im November 1997 im Zusammenhang mit US-amerikanischen Antidumpingmaßnahmen und Umgehungsuntersuchungen427 Antrag auf Bildung eines Panels gestellt hatte. 428 Nachdem die USA das Umgehungsverfahren dann aber im Dezember 1997 ohne die Verhängung von Maßnahmen eingestellt haben, hat Korea seinen Antrag im Januar 1998 wieder zuriickgenommen. 429 Eine Klärung der eingangs aufgeworfenen Frage ist damit von dieser Seite zunächst auch nicht zu erwarten. Nachfolgend gilt es daher, Umgehungsabwehr im allgemeinen und nach Art. 13 Grundverordnung, losgelöst von einem konkreten Fall, auf ihre GATT /WTOKompatibilität hin zu untersuchen. Dabei sollen der eigentlichen Untersuchung einleitend einige Bemerkungen zum Priifungsmaßstab und zum Priifungsgegenstand, eine Darstellung des derzeitigen Meinungsstandes sowie allgemeine Ausführungen zur Auslegung von GATT /WTO-Recht vorangestellt werden.
1. Prüfungsmaßstab
Im Prinzip könnte sich die Frage nach der Vereinbarkeit der neuen Umgehungsabwehrvorschrift der Gemeinschaft mit GATT I WTO-Recht sowohl aus EG-rechtlicher wie auch aus WTO-rechtlicher Sicht stellen und damit sowohl den EuGH oder das Gericht erster Instanz als auch ein WTO-Panel beschäftigen. Aus EG-rechtlicher Sicht ist die Frage allerdings nur dann von Belang, wenn man die WTO-Rechtsordnung als einen auch für die Gemeinschaft verbindlichen und mit Vorrang ausgestatteten Ordnungsrahmen anerkennt. Was EG-Sekundärrechtsakte betrifft, sollte man davon mit Blick auf Art. 228 Abs. 7 EGV und die "International Fruit Company"-Rechtsprechung des EuGH430 an sich ausgehen können. Der EuGH und die vorherrschende Praxis und Lehre verbanden mit diesen beiden Ansatzpunkten zwar nie eine durchgängige, unmittelbare Anwendbarkeit 427
USA.
Betroffen waren die Einfuhren von Samsung Electronic Farbfernsehgeräten in die
World Trade Organization WT I DS8917, November 1997. Vorläufgie Rücknahme: WT I DS8918, Jannuar 1998; endgültige Rücknahme durch Erklärung vom 22. Sept. 1998 auf dem DSB-Meeting. 430 EuGH, Rs. 21 - 24172 International Fruit Company, Slg. 1972, S. 1219 ff. 428
429
D. Vereinbarkeil Art. 13 Grundverordnung mit GAlT- und WTO-Regelungen
161
des GATT in der Gemeinschaft431 , aber doch zumindest die Anerkennung einer Rechtspflicht gegenüber den anderen am GATT beteiligten Staaten, das Gemeinschaftsrecht GATT-gemäß auszugestalten. 432 Die Selbstverständlichkeit mit der diese Frage lange behandelt wurde, könnte aber durch das "Bananenurteil" des EuGH433 aus dem Jahre 1994 ernsthaft in Frage gestellt worden sein. Aus dieser Entscheidung ergibt sich eine starke Relativierung des Vorstehenden. Die Verbindlichkeit der (alten) GATT-Regeln wurde mit Verweis auf den verhandlungsmäßigen Charakter des (alten) Streitschlichtungsmechanismus praktisch bestritten.434 Es handle sich - so der EuGH - beim GATT-Recht quasi um einen "Code of Conduct", der keine unbedingte Beachtung einfordere, sondern es den Vertragsparteien überlasse, Streitigkeiten auf dem Verhandlungswege beizulegen. Der EuGH fällt damit im Prinzip sogar hinter das zuriick, was in den siebziger und achtziger Jahren in der Literatur als ein "pragmatisches"435 , in Abgrenzung zu einem "legalistischen"436, von strenger rechtlicher Verbindlichkeit ausgehendem Verständnis des GATT-Prozesses aufgefaßt worden ist. 437
431 Siehe aber sogar für den Antidumpingbereich EuGH, Rs. C-69 I 89 Nakajima, Slg. 1991, I-2069; für eine Besprechung siehe z. B. Vermulst/Hooijer in CMLR, 1992, 381. 432 Siehe z. B. Everling, Das Recht in den internationalen Wirtschaftsbeziehungen der EG in Hilf/Petersmann (Hrsg.) GATT und EG, S. 175; Ehlermann, Die innergemeinschaftliche Anwendung der Regeln des GATT in der Praxis der EG in Hilf/Petersmann (Hrsg.) GATT und EG, S. 203; Oppermann, Die Europäische Gemeinschaft und Union in der Welthandelsorganisation (WTO), RIW 1995,919 (925). 433 Rs. C-2801 93, Deutschland I Rat (Bananen), Slg. 1994, S. I-4973 ; siehe auch Everling, Will Europe Slip on bananas? The Bananas Judgement of the Court of Justice and National Courts, CMLR, Vol. 33, 1996, 401 mwN.; Castillo de La Torre, The Status of GATT in EC Law, Revisited, JWT, Vol. 29, No. 1, February 1995, S. 53. 434 Siehe auch Herdegen, Europarecht, Rz. 428 ff. (430): " Damit wird im Grunde der normative Charakter der GATT-Verpflichtungen überhaupt in Zweifel gezogen." 435 Long, Law and its limitations in the GATT Multilateral Trade System, S. 1 ff. (61 ff.); ähnlich auch Senti, GATT, S. 199; Petersmann, Dreißig Jahre Allgemeines Zoll und Handelsabkommen, ArchVR 19 (1980), S. 23 ff. (65). 436 Siehe z. B. Dam, The GATT, Law and International Economic Organization, S. 351; Horn, Normative Grundprobleme einer "Neuen Weltwirtschaftsordnung" in Horn (Hrsg.), Europäisches Rechtsdenken in Geschichte und Gegenwart, FS für Helmut Coing, Bd. II S. 149 ff. (160 ff.); Petersmann, Constitutional Functions and Constitutional Problems of International Economic Law; siehe auch diverse Beiträge in Petersmannl Hilf (Hrsg.), The New GATT Round of Multilateral Trade Negotiations; Oppermann, Die Europäische Gemeinschaft und Union in der Welthandelsorganisation (WTO), Zentrum für Europäisches Wirtschaftsrecht, Vorträge und Berichte, Nr. 54, S. 33. 437 Zur Diskussion siehe auch Behboodi, Legal Reasoning and the International Law of Trade, JWT, Vol. 32, No. 4 August 1998; Dam, The GATT, Law and International Economic Organization, S. 3 f. ; Mavroidis, Handelspolitische Abwehrmechnismen der EWG und der USA und ihre Vereinbarkeil mit den GATT-Regeln, S. 77 ff.; Schoch, Unbestimmte Rechtsbegriffe im Rahmen des GATT, S. 154 f.; Jackson, Restructuring the GATT System, S. 49 ff.; Jackson, The World Trading System, 2"d ed., S. 109 ff.; Stoll, Freihandel und Verfassung. Einzelstaatliche Gewährleistung und die konstitutionelle Funktion des Welthandelsordnung
II Bimsticl
162 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Es bleibt zu hoffen, daß es sich dabei um einen singulären, politisch motivierten Rechtsprechungsakt handelt und daß der EuGH in der Zukunft wieder zum grundsätzlichen Vorrang des heutigen WTO-Rechts gegenüber dem EG-Sekundärrecht und damit wenigstens zum Standard der "International Fruit Company"-Rechtsprechung zurückkehrt. 438 Die Institutionalisierung des GATT-Prozesses439 , die Schaffung verfassungsähnlicher Strukturen440 , die Einigung auf rechtlich verbindliche Normen in neuen Bereichen, die Überarbeitung bestehender Vorschriften und insbesondere die Weiterentwicklung der Streitbeilegung zu einem gerichtsähnlichen Verfahren441 sollten in Zukunft Ausführungen wie im Bananenurteil ein für alle Mal die Grundlage entziehen. Zwar läßt sich die Tragweite der Neuerungen heute noch nicht voll abschätzen und kann eine solche Untersuchung und Bewertung im Rahmen der vorliegenden Arbeit auch nicht erbracht werden. Auch wird die WTO-Szenerie nach wie vor von souveränen Staaten442 beherrscht, deren Handeln ganz wesentlich von ökonomischen, politischen und gesellschaftlichen Zwängen beherrscht wird. Es liegen jedoch trotzdem genügend Indikatoren für eine ganz erhebliche Verrechtlichung vor, die eine rein "pragmatische" Sichtweise des GATT I WTO-Rechts als nicht mehr zeitgemäß erscheinen lassen. Ein klares Bekenntnis zu den eingegangenen völkerrechtlichen Verpflichtungen auch und gerade seitens des EuGH erscheint inzwischen umso mehr geboten, als die Gemeinschaft - anders (GATT /WTO), ZaöRV, 57/1, 1997, S. 83 (116 ff.); Kuilwijk, The European Court of Justice and the GATT Dilemma: Public Interest versus Individual Rights?. 438 Siehe dazu auch Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., § 7 Rz. 40; Everling, Will Europe Slip on Bananas? The Bananas Judgement of the Court of Justice and National Courts, CMLR, Vol. 33, 1996, 401 ; Oppermann, Europarecht, 2. Aufl., Rz. 1806; Ott, GATT und WTO im Gemeinschaftsrecht; Eeckhout, The Domestic Legal Status of the WTO Agreement: Interconnecting Legal Systems, CMLR, Vol. 34, 1997, S. 11. 439 Demaret, The Metamorphoses of the GATT: From the Havana Charter to the World Trade Organization, Columbia Journal of Transnational Law, Vol. 34, 1995, S. 123 ff.; Stoll, Freihandel und Verfassung. Einzelstaatliche Gewährleistung und die konstitutionelle Funktion des Welthandelsordnung (GATT /WTO), ZaöRV, 57/1, 1997, S. 83 (116 ff.). 440 Siehe z. B. Oppermann, Die Europäische Gemeinschaft und Union in der Welthandelsorganisation (WTO), Zentrum für Europäisches Wirtschaftsrecht, Vorträge und Berichte Nr. 54, S. 1 ff. (33) bezeichnet das WTO-Übereinkommen als eine Art "Welthandelsverfassung" und nennt diese in einem Atemzug mit der "EG-Verfassung". 441 Stellvertretend für viele: Petersmann, The GATT /WTO Dispute Settlement System; Petersmann (Hrsg.), International Trade Law and the GATT /WTO Dispute Settlement System; Jackson, The World Trading System, 2nd ed., S. 127 ff.; Steger, WTO Dispute Settlement: Revitalization of Multilateralism After the Uruguay Round, LJIL, Vol. 9, 1996, S. 319; Sittmann, Das Streitbeilegungsverfahren der World Trade Organization (WTO), RIW 1997, 749; Cottier, Dispute Settlement in the World Trade Organiszation, Characteristics and Structural Implication for the European Union, CMLR, Val. 35, No. 2, Aprill998, S. 325 ff.; Gabler, Das Streitbeilegungssystem der WTO und seine Auswirkungen auf das Antidumping Recht der Europäischen Gemeinschaft. 442 Zum Thema staatliche Souveränität und internationale Wirtschaft siehe z. B. Langer, Grundlagen einer internationalen Wirschaftsverfassung, S. 51 ff. und Stoll, Freihandel und Verfassung. Einzelstaatliche Gewährleistung und die konstitutionelle Funktion des Welthandelsordnung (GATT /WTO), ZaöRV, 57/1, 1997, S. 83 ff.
D. Vereinbarkeit Art. 13 Grundverordnung mit GAlT- und WTO-Regelungen
163
als noch zu Zeiten von GATT 47- förmliches Mitglied der WTO ist. 443 Gerade für den Antidumpingbereich sollte dies dem EuGH nicht schwergefallen, da die Verrechtlichung hier noch weiter fortgeschritten ist, als in anderen Bereichen des WTO-Rechts. Das Antidumpingübereinkommen enthält recht detaillierte Vorgaben für die Ausgestaltung nationaler Antidumpinggesetze und Antidumpingverfahren, die der EuGH in der Vergangenheit sogar schon als grundsätzlich unmittelbar anwendbar angesehen hat. 444 Von der allgemein beklagten fehlenden normativen Steuerungskraft des GATT /WTO-Rechts445 kann im Antidumpingbereich deshalb kaum gesprochen werden. 446 Aber auch wenn die grundsätzliche Verbindlichkeit und Vorrangigkeil des WTO-Rechts im allgemeinen oder zumindest im Antidumpingbereich bestätigt werden sollte, ist mit Blick auf die Rechtsprechungspraxis des EuGH zu befürchten, daß dies aus EG-rechtlicher Sicht nur von untergeordneter Bedeutung sein wird. Trotz der vormaligen Anerkennung des GATT-Rechts als "integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung", hat der EuGH in 45 Jahren nur ein einziges Mal tatsächlich einen Verstoß gegen Völkerrecht (gegen GATT bzw. WTORecht) durch einen EG-Rechtsakt konstatiert und das, obwohl allein seit 1978 in 25 Panelentscheidungen ein Verstoß von EG-Praktiken gegen GATT-Recht festgestellt wurde. Daraus ergibt sich, daß die Frage nach der Vereinbarkeit eines EGRechtsaktes mit dem GATT /WTO-Recht im EG-Kontext faktisch nahezu obsolet ist. Rechtsschutz gegen einen EG-Rechtsakt mit Verweis auf die Verletzung von GATT /WTO-Recht war zumindest in der Vergangenheit beim EuGH (wie beim EuG) praktisch nicht zu erlangen. 447 Wenn hier die Frage nach der Vereinbarkeil von Art. 13 Grundverordnung mit den GATT I WTO-Vorschriften gestellt wird, so erfolgt das deshalb nicht mit Blick darauf, daß ein etwaiger Verstoß eines Tages vor dem EuGH thematisiert werden könnte.
443 Art. XI Abs. 1 und XIV WTO-Abkommen. - Vor Abschluß der Uruguay Runde war die Gemeinschaft ja lediglich im Wege faktischer Funktionsnachfolge und entsprechender Akzeptanz durch die übrigen GAlT-Vertragsstaaten zu einem "De-facto-Mitglied" geworden. (s. Oppermann, Europarecht, Rz. 1797; Hilf/Petersmann (Hrsg.), GAIT und EG mwN.; Streinz. Europarecht, 3. Aufl., Rz. 598 spricht von "Quasi-Vollmitglied"). 444 EuGH, Rs. C-69/ 89 Nakajima, Slg. 1991, 1-2069. 445 Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., § 7 Rz. 20 mwN. 446 Dies wird von der Gemeinschaft in den Erwägungsgründen der Grundverordnung im Prinzip auch anerkannt. S. VO 384/96, ABI. 1996, L 56/1, Erwägungsgründe (2), (3) und (5). Eine gewisse Relativierung erfolgt in Erwägungsgrund (4) mit dem Verweis auf die Notwendigkeit der Auslegung des Antidumpingübereinkommens durch die wichtigsten Handelspartner der EG Rechnung zu tragen. 447 Siehe Petersmann, How to Promote the International Rule of Law? Contributions by the WTO Appellate Review System, in Cameron/Campbell (Hrsg.), Dispute Resolution in the World Trade OrganisationS. 75 ff. (79), beklagt in diesem Zusammenhang: "EC constitutional restraints are not effectively applied to its foreign policy powers"; siehe auch Petersmann, Darf die EG das Völkerrecht ignorieren, EuZW 1997, 325.
II*
164 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Es handelt sich trotzdem nicht etwa um ein rein theoretisches Problem. Die Frage könnte nämlich - wie schon bei der Vorgängervorschrift - im Zusammenhang mit dem WTO-Streitschlichtungsverfahren einem Panel vorgelegt werden. 448 Sollte die Umgehungsproblematik nicht schon vorher- wider Erwarten - auf anderem Wege einer Lösung zugeführt werden, so ist mit einem derartigen Verfahren zu rechnen, sobald die Gemeinschaft auf der Grundlage von Art. 13 Grundverordnung mit Maßnahmen gegen einen WTO-Mitgliedsstaat vorgeht, der der Umgehungsabwehr grundsätzlich oder auch nur im konkreten Fall ablehnend gegenübersteht. Da hier mithin nicht die Perspektive des EuGH, sondern die eines etwaigen WTO-Panels eingenommen werden soll, wird die europäische Umgehungsabwehr auch nicht nur an eventuell vom EuGH für unmittelbar anwendbar gehaltenen Vorschriften gemessen, sondern an allen WTO-Vorschriften, die sich von ihrer Regelungsmaterie her anbieten. Dabei sind in erster Linie diejenigen Vorschriften in den Mittelpunkt der Betrachtungen zu stellen, die in der Vergangenheit die Diskussion um das Für und Wider einer Umgehungsabwehrvorschrift bestimmt haben. Das sind Art. VI GATT und das Antidumpingübereinkommen, Artt. III, X und XX d) GATT. Zusätzlich sind Überlegungen mit Blick auf das Ursprungsregelübereinkommen geboten. Insbesondere von japanischer Seite ist zu hören, daß man dieses bei der Frage nach der GATT-Kompatibilität von Umgehungsabwehrmaßnahmen bemühen will. 2. Prüfungsgegenstand
Soweit bisher Stellungnahmen zur Umgehungsabwehr vorliegen, stellen diese auf die GATT-Kompatibilität der spezifischen Umgehungsvorschrift des US- bzw. EG-Rechts ab. Mit Blick auf die bisherige Panelpraxis scheint es aber richtiger, nicht die Vorschriften als solche, sondern die darauf gestützte, aktuelle oder potentielle Praxis zum Priifungsgegenstand zu machen. Das beruht im wesentlichen auf dem Umstand, daß die Existenz von Vorschriften, die nur eine Eingriffsmöglichkeit, nicht aber eine Eingriffsverpflichtung vorsehen, grundsätzlich nicht als Verstoß gegen GATT I WTO-Verpflichtungen angesehen wird. 449 Regelmäßig ist erst eine konkrete staatliche Handlung oder Praxis erforderlich, um in diesen Fällen einen Verstoß gegen GATT /WTO-Recht feststellen zu können. Ausnahmen davon 448 Siehe allgemein zu Panelverfahren im Antidumpingbereich: Bourgeois, GATT /WTO Dispute Settlement Practice in the Field of Anti-dumping Law in Petersrrumn (Hrsg.), International Trade Law and the GAlT /WTO Dispute Settlement System, S. 283 ff. ; Vermulstl Komuro, Anti-Dumping Disputes in The GATI/WTO, JWT, Vol. 31 , No. 1, February 1997, S. 5 ff.; Petersmann, GATT Dispute Settlement Proceedings in the Field of Antidumping Law, CMLR 1991, S. 69 ff. 449 Parts Panel, BISD, 37S, S. 132 (198), Rn. 5.25; siehe auch United States- Taxes on Petroleum and Certain Imported Substances, BISD, 34S, S. 136 (163) Rn. 5.2.9.
D. Vereinbarkeit Art. 13 Grundverordnung mit GAlT- und WTO-Regelungen
165
sind nur dann anzunehmen, wenn dies in internationalen Vereinbarungen ausdrücklich so vorgesehen ist.450 Daran dürfte sich auch durch Art. XVI des WTO-Übereinkommens grundsätzlich nichts geändert haben. 451 Das ist aus Sicht des Freihandels grundsätzlich zu bedauern, da auch die bloße Existenz einer Eingriffsmöglichkeit negative Auswirkungen auf Investitions- und Handelsströme haben kann452 , ist aber unabdingbare Folge des in der Völkergemeinschaft vorherrschenden Verständnisses von nationaler Souveränität. Schon in der bloßen Existenz einer nationalen Eingriffsbefugnis eine Verletzung von GATT-Verpflichtungen zu sehen, würde wohl einen höheren, z. B. der EG (EU) vergleichbaren Integrationsgrad in der WTO voraussetzen.453 Denkbar ist aber, daß man mit Blick auf Art. XVI Abs. 4 WTO-Übereinkommen in der Zukunft zu einem anderen Verständnis kommen wird. Zumindest mit Blick auf "self-executing" Vorschriften vertritt die Gemeinschaft schon heute die Auffassung, daß ein WTO-Mitgliedsstaat verpflichtet ist, diese in Einklang mit den WTO-Vorschriften zu bringen. 454 Prüfungsgegenstand ist bei dieser Auslegung die konkrete nationale Norm. Nachdem Art. 13 VO 384/96 nicht "self-executing" ist und auch keine Handlungspflicht für die Gemeinschaft aufstellt, dürfte die Vorschrift nach herkömmlichem Verständnis nicht gegen WTO-Recht verstoßen können. Prüfungsgegenstand der vorliegenden Arbeit ist deshalb die auf Art. 13 Grundverordnung beruhende, aktuelle und potentielle Anwendungspraxis der Gemeinschaft. Trotzdem wird zur Vereinfachung nachfolgend auch von Art. 13 Grundverordnung gesprochen, womit dann die entsprechende Anwendungspraxis gemeint ist.
450 Siehe etwa Jackson, Restructuring the GATI System, S. 72 im Zusammenhang mit einer Stellungnahme zur US-amerikanischen Sec. 301. 451 Art. XVI Abs. 4 WTO-Übereinkommen: " Each Member State shall ensure the conformity of its laws, regulations and administrative procedures with its obligations as provided in the annexed agreements." 452 Vgl. auch schon negative Auswirkungen der bloßen Einleitung einer Antidumpinguntersuchung. Insbesondere im OEM-Geschäft führt die mit der Verfahrenseinleitung verbundene Unsicherheit über die künftige Zollbelastung und damit Preisentwicklung nicht selten dazu, daß sich der Besteller bei seiner Disposition nach neuen Bezugsquellen umschaut. Der Hersteller des untersuchten Industriezweiges erleidet mithin oft schon im Gefolge der bloßen Verfahrenseinleitung nicht unbeträchtlichen Schaden. 453 In der Gemeinschaft stellt ja nach der Rechtsprechung des EuGH schon die bloße Existenz einer EG-rechtswidrigen nationalen Vorschrift einen Verstoß gegen EG-Recht dar. Dazu bedarf es keiner konkreten Anwendung; EuGH Rs. 167173 Kommission/Frankreich, Slg. 1974, S. 359 (372). 454 Das bringt die Gemeinschaft z. B. mit ihrem Vorgehen gegen den US Antidumping Act of 1916 deutlich zum Ausdruck. In diesem Zusammenhang verweist sie ausdrücklich auf Art. XVI Abs. 4 WTO-Übereinkommen. Siehe dazu ABI. 1998, L 126/36, Erwägungsgrund ( 10) f.
166 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
3. Grundpositionen zur Frage nach der Vereinbarkeil
Die Frage nach der Zulässigkeit von spezifischen Umgehungsabwehrmaßnahmen ohne die Durchführung einer neuen, kompletten Untersuchung von Dumping, Schaden und Kausalzusammenhang ist, wie schon angedeutet, äußerst umstritten. Dabei können zwei Auffassungen unterschieden werden. Antidumping-Kritiker gehen regelmäßig davon aus, daß die Ausweitung bestehender Maßnahmen (bzw. die Einbeziehung in bestehende Maßnahmen) zur Abwehr von Umgehungshandlungen ohne neue Antidumpinguntersuchung gegen GATT /WTO-Recht verstößt. 455 Antidumping-Befürworter und insbesondere die Antidumpingadministrationen der Hauptnutzer USA und EG halten derartige Abwehrmaßnahmen auch ohne neue Untersuchung der Voraussetzungen des Art. VI GATT für grundsätzlich GATTkonform. a) Gegner von Maßnahmen zur Umgehungsabwehr Die Argumentation der Antidumping-Kritiker- im wesentlichen der Antidumping-Opfer456 und deren Rechts- und Interessenvertreter - lautet regelmäßig wie folgt: Antidumpingmaßnahmen seien nicht-tarifäre Handelshemmnisse, hätten eine rein protektionistische Zielsetzung und seien daher dem internationalen Handel abträglich. Die Befugnis, solche Maßnahmen zu ergreifen, solle an sich abgeschafft werden. Jedenfalls dürfe die Befugnis zum Erlaß von Antidumpingmaßnahmen unter gar keinen Umständen ausgeweitet werden. Andernfalls würden legitime Geschäftsstrategien unterbunden und der internationale Wettbewerb damit unerträglich beeinträchtigt. Wo juristisch argumentiert wird, wird darauf verwiesen, daß Art. VI GATT, die Befugnisnorm im internationalen Antidumpingrecht, Antidumpingmaßnahmen nur bei Nachweis von Dumping, Schaden und Kausalzusammenhang zulasse. Wolle man gegen angebliche "Umgehungshandlungen" vorgehen, müsse man eine sogenannte "de-novo"-Prüfung457 durchführen. Erforderlich sei 455 Siehe z. B. Vennulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 387 f.; Bierwagen, GATT Article VI and the Protectionist Bias in Anti-Dumping Laws, S. 53 ff.; Horlick in Holmer I Horlick/ Stewart, Enacted and Rejected Amendments to the Antidumping Law: In Implementation or Contravention of the Antidumping Agreement?, The International Lawyer, Vol. 29, No. 2, Summer 1995, S. 483 (499 f.); Bhala, Rethinking Antidumping Law, Geo.Wash.J.Int'l L.&Econ., Vol. 29, No. 1, 1995, 1 ff. (114).- Ernste gleichlaufende Bedenken äußert auch Palmeter, A Commentary on the WTO Anti-Dumping Code, JWT, Vol. 43, No. 4, August 1996, S. 43 (65 ff.). 456 Z. B. betroffene Hersteller, Exporteure, Handelshäuser in Drittstaaten; häufig betroffene Drittstaaten; Gemeinschaftshersteller, deren Zulieferer aus Drittstaaten von Antidumpingmaßnahmen betroffen sind (eng!.: "Community user industry"). 457 Zur Begrifflichkeit siehe z. B. COM (94) 414 final, S. 164 unter Gliederungspunkt 10 b) (i). Siehe auch Kaulen, The New Anti-Dumping Code Through Its Negotiating History in Bourgeois/Berrod/Gippini (Hrsg.), The Uruguay Round Resu1ts, S. 151 (181).
D. Vereinbarkeil Art. 13 Grundverordnung mit GAIT- und WTO-Regelungen
167
mithin eine neue, umfassende Untersuchung, die den Nachweis für diese drei Elemente erbringe. Art. VI GATT sei eine Ausnahme zum Grundsatz der Meistbegünstigung und sei aus diesem Grund eng auszulegen. 458 Daher böten Art. VI GATT und das Antidumpingübereinkommen keine Grundlage für auf einem abgekürzten Verfahren beruhende Umgehungsabwehrmaßnahmen. Da Art. 13 Grundverordnung lediglich ein abgekürztes Verfahren, nicht aber den vollständigen Nachweis von Dumping, Schaden und Kausalität vorsähe, seien darauf gestützte Maßnahmen mit dem GATT /WTO-Recht nicht vereinbar.
b) Befürworter von Maßnahmen zur Umgehungsabwehr Antidumping-Befürworter, also im wesentlichen Antidumping-Nutzer und Antidumping-Nutznießer459, verweisen regelmäßig darauf, daß man der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen begegnen müsse, um deren Effizienz zu gewährleisten und um die Glaubwürdigkeit des Antidumpinginstrumentariums auch im Zeitalter von Globalisierung und internationaler Arbeitsteilung zu erhalten. Die Umgehungsabwehr sei zumindest implizit in Art. VI GATT und dem Antidumpingübereinkommen enthalten. Auch sei eine erneute Prüfung der Voraussetzungen des Art. VI GATT entbehrlich. Den Anforderungen werde regelmäßig schon im Ausgangsverfahren genügt. In Umgehungsfallen könne und müsse auf die Ergebnisse der Ausgangsuntersuchung zurückgegriffen werden. Es handle sich bei Art. VI GATT nicht um eine eng auszulegende Ausnahme zur Meistbegünstigung, sondern um eine eigenständige Ermächtigung zum Erlaß von Antidumpingmaßnahmen. Nur ein solches Verständnis erhalte das im GATT angelegte Verhältnis von Rechten und Pflichten der beteiligten Staaten.460 Seit Abschluß der Uruguay Runde wird auch gerne auf die aus eben dieser Runde hervorgegangene "Ministerielle Erklä458 Siehe z. B. Bierwagen, GAIT Article VI and the Protectionist Bias in Anti-Dumping Law, S. 21 u. S. 60; Nettesheim, "Unfair Trade Remedies" in Grabitz /v. Bogdandy, US Trade Barriers: A Legal Analysis, S. 85; Stegemann, The Intemationl Regulation of Dumping: Protection Made too Easy, World Economy, Vol. 14, No. 4, December 1991, S. 375 (376); Adamantopoulos, "The Components Parts" Amendments of the EC Anti-Dumping Rules as Implemented by the Institutions of the EEC: An Infringement of Gatt Law?, Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut/Nr. 159, S. 20 f.; Komuro, U.S. Anti-Circumvention Measures and GAIT Rules, JWT,Vol. 28, No. 3, June 1994, S. 5 (11); Vermulst, Anti-Dumping Law and Practice in the United States and the European Comrnunities: A Comaparative Analysis, S. 706; Creally, Judicial Review of Antidumping and other Safeguard Measures in the European Comrnunity, S. 96; siehe auch Hongkongs Position im Schraubenzieher-Panelverfahren, Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (178), Rz. 4.14; siehe auch die kanadische Position, Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (178), Rz. 4.8. 459 Insbesondere Gemeinschaftshersteller der Waren, die zur von Antidumpingmaßnahmen betroffenen Ware gleichartig sind, sowie deren Zulieferer. 460 Ähnlicher Gedankengang bei Hahn, "Assembly-Dumping" in der EG und den USA, RIW, 1991, 739 (741).
168 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
rung zur Umgehungsabwehr" verwiesen. Teilweise wird letztere sogar als Rechtsgrundlage für Maßnahmen zur Umgehungsabwehr ausgegeben. 461 Wenn die Positionen damit vorerst auch nur grob konturiert sind, läßt sich daraus schon ablesen, daß die Diskussion bislang im wesentlichen von politischen Argumenten beherrscht wird, die regelmäßig von ganz konkreten Interessenlagen bestimmt werden. Die juristische Argumentation erschöpft sich im wesentlichen in der Behauptung, es handle sich bei Art. VI GATT um eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift bzw. in der Gegenbehauptung, es handle sich dabei gerade nicht um eine Ausnahmevorschrift, sondern um eine eigenständige Ermächtigung zum Erlaß von Antidumpingmaßnahmen ("a right to a remedy"). c) Position des Verfassers Die vorliegende Arbeit wird zu dem Ergebnis kommen, daß gegen Umgehung von Antidumpingmaßnahmen grundsätzlich vorgegangen werden kann, auch ohne daß es dazu einer ausdrücklichen Ermächtigung im GATT /WTO-Recht bedürfte. Zur Begründung dieser Position wird auf die dogmatischen Erwägungen zurückgegriffen, die schon im Zusammenhang mit der Suche nach einer Umgehungsdefinition angestellt worden sind.462 Da sich die Anwendung einer Norm im Umgehungsfall nicht von der im Normalfall unterscheidet, ist auch im Umgehungsfall lediglich erforderlich, die umgangene Norm auszulegen und gegebenenfalls anzuwenden, ohne daß es dazu eines besonderen Rechtsinstituts oder einer sonstigen besonderen Ermächtigung bedürfte. "Umgangene" Norm ist bei der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen die diese Maßnahmen anordnende Norm, im EGKontext also die einschlägige Kommissions-463 bzw. Ratsverordnung464 , nicht etwa Art. VI GATT oder eine Bestimmung des Antidumpingübereinkommens. 465 Maßgeblich ist dann lediglich, ob der von der Umgehungshandlung bewirkte materielle Rechtserfolg von der umgangenen Norm erlaßt wird466 oder nicht. Eben dies 461 COM (94) 414 final, S. 164 unter Gliederungspunkt 10 a): " ... Marrakesh produced a Ministerial Declaration on [circumvention] which appears, for the first time, to permit individual Members to deal with [the] problern unilaterally, pending a multilateral solution via the GATT Anti-Dumping Committee." 462 Siehe oben, Teil 2, D. und E. 463 Im Falle der Anordnung von vorläufigen Maßnahmen (Art. 7 Grundverordnung). 464 Im Falle der Anordnung endgültiger Maßnahmen (Art. 9 Grundverordnung). 465 Diese binden ja nur die WTO-Mitglieder, richten sich aber nicht an private Wirtschaftssubjekte, die am internationalen Handelsverkehr beteiligt sind und denen der Vorwurf der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen gemacht wird. Die Rechtspflicht für den Drittstaatenhersteller I Exporteur ("Zahle bei der Einfuhr der Ware ,Z' aus ,A' X% Antidumpingzoll') ergibt sich alleine aus der konkreten, Antidumpingmaßnahmen anordnenden Norm. 466 Wie erwähnt wird dafür bisweilen der Begriff der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" bemüht.
D. Vereinbarkeit Art. 13 Grundverordnung mit GATI- und WTO-Regelungen
169
ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Dabei wird der Schwerpunkt auf der teleologischen Auslegung liegen und die Grenzen zur analogen Anwendung der entsprechenden Norm können bzw. werden regelmäßig fließend sein. Die WTO-Vorschriften weisen keinerlei Besonderheiten auf, die es rechtfertigen würden, von dieser Behandlung für Umgehungshandlungen abzuweichen. Sie sind bei der Rechtsanwendung im Umgehungsfall nur insofern von Belang, als die von der Umgehungshandlung betroffene Norm mit Blick auf die ihr zugrundeliegende Ermächtigung auszulegen ist, der Auslegung mithin durch die Ermächtigung Grenzen gezogen werden. Art. VI GATT und das Antidumpingübereinkommen müssen daher im folgenden aus zweierlei Griinden näher untersucht werden. Zum einen gilt es zu bestimmen, welche Grenzen die GATT IWTO-Bestimmungen der Auslegung der "umgangenen" Norm setzen. Dies ist erforderlich, um zu ermitteln, ob der hier zu untersuchende Art. 13 Grundverordnung in einer Form angewendet werden kann, die diese Grenzen beriicksichtigt. Zum anderen ist eine nähere Beschäftigung mit diesen Vorschriften erforderlich, um diejenigen Stimmen zu widerlegen, die Umgehungsabwehr für GATT-widrig halten und dabei ihre Position im wesentlichen auf eben diese Normen stützen. Den Betrachtungen zu Art. VI GATT und dem Antidumpingübereinkommen müssen allerdings noch zwei Punkte vorangestellt werden. So sind zunächst noch einige allgemeine Anmerkungen zur Auslegung von GATT I WTO-Recht zu machen. Außerdem scheint es sinnvoll, die schon angesprochene "Ministerielle Entscheidung zur Umgehungsabwehr" vorab zu würdigen. Würde diese Erklärung- wie von den Befürwortem nationaler Umgehungsabwehrmaßnahmen behauptet - die Einigung der WTO-Mitglieder auf eine Befugnis zu nationaler Umgehungsabwehr zum Ausdruck bringen bzw. im Sinne der Gegner als ein Verbot für nationale Alleingänge wirken, würden sich weitere Ausführungen eriibrigen. Hier sind also zunächst die beiden Radikalpositionen zu widerlegen. 4. Allgemein zur Auslegung von GAIT/WTO-Vorschriften
Den Ausgangspunkt für die Auslegung von GATT I WTO-Vorschriften bildet heute Art. 3 Abs. 2 der Vereinbarung über Regeln und Verfahren zur Streitbeilegung (engl.: "Understanding on Rules and Procedures Goveming the Settlement of Disputes"; nachfolgend: DSU). 467 Mit Art. 3 Abs. 2 DSU wird erstmals eine Anlei467 Art. 3 (2) DSU: "The dispute settlement system of the WTO is a central element in providing security and predictability to the multilateral trading system. The Members recognize that it serves to preserve the rights and obligations of Members under the covered agreements in accordance with customary rules of interpretation of public intemationallaw. . .." (Hervorhebung durch den Verfasser) - Im Panel Report Japan - Taxes on Alcoholic Bever-
170 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
tung für die Auslegung ins GATT /WTO-Recht aufgenommen. Danach hat die Auslegung des GATT /WTO-Rechts an Hand der "customary rules of interpretation of public intemationallaw" zu erfolgen. 468 Ein wortgleicher Verweis auf die gewohnheitsrechtlich anerkannten Auslegungsgrundsätze des Volkerrechts findet sich auch in Art. 17 Abs. 6 (ii) Antidumpingübereinkommen. Diverse Panelentscheidungen haben inzwischen bestimmt, daß die in Art. 3 Abs. 2 DSU angesprochenen völkergewohnheitsrechtliehen Interpretationsregeln den Art. 31 Wiener Vertragsrechtskonvention (nachfolgend: WVRK)469 und Art. 32 WVRK470 entsprechen. 471 472 Die GATT /WTO-Übereinkommen müssen mithin jeweils nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, ihren Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung im Lichte ihrer Ziele und Zwecke ausgelegt werden. Damit sind die wörtliche473 , die systematische474 sowie die teleologische475 Auslegung angesprochen. Ergänzend kann mit Blick auf Art. 32 WVRK u. a. auch auf die sogenannt historische Auslegung zurückgegriffen werden. Besondere Bedeutung wird im Zusammenhang mit der Auslegung von GATT I WTO-Vorschriften darüber hinaus dem "principle of effectiveness" beigemessen, das wie folgt umschrieben wird:
ages, Report of the Panel, WT /DS81 R, WT /DS 10 IR, WT I DS 111 R ( 11 July 1996) S. 90, wird der Rückgriff auf die völkergewohnheitsrechtliehen Interpretationsregeln als Kodifizierung der gängigen GATT-Panel-Praxis bezeichnet. A.A. Pa/meter, The WTO Appellate Body's First Decision, LJIL, Vol. 9, 1996, S. 337 ff. (359), der darin einen Bedeutungszuwachs des allgemeinen Völkerrechts im GATT IWTO-Kontext erblickt. 468 Nichols, GATT Doctrine, VJIL, Vol. 36, 1996, S. 379 ff. (422 ff.) beschreibt, wie sich GATT-Panel vor Gründung der WTO beholfen haben. 469 United States- Standards for Reforrnulated and Conventional Gasoline, Report of the Appellate Body, WT IDS21 AB IR (29 Apri11996) S. 17; bestätigt in Japan - Taxes on Alcoholic Beverages, Report of the Appellate Body, WT I DS81 AB IR, WT I DS 10 I AB IR, WT I DSlll AB IR (4 October 1996) S. 10 ff. 470 Japan - Taxes on Alcoholic Beverages, Report of the Panel, WT I DS81 R, WT I DS10/R, WT /DS11/R (11 July 1996) S. 90 und Report of the Appellate Body, WT /DS8/ AB IR, WT /DS101 AB/R, WT /DSll/ AB IR (4 October 1996) S. 10 ff. 471 Für einschlägige Stellungnahmen im Zusammenhang mit dem GATT /WTO-Recht siehe Jackson, The World Trading System, 2"ct. ed., S. 120 f.; Schoch, Unbestimmte Rechtsbegriffe im Rahmen des GATT, S. 82; Benedek, Die Rechtsordnung des GATT, S. 143. Siehe in der allgemeinen völkerrechltichen Literatur z. B. Verdross I Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., §§ 775 ff.; Grafvon Vitzthum in Grafvon Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, l. Abschn. lii 1 a, Rz. 124 f. 472 Es kann davon ausgegangen werden, daß Gleiches auch für den wortgleichen Verweis in Art. 17 Abs. 6 (ii) Antidumpingübereinkommen gilt. Differenzierungsgründe sind nicht ersichtlich. 473 Teilweise auch als "textual" bezeichnet. 474 Teilweise auch als "kontextual" bezeichnet. 475 Teilweise auch als "funktional" bezeichnet.
D. Vereinbarkeil Art. 13 Grundverordnung mit GATI- und WTO-Regelungen
171
"One of the corollaries of the ,general rule of interpretation' in the Vienna Convention [Art. 31 WVRK] isthat interpretation must give meaning and effect to all the terms of a treaty. An interpreter is not free to adopt a reading that would result in reducing whole clauses or paragraphs of a treaty to redundancy or inutility."476
Trotz dieser Betonung der "effectiveness" ("effet utile") liegt in den bisherigen Panel-Reports der Schwerpunkt eher auf wörtlicher und systematischer Auslegung.477 "Effet utile" aber auch "Ziel und Zweck" der WTO-Übereinkommen und ihrer einzelnen Vorschriften sowie deren Bedeutung für die konkrete Rechtsanwendung, werden in zukünftigen Panelverfahren erst noch deutlicher zu konturieren sein.478 Auch liegt das Verhältnis der unterschiedlichen Auslegungsmethoden zueinander noch weitgehend im Dunkeln.479 Das steht aber angesichts des klaren Bekenntnisses des "Appellate Body" zur teleologischen und am effet utile orientierten Auslegung einer behutsamen Nutzung dieser weitergehenden Auslegungsmethoden auch schon zum jetzigen Zeitpunkt nicht entgegen. Dem soll im folgenden bei der Auslegung der für die Umgehungsabwehr relevanten Bestimmungen Rechnung getragen werden. Von einer weiteren abstrakten, vertiefteren Betrachtung der Auslegung von GATT I WTO-Vorschriften soll hier abgesehen werden. Insofern sei hier auf die zitierten Panelentscheidungen480 und auf die Literatur zu Art. 31, 32 WVRK verwiesen.481 476 United States- Standards for Reformulated and Conventional Gasoline, Report of the Appellate Body, WTIDS21ABIR (29 April 1996), S. 23; Japan - Taxes on Alcoholic Beverages, Report of the Appellale Body, WT I DS81 AB IR, WT I DS 10 I AB IR, WT I DS 111 AB IR (4 October 1996), S. 12; United States - Restrietions on Imports of Cotton and Man-made Fibre Underwear, Report of the Appellale Body, WT IDS241 AB IR (10 February), S. 14; Canada- Certain Measures Conceming Periodicals, Report of the Panel, WT I DS311R (14 March 1997), Rn. 5.17. 477 Petersmann, How to Promote the International Rule of Law? Contributions by the WTO Appellate Review System, in CameroniCampbell (Hrsg.) Dispute Resolution in the World Trade Organisation, S. 75 ff. (97) weist darauf hin, daß es sich dabei um ein für die frühe Rechtsprechung internationaler Gerichte typisches Phänomen handelt und glaubt an die Entwicklungsfähigkeit. 478 Waincymer, Reformulated Gasoline under Reformulated WTO Dispute Settlement Procedures: Pulling Pandora out of a Chapeau?, MJIL, Vol. 18, Fall 1996, S. 141 ff. (169), will dies nicht nur Panels überlassen, sondern auch dem WTO-Sekretariat oder den neu gebildeten Expertengruppen in diesem Bereich Befugnisse einzuräumen. 479 Für Schoch, Unbestimrne Rechtsbegriffe im GAlT, S. 85 war zumindest mit Blick auf das GAlT 47 die Bedeutung und Hierachie der verschiedenen Auslegungsmethoden schon erkennbar. Die "Konsolidierung" des GAlT und seine Fortentwicklung zur "Internationalen Organisation" sowie der damit verbundene Wandel seines Charakters vom "souveränitätsschonenden Vertrag zur kooperationsorientierten Institution" soll einen Wandel in den Auslegungsmethoden hin zur "funktionalen" bzw. "dynamisch evolutiven" Interpretationsmethode bewirkt haben. 480 Siehe auch Waincymer, Reformulated Gasoline under Reformulated WTO Dispute Settlement Procedures: Pulling Pandora out of a Chapeau?, MJIL, Vol. 18, FAll 1996, S. 141 ff. (164 ff.); Pa/meter, The WTO Appellale Body's First Decision, UIL, Vol. 9, 1996,
172 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
II. GATT-Kompatibilität
Im Folgenden soll nun zunächst untersucht werden, ob Umgehungsabwehr iSv. Art. 13 Grundverordnung gegen mitgliedsstaatliche Verpflichtungen nach Art. I, II und I oder III GATT verstößt und ob dies gegebenenfalls nach Art. VI oder Art. XX GATT zu rechtfertigen ist. Diese Vorschriften haben auch schon in der Vergangenheit den rechtlichen Hintergrund für die Auseinandersetzung über die Umgehungsabwehr im Antidumpingbereich gebildet. Sie sind bisher aber nur mit Blick auf die alte Umgehungsvorschrift bzw. die alte Umgehungsabwehrpraxis der Gemeinschaft und damit nur sehr ausschnitthaftgewürdigt worden. 482
1. Verstoß gegen Art. 1, 11 und/ oder 111 GATT
Die Ausweitung von Antidumpingmaßnahmen, die Art. 13 Grundverordnung zur Umgehungsabwehr vorsieht, stellt eine finanzielle Belastung dar, die sich auf Waren aus Drittstaaten auswirkt. Ob diese Belastung von Art. I und II GATT483 oder von Art. III GATT484 erfaßt wird, hängt zum einen von der konkreten Ausgestaltung dieser Maßnahmen sowie von den Umständen des Einzelfalls ab. Sind die Maßnahmen als "border measures" ausgestaltet, d. h. werden sie Einfuhren oder im Zusammenhang mit Einfuhrvorgängen auferlegt (" . . . imposed on or in connection with the importation ..." 485 ) , so sind allenfalls Art. I und II GATT betroffen. Wenn sie sich hingegen als vom Einfuhrvorgang losgelöste "intemal measures" darstellen, ist Art. III GATT angesprochen.486
S. 337 ff.; Cameron/Campbell (Hrsg. ), Dispute Resolution in the World Trade Organisation, S. 330 ff.; Vermulst/Mavroidis/Waer, The Functioning of the Appellale Body After Four Years - Towards Rule Integrity, JWT, Vol. 33, No. 2, April 1999, S. 1 (17). 481 Siehe z. B. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., § 774 ff.; Graf Vitzthum in Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 1. Abschn., Rz. 124 f.; zur Auslegung von GründungsverträgenInternationaler Organisationen siehe Klein in Graf Vitzthum (Hrsg.), Völkerrecht, 4. Abschn. Rz. 39 ff.; lpsen, Völkerrecht, 3. Aufl., § 11, S. 120 ff. mwN.; siehe auch Schach, Unbestimmte Rechtsbegriffe im GATTS. 81 ff. und Hallström, The GATT Panels and The Formation Of International Trade Law, S. 169 ff. 482 Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. 483 Siehe allgemein GAIT (Hrsg.), Guide to GATT Law and Practice, 6'h ed., S. 23 ff. bzw. 61 ff.; Jackson, The World Trading System, 2. Aufl., S. 157 ff. 484 Siehe allgemein GAIT (Hrsg.), Guide to GATT Law and Practice, 6'h ed., S. 113 ff.; Jackson, The World Trading System, 2. Aufl., S. 213 ff. 485 Art. I Abs. 1 GATT, Art. II Abs. I (b) GATT. 486 Vgl. zu dieser Unterscheidung und ihrer Ratio Hahn, "Assembly Dumping" in der EG und den USA, RIW, 1991, 739 (743).
D. Vereinbarkeit Art. 13 Grundverordnung mit GATI- und WTO-Regelungen
173
a) Art III GATT Die Frage, ob es sich bei der Ausweitung von Antidumpingmaßnahmen nach Art. 13 Grundverordnung um "intemal measures" handelt, bedarf insofern besonderer Beachtung, als die Umgehungsabwehr unter der alten Vorschrift der Gemeinschaft - Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 - im einschlägigen Panel-Report als eben solche qualifiziert wurde. Diese Qualifizierung beruhte im wesentlichen auf dem Umstand, daß "Antidumpingzölle" nach Art. 13 Abs. lO a) VO 2423188 "[a]ufin der Gemeinschaft montierte oder hergestellte Waren ..." erhoben wurden, nicht etwa auf die der Montage vorgelagerte Einfuhr von Teilen in die Gemeinschaft. Aus Sicht des Panels handelte es sich mithin um eine vom Einfuhrvorgang gänzlich gelöste und - da diskriminierend- mit Art. III Abschnitt 2 GATT in Widerspruch stehende "intemal tax". Das Ziel der Maßnahmen, ihre Bezeichnung als "Antidumpingzölle" und die Erhebung durch die Zollbehörden hat das Panel bei der Qualifizierung der Maßnahme hingegen für unbeachtlich erklärt. 487 Der Wortlaut des neuen Art. 13 Grundverordnung ist offensichtlich darauf ausgelegt, die Qualifizierung als "intemal measure" bzw. "intemal tax" zu meiden. Jetzt ist vorgesehen, daß Antidumpingzölle "auf die Einfuhren der gleichartigen Ware oder von Teilen dieser Ware aus Drittländern ausgeweitet werden" können. Damit wird deutlich gemacht, daß an den Einfuhrvorgang selbst, aber nicht mehr -wie bisher - an einen Vorgang im Inland angeknüpft wird.488 Die Maßnahmen sind mithin jetzt als "border measures" ausgestaltet und werden - anders als unter der alten Regelung - auf alle Einfuhren erhoben, unabhängig davon ob der Einführer mit dem Drittstaatenhersteller I Exporteur verbunden ist oder nicht. Damit sollten unter dem Aspekt des "national treatment" keine Bedenken gegen die Ausweitung von Antidumpingzöllen unter Art. 13 Grundverordnung bestehen. 489 Auch der Umstand, daß die Gemeinschaft ausländischen Herstellern Verpflichtungserklärungen abverlangte, nach denen Teile nicht-europäischen Ursprungs nur zu einem bestimmten Prozentansatz im montierten Endprodukt enthalten sein durften, wurde vom Parts-Panel-Report als "internal measure" qualifiziert. Einige der
487 Parts Panel, BISD 37S, S. 191 f ., Rn. 5.4 ff.; zur einschlägigen Argumentation der Gemeinschaft siehe Rn. 3.34 f. 488 Nichts anderes gilt für die Waren, die während der Umgehungsuntersuchung eingeführt werden. Da sie zollamtlich erfaßt werden und eine endgültge Zollabfertigung bis zum Abschluß des Verfahrens aufgeschoben wird, erfolgt eine etwaige spätere Ausweitung von Antidumpingzöllen auch bei ihnen noch im Zusammenhang mit der Einfuhr. 489 Dies räumt jetzt auch der japanische lndustrial Structure Council trotz aller sonstigen Bedenken gegen Art. 13 Grundverordnung in seinem 1996 Report on the WTO Consistency of Trade Policies by Major Trading Partners ein: "The problern of discriminatory imposition of domestic taxes that was pointed out by the parts panel seems to have been resolved through technical changes (in the taxtion systems)." (S. 116).
174 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Verpflichtungserklärungen führten de facto zu einem "local content requirement". Diese Praxis wurde als Verstoß gegen Art. III Abschnitt 4 GATT angesehen. 490 Eine derartige Praxis galt es sowohl mit Blick auf Art. III Abschnitt 4 GATT als auch mit Blick auf das Agreement on Trade-Related Investment Measures (nachfolgend TRIMS) zu meiden. Das hat die Gemeinschaft getan. Dem Problem von Verpflichtungserklärungen im Rahmen der Umgehungsabwehr geht die Gemeinschaft inzwischen ganz aus dem Weg. Die Annahme von Verpflichtungserklärungen ist im Zusammenhang mit Umgehungsverfahren nicht mehr vorgesehen. Der Verweis auf die allgemeinen Verfahrensvorschriften in Art. 13 Abs. 3 S. 5 Grundverordnung bezieht sich nur auf die Vorschriften zur Einleitung und Durchführung der Untersuchungen, aber eben nicht auf die Bestimmung über Verpflichtungserklärungen. Da sich Maßnahmen nach Art. 13 Grundverordnung mithin nicht mehr als "internal measures" qualifizieren lassen, steht Art. III GATT dem neuen europäischen Ansatz in der Umgehungsabwehr nicht entgegen. Im übrigen fordert die Gemeinschaft bei ihren Tests (60% und 25 %) inzwischen auch nicht mehr einen bestimmten Prozentsatz an Teilen europäischen Ursprungs, bevor Umgehung verneint wird.491 Statt dessen beschränkt sie sich auf die Forderung, daß ein bestimmter Prozentsatz von Teilen bei montierten Waren nicht aus dem mit Antidumpingmaßnahmen belegten Land stammt. D.h. diese Teile können aus der Gemeinschaft oder aus nicht vom Ausgangsverfahren betroffenen Drittstaaten stammen. Auch dadurch vermeidet die Gemeinschaft jetzt Probleme, die ihr andernfalls aus Art. III GATT erwachsen könnten.
b) Art. I und Art. II GATT Da Maßnahmen unter Art. 13 Grundverordnung nach hier vertretener Auffassung "on importation" oder zumindest "in connection with the importation" ergriffen werden, es sich mithin um sogenannte "border measures" handelt, ist der Anwendungsbereich von Art. I und II GATT eröffnet. Fragen der Meistbegünstigung (nachfolgend auch als MFN bezeichnet; engl.: "most favoured nation") nach Art. I GATr92 können sich im Zusammenhang mit der Ausweitung bestehender Antidumpingmaßnahmen immer dann stellen, wenn die Waren, auf die die bestehenden Antidumpingzölle ausgeweitet werden sollen, Parts-Panel, BISD 37S, S. 197 f., par. 5.19 ff. Siehe zur Problematik Parts-Panel, BISD 37 S, S. 154 f., Rn. 3.50. 492 Meistbegünstigung bedeutet, daß Handelsvorteile, die einer Vertragspartei eingeräumt werden auch gegenüber allen anderen Vertragsparteien in gleicher Weise zu gewähren sind. Dies gilt aufgrund der Verweisung in Art. III Abs. 2 und Abs. 4 GATT auch für Abgaben und sonstige Belastungen, die sich auf den Außenhandel auswirken. Siehe z. B. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 2. Aufl., § 7, Rz. 23. 490
491
D. Vereinbarkeit Art. 13 Grundverordnung mit GAIT- und WTO-Regelungen
175
auch noch von anderer Seite, d. h. von einem anderen Staat aus importiert werden, der von diesen Maßnahmen jedenfalls nicht berührt werden soll. Solchen Maßnahmen läßt sich dann der Meistbegünstigungseinwand nach Art. I Abs. I GATI entgegenhalten, es sei denn, die Maßnahmenausweitung ist aufgrund anderer GATI I WTO-Bestimmungen gerechtfertigt. Art. II GATI, die Bindung an die vertraglich fixierten Zollsätze, kann nur dann von Relevanz sein, wenn die Maßnahmenausweitung nach Art. 13 Grundverordnung eine Ware betrifft, für die ein Höchstzollsatz fixiert ist und wenn der aktuelle MFN-Zollsatz zzgl. des ausgeweiteten Antidumpingzollsatzes diesen Höchstsatz überschreitet. Aber auch ein derartiges Überschreiten muß nicht zur GAlT-Widrigkeit führen, wenn dies nach anderen GATT-Vorschriften gerechtfertigt ist. Art. II Abschnitt 2 (b) GATI verweist insofern unmittelbar auf Art. VI GATI.
2. Rechtfertigung
Wie angedeutet kann eine Praxis, die zunächst im Widerspruch zu den Grundnormen des GATI zu stehen scheint, durchaus gerechtfertigt sein. Bei Maßnahmen zur Umgehungsabwehr im Antidumpingbereich ist dafür an Art. VI und Art. XX GATI zu denken. Einzugehen ist aber zuvor noch auf den zum Abschluß der Uruguay Runde zustande gekommenen Ministeriellen Beschluß zur Frage der Umgehung. a) Ministerieller Beschluß zur Frage der Umgehung Wenn der Ministerielle Beschluß zur Umgehung493 (nachfolgend: "Beschluß" oder auch "Ministerieller Beschluß") hier an die Spitze der Betrachtungen zur GATT-Kompatibilität der Umgehungsabwehr im Antidumpingrecht gestellt wird, so beruht das auf dem Umstand, daß einige WTO-Mitglieder, die nach Abschluß der Uruguay Runde Vorschriften zur Umgehungsabwehr geschaffen haben494 , sich zur Rechtfertigung eben dieser ganz maßgeblich auf diesen Beschluß berufen. 495 ,,Ministers, Noting that while the problern of circumvention of anti-dumping duty measures formed part of the negotiations which preceded the Agreement on Implementation of Article VI of GAIT 1994 negotiators were unable to agree on specific text, Mindful of the desirability of the applicability uniform rules in this area as soon as possible, Decide to refer this matter to the Comrnittee of Anti-dumping Practices established under that Agreement for resolution." (siehe WTO (Hrsg.), The Results of the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, The Legal Text, S. 453; für dt. Übersetzung siehe z. B. ABI. 1994, L 336/261. 494 Siehe oben, Teil 3, C. 495 Siehe Andeutungen bei Müller/Khan / Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, lntroduction, Rz. 0.20 f. 493
176 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Auch in der Literatur finden sich vereinzelt Stimmen, die dem Beschluß eine derartige Legitimationswirkung zubilligen, allerdings ohne dies näher zu begriinden.496 Es wird aber auch die Gegenansicht vertreten. Danach soll die Rechtfertigung nationaler Alleingänge zur Bewältigung der Umgehungsproblematik durch den Beschluß ausgeschlossen sein. 497 Nach diversen Verlautbarungen und Äußerungen der Gemeinschaft erlaubt der Beschluß den WTO-Mitgliedern erstmalig, sich mit dem Umgehungsproblem einseitig, auch vor einer multilateralen Einigung, zu beschäftigen. 498· 499 Dies vennittelt den Eindruck, die Gemeinschaft würde den Beschluß als konstitutiv ansehen. 500 Weder der Wortlaut des Ministeriellen Beschlusses noch systematische Überlegungen oder "historische" Betrachtungen hierzu sprechen aber für diese Sicht der Gemeinschaft.
496 Siehe z. B. Dunn, Antidumping, in Stewart (Hrsg.), The World Trade Organization, The Multilateral Trade Framework for the 21st Century and the U.S. Implementing Legislation, S. 239 (256): "The Uruguay Round Final Act did, however, contain a Ministerial Declaration recognizing ,the desirability of the applicability of uniform rules in this area as soon as possible', thereby giving national laws applying anticircumvention measures recognition even though the appropriate boundaries for such laws remain unclear." (Hervorhebung durch den Verfasser). 497 Das wird insbesondere von asiatischer Seite vertreten. 498 Siehe z. B. KOM (94) 414 endg., S. 173 unter Gliederungspunkt 10. a): "Die Verhandlungen im Bereich der Umgehung scheiterten und das Übereinkommen enthält keinerlei Bestimmungen zu diesem Thema; jedoch gibt die diesbezügliche Ministererklärung von Marrakesch zu diesem Problem erstmals einzelnen Mitgliedern die Möglichkeit, bis zu einer multilateralen Lösung über den Antidumpingausschuß des GAIT das Problem einseitig zu regeln." (Hervorhebung durch den Verfasser). In der englischen Fassung, COM (94) 414 final heißt es etwas vorsichtiger: "Marakech produced a Ministerial Declaration on [circumvention] which appears, for the first time, to permit individual Members to deal with the problern unilateraly, pending a multilateral solution via the GATT Anti-dumping Committee" (Hervorhebung durch den Verfasser). - In den Erwägungsgründen der Grundverordnung findet dieser Gedankengang allerdings keinen Niederschlag mehr. In Erwägungsgrund (20) wird nur auf den Bedarf für eine neue gemeinschaftsrechtliche Regelung von Umgehungskonstellationen hingewiesen. 499 Auch die USA, wenngleich in abgeschwächter Form, berufen sich auf die Ministerielle Erklärung. Im Statemant of Administrative Action (SAA) wird die Ministerielle Erkärung ausgegeben als "recognition of the legitimacy of anticircumvention measures and does not preclude members from maintaining, modifying, or enacting anticircumvention measures at this time." (Wiedergegeben in HR Doc. 316. 103d Cong., 2d Sess. 892-894). 500 Das wäre insofern erstaunlich, als nach der bisher von ihr vertretenen Position Umgehungsabwehr auch ohne diese Entscheidung als GATT-kompatibel ausgegeben worden ist. Die Gemeinschaft kann auch kaum ein Interesse daran haben, mit Blick auf ihre Äußerungen wörtlich verstanden zu werden. Denn die entsprechende Auslegung würde die Argumentationsbasis in einem zukünftigen Streitschlichtungsverfahren zur Umgehungsabwehr erheblich einschränken. Implizit würde der Ansatz ja bedeuten, daß man einräumt, daß die Umgehungsabwehr in abgekürzten spezifischen Verfahren ansonsten GATT I WTO-widrig wäre.
D. Vereinbarkeil Art. 13 Grundverordnung mit GATI- und WTO-Regelungen
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aa) Wortlaut-Auslegung
Tatsächlich bietet der Wortlaut des Beschlusses keinerlei Anhaltspunkte, die die Auffassung der Gemeinschaft stützen würden. Zwischen "desirability of the applicability of uniform rules" im Beschlußtext und der von der Kommission behaupteten Erlaubnis "to deal with the problern unilaterally" liegen Welten. Auch wenn die Formulierung "desirability of the applicability of uniform rules" u.U. als Hinweis auf die Existenz bestehender nationaler uneinheitlicher Regelungen verstanden werden kann, würde damit letztlich nicht mehr als die Unzufriedenheit mit dem Status quo ausgedruckt. Der Wortlaut enthält aber nichts, was auf die Begrundung oder auch nur Anerkennung von nationalen Befugnissen zur Umgehungsabwehr hinausliefe. Andererseits ergibt sich aus dem Wortlaut auch kein Verbot für nationale Alleingänge. bb) Systematische Auslegung
Beim Versuch einer systematischen Betrachtung kann man nicht etwa auf die zeitgleich mit dem Ministeriellen Beschluß angenommenen und in den einschlägigen WTO-Texten aneinandergereihten sonstigen 22 Entscheidungen und Erklärungen501 abstellen, da diese praktisch nichts miteinander zu tun haben. Interessant ist nur, daß zwei dieser 22 Entscheidungen I Erklärungen ebenfalls zum Antidumpingrecht ergangen sind und jeweils keinerlei substantielle Regelungen enthalten. 502 Daraus lassen sich zwar keine zwingenden Schlüsse auf den Gehalt des Beschlusses zur Umgehungsabwehr ziehen. Es ist aber äußerst unwahrscheinlich, daß für die Abhandlung eines so bedeutenden Themas wie dem der Umgehungsabwehr eine Form gewählt würde, die sonst zur Behandlung von Aspekten von eher untergeordneter Bedeutung dient. Untermauem läßt sich diese These mit dem Verweis auf die Systematik des internationalen Antidumpingrechts. Das gesamte substantielle, d. h. materielle wie formelle internationale Antidumpingrecht ist in Art. VI GATT bzw. im diesen konkretisierenden Antidumpingübereinkommen geregelt. Wo mit Blick auf umstrittene nationale Praktiken in der Vergangenheit ein Konsens erreicht werden konnte, wurde dieser bisher immer in diese Systematik integriert, entweder durch ein ausdriickliches Verbot oder auch eine ausdruckliehe Anerkennung im Antidumpingübereinkommen. Bei einem so heftig umstrittenen Thema 50! Ministerial Decisions and Declarations adopted by the Trade Negotiations Cornmittee on 15 December 1993 in WTO (Hrsg.),The Results of the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations - The Legal Texts, S. 439 ff. 502 Decision on Review of Article 17.6 of the Agreement on Implemantation of Article VI of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994 und Declaration on Dispute Settlement Pursuant to the Agreement on Implementation of Article VI of the General Agreement on Tariffs and Trade 1994 or Part V of the Agreement on Subsidies and Countervailing Measures, beidein WTO (Hrsg.) The Results of the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, Tbe Legal Texts, S. 453.
12 Hirnstiel
178 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
wie dem der Umgehungsabwehr kann nicht erwartet werden, daß dieses unter Vernachlässigung der althergebrachten Systematik ganz nebenbei, in einem in letzter Minute herbeigeführten Beschluß abgehandelt wird; jedenfalls nicht in einer Art die als Anerkennung oder Begründung von einschlägigen Befugnissen verstanden werden kann. cc) Historische Auslegung
Auch die "historische" Betrachtung, d. h. der Blick auf den Verhandlungskontext in der Uruguay Runde, läßt keine andere Sichtweise zu. Der Vorschlag für den Ministeriellen Beschluß wurde von US-amerikanischer Seite im Dezember 1993 zu einem Zeitpunkt eingebracht, zu dem eine Einigung zwischen Befürwortern und Gegnern der Umgehungsabwehr endgültig gescheitert war. Man hatte sich weder auf den der USA und der Gemeinschaft zu wenig weitgehenden Entwurf des "Dunkel Drafts", noch auf den verschärften US-amerikanischen Entwurf für eine einschlägige Bestimmung im Antidumpingübereinkommen einigen können. In dieser Konstellation war erst Recht kein Konsens für eine Begründung oder Anerkennung unbeschränkter nationaler Befugnissen im Bereich der Umgehungsabwehr denkbar, nachdem eine solche Lösung ohne Zweifel das größte Gefährdungspotential für den internationalen Handelsverkehr darstellt. Da es an einem Konsens im fraglichen Zeitpunkt gefehlt hat, kann und darf dieser auch nicht nachträglich auf dem Weg der Auslegung der vagen Beschlußformulierung konstruiert werden. Aus dem Vorstehenden läßt sich aber genauso wenig ein Konsens für ein Verbot nationaler Alleingänge erkennen. Indiz für den fehlenden Konsens mit Blick auf Begründung oder Anerkennung nationaler Befugnisse sind ferner die derzeit schleppenden Verhandlungen in der "informellen Gruppe". Hätte man einen Grundkonsens schon mit dem Ministeriellen Beschluß erreicht, könnte auf dieser Grundlage auch weiterverhandelt werden. Zumindest würde es naheliegen, daß sich die WTO-Mitglieder, die von einem derartigen Konsens ausgehen, in den Gesprächen auf eben diesen auch berufen würden. Das ist aber nicht der Fall. Im Arbeitsprogramm der "informellen Gruppe" hat man sich darauf geeinigt, daß man in den Gesprächen bei "null" anfangen will. dd) Zusammenfassung
Zusammenfassend ist damit festzuhalten, daß der Ministerielle Beschluß die Befugnis, gegen Umgehungshandlungen vorzugehen, weder begründet (so aber bisweilen die Gemeinschaft) noch anerkennt (so die USA). Eine legitimierende Wirkung ist ihm abzusprechen. 503 Aber auch die Einigung auf ein Verbot nationaler 503 So im Ergebnis auch Komuro, U.S. Anti-Circumvention Measures and GATT Rules, JWT, Vol. 28, No. 3, June 1994, S. 5 (30), allerdings ohne nähere Begründung.
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Bemühungen zur Umgehungsabwehr ist dem Beschluß nicht zu entnehmen. Er ist vielmehr zu verstehen als eine "Einigung über die Nicht-Einigung" im Bereich der Umgehungsabwehr und hat insoweit lediglich deklaratorischen Charakter. Wenn man ihm vom Inhalt her überhaupt rechtliche Bedeutung zubilligen will, dann nur insofern, als sich die WTO-Mitglieder verpflichten, im Antidumping-AusschuB nach Lösungen für das Problem der Umgehungsabwehr zu suchen. 504 Da der Beschluß mithin schon vom Inhalt her keine Regelung zum Thema Umgehung bietet, erscheint eine allgemeine Untersuchung seiner Rechtsqualität entbehrlich. Daß die Gemeinschaft dennoch in ihrem Explanatory Memorandum des Jahres 1994 von der konstitutiven Bedeutung des Beschlusses spricht, mag auf den enormen Zeitdruck zurückzuführen sein, unter dem dieses wie die gesamte EG-Gesetzgebung zur Implementierung der Ergebnisse der Uruguay Runde entstanden ist. Befremdlich ist aber, daß Kommissionsvertreter praktisch ohne Ausnahme auch heute noch regelmäßig zur Rechtfertigung von Art. 13 Grundverordnung zu allererst auf den Ministeriellen Beschluß verweisen. Es ist zu vermuten, daß dies weniger juristischer Überzeugung entspringt, als vielmehr entweder bloßer Schutzreflex in einer stark politisierten Debatte oder aber auch bewußt politisches Ablenkungsmanöver ist. b) Art. VI GATT und das Antidumpingübereinkommen Im folgenden soll untersucht werden, inwieweit Art. VI GATT505 und das Antidumpingübereinkommen Umgehungsmaßnahmen nach Art von Art. 13 Grundverordnung decken oder entgegenstehen. 506 Im Parts Panelverfahren hatte sich zwar die USA als Intervenient, nicht aber die als Partei beteiligte Gemeinschaft auf Art. VI GATT berufen. Das Panel hat dementsprechend ausdrücklich davon abgesehen, zu Art. VI GATT Stellung zu nehmen.s07. sos Die Gemeinschaft hatte Art. VI GATT zwar nach eigenem Bekunden in Erwägung gezogen, war aber letztlich doch zu der Auffassung gekommen, daß nur Art. 504 Von Insidern ist zu hören, daß es eine zweite Version der Erklärung gab. Deren Wortlaut soll wesentlich weiter gewesen sein, nämlich sogar eine ausdrückliche Anerkennung der bestehenden nationalen Praktiken zur Umgehungsabwehr vorgesehen haben. Diese Version hat aber letztlich nicht auf den Verhandlungstisch gefunden. 505 Siehe Anhang. 506 Allgemein zu Art. VI GATI s. GAIT (Hrsg.), Guide to GATI Law and Practice, Analytical Index, 61h ed., S. 202; Bierwagen, GATI Article VI and the Protectionist Bias in AntiDumping Laws. 507 Parts-Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (194), Rz. 5.11. 5os Siehe dazu die heftige Kritik von Hahn, "Assembly Dumping" in der EG und den USA, RIW, 1991, 739 (744): "Das Panel verstößt damit gegen grundlegende Prinzipien der institutionalisierten völkerrechtlichen Streitbeilegung."
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180 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
XX (d) GATI eine erfolgversprechende Verteidigung ihrer damaligen Umgehungsabwehr erlaube. 509 Nachdem sich dies- wie geschildert- als Fehleinschätzung erwiesen hat, ist zu erwarten, daß sich die Gemeinschaft in einem zukünftigen Panelverfahren schwerpunktmäßig auf Art. VI GATI stützen würde. Aus der Lektüre von Art. VI und den Vorschriften des Antidumpingübereinkommens ergibt sich zumindest auf den ersten Blick keine eindeutige Antwort. Es muß daher im Wege der Auslegung ermittelt werden, wo Art. VI GATI und das Antidumpingübereinkommen die Grenzen für Auslegung und Anwendung von Antidumpingmaßnahmen ziehen und ob die Abwehr von Umgehungshandlungen innerhalb oder außerhalb dieser Grenzen liegt. Dabei wird sowohl auf den Wortlaut als auch auf systematische, teleologische, historische Aspekte und schließlich auch auf den "effet utile" einzugehen sein. aa) Wortlautauslegung
Weder der Wortlaut von Art. VI GATT noch derjenige des Antidumpingübereinkommens sprechen Umgehungshandlungen oder etwaige rechtliche Reaktionsmöglichkeiten auf eben diese an. Gegner von Maßnahmen zur Umgehungsabwehr wenden regelmäßig nicht das Fehlen einer Umgehungsabwehrvorschrift ein. Ein solches Vorgehen würde dem Eingeständnis einer Lücke gleichkommen, u.U. Regelungsbedarf signalisieren und damit letztlich aus Sicht der Gegner kontraproduktiv sein. Statt dessen verweisen sie auf den Wortlaut von Art. VI Abs. 1, 2 und 6 (a) 510 GATT und Art. 1511 , 2512, 3513 und 5514 Antidumpingübereinkommen. Aus diesen Vorschriften ergibt sich, daß Antidumpingmaßnahmen nur in Fällen ergriffen werden dürfen, in denen Dumping, Schädigung und ein Kausalzusammenhang zwischen diesen beiden Elementen positiv nachgewiesen wird. Der weitere Gedankengang ist dann wie folgt: Bei Maßnahmen, die zur Abwehr von "Umgehungshandlungen" ergriffen werden, handle es sich um (selbständige) Antidumpingmaßnahmen, die mangels eiParts-Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (143), Rz. 3.20. Art. VI Abs. 6 (a) GATT: "No contracting party shalllevy any anti-dumping or countervailing duty on the importation of any product of the territory of another contracting party unless it determines that the effect of the dumping or subsidization, as the case may be, is such as to cause or threaten material injury to an established domestic industry, or is such as to retard materially the establishment of a domestic industry." 511 Art. 1 Antidumpingübereinkommen: "An anti-dumping measure shall be applied only under the circumstances provided for in Article VI of GATT 1994 and pursuant to investigations initiated and conducted in accordance with the provisionsoftbis Agreement. [ . . . ]." 512 Die Vorschrift betrifft die Ermittlung von Dumping ("Determination of Dumping"). 513 Die Vorschrift betrifft die Ermittlung einer Schägigung ("Determination of lnjury"). 514 Die Vorschrift betrifft die Verfaltrenseinleitung und den Verfaltrensablauf ("Initiation and Subsequent Investigation"). 509
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ner den Vorgaben des internationalen Antidumpingrechts entsprechenden Untersuchung von Dumping, Schädigung und Kausalität den genannten Vorschriften zuwiderliefen und mithin jeder GATT I WTO-rechtlich relevanten Rechtfertigung entbehrten. 515 Diese Argumentation ist vor allem im ost- und südostasiatischen Lager verbreitet.516 Da sie allein vom Wortlaut ausgeht und dieser insoweit unzweideutig ist, wirkt sie auf den ersten Blick bestechend. Sucht man nun die Praxis unter Art. 13 Grundverordnung gegen diese Position zu verteidigen, kommen im Prinzip zwei verschiedene Ansätze in Betracht. Einerseits erscheint es denkbar, schlicht zu behaupten, die für von Art. VI GATT vorgeschriebenen Voraussetzungen für Antidumpingmaßnahmen würden auch im Verfahren nach Art. 13 Grundverordnung geprüft und den Vorgaben des internationalen Antidumpingrechts werde damit entsprochen. Andererseits läßt sich auch die Auffassung vertreten, daß es einer derartigen "de-novo-Prüfung" in Umgehungsfällen nicht bedarf. Von der Gemeinschaft ist immer wieder zu hören, daß die Praxis unter Art. 13 Grundverordnung mit Art. VI GATT vereinbar sei, da dessen Vorgaben zur Überprüfung von Dumping und Schädigung erfüllt würden. Die Gemeinschaft soll sich im WTO-Antidumping-Ausschuß mit dieser Behauptung wiederholt gegen Kritiker verteidigt haben. Auch sonst ist dies von Kommissionsvertretern immer wieder zu hören und auch zu lesen. 517 Nachweisbar ist ferner, daß der Rat während des Gesetzgebungsverfahrens darauf gedrungen hat, "Dumping im Verhältnis zu früheren Normalwerten" als Voraussetzung in Art. 13 Grundverordnung aufzunehmen. Der Kommissionsentwurf für Art. 13 Grundverordnung enthielt lediglich den Bezug zur Schädigung. 518 Die Einfügung des Dumpingelements geschah ganz wesentlich, um die hier behandelte Argumentation zu ermöglichen und damit die Bedenken einiger Mitgliedsstaaten bezüglich der GATT /WTO-Kompatibilität zu zerstreuen. Die Argumentation ist dennoch wenig überzeugend. Wie an anderer Stelle schon beschrieben, sind der Dumping- und der Schädigungstest in Art. 13 Grundverordnung gerade nicht auf eine vollständige Untersuchung dieser Elemente angelegt. Würde man in Art. 13 Grundverordnung das Erfordernis einer "de-novo-Prüfung" hineinlesen, würde die Vorschrift obsolet. Es muß mithin bezweifelt werden, daß mit diesen "light"-Tests der Nachweis von Dumping und Schädigung iSv. Art. VI GATT bzw. iSd. Vorschriften des Antidumpingübereinkommens erbracht werden kann.
515 So z. B. Vennulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 388; siehe auch die Argumentation Japans im Parts Panel, S. 132 ff. (146), Rz. 3.30 und (160), 3.66 f. 516 Siehe z. B. Industrial Structure Council (Japan) (Hrsg.), 1998 Report on the WTO Consistency ofTrade Policies by Major Trading Partners, S. 104. 517 Müller/Khan/Neumann, Art. 13 Rz. 13.13: "In this context it should be noted that Artide 13 includes, although not in a fully-fledged form, both a durnping and injury test ...". 518 "Untergraben der Abhilfewirkung" ; siehe oben, Teil 3, B. II. 1. b) cc) (1).
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Vorzuziehen ist daher eine Argumentationslinie, nach der es einer erneuten umfassenden Prüfung von Dumping, Schädigung und Kausalität in Umgehungsfällen grundsätzlich nicht bedarf. Das läßt sich wie folgt begründen: Art VI GATT und das Antidumpingübereinkommen fordern den Nachweis von Dumping, Schädigung und Kausalität als Voraussetzung für den Erlaß von Antidumpingmaßnahmen, nicht aber für jeden einzelnen Einfuhrvorgang. Ist der geforderte Nachweis mit Blick auf den für die Untersuchung festgesetzten Untersuchungszeitraum ("investigation period")519 erst einmal für ein Produkt eines bestimmten Ursprungs erbracht, so kann die entsprechende Maßnahme in Übereinstimmung mit den GATT I WTO-Vorgaben für einen Fünf-Jahreszeitraum grundsätzlich ohne erneute Prüfung der Fakten auf alle Einfuhren des fraglichen Produkts angewendet werden. 520 Eine neue Prüfung vor Ablauf der fünf Jahre ist nur in einigen besonderen Verfahren erforderlich, nämlich mit Blick auf Dumping und/oder Schädigung in Interimsüberprüfungen521 und mit Blick auf individuelle Dumpingmargen in Newcomer-Überprüfungen522 und Erstattungsverfahren523 . Dabei handelt es sich aber um spezielle Verfahren, die grundsätzlich nichts mit Umgehung zu tun haben. Da nun - im Einklang mit der objektiven Umgehungstheorie nach hier vertretener Auffassung - im Umgehungsfall die umgangene Maßnahme524 lediglich ausgelegt und dann u.U. direkt (oder analog) angewendet wird, wird keine neue, eigenständige Maßnahme erlassen. Daher bedarf es innerhalb des angesprochenen Fünf-Jahreszeitraums auch keiner erneuten Prüfung der in Art. VI GATT aufgezählten Voraussetzungen. 525 Den Anforderungen des Art. VI GATT und des Antidumpingübereinkommens ist schon im Ausgangsverfahren vor Erlaß der Maßnahme entsprochen worden. Ergibt das Umgehungsverfahren, daß die im Ausgangs519 Art. 6 Abs. 1 Grundverordnung; siehe allgemein Vennulst/Waer, EC-Anti-Dumping Law and Practice, S. 34 ff. 520 Art. 11 Abs. 2 Grundverordnung; Art. 11.3 WTO-Antidumpingübereinkommen. 521 Art. 11 Abs. 3 Grundverordnung; Art. 11 Abs. 2 S. 2 Antidumpingübereinkommen. 522 Art. 11 Abs. 4 Grundverordnung; Art. 9 Abs. 5 Antidumpingübereinkommen. 523 Art. ll Abs. 8 Grundverordnung; Art. 9 Abs. 3 UAbs. 2 Antidumpingübereinkommen. 524 Im EG-Kontext eine Antidumping-VO der Kommission oder des Rates. 525 Zum gleichen Ergebnis kam auch die Gemeinschaft in ihren Stellungnahmen im Schraubenzieher-Verfahren. Die Argumentation war allerdings eine andere (Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (148), Rri. 3.37). Die Gemeinschaft vertrat die Ansicht, daß Umgehung "non-compliance" darstelle, die sich erst nach der Anwendung von Art. VI GATT als Problem stelle. "Non-comp1iance" sei speziell in Art. XX d) GATT geregelt und werde von Art. VI GATT überhaupt nicht erfaßt (siehe unten, Teil 3, D. II. 2. c). Deshalb seien auch nur im Ausgangsverfahren die Voraussetzungen von Art. VI GATT zu prüfen. - Zum gleichen Ergebnis kommt auch Hahn, "Assembly-Dumping" in der EG und den USA, RIW, 1991 , 739 (742); allerdings mit anderer Begründung: Für Hahn sind Umgehungszölle "akzessorische Zölle". Nach seiner Auffassung gelten die Anforderungen des Art. VI GATT für Umgehungsfälle "nicht uneingeschränkt". Erforderlich sei nur eine Verknüpfung von Ausgangssachverhalt und Umgehungssachverhalt
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verfahren erlassene Maßnahme anzuwenden ist, werden die Ergebnisse in Sachen Dumping und Schädigung auch für die Einfuhren zur Meßlatte, die mit der Umgehungshandlung in Zusammenhang stehen. Auch der Umstand, daß man von Maßnahmen zur Umgehungsabwehr spricht und daß man im Gemeinschaftsrecht dafür eine eigene Bestimmung und ein spezifisches Verfahren geschaffen hat, reicht nicht aus, um hier von "neuen", "eigenständigen" Maßnahme zu sprechen. "Maßnahmen zur Umgehungsabwehr" (anticircumvention measures) ist lediglich ein griffiger Topos ohne juristische Bedeutung. Die spezifische Bestimmung- im Gemeinschaftsrecht Art. 13 Grundverordnung - ist wie alle Umgehungsvorschriften lediglich von deklaratorischer Bedeutung. Ihre Existenz macht aus dem Vorgang der Auslegung und Anwendung einer "umgangenen" Norm noch keine eigenständige Maßnahme. Daß in Art. 13 Abs. 3 Grundverordnung ein spezifisches Verfahren für Umgehungsfälle vorgesehen ist, ist ebenfalls kein Beleg für eine "eigenständige" Maßnahme. Es entspringt vielmehr der Notwendigkeit, den überaus komplexen Sachverhalten gerecht zu werden. Schon die Ausgangsverfahren sind im Antidumpingbereich sehr komplex. Diese Komplexität erhöht sich in Umgehungskonstellationen grundsätzlich noch erheblich. Der im Rahmen der Zollabfertigung mit der Anwendung einer Antidumpingmaßnahme betraute Zöllner wird damit im Regelfall überfordert sein. Die Datenfülle, die zu bearbeiten ist, um festzustellen, ob der zu entscheidende Sachverhalt von der potentiell umgangenen Maßnahme erlaßt wird oder nicht, läßt sich praktisch nur in einem speziellen Verfahren bewältigen. 526 Die GD I tritt in diesem Verfahren quasi lediglich an die Stelle des Zöllners und widmet sich mithin der Frage, ob die konkrete Umgehungshandlung unter die Ausgangsmaßnahme fällt. Sollte sie zu dem Ergebnis kommen, daß dies der Fall ist, wird v.a. mit Wirkung für die Zukunft festgestellt, daß die schon bestehende Maßnahme auch auf den Umgehungsfall anzuwenden ist, d. h. im Regelfall, daß der Antidumpingzoll in gleicher Weise auf die leicht veränderte Ware bzw. die Ware mit dem vermeintlich "neuen" Ursprung angewendet wird, wie auf die ursprünglich und ausdrücklich erfaßten Waren. Anders ausgedrückt wird lediglich ermittelt, ob der Umgehungssachverhalt dem Ausgangssachverhalt so ähnlich ist, daß die Erkenntnisse zu Dumping, Schädigung und Kausalität übertragen werden können und eine Gleichbehandlung gerechtfertigt ist. Von Seiten der Umgehungsabwehr-Gegner werden zwei weitere Wortlautargumente bemüht, die der soeben widerlegten Position sehr ähnlich sind. Teilweise wird die Unzulässigkeit von Umgehungsabwehrmaßnahmen aus der konkreten Abfassung des Antidumpingübereinkommens als solchem abgeleitet. Gelegentlich wird auch nur auf Art. 18 Abs. 1 Antidumpingübereinkommen verwiesen.
526 Die Gemeinschaft hat dazu in den bisher mit Maßnahmenausweitungen abgeschlossenen Art. 13-Verfahren immer praktisch die gesamten neun Monate benötigt, die als Höchstgrenze angesetzt sind.
184 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Nach der erstgenannten Position soll das gesamte Antidumpingübereinkommen der Uruguay Runde so formuliert sein, daß nur erlaubt ist, was dort ausdrücklich vorgesehen ist. Da Maßnahmen zur Umgehungsabwehr nicht ausdrücklich vorgesehen seien, seien diese auch nicht zulässig. Fraglich ist schon, ob der Wortlaut des Antidumpingübereinkommens tatsächlich derart limitativ verstanden werden kann. Jedenfalls greift das Argument nicht, wenn man die Abwehr einer Umgehungshandlung nicht als eigenständige Maßnahme versteht, sondern sie - wie vorab beschrieben - als Auslegung bestehender Antidumpingmaßnahmen begreift. Die Berechtigung einer nationalen Antidumpingadministration zur Auslegung und Anwendung bestehender und mit den GATI I WTO-Vorgaben in Einklang stehender Maßnahmen ist jedenfalls eine Selbstverständlichkeit, die keiner expliziten Regelung bedarf. Ein weiteres Wortlautargument ziehen Umgehungsabwehr-Gegner aus Art. 18 Abs. 1 Antidumpingübereinkommen. 527 Dieser lautet wie folgt: "No specific action against dumping of exports from another Member can be taken except in accordance with the provisions of GATT 1994, as interpreted by this Agreement. ..528, 529
Regelmäßig bleibt es bei dem lapidaren Verweis auf diese Vorschrift. Offensichtlich werden Maßnahmen zur Umgehungsabwehr unter den Begriff "specific action" subsumiert und im übrigen für nicht mit dem GATI 1994 vereinbar angesehen. Diese Auffassung beruht auf der Vorstellung, mit "specific action" wäre eine im konkreten Fall verhängte I zu verhängende Antidumpingmaßnahme gemeint. Wo "Antidumpingmaßnahme" gemeint ist, spricht das Antidumpingübereinkommen aber auch von einer solchen, nämlich allgemein von "anti-dumping measure"530 und konkreter von "anti-dumping duty" und "undertaking", nicht aber von "action". Die Gleichsetzung von "action" und Antidumpingmaßnahme würde Art. 18 Abs. 1 praktisch jede eigenständige Bedeutung rauben. Die Vorschrift würde dann in ungelenker Art und Weise nur wiederholen, was schon in Art. VI Abs. 6 (a) und Art. 1 Antidumpingübereinkommen geregelt ist. Der Begriff "action" ist vielmehr als "Maßnahmentyp" auszulegen. So verstanden beschränkt Art. 18 Abs. 1 nur die zulässigen Maßnahmentypen. Das Antidumpingübereinkommen sieht in diesem Zusammenhang die Auferlegung von Anti527 Siehe z. B. Bhala, Rethink.ing Antidumping Law, Geo.Wash.J.Int'l L.&Econ., Vol. 29, No. 1, 1995, 1 ff. (113 f.); Horlick/Shea, The World Trade Organization Antidumping Agreement, JWT, Vol. 29, No. 1, Feb 1995, S. 5 (28). 528 In der dazu gehörigen Fußnote wird darauf hingewiesen, daß "This is not intended to preclude action under other relevant provisions of GATT 1994, as appropriate." 529 Dt. Übersetzung von Hummer/Weiss, Vom GATT '47 zur WTO '94, S. 601: "Spezifische Maßnahmen gegen Dumping können nur gemäß den Bestimmungen des GATT 1994 in der Auslegung durch dieses Übereinkommen getroffen werden." 530 Siehe z. B. Art. 1 Antidumpingübereinkommen; siehe auch Art. 7 Antidumpingübereinkommen (Provisional Measures).
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dumpingzöllen und die Annahme von Verpflichtungserklärungen vor. Ein anderer Typ, eine andere Art von Maßnahme kommt hingegen nicht in Betracht. Bei dieser Auslegung erhält Art. 18 Abs. 1 eine eigenständige Bedeutung. Gegen Dumping soll nicht mit beliebigen Maßnahmen vorgegangen werden können, sondern nur mit den zwei konkret im Antidumpingübereinkommen angesprochenen. Unzulässig ist es danach z. B., wenn ein Staat auf Dumpingeinfuhren mit Geld- oder Gefängnisstrafen, der Zubilligung von Schadenersatzansprüchen an die heimische Industrie oder auch mit mengenmäßigen Einfuhrbeschränkungen reagiert. 531 Da die in Umgehungsfällen zur Anwendung gebrachten Maßnahmen Antidumpingmaßnahmen in Form von Antidumpingzöllen sind, steht Art. 18 Abs. 1 Antidumpingübereinkommen damit nicht entgegen. Wollte man den Begriff "specific action" iSv. Art. 18 Antidumpingübereinkommen dennoch mit "Antidumpingmaßnahme" gleichsetzen, könnte die Vorschrift trotzdem nicht gegen die Umgehungsabwehr instrumentalisiert werden. Dann würde wieder der schon gegen die zwei artverwandten gegnerischen Wortlautargumente vorgebrachte Einwand greifen, daß das Vorgehen gegen Umgehung nur die Auslegung der umgangenen Norm darstellt, nicht aber eine eigenständige Maßnahme. Die auf den Wortlaut gestützten Argumente gegen Maßnahmen zur Umgehungsabwehr tragen mithin alle nicht.
bb) Systematische Betrachtungen zu Art. VI GATT und dem Antidumpingübereinkommen Über die soeben abgehandelten Wortlautargumente hinaus wird gegen die Umgehungsabwehr des öfteren auch ein systematisches Argument bemüht. Ausgangspunkt dieses Arguments ist die Auffassung zahlreicher Autoren, Art. VI GATT sei eine Ausnahme zu Art. I (Meistbegünstigung) und Art. II GATT (Bindung der Zollsätze). Als solche sei Art. VI GATT restriktiv auszulegen. 532 Aus diesem 531 So verstanden könnte Art. 18 Abs. 1 Antidumpingübereinkommen z. B. gegen die USamerikanische Antidumpinggesetzgebung aus dem Jahre 1916 verwendet werden, gegen die die Gemeinschaft z.Z. vorgeht (siehe ABI. 1998 L 126/ 36). 532 Siehe z. B. Herdegen, Internationales Wirtschaftsrecht, 2. Auf!., § 7, Rn. 20 ff. (35 f.); Bierwagen, GATT Article VI and the Protectionist Bias in Anti-Dumping Law, S. 21 u. S. 60; Nettesheim, "Unfair Trade Remedies" in Grabitzlv. Bogdandy (Hrsg.), US Trade Barriers: A Legal Analysis, S. 85; Stegemann, The Intemationl Regulation of Dumping: Protection Made too Easy, World Economy, Vol. 14, No. 4, December 1991, S. 375 (376); Adamantopoulos, "The Components Parts" Amendments of the EC Anti-Dumping Ru1es as Implemented by the Institutions of the EEC: An Infringement of Gatt Law?, Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut/Nr. 159, S. 20 f.; Komuro, U.S. Anti-Circumvention Measures and GATT Rules, JWT,Vol. 28, No. 3 June 1994, S. 5 ff. (11); Vermulst, Anti-Dumping Law and Practice in the United States and the European Communities: A Comaparative Analysis, S. 706; Creally, Judicial Review of Antidumping and other Safeguard Measures in the European Community, S. 96; - Siehe auch Hongkongs Position im Schraubenzieher-Panelverfahren, Parts Panel, S. 132 ff. ( 178), Rz. 4.14 und zur Kanadischen Position (175 f.), Rz. 4.8.
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Grund- so die Gegner von Umgehungsabwehr-könne Art. VI GATT die Ausweitung bestehender Maßnahmen zur Abwehr vermeintlicher Umgehungsfälle ohne erneute umfassende Prüfung der in Art. VI GATT niedergelegten Voraussetzungen unter gar keinen Umständen rechtfertigen. 533 Der gedankliche Ansatz dieser Argumentation als solcher ist nicht zu beanstanden. Würden Meistbegünstigung und Art. VI GATT in einem strengen Regel-Ausnahme-Verhältnis zueinander stehen, würde dies einer erweiternden, womöglich analogen, Anwendung bestehender Antidumpingmaßnahmen grundsätzlich entgegenstehen. Auch im GATT /WTO-Recht gehört es heute zu den von zahlreichen Panelentscheidungen anerkannten Auslegungsprinzipien, daß Ausnahmevorschriften grundsätzlich eng auszulegen sind. 534 Warum Art. VI GATT eine Ausnahmeregelung sein soll, wird hingegen regelmäßig nicht näher begründet. Die Argumentation dürfte aber im wesentlichen auf dem Umstand beruhen, daß Art. VI GATT erlaubt, von den weithin als anstrebenswert angesehenen GATT-Grundprinzipien in Art. I und II GATT im Einzelfall abzuweichen. Von Bedeutung ist sicher auch die Befürchtung, daß eine extensive Auslegung und Anwendung der Befugnisse aus Art. VI GATT diese Grundprinzipien konterkarieren könnten und daß damit letztlich die im GATT I WTO-Prozeß angelegte Liberalisierung des internationalen Handelsverkehrs in Frage gestellt werden könnte. Ergänzend könnte auch darauf verwiesen werden, daß Art. VI im GATT Normgefüge hinter den in Artt. I bis III GATT niedergelegten Grundprinzipien und neben einer Reihe anderer Ausnahmevorschriften angesiedelt ist. Insbesondere die USA535 und in ihrem Gefolge auch die Gemeinschaft sehen Art. VI GATT hingegen als eigenständige Ermächtigung an. Art. VI GATT räume den Mitgliedsstaaten ein selbstständiges "right to a remedy" ein. 536 Ein Regel-Ausnahme-Verhältnis zu den Artt. I und II GATT wird von dieser Seite bestritten. Da 533 Bierwagen, GATI Article VI and the Protectionist Bias in Anti-Dumping Law, S. 59; Bierwagen I Hailbronner; Input, Downstream, Upstream, Secondary, Diversionary and Components or Subassembly Dumping, JWT, Vol. 22, No. 3, June 1988, S. 27 ff. (48 ff.); Adamantopoulos, "The Components Parts" Amendments of the EC Anti-Dumping Rules as Implemented by the Institutions of the EEC: An lnfringement of Gatt Law?, Vorträge, Reden und Berichte aus dem Europa-Institut/Nr. 159, S. 20 f.; Komuro, U.S. Anti-Circumvention Measures and GATI Rules, JWT,Vol. 28, No. 3 June 1994, S. 5 ff. (11); siehe auch Japan im Schraubenzieher-Panelverfahren (Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (157), Rz. 3.57). 534 Nicohls, GATI Doctrine, VUL, Vol. 36, 1996, S. 379 ff. (430 u. 442 ff.) mwN. 535 Siehe Vortrag der USA im USA I Korea DRAM-Fall, Panel Report, United States- Antidumping Duties on Dynamic Random Access Memory Semiconductors (DRAMS) of one Megabit or above from Korea, WT I DS IR (29. l. 1999), para 4.77 ff. 536 Siehe z. B. Cannon, Dispute Settlement in Antidumping and Countervailing Duty Cases, in Stewart, The World Trade Organization, The Mutlilateral Trade Framework for the 21st Century and U.S. Implementing Legislation, S. 359 ff. (396); Horlick/ Clarke, Standards for Panels Reviewing Anti-dumping Determinations under the GATI and WTO in Petersmann, International Trade law and the GATI /WTO Dispute Settlemnet System, S. 315.
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Art. VI GAIT keine Ausnahmevorschrift537 , sondern vielmehr eine eigenständige Ermächtigungsgrundlage sei, gebe es auch keinen Anlaß, die Vorschrift eng auszulegen. Wenn Artikel VI GAIT zu einer Ausnahme stilisiert werde, würde dadurch das Verhältnis von im GAIT angelegten Rechten und Pflichten der Mitgliedsstaaten unzulässig verschoben. 538 Die Frage, ob es sich bei Art. VI GAIT um eine Ausnahmevorschrift handelt, wurde schon des öfteren in Panelverfahren aufgeworfen und - soweit ersichtlich in der Zeit vor Abschluß der Uruguay Runde auch schon dreimal positiv beantwortet. 539 Das geschah allerdings immer eher beiläufig und ist vom rein rechtlichen Standpunkt her auch nur von eingeschränkter Bedeutung, da Panelentscheidungen über den entschiedenen Fall hinaus keine rechtliche Verbindlichkeit erlangen. Die bisherige Entscheidungspraxis zu Art. VI GAIT ist andererseits auch nicht völlig unbeachtlich, da Panelentscheidungen - ihre Annahme vorausgesetzt - zumindest als "persuasive" angesehen werden 540• 541 und als solche regelmäßig Einfluß auf zukünftige Panelentscheidungen haben. 537 Auch in der Literatur finden sich - wenn auch nur vereinzelt - Stimmen, die den Ausnahmecharakter von Art. VI GATI jedenfalls nicht für eine Selbstverständlichkeit halten: Siehe z. B. Jackson, The World Trading System, 2nd ed., S. 163 ff. , der An. VI GATI nicht seinen Katalog der Ausnahmen zur Meistbegünstigung aufnimmt und an anderer Stelle im Zusammenhang mit Art. VI GATI distanziert und in Anführungszeichen von "exception" schreibt. Siehe auch Langer, Grundlagen einer internationalen Wirtschaftsverfassung, S. 240 und 246 ff., der Art. VI GATI als "Korrektiv der Pflicht zur unbedingten Meistbegünstigung" versteht. 538 Zur einschlägigen EG-Position siehe Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (171), Rn. 3.99; für die einschägige US-Position siehe Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (186), Rn 4.34. 539 Dies geschah bislang allerdings eher beiläufig. Siehe Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (196), Rn. 5.17: " Each of the exceptions in the General Agreement- such as Articles VI, XII or XIX, recognizes the legitimacy of a policy objective but at the same time sets out conditions as to the obligations which be imposed to secure the attainment of that objective." Siehe auch: United States - Countervailing Duties on Fresh, Chilied and Frozen Pork from Canada (nachfolgend: Pork Panel), BISD 38S, S. 30 ff. (44), Rn. 4.4: " . . . the Panel took into account that Article V/:3 is an exeption to basic principles of the General Agreement, namely that . .. charges of any kind imposed in connection with imports must meet the mostfavoured-nation standard (Art. 1:1)."- United States- Definition of Industry Conceming Wine and Grape Products (nachfolgend: Wine and Grape Panel), BISD, 39S, S. 436 (447), Rn. 4.5: " . . . held the view that Article VI of th GATI and the corresponding Codeprovision should, because they permitted action of a non-MFN nature otherwise prohibited by the Article I, be interpreted in a narrow way." 540 Siehe zur rechtlichen Verbindlichkeit von Panel Reports: Japan - Taxes on Alcoholic Beverages, Report of the Appellate Body, WT/DS8/AB/R, WT/DS10/AB/R, WT/ DSll/ AB IR (4 October 1996) S. 12 ff.;- siehe auch statt vieler: Jackson, The World Trading System, 2nd ed., S. 120 ff. (122) undl24 ff. (126); Nichols, GATI Doctrine, VJIL, Vol. 36, 1996,380 (430). 541 Das gilt auch für die vor Gründung der WTO ergangenen Panel-Entscheidungen. Art. XVI Abs. l WTO-Charter sorgt für Kontinuität, in dem er vorsieht, daß die WTO "shall be guided by the decisions, procedures and customary practices followed by the Contracting Parties to GATI 47". Alte Panel-Entscheidungen behalten damit ihre Bedeutung.
188 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Bedauerlich ist, daß die angesprochenen Panelentscheidungen keinerlei Gründe für die Einordnung von Art. VI GATT als Ausnahme nennen. Dies wäre mit Blick auf den bestehenden Streit zu dieser Frage an sich zu erwarten gewesen. Weder der Wortlaut von Art. VI GATT noch derjenige von Artt. I und II GATT weisen auf ein Regel-Ausnahme-Verhältnis hin. Art. II Abs. 2 (b) GATT könnte sogar eher als Hinweis auf ein gleichberechtigtes Nebeneinander dieser Vorschriften verstanden werden. 542 Auch die Stellung von Art. VI GATT spricht nicht unbedingt für dessen Ausnahmecharakter. Regeln und Ausnahmen sind im gesamten GATT-Text (GATT 1947) verteilt und eng miteinander verwoben. Nachfolgend sollen vier Punkte angesprochen werden, die zumindest Zweifel am Ausnahmecharakter von Art. VI GATT zulassen. Zu erwähnen sind der offene Dissens zu diesem Thema in der Uruguay Runde, die Beweislastverteilung in Panelverfahren mit Antidumpingbezug, die Prüfungsdichte (engl.: "standard of review") in solchen Verfahren und schließlich der Rahmengesetzcharakter des gesamten Antidumpingübereinkommens. Die Verhandlungen über das neue Antidumpingübereinkommen während der Uruguay Runde haben deutlich gezeigt, daß den vereinzelten Äußerungen zum Ausnahmecharakter von Art. VI GATT in einigen vergangenen Panelentscheidungen keine große Bedeutung beigemessen wird. Die Antidumping-Kritiker unter den an den Verhandlungen beteiligten Staaten wollten sich damit jedenfalls nicht begnügen und haben sich deshalb intensiv um Anerkennung und schriftliche Fixierung des Ausnahmecharakters von Art. VI GATT im neuen Antidumpingübereinkommen bemüht. In diversen Entwürfen für eine Präambel war ein Hinweis auf den Ausnahmecharakter enthalten. In der Endfassung hat dieser allerdings im wesentlichen aufgrund des Widerstandes der USA und der Gemeinschaft keinen Niederschlag gefunden. Der Grund für diese Auseinandersetzung ist nicht nur vor dem Hintergrund der Umgehungsproblematik zu sehen. Würde der Ausnahmecharakter von Art. VI allgemein anerkannt, würde dies auch erhebliche Konsequenzen für die Beweislastverteilung in Panelverfahren mit Antidumpingbezug haben. 543 Die normalerweise den Beschwerdeführer (Herkunftsstaat des Antidumping-Opfers) treffende Last, die Verletzung von GATT I WTO Recht zu beweisen, würde auf den Beschwerdegegner (Antidumpinganwender) übergehen. Den Ausnahmecharakter der Vorschrift anzuerkennen, würde auch implizieren, dem Beschwerdegegner die Beweislast aufzuerlegen. 544 Letzterer müßte dann im Falle einer Beschwerde nach542 Art. II Abs. 2 GATT: "Nothing in this Article shall prevent any contracting party from imposing at any time on the importation of any product: [ ... ] (b) any anti-dumping duty applied consistently with the provision of Article VI; [ ... ]." 543 Siehe dazu allgemein Horlick / Clarke, Standards for Panels Reviewing Anti-dumping Determinations under the GATT and WTO in Petersmann, International Trade Law and the GATT /WTO Dispute Settlement System, S. 315 ff. (321 f.). 544 Daß die Beweislast die Partei trifft, die sich auf eine Ausnahme berufen will, ist fester Bestandteil der GATT-Panel-Entscheidungspraxis. Siehe dazu Nichols, GATT Doctrine,
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weisen, daß seine Maßnahmen mit der Ausnahmevorschrift in Einklang stehen.545 Dieses würde Antidumpinganwender erheblich belasten und Art. VI GATT u.U. auch völlig marginalisieren. Auch die angesprochenen Panelentscheidungen sind nicht soweit gegangen. Ihr Bekenntnis zum Ausnahmecharakter von Art. VI GATT kann daher nur als halbherzig angesehen werden. Ein dritter Aspekt, der Zweifel an der Charakterisierung von Art. VI GATT als Ausnahme zur Meistbegünstigung aufkommen läßt, ist die im neuen Antidumpingübereinkommen auf Veranlassung der USA vorgesehene Beschränkung des Prüfungsumfangs bzw. der Prüfungsdichte in Panelverfahren im Antidumpingbereich.546 Nach Art. 17 Abs. 6 Antidumpingübereinkommen547 sind einem Panel bei Streitigkeiten zu Art. VI GATT und dem Antidumpingübereinkommen -in Abweichung zur allgemeinen Regel in Art. 11 DSU548 - sowohl bei der Tatsachenwürdigung als auch bei der rechtlichen Würdigung weitgehende Beschränkungen auferlegt. Das führt zwingend zu größeren Spielräumen der Mitgliedsstaaten bei der Auslegung und Anwendung der internationalen Vorgaben. 549 Diese Spielräume VJIL, Vol. 36, 1996, S. 379 ff. (434 f.) mit Verweisen auf die einschlägigen Panel-Entscheidungen; siehe auch Martha, Presumptions and Burden of Proof in World Trade Law, Journal of International Arbitration, 1997, S. 67 (90 ff.) und Vermulst I Mavroidis /Waer; The Functioning of the Appellate Body After Four Years - Towards Rule Integrity, JWT, Vol. 33, No. 2, Aprill999, S. 1 (10 ff.). 545 Auf diesen Zusammenhang weisen auch Vermulst/ Komuro, Anti-Dumping Disputes in the GAlT /WTO, JWT, Vol. 31, No. 1, February 1997, S. 5 ff. (19 ff.) hin. 546 Siehe dazu allgemein Horlick/Clarke, Standards for Panels Reviewing Anti-dumping Determinations under the GAlT and WTO in Petersmann, International Trade Law and the GAlT /WTO Dispute Settlement System, S. 315 ff. (317 f.). 547 Art. 17 Abs. 6 Antidumpingübereinkommen: " ... (i) in its assessment of the facts of the matter, the panel shall determine whether the authorities' establishment of the facts was proper and whether their evaluation of those facts was unbiased and objective. If the estabIishment of the facts was proper and the evaluation was unbiased and objective, even though the panel might have reached a different conclusion, the evaluation shall not be overturned; (ii) the panel shall interpret the relevant provisions of the Agreement in accordance with customary rules of interpretation of public international law. Where the panel finds that a relevant provision of the Agreement admits of more than one permissible interpretation, the panel shall find the authorities' measures tobe in conformity with the Agreement if it rests upon one of those permissible interpretations." 548 Art. 11 DSU: "The functions of panels is to assist the DSB in discharging its responsibilities under this Understanding and the covered agreements. Accordingly, a panel should make an objective assessment of the matter before it, including an objective assessment of the facts of the case and the applicability of and conformity with the relevant covered agreements, and make such other findings as will assist the DSB in making the recommendations or in giving the rulings provided for in the covered agreements .... " (Hervorhebung durch den Verfasser). 549 Bemerkenswert ist, daß derartig weite Spielräume nirgends sonst im GAlT /WTORecht eingeräumt werden. - Es wurde allerdings schon bei Schaffung von Art. 17 Abs. 6 Antidumpingübereinkommen über eine eventuelle allgemeine Anwendung im gesamten GATT I WTO-Bereich nachgedacht: Siehe dazu die "Decision on Review of Article 17.6 ofthe Agreement on Implementation of Article VI ofthe General Agreement on Tariffs and Trade 1994":
190 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
passen kaum zur Aussage, Art. VI GATI sei eine Ausnahmevorschrift und schon gar nicht zu der Behauptung, Art. VI GATT stehe in einem strengen Regel-Ausnahme-Verhältnis zu den GATI-Grundprinzipien. Anknüpfend an den letzten Absatz ist ferner darauf hinzuweisen, daß nicht nur Art. 17 Abs. 6, sondern auch das gesamte Antidumpingübereinkommen den WTOMitgliedsstaaten in ganz zentralen Bereichen, wie z. B. dem der Dumping- und Schädigungsfeststellung, erhebliche Frei- und Spielräume bieten. Angesichts der Fülle hoch technischer Details, die die Antidumpingpraxis ganz maßgeblich beherrschen, nehmen die Vorgaben aus dem Antidumpingübereinkommen praktisch nur die Funktion eines Rahmenabkommens ein. Sie reflektieren jedenfalls weder explizit noch implizit diejenige Strenge, die man von den Implementierungsregelungen zu einer Ausnahmevorschrift erwarten sollte. Alle vier angesprochenen Punkte mögen für sich allein noch nicht zwingend erscheinen, lassen aber doch begründete Zweifel an der These von der ausnahmslos eng auszulegenden Ausnahmevorschrift zu. Diese Zweifel sollen im folgenden insbesondere mit Hilfe der teleologischen Auslegung erhärtet werden. cc) Teleologische Auslegung
Auch mit teleologischen Gesichtspunkten, also mit Sinn und Zweck von Art. VI GATI, wird in der Diskussion um Umgehungsabwehr argumentiert. So wird von Antidumping-Kritikern und Umgehungsabwehr-Gegnernhäufig behauptet, Art. VI GATT habe einzig und allein als Ziel, den WTO-Mitgliedsstaaten Beschränkungen im Antidumpingbereich aufzuerlegen, um damit dem Mißbrauch von Antidumpingmaßnahmen vorzubeugen. 550 Das sei schon aus dem Wortlaut von Art. VI GATI ersichtlich. Abgesehen von seinem Abs. 1 S. 1, der Dumpingstrategien verurteile, beschränke sich Art. VI GATT darauf, Beschränkungen der mitgliedsstaatliehen Antidumpingbefugnisse zu formulieren. Auch die sukzessive entstandenen Antidumpingübereinkommen hätten jeweils zu weitergehenden Beschränkungen für Antidumpinganwender geführt.
"Ministers, Decide as follows: The standard of review in paragraph 6 of Article 17 of the Agreement on the Implementation of Article VI of GATT 1994 shall be reviewed after a period of three years with a view to considering the question of whether it is capable of general application." Eine Ausweitung auf andere Bereiche kann aber nur durch die Mitgliedsstaaten erfolgen. Der Appellate Body hat es ausdrücklich abgelehnt Art. 17 Abs. 6 Antidumpingübereinkommen von sich aus auszuweiten (siehe Report ofthe Appellate Body, EC Measures Conceming Meat and Meat Products (Hormones), WT/DS26/AB/R, WT/DS48/AB/R, 16 January 1998, S. 42 ff., par. 112 ff. (115). sso Siehe für eine ausführliche Beschreibung dieser Position z. B. Denton, (Why) Should Nations Utilize Antidumping Measures?, MJIL, Vol. 11, Fall 1989, S. 225 (237 ff.), der von " ,antiprotectionist' function" spricht.
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Diese Betrachtungsweise ist als einseitig und interessen- bzw. ergebnisorientiert schlichtweg abzulehnen. Zwar soll dem staatlichen Mißbrauch von Antidumpingbefugnissen entgegengewirkt werden. Wäre es bei Schaffung von Art. VI GATT aber tatsächlich nur darum gegangen, dem Mißbrauch von Antidumpingmaßnahmen zu begegnen, hätte man Antidumpingmaßnahmen schlicht verbieten können. Art. VI GATT als eine Ansammlung von "Beschränkungen" zu bezeichnen, ist ebenfalls tendenziös. Art. VI GATT enthält neben der grundsätzlichen Verurteilung von Dumping und der an die Mitgliedsstaaten gerichteten Erlaubnis, gegen Dumping vorzugehen, schlicht einen "Eingriffs"-Tatbestand und eine Rechtsfolgenregelung. Auf das wesentliche reduziert sagt Art. VI GATT folgendes: Wo Dumping, Schädigung und Kausalität nachgewiesen werden, können Mitgliedsstaaten Antidumpingzölle auf die betreffenden Einfuhren erheben. Damit wird das (präexistente)551 Recht zum Erlaß von Antidumpingmaßnahmen anerkannt und es werden die Voraussetzungen formuliert, unter denen dies systemkonform erfolgen kann. Auch der Hinweis auf die sukzessiv entstandenen Antidumpingübereinkommen ist nicht überzeugend. Die an der Ausarbeitung beteiligten Staaten haben immer gänzlich heterogene Interessen verfolgt, die dann auch von den jeweiligen Ergebnissen mehr oder minder reflektiert wurden bzw. vom Antidumpingübereinkommen der Uruguay Runde reflektiert werden. Vor allem die Antidumping-Kritiker unter den am GATT /WTO-Prozeß beteiligten Staaten552 sorgen sich um Mißbrauch und suchen nach Vorbeugung. Antidumpinganwender-Länder bemühen sich hingegen bis in die Gegenwart eher darum, gewisse nationale Antidumpingpraktiken durch Aufnahme in das Antidumpingübereinkommen international abzusichern und zielen damit aus ihrer Sicht auf eine effektive Dumpingabwehr ab. 553 Auch wenn man diesem subjektiven Interpretationsansatz keine oder nur geringe Bedeutung beimessen möchte, so ist ein Teil der in die Antidumpingübereinkommen aufgenommenen Vorschriften schlicht nicht mit Verweis auf Mißbrauchsbekämpfung zu erklären. 554 Daß man sich trotz der durchaus vorhandenen Angst vor protektionistischem Mißbrauch mit Art. VI GATT für die Befugnis zum Erlaß von AntidumpingmaßSiehe unten, Teil3, D. II. 2. b) dd). Regelmäßig die Heimatländer von Herstellern, die häufig von Antidumpingmaßnahmen betroffenen werden, aber auch Drittländer, die auf Investitionen aus den betroffenen Heimatländern hoffen. 553 So waren z. B. die USA, einer der Hauptnutzer von Antidumpingmaßnahmen, eine der treibenden Kräfte bei Schaffung des ersten Antidumpingübereinkommens in der Kennedy Runde. Den USA muß man unterstellen, daß sie mehr um die effiziente Ausgestaltung des Instrumentariums besorgt waren, denn um die Mißbrauchsvorbeugung. 554 So z. B. die Schwächung des Schadenstest im Antidumpingübereinkommen der Tokio Runde, siehe dazu z. B. Jackson, The World Trading System, 2nd ed., S. 256 (Fn. 33), 269; siehe ferner Koulen, The New Anti-Dumping Code Through Its Negotiating History in Bourgeois/Berrod/Gippini (Hrsg.), The Uruguay Round Results, S. 151 ff.; Horlick, How GATT Became Protectionist, JWT, Vol. 27, No. 5, October 1993, S. 5 ff.; Hoekmann/Kostecki, The Political Economy ofthe World Trading System, S. 171, 174. 551
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192 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
nahmen und eben gegen ein gänzliches Verbot ausgesprochen hat, ist Hinweis darauf, daß sich der Zweck von Art. VI GATT nicht in der Bekämpfung staatlichen Mißbrauchs erschöpft. Dieser Zweck hätte ja- wie schon erwähnt- mit einem generellen Verbot von Antidumpingmaßnahmen ganz einfach erreicht werden können. Bei der Suche nach einem über die Mißbrauchsbekämpfung hinausgehenden Zweck erscheint es naheliegend, auf die große Besonderheit von Art. VI GATT abzustellen. Während Meistbegünstigung, Bindung der Zölle, "National Treatment"Erfordernis etc. auf staatliches Handeln abzielen, ist Art VI GATT die einzige Norm im GATT 47 (wie auch im GATT 94), die ein Verhalten von nicht-staatlicher Seite anspricht und ächtet, nämlich die internationale Preisdiskriminierung und den Unter-Kosten-Verkauf durch Private. Dies beruht im wesentlichen auf der Überzeugung, daß dem übergeordneten GATT I WTO-Ziel des unverfälschten internationalen Handelsverkehrs nicht nur von staatlicher Seite, sondern auch von privater Seite Gefahren drohen. Wenn nun internationale Preisdiskriminierung als Gefahr identifiziert und ein Vorgehen dagegen autorisiert wurde, so liegt darin keine Bekämpfung staatlichen Mißbrauchs; insofern weist Art. VI GATT eine Liberalisierungsfunktion auf. Ziel dieser Vorschrift ist, den unverfälschten Wettbewerb auch gegen Gefahren von privater Seite zu schützen. 555 Der konkrete, schriftlich fixierte Beweis dafür, z. B. in Form von "Begriindungen", "Motiven" oder ähnlichem, läßt sich nicht erbringen. Es ist auch zu bezweifeln, daß die Normfunktionen von Art. VI GATT bei Schaffung des GATT 1947 umfassend erörtert worden sind. Auf diese Funktionen kann daher nur aus dem Gesamt- sowie dem Normzusammenhang geschlossen werden. Nach hier vertretener Auffassung hat Art. VI GATT mithin eine Doppelfunktion. Er zielt zum einen auf die Vorbeugung gegen staatlichen Mißbrauch im Antidumpingbereich und hat zum anderen daneben eine Liberalisierungsfunktion. Mit letzterer tritt er flankierend neben die Grundsätze von Meistbegünstigung, Zollbindung und "National Treatment" Gebot, die staatlichen Eingriffen in den internationalen Wettbewerb vorbeugen sollen. Mit Art. VI GATT läßt sich auch einer nichtstaatlichen Gefahr für den unverfälschten Wettbewerb im internationalen Handelsverkehr begegnen -nämlich der Verzerrung des Wettbewerbs durch Dumpingpraktiken einzelner nicht-staatlicher Wirtschaftssubjekte. Vor diesem Hintergrund erscheint es äußerst problematisch, Art. VI GATT als generell eng auszulegende Ausnahmevorschrift zu behandeln. Das würde die Liberalisierungsfunktion in Frage stellen und die Vorschrift auf einen Teilaspekt reduzieren. Angesichts dieser Doppelfunktion läßt sich aus Sinn und Zweck von Art. VI GATT kein spezifischer Einwand gegen die Umgehungsabwehr ableiten. Mit Blick auf die "Mißbrauchsvorbeugungs"-Funktion darf die Umgehungsabwehr 555 So auch Denton, (Why) Should Nations Utilize Antidumping Measures?, MJIL, Vol. 11, Fall 1989, S. 224 (239 ff.) mwN.; anders z. B. Hahn, "Assembly-Dumping" in der EG und den USA, RIW, 199 1, 739 (741 ), der in der Befugnis zum Erlaß von Antidumpingmaßnahmen den Preis für die Offenheit der Märkte sieht.
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zwar nicht zu protektionistischen Zwecken mißbraucht werden. Andererseits spricht die Liberalisierungsfunktion für die Zulässigkeit einer angemessenen Umgehungsabwehr. dd) Dynamische Auslegung
Im Wege dynamischer Auslegung wird nachfolgend auf "spätere Übereinkommen" und "spätere Übung" eingegangen. Diese können nach völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Auslegungsregeln jederzeit Berücksichtigung finden. 556 (1) "Spätere Übereinkommen"
Als "spätere Übereinkommen" sind die Antidumpingübereinkommen der Kennedy-557, der Tokio-558 und der Uruguay-Runde anzusprechen.559 Nachdem es in diesen Übereinkommen an ausdrücklichen, positiven Regelungen für die Umgehungsabwehr fehlt, ist ihr Erkenntniswert gering. Festzuhalten ist aber in jedem Fall, daß sich aus diesen Übereinkommen kein ausdrückliches Verbot einer erweiterten Auslegung oder auch analoger Anwendung von bestehenden nationalen Antidumpingmaßnahmen in Umgehungsfallen ergibt. Wie schon erwähnt, haben diese Übereinkommen nicht nur zur Beschränkung von nationalen Antidumpingbefugnissen, sondern bisweilen auch zu Erleichterungen für Antidumpinganwender und zur Kodifizierung von bereits bestehenden nationalen Praktiken geführt. 560 Beachtlich erscheint in diesem Zusammenhang auch, daß es mit dem Antidumpingübereinkommen der Uruguay Runde fast zu einer Vorschrift über die Umgehungsabwehr gekommen wäre. Diese "beinahe"-Einigung, die nur am Veto der USA scheiterte, belegt, daß sich die WTO-Mitgliedsstaaten kollektiv die Vereinbarkeit von Umgehungsabwehr und Art. VI GATT vorstellen konnten. Umgehungsabwehr auch ohne erneute vollständige Prüfung der Voraussetzungen von Art. VI GATT erschien den an der Uruguay Runde beteiligten Staaten mithin nicht per se als systemfremd.
556 Nach der WTO-Panel-Praxis wird der Stand des Völkergewohnheitsrecht insoweit in Art. 31 Abs. 3 WVRK reflektiert. Siehe oben, Teil3, D. I. 4. 557 Agreement on the lmplementation of Article VI of the General Agreement on Tariffs and Trade (1969), BISD ISS, S. 24 ff. 558 Agreement on the lmplementation of Article VI of the General Agreement on Tariffs and Trade (1979), BISD 26S, S. 171 ff. 559 Siehe dazu Jackson, The World Trading System, 2°ct. ed., S. 255 ff. 560 Siehe oben, Teil3, D. Il. 2. b) cc).
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194 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
(2) "Spätere Übung" Ein weiteres Argument pro Umgehungsabwehr im Wege der Auslegung bestehender nationaler Antidumpingmaßnahmen läßt sich aus der "späteren Übung" der GATT- Vertragsparteien und heutigen WTO-Mitgliedsstaaten ableiten. Umgehung von Antidumpingmaßnahmen gibt es, seitdem es Antidumpingmaßnahmen gibt. Auch die Bemühungen um die Effektuierung von Antidumpingmaßnahmen sind kein neues Phänomen. Diese Bemühungen sind in der Vergangenheit von den meisten beteiligten GATT-Staaten billigend zur Kenntnis genommen worden. 561 Anders als in der Gemeinschaft wurde und wird Umgehungsabwehr dabei meist im Wege einfacher administrativer Entscheidungen betrieben. Oft wird dabei auch nicht mit dem inzwischen stark politisierten Begriff der Umgehungsabwehr ("anticircumvention") gearbeitet. Statt dessen werden bloß sogenannte "scope"-Untersuchungen durchgeführt, mittels derer bestimmt wird, ob gewisse Einfuhren vom Anwendungsbereich einer Antidumpingmaßnahme erfaßt werden oder nicht. 562 Widerstand gegen Umgehungsabwehr kam im Prinzip erst mit der Einführung der ersten spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift durch die Gemeinschaft im Jahre 1987 auf. Polarisierung und Politisierung des Themas seit Mitte der 80er Jahre können die Übung im Bereich der Effektuierung von Antidumpingmaßnahmen und den damit erreichten Konsens jedoch nicht ohne weiteres in Frage stellen. Beachtlich ist auch, daß verschiedenste Antidumpingadministrationen es inzwischen auch nicht nur bei dieser überkommenen Form der Effektuierung belassen, sondern nun auch eigene nationale Regeln zur Umgehungsabwehr schaffen. Wie beschrieben, haben inzwischen gut ein Viertel aller WTO-Staaten mit nationaler Antidumpinggesetzgebung derartige Vorschriften erlassen. 563 Die Zahl der Staaten die Umgehungsabwehr betreibt oder zumindest bereit ist, diese zu betreiben, liegt aber nach Einschätzung von Fachleuten noch um einiges höher. (3) Entstehungsgeschichtliche Aspekte Die Berücksichtigung entstehungsgeschichtlicher Aspekte kommt nach den u. a. in Art. 32 WVRK zum Ausdruck kommenden "gewohnheitsrechtlich anerkannten völkerrechtlichen Auslegungsgrundsätzen" in Zweifelsfällen ergänzend in Betracht. Nachdem Umgehungsabwehr so heftig umstritten ist, erscheint es geboten, die Vorgeschichte zu Art. VI GATT zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß vor allem die USA und Kanada Dumping schon lange 561 Siehe etwa: Group of Experts on Anti-dumping and Countervailing Duties, BISD 8S, S. 145 ff. (148 f.): Für Fälle von "indirektem Dumping" (alte Bezeichung für "transshipment"-Fälle) schloß die Expertengruppe wie folgt: " ... it was reasonable for countfies to have the right to protect themselves against indirect dumping (whether of processed or unprocessed goods)." Siehe auch Report of the Warking Party on Other Barriers to trade, BISD 3S, S. 222 ff. (223) Rn. 5. 562 Siehe oben, Teil 3, C. III. und IV.
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vor Schaffung des GATT als Problem erkannt hatten und aktive Anwender von Antidumpingmaßnahmen waren. 564 Insbesondere die USA haben sich bei der Ausarbeitung des GATT für eine Antidumpingvorschrift stark gemacht und haben damit insofern Erfolg gehabt, als Art. VI GATT in seiner konkreten Form auf das USModell zurückgeht. Die Motivation der USA wird dabei als eine zweifache beschrieben. Einmal ging es darum, sich vor unerwünschten Antidumpingmaßnahmen anderer Staaten zu schützen. Im übrigen ging es aber auch darum, die bereits bestehenden amerikanischen Befugnisse im Antidumpingbereich abzusichern. Insofern war man nicht bereit, mehr Einschränkungen zu akzeptieren, als in Art. VI GATT ausdrücklich angesprochen sind, behielt sich mithin das Recht auf eine effiziente Dumpingabwehr vor. Es kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, daß die USA oder Kanada ein Interesse daran hatten, dieses Recht in ein RegelAusnahme-Verhältnis zu Art. I und II GATT einzustellen, sondern daß sie vielmehr von einem autonomen Recht auf Dumpingabwehr ausgingen. Daß von anderer Seite auf den Ausnahmecharakter von Art. VI GATT gedrungen worden und es insoweit zu einem Konsens gekommen wäre, läßt sich nicht nachweisen und erscheint aus der gesamten Verhandlungssituation unter der Leitung der damals übermächtigen Amerikaner äußerst unwahrscheinlich.
ee) "Effet utile" WTO-Panels haben sich in jüngerer Zeit mehrmals ausdrücklich zur Auslegung mit Blick auf die praktische Wirksamkeit einer Norm, d. h. zum "effet utile" (principle of effectiveness) bekannt. 565 Wie weit dies im GATT /WTO-Prozeß führen kann, wird die Zukunft erst zeigen müssen. Da es der WTO an einem der Gemeinschaft vergleichbaren Integrationsgrad fehlt, ist zumindest kurz- und auch mittelfristig nicht zu erwarten, daß dieses Auslegungsprinzip ähnlich weitgehende Auswirkungen haben wird, wie in der Rechtsprechung des EuGH. 566 Angesichts des wiederholten und klaren Bekenntnisses zum "effet utile" erscheint es aber notwendig, diesen bei der Auslegung von GATT-Normen auchjetzt schon zu berücksichtigen. Siehe oben, Teil 3, C. I. und II. Die früheste US-amerikanische Antidumpinggesetzgebung stammt aus den Jahren 1916 und 1921 ; die erste kanadische Antidumping-Gesetzgebung geht auf das Jahr 1904 zurück (Sec. 19 des Customs TariffAct of 1904). 565 United States- Standards for Reformulated and Conventional Gasoline, Report of the Appellate Body, WT IDS21 AB IR (29 April 1996), S. 23; Japan - Taxes on Alcoholic Beverages, Report of the Appellate Body, WT I DSB I AB IR, WT I DS 10 I AB IR, WT I DSll I AB IR (4 October 1996), S. 12; United States- Restrietions on Imports of Cotton and Man-made Fibre Underwear, Report of the Appellate Body, WT IDS241 AB IR (10 February), S. 14; Canada - Certain Measures Conceming Periodicals, Report of the Panel, WT I DS31 IR (14 March 1997), Rz. 5.17. 566 Siehe etwa Streinz, Der "effet utile" in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft in Due I Lutter/ Schwarze (Hrsg.), FS für Everling, S. 1491 ff. 563
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196 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
"Effet utile"-Argumente haben die Befürworter von Maßnahmen zur Umgehungsabwehr schon immer bemüht. 567 Besonders deutlich ist das im Parts Panelverfahren zu Tage getreten. Dort haben sich die Gemeinschaft568 und die USA569 nachdrücklich auf ein Recht auf effektive Durchsetzung von Antidumpingmaßnahmen berufen. Die Japaner haben die Existenz eines derartigen Rechts allerdings heftig bestritten und darauf verwiesen, daß Mißstände jedweder Art - also auch Probleme bei der effektiven Durchsetzung handelspolitischer Schutzmaßnahmen keiner einseitigen Lösung zugeführt werden dürften, sondern daß dies nur im Rahmen der GATT-Streitschlichtung erfolgen könnte.570 Der Parts Panel-Report geht ausdrücklich nicht auf Art. VI GATT ein. 571 Damit können hieraus auch keine Rückschlüsse auf den Wert von "effet utile"-Argumenten im Zusammenhang mit Art. VI GATT gezogen werden. 572 In Ermangelung von praktischen Anwendungsbeispielen aus dem Bereich des GATT /WTO-Rechts muß Ausgangspunkt für "effet utile"-Betrachtungen das bislang abstrakt gebliebene Bekenntnis des Appellate Body zu dieser Auslegungsmethode sein. " .. .interpretation must give meaning and effect to all the terms of a treaty. An interpreter is not free to adopt a reading that would result in reducing whole ciauses or paragraphs of a treaty to redundancy or inutility. " 573 567 A.A. offensichtlich Holmer/Horlick/Stewan, Enacted and Rejected Amendments to the Antidumping Law: In Implemtation or Contravention of the Antidumping Agreement?, The International Lawyer, Vol. 29, No. 2, 1995, S. 483 (500). 568 Parts Panel, BISD 37S, S. 163, Rz. 3.73: " ... contracting parties must be entitled to ensure that anti-dumping measures were not being undermined by circumvention and that an important part of the GATI was not rendered ineffective. The alternative wou1d be the destruction of the disciplines established by Art. VI of the General Agreement and the collapse of the ba1ance of rights and obligations created by the GATI." (Siehe auch S. 171, Rz. 3.99). 569 Parts Panel, BISD 37S, S. 186, Rn. 4.34 f. 570 Parts Panel, BISD 37 S, S. 132 ff. (169), Rn. 3.93: "There was no general principle in the General Agreement permitting contracting parties to take effective action against "unfair trading practices". Action was allowed under the General Agreement only in specific circumstances defined in the relevant provisions of the General Agreement. The General Agreement would be endangered if contracting parties were allowed to take "effective action" against unilaterally determined "unfair trading practices". There was no principle in the General Agreement condoning unilateral retributive action in the field of tariff or non-tariff measures. Under the General Agreement any grievance should be addressed in accordance with Articie 11:5 (for tariff concessions) or Articles XXII and XXIII which contained procedures to redress any violation of the rights of any party." 571 Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (194), Rz. 5.11. 572 A.A. offensichtlich Holmer I Horlick/ Stewan, Enacted and Rejected Amendments to the Antidumping Law: In Implemtation or Contravention of the Antidumping Agreement?, The International Lawyer, Vol. 29, No. 2, 1995, S. 483 ff. (500). 573 United States- Standards for Reformulated and Conventional Gasoline, Report of the Appellate Body, WTIDS21ABIR (29 April 1996), S. 23; Japan- Taxes on Aicoholic Beverages, Report of the Appellate Body, WT I DS81 AB IR, WT I DS 10 I AB IR, WT I
D. Vereinbarkeit Art. 13 Grundverordnung mit GAIT- und WTO-Regelungen
197
Mit Blick darauf ist zunächst festzustellen, daß die mitgliedsstaatliche Befugnis zum Erlaß von Antidumpingmaßnahmen in Art. VI GATT - trotz aller an ihr geübten Kritik - fester und nicht zur Disposition stehender Bestandteil des GATT 1994 ist. Mit der Schaffung eines neuen, jetzt erstmals für alle Mitgliedsstaaten verbindlichen Antidumpingübereinkommens wurde dies in der Uruguay Runde erneut unterstrichen. Die Mitgliedsstaaten behalten sich damit ausdrucklieh vor, gegen Dumping auch unter den heute im Welthandel vorherrschenden Bedingungen vorzugehen. Dieses aktuelle und klare Bekenntnis zur Dumpingabwehr muß bei der Auslegung und Anwendung von Art. VI GATT berucksichtigt werden. Antidumpingmaßnahmen sind schon von ihrer Struktur her für Umgehungen anfällig. Hinzu kommt, daß Wirtschaftsakteure im Zeitalter der Globalisierung über ein erheblich gesteigertes Umgehungspotential verfügen. Produktionsumstellungen und Veränderungen von Vertriebswegen sind oft nur eine Frage von wenigen Tagen, Teil- und Gesamtproduktionsverlagerungen sind in wenigen Wochen bis Monaten zu bewältigen. Der Erlaß von Antidumpingmaßnahmen ist angesichts der Komplexität von Antidumpingverfahren regelmäßig wesentlich zeitaufwendiger. Würde man unter diesen Voraussetzungen Art. VI GATT konsequent eng auslegen undjede erweiterte oder analoge Anwendung von ordnungsgemäß erlassenen Antidumpingmaßnahmen verhindern, würden diese Maßnahmen regelmäßig leerlaufen. Die ursprunglieh avisierte und untersuchte Ware würde unter Umgehung der erlassenen Maßnahme zu gleichbleibend niedrigen Preisen den Inlandsmarkt erreichen. Der Erlaß einerneuen Maßnahme, auf diejenigen Waren, die Gegenstand der Umgehungshandlung sind, würde regelmäßig viel zu lange dauern, um den intendierten Schutz vor den schädigenden Billigeinfuhren zu gewähren. Im übrigen würde auch dieser weiteren Maßnahme wiederum innerhalb kürzester Zeit Umgehung und damit Wirkungslosigkeit drohen. Die praktische Wirksamkeit von Art. VI GATT wie auch von Maßnahmen, die unter Beachtung seiner Vorgaben ergriffen werden, wäre damit nicht gewährleistet. Die Vorschrift würde weitgehend sinnentleert. Der "effet utile" von Art. VI GATT wird daher nur dann gewährleistet werden können, wenn man den WTO-Mitgliedsstaaten die Möglichkeit gibt, ihren Antidumpingmaßnahmendie mit Blick auf Art. VI GATT legitime und von den Maßnahmen selbst intendierte Wirkung zu geben. 574 Die im Einklang mit Art. VI GATT erlassene Maßnahme muß in den Grenzen ihrer eigenen Zielsetzung einer erweiternden Auslegung zugänglich sein, um so zumindest einfache UmgehungsDSll/AB /R (4 October 1996), S. 12; United States- Restrietions on Imports of Cotton and Man-made Fibre Underwear, Report of the Appellate Body, WT /DS24/ AB/R (10 February), S. 14; Canada - Certain Measures Conceming Periodicals, Report of the Panel, WT I DS31/R (14 March 1997), Rz. 5.17. 574 Siehe auch Hahn, "Assembly-Dumping" in der EG und den USA, RIW, 1991, 739 (741), der eine Auslegung mit Blick auf den Schutzzweck des internationalen Antidumpingrechts einfordert. Nach Hahn geht es in Art. VI GAIT um den Schutz heimischer Industrien vor internationaler Preisdiskriminierung.
198 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
handJungen erfassen zu können. Dies muß auch unabhängig von der Einordnung von Art. VI GATT als Ausnahme oder als autonomes Recht möglich sein. Selbst wenn Art. VI GATT als Ausnahme in ein strenges Regel-Ausnahme-Verhältnis zu Art. I und II GATT eingestellt wäre, dürfte ihm seine praktische Wirksamkeit nicht genommen werden. "Effet utile"-Argumente dürfen natürlich nicht überspannt werden. Bei der Suche nach Grenzen bietet es sich an, auch für die WTO auf die Grenzen abzustellen, die der IGH für seine "effet utile"-Doktrin entwickelt hat. Danach darf einem Vertrag kein Sinn gegeben werden, der dessen Wortlaut und Geist widerspricht. 575 Insofern bestehen gegen die vorstehende Argumentation aber keine Bedenken. Es widerspricht nicht dem Wortlaut von Art. VI GATT, im Wege der teleologischen Auslegung einzelne Umgehungstatbestände in den Anwendungsbereich einer bestehenden Maßnahme einzubeziehen bzw. den Anwendungsbereich entsprechend auszudehnen, soweit diese Umgehungstatbestände von der Zielsetzung der entsprechenden Maßnahme erfaßt werden. Auch wird dem Geist des GATT576 hierdurch nicht widersprochen, da die teleologische Auslegung einer im Einklang mit dem GATT erlassenen Maßnahme uneingeschränkt ermöglicht, eben diesen zu berücksichtigen. Die Auslegung ist ja nur darauf gerichtet, der Maßnahme die legitime und ursprünglich intendierte Wirkung zukommen zu lassen. Der Hinweis Japans, daß Probleme bei der effektiven Durchsetzung von handelspolitischen Maßnahmen einer einseitigen Lösung entzogen wären und daß deren Bewältigung nur im Rahmen der GATT /WTO-Streitschlichtung erfolgen könnten577, geht hingegen fehl. In einem Panelverfahren richtet sich der Beschwerdeführer gegen einen anderen Mitgliedsstaat578 , nicht aber gegen den privaten Dritten, das Wirschaftssubjekt, von dem die Umgehung ausgeht. Da WTO-Mitgliedsstaaten nicht die Pflicht haben, Dumping zu verhindern, können sie auch nicht für die Verhinderung von Umgehungsstrategien in Anspruch genommen werden. Es ist mithin nicht ersichtlich, wie die Anrufung eines Panels das Problem der Umgehung im Einzelfalllösen sollte. Es verbleibt mithin bei der Notwendigkeit, dem Antidumpingmaßnahmen erlassenden Staat auch die grundsätzliche Befugnis zur Umgehungsabwehr zuzusprechen. 575 StiGH 1923, "S.S. Wimbledon", Series A, No. 1 S. 24 f.: "But the Court feels obliged to stop at the point where the so-called restrictive interpretation would be contrary to the palin terms of the article and would destroy what has been clearly granted."; IGH, Interpretation of Peace Treaties with Bulgaria, Hungary and Romania (Second Phase), ICJ Reports 1950, S. 229; siehe auch Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl., § 780 und Ipsen, Völkerrecht, 3. Aufl., § 11, Rz. 16, S. 125 f. 576 Siehe zum "Spirit" Nichols, GATT Doctrine, VJIL, Vol. 36, 1996, S. 379 ff. (438 f.) mwN. m Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (169), Rz. 3.93. 578 Siehe Art. 1 Abs. 2 DSU iVm. Appendix 2 des DSU und Art. 17 Antidumpingübereinkommen. - Siehe auch Petersmann, GATT Dispute Settlement Proceedings in the Field of Antidumping Law, CMLR, Vol. 28, 1991, S. 69 ff. (101 f.)
D. Vereinbarkeil Art. 13 Grundverordnung mit GATT- und WTO-Regelungen
199
ff) Zusammenfassung zu Art. VI GAlT
Zusammenfassend ist zur Frage nach der grundsätzlichen Vereinbarkeit von Umgehungsabwehr im Antidumpingbereich mit Art. VI GATT folgendes zu sagen: Umgehungsabwehr, verstanden als teleologische Auslegung und direkte oder auch analoge Anwendung von bestehenden Antidumpingmaßnahmen, ist von Art. VI GATT gedeckt. 579 Weder das GATT selbst noch das Antidumpingübereinkommen stehen dem entgegen. Hinweise auf das Verbot einer erweiternden Auslegung oder auch analoger Anwendung rechtmäßig erlassener Antidumpingmaßnahmen sind nicht ersichtlich. Die Argumente der Umgehungsabwehr-Gegner lassen sich im Wege der Wortlautauslegung, mit systematischer, teleologischer, dynamischer und historischer Auslegung und mit Blick auf den "effet utile" von Art. VI GATT widerlegen. Das zentrale Argument der Umgehungsabwehr-Gegner, Art. VI GATT sei eine eng auszulegende Ausnahme zu Art. I und II GATT und könne deshalb keine Befugnis zur Umgehungsabwehr enthalten, kann aus zweierlei Gründen nicht überzeugen. Wie beschrieben, sind ernste Zweifel an der These vom strengen RegelAusnahme-Verhältnis zwischen Art I, II GATT einerseits und Art. VI GATT andererseits berechtigt. Im übrigen darf angesichts des klaren Bekenntnisses des Appellate Bodys zur "effet utile"-Doktrin selbst eine als Ausnahme gefaßte Befugnis nicht so restriktiv ausgelegt werden, daß sie praktisch bedeutungslos wird. Eben das wäre aber bei Art. VI GATT der Fall, wenn man Umgehungsabwehr im Wege erweiternder Auslegung ordnungsgemäß erlassener Antidumpingmaßnahmen generell verbieten würde. Letzteres wäre auch weder mit der Liberalisierungsfunktion von Art. VI GATT noch mit der seit Jahrzehnten geübten und kaum ernstlich beanstandeten Praxis der früheren GATT-Vertragsstaaten und heutigen WTO-Mitgliedsstaaten vereinbar. c) Art. XX (d) GATT Wenn man Maßnahmen zur Umgehungsabwehr- wie hier - schon als von Art. VI GATT gedeckt ansieht, bedarf es im Grunde des Rückgriffs auf Art. XX (d) 579 Zum gleichen Ergebnis, wenn auch mit anderer Begründung, kommen: Hahn, "Assembly-Dumping" in der EG und den USA, RIW, 1991, 739 (741); Wagner, Antidumpingzoll auf in der EG zusammengebaute oder hergestellte Waren, RIW, 1988, 968 (971) geht von einer "nicht vorhergesehenen" Regelungslücke aus, die geschlossen werden darf; - Auch Reszel, Die Feststellung der Schädigung im Antidumping- und im Antisubventionsrecht der Europäischen Gemeinschaften, S. 62 ff. (65) geht von einer unbewußten Regelungslücke in Art.VI GATT aus und leitet aus dieser die Befugnis zur analogen Anwendung von Art. VI GATT ab; Kaufmann, Ursprungsregeln: Die internationale und europäische Gestaltung der Ursprungsregeln, S. 155, liest aus dem Schraubenzieher-Panelbericht heraus, daß "fast jede Lösung der Umgehungsproblematik erlaubt sei, die das Problem an der Grenze und nicht erst im Inland anzupacken versuche."
200 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
GATT nicht mehr. Da der Streit über die GATT-Kompatibilität von Umgehungsabwehr aber in der Vergangenheit ganz wesentlich auch vor dem Hintergrund dieser Vorschrift ausgetragen worden ist und Art. XX (d) teilweise auch heute noch als GATT IWTO-rechtliche Grundlage für Umgehungsabwehr angesehen wird580, erscheint es notwendig, die einschlägige Diskussion auch hier noch einmal aufzugreifen. Art. XX (d) GATT gehört zu den "allgemeinen" GATT-Ausnahmen.581 Es handelt sich dabei um die Vorschrift, auf die die Gemeinschaft im Parts Panel die Verteidigung ihrer Umgehungsabwehrpraxis unter Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 gestützt hat. Ausgangspunkt für diese Verteidigungsstrategie der Gemeinschaft war - und ist nach Auffassung einiger Kommissionsvertreter auch heute noch - die These, es handle sich bei Umgehung von Antidumpingmaßnahmen um "non-compliance". 582 Wenn ein Drittstaatenhersteller I Exporteur Umgehung betreibe, handle er - so das Verständnis der Gemeinschaft - der entsprechenden Antidumpingmaßnahme zuwider. Zwar müßte die Antidumpingmaßnahme in voller Übereinstimmung mit Art. VI GATT erlassen werden; die mit der "Zuwiderhandlung" verbundenen Fragen seien dann aber ein separates, zusätzliches Problem, daß sich erst nach der Anwendung von Art. VI GATT und außerhalb seines Regelungsbereiches stelle. Die Reaktion auf diese "non-compliance" sei "enforcement". 583 Letzteres sei speziell in Art. XX (d) GATT geregelt. Deshalb seien bei der Umgehungsabwehr nur dessen Voraussetzungen, nicht aber erneut die Voraussetzungen von Art. VI GATI zu prüfen.584 ' 585 Eine Prüfung von Art. XX (d) GATI läßt aber- auch mit Blick auf den neuen Art. 13 Grundverordnung - ernsthafte Bedenken gegen diese Auffassung aufkom580 Siehe z. B. Komuro, U.S. Anti-Circumvention Measures and GATT Rules, JWT, Vol. 28 No. 3, Juni 1994, S. 5 (24, Fn. 56); auch einige Vertreter der Kommission wollen nicht ausschließen, daß man sich trotz des einschlägigen Unterliegens im Parts Panel erneut auf Art. XX (d) GATT berufen würde, um die Praxis der Gemeinschaft unter Art. 13 Grundverordnung zu verteidigen. 581 Art. XX GATT: "Subject to the requirement that such measures are not applied in a manner which would constitute a means of arbitrary or unjustifiable discrimination between countries where the same conditions prevail, or a disguised restriction on international Irade, nothing in this Agreement shall be construed to prevent the adoption or enforcement by any contracting party of measures: . .. (d) necessary to secure compliance with laws or regulations which are not inconsistent with the provisions of this Agreement, including those relating to customs enforcement ... and the prevention of deceptive practices." 582 Deutsche Übersetzung: Nichtbefolgung, Zuwiderhandlung. 583 Deutsche Übersetzung: Durchsetzung, Erzwingung, Vollziehung, Vollstreckung. 584 Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (148), Rn. 3.37 und (161 ff.), Rn. 3.70 ff.; siehe auch Kanadas unterstützende Haltung in diesem Verfahren, BISD 37S, S. 132 ff. (174), Rn. 4.5 ff. 585 Dieser Rechtfertigungsansatz sollte wohl eine "plausible" Erklärung dafür bieten, warum in Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 kein Bezug auf die Voraussetzungen des Art. VI GATTrespektive Dumping und Schädigung - genommen wird.
D. Vereinbarkeil Art. 13 Grundverordnung mit GATT- und WTO-Regelungen
201
men. Die aktuelle Panel-Praxis zu Art. XX (d) sieht eine dreistufige Prüfung vor. 586 Danach kann Art. XX (d) GATT nur GATT /WTO-widrige Maßnahmen ("measures") rechtfertigen, die (1) die Vollstreckung von GATT-kompatiblen Rechtsakten sicherstellen ("secure cornpliance"), (2) erforderlich sind, um die Vollstreckung sicherzustellen ("necessary to secure cornpliance") und die (3) im Einklang mit dem Einleitungssatz von Art. XX GATT stehen.
Nach hier vertretener Auffassung fehlt es bei der Umgehungsabwehr schon an einer Maßnahme iSv. Art. XX S. 1 GATT. Die Reaktion auf die Umgehung wird in Anlehnung an die objektive Umgehungstheorie ja als bloßer Auslegungsakt verstanden, dem der Charakter einer eigenständigen Maßnahme gerade fehlt. 587 Aber selbst wenn man Umgehungsabwehrmaßnahmen als nicht unter Art. VI GATT fallende, eigenständige Maßnahmen ansähe, so könnten diese nicht unter "secure compliance" subsumiert werden. Umgehungsabwehr iSv. Art. l3 Grundverordnung ist darauf gerichtet, Sinn und Zweck von GATT-konformen Antidumpingmaßnahmen zu praktischer Wirksamkeit zu verhelfen. Letztlich erschöpfen sich diese ,,Maßnahmen" in der Feststellung, daß der Anwendungsbereich einer bestehenden Maßnahme weiter zu fassen ist, als dies mit Blick auf den Wortlaut zunächst anzunehmen gewesen wäre. Es handelt sich aber nicht um "Vollstrekkungs-" bzw. "vollstreckungssichemde" Maßnahmen wie sie in Art. XX (d) GATT angesprochen sind. "Secure compliance" wird nach ständiger Panel-Praxis eng ausgelegt und setzt einen "enforcement mechanism"588 bzw. eine "enforcement measure" 589 voraus. Ein über Vollzugs- bzw. Vollstreckungsmaßnahmen hinausgehendes Verständnis würde Art. XX (d) GATT zu einer kaum beherrschbaren Ausweichklausei machen. Mit diesem Argument wurde der Gemeinschaft der Rückgriff auf Art. XX (d) GATT schon im Parts Panelverfahren versagt. Im Parts Panel Report heißt es in diesem Zusammenhang:
586 Canada, Certain Measures Concerning Periodicals, - Report of the Panel, WT I DS31 I R, 14 March 1997, par. 5.7 (diese Passagen sind vorn Appellale Body nicht beanstandet worden, WTIDS311ABIR, 30 June 1997); United States- Standards for Reforrnulated and Conventional Gasoline, Report of the Panel, WT I DS2 IR, 29 January 1996, S. 42, par. 6.31 (diese Passagen sind vorn Appellate Body nicht beanstandet worden, WT I DS2 I AB IR, 29 April 1996). 587 Siehe oben, Teil2, D. und E. 588 So die Tenninologie im Report of the Panel, United States - Standards for Reforrnulated and Conventional Gasoline, WT IDS21R, 29 January 1996, S. 42, par. 6.33 (diese Passage ist vorn Appellate Body nicht beanstandet worden, WT I DS2 I AB IR, 29 April 1996). 589 So die Tenninologie im Report of the Panel, Canada - Certain Measures Concerning Periodicals, WT IDS31/R, 14 March 1997, par. 5.10 (diese Passage ist vorn Appellate Body nicht beanstandet worden, WT I DS31 I AB IR, 30 June 1997).
202 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift "If the qualification "to secure compliance with laws and regulations" is interpreted to mean "to enforce obligations under laws and regulations", the main function of Article XX (d) would be to permit contracting parties to act inconsistently with the General Agreement whenever such inconsistency is necessary to ensure the obligations which the contracting parties may impose consistently with the General Agreement under their laws or regulations are effectively enforced. If the qualification " to secure compliance with laws ad regulations" is interpreted to mean "to ensure the attainment of the objectives of the laws and regulations" the function of Article XX (d) would be substantially broader. Whenever the objective under that law consistent with the General Agreement cannot be attained by enforcing the obligations under that law, the imposition of further Obligations inconsistent with the General Agreement could than be justified under Article XX (d) on the grounds that this secures compliance with the objectives of that law. This cannot, in the view of the Panel, be the purpose of Article XX (d): Each of the exceptions in the General Agreement - such as Articles VI, XII or XIX - recognises the legitimacy of a policy objective but at the same time sets out conditions as to the obligations which may be imposed to secure the attainment ofthat objective. These conditions would no Ionger be effective if it were possible to justify under Article XX (d) the enforcement of obligations that may not be imposed consistently with these exceptions on the grounds that the objective recognised to be Iegitimale by the exception cannot be attained within the framework of the conditions set out in the exception."590
Diese Ausführungen sind auch durch jüngere Panelentscheidungen zu Art. XX (d) GATT bestätigt worden. 591 Es ist deshalb nicht davon auszugehen, daß sich diese Spruchpraxis in absehbarer Zeit ändern wird. Im übrigen wurde im Parts Panel Report zu Recht darauf hingewiesen, daß der Wortlaut des Art. XX (d) GATT- "customs enforcement, the enforcement of monoplies ... , the protection of patents ... and the prevention of deceptive practices" nur auf ein Vorgehen gegen illegale Praktiken zugeschnitten ist. 592 Im Regelfall werden Umgehungsstrategien aber nicht illegal sein. Eine Antidumpingmaßnahme ordnet nur an, daß bei Einfuhr einer Ware A aus B x% Antidumpingzoll zu entrichten sind. Damit sind aber keinerlei Verbot und auch keinerlei sonstige Rechtspflicht (Unterlassungspflicht) verbunden. Der Hersteller I Exporteur ist grundsätzlich frei, nun eine leicht veränderte Ware oder nur Einzelteile zur anschließenden Montage zu importieren, seine Produktion teilweise oder gänzlich zu verlagern oder sich nach neuen Vertriebswegen umzuschauen. Darin liegt keinerlei Zuwiderhandlung. Umgehungshandlungen dieser Art sind - entgegen der Qualifizierung der Gemeinschaft - deshalb regelmäßig auch schlicht kein "non-compliance"-ProParts Panel, BISD 37S, S. 132 (196), Rn. 5.17. Report of the Panel, Canada - Certain Measures Conceming Periodicals, WT I DS311 R, 14 March 1997, par. 5.6 ff. (5.9) (diese Passagen sind vom Appellate Body nicht beanstandet worden, WT I DS3ll AB IR, 30 June 1997); Report of the Panel, United States - Standards for Reformulated and Conventional Gasoline, WTIDS21R, 29 January 1996, S. 42, par. 6.30 ff. (6.33) (diese Passagen sind vom Appellate Body nicht beanstandet worden, WT I DS21 AB IR, 29 April 1996). 592 Parts Panel Report, BISD, 37S, S. 132 ff. (196), Rn. 5.16. 590
591
D. Vereinbarkeit Art. 13 Grundverordnung mit GATI- und WTO-Regelungen
203
blem. So ist die auf "non-compliance"-Probleme zugeschnittene Vorschrift des Art. XX (d) GATI schon aus diesem Grund für die Bewältigung von Umgehungskonstellationen grundsätzlich nicht geeignet. Anderes kann allenfalls für Zollbetrugskonstellationen gelten593 , die die Gemeinschaft - wie beschrieben - unter ihren Umgehungsbegriff subsumieren und von Art. 13 Grundverordnung erfaßt wissen will.s94. 595 Zusammenfassend ist festzuhalten, daß Art. XX (d) GATI mit Blick auf Wortlaut, systematische Stellung, Telos und die durchgängige Panel-Praxis grundsätzlich keine Rechtfertigung für Umgehungsabwehrmaßnahmen abgeben kann. Eine Ausnahme bilden allenfalls Zollbetrugskonstellationen. Es wäre der Gemeinschaft deshalb dringend davon abzuraten, im Falle eines Panelverfahrens zur Praxis unter Art. 13 Grundverordnung die Verteidigung erneut schwerpunktmäßig auf Art. XX (d) GATI zu stützen. Gegen eine derartige Einordnung sprechen auch noch zwei weitere Punkte: Wie gezeigt bekennt sich der Appellate Body ganz offen zur Auslegung mit Blick auf Sinn und Zweck sowie den "effet utile" einer Maßnahme. Eine entsprechende Normauslegung und -anwendung ist der RegelfalL Es ist deshalb unangebracht, den Sinn und Zweck sowie "effet utile" von Art. VI GATI nur auf dem Weg über Art. XX (d) GATI zu verteidigen, eine Vorschrift, die unbestritten als Ausnahme zu qualifizieren ist. Eine Einordnung der Umgehungsabwehr bei Art. XX (d) GATI wäre auch insofern nicht anstrebenswert, als die Gemeinschaft dann in Panelverfahren zu konkreten Fällen regelmäßig die Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen von Art. XX (d) GATI tragen würde. Bei Art. VI GATI trägt zumindest bislang der Beschwerdeführer (Herkunftsstaat des negativ Betroffenen) die Beweislast
3. Verletzung von Art. X Abs. 2 GATT Art. X Abschnitt 2 GATI596 gibt den WTO-Mitgliedsstaaten auf, importrelevante, finanziell belastende Maßnahmen von abstrakt genereller Art erst nach offi593 Im Englischen wird dafür oft der Begriff "duty evasion" (Zollhinterziehung) in Abgrenzung zum Begriff der "duty avoidance" ((zulässiges) Vermeiden von Zöllen) gebraucht; siehe z. B. Komuro, U.S. Anti-Circumvention Measures and GATI Rules, JWT, Vol. 28, No. 3, June 1994, S. 5 ff. (24 f.) mwN.; Vennulst/Waer, Anti-Diversion Rules in Antidumping Procedures: Interface or Short Circuit for the Management of Interdependence, MIIL, Vol. ll, Summer 1990, S. lll9 (ll20 f.). 594 Siehe oben, Teil 2, B. II. 2. a). 595 So wohl auch Hahn, "Assembly-Dumping" in der EG und den USA, RIW, 1991 , 739 (743) Fn. 49. 596 Art. X Abschnitt 2 GATI: "No measure of generat application taken by any contracting party effecting an advance in a rate of duty or other charge on imports under an established and uniform practice, or imposing a new or more burdensome requirement, restriction
204 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
zieller Veröffentlichung zur Anwendung zu bringen. Dies wird regelmäßig als das "principle of transparency" bezeichnet. 597 Im Schraubenzieher-Panelverfahren hat Japan der Gemeinschaft mit Blick auf Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88 fehlende Transparenz vorgeworfen. Insbesondere vermißte Japan detailliertere Vorgaben, wie der Ursprung von Teilen und Materialien zu bestimmen war, die zu Montagezwecken eingeführt wurden. Ferner richtete sich die japanische Kritik gegen Verpflichtungserklärungen. Das Verfahren, daß unter der alten Umgehungsabwehrvorschrift zu diesen Erklärungen geführt hat, sei völlig intransparent gewesen. Außerdem sei deren Inhalt nicht vorhersehbar gewesen.598 Der Panel-Report ist nach der Feststellung eines Verstoßes gegen Art. III Abschnitt 2 und 4 GATT aber leider auf diese Einwände nicht mehr eingegangen. Es wäre nicht erstaunlich, wenn ein Beschwerdeführer in einem Panelverfahren zur neuen europäischen Umgehungsabwehrpraxis zumindest hilfsweise erneut eine Verletzung von Art. X Abschnitt 2 GATT geltend machen würde. Der Vorwurf der fehlenden Bestimmtheit, der bisweilen im Zusammenhang mit Art. 13 Grundverordnung erhoben wird, ließe sich in den Vorwurf fehlender Transparenz überleiten. Der Anwendungsbereich des Art. X Abschnitt 2 GATT ist mit Blick auf Antidumpingmaßnahmen betroffen. Der Vorwurf der fehlenden ausreichenden Veröffentlichung mit Blick auf Umgehungsabwehr müßte aber zurückgewiesen werden. Da nach hier vertretenem Verständnis Umgehungsabwehr nur in der Auslegung und Anwendung bestehender Antidumpingmaßnahmen besteht, bedürfte es im Prinzip überhaupt keiner ausdrücklichen Vorschrift. Daß sich die Gemeinschaft für die Frage, wann ein Ausgangssachverhalt und ein Umgehungssachverhalt ausreichend verknüpft sind, auf die in Art. 13 Grundverordnung niedergelegten Kriterien festlegt, führt in einem Maße zu Bestimmtheit und Transparenz, das so von den GATT I WTO-Vorschriften gar nicht gefordert wird. Der Vorsprung der Gemeinschaft in diesem Bereich läßt sich gerade beim Vergleich zur Umgehungsabwehrpraxis in anderen Anwenderländern erkennen. Auch wenn man sich der Einordnung von Art. 13 Grundverordnung als deklaratorisch nicht anschließen wollte, müßte der Vorwurf eines Verstoßes gegen Art. X Abschnitt 2 GATT verworfen werden. Voraussetzungen und Verfahren der europäischen Umgehungsabwehrpraxis sind mit Art. 13 Grundverordnung veröffentlicht und in Testfällen zu Abs. 1599 und Abs. 2600 konkretisiert worden. Daßes-wie die Analyse von Art. 13 Grundverordnung und der einschlägigen Praxis der Gemeinschaft gezeigt hat - immer noch zahlreiche offene Fragen gibt, ist mit Blick auf die Materie, die vagen interor prohibition on imports, or on the transfer of payments therefore, shall be enforced before such measure has been officially published." 597 Siehe z. B. United States- Restrietions on Imports of Cotton and Man-made Fibre Underwear, Report of the Appellate Body, WT I DS24 I AB IR, 10 February 1997, S. 18, Pkt. VI. 598 Parts Panel, BISD, 37S, S. 132 ff. (140), Rn. 3.16 und (155), Rn. 3.53 f. 599 Polyester-Spinnfaser-Verfahren; siehe oben, Teil III, B. V. 4. 600 Fahrräder-Verfahren; siehe oben, Teil III, B. V. 2.
D. Vereinbarkeit Art. 13 Grundverordnung mit GATT- und WTO-Regelungen
205
nationalen Vorgaben im Antidumpingübereinkommen und insbesondere den konkreten Regelungsgegenstand "Umgehungsabwehr" nicht erstaunlich. Wenn im Zusammenhang mit Umgehungsabwehr eine Regelung geschaffen wird, muß diese naturgemäß generalklauselartig ausfallen. Daher wäre es verfehlt, für den Bereich der Umgehungsabwehr überzogene Anforderungen an Bestimmtheit und Transparenz zu stellen.
4. Übereinkommen über nicht-präferenzielle Ursprungsregeln Abschließend muß noch die Frage nach der Vereinbarkeit von Art. 13 Grundverordnung mit dem Übereinkommen über nicht-präferenzielle Ursprungsregeln601 (nachfolgend: Ursprungsregelübereinkommen) aufgeworfen werden. Insbesondere von japanischer Seite wird immer wieder darauf hingewiesen, daß man die europäische Praxis zu Art. 13 Grundverordnung bei nächster Gelegenheit einer umfassenden Prüfung am GATT /WTO-Recht unterziehen will. Dabei wird deutlich gemacht, daß man bei "umfassender Prüfung" insbesondere auch an das Ursprungsregelübereinkommen denkt. 602 Anknüpfungspunkt für derartige Überlegungen ist Art. 1 Abs. 2 Ursprungsregelübereinkommen. Dieser bestimmt, daß im Zusammenhang mit Antidumpingmaßnahmen angewendete Ursprungsregeln dem Ursprungsregelübereinkommen unterfallen. Nachdem das Ursprungsregelübereinkommen selbst die Ursprungsregeln nicht harmonisiert hat, sondern lediglich ein Arbeitsprogramm zur Harmonisierung nicht-präferenzieller Ursprungsregeln sowie gewisse Verhaltensvorgaben für die Zeit bis zum Abschluß der Harmonisierung vorsieht, ist eine Prüfung der Praxis unter Art. 13 Grundverordnung bislang nur eingeschränkt möglich. Als Frage ließe sich formulieren, ob Art. 13 Grundverordnung und die auf ihm beruhende Praxis gegen die mitgliedsstaatliehen Verpflichtungen in der Übergangszeit verstoßen. Ferner ließe sich erörtern, ob nach Abschluß der Harmonisierung Konflikte zwischen den dann harmonisierten Ursprungsregeln und Art. 13 Grundverordnung zu erwarten sind. Beides würde aber voraussetzen, daß Umgehungsabwehr iSv. Art. 13 Grundverordnung sich mit Ursprungsfragen beschäftigt und diese abweichend vom Ursprungsregelübereinkommen löst.
601 Agreement on Rules of Origin, in WTO (Hrsg.), The Results of the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations, the Legal Texts, S. 241 ff. 602 Siehe auch Pa/meter; United States Implementation of the Uruguay Round Antidumping Code, JWT, Vol. 29, No. 3, June 1995, S. 39 (79 f.), der die Ansicht vertritt, gegen die neue US-Umgehungsabwehrvorschrift könne man nicht nur auf der Grundlage des Antidumpingübereinkornrnens, sondern auch gestützt auf das Ursprungsregelübereinkommen vorgehen.
206 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Es gibt Autoren, die Art. 13 Grundverordnung603 bzw. die Vorgängervorschrift Art. 13 Abs. 10 VO 2423 I 88604 tatsächlich als spezielle Ursprungsregel einordnen. Folgt man dem, so liegt es nahe, das Ursprungsregelübereinkommen als Maßstab für die Praxis unter Art. 13 Grundverordnung zu bemühen. Die Einordnung als spezielle Ursprungsregel vermag allerdings nicht zu überzeugen.605 Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß Art. 13 Grundverordnung auf die Abwehr von Umgehungen aller Art zugeschnitten ist. Es wird nicht nur gegen Umgehungen vorgegangen, die auf Ursprungsveränderungen beruhen. Nur in diesen Fällen würde ja tatsächlich inhaltlich ein Bezug zum Ursprungsregelübereinkommen bestehen. Entscheidender ist aber, daß Art. 13 Grundverordnung weder vom Wortlaut noch von seiner systematischen Stellung606 her auf Ursprungsbestimmung zugeschnitten ist. Auch bei funktionaler Betrachtung geht es nicht um die Ursprungsbestimmung für eine bestimmte Ware, sondern eben um Umgehungsabwehr. Ursprungsfragen stellen sich bei der Umgehungsabwehr überhaupt nur mit Blick auf die Herkunft der in Montagefällen verwendeten Teile. Nur wenn 60% der bei der Montage verwendeten Teile ihren Ursprung in dem Land haben, für das Antidumpingmaßnahmen gelten, kommt in Montagefällen der Vorwurf der Umgehung in Betracht. 607 Das macht Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung selbst aber nicht zur UrsprungsregeL Vielmehr ist für die Ausfüllung dieses Tatbestandsmerkmals - wie auch sonst im europäischen, ursprungsorientierten Antidumpingrecht- auf die Ursprungsregeln der Gemeinschaft zurückzugreifen. Im übrigen ist aber festzustellen, daß Umgehungsabwehr unabhängig vom Ursprung betrieben wird. 608 Umgehungsverfahren sind im Verhältnis zur Ursprungsuntersuchung ein aliud. Beide Verfahren müssen als voneinander unabhängig angesehen werden und können alternativ oder kumulativ betrieben werden. Einen Verstoß gegen die Bestimmungen des Ursprungsregelübereinkommens ist mithin zu verneinen.
603 Exler, Die Bestimmung der Ursprungsregeln im internationalen Wirtschaftsrecht; Kauf· mann, Ursprungsregeln: Die internationale und europäische Gestaltung der Ursprungsregeln. 604 Baker, Like Products and Commercial Reality in Jackson!Vermulst, Antidumping Law and Practice, A Comparative Sutdy, S. 287 ff. (290). 605 Davon geht man auch im BMWi aus. Auch mehrere nationle Vertreter im WTO-Antidumping-Ausschuss äußern sich ähnlich. 606 Nur Art. 14 Abs. 3 Grundverordnung sieht die Möglichkeit vor, besondere Bestimmungen über den Warenursprung zu treffen. 607 Siehe Art. 13 Abs. 2lit. a) und lit. b) Grundverordnung. 608 Siehe dazu auch Palmeter, United States Implementation of the Uruguay Round Antidumping Code, JWT, Vol. 29, No. 3, June 1995, S. 39 (80): "Anticircumvention measures directly raise origin questions, yet U.S. anticircumvention pays little, if any, attention to rules of origin."
D. Vereinbarkeit Art. 13 Grundverordnung mit GATI- und WTO-Regelungen
207
5. Zusammenfassung Zusammenfassend ist festzustellen, daß gegen Umgehungsabwehr im allgemeinen wie auch nach Art von Art. 13 Grundverordnung nach dem derzeitigen Stand des GAIT I WTO-Rechts grundsätzlich keine Bedenken bestehen. Wird - wie hier- Umgehungsabwehr als teleologische Auslegung und erweiterte bzw. analoge Anwendung bestehender Antidumpingmaßnahmen verstanden, so teilt die Umgehungsabwehr die Natur der umgangenen Antidumpingmaßnahme. Sie ist mithin "border measure", der grundsätzlich Art. I und II GAIT entgegenstehen, sofern sie nicht anderweitig gerechtfertigt wird. Diese Rechtfertigung folgt bei der Umgehungsabwehr im Antidumpingbereich aus Art. VI GAIT. Da es nur um Auslegung und Anwendung von im Einklang mit Art. VI GAIT erlassenen Maßnahmen geht, bedarf es dafür auch keinerneuen vollständigen Untersuchung von Dumping, Schädigung und Kausalzusammenhang. Es ist nur festzustellen, daß Ausgangssachverhalt und Umgehungssachverhalt hinreichend miteinander verknüpft sind. Ist dies der Fall, kann auf die Ergebnisse der Ausgangsuntersuchung Rückgriff genommen werden. Weder Art. VI GAIT noch dem Antidumpingübereinkommen sind Anhaltspunkte zu entnehmen, die gegen eine teleologische Auslegung und entsprechend erweiterte bzw. analoge Anwendung rechtmäßig zustande gekommener Antidumpingmaßnahmen sprechen. Insbesondere dürfen Sinn und Zweck sowie praktische Wirksamkeit ("effet utile", "principle of effectiveness") von Art. VI GAIT nicht mit dem lapidaren, viel zu oft bemühten und praktisch nie begrundeten Hinweis auf den "Ausnahmecharakter" dieser Vorschrift unterlaufen werden. 609 In Ermangelung ausdriicklicher Grenzen für die Auslegung und erweiterte Anwendung GAIT /WTO-konformer Antidumpingmaßnahmen muß jeweils auf den mit der bestehenden Maßnahme intendierten Schutzzweck abgestellt werden. Ist die Antidumpingmaßnahme in Einklang mit Art. VI GAIT erlassen worden, wird auch ihr intendierter Schutzzweck von Art. VI GAIT getragen. Im übrigen sind die WTO-Mitglieder aber frei, die Voraussetzungen und das Verfahren zu bestimmen, um eben dieses zu ermitteln. Eine Rechtfertigung von Umgehungsabwehr nach Art. XX (d) GAIT ist hingegen nicht möglich. Es wurde ferner gezeigt, daß auch mit Blick auf Art. X GAIT und das Ursprungsregelübereinkommen keine Bedenken gegen Art. 13 Grundverordnung bestehen. 609 Siehe dazu den Appellate Body Report im Hormon-Fall, EC Measures Conceming Meat and Meat Products (Hormones), WT /DS26/ AB/R (13. 2. 1998), para 104: " . .. merely characterizing a treaty provision as an "exception" does not by itself justify a "stricter" or "narrower" interpretation of that provision than would be warranted by exarnination of the ordinary meaning of the actual treaty words, viewed in the context and in the light of the treaty's object and purpose, or, in other words, by applying the normal rules of treaty interpretation."
208 3. Teil: Umgehungsabwehr mittels einer spezifischen Umgehungsabwehrvorschrift
Dies alles schließt aber nicht aus, daß die Gemeinschaft auch in einem neuen Panelverfahren zur Umgehungsabwehr im konkreten Einzelfall erneut das Nachsehen haben wird. Wo genau die Auslegung bestehender Antidumpingmaßnahmen ihre Grenze haben muß, ist auch aus Sicht des Antidumpinganwenders immer wieder eine problematische Einzelfallentscheidung. Wenn sich die Gemeinschaft, u.U. getrieben von Lobbyisten der europäischen Industrie, bei der Umgehungsabwehr zu großzügig gibt, könnte ein Panel selbst nach der hier vertretenen Auffassung gegen die Gemeinschaft entscheiden. Eine einheitliche Regelung, d. h. gewisse Vorgaben im Antidumpingübereinkommen erscheinen deshalb unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit für alle Beteiligten erstrebenswert. Dieser Gesichtspunkt dürfte auch für die Gemeinschaft und die USA das bestimmende Motiv beim Bemühen um eine einschlägige Regelung im Antidumpingübereinkommen gewesen sein.
Tei/4
Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Antidumpingrechts Auch im allgemeinen Antidumpingrecht finden sich Ansatzpunkte, die es erlauben, Umgehung vorzubeugen oder zumindest auf sie zu reagieren.
A. Allgemein vorbeugende Maßnahmen I. Gleichzeitige Untersuchung und gleichzeitiges Ergreifen von Maßnahmen bezüglich Endprodukt und Einzelteilen Dem Fall der Montage in der Gemeinschaft läßt sich zumindest teilweise dadurch vorbeugen, daß schon das Ausgangsverfahren und damit die Antidumpingmaßnahmen nicht nur gegen die fertige Ware, sondern auch gegen deren einzelne Bestandteile gerichtet wird. Der "scope" von Antidumpinguntersuchungen und dementsprechend auch von Antidumpingmaßnahmen wird auch tatsächlich zunehmend weiter gefaßt. Immer öfter werden schon in der Ausgangsuntersuchung sowohl das Endprodukt als auch seine Bestandteile untersucht 1 und gegebenenfalls von Antidumpingmaßnahmen erlaßt. Eine Erstreckung der Untersuchung auf die Einzelbestandteile ist insofern erforderlich, als diese von Maßnahmen gegen das Endprodukt grundsätzlich nicht automatisch erlaßt sind. Nachdem Endprodukt und Einzelbestandteile zumindest nach dem engen Verständnis der Gemeinschaft nicht "gleichartige Ware" sind2 , kommt eine Erstreckung der Maßnahme auf letztere ohne vorherige Untersuchung grundsätzlich nicht in Betracht. 3
I Siehe z. B. Videocassettenrecorder aus Korea und Singapur und wesentliche Bauteile davon aus Korea: ABI. 1995, C 104/3 (Einleitung); ABI. 1996, L 101 I 19 (Verfahrenseinstellung); Optische Laserabnehmersysteme von der in Kraftfahrzeugen verwendeten Art und ihre wesentlichen Teile mit Ursprung in Japan, Korea, Malaysia, der Volksrepublik China und Taiwan: ABI. 1997, C 324/2 (Einleitung); ABI. 1999, L 18/62 (Verfahrenseinstellung). 2 Siehe unten, Teil 4, B. li. I. 3 Bestätigung durch EuGH in C-90/92 Dr. Tretter GmbH & Co, Slg. 1993, 1-3569 (3591) Rn. 9 und C-99/94 Robert Birkenheul GmbH & Co KG, Slg. 1996,1-1791 (1823 ff.).
14 Hirnstiel
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4. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Antidumpingrechts
Mit der Einbeziehung von Einzelteilen lassen sich zumindest teilweise solche Fälle unterbinden, in denen die Umgehung durch die Einfuhr von Teilen und anschließender Montage in der Gemeinschaft erfolgen könnte. 4 Es ist dennoch nicht erstaunlich, daß die Gemeinschaft den Fall der Montage in der Gemeinschaft sowohl in der alten Vorschrift- Art. 13 Abs. 10 VO 2324- als auch im neuen Art. 13 Grundverordnung spezifisch regeln wollte. Das ist liegt im wesentlichen daran, daß das gleichzeitige Vorgehen gegen fertige Ware und Bestandteile in vielen Fallkonstellationen äußerst problematisch und bisweilen schlicht nicht praktikabel ist. Störender Nebeneffekt dieser Vorgehensweise ist außerdem, daß die Verfahren u.U. noch um vieles komplexer werden, als dies bei Antidumpingverfahren regelmäßig ohnehin schon der Fall ist. So müssen in Verfahren bezüglich Endprodukt und Bestandteilen ungleich größere Massen an Daten von allen Beteiligten geliefert und verarbeitet werden. Auch die Kommission als die untersuchende Institution, die Teilnehmer des "Beratenden Ausschusses" sowie die Entscheidungsträger im Rat laufen eher Gefahr, sich in der Datenflut zu verlieren. Bedenklich ist die Praxis jedenfalls dann, wenn sie tatsächlich der Vorbeugung der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen dient, d. h. wenn zur Zeit der Verfahrenseinleitung nur das Endprodukt, nicht aber auch dessen einzelne Bestandteile in die Gemeinschaft eingeführt werden. In solchen Fallkonstellationen muß es mit Blick auf die Bestandteile an "genügend Beweisen" für Dumping und Schädigung fehlen. "Genügend Beweise" sind aber nach der Grundverordnung erforderlich, um eine Verfahrenseinleitung zu rechtfertigen. 5 Die Grundverordnung statuiert explizit, daß ein Antrag6 auf Erlaß von Antidumpingmaßnahmen zurückgewiesen werden muß, wenn ,.... entweder die Beweise für das Dumping oder für die Schädigung nicht ausreichen, um eine Untersuchung des Falles zu rechtfertigen."7
Auch wenn die Kommission ein Verfahren von Amts wegen, d. h. ohne einen entsprechenden Antrag von einem Wirtschaftszweig der Gemeinschaft, einleiten will, kann das nur dann erfolgen, wenn ,.... genügend Beweise für das Dumping, eine Schädigung und einen ursächlichen Zusammenhang vorliegen, um die Einleitung einer Untersuchung zu rechtfertigen.'' 8
Mithin reicht die bloße Vermutung, daß zu einem späteren Zeitpunkt Teile zum Zwecke der Umgehung eingeführt werden könnten, weder im Antrags- noch im 4 Siehe auch Müller/Kahn!Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regultion 384 I 96, Art. 1, Rz. 1.37 ff. s Art. 5 Abs. 3 und Abs. 9 VO 384/96. 6 Die Verfahrenseinleitung durch Antrag ist die Regel. Nähere Vorgaben zu Antragsteller und Antrag enthalten Art. 5 Abs. 1 bzw. Art. 5 Abs. 2 VO 384/96. 7 Art. 5 Abs. 7 VO 384/96. s Art. 5 Abs. 6 VO 384/96.
A. Allgemein vorbeugende Maßnahmen
211
Amtsverfahren für eine Verfahrenseinleitung aus. Insofern ist die vorbeugende Umgehungsabwehr mittels einer generellen Ausdehnung von Untersuchungen auf Endprodukte und deren Bestandteile nicht mit der Grundverordnung vereinbar. Die gleichzeitige Untersuchung von Endprodukt und Einzelteilen ist auch noch unter einem anderen Gesichtspunkt wenig praktikabel. Einerseits ist es für die Antragsteller in einem Antidumpingverfahren und für die Kommission zwar von Interesse, den "scope" der Untersuchung und damit der späteren Maßnahmen möglichst weit zu fassen, um so potentiellen Umgehungsversuchen so weit wie möglich vorzubeugen. Andererseits erschwert ein weit gefaßter "scope" nicht unerheblich den Schadensnachweis und gefährdet damit letztlich insgesamt den Erlaß einer Antidumpingmaßnahme. Teilweise ist eine Erstreckung der Untersuchung auf Einzelteile auch schlicht nicht möglich, weil die entsprechenden Einzelteile überhaupt nicht in der Gemeinschaft produziert werden. 9
II. Fassung von Verpflichtungserklärungen
Im Zusammenhang mit der Bestimmung des Anwendungsbereichs von Verpflichtungserklärungen steht die Gemeinschaft vor denselben Problemen, wie bei der Abfassung einer Antidumpingzölle auferlegenden Verordnung. Die betroffene Ware und deren Ursprung müssen vorab bestimmt werden, womit alle an Ware und Ursprung anknüpfenden Umgehungsmöglichkeiten eröffnet werden. Vorbeugung ist damit kaum denkbar. Anders ist das aber bei zwei Umgehungsstrategien, die nicht an diesen Punkten anknüpfen. 10 Diesen läßt sich bei der Abfassung der Verpflichtungserklärungen - mithin im Wege der Vertragsgestaltung - zumindest teilweise vorbeugend begegnen. In Fällen, in denen sich die Unternehmer verpflichten, nicht zu Preisen zu exportieren, die unter ihren eigenen Kosten liegen, lassen sich tatsächlich entstandene Kosten auf verschiedenste Art und Weise verstecken. Dem künstlichen "Runterrechnen" der Produktionskosten läßt sich nur mit einer sehr dezidierten, in die Verpflichtungserklärung aufgenommenen Kostenformel begegnen. Die besonders für das Verstecken von Kosten geeigneten Aspekte wie Abschreibungen 11 und die Allokation von Forschungs- und Entwicklungskosten dürfen nicht allein dem sich verpflichtenden Unternehmer überlassen werden, sondern müssen vorab und einzeln ausgehandelt sowie sachgerecht den betreffenden Ausfuhren zugeordnet wer9 Praktisches Beispiel: In der Gemeinschaft werden zwar Mikrowellenherde produziert, nicht aber deren Herzstück, der Mikrowellengenerator (Magnetron). 10 Siehe oben, Teil 2, A. Ill.3. II Zur Bedeutung der Wahl und Anwendung bestimmter Abschreibungsmethoden in Antidumpingverfahren vgl. z. B. White, A Test of Consistency in the Administration of U.S. Antidumping Law, JWT, Vol. 31, No. 4, August 1997, S. 117 ff. mwN. 14*
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4. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Antidumpingrechts
den. Dabei wird man in der Praxis auf erhebliche praktische Probleme stoßen. Aber nur so werden die spezifischen "Herstellungskosten" zu einem zuverlässigen Maßstab für den nicht-gedumpten Ausfuhrpreis und bieten Gewähr für den Schutz der europäischen Industrie vor "unter-Kosten-Verkäufen". "Verstecktes" und "gezieltes" Dumping ließe sich prinzipiell dadurch verhindern, daß man dem sich verpflichtenden Hersteller nicht die Einhaltung eines bestimmten Durchschnittsausfuhrpreises aufgibt, sondern ihm abverlangt, daß er für jeden einzelnen Einfuhrvorgang einen bestimmten Minimumpreis einhält bzw. einen kostendeckenden Preis erzielt. Genau das hat die Gemeinschaft in der Vergangenheit getan. Sie hat sich dabei an der zur Berechnung der Dumpingspanne in der alten Grundverordnung vorgesehenen Methode orientiert. Danach wurde ein gewogener Durchschnitts-Normalwert mit dem Ausfuhrpreis jedes einzelnen Geschäftsvorgangs verglichen (engl.: "average-to-transaction comparison"). 12 Die Ratio dieser Methode war die folgende: Ein unter dem Normalwert liegender Ausfuhrpreis für einen Geschäftsvorgang sollte nicht durch einen über dem Normalwert liegenden Ausfuhrpreis für einen anderen Geschäftsvorgang (sog. Negativ-Dumping) ausgeglichen werden können. Dieser Ausgleich sollte vermieden werden, da er als die Grundlage für "verstecktes" und "gezieltes" Dumping angesehen wurde. 13 Seit Abschluß der Uruguay Runde sieht sich die Gemeinschaft aber von Art. 2.4.2 des neuen Antidumpingübereinkommens 14 daran gehindert, an ihrer herkömmlichen Praxis bei Berechnung der Dumpingspanne und Festlegung eines Ausfuhrpreises in Verpflichtungserklärungen festzuhalten. 15 Nach Art. 2.4.2 AntiArt. 2 Abs. 13 2. Spiegelstrich VO 2423 I 88 (ABI. 1988, L 209 I 1). Kritiker warfen der Gemeinschaft vor, mit dieser Methode würde die Dumpingspanne künstlich erhöht. Es sei nicht zu rechtfertigen, daß dem Hersteller für Geschäftsvorgänge zu Preisen über dem Normalwert keinerlei Bonus eingeräumt würde. Der EuGH hat diese Einwände aber nicht gelten lassen, sondern hat vielmehr festgestellt: "Nur durch die Methode der Berechnung für jedes einzelne Geschäft lassen sich aber bestimmte Praktiken verhindern, mit denen das Dumping durch die Anwendung unterschiedlicher, zum Teil über und zum Teil unter dem Normalwert liegender Preise verschleiert werden soll. Bei einer solchen Sachlage würde die Anwendung der Methode des gewogenen Durchschnittspreises dem Zweck des Antidumpingverfahrens nicht gerecht, da die Methode im wesentlichen dazu führen würde, daß die zu Dumpingpreisen erfolgten Verkäufe durch die zu Bedingungen eines "negativen" Dumpings erfolgten Verkäufe verdeckt würden und damit die Schädigung des betroffenen Wirtschaftszweiges der Gemeinschaft in vollem Umfang erhalten bliebe." (Rs. 240184 ToyoiRat, Slg. 1987, 1809 (1855) Rn. 23). Für eine vollständige Auflistung der Serie von Fällen in der sich diese Passage findet, siehe Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law, A Commentary on Regulation 384196, s. 146, Fn. 20. 14 Siehe dazu Bentley, The Law, Calculus and Statistics of Dumping Margins, European Business Law Review, December 1995, S. 299 (300 ff.). 15 Art. 2.4.2 Antidumpingübereinkommen: "Subject to the provisions goveming fair comparison ... , the existence of margins of dumping during the investigation phase shall normally be established on the basis of a comparison of a weighted average normal value with a weighted average of prices of all comparable export transactions or by a comparison of normal value and export prices on a transaction-by-transaction basis. A normal value established on a weigthed average basis may be compard to prices of individual export transactions if 12
13
A. Allgemein vorbeugende Maßnahmen
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dumpingübereinkommen ist für die Ermittlung der Dumpingspanne grundsätzlich vom Vergleich von Durchschnittswerten auszugehen, d. h. ein gewogener Durchschnittsnormalwert ist mit einem gewogenen Durchschnittsausfuhrpreis zu vergleichen (eng!.: "average-to-average comparison"). 16 Der gewogene durchschnittliche Normalwert soll nur unter besonderen Voraussetzungen mit den individuellen Preisen aller Ausfuhrgeschäfte in das fragliche Ausfuhrland verglichen werden können (eng!: "average-to-transaction comparison"). 17 Die Gemeinschaft hat diese Vorgaben mit Blick auf die Berechnung der Dumpingspanne praktisch wörtlich in ihre Grundverordnung übemommen. 18 Ferner hält sie sich nach eigenem Bekunden auch bei der Fixierung eines Ausfuhrpreises in Verpflichtungserklärungen der zugrundeliegenden Logik verpflichtet. Bei diesem Verständnis werden den Möglichkeiten, "verstecktem " und "gezieltem" Dumping mit der Fassung von Verpflichtungserklärungen vorzubeugen, erhebliche Schranken gesetzt. Ein für alle Einfuhrvorgänge verbindlicher Minimumpreis wie nach herkömmlicher Gemeinschaftspraxis - ist danach nur möglich, wenn sich "verstecktes" oder "gezieltes" Dumping schon im Untersuchungszeitraum und vor Annahme der Verpflichtungserklärung nachweisen lassen. Wo das nicht der Fall ist, werden Verpflichtungserklärungen für die Ausfuhren regelmäßig nur einen Durchschnittspreis bestimmen und damit "verstecktem" und "gezieltem" Dumping weite Spielräume lassen. - Es verbleibt, darauf hinzuweisen, daß die Auslegung der Gemeinschaft mit Blick auf den Wortlaut des Art. 2.4.2 Antidumpingübereinkommen nicht zwingend erscheint. Nach Art. 2.4.2 Antidumpingübereinkommen trifft dieser nur eine Regelung für die Ermittlung der Dumpingspanne im Untersuchungszeitraum ("during the investigation phase"). Da sich die Festsetzung eines Minimumausfuhrpreises in einer Verpflichtungserklärung jedenfalls auf einen Zeitraum außerhalb des Untersuchungszeitraumes bezieht, ließe sich vertreten, daß Art. 2.4.2 Antidumpingübereinkommen insoweit keinerlei verbindliche Vorgaben macht und auch nicht übertragbar ist. Da die Gemeinschaft mit der Annahme von the authorities find a pattem of export prices which differ significantly among different purchasers, regions or time periods, and if an explanation is provided as to why such differences cannot be taken into account appropriately by the use of a weigthed average-to-weighted average or transaction-to-transaction comparison." - Für deutsche Übersetzung siehe z. B. ABI. 1994, L 3361103. 16 Die vom Antidumpingübereinkommen ebenfalls vorgesehene Möglichkeit des Vergleichs zwischen individuellen Normalwerten und individuellen Ausfuhrpreisen ("transaction-to-transaction method") hat nur wenig praktische Bedeutung, da es regelmäßig äußerst schwierig sein wird, korrespondierendeNormalwert-und Exporttransaktionen zu bestimmen. So auch Müller/Kahn/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 2 Rz. 2.258. 17 Das soll nach Art. 2.40.2 S. 2 Antidumpingübereinkommen nur dann der Fall sein, wenn die Ausfuhrpreise nachweislich je nach Käufer, Region oder Verkaufszeitraum erheblich voneinander abweichen und wenn die fragliche Antidumpingadministration begründen kann, warum der "average-to-average"- bzw. "transaction-to-transaction"-Vergleich die Dumpingpraktiken nicht in vollem Umfang widerspiegeln würde. 18 Art. 2 Abs. 11 Grundverordnung.
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4. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Antidumpingrechts
Verpflichtungserklärungen und dem korrespondierenden Verzicht der Erhebung von Antidumpingzöllen bereits Entgegenkommen zeigt, erschiene es nicht verfehlt, quasi als Gegenleistung die Einhaltung eines Minimumausfuhrpreises für alle Ausfuhrvorgänge einzufordern und eben nicht nur die Einhaltung eines Durchschnittspreises zu verlangen. Daß das Unterschreiten dieses Ausfuhrpreises kurzzeitig betriebswirtschaftlich geboten sein kann, ließe sich durch eine entsprechend flexible Handhabung seitens der Kommission berücksichtigen. Dazu bedarf es keiner allzu großzügigen und zu Umgehung und Bruch von Verpflichtungserklärungen einladenden Zugeständnisse. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß es für die Vorbeugung gegen ganz spezifische Umgehungspraktiken im Bereich von Verpflichtungserklärungen durchaus Ansatzpunkte gibt. Ob und wieweit die Gemeinschaft davon Gebrauch machen wird, werden aber prinzipiell nur die unmittelbar Beteiligten erfahren, da diese Verpflichtungserklärungen nicht veröffentlicht werden.
111. Versagung der "Einzelfallbehandlung" ("individual treatment")
Grundsätzlich ist vorgesehen, daß Antidumpingzölle für jeden "Lieferanten" (Drittstaatenhersteller /Exporteur) einzeln, d. h. u. a. mit Blick auf seine eigene Preisgestaltung 19 und Kostenstruktur festgesetzt werden.Z0 Das setzt allerdings voraus, daß die betreffenden Hersteller mit der Kommission kooperieren, da die Berechnung individueller Dumping- und Schadensmargen den Zugriff auf herstellerspezifisches Datenmaterial voraussetzt. 21 Von diesem Grundsatz der Einzelfallbehandlung werden aber, über den Fall nicht kooperierender Hersteller hinaus, vor allem zur Umgehungsvorbeugung in zwei Fällen Ausnahmen gemacht. 22 Eine Ausnahme betrifft Hersteller aus "LänI9 Das gilt sowohl für den Normalwert (Preis, der im normalen Handelsverkehr von unabhängigen Abnehmern gezahlt wird; Art. 2 Abs. 1 Grundverordnung) als auch für den Ausfuhrpreis (der tatsächlich gezahlte Preis der zur Ausfuhr aus dem Ausfuhrland in die Gemeinschaft verkauften Ware; Art. 2 Abs. 8 Grundverordnung). 20 Art. 9 Abs. 5 S. 2 Grundverordnung. 2! Die Kommission hat im Antidumpingbereich - anders als im Wettbewerbsrecht unter VO 17 I 62 (ABI. 1962, L 10 I 204) - keinerlei Zwangs- und Eingriffsbefugnisse und ist deshalb in Antidumpingverfahren auf Kooperation angewiesen. Ausgeglichen wird diese scheinbare Schwäche durch Art. 18 Grundverordnung bzw. Art 6.8 des Antidumpingübereinkommens die "best information available rule" ("BIA rule"). Dabei handelt es sich um die Befugnis, quasi "nach Aktenlage" zu entscheiden. Siehe dazu allgemein Müller I Khan/ Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384196, Art. 18, Rz. 18.1 ff.; Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 40 f. 22 Eine dritte Ausnahme betrifft die hier nicht näher interessierenden Fälle, in denen die Kommission nur stichprobenartige Untersuchungen vornimmt (Art. 9 Abs. 5 S. 2 iVrn. Art. 17 Grundverordnung; eng!.: "sarnpling").
A. Allgemein vorbeugende Maßnahmen
215
dem ohne Marktwirtschaft" (nachfolgend auch: Staatshandelsländer). 23 · 24 Die zweite Fallgruppe betrifft verbundene Unternehmen. Bei Einfuhren aus "Ländern ohne Marktwirtschaft" 25 wird der Normalwert generell auf der Grundlage derjenigen Preise ermittelt, zu denen eine gleichartige Ware eines Drittlandes mit Marktwirtschaft in diesem Land verkauft wird. 26 Grund für den Rückgriff auf ein Analog- oder Vergleichsland ist, daß Preise und Kosten in den Staatshandelsländern als wenig verläßlich erachtet werden. Zu einer Einzelfallbehandlung und damit zu individuellen Antidumpingmargen kann es in diesen Fällen nur noch kommen, wenn die lieferanten-spezifischen Ausfuhrpreise berücksichtigt werden. 27 Diese Form der Einzelfallbehandlung wird den Lieferanten I Herstellern aus Staatshandelsländern jedoch regelmäßig versagt. Die Gemeinschaft unterstellt in diesen Fällen generell, daß auch solche Hersteller, die nach außen hin autonom auftreten, vom Staat gelenkt und geleitet werden und daß letzterer seine Position regelmäßig dazu ausnützen würde, bei individueller Festsetzung von Antidumpingzöllen Ausfuhren nur noch durch das Unternehmen mit dem niedrigsten Zollsatz vornehmen zu lassen. Die höheren Zollsätze würden auf diesem Wege umgangen?8 Vor allem aus diesem Grund wird die Einzelfallbehandlung in diesen Fällen regelmäßig versagt. 29 Es wird deshalb nur ein landesweit geltender Antidumpingzollsatz festgesetzt ("one country-one Siehe dazu allgemein Art. 2 Abs. 7 Grundverordnung. Allgemein zu den im Antidumpingverfahren mit Staatshandelsländern verbundenen Problemen: Nettesheim, Ziele des Antidumping- und Antisubventionsrechts, S. 26 ff. und insbesondereS. 100 ff.; Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 199 ff.; Van Bael/ Bellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Laws of the EC Rz. 315 ff., 340, 614; Müller/Khan!Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384196, Art. 2 Rz. 2.277 ff.; Ehrenhaft/Hindley/Michalopoulos/Winters, Palieies on Imports from Economies in Transition, Two Case Studies, S. 43 ff. 25 Dazu zählt die Gemeinschaft nach der aktuellen Rechtslage Albanien, Armenien, Aserbaidschan, Belarus, Georgien, Kasachstan, Nordkorea, Kirgisien, Moldavien, Mongolei, Tadschikistan, Turkmenistan, Ukraine, Usbekistan und Vietnam. VO 905 I 98, ABI. 1998, L 128 I 18 (19). Die Aufzählung schließt aber nicht aus, daß auch andere Staaten als "Länder ohne Marktwirtschaft" behandelt werden, siehe Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384196, Art. 2 Rz. 2.282 mit Verweis auf einschlägige Rechtsprechung des EuGH. 26 Dazu und zu den übrigen von der Grundverordnung vorgesehenen Alternativen für die Normalwertbestimmung bei "Ländern ohne Marktwirtschaft": Art. 2 Abs. 7 Grundverordnung. 27 Vermulst/Driessen, New Sattle Lines in the Anti-Dumping War, JWT, Vol. 31, No. 3, June 1997, S. 135 (142 ff.) sprechen in diesem Zusammenhang treffend von "semi-individual treatment", da nur einer der zwei Dumping-Parameter einer individuellen Untersuchung unterzogen wird. 28 Im Englischen wird diese Form der Umgehung regelmäßig mit dem Begriff "channeling" umschrieben. Siehe oben, Teil 2, A. III. 2. 29 So auch Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 206 und Sanchez Rydelski, Individual Treatment in EC Anti-dumping Cases Concerning State-trading Countries, EuZW 1997, 138. 23
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4. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Antidumpingrechts
duty rule")?0 Dabei wird auf gewogene Mittelwerte abgestellt. Diese Praxis wurde vom Gericht Erster Instanz nicht beanstandet. Dabei geht das Gericht davon aus, daß die Einzelfallbehandlung bei drohender Umgehung im Sinne von Art. 9 Abs. 5 S. 2 Grundverordnung eben "nicht praktikabel" sei. 31 Einzelfallbehandlung wird bei Herstellern aus ,,Ländern ohne Marktwirtschaft" nur ausnahmsweise auf Antrag und auch nur bei Vorliegen bestimmter enger Voraussetzungen gewährt. 32 Erforderlich ist hierzu u. a., daß der Antragsteller dauerhafte tatsächliche und rechtliche Unabhängigkeit von seinem Heimatstaat (Sitzstaat) nachweisen kann. 33 • 34 Die Anforderungen an diesen Nachweis sind so hoch, daß es bei Einfuhren aus "Ländern ohne Marktwirtschaft" nur selten zu einer Einzelfallbehandlung kommt. 35 Erst sei kurzem bemüht sich die Gemeinschaft um ein neues, weniger restriktives Vorgehen. So wird über die generelle Einzelfallbehandlung für solche multinationalen Unternehmen nachgedacht, die Transaktionen aus Staatshandelsländern heraus vornehmen, die aber ihren Sitz außerhalb davon haben und damit der staatlichen Einflußsphäre entzogen sind. Auch für Joint Ventures und sonstige Unternehmen in diesen Staaten soll der Anforderungskatalog reduziert werden. 36 Dies hat auch schon in ersten Entscheidungen Niederschlag gefunden. 37 Deutlichstes Zeichen dafür, daß sich die Gemeinschaft dem Wandel der ökonomischen Rahmenbedingungen in einigen Staatshandelsländern nicht verschließt, ist die Streichung Chinas und Rußlands von der Liste der "Länder ohne Marktwirtschaft" und die damit verbundene Einführung eines neuen spezifischen Tests, auf dessen Art. 9 Abs. 5 S. 2 Grundverordnung. EuG, Rs. T-155/94 Climax Paper Converters Ltd., EuZW 1997, 151. 32 Müller I Khan/ Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384/96, Art. 2 Rz. 2.354 ff.; Stinchez Rydelski, Individual Treatment in EC Anti-Dumping Cases Concerning State Trading Countries, EuZW 1997, 138; Vermulst/Driessen, New Battle Lines in the Anti-Dumping War, JWT Vol. 31 No. 3 June 1997, S. 135 ff. (142 f.). 33 Aufgestellt wurde das derzeit geltende Grundprinzip in den Verfahren Fahrräder aus China (ABI. 1993, L 22811 (3), Erwägungsgrund (15) ff.) und Fotoalben aus China (ABI. 1993 L 228/16 (17), Erwägungsgrund (11) ff.). Als Rechtsgrundlage dafür ist ebenfalls Art. 9 Abs. 5 S. 2 Grundverordnung heranzuziehen, nachdem dieser die Versagung der Einzelfallbehandlung nur als den Regelfall ausweist. 34 Die Beweislast trifft den antragstellenden Hersteller I Exporteur. Das hat das EuG in Rs. T-170/94 Shanghai Bicycle Corp., Slg. ll-000 (Par. 109 ff.) bestätigt. 35 Siehe etwa für die Behandlung der China-Fälle: Vermulst/Graafsma, A Decade of European Community Anti-Dumping Law and Practice Applicable to Imports from China, JWT, Vol. 26, No. 3, June 1992, S. 5 ff.; Fu, EC Anti-Dumping Law and Individual Treatment Policy in Cases involving Imports from China, JWT, Vol. 31, No. 1, February 1997. 36 Vermulst/Driessen, New Battle Lines in the Anti-Dumping War- Recent Developments on the European Front, JWT, Vol. 31, No. 3, June 1997, S. 135 (142 ff.) unter Berufung auf ein Arbeitspapier der Kommission; Stinchez Rydelski, Individual Treatment in EC Antidumping Cases Concerning State-trading Countries, EuZW, 1997, 138 (141). 37 Ringbuchmechaniken aus Malaysia und China, ABI. 1997 L 22/1 (4) Erwägungsgrund (25) ff.; Handtaschen aus China, ABI. 1997 L 33/11 (15) Erwägungsgrund (36) ff. 30
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A. Allgemein vorbeugende Maßnahmen
217
Grundlage auf Antrag im Einzelfall darüber entschieden wird, ob chinesische und russische Hersteller in zukünftigen Antidumpingfällen Herstellern aus Marktwirtschaften gleichzustellen sind oder nicht. 38 Wo die Gleichstellung erfolgt, wird dann auch die Einzelfallbehandlung und der damit verbundene individuelle Zollsatz für kooperiende Unternehmen als Regelfall eingreifen, es sei denn, daß mehrere verbundene Unternehmen betroffen sind - die erwähnte zweite Ausnahme vom Grundsatz der Einzelfallbehandlung. Es gehört zur ständigen Praxis der Gemeinschaft, ebenfalls im wesentlichen auf Umgehungsbefürchtungen gestützt, auch verbundenen Unternehmen 39 aus Marktwirtschaften eine Einzelfallbehandlung im Sinne eines individuellen Zollsatzes zu versagen. Auch in diesen Fällen wird unterstellt, daß individuelle Zollsätze einen Anreiz für Umgehung in Form des "channeling" bieten würden. Um dies zu verhindern, wird statt individueller Zollsätze das gewogene Mittel der für die verbundenen Unternehmen individuell errechneten Sätze als maßgeblicher Satz festgesetzt.40 In beiden Fällen, dem Fall der Unternehmen aus Staatshandelsländern wie auch dem Fall der verbundenen Unternehmen, läßt sich mit der Versagung eines individuellen Zollsatzes für jeden beteiligten Unternehmer der relativ einfachen Form der Umgehung in Form des "channeling" auf wirksame Weise vorbeugen. Mit Blick auf die Behandlung der Unternehmer aus Staatshandelsländern wird teilweise vertreten, das Erfordernis des "unabhängigen Unternehmens" in seiner gegenwärtigen Ausprägung als Voraussetzung für die Einzelfallbehandlung sei "zu 38 VO 905/98 zur Änderung der VO 384/96, ABI. 1998 L 128/18: Dannach können Hersteller aus diesen beiden Ländern seit 1. Juli 1998 nach dem neuen Art. 2 Abs. 7 b) und c) Grundverordnung im Einzelfall den Beweis antreten, daß sie unter marktwirtschaftliehen Bedingungen tätig sind. Gelingt der Beweis, sind sie bei der Bestimmung der Dumpingmarge nach den allgemeinen Vorschriften zu behandeln. Sollten sich diese Vorschriften als praktikabel erweisen, wird damit die Versagung der Einzelfallbehandlung in der Fallgruppe "Hersteller aus Ländern ohne Marktwirtschaft" zumindest zahlenmäßig an Bedeutung verlieren. Siehe dazu auch Sdnchez Rydelski, The Community's New Anti-Dumping Practice towards China and Russia, EuZW 1998,586. 39 Dabei reicht schon eine "indirekte" Verbindung. Siehe dazu Flachpaletten aus Holz mit Ursprung in Polen (VO 1023/97, ABI. 1997 L 150/4 (7), Erwägungsgrund (27) (vorläufiger Antidumpingzoll) und VO 2334/97, ABI. 1997 L324/1 (3), Erwägungsgrund (18) (endgültiger Antidumpingzoll)); hier waren zwei Drittstaatenhersteller über denselben "geschäftlich verbundenen Einführer indirekt miteinander verbunden". 40 Siehe Säcke und Beutel aus Polyethylen oder Polypropylen aus Indien, Indonesien und Thailand, VO 25/97, ABI. 1997, Ll2/8 (11), Erwägungsgrund (27) (vorläufiger Antidumpingzoll) und VO 1950/97, ABI. 1997, L 276/1 (4), Erwägungsgrund (23) (endgültiger Antidumpingzoll); Flachpaletten aus Holz aus Polen, VO 1023/97, ABI. 1997 L 150/4 (7), Erwägungsgrund (27) (vorläufiger Antidumpingzoll) und VO 2334/97, ABI. 1997 L32411 (3), Erwägungsgrund 18 (endgültiger Antidumpingzoll); - zur Berechnung der Dumpingmarge in diesen Fällen siehe Müller/Khan/Neumann, EC Antidumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 2, Rz. 2.268, Fn. 265.
218
4. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Antidumpingrechts
restriktiv" und "diskriminierend". 41 Das mag von den Betroffenen so empfunden werden. Da die Vorgaben des Antidumpingübereinkommens42 der Gemeinschaft aber insoweit weiten Gestaltungsspielraum lassen, bestehen zumindest aus rechtlicher Sicht keine Bedenken gegen Art. 2 Abs. 7 Grundverordnung und die damit verbundene europäische Praxis. Für die vom Normalfall abweichende Behandlung gibt es ja im Falle bestehender Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Staat und Herstellern durchaus sachliche Gründe. Auch aus antidumpingpolitischer Sicht erscheint das Vorgehen erforderlich, da das Antidumpinginstrumentarium als solches keinen Sinn macht, wenn nicht zumindest die offensichtlichsten Formen der Umgehung unterbunden werden. Auch mit Blick auf die verbundenen Unternehmen bestehen keine Bedenken. Da verbundene Unternehmen nur dort angenommen werden, wo tatsächlich eine ökonomische Einheit gegeben ist, erscheint ein einheitlicher Zollsatz für die gesamte Einheit statt individueller Sätze für die einzelnen Teile der Einheit berechtigt.
IV. Produktspezifische Ursprungsregeln nach Art. 14 Abs. 3 Grundverordnung Im Zusammenhang mit den in der Grundverordnung vorzufindenden Ansatzpunkten für eine vorbeugende Umgehungsabwehr ist auch auf Art. 14 Abs. 3 Grundverordnung einzugehen. Dieser sieht Folgendes vor: "Besondere Bestimmungen, insbesondere über die gemeinsame Begriffsbestimmung für den Warenursprung, wie sie in der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates enthalten sind, können gemäß dieser Verordnung festgelegt werden."
Aus der Vorschrift ergibt sich nicht, in welchen Umfang solche besonderen Bestimmungen erlassen werden können. Es ist aber ersichtlich, daß Art. 14 Abs. 3 jedenfalls Rechtsgrundlage für die Schaffung produktspezifischer Ursprungsregeln sein soll, sofern ein Bezug zu Antidumpingmaßnahmen vorhanden ist. Mit Hilfe produktspezifischer Ursprungsregeln lassen sich für bestimmte Waren der Ursprung bzw. die ursprungsbegründenden Kriterien präziser bestimmen, als dies bei den allgemeinen, sehr abstrakt gehaltenen nicht-präferenziellen Ursprungsregeln43 der Fall ist. Es handelt es sich mithin um eine Konkretisierung der in Art. 22 ff. Zollkodex enthaltenen Grundsätze. Diese Konkretisierung soll v.a. 41 Siehe z. B. Vennulst/Driessen, New Battle Lines in the Anti-Dumping War, JWT, Vol. 31 , No. 3, June 1997, S. 135 (144). 42 Art. 2.7 Antidumpingübereinkommen iVm. der zweiten ergänzenden Bestimmung zu Art. VI Abs. 1 der Anlage 1 zum GATT 1994; siehe auch GAIT (Hrsg.), Analytical Index: Guide to GATT Law and Practice, S. 209. 43 Siehe unten, Teil 5, A. II.
A. Allgemein vorbeugende Maßnahmen
219
eine einheitliche Anwendung der Ursprungsregeln durch die fünfzehn nationalen Zollbehörden sicherstellen. Dabei können die Voraussetzungen für den Ursprungserwerb positiv gefaßt sein, d. h. es werden Vorgänge geschildert, die sich ursprungsbegründend auswirken. Möglich ist aber auch eine negative Formulierung, d. h. es wird bestimmt, welche Vorgänge jedenfalls nicht ausreichen, um einen anderen, neuen Ursprung zu begründen. Da in produktspezifischen Ursprungsregeln regelmäßig besondere Anforderungen an die Begründung eines neuen Ursprungs formuliert werden, können diese grundsätzlich auch dazu dienen, auf Ursprungsveränderungen angelegte Umgehungspraktiken zu verhindem oder zumindest zu erschweren. Das rechtfertigt es, Art. 14 Abs. 3 Grundverordnung im Zusammenhang mit den antidumpingrechtlichen Instrumenten zur Vorbeugung von Umgehungspraktiken zu erwähnen. Fraglich ist aber, ob ein derartiges Verständnis und eine entsprechende Handhabung des Art. 14 Abs. 3 Grundverordnung mit den Ursprungsregelübereinkommen der Uruguay Runde vereinbar ist. Nach diesem Übereinkommen sollen Ursprungsregeln nur zur Ursprungsbestimmung gebraucht werden, aber keinerlei anderen Zielen dienen. 44 U.U. greift die Gemeinschaft bewußt nicht auf Art. 14 Abs. 3 Grundverordnung zurück, um über den Verdacht erhaben zu sein, Handelspolitik und Ursprungsregeln miteinander zu vermischen. Wo spezifische Ursprungsregeln geschaffen wurden, geschah dies vor dem Hintergrund des Zollkodex bzw. der Vorgängerregelungen und unter der Regie der für Zollrecht zuständigen GD XXI. Jedenfalls äußerlich wird auf diese Weise eine klare Trennungslinie zwischen Handelspolitik einerseits und Konkretisierung der Ursprungsregeln andererseits gezogen. Nachdem produktspezifische Ursprungsregeln bislang nur auf der Grundlage allgemein zollrechtlicher Vorschriften, nicht aber auf der Grundlage von Art. 14 Abs. 3 VO 384/96 erlassen worden sind, kann Art. 14 Abs. 3 hier nur als theoretischer Ansatzpunkt für die Umgehungsabwehr ausgewiesen werden. 45 Eine Bewertung der existierenden produktspezifischen Ursprungsregeln soll deshalb dem Kapitel über die für die Umgehungsabwehr tauglichen allgemeinen zollrechtliehen Instrumentarien vorbehalten werden.46
Siehe Art. 2 und 3 Ursprungsregelübereinkommen. Der einzige praktische Anwendungsfall von Art. 14 Abs. 3 betraf die Ausgestaltung des Befreiungsverfahrens im Fahrräder Verfahren und weist mithin keinen Bezug zu produktspezifischen Ursprungsregeln auf. Siehe oben, Teil 3, B. IV. 3. und Teil 3, B. V. 2.; siehe auch Müller/Khan!Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary on Regulation 384/96, Art. 13 Rz. 14.82 ff. und Art. 13 Rz. 13.61 ff. 46 Siehe unten, Teil 5, A. 44 45
220
4. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Antidumpingrechts
B. Sonstige Ansatzpunkte im allgemeinen Antidumpingrecht I. Neue Antidumpinguntersuchung
Statt eines spezifischen Umgehungsverfahrens iSv. Art. 13 VO 384/86läßt sich regelmäßig auch an ein ganz neues Antidumpingverfahren bezüglich der Importware mit veränderter Tarifposition bzw. "neuem" Ursprung denken. Wenn z. B. nach Einleitung des zur Verhängung von Antidumpingzöllen führenden Verfahrens statt des fertigen Endprodukts nun nur noch Teile in die Gemeinschaft geliefert und erst dort montiert werden, so kommt ein neues Antidumpingverfahren mit Blick auf eben diese u.U. gedumpten Teile in Betracht.47 Gleiches ist grundsätzlich auch mit Blick auf leicht veränderte Waren oder auch bei Waren möglich, die nach teilweiser Produktionsverlagerung in einen Drittstaat aus eben diesem in die Gemeinschaft eingeführt werden. Mit dem Hinweis auf die Möglichkeit, solch ein neues Verfahren einleiten zu können, werden oft die Berechtigung und die Notwendigkeit einer spezifischen Umgehungsvorschrift und eines entsprechenden Verfahrens in Frage gestellt. 48 Eine neue komplette Antidumpinguntersuchung mit Blick auf Einzelteile, die leicht veränderte Ware oder die Ware "neuen Ursprungs" mag im Einzelfall zum Erfolg führen. Daraus lassen sich aber schwerlich allgemeingültige Ergebnisse ableiten. Eine neue Antidumpinguntersuchung bezüglich der Einfuhr von Einzelteilen kann z. B. schon dann keine Abhilfe leisten, wenn es in der Gemeinschaft an der Produktion einer "gleichartigen Ware"49 fehlt. Es kommt häufig vor, daß gewisse Einzelteile, die sich billiger in Niedriglohnländern produzieren Jassen, oder die ein bestimmtes High Tech K.now-how erfordern, nicht oder nicht mehr in der Gemeinschaft produziert werden. 50 Die Antidumpinguntersuchung mit Blick auf importierte Teile ist auch dann ungeeignet, wenn es zwar eine heimische Teileproduktion gibt, aber nur die Hersteller des Endprodukts Beeinträchtigungen in Form eines Schadens spüren.
47 Siehe z. B. Untersuchung betreffend Teile nicht-auffüllbarer Taschenfeuerzeuge, Abi. (1991) C 202/4 (Einleitung) und Abi. (1995) L 239/30 (Verfahrenseinstellung). 48 So die Position etlicher Delegationen in den Verhandlungen über ein neues Antidumpingübereinkommen während der Uruguay Runde; siehe dazu Stewart, The GATI Uruguay Round, Vol. I, S. 97; siehe auch Bha/a, Rethinking Antidumping Law, Geo.Wash.J.Int'l L.&Econ., Vol. 29, No. I, 1995 S. 1 (115). 49 Art. I Abs. 4 VO 384/96. so Grolig/Bogaert, The Newly-Amended EEC Anti-Dumping Regulation: Black Holes in the Common Market?, JWT, Vol. 21, No. 6, December 1987, S. 79 (83) verweisen beispielhaft auf Microntons für Mikrowellen und gewisse optische Linsensysteme für Photokopierer.
B. Sonstige Ansatzpunkte im allgerneinen Antidumpingrecht
221
Auch unter zwei weiteren Gesichtspunkten scheint ein neues Antidumpingverfahren einem Umgehungsverfahren unterlegen. Der umfassende Nachweis von Dumping und Schädigung in einem neuen Verfahren ist sehr zeitaufwendig und schon von daher wenig geeignet, den oft überaus flexiblen Wirtschaftsakteuren und ihren Umgehungsstrategien zu begegnen.51 Das Antidumpinginstrument mit seinen sich zum Teil über mehrere Jahre hinziehenden Untersuchungen würde weitgehend ad absurdum geführt, wenn jede "Veränderung" der Umstände des betreffenden Falles die Untersuchungsergebnisse des Ausgangsverfahrens obsolet machen würde. Der Zeitfaktor spielt auch insofern eine Rolle, als Antidumpingverfahren für alle Beteiligten äußerst belastend und überaus kostenintensiv sind. Ferner ist für solche Schäden der europäischen Industrie, die während des laufenden Verfahrens auftreten, kein Ausgleich vorgesehen. 5 2 Rückwirkung von Antidumpingmaßnahmen ist nur sehr eingeschränkt möglich53 und wurde in Praxis bislang auch kaum ernsthaft in Erwägung gezogen54, obwohl dies von europäischen Industrie immer häufiger beantragt wird. 55 Auch wäre damit für die Geschädigten kein Ausgleich im engeren Sinne verbunden. Abhilfe kann nur eine möglichst schnell eingeführte bzw. ausgeweitete Maßnahme schaffen. Bei komplexeren Produkten, die aus einer Vielzahl von Teilen bestehen, ist schließlich die Grenze des Machbaren schnell erreicht. Der Verweis auf die Durchführung neuer Verfahren bezüglich der jeweiligen Einzelteile würde in diesen Fällen die Effektivität des Antidumpinginstrumentariums schlichtweg ausschalten. 56 Ähnlich Stanbrook/Bentley, Dumping and Subsidies, 3. Aufl., S. 78. In den USA haben einige Industriezweige einen derartigen Ausgleich in die Diskussion eingebracht. Danach sollte ein Teil der Zolleinnahmen der heimischen Industrie zugutekommen ("to be earrnarked for investrnent or worker-related benefits"). Diese Anregeung hat aber bislang auch in den USA keinen Eingang in die Antidumpinggesetzgebung gefunden. - Siehe ausführlicher und rnwN. Holmer/Horlick/Stewart, Enacted and Rejected Amendments to the Antidumping Law: In Irnplementation or Contravention of the Antidumping Agreement?, The International Lawyer, Vol. 29, No. 2, 1995, 483 (509 ff.). 53 Art. 10 VO 384/96. 54 Für eine Ausnahme siehe z. B. Ferrosiliciummangan aus Rußland, der Urkraine, Brasilien und Südafrika, ABI. 1996, L 18/1 (2), Erwägungsgrund (9). Hier wurde die Rückwirkung als "angemessen" angesehen, nachdem ein Hersteller vorläufigen Maßnahmen zunächst nur durch Abgabe eines Verpflichtungsangebots entgangen war, dieses dann aber selbst zuriickgezogen hatte. 55 Vermulst/Graafsma, A Decade of European Cornrnunity Anti-Dumping Law and Practice Applicable to Imports from China, JWT, Vol. 26, No. 3, June 1992, S. 5 (32) und Annex 59 mit entsprechenden Verweisen auf das ABI. 56 Japan hat ein ähnlich gelagertes Argument der Gemeinschaft im Parts Panelverfahren wie folgt abgelehnt (siehe Parts Panel, BISD 37S, S. 132 (159), Rn. 3.62): Würde die Gemeinschaft wie vorgegeben nur gegen die klaren Fälle von "screwdriver assernbly operations" vorgehen wollen, seien jeweils nur wenige Teile (sub-assemblies) zu untersuchen. Ferner könne sich die Gemeinschaft dabei auf die Transaktionen beschränken, bei denen mit 51
52
222
4. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Antidumpingrechts
Ein Kopiergerät besteht z. B. aus annähernd tausend Einzelteilen. In einem solchen Fall tausend Verfahren einzuleiten und durchzuführen, ist kein gangbarer Weg. Auch Zölle auf "major components" dürfte kaum erfolgversprechender sein. Da diese "major components" dann wieder in Einzelteilen oder als Bestandteile größerer Funktionseinheiten eingeführt werden könnten, wären auch diese Zölle wiederum leicht zu umgehen. 57 Schließlich würde ein Verfahren gegen Einzelteile zu Maßnahmen gegen sämtliche diesbezüglichen Einfuhren eines gewissen Ursprungs führen und so nicht nur diejenigen Einfuhren erfassen, die den Tatbestand der Umgehung erfüllen. Damit würde über das eigentliche Ziel "hinausgeschossen".5 8 Schließlich ist zu bedenken, daß Dumping mit Blick auf die fertige Ware nicht unbedingt seinen Grund im Dumping der Teile haben muß. 59
II. Extensive Auslegung der Grundverordnung
Denkbar ist auch, der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen mit einer extensiven Auslegung bestimmter Konzepte in der Grundverordnung zu begegnen. In Frage kommen in diesem Zusammenhang insbesondere der Begriff des "like product" sowie die erweiterte Nutzung des Instruments der Interimsprüfung.
1. Weite Auslegung des Konzepts der "gleichartigen Ware " ("like product")
Der international am häufigsten zu beobachtende Ansatz, Umgehungspraktiken zu begegnen, besteht in einer weiten Auslegung des Konzepts der "gleichartigen Ware" (eng!.: "like product"). Dabei handelt es sich um eines der Schlüsselkonzepte des internationalen wie des europäischen Antidumpingrechts. Über den Begriff der "gleichartigen Ware" wird schon lange heftig gestritten. Das liegt im wesentlichen daran, daß er an verschiedenen Schlüsselstellen im Antidumping belegte Drittstaatenproduzenten und -exporteure an verbundene Unternehmen (eng!.: "related parties") liefern. - Letzteres ist vor dem Hintergrund zu sehen, daß Art. 13 Abs. 10 VO 2324 I 88 nur die Montage oder Herstellung durch einen mit dem Hersteller oder Exporteur verbundenen Beteiligten als Umgehung erfaßt hat. 57 Beispiel der Gemeinschaft im Parts Panelverfahren, Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. (167), Rz. 3.86. 58 Siehe Argumentation der Gemeinschaft im Parts Panelverfahren, Parts Panel, BISD 37S, S. 132 ff. ( 167), Rn. 3.87; Grolig I Bogaert, The Newly-Amended EEC Anti-Dumping Regulation: Black Holes in the Common Market?, JWT Vol. 21 No. 6 December 1987, S. 79 (83). 59 Siehe Argumentation der Gemeinschaft im Parts Panelverfahren, Parts Panel, BISD, S. 132 ff. (167), Rz. 3.87.
B. Sonstige Ansatzpunkte im allgemeinen Antidumpingrecht
223
GATT-Vertrag gebraucht wird, ohne allerdings näher definiert zu werden. Hinzu kommt, daß es sich nach allgemeinem Verständnis nicht um einen einheitlichen Begriff handelt, sondern daß dieser je nach Zusammenhang ganz unterschiedliche Aspekte erfaßt. 60 Im Rahmen eines Antidumpingverfahrens taucht die Frage nach der "gleichartigen Ware" an mehreren Stellen auf. 61 Sogar ein und derselbe Beteiligte wird innerhalb eines solchen Verfahrens je nach Sachzusammenhang mit Blick auf seine diversen Interessenlagen verschiedene Auslegungsvarianten favorisieren. 62 Der vorliegend interessierende Teilaspekt des Begriffs "gleichartige Ware" besteht allein in der Frage, ob nach Verhängung einer Antidumpingmaßnahme gewisse Importware mit der im Antidumpingverfahren untersuchten und von den fraglichen Maßnahmen erfaßten Ware gleichartig ist. Ist das der Fall, wird die 60 Siehe dazu die Ausführungen im Appellale Body Report Japan - Taxes on Alcoholic Beverages, WT I DS8 I AB IR, WT I DS 10 I AB IR, WT I DS 11 I AB IR, 4. October 1996, S. 21: "The concept of "likeness" isarelative one that evokes the image of an accordion. The accordion of "1ikeness" stretches an squeezes in different places as different provisions of the WTO Agreement are applied. The width of the term "like" is encountered as weil as by the context and the circumstances that prevail in any given case to which that provision may apply." 61 (1) Die "gleichartige Ware" muß mit Blick auf die Antragsbefugnis der heimischen Industrie im Importland definiert werden. Nur wenn der Antrag in ausreichendem Maße von den Gemeinschaftsherstellern der "gleichartigen Ware" gestellt wird, kann eine Untersuchung eingeleitet werden (Art. 5 Abs. 4 Grundverordnung). - (2) Im Zusammenhang mit der Feststellung der Schädigung kommt es u. a. auf die Auswirkungen der gedumpten Einfuhren auf die Preise "gleichartiger Waren" auf dem Gemeinschaftsmarkt und die Auswirkungen auf den entsprechenden Wirtschaftszweig der Gemeinschaft an (Art. 3 Abs. 2, 3 und 5 Grundverordnung). - (3) Es muß ferner für den Normalwert bestimmt werden, welche Verkäufe im Exportland oder in einem Drittland "gleichartig" sind und einen Preisvergleich zu lassen. (4) Schließlich, und das ist mit Blick auf die Umgehungsproblematik von Bedeutung, muß mit Hilfe des Begriffs nach Inkrafttreten einer Antidumpingmaßnahme bestimmt werden, ob eine bestimmte Importware von der Maßnahme erfaßt wird. Auch dafür wird auf den Begriff der "gleichartigen Ware" zurückgegriffen. -Letzteres wird von Komuro, U.S. Anti-Circumvention Measures and GATT Rules, JWT, Vol. 28, No. 3, June 1994, S. 5 (10 ff.) heftig kritisiert. Das sei schon mit dem Wortlaut von Art. VI Abs. 2 GATT nicht vereinbar. Antidumpingzölle könnten nur dem "dumped product" auferlegt werden, nicht etwa auch ",ike products". 62 So wird der Antragsteller für die Frage nach der Antragsbefugnis und die Frage nach einer Schädigung durch die Einfuhren grundsätzlich für eine enge Auslegung des Begriffs gleichartige Ware votieren, da die Voraussetzugen für die Antragsbefugnis und Schädigung dann eher vorliegen werden. Wenn es um den Anwendungsbereich einer vorläufigen oder endgültigen Maßnahme geht, wird er sich hingegen für ein weites Verständnis von "gleichartiger Ware" aussprechen, um so seinen Schutz zu optimieren und Umgehungen weitmöglichst vorzubeugen. - Der Antragsgegner wird bei der Frage nach Verkäufen im Ausfuhr- oder einem Drittland regelmäßig ein weites Verständnis zugrundelegen wollen, um an seinen eigenen Verkäufen auf dem Inlandsmarkt gemessen zu werden (Art. 2 Abs. 2 Grundverordnung) und damit den für ihn regelmäßig nachteiligeren konstruierten Normalwerten (Art. 2 Abs. 3 Grundverordnung) zu entgehen. Im übrigen wird er die dem Antragsteller gegenläufigen Positionen vertreten.
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4. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Antidumpingrechts
Maßnahme auf diese Waren angewendet, d. h. die Ware wird regelmäßig bei Eintritt in das Zollgebiet der Gemeinschaft mit dem vorgesehenen Antidumpingzoll belegt. Wie groß der Kreis von Waren ist, die von den verhängten Antidumpingmaßnahmen erlaßt werden, hängt im wesentlichen davon ab, wie weit man den Begriff "gleichartige Ware" faßt. Wenn "Gleichartigkeit" im Sinne "physikalischer" Gleichartigkeit bzw. Ähnlichkeit verstanden wird, ist der Anwendungsbereich naturgemäß weit kleiner, als wenn man etwa auf eine "funktionale" Gleichartigkeit bzw. Ähnlichkeit abstellt. Bei letzterer Auslegungsvariante ist es durchaus möglich, einer Reihe von nicht auf dem Ursprungskriterium basierenden Umgehungspraktiken zu begegnen. So lassen sich u.U. Nachfolgemodelle und leicht veränderte Waren durchaus noch von der Antidumpingmaßnahme des Ausgangsverfahrens erfassen, ohne daß es dazu eines neuen konstitutiven Verfahrens bedürfte. Für den Bereich des internationalen Antidumpingrechts faßt Art. 2.6 des Antidumpingübereinkommens den Begriff der gleichartigen Ware wie folgt: "Throughout this Agreement the term "like product" ("produit similaire") shall be interpreted to mean a product which is identical, i.e. alike in all respects to the product under consideration, or in the absence of such a product, another product which, although not alike in all respects, has characteristics closely resembling those of the product under consideration." 63
Die praktische Anwendung dieses Konzepts divergiert bei den verschiedenen Anwendern von Antidumpingmaßnahmen erheblich. Dabei sind mit vielen Schattierungen im wesentlichen die zwei schon oben angedeuteten Auslegungs- und Anwendungsvarianten zu unterscheiden. Die Gemeinschaft hat sich im wesentlichen der engen Auslegungs- und Anwendungsvariante verschrieben und hat dieses Vorgehen in der Vergangenheit auch mit Blick auf die international erheblichen Widerstände gegen eine Ausweitung dieses Konzepts begründet.64 Dies findet in der aktuellen Grundverordnung der Gemeinschaft in Art. I Abs. 4 Niederschlag, der die Vorgabe aus Art. 2.6 des Antidumpingübereinkommens wie folgt übernimmt: "Im Sinne dieser Verordnung gilt als "gleichartige Ware" eine Ware, die mit der betreffenden Ware identisch ist, d. h., ihr in jeder Hinsicht gleicht, oder, wenn es eine solche Ware nicht gibt, eine andere Ware, die zwar der betreffenden Ware nicht in jeder Hinsicht gleicht, aber Merkmale aufweist, die denen der betreffenden Ware sehr ähnlich sind. "65
Gestützt auf diese Regelung kommt es im europäischen Antidumpingrecht für die Frage nach der Gleichartigkeit auch bei der Bestimmung des Anwendungsbe63 Dies war auch schon Wortlaut der entsprechenden Vorschriften in den Antidumpingübereinkommen der Kennedy- und der Tokio-Runde 1967 bzw. 1979. 64 Parts Panel, BISD 37S, S. 132 (167), Rn. 3.88. 65 Siehe dazu allgemein Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384/96, Art. 1, Rz. 1.23 ff.
B. Sonstige Ansatzpunkte im allgerneinen Antidumpingrecht
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reichs einer Antidumpingmaßnahme auf die physikalische, technische und I oder chemische Gleichartigkeit bzw. Ähnlichkeit an. 66 Kumulativ wird aber darüber hinaus danach gefragt, ob die verglichenen Waren im wesentlichen der gleichen Nutzung zugänglich sind. 67 Nur ergänzend stellt die Gemeinschaft darauf ab, ob die zu vergleichenden Waren miteinander in direktem Wettbewerb stehen und austauschbar sind.68• 69 Aus diesem verhältnismäßig engen Verständnis von "Gleichartigkeit", das von der Kommission wie auch von den meisten Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft getragen wird, ergibt sich, daß das Konzept der "gleichartigen Ware" zumindest bislang nicht zu den erklärten Instrumenten der gemeinschaftsrechtlichen Umgehungsabwehr gehört?0 Das hat die Gemeinschaft aber trotzdem nicht daran gehindert, im Einzelfall gestützt auf Betrachtungen zum Begriff "gleichartige Ware" und ohne erneute Untersuchung von Dumping und Schädigung auch noch nachträglich neu entwickelte oder leicht veränderte Waren in den Anwendungsbereich bestehender Antidumpingmaßnahmen einzubeziehen. 71 Der Weg einer extensiven Auslegung wird hingegen z. B. von US-amerikanischer und kanadischer Seite beschritten. Neben der physikalischen, technischen, chemischen Gleichartigkeit sehen diese beiden Antidumpingadministrationen schon lange auch die funktionale Gleichartigkeit sowie das Bestehen direkter Wettbewerbsverhältnissezwischen den zu vergleichenden Waren als ausreichend an. 72 Damit kann im Wege einfacher, sogenannter "scope rulings"73 eine ungleich größere Warenpalette in den Anwendungsbereich einer bestehenden Antidumpingmaßnahme einbezogen werden, als das nach europäischem Verständnis der Fall ist. Das hat zur Folge, daß nach US-amerikanischem und kanadischem Verständnis die 66 Siehe dazu mit vielen Verweisen Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Cornrnentary on Regulation 384/96, Art. 1, Rz. 1.43. 67 Müller/ Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Corrunentary on Regulation 384 I 96, Art. 1, Rz. 1. 44, 1.49 f. 68 Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Cornrnentary on Regulation 384/96, Art. 1, Rz. 1.45. 69 Vermulst/Waer, E.C.Anti-Durnping Law and Practice, S. 282 ff. wollen darin allerdings eine schon seit Mitte der achtziger Jahre zu verzeichnende Entwicklung weg vorn Kriterium der "physikalischen" Gleichartigkeit hin zur "funktionalen" und auf Wettbewerbsverhältnissen beruhenden Gleichartigkeit erkennen. - Ähnlich auch Bellis, The EEC Antidumping System in Jackson/Vermulst (Hrsg.), Antidumping Law and Practice, S. 41 ff. (85 f.). 70 Vor diesem Hintergrund überrascht auch nicht, daß die Gerneinschaft als erste in der Geschichte des internationalen Antidumpingrechts mit einem spezifisch auf Umgehungsabwehr gerichteten Instrumentarium aufgewartet hat und bis heute zu den treibenden Kräften um eine WTO-rechtliche Absicherung eines solchen Instrumentariums zählt. 71 Fernsehkarnerasysterne, ABI. 1995, L 255/11 (13), Erwägungsgrund (17) ff.; Leichtes Natriurnkarbonat, ABI. 1986, L 169/1. n Siehe z. B. Bierwagen, GATT Art. VI and the protectionist bias in Anti-dumping Laws, S. 14 und 33 ff.- Für die arnerikanische Vorgehensweise siehe auch Beschreibung und Kritik bei Komuro, U.S. Anti-Circurnvention Measures and GATT Rules, JWT, Vol. 28, No. 3, June 1994, s. 5 (8 ff.). 73 Zu scope rulings siehe oben, Teil 3, C. IV.
15 Bimstiel
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4. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Antidumpingrechts
ursprüngliche Maßnahme auch noch dort angewendet wird, wo man in Europa nur noch über ein gänzlich neues Verfahren oder im Rahmen eines spezifischen Umgehungsverfahrens über die Ausweitung der bestehenden Maßnahmen nachdenkt. Der Vorteil des weiten Verständnisses von "gleichartiger Ware" ist, daß schneller und effizienter auf Produktions- und Vertriebsgepflogenheiten und damit auf die wirtschaftliche Realität im Zeitalter der Globalisierung reagiert werden kann. 74 Von Bedeutung ist insbesondere, daß "scope"-Verfahren relativ unspektakulär und wenig transparent ablaufen. Sie erregen verhältnismäßig wenig Aufsehen und bieten erfahrungsgemäß relativ wenig Angriffsfläche. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß der Begriff der "gleichartigen Ware" bislang kein ernstzunehmender Ansatzpunkt für die gemeinschaftsrechtliche Umgehungsabwehr darstellt. Erfahrungen anderer Antidumpingadministrationen legen aber nahe, daß es sich dabei um einen grundsätzlich erfolgversprechenden Weg handelt. Problematisch ist dieser Weg insofern, als er die Grenzen einer Alltidumpingmaßnahme u.U. bis zur Unkenntlichkeit verschwimmen läßt und eine Erstreckung auf solche Waren ermöglicht wird, für die die Ergebnisse der Allsgangsuntersuchung keine oder nur noch marginale Aussagekraft haben. 75 Ohne eindeutige multilaterale Vorgaben droht eine unkontrolliert weite Auslegung des Konzepts der "gleichartigen Ware" zum Einfallstor für protektionistischen Mißbrauch zu werden. Wünschenswert wäre eine Änderung des Antidumpingübereinkommens, die den Realitäten des heutigen internationalen Handelsverkehrs Rechnung trägt, ohne dabei aber den Begriff der "gleichartigen Ware" und damit Allwendungsbereich von Antidumpingmaßnahmen völlig ausufern zu lassen. 76 Letzteres würde nämlich enorme Einwirkungen auf internationale Handels- und Investitionsströme zulassen, die sich mit dem eigentlich vorgegebenen Ziel von Antidumpingmaßnahmen - der Abwehr von "unfairem" Handelsgebaren - nicht mehr rechtfertigen lassen würden.
74 Befürwortereiner zumindest nicht allzu engen Auslegung: Berg, An Economic Interpretation of "Like Product", JWT, Vol. 30, No. 2, 1996, S. 195 ff.; Baker, Like Products and Commercial Reality in Jackson / Vermulst (Hrsg.), Antidumping Law and Practice, S. 287 ff.; Schoch, Unbestimmte Rechtsbegriffe im Rahmen des GATT, S. 117 ff.; Senti, GATT, S. 232. 75 Vgl. auch die von Bierwagen geäußerten Bedenken, Bierwagen, GATT Art. VI and the protectionist bias in Anti-dumping Law, S. 33 ff. 76 Siehe dazu Baker, Like Products and Commercial Reality in Jackson/Vermulst (Hrsg.), Antidumping Law and Practice, S. 287 ff. (291) prognostiziert pragmatische Lösungen für die Zukunft: " One need not to be an ardent protectionist to advocate a commercially realistic interpretation of the "like product" rule. One need only to believe that antidumping laws should work. Since that is the view of almost all the offleials who administer such laws sooner or later the Code and commercial reality will have to reach an accommodation."; siehe auch Bronkers/McNelis, Rethinking the "Like Product" Definition in WTO Antidumping Law, JWT, Vol. 33, No. 3, June 1999, S. 73 (74 ff.), die einen "market-based approach" favorisieren. "Like products" müssen danach in jedem Fall "directly competitive or substitutable" sein.
B. Sonstige Ansatzpunkte im allgemeinen Antidumpingrecht
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2. Interimsüberprüfung
Kommissionsintern wurde77 und wird darüber nachgedacht, inwieweit man das Instrument der Interimsüberprüfung nach Art. 11 Abs. 3 Grundverordnung für die Umgehungsabwehr nutzbar machen kann. Mit Hilfe des Instruments der Interimsüberprüfung wird im allgemeinen überprüft, ob die im Gemeinschaftsrecht grundsätzlich auf fünf Jahre angelegten Antidumpingmaßnahmen schon vor Ablauf dieses Zeitraums aufgrund einer veränderten Tatsachengrundlage aufgehoben oder abgeändert werden können bzw. müssen.78 Dieses Verfahren kann von der Kommission von Amts wegen oder auf Antrag eines Exporteurs, Importeurs, der betroffenen Gemeinschaftsindustrie oder auch eines Mitgliedsstaates eingeleitet werden. Ausgangspunkt für eine Interimsüberprüfung ist das Vorliegen "veränderter Umstände".79 Art. 11 Abs. 3 UAbs. 2 Grundverordnung spezifiziert das insofern, als ein verfahrenseinleitender Antrag ausreichende Beweise dafür enthalten muß, "... , daß die Aufrechterhaltung der Maßnahme zum Ausgleich des Dumping nicht mehr notwendig ist und I oder daß die Schädigung im Fall der Aufhebung oder Änderung der Maßnahme wahrscheinlich nicht anhalten oder erneut auftreten würde oder daß die Maßnahme nicht oder nicht mehr ausreicht, um das schädigende Dumping unwirksam zu machen."
Je nachdem, ob die Untersuchung das Bestehen einer tatsächlichen und nachhaltigen Veränderung ergibt, hat die Gemeinschaft die Möglichkeit, die ursprüngliche Maßnahme aufzuheben, abzuändern (abzumildern oder auch zu verschärfen) oder auch unverändert fortbestehen zu lassen. 80 Bei den für eine Interimsüberprüfung relevanten Umständen handelt es sich regelmäßig um ein Entfallen, ein Mehr oder aber auch ein Weniger an Dumping und I oder Schädigung bei den von den Antidumpingmaßnahmen konkret erfaßten Einfuhrvorgängen. Vom Wortlaut her könnten auch Umgehungspraktiken erfaßt sein ("[ .. . ], daß die Maßnahme nicht oder nicht mehr ausreicht, um das schädigende Dumping unwirksam zu machen."). Letztere werden aber - von der Grundidee her - nicht erfaßt. Das bestätigt auch ein Blick auf die Vorgabe des Antidumpingübereinkommens. 81 77 Insbesondere zwischen 1990 (Parts-Panel) und 1994 (Schaffung des neuen Art. 13 Grundverordnung). 78 Siehe allgemein Müller/Khan!Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384/96, Art. 11 Rz. 11.45 ff.; Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 124 ff.; Van Bael/Bellis, Anti-Dumping and other Trade Protection Laws of the EC, 3. Aufl., Rz. 736. 79 So schlicht war noch der Wortlaut der alten Grundverordnung (Art. 14 Abs. I S. 3 VO 2423/88). 80 Müller/ Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384/96, Art. ll , Rz. 11.47.
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4. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Antidumpingrechts
Dennoch wird in Kommissionskreisen darüber nachgedacht, Interimsüberprüfungen zur Umgehungsabwehr zu gebrauchen. Das tritt auch durchaus gelegentlich zu Tage. In einem Verfahren hat die Konunission mit Blick auf die vom europäischen Antragsteller geäußerten Umgehungsbefürchtungen den Kreis der zu untersuchenden Waren über den Anwendungsbereich der Ausgangsmaßnahme hinaus erweitert. 82 In einer anderen, von Amts wegen eingeleiteten Interimsüberprüfung verweist die Kommission zur Begründung der Verfahrenseinleitung auf die "internationalen Interdependenzen auf dem Markt für die betroffene Ware und [die] Verflechtung der auf diesem Gebiet tätigen Unternehmen." 83 Die angestrebte Gesamtbetrachtungsweise ("global approach") wirkt dabei, als wolle man hier angesichts der schon bestehenden Vemetzungen möglichen Umgehungen vorbeugen. 84 Nach Auffassung der Kommission kann eine Interimsüberprüfung auch auf die Klärung des Anwendungsbereichs einer Antidumpingmaßnahme beschränkt sein.85 Insbe81 Deutlicher als in Art. 11 Abs. 3 Grundverordnung wird dies in der Vorgabe des Antidumpingübereinkommens, Art. 11.2: "The authorities shall review the need for the continued imposition of the duty, where warranted, on their own initiative or, provided that a reasonable period of time has elapsed since the imposition of the defininitive anti-dumping duty, upon request by any interested party which submits positive information substantiating the need for a review. Interested parties shall have the right to request the authorities to examine whether the continued imposition of the duty is necessary to offset dumping, whether the injury would be likely to contiune or recur if the duty were removed or varied or both. lf as a result of the review under this paragraph, the authorities determine that the anti-dumping duty is no Ionger warranted, it shall be terminated immediately." - Anders als die Vorschrift der Grundverordnung sieht das Antidumpingübereinkommen mithin vom Wortlaut her nur Lockerung oder Aufhebung bestehender Maßnahmen vor, spricht aber mit keinem Wort eine Verschärfung oder gar Ausweitung bestehender Antidumpingmaßnahmen an. Das bestätigt und unterstreicht, daß Interimsüberprüfungen die Notwendigkeit der Fortdauer bestehender Maßnahmen hinterfragen, grundsätzlich aber nicht dafür gedacht sind, Antidumpingmaßnahmen zum Zwecke der Umgehungsabwehr auszuweiten. 82 Siehe die Bekanntmachung der Einleitung einer Interimsüberprüfung betreffend Kugellager, ABI. 1988, C 159 I 2. Die Antragsteller hatten eine Ausweitung der Maßnahmen auf zunächst nicht untersuchte Waren gefordert und das mit Umgehunsbefürchtungen begründet. (siehe ABI. 1990, L 25611 (8) Erwägungsgrund (52 f.)). - Die Tatsache, daß Umgehungsargumente der europäischen Antragssteiler der Kommission ausgereicht haben, um die Untersuchung auch auf zunächst nicht untersuchte Waren zu erstrecken, zeigt, daß für die Kommission der Einsatz von Überprüfungsverfahren zur Umgehungsabwehr durchaus in Betracht kommt. 83 Große Aluminium-Elektrolytkondensatoren (Bekanntmachung über die Einleitung einer Überprüfung), ABI. 1998, C 107 I 4. 84 Siehe auch Bekanntmachung der Einleitung einer Überprüfung von Antidumpingmaßnahmen auf elektronische Waagen (anläßlich des Auslaufens der fraglichen Maßnahmen; Art. 11 Abs. 2 UAbs. 2 Grundverordnung), ABI. 1998, C 1281 l. Hiererwähnt die Kommission unter "Gründe für die Überprüfung" die vom Antragsteller geltend gemachte drohende Rückverlagerung der Produktion nach Japan, für den Fall, daß die Maßnahmen für Japan auslaufen. Auch hier erscheint vorbeugende Umgehungsabwehr durchaus leitendes Motiv zu sein. 85 Fernsehkamerasysteme aus Japan, ABI. 1995, L 255111 ; siehe auch Müller/Khan/ Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 3841 96, Art. 11, Rz. 11.49.
C. Zusammenfassung
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sondere dieser letzte Punkt könnte bei Weiterentwicklung aus der Interimsüberprüfung tatsächlich ein Instrument zur Umgehungsabwehr werden lassen. Bezweifeln kann man allerdings die spezifische Eignung der Interimsüberprüfung für die Umgehungsabwehr. Zwar ist sie nach der Grundverordnung grundsätzlich auf zwölf Monate angelegt und damit etwas kürzer als ein ganz neu eingeleitetes Verfahren.86 Inhaltlich wird sie sich von letzterem allerdings regelmäßig kaum unterscheiden. Mit Bezug auf einen neuen Untersuchungszeitraum ist praktisch eine komplette neue Untersuchung des Dumping- und des Schädigungstatbestandes erforderlich. 87
C. Zusammenfassung Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß das allgemeine Antidumpingrecht durchaus Ansatzpunkte für die Umgehungsabwehr aufweist. Diese versprechen aber zum Teil nur sehr eingeschränkt Aussicht auf Erfolg und sind größtenteils auch nur für einige wenige Umgehungsformen von Relevanz. Gerade die extensive Auslegung einiger Konzepte aus der Grundverordnung dürfte der bevorzugte Weg der europäischen Antidumpingadministration werden, wenn Art. 13 VO 384/96 als spezifische Umgehungsabwehrvorschrift entfallen würde. Dies dürfte kaum zu Transparenz und Rechtssicherheit in diesem Bereich führen und ist deshalb alles andere als wünschenswert. Das wird von den Art. 13-Gegnem regelmäßig übersehen oder zumindest verschwiegen.
86 Art. 11 Abs. 5 S. 2 Grundverordnung; der Wortlaut ist insofern allerdings völlig unverbindlich gehalten. 87 So z. B. auch das Verständnis von Vennulst/Waer, E.C. Antidumping Law and Practice, S. 124.- In diesem Sinne könnte man auch den EuGH verstehen in Rs. C- 245/95 P, Komrnission/NTN Corporation u. Koyo Seiko Co. Ltd, EuZW 1998, 506 (dort ging es allerdings um eine "expiry"-Uberpriifung, nicht um eine Interimsüberpriifung).- A.A. Müller/Khan/ Neumann, EC Anti-Dumping Law - A Commentary on Regulation 384/96, Art. 11, Rz. 11.49, die eine Beschränkung der Interimsüberprüfung auf den Dumpingtatbestand, den Schädigungstatbestand, das Gemeinschaftinteresse wie auch auf den Anwendungsbereich einer bestehenden Antidumpingmaßnahme jeweils für zulässig erachten.
TeilS
Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Zollrechts Im Bereich des allgemeinen Zollrechts gibt es im Prinzip zwei Ansatzpunkte für die Umgehungsabwehr. Für Drittlandsumgehung hat man in der Vergangenheit nicht-präferenzielle Ursprungsregeln nutzbar gemacht. Im übrigen lassen sich mit Hilfe der Zollklassifizierungs-Regel 2a des Harmonisierten Systems (das vereinheitlichte Zolltarifschema; nachfolgend: HS) einige Umgehungskonstellationen erfassen.
A. Ursprungsregeln I. Einführung
Bei Ursprungsregeln 1 handelt es sich um Bestimmungen, mittels derer im internationalen Handelsverkehr die Herkunft (quasi die "Nationalität") einer Ware bestimmt wird. Das ist immer dann erforderlich, wenn abweichend von der Meistbegünstigungsklausel des GATT2 an die Herkunft - sprich den "Ursprung" - einer Ware bestimmte Rechtsfolgen geknüpft werden. So gibt es z. B. zahllose Zollpräferenzsysteme im internationalen Handels verkehr, die einem Hersteller I Exporteur nur dann zugute kommen, wenn die Ware den im fraglichen Präferenzsystem erforderlichen Ursprung aufweist. 3 Auch selektiv wirkende handelspolitische Schutzinstrumente, wie insbesondere Antidumpingmaßnahmen, sind regelmäßig in ihrem Anwendungsbereich auf Waren eines ganz bestimmten Ursprungs beschränkt. Die konkrete Anwendung dieser auf den Ursprung einer Ware abstellenden Bestimmungen setzt dementsprechend voraus, daß der Ursprung jeweils vorab geklärt wird. Eben dies erfolgt mit Hilfe von Ursprungsregeln.
I Siehe allgemein Vennulst/Waer/Bourgeois (Hrsg.), Rules of Origin in International Trade; Exler, Ursprungsregeln im internationalen Wirtschaftsrecht 2 Art. I GATT. 3 Siehe z. B. das Allgemeine Präferenzsystem der EG, die Lome Konvention, der EWRVertrag und die Europa-Abkommen.
A. Ursprungsregeln
231
Im Bereich der Ursprungsregeln unterscheidet man zwischen präferenziellen4 und den hier relevanten, weil im Zusammenhang mit Antidumpingrecht anzuwendenden, nicht-präferenziellen Ursprungsregeln. Diese nicht-präferenzielle Ursprungsregeln können bei vermeintlicher Drittlandsumgehung auf zwei verschiedenen Wegen zur Anwendung kommen, nämlich sowohl im Rahmen einer in die Verantwortung der GD XXI fallenden Ursprungsuntersuchung, als auch im Zusammenhang mit einem von der GD I betriebenen neuen Antidumpingverfahren. 5 Gehen im Zusammenhang mit dem Erlaß einer Antidumpingmaßnahme gegen bestimmte Einfuhren aus dem Land A eben diese Einfuhrvorgänge erheblich zurück, während gleichzeitig die Einfuhren der gleiche Ware aus dem Land B erheblich zunehmen, können sowohl EG-Mitgliedsstaaten als auch die Gemeinschaft den bei der Einfuhr deklarierten6 Ursprung (Land B) in Frage stellen und eine diesbezügliche Ursprungsuntersuchung einleiten. 7 Stellt sich heraus, daß die Einfuhren aus dem Land B dort auch tatsächlich ihren Ursprung haben, fallen diese aus dem Anwendungsbereich der Antidumpingmaßnahme auf Einfuhren aus Land A heraus. Ergibt sich hingegen, daß die jetzt aus dem Land B eingeführten Waren tatsächlich ihren Ursprung im Land A haben, wird die Antidumpingmaßnahme auf Einfuhren aus dem Land A auch auf Einfuhren aus dem Land B angewendet und zwar rückwirkend.
4 Diese sind regelmäßig in den einzelnen Präferenzregelungen enthalten. Siehe dazu Art. 27 Zollkodex. s Auf dem Ministertreffen der GATT-Mitgliedsstaaten in Marrakesch (April 1994) wurde dies ausdrücklich als GATT-konform bestätigt. - Befürworter: Jackson, Vorwort zu Vermulst/Waer/Bourgeois (Hrsg.), Rules of Origin in International Trade; Palmeter, Rules of Origin in the United States in Vermulst/Waer/ Bourgeois (Hrsg.), Rules of Origin in International Trade, S. 27 ff.; a.A.: Vermulst/Waer, Anti-Diversion Rules in Antidumping Procedures: Interface or Short-Circuit for the Management of Interdependence?, MJIL, Vol. 11, Summer 1990, S. 1119 (1165). 6 Der Ursprung einer Ware wird bei der Einfuhr in die Gemeinschaft vom Einführenden deklariert. Der Importeur hat sich dabei an den Ursprungsregeln der Gemeinschaft zu orientieren. Eine Überprüfung dieser Angaben durch den Zoll erfolgt im Regelfall nicht. Der einzelne Zöllner wäre regelmäßig auch gar nicht in der Lage, die gemachten Angaben zu überprüfen. Ursprungsuntersuchungen werden nur in denjenigen Fällen eingeleitet, in denen ernsthafter Anlaß zum Zweifel an der Richtigkeit der gemachten Angaben besteht. Auch sogenannte Ursprungszeugnisse werden nur in besonderen Fällen gefordert, meist bei ganz spezifischen Produkten und praktisch nur im Zusammenhang mit präferenziellen Ursprungsregeln (siehe Art. 26 Zollkodex, Artt. 47-65 DVO; siehe dazu auch Dorsch, Zollrecht 81/26 und Witte I Prieß, Zollkodex, 2. Aufl., Art. 26, Rz. l ff.). 7 Z. B. bezüglich Photokopierem aus den USA und Hong Kong, elektronischer Schreibmaschinen aus Taiwan und Autoradios aus Indonesien. Ursprungsprobleme traten ferner u. a. mit Blick auf Farbfernseher und CD-Spieler aus Hong Kong, Malaysia, Singapur, Thailand, China und der Türkei auf. Siehe auch McNamara/Vermulst, Special Trade Law Issues in the EC for Assembly Products; JWT, Vol. 28, No. 4, August 1994, S. 83 ff.
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5. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Zollrechts
Die Gemeinschaft kann aber auch abwarten, bis seitens des betroffenen europäischen Industriezweiges ein Antrag auf Einleitung eines neuen Verfahrens gegen die vermeintlich gedumpten Einfuhren aus dem Land B gestellt wird. 8 In dem Verfahren wird die Gemeinschaft (GD I) auf der Grundlage der nicht-präferenziellen EG-Ursprungsregeln vorab ermitteln, ob die Waren tatsächlich aus dem Land B stammen. Sollte sich dabei ergeben, daß die Einfuhren aus dem Land B ihren Ursprung tatsächlich im Land A haben, wird das Antidumpingverfahren eingestellt. In diesem Fall wird wiederum die Antidumpingmaßnahme gegen Einfuhren aus dem Land A auch auf die Einfuhren aus dem Land B angewendet. 9 Gegner von spezifisch auf die Umgehungsabwehr zugeschnittenen Instrumentarien verweisen mit Blick auf diese Abläufe regelmäßig darauf, daß man der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen in ausreichendem Maße mit Hilfe nicht-präferenzieller Ursprungsregeln begegnen könne. 10 Dieser Aussage kann schon insofern nicht gefolgt werden, als sie unzulässig verallgemeinert. Nicht-präferenzielle Ursprungsregeln erlauben nur, bestimmten Fällen der Drittlandsumgehung zu begegnen. Auf andere Formen der Umgehung, wie z. B. auf Fälle der Montage in der Gemeinschaft und auf Fälle leicht veränderter Ware läßt sich mit Ursprungsregeln regelmäßig nicht reagieren. In diesen Fällen stellt sich die Ursprungsfrage ja grundsätzlich nicht. 11 • 12 Dariiber hinaus soll nachfolgend aufgezeigt werden, daß der Einsatz nicht-präferenzieller Ursprungsregeln zur Umgehungsabwehr- insbesondere auch seitens der Gemeinschaft -nur bedingt wünschenswert ist und daß deren Tauglichkeit und Zulässigkeit mit Blick auf internationale Entwicklungen im Bereich der Ursprungsregeln auch in Zukunft immer fraglicher werden dürften. Zwar bemüht man sich für den Bereich der Ursprungsregeln seit langem um internationale Vorgaben und eine Vereinheitlichung. Einen bedeutenden Schritt in diese Richtung hat man in der Uruguay Runde mit dem Übereinkommen über s Diese Variante sollte im Prinzip an Bedeutung verlieren, wenn potentielle Antragsteller das Umgehungsverfahren nach Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung entdecken. Die Anforderungen an den verfahrenseinleitenden Antrag im Umgehungsverfahren sollten grundsätzlich leichter zu erfüllen sein, als bei der Einleitung eines neuen Antidumpingverfahrens. 9 Beispiele dafür sind die Verfahren zu Kugellagern aus Thailand (ABl. 1985, L 59/30) und Elektronischen Schreibmaschinen aus Taiwan (ABL 1986, L 140 /52). 10 Siehe z. B. Pa/meter; Rules of Origin in the United States in Vermulst/Waer/Bourgeois (Hrsg.), Rules of Origin in International Trade, S. 27 ff.; Hongkong im Parts-Panelverfahren, siehe Parts Panel, BISD 37S, S. 132 (179), Rz. 4.16. - So auch die Position der Bundesrepublik in den gemeinschaftsinternen Gesetzgebungsverfahren vor 1987 und 1994. Sie hat sich mit dieser Haltung aber nicht durchsetzen können - so ein Verantwortlicher aus dem Bundeswirtschaftsministerium - trägt nun aber den spezifisch auf Umgehungsabwehr zugeschnittenen Art. 13 Grundverordnung. 11 Zum Teil a.A. Vermulst, Rules of Origin as Commercial Policy Instruments- Revisited, JWT, Vol. 26, No. 6 Dec. 1992 S. 61 (78), allerdings ohne nähere Begründung. 12 Siehe oben Teil 2.
A. Ursprungsregeln
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nicht-präferenzielle Ursprungsregeln auch schon gemacht. Da das darin vorgesehene Harmonisierungsprogramm aber bislang nicht zum Abschluß gekommen ist, sind im Bereich der nicht-präferenziellen Ursprungsregeln nach wie vor vor allem nationale - und im Bereich der Gemeinschaft gemeinschaftsrechtliche - Regelungen maßgeblich. Für die Frage, inwieweit sich Umgehungsabwehr mit Hilfe von Ursprungsregeln betreiben läßt, sollen deshalb zunächst die gemeinschaftsrechtlichen nicht-präferenziellen Ursprungsregeln gewürdigt werden. In einem zweiten Schritt sind dann die aktuellen und zukünftigen Entwicklungen im Bereich der Harmonisierung nicht-präferenzieller Ursprungsregeln und deren Wirkungen auf die Umgehungsabwehr zu untersuchen.
II. Nicht-präferenzielle EG-Ursprungsregeln Die materiellen, nicht-präferenziellen EG-Ursprungsregeln 13 sind seit dem 1. 1. 1994 in den Artt. 23 ff. Zollkodex niedergelegt. 14 Das korrespondierende Verfahrensrecht findet sich in den Artt. 247 ff. Zollkodex und in der Durchführungsverordnung zum Zollkodex (nachfolgend: DV0). 15• 16 Die zentrale Vorschrift im Bereich der nicht-präferenziellen EG-Ursprungsregeln ist Art. 24 Zollkodex. Bei dieser Vorschrift geht es in erster Linie um die neutrale Bestimmung des Ursprungs einer Ware, an deren Herstellung mindestens zwei Länder beteiligt sind. Da Umgehung in Form der Drittlandsumgehung immer Sachverhalte umfaßt, in denen mindestens zwei Länder an der Herstellung einer Ware beteiligt sind, sind bei der Bewältigung dieser Fälle regelmäßig Ursprungsüberlegungen anzustellen. In diesem Zusammenhang läßt sich Art. 24 Zollkodex über die neutrale Ursprungsbestimmung hinaus auch für die Umgehungsabwehr instrumentalisieren und bedarf deshalb hier einer genaueren Betrachtung.
13 Siehe allgemein: Vennulst, European Cornrnunity Rules of Origin as Cornrnercial Policy Instruments, JWT, Vol. 24, No. 3, Juni 1990, S. 55 ff.; Vennulst, Rules of Origin as Cornrnercial Policy Instrument - Revisited, JWT, Vol. 26, No. 6, Dezember 1992, S. 61 ff.; Waer, European Cornrnunity Rules of Origin in Vennulst /Waer I Bourgeois (Hrsg. ), Rules of Origin in International Trade, S. 85 ff.; Kaufmann, Die internationale und europäische Gestaltung der Ursprungsregeln; Exler, Die Ursprungsregeln im internationalen Wirtschaftsrecht; Schmidt, Die Ursprungsregeln im Außenwirtschaftsrecht der EG; Witte-Prieß, Zollkodex, 2. Aufl., Vor Art. 22 mwN. und Artt. 22 ff.; Dorsch, Zollrecht, BI/22 ff. insb. B 1124; Schwarz/Wockenfoth, Zollrecht, 3. Aufl., Art. 22 ff. 14 VO 2913192, ABI. 1992, L 3021 l. 15 VO 2454193, ABI. 1993, L 25311, zuletzt geändert durch VO 12197, ABI. 1997 L 9 I l. 16 Vor 1994 waren die nicht-präferenziellen Ursprungsregeln und das entsprechende Verfahrensrecht in VO 802168 zusammengefaSt (ABI. 1968, L 148 I 1).
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5. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Zollrechts
Art. 24 Zollkodex lautet wie folgt: "Eine Ware, an deren Herstellung zwei oder mehrere Länder beteiligt waren, ist Ursprungsware des Landes, in dem sie der letzten wesentlichen und wirtschaftlich gerechtfertigten Be- oder Verarbeitung unterzogen worden ist, die in einem dazu eingerichteten Unternehmen vorgenommen worden ist und zur Herstellung eines neuen Erzeugnisses geführt hat oder eine bedeutende Herstellungsstufe darstellt." (Hervorhebung durch den Verfasser)17
Die in Art. 24 Zollkodex genannten vier Voraussetzungen 18 laden prima facie zu einem einfachen Subsumtionsvorgang ein. Mit Ausnahme der Voraussetzung "in einem dazu eingerichteten Unternehmen" erweist sich ihre Anwendung in der Praxis aber u. a. aufgrunddes hohen Abstraktionsgrades als äußerst schwierig. Auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs und die Schaffung von produktspezifischen Ursprungsregeln durch die Kommission und den Zollkodex-AusschuB sorgen nur bedingt für Abhilfe. Der EuGH hat zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift von Art. 24 Zollkodex (Art. 5 VO 802/68) in fünf Verfahren 19 (Überseehandee0 , Yoshida2 1, Cousin22 , Zentrag23 und Brother24) Stellung genommen und sich dabei im wesentlichen zur ersten und vierten Voraussetzung der Vorschrift geäußert. Daraus ergibt sich, daß der Gerichtshof eine technische Betrachtungsweise favorisiert. Danach sollen die "technische" Komplexität eines Produktionsvorgangs und die dadurch bewirkte "technische" Änderung des Ausgangsstoffes für die Ursprungsbegründung maßgeblich sein.25 Auf die Schaffung von Mehrwert stellt der Gerichtshof nur hilfsweise ab.Z6 17 Art. 25 Zollkodex sieht in Ergänzung dazu nur noch eine bislang praktisch bedeutungslose Umgehungsvorschrift vor: "Eine Be- oder Verarbeitung, bei der festgestellt worden ist oder bei der die festgestellten Tatsachen die Vermutung rechtfertigen, daß sie nur die Umgehung von Bestimmungen bezwecken, die in der Gemeinschaft für Waren bestimmter Länder gelten, kann den so erzeugten Waren keinesfalls im Sinne des Artikel 24 die Eigenschaft von Ursprungswaren des Be- oder Verarbeitungslandes verleihen." 18 Kommentierung z. B. bei Dorsch, Zollrecht, BI/24 und Witte/Prieß, Zollkodex, 2. Auf!., Art. 24, Rz. I ff. 19 Siehe z. B. Besprechungen bei Waer, European Community Rules of Origin in Vermulst/Waerl Bourgeois (Hrsg.), Rules of Origin in International Trade, S. 85 ff. (108 ff.); Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 404 ff.; Kaufmann, Ursprungsregeln, Die internationale und europäische Gestaltung der Ursprungsregeln, S. 226 ff. 2o EuGH, Rs. 49176 Überseehandel, Slg. 1977, S. 41. 21 EuGH, Rs. 34178 Yoshida I, Slg. 1979, S. 115 und Rs. 114178 Slg. 1979, S. 151. 22 EuGH, Rs. 162/82 Cousin, Slg. 1983, S. 1101. 23 EuGH, Rs. 93/83 Zentrag, Slg. 1984, S. 1095. 24 EuGH, Rs. 26/88 Brother, Slg. 1989, S. 4253. 25 Siehe EuGH, Rs. 49176 Überseehandel, Slg. 1977, S. 41; EuGH, Rs. 34178 Yoshida I, Slg. 1979, S. 115 und Rs. 114178 Slg. 1979, S. 151; EuGH, Rs. 26/88 Brother, Slg. 1989, 4253.
A. Ursprungsregeln
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Wie die Kommission und der Zollkodexausschuß Art. 24 Zollkodex verstehen, ergibt sich aus den sogenannten "produktspezifischen" Ursprungsregeln, die die Zollkodexbestimmung konkretisieren. Die meisten der bislang existierenden produktspezifischen Ursprungsregeln wurden im Zusammenhang mit Antidumpingverlabren erlassen. 27· 28 Sie sind in Artt. 35-40 DVO und den Anhängen 9-11 der DVO zu finden und enthalten für zahlreiche Waren konkretere und damit der Generalklausel vorgehende Ursprungskriterien. Auch im Zusammenhang mit den produktspezifischen Ursprungsregeln wird hauptsächlich auf technische Aspekte abgestellt. 29 Eine Konkretisierung kann dabei sowohl positiv als auch negativ erfolgen30, d. h. es kann festgelegt werden, welche Produktionsvorgänge oder Veränderungen erforderlich sind, um einen neuen Ursprung zu begründen bzw. welche Vorgänge jedenfalls nicht ausreichen, um einen solchen zu begründen. Anders als der Gerichtshof stellt die Kommission in einigen Fällen - so z. B. bei Fernsehern allein auf das Kriterium des Mehrwerts (bisweilen auch als Wertschöpfungskriterium bezeichnet) ab (engl.: "value-added test"). 31 • 32 In diesen Fällen geht die Kommission nur dann von der Begründung eines neuen Ursprungs im Land der Endmontage aus, wenn diese Montage und die aus dem fraglichen Land stammenden Bestandteile einen hinreichenden Zuwachs an wirtschaftlichem Wert bedingen (konkret: mindestens 45%).33 Gerechtfertigt werden diese produktspezifischen Ursprungsregeln allgemein mit dem Hinweis darauf, es ginge darum, die Auslegungs- und Anwendungsschwierigkeiten der Generalklausel zu verringern und eine gleichmäßige Anwendung der Ursprungsregeln im Interesse der Rechtssicherheit zu gewährleisten. 34 Darüber 26 In der Rs. Brother will der EuGH für die Frage nach der Ursprungsbegründung nur dann auf den Wertzuwachs durch einen bestimmten Produktionsvorgang abstellen, wenn die technische Betrachtung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt (EuGH, Rs. 26 I 88 Brother, Slg. 1989,4253 (4280), Rz. 20). 27 Allerdings wurde dabei - wie angesprochen - bisher nicht auf Art. 14 Abs. 3 Grundverordnung zurückgegriffen, sondern von allgemein zollrechtliehen Befugnissen Gebrauch gemacht. 28 Das Verfahren zum Erlaß produktspezifischer Ursprungsregeln ist in Artt. 247 ff. Zollkodex niedergelegt. Siehe auch Vennulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, s. 390 f. 29 Siehe vergleichende Übersicht bei Vennulst!Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 392. 30 Die negative Gestaltung von Ursprungsregeln ist mit Blick auf Art. 2 lit. f Ursprungsregelabkommen allerdings nur noch sehr eingeschränkt zulässig. 31 Für Fernseher, Radiogeräte, Kassettenrecorder. 32 Für eine allgemeine Kritik des Wertschöpfungskriteriums siehe z. B. Kaufmann, Ursprungsregeln, die internationale und europäsiche Gestaltung der Ursprungsregeln, S. 280. 33 Siehe Anhang 11 zur DVO, Regelung zu KN-Code ex 8528 (abgedruckt z. B. auch bei Dorsch, Zollrecht, BI/24 Anhang III S. 4). 34 Vgl. Witte /Prieß, Zollkodex, 2. Auf!., Art. 24 Rz. 22; Vermulst/Waer, E.C. AntiDumping Law and Practice, S. 395.
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5. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Zollrechts
hinaus geben die produktspezifischen Ursprungsregeln aber auch einen durchaus wirksamen Ansatzpunkt für die Umgehungsabwehr ab. Das Formulieren konkreterer Ursprungskriterien läßt sich dazu nutzen, die Anforderungen an die Begründung eines neuen Ursprungs hochzuschrauben oder einfach nur der jeweiligen Interessenlage anzupassen. Diesbezügliche Klagen einiger Handelspartner der Gemeinschaft waren in der Vergangenheit nicht zu überhören. 35 • 36 Die Konkretisierung der Generalklausel darf zwar nicht zu deren Aushöhlung führen. 37 Da es aber im Ermessen der Kommission steht, die jeweiligen Material-, Produktions- oder Wertgrenzen zu definieren, verfügt sie durchaus über Spielräume, die zum Zwecke der Umgehungsabwehr nutzbar gemacht werden können. 38 Damit sind die Gestaltungsmöglichkeiten der Gemeinschaft im Zusammenhang mit Art. 24 Zollkodex aber noch nicht erschöpft. Gerade in Fällen, in denen auf das Kriterium des Mehrwerts ("value-added test") abgestellt wird, bietet die Mehrwertberechnung noch eine ganze Fülle von Ansatzpunkten für eine "Einzelfallbehandlung" und damit - wo erforderlich - auch für die Umgehungsabwehr. Da verbindliche Vorgaben fehlen, kann die Kommission zwischen verschiedenen Berechnungsmethoden39 wählen40 und bei Themen wie Transferpreisen41 und Währungs35 Im Fall Normalpapierkopierer aus Japan (ABI. 1987, L 54/ 12) wird der Gemeinschaft z. B. unterstellt, ihre negativ fomulierte spezifische Ursprungsregel seitrotz der allgemeinen Formulierungen im wesentlichen auf die Produktion eines der japanischen Hersteller in den USA zugeschnitten. Im Anschluß an den Erlaß von Antidumpingmaßnahmen hatte die Kommission mit Blick auf die US-Produktion des fraglichen Herstellers eine Ursprungsregeluntersuchung eingeleitet und war zu dem Ergebnis gekommen, die US-Produktion sei japanischen Ursprungs. In der daraufhin erlassenen produktspezifischen Ursprungsregel beschrieb die Kommission die von dem japanischen Hersteller in den USA vorgenommem Produktionsschritte und legte fest, daß diese nicht ursprungsbegründend seien. Für weitere Beispiele siehe Vermulst/Waer, E.C. Antidumping Law and Practice, S. 395. 36 Siehe dazu Vermulst, European Community Rules of Origin as Commercial Policy Instruments, JWT Vol. 24, No. 3, June 1990, S. 55 ff. ; Vermulst, Rules of Origin as Commercial Policy Instruments - Revisited, JWT, Vol. 26, No. 6 December 1992, S. 61 ff. (86 ff.). 37 EuGH, Rs. l14/78 Yoshida, Slg. 1979, 115; Witte/ Prieß, Zollkodex, 2. Aufl., Art. 24, Rz. 23. 38 Die Grenzen dieses Ermessens werden deutlich in EuGH, Rs. 114/78 Yoshida, Slg. 1979, S. l15 und Rs. 162/82 Cousin, Slg. 1983, S. llOl. In beiden Entscheidungen sah der EuGH die Grenzen dieses Ermessens überschritten und hat die produktspezifischen Ursprungsregeln für unwirksam erklärt. 39 Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 396 ff. 40 Bei Erlaß neuer Vorschriften besteht nach der für die Übergangszeit bis zur internationalen Harmonisierung der Ursprungsregeln vorgesehenen Disziplin gemäß Art. 2 a) (ii) Ursprungsregelabkommen die Pflicht, "in cases where the ad valorem percentage criterion is applied, the method for calculating this percentage shall also be indicated in the mies of origin". -Das Festhalten an bestehenden Regelungen ist damit möglich. Neue produktspezifische Ursprungsregeln, die auf dem Mehrwertkriterium beruhen, aber keine verbindliche Berechnungsmethode vorgeben, sollten damit aber ausgeschlossen sein. 41 Mit Transferpreisen sind hier Preise gemeint, die sich miteinander verbundene Unternehmen gegenseitig in Rechnung stellen. Die Kommission wird bei ihren Mehrwertberech-
A. Ursprungsregeln
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umrechnungen42 erforderliche Weichenstellungen vornehmen. Das ist insbesondere deshalb von Bedeutung, weil das Mehrwertkriterium nicht mehr nur für Fernseher, Radiogeräte und Kassettenrecorder angewendet wird, sondern inzwischen von der Kommission auch bei sonstigen Artikeln der Konsumgüterelektronik entsprechend eingesetzt wird. Eine Instrumentalisierung der Ursprungsregeln in der vorstehend beschriebenen Art erscheint zwar mit Blick auf das Ursprungsregelübereinkommen aus der Uruguay Runde bedenklich. 43 Da sich aber gerade bei der Anwendung von Ursprungsregeln im Antidumpingbereich im Einzelfall die Grenze zwischen neutraler Ursprungsbestimmung und unzulässiger handelspolitischer Instrumentalisierung schwer wird ziehen lassen, bleibt es bei einem handelspolitischen Spielraum, den die Gemeinschaft je nach Bedarf nutzen kann. Ob und in welchem Umfang sich die Gemeinschaft in diesem Grenzbereich betätigen wird, wird ganz wesentlich von den ihr zur Verfügung stehenden Alternativen abhängen. Eine davon besteht sicher in der Anwendung von Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung. 44 Für Zwecke der Umgehungsabwehr können sich die generalklauselartige Ausgestaltung von Art. 24 Zollkodex und die entsprechenden Gestaltungsspielräume also durchaus als vorteilhaft erweisen. Daß die Kommission mit den einschlägigen Ergebnissen in der Vergangenheit nicht zufrieden war, liegt weniger an den Möglichkeiten, die Art. 24 Zollkodex bietet, als vielmehr an den für seine Anwendung verantwortlichen Verwaltungsstrukturen. Die Kompetenzen in diesem Bereich sind aufgeteilt auf die GD XXI, den mit nationalen Vertretern beschickten ZollkodexausschuB und die fünfzehn nationalen Zollverwaltungen der Mitgliedsstaaten. Indiz dafür, daß die Zusammenarbeit in diesem Dreieck verbesserungsbedürftig ist, sind diverse aktuelle Initiativen der Gemeinschaft. 45 Hinzu kommt auch noch, daß die Abwehr der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen eine Zusammenarbeit nungen darauf achten, ob die Einkaufspreise für Materialien, Einzelteile etc. den üblichen Marktpreisen entsprechen. Es kommt oft vor, daß dies nicht der Fall ist, da es u.U. zur Gesamtstrategie eines Konzerns gehört, in gewissen Ländern Verluste und in anderen Gewinne zu machen. Wo der Transferpreis vom üblichen Marktpreis abweicht, wird die Kommisison die für notwendig erachteten Korrekturen vornehmen. Siehe McNamara/Vennulst, Special Trade Law lssues in the EC for Assembly Products, JWT, Vol. 28, No. 4, August 1994, S. 83 ff. (94), Vennulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 400. 42 McNamara/Vennulst, Special Trade Law Issues in the EC for Assembly Products, JWT, Vol. 28, No. 4, August 1994, S. 83 ff. (94); Vennulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 401. 43 Art. 2 b) Ursprungsregelabkommen: "[Until the work programme for the harmonization of rules of origin ... is completed, Members shall ensure that:] notwithstanding the measure or instrument of commercial policy to which they are linked, their rules of origin are not used as instruments to pursue trade objectives directely or indirectly"; siehe unten, TeilS, A.III. 44 Siehe oben, Teil3, B.l.l. 45 Siehe das Aktionsprogramm der Gemeinschaft für das gemeinschaftliche Zollwesen "Zoll 2000" (ABI. 1997, L 33/24); siehe zum jüngsten Änderungsvorschlag ABI. 1999, C 247 E/28. Zu weiteren Initiativen siehe Witte, Zollkodex, 2. Aufl., Einführung Rz. 22.
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5. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Zollrechts
zwischen der für Antidumping zuständigen GD I und der für Zoll- und damit Ursprungsangelegenheit zuständigen GD XXI erfordert. Auch hier hat es in der Vergangenheit immer wieder Reibungsverluste gegeben. Aus der Sicht betroffener Drittstaaten-Wirtschaftsakteure bietet die generalklauselartige Ausgestaltung von Art. 24 Zollkodex hingegen nur den großen Nachteil der weitgehenden Unbestimmtheit und mangelnden Vorhersehbarkeit. Für sie ist es überaus schwierig, für ihre Produktionsplanung im voraus abzuschätzen, was erforderlich ist, um einen bestimmten Ursprung zu erlangen und damit z. B. aus dem Anwendungsbereich einer Antidumpingmaßnahme herauszufallen. Das kann mithin zu nicht unbedeutenden Behinderungen der Investitionstätigkeit46 sowohl vormaliger Dumper als auch unbeteiligter Dritter führen. Mit der Einführung der "verbindlichen Ursprungsauskunft" soll diesen Problemen zwar begegnet werden. Mit dem Ursprungsregelübereinkommen der Uruguay Runde hat sich die Gemeinschaft verpflichtet, ein System verbindlicher Ursprungsauskünfte in Kraft zu setzen.47 Dieser Verpflichtung ist sie durch Einfügung entsprechender Vorschriften in die DVO nachgekommen. 48 Titel II Kapitel 2 der DVO sieht jetzt in Art. 6 die einschlägigen Verfahrensvorschriften hierfür vor. Auf diese Weise können interessierte Hersteller zur Planung von Investitionen und von konkreten Produktionsvorhaben in einem förmlichen Verfahren vorab eine verbindliche Ursprungsauskunft von den nationalen Zollverwaltungen der Mitgliedsstaaten erhalten.49 Das Verfahren entspricht weitgehend dem Verfahren zur Erlangung einer verbindlichen Zolltarifauskunft Die verbindliche Ursprungsauskunft wird die genannten Probleme in gewissem Umfang entschärfen können. Die Anforderungen, die an den Antrag auf eine verbindliche Ursprungsauskunft gestellt werden, machen jedoch deutlich, daß das Verfahren für einen Antragsteller regelmäßig äußerst zeit- und kostenaufwendig sein wird. 50 Da ein Antrag ferner auf eine Art von Waren und ursprungsverleihenden Umständen beschränkt werden muß51 , dürften sich die von Art. 24 aufgeworfenen Probleme damit nur sehr bedingt bewältigen lassen. Außerdem werden die Möglichkeiten der Umgehungsabwehr mittels nicht-präferenzieller Ursprungsregeln dadurch kaum geschmälert.
46 Siehe dazu Kingston, The Economics of Rules of Origin, in Vermulst/ Waer/ Bourgeois (Hrsg.), Rules of Origin in International Trade, S. 7 ff. (15). 47 Art. 2 h) Ursprungsregelübereinkommen. 48 VO 12 I 97 zur Änderung der VO 2454 I 93 (DVO), ABI. 1997, L 9 I 1. 49 Eine unverbindliche Ursprungsregelauskunft war schon seit einigen Jahren, allerdings ohne gesetzliche Grundlage und daher nur auf informellem Wege, zunächst vom UrsprungsregelausschuB (Art. 12 VO 802168) und später dann vom Zollkodex-AusschuB (Art. 247 Zollkodex) zu bekommen. Siehe Waer, E.C. Rules of Origin in Vermulst/ Waer/Bourgeois (Hrsg.), Rules of Origin in International Trade S. 85 ff. (89 ff.). so Art. 6 Abs. 3 B. a) - k) ZKDVO.
A. Ursprungsregeln
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111. Internationaler Rahmen
Die Tauglichkeit nicht-präferenzieller EG-Ursprungsregeln zur Umgehungsabwehr kann nicht abschließend gewürdigt werden, ohne auch die jüngsten Entwicklungen im Bereich der Ursprungsregeln auf internationaler Ebene zu berücksichtigen. Zu diesen Entwicklungen gehört die Schaffung eines Übereinkommens über nicht-präferenzielle Ursprungsregeln in der Uruguay Runde. 52• 53 Seit den achtziger Jahren trat verstärkt das Gefühl auf, Ursprungsregeln würden zu einem Problem des internationalen Handelsverkehrs. Nach weit verbreiteter Auffassung werden Ursprungsregeln nicht mehr nur neutral zur Ursprungsbestimmung, sondern mit protektionistischer Zielsetzung aktiv als eigenständiges Mittel der Handelspolitik eingesetzt.5 4 Zwar gab es im Bereich der Ursprungsregeln mit der aus den siebzigerJahrenstammenden Kyoto Konvention schon ein Instrument, das für eine gewisse ursprungsrechtliche Disziplin sorgen sollte.55 Deren relativ geringer Verbreitungsgrad56 und die zwar rechtlich verbindlichen, aber sehr allgemein und damit wenig zwingend gehaltenen Vorgaben führten jedoch dazu, daß das Thema Ursprungsregeln und deren Harrnonisierung auf die Agenda der Uruguay Runde gesetzt wurden. Mit Abschluß der Uruguay Runde wurden für den Bereich nicht-präferenzieller Ursprungsregeln 57 erstmals weitreichende, internationale Regeln geschaffen, denen alle WTO-Mitgliedsstaaten verpflichtet sind. Ziel der getroffenen VereinbarunArt. 6 Abs. 2 ZKDVO. Agreement on Rules of Origin in World Trade Organization (Hrsg.), The Results of the Uruguay Round of Multilateral Trade Negotiations - The Legal Texts; deutsche Übersetzung: ABI. 1994, L 336/144. 53 Siehe ausführlich: Kaufmann, Ursprungsregeln: Die internationale und europäische Gestaltung der Ursprungsregeln, S. 180 ff.; Exler; Die Ursprungsregeln im internationalen Wirtschaftsrecht, S. 107 ff. 54 Palmeter; Ru1es of Origin or Rules of Restriction? A Commentary on a New Form of Protectionism, Fordham International Law Journal, Vol. II, 1987, 1 ff.; Vermulst/Waer; European Rules of Orgin as Commercial Policy Instrument, JWT, Vol. 24, No. 3, June 1990, S. 55 ff.; Vermulst/Waer/Bourgeois (Hrsg.), Rules ofOrigin in International Trade; Nowicki, Ru1es of Origin and Local Content Requirements: Protectionism after the Uruguay Round, The International Trade Journal, Vol. XI, No. 3, Fa111997, S. 349 (357 ff.). 55 Customs Co-operation Council (Hrsg.), Introducing The Kyoto Convention- Simplification and Harmonization of Customs Procedures - Background, Benefits and Procedure for Accession (1990); World Customs Organization (Hrsg.), International Convention on the Simplification and Harmonization of Customs Procedures (1990); siehe auch Kaufmann, Ursprungsregeln: Die internationale und europäische Gestaltung der Ursprungsregeln, S. 175 ff. ; Exler; Die Ursprungsregeln im internationalen Wirtschaftsrecht, S. 103 ff. 56 Es traten bis heute nur etwa 30 Staaten bei. 57 Für den Bereich präferenzieller Ursprungsregeln kam es praktisch zu keiner Einigung. Sie sind lediglich Gegenstand einer "Common Declaration with Regard to Preferential Rules of Origin" (Annex II des Ursprungsregelabkommens). 51
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5. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Zollrechts
gen ist es, ein einheitliches, objektives, kohärentes, verständliches und vorhersehbares Ursprungsregelregime zu schaffen, das weder unmittelbar noch mittelbar zur Erreichung handelspolitischer Ziele eingesetzt wird.58 Mit dem Ursprungsregelübereinkommen wurden aber noch keine harmonisierten Ursprungsregeln geschaffen. Vielmehr handelt es sich hierbei im wesentlichen um die Vorgabe von Regelungsleitlinien59 und um ein auf drei Jahre angelegtes Harmonisierungsprogramm.60 Die eigentliche Harmonisierungsarbeit soll vom Ursprungsregelauschuß der WT061 und dem "technischen Ausschuß" der Weltzollorganisation62 (World Customs Organization; nachfolgend: WCO) geleistet werden. Die Arbeiten hätten eigentlich schon Mitte des Jahres 1998 abgeschlossen sein sollen. Dieser Zeitplan wurde aber nicht eingehalten. Trotz der inzwischen mehr als dreijährigen Verhandlungen sind die bislang erreichten Ergebnisse von gänzlich untergeordneter Bedeutung.63 Die Frage, wo der Ursprung einer Ware, an deren Herstellung mehrere Länder beteiligt sind, begründet wird, ist für einen Großteil der Tarifpositionen des Harmonisierten Systems nach wie vor heftig umstritten. Inzwischen wurde eine Verlängerung der Verhandlungen bis November 1999 beschlossen.64 Aus Fachkreisen ist - allerdings nur hinter vorgehaltener Hand - dennoch zu hören, daß das Harmonisierungsvorhaben praktisch kurz vor dem Scheitern steht. Für den Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist das Ursprungsregelübereinkommen insofern von Bedeutung, als es sich ausdrücklich auch auf alle ursprungsrelevanten Aspekte im Zusammenhang mit Antidumpingmaßnahmen bezieht65 und neben dem vorgesehenen Arbeitsprogramm sowohl für die Übergangszeit bis zur Harmonisierung als auch für die Zeit danach verbindliche Regelungen für den Umgang mit Ursprungsregeln aufstellt.
58 Art. 9 Abs. 1 Ursprungsregelübereinkommen; siehe auch die Präambel des Ursprungsregelübereinkommens. 59 Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 Ursprungsregelübereinkommen. 60 Art. 9 Abs. 2 (a) Ursprungsregelübereinkommen. 61 Artt. 4 Abs. 1 und 9 Abs. 3 Ursprungsregelübereinkommen. 62 Art. 4 Abs. 2 Ursprungsregelübereinkommen; s.a. Annex I des Ursprungsregelüberkommens. 63 Willmington (WCO), Agreement on Rules of Origin - the challenge of harmonisation, Konferenzmappe der IBC European Trade Law Konferenz, Brüssel, 5. März 1998; Keizer, Negotiations on Harmonized Non-Preferential Rules of Origin - A Useless Task from a Trade Policy Perspective?, JWT, Vol. 31, No. 4, August 1997, S. 145 ff.; Nell, WTO Negotiations on the Harmonization of Origin - A First Critical Appraisal, JWT, Vol. 33, No. 3, June 1999, S. 45; anders aber z. B. Third Annual Review on the Implementation and operation of the Agreement on Rules of Origin, World Trade Organization G/R0/21 vom 19. Januar 1998; siehe auch Beschreibungen in WTO Focus, No. 23, October 1997, S. 4 und in WTO Focus, No. 32, Ju1y 1998, S. 2. 64 "WTO to continue work on harmonizing ru1es of origin" in WTO Focus, No. 32, Ju1y 1998, s. 2. 65 Art. 1 Abs. 2 Ursprungsrege1übereinkommen.
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Da das Übereinkommen "Disziplinen" für die Anwendung von nationalen Ursprungsregeln in der Übergangszeit bis zur Harmonisierung vorsieht66, gibt es den relevanten rechtlichen Rahmen für die aktuelle ursprungsrechtliche Praxis der Gemeinschaft mithin auch jetzt schon vor. Danach dürfen nationale Ursprungsregeln weder mittelbar noch unmittelbar zur Erreichung von Handelszielen eingesetzt werden. 67 Sie dürfen keine beschränkende, verzerrende oder zerrüttende Wirkung auf den Handel ausüben68 und sie müssen in folgerichtiger, einheitlicher, unvoreingenommener und vertretbarer Weise verwaltet werden. 69 Diese sehr allgemein gehaltenen Vorschriften wird man nicht dahingehend interpretieren können, daß die Nutzung nicht-präferenzieller Ursprungsregeln in Fällen der Drittlandsumgehung ausgeschlossen sein soll. Man wird diese Vorgaben aber zumindest als Beschränkung vorhandener und bisher genutzter Spielräume verstehen müssen. Von großer praktischer Bedeutung dürften die angeführten Disziplinen für die Übergangszeit trotzdem nicht sein. Da die Formulierungen sehr allgemein und vage ausgefallen sind, ist nur schwer vorstellbar, daß sich ihre Einhaltung tatsächlich in einem Streitbeilegungsverfahren70 einfordern ließe. Ganz erhebliche Auswirkungen sind aber für den Fall zu erwarten, daß die Harmonisierungsarbeiten doch erfolgreich abgeschlossen werden können. Zwar sieht das Ursprungsregelübereinkommen ebenso wie auch Art. 24 Zollkodex vor, daß bei der Frage nach dem Ursprung einer Ware, an deren Herstellung mehr als ein Land beteiligt war, auf die "letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung" abgestellt wird. 71 Anders als in der gemeinschaftsrechtlichen Praxis soll dieses Kriterium aber nicht mit Hilfe eines technischen Tests oder eines Wertschöpfungstests ausgefüllt werden. Statt dessen soll nach dem Ursprungsregelübereinkommen vorrangig auf den Wechsel in der zolltarifliehen Einreihung abgestellt werden (eng!.: "change of tariff classification" I "change of tariff heading"-Kriterium; nachfolgend: CTHKriterium). 72 ' 73 Nur bei Waren, für die die letzte wesentliche Be- oder Verarbeitung auf diese Weise nicht darstellbar ist, soll auch auf andere Aspekte (technischer Natur oder auch auf den Wertschöpfungstest) abgestellt werden dürfen. 74 Das CTH-Kriterium setzt ein einheitliches Zolltarifschema voraus, wie es mit dem Harmonisierten System (nachfolgend: HS) seit 1988 besteht. Es geht von der Art. 2 Ursprungsregelübereinkommen. Art. 2 (b) Ursprungsregelübereinkommen. 68 Art. 2 (c) Ursprungsregelübereinkommen. 69 Art. 2 (e) Ursprungsregelübereinkommen. 70 Artt. 7 und 8 Ursprungsregelübereinkommen verweisen insoweit auf Art. XXII und XXIII GATI 1994. 71 "Last substantial transformation", Art. 9 Abs. 1 (b) Alt. 2 Ursprungsregelübereinkommen. n Art. 9 Abs. 2 (c) (ii) Ursprungsregelübereinkommen. 73 Witte I Prieß, Zollkodex, 2. Aufl., Vor. Art. 22, Rz. 43 spricht vom "Tarifsprung". 74 Art. 9 Abs. 2 (c) (iii) Ursprungsregelübereinkommen. 66 67
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5. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Zollrechts
Überlegung aus, daß das HS grundsätzlich stufenweise von den Naturprodukten und Rohstoffen bis zu den Waren höherer und höchster Verarbeitungsstufen aufgebaut ist und daß eine Änderung der Tarifposition regelmäßig mit einer wesentlichen Be- oder Verarbeitung Hand in Hand geht. Da das HS nicht für die Ursprungsbestimmung entwickelt worden ist, reflektiert es diese hinter dem CTHKriterium stehende Logik allerdings nicht durchgehend, so daß bei der Entwicklung von Ursprungsregeln, die auf dem CTH-Kriterium beruhen sollen, zahlreiche Korrekturen erforderlich werden.75 Das CTH-Kriterium ist vor allem auf Bestreben der USA undtrotzaller von der Gemeinschaft geäußerten Vorbehalte als das zentrale Kriterium für die Ursprungsbestimmung in das Ursprungsregelübereinkommen aufgenommen worden. Statt hier erneut auf das allgemeine Für und Wider des CTH-Kriteriums einzugehen76, soll auf ein viel grundsätzlicheres Problem hingewiesen werden. Das CTH-Kriterium als vorrangiges Kriterium zur Ursprungsbestimmung droht jedes auf Ursprung beruhende Antidumpinginstrument in Frage zu stellen. Ein Wechsel in der Tarifposition kann regelmäßig auch durch verhältnismäßig unbedeutende Produktionsvorgänge erreicht werden. Wenn diese unbedeutenden Produktionsvorgänge nach Verhängung von Antidumpingmaßnahmen gegen Waren mit Ursprung in Land A in Land B, Land C oder Land D verlegt werden, wird damit regelmäßig ein neuer Ursprung begründet und die Ware fallt damit aus dem Anwendungsbereich der fraglichen Antidumpingmaßnahme heraus. Das CTH-Kriterium in Reinform öffnet damit der auf Ursprungsveränderungen I-manipulationen beruhenden Umgehung Tür und Tor. Eine effektive Durchsetzung einmal verhängter Antidumpingmaßnahmen würde damit wesentlich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. Es ist zwar theoretisch denkbar, für Umgehungsfalle auch bei dem zuvor geschilderten Szenario eine antidumpingrechtliche Spezialvorschrift vorzusehen, nach der die Begründung des neuen Ursprungs nach CTH-Kriterium bei Bedarf unberücksichtigt bleibt. Das würde aber doch auf Dauer zu unerträglichen Spannungen und Widersprüchen zwischen Antidumping- und Ursprungsregelrecht führen. Fraglich wäre auch, ob ein Panel im Rahmen des WTO-Streitschlichtungsverfahrens in einer dauerhaften Negierung der Ergebnisse ursprungsrechtlicher Betrachtungen nicht eine ungerechtfertigte Verletzung des Ursprungsregelübereinkommens sehen würde. Daß das CTH-Kriterium insbesondere auf Veranlassung der USA im Ursprungsregelübereinkommen als das maßgebliche Kriterium vorgeschrieben wurde, ist insofern erstaunlich, als die USA international zu den Hauptnutzern von Antidum75 Siehe insoweit auch Dorsch, Zollrecht, B 1124, Rn 2; Kaufmann, Ursprungsregeln: Die internationale und europäische Gestaltung von Ursprungsregeln, S. 253 ff. 76 Siehe dazu EuGH, Rs. 49176 Überseehandel, Slg. 1977, 41 (53); Vermulst, Rules of Origin as Commercial Policy Instruments?- Revisited in Vermulst/Waer/Bourgeois (Hrsg.), Rules of Origin in International Trade, S. 433 (449); Kaufmann, Ursprungsregeln: Die internationale und europäische Gestaltung der Ursprungsregeln, S. 258.
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pingmaßnahmen zählen. Die USA machen auch immer wieder deutlich, daß aus ihrer Sicht das Antidumpinginstrument unter gar keinen Umständen zur Disposition steht, so z. B. insbesondere keine Verhandlungsmasse im Zusammenhang mit den Überlegungen zur Schaffung eines Weltkartellrechts ist. 77 Die Bedeutung des Ursprungskonzepts für ihr eigenes Antidumpingrecht und die Gefährdungen, denen das Antidumpinginstrument durch auf dem CTH-Kriterium beruhenden Ursprungsregeln auf Dauer ausgesetzt würde, müssen von US-amerikanischer Seite übersehen bzw. falsch eingeschätzt worden sein. Dies mag schlicht auf einer fehlenden Abstimmung der für Zoll- bzw. Handelsangelegenheiten zuständigen amerikanischen Regierungsstellen gelegen haben. Eine Erklärung dafür könnte aber auch in dem Umstand gesehen werden, daß das US-amerikanische Antidumpingrecht nicht ausdrücklich auf Ursprung abstellt, wohl aber de facto dennoch auf diesem Konzept beruht. 78 Inzwischen teilen aber auch die USA die Sorgen der Gemeinschaft um die Zukunft des Antidumpingrechts und suchen wie diese nach Auswegen. Auf amerikanischer Seite strebt man unter dem Begriff "de-linking" nun eine Entkoppelung von Antidumping- und Ursprungsregelrecht an. Dabei wird an eine Korrektur oder auch Ergänzung von Art. 1 Abs. 2 Ursprungsregelübereinkommen gedacht. So wird z. B. darüber diskutiert, ob man im Wege einer Fußnote deutlich machen könnte, daß das Ursprungsregelübereinkommen für Umgehungskonstellationen keine verbindlichen Vorgaben trifft. Dies liefe je nach Ausgestaltung im Endeffekt auf eine dem Art. 25 Zollkodex entsprechende Regelung hinaus. Mit Blick auf die schlechten Erfahrungen, die man mit Art. 25 Zollkodex gemacht hat79, muß bezweifelt werden, daß dies ein erfolgversprechender Weg ist. Von europäischer Seite wurde in den Harmonisierungsverhandlungen im Rahmen des "Technischen Ausschusses" bei der WCO zunächst80 ein 45%-Wertschöpfungstest als Ergänzung des CTH-Kriteriums angeregt. 81 Da es sich dabei um einen verhältnismäßig strengen Maßstab handelt, hätte er sich durchaus dazu geeignet, Umgehungsversuche, die auf Ursprungsveränderungen basieren, erheblich zu erschweren oder auch gänzlich zu unterbinden. Von asiatischer und insbesondere japanischer Seite wurde unterstellt, dieser Test ziele nur darauf ab, die Anwendung des aus asiatischer Sicht GATT-widrigen Art. 13 Grundverordnung zu erübrigen. De facto hätte ein 45% Wertschöpfungstest tatsächlich zumindest Art. 13 Abs. 2 Grundverordnung teilweise entbehrlich machen können. Entsprechende lntentioSiehe unten, Teil 7, B. II. Siehe allgemein zum US-Antidumpingrecht Jackson I Davey I Sykes, Legal Problems of International Economic Relations, S. 691 ff. 77
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Siehe oben, Teil 5, A. II. Im Jahr 1997. 81 Für eine allgemeine Bewertung des Wertschöpfungskriteriums siehe Kaufnw.nn, Ursprungsregeln: Die internationale und europäische Ausgestaltung der Ursprungsregeln, S. 261 (280). 79 80
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5. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Zollrechts
nen will die Gemeinschaft nach eigenem Bekunden allerdings nicht gehabt haben. Zwar wurde der Vorschlag von nahezu allen EG-Mitgliedsstaaten getragen, fand aber darüber hinaus praktisch keine Zustimmung und ist inzwischen nicht länger Gegenstand der Verhandlungen. Statt dessen hat die Gemeinschaft im April 1998 einen neuen Vorschlag in die Verhandlungen eingebracht, der als "CTH-plus" gehandelt wird. Danach werden für die Ursprungsbegrundung über den Wechsel in der Tarifposition hinaus für jede einzelne Tarifposition zusätzliche Voraussetzungen formuliert. Dieser Ansatz erscheint insofern problematisch, als damit die Frage danach, was Umgehung ist, bei jeder einzelnen Tarifposition des HS zu stellen und zu klären wäre. Die Auseinandersetzung über Umgehung und Umgehungsabwehr im Antidumpingrecht wäre damit Produkt für Produkt im Rahmen der Verhandlungen zur Harmonisierung der Ursprungsregeln auszutragen. Dies erscheint kaum praktikabel. Im übrigen würde bei der Schaffung von neuen Produkten ständig Bedarf nach Nachverhandlungen auftreten.
IV. Würdigung
Wie dargestellt sind Ursprungsregeln im allgemeinen und die nicht-präferenziellen EG-Ursprungsregeln im besonderen grundsätzlich geeignet, Umgehungsversuche abzuwehren, die an den Warenursprung anknüpfen. Dabei kommt der Gemeinschaft bislang insbesondere zugute, daß ihre nicht-präferenziellen Ursprungsregeln und die damit verbundene Praxis wenig transparent sind und dementsprechend nicht unbedeutenden handelspolitischen Spielraum lassen. Dies würde sich aber ändern, wenn die angestrebten harmonisierten Ursprungsregeln in der im Ursprungsregelübereinkommen vorgesehenen Weise beschlossen würden. Eine Harmonisierung würde sicher für erhöhte Transparenz und verminderte handelspolitische Spielräume sorgen, käme also weniger der Umgehungsabwehr als vielmehr den Akteuren des internationalen Handelsverkehrs zugute. Da sich vorhersehen läßt, daß sich die Ursprungsregelharmonisierung auf der Grundlage des CTH-Kriteriums negativ auf Antidumpingsysteme auswirken würde, die auf dem Ursprungskonzept aufbauen, werden die USA und die Gemeinschaft weiterhin um eine Korrektur der Vorgaben aus dem Ursprungsregelübereinkommen bemüht sein. Sollten sie damit keinen Erfolg haben, ist mit Blick auf die denkbaren enormen Konsequenzen für das internationale Antidumpingrecht am ehesten mit einem Scheitern der Harmonisierungsarbeiten zu rechnen. 82 Der tatsächliche Nutzen einer etwaigen Harmonisierung würde nur beschränkt sein, da zu erwarten wäre, daß sich das Problem des mutmaßlichen handelspoliti82 Auch Nell, WTO Negotiations on the Harmonization of Origin - A First Critical Appraisal, JWT, Vol. 33, No. 3, June 1999, S. 45 (69) glaubt nicht, daß die Harmonisierung ohne eine Revision des Ursprungsregelübereinkommens abgeschlossen werden kann. Im übrigen geht er davon aus, daß der Harmonisierungsprozeß noch Jahre dauern wird.
B. Zollklassifizierung
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sehen Mißbrauchs dann mit einiger Wahrscheinlichkeit auf das Gebiet der Zollklassifizierung verlagern würde. 83 Auch diese erscheint grundsätzlich geeignet, als Instrument der Handelspolitik genutzt und im Einzelfall auch zu protektionistischen Zwecken mißbraucht zu werden.
B. Zollklassifizierung Bei der Zollklassifizierung geht es darum, eine Ware, die zur Einfuhr angemeldet wird, in das Zolltarifschema einzuordnen. Im Fall der Gemeinschaft geht es um die Einordnung in die Kombinierte Nomenklatur (nachfolgend: KN)84, die ihrerseits auf dem HS85 aufbaut. 86 Der Zöllner wird im Regelfall den "TARIC Code"87 zur Hand nehmen, eine jährlich aktualisierte Version der KN, in der jeder Tarifposition neben den autonomen und konventionellen Zollsätzen die für sie geltenden Einfuhrregelungen (Kontingentierungen, Einfuhrverbote, Ausgleichs- oder Antidumpingzollsätze88 etc.) zugeordnet sind. Dabei geht es darum, die für die konkrete Einfuhr relevanten Regelungen zu ermitteln. Die Zollklassifizierung erfordert in einem ersten Schritt die Auslegung der KN. In einem zweiten Schritt erfolgt, quasi im Wege einer Subsumtion, die Einreihung der zur Einfuhr bestimmten Ware in die passende Position der KN. Dabei helfen dem Zöllner die "Allgemeinen Regeln" des HS, die praktisch wortgleich in die KN 83 Fußnote 6 zu Art. 9 Abs. 4 Ursprungsregelübereinkommen deutet an, daß man einschlägige Befürchtungen auch schon bei Verabschiedung des Ursprungsregelübereinkommens hegte. Dort heißt es: " ... consideration shall be given to arrangements concerning the Settlement of disputes relating to customs classification". 84 Anhang I der VO 2658/87 (ABI. 1987, L 256/ 1); siehe auch Witte!Prieß, Zollkodex, 2. Auflage, Vor Art. 20, Rz. 2. 85 Lux/ Reiser, Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung von Waren des internationalen Handels: Aktueller Stand der Arbeiten zur Verbesserung internationaler Statistiken; Reiser, Der Zolltarif nach Einführung des harmonisierten Systems; Asakura, The Harmonized System and Rules ofOrigin, JWT, Vol. 27, No. 4, August 1993,5 ff. 86 Allgemein zur Zollklassifizierung im EG-Recht: Vermulst, EC Customs Classification Rules: Should Iee Cream melt?, MJIL, Vol. 15, No. 4, Summer 1994, S. 1241 ff.; Inama, An Overview of Judicial Remedies Available to EC Importers, JWT, Vol. 28, No. 3, 1994, S. 67 (86 f.). 87 Integrierter gemeinschaftlicher Zolltarif (Tarif integre communautaire); es handelt sich dabei um eine automationsgerechte, als Datenbank mit ständiger, unverzüglicher Aktualisierungsmöglichkeit ausgestattete Nomenklatur, die die KN weiter untergliedert. Siehe etwa ABI. 1998 C 11511 ff. 88 Der sachliche Anwendungsbereich einer Antidumpingmaßnahme wird regelmäßig durch den Verweis auf eine oder mehrere bestimmte Tarifpositionen definiert. Wo Maßnahmen nicht alle unter eine KN-Posisiton fallenden Waren erfassen sollen, werden die fraglichen Waren noch näher beschrieben bzw. die nicht zu erfassenden Waren auch expressis verbis ausgeschlossen. Siehe im einzelnen Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 77 ff.
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5. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Zollrechts
übernommen worden sind. 89 Diese Regeln ermöglichen u. a., Tarifpositionen im Einzelfall so auszulegen, daß offensichtlichen, auf bestimmte Tarifpositionen abzielenden Umgehungsversuchen begegnet werden kann. So erlauben die Regeln 1, 3 und 4 in gewissem Rahmen, offensichtliche Produktveränderungen bei der Einreihung außer Acht zu lassen. 90 Regel 2 ermöglicht u. a., noch nicht montierte, auseinandergenommene oder auch unfertige Waren unter gewissen Voraussetzungen als fertige, vollständige Ware zu behandeln und dementsprechend zu klassifizieren.91 Regel 2 wird deshalb im Rahmen der Klassifizierungsvorschriften als eine Art Umgehungsvorschrift angesehen. 92 Für die Zwecke der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen läßt sich die Zollklassifizierung grundsätzlich insoweit instrumentalisieren, als die entsprechend weite Auslegung der Tarifpositionen, die von Antidumpingmaßnahmen betroffen werden, Umgehungsversuche erschwert. Wenn leichte Veränderungen einer Ware bzw. die Einfuhr von Teilen statt fertiger Waren im Einzelfall nichts an der Zollklassifizierung ändern, wird die Antidumpingmaßnahme auch auf diese Waren angewendet. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben aber gezeigt, daß die Abwehr der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen mit Mitteln der Zollklassifizierung bei vertretbarer Auslegung der KN nur sehr beschränkt möglich ist. Regel 2a z. B. findet grundsätzlich nur Anwendung, wenn die zur Montage eingeführten Teile einer Ware alle zusammen importiert werden bzw. die unfertige Ware der fertigen im wesentlichen entspricht (den "essential character" aufweist). Werden die in der Gemeinschaft zu montierenden Teile hingegen in unterschiedlichen Containern, zu unterschiedlichen Zeitpunkten und an unterschiedlichen Orten in die Gemeinschaft eingeführt, ist Regel 2a nicht mehr erfüllt.93 Daraus ergibt sich schon, daß Regel 2a nur in den Fällen aller einfachster Umgehung Abhilfe schaffen kann. 94 Die VorSiehe KN, "Einführende Vorschriften", Titel I Sek. A., ABI. 1987, L 256/ 1 (15). Wird z. B. auf einem CD-Player eine einfache Uhr befestigt, wird ersterer immer noch als CD-Player, nicht als eine Uhr einzureihen sein. Fraglich ist aber, ob dies auch noch gilt, wenn aus dem CD-Player ein Radio-CD-Player wird. 91 Regel 2a: "Jede Ausführung einer Ware in einer Position gilt auch für die unvollständige oder unfertige Ware, wenn sie im vorliegenden Zustand die wesentlichen Beschaffenheitsmerkmale der vollständigen oder fertigen Ware hat. Sie gilt auch für eine vollständige oder fertige oder nach den vorstehenden Bestimmungen dieser Vorschrift als solche geltende Ware, wenn diese zerlegt oder noch nicht zusammengesetzt gestellt wird."- Siehe zur Auslegung ausführlich: Vermulst, EC Customs Classification Rules: Should Iee Cream Melt?, MJIL, Vol. 15, No. 4, Summer 1994, S. 1241 ff. (1290); Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 410 ff. 92 Waer, EC Rules of Origin in Vermulst/Waer/Bourgeois (Hrsg.), Rules of Origin in International Trade, S. 85 ff. (166). 93 Siehe z. B. jüngst die Reaktion auf Antidumpingzölle auf Fahrräder aus China (VO 71 I 97, ABI. 1997, L 16/55 (56), Erwägungsgrund 10). 94 Siehe auch Grolig/Bogaert, The Newly-Amended EEC Anti-Dumping Regulation: Black Holes in the Common Market?, JWT, Vol. 21, No. 6, December 1987, S. 79 (83); Waer, 89
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B. Zollklassifizierung
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schrift, die der Umgehungsabwehr dienen soll, kann ihrerseits relativ einfach umgangen werden. Da die Zollklassifizierung durch den mit der Zollabfertigung betrauten Zöllner vorgenommen wird, kommt es im wesentlichen auf dessen Findigkeit an, ob er einen Umgehungssachverhalt erkennt und dementsprechend klassifiziert. Regelmäßig wird es ihm an den notwendigen Informationen fehlen, um die großen Zusammenhänge zu erkennen und darauf zu reagieren. Eine Reaktion wäre auch immer nur eine Reaktion im Einzelfall, die dem Problem an sich kaum gerecht wird. Hinzu kommt, daß der EuGH der Nutzung der Klassifizierungsregeln zumindest in der Vergangenheit eher enge Grenzen gesetzt hat. Anders als sonst im europäischen Außenwirtschaftsrecht, unterzieht der EuGH die Klassifizierungsfälle einer umfassenden Prüfung. 95 Die im allgemeinen für die Umgehungsabwehr notwendigen Spielräume werden den nationalen Zollverwaltungen und der Kommission weitgehend verwehrt. Die Unzufriedenheit mit den aus Regel 2a resultierenden Ergebnissen hat sich in der Gemeinschaft schon daran ablesen lassen, daß diese im Jahre 1987 erstmals eine spezifische Vorschrift gegen die Importlandsumgehung eingeführt hat. Die USA haben darüber hinaus schon im Jahre 1988 auch noch eine Vorschrift für die Fälle der "slightly altered merchandise" eingeführt, da man - zumindest aus USamerikanischer Sicht- auch insoweit mit den Regeln der Zollklassifizierung alleine nicht zu befriedigenden Ergebnissen kam. 96 Zusammenfassend läßt sich sagen, daß mit Blick auf die Erfahrungen der Vergangenheit die Zollklassifizierung allenfalls bei den einfachsten Formen der Umgehung Abhilfe schaffen kann und damit in der Praxis bei den eigentlichen Umgehungsproblemen regelmäßig nicht von Nutzen ist. Einer extensiven Auslegung der Klassifizierungsregeln stehen zwar unmittelbar keine internationalen Vorgaben entgegen. 97 In der Gemeinschaft würde eine solche Auslegung aber einen Wandel in der Rechtsprechung des EuGH voraussetzen, der zumindest aus heutiger Sicht nicht zu erwarten ist. Der Rückgriff auf die Klassifizierungsregeln als Mittel der Umgehungsabwehr wäre insbesondere aus Sicht von Drittstaaten-Wirtschaftsakteuren nicht wünschenswert, da er sowohl die Klassifizierung als auch die durch E.C. Rules of Origin, Vermulst/Waer/ Bourgeois (Hrsg.), Rules of Origin in International Trade, S. 85 ff. (166); Kaufmann, Ursprungsregeln: Die internationale und europäsiche Gestaltung der Ursprungsregeln, S. 137 f. 95 Siehe die Analyse von ca. 150 EuGH-Urteilen bei Vermulst, EC Customs Classification Rules: Should Iee Cream Melt?, MJIL, Vol. 15, No. 4, Summer 1994, S. 1241 ff. (1267 ff.). 96 Die Gemeinschaft hat hingegen keine spezifisch auf die leichte Veränderung von Waren zugeschnittene Vorschrift entwickelt. Die jüngsten Verfahren unter Art. 13 Grundverordnung zeigen aber, daß auch die Gemeinschaft nicht länger bereit ist, diese Fälle nur mit Hilfe der Klassifizierungsregeln zu bewältigen (siehe oben, Teil 3, B. V.). 97 Trotzdem werden Klassifzierungsstreite auch in Panelverfahren bei der WTO (vormals GATT) ausgetragen. Siehe z. B. Spain- Tariff Treatment of Unroasted Coffee, BISD, 28S, S. 102 (111), Rn. 4.4; siehe auch Appellate Body Report (22. Juni 1998) und Panel Report EC- Reclassification of certain Local Area Network (LAN) Equipment (siehe WTO Website: www.wto.org), vgl. Focus WTO Newsletter, July 1998, No. 32, S. I.
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5. Teil: Umgehungsabwehr mit Mitteln des allgemeinen Zollrechts
erweiterte Auslegung zur Anwendung gebrachten handelspolitischen Schutzinstrumente intransparenter und unvorhersehbarer machen würde. Wie bei dem artverwandten Problem der Auslegung des Begriffs "gleichartige Ware"98 wäre wünschenswert, daß eine verstärkte Nutzung der Klassifizierungsregeln jedenfalls nicht ohne internationale Rahmenvorgaben erfolgt. Sollten die Möglichkeiten, in spezifischer Weise gegen die Umgehung von Antidumpingzöllen vorzugehen, in Zukunft allerdings - auf welchem Weg auch immer (z. B. durch ein WTO-Panel oder durch die Aufnahme einer restriktiven Vorschrift in das Antidumpingübereinkommen) - eingeschränkt werden, so ist nicht auszuschließen, daß - quasi als ultima ratio - doch verstärkt auf die Klassifzierungsregeln zurliekgegriffen wird. Der Vorteil aus Sicht der Anwender wäre jedenfalls, daß es sich dabei grundsätzlich um ein weniger umstrittenes, weniger spektakuläres und damit auch weniger politisiertes Thema handelt, als dies bei den spezifischen Umgehungsabwehrvorschriften der Fall ist.
98
Siehe oben, Teil 4, B. II. I.
Teil6
Verhältnis von Art. 13 Grundverordnung zu den zollrechtliehen Instrumentarien Die vorstehende Darstellung von antidumpingrechtlichen und zollrechtliehen Instrumentarien zur Umgehungsabwehr wirft die Frage nach dem Verhältnis dieser Instrumentarien zueinander auf. Einen Hinweis zu diesem Fragenkreis enthält Art. 13 Abs. 5 VO 384/96: "Dieser Artikel [Art. 13] steht der normalen Anwendung der geltenden Zollbestimmungen nicht entgegen."
Zunächst ist festzustellen, daß die Vorschrift nur eine Aussage zum Verhältnis von Art. 13 VO 384/96 zum allgemeinen Zollrecht trifft, nicht aber zum Verhältnis der verschiedenen Wege, die das Antidumpingrecht bietet.
A. Verhältnis zwischen Art. 13 VO 384 I 96 und dem allgemeinen Zollrecht Vom Wortlaut her könnte die Vorschrift als Hinweis auf die Subsidiarität von Art. 13 Grundverordnung verstanden werden. Ein derartiges Verständnis ist aber mit Blick auf die Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift abzulehnen. Vielmehr wird Art. 13 Abs. 5 VO 384/96 dahingehend zu verstehen sein, daß die neue Vorschrift eine Anwendung bestehender zollrechtlieber Instrumente zur Umgehungsabwehr nicht ausschließt. Da das Antidumpingrecht und das allgemeine Zollrecht nicht in einem Spezialitätsverhältnis zueinander stehen, wäre die Aufnahme von Art. 13 Abs. 5 VO 384/96 bei diesem Verständnis an sich nicht nötig gewesen. Anlaß für die Aufnahme dürfte das gelegentliche kommissionsinterne Kompetenzgerangel zwischen der für Antidumping zuständigen GD I und der für Zollangelegenheiten zuständigen GD XXI sein. Mit Art. 13 Abs. 5 VO 384/96 wird klargestellt, daß die GD I auf eine effizientere Antidumpingabwehr abzielt, ohne dabei Kompetenzen der GD XXI beschneiden zu wollen. Vor diesem Hintergrund ist zunächst nicht zu erwarten, daß Art. 13 VO 384/96, d. h. dessen Abs. 2 mit seiner Erstreckung auf Fälle der Drittlandsumgehung die Anwendung nicht-präferenzieller Ursprungsregeln zur Umgehungsabwehr ver-
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6. Teil: Verhältnis Art. 13 Grundverordnung zu zollrechtliehen Instrumentarien
drängt 1. Zwar erweisen sich die Ursprungsregeln aus Sicht der Gemeinschaft als immer weniger geeignet, um auf solche Umgehungsfalle einzugehen. 2 Soweit sie sich im Einzelfall aber doch als zielführend erweisen, dürften sie sogar bevorzugt werden, da die Anwendung von Ursprungsregeln in diesen Fällen - im Gegensatz zu einer expliziten Umgehungsvorschrift - international Anerkennung gefunden hat und von daher weniger angreifbar ist. Die Frage nach dem Verhältnis der verschiedenen Instrumentarien zueinander wird gelegentlich auch vor dem Hintergrund problematisiert, daß es u.U. zu Parallelverfahren mit womöglich divergierenden Ergebnissen kommen könnte, da die Kommission nur wenig Einfluß darauf habe, wann und welche der zur Auswahl stehenden Verfahren eingeleitet würden. Richtig ist, daß die Wahl zwischen einem Umgehungsverfahren und einem neuen Antidumpingverfahren grundsätzlich vom Antragsteller (dem geschädigten europäischen Wirtschaftszweig) getroffen wird3 und daß die Einleitung einer Ursprungsuntersuchung von den Zollverwaltungen der Mitgliedsstaaten ausgehen kann. Denkbar ist auch, daß diese Verfahren parallel zueinander eingeleitet werden. 4 Daraus resultierende Abstimmungsfragen erscheinen der Gemeinschaft aber nicht bedeutuend genug, als daß dafür in abstrakt genereller Art und Weise Vorkehrungen getroffen worden wären. Soweit es um Verfahren geht, die von verschiedenen Generaldirektionen der Kommission betreut werden, ist dies ein verwaltungsinternes Problem, daß keinerlei Außenwirkungen zeitigen dürfte, da Entscheidungen sowie Beschlußvorlagen von der Kommission als solcher, nicht aber den einzelnen Generaldirektionen verabschiedet werden. Vorrangfragen würden sich allenfalls stellen, wenn divergierende Entscheidungen oder kumulative Belastungen für Importe auf der Ebene der Gemeinschaft und auf der mitgliedsstaatliehen Ebene herbeigeführt würden. Da entsprechende Probleme bisher in der Praxis nicht aufgetreten sind, hat sich die Kommission damit nach eigenem Bekunden auch noch nicht befaßt. Zu fordern wären für solche Fälle jedenfalls pragmatische Lösungsansätze, die in enger Abstimmung zwischen den zuständigen Stellen der Gemeinschaft und der Mitgliedsstaaten herbeigeführt werden. Bei einer umsichtigen und auf nachweisbare Umgehungsfälle beschränkten Anwendung von Art. 13 VO 384/96 dürften sich die vorstehend angesprochenen Prot A.A. Kaufmann, Ursprungsrege1n: Die internationale und europäische Gestaltung der Ursprungsregeln, S. 134 f. 2 Siehe dazu die Kommission in KOM (94) 414 final S. 164 unter Gliederungspunkt 10. a). 3 Trotzdem hat die Kommission in der Praxis ganz erhebliche Einflußmöglichkeiten, da zwischen Kommission und Antragsteller regelmäßig schon vor dem offiziellen Antrag informelle Gespräche zu Art, Inhalt, Zeitpunkt und Erfolgsaussichten einer Antragsstellung geführt werden. 4 So auch Müller/Khan/Neumann, EC Anti-Dumping Law- A Commentary 384/96, Art. 13 Rz. 13.71 f.; Vermulst/Waer, E.C. Anti-Dumping Law and Practice, S. 388 f.
C. Zusammenfassung
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bleme kaum materialisieren. Eine nähere Betrachtung, die sich letztlich in Spekulationen erschöpfen müßte, erscheint daher entbehrlich.
B. Verhältnis zwischen Art. 13 VO 384/96 und der Grundverordnung Im Vergleich zu den geschilderten allgemeinen Ansatzpunkten für die Umgehungsabwehr ist Art. 13 VO 384/96 sicher die "speziellere" Regelung. Aber auch hier wird man nicht von einem strengen Spezialitätsverhältnis sprechen können. Sind die Tatbestandsmerkmale des Art. 13 VO 384/96 nicht erfüllt, so ist die Gemeinschaft nicht daran gehindert, auf anderem Weg Umgehungsabwehrstrategien zu verfolgen. Dies korrespondiert mit der hier vertretenen Auffassung, daß Art. 13 VO 384/96, wie Umgehungsvorschriften ganz allgemein, im wesentlichen deklaratorischer Natur ist.
C. Zusammenfassung Man wird daher zusammenfassend festhalten können, daß sich die in der vorliegenden Arbeit behandelten allgemeinen und besonderen Mittel zur Umgehungsabwehr de jure wie auch de facto komplementär zueinander verhalten.
Tei/7
Zusammenfassung und Ausblick A. Zusammenfassung Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, daß das EG-Recht prinzipiell verschiedene Ansatzpunkte für die Abwehr der Umgehung von Antidumpingmaßnahmen aufweist. Der neu geschaffene, spezifisch auf Umgehungsabwehr zugeschnittene Art. 13 VO 384196 sieht jetzt mit seinem generalklauselartigen Ansatz erstmals ausdrucklieh eine praktisch umfassende Befugnis zur Umgehungsabwehr vor und wird dort von Nutzen sein, wo sich das allgemeine Zollrecht und das allgemeine Antidumpingrecht nicht oder nur unbefriedigend zu Zwecken der Umgehungsabwehr instrumentalisieren lassen. Die Abstraktheit und die Komplexität der neuen Vorschrift werfen zwar eine Reihe von Auslegungsproblemen auf, die sich nur nach und nach in der Praxis werden lösen lassen. Der neue Ansatz ist aber grundsätzlich zu begriißen, da er nicht nur dazu beitragen wird, die Effizienz bestehender Antidumpingmaßnahmen zu erhöhen, sondern auch einen nicht unerheblichen Beitrag zu mehr Transparenz in der EG-Umgehungsabwehr leisten dürfte. Damit wird sowohl den Interessen der schutzsuchenden europäischen Industrie und der europäischen Antidumpingadministration als auch denjenigen der Drittstaatenhersteller und Exporteure entsprochen, die von Antidumpingmaßnahmen betroffen werden. Es kann festgehalten werden, daß der Wortlaut der neuen Umgehungsvorschrift und die dazu bislang ergangenen Entscheidungen subjektive Elemente unberiicksichtigt lassen und damit im Grundsatz die Erkenntnisse der objektiven Umgehungstheorie reflektieren. Bedauerlich ist, daß die Gemeinschaft diesen Ansatz nicht konsequent zu Ende verfolgt. Daraus resultieren Unsicherheiten im Umgang mit der Vorschrift. Ferner begibt sich die Gemeinschaft damit tragender Argumente für die Verteidigung ihrer Umgehungsabwehrpraxis gegen den Vorwurf der GATT I WTO-Widrigkeit. Der pauschale Vorwurf der GATT I WTO-Widrigkeit ist nach hier vertretener Ansicht verfehlt. Da Umgehungsabwehr keines eigenständigen Rechtsinstituts bedarf, ist der Hinweis von Umgehungsabwehrgegnern auf das Fehlen einer expliziten Erlaubnis im GATT IWTO-Recht nicht stichhaltig. Auch die regelmäßig bemühten Hinweise auf Wortlaut, Systematik und Teleologie der internationalen Antidumpingvorschriften können nicht überzeugen und dürften weniger einer juristischen Würdigung als vielmehr handelspolitischem Wunschdenken entspringen.
B. Ausblick
253
Die neue Umgehungsabwehrvorschrift der Gemeinschaft ist jedenfalls einer GATT-konformen Auslegung und Anwendung zugänglich. Potentielle Mißbrauchsmöglichkeiten lassen sich nicht bestreiten, sind aber kein stichhaltiges Argument gegen die in dieser Vorschrift getroffenen Wertungen und die damit abstrakt vorgenommene Abgrenzung von Umgehung einerseits und legitimen Geschäftspraktiken des internationalen Handelsverkehrs andererseits. Vor diesem Hintergrund sollte die offensichtliche Scheu der Gemeinschaft vor einer Überprüfung ihrer Umgehungsabwehrmaßnahmen durch ein WTO-Panel zumindest bei dogmatischer Betrachtung in Fällen offensichtlicher Umgehung unbegründet sein. Daß die neue Umgehungsabwehrvorschrift bislang nur in wenigen Verfahren Anwendung gefunden hat und bisher kein einziges Mal zu Maßnahmen gegenüber WTO-Mitgliedsstaaten geführt hat, läßt keine Rückschlüsse auf die Bedeutung der Vorschrift zu. Nutzen und Bedeutung von Art. 13 Grundverordnung sind nicht nur an den unter dieser Vorschrift eingeleiteten Verfahren abzulesen. Schon die gelegentliche Durchführung entsprechender Verfahren und Ausweitung bestehender Antidumpingmaßnahmen reicht aus, um Umgehungsabwehr als glaubwürdige Option europäischer Handelspolitik darzustellen. Die Existenz der Vorschrift und die konkrete Drohung mit ihrem Einsatz hat die Umgehungsabwehrgegner an den Verhandlungstisch in Genf zurückgeholt. Im übrigen dürfte die Vorschrift einen Abschreckungseffekt auf Drittstaatenhersteller und Exporteure haben. Der gut beratene potentielle Umgeher wird sich bei seiner Produktionsplanung und Entscheidungen über Vertriebswege an den Vorgaben des Art. 13 Grundverordnung orientieren. Zusammenfassend läßt sich daher feststellen, daß die Gemeinschaft mit Art. 13 Grundverordnung einen Grundstein für die Effizienzsicherung im europäischen Antidumpingrecht gelegt hat.
B. Ausblick I. Antidumpingspezifische Lösung? Mit Blick auf das internationale Antidumpingrecht läßt sich festhalten, daß die Aufnahme einer Umgehungsabwehrvorschrift in das Antidumpingübereinkommen sicherlich wünschenswert wäre, auch wenn sich Umgehungsabwehr nach hier vertretener Ansicht auch ohne eine solche Bestimmung betreiben läßt. Sie würde für alle Beteiligten einen Zuwachs an Rechtssicherheit bedeuten. Verbindliche Vorgaben auf multilateraler Ebene könnten dazu beitragen, Umgehungsabwehr nicht ausufern zu lassen und Mißbrauchsängsten entgegenzuwirken. Die Vorschrift müßte dazu so beschaffen sein, daß man den Kreis der einbezogenen Waren I Teile streng auf solche begrenzt, die mit den sanktionsbelasteten Produkten in Verbindung stehen. Der Dunkel Draft und auch der daran angelehnte neue europäische
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7. Teil: Zusammenfassung und Ausblick
Ansatz sind darauf zugeschnitten und kommen deshalb durchaus als Ausgangspunkt für die Entwicklung einer solchen neuen Vorschrift in Betracht. Auf die Darstellung eines eigenen Entwurfs wird hier bewußt verzichtet, da die Grenzziehung zwischen Umgehung und nicht zu beanstandender Geschäftsstrategie sowie auch die konkreten Beschränkungen, die den WTO-Mitgliedsstaaten in einer solchen Vorschrift auferlegt werden könnten, weniger juristische als vielmehr handelspolitische Fragen darstellen. Für eine schnelle, isolierte Einigung auf eine solche Vorschrift im Rahmen des WTO-Antidumpingausschusses liegen die Positionen von Befürwortern und Gegnern aber zu weit auseinander. 1 Wahrscheinlicher wäre ein Konsens zur Umgehungsabwehr als Teil einer Paketlösung im Rahmen der nächsten multilateralen Handelsrunde? Eine konkrete Perspektive stellt letztere Möglichkeit mit Blick auf die Erfahrungen aus der Uruguay Runde jedoch auch nicht dar. Auch ein etwaiges erneutes Panelverfahren zur Umgehungsabwehr würde allenfalls Teilaspekte beleuchten können, dürfte aber keine abschließende Antwort auf die Frage nach dem "ob" und dem "wie" von Umgehungsabwehrmaßnahmen geben. Die bisherige Panelpraxis zeigt, daß sich Panelentscheidungen regelmäßig auf Antworten zum spezifischen Fall beschränken. Daran wird sich insbesondere in einem handelspolitisch so umstrittenen Fall wie dem der Umgehungsabwehr im Antidurnpingrecht nichts ändern. Da Antidumpingbefugnisse von den friiheren GATT-Vertragsstaaten, den heutigen WTO-Mitgliedsstaaten, gewissermaßen als Preis für die Marktöffnung durch Art. I und II GATT in das GATT-Gefüge aufgenommen und in der Uruguay Runde in vollem Umfang bestätigt worden sind, ist auch kaum denkbar, daß ein Panel dies im Wege nachträglicher von freihändlerischern Wunschdenken geleiteter Interpretation negiert. Auf einen Integrationsprozeß, der vorn Willen der souveränen WTO-Mitgliedsstaaten losgelöst wäre, hat man sich im WTO-Kontext bisher nicht geeinigt. Die GATT I WTO-Vereinbarungen schreiben auch nicht unbeschränkten Freihandel vor. Ein Panel würde dem GATT /WTO-Prozeß im jetzigen Stadium keinen Gefallen tun, wenn es dennoch das Recht zu einer wirksamen Dumpingabwehr aushebein und und unbeschränkten Freihandel gegen den erklärten Willen von einigen besonders exponierten Mitgliedsstaaten proklamieren würde.
I Süd-Korea sprach in einem offiziellen WTO-Dokument schon im Juli 1999 vom Scheitern der Gespräche in der informellen Gruppe und regt an, das Thema Umgehungsabwehr auf die Agenda der nächsten multilateralen Handelsrunde zu setzen. Siehe Communication from Korea, WT /GC/W /235/Rev.1 (12 July 99). 2 Siehe allgemein zur nächsten Handelsrunde z. B. Schott, WTO 2000: Setting the Course for World Trade.
B. Ausblick
255
II. Internationales Kartellrecht als Alternative? Es wird immer wieder darüber nachgedacht, ob man sich des Antidumpingrechts und der damit verbundenen Umgehungsproblematik nicht im Zusammenhang mit der Schaffung eines internationalen Kartellrechts entledigen könnte. 3 Auf regionaler Ebene, so z. B. im Rahmen der EG4 , des EWR5 , der Zollunion EG I Türkei6 und des Australian I New Zealand Free Trade Agreements (ANZCERTA)7, sind Antidumpinginstrumentarien tatsächlich teilweise abgeschafft bzw. durch kartellrechtliche I wettbewerbsrechtliche Vorschriften ersetzt worden. 8 Die Vorbildfunktion dieser Beispiele dürfte aber recht begrenzt sein, da durchweg sehr spezifische Umstände und ein hoher Integrationsgrad zwischen den beteiligten Märkten zu verzeichnen waren. An etwas Vergleichbarem fehlt es auf internationaler Ebene.9 Überlegungen zu einem internationalen Kartellrecht wurden und werden dennoch von verschiedenen Seiten angestellt. 10 Verwiesen werden kann in diesem Zu3 Siehe z. B. Messer/in, Should Antidumping Rules be replaced by National or International Competition Rules, Aussenwirtschaft (Schweiz. Zeitschrift für int. Wirtschaftsbeziehungen), 1995, Heft Il/III, S. 351; Petersmann, International Competition Rules for Governments and for Private Business, JWT, Vol. 30, No. 3, June 1996, S. 5; Niels I Kate, Trusting Antitrust to Dump Antidumping, JWT, Vol. 31, No. 6, Dec. 1997, S. 29; Morgan, Competition Policy and Anti-Dumping, ls it Time for a Reality Check?, JWT, Vol. 30, No. 5, Oct. 1996, s. 61 (75 ff.). 4 Eine auf innergemeinschaftliches Dumping abzielende Norm war mit Art. 91 EGV a.F. bis zum lnkrafttreten des Vertrages von Amsterdam Teil des Gemeinschaftsrechts. Die Vorschrift räumte der Kornmission für die Übergangszeit (bis 1970) gewisse Befugnisse ein und wurde mit Blick auf Übergangsfristen für neue EG-Mitglieder beibehalten (siehe zu Art. 91 EGVa.F. Pemice in Grabitz!Hilf(Hrsg.), Kommentar zur Europäsichen Union und Wenig in Groeben/Thiesing!Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU-lEG-Vertrag, 5. Aufl.). Mit dem Vertrag von Amsterdam ist die Bestimmung jetzt aber ersatzlos weggefallen. 5 Siehe Art. 26 EWR-Vertrag (beschränkt durch Art. 8 Abs. 2 EWR-Vertrag) und Protokoll 13. 6 Oppermann, Europarecht, 2. Aufl., Rz. 1869 mwN. 7 Kewalram, The Australia - New Zealand Closer Economic Relations Trade Agreement -An Experiment with the Replacement of Anti-Dumping Laws by Trade Pratices Legislation, JWT, Vol. 27, No. 5, Oct. 1993, S. 111. s Es handelt sich dabei aber auch unter den Regionalzusammenschlüssen um Ausnahmen. NAFfA z. B. schließt Antidumpingmaßnahmen auf intra-NAFfA-Handel nicht aus. 9 Siehe dazu auch Kewalram, The Australia - New Zealand Closer Economic Relations Trade Agreement- An Experiment with the Replacement of Anti-Dumping Laws by Trade Pratices Legislation, JWT, Vol. 27, No. 5, Oct. 1993, S. 111; Hoekman/Mavroidis, Dumping, Antidumping and Antitrust, JWT, Vol. 30, No. 1 Feh. 1996, S. 27 (31 ff.); Morgan, Competition Policy and Anti-Dumping, ls it Time for a Reality Check? JWT, Vol. 30; No. 5, Oct. 1996, S. 61 (75 ff.) ; Bronkers, Rehabilitating Antidumping and other Trade Remedies through Cost-Benefit Analysis, JWT, Vol. 30, No. 2, April 1996, S. 5 (34). IO Siehe dazu z. B. Hauser/Schöne, ls there a Need for International Competition Rules, Aussenwirtschaft (Schweiz. Zeitschrift für int. Wirtschaftsbeziehungen), S. 205; Petersmann,
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7. Teil: Zusammenfassung und Ausblick
sammenhang insbesondere auf wissenschaftliche Initiativen wie die Schaffung des Draft International Antitrust Code 11 und den Bericht einer EG-Expertengruppe zu "Competition Policy in the New Trade Order: Strengthening International Co-operation and Rules" 12, aber auch auf intergouvernementale Bemühungen im Rahmen der WT0 13 und der OECD 14 . Eine Alternative zur Antidumping- und Umgehungsabwehr zeichnet sich damit aber noch lange nicht ab. Selbst die Arbeiten bei der WTO und der OECD beschränken sich auf eine erste Problemanalyse und Reflexion. Es fehlt bislang an jeglichem Verhandlungsauftrag. Ernst zu nehmende Verhandlungen, von Verhandlungsergebnissen ganz zu schweigen, sind noch nicht absehbar. Und auch ein Verhandlungsergebnis in diesem Bereich dürfte in überschaubarer Zeit flächendekkend auf internationaler Ebene kaum zu implementieren sein. Hinzu kommt schließlich, daß z. B. die USA und Frankreich schon unmißverständlich erklärt haben, daß man zwar Fortschritte bei der Entwicklung eines internationalen Kartellrechts begrußen würde, daß man aber nicht bereit wäre, das Antidumpingrecht im Gegenzug zur Disposition zu stellen. Von asiatischer Seite ist hingegen zu hören, daß man die Entwicklung eines internationalen Kartellrechts nur mittragen wolle, wenn gleichzeitig das im GATI verankerte Recht zur Antidumpingabwehr abgeschafft würde. Eine ernst zu nehmende Perspektive und Alternative zur Dumpingabwehr gibt das Ringen um ein internationales Kartellrecht damit zumindest bislang nicht ab.
International Competition Rules for Governments and for Private Business, JWT, Vol. 30, No. 3, June 1996, S. 5; Nicolaides, Fora World Competition Authority, JWT, Vol. 30, No. 4, Aug. 1996, S. 131; Europäische Kommission, KOM (96) 296 endg., Towards an International Framework of Competition Rules; Bundeskartellamt, Tatigkeitsbericht 1997/98; Shelton, Competition Policy: What a Chance for International Rules (Vortrag, Viiton Park Conference 545, The Global Trade Agenda, siehe z. B. (www.oecd.org); Wolf, Globalisierung und internationale Wettbwerbspolitik, ZRP 1998, 465. II Fikentscher, Der Draft International Antitrust Code in der Diskussion, GRUR Int. 1996, 543; Fikentscher /lmmenga, Draft International Antitrust Code- Kommentierter Entwurf eines internationalen Wettbewerbsrechts. 12 Europäische Kommission (Hrsg.), Competition Policy in the New Trade Order: Strengthening International Co-operation and Rules. 13 Konkret im Rahmen der Warking Group on the Interaction between Trade and Competition Policy. Siehe z. B. WTO -Dok. WT /WGTCP /W /I ff.; siehe auch WTO Annual Report for 1997, Chapter Four: Special Study on Trade and Competition Policy. 14 Siehe z. B. innerhalb der OECD die Arbeit des Committee on Competition Law and Policy und der Competition Law and Policy Division (www.oecd.org); siehe auch Dialogaufnahme mit Nicht-OECD-Mitgliedern auf der OECD Conference on Trade and Competition, Paris 29 -30 Juni 1999 (www.oecd.org).
B. Ausblick
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111. Die Handelshemmnis-Verordnung als Alternative? Vereinzelt wird die Hoffnung gehegt, daß der Erlaß der sogenannten Handelshemmnis-Verordnung15 (engl.: "Trade Barriers Regulation" oder auch "TBR") die europäische Antidumpingpraxis mittelfristig in den Hintergrund drängen könnte. 16 Die Handelshemmnis-Verordnung ermöglicht es europäischen Unternehmen, Unternehmensverbänden 17 und Wirtschaftszweigen 18 perAntragvon der Europäischen Kommission Handelshemmnisse von Drittstaatenseite untersuchen zu lassen19 und damit mittelbar auf Verhandlungen zu deren Beseitigung oder in letzter Konsequenz auch auf die Einleitung internationaler Streitbeilegungsverfahren bzw. auf handelspolitische Maßnahmen gegenüber dem entsprechenden Drittstaat hinzuwirken. 20 Der Hoffnung, die Handelshemmnis-Verordnung könne Antidumpingmaßnahmen erübrigen, liegt die Vorstellung zugrunde, die offensive Bekämpfung von Handelshemmnissen in Drittstaaten könne international zu Marktverhältnissen führen, die Dumpingpraktiken die Grundlage entziehen würden. Theoretisch würde der Wegfall aller Handelshemmnisse Reimporte begünstigen und damit dauerhafte Preisdifferenzierungen auf Export- und Importmarkt sowie unter-Kosten-Verkäufen unattraktiv werden lassen. In der Praxis erweisen sich Reimporte aber keinesfalls als Allheilmittel, wenn es darum geht, von Dumpingeinfuhren drohenden Schäden vorzubeugen. Ferner würde die zuvor beschriebene Gedankenführung voraussetzen, daß die Grundlage für Dumpingpraktiken tatsächlich einzig und al15 VO 3286/94, ABI. 1994 L 349171 geändert durch VO 356/95, ABI. 1995, L 41/3; offizieller Titel: Verordnung des Rates vom 22. 12. 1994 zur Festlegung der Verfahren der Gemeinschaft im Bereich der gemeinsamen Handelspolitik zur Ausübung der Rechte der Gemeinschaft nach internationalen Handelsregeln, insbesondere den im Rahmen der Welthandelsorganisation vereinbarten Regeln. Siehe dazu allgemein Bierwagen, EG-Schutz vor unerlaubten Handelspraktiken durch Drittländer, ZIP 1996, 201; Bronkers, Private Participation in the Enforcement of WTO Law: the New EC Trade Barriers Regulation, CMLR, Vol. 33, 1996, S. 299 ff.; Sanchez Rydelski!Zonnekeyn, The EC Trade Barriers Regulation, JWT, Vol. 31, No. 5, Oct. 1997, S. 147; Van Bael/Bellis, Antidumping and Other Trade Protection Laws ofthe EC, S. 469 ff.; Berrisch/Kamann, Die Handelshemmnis-Verordnung- Ein neues Mittel zur Öffnung von Exponmärkten, EuZW 1999, 101; Ohlho.ff/Schloemann, Durchsetzung internationaler Handelsregeln durch Unternehmen und Verbände, RIW 1999, 649; Bourgeois, Rz. 118 ff. zu An. 113 in Groeben/Thiesing/Ehlermann (Hrsg.), Kommentar zum EU-lEGVertrag, 5. Auf!. 16 So bezeichnen z. B. Berrisch/Kamann, Die Handelshemmnis-Verordnung - Ein neues Mittel zur Öffnung von Exportmärkten, EuZW 1999, 101 die Handelshemmnis-Verordnung als "Ausdruck der Neuorientierung der Handelspolitik der Gemeinschaft weg von einer defensiven, vornehmlich den Gemeinschaftsmarkt vor Importen schützenden, hin zu einer offensiven, Drittmärkte öffnenden Politik". 11 An. 4 vo 3286/94. 18 Art. 3 VO 3286/94 19 An. 8 vo 3286/94 20 Art. 12 VO 3286/94
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Bimstiel
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7. Teil: Zusammenfassung und Ausblick
Iein geschützte Heimatmärkte der Drittstaatenhersteller I Exporteure sind. Die geschützten Heimatmärkte werden zwar von Antidumpingbefürwortern immer wieder als eine ökonomische Rechtfertigung für Antidumpingmaßnahmen bemüht. Der Beweis für diesen Zusammenhang ist bis heute allerdings nicht angetreten worden. An empirischen Untersuchungen fehlt es weitgehend. Ferner ist zu berücksichtigen, daß das Kriterium des geschützten Heimatmarktes bei der Entscheidung über Antidumpingmaßnahmen weder nach internationalem noch nach europäischem Antidumpingrecht eine Rolle spielt. Ganz abgesehen von diesen Vorbehalten ist festzustellen, daß die Praxis unter der besagten Verordnung2 1 weit davon entfernt ist, Handelshemmnisse auf den Weltmärkten in großem Stil abzubauen und Verhältnisse zu schaffen, die Dumpingpraktiken verhindern könnten. Realistisch erscheint nur, den offensiven Ansatz beim Kampf gegen Handelshemmnisse mit dem defensiven Ansatz bei der Dumpingabwehr als komplementär, nicht aber als alternativ anzusehen. Auch insoweit kann also nicht von einer greifbaren Alternative zur Dumpingabwehr und der damit erforderlichen Umgehungsabwehr gesprochen werden. Antidumping wird damit bei realistischer Betrachtung noch lange das maßgebliche handelspolitische Schutzinstrument im internationalen Handelsverkehr bleiben. Dementsprechend wird die Umgehungsabwehr auch in Zukunft den intendierten Schutz vor Dumpingeinfuhren flankierend absichern und damit eine tragende Rolle in der Handels- und Antidumpingpolitik spielen.
21 Bis Ende Juli 1999 wurden 13 Verfahren eingeleitet. Siehe z. B. Bekanntmachung über die Einleitung eines Untersuchungsverfahrens betreffend Handelshemmnisse im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 3286194 des Rates - Handelshemmende Maßnahmen der Republik Korea im Handel mit pharmazeutischen Erzeugnissen, 1999 I C 218 I 03 in ABi. 1999 C21813.
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Stichwortverzeichnis Abhilfewirkung 89 ff., 132, 144, 151 Abschreibungen 39, 211 Abwehrmaßnahmen 112 ff. Antiabsorbtion 32 Anti-circumvention 21 Anti-circumvention measures 183 Antidumpingausschuß 23, 25, 40, 176 Antidumpingübereinkommen 24 f. ANZCERTA 255 ASEAN 41,47 Assembly-Dumping 33 f. Average-to average Comparison 213 Average-ta-transaction Comparison 213 Befreiungsverfahren 93, 121 ff., 133 f., 142 Beweislast 107 f., 188, 203 Border measure 64, 120, 130, 172 ff., 207 Change of tariff heading 241 Channeling 37,217 Destruction test 77 f., 80 f., 87 Draft International Antitrust Code 256 Drittlandsumgehung 35, 48, 64 f., 148 ff., 154 f., 230 ff. Dumping 21,24 f., 93 f. Dunkel Draft 61 ff., 84 f., 93, 253 Dynamische Auslegung 193 Effet utile 171, 195 ff., 203, 207 Einwegfeuerzeuge 137 f. Elektronische Waagen 57, 82, 112, 134 Fahrräder 33, 83, 133 f. Fernsehkamerasysteme 139 ff. GATT 24 f., 159 ff. Gemeinschaftsinteresse 69 Generaldirektion Handel (GD I) 26, 69 f., 108, 183, 231 f., 238, 249 18 Bimstiel
Generaldirektion Steuern und Zollunion (GD XXI) 55, 70, 128, 219, 231 , 237 f., 249 Gezieltes Dumping 212 f. Gleichartige Ware 136 ff., 222 ff. Handelshemmnis-Verordnung 257 f. Herstellkosten 85 ff. Hongkong47 Importlandsumgehung 33, 62 ff., 147 ff., 152 f. Individualtreatment 214 ff. In-house produzierte Teile 79 ff. Interimsüberprüfung 227 ff.
122,
Japan 45, 164, 196, 198,204,205, 243 Kanada 43, 157 Kartellrecht 255 ff. Klassische Umgehung 33, 35, 70 ff., 112 Kyoto Konvention 239 Like product 156 f., 222 ff. Mehrwert 45, 80 f., 84 f. , 234 ff. Mikroplatten 101, 132 f. Ministerieller Beschluß 67, 175 ff. Molecular approach 77, 80 Multi-country proceedings 82, 116 Negativ-Dumping 38, 212 Nicht-präferenzielle Ursprungsregeln 233 ff. Normalwert 94 ff., 212 ff. Objektive Umgehungslehre 53 OECD256 One country one duty rule 215 Parts Panel 59 ff. Polyester Spinnfasern 102 f., 107, 136 ff.
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Stichwortverzeichnis
Principle of effectiveness 170 f., 207 Produktspezifische Ursprungsregeln 218 f. Scheingeschäft 54 Schraubenzieher-Fabriken 21 Schraubenzieher-Verordnung 57 Scope deterrnination 151, 157 ff. Screw-driver plants 21 Simulation 54 Slightly altered rnerchandise 34, 247 Sub-assernblies 77 ff. 86 ff. Subjektive Umgehungslehre 52 Sub-parts 77 ff. , 86 ff. Third-country-circurnvention 36 Transaction-ta-transaction Cornparison 213 Transferpreise 77, 236 Türkei 44 Umgehung 32 ff. Umgehungslehren 51 ff.
Umwandlung 35 Ursprungsmanipulation 36, 242 Ursprungsregelübereinkommen 239 ff. Uruguay Runde 39, 61, 178, 188 USA 42, 66 ff., 146 ff.,157 ff., 179, 186, 195,242,247 Value added test 83, 235 f. Value of parts test 64, 75 Verpflichtungserklärung 37 ff., 113, 174, 204,211 ff. Verstecktes Dumping 38, 212 f. Vormontierte Teile 77 ff., 86 ff. Weltzollorganisation (WCO) 240 ff. Wirtschaftliche Rechtfertigung 99 ff.
Zollamtliche Erfassung 119 ff. Zollbefreiung 124 ff. Zollklassifizierung 245 ff.