Die Abwahl des UN-Kaufrechts aufgrund von Rechtsunsicherheit: Eine Untersuchung und Bewertung ausgewählter Rechts(un)sicherheitsfaktoren bei der Anwendung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) [1 ed.] 9783428582037, 9783428182039

In der Praxis wird das UN-Kaufrecht immer noch regelmäßig – bewusst oder unbewusst – abgewählt. Einer der häufigsten daf

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German Pages 364 [365] Year 2023

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Die Abwahl des UN-Kaufrechts aufgrund von Rechtsunsicherheit: Eine Untersuchung und Bewertung ausgewählter Rechts(un)sicherheitsfaktoren bei der Anwendung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) [1 ed.]
 9783428582037, 9783428182039

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 348

Die Abwahl des UN-Kaufrechts aufgrund von Rechtsunsicherheit Eine Untersuchung und Bewertung ausgewählter Rechts(un)sicherheitsfaktoren bei der Anwendung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG)

Von

Patrick A. Droese

Duncker & Humblot · Berlin

PATRICK A. DROESE

Die Abwahl des UN-Kaufrechts aufgrund von Rechtsunsicherheit

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 348

Die Abwahl des UN-Kaufrechts aufgrund von Rechtsunsicherheit Eine Untersuchung und Bewertung ausgewählter Rechts(un)sicherheitsfaktoren bei der Anwendung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG)

Von

Patrick A. Droese

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg hat diese Arbeit im Jahre 2019 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-18203-9 (Print) ISBN 978-3-428-58203-7 (E-Book)

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im September 2020 von der Juristischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg als Dissertation angenommen. Mein besonderer Dank gilt meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Eva-Maria Kieninger, die den Anstoß zu dem Thema dieser Arbeit gab und mir die größtmögliche Freiheit und zugleich Unterstützung im Rahmen der Erstellung gewährte. Herrn Prof. Dr. Wolfram Buchwitz danke ich für die Mühen der zügigen Erstellung des Zweitgutachtens und seine hilfreichen Anmerkungen. Herzlich danken möchte ich bei Gelegenheit dieser Veröffentlichung meinen freundschaftlichen und akademischen Wegbegleitern durch Studium, Referendariat und Promotion, allen voran einem der besten Freunde seit den frühen Semestern, Herrn Dr. Christopher Wilhelm. Unendlichen Dank schulde ich schließlich meiner Familie und der Liebsten an meiner Seite, Frau Dr. Sarah Schimm, deren Unterstützung in allen Lagen ich wirklich sehr zu schätzen weiß. Nicht deutlich genug ausdrücken kann ich dabei meinen herzlichen Dank an meine liebe Mutter, Frau Leonor Ingrid Droese – ohne ihre stets bedingungslose Unterstützung und ihren Rückhalt wäre diese Arbeit und vieles anderes nie geglückt. München, im Juni 2023

Patrick A. Droese

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Teil 1 Die Entstehungsgeschichte und die Abwahl des UN-Kaufrechts

28

§ 1 Die Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 A. Die Arbeiten von Ernst Rabel und UNIDROIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Haager Kaufgesetze (EAG und EKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Die Arbeit von UNCITRAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 D. Wiener Konferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 § 2 Die Abwahl des UN-Kaufrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 A. Parteiautonomie im CISG – Motive für die Abwahl im Allgemeinen . . . . . . . . . 33 B. Untersuchungen zum Ausmaß der Abwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Teil 2 Die Rechtsunsicherheit als Abwahlgrund

40

§ 3 Die Grundlagen und Faktoren von Rechts(un)sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 A. Rechtssicherheit als Grundbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 B. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 C. Faktoren der Rechtssicherheit (i. e. S.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 D. Die Bedeutung von Rechtssicherheit im Wirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 § 4 Einfallstore für Rechtsunsicherheit im Umgang mit dem CISG . . . . . . . . . . . . . . . . 51 A. Verschiedene Sprachfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 B. Arbeitsmittel zum CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 C. Aufbau und Rechtsbehelfssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 D. Begrenzter Anwendungs- und Regelungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 E. Unbestimmte Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 F. Die Einheitlichkeit der internationalen Rechtsanwendung (Art. 7 Abs. 1 CISG) 59

10

Inhaltsübersicht Teil 3 Einzelbetrachtung

64

§ 5 Arbeitsmittel zum CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 A. Internet-Datenbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 B. UNCITRAL Digest of Case Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 C. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 D. CISG Advisory Council . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 E. Musterverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 F. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 § 6 Aufbau und Rechtsbehelfssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 § 7 Anwendungsbereich des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 B. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 C. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 D. Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 E. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 F. Schlussbetrachtung zum sachlichen Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 § 8 Regelungsbereich des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 B. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 C. Der „zweifelsfrei“ umfasste Regelungsbereich (Art. 4 S. 1 CISG) . . . . . . . . . . . 156 D. Externe Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 E. Zu den internen Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 F. Schlussbetrachtung zum Regelungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 § 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 A. Zu der Untersuchung materiell-rechtlicher Einzelprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 B. Vorbemerkung zu Art. 25 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 C. Bestimmbarkeit anhand des Wortlautes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 D. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 E. Kriterien im Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 F. Fallgruppen zur wesentlichen Vertragsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 G. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 § 10 Einbeziehung von AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 A. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 B. Voraussetzungen der Einbeziehung von AGB in das Angebot . . . . . . . . . . . . . . . 268 C. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 § 11 Sich kreuzende AGB („battle of the forms“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 A. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283

Inhaltsübersicht

11

B. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 C. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 § 12 Bestimmung der Untersuchungs- und Rügefrist (Art. 38 Abs. 1, Art. 39 CISG) . . . 301 A. Vorrang der Parteiabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 B. Untersuchungsfrist gemäß Art. 38 Abs. 1 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 C. „Angemessene“ Rügefrist gemäß Art. 39 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 D. Gesamtfrist? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 E. Ausschlussfrist, Art. 39 Abs. 2 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 F. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 § 13 International einheitliche Anwendung (Art. 7 Abs. 1 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Zusammenfassende Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Teil 1 Die Entstehungsgeschichte und die Abwahl des UN-Kaufrechts

28

§ 1 Die Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 A. Die Arbeiten von Ernst Rabel und UNIDROIT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Haager Kaufgesetze (EAG und EKG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Die Arbeit von UNCITRAL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 D. Wiener Konferenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 § 2 Die Abwahl des UN-Kaufrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 A. Parteiautonomie im CISG – Motive für die Abwahl im Allgemeinen . . . . . . . . . 33 B. Untersuchungen zum Ausmaß der Abwahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Umfrage von Meyer (Deutschland, Österreich, Schweiz) . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Umfrage von Widmer/Hachem (Schweiz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Umfrage von Fitzgerald (USA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 IV. Umfrage von Köhler (Deutschland, USA) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 V. Umfrage von Köhler/Guo (China) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 VI. Umfrage von Schwenzer et al. (weltweit) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 VII. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

Teil 2 Die Rechtsunsicherheit als Abwahlgrund

40

§ 3 Die Grundlagen und Faktoren von Rechts(un)sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 A. Rechtssicherheit als Grundbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 B. Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 C. Faktoren der Rechtssicherheit (i. e. S.) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 I. Faktoren eines rechtssicheren Normenkomplexes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Orientierungssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Realisierungssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 3. Stabilität des Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

14

Inhaltsverzeichnis II. Rechtssicherheit und Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 III. Unkenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 D. Die Bedeutung von Rechtssicherheit im Wirtschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

§ 4 Einfallstore für Rechtsunsicherheit im Umgang mit dem CISG . . . . . . . . . . . . . . . . 51 A. Verschiedene Sprachfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 B. Arbeitsmittel zum CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 C. Aufbau und Rechtsbehelfssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 D. Begrenzter Anwendungs- und Regelungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 E. Unbestimmte Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 F. Die Einheitlichkeit der internationalen Rechtsanwendung (Art. 7 Abs. 1 CISG)

59

Teil 3 Einzelbetrachtung

64

§ 5 Arbeitsmittel zum CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 A. Internet-Datenbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 B. UNCITRAL Digest of Case Law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 C. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 D. CISG Advisory Council . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 E. Musterverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 F. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 § 6 Aufbau und Rechtsbehelfssystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 § 7 Anwendungsbereich des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I. Zu der Bestimmbarkeit des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 II. Zum Umfang des Anwendungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 B. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 I. Der Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 II. Vorbehaltsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 1. Vorbehalt gemäß Art. 92 Abs. 1 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 2. Vorbehalt gemäß Art. 93 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 3. Vorbehalt gemäß Art. 94 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 4. Vorbehalt gemäß Art. 95 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 a) Konsequenzen für Gerichte in einem Vorbehaltsstaat . . . . . . . . . . . . . 94 b) Konsequenzen für Gerichte in Nicht-Vorbehaltsstaaten . . . . . . . . . . . . 94 5. Vorbehalt gemäß Art. 96 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 C. Zeitlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 D. Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

Inhaltsverzeichnis

15

E. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 I. „Kaufvertrag“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 2. Unter- und Gestaltungsformen des Kaufs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 3. Werklieferungsvertrag und gemischte Verträge, Art. 3 CISG . . . . . . . . . . 108 a) Werklieferungsverträge und die ,Wesentlichkeit‘ i. S. v. Art. 3 Abs. 1 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 b) Gemischte Verträge und das ,Überwiegen‘ i. S. v. Art. 3 Abs. 2 CISG 114 4. Sonstige vom Anwendungsbereich ausgeschlossene Verträge und Materien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 a) Ausdrücklich (insbesondere Verbrauchsgüterkauf) . . . . . . . . . . . . . . . 125 aa) Die Bestimmung eines Konsumentenkaufes gemäß Art. 2 lit. a CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 bb) Kollision zwischen CISG und nationalem Verbraucherschutzrecht 130 cc) Neben dem CISG anwendbares Verbraucherschutzrecht . . . . . . . . 134 dd) Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 b) Definitorisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 II. „Ware“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Begriffsverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Zur Ware im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 3. Problemkreis Softwareüberlassungsverträge/know-how . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Beurteilung nach dem CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 b) Vergleich zum autonomen deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 c) Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 F. Schlussbetrachtung zum sachlichen Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 § 8 Regelungsbereich des Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 I. Zu der Bestimmbarkeit des Regelungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 II. Zum Umfang des Regelungsbereichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 B. Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 C. Der „zweifelsfrei“ umfasste Regelungsbereich (Art. 4 S. 1 CISG) . . . . . . . . . . . 156 I. Abschluss des Vertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Aus dem Kaufvertrag erwachsende Rechte und Pflichten der Parteien . . . . 158 III. Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 D. Externe Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 I. Ausdrücklich genannte externe Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. „Insbesondere“ ausgeschlossene Materien, Art. 4 S. 2 CISG . . . . . . . . . . 161 a) Gültigkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen, Art. 4 S. 2 lit. a 1. Alt CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 b) Gültigkeit von Gebräuchen, Art. 4 Satz 2 lit. a 2. Alt. CISG . . . . . . . . 164

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Inhaltsverzeichnis c) Wirkungen auf die Eigentumsverhältnisse, Art. 4 Satz 2 lit. b CISG

164

2. Ausschluss von Ansprüchen wegen Tod oder Körperverletzung, Art. 5 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 a) Personenschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 b) Regress . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 c) Sachschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 d) Zwischenbetrachtung zu Art. 5 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 II. Weitere externe Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Abtretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 4. Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 5. Schuldübernahme, -beitritt, -anerkenntnis, Vertragsübernahme . . . . . . . . 182 III. „Ausdrücklich“ mitgeregelte Fragen – Relativierung der externen Lücken 183 1. Zur Gültigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 a) Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 b) Wirksame Einbeziehung von AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 c) Folgen von Willensmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 d) Anfängliche objektive Unmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 2. Zu Eigentumsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 IV. Sonstige mitgeregelte Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 1. Culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 2. Störung der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 3. Zurückbehaltungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 4. Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 E. Zu den internen Lücken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 F. Schlussbetrachtung zum Regelungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 § 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 A. Zu der Untersuchung materiell-rechtlicher Einzelprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 B. Vorbemerkung zu Art. 25 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 C. Bestimmbarkeit anhand des Wortlautes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 D. Sinn und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 E. Kriterien im Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 I. Vertragsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 II. Nachteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 III. Wesentlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 IV. Vorhersehbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 F. Fallgruppen zur wesentlichen Vertragsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 I. Vertragsverletzung des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 1. Endgültige Nichtleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220

Inhaltsverzeichnis

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2. Lieferverzögerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 b) Fixschuldcharakter bei ausdrücklich vereinbartem Lieferzeitpunkt . . 223 c) „Wesentliche“ Lieferverzögerung auch ohne Fixschuldcharakter des Geschäfts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 3. Lieferung vertragswidriger Ware . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 a) Behebbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 b) Zumutbare Nutzungs- bzw. Verwertungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . 230 c) Aliud und Rechtsmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 d) Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4. Unvollständige Lieferung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 5. Verstoß gegen Pflicht zur (vertragsgemäßen) Lieferung von Dokumenten 240 a) Lieferung von Begleitdokumenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 b) Echter Dokumentenkauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 c) „Typischer“ Dokumentenkauf von Massenware („Commodity Trade“) 243 d) Zwischenbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 II. Vertragsverletzung des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Endgültig keine Kaufpreiszahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Zahlungsverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 3. Keine Abnahme und Abnahmeverzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 III. Sonstige Pflichtverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 1. Vorsätzliche Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 2. Verletzung vertraglicher Zusatzpflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) Verstoß gegen Zusatzpflichten des Verkäufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Verstoß gegen Zusatzpflichten des Käufers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 G. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 I. Art. 25 CISG als zentraler Orientierungspunkt im Rechtsbehelfssystem . . . 259 II. Ultima-ratio-Prinzip als Leitfaden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 III. Verobjektivierte Kriterien als Wegweiser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 IV. Bedeutende Konkretisierung durch Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . 262 V. Restrisiko durch Parteivereinbarung vermeidbar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 VI. Rechtssicherheit des Ergebnisfindungsprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 § 10 Einbeziehung von AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 A. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 B. Voraussetzungen der Einbeziehung von AGB in das Angebot . . . . . . . . . . . . . . . 268 I. Geltungshinweis auf AGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 II. Zugänglichmachen des AGB-Textes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 III. Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 C. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280

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Inhaltsverzeichnis

§ 11 Sich kreuzende AGB („battle of the forms“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 A. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 B. Lösungsansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 I. Theorie des letzten Wortes („last shot rule“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 II. Schwächen der Theorie des letzten Wortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 III. Restgültigkeitstheorie („knock out rule“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 1. Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Vertragsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 IV. Grenzen der Restgültigkeitstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 C. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 § 12 Bestimmung der Untersuchungs- und Rügefrist (Art. 38 Abs. 1, Art. 39 CISG) . . . 301 A. Vorrang der Parteiabreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 B. Untersuchungsfrist gemäß Art. 38 Abs. 1 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 C. „Angemessene“ Rügefrist gemäß Art. 39 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 I. Beurteilungskriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 II. Die Entwicklung einer Regelfrist („The Noble Month“) . . . . . . . . . . . . . . . 315 D. Gesamtfrist? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 E. Ausschlussfrist, Art. 39 Abs. 2 CISG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 F. Zusammenfassende Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 § 13 International einheitliche Anwendung (Art. 7 Abs. 1 CISG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 Zusammenfassende Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Abs. AC AcP a. E. a. F. AGB Alt. Am. J. Comp. L. Anm. Aufl. AWD BB Bd. Beil. BezG BGB BGBl. BT BT-Drs BundesG bzw. ca. Cardozo J. Int’l & Comp. L. CCI CIF Cir. CISG CLOUT Cornell Int’l L. J. CR D.C. DCFR DDR d. h. dies./ders. DIHK Distr. Doc.

andere/r Ansicht am angegebenen Ort Absatz Advisory Council Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Allgemeine Geschäftsbedingungen Alternative The American Journal of Comparative Law Anmerkung Auflage Außenwirtschaftsdienst Betriebsberater Band Beilage Bezirksgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundestag Bundestagsdrucksache Bundesgericht (Schweiz) beziehungsweise circa Cardozo Journal of International and Comparative Law Chamber of Commerce and Industry Cost, Insurance, Fright (INCOTERM) Circuit United Nations Convention on Contracts for the International Sale of Goods Case Law on UNCITRAL Texts Cornell International Law Journal Computer und Recht District Court Draft Common Frame of Reference Deutsche Demokratische Republik das heißt dieselbe(n)/derselbe Deutsche Industrie- und Handelskammer District Document

20 Duke J. Comp. & Int’l L. DZWiR EAG E.D. Ed. E. Div. Eds. Einl. EJLR EKG Erw. EU EuGH EuLF EuZW EWiR f. F.C.A. ff. Fn. FS Ga. GEK gem. ggü. GmbH HGB h. L. h. M. Hrsg. hrsg. HS. ICC i. d. S. i. E. i. e. S. IHK IHR Ill. INCOTERMS Int’l Rev. L. & Econ. IPR IPrax i. R. d. i. R. v. i. S. e.

Abkürzungsverzeichnis Duke Journal of Comparative & International Law Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (mittlerweile: Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht) Einheitliches Gesetz über den Abschluss von internationalen Verträgen über bewegliche Sachen Eastern District Editor Eastern Division Editors Einleitung European Journal of Law Reform Einheitliches Gesetz über den Kauf beweglicher Sachen Erwägung Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften The European Legal Forum (Zeitschrift) Europäische Zeitschrift für Wirtschaftrecht Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht und die folgende Federal Court of Australia und die folgenden Fußnote Festschrift Georgia Gemeinsames Europäisches Kaufrecht gemäß gegenüber Gesellschaft mit beschränkter Haftung Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber herausgegeben Halbsatz International Chamber of Commerce in diesem Sinne im Ergebnis im engeren Sinne Industrie- und Handelskammer Internationales Handelsrecht Illinois International Commercial Terms International Review of Law & Economics Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts im Rahmen des/r im Rahmen von im Sinne einer/s

Abkürzungsverzeichnis i. S. v. ITRB i. Ü. i. V. m. JBl J.L. & Com. J. Legal Educ. jurisPK-ITR JuS JZ KantonsG Kap. K&R Law & Pol’y Int’l Bus. LG lit. L. Rev. Ltd. M.D. MDR m. E. M. M. MMR MüKo MüKo-HGB m. w. N. N.D. N. D. Ga. N.D. Ill. East. Div n. F. NJW NJW-RR No. Nr. Nw. J. of Int’l L. and B. NZM o. o. ä. OberG OGH ÖJZ OLG OLGR O.R.

Pa.

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im Sinne von/m Der IT-Rechts-Berater im Übrigen in Verbindung mit Juristische Blätter Journal of Law and Commerce Journal of Legal Education juris PraxisReport IT-Recht Juristische Schulung Juristen Zeitung Kantonsgericht (Schweiz) Kapitel Kommunikation und Recht Law and Policy in International Business Landgericht litera Law Review Limited Middle District Monatsschrift für deutsches Recht meines Erachtens Mindermeinung Multimedia und Recht Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch mit weiteren Nachweisen Northern District Northern District of Georgia Northern District of Illinois, Eastern Division neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift – Rechtsprechungs-Report Number Nummer Northwestern Journal of International Law and Business Neue Zeitschrift für Miet- und Wohnungsrecht oben oder ähnliche/s Obergericht (Schweiz) Oberster Gerichtshof (Österreich) Österreichische Juristenzeitung Oberlandesgericht Oberlandesgerichtsrechtsprechung United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods – Official Records (Documents of the Conference and the Summary Records of the Plenary Meetings and of the Meetings of the Main Committees) Pennsylvania

22 Pace Int’l L. Rev. PECL Penn State Int’l L. Rev. PICC RabelsZ R.D.A.I./I.B.L.J. RiLi RIW RkW Rn. Rs. Rz. S. s. S.A. S.D. N.Y. Singapore Y.B. Int’l L. SJZ Slg. s. o. sog. str. s. u. Syracuse J. Int’l L. & Comm. SZIER TranspR Tz. u. u. a. UCC ULR UN UNCITRAL UNIDROIT USA U.S. Ct. App U.S. D.C. u. U. v. Vand. J. Transnat’l L. verb. VerbrKrG

Abkürzungsverzeichnis Pace International Law Review Principles of European Contract Law („Lando Principles“) Penn State International Law Review Principles of International Commercial Contracts („UNIDROIT Principles“) Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Revue de Droit des Affaires Internationales/International Business Law Journal Richtlinie Recht der internationalen Wirtschaft Rechtskundig Weekblad Randnummer Rechtssache Randziffer Seite siehe South Australian District Southern District of New York Singapore Year Book of International Law Schweizerische Juristen-Zeitung Sammlung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften siehe oben sogenannte/r/n strittig siehe unten Syracuse Journal of International Law and Commerce Schweizerische Zeitschrift für internationales und europäisches Recht (Revue suisse de droit international et de droit européen) Transportrecht Teilziffer unten unter anderem/n Uniform Commercial Code Uniform Law Review United Nations United Nations Commission on International Trade Law Institut International pour l’Unification du Droit Privé United States of America United States Court of Appeals United States District Court unter Umständen von/m Vanderbild Journal of Transnational Law verbunden/-e Verbraucherkreditgesetz

Abkürzungsverzeichnis VersR vgl. Vict. U. Wellington L. Rev. V.J. Vol. Vor Artt. VuR Wash. wbl W.D. W.D. Pa. Wis. Int’l L. J. WM WTO Yale J. Int’l L. Y.B. Y.B. Int’l L. ZaöRV z. B. ZEuP ZfRV ZGS Ziff. ZIP ZivilG ZPO ZVglRWiss

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Versicherungsrecht vergleiche Victoria University of Wellington Law Review Vindobona Journal of International Commercial Law & Arbitration Volume Vorbemerkungen zu den Artikeln Verbraucher und Recht Washington Wirtschaftsrechtliche Blätter Western District Western District of Pennsylvania Wisconsin International Law Journal Wertpapiermitteilungen – Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht World Trade Organization Yale Journal of International Law Yearbook Yearbook of International Law Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europarecht, Internationales Privatrecht und Rechtsvergleichung Zeitschrift für Vertragsgestaltung, Schuld- und Haftungsrecht (früher: Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht) Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilgericht (Schweiz) Zivilprozessordnung Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft

Einleitung

„Der Nutzen vereinheitlichten Rechts liegt in der Erleichterung des internationalen Rechtsverkehrs. Solche Einheitsgesetze machen nämlich in ihrem Bereich die Anwendung des Internationalen Privatrechts mit all seinen Problemen ebenso überflüssig wie die nicht minder gefährliche Anwendung ausländischen materiellen Rechts. Vereinheitlichtes Recht schafft also bessere Vorhersehbarkeit und erhöhte Rechtssicherheit.“1

Mit mittlerweile 95 Vertragsstaaten2 ist das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (Convention on Contracts for the International Sale of Goods, kurz: CISG3) eines der erfolgreichsten Einheitsrechte weltweit.4 So fallen schätzungsweise rund 80 % der weltweit abgeschlossenen Warenhandelsgeschäfte theoretisch in den Anwendungsbereich des UNKaufrechts.5 Von den zehn wichtigsten Außenhandelspartnern Deutschlands ist lediglich das Vereinigte Königreich6 nicht Vertragsstaat des CISG.7 Zu dem Kreis der Vertragsstaaten gehören dagegen so wichtige außereuropäische Handelspartner (gemessen am Gesamtumsatz aus Importen und Exporten in die bzw. aus der Bundesrepublik) wie die Vereinigten Staaten (Platz 1), die Volksrepublik China (Platz 2) und die Russische Föderation (Platz 15). In der Gruppe der zehn größten 1

Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 24; vgl. etwa auch Spaic, 11 V.J. (2007) 237, 257 („The unification of law is thus desirable not only to achieve predictability and certainty of results but also to minimise costs in the event of breach of contract.“). 2 Aktueller Status einsehbar unter: https://uncitral.un.org/en/texts/salegoods/conventions/ sale_of_goods/cisg/status. 3 Zu den verschiedenen Abkürzungen für das Wiener Kaufrecht: Flessner/Kadner, ZEuP 1995, 347 ff. 4 Vgl. Staudinger/Magnus, Einl. Rn. 1 ff., ferner etwa Barnes, 65 Louisiana L. Rev. (2005) 677, 678 („monumental achievement“); Lookofsky, 39 Am. J. Comp. L. (1991) 403, 403 („[…] arguably the greatest legislative achievement aimed at harmonizing private commercial law“). 5 Schwenzer/Hachem, 57 Am. J. Comp. L. (2009) 457, 457; The UNCITRAL Digest and Beyond, ix Nr. 2; Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int’l L. (2003) 263, 263. 6 Mit Begründunsansätzen für die Zurückhaltung des Vereinigten Königreichs Moss, 25 J.L.&Com. (2005), 483 ff. 7 Bericht des Statistischen Bundesamtes zur Rangfolge der Handelspartner im Außenhandel der Bundesrepublik (2021): https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Aussenhan del/Tabellen/rangfolge-handelspartner.html.

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Einleitung

Import- und Exportnationen weltweit ist wiederum nur das Vereinigte Königreich kein Vertragsstaat.8 Innerhalb dieses Rahmens müsste die Vereinheitlichung des internationalen Warenhandelsrechts zu einem beispiellosen Maß an Vorhersehbarkeit und erhöhter Rechtssicherheit geführt haben. So jedenfalls die Theorie. Richtet man den Blick allerdings auf die Anwendung des CISG in der Praxis, scheint die Akzeptanz wesentlich geringer zu sein. So fällt die Anwendbarkeit des CISG in einer Vielzahl der Fälle schlichtweg einer entgegenstehenden Rechtswahlklausel zum Opfer. Mit Blick auf Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG,9 wonach das CISG auch anwendbar sein kann, wenn das einschlägige Kollisionsrecht auf einen Vertragsstaat verweist, wird diese Rechtswahl in aller Regel mit dem ausdrücklichen Ausschluss des UN-Kaufrechts kombiniert.10 Dabei tritt der immer wiederkehrende Vorwurf zutage, die Anwendung des CISG sei mit zu großer Rechtsunsicherheit verbunden.11 Vor diesem Hintergrund soll in der vorliegenden Arbeit dieser scheinbare Widerspruch zwischen Theorie und Praxis näher untersucht werden. Die Frage nach der Praxistauglichkeit des CISG gewinnt im Kontext regionaler Vereinheitlichungsbestrebungen zusätzlich an Aktualität.12 Zwar hat die Europäische Kommission mit entsprechender Mitteilung vom 16. Dezember 2014 verlautbart, den Vorschlag eines Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht (KOM (2011) 635 endg.) nicht weiter zu verfolgen.13 Nichtsdestotrotz lassen sich aus einer Untersuchung zum CISG Rückschlüsse auf den möglichen Erfolg oder Misserfolg entsprechender Nachfolgeprojekte ziehen. Umso mehr interessiert mithin die Frage, wie das UN-Kaufrecht mit Blick auf seine Praxistauglichkeit bzw. den Grad an Rechtssicherheit tatsächlich zu bewerten ist. 8 Vgl. Schwenzer/Hachem/Kee, Global Sales and Contract Law, Rn. 3.20, mit Verweis auf entsprechende WHO-Statistiken: http://www.wto.org/english/res_e/statis_e/its2010_e/its10_ world_trade_dev_e.pdf. 9 Gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG ist das UN-Kaufrecht anwendbar, wenn die Parteien jeweils ihre Niederlassung in verschiedenen Vertragsstaaten haben. 10 Z. B.: „Auf dieses Vertragsverhältnis findet deutsches Recht Anwendung, unter Ausschluss des UN-Kaufrechts.“ 11 Exemplarisch Ziegel, 25 J.L. & Com. (2005) 59, 73 („Given these weaknesses, the contracting parties may find it much more attractive to choose a municipal law with a well developed sales law to govern their contracts in place of the CISG. They will do so because it will provide greater certainty and because they hope the chosen domestic law will be able to resolve all future disputes between the parties, procedural as well as substantive.“). 12 Vor diesem Hintergrund regte die Schweiz in Vorbereitung der 45. Sitzung von UNCITRAL im Juli 2012 an, die Weiterentwicklung des CISG auf die Agenda von UNCITRAL zu setzen, vgl. Proposal by Switzerland on possible future work by UNCITRAL in the area of international contract law, vom 8. 5. 2012, Doc. A/CN.9/758, abrufbar unter: www.un.org/ga/se arch/view_doc.asp?symbol=A/CN.9/758. Der Vorschlag wurde allerdings mit deutlicher Mehrheit verworfen. Zu den Ablehnungsgründen s. u., § 8 F. 13 COM(2014)910/F1, Annex 2 zur Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen (Arbeitsprogramm der Kommission für 2015), Item No. 60 (https://ec.europa.eu/trans parency/regdoc/rep/1/2014/DE/1-2014-910-DE-F1-1-ANNEX-4.Pdf).

Einleitung

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Dazu wird zunächst in einem ersten Teil knapp die Entstehungsgeschichte des CISG dargestellt und auf bisherige empirische Untersuchungen zur Abwahlpraxis eingegangen. In Teil 2 wird sodann der viel zitierte Begriff der „Rechtssicherheit“ näher beleuchtet. Was macht Rechtssicherheit aus und welcher Stellenwert kommt ihr im (transnationalen) Handelsrecht zu? An welchen Umständen und Merkmalen lassen sich Rechtssicherheitsrisiken bei der Anwendung des CISG überhaupt festmachen? Den Schwerpunkt bildet schließlich Teil 3 mit einer Untersuchung und entsprechenden Bewertung, wie sich die Lage über 30 Jahre nach Inkrafttreten des Wiener Kaufrechtsübereinkommens mit Blick auf die identifizierten „Einfallstore für Rechtsunsicherheit“ tatsächlich darstellt. Aus Platzgründen kann die Einzelbetrachtung freilich nur anhand ausgewählter Schwerpunkte erfolgen. Wo es sich anbietet, sollen die Erläuterungen und Ergebnisse zum CISG zu der Rechtslage im autonomen deutschen Recht in Bezug gesetzt werden, um die Erwägungen gerade für den deutschen Leser zu veranschaulichen. Auf dieser Grundlage gilt es, eine verallgemeinerungsfähige Antwort auf die Frage zu liefern, ob bei der Anwendung des CISG Rechtsunsicherheit besteht, die tatsächlich seine Abwahl zugunsten der Anwendbarkeit von autonomem, unvereinheitlichtem Recht empfehlenswert erscheinen lässt. Was den methodischen Ansatz der vorliegenden Arbeit betrifft, geht es nicht primär darum, einzelne Rechtsfragen zum CISG erneut einer isolierten Betrachtung zu unterziehen und gegebenenfalls neue Lösungsansätze zu unterbreiten. Ziel ist vielmehr eine Gesamtschau unter dem Aspekt der Rechtssicherheit. Leitmotiv ist die Frage, ob sich die Kritik der mangelnden Rechtssicherheit bei Wahl des CISG auf Grundlage einer näheren Analyse der Rechtsprechung und Literatur zu einzelnen Rechtsfragen als richtig oder falsch erweist. Freilich bedingt eine solche Zielsetzung notwendigerweise auch eine inhaltliche Auseinandersetzung mit teilweise immer noch rege diskutierten Rechtsfragen, sei es zum Anwendungs- und Regelungsbereich, zu materiell-rechtlichen Einzelproblemen oder anderen Fragen bei der Anwendung der Konvention. Wo es angebracht erscheint, werden die jeweils vertretenen Lösungsansätze auch kritisch hinterfragt und es wird Stellung bezogen. Nichtsdestotrotz geht mit der gewählten Schwerpunktsetzung einher, dass das empirische Element überwiegt. Dies schlägt sich insbesondere, obgleich nicht ausschließlich, in der intensiven und umfänglichen Aufbereitung und Bewertung der internationalen Rechtsprechung und Literatur zum UN-Kaufrecht nieder. Dabei werden gerade auch solche Bereiche näher darzustellen und hervorzuheben sein, in denen keine oder jedenfalls nur noch geringe Unwägbarkeiten zu verzeichnen sind. Im Übrigen sei auf Teil 2 der Arbeit verwiesen, der den Rahmen, in dem sich die anschließende, empirisch geprägte Einzelbetrachtung (Teil 3) vollzieht, absteckt und näher erläutert.

Teil 1

Die Entstehungsgeschichte und die Abwahl des UN-Kaufrechts § 1 Die Entstehungsgeschichte Nachdem im Dezember 1986 die Hinterlegung von zehn Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunden vollzogen wurde, trat das UNKaufrecht gemäß Art. 99 CISG am 1. Januar 1987 in Kraft. In Deutschland gilt das UN-Kaufrecht seit dem 1. 1. 1991 auf Grundlage des am 14. 7. 1989 in Kraft getretenen Zustimmungsgesetzes vom 5. 7. 1989.1 Die Bundesrepublik ist somit der 25. Vertragsstaat, nachdem sie die nach Art. 99 Abs. 1 CISG erforderliche Hinterlegung der Ratifikationsurkunde am 21. 12. 1989 erbrachte und die bis dahin geltenden Haager Kaufgesetze zum 31. 12. 1989 aufkündigte (Art. 99 Abs. 3 CISG). Das heutige vereinheitlichte Sachrecht für Verträge über den internationalen Warenkauf beruht auf einer nunmehr fast hundertjährigen Entwicklung. Bevor sich diese Arbeit genauer mit dessen aktuellster Fassung auseinandersetzt, soll sie einen Überblick über die Entstehungsgeschichte2 der wohl „am ausführlichsten und gründlichsten vorbereiteten“3 internationalen Konvention verschaffen.

A. Die Arbeiten von Ernst Rabel und UNIDROIT Ausgangspunkt der Entstehung des CISG ist der Vorschlag des damaligen Direktors des Berliner Kaiser-Wilhelm-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht Ernst Rabel4, die internationale Vereinheitlichung des Kaufrechts voranzutreiben. So regte Rabel erfolgreich bei dem kurz zuvor am 3. 9. 1926 gegrün1 BGBl. 1989 II, S. 586 ff., in der ehemaligen DDR galt es nach Unterzeichnung des Übereinkommens am 13. 8. 1981 bereits ab dem 1. 3. 1990 (GBl. DDR 1989 II S. 65) bis zur Wiedervereinigung am 3. 10. 1990, vgl. zum UN-Kaufrecht und der deutschen Einigung Staudinger/Magnus, Einl. Rn. 11 ff. m. w. N. 2 Vgl. dazu nur Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht, S. 1 ff.; Schlechtriem, in: Schlechtriem (Hrsg.), Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 27 – 36; Staudinger/Magnus, Einl. Rn. 19 ff. 3 Staudinger/Magnus, Einl. Rn. 19. 4 „[…] the mastermind behind the draft Uniform International Sales Law“, Grossfeld/ Winship, 18 Syracuse J. Int’l L & Com. (1992) 3, 11.

§ 1 Die Entstehungsgeschichte

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deten und 30. 5. 1928 eingeweihten Römischen Institut für Privatrechtsvergleichung (UNIDROIT) die Aufnahme entsprechender Arbeiten auf dessen Agenda an.5 Schon kurz darauf schloss Rabel bereits begonnene rechtsvergleichende Arbeiten ab und legte einen unter seiner Leitung gefertigten ersten vorläufigen Entwurf des KaiserWilhelm-Instituts, der sogenannte „Blaue Bericht“,6 vor. Die darauf folgenden Arbeiten in den Jahren 1930 bis 1934 eines vom UNIDROIT-Direktionsrats bestellten Komitees, bestehend aus Vertretern der „vier privatrechtlichen Hauptsysteme“7 (common law, französischer, skandinavischer, deutscher Rechtskreis), führten zu dem ersten Entwurf eines Einheitsgesetzes über den internationalen Warenkauf von 1935 (Projet d’une loi internationale sur la vente).8 Einen von den materiellen Kaufrechtsregelungen kurzfristig noch abgetrennten Entwurf über den Kaufvertragsabschluss (Loi uniforme sur la formation des contrats internationaux par correspondance) legte das Komitee 1936 vor, dem schließlich ein nochmals überarbeiteter letzter Entwurf zu den materiellen Regelungen im Jahre 19399 folgte („Römischer Entwurf“).10 Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs endete die erste Etappe auf dem Weg zum CISG.

B. Haager Kaufgesetze (EAG und EKG) Aus der 1950 wieder aufgenommenen Arbeit der UNIDROIT-Kommission ging 1958 ein weiterer Entwurf zum Vertragsabschluss hervor.11 Parallel dazu beschäftigte sich die Haager Konferenz ab 1951 mit der Kaufrechtsvereinheitlichung. Aufbauend auf der Auseinandersetzung mit dem UNIDROIT-Entwurf von 1936 auf der diplomatischen Konferenz 195112, wurde ein eigener Kaufrechtsausschuss, wiederum unter Beteiligung Rabels, eingerichtet, dessen erstem Entwurf zum materiellen Kaufrecht 195613 der endgültige im Jahre 196314 folgte. Auf Grundlage des UNIDROIT-Entwurfs von 1958 (Vertragsabschluss) sowie des Entwurfs der Haager Konferenz von 1963 (materielles Kaufrecht) wurde auf der Haager Konferenz 1964 schließlich das Einheitliche Gesetz über den Abschluss von internationalen Verträgen über bewegliche Sachen (EAG) und das Einheitliche 5

Rabel, RabelsZ 3 (1929) 402, 405; ders., RabelsZ 9 (1935) 1, 1. Rabel, Gesammelte Aufsätze Bd. III, S. 381 ff. 7 Rabel, RabelsZ 9 (1935) 1, 1. 8 Veröffentlicht mit persönlicher Stellungnahme bei Rabel, RabelsZ 9 (1935) 1, 8 ff. 9 Rabel, Recht des Warenkaufs Bd. II, S. 395 ff. 10 Mertens/Rehbinder, Internationales Kaufrecht, Rn. 3. 11 v. Caemmerer, RabelsZ 29 (1965) 101, 103, Entwurf abgedruckt auf S. 142 ff. 12 Bericht darüber bei Rabel, RabelsZ 17 (1952) 212 ff. 13 Dazu Riese, RabelsZ 22 (1957) 16 ff., mit deutscher Übersetzung auf S. 124 ff. 14 Dazu Riese, RabelsZ 29 (1965) 1 ff.; Mertens/Rehbinder, Internationales Kaufrecht, Rn. 4. 6

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Teil 1: Die Entstehungsgeschichte und die Abwahl des UN-Kaufrechts

Gesetz über den Kauf beweglicher Sachen (EKG) beschlossen.15 Jedoch kann diesem „Pilotprojekt“16 nur räumlich sehr beschränkter Erfolg zugesprochen werden.17 So trat es nur in neun Staaten (1972 in Belgien, Gambia, Großbritannien, Italien, Israel, Luxemburg, den Niederlanden, San Marino und in Deutschland 1974) in Kraft. Auf der aus lediglich 28 Teilnehmerstaaten bestehenden Konferenz waren osteuropäische Staaten unterrepräsentiert (nur Bulgarien, Jugoslawien und Ungarn erschienen) und Entwicklungsländer gar nicht vertreten – Zurückhaltung hinsichtlich der Ratifikation war gewissermaßen vorprogrammiert.18 Sie beruht v. a. auf der Kritik einer einseitigen Orientierung an den Rechtssystemen westlicher Industrieländer bzw. mangelnder Berücksichtigung eigener Anliegen.19 Aber auch die USA, Frankreich, die Schweiz, Österreich sowie skandinavische Staaten machten bereits früh deutlich, dass mit ihrer Ratifikation der Haager Kaufrechte nicht zu rechnen sei.20 Zudem wurde reger Gebrauch von verschiedensten Vorbehaltsmöglichkeiten21 gemacht.22 Ein Teilerfolg der ersten „internationalen“ Kaufrechtsvereinheitlichung kann jedoch mit Blick auf die Praktikabilität und die häufige Anwendung der Gerichte in den Vertragsstaaten selbst verbucht werden.23

15 Berichte dazu bei v. Caemmerer, RabelsZ 29 (1965) 101 ff. sowie Riese, RabelsZ 29 (1965) 1 ff.; vgl. auch Dölle/Dölle, Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht, S. XXXI f.; Mertens/Rehbinder, Internationales Kaufrecht, Rn. 1 ff. 16 Staudinger/Magnus, Einl. Rn. 23. 17 Vgl. Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht, S. 2; Mertens, in: FS-Bärmann, S. 651, 654 ff. 18 Herrmann, IPRax 1981, 109, 110. 19 Vgl. MüKo/H. P. Westermann (6. Aufl. 2012), CISG Vor Art. 1 Rn. 8; Staudinger/Magnus, Einl. Rn. 24; Schlechtriem, in: Schlechtriem (Hrsg.), Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 27, 31; Enderlein/Maskow/Strohbach, Internationales Kaufrecht, Einl. S. 24; U. Huber, RabelsZ 43 (1979) 413, 414; Herber, RIW/AWD 1974, 577, 578 f. 20 Zu deren Kritik vgl. UNCITRAL YB Vol. I (1968 – 1970), http://www.uncitral.org/unci tral/en/publications/yearbook.html, S. 162 ff.; U. Huber, RabelsZ 43 (1979), 413, 414. 21 Dazu im Einzelnen Dölle/Herber, Kommentar zum Einheitlichen Kaufrecht, Vor Artt. 1 – 8 EKG Rn. 5 – 15. 22 Großbritannien und Gambia ratifizierten etwa nur unter dem Vorbehalt Art. V EKG einer parteiautonomen „opting-in“-Lösung (Art. V EKG), was faktisch als eine Nichtbeachtung der Haager Kaufgesetze zu werten war, vgl. auch Herber, RIW/AWD 1974, 577, 578. 23 Schlechtriem, in: Schlechtriem (Hrsg.), Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 27, 30; vgl. zur ergangenen Rspr. Schlechtriem/Magnus, Internationale Rechtsprechung zu EKG und EAG, S. 9; Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht, S. 2; zu praktischen Erfahrungen in Deutschland Piltz, in: Schlechtriem (Hrsg.), Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 37 ff.; Magnus, RabelsZ 45 (1981) 144, 150; kritisch: Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht, S. 10.

§ 1 Die Entstehungsgeschichte

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C. Die Arbeit von UNCITRAL Im Jahre 1966 gründeten die Vereinten Nationen einen ständigen Ausschuss für internationales Handelsrecht (United Nations Commission on International Trade Law, UNCITRAL)24, der bereits im Jahre 1968 auf der ersten Sitzung beschloss, eigene Arbeiten zur Vereinheitlichung des internationalen Kaufrechts voranzutreiben.25 Zu diesem Zweck wurde 1969 eine eigene Arbeitsgruppe für Kaufrecht gebildet.26 Der Zeitpunkt der Aufnahme dieser Arbeiten rund drei Jahre vor Inkrafttreten der Haager Kaufgesetze verdeutlicht ebenfalls, dass letztere nur eine Durchgangsstation auf dem weiteren Weg der Kaufrechtsvereinheitlichung darstellten, sie sich also schon frühzeitig „auf einem toten Gleis“27 befanden. Dennoch kann die grundsätzliche Qualität der Haager Kaufgesetze kaum bezweifelt werden.28 Sie bildeten den Ausgangspunkt für die Entwürfe von UNCITRAL, welche letztlich eine Überarbeitung und Weiterentwicklung darstellten.29 Signifikant unterschied sich allerdings der Rahmen, in dem diese Überarbeitung und Weiterentwicklung vollzogen wurde.30 Offenkundige Schwachstellen bei der Erarbeitung von EKG und EAG wurden beseitigt und insbesondere wurde auf eine international möglichst repräsentative Zusammensetzung sowohl von UNCITRAL als auch der Arbeitsgruppen aus den verschiedenen Rechts- und Wirtschaftssystemen geachtet.31 So legte die Arbeitsgruppe Kaufrecht UNCITRAL32 schließlich 1976 den Entwurf eines Übereinkommens über den internationalen Warenkauf („Genfer Ent24 Resolution Nr. 2205 (XXI) vom 17. 12. 1966, UNCITRAL YB Vol. I (1968 – 1970), http: //www.uncitral.org/uncitral/en/publications/yearbook.html, S. 65 ff. 25 UNCITRAL YB Vol. I (1968 – 1970), http://www.uncitral.org/uncitral/en/publications/ye arbook.html, S. 76 ff.; Herber, RIW/AWD 1974, 577, 578. 26 U. Huber, RabelsZ 43 (1979) 413, 415; u. a. zu der Zusammensetzung von UNCITRAL sowie der Arbeitsgruppe Kaufrecht Herber, RIW/AWD 1974, 577, 577, 579 (dort Fn. 9). 27 Schlechtriem, in: Schlechtriem (Hrsg.), Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 27, 30. 28 Schlechtriem/Schwenzer, Commentary, Introduction S. 1; Jakobs, Gesetzgebung im Leistungsstörungsrecht, S. 11 ff. 29 Vgl. Schwenzer, NJW 1990, 602, 602; Schlechtriem, in: Schlechtriem (Hrsg.), Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 27, 31; Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht, S. 3; U. Huber, RabelsZ 49 (1979) 413, 415; Herrmann, IPRax 1981, 109, 109. 30 Ausführlich zu der Arbeit von UNCITRAL bis zur Wiener Konferenz: U. Huber, RabelsZ 49 (1979) 413 ff.; Herber, RIW 1974, 577 ff.; ders., RIW 1976, 125 ff.; ders., RIW 1977, 314 ff. 31 UNCITRAL YB Vol. VIII (1977), http://www.uncitral.org/uncitral/en/publications/year book.html, S. 11, 15 ff.; MüKo/H. P. Westermann (6. Aufl. 2012), CISG Vor Art. 1 Rn. 9; u. a. zu der Zusammensetzung von UNCITRAL sowie der Arbeitsgruppe Kaufrecht siehe Herber, RIW/AWD 1974, 577, 577, 579 (dort Fn. 9). 32 Nach Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen wurde sie 1973 in den Kreis der anfangs 29 und mittlerweile 36 Mitglieder (Resolution Nr. 3108 (XXVIII) der Vollversammlung vom 12. 12. 1973) von UNCITRAL gewählt und nahm erstmals an deren

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Teil 1: Die Entstehungsgeschichte und die Abwahl des UN-Kaufrechts

wurf“)33 und 1977 den Entwurf eines Übereinkommens über den Abschluss internationaler Warenkaufverträge34 vor.35 Dieser „Genfer Entwurf“ wurde allen Mitgliedern der Vereinten Nationen zur Stellungnahme übersandt, um letztlich ein Höchstmaß an Akzeptanz zu gewährleisten.36 Weitere auf deren Grundlage erfolgte Beratungen auf der zehnten Tagung von UNCITRAL in Wien 1977 führten dann zum „Wiener Entwurf“ des Übereinkommens über den internationalen Warenkauf.37 Auf der 11. UNCITRAL-Sitzung 1978 wurde schließlich mit der seit 1936 getrennt erfolgten Behandlung des Vertragsabschlusses und der materiellen Kaufrechtsregelungen gebrochen und ein einheitlicher, beide Komplexe umfassender und nochmals überarbeiteter sog. „New Yorker Entwurf“ eines Kaufrechtsübereinkommens beschlossen, der dann wiederum allen Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen vorgelegt wurde.38

D. Wiener Konferenz Vom 10. März bis zum 5. April 1980 wurde in Wien die danach benannte Wiener Konferenz abgehalten.39 Deren primäre Arbeitsgrundlage stellten der New Yorker Entwurf und die mittlerweile ergangenen Stellungnahmen der UN-Mitgliedstaaten dar. Die Teilnehmerzahl von insgesamt 62 Staaten übertraf die lediglich 28 Teilnehmer der Haager Konferenz von 1964 ganz erheblich. Die Gruppe war durchaus international repräsentativ zusammengesetzt.40 In einem ersten Ausschuss wurde der materielle Teil behandelt.41 Im zweiten Ausschuss beschäftigte man sich v. a. mit den Schlussbestimmungen.42 Über die siebter Tagung vom 13. bis 17. 5. 1974 in New York teil. Den Sitzungen des Ausschusses für Kaufrecht saß sie nur als Beobachter bei, vgl. Herber, RIW/AWD 1974, 577, 577 ff. 33 UNCITRAL YB Vol. VII (1976), http://www.uncitral.org/uncitral/en/publications/year book.html, S. 89 ff.; U. Huber, RabelsZ 43 (1979) 413, 415. 34 UNCITRAL YB Vol. XIII (1977), http://www.uncitral.org/uncitral/en/publications/year book.html, S. 88 ff. 35 Staudinger/Magnus, Einl. Rn. 24; Herber/Czerwenka, Einf. Rn. 5. 36 Herber, RIW/AWD 1976, 125, 126; ders., RIW/AWD 1977, 314, 317. 37 UNCITRAL YB Vol. VIII (1977), http://www.uncitral.org/uncitral/en/publications/year book.html, S. 11, 15 – 21; U. Huber, RabelsZ 43 (1979), 413, 415. 38 UNCITRAL YB Vol. IX (1978), http://www.uncitral.org/uncitral/en/publications/year book.html, S. 11, 14 ff.; abgedruckt in RabelsZ 43 (1979) 528 ff.; Herber/Czerwenka, Einf. Rn. 5; für ausführliche Erläuterungen siehe U. Huber, RabelsZ 43 (1979) 413, 416 sowie der Kommentar des UNICITRAL-Sekretariats, O.R., S. 14 ff. 39 Ausführlich dazu: Official Records of the United Nations Conference on Contracts for the International Sale of Goods, 1981 der UN (O.R.) sowie die beiden Teilnehmer Schlechtriem, Einheitliches UN-Kaufrecht, S. 2 ff. und Herber, RIW/AWD 1980, 601, 602. 40 Für eine Auflistung der Teilnehmerstaaten s. O.R. S. 176 Nr. 3. 41 Zu den einzelnen Beratungen s. O.R. S. 236 ff. sowie Zusammenfassung auf S. 82 ff. 42 Zu den einzelnen Beratungen s. O.R. S. 434 ff. sowie Zusammenfassung auf S. 141 ff.

§ 2 Die Abwahl des UN-Kaufrechts

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Entwürfe wurde daraufhin im Plenum nochmals beraten,43 bevor das „Wiener Kaufrecht“ dann in der Schlussabstimmung bei neun Enthaltungen und ohne Gegenstimme von 42 Staaten angenommen wurde.44

§ 2 Die Abwahl des UN-Kaufrechts A. Parteiautonomie im CISG – Motive für die Abwahl im Allgemeinen Dem Grundsatz der Parteiautonomie kommt im UN-Kaufrecht elementare Bedeutung zu.45 So findet sich in Art. 6 CISG die Regelung, dass die Parteien – unter Einhaltung der Vertragsschlussvoraussetzungen der Konvention – einzelne Vorschriften (mit Ausnahme von Art. 12 CISG) oder das CISG vollständig abwählen können bzw. parteiautonom abweichende oder auch ergänzende Vereinbarungen treffen können. Wie in der Literatur oft hervorgehoben wird, macht die Praxis von dieser Konzeption v. a. dergestalt Gebrauch, dass sie in einem Großteil der Fälle46 das CISG komplett abwählt.47 Neben dem noch genauer zu untersuchenden Vorwurf, bei 43

Zu den Beratungen im Plenum s. O.R. S. 195 ff. O.R. S. 230 Nr. 111. 45 Zu der dipositiven Natur des CISG s. etwa Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Mistelis, Art. 6 Rn. 1; Ferrari, 25 Int’l Rev. L. & Econ. (2005) 314, 330 f.; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 6 Rn. 5 ff.; Stanton, 4 Cardozo J. Int’l & Comp. L. (1996) 423, 431; Staudinger/Magnus, Art. 6 Rn. 1. 46 Mit relativierenden Aussagen, dass der Trend einer pauschalen Abwahl im Vergleich zu den ersten Jahren der Geltung des UN-Kaufrechts etwas abgenommen habe vgl. Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Einl. III.4. („Die zunehmende internationale Überlegenheit des CISG spiegelt sich nicht zuletzt in der Tatsache wider, dass immer mehr Vertragsparteien nicht nur das an sich anwendbare CISG nicht abwählen, sondern umgekehrt im Wege des opting-in ihren Vertrag dem CISG unterstellen.“), nichtsdestotrotz mit der Feststellung, dass eine Vorliebe zur Abwahl des CISG nicht von der Hand zu weisen sei, Schwenzer/Kee, 29 Penn State Int’l L. Rev. (2011) 425, 435 (vgl. u. Zitat in Teil 1 Fn. 81). 47 Vgl. mit diesem Hinweis („anecdotal story“) auch Schwenzer/Kee, 29 Penn State Int’l L. Rev. (2011) 425, 429 mit Verweis auf Spagnolo, 13 V.J. (2009) 135, 135 („It has often been lamented that parties frequently opt out from the CISG [m. w. N.].“); ferner Schillo, IHR 2003, 257, 257 („Soweit hiermit überhaupt vertraut, hat diese [die deutsche Vertragspraxis] das CISG vielmehr bis in jüngste Zeit routinemäßig abbedungen.“); Smits, in: ders. (Ed.), The Need for a European Contact Law, S. 153, 161 („First of all, the CISG is often excluded by the parties.“); Stadie/Nietzer, MDR 2002, S. 428, 431; Koch, Computer-Vertragsrecht, Teil 5 Rn. 83 („UNKaufrecht tritt im EDV-Bereich vor allem dadurch in Erscheinung, dass es (zulässig) abbedungen wird.“); Doralt, AcP 211 (2011) 1, 17 („So wird etwa regelmäßig in der Praxis noch immer die Anwendung des UN-Kaufrechts ausgeschlossen, weil den handelnden Juristen oft die Vertrautheit damit fehlt und vermutet wird, dass weder Rechtsprechung noch (ausreichend) Literatur vorhanden wären.“); Ferrari, 25 Int’l Rev. L. & Econ. (2005) 314, 330 f.; Honsell/ Siehr, Präambel, Rn. 8 mit Hinweis auf häufige Abwahl durch Anwälte in den USA; Magnus, 44

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Teil 1: Die Entstehungsgeschichte und die Abwahl des UN-Kaufrechts

Geltung des UN-Kaufrechts herrsche zu große Rechtsunsicherheit,48 wird v. a. hervorgehoben, dass das CISG inhaltlich schlichtweg (zu) unbekannt sei, sich die Parteien und/oder Rechtsbeistände daher vor der Anwendung des CISG scheuten und diese mithin ganz bewusst vermeiden würden.49 Ein weiteres, häufig genanntes Motiv bzw. ein weiterer Erklärungsansatz ist die oftmals einseitige Verteilung der Verhandlungsmacht, die dazu führe, dass eine Partei ihr grundsätzlich vertrauteres Heimatrecht durchsetzen könne.50 Auch der – kaum mehr überzeugende51 – Hinweis National Report Germany, in: Ferrari (Ed.), The CISG and its Impact on National Legal Systems, S. 143, 146; Meyer, ÖJZ 2008, 792, 793; ders., RabelsZ 69 (2005) 457, 462; ders., SJZ 104 (2008) 421, 422; Thiele, IHR 2002, 8, 8 f. ebenfalls mit Hinweis auf häufige Abwahl in US-amerikanischer Praxis; Mankowski, RIW 2003, 2, 8; Singh/Leisinger, 20 Pace Int’l L. Rev. (2008) 161, 161 („[…] it is still common practice for many business people and their legal advisors to automatically opt out of the Convention.“); Stürner, BB 2006, 2029, 2029; Schillo, IHR 2003, 257, 257; Voser/Boog, RIW 2009, 126, 135; Witz/Salger/Lorenz, Vorwort („In der Kautelarpraxis hat sich freilich wenig geändert; das CISG wird meist vertraglich zugunsten einer nationalen Rechtsordnung ausgeschlossen“). Auf den regelmäßigen Anwendungsausschluss in Allgemeinen Geschäftsbedingungen hinweisend Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Mistelis, Art. 6 Rn. 2; Schwenzer/Kee, 29 Penn State Int’l L. Rev. (2011) 425, 431; Smits, in: ders. (Ed.), The Need for a European Contact Law, S. 153, 161. 48 Vgl. Köhler, www.cisg.law.pace.edu/cisg/biblio/koehler.html, IV.2.b. („Thus, several German jurists consider the provisions of the German Civil Code to be ,more clearly defined‘. Even more American respondents are of the opinion that the provisions of the CISG are ,too flexible‘ and therefore ,unpredictable‘, as opposed to the UCC […].“); ferner auch Doralt, AcP 211 (2011) 1, 17 (vgl. bereits o. Teil 1 Fn. 47); Honsell/Honsell, Vorwort („Immer noch wird das CISG in der Praxis gemieden, weil man es als Neulandrecht betrachtet und die aus dem Fehlen von Judikatur resultierende Rechtsunsicherheit bei der Auslegung scheut.“); Schillo, IHR 2003, 257, 259, insb. 265; Spagnolo, 13 V.J. (2009) 135, 153 f. und ferner Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Schwenzer, Einl. II. (Wortlaut s. u. Teil 2 Fn. 88); Ziegel, 25 J. L. & Com. (2005) 59, 72. 49 Vgl. Spagnolo, 13 V.J. (2009) 135, 137 („A perennial favourite with CISG commentators, unfamilarity covers both lack of sufficient knowledge of the CISG and lack of awareness of its existence.“). Ferner Doralt, AcP 211 (2011) 1, 17 (vgl. bereits oben Teil 1 Fn. 47); Köhler, www.cisg.law.pace.edu/cisg/biblio/koehler.html, IV.1., insb. auch VIII. („[…] the lack of familiarity of the convention provides by far the most important reason for exclusion.“); Meyer, RabelsZ 69 (2005) 457, 475; Singh/Leisinger, 20 Pace Int’l L. Rev. (2008) 161, 189 („The fact is that most traders and their legal advisors who choose to opt out of the Convention do so not because it is advantageous to their contract but rather because they are unaware as to what the provisions of the Convention actually entail.“); Smits, in: ders. (Ed.), The Need for a European Contact Law, S. 153, 161 („Another reason seems to be that the content of the CISG is often unknown to the parties and that they do not find it worthwhile to put time and money into getting to know this content.“); Witz/Salger/Lorenz, Vorwort („[…] dürfte sich vornehmlich aus dem Umstand erklären, dass die mit der Vertragsgestaltung befassten Juristen mit der Regelungsmaterie der Konvention nicht vertraut sind.“); vorsichtiger Schwenzer/Kee, 29 Penn State Int’l L. Rev. (2011) 425, 433, 438. 50 Vgl. Schwenzer/Kee, 29 Penn State Int’l L. Rev. (2011) 425, 439; Köhler, www.cisg.law. pace.edu/cisg/biblio/koehler.html, IV.1.; Spagnolo, 13 V.J. (2009) 135, 150. 51 Zu der kaum überzeugenden Ansicht, das CISG weise eine ungleiche Interessengewichtung auf, vgl. Staudinger/Magnus, Einl. zum CISG, Rn. 8 und Art. 6 Rn. 8 („[…] ausgewogene und neutrale Kaufrechtsordnung […]“); Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 1-27; Verweyen/Foerster/Toufar, Handbuch des Internationalen Warenkaufs, S. 52; Lookofsky, 13

§ 2 Die Abwahl des UN-Kaufrechts

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auf eine vermeintlich einseitige Interessengewichtung zugunsten der Käufer- oder Verkäuferseite wird stellenweise als Abwahlgrund genannt.

B. Untersuchungen zum Ausmaß der Abwahl Neben den recht allgemein gehaltenen Aussagen zum Abwahlverhalten der Parteien internationaler Warenhandelsgeschäfte finden sich in der Literatur auch einige Beiträge, die versuchen, genauer quantifizierbare Erkenntnisse zur Abwahlpraxis zu liefern. Diese empirischen Untersuchungen erfolgten teils nur auf regional stark begrenzter, jüngst aber auch breiterer internationaler Ebene. Über die Ergebnisse der m. E. wichtigsten Untersuchungen soll im Folgenden – insbesondere mit Fokus auf Rechtssicherheitserwägungen – ein Überblick verschafft werden.

I. Umfrage von Meyer (Deutschland, Österreich, Schweiz) Justus Meyer führte Befragungen zur Abwahl des CISG unter Praktikern in Deutschland52, der Schweiz53 und in Österreich54 durch: Seine im Jahr 2004 durchgeführte Befragung von deutschen, mit internationalem Kaufrecht betrauten Anwälten „[…] offenbart[e] weitverbreitete Vorbehalte gegen das UN-Kaufrecht […].“55 Die Auswertung der 631 verwertbaren Antworten ergab, dass 42,17 % der Befragten angaben, das UN-Kaufrecht ausdrücklich abzuwählen, wobei sich bei Herausrechnung der indifferenten Antworten zum Abwahlverhalten sogar ein Anteil von 66,46 % ergab.56 Bemerkenswert erscheint auch das Ergebnis, dass bei isolierter Betrachtung der stärker spezialisierten Anwaltschaft sogar 44,8 % bzw. bei Herausrechnung der indifferenten Antworten, 69 % angaben, die Anwendbarkeit des CISG ausdrücklich auszuschließen.57 Letztlich ergab die Studie, dass rund zwei Drittel der befragten, mehr oder weniger auf internationales Kaufrecht spezialisierten Anwälte das UN-Kaufrecht bei der Vertragsgestaltung regelmäßig abwählen.58 Der am häufigsten genannte Grund für die Abwahl war eine zu geringe Rechtssicherheit – 43,21 % der Befragten machten entsprechende AngaDuke J. Comp. & Int’l L. (2003) 263, 273 („[…] a well-balanced regime, fair to both parties and suitable for the regulation of international sales of goods […]“); Schwenzer/Hachem, 57 Am. J. Comp. L. (2009) 457, 475 f.; vgl. auch Meyer, RabelsZ 69 (2005) 457, 483; Schillo, IHR 2003, 257, 259 f. 52 Meyer, RabelsZ 69 (2005) 457 ff. 53 Meyer, SJZ 104 (2008), 421 ff. 54 Meyer, ÖJZ 2008, 792 ff. 55 Meyer, RabelsZ 69 (2005) 457, 471. 56 Meyer, RabelsZ 69 (2005) 457, 471. 57 Meyer, RabelsZ 69 (2005) 457, 473. 58 Meyer, RabelsZ 69 (2005) 457, 473.

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Teil 1: Die Entstehungsgeschichte und die Abwahl des UN-Kaufrechts

ben.59 Betrachtet man dabei nur die Antworten derjenigen Anwälte, die besonders auf internationales Kaufrecht spezialisiert waren, gaben 39,57 % an, das CISG wegen zu geringer Rechtssicherheit auszuschließen.60 Die bewusst vergleichbar konzipierte Anwaltsumfrage unter spezialisierten61 Praktikern in Österreich aus dem Jahr 2007 ergab für die 296 verwertbaren Antworten eine generelle, ausdrückliche Abwahlquote von 55,21 % – „Damit kann von einer allgemeinen Ablehnung durch die Praxis nicht die Rede sein, von einer weiten Akzeptanz aber erst recht nicht.“62 Wie auch bei der Befragung der deutschen Anwaltschaft, ergab die Auswertung der Antworten der stärker spezialisierten Anwaltschaft gar eine höhere Abwahlquote, hier von 70,54 %.63 Die Vorbehalte stellten sich mithin in Österreich noch größer dar als in Deutschland.64 Auch in der auf Österreich gerichteten Umfrage wurde die Abwahl am häufigsten mit einer zu geringen Rechtssicherheit begründet, nämlich in 58,11 % der Fälle.65 Ferner nannte ein erheblicher Teil der Befragten auch die eigene Unsicherheit im Umgang mit dem CISG als einen Abwahlgrund.66 Für die Praxis in der Schweiz ergab die ebenfalls im Jahr 2007 unter der „CISGnahen“ Anwaltschaft durchgeführte Umfrage, dass unter den 396 verwertbaren Antworten in 40,80 % der Fälle angegeben wurde, dass das CISG ausdrücklich abgewählt werde.67 Die Vorbehalte der schweizerischen Vertragspraxis gegenüber dem CISG dürften auf dieser Grundlage etwas geringer zu bemessen sein, als in Deutschland und Österreich, obgleich auch hier „[…] die regelmäßige Abwahl die meistangekreuzte Antwortvorgabe [war]“.68 Wie auch in Deutschland und Österreich wurde als häufigster Abwahlgrund die mangelnde Rechtssicherheit angegeben.69

II. Umfrage von Widmer/Hachem (Schweiz) Widmer und Hachem befragten die in Basel, Genf und Zürich zugelassene Anwaltschaft mit Spezialisierung in den Bereichen Handelsrecht und/oder Kollisi59

Meyer, RabelsZ 69 (2005) 457, 474. Meyer, RabelsZ 69 (2005) 457, 474. 61 Die Anfragen richteten sich an solche Anwälte in Österreich, die im Anwaltsverzeichnis des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags mit den Schwerpunkten „Internationales Recht“, „Handelsrecht“, „Vertragsrecht“ und/oder „Wirtschaftsrecht“ aufgeführt waren. 62 Meyer, ÖJZ 2008, 792, 795. 63 Meyer, ÖJZ 2008, 792, 796. 64 Meyer, ÖJZ 2008, 792, 796. 65 Meyer, ÖJZ 2008, 792, 796. 66 Meyer, ÖJZ 2008, 792, 796. 67 Meyer, SJZ 104 (2008) 421, 425. 68 Meyer, SJZ 104 (2008) 421, 425. 69 Meyer, SJZ 104 (2008) 421, 426. 60

§ 2 Die Abwahl des UN-Kaufrechts

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onsrecht zur Anwendung des CISG und erhielten 170 verwertbare Antworten.70 Insgesamt 62,09 % gaben dabei an, dass CISG grundsätzlich abzuwählen.71 Der am häufigsten angegebene Grund für die Abwahl war dabei fehlende Rechtssicherheit (41,83 %).72

III. Umfrage von Fitzgerald (USA) In einer auf den US-amerikanischen Raum gerichteten Studie von Fitzgerald aus dem Jahr 2007 ergab die Befragung von Praktikern, schwerpunktmäßig in Kalifornien, Florida, dem Staat New York sowie in Hawaii und Montana, dass 55 % der Befragten, denen das CISG bekannt war, das CISG gezielt abwählten.73 Als einer der maßgeblichen Gründe wurde angegeben, dass es an case law fehle und mit der Geltung der Konvention daher zu große Unwägbarkeiten einhergehen würden, nicht zuletzt auch, weil oftmals ausdrücklich fehlende eigene Kenntnisse zur Anwendung des CISG eingeräumt wurden.74

IV. Umfrage von Köhler (Deutschland, USA) Eine mit Unterstützung von UNCITRAL von Köhler durchgeführte Studie zur Abwahl des UN-Kaufrechts in den USA und Deutschland aus dem Jahr 2004/2005 ergab sogar, dass 70,8 % der in den USA Befragten das CISG routinemäßig abwählen.75 Von den in Deutschland Befragten gaben 72,7 % an, das CISG abzuwählen. Auch hier war einer der wiederholt angegebenen Gründe fehlende Rechtssicherheit bei Anwendung des CISG.76

V. Umfrage von Köhler/Guo (China) Köhler und Guo kamen im Rahmen einer weiteren Untersuchung zur Abwahlpraxis in China aus dem Jahr 2007 zu dem Ergebnis, dass hier 44 % der befragten 70 Zur Konzeption der Studie s. Widmer/Hachem, National Report Switzerland, in: Ferrari (Ed.), The CISG and its Impact on National Legal Systems, S. 281, 282 f. 71 Widmer/Hachem, National Report Switzerland, in: Ferrari (Ed.), The CISG and its Impact on National Legal Systems, S. 281, 285. 72 Widmer/Hachem, National Report Switzerland, in: Ferrari (Ed.), The CISG and its Impact on National Legal Systems, S. 281, 285. 73 Fitzgerald, 27 J. L. & Com. (2008/2009) 1, 14. 74 Fitzgerald, 27 J. L. & Com. (2008/2009) 1, 16. 75 Köhler, www.cisg.law.pace.edu/cisg/biblio/koehler.html, III. 76 Köhler, www.cisg.law.pace.edu/cisg/biblio/koehler.html, IV.1. und IV.2.b); Köhler/Guo, 20 Pace Int’l L. Rev. (2008) 45, 55.

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Teil 1: Die Entstehungsgeschichte und die Abwahl des UN-Kaufrechts

Praktiker das CISG grundsätzlich oder jedenfalls überwiegend abwählen.77 29,6 % der in China Befragten gaben als Grund für die Abwahl an, dass es nicht genug Rechtsprechung zur Anwendung der Konvention gäbe.78

VI. Umfrage von Schwenzer et al. (weltweit) Eine Gruppe um die ausgewiesene CISG-Expertin Ingeborg Schwenzer machte es sich 2009 angesichts der bisher regional stark begrenzten Erhebungen zur Aufgabe, eine internationale empirische Untersuchung zur Abwahl des UN-Kaufrechts durchzuführen – die Global Sales Law Survey.79 Mit Unterstützung von UNCITRAL wurden dazu in allen sechs UN-Sprachen weltweit rund 5.000 Anfragen per Post gestellt und weitere 4.000 auf elektronischem Wege versandt. Daraus ergaben sich 640 verwertbare Antworten aus 85 Ländern weltweit. Der Global Sales Law Survey dürfte angesichts der globalen Ausrichtung und der Aktualität der Erhebung die größte Aussagekraft beizumessen sein. Die Ergebnisse stellen sich insgesamt weniger dramatisch dar, als die oben dargestellten. Dennoch wählen 13 % der befragten Praktiker das CISG immer ab, 32 % schließen die Anwendbarkeit „manchmal“ aus. Aus dem Kreis der US-amerikanischen Anwaltschaft gaben 12 % an, dass CISG immer auszuschließen und weitere 42 % gaben an, dies manchmal zu tun.80 Nichtsdestotrotz heben die Verfasser der Studie hervor, dass der Hinweis auf die erhebliche Tendenz zur Abwahl des CISG durchaus noch seine Berechtigung hat.81 Neben den direkten Anfragen wurden ferner die Geschäftsbedingungen von 85 Unternehmen mit Blick auf die jeweils enthaltene Rechtswahlklausel ausgewertet.82 Dabei wurde in 58 % der Fälle ausdrücklich das CISG ausgeschlossen.83 Der verbleibende Teil ohne ausdrückliche Abwahl enthielt in 96 % der Fälle eine Rechts-

77

Köhler/Guo, 20 Pace Int’l L. Rev. (2008) 45, 48. Köhler/Guo, 20 Pace Int’l L. Rev. (2008) 45, 50. 79 Zu Konzeption und Durchführung der Studie s. Schwenzer/Kee, 29 Penn State Int’l L. Rev. (2011) 425, 430 f. sowie Schwenzer/Hachem/Kee, Global Sales and Contract Law, Rn. 5.07 ff. 80 Schwenzer/Kee, 29 Penn State Int’l L. Rev. (2011) 425, 434; Schwenzer/Hachem/Kee, Global Sales and Contract Law, Rn. 5.18. 81 Schwenzer/Kee, 29 Penn State Int’l L. Rev. (2011) 425, 435 („Despite these survey results, it is not possible to completely dismiss the opt-out hearsay. The results from our examination of the terms and conditions available online do point to a considerable preference for opting out.“); ebenso in Schwenzer/Hachem/Kee, Global Sales and Contract Law, Rn. 5.20. 82 Vgl. näher Schwenzer/Hachem/Kee, Global Sales and Contract Law, Rn. 5.09. 83 Schwenzer/Hachem/Kee, Global Sales and Contract Law, Rn. 5.20; mit ganz ähnlichem Hinweis auf die häufige Abwahl des CISG in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch Smits, in: ders. (Ed.), The Need for a European Contact Law, S. 153, 161. 78

§ 2 Die Abwahl des UN-Kaufrechts

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wahl zugunsten eines Vertragsstaates.84 Die erfahrungsgemäß weit verbreitete – falsche – Annahme, damit sei automatisch das jeweilige autonome Recht zulasten des CISG gewählt, belegt zusätzlich die von den Verfassern hervorgehobene erhebliche Vorliebe zur grundsätzlichen Abwahl des CISG.85 Die Divergenz zwischen den Ergebnissen der Umfrage einerseits und der Auswertung der Geschäftsbedingungen andererseits, lässt sich den Verfassern nach damit erklären, dass v. a. solche Praktiker an der Befragung teilnahmen, die tendenziell eher „pro-CISG“ eingestellt seien und daher weniger zur Abwahl der Konvention neigten.86

VII. Zusammenfassung Auch wenn bisweilen darauf hingewiesen wird, dass die Abwahl des CISG mit der Zeit abgenommen zu haben scheint,87 lässt sich auf Grundlage der oben dargestellten Umfrageergebnisse sowohl auf regional begrenzter als auch auf breiter internationaler Ebene konstatieren, dass sich der weltweite Warenhandel in seiner rechtlichen Dimension nach wie vor durch den regelmäßigen oder jedenfalls sehr häufigen Ausschluss der Anwendbarkeit des UN-Kaufrechts auszeichnet. Neben mangelnder materieller Kenntnis vom CISG, sei es die eigene oder die bei Gerichten verorteten materiell-rechtlichen Defizite, stellt v. a. die Befürchtung zu großer Unwägbarkeiten mit Blick auf die konkrete Anwendbarkeit im Einzelfall ein weitverbreitetes Motiv für die Abwahl dar.

84

Schwenzer/Kee, 29 Penn State Int’l L. Rev. (2011) 425, 435; Schwenzer/Hachem/Kee, Global Sales and Contract Law, Rn. 5.20. 85 Schwenzer/Kee, 29 Penn State Int’l L. Rev. (2011) 425, 435; Schwenzer/Hachem/Kee, Global Sales and Contract Law, Rn. 5.20. 86 Schwenzer/Kee, 29 Penn State Int’l L. Rev. (2011) 425, 435; Schwenzer/Hachem/Kee, Global Sales and Contract Law, Rn. 5.20. 87 Vgl. etwa pauschal Flechtner/Brand/Walter, Drafting Contracts Under the CISG, Preface, S. xxiii („changing reality“); MüKo, Bd. 3 (§§ 433 – 610 BGB, CISG), Vorwort („[…] zumal es nunmehr den Anschein hat, als werde das Einheitskaufrecht, das bis vor einiger Zeit verbreitet abgelehnt und daher oft abbedungen wurde, jetzt doch zunehmend von der Praxis akzeptiert oder doch jedenfalls mangels gleichwertiger Alternativen hingenommen wird.“).

Teil 2

Die Rechtsunsicherheit als Abwahlgrund § 3 Die Grundlagen und Faktoren von Rechts(un)sicherheit In den dargestellten Interviews und Berichten wird als einer der häufigsten Gründe für die Abwahl des CISG eine zu große Rechtsunsicherheit im Umgang mit dem Regelungskomplex angegeben. Der Verweis auf Rechtsunsicherheit erfolgt stellenweise mit einer Selbstverständlichkeit, als ob sie schlichtweg auf der Hand liege und weitere, genauere Überlegungen obsolet mache. So erhält man teils den Eindruck, dass allein der pauschal wirkende Hinweis auf eine vermeintliche Rechtsunsicherheit die Argumentation unerschütterlich machen soll und ein weiteres Hinterfragen überflüssig sei.1 Ein genauerer Blick auf die Verwendung des „Rechtssicherheitsarguments“ offenbart allerdings, dass es schon dem isolierten Begriff an Trennungsschärfe fehlt, unabhängig von der Frage über dessen tatsächliches Vorliegen bzw. dessen Grad. Viele verschiedene Faktoren werden unter dem Punkt Rechtsunsicherheit verortet, die vorab eingeordnet und gegeneinander abgegrenzt werden müssen. Dem Anspruch einer sinnvollen und differenzierten Beurteilung hinsichtlich des tatsächlichen Vorliegens bzw. des Grads an Rechtssicherheit im Umgang mit dem CISG kann logischerweise nur entsprochen werden, wenn man sich zunächst vergegenwärtigt, was darunter überhaupt zu verstehen ist. Für die weitere Betrachtung sollen daher zunächst die relevantesten Bewertungskriterien des viel zitierten Zustands der Rechtssicherheit abstrakt aufbereitet werden. Freilich kann und soll dies im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht mit dem Anspruch an eine vollumfängliche rechtsphilosophische Auseinandersetzung mit dem Phänomen „Rechtssicherheit“ erfolgen. Vielmehr geht es um die Darstellung der wichtigsten Eckpfeiler für die Untersuchung, auf deren Grundlage sich sodann die weitere Betrachtung vollzieht.

1 Vgl. Wiedemann, in: FS-Larenz, S. 199, 199 („In vielen Fällen bildet der Hinweis auf die sonst gefährdete Rechtssicherheit den krönenden Schlußstein des Argumentationsgebäudes, der weiter nicht abgestützt oder ,hinterfragt‘ wird, gleichsam als könne es Meinungsverschiedenheiten über den fundamentalen Wert der Rechtssicherheit nicht geben.“).

§ 3 Die Grundlagen und Faktoren von Rechts(un)sicherheit

41

A. Rechtssicherheit als Grundbedürfnis Mit dem Ziel der Selbstverwirklichung benötigt ein innerhalb sozialer Verhältnisse lebender Mensch ein gewisses Maß an Sicherheit, um diese geordnet vollziehen zu können. Letztere ist somit als ein menschliches Grundbedürfnis mit Blick auf seine Existenzsicherung zu qualifizieren, jedenfalls in zivilisierten sozialen Gefügen. Dieses Sicherheitsbedürfnis tritt v. a. im Kontakt mit anderen Menschen zum Vorschein. So interagieren Menschen in bestimmten sozialen Gefügen mit bestimmten Zielen und Ansichten. Sie betreiben z. B. Güteraustausch. Damit sich dabei gleichermaßen alle entsprechend entfalten können, bedarf es eines gewissen Ordnungselements in Form von Recht.2 Es soll gewährleisten, dass Menschen ihr Verhalten an diesem ausrichten und insbesondere auch das Verhalten anderer besser vorhersehen können.3 Alleine die ungeschriebenen natürlichen Sozialstrukturen sind dafür nicht ausreichend und unterscheiden sich mitunter ganz erheblich.4 Auf dieser Erkenntnis gründet letztlich die Legitimation des Gesetzespositivismus,5 d. h. die Ansicht, dass „gerechte“ Verhaltensrichtlinien positiv und mit abschließender Wirkung festgehalten werden müssen, um die genannte Selbstverwirklichung aller im Interesse des Ganzen in geordneten Bahnen zu gewährleisten.6 Dies lässt sich quasi auf erster Stufe mit der Befriedigung des Bedürfnisses nach „Sicherheit durch Recht“ beschreiben, indem sozialer Interaktion eine objektivierte Regelhaftigkeit verliehen wird. Ein bestimmter Vorgang, hier etwa der internationale Warenhandel, wird in einen Rahmen aus Regeln gebettet, in welchem sich der Handel vollziehen kann. Alle Akteure müssen sich in diesem Rahmen bewegen und für sie alle gelten (die gleichen) Regeln, die es nicht zu überschreiten gilt. Anderenfalls ergeben sich aus „dem Rahmen“ die Rechtsfolgen einer Überschreitung. Allerdings ist mittlerweile nicht weiter zu bestreiten, dass die Normierung, also die „Setzung“ von Recht alleine seiner Aufgabe nicht gerecht werden kann. In logischer Folge muss der dem sozialen Leben gesetzte Rahmen hinsichtlich seines „Wie“ gewisse Anforderungen erfüllen. Mithin umfasst Rechtssicherheit nicht nur die schlichte Positivierung von Recht, sondern ist auch mit Blick auf dessen inhaltliche Wertungen, Ausgestaltung, Formulierung, Anwendung etc. zu beurteilen.7 2

Vgl. Engelhard, in: Strempel (Hrsg.), Mehr Recht durch weniger Gesetze?, S. 10, 13 f. Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 I 1. 4 Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 I 1., der darauf hinweist, dass menschliches „[…] soziales Verhalten nicht in ausreichendem Maße durch angeborene Verhaltensmuster reguliert ist“. 5 Zum Positivismus ausführlich: Hassemer/Neumann/Salinger (Hrsg.), Einführung in die Rechtsphilosophie und Rechtstheorie der Gegenwart, S. 66 ff.; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 11 II 3; Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 486 ff.; Scholz, Die Rechtssicherheit, S. 53. 6 Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 437; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 I 2. 7 Vgl. Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 165 ff. 3

42

Teil 2: Die Rechtsunsicherheit als Abwahlgrund

Das Bedürfnis nach Rechtssicherheit umfasst somit neben dem nach „Sicherheit durch Recht“ gerade auch ein solches nach „Sicherheit des Rechts“ selbst.8

B. Begriffsbestimmung Dass es auf dem Gebiet des internationalen Warenhandels nicht an einem gesetzlichen Rahmen per se mangelt, ist offenkundig. Eher das Gegenteil, das Bestehen vieler unterschiedlicher nationaler Rechtsordnungen lieferte doch gerade den Anstoß zur Schaffung eines international einheitlichen Warenkaufrechts. Demnach soll auch die Frage nach der Befriedigung des Bedürfnisses nach „Sicherheit durch Recht“ hier in den Hintergrund rücken – das zentrale „Folgebedürfnis“ der Entwicklung immer komplexerer gesellschaftlicher und ökonomischer Strukturen stellt mittlerweile das nach der „Sicherheit des Rechts“ dar.9 Dieses Verständnis von Rechtssicherheit, welches auch als „Rechtssicherheit im engeren oder eigentlichen Sinn“10 beschrieben wird, legt somit den Fokus auf die Würdigung der Qualität des Rechts selbst, nicht nur auf die Tatsache dessen schlichter Positivierung. Den nachfolgenden Ausführungen wird dieses Grundverständnis des Begriffs der „Rechtssicherheit“ zugrundegelegt.

C. Faktoren der Rechtssicherheit (i. e. S.) Eine aussagekräftige Definition von Rechtssicherheit ist letztlich schwer und kaum vollkommen zu geben.11 Daher soll sich hier auf die für den Akteur eines Warenhandelsgeschäfts elementaren Strukturelemente einer „sicheren“ Rechtsordnung konzentriert werden. Es geht also nicht unmittelbar darum, Rechtssicherheit zu definieren, sondern aufzuzeigen, was sie voraussetzt. Dabei werden die Anforderungen an einen Normenkomplex einerseits und an die anwendenden Spruchkörper andererseits jeweils gesondert dargestellt, was freilich nicht über die ganz entscheidenden Wechselwirkungen hinwegtäuschen soll.

8

Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 437. v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 76 ff. 10 Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 437; vgl. auch Basedow, JZ 1976, 297, 297, 299; anders: Scholz, Die Rechtssicherheit, S. 5, 64, der die Begrifflichkeit der Rechtssicherheit i. e. S. dergestalt benutzt, um den Zustand vollkommener Bestimmtheit und Berechenbarkeit zu beschreiben. Als Rechtssicherheit i. w. S. versteht er den Zustand, in dem die Einzelfallgerechtigkeit über der Berechenbarkeit steht. 11 Vgl. Herschel, JZ 1967, 727, 728; so auch schon Scholz, Die Rechtssicherheit, S. 3. 9

§ 3 Die Grundlagen und Faktoren von Rechts(un)sicherheit

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I. Faktoren eines rechtssicheren Normenkomplexes Ob ein Recht „sicher“ i. e. S. ist, lässt sich anhand der Grundfaktoren der sogenannten Orientierungssicherheit („certus“) und Realisierungssicherheit („securus“)12 bemessen, denen wiederum verschiedene Strukturmerkmale von Rechtssicherheit zugeordnet werden können.13 Eine eng mit der Orientierungssicherheit verwobene Komponente eines rechtssicheren Normenkomplexes ist schließlich auch ein gewisses Maß an Stabilität und Kontinuität des Rechts.14 1. Orientierungssicherheit Nicht nur für die Parteien, sowohl tatsächliche als auch potenzielle, eines internationalen Warengeschäfts, sondern auch für all diejenigen, die ein solches beurteilen sollen, ist es unerlässlich, dass ein Recht klar erkennen lässt, was wann und wie erwartet wird und welche Folgen ein Verstoß gegen diese Vorgaben hat.15 Angesichts der drohenden Folgen der Verletzung eigener Pflichten oder Obliegenheiten wird ein jedes Individuum deren Eintrittsrisiko nur eingehen, wenn es seiner Einschätzung nach zufriedenstellend kalkulierbar ist, also Orientierungssicherheit besteht. Gleiches gilt natürlich auch hinsichtlich der Entstehung eigener Rechte bzw., ganz allgemein, eigener Vorteile. Um es zugespitzt zu formulieren, wer die Spielregeln nicht kennt und verstanden hat, wird vernünftigerweise niemals am Spiel teilnehmen bzw. auf andere Regeln ausweichen. So lässt sich verdeutlichen, welch elementare Rolle die Bewertung der Orientierungssicherheit für jeden Einzelnen einnehmen kann. Der Grad an Orientierungssicherheit wird wiederum von verschiedensten Faktoren bedingt. Dazu gehört, allgemein formuliert, die Bestimmtheit und damit auch Vorhersehbarkeit bzw. Berechenbarkeit des Rechts,16 welche sich durch einen klaren und verständlichen Wortlaut, die systematische Übersichtlichkeit, Vollständigkeit und Erfassbarkeit sowie eindeutige Vorgaben und letztlich die Praktikabilität auszeichnet.17

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Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 64 f. Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 437 ff.; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 II; v. Arnauld nennt konkret die Faktoren Erkennbarkeit, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit, v. Arnauld, Rechtssicherheit, S. 104. 14 Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 442; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 II; vgl. dazu auch Wiedemann, in: FS-Larenz, S. 109, 204. 15 Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 437 f. 16 Wiedemann, in: FS-Larenz, S. 199, 204; Rümelin, Die Rechtssicherheit, S. 9; vgl. auch Scholz, Die Rechtssicherheit, S. 29. 17 Vgl. Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 II, III; Herschel, JZ 1967, 727, 728 f., 732; Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 437 ff.; Helmrich, in: Strempel (Hrsg.), Mehr Recht durch weniger Gesetze?, S. 29, 32. 13

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Teil 2: Die Rechtsunsicherheit als Abwahlgrund

Die Übersichtlichkeit und Erfassbarkeit leidet v. a. bei verstreuten Detailregelungen, uneinheitlichen Grundstrukturen und einer unverhältnismäßigen Flut an Einzelregelungen („Normeninflation“18).19 Das Bestimmtheitserfordernis erstreckt sich mit den soeben genannten Eigenschaften auf den Normenkomplex als Ganzes, aber gerade auch auf jede einzelne Norm. Man spricht in diesem Kontext auch von Tatbestands- und Rechtsfolgenbestimmtheit einer Norm.20 Umso mehr wertungsoffene Formulierungen und Ermessensspielräume in Tatbeständen und/oder Rechtsfolgenbestimmungen enthalten sind, desto fruchtbarer scheint der Boden für Rechtsunsicherheit bzw. geringe Orientierungssicherheit,21 da eine „eindeutige Richtschnur des Verhaltens“22 fehlt, für das eigene Verhalten, aber gerade auch das des Vertragspartners – ein Punkt, der hinsichtlich des CISG noch weiterer Betrachtung harrt. Nochmals aufzugreifen sein wird auch die Erkenntnis, dass eine Vielzahl von Gesetzen auf einem Gebiet die Überschaubarkeit mehr und mehr reduziert, da es immer schwerer wird, alle in Frage kommenden Bestimmungen, womöglich solche ausländischer Rechtsordnungen, überhaupt zu erfassen und erst recht zu verstehen und korrekt anzuwenden.23 Vorweg sei aber schon hier darauf hingewiesen, dass es weder erstrebenswert noch realistisch ist, die vollkommene inhaltliche Bestimmtheit zum absoluten Ziel eines Gesetzesverfassers zu erheben.24 Ganz im Gegenteil können durchaus nachvollziehbare Gründe dafür sprechen, bewusst wertungsoffene Begriffe zu wählen und bei der Formulierung ein gewisses Maß an Unbestimmtheit und mithin eingeschränkter Orientierungssicherheit in Kauf zu nehmen.25 Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass ein Höchstmaß an Rechtssicherheit im technischen Sinne die abschließende, eindeutige und strikt zu befolgende Regelung jedes theoretisch denkbaren Einzelfalles erforderlich macht, die in Anbetracht der unendlich möglichen Fallkonstellationen gerade bei internationalen Sachverhalten ex ante unmöglich erscheint.26 Mag man einen solchen Zustand formal als rechtssicher bezeichnen, so eröffnet er tatsächlich aber Raum für die Lückenhaftigkeit der Regelungen, da zwangsläufig nicht vorhersehbare Fallgestaltungen unberücksichtigt bleiben und 18

Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 II, III. Zum Problemkreis der „Gesetzesflut“ ausführlich Strempel (Hrsg.), Mehr Recht durch weniger Gesetze?, insb. dort Mann, S. 44 ff. 20 Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 439. 21 Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 II; Herschel, JZ 1967, 727, 729; Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 63. 22 Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 II. 23 Herschel, JZ 1967, 727, 729 und 731. 24 Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 439. 25 Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 439; vgl. auch Engelhard, in: Strempel (Hrsg.), Mehr Recht durch weniger Gesetze?, S. 10, 13. 26 Vgl. Rümelin, Die Rechtssicherheit, S. 25 f., 57 f. („[…] die volle Rechtssicherheit ist ein Phantom.“); K. Schmidt, Die Kodifikationsidee, S. 17 ff.; Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 III. 19

§ 3 Die Grundlagen und Faktoren von Rechts(un)sicherheit

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dies erst recht zu Orientierungslosigkeit führt. Außerdem ist einer jeden Sprache eine gewisse Ungenauigkeit immanent.27 Absolut wertungsresistente Formulierungen sind kaum durchgängig möglich, sodass vollkommene Bestimmtheit Utopie wird. Anschaulich formuliert geht „der Gesetzgeber ein […] spezielles Formulierungsrisiko ein, dem ein Interpretationsrisiko des Normunterworfenen entspricht“28. Um also mit Blick auf die Orientierungssicherheit dem Anspruch einer umfassenden „Regelung“ eines Rechtsgebietes entsprechen zu können, muss insbesondere in dynamischen Regelungsgebieten die Flexibilität von Tatbeständen gewahrt bleiben („Schmiegsamkeit des Rechts“29), um Orientierungssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen.30 Wie viel (objektive) Rechtssicherheit vernünftigerweise für mehr Einzelfallgerechtigkeit geopfert werden soll, ist letztlich eine „Maßfrage“31. Zudem kann nur durch eine gewisse Abstraktion der Regelungen der Umfang überschaubar und folglich ein Mindestmaß an Übersichtlichkeit gewährleistet werden, die wiederum einen Faktor der Orientierungssicherheit darstellt.32 Ziel einer orientierungssicheren und im Ergebnis rechtssicheren Rechtsgestaltung kann es somit nicht sein, jegliche mögliche Sachverhaltskonstellation abschließend und mit vollkommener Bestimmtheit zu regeln und damit Berechenbarkeit und Verlässlichkeit garantieren zu wollen. Dies ist, wie schon in den oben dargelegt, unmöglich und kontraproduktiv. Vielmehr geht es doch darum, den Adressaten und Anwendern tatsächlich sachgerechte gesetzliche Regelungen zu bieten, d. h. „nicht vollständige Vermeidung von Gesetzeslücken, sondern Bewältigung des Lückenproblems durch systematische Ordnung des Rechtsstoffs“.33 Nur so kann erreicht werden, dass die Lösung eines rechtlichen Problems möglichst vorhersehbar und dabei (sach-)gerecht in jedem Einzelfall bewerkstelligt werden kann. 2. Realisierungssicherheit Ein noch so hohes Maß an Orientierungssicherheit wird seiner Wirkung beraubt, wenn diesbezüglich kein zufriedenstellendes Maß an Realisierungssicherheit be27

Bülow, in: Strempel (Hrsg.), Mehr Recht durch weniger Gesetze?, S. 78, 80. Herschel, JZ 1967, 727, 729; vgl. auch Rümelin, Die Rechtssicherheit, S. 58, der von „der Unmöglichkeit entsprechend scharfer Begriffsbildung“ spricht. 29 Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 III. 30 Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 439 f.; Wiedemann, in: FS-Larenz, S. 109, 211, 214; vgl. Rümelin, Die Rechtssicherheit, 26 f., der für handelsrechtliche Sachverhalte explizit auf das Erfordernis der Berücksichtigung handelsgebräuchlicher Gegebenheiten im jeweiligen Einzelfall hinweist. 31 Rümelin, Die Rechtssicherheit, S. 60. 32 Vgl. Rümelin, Die Rechtssicherheit, S. 4. 33 K. Schmidt, Die Kodifikationsidee, S. 21 und auf S. 24 („Die Antwort des Gesetzgebers auf die Anforderungen seines kodifikatorischen Plans heißt nicht Antizipation des tatsächlichen Lebens, sondern sie heißt: Abstraktion und Flexibilität.“). 28

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Teil 2: Die Rechtsunsicherheit als Abwahlgrund

steht. Gemeint ist mit letzterer die Sicherheit, dass der jeweilige Normenkomplex auch den darin enthalten Vorgaben und Regelungszwecken entsprechend umgesetzt und eingehalten wird.34 Konkret erfordert dies, dass sich die Parteien an die Vorgaben halten und für den Fall, dass dies nicht geschieht, ein Mechanismus besteht, der entsprechend eingreift, um der gesetzlichen Vorgabe, an der sich die Beteiligten „orientieren“ sollen, gerecht zu werden, d. h. die Vorgabe zu „realisieren“. Es muss also auch ein geregeltes und zügiges Rechtsfindungsverfahren möglich sein, das die Einhaltung von rechtlichen Vorgaben sichert. Urteile müssen vollstreckt werden und dabei wiederum selbst den rechtlichen Vorgaben entsprechen.35 Für die Betrachtung der Rechtssicherheit auf dem Gebiet des Wiener Kaufrechts spielt die Beurteilung der Ausgestaltungen des Verfahrensrechts eine untergeordnete Rolle, da sie keine Besonderheit dieses sachrechtlichen Regelungsgebietes ist. Unterschiedliche Verfahrensrechte sind internationalen Sachverhalten nun einmal immanent. Umso größere Bedeutung haben Vorgaben für die Anwendenden, also vor allem die (Schieds-)Gerichte, die im CISG selbst aufgestellt werden. So finden sich in der Konvention etwa Regelungen zur Auslegung, Anwendung und Konkretisierung im Einzelfall, die gerade mit Blick auf den Ausgleich einer stellenweise erfolgten Einschränkung der Orientierungssicherheit besondere Bedeutung gewinnen können. Orientierungssicherheit und Realisierungssicherheit sind also keinesfalls unabhängig voneinander zu betrachten, es herrscht vielmehr eine Interdependenz mit Blick auf die Rechtssicherheit als Ganzes.36 So vermag ein verhältnismäßig höheres Maß an Realisierungssicherheit Einschränkungen bei der Orientierungssicherheit auszugleichen und somit insgesamt durchaus zu einem Zustand zu führen, der sich getrost als rechtssicher bezeichnen lässt. 3. Stabilität des Rechts Teils dem Strukturmerkmal der Orientierungssicherheit untergeordnet,37 gebietet die Zielsetzung der Rechtssicherheit auch die Aufrechterhaltung einer gewissen Stabilität des Rechts („Kontinuitäts- oder Stabilitätsinteresse“38). Dabei darf sich eine Kodifikation aber nicht dem zeitlichen Wandel der Lebenswirklichkeit ver34

Wiedemann, in: FS-Larenz, S. 199, 204 spricht begrifflich von „Rechtsmacht“ bei „praktische[r] Verwirklichung der geltenden Verhaltensregeln.“; vgl. auch Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 63, 65. 35 Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 II. 36 Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 II; Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 64, der bewusst von „zwei Dimensionen“ der Rechtssicherheit spricht, „nicht aber von zwei Arten“. 37 Vgl. Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 II, IV; Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 65. 38 Scholz, Die Rechtssicherheit, S. 29.

§ 3 Die Grundlagen und Faktoren von Rechts(un)sicherheit

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schließen. Wünschenswert ist also eine kontinuierliche Anpassung, die sich allerdings nicht unvorhersehbar und sprunghaft vollziehen soll, um stets ein Höchstmaß an Planungssicherheit und mithin Rechtssicherheit zu gewährleisten.39 Hinsichtlich des Wiener Kaufrechts ist die Gefahr unbeständiger Regelungen eher gering. Das Rechts(un)sicherheitsargument vermag kaum auf eine solche Beobachtung gestützt zu werden. Ganz im Gegenteil sind plötzliche Reformen nicht zu befürchten.40 Dies hat das Schicksal des schweizerischen Vorschlags zur Wiederaufnahme der Arbeiten am Text des UN-Kaufrechts belegt.41 Hinweisen ließe sich eher auf die umgekehrte Betrachtungsweise, dass das Wiener Kaufrecht angesichts einer „zu großen“ Stabilität womöglich doch rechtsunsicher sein könnte. Die Lösung, von Problemen, die überhaupt erst mit voranschreitender Zeit und Entwicklung entstehen bzw. sichtbar werden, können schließlich nur schwer durch eine entsprechende Ergänzung oder Anpassung in den vereinheitlichten Rechtstext integriert werden42, es besteht gewissermaßen, nach Kötz, eine „Veränderungssperre“43. Andererseits kann einer solchen Starre auch mit entsprechend schmiegsamen Formulierungen vorgebeugt werden, worauf noch einzugehen sein wird.

II. Rechtssicherheit und Rechtsanwendung Wie bereits angeklungen ist, lässt sich das Maß an Rechtssicherheit nicht nur isoliert auf der Grundlage des Normentextes beurteilen. Vielmehr muss auch die konkrete Anwendung durch die (Schieds-)Gerichte berücksichtigt werden. Insofern kommt wieder der bereits eingeführte Begriff der Orientierungssicherheit zum Tragen, denn auch hinsichtlich gerichtlicher Entscheidungen hat der Einzelne ein Interesse an einer hinreichend bestimmten, klaren und berechenbaren Entscheidungspraxis.44 Mithin formt sich Orientierungssicherheit in der Gesamtschau der Norm(en) und der auf sie gegründeten Rechtsprechung. Dieses Zusammenspiel erhält überragende Bedeutung, wenn der Grad an Orientierungssicherheit der Norm 39 Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 442; Herschel, JZ 1967, 727, 728; Rümelin, Die Rechtssicherheit, S. 12; Geiger, Vorstudien zu einer Soziologie des Rechts, S. 63; Heldrich, in: FS-Zweigert, S. 811, 821; Scholz, Die Rechtssicherheit, S. 28. 40 Ziegel, 25 J. L. & Com. (2005) 59, 72 („The CISG contains no mechanism for updating its provisions and there is no international tribunal competent to resolve conflicting interpretations of important provisions.“). 41 Vgl. oben die Einleitung, dort Teil 1 Fn. 12. 42 Vgl. allgemein zur „Gefahr der Erstarrung“ von internationalem Einheitsrecht auch Neuhaus/Kropholler, RabelsZ 45 (1981) 73, 80 f., aber auch sinngemäß mit der Aussage, dass für den Fall, dass bei der Konzeption der Regelungen auch auf Flexibilität Wert gelegt wird (so wird man es bzgl. des UN-Kaufrecht behaupten dürfen), durchaus Raum für die richterliche Fortbildung bzw. dynamische und moderne Rechtsanwendung bleibt. 43 Vgl. Kötz, RabelsZ 50 (1986), 1, 10 ff. 44 Zippelius, Rechtsphilosophie, § 23 II; Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 442.

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Teil 2: Die Rechtsunsicherheit als Abwahlgrund

bzw. des Normenkomplexes, isoliert betrachtet, nicht zufriedenstellend oder jedenfalls nicht ausreichend ist. Dann liegt es nämlich an den Spruchkörpern, ein akzeptables Maß an Rechtssicherheit durch entsprechende Einzelfallentscheidungen und die Auseinandersetzung mit den betreffenden Regelungen zu schaffen. Unbestimmte, wertungsoffene Begriffe müssen konkretisiert werden. Zu möglicherweise unüberschaubaren Strukturen muss Aufschluss (für den konkreten Fall und somit auch in vergleichbaren zukünftigen Fällen) verschafft werden, weitere objektive Einzelkriterien können herausgearbeitet und Abgrenzungsfragen geklärt werden. Insbesondere mit Blick auf den Faktor Vorhersehbarkeit gebietet eine solche Zielsetzung gerade auch die Einheitlichkeit und Kontinuität der Rechtsprechung als Ganzes.45 Hier gilt aber wiederum das bereits zum Normenkomplex Gesagte entsprechend, d. h. auch die Spruchpraxis muss sich im Laufe der Zeit gegebenenfalls einer veränderten Lebenswirklichkeit anpassen, aber gerade nicht abrupt, unvorhersehbar und erst recht nicht unsachgerecht oder willkürlich. Die Ausführungen zur Bestimmtheit eines Normentextes haben bereits gezeigt, dass durchaus Zweifel an dessen einseitiger Berücksichtigung zulasten der Einzelfallgerechtigkeit bestehen. Belässt der Normverfasser also einen gewissen Wertungsspielraum, so stellt er damit automatisch die Forderung an die anwendenden Gerichte, diesen im Einzelfall sachgerecht auszufüllen und die schwierige Abwägung zwischen allgemeiner Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit zu bewerkstelligen.46 Dass dabei ein subjektives Element eingeführt wird, welches die Berechenbarkeit einschränkt, liegt ebenso auf der Hand, wie die damit einhergehende reduzierte Rechtssicherheit.47 Dieser in der Natur der Sache liegende Konflikt mit Blick auf die Berechenbarkeit bzw. Rechtssicherheit ist schlichtweg nicht zu beseitigen,48 sofern man Wert auf ein Mindestmaß an Einzelfallgerechtigkeit legt, was man auch auf dem Gebiet des internationalen Handelsrechts wohl kaum verneinen wird. Hinsichtlich der Abwahl stellt sich also, exakter formuliert, nicht die Frage, ob Rechtsunsicherheit besteht, sondern ob sie „zu groß“ und vor allem, ob sie größer ist, als bei den alternativ zur Wahl stehenden Lösungsmöglichkeiten, d. h. der Wahl autonomer Rechtsordnungen.

III. Unkenntnis Aus den Umfragen zur Abwahlpraxis wird deutlich, dass der Begriff Rechtsunsicherheit von der Praxis teilweise weiter gefasst wird, als dies nach der oben aufgezeigten rechtstheoretischen Betrachtung der Fall ist. Hier zeigt sich wiederum die 45

Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, S. 443. Vgl. Bülow, in: Strempel (Hrsg.), Mehr Recht durch weniger Gesetze?, S. 78, 80; K. Schmidt, Die Kodifikationsidee, S. 43 f. m. w. N. 47 Vgl. dazu Rümelin, Die Rechtssicherheit, S. 27, 60 ff. 48 Vgl. Scholz, Die Rechtssicherheit, S. 5, 59 ff. 46

§ 3 Die Grundlagen und Faktoren von Rechts(un)sicherheit

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einleitend bereits erwähnte mangelnde „Trennschärfe“ des Begriffs. Oftmals wird unter dem Stichwort Rechtssicherheit darauf verwiesen, dass eine bedeutende Zahl an Praktikern, die neben der Anwaltschaft explizit auch die Richterschaft umfasst, schlichtweg unzureichende Kenntnisse vom UN-Kaufrecht haben.49 So wählen die Vertragsparteien oder deren Rechtsbeistände das CISG aufgrund eigener Unkenntnis und mithin Unsicherheit ab, weil sie eine solche bei den Kollegen auf der Gegenseite vermuten oder weil man Unkenntnis bei den zuständigen Gerichten annimmt. Dass die Existenz des CISG unbekannt sei, kann allerdings längst nicht mehr behauptet werden. Dies gilt jedenfalls für den deutschen Raum sowie etwa auch für die Schweiz,50 ist aber im internationalen Vergleich trotz zumeist weit zurückliegendem Inkrafttreten nicht selbstverständlich, wie etwa durch entsprechende Untersuchungen zum Bekanntheitsgrad in Griechenland, Israel, Neuseeland oder teilweise gar in Italien gezeigt wurde.51 Erwähnt sei an dieser Stelle, dass im Rahmen des jährlich stattfindenden Willem C. Vis International Commerial Arbitration Moot zudem jährlich ca. 300 Teams mit Studierenden, d. h. ca. 1.000 junge Juristinnen und Juristen aus der ganzen Welt mit dem UN-Kaufrecht vertraut gemacht werden. Doch allein die Kenntnis der Existenz des Wiener Kaufrechts führt noch nicht zu gesteigerter Rechtssicherheit, da es doch vielmehr auf die simple, aber wohl folgenschwere Differenzierung von Ferrari ankommt, nach der das Bewusstsein der Existenz des CISG nicht mit tatsächlichen inhaltlichen Kenntnissen gleichzusetzen ist.52 Die Studie von Köhler unterstreicht dies, wonach einerseits nahezu alle Be-

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S. bereits oben, insb. etwa Meyer, RabelsZ 69 (2005) 457, 475; ders., ÖJZ 2008, 792, 796; ders., SJZ 104 (2008) 421, 426 und Widmer/Hachem, National Report Switzerland, in: Ferrari (Ed.), The CISG and its Impact on National Legal Systems, S. 281, 285 f.; mit dieser Annahme auch Kieninger, Wettbewerb der Privatrechtsordnungen im Europäischen Binnenmarkt, S. 306 ff., 308 („Es bestätigt sich also die Vermutung, daß der Ausschluß des UN-Kaufrechts in den meisten Fällen auf Unkenntnis beruhen wird.“); Smits, in: ders. (Ed.), The Need for a European Contract Law, S. 153, 161 („Another reason seems to be that the content of the CISG is often unknown to the parties and that they do not find it worthwhile to put time and money into getting to know this content.“). 50 Hier ergab die gezielte Frage innerhalb der Studie von Widmer/Hachem, National Report Switzerland, in: Ferrari (Ed.), The CISG and its Impact on National Legal Systems, S. 281, 287, einen generellen Bekanntheitsgrad von 98 % unter den Befragten. 51 Vgl. Ferrari, General Report, in: Ferrari (Ed.), The CISG and its Impact on National Legal Systems, S. 413, 421 mit Verweis auf die jeweiligen National Reports; das gleiche Argument wird auch in der CENTRAL Studie (allerdings schon ab 1999) zu transnationalem Recht konstatiert, wonach angenommen wird, dass ein jedenfalls damals weit verbreitetes Informationsdefizit sowie Unerfahrenheit im Umgang mit dem CISG einen Hauptgrund der Abwahl bilden, Berger/Dubberstein/Lehmann/Petzold, ZVglRWiss 101 (2002) 12, 35. 52 „In this rapporteur’s opinion, this is due to the fact that awareness of the CISG is not the same as knowledge of the CISG and the way it is interpreted and applied.“, Ferrari, General Report, in: Ferrari (Ed.), The CISG and its Impact on National Legal Systems, S. 413, 426.

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Teil 2: Die Rechtsunsicherheit als Abwahlgrund

fragten von der Existenz des CISG wussten, andererseits der am häufigsten angegebene Abwahlgrund mangelnde inhaltliche Kenntnisse waren.53 So gravierend die Wirkungen unzureichender Kenntnisse des UN-Kaufrechts auf den Grad seiner Abwahl auch sein mögen, so besteht diesbezüglich doch wenig weiterer Untersuchungs- und Wertungsbedarf. Bezogen auf dessen Anwendung wird dispositives Recht in den wenigsten Fällen breiten Zuspruch finden, wenn es nicht hinreichend bekannt ist. Es mag noch so viele Vorzüge zu bieten haben – sind sie nicht bekannt, so vermögen sie auch nicht zu überzeugen. Inwiefern dieser Zustand beseitigt werden kann, etwa durch frühzeitiges Heranführen in der juristischen54 evtl. gar kaufmännischen Ausbildung, Maßnahmen der Anwaltskammern oder der Justiz bis hin zu Handelskammern auf nationaler55 und internationaler56 Ebene, soll nicht weiter Gegenstand der vorliegenden Betrachtungen sein. Hervorgehoben werden soll jedoch an dieser Stelle, dass man die Unkenntnis des CISG erstens wohl nicht (mehr) als dramatisch bezeichnen können wird, und zweitens, dass in Anbetracht des räumlichen Anwendungsbereichs, den das CISG theoretisch abdeckt, die Unkenntnis hinsichtlich der unzähligen potenziell einschlägigen autonomen Rechtsordnungen doch unschwer als erheblicher einzuordnen sein wird.

D. Die Bedeutung von Rechtssicherheit im Wirtschaftsrecht Die immer wiederkehrende Bezugnahme auf die vermeintlich zu geringe Rechtssicherheit bei der Anwendung des CISG verdeutlicht schon, dass ihr eine elementare Bedeutung gerade im Wirtschaftsrecht bzw. in der täglichen Praxis von (Waren-)Handelsunternehmern zukommt. So ist es gerade für unternehmerische Warenhändler von zentralem Interesse, dass kostenrelevante Elemente eines Handelsgeschäfts, etwa Gewährleistungspflichten oder -rechte, Schadenersatzansprüche oder -pflichten, Zinsansprüche oder -pflichten u. s. w. in der Gesamtkalkulation mit größtmöglicher Sicherheit berücksichtigt, in ihrer Höhe bemessen und gegebenenfalls eingepreist werden können. Planungssicherheit wird zu einem Eckpfeiler er53 Ein Anteil von 53,1 % der Befragten wählt demnach das CISG ab „weil das UNKaufrecht generell einen geringen Bekanntheitsgrad hat“. Aus den individuellen Ergänzungen ergab sich, dass konkret die mangelnden Kenntnisse über den Inhalt des CISG gemeint waren, Köhler, Das UN-Kaufrecht (CISG) und sein Anwendungsausschluss, S. 315; vgl. auch Berger/ Dubberstein/Lehmann/Petzold, ZVglRWiss 101 (2002) 12, 35. 54 Herbel, in: Schwenzer (Hrsg.), Schuldrecht, Rechtsvergleichung und Rechtsvereinheitlichung an der Schwelle zum 21. Jahrhundert, S. 1, 18 ff.; Dodge, 50 J. Legal Educ. (2000) 72 ff. 55 Vgl. Herausgeberschaft der DIHK: Calliess, UN-Kaufrecht, Praxisleitfaden für internationale Verträge, 2008; Piltz/Heckenroth/Wiebusch, Vertragsgestaltung im Exportgeschäft, 2. Aufl. 2011; dies., Vertragsgestaltung im Importgeschäft, 2009. 56 ICC Model International Sale Contract, Neuste Version (2013) erhältlich unter: http://icc shop.icc-deutschland.de.

§ 4 Einfallstore für Rechtsunsicherheit im Umgang mit dem CISG

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folgreicher unternehmerischer Tätigkeit, umso mehr, wenn sie in einem internationalen Kontext erfolgt.57 Dass ein Geschäft also nicht nur in seiner betriebswirtschaftlichen, sondern auch in seiner rechtlichen Dimension so früh und verlässlich wie möglich beurteilt werden kann, ist somit ein Grundinteresse eines jeden unternehmerisch tätigen Warenhändlers.58 Inwiefern die Anwendung des UN-Kaufrechts diese (Rechts-)Sicherheit gewährt, ist angesichts seines unternehmerischen Adressatenkreises also erst recht von einer ganz besonderen Relevanz, welche über den allgemeinen Stellenwert von Rechtssicherheit als Grundbedürfnis hinausgeht. Sollte sich der vermehrt erhobene Vorwurf eines nicht hinnehmbaren Maßes an Rechtsunsicherheit bewahrheiten, wäre die Abwahl also durchaus eine logische Konsequenz.

§ 4 Einfallstore für Rechtsunsicherheit im Umgang mit dem CISG Nachdem der Begriff Rechts(un)sicherheit näher dargelegt wurde, soll es im Folgenden konkret um die Stellen im UN-Kaufrecht gehen, an denen sich eine vermeintliche Rechtsunsicherheit festmachen lässt, bzw. eine solche festgemacht wird. Ein allgemeines, oft genanntes Einfallstor für Rechtsunsicherheit im Umgang mit dem CISG ist die Tatsache, dass es in sechs gleichermaßen authentischen Sprachfassungen formuliert wurde, während nationale Rechtsordnungen meist nur in einer Amtssprache verbindlich sind. Dieses Problem soll sogleich in Abschnitt A. abschließend angesprochen werden.

57 Vgl. in diesem Sinne auch Ferrari, IHR 2012, 89, 89; Verweyen, Die Käuferrechtsbehelfe des UN-Kaufrechts, S. 14. 58 Vgl. in diesem Sinne ganz treffend Giannuzzi, 28 Law & Pol’y Int’l Bus. (1997) 991, 991 („The Convention’s wide range approach to transactions in goods also makes the CISG a success in international commercial law. In order to succeed, international commercial law must provide a level of predictability and certainty to contractual legal issues, allowing parties to structure their business transactions. Parties may successfully navigate international commercial waters when they are certain that their agreements will be legally binding and they understand how those agreements will be interpreted, if ever challenged. To apply laws in the international business community successfully, laws and rules must be consistently reliable. The CISG provides this needed reliability for contracts involving the sale of goods.“); Zeller, 8 V.J. (2004) 81, 82 („[…] the business community has a basic desire to seek certainty, predictability and hence security in the law of contract.“) und allgemein dazu Wiedemann, in: FSLarenz, S. 199, 204 („Daß gerade im Wirtschaftsleben Rechtssicherheit groß geschrieben wird, daß Stellungnahmen von Verbänden dieses Argument häufig in den Vordergrund schieben, ist verständlich und gerechtfertigt. Es ist für die Kalkulation in einem Unternehmen unerläßlich, möglichst viele Daten zu kennen […].“).

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Teil 2: Die Rechtsunsicherheit als Abwahlgrund

Weitere Einfallstore für Rechtsunsicherheit werden in den Abschnitten B. bis F. überblicksartig dargestellt und in den folgenden Kapiteln in Teil 3 der Arbeit eingehender untersucht.

A. Verschiedene Sprachfassungen Als Schöpfung der Vereinten Nationen wurde das CISG in allen sechs UNSprachen59 verfasst,60 „wobei jeder Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist.“61 Unter den Gesichtspunkten der Rechtssicherheit ist dies zunächst als enormer Vorteil zu werten, da so ganz erhebliche Sprachbarrieren, man denke z. B. an einen spanischchinesischen Kauf, überbrückt werden können. Mit der Beibehaltung des UNKaufrechts gilt ein Kaufvertragsrecht, dass für beide Parteien, aber gerade auch die Gerichte, Schiedsgerichte und Literatur, viel einfacher zu erschließen ist, als rein national konzipiertes Recht in lediglich einer authentischen Fassung. Je leichter die Regelungen sprachlich erfasst werden können, umso berechenbarer wird deren Anwendung und umso eher lässt sich eine international einheitliche Anwendung erreichen. Das Nebeneinander verschiedener authentischer Sprachfassungen birgt zugleich aber auch ein gewisses Rechtsunsicherheitsrisiko. So ist es nahezu unmöglich, dass die Fassung einer Regelung in sechs Sprachen mit dem vollkommen identischen Inhalt gelingt.62 Im Ergebnis lassen sich Formulierungen wohl nicht vermeiden, die in mehr oder weniger feinen inhaltlichen Nuancen zu unterschiedlichen Auslegungsergebnissen führen können.63 Die Frage ist also, ob und wie dieser sprachliche Konflikt überwunden werden kann, um in den genannten Grenzfällen dennoch zu einem, d. h. dem richtigen Ergebnis zu kommen und die Anwendung der Konvention hier hinreichend rechtssicher zu machen. Glücklicherweise hat sich mit großer Einigkeit in der Literatur64 und mittlerweile auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung65 die Ansicht durchgesetzt, dass im Zweifel die englische (hilfsweise die 59

Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch. Eine zehnsprachige Textsynopse ist abrufbar unter cisg7.institut-e-business.de. 61 So ausdrücklich in der Unterzeichnungklausel, Art. 100 Abs. 2 CISG. 62 Mit dieser pragmatischen Einschätzung etwa auch: Achilles, Art. 7 Rn. 4; Bergsten, in: Janssen/Meyer (Eds.), CISG Methodology, S. 5, 18 ff.; MüKo/Gruber, Art. 7 Rn. 14. 63 Zu den mittlerweile weitestgehend korrigierten Ungenauigkeiten in der arabischen Fassung El-Saghir, in: Janssen/Meyer (Eds.), CISG Methodology, S. 355, 361 ff. 64 Achilles, Art. 7 Rn. 4; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 7 Rn. 2; Honsell/Melis, Art. 7 Rn. 10; MüKo/Gruber, Art. 7 Rn. 14; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 7 Rn. 36; Piltz, Internationales UN-Kaufrecht, Rn. 2-183; Schlechtriem/Schwenzer/Schlechtriem/Hachem, Commentary, Art. 7 Rn. 21; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 35; Staudinger/Magnus, Art. 7 Rn. 17; zurückhaltender Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Perales Viscasillas, Art. 7 Rn. 38. 65 BundesG (Schweiz), 12. 11. 2003, CISG-online Case No. 840, Erw. 4.4/4.3. = IHR 2004, 215, 217 (Anm. Mohs). 60

§ 4 Einfallstore für Rechtsunsicherheit im Umgang mit dem CISG

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französische) Fassung ausschlaggebend ist. Das Hauptargument ist hierfür, dass die Verhandlungs- und Redaktionssprache auf der Wiener Konferenz Englisch war, die englische Fassung auch die Beschlussgrundlage darstellte und ferner als Übersetzungsgrundlage für die anderen authentischen (und nicht authentischen) Fassungen diente bzw. dient.66 Falls sich also nicht ermitteln lässt, welche Sprachfassung den tatsächlich bezweckten Regelungsinhalt trifft – dazu „müssten eigentlich alle authentischen Fassungen miteinander verglichen werden; dass dies wohl kaum geschehen wird, wird wohl niemanden überraschen“67 –, verschafft die englische Fassung letzten Endes Gewissheit. Dies hat auch den ganz praktischen Vorteil, dass somit die weltweit am besten verständliche Sprachfassung Zweifelsfälle auflöst.68 Nach einem ähnlichen Muster gestalten sich Rechtssicherheitserwägungen zu den zahlreichen nicht-authentischen Übersetzungen des CISG, darunter auch der deutschen. Diese sind allesamt „nur“ Anwendungshilfen.69 Dennoch erleichtern sie den Umgang mit der Konvention ganz erheblich und strahlen insoweit auf deren Handhabbarkeit und die Vorhersehbarkeit der Anwendungsergebnisse aus. Angesichts der großen Zahl an Sprachfassungen sind freilich auch hier gewisse Ungenauigkeiten in der Formulierung bzw. Übersetzung nicht zu vermeiden, auch der deutschen (z. B. wird in Art. 46 CISG „that may be known to him“ mit „soweit ihm diese bekannt sind“ übersetzt, statt korrekterweise mit „soweit er diese kennen kann“).70 Was jedenfalls die deutsche Übersetzung angeht, so lassen sich diese Ungenauigkeiten aber insgesamt als marginal bewerten.71 Sie stellt durchaus eine verlässliche Anwendungsgrundlage dar und wird auch als solche genutzt. Andererseits ist die gänzlich unrelativierte Vermutung, dass die deutsche Übersetzung in 66 So bereits ein Hinweis des schwedischen Delegierten auf der Wiener Konferenz, vgl. O.R. S. 272; explizit auch das BundesG (Schweiz), 12. 11. 2003, CISG-online Case No. 840, Erw. 4.4/4.3. und ferner insb. Achilles, Art. 7 Rn. 4; Honsell/Melis, Art. 7 Rn. 10; Staudinger/ Magnus, Art. 7 Rn. 17; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 35. 67 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 33. Ebenso kritisch auch MüKo/ H. P. Westermann (6. Aufl. 2012), Art. 7 Rn. 7 („[…] wobei auf die Texte in den sechs Vertragssprachen abzustellen ist, […] auch wenn eine Interpretation nach Maßgabe aller authentischen Vertragssprachen praktisch nicht in Betracht kommt.“). Zum grundsätzlichen Erfordernis, zunächst alle authentischen Fassungen zu vergleichen, s. ferner Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Perales Viscasillas, Art. 7 Rn. 34; Staudinger/Magnus, Art. 7 Rn. 16. 68 Vgl. mit ähnlicher Wertung MüKo/H. P. Westermann (6. Aufl. 2012), Art. 7 Rn. 7 („[…] dass somit am Ende die englische Fassung Vorrang genießen dürfte, entspricht heute den Gegebenheiten im internationalen Rechtsverkehr.“). 69 Achilles, Art. 7 Rn. 4 („unverbindliches Hilfsmittel“); ebenso formuliert von Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 31; ferner Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 7 Rn. 2; Honsell/Melis, Art. 7 Rn. 10; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Perales Viscasillas, Art. 7 Rn. 38; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 7 Rn. 32; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-183; Staudinger/Magnus, Art. 7 Rn. 18 (eingehend zur deutschen Übersetzung). 70 Vgl. mit weiteren Beispielen zur deutschen Übersetzung im Einzelnen Staudiger/Magnus, Art. 7 Rn. 19; mit entsprechendem „etwas relativier[endem]“ Hinweis Honsell/Melis, Art. 7 Rn. 10; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 31 und allgemein zur Problematik auch Bergsten, in: Janssen/Meyer (Eds.), CISG Methodology, S. 5, 21. 71 Vgl. Achilles, Art. 7 Rn. 4.

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Anbetracht der unbestritten hohen Sachkunde ihrer Verfasser72 die Rechtsbegriffe der englischen „Urfassung“ vollkommen richtig übertrage,73 in ihrer Absolutheit nicht haltbar – sie weist aber für den ganz überwiegenden Teil der Anwendungsfälle in die richtige Richtung.74 Zusammenfassend wird das zwangsläufig mit der Regelung weltweit verlaufender Rechtsbeziehungen verbundene „Sprachproblem“ mithilfe der zahlreichen Sprachfassungen in ganz erheblichem Maße relativiert. Sechs authentische Sprachfassungen, zahlreiche Übersetzungen und Synopsen bieten enorme Hilfestellungen zur Auflösung des „Sprachproblems“. Vollkommen lösbar ist es allerdings nicht. Gleichzeitig liegt aber auf der Hand, dass sich Unwägbarkeiten mit Blick auf die Sprache bei Abwahl des CISG in der Regel ungleich potenzieren. Schließlich käme es dann zur Anwendung von Regelungen, sei es durch Rechtswahl oder kollisionsrechtliche Anknüpfung, die – sofern es sich nicht gerade um solche aus dem englischsprachigen Rechtskreis handelt – für mindestens eine der Vertragsseiten nicht selten vollkommen fremd sein dürfte. In der Konsequenz wird dann erst recht auf entsprechend sprachkundigen Rechtsbeistand bzw. Übersetzungen zurückzugreifen sein. Letztere werden – anders als zum CISG – nur äußerst selten in den verschiedensten Sprachen und noch seltener in mehreren authentischen Fassungen verfügbar sein. Dies ist nur ein Ausschnitt denkbarer Folgeprobleme, wobei freilich auch die Sprachkenntnisse der letztlich zur Entscheidung berufenen Richter einen erheblichen Unsicherheitsfaktor bergen können. Erheblich ist letztlich auch die Tatsache, dass eine Rechtswahl und damit gewissermaßen auch eine Sprachwahl verhandlungstechnisch Zugeständnisse auf anderen Gebieten erforderlich machen kann. Den Nachteil mit Blick auf die Berechenbarkeit eines fremdsprachigen Rechts, dürfte die betroffene Partei in aller Regel mit einem anderweitigen Zugeständnis auszugleichen versuchen. 72 Die Verfasser waren allesamt jeweils als Teil der Delegation der Schweiz, Österrreichs, der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen DDR Teilnehmer an der Wiener Konferenz; vgl. Honsell/Melis, Art. 7 Rn. 10; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 31. 73 So noch Herber/Czerwenka, Art. 7 Rn. 7 („Praktisch wird die deutsche Übersetzung eine Vermutung für die Richtigkeit der Übertragung von Rechtsbegriffen für sich beanspruchen dürfen, weil sie zwischen den deutschsprachigen Staaten (BR Deutschland, DDR, Österreich, Schweiz) gemeinsam ausgearbeitet wurde.“). 74 Vgl. insofern die leicht relativierte Formulierung von Achilles, Art. 7 Rn. 4 („Trotz vereinzelter Übersetzungsschwächen [Nachweise], die aber angesichts der auch zwischen den Originalsprachen bisweilen auftretenden Divergenzen nie ganz zu vermeiden sind, kann die mit großer Sachkunde erarbeitete deutsche Fassung die Vermutung für sich beanspruchen, die Originalfassungen zutreffend wiederzugeben, auch wenn im Einzelfall ein Seitenblick auf die Originalfassungen zu Zwecken der Rückversicherung angebracht sein kann.“) und Honsell/ Melis, Art. 7 Rn. 10 („Die Vermutung […] sollte etwas relativiert werden […]“); MüKo/ Gruber, Art. 7 Rn. 15; anders Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 31 (die Vermutung sei falsch).

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Die Geltung autonomen, nur in einer Sprache authentisch formulierten Rechts im internationalen Rechtsverkehr zwischen Parteien mit Niederlassungen in unterschiedlichen Staaten beinhaltet mithin ein ungleich größeres „Sprachproblem“, als die Geltung des CISG. Daher verliert der Einwand, das Sprachproblem bei Geltung des CISG gehe mit einem besonderen Rechtsunsicherheitsrisiko einher, bei vergleichender Betrachtung ganz schnell an Überzeugungskraft und Brisanz. Letztlich muss man der Geltung des CISG vor diesem Hintergrund eher einen Rechtssicherheitsvorteil statt -nachteil zusprechen.

B. Arbeitsmittel zum CISG Je größer der Kreis der Vertragsstaaten wird, desto wichtiger, aber auch schwieriger ist es, die Zugänglichkeit aller relevanten Urteile, Würdigungen in der Literatur und sonstigen Arbeitsmittel für die Handhabe des CISG zu gewährleisten. Mit der großen Zahl an Vertragsstaaten geht einher, dass (erfreulicherweise) ein immer größerer Kreis an nationalen Gerichten und Schiedsgerichten aus den unterschiedlichsten Rechtskreisen immer öfter mit der Anwendung, Auslegung und letztlich Konkretisierung und Weiterentwicklung des CISG betraut wird. Eine entsprechend große Zahl an Entscheidungen und darin enthaltenen, zu berücksichtigenden Erwägungen sind die Folge. Angesichts seines Umfangs kommt der Aufarbeitung des Bestands an case law zum CISG also ganz besonders Bedeutung zu. Dieser Bestand ist ohne Hilfsmittel bzw. hilfreiche Arbeitsmittel nicht mehr mit verhältnismäßigem Aufwand zu überblicken und nachzuvollziehen, was aber eine Grundvoraussetzung für den rechtssicheren Umgang mit der Konvention darstellt.

C. Aufbau und Rechtsbehelfssystem Einen weiteren genauer zu betrachtenden Faktor stellt der Aufbau des CISG und insbesondere die Konzeption des Rechtsbehelfssystems dar. Der Grad an Orientierungssicherheit hängt entscheidend davon ab, ob Aufbau und Systematik einem klaren und möglichst leicht nachvollziehbaren Regelungsmuster folgen. Dies gilt umso mehr für einen Regelungskomplex, der sich ausdrücklich an den Bedürfnissen von Warenhändlern, also Unternehmern, orientieren soll, um ihnen einen möglichst leicht handhabbaren Rechtsrahmen zu bieten. Der Anspruch soll und kann es dabei freilich nicht sein, dass sich das UN-Kaufrecht auch für den juristischen Laien gänzlich von selbst erklärt. Allerdings erleichtert ein Rechtsrahmen, dessen Grundprinzipien bzw. -erwägungen nicht nur für Juristen zugänglich sind, den Umgang mit rechtlich relevanten Vorgängen ganz erheblich und steigert damit den Grad an Orientierungssicherheit. Auch für die aus den verschiedensten Rechtskreisen stammenden Juristen, die auf Seiten der Vertragsparteien, aber auch als

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(Schieds-)Richter an den rechtlichen Fragestellungen des internationalen Warenhandels beteiligt sind, macht ein gut nachvollziehbares und handhabbares Regelungssystem eine zielgerichtete Beratung bzw. Ergebnisfindung und damit einen größtmöglichen Grad an Rechtssicherheit umsetzbar. Umgekehrt schafft ein für die Bedürfnisse des Warenhandels unpassendes und nur mit unverhältnismäßigem Aufwand nachvollziehbares Regelwerk offensichtlich Verunsicherung und unberechenbare Ergebnisse, – was die Abwahl des CISG zu einer nachvollziehbaren Entscheidung machen würde.

D. Begrenzter Anwendungs- und Regelungsbereich Die Vorschriften des UN-Kaufrechts finden weder auf jeden internationalen Kaufvertrag Anwendung, noch lösen sie alle Rechtsfragen, die sich im Rahmen von Warenhandelsgeschäften stellen können, die grundsätzlich dem CISG unterfallen.75 Stattdessen wird durch Bestimmungen zum zeitlichen, räumlich-persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich eingegrenzt, auf welche Verträge das CISG grundsätzlich anwendbar ist, d. h. es geht um die Frage nach dem „Ob“ der Anwendung.76 Des Weiteren wird der Regelungsbereich bestimmt, d. h. „inwieweit“ die grundsätzlich in den Anwendungsbereich fallenden „Kaufverträge“ hinsichtlich der dabei bestehenden Rechtsfragen tatsächlich von der Konvention umfasst und gelöst werden sollen.77 Dabei werden in der Literatur nicht immer einheitliche Begrifflichkeiten verwendet,78 wenn etwa auch von „sachlichem Geltungsbereich“79 oder „Rechtsmaterien“80 die Rede ist. Unterschiedlich scheint auch das Verständnis mit Blick auf das begriffliche Verhältnis zwischen „Anwendungsbe75 Eine ausführliche Untersuchung dieser Begrenzung und ihrer Bestimmbarkeit erfolgt unter § 7 und § 8. Vgl. an dieser Stelle nur Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 3; Ferrari, RabelsZ 71 (2007) 52, 53 ff.; Ferrari, 25 Int’l Rev. L. & Econ. (2005) 314, 314 mit Bezugnahme auf entsprechende Aussagen von Stanton, 4 Cardozo J. Int’l & Comp. L. (1996) 423, 430 und Giannuzzi, 28 Law & Pol’y Int’l Bus. (1997) 991, 992, 1015 a. E. 76 Einführend etwa Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Vorbem. zu Artt. 1 – 6 Rn. 1; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 1; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 3 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 1 ff. 77 Ebenfalls vom „Regelungsbereich“ sprechend: Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Djordjevic, Art. 4 Rn. 2 „legal scope“ vom Anwendungsbereich („sphere of application“); MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 1 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 3; Schluchter, Die Gültigkeit von Kaufverträgen unter dem UN-Kaufrecht, S. 25; Schmid, Lückenfüllung und Normenkonkurrenz, S. 26; Verweyen/Foerster/Toufar, Handbuch des Internationalen Warenkaufs, S. 55 ff. 78 Mit diesem Hinweis auch Ferrari/Saenger, Int. Vertragsrecht, Art. 4 Rn. 1 (dort Fn. 1). 79 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Überschrift zu Art. 4, in der weiteren Kommentierung dann aber, wie hier, vom „Regelungsbereich“ sprechend, s. Teil 2 Fn. 77. 80 Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 1.

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reich“ und „Regelungsbereich“ zu sein. Teils wird der Regelungsbereich begrifflich streng vom Anwendungsbereich getrennt,81 während andere die Frage danach, welche Rechtsmaterien von den Regelungen der Konvention erfasst werden, quasi als Teil des sachlichen Anwendungsbereichs verstehen.82 Letztlich geht es in der Sache aber immer um dasselbe: um die Differenzierung zwischen dem „Ob“ der Anwendung auf der ersten Stufe und der Frage, welche einzelnen rechtlichen Aspekte des Vertragsverhältnisses von der Konvention selbst geregelt werden, auf der zweiten Stufe. Nicht zwingend, aber am anschaulichsten erscheint es, begrifflich tatsächlich zwischen Anwendungsbereich und Regelungsbereich zu unterscheiden. Letzterer ist dabei allerdings als Teilbereich des ersteren zu verstehen. Schließlich entspricht es auch dem üblichen Sprachempfinden,83 für den Fall, in dem die Konvention keine Regelung eines bestimmten Aspekts enthält, logischerweise auch von der fehlenden Anwendbarkeit zu sprechen.84 Mit der eingeschränkten Anwendbarkeit weist das UN-Kaufrecht eine Eigenschaft auf, die letztlich allem Einheitsrecht gemeinsam ist: Es ist auf die Regelung eines bestimmten Lebensbereiches ausgerichtet und unterliegt damit zwangsläufig gewissen Grenzen, mögen diese noch so weit oder eng gefasst sein.85 Insofern überrascht der begrenzte Anwendungs- und Regelungsbereich der Konvention sicherlich nicht. Nichtsdestotrotz macht es diese Begrenzung erforderlich, als Vorfrage 81 So explizit v. a. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 3 und Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 2. 82 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 1; Schmid, Das Zusammenspiel von einheitlichem UN-Kaufrecht und nationalem Recht: Lückenfüllung und Normenkonkurrenz, S. 26 (scheinbar sachlichen Anwendungsbereich und Regelungsbereich gleichsetzend). 83 So formuliert Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 3 selbst, dass der Regelungsbereich letztlich eine Frage zur Anwendbarkeit beantworte und zwar „[…] ,in welcher Tiefe Verträge vom CISG erfasst werden‘, d. h., inwieweit es Anwendung findet.“ (kusiver Druck Hervorhebung des Verfassers). 84 Was die Rechtssicherheitsanforderungen bzgl. des Anwendungsbereiches und des Regelungsbereiches angeht, entsprechen diese sich weitestgehend, gerade weil es sich bei letzterem faktisch um einen Teil des Anwendungsbereiches handelt. Insofern ist diese Trennung hier noch nicht zwingend erforderlich. Da aber spätestens bei der Einzelbetrachtung im hier gezeigten Sinne differenziert werden soll, wird sie schon hier entsprechend berücksichtigt. 85 Ähnlich Ferrari, 25 Int’l Rev. L. & Econ. (2005) 314, 328 („The CISG, like any other uniform substantive law convention, does not deal with all matters that can arise from an international contract for the sale of goods.“); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 3; Bergsten, in: Janssen/Meyer, CISG Methodology, S. 21; Frigge, Externe Lücken und Internationales Privatrecht im UN-Kaufrecht, S. 4; Schluchter, Die Gültigkeit von Kaufverträgen unter dem UN-Kaufrecht, S. 21 („Jede internationale Rechtsvereinheitlichung kann sich nur auf einen Teilbereich des Rechts beziehen.“). Daher überzeugt Kritik am CISG nicht, die sich bereits auf die Eigenschaft stützt, dass der harmonisierte Bereich des internationalen Warenhandels überhaupt begrenzt ist. Sie gründet wohl eher auf einem praxisfremden Wunschdenken, so aber Cuniberti, 39 Vand. J. Transnat’l L. (2006) 1511, 1544 („While a complete harmonization of the applicable law would clearly make it easier to determine the legal regime governing the contract, it is unclear that a partial harmonization would be beneficial at all.“).

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zu der Untersuchung der materiell-rechtlichen Sachnormen, zu bewerten, inwiefern schon daraus Rechtsunsicherheit erwachsen kann, bzw. wie eine solche gegebenenfalls zu minimieren ist.86 Dabei gilt, dass „[d]ie Erfolgsbedingungen einer gezielten Rechtsvereinheitlichung oder Rechtsangleichung […] vor allem in ihrer vernünftigen Begrenzung [liegen].“87 Die entscheidenden Faktoren sind dabei einerseits die Bestimmbarkeit der gezogenen Grenzen, d. h. des Anwendungs- und Regelungsbereiches, sowie andererseits deren tatsächlicher Umfang.

E. Unbestimmte Rechtsbegriffe Es ist nicht zu leugnen, dass wertungsoffene, unbestimmte Formulierungen innerhalb eines Normenkomplexes die Subsumtion im Einzelfall besonders erschweren können.88 Die Verfasser des CISG haben an vielen Stellen ganz bewusst unbestimmte Rechtsbegriffe gewählt und bei der Formulierung darauf geachtet, den Wortlaut möglichst losgelöst von nationalen Fachtermini zu gestalten.89 So soll eine zentrale und v. a. neutrale Regelung einheitlich als Rechtsgrundlage für die vielschichtigen Einzelsachverhalte in der Handelswirklichkeit fungieren und ein Höchstmaß an Einzelfallgerechtigkeit sicherstellen. Die genaue Bedeutung der Begriffe wird somit auch durch die Umstände des im Einzelnen betroffenen Handelsgeschäfts definiert, welche durch die Rechtsprechung und Rechtswissenschaft genauer aufzubereiten sind.90 Diese Herangehensweise ist vor dem Hintergrund der Zielsetzung der Konvention, sich den vielschichtigen Gegebenheiten des internationalen Warenhandels bestmöglichst anzupassen, sicherlich konsequent. Sie eröffnet dafür aber oft be-

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Vgl. insofern den treffenden Hinweis von Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 4. 87 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 22, dort weiter: „Wichtig ist die Harmonie von drei Faktoren: Intensität der erstrebten Rechtseinheit, geregelte Materien und räumliche Reichweite des internationalen Einheitsrechts.“ 88 Vgl. mit Blick auf das CISG nur Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Einl. II. („[Der deutsche Jurist wird eher] die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriff wie […] als Schwäche empfinden, lassen sich doch Rechtsunsicherheit und in der Sache divergierende Entscheidungen befürchten.“); MüKo/Gruber, Art. 7 Rn. 16; Verweyen, Die Käuferrechtsbehelfe des UN-Kaufrechts, S. 21; Siehr, RabelsZ 68 (2004) 528, 529 f.; Smits, in: ders. (Ed.), The Need for a European Contact Law, S. 153, 161. 89 Vgl. nur Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 91; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Schwenzer, Einl. III.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 11 m. w. N. 90 Vgl. wiederum Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Einl. II.

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trächtliche Wertungsspielräume und kann damit eine erhebliche Gefahr für die Orientierungssicherheit darstellen.91 Im weiteren Verlauf soll dieses Problem im Zusammenhang mit einigen materiellrechtlichen Fragestellungen, die im Ursprung maßgeblich auf die Verwendung wertungsoffener Begrifflichkeiten zurückgeführt werden, eingehend untersucht werden. Dabei wird anhand einiger Beispiele genauer zu untersuchen sein, inwiefern es Rechtsprechung und Literatur gelungen ist, diesem Einfallstor für Rechtsunsicherheit tatsächlich einen Riegel vorzuschieben. Wertungsoffene Formulierungen finden sich freilich auch in Vorschriften zum Anwendungs- und Regelungsbereich des CISG, sodass auch im Rahmen der entsprechenden Erläuterungen darauf einzugehen sein wird, inwiefern diese unbestimmten Begrifflichkeiten ein nicht hinnehmbares Rechtssicherheitsrisiko nach sich ziehen.

F. Die Einheitlichkeit der internationalen Rechtsanwendung (Art. 7 Abs. 1 CISG) Die Rechtssicherheit im Umgang mit dem CISG hängt somit maßgeblich von der Auslegung und Anwendung durch die (Schieds-)Gerichte ab. Viele Unwägbarkeiten lassen sich erst infolge einer konkreten Anwendung und Klarstellung im Einzelfall überwinden und mit Blick auf künftige Streitfälle vermeiden oder jedenfalls reduzieren. Dabei setzt eine relevante Steigerung der Orientierungssicherheit freilich eine gewisse Kontinuität bei der Anwendung und Berücksichtigung der bereits erarbeiteten Konkretisierungen voraus. Einzelprobleme können noch so detailliert und anschaulich aufbereitet worden sein – wirklich vorhersehbar wird die Beantwortung einer Rechtsfrage erst dann, wenn die bereits ergangenen Entscheidungen und Erwägungen auch zur Kenntnis genommen und international einheitlich berücksichtigt werden. Neben der dafür erforderlichen „informationellen Infrastruktur“92, also der 91 Vgl. dazu etwa MüKo/H. P. Westermann (6. Aufl. 2012), Vor Art. 1 Rn. 13 („Für die Praxis lästiger könnte die Entscheidung des CISG für nicht wenige unbestimmte Rechtsbegriffe („angemessene Frist“, „vernünftige Entschuldigung“, „wesentliche Vertragsverletzung“) sein, was als Kompromiss verständlich sein mag, die praktische Durchsetzung des Einheitsrechts in den auf möglichst sichere Vorhersehbarkeit der Auslegung bedachten Unternehmerkreisen angesichts der Abdingbarkeit (Art. 6) aber gefährden könnte.“); Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 11; Smits, in: ders. (Ed.), The Need for a European Contact Law, S. 153, 161 („One of the reasons for opting out of CISG is that it contains many open-ended concepts (like reasonable empediment) that still leave room for varying interpretations.“); Verweyen, Die Käuferrechtsbehelfe des UN-Kaufrechts, S. 9 („[…] auch wird auf die aus der Anwendung des UN-Kaufrechts resultierende Rechtsunsicherheit hingewiesen, die daraus folgen soll, dass das UN-Kaufrecht offene, vage Tatbestände verwendet und es keine gemeinsame oberste Gerichtsinstanz gibt, die allgemein bindend Klärung in strittigen Fragen herbeiführen könnte.“). 92 S. dazu bereits oben, § 5 F.

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Zugänglichkeit der weltweit angestellten Erwägungen zum UN-Kaufrecht, spielt dafür natürlich eine entscheidende Rolle, inwiefern die verschiedenen Gerichte überhaupt gewillt sind, konsequent auf den Vorarbeiten ausländischer Gerichte, aber auch der internationalen Literatur, aufzubauen und damit eine global einheitliche Entscheidungspraxis zu ermöglichen bzw. umzusetzen.93 Schließlich ermöglicht erst eine stetige, wechselseitige Bezugnahme und Auseinandersetzung mit der internationalen Rechtsprechung die sachgerechte Weiterentwicklung einer wirklich „internationalen“ Auslegung bzw. Anwendung der internationalen Warenhandelskonvention.94 Dass sich diese Konkretisierung als Wechselspiel in einem weltweiten Rahmen mit einem mittlerweile enorm großen Kreis an potenziellen Rechtsanwendern vollzieht, birgt jedenfalls ein großes Potenzial für eine verhältnismäßig rasche Entwicklung internationaler Interpretations- und Entscheidungsgrundlagen. Dieses Potenzial droht jedoch weitestgehend brach zu liegen, wenn es über die nationalen Grenzen hinaus keine internationale Auslegungsinstanz gibt, die die verbindliche Einhaltung einer herrschenden Rechtsprechung oder Meinung sicherstellen könnte.95 Dem versuchten die Konventionsverfasser mit der Regelung in Art. 7 Abs. 1 CISG zu begegnen. Sie soll gerade auch Rechtssicherheit schaffen,96 indem sie zu einer einheitlichen Anwendung und Auslegung, d. h. zur Berücksichtigung der international bereits ergangenen Entscheidungen bzw. Erwägungen anhält und damit „[…] in [ihrer] grundlegenden Bedeutung die vielleicht wichtigste Vorschrift des gesamten Übereinkommens darstellt.“97 Dennoch bleibt es bei der bereits aufgezeigten Tatsache, dass ein von außen wirkender Mechanismus zur Umsetzung 93

Vgl. hierzu insb. Andersen, 13 V.J. (2009) 43, 44 ff. („[…] applied uniformity […]“) und ferner Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 7 Rn. 5 („Der einheitliche Text des Übereinkommens allein schafft noch kein Einheitsrecht, erforderlich ist auch eine einheitliche Anwendung.“); Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int’l L. (2003) 263, 267 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Schwenzer, Einl. III.1.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 15; Zimmermann, RabelsZ 68 (2004) 426, 428 f. („[…] A uniform statute is written in water unless it is uniformly applied.“). 94 Vgl. v. a. MüKoHGB/Ferrari, Art. 7 Rn. 15 m. w. N.; ferner etwa DiMatteo, in: Janssen/ Meyer (Eds.), CISG Methodology, S. 113, 119; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 7 Rn. 10; Staudinger/Magnus, Art. 7 Rn. 21. 95 Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int’l L. (2003) 263, 268 („A related barrier which still stands in the way of uniform interpretation is the fact that CISG decisions rendered by the highest national courts cannot be appealed; no international court sits atop the CISG ,pyramid‘ with the authority to iron out differences in opinion among the national instances below.“ Später aber relativierend: „This is not to suggest that problems of Convention interpretation are insurmountable or that those international merchants who put a premium on ,certainty‘ should avoid the CISG regime […].“); zu der berechtigten Kritik an dem Vorschlag, den EuGH als eine solche einheitliche Auslegungsinstanz zum CISG zu berufen, anschaulich Schlechtriem/ Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 99; vgl. dazu auch Droese, IHR 2013, 50, 57 f. 96 So ausdrücklich etwa Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 7 Rn. 2; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 4. 97 So Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 88.

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einer wirklich verbindlichen Wirkung von Präzedenzfällen und herrschenden Ansichten fehlt. Dass in dieser Ausgangslage eine nicht unerhebliche Gefährdung der Realisierungssicherheit und mittelbar auch für den Grad an Orientierungssicherheit besteht, ist nicht von der Hand zu weisen. Dabei ist es, wie etwa Ferrari98 anschaulich und vollkommen zutreffend darlegt, kein sachgerechter Lösungsansatz, ausländische Rechtsprechung per se zur verbindlichen Anwendungsvorgabe im Sinne supranationaler stare decisis zu erheben.99 Dies droht letztlich zu einer vollkommen unreflektierten Entscheidungspraxis zu führen, die i. E. davon abhängen würde, welches Gericht sich zuerst mit einer offenen Rechtsfrage beschäftigt hat und damit seine Ansicht manifestiert.100 Hier tritt wiederum der bereits oben dargelegte Zielkonflikt101 zwischen Berechenbarkeit und Einzelfallgerechtigkeit einer Entscheidung zutage: Die verbindliche Ausstrahlungswirkung einer Gerichtsentscheidung auf spätere Streitfälle – deren praktische Umsetzbarkeit außen vor gelassen – mag die Ergebnisse um ein Vielfaches vorhersehbarer machen. Eine einzelfall- und sachgerechte Problemlösung wäre auf dieser Grundlage aber wohl kaum mehr der Maßstab. Vielmehr würde man eine streng präzedenzgerechte, „[…] konstante Rechtsprechung mit der Richtigkeit des Ergebnisses dieser Rechtsprechung gleichsetzen.“102 Starres Recht vermag dem hier zugrundegelegten Verständnis von Rechtssicherheit im Übrigen gerade nicht zu entsprechen. Dies wäre aber wohl die Folge, wenn man von einer konsequenten Bindungswirkung ausländischer Rechtsprechung ausginge. Völlig zutreffend wird daher von der mittlerweile herrschenden Rechtsprechung103 und Literatur104 im Zweifel „nur“ eine „persuasive authority“ bereits er98

Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 22 ff. So aber – wenn auch nur „informal“ – DiMatteo, 23 Syracuse J. Int’l L. & Com. (1997) 67, 79 („[…] national stare decisis is to be transplanted by an informal supranational stare decisis.“); jüngst aber weniger strikt DiMatteo, in: Janssen/Meyer (Eds.), CISG Methodology, S. 113, 114. 100 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 22. 101 S. o. § 3 C.I. 102 So wiederum ganz zutreffend formuliert von Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 23. 103 Ausdrücklich BundesG (Schweiz), 2. 4. 2015, CISG-online Case No. 2592, Erw. 6.2.2; Foreign Trade Court of Arbitration attached to the Serbian Chamber of Commerce (Serbien), 28. 1. 2009, CISG-online Case No. 1856, Erw. 4 („This finding is in accordance with the foreign judicial and arbitral practice, which should be taken into consideration for the purpose of achieving uniform application of the CISG, pursuant to Article 7(1) of the CISG.“); Foreign Trade Court of Arbitration attached to the Serbian Chamber of Commerce (Serbien), 15. 7. 2008, CISG-online Case No. 1795, Erw. 6 (engl. Übersetzung: „This position is in accord with foreign judicial practice, which should be taken into consideration for the purpose of achieving uniform application of the Convention, pursuant to Article 7(1) of the Convention.“); Tribunale di Padova (Italien), 25. 2. 2004, CISG-online Case No. 819 (engl. Übersetzung: „Although not binding, as the minority view wishes, however, the jurisprudence on the Convention must be very carefully considered in order to 99

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Teil 2: Die Rechtsunsicherheit als Abwahlgrund

gangener (Schieds-)Gerichtsentscheidungen angenommen. Dies stellt m. E. den pragmatischsten und sachgerechtesten Ansatz zur Verwirklichung eines angemessenen Maßes an Vorhersehbarkeit dar, denn es verbleibt zugleich hinreichende Flexibilität für reflektierte und einzelfallgerechte Entscheidungen. Diese Flexibilität ist also eine unerlässliche Voraussetzung für eine wirklich sachgerechte (Fort-) Entwicklung der Anwendungspraxis zum CISG, zu einem modernen und zeitge-

assure uniformity in the application of [CISG], as required by its Art. 7(1).“); Audiencia Provincial de Valencia (Spanien), 7. 6. 2003, CISG-online Case No. 948, Erw. 3; Tribunale di Rimini (Italien), 26. 11. 2002, CISG-online Case No. 737, Erw. 2 (engl. Übersetzung: „In furtherance of the objectives of Art. 7(1) CISG, these publications aim at assuring uniform application and interpretation of the CISG through reference to the case law of different countries. The goal of uniformity can be advanced even if the court decisions and arbitral awards of other countries, which should be taken in consideration by judges, have only persuasive and not binding value.“); Usinor Industeel ./. Leeco Steel Products, Inc., U.S. D.C. [N.D. Ill., E. Div.], 28. 3. 2002, CISG-online Case No. 696, Erw. II.B. (Berücksichtigung einer australischen Entscheidung: „While this case is far in distance from the present jurisdiction, commentators on the CISG have noted that courts should consider the decisions issued by foreign courts on the CISG.“); Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, CISG-online Case No. 493, Erw. 5 (engl. Übersetzung: „Such foreign case law, contrary to what a minority of authorities have argued, is not binding on this TR. It must nevertheless be considered in order to assure and to promote uniform enforcement of the United Nations Convention, according to its article 7(1) […]“); Tribunale di Pavia (Italien), 29. 12. 1999, CISG-online Case No. 678 (engl. Übersetzung: „This solution corresponds besides to that adopted by foreign case law [Verweis auf schweizerische Entscheidung] which, although not binding, is however to be taken into consideration as required by Art. 7(1) of the CISG.“); ferner mit Bezugnahme auf ausländische Rechtsprechung vgl. nur TeeVee Toons, Inc. et al. ./. Gerhard Schubert GmbH, U.S. D.C. [S.D. N.Y.], 23. 8. 2006, CISG-online Case No. 1272, Erw. II.C.2.a.1. (dort Fn. 1, mit ausdrücklicher Bezugnahme auf und Abgrenzung zur internationalen Rspr. betreffend die Rechtzeitigkeit einer Mängelrüge); Chicago Prime Packers, Inc. ./. Northam Food Trading Co. et al., U.S. D.C. [N.D. Ill., E.D.], 21. 5. 2004, CISG-online Case No. 851, Erw. II.2. (ausdrückliche Bezugnahme auf deutsche Rspr. zu Art. 38, 39 CISG); Medical Marketing International, Inc. ./. Internazionale Medico Scientifica, S.R.L., U.S. D.C. [E. D. of Louisiana], 17. 5. 1999, CISG-online Case No. 387 (zur ausdrücklichen Bezugnahme auf die Rspr. des BGH zu Art. 35 CISG). Vgl. auch Andersen, 13 V.J. (2009) 43, 50 ff., die international ergangene Entscheidungen aufbereitet, denen eine zumeist ausführliche Auseinandersetzung mit der persuasive authority bereits ergangener Entscheidungen zugrundeliegt. Ausführliche Nachweise zu Entscheidungen, denen die Auseinandersetzung mit bereits ergangener ausländischer Rechtsprechung zugrundeliegt, finden sich auch bei MüKo-HGB/Ferrari, Art. 7 Rn. 18 (dort Fn. 119). 104 Neben Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 24 und und MüKo-HGB/ Ferrari, Art. 7 Rn. 25; vgl. insb.: Andersen, 13 V.J. (2009) 43, 59 („inspirational precedent“); De Ly, in: Ferrari (Ed.), The 1980 Uniform Sales Law, S. 335, 357; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 7 Rn. 2; Honnold/Flechtner, Rn. 92; Honsell/Melis, Art. 7 Rn. 7; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Perales Viscasillas, Art. 7 Rn. 45 („International case law is a persuasive authority albeit not binding.“); Lookofsky, 9 V.J. (2005) 199, 200 f.; ders., 8 V. J. (2004) 181, 186 f.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-185; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/ Hachem, Commentary, Art. 7 Rn. 13; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 96; Spaic, 11 V.J. (2007) 237, 244 f.; Staudinger/Magnus, Art. 7 Rn. 21.

§ 4 Einfallstore für Rechtsunsicherheit im Umgang mit dem CISG

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mäßen internationalen Warenhandelsrecht.105 Dass sich dabei ob ihrer argumentativen, logischen und sachgerechten Überzeugungskraft etablierte Anwendungsvorgaben in der Praxis (gegebenenfalls im Zusammenspiel mit der Literatur) als persuasive authority durchsetzen, gewährleistet eine Konsistenz und Vorhersehbarkeit der Ergebnisfindung, ohne dem Vorwurf von Inflexibilität ausgesetzt zu sein. Wie konsequent der in Art. 7 Abs. 1 CISG normierten „persuasive authority“ der international bereits ergangenen (jedenfalls obergerichtlichen) Rechtsprechung, aber auch der herrschenden Meinung in der Literatur, Rechnung getragen wird, stellt somit eine weitere Kernfrage bei der Beurteilung der Rechtssicherheit bei der Anwendung des UN-Kaufrechts dar. Der Vollständigkeit halber sei klargestellt, dass alle sonstigen Konventionsanwender von der Vorgabe in Art. 7 Abs. 1 CISG natürlich nicht ausgenommen sind. Das Gebot der Rücksichtnahme auf den internationalen Charakter des CISG und seine international einheitliche Anwendung ist auch von der Literatur im Rahmen der Auseinandersetzung mit dem CISG als eine der fundamentalen Maßgaben zu berücksichtigen.

105 Ähnlich Staudinger/Magnus, Art. 7 Rn. 21 a. E.; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Perales Viscasillas, Art. 7 Rn. 17.

Teil 3

Einzelbetrachtung § 5 Arbeitsmittel zum CISG Schon vorab lässt sich ohne Weiteres feststellen: „Das CISG ist wohl diejenige Konvention, für die Rechtsprechung und Literatur international am besten dokumentiert und zugänglich sind.“1

A. Internet-Datenbanken Der vollkommen berechtigte Hinweis, das CISG sei die Konvention, zu der Rechtsprechung und Literatur international am besten dokumentiert und zugänglich sei, erfolgt insbesondere mit Blick auf die zahlreichen Internet-Datenbanken, die schnell, unbeschränkt und v. a. kostenfrei zugänglich sind.2 Zugleich zeichnen sich die betreffenden Internetangebote durch eine äußerst leichte und zweckmäßige Handhabbarkeit aus.3

1

Staudinger/Magnus, Einl. zum CISG, Rn. 52; vgl. mit ganz ähnlicher Feststellung etwa Eiselen, in: Janssen/Meyer (Eds.), CISG Methodology, S. 61, 89 („There are a number of valuable aids that are available to interpreters of the CISG, namely the rich and well documented drafting history (travaux préparatoires), a wealth of excellent commentaries and academic comment and an ever-growing body of case law which is readily accessible.“); P. Huber, IHR 2006, 228, 230 („[…] this task [to work with the Convention] is made easier by an extremely well developed system of databses and literature structuring the masses of material.“); Mankowski, IHR 2012, 45, 47 („Zudem ist kein anderes Einheitsrecht so gut dokumentiert wie die CISG.“). 2 Für einen Überblick dazu s. auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 1-4; ders., NJW 2011, 2262, 2262; ferner De Ly, in: Ferrari (Ed.), The 1980 Uniform Sales Law, S. 335, 350 ff.; Veneziano, in: Ferrari (Ed.), The 1980 Uniform Sales Law, S. 325, 326 f. sowie die Einleitungen in den einschlägigen CISG-Kommentaren, z. B. Staudinger/Magnus, Einleitung zum CISG, Rn. 52. 3 Vgl. insgesamt die ähnlichen Einschätzungen von De Ly, in: Ferrari (Ed.), The 1980 Uniform Sales Law, S. 335, 351 f. („Unilex is a reliable and wonderful instrument to search CISG case law.“); Mankowski, IHR 2012, 45, 47 („Zu keinem anderen Einheitsrecht gibt es weder der Zahl noch der Qualität nach ähnlich gute und obendrein kostenlose elektronische Datenbanken.“); Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 1-42; Staudinger/Magnus, Einl. zum CISG, Rn. 52; Veneziano, in: Ferrari (Ed.), The 1980 Uniform Sales Law, S. 325, 326 f.

§ 5 Arbeitsmittel zum CISG

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Zunächst sind die zahlreichen eher national4 ausgelegten Datenbanken zu erwähnen, die im Autonomous Network of CISG Websites der Pace Universität New York5 als Teil der PACE-Datenbank6 zusammengeführt und koordiniert werden. Der Schwerpunkt liegt dort auf der Sammlung und Darstellung der in der betreffenden Jurisdiktion ergangenen Urteile und/oder Zusammenfassungen rund um das UNKaufrecht (zumeist nur) in der Gerichtssprache. Zudem werden zahlreiche Informationen zur Gesetzgebung und Literatur geliefert und oft direkt mit entsprechenden Internetlinks versehen. Zu nennen sind v. a. die australische,7 belgische,8 französische,9 japanische,10 kanadische,11 niederländische,12 österreichische13 und russische14 Datenbank sowie die Datenbank zum spanisch-sprachigen15 Rechtsraum. Die Bedeutung dieser Datenbanken hat angesichts der schwerpunktmäßig nationalen Ausrichtung ihre Grenzen. Im Umgang mit dem CISG haben sich daher die vier größten internationalen Datenbanken durchgesetzt. Sie verstehen sich nicht als konkurrierende Informationsquellen, sondern arbeiten mit direkten Verknüpfungen miteinander und erleichtern damit die „flächendeckende“ Informationssuche ganz erheblich („extremely helpful“16). Konkret handelt es sich um die Datenbank von UNCITRAL selbst (CLOUT, Case Law on UNCITRALTexts),17 die PACE-Datenbank18 der Pace Universität New York, die UNILEX-Datenbank19 sowie die mittlerweile unter Regie der Universität Basel geführte Datenbank CISG-online20. Ihnen ist gemein, dass sie die gesamte Rechtsprechung auf der letztlich entscheidenden, der internationalen Ebene zentral und mit Anspruch auf Vollständigkeit dokumentieren und aufbereiten. Dabei lässt sich die Suche nach Jurisdiktion, Datum, Artikel oder Schlagwörtern beliebig variieren. Die Präsentation eines Urteils beinhaltet zudem, v. a. in der PACE-Datenbank, viele 4 Veneziano, in: Ferrari (Ed.), The 1980 Uniform Sales Lax, S. 325, 326 („An important starting point is represented by the ,domestic‘ CISG internet sites.“). 5 http://www.cisg.law.pace.edu/network.html. 6 S. dazu sogleich ausführlicher. 7 http://www.business.vu.edu.au/cisg. 8 http://www.law.kuleuven.be/ipr/eng/cisg. 9 http://www.cisg-france.org. 10 http://www.juris.hokudai.ac.jp/~sono/cisg/eng_cases.html. 11 http://www.cisg.ca. 12 http://www.rechtspraak.nl. 13 http:/www.cisg.at. 14 http://www.cisg.ru. 15 http://www.uc3m.es/uc3m/dpto/PR/dppr03/cisg. 16 P. Huber, IHR 2006, 228, 230. 17 http://www.uncitral.org/uncitral/en/case_law.html. 18 http://www.cisg.law.pace.edu. 19 http://www.unilex.info. 20 http://www.globalsaleslaw.org bzw. http://www.cisg-online.ch.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

weitere Verweise auf Urteile, die der betreffenden Entscheidung zugrunde liegen oder sie aufgreifen. Ferner wird direkt auf Übersetzungen und Zusammenfassungen in anderen Sprachen sowie auf Literatur verwiesen, die auf die Entscheidung direkt Bezug nimmt oder zumindest im Kontext dazu steht. CLOUT zeichnet sich insb. dadurch aus, dass die von nationalen Korrespondenten verfassten Zusammenfassungen in allen UNO-Sprachen zur Verfügung stehen. Für den Volltext und die Übersetzungen der Entscheidungen findet sich zumeist eine direkte Verknüpfung mit einer der anderen drei internationalen Datenbanken. Auch bei der Informationssuche über Urteile und Schiedssprüche hinaus erweisen sich die vier Datenbanken als äußerst nützlich. So bieten sie umfängliche Bibliografien zur Masse an international veröffentlichter Literatur. Hilfreich erweisen sich wiederum entsprechende Suchmasken, die eine Suche gezielt nach Autor, Artikel oder Schlagwort ermöglichen. Auch die verschiedenen Sprachfassungen der Konvention selbst sowie die sonstigen im Kontext zur Konvention veröffentlichten Dokumente lassen sich auf den genannten Seiten abrufen. Weitere Angebote sind z. B. die Abrufbarkeit des UNCITRAL Digest,21 der einzelnen Opinions des CISG Advisory Councils22 u. v. m. Das umfänglichste Zusatzmaterial bietet sicherlich die PACE-Datenbank.23 Neben den bereits erwähnten Angeboten lässt sich hier ein erstaunlich breiter Fundus an Aufsätzen, Praxisleitfäden oder gar ganzen Dissertationen und Masterarbeiten im Volltext abrufen. Auch die travaux préparatoires (v. a. der sog. „Secretariat Commentary“ zu dem CISG-Entwurf von 1978) lassen sich direkt abrufen. Insgesamt lässt sich somit auf über 3.000 Urteile mit den erwähnten Zusatzinformationen, rund 10.000 Urteilsanmerkungen, über 1.600 Beiträge zum CISG im Volltext sowie eine Bibliografie zugreifen, die bereits im August 2018 über 10.000 Nachweise umfasste. Hinweise in der Literatur, dass sich die Internet-Datenbanken großer und stetig wachsender Beliebtheit erfreuen,24 gelten heute umso mehr. In der Literatur – und auch in der vorliegenden Arbeit – werden Urteile und Schiedssprüche fast durchgängig und geradezu selbstverständlich unter Angabe der Fundstelle in den entsprechenden Datenbanken oder durch Angabe der URL (http://www. …) zitiert. Nachweise in Printmedien erfolgen keinesfalls durchgängig und oftmals nur als Zusatz zum Datenbanknachweis. Oftmals sind CISG relevante Urteile gar nicht in Druckform veröffentlicht, schon gar nicht so zeitnah, wie im Internet. 21

Dazu sogleich unter § 5 B. Dazu sogleich unter § 5 D. 23 Bergsten, in: Janssen/Meyer (Eds.), CISG Methodology, S. 5, 30 („A resource of immense importance […]“); Herber, IHR 2003, 201, 201 („Ihre [PACE Universität] Datenbank hat Maßstäbe gesetzt und ist die wohl bedeutendste und weltweit bekannteste Quelle für die Informationen, die Gerichte und Praxis benötigen, wenn sie dem Gebot des Art. 7 CISG entsprechen wollen, das Übereinkommen soweit möglich international einheitlich auszulegen.“). 24 So etwa schon 2003 von Veneziano, in: Ferrari (Ed.), The 1980 Uniform Sales Law, S. 325, 331 („Statistics tell us that at least some of the databases concerning CISG are visited daily by a growing number of internet users.“). 22

§ 5 Arbeitsmittel zum CISG

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Auch in der Rechtsprechung nimmt die Anzahl der Urteile stetig zu, die auf nationale oder ausländische Entscheidungen mit der Fundstelle in einer Internetdatenbank zitieren.

B. UNCITRAL Digest of Case Law Seit 2004 gibt UNCITRAL einen Digest of Case Law heraus, in dem ausgewiesene Fachleute aus verschiedenen Rechtskreisen die internationale Entscheidungspraxis zu jedem Artikel der Konvention darstellen.25 Aktualisierte Fassungen der ersten Version von 2004 erschienen 2008, 2012 und zuletzt 2016. Auch diese bedeutende Informationsquelle ist kostenlos im Internet zugänglich, sei es direkt (auch als download) auf der Internetseite von UNCITRAL26 oder über die PACEDatenbank. Die ersten beiden Versionen sind in allen UNO-Sprachen abgefasst worden (Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch). Die aktuellste Version wurde (wohl bisher) nur in englischer Sprache veröffentlicht. Ziel des Digest ist es, die große Zahl der in CLOUT gesammelten Urteile auf ihre Kernaussagen zu reduzieren und systematisch darzustellen bzw. zusammenzufassen.27 Dabei soll es sich gerade nicht um wertende Kommentierung handeln, sondern lediglich um einen Überblick zur bestehenden internationalen Rechtsprechung, gegebenenfalls mit Hinweisen auf Unterschiede in der Rechtsprechung. Angesichts der erfreulich großen Zahl an Urteilen zum CISG erweist sich der Digest als weiteres äußerst hilfreiches Arbeitsmittel. Die Masse an Urteilen in den dargestellten Datenbanken lässt sich mithilfe des Digest zügig und weitestgehend umfassend überschauen. Er ist daher eine erfreuliche Ergänzung zu den genannten online zugänglichen Rechtsprechungssammlungen. Während der Digest „[…] sehr deutlich [zeigt], in welche Richtung die internationale Entscheidungspraxis jeweils geht“28, können die dann relevanten, im Einzelfall interessierenden Entscheidungen direkt in den Datenbanken eingesehen werden. Der Digest arbeitet dazu mit direkten Verweisen auf die CLOUT Case No. oder, v. a. wegen der zumeist englischen Volltextübersetzungen, die PACE-Datenbank sowie CISG-online und unilex. Das bewusste Aussparen der wertenden Komponente vermeidet eine Überfrachtung des Digests, dessen Zielsetzung vielmehr darstellender Natur ist. Zugleich 25 Zum Digest, insb. seiner Funktion und der Zusammensetzung des Wissenschaftlerteams, s. etwa De Ly, in: Ferrari (Ed.), The 1980 Uniform Sales Law, S. 335, 353 ff. und die Einleitung im Digest selbst (dort Rz. 15 ff.). 26 https://uncitral.un.org/en/case_law/digests. 27 Vgl. die Beschreibung von UNCITRAL selbst (https://uncitral.un.org/en/case_law/di gests): „[…] to present selected information on the interpretation of the Convention in a clear, concise and objective manner.“ 28 Staudinger/Magnus, Einl. zum CISG, Rn. 52; vgl. auch die Einschätzung von P. Huber, IHR 2006, 228, 230 („A very useful instrument for finding relevant case law on the CISG […].“).

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wird aber ein möglicher Kritikpunkt ganz bewusst in Kauf genommen: Die wertungsfreie, gerade nicht kommentierte Darstellungsmethode hat den Nachteil, dass „qualitativ“ geringwertige, möglicherweise gar falsche Entscheidungen bzw. Argumentationsstränge scheinbar gleichrangig neben durchaus überzeugenden, „korrekten“ Erwägungen stehen.29 Diese Aufgabe der kritischen Analyse und Aufarbeitung wird auf eine andere Ebene verlagert, der sich diese Arbeit nun widmen soll.

C. Literatur Die Auseinandersetzung mit, nicht nur, rechtlichen Fragestellungen rund um das UN-Kaufrecht erfolgt international in einer „kaum noch überschaubaren Fülle“30. Gleiches gilt für entsprechende Hinweise auf den „ständige[n] Strom an Literatur zum Einheitskaufrecht […], der sich mit wachsender Zahl der CISG-Vertragsstaaten kontinuierlich verstärkt.“31 Jeder Versuch einer Übersicht mit annäherndem Anspruch an Vollständigkeit ist zum Scheitern verurteilt. An dieser Stelle sollen daher nur die mit Blick auf die Auswirkungen auf eine rechtssichere Handhabung der Konvention wichtigsten Beobachtungen hervorgehoben werden. Von herausragender Bedeutung ist sicherlich der Bestand an zahlreichen ausgezeichneten Kommentaren zur Konvention. Diese dem deutschen Juristen als selbstverständlich erscheinende Form der Aufarbeitung von Regelungskomplexen oder Rechtsgebieten ist international keineswegs so weit verbreitet. Umso erfreulicher ist es, dass die Behandlung des CISG in der Literatur, gerade auch in der Kommentarliteratur, international erfolgt. Einer der weltweit führenden, ursprünglich nur auf Deutsch32 erschienenen Kommentare von Schlechtriem/Schwenzer ist mittlerweile auch auf Englisch33, Spanisch (bereits in zweiter Auflage)34, Portu29 Vgl. zu diesem Einwand Ferrari, 25 J. L. & Com (2005/2006) 13, 14 („Pursuant to a decision taken by [UNCITRAL] when authorizing the drafting of the Digest, the Digest itself does not criticize an decision, neither does it point out those cases that are worth being followed. This means, however, that ultimately the Digest is not too helpful in guiding the interpreter through the labyrinth of case law which it makes readily available. If one were to look for a guide, one would have to look elsewhere, for instance to comments by legal writers […]“); Lookofsky, 25 J. L. & Com (2005/2006) 87, 88 („So, while the Digest provides a valuable new source of CISG law, we need to recognize its limitations […].“). 30 Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 1-41. 31 Magnus, ZEuP 2010, 880, 884. Vgl. ferner nur P. Huber, IHR 2006, 228, 228 („[…] legal writing on the Convention is abundant.“); Zimmermann, RabelsZ 68 (2004) 427, 427. 32 Schlechtriem, Peter/Schwenzer, Ingeborg/Schroeter, Ulrich (Hrsg.), Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht-CISG, 7. Aufl., Helbing&Lichtenhahn/C.H. Beck/LexisNexis, München 2019. 33 Schlechtriem, Peter/Schwenzer, Ingeborg (Eds.), Commentary on the UN Convention on the International Sale of Goods (CISG), 4. Aufl., Oxford University Press, Oxford 2016. 34 Schlechtriem, Peter/Schwenzer, Ingeborg/Muñoz, Edgardo, Comentario sobre la convencion de las Naciones Unidas sobre los contratos de compraventa internacional de mercaderias, Editorial Aranzadi SA, Cizur Menor (Navarra), secunda edition 2017.

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giesisch35 und Türkisch36 erhältlich. Die Veröffentlichung auf Chinesisch, Französisch, Russisch, Polnisch und Koreanisch ist bereits angekündigt.37 Dass sich die Auseinandersetzung mit der Konvention international vollzieht, belegt die Veröffentlichung zahlreicher weiterer, nicht-deutschsprachiger Kommentare, Lehrbücher und Praktikerhandbücher in englischer38 und spanischer39 Sprache, aber z. B. auch auf Französisch40, Italienisch41 und Niederländisch42.43 35

Schlechtriem, Peter/Schwenzer, Ingeborg/Pereira Guimarães, Cesar A./Tripodi, Leandro, Comentários à Convenção das Nações Unidas Sobre Contratos de Compra e Venda Internacional de Mercadorias, Thomson Reuters, São Paulo 2014. 36 Schlechtriem, Peter/Schwenzer, Ingeborg/C¸ag˘ layan Aksoy, Pınar, Milletlerarası Mal Satımına I˙lis¸kin Sözles¸meler Hakkında Birles¸mis¸ Milletler Antlas¸ması (Viyana Satım Sözles¸mesi), On ˙Iki Levha Yayıncılık, S¸erhi 2015. 37 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Preface. 38 Z. B. Butler, Allison E., A Practitioner’s Guide to CISG Litigation, Aspen, New York 2007; Ferrari, Franco/Flechtner, Harry/Brand, Ronald (Eds.), The Draft UNCITRAL Digest and Beyond, Sellier, München 2004; Flechtner, Harry/Brand, Ronald/Walter, Mark (Eds.), Drafting Contracts Under the CISG, Oxford University Press, New York 2008; Gabriel, Henry D., Contracts for the Sale of Goods, 2. Aufl., Oxford University Press, Oxford 2009; Gilette, Clayton P./Walt, Steven D., Sales Law: Domestic and International, 3. Aufl., Foundations Press, New York 2016; Honnold, John O./Flechtner, Harry, Uniform Law for International Sales under the 1980 United Nations Convention, 4. Aufl., Kluwer Law International, Alphen aan den Rijn 2009; Huber, Peter/Mullis, Alastair, The CISG – A New Textbook for Students and Practitioners, 2. Aufl., Sellier, München 20014; Kröll, Stefan/Mistelis, Loukas/Perales Viscasillas, Pilar (Eds.), UN Convention on Contracts for the International Sale of Goods, 2. Aufl., C.H. Beck/Hart/Nomos, München/Oxford/Baden-Baden 2018; Lookofsky, Josef, Understanding the CISG, 3. Aufl., Kluwer Law International, Alphen aan den Rijn 2008; Ostendorf, Patrick, International Sales Terms, 3. Aufl., C.H. Beck/Hart/Nomos, München/Oxford/Baden-Baden 2018; Schlechtriem, Peter/Butler, Petra, UN Law on International Sales: The UN Convention on the International Sale of Goods, Springer, Berlin 2006; Schwenzer, Ingeborg/Fountoulakis, Christina/Dimsey, Mariel, International Sales Law: A Guide to the CISG, 2. Aufl., Hart, Oxford 2012. 39 Z. B. Hussonmorel, Rodolfo C., La Compraventa Indernacional de Mercaderías, La Ley, Buenos Aires 2004; Diez-Picazo Ponce de Leon, Luis (Hrsg.), La Compraventa Internacional de Mercaderías, Civitas, Madrid 1998; Garro, Alejandro M./Zuppi, Alberto, Compraventa Internacional de Mercaderías, La Rocca, Buenos Aires 1990. 40 Z. B. Heuzé, Vincent, La vente internationale de merchandises, droit uniforme, LGDJ, Paris 2000; Neumayer, Karl H./Ming, Catherine, Convention de Vienne sur le Contracts de Vente Interntionale de Merchandises: Commentaire, CEDIDAC, Lausanne 1993; Schlechtriem, Peter/Witz, Claude, Convention de Vienne sur les contrats de vente internationale de marchandises, Dalloz, Paris 2008. 41 Z. B. Ferrari, Franco, La vendita internazionale – Galgano, Francesco (Hrsg.), Trattato di diritto commerciale e di diritto pubblico dell’economia, Vol. XXI, 2. Aufl., CEDAM, Padua 2006. 42 Bertrams, Roeland I.V.F./Kruisinga, Sonja Adrienne, Overeenkomsten in het international privaatrecht en het Weens Koopverdrag, 4. Aufl., Kluwer, Deventer 2010. 43 Vgl. für einen umfassenden Überblick die Bibliographien in den Internetdatenbanken, aber auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 1-41 und die Literaturhinweise zu Beginn der einschlägigen deutschen Kommentare.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Unübertroffen erscheint allerdings die Intensität, mit der das UN-Kaufrecht in der deutschsprachigen Literatur aufbereitet wird.44 Seien es Kommentare,45 Monographien, Lehrbücher,46 Aufsätze, aber auch Handbücher und Leitfäden für Praktiker,47 die Auswahl an hervorragenden Bearbeitungen ist enorm.48 Mittlerweile beschäftigen sich mehrere, auch ausländische Zeitschriften fast ausschließlich oder jedenfalls schwerpunktmäßig mit Fragen zum CISG.49 V. a. die IHR dient neben den Datenbanken auch als zusätzliche Quelle für aktuelle Urteile zum CISG. Es lässt sich festhalten, dass sich ein nahezu flächendeckender Bestand an Literatur entwickelt hat und sich stetig weiterentwickelt. Dieser dürfte es Parteien und v. a. Rechtsbeiständen und Gerichten bzw. Schiedsgerichten aus jedem der Ver44 Vgl. entsprechenden Hinweis von Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Einl. II. a. E. 45 Von den Kommentierungen jüngeren Datum sind insb. zu nennen: Brunner, Christoph, UN-Kaufrecht, Stämpfli, Bern 2004; Bamberger/Roth/Hau/Poseck, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 5 (§§ 1922 – 2385, CISG, IPR, EGBGB), 4. Aufl., C.H. Beck, München 2020; Honsell, Heinrich (Hrsg.), Kommentar zum UN-Kaufrecht, 2. Aufl., Springer, Berlin/Heidelberg 2010; Ferrari, Franco et al. (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 3. Aufl., C.H. Beck, München 2018; Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Band 3 (§§ 433 – 534, Finanzierungsleasing CISG), 7. Aufl. C.H. Beck, München 2016; Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Band 5 (§§ 343 – 406, CISG), 4. Aufl., C.H. Beck/Vahlen, München 2018; Schlechtriem, Peter/Schwenzer, Ingeborg (Hrsg.), Kommentar zum einheitlichen UN-Kaufrecht-CISG, 6. Aufl., C.H. Beck/Helbing&Lichtenhahn, München/Basel 2013; Julius von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Wiener UN-Kaufrecht, Neubearb. 2018, Sellier – De Gruyter, Berlin 2018. 46 V. a. Schlechtriem, Peter/Schroeter, Ulrich, Internationales UN-Kaufrecht, 6. Aufl., Mohr Siebeck, Tübingen 2016. 47 Für einen Überblick s. Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 1-41 a. E., 1-44; hervorzuheben sind ferner etwa Magnus, Der UN-Kaufrechtsprozess, in: Seitz, Walter/Büchel, Helmut (Hrsg.), Beck’sches Richter-Handbuch, 3. Aufl., C.H. Beck, München 2012, S. 500 ff.; die von der DIHK herausgegebenen und online (www.dihk-verlag.de) erhältlichen Leitfäden zum CISG (UN-Kaufrecht, Praxisleitfaden für internationale Verträge, 2008; Vertragsgestaltung im Importgeschäft, 2009; Vertragsgestaltung im Exportgeschäft, 2011); Bernstorff, Christoph v., Der Exportvertrag, 3. Aufl., Bundesanzeiger Verlag, Köln 2014. Insgesamt zu grenzüberschreitenden Schuldverträgen und dabei auch zur Arbeit mit dem CISG Reithmann, Christoph/ Martiny, Dieter (Hrsg.), Internationales Vertragsrecht, 8. Aufl., Verlag Dr. Otto Schmidt, Köln 2015. 48 Für einen umfassenderen Überblick s. Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 1-41, 1-43 f. und jeweils die einleitenden Literaturhinweise zu Beginn der einschlägigen CISG-Kommentare sowie die Bibliographie der Internetdatenbanken. Ferner liefern die ausgewiesenen CISGExperten Piltz in der NJW (zuletzt NJW 2017, 2449 ff.) und Magnus in der ZEuP (zuletzt ZEuP 2017, 140 ff.) regelmäßig einen Überblick zu den neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet des UN-Kaufrechts, sowohl hinsichtlich der Arbeitsmittel als auch der Rechtsprechung zum CISG. 49 Insb. die Zeitschrift für das Recht des internationalen Warenkaufs und Warenvertriebs (IHR – Internationales Handelsrecht); das Vindobona Journal of International Commercial Law and Arbitration (herausgegeben von der Moot Alumni Association) und das Journal of Law and Commerce (herausgegeben an der University of Pittsburgh School of Law). Weitere Beiträge und Urteile zum CISG erscheinen in der RIW, IPRax, NJW, ZEuP und der schweizerischen SZIER.

§ 5 Arbeitsmittel zum CISG

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tragsstaaten ermöglichen, sich im Umgang mit der Konvention gut zurechtzufinden. Die Grundsystematik, häufige, zentrale Fragestellungen, aber auch spezifische Detailfragen werden für einen großen Adressatenkreis gründlich aufbereitet. Ob die große Masse an Rechtsprechung und Literatur auch zu einer (rechts-)sicheren Beantwortung zentraler Auslegungsfragen führt, soll exemplarisch v. a. in den §§ 9 bis § 12 dieser Arbeit untersucht werden. Dass sich die Ausgangslage für einen rechtssicheren Umgang mit dem CISG, d. h. v. a. für die Berechenbarkeit der Lösung und der maßgeblichen Entscheidungskriterien, mittlerweile äußerst günstig darstellt, wird jedoch schon an dieser Stelle deutlich. Vergleicht man die Lage in den einzelnen Vertragsstaaten miteinander, so kann nicht eindringlich genug hervorgehoben werden, dass diese günstige Ausgangslage ganz besonders im deutschsprachigen Raum zu verzeichnen ist. Vor diesem Hintergrund ist an dieser Stelle der hierzulande erhobene Vorwurf rechtsunsicherer Verhältnisse besonders zu hinterfragen.

D. CISG Advisory Council Seit 2001 besteht der von der Pace University gegründete CISG Advisory Council (AC).50 Dieses privat konstituierte Gremium von ausgewiesenen Experten auf dem Gebiet des internationalen Warenkaufs bzw. des UN-Kaufrechts vereint Fachleute aus verschiedensten Vertragsstaaten.51 Der CISG-AC widmet sich schwierigen Anwendungs- und Auslegungsfragen zur Konvention, sei es aus eigener Initiative oder auf Anfrage von internationalen Organisationen, Verbänden oder Gerichten bzw. Schiedsgerichten.52 Die Opinions werden sodann samt Kommentierungen kostenlos und in mehreren Sprachen im Internet veröffentlicht.53 In der IHR er50

Dazu Herber, IHR 2003, 201 f. und der ehemalige Sekretär des Gremiums Loukas Mistelis in IHR 2003, 243 f. 51 Zu den Mitgliedern des CISG-AC zählen: Ingeborg Schwenzer (Vorsitzende); Yesim Atamer; Eric Bergsten; Michael Joachim Bonell; Michael Bridge; Harry Flechtner; Lauro Gama; Alejandro Garro; John Gotanda; Sir Roy Goode; Johnny Herre; Han Shiyuan; Pilar Perales Viscasillas; Ulrich Schroeter; Hiro Sono; Claude Witz und Sieg Eiselen. 52 Bisher veröffentlicht wurden 17 Opinions: No. 1: Electronic Communications under the CISG; No. 2: Examination of the Goods and Notice of Non-Conformity Articles 38 and 39; No. 3: Parol Evidence Rule, Plain Meaning Rule, Contractual Merger Clause and the CISG; No. 4: Contracts for the Sale of Goods to Be Manufactured or Produced and Mixed Contracts (Article 3 CISG); No. 5: The Buyer’s Right to Avoid the Contract in Case of Non-Conforming Goods or Documents; No. 6: Calculation of Damages under CISG Article 74; No. 8: Calculation of Damages under CISG Articles 75 and 76; No. 9: Consequences of Avoidance of the Contract; No. 10: Agreed Sums Payable upon Breach of an Obligation in CISG Contracts (Art. 4); No. 11: Issues Raised by Documents under the CISG Focusing on the Buyer’s Payment Duty (Art. 58); No. 12: Claims for Damages Caused by Defective Goods or Services Under the CISG; No. 13: Inclusion of Standard Terms under the CISG; No. 14: Interest under Article 78 CISG; No. 15: Reservations under Articles 95 and 96 CISG; No. 16: Exclusions of the CISG under Article 6; No. 17: Limitation and Exclusion Clauses in CISG Contracts. 53 Verlinkungen finden sich bei CISG-online und der PACE Datenbank. Direkt abrufbar ist die site des CISG-AC unter http://www.cisgac.com.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

scheinen die Opinions auch in Druckform. Angesichts der unbestrittenen Fachkunde54 dieses internationalen Gremiums stellen dessen Auffassungen eine weitere hilfreiche Informationsquelle dar.55 Dies gilt insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass sich darin ablesen lässt, worin der internationale Konsens zu den jeweiligen Fragen besteht, sowohl mit Blick auf das bestehende case law als auch auf die weltweit geführte wissenschaftliche Diskussion. Denn die Fragestellungen werden auch auf Grundlage einer intensiven, kritischen Auseinandersetzung mit der international vorhandenen Literatur und Entscheidungspraxis beantwortet.56 Den Opinions kommt insofern auch eine gewisse Ordnungs- und Vereinheitlichungsfunktion zu, die zur einheitlichen Anwendung des CISG und letztlich der rechtssicheren Ergebnisfindung beiträgt. Dies setzt sich der AC auch ausdrücklich zum Ziel.57 Diese vereinheitlichende Aufarbeitung umfasst darüber hinaus auch die Schließung gegebenenfalls verbliebender Lücken in der Diskussion rund um den betreffenden Problemkreis, etwa weil sich die Praxis noch nicht hinreichend damit auseinanderzusetzen hatte.58 Dementsprechend finden sich in der Rechtsprechung mittlerweile ausdrückliche Bezugnahmen auf die Opinions des AC.59

54 Vgl. Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 98 („[…] die persuasive authority seiner Opinions [beruht] auf der anerkannten Fachkunde seiner Mitglieder und Berichterstatter sowie der Überzeugungskraft seiner einzelnen Auslegungsvorschläge.“). 55 Vgl. Herber, IHR 2003, 201, 202 („Seine Gutachten werden […] schon im Hinblick auf die persönliche Autorität der Verfassser eine wichtige Rolle für die Praxis bilden und die CISG noch praktikabler machen.“). 56 Zu dem damit verbundenen Mehrwert für die Praxis Herber, IHR 2003, 201, 202 („Er [der AC] kann dazu beitragen, die – für die Praxis oft verwirrende – Vielfalt der in der Literatur geäußerten Meinungen im Schrifttum schon im Vorfeld international abzugleichen und zudem in gestraffter Form zugänglich zu machen.“). 57 So heißt es unter http://www.cisgac.com: „The CISG-AC is a private initiative which aims at promoting a uniform interpretation of the CISG. It is a private initiative in the sense that its members do not represent countries or legal cultures, but they are scholars who look beyond the cooking pot for ideas and for a more profound understanding of issues relating to CISG.“; ebenso Mistelis, IHR 2003, 243, 244. 58 Vgl. wiederum Mistelis zu den Zielen des CISG-AC, Mistelis, IHR 2003, 243, 243 („[…] to respond to the emerging need to address some controversial, unresolved issues relating to the CISG which would merit interpretative guidance.“). 59 Z. B. bei Cedar Petrochemicals, Inc. ./. Dongbu Hannong Chemical Co., Inc., U.S. D.C. [S.D.N.Y.], 28. 9. 2011, CISG-onilne Case No. 2338; Gerechtshof Arnhem (Niederlande), 9. 3. 2010, CISG-online Case No. 2095, Erw. 4.8; TeeVee Toons, Inc. & Steve Gottlieb, Inc. ./. Gerhard Schubert GmbH, U.S. D.C. [S.D.N.Y.], 23. 8. 2006, CISG-online Case No. 1272, Erw. II.C.2.a.1.

§ 5 Arbeitsmittel zum CISG

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E. Musterverträge Wie bereits angeklungen, wird in Musterverträgen zum internationalen Warenkauf nicht (mehr) pauschal, sei es unmittelbar oder mittelbar, die Abwahl des CISG empfohlen. So fällt auch das Spektrum an verfügbaren Vertragsmustern für die Gestaltung von Kaufverträgen nach dem UN-Kaufrecht mittlerweile sehr breit aus. Häufig wird neben der Fassung etwa auf Basis des autonomen deutschen Rechts alternativ ein Vertragsmuster auf Grundlage des CISG angeboten. Solche Formularhandbücher und Anleitungen zur Vertragsgestaltung erweisen sich nicht nur für nicht anwaltlich beratene Vertragsparteien als äußerst nützlich. Profitieren können davon neben den Unternehmern selbst auch deren Berater sowie fachfremde Juristen. Das UN-Kaufrecht lässt sich also nicht mehr nur als Fachmann erschließen. Die vorhandenen Muster ermöglichen zusammen mit den zahlreichen Leitfäden und Erläuterungen zu den einzelnen Vertragsbestandteilen einen verhältnismäßig leichten Einstieg in die Vertragskonzeption. Die meisten Werke weisen dabei auch auf mögliche Problempunkte hin, an denen sich angesichts gewisser Rechtunsicherheitsrisiken u. U. aufdrängt, mit einer entsprechenden Klausel Rechtssicherheit zu schaffen (z. B. bezüglich der Wesentlichkeitsschwelle im Sinne von Art. 25 CISG). Dadurch wird auch dem hohen Stellenwert der Parteiautonomie Rechnung getragen und eine bedürfnisgerechte Konzeption ermöglicht, anstatt lediglich eine „Kopiervorlage“ anzubieten. Besonders hervorzugeheben ist etwa der von der ICC selbst herausgegebene, auch online erhältliche Mustervertrag „ICC Model International Sale Contract“60 und der vom International Trade Centre (ITC) herausgegebene „Model Contract for the International Commercial Sale of Goods“61. Was die deutschsprachige Literatur betrifft, enthalten die bereits erwähnten zahlreichen Leitfäden für Praktiker62 ebenfalls Vertragsmuster. Darüber hinaus lässt sich auf ein ebenso breites Angebot an Formularhandbüchern bzw. Musterverträgen zurückgreifen, teils auch mit deutschenglischer Übersetzung.63 60 Neueste Version (200) erhältlich unter: https://www.iccgermany.de/produkt/icc-muster-in ternationaler-kaufvertrag-2020/. 61 Kostenlos online erhältlich unter: https://intracen.org/resources/publications/model-con tracts-for-small-firms. 62 S. o. Teil 3 Fn. 47. 63 Exemplarisch genannt seien hier nur: Bernstorff, Christoph v., Vertragsgestaltung im Auslandsgeschäft, 7. Aufl., Knapp, Frankfurt a. M. 2012; ders., Der Exportvertrag, 3. Aufl., Bundesanzeiger Verlag, Köln 2014 (Deutsch-Englisch); Hoffmann-Becking, Michael/Rawert, Peter (Hrsg.), Beck’sches Formularbuch, Bürgerliches-, Handels- und Wirtschaftsrecht, 10. Aufl., C.H. Beck, München 2010, (III.A.12., Kaufvertrag nach UN-Kaufrecht, deutschenglisch); Walz, Rober (Hrsg.), Beck’sches Formularbuch, Zivil-, Wirtschafts- und Unternehmensrecht, Deutsch-Englisch, 4. Aufl., C.H. Beck, München 2018 (B.II.3., Kaufvertrag nach UN-Kaufrecht); Heidelberger Musterverträge (Stadler, Hans-Jörg, Heft 89 – Internationale Einkaufsverträge, 3. Aufl., Verlag Recht und Wirtschaft, Frankfurt a. M. 2019; ders., Heft 80 – Internationale Lieferverträge, 4. Aufl., Verlag Recht und Wirtschaft, Frankfurt a. M.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

F. Fazit Parallel zur wachsenden Zahl an Anwendungsfällen hat sich ein umfassendes Geflecht an Arbeitsmitteln zum CISG entwickelt. Dieser umfangreiche Fundus ist v. a. deswegen zu begrüßen, weil ihm in zweierlei Hinsicht eine ganz bedeutende Rolle bei der Weiterentwicklung der Rechtssicherheit im Umgang mit der Konvention zukommt. Die Wirkungsweise dieser Arbeitsmittel lässt sich in zwei Kategorien unterteilen. Es ist deren Zusammenspiel sowohl untereinander als auch mit der stetig voranschreitenden Anwendungs- und Konkretisierungsleistung der (Schieds-)Gerichte weltweit, welches letztlich bedeutenden Einfluss auf das Maß an Rechtssicherheit nimmt. Der ersten Kategorie sind Arbeitsmittel zuzuordnen, die sich ganz oder zumindest auch mit der wertfreien Darstellung des Konventionstexts, seiner Sprachfassungen bzw. Übersetzungen und natürlich der dazu ergangenen Rechtsprechung befassen. Gemeint sind insbesondere die Rechtsprechungssammlungen, die mit Anspruch auf Vollständigkeit (insb. die Internetdatenbanken) oder zusammenfassend (insb. der UNCITRAL Digest) über den Stand der nationalen und internationalen Entscheidungspraxis informieren. Zudem fallen auch alle rein darstellenden Elemente in der Literatur unter diese Kategorie. Diese Arbeitsmittel übernehmen die Aufgabe, eine Art ,informationelle Infrastruktur‘ für den Umgang mit dem UN-Kaufrecht zu gewährleisten. Da die Masse an weltweit ergangenen Entscheidungen sonst kaum mehr überschaubar wäre, stellen sie eine absolute Grundvoraussetzung für hinreichende Rechtssicherheit dar. Dass hier auf eine ganz hervorragende Aufbereitung zurückgegriffen werden kann, wurde hinlänglich ausgeführt. Die Arbeitsmittel der zweiten Kategorie bauen auf der ersten auf und gehen über die systematische Darstellung von Konvention und betreffender Rechtsprechung hinaus. Sie erfüllen v. a. eine (be-)wertende Funktion und übernehmen die Aufgabe, Urteile und Schiedssprüche zunächst mit Blick auf die im jeweiligen Einzelfall ergangenen Aussagen zu untersuchen und einer kritischen Bewertung zu unterziehen (gegebenenfalls nach vorheriger schlichter Darstellung). Auf Grundlage der „qualitativen“ Bewertung werden sodann die Kernaussagen herausgearbeitet und mit dem bereits vorhandenen Meinungsstand (gegebenenfalls der herrschenden oder überwiegenden Meinung) in der Spruchpraxis und Literatur wertend in Bezug gesetzt – eine Aufgabe bzw. Leistung, deren Erfüllung der UNCITRAL Digest ganz bewusst unterlässt und der Literatur überlässt. Diese Leistung ist für den Grad an Einheitlichkeit und damit letztlich an Rechtssicherheit ganz entscheidend. Die große Qualität und Quantität der diesbezüglichen Arbeitsmittel in der Literatur bzw. der Wissenschaft ist daher umso erfreulicher: Denn allein dadurch, dass (Schieds-)Gerichte die Konvention auf einen jeweiligen Einzelfall anwenden und diesbezüglich für konkretisierende Präze2014); Schütze, Rolf A./Weipert, Lutz (Hrsg.), Münchener Vertragshandbuch, Band 4, Wirtschaftsrecht III, 8. Aufl., C.H. Beck, München 2018.

§ 5 Arbeitsmittel zum CISG

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denzfälle sorgen, lässt sich sicherlich in hohem Maße, aber dennoch begrenzt Rechtssicherheit schaffen. Schließlich sind die dabei angestellten Erwägungen in weiten Teilen an die zugrunde liegende Sachverhaltskonstellation geknüpft. Dies gilt umso mehr für das UN-Kaufrecht, das häufig mit unbestimmten Begriffen und Wertungen arbeitet. D. h. konkret, dass allein eine große Zahl an sehr gut zugänglichen Entscheidungen noch nicht ausreichend ist. Sie sind angesichts einzelfallabhängiger Komponenten oftmals nicht unmittelbar übertragbar. Genau hier setzen die Arbeitsmittel der zweiten Kategorie an. Sie abstrahieren die einer kritischen Untersuchung unterzogenen Kernaussagen und ermöglichen auf dieser Grundlage die Aufbereitung einer verallgemeinerungsfähigen Methodik. Die vielen einzelfallbezogenen Erwägungen werden dadurch gewissermaßen auf einen gemeinsamen Nenner gebracht, gegebenenfalls in der wissenschaftlichen Diskussion vervollständigt und damit übertragbar gemacht.64 Problemstellungen, zu denen kein bzw. kein hilfreiches Fallmaterial existiert, werden im wissenschaftlichen Diskurs einer Lösung zugeführt. Somit wirken sie als eine Art Katalysator, der einen wechselseitigen Prozess hin zur einheitlichen Anwendung stetig zunehmender Konkretisierungen antreibt, „um die verbal erreichte Vereinheitlichung zu bewahren und zu fördern“65.66 Wie in einer Art Kreislauf kann sich der zuoberst als wechselseitig bezeichnete Konkretisierungs- und Vereinheitlichungprozess vollziehen: (Schieds-) Gerichte fällen Einzelfallentscheidungen. Mit diesen setzen sich sodann die mannigfaltigen Beiträge in der Fachliteratur auseinander und arbeiten allgemeingültige methodische Herangehensweisen heraus. Diese können wiederum von den Spruchkörpern angesichts der größeren Übertragbarkeit zusammen mit den bereits im internationalen (!) case law ergangenen Erwägungen angewandt und wiederum weiterentwickelt werden u. s. w.67 Inwiefern sich diese Überlegungen tatsächlich bewahrheiten, gilt es an anderer Stelle exemplarisch zu untersuchen. Fest steht: Sei es für tatsächliche oder potenzielle Vertragsparteien, Rechtsbeistände, Richter oder Schiedsrichter, für alle stehen sowohl rein darstellende, quasi „informierende“ Hilfsmittel, als auch wertende und in methodischer Hinsicht zusammenfassende Hilfsmittel zur Verfügung, und zwar in 64

Vgl. Ferrari, RabelsZ 68 (2004) 473, 492 f. („The knowledge of foreign case law, albeit helpful, is not sufficient, […]. It is also necessary for scholars to create a common legal methodology for the application of international texts.“). 65 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Einl. III.1. 66 Vgl. die entsprechende Prognose von De Ly, in: Ferrari (Ed.), The 1980 Uniform Sales Law, S. 335, 354 („It is to be expected that the information of the Digest will be incorporated in scholary writing in the years to come and, thus, that both case law and scholary writings will be reflected in commentaries and will contribute to a better understanding and a more uniform interpretation of the CISG.“). 67 Vgl. auch zur Rolle der Literatur bei der Anwendung der Konvention durch Gerichte und Schiedsgerichte DiMatteo, in: Janssen/Meyer (Eds.), CISG Methodology, S. 113, 125 f. („[…] courts are under some form of obligation to consider writings by legal scholars. That is because these writings are probably the best source for learning about other countries’ approaches to CISG-related issues.“).

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Teil 3: Einzelbetrachtung

ausreichender und sogar noch zunehmender Quantität und Qualität. Die eingangs zitierte, äußerst positive Einschätzung hat mithin durchaus ihre Berechtigung.68

§ 6 Aufbau und Rechtsbehelfssystem Das UN-Kaufrecht ist in vier Teile gegliedert, wobei die Teile I – III das eigentliche materielle Kaufrecht bilden, während Teil IV die völkerrechtlichen Schlussbestimmungen umfasst. Etwas genauer betrachtet, enthält Teil I die Vorschriften zum Anwendungs- und Regelungsbereich. Ferner finden sich dort Regelungen zu so grundlegenden Punkten wie der Auslegung von Erklärungen und Verhalten (Art. 8 CISG), der Geltung von Bräuchen und Gepflogenheiten (Art. 9 CISG), der Niederlassung im Sinne der Konvention (Art. 10 CISG) und der Form (Art. 11 – 13 CISG). Teil II regelt den Abschluss des Kaufvertrages (Art. 14 – 24 CISG) und deckt sich ohne gravierende inhaltliche Unterschiede mit dem „herkömmlichen Vertragsschlussmodell“69 im autonomen deutschen Recht.70 Teil III bildet das Kernstück des Übereinkommens (Art. 25 – 88 CISG). Hier findet sich im Anschluss an einige allgemeine Bestimmungen zum Warenkauf (Art. 25 – 29 CISG) die Regelung der Rechte und Pflichten von Verkäufer und Käufer einschließlich der einzelnen Rechtsbehelfe infolge von Vertragsverletzungen (Kapitel II und III). Gerade hier erweist sich die Konvention „[…] im Vergleich zum BGB [als] sehr viel übersichtlicher und transparenter […].“71 Die Regelung der Pflichten und Rechtsbehelfe in Teil III – mit Ausnahme des Schadenersatzanspruchs – erfolgt jeweils gesondert für Käufer und Verkäufer, statt, wie im autonomen deutschen Recht, zusammengefasst. So werden zu Beginn von Kapitel II zunächst die Primärpflichten des Verkäufers (Lieferung und Übergabe; Lieferort, -modalitäten und -zeit; Mangelfreiheit; Befreiungen etc.) geregelt. Daran schließen sich direkt die möglichen „Rechtsbehelfe des Käufers wegen Vertragsverletzung durch den Verkäufer“ an, d. h. die Sekundärpflichten des Verkäufers. Sodann erfolgen spiegelbildlich in Kapitel III die Normierung der Primärpflichten 68 Mit einem ganz ähnlichen Fazit Schwenzer/Kee, 29 Penn State Int’l L. Rev. (2011) 425, 442: „To sum up, better accessibility of the CISG saves time and costs, and makes the outcome of cases more predictable. These are main advantages of the CISG when compared to the application of domestic law.“ 69 Staudinger/Magnus, Einl. zum CISG, Rn. 30. 70 So ausdrücklich Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Einl., Rn. 2 („Die Regelungen über den Vertragsschluss weisen keine besonders gravierenden Abweichungen zum deutschen Recht auf.“); ferner, auch zu dennoch bestehenden Unterschieden etwa, MüKo/H. P. Westermann (6. Aufl. 2012), Vor Art. 1 Rn. 14; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 1-9; Staudinger/ Magnus, Einl. zum CISG, Rn. 30, 32. 71 Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 10. In diese Richtung auch der Hinweis von Staudinger/Magnus, Einl. zum CISG, Rn. 28, dass „[d]as CISG […] deutlich klarer und übersichtlicher als das Haager Kaufrecht gegliedert [ist].“

§ 6 Aufbau und Rechtsbehelfssystem

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des Käufers (Zahlung, Abnahme und deren Einzelheiten) und die Regelung möglicher „Rechtsbehelfe des Verkäufers bei Pflichtverletzung durch den Käufer“, also wiederum die Sekundärpflichten des letzteren. Die Systematik lässt sich mithin je nach Verkäufer- oder Käuferperspektive verhältnismäßig leicht erschließen. Da die Regelung für die Käufer- und Verkäuferseite dabei dem gleichen Grundmuster folgt, bleibt der Aufbau übersichtlich und ohne Weiteres nachvollziehbar.72 Dies überzeugt umso mehr, da die Akteure im internationalen unternehmerischen Warenhandel in der Regel sowohl als Käufer wie auch als Verkäufer am Warenhandel partizipieren. In beiden Situationen kann letztlich auf das gleiche Regelungsmuster zurückgegriffen werden. Was den systematischen Aufbau des UN-Kaufrechts betrifft, lässt sich somit ein sehr anwenderfreundlicher Aufbau konstatieren, der sich durch Klarheit und Übersichtlichkeit auszeichnet.73 So prägt das CISG eine leicht zugängliche Regelungsstruktur, die eine gewisse intuitive Herangehensweise an den Regelungskomplex erlaubt, der sich am Lebenszyklus des Kaufgeschäfts ausrichtet.74 Ein umfangreiches „vor die Klammer ziehen“ allgemeiner Regelungen, bekannt aus dem autonomen deutschen (Kauf-) Recht, wird weitestgehend, freilich nicht vollkommen, vermieden. Da der Regelungsumfang des CISG enger ist, kommt es trotz der in Kauf genommenen Wiederholungen dennoch nicht zu einer „Überfrachtung“. Die möglichst einheitliche und unkompliziert gehaltene Rechtsbehelfssystematik hat eine positive Wirkung auf den rechtssicheren Umgang mit dem CISG und den üblichen bzw. typischen kaufrechtlichen Problemstellungen. Einige Merkmale gilt es weiter hervorzuheben: Nicht nur der Aufbau des UN-Kaufrechts, auch die materielle Konzeption des Rechtsbehelfssystems selbst zeichnen sich durch einen hohen Grad an Übersichtlichkeit aus. Charakteristisch ist dabei, dass auf einen einheitlichen Begriff der Vertragsverletzung aufgebaut wird.75 Die Unterscheidung einzelner Arten von Pflichtverletzungen ist somit, bis auf die Unterscheidung von Nichterfüllung und Nichtleistung (vgl. insb. das Aufhebungsrecht gemäß Art. 49 Abs. 1 bzw. Art. 64 Abs. 1 CISG), hinfällig. Angesichts dieses einheitlichen Verständnisses der Ver72 Insb. zu Teil III des CISG Schlechtriem, 36 Victoria U. Wellington L. Rev. (2005) 781, 792 („[…] is easy to understand, basically because it first states the obligations of the seller and the remedies of the buyer in case of breach, and then, vice versa, the obligations of the buyer and the respective remedies of the seller.“). 73 Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 1-28 („Ein besonderer Vorzug des UN-Kaufrechts besteht in der übersichtlichen Gliederung und der verständlichen Ausdrucksweise, die vor allem an tatsächliche Gegebenheiten anknüpft und die Verwendung komplizierter Rechtsbegriffe weitgehend meidet.“). 74 Vgl. Schlechtriem, 36 Victoria U.Wellington L. Rev. (2005) 781, 791 („[…] for I am convinced that its [the Convention’s] success is due at least in part to the simplicity of this structure, which allows easy access even for the uninitiated.“). 75 MüKo/H. P. Westermann (6. Aufl. 2012), Vor Art. 1 Rn. 14; Piltz, Internationales Kaufrecht Rn. 1-13; Schillo, IHR 2003, 257, 262; Staudinger/Magnus, Einl. zum CISG, Rn. 31.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

tragsverletzung wird das gesamte Rechtsbehelfssystem dogmatisch entlastet, was eine recht unkomplizierte Handhabe ermöglicht. Gleichwohl wird nicht jede Pflichtverletzung gleich behandelt. So kommt es zwar nicht auf die Art der Pflichtverletzung an,76 stellenweise aber auf ihre Wesentlichkeit (Art. 25 CISG). Eine wesentliche Vertragsverletzung ist Voraussetzung, wenn der Gläubiger den Kaufvertrag sofort (ganz oder teilweise) aufgehoben wissen möchte (Art. 49 Abs. 1 lit. a, Art. 64 Abs. 1 lit. a, Art. 51, Art. 72, Art. 73 CISG). „Wesentliches“ Gewicht der Vertragsverletzung wird zudem auch für einen Ersatzlieferungsanspruch des Käufers vorausgesetzt (Art. 46 Abs. 2 CISG). Für das Vorliegen der weiteren Rechtsbehelfe spielt das Gewicht der Vertragsverletzung dagegen keine Rolle. Wie rechtssicher sich die „Wesentlichkeit“ im Einzelnen bestimmen lässt, wird an anderer Stelle ausführlich untersucht.77 Fest steht, dass die Unerheblichkeit der Art der Pflichtverletzung viele potenzielle Einfallstore für Rechtsunsicherheit bei der Beurteilung der einzelnen Rechtsbehelfsmöglichkeiten und somit auch des gesamten Vertragsverhältnisses verschließt. Dies soll ein kurzer Vergleich mit der autonomen deutschen Rechtslage verdeutlichen: Auch hier wird seit der Schuldrechtsmodernisierung grundsätzlich auf den einheitlichen Tatbestand der Pflichtverletzung gebaut, § 280 BGB. Berücksichtigt man aber die Voraussetzungen der einzelnen Rechtsbehelfe, wird schnell klar, dass das vermeintlich einheitliche Verständnis keinesfalls so konsequent durchgehalten wird. So kommt es für den Schadensersatzanspruch maßgeblich auf die oftmals nicht problemlose Differenzierung zwischen einzelnen Arten und Ursachen von Pflichtverletzungen an. Zu unterscheiden sind etwa: vertragliche Haupt- und Nebenpflichten (§ 280 Abs. 1 BGB), vorvertragliche Pflichten (§§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB), Schutzpflichten (§§ 280 Abs. 1, 3, 241 Abs. 2 BGB) sowie die Verletzung von leistungsbezogenen Pflichten (§§ 280 Abs. 1, 3, 281 Abs. 1 BGB) einerseits und der Pflichtverletzung wegen (anfänglicher oder nachträglicher, objektiver oder subjektiver) Unmöglichkeit (§ 280 Abs. 1, Abs. 3, § 283 S. 1 BGB) oder wegen Verzugs (§ 280 Abs. 1, 2, § 286 BGB) andererseits. Ähnliche Abgrenzungsfragen ziehen sich auch durch das Rücktrittsrecht. Hier ergeben sich Unterschiede in Abhängigkeit davon, ob es sich um eine nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachte Leistung (§ 323 Abs. 1 BGB), die Verletzung von Pflichten im Sinne von § 241 Abs. 2 BGB (§ 324 BGB) oder die Pflichtverletzung wegen Unmöglichkeit der Leistung (§ 323 Abs. 5 BGB) handelt. Dieser kursorische Überblick lässt erkennen, mit welcher Entlastung das vergleichsweise einfach gestaltete Rechtsbehelfssystem des CISG einhergeht. Viele der Abgrenzungsfragen zum neuen deutschen Kauf- bzw. Schuldrecht sind im CISG erst gar nicht angelegt. Angesichts der einfacheren Systematik lässt sich somit das Risiko 76

Zur Bestimmung des Regelungsbereiches kann es stellenweise durchaus auf die Art der Pflichtverletzung ankommen, z. B. wenn die zusätzliche Anwendbarkeit von nach autonomem Recht als deliktsrechtlich qualifizierten Vorschriften im Raum steht, vgl. dazu etwa § 8 D.IV.1. 77 S. unten § 9.

§ 7 Anwendungsbereich des Übereinkommens

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von Anwendungsfehlern reduzieren. Das „[…] sehr viel übersichtlicher[e] und transparenter[e]“78 CISG vereinfacht auch die Vertragsgestaltung, da Leistungsstörungen und deren Konsequenzen besser ein- bzw. abgeschätzt und gegebenenfalls in parteiautonomen Regelungen konkretisiert oder modifiziert werden können. I. Ü. haben sich zwar sowohl die deutsche Literatur als auch die Rechtsprechung mittlerweile ausführlich mit dem neuen deutschen Schuldrecht befasst, aber abschließend geklärt sind die zahlreichen dabei aufgekommenen Fragestellungen dennoch nicht.79 Die oben erfolgten Ausführungen geben freilich nur einen (bewusst) kursorischen Überblick, da eine umfassendere Betrachtung den Umfang dieser Arbeit überdehnen würde. Nichtsdestotrotz sollte sich derjenige, der das CISG abwählt, gar zugunsten des deutschen autonomen Kaufrechts, mit Blick auf den Aufbau und insbesondere das Rechtsbehelfssystem und dessen inhaltliche Ausgestaltung bewusst sein, dass damit ein besonders übersichtliches und mithin in seiner Regelungssystematik sicher handhabbares Recht ggf. gegen ein vergleichsweise ungleich komplizierteres Kaufrecht getauscht wird. Auch mit Blick auf die spätere Anwendung durch damit ggf. unvertraute Spruchkörper kann dies ungewünschte Schwierigkeiten bei der korrekten Rechtsanwendung mit sich bringen.

§ 7 Anwendungsbereich des Übereinkommens A. Einleitung Einleitend wurde bereits hervorgehoben, dass mit Blick auf den Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts für Zwecke der vorliegenden Untersuchung entscheidend ist, wie sich der Anwendungsbereich bestimmen lässt und wie der tatsächliche Umfang des Anwendungsbereichs zu bewerten ist. Vor der entsprechenden Einzeluntersuchung soll im Folgenden etwas näher auf die Faktoren der Bestimmbarkeit und des Umfangs des Anwendungsbereichs eingegangen werden.

I. Zu der Bestimmbarkeit des Anwendungsbereichs Als Grundvoraussetzung eines rechtssicheren Umgangs mit einem Regelungskomplex muss daraus möglichst klar und unmissverständlich hervorgehen, ob im 78

S. bereits oben Teil 3 Fn. 71. Für einen Überblick s. Lorenz, JuS 2007, 1 ff. und ders., NJW 2005, 1889 ff.; vgl. auch die Aussage von Verweyen, Die Käuferrechtsbehelfe des UN-Kaufrechts, S. 10 („Neuerdings ist allerdings die Tendenz festzuhalten, die bisherige Opting out-Praxis zu überdenken. Aus Sicht eines deutschen Rechtsanwenders und Exporteurs wird dies nicht zuletzt befördert durch die Schuldrechtsreform, die ihrerseits erhebliche Rechtsunsicherheit hinsichtlich des internen deutschen Kaufrecht erzeugt hat […].“). 79

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Teil 3: Einzelbetrachtung

jeweiligen Einzelfall der Anwendungsbereich überhaupt eröffnet ist.80 Die Konvention mag noch so klare, berechenbare und ausgewogene materielle Regelungen zum Warenkauf enthalten – wenn schon die Eröffnung des Anwendungsbereichs nicht rechtssicher beurteilt werden kann, so verlieren sonstige, isoliert betrachtet, durchaus überzeugende Bereiche in Gesamtschau an Überzeugungskraft.81 Ferner war es schließlich einer der entscheidenden Leitgedanken bei der Schaffung des CISG, dass ein internationales Einheitskaufrecht den Aufwand der ansonsten vorgelagerten kollisionsrechtlichen Bestimmung des anwendbaren Rechts mit all seinen Unwägbarkeiten reduzieren und u. a. damit zur Steigerung der Rechtssicherheit bei der Beurteilung internationaler Warenkäufe beitragen sollte.82 Wenn allerdings der Anwendungsbereich des CISG nicht rechtssicher bestimmt werden kann, so wird der grundsätzlich nachvollziehbare Leitgedanke der Konventionsverfasser ad absurdum geführt. Schwierigkeiten bei der Anwendung des Kollisionsrechts würden durch solche bei der Bestimmung des Anwendungsbereiches abgelöst.83 In der Folge unklarer Grenzziehungen würden kaum oder jedenfalls unberechenbar lösbare Anwendungskonflikte etwa im Verhältnis zu autonomem und gegebenenfalls sogar europäischem Recht, namentlich zu (umgesetzten) Richtlinien und zu Verordnungen auf dem Gebiet des (Kauf-/)Vertragsrechts entstehen. Die automatische (!) Geltung des CISG ist dann gleichermaßen unberechenbar und führt u. U. noch eher zu einem die Abwahl aufdrängenden Zustand von Rechtsunsicherheit.84

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Vgl. den allgemeinen Hinweis von Neuhaus/Kropholler, RabelsZ 45 (1981) 73, 81: „Zu einer Verwirrung der Rechtslage führen oft die nur für Einheitsrecht notwendigen Bestimmungen über den Anwendungsbereich [, Vorbehalte und Konventionskonflikte].“ 81 Vgl. dazu die Aussage von Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 11 Rn. 47 („Gerade bei der Bestimmung des Anwendungsbereiches des UNKaufrechts […] kommt diesem Grundsatz [der Förderung der Rechtssicherheit] eine noch größere Bedeutung zu als bei der Auslegung sonstiger CISG-Bestimmungen.“); ferner Honnold/Flechtner, Rn. 60.5. 82 Vgl. nur Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Vor Artt. 1 – 6 Rn. 5; Hartnell, 18 Yale J. Int’l L. (1993) 1, 6; Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 190; Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Intro to Articles 1 – 6 Rn. 3 ff. Allgemein zur Steigerung der Rechtssicherheit durch vereinheitlichtes Sachrecht s. Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 179 f.; Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsvergleichung, S. 24. 83 Vgl. in diese Richtung auch Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 26. 84 Kötz, RabelsZ 50 (1986) 1, 7 („Wenn gern behauptet wird, daß Rechtsvereinheitlichung Rechtvereinfachung bedeutet, so ist daran sicher richtig, daß Einheitsrecht Kollisionsrecht entbehrlich macht. Sieht man aber näher hin, so erscheint die Frage berechtigt, ob sich die Rechtsvereinheitlichung, soweit sie auf Rechtsvereinfachung abzielt, nicht in der Lage des Herakles befindet, der der Hydra den einen Schlangenkopf abschlug, nur um statt seiner drei neuen gegenüberzustehen.“).

§ 7 Anwendungsbereich des Übereinkommens

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II. Zum Umfang des Anwendungsbereichs Quasi auf zweiter Ebene geht es um die Frage, wie der mehr oder weniger rechtssicher zu bestimmende Anwendungsbereich hinsichtlich seines Umfangs auf den Faktor Rechtssicherheit wirkt. So muss der Anwendungsbereich im Umfang weitestgehend die Verträge einschließen, die eine internationale Vereinheitlichung gerade mit Blick auf ihr Motiv rechtfertigen, den Geschäftsverkehr zwischen den Akteuren im internationalen Warenhandel zu vereinfachen, rechtssicherer zu gestalten und damit letztlich zu fördern. Wird die Vereinheitlichung zu isoliert betrieben, so bietet sie für die Parteien gerade keinen einheitlichen Bezugspunkt für die rechtliche Einschätzung ihres unternehmerischen Handelns. Ein Nebeneinander von Rechtsquellen bezüglich Fragestellungen, die sachlich, und damit einhergehend auch nach den Wünschen oder Erwartungen der Parteien, vielmehr in einem Regelungskomplex behandelt werden sollten, stiftet angesichts der Rechtszersplitterung nur Verwirrung.85 Orientierungssicherheit beinhaltet gerade auch, dass der Normenkomplex alle wesentlichen Facetten regelt, die für internationale Warenkäufer und -verkäufer jedenfalls von zentraler Bedeutung für ihr Handeln sind. Gerade wenn der Anwendungsbereich alle relevanten Bereiche abdeckt, steigt also die Orientierungssicherheit. Umgekehrt ist es jedoch kontraproduktiv, wenn der Anwendungsbereich eines internationalen Warenhandelsrechts auf Geschäfte, Rand- bzw. Einzelprobleme und sonstige Bereiche ausgeweitet wird, die mit dem Regelungszweck und mit dem Leitbild des internationalen Warenkaufes nichts oder jedenfalls kaum etwas zu tun haben. Schließlich dürfte der Grad an Orientierungssicherheit antiproportional zu einer künstlichen „Überfrachtung“ des Anwendungsbereiches verhalten. Ziel muss somit eine gelungene Grenzziehung mit Blick auf dem Umfang des Anwendungsbereichs sein, die gleichermaßen möglichst alle zentralen Probleme umfasst, jedoch solche, die mit dem Kern des Regelungsziels nicht mehr eng genug verbunden sind, außen vor lässt.86 Die Beurteilung letzterer nach den allgemeinen kollisionsrechtlichen Grundsätzen und den zur Anwendung berufenen Vorschriften im autonom gesetzten Recht ist dann ein hinzunehmendes „Übel“, welches durch den Zuwachs an Rechtssicherheit bei der Anwendung des CISG zumindest teilweise ausgeglichen werden sollte. Nachfolgend wird konkret der Frage nachgegangen, ob die geschilderten Grundvoraussetzungen auch erfüllt sind. 85 Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 26 („Die Geltung einer Vielzahl von Übereinkünften mit jeweils eigenem Anwendungs- und Regelungsbereich für dasselbe Rechtsgebiet legt die Vermutung nahe, daß hierdurch geradezu die Rechtszersplitterung und Rechtsunsicherheit verstärkt werde […].“). 86 Vgl. insofern auch die Aussage von Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 175: „Eine abgewogene Grenzziehung zwischen den Materien, die von einem Text des Einheitsrechts erfaßt werden, und jenen, die dem unvereinheitlichten autonomen Recht überlassen bleiben, ist für das Gelingen der Rechtsvereinheitlichung von entscheidender Bedeutung.“

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Teil 3: Einzelbetrachtung

B. Räumlich-persönlicher Anwendungsbereich I. Der Grundsatz Art. 1 CISG regelt den räumlich-persönlichen Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, der in mehreren internationalen Sachverhaltskonstellationen eröffnet sein kann.87 Grundvoraussetzung ist das Vorliegen eines internationalen Kaufvertrags. Das Merkmal der Internationalität ist nach dem Grundsatz in Art. 1 Abs. 1 CISG bereits erfüllt, sofern die Parteien bei Vertragsabschluss ihre Niederlassung (vgl. Art. 10 CISG) in verschiedenen Staaten (nicht zwingend Vertragsstaaten88) haben; eine grenzüberschreitende Warenbeförderung, ein grenzüberschreitender Vertragsabschluss oder Abschluss und Lieferung in unterschiedlichen Ländern (wie noch unter den Haager Kaufgesetzen89) sind für die Internationalität nicht erforderlich.90 Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Internationalität ist der des Vertragsabschlusses,91 was die mitunter schwierige Berücksichtigung späterer Geschäftsentwicklungen obsolet macht. Eine gewisse Einschränkung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereiches enthält Art. 1 Abs. 2 CISG, der vorschreibt, dass sich das Merkmal der Internationalität aus dem Vertrag oder jedenfalls auf Grundlage früherer Geschäftsbeziehungen oder Verhandlungen bzw. entsprechender Auskünfte ergeben muss, die spätestens bei Vertragsabschluss zwischen den Parteien geführt bzw. erteilt worden sind. Somit soll verhindert werden, dass das CISG für die Parteien überraschend Anwendung findet, obwohl äußerlich und in nachvollziehbarer Weise der Eindruck eines reinen Inlandsgeschäfts erweckt wird.92 Missverständnissen soll dadurch 87 Ausführlich zum Ganzen: Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 58 ff., 123 ff.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-72 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 40 ff. 88 Sogar ausdrücklich bei LG Hamburg, 26. 9. 1990 – 5 O 543/88 http://cisgw3.law.pace. edu/cases/900926g1.html = IPRax 1991, 400, 401; vgl. auch Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 40; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 2 f.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-73. 89 Zu den erheblichen Vereinfachungen bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs im Vergleich zum Haager Kaufrecht siehe etwa Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 1 ff. m. w. N. 90 Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/000712i3. html, Ziff. [3]; OGH (Österreich), 15. 10. 1998, ZfRV 1999, 63, 63 Nr. 2 = JBl 1999, 318, 319 mit Anm. Karollus; OLG Köln, 21. 5. 1996 – 22 U 4/96, CISG-online case No. 254, OGH (Österreich), 10. 11. 1994, CISG-online Case No. 117 = IPRax 1996, 137, 138 = ZfRV 1995, 79, 80 = JBl 1995, 253, 253; OLG Köln, 26. 8. 1994 – 19 U 282/93), CISG-online Case No. 132 = NJW-RR 1995, 245; 246; Herber/Czerwenka, Art. 1 Rn. 9; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 40; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 69; Honsell/Siehr, Art. 1 Rn. 7, 11; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 9, 13; MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 25; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 1 Rn. 9. 91 Rechtbank van Koophandel Hasselt (Belgien), 20. 9. 2005, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/050920b1.html, Ziff. 3; OLG Dresden, 27. 12. 1999 – 2 U 2723/99, http://cisgw3.law.pace. edu/cases/991227g1.html, Ziff. A.II.1.a). 92 Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 72; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 31.

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möglichst direkt vorgebeugt werden, was wiederum einen der Rechtssicherheit förderlichen Ansatz darstellt. Es ergibt sich dabei aus dem Wortlaut,93 dass der Auslandsbezug für „eine vernünftige Person der gleichen Art“ (Art. 8 Abs. 2 CISG) und somit für beide Parteien ersichtlich gewesen sein muss.94 Im Umkehrschluss ist es mithin unbeachtlich, ob die Parteien tatsächlich Kenntnis vom grenzüberschreitenden Charakter hatten oder ob ihnen bekannt war, dass der/die betroffene/n Staat/en Vertragsstaat/en des CISG war/en.95 Diese gewissermaßen verobjektivierte96 Perspektive auf das subjektive Element der Internationalität (die Niederlassung der Parteien in zwei verschiedenen Staaten) macht die Beurteilung diesbezüglich sowohl für die Adressaten als auch die anwendenden Spruchkörper durchaus einfacher, als das Abstellen auf tatsächliche Kenntnis. Natürlich muss sich eine Partei gegebenenfalls die objektive Erkennbarkeit entgegenhalten lassen. Diesen Sorgfaltsmaßstab dürfte man bei erwerbsmäßig Handelnden aber ohne Weiteres voraussetzen. Kumulativ zur Internationalität des Kaufvertrages muss es sich bei dem Niederlassungsstaat entweder um Vertragsstaaten im Sinne des CISG handeln (lit. a), oder aber das IPR des forums verweist auf das Recht eines Vertragsstaates (lit. b)97. Nach Art. 1 Abs. 3 CISG ist die Staatsangehörigkeit der Parteien unerheblich. Irrelevant ist zudem das Vorliegen der Kaufmannseigenschaft sowie die Differenzierung zwischen einem bürgerlich-rechtlichen oder handelsrechtlichen Vertrag. Abgrenzungsschwierigkeiten, wie sie sich diesbezüglich etwa im Kontext mit den §§ 2 ff. HGB und §§ 344 ff. HGB ergeben können, entfallen somit im Anwendungsbereich des CISG.

II. Vorbehaltsmöglichkeiten In Teil IV des Übereinkommens werden den Vertragsstaaten einige Vorbehaltsmöglichkeiten eingeräumt, wonach der oben dargestellte räumlich-persönliche Anwendungsbereich wiederum eingeschränkt werden kann. Der praktische Umgang mit dem CISG macht also eine Berücksichtigung der Vorbehaltsmöglichkeiten zwingend erforderlich. Sie stellen keineswegs nur ein völkerrechtliches Randproblem im Rahmen der Schlussbestimmungen des Übereinkommens dar.98 93

„[…] wenn […] sich nicht […] ergibt […].“ MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 37; Honsell/Siehr, Art. 1 Rn. 29; Staudinger/ Magnus, Art. 1 Rn. 73 f. 95 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 51; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 39 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 72 ff.; Honsell/Siehr, Art. 1 Rn. 29. 96 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 73. 97 Zu der diesbeszüglichen Vorbehaltsmöglichkeit nach Art. 95 CISG s. unten § 7 B.II.4. 98 Schroeter, in: FS-Kritzer, S. 425, 426; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Vor Artt. 1 – 6 Rn. 8. 94

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Die Tatsache, dass der Anwendungsbereich eines Übereinkommens individuell durch jeden einzelnen Vertragsstaat eingeschränkt werden kann, legt im Ausgangspunkt den Schluss nahe, dass die Orientierungssicherheit und damit Rechtssicherheit in nicht unerheblicher Weise eingeschränkt wird, da die Übersichtlichkeit, die Berechenbarkeit und der Vereinheitlichungsgrad reduziert werden, wenn je nach betroffenen Vertragsstaaten möglicherweise erklärte Vorbehalte zu beachten sind.99 Inwiefern dieser Schluss tatsächlich für das Argument spricht, im Umgang mit dem CISG herrsche ein zu hoher Grad an Rechtsunsicherheit, hängt letztlich von zwei intensiver zu betrachtenden Faktoren ab. Erstens wiegen die Vorbehaltsmöglichkeiten mit zunehmender Zahl der davon Gebrauch machenden Staaten immer schwerer. Zweitens spielt das Ausmaß der tatsächlich durch die Vorbehalte bewirkten einzelnen Einschränkungen des CISG-Anwendungsbereiches eine große Rolle. Wie gravierend diese Einschränkungen im Lichte der Rechtsunsicherheit wirken, muss dabei primär anhand der tatsächlichen Folgen für die praktische Anwendung des UN-Kaufrechts im internationalen Warenhandel beurteilt werden. Nicht unbedeutend, aber dennoch sekundär ist dabei die teilweise dramatisch wirkende Würdigung der Vorbehaltsthematik in der Literatur.100 1. Vorbehalt gemäß Art. 92 Abs. 1 CISG Die im Rahmen der Haager Kaufgesetze vorgenommene Trennung zwischen Vertragsschlussregeln (EAG) und Rechten und Pflichten der Parteien (EKG) wirkt im UN-Kaufrecht faktisch fort.101 So kann sich ein Vertragsstaat nach Art. 92 Abs. 1 CISG die Verbindlichkeit der Regelungen von Teil II (Abschluss des Vertrages) oder Teil III (Rechte und Pflichten der Parteien aus internationalen Kaufverträgen) vorbehalten. Gemäß Art. 92 Abs. 2 CISG wird der räumlich-persönliche Anwendungsbereich dann dergestalt eingeschränkt, dass der Vorbehaltsstaat mit Blick auf den vorbehaltenen Teil nicht als Vertragsstaat im Sinne von Art. 1 Abs. 1 CISG gilt. Ursprünglich hatten (nur) die skandinavischen Staaten Dänemark, Finnland, Schweden und Norwegen gemäß Art. 92 Abs. 1 CISG einen Vorbehalt gegenüber Teil II der Konvention erklärt.102 Mittlerweile haben aber alle den Vorbehalt wieder

99

Vgl. Schroeter, in: FS-Kritzer, S. 425, 431; Bailey, 32 Cornell Int’l L. J. (1999) 273, 311 f.; Flechtner, 17 J. L. & Com. (1998) 187, 193 ff. Besonders gravierend wirkte sich diese Tatsache hinsichtlich der rege genutzten Vorbehaltsmöglichkeiten in den Haager Einheitlichen Kaufgesetzen von 1964 aus, was durchaus auch zu deren Scheitern beitrug, vgl. Staudinger/ Magnus, Art. 1 Rn. 7 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 1 ff. 100 Mit dieser Einschätzung Schroeter, in: FS-Kritzer, S. 425, 431 f. 101 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Vor Artt. 1 – 6 Rn. 15 bzw. Herber, [2. Aufl.], Vor Artt. 1 – 6 Rn. 18; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Herre, Art. 92 Rn. 1. 102 Dazu Johannsen, Der Vorbehalt der skandinavischen Staaten gemäß Art. 92 CISG, 2004; Lookofsky, in: Ferrari (Ed.), Old Issues Revisited in the Light of Recent Experience, S. 106 – 109; Lookofsky, 18 J.L. & Com. (1999) 289 ff.

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wirksam zurückgenommen (Finnland mit Wirkung zum 1. 6. 2012,103 Schweden mit Wirkung zum 1. 12. 2012,104 Dänemark mit Wirkung zum 1. 2. 2013105 und Norwegen mit Wirkung zum 1. 11. 2014106). Für solche Verträge, die nach den genannten Stichtagen geschlossen werden bzw. wurden, ist die Beachtung von Art. 92 CISG hinfällig. Es handelt sich diesbezüglich (mittlerweile) um vorbehaltlos beigetretene Vertragsstaaten. Aktuell macht kein Vertragsstaat von Art. 92 CISG Gebrauch. Für davor geschlossene Verträge stellt sich die Rechtslage (noch) wie folgt dar:107 Schließt eine in Deutschland niedergelassene Partei einen Warenkaufvertrag mit einer in einem Vorbehaltsstaat niedergelassenen Partei, so wird der Anwendungsbereich von Teil II nicht gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG eröffnet, da es sich bezüglich des Vorbehaltsstaates nicht um einen Vertragsstaat im Sinne von Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG handelt, Art. 92 Abs. 2 CISG.108 Die Geltung der Vorschriften in Teil III bleibt dagegen unberührt, da hierzu kein entsprechender Vorbehalt eingelegt wurde.109 Keine Rolle spielt der Vorbehalt dann, wenn gemäß Art. 6 CISG das Recht eines Vertragsstaates gewählt wurde, der selbst keinen Vorbehalt bezüglich Teil II geltend gemacht hat. Gleiches gilt, wenn das im Falle des nicht erfüllten Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG heranzuziehende IPR des forum auf das Recht eines Vertragsstaates verweist, der seinerseits keinen entsprechenden Vorbehalt nach Art. 92 Abs. 1 CISG eingelegt hat. Dann kommt auch für Verträge mit einer in Skandinavien niedergelassenen Partei gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG Teil II zur Anwendung.110 Dies muss konsequenterweise gerade auch für die Gerichte in den Vorbehaltsstaaten selbst gelten, es sei denn, es wurde auch ein Vorbehalt gegen die Geltung von Art. 1 Abs. 1 lit. b

103

S. UN-Pressemitteilung UNIS/L/162 vom 22. 5. 2012: http://www.unis.unvienna.org/ unis/pressrels/2012/unisl162.html. 104 S. UN-Pressemitteilung UNIS/L/164 vom 1. 6. 2012: http://www.unis.unvienna.org/ unis/pressrels/2012/unisl164.html. 105 S. UN-Pressemitteilung UNIS/L/168 vom 6. 7. 2012: http://www.unis.unvienna.org/ unis/pressrels/2012/unisl168.html. 106 S. Pressemiteilung UNIS/L/198 vom 17. 4. 2014 http://www.unis.unvienna.org/unis/en/ pressrels/2014/unisl198.html. 107 Zu den relevanten Konstellationen s. auch Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Herre, Art. 92 Rn. 3 ff. 108 OLG Rostock, 27. 7. 1995 – 1 U 247/94 – CLOUT Case No. 228 = TransportR-IHR 1999, 23 = OLGR Rostock 1996, 50; Fovárosi Biróság (Ungarisches Hauptstadtgericht), 21. 5. 1996, CLOUT case No. 143; OLG München, 8. 3. 1995 – 7 U 5460/94, NJW-RR 1996, 1532, 1532. 109 Ein Vorbehalt in Bezug auf Teil III wurde von keinem Vertragsstaat eingelegt, was letztlich auch wenig Sinn macht, da somit der Beitritt zum Übereinkommen mit Blick auf seine Vereinheitlichungswirkung nahezu wertlos würde, vgl. Honsell/Siehr, Art. 92 Rn. 2. 110 Mitchell Aircraft Spares Inc. ./. European Aircraft Service AB, U.S. D.C. [N.D. Ill.], 28. 10. 1998, CISG-online Case No. 444; OLG Frankfurt, 4. 3. 1994, CLOUT Case No. 121; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 92 Rn. 3; Honsell/Siehr, Art. 92 Rn. 1; Staudinger/Magnus, Art. 92 Rn. 5.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

CISG erhoben, Art. 95 CISG.111 Führt das Kollisionsrecht dagegen hinsichtlich des auf den Vertragsschluss anwendbaren Rechts auf dasjenige eines Vorbehaltsstaates, so findet Teil II keine Anwendung.112 Die Auswirkungen eines noch zu beachtenden Vorbehalts nach Art. 92 Abs. 1 CISG auf die Orientierungssicherheit sind in der Praxis relativ eingeschränkt.113 Von insgesamt 95 Vertragsstaaten hatten nur vier Gebrauch von dieser Vorbehaltsmöglichkeit gemacht, die mittlerweile allesamt zurückgenommen wurden. Zudem sind die Konstellationen, in denen der Vorbehalt tatsächlich zur Anwendung autonomen Rechts führt, überschaubar. Sofern der Vorbehalt tatsächlich greift, wirkt er sich nur auf Teil II aus, nicht hingegen auf den praktisch bedeutenderen Teil III, dessen Geltung, wie geschildert, in keinem Vertragsstaat von einem Vorbehalt betroffen ist. Der Vorbehalt wird mit Ablauf der Übergangsphase wohl endgültig seine Bedeutung verlieren. Aus Rechtssicherheitsperspektive ist der Regelungsbereich damit einfacher zu bestimmen. Zugleich wird der räumliche Geltungsumfang vergrößert, was freilich auch deshalb zu begrüßen ist, weil damit mehr Sachverhalte nach ein und demselben Regelungskomplex beurteilt werden können. Zwar könnten neue Vertragsstaaten einen entsprechenden Vorbehalt einlegen. Dies ist angesichts des gegenteiligen Trends jedoch recht unwahrscheinlich.114 2. Vorbehalt gemäß Art. 93 CISG In Art. 93 Abs. 1 CISG wird einem beitretenden (Vertrags-)Staat die Möglichkeit gewährt, bei Übernahme der Konvention zu erklären, dass sich das CISG nur auf ein oder einige Teilgebiet/e erstrecken soll. Die ausgenommenen Gebietseinheiten gelten dann gemäß Art. 93 Abs. 3 CISG nicht als Vertragsstaat. Das CISG kann dort folglich nicht gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG zur Anwendung gelangen.115 Bleibt eine Erklärung allerdings aus, so wird die CISG-Übernahme mit Geltung im gesamten Vertragsstaat fingiert, Art. 93 Abs. 4 CISG. In Art. 93 CISG wird dem Umstand Rechnung getragen, dass einige Staaten mit mehreren Gebietseinheiten (z. B. Einzelstaaten, Provinzen, Kantone etc.) diesbe-

111 Elinette ./. Elodie S.A., Østre Landsret, Kendelse (Dänemark), 23. 4. 1998, CLOUT Case No. 309, mit Anm. Lookofsky, 18 J.L. & Com. (1999) 289, insb. 294 ff.; MüKo/P. Huber, Art. 92 Rn. 1; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Hachem, Art. 92 Rn. 3. 112 Fovárosi Biróság (Ungarisches Hauptstadtgericht), 21. 5. 1996, CLOUT Case No. 143; OLG Rostock, 27. 7. 1995 – 1 U 247/94, CLOUT Case No. 228 = OLGR Rostock 1996, 50. 113 Vgl. Ferrari, 25 Int’l Rev. L. & Econ. (2005) 314, 319 f.; Staudinger/Magnus, Art. 92 Rn. 5. 114 So Staudinger/Magnus, Art. 92 Rn. 5 („Da sich der Vorbehalt nicht bewährt hat, dürfte das aber kaum zu erwarten sein.“). 115 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 93 Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/ Hachem, Commentary, Art. 93 Rn. 5; Staudinger/Magnus, Art. 93 Rn. 7.

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züglich keine zentrale Gesetzgebungskompetenz für alle Regelungsgegenstände im CISG haben.116 Die Vorbehaltsmöglichkeit gemäß Art. 93 CISG kann angesichts der wenigen darunter geltenden, für den Warenhandel eher unbedeutenden Gebietsausnahmen nicht nur aus deutscher Sicht eher vernachlässigt werden.117 Von dem Vorbehalt haben bislang nur Dänemark (für die Farörinseln und Grönland), Australien (für die Weihnachts-, Kokos-, Ashmore- und Cartierinseln), Neuseeland (für die Cook Islands, Niue und Tokelau) und die Niederlande (Geltung nur in Europa und auf Aruba) Gebrauch gemacht. Die Auswirkungen auf die Rechtssicherheit im Umgang mit dem CISG sind insgesamt sehr gering, allerdings mit einer Ausnahme: Die bisherige Einordnung Hongkongs als Vertragsstaat ist nach wie vor umstritten.118 Allerdings wird die Reichweite dieses Streits für die Zukunft relativiert. Die Volksrepublic China hat zwischenzeitlich am 22. Mai 2022119 eine Erklärung bei den Vereinten Nationen hinterlegt, wonach sich die Anwendbarkeit des CISG künftig ausdrücklich auch auf Hong Kong erstrecken soll. Mangels anderweitiger Ausführungen in der Erklärung zu einem Datum des Inkrafttretens in Hongkong wird man gemäß Art. 97 Abs. 3 CISG von einer Anwendbarkeit ab dem 23. Dezember 2022 (sechs Monate nach Hinterlegung) ausgehen dürfen. Die ehemalige Kolonie des Vereinigten Königreichs von Großbritannien ist mit völkerrechtlicher Wirkung zum 1. 7. 1997 an die Volksrepublik China zurückgefallen und seitdem eine Sonderverwaltungsregion (Special Administrative Region) des chinesischen Staatsgebietes.120 In seiner Eigenschaft als Sonderverwaltungsregion ist Hongkong Gebietseinheit im Sinne von Art. 93 CISG.121 Ob Hongkong (bis Dezember 2022, siehe zuvor) wirksam gemäß Art. 93 Abs. 1 CISG vom Anwendungsbereich des CISG ausgenommen ist, wird in der Rechtsprechung leider uneinheitlich beurteilt:122

116 Staudinger/Magnus, Art. 93 Rn. 1; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 93 Rn. 1, 3; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 93 Rn. 1. 117 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 93 Rn. 8 (zu der geringen Bedeutung für die Bundesrepublik). 118 Eine sehr ähnliche Situation stellt sich mit Blick auf Macau dar, die hier wegen der vergleichsweise geringen Relevanz ausgeklammert bleiben soll. 119 Abrufbar unter: https://treaties.un.org/doc/Publication/CN/2022/CN.124.2022-Eng.pdf. 120 Rechtgrundlage dafür bildet die sog. „Joint Declaration of the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the Government of the People’s Republic of China“ vom 19. 12. 1984, s. dazu Ress, ZaöRV 1986, 647 ff. und den auf S. 682 ff. abgedruckten Text der Gemeinsamen Erklärung, s. auch Luthra, RIW 1997, 625 ff.; Wolff, RIW 2000, 40, 40 f. 121 Ausführlich Schroeter, IHR 2004, 7, 11 f. m. w. N. sowie zu den Anforderungen einer gewissen staatsrechtlichen Eigenständigkeit Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Vor Artt. 1 – 6 Rn. 3. 122 Vgl. Schroeter, IHR 2004, 7, 7 („bestenfalls als unklar bezeichnet“); Piltz, NJW 2011, 2261, 2262 („Nach wie vor gegensätzlich wird beurteilt, ob Honkong ein Vertragsstaat ist.“).

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Die französische Cour de Cassation stufte die chinesische Sonderverwaltungsregion bislang nicht als Vertragsstaat ein, da man von einer wirksamen Erklärung Chinas im Sinne von Art. 93 CISG ausging.123 Zum gleichen Ergebnis kommt auch der Federal Court of Australia124, der sich explizit auf das französische Urteil sowie die Annahme stützt, dass China in völkerrechtlicher Hinsicht nicht alle erforderlichen Maßnahmen ergriffen habe, um seine eigene Vertragsstaateneigenschaft auch auf Hongkong zu erstrecken. Der belgische Hof van Beroep125 ging dagegen, wie die Vorinstanz,126 von der Eigenschaft Hongkongs als Vertragsstaat aus. In der USamerikanischen Rechtsprechung scheint sich ebenfalls die Ansicht durchzusetzen, dass Hongkong Vertragsstaat ist.127 Von einer einheitlichen Beurteilung in der USamerikanischen Rechtsprechung kann dennoch nicht die Rede sein, wie gegenteilige Entscheidungen zeigen.128 Ohne Art. 93 CISG auch nur zu erwähnen, wurde in einer chinesischen Entscheidung die Eigenschaft als Vertragsstaat ebenfalls abgelehnt.129 Angesichts des klaren Wortlautes der Vorschrift überraschen die divergierenden Ergebnisse und dabei v. a. die Entscheidungen, in denen die Eigenschaft Hongkongs als Vertragsstaat ablehnt wird. Gemäß Art. 93 Abs. 2 CISG ist die Erklärung im Sinne von Abs. 1 dem Verwahrer (also nach Art. 89 CISG dem Generalsekretär der Vereinten Nationen) zu notifizieren und „ausdrücklich130 anzugeben, auf welche Gebietseinheiten das Übereinkommen sich erstreckt“. D. h., die wirksame Vorbehaltserklärung hätte hier die ausdrückliche Mitteilung erfordert, dass sich das Übereinkommen nicht auf Hongkong erstrecken soll oder jedenfalls, dass es sich nur auf eine oder mehrere, konkret zu benennende Gebietseinheit(en) jenseits Hongkongs erstreckt. Die Gerichte, welche die Vertragseigenschaft Hongkongs ablehnen, 123 Cour de Cassation (Frankreich), 2. 4. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/080402f1. html; mit sehr ähnlichen Erwägungen aber im Ergebnis offen gelassen bei OGH (Österreich), 17. 12. 2003, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/031217a3.html = IHR 2004, 148, 155 = ZfRV 2004, 110, 119; vgl. auch Honsell/Siehr, Art. 93 Rn. 3. 124 Hannaford ./. Australian Farmlink, F.C.A., S.A. Adelaide (Australien), 24. 10. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/081024a2.html, Nr. 5. 125 Hof van Beroep (Belgien), 4. 2. 2002, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/020214b1.html. 126 Rechtbank van Koophandel Turnhout (Belgien), 18. 1. 2001, http://cisgw3.law.pace.edu/ cases/010118b1.html. 127 CNA International ./. Guangdon Kelon Electronical Holdings et al., U.S. D.C. [N.D. Illinois], 3. 9. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/080903u1.html; zustimmend Electrocraft Arkansas, Inc. ./. Super Electric Motors, Ltd. et al., U.S. D.C. [E.D. Arkansas, West. Div.], 19. 8. 2010, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/100819u1.html, Erw. II. 128 So auch Piltz, NJW 2011, 2261, 2262; vgl., die Eigenschaft als Vertragsstaat ablehnend: America’s Collectibles Network, Inc. et al. ./. Timlly (HK) et al., U.S. D.C. [E.D. Tennessee], 20. 10. 2010, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/101020u1.html, Erw. I.C.; Innotex Precision Limited ./. Horei Image Products, Inc. et al., U.S. D.C. [N.D. Georgia], 17. 12. 2009, http: //cisgw3.law.pace.edu/cases/091217u1.html, Erw. III.A. 129 Hubei High People’s Court (China), 19. 3. 2003, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/03031 9c1.html („Hong Kong is not a Contracting State of the CISG. Therefore the CISG is not applicable.“). 130 Hervorhebung des Verfassers.

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stützen sich jedoch alle auf eine chinesische Erklärung vom 20. 6. 1997, in der dem Generalsekretär lediglich schriftlich notifiziert wurde, welche völkerrechtlichen Verträge künftig auch für Hongkong gelten sollten. Dass explizit das CISG nur in einem oder mehreren der chinesischen Teilgebiete Geltung beanspruchen soll, Hongkong also auszunehmen war, wurde gerade nicht ausdrücklich erklärt. Dies geschah allenfalls konkludent, indem man die Geltung des CISG in Hongkong schlichtweg unerwähnt ließ.131 Vor diesem Hintergrund ist es mehr als zweifelhaft, dass eine solche Mitteilung als hinreichend deutliche, „ausdrückliche“ Erklärung ausgelegt werden kann, deren Voraussetzungen Art. 93 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 CISG recht eindeutig vorschreibt.132 Vielmehr ist mangels ausdrücklicher Bezugnahme auf das CISG und dessen räumliche Geltungsbeschränkung keine wirksame Erklärung im Sinne der Norm erfolgt.133 Richtigerweise erstreckt sich die Konvention auf alle134 Gebietseinheiten Chinas (Art. 93 Abs. 4 CISG), mithin auch auf Hongkong.135 Dieses Ergebnis stützt auch ein an anderer Stelle innerhalb der genannten Erklärung ergangener Hinweis.136 Demnach gelten darin nicht genannte Verträge in Hongkong auch ohne „gesonderte Formalitäten“ seitens der chinesischen Regierung 131

Vgl. auch: Letter of notification of treaties applicable to Hong Kong after 1 July 1997, Annex I, englischer Wortlaut sowie deutsche Übersetzung abgedruckt in BGBl. 2003 II, S. 583 ff. In der Erklärung heißt es hinsichtlich der nicht ausdrücklich genannten völkerrechtlichen Verträge in Ziff. IV: „In Bezug auf jeden anderen nicht in den Anlagen dieser Note aufgeführten Vertrag, dem die Volkrepublik China als Vertragspartei angehört oder angehören wird, wird die Regierung der Volksrepublik China in dem Fall, dass entschieden wird, diesen Vertrag auf die Sonderverwaltungsregion Hongkong anzuwenden, die Formalitäten für diese Anwendung gesondert erledigen.“ S. auch die online veröffentlichte Liste unter http://www.le gislation.gov.hk/interlaw.htm. 132 Staudinger/Magnus, Art. 93 Rn. 8; vgl. daher auch CNA International ./. Guangdon Kelon Electronical Holdings et al., U.S. D.C. [N.D. Illinois], 3. 9. 2008, http://cisgw3.law.pace. edu/cases/080903u1.html, Erw. II.B.2. („The language of these CISG provisions [Art. 93 CISG] is clear and unambiguous when read in context and is therefore binding.“). 133 So explizit die Ausführungen in CNA International ./. Guangdon Kelon Electronical Holdings et al., U.S. D.C. [N.D. Illinois], 3. 9. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/080903 u1.html, Erw. II.B.1. (insb.: „The Notification Letter is far from an express statement that the treaty requires of an Article 93(1) declaration […] As such, China’s Notification Letter does not constitute an Article 93 declaration.“). 134 Dies gilt mithin auch für Macau. 135 Mit der gleichen Begründung Staudinger/Magnus, Art. 93 Rn. 8; Schroeter, IHR 2004, 7, 13 und dem (nach eingehender Problematisierung) ausdrücklich zustimmend CNA International ./. Guangdon Kelon Electronical Holdings et al., U.S. D.C. [N.D. Illinois], 3. 9. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/080903u1.html, Erw. II und Electrocraft Arkansas, Inc. ./. Super Electric Motors, Ltd. et al., U.S. D.C. [E.D. Arkansas, West. Div.] 19. 8. 2010, http: //cisgw3.law.pace.edu/cases/100819u1.html, Erw. II. und Appendix. Ferner Shen, 16 Wis. Int’l L. J. (1998) 661, 668; Schlechtriem/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 93 Rn. 4. 136 „… Der Klarheit willen wird darauf hingewiesen, dass keine gesonderten Formalitäten der Regierung der Volksrepublik China erledigt werden müssen in Bezug auf Verträge, die unter die Kategorie Außenpolitik oder Verteidigung fallen oder die aufgrund ihrer Bestimmungen [Hervorhebung des Verfassers] auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Staates Anwendung finden müssen.“, BGBl. 2003 II, S. 583 ff., Ziff. IV.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

sofern sie „[…] aufgrund ihrer Natur und ihrer Bestimmungen auf das gesamte Hoheitsgebiet des Staates Anwendung finden müssen.“ In der Erklärung selbst wird also vollkommen zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die (hier) räumliche Anwendbarkeit des CISG als völkerrechtlicher Vertrag, der bereits vor dem 1. 7. 1997 in China galt,137 nach seinen eigenen Anwendbarkeitsvoraussetzungen bestimmt. Dass die Subsumtion unter Art. 93 CISG zur Geltung im gesamten chinesischen Staatsgebiet führt, wurde bereits dargelegt. Der chinesischen Erklärung also entnehmen zu wollen, sie schließe die Geltung des CISG für Hongkong aus, widerspricht insofern dem eigenen, „[d]er Klarheit willen“138 ergangenen Verweis auf die Geltungsvoraussetzungen des in Frage stehenden völkerrechtlichen Vertrages selbst.139 Ob eine einseitige Erklärung im Widerspruch zu den Bestimmungen des völkerrechtlichen Vertrages überhaupt zulässig ist, ist ohnehin höchst zweifelhaft,140 muss hier aber dahingestellt bleiben. Neben dem eindeutigen Wortlaut spricht auch der Vereinheitlichungsgedanke der Verfasser für ein restriktives Verständnis der Vorbehaltsregelungen bzw. gegen eine unbegründete Ausdehnung des Ausdrücklichkeitserfordernis in Art. 93 Abs. 2 CISG über den Wortlaut hinaus.141 Bezeichnend ist auch, dass UNCITRAL in seiner offiziellen Auflistung zum Status der Konvention keinen Vorbehalt Chinas gemäß Art. 93 CISG aufführt (wohl aber gemäß Art. 95 und 96 CISG), dagegen zu anderen Vertragsstaaten durchaus einen gemäß Art. 93 CISG erklärten Vorbehalt auflistet.142 Gerade weil die soeben dargestellte gewissenhafte Betrachtung des Wortlautes von Art. 93 CISG zur Vertragsstaateneigenschaft Hongkongs führen muss, ist es hinsichtlich des Grads an Rechtssicherheit bei der Einordnung Hongkongs umso unerfreulicher, dass hier die Ansichten der Gerichte nach wie vor divergieren und damit den klaren Wortlaut konterkarieren. Diese Praxis dient somit als Negativ137

China ist bereits mit Wirkung zum 1. 1. 1988 dem CISG beigetreten. S. bereits Teil 3 Fn. 136. 139 In diese Richtung auch CNA International ./. Guangdon Kelon Electronical Holdings et al., U.S. D.C. [N.D. Illinois], 3. 9. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/080903u1.html, Erw. II.B.1. 140 Vgl. zu dem hier dargestellten Hinweis und der Zulässigkeit einer einseitigen Erklärung im Widerspruch zu dem völkerrechtlichen Vertrag selbst Schroeter, IHR 2004, 7, 10; s. auch Staudinger/Magnus, Art. 93 Rn. 8 („[E]s ist allerdings sehr fraglich und mE zu verneinen, dass interne Abmachungen zwischen Staaten und ihren Gebietseinheiten die bindenden Regeln des CISG (oder anderer Staatsverträge) überspielen können.“). 141 Vgl. Schroeter, IHR 2004, 7, 14 und mit deckungsgleicher Argumentation CNA International ./. Guangdon Kelon Electronical Holdings et al., U.S. D.C. [N.D. Illinois], 3. 9. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/080903u1.html, Erw. VI („In light of Hong Kong’s status as a major leader in international trade and as a territorial unit of the Contracting State of China, these policy considerations [to remove legal barriers in international trade] further support the plain reading of the Treaty that the CISG applies to Hong Kong.“). 142 So der Hinweis von Staudinger/Magnus, Art. 93 Rn. 8, gleichwohl wird der von Australien erklärte Vorbehalt nach Art. 93 CISG auch nicht aufgeführt. S. zum Status der Vertragsstaaten und den eingelegten Vorbehalten: http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_ texts/sale_goods/1980CISG_status.html. 138

§ 7 Anwendungsbereich des Übereinkommens

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beispiel für die Beachtung von Art. 7 Abs. 1 CISG. Im Handelsverkehr mit in Hongkong niedergelassenen Parteien oder auch bei einem dortigen Gerichtsstand ist damit – jedenfalls für Sachverhalte im Zeitraum vor dem 23. Dezember 2022 – ein nicht unerhebliches Rechtssicherheitsdefizit zu verzeichnen. Auch wenn dies schwerlich auf die Konvention selbst, sondern vielmehr die missverständlichen chinesischen Äußerungen143 zurückzuführen ist, sollten hier durch Rechtswahl rechtssichere Verhältnisse geschafft werden. Lässt man den Fall Hongkongs außen vor, so geht von der an sich eindeutigen Vorbehaltsregelung in Art. 93 CISG und dem Umfang der tatsächlich danach ausgeschlossenen Teilgebiete kaum ein Rechtssicherheitsrisiko aus. Schließlich werden für den internationalen Warenhandel nur verhältnismäßig unbedeutende Gebiete explizit vom räumlichen Anwendungsbereich ausgeschlossen. Was allerdings den Meinungsstand zum Ausschluss Hongkongs angeht, gilt freilich etwas anderes. Hier handelt es sich um einen nicht unwichtigen Handelsraum.144 Dabei besteht quasi ein doppeltes Rechtssicherheitsdefizit: So ist die Einordnung als Vertragsstaat selbst nicht abschließend geklärt, wodurch auch der Vereinheitlichungs- und Vereinfachungseffekt nicht vollends zum Tragen zu kommen droht. Wie bereits zuvor ausgeführt, wird sich diese missliche Situation in Zukunft angesichts der zwischenzeitlich erfolgten ausdrücklichen Erstrecktung des CISG auch auf Hongkong ab dem 23. Dezember 2022 nicht mehr so darstellen. 3. Vorbehalt gemäß Art. 94 CISG Der jederzeit erklärbare Vorbehalt gemäß Art. 94 CISG trägt dem Umstand Rechnung, dass einige Staaten untereinander bereits eine enge(re) regionale Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des Warenhandels aufweisen und gestattet es dementsprechend, dass sie untereinander die Geltung des CISG ausschließen.145 Zwei oder mehrere Vertragsstaaten mit gleichen oder sehr nahekommenden Vorschriften zum Regelungsgegenstand des CISG können gemäß Art. 94 Abs. 1 CISG durch gemeinsame oder einseitig aufeinander bezogene Erklärung bewirken,

143 Der österreichische OGH (17. 12. 2003, IHR 2004, 148, 155) führte in einem Urteil aus, in dem er von einem wirksam erklärten Vorbehalt nach Art. 93 CISG ausging, dass gegenüber dem österreichischen Stellvertretenden Handelsdelegierten in Hongkong von der zuständigen Abteilung für Internationales Recht der Hongkonger Justizbehörde die Information erfolgte, dass Hongkong nicht Mitglied von UNCITRAL sei. Auch Schroeter, IHR 2004, 7, 16, weist dementsprechend darauf hin, dass „jedenfalls auf Grundlage des augenblicklichen Rechtszustandes zu konstatieren ist, dass vermutlich weder öffentliche Stellen noch die Rechtsanwaltschaft in Hongkong […] das UN-Kaufrecht als Teil ihres geltenden internen Rechts ansehen würden.“ 144 Vgl. soeben Teil 3 Fn. 141. 145 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 94 Rn. 2; MüKo/Huber, Art. 94 Rn. 1; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 94 Rn. 1; Staudinger/Magnus, Art. 94 Rn. 1.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

dass bei Niederlassung der Parteien in diesen Vorbehaltsstaaten das CISG (ganz oder nur in Teilen)146 nicht gilt. Art. 94 Abs. 2 CISG normiert zudem die Möglichkeit eines Vertragsstaates, auch im Bezug zu einem Nichtvertragsstaat mit „nahen“ Rechtsvorschriften im Sinne der Norm, das CISG durch einseitige Erklärung auszuschließen.147 Geht es also um die Beurteilung eines Warenkaufes, bei dem die Parteien in dem betroffenen Nichtvertragsstaat und dem entsprechenden Vorbehaltsstaat ihre Niederlassung haben, so kann das CISG nicht gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG kollisionsrechtlich berufen werden und wird von einer der beiden rechtsverwandten nationalen Rechtsordnungen verdrängt.148 Tritt der Nichtvertragsstaat in der Folgezeit der Kaufrechtskonvention bei, so wirkt die Erklärung wie eine solche nach Abs. 1 fort und entfaltet entsprechende Ausschlusswirkung, sofern der neue Vertragsstaat sich der Erklärung anschließt oder eine darauf bezogene einseitige Erklärung nach Abs. 1 abgibt.149 Über das tatbestandliche Vorliegen „gleicher oder einander sehr nahekommender Rechtsvorschriften“ entscheiden die betroffenen Staaten selbst.150 Die Regelung des Art. 94 CISG fand auf Drängen von Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden Einzug in das CISG,151 die aktuell die einzigen Vertragsstaaten sind, die mit Wirkung untereinander von Art. 94 CISG Gebrauch gemacht haben. Mit Beitritt Islands zum UN-Kaufrecht verlor der demgegenüber erklärte Vorbehalt der anderen vorgenannte skandinavischen Länder nach Abs. 2 seine Wirkung und wurde nach entsprechender Erklärung Islands durch eine solche nach Abs. 1 ersetzt.152 Innerhalb Skandinaviens gilt im grenzüberschreitenden Warenverkehr somit grundsätzlich das einheitliche skandinavische Kaufrecht, welches dem CISG teilweise nachgebildet ist. Von der Vorbehaltsmöglichkeit gemäß Art. 94 Abs. 2 CISG hat aktuell kein Vertragsstaat Gebrauch gemacht.

146

Mindestens aber ein Teilkomplex wie z. B. „Produkthaftung“ oder „Zahlungsverzug“: Staudinger/Magnus, Art. 94 Rn. 4; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 94 Rn. 13; MüKo/ Huber, Art. 94 Rn. 1; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 94 Rn. 2; nach a. A. auch Ausschlusserklärung bzgl. nur einzelner Vorschriften zulässig: Schlechtriem/Schwenzer/ Hachem, Commentary, Art. 94 Rn. 4; Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 10, Rn. 33 ff.; der Streit ist aber praktisch wenig relevant, da die bisherigen Vorbehalte auf das gesamte CISG bezogen sind. 147 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 94 Rn. 8; MüKo/P. Huber, Art. 94 Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 94 Rn. 8. 148 Ferrari/Mankowski, Int VertragsR, Art. 94 Rn. 7. 149 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 94 Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 94 Rn. 9. 150 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 94 Rn. 10; Staudinger/Magnus, Art. 94 Rn. 5; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 94 Rn. 1; Flechtner, 17 J. L. & Com. (1998) 187, 194; Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 10 Rn. 20. 151 Vgl. Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 94 Rn. 4; Staudinger/Magnus, Art. 94 Rn. 3. 152 Staudinger/Magnus, Art. 94 Rn. 8.

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Der Vorbehalt nach Art. 94 CISG ist demnach nur noch für den Warenhandel von Parteien relevant, die jeweils ihre Niederlassungen in den vorgenannten skandinavischen Vertragsstaaten haben.153 Parteien aus anderen Vertragsstaaten sind nicht von dieser Beschränkung des räumlich-persönlichen Anwendungsbereiches betroffen, sodass diesbezüglich auch keine einschränkende Wirkung auf das Maß an Rechtssicherheit bei der Beurteilung des Anwendungsbereiches des UN-Kaufrechts ausgeht. Für deutsche bzw. nicht in Skandinavien niedergelassene Parteien ist mithin auch der durchaus kontrovers geführte Streit über die Frage, wie sich der Vorbehalt nach Art. 94 CISG in einem Rechtsstreit vor einem Gericht in einem vorbehaltslosen Vertragsstaat auswirkt, nahezu irrelevant. Hier soll sich der Vorbehalt nach einer Ansicht nicht weiter auswirken, d. h. ein deutsches Gericht könne in einem Rechtsstreit zwischen zwei in skandinavischen Ländern niedergelassenen Parteien trotzdem das CISG anwenden.154 Der überwiegende Teil der Literatur155 – und mittlerweile auch die deutsche Rechtsprechung156 – geht dagegen von einer allseitigen Wirkung aus, sodass auch das Gericht in einem vorbehaltlosen Vertragsstaat den gleichzeitigen Ausschluss des CISG in den beiden Niederlassungsstaaten beachten muss. 4. Vorbehalt gemäß Art. 95 CISG Art. 95 CISG ermöglicht es einem Vertragsstaat bei Übernahme der Konvention zu erklären, dass Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG für ihn nicht verbindlich ist. Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG bleibt von dem Vorbehalt unberührt.157 Neben China und den USA haben Armenien, Singapur158 sowie die Slowakei und St. Vincent und die Grenadinen einen Vorbehalt gemäß Art. 95 CISG erklärt. Hinsichtlich der Vorbehaltsmöglichkeit in Art. 95 CISG sollen zwei Konstellationen näher dargestellt werden: 153

Ferrari/Mankowski, Int. VertragR, Art. 94 Rn. 15. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 94 Rn. 3; Herber/Czerwenka, Art. 94 Rn. 8; Honsell/Siehr, Art. 94 Rn. 2. 155 Achilles, Art. 94 Rn. 2; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 94 Rn. 15; Honnold/ Flechtner, Rn. 46.1; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 46; Schlechtriem/Schwenzer/ Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 94 Rn. 7; Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 10 Rn. 62; Staudinger/Magnus, Art. 94 Rn. 7; Torsello, ULR 2000, 85, 94; Witz/Salger/Lorenz/Witz/Lorenz, Art. 94 Rn. 4. 156 OLG Hamm, 2. 4. 2009 – 28 U 107/08, CISG-online Case No. 1978, Erw. II.1.a) (Rz. 41). 157 Valero Marketing ./. Greeni, U.S. D.C. [New Jersey], 15. 6. 2005, http://cisgw3.law.pace. edu/cases/050615u1.html; Chateau Des Charmes Wines ./. Sabat, Circuit Court of Appeals (9th Circuit), 5. 5. 2003, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/030505u1.html; ausführliche Rechtsprechungsnachweise dazu bei Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 77 (dort Fn. 386). 158 Siehe dazu Bell, 9 Singapore Y. B. Int’l L. (2005) 55 – 73. 154

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Teil 3: Einzelbetrachtung

a) Konsequenzen für Gerichte in einem Vorbehaltsstaat Wird ein Rechtsstreit vor einem Gericht in einem Vorbehaltsstaat geführt, ist unzweifelhaft, dass das Gericht das CISG nicht anwenden wird, wenn das Kollisionsrecht auf die lex fori verweist.159 Umstritten ist allerdings die Frage, ob Gerichte in Vorbehaltsstaaten das CISG damit ausschließlich gemäß Art. 1 lit. a CISG anwenden können, d. h. ob vor Gerichten in Vorbehaltsstaaten die kollisionsrechtliche Verweisung auf das CISG (als Recht eines anderen Nicht-Vorbehaltsstaats) vollständig ins Leere laufen. Nach einer Ansicht in der Literatur müsse ein Gericht in einem Vorbehaltsstaat durchaus zur Anwendung des CISG gelangen, wenn die lex fori zur Anwendung des Rechts eines anderen Vertragsstaats führt, da es sich dabei um eine Anwendung des CISG als ausländisches Recht und gerade nicht um die (vom Vorbehalt ausgeschlossene) Anwendung kraft Art. 1 lit. b CISG handele (die zur Anwendung des CISG als nationales Recht führe).160 Nach anderer Ansicht in der Literatur kann ein Gericht in einem Vorbehaltsstaat immer nur gemäß Art. 1 lit. a CISG zur Anwendung des CISG gelangen, d. h. wenn beide Partien in einem Vertragsstaat niedergelassen sind.161 Zu dem gleichen Ergebnis kommen auch die US-amerikanischen162 und Chinesischen163 Gerichte. Singapur hat die möglichen Zweifel mit der ausdrücklichen Regelung geklärt, wonach die einzige Möglichkeit der Eröffnung des Anwendungsbereiches gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG besteht.164 b) Konsequenzen für Gerichte in Nicht-Vorbehaltsstaaten In der Literatur wird des Weiteren derjenige Fall kontrovers diskutiert, in dem das forum in einem Vertragsstaat liegt, der selbst keinen Vorbehalt nach Art. 95 CISG erklärt hat. Für dieses Gericht ist ein kollisionsrechtlicher Verweis auf Recht eines 159 So ausdrücklich Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 80; ferner Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 19; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 95 Rn. 7. 160 So ausdrücklich Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 80 und Ferrari/ Mankowski, Int. VertragsR, Art. 95 Rn. 5; ferner MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 56; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 37. 161 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 19; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-104; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 108. 162 Impuls./.Prion-Teklogix, U.S. D.C. [S.D. Florida], 22. 11. 2002, CLOUT Case No. 616; Prime Start ./. Maher Forest Products, U.S.D.C. [W.D. Washington], 17. 6. 2006, http://cisgw3. law.pace.edu/cases/060717u1.html = IHR 2006, 259, 260; vgl. dazu auch Ferrari, IHR 2006, 248, 250. 163 CIETAC (China), 24. 12. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cisg/wais/db/cases2/041224 c1.html; s. auch Oberster Gerichtshof China, 20. 7. 1999, http://cisgw3.law.pace.edu/cisg/wais/ db/cases2/990720c1.html. 164 Singapore Sale of Goods (United Nations Convention) Act, Sub-section 3(2) lautet: „Sub-paragraph (1)(b) of Article 1 of the Convention shall not have the force of Law in Singapore and accordingly the Convention will apply to contracts of sale of goods only between those parties whose places of business are in different states when the States are Contracting States.“; kritisch zum Vorbehalt in Singapore Bell, 9 Singapore Y.B. Int’l L. (2005) 55.

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Vorbehaltsstaats, welches freilich das CISG umfasst, durchaus gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG zu beachten.165 Verweist also das IPR eines Nicht-Vorbehaltsstaates z. B. auf das Recht der USA, so findet das CISG grundsätzlich Anwendung. Begründen lässt sich dies mit dem Wortlaut von Art. 95 CISG, wonach von einem Vertragsstaat erklärt werden kann, „daß Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b für ihn166 nicht verbindlich ist.“ Zudem schreibt Art. 1 CISG (i. V. m. Art. 95 CISG) für solche Staaten ohne Vorbehalt ausdrücklich vor, dass „dieses Übereinkommen“ unter den folgenden Voraussetzungen Anwendung findet. Die Formulierung lautet gerade nicht etwa „das Recht eines Vertragsstaates“.167 Im Übrigen tangiert ein Vorbehalt gemäß Art. 95 CISG – anders als Art. 92 CISG – gerade nicht die Fortgeltung der Eigenschaft des Vorbehaltsstaats als Vertragsstaat im Rahmen der Anwendung von Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG.168 Die Gegenansicht verweist darauf, dass so der in Art. 7 Abs. 1 CISG vorgeschriebene internationale Entscheidungseinklang gestört würde, wenn sich Gerichte in Vertragsstaaten ohne Vorbehalt gemäß Art. 95 CISG über die Entscheidung eines Vorbehaltsstaats hinwegsetzten, nach der er das CISG gerade nicht gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG angewendet wissen will.169 Allerdings vermag dieser Einwand nicht vollends zu überzeugen. Die Entscheidung der Konventionsverfasser, auch den Weg über das Kollisionsrecht zu eröffnen, stellt eine Grundentscheidung dar, gewisse Einschränkungen des internationalen Entscheidungseinklangs zugunsten eines weiteren Anwendungsbereiches zu akzeptieren, da das Kollisionsrecht nun einmal international gerade nicht vereinheitlicht war bzw. ist.170 Die Aufnahme von Art. 95 CISG war dabei ein Kompromiss für solche Vertragsstaaten, die eine zu weite Verdrängung ihres eigenen autonomen Rechts befürchteten, welches teils genau für den internationalen Handel mit Nicht-Vertragsstaaten konzipiert wurde.171 Dieses

165 CISG AC Opinion No. 15 (Schroeter), Nr. 3, IHR 2014, 116, 116; Ferrari, IHR 2006, 248, 251; Herber, RIW 1987, 340, 342; Honsell/Siehr, Art. 1 Rn. 21; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-103 f.; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 43; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 78; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 95 Rn. 3; Schroeter, FS-Kritzer, S. 425, 446 f.; Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme im internationalen Kaufrecht, S. 159; danach differenzierend, ob das berufene Recht solches eines Vorbehaltsstaates ist, Honnold/Flechtner, Rn. 47.5 ff.; a. A. Staudinger/ Magnus, Art. 1 Rn. 110; MüKo-HGB, Mankowski, Art. 1 Rn. 39; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 20; Ziegel, 25 J. L. & Com. (2005) 59, 66. 166 Hervorhebung des Verfassers. 167 Schroeter, 2008, S. 425, 446 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 95 Rn. 3. 168 Bridge, in: Flechtner/Brand/Walter (Eds.), Drafting Contracts Under the CISG, S. 65, 85 f.; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 43; Torsello, ULR 2000, 85, 109. 169 Vgl. so noch Schlechtriem, Internationales UN-Kaufrecht, 4. Aufl. 2007, Rn. 18 sowie Nachweise zur Gegenansicht in Teil 3 Fn. 165. 170 Vgl. Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-104. 171 O.R. S. 299 f.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-103.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Regel-Ausnahme-Verhältnis darf nicht einfach unter Zuhilfenahme von Art. 7 Abs. 1 CISG ins Gegenteil verkehrt werden. Nun wird den Parteien eines internationalen Handelsgeschäfts bzw. deren Rechtsbeiständen die soeben dargestellte, kontrovers geführte Diskussion über den Anwendungsbereich des CISG nicht gerade der Eindruck von Rechtssicherheit vermitteln. Ein Blick allein auf die umfängliche Würdigung in der Literatur vermittelt aber den falschen Eindruck hoher praktischer Relevanz. Zwei Faktoren sind nämlich zu berücksichtigen, die die tatsächliche Auswirkung der Vorbehaltsregelung in Art. 95 CISG auf die Rechtssicherheit bzw. Berechenbarkeit erheblich reduzieren. Einen Vorbehalt gemäß Art. 95 CISG haben aktuell lediglich sechs Vertragsstaaten erklärt. Hinzu kommt, dass diese Vorbehaltsmöglichkeit mit Zunahme der jetzt schon immens hohen Zahl an Vertragsstaaten stetig an Bedeutung verliert bzw. schon verloren hat, da insofern bereits Art. 1 lit. a CISG greift.172 Betreffend die Reichweite des Vorbehaltes gemäß Art. 95 CISG vor deutschen Gerichten hat die Bundesrepublik Deutschland durch eine Interpretationserklärung173 Klarheit geschaffen. So wurde in Art. 2 VertragsG174 eine Interpretationserklärung dergestalt abgegeben, dass das CISG nicht über Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG zur Anwendung gelangt, wenn das Kollisionsrecht auf einen Vorbehaltsstaat verweist, also „zum Nachteil eines Vorbehaltsstaats führt“175. Das deutsche Gericht wendet das CISG demnach nicht an, wenn dies ein Gericht in einem Vorbehaltsstaat aufgrund des Vorbehaltes nach Art. 95 CISG selbst auch nicht täte. Somit ist vor 172 Bridge, The International Sale of Goods (2013), Rn. 11.47 („The Article 95 problem is a dying one, the victims of the success of the CISG, which has attracted nearly seventy ratifications. The prospect of both parties not being resident in Convention States is diminishing from day to day.“); vgl. ferner: Bergsten, in: Janssen/Meyer, CISG Methodology, S. 24; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-104; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 44 („[…] die Vorschrift ist in der Praxis also toter Buchstabe geblieben.“); Schlechtriem/Schwenzer/ Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 95 Rn. 3 (dort Fn. 10) und ausdrücklich auch CISG AC Opinion No. 15 (Schroeter), Comment 3.13, IHR 2014, 116, 121 („Extremely rare in practice“). 173 Staudinger/Magnus, Art. 95 Rn. 5; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 79; allgemein: Heymann, Einseitige Interpretationserklärungen zu multilateralen Verträgen. 174 Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf sowie zur Änderung des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR), BGBl. 1989 II, S. 586 ff. Ausführlich dazu, auch zur völkerrechtlichen Problematik einer Interpretationserklärung und dem Zusammenwirken mit der Auslegungsregel in Art. 7 CISG: Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 111, Art. 2 VertragsG zum CISG; Honsell/ Siehr, Art. 2 VertragsG; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 79; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 2 VertragsG. 175 OLG Düsseldorf, 21. 4. 2004, I-15 U88/03, CISG-online Case No. 915 = IHR 2005, 24, 25. Als Nachteil ist damit die Anwendung des CISG als Recht eines Vertragsstaates gemeint, der eigentlich einen Vorbehalt nach Art. 95 CISG gegen die Verbindlichkeit der kollisionsrechtlichen Verweisung auf das CISG eingelegt hat. Übersehen bei OLG Düsseldorf, 2. 7. 1993 – 17 U 73/93, CISG-online Case No. 74 = RIW 1993, 845, Anm. Schlechtriem, EWiR 1991, 1075.

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deutschen Gerichten Art. 95 CISG lediglich dann zu beachten, wenn nur eine Partei in einem Vertragsstaat niedergelassen ist (das CISG also nicht bereits gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG anwendbar ist) und kollisionsrechtlich auf das Recht eines Staates verwiesen wird, der den Vorbehalt nach Art. 95 CISG erklärt hat. Kommt es also vor einem deutschen Gericht beispielsweise zu einem Rechtsstreit zwischen einer in den USA und einer im Vereinigten Königreich niedergelassenen Partei und die lex fori führt zur Anwendbarkeit US-amerikanischen Rechts, so würde das deutsche Gericht nicht das CISG sondern autonomes US-amerikanisches Recht anwenden. 5. Vorbehalt gemäß Art. 96 CISG Gemäß Art. 96 CISG kann ein Vertragsstaat, dessen autonomes nationales Recht die Schriftform vorschreibt, jederzeit erklären, dass im Falle der Niederlassung einer Partei in seinem Staatsgebiet die sich aus Art. 11, 29 CISG und Teil II ergebende Formfreiheit nicht verbindlich ist. Einen entsprechenden Vorbehalt haben aktuell noch Argentinien, Armenien, Chile, Paraguay, die Russische Föderation, die Republik (Süd-)Korea, Ukraine, Vietnam und Weißrussland erklärt. Der vereinzelte Schluss, dass somit automatisch die innerstaatliche Schriftform gelte,176 ist falsch. Gemäß Art. 96 i. V. m. Art. 12 CISG wird lediglich erklärt, dass die Formvorschriften in den Art. 11, 29 CISG bzw. in Teil II177 des Übereinkommens insoweit nicht gelten, als dass darin eine andere als die Schriftform gestattet wird. Nicht vom Vorbehalt umfasst ist somit der Fall, in dem die Formfreiheit nicht auf der Anwendung des CISG, sondern auf dem kollisionsrechtlich berufenen autonomen Recht eines Staates beruht, welches seinerseits auch keine (zwingende) Schriftform vorschreibt. Der Vorbehalt gemäß Art. 96 CISG erstreckt sich somit nur auf die Formvorschriften im CISG. Andernfalls könnte jeder Vorbehaltsstaat über eine Erklärung nach Art. 96 CISG sein Formerfordernis zu einem international zwingenden machen und damit das Regel-Ausnahme-Verhältnis zwischen dem Grundsatz in Art. 11, 29 CISG und der Vorbehaltsregelung umkehren.178 Zudem lässt sich

176 Tribunal of International Commercial Arbitration at the Russian Federation Chamber of Commerce and Industry (Russische Föderation), 9. 6. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/04 0609r1.html, Rn. 3.3; Oberstes Schiedsgericht der Russischen Föderation, 25. 3. 1997, http: //cisgw3.law.pace.edu/cases/970325r2.html; CIETAC (China), 31. 12. 1997, http://www.cisg. law.pace.edu/cisg/wais/db/cases2/971231c1.html; CIETAC (China), 17. 10. 1996, http://www. cisg.law.pace.edu/cisg/wais/db/cases2/961017c1.html; CIETAC (China), 6. 9. 1996, http://www. cisg.law.pace.edu/cisg/wais/db/cases2/960906c1.html; Reinhart, UN-Kaufrecht, Art. 12 Rn. 3; Rehbinder, in: Schlechtriem (Hrsg.), Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 149, 154 f. 177 Z. B. stellt gemäß Art. 18 Abs. 1 CISG eine Erklärung oder ein sonstiges Verhalten des Empfängers, welches die Zustimmung zum Angebot ausdrückt, eine entsprechende Angebotsannahme dar. 178 Drobnig, in: Schlechtriem (Hrsg.), Einheitliches Kaufrecht und nationales Obligationenrecht, S. 175 f., der in seinem Diskussionsbeitrag insb. auf das Gebot der restriktiven

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Teil 3: Einzelbetrachtung

dieses Vorbehaltsverständnis nicht mit dem Wortlaut sowie der Entstehungsgeschichte von Art. 96, 12 CISG vereinbaren.179 Ist also z. B. eine Partei in der Russischen Föderation niedergelassen, findet Art. 11 CISG (und die anderen Bestimmungen zur Formfreiheit im CISG) keine direkte Anwendung. Vielmehr findet eine kollisionsrechtliche Anknüpfung statt (da die aus dem Vorbehalt folgende Lücke gerade nicht im CISG geschlossen werden kann, Art. 7 Abs. 2 CISG). Auf Grundlage des so ermittelten anwendbaren Sachrechts (u. U. sogar Art. 11 CISG180) kann sich demnach durchaus die Formfreiheit ergeben. Dies ist mittlerweile weit überwiegende Rechtsprechung181, entspricht der h. L.182 und stellt mithin eine klare Richtschnur zur Ermittlung der geltenden Formerfordernisse dar. Ferner überwiegt die Zahl der Vertragsstaaten, die keinen Vorbehalt hinsichtlich der Formfreiheit erklärt haben. Vor diesem Hintergrund verliert der in der Sache durchaus richtige Einwand an Überzeugungskraft, die Vorbehaltsmöglichkeit schaffe Rechtsunsicherheit mit Blick auf das „Ob“ eines Formerfordernisses, da die Vereinheitlichung nur partiell vorliege und womöglich fremdes Kollisionsrecht berücksichtigt werden muss.183 Im Falle der Niederlassung einer Partei in einem Vorbehaltsstaat gilt nach herrschender Ansicht Auslegung von Ausnahmeregelungen hinweist; Bridge, in: Flechtner/Brand/Walter (Eds.), Drafting Contracts Under the CISG, S. 65, 92 f. 179 Honnold/Flechtner, Rn. 129; Schlechtriem/Schwenzer/Schmidt-Kessel, Commentary, Art. 12 Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 12 Rn. 8. Bei den Verhandlungen zum Wiener Kaufrecht wurde der niederländische Vorschlag abgelehnt, dass bei Vorbehalt automatisch die Formvorschriften des betroffenen Vorbehaltsstaates gelten sollen, O.R., S. 273 f. 180 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schmidt-Kessel, Commentary, Art. 12 Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schmidt-Kessel, Art. 12 Rn. 3; MüKo-HGB, Ferrari, Art. 12 Rn. 5; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 232; Honsell/Melis, Art. 12 Rn. 4; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 12 Rn. 12. A. A., die nur auf kollisionsrechtlich berufene/n autonome/n Formvorschriften bzw. Formfreiheit abstellt: Staudinger/Magnus, Art. 12 Rn. 9 m. w. N.; Honnold/Flechtner, Rn. 129; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-132. 181 Forestal Guarani S. A. ./. Daros International, Inc., U.S. Ct. App. [3rd Cir.], 21. 7. 2010, CISG-online Case No. 2112, Erw. III; Rechtbank Rotterdam (Niederlande), 12. 6. 2001, http: //www.cisg.law.pace.edu/cisg/wais/db/cases2/010712n1.html, Rn. 4.5. f. = Nederlands Internationaal Privaatrecht, 2001, Nr. 278; Hoge Raad (Niederlande), 7. 11. 1997, http://www.unilex. info/case.cfm?pid=1&do=case&id=333; OGH (Österreich), 22. 10. 2001, http://www.cisg. at/1_7701g.htm; Fovárosi Biróság (Ungarisches Hauptstadtgericht), 24. 3. 1992, http://www.un ilex.info/case.cfm?id=19, s. dazu Vida, IPRax 1993, 263; nicht direkt über Art. 12 CISG, sondern erst nach kollisionsrechtlicher Berufung des Rechts eines Vorbehaltsstaates zum Formerfordernis kommend: Oberstes Schiedsgericht der Russischen Föderation, 20. 3. 2002, http://www.cisg.law.pace.edu/cisg/wais/db/cases2/020320r1.html zugleich Änderung der Rechtsprechung des gleichen Schiedsgerichts, dass 1997 noch das Schriftformerfordernis direkt aus Art. 12, 96 CISG ableitete (!); Rechtbank van Koophandel Hasselt (Belgien), 2. 5. 1995, http://www.unilex.info/case.cfm?id=263. 182 Honnold/Flechtner, Rn. 129; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 230; Schlechtriem/Schwenzer/Schmidt-Kessel, Commentary, Art. 12 Rn. 2 f.; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Schmidt-Kessel, Art. 12 Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 12 Rn. 8; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 12 Rn. 4 f.; Ferrari, IHR 2004, 1, 5; Honsell/Melis, Art. 12 Rn. 4; Schroeter, in: FS-Kritzer, S. 425, 443; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-132 f.; Witz/ Salger/Lorenz/Witz, Art. 12 Rn. 12; Herber/Czerwenka, Art. 12 Rn. 4. 183 Vgl. Walther/Morawietz, IHR 2006, 252, 254.

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der Grundsatz der Formfreiheit nur dann nicht, wenn die lex fori das Recht dieses Vorbehaltsstaats zum Formstatut erklärt und dieses entsprechende Formerfordernisse. Letztlich wird im absoluten Großteil der Fälle die Formfreiheit gelten. Sie liegt den meisten Rechtsordnungen zugrunde184 und setzt sich angesichts der soeben dargestellten (Rechts-)Lage in der Praxis zumeist durch.185 Betrachtet man ansonsten etwa exemplarisch Art. 11 Rom I-VO, so ist dort eine alternative Anknüpfung möglich, um den Vertragsschluss nicht vorschnell als formwidrig scheitern zu lassen. Ein Handelskauf zwischen einer in Deutschland und einer in der Russischen Föderation oder einem anderen Vorbehaltsstaat niedergelassenen Partei wird mithin nach Art. 11 Abs. 1 Rom I-VO auch formlos gültig sein.186 Vor Abwahl des CISG gilt es also, sich zu vergegenwärtigen, dass die Zahl problematischer Fälle, in denen evtl. die Schriftform zu beachten ist, überschaubar ist. Verbleibende Zweifelsfälle, etwa mit Blick auf die korrekte kollisionsrechtliche Anknüpfung, können mit der vorsorglichen Beachtung der Schriftform ausgeräumt werden. Im Geschäftsverkehr mit einer in der Russischen Föderation niedergelassenen Partei müssen die Parteien bei einem Gerichtsstand in der Russischen Föderation jedoch zwingend die Schriftform wahren, denn gemäß Art. 1209 des russischen Zivilgesetzbuches gilt die Schriftform zwingend im international-privatrechtlichen Sinne.

C. Zeitlicher Anwendungsbereich Seit das CISG in Deutschland am 1. 1. 1991 in Kraft getreten ist,187 sind internationale Warenkaufverträge aus deutscher Sicht im Ausgangspunkt nach dem CISG zu beurteilen und zwar auch im Rechtsverkehr mit später beigetretenen Vertragsstaaten.188 Gemäß Art. 100 Abs. 1 CISG findet es auf den Vertragsabschluss (Teil II, Art. 14 – 24 CISG) in zeitlicher Hinsicht Anwendung, wenn das Angebot zum Abschluss an oder nach dem Tag des Inkrafttreten gemacht wurde. Maßgeblich ist dabei die Abgabe des Angebotes und nicht etwa der Zugang.189 Nach Art. 100 Abs. 2 CISG finden die sonstigen, nicht den Abschluss des Vertrages betreffenden Regelungen (Teil III, Art. 25 – 88 CISG) bereits Anwendung, 184 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schmidt-Kessel, Art. 11 Rn. 3 m. w. N.; Ferrari, IHR 2004, 1, 2. 185 Vgl. Walther/Morawietz, IHR 2006, 252, 254. 186 Vgl. Honsell/Siehr, Art. 96 Rn. 2. 187 BGBl. 1990 II, S. 1477. 188 Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-107. 189 Staudinger/Magnus, Art. 100 Rn. 5; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 100 Rn. 2; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 100 Rn. 2; Honsell/Siehr, Art. 100 Rn. 2; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 100 Rn. 4.

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wenn der Vertrag nach Inkrafttreten wirksam wurde,190 unabhängig von dem Zeitpunkt einer möglicherweise vor Inkrafttreten erfolgten Angebotsabgabe.191 Wurde also ein Angebot vor dem Stichtag abgegeben, der Vertrag kam aber erst nach Inkrafttreten zustande, so ist der zeitliche Anwendungsbereich für die Vertragsschlussregeln nicht eröffnet, wohl aber für die sonstigen Regelungen des CISG. Ein Sonderproblem kann sich hinsichtlich der zeitlichen Bestimmung des Vertragsabschlusses und somit der Anwendbarkeit nach Art. 100 Abs. 2 CISG ergeben, wenn in einer nationalen Rechtsordnung der Vertrag bereits mit Versendung der Annahme an den korrekten Empfänger zustande kommt, d. h. wenn für den Vertragsschluss der Zeitpunkt der Abgabe der Annahmeerklärung maßgeblich ist. Dies ist nach der sog. „mailbox-rule“ in den angloamerikanischen Rechtsordnungen der Fall. Wird in einer solchen Konstellation die Annahmeerklärung vor Inkrafttreten abgegeben, so soll nach einer Ansicht die Eröffnung des zeitlichen Anwendungsbereiches nach Art. 100 Abs. 2 CISG ausgeschlossen sein, auch wenn sie erst nach dem Stichtag zugeht.192 Der wohl überwiegenden Teil dagegen stellt einheitlich auf den Zeitpunkt des Annahmezugangs ab, der nicht vor Inkrafttreten liegen darf, unabhängig von der nationalen Regelung hinsichtlich des Wirksamwerdens von Annahmeerklärungen bzw. des Vertragsschlusses.193 Schließlich geht es im Rahmen von Art. 100 CISG nicht um die materielle Beurteilung des Vertragsschlusses, sondern vielmehr um die Bestimmung des Anwendungsbereiches der Konvention. Die Frage, welcher Zeitpunkt also mit „Vertragsschluss“ in Art. 100 Abs. 2 CISG maßgeblich ist, muss auch nach dem der Konvention zugrundeliegenden Verständnis entschieden werden.194 Art. 23, 18 Abs. 2 S. 1 CISG gehen von einem Vertragsschluss erst mit Zugang der Annahmeerklärung aus. Folglich ist mit der überwiegenden Meinung der Zugang nach Inkrafttreten entscheidend und nicht die jeweilige Regelung im autonomen Recht. Wird in räumlich-persönlicher Hinsicht der Anwendungsbereich gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG eröffnet, so müssen logischerweise beide betroffenen Vertragsstaaten diese Eigenschaft zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebotes bzw. des Vertragsschlusses innehaben. Im Falle von Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG kommt es dagegen nur darauf an, dass in dem Vertragsstaat auf dessen Recht das IPR verweist, das CISG 190

Vgl. BGH, 17. 12. 1997 – VIII ZR 231/96, CISG-online Case No. 296 = NJW RR 1998, 680, 681 = WM 1998, 936, 937. 191 Achilles, Art. 100 Rn. 2; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 100 Rn. 6; Staudinger/ Magnus, Art. 100 Rn. 10; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 100 Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 100 Rn. 3; Honsell/Siehr, Art. 100 Rn. 3. 192 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 100 Rn. 3; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 100 Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 100 Rn. 3. 193 Herber/Czerwenka, Art. 100 Rn. 2; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 100 Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 100 Rn. 10; wohl auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-108. 194 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 100 Rn. 7; so wohl auch Honsell/Siehr, Art. 100 Rn. 3.

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bereits zum Zeitpunkt der Abgabe des Angebotes bzw. des Vertragsschlusses in Kraft war.195 Ist also einer von zwei betroffenen Vertragsstaaten „zu spät“ ebensolcher geworden, so verbleibt immer noch die Möglichkeit, dass das CISG jedenfalls in der kollisionsrechtlich berufenen Rechtsordnung (Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG) bereits bei Angebotsabgabe bzw. Vertragsabschluss in Kraft war.196 Mit Blick auf die Bundesrepublik Deutschland wird die Eröffnung des zeitlichen Anwendungsbereiches mehr als 25 Jahre nach Inkrafttreten in Deutschland kaum noch Probleme in der Praxis aufwerfen. Wird also kollisionsrechtlich gemäß Art. 1 Abs. 1 lit. b CISG das deutsche Recht berufen, gilt jedenfalls in zeitlicher Hinsicht das CISG. Näher betrachten muss die deutsche Vertragspartei die zeitlichen Aspekte nur in dem Fall, in dem der andere betroffene Vertragsstaat zum Stichtag der Abgabe des Angebotes bzw. des Vertragsschlusses das CISG noch nicht angenommen hat und somit der Fall des Art. 1 Abs. 1 lit. a CISG nicht erfüllt ist und kollisionsrechtlich das Rechts eines Vertragsstaates zur Anwendung berufen wird, in dem zum Stichtag noch nicht das CISG galt. Folgt man der weit überwiegenden Meinung, was den Sonderfall bei Geltung der „mailbox rule“ nach autonomem Recht angeht, so sind die Kriterien zur Beurteilung insgesamt als eindeutig zu bewerten. In dieser Hinsicht verbleibt wenig Raum für die Behauptung eines rechtsunsicheren Zustandes.

D. Zwischenbetrachtung Insgesamt lässt sich festhalten, dass von den Bestimmungen zum räumlich-persönlichen Anwendungsbereich keine gravierenden Rechtssicherheitsrisiken ausgehen (insofern sei auf die soeben angestellten, relativierenden Einzelerwägungen verwiesen). Vielmehr kann nicht deutlich genug hervorgehoben werden, dass aufgrund der großen Zahl an Vertragsstaaten sowie der zusätzlichen Eröffnung des Anwendungsbereichs über den kollisionsrechtlichen Verweis auf das Recht eines Vertragsstaates ein hoher Prozentsatz der weltweit abgeschlossenen grenzüberschreitenden Warenhandelsverträge in den Anwendungsbereich des CISG fällt, was zu einem hohen Maß an Rechtsvereinheitlichung führt. Hervorgehoben sei, dass mit Blick auf Warengeschäfte unter Beteiligung einer in Hongkong niedergelassenen Partei eine gewisse Vorsicht geboten ist, da hier immer noch divergierende Ansichten der Gerichte bestehen – auch wenn die h. M. in der Literatur m. E. dogmatisch sauber zu dem treffenden Ergebnis kommt, dass auch im chinesischen Teilgebiet Hongkong das CISG gilt.

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Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-108. Apellationsgericht Basel-Stadt (Schweiz), 22. 8. 2003, CISG-online Case No. 943, Erw. II.1.b); OLG Düsseldorf, 28. 2. 2001 – 15 U 181/00, CISG-online Case No. 1448, Rz. 37, 19; übersehen aber von OLG Stuttgart, 1. 3. 2004 – 5 U 140/03, CISG-online Case No. 1044; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 100 Rn. 8; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-109. 196

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Bei Warengeschäften mit einer in Russland niedergelassenen Partei ist ferner auf die Schriftformproblematik Rücksicht zu nehmen. Was den zeitlichen Anwendungsbereich angeht, verbleibt lediglich das Randproblem, ob man für den Vertragsschluss im Sinne von Art. 100 Abs. 2 CISG auf die gegebenenfalls im autonomen Recht geltende „mailbox-rule“ abstellen möchte, oder – m. E. vorzugswürdig mit der überwiegenden Auffassung – ganz im Sinne von Art. 7 Abs. 1 CISG einheitlich auf den Zugang der Annahmeerklärung abstellt, was dem Vertragsschlussmodell des CISG entspricht.

E. Sachlicher Anwendungsbereich Neben der Eröffnung des räumlich-persönlichen sowie zeitlichen Anwendungsbereiches muss dieser schließlich auch in sachlicher Hinsicht eröffnet sein. Erforderlich dafür ist das Vorliegen eines „Kaufvertrag[s] über Waren“ im Sinne der Art. 1 – 3 CISG. Hinsichtlich der Anwendbarkeit der Konvention stellen sich hierbei die meisten potentiellen Schwierigkeiten.197 Ob damit aber eine nicht hinnehmbare Rechtsunsicherheit einhergeht, bedarf weiterer wertender Betrachtung. Dabei soll zwischen den Kriterien für das Vorliegen eines Kaufvertrages (1.) sowie von Ware (2.) im Sinne des CISG differenziert werden.

I. „Kaufvertrag“ 1. Begriffsverständnis Ein Blick in den Text des CISG offenbart: Eine ausdrückliche Definition des zentralen Merkmales „Kaufvertrag“ ist nicht zu finden.198 Allerdings haben weder die Lehre noch die internationale Rechtsprechung tatsächlich Probleme, eine einheitliche Definition zugrunde zu legen, die autonom199 aus dem CISG entwickelt und international einheitlich angewendet wird. Demnach ist ein Kaufvertrag im Sinne des CISG ein Austauschvertrag mit der Verpflichtung des Verkäufers zur Lieferung einer Ware, zur Verschaffung des Eigentums und gegebenenfalls zur Übergabe der da-

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Ähnlich Huber/Kröll, IPRax 2003, 309, 309. Tribunale di Padova (Italien), 25. 2. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/040225i3. html; Tribunale de Rimini (Italien), 26. 11. 2002, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/021126i3. html; Kantonsgericht Schaffhausen (Schweiz), 25. 2. 2002, CISG-online Case No. 723, Erw. 2; Cour d’appel de Colmar (Frankreich), 12. 6. 2001, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/010612f1. html; Tribunal cantonal Waadt (Schweiz), 11. 3. 1996, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/960311 s2.html, Erw. I. b); OGH (Österreich), 10. 11. 1994, CISG-online Case No. 117 = JBl. 1995, 253, 253 = IPRax 1996, 137, 138. 199 Siehe Teil 3 Fn. 204. 198

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zugehörigen Dokumente200, sowie der Pflicht des Käufers zur Kaufpreiszahlung und Abnahme der Ware.201 Charakteristisch ist also der „Austausch von Ware gegen Geld“202. Grundlage dieser Interpretation ist die autonome Bestimmung anhand der im CISG selbst geregelten Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, wie sie sich „deutlich“203 aus den Artikeln 30 und 53 CISG ergeben und nicht etwa aus dem jeweiligen nationalen Verständnis.204 Die Definition des Kaufvertrages ist somit ein Paradebeispiel für die erfolgreiche Einhaltung der Anordnung in Art. 7 Abs. 1 CISG „bei der Auslegung dieses Übereinkommens“ seinen „internationale[n] Charakter […] zu berücksichtigen“ sowie der Einhaltung von Art. 7 Abs. 2 CISG „Fragen, die in diesem Übereinkommen geregelte Gegenstände betreffen, aber in diesem Übereinkommen nicht ausdrücklich entschieden werden […] nach den allgemeinen Grundsätzen, die diesem Übereinkommen zugrunde liegen […] zu entscheiden […].“ Für den deutschen Rechtsanwender entstehen hinsichtlich der Definition des Kaufvertrages im Sinne des CISG somit keine Schwierigkeiten, da sie sachlich dem

200 Wenngleich die Dokumentübergabe (Art. 34 CISG) nicht zu den prägenden Hauptmerkmalen gehört, da sie letztlich nur in bestimmten Konstellationen zum (dann) prägenden Pflichtenprogramm gehört, vgl. Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-26. 201 Vgl. nur Tribunale di Padova (Italien), 10. 1. 2006, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/ 060110i3.html m. w. N. und 25. 2. 2004, CISG-online Case No. 819; Tribunal cantonal Wallis (Schweiz), 19. 8. 2003, CISG-online Case No. 895, Erw. III.4.a); Tribunale di Rimini (Italien), 26. 11. 2002, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/021126i3.html, Erw. 3.1.; Audiencia Provincial de Navarra (Spanien), 27. 3. 2000, http://www.unilex.info/case.cfm?id=516; Cour d’appel Colmar (Frankreich), 12. 6. 2001, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/010612f1.html; OGH (Österreich), 10. 11. 1994, CISG-online Case No. 117 = JBl. 1995, 253, 253 = IPRax 1996, 137, 138. In der Literatur: Achilles, Art. 1 Rn. 2; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 3; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 48; MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 3; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 11; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-20; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 8; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 13; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 13 f. 202 Kantonsgericht Zug (Schweiz), 21. 10. 1999, CISG-online Case No. 491, Erw. 1.2.1., OGH (Österreich), 10. 11. 1994, CISG-online Case No. 117 = JBl. 1995, 253, 253 = IPRax 1996, 137, 138; vgl. auch Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 2; MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 3 („Ware gegen Geld“). 203 Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 13. 204 Tribunale di Forli (Italien), 16. 2. 2009, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/090216i3.html, m. w. N.; Tribunale di Padova (Italien), 25. 2. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/040225i3. html; Tribunale di Rimini (Italien), 26. 11. 2002, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/021126i3. html, Erw. 3.1.; Kantonsgericht Schaffhausen (Schweiz), 25. 2. 2002, CISG-online Case No. 723, Erw. 2.; Cour d’appel Colmar (Frankreich), 12. 6. 2001, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/010612f1.html; Rechtbank Rotterdam (Niederlande), 1. 11. 2001, Nederlands Internationaal Privaatrecht, 2002, Nr. 114; Tribunal cantonal Waadt (Schweiz), 11. 3. 1996, http://cisgw3.law. pace.edu/cases/960311s2.html, Erw. I. b); Achilles, Art. 1 Rn. 2; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 2 f.; MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 3; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-20; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 13; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 4, 13.

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ihm bekannten § 433 BGB entspricht.205 Dies gilt erst recht seit der Schuldrechtmodernisierung, da nun der Rechtskauf nicht mehr von § 433 BGB umfasst wird,206 was der Regelung im CISG entspricht.207 Rechtsanwender, deren Heimatrechtsordnung nicht dem Abstraktionsprinzip folgt, sondern vielmehr dem Konsensprinzip, mag die vertragliche Pflicht zur Eigentumsverschaffung stören, da das Eigentum nach letzterem im Grundsatz208 bereits mit dem wirksamen Abschluss des Kaufvertrages übergeht. Die gesonderte Bezugnahme auf den Verschaffungsakt konfligiert allerdings nicht mit dem Konsensprinzip, denn die nationale sachenrechtliche Ausgestaltung der Eigentumsübertragung bleibt vom CISG ausdrücklich unberührt (Art. 4 lit. b CISG). Es kommt bei einem Warenkauf im Sinne des CISG also auf die Absicht/Pflicht der vollständigen Übertragung des Eigentums an, aber nicht darauf, wie diese sachenrechtlich vonstatten geht bzw. gehen soll.209 Dass diese Absicht/Pflicht unter Geltung des Konsensprinzips bereits im wirksamen Vertragsschluss angelegt und im Grundsatz210 mit diesem erfüllt ist, ist somit unerheblich. Dem steht auch nicht die Formulierung in Art. 30 CISG entgegen („… und das Eigentum an der Ware zu übertragen211.“), da sie in Gesamtschau mit Art. 4 lit. b CISG zu lesen ist (Art. 7 Abs. 2 CISG) und folglich die für das CISG autonom gewonnene Definition eines Kaufvertrages nicht damit konfligiert, ob die Eigentumsübertragung in einem gesonderten Verfügungsgeschäft getrennt und abstrakt oder bereits mit wirksamem Vertragsschluss vollzogen wird. Die definitorische Ausgangslage ist somit klar und bekräftigt das Rechtsunsicherheitsargument nicht. Irrelevant ist mittlerweile, dass die Definition erst in der Gerichtspraxis ausgebildet wurde, anstatt bereits im Konventionstext enthalten zu sein. Art. 7 Abs. 1 CISG macht klar, dass die einheitliche Berücksichtigung solcher Entwicklungen einen integralen Bestandteil der Anwendung des Wiener Kaufrechts darstellt. Freilich wächst das Potential für Rechtunsicherheit, wenn man auf die einzelnen vertraglichen Gestaltungsformen bzw. Unterformen im kaufrechtlichen Kontext blickt und unter die genannte Definition subsumieren möchte. Es soll daher 205 Vgl. Achilles, Art. 1 Rn. 2; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UNKaufrechts, S. 49; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 14; Staudinger/ Magnus, Art. 1 Rn. 13. 206 Dagegen umfasste § 433 Abs. 1 S. 2 BGB a. F. aber gerade auch den Rechtskauf. Dieser ist nunmehr gesondert in § 453 BGB geregelt, der für den Rechtskauf die entsprechende Anwendung der Vorschriften über den Sachkauf vorschreibt, vgl. auch Grüneberg (Palandt)/ Weidenkaff (74. Aufl. 2015), § 433 Rn. 1. 207 Vgl. unten § 7 E.II. 208 Freilich bedarf es auch unter Geltung des Konsensprinzips in der Praxis oft zusätzlich einer Konkretisierung, etwa mit Blick auf Gattungssachen, und/oder wenn der Eigentumsübergang durch entsprechenden Eigentumsvorbehalt an die Zahlung des Kaupreises geknüpft wird. 209 Vgl. MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 14; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 14. 210 S. oben Teil 3 Fn. 208. 211 Hervorhebung des Verfassers.

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näher aufgezeigt werden, dass auch hinsichtlich dieser Gestaltungsformen Klarheit durch die mittlerweile ergangene Rechtsprechung und Aufbereitung in der Literatur geschaffen worden ist. 2. Unter- und Gestaltungsformen des Kaufs Das soeben dargestellte Verständnis eines Kaufvertrages umfasst alle212 auch im autonomen deutschen Recht anerkannten Unterformen und Gestaltungsmöglichkeiten,213 so dass die Einordnung diesbezüglich keine ernsthaften Schwierigkeiten mit sich bringen sollte. Dabei kann der Kauf (und ggf. die Eigentumsübertragung) auch (z. B. aufschiebend) bedingt214 oder befristet sein.215 Richtschnur, v. a. in Grenzfällen, ist das Überwiegen des kaufvertraglichen Elementes, also der Verschaffung von Eigentum an einer Ware gegen Entgelt. Es muss das Vertragsverhältnis prägen.216 Unmittelbar in der Konvention geregelt sind der Sukzessivlieferungsvertrag217 (Art. 73 CISG) und der Spezifikationskauf218 (Art. 65 CISG), der im Wesentlichen

212

So ausdrücklich Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 3. Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 15 („nahezu alle“); Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 15; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 9. 214 OLG Schleswig-Holstein, 29. 10. 2002 – 3 U 54/01, CISG-online Case No. 717, Erw. I.4. = IHR 2003, 67; OLG Graz (Österreich), 7. 3. 2002, CISG-online Case No. 669; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 15. 215 Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 14. 216 OLG Karlsruhe, 12. 6. 2008 – 19 U 5/08, CISG-online Case No. 1716, Erw. 2.b); Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-30; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 14. 217 Vgl. dazu nur: Dingxi Longhai Dairy, Ltd. ./. Becwood Technology Group L.L.C., Court of Appeals [8th Circuit], 14. 2. 2011, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/110214u1.html; OLG Düsseldorf, 9. 7. 2010 – 17 U 132/08, IHR 2011, 116, 120; OLG Brandenburg, 18. 11. 2008 – 6 U 53/07, IHR 2009, 105; OLG Frankfurt, 6. 10. 2004 – 21 U 24/04, CISG-online Case No. 996 („Dauerschuldverhältnis“); ICC Schiedsspruch Nr. 9887, 08.1999, http://www.unilex. info/case.cfm?id=469; HandelsG Zürich (Schweiz), 30. 11. 1998, SZIER 1999, 185, 186; Schiedsgericht Hamburger freundschaftliche Arbitrage, 29. 12. 1998, IHR 2001, 35; OGH (Österreich), 12. 2. 1998, ZfRV 39 (1998) 158; Audiencia Provincial de Barcelona (Spanien), 3. 11. 1997, http://www.cisg.law.pace.edu/cases/971103s4.html; HandelsG Zürich (Schweiz), 5. 2. 1997, CISG-online Case No. 327 = SZIER 1998, 75, 76; Schiedsgericht der Ungarischen Industrie- und Handelskammer, 17. 11. 1995, http://www.unilex.info/case.cfm?id=217; Changsha Intermediate People’s Court of Hunan (China), 18. 9. 1995, http://cisgw3.law.pace. edu/cases/950918c1.html; LG Ellwangen, 21. 8. 1995 – 1 KfH O 32/95, CISG-online Case No. 279; Cour d’appel Grenoble (Frankreich), 22. 2. 1995, http://www.cisg.law.pace.edu/cases/ 950222f1.html; ICC Schiedsspruch Nr. 7660/JK, 23. 8. 1994, http://www.unilex.info/case.cfm? id=48. 218 Vgl. LG Aachen, 19. 4. 1996 – 43 O 70/95), CISG-online Case No. 165; OLG München, 8. 2. 1995 – 7 U 1720/94, CISG-online Case No. 143, Erw. II.2.c)bb). 213

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Teil 3: Einzelbetrachtung

der Regelung in § 375 HGB entspricht,219 sowie auch der Kauf nach Muster oder Probe (Art. 35 Abs. 2 lit. c CISG).220 Letzterer stellt die Parallelnorm zu § 494 BGB a. F. dar.221 Aus dem Konventionstext ergibt sich des Weiteren, dass (selbstverständlich) auch der Versendungskauf222 und das Streckengeschäft223 umfasst sind (s. Art. 31 CISG).224 Der Fixkauf wird zwar nicht ausdrücklich im CISG erwähnt, dass er aber ebenfalls Kaufvertrag im Sinne des CISG sein kann, folgt mittelbar aus Art. 33 und 49 CISG.225 Eine Kaufoption stellt den bedingten Abschluss eines Kaufvertrages dar,226 bei dem der Käufer einseitig das unbedingte Zustandekommen durch entsprechende Geltendmachung der Option steuert. Wie soeben gezeigt, steht der Abschluss eines bedingten Kaufes der Annahme eines Kaufvertrages im Sinne der Konvention nicht entgegen, sodass auch die Kaufoption darunter zu fassen ist.227 Entsprechendes muss konsequenterweise hinsichtlich eines hinreichend konkreten Vorvertrages gelten,

219 MüKo-HGB/Wertenbruch, Art. 65 Rn. 1; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 16; Ferrari/ Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 3. 220 Vgl. dazu Alpha Prime ./. Holland Loader Company, U.S.D.C. [Colorado], 6. 7. 2010, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/100706u1.html, Erw. II.B.; LG München, 8. 2. 1995 – 8 HKO 24667/93, CISG-online Case No. 203, Erw. 4.; Achilles, Art. 1 Rn. 2; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 16; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Art. 35 Rn. 24; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 17. 221 Die Regelung des Kaufs nach Probe ist i. R. d. Schuldrechtsmodernisierung als überflüssig erachtet und gestrichen worden, da nun eine gelieferte Probe einer Beschaffenheitsvereinbarung i. S. v. § 434 Abs. 1 S. 1 unterfällt oder jedenfalls i. S. v. § 434 Abs. 1 S. 2 BGB Maßstab für die Beurteilung der Mangelfreiheit ist, Grüneberg/Weidenkaff, Vorb v § 454 Rn. 2. 222 BGH, 12. 2. 1998 – I ZR 5/96, CISG-online Case No. 343, Erw. II.1.d) = WM 1998, 2077, 2079. 223 OGH (Österreich), 24. 10. 1995, CISG-online Case No. 166; schon zum EKG: BGH IPRax 1981, 96, 96. 224 Achilles, Art. 1 Rn. 2; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 3; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 18; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 18. 225 LG München II, 20. 2. 2002 – 10 O 5423/01, CISG-online Case No. 712 = IHR 2003, 24, 26; AG Oldenburg, 24. 4. 1990 – 5 C 73/89, CISG-online Case No. 20; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 20; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 20. 226 Anders beim Leasingvertrag mit Kaufoption sowie beim „klassischen“ Mietkauf, da dort in der Regel (noch) gar kein (bedingter) Kaufvertrag geschlossen wurde, sondern nur zukünftig in Betracht kommt, s. unten. 227 Cour de Cassation (Frankreich), 30. 6. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/040630f1. html; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 78; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-30; Schumacher, IHR 2005, 147, 148 f.; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 21; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Vor Artt. 14 – 24 Rn. 41; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 10; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 41.

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wenn der Hauptvertrag dem CISG unterfällt, wenn er also von der Pflicht zur Eigentumsverschaffung und der entsprechenden Zahlungspflicht geprägt ist.228 Auch der Kauf auf Probe, wie er aus §§ 454 f. BGB bekannt ist, unterfällt dem sachlichen Anwendungsbereich. Dem steht weder entgegen, dass der Vertrag bedingt abgeschlossen wird,229 noch, dass die Anforderungen an die Ware über die aus Art. 35 CISG hinaus auch die Billigung der gelieferten Probe durch den Käufer voraussetzen. Die entsprechende Vereinbarung ist schließlich eine nach Art. 6 CISG ausdrücklich zulässige Abweichung von den Bestimmungen des Übereinkommens.230 Überdies ist auch die Vereinbarung eines Vorkaufsrechts (vgl. §§ 463 – 472 BGB) oder eines Wiederkaufsrechts (vgl. §§ 456 – 462 BGB) als Kaufvertrag einzuordnen, freilich mit den entsprechenden Abweichungen vom CISG,231 v. a. muss dieses erst geltend gemacht werden, um die sonstigen nicht modifizierten Regelungen zum Tragen zu bringen. Zusatzabreden stehen der Einstufung als Kaufvertrag nicht entgegen, sofern der Vertrag immer noch von dem Element der Eigentumsverschaffung gegen Entgelt zwischen den Beteiligten geprägt ist.232 Diese kaufrechtliche Prägung liegt z. B. nicht mehr vor, wenn die Zusatzabrede getroffen wurde, dass der „Käufer“ Ware, für die er keine/n Abnehmer gefunden hat, wieder zurückgeben darf. Denn damit wurde kein eigenständiger Kauf mit anschließendem selbständigen (Weiter-)Verkauf an den Endabnehmer bezweckt – faktisch sollte vielmehr die Vermittlung eines Kaufvertrages (gegebenenfalls gegen Provision) zwischen dem „Erstverkäufer“ und dem Endabnehmer konstruiert werden.233 Gleiches gilt bei Kommissionsgeschäften, wenn der Kommissionär für den Kommittenten auf dessen Rechnung verkaufen soll, anstatt im Ergebnis selbst, wenn auch nur zwischenzeitlich, Käufer bzw. Verkäufer zu sein.234

228

Soweit allerdings nur in der Literatur erörtert: Achilles, Art. 1 Rn. 2; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-30; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 21, Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Vor Artt. 14 – 24 Rn. 41; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 41; a. A.: Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 64 f. 229 Zur Zulässigkeit des bedingten Vertragsabschlusses bereits oben. 230 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 23; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 21. 231 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Vor Artt. 14 – 24 Rn. 41; Staudinger/ Magnus, Art. 1 Rn. 22; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-30. 232 Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 23. 233 BGH, 30. 4. 2003 – III ZR 237/02, IHR 2003, 170, 171 nimmt vielmehr einen Geschäftsbesorgungsvertrag an; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-27; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 23; vgl. auch Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 22. 234 Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 23; zur Abgrenzung in solchen Konstellationen vgl. OLG Köln, 28. 5. 2001 – 16 U 1/01, CISG-online Case No. 681, Erw. I.1., 2.; vgl. auch: Huber/ Kröll, IPRax 2003, 310; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 80; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-27.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

3. Werklieferungsvertrag und gemischte Verträge, Art. 3 CISG Art. 3 CISG erweitert den sachlichen Anwendungsbereiches und soll zugleich die Abgrenzung in Fällen erleichtern, in denen auch etwa werk- oder dienstvertragsähnliche Pflichten in einem Vertrag vereinbart werden.235 Voraussetzung ist, dass es sich, vor allem im Falle von Art. 3 Abs. 2 CISG, um einen einheitlichen Vertrag mit „typgemischten“ Inhalt handelt.236 Dabei ist der Streit,237 nach welchen Vorschriften die Einheit beurteilt werden soll, letztlich von wenig praktischer Relevanz, da nach beiden Ansichten (und auch im autonomen deutschen Recht)238 ohnehin primär auf den Parteiwillen abgestellt wird.239 Nach der Rechtsprechung sind dabei getrennte Rechnungen für die Dienstleistung und die tatsächliche Warenlieferung ein wichtiges Indiz für getrennte Verträge.240 Sinn und Zweck dieser Norm, „für einige wichtige gemischte Verträge klarzustellen, ob und wann sie der Konvention unterfallen“241, ist auch auf die Erhöhung der Orientierungssicherheit gerichtet. Ob dies mit dem wertungsoffen formulierten und durchaus strittig diskutierten242 Kriterium des wesentlichen Teils (Abs. 1) bzw. des 235

Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 1, 5, 7; Kröll/Mistelis/Viscasillas/Mistelis/Raymond, Art. 3 Rn. 1. 236 Vgl. LG Mainz, 26. 11. 1998 – 12 HKO 70/97, CISG-online Case No. 563, Erw. A.I.; CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Comment 3.1, IHR 2005, 124, 129; Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 144; Kröll/Mistelis/Viscasillas/Mistelis/Raymond, Art. 3 Rn. 15; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 3 Rn. 11 f., 17; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 12; MüKo/Huber, Art. 3 Rn. 11; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 3 Rn. 16; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 9; Witz/Salger/Lorenz/ Lorenz, Art. 3 Rn. 5. 237 Für die Beurteilung der Einheitlichkeit nach nationalem Recht etwa Fogt, IPRax 2003, 364, 369; differenziert Honnold/Flechtner, Rn. 60.2. Für eine autonome Bestimmung aus dem Übereinkommen selbst (Art. 7 Abs. 1 CISG): Cerwenka, Anwendungsprobleme, S. 146; Ferrari/Saenger, Int. VertrR, Art. 3 Rn. 1; MüKo/Huber, Art. 3 Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 12; wohl auch Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 9. 238 BGH, 20. 5. 1966 – V ZR 214/64, MDR 1966, 749; BGH, 7. 12. 1989 – VII ZR 343/88, NJW-RR 1990, 340, 341 f.; BGH, 10. 1. 1990 – VIII ZR 337/88, NJW-RR 1990, 442, 443; Grüneberg/Grüneberg, Überbl. v. § 311 Rn. 16; Staudinger/Feldmann, § 311 Rn. 55. 239 OLG Dresden, 16. 6. 2007 – 3 U 226/07, CISG-online Case No. 1720 = IHR 2008, 162, 165; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 148 f.; Ferrari/ Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 1; Fogt, IPRax 2003, 364, 367 f.; MüKo/Huber, Art. 3 Rn. 11; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 3 Rn. 16; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-36; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 3 Rn. 12; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 75; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 10. Ebenso im autonomen deutschen Recht, vgl. Medicus/Lorenz, SchuldR II, § 56 Rn. 6. 240 Vgl. Tribunale d’apello Ticino (Schweiz), 29. 10. 2003, CISG-online Case No. 912. 241 Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 5. 242 CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Comment 1.6, IHR 2005, 124, 126 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 3 Rn. 5 („[…] controversial […]“); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 14.

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überwiegenden Teils (Abs. 2) gelungen ist, mag insbesondere von Verfechtern der These gesteigerter Rechtunsicherheit bezweifelt werden,243 und ist daher näher zu erläutern. a) Werklieferungsverträge und die ,Wesentlichkeit‘ i. S. v. Art. 3 Abs. 1 CISG Handelt es sich um einen einheitlichen Vertrag, stellt Art. 3 Abs. 1 CISG Werklieferungsverträge244 den Kaufverträgen grundsätzlich gleich.245 Die Anwendung des CISG scheidet dem Wortlaut nach aber dann aus, wenn „der Besteller einen wesentlichen Teil der für die Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe selbst zur Verfügung zu stellen hat“, denn in diesem Fall handelt es sich um einen nicht mehr umfassten Werk- oder Dienstvertrag. Die Regelung des Art. 3 Abs. 1 CISG beruht dabei auf dem gleichen definitorischen Verständnis eines Werklieferungsvertrages, wie es im BGB zugrundegelegt und im Rahmen der Schuldrechtsmodernisierung im neu gefassten § 650 BGB (damals noch § 651 BGB und aus redaktionellen Gründen nun inhaltlich unverändert § 650 BGB) verankert wurde,246 wobei die Frage nach der Vertretbarkeit der Sache im Rahmen von § 650 BGB (mittlerweile) ebenfalls nahezu (vgl. § 650 S. 2 BGB) irrelevant ist.247 Eine entsprechende Wertung wird dem deutschen Rechtsanwender darüber hinaus auch aus dem seinerseits an § 650 BGB a. F. angelehnten § 381 Abs. 2 HGB248 bekannt sein.

243

Vgl. Fogt, IPRax 2003, 364, 369. Gemeint ist ein Vertrag, bei dem der Verkäufer die zukünftige Kaufsache noch herzustellen oder zu erzeugen (lassen) hat: KantonsG Schaffhausen (Schweiz), 27. 1. 2004, CISGonline Case No. 960; HandelsG Aargau (Schweiz), 5. 11. 2002, CISG-online Case No. 715 = IHR 2003, 178, 178 f.; OLG Frankfurt a. M., 17. 9. 1991 – 5 U 164/90, CISG-online Case No. 28 = NJW 1992, 633, 634. 245 Zur ausdrücklichen Gleichstellung eines Werklieferungsvertrages vgl. nur OberG Aargau (Schweiz), 3. 3. 2009, CISG-online Case No. 2013, Erw. 5.2.1.; OLG Karlsruhe,12. 6. 2008 – 19 U 5/08, CISG-online Case No. 1716, Erw. 2.b); HandelsG Aargau (Schweiz), 25. 1. 2005, CISG-online Case No. 1091, Erw. 1.3. = IHR 2006, 34, 34; HandelsG St. Gallen (Schweiz), 29. 4. 2004, CISG-online Case No. 962, Erw. III. 5.; LG München I, 27. 2. 2002 – 5 HK O 3936/00), CISG-online Case No. 654; OLG Saarbrücken, 14. 2. 2001 – 1 U 324/99 – 59, CISG-online Case No. 610; OLG Stuttgart, 28. 2. 2000 – 5 U 118/99, CISG-online Case No. 583, Erw. B. 1.; BGH, 4. 12. 1996 – VIII ZR 306/95, CISG-online Case No. 260, Erw. II.2.a) = NJW-RR 1997, 690, 691. 246 Eine Ausnahme stellt freilich § 650 S. 3 BGB dar, der bei nicht vertretbaren Sachen zusätzlich zu den kaufrechtlichen Vorschriften bestimmte werkvertragliche Bestimmungen zur Anwendung beruft. Dass bei Geltung des CISG in entsprechenden Fällen nach h. M. letztlich die gleiche Rechtsfolge eintritt, wird sogleich erläutert. 247 So etwa ausdrücklich OLG Saarbrücken, 14. 2. 2001 – 1 U 324/99 – 59, CISG-online Case No. 610, Erw. B. 1. Zur Irrelevanz der Vertretbarkeit im CISG vgl. CISG AC, Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Nr. 6, IHR 2005, 124, 125; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 13. Zu § 650 BGB nach der Schuldrechtsmodernisierung s. Grüneberg/Retzlaff, § 650 Rn. 1. 248 Dazu MüKo-HGB/Grunewald, § 381 Rn. 3 ff. 244

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Die Bestimmung der Wesentlichkeit im Sinne der Norm bzw. der dabei zu beachtenden Kriterien hat, wenig überraschend, autonom zu erfolgen, Art. 7 Abs. 1 CISG.249 Diskutiert wird dabei, ob deren Bestimmung250 im Ausgangspunkt nach quantitativen und/oder nach qualitativen Gesichtspunkten zu erfolgen hat.251 Dass insbesondere bei solchen bewusst wertungsoffen formulierten Kriterien auch die Besonderheiten des Einzelfalles berücksichtigt werden müssen bzw. sollen,252 wird dabei wohl kaum bezweifelt, hilft jedoch mit Blick auf die Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit des Ergebnisses wenig weiter. Es bleibt also näher zu betrachten, inwiefern sich für den Konventionsadressaten und -anwender weitestgehend einheitliche und griffige Konkretisierungen herauskristallisiert haben. Vorab sei klargestellt, dass in Anbetracht des Wortlautes253 mit „Stoffen“ körperliche Materialien gemeint sind, welche direkt „für die Herstellung oder Erzeugung nötig“254 sind, also nicht etwa vorbereitende Leistungen, Skizzen, technische Anweisungen, Formeln etc.255 Nicht dazu unmittelbar nötig und folglich auch nicht zu berücksichtigen sind vor diesem Hintergrund Transport- oder Verpackungsmaterialien oder etwa Werkzeug.256 Dafür, dass es sich um körperliche Materialien handeln muss, streitet auch ein historisches Argument: Bei den Verhandlungen zum CISG wurde explizit die Einbeziehung von knowhow des Käufers im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 CISG abgelehnt.257 Dementsprechend stellen vom Käufer gelieferte Druckvorlagen258 oder auch Designspezifikationen259 in der Rechtsprechung keinen Ansatzpunkt für einen Anwendungsausschluss dar.260 249

CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Comment 1.6, IHR 2005, 124, 126. Einhellig maßgeblicher Zeitpunkt ist der Vertragsschluss, Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 149 f.; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 3 Rn. 10; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 10; Schlechtriem/Schroeter, Int. UNKaufrecht, Rn. 68; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 18. 251 Vgl. auch den Überblick zum Meinungsstand bei Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 14. 252 CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Nr. 3, IHR 2005, 124, 125; Ferrari/ Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 6. 253 In der englischen Fassung wird von „materials“ gesprochen, in der französischen von „éléments matériels“, vgl. Witz/Wolter, RIW 1995, 810, 811, die zudem auch auf den dazu passenden Wortlaut des Art. 42 Abs. 2 lit. B CISG hinweisen. 254 Hervorhebung des Verfassers. 255 CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Nr. 5, IHR 2005, 124, 125. 256 Vgl. CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Comment 2.11., IHR 2005, 124, 127 f.; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 136 f.; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 20. 257 O. R. S. 243 f., Nr. 68 – 81, wobei der französische Delegierte bei Ablehnung des britischen Vorschlags auf den Wortlaut „materials“ hinweist, vgl. schon Teil 3 Fn. 253. 258 HandelsG Zürich (Schweiz), 10. 2. 1999, CISG-online Case No. 488, Erw. 1.a); zu Verträgen über den Kauf von herzustellenden Druckerzeugnissen s. auch Cour de justice Genève (Schweiz), 20. 1. 2006, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/060120s1.html = SJZ 103 (2007), 353, 354 = SZIER 2008, 194, 194; Rechtbank van Koophandel, Hasselt (Belgien), 8. 12. 2004, CISG-online Case No. 980. 250

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Entscheidend kann zudem nur die Lieferung entsprechender Materialien durch den Käufer selbst sein; bezieht der Lieferant des Verkäufers diese Materialien vom Käufer der zukünftigen Ware, handelt es sich nicht um ein ,zur Verfügung stellen‘ im Sinne der Norm.261 Außen vor bleibt im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 CISG auch die Frage, welcher „Wert(schöpfungs)anteil“262 zusätzlich zu den vereinbarten (Dienst-) Leistungspflichten, die über die bloße Produktentwicklung sowie Herstellung oder Erzeugung der zu liefernden Kaufsache hinausgehen,263 an dem insgesamt zu zahlenden „Kaufpreis“ beizumessen ist.264 Dabei handelt es sich vielmehr um eine Konstellation oder Wertung, die im Kontext von Art. 3 Abs. 2 CISG zu berücksichtigen sein kann.265 Der CISG Advisory Council legt zur Wesentlichkeit dar, dass sie quantitativ anhand einer wertmäßigen Gewichtung der vom Käufer und vom Verkäufer gestellten „Stoffe“, die für die „Herstellung oder Erzeugung notwendig sind“ zu bestimmen ist.266 Dieser Herangehensweise entspricht auch die überwiegende Ansicht in Rechtsprechung267 und Literatur268. 259

OLG Frankfurt a. M., 17. 9. 1991 – 5 U 164/90, CISG-online Case No. 28 = NJW 1992, 633, 634. 260 Verkannt bei Cour d’appel de Chambéry (Frankreich), 25. 3. 1993, http://www.unilex.in fo/case.cfm?id=29, entsprechend ablehnende Anmerkung von Witz/Wolter, RIW 1995, 810, 811. Zum Ganzen ausführlich CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Comment 2.11. ff., IHR 2005, 124, 127. 261 Vgl. Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 135; MüKo/ H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 3 Rn. 3; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-33. 262 Vgl. Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 71. 263 Z. B. Dienstleistungspflichten wie eine käuferspezifische, individuell bedürfnisgerechte Produktberatung und/oder Produktentwicklung, Schulung oder Anschlussberatung etc. 264 Vgl. Cour d’appel de Paris (Frankreich), 14. 6. 2001, CISG-online Case No. 693; HandelsG Zürich (Schweiz), 8. 4. 1999, Erw. III.2.a) = SZIER 2000, 113, 114; LG Mainz, 26. 11. 1998 – 12 HKO 70/97, CISG-online Case No. 563, Erw. A.I.; verkannt von KreisG BernLaupen (Schweiz), 29. 1. 1999, CISG-online Case No. 701; vgl. CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Nr. 1 sowie Comment 1.2., IHR 2005, 124, 124 f.; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 139; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 3 Rn. 6; Schäfer, IHR 2003, 118, 120 f.; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 71; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 13; anschaulich in Bezug auf Softwareerstellungsverträge Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rn. 1018, 677 ff. 265 Dazu sogleich ausführlich § 7 E.I.3.b). 266 CISG AC, Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Nr. 2: „In interpreting the words ,substantial part‘ under Article 3 (1) CISG, primarily an ,economic value‘ criterion should be used. An ,essential‘ criterion should only be considered where the ,economic value‘ is impossible or inappropriate to apply taking into account the circumstances of the case“, s. auch Comment Nr. 2.5 – 2.7. = IHR 2005, 124, 124 f., 126 f. 267 HandelsG Zürich (Schweiz), 8. 4. 1999, http://www.unilex.info/case.cfm?id=410, Erw. II. 2. b) = SZIER 2000, 113, 114; Schiedsgericht der Ungarischen Industrie- und Handelskammer, 5. 12. 1995, CISG-online Case No. 163 = NJW-RR 1996, 1145, 1146. 268 Achilles, Art. 3 Rn. 5; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 3; Höß, Der gegenständliche Anwendungbereich des UN-Kaufrechts, S. 134; Honnold/Flechtner, Rn. 58 f.;

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Fest steht, dass das zur Verfügung stellen aller zur Herstellung oder Erzeugung notwendigen Stoffe durch den Besteller eindeutig den wesentlichen Teil darstellt und dass in einem solchen Fall mithin kein Kaufvertrag im Sinne des CISG vorliegt.269 Auf Art. 3 Abs. 1 CISG und die Frage nach der Wesentlichkeit kommt es erst gar nicht an, sofern für die Erzeugung oder Herstellung der Kaufsache gar nichts vom Besteller zur Verfügung gestellt wird.270 Weitere Anhaltspunkte lassen sich aus dem Vergleich des Wortlauts in Abs. 1 und Abs. 2 gewinnen. Da Abs. 2 auf den überwiegenden Teil abstellt, ergibt sich im Umkehrschluss, dass der wesentliche Teil im Sinne von Abs. 1 nicht unbedingt mehr als die Hälfte des zur Erzeugung bzw. Herstellung erforderlichen Materials ausmachen muss.271 Konform mit dieser Wortlautinterpretation gehen daher auch die in der Literatur vorgeschlagenen prozentualen Richtwerte, die jedenfalls nahe der 50 %-Marke von der Wesentlichkeit ausgehen,272 aber auch Prozentsätze darunter nicht ausschließen, sofern die vom Käufer gestellten Materialien nicht „nach Art und Umfang, insb. Wert und Funktion, [beginnen ihre] untergeordnete Bedeutung zu verlieren, und einen eigenständigen Stellenwert […] für den Herstellungsvorgang [erlangen]“273. Auch wenn dadurch keine absoluten Richtwerte festgelegt werden sollen,274 erleichtern sie die Eingrenzung doch ganz erheblich. In der Rechtsprechung zeigt sich damit einhergehend, dass z. B. bei Lieferung von insgesamt 10 – 20 % der Materialien zur

Honsell/Siehr, Art. 3 Rn. 3; MüKo/Huber, Art. 3 Rn. 7; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-32; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 67; Schlechtriem/Schwenzer/ Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 3 Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 14; a. A. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 8, der die Wesentlichkeit gleichermaßen unter Berücksichtigung quantitativer und qualitativer Faktoren beurteilen will. 269 OGH (Österreich), 27. 10. 1994, CISG-online Case No. 133 = ZfRVgl 1995, 159, 161 (Veredelungsvertrag). 270 OLG Karlsruhe, 12. 6. 2008 – 19 U 5/08, CISG-online Case No. 1716, Erw. 2.b); HandelsG Zürich (Schweiz), 8. 4. 1999, CISG-online Case No. 489 = SZIER 2000, 113, 114; Schäfer, IHR 2003, 118, 121; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 13. 271 Achilles, Art. 3 Rn. 4; Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 144; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 135; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 4; Honnold/Flechtner, Rn. 59; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-31; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 6. 272 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 4: „Die Wesentlichkeitsgrenze dürfte in der Nähe von 50 % einzuordnen sein […]“ (Hervorhebung des Verfassers); Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 16: „Ein Anteil von 15 % […] sollte freilich nicht genügen, während Anteile in der Nähe von 50 % oder darüber als wesentlich anzusehen sind […]“; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 3 Rn. 7 möchte als Richtwert mindestens ein Drittel am Gesamtwert zugrundelegen, was m. E. noch verhältnismäßig niedrig angelegt ist. 273 Achilles, Art. 3 Rn. 4. 274 Vgl. CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Nr. 3, IHR 2005, 124, 125; vgl. auch Teil 3 Fn. 277.

§ 7 Anwendungsbereich des Übereinkommens

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Herstellung der späteren Kaufsache noch keine Wesentlichkeit angenommen wurde.275 Letztlich sollte – mit der h. M. – auf die Gegenüberstellung des jeweils beigesteuerten körperlichen Materials abgestellt werden, da somit das griffigste und praktisch am besten handhabbare Kriterium gewählt wird, demensprechend ein Höchstmaß an Berechenbarkeit besteht und der Wortlaut der Norm am strengsten berücksichtigt wird.276 Insgesamt kann dabei von einem Zustand untragbarer Rechtsunsicherheit bei der Bewertung, ob es sich um einen in den Anwendungsbereich des CISG fallenden Werklieferungsvertrag handelt, keine Rede sein. In einem relativ einfachen Dreischritt lassen sich aufschlussreiche Erkenntnisse gewinnen und die begriffliche Wertungsoffenheit bewältigen: Erstens ist nur auf die jeweiligen Beiträge an körperlichen Materialien bzw. Bestandteilen der künftigen Kaufsache abzustellen, die sowohl vom Käufer als auch vom Verkäufer geleistet worden sein müssen. Zweitens wird deren quantitative Wertrelation ermittelt und bei Prozentsätzen unter 20 % wird eine Wesentlichkeit höchstwahrscheinlich abzulehnen bzw. bei über 50 % zu bejahen sein.277 Drittens muss der gebotenen Einzelfallbetrachtung entsprochen werden. Hier können insbesondere Faktoren berücksichtigt werden, die bei Nichtbeachtung zu gänzlich untragbaren Ergebnissen führen, z. B. die Tatsache, dass die womöglich quantitativ deutlich nachrangigen Stoffe vom Käufer dennoch eine Wesentlichkeit aufdrängen, weil sie überhaupt ausschließlich von ihm bereitgestellt werden können und die Herstellung oder Erzeugung folglich mit seiner Leistung steht und fällt.278

275 Schiedsgericht der Ungarischen Industrie- und Handelskammer, 5. 12. 1995, CISGonline Case No. 163 = NJW-RR 1996, 1145, 1146 unter dem Hinweis, dass die reine Wertrelation der zur Herstellung beigetragenen Stoffe ein ausreichendes Beurteilungskriterium, aber nicht das abschließende mit Blick auf die Gesamtschau im Einzelfall ist. 276 Ebenfalls auf die einfache praktische Handhabung weisen hin Achilles, Art. 3 Rn. 5; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 3 a. E.; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 14 a. E.; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 3 Rn. 8 spricht von einem „Gewinn an Rechtssicherheit“. 277 Dies wird wohl auch mit der Ansicht von Vertretern in der Literatur konform gehen, die ein „[…] aprioristische[s] Abstellen […]“ (Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 8) bzw. eine Bemessung nach „[…] festen Prozentgrenzen […]“ (MüKo/Huber, Art. 3 Rn. 7) vehement ablehnen. (Hervorhebungen des Verfassers). 278 Vgl. Achilles, Art. 3 Rn. 6; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 3 Rn. 9. Bei OLG München, 3. 12. 1999 – 23 U 4446/99, CISG-online Case No. 58, Erw. 1. b) = RIW 2000, 712, 713 wird die Wesentlichkeit der Bereitstellung von Werkzeug durch den Käufer auch unter Berücksichtigung seiner Funktion für die Kaufsache verneint. Werkzeug hätte das Gericht wohl bereits schon deshalb nicht beachten müssen, da es kein Material darstellt, aus dem die streitgegenständliche Kaufsache (serienmäßige Fenster) hergestellt wird, es sich also schon gar nicht um „Stoffe“/„materials“ (engl.)/„éléments matériels“ (franz.) handelte, die für die Herstellung tatsächlich nötig i. S. v. Art. 3 Abs. 1 CISG waren, vgl. dazu bereits oben, insb. Staudinger/ Magnus, Art. 3 Rn. 14 „[…] aus dem die Ware später besteht […]“.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

b) Gemischte Verträge und das ,Überwiegen‘ i. S. v. Art. 3 Abs. 2 CISG Art. 3 Abs. 2 CISG regelt für gemischte Verträge ausdrücklich, dass das CISG im Falle der zusätzlichen Vereinbarung von arbeits- oder dienstvertraglichen Plichten anwendbar bleibt, sofern diese nicht den überwiegenden Teil der Pflichten des Verkäufers darstellen, also der „kauffremde [Teil keine] übergeordnete Rolle“279 spielt.280 Dabei folgt aus Art. 7 Abs. 2 CISG, dass Art. 3 Abs. 2 CISG zur Bestimmung der Anwendungsbereichseröffnung auch auf andere gemischte Verträge analog281 anzuwenden ist.282 Das Abgrenzungskriterium des Überwiegens ist also über den Wortlaut hinaus nicht nur im Falle der zusätzlichen Vereinbarung der Pflicht zur „Ausführung von Arbeiten oder anderen Dienstleistungen“ zu beachten; vielmehr kommt die Wertung in Abs. 2 immer dann zum Tragen, wenn in einem einheitlichen Vertrag zusätzlich zu den kaufvertraglichen Pflichten ebensolche vereinbart werden, die, isoliert betrachtet, einem anderen Vertragstypus unterfielen.283 Wie oben bereits erläutert, bezieht sich Art. 3 Abs. 2 CISG dabei nicht bereits auf solche Pflichten, die auf die bloße Herstellung oder Erzeugung der Kaufsache gerichtet sind – sie konstituieren lediglich einen gemäß Art. 3 Abs. 1 CISG nach wie vor in den Anwendungsbereich des CISG fallenden Werklieferungsvertrag.284 Es müssen darüber hinausgehende Pflichten vereinbart worden sein, damit Art. 3 Abs. 2 CISG über-

279

Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 12. Zu Beispielen in der Rspr. vgl. nur OGH (Österreich), 22. 11. 2011, CISG-online Case No. 2239, Erw. 1.; BundesG (Schweiz), 18. 5. 2009, CISG-online Case No. 1900 Erw. 3. = IHR 2010, 27, 28; TeeVee Tunes, Inc. et al. ./. Schubert GmbH, Federal D.C. [N. Y.], 23. 8. 2006, www.cisgw3.law.pace.edu/cases/060823u1.html, Erw. II. C. 1.; Hof van Beroep Antwerpen (Belgien), 3. 1. 2005, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/050103b1.html; Gerechtshof Arnhem (Niederlande), 27. 4. 1999, CISG-online Case No. 741, Erw. 5.5.; KantonsG Zug (Schweiz), 25. 2. 1999, CISG-online Case No. 490, Erw. 1.2.1; OLG München, 9. 7. 1997 – 7 U 2246/97, CISG-online Case No. 281, Erw. 2.b); OberG Luzern (Schweiz), 8. 1. 1997, CISG-online Case No. 228, Erw. 3.; HandelsG Zürich (Schweiz), 26. 4. 1995, CISG-online Case No. 248, Erw. III.1.c); Cour d’appel Grenoble (Frankreich), 26. 4. 1995, http://www.unilex.info/case.cfm? id=109; OGH (Österreich), 27. 10. 1994, CISG-online Case No. 133 = ZfRVgl 1995, 159, 161; Bezirksgericht Laufen (Schweiz), 7. 5. 1993, CISG-online Case No. 136, Erw. 3.bb)bbb). 281 Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 151; MüKoHGB/Mankowski, Art. 3 Rn. 17; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 3 Rn. 22; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 19; Witz/Salger/Lorenz/ Lorenz, Art. 3 Rn. 7. 282 Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 146; Fogt, IPRax 2003, 364, 368 f. (zum Mietkauf); Ferrari/Saenger, Int. VertrR, Art. 3 Rn. 6; Honnold/Flechtner, Rn. 60.4; MüKo/ Huber, Art. 3 Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 3 Rn. 22; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 75; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 4, 30; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 3 Rn. 7. 283 Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-34. 284 Vgl. nochmals ausdrücklich Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 71 und bereits oben zum Werklieferungsvertrag i. S. v. Art. 3 Abs. 1 CISG, § 7 E.I.3.a). 280

§ 7 Anwendungsbereich des Übereinkommens

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haupt anwendbar ist.285 Regelungsziel ist es schließlich, solche Verträge vom Anwendungsbereich auszuschließen, „[…] in denen die Lieferung und Entgeltzahlung [nicht mehr] die vertragswesentlichen Elemente darstellen.“286 Der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt ist, wie bei Abs. 1,287 der Zeitpunkt des Vertragsschlusses.288 Im Ausgangspunkt ist das Kriterium für die Bewertung des Überwiegens „[a]uch hier“289 nach überwiegender Auffassung eine quantitative Gegenüberstellung, d. h. der Wert der Kaufsache(n) ist mit dem des kauffremden, z. B. arbeits- oder dienstvertraglichen Element, in Bezug zu setzen.290 Der bereits zur Eingrenzung der Wesentlichkeit im Sinne von Art. 3 Abs. 1 CISG angeführte Vergleich des Wortlautes mit Art. 3 Abs. 2 CISG führt zu dem Ergebnis, dass ein prozentualer Richtwert hier jedenfalls über 50 % liegen muss.291 Das teilweise in Rechtsprechung und Li285

Vgl. dazu sogleich die Erläuterungen zum Problemkreis „Softwareüberlassungsverträge“, § 7 E.II.3. 286 Vgl. zu der Formulierung Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rn. 683. 287 Oben Teil 3 Fn. 250. 288 CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Comment 3.3, IHR 2005, 124, 129; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 3 Rn. 19; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 25. 289 Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 70; vgl. auch Ferrari/Saenger, Int. VertragR, Art. 3 Rn. 6 („wiederum“). 290 In der Rspr. OGH (Österreich), 22. 11. 2011, CISG-online Case No. 2239, Erw. 1. („Typengemischte Verträge unterliegen dann nicht dem Anwendungsbereich des UN-Kaufrechtsübereinkommens, wenn der Anteil der kauffremden Vertragsverpflichtung wertmäßig oder nach dem Parteiinteresse überwiegt.“); KantonsG Zug (Schweiz), 14. 12. 2009, CISG-online Case No. 2026, Erw. 2 („Ob dieser Ausschlussgrund gegeben ist, richtet sich vor allem nach der Relation des Wertes der beiden Leistungsteile.“); OberG Zug (Schweiz), 19. 12. 2006, CISG-online Case No. 1427=1565, Erw. 2 = IHR 2007, 129, 129; Tribunale di Padova (Italien), 10. 1. 2006, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/060110i3.html; OLG München, 3. 12. 1999 – 23 U 4446/99, CISG-online Case No. 585, Erw. 1. B) = RIW 2000, 712, 713 = IHR 2001, 25; KantonsG Zug (Schweiz), 25. 2. 1999, CISG-online Case No. 490, Erw. 1.2.1; KreisG Bern-Laupen (Schweiz), 29. 1. 1999, CISG-online Case No. 701, Erw. 7.2.d)cc); LG Mainz, 26. 11. 1998 – 12 HKO 70/97, CISG-online Case No. 563, Erw. A. I.; Cour d’appel Grenoble (Frankreich), 26. 4. 1995, http://www.unilex.info/case.cfm?id=109; Literatur: Achilles, Art. 3 Rn. 7; CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Nr. 8, Comment 3.3, IHR 2005, 124, 125, 129; Ferrari/Saenger, Int. VertrR, Art. 3 Rn. 6; Honnold/Flechtner, Rn. 60.1; Honsell/Siehr, Art. 3 Rn. 5 f.; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 3 Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Ferrari, Art. 3 Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 3 Rn. 18; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 21. 291 KantonsG Zug (Schweiz), 14. 12. 2009, CISG-online Case No. 2026, Erw. 2; OLG Wien (Österreich), 1. 6. 2004, CISG-online Case No. 954/1010; Tribunal of International Commercial Arbitration at the Russian Federation Chamber of Commerce and Industry (Russische Föderation), 30. 5. 2000, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/000530r1.html, Erw. 3.2; Cour d’appel Grenoble (Frankreich), 26. 4. 1995, http://www.unilex.info/case.cfm?id=109; CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Comment 2.10., IHR 2005, 124, 127; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 6; MüKo/Huber, Art. 3 Rn. 15; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/

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Teil 3: Einzelbetrachtung

teratur für den Ausschluss des CISG geforderte „deutliche“ Überwiegen292 lässt sich weder dem Wortlaut entnehmen, noch scheint dies für ein einheitliches Tatbestandsverständnis zu sprechen.293 Allerdings besteht weitestgehend Einigkeit in Rechtsprechung und Literatur darüber, dass in Zweifelsfällen, d. h. bei annähernder Gleichwertigkeit der kaufvertraglichen und der kauffremden Anteile, der Anwendung des CISG Vorrang zu gewähren ist.294 Dies deckt sich auch mit dem allgemeinen Sprachverständnis, denn man wird schwerlich von einem Überwiegen auszugehen haben, wenn der kauffremde Teil etwa nur 51 % betragen sollte.295 Somit stellt die vereinzelte Forderung nach deutlichem Überwiegen nur die denklogische Konsequenz der dargestellten Zweifelsregelung dar. Die Tatsache, dass das Merkmal des deutlichen Überwiegens einen wertungsoffenen Begriff ohne Wortlautstütze darstellt, ist also i. E. mit Blick auf die Orientierungssicherheit nicht so problematisch, wie es zunächst erscheinen mag. Im Gegenteil, der klarstellende Hinweis auf ein deutliches Überwiegen erhöht vielmehr die Orientierungssicherheit in entsprechenden Grenzfällen und geht letztlich mit der herrschenden Meinung konform. Damit zeigt sich, dass das eingangs zu Recht nicht unproblematisch scheinende Merkmal des Überwiegens mittlerweile durchaus an Kontur und Klarheit gewonnen hat. In einem entsprechenden Fall, in dem das Gericht einleitend auch ein deutliches

Ferrari, Art. 3 Rn. 14; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 3 Rn. 20; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 22. 292 OLG Insbruck (Österreich), 18. 12. 2007, CISG-online Case No. 1735; Erw. 2.; OGH (Österreich), 8. 11. 2005, CISG-online Case No. 1156, Erw. 1; Rechtbank van Koophandel Hasselt (Belgien), 4. 2. 2004, CISG-online Case No. 863; KantonsG Zug (Schweiz), 25. 2. 1999, CISG-online Case No. 490, Erw. 1.2.1 („erheblich“); Cour d’appel Grenoble (Frankreich), 26. 4. 1995, http://www.unilex.info/case.cfm?id=109. In der Literatur etwa CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Comment 3.4; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 3 Rn. 20. 293 So auch Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 147; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 14; i. E. auch MüKo/Huber, Art. 3 Rn. 15 mit dem treffenden Hinweis, dass ein Abstellen auf ein „deutliches“ Überwiegen die Problematik nur verschiebe, statt sie zu lösen; mit ähnlichem Hinweis auch Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 22. 294 OLG München, 3. 12. 1999 – 23 U 4446/99, CISG-online Case No. 585, Erw. 1. B) = RIW 2000, 712, 713 = IHR 2001, 25; CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Comment 1.2. („[…] policy that in case of doubt application of the Convention is to be preferred.“), IHR 2005, 124, 125; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 22; vgl. i. d. S. auch Fogt, IPRax 2003, 364, 369 („[…] in dubio pro conventione!“) bzw. CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Comment 4.4. wo von einem „,pro Convention‘ principle“ gesprochen wird, IHR 2005, 124, 132; anders wohl MüKo/Huber, Art. 3 Rn. 15, der im Ausgangspunkt streng auf die 50 %Schwelle abstellt, allerdings hervorhebt, dass feste Prozentzahlen schwierig anzuwenden seien, da im Einzelfall auch andere als wertmäßige Faktoren zu berücksichtigen seien. 295 Vgl. CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Comment 3.4. a. E. („[…] a percentage slightly above 50 % would not be generally decisive to exclude the CISG.“), IHR 2005, 124, 130.

§ 7 Anwendungsbereich des Übereinkommens

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Überwiegen forderte, wurde ein solches bei einem Anteil von 56 % der fakturierten Arbeitsleistung am Gesamtpreis bejaht.296 Mit Blick auf die Verhandlungen zum UN-Kaufrecht297 ist anzumerken, dass im Einzelfall298 auch ein besonderes Interesse der Vertragsparteien an der kaufrechtlichen oder kauffremden Komponente zu berücksichtigen sein kann,299 wobei Fälle, in denen das Parteiinteresse dem Ergebnis einer quantitativen Bewertung zuwiderläuft, die Ausnahme darstellen werden.300 Der quantitative Ansatz als primäre Bewertungsgrundlage deckt sich mit der Handelswirklichkeit und erscheint aufgrund seiner Konkretheit am sachgerechtesten301 und letztlich als durchaus hinreichend rechtssicheres Beurteilungskriterium. Schließlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass kostentechnische Erwägungen die Grundlage unternehmerischen Handelns sind und in der Regel die maßgeblichen Parteiinteressen entscheidend beeinflussen. Zusammenfassend lässt sich somit auch in Bezug auf gemischte Verträge in einem Dreischritt die entsprechende Frage nach der Anwendung des CISG beantworten. Sofern kein reiner Werklieferungsvertrag im Sinne von Abs. 1 vorliegt und es sich um einen einheitlichen Vertrag handelt, muss primär der finanzielle Wert von Kaufsache(n) und kauffremdem Element bestimmt werden. Ergibt die wertmäßige Gewichtung, dass das kaufrechtliche Element mehr als 50 % ausmacht, wird das CISG in der Regel Anwendung finden.302 Im Einzelfall muss dann die Konformität 296

KreisG Bern-Laupen (Schweiz), 29. 1. 1999, CISG-online Case No. 701, Erw. 7.2.d)cc). Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 21 weist darauf hin, dass ein Antrag, die englische Formulierung „major part in value“ zu wählen, zugunsten von „preponderant“ verworfen wurde, s. O.R. S. 241 Nr. 32 ff.; vgl. auch Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 144; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 13. 298 Der CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Nr. 9, stellt klar, dass von der quantitativen Bestimmung des Überwiegens auszugehen ist, wobei prozentuale Richtwerte im Einzelfall nicht zwingend sein müssen (Nr. 10), IHR 2005, 124, 125. 299 OGH (Österreich), 22. 11. 2011, CISG-online Case No. 2239, Erw. 1 („Typengemischte Verträge unterliegen dann nicht dem Anwendungsbereich des UN-Kaufrechtsübereinkommens, wenn der Anteil der kauffremden Vertragsverpflichtung wertmäßig oder nach dem Parteiinteresse überwiegt.“) mit Verweis auf OGH (Österreich), 8. 11. 2005, CISG-online Case No. 1156 = ÖJZ 2006, 162, 163; KantonsG Zug (Schweiz), 14. 12. 2009, CISG-online Case No. 2026, Erw. 2; OLG Dresden, 11. 6. 2007 – 3 U 336/07, CISG-online Case No. 1720, Erw. II.4.b) = IHR 2008, 162, 166; OLG München, 3. 12. 1999 – 23 U 4446/99, CISG-online Case No. 585, Erw. 1. B) = RIW 2000, 712, 713 = IHR 2001, 25; KreisG Bern-Laupen (Schweiz), 29. 11. 1999, CISG-online Case No. 701, Erw. 7.2.d)cc); ähnlich LG Mainz, 26. 11. 1998 – 12 HKO 70/97, CISG-online Case No. 563, Erw. A. I., allerdings weil „eine reine wertmäßige Herausdifferenzierung der jeweiligen Vertragsleistungen rechnerisch nicht möglich ist“. 300 CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Comment 3.3. a. E., IHR 2005, 124, 129 f.; Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 144; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 14. 301 Ähnlicher Hinweis von Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 146. 302 Man beachte, dass im autonomen deutschen Recht etwa bei der Abgrenzung des kaufrechtlich zu beurteilenden Werklieferungsvertrags vom reinen Werkvertrag ebenfalls der 297

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Teil 3: Einzelbetrachtung

des so gewonnenen Ergebnisses v. a. mit Blick auf den Schwerpunkt der Parteiinteressen an der kauftypischen oder kauffremden Komponente überprüft werden. Daraus folgt konkret, dass Anlagenlieferverträge (allgemein auch Anlagenerrichtungsverträge oder turn-key-contracts in Ausformung als contrat clé en mains303 oder contrat produits en mains304) nach ihrer jeweiligen Ausgestaltung nicht unter das UN-Kaufrecht fallen, wenn sie neben der Lieferungspflicht (und gegebenenfalls nicht „überwiegenden“ Montagepflicht) z. B. auch Schulungs-, Überwachungs- und Wartungspflichten etc. beinhalten, „welche nicht so sehr ein Austauschverhältnis von Ware gegen Geld, sondern vielmehr ein Geflecht von gegenseitigen Mitwirkungs- und Hilfspflichten darstellen“305. Diese stellen den Regelfall als sog. „echte“ Anlagenlieferverträge dar und galten bei der Konzeption des CISG explizit als Vertragstypus, der gemäß Art. 3 Abs. 2 CISG vom Anwendungsbereich ausgenommen werden sollte.306 Dagegen wird man solche, eher seltenere, Gestaltungen, bei denen die vertraglich zu erbringende Leistung lediglich auf die Lieferung einer Anlage/Maschine gerichtet ist, in der Regel vielmehr den Regelungen des CISG zu unterwerfen haben, weil es sowohl wertmäßig als auch nach dem Parteiinteresse nicht primär um Dienstleistungen geht.307 Das Scheinproblem widersprüchlicher Aussagen in der Literatur mit Blick auf eine grundsätzliche Anwendbarkeit bzw. Nichtanwendbarkeit bei Anlagenlieferverträgen lässt sich schlichtweg damit erklären, dass als „Prototyp“ jeweils die eine oder andere der oben genannten Ausgestaltungen zugrundegelegt wird.308 Unter-

Wert der einzelnen Vertragselemente als maßgebliches Kriterium anerkannt wird, s. nur MüKo/ Busche, § 650 Rn. 7. 303 Leistungspflicht ist die Lieferung einer produktionsfähigen Anlage, so Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 161 (Fn. 522). 304 Leistungspflicht ist über die Lieferung hinaus eine über einen bestimmten Zeitraum quantitativ und qualitativ festgelegte Produktion, so Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 161 (Fn. 522). 305 HandelsG Zürich (Schweiz), 9. 7. 2002, CISG-online Case No. 726 = IHR 2003, 188, 189. 306 Vgl. insb. das Beispiel im Working Group Kommentar, UNCITRALYB Vol. VII (1976), S. 98 Nr. 2 („In such cases, paragraph (1) provides that if the ,preponderant part‘ of the obligation of the seller consists in the supply of labour or other services, such as in a ,turnkey contract‘, the contract is not subject to the provisions of this convention.“). 307 ICC Schiedsspruch, 1. 1. 1992 – Nr. 7153/1992, CISG-online Case No. 35; vgl. insoweit auch die Ausführungen zum sog. Komponentenkauf bei Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 163. 308 Von einem Anlageerrichtungsvertrag i. S. e. „echten Anlagebau[s]“ ausgehend und folglich die grundsätzliche Anwendung des CISG verneinend: Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 18. Die grundsätzliche Unanwendbarkeit gerade ablehnend, etwa Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 27, der gleichwohl darauf hinweist, dass in der Praxis angesichts des hohen Detailgrads der parteiautonomen Regelungen kaum mehr auf die Regelungen des CISG zurückzugreifen sein wird.

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schiedliche Grundaussagen drängen sich als logische Konsequenz auf.309 Lässt man jedoch diese Grundaussagen außen vor und überträgt man die jeweils angestellten Wertungen, so ist weitestgehende Einigkeit dahingehend zu konstatieren, dass das CISG für Anlagenlieferverträge nicht gilt, wenn im Einzelfall wertmäßig die kauffremde Komponente und/oder das entsprechende Parteiinteresse an der ordnungsgemäßen Installation, Inbetriebnahme, gegebenenfalls Schulung, Wartung etc. überwiegt.310 Entsprechende Erwägungen finden sich auch in der Rechtsprechung.311 Was man nun als Grundtypus des Anlagenliefervertrages ansehen möchte, ist m. E. irrelevant und verkompliziert unnötig die Frage nach der Anwendbarkeit der Konvention. Hervorzuheben bleibt schließlich, dass in der Praxis das Vertragswerk beim „Kauf“ großer Industrieanlagen oftmals so detaillierte, parteiautonom konzipierte Klauseln und regelmäßig auch eine Rechtswahl enthalten, dass es auf das dahinter zurücktretende UN-Kaufrecht (Art. 6 CISG) und die Frage nach einem Überwiegen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 CISG gar nicht mehr ankommt.312 Die praktische Relevanz der Frage nach der Eröffnung des Anwendungsbereichs darf man hier als gering bezeichnen. Bei Lieferverträgen liegt der Schwerpunkt in der Regel auf der kaufrechtlichen Komponente, da hier gegebenenfalls bestehende (Neben-)Pflichten zur Montage oder anderen nicht kauftypischen Handlungen üblicherweise wertmäßig hinter die Pflicht zur Lieferung der Kaufsache zurücktreten.313 Diese Bewertung deckt sich mit 309 Insofern aber differenziert Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 142, 145, die auf eine fehlende „international einheitliche Terminologie“ hinweist und angesichts der unterschiedlichen Gestaltungsformen folgerichtig differenzierte Aussagen trifft. 310 CISG AC Opinion No. 4 (Perales Viscasillas), Comment 3.5., IHR 2005, 124, 130 mit entsprechendem Verweis auf die gebotene Einzelfallbetrachtung; Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 145; Achilles, Art. 3 Rn. 9; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 8 („Gleichwohl bedarf es stets einer Einzelfallprüfung.“); Grieser, Die Behandlung von atypischen Verträgen im UN-Kaufrecht, S. 153 f.; Honnold/Flechtner, Rn. 60.3; Honsell/Siehr, Art. 3 Rn. 7; MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 3 Rn. 5 (zum Anlagenbau), Rn. 7 (zur Lieferung schlüsselfertiger Anlagen); MüKo-HGB/Mankowski, Art. 3 Rn. 13; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-38; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 18; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 3 Rn. 21; Staudinger/ Magnus, Art. 3 Rn. 27. 311 Vgl. etwa KantonsG Zug (Schweiz), 14. 12. 2009, CISG-online Case No. 2026, Erw. 2 („Anlagenlieferverträge unterstehen nur dann nicht dem WKR, wenn wertmäßig diejenigen Leistungen deutlich überwiegen, die nicht in Warenlieferungen bestehen, oder wenn das Parteiinteresse an diesen Leistungen deutlich überwiegt.“). 312 Vgl. schon entsprechende Einschätzungen des US-amerikanischen Delegierten in der entsprechenden Working Group, UNCITRAL YB Vol. II (1971), S. 41 Nr. 17 sowie Grieser, Die Behandlung von atypischen Verträgen im UN-Kaufrecht, S. 154 f.; Reithmann/Martiny/ Thode, Internationales Vertragsrecht, Rn. 6.404; MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 3 Rn. 7; Remien, RabelsZ 56 (1992) 300, 310 f.; Schlechtriem, JZ 1988, 1037, 1039 (dort Fn. 24); Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 3 Rn. 21; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 22. 313 Vgl. KantonsG Zug (Schweiz), 14. 12. 2009, CISG-online Case No. 2026, Erw. 2 („Lieferverträge mit Montageverpflichtungen fallen in der Regel in den Anwendungsbereich

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der im BGB (vgl. § 434 Abs. 2 BGB).314 Bei Bauverträgen überwiegt dagegen das werk-/dienstvertragliche Element, wenn nicht schon wertmäßig, dann jedenfalls unter Berücksichtigung der Parteiinteressen.315 Subsumiert man die Konstruktion eines klassischen Mietkaufs (hire-purchase contract), bei dem ein Mietvertrag mit einer Option zur gegebenenfalls späteren Begründung von Eigentum an der (dann ehemaligen Miet-)Sache versehen wird, unter die o. g. Definition eines Kaufvertrages, so wird man die Anwendbarkeit abzulehnen haben.316 Erforderlich ist schließlich u. a., dass eine Verpflichtung zur endgültigen Eigentumsverschaffung gegen Entgelt begründet wird, was bei einer unverbindlichen Optionszusage gerade nicht der Fall ist.317 Tatsächlich maßgeblich sind abermals der Einzelfall und die jeweiligen Parteiinteressen318 und nicht eine vermeintlich griffige Überschrift „Mietkauf“, was eine Erklärung dafür ist, dass sich einige Aussagen in der Lehre dazu unterscheiden, ob vorliegend das CISG grundsätzlich anzuwenden sei oder nicht.319 Geht man nämlich von einer Ausgestaltung des WKR, da die Montage meist nur eine (wertmäßig) untergeordnete Rolle spielt.“); OberG Zug (Schweiz), 19. 12. 2006, CISG-online Case No. 1427/1565, Erw. 2 = IHR 2007, 129, 129; Tribunale d’appello Ticino (Schweiz), 29. 10. 2003, CISG-online Case No. 912, Erw. 1; Corte Suprema di Cassazione (Italien), 6. 6. 2002, http://www.cisg.law.pace.edu/cases/020606i3.html (kauffremde Komponente überwog); LG München 16. 11. 2000 – 12 HKO 3804/00, CISGonline Case No. 667; OLG München, 3. 12. 1999 – 23 U 4446/99, CISG-online Case No. 585, Erw. 1.B. = RIW 2000, 712, 713; OLG Celle, 25. 5. 1995 – 20 U 76/94, CISG-online Case No. 152, Erw. 1; Cour d’appel Grenoble (Frankreich), 26. 4. 1995, http://www.unilex.info/case. cfm?id=109; Gerichtkommission Oberrheintal (St. Gallen, Schweiz), 30. 6. 1995, CISG-online Case No. 425, Erw. II.1.c) = SZIER 1999, 197, 198; HandelsG Zürich, 26. 4. 1995, CISG-online Case No. 248, Erw. II.1.b) = SZIER 1996, 52, 53; I.C.C. International Court of Arbitration, 23. 8. 1994 – 7660/JK, CISG-online Case No. 129; Achilles, Art. 3 Rn. 9; Honsell/Siehr, Art. 3 Rn. 7; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 8; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-38; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 17; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 26; a. A. MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 3 Rn. 7, der im Grundsatz den Schwerpunkt der dienst- oder werkvertraglichen Komponente annimmt, was aber angesichts seiner eigenen Formulierung bei einem „Liefervertrag […] mit Montageverpflichtung als Nebenpflicht“ (Hervorhebung des Verfassers) wenig überzeugt. 314 Vgl. BGH, 15. 4. 2004 – VII ZR 291/03, NJW-RR 2004, 1205, 1205 f. (zu § 433 a. F.); BGH, 22. 12. 2005 – VII ZR 183/04, NJW 2006, 904, 905 (geringfügige Anpassung der Kaufsache); Grüneberg/Weidenkaff, Einf v § 433 Rn. 19. 315 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 8; Honsell/Siehr, Art. 3 Rn. 7; MüKo/ H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 3 Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 28. 316 Vgl. Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 146; MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 1 Rn. 6; MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Ferrari, Art. 1 Rn. 27. 317 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 27. 318 Herber/Czerwenka, Internationales Kaufrecht, Art. 1 Rn. 4; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 152 f.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-40. 319 Grundsätzlich eher gegen eine Anwendung: Achilles, Art. 1 Rn. 3; Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 146; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 4; Herber/ Czerwenka, Art. 1 Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 27; v. Westphalen, RIW 1992, 257, 258; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 3 Rn. 7. Grundsätzlich für eine

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aus, bei der die Mietzahlungen bereits „[…] eine aufgeschobene und ratenweise [erfolgende] Entrichtung des Kaufpreises während der Laufzeit des Vertrages“320 darstellen, so liegt faktisch mehr als nur eine unverbindliche Kaufoption vor und die Parteiinteressen, insbesondere des Verkäufers, sprechen deutlich für das Überwiegen eines kaufrechtlichen Elements.321 Auf den zweiten Blick unterscheiden sich die Ansichten also nicht hinsichtlich ihrer Kriterien, sondern der zugrundegelegten Ausgangssituation. Hinsichtlich der Behandlung von Mietkäufen ist mithin im Ergebnis durchaus ein hinreichendes Maß an Einigkeit zu verzeichnen. Unstimmigkeiten sind vielmehr auf eine zu pauschale Verwendung des Begriffs „Mietkauf“ zurückzuführen. Auch bei Leasingverträgen ist es angesichts der unterschiedlichen Ausgestaltungsvarianten (operating leasing, Finanzierungsleasing, mit oder ohne Kaufoption u. s. w.) schwer und nur bedingt hilfreich zu verallgemeinern. Nach der überwiegenden Auffassung wird jedenfalls angenommen, dass beim Leasing die Gebrauchsüberlassung als kauffremdes Element im Vordergrund steht und die Anwendung des CISG ausscheidet.322 Der jeweilige Einzelfall ist dann anhand der herausgearbeiteten Kriterien zu beurteilen, so dass es durchaus zu einer – tendenziell seltenen323 – Anwendung des CISG kommen könnte, wenn bereits bei Vertragsschluss der Schwerpunkt auf dem Eigentumserwerb liegt.324 Der Vorwurf, dass die Antwort auf die Frage nach der Anwendbarkeit des CISG in einigen Grenzfällen wenig berechenbar sei, hat hier seine Berechtigung. So stellt sich insbesondere die Frage, ob man etwa ein kaufrechtliches Schwergewicht bei einem Finanzierungs-

Anwendung: Fogt, IPRax 2003, 364, 368 f.; Grieser, Die Behandlung von atypischen Kaufverträgen im UN-Kaufrecht, S. 124; Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 6. Differenziert: Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 13; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 33. 320 Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 6. 321 Vgl. die in Teil 3 Fn. 319 aufgeführten Quellen zur grundsätzlichen Anwendbarkeit der Konvention sowie insb. MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 1 Rn. 6; Schlechtriem/ Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 64; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 13. 322 Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 146; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 4; Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 7; MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 12; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 17; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-40; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Ferrari, Art. 1 Rn. 28; Staudiner/Magnus, Art. 1 Rn. 34 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 13; v. Westphalen, RIW 1992, 257, 258; Witz/Salger/ Lorenz/Lorenz, Art. 3 Rn. 7. 323 Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 35 spricht von einer Vertragsgestaltung die „[…] atypischerweise den Kauf in den Mittelpunkt stellt […]“; ebenso Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 153 f. 324 Achilles, Art. 1 Rn. 3; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 4; MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 1 Rn. 6 a. E.; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 64; zurückhaltender Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 28.

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leasing mit Kaufoption annehmen kann.325 Dies könnte jedenfalls dann angenommen werden, wenn die Parteiinteressen (ähnlich wie bei der Argumentation zum Mietkauf) schon bei Abschluss des Finanzierungsleasings faktisch auf einen Kauf gerichtet sind. Andererseits wurden national und international Regelungen entwickelt, die wenige Schnittmengen mit dem Kaufrecht haben.326 So existiert zum Finanzierungsleasing auch eine gesonderte UNIDROIT Konvention (Convention on International Financial Leasing)327.328 In der Praxis wird diese Unberechenbarkeit wiederum bedeutend eingeschränkt, da solche Vertragsgestaltungen in aller Regel so detailliert sind, dass das CISG ohnehin weitestgehend zurücktritt (Art. 6 CISG). Dass aber bei einem sog. sale-and-lease-back-Geschäft jedenfalls der vor dem „Rückleasing“ erfolgende Kaufvertrag zwischen künftigem Leasingnehmer und Leasinggeber ohne anderweitige Rechtswahl unter die Konvention fällt, wirft keine weiteren Probleme auf.329 Tritt nach Art. 3 CISG eine Erweiterung der Anwendbarkeit des CISG über „reine“ Kaufverträge hinaus ein, ist dieses in der Rechtsfolge grundsätzlich auf den ganzen Vertrag einheitlich anzuwenden.330 Dies wirft mit Blick auf die Vertragsschlussregeln keine nennenswerten Probleme auf. Anders ist dies jedoch hinsichtlich der Frage zu bewerten, ob bei einer (ausnahmsweise) möglichen gespaltenen Beurteilung des einheitlichen Vertrages, etwa weil der Wortlaut der kaufrechtlichen Vorschriften gänzlich unpassend ist, vor Rückgriff z. B. auf nationales Arbeitsrecht nicht erst eine Anpassung der entsprechenden CISG-Norm (z. B. Art. 73 CISG für eine Kündigung) gescheitert sein muss.331 Praktisch relevant wird dies wohl nur im

325 So Grieser, Die Behandlung von atypischen Kaufverträgen im UN-Kaufrecht, S. 98 f.; vgl. auch Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 4 („ausnahmsweise“). 326 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 34 sowie MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 17. 327 Abrufbar unter http://www.unidroit.org/fr/leasing-ol-2/leasing-anglais; abgedruckt in RabelsZ 51 (1987) 725 ff. 328 Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 35; MüKo-HGB-Benicke, Art. 1 Rn. 11; Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 7. 329 MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 3 Rn. 6; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 36; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 29. 330 Vgl. Tribunale di Padova (Italien), 10. 1. 2006, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/06011 0i3.html; Tribunale d’appello Lugano (Schweiz), 29. 10. 2003, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/031029s1.html; Erw. 1; LG Mainz, 26. 11. 1998 – 12 HKO 70/97, CISG-online Case No. 563, Erw. A)I.; OLG München, 3. 12. 1999 – 23 U 4446/99, CISG-online Case No. 585, Erw. 1.b); Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 7; Honnold/Flechtner, Rn. 60.1; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 11, 29. 331 Dafür, nicht im CISG geregelte Einzelprobleme des Vertrages direkt nach nationalem Recht, z. B. Arbeitsrecht, zu lösen: Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 146; Honsell/ Siehr, Art. 3 Rn. 1 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 3 Rn. 16. Für den vorrangigen Anpassungsversuch der CISG-Vorschriften und die nur subsidiäre Rückgriffsmöglichkeit auf nationales Recht: Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 11, 29; ebenso: Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 7; wohl auch Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 67.

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Ausnahmefall, da solche offensichtlich kauffremden Elemente in aller Regel bei der Vertragsgestaltung berücksichtigt werden.332 Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass Rechtsprechung und Literatur durchaus sachgerechte Richtlinien zur Behandlung der dargestellten Grenzfälle aufgestellt haben. Einige Restschwierigkeiten können aber nicht hinwegdiskutiert werden. Der sehr zu begrüßende Ansatz, dass sich die Konvention ausdrücklich mit der Einordnung gemischter Verträge beschäftigt, verliert teils an Wirkung, da die wertungsoffenen Formulierungen Bewertungsspielräume schaffen. Daraus auf eine nicht hinnehmbare Rechtsunsicherheit zu schließen, erscheint m. E. aber übertrieben, zumal absolute Rechtssicherheit nicht den Beurteilungsmaßstab für eine moderne Rechtsordnung darstellt.333 Zieht man die in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur näheren Abgrenzung konsequent heran, ist die Einordnung der Grenzfälle wesentlich berechenbarer, als dies der schlichte Wortlaut vermuten lässt. Dass dieser durchaus an Kontur gewonnen hat, wurde oben aufgezeigt. Dabei ist die Zahl der diesbezüglichen Gerichtsurteile, wie gezeigt, beträchtlich. Des Weiteren darf man sich nicht der Erkenntnis verschließen, dass die Komplexität der Bestimmung gemischter Verträge in der Natur der Sache liegt, womit gezwungener Maßen ein nicht zu vermeidendes Maß an Unberechenbarkeit einhergeht – nicht nur im Bereich des CISG, sondern gerade auch nach autonomem Recht. Dieses also gerade dem CISG anzulasten, geht fehl. Zur zunehmenden Komplexität der Vertragsgestaltung verhält sich die Möglichkeit der rechtssicheren Beurteilung der anzuwendenden Normen antiproportional. Eine pauschale Einschätzung der mannigfaltigsten Kombinationen hat mithin ihre natürlichen Grenzen. Die Abgrenzungsschwierigkeiten und das Bedürfnis der Einzelfallbetrachtung beruhen auf der Tatsache, dass es sich um Geschäfte handelt, die parteiautonom mittels entsprechender Ausgestaltung beliebig im Spektrum zwischen Kaufvertrag und kauffremden Vertrag schwanken können. Zieht man vergleichend das BGB heran, so fehlt dort eine mit Art. 3 Abs. 2 CISG vergleichbare Norm ganz, was den Rechtsanwender also im Ausgang sogar noch orientierungsloser dastehen lassen kann.334 Sowohl die sog. Absorptionstheorie,335 332

Vgl. Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 148. S. dazu die allgemeinen Erwägungen zur Orientierungssicherheit unter § 3 C.I.1. 334 So stellen etwa Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, § 57 Rn. 1 bzgl. der Einteilung gemischter Verträge fest: „Über diese im BGB ganz ungeregelte Frage besteht in der Literatur naheliegenderweise keine Einigkeit.“ Vgl. auch Staudinger/Feldmann, § 311 Rn. 37, der bzgl. des internen deutschen Rechts darauf hinweist, dass sich auf die „entscheidende“ Frage nach dem auf die jeweiligen gemischten Verträge anwendbaren Normen „wegen der Vielgestaltigkeit der geregelten Lebenssachverhalte keine allgemeingültige Antwort geben“ lässt. „Besondere Rücksicht verdienen bei der Entscheidung stets die von den Parteien gestaltete jeweilige Interessenlage und die besonderen Umstände des Einzelfalles.“ 335 Lotmar, Der Arbeitsvertrag, S. 215 ff. 333

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nach der die Natur des gemischten Vertrages schlicht aus der Natur der Hauptleistung folge und ausschließlich die diesbezüglichen Regelungen gelten, als auch die sog. Kombinationstheorie,336 nach der jedes einzelne Vertragselement nach den jeweiligen Vorschriften zum entsprechenden Vertragstyp beurteilt werden soll, werden mittlerweile aufgrund ihrer teils unvertretbaren Ergebnisse zu Recht als überholt betrachtet.337 Die h. M. betont unter Verweis auf die „Vielgestaltigkeit der geregelten Lebenssachverhalte“338, dass die Lösung stets am Einzelfall zu entwickeln sei und kombiniert bzw. passt dabei die soeben genannten Ansätze entsprechend an, ohne nach starren Mustern zu verfahren. Lediglich als Ausgangspunkt ist hier die schwerpunktmäßige Vertragspflicht zur Bestimmung der anzuwendenden Normen maßgeblich339 was letztlich der Herangehensweise in Art. 3 CISG sehr ähnelt. Dass die Bestimmung „des Schwerpunkt[es] des Rechtsgeschäfts“340 dabei einiges an Wertungsoffenheit lässt, bedarf keiner weiteren Erwähnung. Diese nur oberflächliche Erläuterung der Verfahrensweise im autonomen deutschen Recht verdeutlicht nochmals, dass die oben genannten Abgrenzungsschwierigkeiten keineswegs nur bei Anwendung des CISG bestehen. Die Lösung der daraus entstehenden Probleme ist auch im autonomen Recht komplex und einzelfallabhängig. Sofern man also, teilweise durchaus berechtigt, auf Rechtsunsicherheit angesichts der wertungsoffenen Begriffe hinweist, so muss dies im Ergebnis gerade auch für das autonome deutsche Recht gelten. Die Reaktion auf die Tatsache, dass die eindeutige Einordnung gemischter Verträge unweigerlich seine Grenzen hat, sollte auf Grundlage der vorstehenden Ausführungen nicht die pauschale Abwahl des CISG sein, sondern die Aufnahme einer klarstellenden, vertraglichen Vereinbarung oder auch einer ausdrücklichen (materiellen) Rechtswahlklausel zugunsten des CISG.341 Letztere ist auch in Fällen zulässig, in denen die Anwendungsvoraussetzungen des CISG nicht vorliegen.342 336 G. Rümelin, Dienstvertrag und Werkvertrag, S. 313, 320 f.; Hoeninger, Die gemischten Verträge in ihren Grundformen, S. 387. 337 Zum ganzen etwa MüKo/Emmerich, § 311 Rn. 23; Grüneberg/Grüneberg, Überbl v § 311 Rn. 24 ff.; Staudinger/Feldmann, § 311 Rn. 37 ff., insb. Rn. 39 ff. 338 Staudinger/Feldmann, § 311 Rn. 37. 339 Vgl. in der Rspr. nur: BGH, 8. 10. 2009 – III ZR 93/09, NJW 2010, 150, 151; BGH, 12. 3. 2009 – III ZR 142/08, NJW 2009, 1738, 1739; BGH, 13. 9. 2007 – I ZR 207/04, NJW 2008, 1072, 1073; BGH, 13. 10. 2006 – V ZR 289/05, NJW 2007, 213, 214. Vgl. in der Literatur: Esser/Schmidt, Schuldrecht I/I, § 12 II, S. 217; Grüneberg/Grüneberg, Überbl v § 311 Rn. 25; auch schon Enneccerus/Lehmann (1958), § 100 B., S. 395 ff. („Das Problem lässt sich überhaupt nicht durch Aufstellung abstrakter Regeln lösen; mehr als Richtlinien zur Behandlung der typischen Mischungen kann die Theorie nicht geben.“). 340 BGH, 8. 10. 2009 – III ZR 93/09, NJW 2010, 150, 151. 341 Zu dieser Empfehlung vgl. Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 3 Rn. 1, MüKo/ H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 3 Rn. 1; Staudinger/Magnus, Art. 3 Rn. 5, 12; Witz/ Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 3 Rn. 9 (mit Formulierungsvorschlag); Fogt, IPRax 2003, 264, 269. 342 S. dazu nur Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 6 Rn. 7; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 6 Rn. 39 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 6 Rn. 62.

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4. Sonstige vom Anwendungsbereich ausgeschlossene Verträge und Materien a) Ausdrücklich (insbesondere Verbrauchsgüterkauf) Art. 2 CISG nennt ausdrücklich einige Bereichsausnahmen. Bezugspunkte für den Ausschluss sind hier der Verwendungszweck der Ware (lit. a), das Zustandekommen der Veräußerung (lit. b und lit. c) sowie bestimmte Güter (lit. d – lit. f).343 Genauer untersucht werden soll an dieser Stelle, inwiefern gerade die Regelung in Art. 2 lit. a CISG, wonach der „Kauf von Ware für den persönlichen Gebrauch oder den Gebrauch in der Familie oder im Haushalt“ vom Anwendungsbereich ausgeschlossen ist, „es sei denn, daß der Verkäufer vor oder bei Vertragsabschluß weder wusste noch wissen musste, daß die Ware für einen solchen Gebrauch gekauft wurde […],“ die Rechtssicherheit beeinträchtigt.344 Der Wortlaut wirft nämlich die Frage auf, wie die Bestimmung des „persönlichen Gebrauch[s] oder [des] Gebrauch[s] in der Familie oder im Haushalt“ erfolgt und wann anzunehmen ist, dass der Verkäufer vom entsprechenden Verwendungszweck wusste oder davon hätte wissen müssen. Regelungszweck der Vorschrift ist es, die Anwendung des CISG dort auszuschließen, wo nationales (harmonisiertes oder autonomes) Verbraucherschutzrecht gilt.345 aa) Die Bestimmung eines Konsumentenkaufes gemäß Art. 2 lit. a CISG Maßgeblich ist der vom Käufer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorgesehene Verwendungszweck der Ware, wobei ein später davon abweichender Gebrauch nicht zuletzt aus Gründen der Rechtssicherheit irrelevant ist.346 Ist dieser 343 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 2 ff.; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Spohnheimer, Art. 2 Rn. 6 ff.; MüKo/Huber, Art. 2 Rn. 1; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 2 Rn. 2 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 5; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 6 ff. 344 Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 8 weist darauf hin, dass die aus den Haager Kaufrechten übernommenen Ausnahmen in Art. 2 lit.c – f CISG (Art. 5 EKG) „in der Rechtsprechung zu keinerlei Schwierigkeiten geführt“ haben. 345 Vgl. Secretariat Commentary, U.N. Doc. A/CONF.97/5, Art. 2 Anm. 3, O.R. S. 16; Achilles, Art. 2 Rn. 1, 4; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 2; U. Huber, RabelsZ 43 (1979) 413, 421; Honnold/Flechtner, Rn. 50; MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 2 Rn. 3; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 2 Rn. 2; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 10. 346 BGH, 31. 10. 2001 – VIII ZR 60/01, NJW 2002, 370, 372 (zum Zeitpunkt); OGH (Österreich) 11. 2. 1997, CISG-online Case No. 298 = IHR-TranspR 1999, 52 („Dabei […] kommt [es] auf den beabsichtigten, nicht auf den tatsächlichen Gebrauch an.“); Tribunal Cantonal Jura (Schweiz) 3. 11. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/041103s1.html, Erw. 4.1; Achilles, Art. 2 Rn. 2; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 3; Honnold/Flechtner, Rn. 50; Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 13; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Spohnheimer, Art. 2 Rn. 11

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Zweck auf die Verwendung im persönlich-privaten Bereich gerichtet, so liegt in Abgrenzung zur Verwendung in der beruflich-geschäftlichen Sphäre der geforderte „persönliche Gebrauch“ vor.347 Als Beispiele werden etwa der Kauf eines Autos zum privaten Gebrauch,348 Möbel oder sonstige Gegenstände für den eigenen Haushalt, eine Sammlung, ein Hobby oder zum privaten Weiterverschenken genannt.349 Die beabsichtigte Verwendung im beruflich-geschäftlichen Bereich setzt nicht zwingend ein Gewerbe voraus und kann somit auch Freiberufler betreffen.350 Ebenso wenig kommt es auf die Kaufmannseigenschaft an, wie schon Art. 1 Abs. 3 CISG klarstellt.351 Allein die persönliche Nutzung der Ware (z. B. Arbeitsbekleidung, die von dem Käufer selbst getragen wird) reicht nicht für einen Ausschluss.352 Beispielhaft muss aber etwa persönlich zu tragende (Arbeits-)Bekleidung gerade auch zur tatsächlichen Verwendung in Erfüllung beruflicher Zwecke, also als Arbeitsmittel gekauft werden, um nicht unter den „persönlichen Gebrauch“ zu fallen.353 Vom (ausdrücklich auf das Rechtssicherheitsargument hinweisend); MüKo/Huber, Art. 2 Rn. 5; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 2 Rn. 12; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-65; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 2 Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 8; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 11, 26. 347 Vgl. LG Bamberg, 13. 4. 2005 – 2 O 340/00, CISG-online Case No. 1402, Erw. II.1.c) (Kauf von Möbeln für eigene Kanzleiräume stellt keinen persönlichen Gebrauch dar); Tribunal Cantonal Jura (Schweiz) 3. 11. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/041103s1.html, Erw. 4.1.; OGH (Österreich), 11. 2. 1997, CISG-online Case No. 298; KantonsG Nidwalden (Schweiz), 5. 6. 1996, CISG-online Case No. 332, Erw. 1.; Rechtbank Arnhem (Niederlande), 27. 5. 1993, http://www.unilex.info/case.cfm?id=72; Achilles, Art. 2 Rn. 2; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 3 („zur persönlichen Lebenshaltung bestimmt“); Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 12; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 2 Rn. 3 ff.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-60; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 12 f.; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 2 Rn. 3. 348 OGH (Österreich), 11. 2. 1997, CISG-online Case No. 298; KantonsG Nidwalden (Schweiz), 5. 6. 1996, CISG-online Case No. 332, Erw. 1. 349 Vgl. MüKo-HGB/Mankowski, Art. 2 Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 14; Witz/ Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 2 Rn. 3. 350 LG Bamberg, 13. 4. 2005 – 2 O 340/00, CISG-online Case No. 1402, Erw. II.1.c) (Kauf von Kanzleieinrichtung durch einen Rechtsanwalt); MüKo/Huber, Art. 2 Rn. 4; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-60; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 15. 351 Vgl. auch BGH, 31. 10. 2001 – VIII ZR 60/01, http://www.cisg.law.pace.edu/cisg/text/ 011031g1german.html, Erw. III.4. 352 Achilles, Art. 2 Rn. 2; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 4; MüKo-HGB/ Mankowski, Art. 2 Rn. 10; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 12, 15; vgl. auch Secretariat Commentary, U.N. Doc. A/CONF.97/5, Art. 2 Anm. 3, O.R. S. 16, Art. 2 Anm. 2 (Kauf von Seife, die für die Nutzung durch Angestellte im Unternehmen vorgesehen ist, wird nicht ausgeschlossen). 353 Der Kauf von Schuhen zur gewerblichen Weiterveräußerung fällt daher unter das CISG bei LG München II, 20. 2. 2002 – 10 O5423/01, CISG-online Case No. 712, Erw. I.1. Weitere Beispiele für einen beruflich-geschäftlichen, d. h. nicht nach Art. 2 lit. a CISG auszuschließenden Gebrauch etwa bei Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 9 m. w. N.: Kauf zum freiberuflichen oder landwirtschaftlichen Gebrauch; Kauf eines Konversationslexikons durch Schriftsteller, Kauf von Wetterkleidung durch einen Lotsen, Kauf einer Kamera

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Wortlaut „Gebrauch“ wird nach einhelliger Meinung auch der Verbrauch umfasst.354 Ein zum Ausschluss führendes Verbrauchergeschäft im Sinne der Norm liegt zudem nach h. M. nur dann vor, wenn der Gebrauchszweck ausschließlich einen „persönlichen“ darstellt,355 wie sich aus der Verwerfung des Vorschlags von Norwegen schließen lässt, wonach schon die vorwiegende Nutzung im persönlich-privaten Bereich zum Ausschluss des CISG führen sollte.356 Nach allgemeiner Auffassung werden juristische Personen vom Verbraucherbegriff im CISG per se nicht erfasst.357 Hinsichtlich seiner Auswirkungen dem persönlichen Gebrauch gleichgestellt wird in Art. 2 lit. a CISG die bezweckte Verwendung in der Familie oder dem Haushalt. Dabei ist nicht streng auf Verwandte oder Verschwägerte abzustellen, sondern bei weiter Auslegung358 auf alle Angehörigen eines sich durch privates Zusammenleben auszeichnenden Haushaltes.359 So wird verhindert, dass die international teilweise sehr unterschiedliche rechtliche Behandlung des Instituts „Ehe“ oder auch die Beurteilung, wann rechtlich von Verwandtschaft zu sprechen ist, zu

durch einen Berufsphotographen oder Kauf einer Schreibmaschine für den eigenen Gebrauch als Rechtsanwalt. Vgl. auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-62. 354 Vgl. Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 3; MüKo/Huber, Art. 2 Rn. 6; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 12. 355 Korkein oikeus (Oberstes Gericht Finnland), 14. 10. 2005, CISG-online Case No. 1882; Achilles, Art. 2 Rn. 2 („aus Gründen der Rechtssicherheit“); Ferrari/Saenger, Int. VertragR, Art. 2 Rn. 3; Honsell/Siehr, Art. 2, Rn. 13; MüKo/Huber, Art. 2 Rn. 7; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 2 Rn. 11; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-61; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 12; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 17; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 2 Rn. 4. Kritisch Meyer, in: FS-Hay, S. 297, 319; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Spohnheimer, Art. 2 Rn. 15 schlagen vor, von dem Erfordernis des ausschließlich persönlichen Gebrauchszwecks Ausnahmen zuzulassen, wenn damit eine Kollision mit Verbraucherschutzrecht vermieden wird, und begründen dies mit höherer Rechtssicherheit. Allerdings müssten sich die Normadressaten und -anwender dann mit jeglichen in Frage kommenden Verbraucherschutzvorschriften auseinandersetzen und deren Anwendbarkeit in „dual-use“Fällen prüfen und daraus auf die Anwendbarkeit des CISG schließen, sofern keine Kollision mit Verbraucherschutznormen droht. Ob dies mit vergleichsweise höherer Rechtssicherheit einhergeht, mag bezweifelt werden. 356 UNICITRAL YB Vol. II (1971), http://www.uncitral.org/pdf/english/yearbooks/yb-1 971-e/yb_1971_e.pdf, S. 45, Nr. 51; mit diesem Hinweis auch Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 12. Dieser Tatsache läuft gerade die Ansicht von Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Spohnheimer, Art. 2 Rn. 15 zuwider. 357 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 3; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 2 Rn. 3; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-60; wohl auch Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 12; Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Spohnheimer, Art. 2 Rn. 12; vgl. auch MüKo/Micklitz, § 13 Rn. 49. 358 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 3; MüKo/Huber, Art. 2 Rn. 10; Witz/Salger/ Lorenz/Lorenz, Art. 2 Rn. 4. 359 In diesem Sinne zur Begrifflichkeit „Familie oder im Haushalt“: Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Spohnheimer, Art. 2 Rn. 14; MüKo/Huber, Art. 2 Rn. 10; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-60; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 2 Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 13; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 16.

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Überraschungen führt.360 Da man den Kauf von Ware für die Verwendung in der eigenen Familie bzw. im eigenen Haushalt zweifelsohne als eine im persönlichprivaten Bereich erfolgende einordnen kann, überzeugt die Annahme, hierin letztlich einen Beispielsfall für den „persönlichen Gebrauch“ zu sehen.361 Eine Bereichsausnahme aber allein an dem inneren Käuferwillen festzumachen, würde vor allem für den Verkäufer ein unvertretbares Maß an Rechtsunsicherheit bezüglich der Anwendbarkeit der Konvention bedeuten.362 Dem wird durch das Abstellen auf tatsächliches Wissen des Verkäufers bzw. die Erkennbarkeit des subjektiv gesetzten Verwendungszwecks entgegengewirkt.363 Wissen im Sinne der Norm liegt bei positiver Kenntnis spätestens bei Vertragsschluss vor. Kennt der Verkäufer also den persönlichen Gebrauchszweck, kommt das CISG nicht zur Anwendung, auch wenn er theoretisch nicht davon wissen müsste.364 Ferner stellt sich die Frage, wann der Verkäufer von dem persönlichen Gebrauchszweck auch nicht wissen musste. Eine Nachforschungspflicht trifft ihn grundsätzlich nicht.365 Es ist nach überwiegender Ansicht aus objektiver Perspektive eines verständigen Dritten in der Lage des Verkäufers zu beurteilen,366 ob dessen Unkenntnis auf jeder, d. h. auch leichter Fahrlässigkeit beruht.367 Dieser verobjektivierte Maßstab erhöht die Vergleichbarkeit und v. a. Übertragbarkeit der dazu entwickelten Kriterien und mithin auch die Orientierungssicherheit. Indizien zur Beurteilung, ob ein persönlicher Gebrauch erkennbar war oder nicht, sind etwa die Umstände, unter denen der Vertragsschluss erfolgte (etwa in Geschäftsräumen)

360 MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 2 Rn. 5 weist beispielsweise auf Rechtsordnungen hin, die Polygamie anerkennen bzw. gerade nicht anerkennen. 361 So Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 152; Ferrari, 25 Int’l Rev. L. & Econ. (2005) 314, 323. 362 Ähnlich Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-64; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 2 Rn. 13 („Zum Schutz des Verkäufers“). 363 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 11 („[…] wegen der Unkontrollierbarkeit der inneren Willensrichtung des Käufers“). 364 Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Spohnheimer, Art. 2 Rn. 17. 365 So ausdrücklich der Leitsatz bei OLG Hamm, 2. 4. 2009 – 28 U 107/08, IHR 2010, 59, 59 und 62. Ferner Achilles, Art. 2 Rn. 3; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 5; MüKo/ Huber, Art. 2 Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 20; Staudinger/ Magnus, Art. 2 Rn. 25. 366 Honnold/Flechtner, Rn. 50; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Spohnheimer, Art. 2 Rn. 17; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-64; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 2 Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 2 Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 25, 22. 367 Achilles, Art. 2 Rn. 3; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 5; MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 2 Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 20; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 22; a. A., die mindestens grobe Fahrlässigkeit fordert: Herber/Czerwenka, Art. 2 Rn. 6; MüKo/Huber, Art. 2 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/ Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 2 Rn. 11; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 2 Rn. 5.

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sowie dabei gemachte Äußerungen,368 der übliche Gebrauch369 der Ware zu beruflichen Zwecken370 und insbesondere bei „neutralen“371 Gütern, die Menge372 sowie die Person des Käufers und dessen Auftreten (Briefkopf, Anschrift, gegebenenfalls Gesellschaftsform)373.374 Die teils vorgebrachte Forderung nach grob fahrlässiger Unkenntnis375 überzeugt aus drei Gründen nicht. Erstens widerspricht sie dem Wortlaut („nicht in Unkenntnis sein konnte“,376 vgl. Art. 35 Abs. 3, Art. 40, Art. 42 lit. a CISG).377 Zweitens würde somit der Regelungszweck der Norm, weitestgehend eine Kollision mit einzelstaatlichen Verbraucherschutzvorschriften zu vermeiden, untergraben, wenn zu strenge Anforderungen an die Erkennbarkeit bzw. das Kennenmüssen gestellt würden.378 Wird ein Kennenmüssen des persönlichen Gebrauchszwecks bereits bei jeder Art von fahrlässiger Unkenntnis bejaht, so greift der Ausschluss nach Art. 2 lit. a CISG in einer größeren Zahl der Fälle und der ursprüngliche Regelungszweck 368 Vom OLG Hamm, 2. 4. 2009 – 28 U 107/08, IHR 2010, 59, 61 wurde etwa die Äußerung des Käufers, dieser suche „für gute Kunden gute Autos“ als Indiz für den Verkäufer aufgeführt, dass kein persönlicher Verwendungszweck vorlag und die Erkennbarkeit des (ohnehin strittigen) Konsumentenkaufes abgelehnt. 369 Rechtbank Haarlem (Niederlande), 15. 12. 2005, CISG-online Case No. 1696 (Privater Gebrauchsweck bei Kauf eines Motorrads durch natürliche Person). 370 Beispiele bei Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 24: Typische Büromöbel, Lkw, größere Maschinen, Anlagen. 371 Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 23, z. B. Computer, Schreibmaschine, Handwerksgeräte, Pkw, bei denen es schon schwer fällt, eine schlechthin typische private bzw. berufliche Verwendung zuzuordnen. 372 OGH (Österreich), 10. 9. 2003, http://www.cisg.at/OGH%2010.09.2003%20-%207%2 0Ob%20189%2003z.pdf (Kauf von geringer Menge Weihnachtsschmuck). 373 OLG Stuttgart, 31. 3. 2008 – 6 U 220/07, CISG-online Case No. 1658, Rz. 31 = IHR 2008, 102, 104. 374 Vgl. KantonsG Jura (Schweiz), 3. 11. 2004, CISG-online Case No. 965, Erw. 4.1: „Si, au moment de la conclusion du contract, le vendeur n’a aucune raison de penser que la marchandise est acquise pour un usage personnel, familial ou domestique, notamment lorsque la quantité de biens, l’adresse de livraison ou toute autre circonstance de la transaction ne sont pas usuelles pour unevente à consummation, l’acquisition demeure soumise à la Convention.“ I. d. S. auch Achilles, Art. 2 Rn. 3; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 5; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-64 (mit weiteren Beispielen); MüKo/Huber, Art. 2 Rn. 13; MüKo-HGB/ Mankowski, Art. 2 Rn. 14; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 2 Rn. 9; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 17 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 22 ff.; zur Erkennbarkeit im elektronischen Warenhandel Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 15 Rn. 52 ff. 375 So MüKo/Huber, Art. 2 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 2 Rn. 11; Herber/Czerwenka, Art. 2 Rn. 6; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 2 Rn. 5. 376 Im englischen Wortlaut: Art. 2 lit. a CISG „ought to have known“ – Art. 35 Abs. 3 CISG: „could not have been unaware“. 377 Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 22; Wortlautargument auch bei MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 2 Rn. 6. 378 Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 22.

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wird effektiver verwirklicht. Drittens gestaltet sich die Anwendung der Ausschlussvorschrift einfacher, wenn nicht zwischen grober oder leicht fahrlässiger Missachtung zu differenzieren ist, was wiederum der Rechtssicherheit zuträglich ist.379 bb) Kollision zwischen CISG und nationalem Verbraucherschutzrecht Die Regelung in Art. 2 lit. a CISG soll zwar verdeutlichen, dass das Wiener Kaufrecht grundsätzlich nur für Handelsgeschäfte gelten soll, was man auch für den absoluten Großteil der Fälle annehmen kann.380 Hatte der Verkäufer allerdings keine positive Kenntnis und musste er den persönlichen Gebrauchszweck auch nicht kennen, sind Kollisionen mit nationalem Verbraucherschutzrecht denkbar. Der ursprüngliche Regelungszweck der Norm lässt sich mithin nicht vollständig umsetzen. Konkret geht es um Konstellationen, in denen sich die Kriterien eines Konsumentenkaufs im Sinne des CISG und die des möglicherweise anwendbaren nationalen Rechts nicht decken.381 Im Folgenden sollen solche Konstellationen dargestellt werden, um im Anschluss (sogleich unter cc)) zu untersuchen, wie tatbestandliche Überschneidungen zwischen CISG und autonomen/harmonisierten Verbraucherschutzvorschriften aufzulösen sind und welche Implikationen sich daraus für die Abwahl des CISG aufgrund von vermeintlicher Rechtsunsicherheit ergeben. Während das CISG neben dem Vorliegen eines persönlich-privaten Verwendungszweckes kumulativ auf diesbezügliche Kenntnis bzw. Erkennbarkeit für den Verkäufer abstellt, ist die Kenntnis für den Verbraucherbegriff der europäischen Richtlinien, in Deutschland in § 13 BGB umgesetzt, unerheblich.382

379

a. E.).

So auch i. E. Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Spohnheimer, Art. 2 Rn. 18 (Fn. 42

380 Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Spohnheimer, Art. 2 Rn. 7; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-59; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 2 Rn. 4 („Yes, the exclusion of goods bought for personal use limits the sphere of the Convention de facto to commercial sales.“); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 14. 381 Mit diesem Hinweis das Urteil von BGH, 31. 10. 2001 – VIII ZR 60/01, CISG-online Case No. 617, Erw. III.4. = IHR 2002, 14, 16, auf das auch Schwenzer/Schlechtriem/Ferrari, Art. 2 Rn. 7 und 24 hinweisen; vgl. ferner MüKo/Huber, Art. 2 Rn. 3; Piltz, Internationles Kaufrecht, Rn. 2-66; Staudinger/Fritzsche, § 13 Rn. 12. Vgl. auch zu diesem Problemkreis Meyer, in: FS-Hay, S. 297, 304 ff.; Wartenberg, CISG und deutsches Verbraucherschutzrecht, S. 22 ff. 382 Vgl. Meyer, in: FS-Hay, S. 297, 315 auch mit dem gleichlautenden Hinweis auf die Unerheblichkeit der Erkennbarkeit des privaten Zwecks für den Verbraucherbegriff in den entsprechenden europäischen Richtlinien, der EuGVO und des EVÜ; MüKo/S. Lorenz, § 474 Rn. 30; Staudinger/Fritzsche, § 13 Rn. 12; Erman/Saenger, § 13 Rn. 19. Vgl. auch BGH, 24. 2. 2005 – III ZB 36/04; NJW 2005, 1273, 1274; nach dem für die Verbrauchereigenschaft i. S. v. § 13 BGB „die objektiv zu bestimmende Zweckrichtung des Verhaltens entscheidend“ ist; Denkinger, Der Verbraucherbegriff, S. 471 f.

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Die Verbrauchereigenschaft im Sinne von § 13 BGB ist nach herrschender, aber umstrittener383 Ansicht nicht zwingend ausgeschlossen, wenn die Nutzung auch zur beruflichen Tätigkeit erfolgen soll (sog. „dual-use“), sofern der private Nutzungszweck überwiegt.384 Mittlerweile, seit dem 13. 6. 2014, findet sich dieses Tatbestandsmerkmal auch in dem modifizierten Wortlaut von § 13 BGB wieder.385 Während Art. 2 lit. a CISG nur bei ausschließlich persönlich-privatem Gebrauchszweck einschlägig ist,386 eröffnet die Begriffsbestimmung im harmonisierten deutschen Recht zusätzlich Spielraum für Wertungen und Ungewissheit mit Blick auf ein „Überwiegen“. Manche nationalen Verbraucherschutzregelungen greifen gar schon dann, wenn mit dem Geschäft jedenfalls auch ein privater Zweck erfüllt wird, ganz egal wie die Gewichtung ausfällt.387 Es fällt also auf, dass die im Kontext zum Verbraucherbegriff sowohl auf deutscher als auch auf europäischer388 Ebene diskutierte „dual use“-Problematik unter dem CISG keine vergleichbaren Schwierigkeiten bereitet. Hier verlaufen die Grenzen viel klarer. Hinsichtlich eines Kaufs zum Zwecke der Existenzgründung, d. h. zur Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit, entsprechen sich die h. M. zu Art. 2 lit. a CISG389 und § 13 BGB390 – es liegt kein Verbrauchergeschäft 383 Vgl. für einen Überblick zum Streitstand Staudinger/Fritzsche, § 13 Rn. 44 ff. und ferner die Angaben in Teil 3 Fn. 384. 384 OLG Celle 11. 8. 2004 – 7 U 17/04, NJW-RR 2004, 1645, 1646; OLG Celle 4. 4. 2007 – 7 U 193/06, ZGS 2007, 354, 354 f. (Hälftiger Anteil der privaten Nutzung reicht noch für Verbrauchereigenschaft); OLG Bremen, 11. 3. 2004 – 2 U 99/03, ZGS 2004, 394, 395 f.; OLG Naumburg, 11. 12. 1997 – 3 U 144/96, WM 1998, 2158, 2159 (noch zu § 1 VerbrKrG); Grüneberg/Ellenberger, § 13 Rn. 4; Staudinger/Fritzsche, § 13 Rn. 47; MüKo/Schürnbrand, § 491 Rn. 22; PWW/Prütting, § 13 Rn. 9; Erman/Saenger, § 13 Rn. 17, der die engere Auslegung des EuGH zur dual use-Problematik explizit nicht auf § 13 BGB beziehen will und sogar auf die Inkaufnahme höherer Rechtsunsicherheit hinweist. Vgl. EuGH 20. 1. 2005 („Gruber ./. Bay WA AG“), Rs. C-464/01, NJW 2005, 653, 654 f., Erw. 36 ff., insb. 39, nach dem die beruflich-gewerbliche Tätigkeit „nebensächlich“ sein muss, d. h. „nur eine ganz untergeordnete Rolle“ spielen darf, um ein Verbauchergeschäft nicht auszuschließen. So wie EuGH, Verbrauchergeschäft bei nur bei ganz untergeordnetem beruftlich-gewerblichem Zweck: MüKo/S. Lorenz, § 474 Rn. 26; Schroeter, JuS 2006, 682, 684; MüKo/Basedow, § 310 Rn. 81. A. A., bei Doppelverwendung stets ein Verbrauchergeschäft annehmend: Lüderitz, in: FS-Riesenfeld, S. 147, 156; v. Westphalen, BB 1996, 2101, 2101; Bodewig, DZWiR 1997, 447, 449. 385 S. BT-Drs. 17/13951, Umsetzung der RiLi 2011/83 (EU-Verbraucherrechte Richtlinie). 386 S. o.; insb. Achilles, Art. 2 Rn. 2 („[…] aus Gründen der Rechtssicherheit […]“) und Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 2 Rn. 7 („The object purchased must be exclusively intended for private use. […] in the interest of legal certainty [..].“). 387 So in Singapur, vgl. Küpper, RabelsZ 69 (2005) 308, 322; ferner Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-66. 388 Vgl. EuGH 20. 1. 2005, („Gruber./. Bay WA AG“), Rs. C-464/01, NJW 2005, 653, 654 f., Erw. 36 ff., insb. 39. 389 MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 2 Rn. 3; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 266. 390 BGH, 24. 2. 2005 – III ZB 36/04, NJW 2005, 1273, 1274 f.; BGH, 15. 11. 2007 – III ZR 295/06, NJW 2008, 435, 436; OLG Düsseldorf, 22. 11. 2005 – I-24 U 44/05, ZGS 2006,

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Teil 3: Einzelbetrachtung

vor.391 Allerdings erweitert § 513 BGB den Anwendungsbereich der Verbraucherschutzvorschriften in den §§ 491 ff. BGB etwa auch auf den Fall, dass der Käufer zum Zwecke der Aufnahme einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit einen Ratenlieferungsvertrag abschließt,392 was angesichts des in der beruflich-geschäftlichen Sphäre einzuordnenden Gebrauchszweckes zur Kollision mit dem CISG führen kann.393 Was die Ablehnung der Verbrauchereigenschaft von juristischen Personen angeht, decken sich CISG394 und BGB395 – die Gefahr eine Überschneidung besteht diesbezüglich nicht.396 Allerdings bereitet der Wortlaut von § 13 BGB durch seine Bezugnahme auf „jede natürliche Person“ einige Schwierigkeiten bei der Zuordnung von rechtsfähigen Personengesellschaften.397 Sie sind einerseits eine „als solche“ rechtsfähige Gesamthandsgemeinschaft, andererseits ein Zusammenschluss natürlicher Personen, die sich nicht ohne Weiteres in die Kategorien juristische oder natürliche Person einordnen lassen.398 Dennoch kommt der BGH zu dem durchaus umstrittenen Ergebnis, dass die nach (mittlerweile) h. M.399 rechtsfähige Außen-GbR Verbraucherin sein kann.400 Eine vertiefte, isolierte Auseinandersetzung mit diesem Ergebnis soll an dieser Stelle unterbleiben.401 Es geht m. E. jedenfalls mit dem zu119, 120; OLG Oldenburg, 12. 11. 2001 – 9 SchH 12/01, NJW-RR 2002, 641, 642; vgl. ferner Erman/Saenger, § 13 Rn. 16; MüKo/S. Lorenz, § 474 Rn. 31; MüKo/Basedow, § 310 Rn. 52; Grüneberg/Ellenberger, § 13 Rn. 3; K. Schmidt, JuS 2006, 1, 5; Staudinger/Fritzsche, § 13 Rn. 60. A. A. Schünemann/Blomeyer, JZ 2010, 1156, 1158 ff.; MüKo/Micklitz, § 13 Rn. 68 ff. 391 So auch der EuGH („Benincasa ./. Dentalkit“) 3. 7. 1997 – Rs. C269/95, RIW 1997, 776 = WM 1997, 1549. 392 MüKo/Schürnbrand/Weber, § 513 Rn. 1. 393 So auch MüKo/H. P. Westermann (5. Auf. 2008), Art. 2 Rn. 3. 394 S. o., Nachweise in Teil 3 Fn. 357. 395 Denkinger, Der Verbraucherbegriff, 2007, S. 451; Grüneberg/Ellenberger, § 13 Rn. 2; Staudinger/Fritzsche, § 13 Rn. 31; MüKo/Micklitz, § 13 Rn. 13 und 14 zum europäischen Verbraucherbegriff, der ebenfalls nur natürliche Personen umfasst, vgl. EuGH („Idealservice“), 22. 11. 2001- verb. Rs. C-541/99 und C-542/99, Slg. 2001, I-9049, Erw. 16, 17 = NJW 2002, 205, 205. 396 In einigen Jurisdiktionen können auch juristische Personen vom Verbraucherbegriff umfasst sein, vgl. Reinhart, in: FS-Trinkner, S. 657, 663; Roussos, ZEuP 2005, 322, 323 (Griechenland). 397 Die Eingrenzung bzw. Bezugnahme auf die Begrifflichkeit „natürliche Person“ daher ablehnend etwa Faber, ZEuP 1998, 854, 862 ff.; Remien, ZEuP 1994, 34, 42 (mit Blick auf den Idealverein, der so aus dem Kreis der Verbraucher ausgenommen wird); MüKo/Micklitz, § 13 Rn. 15 f.; K. Schmidt, JuS 2006, 1, 5. 398 Vgl. Staudinger/Fritzsche, § 13 Rn. 35. 399 BGH 29. 1. 2001 – II ZR 331/00, NJW 2001, 1056, 1056 ff. 400 BGH 23. 10. 2001 – XI ZR 63/01, NJW 2002, 368, 368 f. Dabei wird die GbR gerade nicht als natürliche Person schlechthin eingeordnet (man könnte von der Ablehnung der Eigenschaft als natürliche Person i. e. S. sprechen), sondern es ist von einer „,natürliche[n] Person‘ i. S. von § 1 I VerbrKrG“ die Rede. 401 Vergleiche dazu jeweils m. w. N. – dem BGH zustimmend: Erman/Saenger, § 13 Rn. 6; K. Schmidt, JuS 2006, 1, 5; Grüneberg/Ellenberger, § 13 Rn. 2; Schroeter, JuS 2006, 682, 685;

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grundeliegenden, europäischen Verbraucherschutzzweck konform und ist daher zu unterstützen. Verdeutlicht werden soll an dieser Stelle vielmehr, dass die Anwendung von Art. 2 lit. a CISG zu dem gleichen vorzugswürdigen Ergebnis führt, ohne dass es (i) eines solchen argumentativen Aufwandes („Kunstgriff“402, „rechtspolitische Notlüge“403) bedarf und (ii) mit einem Überraschungsmoment verbunden wäre, wie es die o. g. BGH-Entscheidung teils mit sich brachte.404 Das CISG belässt dabei deutlich weniger Rechtsunsicherheit, als der Wortlaut von § 13 BGB. Denn die auszuschließenden Konsumentenkäufe werden nicht anhand der Unterscheidung zwischen natürlicher und juristischer Person bestimmt, sondern allein nach dem Gebrauchszweck.405 Entscheidend ist, dass der persönliche Gebrauchszweck als solcher in der persönlich-privaten Sphäre in Abgrenzung zur beruflich-geschäftlichen verortet wird. Mithin muss auch der Verkauf an rechtsfähige Personengesellschaften unter den Anwendungsausschluss fallen können, sofern der entsprechende persönliche Gebrauchszweck erkennbar war. Zwar wird in der Kommentarliteratur festgestellt, dass unter die Ausnahme („in der Regel“406) nur natürliche Personen zu fassen sind, da bei juristischen Personen kein privater Verwendungszweck bestehen kann.407 M. E. darf dieser – wohl etwas undifferenzierte – Umkehrschluss nicht dahingehend missverstanden werden, dass formaljuristisch auf den Begriff der natürlichen Personen abgestellt werde. Vielmehr geht es um die Klarstellung, dass für juristisch streng von den dahinterstehenden natürlichen Personen getrennte Rechtsgebilde kein privater Verwendungszweck besteht. Die o. g. Feststellung in der Kommentarliteratur ist als negative Abgrenzung zu verstehen, dass unter die Ausnahme nur ein Verkauf fallen kann, der nicht an eine juristischen Person erfolgt. Bei der GbR als eine rechtsfähige gesamthänderisch gebundene Gruppe von natürlichen Personen handelt es sich gerade nicht um eine juristische Person. Staudinger/Fritzsche, § 13 Rn. 35 f. – A. A.: LG Rostock, 16. 2. 2007 – 4 O 322/06, NZM 2007, 370, 370 f.; Elßner/Schirmbacher, VuR 2003, 247, 248 ff.; Knöfel, AcP 205 (2005) 645, 653 f.; Krebs, DB 2002, 517, 518 f.; Fehrenbacher/Herr, BB 2002, 1006, 1008 ff., insb. 1010; MüKo/ Micklitz, § 13 Rn. 20 f. („zu bezweifeln“); PWW/Prütting, § 13 Rn. 8. Ferner im Überblick Denkinger, Der Verbraucherbegriff, S. 482 ff. 402 Elßner/Schirmbacher, VuR 2003, 247, 248. 403 So K. Schmidt, JuS 2006, 1, 5 sehr treffend: „Im Grunde erweist sich die Beschränkung des § 13 auf natürliche Personen als ein rechtspolitischer Fehler, den der BGH durch seine Notbegründung kompensiert hat. In diesem Sinne – als rechtspolitische Notlüge – kann man die Entscheidung als ,richtig‘ durchgehen lassen.“ 404 So auch Fehrenbacher/Herr, BB 2002, 1006, 1006 („Nach der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts […] war mit diesem Ergebnis nicht unbedingt zu rechnen.“). 405 S. o.; beispielhaft Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 12 („Diese Zweckbestimmung steht im Gegensatz zum beruflichen (gewerblichen oder freiberuflichen) Gebrauch einer Sache.“). 406 Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 12. 407 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 3; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 2 Rn. 3; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 12 „[…] der Käufer, der in der Regel eine natürliche Person ist […]“ [Hervorhebung des Verfassers].

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cc) Neben dem CISG anwendbares Verbraucherschutzrecht Nachdem aufgezeigt wurde, in welchen Situationen es zu Kollisionen zwischen CISG und nationalem Verbraucherschutzrecht kommen kann, stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis sich nationaler Verbraucherschutz und CISG dabei gegenüberstehen.408 Wie bereits erwähnt, haben insbesondere Verkäufer ein gesteigertes Rechtssicherheitsbedürfnis bei der Einschätzung solcher Situationen. Aber auch ein Käufer, der sich eventuell auf einen besonderen Verbraucherschutz einstellt, aber verkennt, dass sein persönlich-privater Gebrauchszweck nicht erkennbar war, wird ein großes Interesse an der Lösung der hier aufgeworfenen Problematik haben. Die Tatsache, dass zu dieser Problemstellung keine Rechtsprechung ersichtlich ist,409 mag belegen, dass es sich hierbei um äußerst seltene Fallkonstellationen handelt,410 könnte aber mit Blick auf die „drohenden“ Konsequenzen für einiges an Rechtsunsicherheit sprechen. Die Lösung der Kollisionsproblematik ist weniger problematisch, als vielleicht vermutet: Die Fälle mit den denkbar folgenschwersten Konsequenzen, d. h. solche, in denen die Verbraucherschutzvorschriften auf Rechtsfolgenseite die Gültigkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen beteiffen, werden eindeutig vom Wortlaut der Konvention geklärt. Gemäß Art. 4 lit. a CISG kommen diese Verbraucherschutzvorschriften vorrangig zur Anwendung, auch wenn im Übrigen das CISG gilt.411 Somit muss trotz Anwendbarkeit des CISG etwa Rücksicht auf die gegebenenfalls IPR-rechtlich berufenen zwingenden Vorschriften der §§ 308, 309 BGB sowie entsprechende Widerrufsrechte (z. B. § 355 BGB) als „negative Gültigkeitsvoraussetzungen“412 genommen werden.413 Auch wenn die Regelung in Art. 4 lit. a CISG bereits einen Großteil der Kollisionsfälle löst, so widerspricht die dennoch zwingende Berücksichtigung nationaler Verbraucherschutzvorschriften eigentlich dem ursprünglichen Regelungszweck von

408

Allgemein zu dieser Kollisionsproblematik Meyer, in: FS-Hay, S. 297 ff., insb. 304 ff. Lediglich auf das Kollisionspotential hinweisend BGH, 31. 10. 2001 – VIII ZR 60/01, CISG-online Case No. 617, Erw. III.4. = IHR 2002, 14, 16. 410 So etwa auch MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 2 Rn. 3 („in Einzelfällen“); Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 80 („In Ausnahmefällen“). 411 Achilles, Art. 2 Rn. 4; Herber/Czerwenka, Art. 2 Rn. 8; MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 2 Rn. 3; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 9; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 7; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-70; Schlechtriem/Schwenzer/ Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 2 Rn. 17; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 25; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 29; Staudinger/Fritzsche, § 13 Rn. 12 (konkret zum Verhältnis zu deutschem Verbraucherschutzrecht). 412 Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-70. 413 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 7; Meyer, in: FS-Hay, S. 297, 304; MüKo/ Gruber, Vor Art. 14 Rn. 10 (nach „der hL“); MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 9; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-70; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 25; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 21. 409

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Art. 2 lit. a CISG.414 Letztlich würde dies aber auch voraussetzen, dass der Verbraucherbegriff im CISG und allen betroffenen nationalen Regelwerken deckungsgleich wäre, was offensichtlich kaum realisierbar erscheint.415 Gleichwohl wird in Gesamtschau mit Art. 4 lit. a CISG der Umgang mit dieser Problematik doch um ein Vielfaches einfacher und vorhersehbarer.416 Hinsichtlich der gravierendsten Kollisionsfälle, in denen die Gültigkeit des Vertrages betroffen ist, enthält die Konvention selbst eine eindeutige Lösung. Ein Vorwurf eines Zustandes von Rechtsunsicherheit bei der Lösung von „Verbraucherfällen“ ist somit zu relativieren. Wirklich problematisch bleibt allenfalls die Beurteilung der sonstigen Fälle, in denen die Rechtsfolge der Verbraucherschutznorm nicht die Wirksamkeit betrifft. Diese regelt die Konvention nicht ausdrücklich. In der Literatur besteht allerdings weitgehende Einigkeit, wie diese Kollisionsfälle zu lösen sind: Die „ganz überwiegend[e]“417 Ansicht – teils mit unterschiedlicher Begründung – nimmt den Vorrang des CISG an.418 Überzeugend ist dabei die Argumentation, dass ansonsten gegen die völkerrechtliche Verpflichtung verstoßen würde, die die Vertragsstaaten durch Beitritt zum Wiener Kaufrecht eingegangen sind.419 Diese Argumentation beruht auf international anerkannten völkerrechtlichen Überlegungen, welche jedenfalls in den gebundenen Vertragsstaaten, aber auch darüber hinaus, bekannt sind und mithin über den deutschen und auch europäischen Raum hinaus eine einheitliche und kaum überraschende Würdigung solcher Fälle darstellt. In zahlreichen anderen Vertragsstaaten wird sogar ausdrücklich der Vorrang völkerrechtlicher Verträge vor dem autonomen Recht verfassungsrechtlich positiviert, in Australien gar durch den

414

I. E. etwa auch Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 24; Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 2 Rn. 16; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 29. 415 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 7; Schlechtriem/Schwenzer/ Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 2 Rn. 16. 416 In diese Richtung auch MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 2 Rn. 3, der auf den dadurch verkleinerten Bereich an möglichen Überschneidungen hinweist. 417 Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-67. 418 Achilles, Art. 2 Rn. 4; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 7; MüKo/H. P. Westermann, (5. Aufl. 2008) Art. 2 Rn. 3; Janssen, VuR 1999, 324, 326 f.; Janssen, EuLF 2003, 181, 184; Meyer, in: FS-Hay, S. 297, 310; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 2 Rn. 15; MüKo/ S. Lorenz, § 474 Rn. 33; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-67; Schwenzer/Schlechtriem/ Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 2 Rn. 18; Schwenzer/Schlechtriem/Ferrari, Art. 2 Rn. 26; Staudinger/Beckmann, Vorbem zu §§ 433 ff. Rn. 302; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 30; Staudinger/Fritzsche, § 13 Rn. 12. A. A. Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Spohnheimer, Art. 2 Rn. 26; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-70. 419 Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-67 f., 2-125; Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 151; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 2 Rn. 18; wohl auch Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 7, allerdings ausdrücklich davon Abstand nehmend, dass dies aus der „bloßen Hinweisnorm“ des Art. 3 Abs. 2 EGBGB hervorgeht; vgl. auch Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 2 Rn. 26.

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Trade Practices Act ausdrücklich in Bezug auf das CISG.420 Auch Art. 3 Nr. 2 EGBGB stützt dieses Ergebnis, wenn auch ausdrücklich nur das Verhältnis zum EGBGB klargestellt wird, so kann dieser Gedanke doch auch im Bezug auf sonstiges deutsches, ggf. auf europäisch-rechtlicher Harmonisierung beruhendes, Recht aufgegriffen werden.421 Ferner liegt auch Art. 25 Abs. 1 Rom I-VO422 etwa der Schutzzweck zugrunde, die Mitgliedstaaten vor der Verpflichtung zu bewahren, gegen bestehende völkerrechtliche Übereinkommen verstoßen zu müssen.423 Weniger überzeugend sind Begründungsansätze, die sich auf Aussagen stützen, das CISG sei die jüngere und speziellere424 Regelung.425 Erstens zeichnen sich sowohl das CISG als auch das nationale Verbraucherrecht durch Merkmale der Spezialität aus, wenn auch mit unterschiedlichem Schutzzweck. Zweitens ist der größte Teil nationaler Verbraucherschutzvorschriften mittlerweile das zeitlich jüngere Recht, was letztlich die Argumentation zum Vorrang des CISG umkehren würde. Überzeugender ist wiederum der Hinweis, dass den Verfassern der europäischen Verbraucherschutzrichtlinien, v. a. mit Blick auf die Verbrauchgüterkauf-RiLi, die

420 Vgl. dazu Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-68, der auf die Regelung in Part V Division 2 Sect. 66 A des Australischen Trade Practices Act und ferner auf die Vorschriften in Argentinien (Art. 75 Nr. 22 Verfassung der Argentinischen Republik), Frankreich (Art. 55 Constitution de la République), Griechenland (Art. 28 Abs. 1 Verfassung der Griechischen Republik), Mexiko (Art. 133 Bundesverfassung der Vereinigten Staaten von Mexiko), Niederlande (Art. 94 Verfassung des Königreichs der Niederlande), Polen (Art. 91 Abs. 3 Verfassung der Republik Polen), Russland (Art. 15 Abs. 4 Nr. 2d der Verfassung und Art. 7 Abs. 2 des Zivilgesetzbuches der Russischen Föderation) und Tschechien (Art. 10 Verfassung der Tschechischen Republik) hinweist. 421 Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 30 a. E. will die Norm sogar analog als Auslegungshilfe heranziehen. Ebenfalls auf Art. 3 [Nr. 2] EGBGB hinweisend Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-67 (Fn. 132) und Rn. 2-68 (Fn. 137). 422 Verordnung Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“) vom 17. 5. 2008 (Abl. EU 2008 Nr. L 177, S. 6). 423 Grüneberg/Thorn, Art. 25 Rom I Rn. 2, der explizit auch das CISG nennt; so auch Ferrari/Schulze, Int. VertragsR, Art. 25 Rom I Rn. 4. 424 So MüKo-HGB/Benicke (3. Aufl. 2013), Art. 2 Rn. 8 („Sonderrecht für internationale Kaufverträge“); Herber, IHR 2004, 89, 94. 425 Ebenfalls die Überzeugungskraft solcher Ansätze bezweifelnd Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 7; Janssen, EuLF 2003, 181, 182 f.; Meyer, in: FS-Hay, S. 297, 310; MüKo/H. P. Westerman (5. Aufl. 2008), Art. 2 Rn. 3; Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 30; wohl auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-67. Eingehend Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, insb. § 14 Rn. 30, 62 f. und ferner § 15 Rn. 50 ff. Ferner zur Ablehnung des Vorrangs der Verbrauchsgüterkaufrichtlinie gemäß Art. 90 CISG, da diese keine völkerrechtliche Übereinkunft i. S. d. Norm darstellt, vgl. nur Janssen, EuLF 2003, 181, 183 f.; Meyer, in: FS-Hay, S. 297, 307; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-69 m. w. N.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 90 Rn. 3 m. w. N. auch zur Gegenansicht; Staudinger/Magnus, Art. 90 Rn. 4 und 10; Teklote, Die einheitlichen Kaufgesetze und das deutsche AGB-Gesetz, S. 70.

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Existenz des CISG nicht nur bewusst war, sondern sie orientierten sich sogar daran.426 Dennoch erfolgte keine Regelung zur Kollision, woraus „gleichermaßen auf einen von der Richtlinie wohl hingenommenen Vorrang des UN-Kaufrechts“427 geschlossen wird.428 dd) Zwischenbetrachtung Es bleibt also festzuhalten: Die Kriterien zur Bestimmung eines auszuschließenden Verbraucherkaufes sind weitestgehend klar und objektiv und können sich auf einiges an Rechtsprechung, mindestens auf eine weit überwiegende Literaturmeinung stützen. Am kritischsten ist noch die Beurteilung der Erkennbarkeit zu beurteilen, deren Erfordernis aber angesichts einer verobjektivierten Bestimmung und der schutzwürdigen Interessen des Verkäufers gerechtfertigt sind. Dem Käufer ist im Zweifel anzuraten, dass er seine rein private Nutzung offenlegt, will er das Restrisiko umgehen, mangels Erkennbarkeit den Schutz durch nationale Vorschriften zu verlieren, die ihn als Verbraucher jenseits der Unwirksamkeitsfolge schützen. Dies wird man einem Käufer, der durch sein Auftreten den objektiven Anschein eines beruflichen Kaufzwecks erweckt, auch zumuten dürfen. Hegt ein Verkäufer Zweifel an dem beruflich-geschäftlichen Erwerbszweck, sollte er sich durch Nachfrage Sicherheit verschaffen.429 Darüber hinaus zeigt ein Vergleich zu § 13 BGB, der vergleichbar zu Art. 2 lit. a CISG als zentrale Bezugsnorm den Anwendungsbereich des deutschen Verbraucherschutzrechts bestimmt, dass bei dessen Beurteilung ein größeres Rechtsunsicherheitsmoment zu verzeichnen ist. Der eigentliche Regelungszweck von Art. 2 lit. a CISG wurde nicht vollends verwirklicht. Kollisionen zwischen anwendbarem CISG und nationalen Verbraucherschutzvorschriften lassen sich aber bei Fragen der Wirksamkeit eindeutig über Art. 4 lit. a CISG und in allen sonstigen Fällen nach der weit überwiegenden Meinung in der Literatur mit dem uneingeschränkten Vorrang des CISG lösen. Dieses Ergebnis ist m. E. auch sachgerecht und ausgewogen. Solchen Vorschriften, die bei Nichtbeachtung die Wirksamkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsklauseln beeinträchtigen, darf man unterstellen, dass diesen ein entsprechend bedeutender und mithin unverzichtbarer Schutzzweck zugrunde liegt. Folgerichtig und wenig überraschend erklärt die Konvention diese explizit gemäß Art. 4 lit. a CISG für 426

Vgl. allgemein zur Verbrauchsgüterkaufrichtlinie mit Hinweisen auf Regelungen, die sich am CISG anlehnen: Micklitz, EuZW 1999, 485 ff. 427 Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-69. I. d. S. auch Staudinger/Beckmann, Vorbem zu §§ 433 ff. Rn. 302 („Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der europäische Richtliniengeber die Anwendung des CISG einschränken wollte.“). 428 Vgl. auch Mittman, Einheitliches UN-Kaufrecht und europäische VerbrauchsgüterkaufRichtlinie, S. 42. 429 Mit dieser Empfehlung gerade im e-commerce, wo sich die Parteien „mit einem ausgeprägten Informationsmangel konfrontiert sehen, der aus der […] Anonymität des Internets und […] dem Fehlen jeglichen persönlichen Kontaktes mit der anderen Vertragspartei resultiert“, Schroeter, UN-Kaufrecht und Europäisches Gemeinschaftsrecht, § 15 Rn. 52 ff.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

zusätzlich anwendbar. Bleiben also die wichtigsten Schutzmechanismen erhalten, so ist es im Gegenzug billig, die sonstigen Vorschriften, etwa betreffend Form oder Aufklärungs- bzw. Informationspflichten, welche die Gültigkeit nicht beeinträchtigen, hinter die Konvention zurücktreten zu lassen. Ein Mindestmaß an Verbraucherschutz wird somit gewahrt und gleichzeitig bei eingeschränktem Verbraucherschutzbedarf auf die Lage des Verkäufers in internationalen Sachverhalten Rücksicht genommen, dem keine fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen ist und der daher mangels Erkennbarkeit auf die vorrangige Geltung des CISG vertrauen durfte.430 b) Definitorisch Über die bereits aufgezeigten Anwendungsausschlüsse hinaus lassen sich mittels Subsumtion unter die aufgezeigten Merkmale eines Kaufvertrages im Sinne des CISG weitere Vertragstypen bestimmen, die vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind. Auf die wichtigsten Fälle und den Grad an Rechtssicherheit bei deren Beurteilung soll ebenfalls eingegangen werden. Vertriebsabsprachen bzw. -verträge (z. B. Alleinvertriebsverträge und Eigenhändlerverträge)431 sind unter den Oberbegriff der Rahmenverträge432 zu fassen,433 die nur nach dem CISG zu beurteilen sind, sofern sie bereits „unmittelbar kaufrechtliche Pflichten begründen“434.435 Gewöhnlich ist dies aber nicht der Fall, da die Vertriebsabsprachen lediglich die Organisation des Vertriebsverhältnisses betreffen436 und somit nicht in den Anwendungsbereich fallen, was die nahezu einhellige

430

Vgl. die Einschätzung bei Staudinger/Magnus, Art. 2 Rn. 30 a. E. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 31. 432 Von den Rahmenverträgen sind die sog. Rahmenvereinbarungen abzugrenzen, letztere sind parallel zu den Ausführungen bzgl. Vorverträgen nach dem CISG zu beurteilen, sofern sie hinreichend bestimmt kaufvertragliche Pflichten festsetzten, vgl. Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-30; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Vor Artt. 14 – 24 Rn. 41; vgl. auch OLG Graz (Österreich), 28. 9. 2000, CISG-online Case No. 798, Erw. 3. (Vertriebsvereinbarung als „Rahmenvereinbarung vorwiegend kaufrechtlichen Inhaltes“). 433 Vgl. nur HandelsG Zürich (Schweiz), 8. 4. 1999, CISG-online Case No. 489, Erw. II.2.a) sowie die weiteren Nachweise in Teil 3 Fn. 439. 434 Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 37; sehr ähnlich formuliert von Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-41; Schumacher, IHR 2005, 147, 149. 435 Für die daher zu extensive Annahme solcher Fälle bzw. ein Abstellen auf die allgemeine vertragliche Lieferpflicht vgl. OLG München, 22. 9. 1995 – 23 U 3750/95, CISG-online Case No. 208, Erw. 2. = RIW 1996, 1035, 1036 m. Anm. Klima, der darauf hinweist, dass alleine die Lieferpflicht noch keinen Kaufvertrag begründet und daher das CISG nicht anwendbar sei; OLG Graz (Österreich), 28. 9. 2000, CISG-online Case No. 798, Erw. 3. (Vertriebsvereinbarung als „Rahmenvereinbarung vorwiegend kaufrechtlichen Inhaltes“); ebenfalls CISG auf Rahmenvertrag angewandt: Sa˛d Najwyz˙ szy (Polnischer Oberster Gerichtshof) – 27. 1. 2006, http: //www.unilex.info/case.cfm?id=1129. 436 In diesem Falle wird dem Bestimmtheitserfordernis an ein Angebot gemäß Art. 14 I CISG gerade nicht entsprochen. 431

§ 7 Anwendungsbereich des Übereinkommens

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Ansicht in Literatur437 und Rechtsprechung438 darstellt. Gegenteiliges gilt für die in diesem Rahmen abgeschlossen Kaufverträge,439 logischerweise auch wenn diese nach Inkrafttreten der Konvention geschlossen werden, die Vertriebsabsprache bzw. der Rahmenvertrag aber bereits davor.440

437 Achilles, Art. 1 Rn. 3; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 5; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 65; Honnold/Flechtner, Rn. 56.2; Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 8; MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 11; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 21; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-41; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 14; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 31; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Vor Artt. 14 – 24 Rn. 41 a. E.; Staudinger/ Magnus, Art. 1 Rn. 37; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 1 Rn. 7. 438 Vgl. Cour de Cassation (Frankreich), 20. 2. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/ 070220f1.html, Erw. 1.; Sa˛d Najwyz˙ szy (Polnischer Oberster Gerichtshof), 27. 1. 2006, http: //www.unilex.info/case.cfm?id=1129; ICC Schiedsspruch, 1. 1. 2003, 11849/2003, CISG-online Case No. 1421, Erw. II.2.a) (Rz. 7); Vina Vino Import Corp. ./. Farnese Vini S.R.L., U.S. D.C. [E.D. Pa.], 29. 8. 2000, CISG-online Case No. 675; OLG Hamburg, 5. 10. 1998 – 12 U 62/97, CISG-online Case No. 473, Erw. 1 (CISG nur kraft Rechtswahl angewandt); BGH, 23. 7. 1997 – VIII ZR 130/96, NJW 1997, 3304, 3306 sowie VIII ZR 134/96, NJW 1997, 3309, 3310; Kaminski Pty Ltd. ./. Marketing Australian Products Inc., U.S. D.C. [S.D. N.Y.], 23. 7. 1997, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/970721u1.html, Erw. A.; OberG Luzern (Schweiz), 8. 1. 1997, CISG-online Case No. 228, Erw. 3; OLG Düsseldorf, 11. 7. 1996 – 6 U 152/95, CISG-online Case No. 201, Erw. II.1.a)aa) = RIW 1996, 958, 959 = NJW-RR 1997, 822, 822 f.; Fovárosi Bir óság (Stadtgericht Budapest, Ungarn), 19. 5. 1996, CISG-online Case No. 289; Cour d’appel Grenoble (Frankreich), 26. 4. 1995, http://www.unilex.info/case.cfm?id=127; Gerechtshof Amsterdam (Niederlande), 16. 7. 1992, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/920716n1.html; a. A. OLG München, 22. 9. 1995 – 23 U 3750/95, CISG-online Case No. 208, Erw. 2. = RIW 1996, 1035, 1036. 439 OLG Köln, 15. 9. 2004 – 16 W 27/04, CISG-online 1057, Rz. 17; OLG Köln, 28. 5. 2001 – 16 U 1/01, CISG-online Case No. 681; HandelsG Zürich (Schweiz), 8. 4. 1999, CISGonline Case No. 489, Erw. II.2.a); OLG Hamm, 5. 11. 1997 – 11 U 41/97, CISG-online Case No. 381, Erw. A.I.1. mit Hinweis auf die Trennung von der Frage nach dem auf den selbständig anzuknüpfenden Rahmenvertrag anwendbaren Recht; BGH, 23. 7. 1997 – VIII ZR 130/96, NJW 1997, 3304, 3305 (CISG dann aber abgewählt); OLG München, 9. 7. 1997 – 7 U 2070/97, CISGonline Case No. 282, Erw. 1; OberG Luzern (Schweiz), 8. 1. 1997, CISG-online Case No. 228, Erw. 3 = TranspR-IHR 1999, 53; OLG Düsseldorf, 11. 7. 1996 – 6 U 152/95, CISG-online Case No. 201, Erw. II.1.a)bb) = RIW 1996, 958, 959; Cour d’appel Grenoble (Frankreich), 26. 4. 1995, http://www.unilex.info/case.cfm?id=127; OLG Koblenz, 17. 9. 1993 – 2 U 1230/91, CISG-online Case No. 91 = RIW 1993, 934, 936; Gerechtshof Amsterdam (Niederlande), 16. 7. 1992, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/920716n1.html. 440 BGH, 23. 7. 1997 – VIII ZR 130/96, NJW 1997, 3304, 3306 sowie VIII ZR 134/96, NJW 1997, 3309, 3310; OLG Koblenz, 17. 9. 1993 – 2 U 1230/91, CISG-online Case No. 91, Erw. II = RIW 1993, 934, 936; Gerechtshof Amsterdam (Niederlande), 16. 7. 1992, http://cisgw3. law.pace.edu/cases/920716n1.html; Honnold/Flechtner, Rn. 56.2; Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 8; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 156; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 5; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 31; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 14; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 37.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Auch der Franchisevertrag stellt einen Rahmenvertrag dar, für den, wie auch für den Joint-Venture Vertrag,441 entsprechendes hinsichtlich des grundsätzlich nicht eröffneten sachlichen Anwendungsbereichs gilt.442 Im Bereich der international wieder vermehrt geschlossenen Kompensationsgeschäfte (countertrade)443 gilt nach überwiegender Auffassung, dass auf den sog. „echten“ Tausch (barter) das UN-Kaufrecht keine Anwendung findet.444 Hier mangelt es dem Geschäft gerade am Element der finanziellen Gegenleistung – die Kaufpreiszahlungspflicht wird vielmehr durch die Tauschleistung als Sachleistung ersetzt. Für solche Geschäfte ist das CISG aber gerade nicht konzipiert.445 Nicht nur die zentrale Norm des Art. 53 CISG stellt auf die Pflicht des Käufers „den Kaufpreis zu zahlen“ ab, sondern die gesamte Systematik des Wiener Kaufrechts setzt einen Wertmaßstab in Form eines Preises voraus. Fehlt dieser, so ist die sachgerechte und auch rechtssichere Beurteilung z. B. der Wesentlichkeit und des Überwiegens in Art. 3 CISG, der Minderung (Art. 50 CISG), der Höhe sowie Verzinsung einer Schadensersatzpflicht u. s. w. mehr als schwierig.446 Anderes gilt im Fall der vom Tausch abzugrenzenden Gegenkaufgeschäfte (counterpurchase), die in der Praxis

441 Amco Ukrservice et al. ./. American Meter Co. et al., 13. 4. 2004, U.S. D.C. [E.D. Pa.], http://cisgw3.law.pace.edu/cases/040413u1.html; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 23. 442 Vgl. BGH, 23. 7. 1997 – VIII ZR 130/96, NJW 1997, 3304, 3306 sowie VIII ZR 134/96, NJW 1997, 3309, 3310; OberG Luzern (Schweiz), 8. 1. 1997, CISG-online Case No. 228, Erw. 3; Achilles, Art. 1 Rn. 3; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 157; Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 22; MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 11; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-41; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 32; Staudinger/ Magnus, Art. 1 Rn. 39. 443 Auch zur Terminologie s. Fülbier, DB 1992, 977 ff.; Schwenzer/Kee, IHR 2009, 229, 229 f. („It is fashionable again.“). 444 Tribunal of International Arbitration at the Russion Chamber of Commerce and Industry, 9. 3. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/040309r1.html, Erw. 3.2.; Federal Arbitration Court for the Moscow Region, 26. 5. 2003, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/030526r1.html; Achilles, Art. 1 Rn. 3; Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 141 f.; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 4; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 80 ff., 92 f.; Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 5; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Mistelis, Art. 1 Rn. 30: MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 9; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 14; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-23 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 30; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 29; a. A. Tribunal of International Commercial Arbitration at the Ukraine Chamber of Commerce and Trade, 15. 4. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/04041 5u5.html; Tribunal of International Commercial Arbitration at the Ukraine Chamber of Commerce and Trade, 10. 10. 2003, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/031010u5.html; CIETAC (China), 13. 6. 1989, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/890613c1.html; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 11; Schwenzer/Kee, IHR 2009, 229, 232. 445 So ausdrücklich der Hinweis von MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 14. 446 In diesem Sinne ausführlich zur widersprechenden Systematik Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 86 ff. und etwa auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-23; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 29 zudem auf die entsprechende Entstehungsgeschichte Bezug nehmend.

§ 7 Anwendungsbereich des Übereinkommens

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viel relevanter als barter-Geschäfte sind.447 Hier werden zwei eigenständige Kaufverträge mit jeweiliger Kaufpreisvereinbarung dergestalt verknüpft, dass die Kaufpreisansprüche der Parteien gegeneinander aufgerechnet werden und es faktisch zu einem Tausch kommt. Da hier aber ein entsprechender quantitativ festgelegter Wertmaßstab vorhanden ist, kann das CISG durchaus zur Anwendung kommen.448 Im Kontext der nicht nach CISG zu beurteilenden Schenkungen449 wird diskutiert, ob Geschäfte, die einer solchen nahe stehen, da etwa nur ein symbolischer Kaufpreis vereinbart wird, nach dem CISG zu beurteilen sind. Nach überwiegender Ansicht gilt in diesen Fällen dennoch die Konvention, schließlich handelt es sich rechtlich um einen Kaufvertrag, bezüglich dessen die Konvention an keiner ersichtlichen Stelle auf die angemessene Relation von Leistung und Gegenleistung abstellt.450 Dass man z. B. bei einem Kaufpreis von einem Euro faktisch von einer Schenkung sprechen kann, darf dem aus zwei Gründen nicht entgegengehalten werden.451 Erstens ist eine dem Parteiwillen entsprechende, parteiautonom getroffene Vereinbarung bzw. Ausgestaltung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass es sich um eine für Handelsleute konzipierte möglichst flexible Konvention handelt, zu akzeptieren und darf nicht untergraben werden. Den Parteien selbst, insbesondere dem Verkäufer, obliegt es, etwa die verschuldensunabhängige Haftung nach Art. 74 CISG gegebenenfalls entsprechend zu modifizieren (Art. 6 CISG).452 Zweitens widerspricht es dem Anspruch an einen rechtssicheren Regelungskomplex, die international einheitlich zugrunde gelegte Definition eines Kaufvertrages einfach zu missachten, ohne dass dies zwingende Gründe nahe legen. Die überwiegende Ansicht zur „Quasischenkung“ überzeugt letztlich auch mit Blick auf die einfachere und mithin rechtssicherere Abgrenzung zwischen Schenkung und Kauf.

447 Vgl. Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 81, 94; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-24. 448 Achilles, Art. 1 Rn. 3; Honnold/Flechtner, Rn. 56.2 (die das CISG aber wohl auch auf barter-Geschäfte anwenden wollen, s. aber dort Einschränkung in Fn. 33 a. E.); Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 5; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-24; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/ Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 30; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 30; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 1 Rn. 7; a. A. wohl Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 141 f. und MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 15 („vermag nicht ohne weiteres zu überzeugen“). 449 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 4; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 16; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 33; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 32. 450 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 33; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 32. 451 So aber MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 16 a. E.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-23. 452 Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 32 möchte eine unangemessen scharfe Haftung des nahezu unentgeltlich Leistenden durch eine ggf. enge Auslegung der Vorhersehbarkeit i. S. v. Art. 74 CISG vermeiden, was mit Blick auf den Rechtssicherheitsgedanken eine sehr kritisch zu beurteilende Aufweichung des Tatbestandes darstellen kann.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

II. „Ware“ 1. Begriffsverständnis Auch mit Blick auf den Warenbegriff im CISG hat sich trotz der fehlenden ausdrücklichen Definition im Konventionstext eine autonom453 bestimmte, international einheitlich zugrundegelegte Definition entwickelt: Es muss sich um eine – jedenfalls zum Lieferungszeitpunkt – bewegliche, grundsätzlich körperliche454 Sache handeln.455 2. Zur Ware im Einzelnen Sowohl Rechtskauf als auch Immobilienerwerb fallen nicht in den Anwendungsbereich des CISG.456 Unschädlich ist, wenn die Kaufsache vor der Lieferung bzw. bei Vertragsschluss noch hergestellt oder erzeugt werden muss.457 Da beim Dokumentenkauf nicht das verbriefte Recht, sondern vielmehr die durch das Dokument repräsentierten Güter verkauft werden, fällt dieser ebenfalls in den sachlichen Anwendungsbereich,458 wie etwa auch der Kauf von lebenden Tieren459, Getreide460 und Sachgesamtheiten461 (z. B. Warenlager). 453

Diedrich, 6 V.J. (2002) 55, 58; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 2; Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Mistelis, Art. 1 Rn. 36; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 24; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 49; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 34; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 43. 454 Zum extensiveren Verständnis der Körperlichkeit im CISG (Softwareverträge) sogleich. 455 Vgl. OLG Koblenz, 27. 9. 1991 – 2 U 1899/89, CISG-online Case No. 30; eingehend Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 103 ff.; s. auch Achilles, Art. 1 Rn. 4; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 6; Honnold/Flechtner, Rn. 56; Honsell/ Siehr, Art. 2 Rn. 2; MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 13; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 24; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-46 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 34; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 16 f.; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 42 f. 456 Achilles, Art. 1 Rn. 4; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 6; Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 10; Honnold/Flechtner, Rn. 56; MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 16; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-46, 2-49; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 35; Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 22; Staudinger/Magnus, Art. 1, insb. Rn. 53 f., 56. 457 Dies ergibt sich schon aus Art. 3 Abs. 1 CISG, der allerdings die bereits erläuterten, auch hier zu beachtenden Einschränkungen enthält. Vgl. ferner OLG Saarbrücken, 14. 2. 2001 – 1 U 324/99-59, CISG-online Case No. 610, Erw. B.1. 458 Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 47. 459 Audiencia Provincial de Cuenca (Spanien), 31. 1. 2005, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/050131s4.html; Hof van Beroep, Gent (Belgien), 28. 1. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/040128b1.html, Erw. II.2.; OLG Schleswig-Holstein, 29. 10. 2002 – 3 U 54/01, CISG-online Case No. 717, Erw. I.3.; OLG Köln, 16. 7. 2001 – 16 U 22/01, http://www.cisg.law.pace.edu/ cisg/text/010716g1german.html; LG Flensburg, 19. 1. 2001 – 4 O 369/99, CISG-online Case No. 619 = IHR 2001, 67 (ausdrücklich); Cour d’Appel Paris (Frankreich), 14. 1. 1998, CISG-

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Der Kauf von Geschäftsanteilen oder ganzen Unternehmen ist nach überwiegender Auffassung nicht vom Anwendungsbereich umfasst und zwar unabhängig davon, ob letzterer als asset-deal oder share-deal ausgestaltet ist,462 wobei sich allerdings die Stimmen in der Literatur mehren, wonach bei einem (ggf. nur teilweisen) asset deal vorsorglich die Abwahl des CISG empfohlen wird, sofern dessen Anwendung von den Parteien nicht gewünscht ist, denn der im Rahmen eines asset deals abgeschlossene Kaufvertrag über Vermögenswerte, die als Ware i. S. d. CISG qualifiziert werden können, müsste strenggenommen in den Anwendungsbereich des CISG fallen.463 3. Problemkreis Softwareüberlassungsverträge/know-how Auf Grundlage des oben dargestellten Warenbegriffs erscheint die Zuordnung von Immaterialgütern wie Computerprogrammen, technisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen und know-how nicht unproblematisch. Hier besteht v. a. mit Blick auf das grundsätzlich erforderliche Merkmal der Körperlichkeit eine besondere Situation. In diesem Zusammenhang stellt sich auch die aus dem autonomen deutschen Recht bekannte Frage, wie die vertragstypologische Einordnung zu erfolgen hat, wenn das Pflichtenprogramm des Verkäufers auch kauffremde Elemente enthält, d. h. konkret, online Case No. 347; Gerechtshof Arnhem (Niederlande), 22. 8. 1995, CISG-online Case No. 317; Rechtbank van Koophandel Hasselt (Belgien), 3. 12. 1997, RkW 1998, 1294; Ferrari/ Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 6; MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 13; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 25; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 34; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 48. 460 Tribunal cantonal Jura (Schweiz), 3. 11. 2004, CISG-online Case No. 965. 461 Tribunal cantonal du Valais (Schweiz), 2. 12. 2002, SZIER 2003, 102; Achilles, Art. 1 Rn. 4; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 6 mit weiteren Beispielen („Maschinen, Automobile, Pflanzen, Lebensmittel, Schuhe, Textilien, Arzneimittel, Kunstgegenstände, Stahl und Flüssiggas“); MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 17; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 34; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 51. 462 Schiedsgericht der Ungarischen Industrie- und Handelskammer, 20. 12. 1993, zusammenfassend Vida, IPRax 1995, 52, insb. 53; Achilles, Art. 1 Rn. 4; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 6; Honnold/Flechtner, Rn. 56.5; MüKo-HGB/Benicke, Art. 1 Rn. 18; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-57; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 36; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 21; Staudinger/ Magnus, Art. 1 Rn. 51; anders Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 1 Rn. 8, die jedenfalls aus Vorsichtsgründen die Abwahl des CISG bei Unternehmenskäufen empfehlen; Schlechtriem/ Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht, Rn. 79 halten bei einem asset-deal das CISG für theoretisch anwendbar, sofern überwiegend bewegliche Sachen veräußert werden; so auch MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 18. Anschaulicher Überblick auch bei Merkt/Göthel, Internationaler Unternehmenskauf, § 4 Rn. 11 ff., insb. Rn. 17 ff. 463 Vgl. Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 1 Rn. 8 und MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 29, die jedenfalls aus Vorsichtsgründen die Abwahl des CISG bei Unternehmenskäufen empfehlen; Schlechtriem/Schroeter, Internationales UN-Kaufrecht, Rn. 79 halten bei einem asset-deal das CISG für theoretisch anwendbar, sofern überwiegend bewegliche Sachen veräußert werden; so auch MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 18. Anschaulicher Überblick auch bei Merkt/ Göthel, Internationaler Unternehmenskauf, § 4 Rn. 11 ff., insb. Rn. 17 ff.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

wie v. a. Standard- und Individualsoftware einzuordnen ist.464 Mittlerweile hat eine sehr umfangreiche Auseinandersetzung mit dieser Frage, sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur, zu einer weitestgehend klaren Beurteilungsgrundlage geführt, die eine durchaus rechtssichere Einzelfallentscheidung ermöglicht. a) Beurteilung nach dem CISG Im Ausgangspunkt besteht Einigkeit darüber, dass hier eine wirtschaftliche Auslegung465 des Begriffs „Ware“ angezeigt ist und eine gewisse Unkörperlichkeit nicht zu einem streng formalistischen Ausschluss der Anwendung der Konvention führen darf.466 Das Begriffsverständnis ist vielmehr den „wandelbaren Vorstellungen“467 anzupassen. Leitbild sind dabei die Handelswirklichkeit468 sowie die dabei verfolgten Interessen der Parteien. Dieser offene Ansatz beruht nicht zuletzt auf der ganz bewussten Entscheidung der Konventionsverfasser, mit dem Begriff Ware („goods“, „merchandises“) einen flexiblen, weil „unverbrauchteren Ausdruck“469 zu wählen, bei dem die Auslegung nach dem Wortlaut nicht zu einem zwingenden Körperlichkeitserfordernis führen muss.470 Gegen einen kategorischen Ausschluss aller unkörperlichen Gegenstände spricht schließlich auch die Regelung in Art. 2 lit. f CISG, nach der ausdrücklich Strom vom Anwendungsbereich ausgeschlossen wird, was wiederum den Umkehrschluss zulässt, dass der Verkauf anderer unkörperlicher Waren durchaus nach dem CISG zu beurteilen sein kann.471 464 Dabei handelt es sich eigentlich nicht mehr um eine Frage nach der Wareneigenschaft, sondern vielmehr nach den Voraussetzungen eines Warenkaufvertrages i. S. v. Art. 1 i. V. m. Art. 3 CISG. Eine aussagekräfte Betrachtung der Softwareüberlassungsverträge kann allerdings nur unter zusätzlicher Berücksichtigung dieser Problematik erfolgen und soll hier ebenfalls untersucht werden. 465 So schon OLG Koblenz, 19. 9. 1993 – 2 U 1230/91, RIW 1993, 934, 936 („Der Warenbegriff ist weit aufzufassen.“). 466 Vgl. Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-48. 467 Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 147. 468 Vgl. die Einführung von Sono, in: FS-Kritzer, S. 512, 512 („However, the independence of software, accompanied by the rapid growth of information technology, has changed the landscape.“). S. auch Schmitt, Intangible Goods als Leistungsgegenstand internationaler Online-Kaufverträge, S. 49. 469 Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 43. 470 Dagegen sprach die französische Fassung im Haager Kaufrecht noch von „objets mobiliers corporels“ und die deutsche Übersetzung von „beweglichen Sachen“, Art. 1 Abs. 1 EKG; vgl. ausführlich Schmitt, Intangible Goods als Leistungsgegenstand internationaler Online-Kaufverträge, S. 32 ff.; ders., CR 2001, 145, 149 und Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 34. 471 So auch Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 115, 126; Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int’l L. (2003) 263, 274; Schmitt, Intangible Goods als Leistungsgegenstand internationaler Online-Kaufverträge, S. 34 f.; ders., CR 2001, 145, 148; Schmitz, MMR 2000, 256, 259.

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Keine nennenswerten Probleme bereitet die Subsumtion unter den Warenbegriff, wenn es sich um den Verkauf von Software handelt, die zum Lieferzeitpunkt auf einem Datenträger verkörpert ist und damit eindeutig ein beherrschbares, abgrenzbares Warenhandelsobjekt darstellt.472 Aber auch die elektronische Übermittlung als heutzutage verbreitetste Vertriebsform von Software, steht einem Warenkauf nach ganz überwiegender Meinung nicht entgegen, solange das Programm jedenfalls beim Käufer, z. B. durch Abspeichern, verkörperlicht wird – schließlich stellt die Konvention nicht auf einen bestimmten Liefervorgang ab und die Abspeicherung bzw. Verkörperung vor oder nach der „Lieferung“ rechtfertigt keine unterschiedlichen Ergebnisse hinsichtlich des Warenbegriffs.473 Der Zweck des Geschäfts, dem Käufer die Software dergestalt zu überlassen, dass sie für ihn dauerhaft nutzbar ist, wird schlichtweg auf technisch fortentwickelte Art und Weise erreicht. Ob dies durch direkte elektronische Übermittlung oder die Versendung bzw. Übergabe eines körperlichen Trägermediums erfolgt, muss folgerichtig für das Ergebnis gleichgültig sein. Die Beurteilung einer elektronischen „Lieferung“ bildete noch lange den Schwerpunkt der Diskussion um 472 Rechtbank Arnhem (Niederlande), 28. 6. 2006, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/06062 8n1.htm (ohne auf die Verkörperung einzugehen, allerdings wurde im strittigen Fall die Software beim Käufer installiert/gespeichert); OGH (Österreich), 21. 6. 2005, CISG-online Case No. 1047; OLG Koblenz, 17. 9. 1993 – 2 U 1230/91, CISG-online Case No. 91 = RIW 1993, 934, 936 (ohne Abstellen auf Verkörperlichung); LG München I, 8. 2. 1995 – 8 HKO 24667/93, CISG-online Case No. 203, Erw. 1; Achilles, Art. 1 Rn. 4; Cox, 4 V.J. (2000) 3, 6 ff.; Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 147 f.; Diedrich, RIW 1993, 441, 451 f.; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 7; Hoeren, CR 1988, 908, 916; Mankowski, CR 1999, 581, 586; Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rn. 1017; MüKo-HGB/ Mankowski, Art. 1 Rn. 27; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-47; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 38; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 18; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 44; anders Karollus, UN-Kaufrecht, S. 20 f., der vom Erfordernis der Körperlichkeit vollends Abstand nehmen will und darauf abstellt, dass Ware i. S. d. CISG alle Güter darstellen, die Gegenstand von internationalen Kaufverträgen sein können; ebenso wohl auch Diedrich, 6 V.J., suppl. (2002) 55, 64 („[…] any item that can be commercially sold and in which property can be passed on […]“); Schmitt, CR 2001, 145, 150. 473 Vgl. den Fall bei OGH (Österreich), 21. 6. 2005, CISG-online Case No 1047 = IHR 2005, 195, wo ein Teil der Software elektronisch übermittelt wurde; Achilles, Art. 1 Rn. 4; Cox, 4 V.J. (2000) 3, 9; Diedrich, 6 V.J., suppl. (2002) 55, 64 f.; Diedrich, RIW 1993, 441, 452; Endler/Daub, CR 1993, 601, 605; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 7; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechts, S. 124; Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 4; Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int’l L. (2003) 263, 277 f.; Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rn. 1017; Mankowski, CR 1999, 581, 586; anschaulich MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 27; MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 20; Piltz, IHR 2005, 197, 198; Schmitt, Intangible Goods als Leistungsgegenstand internationaler Online-Kaufverträge, S. 36 ff., 48 f.; ders., CR 2001, 145, 148 f.; Schmitz, MMR 2000, 256, 258 (der allerdings ganz auf das Erfordernis einer Verkörperlichung verzichten will und Immaterialgüter schlechthin dem Anwendungsbereich des CISG unterstellt); Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 18; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 44; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 1 Rn. 6; a. A. aber Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 38 (dort Fn. 180); Sono, in: FS-Kritzer, S. 512, 520 f.

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die Anwendbarkeit des CISG auf Softwareverträge, darf aber mittlerweile mit der hier dargestellten, durchaus als herrschend474 zu titulierenden Ansicht als praktisch geklärt angesehen werden. Vom Anwendungsbereich auszuschließen ist dagegen das bloße, meist befristete, Nutzungsrecht bzw. die Lizensierung475 eines Computerprogrammes, sei es auch ein Standardprogramm, erst recht soweit dieses ausschließlich als eine „online“ Nutzung ohne nachgelagerte Speicherungsmöglichkeit bzw. Verkörperlichung ausgestaltet ist.476 Hier fehlt es schließlich an der nachgelagerten Verkörperlichung und/oder dem Element der dauerhaften Überlassung der Software. Was die dauerhafte Überlassung von Standardsoftware angeht, wird diese einhellig als „Kaufvertrag über Ware“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 CISG angesehen.477 Aber auch wenn es sich um Individualsoftware handelt, ist die Anwendung des CISG keinesfalls kategorisch auszuschließen. Entscheidend ist – anders als teils zum autonomen deutschen Recht vertreten – gerade nicht die Unterscheidung „[…] zwischen standardisierten und individuell für den Besteller gefertigten Gütern 474

S. Teil 3 Fn. 473. Vgl. auch die Einschätzung von Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rn. 1017 („[…] auf internationaler Ebene scheint sich […] die Auffassung endgültig durchzusetzen […]“). 475 Diese muss aber tatsächlich derart ausgestaltet sein, dass sie die Nutzung soweit einschränkt, dass nicht mehr von einer dauerhaften Überlassung i. S. d. CISG gesprochen werden kann. Art. 41 f. CISG etwa lassen grundsätzlich eine dem Käufer bekannte Belastung mit fremden Rechten Dritter zu. Alleine die Bezeichnung des Vertrages als „Lizensierung“ schließt einen Kaufvertrag i. S. d. Art. 1 Abs. 1 CISG noch nicht zwingend aus. Vgl. Diedrich, 6 V.J., suppl. (2002) 55, 67 ff. 476 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 18; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 38; Schlechtriem, 36 Vict. U. Well. L. Rev. (2005) 781, 786; Mankowski, CR 1999, 581, 586, 589; Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rn. 1017 (zum Anwendungsausschluss bei Überlassung auf Zeit); Schlechtriem/ Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 87 sowie Sono, in: FS-Kritzer, S. 512, 519 f., 523 ff. (zum auszuschließenden Verkauf von Lizenzen); zur Abgrenzung zwischen Kauf und „echter“ Lizensierung s. auch Diedrich, 6 V.J., suppl. (2002) 55, 67 ff. 477 American Mint L.L.C et al. ./. GOSoftware, Inc., U.S. D.C. [M.D. Pa.], 16. 8. 2005, CISG-online Case No. 1104 (Programm für elektronische Kreditkartenabrechnung); OGH (Österreich), 21. 6. 2005, CISG-online Case No. 1047; BGH 4. 12. 1996 – VIII ZR 306/95, CISG-online Case No. 260, Erw. II.1. (Standardsoftware auf Hardware verkörpert); Gerechtshof’s Hertogenbosch (Niederlande), 19. 11. 1996, http://www.unilex.info/case.cfm? id=329; OLG Köln, 26. 8. 1994 – 19 U 282/93, NJW-RR 1995, 245, 246 f. = RIW 1994, 970, 971; LG München I, 8. 2. 1995 – 8 HKO 24667/93, CISG-online Case No. 203, Erw. 1; eingehend Diedrich, 6 V.J., suppl. (2002) 55, 57 ff., 64; Endler/Daub, CR 1993, 601, 604; Ferrari/ Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 7; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UNKaufrechs, S. 124; Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 4; Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int’l L. (2003) 263, 277 f.; Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rn. 1017; MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 20; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 27; Sono, in: FS-Kritzer, S. 512, 518; Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 18; Schlechtriem/Schroeter, Int. UNKaufrecht, Rn. 85; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 38; Staudinger/ Magnus, Art. 1 Rn. 44; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 1 Rn. 6.

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[…].“478 Vielmehr ist nach den bereits dargestellten Grundsätzen gemäß Art. 3 CISG vorzugehen.479 Vereinbaren die Parteien neben der dauerhaften Lieferung der Software zusätzliche kauffremde Pflichten, die über die bloße Herstellung bzw. Programmierung dergestalt hinausgehen, dass die Lieferung individuell zu entwickelnder oder aufwendig (nicht nur marginal) zu modifizierender Programmierungen, evtl. mit Installations-, Einarbeitungs-, Supportpflichten etc. geschuldet wird, so kann dies zur Einordnung als reiner Werkvertrag oder gemischter Vertrag mit kauffremdem Schwerpunkt führen. Voraussetzung dafür ist, dass der Wertschöpfungsanteil dieser zusätzlichen kauffremden bzw. werklieferungsvertragsfremden Pflichten mehr als 50 % des geschuldeten Gesamtpreises ausmacht.480 In seltenen Ausnahmefällen kann ein besonderes Interesse an der kauffremden Komponente auch bei einem geringeren Wertanteil als 50 % zu einem Ausschluss der Anwendbarkeit des CISG führen. Im Übrigen gilt für den Erwerb von wissenschaftlich-technischen Erkenntnissen bzw. von know-how Entsprechendes.481 Die genannten Immaterialgüter müssen spätestens beim Käufer mittels dauerhaft482 beabsichtigter Abspeicherung verkörpert werden und v. a. nicht erst individuell für den Auftraggeber gewonnen bzw. erstellt werden, da ansonsten ein Werkvertrag vorliegen oder jedenfalls Art. 3 Abs. 2 CISG wegen der überwiegend kauffremden Elemente zum Ausschluss des CISG führen dürfte.483 478

Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 85. Zur Rechtslage im autonomen deutschen Recht sogleich. 479 Vgl. auch MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 20. 480 Vgl. dazu Hof van Beroep Gent (Belgien), 24. 11. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/041124b1.html, Erw. II.3.; HandelsG Zürich (Schweiz), 17. 2. 2000, CISG-online Case No. 637, Erw. IV.1.b), c); OLG Köln, 26. 8. 1994 – 19 U 282/93, NJW-RR 1995, 245, 246 f. = RIW 1994, 970 – 971; Diedrich, 6 V.J., suppl. (2002) 55, 66; Diedrich, RIW 1993, 441, 452; Endler/Daub, CR 1993, 601, 604, 605 f.; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 7; Höß, Der gegenständliche Anwendungsbereich des UN-Kaufrechs, S. 124; Honsell/Siehr, Art. 2 Rn. 4 (Lieferung individuell hergestellter Software fällt grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich heraus); Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int’l L. (2003) 263, 278 (dort Fn. 77); Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rn. 1018, 686 ff.; MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 1 Rn. 6, Art. 3 Rn. 5; MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 22; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 1 Rn. 28 (wohl auch bei Wertanteil unter 50 %); Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-47; Schlechtriem/ Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 85; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 18; Sono, in: FS-Kritzer, S. 512, 523 (mit zutreffender Betonung, dass die „services“ i. S. v. Art. 3 Abs. 2 CISG nicht die Herstellung selbst betreffen). 481 A. A. Honnold/Flechtner, Rn. 56. 482 Das Erfordernis der endgültigen Übertragung wird insb. für die Annahme von know-how als Ware hervorgehoben, da es sich ansonsten vielmehr um die Verschaffung eines Nutzungsrechts handeln würde, was als Rechtskauf gerade nicht in den Anwendungsbereich des CISG fällt, vgl. Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 46; anders MüKo/Huber, Art. 1 Rn. 23, der unabhängig von einer Verkörperung darauf abstellt, ob das know-how endgültig übertragen wird und der Dienstleistungsanteil nicht überwiegt. 483 Vgl. i. d. S. OLG Köln, 26. 8. 1994 – 19 U 282/93, NJW-RR 1995, 245, 246 f. = RIW 1994, 970 – 971 f., wenngleich das Gericht seine Erwägungen konkreter in Bezug zu

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b) Vergleich zum autonomen deutschen Recht Auch im autonomen deutschen Recht wird die dauerhafte Überlassung von verkörperter Standardsoftware nach der mittlerweile ständigen Rechtsprechung des BGH484 und der überwiegenden Ansicht in der Literatur485 als Kauf einer beweglichen Sache486 qualifiziert. Jedenfalls nach der wohl überwiegenden, dennoch strittigen Ansicht ist auch hier unerheblich, ob die Software per Datenträger geliefert oder erst nach elektronischer Übermittlung durch Abspeicherung auf der hardware des Käufers gewissermaßen verkörperlicht wird.487 Dennoch dürfte der Hinweis in der Literatur für sich sprechen, dass etwa „bei der Überlassung von Standardsoftware hinsichtlich nahezu keiner der auftretenden Fragen Einigkeit“488 besteht.

Art. 3 Abs. 2 CISG hätte setzen müssen; ferner Achilles, Art. 1 Rn. 4; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 1 Rn. 7; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Mistelis, Art. 1 Rn. 38; MüKo/ Huber, Art. 1 Rn. 23; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-48; Schlechtriem/Schwenzer/ Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 1 Rn. 19; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 1 Rn. 38; Staudinger/Magnus, Art. 1 Rn. 46; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 1 Rn. 6. 484 BGH, 15. 11. 2006 – XII ZR 120/04, NJW 2007, 2394 = CR 2007, 75, 75 f. m. Anm. Lejeune; BGH, 22. 12. 1999 – VIII ZR 299/98, BGHZ 143, 307, 309 = CR 2000, 207, 208; BGH, 4. 3. 1997 – X ZR 141/95, NJW 1997, 2043, 2045; BGH, 14. 7. 1993 – VIII ZR 147/92, NJW 1993, 2436, 2437; BGH, 7. 3. 1990 – VIII ZR 56/89, NJW 1990, 3011, 3012; BGH, 24. 1. 1990 – VIII ZR 22/89, NJW 1990, 1290, 1291; BGH, 18. 10. 1989 – VIII ZR 325/88, BGHZ 109, 97, 100 f. = NJW 1990, 320, 321; BGH, 4. 11. 1987 – VIII ZR 314/86, BGHZ 102, 135, 139 ff. = NJW 1988, 406, 407 f. 485 Goldmann/Redecke, MMR 2002, 3, 3; Hilty, MMR 2003, 3, 7; Hoeren, in: Westphalen (Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, IT-Verträge, Rn. 4; Koch, Computer-Vertragsrecht, Teil 5 Rn. 10, 14 ff.; Lutz, Softwarelizenzen und die Natur der Sache, S. 25; Mankowski, MDR 2003, 854, 857; Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rn. 718 ff., 727 ff.; MüKo/H. P. Westermann, Vor § 433 Rn. 22; Grüneberg/Weidenkaff, § 433 Rn. 9; Sahin/Haines, CR 2005, 241, 241; Scholz/Haines, CR 2003, 393, 394; Staudinger/Beckmann, § 453 Rn. 49 ff. m. w. N. 486 A. A., die bereits die Sacheigenschaft von Software ablehnt und über § 453 Abs. 1 CISG zur entsprechenden Anwendung von Kaufrecht gelangt: Diedrich, CR 2002, 472, 475 ff., 479; Junker, NJW 2005, 2829, 2832; Heussen, CR 2004, 1, 7 (dort Fn. 48); MüKo/Busche, § 631 Rn. 142, 139; Müller-Hengstenberg/Kirn, NJW 2007, 2370, 2372 f.; Stichtenoth, K&R 2003, 105, 107 f. 487 BGH, 18. 10. 1989 – VIII ZR 325/88, BGHZ 109, 97, 100 f. = NJW 1990, 320, 321 („Die Übergabe des Datenträgers [ist] nicht Endzweck des Rechtsgeschäfts“); vgl. auch BGH, 15. 11. 2006 – XII ZR 120/04, NJW 2007, 2394, 2394 f. = CR 2007, 75, 76. Ausführlich Lutz, Softwarelizenzen und die Natur der Sache, S. 25 ff.; Koch, Computer-Vertragsrecht, Teil 5 Rn. 28 ff.; Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rn. 727 ff.; vgl. ferner Spindler/Klöhn, CR 2003, 81, 82; Staudinger/Beckmann, § 453 Rn. 50; wohl auch Redeker, CR 2004, 88, 89 f.; a. A. OLG München, 23. 12. 2009 – 20 U 3515/09, NJW-RR 2010, 789, 790; F. Koch, ITRB 2008, 233, 236. 488 Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rn. 690 mit Verweis auf die gleiche Feststellung von Lutz, Softwarelizenzen und die Natur der Sache, S. 1: „[…] als es sich bei einem der ungeklärten Bereiche um die dauerhafte Überlassung von Standardsoftware handelt, in dem über nahezu alle Aspekte der entsprechenden Softwareüberlassungsverträge gestritten wird.“

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Hinsichtlich der dauerhaften Überlassung von individuell hergestellter Software hat die Schuldrechtsmodernisierung die vertragstypologische Einordnung auf eine neue Grundlage gestellt: Durch Art. 1 Abs. 1 Nr. 42 SMG wurde in § 651 BGB (mittlerweile aus redaktionellen Gründen unverändert § 650 BGB) eine neue Vorschrift geschaffen, nach der Werklieferungs- und Kaufverträge i. e. S. weitestgehend gleich behandelt werden sollen. Unter Geltung des „alten“ Schuldrechts entsprach die h. M. in der Rechtsprechung noch weitestgehend der oben dargestellten Dogmatik im CISG. Ein Vertrag über die Lieferung und Herstellung von Individualsoftware richtete sich grundsätzlich nach Werkvertragsrecht.489 Ganz auf der Linie des Wiener Kaufrechts lag auch die Ablehnung eines Warenkaufes, sofern die Modifikation von Standardsoftware490 oder die Integration von Individualsoftware491 prägender Vertragsgegenstand waren. Bestand die zusätzliche Pflicht zur Softwareanpassung allerdings nur in der Durchführung marginaler Änderungen, die nichts an der Einordnung als „serienmäßiges“ Produkt ändern und die Sache nicht zu einer unvertretbaren machen, so galt nach wie vor Kaufrecht.492 Auch andere unwesentliche (Neben-)Pflichten änderten nichts an der Einordnung als Kaufvertrag.493 Die Parallele zu der Regelung in Art. 3 Abs. 2 CISG dürfte auf der Hand liegen. Nachdem über Jahre hinweg heftig diskutiert wurde, ob sich nach § 651 BGB a. F. (jetzt § 650 BGB) eine andere Abgrenzung als nach der a. F. vor der Schuldrechtsmodernisierung aufdränge, wird man die Frage mittlerweile verneinen können.494 So kommt der überweigende Teil der Literatur zu dem Ergebnis, das Werkvertragsrecht der §§ 631 ff. BGB zum Tragen komme, weil solche Geschäfte in aller Regel über die schlichte Lieferung der hergestellten Sache bzw. den schlichten Warenumsatz hinaus gerade durch werkvertragliche Elemente maßgeblich geprägt seien.495 Zu diesem 489 BGH, 20. 2. 2001 – X ZR9/99, CR 2001, 367, 367; BGH, 30. 1. 1986 – I ZR 242/83, NJW 1987, 1259, 1259; BGH, 4. 11. 1987 – VIII ZR 314/86, NJW 1988, 406, 407 f.; BGH, 7. 3. 1990 – VIII ZR 56/89, NJW 1990, 3011, 3012; OLG Karlsruhe, 16. 8. 2002 – 1 U 250/01, CR 2003, 95, 96; BGH, 11. 2. 1971 – VII ZR 170/69, WM 1971, 615, 616. 490 BGH, 9. 10. 2001 – X ZR 58/00, CR 2002, 93, 94; BGH, 15. 5. 1990 - X ZR 128/88, NJW 1990, 3008, 3008; OLG Köln, 26. 6. 1992 – 19 U 261/91, NJW-RR 1992, 1328, 1329; OLG Koblenz, 4. 10. 1991 – 2 U 403/88, CR 1992, 154, 155. 491 OLG Hamm, 22. 8. 1991 – 31 U 260/90, NJW-RR 1992, 953, 953 f. 492 Vgl. auch OLG Köln, 28. 2. 1992 – 19 U 227/91, NJW-RR 1992, 690, 690 (Spätere Anpassung der Standardsoftware ändert nichts an der Einordnung als Kaufvertrag); OLG Karlsruhe, 21. 2. 1991 – 12 U 147/90, BB 1991, Beil. 23, 7, 8. Siehe dazu auch den Überblick bei Junker, NJW 1993, 824, 827 f. m. w. N. 493 Vgl. Schneider, in: Schneider (Hrsg.), Handbuch des EDV-Rechts (4. Aufl. 2009), Kap. H Rn. 3. 494 Vgl. mit diesem Fazit und ausführlicher Darstellung m. w. N. zu Literatur und Rechtsprechung Schneider, in: Schneider (Hrsg.), Handbuch des EDV-Rechts, Kap. Q Rn. 11 und insb. Kap. M Rn. 677 ff. 495 Bartsch, CR 2001, 649, 655, der § 651 BGB dem Wortlaut nach für anwendbar hält, dann aber „der falschen Einordnung durch Auslegung entgehen“ möchte; so etwa auch Diedrich, CR 2002, 473, 476 ff. und Lejeune, Anm. zu BGH, 15. 11. 2006 – XII ZR 120/04, CR 2007, 75, 78 f. („teleologische Reduktion“); Müller-Hengstenberg, NJW 2010, 1181, 1183. Ferner: Hoeren,

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Ergebnis kommt mittlerweile auch der BGH in seiner Entscheidung vom 5. 6. 2014,496 die damit wohl das „[…] (stille) Ende der Diskussion um § 651 BGB bei Softwareerstellung und -anpassung […]“ markiert.497 Die aktuelle Rechtslage im autonomen deutschen Recht kommt somit der herrschenden Ansicht zur Beurteilung nach dem CISG äußerst nah. c) Zwischenbetrachtung Auf eine weitergehende, vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Meinungsstand zum autonomen Recht muss hier verzichtet werden. Viel wichtiger erscheint es, für den Vergleich hinsichtlich des Grades an Rechtssicherheit hervorzuheben, dass zu der genauen Abgrenzung nach (nun) § 650 BGB lange Zeit weder eine einheitliche Rechtsprechungspraxis, noch eine als herrschend zu bezeichnende Ansicht in der Literatur erkennbar war498 und sich eine solche gerade erst zu manifestieren scheint. Die Ausführungen zu Art. 3 CISG haben dagegen gezeigt, dass hier durchaus schon länger einheitliche, gefestigte Grundsätze und Beurteilungskriterien gelten. An dieser Stelle zeigt sich somit exemplarisch, dass sich der zum CISG erhobene Rechtsunsicherheitsvorwurf umgekeht auf das BGB beziehen lässt. Interessant ist an der Stelle, dass sich Marly499 zur Begründung seiner Ansicht zu (nun) § 650 BGB, dass bei faktischer Betrachtung aufgrund des regelmäßig werkvertraglichen Pflichtenschwerpunkts nach wie vor Werkvertragsrecht auf die individuelle Softwareerstellung anzuwenden ist, eingehend mit Art. 3 CISG auseinandersetzt und dabei ausdrücklich das Merkmal des „Überwiegens“ kauffremder in: Westphalen (Hrsg.), Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, IT-Verträge, Rn. 3; Junker, NJW 2005, 2829, 2832; Junker, NJW 2003, 2792, 2797; Maume/Wilser, CR 2010, 209, 213; MüKo/Busche, § 631 Rn. 142 u. § 650 Rn. 12; Grüneberg/Retzlaff, Einf v § 631 Rn. 20; Schmidl, MMR 2004, 590, 592; Spindler/Klöhn, CR 2003, 81, 83; Stichenoth, K&R 2003, 105, 108 f.; Staudinger/Peters, Vor § 631 Rn. 79 f.; Warnke, Rechtsmangelhafte Software und Nacherfüllungsanspruch aus § 439, Rn. 34; differenzierend Koch, Computer-Vertragsrecht, Teil 5 Rn. 167 („[…] reines Werkvertragsrecht anzuwenden, wenn die Erstellung der Software den Schwerpunkt der Anbieterleistung bildet und die Lieferung gegenüber dieser Erstellung zurücktritt.“), 172; Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rn. 680 f., 686 („Die Grenze von Kauf- zum Werkvertragsrecht ist daher erst überschritten, wenn […] nicht auf den Warenumsatz gerichtete Pflichten des Softwareherstellers überwiegen.“); Witte, ITRB 2010, 44, 45 ff. und Redeker, CR 2004, 88, 89 ff. 496 BGH, 5. 6. 2014 – VII ZR 276/13, NJW-RR 2014, 1204. 497 Schneider, in: Schneider (Hrsg.), Handbuch des EDV-Rechts, Kap. M Rn. 695. 498 Vgl. dazu die Hinweise von Diedrich, CR 2002, 473, 479 f.: „Die Schuldrechtsmodernisierung hat auch für Parteien von Softwareüberlassungsverträgen erhebliche Rechtsunsicherheit mit sich gebracht. Bis zur Klärung durch die Gerichte sollten die Parteien soweit möglich die wesentlichen Punkte ihrer Zusammenarbeit individualvertraglich aushandeln […].“ Auch Junker, NJW 2005, 2829, 2831 hält fest, dass „[…] die Neufassung des § 651 BGB erhebliche Rechtsunsicherheit erzeugt“ hat. In diese Richtung auch die Hinweise von Thewalt, CR 2002, 1, 7 und Schweinoch, CR 2010, 1, 7, dass individualvertraglich Gewissheit geschaffen werden sollte. 499 Vgl. bereits oben in Teil 3 Fn. 495.

§ 7 Anwendungsbereich des Übereinkommens

151

Elemente im Sinne von Art. 3 Abs. 2 CISG überträgt.500 Er nimmt dafür Bezug auf die Regierungsbegründung zum Gesetzesentwurf, nach der Art. 3 Abs. 1 CISG ausdrücklich als Vorbild für die Neuregelung in (nun) § 650 BGB fungierte.501 Schnittmengen zwischen dem autonomen deutschen Recht und dem CISG, wie sie vorliegend zu Tage treten, sollte der deutsche Rechtsanwender unbedingt in seine Erwägungen einbeziehen, bevor er die Abwahl des CISG mit einer zu großen Rechtsunsicherheit begründen möchte.

F. Schlussbetrachtung zum sachlichen Anwendungsbereich Obwohl das CISG keine ausdrückliche Definition zum Kaufvertrag über Waren enthält, sind sowohl das zugrundezulegende Begriffsverständnis als auch die darunter zu subsumierenden, vom Anwendungsbereich des CISG umfassten (Warenkauf-)Verträge weitestgehend mit eindeutigem Ergebnis zu beurteilen. Dabei fällt auf, dass sich mittlerweile eine durchaus international einheitliche Entscheidungspraxis entwickelt hat, die sich auf eine umfängliche – ebenfalls internationale – Aufbereitung in der Rechtswissenschaft stützen kann. Sofern es an einer abschließenden Klärung in der Rechtsprechung fehlt, können die Parteien und deren Rechtsbeistände in aller Regel auf eine jedenfalls in der Literatur entwickelte Dogmatik zurückgreifen, die sich zumeist in einer herrschenden oder jedenfalls einer weit überwiegenden Ansicht niederschlägt. Freilich verbleiben einige Streitfragen, die noch einer abschließenden Klärung sowohl durch die Rechtsprechung als auch durch die Literatur harren. Dies gilt etwa mit Blick auf die Frage der Anwendbarkeit des CISG auf Formen des Finanzierungsleasings oder auf Barter-Geschäfte. Im Einzelnen sei auf die oben erfolgten Darstellungen verwiesen. Die Regelung in Art. 3 CISG, gerade in dessen Abs. 2 CISG, erweist sich in Zusammenschau mit der ausführlichen Aufbereitung durch die Praxis und Literatur als äußerst hilfreich bei der vertragstypologischen Zuordnung von gemischten Verträgen. Gewisse Unwägbarkeiten sind dabei schlichtweg der Einzelfallabhängigkeit solcher vertraglichen Mischformen geschuldet, in denen das vereinbarte Pflichtenprogramm eine Kombination mehrerer Vertragstypen mit jeweils unterschiedlicher Gewichtung darstellt. Der Vergleich zum autonomen deutschen Recht hat an dem Beispiel der Einordnung von Softwareüberlassungsverträgen deutlich gezeigt, dass sich die Abgrenzung zwischen Kauf- und Werklieferungsvertrag bzw. Werk- und Dienstvertrag nach dem CISG verlässlicher bewerkstelligen lässt. Das CISG stellt hier das vergleichsweise rechtssichere „Instrumentarium“ bereit. Bezeichnend dürfte sein, dass sich die vorzugswürdige Ansicht in der Literatur aus-

500 501

Marly, Praxishandbuch Softwarerecht, Rn. 683, 686 ff. BT-Drs. 14/6040, 14. 5. 2001, S. 268.

152

Teil 3: Einzelbetrachtung

drücklich auf Art. 3 CISG bezieht, der für die neue Fassung von (nun) § 650 BGB Pate stand. Das Ergebnis der Lösung (der seltenen) Kollisionen zwischen CISG und nationalem/harmonisiertem Verbraucherschutzrecht erfolgt über Art. 4 CISG und die dazu vertretene h. M. zum Vorrang des CISG mittlerweile mit hinreichender Vorhersehbarkeit. Dabei offenbart sich mit Blick auf § 13 BGB, dass das CISG hier eine deutlich berechenbare Regelung zum Verbrauchergeschäft bzw. Konsumentengeschäft enthält. Was den tatsächlichen Umfang des sachlichen Anwendungsbereichs angeht, wird im Interesse einer möglichst weitgehenden Vereinheitlichung grundsätzlich versucht, alle unternehmerischen Vertragsbeziehungen mit tatsächlich kaufrechtlichem Gepräge in den Anwendungsbereich aufzunehmen. Gleichzeitig wird mit dem Fokus auf die immer wiederkehrende Grundsatzfrage, ob es sich in verbleibenden Zweifelsfällen noch um ein Vertragsverhältnis handelt, welches auf den Warenumsatz gegen Entgeltzahlung gerichtet ist, eine sachgerechte Grenze des Anwendungsbereichs gezogen. Solche Vertragsbeziehungen, für die die kaufrechtliche Regelungskonzeption des CISG als supranationales Einheitsrecht schlichtweg unpassend ist, werden somit nicht künstlich einer unpassenden Rechtsordnung untergeschoben. Dies wird in den ausdrücklichen Anwendungsausschlüssen nach Art. 2 CISG ganz deutlich, schlägt sich aber immer wieder bei der Diskussion von nicht ausdrücklich geregelten Grenzfällen in der Rechtsprechung und v. a. in der Literatur nieder.

§ 8 Regelungsbereich des Übereinkommens A. Einleitung Auch für den Regelungsbereich, der, wie bereits aufgezeigt, letztlich einen Teil des Anwendungsbereichs beschreibt, sind die Faktoren der Bestimmbarkeit und des tatsächlichen Umfangs (mit)entscheidend für die Beurteilung des Grads an Rechtssicherheit.

I. Zu der Bestimmbarkeit des Regelungsbereichs Mit Blick auf den Faktor der Bestimmbarkeit des Regelungsbereiches gelten die Ausführungen zum Anwendungsbereich entsprechend.502 Soweit unklar ist, wie die Grenzen des Regelungsbereiches überhaupt zu ziehen sind, mangelt es den Parteien angesichts der Unklarheit über ihre rechtliche Handlungsgrundlage schon an der so wichtigen Orientierungssicherheit bei der Bewertung und Abstimmung der jeweiligen Rechte und Pflichten; sei es bei den Vertragsverhandlungen oder später bei der 502

S. dazu oben § 7 A.I.

§ 8 Regelungsbereich des Übereinkommens

153

Durchführung des Warenhandelsgeschäfts und gegebenenfalls bei Rechtsstreitigkeiten.

II. Zum Umfang des Regelungsbereichs Ist auf Grundlage des konkreten Regelungsumfangs keine einheitliche rechtliche Handhabe der zentralen Punkte des Warenkaufes möglich, so führt die Rechtszersplitterung zu einem unübersichtlichen Flickenteppich an Regelungen und mithin einer Einschränkung der Orientierungssicherheit. Die Abwahl wäre angesichts der Rechtsunsicherheit und der Notwendigkeit, für die vom Einheitsrecht nicht erfassten Teilbereiche des grenzüberschreitenden Handelsverkehrs doch ein autonomes Recht zu wählen bzw. zu berücksichtigen, nachvollziehbar. Andererseits gilt die Maßgabe, dass ein hohes Maß an Rechtssicherheit nicht mit einer Positivierung jedes denkbaren Rechtsproblems gleichgesetzt werden kann. Sie setzt vielmehr einen gelungenen Ausgleich zwischen möglichst umfassender Regelung der zentralen Probleme bei größtmöglicher Übersichtlichkeit voraus. Das Bestreben, tatsächlich alle möglichen Fragen bzw. Konstellationen regeln und damit Rechtssicherheit schaffen zu wollen, ist utopisch und schafft letztlich mehr Rechtsunsicherheit bei unvorhersehbaren Fragestellungen, die nach einem dann nur scheinbar allumfassenden Normenkomplex schwer subsumiert werden können.503 Bei der Betrachtung gilt im Einzelnen, dass bezüglich Regelungsmaterien, die der sachliche Anwendungsbereich überhaupt nicht umfasst, von sogenannten „externen Lücken“504 gesprochen wird. Beispiele für externe Lücken sind etwa Fragen der Vertragsgültigkeit oder die Beurteilung der Eigentumsverhältnisse beim internationalen Warenkauf, die Art. 4 CISG ausdrücklich vom Regelungsbereich ausnimmt. Betreffend solcher Rechtsfragen, die zwar an sich dem Regelungsbereich des CISG unterfallen, aber nicht allein mit Hilfe der darin ausdrücklich enthaltenen Regelungen zu beantworten sind, spricht man von „internen Lücken“505. Sie sind durch Rückgriff auf die allgemeinen Grundsätze, die dem Übereinkommen zugrunde liegen, zu schließen. Lassen sich entsprechende Grundsätze aber nicht erkennen, handelt es sich um eine externe Lücke,506 für die Art. 7 Abs. 2 CISG klarstellt, dass das kollisionsrechtlich berufene Recht anzuwenden ist.507 503

Dazu allgemein bereits oben („Normeninflation“), § 3 C.I.1. Vgl. insb. zur Begrifflichkeit Ferrari, JZ 1998, 9, 10; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 7 Rn. 8; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 4; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 147; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 43. 505 Vgl. insbesondere zu der Begrifflichkeit Ferrari, JZ 1998, 9, 10; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 7 Rn. 7; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 4; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 133; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 7 Rn. 27; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 43. 506 MüKo-HGB/Ferrari, Art. 7 Rn. 44; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 7 Rn. 27. 504

154

Teil 3: Einzelbetrachtung

Sowohl die Betrachtung der externen als auch der internen Lücken erlaubt Rückschlüsse darauf, welches Maß an Orientierungssicherheit von der Konvention letztlich ausgeht. Maßgeblich ist, ob die externen Lücken „zu groß“ sind und wie die Bestimmung der internen Lücken erfolgt, d. h. wie sicher solche Fragen beantwortet werden, deren Antwort sich gerade nicht unmittelbar aus den Regelungen des CISG entnehmen lässt. Im Einzelnen ist nun der Frage nachzugehen, wie sich die genaue Ausgestaltung des Regelungsbereichs insgesamt auf das Maß an Rechtssicherheit auswirkt. Dazu wird konkret der gemäß Art. 4 Satz 1 CISG „ausschließlich“ umfasste Regelungsbereich der Konvention aufgezeigt, um darauf aufbauend die bedeutendsten einzelnen Lücken darzustellen und schließlich zu bewerten. Die Differenzierung nach externen und internen Lücken wird dazu beibehalten, wobei der Fokus auf der Untersuchung der externen Lücken liegt.

B. Ausgangspunkt Den Ausgangspunkt bei der Bestimmung des Regelungsbereiches der Konvention markiert Art. 4 CISG. In Art. 4 S. 1 CISG schlägt sich die bereits oben508 erwähnte Tatsache nieder, dass der Regelungsbereich des UN-Kaufrechts nicht vollumfänglich den internationalen Warenkauf mit all seinen möglichen rechtlichen Problemstellungen umfasst.509 Vielmehr beinhaltet er dem Wortlaut nach „ausschließlich den Abschluß des Kaufvertrages und die aus ihm erwachsenden Rechte und Pflichten des 507

Dazu näher unten § 8 E. S. die einleitenden Erwägungen zum begrenzten Anwendungs- und Regelungsbereich als Einfallstor für Rechtsunsicherheit, § 4 D. 509 Insb. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 3 m. w. N. und dem Verweis auf Tribunale di Modena (Italien), 9. 12. 2005, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/051209i3.html; KantonsG Nidwalden (Schweiz), 23. 5. 2005, CISG-online Case No. 1086, Erw. 3.1 („Das CISG umfasst nicht alle Rechtsfragen die sich aus der Lieferung von Waren ergeben können.“); KantonsG Schaffhausen (Schweiz), 20. 10. 2003, CISG-online Case No. 957, Erw. 2.; OGH (Österreich), 22. 10. 2001, CISG-online Case No. 614, Erw. c); BezG Laufen (Schweiz), 7. 5. 1993, http://www.unilex.info/case.cfm?id=105, Erw. 3.aa)ccc). Ferner Achilles, Art. 4 Rn. 1; Ferrari, RabelsZ 71 (2007) 52, 55 („[…] the scope of application of the CISG is limited“); Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 1; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 1; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 1; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 1; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-120; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 1. Kaum nachvollziehbar sind in Anbetracht dessen die Aussagen in der Rechtsprechung der französischen Schweiz: Bundesgericht (Schweiz), 15. 9. 2000, http://cisgw3.law.pace.edu/cisg/text/000915s2french.html, Erw. 2.a): „La CVIM est d’application exhaustive; elle régit l’ensemble du contrat, c’est-à-dire la formation de celui-ci, ainsi que les droits et obligations des parties, de même que les conséquences d’une inexécution. En principe, l’application supplétive du droit national est exclue“, sofern man die Einschränkung „En principe“ nicht im hier beschriebenen Sinne versteht. Gleiche Formulierung bei Bundesgericht (Schweiz), 19. 2. 2004, CISG-online Case No. 839, Erw. 3.2.2.; Cour de Justice de Génève (Schweiz), 15. 11. 2002, CISG-online Case No. 853, Erw. 2.b). 508

§ 8 Regelungsbereich des Übereinkommens

155

Verkäufers und des Käufers.“ Die Norm macht also zunächst ausdrücklich klar, wo der materiell-rechtliche Fokus des UN-Kaufrechts liegt.510 Welche Materien das CISG dagegen nicht regelt, grenzt Satz 2 mit Blick auf die Gültigkeit des Vertrags oder einzelner Vertragsbestimmungen oder der Gültigkeit von Gebräuchen (lit. a) sowie die Eigentumsverhältnisse an der Ware (lit. b) ein und formuliert somit ausdrücklich zwei externe Lücken im Regelungsbereich. Zu beachten sind jedoch zwei Einschränkungen: Die in Art. 4 Satz 2 lit. a und b CISG genannten Lücken sind nämlich nur „insbesondere“ nicht umfasste Materien und zudem auch nur „[s]oweit in diesem Übereinkommen nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist […].“ Der Regelungsbereich weist also einerseits mehr externe Lücken auf, als die „insbesondere“ aufgezählten. Dies belegt schon der sich anschließende Art. 5 CISG, in dem ausdrücklich die Haftung des Käufers für den durch die Ware verursachten Tod oder die Körperverletzung einer Person vom Regelungsbereich ausgenommen wird. Darüber hinaus bestehen weitere, nicht ausdrücklich genannte externe Lücken. Andererseits umfasst die Konvention mehr als nur Bestimmungen zum Vertragsschluss und zu den Rechten und Pflichten der Parteien, wie sich in Gesamtschau aller Vorschriften zeigt.511 So werden einige Teilaspekte geregelt, die an sich die ausgeschlossenen Materien betreffen.512 In diesem Sinne „ausdrücklich etwas anderes bestimmt“ wird z. B. in Art. 8 CISG, der die Maßgaben zur Auslegung von Erklärungen und Verhalten enthält, oder in Art. 9 CISG, wonach bestimmte Gebräuche und Gepflogenheiten Bindungswirkung zwischen den Parteien entfalten können. Ferner legt Art. 11 CISG die Formfreiheit des Vertragsschlusses fest und aus Art. 29 CISG geht ausdrücklich auch die Formfreiheit der einvernehmlichen Vertragsänderung oder -aufhebung hervor.513 Mit Blick auf die Orientierungssicherheit kann bereits festgehalten werden: Die Konvention gibt gleich zu Beginn von Teil I einen ersten Anhaltspunkt, welche Materien „zweifelsfrei“514 erfasst sind und welche nicht.515 Die Formulierung in

510

Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 2. Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 6; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 1; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 1, 3; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 8; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 3, 29; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 3 f.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-147. 512 Vgl. den entsprechenden Hinweis bei Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 3 („Damit bedarf es stets sorgfältiger Abgrenzung zwischen den erfaßten und den ausgeschlossenen Fragen.“); ferner Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 1. 513 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 2; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 4, 8; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 3. 514 Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 6 („without any doubt“); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 8 („[…] nur im Sinne von ,zweifelsfrei‘ zu verstehen […]“); Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 2 („[…] ,governs without doubt‘ […]“). 511

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Satz 1 („regelt ausschließlich“516) ist vor diesem Hintergrund also nicht ganz geglückt und deswegen im Sinne von „zweifelsfrei“ zu lesen.517 Darüber hinaus folgt aus dem Wortlaut auch, dass eine differenziertere – „funktional-autonome […]“518 – Gesamtbetrachtung der einzelnen materiell-rechtlichen Vorschriften angezeigt ist, um zu bestimmen, welche weiteren Sachverhalte vorrangig und ausschließlich nach der Konvention zu bewerten sind und eine kollisionsrechtliche Bestimmung obsolet machen.519 Vor diesem Hintergrund stellen sich zum Rechtssicherheitsgrad bei Geltung des CISG mehrere Fragen: Wie verlässlich lassen sich die zweifelsfrei umfassten bzw. die „insbesondere“ (also ausdrücklich) ausgeschlossen Materien bestimmen? Wie rechtssicher lassen sich die darüber hinausgehenden Regelungslücken bzw. externen Lücken eingrenzen? Wie ist es um die Bestimmbarkeit der Rückausnahmen, d. h. der doch „ausdrücklich“ in der Konvention mitgeregelten Materien bestellt? Darauf aufbauend ist von Interesse, welche Wirkungen der ermittelte Regelungsumfang insgesamt hat – legt der umfangreichere Regelungsgehalt auch einen höheren Grad an Orientierungssicherheit nahe, da ein breiteres Spektrum allein nach der Konvention beurteilt werden kann? Oder ist der Regelungsbereich insgesamt dennoch zu stark begrenzt, um dem Bedürfnis an Rechtssicherheit im internationalen Warenhandel gerecht zu werden? Um diese Fragen beantworten zu können, gilt es Bestimmbarkeit und Umfang der Regelungslücken genauer zu beleuchten.

C. Der „zweifelsfrei“ umfasste Regelungsbereich (Art. 4 S. 1 CISG) I. Abschluss des Vertrages Was man genau unter „Abschluß des Kaufvertrages“ zu verstehen hat, ist durch autonome Auslegung anhand der Sachvorschriften der Art. 14 – 24 CISG im ent-

515

Vgl. auch Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 1, die dementsprechend auf die Hilfsfunktion von Art. 4 bei der Bestimmung des Regelungsbereiches hinweisen. Dennoch wird auch auf einige Unsicherheiten bzgl. bestehender Grenzfälle hingewiesen (dort Rn. 4). 516 „[…] governs only […]“, „[…] régit exclusivement […]“. 517 S. bereits Teil 3 Fn. 514. 518 Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 12. 519 Achilles, Art. 4 Rn. 1 („wertend zuzuordnen“); Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 1 („funktionale Betrachtung“); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 7; Honnold/Flechtner, Rn. 62; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 3; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 12; Witz/Salger/Lorenz/ Lorenz, Art. 4 Rn. 6.

§ 8 Regelungsbereich des Übereinkommens

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sprechend betitelten Teil II der Konvention („Abschluß des Vertrages“) näher zu bestimmen. Allein Art. 4 CISG gibt dazu keine abschließende Antwort. Gemeint ist nach herrschender Auffassung nur der „äußere Konsens“520, also „die Mechanik, nach der zwischen zwei oder mehr Parteien eine bindende, auf dem Parteiwillen beruhende Vereinbarung zustande kommt“521.522 Im Kern geht es um die Regelung von Abgabe und Zugang eines Angebotes sowie dessen Annahme, gegebenenfalls unter Verwendung von AGB.523 So werden die Anforderungen an die wirksame Abgabe eines Angebotes (Art. 14, 15 CISG, zum Widerruf Art. 16 CISG), dessen Erlöschen (Art. 17 CISG) sowie die Voraussetzungen einer wirksamen Annahme beziehungsweise eines Gegenangebotes (Art. 18, 19 CISG), der Annahmefrist (Art. 20, 21 CISG) und der Rücknahme einer Annahme (Art. 22 CISG) geregelt. Art. 23 CISG trifft eine Aussage zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses und Art. 24 CISG schließt die Regelungen zum Vertragsabschluss mit der Klarstellung ab, wann eine Willenserklärung im Sinne der Konvention zugeht. Dass das CISG noch mehr Regelungen zum Vertragsschluss enthält, wurde bereits andeutet (z. B. Regelung der Form) und wird im Rahmen der späteren Ausführungen wieder aufgegriffen.524

520 OGH (Österreich), 22. 10. 2001, CISG-online Case No. 613; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-126; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 9 mit zahlreichen Rechtsprechungsnachweisen; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 8 („objective agreement“). 521 Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 13, ferner Vorbem. zu Art. 14 ff. Rn. 2. 522 Cour d’appel de Liège (Belgien), 28. 4. 2003, CISG-online Case No. 944; OGH (Österreich), 22. 10. 2001, CISG-online Case No. 613; OGH (Österreich), 6. 2. 1996, CISGonline Case No. 224; ZivilG Basel-Stadt (Schweiz), 21. 12. 1992, http://www.unilex.info/case. cfm?id=104, Erw. 3.2.; Achilles, Art. 4 Rn. 2; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 2 Rn. 2 („[…] das formale äußere Vertragsabschlussgeschehen […]“); Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 2; Kröll, 25 J.L. & Com. (2005) 39, 42; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 6 („external consensus“); MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 10; MüKo/Gruber, Vor Art. 14 Rn. 3; MüKoHGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 5; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-127, 3-2; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 9; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Vorbem. zu Artt. 14 – 24 Rn. 1; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 8; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Intro to Arts 14 – 24 Rn. 1; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 4 Rn. 9. Die in einigen Urteilen vertretene Ansicht (s. Teil 3 Fn. 509), nach der pauschal und anscheinend etwas unreflektiert von der abschließenden Regelung des Vertragsverhältnisses durch das CISG gesprochen wird, ist nach den erfolgten Ausführungen wiederum kaum haltbar. 523 Ausführlich zu der Verwendung von AGB beim Vertragsschluss unten, § 10, und zur Einordnung als Frage des äußeren Konsens unten § 8 D.I.1.a). 524 S. u. § 8 D.III.1.

158

Teil 3: Einzelbetrachtung

II. Aus dem Kaufvertrag erwachsende Rechte und Pflichten der Parteien Was Art. 4 Satz 1 CISG genau mit den „aus [dem Kaufvertrag] erwachsenden Rechten und Pflichten des Verkäufers und des Käufers“ beschreibt, offenbart die Gesamtschau der Sachvorschriften in Teil III („Warenkauf“). Gemeint sind die „primären gegenseitigen Ansprüche“525 sowie die Sekundäransprüche bei Verletzung eben dieser Pflichten, welche angesichts der weitreichend gewährten Privatautonomie im CISG (s. Art. 6 CISG) natürlich vertraglich modifiziert, konkretisiert oder schlicht abbedungen werden können.526 Aus der Formulierung „des Verkäufers und des Käufers“ geht nach einhelliger Auffassung hervor, dass Rechte und Pflichten Dritter nicht in den Regelungsbereich fallen,527 es sei denn, sie werden zusätzlich vertraglich vereinbart und dem Regelungsregime der Konvention unterworfen.528 Lässt man vorrangige vertragliche Regelungen außen vor, so präsentiert sich der in Gesamtschau zu betrachtende Teil III (und damit das zweifelsfrei von der Konvention geregelte Rechts- und Pflichtenprogramm) im Überblick wie folgt: Die materiell-rechtlichen Regelungen zum internationalen Warenkauf sind in fünf Kapitel unterteilt, wobei Kapitel II (Art. 30 – 52 CISG) und III (Art. 53 – 65 CISG) „[…] als Kern der Regelung […]“529 anzusehen sind. Kapitel II beschreibt die primären Pflichten des Verkäufers, ausgehend von der zentralen Pflicht zur Lieferung einer mangelfreien Ware inklusive gegebenenfalls existierender (Begleit-)Dokumente und zur Übertragung des Eigentums an der Ware gemäß Art. 30 CISG. Sodann enthält Abschnitt I von Kapitel II die genauen Re525

Identisch Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 2; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 11; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 16. 526 Achilles, Art. 4 Rn. 2; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 2; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 15; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 8; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-134; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 13. 527 Cedar Petrochemicals ./. Dongbu Hannong Chemical Co., U.S. D.C. [S. D. N.Y.], 19. 7. 2007, CISG-online Case No. 1509, Erw. B.; American Mint LLC v. GOSoftware, Inc., U.S. D.C. [M.D. Pa.], 16. 8. 2005, CISG-online 1104, III.; U.S. D.C., [N.D. Ill., E. Div.], 30. 3. 2005, http: //cisgw3.law.pace.edu/cases/050330u1.html, IV (ausführliche Auseinandersetzung mit Wortlaut von Art. 4 Satz 1 CISG und bestehendem case law); Hof van Beroep Gent (Belgien), 24. 6. 2004, CISG-online Case No. 987 (s. „Classification of issues“); Usinor Industeel ./. Leeco Steel Products, Inc., U.S. D.C. [N.D. Ill., E. Div.], 28. 3. 2002, CISG-online Case No. 696/1326, Erw. II.B.; Cour de Cassation (Frankreich), 5. 1. 1999, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/990105f1. html; BGH, 12. 2. 1998 – I ZR 5/96, CISG-online Case No. 343, Erw. II.1.a) = NJW 1998, 3205, 3206 = WM 1998, 2077, 2079; Achilles, Art. 4 Rn. 2; Kröll, 25 J.L. & Com. (2005) 39, 47; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 9; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 10; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 13; Witz/Salger/Lorenz/Lorenz, Art. 4 Rn. 10. 528 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 2 a. E.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-137; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 21. 529 Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 305.

§ 8 Regelungsbereich des Übereinkommens

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gelungen zur Lieferung der Ware sowie zur Übergabe der Dokumente (Art. 31 – 34 CISG). Abschnitt II regelt die Anforderungen an die Vertragsmäßigkeit der Ware und die diesbezügliche Bedeutung von Rechten und Ansprüchen Dritter (Art. 35 – 44 CISG). Abschnitt III legt sodann die Rechtsbehelfe des Käufers gegenüber dem Verkäufer fest, sofern die voranstehenden Pflichten aus dem Vertrag oder der Konvention nicht ordnungsgemäß erfüllt wurden (Art. 45 – 52 CISG). Kapitel III ist systematisch genau „[…] spiegelbildlich […]“530 zu Kapitel II aufgebaut. Eingangs werden in Art. 53 CISG die primären Pflichten des Käufers zur Abnahme und Zahlung des Kaufpreises normiert. Abschnitt I von Kapitel III regelt die Kaufpreiszahlung genauer (Art. 54 – 59 CISG), Abschnitt II die Abnahme (Art. 60 CISG) und Abschnitt III schließlich die Rechtsbehelfe des Verkäufers bei Verstoß gegen die voranstehenden Pflichten (Art. 61 – 65 CISG). In Kapitel IV findet sich die Regelung des Gefahrübergangs (Art. 66-70 CISG), die letztlich die potenzielle Fortgeltung der Kaufpreiszahlungspflicht trotz Nichtoder Schlechtleistung betrifft. In der Sache sind sie also den entsprechenden Regelungen zur Kaufpreiszahlungspflicht zuzuordnen.531 Quasi umrahmt werden die zentralen Normen bezüglich der „aus dem Kaufvertrag erwachsenden Rechte und Pflichten der Parteien“ von allgemeinen Bestimmungen in Kapitel I (Art. 25 – 29 CISG) und den „Gemeinsamen Bestimmungen über die Pflichten des Verkäufers und des Käufers“ in Kapitel V (Art. 71 – 88 CISG). Letzteres enthält insbesondere die Regelungen zum vorzeitigen Aufhebungsrecht (Art. 72 CISG) und der Aufhebung in Sukzessivlieferverträgen (Art. 73 CISG) sowie des Schadensersatzes (Art. 74 CISG), der Wirkung der Aufhebung (Art. 81 ff. CISG) und der Erhaltungspflichten (Art. 85 ff. CISG). Fasst man nochmals zusammen, so formt der „zweifelsfrei“ umfasste Regelungsbereich einen Regelungskomplex, der alle zentralen Elemente eines Kaufvertragsrechts enthält, wie es aus dem autonomen Recht bekannt sein wird. Dies gilt insbesondere für das deutsche Warenkaufrecht, nur dass dieses systematisch anders aufgebaut ist.532 Werden die Pflichten des Verkäufers (Art. 30, 35 CISG) bzw. des Käufers (Art. 53 CISG) nicht erfüllt,533 so stehen grundsätzlich dieselben Rechtsbehelfe zur Verfügung, wie im autonomen deutschen Recht. Inhaltlich sind diese an die Gegebenheiten und Bedürfnisse des gewerblichen internationalen Warenhandels angepasst.534 Der Käufer kann nach den jeweiligen Voraussetzungen Nach-/Erfüllung verlangen (Art. 45 Abs. 1 lit. a i. V. m. Art. 46 – 48 CISG), die Aufhebung er530

Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 305. Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 305. 532 Vgl. dazu auch zu Aufbau und Rechtsbehelfssystem, § 6. 533 Weite zweifelsfrei umfasste Pflichten ergeben sich mit Blick auf die Schadensminderungspflicht (Art. 77 CISG), die Erhaltungspflicht des Verkäufers im Falle des Zahlungs- oder Abnahmeverzugs des Käufers (Art. 85 CISG) sowie die Verzinsungspflicht (Art. 78 CISG). 534 Anschaulicher Überblick zu den Rechtsbehelfen mit Vergleich zum deutschen Schuldrecht bei Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 307 ff. 531

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klären (Art. 45 Abs. 1 lit. a i. V. m. Art. 49 CISG), den Kaufpreis mindern (Art. 45 Abs. 1 lit. a i. V. m. Art. 50 CISG) oder die Annahme einer zu frühen oder zu großen Lieferung ablehnen (Art. 45 Abs. 1 lit. a i. V. m. Art. 52 CISG). Schließlich steht ihm gegebenenfalls auch Schadensersatz zu (Art. 45 Abs. 1 lit. b CISG i. V. m. Art. 74 – 77 CISG). Der Verkäufer kann Erfüllung verlangen, d. h. mangels sonstiger vertraglich vereinbarter Pflichten die Zahlung und/oder Abnahme (Art. 61 Abs. 1 lit. a i. V. m. Art. 62, 63 CISG) und ansonsten die Aufhebung erklären (Art. 61 Abs. 1 lit. a i. V. m. Art. 64 CISG). Versäumt der Käufer im Falle eines Spezifikationskaufs die nähere Bestimmung, kann der Verkäufer die Spezifikation gegebenenfalls selbst vornehmen (Art. 61 Abs. 1 lit. a i. V. m. Art. 65 CISG). Natürlich steht auch dem Verkäufer unter bestimmten Voraussetzungen die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches zu (Art. 61 Abs. 1 lit. b i. V. m. Art. 74 – 77 CISG). Beide Parteien haben im Falle vorweggenommener Vertragsverletzungen und bei Verträgen über aufeinander folgende Lieferungen bestimmte Zurückbehaltungs- bzw. Vertragsaufhebungsrechte (Art. 71 – 73 CISG). Art. 78 CISG gewährt dem Grunde nach einen Zinsanspruch.

III. Zwischenbetrachtung Alleine anhand des Wortlautes von Art. 4 S.1 CISG lässt sich nicht abschließend beurteilen, welche Materien vom Regelungsbereich der Konvention umfasst sind. Insofern kann man den Verfassern gewissermaßen eine zu enge Formulierung vorwerfen, da die Konvention keineswegs nur ausschließlich den Vertragsabschluss und die aus diesem erwachsenden Rechte und Pflichten der Parteien regelt. Legt man allerdings ein Verständnis dahingehend zugrunde, dass es sich nur um eine erste Konkretisierung handelt, welche Materien „zweifelsfrei“ umfasst sind und den Kern der Konvention formen, ist ein Mehrwert wiederum kaum abzustreiten. So wird dem Anwender ein erster Hinweis dahingehend gegeben, vor welchem Hintergrund er die Funktion der Konvention überhaupt zu beurteilen hat. Mehr sollte an dieser Stelle auch gar nicht erwartet werden, sofern man Wert auf Übersichtlichkeit legt, die oben als ein Element der Orientierungssicherheit und letztlich der Rechtssicherheit hervorgehoben wurde. Eine vollumfängliche Auflistung der geregelten Materien dürfte kaum mehr Übersichtlichkeit für sich beanspruchen.

D. Externe Lücken Wie bereits mehrfach erwähnt, wird in Art. 4 Satz 2 CISG ausdrücklich auf zwei externe Lücken im Regelungsbereich hingewiesen: die Gültigkeit des Vertrags und einzelner Vertragsbestimmungen sowie von Gebräuchen (lit. a) und die Wirkung des Vertrags auf Eigentumsfragen (lit. b). Ebenfalls erläutert wurde, dass diese Aufzählung jedoch nicht alle tatsächlichen externen Lücken umfasst und dass die ge-

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nannten externen Lücken wiederum durch die (doch) „ausdrücklich im Übereinkommen“ geregelten Fragen aufgeweicht werden. An dieser Stelle soll nun eine genauere Eingrenzung und Untersuchung der tatsächlich vom UN-Kaufrecht ausgeschlossenen Materien erfolgen.

I. Ausdrücklich genannte externe Lücken 1. „Insbesondere“ ausgeschlossene Materien, Art. 4 S. 2 CISG a) Gültigkeit des Vertrages oder einzelner Vertragsbestimmungen, Art. 4 S. 2 lit. a 1. Alt CISG Der Ausschluss von Fragen der „Gültigkeit des Vertrages“ bezieht sich nach dem maßgeblichen autonomen Begriffsverständnis von Art. 4 S. 2 lit. a CISG auf die materielle Wirksamkeit des Vertragsschlusses.535 Wird gemäß Art. 4 S. 1 CISG der Vertragsschluss als „äußerer Konsens“ ausdrücklich vom CISG geregelt,536 so schließt Art. 4 S. 2 lit. a CISG die Bildung des „inneren Konsenses“ vom Regelungsbereich aus.537 Nach einhelliger Ansicht auszuschließen sind somit Fragen der Wirksamkeit rechtgeschäftlicher Erklärungen, also betreffend die Rechts- und Geschäftsfähigkeit oder das Bestehen einer Verpflichtungsbefugnis.538 Gleiches gilt mit Blick auf die Unwirksamkeit aufgrund von Rechts- oder Sittenwidrigkeit sowie gesetzlicher Verbote.539 Insbesondere „wirtschaftslenkende Vorschriften“540 mit Nichtigkeits535

So die herrschende Meinung: Honnold/Flechtner, Rn. 65; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 14; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 11; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-147 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 31; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 16; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 20. 536 S. o. § 8 C.I. 537 MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 5; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 15 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 30; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 20. 538 HandelsG Aargau (Schweiz), 26. 11. 2008, CISG-online Case No. 1739, Erw. 5.1; KantonsG Wallis (Schweiz), 27. 4. 2007, CISG-online Case No. 1721, Erw. II.3.a); KantonsG Wallis (Schweiz), 27. 5. 2005, CISG-online Case No. 1137, Erw. II.3.a); Oberstes Schiedsgericht der Russischen Föderation, 9. 6. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/040609r1.html, Erw. 3.1.1.; OGH (Österreich), 22. 10. 2001, CISG-online Case No. 613; OLG Düsseldorf, 8. 1. 1993 – 17 U 82/92, CISG-online Case No. 76 = NJW-RR 1993, 999, 1000; Achilles, Art. 4 Rn. 4; Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 165; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 4, 26; Honnold/Flechtner, Rn. 66; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 4; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 17; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 16 f.; MüKo/Gruber, Vor Art. 14 Rn. 8; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 5; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-149; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 32; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 17; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 20, 36. 539 BundesG (Schweiz), 6. 7. 2012, CISG-online Case No. 2371, Erw. 6.4; OLG Saarbrücken, 30. 5. 2011 – 4 Sch 3/10, CISG-online Case No. 2225, Erw. II.2.bb)aa); Achilles, Art. 4

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folge, wie etwa im Abkommen von Bretton Woods541,542 liegen außerhalb des Regelungsbereiches und werden daher nicht von der Konvention verdrängt.543 Auf den Vorrang nationaler Verbraucherschutzvorschriften mit Nichtigkeitsfolge wurde bereits oben eingegangen.544 Was die Anfechtbarkeit des Kaufvertrages aufgrund von Willensmängeln angeht, so betrifft diese die Gültigkeit des „inneren Konsenses“ und ist daher grundsätzlich545 vom ausdrücklichen Ausschluss in Art. 4 S. 2 lit. a CISG betroffen.546 Die AGB-Inhaltskontrolle entscheidet letztlich auch über die materielle Gültigkeit einer Klausel oder des ganzen Vertrages und wird mithin nicht vom CISG, sondern dem kollisionsrechtlich berufenen Recht geregelt.547 Was aber die EinbeRn. 4, 12; Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 166; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 4, 25; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 6; Honnold/Flechtner, Rn. 64; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 17; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 5; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-151; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 39; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 18; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 20. 540 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 19. 541 BGBl. 1952 II, S. 637 ff. 542 So explizit Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 22. 543 BGH, 23. 7. 1997 – VIII ZR 134/96, NJW 1997, 3309, 3010, Erw. II.2.; OLG Karlsruhe, 29. 11. 2001 – 19 U 14/01, NJW 2002, 1206, 1206, Erw. 1; Fovárosi Biróság (Ungarisches Hauptstadtgericht), 1. 7. 1997, CLOUT Case No. 172; vgl. ferner Teil 3 Fn. 540 und 542 sowie Czerwenka, Rechtsanwendungsprobleme, S. 166; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 25; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 17; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentray, Art. 4 Rn. 39; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 23. 544 S. o. § 7 E.I.4.a)cc). 545 Zu den dennoch im CISG geregelten Folgen einiger Willensmängel sogleich, § 8 D.III.1.c). 546 OLG Hamm, 12. 9. 2011 – I-2 U 15/11, CISG-online Case No. 2533, Erw. II.2.c); OLG Dresden, 27. 5. 2010 – 10 U 450/09, CISG-online Case No. 2182, Erw. II.2 (zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung); OGH (Österreich), 20. 3. 1997, CISG-online Cae No. 269 = ZfRV 1997, 204, 207; OLG Hamburg, 5. 10. 1998 – 12 U 62/97, CISG-online Case No. 473, Erw. 3.c)aa); HandelsG St. Gallen (Schweiz), 24. 8. 1995, CISG-online Case No. 247, Erw. II.2; Achilles, Art. 4 Rn. 11; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 4; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 7; Honnold/Flechtner, Rn. 68; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 21; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 23 ff.; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 10; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 169; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 22; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 20. 547 OLG Hamm, 12. 9. 2011 – I-2 U 15/11, CISG-online Case No. 2533, Rz. 28; Norfolk Sothern Railway Company ./. Power Source Supply, Inc. [U.S. D.C., W.D. Pa], 25. 7. 2008, CISG-online Case No. 1776; Barbara Berry, S. A. de C. V. ./. Ken M. Spooner Farms, Inc., U.S. D.C. [W. D. Wash.], 13. 4. 2006, CISG-online 1354; OLG Linz (Österreich), 23. 3. 2005, CISG-online Case No. 1376, Erw. 9.1 = IHR 2007, 123, 127; OLG Düsseldorf, 21. 4. 2004 – I15 U 88/03, CISG-online Case No. 915, Erw. II 1.b)bb)(1) = IHR 2005, 24; OGH (Österrreich), 7. 9. 2000, CISG-online Case No. 642 = IHR 2001, 42 ff.; Rechtbank Zutphen (Niederlande), 29. 5. 1997, http://www.unilex.info/case.cfm?id=353; AG Nordhorn, 14. 6. 1994 – 3 C 75/94, CISG-online Case No. 259, Erw. II.; Achilles, Art. 4 Rn. 13; Berger, in: FS-Horn, S. 3, 10; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 4, 23; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 6; P. Huber, 13 Vind.

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ziehung von AGB betrifft, so handelt es sich um Fragen der Abschlusstechnik bei Erzielung eines „äußeren Konsenses“.548 Sie sind nach dem CISG zu beurteilen, also vom Ausschluss nicht umfasst.549 Aber auch bei der Inhaltskontrolle bleibt das CISG nicht vollkommen außen vor, da sich nach „wohl herrschender“550 Auffassung in Rechtsprechung und Literatur die Angemessenheit an den dem CISG zugrunde liegenden Wertungen zu orientieren hat.551 Diese finden also, etwa im Rahmen von § 307 BGB oder ähnlichen autonomen oder auch harmonisierten nationalen Vorschriften, wiederum Berücksichtigung bei der Inhaltskontrolle.552 Der Fall der anfänglichen Unmöglichkeit der Leistung ist in Anwendung des CISG nicht als Gültigkeitsfrage zu qualifizieren,553 wie sich unschwer der Regelung in Art. 68 S. 3 CISG entnehmen lässt.554 Vielmehr geht das CISG hier von einem Fall

J. Int’l Com L. Arb. (2009) 123, 125; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 25; Kühl/Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 52, 58 f.; Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 307; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 33; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 6; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-153; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 12, 38; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 20; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Vorbem. zu Artt. 14 – 24 Rn. 3; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 48 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 24; Ventsch/ Kluth, IHR 2003, 61, 65. 548 Explizit mit dieser Zuordnung etwa Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 23; P. Huber, 13 V.J. (2009) 123, 126; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 25. 549 Dazu ausführlich unter § 10. 550 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 20. 551 OLG Linz (Österreich), 23. 3. 2005, CISG-online Case No. 1376, Erw. 9.1 = IHR 2007, 123, 127; OLG Düsseldorf, 21. 4. 2004 – I-15 U 88/03, CISG-online Case No. 915, Erw. II. 1.b) bb)(1) = IHR 2005, 24; OGH (Österrreich), 7. 9. 2000, CISG-online Case No. 642 = IHR 2001, 42 ff.; Berger, in: FS-Horn, S. 3, 11; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 25; Kühl/Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 59; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 33 („nach zutreffender h. M.“); MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 6; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-153; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 38; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 20; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Vorbem. zu Artt. 14 – 24 Rn. 3; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 54 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 26; Ventsch/Kluth, IHR 2003, 61, 65. 552 Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 166; vgl. ferner Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 23; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 25; Kühl/ Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 59 (mit Beispielen, allerdings noch zu § 9 AGBG); Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 307; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 33; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 20; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 54 ff.; Staudinger/Magnus Art. 4 Rn. 26. 553 Wie etwa noch gemäß § 306 BGB a. F., s. etwa Grüneberg/Grüneberg, § 311a Rn. 1. 554 Schließlich wird dort vom Abschluß des Kaufvertrages trotz vorherigem Untergang der Ware gesprochen. Die Argumentation vor dem Hintergrund dieser Norm stellt i. Ü. ein Beispiel für die nach herrschender Ansicht erforderliche autonome Bestimmung (s. o.) dar, wann es sich um eine Gültigkeitsfrage i. S. v. Art. 4 S. 2 lit. a CISG handelt.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

der Leistungsstörung aus, der mithin nicht vom Regelungsausschluss in Art. 4 Satz 2 lit. a CISG betroffen ist, sondern nach dem CISG zu beurteilen ist.555 b) Gültigkeit von Gebräuchen, Art. 4 Satz 2 lit. a 2. Alt. CISG Das CISG regelt ausdrücklich nicht die Gültigkeit von Gebräuchen. Nach allgemeiner Auffassung bedeutet dies, dass zwingende Gültigkeitsvorschriften im kollisionsrechtlich berufenen nationalen Recht grundsätzlich556 zum Tragen kommen.557 Ob es sich überhaupt um Gebräuche im Sinne der Konvention handelt, vor allem aber ob diese überhaupt Bestandteil des Kaufvertrages werden, betrifft die vorgelagerte Frage des Vertragsschlusses und ist daher eindeutig nach UN-Kaufrecht zu beurteilen (Art. 8 Abs. 3, 9 CISG).558 c) Wirkungen auf die Eigentumsverhältnisse, Art. 4 Satz 2 lit. b CISG Art. 4 Satz 2 lit. b CISG stellt klar, dass die Konvention nicht die Eigentumsverhältnisse an der verkauften Ware regelt. Zwar folgt die Pflicht zur Verschaffung des Eigentums aus dem CISG (Art. 30 CISG) oder gegebenenfalls aus einer modifizierenden Parteiabrede. Ob bzw. wie diese oder andere Pflichten aber dinglich erfüllt werden, ist nach dem kollisionsrechtlich zu bestimmenden Recht, in der Regel nach der lex rei sitae, zu beurteilen.559 Seien es Fragen zum gutgläubigen Erwerb,560 555

Bach/Sieber, IHR 2006, 59, 60; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 14; Kröll, 25 J.L. & Com. (2005) 39, 46 f., 54; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 19; MüKo-HGB/Wertenbruch, Art. 68 Rn. 12; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-148; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 24; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 33; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 44, Art. 68 Rn. 22. 556 Zur Formgültigkeit s. aber u. § 8 D.III.1.a). 557 OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380 („Diese Frage [die Gültigkeit von Bräuchen] überläßt es der Beurteilung durch das nationale Recht; […]“); dem ausdrücklich folgend OGH (Österreich), 21. 3. 2000, CISG-online Case No. 641; OGH (Österreich), 22. 10. 2001, CISG-online Case No. 613; ferner Achilles, Art. 4 Rn. 15; Ferrari/ Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 5; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 27; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 13; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-141, 2-154; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 27; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 29. 558 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 6; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 13; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-154; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 26; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 30. 559 OLG München, 5. 3. 2008 – 7 U 4969/06, CISG-online Case No. 1686, Erw. II.2.a)bb); CIETAC (China), 18. 4. 2008, CISG-online Case No. 2057, Erw. III.B.; LG Freiburg, 22. 8. 2002 – 8 O 75/02, CISG-online Case No. 711, Erw. II = IHR 2003, 22, 33; St. Paul Guardian Insurance Co. et al. ./. Neuromed Medical Systems et al., U.S. D.C. [S.D. N.Y.], 26. 3. 2002, CISG-online Case No. 615, Erw. D. („[…] German law as a ,gap filler‘ […]“); Usinor Industeel ./. Leeco Steel Products, D.C. [N.D. Ill.], 28. 3. 2002, CISG-online Case No. 1326, Erw. II.B.i), ausdrücklich Bezug nehmend auf Roder Zelt und Hallenkonstruktionen ./. Rosedown Park et al., F.C.A. [S.A. Adelaide], 28. 4. 1995, CISG-online Case No. 218, Erw. 20. S. auch die

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zur dinglichen Wirksamkeit561 eines Eigentumsvorbehaltes und seiner dinglichen Wirkungen gegenüber Dritten,562 zu anderen dinglichen Sicherungsrechten wie der Sicherungsübereignung, der Verpfändung oder der floating charge, sie unterfallen alle nicht dem Regelungsbereich der Konvention, sondern dem einer nationalen Sachenrechtsordnung563 oder eines speziellen internationalen Übereinkommens.564 Welche schuldrechtlichen Konsequenzen die dingliche Rechtslage im Hinblick auf das kaufrechtliche Rechts- und Pflichtenprogramm nach sich zieht, beurteilt sich dagegen wieder nach dem CISG.565 Entscheidungen BGH, 10. 6. 2009 – VII ZR 108/07, IHR 2010, 103, 104 (Erw. II.2.a)) und BGH, 15. 2. 1995 – VIII ZR 18/94, CISG-online Case No. 149, wo Fragen zum Eigentumsverhältnis in einem internationalen Kaufvertrag entsprechend nach der lex rei sitae beurteilt wurden. Ferner Achilles, Art. 4 Rn. 16; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 7 f.; Honnold/Flechtner, Rn. 70; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 32; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Djordjevic, Art. 4 Rn. 28; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 20; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 13; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-155; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 29 f.; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 32. 560 BGH, 10. 6. 2009 – VII ZR 108/07, IHR 2010, 103, 104 (Erw. II.2.b)); LG Freiburg, 22. 8. 2002 – 8 O 75/02, CISG-online Case No. 711, Erw. II = IHR 2003, 22, 33. 561 St. Paul Guardian Insurance Co. et al. ./. Neuromed Medical Systems et al., U.S. D.C. [S.D. N.Y.], 26. 3. 2002, CISG-online Case No. 615, insb. Erw. D.; Roder Zelt und Hallenkonstruktionen ./. Rosedown Park et al., F.C.A. [S.A. Adelaide], 28. 4. 1995, CISG-online Case No. 218, Erw. 20 ff.; OLG Koblenz, 16. 1. 1992 – 5 U 534/91, CISG-online Case No. 47; s. auch BGH, 15. 2. 1995 – VIII ZR 18/94, CISG-online Case No. 149. Ferner Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 32; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 28; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 20; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 14. 562 Z. B. die Vollstreckungs- und Konkursfestigkeit eines Eigentumsvorbehaltes, Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-155; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 32; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 28 und in der Rechtsprechung Usinor Industeel ./. Leeco Steel Products, U. S. D.C. [N.D. Ill.], 28. 3. 2002, CISG-online Case No. 1326, Erw. II.B. 563 So insgesamt, auch mit dem Hinweis auf die national stark divergierenden sachenrechtlichen Prinzipen (Konsensualprinzip vs. Traditionsprinzip) v. a. Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 32; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 29 f.; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 8; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 20; ferner Achilles, Art. 4 Rn. 16; Honnold/Flechtner, Rn. 70; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 32; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Djordjevic, Art. 4 Rn. 28; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-155. 564 Beispielsweise der Convention on International Interests in Mobile Equipment (auch Cape Town Convention) mit den dazugehörigen Protokollen (Aircraft Protocol, Rail Protocol, Space Protocol), abrufbar unter http://www.unidroit.org/instruments/security-interests/capetown-convention. 565 MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 20; s. auch die Ausführungen von Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 32, dass sich die Beurteilung der schuldrechtlichen Folgen der Verletzung einer Sicherungsabrede nach dem CISG richtet, nicht nach dem autonomen deutschen Recht (m. w. N.). Vgl. desweiteren nur die entsprechenden Erwägungen bei BGH, 15. 2. 1995 – VIII ZR 18/94, CISG-online Case No. 149, Erw. II.3.a) („Für erst mit der Fälligkeit auftretende Vertragsverletzungen [keine Eigentumsverschaffung] verbleibt es demgegenüber bei den hierfür geltenden Vorschriften, insbesondere dem Recht des Käufers auf Vertragsaufhebung nach Art. 49 CISG.“) und OLG München, 5. 3. 2008 – 7 U 4969/06, CISG-online Case No. 1686, Erw. II.2.a) sowie St. Paul Guardian Insurance Co. et al. ./. Neuromed Medical Systems et al., U.S. D.C. [S.D. N.Y.], 26. 3. 2002, CISG-online Case No. 615, insb. Erw. D. (Eigentumsvorbehalt mit Hinweis

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2. Ausschluss von Ansprüchen wegen Tod oder Körperverletzung, Art. 5 CISG Mit dem ausdrücklichen Ausschluss der Frage der Haftung des Verkäufers für Personenschäden von den Regeln des CISG zielten die Konventionsverfasser darauf ab, den mitunter sehr unterschiedlichen nationalen Ausgestaltungen auf dem Gebiet der Produkthaftung Rechnung zu tragen:566 Während in einigen nationalen Rechtsordnungen sowohl eine vertragliche als auch eine deliktische Haftungsgrundlage in Frage kommt, gewiss mit unterschiedlicher Grenzziehung, werden entsprechende Haftungsfragen in anderen Rechtsordnungen primär schuldrechtlich gelöst.567 So kommt im autonomen deutschen und italienischen Recht neben der vertraglichen Haftung ohne Weiteres auch eine deliktische Haftung in Betracht (freie Anspruchskonkurrenz). Dagegen ist beispielsweise in Frankreich die Berufung auf gesetzliche Anspruchsgrundlagen grundsätzlich nicht möglich, wenn bereits eine vertragliche Bindung der Parteien besteht („non comul de responsabilité“).568 Um zu verhindern, dass der Regelungs- und Schutzzweck eines national vorrangig vertraglich konzipierten Produkthaftungsrechts untergraben wird, wurden entsprechende Haftungsfragen ganz aus dem Regelungsbereich ausgenommen.569 Nicht nur im Hinblick auf den rechtspolitischen Schutzgedanken, sondern auch aus der Rechtssicherheitsperspektive ist das Motiv für den Ausschluss in Art. 5 CISG, Kollisionen mit unvereinheitlichtem Recht weitestgehend zu vermeiden, durchaus zu begrüßen. Die Haftung für durch die Kaufsache bedingte Schäden wäre durch das kaufrechtliche Einheitsrecht ohnehin nicht abschließend zu regeln, da sie gemeinhin das vertragliche und das außervertragliche Verhältnis zwischen den Parteien betrifft. Der Mehrwert, das Einheitsrecht auf vertragliche Ansprüche bei der Produkthaftung auszudehnen, wäre also sehr begrenzt. Darüber hinaus würde das ohnehin schon komplexe Verhältnis zwischen vertraglicher und außervertraglicher Haftung im auf Art. 4 Satz 2 lit. a CISG nicht nach CISG beurteilt, Zeitpunkt des Gefahrübergangs dagegen schon). 566 Vgl. Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 183. 567 Zu Sinn und Zweck der Norm s. nur Honnold/Flechtner, Rn. 71; Honsell/Siehr, Art. 5 Rn. 1; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ribeiro, Art. 5 Rn. 4 („[…] to ensure that ,complex‘ domestic product liability rules would not be displaced by the Convention.“); MüKo/Huber, Art. 5 Rn. 1; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 5 Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 2. 568 Dazu Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 2; s. auch MüKo/Wagner, Vor § 823 Rn. 82 m. w. N. zur Lehre vom non comul; mit einem internationalen Überblick zum Verhältnis zwischen vertraglicher und deliktischer Haftung nach autonomem Recht Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-140 und Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int’l L. (2003) 263, 285 (dort Fn. 108). 569 Vgl. dazu bereits Angaben in Teil 3 Fn. 567 und Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 5 Rn. 1 („Bei Staaten, in denen die Produkthaftung auf vertraglicher Grundlage geregelt ist, wird durch Art. 5 die Geltung der Produkthaftung sichergestellt.“).

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autonomen Recht weiter verkompliziert und die Lösung drohte damit unberechenbarer, also rechtunsicherer zu werden. Eine nähere Betrachtung des Ausschlusses in Art. 5 CISG offenbart allerdings, dass die Vermeidung von Überschneidungen des vereinheitlichten und autonom gesetzten Rechts „[…] nicht gänzlich geglückt“570 ist. So bezieht sich der Wortlaut lediglich auf Personenschäden, während Sachschäden unerwähnt bleiben. Neben dem ausgeschlossenen Fall der Personenschäden, gilt es daher insbesondere näher zu betrachten, welche Schlüsse hinsichtlich der Haftung für Sachschäden zu ziehen sind. Lässt sich der Regelungsumfang dennoch mit hinreichender Vorhersehbarkeit bestimmen und wie sind gegebenenfalls verbleibende Unwägbarkeiten aus praktischer Perspektive zu bewerten? a) Personenschäden Kaum Schwierigkeiten bereitet Art. 5 CISG mit Blick auf den ausdrücklichen Geltungsausschluss hinsichtlich solcher Personenschäden, die durch die Ware verursacht wurden. Hier entspricht es der allgemeinen Ansicht, dass sowohl vertragliche, als auch deliktische Ansprüche nach dem kollisionsrechtlich zu bestimmenden autonomen Recht zu beurteilen sind.571 Angesichts des eindeutigen Wortlauts („Tod oder die Körperverletzung einer Person“) besteht auch Einigkeit darüber, dass der Ausschluss unabhängig davon greift, ob der Käufer selbst oder ein Dritter einen entsprechenden Personenschaden erlitten hat.572 Die Beantwortung von Haftungsfragen richtet sich in beiden Fällen ausschließlich nach dem kollisionsrechtlich berufenen autonomen Recht. Ein „durch die Ware verursacht[er]“ Personenschaden liegt bei unmittelbarer Einwirkung der ursprünglich gelieferten Kaufsache vor, sowie dann, wenn falsche Instruktionen, eine falsche Verpackung oder eine vor bzw. erst wegen der Nacherfüllung bestehende Sacheigenschaft zur entsprechenden Einwirkung der Ware auf die körperliche Integrität führen.573 Tritt der Personenschaden hingegen lediglich 570

Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 2. Achilles, Art. 5 Rn. 1; Honnold/Flechtner, Rn. 73; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Ribeiro, Art. 5 Rn. 5; MüKo/Huber, Art. 5 Rn. 1, 5; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 5 Rn. 1; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-156; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 183; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 4 und zugleich mit Hinweisen zur kollisionsrechtlichen Anknüpfung: Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 5 Rn. 2; Honsell/Siehr, Art. 5 Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 5 Rn. 3; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 15. 572 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 5 Rn. 3; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ribeiro, Art. 5 Rn. 5; MüKo/Huber, Art. 5 Rn. 4 („[…] nach zutreffender h. M […]“); Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-156; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 5 Rn. 6; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 7 f. 573 Achilles, Art. 5 Rn. 2; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 5 Rn. 3; Honsell/Siehr, Art. 5 Rn. 3; MüKo/Huber, Art. 5 Rn. 5; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-156; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 5 Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 6. 571

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anlässlich des Umgangs mit der betreffenden Ware ein, d. h. ohne schädigende Einwirkung der Ware selbst, etwa aufgrund einer Pflichtverletzung im Zusammenhang mit Anlieferung, Montage, Nachbesserung oder Abholung der Ware, so ist ein „durch die Ware“ verursachter Schaden nach überwiegender Ansicht in der Literatur (Klärung durch die Rechtsprechung nicht ersichtlich) abzulehnen – nach dem CISG bestehende Rechtsfolgen einer entsprechenden vertraglichen Pflichtverletzung bleiben daher zu beachten.574 b) Regress Vom Ausschluss in Art. 5 CISG mit umfasst und daher kollisionsrechtlich anzuknüpfen ist ein eventuell bestehender Regressanspruch des Käufers, der seinerseits wegen eines durch die weiterverkaufte Ware verursachten Personenschadens von Dritten in die Haftung genommen wurde.575 Dies wird zwingend daraus geschlossen, dass es sich mit Blick auf einen Regressanspruch des Zwischenkäufers schließlich auch um einen Schaden handelt, der „auf den durch die Ware verursachten Tod oder die Körperverletzung einer Person“ (engl.: „to any person“)576 zurückzuführen ist.577 574

Achilles, Art. 5 Rn. 2 („[…] lediglich anläßlich des Umgangs mit der verkauften Ware […]“); Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 5 Rn. 3; Honsell/Siehr, Art. 5 Rn. 3, 5; MüKo/ H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 5 Rn. 3 (Montage- und Instruktionsfehler), Rn. 4 („[…] allein durch das Verhalten des Verkäufers verursachter Personenschaden […] fällt folglich unter die Regeln des CISG über die Vertragsverletzung.“); MüKo/Huber, Art. 5 Rn. 4; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 5 Rn. 7 (Kein „durch die Ware“ verursachter Schaden und daher nicht gem. Art. 5 CISG ausgeschlossen ist bspw. die Haftung für den „[…] bei der Anlieferung der Ware mit dem LkW enstandene[n] Personenschaden […]“); Staudinger/ Magnus, Art. 5 Rn. 6; a. A. MüKo-HGB/Mankowski, Art. 5 Rn. 6 ff., mit der Begründung, „die verletzte Verhaltenspflicht sei deliktischer, nicht vertraglicher Natur“ (Rn. 7); wohl auch Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Ribeiro, Art. 5 Rn. 7. Differenzierter: Schlechtriem/Schwenzer/ Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 5 Rn. 6, mit dem Hinweis, dass es sich tatsächlich um eine vertraglich vereinbarte (Neben-)Pflicht im Rahmen des CISG-Kaufvertrages handeln muss, deren Verletzung den Personenschaden verursacht; es dürfe keine allgemeine Schutzpflicht in das Pflichtenprogramm des CISG-Kaufvertrages hineingelesen werden. 575 Achilles, Art. 5 Rn. 2; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 5 Rn. 3; Honsell/Siehr, Art. 5 Rn. 4; MüKo/Huber, Art. 5 Rn. 4; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 5 Rn. 4; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-156; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 185; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 5 Rn. 8; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 7. A. A. Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Ribeiro, Art. 5 Rn. 12 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/ Hachem, Commentary, Art. 5 Rn. 10. Entgegen der weit überwiegenden Ansicht in der Literatur aber noch eine ältere, zweifelhafte Entscheidung des OLG Düsseldorf, 2. 7. 1993 – 17 U 73/93, CISG-online Case No. 74, in der für die Beantwortung der Frage, wo der Erfüllungsort der Schadensersatzpflicht des Erstverkäufers liegt, auf das CISG abgestellt wird. Das CISG hätte schon wegen eines Vorbehaltes der USA nach Art. 95 CISG und erst recht wegen Art. 5 CISG nicht angewandt werden dürfen. Mit dementsprechend zutreffender Kritik die Anmerkung von Schlechtriem, EWiR 1993, 1075, 1076; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Ferrari, Art. 5 Rn. 8. 576 Mit diesem Hinweis auf den noch deutlicheren englischen Wortlaut von Art. 5 CISG Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 185.

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Dabei muss es sich bei dem Personenschaden auch um einen „durch die Ware“ verursachten im soeben erläuterten Sinne handeln. c) Sachschäden Art. 5 CISG schließt ausdrücklich nur die Haftung für durch die Ware verursachte Personenschäden vom Regelungsbereich aus. Neben der Frage zur vertraglichen Haftung für nicht „durch die Ware verursachte“ Personenschäden578 verbleibt mithin auch die vertragliche Haftung für warenbedingte Sachschäden im Regelungsbereich. Das CISG enthält insofern, d. h. in vertraglicher Hinsicht, unstrittig abschließende Regelungen.579 Umstritten ist jedoch, ob mit der Anwendbarkeit der (vertraglichen) Haftungsregeln des CISG eine „nationale“, außervertragliche Haftung versperrt wird, obwohl das kollisionsrechtlich zur Anwendung berufene Deliktsstatut einen solchen Anspruch theoretisch gewährt. Für die Parteien kann die rechtssichere Beantwortung der Frage, ob zusätzlich auch autonomes Deliktsrecht zu beachten ist, ganz erhebliche Bedeutung erlangen: Scheidet ein CISG-Anspruch etwa wegen einer versäumten Rüge (Art. 39 Abs. 1 CISG) bzw. mit Ablauf der zweijährigen Ausschlussfrist (Art. 39 Abs. 2 CISG) aus, so kann u. U. im autonomen Deliktsrecht durchaus noch eine Haftungsgrundlage greifen.580 Auch die Begrenzung in Art. 74 CISG auf den vorhersehbaren Schaden und die mangelnde Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden nach dem CISG kann 577 MüKo/Huber, Art. 5 Rn. 4; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 185 und in Fn. 186 mit treffender Kritik an der Gegenansicht; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 5 Rn. 8; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 7. 578 Dazu soeben unter § 8 D.I.2.a). 579 Insb. Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 9 f. mit dem Hinweis in Rn. 10, dass „[e]ine Haftung etwa nach §§ 437 Nr. 3, 440, 280 BGB oder aus sonstiger Vertragspflichtverletzung [neben] dem CISG nicht mehr in Betracht [kommt]“; Electrocraft Arkansas, Inc. ./. Super Electric Motors, Ltd. et al., U.S. D.C. [E.D. Arkansas, West. Div.], 23. 12. 2009, CISG-online Case No. 2045, Erw. II.B.2.ii)b) („Despite differing viewpoints concerning the preemptive effect of the CISG on tort remedies, there is agreement that concurring state contractual claims are preempted by the CISG.“ m. w. N.). Ferner OLG Jena, 26. 5. 1998 – 8 U 1667/97, CISG-online Case No. 513 (implizit, indem ausdrücklich nicht auf die Rechtslage im „deutschen [unvereinheitlichten] Kaufrecht“ abgestellt wird); HandelsG Zürich (Schweiz), 26. 4. 1995, CISG-online Case No. 248, Erw. III.5.b); Achilles, Art. 5 Rn. 3; CISG AC Opinion No. 12 (Sono), Nr. 3, Comment 3.2.1, IHR 2014, 82, 87; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 5 Rn. 5 [„[…] abschließenden vertraglichen Haftungssystem des CISG […].“); Honnold/ Flechtner, Rn. 73; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ribeiro, Art. 5 Rn. 14; Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int’l L. (2003) 263, 287; MüKo/Huber, Art. 5 Rn. 8; MüKo-HGB/ Mankowski, Art. 5 Rn. 9; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-141; Schlechtriem, 36 Victoria U. Wellington L. Rev. (2005) 781 f.; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 187; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 5 Rn. 9 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 5 Rn. 11. 580 Vgl. dazu etwa das Beispiel bei Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 190.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

vergleichsweise strenger sein, als im gegebenenfalls anwendbaren nationalen Deliktsrecht.581 Nach der weit überwiegenden Auffassung in Literatur582 und Rechtsprechung583, sperrt eine dem CISG unterfallende Haftungsfrage nicht per se die Anwendbarkeit nationaler deliktischer Produkthaftungsregeln. Grundsätzlich kann ein durch die Ware verursachter Sachschaden bzw. ein nicht „durch die Ware“ verursachter Personenschaden deliktische Produkthaftungsansprüche auslösen, sofern das anwendbare nationale Deliktsrecht solche neben der vertraglichen Haftung vorsieht.584 Von diesem Grundsatz gilt allerdings eine Ausnahme in dem – eher seltenen – Fall,585 in dem der entsprechende deliktische Anspruch nicht das Integritätsinteresse, sondern vielmehr „nur“ das Äquivalenzinteresse (auch Erfüllungsinteresse) wiederherstellen 581 Zu den praxisrelevanten Beispielen einer Kollision der Regelungen des CISG und nationalem Deliktsrecht vgl. Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 5 Rn. 5; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ribeiro, Art. 5 Rn. 17; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 5 Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 5 Rn. 11; Staudinger/ Magnus, Art. 5 Rn. 11; s. auch Honnold/Flechtner, Rn. 71, 73. 582 Achilles, Art. 5 Rn. 3; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 5 Rn. 8; Honsell/Siehr, Art. 5 Rn. 6, 8; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ribeiro, Art. 5 Rn. 25; Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int’l L. (2003) 263, 286 f.; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 32; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 5 Rn. 10; Schlechtriem, 36 Victoria U. Wellington L. Rev. (2005) 781, 793; Schlechtriem/ Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 188; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 5 Rn. 12; Schwenzer/Hachem, 57 Am. J. of Comp. L. (2009) 457, 471; Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 5 Rn. 14 (allerdings mit der extensiveren Schlussfolgerung, dass neben dem CISG nicht nur nationales Deliktsrecht auf die Verletzung des Integritätsinteresses anwendbar bleibt, sondern u. U. auch nationales Vertragsrecht, vgl. dort Rn. 15). 583 In der deutschen Rspr. BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.f) = NJW 1996, 2364, 2367; noch zum EKG das OLG München, 9. 8. 1995 – 7 U 7143/ 92, RIW 1996, 955, 956; ferner Electrocraft Arkansas, Inc. ./. Super Electric Motors, Ltd. et al., U.S. D.C. [E.D. Arkansas, West. Div.], 23. 12. 2009, CISG-online Case No. 2045, Erw. II.B.2.ii) b) (nach eingehender Auseinandersetzung mit der internationalen Literatur); Sky Cast ./. Global Direct Distribution, U.S. D.C. [E.D. Kentucky], 18. 3. 2008, CISG-online Case No. 1652, Erw. C; Miami Valley Paper, LLC ./. Lebbing Engineering & Consulting GmbH, U.S. D.C. [S.D. Ohio], 10. 10. 2006, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/061010u1.html, Erw. III.B.1.; Hof van Beroep (Belgien), 14. 4. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/040414b1. html, Erw. 3.c); Shane ./. JCB Belgium N.V., Ontario Superior Court of Justice (Kanada), 14. 11. 2003, CISG-online Case No. 805, Erw. 50; Geneva Pharmaceuticals Technology ./. Barr Laboratories, U.S. D.C. [S.D. N.Y.], 10. 5. 2002, CISG-online Case No. 653, Erw. B. [33] („The CISG clearly does not preempt the claims sounding in tort“); Viva Vino Import Corp. ./. Farnese Vini S.R.L., U.S. D.C. [E.D. Pennsylvania], 29. 8. 2000, CISG-online Case No. 675, Erw. II.B. a. E.; Pamesa Ceramica ./. Yisrael Mendelson, Supreme Court of Israel, 17. 3. 2009, http: //cisgw3.law.pace.edu/cases/090317i5.html, Erw. 70 ff. (noch zum EKG, aber mit ausführlicher Auseinandersetzung mit dem CISG, Erw. 54 ff.). 584 S. nur Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 14; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 5 Rn. 12. 585 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 14, eine Einschränkung hat allerdings dann zu gelten, „wenn das nationale Deliktsrecht nicht – wie regelmäßig – das Integritätsinteresse des Geschädigten, […], schützen […] will.“

§ 8 Regelungsbereich des Übereinkommens

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soll.586 Ist Letzteres der Fall, trifft das CISG mit seiner vertraglichen Haftung tatsächlich eine abschließende Regelung. Konkurrierende deliktische (Produkthaftungs-)Ansprüche können neben einer Haftung aus dem CISG daher nur insofern bestehen, als dass sie „zusätzlich“ die Verletzung weitergehender außervertraglicher Pflichten, v. a. also das Integritätsinteresse, kompensieren.587 Nach der Gegenansicht588 gebiete es v. a. das Interesse an einer international einheitlichen Würdigung der Produkthaftungsfälle, die nicht vom Ausschluss in Art. 5 CISG betroffen sind, ausschließlich auf die Haftungsregeln des CISG abzustellen.589 In der Sache mag nicht zu bestreiten sein, „[…] dass die mit Vertragsansprüchen konkurrierenden Deliktsansprüche, die nationalem [unvereinheitlichtem] Recht unterliegen, die Rechtseinheit bei der Anwendung des CISG beeinträchtigen.“590 Schließlich verbleiben auf Grundlage der überwiegenden Ansicht Unwägbarkeiten, 586

Anschaulich herausgearbeitet in Electrocraft Arkansas, Inc. ./. Super Electric Motors, Ltd. et al., U.S. D.C. [E.D. Arkansas, West. Div.], 23. 12. 2009, CISG-online Case No. 2045, Erw. II.B.2.ii)b) („[…] economic interests that are basically contractual and regulated by the CISG and its rules and remedies for international sales.“); s. auch Pamesa Ceramica ./. Yisrael Mendelson, Supreme Court of Israel, 17. 3. 2009, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/090317i5. html, Erw. 70 f. 587 S. neben Electrocraft Arkansas, Inc. ./. Super Electric Motors, Ltd. et al. (soeben Teil 3 Fn. 586) insb. Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 14 und ferner Ferrari/Saenger, Art. 5 Rn. 7 f.; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ribeiro, Art. 5 Rn. 25; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 5 Rn. 11; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 188 ff. (die allerdings bewusst die Begriffe Äquivalenz- und Integritätsinteresse vermeiden wollen, sondern vielmehr darauf abstellen, ob „[…] die durch den Kaufvertrag begründeten Parteierwartungen und deren rechtlicher Schutz betroffen sind“); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 5 Rn. 12; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 32; vgl. auch Honsell/Siehr, Art. 5 Rn. 6 ff.; wohl auch Schwenzer/ Hachem, 57 Am. J. of Comp. L. (2009) 457, 471; mit ähnlichem Ergebnis letztlich auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-141; vgl. auch Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 5 Rn. 14, die dann allerdings auch nationales Vertrags- und nicht nur Deliktsrecht theoretisch für anwendbar halten, vgl. bereits oben in Teil 3 Fn. 582. 588 OLG Koblenz, 24. 2. 2011 – 6 U 555/07, CISG-online Case No. 2301, Erw. II.B.10.b), allerdings in der nächsten Instanz vom BGH ausdrücklich offengelassen, BGH, 26. 9. 2011 – VIII ZR 100/11, CISG-online Case No. 2348, Rz. 37; HandelsG Zürich (Schweiz), 26. 4. 1995, CISG-online Case No. 248, Erw. III.5.b) („Auch bezüglich der Folgeschäden findet das Wiener Kaufrecht Anwendung und geht dem schweizerischen und deutschen Recht vor.“); Honnold/ Flechtner, Rn. 73; Herber/Czerwenka, Art. 5 Rn. 5; Herber, IHR 2001, 187, 188 ff.; ders., MDR 1993, 105, 105; Otto, MDR 1992, 533, 537; eingehend auch Köhler, Die Haftung nach UN-Kaufrecht im Spannungsverhältnis zwischen Vertrag und Delikt, S. 142 ff., 149, 177 f.; mit Einschränkungen grdsl. auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-141, der allerdings nur einen eingeschränkten grundsätzlichen Vorrang der Konvention ggü. nationalem Deliktsrecht annimmt und sich daher faktisch sehr der überwiegenden Ansicht annähert, vgl. Rn. 2-141 a. E. („Ausgenommen vom dem grundsätzlichen Vorrang des UN-Kaufrechts sind […]“). 589 Honnold/Flechtner, Rn. 73; Otto, MDR 1992, 533, 537; Köhler, Die Haftung nach UNKaufrecht im Spannungsverhältnis zwischen Vertrag und Delikt, S. 144; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Mistelis/Ribeiro, Art. 5 Rn. 25 und mit Einschränkungen auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-141. 590 Honsell/Siehr, Art. 5 Rn. 6; ähnlich Honnold/Flechtner, Rn. 73.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

die mit der kollisionsrechtlichen Anknüpfung außervertraglicher Haftungsansprüche und den mannigfaltigen in Frage kommenden nationalen Ausgestaltungen und Wertungen der deliktischen (Produkt-)Haftung verbunden sein können.591 Trotzdem stellt eine solche Argumentation keine Legitimation dafür dar, den Regelungsbereich der Konvention entgegen dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck von Art. 5 CISG über Maßen auszudehnen.592 Beim UN-Kaufrecht, so der überzeugende Einwand der Vertreter der überwiegenden Ansicht, handelt es sich schließlich um Einheitsrecht zur kaufvertraglichen Bindung von Käufer und Verkäufer – der Lebenssachverhalt kann und soll in seiner außervertraglichen Dimension gerade nicht geregelt werden.593 „Die Wertungen in beiden Bereichen zeigen zu deutliche Unterschiede […], als dass [per se] ein Vorrang des Vertragsrechts vor dem Deliktsrecht angenommen werden könnte.“594

591 Vgl. auch Otto, MDR 1992, 533, 537 („Würde man eine Anspruchskonkurrenz zu – nach nationalem Recht qualifizierenden – Deliktsansprüchen zulassen, so bestünde die Gefahr der Rechtsunsicherheit.“). 592 Ähnlich dazu Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int’l L. (2003) 263, 289 („The CISG is, to be sure, an elastic document, but it ought not be stretched beyond its essential design.“). 593 Vgl. (auch zur ausführlichen Argumentation der überwiegenden Ansicht) Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 5 Rn. 12: „[…] das Übereinkommen [hält] keine abschließende funktional äquivalente Lösung […]“ bereit; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 5 Rn. 8 („[…] das CISG [soll] die Rechtsvereinheitlichung gerade auf die darin normierten (vertragsrechtlichen) Bereiche beschränken und andere Rechtsgebiete (Deliktsrecht) unberührt lassen […].“); Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 14 mit Verweis auf die Entstehungsgeschichte und die O.R., S. 245 f.; auch Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int’l L. (2003) 263, 286 („[…] the CISG was not designed to deal with issues like these.“), 288; wohl auch Schwenzer/Hachem, 57 Am. J. of Comp. L. (2009) 457, 471 („The CISG, however, does not deal with fraud or safety requirements under a product liability approach, thus leaving room for national concepts such as fraudulent misrepresentation or product liability […]“). Übereilt und daher nicht überzeugend ist die Interpretation von Köhler, Die Haftung nach UN-Kaufrecht im Spannungsverhältnis zwischen Vertrag und Delikt, S. 144, der aus der abschließenden Regelung der vertraglichen Haftung wegen Sachschäden im CISG automatisch auf eine vollumfängliche Verdrängung ggf. abweichender Wertungen in den nationalen außervertraglichen Haftungsregeln schließt. Allein der Hinweis auf ansonsten uneinheitliche Ergebnisse und die Meinung eines einzelnen Deligierten (schwedischer Delegierter, O.R. S. 246) ist in Anbetracht der zweifellos kaufrechtlichen Prägung der Konvention kein stichhaltiges Argument, vgl. insofern auch Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 14 mit Bezugnahme auf die O.R. S. 245 f.: „Die Entstehungsgeschichte gibt keinerlei Hinweis darauf, dass mit Art. 5 der Rückgriff auf nationales Deliktsrecht und auf die nationalen Konkurrenzregeln in diesem Bereich ausgeschlossen werden sollte […], [es] lässt sich auch nicht sagen, die Konvention regele hier einen bestimmten Lebenssachverhalt abschließend.“ 594 Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 14, mit ausdrücklichem Hinweis zur Ausnahme, sollte die deliktische Haftung das Äquivalenzinteresse betreffen; vgl. auch MüKo-HGB/Mankowski, Art. 5 Rn. 10 („Ein Ausschluss des nationalen Deliktsrechts würde zu erheblichen Schutzlücken führen.“).

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d) Zwischenbetrachtung zu Art. 5 CISG Art. 5 CISG stellt klar, dass die Konvention nicht auf Fragen der vertraglichen oder deliktischen (Produkt-)Haftung für Personenschäden anwendbar ist. In diesen Fällen bestehen bei der Bestimmung des Regelungsbereichs keine nennenswerten Rechtssicherheitsrisiken. Dies gilt auch mit Blick auf den nach weit überwiegender Ansicht gleichlaufenden, konsequenten Ausschluss der Regresshaftung für Personenschäden. Wertungswidersprüche und Unwägbarkeiten bei der Weiterleitung von Schadensersatzansprüchen innerhalb der Handels- bzw. Haftungskette, welche mit der Geltung des CISG einerseits (erster Kauf) und autonomen Rechts andererseits (nachgelagerter Kauf) einherzugehen drohen,595 will das CISG vermeiden.596 Sowohl Vertragsstatut als auch Deliktsstatut sind hier einheitlich nach dem einschlägigen Kollisionsrecht zu bestimmen und abzustimmen. Problematisch ist die Bestimmung des Regelungsumfanges der Konvention bzw. die Auflösung einer Kollision von CISG und autonomen Haftungsregeln daher nur hinsichtlich „[…] eine[s] weniger wichtigen Teilaspekt[s] – [der] Haftung für Sachschäden […]“597. Diese Eingrenzung „[…] relativier[t] zugleich das Gewicht der Fragestellung.“598 Wenn auch „[…] auf reduziertem Niveau […]“599, so verbleibt also nichtsdestotrotz ein gewisses Rechtsunsicherheitsrisiko: Die Haftung für Sachschäden nach der Konvention droht in Abhängigkeit vom Kollisionsrecht und den anzuwendenden deliktischen Sachvorschriften teilweise abweichend gelöst zu werden.600 Nach der hier vertretenen, überwiegenden Ansicht, sind die Parteien darauf angewiesen, im Auge zu behalten, welche (gegebenenfalls abweichenden) Rechtsfolgen die Anwendbarkeit welches Deliktsstatuts nach sich zieht. Dass hier Unwägbarkeiten bestehen, ist vor dem Hintergrund der aufgezeigten national-rechtlichen Wertungsvielfalt eine Tatsache. Möchte man eine Aussage zum Grad an Rechts(un)sicherheit treffen, so hat diese relativ zu erfolgen. Dazu soll zum einen die Lösung der Gegenansicht mit Blick auf den damit einhergehenden Grad an Rechtssicherheit hinterfragt werden. Zum anderen gilt es, den tatsächlichen Mehrwert der Abwahl der Konvention im Kontext der Produkthaftung zu betrachten.

595

Diese scheinen die Vertreter der M. M. (Teil 3 Fn. 573) dagegen in Kauf zu nehmen. Vgl. Honsell/Siehr, Art. 5 Rn. 4; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 185; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 5 Rn. 8; in diese Richtung auch Staudinger/ Magnus, Art. 5 Rn. 8. 597 Staudinger/Magnus, Art. 5 Rn. 14. 598 Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-139. 599 Ähnlich wiederum Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-140 („Gleichwohl bleibt die Konkurrenzproblematik auch auf reduziertem Niveau brisant.“). 600 Dazu bereits oben § 8 D.I.2.c). 596

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Die Gegenansicht (Sperrwirkung des CISG mit der Folge, dass keine deliktsrechtlichen Ansprüche nach nationalem Recht bestehen) hat auf den ersten Blick für sich, dass sie eine einheitliche Lösung der Haftung für durch die Ware verursachte Sachschäden allein nach der Konvention anstrebt und das aufgezeigte Kollisionsproblem damit scheinbar beseitigt. Bezüglich warenbedingter Sachschäden müssten die Beteiligten nur das Haftungssystem des internationalen Einheitskaufrechts beachten. Unwägbarkeiten bei der Ermittlung und Berücksichtigung mitunter sehr unterschiedlicher nationaler Ausgestaltungen der außervertraglichen bzw. deliktischen (Produkt-)Haftung blieben erspart. Dem sind jedoch ernsthafte Zweifel daran entgegenzuhalten, dass der theoretische Ansatz einer abschließenden Würdigung anhand des CISG in der Praxis nur annähernd seine erhoffte vereinheitlichende Wirkung zu entfalten vermag. So gilt es, sich zu vergegenwärtigen, dass sich in den nationalen Vorschriften zur deliktischen Haftung, sei sie vertraglich oder außervertraglich ausgestaltet, mitunter ganz elementare, auch rechtspolitische Wertungen zum jeweiligen Rechtsempfinden niederschlagen.601 Sie stehen gewissermaßen über der vertraglichen Bindung der Kaufvertragsparteien, was schließlich auch der Grund für die Regelung in Art. 5 CISG war. Das Nebeneinander von vertragsrechtlichen und deliktischen Wertungen lässt sich mithin nicht einfach unter Verweis auf das Gebot einer einheitlichen Anwendung der Konvention übergehen.602 Ganz im Gegenteil, der Versuch, der dargestellten Wertungsvielfalt durch die Beschränkung auf das CISG Herr zu werden, dürfte vielmehr erst recht zu unberechenbareren Ergebnissen führen. Denn es drängt sich auf, dass die (Schieds-)Gerichte den offensichtlichen Bedarf nach einem Ausgleich des Integritätsinteresses anderweitig bewerkstelligen würden. Mangels spezieller Regelungen zur deliktischen Haftung,603 wäre es durchaus mithilfe einer entsprechenden Auslegung (Art. 8, 9 CISG) und unter Berufung auf Art. 7 Abs. 1 CISG (Grundsatz von Treu und Glauben u. ä.) möglich, sogar wahrscheinlich, dass die Wertungen im nationalen Deliktsrecht faktisch den Regelungen der Konvention untergeschoben würden. Im Ergebnis verschiebt die Lösung der Gegenansicht somit das Rechtssicherheitsproblem, anstatt es zu lösen. Anders gewendet, besteht Grund zu der Annahme, dass das Potenzial für eine uneinheitliche Behandlung der umstrittenen Produkthaftungsfälle sogar gesteigert würde: Die Wertungen zur deliktischen Haftung fänden nicht über das kodifizierte Kollisionsrecht und die berufene Sachrechtsordnung Berücksichtigung, sondern weitestgehend losgelöst auf Grundlage allgemeiner Erwägungen zu einem Regelungskomplex, der gar nicht für die Beantwortung deliktischer Haftungsfragen und den Schutz des Integritätsinteresses konzipiert ist. Mit Blick auf eine möglichst parteiautonome Ausgestaltung der vertraglichen Bindung der Parteien, gerade im unternehmerischen Rechtsverkehr, sind gewisse (Wertungs-)Spielräume durchaus als sinnvoll zu beurteilen. Was jedoch 601

Beispielsweise in § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB. Vgl. insb. Lookofsky, 13 Duke J. Comp. & Int’l L. (2003) 263, 288. 603 Dass eine solche nach der hier vertretenen Ansicht gar nicht vorgesehen war, wurde bereits erläutert. 602

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den außervertraglichen Schutz von anerkannten Rechtsgütern der Parteien angeht, so sind gewisse Grenzen im Interesse aller Beteiligten nicht nur zu respektieren, sondern geradezu erforderlich. Schließlich dient nicht allein die Berechenbarkeit der Rechtsfindung als Maßstab für Rechtssicherheit (der bei Annahme der Sperrwirkung des CISG ohnehin nur scheinbar gedient wäre), sondern gerade auch die Gewährleistung eines allgemein vorausgesetzten Schutzes des Integritätsinteresses. An dieser Stelle wird deutlich, dass das Vereinheitlichungsbestreben an eine gewisse Grenze stößt. Diese von den Verfassern erkannte und folgerichtig in Art. 5 CISG selbst gezogene Grenze gilt es zu akzeptieren und mit der überwiegenden Ansicht einheitlich zu beachten. I. E. lassen sich so viel sachgerechtere Ergebnisse erzielen, die der Grundkonzeption des CISG als Kaufvertragsrecht folgen, anstatt sie unnatürlich und damit auch in unvorhersehbarer Weise zu überdehnen. Die Ermittlung der anzuwendenden Regelungen mag man dann zwar vergleichsweise als schwer bezeichnen. Dafür wird der deliktische Schutz in Anwendung eines Sachrechts verwirklicht, welches genau dafür vorgesehen ist. Die Abgrenzung danach, ob das Äquivalenz- oder Integritätsinteresse betroffen ist, stellt sich auch durchaus als sachgerecht und handhabbar dar. I. Ü. ist für die grundsätzliche Komplexität der Materie nicht das CISG ursächlich. Vielmehr liegt sie in der Natur der Sache einer so sensiblen Thematik, wie der Haftung für Personenschäden bzw. für das durch einen Sachschäden verletzte Integritätsinteresse einer Person. Insofern ist von der Abwahl des CISG nur sehr bedingt ein relevanter Zuwachs an Rechtssicherheit zu erwarten. Denn die Frage nach dem Verhältnis zwischen vertraglicher und außervertraglicher bzw. deliktischer Haftung stellt sich gleichermaßen außerhalb der Konvention. In Bezug auf das autonome deutsche Recht sei nur auf die in Teilen immer noch umstrittene Abgrenzung (Stichwort „Weiterfresserschäden“) zwischen dem vertraglichen und deliktischen Haftungsumfang hingewiesen. Sie erfolgt ebenfalls innerhalb der Kategorien von Integritätsinteresse und Äquivalenzinteresse.604 Ferner – hier schließt sich der Bogen zu dem anfänglichen Hinweis – ist der weitaus größte Teil der Kollisionsproblematik ohnehin (nahezu) unstrittig gemäß Art. 5 CISG auf die rein nationale Ebene verlagert. Die Abwahl des CISG bringt auch insofern nur marginale (Rechtssicherheits-) Unterschiede mit sich. In Konstellationen, in denen nach Abwahl des CISG kollisionsrechtlich anzuknüpfen ist, ist zudem nicht gesagt, dass das Kollisionsrecht dasselbe nationale Recht für die vertragliche und deliktische Haftung für anwendbar erklärt. Freilich knüpft Art. 5 Abs. 2 Rom-II VO die deliktische Haftung vertragsakzessorisch an – internationale Allgemeingültigkeit beansprucht eine solche Anknüpfung natürlich nicht. Abschließend wird in der Literatur605 zutreffend hervorgehoben, dass in der Praxis, trotz der stellenweise nicht unstrittigen Lösung der Kollision von CISG und 604 Eingehend dazu MüKo/Wagner, Vor § 823 Rn. 86 ff.; Grüneberg/Sprau, Einf v § 823 Rn. 9 f., § 823 Rn. 178; Staudinger/Mansel, § 823 Rn. F2 ff. 605 MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 5 Rn. 6.

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nationalem Haftungsrecht, keine dramatischen Rechtsunsicherheitszustände drohen. Da im Regelfall sowohl die vertraglichen als auch die außervertraglichen Ansprüche vor dem gleichen Gericht verhandelt werden, dürften gravierende Wertungswidersprüche in Anwendung des CISG und autonomem (außervertraglichem) Haftungsrecht letztlich selten vorkommen.606

II. Weitere externe Lücken Über die in Art. 4 und 5 CISG explizit genannten Gegenstände hinaus bestehen weitere externe Lücken, die im Folgenden näher hinsichtlich ihrer Bedeutung für das Maß an Rechtssicherheit untersucht werden sollen. 1. Stellvertretung Zu den externen Lücken zählen nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Literatur Fragen rund um die Wirksamkeit und die Rechtsfolgen der Stellvertretung; sie sind daher nach dem kollisionsrechtlich berufenen Recht zu beantworten.607 2. Aufrechnung Mangels Vorschriften zur Aufrechnung als solcher, ist umstritten, ob die Aufrechnung gänzlich aus dem Regelungsbereich des CISG fällt, oder ob die Konvention doch ausnahmsweise anzuwenden ist, sofern zwei konventionsinterne Geldforde606

So der Hinweis von MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 5 Rn. 6 a. E. BGH, 25. 3. 2015 – CISG-online Case No 2588, Rz. 46; OLG Schleswig, 24. 10. 2008 – 14 U 4/08, CISG-online Case No. 2020, II.; LG Landshut, 12. 6. 2008 – 43 O 1748/07, CISGonline Case No. 1703, Rz. 45; KantonsG Wallis (Schweiz), 27. 4. 2007, CISG-online Case No. 1721, Erw. II.3.a); Caterpillar, Inc. ./. Usinor Industeel, U.S.D.C. [N.D. Ill., E.Div.], 30. 5. 2005, CISG-online Case No. 1007, Erw. III.; KantonsG Wallis (Schweiz), 27. 5. 2005, CISGonline Case No. 1137, Erw. II.3.a); Tribunale di Padova (Italien), 25. 2. 2004, CISG-online Case No. 819 = IHR 2005, 31 – 33 (deutsche Übersetzung); OGH (Österreich), 20. 10. 2001, CISG-online Case No. 613; Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, http://cisgw3.law.pace. edu/cases/000712i3.html, Erw. 23 f.; HandelsG Aargau (Schweiz), 11. 6. 1999, CISG-online Case No. 494, Erw. 2.; KantonsG Zürich (Schweiz), 30. 11. 1998, CISG-online Case No. 415, Erw. 3.a); LG Berlin, 24. 3. 1998 – 102 0 59/97, CISG-online Case No. 742, Erw. II.B.2.a); OGH (Österreich), 20. 3. 1997, CISG-online Case No. 269; AppellationsG Tessin (Schweiz), 12. 2. 1996, CISG-online Case No. 233, Erw. 2.; OberG Thurgau (Schweiz), 19. 12. 1995, CISG-online Case No. 496, Erw. 2.b); LG Kassel, 22. 6. 1995 – 8 O 2391/93, CISG-online Case No. 370; KG Berlin, 24. 1. 1994 – 2 U 7418/92, CISG-online Case No. 130, Erw. 2.b); AG Alsfeld, 12. 5. 1995 – 31 C 534/94, CISG-online Case No. 170 = NJW-RR 1996, 120, 121; LG Hamburg, 26. 9. 1990 – 5 O 543/88, CISG-online Case No. 21, Erw. II.2.aa)(B.); Achilles, Art. 4 Rn. 4; Ferrari/Saenger, Art. 4 Rn. 27; Honnold/Flechtner, Rn. 66; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 11; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 18; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 34; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 19; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-149; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 34; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 37. 607

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rungen der Parteien zur Aufrechnung gegenüberstehen. Der BGH608 hatte im Jahr 2014 in einem dem CISG unterfallendem Sachverhalt über eine Aufrechnung zu entscheiden und zu den maßgeblichen Grundsätzen Stellung bezogen: Die Aufrechnung konventionsfremder Forderungen, so schon zuvor die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur,609 wird nicht vom CISG geregelt.610 Soll hingegen eine Aufrechnung mit einer konventionsinternen Forderung erfolgen, geht der BGH grundsätzlich von der Eröffnung des Regelungsbereichs aus und differenziert danach, ob alle von der Aufrechnung betroffenen Forderungen einem einheitlichen (vom Anwendungsbereich des CISG umfassten) Vertragsverhältnis unterliegen oder vielmehr aus unterschiedlichen Vertragsverhältnissen stammen. Handelt es sich um Forderungen aus einem einheitlichen Vertragsverhältnis, so leitet der BGH im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Vorschriften des CISG den allgemeinen Grundatz (Art. 7 Abs. 2 CISG) ab, dass gegenseitige, konventionsinterne Geldansprüche in Folge einer entsprechenden (ausdrücklichen oder konkludenten) Aufrechnungserklärung miteinander zu verrechnen sind.611 Bezug genommen wird dabei auf das im CISG enthaltene Zug-um-Zug Prinzip, wie es sich etwa Art. 58 Abs. 1 CISG (Waren-/Dokumentenübergabe nur gegen Zahlung des Kaufpreises) und Art. 81 Abs. 2 CISG (beiderseitige Rückgabepflichten Zug-um-Zug zu

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BGH, 24. 9. 2014 – VIII ZR 394/12, CISG-online Case No. 2545. Besonders deutlich hervorgehoben von Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 39 („[…] ohne Zweifel auf Grundlage des über das IPR berufenen Rechts zu entscheiden, also sicher nicht konventionsintern.“); ferner Achilles, Art. 4 Rn. 20; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 20; Honnold/Flechtner, Rn. 70, 444 A; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 25; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 41; Saenger/Sauthoff, IHR 2005, 189, 189; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Fountoulakis, Art. 81 Rn. 22; Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 28; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 46. In der Rspr. BGH 23. 6. 2010 – VIII ZR 135/08, CISG-online Case No. 2129, Rz. 24 = NJW 2010, 3452, 3454 („Da jedoch das auf die Hauptforderungen anwendbare Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf jedenfalls nicht die Aufrechenbarkeit solcher Ansprüche regelt, die sich – wie hier – nicht lediglich aus einem dem Übereinkommen unterliegenden Vertragsverhältnis ergeben, bestimmt sich das zur Beurteilung der Aufrechnung berufene Recht vorliegend gem. Art. 32 I Nr. 4, 28 I Nrn. 1 und 2 EGBGB nach dem gem. Art. 4 S. 1 CISG sonst zur Anwendung kommenden unvereinheitlichten italienischen Recht.“) bestätigt von BGH, 14. 3. 2014 – VIII ZR 266/13, CISG-online Case No. 2493, Erw. II.2.a) (Rz. 18); KantonsG Zug (Schweiz), 14. 12. 2009, CISG-online Case No. 2026, Erw. 12; BundesG (Schweiz), 20. 12. 2006, CISG-online Case No. 1426, Erw. 2.2.1. = IHR 2007, 127, 128 f.; OLG Karlsruhe, 20. 7. 2004 – 17 U 136/03, CISG-online Case No. 858, Erw. II.B)2.c) = IHR 2004, 246, 251; LG Mönchengladbach, 15. 7. 2003 – 7 O 221/02, CISG-online Case No. 813, Erw. II.2.; AG Duisburg, 13. 4. 2000 – 49 C 502/ 00, CISG-online Case No. 659, Erw. II.1. (vgl. zum Wortlaut Teil 3 Fn. 615). 610 BGH, 24. 9. 2014 – VIII ZR 394/12, CISG-online Case No. 2545, Rz. 53. 611 BGH, 24. 9. 2014 – VIII ZR 394/12, CISG-online Case No. 2545, Rz. 56, 58. 609

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Teil 3: Einzelbetrachtung

erfüllen) entnehmen lasse.612 Ferner bezieht sich der BGH auf Art. 84 Abs. 2 CISG (Aufrechnung der Gebrauchsvorteile des Käufers mit dem rückzugewährenden Kaufpreis) und Art. 88 Abs. 3 CISG (Abzugsfähigkeit der Erhaltungskosten des Käufers vom herauszugebenden Verkaufserlös).613 Die Aufrechnung konventionsinterner Geldansprüche aus unterschiedlichen Vertragsverhältnissen zwischen den Parteien ist nach Ansicht des BGH nur dann nach dem CISG zu beurteilen, wenn die Parteien die Aufrechnung ausdrücklich oder konkludent (ggf. nachträglich) der Geltung des CISG unterstellen.614 Damit schließt sich der BGH einer schon zuvor in weiten Teilen der Rechtsprechung615 und Literatur616 vertretenen Ansicht an. Die Beantwortung der Frage durch den BGH, welche Aufrechnungsfälle vom Regelungsbereich des CISG umfasst sind, ist erfreulich, nicht zuletzt, weil die bisherige obergerichtliche deutsche Rechtsprechung hier keinesfalls einheitlich erfolgt ist. So gingen zahlreiche deutsche Obergerichte bisher von einem vollständigen Ausschluss der Aufrechnung vom Regelungsbereich aus.617 612

BGH, 24. 9. 2014 – VIII ZR 394/12, CISG-online Case No. 2545, Rz. 56. BGH, 24. 9. 2014 – VIII ZR 394/12, CISG-online Case No. 2545, Rz. 56. 614 BGH, 24. 9. 2014 – VIII ZR 394/12, CISG-online Case No. 2545, Rz. 60. 615 BundesG (Schweiz), 14. 6. 2012, CISG-online Case No. 2468, Erw. II.7.a); KantonsG Zug (Schweiz), 14. 12. 2009, CISG-online Case No. 2026, Erw. 12; LG Stuttgart, 29. 10. 2009 – 25 O 99/09, CISG-online Case No. 2017, Erw. 4; AG Duisburg, 13. 4. 2000 – 49 C 502/00, CISG-online Case No. 659, Erw. II.1. („Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über Verträge über den internationalen Warenkauf (CISG) enthält keine ausdrückliche Regelung über die Aufrechnung. Anerkannt ist, dass eine Aufrechnung mit wechselseitigen Ansprüchen aus demselben Kaufvertrag i. S. d. CISG möglich ist.“); OLG Hamburg, 26. 11. 1999 – 1 U 31/ 99, CISG-online Case No. 515, Erw. I.b) („Die Aufrechnung gilt als allgemeines Prinzip im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 CISG jedenfalls insoweit, als sich, wie hier, gegenseitige Ansprüche aus der Konvention gegenüberstehen.“); OLG München 9. 7. 1997 – 7 U 2070/97, CISG-online Case No. 282, Erw. 4 („Die Aufrechnung ist zulässig, da sich Geldansprüche der Vertragspartner gegenüberstehen, die jeweils aus dem der Konvention unterliegenden Vertragsverhältnis folgen.“); i. E. auch (ohne Erörterung des Problems) OLG München, 19. 10. 2006 – 23 U 2421/05, CISG-online Case No. 1394, Erw. II.2., 3.; Schiedsgericht Handelskammer Hamburg, 21. 2. 1996, NJW 1996, 3229, 3230; LG Trier, 12. 10. 1995 – 7 HO 78/95, CISG-online Case No. 160, Erw. II. = NJW-RR 1996, 564, 565; OLG München, 2. 3. 1994 – 7 U 4419/93, CISG-online Case No. 108, Erw. 5 = RIW 1994, 595, 596; wohl auch BGH, 23. 6. 2010 – VIII ZR 135/08, CISG-online Case No. 2129, Rz. 24 = NJW 2010, 3452, 3454 (vgl. Wortlaut oben in Teil 3 Fn. 609); vgl. auch BundesG (Schweiz), 20. 12. 2006, CISG-online Case No. 1426, Erw. 2.2.1. = IHR 2007, 127, 128; OLG Karlsruhe, 20. 7. 2004 – 17 U 136/03, CISG-online Case No. 858, Erw. I.B)2.c) = IHR 2004, 246, 251 (beide scheinen die Anwendbarkeit des CISG bei konventionsinternen Ansprüchen nicht schlechthin abzulehnen). 616 S. dazu insb. Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 47; ferner Achilles, Art. 4 Rn. 20; CISGAC Opinion No. 9 (Bridge), Comment, 3.23; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 24; Kröll, 25 J. L. & Com. (2005/6), 39, 53; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 41; MüKo-HGB/Benicke (3. Aufl. 2013), Art. 4 Rn. 15; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Fountoulakis, Art. 81 Rn. 21; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 28; a. A. MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 22 ff. 617 OLG Köln, 19. 5. 2008 – 16 U 62/07, CISG-online Case No. 1700, Erw. II.3.a); LG Bamberg, 23. 10. 2006 – 2 O 51/02, CISG-online Case No. 1400, Erw. II.3.a); OLG Köln, 13. 2. 613

§ 8 Regelungsbereich des Übereinkommens

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Im internationalen Kontext bleibt aber festzuhalten, dass hier überwiegend, auch in Teilen der deutschen Literatur, der vollständige Regelungsausschluss vertreten wird und somit Rechtssicherheitsdefizite fortbestehen.618 Zur Begründung der Gegenansicht wird insbesondere vorgebracht, dass sich dem CISG gerade nicht, weder aus den ausdrücklichen Regelungen noch auf Grundlage allgemeiner Grundsätze, entnehmen lasse, „[…] ob (und unter welchen Voraussetzungen) die Aufrechnung ipso iure oder durch Erklärung erfolgt und ab wann die aufgerechneten Forderungen erloschen sind.“619 Was den Inhalt der vertretenen Ansichten angeht, so spricht aus der Rechtssicherheitsperspektive einiges für die Ansicht des BGH.620 Schließlich lassen sich so die auf gleicher Rechtsgrundlage entstandenen Ansprüche auch nach dieser mit2006 – 16 U 17/05, CISG-online Case No. 1219, Erw. II.1.; OLG Düsseldorf, 22. 7. 2004 – I-6 U 210/03, CISG-online Case No. 916, Erw. 2.; LG Mönchengladbach, 15. 7. 2003 – 7 O 221/02, CISG-online Case No. 813, Erw. II.2.; OLG Koblenz, 18. 11. 1999 – 2 U 1556/98, CISG-online case No. 570, Erw. I.5.; OLG Hamm, 9. 6. 1995 – 11 U 191/ 94, CISG-online Case No. 146, Erw. II.1.; OLG Stuttgart, 21. 8. 1995 – 5 U 195/94, CISG-online Case No. 150, Erw. 4.; OLG Düsseldorf, 10. 2. 1994 – 6 U 32/93, CISG-online Case No. 116, Erw. II.3. = RIW 1996, 53, 55; OLG Koblenz, 17. 9. 1993 – 2 U 1230/91, CISG-online Case No. 91, Erw. III. 618 Vgl. der Rechtsprechung: HandelsG Zürich (Schweiz), 22. 12. 2005, CISG-online Case No. 1195, Erw. III.4.d)(aa); BundesG (Schweiz), 7. 7. 2004, CISG-online Case No. 848, Erw. 4.3; Tribunale di Padova (Italien), 25. 2. 2004, CISG-online Case No. 819 = IHR 2005, 31, 33 (deutsche Übersetzung); HandelsG St. Gallen (Schweiz), 3. 12. 2002, CISG-online Case No. 727, Erw. IV.5.; Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/000712i3.html, Erw. 23; OberG Thurgau (Schweiz), 19. 12. 1995, CISG-online Case No. 496, Erw. 2.b), 2.e)aa); Rechtbank Middelburg (Niederlande), 25. 1. 1995, http://www.un ilex.info/case.cfm?id=153; Rechtbank Roermond (Niederlande), 6. 5. 1993, http://www.unilex. info/case.cfm?id=94; Rechtsbank Arnhem (Niederlande), 25. 2. 1993, http://www.unilex.info/ case.cfm?id=95 (für weitere Rechtsprechungsnachweise s. Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Djordjevic, Art. 4 Rn. 39 (dort Fn. 102)). In der Literatur: Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Ferrari, Art. 4 Rn. 39; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 20 (Aufrechnung nach CISG könne aber im Falle der Rückabwicklung nach Art. 81 ff. CISG in Betracht gezogen werden); ebenso Honnold/Flechtner, Rn. 70, Rn. 444 A; Kindler, IPRax 1996, 16, 19; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 39; P. Huber, IHR 2006, 228, 234; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-164; Saenger/Sauthoff, IHR 2005, 189, 190; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 199; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 25 (aber Aufrechnung ausnahmsweise nach CISG, sofern es sich um einen Fall von Art. 84 Abs. 2 CISG handelt). 619 MuKo/Huber, Art. 4 Rn. 39; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 199 (zudem mit der Begründung, dass sich nationale Aufrechnungsverbote nicht ohne weiteres ersetzen bzw. ignorieren ließen); dem beitretend etwa Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-164; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 39. Vgl. in der Rechtsprechung auch die Ausführungen des LG Mönchengladbach, 15. 7. 2003 – 7 O 221/02, CISG-online Case No. 813, Erw. II.2.; s. dagegen die Einwände von Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Fountoulakis, Art. 81 Rn. 21, die dem CISG auf Grundlage der Artt. 84 Abs. 2, 88 Abs. 3 CISG sehr wohl einen Regelungsgehalt dahingehend entnehmen, „[…] dass die unter Art. 81 II erlaubte Verrechnung erklärt werden muss (Art. 7 II)“; hervorgehoben auch von Kröll/Mistelis/ Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 41 und Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 47. 620 So auch MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 39, obgleich er im Ergebnis der Ansicht des BGH widerspricht.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

einander verrechnen, ohne gegebenenfalls unterschiedliche autonome Vorschriften zu ermitteln und korrekt anwenden zu müssen.621 Die positive Wirkung auf den Grad an Rechtssicherheit kann sich freilich nur dann entfalten, wenn – was aktuell, jedenfalls international, nicht behauptet werden kann – dieser Ansicht auch einheitlich gefolgt würde. Bis dahin bleibt den Parteien nichts anderes übrig, als sich mit dem kollisionsrechtlich berufenen Recht für Fragen der Aufrechnung, mit all den bekannten Unwägbarkeiten, auseinanderzusetzen oder durch Wahl des subsidiär geltenden Rechts größere Gewissheit zu schaffen. Dabei handelt es sich um keine CISGspezifische Problematik, sondern vielmehr um eine solche, die auch ohne das CISG bzw. nach dessen Abwahl besteht.622 3. Abtretung Die Fragen rund um die Abtretung von Forderungen (auch des gesetzlichen Forderungsübergangs) werden unstrittig nicht von der Konvention geregelt.623 Vor dem Rückgriff auf kollisionsrechtlich berufenes autonomes Recht bleibt zu beachten, ob gegebenenfalls das Ottawa-Übereinkommen über Internationales Factoring (seit 1. 12. 1998 auch in Deutschland in Kraft) vorrangig zu beachtende Regelungen

621 Vgl. auch Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 47 („Schließlich streiten Gründe der Praktikabilität entschieden für die hier vertretende Ansicht, da die Einschaltung des Kollisionsrechts und die Ermittlung der Aufrechnungsvoraussetzungen nach nationalem Recht entfällt.“). 622 Rechtsvergleichend zur Aufrechnung Zimmermann, Comparative Foundations of a European Law of Set-Off and Prescription, S. 18 ff. 623 LG Bielefeld, 9. 11. 2010 – 15 O 227/09, CISG-online Case No. 2204, Erw. 2.b); HandelsG Aargau (Schweiz), 26. 11. 2008, CISG-online Case No. 1739, Erw. 4.2; District Court Trnava (Slowakei), 17. 9. 2008, CISG-online Case No. 1991; OLG Hamburg, 25. 1. 2008 – 12 U 39/00, CISG-online Case No. 1681, Erw. II.2.b); Regional Court Kosice (Slovakische Republik), 22. 5. 2007, CISG-online Case No. 1989; KantonsG Wallis (Schweiz), 23. 5. 2006, CISG-online Case No. 1532, Erw. III.7.; Tribunale di Padova (Italien), 25. 2. 2004, CISG-online Case No. 819; Sa˛d Najwyz˙ szy (Oberster Gerichtshof Polen), 19. 12. 2003, CISG-online Case No. 1222; BGH, 9. 1. 2002 – VIII ZR 304/00, CISG-online Case No. 651, Erw. II.2.b); Tribunale di Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/000712 i3.html, Erw. 23; OGH (Österreich), 7. 9. 2000, CISG-online Case No. 642; Rechtbank Arnhem (Niederlande), 8. 4. 1999, http://www.unilex.info/case.cfm?id=392; OGH (Österreich), 25. 6. 1998, CISG-online Case No. 352; BGH, 12. 2. 1998 – I ZR 5/96, CISG-online Case No. 343, Erw. II.1.d) = NJW 1998, 3205, 3206; OberG Thurgau (Schweiz), 19. 12. 1995, CISG-online Case No. 496, Erw. 2.e)aa); Cour d’appel de Grenoble (Frankreich), 13. 9. 1995, CISG-online Case No. 157, Erw. 1; OLG Hamm, 8. 2. 1995 – 11 U 206/93, CISG-online Case No. 141, Erw. A.II.1.a); BezirksG Arbon (Schweiz), 9. 12. 1994, CISG-online Case No. 376; KG Berlin, 24. 1. 1994 – 2 U 7418/92, CISG-online Case No. 130; Achilles, Art. 4 Rn. 19; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 22; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 23; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Djordjevic, Art. 4 Rn. 46; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 35; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 27; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-163; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 38; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 22; Staudinger/ Magnus, Art. 4 Rn. 57.

§ 8 Regelungsbereich des Übereinkommens

181

enthält.624 Ferner sei auf die gesonderten Bestrebungen von UNCITRAL verwiesen, wonach das Recht der internationalen Forderungsabtretung in der United Nations Convention on the Assignment of Receivables in International Trade auf eine einheitliche Rechtsgrundlage gestellt werden soll.625 Die bereits am 12. 12. 2001 von der Vollversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete Abtretungskonvention ist allerdings mangels der erforderlichen Ratifikation durch mindestens fünf Vertragsstaaten aktuell nicht in Kraft.626 4. Verjährung Auch Fragen der Verjährung von Ansprüchen liegen „absichtlich“627 außerhalb des Regelungsbereiches.628 U. U. kommt das UN-Verjährungsübereinkommen629 624 Vgl. dazu Schütze, Zession und Einheitsrecht, S. 11 ff. und mit weiterführenden Hinweisen auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-163; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 27; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 38. 625 Vgl. dazu eingehend Schütze, Zession und Einheitsrecht; Rudolf, Einheitsrecht für internationale Forderungsabtretungen. 626 Unterzeichnet wurde die Abtretungskonvention bisher nur von den USA, Luxemburg, Madagaskar und Liberia; Status abrufbar unter: http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_ texts/security/2001Convention_receivables_status.html. 627 Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 27. 628 BGH, 23. 10. 2013 – VIII ZR 423/12, CISG-online Case No. 2474, Rz. 22; KantonsG Zug (Schweiz), 14. 12. 2009, CISG-online Case No. 2026, Erw. 10.6 („[…] weil dieser Regelungsbereich dem WKR entzogen ist.“); BundesG (Schweiz), 18. 5. 2009, CISG-online Case No. 1900, Erw. 10.1; Audiencia Provincial de Valencia (Spanien), 13. 3. 2007, CISG-online Case No. 1719, Erw. 2.; OLG Köln, 13. 2. 2006 – 16 U 17/05, CISG-online Case No. 1219, Erw. II.1., 147; Cour d’appel de Versailles (Frankreich), 13. 10. 2005, CISG-online Case No. 1433; Regional Court Bratislava (Slowakei). 11. 10. 2005, CISG-online Case No. 1858; OLG Linz (Österreich), 8. 8. 2005, CISG-online Case No. 1087, Erw. 3.; KantonsG Nidwalden (Schweiz), 23. 5. 2005, CISG-online Case No. 1086, Erw. 5.1 = IHR 2005, 253, 256; LG Bamberg, 13. 4. 2005 – 2 O 340/00, CISG-online Case No. 1402, Erw. C.II.4.a); OLG Karlsruhe, 20. 7. 2004 – 17 U 136/03, CISG-online Case No. 858, Erw. B)2.b)cc)/dd); Tribunale di Padova (Italien), 25. 2. 2004, CISG-online Case No. 819; KantonsG Schaffhausen (Schweiz), 27. 1. 2004, CISG-online Case No. 960, Erw. 6.; OLG Karlsruhe, 10. 12. 2003 – 7 U 40/02, CISG-online Case No. 911 = IHR 2004, 62, 65; OLG Zweibrücken, 26. 7. 2002 – 2 U 27/01, CISG-online Case No. 688, Erw. 3.; OGH (Österreich), 14. 1. 2002, CISG-online Case No. 643 = IHR 2002, 77, 79; ICC Schiedsspruch Nr. 11333, 1. 1. 2002, CISG-online Case No. 1420, Erw. 19 f.; OGH (Österreich), 22. 10. 2001, CISG-online Case No. 613; Rechtbank van Koophandel Leper (Belgien), 29. 1. 2001, CISG-online Case No. 606; OGH (Österreich), 7. 9. 2000, CISG-online Case No. 642; Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, http: //cisgw3.law.pace.edu/cases/000712i3.html, Erw. 23; OGH (Österreich), 25. 6. 1998, CISG-online Case No. 352; OLG Hamm, 9. 5. 1995 – 11 U 191/94, CISG-online Case No. 146, Erw. II.2.d) = NJW-RR 1996, 179, 180; mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 30 („The limitation period for claims arising from international sales contracts governed by the CISG has unanimously been held to be a matter excluded from the CISG’s sphere of application […].“); ferner Achilles, Art. 4 Rn. 23; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 31; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 27 ff.; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 40; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-165; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/

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Teil 3: Einzelbetrachtung

zum Tragen. Dieses ist in Deutschland allerdings nicht in Kraft getreten,630 was bis auf Weiteres wohl auch nicht der Fall sein wird.631 In aller Regel bleibt also auch hier eine kollisionsrechtliche Anknüpfung erforderlich.632 5. Schuldübernahme, -beitritt, -anerkenntnis, Vertragsübernahme Einigkeit in Rechtsprechung und Lehre besteht im Hinblick darauf, dass der Regelungsbereich weder die Schuldübernahme633, den Schuldbeitritt634, das Schuldanerkenntnis635, noch die Vertragsübernahme636 umfasst. Dies steht schließFerrari, Art. 4 Rn. 35; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 50; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 38. 629 Übereinkommen über die Verjährung beim internationalen Warenkauf vom 14. 7. 1974 (dem CISG in der Version vom 11. 4. 1980 angepasst), abgedruckt und kommentiert etwa bei Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Müller-Chen, VerjÜbk. 630 Text und Liste der Vertragsstaaten abrufbar unter www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_ texts/sale_goods/1974Convention_limitation_period.html. 631 Mit weiterführenden Hinweisen zum Verjährungsübereinkommen und zu dem mit der Schuldrechtsmodernisierung neu gefassten Art. 3 VertragsG bei Anwendbarkeit deutschen Verjährungsrechts s. Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 31; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-167 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 35 f.; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 38 ff. 632 S. dazu die Nachweise in Teil 3 Fn. 631. 633 BGH, 23. 10. 2013 – VIII ZR 423/12, CISG-online Case No. 2474, Rz. 12; LG Heidelberg, 2. 11. 2005 – 3 O 169/04, CISG-online Case No. 1416; OGH (Österreich), 24. 4. 1997, CISG-online Case No. 291; LG Hamburg, 26. 9. 1990 – 5 O 543/88, CISG-online Case No. 21, Erw. I.1.b); Achilles, Art. 4 Rn. 19; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 28; Honsell/ Siehr, Art. 4 Rn. 23; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 46; MüKo/ H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 4 Rn. 16; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 20; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-161; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 37; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 22; Staudinger/ Magnus, Art. 4 Rn. 57. 634 BGH, 23. 10. 2013 – VIII ZR 423/12, CISG-online Case No. 2474, Rz. 12; Achilles, Art. 4 Rn. 19; Lurger, IHR 2005, 177, 180; MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 4 Rn. 16; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 20; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 37; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 57. 635 BGH, 9. 1. 2002 – VIII ZR 304/00, CISG-online Case No. 651, Erw. II.2.b); BundG (Schweiz), 17. 10. 2000, CISG-online Case No. 1053, Erw. 4.c); OLG Hamm, 23. 6. 1998 – 19 U 127/97, CISG-online Case No. 434, Erw. I.1.; Achilles, Art. 4 Rn. 19; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 29; Lurger, IHR 2005, 177, 180; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Djordjevic, Art. 4 Rn. 46; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 42; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-161; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 37; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 62. 636 BGH, 15. 2. 1995 – VIII ZR 18/94, CISG-online Case No. 149, Erw. II.2. = NJW 1995, 2101, 2102 (dementsprechend autonomes Recht anwendend); Achilles, Art. 4 Rn. 19; Ferrari/ Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 28; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 46; Lurger, IHR 2005, 177, 180; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 37; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 57; a. A. aber Nemeczek, IHR 2011, 49, 51 ff.

§ 8 Regelungsbereich des Übereinkommens

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lich auch im Einklang mit dem starken Fokus des UN-Kaufrechts auf dem Rechtsverhältnis zwischen den ursprünglichen Vertragsparteien.637

III. „Ausdrücklich“ mitgeregelte Fragen – Relativierung der externen Lücken Was die dennoch vom Regelungsbereich umfassten Fragen angeht, so setzt eine „ausdrücklich andere“ Bestimmung im Sinne von Art. 4 Satz 2 CISG keinesfalls voraus, dass diese jeweils explizit auf die Einschränkung des Ausschlusses in Art. 4 (hier Satz 2 lit. a) CISG Bezug nimmt. Ein solches Verständnis ließe die Einschränkung letztlich leerlaufen, da ihm an keiner einzigen Stelle im CISG entsprochen wird.638 „Ausdrücklich“ etwas anderes wird immer dann bestimmt, wenn der Regelungsinhalt einer Norm in der Sache dem Anwendungsausschluss widerspricht, also z. B. eine Gültigkeitsfrage selbst abschließend regelt.639 Anders gewendet, kommt das CISG auch immer dann zum Tragen, wenn die Konvention in der Sache eine Regelung zu Materien enthält, die über die in Satz 1 gezogenen Grenzen „Abschluß des Kaufvertrages“ oder die „aus ihm erwachsenden Rechte und Pflichten“ hinausgehen.640 1. Zur Gültigkeit a) Form Mit Art. 11 CISG (Vertragsschluss) und Art. 29 CISG (Vertragsänderung/-aufhebung) treten Regelungen des Übereinkommens deutlich zutage, in denen „[…] ausdrücklich etwas anderes […]“ bestimmt wird, als der vollständige Regelungsausschluss der Gültigkeit.641 Art. 11 CISG normiert schließlich explizit die Formfreiheit des Vertragsschlusses. Entsprechendes geht aus Art. 29 Abs. 1 CISG hervor, der die formfreie Vertragsänderung oder -aufhebung zulässt, es sei denn die Parteien vereinbaren Entgegenstehendes.642 Die Frage nach der (Form-)Gültigkeit des Ver637 Vgl. in diesem Kontext nur Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 22; ferner Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 204. 638 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 13; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 27. 639 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 3; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2147; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 13; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 27. 640 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 27. 641 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 13. 642 OLG Düsseldorf, CISG-online Case No. 850 = IHR 2004, 203, 209; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 3; MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 4 Rn. 3; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Schmidt-Kessel, Art. 11 Rn. 8.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

trages oder einzelner Vertragsbestimmungen ist also durchaus abschließend643 vom Regelungsbereich umfasst – eine externe Lücke besteht diesbezüglich eindeutig nicht.644 Mit Festlegung des Grundsatzes der Formfreiheit findet die durchaus wichtige Frage der Formgültigkeit eine einheitliche Regelung in der Konvention, die den Gegebenheiten und Bedürfnissen des Warenhandels entspricht,645 keine sachfremden Hürden für reibungslose Vertragsschlüsse aufstellt und dadurch kaum646 Platz für Unsicherheiten hinsichtlich der Formgültigkeit lässt. Freilich gilt dies nur für die Formgültigkeit der kaufrechtlichen Abrede selbst und betrifft keine „kauffremden“ Abreden, die lediglich mit der kaufrechtlichen zusammen abgeschlossen werden und vielmehr nach den kollisionsrechtlich zur Anwendung berufenen Formvorschriften zu beurteilen sind.647 b) Wirksame Einbeziehung von AGB Ob die von einer der Parteien verwendeten AGB wirksam Bestandteil des Vertrages geworden sind, betrifft das Zustandekommen des „äußeren Konsenses“.648 Dementsprechend herrscht Einigkeit649 darüber, dass „sich die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einen dem UN-Kaufrecht unterliegenden Vertrag nach den für diesen geltenden Vertragsabschlussvorschriften (Art. 14, 18 CISG) [richtet]“650.651 643

Es sei denn es kommt der Vorbehalt nach Art. 96 CISG zum Tragen, vgl. dazu o. Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 27 („Für die Formfrage ist der Vorrang der Konvention eindeutig.“); ferner Achilles, Art. 4 Rn. 4; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 4; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 3; MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 4 Rn. 3; MüKo-HGB/ Mankowski, Art. 4 Rn. 12; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-129; Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 2 f.; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 13. 645 Zur Bedeutung der Formfreiheit bei internationalen Verträgen vgl. nur Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Schmidt-Kessel, Art. 11 Rn. 4. 646 Allein mit Blick auf Vertragspartner mit Niederlassung in der Russischen Föderation ist angesichts des eingelegten Vorbehaltes gem. Art. 96 CISG die erforderliche Schriftform zu beachten, s. o. § 7 B.II.5. 647 Vgl. dazu nur Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 14; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Schmidt-Kessel, Art. 11 Rn. 7 m. w. N. 648 S. bereits oben § 8 D.I.1.a). 649 So etwa explizit auch MüKo/Gruber, Art. 14 Rn. 27 („[…] nach ganz h. M. […]“); Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 12 („Ganz überwiegend […]“). 650 BGH, 31. 10. 2001 – VIII ZR 60/01, CISG-online Case No. 617, Erw. III.1. = IHR 2002, 14, 15 f. 651 OLG Oldenburg, 20. 12. 2007 – 8 U 138/07, CISG-online Case No. 1644, Erw. B)II. 2.a); LG Neubrandenburg, 3. 8. 2005 – 10 O 74/04, CISG-online Case No. 1190, Erw. II. 3. = IHR 2006, 26 – 31; Hoge Raad (Niederlande), 28. 1. 2005, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/05012 8n1.html; OLG Linz (Österreich), 23. 3. 2005, CISG-online Case No. 1376, Erw. 2.3., 5.2. = 644

§ 8 Regelungsbereich des Übereinkommens

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Was den an dieser Stelle zu bewertenden Umfang an Vereinheitlichung und mithin Orientierungssicherheit angeht, so geht für die Beurteilung der AGB-Einbeziehung angesichts der abschließenden Regelung im CISG keine nennenswerte Gefahr aus. Sie bedarf schließlich keines Rückgriffs auf kollisionsrechtlich zu bestimmendes autonomes Recht. Vergegenwärtigt man sich, dass sich die Voraussetzungen einer wirksamen Einbeziehung von AGB im autonomen Recht doch sehr deutlich unterscheiden, so fällt der Gewinn an Vorhersehbarkeit umso mehr ins Gewicht.652 Vor allem aber handelt es sich bei der Verwendung von AGB gerade im beruflichen Warenhandel weitestgehend um den Regelfall.653 Es handelt sich also nicht nur um einen Komplex mit vielen nationalen Unterschieden, sondern gerade um einen solchen mit sehr hoher Praxisrelevanz, was dessen Vereinheitlichung noch erfreulicher macht. Inwiefern die maßgeblichen materiell-rechtlichen Regelungen des CISG inhaltlich eine rechtssichere Einschätzung der wirksamen Einbeziehung von AGB ermöglichen, wird an späterer Stelle genauer untersucht.654

IHR 2007, 123, 126 f.; OLG Karlsruhe, 20. 7. 2004 – 17 U 136/03, CISG-online Case No. 858, Erw. B)2.c); OLG Düsseldorf, 21. 4. 2004 – I-15 U 88/03, CISG-online Case No. 915, Erw. II. 1.b)bb)(1) = IHR 2005, 24; Rechtbank Arnhem (Niederlande), 17. 3. 2004, http://cisgw3. law.pace.edu/cases/040317n1.html, Erw. 5 – 8; OGH (Österreich), 17. 12. 2003, CISG-online Case No. 828 = IHR 2004, 148, 153; Rechtbank Zutphen (Niederlande), 29. 5. 1997, http:// www.unilex.info/case.cfm?id=353; AG Nordhorn, 14. 6. 1994 – 3 C 75/94, CISG-online Case No. 259, Erw. II.; Achilles, Art. 4 Rn. 13; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 23; Hartnell, 18 Yale J. Int’l L. (1992) 83, 87; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 2; P. Huber, 13 V.J. (2009) 123, 125; Janssen, IHR 2005, 155, 156 ff. (speziell zur niederländischen Rspr.); Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 549; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 24; Kühl/ Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 52, 55; Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 305 f.; Mittmann, IHR 2006, 103, 104; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 33; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 7; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-126, 2-153; ders., IHR 2004, 133, 133; Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Intro to Arts. 14 – 24 Rn. 5 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Ferrari, Art. 4 Rn. 21; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 12 f.; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 25. 652 Mit ähnlichem Hinweis Piltz, IHR 2004, 133, 136 und Verweis auf Länderberichte bei Müller/Otto, Allgemeine Geschäftsbedingungen im internationalen Wirtschaftsverkehr, S. 129 ff. Überblick über nationale Vorschriften zur Einbeziehung auch bei Pöttner/Hübner, EWiR 2002, 339, 340 und Reithmann/Martiny/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 3.55 ff. 653 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 14 Rn. 111 („Die praktische Bedeutung standardisierter Vertragsbedingungen im Bereich des internationalen Warenhandels ist immens, und der Vertragsschluss unter (jedenfalls angestrebter) Einbeziehung von AGB dürfte unter dem UN-Kaufrecht heute nicht mehr die Ausnahme, sondern den Regelfall darstellen.“). 654 S. § 10.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

c) Folgen von Willensmängeln Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt wurde, sind die Folgen von Willensmängeln als Gültigkeitsfragen grundsätzlich gemäß Art. 4 Satz 2 lit. a CISG vom Regelungsbereich ausgeschlossen.655 Zu einigen Irrtumsfällen enthält die Konvention dennoch abschließende Regelungen, die eigentlich als Fragen des „inneren Konsenses“ vom Regelungsbereich ausgenommen sein müssten: Die Rechtsfolgen eines möglicherweise bei Vertragsschluss vorliegenden Irrtums über Eigenschaften der gelieferten Ware656 (Art. 45 CISG) oder über die Leistungsfähigkeit des Vertragspartners (Art. 71 Abs. 1 CISG) sind vorrangig dem CISG zu entnehmen.657 Auch die Regelung in Art. 27 CISG betreffend die falsche Übermittlung von Willenserklärungen ist abschließend und steht der Anwendbarkeit von Regelungen zur Anfechtung wegen eines Übermittlungsirrtums nach autonomem Recht entgegen.658 Mit Blick auf andere Willensmängel, etwa wegen arglistiger Täuschung oder Drohung, wegen eines Erklärungsirrtums oder aufgrund eines Kalkulationsirrtums659, verbleibt es dagegen bei dem Ausschluss gemäß Art. 4 Satz 2 lit. a CISG und der Anwendbarkeit rein nationaler Vorschriften.660 655

S. o. § 8 D.I.1.a). Zu einem Regelungskonflikt wird es hier i. d. R. nur dann kommen, wenn die betreffende nationale Rechtsordnung überhaupt neben der Sachmangelhaftung auch die Anfechtung wegen eines Eigenschaftsirrtums zulässt, so etwa im autonomen österreichischen Recht, nicht aber im deutschen, vgl. MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 4 Rn. 10 (mit ausdrücklichem Hinweis auf die österreichische Rechtslage, m. w. N.); Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 9; MüKo/ Huber, Art. 4 Rn. 26; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 19. 657 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 24; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 9 (zum Irrtum über die Qualität); Honnold/Flechtner, Rn. 68; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 21, 22; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 26 f.; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 10; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-136; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 24; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 36; Staudinger/ Magnus, Art. 4 Rn. 48; zur abschließenden Regelung einer Abweichung der vertraglichen von der tatsächlichen Beschaffenheit im CISG s. auch Rechtbank van Koophandel Hasselt (Belgien), 19. 4. 2006, CISG-online Case No. 1389; OGH (Österreich), 13. 1. 2001, CISG-online Case No. 576 (die Berufungsinstanz bestätigend); LG Aachen, 14. 5. 1993 – 43 O 136/92, CISG-online Case No. 86, Erw. 2.d) (explizite Feststellung, dass nationale Vorschriften zur Irrtumsanfechtung hinter diesbezügliche Regelungen im CISG zurücktreten). 658 Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 24; Honnold/Flechtner, Rn. 68; Honsell/ Siehr, Art. 4 Rn. 8; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 24; Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 36; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 51. 659 Dazu ausdrücklich BGH, 27. 11. 2007 – X ZR 111/04, CISG-online Case No. 1617, Rz. 18; Schiedgericht der Handelskammer Zürich, 31. 5. 1996, CISG-online Case No. 1291, Erw. 149. 660 Vgl. Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 24; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Djordjevic, Art. 4 Rn. 23; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 28; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Ferrari, Art. 4 Rn. 25; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 19; ferner Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 7; Honnold/Flechtner, Rn. 65; MüKo-HGB/Man656

§ 8 Regelungsbereich des Übereinkommens

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Der Großteil der in den nationalen Rechtsordnungen bekannten Fallgruppen zur Anfechtung wird mithin abschließend vom CISG geregelt. Dies ist besonders vor dem Hintergrund zu begrüßen, dass sich die nationalen Lösungsansätze hier ganz erheblich unterscheiden können und dass das ausgefeilte Regelungs- bzw. Rechtsbehelfssystem des CISG, je nach anwendbarer nationaler Rechtsordnung, auf ganz unterschiedliche Art und Weise untergraben zu werden droht.661 Man denke nur an die Frage, ob eine ex tunc oder ex nunc Wirkung eintritt oder ob eine Anfechtung neben der Geltendmachung von Sachmangelgewährleistungsrechten überhaupt zulässig ist.662 Mit der abschließenden, einheitlichen Regelung oben genannter Konstellationen wird also auch den Unwägbarkeiten vorgebeugt, die die ansonsten zu berücksichtigenden nationalen Anfechtungsmöglichkeiten mit sich zu bringen drohen.663 Glücklicherweise wird dem Vorrang der diesbezüglichen Regelungen des UN-Kaufrechts auch in der Praxis einheitlich Rechnung getragen, wie die zahlreichen zitierten Gerichtsentscheidungen belegen. So kann sich die Regelung im Konventionstext in der Praxis auch tatsächlich günstig auf den Grad an Rechtssicherheit auswirken. Gleichzeitig wird der Regelungsbereich auch nicht mit solchen Materien überfrachtet, für deren Regelung sich ein konsequent kaufrechtlich konzipiertes Einheitsrecht nur bedingt eignet. Hier ist sicherlich ein Punkt erreicht, an dem ein internationales Einheitskaufrecht wieder an seine Grenzen stößt.

kowski, Art. 4 Rn. 10; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-149; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 52. In der Rspr. OLG Dresden, 27. 5. 2010 – 10 U 450/09, CISG-online Case No. 2182, Erw. II.2.; OLG Hamm, 2. 4. 2009 – 28 U 107/08, CISG-online Case No. 1978, Rz. 73/82 f.; Electrokraft Arkansas, Inc. ./. Super Electric Motors, Ltd. et al., U.S.D.C. [E.D. Arkansas, W.D.], 23. 12. 2009, CISG-online Case No. 2045, Erw. 2.ii)b) (Ausführliche Auseinandersetzung mit internationaler Literatur und Rspr.); Miami Valley Paper, LLC ./. Lebbing Engineering & Consulting GmbH, U.S.D.C. [S.D. Ohio, W.D.], 10. 10. 2006, CISG-online Case No. 1362, Erw. III.B.1.; KantonsG St. Gallen (Schweiz), 13. 5. 2008, CISG-online Case No. 1768, Erw. III.3.a); TeeVee Tunes, Inc. et al. ./. Gerhard Schubert GmbH, U.S. D.C. [S.D. N.Y.], 23. 8. 2006, CISG-online Case No. 1272, insb. Erw. II.D.1.; CIETAC (China), 21. 10. 2005, CISG-online Case No. 1472; Treibacher Industrie AG ./. TDY Industries, Inc., U.S.D.C. [N.D. Alabama], 27. 4. 2005, CISG-online Case No. 1178 (i. E., vgl. Erw. 1.); OLG Hamburg, 5. 10. 1998 – 12 U 62/97, CISG-online Case No. 473, Erw. 3.c)aa). 661 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 19, 36; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 22; ausdrücklich hinsichtlich der daher ausgeschlossenen Anfechtung wegen eines Irrtums über die Leistungsfähigkeit des anderen Geschäftspartners MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 4 Rn. 10. 662 Zu letzterem vgl. auch bereits Teil 3 Fn. 656. 663 Ähnlich Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 22 („The interest in security of transactions and legal certainty further warrant such a conclusion, since national laws may vary to a large extent with regards to remedies available for this kind of mistake.“).

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Teil 3: Einzelbetrachtung

d) Anfängliche objektive Unmöglichkeit Was die anfängliche Unmöglichkeit angeht, wurde bereits klargestellt, dass es sich hierbei nicht um eine Gültigkeitsfrage im Sinne des CISG handelt.664 Entsprechende Konstellationen sind daher nach dem CISG zu beurteilen. In einigen Rechtsordnungen steht die anfängliche objektive Unmöglichkeit – wie früher in Deutschland – einem gültigen Vertragsschluss entgegen.665 Aus deren Perspektive wäre die Regelung der anfänglichen Unmöglichkeit im CISG als „ausdrückliche“ Einschränkung der in Art. 4 S. 2 lit. a CISG genannten externen Lücken zu werten. Im Ergebnis spielt dies für die (positiv zu beantwortende) Frage nach der Eröffnung des Regelungsbereiches keine Rolle. Dogmatisch sauber ist jedoch nur die Argumentation, nach der es sich vor dem Hintergrund des Gebotes der autonomen Auslegung des CISG (Art. 7 Abs. 1 CISG) schon gar nicht um eine Gültigkeitsfrage im Sinne von Art. 4 S. 2 lit. a CISG handelt. Für den deutschen Rechtsanwender dürfte diese Einordnung keine Überraschung666 mehr darstellen – sie deckt sich seit der Schuldrechtsreform mit der Regelung in § 311a Abs. 1 BGB.667 2. Zu Eigentumsfragen Zwar wird in Art. 41 und 42 CISG „mittelbar […] die Eigentumslage angesprochen […]“668. Dennoch ist unstrittig, dass das UN-Kaufrecht weder (i) die Eigentumsübertragung noch (ii) die Wirkungen regelt, die der Vertrag zwischen den Parteien auf das Eigentum an der verkauften Ware hat.669

IV. Sonstige mitgeregelte Fragen Neben den soeben erläuterten Gültigkeits- und Eigentumsaspekten werden schließlich noch weitere Rechtsfragen abschließend angesprochen, was der Anwendung entsprechender Rechtsinstitute bzw. Rechtsvorschriften im autonom gesetzten Recht entgegensteht. Auf die wichtigsten Fragen in diesem Kontext soll im Folgenden kurz eingegangen werden.

664

S. o. § 8 D.I.1.a). Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 44. 666 Anders noch gemäß § 306 BGB a. F., s. etwa Grüneberg/Grüneberg, § 311a Rn. 1. 667 Mit diesem Vergleich auch MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 4 Rn. 12. 668 Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 34. 669 S. bereits oben § 8 D.I.1.c); vgl. dazu klarstellend m. w. N. Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 29 ff.; ferner Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 32, 34. 665

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1. Culpa in contrahendo Auch wenn das vorvertragliche Verhältnis der Parteien grundsätzlich nicht unter den Regelungsbereich des CISG fällt,670 so enthält das Übereinkommen dennoch einige Regelungen, die sich auf das vorvertragliche Verhalten der Parteien beziehen und daher mit nationalen Vorschriften, die etwa eine Haftung aus culpa in contrahendo auslösen, konfligieren (können).671 Vor diesem Hintergrund beantwortet die Literatur die Frage, welche Elemente bzw. Sachverhalte vorvertraglichen Verhaltens abschließend, d. h. funktional äquivalent, vom CISG geregelt werden, teils uneinheitlich. Dies betrifft vor allem solche Sachverhalte, bei denen es zum Abbruch der Vertragsverhandlungen aufgrund solcher Pflichtverletzungen kommt, die nicht unter die eindeutig672 vom Regelungsbereich ausgeschlossenen deliktischen bzw. deliktsähnlichen („fraudulöse[n]“673, „unlauter[en]“674) Verhaltensweisen (z. B. die Beeinflussung des Willens der anderen Partei bei der Vertragsanbahnung durch Täuschung oder Drohung)675 zu fassen sind. Ein Teil der Literatur676 möchte den Vertragsabbruch wegen „nicht-deliktischer“ Pflichtverletzungen allein mit den Rechtsbehelfen des CISG lösen. Hat eine Partei eine derartige Vertrauensgrundlage geschaffen, dass die andere Partei berechtigterweise auf einen Vertragsschluss vertraut hat, sei ein möglicher Vertrauensschaden allein nach dem CISG zu beurteilen und gegebenenfalls ersatzfähig. Auffallend ist dabei, dass die Vertreter dieser Ansicht die Verbindlichkeit ihrer Aussage mit Blick auf eine abschließende Regelung durch das CISG teilweise relativieren und offen formulieren.677 Es scheint, dass letztlich auch Ergebnisse für möglich gehalten 670

So zur Ausgangslage ausdrücklich Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 42; ähnlich Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 18. 671 Vgl. dazu nur Köhler, Die Haftung nach UN-Kaufrecht im Spannungsverhältnis zwischen Vertrag und Delikt, S. 215, 249 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 42. 672 Zu der in diesen Fällen wohl einhelligen Annahme der Anwendbarkeit des autonomen Rechts vgl. Bonell, RIW 1990, 693, 700; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 43; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 13; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 155; wohl auch Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 46; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 18; offen Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 16. 673 Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 155. 674 Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 43. 675 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 43. 676 Bonell, RIW 1990, 693, 701; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 43; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 13; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 29. 677 Bonell, RIW 1990, 693, 701 („[…] Bei näherer Betrachtung sollte es jedoch möglich sein, eine Lösung durch analoge Anwendung zumindest einiger dieser Vorschriften [zur Haftung nach Vertragsschluss] zu finden.“); Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 43 („[…] so dürfte ihr nach der Konvention der Vertrauensschaden zu ersetzen sein, auch wenn es nicht zu einem Vertragsschluss kommt.“); Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 13 („[…] so dürften die Haftungsregelungen des CISG genügend Anhalt für eine Entschädigungspflicht bieten.“), (Hervorhebungen des Verfassers).

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werden,678 die aus der Zugrundelegung einer anderen Literaturansicht folgen würden: So spricht sich der andere Teil der Literatur dafür aus, dass die Anwendung autonomer Regelungen zur vorvertraglichen Haftung auch bei „nicht-deliktischen“ Verhandlungsabbrüchen zumindest möglich bleibt.679 Maßgeblich sei allgemein die Art der Pflichtverletzung,680 d. h. die Frage danach, ob es sich um die Verletzung eines Vertrauenstatbestands handelt, der nicht bereits im CISG geregelt wird, „[…] beispielsweise um wettbewerbsrechtliche Tatbestände.“681 Demnach bleibe z. B. auch in Fällen der Verletzung „[…]vorvertraglicher Pflichten zum Schutz der Sachgüter des künftigen Vertragspartners oder [im Fall] einer Sachwalterhaftung eines Vertragsmittlers[…]“, das autonome Recht anwendbar und könne zu einer entsprechenden Haftung aus culpa in contrahendo führen.682 Verallgemeinerungsfähige Stellungnahmen aus der Entscheidungspraxis fehlen. Angesichts der Vielzahl denkbarer vorvertraglicher Pflichten, die nicht deliktsrechtlich bzw. deliktrechtsähnlich zu qualifizieren sind, gestaltet sich eine tatsächlich rechtssichere Beurteilung der soeben dargestellten Konkurrenzfrage durchaus problematisch. Einen einheitlichen, sachgerechten Anhaltspunkt findet man lediglich in der Maßgabe, dass anhand einer funktionalen Betrachtung zu entscheiden sei, inwiefern eine nationale Haftungsmöglichkeit, den Abbruch der Vertragsverhandlungen betreffend, bereits vom CISG geregelt werden soll.683 Dass hier einige Unwägbarkeiten bei der Anwendung dieses Grundsatzes verbleiben können, liegt auf der Hand.

678 Dies gilt mit Blick auf die Argumentation von Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 43 gerade auch vor dem Hintergrund, dass er seine Ansicht explizit darauf stützt, „wie [weit] bei funktionaler Betrachtung der Sachverhalt von der Konvention erfasst wird.“ Dass auf Grundlage dieser Prämisse (s)eine funktionale Betrachtung u. U. dazu führen kann, einen nicht-deliktischen Vertragsabbruch dem autonomen Recht zu unterstellen, erscheint m. E. nicht ausgeschlossen. 679 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 46 („Hat die culpa in contrahendo den Abbruch der Vertragsverhandlungen zur Folge, führt dies m. E. nicht notwendigerweise zur Verdrängung des über das IPR berufenen nationalen Rechts.“); Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 18; Schlechtriem/Schroeter, Int. UNKaufrecht, Rn. 155; Köhler, Die Haftung nach UN-Kaufrecht im Spannungsverhältnis zwischen Vertrag und Delikt, S. 212 ff., 254. Vgl. allerdings zu der Frage, ob dies von den Vertretern der zuvor genannten Ansicht eindeutig so vertreten wird, soeben insb. Teil 3 Fn. 677 und 678. 680 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 46; Schlechtriem/Schwenzer/ Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 18. 681 Eingehend Köhler, Die Haftung nach UN-Kaufrecht im Spannungsverhältnis zwischen Vertrag und Delikt, S. 254. 682 So ausdrücklich Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 155; ebenfalls ausdrücklich zitiert bei Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 46. 683 Hierzu eingehend nur Köhler, Die Haftung nach UN-Kaufrecht im Spannungsverhältnis zwischen Vertrag und Delikt, S. 250 ff.

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Umso erfreulicher ist, dass diese funktionale Herangehensweise in den verbliebenen Fällen, in denen es trotz des betreffenden (nicht-deliktsähnlichen) Verhaltens zu einem Vertragsschluss kommt, durchaus zu einheitlichen Ergebnissen geführt hat. Hier beurteilt sich die Haftung für ein Verschulden bzw. eine mögliche Pflichtverletzung bei Vertragsschluss allein nach dem CISG.684 Schließlich enthält das CISG abschließende685 Regelungen zu der kaufrechtlichen Haftung der Parteien eines dem CISG unterliegenden Warenkaufes.686 Dementsprechend richten sich Verstöße gegen vorvertragliche Mitteilungs-, Aufklärungs- oder Sorgfaltspflichten, die z. B. fehlerhafte Vorstellungen erweckt oder nicht beseitigt haben, nach Art. 45 ff. CISG bzw. Art. 61 ff. CISG.687 Ein vorvertraglich erwecktes Vertrauen wird ferner z. B. in Art. 16 Abs. 2 lit. b CISG (Unwiderruflichkeit des Angebots), Art. 29 Abs. 2 Satz 2 CISG (Schutz des Vertrauens an die Unerheblichkeit einer Schriftformklausel) und Art. 35 Abs. 2 lit. b (Eignung der Ware zum signalisierten Zweck) berücksichtigt.688 Zusammengefasst beurteilt sich die Haftung für Schäden, die durch vorvertragliche Verhaltensweisen ausgelöst wurden, allein nach dem CISG, sofern es zum Vertragsschluss kam. Kam es dagegen nicht zum Vertragsschluss, so ist wohl nach der Art der Pflichtverletzung zu unterscheiden und die Anwendbarkeit nationaler Haftungsregelungen ausgeschlossen, wenn die betreffende Pflichtverletzung funktional bereits vom CISG geregelt wird. 2. Störung der Geschäftsgrundlage Das Übereinkommen enthält abschließende Regelungen zu der Frage, unter welchen Umständen sich die vertraglichen Pflichten der Parteien ändern können, (Art. 79, Art. 71 – 73 CISG).689 Nationale Regelungen, die angesichts grundlegender Veränderungen der Umstände eine Vertragsanpassung oder gar -aufhebung ermöglichen würden, kommen mithin nicht zum Tragen, wie sowohl Literatur690, als auch 684 Bonell, RIW 1990, 693, 701; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 29; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 46; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 43. 685 Freilich mit der genannten Ausnahme einer unlauteren, ggf. deliktsähnlichen Beeinflussung des Willens der anderen Vertragspartei durch Täuschung, Drohung und dergleichen, vgl. dazu Teil 3 Fn. 877 und ferner Art. 5 CISG. 686 Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 46. 687 Vgl. Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 12; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 43. 688 Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 12; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 29. 689 So ausdrücklich Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 59 und ferner Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 44. 690 Achilles, Art. 4 Rn. 18; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 18; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 20; MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 4 Rn. 11; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-136; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 44; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 42; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 59.

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Rechtsprechung691 einhellig feststellen. D. h. konkret, dass die ganz unterschiedlichen autonomen Regelungen, wie etwa zur Figur der Störung der Geschäftsgrundlage (vgl. § 313 BGB) oder zur „frustration“ nach englischem Verständnis692, keine Anwendung finden können.693 3. Zurückbehaltungsrechte Die herrschende Ansicht in Literatur694 und Rechtsprechung695 leitet aus den Regelungen des CISG ein allgemeines Zurückbehaltungsrecht für sich gegenüberstehende konventionsinterne Ansprüche der Vertragsparteien ab (Art. 7 Abs. 2 CISG), sofern es sich nicht um unwesentliche Zusatzpflichten handelt. Dies folge v. a. aus dem Grundsatz der Zug-um-Zug Leistung für Warenlieferung und Kaufpreiszahlung in Art. 58 CISG und der Unsicherheitseinrede gemäß Art. 71 CISG. Einen weiteren Anhaltspunkt stellen schließlich auch die Regelungen in den Art. 81 Abs. 1 Satz 2 CISG, Art. 85 Satz 2 und 86 Abs. 1 Satz 2 CISG dar.696

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Brandenburgisches OLG, 18. 11. 2008 – 6 U 53/07, CISG-online Case No. 1734, Erw. B.III.3. 692 So explizit Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 20; vgl. entsprechend auch zu der Nichtanwendbarkeit der Grundsätze zu „hardship“ Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 42 und Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-136. 693 Ausdrücklich LG Aachen, 14. 5. 1993 – 43 O 136/92, CISG-online Case No. 86, Erw. 2.d) und ferner Achilles, Art. 4 Rn. 18; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 18; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 20; MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 4 Rn. 11; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-136; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 44; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 42; Staudinger/ Magnus, Art. 4 Rn. 59; Art. 71 Rn. 42. 694 Vgl. dazu insb. Hartmann, IHR 2006, 181 ff.; ferner Achilles, Art. 4 Rn. 20; Fountoulakis, IHR 2005, 244, 247; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 58 Rn. 27; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 25; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Perales Viscasillas, Art. 7 Rn. 64; MüKo/ P. Huber, Art. 58 Rn. 24; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 26; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 198; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 45a; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Müller-Chen, Art. 45 Rn. 22; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Mohs, Art. 58 Rn. 27; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 20; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 47a; Art. 58 Rn. 23. 695 Rechtbank Arnhem (Niederlande), 29. 7. 2009, CISG-online Case No. 1939 unter Bezugnahme auf die ausführlichen Erwägungen des OGH (Österreich), 8. 11. 2005, CISG-online Case No. 1156, Erw. 2.; ferner OGH (Österreich), 30. 11. 2006, CISG-online Case No. 1417, Erw. 4 („Dass das Zug-um-Zug-Prinzip auch im UN-Kaufrecht anzuwenden ist und somit dem Schuldner die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrages und die Möglichkeit der Zurückbehaltung seiner eigenen Leistung, bis der Vertragspartner zur Erbringung der Gegenleistung bereit ist, ermöglicht, entspricht der herrschenden Rechtsprechung […].“); Schiedsgericht Handelskammer Zürich (Schweiz), 31. 5. 1996, CISG-online Case No. 1291. 696 Vgl. dazu insb. Fountoulakis, IHR 2005, 244, 247; Hartmann, IHR 2006, 181, 184; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 25; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 26; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 47a; Art. 58 Rn. 23; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 198; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Mohs, Art. 58 Rn. 27; Schlechtriem/Schwenzer/Schwen-

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Ist jedoch ein konventionsfremder Anspruch betroffen, so ist ein mögliches Zurückbehaltungsrecht dem kollisionsrechtlich berufenen Recht zu entnehmen.697 Entsprechendes gilt hinsichtlich der Regelung dinglicher Sicherungswirkungen eines Zurückbehaltungsrechts, von Verwertungsrechten mit Wirkung gegenüber Dritten sowie von Konkursrechten etc., die nicht dem CISG entnommen werden können.698 Erfreulich ist zweifellos die Tatsache, dass die Annahme eines allgemeinen Zurückbehaltungsrechts bei konventionsinternen Ansprüchen mittlerweile auf der „ganz herrschenden Ansicht“699 beruht. Ein Zuwachs an Rechtssicherheit mit Blick auf die einheitliche Regelung dieser immer wieder strittigen Frage ist daher nicht von der Hand zu weisen. Auch wenn sich vereinzelt noch Gegenstimmen in der Literatur700 und das OLG Stuttgart701 per se für die Ablehnung eines allgemeinen Zurückbehaltungsrechts aussprechen, dürften dies nur noch seltene Einzelerscheinungen sein, von denen kein ernsthaftes Rechtsunsicherheitsrisiko mehr ausgeht. Gewichtiger, wenngleich nicht dramatisch, ist der Einwand, der auch von Vertretern der herrschenden Meinung erhoben wird, dass die einzelnen Modalitäten der Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts noch nicht abschließend geklärt seien.702 Aber auch hier lässt sich mittlerweile auf eine immer ausgereiftere Differenzierung und Fallgruppenbildung in der Literatur zurückgreifen, die unter stetiger Bezugnahme auf die als Leitbild fungierenden, ausdrücklich normierten Zurückbehaltungsrechte sowie die allgemeinen Prinzipien im CISG herausgearbeitet wurden bzw. werden.703 Zwar bilden diese noch keine „ganz herrschende Ansicht“. Dennoch lässt sich schon jetzt eine ganz erhebliche Hilfestellung und damit eine stetig zunehmende Orientierungssicherheit verzeichnen. zer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 20 und OGH (Österreich), 8. 11. 2005, CISG-online Case No. 1156, Erw. 2. 697 Fountoulakis, IHR 2005, 244, 247; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 25; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 26; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 45a; Staudinger/ Magnus, Art. 4 Rn. 47a; vgl. in der Rspr. Gerechtshof Leeurwarden (Niederlande), 31. 8. 2005, CISG-online Case No. 1100, Erw. 2.7.2. 698 Ausdrücklich Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 198; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 45a; ferner Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Mohs, Art. 58 Rn. 31. 699 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 Rn. 57. 700 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 45 Rn. 57, Art. 58 ff. 701 OLG Stuttgart, 20. 12. 2004 – 5 U 108/04, CISG-online Case No. 997, Erw. II.2.3. („Das Zurückbehaltungsrecht ist im CISG nicht geregelt. Ob überhaupt ein Zurückbehaltungsrecht besteht, richtet sich nach dem Recht, welches nach dem internationalen Privatrecht zur Beurteilung berufen wäre.“). 702 So etwa Honsell/Schnyder/Straub, Art. 58 Rn. 65; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/ Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 20, Art. 7 Rn. 41; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Art. 58 Rn. 27 a. E. 703 Vgl. etwa Fountoulakis, IHR 2005, 244, 247; Hartmann, IHR 2006, 181, 185 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Art. 58 Rn. 28 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 7 Rn. 40 f.

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4. Beweislast Nach mittlerweile herrschender Ansicht in Literatur704 und Rechtsprechung705 umfasst der Regelungsbereich des CISG auch die Frage(n) der Beweislast.706 Auch wenn in Art. 79 Abs. 1 CISG die einzige ausdrückliche Beweislastregel genannt wird, wurden andere Vorschriften so formuliert, dass sie Rückschlüsse auf die au-

704 Achilles, Art. 4 Rn. 25; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 11; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 14; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 36; Kröll, 25 J. L. & Com. (2005/6) 39, 48; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 41; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 35; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-145; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 4 Rn. 49; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 25; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 63 f.; zurückhaltender Honnold/Flechtner, Rn. 70.1. 705 BGH, 30. 6. 2004 – VIII ZR 321/03, CISG-online Case No. 847, Erw. 2.a), b), der BGH bezieht sich dabei ausdrücklich auf die herrschende Meinung in der Literatur, die insofern ergangene ausländische Rechtsprechung sowie auf BGH, 9. 1. 2002 – VIII ZR 304/00, CISG-online Case No. 651, Erw. II.2.b) („Zutreffend ist der Ausgangspunkt der Revision, daß das CISG die Beweislast ausdrücklich (etwa in Art. 79 Abs. 1) oder konkludent (Art. 2 Buchst. a) mit regelt, daß infolgedessen ein Rückgriff auf das nationale Recht insofern verwehrt ist und daß das CISG dabei dem Regel-Ausnahme-Prinzip folgt […]“); vgl. ferner BGH 25. 6. 1997 – VIII ZR 300/96, CISG-online Case No. 277; BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135 sowie OGH (Österreich), 14. 2. 2012, CISG-online Case No. 2308, Erw. 3.3 (ausführliche Auseinandersetzung mit der Literatur und der Rechtsprechung des BGH (v. 9. 1. 2002 – VIII ZR 304/00), wobei dessen „[…] überzeugenden Ausführungen […] im Hinblick auf die Herausbildung einer gemeinsamen weltweiten Anwendungspraxis zu folgen [sei].“); OGH (Österreich), 12. 9. 2006, CISG-online Case No. 1364 („[…] nach allgemeinen Regeln des UN-K [hat] grundsätzlich derjenige Vertragspartner die tatsächlichen Voraussetzungen jener Vorschrift zu behaupten und zu beweisen […], aus der er einen Vorteil für sich herleitet.“); OLG Köln, 14. 1. 2008 – 16 U 36/07, CISG-online Case No. 1730 („[…] so ist diese [die Beweislast] auch implizit im CISG selbst geregelt und zwar dahingehend, dass jede Partei die tatsächlichen Voraussetzungen der Norm, aus der sie Rechte herleitet, nachzuweisen hat.“); KantonsG Nidwalden (Schweiz), 23. 5. 2005, CISG-online Case No. 1086, Erw. 3.1; BundesG (Schweiz), 13. 11. 2003, CISG-online Case No. 840, Erw. 5.3; KantonsG Appenzell Ausserrhoden (Schweiz), 10. 3. 2003, CISG-online Case No. 852, Erw. 2.d); Tribunale di Rimini (Italien), 26. 11. 2002, CISG-online Case No. 737, Erw. 4 a. E.; Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, CISG-online Case No. 493, Erw. 23; I.C.C. International Court of Arbitration, 1. 6. 1999, CISG-online Case No. 705; Arbitration Institute of the Stockholm Chamber of Commerce, 5. 6. 1998, CISG-online Case No. 379, vgl. Erw. 6.3.a), b); weitere Nachweise zur herrschenden Rspr. auch bei Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 35. A. A. i. E. Cour de Justice de Genève (Schweiz), 15. 11. 2002, CISG-online Case No. 853, Erw. 4 (mittlerweile vom Schweizerischen Bundesgericht [s. o. gleiche Fn.] gegenteilig im Sinne der herrschenden Meinung entschieden); Schmitz-Werke GmbH & Co ./. Rockland Internationale FSC, Inc. et al., U.S. Court of Appeals [4th Circuit], 5. 12. 2000, CISG-online Case No. 625, zu Recht kritische Anmerkung von DiMatteo/Dhooge/Greene/Maurer/Pagnattaro, 34 Nw. J. of Int’l L. and B. (2004) 299, 438 („[T]he U.S. Court of Appeals […] badly misapplied CISG’s interpretive methodology.“); weitere Nachweise zur Mindermeinung bei Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Djordjevic, Art. 4 Rn. 36. 706 Vgl. auch Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 25 („The view that the Convention […] does not generally deal with the burden of proof is outdated.“).

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genscheinlich zugrundegelegte Beweislastverteilung erlauben. „Weitere Vorschriften legen eine bestimmte Beweislastverteilung jedenfalls nahe.“707 Auf Grundlage dieser Vorschriften wurden folgende Grundsätze in Rechtsprechung und Literatur herausgearbeitet: Jede Partei trifft die Beweislast für das tatsächliche Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der für sie günstigen Vorschrift.708 Beruft sich eine Partei auf eine Ausnahmeregel, so trifft sie die Beweislast für das Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen.709 In einigen Fällen kann sich aus einer besonderen Beweisnähe einer Partei oder bei gänzlich unzumutbaren Beweisschwierigkeiten der grundsätzlich beweisbelasteten Partei eine Beweislastumkehr ergeben.710 Demnach hat die an sich nicht beweis-

707 So ausdrücklich Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 64, mit Darstellung (a. a. O. Rn. 64 – 69) der entsprechenden Normen, aus denen sich die Grundsätze zur Beweislastverteilung entnehmen lassen. Vgl. auch BGH, 9. 1. 2002 – VIII ZR 304/00, CISG-online Case No. 651, Erw. II.2.b) (Wortlaut Teil 3 Fn. 705) und ferner Achilles, Art. 4 Rn. 25; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 11; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-145; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 35. 708 Vgl. BGH, 30. 6. 2004 – VIII ZR 321/03, CISG-online Case No. 847, Erw. 2.a), b); OGH (Österreich), 14. 2. 2012, CISG-online Case No. 2308, Erw. 3.3; OGH (Österreich), 12. 9. 2006, CISG-online Case No. 1364 (vgl. Wortlaut in Teil 3 Fn. 705); KantonsG Nidwalden (Schweiz), 23. 5. 2005, CISG-online Case No. 1086, Erw. 3.1; BundesG (Schweiz), 13. 11. 2003, CISG-online Case No. 840, Erw. 5.3 („Als solcher Grundsatz ist anerkannt, dass in der Regel jede Partei für die tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Norm beweispflichtig ist [m. w. N.].“); Tribunale di Rimini (Italien), 26. 11. 2002, CISG-online Case No. 737, Erw. 4 a. E.; Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, CISG-online Case No. 493, Erw. 24; Achilles, Art. 4 Rn. 25; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 11; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 42; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 35; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 35; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-145; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 4 Rn. 50; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 25; Staudinger/ Magnus, Art. 4 Rn. 67. 709 BGH, 30. 6. 2004 – VIII ZR 321/03, CISG-online Case No. 847, Erw. 2.a) „[…] denn, wie der Senat entschieden hat, folgt das CISG, auch soweit es die Beweislast nicht ausdrücklich festlegt, dem Regel-Ausnahme-Prinzip […]“ mit Verweis auf BGH, 9. 1. 2002 – VIII ZR 304/ 00, CISG-online Case No. 651, Erw. II.2.b); ferner BundesG (Schweiz), 13. 11. 2003, CISG-online Case No. 840, Erw. 5.3; Achilles, Art. 4 Rn. 25; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 14; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 35; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 35; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-145; Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 4 Rn. 50; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 25; Staudinger/ Magnus, Art. 4 Rn. 68. 710 So ausdrücklich BGH, 30. 6. 2004 – VIII ZR 321/03, CISG-online Case No. 847, Erw. 2.b) mit dem Hinweis, „[…] daß eine Ausnahme im Einzelfall unter dem Gesichtspunkt der Beweisnähe oder dann zuzulassen ist, wenn eine Beweisführung mit unzumutbaren Beweisschwierigkeiten für den [hier] Käufer verbunden wäre“; dem ausdrücklich beipflichtend OGH (Österreich), 14. 2. 2012, CISG-online Case No. 2308, Erw. 3.5, 3.7; ferner OGH (Österreich), 12. 9. 2006, CISG-online Case No. 1364; BundesG (Schweiz), 13. 11. 2003, CISG-online Case No. 840, Erw. 5.3; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 11;

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Teil 3: Einzelbetrachtung

belastete Partei das Vorliegen solcher strittiger Tatsachen zu beweisen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen und ihr deutlich besser bekannt sind oder sein müssen.711 Dem CISG kann lediglich die Verteilung der Beweislast entnommen werden. Welches Beweismaß im Einzelnen zu erfüllen ist und wann die Beweisführung vom entscheidenden Spruchkörper als ausreichend anzusehen ist, richtet sich nach überwiegender Ansicht wiederum ausschließlich nach der lex fori.712 „Denn der notwendige Grad an richterlicher Überzeugung ist so eng mit dem im Übrigen anwendbaren Verfahrensrecht verknüpft, auf dessen Grundlage der Richter die Überzeugung zu bilden hat, dass hierfür die lex fori zu gelten hat.“713 Angesichts der Tatsache, dass sich die autonomen Regelungen zur Beweislastverteilung international mitunter ganz erheblich unterscheiden, ist nur zu begrüßen, dass Rechtsprechung und Literatur bei der Anwendung des CISG einheitlich auf die entsprechenden Normen und herausgearbeiteten Grundsätze in der Konvention selbst abstellen. Damit bietet sich ein einheitlicher Bezugspunkt, der die tatsächliche Anwendung im Streitfall um einiges vorhersehbarer macht.714 Im Übrigen sei angemerkt, dass sich in der internationalen Kommentarliteratur nahezu zu jeder Norm weitere Ausführungen zur Beweislast finden. Die Problematik ist insgesamt sehr gut aufgearbeitet. Für den deutschen Rechtsanwender kommt hinzu, dass die dargestellten Grundsätze sich mit denen aus dem deutschen Prozessrecht decken. Ferner ist es gerade (auch) die deutsche höchstrichterliche Rechtsprechung, die sich ausführlich mit der Beweislast auseinandergesetzt und dazu Stellung genommen hat. Sie scheint sich dabei als persuasive authority für viele ausländische Gerichte etabliert zu haben. Der Umgang der Praxis mit der Frage der Beweislast bietet somit wiederum ein

Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 4 Rn. 51; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 25; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 69. 711 BundesG (Schweiz), 13. 11. 2003, CISG-online Case No. 840, Erw. 5.3 („Schliesslich wird als Grundsatz anerkannt, dass Tatsachen aus einem Bereich, welcher einer Partei deutlich besser bekannt ist als der anderen, diejenige Partei nachweisen muss, welche die Herrschaft über diesen Bereich hat [m. w. N.].“); Schlechtriem/Schwenzer/Ferrari, Art. 4 Rn. 51; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 25; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 69. 712 KantonsG Nidwalden (Schweiz), 23. 5. 2005, CISG-online Case No. 1086, Erw. 3.1; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 11; MüKo/Huber, Art. 4 Rn. 41; MüKo-HGB/ Mankowski, Art. 4 Rn. 35; Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 70; wohl auch Schlechtriem/ Schwenzer/Ferrari, Art. 4 Rn. 53; a. A. Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 37, die einen vernünftigen Grad an Sicherheit verlangen („[…] the relevant standard of proof under the CISG should be the one of reasonable certainty.“); Schlechtriem/Schwenzer/ Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 26. 713 Staudinger/Magnus, Art. 4 Rn. 70. 714 Mit ganz ähnlicher Einschätzung Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 25.

§ 8 Regelungsbereich des Übereinkommens

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eindrucksvolles Beispiel dafür, dass die Spruchkörper der Maßgabe in Art. 7 Abs. 1 CISG durchaus gerecht werden – auch ohne eine supranationale Auslegungsinstanz.

E. Zu den internen Lücken Die Regelung in Art. 7 Abs. 2 CISG widmet sich den sog. internen Lücken im Regelungsbereich der Konvention. Stellt sich eine Rechtsfrage, die eigentlich einer in den Regelungsbereich fallenden Materie zuzuordnen ist, für die das Übereinkommen aber keine ausdrückliche bzw. unmittelbare Antwort enthält, so erfolgt die Beantwortung vorrangig „nach den allgemeinen Grundsätzen, die diesem Übereinkommen zugrunde liegen,“ Art. 7 Abs. 2 CISG. Sofern dem CISG allerdings kein allgemeiner Grundsatz zu entnehmen ist, der die betreffende Rechtsfrage löst, ist das kollisionsrechtlich berufene Recht anzuwenden – eine externe Lücke liegt vor. Sinn und Zweck dieser Vorgehensweise ist es, „[…] die Anwendung nationaler Rechtsordnungen und den Rückgriff auf nationale Methoden weitgehend aus[zu] schließen, um auf diese Weise Rechtsvereinheitlichung und Rechtssicherheit zu gewährleisten.“715 Für solche Rechtsfragen, die sich also noch auf Grundlage des CISG lösen lassen, ist damit gerade keine IPR-Prüfung mit den bereits mehrfach hervorgehobenen Unwägbarkeiten erforderlich. Zudem wirkt der größere Vereinheitlichungseffekt wiederum positiv auf den Grad an insgesamt zu verzeichnender Rechtssicherheit. Andererseits wird man nicht leugnen können, dass das Abstellen auf allgemeine Grundsätze im Ansatz erhebliche Rechtsunsicherheitsrisiken birgt.716 Schließlich ist in einem ersten Schritt zu ermitteln, ob es sich im jeweiligen Fall tatsächlich um eine interne Lücke handelt. Wird diese Frage positiv beantwortet, stellt sich im zweiten Schritt die Frage, wie der dann geltende Grundsatz genau lautet bzw. welche „Regelung“ im Einzelnen zu gelten hat.717 Der Umgang mit den internen Lücken wird weiterhin dadurch verkompliziert, dass es durchaus Rechtsfragen gibt, die auf den ersten Blick eine interne Lücke betreffen mögen, tatsächlich aber schon anhand einer Auslegung der Parteiinteressen (Art. 8 CISG) und/oder der Berücksichtigung von Gepflogenheiten und Gebräuchen (Art. 8 Abs. 3, 9 CISG) zu lösen sind.718 Dies gilt z. B. mit Blick auf die Frage der wirksamen Einbeziehung von AGB.719 715

Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 7 Rn. 2. Ähnlich Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Perales Viscasillas, Art. 7 Rn. 63. 717 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 7 Rn. 28 („Although the principle is clear, it is difficult to apply. Whether or not a particular matter is governed by the Convention will often be in doubt; so it will be all the more problematical to determine which are the questions governed but not expressly settled by the CISG, for which ,general principles‘ can be derived from the Convention.“); ferner MüKo-HGB/Ferrari, Art. 7 Rn. 43; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 133 f. 718 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 7 Rn. 31. 719 Dazu unten ausführlich § 10. 716

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Auf eine umfangreichere Einzeldarstellung, welche internen Lücken mittlerweile durch Rechtsprechung und Literatur identifiziert wurden, welche allgemeinen Grundsätze gelten und ob sich dahingehend eine einheitliche Berücksichtigung bzw. Anwendung dieser Grundsätze eingestellt hat, muss im Rahmen dieser Arbeit verzichtet werden. Einige Beispiele wurden bereits dargestellt, etwa die Frage, ob das CISG ein (allgemeines) Zurückbehaltungsrecht720 enthält oder, ob die konventionsinterne Aufrechnung721 und die Beweislast722 vom Regelungsbereich der Konvention umfasst sind. Festzuhalten ist aber, dass der Mangel an Anhaltspunkten, also auch an Orientierungssicherheit, der allein mit Blick auf den Wortlaut von Art. 7 Abs. 2 CISG besteht, in einem ganz erheblichen Maße von der dazu ergangenen Rechtsprechung und v. a. der Aufarbeitung in der Literatur aufgewogen wird. Insofern sei auf die Fülle an hervorragenden Darstellungen in der Literatur723 verwiesen, die den Stand der umfangreichen internationalen Rechtsprechung aufbereiten.724 Auffallend ist dabei jedenfalls, dass die Ausführungen und Ansichten weitestgehend übereinstimmen und den Normadressaten und -anwendern daher unter Zuhilfenahme dieser wichtigen „Arbeitsmittel zum CISG“ durchaus eine vorhersehbare Einzelfallbeurteilung ermöglicht wird.725

F. Schlussbetrachtung zum Regelungsbereich Wählen die Parteien eines internationalen Warenkaufvertrages das CISG nicht ab, so bleibt ihnen – wie bei jedem anderen Einheitsrecht auch – die Beantwortung der 720

S. o. § 8 D.IV.3. S. o. § 8 D.II.3. 722 S. o. § 8 D.IV.4. 723 Monographisch: Frigge, Externe Lücken und internationales Privatrecht im UNKaufrecht (Art. 7 Abs. 2), v. a. S. 71 ff.; Himmen, Die Lückenfüllung anhand allgemeiner Grundsätze im UN-Kaufrecht (Art. 7 Abs. 2 CISG); Preetz, Ausgewählte Fragen zur einheitlichen Anwendung des UN-Kaufrechts, insb. S. 60 ff. In der (v. a. Kommentar-)Literatur mit jeweils umfangreichen Nachweisen: Achilles, Art. 7 Rn. 8 ff.; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 7 Rn. 7; Honnold/Flechtner, Rn. 96 ff.; Honsell/Melis, Art. 7 Rn. 13; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Perales Viscasillas, Art. 7 Rn. 64 ff.; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 7 Rn. 49 ff.; MüKo/H. P. Westermann (5. Aufl. 2008), Art. 7 Rn. 8 f., 13; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-144; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 142 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Ferrari, Art. 7 Rn. 48 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 7 Rn. 32 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 7 Rn. 41 ff. 724 In diese Richtung auch der Hinweis von Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 7 Rn. 31 („Commentators recite long lists of general principles and their sources, and these lists can be embellished by many decisions of State courts and arbitration tribunals referring to general principles either in general or in the context of specific issues.“) und Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Perales Viscasillas, Art. 7 Rn. 59 („Case law and scholars are progressively drawing the line between issues covered and not covered by the CISG.“), jedoch auch mit dem Hinweis, dass bestimmte Fragen jedenfalls noch nicht abschließend geklärt sind. 725 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 7 Rn. 41. 721

§ 8 Regelungsbereich des Übereinkommens

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Frage nicht erspart, ob eine bestimmte Rechtsfrage überhaupt in den Regelungsbereich der Konvention fällt. Dies stellt zwar keine Eigenart des UN-Kaufrechts dar, schafft im Ausgangspunkt aber dennoch Raum für Unwägbarkeiten, die mit der direkten Abwahl zugunsten autonomen Rechts tatsächlich umgangen werden können. Allerdings vernachlässigt eine solche Argumentation die Kehrseite der Konventionsabwahl: Sofern keine eindeutige, wirksame Rechtswahl erfolgt, ist in aller Regel eine kollisionsrechtliche Anknüpfung und die darauf aufbauende Anwendung des entsprechenden autonomen Rechts erforderlich, was die Rechtsunsicherheitsproblematik mithin nicht löst, sondern vielmehr verlagert, zumal der einheitliche Lebenssachverhalt kollisionsrechtlich durchaus verschiedenen Statuten unterfallen kann.726 Die Gefahr uneinheitlicher und unvorhersehbarer Ergebnisse bleibt latent. Dies gilt auch für den Fall, dass in einer Rechtswahlklausel direkt das anwendbare materielle Recht bestimmt werden sollte.727 Davon abgesehen, dass die dafür erforderliche einseitige Verteilung der Verhandlungsmacht gerade im Rechtsverkehr zwischen kleineren und mittelständischen Kaufvertragsparteien – hier liegt sicherlich der Hauptanwendungsbereich der Konvention – eher selten vorliegen dürfte, wird es sich jedenfalls für die andere Partei um fremdes und in aller Regel unbekanntes Recht handeln. Schließlich stellt sich dann auch mit Blick auf die Geltung des gewählten autonomen Sachrechts die Frage nach dem Grad an Rechtssicherheit. Diese Überlegungen sollen hier freilich nicht weiter vertieft werden. Der kurze Vergleich zu Abgrenzungsfragen im autonomen deutschen Recht hat jedenfalls beispielhaft gezeigt, dass dort beträchtliche, mitunter größere, Rechtunsicherheitsrisiken drohen können. Entscheidend ist, dass die Bestimmbarkeit und der Umfang des Regelungsbereiches des CISG keinen Zustand von untragbarer Rechtssicherheit aufdrängen, der die Abwahl des UN-Kaufrechts unter Inkaufnahme der angesprochenen Risiken nahelegt. Unterlässt man dementsprechend einen voreiligen Ausschluss der Anwendbarkeit des CISG, so stellen die Regelungen in den Art. 4 und 5 CISG den Ausgangspunkt bei der Beurteilung des Regelungsbereichs dar.728 Sie schaffen Gewissheit darüber, was den absoluten Regelungskern der Konvention darstellt. Was insofern den zweifelsfrei umfassten Bereich angeht, verbleibt keine nennenswerte Rechtsunsicherheit. Jedoch offenbart v. a. der Wortlaut von Art. 4 CISG („nicht ausdrücklich etwas anderes“, „insbesondere“), dass die Aussagekraft zu den weiteren, tatsächlich enthaltenen bzw. ausgeschlossenen Regelungsmaterien begrenzt ist.729 Jedoch dürfen an solche ein726

Vgl. anschaulich Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 1-29 ff. Vgl. zu der nicht unproblematischen Frage einer (un-)wirksamen Rechtswahl und der Folgeprobleme im internationalen Kontext, Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 1-31 ff.; ders., NJW 2012, 3061, 3063 ff. 728 Vgl. Flechtner, 18 J. L. & Com. (1999), 259, 286 („This means that courts will often face difficult boundary questions as to exactly where the sovereignty of the CISG ends and domestic law takes over.“) und Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 1 („Art. 4 is a provision that aims to help judges and arbitrators in answering these questions.“). 729 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 4 („It is more difficult to classify matters not expressly listed.“). 727

200

Teil 3: Einzelbetrachtung

führenden Regelungen auch keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Ziel kann es sinnvollerweise nur sein, erste Anhaltspunkte zu liefern. Insofern wird man Art. 4 und 5 CISG durchaus als sachgerecht mit Blick auf den Zuwachs an Rechtssicherheit bezeichnen dürfen, da sie ihre richtungsweisende Funktion erfüllen. Darüber hinaus folgt aus der in Gesamtschau angestellten Untersuchung zur Bestimmbarkeit des Regelungsbereiches, dass zu dem weit überwiegenden Teil an (Grenz-)Fällen eine überwiegende oder gar herrschende Ansicht in der Rechtsprechung, jedenfalls aber in der Literatur besteht.730 Die im Wortlaut zwangsläufig angelegten Restunsicherheiten sind für die Praxis mittlerweile in ganz erheblichem Maße geklärt. Die Untersuchung hat auch gezeigt, dass einige Grenzfälle, v. a. in Bereichen, die Schnittmengen mit nicht rein kaufrechtlichen Problemstellungen ausweisen, noch keiner überwiegend oder als herrschend zu bezeichnenden Lösung zugeführt werden konnten. Hier sei exemplarisch auf die fortwährenden Streitpunkte hinsichtlich der Kollision mit (v. a. deliktsrechtlichen oder deliktsrechtsähnlichen) Ansprüchen aus autonomem Recht oder die Aufrechnung von konventionsinternen Ansprüchen hingewiesen. Im Einzelnen sind freilich die oben angestellten Relativierungen zu berücksichtigen. Im Übrigen mag der Konventionsanwender überrascht sein, dass entgegen der in Art. 4 CISG angestellten „Weichenstellung“ zahlreiche Materien doch dem Regelungsbereich unterfallen, wie etwa die Folgen der gängigsten Willensmängel oder die Formfreiheit als Gültigkeitsfragen. Jedoch lässt sich diesbezüglich wiederum auf einen weitreichenden Konsens in der Rechtsprechung und die umfangreiche Aufarbeitung in der Literatur zurückgreifen. Dies gilt gleichermaßen auch hinsichtlich der Beurteilung und „Schließung“ der sog. internen Lücken. Insofern mag die Bestimmung des Regelungsbereichs einen gewissen Aufwand erfordern, jedoch ist sie mit Blick auf das Ergebnis durchaus mit hinreichender Rechtssicherheit zu bewerkstelligen. Was den auf dieser Grundlage ermittelten Umfang des Regelungsbereiches angeht, kann festgestellt werden, dass gerade die Materien vom Regelungsbereich umfasst sind, die immer wieder Anlass für Streitigkeiten zwischen den Parteien von Warenhandesgeschäften geben. Die einheitliche Regelung dieser Problempunkte führt zu einem deutlich hervorzuhebenden Zuwachs an Rechtssicherheit. Schließlich können international agierende Warenhändler auf Grundlage des enorm weiten räumlichen Anwendungsbereichs nahezu alle rechtlichen Kernfragen auf einer Rechtsgrundlage beurteilen.731

730

Vgl. in diese Richtung zu Art. 4 CISG Kröll, 25 J.L. & Com. (2005) 39, 57 („[…] the compilation of cases in combination with the commentary provided by some of the Digest’s drafters are a very useful tool for practitioners and academics alike.“). 731 Vgl. Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 1-28.

§ 8 Regelungsbereich des Übereinkommens

201

Der immer wieder geäußerte kritische Hinweis, das UN-Kaufrecht regele das Vertragsverhältnis nicht umfassend – eine Tatsache, die in der Natur der Sache liegt – drängt, wie erwähnt, keinesfalls die Abwahl des CISG auf. Dies gilt gerade hinsichtlich zweier wichtiger Erwägungen. Erstens, wie ebenfalls mehrfach hervorgehoben wurde, gehen mit der Abwahl wiederum mannigfaltige Rechtsunsicherheitsrisiken mit Blick auf die kollisionsrechtliche Anknüpfung und ihre Folgeprobleme einher. Den Parteien kann nur eindringlich geraten werden, diese gerade im internationalen Kontext nicht zu unterschätzen. Des Weiteren sollten sich die Parteien bewusst machen, dass mit der Anwendung des CISG gerade dort die gesonderte Anknüpfung erspart bleibt, wo sich erfahrungsgemäß die meisten Streitigkeiten ergeben.732 Zusammen mit dem sehr großen räumlich-persönlichen Anwendungsbereich führt dies zu Synergieeffekten bei der Vertragsgestaltung und -durchführung, die äußerst positiv auf den Grad an Rechtssicherheit wirken. Natürlich sind auch Rechtsfragen vom Regelungsbereich ausgenommen, z. B. betreffend die Beteiligung Dritter, sei es durch Abtretung, Schuldübernahmen oder etwa die Erteilung von Vollmachten, aber auch die Aufrechnung u. s. w., die ebenfalls immer wiederkehrende Problempunkte darstellen. Hier offenbaren sich aber die Grenzen dessen, was auf dem Gebiet der internationalen – nicht nur europäischen – Kaufrechtsvereinheitlichung momentan realistischerweise erreicht werden kann.733 An dieser Stelle sei zudem erwähnt, dass Stellvertretung, Abtretung, Schuldübernahme, -beitritt und -anerkenntnis sowie die Vertragsübernahme Drei- (oder Vier-) Personenverhältnisse betreffen, deren internationale Vereinheitlichung sich allgemein als besonders schwierig gestaltet.734 Auch der Vorschlag der Europäischen Kommission zum GEK nahm diese Gegenstände von seinem Regelungsbereich aus.735 Man wird darüber hinaus auch in Zweifel ziehen dürfen, ob eine Ausdehnung des Regelungsbereiches im weltweiten Kontext insgesamt tatsächlich mit einem Zuwachs an Rechtssicherheit einhergehen würde. Die Erweiterung würde sich dann v. a. auf das allgemeine Schuldrecht erstrecken. Damit wäre das ursprüngliche Motiv, gerade die kennzeichnenden Elemente internationalen Warenkaufrechts auf eine 732 Insofern ist der Ausschluss, etwa von Gültigkeitsfragen oder Fragen der Gültigkeit von Gebräuchen, keineswegs gravierend. Da es sich bei den Vertragsparteien in aller Regel um unternehmerisch handelnde Warenkäufer oder Verkäufer handelt, werden diese mit den entscheidenden Gültigkeitsfragen und erst recht mit den einschlägigen Gebräuchen vertraut sein. Vor diesem Hintergrund wird auch hervorgehoben, dass Gültigkeitsfragen gerade nicht zu den häufigen streitgegenständlichen Punkten im unternehmerischen Warenhandel zu zählen sind, vgl. dazu Bergsten, in: Janssen/Meyer, CISG Methodology, S. 5, 26. Sofern es sich um Gültigkeitsfragen handelt, denen tätsächlich eine gewisse Praxisrelevanz zukommt, so regelt das CISG davon einige entscheidende Bereiche (insb. Form und die wichtigsten Willensmängel). 733 Zu dem erfolglosen schweizerischen Vorschlag einer Wiederaufnahme der Arbeiten am CISG sogleich. Vgl. auch zu der Zurückhaltung bei der Unterzeichnung der UN-Abtretungskonvenion o. § 8 D.II.3. 734 Vgl. zur grenzüberschreitenden Abtretung von Forderungen in diesem Zusammenhang etwa Selke, Ein optionales europäisches Zessionsrecht?, Nomos Baden-Baden 2014. 735 Vgl. dazu etwa Droese, IHR 2013, 50, 52 f.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

rechtssicher zu beurteilende Rechtsgrundlage zu stellen, womöglich überdehnt. Mögliche Folgeprobleme einer keineswegs einfach zu gestaltenden internationalen Kompromisslösung drohten erst recht für Unstimmigkeiten und mithin eine schwerer vorhersehbare Ergebnisfindung zu sorgen. Hinzu kommt, dass die Konzentration auf die kaufrechtlichen Elemente des Warenhandels die Übersichtlichkeit der Konvention wahrt. Schlussendlich wird die auch nachvollziehbare Vermutung geäußert, dass die weltweite Verbreitung des CISG überhaupt erst möglich war, weil der Regelungsbereich v. a. auf die Kernbereiche des Warenhandelsgeschäfts ausgerichtet wurde. Potenziellen Vertragsstaaten wurde und wird es damit deutlich leichter gemacht, supranationalem Recht durch den Beitritt zur Konvention vorrangige Geltung zukommen zu lassen.736 In dieser Beziehung ließe sich auch behaupten, dass der aktuelle Grad an Rechtssicherheit überhaupt nur erreicht wurde, weil der Regelungsbereich entsprechend begrenzt ist. Auf Grundlage ganz ähnlicher Überlegungen wurde in der 45. Sitzung von UNCITRAL im Juli 2012 der eingangs erwähnte schweizerische Vorschlag verworfen, wonach u. a. die Ausweitung des Regelungsbereiches auf die Agenda gesetzt werden sollte.737 Neben der allgemeinen Einschätzung des Vorschlags als „[…] unclear and overly ambitious“738, wird in dem Sitzungsbericht ausdrücklich auf die überwiegende Ansicht im Gremium hingewiesen, dass die Ausweitung des Regelungsinhalts weder für realistisch noch für sachgerecht gehalten werde.739 M. E. sollte 736 O’Callaghan/Hutt, IHR 2011, 137, 138 („[the limited scope] may equally be seen as a strength, since it ensures that the Convention has been accepted much more easily (and therefore widely) than would otherwise be the case.“). 737 Vorgeschlagen wird in dem Vorschlag die Ausweitung auf bzw. in folgende(n) Bereiche(n): „In particular: general provisions, among others: freedom of contract, freedom of form; formation of contract, among others: offer, acceptance, modification, discharge by assent, standard terms, battle of forms, electronic contracting; agency, among others: authority, disclosed/undisclosed agency, liability of the agent; validity, among others: mistake, fraud, duress, gross disparity, unfair terms, illegality; construction of contract, among others: interpretation, supplementation, practices and usages; conditions; third party rights; performance of contract, among others: time, place, currency, costs; remedies for breach of contract, among others: right to withhold performance, specific performance, avoidance, damages, exemptions; consequences of unwinding; set-off; assignment and delegation, among others: assignment of rights, delegation of performance of duty, transfer of contracts; limitation; joint and several obligors and obligees.“, vgl. Proposal by Switzerland on possible future work by UNCITRAL in the area of international contract law, vom 8. 5. 2012, Doc. A/CN.9/758, abrufbar unter: www.un.org/ga/ search/view_doc.asp?symbol=A/CN.9/758, S. 7 (dort Fn. 4). 738 Report of the United Nations Commission on International Trade Law, Forty-fifth session 2012, vom 7. 9. 2012, Doc. A/67/17, http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?sym bol=A/67/17&Lang=E, Tz. 130. 739 S. Report of the United Nations Commission on International Trade Law, Forty-fifth session 2012, vom 7. 9. 2012, Doc. A/67/17, http://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?sym bol=A/67/17&Lang=E, Tz. 127 ff., 132 („A number of delegates expressed clear opposition and strong reservations with regard to further work in the field of general contract law. In addition, several delegates, noting the significant opposition to the proposal by Switzerland,

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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man dem Vorschlag nicht absprechen, dass durch die Ausweitung und Konkretisierung des Regelungsbereiches – isoliert betrachtet – einige der offenkundig gewordenen Abgrenzungsfragen in der Konvention sicherlich geklärt werden könnten. Auch bei der Regelungstiefe ließe sich ansetzen. So ließe sich z. B. die (jedenfalls konventionsinterne) Aufrechnung oder etwa ein Zurückbehaltungsrecht ausdrücklich und abschließend regeln oder auch eine ausdrückliche Regelung zur Einbeziehung der AGB einführen.740 Dennoch, die Ausweitung der Rechtsvereinheitlichung weit in das allgemeine Schuldrecht hinein, gar unter Einbeziehung von Fragen der Beteiligung Dritter, erscheint mittelfristig als ein kaum umsetzbares Unterfangen – sowohl in praktischer Hinsicht, v. a. was den Aufwand zur Schaffung einer kompromissfähigen Lösung angeht, als auch mit Blick auf die zahlreichen, in ihrer Fülle gar nicht absehbaren rechtlichen Be- und Abgrenzungsfragen im Verhältnis zu den einzelnen autonomen Rechtsordnungen.

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG) A. Zu der Untersuchung materiell-rechtlicher Einzelprobleme In seiner 1975 erschienenen Habilitationsschrift „Internationales Einheitsrecht“ schreibt Jan Kropholler: „In der Regel dient die Rechtsgleichheit vor allem der Rechtssicherheit im internationalen Rechtsverkehr. Strenges Einheitsrecht soll die Vorhersehbarkeit der aus einem internationalen Rechtsverhältnis folgenden Rechte und Pflichten erhöhen und eine internationale Entscheidungsharmonie ermöglichen. Allerdings werden diese Zwecke verfehlt, wenn keine eindeutige Regelung gelingt. Auch muß nach Inkraftsetzung neuen Einheitsrechts für die Herausbildung einer verläßlichen Rechtsprechungspraxis eine gewisse Anlaufzeit überwunden werden, die aufgrund der mehrstaatlichen Geltung des Einheitsrechts im allgemeinen länger ausfällt als im autonom gesetzten Recht.“741

Nachdem die Rechtslage mit Blick auf Umfang und Bestimmbarkeit des Anwendungs- und Regelungsbereich untersucht wurde, geht es im Folgenden um die exemplarische Untersuchung materiell-rechtlicher Einzelprobleme. Wurden die Zwecke der Rechtsvereinheitlichung verfehlt, weil etwa keine eindeutige Regelung gelungen ist? Wurde die zitierte „gewisse Anlaufzeit“ über 35 Jahre nach Inkrafttreten des CISG überwunden, die für die Herausbildung einer verlässlichen Rechtsprechungspraxis erforderlich ist? Dazu wird das zentrale Tatbestandsmerkmal und zugleich einer der oft kritisierten unbestimmten Rechtsbegriffe – die wesentliche Vertragsverletzung (fundamental objected to the characterization of the debate on that topic as reflecting a prevailing majority view in favour of additional work.“). 740 Dazu ausführlich unten § 10 und § 11. 741 Kropholler, Internationales Einheitsrecht, S. 9 f.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

breach) im Sinne von Art. 25 CISG – näher beleuchtet. Ein weiteres Beispiel ist die Bestimmung einer „so kurzen [Untersuchungs-]Frist, […] wie es die Umstände erlauben“ im Sinne von Art. 38 Abs. 1 CISG sowie der „angemessenen“ Rügefrist im Sinne von Art. 39 CISG. Ferner soll aus dem Kreis der Rechtsfragen, die zwar in den Regelungsbereich fallen, aber nicht ausdrücklich geregelt werden, die Beurteilung der AGB-Einbeziehung sowie die Konstellation sich kreuzender AGB näher auf Rechtsunsicherheitsrisiken untersucht werden.

B. Vorbemerkung zu Art. 25 CISG Zu Beginn von Teil III (Warenkauf), der Regelungen zu den Rechten und Pflichten der Parteien sowie den Folgen von Leistungsstörungen enthält, wird in Art. 25 CISG normiert, wann eine Vertragsverletzung als wesentlich im Sinne des CISG anzusehen ist. Vor dem Hintergrund, dass mitunter einschneidende Rechtsfolgen an die Frage nach der Wesentlichkeit einer Vertragsverletzung gekoppelt sind, spielt Art. 25 CISG eine zentrale Rolle im Rechtsbehelfssystem der Konvention:742 „[D]ie wesentliche Vertragsverletzung ist vor allem prinzipielle Voraussetzung für die Vertragsaufhebung.“743 So kann der Käufer gemäß Art. 49 Abs. 1 lit. a CISG die Aufhebung des Vertrages wegen Nichterfüllung nur im Falle einer wesentlichen Vertragsverletzung sofort erklären (d. h. ohne Setzung einer Nachfrist). Entsprechendes gilt im umgekehrten Fall für den Verkäufer, wenn dieser die Vertragsaufhebung wegen Nichterfüllung der Käuferpflichten erklären möchte, was gemäß Art. 64 Abs. 1 lit. a CISG ebenfalls nur bei Wesentlichkeit der Vertragsverletzung möglich ist. Zudem wird in Art. 51 Abs. 2 CISG mit Blick auf eine Vertragsaufhebung wegen unvollständiger oder teilweise mangelhafter Lieferung daran angeknüpft, ob es sich insofern um eine wesentliche Vertragsverletzung handelt. Ist bereits vor dem ersten Erfüllungsversuch offensichtlich, dass eine Partei eine wesentliche Vertragsverletzung begehen wird, so begründet Art. 72 Abs. 2 CISG schon zu diesem Zeitpunkt ein Aufhebungsrecht der Gegenseite. Schließlich ist die wesentliche Vertragsverletzung auch Tatbestandsmerkmal von Art. 72 CISG, der im Falle eines Sukzessivliefervertrages gegebenenfalls ein teilweises (Abs. 1) oder vollständiges (Abs. 2) Aufhebungsrecht gewährt. Darüber hinaus hängt von der Wesentlichkeit der Vertragsverletzung ab, ob der Käufer Anspruch auf Ersatzlieferung hat (Art. 46 Abs. 2 CISG) und wer die Preisgefahr bei Beförderung der Ware trägt (Art. 70 CISG). 742

Vgl. Ferrari/Ferrari, Int. VertragR, Art. 25 Rn. 1; Graffi, R.D.A.I/I.B.L.J. (2003) 338, 338; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 1; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 1; Leisinger, Fundamental Breach, S. 2; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 2 ff.; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 6; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 2. 743 Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 1; ähnlich formuliert auch von MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 1.

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

205

In Anbetracht der zahlreichen auf Art. 25 CISG Bezug nehmenden Normen und der potentiell weitreichenden Folgen einer wesentlichen Vertragsverletzung, dürfte es auf der Hand liegen, dass eine rechtssichere Handhabe dieser Begrifflichkeit von besonders großem Interesse ist, sowohl für die Normadressaten als auch für deren Anwender. An dieser Stelle gilt es genauer zu betrachten bzw. zu bewerten, wie (rechtssicher) sich eine wesentliche Vertragsverletzung mittlerweile bestimmen lässt.

C. Bestimmbarkeit anhand des Wortlautes Der bei den Verhandlungen zum Konventionstext unterbreitete Vorschlag, die Voraussetzungen für eine wesentliche Vertragsverletzung im Wortlaut nicht weiter zu konkretisieren, hat sich nicht durchgesetzt. Vielmehr wurde mit der Definition in Art. 25 CISG ein „[…] Beurteilungsmaßstab für die Abgrenzung zwischen wesentlicher und einfacher Vertragsverletzung“744 formuliert und somit ein gewisses Mindestmaß an Orientierungssicherheit bereits im Wortlaut verankert. So ist eine Vertragsverletzung gemäß Art. 25 CISG wesentlich, „[…] wenn sie für die andere Partei [einen] solchen Nachteil zur Folge hat, daß ihr im wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen, es sei denn, daß die vertragsbrüchige Partei diese Folge nicht vorausgesehen hat und eine vernünftige Person der gleichen Art die Folge unter den gleichen Umständen auch nicht vorausgesehen hätte.“ So wünschenswert die zentrale Begriffsbestimmung einer solch bedeutenden Voraussetzung für den Grad an Rechtssicherheit auch ist, die „[…] sehr vage […]“745 formulierte Eingrenzung lässt wiederum einiges an Interpretationsspielraum und bietet daher keine abschließende Klärung sondern lediglich einige Leitlinien.746 Der Versuch, allein aus dieser isolierten Beobachtung ein Fazit zum Grad an Rechtssicherheit zu ziehen, greift eindeutig zu kurz. Den Grad an Rechtssicherheit im Umgang mit Art. 25 CISG beeinflussen einige weitere Faktoren, und zwar beträchtlich. Erst deren genauere Betrachtung und die Berücksichtigung in einer Gesamtschau lassen aussagekräftige Rückschlüsse zu, ob die Beantwortung der Frage nach einer wesentlichen Vertragsverletzung tatsächlich ein nicht hinnehmbares Rechtsunsicherheitsrisiko birgt.

744

Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 7. Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 4 („Diese Definition ist zwar sehr vage, stellt sie doch gleich auf mehrere unbestimmte Begriffe ab.“). 746 Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 4; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 9 („[…] less than precise.“); MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 7 („Die hiermit verbundenene Flexibilität und Einzelfallgerechtigkeit wird mit einem gewissen Maß an Rechtsunsicherheit und – aus Sicht der Parteien – mit einem erhöhten Prozessrisiko erkauft.“); MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 1; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-11; Staudinger/ Magnus, Art. 25 Rn. 3 („Diese Formel ist ebenso flexibel wie vage.“). 745

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Teil 3: Einzelbetrachtung

D. Sinn und Zweck Sinn und Zweck der Anknüpfung an eine wesentliche Vertragsverletzung folgen aus der einhelligen Annahme zum Rechtsbehelfssystem des CISG, dass besonders einschneidende Rechtfolgen, insbesondere die Vertragsaufhebung, nur als ultima ratio zuzulassen sind.747 Anders formuliert, soll „[…] der Vertrag trotz der Vertragsverletzung soweit wie möglich durchgeführt […]“748 werden.749 Dies gründet auf der praktischen Erwägung, dass es im internationalen Warenhandel in der Regel mit besonderem transporttechnischem, organisatorischem und somit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden ist, bereits erfolgte Lieferungen wieder rückgängig zu machen.750 Auch das Risiko der Beschädigung der Ware ist angesichts der oftmals

747 BGH, 24. 9. 2014 – VIII ZR 394/12, CISG-online Case No. 2545, Rz. 24; BundesG (Schweiz), 23. 9. 2013, CISG-online Case No. 2560, Erw. 3.1.1; OGH (Österreich), 22. 11. 2011, CISG-online Case No. 2239, Erw. 2.2 („Zweck der Vorschrift ist es, die Aufhebung des Vertrages nur als ultima ratio innerhalb der dem Käufer zustehenden Rechtsbehelfe vorzusehen.“); BundesG (Schweiz), 18. 5. 2009, CISG-online Case No. 1900, Erw. 7.1 = IHR 2010, 27, 28 („Es ist im Auge zu behalten, dass das UN-Kaufrecht vom Vorrang der Vertragserhaltung ausgeht: Der Vertrag soll im Zweifel auch bei Störungen Bestand haben, die Vertragsaufhebung hingegen die Ausnahme sein.“); Tribunale di Forlì (Italien), 9. 12. 2008, http://cisgw3.law.pace. edu/cases/081211i3.html (dort fälschliche Datumsangabe 11. 12. 2008), Erw. 3.4 unter Bezugnahme auf entprechende Urteile in der deutschen und österreichischen Rspr.: OLG Köln, 14. 10. 2002 – 16 U 77/01, CISG-online Case No. 709 = IHR 2003, 15, 16 („Die Rückabwicklung soll dem Käufer nur als letzte Möglichkeit zur Verfügung stehen, um auf eine Vertragsverletzung der anderen Partei zu reagieren […]“); LG München I, 27. 2. 2002 – 5 HK O 3936/00, CISG-online Case No. 654 und OGH (Österreich), 7. 9. 2000, CISGonline Case No. 642. Ferner OLG Brandenburg, 18. 11. 2008 – 6 U 53/07, CISG-online Case No 1734, Erw. B.II.1.a)dd) = IHR 2009, 105, 111; OLG Hamburg, 25. 1. 2008 – 12 U 39/00, CISG-online Case No. 1681, Erw. II.1.d)bb); Cámera Nacional de Apelaciones en lo commercial de Buenos Aires (Argentinien), 31. 5. 2007, CISG online Case No. 1517, Erw. IV.1.; Tribunal Cantonal du Valais (Schweiz), 27. 4. 2007, CISG-online Case No. 1721, Erw. II.4.c); BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.c)dd) = NJW 1996, 2364, 2366; Achilles, Art. 25 Rn. 3, 5; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 9; Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 48 f.; Honnold/Flechtner, Rn. 181.2; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 10; Lurger, IHR 2001, 91, 94; Magnus, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 423, 424; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 5; MüKo/Huber, Art. 49 Rn. 3; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 2 f.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-229; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 51; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 57. 748 MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 2. 749 Vgl. auch bereits die Angaben in Teil 3 Fn. 747. 750 OLG Hamburg, 25. 1. 2008 – 12 U 39/00, CISG-online Case No. 1681, Erw. II.1.d)bb); LG München I, 27. 2. 2002 – 5HK O 3936/00, CISG-online Case No. 654; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 2; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 1; U. Huber, ZEuP 2008, 708, 727; Leisinger, Fundamental Breach, S. 25 f.; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 5; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 2; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 9; Singh/Leisinger, 20 Pace Int’l L. Rev. (2008), 161, 168 f.; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 57; Zeller, 11 V.J. (2007) 217, 229 („The CISG is conscious of the ,tyranny of distance‘ and the associated costs.“); s. auch CISG-AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 3.1., IHR 2006, 35, 38.

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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weiten Lieferwege verhältnismäßig hoch.751 Entsprechendes gilt auch für die Ersatzlieferung.752 Solange eine besondere Schwere der Vertragsverletzung die Hinnahme solcher Kosten nicht rechtfertigt, muss es bei dem Ausgleich der Gläubigerinteressen durch Schadenersatz und gegebenenfalls Minderung oder Nachbesserung bleiben und vermieden werden, „[…] dass weitere unproduktive Kosten entstehen“753.754 Des Weiteren sollen die Fälle begrenzt werden, in denen der Gläubiger die Vertragsverletzung des Schuldners bewusst ausnutzt, um seine wirtschaftliche Disposition rückgängig zu machen oder gar das Risiko von Marktschwankungen auf den vertragsbrüchigen Schuldner abzuwälzen, während er selbst auf Grundlage der neuen Marktverhältnisse für ihn günstigere Vertragskonditionen (z. B. einen niedrigeren/höheren Preis) durchsetzen kann.755 Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Norm lässt sich somit die erste Maßgabe ableiten, dass der Begriff „Wesentlichkeit“ äußerst restriktiv zu verstehen und bestimmen ist.756

E. Kriterien im Wortlaut Wie Ferrari zu Recht hervorhebt, „[…] lässt sich der Begriff der ,wesentlichen Vertragsverletzung‘ […] anhand der diesen Begriff kennzeichnenden Elemente […] genauer – in einer auch gerade für die Praxis durchaus nützlichen Art – bestimmen.“757 Namentlich handelt es sich um die Elemente: Vertragsverletzung, Nachteil, Wesentlichkeit, berechtigte Erwartungen und Vorhersehbarkeit.

751 752 753

Rn. 2. 754

Vgl. Leisinger, Fundamental Breach, S. 25. MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 3; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 2. MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 2; vgl. auch Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25

Dazu auch schon die Angaben in Teil 3 Fn. 750. So ausdrücklich MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 3 und Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 2; Honnold/Flechtner, Rn. 181.2. 756 Vgl. bereits die Angaben zur Aufhebung als ultima ratio in Teil 3 Fn. 747 und insb.: BundesG (Schweiz), 18. 5. 2009, CISG-online Case No. 1900, Erw. 7.1 = IHR 2010, 27, 28; Cámera Nacional de Apelaciones en lo commercial de Buenos Aires (Argentinien), 31. 5. 2007, CISG online Case No. 1517, Erw. IV.1.; Arbitral Institute of the Stockholm Chamber of Commerce (Schweden), 5. 4. 2007, CISG-online Case No. 1521, Erw. 145; Tribunal Cantonale du Jura (Schweiz), 26. 7. 2007, CISG-online Case No. 1723, Erw. 2.1; Tribunal Cantonal du Valais (Schweiz), 27. 4. 2007, CISG-online Case No. 1721, Erw. II.4.c); BundesG (Schweiz), 15. 9. 2000, CISG-online Case No. 770, Erw. C.2.c)aa); Benicke, IPRax 1997, 326, 329; Ferrari/ Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 4; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 10; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 3. 757 Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 4; ders., 25 J. L. & Com. (2006) 489, 493. 755

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I. Vertragsverletzung Absolute „Grundvoraussetzung“758 ist die Verletzung einer Pflicht, die sich aus den vertraglichen Vereinbarungen, aus relevanten Gepflogenheiten oder Handelsbräuchen (Art. 9 CISG) oder aus den Regelungen des CISG selbst ergeben kann.759 Unerheblich ist, ob die Verletzung schuldhaft erfolgt.760 „[D]ie im deutschen Recht geläufige Unterscheidung zwischen Haupt- und Nebenpflichten kennt das CISG nicht […]“761. Vielmehr liegt dem Rechtsbehelfssystem des UN-Kaufrechts – anders als im deutschen762 oder auch dem schweizerischen763 autonomen Kaufrecht – ein einheitlicher Begriff der Vertragsverletzung zugrunde.764 Daher kann eine wesentliche Vertragsverletzung auch bei Verstoß gegen eine „Nebenpflicht“ vorliegen, sofern diese aus dem CISG oder einer entsprechenden Abrede im Kaufvertrag folgt, der seinerseits in den Anwendungsbereich der Konvention fällt.765 Dies geht auch aus 758

So Achilles, Art. 25 Rn. 2; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 5. Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 5; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 25 Rn. 52 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 13 ff., insb. 15; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 7, 29; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 66. Mit teilweise engerem Verständnis, nach dem die Verletzung einer im gleichen Vertrag vereinbarten Nebenpflicht nur dann eine solche i. S. v. Art. 25 CISG sein könne, wenn sie selbst eine „kaufrechtliche“ im Anwendungsbereich des CISG sei, oder die Parteien die „kauffremde“ Nebenpflicht kumulativ (ausdrücklich oder konkludent) der Geltung des CISG unterworfen haben: Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 11; MüKo/ Gruber, Art. 25 Rn. 10 f.; früher Schlechtriem/Schwenzer/Schlechtriem (4. Aufl. 2004), Art. 25 Rn. 7. 760 Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 5; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 11; MüKo/ Gruber, Art. 25 Rn. 9, 13; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 19; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Commentary, Art. 49 Rn. 4; Staudinger/Magnus, Art. 49 Rn. 8; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 62. 761 Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 7. 762 Vgl. dazu Verweyen, Die Käuferrechtsbehelfe des UN-Kaufrechts, S. 57 f., der hervorhebt, dass das autonome deutsche Schuldrecht den Begriff der Pflichtverletzung zwar als Ausgangspunkt für mögliche Rechtsbehelfe wählt, dabei aber faktisch eine Ausdifferenzierung verschiedener Arten von Pflichtverletzungen „[…] entlang de[r] einzelnen typischen Erscheinungsformen einer Leistungsstörung […]“ erfolgt. 763 S. dazu Leisinger, Fundamental Breach, S. 5. 764 Zum einheitlichen Begriff der Pflichtverletzung/Leistungsstörung im UN-Kaufrecht etwa: Benicke, IPRax 1997, 326, 327; Ferrari, 25 J. L. & Com (2006) 489, 494; Freiburg, Das Recht zur Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 47; Leisinger, Fundamental Breach, S. 5; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-8; Verweyen, Die Käuferrechtsbehelfe des UN-Kaufrechts, S. 45; vgl. auch oben § 6. 765 Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 6 („[…] soweit diese Pflicht in einem engen Zusammenhang mit dem Güteraustausch steht […].“); Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 11; MüKo/ Gruber, Art. 25 Rn. 9; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 8 (ebenfalls mit der Formulierung: „[…] wenn die Pflicht in einem engen Zusammenhang mit dem Güteraustausch steht.“); Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-8; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 24; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 7, Art. 49 Rn. 8; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 80, zum engeren Verständnis nach einer a. A. s. Teil 3 Fn. 759 und 770. 759

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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der dazu ergangenen Rechtsprechung deutlich hervor.766 So wurde als potentielle wesentliche Vertragsverletzung etwa der Verstoß gegen ein vertragliches Reimportverbot767 und gegen ein in einer Ausschließlichkeitsabrede gewährtes Alleinvertriebsrecht der Käuferin768 bzw. gegen die vertragliche Vereinbarung, dass die herzustellende Ware nur exklusiv an die Käuferin verkauft werde769, angesehen. Eine („Neben-“)Pflichtverletzung ist schließlich auch dann an Art. 25 CISG zu messen, wenn die Parteien diesbezüglich (ausdrücklich oder konkludent) die Geltung des CISG vereinbart haben.770 Um eine Vertragsverletzung handelt es sich logischerweise nicht, wenn der Schuldner zum Verstoß gegen seine ursprünglichen Vertragspflichten berechtigt ist, etwa weil ihm ein Leistungsverweigerungsrecht (vgl. Art. 71 CISG) zusteht771 oder weil eine erforderliche Mitwirkungshandlung des Gläubigers (vgl. Art. 80 CISG) ausbleibt772.773 766

BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.c)aa) = NJW 1996, 2364, 2365 f. („Für die Feststellung des wesentlichen Vertragsinteresses in diesem Sinne kommen grundsätzlich Vertragspflichten jeder Art in Betracht, gleichgültig, ob sie eine Hauptoder Nebenpflicht darstellen oder Qualität, Menge, Lieferzeitpunkt oder sonstige Erfüllungsmodalitäten betreffen.“); BGH, 24. 9. 2014 – VIII ZR 394/12, CISG-online Case No. 2545, Rz. 23; OLG Brandenburg, 18. 11. 2008 – 6 U 53/07, CISG-online Case No. 1734, Erw. B.II.1.a)dd) = IHR 2009, 105, 111 („[…] kommen grundsätzlich Vertragsverpflichtungen jeder Art in Betracht, gleichgültig, ob sie eine Haupt- oder Nebenpflicht darstellen oder lediglich Erfüllungsmodalitäten betreffen.“); Tribunale di Forlì (Italien), 9. 12. 2008, http://cisgw3.law. pace.edu/cases/081211i3.html (dort fälschliche Datumsangabe 11. 12. 2008), Erw. 3.4; Sa˛d Najwyz˙ szy (Oberster Gerichtshof Polen), 11. 5. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/070511 p1.html; OLG Koblenz, 31. 1. 1997 – 2 U 31/96, CISG-online Case No. 256 = IHR 2003, 172, 174; OLG Frankfurt a. M., 17. 9. 1991 – 5 U 164/90, CISG-online Case No. 28 = NJW 1992, 633, 634 („Auch die Verletzung einer Verpflichtung, die nicht eine Hauptpflicht des Vertrages, sondern eine Nebenpflicht betrifft, kann sich ohne weiteres als wesentlich darstellen.“). 767 Cour d’appel Grenoble (Frankreich), 22. 2. 1995, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/ 950222f1.html. 768 OLG Koblenz, 31. 1. 1997 – 2 U 31/96, CISG-online Case No. 256 = IHR 2003, 172, 174 („[…] wenn die Nichterfüllung einer Vertragspflicht eine wesentliche Vertragsverletzung darstellt, was auch bei Verletzung einer Nebenpflicht wie einer Ausschließlichkeitsabrede der Fall sein kann.“). 769 OLG Frankfurt a. M., 17. 9. 1991 – 5 U 164/90, CISG-online Case No. 28 = NJW 1992, 633, 634 f. (Verstoß gegen die Abrede, dass die herzustellenden und zu liefernden Schuhe mit „M-Zeichen“ nur an die Käuferin vertrieben und nicht auf Messen o. ä. ausgestellt werden); HandelsG Aargau (Schweiz), 27. 9. 1997, CISG-online Case No. 329, Erw. II.F.2.a) (Verstoß gegen Vereinbarung der „exklusiven“ Belieferung der Käuferin mit Besteck eines gewissen Modells). 770 Vgl. nur Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 6. Zu der Mindermeinung, nach der ein Verstoß gegen eine im CISG-Kaufvertrag vereinbarte („kaufvertragsfremde“) Nebenpflicht keine wesentliche Vertragsverletzung i. S. v. Art. 25 CISG darstellen könne, sofern die Nebenpflicht nicht (ausdrücklich oder konkludent) der Geltung des CISG unterstellt worden ist, s. bereits die Angaben o. in Teil 3 Fn. 759. 771 BGH, 27. 11. 2007 – X ZR 111/04, CISG-online Case No. 1617, Erw. III.3.d) = IHR 2008, 49, 53 (Schuldner hatte ein Recht auf Erfüllungsverweigerung gem. Art. 71 Abs. 1 lit. b CISG); vgl. ferner Tribunale di Forlì (Italien), 9. 12. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/081211i3.html (dort fälschliche Datumsangabe 11. 12. 2008), Erw. 3.4.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

II. Nachteil Der Begriff „Nachteil“ („detriment“) ist weit zu verstehen und setzt insbesondere keinen konkreten Schaden wie in Art. 74 CISG („loss“) voraus.774 Umfasst werden sowohl bereits eingetretene als auch drohende negative Folgen einer Vertragsverletzung und zwar unabhängig davon, ob sich diese auf das Vermögen auswirken oder anderweitige Beeinträchtigungen775 mit sich bringen.776 Negativ formuliert, meint der Begriff „Nachteil“ den „[…] Wegfall [von] Vertragsvorteile[n]“777. Insofern kommt ihm nur „bescheidene Filterfunktion“778 zu.779 Diese übernimmt vielmehr das Kriterium des wesentlichen Nachteils.

III. Wesentlichkeit Der auf Grund der Vertragsverletzung eingetretene Nachteil muss nach dem Wortlaut von Art. 25 CISG von solcher Tragweite sein, dass der anderen Partei „[…] im wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen […]“. 772 Tribunale di Forlì (Italien), 9. 12. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/081211i3.html (dort fälschliche Datumsangabe 11. 12. 2008), Erw. 3.4. 773 Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 5, 17; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 18; Witz/Salger/Lorenz/Salger, Art. 25 Rn. 5. 774 Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 8; Ferrari, 25 J. L. & Com (2006) 489, 495; Leisinger, Fundamental Breach, S. 38; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 11 (auch mit Verweis auf die Entstehungsgeschichte und Art. 72 Abs. 1 CISG); Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 67 ff., insb. 70; Zeller, 11 V.J. (2007) 217, 226; s. auch Sa˛d Najwyz˙ szy (Oberster Gerichtshof Polen), 11. 5. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/070511p1.html. 775 Vgl. OLG Linz (Österreich), 23. 1. 2006, CISG-online Case No. 1377, Erw. 3.7 („[…] vielmehr werden auch andere Beeinträchtigungen erfasst, etwa eine Behinderung der geschäftlichen Dispositionen oder eine Beeinträchtigung des Rufes der vertragstreuen Partei.“); LG Oldenburg, 6. 7. 1994 – 12 O 3010/93, CISG-online Case No. 274 (drohende Rufschädigung bei Weiterveräußerung mangelhafter Ware an Endabnehmer des Käufers); OLG Frankfurt a. M., 17. 9. 1991 – 5 U 164/90, CISG-online Case No. 28 = NJW 1992, 633, 634 f. (drohender Verstoß gegen Markenrechte der Gläubigerin (Käuferin) für den Fall, dass die Verkäuferin tatsächlich Dritte mit der Ware beliefern sollte). 776 BundesG (Schweiz), 23. 9. 2013, CISG-online Case No. 2560, Erw. 3.1.2; Sa˛d Najwyz˙ szy (Oberster Gerichtshof Polen), 11. 5. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/070511p1. html; BundesG (Schweiz), 15. 9. 2000, CISG-online Case No. 770, Erw. C.2.c)aa); LG Kassel, 21. 9. 1995 – 11 O 4261/94, CISG-online Case No. 192, Erw. I.(2)(a); Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 8; Ferrari, 25 J. L. & Com (2006) 489, 495; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 14; Leisinger, Fundamental Breach, S. 38 f. („[…] for example, […] losing specific or potential customers, losing resale possibilities, not being able to conduct one’s business, or losing reputation in the market.“); MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 22; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 11; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 70. 777 Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 11. 778 Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 14. 779 Vgl. auch Leisinger, Fundamental Breach, S. 39.

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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Ausgangspunkt bei der Bestimmung der Wesentlichkeit des Nachteiles ist die Frage, ob im jeweiligen Einzelfall das Festhalten am Vertrag unzumutbar ist, weil die Pflichtverletzung allein durch Minderung, Schadensersatz und gegebenenfalls Nachbesserung nicht mehr ausreichend kompensiert werden kann.780 Dies ist der Fall, wenn angesichts der Schwere des Nachteils „[…] der Vertragszweck durch sie [die Vertragsverletzung] so ernsthaft gefährdet ist, daß für die betroffene Vertragspartei infolge der Vertragsverletzung das Interesse an der Durchführung des Vertrages wegfällt“781, wie gleichermaßen in Rechtsprechung782 und Literatur783 hervorgehoben wird. Für die Einzelfallentscheidung, ob der eingetretene Nachteil ein so schwerwiegender (d. h. „wesentlicher“) ist, dass er das Durchführungsinteresse der vertragstreuen Partei entfallen lässt, sind die objektiven Vertragserwartungen (solche „Erwartungen [, die] aus dem Vertrag gerechtfertigt sind“784) zu ermitteln und, sodann zu 780 Vgl. BundesG (Schweiz), 18. 5. 2009, CISG-online Case No. 1900, Erw. 7.1 = IHR 2010, 27, 28; ZivilG Basel Stadt (Schweiz), 8. 11. 2006, CISG-online Case No. 1731, Erw. 4.1; LG Kassel, 21. 9. 1995 – 11 O 4261/94, CISG-online Case No. 192, Erw. I.(2)(a); OLG Hamburg, 14. 12. 1994 – 5 U 224/93, CISG-online Case No. 216; OLG Frankfurt a. M., 18. 1. 1994 – 5 U 15/93, CISG-online Case No. 123 = NJW 1994, 1013, 1013 f.; OLG Frankfurt a. M., 17. 9. 1991 – 5 U 164/90, CISG-online Case No. 28 = NJW 1992, 633, 635 (Wirksame Vertragsaufhebung aufgrund wesentlicher Vertragsverletzung, weil „[…] der Bekl. ein weiteres Stehenbleiben am Vertrag nicht mehr zuzumuten war.“); Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 9; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 12; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 16; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-11. 781 OLG Frankfurt a. M., 17. 9. 1991 – 5 U 164/90, CISG-online Case No. 28 = NJW 1992, 633, 634. So auch der BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.c) dd) = NJW 1996, 2364, 2366 („[…] um auf eine Vertragsverletzung der anderen Partei zu reagieren, die so gewichtig ist, daß sie sein Erfüllungsinteresse im wesentlichen entfallen läßt.“) sowie BGH, 24. 9. 2014 – VIII ZR394/12, CISG-online Case No. 2545, Rz. 24; ferner OGH (Österreich), 22. 11. 2011, CISG-online Case No. 2239, Erw. 2.3 (explizit auf den BGH verweisend); BundesG (Schweiz), 18. 5. 2009, CISG-online Case No. 1900, Erw. 7.1 = IHR 2010, 27, 28; BundesG (Schweiz), 15. 9. 2000, CISG-online Case No. 770, Erw. C.2.c)aa); BundesG (Schweiz), 22. 10. 1998, CISG-online Case No. 413, Erw. 2.b); Tribunal Cantonal du Jura (Schweiz), 6. 7. 2007, CISG-online Case No. 1723; OLG Hamburg, 14. 12. 1994 – 5 U 224/93, CISG-online Case No. 216 („Aus der Sicht des Käufers muss sein Vertragsinteresse mithin entweder vereitelt oder so schwer beeinträchtigt sein, dass es letztlich entfallen ist.“). 782 Zur Rspr. vgl. bereits Teil 3 Fn. 781. 783 Achilles, Art. 25 Rn. 3; Benicke, IPRax 1997, 326, 329; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 9; Honnold/Flechtner, Rn. 181.2, 183; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 15; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 21; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-10; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 13; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 56, 77. 784 So formuliert in OLG Linz, 23. 1. 2006, CISG-online Case No. 1377, Erw. 3.7 (und weiter: „Entscheidend ist nicht der hypothetische Abschlusswille der vertragstreuen Partei sondern eine Bewertung ihrer nunmehrigen Interessenlage, die durch die Wendung, ,was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen‘, objektiviert ist.“); ähnlich OLG Hamburg, 14. 12. 1994 – 5 U 224/93, CISG-online Case No. 216 („Worin das Vertragsinteresse des Käufers besteht, ergibt sich dabei in erster Linie aus dem Vertrag selbst.“).

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gewichten, ob sie im Wesentlichen entfallen sind.785 Anders formuliert, ist objektiv anhand des Vertrages zu bestimmen,786 mit welchen der enthaltenen Pflichten die Vertragsdurchführung steht und fällt und ob die streitgegenständliche Vertragsverletzung ebendiese Pflicht(en) betrifft. Die Mindermeinung, nach der eine wesentliche Vertragsverletzung auch schon am „objektiven Maße der Beeinträchtigung“ festgemacht werden könne, ohne dass es zwingend auf einen Abgleich mit den objektivierten Vertragserwartungen ankäme,787 ist angesichts des klaren Wortlautes sowie der Tatsache abzulehnen, dass ein noch so hoher Schaden grundsätzlich auch durch einen Schadensersatzanspruch hinreichend kompensiert werden kann. In einem solchem Fall entfällt das Durchführungsinteresse gerade nicht automatisch. Das „objektive Maß“ der nachteiligen Folgen kann allenfalls indizielle Wirkung für eine Enttäuschung der wesentlichen Erwartungen aus dem Vertrag haben.788 Der objektive Beurteilungsmaßstab folgt eindeutig aus dem Wortlaut der Norm („was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen“).789 Was die Partei tatsächlich erwartet hat, spielt mithin keine Rolle790 und erspart die ungleich unberechenbarere Beantwortung dieser schwierigen Frage – gerade für die vertragsbrüchige Partei, für die es nicht weniger darauf ankommt, beurteilen zu können, wann das Schicksal des gesamten Vertrages auf dem Spiel steht.791 Es wird also stets eine verobjektivierte Einzelfallbeurteilung angestellt, im Zweifel durch Vertragsauslegung nach Maßgabe 785

BundesG (Schweiz), 18. 5. 2009, CISG-online Case No. 1900, Erw. 7.1 = IHR 2010, 27, 28 mit Verweis auf BundesG (Schweiz), 22. 10. 1998, CISG-online Case No. 413, Erw. 2.a) („Dabei kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung an, sondern es ist ein objektivierter Massstab anzulegen.“); Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 10 („[…] auf die durch die Bedingungen des jeweiligen Vertrages konkretisierten und objektivierten Vertragserwartungen abzustellen.“); Achilles, Art. 25 Rn. 3; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 14 f.; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 12; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-10; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 21 f.; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 8, 13; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 76 f. („Im Rahmen dieser Interessenbewertung dürfen jedoch nur solche Interessen berücksichtigt werden, die einen vertraglichen Bezug aufweisen (objektives Element).“). V. a. angesichts des klaren Wortlautes abzulehnen ist die Ansicht von MüKo-HGB/ Benicke, Art. 25 Rn. 13 ff., der eine wesentliche Vertragsverletzung auch schon am Ausmaß des finanziellen Schaden festmachen will, ohne dass es zwingend auf die objektivierten Vertragserwartungen ankäme. 786 Vgl. Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-10 („[…] kommt es auf die nach objektiver Beurteilnug mit dem Vertrag verfolgten Zwecke an.“). 787 So MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 13. 788 Vgl. dazu auch mit Verweis auf die Entstehungsgeschichte Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 9; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 22; ferner Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-10. 789 So etwa auch ausdrücklich das OLG Linz in Teil 3 Fn. 784. 790 Ausdrücklich BundesG (Schweiz), 22. 10. 1998, CISG-online Case No. 413, Erw 2.a) („Dabei kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung an, […].“); vgl. auch Wortlaut bei OLG Linz in Teil 3 Fn. 784. 791 Vgl. dazu auch Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 77, der darauf hinweist, dass die objektive Bezugnahme auf den Vertrag – im Gegensatz zur Bezugnahme auf die subjektiven Erwartungen – aus Gründen der Rechtssicherheit erfolgt.

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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von Art. 8 CISG, wobei dem Vertragstext sowie den Vertragsverhandlungen und anderen Umständen, insbesondere Gepflogenheiten oder Handelsbräuchen, besondere Bedeutung zukommt (Art. 8 Abs. 3, 9 CISG).792 Die Parteien können die Rechtssicherheit auch dadurch steigern, dass sie in den Vertrag eine ausdrückliche Regelung aufnehmen, welche Pflichtverletzungen (ggf. nur insbesondere) zu einer wesentlichen Pflichtverletzung führen bzw. bei welchem Ausmaß793 eine solche anzunehmen ist.794 Angesichts dieser gezielten Regelung (vgl. Art. 6 CISG) ist eine weitere Auslegung in den besonders kritischen Fällen hinfällig.795 Wird gegen eine vertraglich als wesentlich bestimmte Pflicht verstoßen, liegt automatisch ein wesentlicher Vertragsbruch vor. Erfolgt eine solche Vereinbarung in AGB, ist zu beachten, dass die Inhaltskontrolle von AGB als Gültigkeitsfrage im Sinne von Art. 4 lit. a CISG nicht vom Regelungsbereich umfasst ist,796 worauf bereits oben eingegangen wurde.797 Bei Beteiligung einer in Deutschland niedergelassenen Partei stehen somit die Regelungen der §§ 307 BGB, insb. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Raum. Die sich in Art. 25 CISG niederschlagende Wertung, dass die Aufhebung nur ultima ratio sein soll, ist aber wiederum als „wesentlicher Grundgedanke der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird“ im Rahmen von § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu berücksichtigen. Daher sind AGB, die alle Vertragsverletzungen pauschal als wesentlich bzw. pauschal als unwesentlich einstufen, aber konsequenterweise auch solche, die jedenfalls offensichtlich nicht mit dem Durchführungsinteresse verknüpfte Vertragsverletzungen als wesentlich kategori-

792 OLG Linz, 23. 1. 2006, CISG-online Case No. 1377, Erw. 3.7; BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.c)dd) = NJW 1996, 2364, 2366 („Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalles […].“); LG Kassel, 21. 9. 1995 – 11 O 4261/ 94, CISG-online Case No. 192, Erw. I.(2)(a); Achilles, Art. 25 Rn. 3 f.; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 10, 12; Leisinger, Fundamental Breach, S. 43 f.; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 22 f.; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 13; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 77 f.; Zeller, 11 V.J. (2007) 217, 225. 793 Z. B. ab 20 % Ausschuß oder auch bei Überschreitung eines Fixtermines, so die Beispiele bei Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 13. 794 CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.2, IHR 2006, 35, 38; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 11; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 13, 25; Leisinger, Fundamental Breach, S. 40 f.; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 17; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 34, 36; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 17; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-7; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 28; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 13; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 173 ff. 795 Leisinger, Fundamental Breach, S. 40 f.; Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 52; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 14; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 173; Wasmer, Vertragsfreiheit im UN-Kaufrecht, S. 93. 796 Mit diesem Hinweis s. nur Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 11; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 25; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 35 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 25; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 177. 797 S. dazu § 8 D.I.1.a).

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Teil 3: Einzelbetrachtung

sieren – entgegen der Grundwertung des Rechtsbehelfssystems der Konvention – als ungültig i. S. v. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu bewerten.798 Der Kern der Rechtssicherheitsproblematik bei der Einzelfallentscheidung, welche Verpflichtungen aus dem Vertrag so „wesentlich“ sind, dass deren Verletzung das Durchführungsinteresse der vertragstreuen Partei entfallen lässt, betrifft also Konstellationen, in denen die Parteien selbst keine gezielte Vereinbarung getroffen haben. Die bisherigen Ausführungen haben bereits gezeigt, dass der Begriff „wesentlich“ vage, aber bei genauerer Betrachtung der gesamten Norm nicht gänzlich unbestimmt ist.799 Dies gilt es festzuhalten. Außerdem ist unter Berücksichtigung der umfassenden Rechtsprechung zu Art. 25 CISG weiter zu untersuchen, wie die Kombination aus den Kriterien im Wortlaut und deren Weiterentwicklung im Rahmen der zu bildenden bzw. gebildeten Fallgruppen letztlich auf den Grad an Rechtssicherheit wirken. Davor ist noch auf das letzte Kriterium im Wortlaut einzugehen: die Vorhersehbarkeit der Tragweite der betreffenden Vertragsverletzung.

IV. Vorhersehbarkeit Die Wesentlichkeit ist dem Wortlaut von Art. 25 CISG a. E. zufolge abzulehnen, wenn die Tragweite des Vertragsbruches für den Schuldner nicht vorhersehbar war. Dabei bezieht sich das Vorhersehbarkeitserfordernis nicht auf die Verletzungshandlung, sondern unstrittig nur auf ihre Konsequenzen.800 Des Weiteren entnimmt die h. M. dem Wortlaut („[…] und eine vernünftige Person der gleichen Art diese Folge unter den gleichen Umständen auch nicht vorhergesehen hätte.“)801 zu Recht, es komme kumulativ zur Einschätzung des jeweiligen Schuldners darauf an, dass auch eine Person der gleichen Art die entsprechenden Konsequenzen der Leistungsstörung nicht vorhergesehen hätte.802 Mit der Bezugnahme auf eine in den 798 Näher dazu Achilles, Art. 25 Rn. 5; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 11; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 25; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 34 f.; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 25 (auch mit Rechtsprechungsnachweisen); Staudinger/ Magnus, Art. 45 Rn. 47. Grundsätzlich zum CISG als Maßstab der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB bereits oben § 8 D.I.1.a). 799 Dazu auch bereits einleitend unter § 9 C. 800 BundesG (Schweiz), 2. 4. 2015, CISG-online Case No. 2592, Erw. 9.2 („Es geht nicht um den Handlungs-, sondern um den Erfolgsunwert der Pflichtverletzung.“); Tribunal of International Commercial Arbitration at the Russian Federation Chamber of Commerce and Industry (Russische Föderation), 2. 11. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/041102r1.html, Erw. 3.3; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 13; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 38; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 26; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 14. 801 Hervorhebung des Verfassers. 802 Achilles, Art. 25 Rn. 21; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 13; Honnold/ Flechtner, Rn. 183; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 22; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 39; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-10; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 30; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 14. I. E. auch Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Björklund, Art. 25 Rn. 21.

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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gleichen Umständen befindliche Person der gleichen Art wird schließlich eine Typisierung angestrebt,803 nach der die Vorhersehbarkeit für eine durchschnittliche, im gleichen Geschäftsfeld bzw. der gleichen Branche tätige Person den Maßstab vorgibt, anstatt auf den subjektiven, rein persönlichen (nicht „durchschnittlichen“) Bewertungshorizont abzustellen.804 Die Formulierung „unter den gleichen Umständen“ meint den äußeren Rahmen, in dem sich die Vertragsverhandlungen und der Vertragsschluss vollzogen haben.805 In der Sache kommt dem Vorhersehbarkeitserfordernis nur bedingt eigenständige Bedeutung zu. Letztlich handelt es sich um ein Kriterium, das es schon bei der Auslegung des Vertrages (Art. 8 Abs. 2, 3 CISG), insb. der Erklärung(en) des Gläubigers, zu berücksichtigen gilt: Nach allgemeiner Ansicht bemisst sich die Wesentlichkeit nach den objektiv gerechtfertigten Erwartungen, von denen der Gläubiger nach dem Vertrag die Aufrechterhaltung der Vertragsdurchführung abhängig machen durfte. Lassen sich nicht bereits dem Vertragstext die streitgegenständlichen Erwartungen und deren Gewicht entnehmen, so sind, wie gesagt, die objektiven Auslegungsmaßstäbe in Art. 8 CISG heranzuziehen. Wenn dabei gemäß Art. 8 Abs. 2 CISG „Erklärungen und das sonstige Verhalten einer Partei so auszulegen [sind], wie eine vernünftige Person der gleichen Art wie die andere Partei sie unter den gleichen Umständen aufgefaßt hätte“, so können letztlich nur solche Pflichten „wesentlicher“ Vertragsbestandteil sein, die die vertragsbrüchige, also die „andere Partei“ oder jedenfalls „eine vernünftige Person der gleichen Art […] unter den gleichen Umständen“ als wesentlich i. S. e. conditio sine qua non erfasst („vorausgesehen“) hat bzw. hätte.806 Die aus der objektiven Betrachtung bzw. Auslegung folgende Gewichtung, dass die Vertragsverletzung das Durchführungsinteresse entfallen lässt, muss zwangläufig jedenfalls für „eine vernünftige Person der gleichen Art“ auch voraussehbar gewesen sein. Andernfalls hätte die Wesentlichkeit der Erwartung keine Deckung in der tatsächlichen Einigung – sie wäre kein Vertragsbestandteil. Umgekehrt formuliert, können nur objektiv für den Schuldner vorhersehbare Faktoren durch Auslegung nach Art. 8 Abs. 2, 3 CISG als „wesentlicher“ Vertragsbestandteil angesehen werden. Folgerichtig wird das Vorhersehbarkeitskriterium in Art. 25 CISG als Konkretisierung der Auslegungsmaßstäbe von 803

So ausdrücklich MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 40. Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 22; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 40 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 30 („ie one active in the same branch of the trade or economic sector […]“); Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 157 f.; wohl auch Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 14; a. A., auf den persönlichen „sozio-ökonomischen Background“ des Schuldners abstellend Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 22; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 13. 805 MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 41; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 159. 806 Treffend insb. Honsell/Karollus (1. Aufl. 1997), Art. 25 Rn. 24 („Diese [Vertragsauslegung] erfordert ohnedies, daß die entsprechenden Umstände bei Vertragsabschluß bekannt oder zumindest erkennbar waren (Art. 8) […].“); ferner Lurger, IHR 2001, 91, 92; Leisinger, Fundamental Breach, S. 103, 105; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 20; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 25 Rn. 124 ff. 804

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Art. 8 Abs. 2, 3 CISG bei Ermittlung der Wesentlichkeit eingeordnet.807 In den (praktisch eher seltenen)808 Fällen,809 in denen sich weder aus dem Vertrag noch aus dem Ablauf bzw. Rahmen der Vertragsverhandlungen hilfreiche Anhaltspunkte für die Auslegung des Vertrags nach dem objektiven Empfängerhorizont (Art. 8 Abs. 2 CISG) bzw. nach Berücksichtigung aller erheblichen Umstände (Art. 8 Abs. 3 CISG) entnehmen lassen,810 schafft Art. 25 CISG a. E. Gewissheit, „[…] was der Gläubiger im Zweifel aus dem Vertrag [als wesentlich] erwarten darf:“811 Nur das, was auch objektiv für den Schuldner als conditio sine qua non vorhersehbar war. Der verobjektivierte Maßstab ist auch hier812 einer möglichst rechtssicheren Beurteilung zuträglich. Sofern man mit der Mindermeinung die Wesentlichkeit bereits an dem objektiven Gewicht des Nachteils festmachen möchte, offenbart sich unter Einbeziehung des Vorhersehbarkeitserfordernisses, dass sich die Ergebnisse am Ende mit denen der hier vertretenen, überwiegenden Ansicht decken.813 Nach beiden Ansichten scheidet eine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne von Art. 25 CISG aus, wenn sie auch für den verständigen Dritten nicht vorhersehbar war. Während die hier vertretene Ansicht die Vorhersehbarkeit bereits bei der Bestimmung der Wesentlichkeit konkretisierend berücksichtigt, kommt dieser nach der Mindermeinung vielmehr eine einschränkende Funktion („filter“814) zu, indem ein zunächst unabhängig von der Vertragsauslegung als wesentlich beurteilter Nachteil dann gegebenenfalls erst auf

807 Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 20; Leisinger, Fundamental Breach, S. 105; Lurger, IHR 2001, 91, 92; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 27 ff.; Witz/Salger/Lorenz/Salger, Art. 25 Rn. 12; wohl auch MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 18; Staudinger/ Magnus, Art. 25 Rn. 15; Zeller, 8 V.J. (2004) 81, 90; vgl. auch Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 13 („Diese objektivierte Beurteilung nach der Verkehrsanschauung entspricht der des Art. 8 Abs. 2.“). Vgl. in der Rechtsprechung OGH (Österreich), 21. 6. 2005, CISG-online Case No. 1047 = IHR 2005, 195, 196. 808 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 30 („In many cases that will not pose a problem: […].“). Ähnlich Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 22; Leisinger, Fundamental Breach, S. 105 („Only if in some exeptional situations […].“). 809 Nur auf diese bezieht sich die allgemeine Feststellung von MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 38 („Dem Merkmal der Vorhersehbarkeit kommt nach der hier vertretenen Ansicht bei der Beurteilung der Wesentlichkeit einer Vertragsverletzung eigenständige Bedeutung zu. Dies gilt allerdings nur dann […].“). 810 Vgl. insofern den nicht ganz unberechtigten, aber hinsichtlich des Begriffs ,Unterstellung‘ überzogenen Hinweis von Honsell/Karollus (1. Aufl. 1997), Art. 25 Rn. 17 („Wer die Bedeutung der Vertragsverletzung allein dem Vertrag entnehmen will, wird vielfach mit Unterstellungen arbeiten müssen.“). 811 Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 20. 812 Vgl. den entsprechenden Hinweis zur objektiven Bestimmung der wesentlichen Vertragserwartungen unter § 9 E.III. 813 Mit diesem Hinweis Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 21. 814 So bezeichnet von Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 26.

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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der zweiten Stufe „doch nicht“815 als solcher angesehen wird.816 Da eine Vertragsauslegung schließlich nicht als zwingend erachtet wird, kann die Vorhersehbarkeit logischerweise erst an dieser Stelle berücksichtigt werden. Teilweise ist immer noch umstritten, auf welchen Zeitpunkt im Hinblick auf die Vorhersehbarkeit abzustellen ist. Im Gegensatz zum Haager Kaufrecht, welches in Art. 10 EKG noch explizit auf den Vertragsschluss abstellte, wird diese Frage im Wortlaut von Art. 25 CISG nicht erwähnt. Die mittlerweile wohl herrschende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur hält aber auch hier den Zeitpunkt des Vertragsschlusses für maßgeblich.817 Zu Recht haben sich die Gegenansichten nicht durchgesetzt, sofern diese grundsätzlich auch den Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Pflichtverletzung für die Vorhersehbarkeit berücksichtigen wollen.818 Da sich die wesentlichen Vertragspflichten aus dem Vertrag und gegebenenfalls dessen Auslegung ergeben, ist auch zeitlich auf den Moment abzustellen, in dem die Fi815

Honsell/Karollus (1. Aufl. 1997), Art. 25 Rn. 24. MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 22. 817 BundesG (Schweiz), 15. 9. 2013, CISG-online Case No. 2560, Erw. 3.1.4; OLG Hamburg, 25. 1. 2008 – 12 U 39/00, CISG-online Case No. 1681, Erw. II.1.d)bb) = IHR 2008, 98, 100; OLG Düsseldorf, 24. 4. 1997 – 6 U 87/96, CISG-online Case No. 385, Erw. II.2.a); Ferrari/ Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 14 m. w. N.; Freiburg, Das Recht der Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 56; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 24 (mit Hinweis auf Vorhersehbarkeit auf Grundlage ergänzender Vertragsauslegung); U. Huber, RabelsZ 43 (1979) 413, 463 f.; Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 26; Lurger, IHR 2001, 91, 92; MüKo/ Gruber, Art. 25 Rn. 43; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-10; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 33 (mit zahlreichen weiteren Nachweisen (Rn. 32) und zur Vorhersehbarkeit aufgrund ergänzender Vertragsauslegung); Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 19 (außer im Falle treuwidriger Berufung auf die Unvorhersehbarkeit bei Vertragsschluss, Art. 7 Abs. 1 CISG); Witz/Salger/Lorenz/Salger, Art. 25 Rn. 14; mit Einschränkung Achilles, Art. 25 Rn. 21 („grds.“). 818 Im Einzelnen teilweise unterschiedlich: MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 24 (Sofern das Äquivalenzverhältnis des Vertrages infolge der Pflichtverletzung nicht verschoben werde, sei auch die Erkennbarkeit der Wesentlichkeit nach Vertragsschluss ausreichend. Die Grenzziehung dürfte sich in der Praxis sehr schwierig gestalten.); Honnold/Flechtner, Rn. 183; s. auch Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 167 f. (wenn auch nur „[a]usnahmsweise“) und Achilles, Art. 25 Rn. 21; wohl auch BundesG (Schweiz), 15. 9. 2000, CISG-online Case No. 770, Erw. C.2.c)aa), wo es zunächst heißt „La motivation du créancier doit être reconnaissable par le débiteur, lequel a su ou pu savoir que le premier considérait si essentielle l’exécution de la clause contractuelle non respectée qu’il aurait renoncé à la vente s’il avait prévu cette contravention […]. Pour en juger, il faut se placer au moment de la conclusion du contrat, l’intérêt déterminant de l’une des parties devant être reconnaissable pour l’autre[…].“ Sodann wird aber auf den Zeitpunkt der Vertragsverletzung abgestellt: „Enfin, le préjudice doit être prévisible pour la partie contrevenante ou pour toute personne raisonnable placée dans la même situation; il faut se placer au moment de la commission de la contravention au contrat […]“. Angesichts der nicht ganz eindeutigen Formulierung des Urteils fällt dessen Interpretation in der Literatur unterschiedlich aus. Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 14 (dort Fn. 99) folgert, dass die Vorhersehbarkeit bei Vertragsschluss als entscheidend erachtet werde. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 32 (dort Fn. 141) ordnet das schweizerische Urteil der Ansicht zu, die auf einen späteren Zeitpunkt abstellt, was wohl in Gesamtschau der Urteilsformulierung die zutreffende Interpretation sein dürfte. 816

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Teil 3: Einzelbetrachtung

xierung der Vertragsplichten wirksam wird.819 Ansonsten würde dem Gläubiger u. U. ermöglicht, einseitig und nach Vertragsschluss, etwa durch eine entsprechende Äußerung gegenüber dem Schuldner, aus einer unwesentlichen Pflicht faktisch eine wesentliche zu machen und damit die vertragliche Risikoverteilung zu ändern, ohne dass der Schuldner, wie es beim Vertragsschluss noch der Fall war, darauf Einfluss hätte.820 Die Maßgeblichkeit des Vertragsschlusses lässt sich auch der entsprechenden Wertung in Art. 73 Abs. 3 CISG entnehmen,821 demzufolge i. R. e. Sukzessivliefervertrages eine wesentlich vertragswidrige Teillieferung zur Aufhebung des gesamten Vertrages berechtigt, wenn insgesamt bereits erhaltene oder künftige Lieferungen „nicht mehr für den Zweck verwendet werden können, den die Parteien im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in Betracht gezogen haben“822. Auch die Höhe eines Schadensersatzanspruchs ist gemäß Art. 74 CISG explizit darauf begrenzt, was die vertragsbrüchige Partei bei Vertragsschluss als mögliche Folge jedenfalls hätte voraussehen müssen.823 Bezüglich der Vorhersehbarkeit im Sinne von Art. 25 CISG auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen, ginge also mit einem gewissen Wertungswiderspruch zu anderen Vorschriften einher.824 Schließlich ist die Maßgeblichkeit des Vertragsschlusses auch mit Blick auf die Rechtssicherheit zu begrüßen, insbesondere weil nachträgliche Unwägbarkeiten begrenzt werden – beide Parteien wollen sich naturgemäß nur auf Grundlage ihrer aktuellen Erkenntnismöglichkeiten verpflichten und führen die Vertragsverhandlungen entsprechend auf deren Grundlage.825 Insofern können die wesentlichen Pflichten im Vertrag nur einvernehmlich durch eine nachträgliche Vertragsänderung modifiziert werden.826 Alles andere würde gerade für die vertragsbrüchige Partei mit bedeutender Rechtsunsicherheit einhergehen, ob evtl. nachträglich und ohne jeglichen Einfluss die Rückabwicklung des Vertrages droht und damit auch die gegebenenfalls vollständige Enttäuschung der getroffenen Dispositionen.

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Vgl. Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 14; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 33. 820 Vgl. Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 14 („[…] dies ist kaum angebracht.“); Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 24; U. Huber, RabelsZ 43 (1979) 413, 463; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 43; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 19; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzungen, S. 165 (mit Verweis auf Mißbrauchsmöglichkeit). 821 Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 24; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 43 (gar in analoger Anwendung); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 32. 822 So der Wortlaut der Norm, Hervorhebung des Verfassers. 823 MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 43. 824 So ausdrücklich MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 43. 825 Ähnlich Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 165 („Im Regelfall wollen die Parteien nur die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbaren Risiken übernehmen.“). 826 Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 14; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 24; MüKo/ Gruber, Art. 25 Rn. 43 a. E.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 33; vgl. auch Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 19.

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F. Fallgruppen zur wesentlichen Vertragsverletzung Die Konkretisierung, wann eine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne von Art. 25 CISG vorliegt, erschöpft sich nicht im Wortlaut der Norm. Vielmehr, so wird in der Literatur oft ausdrücklich hervorgehoben,827 lassen sich durch die Kategorisierung der umfänglichen Rechtsprechung zu Art. 25 CISG Fallgruppen bilden, um der Praxis eine bessere Orientierung im Umgang mit dem UN-Kaufrecht zu ermöglichen.828 Dies ist v. a. in solchen Fällen erforderlich, in denen sich mangels eindeutiger Parteivereinbarungen mitunter schwierige Auslegungsfragen im Rahmen der Beurteilung einer wesentlichen Vertragsverletzung stellen. Über die Betrachtung hinaus, inwiefern zu Einzelfragen bzw. Einzelproblemen mittlerweile Lösungen von der Rechtsprechung geliefert wurden, geht es an dieser Stelle also auch um den Grad an Orientierungssicherheit, der sich mithilfe entsprechender Fallgruppenbildung erzielen lässt oder vielmehr bereits erzielt wurde. Welche Problemfälle sind auf Grundlage dessen mit hinreichender Rechtssicherheit zu bewältigen und wo besteht gegebenenfalls ein Restrisiko unberechenbarer Ergebnisse bzw. Entscheidungen? Lassen sich aus den angestellten Erwä-

827 Benicke, IPRax 1997, 326, 329; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 16 („Obwohl die Bewertung der Maßgeblichkeit der Verletzung der berechtigten Parteierwartungen auf der Grundlage des Einzelfalles zu erfolgen hat, lassen sich einige Fallgruppen bilden, die bei der Bewertung durchaus hilfreich sein können.“); Freiburg, Das Recht der Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 57 („Um der Praxis einen leichteren Umgang mit dem UN-Kaufrecht zu ermöglichen, bietet sich die Bildung von Fallgruppen an.“); Graffi, in: Ferrari (Ed.), The 1980 Uniform Sales Law, S. 305, 322 f.; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 28 („Zur Bewältigung der mit Art. 25 einhergehenden Auslegungszweifel können Fallgruppenbildung und Auswertung des internationalen case law einen wichtigen Beitrag leisten.“); Lubbe, RabelsZ 68 (2004) 444, 472 („[…] the development of ,Fallgruppen‘ based on various manifestations of breach would thus appear to be essential, with regard to the issue of fundamental breach, as a basis for the uniform development of case law.“); Magnus, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 423, 426; Staudinger/ Magnus, Art. 25 Rn. 13 („[…] von Fall zu Fall zu entscheiden, wobei sich für die einzelnen Fallsituationen freilich Fallgruppen bilden lassen, die Anhalt geben […].“); Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 79 („die einen gewissen Anhalt für das Gewicht bestimmter Interessen geben können“) und S. 115 („Diese Einbuße an Rechtssicherheit kann durch eine im Laufe der Zeit entstehende Kasuistik kompensiert werden.“); Verhalten in diese Richtung auch MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 19 („Möglich ist allerdings eine gewisse Typisierung denkbarer Vertragsverletzungen.“). 828 Zu den einzelnen Fallgruppen einer wesentlichen Vertragsverletzung auch Graffi, in: Ferrari (Ed.), The 1980 Uniform Sales Law, S. 305, 311 ff.; ders., R.D.A.I/I.B.L.J. (2003) 338, 341 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 37 ff.; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 105 ff.; Verweyen, Die Käuferrechtsbehelfe des UN-Kaufrechts, S. 53 ff. Ferner auch Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 16 ff.; Kröll/Mistelis/ Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 27 ff.; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 19 ff.; Honsell/ Gsell, Art. 25 Rn. 28 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 20 ff.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

gungen zu den einzelnen Fallgruppen auch allgemeinere Bewertungskriterien und mithin Orientierungshilfen ablesen bzw. welche?829

I. Vertragsverletzung des Verkäufers 1. Endgültige Nichtleistung Um einen recht unproblematischen Sachverhalt handelt es sich im Falle der endgültigen Nichtleistung. Bleibt die geschuldete Leistung des Verkäufers endgültig aus, wird einhellig eine wesentliche Vertragsverletzung angenommen,830 wie auch ausdrücklich in der Rechtsprechung festgestellt wurde.831 Erhält der Käufer etwa den Kaufgegenstand schlichtweg gar nicht, entfällt auch sein Durchführungsinteresse. In der Rechtsprechung wurde eine wesentliche Vertragsverletzung auf Grund endgültiger Nichtleistung angenommen: Im Falle der Unmöglichkeit der Leistung832 (und zwar unabhängig von der im autonomen deutschen Recht bekannten Differenzierung nach objektiver oder subjektiver Unmöglichkeit)833 sowie der ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung des Verkäufers,834 der es entspricht, wenn dieser 829 Vgl. dementsprechend Benicke, IPRax 1997, 326, 329 („Möglich ist aber, für bestimmte Pflichtverletzungen Kriterien herauszuarbeiten, anhand derer die Wesentlichkeit beurteilt werden kann und welche die Bildung von Fallgruppen ermöglichen.“). 830 Achilles, Art. 25 Rn. 10; Ferrari/Ferrari, Int. VertragR, Art. 25 Rn. 17; Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 81; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 29 f.; Honnold/Flechtner, Rn. 305; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 28; Magnus, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 423, 433; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 20; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 48; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-287; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 37; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 20; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 106 ff.; Zeller, 11 V.J. (2007) 219, 228. 831 ICC Schiedsspruch, 1. 3. 1999, CISG-online Case No. 708 („An absolute failure to deliver the goods definitely constitutes a fundamental breach.“); vgl. ferner die Rechtsprechungsnachweise in dem Teil 3 Fn. 832, 834 und 835. 832 Tribunale di Padova (Italien), 11. 1. 2005, CISG-online Case No. 967 (Tierzüchter hatte nicht die betrieblichen Mittel um bestellte Rasse zu züchten und zu liefern); LG Freiburg, 22. 8. 2002 – 8 O 75/02, CISG-online Case No. 711, Erw. II, IV = IHR 2003, 22, 23 (Autoverkäufer konnte seiner Übereigungsverpflichtung aus Art. 30 CISG nicht nachkommen, da es sich um einen gestohlenen Gebrauchtwagen handelte, der mittlerweile polizeilich konfisziert wurde); LG Ellwangen, 21. 8. 1995 – 1 KfH O 32/95, CISG-online Case No. 279, Erw. III.B. (Unmöglichkeit, i. S. d. vertraglichen Vereinbarung unbelastete Paprika der Ernte 1994 zu beschaffen); OLG Düsseldorf, 18. 9. 1993 – 6 U 228/92, CISG-online Case No. 92, Erw. I (Unmöglichkeit aber abgelehnt); Pretura circondariale di Parma (Italien), 24. 11. 1989, http: //cisgw3.law.pace.edu/cases/891124i3.html; s. auch KantonsG Zug (Schweiz), 14. 12. 2009, CISG-online Case No. 2026, Erw. 10.1 („[…] in eindeutigen Fällen, z. B. bei objektiver Unmöglichkeit der Leistung […]“). 833 Dazu auch Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 17; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 37 sowie Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 21. 834 Tribunale di Forlì (Italien), 9. 12. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/081211i3.html (dort fälschliche Datumsangabe 11. 12. 2008), Erw. 3.5; OLG München, 15. 9. 2004 – 7 U 2959/

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die Lieferung nachträglich an die Erfüllung von Bedingungen knüpft, die keine Grundlage im Vertrag haben.835 Kann der Verkäufer allerdings ein Leistungsverweigerungsrecht gelten machen, so fehlt es bereits an der Vertragsverletzung.836 2. Lieferverzögerung Im Falle eines Lieferverzugs stellt sich die Frage, wann man in zeitlicher Hinsicht den Lieferverzug des Verkäufers (d. h. die Lieferung ist theoretisch noch möglich bzw. nicht ernsthaft und endgültig verweigert worden) hinsichtlich seiner Tragweite („Wesentlichkeit“) einer endgültigen Nichtleistung gleichzusetzen hat. Unproblematisch anzunehmen ist dies, wenn der Verkäufer mit Fristüberschreitung zugleich 04, CISG-online Case No. 1013, Erw. II.2.a) (Leugnen des Vertragsschlusses, obwohl dieser tatsächlich wirksam war); so auch bei Cour d’appel de Grenoble (Frankreich), 21. 10. 1999, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/991021f1.html und bei LG Hamburg, 26. 11. 2003 – 411 O 99/ 02, CISG-online Case No. 875; Schiedsgericht Hamburger Freundschaftliche Arbitrage, 29. 12. 1998, CISG-online Case No. 638, Leitsatz und Erw. V.6.a)aa) = NJW-RR 1999, 780, 782 („Ohne daß es noch auf eine Nachfrist ankommt […], kann die Käuferin erst recht den Vertrag aufheben, wenn die Verkäuferin erklärt, daß sie überhaupt nicht liefern werde oder könne oder nur gegen zusätzliche Gegenleistung lieferbereit sei […].“); OLG Düsseldorf, 24. 4. 1997 – 6 U 119/93, CISG-online Case No. 385, Erw. II.2.c); Schiedgericht der Handelskammer Hamburg, 21. 3. 1996, CISG-online Case No. 187, Erw. 3 = NJW 1996, 3229, 3231; LG Kassel, 21. 9. 1995 – 11 O 4261/94, CISG-online Case No. 192, Erw. I(2)(b)e. E., I.(3); OLG Düsseldorf, 10. 2. 1994 – 6 U 119/93, CISG-online Case No. 115 = NJW-RR 1994, 506, 506 (Wesentlichkeit ablehnend, da die Aussage des Verkäufers, die Lieferung sei „zur Zeit“ nicht möglich noch keine endgültige Erfüllungsverweigerung manifestiere); Schiedsgericht der Handelskammer Zürich, 31. 5. 1996, CISG-online Case No. 1291, Erw. 168; OLG Düsseldorf, 18. 9. 1993 – 6 U 228/92, CISG-online Case No. 92, Erw. I (endgültige Erfüllungsverweigerung lag im zu beurteilenden Fall nicht vor); s. auch KantonsG Zug (Schweiz), 14. 12. 2009, CISG-online Case No. 2026, Erw. 10.1. 835 Schiedsgericht Hamburger Freundschaftliche Arbitrage, 29. 12. 1998, CISG-online Case No. 638, Erw. V.6.a)aa) = NJW-RR 1999, 780, 782 (vgl. zum Wortlaut bereits Teil 3 Fn. 834); vgl. ferner Audiencia Provincial Barcelona (Spanien), 12. 2. 2002, CISG-online Case No. 1324, Erw. 3; ICC Court of Arbitration (Paris), 20. 12. 1999, CISG-online Case No. 1646, Erw. 6 = IHR 2004, 21, 22 f. (Verkäufer macht Lieferung davon abhängig, ob der von ihm einseitig reduzierte Preisnachlass anstelle des vertraglich vereinbarten gilt); Magellan International Corporation ./. Salzgitter Handel GmbH, U.S. D.C. [N.D. Illinois], 7. 12. 1999, CISG-online Case No. 439 (Lieferung von nachträglicher Abänderung des Akkreditivs abhängig gemacht); Tribunal de Commerce de Poitiers (Frankreich), 9. 12. 1996, CISG-online Case No. 221 (Verkäufer will nur unter Geltung seines einseitig erhöhten Kaufpreises leisten); OLG Celle, 24. 5. 1995 – 20 U 76/94, CISG-online Case No. 152, Erw. 2.2.1 (Verkäufer verlangt gesamten Kaufpreis im Voraus, obwohl vertraglich Zahlung gegen Übergabe der Frachtdokumente vereinbart war). 836 S. o. § 9 E.I.; vgl. auch die entsprechende Klarstellung i. R. d. Auseinandersetzung mit einer möglichen wesentlichen Vertragsverletzung bei Tribunale di Forlì (Italien), 9. 12. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/081211i3.html (dort fälschliche Datumsangabe 11. 12. 2008), Erw. 3.4; ferner Schiedsgericht der Handelskammer Zürich, 31. 5. 1996, CISG-online Case No. 1291, Erw. 172.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

die Erfüllung verweigert und damit eine endgültige Nichtleistung manifestiert.837 Dagegen sind die Fälle, in denen bis zu einem gewissen Zeitpunkt schlicht gar nicht bzw. verspätet geliefert wird, ohne dass der Verkäufer die Lieferung ernsthaft und endgültig verweigert, im Folgenden näher zu betrachten. a) Grundsatz Eine Fristüberschreitung ist per se keine wesentliche Vertragsverletzung. Diesen Grundsatz entnimmt die absolut herrschende Meinung der Regelung in Art. 49 lit. b CISG, wonach die Nichtlieferung grundsätzlich erst nach Ablauf einer zu setzenden Nachfrist zur Aufhebung berechtigt.838 Anders formuliert ist die „Nichtwesentlichkeit der Vertragsverletzung i. S. d. Art. 25 […] daher im Falle der Überschreitung des Liefertermins die Regel.“839 Mit der Frage, wann ein Lieferverzug ausnahmsweise so schwerwiegend ist, dass er das Durchführungsinteresse gänzlich entfallen lässt und mithin als wesentliche Vertragsverletzung einzuordnen ist, hat sich die Literatur840 sowie eine beträchtliche Zahl von Gerichtsentscheidungen841 ausgiebig beschäftigt. Auch hier gilt als Ausgangspunkt, dass die Wesentlichkeit (der Terminüberschreitung) einer ausdrücklichen Vereinbarung entnommen werden kann, sich aber auch i. V. m. bzw. nur aus

837

Zur endgültigen Nichtleistung soeben § 9 F.I.1. Vgl. in der Rechtsprechung: Valero Marketing & Supply ./. Greeni Oy, U.S. D.C. [New Jersey], 4. 4. 2006, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/060404u1.html, Erw. III.B.; OLG München, 1. 7. 2002 – 17 U 2513/02, CISG-online Case No. 656, Erw. III.3.; LG München II, 20. 2. 2002 – 10 O 5423/01, CISG-online Case No. 712, Erw. I.3.a) = IHR 2003, 24, 26; OLG Hamburg 28. 2. 1997 – 1 U 167/95, CISG-online Case No. 261, Erw. I.2.b); LG Oldenburg, 27. 3. 1996 – 12 O 2541/95, CISG-online Case No. 188; OLG München, 8. 2. 1995 – 7 U 1720/ 94, CISG-online Case No. 143, Erw. IV.1.; ICC Court of Arbitration (Basel), Schiedsspruch Nr. 8128 (1995), http://cisgw3.law.pace.edu/cases/958128i1.html; OLG Düsseldorf, 13. 11. 1993 – 6 U 228/92, CISG-online Case No. 92; in der Literatur: Achilles, Art. 25 Rn. 10; Ferrari/ Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 21; Freiburg, Das Recht der Vertragsaufhebung im UNKaufrecht, S. 75; Honnold/Flechtner, Rn. 307; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 31; Kröll/Mistelis/ Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 31 (ff.); Magnus, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 423, 434; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 21; MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 34; MüKoHGB/Benicke, Art. 25 Rn. 28; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-288; Sauthoff, IHR 2005, 21, 21; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 23; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 109 f.; Verweyen, Die Käuferrechtsbehelfe des UN-Kaufrechts, S. 54. 839 LG München II, 20. 2. 2002 – 10 O 5423/01, CISG-online Case No. 712, Erw. I.3.b) = IHR 2003, 24, 26; vgl. auch OLG Düsseldorf, 24. 4. 1997 – 6 U 119/93, CISG-online Case No. 385, Erw. II.2.a) („Als eine wesentliche Vertragsverletzung in diesem Sinne kann jedoch im allgemeinen die bloße Nichteinhaltung eines Liefertermins nicht angesehen werden […].“). Vgl. auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-288 („[…] regelmäßig keine wesentliche Pflichtverletzung.“) und Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 109 („[…] führt im Regelfall nicht zu einer wesentlichen Vertragsverletzung.“). 840 Vgl. bereits die entsprechenden Nachweise in Teil 3 Fn. 838. 841 Vgl. dazu sogleich die Einzelfälle. 838

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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einer Vertragsauslegung (Art. 8, 9 CISG) ergeben kann.842 In Betracht kommt insofern ein Fixgeschäft oder ein „fixähnliches“843 Geschäft, bei dem jedenfalls unter Berücksichtigung der Umstände des Vertragsschlusses bzw. Geschäfts anzunehmen ist, dass das Durchführungsinteresse mit Lieferverzug automatisch entfällt. Wie in der Literatur844 und in der Rechtsprechung immer wieder hervorgehoben wird, ist dies der Fall, wenn „[…] für beide Parteien ersichtlich der Vertrag mit der fristgerechten Lieferung stehen und fallen sollte.“845 b) Fixschuldcharakter bei ausdrücklich vereinbartem Lieferzeitpunkt Auf Grundlage dieser Erwägungen wurde eine wesentliche Vertragsverletzung etwa im Verstoß gegen die Vereinbarung der Lieferung „schnellstmöglichst nach Vertragsschluss“846, „in der nächsten Woche“847 oder bei Bezeichnung des Liefertermins als „handelsrechtlicher Fixtermin“848 gesehen. Allein die Vereinbarung, dass die Lieferung „schnellstmöglichst“ zu erfolgen hat, reicht, isoliert betrachtet, nicht für die Annahme des Fixschuldcharakters aus.849 In Gesamtschau aller Umstände, 842

Insofern klarstellend Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 21; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 31; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 28; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 39; vgl. auch die Anmerkung von Sauthoff, IHR 2005, 21, 24 zu OLG Düsseldorf, 21. 4. 2004 – I-15 U 88/03, CISG-online Case No. 915 = IHR 2005, 24 ff. 843 Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 23. 844 Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 24; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 31; Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 33; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 21; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 19; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-289; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 25 Rn. 144; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 22; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 110 f.; Zeller, 11 V.J. (2007) 219, 228. 845 OLG Düsseldorf, 21. 4. 2004 – I-15 U 88/03, CISG-online Case No. 915, Erw. II.1.b) aa) = IHR 2005, 24; vgl. ferner bereits OLG Düsseldorf, 24. 4. 1997 – 6 U 119/93, CISG-online Case No. 385, Erw. II.2.a) („[…] erforderlich ist insoweit vielmehr, daß die genaue Einhaltung des Liefertermins für den Käufer von besonderem Interesse ist, und zwar so, daß der Käufer lieber überhaupt keine Lieferung als verspätete Lieferung haben will, und daß dies für den Verkäufer bei Vertragsschluß erkennbar ist.“) und so auch BundesG (Schweiz), 2. 4. 2015, CISG-online 2595, Erw. 8.1 sowie OLG Hamm, 12. 11. 2001 – 13 U 102/01, CISG-online Case No 1430 Erw. III.1.b). Zu der Frage, ob mit der Vereinbarung einer CIF-Klausel ein Fixgeschäft einhergeht, vgl. Magnus/Lüsing, IHR 2007, S. 1 ff.; Ostendorf, IHR 2009, 100 ff.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-290. 846 Pretura circondariale di Parma (Italien), 24. 11. 1989, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/ 891124i3.html (Verkäufer wurde mit entsprechender Formulierung die Wesentlichkeit bewusst gemacht. Er lieferte dennoch auch nach zwei Monaten nicht.). 847 Rechtbank van Koophandel Kortrijk (Belgien), 4. 6. 2004, CISG-online Case No. 945 (Zugesagte Lieferung „in der nächsten Woche“ wurde auch nach zwei Monaten nicht erbracht.). 848 OLG Köln, 24. 4. 2013 – 16 U 106/12, CISG-online Case No. 2480, Erw. 2.3 (Rz. 39). 849 OLG Hamm, 12. 11. 2001 – 13 U 102/01, CISG-online Case No. 1430, Erw. III.1.b) (Neben Betrachtung der Umstände des Vertragsschlusses wies v. a. „[d]ie Formulierung in der Bestellung „schnellstmöglich“ […] ebenfalls nicht auf ein Fixgeschäft hin, weil sie nicht – etwa im Gegensatz zu der Formulierung „spätestens“ – die ganz erhebliche Bedeutung der Einhaltung einer festen Lieferzeit unterstreicht.“); vgl. auch BundesG (Schweiz), 2. 4. 2015, CISG-

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Teil 3: Einzelbetrachtung

insbesondere der konkretisierenden Parteivereinbarung, dass „schnellstmöglich“ im Sinne von „unmittelbar nach Eingang der Anzahlung von 20 %“ zu verstehen sei, wurde der entsprechende Verstoß des Verkäufers aber durchaus als wesentliche Vertragsverletzung gewertet.850 Die Wesentlichkeit der Einhaltung der Lieferfrist wird ferner bejaht: im Falle der Kenntnis des Verkäufers, dass der Käufer ein besonderes Interesse an der Einhaltung hatte,851 z. B. weil der Käufer selbst Lieferfristen beim Weiterverkauf zu wahren hat;852 bei Ankündigung, dass der Käufer die Geschäftsaufgabe plant;853 wenn der Marktpreis der Ware oder daraus herzustellender Produkte sehr volatil ist und eine Lieferverzögerung mit entsprechend schwerwiegenden Einbußen einhergehen kann854 und im Falle, dass die Brauchbarkeit bzw. Verwertbarkeit der Ware offensichtlich stark saisonal bedingt ist,855 was online Case No. 2595, Erw. 8.1 (Trotz Formulierung „latest“ betreffend den Lieferzeitpunkt wurde in Gesamtschau mit dem Verhalten der Käuferin (Verlängerung eines Akkreditivs) das fortbestehende Durchführungsinteresse angenommen.). 850 OLG Düsseldorf, 21. 4. 2004 – I-15 U 88/03, CISG-online Case No. 915, Erw. II.1.b) aa) = IHR 2005, 24 ff. 851 ICC Court of Arbitration (Basel), Schiedsspruch Nr. 8128 (1995), http://cisgw3.law. pace.edu/cases/958128i1.html (Käufer hatte den Verkäufer schriftlich darauf hingewiesen, dass er [Käufer] bei Lieferverzögerung ggü. seinem Absatzpartner Vertragsstrafen zahlen müsse); LG Hamburg, 23. 10. 1995 – 419 O 85/95, CISG-online Case No. 395; Pretura circondariale di Parma (Italien), 24. 11. 1989, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/891124i3.html (Vereinbarte Lieferung „innerhalb von 10 – 15 Tagen“ und Käufer wies immer wieder auf sein besonderes Interesse an umgehender Lieferung hin. Keine Lieferung auch nach 2 Monaten war dementsprechend wesentliche Vertragsverletzung.). 852 HandelsG Zürich (Schweiz), 25. 6. 2007, CISG-online Case No. 1564, Erw. IV.2.c)aa) = IHR 2008, 31, 32; Ontario Superior Court of Justice (Kanada), 6. 10. 2003, http://www.unilex.in fo/case.cfm?id=1189, s. insb. Erw. 5 und 32 f.; BundesG (Schweiz), 15. 9. 2000, CISG-online Case No. 770, Erw. C.2.c)aa); LG Hamburg, 23. 10. 1995 – 419 O 85/95, CISG-online Case No. 395 (Käuferin hatte Verkäuferin explizit mitgeteilt, dass man sich bei Überschreitung des Liefertermines mit einem Deckungskauf behelfen müsse, um eigene Verpflichtungen ggü. Dritten einhalten zu können.). 853 OLG Karlsruhe, 20. 7. 2004 – 17 U 136/03, CISG-online Case No. 858, Erw. II.B)2.c) (Käuferin hatte „[…] explizit darauf hingewiesen, dass es sich wegen Geschäftsaufgabe um den letzten Auftrag und einen für sie fixen Liefertermin handele.“). 854 BundesG (Schweiz), 15. 9. 2000, CISG-online Case No. 770, Erw. C.2.c)aa); Valero Marketing & Supply ./. Greeni Oy, U.S. D.C. [New Jersey], 4. 4. 2006, http://cisgw3.law.pace. edu/cases/060404u1.html, Erw. III.B. (Da die Lieferung nur zwei Tage zu spät erfolgte wurde die Wesentlichkeit angesichts insignifikanter Preisschwankungen aber verneint.); a. A. OLG Hamm, 12. 11. 2001 – 13 U 102/01, CISG-online Case No. 1430, Erw. III.1.b) (Preisschwankung könnte auch vorteilhaft für Käufer sein). 855 Ontario Superior Court of Justice (Kanada), 6. 10. 2003, http://www.unilex.info/case. cfm?id=1189 (Verkäufer ist bekannt, dass das zu liefernde Isolationsmaterial vom Käufer witterungsbedingt nur in einem kurzen Zeitfenster an seinem Bestimmungsort in der Arktis verbaut werden kann); Corte d’Appello di Milano (Italien), 20. 3. 1998, CISG-online Case No. 348 (Ware war für Jahresschlussverkauf vorgesehen); ferner obiter dictum bei OLG Düsseldorf, 24. 4. 1997 – 6 U 87/96, CISG-online Case No. 385, Erw. II.2.a) und OLG Hamm, 12. 11. 2001 – 13 U 102/01, CISG-online Case No. 1430, Erw. III.1.b) (Die zeitlich eingeschränkte Verwertbarkeit von Saisonware ist ein zu beachtender „wirtschaftlicher Hinter-

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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letztlich ein dem Verkäufer bekanntes besonderes Interesse des Käufers an der pünktlichen Lieferung darstellt. Abgelehnt wird die Wesentlichkeit nach allgemeiner Auffassung in der Rechtsprechung, wenn der Käufer durch Annahme oder nochmaliges Lieferbegehren trotz Fristüberschreitung suggeriert, dass sein Durchführungsinteresse gerade nicht entfallen ist und die Vereinbarung zum Lieferzeitpunkt somit keinen Fixschuldcharakter hat.856 Ebenso wurde das Vorliegen einer wesentlichen Pflichtverletzung in einem Fall verneint, in dem sich die Käuferin mit der Verlängerung eines Akkreditivs über den ursprünglichen Liefertermin hinaus einverstanden erklärt hatte, weshalb das Durchführungsinteresse mit Lieferverzug noch nicht entfallen sei.857 Dass ein Kaufgeschäft nicht mit der exakten Einhaltung der Lieferfrist steht und fällt, kann sich neben den Umständen der Vertragsverhandlungen auch aus der gängigen „flexiblen“ Geschäftspraxis (vgl. Art. 9 CISG) ergeben.858 Ferner ist die Wesentlichkeit abzulehnen, wenn der Käufer angesichts der Tatsache, dass er selbst ständigen Handel mit entsprechender Ware betreibt, diese auch nach deutlicher Lieferverzögerung (hier 14 statt der üblichen acht Wochen) problemlos absetzen kann859 oder wenn die Verzögerung so gering ist, dass das Durchführungsinteresse offensichtlich nicht beeinträchtigt wird.860 grund“, der bei Lieferverzögerung eine wesentliche Vertragsverletzung begründen kann.); LG München II, 20. 2. 2002 – 10 O 5423/01, CISG-online Case No. 712, Erw. I.2.b) = IHR 2003, 24, 25; ICC International Court of Arbitration (Zürich), 1. 1. 1997, CISG-online Nr. 749 („In the event of a delivery of seasonal products such as in the fashion industry, late delivery is a typical case of fundamental breach of contract.“) und BundesG (Schweiz), 15. 9. 2000, CISG-online Case No. 770, Erw. C.2.c)aa). 856 OLG Düsseldorf, 24. 4. 1997 – 6 U 87/96, CISG-online Case No. 385, Erw. II.2.a) (Entgegennahme trotz viermonatiger Verzögerung und weiteres Lieferungsbegehren trotz Verzögerung.); LG Oldenburg, 27. 3. 1996 – 12 O 2541/95, CISG-online Case No. 188, Erw. II; OLG München, 8. 2. 1995 – 7 U 1720/94, CISG-online Case No. 143, Erw. IV.1. (Keine wesentliche Vertragsverletzung, da „die Klägerin nachfolgend durch die Aufforderung an die Beklagte, die Fahrzeuge zum Abtransport bereitzustellen, zu erkennen gegeben hat, dass die Einhaltung des Termins für sie nicht von derartiger Bedeutung war, dass ihr Interesse an der Vertragsdurchführung damit ,steht und fällt‘.“); AG Nordhorn, 14. 6. 1994 – 3 C 75/94, CISGonline Case No. 259, Erw. II. (Trotz Verstoß gegen die Vereinbarung „vor Ferienbeginn, nicht später“ wurde Warenlieferung auch nach dem vereinbarten Lieferzeitpunkt vom Käufer verlangt und schließlich abgenommen.). 857 BundesG (Schweiz), 2. 4. 2015, CISG-online 2595, Erw. 8.1. 858 Macromex ./. Globex International, American Arbitration Association, 23. 10. 2007, CISG-online Case No. 1645, Erw. II.A. (Beweis entsprechender Geschäftspraxis wurde aber nicht erbracht.). 859 Turku Court of Appeal (Finnland), 18. 2. 1997, CISG-online Case No. 1297 (Käufer handelte selbst im ständigen Geschäftsbetrieb mit der Ware.). 860 AG Ludwigsburg, 21. 12. 1990 – 4 C 549/90, CISG-online Case No. 17 (Der Vereinbarte Liefertermin für Damenbekleidung ,Livraison: 1 – 15/07/89 FIXE.O.N.‘ wurde lediglich um zwei Tage überschritten, was die Absatzmöglichkeit nicht beeinträchtigte.); LG Oldenburg, 27. 3. 1996 – 12 O 2541/95, CISG-online Case No. 188, Erw. II (Verzögerung nur eines Teiles der Lieferung um einen Tag).

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Teil 3: Einzelbetrachtung

c) „Wesentliche“ Lieferverzögerung auch ohne Fixschuldcharakter des Geschäfts? Die h. M. in Literatur und Rechtsprechung nimmt in engen Grenzen an, dass die verzögerte Warenlieferung u. U. auch dann eine wesentliche Vertragsverletzung darstellen kann, wenn der vereinbarte Lieferzeitpunkt ursprünglich keinen Fixschuldcharakter hatte bzw. zum Lieferzeitpunkt gar keine Abrede getroffen wurde: Bei „unzumutbar lange[r] Verspätung, die der Nichtlieferung gleichkommt“861 ist die Verzögerung schlechthin so schwerwiegend, dass sie das Durchführungsinteresse entfallen lässt und somit in eine wesentliche Vertragsverletzung umschlägt, die dann etwa zur Aufhebung auch ohne Nachfristsetzung berechtigt.862 Problematisch daran ist, dass hier durch Annahme der „Wesentlichkeit“, ohne entsprechende Abreden oder unmittelbare Geschäftsumstände, die einen Fixschuldcharakter nahelegen, das Fristsetzungserfordernis in Art. 49 lit. b CISG unterlaufen werden könnte.863 Das Durchführungsinteresse ist schließlich nicht unmittelbar mit der Lieferverzögerung entfallen und der Käufer hätte anfangs durchaus noch eine Nachfrist setzen können. Rechtsunsicherheitsrisiken bei der Grenzziehung zwischen der in diesem Sinne „erheblichen Terminüberschreitung“864 und einer solchen („unwesentlichen“), die

861

Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 23. Tribunal of International Commercial Arbitration at the Ukraine Chamber of Commerce and Trade, 18. 11. 2004, CISG-online Case No. 1371, Erw. 5 (15 Monate Lieferverzug); Rechtbank van Koophandel Kortrijk (Belgien), 4. 6. 2004, CISG-online Case No. 945 (Zugesagte Lieferung „in der nächsten Woche“ wurde auch nach 2 Monaten nicht erbracht.); Pretura circondariale di Parma (Italien), 24. 11. 1989, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/891124i3.html (nach zwei Monaten fehlten immer noch 2/3 der Ware); vgl. auch Tribunale di Padova (Italien), 11. 1. 2005, CISG-online Case No. 967; OLG Düsseldorf, 21. 4. 2004 – I-15 U 88/03, CISGonline Case No. 915, Erw. II. 1.b)aa) = IHR 2005, 24, 26 und obiter dictum bei BundesG (Schweiz), 15. 9. 2000, CISG-online Case No. 770, Erw. C.2.c)aa); ICC Court of Arbitration (Basel), Schiedsspruch Nr. 8128 (1995), http://cisgw3.law.pace.edu/cases/958128i1.html und LG Halle, 27. 3. 1998 – 14 O 458/97, CISG-online Case No. 521, Erw. B.I.; Achilles, Art. 25 Rn. 10; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 21; Honnold/Flechtner, Rn. 307; Honsell/ Gsell, Art. 25 Rn. 35; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 31; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-288; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Commentary, Art. 49 Rn. 5; Staudinger/ Magnus, Art. 25 Rn. 23; Witz/Salger/Lorenz/Salger, Art. 25 Rn. 9; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 110; verhalten MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 34 („[…] nicht über jede Kritik erhaben, aber letztlich wohl richtig.“); ferner Schmidt-Kessel, RIW 1996, 60, 63 („Außerdem ist denkbar, bei einer extremen Überschreitung des Liefertermins eine wesentliche Vertragsverletzung anzunehmen.“). Zurückhaltend: Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 40 ([…] this approach is doubtful, since it may lead to a circumvention of the legal prerequisites of Article 47(1), 49(1)(b) […]“). 863 Vgl. MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 34; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 40; Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 78. 864 Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 35. 862

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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die Nachfristsetzung nicht entbehrlich macht, werden letztlich durch die Beschränkung auf wirkliche Extremfälle865 abgeschwächt.866 Des Weiteren dürfte die praktische Relevanz und mithin die Brisanz im Kontext der Rechtssicherheitserwägungen dadurch relativiert werden, dass der Käufer im wesentlichen Teil der Fälle, in denen es sich nicht um ein Fixgeschäft oder fixähnliches Geschäfts handelt, aus schlichtem Eigeninteresse eine (Nach-)Frist setzen und es nicht unversehens zu so extremen Verzögerungen kommen lassen wird, ohne zwischenzeitlich das fortbestehende Interesse an der Leistung kund zu tun. Schließlich besteht sein Leistungsinteresse fort. Die überwiegende Zahl der Fälle lässt sich sodann gemäß Art. 49 lit. b) CISG lösen. Den Weg über den Tatbestand einer wesentlichen Vertragsverletzung im Sinne von Art. 49 lit. a i. V. m. Art. 25 CISG bedarf es dann gar nicht, da auf den erfolglosen Fristablauf abgestellt werden kann.867 Zusammengefasst dürften die Konstellationen äußerst selten sein, in denen der Käufer bis in den sehr restriktiv verstandenen Bereich einer „extremen“ Überschreitung keine Nachfrist setzt und auf ein Aufhebungsrecht gemäß Art. 49 lit. a CISG angewiesen ist, was das Rechtsunsicherheitspotential somit deutlich abschwächt. 3. Lieferung vertragswidriger Ware Die bedeutendste Fallgruppe wesentlicher Vertragsverletzungen in der Praxis stellt die Lieferung vertragswidriger Ware dar.868 Sowohl Literatur als auch Rechtsprechung haben sich intensiv mit der zentralen Frage beschäftigt, wann die Mangelhaftigkeit das Ausmaß einer wesentlichen Vertragsverletzung annimmt und dabei weitestgehend869 einheitliche Leitlinien festgelegt. Recht unproblematisch gestaltet sich wiederum die Handhabung der Fälle, in denen die Parteien selbst ohne Gebrauch vorformulierter Geschäftsbedingungen vertraglich vereinbaren (Art. 6 CISG), welche Vertragsverletzungen (hier Mängel) eine jeweils wesentliche im Sinne von Art. 25 CISG darstellen.870 Auf Grundlage 865

Vgl. die in Teil 3 Fn. 862 genannten Zeiträume aus der Rechtsprechung. So ausdrücklich Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 35; vgl. auch Schmidt-Kessel, RIW 1996, 60, 63 („[…] bei einer extremen Überschreitung des Liefertermins […]“). I. E. auch die weiteren Nachweise in Teil 3 Fn. 862. 867 Ähnlich Schmidt-Kessel, RIW 1996, 60, 63 und entsprechend auch Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 110; vgl. in dieser Richtung auch Achilles, Art. 25 Rn. 10 und MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 34. 868 Vgl. Zeller, 11 V.J. (2007) 217, 226 („Case law – not suprisingly – lists the delivery of defective goods as the most commonly recurring situation in determining whether a fundamental breach has occurred.“); in diesem Sinne etwa auch Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 43 („[…] an issue frequently litigated before courts and arbitration tribunals is what degree of non-conformity constitutes a fundamental breach […]“.). 869 Zu den Einschränkungen sogleich § 9 F.I.3.d). 870 Zu diesem allgemeinen Hinweis bereits oben § 9 E.III. 866

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Teil 3: Einzelbetrachtung

ausdrücklicher Abreden, hilfsweise durch Auslegung bestimmter Beschaffenheitsvereinbarungen (Art. 8 Abs. 2, 3 CISG),871 lässt sich direkt beurteilen, ob die Parteien die strittige Abweichung der Ist- von der Soll-Beschaffenheit als wesentlich hervorgehoben bzw. qualifiziert haben.872 Solche Abreden zur Wesentlichkeit kommen in der Praxis durchaus vor,873 sind aber insgesamt eher selten.874 Daher kommt es im Regelfall (gegebenenfalls zusätzlich) auf die Gewichtung der Mangelhaftigkeit anhand nachfolgender Kriterien an. Im Falle der Schlechtlieferung – im Gegensatz zu dem der Nichtlieferung – gilt dies umso mehr, da sich hier die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung gerade nicht durch Setzung einer Nachfrist und deren Ablauf „erzwingen“875 lässt.876 Dies folgt im Umkehrschluss aus dem eindeutigen Wortlaut von Art. 49 Abs. 1 lit. b CISG, der explizit nur bei „Nichtlieferung“ ein Aufhebungsrecht nach erfolgloser Fristsetzung gewährt.877 a) Behebbarkeit Solange der Mangel noch durch eine dem Käufer zumutbare Nacherfüllung behoben werden kann und der Verkäufer dazu auch tatsächlich bereit878 und imstande ist – und zwar innerhalb eines Zeitraumes, dessen Umfang nicht selbst den Grad einer

871 So etwa bei BundesG (Schweiz), 23. 9. 2013, CISG-online Case No. 2560, Erw. 3.2 (Zu der Vereinbarung einer bestimmten Zugfestigkeit von Walzdraht.). 872 Achilles, Art. 25 Rn. 3; Freiburg, Das Recht der Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 101; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 40 f.; MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 36; MüKoHGB/Benicke, Art. 25 Rn. 34; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 44 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 25 Rn. 83; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 26. Vgl. auch BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.c)cc) = NJW 1996, 2364, 2366. 873 Beispiele aus der Rechtsprechung bei Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 45. 874 Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 26. 875 Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 25. 876 Mit diesem Hinweis auch Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 39; Zeller, 11 V.J. (2007) 219, 228. 877 Vgl. dazu bereits oben und ferner nur Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 49 Rn. 11; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Bach, Art. 49 Rn. 53; Lurger, IHR 2001, 91, 98; MüKo-HGB/Benicke, Art. 49 Rn. 6 f., 41; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-263; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 25 Rn. 167; Schlechtriem/Schwenzer/ Müller-Chen, Commentary, Art. 49 Rn. 15; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 25, Art. 49 Rn. 21; verkannt noch bei OLG Düsseldorf, 10. 2. 1994 – 6 U 119/93, CISG-online Case No. 115 = NJW-RR 1994, 506, 506. 878 Die unberechtigte Verweigerung der Nacherfüllung kommt der Erfüllungsverweigerung insgesamt gleich und stellt eindeutig eine wesentliche Vertragsverletzung dar, s. o. zur endgültigen Nichtleistung (§ 9 F.I.1.). Vgl. dazu auch Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 48, 2. Abs. und Leisinger, Fundamental Breach, S. 76 f.

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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wesentlichen Lieferverzögerung erreicht879 – scheidet nach herrschender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur eine wesentliche Vertragsverletzung (allein aufgrund der Mangelhaftigkeit) aus.880 Dem Käufer ist dann schließlich nicht, jedenfalls noch nicht,881 im Wesentlichen entgangen, was er „nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen“882 – sein Durchführungsinteresse entfällt insofern nicht automatisch.883 Dies

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Eingehend zum zeitlichen Rahmen, in dem die Nacherfüllung vollzogen werden muss, um eine wesentliche Vertragsverletzung zu vermeiden, Leisinger, Fundamental Breach, S. 73 ff.; vgl. etwa auch Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 116. 880 BGH, 24. 9. 2014 – VIII ZR394/12, CISG-online Case No. 2545, Rz. 28; OGH (Österreich), 22. 11. 2011, CISG-online Case No. 2239, Erw. 3.3; BundesG (Schweiz), 18. 5. 2009, CISG-online Case No. 1900, Erw. 7.1 = IHR 2010, 27, 28; Tribunale di Forlì (Italien), 9. 12. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/081211i3.html (dort fälschliche Datumsangabe 11. 12. 2008), Erw. 3.4; OLG Linz (Österreich), 18. 5. 2011, CISG-online Case No. 2443; OLG Köln, 14. 10. 2002 – 16 U 77/01, CISG-online Case No. 709 = IHR 2003, 15, 16 („Selbst ein schwerwiegender Mangel stellt dann keine wesentliche Vertragsverletzung dar, wenn der Verkäufer zur Nachlieferung ohne unzumutbare Belastung für den Käufer bereit ist.“); LG München I, 27. 2. 2002 – 5 HK O 3936/00, CISG-online Case No. 654; HandelsG Aargau (Schweiz), 5. 1. 2002, CISG-online Case No. 715, Erw. 4.b)aa) = IHR 2003, 178, 179 f. („Nach Lehre und Rechtsprechung zum UN-Kaufrecht stellt daher auch ein objektiv schwerwiegender Mangel keine wesentliche Vertragsverletzung dar, wenn es sich um einen behebbaren Mangel handelt und der Verkäufer bereit ist, diesen zu beheben, ohne dass dem Käufer dadurch unzumutbare Verzögerungen oder Belastungen entstehen.“); OLG Koblenz, 31. 1. 1997 – 2 U 31/ 96, CISG-online Case No. 256 = IHR 2003, 172, 175 („Selbst ein schwerwiegender Mangel stellt dann keine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne dieser Bestimmung dar, wenn der Verkäufer zur Nachlieferung ohne unzumutbare Belastung des Käufers bereit ist.“); LG Regensburg, 17. 12. 1998 – 6 O 107/98, CISG-online Case No. 514 (Maßgeblich auf die Nacherfüllungsbereitschaft der Verkäuferin abstellend.); HandelsG Zürich (Schweiz), 26. 4. 1995, CISG-online Case No. 248, Erw. III.3.d) („Im übrigen dürfte es sich dabei auch nicht um einen wesentlichen Mangel im Sinne von Art. 49 CISG gehandelt haben, da er gemäss der von der Beklagten eingereichten Expertise leicht hätte behoben werden können […].“); ICC Court of Arbitration, Schiedsspruch Nr. 7754 (1995), CISG-online Case No. 834; Cour d’Appel de Grenoble (Frankreich), 26. 4. 1995, CISG-online Case No. 154; BezirksG Lugano (Schweiz), 27. 4. 1992, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/920427s1.html, Erw. 2 a. E. In der Literatur eingehend Leisinger, Fundamental Breach, S. 58 ff.; ferner Achilles, Art. 25 Rn. 7; CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.4, IHR 2006, 35, 49; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 18; Honnold/Flechtner, Rn. 184; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 43; Lurger, IHR 2001, 91, 98; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 24 ff.; MüKo/Huber, Art. 49 Rn. 28; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 41; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-279; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 48, 50; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Commentary, Art. 49 Rn. 15; Schwenzer, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 437, 439; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 26, Art. 48 Rn. 30; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 116. Zur käuferfreundlicheren (wohl mittlerweile) M. M., nach der die Behebbarkeit des Mangels nicht zu berücksichtigen sei: Freiburg, Das Recht der Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 104 f. (letztlich die Nachbesserungsmöglichkeit aber nach Treu und Glauben, Art. 7 CISG, doch berücksichtigend); Holthausen, RIW 1990, 101, 103; Karollus, UN-Kaufrecht, S. 142 f.; Neumayer, RIW 1994, 99, 105 f.; wohl auch Ebenroth, JBl 1986, 681, 693. 881 CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.4, IHR 2006, 35, 39 („ […] there is not yet a fundamental breach.“). 882 Art. 25 CISG.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

kann nur gelten, sofern ausschließlich der Mangel den Ansatzpunkt einer möglicherweise wesentlichen Vertragsverletzung darstellt. Dass auch die Lieferung von Ware mit behebbaren Mängeln unter Art. 25 CISG zu subsumieren sein kann, ist nicht schlechthin ausgeschlossen.884 Nur bedarf es dafür (die entsprechende Nacherfüllungsbereitschaft des Verkäufers und dessen Zumutbarkeit immer vorausgesetzt) weitergehender Pflichtverletzungen: etwa den Verstoß gegen eine vertraglich vereinbarte „wesentliche“ Soll-Beschaffenheit,885 von der per se nicht abgewichen werden darf, eines wesentlichen Lieferverzugs bzw. „Nacherfüllungsverzugs“886, den Verstoß gegen eine wesentliche Pflicht zur Dokumentenübergabe887 u. s. w. b) Zumutbare Nutzungs- bzw. Verwertungsmöglichkeit Handelt es sich um einen nicht behebbaren Mangel oder die Nacherfüllung wird verweigert bzw. scheitert, so erfordert das Überschreiten der Wesentlichkeitsschwelle nach der ganz herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur zusätzlich, dass der Käufer die Ware auch nicht in zumutbarer Weise nutzen bzw. verwerten kann, wie der BGH ausdrücklich feststellt,888 sie für ihn also tatsächlich „völlig unverwertbar“ ist.889 Nur dann wiegt der Mangel so schwer, dass er das 883 So explizit etwa auch HandelsG Aargau (Schweiz), 5. 11. 2002, CISG-online Case No. 715, Erw. 4.b)aa) = IHR 2003, 178, 179 („Denn solange und sofern (auch) ein schwerwiegender Mangel durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung noch behoben werden kann, ist die Erfüllung durch den Verkäufer noch möglich und das wesentliche Erfüllungsinteresse des Käufers noch nicht definitiv gefährdet.“). 884 Zu dieser Klarstellung s. etwa auch Lurger, IHR 2001, 91, 98 f.; Staudinger/Magnus, Art. 48 Rn. 30; Freiburg, Das Recht der Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 102 ff. und eingehend MüKo/Huber, Art. 49 Rn. 28 ff.; Schwenzer, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 437, 439; Staudinger/Magnus, Art. 48 Rn. 27 („Die Behebbarkeit kann, muss aber nicht die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung ausschließen.“); Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 116. 885 Beispielsweise die Vereinbarung, dass es sich um „Neuware ohne jegliche Nachbesserungen“ handeln muss. 886 Eingehend zur Bedeutung des zeitlichen Rahmens der Nacherfüllung Leisinger, Fundamental Breach, S. 73 ff.; vgl. entsprechend auch die Ausführungen zum Lieferverzug, § 9 F.I.2. 887 Dazu sogleich § 9 F.I.5. 888 BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.c)dd) = NJW 1996, 2364, 2366 („Auch wenn nämlich – wie vorliegend – eine Nachbesserung ausscheidet, bedeutet dies nicht zwangsläufig und unabhängig von Art und Umfang des Mangels, daß damit das Erfüllungsinteresse des Käufers im wesentlichen entfällt. […] Entscheidend sind stets die Umstände des Einzelfalles (Nachweise); dazu gehört vor allem auch die Möglichkeit einer zumutbaren anderweitigen Verwertung.“); so zuletzt auch BGH, 24. 9. 2014 – VIII ZR394/12, CISG-online Case No. 2545, Rz. 27; vgl. i. Ü. die Nachweise zu den folgenden Einzelerwägungen. 889 So der Wortlaut bei OLG Düsseldorf, 23. 1. 2004 – I-17 U 110/02, CISG-online Case No. 918; vgl. ferner OGH (Österreich), 22. 11. 2011, CISG-online Case No. 2239, Erw. 5.2; OLG Linz (Österreich), 18. 5. 2011, CISG-online Case No. 2443; BundesG (Schweiz), 18. 5. 2009, CISG-online Case No. 1900, Erw. 7.1 = IHR 2010, 27, 28 („[…] so dass die Ware

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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Durchführungsinteresse entfallen lassen kann; d. h. die Annahme einer wesentlichen Vertragsverletzung als ultima ratio ist gerechtfertigt, weil die beeinträchtigten Käuferinteressen allein durch Minderung und Schadensersatz nicht mehr ausreichend kompensiert werden können.890 Bei der konkreten Beurteilung, ob eine zumutbare Verwertungsmöglichkeit besteht, wird zuweilen nach der Situation bzw. dem vom Käufer vorgesehenen Verwendungszweck differenziert, um auf Grundlage dieser Kategorisierung die Einzelfallbeurteilung zu vereinfachen:891 Erwirbt der Käufer die Ware als „Investitionsgut“892, d. h. sie ist zur Nutzung im eigenen Betrieb o. ä. bestimmt,893 so ist ein Mangel dann wesentlich, wenn die Möglichkeit zur eigenen sachgerechten Nutzung für ihn nicht mehr besteht, auch nicht in möglicherweise bestehenden anderen Betätigungs- bzw. Geschäftsfeldern des Käufers, z. B. der Produktion anderer Güter im Sortiment.894 Dies wurde etwa im Falle der Lieferung mangelhafter Maschinen praktisch unbrauchbar oder unverkäuflich oder ihr Weiterverkauf jedenfalls unzumutbar ist.“), die ausführlichen Erwägungen der vorigen Instanz (ZivilG Basel Stadt (Schweiz), 8. 11. 2006, CISG-online Case No. 1731, Erw. 4.1 ff.) bestätigend; OLG Hamburg 25. 1. 2008 – 12 U 39/00, CISG-online Case No. 1681, Erw. II.1.d)bb) = IHR 2008, 98; 100 („Bei der Lieferung mangelhafter Ware muss die Ware für den Käufer weitgehend ohne Interesse sein […]. Kann er sie, wenn auch unter Einschränkungen, nutzen, wird eine wesentliche Vertragverletzung in der Regel verneint.“); KantonsG Zug (Schweiz), 30. 8. 2007, CISG-online Case No. 1722, Erw. 4.1 („Die Nichtbehebbarkeit eines Mangels bedeutet nicht stets, dass ein wesentlicher Vertragsbruch geschehen ist, denn bei der ,Wesentlichkeit‘ ist auch zu berücksichtigen, ob den Erwartungen des Käufers mit einem Schadensersatzanspruch oder mit Minderung vollständig entsprochen oder ob ihm eine Verwertung der mangelhaften Ware, gegebenenfalls kombiniert mit Minderung oder Schadenersatz, zugemutet werden kann, so dass deshalb die auf Wesentlichkeit des Vertragsbruch abstellenden Rechtsbehelfe versagt werden können.“); LG München I, 27. 2. 2002 – 5 HK O 3936/00, CISG-online Case No. 654; BundesG (Schweiz), 22. 10. 1998, CISG-online Case No. 413, Erw. 2.b)f. (unter Bezugnahme auf den BGH); OLG Frankfurt a. M., 18. 1. 1994 – 5 U 15/93, CISG-online Case No. 123 = NJW 1994, 1013, 1014 („An einer wesentlichen Vertragsverletzung kann es beispielsweise fehlen, wenn der Käufer letztlich nicht einwandfreie Ware zumutbar verwerten kann.“); Benicke, IPRax 1997, 326, 329; CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.3, IHR 2006, 35, 38 f.; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 18; Freiburg, Das Recht der Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 101 f.; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 43; Honnold/Flechtner, Rn. 181.2; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 22; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 43 f.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-281; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 50 f.; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 26 („[…] Ware praktisch unbrauchbar oder unverkäuflich oder ihr Weiterverkauf jedenfalls nicht zumutbar“); Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 115 ff. 890 Vgl. Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 18; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 44; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 22. 891 Vgl. dazu auch ausführlich Leisinger, Fundamental Breach, S. 45 ff., s. auch CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.3, IHR 2006, 35, 38 f.; Schwenzer, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 437, 438. 892 MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 36. 893 Vgl. auch Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 46 („bought as equipment for the buyer’s business“). 894 Vgl. CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.3, IHR 2006, 35, 38 f.; Ferrari/ Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 18; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 44; Lurger, IHR 2001, 91,

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Teil 3: Einzelbetrachtung

angenommen, deren Produktionsleistung bzw. Produktqualität bedeutend hinter der vereinbarten bzw. objektiv zu erwartenden (Art. 8 Abs. 2, 3 CISG) zurückblieb.895 Eine Weiterveräußerung ist hier zumeist unzumutbar, da der Käufer selten einen derartigen gewöhnlichen Geschäftsbetrieb pflegt, in dem mit entsprechenden Investitionsgütern zugleich auch gehandelt wird. Die Bürde eines für ihn geschäftsfremden Verkaufs außerhalb seines üblichen Betätigungsfeldes ist vor diesem Hintergrund nicht gerechtfertigt.896 Erfolgt der Kauf dagegen zum Zwecke der Verarbeitung oder des Absatzes, „[…] so kommt es darauf an, ob eine anderweitige Verarbeitung oder der Absatz der Ware im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, wenn auch etwa mit einem Preisabschlag, ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich und zumutbar ist“897, wie es mit dem BGH auch die h. M. in der Literatur898 und der Großteil der Rechtsprechung899 hervor97; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 36; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 46, 56; Schwenzer, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 437, 438; auch BundesG (Schweiz), 18. 5. 2009, CISG-online Case No. 1900, Erw. 7.1 = IHR 2010, 27, 28 (Wortlaut in Teil 3 Fn. 896). 895 BundesG (Schweiz), 18. 5. 2009, CISG-online Case No. 1900, Erw. 7.5 = IHR 2010, 27, 29 (Die Maschinenanlage erbrachte eine Produktionsleistung von 52 Flacons pro Minute, statt den vereinbarten 180.); Cour d’appel Versailles (Frankreich), 29. 1. 1998, CISG-online Case No. 337 (Die Lieferung von Maschinen, die mangelhaft mit Blick auf die vereinbarten Produktionseigenschaften waren, welche auch nicht entsprechend korrigiert wurden, stellte letztlich eine wesentliche Vertragsverletzung dar, da die vorgesehene Herstellung von Automobilteilen entsprechend den vertraglich festgelegten und für den Weiterverkauf entscheidenden Parametern nicht möglich war und die Maschinen für den Käufer somit nutzlos waren.); LG Heilbronn, 15. 9. 1997 – 3 KfH O 653/93, CISG-online Case No. 562, Erw. I.2.1 (Käuferin bestellte als Möbelzulieferin eine Folien-Ummantelungsmaschine, die entgegen den bisher auf dem Markt verfügbaren Maschinen Möbel vierseitig und nicht nur dreiseitig verpacken können sollte – die Verwendung der vertragswidrigen gelieferten, nur dreiseitig arbeitenden Maschine, konnte der Käuferin nicht zugemutet werden, da sie entsprechendes Gerät bereits besaß und das Durchführungsinteresse gerade in Erlangung der technischen Neuerung lag.); Delchi Carrier./. Rotorex, U.S. D.C. [N.D. N.Y.], 9. 9. 1994, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/940909u1.html (Parteien einigten sich auf ein bestimmtes Kompressorenmodell, nach dem die weitere Produktion von Klimaanlagen durch den Käufer ausgerichtet wurde. Die Lieferung von anderen, an sich funktionstüchtigen Kompressoren, in Widerspruch zu der vereinbarten Beschaffenheit, stellte einen wesentlichen Vertragsbruch dar, da die Kompressoren für die vorgesehene Weiterverarbeitung gänzlich untauglich waren.). 896 Vgl. BundesG (Schweiz), 18. 5. 2009, CISG-online Case No. 1900, Erw. 7.1 = IHR 2010, 27, 29 („Bei der Prüfung der Frage, ob für den Käufer die Absetzbarkeit oder Verwertbarkeit der mangelhaften Ware noch zumutbar ist, ist insbesondere darauf abzustellen, ob der Käufer Wiederverkäufer (Händler) oder Produzent bzw. Endabnehmer für die jeweilige Ware ist. Die Verwendbarkeit bzw. Veräusserbarkeit minderwertiger Ware für einen Produzenten oder Endabnehmer, der nicht mit den bezogenen Komponenten oder Materialien handelt, wird in der Regel zu verneinen sein.“); ferner auch Nachweise in Teil 3 Fn. 894. 897 BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.c)aa) = NJW 1996, 2364, 2366. 898 Eingehend Leisinger, Fundamental Breach, S. 45 ff.; ferner: Achilles, Art. 25 Rn. 8; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 18; CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.3, IHR 2006, 35, 38 f.; Freiburg, Das Recht der Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht,

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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heben. Ist dies der Fall, so reichen zur Kompensation eines geringeren Verkaufspreises oder des zusätzlichen finanziellen Aufwandes der alternativen Verwertung bzw. der Suche anderweitiger Absatzwege durchaus Schadensersatz und Minderung;900 zudem bleibt beiden Parteien der aufwendige und kostspielige Rücktransport bzw. die Rückabwicklung als solche erspart.901 Im Einzelnen spielen bei der Beurteilung der Unzumutbarkeit, die Ware innerhalb des gewöhnlichen Geschäftsbetriebes anderweitig zu nutzen, verwerten bzw. ab-

S. 101; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 44; Honnold/Flechtner, Rn. 181.2; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 37; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 22; MüKo/Huber, Art. 49 Rn. 39; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 37 ff.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-281; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 46, 52; Schwenzer, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 437, 438; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 27; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 116. 899 Vgl. bereits BGH in Teil 3 Fn. 897 und diesem explizit folgend BundesG (Schweiz), 28. 10. 1998, CISG-online Case No. 413, Erw. 2.b) (vertragswidriger Zustand des gelieferten Fleischs – zu hoher Fett- und Wasseranteil – stellte keine wesentliche Vertragsverletzung dar, da der Käufer das im übrigen „qualitativ gut[e]“ Fleisch zu einem niedrigeren Preis in seinem ständigen Geschäftsbetrieb absetzen konnte); ferner OLG Düsseldorf, 9. 7. 2010 – I-17 U 132/ 08, CISG-online Case No. 2171, Erw. II.B.3.a)(2) (Mangelhafter Orangensaft konnte nicht, wie vorgesehen, als Direktsaft weiterverkauft werden. Auch die Weiterveräußerung als minderwertigeres Orangensaftkonzentrat wurde als unzumutbar angesehen, da der Käufer damit nicht die Schuld gegenüber seinen Endabnehmern erfüllen konnte.); KantonsG Zug (Schweiz), 30. 8. 2007, CISG-online Case No. 1722, Erw. 4.1, 4.2 (Von einer wesentlichen Vertragsverletzung „[…] kann daher nicht gesprochen werden, wenn eine anderweitige Verarbeitung im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb, wenn auch mit einem Preisabschlag, ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich und zumutbar ist.“ Vertragswidrige Handybauteile konnte der Käufer in preisgünstigere Modelle seines Sortiments einbauen, woraufhin die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung abgelehnt wurde. Vgl. auch den bereits zitierten Wortlaut der Entscheidung in Teil 3 Fn. 889); im Grundsatz gleich, aber mit zweifelhafter Schlussfolgerung für den streitgegenständlichen Sachverhalt LG München I, 29. 11. 2005 – 5 HK O 10734/02, CISG-online Case No. 1567 = RIW 2007, 146, 147 (Die Weiterveräußerung vertragswidrig zusammengefrorener und gebrochener Paprikastreifen sei nach der Argumentation des LG für die Großhändlerin (!) nicht zumutbar.); OLG Köln, 14. 10. 2002 – 16 U 77/01, CISG-online Case No. 709 = IHR 2003, 15, 16; OLG Stuttgart, 13. 3. 2001 – 5 U 216/99, CISG-online Case No. 841, Erw. III.1. (Vertragswidrig mit Glucosesirup versetztes Apfelsaftkonzentrat konnte zwar nicht für die vorgesehene Produktion von ,Apfelsaft‘ verwendet werden, wurde jedoch für die Produktion von geringwertigerem ,Apfelfruchtsaftgetränk‘ verwendet und weiterverkauft. Die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung wurde daher abgelehnt.); CIETAC (China), 1. 1. 2000, CISG-online Case No. 1614, Erw. 2. (71 % der Ware konnte der Käufer sogar ohne Anpassung seines Verkaufspreises trotz Mangelhaftigkeit absetzen); OLG München, 2. 3. 1994 – 7 U 4419/93, CISG-online Case No. 108, Erw. 3.b)aa) = NJW-RR 1994, 1075, 1076 (Die unbedeutende Abweichung der Zusammensetzung von Koks stand der erfolgten (!) Weiterveräußerung nicht entgegen.); vgl. auch ICC Court of Arbitration, Juni 1999, Schiedsspruch Nr. 9187, CISG-online Case No. 705 („In fact, the quality of the coke delivered was so low that the coke was rendered worthless to Claimant.“). 900 Freiburg, Das Recht der Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 101. 901 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 52.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

zusetzen, insbesondere der organisatorische und finanzielle Aufwand902 sowie die Gefahr des Imageverlusts903 in Folge des Verkaufs mangelhafter Ware eine Rolle.904 Der Absatz der Ware, auch zu Schleuderpreisen, wird ferner als unzumutbar betrachtet, wenn die Ware gesundheitsgefährdende bzw. -schädliche Eigenschaften905 aufweist,906 wofür neben dem Gefährdungspotential auch eine drohende Rufschädigung spricht. Ebenfalls als unverkäuflich wurde vermeintlich hochwertige Designermode für Frauen angesehen, die so „verschnitten“ war, dass sie allenfalls von Kindern hätte getragen werden können.907 Bezüglich der Lieferung von Bekleidung, die beim Waschvorgang um zwei Größen einging, wurde die zumutbare Verkaufs902 LG Baden-Baden, 14. 8. 1991 – 4 O 113/90, CISG-online Case No. 24 = RIW 1992, 62, 62 (Dem Käufer von Fließen war nicht zumutbar, jede Fließe einzeln zu untersuchen, zu sortieren und wieder zu verpacken.); Cour d’Appel Paris, 4. 6. 2004, CISG-online Case No. 872 (Die 5000 mangelhaften Schnellkochtöpfe aus der Gesamtlieferung von insgesamt 15.000 Töpfen hätten einzeln von Fachmännern aussortiert werden müssen.); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 54 nennt zudem das Beispiel eines unzumutbaren Absatzweges, sofern mit der Mafia gehandelt werden müsse oder die Kosten dermaßen hoch seien, dass sie keinesfalls über den Schadenersatzanspruch wiedererlangt werden könnten (vgl. zur Schadenersatzhöhe Art. 74 CISG); ähnlich auch MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 35. 903 In re: Siskiyou Evergreen, Inc., U.S. Bankruptcy Court [Distr. Oregon], 29. 3. 2004, CISG-online Case No. 1174; BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.c)dd)aa) = NJW 1996, 2364, 2366 (Vertragswidrige Lieferung von Ware aus Südafrika, deren Weiterverkauf angesichts des damaligen Handelsembargos z. Zt. der Apartheid hätte rufschädigend sein können, in der Sache aber nicht bewiesen.); LG Oldenburg, 6. 7. 1994 – 12 O 3032/93, CISG-online Case No. 254; LG Landshut, 5. 4. 1995, CISG-online Case No. 193, Erw. II.1.b) (Weiterverkauf von Kleidung, die nach dem Waschen um zwei Größen eingeht, nicht zumutbar, da damit der Verlust von Kunden einherzugehen droht.); vgl. auch AG Charlottenburg, 4. 5. 1994 – 7b C 34/94, CISG-online Case No. 386 (angesichts von schwerwiegenden Mängeln unverkäufliche Schuhe). 904 CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.3, IHR 2006, 35, 39; MüKo-HGB/ Benicke, Art. 25 Rn. 37; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-281; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 54 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 27; ausführlich Leisinger, Fundamental Breach, S. 43 ff. 905 Cour d’Appel Paris, 4. 6. 2004, CISG-online Case No. 872 (Die Nutzung der mangelhaften Schnellkochtöpfe war „gefährlich für ihre Nutzer“.); LG Frankfurt a. M., 11. 4. 2005 – 2-26 O 264/04, CISG-online Case No. 1014, Erw. 2.a) = IHR 2005, 162, 163 (Unzumutbare Weiterveräußerung von Schuhen, die wegen ihres „[…] schlechten und unhygienischen Zustand[s] […] für den ugandischen Markt nicht akzeptabel sind.“); AppellationsG Kanton Basel-Stadt (Schweiz), 22. 8. 2003, CISG-online Nr. 943, Erw. II.3. (Gentechnisch manipulierte Lebensmittel); Gerechtshof s’-Gravenhage (Niederlande), 23. 4. 2003, http: //cisgw3.law.pace.edu/cases/030423n1.html, Erw. 8 ff. = IHR 2004, 119, 119 (Das gelieferte Mehl enthielt krebserregende und die DNA beschädigende Zusätze. Insofern wurde der Weiterverkauf in (Entwicklungs-)Länder, auch wenn er dort [im Fall Mozambique] sogar mangels entsprechender Schutzvorschriften gesetzlich zulässig wäre, als unzumutbar betrachtet.), vgl. auch Medical Marketing International ./. Internazionale Medico Scientifico, U.S. D.C. [E.D. Louisiana], 17. 5. 1999, CISG-online Case No. 387. 906 CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.3, IHR 2006, 35, 38 f.; Ferrari/ Ferrari, Art. 25 Rn. 18; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 44; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-281; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 55. 907 OLG Köln, 14. 10. 2002 – 16 U 77/01, CISG-online Case No. 709 = IHR 2003, 15, 16 f.

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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möglichkeit abgelehnt, wie auch bei angerissenen und daher unbrauchbaren Schuhen, die auch mit bedeutendem Preisnachlass nicht absetzbar sind.908 Eine wesentliche Vertragsverletzung stellte schließlich auch die Lieferung von Verpackungsmaterial dar, welches entgegen des vertraglich vorgesehenen Nutzungszwecks in seiner Beschaffenheit nicht kompatibel mit der entsprechenden Verpackungsanlage des Käufers war.909 Eine durchaus zumutbare Verwertungs- bzw. Absatzmöglichkeit nahm z. B.910 der BGH bei der Lieferung von Kobaltsulfat an, welches zwar nicht die vereinbarte Qualität aufwies, sich aber dennoch mit Futtermittelqualität von der gewerblich mit chemischen Erzeugnissen handelnden Käuferin absetzen ließ.911 Ein weiteres Beispiel stellt die Lieferung von Modeartikeln dar, die zwar nicht identisch zu dem Kaufmuster, aber dennoch als solche absetzbar sind, wenn auch mit anderer Optik.912 c) Aliud und Rechtsmangel Da die Lieferung eines (nach h. M. auch „krassen“) aliuds, wie auch im autonomen deutschen Recht,913 keine Nichtleistung darstellt, sondern der mangelhaften Leistung gleichgestellt wird,914 bleibt eine schwierige und mitunter (rechts-)unsi-

908 Vgl. bereits zitierte Urteile Teil 3 Fn. 903, in denen neben dem drohenden Imageverlust insgesamt auch auf die Unverkäuflichkeit an sich abgestellt wurde. 909 Hof van Hoger Beroep Gent (Belgien), 10. 5. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/04 0510b1.html, Erw. 2.6. 910 Für zahlreiche weitere Beispiele einer zumutbaren Verwertung bzw. Absatzmöglichkeit s. bereits die in Teil 3 Fn. 899 genannten Urteile. 911 BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.dd)bbb) = NJW 1996, 2364, 2366. 912 OLG Frankfurt a. M., 18. 1. 1994 – 5 U 15/93, CISG-online Case No. 123 = NJW 1994, 1013, 1014 (Alleine die Behauptung, dass die Schuhe nicht den Mustern entsprachen, führte nicht zur Annahme einer wesentlichen Vertragsverletzung, da die Schuhe nicht mangelbedingt unverkäuflich waren.). 913 Vgl. § 434 Abs. 3 BGB. 914 BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.b) = NJW 1996, 2364, 2365 („Eine aliud-Lieferung stellt deshalb, jedenfalls regelmäßig, keine Nichtlieferung, sondern eine – wenn auch mangelhafte – Lieferung dar.“); OGH (Österreich), 29. 6. 1999, CISG-online Case No. 483, Erw. b); ferner Audiencia Provincial Barcelona (Spanien), 24. 3. 2009, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/090324s4.html, Erw. e)1.; OLG Celle, 10. 3. 2004 – 7 U 147/03, CISG-online Case No. 824, Erw. 3. = IHR 2004, 106, 107; Sø- og Handelsretten (Dänemark), 31. 1. 2002, CISG-online Case No. 679; HandelsG St. Gallen (Schweiz), 11. 2. 2003, CISG-online Case No. 900, Erw. II.2.b); AG Cloppenburg, 14. 4. 1993 – 2 C 425/92, CISG-online Nr. 85; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 35 Rn. 9; MüKo/ Gruber, Art. 35 Rn. 5; MüKo-HGB/Benicke, Art. 35 Rn. 6; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-30; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 35 Rn. 11 (vgl. dort auch Fn. 52: „So the opinion of the overwhelming majority […]“); Staudinger/Magnus, Art. 35 Rn. 9; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 118.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

chere Abgrenzung zwischen Nicht- und Schlechtleistung erspart;915 die oben angestellten Erwägungen zur Lieferung vertragswidriger Ware können entsprechend übertragen werden.916 Nur wenn der Verkäufer zur Lieferung der vertraglich vereinbarten Ware nicht in angemessenem Zeitrahmen bereit oder im Stande ist und der Käufer das aliud nicht im oben dargestellten Rahmen verwenden bzw. verarbeiten oder absetzen kann, kommt die Wesentlichkeit der Schlechtleistung in Betracht.917 Auch auf Rechtsmängel (Art. 41 CISG) finden die eben dargestellten Erwägungen entsprechend Anwendung.918 Hier kommt es etwa darauf an, ob es sich um einen vom Käufer (z. B. durch Zahlung an einen Dritten) leicht zu behebenden Rechtsmangel handelt, der gegebenenfalls über einen Schadensersatzanspruch oder Aufrechnung mit dem Kaufpreis kompensiert werden kann, ob die baldige Ablösung des (z. B. Pfand-)Rechts angekündigt ist und ob Rechte Dritter die Nutzung bzw. Verwertung etc. tatsächlich unmöglich bzw. unzumutbar machen.919 d) Zwischenbetrachtung Was die international einheitliche Beachtung einer potentiellen Nutzungs- bzw. Verwertung- oder Absatzmöglichkeit nach dem ultima-ratio-Prinzip in der Rechtsprechung angeht, so sind nur noch vereinzelt Fälle ersichtlich, in denen man sich entgegen der dargestellten h. M. nicht mit einer alternativen Nutzungs- bzw. Verwertungs- und Absatzmöglichkeit auseinanderzusetzen scheint.920 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung der französischen Cour de Cassation,921 in der die Lieferung von nachgezuckertem und daher nach dem geltenden 915

MüKo/Gruber, Art. 4 Rn. 5; MüKo-HGB/Benicke, Art. 35 Rn. 6; Staudinger/Magnus, Art. 35 Rn. 9; ähnlich Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-31 („Ohne Notwendigkeit weiterer Differenzierungen […]“). Zu der diesbezüglichen Rechtsunsicherheit im internen französischen Recht s. Witz/Wolter, RIW 1998, 278, 279. 916 Ferrari/Ferrari, Art. 25 Rn. 19; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 43; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 28; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 42; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 50; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 27 a. E.; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 118. Vgl. in der Rechtsprechung nur BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.b) = NJW 1996, 2364, 2365; OLG Düsseldorf, 9. 7. 2010 – I-17 U 132/08, CISG-online Case No. 2171, Erw. II.B.3.a)(2); OGH (Österreich), 29. 6. 1999, CISG-online Case No. 483, Erw. b). 917 Näher dazu MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 28; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 42. 918 Vgl. dazu Achilles, Art. 25 Rn. 13; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 18a; Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 119 f. (die Behebbarkeit des Rechtsmangels aber nicht berücksichtigend); MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 29; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-116 ff., 5-286; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 28, Art. 41 Rn. 24; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 121 f. 919 S. vorigen Teil 3 Fn. 918. 920 Dazu auch Lurger, IHR 2001, 91, 96 ff.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-282; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 58. 921 Cour de Cassation (Frankreich), 23. 1. 1996, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/960123f1. html.

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Weinrecht nicht verkehrsfähigem Wein als wesentliche Schlechtleistung angesehen wurde, ohne das Ausführungen zur Möglichkeit des Absatzes in andere Länder ersichtlich in Betracht gezogen wurden, z. B. als Basis zur Herstellung von Industriealkohol oder (wie tatsächlich geschehen) Essig. Zu Recht finden sich in der Literatur dementsprechend kritische Hinweise auf die Entscheidung, wobei die Einschätzung mancher Kommentatoren dahin geht, dass eine wirklich abweichende Ansicht der Cour de Cassation angesichts der oberflächlichen Ausführungen im Urteil nicht ganz eindeutig festgestellt werden könne.922 Weitere (unterinstanzliche) Gerichtsurteile, bei denen die alternative Nutzung bzw. Verwertbarkeit tatsächlich nicht berücksichtigt worden zu sein scheint, sind, wie bereits erwähnt, die Ausnahme.923 Neben der Verdeutlichung des Ausnahmecharakters gilt es, die Tragweite scheinbar divergierender Beurteilungsmaßstäbe auch dahingehend zu relativieren, dass einigen Urteilen, deren Begründung keine grundsätzliche Feststellung zur Entscheidungserheblichkeit der Nutzungs- bzw. Verwertungsmöglichkeit umfasst, dennoch entnommen werden kann, dass entsprechende Erwägungen bei der Beurteilung der Wesentlichkeit beachtet wurden oder das Ergebnis jedenfalls nicht im Widerspruch zu deren hypothetischer Berücksichtigung steht.924 Eine offenkundige und v. a. ausdrückliche Abwendung von den dargestellten Maßstäben der h. M. kann jedenfalls in keinem der ersichtlichen Fälle eindeutig festgestellt werden. Insgesamt sind die verbleibenden (wohl) bestehenden Divergenzen in der Rechtsanwendung 922 Witz/Wolter, RIW 1998, 278, 280; kritisch ferner Lurger, IHR 2001, 91, 97; MüKo-HGB/ Benicke, Art. 25 Rn. 39; Schlechtriem, IPRax 1997, 132; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 58. 923 So bei Regional Court Zilina (Slovenien), 25. 10. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/ 071025k1.html (Nur mit Blick auf die Parteivorträge wird im Urteil ohne eigene Stellungnahme auf den Käufervortrag hingewiesen, die Ware hätte von ihm nicht weiterverkauft werden können und sei für ihn nutzlos gewesen.); LG Saarbrücken, 1. 6. 2004 – 8 O 118/02, CISGonline Case No. 1228 (Bei den von der polnischen Verkäuferin gelieferten Europaletten handelte es sich absprachewidrig nicht um in Polen hergestellte Ware, woraufhin diese mit einem Einfuhrzoll belegt wurden. Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Paletten für den vorgesehenen Gebrauch aber nicht ungeeignet waren, wäre eine wesentliche Vertragsverletzung tatsächlich abzulehnen gewesen und die Mehrkosten wären durch Schadensersatz zu kompensieren gewesen, vgl. auch Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 58 Fn. 297). 924 Vgl. auch die ähnliche Einschätzung von Lurger, IHR 2001, 91, 97; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 58 („[…] seem not to consider […]“, Hervorhebung des Verfassers) und in der Rechtsprechung: KantonsG Schaffhausen (Schweiz), 27. 1. 2004, CISG-online Case No. 960, Erw. 3.e): Zwar stellt das Gericht in seiner Urteilsbegründung nicht ausdrücklich fest, dass die Wesentlichkeit des Mangels aus der Unverkäuflichkeit der gelieferten Modelleisenbahnen folgt. Allerdings würdigt es ausführlich die Zeugenaussage eines Gutachters, nach der die gelieferten Modelleisenbahnen „in diesem Zustand“ unverkäuflich seien, macht sich diese Feststellung zueigen und folgert sodann offensichtlich auf Grundlage dessen, dass „[…] es demnach keine Zweifel daran geben [kann], dass der Klägerin an den von der Beklagten gelieferten Modelltriebwagen im Wesentlichen entgeht, was sie nach dem Vertrag hätte erwarten dürfen.“; Cour de Cassation (Frankreich), 26. 5. 1999, http://cisgw3. law.pace.edu/cases/990526f1.html; Delchi Carrier./. Rotorex, U.S. D.C. [N.D. N.Y.], 9. 9. 1994, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/940909u1.html (dazu schon in Teil 3 Fn. 895).

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somit keinesfalls dramatisch, sollten aber insbesondere mit Blick auf die erwähnte französische höchstrichterliche Rechtsprechung auch nicht ignoriert werden. Abgesehen von der soeben erläuterten Einschränkung dürfte deutlich geworden sein, dass sich auf Grundlage der Rechtsprechung und Literatur durchaus einheitliche Kriterien herausgebildet haben, die es ermöglichen, anhand sachgerechter Kriterien das Vorliegen einer „wesentlichen“ Schlechtlieferung zu beurteilen. An dieser Stelle soll noch kurz auf einen Einwand zur Beachtlichkeit der Behebbarkeit eingegangen werden. So wurde explizit von Freiburg vorgebracht, dass „[…] vor allem der Gedanke der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit dafür [sprechen], die Behebbarkeit des Mangels nicht zu berücksichtigen.“925 Gestützt wird diese Ansicht auf die Annahme, dass dem Käufer gerade im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr nicht zugemutet werden könne, selbst einzuschätzen, „welche Möglichkeiten der im Ausland lebende Verkäufer zur Behebung des Mangels hat und ob ihm dies ohne weiteres möglich ist.“926 Technisches Standardwissen sei gerade nicht vorauszusetzen. Sicherlich unterscheiden sich im Einzelnen die Fähigkeiten der Käufer zur Einschätzung der Nacherfüllungsmodalitäten, v. a. im technischen Bereich. Dass daraus aber ein nicht hinnehmbares Rechtsunsicherheitsrisiko folgt, kann insgesamt nicht überzeugen. So ist der Fixpunkt für die Beurteilung des Käufers, ob Wesentlichkeit gegeben ist, sein objektiv zu bestimmendes Durchführungsinteresse. Entfällt dieses automatisch mit mangelhafter Lieferung, so kann die Behebbarkeit, wie bereits erwähnt, dahinstehen. Besteht es aber fort, etwa weil eine mangelfreie Lieferung nicht vertraglich als wesentlich vereinbart wurde oder kein Fixgeschäft vorlag, so wird der Käufer doch automatisch auf Nacherfüllung drängen und den Verkäufer mithin zu einer eigenen Aussage über die Behebbarkeit zwingen.927 Dem Käufer wird es schließlich in aller Regel darum gehen, mit der Vertragsdurchführung seine damit verbundenen wirtschaftlichen Interessen zu sichern bzw. zu verwirklichen. Nur wenn er sich der Unmöglichkeit der Nacherfüllung sicher ist, wird er, ohne eine solche zu verlangen, gegebenenfalls die Aufhebung erklären. Zwischen den Parteien dürfte also recht schnell deutlich werden, ob der Verkäufer tatsächlich nicht zur Nacherfüllung in der Lage ist. Insofern wird es für den Käufer regelmäßig nur dann ein Rechtsunsicherheitsproblem darstellen, ob er wegen eines behebbaren, unwesentlichen Mangels etwa an der sofortigen Vertragsaufhebung gehindert wird, wenn die Kommunikation mit dem Verkäufer misslingt.928 Dem Käufer ist es durchaus zumutbar, mit Blick auf die Frage der Behebbarkeit, sofern diese für die Wesentlichkeitsfrage (mit-)entscheidend ist, auf 925

Freiburg, Das Recht der Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 105. S. Teil 3 Fn. 925. 927 Umgekehrt wird der Verkäufer bei einem behebbaren Mangel in aller Regel selbst daran interessiert sein, durch Nacherfüllung der Vertragsaufhebung vorzubeugen. Dabei sichert Art. 48 Abs. 2, 3 CISG sogar das Nacherfüllungsrecht des Verkäufers, indem er den Käufer zu einer Erklärung auffordern kann, ob er die Nacherfüllung annehmen will. 928 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Müller-Chen, Art. 48 Rn. 16; ausdrücklich beitretend Staudinger/Magnus, Art. 48 Rn. 30a. 926

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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den Verkäufer zuzugehen und dadurch Unwägbarkeiten auszuräumen. Er ist gerade nicht auf seine eigene Fachkunde zur Frage der Behebbarkeit angewiesen. 4. Unvollständige Lieferung Der Verstoß gegen die Pflicht zur vollständigen Warenlieferung (vgl. Art. 35 Abs. 1, Art. 53 Abs. 2 CISG und Art. 73 CISG für Sukzessivlieferverträge) ist wesentlich, wenn der Käufer aufgrund der Unvollständigkeit den von ihm vorgesehenen Vertragszweck mit der gelieferten Ware nicht einmal teilweise erreichen kann.929 Der österreichische OGH formulierte daher mit Blick auf die Wesentlichkeit die Frage, „[…] ob der durch die Vertragsverletzung eingetretene Nachteil derart wesentlich ist, dass die gelieferten Teile der Ware für sich allein für die Beklagte [die Käuferin] faktisch nicht brauchbar sind.“930 Nur dann liegt der erforderliche vollständige Wegfall des Durchführungsinteresses vor. Ein solcher ist regelmäßig anzunehmen, wenn der vorgesehene Verwendungszweck auch nicht durch Nachlieferung des ausstehenden Teils innerhalb eines zumutbaren Zeitraumes931 erreicht werden kann und auch ein mittels Schadensersatz oder Minderung zu kompensierender Deckungskauf nicht gelingt.932 Natürlich gilt auch hier wieder, dass sich ein besonderer Wesentlichkeitsmaßstab aus vertraglichen Parteivereinbarungen oder Gepflogenheiten bzw. Gebräuchen ergeben kann.933

929

Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 19a; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 36; Honnold/ Flechtner, Rn. 304.1; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-272; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 42. 930 OGH (Österreich), 21. 6. 2005, CISG-online Case No. 1047 = IHR 2005, 195, 196 (Ergebnis wegen mangelnder Sachverhaltsaufklärung offengelassen und zurückverwiesen). 931 Dies gilt natürlich nur, sofern es sich nicht hinsichtlich der vollständigen oder jedenfalls des nicht gelieferten Teils um ein Fixgeschäft oder fixähnliches Geschäft handelt, vgl. zum Lieferverzug oben § 9 F.I.2. 932 LG Heidelberg, 3. 7. 1992 – O 42/92, CISG-online Case No. 38 (Der Käufer war angesichts des anderweitigen Zukaufs der nicht gelieferten Computerteile theoretisch in der Lage, die Verpflichtungen gegenüber seinen Kunden einzuhalten und damit den vorgesehenen Zweck zu verwirklichen. Das LG weist explizit auf die Kompensationsmöglichkeit der Kosten für den Ersatzkauf als Verzugsschaden gemäß Art. 74 CISG hin.); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 42; mit Hinweis darauf, dass eine Nachlieferung und die Möglichkeit des Deckungskaufs der Wesentlichkeit einer Mengenabweichung entgegenstehen können, MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 28. 933 Vgl. nur diesen gezielt zur unvollständigen Lieferung erfolgenden Hinweis von Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 42; ferner auch die erwähnte Entscheidung des OGH (Österreich), 21. 6. 2005, CISG-online Case No. 1047 = IHR 2005, 195, 196.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

5. Verstoß gegen Pflicht zur (vertragsgemäßen) Lieferung von Dokumenten Die Pflichten des Verkäufers erstrecken sich oftmals auch auf die Übergabe bestimmter Dokumente (vgl. Art. 30, 34 CISG), wobei sich Näheres aus einer ausdrücklichen Parteivereinbarung, aber insbesondere auch aus entsprechenden Gepflogenheiten oder internationalen Handelsbräuchen ergeben (Art. 8 Abs. 2, 3, Art. 9 CISG) kann.934 Sofern sich diesen nicht zugleich die Gewichtung einer diesbezüglichen Vertragsverletzung mit Blick auf die Wesentlichkeit bzw. das Durchführungsinteresse entnehmen lässt,935 ist der eventuelle Wegfall des Durchführungsinteresses in Anlehnung an die bereits zur Warenlieferung aufgestellten Prämissen936 zu bemessen.937 Dies gilt sowohl für die Nichtlieferung als auch die mangelhafte („unreine“) oder verzögerte Dokumentenlieferung. Nachzugehen ist im Einzelnen also wieder der Frage, ob die jeweilige Vertragsverletzung dem Käufer die zumutbare Möglichkeit der Nutzung, Verwertung bzw. der Weiterveräußerung im eigenen Geschäftsbetrieb nimmt.938 Dabei lassen sich übliche Fallkonstellationen voneinander abgrenzen, innerhalb derer die jeweils maßgeblichen Bewertungsmaßstäbe weiter konkretisiert und die Einzelfallbeurteilung im Großteil der Fälle bedeutend vereinfacht wird. Die Einteilung erfolgt dabei nach Dokumentenart und nach der Bedeutung der vertragsgemäßen Dokumentenlieferung für die Durchführung des Kaufgeschäfts.939

934 S. dazu Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 107; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 60. 935 S. dazu sogleich unter § 9 F.I.5.c). 936 So explizit CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.8, IHR 2006, 35, 39; Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 110, 111; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 62; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Commentary, Art. 49 Rn. 11; ferner MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 42; vgl. insb. auch die Ausführungen zum Dokumentenkauf bei BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.d)aa) f. = NJW 1996, 2364, 2366 f. („Für die Dokumente gilt insofern nichts anderes als für die Ware selbst; […]“). 937 Vgl. dazu auch Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 122 f. 938 BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.d)aa) = NJW 1996, 2364, 2366; Achilles, Art. 25 Rn. 12; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 20; Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 110; Honnold/Flechtner, Rn. 181.2; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 46; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 30; MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 42; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 48 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 62; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 29, Art. 49 Rn. 17; vgl. auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 4-81. 939 CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.7, IHR 2006, 35, 39; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 60; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Commentary, Art. 49 Rn. 11; Staudinger/Magnus, Art. 49 Rn. 17; vgl. auch Honsell/Ernst/ Lauko, Art. 34 Rn. 14; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 43 ff.; MüKo/ Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 43 f.; Singh/Leisinger, 20 Pace Int’l L. Rev. (2008) 161, 182 ff.

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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a) Lieferung von Begleitdokumenten Unter die erste Fallgruppe fallen vor diesem Hintergrund Geschäfte, bei denen neben der Pflicht zur Lieferung des Kaufgegenstandes auch die (Neben-)Pflicht zur Lieferung begleitender Dokumente besteht, etwa von „[…] Waren- oder Traditionspapieren wie Konnossementen, Lade- oder Lagerscheinen, des Weiteren Ursprungszeugnissen, Analysezertifikaten, Versicherungspolicen, Handelsrechnungen, Zollbescheinigungen, aber auch Betriebsanleitungen und Handbüchern.“940 Weitere Beispiele für solche Begleitdokumente sind Kai- oder Bordempfangsscheine, Export- und Importgenehmigungen, Konsulatsfaktura, Währungsfaktura, Wiegedokumente sowie veterinärmedizinische Zertifikate.941 In der Rechtsprechung wird der Wegfall des Durchführungsinteresses wegen des Verstoßes gegen die Pflicht zur Lieferung von Begleitdokumenten z. B. in folgenden Fällen angenommen: wenn das geschuldete Herkunftszeugnis für die Ware fehlt und ein Export der Ware aus dem Verkäuferland daher unmöglich ist,942 wenn der fehlende Qualitätsnachweis und ein fehlender Versicherungsnachweis die Verzollung im Käuferland scheitern lassen und der Käufer daher die Ware nicht erhält943 oder wenn eine Druckanlage mangels Lieferung einer Betriebsanleitung vom Käufer nicht in Betrieb genommen werden kann.944 Auch mit Blick auf die Dokumentenlieferung kommt die Geltung des ultimaratio-Prinzips deutlich zum Tragen: Liefert der Verkäufer die erforderlichen Dokumente rechtzeitig nach und kann damit noch die Nutzungs- bzw. Verwertungsmöglichkeit für den Käufer sichern,945 so scheidet die Wesentlichkeit ebenso aus, wie 940

Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 25 Rn. 188. Vgl. Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 107 m. w. N.; vgl. auch die Aufzählung bei Schwenzer, 25 J. L. & Comm (2005), 437, 440 und Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 123. 942 Audiencia Provincial Barcelona (Spanien), 12. 2. 2002, CISG-online Case No. 1324, Erw. 3. 943 Tribunal of International Commercial Arbitration of the Ukrainian Chamber of Commerce and Trade, 5. 7. 2005, CISG-online Case No. 1361, Erw. 4. 944 OLG Nürnberg, 20. 9. 1995 – 12 U 2919/94, CISG-online Case No. 267, Erw. b) („Daß die Lieferung einer mangelhaften Dokumentation nicht nur eine unwesentliche Pflichtverletzung war, wird schon daran deutlich, daß dies dem Sachverständigen zufolge die Ursache dafür ist, daß das gelieferte System nicht funktionsfähig gemacht werden konnte.“); in diesem Punkt unwidersprochen von BGH, 4. 12. 1996 – VIII ZR 306/95, CISG-online Case No. 260 = NJWRR 1997, 690, 691 f. (der aber i. E. eine wirksame Vertragsaufhebung aufgrund einer zu ungenauen Rüge (Art. 39 Abs. 1 CISG) abgelehnt hat). 945 Vgl. dazu auch die Beispiele von Schwenzer, 25 J. L. & Com. (2005), 437, 441: (1) Liefert der Verkäufer einen Ladeschein, der entgegen der vertraglichen Vereinbarung eine Beschädigung der Ware oder der Verpackung ausweist, so kann er einen neuen „reinen“ Ladeschein für andere, unbeschädigte Ware bzw. Ware mit unbeschädigter Verpackung nachliefern, wenn damit der vereinbarte Liefertermin trotzdem eingehalten wird. (2) Weist der Ladeschein ein zu spätes Ladedatum entgegen der vertraglichen Vereinbarung aus, so kann der Verkäufer andere, pünktlich geladene Ware („afloat“) kaufen und den dazugehörigen, ver941

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Teil 3: Einzelbetrachtung

in dem Falle, in dem sich der Käufer die Dokumente leicht selbst beschaffen kann.946 Ebenso wenn die Nutzung bzw. Verwertung der Ware ohne die geschuldeten Dokumente möglich und zumutbar ist, scheidet eine wesentliche Vertragsverletzung aus.947 Dies war in soeben aufgezählten Fällen aus der Rechtsprechung gerade nicht der Fall. b) Echter Dokumentenkauf Beim sogenannten echten Dokumentenkauf wird die Lieferung bestimmter Dokumente als Hauptleistungspflicht gleichrangig zur Warenlieferungspflicht vereinbart oder sie ersetzt die unmittelbare Warenlieferung sogar komplett.948 Bleibt dabei die Lieferung der die Ware repräsentierenden Dokumente (entsprechende Traditionspapiere, deren Übergabe den Käufer erst zur Verfügung über die Ware berechtigt) endgültig aus oder wird diese ernsthaft und endgültig verweigert, so handelt es sich stets um eine wesentliche Vertragsverletzung.949 Die Lage entspricht hier der end-

tragskonformen Ladeschein nachliefern; ebenfalls unter Einhaltung des vereinbarten Liefertermines. 946 BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.d)aa) = NJW 1996, 2364, 2366 („Kann der Käufer unschwer den Fehler selbst beheben, indem er sich ein zutreffendes Dokument beschafft, so kann er die Ware oder daraus hergestellte Erzeugnisse ohne weiteres veräußern, sofern die Ware nicht ihrerseits gravierende Mängel aufweist. Von einem Wegfall des wesentlichen Vertragsinteresses kann dann keine Rede sein.“); Ferrari/ Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 20; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 30; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 49; MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 42; Staudinger/Magnus, Art. 49 Rn. 17; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 123; wohl auch Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 62; anders Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 111, die die Behebbarkeit für irrelevant hält, sie dann letzlich aber doch über Art. 7 Abs. 1 CISG entsprechend berücksichtigen will, sofern die Berufung auf eine wesentliche Vertragsverletzung ohne Beachtung der Nacherfüllung treuwidrig sei (s. bereits oben Teil 3 Fn. 880 a. E.). 947 Explizit BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.d)aa) = NJW 1996, 2364, 2366 („Denkbar ist aber ebenso, daß es für die weitere Verwendung der Ware (Verkauf oder Verarbeitung) auf ihren Ursprung überhaupt nicht ankommt. Dann kann von einem Wegfall des wesentlichen Vertragsinteresses als Folge des fehlerhaften Dokuments erst recht nicht gesprochen werden.“); CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.9, IHR 2006, 35, 39 f.; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 20; anders (ohne Begründung) wohl Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 123. 948 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 63; Schwenzer, 25 J. L. & Com. (2005), 437, 440; Singh/Leisinger, 20 Pace Int’l L. Rev. (2008) 161, 181 („Most often, international sales contracts are not primarily concerned with the goods themselves but rather the documents which represent these goods.“); vgl. auch Honsell/Ernst/Lauko, Art. 34 Rn. 1. 949 Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 109 f.; MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 44; Staudinger/Magnus, Art. 49 Rn. 17; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 122 f.; wohl auch Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Commentary, Art. 49 Rn. 11 („than an objectively serious defect exists“).

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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gültigen Nichtlieferung der Ware, also einer Nichtleistung.950 Zweifelt der Käufer am Bestehen seines Aufhebungsrechts aufgrund wesentlicher Vertragsverletzung bzw. an einer tatsächlich endgültigen Nichtleistung, so kann er sich gegebenenfalls über die Setzung einer Nachfrist Gewissheit darüber verschaffen, dass jedenfalls bei erfolglosem Fristablauf die Wesentlichkeitsschwelle überschritten wird (Art. 49 Abs. 1 lit. b CISG).951 Werden Traditionspapiere zu spät oder „unrein“952, d. h. mit vertragswidrigem Inhalt, geliefert, so muss nicht per se eine wesentliche Vertragsverletzung vorliegen.953 Liegt nämlich in zeitlicher Hinsicht kein Fixgeschäft oder fixähnliches Geschäft vor und/oder kann der Verkäufer vertragskonforme Ware bzw. „reine“ Dokumente zeitnah nachliefern (vgl. Art. 34 CISG), so ist durchaus denkbar, dass das Durchführungsinteresse nicht entfällt, sofern der Käufer mit den nachgelieferten Dokumenten die Ware z. B. ungehindert weiterveräußern kann.954 Was die „typischen“ Fälle echter Dokumentenkäufe im Rohstoffhandel angeht, gelten zum Großteil besondere – vorrangige (Art. 6 CISG) – Abreden bzw. Gepflogenheiten und nicht zuletzt internationale Handelsbräuche,955 die die Einordnung wesentlicher Pflichtverletzungen deutlich vereinfachen. c) „Typischer“ Dokumentenkauf von Massenware („Commodity Trade“) Der Handel mit Massenware („Commodity Trade“), insb. mit Rohstoffen, ist einer der häufigsten Fälle, in denen Warenhandel als echtes Dokumentengeschäft abgewickelt wird.956 Vorausgesetzt der Vertragsschluss erfolgt unter den dabei üblichen

950

F.I.1. 951

So auch explizit Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 123; vgl. dazu oben § 9

Staudinger/Magnus, Art. 49 Rn. 17. Vgl. nur MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 43; Schwenzer, 25 J. L. & Com. (2005) 437, 440 („clean documents“); Staudinger/Magnus, Art. 49 Rn. 17. 953 Vgl. Freiburg, Das Rechts auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 110 f.; Staudinger/Magnus, Art. 49 Rn. 17; auch Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 66; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 123. 954 Vgl. auch die Beispiele von Schwenzer, 25 J. L. & Com. (2005), 437, 441 und ferner CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.14, IHR 2006, 35, 40; Schlechtriem/ Schwenzer/Müller-Chen, Commentary, Art. 49 Rn. 11; Singh/Leisinger, 20 Pace Int’l L. Rev. (2008) 161, 186; ferner Leisinger, Fundamental Breach, S. 72. 955 Vgl. an dieser Stelle nur Staudinger/Magnus, Art. 49 Rn. 17 („Vielfach werden aber besondere Vertragsklauseln oder Handelsbräuche die Vertragsaufhebung auch bei bloßer Verspätung vorsehen. […] Das gilt erst recht in den Fällen, in denen die die Waren repräsentierenden Dokumente unrein sind, also mit dem Vertrag nicht vollständig übereinstimmen.“). 956 MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 43 („typische Dokumentengeschäfte über Rohstoffe“); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 63 („This constellation is particularly frequent in sales of commodities.“). 952

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Geschäftsumständen,957 so gilt die fristgerechte Lieferung reiner Dokumente als Verkäuferpflicht von grundsätzlich wesentlicher Bedeutung im Sinne von Art. 25 CISG: Dies wird sich zumeist schon aus ausdrücklichen oder konkludenten vertraglichen Abreden (Art. 8 Abs. 2, 3 CISG) ergeben.958 Darüber hinaus gilt jedenfalls der internationale Handelsbrauch (Art. 9 Abs. 2 CISG), dass bei typischen Dokumentengeschäften über Massenware das Durchführungsinteresse an die fristgerechte Lieferung reiner Dokumente geknüpft ist.959 Diese Einordnung folgt mit Blick auf die Umstände, unter denen Kaufverträge über Massenware bzw. Rohstoffe üblicherweise geschlossen werden und ist entsprechend an deren Vorliegen gekoppelt: Insbesondere gehen im Rahmen „[…] typischer Dokumentengeschäfte über Rohstoffe, […] beide Parteien davon aus, dass der Käufer die Ware bereits weiterhandelt bzw. weiterverkauft hat und im Rahmen dieses Geschäfts wiederum reine Dokumente schuldet.“960 Da die (oft „schwimmende“) Ware regelmäßig schon während des Transportes mehrfach weitergehandelt wird („string transactions“),961 haben die verschiedenen Parteien in den seltensten Fällen die Möglichkeit, durch Inspektion der Ware o. ä. festzustellen, ob die Abweichung der Dokumente bzw. des Dokumenteninhalts von der geschuldeten Warenbeschaffenheit möglicherweise unerheblich ist.962 Sie sind also gerade deswegen beim Kauf bzw. Verkauf ganz besonders auf einwandfreie Dokumente („wesentlich“) angewiesen. Dies gilt erst recht mit Blick auf die oftmals an der Zahlungsabwicklung beteiligten Banken, die etwa ein durch Akkreditiv begründetes Zahlungsversprechen nur bei Lieferung absolut vertragskonformer Dokumente erfüllen.963 957

Sofern besondere Umstände des Einzelfalles dem hier erläuterten Regelfall zuwiderlaufen sollten, verbietet es sich natürlich – wie immer – diese zu übergehen. So auch ausdrücklich der exemplarische Hinweis bei Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 63 (Fn. 317) bei Geltung des INCOTERM CIF. 958 CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.17 = IHR 2006, 35, 40; Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 107; MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 44; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 63 ff. m. w. N.; Schwenzer, 25 J. L. & Com. (2005), 437, 442; Staudinger/Magnus, Art. 49 Rn. 17. 959 S. insb. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 64 ff. („principle of strict compliance“), Rn. 65 (zur Lieferverzögerung als wesentlicher Vertragsbruch im Bereich des commodity trade); CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.17, IHR 2006, 35, 40; MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 44; Schwenzer, 25 J. L. Com. (2005) 437, 441 f.; Singh/Leisinger, 20 Pace Int’l L. Rev. (2008) 161, 183; i. E. wohl auch Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 43; Staudinger/Magnus, Art. 49 Rn. 17. 960 MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 43. In diesem Sinne auch Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 64 m. w. N. 961 CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.17, IHR 2006, 35, 40. 962 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 64. 963 Vgl. insofern zum Grundsatz der Dokumetenstrenge schon BGH, 10. 12. 1970 – II ZR 132/68, WM 1970, 158, 159 und BGH, 15. 3. 2004 – II ZR 247/01, ZIP 2004, 1047, 1049 m. w. N.; OLG München 3. 7. 1996 – 7 U 2162/96, WM 1996, 2335, 2336 („[…] an die vom Verkäufer vorzulegenden Dokumente [sind] strengste Anforderungen zu stellen. Die Bank ist

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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Die Wesentlichkeit der zeitlichen Komponente, also der fristgerechten Dokumentenlieferung, gründet auf den ständig drohenden, großen und typischerweise sehr kurzfristig eintretenden Preisschwankungen auf den Märkten für Massenware und dem damit einhergehenden zentralen Stellenwert der Möglichkeit zur reibungslosen Weiterveräußerung.964 d) Zwischenbetrachtung Die Wesentlichkeit des Verstoßes gegen die Pflicht zur Lieferung von Dokumenten beurteilt sich grundsätzlich nach der bereits zur Warenlieferungspflicht entwickelten Systematik. Dieser Gleichlauf ergibt sich letztlich schon mit Blick auf die zentrale Norm zum (Primär-)Pflichtenprogramm des Verkäufers, Art. 30 CISG. Dort wird neben der Pflicht zur Warenlieferung und Eigentumsübertragung gerade auch die Pflicht zur Übergabe der „sie betreffenden Dokumente“ normiert. Dieser mitunter große Stellenwert der Dokumentenlieferung bei internationalen Warenhandelsgeschäften schlägt sich auch in den mittlerweile herausgearbeiteten Bewertungskriterien nieder, sowohl durch die Rechtsprechung (insbesondere auch die deutsche bis hin zum BGH) als auch durch die ausführlichen und mit beachtlicher Einigkeit erfolgenden Stellungnahmen in der Literatur. Inhaltlich ist einerseits der beträchtliche Mehrwert der aufgezeigten Differenzierung nach der Art der Dokumente und deren Bedeutung für das Kaufgeschäft hervorzuheben. Sie ist angesichts der Tragweite einer tatsächlich als wesentlich eingeordneten Pflichtverletzung für beide Parteien sinnvoll und v. a. auch nachvollziehbar. Schließlich konzentriert man sich auch hier darauf, welche Bedeutung die Parteien der Dokumentenlieferung beimessen. Insofern lassen sich die gewonnenen Ergebnisse auch durchaus als vorhersehbar bezeichnen. Des Weiteren zeigen die Ausführungen zur Bestimmung einer wesentlichen Vertragsverletzung im Rahmen von „typischen“ echten Dokumentengeschäften, dass die Kriterien hier eindeutig und für den praktisch relevantesten Fall hochgradig rechtssicher sind. Einzelfallerwägungen zur Zumutbarkeit von Nacherfüllung und anderweitiger Verwertbarkeit werden weitestgehend obsolet, da sich in aller Regel auf den entsprechenden Handelsbrauch bezogen werden kann.

zur Zahlung nur gegen Vorlage von Dokumenten verpflichtet, die den Akkreditivbedingungen auf das genaueste entsprechen (Grundsatz der Dokumentenstrenge) […].“). S. ferner Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 65; Schwenzer, 25 J. L. & Com (2005) 437, 441; Singh/Leisinger, 20 Pace Int’l L. Rev. (2008) 161, 184, die bei Vereinbarung eines Akkreditivs zwischen den Parteien erst recht darauf schließen, dass die Lieferung von reinen Dokumenten wesentlich i. S. v. Art. 25 CISG ist; ähnlich Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 43; MüKo/Huber (7. Auflage), Art. 49 Rn. 44. 964 CISG AC Opinion No. 5 (Schwenzer), Comment 4.17; IHR 2006, 35, 40; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 65; Schwenzer, 25 J. L. & Com (2005) 437, 441 m. w. N.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Hervorzuheben ist an dieser Stelle eine allgemeinere Beobachtung. So wird am Beispiel der „typischen“ Dokumentenkäufe deutlich, wie die vermeintlich unbestimmte Regelung in Art. 8 Abs. 3 CISG und v. a. die recht offen gefasste Bezugnahme in Art. 9 Abs. 2 CISG, auf Gebräuche, „die [die Parteien] kannten oder kennen mußten und die im internationalen Handel den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig weithin bekannt sind und von ihnen regelmäßig beachtet werden“, letztlich zur Geltung umso eindeutigerer Bewertungsmaßstäbe führen kann. Im Ergebnis gilt das, was der internationale Warenhandel selbst zum Bewertungsmaßstab erhoben hat. Rechtsnormcharakter erhalten also unmittelbar die Prämissen, denen der internationale Warenhandel selbst einhellig folgt. Dass die Geltung von Regeln, die sich die Akteure des internationalen Warenhandels gewissermaßen „natürlich“ selbst gesetzt haben, ihnen zugleich eine vorhersehbare Sachverhaltsbeurteilung ermöglichen, dürfte einleuchten. Durch die relativ enge subjektive und objektive Eingrenzung, wann es sich tatsächlich um einen geltenden Handelsbrauch handelt (1. „nicht anderes vereinbart, 2. „kannten oder kennen mußten“, 3. „den Parteien von Verträgen solcher Art in dem betreffenden Geschäftszweig weithin bekannt“, 4. „von ihnen regelmäßig beachtet“), erhält der Begriff zugleich auch für die Normanwender Kontur. Schließlich würde der Orientierungssicherheit versprechende Ansatz untergraben, wenn nicht zugleich verlässlich beurteilt werden könnte, wann im Einzelfall von einem internationalen Handelsbrauch im Sinne des CISG auszugehen ist. Das folgerichtig mit Einigkeit hervorgehobene restriktive Begriffsverständnis trägt dem auch entsprechend Rechnung.965 Wenn sogar unter Zugrundelegung dieses restriktiven Begriffsverständnisses ein internationaler Handelsbrauch bejaht werden kann, so ist den Parteien mit dessen Maßgeblichkeit viel eher gedient, als mit dem Versuch oder der Forderung, eine bestimmte Regelung dieser vielschichtigen Rechtsfrage zu positivieren.

II. Vertragsverletzung des Käufers 1. Endgültig keine Kaufpreiszahlung „Für die Verletzung der spiegelbildlichen Pflicht des Käufers zur Kaufpreiszahlung gilt das zur ausbleibenden Lieferung Ausgeführte im Wesentlichen entsprechend: […]“966. Das endgültige Ausbleiben der Kaufpreiszahlung bzw. die unberechtigte ernsthafte und endgültige Zahlungsverweigerung stellt eindeutig („as a rule“967) eine wesentliche Vertragsverletzung des Käufers dar,968 wie auch in der 965

Vgl. MüKo-HGB/Ferrari, Art. 9 Rn. 10 („sehr eng umschrieben“). Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 37. Vgl. also insofern oben § 9 F.I.1. 967 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 67 („The deliberate refusal to pay at all must, as a rule, be considered a fundamental breach.“). 966

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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Rechtsprechung mehrfach festgestellt wurde.969 Auch hier steht das Knüpfen der eigenen Leistung an Bedingungen jenseits der vertraglichen Vereinbarungen einer endgültigen und ernsthaften Zahlungsverweigerung gleich und manifestiert mithin eine wesentliche Vertragsverletzung.970 Da die gegebenenfalls bestehende Pflicht zur Eröffnung eines Akkreditivs zum Umfang der Zahlungspflicht zählt (vgl. Art. 54 CISG), gelten die zuvor dargestellten Wesentlichkeitskriterien entsprechend für die

968 Achilles, Art. 25 Rn. 17, Art. 64 Rn. 3; Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 133 f.; Honnold/Flechtner, Rn. 356.1; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 37; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 64 Rn. 20a; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 28, 30; Magnus/Lüsing, IHR 2007, 1, 4; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 32 („Wie bei der Nichterfüllung der Verkäuferpflichten […]“); MüKo/Huber, Art. 64 Rn. 8; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 54; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-443; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 67; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Mohs, Art. 64 Rn. 6; Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 10 (keine Kaufpreiszahlung), Rn. 13 (endgültige Zahlungsverweigerung); Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 130 f.; anders, soweit ersichtlich, nur Herber/ Czerwenka, Art. 64 Rn. 6, die ein Aufhebungsrecht wegen ausbleibender Kaufpreiszahlung nur nach erfolgloser Fristsetzung zulassen wollen, was jedenfalls bei einer ernsthaften und endgültigen Zahlungsverweigerung als reiner Formalismus erscheint. 969 OLG Düsseldorf, 22. 7. 2004 - I-6 U 210/03, CISG-online Case No. 916, Erw. 4.; KantonsG Zug (Schweiz), 12. 12. 2002, CISG-online Case No. 720, Erw. 3.2; KantonsG Wallis (Schweiz), 2. 12. 2002, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/021202s1.html, Erw. II.6.c)bb); Shuttle Packaging Systems ./. Jacob Tsonakis et al., U. S. D.C. [W. D. Michigan, South. Div.], 17. 12. 2001, CISG-online Case No. 773, Erw. III.A. a. E. („[…] non-payment of the purchase price is the most significant form of a fundamental breach by a buyer […]“); OLG Braunschweig, 28. 10. 1999 – 2 U 27/99, CISG-online Case No. 510, Erw. 2.a); Tribunal of International Commercial Arbitration at the Russian Federation Chamber of Commerce and Industry (Russische Föderation), 5. 10. 1998, CISG-online Case No. 1831; HandelsG Kanton Aargau (Schweiz), 26. 9. 1997, CISG-online Case No. 329, Erw. II.F.3.b) („Damit hat die Käuferin ihre gemäss WKR bestehende Abnahme- und Zahlungspflicht verletzt. Es handelt sich um eine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne von Art. 25 WKR“); Schiedsgericht der Handelskammer Hamburg, 21. 3. 1996, CISG-online Case No. 187, Erw. 3.; Roder Zelt und Hallenkonstruktionen ./. Rosedown Park et al., F.C.A. [S.A. Adelaide], 28. 4. 1995, CISG-online Case No. 218, Erw. 58 (Käufer kann wegen Insolvenz den Kaufpreis nicht leisten); ähnlich Doolim Corp. ./. R Doll LLC et al., U.S. D.C. [S.D. N.Y.], 29. 5. 2009, CISG-online Case No. 1892, Erw. 40 f. (Käufer informiert über eigene Insolvenz, die der Begleichung des Kaufpreises [mit Blick auf die noch ausstehenden Teillieferungen] entgegenstehe); OLG Düsseldorf, 14. 1. 1994 – 17 U 146/93, CISG-online Case No. 119 (Käufer hatte bereits ältere Forderungen des Verkäufers nicht beglichen und stellte bzgl. der streitgegenständlichen Kaufpreisforderung weder die geforderte Sicherheit noch erfolgte die Zahlung – jedenfalls offensichtliche, zukünftige wesentliche Vertragsverletzung und daher Aufhebungsrecht gem. Art. 72 CISG); vgl. auch obiter dictum bei OLG München, 19. 10. 2006 – 23 U 2421/05, CISG-online Case No. 1394, Erw. 3.a) = IHR 2007, 30, 33 f. 970 Tribunal of International Commercial Arbitration at the Russian Federation Chamber of Commerce and Industry (Russische Föderation), 4. 4. 1998, http://www.unilex.info/case.cfm? id=377 (Käufer verweigert Zahlung bis zur Abgabe einer Leistungsgarantie des Verkäufers für eine gar nicht geschuldete Restlieferung); Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 37; Honsell/Schyder/ Straub, Art. 64 Rn. 20a; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-443; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 67.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Eröffnung eines Akkreditivs,971 wie sich der Rechtsprechung wiederum explizit entnehmen lässt.972 So wurde in der Rechtsprechung von einer wesentlichen Vertragsverletzung ausgegangen, wenn der Käufer ein Akkreditiv eröffnet, welches an Bedingungen geknüpft ist, die den Regelungen im Kaufvertrag widersprechen und der Käufer sich (endgültig) weigert, die Bedingungen entsprechend anzupassen.973 Auch die Eröffnung eines Akkreditivs, welches nur rund die Hälfte der vertraglich vereinbarten Summe abdeckt, wurde in der Rechtsprechung als wesentliche Pflichtverletzung des Käufers eingeordnet.974 2. Zahlungsverzug Der bloße Zahlungsverzug stellt grundsätzlich keine wesentliche Vertragsverletzung dar,975 was auch für eine verspätete Akkreditiveröffnung gilt.976 Die strikte 971 Vgl. nur Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 68; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 54 Rn. 6 („[…] the obligation to take all enabling steps to effect payment, such as opening a letter of credit, is no different an obligation than the buyer’s obligation to pay the price“), s. auch Art. 64 Rn. 10; Achilles, Art. 25 Rn. 17; MüKoHGB/Benicke, Art. 25 Rn. 32; Staudinger/Magnus, Art. 54 Rn. 7, Art. 64 Rn. 15; s. ferner Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-442 f. 972 OLG Frankfurt a. M., 24. 3. 2009, – 5 U 214/05, CISG-online Case No. 2165, Erw. II.2. a)(bb); Downs Investments ./. Perwaja Steel, Queensland Supreme Court (Australien), 17. 11. 2000, CISG-online Case No. 859, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/001117a2.html, Erw. 62 ff. („The refusal to establish a timely letter of credit was clearly a fundamental breach within the meaning of Article 25 […]“) und Rn. 63 („Failure to establish a letter of credit in the circumstances of this case was a failure by [buyer] to meet its obligation to pay the price of the goods under the contract of sale.“); Helen Kaminiski Pty. Ltd. ./. Marketing Australian Products Inc., U.S. D.C. [S.D. N.Y.], 21. 7. 1997, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/970721u1.html, A. („[…] there does not appear to be a dispute that the failure to produce letters of credit was a fundamental breach.“); s. dazu auch ICC, 1. 1. 2003, CISG-online Case No. 1421, Erw. 16 ff., obiter in Erw. 42 zur Wesentlichkeit („Besides, it can hardly be sustained that the obligation to pay the price by the means indicated in the contract [by means of a letter of credit] would not be a fundamental requirement in a distribution agreement.“); ICC, 1. 1. 1992, CISG-online Case No. 105; OGH (Österreich), 6. 2. 1996, CISG-online Case No. 224 („Die Akkreditiveröffnung ist nach einhelliger Auffassung Teil der Kaufpreiszahlungspflicht.“). 973 Oberster Gerichtshof Seoul (Südkorea), 14. 10. 2010, CISG-online Case No. 2504. 974 Audiencia Provincal de Cantabria (Spanien), 9. 7. 2013, CISG-online Case No. 2487. 975 OLG Karlsruhe, 15. 3. 2016 – 1 U 192/14, CISG-online Case No. 2740, Erw. II.4.c)(a); ICC, 1. 1. 1992, Schiedsspruch Nr. 7585, CISG-online Case No. 105; OLG Düsseldorf, 22. 7. 2004 – I-6 U 210/03, CISG-online Case No. 916, Erw. 4.; Achilles, Art. 25 Rn. 17; Ferrari/ Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 22; Honnold/Flechtner, Rn. 356.1; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 37; Honsell/Schnyder/Staub, Art. 64 Rn. 20c; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 36; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 32; MüKo/Huber, Art. 64 Rn. 6; MüKo-HGB/ Benicke, Art. 25 Rn. 32; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-441; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 67 („Only in exeptional cases […]“); Schlechtriem/ Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 7; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 24, Art. 64 Rn. 10; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 131. 976 OLG Frankfurt a. M., 24. 3. 2009 – 5 U 214/05, CISG-online Case No. 2165, Erw. II.2.a)(bb) (wonach ein Akkreditiv dem Verkäufer spätestens einen Tag nach Ablauf der

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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Einhaltung einer zeitlichen Vereinbarung ist, entsprechend den bereits ergangenen Ausführungen zum Lieferverzug des Verkäufers, nur im Ausnahmefall von schlechthin wesentlicher Bedeutung für die Vertragsdurchführung. Ansonsten liefe etwa Art. 64 Abs. 1 lit. b CISG leer, der eine Vertragsaufhebung des Verkäufers wegen Nichtleistung grundsätzlich erst nach erfolgloser Fristsetzung ermöglicht.977 Zudem lässt sich der Zahlungsverzug in den meisten Fällen durch einen Zinsanspruch nach Art. 78 CISG sowie einen Deckungsverkauf, gegebenenfalls verbunden mit Schadensersatz für einen Mindererlös, kompensieren.978 Ein entsprechender Ausnahmefall kann sich auch hier aus einer ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarung sowie aus einschlägigen Gepflogenheiten oder Handelsbräuchen ergeben.979 In Betracht kommt insbesondere das Vorliegen eines Fixgeschäfts bzw. eines fixähnlichen Geschäfts mit Blick auf den Zahlungstermin.980 Ein solches wird z. B. im Falle akkreditivgestützter Abladegeschäfte angenommen, bei denen vereinbart wurde, dass das Akkreditiv jedenfalls zum vorgesehenen Zeitpunkt der Warenabladung auf dem transportierenden Schiff eröffnet sein muss.981 Abladefrist zur Verfügung stehen müsse, im streitgegenständlichen Fall allerdings aus der einvernehmlichen Verschiebung der Akkreditiveröffnung auf das Nichtvorliegen eines Fixcharakters mit Blick auf den Zeitpunkt der Akkreditiveröffnung geschlossen wurde); ICC, 1. 1. 1992, CISG-online Case No. 105; vgl. auch LG Kassel, 21. 9. 1995 – 11 O 4261/94, CISG-online Case No. 192, Erw. I.(2)(a) (geschuldetes Dokument war eine Bankbestätigung über die künftige Eröffnung von Akkreditiven, also noch nicht das Akkreditiv als Form der Kaufpreiszahlung selbst); explizit auch Achilles, Art. 25 Rn. 17; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-441; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Mohs, Art. 64 Rn. 9; Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 14. 977 Mit dem Hinweis, dass ansonsten Art. 64 Abs. 1 lit. b CISG leerliefe, vgl. nur Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 134 f.; Honsell/Schnyder/Staub, Art. 64 Rn. 20c; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 32; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 32; Staudinger/ Magnus, Art. 64 Rn. 10; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 131 und dem folgend in der Rechtsprechung OLG Karlsruhe 15. 3. 2016 – 1 U 192/14, CISG-online Case No. 2740, Erw. II.4.c)(a); OLG Frankfurt a. M., 24. 3. 2009 – 5 U 214/05, CISG-online Case No. 2165, Erw. II.2.a)(bb); zu der gleichlautenden Argumentation mit Blick auf die nur ausnahmsweise wesentliche Lieferverzögerung des Verkäufers (Art. 46 Abs. 1 lit. a CISG) vgl. oben § 9 F.I.2. a). 978 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 7; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Mohs, Art. 64 Rn. 7. 979 Vgl. nur Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 135 f.; MüKo/ Huber, Art. 64 Rn. 7; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 8; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 133. 980 OLG Frankfurt a. M., 24. 3. 2009 – 5 U 214/05, CISG-online Case No. 2165, Erw. II.2.a)(bb); Achilles, Art. 25 Rn. 17; Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UNKaufrecht, S. 135; MüKo/Huber, Art. 64 Rn. 7; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Mohs, Art. 64 Rn. 8; Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 11; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 133. 981 Downs Investments ./. Perwaja Steel, Queensland Supreme Court (Australien), 17. 11. 2000, CISG-online Case No. 587, Erw. 20, 73 ff., insb. 75, 81; ebenso: MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 32 (mit dem weiteren Beispiel, dass der vereinbarte Zahlungstremin Fixschuldcharakter haben kann, wenn der Verkäufer mit der Zahlungssumme die notwendigen Materialien zur

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Dem Verkäufer geht es hierbei nicht nur um die Regelung der Zahlungsmodalitäten, sondern gerade auch darum, dass er die Ware nicht ohne Sicherheit für die Zahlung des Kaufpreises abladen möchte.982 Des Weiteren spielt die fristgerechte Zahlung ausnahmsweise eine wesentliche Rolle, wenn angesichts offenkundig „starker Schwankungen oder rasanter Inflation der Zahlungswährung“983 diese erkennbar, d. h. gerade auch für den Käufer, mit dem Durchführungsinteresse des Verkäufers verknüpft ist.984 Schließlich kann hier eine geringe Zahlungsverzögerung die Preiskalkulation des Verkäufers ganz erheblich erschüttern, so dass ihm im Wesentlichen entgeht, was er nach dem Vertrag erwarten durfte.985 Die Fälle, in denen ein solches Risiko tatsächlich für das Durchführungsinteresse des Verkäufers entscheidend ist, werden dem Käufer in der Regel erkennbar sein, da er entweder dem gleichen Währungsrisiko ausgesetzt ist oder u. U. bedeutend davon profitiert. Jedenfalls kann ihm als unternehmerisch Handelnder das Bewusstsein für die Relevanz solcher Faktoren unterstellt werden. Sofern also kein Fixgeschäft vereinbart wurde oder angesichts der Umstände kein fixähnliches Geschäft anzunehmen ist, kommt dem Zahlungsverzug nur dann wesentliches Gewicht zu, sofern dem Käufer erfolglos eine Frist zur Zahlung gesetzt wurde, Art. 64 Abs. 1 lit. b CISG. Dies entspricht letztlich der Systematik in Art. 49 CISG mit Blick auf eine Lieferverzögerung. Dieser systematische Gleichlauf erleichtert es den Adressaten des CISG, die im Großteil der Fälle sowohl als Käufer als auch als Verkäufer internationalen Warenhandel betreiben, mit der Wesentlichkeitsfrage umzugehen.

Warenherstellung beschaffen sollte); Achilles, Art. 25 Rn. 17; MüKo/Huber, Art. 49 Rn. 7; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 68; Schlechtriem/Schwenzer/ Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 9; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 135; verhaltener Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 15. 982 Downs Investments ./. Perwaja Steel, Queensland Supreme Court (Australien), 17. 11. 2000, CISG-online Case No. 587, Erw. 20; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 68; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 9; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 136; wohl auch MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 32. 983 Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 11. 984 OLG Frankfurt a. M., 24. 3. 2009 – 5 U 214/05, CISG-online Case No. 2165, Erw. II.2.a)(bb); Achilles, Art. 25 Rn. 17; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 32 („stark flukturierende Devisenmärkte oder eine rasante Inflation“); Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 137; MüKo/Huber, Art. 64 Rn. 7; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 68; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 8; Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 11; enger MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 32, der zusätzlich „[…] Unsicherheiten über die Realisierung von bloßen Zahlungsansprüchen gegen den Käufer“ fordert. 985 Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 11, der darauf hinweist, dass der Verkäufer in einem solchen Fall „[…] auf pünktliche Zahlung angewiesen ist, um den vereinbarten Gegenwert für seine Leistung noch zu erhalten“.

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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3. Keine Abnahme und Abnahmeverzug Auch der Verstoß gegen die Pflicht zur Abnahme der Ware (Art. 53, 60 CISG) kann wesentlich im Sinne von Art. 25 CISG sein. Die Einzelfallbeurteilung verläuft hier nach ähnlichen Grundwertungen, wie mit Blick auf die Kaufpreiszahlungspflicht und letztlich auch die Lieferpflicht des Verkäufers.986 Die endgültig ausbleibende bzw. ernsthaft und endgültig verweigerte Warenabnahme, ohne dass ein Verweigerungsrecht des Käufers besteht, ist nach h. M. als wesentliche Vertragsverletzung anzusehen.987 Ist sich der Verkäufer unsicher, ob ein Fall endgültigen Ausbleibens der Annahme vorliegt, kann er sich auch hier mittels Nachfristsetzung Gewissheit verschaffen, wann er dem Abnahmeverzug „wesentliches“ Gewicht beimessen kann, Art. 64 Abs. 1 lit. b, 63 Abs. 1 CISG.988 Der bloße Abnahmeverzug an sich – wie auch der Zahlungsverzug – stellt grundsätzlich noch keine wesentliche Vertragsverletzung dar,989 was die ansonsten 986

Mit dem Hinweis auf die ähnliche „Ausgangslage“ etwa auch MüKo/Huber, Art. 64 Rn. 9; ferner Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 38. 987 Tribunal de Grande Instance de Strasbourg (Frankreich), 22. 12. 2006, CISG-online Case No. 1629; Hof van Beroep Gent (Belgien), 20. 10. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/04102 0b1.html, Erw. 1.2; KantonsG Zug (Schweiz), 12. 12. 2002, CISG-online Case No. 720, Erw. 3.2 = IHR 2004, 65, 66 („Im vorliegenden Fall hat die Beklagte die gekaufte Ware nicht abgenommen und damit eine wesentliche Vertragsverletzung begangen.“); HandelsG Kanton Aargau (Schweiz), 26. 9. 1997, CISG-online Case No. 329, Erw. II.F.3.b) (zum eindeutigen Wortlaut s. bereits Teil 3 Fn. 969); Schiedsgericht der Börse für landwirtschaftliche Produkte Wien, 10. 12. 1997, CISG-online Case No. 351, Erw. VII.1.6; OLG Hamm, 2. 9. 1992 – 19 U 97/ 91, CISG-online Case No. 57, Erw. A.I.3. („[…] die Nichtabnahme von mehr als der Hälfte der gekauften Ware (116,6 von 200 t) stellt eine wesentliche Vertragsverletzung dar.“); Achilles, Art. 25 Rn. 18; Freiburg, Das Recht zur Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 149, 152; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 22; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 64 Rn. 12; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 38; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 64 Rn. 20a; Honnold/ Flechtner, Rn. 354; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 36; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 33; MüKo/Huber, Art. 64 Rn. 9; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 70 („as a rule“); Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 13; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Mohs, Art. 64 Rn. 13; Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 17; wohl auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-445 (i. V. m. Rn. 5-443); anders Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 137 f., der im Falle der Unmöglichkeit der Abnahme nur dann von deren Wesentlichkeit ausgehen möchte, wenn der Verkäufer die Ware nicht „[…] zumutbar abredewidrig an einen Dritten veräußern kann.“ Dass sich der Verkäufer allerdings alternativ und abredewidrig (!) einen neuen Käufer suchen muss, wird gerade sein Durchführungsinteresse gegenüber dem ursprünglichen Vertragspartner entfallen lassen. 988 Ausdrücklich Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 70; Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 21. 989 Tribunal de Grande Instance de Strasbourg (Frankreich), 22. 12. 2006, CISG-online Case No. 1629; OLG Düsseldorf, 22. 7. 2004 - I-6 U 210/03, CISG-online Case No. 916, Erw. 4. („Ausnahmefall“); Cour d’appel de Grenoble (Frankreich), 4. 2. 1999, http://cisgw3.law.pace. edu/cases/990204f1.html (Annahmeverzug von zwei Tagen keine wesentliche Vertragsverletzung); Achilles, Art. 25 Rn. 18; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 22; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 64 Rn. 12; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 64 Rn. 20c; Honnold/ Flechtner, Rn. 354; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 36; MüKo/Gru-

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Teil 3: Einzelbetrachtung

überflüssige Regelung in Art. 64 Abs. 1 lit. b CISG verdeutlicht.990 Allerdings kann sich im Ausnahmefall991 wiederum aus ausdrücklichen oder konkludenten Vereinbarungen sowie gegebenenfalls zu beachtenden Gepflogenheiten und Handelsbräuchen eine besondere, wesentliche Bedeutung der fristgerechten Abnahme ergeben.992 Dies ist eindeutig der Fall, wenn ausdrücklich ein Fixgeschäft hinsichtlich des Zeitpunktes der Abnahme vereinbart wurde, etwa bei just-in-time Geschäften.993 Darüber hinaus ist jedenfalls ein fixähnliches Geschäft anzunehmen, wenn – auch für den Käufer – erkennbar das Durchführungsinteresse des Verkäufers mit der fristgerechten Warenabnahme steht und fällt.994 Hat der Verkäufer z. B. signalisiert, dass er zur Schaffung neuer Lagerkapazitäten oder mit Blick auf die Löschung eines Frachtschiffes oder sonstiger Beförderungsmittel zentrales Interesse an der fristgerechten Warenabnahme hat, kommt dem Abnahmeverzug wesentliche Bedeutung ber, Art. 25 Rn. 33; MüKo/Huber, Art. 64 Rn. 9; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 33; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-445; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 70; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 14; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Mohs, Art. 64 Rn. 14; Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 17; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 138. 990 Honsell/Schnyder/Straub, Art. 64 Rn. 20c; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 33; MüKo/ Huber, Art. 64 Rn. 9; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-445; Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 17; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 138. 991 Vgl. neben den Nachweisen zum Ausnahmecharakter eines „wesentlichen“ Abnahmeverzuges in Teil 3 Fn. 989 insb. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 67 („The existing case law under the Convention shows a general tendency among the courts to treat the buyer’s failure to take delivery as not fundamental, unless the case is marked by particular circumstances […]“.). 992 Ausdrücklich mit Blick auf den Annahmeverzug Tribunal de Grande Instance de Strasbourg (Frankreich), 22. 12. 2006, CISG-online Case No. 1629; vgl. auch Cour d’appel de Grenoble (Frankreich), 4. 2. 1999, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/990204f1.html („[…] il y a lieu de rechercher dans quel contexte cette période a été convenue.“); vgl. ferner nur Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 139. 993 Vgl. Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 64 Rn. 12; Freiburg, Das Recht zur Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 149; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 64 Rn. 20b; MüKo/ Huber, Art. 64 Rn. 9; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-446; Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 17; vgl. auch Tribunal de Grande Instance de Strasbourg (Frankreich), 22. 12. 2006, CISGonline Case No. 1629 (Die noch nicht erfolgte Abnahme stellte keine wesentliche Vertragsverletzung dar, da eine entsprechende Vereinbarung zum Abnahmezeitpunkt gerade nicht ersichtlich war („[…] le document constituant la base contractuelle […] ne fixait aucun délai impératif à [achetuer] pour prendre livraison des tubes, ni précisant que ces tubes devaient être retirés rapidement […]“. Auch das Vorliegen von Gepflogenheiten oder Handelsbräuchen wurde thematisiert und abgelehnt.). 994 Ferrrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 22; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 64 Rn. 12; Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 150; Honsell/ Gsell, Art. 25 Rn. 38; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 64 Rn. 20b; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 36; MüKo/Huber, Art. 64 Rn. 9; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 446; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 70; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 14; Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 17; vgl. auch Tribunal de Grande Instance de Strasbourg (Frankreich) Teil 3 n. 993).

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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zu.995 Dies gilt auch, wenn die Ware nicht weiter lagerfähig ist, z. B. weil sie schnell verderblich ist und ansonsten die Nutzung des Lagers und/oder den Umgang mit anderen eingelagerten Waren beeinträchtigt.996 Zu beachten ist allerdings, dass die Verderblichkeit nicht schlechthin mit der Wesentlichkeit des Annahmeverzugs einhergeht. Vielmehr muss die Verderblichkeit, z. B. wegen Fäulnis, Gesundheitsgefährdung etc., die Einlagerung an sich unzumutbar machen.997 Beeinträchtigen Qualitätseinbußen der Ware dagegen nicht die grundsätzliche Lagerfähigkeit und der Käufer musste auch keine gegebenenfalls bestehenden Kapazitätsengpässe des Verkäufers erkennen, so ist die Lagerung bis auf weiteres zumutbar. Schließlich geht die Gefahr des Preisverfalls regelmäßig mit Annahmeverzug auf den Käufer über (Art. 67 ff. CISG), so dass der Wertverlust der Ware den Verkäufer auch wirtschaftlich nicht (mehr) direkt betrifft. Lager- und zusätzliche Transportkosten können dabei durch einen Schadensersatzanspruch kompensiert werden. Dass der Verkäufer die Möglichkeit zum Deckungsverkauf hat oder ihn gar eine entsprechende Pflicht trifft (Art. 88 CISG), hat auf die Beurteilung der Wesentlichkeit keinen Einfluss.998 Bleibt im Rahmen von Sukzessivlieferungsverträgen die Annahme einer Teillieferung aus, so ist zwischen der Wesentlichkeit der Pflichtverletzung für den gesamten Vertrag einerseits und nur für die betreffende Teillieferung andererseits zu differenzieren.999 Ob es sich um eine wesentliche Vertragsverletzung des gesamten Vertrages handelt, ist an der Bedeutung der betreffenden Minderabnahme bzw. des Annahmeverzuges für die Durchführung des gesamten Vertrages zu messen, d. h. unter Berücksichtigung des gesamten Vertragsvolumens bzw. Vertragszeitraums.1000 995

Vgl. nachfolgend Teil 3 Fn. 996. Zu den genannten Ausnahmefällen vgl. OLG Düsseldorf, 22. 7. 2004 – I-6 U 210/03, CISG-online Case No. 916, Erw. 4. („[…] bei einem gewöhnlichen Kaufvertrag über nicht verderbliche Ware und ohne Besonderheiten der Lagerung oder Beförderung begründet weder eine Verletzung der Abnahmepflicht noch eine solche der Pflicht zur Kaufpreiszahlung eine derartige wesentliche Vertragsverletzung […]“); Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 64 Rn. 12; Freiburg, Das Recht zur Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 150 f.; Honsell/ Schnyder/Straub, Art. 64 Rn. 20b; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 36; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 33; MüKo/Huber, Art. 64 Rn. 9; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 32; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 14; Staudinger/ Magnus, Art. 64 Rn. 17; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 139. 997 So ausdrücklich Freiburg, Das Recht zur Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 150 f. 998 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 64 Rn. 12; Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 17 a. E. 999 OLG Brandenburg, 18. 11. 2008 – 6 U 53/07, CISG-online Case No. 1734, Erw. B.II.1.a) dd) = IHR 2009, 105, 111 („Da aber im Rahmen des Art. 64 CISG – anders als bei Art. 73 Abs. 2 CISG – nicht auf die Teillieferungen, sondern auf den gesamten Vertrag abzustellen ist, ist die Wesentlichkeit entgegen der Ansicht der Klägerin bezogen auf den gesamten Vertragszeitraum von drei Jahren zu bestimmen.“); Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 13; vgl. auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-449 ff. 1000 Auf Grundlage dessen lehnte das OLG Brandenburg (Teil 3 Fn. 999) die Wesentlichkeit ab, weil die Minderabnahme bei einer der drei Teillieferungen nur 7,5 % des gesamten Ver996

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Die Schwelle eines wesentlichen Vertragsbruches des gesamten Geschäfts liegt hier also wieder sehr hoch. Denkbar bleibt daneben die Annahme einer wesentlichen Vertragsverletzung mit Blick auf die nicht abgenommene Teillieferung selbst, also nur eines Teils des Sukzessivliefervertrages und ein entsprechend darauf beschränktes Aufhebungsrecht (vgl. Art. 73 CISG).1001 Auch das Ausbleiben eines womöglich geschuldeten Abrufes oder einer Spezifikation durch den Käufer kann eine wesentliche Verletzung der Abnahmepflicht darstellen.1002 Wird der Verkäufer wegen des ausbleibenden Abrufes letztlich an der Durchführung des Verkaufs gehindert oder hat er erkennbar ein besonderes Interesse an der Einhaltung eines gewissen zeitlichen Rahmens für den Abruf, so kann mit dem Verstoß gegen die entsprechende Pflicht zum Warenabruf schließlich auch sein Durchführungsinteresse entfallen. Mit Blick auf eine geschuldete Spezifikation liegt die Hürde zur Wesentlichkeit aber höher. Denn der Verkäufer kann nach Maßgabe von Art. 65 CISG notfalls selbst die erforderliche Spezifikation durchführen und damit die Vertragsdurchführung sichern.1003 Allein die fehlende Spezifikation des Käufers wird also kaum eine wesentliche Vertragsverletzung begründen können.

tragsvolumens ausmachte: „Angesichts dessen vermag der Senat eine solche Fehlmenge […] nicht als Wegfall eines wesentlichen Vertragsvorteils einzuordnen.“ In Bezug auf den zweiten streitgegenständlichen Sukzessivlieferungsvertrag wurde in der Minderabnahme von 15 % des gesamten Vertragsvolumens aber durchaus eine wesentliche Vertragsverletzung mit Blick auf den gesamten Vertrag angenommen, Erw. B.III.3. = IHR 2009, 105, 114: „Dass der Einbruch der Abnahme durch diesen Hauptabnehmer um gut 15 % die Wirtschaftlichkeit […] der Klägerin [Verkäuferin] bedrohte, liegt auf der Hand; ferner Schiedsgericht der Börse für landwirtschaftliche Produkte Wien, 10. 12. 1997, CISG-online Case No. 351, Erw. IX.1. (verweigerte Annahme von 5.800 Tonnen der insgesamt im Sukzessivlieferungsvertrag vereinbarten Liefermenge von 6.300 Tonnen Braugerste, d. h. 92 % Minderabnahme: wesentliche Vertragsverletzung). Vgl. dazu auch Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 13; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 22; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 38 a. E. 1001 OLG Brandenburg, 18. 11. 2008 – 6 U 53/07, CISG-online Case No. 1734, Erw. B.II.1.a)bb) = IHR 2009, 105, 110; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-450; Schlechtriem/ Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 13. 1002 Honnold/Flechtner, Rn. 357; MüKo/Huber, Art. 65 Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/ Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 16; Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 19; s. auch Achilles, Art. 64 Rn. 4; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 64 Rn. 69. 1003 Vgl. dazu und desweiteren zur überwiegenden Ansicht, nach der die Spezifikation Teil der Abnahmepflicht gemäß Art. 53, 60 lit. a CISG ist und damit auch die Möglichkeit zur Absicherung eines Aufhebungsrechts durch Nachfristsetzung (Art. 64 Abs. 1 lit. b CISG) besteht: Achilles, Art. 64 Rn. 4; MüKo/Huber, Art. 65 Rn. 11; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 16, Art. 65 Rn. 1, 20; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Mohs, Art. 64 Rn. 16; Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 19, 24, Art. 65 Rn. 6, 18; zur Gegenansicht, nach der die Spezifikation keine Mitwirkungspflicht bei der Abnahme darstellt, s. etwa Honsell/ Schnyder/Straub, Art. 64 Rn. 69.

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

255

III. Sonstige Pflichtverletzungen 1. Vorsätzliche Pflichtverletzung Wie bereits mehrfach hervorgehoben wurde, entscheidet der Wegfall des Durchführungsinteresses über die Einordnung einer Pflichtverletzung als „wesentlich“. Allein „die Schwere der Verfehlung“1004, etwa arglistiges bzw. vorsätzlich pflichtwidriges Verhalten vermag nach h. M. mithin keine wesentliche Vertragsverletzung im Sinne von Art. 25 CISG zu konstituieren.1005 Denkbar ist allenfalls, dass ein vorsätzlicher bzw. arglistiger Vertragsbruch zur Wesentlichkeit der Vertragsverletzung führt, weil es für die weitere Vertragsdurchführung grundlegend auf das Vertrauen in die Vertragstreue der Gegenseite ankommt (z. B. mit Blick auf die Nachbesserung1006 oder weitere Lieferungen i. R. e. Sukzessivlieferungsvertrags). Wird in diesem Fall das Vertrauen durch eine vorsätzlich bzw. arglistig begangene Pflichtverletzung gänzlich zerstört, so ist in der Konsequenz auch vom Wegfall des Durchführungsinteresses der vertragstreuen Partei auszugehen.1007 Zu beachten bleibt jedoch, dass ein solch schwerwiegender Vertrauensbruch nicht mehr durchschlägt, wenn der Vertrag dennoch erfüllt wurde oder ein nochmaliges Fehlverhalten bei der weiteren Vertragsdurchführung ausgeschlossen ist.1008 Letzteres wäre beispielsweise der Fall, wenn der verantwortliche 1004

Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 23. Benicke, IPRax 1997, 326, 330; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 13 („Abzustellen ist also nicht auf den Handlungs-, sodern den Erfolgsunwert der Pflichtverletzung.“); ferner Achilles, Art. 25 Rn. 4; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 23; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 16; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 15; Leisinger, Fundamental Breach, S. 97 f.; Magnus, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 423, 426; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 53; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-10; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 19. In diese Richtung auch der BGH, aber i. E. offen gelassen: BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.e) = NJW 1996, 2364, 2367 („Ob arglistiges Unterschieben vertragswidriger – hier: in Südafrika hergestellter – Ware stets eine wesentliche Vertragsverletzung i. S. der Art. 25, 49 CISG darstellt, […], erscheint nicht unbedenklich […].“). Vgl. zur Irrelevanz der Art der Pflichtverletzung auch BundesG (Schweiz), 15. 9. 2000, CISG-online Case No. 770, Erw. C.2.c)aa). 1006 Leisinger, Fundamental Breach, S. 100. 1007 Vgl. OLG Hamburg, 14. 12. 1994 – 5 U 224/93, CISG-online Case No. 216 („Zwar ist vorstellbar, daß arglistiges Verhalten des Verkäufers im Zusammenhang mit einer nicht vertragsgemäßen Leistung dazu führen kann, daß dem Käufer ein Festhalten an dem Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann, daß mithin dadurch die Vertragsverletzung zu einer wesentlichen wird.“) und OLG Frankfurt a. M., 17. 9. 1991 – 5 U 164/90, CISG-online Case No. 28 = NJW 1992, 633, 635 („Das Vertrauen der Beklagten in die Vertragstreue der Zedentin war durch die Ausstellung der Schuhe mit ,M.‘-Zeichen ohne jede Einschränkung jedenfalls nachhaltig gestört.“). 1008 Vgl. dazu und zum Wegfall des Durchführungsinteresses angesichts der zerstörten Vertrauensgrundlage insgesamt auch Achilles, Art. 25 Rn. 4, 14; Benicke, IPRax 1997, 326, 330; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 23; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 16; Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 15; Leisinger, Fundamental Breach, S. 99 f.; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 13; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 53. 1005

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Mitarbeiter nicht mehr an der Vertragsdurchführung beteiligt ist1009 oder eine Wiederholung schon nach der Art der noch geschuldeten Leistung nicht in Betracht kommt. 2. Verletzung vertraglicher Zusatzpflichten Im Rechtsbehelfssystem des CISG und mithin für die Wesentlichkeit der Vertragsverletzung spielt eine Einteilung in Haupt- und Nebenpflichten, wie bereits ausgeführt wurde,1010 keine Rolle. Dementsprechend kann auch der Verstoß gegen sonstige vertragliche Zusatzpflichten eine wesentliche Vertragsverletzung darstellen.1011 Es gilt schlicht der gleiche Grundsatz, wie für die bereits dargestellten Fallgruppen, unter entsprechender Berücksichtigung der bereits dargelegten Wertungen. Kurz: Auf Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen und gegebenenfalls unter Berücksichtigung von Gepflogenheiten und Handelsbräuchen ist im Einzelfall nach dem Wegfall des Durchführungsinteresses aufgrund der Pflichtverletzung zu fragen.1012 Die vielseitigen Sachverhaltskonstellationen und Gestaltungsmöglichkeiten erschweren hier zwar erst recht allgemeingültige Aussagen zur Wesentlichkeitsschwelle. Dennoch lassen die in diesem Kontext ergangene Rechtsprechung sowie die Erläuterungen in der Literatur Schlüsse auf die gängigsten Problemfälle zu und ermöglichen somit durchaus eine grundlegende Orientierung bei der Beurteilung der Verletzung von vertraglichen Zusatzpflichten.1013 a) Verstoß gegen Zusatzpflichten des Verkäufers Als wesentlich kann etwa der Verstoß gegen ein vertragliches Wettbewerbsverbot bzw. eine Ausschließlichkeitsabrede angesehen werden.1014 Konkrete Beispiele aus 1009

So das Beispiel von MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 13. S. oben § 9 E.I. 1011 Vgl. auch Benicke, IPRax 1997, 326, 328, 331; Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 120, 153; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 64 Rn. 13; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 42; Magnus, 25 J. L. & Com. (2005/ 2006) 423, 435; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 24, 71; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 29; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 124 ff., 140 ff. 1012 Achilles, Art. 25 Rn. 15, 19; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 24; Honnold/ Flechtner, Rn. 181.2; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 11, 46; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 31, 33; MüKo/Huber, Art. 64 Rn. 5; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 52; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-277, 5-292 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 71; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Müller-Chen, Commentary, Art. 49 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 17 („Other obligations of the buyer […] follow similar rules.“); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Mohs, Art. 64 Rn. 17; Staudinger/Magnus, Art. 49 Rn. 18. 1013 Zu der vertraglichen Zusatzpflicht Begleitdokumente zu liefern s. bereits oben, § 9 F.I.5.a). 1014 OLG Koblenz, 31. 1. 1997 – 2 U 31/96, CISG-online Case No. 256 = IHR 2003, 172, 174 („[…] was auch bei Verletzung einer Nebenpflicht wie einer Ausschließlichkeitsabrede der 1010

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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der Rechtsprechung sind etwa der Verstoß gegen das Alleinvertriebsrecht des Käufers1015 und die Verletzung der dem Käufer vertraglich zugesicherten Exklusivität.1016 In diesen Fällen kann die Wahrung der Nebenpflicht ohne Weiteres von zentralem Interesse für den Käufer sein.1017 Denkbar ist, dass sich dieser etwa auf Grundlage der zugesicherten Ausschließlichkeit zum Kauf der Ware entschieden hat, weil er nur so den erfolgreichen Warenabsatz als gesichert ansah. Auch der Verstoß gegen die vertraglich vereinbarte Zusatzpflicht, das Markenrecht des Käufers über die zu liefernde Ware zu wahren, kann zur Annahme der Wesentlichkeit führen.1018 Kann die gelieferte Ware nur unter Einhaltung der zusätzlichen Montageverpflichtung des Verkäufers überhaupt genutzt werden, etwa weil eine Montage durch Dritte nicht möglich oder zumutbar ist, so kann sich die Verletzung der Montagepflicht als wesentlich für den gesamten Vertrag darstellen.1019 Der Verstoß gegen die Pflicht, bestimmte Abrechnungen zu erstellen, kann je Fall sein kann.“); so ausdrücklich auch MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 52; ferner: Achilles, Art. 25 Rn. 16; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 24; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 46; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 49 Rn. 30; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 42; Magnus, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 423, 435 f.; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 31; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-292; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 71; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Commentary, Art. 49 Rn. 12; Staudinger/Magnus, Art. 49 Rn. 18; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 124. 1015 OLG Koblenz, 31. 1. 1997 – 2 U 31/96, CISG-online Case No. 256 = IHR 2003, 172, 174 (im Ergebnis aber mangels hinreichenden Tatsachenvortrags zur Vereinbarung eines Alleinvertriebsrechts abgelehnt). 1016 HandelsG Kanton Aargau (Schweiz), 26. 9. 1997, CISG-online Case No. 329, Erw. II.F.2.a) (Der Käuferin wurde zugesichert, nur sie werde exklusiv in der Schweiz mit der betreffenden Ware beliefert. „Die Nicheinhaltung einer vertraglich vereinbarten Exklusivität ist als wesentliche Vertragsverletzung im Sinne des WKR zu qualifizieren, weil damit die Interessen der vertragstreuen Partei entscheidend tangiert werden.“). 1017 Vgl. auch Achilles, Art. 25 Rn. 16 („[…] da ein vereinbarter oder vertraglich vorausgesetzter Alleinvertrieb zumeist zu den Essentiale der Verwertungsabsichten des Käufers gehört.“); MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 31. 1018 So bei OLG Frankfurt a. M., 17. 9. 1991 – 5 U 164/90, CISG-online Case No. 28 = NJW 1992, 633, 634 (Im Kaufvertrag über die zu liefernden Schuhe wurde das Markenrecht der Käuferin festgehalten und eine Veräußerung an andere untersagt. Dennoch bot die Verkäuferin die Schuhe mit dem entsprechenden Markenzeichen auf einer Verkaufsmesse anderen potentiellen Käufern an, ohne auf eine Unterlassungaufforderung der Markeninhaberin/Käuferin zu reagieren.). Vgl. in der Literatur nur: Honsell/Schnyder/Straub, Art. 49 Rn. 30; Kröll/Mistelis/ Perales Viscasillas/Björklund, Art. 25 Rn. 42; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 31; MüKo-HGB/ Benicke, Art. 25 Rn. 52; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-292; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 71; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Commentary, Art. 49 Rn. 12; Staudinger/Magnus, Art. 25 Rn. 29, Art. 49 Rn. 18. 1019 Vgl. dazu eingehend OLG Hamburg, 25. 1. 2008 – 12 U 39/00, CISG-online Case No. 1681 II.1. = IHR 2008, 98, 100 (Wesentliche Vertragsverletzung i. E. abgelehnt. Trotz des Verstoßes der Verkäuferin gegen die Zusatzpflicht, die veräußerten Maschinen für den Betrieb eines Eiscafés „betriebsbereit auszustellen“, gelang es der Käuferin, die Maschinen zweckgerecht zu nutzen); Achilles, Art. 25 Rn. 15; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 49 Rn. 30; MüKo/ Gruber, Art. 25 Rn. 31; MüKo-HGB/Benicke, Art. 25 Rn. 52; Schlechtriem/Schwenzer/

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Teil 3: Einzelbetrachtung

nach den Umständen des Geschäfts wesentlich sein.1020 Ein wesentlicher Vertragsbruch kommt des Weiteren in Frage, wenn sich der Verkäufer nicht an die vertraglich vereinbarte Pflicht zur Rücknahme der ausgetauschten defekten Ware hält.1021 b) Verstoß gegen Zusatzpflichten des Käufers Als Zusatzpflichten des Käufers mit wesentlicher Bedeutung im Sinne von Art. 25 CISG kommen zunächst Mitwirkungspflichten in Betracht, etwa zur Lieferung von Materialien oder der Übermittlung gewisser Auskünfte, Daten, Plänen u. ä., die z. B. zur Herstellung oder Anschaffung der geschuldeten Waren zwingend erforderlich sind.1022 Die fristgerechte Erfüllung solcher Zusatzpflichten kann durchaus Fixcharakter haben, wenn der Verkäufer etwa seine Kapazitätsauslastung auf die rechtzeitige Lieferung der Informationen, Materialien etc. ausgerichtet hat.1023 Vor diesem Hintergrund wurde i. R. e. Bierlieferungsvertrages die Wesentlichkeit des Verstoßes gegen die Pflicht zur Abstimmung eines „Saisonschlüssels“ für die kommenden 12 Monate verneint, da es der Verkäuferin dennoch gelang ihre Produktionskapazitäten auf Grundlage von 8-Wochen-Vorhersagen auszunutzen.1024 Wettbewerbs- beziehungsweise Ausschließlichkeitsabreden können auch eine wesentliche Vertragsverletzung des Käufers begründen, sofern deren Einhaltung von

Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 71; Schlechtriem/Schwenzer/Müller-Chen, Commentary, Art. 49 Rn. 12; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 125. 1020 Tribunal of International Commercial Arbitration at the Ukraine Chamber of Commerce and Trade, 25. 11. 2002, CISG-online Case No. 1267, vgl. auch Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 71. 1021 HandelsG Zürich (Schweiz), 24. 10. 2003, CISG-online Case No. 857, IV.4.b)bb) (Wesentlichkeit aber abgelehnt, da es sich gemessen am Gesamtvolumen des Vertrags nur um einen geringen Teil nicht zurückgenommener Ware handelte und der Aufwand für die Käuferin, die mangelhafte Ware – 12 angeschimmelte Matratzen – selbst zu entsorgen, „nicht besonders ins Gewicht fällt“.); vgl. auch Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 71. 1022 Vgl. Achilles, Art. 25 Rn. 19; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 64 Rn. 14; Freiburg, Das Recht auf Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 153; Honsell/Schnyder/ Straub, Art. 64 Rn. 22; MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 33; MüKo/Huber, Art. 64 Rn. 10; MüKo-HGB/Wertenbruch, Art. 64 Rn. 9; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 71; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Mohs, Art. 64 Rn. 17; Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 20; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 141. 1023 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 64 Rn. 14; Freiburg, Das Recht zur Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 153; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 18; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 141. 1024 OLG Brandenburg, 18. 11. 2008 – 6 U 53/07, CISG-online Case No. 1734, Erw. B.II.1.c) = IHR 2009, 105, 112 („Denn zu berücksichtigen ist insbesondere, dass die Parteien die ganze Zeit über ihr Geschäft mit den 8-Wochen-Vorhersagen abgewickelt haben und die Klägerin [Verkäuferin] im Jahr 2004 trotz Nichtvorliegen eines Saisonschlüssels in erheblichem Umfang für Drittabnehmer produziert hat […]“.).

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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zentralem (Durchführungs-)Interesse für den Verkäufer ist.1025 Einen solchen Fall stellte etwa die Missachtung eines vertraglich vereinbarten Reimportverbots durch den Käufer dar, welches den Vertriebsbereich von Markenware räumlich einschränken sollte.1026

G. Zusammenfassende Bewertung Nach der ausführlichen Betrachtung der einzelnen Voraussetzungen und der wichtigsten Fallgruppen wesentlicher Vertragsverletzungen im Sinne von Art. 25 CISG lassen sich einige Beobachtungen und Wertungen zum Grad an Rechtssicherheit festhalten:

I. Art. 25 CISG als zentraler Orientierungspunkt im Rechtsbehelfssystem Art. 25 CISG ist Dreh- und Angelpunkt im Rechtsbehelfssystem des CISG,1027 dessen Aufbau und Systematik eine äußerst zuträgliche Wirkung auf die orientierungssichere Handhabe der Konvention hat.1028 Neben den bereits zuoberst betrachteten Merkmalen ist die Zugrundelegung eines einheitlichen Begriffs der Pflichtverletzung charakteristisch. Dies schlägt sich auch im Umgang mit Art. 25 CISG nieder. Für die Ermittlung einer Vertragsverletzung ist die Abgrenzung zwischen „Kardinal-, Haupt-, Zusatz-, Neben-, Leistungs-, Unterlassungs-, Verhaltens-, Schutz- oder sonstigen Pflichten“1029 nicht erforderlich. Auch auf die Beurteilung, ob es sich um einen Fall der anfänglichen oder nachträglichen, objektiven oder sub1025 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 64 Rn. 20 („[…] Abreden über die Vermarktung der Ware oder wettbewerbliche Pflichten wie Bezugs-, Vertriebs- oder Preisbindungen, Reimport-, Exportpflichten […]“); ferner Achilles, Art. 25 Rn. 19 („[…] zumal dies häufig schwerwiegende Auswirkungen auf das übrige Vertriebssystem und etwaige Lizenznehmer des Verkäufers oder seines Lieferanten haben kann.“); Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 24; Freiburg, Das Recht zur Vertragsaufhebung im UN-Kaufrecht, S. 153; Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 46; Honsell/Schnyder/Straub, Art. 64 Rn. 22; MüKo/Huber, Art. 64 Rn. 10; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 71; Schlechtriem/Schwenzer/Mohs, Commentary, Art. 64 Rn. 17; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 140. 1026 Cour d’appel Grenoble (Frankreich), 22. 2. 1995, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/ 950222f1.html, (US-amerikanischer Käufer von Jeans vereinbarte mit französischer Verkäuferin, dass die Ware nur in Südamerika und Afrika weiterveräußert wird. Dennoch wurde die Ware auch nach Spanien verkauft und mithin ein wesentlicher Vertragsbruch begangen.). 1027 Vgl. Ferrari, 25 J. L. & Com. (2006) 489, 489 („This Article is the dispositive provision that defines the concept of ,fundamental breach,‘ a concept which is of central importance to the CISG’s remedial system.“) und bereits eingangs § 9. 1028 Zu der positiven Wirkung der Rechtsbehelfssystematik auf die Orientierungssicherheit s. bereits oben § 6. 1029 So ausdrücklich hervorgehoben von Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-9.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

jektiven Unmöglichkeit handelt, oder ob der Rechtsbehelf statt oder neben der Leistung geltend gemacht wird, kommt es nicht an. Aus der Tatsache, dass Art oder Charakter der Leistungsstörung im CISG bzw. Art. 25 CISG nicht entscheidend sind, folgt eine Vereinfachung im Umgang mit der Konvention und damit eine Reduktion von Rechtsunsicherheitsrisiken. Dies gilt insbesondere im Vergleich mit der Rechtslage im autonomen deutschen Recht, bei der die Beantwortung entsprechender Abgrenzungsfragen mit erheblichen Unwägbarkeiten verbunden sein kann. Darüber hinaus schlägt sich in der einheitlichen Definition für alle Rechtsbehelfe, deren Geltendmachung tatbestandlich eine „wesentliche Vertragsverletzung“ voraussetzt (allen voran die sofortige Vertragsaufhebung) auch ein entsprechend einheitliches Begriffsverständnis nieder. D. h., dass der Anwendung der verschiedenen Rechtsbehelfsnormen, sei es Art. 49 Abs. 1 lit. a oder Art. 64 Abs. 1 lit. a, Art. 51 Abs. 2 CISG u. s. w., einheitliche Grundsätze zugrunde gelegt werden können. Der Begriff ist weitestgehend losgelöst von den einzelnen Rechtsbehelfen und durchgehend im einheitlichen Sinn zu verstehen.1030 Normadressaten und -anwender erhalten also einen einheitlichen Orientierungspunkt. Aus der „vor die Klammer“ gezogenen, allgemeinen Begriffskonkretisierung der Wesentlichkeit resultiert somit nochmals ein Vereinfachungs- und Vereinheitlichungseffekt. Neben den soeben geschilderten positiven Faktoren des CISG bzw. Art. 25 CISG, darf eine (isoliert betrachtete) „Schwachstelle“ aber nicht übersehen werden. Die Definition in Art. 25 CISG gründet maßgeblich auf Wertungen, nicht unmittelbar auf Tatsachen. Damit wird eine große Flexibilität und Raum für Einzelfallgerechtigkeit gesichert. Allerdings führt die recht abstrakte Definition auch dazu, dass allein der Wortlaut noch keine hinreichend rechtssichere Lösung der im Kontext der Norm entstehenden Probleme bietet.1031 Dass darin aber keinesfalls eine „kaum erträgliche Rechtsunsicherheit“1032 zu sehen ist, soll die Einbeziehung der nachfolgenden Erwägungen verdeutlichen.

II. Ultima-ratio-Prinzip als Leitfaden Der Orientierungssicherheit zuträglich ist die immer wieder hervorgehobene Tatsache, dass angesichts des Sinn und Zweck von Art. 25 CISG ein striktes ulti1030 So ausdrücklich der h. M. folgend Staudinger/Magnus, Art. 48 Rn. 29: „Der Begriff der ,wesentlichen Vertragsverletzung‘ sollte soweit wie möglich in der Konvention durchgehend in einheitlichem Sinn verstanden werden.“; vgl. ferner Bitter/Bitter, BB 1993, 2315, 2322; MüKo/ Gruber, Art. 25 Rn. 8 („Der Begriff der wesentlichen Vertragsverletzung soll nach dem Willen der Verfasser des Art. 25 grundsätzlich stets denselben Inhalt haben.“); a. A. Karollus, ZIP 1993, 490, 495 f. 1031 Vgl. MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 7; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-11. 1032 So noch die Formulierung von Koch, RIW 1995, 98, 99 zu der Bestimmung der Wesentlichkeit (Behebbarkeit).

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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ma-ratio-Prinzip zu beachten ist.1033 Auf Grund dessen wird der Anwendungsbereich von Art. 25 CISG bzw. der darauf Bezug nehmenden Rechtsbehelfe erheblich eingegrenzt. In Zweifelsfällen ist daher nicht von einer wesentlichen Vertragsverletzung auszugehen.1034 Das restriktive Verständnis wird so zum wichtigen Anhaltspunkt.

III. Verobjektivierte Kriterien als Wegweiser Die Vorzüge des einheitlichen Verständnisses des Tatbestandsmerkmals der Vertragsverletzung wurden bereits erwähnt. Daneben wird die Vorhersehbarkeit der Ergebnisse durch den möglichst verobjektivierten Ansatz im Umgang mit den restlichen Kriterien weiter gesteigert. Im Wesentlichen entgehen kann dem Gläubiger nur das, was sich objektiv aus dem Vertrag,1035 gegebenenfalls mittels verobjektivierter Auslegung (Art. 8 Abs. 2, 3, Art. 9 CISG), ergibt. Lässt sich trotz dieser objektiven Herangehensweise kein eindeutiges Ergebnis finden, so lassen sich Restzweifel über das Vorhersehbarkeitskriterium ausräumen. Auch hier erhöht sich die Bestimmbarkeit bzw. Berechenbarkeit vor dem Hintergrund, dass die objektive Vorhersehbarkeit maßgeblich ist. Mag das Überschreiten der Wesentlichkeitsschwelle angesichts der flexiblen Formulierung in Art. 25 CISG nicht unerheblich von den Umständen des Einzelfalles bedingt sein, so lässt sich aus der Norm der Kern der entscheidenden Beurteilungskriterien ableiten. Orientierungslos ist der Leser im Umgang mit den maßgeblichen Wertungen also keineswegs.1036 Treffend wird in der Literatur zu Art. 25 CISG festgestellt: „Die Formulierung erscheint auf den ersten Blick tautologisch. […] Sie gibt aber doch die wesentliche Zielrichtung an: […]“1037. Die gebotene Bewertung aus der objektiven Perspektive erhöht zugleich die Vergleichbarkeit der ergangenen Entscheidung mit künftigen Sachverhalten bzw. erleichtert eine gegebenenfalls erforderliche Abgrenzung und Ausdifferenzierung.

1033

S. dazu oben § 9 D. So auch explizit BundesG (Schweiz), 18. 5. 2009, CISG-online Case No. 1900, Erw. 7.1 = IHR 2010, 27, 28 („Liegen Zweifel vor, ob eine wesentliche Vertragsverletzung gegeben ist, ist davon auszugehen, dass eine solche nicht vorliegt.“); ferner Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5 – 11 („Damit ist eine restriktive Interpretation vorgegeben, die im Zweifel eher gegen die Annahme einer wesentlichen Vertragsverletzung tendiert.“). 1035 Vgl. nochmals Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 77, der darauf hinweist, dass die objektive Bezugnahme auf den Vertrag – im Gegensatz zur Bezugnahme auf die subjektiven Erwartungen – aus Gründen der Rechtssicherheit erfolgt. 1036 Vgl. Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 4 (zitiert bereits oben § 9 E.). 1037 Honsell/Gsell, Art. 25 Rn. 12. 1034

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Teil 3: Einzelbetrachtung

IV. Bedeutende Konkretisierung durch Rechtsprechung und Literatur Was den verbleibenden Subsumtionsaufwand angeht, hat die Untersuchung, insb. die Darstellung der Fallgruppen, gezeigt, dass hier (mittlerweile) beträchtliche Hilfestellungen geliefert wurden.1038 So lässt sich auf eine umfängliche und nicht nur in den zentralen Punkten weitestgehend einheitliche Würdigung in der Literatur und v. a. der internationalen Rechtsprechung zurückgreifen. Defizite mit Blick auf die abstrakten, wertungsoffenen Elemente der Regelung werden dadurch in erheblichem Maße ausgeglichen. Der Hinweis darauf, dass die „[…] Flexibilität und Einzelfallgerechtigkeit […] mit einem gewissen Maß an Rechtsunsicherheit und – aus Sicht der Parteien – mit einem erhöhten Prozessrisiko erkauft [wird]“1039 ist also mittlerweile deutlich zu relativieren.1040 Mit der stetig wachsenden Zahl an Urteilen und Literatur zu dem immer weiter verbreiteten UN-Kaufrecht wird sich dies weiter potenzieren. Erfreulich ist in diesem Kontext, dass mit Voranschreiten der Rechtsprechung nicht nur bloßes einzelfallbezogenes case law generiert wurde. Die schon in den wertungsoffenen Begriffen angelegte Einzelfallabhängigkeit hätte eine solche Befürchtung jedenfalls nicht gänzlich unrealistisch erscheinen lassen. Vielmehr wurden (in erheblichem Umfang von deutschsprachigen Gerichten) auch allgemeingültige Konkretisierungen und Leitlinien für die Anwendung von Art. 25 CISG entwickelt. Dieser Erfolg ist auch maßgeblich auf die wechselseitige, international erfolgende Bezugnahme von Literatur und Rechtsprechung aufeinander zurückzuführen. Mit Blick auf den Ablauf und das Ergebnis dieser erheblichen Konkretisierungsleistung wird hier die bereits zuoberst dargestellte, wichtige Funktion der internationalen Literatur als entsprechender „Katalysator“ deutlich.1041 Konkret bedeutet dies für die Adressaten und Anwender des CISG, dass neben den eingehend dargestellten Grundsätzen, aber auch den Einzelerwägungen innerhalb der gebildeten Fallgruppen ganz allgemeine Bewertungsmaßstäbe gesetzt wurden. Diese komplettieren den Wortlaut und bilden damit einen Rahmen, der insgesamt ein befriedigendes Maß an Orientierungssicherheit bzw. Rechtssicherheit bietet. 1038 Vgl. in diesem Sinne nur das Fazit von Magnus, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 423, 436 („The sufficient certainty of law which is needed is achieved by establishing groups of cases for which the courts have laid down guiding principles. The international case law has thus far developed in a helpful way.“). 1039 MüKo/Gruber, Art. 25 Rn. 7. 1040 Dies gilt erst recht für den Vorwurf „unerträglicher Rechtunsicherheit“ von Koch, RIW 1995, 98, 99, weil u. a. auf die zumutbare Verwertbarkeit von vertragswidrig gelieferter Ware abgestellte werde. Hierzu kann mittlerweile (ex ante!) auf einen breiten Fundus an Beurteilungskriterien aus der Rechtsprechung und Literatur zurückgegriffen werden. Dass Rechtunsicherheitsrisiken mit Fallgruppenbildung begegnet werden kann, hebt Koch (RIW 1995, 98, 100) sogar selbst mit Blick auf die Handhabe des Kriteriums der zumutbaren Behebbarkeit hervor. 1041 S. o. § 5 C. und § 5 F.

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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Ausgehend von der Annahme der Wesentlichkeit als ultima ratio ist objektiv nach Maßgabe von Art. 8 und 9 CISG die von den Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zugrundgelegte Gewichtung zu ermitteln. Die endgültige Nichtleistung und eine Verzögerung trotz Fixschuldcharakters lassen das Durchführungsinteresse in aller Regel entfallen. Ansonsten ist eine bloße Leistungsverzögerung grundsätzlich nicht wesentlich im Sinne von Art. 25 CISG. In den verbleibenden Fällen der Schlechtleistung hat sich die Einzelfallbetrachtung hilfsweise an der zumutbaren Behebbarkeit des Mangels und der Möglichkeit, die Verwirklichung des Vertragszwecks mindestens teilweise durch eine alternative Nutzungs- bzw. Verwertungsmöglichkeit zu erhalten, auszurichten. Der ursprüngliche Verwendungszweck und die Bedeutung für die Vertragsdurchführung sind dabei zu berücksichtigen. Restzweifel hinsichtlich der Frage, ob der entsprechend ermittelte Pflichtenkreis tatsächlich im Rahmen der Einigung mit dem Durchführungsinteresse verknüpft wurde, lassen sich über die objektive Vorhersehbarkeit für den Leistungsschuldner minimieren. Ignoriert werden darf nicht, dass nicht alle Kriterien oder deren Handhabe auf einer absolut h. M. gründen. In einigen Entscheidungen tritt zudem eine nicht immer ausgewogene, zu einseitige Berücksichtigung der maßgeblichen Kriterien zu Tage.1042 Dies gilt v. a. mit Blick auf Gerichte, die sich scheinbar nur auf das objektive Gewicht der Leistungsstörung konzentrieren, anstatt die nach dem Vertrag erkennbare Gewichtung der Parteien in das Zentrum der Betrachtung zu stellen. Des Weiteren setzte man sich in einigen Fällen nicht hinreichend, jedenfalls nicht ersichtlich, mit der alternativen Nutzbarkeit bzw. Verwertbarkeit auseinander.1043 Insgesamt stellen solche Fälle aber die Ausnahme dar. Sie berechtigen nicht dazu, das durchaus positive Fazit zu den mittlerweile bestehenden Konkretisierungen ernsthaft in Frage zu stellen. Zudem ist die Frage bzw. die Abgrenzung, wann eine mangelhafte Sache für den Käufer gänzlich nutzlos wird und wann sie dagegen noch genutzt, verarbeitet oder abgesetzt werden kann, sicherlich eine der schwierigsten Fragen im Umgang mit Art. 25 CISG.1044 Dass hier im weitaus größeren Teil der Fälle eine große Konsistenz festzustellen ist, ist umso mehr als positiv zu würdigen.

V. Restrisiko durch Parteivereinbarung vermeidbar Wie gezeigt, kann sich der Gläubiger im Falle der Nichtlieferung durch Nachfristsetzung Gewissheit über den Zeitpunkt verschaffen, in dem er gegebenenfalls die 1042 Vgl. insofern die Feststellung von Zeller, 11 V.J. (2007) 219, 220 („Any inconsistency or vagueness is not attributable to the CISG, but rather to those applying it. This is because any interpretation of the CISG must be approached with Art. 7 in mind.“). 1043 Vgl. dazu v. a. die Zwischenbetrachtung zur Wesentlichkeitsprüfung im Falle der Lieferung vertragswidriger Ware, § 9 F.I.3.d). 1044 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 25 Rn. 52 („Here […] the most important and often most difficult decisions in Artice 25’s practical application occur.“).

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Aufhebung erklären kann. Er minimiert damit sogleich das Risiko, selbst eine, u. U. wesentliche, Vertragsverletzung dadurch zu begehen, dass er sich womöglich unberechtigt von der Vertragsdurchführung löst. Darüber hinaus ist es angesichts der großen Parteiautonomie im CISG ohne Weiteres möglich, Fälle der wesentlichen Vertragsverletzung, also solche, in denen die Parteien nicht an der Durchführung des Vertrages festhalten möchten, vorab zu klären.1045 Eine solche Parteiabrede im Vertrag ist die denkbar rechtssicherste Lösung und wird vor diesem Hintergrund häufig, auch vom BGH,1046 empfohlen.1047 Da das Durchführungsinteresse gemeinhin nur in gravierenden Fällen gänzlich entfallen wird, dürften diese auch vorab weitestgehend eingrenzbar sein. Der Grad an Rechtssicherheit lässt sich vor diesem Hintergrund durch eine entsprechende Klausel maximieren.1048 Das größere Problem dürfte sein, dass daran zu zweifeln ist, ob die nicht immer anwaltlich beratenen Parteien eine solche Möglichkeit überhaupt bedenken.

VI. Rechtssicherheit des Ergebnisfindungsprozesses Dass die Bestimmung der Wesentlichkeit von Leistungsstörungen mittlerweile durch die Bildung von Fallgruppen bzw. angesichts der Konkretisierung in der Rechtsprechung ganz erheblich vereinfacht wurde und damit ein erheblicher Zuwachs an Rechtssicherheit zu verzeichnen ist, kann nicht mehr bestritten werden. Dies dürfte die oben angestellte Untersuchung verdeutlicht haben. Insbesondere die Aufarbeitung in der Literatur sowie die entsprechende Konkretisierung/Anwendung in der Rechtsprechung ist umfassend und international weitestgehend einheitlich erfolgt.1049 Nichtsdestotrotz ist eine absolut rechtssichere, leicht vorhersehbare Entscheidung, ob ein bestimmtes pflichtwidriges Verhalten gegebenenfalls eine wesentliche Pflichtverletzung darstellt, nicht möglich. Grund dafür ist weniger ein konturloser 1045 Zu der möglichen Ungültigkeit solcher Parteiabreden in AGB bei Anwendbarkeit von § 307 BGB vgl. oben unter § 9 E.III. 1046 BGH, 3. 4. 1996 – VIII ZR 51/95, CISG-online Case No. 135, Erw. II.2.c)cc) = NJW 1996, 2364, 2366: „Von der – zweckmäßigen [Literaturnachweise] – Möglichkeit, die von ihr für wesentlich gehaltenen Pflichten in den Verträgen ausdrücklich als solche festzuhalten, hat die Beklagte keinen Gebrauch gemacht.“ (Hervorhebung des Verfassers). 1047 Benicke, IPRax 1997, 326, 329; Holthausen, RIW 1990, 101, 102 u. 107; Magnus/ Lüsing, IHR 2007, 1, 3 (zur Vereinbarung eines „wesentlichen“ Lieferzeitpunktes); MüKoHGB/Benicke, Art. 25 Rn. 54; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-11, 5-291; Staudinger/ Magnus, Einl. zum CISG, Rn. 41, Art. 49 Rn. 20; Trommler, Wesentliche Vertragsverletzung, S. 77, 142; vgl. auch Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 25 Rn. 11; MüKo/Huber, Art. 49 Rn. 78. 1048 Z. B. „Eine wesentliche Vertragsverletzung i. S. v. Art. 25 stellt insbesondere der Verstoß gegen … dar. Zur Vertragsaufhebung ist der Käufer X/der Verkäufer Y insbesondere bei folgenden Pflichtverletzungen berechtigt….“ 1049 Vgl. bereits oben § 9 G.IV.

§ 9 „Wesentliche Vertragsverletzung“ (Art. 25 CISG)

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Wortlaut, der etwa Raum für willkürliche Entscheidungen der (Schieds-)Gerichte eröffnen würde. Eine gewisse unüberwindbare, einzelfallbedingte Unsicherheit mit Blick auf das Ergebnis der Wesentlichkeitsprüfung geht v. a. darauf zurück, dass die Tragweite der streitgegenständlichen Leistungsstörung an den individuellen Interessen und Erwartungen der Vertragsparteien festzumachen ist. Diese unterscheiden sich nun einmal in Abhängigkeit verschiedenster Faktoren, was als Konsequenz auch für die Entscheidung über die mögliche Wesentlichkeit gilt. Dass mit dem Fokus auf die Parteivereinbarungen ein nicht zu vernachlässigendes Maß an Einzelfallgerechtigkeit gewahrt wird, sei hier nur nebenbei angemerkt. Zu verdeutlichen ist an dieser Stelle eine andere Beobachtung. Lässt man nämlich die zwangsläufig begrenzte Berechenbarkeit der ganz konkreten Einzelfallergebnisse außen vor, so hat die vorliegende Untersuchung gezeigt, dass über die im Einzelfall maßgeblichen Kriterien für die Ermittlung bzw. Gewichtung, ob es sich um eine wesentliche Leistungsstörung im Sinne von Art. 25 CISG handelt, international weitestgehend Konsens besteht. In Gesamtschau von Sinn und Zweck, der im Wortlaut aufgezählten Wesentlichkeitselemente sowie der ausgereiften Rechtsprechungspraxis, Fallgruppenbildung und Literatur hat sich eine einheitliche Beurteilungsgrundlage entwickelt, die sich ihrerseits mit beträchtlicher Rechtssicherheit bestimmen lässt. Zeller hebt auf Grundlage dieser Beobachtung treffend hervor, dass die Stärke des CISG letztlich in der methodischen, prozessorientierten Herangehensweise bei der Bestimmung der Wesentlichkeit liegt, statt nach Einheitlichkeit der Ergebnisse, respektive nach einer einheitlichen Qualifikation einer bestimmten Leistungsstörung als wesentlich oder „unwesentlich“ zu streben.1050 Auch Ferrari weist ganz treffend darauf hin, dass das Hauptaugenmerk auf eine einheitliche, vorhersehbare und letztlich rechtssicher zu beurteilende methodische Herangehensweise zu legen ist.1051 Diese Einschätzungen überzeugen auch vor dem Hintergrund, dass es gerade unternehmerisch Handelnden durchaus zuzutrauen ist, mit den maßgeblichen, mittlerweile ausgiebig aufbereiteten Wertungen umzugehen. Die Bestimmung richtet sich schließlich an den grundlegenden unternehmerischen Wertungen als Leitfaden aus. Dabei können sich die jeweiligen Parteien bei der Einordnung der wesentlichen Vertragsbestandteile im Sinne von Art. 25 CISG daran ausrichten, 1050

Zeller, 11 V.J. (2007) 219, 219 („[…] the process approach is to be preferred over the outcome approach in the application of the CISG by tribunals and national courts. Arguably, because of the nature of fundamental breach, not every decision that is the outcome is uniform. Each decision can be unique to each case. However the method by which the decision has been reached is uniform.“). Vgl. in diese Richtung auch Ferrari, 25 J. L. & Com (2006) 489, 496 f. („Whether the impairment is, in fact, of such [fundamental] seriousness must be decided on a case-by-case basis. It is, however, possible to identify certain lines of cases which strongly suggest the existence of a fundamental breach of contract.“). 1051 Ferrari, RabelsZ 68 (2004) 473, 492, vgl. dort: „The use of different methodology is without any doubt more dangerous to uniformity than the sometimes contradictory appreciation of the facts of similar cases, and therefore deserves greater attention.“

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woran für beide erkennbar das Durchführungsinteresse geknüpft wurde. Käufer und Verkäufer sind im Ausgangspunkt gerade nicht von der subjektiven Bewertung des betrauten (Schieds-)Gerichts abhängig. Vielmehr haben die Spruchkörper zu ermitteln, was die Parteien gewissermaßen in ihren unternehmerischen Kategorien zu wesentlichen Vertragsbedingungen erhoben haben und sodann ihre Entscheidung daran auszurichten. Welche Kriterien dabei zu berücksichtigen sind, steht, wie gesagt, weitestgehend fest und muss gemäß Art. 7 Abs. 1 CISG weiterhin einheitlich berücksichtigt werden. Festzuhalten ist somit, dass sich die Wesentlichkeit nicht nur wegen der großen Zahl an Judikaten immer besser einschätzen lässt, sondern gerade wegen der einheitlichen in Literatur und Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien, die als Grundlage für alle künftigen (Zweifels-)Fälle dienen. In der Wertungsoffenheit, kombiniert mit der umfangreichen Aufarbeitung von Art. 25 CISG in Praxis und Rechtswissenschaft, schlägt sich mithin auch eine Stärke des CISG nieder. Die Überzeugungskraft des Vorwurfs, die wertungsoffene Regelung der Wesentlichkeit führe zu Rechtsunsicherheit, nimmt daher immer weiter ab.1052

§ 10 Einbeziehung von AGB Der weit überwiegende Teil des internationalen Warenhandels zeichnet sich dadurch aus, dass eine Partei durch die Verwendung von AGB besonders wichtige Punkte standardisiert in den Vertrag aufgenommen wissen möchte. In diesem Zusammenhang ist die Frage nach den Voraussetzungen des CISG für eine wirksame Einbeziehung von AGB in die Vertragserklärung einer Partei zentral.1053 Dementsprechend drehen sich Gerichtsverfahren zwischen Parteien eines dem CISG unterliegenden Vertrages immer wieder um die Frage, ob (und ggf. welche) AGB nun Vertragsbestandteil geworden sind.1054 Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden auf die von Gerichten und der Literatur gegebenen Antworten eingegangen und bewertet, wie es in diesem Kontext um eine sichere Beurteilung der AGB-Einbeziehung bestellt ist. Dabei soll der primär empirische Ansatz der vorliegenden Arbeit an manchen Stellen um Ausführungen zum Umgang mit teilweise noch ungeklärten Streitpunkten ergänzt werden, nicht zuletzt mit Blick auf mögliche sachgerechte, rechtssichere Lösungs1052 Vgl. treffend Zeller, 11 V.J. (2007), 219, 220 („The criticism that fundamental breach is not clear, or is not a successful solution to the problem of a breach of contract, is arguably based on an observation of the variablility of outcomes. However, […], the key fact is that uniformity is achieved in the process, because each court and tribunal will use the same principles.“). 1053 Vgl. auch Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 549; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 11 f.; Ventsch/Kluth, IHR 2003, 61, 61 f., 67 zu der Bedeutung der AGB und der Einbeziehungskontrolle in der Handelspraxis. 1054 Vgl. auch Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 303 („The incorporation of standard contract terms is a standard problem of international contracts.“).

§ 10 Einbeziehung von AGB

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ansätze. Auf die Einbeziehung von AGB im Falle von sich kreuzenden AGB, der so genannten „battle of the forms“, wird gesondert in § 11 dieser Arbeit eingegangen.

A. Ausgangslage Im Rahmen der Ausführungen zum Regelungsbereich der Konvention wurde bereits dargestellt, dass die Einbeziehung von AGB nach dem CISG zu beurteilen ist.1055 Allerdings enthält das CISG dazu keine speziellen Regelungen. Maßgeblich sind daher die allgemeinen Vorschriften zum Vertragsschluss, Art. 14 ff. CISG. Zur genauen Bestimmung des Vertragsinhaltes bzw. der wirksamen Einbeziehung von AGB in die Vertragserklärung einer Partei ist Art. 8 CISG entsprechend zu berücksichtigen. Sofern besondere Gebräuche zur Vereinbarung der Geltung von AGB bestehen, sind diese gemäß Art. 9 CISG zusätzlich zu beachten, wie auch vorrangige Parteiabreden zwischen den Parteien gemäß Art. 6 CISG. Diese Erwägungen entsprechen der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung1056 und Lehre.1057 Insbesondere decken sie sich auch mit der Rechtsprechung des BGH.1058 1055

§ 8 D.III.1.b). Vgl. nur OLG Jena, 10. 11. 2010 – 7 U 303/10, CISG-online Case No. 2216, Erw. II.2.1. = IHR 2011, 79, 80; OLG München, 14. 1. 2009 – 20 U 3863/08, http://cisgw3.law.pace. edu/cisg/text/090114german.pdf, II. = IHR 2009, 201, 203; Rechtbank Utrecht (Niederlande), 21. 1. 2009, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/090121n1.html, Erw. 4.3, in Erw. 4.11 explizit auf BGH (Teil 3 Fn. 1058) Bezug nehmend; Solae, LLC ./. Hershey Canada, Inc., 9. 5. 2008 [U.S. D.C. Dellaware], http://www.unilex.info/case.cfm?id=1357, I[4]; Tribunale di Rovereto (Italien), 21. 11. 2007, http://www.unilex.info/case.cfm?id=1219; OLG Oldenburg, 20. 12. 2007 – 8 U 138/07, CISG-online Case No. 1644, Erw. B.II.2.a); Gerechtshof s’Hertogenbosch (Niederlande), 29. 5. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/070529n1.html, Erw. 4.3.2.; Travelers Property Casualty Company of America et al. ./. Saint-Goblain Fabrics Canada Ltd., [U.S. D.C., Minnesota], 31. 1. 2007, http://www.unilex.info/case.cfm?id=1166, Erw. B.2. = IHR 2007, 240, 243; Tribunale Rovereto (Italien), 24. 8. 2006, CISG-online Case No. 1374; OLG Frankfurt a. M., 26. 6. 2006, CISG-online Case No. 1385, II. = IHR 2007, 42, 44; LG Neubrandenburg, 3. 8. 2005 – 10 O 74/04, CISG-online Case No. 1190, Erw. II.3. = IHR 2006, 26, 27; Hoge Raad (Niederlande), 28. 1. 2005, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/050128n1.html; OGH (Österreich), 31. 8. 2005, CISG-online Case No. 1093; OLG Linz (Österreich), 23. 3. 2005, CISG-online Case No. 1376, Erw. 2.3, 5.2 = IHR 2007, 123, 126 f.; OLG Karlsruhe, 20. 7. 2004 – 17 U 136/03, CISG-online Case No. 858, Erw. B.2.c); OLG Düsseldorf, 21. 4. 2004 – I-15 U 88/03, CISG-online Case No. 915, Erw. II.1.b)bb)(1) = IHR 2005, 24, 26; OGH (Österreich), 17. 12. 2003, CISG-online Case No. 828 = IHR 2004, 148, 153; KantonsG Zug (Schweiz), 11. 12. 2003, CISG-online Case No. 985, Erw. 2.1.1 = IHR 2005, 119, 120; Gerechtshof s’Hertogenbosch (Niederlande), 16. 10. 2002, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/02101 6n1.html, Erw. 2.5 f.; AG Nordhorn, 14. 6. 1994 – 3 C 75/94, CISG-online Case No. 259, Erw. II. 1057 Achilles, Art. 4 Rn. 13; Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 4 Rn. 23; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 21; Honnold/Flechtner, Rn. 107.1; Honsell/Siehr, Art. 4 Rn. 2; P. Huber, 13 V.J. (2009) 123, 125; Janssen, IHR 2005, 155, 156 ff. (auch speziell zur niederländischen Rspr.); Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 549; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Djordjevic, Art. 4 Rn. 24; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ferrari, Art. 14 Rn. 38 ff.; Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 305 ff.; Mittmann, IHR 2006, 103, 104; MüKo/Gruber, Art. 14 1056

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Teil 3: Einzelbetrachtung

B. Voraussetzungen der Einbeziehung von AGB in das Angebot Ausgangspunkt bei der Beurteilung, ob AGB wirksamer Bestandteil eines Angebots sind, ist also die Auslegung der Erklärung des Antragenden gemäß Art. 8 CISG.1059 Dabei bedarf es der Auslegung allein nach Art. 8 Abs. 1 2. Alt. und 2 CISG allerdings nicht, sofern sich schon aus den Verhandlungen, bestehenden Gepflogenheiten oder Gebräuchen zwischen den Parteien (Art. 8 Abs. 3, 9 CISG), gegebenenfalls auch aus Parteiabreden (Art. 6 CISG), ergibt, dass die betreffende Vertragserklärung bestimmte AGB mitumfasst.1060 Unproblematisch ist der Fall, in dem der Empfänger eines Angebots positive Kenntnis sowohl vom Inhalt der AGB als auch der Tatsache hatte, dass diese Teil des Rn. 27 f.; MüKo-HGB/Mankowski, Art. 4 Rn. 5; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 2-126, 2153; ders., IHR 2004, 133, 133; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 4 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Intro to Arts 14 – 24 Rn. 5 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 4 Rn. 21; Schmidt-Kessel, NJW 2002, 3444, 3445; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 12 ff.; Staudinger/ Magnus, Art. 14 Rn. 40 f. 1058 BGH, 31. 10. 2001 – VIII ZR 60/01, CISG-online Case No. 617, Erw. III.1. und 2. = IHR 2002, 14, 15 f.: „1. Nach allgemeiner Ansicht richtet sich die Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in einen dem UN-Kaufrecht unterliegenden Vertrag nach den für diesen geltenden Vertragsabschlußvorschriften (Art. 14, 18 CISG); ein Rückgriff auf das nach internationalem Privatrecht berufene nationale Recht wird ganz überwiegend abgelehnt [mit Nachweisen]. Allerdings enthält das CISG keine besonderen Regeln für die Einbeziehung standardisierter Geschäftsbedingungen in den Vertrag. Dies wurde nicht für erforderlich gehalten, weil das Übereinkommen bereits Regeln für die Auslegung des Vertragsinhalts enthalte [mit Nachweisen]. 2. Es ist deshalb durch Auslegung gemäß Art. 8 CISG zu ermitteln, ob die Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestandteil des Angebots sind, was sich schon aufgrund der Verhandlungen zwischen den Parteien, der zwischen ihnen bestehenden Gepflogenheiten oder der internationalen Gebräuche ergeben kann (Art. 8 Abs. 3 CISG). Im Übrigen ist darauf abzustellen, wie eine „vernünftige Person der gleichen Art wie die andere Partei das Angebot aufgefaßt hätte“ (Art. 8 Abs. 2 CISG). 1059 Dogmatisch – obgleich für das Ergebnis nicht entscheidend – unsauber ist daher der zusätzliche Rückgriff des BGH (Teil 3 Fn. 1058) auf Art. 7 Abs. 1 CISG und die weitere Argumentation mit dem allgemeinen Grundsatz von Treu und Glauben im internationelen Handel. Er ist nicht nötig, da das gleiche Ergebnis bereits durch Auslegung gemäß Art. 8 CISG erreicht werden kann, nach dessen Abs. 2 vor dem objektiven Empfängerhorizont zu ermitteln ist, wann der Empfänger das Angebot des Verwenders so versteht, dass die AGB Bestandteil davon sind. Hilfsweise auf die allgemeinere Norm des Art. 7 Abs. 1 CISG Bezug zu nehmen, war daher überflüssig. Vgl. dazu treffend Kindler, in: FS-Heldrich, S. 225, 228; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 42. 1060 Zu dieser Klarstellung s. nur (m. w. N.) Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 21; Kühl/Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 52 f.; MüKo/Gruber, Art. 14 Rn. 28; Piltz, IHR 2004, 133, 134; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-81 f.; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 38 bzw. 43 ff.; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 25 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 14 Rn. 41; s. auch BGH 31. 10. 2001 – VIII ZR 60/01, CISG-online Case No. 617, Erw. III.2. (Wortlaut zitiert in Teil 3 Fn. 1058) und ferner die Angaben in Teil 3 Fn. 1056 und Fn. 1057.

§ 10 Einbeziehung von AGB

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Angebotes sein sollten, Art. 8 Abs. 1 1. Alt CISG.1061 Bei Streitigkeiten über die Einbeziehung wird dies allerdings äußerst selten einfach feststellbar bzw. unbestritten sein.1062 Zu fragen ist also weiter, wann der Empfänger einen diesbezüglichen Willen des Antragenden kennen musste (Art. 8 Abs. 1 2. Alt CISG) bzw. wann nach dem objektiven Empfängerhorizont das Verhalten des Antragenden so zu verstehen war (Art. 8 Abs. 2 CISG), dass seine AGB Bestandteil des Angebotes sein sollten. Diese Problematik war und ist Gegenstand einer umfänglichen Würdigung in Rechtsprechung und Literatur.

I. Geltungshinweis auf AGB Unbestrittene Einbeziehungsvoraussetzung ist grundsätzlich ein entsprechender Hinweis auf die Geltung von AGB im Zusammenhang mit der betreffenden Erklärung des Antragenden: Mangels anderweitiger Gebräuche, Gepflogenheiten oder Parteiabreden ist ein solcher Hinweis erkennbar im Sinne von Art. 8 Abs. 2 CISG, wenn als Teil des Angebots deutlich, v. a. ausdrücklich,1063 klarstellt wird, dass die AGB (gegebenenfalls welche von mehreren denkbaren Fassungen1064) Bestandteil des Angebotes sind.1065 Dies gilt auch bei Abgabe des Angebots auf elektronischem 1061 MüKo/Gruber, Art. 14 Rn. 32; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 14 Rn. 39 (m. w. N.); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 43 (m. w. N.); Magnus, in: FSKritzer, S. 303, 322; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-82. 1062 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 47. 1063 Wie Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 45 darstellt, können Hinweise in der österreichischen Rechtsprechung auf die Möglichkeit der „stillschweigenden“ Vereinbarung der AGB-Geltung nur als Hinweis auf eine solche gemäß Art. 8 Abs. 3, 9 CISG verstanden werden. So etwa in OGH (Österreich), 31. 8. 2005, CISG-online Case No. 1093 = IHR 2006 31, 32; OGH (Österreich) 6. 2. 1996, CISG-online Case No. 224. Ferner Perales Viscasillas, 10 Pace Int’l L. Rev. (1998) 97 ff. (III.) („[…] where implied, it must be derived from usages or from practices established between the parties.“); auch Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 551. 1064 Vgl. OGH (Österreich), 6. 2. 1996, CISG-online Case No. 224. 1065 Audiencia Provincial de Navarra (Spanien), 27. 12. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/071227s4.html; Tribunale di Roverto (Italien), 21. 11. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/071121i3.html (mit Verweis auf Erfordernis des Geltungshinweises bei BGH 31. 10. 2001 – VIII ZR 60/01, CISG-online Case No. 617); OLG Dresden, 11. 6. 2007 – 3 U 336/07, CISGonline Case No. 1720, Erw. II.4.b) a. E. = IHR 2008, 162, 166; OGH (Österreich), 31. 8. 2005, CISG-online Case No. 1093 = IHR 2006 31, 32; OLG Karlsruhe, 20. 7. 2004 – 17 U 136/03, CISG-online Case No. 858, Erw. B.2.c); Rechtbank van Koophandel Veurne (Belgien); 25. 4. 2001, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/010425b1.html, Erw. II.4.; Hof van Beroep Antwerpen, 4. 11. 1998, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/981104b1.html; OLG Zweibrücken, 31. 3. 1998 – 8 U 46/97, CISG-online Case No. 481, Erw. II.1.; OLG Saarbrücken, 13. 1. 1993, CISGonline Case No. 83; Rechtbank Utrecht (Niederlande), 21. 1. 2009, http://cisgw3.law.pace.edu/ cases/090121n1.html, Erw. 4.9, 4.11; LG Coburg, 12. 12. 2006 – 22 O 38/06, CISG-online Case No. 1447, Erw. II.2.a) = IHR 2007, 117, 118; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Wege.1066 Bei einem Wiederholungskauf wird die Hinweisobliegenheit grundsätzlich nicht hinfällig.1067 Eine besondere Form schreibt das CISG nicht vor. Zwingend ist es für die Erkennbarkeit im Sinne von Art. 8 Abs. 2 CISG daher nicht, dass der Hinweis in fetten1068, besonders großen1069 oder kursiven Lettern o. ä. hervorgehoben1070 oder etwa separat unterschrieben wird.1071 Ein Indiz für hinreichende Deutlichkeit stellen solche Hervorhebungen aber dennoch dar. Zweifellos unzureichend sind von Beginn an unlesbar abgedruckte Hinweise sowie das schlichte Abdrucken auf der Rückseite ohne weiteren Hinweis, wie Rechtsprechung und Literatur einhellig feststellen.1072 In welcher Sprache der Hinweis zu formulieren ist, wird sogleich erläutert.1073

II. Zugänglichmachen des AGB-Textes Als weitere Voraussetzung dafür, dass die AGB Teil des Angebotes nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 CISG sind, wird vom Großteil der Rechtsprechung (explizit auch vom Rn. 26; Honnold/Flechtner, Rn. 107.1; Honsell/Dornis, Art. 14 Rn. 36; Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 549; Kühl/Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 52; Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 315 f.; MüKo/Gruber, Art. 14 Rn. 32; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-83; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ferrari, Art. 14 Rn. 39 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 47; Staudinger/Magnus, Art. 14 Rn. 41. 1066 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 26; Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 316; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 51. 1067 Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-87. 1068 Tribunale commercial de Nivelles (Belgien), 19. 9. 1995, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/950919b1.html, Erw. IV.1. (nicht erforderlich, aber jedenfalls ausreichend). 1069 Audiencia Provincial de Navarra (Spanien), 27. 12. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/071227s4.html (mit der Feststellung, dass AGB als „Kleingedrucktes“ an sich nicht schädlich sind). 1070 Tribunale di Roverto (Italien), 21. 11. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/071121i3. html. 1071 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 63. 1072 Audiencia Provincial de Navarra (Spanien), 27. 12. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/071227s4.html; Tribunale di Roverto (Italien), 21. 11. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/071121i3.html; Cour d’appel de Paris, 13. 12. 1995, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/ 951213f1.html, Erw. I.; OLG Düsseldorf, 30. 1. 2004 – I-23 U 70/03, CISG-online Case No. 821, Erw. III.1.b)aa)(1) = IHR 2004, 108, 111 f.; OLG Zweibrücken, 31. 3. 1998 – 8 U 46/ 97, CISG-onlince Case No. 481, Erw. III.1.; wirksame Einbeziehung bei ausdrücklichem Hinweis auf rückseitig abgedruckte AGB bei OLG Karlsruhe, 20. 7. 2004 – 17 U 136/03, CISGonline Case No. 858, Erw. B.2.c); OGH (Österreich), 31. 8. 2005, CISG-online Case No. 1093 = IHR 2006 31, 32; AG Nordhorn, 14. 6. 1994 – 3 C 75/94, CISG-online Case No. 259, Erw. II. Vgl. ferner Berger, in: FS-Horn, S. 3, 17; Honsell/Dornis, Vorbem. 14 – 24, Rn. 10; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ferrari, Art. 14 Rn. 40; Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 315 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 51; Staudinger/ Magnus, Art. 14 Rn. 41. 1073 § 10 B.III.

§ 10 Einbeziehung von AGB

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BGH1074) und in der herrschenden Lehre konkret gefordert, dass der Verwender den Text der AGB unaufgefordert mit der Angebotserklärung1075 „übersendet oder anderweitig zugänglich macht“, da im internationalen Warenhandel erst dadurch eine zumutbare Kenntnisnahmemöglichkeit einer „vernünftigen Person der gleichen Art wie die andere Partei [Käufer]“1076 gewährleistet ist.1077 „Die Grundsatzfrage ist 1074 BGH, 31. 10. 2001 – VIII ZR 60/01, CISG-online Case No. 617, Erw. III.2. („[…] vom Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen zu fordern, daß er dem Erklärungsgegner deren Text übersendet oder anderweitig zugänglich macht [mit Nachweisen].“). 1075 Die Zusendung nach Abgabe des Angebotes ist jedenfalls zu spät und kann daher nach einhelliger Ansicht nicht mehr Teil des Angebotes sein, vgl. dazu insb. mit zahlreichen Hinweisen auf die entsprechende Rspr. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 66 f. (auch zu der wohl selten durchschlagenden Möglichkeit der Interpretation einer späteren Zusendung als Angebot zur Vertragsänderung unter Einbeziehung ebendieser AGB, Art. 29 CISG); Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 27 (mit zahlreichen Nachweisen zur Rspr.); Piltz, IHR 2004, 133, 135; Honsell/Dornis, Vorbem. 14 – 24 Rn. 9; Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 324; anders Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 15. 1076 So der Wortlaut in Art. 8 Abs. 2 CISG. 1077 OLG Jena, 10. 11. 2010 – 7 U 303/10, CISG-online Case No. 2216, Erw. II.2.1. = IHR 2011, 79, 80; OLG Celle, 24. 7. 2009 – 13 W 48/09, CISG-online Case No. 1906 Erw. II.1.b) aa)(1) = IHR 2010, 81, 83; Rechtbank Utrecht (Niederlande), 21. 1. 2009, http://cisgw3.law. pace.edu/cases/090121n1.html Erw. 4.3, 4.9 und in Erw. 4.11 explizit dem BGH (Teil 3 Fn. 1074) beitretend (!); OLG München, 14. 1. 2009 – 20 U 3863/08, http://cisgw3.law.pace. edu/cisg/text/090114german.pdf, explizit im Leitsatz und II. = IHR 2009, 201, 203; Tribunale di Rovereto (Italien), 21. 11. 2007 BGH, 31. 10. 2001 – VIII ZR 60/01, CISG-online Case No. 617 (unter Verweis auf BGH [Teil 3 Fn. 1074]); OLG Oldenburg, 20. 12. 2007 – 8 U 138/07, CISGonline Case No. 1644, Erw. B.II.2.a) = IHR 2008, 112, 117; OLG Düsseldorf, 21. 4. 2004 – I-15 U 88/03, CISG-online Case No. 915, Erw. II. 1.b)bb)(1) = IHR 2005, 24, 26; LG-Stuttgart, 15. 10. 2009 – 39 O 31/09 KfH, IHR 2010, 207, 208; Rechtbank Utrecht (Niederlande), 21. 1. 2009, CISG-online Case No. 1814, Erw. 4.3; Golden Valley Grape Juice and Wine, LLC ./. Centrisys Corporation ./. et al., U.S. D.C. [E.D. California], 21. 1. 2010, CISG-online Case No. 2089, Erw. C.1.; Supreme Court British Columbia (Kanada), 21. 8. 2003, http://www.un ilex.info/case.cfm?id=1168, Erw. 71; Gerechtshof ’s-Hertogenbosch (Niederlande), 16. 10. 2002, CISG-online Case No. 816, Erw. 2.5 ff.; Hof van Beroep Antwerpen (Belgien), 4. 11. 1998, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/981104b1.html; OGH (Österreich), 6. 2. 1996, CISG-online Case No. 224; Achilles, Art. 24 Rn. 8; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 28 ff.; Hennemann, AGB-Kontrolle im UN-Kaufrecht aus deutscher und französischer Sicht, S. 73 f.; Honnold/Flechtner, Rn. 107.1; Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 550; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ferrari, Art. 14 Rn. 39; Mittmann, IHR 2006, 103, 105 (aber kritisch gegenüber der Begründung des BGH zur Kenntnisverschaffungspflicht des Verwenders); MüKo/Gruber, Art. 14 Rn. 29; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 14 Rn. 39; Piltz, IHR 2004, 133, 134; ders., Internationales Kaufrecht, Rn. 3-80, insb. 3-83; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 51 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 14 Rn. 126; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 14; Staudinger/Magnus, Art. 14 Rn. 41; Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 319 f.; Ventsch/Kluth, IHR 2003, 61, 62 f. A. A., die im Grundsatz nicht vom Erfordernis ausgeht, den Text zu übersenden oder anderweitig zugänglich zu machen, sondern vielmehr die Einzelfallbetrachtung direkt zum Grundsatz erhebt: wohl OGH (Österreich), 17. 12. 2003, CISG-online Case No. 828 = IHR 2004, 148, 153; Berger, in: FS-Horn, S. 3, 9 ff., insb. 17 f. (dessen Interpretation, dass der BGH (Teil 3 Fn. 1074) eine pauschale Übersendeobliegenheit statuiere (S. 8) fragwürdig erscheint,

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Teil 3: Einzelbetrachtung

damit jedenfalls für die praktische Rechtsanwendung geklärt, wenngleich einzelne Punkte im Detail noch präzisierungsbedürftig sind.“1078 Anders als im u. U. großzügigeren1079 autonomen deutschen Recht1080 ist mithin die bloße Möglichkeit des Empfängers unzureichend, die AGB vom Verwender anzufordern.1081 Neben der Sendung etwa per Post oder Telefax wird die „Übersendung“ per Email nach der vorzugswürdigen, wohl herrschenden, Ansicht nur dann für ausreichend erachtet, wenn auch der Vertragsschluss insgesamt auf diesem Wege erfolgt und die Kenntnisnahme der AGB dem Empfänger ohne erschwerende Zwischenschritte (etwa als übersendeter Email-Anhang) möglich ist.1082 Umstritten ist im Einzelnen, ob AGB auch mittels Verweis auf deren Abrufbarkeit im Internet „anderweitig zugänglich gemacht“ werden können: In der Rechtsprechung findet sich dazu, soweit ersichtlich, lediglich die Aussage des OLG Celle, wonach der bloße Hinweis auf die Abrufbarkeit der maßgeblichen AGB im Internet (d. h. ohne direkten Hyperlink, dazu sogleich) nicht ausreichend sei.1083 Umfassender gewürdigt wird die Problematik in der Literatur. Teilweise wird die Einbeziehung von AGB, die nur im Internet abrufbar sind, grundsätzlich abgelehnt.1084 Der weit überwiegende Teil der Literatur spricht sich dafür aus, dass im Falle eines Verda im Urteil explizit von „oder anderweitig zugänglich macht“ die Rede ist); Kindler, in: FSHeldrich, S. 225 ff.; Pöttner/Hübner, EWiR 2002, 339, 340; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schmidt-Kessel, Art. 8 Rn. 53; Schmidt-Kessel, NJW 2002, 3444, 3445; ders./Meyer, IHR 2008, 177, 178. 1078 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 14 Rn. 127. 1079 Vgl. Reithmann/Martiny/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 3.55 („Die deutsche Rechtsprechung ist in dieser Frage bekanntlich großzügig.“). 1080 Vgl. zum autonomen deutschen Recht mit entsprechenden Rechtsprechungsnachweisen MüKo/Basedow, § 305 Rn. 103; Grüneberg/Grüneberg, § 305 Rn. 53; Staudinger/Mäsch, § 305 Rn. 143 ff. 1081 So explizit auch OLG München, 14. 1. 2009 – 20 U 3863/08, http://cisgw3.law.pace.edu/ cisg/text/090114german.pdf, explizit im Leitsatz = IHR 2009, 201, 201; Schmidt-Kessel, NJW 2002, 3444, 3445. Vgl. ferner dazu und zur ebenfalls unzureichenden Praxis in den Niederlanden, die AGB bei der Handelskammer zu hinterlegen, Gerechtshof Arnhem (Niederlande), 27. 4. 1999, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/990427n1.html, Erw. 5.8 f.; m. w. N. Ferrari/ Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 30; MüKo/Gruber, Art. 14 Rn. 29; Piltz, IHR 2004, 133, 134; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 62; Staudinger/ Magnus, Art. 14 Rn. 41 („[…] zu Recht etwas strenger als das unvereinheitlichte deutsche Recht […]“). 1082 Golden Valley Grape Juice and Wine, LLC ./. Centrisys Corporation ./. et al., 21. 1. 2010, U.S. D.C., [E.D. California], CISG-online Case No. 2089, Erw. C.1. (Angebot per Email enthielt zugleich die AGB als attachment); Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 33 ff.; Honsell/Dornis, Vorbem. 14 – 24 Rn. 12; Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 322 f.; Piltz, IHR 2004, 133, 134; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-85; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Schroeter, Art. 14 Rn. 131, 137 ff.; Staudinger/Magnus, Art. 14 Rn. 41a. 1083 OLG Celle, 24. 7. 2009 – 13 W 48/09, CISG-online Case No. 1906, explizit im Leitsatz, ferner Erw. II.1.b)aa)(2) = IHR 2010, 81, 83. 1084 Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ferrari, Art. 14 Rn. 40; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 14 Rn. 39; Piltz, IHR 2004, 133, 134; Ventsch/Kluth, IHR 2003, 224, 224 f.

§ 10 Einbeziehung von AGB

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tragsschlusses über das Internet der unmittelbare Verweis auf die maßgeblichen, ohne Weiteres zu öffnenden und druckbaren AGB über einen entsprechenden Hyperlink ausreichend sei.1085 Nach einer weniger restriktiven Ansicht in der Literatur, soll auch ein schlichter Hinweis auf die im Internet (tatsächlich) abrufbaren AGB ausreichend sein, unabhängig davon, ob der Vertragsschluss über das Internet erfolgt.1086 Festzuhalten bleibt, dass sich in der Literatur zwar eine überwiegende Ansicht herausgebildet hat; allerdings bleibt, so auch explizite Hinweise in der Literatur, „[a]ngesichts des Meinungsstands in der deutschen Rspr. und Literatur […] der Praxis die – nachweisbare – Übersendung der AGB zu empfehlen“1087, im Rahmen von Vertragsschlüssen über das Internet gegebenenfalls als Emailanhang. Findet der Vertragsschluss unter Anwesenden statt, so ist der Text „anderweitig zugänglich gemacht“, wenn er am Verhandlungsort vorgelegt und tatsächlich die Möglichkeit zur Lektüre gewährt wurde.1088 Was die Einbeziehung bei Wiederholungskäufen angeht, bei denen im Rahmen einer ständigen Geschäftsbeziehung immer wieder die gleichen, bereits zuvor wirksam einbezogenen AGB Vertragsbestandteil sein sollen, so gelten die AGB auch ohne erneute Übersendung als, quasi „immer noch“, zugänglich gemacht, sofern die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind.1089 Wurden die gleichen AGB bei dem 1085 Berger, in: FS-Horn, S. 3, 18; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 35; Honsell/Dornis, Vorbem. 14 – 24, Rn. 12; Kindler, in: FS-Heldrich, S. 225, 234; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 14 Rn. 137; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 56 f.; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 16; Schwenzer/Mohs, IHR 2006, 239, 241; Stiegele/Halter, IHR 2003, 169, 169; Staudinger/ Magnus, Art. 14 Rn. 41a. 1086 Berger, in: FS-Horn, S. 3, 18; Kindler, in: FS-Heldrich, S. 225, 234; Stadler, Allgemeine Geschäftsbedingungen im internationalen Handel, S. 95; Stiegele/Halter, IHR 2003, 169, 169; MüKo/Gruber, Art. 14 Rn. 31; wohl auch Schmidt, NJW 2011, 3329, 3334. 1087 MüKo/Gruber, Art. 14 Rn. 31; vgl. auch Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 34 a. E.; Schmidt, NJW 2011, 3329, 334 („Wer den sicheren Weg gehen will, muss die AGB dem anderen Teil übermitteln.“). 1088 Erfolgt bei den Vertragsverhandlungen bloß ein Hinweis auf AGB, ohne dem Empfänger die Möglichkeit zur vollumfänglichen Einsichtnahme zu gewähren, liegt mithin kein ausreichendes „Zugänglichmachen“ vor, OGH (Österreich), 6. 2. 1996, CISG-online Case No. 224 = ZfRV 1996, 248, 252; ferner Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 55; Staudinger/Magnus, Art. 14 Rn. 41b. 1089 Treffend in diesem Kontext die Aussage von Huber/Kröll, IPRax 2003, 309, 311 mit Blick auf das BGH-Urteil (Teil 3 Fn. 1074): „Das Urteil ist einleuchtend begründet, sollte jedoch nicht zu eng verstanden werden.“ Ferner LG Coburg, 12. 12. 2006 – 22 O 38/06, CISGonline Case No. 1447, Erw. II.2.a) = IHR 2007, 117, 118 f. (obgleich der Verweis auf OLG Zweibrücken, 31. 3. 1998 – 8 U 46/97, CISG-online Case No. 481 nicht überzeugt, da dort die entsprechenden Ausführungen zum autonomen deutschen Recht erfolgen); Netherlands Arbitration Institute, 10. 2. 2005, CISG-online Case No. 1621, Erw. 35 f. (auch unter Berücksichtigung von Art. 9 CISG); OLG Linz (Österreich), 8. 8. 2005, CISG-online Case No. 1087, Erw. 3. = IHR 2005, 249, 251; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 40; Honsell/ Dornis, Vorbem. 14 – 24 Rn. 13; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ferrari, Art. 14 Rn. 40; MüKo/Gruber, Art. 14 Rn. 32; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 14 Rn. 39; Piltz. IHR 2007, 121, 122;

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Vorgängerkauf bereits wirksam Vertragsbestandteil, d. h. der Text wurde bereits übersendet oder anderweitig zugänglich gemacht, so darf auch (noch) beim Wiederholungskauf objektiv von der diesbezüglich hinreichenden Kenntnisnahmemöglichkeit des Käufers ausgegangen werden.1090 Aus Art. 39 Abs. 2 CISG wird allerdings eine zeitliche Obergrenze für die Möglichkeit der Einbeziehung ohne erneute Zusendung gewonnen: Liegt die Einbeziehung unter Zusendung der AGB länger als zwei Jahre zurück, so reicht die Bezugnahme auf die vorhergehend einbezogenen AGB nicht mehr aus.1091 Teilweise wird vorgebracht, dass „allgemein bekannte“ AGB („widely known standard terms“1092, „Branchen-AGB“1093) grundsätzlich auch einbezogen werden könnten, ohne gesondert zugänglich gemacht zu werden, da dies für eine zumutbare Kenntnisnahme nicht mehr erforderlich sei.1094 Genannt werden etwa die INCOTERMS1095, Regelwerke der ICC1096, die Allgemeinen Lieferbedingungen für den Export von Anlagegütern1097, sowie branchentypische Vertragsbedingungen, wie die des Waren-Vereins der Hamburger Börse e. V.1098, der Sugar Association of London1099 oder die GAFTA (Grain and Food Trade Association) 1001100. Allerdings ist deren Einbeziehung ohne Zusendung oder anderweitiges Zugänglichmachen im

Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 58; Staudinger/Magnus, Art. 14 Rn. 41. 1090 Vgl. insb. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 14 Rn. 141 mit Hervorhebung, dass eine fortdauernde Kenntnis nur bei vorheriger Erfüllung aller maßgeblichen Einbeziehungsvoraussetzungen angenommen werden kann. Konsequenterweise kann Kenntnis also nicht etwa angenommen werden, wenn bei einem vorherigen Geschäft die AGB nicht wirksam einbezogen wurden, etwa weil sie erst nach Vertragsschluss zugesandt wurden. S. ferner die Hinweise auf die entsprechende Ablehnung bei LG Neubrandenburg, 3. 8. 2005 – 10 O 74/04, CISG-online Case No. 1190, Erw. II.2.b)bb)(4) = IHR 2006, 26, 28; Piltz, IHR 2007, 121, 122, und das extensivere Verständnis in Netherlands Arbitration Institute, 10. 2. 2005, CISG-online Case No. 1621, Erw. 35 ff. Ferner auch MüKo/Gruber, Art. 14 Rn. 32; Perales Viscasillas, 10 Pace Int. L. Rev. (1998) 97 ff. (III.). 1091 Näher dazu Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 59. 1092 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 60. 1093 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 38. 1094 Huber/Kröll, IPRax 2003, 309, 311; Kindler, in: FS-Heldrich, S. 225, 229; SchmidtKessel, NJW 2002, 3444, 3446. 1095 Huber/Kröll, IPRax 2003, 309, 311; Kindler, in: FS-Heldrich, S. 225, 229; SchmidtKessel, NJW 2002, 3444, 3446. 1096 Berger, in: FS-Horn, S. 3, 10 (ICC Model International Contract of Sale); Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 322 Fn. 74 (ICC Uniform Customs and Practice for Documentary Credits). 1097 Berger, in: FS-Horn, S. 3, 9. 1098 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 38. 1099 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 38; Schmidt-Kessel, NJW 2002, 3444, 3446. 1100 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 38; Schmidt-Kessel, NJW 2002, 3444, 3446.

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Grundsatz abzulehnen.1101 Schon die Beurteilung, wann es sich um „allgemein bekannte“ Regelwerke handelt wird nicht einheitlich und schon gar nicht abschließend beurteilt.1102 Zudem würden gerade Branchenfremde und mit den vermeintlich „allgemein bekannten“ Regelwerken insgesamt nicht vertraute Parteien über Maßen Unsicherheiten ausgesetzt.1103 Dies gilt bezüglich des „Ob“ der Einbeziehung als auch mit Blick auf den jeweiligen Inhalt. Das bedeutet aber nicht, dass damit beispielsweise die in diesem Kontext oft erwähnten INCOTERMS nicht ausnahmsweise ohne Zugänglichmachen einbezogen werden könnten. Alles andere wäre in vielen Situationen unsinniger Formalismus, etwa wenn beide Parteien in ständiger Praxis INCOTERMS o. ä. verwenden und v. a. deren Wortlaut daher kennen oder jedenfalls zur Hand haben. Maßgeblich muss aber, mangels eindeutig feststellbarer Kenntnis des AGB-Inhalts (Art. 8 Abs. 1 1. Alt. CISG), die Einzelfallbetrachtung auf Grundlage von Art. 8 Abs. 3, 9 CISG sein – sowohl des jeweiligen Regelwerkes als auch der betreffenden Geschäftsbeziehung.1104 Handelt es sich tatsächlich um einen Sachverhalt, in dem „[…] eine Übersendungsobliegenheit die Branchenbeteiligten überraschen [würde]“1105, dann wird dies doch in berechtigter Weise gerade nur dann der Fall sein, wenn entsprechende Gepflogenheiten zwischen den Parteien entstanden sind bzw. sie sich mit einem entsprechenden Gebrauch einverstanden erklärt haben (Art. 8 Abs. 3 bzw. 9 CISG).1106 Dieser Ansatz trägt den Eigenarten des Warenhandelsgeschäfts hinreichend Rechnung1107 und stellt dabei zugleich eine am Wortlaut orientierte Lösung dar, ohne dafür ein ungriffiges, rechtsunsicheres Kriterium „allgemein bekannter“ 1101 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 61; MüKo/Gruber, Art. 14 Rn. 32; Ventsch/Kluth, IHR 2003, 61, 62; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 39. 1102 So treffend Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 60 („Under which conditions a set of standard terms is ,widely known‘, however, remains far from clear and there seemingly is no agreement in this matter among the proponents of this approach.“). 1103 Ähnlich Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 39; vgl. auch MüKo/ Gruber, Art. 14 Rn. 32. 1104 Honnold/Flechtner, Rn. 114; Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 551; Magnus, in: FSKritzer, S. 303, 321; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 61, 75; ähnlich MüKo/Gruber, Art. 14 Rn. 32. 1105 So Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 38. 1106 Die Aussage von Schmidt-Kessel, NJW 2002, 3444, 3446, dass „Branchenneulinge“ i. d. R. (noch) keine entsprechenden Gebräuche i. S. v. Art. 9 Abs. 1 CISG beachten werden, und dass daher eine ungewünschte Zugangsschranke aufgebaut würde, lässt die Regelung in Art. 9 Abs. 2 CISG außen vor. Danach können Gebräuche i. S. d. Norm u. U. auch als stillschweigend vereinbart gelten können. I. Ü. wird man es wohl kaum als „nicht gewollte Zugangsschranke“ zu verstehen haben, wenn in einem Vertrag keine „allgemein bekannten“ AGB einbezogen werden, weil ein beteiligter Branchenneuling diese nicht kennen konnte. 1107 Insofern ist dieser Vorwurf von Schmidt-Kessel, NJW 2002, 3444, 3446, jedenfalls abzuschwächen, da durchaus erkennbare Ausnahmen von der Übersendeobliegenheit bestehen. In diesem Sinne auch Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 321 („But neither this decision nor the prevailing view makes the user’s information duty absolute. There exists a number of exceptions.“), der nach der hier aufgezeigten Lösung vorgeht.

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AGB oder der „(Branchen-)Üblichkeit“1108 einzuführen. Zudem werden so die Grundsätze zum Kennen/-müssen (Art. 8 Abs. 1 CISG) bzw. dem objektiven Empfängerhorizont (Art. 8 Abs. 2 CISG) nicht unnötig aufgeweicht, was wiederum der rechtssicherere Ansatz ist. Dass die Bildung gewisser Fallgruppen mit Sicherheit hilfreich sein kann, soll nicht ausgeschlossen werden. Sie dürfen aber nur indizielle Wirkung entfalten, anstatt zum Grundsatz erhoben zu werden.1109 Diese Vorgehensweise deckt sich auch mit der oben erfolgten Darstellung der unstrittigen Aussagen, gerade auch des BGH, dass die Auslegung anhand der Kriterien Art. 8 Abs. 3 CISG und Art. 9 CISG den allgemeineren vorrangig ist. Dieser Linie folgend, wurde schließlich in der Rechtsprechung die Einbeziehung der betreffenden INCOTERM-Klausel ohne Übersendung an Art. 9 CISG gemessen.1110 Entsprechendes ist etwa mit Blick auf die PICC (UNIDROIT-Principles of International Commercial Contracts),1111 die „Tegernseer Gebräuche“1112 im österreichisch-deutschen Holzhandel sowie den „Deutschen Garnkontrakt“1113 hervorzuheben.1114

III. Sprache In Anbetracht der Internationalität des Kaufgeschäftes spielt auch die Sprache eine Rolle, in der die AGB bzw. der Geltungshinweis abgefasst sind. Bestehen vorrangige Gepflogenheiten oder Gebräuche gehen diese auch hier der allgemeinen Auslegung vor.1115 Einhellig wird die Formulierung in einer dem Empfänger ver1108

Berger, in: FS-Horn, S. 3, 14. Vgl. insofern Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 39, der explizit von einer „[…] Ausnahme von der grundsätzlichen Übersendeobliegenheit […]“ spricht. 1110 BP Oil Int., Ltd. and BP Exploration & Oil, Inc. ./. Empresa Estatal Petroleos de Ecuador and Saybolt, Inc., U.S. Ct. App [5th Circuit], 11. 6. 2003, CISG-online Case No. 730, Erw. III.B.; China North Chemical Industries Corp. ./. Beston Chemical Corp., U.S. D.C. [S.D. Texas], 7. 2. 2006, CISG-online Case No. 1177, Erw. III.; St. Paul Guardian Insurance Co. and Travelers Insurance Co. ./. Neuromed Medical Systems & Support GmbH, U.S. D.C. [S.D. N.Y.], 26. 3. 2002, http://www.unilex.info/case.cfm?id=730, Erw. C. = IHR 2005, 256, 257. 1111 Tribunal of International Commercial Arbitration at the Russian Federation Chamber of Commerce and Industry (Russische Föderation), 5. 6. 1997, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/ 970605r1.html, Erw. 3.4. 1112 OGH (Österreich), 21. 3. 2000, CISG-online Case No. 641 = IHR 2001, 40, 41 (auch instruktiv zur allgemeinen Anwendung von Art. 9 CISG). 1113 Gerechtshof s’Hertogenbosch (Niederlande), 24. 4. 1996, http://www.unilex.info/case. cfm?id=224. 1114 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 80 mit den entsprechenden Rechtsprechungsnachweisen. S. auch Schlechtriem/Schwenzer/Schmidt-Kessel, Commentary, Art. 9 Rn. 6. 1115 Auch hier geht es freilich wieder vor, wenn positiv festgestellt werden kann, dass die gewählte Sprache dem Verständnis i. S. v. Art. 8 Abs. 1 1. Alt CISG nicht abträglich war oder diese über Art. 8 Abs. 3, 9 CISG bzw. eine gesonderte Abrede (Art. 6 CISG) der wirksamen 1109

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ständlichen Sprache gefordert.1116 Sprachkenntnisse von Repräsentanten1117 und Verhandlungsgehilfen1118 einer Partei werden der betreffenden Partei nach der Rechtsprechung zugerechnet.1119 Wann genau von „Verständlichkeit“ auszugehen ist, wird teils unterschiedlich beurteilt. In dem Fall, in dem der Empfänger die Sprache nachweislich beherrscht (Art. 8 Abs. 1 1. Alt CISG) liegt die Verständlichkeit auf der Hand.1120 Keine weiteren Probleme bereitet ferner die Formulierung in der Muttersprache des Empfängers, die jedenfalls nach Art. 8 Abs. 2 CISG als verständlich einzuordnen ist.1121 Wird aber weder die Muttersprache noch eine andere nachweislich verständliche Sprache genutzt, so stellt sich die Frage, wann man mangels weiterer Anhaltspunkte dennoch von Erkennbarkeit im Sinne von Art. 8 Abs. 2 CISG auszugehen hat. In jedem Fall ist dies mit Blick auf die Sprache der Fall, in der die Vertragsverhandlungen1122 geführt wurden.1123 Die Verhandlungen der Parteien gilt es Einbeziehung in das Angebot nicht entgegenstand. Klarstellend i. d. S. auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-86; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 68; Schwenzer/Mohs, IHR 2006, 239, 241; Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 324 f. 1116 Vgl. nur OGH (Österreich), 6. 11. 2008, CISG-online Case No. 1833, Erw. 2.2 (Einbeziehung der AGB muss sprachlich „erkennbar“ gewesen sein); OLG Düsseldorf, 21. 4. 2004 – I-15 U 88/03, IHR 2005, 24, 28 mit Anm. Sauthoff, IHR 2005, 21 ff.; Rechtbank van Koophandel Mechelen (Belgien), 18. 1. 2002, http://www.unilex.info/case.cfm?id=941; Cour d’appel de Colmar (Frankreich), 24. 10. 2000, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/001024f1.html; Honnold/Flechtner, Rn. 107.1; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ferrari, Art. 14 Rn. 41; MüKo/ Gruber, Art. 14 Rn. 34; Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 324; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 14 Rn. 40; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-86; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 68; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 16; Staudinger/Magnus, Art. 14 Rn. 41. 1117 OGH (Österreich), 31. 8. 2005, CISG-online Case No. 1093 (Zurechnung der Sprachkenntnis des Vertreters einer englischen Limited). 1118 OLG Linz (Österreich), 8. 8. 2005, CISG-online Case No. 1087, Erw. 3. (Zurechnung der Sprachkenntnis des „Verhandlungsgehilfen“ einer Italienischen s. r. l.). 1119 Vgl. auch Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 42. 1120 OGH (Österreich), 17. 12. 2003, CISG-online Case No. 828; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-86; Hennemann, AGB-Kontrolle im UN-Kaufrecht aus deutscher und französischer Sicht, S. 76; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 17; Staudinger/Magnus, Art. 14 Rn. 41. 1121 OGH (Österreich), 17. 12. 2003, CISG-online Case No. 828; OLG Karlsruhe, 20. 7. 2004 – 17 U 136/03, CISG-online Case No. 858, Erw. II.B.2.c) = IHR 2004, 246, 250; Cour d’appel Colmar (Frankreich), 24. 10. 2000, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/001024f1.html; LG Memmingen, 13. 9. 2000, CISG-online Case No. 820, Erw. I.2.b); AG Nordhorn, 14. 6. 1994 – 3 C 75/94, CISG-online Case No 259, Erw. II.; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 42; Hennemann, AGB-Kontrolle im UN-Kaufrecht aus deutscher und französischer Sicht, S. 76; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-86; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 71; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 17; Stadler, Allgemeine Geschäftsbedingungen im internationalen Handel, S. 85. 1122 Maßgeblich sind die tatsächlichen Verhandlungen beider Parteien in der Sache. Einseitige Anmerkungen einer Partei in anderer Sprache fallen nicht darunter und sind daher nicht

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schließlich ausdrücklich gemäß Art. 8 Abs. 2, 3 CISG als „erheblichen“ Umstand zu beachten.1124 Sollten sich Vertragssprache und Verhandlungssprache unterscheiden, so kann allein aus der Abfassung der AGB bzw. des Geltungshinweises in der Vertragssprache nicht ohne Weiteres auf deren Verständlichkeit für den Empfänger geschlossen werden.1125 Nur weil womöglich die essentialia negotii im bilateral, in anderer Sprache ausgehandelten Vertragsteil für den Empfänger verständlich waren, muss dies nicht hinsichtlich der einseitig beigefügten AGB gelten.1126 Aussagekräftig und daher maßgeblich bei der Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont kann nur die Verhandlungssprache sein. Auf die Vertragssprache kann allenfalls

maßgeblich, LG Memmingen, 13. 9. 2000 – 2 H O 382/99, CISG-online Case No. 820, Erw. I.2.d); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 62. 1123 OGH (Österreich), 6. 11. 2008, CISG-online Case No. 1833, Erw. 2.3; OLG Schleswig, 24. 10. 2008 – 14 U 4/08, CISG-online Case No. 2020, II.; OLG Linz, 8. 8. 2005, CISG-online Case No. 1087 (zwar Deutsch als „Weltsprache“ bezeichnend, aber maßgeblich auf die Verhandlungssprache abstellend); LG Göttingen, 31. 7. 1997 – 3 O 198/96, CISG-online Case No. 564, Erw. II.2.; LG Memmingen, 13. 9. 2000 – 2 H O 382/99, CISG-online Case No. 820, Erw. I.2.b); OLG Hamm, 8. 2. 1995, CISG-online Case No. 141, Erw. II.2.b)bb)(1); Ferrari/ Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 42; Hennemann, AGB-Kontrolle im UN-Kaufrecht aus deutscher und französischer Sicht, S. 76; Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 324 f.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-86; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 69; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 16 f.; Teklote, Die einheitlichen Kaufgesetze und das deutsche AGB-Gesetz, S. 119. 1124 Entsprechender Hinweis in diesem Kontext auch von Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 69. 1125 Vgl. OGH (Österreich), 6. 11. 2008, CISG-online Case No. 1833, Erw. 2.3 („Unterscheiden sich daher Verhandlungs- und Vertragssprache, bedarf es eben eines Hinweises des Anwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Verhandlungssprache, dass der fremdsprachige Text […] Allgemeine Geschäftsbedingungen […] beinhaltet.“). OLG Stuttgart, 16. 6. 1987 – 2 U 291/86, IPRax 1988, 293, 294; s. auch den Fall MCC-Marble Ceramic Center, Inc. ./. Ceramica Nuova D’Agostino S.P.A., U.S. Ct. App. [11th Circuit], 28. 6. 1998, http://www. unilex.info/case.cfm?id=337, Erw. II., in dem der Vertrag auf der Vorderseite sowie die rückseitig abgedrucketen AGB in dem Käufer unverständlicher Sprache verfasst waren (Italienisch). Das Gericht hob explizit unter Verweis auf Art. 8 Abs. 3 CISG das Erfordernis der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles hervor. Allein aus dem Gleichlauf der Vertragssprache und der Sprache, in der der Geltungshinweis und die AGB verfasst waren, wurde nicht auf die Erkennbarkeit geschlossen. Ferner Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 324; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 70; Stadler, Allgemeine Geschäftsbedingungen im internationalen Handel, S. 85; i. E. auch Hennemann, AGB-Kontrolle im UN-Kaufrecht aus deutscher und französischer Sicht, S. 77; anschaulich zur Differenzierung zwischen Verhandlungs- und Vertragssprache Spellenberg, IPRax 2007, 98, 102 f. (zum autonomen deutschen Recht). A. A. Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 42 m. w. N. 1126 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 14 Rn. 154; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 70 („[…] this approach accordingly presupposes the very factor it is trying to establish […]“); vgl. auch OGH (Österreich), 6. 11. 2008, CISG-online Case No. 1833, Erw. 2.1.

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Bezug genommen werden, wenn diese der Verhandlungssprache entspricht. Eine Differenzierung ist dann aber ohnehin überflüssig. Vereinzelt wird in der Rechtsprechung1127 und Literatur1128 bei Abfassung in „Weltsprachen“ die Verständlichkeit unterstellt. Die pauschale Einführung eines solchen Kriteriums ist aber abzulehnen.1129 Erstens fehlt es ihm an hinreichender Trennungsschärfe. Wann es sich genau um eine „Weltsprache“ handeln soll, wird uneinheitlich beurteilt und beeinträchtigt schon dadurch die Orientierungssicherheit beträchtlich.1130 Zweitens überdehnt selbst die restriktivste Haltung, nach der nur Englisch als „Weltsprache“ allgemein verständlich sei,1131 die Auslegung im Rahmen von Art. 8 Abs. 2 CISG. Die Annahme, Englisch sei eine weltweit geläufige Sprache, jedenfalls für Parteien im Warenhandel, ist in dieser Absolutheit nicht haltbar.1132 Weitestgehend geläufig ist Englisch, wenn überhaupt, beispielsweise für Parteien aus westlichen Industrienationen. Aber der Kreis der Vertragsstaaten beschränkt sich nunmal nicht auf diese. Der Annahme Französisch und sogar Deutsch1133 seien „Weltsprachen“, kann vor diesem Hintergrund erst recht nicht beigetreten werden.1134 Drittens bedarf es dieses schwer handhabbaren, unbestimmten Kriteriums auch gar nicht. Handelt es sich im jeweiligen Fall tatsächlich um eine allgemein geläufige bzw. um eine auf Grundlage der Geschäftsbeziehungen bzw. der geltenden Ge1127 OGH (Österreich), 17. 12. 2003, CISG-online Case No. 828 (Englisch, Französisch und „wohl“ Deutsch als Weltsprache, explizit entgegen Ventsch/Kluth, IHR 2003, 61, 65); OLG Innsbruck (Österreich), 1. 2. 2005, CISG-online Case No. 1130; LG Göttingen, 31. 7. 1997 – 3 O 198/96, CISG-online Case No. 564, Erw. 2. 1128 Berger, in: FS-Horn, S. 3, 18 (Englisch); Hennemann, AGB-Kontrolle im UN-Kaufrecht aus deutscher und französischer Sicht, S. 76; Stadler, Allgemeine Geschäftsbedingungen im internationalen Handel, S. 86; Schwenzer/Mohs, IHR, 2006, 239, 241 (Englisch als „world language“). 1129 OLG Hamm, 8. 2. 1995, CISG-online Case No. 141, Erw. II.2.b)bb)(2); MüKo/Gruber, Art. 24 Rn. 19; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 72; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-86; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UNKaufrecht, S. 17; Ventsch/Kluth, IHR 2003, 61, 65. 1130 Ähnlich Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 17. Vgl. nur die divergierenden Ansichten in Teil 3 Fn. 1127 und 1128. 1131 So Berger, in: FS-Horn, S. 3, 18; Hennemann, AGB-Kontrolle im UN-Kaufrecht aus deutscher und französischer Sicht, S. 76; Schwenzer/Mohs, IHR 2006, 239, 241. 1132 OLG Hamm, 8. 2. 1995 – 11 U 206/93, CISG-online Case No. 141, Erw. II.2.b)bb)(2) („Einer ,vernünftigen Person‘ kann weder allgemein zugestanden werden, eine rechtserhebliche Erklärung, die nicht in der Verhandlungssprache abgefaßt worden ist, schlichtweg zu ignorieren, noch können allgemein von einem Kaufmann die Kenntnis der Weltsprache Englisch oder eine Übersetzungsmöglichkeit verlangt werden. Abzustellen ist vielmehr auf die besonderen Umstände des Einzelfalls.“); MüKo/Gruber, Art. 24 Rn. 19; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 24 Rn. 8; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-86; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 18; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 14 Rn. 73; Ventsch/Kluth, IHR 2003, 61, 65; wohl auch Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 44 (jedenfalls nicht Deutsch und Spanisch). 1133 So aber OGH in Teil 3 Fn. 1127. 1134 Vgl. bereits Teil 3 Fn. 1132.

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pflogenheiten oder Gebräuche geeignete Sprache, so kann dies hinreichend auf Grundlage der Art. 8 Abs. 3 und 9 CISG berücksichtigt werden. Bei Gesamtschau der Erwägungen der Gerichte, die auf die Verständlichkeit einer „Weltsprache“ abstellen,1135 fällt zudem auf, dass diese auch eine eingehende1136 Auseinandersetzung mit den jeweiligen Geschäftsbeziehungen und Verhandlungsabläufen anstellen. Dies untermauert letztlich, dass lediglich die Abfassung in einer vermeintlichen „Weltsprache“ ein untaugliches Kriterium für die Auslegung allein nach Art. 8 Abs. 2 CISG darstellt.

C. Zusammenfassende Bewertung In nahezu allen Fragen bezüglich der Einbeziehung von AGB hat sich eine überwiegende, oftmals eine herrschende Ansicht zum CISG entwickelt.1137 Im Ergebnis sind die wichtigsten Streitpunkte mit hinreichender Sicherheit geklärt. Was die Herangehensweise im Rahmen der, mangels expliziter Regelungen erforderlichen, Auslegung gemäß Art. 8 CISG angeht, überzeugt die Differenzierung zwischen der Konstellation, in der allein auf Grundlage von Art. 8 Abs. 2 CISG vorzugehen ist und der Situation, in der erhebliche Umstände im Sinne von Art. 8 Abs. 3 bzw. Gepflogenheiten und Gebräuche im Sinne von Art. 9 CISG die maßgeblichen Faktoren einer wirksamen Einbeziehung von AGB konkretisieren. Hat die Auslegung mangels erkennbarem subjektivem Willen oder mangels hilfreicher besonderer Umstände des Einzelfalles allein nach dem objektivem Empfängerhorizont (Art. 8 Abs. 2 CISG) zu erfolgen, so sind die Parteien in besonderem Maße auf allgemeine Orientierungsmaßgaben angewiesen. Dazu wurden Voraussetzungen entwickelt, die für eine möglichst große Zahl an Konstellationen eine gewisse Allgemeingültigkeit beanspruchen. Dies kommt dem besonderen Standardisierungsinteresse der Warenhändler bei Verwendung von AGB entgegen, die ohne verlässliche Grundsätze durchweg zur Einzelfallbetrachtung gezwungen wären, was dem eigentlichen Sinn und Zweck von AGB zuwiderlaufen würde.1138 Handelt es sich dagegen um einen Fall, bei dem im Rahmen bestimmter Geschäftsbeziehungen, Branchen oder Handelsregionen konkrete Umstände, Gebräuche, Gepflogenheiten oder Parteiabreden gelten, so gehen diese den lediglich allgemeinen Maßgaben auf Grundlage der Betrachtung allein nach Art. 8 Abs. 2 CISG 1135 OGH (Österreich), 17. 12. 2003, CISG-online Case No. 828; OLG Innsbruck (Österreich), 1. 2. 2005, CISG-online Case No. 1130; LG Göttingen, 31. 7. 1997 – 3 O 198/96, CISGonline Case No. 564. 1136 Das LG Göttingen stellt allerdings nur kurz auf eine „Weltsprache“ ab, „[…] deren Beherrschung vorausgesetzt werden kann, wenn ein deutscher Unternehmer mit einem ausländischen Unternehmen kontrahiert […].“ 1137 Ähnlich Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 325. 1138 Ähnlich Piltz, IHR 2007, 121, 122 sowie ders., Internationales Kaufrecht, Rn. 3-84.

§ 10 Einbeziehung von AGB

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vor, Art. 8 Abs. 3, 9, 6 CISG. Sie schaffen bereits ein Grundmaß an Orientierungssicherheit, welches nicht mehr in dem Maße über Einbeziehungsgrundsätze zu sichern ist, wie es mit Blick auf die Auslegung allein gemäß Art. 8 Abs. 2 CISG der Fall ist. Vielmehr würde es einer rechtssicheren Ergebnisfindung gerade im Wege stehen, wenn zwischen den Parteien beachtliche „erhebliche Umstände“ formaljuristisch übergangen würden. Genau diese Logik schlägt sich auch in der Differenzierung der vorherrschenden Ansicht nieder. Die auf Grundlage dieser abstrakten Auslegungsprämissen konkret entwickelten Einbeziehungsvoraussetzungen gewährleisten in der Sache beträchtliche Rechtssicherheit.1139 Es ist die klare Tendenz in Literatur und Rechtsprechung zu erkennen, dass sich die strengsten Ansichten durchsetzen, was die zu beachtenden Voraussetzungen klar und überschaubar macht. Dies gewährleistet für beide Parteien Orientierungssicherheit. Infolge des erforderlichen ausdrücklichen Geltungshinweises im Angebot selbst ist die Einbeziehung für den Empfänger eindeutig erkennbar und v. a. berechenbar. Das Erfordernis des Zugänglichmachens, verstanden als Beifügung oder Vorlegen der AGB, lässt wenig Raum für Missverständnisse, welche AGB bzw. ob AGB Bestandteil des Angebotes werden sollten.1140 Sachgerecht erweist sich dabei, dass neben der körperlichen Übersendung, als eine Form des Zugänglichmachens, auch ein anderweitiges Zugänglichmachen des AGB-Textes zulässig ist. Zwar ist noch nicht abschließend geklärt, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solches auch unter Verweis auf AGB im Internet zulässig ist (obgleich sich hierzu, wie dargestellt, eine weit überwiegende Literaturmeinung herausgebildet hat). Allerdings kann der Text der betreffenden AGB nach wohl herrschender Ansicht im Rahmen von Vertragsschlüssen über das Internet auch als Emailanhang zugänglich gemacht werden, was in der Praxis eine deutliche Erleichterung bedeutet. Dieses Regulativ scheinen Stimmen, die das Übersendungserfordernis als „starren Rechtssatz“ kritisieren,1141 nicht hinreichend zu berücksichtigen.1142 Mit Blick auf die Sprachanforderungen hat sich die Ansicht durchgesetzt, nach der am ehesten von einer Kenntnisnahme des Empfängers auszugehen ist, ohne dabei für den Verwender gänzlich überraschende Anforderungen aufzustellen. Auch wenn es sich insgesamt um recht strenge Einbeziehungsvorausset-

1139

A. A. Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 8 Rn. 6, der m. E. den überschaubaren, im Einzelfall zulässigen Ausnahmen vom Erfordernis des Zugänglichmachens zu viel Gewicht beimisst. 1140 Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 14 („Die Übersendungs- bzw. Übergabeobliegenheit des AGB-Verwenders dient der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.“). 1141 S. Nachweise in Teil 3 Fn. 1077. 1142 Vgl. in diese Richtung auch Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 321 („The critique would, however, be justified if the decision of the German Federal Court (and the prevailing view) excluded any exception. But this would overstate the decision and misinterpret the majority view.“).

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Teil 3: Einzelbetrachtung

zungen handelt, v. a. im Vergleich zum autonomen deutschen Recht,1143 sind diese angesichts des Gewinns an Rechtsicherheit und Rechtsklarheit, auch hinsichtlich der in ihrer Breite schwer überschaubaren nationalen Anforderungen, durchaus gerechtfertigt.1144 Der Gewinn an Rechtssicherheit überwiegt also den teilweise höheren, aber gerade nicht unverhältnismäßigen Aufwand des Verwenders. Im Übrigen wird auch die Beweisführung im Streitfall nach der vorherrschenden Ansicht erheblich erleichtert, was wiederum die Realisierungssicherheit erhöhen dürfte. Die relativ strenge Grundhaltung zu den Einbeziehungsvoraussetzungen schließt nicht aus, dass praktischen Erwägungen, wie sie bisweilen zur Begründung mancher Gegenansichten ergehen, hinreichend Rechnung getragen werden kann. Dass es z. B. vollkommen an den Realitäten des unternehmerischen Warenhandels vorbei ginge, für jeden Fall einer INCOTERM Einbeziehung deren Übersendung zu fordern, dürfte auf der Hand liegen. Folgerichtig lassen sich solche Sachverhalte auch nach der vorherrschenden Ansicht unter den Voraussetzungen der Art. 8 Abs. 3, 9 CISG lösen. Die klare Grenzziehung zwischen Regel und Ausnahme wird dadurch nicht aufgeweicht und die Orientierungssicherheit bei Auslegung allein nach Art. 8 Abs. 2 CISG nicht unnötig untergraben. Der teilweise erhobene Vorwurf „starrer Formalvoraussetzungen“1145 ist folglich auf Grundlage des hier dargestellten Regel-Ausnahme Modells zu relativieren. Soweit sich eine Formenstarre nicht relativieren lässt, geht damit wiederum Beurteilungssicherheit einher.

1143 Die Möglichkeit der Zusendung der AGB auf Anforderung des Empfängers ist im unternehmerischen Rechtsverkehr ausreichend für eine zumutbare Kenntnisnahmemöglichkeit, vgl. Nachweise in Teil 3 Fn. 1080. 1144 Vgl. auch BGH, 31. 10. 2001 – VIII ZR 60/01, CISG-online Case No. 617, Erw. III.2.; OLG Düsseldorf, 15. 2. 2001 – 6 U 86/00, NJW-RR 2001, 1562, 1563 sowie Anm. Sauthoff, IHR 2005, 21 („Die vom OLG Düsseldorf an die Möglichkeit der Kenntnisnahme bei fremdsprachigen AGB gestellten Anforderungen sind insofern konsequent, als die Voraussetzung der Möglichkeit der Kenntnisnahme der Rechtssicherheit, der Leichtigkeit des internationalen Warenverkehrs und dem Schutz der Parteien vor schwer zu durchblickenden Beeinträchtigungen ihrer Rechtspositionen dienen soll.“); Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Vor Art. 14 Rn. 28 („Insoweit rechtfertigen die Unterschiede der nationalen Rechtsordnungen einen eher strengeren Maßstab.“); Müko/Gruber, Art. 14 Rn. 29; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 14 Rn. 39; Staudinger/Magnus, Art. 14 Rn. 41 („[…] zu Recht etwas strenger als das unvereinheitlichte deutsche Recht […]“); Ventsch/Kluth, IHR 2003, 61, 62 f. 1145 So etwa MüKo/Gruber, Art. 14 Rn. 31 bezüglich der herrschenden Meinung, die ein Zugänglichmachen auf dem elektronischen Wege grundsätzlich nur zulässt, sofern auch der Vertragsschluss auf diesem Wege erfolgt. Vgl. bereits oben zum Einwand von Schmidt-Kessel (Teil 3 Fn. 1107).

§ 11 Sich kreuzende AGB („battle of the forms“)

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§ 11 Sich kreuzende AGB („battle of the forms“) A. Ausgangslage Im unternehmerischen Warenhandel ist es verbreitete Routine, dass beide Parteien ihrem Angebot bzw. ihrer Annahmeerklärung AGB beifügen, die sie in den Vertrag einbezogen wissen möchten.1146 Die Ausnahme ist es dagegen, dass sich deren Inhalt deckt (wenn z. B. beide Parteien einen INCOTERM einbeziehen möchten1147), so dass es sehr häufig zu einem Widerspruch der zu verwendenden AGB und den oft zitierten „gekreuzten AGB“ oder auch der sogenannten „battle of the forms“ kommt.1148 Streitigkeiten entstehen in der Praxis üblicherweise erst in einem Stadium, in dem beide Parteien trotz AGB-Kollision mit der Vertragsdurchführung zumindest begonnen oder diese gar abgeschlossen haben.1149 Wie gleich zu zeigen sein wird, sind dabei nicht die wirksame Einigung über die essentialia negotii sowie das Vorliegen der Einbeziehungsvoraussetzungen1150 problematisch.1151 Vielmehr wird die Frage,

1146

Zur Bedeutung von AGB im internationalen Warenverkehr bereits oben unter § 10. Mit weiteren Beispielen zu Vertragsbedingungen, die oftmals beiderseits zugrunde gelegt werden, sodass keine Widersprüche entstehen, s. Reithmann/Martiny/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 6.97 ff.; vgl. auch OLG München, 11. 3. 1998 – 7 U 4427/97, CISG-online Case No. 310 (Einheitsbedingungen der deutschen Textil- und Bekleidungsindustrie). Die AGB werden mangels Kollision „unproblematisch“ (Müko/Gruber, Art. 19 Rn. 20) Vertragsbestandteil. 1148 Zur dieser häufigen Ausgangslage auch Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 736 f.; Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Ferrari, Art. 19 Rn. 14; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 19 Rn. 14; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 31; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 146. 1149 Vgl. DiMatteo/Dhooge/Greene/Maurer/Pagnattaro, 34 Nw. J. Int’l L. & Bus (2004) 299, 349; Perales Viscasillas, 6 V.J. (2002), 217, 220 („Usually the parties go ahead with the contract although each has referred to its own general conditions, the problem being the determination of the content of the contract.“); vgl. auch dies, 10 Pace Int’l L. Rev. (1998) 97 ff. (II.); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 47 („In commercial practice, situations as these are exceedingly rare, because the content of the standard terms exchanged in general only receives the parties’ attention once difficulties have arisen during the contract’s performance, but not before.“); Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 283; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 19 Rn. 82; auch Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 740; s. zu den einzelnen Arten der Kollision auch Schlechtriem, in: Festgabe Herber, S. 36, 38 f. und den Hinweis (S. 45) auf die Ausführungen des OLG Koblenz, 14. 7. 1983 – 6 U 977/82, WM 1984, 1347, 1349 („Insoweit [mit Blick auf ,die Wirklichkeit des kaufmännischen Geschäftsablaufs‘] lehrt die Erfahrung, daß Vertragspartner einen Abschluß grundsätzlich nicht an fehlender Einigung über kollidierende Allgemeine Geschäftsbedingungen scheitern lassen wollen […]. Daher wird das Kollisionsproblem häufig bewußt offengelassen. Erst dann, wenn sich Schwierigkeiten bei der Vertragsabwicklung ergeben, pflegen die Parteien darauf zurückzukommen, um die jeweils eigene Rechtsposition zu stärken.“ [Hervorhebung des Verfassers]). 1150 Dazu bereits unter § 10. 1147

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Teil 3: Einzelbetrachtung

welche der AGB sich durchsetzen, dadurch verkompliziert, dass die Parteien ihre Einbeziehungsklauseln oft mit einem expliziten Widerspruch gegen die Einbeziehung von AGB der Gegenseite verbinden („Abwehrklauseln“).1152 Im Kern stellt sich also „[…] die Frage, ob und inwieweit die kollidierenden AGB Vertragsbestandteil werden.“1153 Angesichts der Häufigkeit solcher Situationen besteht großes praktisches Interesse daran, die Lösung solcher Kollisionen rechtssicher beurteilen zu können. Festzuhalten ist zunächst, dass sich Rechtsprechung und Literatur umfassend mit der vorliegenden Problematik beschäftigt haben. Teilweise wird konstatiert, dass die Aufmerksamkeit, die ihr in der Literatur widerfährt, deren praktische Bedeutung sogar weit übertrifft.1154 Insofern werden im Folgenden nur die zwei in der Praxis am häufigsten vertretenen Positionen bzw. Lösungsansätze dargestellt. Auf eine vollständige Aufarbeitung aller dazu ausdifferenzierten Einzelansichten wird verzichtet.1155 Aufzuzeigen gilt es, welche Ansicht sich in Rechtsprechung und Literatur durchzusetzen scheint und welche Schlüsse daraus sowie aus deren Inhalt mit Blick auf den Grad an Rechtssicherheit gezogen werden können. Dabei soll auch hier teilweise über einen empirischen Ansatz hinaus eine inhaltliche Auseinandersetzung mit noch ungeklärten Streitfragen erfolgen.

B. Lösungsansätze Auch wenn die Konvention keine speziellen Vorschriften zur dieser Frage enthält, besteht mittlerweile Einigkeit darüber, dass die Lösung der „battle of the forms“ nicht autonomem Recht,1156 sondern dem CISG, genauer den Regeln des Art. 19 CISG, zu

1151

Ausdrücklich Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 19 Rn. 82; vgl. bereits die Nachweise in Teil 3 Fn. 1149. 1152 Vgl. etwa OLG Frankfurt, 26. 6. 2006 – 26 Sch 28/05, CISG-online Case No. 1385 = IHR 2007, 42, 43 f.; OLG Linz (Österreich), 23. 3. 2005, CISG-online Case No. 1376, Erw. 3.2 = IHR 2007, 123, 126. 1153 MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 20. 1154 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 34 („[…] the ,battle of the forms‘ has attracted an astonishing amount of academic attention under the CISG, which by far exceeds the problem’s practical importance.“) u. a. mit Verweis auf Honnold, Uniform Law for International Sales (2. Aufl.), Rn. 170.4 („[…] the so-called ,Battle of the Forms‘ has been over-dramatized“). 1155 Auf mannigfaltige Ausdifferenzierungen in der Literatur weisen etwa auch Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 34 hin und legen den Fokus ebenfalls auf die hier dargestellten zwei Positionen. 1156 So aber noch Ebenroth, JBl 1986, 681, 686; U. Huber, RabelsZ 43 (1979) 413, 445 (nicht im Regelungsbereich beinhaltete Gültigkeitsfrage).

§ 11 Sich kreuzende AGB („battle of the forms“)

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entnehmen ist.1157 Dies folgt insbesondere der in einem Leiturteil des BGH aufgezeigten Linie.1158 Umstritten ist hingegen die weitere Vorgehensweise, wobei sich der in der Rechtsprechung und v. a. in der Literatur geführte Meinungsstreit auf zwei Positionen verdichten lässt.

I. Theorie des letzten Wortes („last shot rule“) Nach einem Ansatz wird die Lösung der AGB-Kollision streng anhand des Wortlauts von Art. 19 CISG vollzogen und führt im Ergebnis zur strengen Anwendung der darin enthaltenen sog. Theorie des letzten Wortes („last shot rule“):1159 Weichen die AGB in der Antwort des Empfängers, „die eine Annahme darstellen soll“1160, inhaltlich wesentlich von den AGB im Angebot des Verwenders ab, so handelt es sich zunächst um ein neues Gegenangebot, Art. 19 Abs. 1 CISG. Es kommt also noch kein Vertrag zustande. Dies ist frühestens bei Beginn der Vertragsdurchführung durch den ursprünglich Antragenden (d. h. den Empfänger des Gegenangebotes) der Fall, und zwar unter Einbeziehung der im Gegenangebot enthaltenen AGB. Schließlich stelle seine Durchführungshandlung eine konkludente

1157 Norfolk Southern Railway Company ./. Power Source Supply, Inc., U.S. D.C. [W.D. Pa.], 25. 7. 2008, CISG-online Case No. 1776; Tribunale di Roverto (Italien), 21. 11. 2007, http: //cisgw3.law.pace.edu/cases/071121i3.html; OLG Linz (Österreich), 23. 3. 2005, CISG-online Case No. 1376, Erw. 2.4 („Es besteht auch keine Regelungslücke […].“); Hoge Raad (Niederlande), 28. 1. 2005, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/050128n1.html; Ferrari/Mankowski, Int. VertragR, Art. 19 Rn. 32; Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 553; Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 738 f., 740; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ferrari, Art. 19 Rn. 14; Kühl/Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 55; MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 18; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 19 Rn. 14; Perales Viscasillas, 10 Pace Int’l L. Rev. (1998) 97 ff. (VI.A.); Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 33; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 162; Staudinger/Magnus, Art. 19 Rn. 20. 1158 BGH, 9. 1. 2002 – VIII ZR 304/00, CISG-online Case No. 651 = NJW 2002, 1651, 1652 ff. 1159 Norfolk Southern Railway Company ./. Power Source Supply, Inc., U.S. D.C. [W.D. Pa.], 25. 7. 2008, CISG-online Case No. 1776; OLG Linz (Österreich), 23. 3. 2005, CISG-online Case No. 1376, Erw. 4.1 ff.; OLG Hamm, OLGR Hamm 1993, 27; Filanto S.p.A. ./. Chilewich Int. Corp., U.S. D.C. [S.D. N.Y.], 14. 4. 1992, http://www.cisg.law.pace.edu/cases/92 0414u1.html; Janssen, wbl 2002, 453, 456 f. (gleichsam mit Kritik an der last shot Theorie und dem Hinweis, dass er die Restgültigkeitstheorie „[k]onstruktiv […] jedenfalls nicht [für] ausgeschlossen […]“ hält); Murray, 20 J. L. & Com. (2000) 1, 45; Perales Viscasillas, 10 Pace Int’l L. Rev. (1998) 97 ff. (VI.E.1. ff.); mit Betonung, dass vorrangige Gepflogenheiten oder Gebräuche bestehen können, die der Anwendung der Theorie des letzten Wortes entgegenstehen: Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ferrari, Art. 19 Rn. 15 f.; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 19 Rn. 15. 1160 So der Wortlaut in Art. 19 Abs. 1 CISG.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Annahme des gesamten Gegenangebotes dar, also auch der vollumfänglichen Geltung der darin enthaltenden AGB.1161 Art. 19 Abs. 2 CISG, nach dem bei unwesentlichen Abweichungen der Annahmeerklärung vom Angebot nur bei unverzüglichem Widerspruch des ursprünglich Antragenden ein neues Gegenangebot im Sinne von Abs. 1 vorliegt, ist im Rahmen der battle of the forms von eingeschränkter Bedeutung: In aller Regel werden die kollidierenden AGB des Antwortenden die in Art. 19 Abs. 3 CISG genannten Regelbeispiele1162 betreffen und damit zu einer wesentlichen Abweichung führen.1163 Sofern es sich doch um unwesentliche Abweichungen in der Antwort handeln sollte, werden diese gemäß Art. 19 Abs. 2 CISG bei ausbleibender Beanstandung durch den letzten AGB-Empfänger, d. h. dem originär Anbietenden, automatisch Vertragsbestandteil.1164 Eine Abwehrklausel ist jedoch als antizipierte Beanstandung zu verstehen, die mithin verhindert, dass vom Vorliegen einer „unwesentlich“ abweichenden Annahme der ursprünglich einzubeziehenden AGB ausgegangen werden kann.1165 Vielmehr gilt dann wieder der Grundsatz nach Art. 19 Abs. 1 CISG, dass es sich um ein neues Gegenangebot handelt, welches erst durch die Durchführungshandlung angenommen wird.1166

1161

Anschauliche Darstellung der strengen Anwendung der last shot theory bei Honnold/ Flechtner, Rn. 170.1 ff., insb. 107.3; Perales Viscasillas, 10 Pace Int’l L. Rev. (1998) 97 ff. (VI.E). 1162 „Preis, Bezahlung, Qualität und Menge der Ware, […] Ort und Zeit der Lieferung, […] Umfang der Haftung der einen Partei gegenüber der anderen oder […] die Beilegung von Streitigkeiten […].“ 1163 Vgl. Hanwha Corp. ./. Cedar Petrochemicals, Inc., U.S. D.C. [S.D. N.Y.], CISG-online Case No. 2178; MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 26; Achilles, Art. 19 Rn. 2; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 38 („Art. 10 Abs. 3 zieht nämlich den Kreis wesentlicher Abweichungen relativ weit.“); Honnold/Flechtner, Rn. 169; Honsell/Dornis, Art. 19 Rn. 38 f. („Vor dem Hintergrund der umfangreichen Festlegung wesentlicher Vertragspunkte in Art. 19 Abs. 3 kann bei sich widersprechenden Regelungen allgemeiner Geschäftsbedingungen nur in seltensten Fällen von einer unwesentlichen Abweichung ausgegangen werden.“); Janssen, wbl 2002, 453, 457; Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 552, 558 („[…] in der Praxis zweifellos seltene[n] Fallvariante […]“); Kühl/Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 55 f.; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 19 Rn. 15; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-107; Schlechtriem, in: Festgabe Herber, S. 36, 37 f.; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 285; Staudinger/Magnus, Art. 19 Rn. 22. Extensiver Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 48 mit der Annahme, dass der Verweis auf eigene kollidierende AGB immer eine wesentliche Abweichung darstellt und in diesem Kontext kein Raum zur Anwendung von Art. 19 Abs. 2 CISG bleibt. 1164 Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Ferrari, Art. 19 Rn. 14; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 19 Rn. 15. 1165 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 38; Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 554; MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 26; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 48; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 19 Rn. 15. 1166 Vgl. auch Ferrari/Mankowski, Art. 19 Rn. 41.

§ 11 Sich kreuzende AGB („battle of the forms“)

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Kurz: Nach der Theorie des letzten Wortes „[…] soll sich durchsetzen, wer zuletzt unwidersprochen auf seine eigenen Bedingungen verwiesen hat.“1167

II. Schwächen der Theorie des letzten Wortes Für die Theorie des letzten Wortes mag die strenge Orientierung am Wortlaut von Art. 19 CISG sprechen.1168 Allerdings führt ihre strikte Anwendung zu Ergebnissen, die mit den Gegebenheiten und Abläufen in der Praxis sehr bedingt kompatibel und v. a. oft nicht bedarfsgerecht sind. Entscheidender Kritikpunkt ist, dass es zu einer nicht interessengerechten, unvorhersehbaren und für die Parteien kaum nachvollziehbaren Lösung kommen kann.1169 In den häufigsten Fällen werden sich die AGB desjenigen durchsetzen, der als letzter eine Erklärung abgibt, bevor mit der Vertragsdurchführung begonnen wird.1170 Dies ist in der Regel der Verkäufer, der auf die Bestellung des Käufers mit einer um die eigenen AGB modifizierten Auftragsbestätigung reagiert. Dass, aber auch warum sich die AGB des zuletzt Erklärenden („last shot“) durchsetzen sollen, wird zumindest für die andere Partei kaum nachvollziehbar sein und nicht erwartet werden.1171 Schließlich wird damit der (zumeist in einer Abwehrklausel) deutlich zu Tage getretene Wunsch vollends übergangen, nicht unter Geltung der abweichenden AGB der Gegenseite zu kontrahieren.1172 Oft wird es auch reiner Zufall sein, welche der Parteien nach den Vertragsverhandlungen den ersten Schritt macht und die Verhandlungsergebnisse in einem

1167 So die prägnante Formulierung von Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 19 Rn. 75. 1168 Vgl. den zu Recht relativiert erfolgenden Hinweis auf dieses Argument bei Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 169 und sogleich unter § 11 C. 1169 Vgl. Honnold/Flechtner, Rn. 170.4 („,Last shot‘ theories have been rightly criticized as casuistic and unfair. They do not reflect international consensus that justifies importing them into the Convention.“); Honsell/Dornis, Art. 19 Rn. 40 f. („[…] in den meisten Fallgestaltungen […]“); Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 35, 41; Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 552; Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 739 (mit Beispielen); Kühl/Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 56; MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 24; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 35, 38; Schwenzer/Mohs, IHR 2006, 239, 244; Staudinger/Magnus, Art. 19 Rn. 24; ausführlich Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 166 ff. 1170 Vgl. Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 739; Perales Viscasillas, 10 Pace Int’l L. Rev. (1998) 97 ff. (IV.A.). 1171 Vgl. Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 739. 1172 Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 741 f.; MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 24; vgl. auch Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 552, 554 („Warum sollte der Erstofferent denn plötzlich stillschweigend seine AGB fallen gelassen haben und sich den kollidierenden (und für ihn regelmäßig ungünstigen) AGB der Gegenseite unterworfen haben?“).

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Angebot formuliert.1173 Davon i. E. abhängig zu machen, welche AGB sich im Falle einer Kollision durchsetzen, ist abermals nicht sachgerecht und führt zu ex ante kaum berechenbaren Ergebnissen.1174 Insbesondere droht ein rein zufällig unterschiedliches Ergebnis in Sachverhalten, die nach den Parteivorstellungen an sich identisch sind, nur weil mal die eine, mal die andere Seite die Verhandlungsergebnisse zusammenfasst und der Gegenseite präsentiert. Dass sich dabei die AGB einer Seite nicht nur überraschenderweise, sondern auch vollumfänglich durchsetzen, erscheint noch gravierender und mit den Geschäftsabläufen im unternehmerischen Warenhandel erst recht schwer vereinbar, wenn man der Tatsache Beachtung schenkt, dass sich die Parteien mit den AGB der Gegenseite in den wenigsten Fällen eingehend beschäftigen.1175 Dies geht auf die nachvollziehbare Überlegung zurück, dass mittels Verwendung eigener AGB gewisse Standardisierungs- und Einsparungseffekte bezweckt werden. Dementsprechend soll gerade auch die Auseinandersetzung mit den gegnerischen AGB weitestgehend vermieden und der genaue Vertragsinhalt letztlich durch die Verwendung der eigenen standardisierten Klauselwerke berechenbarer gestaltet werden.1176 Dies wird bei formalistischer Anwendung von Art. 19 CISG übergangen und zugleich wird die Möglichkeit geschaffen, der Gegenseite die eigenen AGB vollumfänglich „unterzuschieben“, weil sie in einer „Annahmeerklärung“ naturgemäß kein Gegenangebot erwarten wird.1177 Folgt man streng der Theorie des letzten Wortes, so werden zudem Anreize zu ineffizienten Vertragsverhandlungen gesetzt.1178 Auf „wesentliche“ Abweichungen bzw. Abwehrklauseln der anderen Partei müsste ständig wechselseitig mit erneutem Geltungshinweis auf die eigens beigefügte AGB reagiert und gehofft werden, dass diese unwidersprochen bleiben. Ansonsten droht die vollumfängliche Geltung der 1173 Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 739; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 287; vgl. auch Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 35; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 167. 1174 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 41; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 287 („missliche Unsicherheit“); Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 167. 1175 Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 739 f., die infolgedessen auch bezweifeln, ob man eine Vertragsdurchführung ohne weiteres als Zustimmung zu den zuletzt beigefügten AGB verstehen könne. So auch Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 36; Honnold/ Flechtner, Rn. 170.3; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 169. 1176 Vgl. auch Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 34. 1177 Vgl. Honnold/Flechtner, Rn. 170.3. 1178 Vgl. treffend Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 42 („Man würde insgesamt die Tranksaktionskosten erhöhen, weil man einen extensiven Austausch von AGB förderte und jeder Partei einen Anreiz zu Widerpruch und einem Versuch, selbst ein unwidersprochenes Wort zu gewinnen, verschaffen würde. Die Auftragsbestätigung mit AGB würde zur taktischen Marschroute, wenn man die battle of the forms gewinnen will.“). Vgl. ferner Honsell/Dornis, Art. 19 Rn. 40; Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 740; Perales Viscasillas, 10 Pace Int’l L. Rev. (1998) 97 ff. (IV.D.).

§ 11 Sich kreuzende AGB („battle of the forms“)

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gegnerischen AGB. Auf diese Weise werden schwebende Verhandlungssituationen geschaffen, die den Vertragsschluss verzögern und die Beurteilung, wann und mit welchem Inhalt er zustande kommt, abermals unnötig verkomplizieren und schwerer kalkulierbar machen.1179 U. U. wird eine Partei bereits tätig, weil sie auf einen Vertragsschluss vertraut hat, unabhängig von der Frage, ob nun all ihre verwendeten AGB Vertragsbestandteil geworden sind. Tatsächlich wäre nach der Theorie des letzten Wortes im Falle einer wesentlichen Abweichung und/oder einer Abwehrklausel noch gar kein Vertrag zustande gekommen, wenn der Vorleistende nicht zugleich der Empfänger des (dann konkludent angenommenen) Gegenangebotes ist.1180 Vielmehr bedarf es für einen Vertragsschluss noch der Annahme1181 durch die andere Partei.1182 Der Vorleistende sieht sich in einem solchen Fall erheblicher (Rechts-)Unsicherheit ausgesetzt, ob die bereits vorgenommenen und evtl. kostspieligen Handlungen (Verpackung, Aussonderung, Lieferung etc.) sich überhaupt rentieren. Lehnt die Gegenseite über ein Gegenangebot im Sinne von Art. 19 Abs. 1 CISG oder eine ausdrückliche bzw. konkludente Erklärung (z. B. keine Abnahme der Ware) den Vertragsschluss ab, ist die liefernde Partei gezwungen, das Gegenangebot anzunehmen bzw. die mangels Geschäftsabschluss entstandenen Kosten als frustrierte Aufwendungen hinzunehmen. Der internationale Warenhandel wird durch solch unsichere Zustände wohl kaum gefördert.1183 Denkbar ist, dass die Gegenseite die zusätzlich gewonnene Zeit bewusst ausnutzt, um das Risiko der Marktpreisvolatilität auf die andere Partei abzuwälzen und sich bei einer ungünstigen Entwicklung ganz gezielt vom Vertragsschluss distanzieren zu können.1184

III. Restgültigkeitstheorie („knock out rule“) Auf Grundlage der skizzierten Schwachpunkte der strengen Anwendung von Art. 19 CISG und der Theorie des letzten Wortes wird mittlerweile überwiegend die

1179 Janssen, wbl 2002, 453, 457 („Bedingungs-Ping-Pong“); Perales Viscasillas, 10 Pace Int’l L. Rev. (1998) 97 ff. (IV.D.) („It favours the ping-pong effect“). 1180 Ähnlich Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 41 („Es drohte ein vertragsloser Zustand, solange der Vertrag nicht durchgeführt wird.“). 1181 Im Falle einer unwesentlichen Abweichung der Annahmeerklärung des Vorleistenden vom Angebot der Gegenseite (Art. 19 Abs. 2 CISG) wäre das Ausbleiben einer unverzüglichen Beanstandung abzuwarten. 1182 Zu dieser Fallkonstellation allgemein Honnold/Flechtner, Rn. 107.1 ff. 1183 Vgl. Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 740 („Bei Lieferung von Maschinen über große Distanzen würde die Annahme eines solchen Verhaltens jeder wirtschaftlichen Logik widersprechen […]“). 1184 Vgl. dazu auch die anschauliche Auseinandersetzungen mit eigenen Beispielen von Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 739 f. und Perales Viscasillas, 10 Pace Int’l L. Rev. (1998) 97 ff. (IV.B.).

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Teil 3: Einzelbetrachtung

sog. Restgültigkeitstheorie vertreten.1185 Dies gilt insbesondere auch für die herrschende deutsche Rechtsprechung, die nun sowohl zum autonomen deutschen Recht1186 als auch zum CISG1187 der Restgültigkeitstheorie folgt. Überzeugend ist dabei bereits der Ansatz, nach dem zwischen dem Vertragsschluss und – darauf aufbauend – dessen tatsächlichem Inhalt mit Blick auf die kollidierenden AGB differenziert wird, statt pauschal auf die oftmals nicht sachgerechte Lösung nach Art. 19 CISG zurückzugreifen.1188 Es ist v. a. dessen „unglückliche Verquickung von Vertragsschluss- und Vertragsinhaltsgestaltung […]“1189, die den Vorstellungen der Parteien oftmals nicht gerecht wird,1190 wie bereits oben ausgeführt wurde.

1185

Cour de Cassation (Frankreich), 16. 7. 1998, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/98071 6f1.html; OGH (Österreich) 14. 12. 2004, CISG-online Case No. 644 (Ablehnung der Theorie des letzten Wortes angesprochen, aber Entscheidung explizit offen gelassen); Achilles, Art. 19 Rn. 5; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 35 ff., insb. 39 ff.; Honnold/Flechtner, Rn. 170.4; Honsell/Dornis, Art. 19 Rn. 41; Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 556 ff.; Kröll/ Hennecke, RIW 2001, 736, 740 ff.; Kühl/Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 56 f.; MüKo/ Gruber, Art. 19 Rn. 24 f.; Schlechtriem, in: Festgabe Herber, S. 36, 44 ff.; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 36, 38; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Schroeter, Art. 19 Rn. 80 ff.; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 288 f.; SchmidtKessel/Meyer, IHR 2008, 177, 179; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UNKaufrecht, S. 170 ff.; Schwenzer/Mohs, IHR 2006, 239, 244; Staudinger/Magnus, Art. 19 Rn. 24; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 19 Rn. 16 ff. Überholt ist daher die gegenteilige Behauptung von Perales Viscasillas, 6 V.J. (2002) 217, 222, die ihre Aussage auf weit zurückliegende Literatur und hauptsächlich auf Gerichtsentscheidungen stützt, die noch zum Haager Kaufrecht ergangen sind. Auch die einzigen zwei zum CISG zitierten Urteile vom OLG Saarbrücken und OLG München dürften überholt und kaum mehr als Nachweise für eine überwiegende Ansicht geeignet sein, vgl. insb. die jüngere deutsche Rechtsprechung in Teil 3 Fn. 1187. 1186 BGH, 26. 9. 1973 – VIII ZR 106/72, NJW 1973, 2106, 2107; 20. 3. 1985 – VIII ZR 327/ 83, NJW 1985, 1838, 1839; 7. 11. 1979 – VIII ZR 223/78, NJW 1980, 449, 449. Entsprechender Hinweis auch von MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 22; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 36. Ferner MüKo/Busche, § 154 Rn. 6; Grüneberg/Grüneberg, § 305 Rn. 54; Staudinger/Mäsch, § 305 Rn. 335 f. 1187 BGH, 9. 1. 2002 – VIII ZR 304/00, CISG-online Case No. 651, Erw. II.1.b) = NJW 2002, 1651, 1652 (auch wenn der Restgültigkeitstheorie nicht ausdrücklich gefolgt wird, weil ein Streitentscheid nicht zwingend war, so lässt sich doch eindeutig die entsprechende Präferenz des BGH feststellen); auch schon AG Kehl, 6. 10. 1995 – 3 C 925/93, NJW-RR 1996, 565, 565; ferner OLG Frankfurt, 26. 6. 2006 – 26 Sch 28/05, CISG-online Case No. 1385 = IHR 2007, 42, 44 (unter Bezugnahme auf das vorstehend zitierte BGH Urteil); OLG Düsseldorf, 25. 7. 2003 – I-17 U 22/03, CISG-online Case No. 919, Erw. II.3.a)aa)bbb). 1188 Vgl. dazu insb. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 38. 1189 Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 19 Rn. 80. 1190 Vgl. auch Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 739 („Als Folge dieser Verknüpfung führt die fehlende Einigung über die anwendbaren AGB […] zwangsläufig dazu, dass kein Vertrag zustande kommt, unabhängig davon, ob die Parteien von einem Vertragsschluss ausgehen oder nicht.“); dazu auch Schlechtriem, in: Festgabe Herber, S. 36 ff., insb. 44 ff.

§ 11 Sich kreuzende AGB („battle of the forms“)

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1. Vertragsschluss Werden die Parteien einvernehmlich tätig, um die Vertragsdurchführung voranzutreiben, obwohl ein Widerspruch der jeweils verwendeten AGB im Raume steht, so wird folgerichtig und v. a. praxisnah davon ausgegangen, dass deren unmittelbarer Vertragsschlusswillen nicht in Frage steht.1191 Gerade vor dem Hintergrund, dass mit der Vertragsdurchführung trotz Kollision begonnen wird, ist anzunehmen, dass das Interesse an einem unmittelbaren Vertragsschluss regelmäßig das Interesse überwiegt, die vollumfängliche Einbeziehung der eigenen AGB auf Kosten eines unmittelbaren Vertragsschlusses durchzusetzen.1192 Die Deckungsgleichheit bzw. die vollumfängliche Einbeziehung der eigenen AGB ist in solchen Fällen also nicht conditio sine qua non für den Vertragsschluss. Konsequenterweise darf ein unmittelbarer Vertragsschluss dann auch nicht grundsätzlich mangels Deckungsgleichheit abgelehnt werden. Dies wäre aber bei Anwendung der Theorie des letzten Wortes der Fall.1193 Art. 19 CISG würde insofern der von den Parteien beabsichtigen Rechtsfolge widersprechen. Festzuhalten bleibt mithin, dass der Verweis des Annehmenden auf seine AGB mithin keine ablehnende Gegenofferte im Sinne von Art. 19 Abs. 1 CISG manifestiert, sondern lediglich die Tatsache, dass sich (nur) über die Geltung im Widerspruch stehender AGB nicht geeinigt wurde.1194 Ein dogmatischer Widerspruch zu Art. 19 CISG wird vermieden, indem von den Vertretern der Restgültigkeitstheorie eine vorrangige Parteiabrede gemäß Art. 6 CISG angenommen wird, nach der die Theorie des letzten Wortes nicht zur Anwendung gelangen soll.1195 In der Vertragsdurchführung ist ein gemäß Art. 8 Abs. 3 1191 Achilles, Art. 19 Rn. 5; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 35; Honnold/ Flechtner, Rn. 107.2, 170.4; Honsell/Dornis, Art. 19 Rn. 41; Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 552, 555; Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 741; Kühl/Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 57; MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 24; Schlechtriem, in: Festgabe Herber, S. 36, 44; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 41, 44; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Schroeter, Art. 19 Rn. 82; Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 283; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 171; Staudinger/Magnus, Art. 19 Rn. 25; Witz/Salger/Lorenz/Witz, Art. 19 Rn. 17; wohl auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-111; dazu auch schon oben § 11 A. 1192 So explizit Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 19 Rn. 83; Schlechtriem, in: Festgabe Herber, S. 36, 44 f. und ähnlich auch Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 742. Vgl. ferner bereits Teil 3 Fn. 1191. 1193 Wenn man berücksichtigt, dass die AGB in der Regel stets wesentlich voneinander abweichen werden, s. o. § 11 B.I. 1194 Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 557; Schwenzer/Mohs, IHR 2006, 239, 244; Staudinger/ Magnus, Art. 19 Rn. 25; Honnold/Flechtner, Rn. 170.4. 1195 So explizit schon AG Kehl, 6. 10. 1995 – 3 C 925/93, NJW-RR 1996, 565, 565. Ferner Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 35; Honnold/Flechtner, Rn. 170.4; Honsell/ Dornis, Art. 19 Rn. 41; Kramer, in: FS-Welser, S. 539, 556 f.; Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 741; Kühl/Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 57; MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 24; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-111; Schlechtriem, in: Festgabe Herber, S. 36, 46; Schlechtriem/

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Teil 3: Einzelbetrachtung

CISG zu beachtender Umstand zu sehen,1196 aus dem die hinreichend klar zu Tage tretende konkludente Erklärung der Parteien hervorgeht, dass der Vertrag bereits durch die modifizierte Annahmeerklärung zustande kommen sollte. Er steht und fällt gerade nicht mit der Deckungsgleichheit der AGB – sie ist, wie gesagt, nicht conditio sine qua non. Zugleich haben beide Seiten aber auch klar gemacht, dass sie sich keinen widersprechenden Regelungen in den AGB der Gegenseite unterwerfen wollen. Diese beiden Ziele lassen sich nicht bei Geltung von Art. 19 CISG verwirklichen. Das Verhalten der Parteien lässt somit den diesbezüglichen Ausschlusswillen offenkundig werden. Dem steht auch nicht die in der Sache freilich berechtigte Feststellung entgegen, dass sich die Parteien der AGB-Kollision evtl. im Einzelnen gar nicht bewusst sein werden,1197 etwa weil sie die AGB der Gegenpartei nicht (sorgfältig) betrachtet haben. Denn die Tatsache, dass die Gegenseite überhaupt mit einer AGB enthaltenden Antwort reagiert, muss für den ursprünglich Antragenden als bemerkbar unterstellt werden.1198 Gleiches gilt für den Antwortenden, der auf ein Angebot reagiert, welches AGB enthält. Treiben die Parteien, in dem Bewusstsein, dass eine AGB-Kollision droht, die Vertragsdurchführung voran, so ist darin erst recht zu erkennen, dass ein inhaltlicher Einigungsmangel bezüglich der AGB dem Vertragsschluss an sich nicht entgegenstehen sollte.1199 Die zuoberst aufgezeigten zahlreichen, den Interessen der Parteien zuwiderlaufenden Schwächen der Theorie des letzten Wortes stützen umso mehr die praxisgerechte Annahme, dass die Parteien mit ihren Durchführungshandlungen die Abwahl von Art. 19 CISG anstreben. 2. Vertragsinhalt Ist die Frage nach einem wirksamen Vertragsschluss geklärt, so wird in einem zweiten Schritt eine konsequente und v. a. interessengerechtere Lösung des inhaltlichen Einigungsmangels verfolgt: Sich widersprechende Bereiche werden nicht Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 41 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Schroeter, Art. 19 Rn. 83 ff.; Schwenzer/Mohs, IHR 2006, 239, 244; Staudinger/Magnus, Art. 19 Rn. 25; mit abweichender Begründung (dazu sogleich § 11 B.III.2.) der Anwendbarkeit aber Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 742; ähnlich Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen, S. 173 f., der an der Durchführung festmacht, dass es sich nicht um eine unwesentliche Abweichung vom Angebot i. S. v. Art. 19 Abs. 2 CISG handelt, wenn trotz AGB-Kollision der Vertrag durchgeführt wird. Dies stützt er auf die Auslegung nach Art. 8 Abs. 2, 3 CISG. M. E. müsste dafür zumindest eine Abwahl von Art. 19 Abs. 3 CISG angenommen werden, der Regelbeispiele für die Wesentlichkeit aufstellt. 1196 Vgl. nur Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 44; Schlechtriem, in: Festgabe Herber, S. 36, 47; auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 3-111. 1197 So Schultheiß, S. 173, der auch bei der Vertragsdurchführung keinen hinreichend deutlichen Ausschlusswillen annimmt. 1198 Vgl. insofern die relativ strengen Einbeziehungsvoraussetzungen unter § 10. Ähnlich Honsell/Dornis, Art. 19 Rn. 41. 1199 I. E. ähnlich Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 35.

§ 11 Sich kreuzende AGB („battle of the forms“)

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Vertragsbestandteil, da (nur) diesbezüglich gar keine Einigung vorliegt.1200 An deren Stelle tritt das dispositive Kaufrecht des CISG oder das gegebenenfalls kollisionsrechtlich berufene Recht,1201 Art. 7 Abs. 2 CISG.1202 Nicht im Widerspruch stehende Teile werden schon mangels Kollision unproblematisch Vertragsbestandteil, denn diesbezüglich besteht gar kein Einigungsmangel. Interessengerecht ist diese Lösung v. a. aus folgendem Grund: Zwar war die Durchsetzung der eigenen AGB nicht conditio sine qua non für den Vertragsschluss. Dennoch haben die Parteien durch ihren Einbeziehungshinweis, und erst recht im Falle einer Abwehrklausel, deutlich werden lassen, dass sie sich nicht vollständig den fremden AGB unterwerfen möchten. Im Unterschied zur Theorie des letzten Wortes, nach der sich die AGB einer Seite vollständig durchsetzen, wird diesem Wunsch in Anwendung der Restgültigkeitstheorie Rechnung getragen.1203

IV. Grenzen der Restgültigkeitstheorie Die Anwendbarkeit der Restgültigkeitstheorie stößt an ihre Grenzen, sollten nicht beide Parteien durch Vorbereitungs- oder Durchführungshandlungen ihren Willen zum unmittelbaren Vertragsschluss entgegen Art. 19 CISG bekräftigt haben, wenn der Vertrag also „noch nicht gelebt worden“1204 ist.1205 So ist es nach herrschender Meinung Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit der Restgültigkeitstheorie, dass der Vertragsschlusswille trotz inhaltlichem Einigungsmangel hinsichtlich der 1200 Vgl. dazu Kühl/Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 57 („Verzichten die Parteien darauf, Klarheit über die Geltung von Geschäftsbedingungen herbeizuführen, so wird dies oft kein Versäumnis sein, sondern eine bewußte Entscheidung zu dem Zweck, den Abschluß des Vertrages nicht zu gefährden. Die Rechtsprechung sollte dann die fehlende Einigung nicht durch die Fiktion der Einigung ersetzen.“). 1201 Achilles, Art. 19 Rn. 5; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 35; Honnold/ Flechtner, Rn. 170.4.; MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 22 ff.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 49; Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 171; Schwenzer/Mohs, IHR 2006, 239, 244; Staudinger/Magnus, Art. 19 Rn 24; Witz/ Salger/Lorenz/Witz, Art. 19 Rn. 18. S. ferner bereits die Angaben auch zur Rechtsprechung in Teil 3 Fn. 1185 und 1187. 1202 Vgl. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 49. 1203 Vgl. MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 24; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 42; i. E. auch Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 741. 1204 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 38. 1205 Vgl. insb. Schwenzer/Mohs, IHR 2006, 239, 244 („This literal application of Article 19 CISG can, if at all, only be justified where the parties are still in the negotiation process and have not yet started to perform their respective contractual duties.“); Kühl/Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 54; MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 26 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 47; Schlechtriem, in: Festgabe Herber, S. 36, 45 („In diesem Fall ist das Verhalten […] gerade nicht Ausdruck des Willens, vertraglich gebunden sein zu wollen […].“). I. E. wegen Skepsis mit Blick auf die dogmatische Begründbarkeit wohl auch Ferrari/ Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 38, 42 a. E.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

sich kreuztenden AGB nicht in Frage steht.1206 Dies kann wiederum nur dann zweifelsfrei angenommen werden, wenn der Vertrag in aussagekräftiger Art und Wiese „gelebt“ wurde.1207 Ansonsten mangelt es an der Grundlage für die dogmatische Begründung der Geltung der Restgültigkeitstheorie über eine Abwahl von Art. 19 CISG gemäß Art. 6 CISG. Schließlich fehlen die erforderlichen1208 hinreichend deutlichen „besonderen Anhaltspunkte“1209, die gegen die allumfängliche Einbeziehung der eigenen AGB als conditio sine qua non bzw. für die Annahme einer konkludenten Erklärung im Sinne von Art. 6 CISG sprechen. Theoretisch denkbar bleibt es auch im Falle eines noch nicht einmal teilweise von beiden Parteien durchgeführten Vertrages, dass zwischen diesen eine Gepflogenheit besteht, auch bei einer AGB-Kollision wirksam einen Vertrag zu schließen und für die im Widerspruch befindlichen Bereiche auf das dispositive Recht zurückzugreifen, Art. 9 Abs. 1 CISG.1210 Auch ein entsprechender internationaler Handelsbrauch ist jedenfalls denkbar, Art. 9 Abs. 2 CISG.1211 Dies wird auch von namhaften Vertretern der Theorie des letzten Wortes vorgebracht.1212 Allerdings wird die Annahme einer solchen Gepflogenheit an strenge Voraussetzungen geknüpft, die man in den seltensten Fällen als erfüllt betrachten werden kann.1213 Insbesondere wird eine solche Gepflogenheit nicht schon durch die einmalige Vertragsdurchführung trotz sich kreuzender AGB begründet.1214 Gegen die Annahme der Restgültigkeitstheorie 1206

S. Teil 3 Fn. 1185 f. und 1207. So z. B. im vom BGH zu beurteilenden Sachverhalt (Teil 3 Fn. 1187), in dem der Vertrag bereits durchgeführt wurde. Ferner Achilles, Art. 19 Rn. 5; Honnold/Flechtner, Rn. 170.4; Honsell/Dornis, Art. 19 Rn. 41 f.; Kühl/Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 54 f.; MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 26; Staudinger/Magnus, Art. 19 Rn. 24 („[…] insbes. durch Durchführungsakte bestätigt ist […]“), Rn. 25 („[…] wenn die Parteien den Vertrag bereits durchführen […]“); Schlechtriem, in: Festgabe Herber, S. 36, 45; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 44; letztlich wohl auch Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 42 a. E.; a. A. Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 742 (dazu sogleich näher). 1208 Vgl. zur konkludenten Erklärung gemäß Art. 6 CISG Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 6 Rn. 4; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Ferrari, Art. 6 Rn. 18; Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer/Hachem, Commentary, Art. 6 Rn. 3; Staudinger/Magnus, Art. 6 Rn. 9, 20. 1209 MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 27. 1210 Honsell/Dornis, Art. 19 Rn. 41; Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 741; Kühl/Hingst, in: Festgabe Herber, S. 50, 54; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 32, 42. 1211 Honsell/Dornis, Art. 19 Rn. 41; Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 741; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 32. 1212 Vgl. MüKo-HGB/Ferrari, Art. 19 Rn. 16. 1213 Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 741 („[…] nur selten […]“); Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 32 („In exeptional cases […]“). 1214 Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 37; Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 741. Vgl. ferner zu den allgemeinen Anforderungen für das Vorliegen einer Gepflogenheit mit Rechtsprechungsnachweisen Ferrari/Saenger, Int. VertragsR, Art. 9 Rn. 3; MüKo/Gruber, Art. 9 Rn. 11 f.; MüKo-HGB/Ferrari, Art. 9 Rn. 7 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schmidt-Kessel, Commentary, Art. 9 Rn. 8; Staudinger/Magnus, Art. 9 Rn. 12 ff. 1207

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als internationalen Handelsbrauch gemäß Art. 9 CISG spricht aktuell aber v. a. die fehlende internationale Verbindlichkeit, jedenfalls im Falle noch nicht erfolgter Vorbereitungs- oder Durchführungshandlungen.1215 Nichtdestotrotz befindet sich die Restgültigkeitstheorie international im Vordringen. Sie entspricht der Regelung in zahlreichen rein nationalen Rechtsordnungen,1216 so etwa der deutschen1217 und USamerikanischen1218 sowie auch der französischen, österreichischen und schweizerischen.1219 Noch deutlicher tritt diese Tendenz bei Betrachtung der Geltung der Restgültigkeitstheorie in supranationalen Regelwerken hervor, namentlich in Art. 2.1.22 UNIDROIT-Principles (PICC), Art. 2:209 Principles of European Contract Law (PECL), Art. II-4209 DCFR und jüngst im VO-Vorschlag für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (Art. 39 GEK)1220.1221 In diesen tritt deutlich hervor, dass die Durchführung des Vertrages für die Geltung der Restgültigkeitstheorie nicht entscheidend ist. Mittelfristig könnte dieser Trend also durchaus Ausstrahlungswirkung auf eine Anwendung der Restgültigkeitstheorie als Handelsbrauch im Sinne von Art. 9 Abs. 2 CISG haben, aber nur eine indizielle. Nach einer von Kröll/Hennecke1222 vertretenen Ansicht soll die Restgültigkeitstheorie auch dann anwendbar sein, wenn noch gar nicht mit der Vertragsdurchführung begonnen wurde. Sie lehnen die Argumentation ab, dass die Vertragsdurchführungshandlungen mit hinreichender Deutlichkeit einen Abbedingungswillen im Sinne von Art. 6 CISG belegen.1223 Vielmehr gelangen sie durch allgemeine Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont gemäß Art. 8 Abs. 2 CISG zu dem Ergebnis, dass bei kollidierenden AGB grundsätzlich die Restgültigkeitstheorie gelte.1224 Dementsprechend wäre die Restgültigkeitstheorie unabhängig davon an1215 MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 25; Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 42 a. E.; in diese Richtung Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 32. 1216 Entsprechende Hinweise auch bei Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 39; Staudinger/Magnus, Art. 19 Rn. 23; MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 25; breiterer Überblick bei Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 146 ff.; mit vertiefenden Nachweisen zu den unvereinheitlichten nationalen Rechtsvorschriften auch Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 36 (dort Fn. 143). 1217 S. bereits Teil 3 Fn. 1186. 1218 § 2 – 207 (3) Uniform Commercial Code: Conduct by both parties which recognizes the existence of a contract is sufficient to establish a contract for sale although the writings of the parties do not otherwise establish a contract. In such case the terms of the particular contract consist of those terms on which the writings of the parties agree, together with any supplementary terms incorporated under any other provisions of this Act. 1219 S. dazu mit ausführlichen Nachweisen die Länderberichte bei Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 151 f. (Frankreich), S. 148 ff. (Österreich), S. 150 f. (Schweiz). 1220 KOM (2011) 635 endg. 1221 Vgl. mit diesem Hinweis die Angaben in Teil 3 Fn. 1216 und Honnold/Flechtner, Rn. 170.4; Schlechtriem, in: Festgabe Herber, S. 36, 39 ff. 1222 Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736 ff. 1223 Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 741. 1224 Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 742.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

zuwenden, ob mit der Vertragsdurchführung begonnen wurde.1225 Dafür sprechen zwei deutliche Vorteile gegenüber der mittlerweile überwiegenden Ansicht: Erstens hätte diejenige Partei, welche als erste mit der Vertragsdurchführung beginnt, bereits zu diesem Zeitpunkt Gewissheit, dass sie auf Grundlage eines wirksamen Vertragsschluss handelt. Nach der überwiegenden Ansicht dagegen hat diese Partei darüber erst dann absolute Gewissheit, wenn der unmittelbar wirksame Vertragsschluss letztlich durch eine korrespondierende, auf die Vertragsdurchführung gerichtete Mitwirkungshandlung der Gegenseite konkludent bestätigt wird. Zwar wird es nur in seltenen Fällen bereits zu diesem Zeitpunkt zu Streitigkeiten kommen,1226 denkbar sind sie aber allemal. So wurde im Rahmen der Ausführungen zur Schwäche der Theorie des letzten Wortes dargestellt, dass Aufwendungen des Vorleistenden evtl. frustriert werden können, wenn die Gegenseite etwa mangels Abnahme oder sonstiger Mitwirkungshandlung, u. U. ganz gezielt, den Vertragsschluss scheitern lässt. Diese Schwäche müssen sich auch die Vertreter der überwiegenden Ansicht vorwerfen lassen,1227 die für die Anwendbarkeit der Rechtsgültigkeitstheorie auf die Vertragsdurchführung abstellen. Zweitens ließen sich somit alle Fälle der battle of the forms einheitlich und v. a. unabhängig von Stadium der Vertragsdurchführung lösen, was deren Beurteilung einfacher und in dieser Hinsicht auch rechtssicherer machen würde.1228 So wünschenswert diese Lösung im Ergebnis sein mag, die Ansicht von Kröll/ Hennecke kann nicht vollends überzeugen. Die Prämisse ist zwar durchaus richtig, dass „regelmäßig“1229 der Vertragsschlusswille der Parteien das Interesse an der Geltung der eigenen AGB „grundsätzlich“1230 überwiegen dürfte. Diese Überlegung liegt schließlich zu Recht auch der überwiegenden, die Abwahl von Art. 19 CISG annehmenden Ansicht zugrunde. Allerdings fehlt es für die Annahme der grundsätzlichen Geltung der Restgültigkeitstheorie alleine auf Basis von Art. 8 Abs. 2 CISG, d. h. ohne konkretes Verhalten der Parteien, welches gemäß Art. 8 Abs. 3 CISG mit berücksichtigt werden kann, m. E. an einem hinreichend verlässlichen Anhaltspunkt für eine solche (pauschale) Annahme. Wird an dem Begründungsansatz über Art. 6 CISG noch kritisiert, dass die Durchführungshandlungen nicht 1225 Insofern wohl anders Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 173, insb. 174, der i. E. zwar auch direkt über die Auslegung gemäß Art. 8 (Abs. 2) CISG zur Geltung der Restgültigkeitstheorie gelangt, wenn nach dem entsprechenden Willen der Parteien trotz AGB-Kollision keine Wesentlichkeit i. S. v. Art. 19 CISG vorliegt. Für dieses Auslegungsergebnis setzt er aber wieder voraus, dass „[…] die Parteien durch ihr Verhalten zum Ausdruck gebracht haben, daß die in den AGB enthaltenen Abweichungen für sie nicht wesentlich sind.“ 1226 Vgl. den entsprechenden Hinweis oben § 11 A. (Teil 3 Fn. 1149). 1227 So Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 741. 1228 So Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 743. 1229 Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 742. 1230 Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 742.

§ 11 Sich kreuzende AGB („battle of the forms“)

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hinreichend deutlich auf einen Ausschusswillen hindeuteten,1231 so soll nun auf einmal auch ohne jegliche Vorbereitung- oder Durchführungshandlung eine allgemeine Auslegung zur Geltung der Restgültigkeitstheorie führen. Sie wird nun mal nur „regelmäßig“ und „grundsätzlich“ zutreffen und es bedarf daher im konkreten Einzelfall eines weiteren Belegs in Form eines Verhaltens, welches den Schluss erlaubt, dass mit der Einbeziehungsklausel, gegebenenfalls unter Verwendung einer Abwehrklausel, nur die Abwehr widersprüchlicher AGB der Gegenseite beabsichtigt war und die (vollständige) Geltung der eigenen AGB gerade nicht conditio sine qua non für den Vertragsschluss war.1232 Die Begründung von Kröll/Hennecke erscheint sehr ergebnisorientiert. Ihr muss Inkonsequenz und eine zu extensive Auslegung allein auf Grundlage von Art. 8 Abs. 2 CISG entgegengehalten werden, jedenfalls im Falle eines „noch nicht gelebten“ Vertrages.1233 Dass die UNIDROIT-Principles eine entsprechende Regelung enthalten, kann allenfalls indizielle Wirkung haben, geht aber zur Begründung eines entsprechenden „typisierten Parteiwillen[s]“1234 zu weit. Abschließend bleibt somit zu konstatieren, dass für die Lösung der battle of the forms in dem Falle, in dem der Vertrag noch auf keine Weise durch entsprechendes Verhalten von den Parteien bestätigt wurde und auch keine Gepflogenheiten oder Handelsbräuche bestehen, wieder auf Art. 19 CISG zurückzugreifen ist,1235 der gerade nicht wirksam gemäß Art. 6 CISG abbedungen wurde.

C. Zusammenfassende Bewertung Nach Erläuterung der Rechtslage zur battle of the forms ist zu klären, welche Schlüsse sich daraus mit Blick auf den Grad an Rechtssicherheit in den geschilderten Sachverhaltskonstellationen ziehen lassen. Die Lösung einer AGB-Kollision in Anwendung der Theorie des letzten Wortes mag zunächst als die vorhersehbarere erscheinen, da sie sich schlicht aus der strengen Anwendung des insofern eindeutigen Wortlautes von Art. 19 CISG ergibt. Einheitliche und damit gewissermaßen vorhersehbare Entscheidungen der betrauten Spruchkörper werden ermöglicht. Die Bezugspunkte der Norm sind weitestgehend objektiv und für die Wesentlichkeit werden recht hilfreiche Regelbeispiele aufge1231

Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 741; dem folgend Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 173. 1232 Mit diesem Einwand treffend MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 27. 1233 Ähnlich und mit diesem Ergebnis auch MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 27. Die Lösung allein über Art. 8 CISG (und die Gepflogenheiten gemäß Art. 9 Abs. 1 CISG) als „mutig“ bezeichnend Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 42. 1234 Kröll/Hennecke, RIW 2001, 736, 742 („[…] Rule 2.22. der UNIDROIT-Principles [lässt sich] als eine Art typisierter Parteiwille ansehen.“). 1235 Vgl. Honsell/Dornis, Art. 19 Rn. 42; MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 26; Schlechtriem/ Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 47 ff.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

führt. Jedenfalls für den Normanwender lässt sich ein hohes Maß an Rechtsicherheit nicht von der Hand weisen.1236 Eine solche Argumentation wäre aber zu einseitig, weil sie dem Rechtssicherheitsbedürfnis derjenigen nicht gerecht wird, die auf Grundlage des CISG dem Warenhandel nachgehen. Bezieht man dies in die Bewertung ein, ergibt sich ein gänzlich anderes Bild. So wurde bereits hinlänglich erörtert, wie überraschend die Ergebnisse einer strikten Anwendung von Art. 19 CISG für die beteiligten Vertragsparteien sein können. Rechtssicherheit darf nicht ausschließlich danach beurteilt werden, ob eine Norm mit Blick auf das Subsumtionsergebnis vorhersehbar ist. Sie setzt Vorhersehbarkeit auch dahingehend voraus, dass die gewonnen Ergebnisse kompatibel mit den tatsächlichen Gegebenheiten des Warenhandels und den Vorstellungen der darin agierenden Käufer und Verkäufer sind. Dieses Erfordernis wird bei der strikten Anwendung von Art. 19 CISG aber gerade nicht zufriedenstellend erfüllt. Das Unsicherheitsmoment liegt hier nicht in der Anwendung der Norm an sich begründet, sondern in den zugrundeliegenden Kriterien, welche nicht die in der Praxis tatsächlich maßgeblichen Faktoren widerspiegeln. Insbesondere wird der Vertragsschluss im Falle kollidierender AGB nicht in diesem Maße von der ausnahmslosen Einigkeit über den Vertragsinhalt abhängig gemacht. Mit der Anwendung einer noch so eindeutigen Norm, deren Anwendungsergebnisse aber fern von den Vorstellungen der Parteien liegen, ist kaum etwas gewonnen, da in der Sache doch wieder zufällige, jedenfalls schwer berechenbare Ergebnisse die Folge sein können.1237 Insofern ist es ein Trugschluss, die Geltung der Theorie des letzten Wortes mit einem Rechtssicherheitsargument unangreifbar machen zu wollen.1238 Mit der Restgültigkeitstheorie wurde hingegen ein Lösungsansatz entwickelt, mit dem die Zufallskomponente aus Sicht der Parteien weitestgehend ausgeschaltet wird, ohne dabei auf hinreichend klare Bezugspunkte für die rechtliche Beurteilung einer battle of the forms zu verzichten. Sie überzeugt also dort, wo man der Theorie des letzten Wortes ein bedeutendes Rechtssicherheitsdefizit konstatieren muss. Der beiderseitige Vertragsschlusswille wird respektiert und bei der Lösung entsprechend berücksichtigt, sofern er sich nach außen hin offenkundig in der beidseitigen Vertragsdurchführung niedergeschlagen hat. Dem Normanwender, aber gerade auch den Parteien dient dieses Verhalten als Indikator für den (auch für die jeweilige Gegenseite) nicht in Frage stehenden Vertragsschlusswillen. Bei der Lösung über die Restgültigkeitstheorie steht also ebenfalls ein objektiver Bezugspunkt zur Verfü1236 Letztlich v. a. aus diesem Grund der last shot theory beitretend Perales Viscasillas, 10 Pace Int’l L. Rev. (1998) 97 ff. (VI.E.3.). 1237 Mit Betonung der „Zufallskomponente“, die der Überzeugungskraft der Lösung über Art. 19 CISG entgegensteht, auch Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UNKaufrecht, S. 167. Vgl. ferner bereits die entsprechenden Ausführungen zur Schwäche der Theorie des letzten Wortes, § 11 B.II. 1238 Vgl. Schwenzer/Mohs, IHR 2006, 239, 244 („The last shot-doctrine thus provides for outcomes that may be predictable for the courts and tribunals, but merely coincidental for the parties.“); Schultheiß, Allgemeine Geschäftsbedingungen im UN-Kaufrecht, S. 169.

§ 11 Sich kreuzende AGB („battle of the forms“)

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gung, der eine rechtssichere Einschätzung gewährleistet, in welchem Fall die Restgültigkeitstheorie zur Anwendung gelangen soll. Berücksichtigt wird zugleich der beiderseits offenkundig gewordene Wille, nicht vollumfänglich durch widersprüchliche AGB der Gegenseite gebunden zu sein. Dass die Punkte, in denen sich die AGB widersprechen, durch die Regelungen des dispositiven Rechts ersetzt werden, wird dabei jedenfalls weniger überraschend sein, als die vollumfängliche Durchsetzung der AGB einer Partei auf Kosten der anderen. Dogmatisch mag die Begründung über eine Parteiabrede im Sinne von Art. 6 CISG freilich aufwendiger sein, als die Lektüre bzw. direkte Anwendung einer Sachnorm, namentlich Art. 19 CISG. Dennoch lässt sich daraus nicht zwingend auf größere Rechtsunsicherheit schließen. Der Parteiwille und mithin Art. 6 CISG ist ein zentrales Kriterium der Konvention. Seine Anwendung und damit die Nichtanwendung einer dem Parteiwillen widersprechenden Regelung darf den Normanwendern also auch durchaus zugetraut werden, da sie schlichtweg aus der dem CISG zugrundeliegenden Dogmatik folgt. Nichtsdestotrotz verbleiben einige Schwachstellen bei der Anwendung der Restgültigkeitstheorie: Zwar findet die Restgültigkeitstheorie weitgehenden Zuspruch in der internationalen Rechtsprechung und Literatur und stellt damit den Lösungsansatz dar, nach dem mittlerweile der Großteil der international geführten Streitigkeiten zur battle of the forms entschieden wird. Jedoch kann (noch) nicht behauptet werden, dieser Lösungsansatz habe sich bereits in allen Vertragsstaaten uneingeschränkt durchgesetzt.1239 Der Grund dafür scheint nicht unbedingt eine mangelnde Überzeugungskraft der überwiegenden Ansicht zu sein, sondern vielmehr der Wortlaut von Art. 19 CISG. Dieser scheint all zu gut auf die Fallkonstellation sich kreuzender AGB zu passen und manchen Gerichten daher den Anreiz zu nehmen, den „Umweg“ über dessen Nichtanwendung zu gehen.1240

1239 Mit ähnlicher Zwischenbilanz auch MüKo/Gruber, Art. 19 Rn. 25; Honnold/Flechtner, Rn. 170.4 a. E. („Development of a consensus of interpretations around this view [knock out rule] – as leading case law suggests may occur – would be the most desirable result.“ [Hervorhebung des Verfassers]); Staudinger/Magnus, Art. 19 Rn. 24. 1240 MüKo/Gruber (7. Auflage), Art. 19 Rn. 25 („Letztlich kommt es hier auf die allgemeine Frage an, inwieweit man sich im staatsvertraglichen Einheitsrecht im Interesse der Sachgerechtigkeit von dem – hier eher für die Theorie des letzten Wortes sprechenden – Normtext lösen kann.“); ähnlich Honsell/Dornis, Art. 19 Rn. 40 („Problematisch ist vor allem, dass nicht abschließend erklärt werden kann, wie dieser Ansatz mit dem Ziel einer möglichst einfachen, international einheitlichen Anwendung des CISG in Einklang zu bringen ist.“); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter, Commentary, Art. 19 Rn. 38 („Although the knock-out rule has already been adopted by a significant number of courts in CISG cases as well as by a substantial group of CISG scholars, its desirable international acceptance in accordance with Art. 7 (1)’s aim of promoting a uniform interpretation will make it necessary to further clarify and explain its compatibility with the Convention’s rules on contract conclusion.“).

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Ferner greift die Restgültigkeitstheorie nur in Fällen, in denen beide Parteien die Vertragsdurchführung in Gang gesetzt haben, weil dieses Verhalten Voraussetzung für eine hinreichend klare konkludente (Abwahl-)Erklärung beider Parten ist. Ist dies nicht der Fall, bleibt es bei der Geltung von Art. 19 CISG, dessen Berücksichtigung mithin nicht obsolet wird. Es wurde bereits aufgezeigt, dass Streitfälle, in denen keine oder nur eine Partei die Vertragsdurchführung in Gang gesetzt hat, die Ausnahme darstellen. Auch wenn der Großteil der Problematik über die Restgültigkeitstheorie sach- und interessengerecht zu lösen sein wird, lassen sich dennoch nicht alle Fallgruppen einheitlich lösen. Bei einem „nicht gelebten“ Vertrag bleibt es bei der Anwendung der Theorie des letzten Wortes, wobei dessen Schwächen aber weniger dramatisch zu bewerten sind, da es in dieser Konstellation an dem entsprechenden Verhalten (beidseitiges Vorantreiben der Vertragsdurchführung) fehlt, welches zum Vertrauen auf einen unmittelbaren Vertragsschluss berechtigt. Diese beiden Beobachtungen führen letztlich zu dem Fazit, dass in der Sache die rechtssicherere Variante zu Recht vom Großteil der Rechtsprechung und Lehre, allen voran von der deutschen, bevorzugt wird. Ein gewisses Restrisiko unterschiedlicher Entscheidungen verbleibt aber, solange der eindeutige Trend zur Geltung der Restgültigkeitstheorie nicht zum allseits berücksichtigten Grundsatz wird. Es besteht beträchtliche Rechtssicherheit, aber mit geringen Abstrichen in punkto Realisierungssicherheit, ob der zuständige Spruchkörper der überwiegenden Praxis (nach der Restgültigkeitstheorie) folgt. Abstriche sind ebenfalls im Falle eines „nicht gelebten“ Vertrages zu machen. Sollte UNICITRAL zukünftig gewillt sein, einen Vorschlag, wie den schweizerischen, die Weiterentwicklung des Konventionstextes betreffend, ernsthaft aufzugreifen, so bietet es sich vorliegend sicherlich an, durch eine konkrete Regelung die knock-out-rule zu kodifizieren. Wurde auf der Wiener Konferenz noch aus Zeitgründen der belgische Antrag auf ausdrückliche Regelung der battle-of-the-forms abgelehnt,1241 so scheint die Zeit mittlerweile reif zu sein, die verbleibenden Rechtssicherheitsdefizite zu beseitigen. Möglich wäre z. B. eine Orientierung an der seinerzeit in Art. 39 GEK vorgeschlagenen Regelung,1242 oder etwa an § 2 – 207 (3) UCC.1243 1241 Vgl. dazu etwa Ferrari/Mankowski, Int. VertragsR, Art. 19 Rn. 3; Perales Viscasillas, 10 Pace Int’l L. Rev. (1998) 97 ff. (VI.E); Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schroeter, Art. 19 Rn. 10. 1242 Artikel 39 Widersprechende Standardvertragsbestimmungen 1. 1Haben die Parteien abgesehen davon, dass sich Angebot und Annahme auf einander widersprechende Standardvertragsbestimmungen beziehen, eine Einigung erzielt, so ist der Vertrag dennoch geschlossen. 2Die Standardvertragsbestimmungen sind insoweit Teil des Vertrags, als sie sich inhaltlich decken. 2. Unbeschadet des Absatzes 1 ist der Vertrag nicht geschlossen, wenn eine Partei (a) im Voraus ausdrücklich und nicht durch Standardvertragsbestimmungen zum Ausdruck gebracht hat, dass sie nicht auf der Grundlage von Absatz 1 durch einen Vertrag gebunden sein will, oder

§ 12 Bestimmung der Untersuchungs- und Rügefrist

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§ 12 Bestimmung der Untersuchungs- und Rügefrist (Art. 38 Abs. 1, Art. 39 CISG) Gemäß Art. 39 Abs. 1 CISG verliert der Käufer „das Recht, […] sich auf eine Vertragswidrigkeit der Ware zu berufen, wenn er sie dem Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist nach dem Zeitpunkt, in dem er sie festgestellt hat oder hätte feststellen müssen, anzeigt und dabei die Art der Vertragswidrigkeit genau bezeichnet.“1244

Eng mit dieser Regelung verknüpft ist Art. 38 CISG. Dessen Abs. 1 normiert, bis wann der Käufer die Ware zu untersuchen hat. Dies ist für die Anwendung von Art. 39 Abs. 1 CISG und die Ingangsetzung der Rügefrist insofern entscheidend, als dass das Ende der Untersuchungsfrist den Zeitpunkt markiert, zu dem der Käufer (im Rahmen des gebotenen Untersuchungsumfangs) erkennbare Mängel jedenfalls hätte feststellen müssen.1245 Ausdrücklich formuliert Art. 38 Abs. 1 CISG, dass der Käufer „[…] die Ware innerhalb einer so kurzen Frist zu untersuchen oder untersuchen zu lassen [hat], wie es die Umstände erlauben“1246. Angesichts der einschneidenden Rechtsfolgen und Konsequenzen für die Parteien, hat die Anwendung von Art. 38 und v. a. Art. 39 CISG eine herausragende Rolle in der Praxis erlangt, was sich in der großen Menge an dazu ergangener Rechtsprechung niederschlägt.1247 Die Problematik dürfte nicht zuletzt auch deswegen eine zentrale Rolle in Verfahren zum CISG spielen, weil eine unzulängliche Rüge den (Schieds-)Gerichten eine weitere Auseinandersetzung etwa mit der Mangelhaftigkeit oder den Voraussetzungen der geltend gemachten Rechtsbehelfe erspart.1248 (b) die andere Partei unverzüglich davon in Kenntnis setzt, dass sie nicht durch einen solchen Vertrag gebunden sein will. 1243 S. o. Teil 3 Fn. 1218. 1244 Kursive Hervorhebung des Verfassers. 1245 CISG AC Opinion No. 2 (Bergsten), Nr. 1 zu Art. 38, Nr. 1 zu Art. 39 und Comment 4.1, IHR 2004, 163, 163 f., 165; MüKo-HGB/Benicke, Art. 38 Rn. 1, Art. 39 Rn. 9; Kiene, Vertragsaufhebung und Rücktritt, S. 236; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 19 f. (Rn. 20: „One period is therefore followed by the other.“). 1246 Kursive Hervorhebung des Verfassers. 1247 Ferrari, RabelsZ 68 (2004) 473, 480, 485 f.; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 1 („Art. 39 is, by the number of published decisions, probably one of the most litigated and thus practically relevant provisions of the CISG.“); Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 104 („Case law on how to interpret the question of that period is reasonable in the sense of Art. 39 (1) CISG is abundant, especially in German speaking countries.“); Girsberger, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 241, 241; ferner Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 1 („[…] praktisch außerordentlich wichtige[r] Normenkomplex […]“). 1248 Vgl. Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 4 mit dem Hinweis, dass „[…] der Mechanismus der Art. 38, 39 Gerichten eine besonders praktische Grundlage bietet, Prozesse schnell und einfach zu entscheiden.“; ferner MüKo-HGB/Benicke, Vor Art. 38 Rn. 7 und Kröll/Mistelis/ Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 12 („In particular, judges should resist the temptation to

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Aus dem Kreis an Fragestellungen1249 zu Art. 38 und 39 CISG soll für die weitere Untersuchung herausgegriffen werden, wie (rechtssicher) sich die wertungsoffenen Formulierungen „innerhalb einer so kurzen Frist […] wie es die Umstände erlauben“ (Art. 38 Abs. 1 CISG) und „angemessene Frist“ (Art. 39 Abs. 1 CISG) im Einzelfall bestimmen lassen. Bevor auf die genaue inhaltliche Bestimmung der Untersuchungs- und Rügefrist eingegangen wird, gilt es, sich eine allgemeinere Rechtssicherheitserwägung zu vergegenwärtigen. So bestehen Sinn und Zweck der Rügepflicht auch darin, für die Parteien, v. a. den Verkäufer, Klarheit darüber zu schaffen, ab wann trotz mangelbedingter Leistungsstörungen keine entsprechenden Rechtsbehelfe mehr geltend gemacht werden können.1250 In der Sache dient die Rügepflicht also auch der Schaffung von Rechtssicherheit und ,klaren Verhältnissen‘.1251 Dies gilt umso mehr, da sich die zeitlichen Anforderungen an Untersuchung und Mängelrüge im autonomen Recht mitunter ganz erheblich unterscheiden.1252 Im Ansatz ist die einheitliche Regelung einer Rügefrist im CISG also ohne Weiteres zu begrüßen. Dieses Regelungsmotiv kann natürlich nur dann auch im Ergebnis überzeugen, wenn im konkreten Anwendungsfall der Umgang (u. a.) mit den zeitlichen Anforderungen an Untersuchung und Rüge nicht mehr Unwägbarkeiten schafft, als auszuräumen.

turn Art. 39 into an easy way to clear their docket by excluding the buyer’s claims instead of entering an often tedious process of fact finding to determine whether the goods are nonconforming or not.“). 1249 Weiterer Gegenstand der Auseinandersetzung mit Art. 38, 39 CISG sind in Rechtsprechung und Literatur v. a. auch Art und der Umfang von Untersuchung und Mängelrüge sowie der genaue Fristbeginn, vgl. dazu ausführlich die einschlägige Kommentarliteratur (mit zahlreichen weiteren Nachweisen). 1250 Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 41 f.; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 7 f., 12; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 4. 1251 Vgl. in diese Richtung auch Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, http://cisgw3. law.pace.edu/cases/000712i3.html, Erw. 14 (engl. Übersetzung: „The requirement that notice be given within a reasonable time after the buyer discovers or should have discovered the lack of conformity is designed to give certainty to the legal relationship and thereby to support the development of international trade.“). 1252 Für einen anschaulichen Überblick zur unvereinheitlichten Rechtslage s. Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 105 ff., die darlegt, dass das Spektrum von einer (faktischen) Rügefrist von zwei Jahren in Frankreich, über eine Rügefrist von mehreren Monaten in den Niederlanden oder jedenfalls von mehr als einem Monat im US-amerikanischen Recht („reasonable time“) bis hin zu der sehr restriktiv verstandenen Pflicht zur „unverzüglichen“ Rüge im deutschen und österreichischen Recht bzw. dem schweizerischen Obligationenrecht (i. d. R. nur einige Werktage) reicht. Die italienische und portugiesische Regelung fixiert ausdrücklich eine Rügefrist von 16 bzw. acht Tagen. Vgl. auch CISG AC Opinion No. 2 (Bergsten), Comment 2, IHR 2004, 163, 164; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 5; Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 6, 16, Art. 39 Rn. 4; eingehend auch Janssen, Untersuchung- und Rügepflichten, S. 131 ff. und monographisch Klaedtke, Die Mängelrüge im UN-Kaufrecht.

§ 12 Bestimmung der Untersuchungs- und Rügefrist

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A. Vorrang der Parteiabreden Wie bereits an anderen Stellen hervorgehoben wurde, gilt auch mit Blick auf die Untersuchungs- und Rügefrist, dass die Parteien eigene Abreden treffen können, die der disponiblen Regelung in Art. 38, 39 CISG vorgehen, Art. 6 CISG. Die folgenden Erwägungen werden nur dann relevant, wenn entsprechende Parteiabreden nicht bestehen.1253

B. Untersuchungsfrist gemäß Art. 38 Abs. 1 CISG „Eine generell gültige Frist, die alle Fälle abdeckt, besteht nicht.“1254 Vielmehr richtet sich die genaue Fristlänge nach den Umständen des Einzelfalles,1255 so dass mit Blick auf das Ergebnis der Fristbestimmung absolute Rechtssicherheit, etwa durch Angabe einer exakten Zahl von Tagen, kaum zu verwirklichen ist. Was allerdings die maßgeblichen Einzelfallumstände angeht, die in die Bestimmung einzufließen haben, lässt sich auf eine mit großer Einigkeit erfolgende Aufbereitung in Literatur und Entscheidungspraxis zurückgreifen. Ausgangspunkt bilden v. a. die objektiven Einzelfallumstände,1256 insbesondere die Art der Ware.1257 Rein persön1253

Vgl. zum Vorrang der Parteiabreden, Gepflogenheiten und Gebräuche etwa auch Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 15 f., Art. 39 Rn. 3, 24; Girsberger, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 241, 242; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 136, 167 und ausführlich S. 207 ff.; Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 145 („Dies [die vertragliche Festsetzung einer Rügefrist] bringt für die Vertragspartner die höchste Sicherheit.“); Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 18 ff., 73, Art. 39 Rn. 15 ff., 55; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 32, 67 ff., Art. 39 Rn. 3, 23; MüKo-HGB/Benicke, Vor Art. 38 Rn. 3, Art. 39 Rn. 16 f.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-58; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 29 ff., Art. 39 Rn. 16, 38; Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 121; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 19, 16, Art. 39 Rn. 15 f. In der Rechtsprechung vgl. OLG Linz (Österreich), 8. 2. 2012, CISG-online Case No. 2444; Audiencia Provincial de Barcelona (Spanien), 24. 3. 2009, CISG-online Case No. 2042, Erw. 3.d); Rechtbank Arnhem (Niederlande), 11. 2. 2009, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/090211n1.html, Erw. 5.6; LG Coburg, 12. 12. 2006 – 22 O 38/06, CISG-online Case No. 1447, Erw. II.2.b); Chicago Prime Packers, Inc. ./. Northam Food Trading Co. U. S. D.C. [N.D Ill. East. Div.], 21. 5. 2004, CISG-online Case No. 851, Erw. II.2.; Tribunale di Rimini (Italien), 26. 11. 2002, http://cisgw3. law.pace.edu/cases/021126i3.html, Erw. 4; Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, http: //cisgw3.law.pace.edu/cases/000712i3.html, Erw. 10 f.; OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380; umfassende Rechtsprechungsnachweise zu vorrangigen Parteiabreden auch bei Girsberger, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 241, 247 (dort Fn. 23). 1254 Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 40. 1255 Vgl. nur Achilles, Art. 38 Rn. 11; CISG AC Opinion No. 2 (Bergsten), Nr. 2 zu Art. 38, IHR 2004, 163, 163; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn 17; Honnold/Flechtner, Rn. 252; Kiene, Vertragsaufhebung und Rücktritt, S. 238; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Kröll, Art. 38 Rn. 80; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 57; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-77; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 15; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 40. 1256 CISG AC Opinion No. 2 (Bergsten), Nr. 2 zu Art. 38, IHR 2004, 163, 163; Honnold/ Flechtner, Rn. 252; Kiene, Vertragsaufhebung und Rücktritt, S. 238; MüKo/Gruber, Art. 38

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Teil 3: Einzelbetrachtung

liche, subjektive und für den Verkäufer nicht erkennbare Umstände in der Sphäre des Käufers (z. B. Krankheit, rein innerbetriebliche Störungen), sind für die Fristberechnung nicht relevant.1258 Schnell verderbliche Waren machen eine kürzere Untersuchungsfrist erforderlich als unverderbliche.1259 Erstere sind in der Regel sofort, allenfalls nach wenigen Tagen zu untersuchen.1260 Entsprechend wurde etwa bei Lieferung von Schlachtschafen1261, Rn. 57; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-77; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 18; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 40; in der Rechtsprechung etwa Audiencia Provincial Madrid (Spanien), 14. 7. 2009, CISG-online Case No. 2087, Erw. 8.; LG Hamburg, 6. 9. 2004 – 419 O 218/03, CISG-online Case No. 1085, Erw. 2.a); Chicago Prime Packers, Inc. ./. Northam Food Trading Co., 21. 5. 2004, U. S. D.C. [N.D. Ill. East. Div.], CISG-online Case No. 851, Erw. II.2.; LG Darmstadt, 29. 5. 2001 – 4 O 101/00, CISG-online Case No. 686; OLG Oldenburg, 5. 12. 2000 – 12 U 40/00, CISG-online Case No. 618, Erw. I.; OLG Köln, 21. 8. 1997 – 18 U 121/97, CISG-online Case No. 290, Erw. 3.; OLG Düsseldorf, 11. 2. 1994 – 6 U 32/93, CISG-online Case No. 116, Erw. I.3.b). 1257 LG Salzburg (Österreich), 2. 2. 2005, CISG-online Case No. 1189; KantonsG St. Gallen (Schweiz), 11. 2. 2003, CISG-online Case No. 900, Erw. II.2.b); OGH (Österreich), 14. 1. 2002, CISG-online Case No. 643; OGH (Österreich), 27. 8. 1999, CISG-online Case No. 485; OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380; OLG Köln, 21. 8. 1997 – 18 U 121/97, CISG-online Case No. 290, Erw. 3.; OberG Kanton Luzern (Schweiz), 8. 1. 1997, CISG-online Case No. 228, Erw. 4.c); OLG Karlsruhe, 25. 6. 1997 – 1 U 280/96, CISG-online Case No. 263, Erw. II.1.b); Achilles, Art. 38 Rn. 11 f.; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 17; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 136; Kiene, Vertragsaufhebung und Rücktritt, S. 238; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 91; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 63; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 15; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 40. 1258 Vgl. Achilles, Art. 38 Rn. 14; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 18; Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 98; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 63; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 18; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 49, auch mit dem Hinweis, dass solche rein subjektiven Faktoren allenfalls i. R. v. Art. 44 CISG Berücksichtigung finden können, der ausnahmsweise bei „vernünftiger Entschuldigung“ für einen Verstoß gegen Art. 39 CISG die Möglichkeit zur Minderung und Geltendmachung von Schadensersatz aufrecht erhält. 1259 LG Salzburg (Österreich), 2. 2. 2005, CISG-online Case No. 1189; OberG Bern (Schweiz), 11. 2. 2004, CISG-online Case No. 1191, Erw. III.4.; OGH (Österreich), 14. 1. 2001, CISG-online Case No. 643; OGH (Österreich), 27. 8. 1999, CISG-online Case No. 485; OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380; Achilles, Art. 38 Rn. 11; CISG AC Opinion No. 2 (Bergsten), Nr. 2 zu Art. 38, IHR 2004, 163, 163; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 17; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 137 f.; Kiene, Vertragsaufhebung und Rücktritt, S. 238; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 91 f.; MüKo/ Gruber, Art. 38 Rn. 63; MüKo-HGB/Benicke, Art. 38 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/ Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 16; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 40. 1260 LG München I, 18. 5. 2009 – 28 O 20906/06, CISG-online Nr. 1998, Erw. 1.c)bb); Gerechtshof ’s-Hertogenbosch (Niederlande), 2. 1. 2007, CISG-online Case No. 1434; LG Salzburg (Österreich), 2. 2. 2005, CISG-online Case No. 1189; Chicago Prime Packers, Inc. ./. Northam Food Trading Co., 21. 5. 2004, U. S. D.C. [N.D. Ill. East. Div.], CISG-online Case No. 851, Erw. II.2. (auch tiefgefrorene Schweinerippen innerhalb weniger Tage zu untersuchen); OberG Bern (Schweiz), 11. 2. 2004, CISG-online Case No. 1191, Erw. III.4.; Rechtbank Zwolle (Niederlande), 5. 3. 1997, http://www.unilex.info/case.cfm?id=332; AG Riedlingen, 21. 10. 1994 – 2 C 395/93, CISG-online Case No. 358; vgl. MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 63;

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Schnittblumen1262, Bäumen1263 oder Fisch1264 entschieden, dass die Untersuchung am gleichen Tag zu erfolgen hatte. Auch Saisonware („[…] which might economically perish […]“1265) macht eine vergleichsweise kurzfristige Untersuchung erforderlich, damit der Verkäufer die Ware gegebenenfalls anderweitig während der betreffenden Saison verwerten kann bzw. schnell genug auf den Mangel reagieren kann.1266 Bei Massenware, die in großen Stückzahlen geliefert wurde, kann die große Menge eine entsprechende Ausdehnung der Frist zur Feststellung der korrekten Quantität aufdrängen.1267 Dies gilt allerdings nicht ohne Weiteres für die Feststellung solcher Qualitätsmängel von Massenware,1268 für deren Erkennbarkeit nur auf die Durchführung von Stichproben abgestellt wird.1269 Handelt es sich dagegen nicht um Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 16; Janssen, Untersuchungsund Rügepflichten, S. 137 f.; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 17 („sehr zügig“). 1261 OLG Schleswig, 22. 8. 2002 – 11 U 40/01, CISG-online Case No. 710, Erw. 5. (Rz. 20) („[…] weil der Zustand des Viehs bereits bei der Auslieferung oder spätestens am Folgetag überprüft werden muss, weil er sich binnen kürzester Frist dadurch verändern kann, dass das Vieh nicht ausreichend mit Wasser und Nahrung versorgt oder nicht sachgerecht untergebracht wird.“). 1262 OLG Saarbrücken, 3. 6. 1998 – 1 U 703/97, CISG-online Case No. 354 = NJW-RR 1999, 780, 780 („Im internationalen Blumenhandel ist dem Käufer ein sofortiges Handeln am Tag der Empfangnahme zuzumuten.“); vgl. auch LG München I, 18. 5. 2009 – 28 O 20906/06, CISG-online No. 1998, Erw. 1.c)bb). 1263 Gerechtshof ’s-Hertogenbosch (Niederlande), 2. 1. 2007, CISG-online Case No. 1434. 1264 Rechtbank Zwolle (Niederlande), 5. 3. 1997, http://www.unilex.info/case.cfm?id=332. 1265 Schwenzer, 19 Pace Int’l L. R. (2007) 103, 121. 1266 LG Salzburg (Österreich), 2. 2. 2005, CISG-online Case No. 1189; Vestre Lansret Viborg (Dänemark), 10. 11. 1999, CISG-online Case No. 704 (Kauf von Weihnachtsbäumen am 29.11.); OGH (Österreich), 14. 1. 2002, CISG-online Case No. 643; OGH (Österreich), 27. 8. 1999, CISG-online Case No. 485; OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380; AG Kehl, 6. 10. 1995 – 3 C 925/93, CISG-online Case No. 162, Erw. I.2.c) („Im vorliegenden Fall ist auch zu beachten, daß es sich bei den gelieferten Pullovern um modebedingte Saisonware handelte, weshalb schon aus diesem Grunde eine rasche Rüge geboten war.“); Achilles, Art. 38 Rn. 11; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 17; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 91; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 63; MüKo-HGB/Benicke, Art. 38 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 16; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 42. 1267 LG Salzburg (Österreich), 2. 2. 2005, CISG-online Case No. 1189; OGH (Österreich), 14. 1. 2002, CISG-online Case No. 643; OGH (Österreich), 27. 8. 1999, CISG-online Case No. 485; OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380; OberG Kanton Luzern (Schweiz), 8. 1. 1997, CISG-online Case No. 228, Erw. 4.d); Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 17; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 137; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 61; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-77; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 40. 1268 S. insb. Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 40. 1269 Vgl. LG Frankfurt, 11. 4. 2005 – 2-26 O 264/04, CISG-online Case No. 1014, Erw. 2.b) („Die von der Kl. gerügten Mängel der Schuhe konnten durch Stichproben bei den gelieferten Säcken und durch bloße Besichtigung festgestellt werden. Da die Untersuchung insoweit unaufwendig war, durfte die Bekl. auch mit der Durchführung einer solchen innerhalb kurzer Zeit rechnen.“); OberG Luzern (Schweiz), 8. 1. 1997, CISG-online Case No. 228, Erw. 4.c) und eingehend zum Umfang der gebotenen Untersuchung m. w. N. aus der Rechtsprechung: Ferrari/

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Teil 3: Einzelbetrachtung

unüberschaubar große Mengen ist umgekehrt für die rein quantitative Untersuchung keine weitere Ausdehnung der Frist erforderlich,1270 was insgesamt auch für offensichtliche, schnell und leicht erkennbare qualitative Mängel (z. B. falsche Gattung oder Farbe) gilt.1271 Bei der Lieferung von Einzelteilen oder von Einzelbestandteilen muss die Untersuchung jedenfalls in so kurzer Frist erfolgen, dass sie vor dem Zusammenbau bzw. der Vermischung oder Vermengung erfolgt.1272 Ist der Mangel allerdings erst nach einem Zusammenfügen oder der Weiterverarbeitung überhaupt feststellbar, so muss für den gegebenenfalls nach Art und Umfang der Untersuchung erforderlichen Zusammenbau bzw. die probeweise erfolgende Verwendung entsprechend Zeit gewährt werden.1273 Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 8 ff., 12; Honnold/Flechtner, Rn. 252; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 34 ff., 36; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 25 ff., 27; MüKo-HGB/Benicke, Art. 38 Rn. 6; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 14; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 28 ff., 30; eingehend auch Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 108 ff. 1270 OberG Bern (Schweiz), 11. 2. 2004, CISG-online Case No. 1191, Erw. III.4.; Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 89; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 62; MüKo-HGB/ Benicke, Art. 38 Rn. 12. 1271 Insb. BGH, 8. 3. 1995 – VIII ZR 159/94, CISG-online Case No. 144, Erw. II.2. = NJW 1995, 2099, 2101 (offensichtlicher Verpackungsfehler); ferner LG Frankfurt, 11. 4. 2005 – 2-26 O 264/04, CISG-online Case No. 1014, Erw. 2.b); Chicago Prime Packers, Inc. ./. Northam Food Trading Co., 21. 5. 2004, U. S. D.C. [N.D. Ill. East. Div.], CISG-online Case No. 851, Erw. II.2.; OberG Bern (Schweiz), 11. 2. 2004, CISG-online Case No. 1191, Erw. III.4.; KantonsG St. Gallen (Schweiz), 11. 2. 2003, CISG-online Case No. 900, Erw. II.2.b) (Lieferung der falschen Musik-CDs als „offensichtliche[r] Mangel“); LG München I, 16. 11. 2000 – 12 HKO 3804/00, CISG-online Case No. 667; OLG Koblenz, 18. 11. 1999 – 2 U 1556/98, CISG-online Case No. 570, Erw. I.3.a) („optisch leicht feststellbare Mängel“); OLG München, 11. 3. 1998 – 7 U 4427/97, CISG-online Case No. 310, Erw. 3. (offensichtlicher ,gröberer Griff‘ der Qualität bei Kauf von hochwertigen Cashmere Bekleidungsartikeln); Tribunale Civile di Cuneo (Italien), 31. 1. 1996, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/960131i3.html; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 17 („[…] durch bloßes Besehen, Betasten, Zählen, Wiegen und Messen der Ware erkennbare Mängel […]“); Kröll/Mistelis/ Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 85, 89, 92; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 62; MüKo-HGB/ Benicke, Art. 38 Rn. 12; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-77; Schlechtriem/Schwenzer/ Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 17. 1272 Gerechtshof ’s Hertogenbosch (Niederlande), 15. 12. 1997, http://www.unilex.info/case. cfm?id=352; OLG Köln, 21. 8. 1997 – 18 U 121/97, CISG-online Case No. 290, Erw. 3.; Rechtbank Zwolle (Niederlande), 5. 3. 1997, http://www.unilex.info/case.cfm?id=332; vgl. auch Rechtbank Zwolle (Niederlande), 5. 3. 1997, http://www.unilex.info/case.cfm?id=332 (neben der Verderblichkeit des gelieferten Fischs sprach auch die anstehende Weiterverarbeitung für eine rasche, vorherige Untersuchung); Achilles, Art. 38 Rn. 11; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 17; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 93; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-77; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 16. 1273 LG Frankfurt, 11. 4. 2005 – 2-26 O 264/04, CISG-online Case No. 1014, Erw. 2.b); OLG Koblenz, 1. 9. 1998 – 2 U 580/96, CISG-online Case No. 505, Erw. I.2.a) (Untersuchung i. E. aber zu spät, da die verarbeitende Maschine von der Käuferin zu spät zur Untersuchung in Gang gesetzt wurde. „In Kenntnis ihrer Rügeobliegenheit hatte die Klägerin dafür zu sorgen, daß die Untersuchung des Blend, die ihrer Darstellung nach nur auf der gekauften Maschine

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Auch die gebotene Art und Weise der Untersuchung bzw. der damit verbundene Aufwand beeinflusst mithin die Länge der Untersuchungsfrist.1274 Handelt es sich um „komplexe“1275 Ware (z. B. große Anlagen), die, etwa technisch und/oder organisatorisch bedingt, nur mit gesteigertem Zeitaufwand (z. B. für Probeläufe oder chemische Analysen) untersucht werden kann,1276 so muss sich dies freilich auch in der Fristlänge niederschlagen.1277 erfolgen konnte, nach dessen Eintreffen alsbald auf dieser Maschine tatsächlich erfolgen konnte.“); OLG Oldenburg, 5. 12. 2000 – 12 U 40/00, CISG-online Case No. 618, Erw. I. (allerdings durfte die Käuferin „[…] mit der Untersuchung auch unter den gegebenen Umständen nicht abwarten, bis es ihrer betrieblichen Auftragslage entsprechend zum ersten Arbeitseinsatz des Tiefenlockerers kam.“); OLG Karlsruhe, 25. 6. 1997 – 1 U 280/96, CISG-online Case No. 263, Erw. II.1.b) (Untersuchungsfrist an die Dauer einer aussagekräftigen Probeverarbeitung von Klebefolie angelehnt); LG Düsseldorf, 23. 6. 1994 – 31 O 231/94, CISG-online Case No. 179, Erw. II.2. (Zeit für Einbau der gekauften Motoren in die anzutreibende Presse war zu berücksichtigen); Honnold/Flechtner, Rn. 252; MüKo-HGB/Benicke, Art. 38 Rn. 12; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 17. 1274 LG Frankfurt, 11. 4. 2005 – 2-26 O 264/04, CISG-online Case No. 1014, Erw. 2.b); LG Salzburg (Österreich), 2. 2. 2005, CISG-online Case No. 1189; LG Hamburg, 6. 9. 2004 – 419 O 218/03, CISG-online Case No. 1085, Erw. 2.a); KantonsG St. Gallen (Schweiz), 11. 2. 2003, CISG-online Case No. 900, Erw. II.2.b); OGH (Österreich), 14. 1. 2002, CISG-online Case No. 643; Cour d’appel Paris (Frankreich), 6. 11. 2001, CISG-online Case No. 677; OLG Koblenz, 18. 11. 1999 – 2 U 1556/98, CISG-online Case No. 570, Erw. I.3.a); OLG Oldenburg, 5. 12. 2000 – 12 U 40/00, CISG-online Case No. 618, Erw. I.; OGH (Österreich), 27. 8. 1999, CISG-online Case No. 485; OLG Köln, 21. 8. 1997 – 18 U 121/97, CISG-online Case No. 290, Erw. 3.; Tribunale Civile di Cuneo (Italien), 31. 1. 1996, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/ 960131i3.html; AG Riedlingen, 21. 10. 1994 – 2 C 395/93, CISG-online Case No. 358 (mit Hinweis, dass Stichproben ohne großen Aufwand die Mängel offenbart hätten); Achilles, Art. 38 Rn. 12; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 17; Honnold/Flechtner, Rn. 252; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 136; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 85; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 57; MüKo-HGB/Benicke, Art. 38 Rn. 12; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-77; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 43 und soeben Teil 3 Fn. 1273. 1275 Vgl. Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 17 („[…] Komplexität der Ware […]“); Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-77 („komplexere […] Produkte […]“). 1276 Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 41 nennt dazu beispielsweise „[…] eine[n] Probelauf, ein aufwendiges Prüfverfahren oder ein[en] mehrfachen Test […]“; MüKo-HGB/Benicke, Art. 38 Rn. 11 („[…] etwa eine Probeverarbeitung oder eine chemische Analyse […]“). 1277 LG Frankfurt, 11. 4. 2005 – 2-26 O 264/04, CISG-online Case No. 1014, Erw. 2.b); Chicago Prime Packers, Inc. ./. Northam Food Trading Co., 21. 5. 2004, U. S. D.C. [N.D. Ill. East. Div.], CISG-online Case No. 851, Erw. II.2.; BGH, 3. 11. 1999 – VIII ZR 287/98, CISG-online Case No. 475, Erw. II.2.b)bb) (eine Woche für Auswahl und Beauftragung des Sachverständigen und weitere zwei Wochen für gutachterliche Untersuchung der Ware); OGH (Österreich), 27. 8. 1999, CISG-online Case No. 485; OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380; LG Düsseldorf, 23. 6. 1994 – 31 O 231/94, CISG-online Case No. 179, Erw. II.2. (Zeit für Einbau der Motoren in die anzutreibende Presse müsse berücksichtigt werden, i. E. aber Frist überschritten, da ein gänzlich unverhältnismäßiger Prüfungszeitraum von vier Monaten in Anspruch genommen wurde); OLG Oldenburg, 5. 12. 2000 – 12 U 40/00, CISG-online Case No. 618, Erw. I. (s. bereits Teil 3 Fn. 1274), vgl. (insb. dazu) Achilles, Art. 38 Rn. 12 (keine Fristverlängerung, wenn der Käufer „[…] nicht über die ihm üblicherweise abzuverlangenden Untersuchungsfähigkeiten und -fertigkeiten verfügt.“); ferner

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Weitere relevante Faktoren – sofern diese für den Verkäufer erkennbar sind – sind die Unternehmensgröße1278 (auf Käuferseite) sowie die oftmals davon abhängenden fachlichen, technischen1279 und personellen Mittel, die dem Unternehmen für eine sachgerechte Untersuchung zur Verfügung stehen („overall circumstances and infrastructure at the place of examination“1280).1281 „Insoweit kann von einem arbeitsteilig organisierten Großbetrieb oder einem einschlägig erfahrenen Zwischenhändler zumeist mehr erwartet werden als von einem Kleinbetrieb oder Endabnehmer, der die Untersuchungsvoraussetzungen evtl. erst noch schaffen muss.“1282 Sollte die Möglichkeit zur Untersuchung erkennbar durch einen betriebsübergreifenden Streik oder einen gesetzlichen Feiertag, an dem nicht der Arbeit nachgegangen wird, beeinträchtigt sein, so gilt auch dies bei der Fristbestimmung entsprechend zu beachten.1283 Da das UN-Kaufrecht in Einzelfällen auch auf einen Konsumentenkauf anwendbar sein kann,1284 wird der privat handelnden Person mehr

Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 17; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 138 f.; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 83, 92; MüKo-HGB/Benicke, Art. 38 Rn. 11; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 59; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-77; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 17; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 40, 43. 1278 OGH (Österreich), 14. 1. 2002, CISG-online Case No. 643; OGH (Österreich), 27. 8. 1999, CISG-online Case No. 485; OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380; LG Salzburg (Österreich), 2. 2. 2005, CISG-online Case No. 1189. 1279 LG Hamburg, 6. 9. 2004 – 419 O 218/03, CISG-online Case No. 1085, Erw. 2.a). 1280 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 18; ähnlich Ferrari/ Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 18 („[…] dem Verkäufer bekannte Stellung des Käufers im Wirtschaftsleben […]“). 1281 LG Hamburg, 6. 9. 2004 – 419 O 218/03, CISG-online Case No. 1085, Erw. 2.a); OGH (Österreich), 14. 1. 2002, CISG-online Case No. 643; OGH (Österreich), 27. 8. 1999, CISG-online Case No. 485; OLG München, 11. 3. 1998 – 7 U 4427/97, CISG-online Case No. 310, Erw. 3.; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 18; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 141 ff.; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 86, 95; MüKo/ Gruber, Art. 38 Rn. 57, 64; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-77; Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 18; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 45. 1282 Achilles, Art. 38 Rn. 11; ähnlich etwa auch Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 45 („Vom gut organisierten Großbetrieb ist eine schnellere Untersuchung zu erwarten als von einem Ein-Mann-Geschäft.“); ferner Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 141 f. 1283 Achilles, Art. 38 Rn. 14; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 143 f.; Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 97; MüKo-HGB/Benicke, Art. 38 Rn. 13 („Störungen im Betrieb des Käufers, die dem Käufer bekannt sind, müssen bei der Bestimmung der Untersuchungsfrist berücksichtigt werden.“); Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 18; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 44 (Streik), Rn. 46 (Feiertage); MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 64 mit dem Hinweis auf BGH, 8. 3. 1995 – VIII ZR 159/94, CISG-online Case No. 144, Erw. II.2. = NJW 1995, 2099, 2101: „Arbeitswoche“; OLG Köln, 22. 2. 1994 – 22 U 202/93, CISG-online Case No. 127, Erw. 1. (das Wochenende fristverlängernd berücksichtigend). 1284 S. insofern zum Anwendungsbereich oben § 7 E.I.4.a)aa).

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Zeit für die Untersuchung zu lassen sein, als einem unternehmerisch handelnden Käufer.1285 Neben den insoweit ausdifferenzierten inhaltlichen Bewertungskriterien stellt sich die Frage, inwiefern sich in zeitlicher Hinsicht konkrete Vorgaben quantifizieren lassen. Fest steht jedenfalls, dass weder die Erfahrungswerte zu der Vorgängernorm im Haager Kaufrecht, noch die Grundsätze, die etwa zur Untersuchungs- und Rügepflicht nach § 377 HGB gelten, unbesehen hinzugezogen oder gar übertragen werden dürfen.1286 Denn mit der neuen Formulierung von Art. 38 CISG wurde ausdrücklich eine Abkehr von den strengeren Grundsätzen zur Vorgängernorm Art. 38 EKG bezweckt.1287 Was insbesondere die strenge Ausgestaltung im autonom gesetzten deutschen und österreichischen, aber auch im schweizerischen1288 Recht angeht, entspricht deren Übertragung keinesfalls der gebotenen Auslegung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 CISG, die gerade den internationalen Charakter des CISG zu berücksichtigen hat.1289 Dementsprechend hat sich in der internationalen Rechtsprechung und explizit auch in der deutschen Rechtsprechungspraxis zum CISG mittlerweile eine i. E. 1285 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 18; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 45, 11. 1286 Vgl. entsprechend zu § 377 deutsches HGB nur OLG Oldenburg, 5. 12. 2000 – 12 U 40/ 00, CISG-online Case No. 618, Erw. I. („Der Senat verkennt nicht, daß die Änderungen des CISG gegenüber dem EKG insgesamt die Tendenz erkennen lassen, die Vorschriften käuferfreundlicher zu gestalten. Deshalb kann nicht ohne weiteres an die – oft von §§ 377, 378 HGB inspirierte – strenge Rechtsprechung zum EKG angeknüpft werden kann.“); OLG Köln, 21. 8. 1997 – 18 U 121/97, CISG-online Case No. 290, Erw. 3. („Grundsätzlich sind die Fristen aber großzügiger zu bemessen als nach der Rechtsprechung zu den §§ 377, 378 HGB und dem früher geltenden Einheitlichen Kaufgesetz, und es ist im Interesse einer einheitlichen Auslegung den Traditionen der anderen Vertragsstaaten, die – wie gerade Frankreich – großzügige Fristen einräumen, Rechnung zu tragen, so daß als grober Mittelwert eher eine Monatsfrist anzusetzen sein dürfte.“); LG Frankfurt, 11. 4. 2005 – 2-26 O 264/04, CISG-online Case No. 1014, Erw. 2.b). Zum ehemaligen § 377 österreichisches HGB vgl. OGH (Österreich), 14. 1. 2001, CISG-online Case No. 643 („Wenngleich die Fristen für die vorzunehmende Untersuchung und für die Rüge weniger streng als nach § 377 HGB (,unverzüglich‘) zu beurteilen sind, […].“); OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380. Vgl. ferner zum gleichlautenden Hinweis in der Literatur Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 16; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 78, 80; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 6, 58; MüKo-HGB/Benicke, Vor Art. 38 Rn. 2; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 131 f.; Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 110; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 2; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 35, 50. 1287 CISG AC Opinion No. 2 (Bergsten), Comment 3.2, IHR 2004, 163, 164 f.; Honnold/ Flechtner, Rn. 252; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 130 f.; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 58; MüKo-HGB/Benicke, Vor Art. 38 Rn. 2; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 2; Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 108 f.; Staudinger/ Magnus, Art. 38 Rn. 6 ff. 1288 Honsell, SJZ 1992, 345, 353. 1289 Ebenfalls mit Hinweis auf Art. 7 Abs. 1 CISG CISG AC Opinion No. 2 (Bergsten), Comment 5.2, IHR 2004, 163, 166; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 131 f.; ähnlich Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 13.

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vergleichsweise großzügigere Fristberechnung eingebürgert. Angesichts der soeben dargelegten Einzelfallabhängigkeit bzw. der verschiedenen potentiell entscheidungserheblichen Faktoren lässt sich eine aussagekräftige Regelfrist allerdings nur äußerst begrenzt ableiten. Als grober Richtwert, der zumindest im überwiegenden Teil der Fälle Orientierung bieten dürfte, gilt eine Frist von ein bis jedenfalls zwei Wochen für die Untersuchung von nicht verderblicher Ware, deren eventuelle Mängel sich durch einfache Prüfung erkennen lassen.1290 Dieser Richtwert wird auch im überwiegenden Teil der Literatur1291 und „in der inzwischen überwiegenden, wenn auch nicht einheitlichen“1292 Rechtsprechung1293 als Ausgangspunkt im Umgang mit Art. 38 Abs. 1 CISG genannt. Andererseits richten sich prominente Stimmen in der Literatur strikt gegen jeden Versuch einer Regelfristeingrenzung zu Art. 38 Abs. 1 CISG.1294 1290

So ausdrücklich Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 50. Achilles, Art. 38 Rn. 11 (bei unverderblicher Ware nur im Ausnahmefall mehr als ein bis zwei Wochen); Kiene, Vertragsaufhebung und Rücktritt, S. 238; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 82 („[…] period of one to two weeks is a reasonable starting point depending on the type of examination required and the necessary preparatory work associated with it.“); MüKo-HGB/Benicke, Art. 38 Rn. 11 (Eine Woche bis maximal ein Monat, „[…] wenn keine ungewöhnlichen Umstände vorliegen […]“); Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 50; ähnlich Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 133 („[…] mindestens 10 – 12 Werktage […]“); enger Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-52 (etwa 5 Arbeitstage, „Dieser Mittelwert ist allerdings flexibel zu handhaben und je nach Lage des Falles nach oben oder unten anzupassen.“). 1292 Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 50. 1293 Vgl. LG Lübeck, 30. 12. 2010 – 6 O 160/10, CISG-online Case No. 2292, Erw. II.2.; OberG Appenzell Ausserrhoden (Schweiz), 18. 8. 2008, CISG-online Case No. 1838, Erw. 2.4; OberG Zug (Schweiz), 19. 12. 2006, CISG-online Case No. 1427 = 1565, Erw. 3. = IHR 2007, 129, 129 („Im Sinne einer aufgrund der Umstände nach oben oder unten anzupassenden groben Faustregel erscheint bei unverderblichen oder nicht starken Preisschwankungen unterworfenen, dauerhaften Waren eine Untersuchungsfrist von zwei Wochen, mindestens aber eine Woche oder fünf Arbeitstage, als angemessen.“); OberG Bern (Schweiz), 11. 2. 2004, CISG-online Case No. 1191, Erw. III.4. („Als grober Orientierungswert, der je nach Lage des Falles nach oben oder unten zu korrigieren ist, kann eine Untersuchungsfrist von einer Woche – 5 Arbeitstage – gelten.“); LG Darmstadt, 29. 5. 2001 – 4 O 101/00, CISG-online Case No. 686 (10 Tage); OLG Oldenburg, 5. 12. 2000 – 12 U 40/00, CISG-online Case No. 618, Erw. I.; LG München I, 16. 11. 2000 – 12 HKO 3804/00, CISG-online Case No. 667 (etwa 10 Tage Untersuchungsfrist bei Falschlieferung von Einrichtungsgegenständen für Pizzeria); OLG Koblenz, 18. 11. 1999 – 2 U 1556/98, CISG-online Case No. 570, Erw. I.3.a) (optisch leicht feststellbare Mängel – ungleichmäßiger Fadenverlauf – innerhalb einer Woche zu untersuchen/ erkennen); HandelsG Zürich (Schweiz), 30. 11. 1998, CISG-online Case No. 415, Erw. 4.b)bb) („Da solche Lammfelljacken relativ leicht auf Mängel überprüft werden können, ist in Anlehnung an die vorerwähnte Rechtsprechung [dort Erw. 4.a)aa)] die angemessene Untersuchungsfrist im Sinne von Art. 38 Abs. 1 WKR auf eine Woche bis zehn Tage festzulegen.“); OberG Luzern (Schweiz), 8. 1. 1997, CISG-online Case No. 228, Erw. 4.d) (10 Tage); i. E. auch Cour d’appel d’Aix-en-Provence (Frankreich), 21. 11. 1996, CISG-online Case No. 1505 (Untersuchung innerhalb von 14 Tagen war fristgerecht). 1294 Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 17 („Die flexible Frist bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles, weshalb m. E. die Erarbeitung von Regeluntersuchungsfristen 1291

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Vor diesem Hintergrund müssen Schlüsse mit Blick auf die Vorhersehbarkeit der Anwendung von Art. 38 Abs. 1 CISG sehr differenziert gezogen werden. Allgemeingültige Aussagen sind weder möglich noch angebracht. Der angegebene Richtwert ist keinesfalls „sklavisch zu befolgen“1295.1296 Er dient lediglich als Ausgangspunkt für die Fristberechnung im Einzelfall, bei der der zu gewährende Zeitraum anhand der oben genannten Kriterien entsprechend angepasst werden muss. Deutlich wird allerdings, und dies mit jedenfalls weitergehender Gültigkeit, dass es sich bei der Untersuchungsfrist im Sinne von Art. 38 CISG in aller Regel um Wochen und nicht um Monate handeln wird.1297 Was die einzelnen Kriterien bei der „Anpassung“ angeht, sei nochmals auf die durchaus einheitlichen Maßgaben in Literatur und Rechtsprechung hingewiesen.

C. „Angemessene“ Rügefrist gemäß Art. 39 CISG Hinsichtlich der Beurteilung, wann eine rechtzeitige Mängelrüge im Sinne von Art. 39 Abs. 1 CISG vorliegt, stellt sich die Ausgangslage vergleichbar zu der hinsichtlich der Untersuchungsfrist dar. Auch hier wurde mit der wertungsoffenen Formulierung, dass eine angemessene Rügefrist zu wahren ist, ein flexibler Ansatz gewählt. Infolgedessen gilt es auch diesbezüglich die starke Einzelfallabhängigkeit zu betonen,1298 die die Vorhersehbarkeit im jeweiligen Anwendungsfall entsprechend bzw. Mittelwerten nicht vertretbar ist.“); ders., RabelsZ 68 (2004) 472, 483; Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 15. 1295 Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 50. 1296 Dementsprechend findet sich in nahezu allen Fällen, in denen Richtwerte als Ausgangspunkt der Fristbestimmung genannt werden, zugleich eine Relativierung mit Blick auf die gebotene Einzelfallbetrachtung, vgl. die Angaben in Teil 3 Fn. 1291 u. 1293; exemplarisch Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 82 („Recognizing that in the majority of cases there will be objective or subjective factors which justify a deviation from the presumptive time period, it is submitted that […].“). 1297 Vgl. dazu wiederum die treffenden, differenzierten Ausführungen von Staudinger/ Magnus, Art. 38 Rn. 50; ferner Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 82 („Periods extending over a month before the examination starts or at least until necessary preparatory works are undertaken will rarely be justified.“); MüKo-HGB/Benicke, Art. 38 Rn. 11. 1298 CISG AC Opinion No. 2 (Bergsten), Nr. 3 zu Art. 39, IHR 2004, 163, 164; Ferrari/ Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 24; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 54; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 35; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 42; vgl. auch in der Rechtsprechung etwa OGH (Österreich), 31. 8. 2010, CISG-online Case No. 2236; LG München I, 18. 5. 2009 – 28 O 20906/06, CISG-online Case No. 1998, Erw. 1.c)bb); Gerechtshof Arnhem (Niederlande), 9. 3. 2010, CISG-online Case No. 2095; Miami Valley Paper, LLC ./. Lebbing Engineering & Consulting GmbH, U.S. D. C. [S.D. Ohio, West. Div.], 26. 3. 2009, CISG-online Case No. 1880, Erw. II.A.1.; Rechtbank Breda (Niederlande), 16. 1. 2009, CISG-online Case No. 1789; KantonsG Zug (Schweiz), 30. 8. 2007, CISG-online Case No. 1722, Erw. 3.1; Tribunal Cantonal Valais (Schweiz), 27. 4. 2007, CISG-online Case No. 1721, Erw. II.4.b); Gerechtshof ’s-Hertogenbosch (Niederlande), 2. 1. 2007, CISG-online Case No. 1434; LG Salzburg (Österreich), 2. 2. 2005, CISG-online Case No. 1189; LG Hamburg, 6. 9. 2004 – 419 O 218/03, CISG-online Case No. 1085, 2.a); OberG Luzern (Schweiz), 12. 5. 2003,

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einschränkt.1299 Auf einen bemerkenswerten Unterschied, was die Entwicklung von Regelfristen in Anbetracht der leichteren Vergleichbarkeit der Sachverhalte angeht, wird weiter unten näher eingegangen. Eine weitreichendere Allgemeingültigkeit können die zugrundezulegenden Beurteilungskriterien für sich beanspruchen, zu denen Rechtsprechung und Literatur erfreulicherweise ausführlich Stellung bezogen haben. Die maßgeblichen Faktoren entsprechen dabei weitestgehend den zur Untersuchungsfrist dargestellten. Freilich gilt auch hier, dass die Besonderheiten des Einzelfalles nicht aus den Augen verloren werden dürfen.

I. Beurteilungskriterien Auch die Angemessenheit der Rügefrist wird insbesondere von der (Eigen-)Art der Ware bedingt.1300 Mängel von verderblicher Ware sind schneller zu rügen, als die von dauerhafter Ware.1301 Der insofern schon verkürzten Untersuchungsfrist folgt CISG-online Case No. 846; Tribunale di Rimini (Italien), 26. 11. 2002, http://cisgw3.law.pace. edu/cases/021126i3.html, Erw. 4.; Shuttle Packaging Systems ./. Jacob Tsonakis et al., U. S. D.C. [W. D. Michigan, South. Div.], 17. 12. 2001, CISG-online Case No. 773, Erw. III.A. e. E.; Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/000712i3. html, Erw. 11; OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380; Tribunale di Cuneo (Italien), 31. 1. 1996, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/960131i3.html; OLG München, 8. 2. 1995 – 7 U 3758/94, CISG-online Case No. 142, Erw. II.3.b)bb). 1299 Vgl. auch Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 25 („Es kommt eben auf die Umstände des Einzelfalles an; dass dies zu Divergenzen in der Rechtsprechung führen kann, ist offensichtlich.“). 1300 OGH (Österreich), 31. 8. 2010, CISG-online Case No. 2236; Gerechtshof Arnhem (Niederlande), 9. 3. 2010, CISG-online Case No. 2095; Rechtbank s’Gravenhage (Niederlande), 8. 7. 2009, CISG-online Case No. 2068; Audiencia Provincial de Barcelona (Spanien), 24. 3. 2009, CISG-online Case No. 2042, Erw. 3.d); Rechtbank Breda (Niederlande), 16. 1. 2009, CISG-online Case No. 1789; Tribunal Cantonal Valais (Schweiz), 27. 4. 2007, CISG-online Case No. 1721, Erw. II.4.b); Gerechtshof ’s-Hertogenbosch (Niederlande), 2. 1. 2007, CISG-online Case No. 1434; OLG Koblenz, 19. 10. 2006 – 6 U 113/06, CISG-online Case No. 1407, Erw. II.3.a)bb); LG Salzburg (Österreich), 2. 2. 2005, CISG-online Case No. 1189; Tribunale di Rimini (Italien), 26. 11. 2002, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/02112 6i3.html, Erw. 4.; Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/ 000712i3.html, Erw. 11; OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380; Rechtbank Zwolle (Niederlande), 5. 3. 1997, http://www.unilex.info/case.cfm?id=332; Rechtbank Roermund (Niederlande), 19. 12. 1991, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/911219n1.html; CISG AC Opinion No. 2 (Bergsten), Nr. 3 zu Art. 39, IHR 2004, 163, 164; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 26; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 167 f.; Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 145; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 76; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-61; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 43. 1301 Audiencia Provincial de Girona (Spanien), 21. 1. 2016, CLOUT Case No. 1580 (Untersuchung von lebenden Muscheln habe innerhalb von zwei bis acht Stunden zu erfolgen – Untersuchung nach einer Woche verspätet), Gerechtshof Arnhem (Niederlande), 9. 3. 2010, CISG-online Case No. 2095 (keine Übersetzung); Rechtbank s’Gravenhage (Niederlande),

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daher eine ebenfalls verkürzte Rügefrist, die oft mit wenigen Stunden, einem Tag oder jedenfalls nur wenigen Tagen zu bemessen ist.1302 Handelt es sich um Ware, die schnell weiterverkauft oder verarbeitet wird, so verkürzt dies ebenfalls die einzuhaltende Frist.1303 Gleiches gilt für Saisonware1304 und sonstige Ware mit sehr 8. 7. 2009, CISG-online Case No. 2068 (keine Übersetzung); LG München I, 18. 5. 2009 – 28 O 20906/06, CISG-online Case No. 1998, Erw. 1.c)bb); Rechtbank Arnhem (Niederlande), 11. 2. 2009, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/090211n1.html, Erw. 5.10; Rechtbank Breda (Niederlande), 16. 1. 2009, CISG-online Case No. 1789; Rechtbank Zutphen (Niederlande), 27. 2. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/080227n2.html; Gerechtshof ’s-Hertogenbosch (Niederlande), 2. 1. 2007, CISG-online Case No. 1434; OLG Koblenz, 19. 10. 2006 – 6 U 113/ 06, CISG-online Case No. 1407, Erw. II.3.a)bb); Chicago Prime Packers, Inc. ./. Northam Food Trading Co. U. S. D.C. [N.D. Ill. East. Div.], 21. 5. 2004, CISG-online Case No. 851, Erw. II.3.; Tribunale di Rimini (Italien), 26. 11. 2002, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/021126i3.html, Erw. 4.; Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/000712i3. html, Erw. 11; OLG Saarbrücken, 3. 6. 1998 – 1 U 703/97, CISG-online Case No. 354, Erw. 1. („Bei verderblicher Ware ist eine umgehende Anzeige geboten […].“, vgl. bereits Teil 3 Fn. 1262); Rechtbank Zwolle (Niederlande), 5. 3. 1997, http://www.unilex.info/case.cfm? id=332; Rechtbank Rotterdam (Niederlande), 21. 11. 1996, http://www.unilex.info/case.cfm? id=318; AG Augsburg, 29. 1. 1996 – 11 C 4004/95, CISG-online Case No. 172, Erw. I.2. (aber fälschlicherweise Art. 39 Abs. 1 CISG auf die Geltendmachung eines Verzugsschadens anwendend); AG Riedlingen, 21. 10. 1994 – 2 C 395/93, CISG-online Case No. 358 (Rüge von Schinken, der 2 – 3 Stunden nach dem Auspacken schimmelte, hätte innerhalb von drei Tagen erfolgen sollen, Rüge nach 20 Tagen verspätet); OLG Düsseldorf, 8. 1. 1993 – 17 U 82/92, CISG-online Case No. 76, II.; Rechtbank Roermund (Niederlande), 19. 12. 1991, http://cisgw3. law.pace.edu/cases/911219n1.html; Achilles, Art. 39 Rn. 11; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 26; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 167 f.; Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 145; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 77; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 35; MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 13; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-61; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 16; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 43 („[…] weil die Schadensursache hier schon nach kurzer Zeit nur noch schwer aufzuklären ist und die Wahrscheinlichkeit schnell wächst, dass die Ursache des Mangels aus der Risikosphäre des Käufers stammt.“). 1302 So ausdrücklich etwa Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 168; Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 145; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 77 und Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 16; Rechtbank Breda (Niederlande), 16. 1. 2009, CISG-online Case No. 1789 (Rüge sofort oder jedenfalls innerhalb weniger Tage nach Lieferung von Wassermelonen gefordert); vgl. ferner bereits die Rechtsprechungsnachweise in Teil 3 Fn. 1260 – 1264. 1303 Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 26; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Kröll, Art. 39 Rn. 88; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-61; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 43; in diese Richtung auch OLG München, 8. 2. 1995 – 7 U 1720/94, CISG-online Case No. 142, Erw. II.3.b)bb) („Im vorliegenden Fall ist bereits sehr zweifelhaft, ob die erst nach vollständiger Verarbeitung des gelieferten Granulats erfolgte Mängelrüge […] den Bestimmungen des CISG genügen könnte.“); anders MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 16 (Anzeige „[…] nicht zwingend vor einer Verarbeitung der Ware erforderlich.“). 1304 Cour de Cassation (Frankreich), 4. 11. 2014, CLOUT Case No. 1553 (Weihnachtsbäume); Vestre Landsret (Dänemark), 10. 11. 1999, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/991110d1. html (Weihnachtsbäume); OLG Koblenz, 19. 10. 2006 – 6 U 113/06, CISG-online Case No. 1407, Erw. II.3.a)bb); LG München II, 20. 2. 2002 – 10 O 5423/01, CISG-online Case No. 712, I.2.b) = IHR 2003, 24, 25; OGH (Österreich), 27. 8. 1999, CISG-online Case No. 485 („[…] soll doch auch das Interesse des Verkäufers an einer Verwertung der ,Saisonware‘ eben

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volatilem Marktwert.1305 Eine ähnliche Situation liegt vor, wenn der Mangel gravierende Mangelfolgeschäden auszulösen droht, sodass auch hier entsprechend zeitnah gerügt werden muss.1306 Die gebotene Art und Weise der Untersuchung, die sich v. a. bei hoher Intensität logischerweise zeitaufwendig gestaltet, wird dagegen schon bei Bemessung der Untersuchungsfrist berücksichtigt und hat in der Sache keinen weiteren Einfluss auf die Rügefrist.1307 Die Rügefrist betrifft schließlich den Zeitraum nach dem Erkennen bzw. Erkennenmüssen des Mangels, also nach der (tatsächlichen oder gedachten) Untersuchung. Im Falle einer besonders komplexen und aufwendigen Untersuchung kann es der Fall sein, dass auch die Anforderungen an die Gestaltung der Rüge (z. B. die genaue Darstellung der Vertragswidrigkeit) hochgradig komplex sind und daher eine längere Rügefrist angemessen ist. Ein zwangläufiger Zusammenhang zwischen Untersuchungsanforderungen und Fristlänge ist aber abzulehnen.1308 Dagegen können – sofern dem Verkäufer bekannt oder für ihn erkennbar – Unternehmensgröße bzw. die personellen und organisatorischen Kapazitäten nicht nur auf die Untersuchungsfrist, sondern auch auf die Angemessenheit der anzusetzenden Rügefrist Einfluss haben.1309 Von einem Einzelunternehmer oder einem Verbraucher kann in der Regel keine so rasche Rüge verlangt werden, wie von Großunter-

noch in laufender Saison beachtet werden.“); AG Kehl, 6. 10. 1995 – 3 C 925/93, CISG-online Case No. 162, Erw. I.2.c); Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 26; Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 145; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 78; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 35; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 16; wohl auch MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 16. 1305 Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 43. 1306 Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 43; vgl. auch LG Aschaffenburg, 20. 4. 2006 – 1 HK O 89/03, CISG-online Case No. 1446, Erw. 3.a); a. A. Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 27. 1307 Vgl. Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 167; Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 144; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 27; missverständlich Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 43; a. A. Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-61. 1308 Ganz ähnlich auch die Darstellung von Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 144. 1309 OGH (Österreich), 31. 8. 2010, CISG-online Case No. 2236; Gerechtshof Arnhem (Niederlande), 18. 7. 2006, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/060718n1.html, Erw. 5.7; LG Salzburg (Österreich), 2. 2. 2005, CISG-online Case No. 1189; Tribunale di Rimini (Italien), 26. 11. 2002, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/021126i3.html, Erw. 4. (von Restaurantbetreiber wird schnellere Rüge bei Lieferung mangelhaften Geschirrs für seinen Betrieb erwartet – Rüge nach sechs Monaten zu spät); Shuttle Packaging Systems ./. Jacob Tsonakis et al., U. S. D.C. [W. D. Michigan, South. Div.], 17. 12. 2001, CISG-online Case No. 773, Erw. III.A. a. E.; OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380; CISG AC Opinion No. 2 (Bergsten), Nr. 3 zu Art. 39, IHR 2004, 163, 164; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 28; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 168; Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 146; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 37; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-61.

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nehme(r)n.1310 Schließlich darf auch nicht vergessen werden, dass größere, in der Regel effizienter strukturierte Unternehmen den Anforderungen an die inhaltliche Bestimmtheit der Anzeige leichter und schneller gerecht werden können, als etwa ein Einzelunternehmer und erst recht als ein Verbraucher. Ferner wird in Literatur und Rechtsprechung hervorgehoben, teils in Ableitung aus Art. 44 CISG,1311 dass die Tragweite des Rechtsbehelfs Einfluss auf die Länge der Frist hat, da die Nacherfüllung oder Vertragsaufhebung in aller Regel mit einschneidenderen Folgen für den Verkäufer und insgesamt mit umfangreicheren Dispositionen verbunden ist, als die Leistung von Schadensersatz oder eine Minderung.1312 Begehrt der Käufer Nacherfüllung oder die Vertragsaufhebung hat er mithin eine kürzere Rügefrist zu beachten, als im Fall der Forderung von Schadensersatz und/oder der Minderung. Ebenfalls relevant für die Fristberechnung ist wiederum, ob es aufgrund von Feiertagen oder betriebsübergreifenden Streiks zum tatsächlichen Arbeitsausfall kommt bzw. gekommen ist.1313

II. Die Entwicklung einer Regelfrist („The Noble Month“) Die oben angestellten Ausführungen haben gezeigt, dass auch zur Ermittlung der angemessenen Länge der Rügefrist im Sinne von Art. 39 Abs. 1 CISG durchaus auf aussagekräftige Kriterien zurückgegriffen werden kann. Die Tatsache, dass eine fest vorgeschriebene Rügefrist (ganz bewusst) nicht fixiert wurde, ist unter Zuhilfenahme der genannten Kriterien jedenfalls in den Griff zu bekommen.1314 Sie stecken den Rahmen für einen im Einzelfall als angemessen anzusehenden Rügezeitraum in durchaus als ausführlich zu bezeichnender Art und Weise ab – die undifferenzierte Behauptung von Rechtunsicherheit ist schon deswegen nicht ohne Weiteres haltbar. 1310 Achilles, Art. 39 Rn. 11; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 28; Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 146; MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 16; Staudinger/ Magnus, Art. 39 Rn. 44, 47. 1311 So Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 48; dem folgend auch Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 169. 1312 Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 29; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 169; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 89; MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 16; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 16; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 48. In der Rechtsprechung ausdrücklich OGH (Österreich), 31. 8. 2010, CISG-online Case No. 2236; KantonsG Zug (Schweiz), 30. 8. 2007, CISG-online Case No. 1722, Erw. 3.1; LG Salzburg (Österreich), 2. 2. 2005, CISG-online Case No. 1189; OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380. A. A. MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 36; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-61; wohl auch Honnold/Flechtner, Rn. 257. 1313 Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 30; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 168; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 37; MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 16; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 45. 1314 Ähnlich Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 26.

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Nichtdestotrotz verbleiben im Einzelfall mitunter nicht unerhebliche Unwägbarkeiten bei der konkreten Bemessung der Fristlänge auf Grundlage der erarbeiteten Kriterien. An dieser Stelle setzen mittlerweile doch ganz beträchtliche Teile der Literatur und Rechtsprechung an und beschäftigen sich mit der Entwicklung bzw. Anwendung von Regelfristen zur Angemessenheit im Sinne von Art. 39 Abs. 1 CISG. Dieser Ansatz ist durchaus zu begrüßen und vermag allgemein zu verdeutlichen, wie ein wertungsoffener Begriff im Zusammenspiel von Literatur und Rechtsprechung konkretisiert wird und zwar oftmals ausdrücklich mit dem Ziel, dem Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach Rechtssicherheit gerecht zu werden.1315 Bei diesem Vorgehen wird nicht vernachlässigt, sondern vielmehr ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich immer nur um einen Richtwert und keine absolute Maßgabe handeln kann.1316 Es gelte einen möglichst einheitlichen Ausgangspunkt zu schaffen, der dann in Einzelfällen gegebenenfalls nach den oben dargestellten allgemeinen Kriterien sachgerecht zu verlängern oder zu verkürzen ist.1317 1315

Vgl. insofern nur die Stellungnahmen bei Girsberger, 25 J. L. & Com. (2005/ 2006) 241, 247; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 171 („Diese Regelgesamtfrist gewährleistet auf der einen Seite die gerade im internationalen Handelsverkehr benötigte Rechtssicherheit und bewahrt gleichzeitig auf der anderen Seite die notwendige Flexibilität.“); Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 143 ff.; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/ Kröll, Art. 39 Rn. 83 („[…] the need for predictability in international transactions militates strongly in favour of establishing a kind of presumption as to what is the reasonable period.“); MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 14 („Entscheidend ist […], dass nur durch allgemein anerkannte Regelfristen ein ausreichendes Maß an Rechtssicherheit erzielt werden kann. Können die Parteien mit großer Sicherheit bestimmen, ob eine Anzeige fristgemäß oder nicht fristgemäß erfolgte, verhindert dies Prozesse und schafft eine Grundlage für eine außergerichtliche Einigung. […]“); Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 123; strikt gegen die Ausarbeitung von Regelfristen aber Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 25; Honnold/Flechtner, Rn. 257.1; bewusst keine Regelfrist benennend CISG AC Opinion No. 2 (Bergsten), Nr. 3 zu Art. 39, IHR 2004, 163, 164. 1316 Vgl. exemplarisch KantonsG Zug (Schweiz), 30. 8. 2007, CISG-online Case No. 1722, Erw. 3.1 („[…] grober Mittelwert […]“); OLG Koblenz, 19. 10. 2006 – 6 U 113/06, CISG-online Case No. 1407, Erw. II.3.a)bb) („[…] grober Mittelwert […]“). 1317 Vgl. insb. Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 122 („[…] although it seems undisputable that, first and foremost, all the above mentioned criteria are to be taken into primary account, the nessessary predictability of judicial and arbitral decisions still demands that one choose a certain starting point, from which one can either argue for a reduction or an extension of the period.“); Kiene, Vertragsaufhebung und Rücktritt, S. 240; Kröll/Mistelis/ Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 83; MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 14, 16 („Da es sich nur um eine Regelfrist handeln sollte, können besondere Umstände die Frist verlängern.“); MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 35; Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 143 ff.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-67; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 17; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 42. In der Rechtsprechung etwa auch LG Hamburg, 6. 9. 2004 – 419 O 218/03, CISG-online Case No. 1085, 2.a) („[…] wenn keine Besonderheiten vorliegen […]“ bzw. „Besondere Umstände, die eine längere Frist angemessen erscheinen lassen, liegen nicht vor.“); OberG Luzern (Schweiz), 12. 5. 2003, CISG-online Case No. 846 („Nachdem keine der Parteien Umstände vorträgt, die eine Verkürzung oder eine Verlängerung dieser Frist begründen könnten, besteht keine Veranlassung von diesem empfohlenen Mittelwert abzuweichen.“); OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380, der ausdrücklich nur dann von der Regelfrist ausgeht, „[…] wenn keine besonderen

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Für die Bestimmung einer Regelfrist spricht auch ganz maßgeblich, dass sich Bedenken, die zur Aussagekraft eines Orientierungswertes für die Länge der Untersuchungsfrist geäußert wurden, nur bedingt übertragen lassen. So ist zu berücksichtigen, dass der Rügevorgang selbst im Vergleich zum Untersuchungsvorgang unproblematisch ist.1318 Die Bandbreite an denkbaren Einzelfallumständen, die bei der Bestimmung der Rügefrist zu berücksichtigen sind, ist erheblich kleiner als mit Blick auf die Untersuchungsfrist. Letztere wird insbesondere von der Beschaffenheit der betroffenen Ware, den Anforderungen an Art und Umfang bzw. der Intensität der Untersuchung sowie den (Markt-)Gegebenheiten der Handelsbranche und den beteiligten Akteuren bedingt. Dagegen wird die anschließend erforderliche Rüge, d. h. die Übermittlung der gegebenenfalls festgestellten Vertragswidrigkeit, neben der hinreichenden inhaltlichen Bestimmtheit kaum mehr besondere Schwierigkeiten bereiten. Anders gewendet: Die Vergleichbarkeit der Sachverhalte ist mit Blick auf die Rügefrist um einiges leichter als bezüglich der Warenuntersuchung(-sfrist).1319 Das Potential für einen Zuwachs an Orientierungssicherheit durch Bestimmung einer Regelfrist ist hier mithin ungleich größer, weil die Modifikationen im Einzelfall viel seltener erforderlich sind. Wirklich überzeugen können diese Erwägungen nur, wenn sich tatsächlich eine Regelfrist etabliert (hat), die mit hinreichender Akzeptanz einheitlich als Ausgangspunkt für die Anwendung von Art. 39 Abs. 1 CISG Beachtung findet. In Anbetracht dessen ist der diesbezügliche Stand der Dinge in Rechtsprechung und Literatur näher zu betrachten. Wie auch bei der Anwendung von Art. 38 CISG, gilt für die Anwendung und Eingrenzung der Regelung in Art. 39 Abs. 1 CISG mittlerweile nach einhelliger Ansicht, dass weder die Rechtsprechung zum EKG noch zum autonomen Recht, etwa § 377 HGB, unbesehen übertragen werden darf.1320 Dem steht insbesondere Umstände für eine Verkürzung oder Verlängerung sprechen“; ganz ähnlich auch OGH (Österreich), 27. 8. 1999, CISG-online Case No. 485 („Soweit nicht besondere – oben angeführte – Umstände für eine kürzere oder längere Frist sprechen […].“) und OGH (Österreich), 14. 1. 2002, CISG-online Case No. 643 („Jedenfalls muss die angemessene Frist des Art. 39 UN-Kaufrecht den jeweiligen Umständen entsprechend angepasst werden.“). 1318 Vgl. dazu die treffenden Ausführungen von Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 76 und Rn. 83 f. 1319 Vgl. anschaulich Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 76 („The activities required for giving notice, i. e. composing a notice describing the defects and transmitting it, are much less diversified than for an examination, where they range from a mere visual inspection to complicated chemical and physical tests or trial runs. Consequently, the subjective abilities of the buyer and the surrounding circumstances are of lesser importance to the composition and transmittal of the notice than to the examination. In light of the fact that giving notice entails, in most cases, a largely comparable activity by the buyer, it is much easier to provide for a median time for notices than for examinations.“). 1320 Vgl. in der Literatur m. w. N. nur Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 24 (Neben dem Hinweis auf die gebotene Zurückhaltung bei Übertragung der Grundsätze zum EKG erfolgt der treffende Hinweis, dass sich aus der differenzierten Gegenüberstellung von CISG und EKG dennoch gewisse Rückschlüsse bzw. Umkehrschlüsse auf die Anwendung des CISG

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auch Art. 7 Abs. 1 CISG entgegen.1321 Im Übrigen wird auf die oben erfolgten Ausführungen entsprechend Bezug genommen.1322 Bei der Fassung von Regelfristen stellt zunächst die Unterscheidung zwischen dem Kauf verderblicher und unverderblicher (auch „dauerhafter“) Ware die entscheidende Weichenstellung dar. Bezüglich ersterer gibt der kurze Zersetzungs- bzw. Entwertungsprozess eine Regelfrist zwischen einigen Stunden und maximal wenigen Tagen vor.1323 Wie schnell sich die Entwertung innerhalb dieses engen „Regelzeitraums“ im konkreten Einzelfall vollzieht, ist beiden Parteien in aller Regel auch bewusst und für die befassten Spruchkörper leicht nachzuvollziehen – verbleibende Rechtssicherheitsrisiken sind mithin überschaubar. Was die zweite Warengruppe, die der unverderblichen Güter angeht, fehlt es an einer natürlichen, in der Natur der Sache liegenden Begrenzung des zeitlichen Spektrums. Im Ausgangspunkt mag dies erst recht Divergenzen aufdrängen. Doch auch hier ist mittlerweile ein umso erfreulicherer Gleichlauf in weiten Teilen von Literatur und Rechtsprechung zu verzeichnen, auf den sich mittlerweile als überwiegende Ansicht bezugnehmen lässt.1324 So hat sich in der Rechtsprechung, gerade auch in der anfänglich vom autonomen Recht geprägten, vergleichsweise strengen deutschsprachigen Rechtsprechung,1325 mittlerweile, mit den Worten des BGH, „[…] die – regelmäßige – einmonatige Rügefrist nach Art. 39 Abs. 1 CISG […]“1326 zu dem am häufigsten gewählten ziehen lassen.); Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 142 f.; Kröll/Mistelis/ Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 12 f., 79; MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 12; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 164 f.; Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 110; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 15; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 35 ff. 1321 S. dazu nur Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 12 f., 79; ähnlich auch Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 142 f. 1322 Vgl. bereits oben § 12 B, insb. die Rechtsprechungsnachweise in Teil 3 Fn. 1286. 1323 S. dazu bereits oben § 12 C.I. 1324 Ähnlich Kiene, Vertragsaufhebung und Rücktritt, S. 240; vgl. entsprechend mit Blick auf die deutsche und schweizerische Rechtsprechung auch MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 34. Anders noch das Ergebnis von Klaedtke (Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 141) aus dem Jahr 2003. 1325 Vgl. zur anfänglich deutlich strengeren Auslegung des Tatbestandsmerkmals der „angemessenen Frist“ nur Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 24; Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 171 f.; Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 110 f.; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 17; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 33; MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 12; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 41 („[…] anders noch die ersten [deutschen] Entscheidungen zum CISG, die die scharfe Praxis zum Haager Kaufrecht unverändert fortsetzten [mit Nachweisen].“) und allgemein zur Abkehr der deutschsprachigen Gerichte von der schlichten Übertragung der Grundsätze zum Haager Kaufrecht und zum autonomen Recht (§ 377 HGB etc.) CISG AC Opinion No. 2 (Bergsten), Comment 5.13, IHR 2004, 163, 167. 1326 BGH, 3. 11. 1999 – VIII ZR 287/98, CISG-online Case No. 475, Erw. II.2.b)bb). In diese Richtung wies der BGH auch schon in BGH, 8. 3. 1995 – VIII ZR 159/94, CISG-online

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Ausgangspunkt entwickelt.1327 Bedeutendste Ausnahme ist dabei der österreichische OGH, der auch jüngst an seiner restriktiven Bemessung von einer einwöchigen Rügefrist festhielt.1328 Mit Blick auf Entscheidungen außerhalb des deutschspraCase No. 144, Erw. II.2. = NJW 1995, 2099, 2101 („Selbst wenn man insoweit nach Auffassung des erkennenden Senats sehr großzügig wegen der unterschiedlichen nationalen Rechtstraditionen von einem ,groben Mittelwert‘ von etwa einem Monat ausgehen wollte […].“). 1327 HandelsG St. Gallen (Schweiz), 14. 6. 2012, CISG-online Case No. 2468, Erw. III.8.a); OLG Dresden, 27. 5. 2010 – 10 U 450/09, CISG-online Case No. 2182, Erw. II.3.C.b) („Als angemessen ist hier eine Frist von längstens einem Monat anzusehen.“); OLG Hamm, 2. 4. 2009 – 28 U 107/08, CISG-online Case No. 1978 („Eine Zeitspanne, die einen Monat – deutlich – überschreitet, ist regelmäßig nicht mehr als angemessene Frist im Sinne des Art. 39 CISG anzusehen.“); LG Stuttgart, 15. 10. 2009 – 39 O 31/09 KfH, CISG-online Case No. 2019, Erw. I.2. („[…] nach Rechtsprechung und herrschender Meinung [ist] als grober Mittelwert von circa einem Monat auszugehen.“); KantonsG Glarus (Schweiz), 6. 11. 2008, CISG-online Case No. 1996, Erw. IV.2.1 („Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Rechtstraditionen ist im Sinne eines groben Richtwertes von einer Rügefrist von einem Monat auszugehen.“); OberG Appezell Ausserrhoden (Schweiz), 18. 8. 2008, CISG-online Case No. 1883, Erw. 2.4.2 (Vollumfänglich die Vorinstanz bestätigend, dass „[…] eine Prüfungsfrist von zwei Wochen und eine Rügefrist von einem Monat [üblich sei].“); LG Bamberg, 23. 10. 2006 – 2 O 51/02, CISG-online Case No. 1400, Erw. II.2.b); OLG Koblenz, 19. 10. 2006 – 6 U 113/06, CISG-online Case No. 1407, Erw. II.3.a)bb) („Im Regelfall dürfte von einem ,groben Mittelwert‘ von etwa 1 Monat auszugehen sein“, mit Bezugnahme auf den BGH); Cour de Justice Genève (Schweiz), 20. 1. 2006, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/060120s1.html, Erw. 9.; Rechtbank van Koophandel Hasselt (Belgien), 20. 9. 2005, http://www.unilex.info/case.cfm? id=1207, Erw. 5.; LG Hamburg, 6. 9. 2004 – 419 O 218/03, CISG-online Case No. 1085, 2.a) („[…] wenn keine Besonderheiten vorliegen, mit ca. einem Monat bemessen werden.“); Rechtbank van Koophandel Kortrijk (Belgien), 4. 6. 2004, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/04 0604b1.html, II.2.; OberG Luzern (Schweiz), 12. 5. 2003, CISG-online Case No. 846 („ […] bei dauerhaften Gütern im Normalfall, d. h. ohne besondere Umstände die für eine Verkürzung oder für eine Verlängerung sprechen […] eine Rügefrist von einem Monat als angemessen […].“), bestätigt von BundesG (Schweiz), 13. 11. 2003, CISG-online Case No. 840, Erw. 5.; HandelsG Bern (Schweiz), 17. 1. 2002, CISG-online Case No. 725, Erw. III.2.a)/b); OLG Oldenburg, 5. 12. 2000 – 12 U 40/00, CISG-online Case No. 618, II. („[…] bei dauerhaften Gütern im Normalfall als grober Mittelwert eine Frist von einem Monat […]“); OberG Luzern (Schweiz), 8. 1. 1997, CISG-online Case No. 228 („Als grobe[n] Mittelwert sollte man deshalb von ca. wenigstens einem Monat ausgehen.“); Cour d’appel de Grenoble (Frankreich), 13. 9. 1995, http: //www.unilex.info/case.cfm?id=151, Erw. 2. („[…] dans le mois suivant la livraison […]“); wohl auch OLG Karlsruhe, 6. 3. 2003 – 12 U 179/02, CISG-online Case No. 812 (i. E. aber offen gelassen, ob von zwei Wochen oder einem Monat auszugehen ist). Ähnlich bereits AG Augsburg, 29. 1. 1996 – 11 C 4004/95, CISG-online Case No. 172, Erw. I.2. („Die maximale Frist beträgt einen Monat ab Kenntniserlangung von dem Mangel.“, aber fälschlicherweise Art. 39 Abs. 1 CISG auf die Geltendmachung eines Verzugsschadens anwendend); OLG Stuttgart, 21. 8. 1995 – 5 U 195/94, CISG-online Case No. 150, Erw. 2.b). 1328 S. zur (wohl) ständigen österreichischen Rechtsprechung, die von einer Gesamtfrist von zwei Wochen ausgeht (zusammengesetzt aus jeweils einer Woche für die Untersuchung und Rüge): OGH (Österreich), 16. 12. 2015, CISG-online Case No. 2663, Erw. 2.2; OGH (Österreich), 31. 8. 2010, CISG-online Case No. 2236; zuvor bereits OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380; OGH, 14. 1. 2002, CISG-online Case No. 643; s. aber auch vereinzelt in der schweizerischen Rspr. KantonsG Appenzell Ausserhoden (Schweiz), 9. 3. 2006, CISG-online Case No. 1375, Erw. 2. (Üblicherweise werde eine Woche als angemessene Rü-

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chigen Raumes wird nicht immer mit der gleichen Selbstverständlichkeit auf einen bestimmten Ausgangswert Bezug genommen. Dementsprechend ist es zumindest schwieriger, einen zugrundegelegten Richtwert auszumachen.1329 Besondere Vorbehalte gegen die Annahme einer grundsätzlich angemessenen einmonatigen Rügefrist sind jedenfalls nicht ersichtlich.1330 Die Tatsache, dass Entscheidungen, nach denen Mängelrügen innerhalb von (deutlich) mehr als einem Monat noch für angemessen gehalten wurden,1331 die Ausnahme darstellen,1332 steht auch nicht der Annahme entgegen, dass die einmonatige Regelfrist als tauglicher Ausgangpunkt dient. Ferner handelt es sich bei den erwähnten Ausnahmefällen um die tatsächlichen Einzelfall- bzw. Endergebnisse der Anwendung von Art. 39 Abs. 1 CISG. Dass diese zugleich als Regelfristen aufgestellt wurden, lässt sich daraus nicht ableiten.1333 Auch in der Literatur lässt sich die Gruppe, die sich für die Zugrundlegung einer rund einmonatigen Regelfrist ausspricht, mittlerweile als die überwiegende bezeichnen.1334 Der v. a. von Schwenzer propagierte Ausgangswert von rund einem Monat erfährt als sog. „noble month“1335 auf nationaler und internationaler Ebene zu Recht regen Zuspruch, nicht zuletzt vom BGH.1336 Die überzeugende Argumentation stützt sich dabei, zusammengefasst, auf zwei wichtige Erwägungen: gefrist angesehen, mit Bezugnahme auf KantonsG Schaffhausen (Schweiz)), 27. 1. 2004, CISG-online Case No. 960 („Als grober Richtwert gilt auch hier [wie zur Untersuchungsfrist] wiederum die Dauer von ca. einer Woche.“). 1329 Vgl. MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 34. 1330 Vgl. die ausführliche Darstellung von Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 117 ff. 1331 TeeVee Tunes, Inc. et al. ./. Gerhard Schubert GmbH, U.S. D.C. [S.D. N.Y.], 23. 8. 2006, CISG-online Case No. 1272, Erw. C.2.a)1. (rund zwei monatige Rügefrist bzgl. Mängel einer Verpackungsanlage noch angemessen); Cour d’appel Colmar (Frankreich), 24. 10. 2000, CISG-online Case No. 578 (über zwei Monate noch angemessen). 1332 Mit diesem Hinweis auch Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-66; ähnlich wohl MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 13 („Vereinzelt […]“). 1333 Dabei darf die Bereitschaft insbesondere der deutschen Gerichte, grundsätzliche und vergleichsweise ausführliche Erwägungen zu Rechtsfragen rund um den Streitgegenstand anzustellen, z. B. in der französischen Urteilspraxis (leider) nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Dies spricht zusätzlich dagegen, dass den zitierten Entscheidungen Regelfristen zu entnehmen sind. 1334 Baasch Andersen, 30 J. L. & Comm (2012) 185, 186; Girsberger, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 241, 247; Kiene, Vertragsaufhebung und Rücktritt, S. 240; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 86; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 34; MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 15 (vgl. auch Rn. 14: „Verbreitet findet sich die Annahme einer Regelfrist von einem Monat.“); Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 17; Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 112, 122 f.; ähnlich Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 171 (21 – 24 Werktage); ähnlich mittlerweile auch die Annäherung von Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-67 und Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 49 (näher dazu sogleich). 1335 Der Begriff „noble month“ geht auf die Übersetzung der Formulierung „großzügiger Monat“ zurück, vgl. Schwenzer, 7 EJLR (2005) 353, 353. 1336 Vgl. eingehend zum „Noble Month“ in der deutschen Rechtsprechung Baasch Andersen, 30 J. L. & Comm (2012) 185, 187 ff.

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Zunächst wird zum noble month vorgebracht, dass es sich dabei auf Grundlage einer rechtsvergleichenden Bestandsaufnahme um den sachgerechtesten Kompromiss zwischen den einzelnen, stark divergierenden nationalen Ansätzen zur Rügepflicht handelt.1337 Dadurch werde dem Gebot der Auslegung der Konvention nach den Gegebenheiten im internationalen Warenhandel am ehesten entsprochen und zugleich ein wahrlich internationaler Richtwert geschaffen, der mit der Auslegungsvorgabe in Art. 7 Abs. 1 CISG konform geht und sie am treffendsten umsetzt.1338 Darauf aufbauend wird der einmonatige Regelwert auf die pragmatische Erwägung gestützt, dass er als akzeptabelster Kompromiss am ehesten eine international einheitliche Berücksichtigung durch die Rechtsprechung ermöglicht.1339 International einheitlich berücksichtigt wird letztlich nur dass, was auch international ein Mindestmaß an Akzeptanzfähigkeit genießt und damit den Parteien oder Spruchkörpern mit den verschiedensten nationalen Hintergründen gleichermaßen als konsensfähigster Mittelwert erscheint.1340 Eine Regelfrist darf hier also weder zu kurz noch zu lang bemessen werden. Der noble month ist gerade auch Akteuren noch zumutbar, denen aus ihren nationalen Rechtsordnungen keine oder nur sehr lange Rügefristen bekannt sind. Auch der BGH stützt seinen Hinweis auf eine Regelfrist von etwa einem Monat auf die Feststellung der insofern sachgerechten Einordnung in das Spektrum der „unterschiedlichen nationalen Rechtstraditionen“1341.1342 Die Geltung eines noble month stellt i. E. auch deswegen eine objektiv vorzugswürdige Kompromissgrundlage für die Vertragsparteien dar, weil dadurch in

1337 MüKo/Gruber (7. Auflage), Art. 39 Rn. 34 („[…] rechtsvergleichend durchaus […] tragfähiger Kompromiss.“); Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 111, 123; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 17; ähnlich Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 175, und jedenfalls mit dem Hinweis auf die Vermittlung zwischen den divergierenden autonomen Regelungen letztlich Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 49; ferner Kiene, Vertragsaufhebung und Rücktritt, S. 240. 1338 Vgl. dazu MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 34. 1339 MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 15; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 17; vgl. auch Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 175. 1340 Vgl. auch Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 112, 123; ferner auch MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 15 zu dem insofern gewährleisteten Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen beider Parteien. Dass die möglichst gleichgewichtige Berücksichtigung der beiderseitigen Parteiinteressen bei Bemessung der Regelfrist deren einheitliche Anwendung fördert, dürfte auf der Hand liegen. 1341 BGH, 8. 3. 1995 – VIII ZR 159/94, CISG-online Case No. 144, Erw. II.2. = NJW 1995, 2099, 2101. Auch der OGH begründet seine Bestimmung einer Regelfrist (von 14 Tagen für Untersuchung und Rüge) mit dem Verweis auf die „[…] unterschiedlichen nationalen Rechtstraditionen in den Vertragsstaaten […]“, vgl. zuletzt etwa OGH (Österreich), 31. 8. 2010, CISG-online Case No. 2236. 1342 Vgl. ebenfalls KantonsG Glarus (Schweiz), 6. 11. 2008, CISG-online Case No. 1996, Erw. IV.2.1 („Unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Rechtstraditionen ist im Sinne eines groben Richtwertes von einer Rügefrist von einem Monat auszugehen.“).

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Gesamtschau das drohende Überraschungsmoment minimiert wird.1343 Schließlich wird durch die Bildung eines „internationalen“ Mittelwertes dem Risiko der Geltung vergleichsweise besonders kurzer oder langer und mithin überraschender Rügezeiträume entgegengewirkt.1344 Einige Stimmen gehen von einer leicht restriktiver zu bemessenden Regelfrist bzw. „groben Daumenregel“ aus, die zwei bis vier Wochen1345 oder auch nur rund zwei Wochen1346 betragen soll. Im Ergebnis liegen diese und die überwiegende Position oftmals nicht weit auseinander. Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei allen Zeitangaben nicht um starre Vorgaben, sondern um Regelfristen handelt.1347 Ferner wird die erwähnte „kürzere“ Regelfrist zumeist an den Kauf einfach zu prüfender unverderblicher Ware geknüpft, während die überwiegende Ansicht etwas neutraler nur auf unverderbliche Ware abstellt. I. E. kommt die „kürzere“ Regelfrist damit einer bereits fortgedachten Verkürzung des von der überwiegenden Ansicht angesetzten „noble month“ nahe. In diesem Zusammenhang ist besonders erwähnenswert, dass der von Magnus (mittlerweile) vorgeschlagene Richtwert einer zweiwöchigen Rügefrist für einfach zu prüfende unverderbliche Waren in der Vorauflage seiner Kommentierung zu Art. 39 CISG aus dem Jahr 2005 noch deutlich kürzer bemessen war. Dort wurde noch eine Gesamtfrist für Untersuchung und Rüge von etwa vierzehn Tagen angesetzt.1348 Mit Verweis auf das Interesse einer international einheitlichen Anwendung und der aktuellen Entwicklung wird mittlerweile in der Kommentierung aus dem Jahr 2018 (und so auch schon in der Bearbeitung aus dem Jahr 2013) ein angepasster Richtwert von etwa vierzehn Tagen allein für die Rüge genannt.1349 Es ist nicht 1343

Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 123. Vgl. in diese Richtung auch Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 123 („[…] merchants from such countries [who’s domestic legal systems do not stipulate any requirement to give notice in case of non-conforming goods] might otherwise find themselves in a trap that they had never previously had reason to fear or even consider.“). 1345 Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-67 zugleich die Literaturstimmen zu der hier als überwiegend dargestellten Ansicht (einmonatigen Regelfrist) als „[ä]hnlich“ bezeichnend (dort Fn. 154). 1346 S. insb. Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 49; ferner Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 144. 1347 Vgl. nur den Hinweis von MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 16 („Da es sich nur um eine Regelfrist handeln sollte, können besondere Umstände die Frist verlängern. Allerdings […]“, s. für Fortsetzung des Wortlauts Teil 3 Fn. 1355). 1348 Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 49 a. E. (Neubearb. 2005): „Im Interesse international einheitlicher Handhabung sollte es bei der oben genannten Daumenregel bleiben, daß Ware binnnen zwei Wochen zu untersuchen und zu rügen ist, sofern nicht Besonderheiten des konkreten Falles für eine Verkürzung oder Verlängerung der Frist sprechen.“ [Hervorhebung des Verfassers]. 1349 Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 49 a. E. (aktuelle Neubearb. 2018, aber so auch schon in der vorherigen Bearbeitung aus 2013): „Im Interesse der sich entwickelnden, international möglichst einheitlichen Handhabung sollte als grobe Daumenregel gelten, dass Ware binnen zwei Wochen zu untersuchen und spätestens binnen weiterer zwei Wochen zu rügen ist, sofern 1344

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unwahrscheinlich, dass diejenigen Spruchkörper, die zuvor den kürzeren Richtwert von Magnus übernommen haben,1350 sich zukünftig unter fortgesetzter Bezugnahme auf diese prominente Literaturquelle zum UN-Kaufrecht auf die nunmehr länger bemessene Regelfrist stützen werden. Insofern handelte es sich abermals um ein Beispiel dafür, dass die wechselseitige Bezugnahme zwischen Literatur und Rechtsprechung zu einer immer einheitlicheren Konkretisierungsleistung im Einklang mit der Vorgabe in Art. 7 Abs. 1 CISG führt.1351 Die Anpassung der Kommentierung von Magnus dient dabei als erfreuliches Beispiel für die Einhaltung der Maßgabe in Art. 7 Abs. 1 CISG auch durch die Rechtswissenschaft. Im Übrigen handelt es sich auch bei dem von Piltz genannten Richtwert von in der Regel zwei bis vier Wochen für unverderbliche, komplexere Waren, um eine Ausdehnung des von ihm ursprünglich noch bedeutend kürzer bemessenen Zeitrahmens.1352 Klar ist jedenfalls, dass angemessene Rügefristen von mehr als einem Monat seltene Ausnahmefälle darstellen und – soweit ersichtlich – nur in absoluten Einzelfällen angenommen werden, so namentlich in der französischen, US-amerikanischen und belgischen Rechtsprechung zum CISG.1353 Die Obergrenze der Angemessenheit wird dementsprechend bei einer Rüge mehrere Monate nach Erkennen bzw. Erkennenmüssen des Mangels in aller Regel als überschritten angesehen.1354 nicht Besonderheiten des konkreten Falles für eine Verkürzung oder Verlängerung der Frist sprechen.“ [Hervorhebung des Verfassers]. 1350 Vgl. etwa OLG Koblenz, 11. 9. 1998 – 2 U 580/96, CISG-online Case No. 505, Erw. I.2.; OLG Koblenz, 18. 11. 1999 – 2 U 1556/98, CISG-online Case No. 570, Erw. I.3.a). 1351 Ein expliziter Hinweis auf diese Wechselwirkung zwischen Literatur und Rechtsprechung findet sich auch in der Untersuchung von Klaedtke zu Art. 39 CISG (Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 125). 1352 Vgl. einleitend zur Regelfrist Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-67: „In der Vorlauflage aus dem Jahr 1993 ist als Richtmarke zusätzlich zu der kurzen Untersuchungsfrist eine Anzeigefrist von vier bis sieben Arbeitstagen befürwortet worden. Zwischenzeitlich [2008] ist in den Vertragsstaaten des UN-Kaufrechts eine Fülle von Entscheidungen zu den unterschiedlichen Fallkonstellationen ergangen, die die angemessene Anzeigefrist des Art. 39 Abs. 1 näher ausleuchtet. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse legen es nahe, heute von einer einzigen Richtmarke Abstand zu nehmen […] und stattdessen im Interesse einer international orientierten Rechtsanwendung weiter zu differenzieren: […].“ 1353 Vgl. bereits oben die Rechtsprechungsnachweise in Teil 3 Fn.1331 und zum entsprechenden Hinweis von Piltz in Teil 3 Fn. 1332. 1354 Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-66 („Mehr als drei bis vier Monate werden aber gemeinhin nicht mehr akzeptiert.“); Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 41 a. E. („[…] Frist von mehreren Monaten nur selten als angemessen.“) und Rn. 49 a. E. („[…] Rüge erst recht verspätet, wenn mehrere Monate seit Beginn der Untersuchungs- und Rügefrist vergangen sind.“). Vgl. dementsprechend die als unangemessenen i. S. v. Art. 39 CISG eingeordneten Rügezeiträume in der Rechtsprechung: LG Stuttgart, 15. 10. 2009 – 39 O 31/09 KfH, CISG-online Case No. 2019, Erw. I.2. (drei Monate); OLG Saarbrücken, 17. 1. 2007 – 5 U 426/96 – 5, CISG-online Case No. 1642 (mehr als zwei Monate); Gerechtshof Arnhem (Niederlande), 18. 7. 2006, http: //cisgw3.law.pace.edu/cases/060718n1.html, Erw. 5.6 (anderthalb Monate); Rechtbank van Koophandel Hasselt (Belgien), 20. 9. 2005, http://www.unilex.info/case.cfm?id=1207, Erw. 5.

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Es ist deutlich hervorzuheben, dass die Erwägungen zur Bemessung eines Ausgangswertes sehr häufig mit einem Hinweis auf ein zu sicherndes Maß an Rechtssicherheit erfolgen.1355 So wird v. a. in der Literatur weiter hervorgehoben, dass die im Einzelfall modifizierend wirkenden Umstände (s. o.) nicht ,inflationär‘ erweitert werden dürfen, um eine gewisse Kontinuität zu gewährleisten.1356 Es gelte zu unterbinden, dass die Verkürzung oder Verlängerung der Regelfrist willkürlich und

(vier Monate); Cour d’appel d’Aix-en Provence (Frankreich), 1. 7. 2005, http://cisgw3.law.pace. edu/cases/030107f1.html (über zwei Monate); Hof van Beroep Gent (Belgien), 4. 10. 2004, CISG-online Case No. 985, III.C.b)3. (neun Monate); BGH, 30. 6. 2004 – VIII ZR 321/03, CISG-online Case No. 847, Erw. II.1. (Der „[…] verstrichene Zeitraum von mehr als zwei Monaten [ist] aber nicht mehr als angemessene Frist im Sinne des Art. 39 Abs. 1 CISG anzusehen […].“); Hof van Beroep Gent (Belgien), 12. 5. 2003, http://www.unilex.info/case.cfm? id=1203 (über acht Wochen); Rechtbank van Koophandel Veurne (Belgien), 15. 1. 2003, http:// cisgw3.law.pace.edu/cases/030115b1.html (anderthalb Jahre); Hof van Beroep Gent (Belgien), 2. 12. 2002, http://www.unilex.info/case.cfm?id=1203 (über zwei Monate); Tribunale di Rimini (Italien), 26. 11. 2002, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/021126i3.html, Erw. 4. (nach sechs Monaten); Audiencia Provincial de la Coruna (Spanien), 21. 6. 2002, http://cisgw3.law.pace. edu/cases/020621s4.html, Erw. 2. (mindestens anderthalb Monate nach Erkennbarkeit des Mangels (Virusbefall) von lebenden Fischen); Rechtbank van Koophandel Hasselt (Belgien), 6. 3. 2002, http://www.unilex.info/case.cfm?id=779 (zwei bzw. fünf Monate nach jeweiliger Lieferung); LG München II, 20. 2. 2002 – 10 O 5423/01, CISG-online Case No. 712, I.2.b) = IHR 2003, 24, 25 („Eine Zeit von mehreren Monaten kann keinesfalls als noch angemessene Frist gewertet werden.“); Sø og Handelsretten Kopenhaagen (Dänemark), 31. 1. 2002 http:// cisgw3.law.pace.edu/cases/020131d1.html#legal (sieben Monate), CISG-online Case No. 868; Cour d’appel Paris (Frankreich), 6. 11. 2001, CISG-online Case No. 677 (drei Monate); Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/000712i3.html, Erw. 13 (vier Monate); Gerechtshof Arnhem (Niederlande), 27. 4. 1999, http://cisgw3.law.pace. edu/cases/990427n1.html, Erw. 5.22 (zwei Jahre); Hoge Raad (Niederlande), 20. 2. 1998, http:// cisgw3.law.pace.edu/cases/980220n1.html (über drei Monate); Gerechtshof Arnhem (Niederlande), 17. 6. 1997, http://www.unilex.info/case.cfm?id=317 (ca. drei Monate); OLG Düsseldorf, 10. 2. 1994 – 6 U 32/93, Erw. I.3.b) (mehr als zwei Monate); Rechtbank van Koophandel Hasselt (Belgien), http://www.unilex.info/case.cfm?id=262 (über vier Monate); Rechtbank Rotterdam (Niederlande), 21. 6. 1996, http://www.unilex.info/case.cfm?id=318 (vier Monate); Rechtbank Roermond (Niederlande), 6. 5. 1993, http://www.unilex.info/case.cfm?id=94 (über drei Monate); weitere Urteile bei Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 17 (dort Fn. 107). 1355 Baasch Andersen, 30 J. L. & Comm (2012) 185, 187; Girsberger, 25 J. L. & Com. (2005/2006) 241, 243 u. 247; Janssen, Die Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 171; Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 83 („[…] the need for predictability in international transactions militates strongly in favour of establishing a kind of presumption as to what is the reasonable period. This fixed period provides a starting point for an eventual thorough analysis on the basis of the specific facts of each case.“); Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 143 f.; MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 14, 16 („Allerdings sollen Abweichungen [von der Regelfrist] im Interesse der Rechtssicherheit nur zurückhaltend angenommen werden.“); Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 42 („Um zu große Rechtsunsicherheit zu vermeiden, ist nicht allen Umständen des Einzelfalls, sondern bestimmten typischen Umständen Rechnung zu tragen.“); Schwenzer, 19 Pace Int’l L. Rev. (2007) 103, 122. 1356 Vgl. in diese Richtung insb. MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 14, 16; Staudinger/ Magnus, Art. 39 Rn. 42.

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unverhältnismäßig lang oder kurz ausfällt, was die Orientierungssicherheit zusätzlich einschränken würde. Diesen Hinweisen ist ausdrücklich zuzustimmen.

D. Gesamtfrist? Stellenweise finden sich in der Literatur Anmerkungen, dass sich die Bildung einer einzigen Frist verbiete.1357 In diesem Kontext darf die oftmals in der Rechtsprechung und Literatur erfolgende Verwendung des Begriffs „Gesamtfrist“ nicht missverstanden werden.1358 Diesbezüglich handelt es sich nicht etwa um eine ernsthaft umstrittene Problemstellung, die einer einheitlichen und damit vorhersehbaren Fristbestimmung entgegenstünde. Vielmehr wird mit dem Begriff der „(Regel-)Gesamtfrist“ der bereits zu Anfang angesprochenen besonderen Verknüpfung der Untersuchungs- und der Rügefrist Rechnung getragen.1359 Für die Anwendung von Art. 39 CISG bzw. die Beantwortung der Frage, ob dem Käufer Rechtsbehelfe wegen einer verfristeten Rüge abgeschnitten sind, ist schließlich auch die Vorfrage zu beantworten, bis wann der theoretisch erkennbare Mangel spätestens hatte erkannt werden müssen. Erst zu diesem Zeitpunkt beginnt die angemessene Rügefrist gemäß Art. 39 Abs. 1 CISG zu laufen. Die Rechtsfolge von Art. 39 CISG tritt mithin erst dann ein, wenn die Untersuchungsfrist und die daran anschließende Rügefrist tatenlos verstrichen sind, d. h., wenn die faktisch aus Untersuchungs- und Rügefrist gebildete Gesamtfrist abgelaufen ist. „Gesamtfrist“ bezeichnet also schlicht die Gesamtbetrachtung der dennoch differenziert zu bestimmenden beiden Fristen, ohne sie zu ersetzen.1360 Mit dem Hinweis, dass sich die Bildung einer einzigen Frist verbiete, wird lediglich klargestellt, dass bei der Ermittlung der Gesamtfrist die Differenzierung zwischen Untersuchungsfrist einerseits und Rügefrist andererseits und damit die gesonderte Ermittlung der beiden Fristen beizubehalten ist. 1357

V. a. Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 15 („These periods should not be combined to make a total period.“) und CISG AC Opinion No. 2 (Bergsten), Nr. 2 zu Art. 39, IHR 2004, 163, 164. 1358 Vgl. zur Verwendung dieses oder ähnlicher Begriffe etwa Janssen, Die Untersuchungsund Rügepflichten, S. 128, 171 („Regelgesamtfrist“); Kiene, Vertragsaufhebung und Rücktritt, S. 236, 241; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 49; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 34; in der Rechtsprechung z. B.: OLG Koblenz, 1. 9. 1998 – 2 U 580/96, CISG-online Case No. 505, Erw. I.2. („Nach Ablauf der aus Untersuchungs-(Art. 38) und Anzeigefrist (Art. 39) zusammengesetzten gesamten Rügefrist verliert der Käufer das Recht, die Mängel zu beanstanden.“); OberG Appenzell Ausserrhoden (Schweiz), 18. 8. 2008, CISG-online Case No. 1838, Erw. 2.4.2 („Damit ergebe sich eine Gesamt-Rügefrist von rund sechs Wochen.“). 1359 Eingehend und anschaulich zu dem Verhältnis von Untersuchungs- und Rügefrist Kröll/ Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 58 ff. 1360 Vgl. Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 59 („Consequently, in cases of belated examination the two different periods of examination and notification may de facto be treated as a single period.“).

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Dies ermöglicht es, den Umständen des Einzelfalls besser gerecht zu werden und zugleich die Vergleichbarkeit bzw. Abgrenzung zwischen den einzelnen Erwägungen bzw. Entscheidungen zu erhöhen. Konsequenz des Erfordernisses der entsprechend differenzierten Einzelfallerwägungen zu der einen und/oder anderen Frist ist, dass die übertragbaren oder gerade nicht übertragbaren Erwägungen leichter auszumachen sind. Lässt sich z. B. ein Ergebnis zur Länge der Untersuchungsfrist nicht übertragen, so kann die u. U. festgesetzte Rügefrist durchaus auf vergleichbaren Erwägungen basieren und mithin übertragen werden. Dies wäre im Umgang mit einer einzigen Frist gerade nicht möglich und würde folglich die Vergleichbarkeit und letztlich Einheitlichkeit der Rechtsanwendung erheblich einschränken.1361 Auf Grundlage dieses kaum mehr umstrittenen Verständnisses, entspricht es der einhelligen Ansicht – gerade auch derjenigen, die ausdrücklich auf das Verbot der Bildung einer einzigen Frist eingehen –,1362 dass die Missachtung der (faktisch keinen Selbstzweck erfüllenden1363) Untersuchungsfrist durch eine schnellere Rüge ausgeglichen werden kann.1364 Unter Zugrundelegung der Regelgesamtfrist von sechs Wochen, bestehend aus einer zweiwöchigen Untersuchungs- und einer vierwöchigen Rügefrist, ist es z. B. unschädlich, wenn der betreffende Mangel erst bei einer Untersuchung nach vier Wochen erkannt wird, die Rüge aber innerhalb der darauffolgenden zwei Wochen erfolgt. Unschädlich wäre es sogar, wenn gar keine Untersuchung erfolgt, der theoretisch erkennbare Mangel aber dennoch innerhalb von sechs Wochen auf die gebotene Art und Weise gerügt wird.

1361 Vgl. Kiene, Vertragsaufhebung und Rücktritt, S. 236 f. („Auch wenn beim Regelfall des erkennbaren Mangels die Untersuchungs- und Rügefrist zu einer Gesamtfrist zusammenzuziehen sind, um zu untersuchen, ob die Rüge nach Art. 39 Abs. 1 CISG rechtzeitig erfolgte, so ist dennoch eine Differenzierung zwischen diesen beiden Fristen zur Erreichung einer international einheitlichen Auslegung unumgänglich, da ansonsten die Entscheidungen nicht verglichen werden können.“). 1362 Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 20 („If the buyer has unduly delayed the necessary examination of the goods, he may compensate for this by giving notice particularly quickly.“). 1363 Vgl. ausdrücklich MüKoHGB/Benicke, Vor Art. 38, 39 Rn. 2; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-76; vgl. auch CISG AC Opinion No. 2 (Bergsten), Comment 4.1 und mit Beispiel aus der Rspr. des BGH Comment 5.10, IHR 2004, 163, 165, 167. 1364 Vgl. etwa Tribunale di Rimini (Italien), 26. 11. 2002, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/ 021126i3.html, Erw. 4.; OLG Oldenburg, 5. 12. 2000 – 12 U 40/00, CISG-online Case No. 618, I.; BGH, 3. 11. 1999 – VIII ZR 287/98, CISG-online Case No. 475, Erw. II.2.b)bb); OLG Graz (Österreich), 11. 3. 1998, CISG-online Case No. 670; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 38 Rn. 2; Honnold/Flechtner, Rn. 252; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 38 Rn. 75 („As long as the final notice is given within a reasonable time, any delay in examination has no negative effect.“), Art. 39 Rn. 59; MüKo/Gruber, Art. 38 Rn. 34; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-76; Staudinger/Magnus, Art. 38 Rn. 1, Art. 39 Rn. 30.

§ 12 Bestimmung der Untersuchungs- und Rügefrist

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E. Ausschlussfrist, Art. 39 Abs. 2 CISG Mit Blick auf die maximale Länge der angemessenen Rügefrist wird durch Fixierung einer Ausschlussfrist1365 in Art. 39 Abs. 2 CISG eine absolute Obergrenze gesetzt,1366 die sowohl für offene als auch verborgene Mängel gilt.1367 Eine Rüge, die später als zwei Jahre nach der Übergabe der Kaufsache erfolgt, wird in ihrer Wirkung grundsätzlich mit einer unangemessenen Rügeverspätung im Sinne von Art. 39 CISG gleichgesetzt. D. h., mit Ablauf der Ausschlussfrist gehen, „in jedem Fall“1368, alle Ansprüche wegen der Vertragswidrigkeit verloren.1369 Auch eine möglicherweise erfolgte Entschuldigung des Leistungsgläubigers für eine unterlassene oder verspätete Rüge im Sinne von Art. 44 CISG greift dann nicht mehr.1370 Allerdings kommt die Ausschlussfrist gemäß Art. 39 Abs. 2 CISG überhaupt nur dann zum Tragen, wenn nicht schon die allgemeine Untersuchungs- und Rügefrist (Art. 38

1365 Cour de Cassation (Frankreich), 16. 9. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/08091 6f1.html; OGH (Österreich), 19. 12. 2007, CISG-online Case No. 1628; OLG Linz (Österreich), CISG-online Case No. 1583; HandelsG Bern (Schweiz), 17. 1. 2002, CISG-online Case No. 725, Erw. III.3.c); Achilles, Art. 39 Rn. 18; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 34; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 40; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 63. Wann solche Mängelansprüche, die sich der Käufer durch rechtzeitige Rüge gesichert hat, verjähren und mithin nicht mehr gerichtlich geltend gemacht werden können, bestimmt sich freilich nach den anwendbaren Verjährungsregeln. 1366 Vgl. insofern auch die Formulierung bei OGH (Österreich), 19. 12. 2007, CISG-online Case No. 1628 („[…] eine absolute […]“); auch schon OLG Linz (Österreich), 24. 9. 2007, CISG-online Case No. 1583 („[…] absolute Frist des Art. 39 Abs. 2 […]“) und Cour d’appel Amiens (Frankreich), 27. 9. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/070927f1.html, Erw. 4.b) („Attendu que s’agissant d’un délai préfix de forclusion […]“). 1367 Cour de Cassation (Frankreich), 16. 9. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/08091 6f1.html; OGH (Österreich), 19. 12. 2007, CISG-online Case No. 1628; OLG Linz (Österreich), 24. 9. 2007, CISG-online Case No. 1583; Cour d’appel Rouen (Frankreich), 19. 12. 2006, CISG-online Case No. 1933; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 34; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Art. 39 Rn. 22. 1368 Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 63. 1369 So ausdrücklich OGH (Österreich), 19. 12. 2007, CISG-online Case No. 1628; vgl. ferner nur Hof Arnhem (Niederlande), 27. 4. 1999, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/990427n1. html, Erw. 5.22; Cour d’appel Amiens (Frankreich), 27. 9. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/ca ses/070927f1.html, Erw. 4.b); OLG Linz (Österreich), 24. 9. 2007, CISG-online Case No. 1583; LG Salzburg, (Österreich), 2. 2. 2005, CISG-online Case No. 1189; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 34; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 94; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 38; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-86; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 23; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Art. 39 Rn. 23; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 63. 1370 OGH (Österreich), 19. 12. 2007, CISG-online Case No. 1628; OLG Linz (Österreich), 24. 9. 2007, CISG-online Case No. 1583; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 34; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 99; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 42; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-86; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Art. 39 Rn. 22; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 23; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 65.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Abs. 1 i. V. m. Art. 39 Abs. 1 CISG) an- bzw. abgelaufen ist,1371 was v. a. bei verdeckten Mängeln praktisch relevant wird.1372 Die Untersuchungs- und Rügefrist bei offenen Mängeln wird wohl in keinem Fall eine Länge von zwei Jahren erreichen.1373 Dass dabei für den Beginn der Ausschlussfrist auf die tatsächliche physische Übergabe der Ware an den Käufer oder einen von ihm bestimmten Dritten abzustellen ist,1374 ist aus Rechtssicherheitsperspektive zu begrüßen. Der Lauf der Ausschlussfrist kann damit eindeutiger bestimmt werden. Auf den Gefahrübergang, die Aushändigung der Ware an den ersten Transporteur oder die Übergabe von Warendokumenten kommt es gerade nicht an.1375 Günstig für den Grad an Orientierungssicherheit ist ferner die Tatsache, dass es sich um eine Ausschluss- und keine Verjährungsfrist handelt, sodass der Ablauf weder unterbrochen noch gehemmt werden kann1376 und damit ein besonders verlässlicher Bezugspunkt besteht. Von diesem Grundsatz werden nur wenige Ausnahmen gemacht, die ihrerseits ohne große Unwägbarkeiten zu bestimmen sind. Unerheblich ist die Fristüberschreitung, sofern der Verkäufer bösgläubig ist (Art. 40 CISG).1377 Es gilt dann le1371 So z. B. explizit OGH (Österreich), 15. 10. 1998, CISG-online Case No. 380 („Diese Zweijahresfrist kann aber nur dann ausgeschöpft werden, wenn der Käufer die Ware nicht früher untersuchen oder wenn er trotz Untersuchung die Vertragswidrigkeit nicht früher feststellen oder wenn er trotz Feststellung der Vertragswidrigkeit diese nicht früher anzeigen konnte.“); wiederholt in OGH (Österreich), 19. 12. 2007, CISG-online Case No. 1628; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-85. 1372 Vgl. MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 15; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 40; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 23; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 63; vgl. auch den Sachverhalt bei Cour de Cassation (Frankreich), 16. 9. 2008, http://cisgw3.law. pace.edu/cases/080916f1.html; (Mangel erst über zwei Jahre später entdeckt – Rüge verspätet). 1373 So ausdrücklich Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 63. 1374 OLG Linz (Österreich), 24. 9. 2007, CISG-online Case No. 1583; Hof Arnhem (Niederlande), 27. 4. 1999, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/990427n1.html, Erw. 5.22; Cour d’appel Amiens (Frankreich), 27. 9. 2007, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/070927f1.html, Erw. 4.b); Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 35; Honnold/Flechtner, Rn. 258; MüKo/ Gruber, Art. 39 Rn. 39; MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 22; Schlechtriem/Schwenzer/ Schroeter/Schwenzer, Art. 39 Rn. 24; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 64; eingehend Leisinger, IHR 2006, 76, 78. 1375 So ausdrücklich auch der Hinweis von Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 35; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 39 („Der Begriff der Aushändigung unterscheidet sich von dem Begriff der Lieferung in Art. 31.“); MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 22; Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 25; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 64. 1376 Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 34; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 40; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-86; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Art. 39 Rn. 23; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 24; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 63. 1377 OLG Linz (Österreich), 24. 9. 2007, CISG-online Case No. 1583; Achilles, Art. 39 Rn. 18; Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 34; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 99; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 42; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-87; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Art. 39 Rn. 22; Schlechtriem/Schwenzer/ Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 23; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 65.

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diglich das anwendbare Verjährungsstatut zu beachten.1378 Ferner stehen v. a. Garantieabreden zwischen den Parteien mit zeitlich längerer Wirkung als für zwei Jahre, der Geltung der gesetzlichen Ausschlussfrist entgegen.1379 Letztlich handelt es sich dabei um eine parteiautonome Regelung einer längeren oder auch kürzeren Ausschlussfrist, die nach den allgemeinen Grundsätzen Vorrang gegenüber dem dispositiven Recht genießt (Art. 6 CISG).1380 Sie dürfte für die Parteien alles andere als ein Rechtsunsicherheitsrisiko darstellen. Unwägbarkeiten verbleiben hier allenfalls mit Blick auf die gegebenenfalls erforderliche Auslegung der entsprechenden Willenserklärungen.1381 Insgesamt schafft die Regelung in Art. 39 Abs. 2 CISG Gewissheit und damit Rechtssicherheit1382 dahingehend, dass zwei Jahre nach der körperlichen Übergabe der Verkäufer in aller Regel nicht mehr damit rechnen muss, noch mit Mängelansprüchen konfrontiert zu werden.1383 Für den Käufer ist umgekehrt klar, ab wann deren Geltendmachung eindeutig aussichtslos ist. Kosten für eine aussichtlose Rechtsverfolgung können in Hinblick darauf vermieden werden.

1378 Zu dem Konflikt zwischen der zweijährigen Ausschlussfrist und der ggf. kürzeren einjährigen Verjährungsfrist im autonomen schweizerischen Recht vgl. Schlechtriem/ Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 31 bzw. Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Schwenzer, Art. 39 Rn. 29, dort auch mit dem Hinweis, dass sich ein solcher Konflikt mit Blick auf das autonome Recht in den Mitgliedstaaten der EU angesichts der kongruenten zweijährigen Verjährungsfristen weitestgehend (nicht etwa bzgl. spanischem und italienischem autonomen Recht) erledigt hat. 1379 Vgl. in diesem Kontext zur vertraglichen Garantie Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 37; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Kröll, Art. 39 Rn. 97; MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 26 ff.; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 38, 41; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-87; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Art. 39 Rn. 28. 1380 Vgl. dazu weiter Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 36 ff.; Piltz, Internationales Kaufrecht, Rn. 5-86; Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 26; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 66 ff., insb. 68 f.; OGH (Österreich), 19. 12. 2007, CISG-online Case No. 1628; vgl. i. Ü. zum Vorrang der Parteiabreden vor Art. 39 bereits oben, § 12 A. 1381 Vgl. Ferrari/Ferrari, Int.VertragsR, Art. 39 Rn. 37; MüKo/Gruber, Art. 39 Rn. 41; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Art. 39 Rn. 26 f.; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 69. 1382 Ausdrücklich auf Rechtssicherheit hinweisend Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/ Schwenzer, Art. 39 Rn. 25a („Der legitime Zweck der Ausschlussfrist des Art. 39 II liegt darin, dem Verkäufer Rechtssicherheit zu verschaffen.“); vgl. auch Leisinger, IHR 2006, 76, 77 („In international trade, the need for certainty and security demands that the seller of goods be assured that disputes arising out of their delivery be subject to some ,cut-off point‘ in the future.“); Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 39 Rn. 23. 1383 Vgl. in diesem Sinne zur Ausschlussfrist Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 34; MüKo-HGB/Benicke, Art. 39 Rn. 22; Schlechtriem/Schwenzer/Schroeter/Schwenzer, Art. 39 Rn. 22; Staudinger/Magnus, Art. 39 Rn. 63 sowie OGH (Österreich), 19. 12. 2007, CISG-online Case No. 1628 („Die Ausschlussfrist […] dient dazu, dem Verkäufer Sicherheit zu verschaffen, dass er nach einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr mit Reklamationen zu rechnen braucht und das Geschäft endgültig zur Seite legen kann.“).

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Teil 3: Einzelbetrachtung

F. Zusammenfassende Bewertung Bei der Bewertung der Regelungen in Art. 38 und 39 CISG sollte man sich zunächst vergegenwärtigen, dass die Beachtung einer Rüge- und Untersuchungsfrist zwar den deutschen, schweizerischen, österreichischen und auch US-amerikanischen Rechtsanwendern grundsätzlich geläufig ist. Allerdings sind Untersuchungsund Rügefristen im internationalen Vergleich nicht selbstverständlich. Das autonome französische Kaufrecht enthält z. B. gar keine entsprechende Regelung und belässt es lediglich bei einer zwei jährigen Ausschlussfrist.1384 Gegenüber solchen Rechtsordnungen bietet das UN-Kaufrecht bereits den erheblichen Vorteil, dass verhältnismäßig zeitnah Gewissheit darüber erlangt wird, dass das Geschäft und damit die getroffenen Dispositionen oder die verbuchten Gewinne endgültig Bestand haben. Da der größere Teil der autonomen Kaufrechtsordnungen gleichermaßen Regelungen zur Rügefrist enthält, überzeugt dieser Vergleich nur begrenzt. Viel bedeutender ist daher die Feststellung, dass etwa das Fazit von Klaedtke aus dem Jahr 2003, „[d]ie Fragestellung [seiner] Abhandlung, ob die ,angemessene Frist‘ des Art. 39 Abs. 1 CISG international einheitlich bewertet wird, [sei…] zum gegenwärtigen Zeitpunkt […] mit einem klaren Nein zu beantworten“1385, mittlerweile nicht mehr haltbar ist. Dies gilt v. a. mit Blick darauf, dass die entscheidungserheblichen, durchaus differenziert erarbeiteten Kriterien mit ganz beachtlicher Einigkeit international Berücksichtigung finden. Allem voran ist die Zugrundelegung des noble month als Ausgangspunkt für die Rügefrist hervorzuheben. Diese Regelfrist ist weiterhin im Vormarsch und sieht sich als sachgerechter Ausgangspunkt kaum noch ernsthaften Zweifeln ausgesetzt. In der deutschen Rechtsprechung kann ihre Zugrundelegung durchaus als h. M. bezeichnet werden.1386 Im Einzelnen erfolgt anhand der Unterscheidung nach verderblicher und unverderblicher Ware die erste Weichenstellung, sowohl bei Bemessung der Untersuchungs- als auch der Rügefrist. Auf dieser Grundlage lässt sich auf Richtwerte in Form von Regelfristen, insbesondere für eine angemessene Rügefrist, zurückgreifen. In einem zweiten Schritt stehen angesichts der mittlerweile sehr umfangreichen Präzedenzen (1) zahlreiche Einzelfallbeispiele sowie (2) allgemeine, abstrakte Bewertungskriterien zur Verfügung. In einer Art Regel-Ausnahme-Verhältnis lässt sich so auf alle besonderen Umstände des streitgegenständlichen Sachverhalts Rücksicht nehmen. Sofern es dabei auf ein subjektives Element, etwa mit Blick auf den Hin1384

Vgl. den Überblick m. w. N. bei Schlechtriem/Schwenzer/Schwenzer, Commentary, Art. 38 Rn. 16, Art. 39 Rn. 4. 1385 Klaedtke, Die Mängelrügefrist im UN-Kaufrecht, S. 141 („Die Fragestellung dieser Abhandlung, ob die ,angemessene Frist‘ des Art. 39 Abs. 1 CISG international einheitlich bewertet wird, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt daher mit einem klaren Nein zu beantworten.“). 1386 In diese Richtung wies schon Janssen, Untersuchungs- und Rügepflichten, S. 172 f. („Diese Unsicherheit bezüglich der Berechnung der regelmäßigen Gesamtfrist wurden [sic] nunmehr zu einem Großteil durch das Urteil des BGH vom 3. 11. 1999 (Mahlgarnituren) beseitigt.“).

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tergrund des Käufers, ankommt, ist dabei auch immer die objektive Erkennbarkeit entscheidend. Dies vermag nachträgliche Überraschungen bei der gegebenenfalls erforderlichen Einzelfallabstimmung gerade für die Verkäuferseite doch erheblich zu begrenzen. Dass die dargestellten Kriterien in ganz beachtlichem Maße unter Einhaltung des Gebots der einheitlichen Anwendung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 CISG herausgearbeitet, berücksichtigt und fortentwickelt werden, wurde bereits hinreichend deutlich dargestellt. Die besondere Leistung liegt dabei auch in dem Zusammenspiel von Rechtsprechung und Rechtswissenschaft in Anwendung des CISG, welches sich als eine Art Katalysator für die Entwicklung von Orientierungs- und Realisierungssicherheit erwiesen hat.1387 Eine supranationale Auslegungsinstanz oder gar eine supranationale stare decisis ist – nach der mittlerweile überwundenen Anlaufphase – nicht erforderlich. Solange es „die“ Frist nicht gibt, verbleiben selbstverständlich auch bei der Bemessung der Untersuchungs- und Rügefristen Restunsicherheiten. Diese sind aber gemessen an den vielschichtigen Sachverhaltskonstellationen, die der Anwendungsund Regelungsbereich des UN-Kaufrechts abdeckt, im Laufe der Zeit erstaunlich reduziert worden. Es kann, wie gesagt, auch nicht das Hauptziel sein, diesen Zustand gänzlich zu vermeiden. Vielmehr sind divergierende Ergebnisse „[…] notwendiges Gegenstück der von den Konventionsgebern gewollten […]“1388 und zweifellos sachgerechten Flexibilität. Die oben etwa zu Art. 25 CISG bereits angestellten Erwägungen zur „Rechtssicherheit des Ergebnisfindungsprozesses“ schlagen sich auch hier nieder.1389 Es ist gerade nicht sachgerecht, allein divergierende Ergebnisse als Indikator für Rechtsunsicherheit zu verstehen, der die Abwahl des CISG nahelegt. Ganz im Gegenteil droht eine starre Untersuchungs- und Rügefrist in Anbetracht der unterschiedlichsten Geschäftskonstellationen wohl erst recht zu unvorhergesehenen Ergebnissen zu führen. Kaum eine betroffene Vertragspartei dürfte davon ausgehen, dass auf Grundlage eines als praxisorientiert proklamierten Warenhandelsrechts stets die gleichen Untersuchungs- und Rügefristen zu berücksichtigen bzw. „angemessen“ sind.

1387 Vgl. dazu allgemein auch die Ausführungen zu den verfügbaren Arbeitsmitteln und deren Wirkung (§ 5 F.) sowie zu dem Bedürfnis nach einheitlicher Rechtsanwendung (§ 4 F.). 1388 So formuliert zur Angemessenheit der Rügefrist von Ferrari/Ferrari, Int. VertragsR, Art. 39 Rn. 25 f. („Diese Divergenzen sind aber hinzunehmen, sind sie doch nichts anders als das notwendige Gegenstück der von den Konventionsgebern gewollt flexibel gestalteten Rügefrist des Art. 39 Abs. 1, […].“). 1389 S. o. § 9 G.VI.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

§ 13 International einheitliche Anwendung (Art. 7 Abs. 1 CISG) Auf Grundlage der oben vorgenommenen Untersuchung lässt sich insgesamt feststellen, dass das CISG nun rund 35 Jahre nach seinem Inkrafttreten in einem ganz beträchtlichem Maße autonom und einheitlich ausgelegt und angewendet wird.1390 Die Gerichte sind mittlerweile bemerkenswert erfolgreich, den internationalen Charakter des Übereinkommens zu berücksichtigen und einen ernstzunehmenden homeward trend mittel- und langfristig abzulegen bzw. ganz zu unterbinden. Besonders hervorzuheben gilt es etwa die deutsche1391 bzw. deutschsprachige Gerichtsbarkeit, aber auch die italienische.1392 Zu der US-amerikanischen bzw. englischsprachigen Rechtsprechung konnte lange Zeit keine so positive Einschätzung abgeben werden.1393 Oftmals wurden vermeintliche Schnittmengen mit dem autonomen Recht dafür genutzt, um faktisch auf Grundlage des eigenen autonomen Rechts zu entscheiden.1394 Jedoch fällt auch dort auf, dass sich die Gerichte mitt1390 Vgl. dazu nur die entsprechenden Aussagen v. a. zur Einheitlichkeit der Rechtsprechung etwa von Bergsten, in: Janssen/Meyer (Eds.), CISG Methodology, S. 5, 31 („The CISG will not receive 100 percent uniform interpretation. That is not to be expected […]. Nevertheless, the CISG has been an outstanding success, which is shown by the large number of ratifications, the extent of scholary interest and the surprisingly high degree of consistent (I dare not say ,uniform‘) interpretation.“); Magnus, in: Janssen/Meyer (Eds.), CISG Methodology, S. 33, 38 („[…] the Digest reveals that with respect to disputed questions of the interpretation there is almost always a prevailing view followed generally by a clear, often the vast majority of courts.“), vgl. zu den Einschränkungen den Überblick von Schwenzer/Kee, 29 Penn State Int’l L. Rev. (2011) 425, 443 ff. 1391 Magnus, National Report Germany, in: Ferrari (Ed.), The CISG and its Impact on National Legal Systems, S. 143, 156; Müller/Togo, IHR 2005, 102, 104. 1392 Vgl. DiMatteo, in: Janssen/Meyer (Eds.), CISG Methodology, S. 113, 117 f. („A review of the cases shows some countries, such as Italy, Germany and Austria, have done admirable work in fending off the temptation of homeward trend analysis.“); Ferrari, in: FS-Kritzer, S. 134, 143 ff.; Müller/Togo, IHR 2005, 102, 104; vgl. auch zu der Entscheidung des italienischen Tribunale di Vigevano die Anm. von Ferrari, IHR 2001, 56, 59 f. und i. Ü. die Nachweise in Teil 3 Fn. 1396; ferner Torsello, National Report Italy, in: Ferrari (Ed.), The CISG and its Impact on National Legal Systems, S. 187, 215 ff. 1393 Vgl. DiMatteo, in: Janssen/Meyer (Eds.), CISG Methodology, S. 113, 118 („In contrast, the record of countries such as the United States and Canada is mixed with considerable amount of their courts ignoring foreign case law and CISG scholary commentary.“); Butler, National Report New Zealand, in: Ferrari (Ed.), The CISG and its Impact on National Legal Systems, S. 251, 254; Müller/Togo, IHR 2005, 102, 103; eingehend Flechtner, in: Ferrari (Ed.), Quo Vadis CISG?, S. 91 ff.; Honnold/Flechtner, Rn. 92. 1394 Vgl. allen voran Raw Materials Inc. ./. Manfred Forberich GmbH, U.S. D.C. [N.D. of Ill.], 6. 7. 2004, CISG-online Case No. 925, Erw. A, wo zu der Anwendung von Art. 79 CISG schlichtweg festgestellt wird: „[…] in applying Article 79 of the CISG, the Court will use as a guide caselaw interpreting a similar provision of § 2 – 615 of the UCC.“; zu Recht mit äußerst kritischer Besprechung Lookofsky, 9 V.J. (2005) 199, 202 („In short, Manfred Forberich is our nominee as the Worst CISG Case […].“).

§ 13 International einheitliche Anwendung (Art. 7 Abs. 1 CISG)

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lerweile ebenfalls weitestgehend von nationalen Vorprägungen frei gemacht haben und auf das Gebot einer autonomen Anwendung verweisen.1395 Diese Entwicklung ist eng verknüpft mit der nahezu umfassenden Bereitschaft, mittlerweile auch der US-amerikanischen oder neuseeländischen Gerichte,1396 sich teils nach einer „gewissen Gewöhnungsphase“1397 erstaunlich konsequent von nationalen Vorprägungen frei zu machen und sich in Anwendung der Konvention tatsächlich an dem großen Fundus an Rechtsprechung und Literatur und dabei an der persuasive authority der überwiegenden bzw. herrschenden Ansichten auszurichten.1398 Die Zahl der Entscheidungen, in denen sich die Spruchkörper ganz im Sinne von Art. 7 Abs. 1 CISG gerade auch mit der internationalen Rechtsprechung und 1395

Vgl. etwa Chicago Prime Packers, Inc. ./. Northam Food Trading Co. et al., U.S. D.C. [N.D. Ill., E.Div.], 21. 5. 2004, CISG-online Case No. 851, Erw. II. (ausdrücklich auf Art. 7 Abs. 1 CISG hinweisend) und ferner die entsprechenden Nachweise in Teil 3 Fn. 1396; vgl. auch die ähnliche Aussage von Ferrari, in: FS-Kritzer, S. 134, 143 f. m. w. N.; ferner Ferrari, General Report, in: ders. (Ed.), The CISG and its Impact on National Legal Systems, S. 413, 459; vgl. dazu auch Honnold/Flechtner, Rn. 92; Müller/Togo, IHR 2005, 102, 106. 1396 Z. B.: RJ & AM Smallmon ./. Transport Sales Limited and Grant Alan Miller, Court of Appeal New Zealand (Neuseeland), 22. 7. 2011, CISG-online Case No. 2215, Rz. 40 f. („As urged by the late Professor Peter Schlechtriem, recourse to domestic law must be avoided […]. We therefore propose to consider only the international authorities and articles in interpreting art 35(2).“); Chicago Prime Packers, Inc. ./. Northam Food Trading Co. et al., U.S. D.C. [N.D. Ill., E.Div.], 21. 5. 2004, CISG-online Case No. 851, Erw. II. (dort Fn. 11: „Although foreign caselaw is not binding on this court, it is nonetheless instructive in deciding the issues presented here.“); Electrocraft Arkansas, Inc. ./. Super Electric Motors, Ltd. et al., U.S. D.C. [E.D. Arkansas, West. Div.], 23. 12. 2009, CISG-online Case No. 2045, Erw. II.B.2.ii)b) (bzgl. der Frage nach der Anwendbarkeit von Deliktsrecht neben der abschließend vom CISG geregelten vertraglichen Bindung der Parteien setzt sich das Gericht mit dem internationalen Meinungsstand in der Literatur ausführlich auseinander, namentlich mit den Ansichten von Schlechtriem, Lookofsky und Schwenzer/Hachem); Usinor Industeel ./. Leeco Steel Products, U.S. D.C. [N.D. Illinois], 28. 3. 2002, CISG-online Case No. 1326, Erw. II.B.i), ausdrücklich Bezug nehmend auf Roder Zelt- und Hallenkonstruktionen ./. Rosedown Park et al., F.C.A. [S.A. Adelaide], 28. 4. 1995, CISG-online Case No. 218, Erw. 20 („While this case [Roder] is far in distance from the present jurisdiction, commentators on the CISG have noted that courts should consider the decisions issued by foreign courts on the CISG.“); vgl. auch die entsprechende Einschätzung von Müller/Togo, IHR 2005, 102, 106. 1397 Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 91. 1398 Andersen, 13 V.J. (2009) 43, 50 („Over the past thirteen years, there have been a growing number of soundly argued cases from many jurisdictions which have made use of the practical global jurisconsultorium, and have referenced cases from other jurisdictions as persuasive or inspirational precedents.“), S. 63 („On the whole – and concluding on an optimistic note – the CISG seems to be enjoying an international perspective in most domestic courts today.“); Ferrari, in: FS-Kritzer, S. 134, 143 ff.; Ferrari, General Report, in: ders. (Ed.), The CISG and its Impact on National Legal Systems, S. 413, 462 ff.; P. Huber, IHR 2006, 228, 229; Kröll/Mistelis/Perales Viscasillas/Perales Viscasillas, Art. 7 Rn. 3 („The system introduced by Art. 7 has proven to be very successful in practice and has been well received by scholars and jurisprudence. This is due not only to the sensible choice made by the drafters and hence the quality of the rule, but also to the efforts made by several institutions, scholars, and case law to achieve a widespread and uniform interpretation and application of the Convention.“); Schlechtriem/Schroeter, Int. UN-Kaufrecht, Rn. 91.

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Teil 3: Einzelbetrachtung

Literatur auseinandersetzen, ist mittlerweile nicht mehr zu überschauen.1399 Auch hier haben die deutschsprachigen Gerichte eine gewisse Vorreiterrolle eingenom1399

Exemplarisch etwa: Tribunale di Forli (Italien), 26. 3. 2012, CISG-online Case No. 2336, Erw. VI. (Bezugnahme auf serbische, kroatische, griechische, neuseeländische, französische, deutsche, spanische, schweizerische, US-amerikanische, österreichische, niederländische und belgische Entscheidungen); OGH (Österreich), 22. 11. 2011, CISG-online Case No. 2239, Erw. 2.3 (explizit auf den BGH, CISG-online 135, verweisend, wenn festgestellt wird, dass es für die Wesentlichkeit auf den Wegfall des Erfüllungsinteresses ankommt); RJ & AM Smallmon ./. Transport Sales Limited and Grant Alan Miller, Court of Appeal New Zealand (Neuseeland), 22. 7. 2011, CISG-online Case No. 2215, Rz. 42 ff. (Verweis auf BGH, OGH sowie Entscheidungen aus den USA, Spanien und Frankreich); Tribunale di Reggio Emilia (Italien), 12. 4. 2011, CISG-online 2229 (Bezugnahme auf deutsche, niederländische, belgische und schweizerische Rspr. zu Art. 39 CISG); Forestal Guarani S. A. ./. Daros International, Inc., U.S. Ct. App. [3rd Cir.], 21. 7. 2010, CISG-online Case No. 2112, Erw. III. (Bezugnahme auf UNCITRAL Digest und die h. M. in der Literatur bzgl. der Wirkung eines Vorbehaltes nach Art. 96 CISG); Electrocraft Arkansas, Inc. ./. Super Electric Motors, Ltd. et al., U.S. D.C. [E.D. Arkansas, W. Div.], 23. 12. 2009, CISG-online Case No. 2045, Erw. II.B.2.ii)b) (vgl. dazu bereits oben in Teil 3 Fn. 1396); Innotex Precision Limited ./. Horei, Inc. et al., U. S. D.C. [N. D. Ga., Atlanta Div.], 17. 12. 2009, CISG-online Case No. 2044, Erw. III.A. (Berücksichtigung französicher Entscheidung zum chinesischen Vorbehalt gem. Art. 93 CISG sowie entsprechender Literatur); Rechtbank Arnhem (Niederlande), 29. 7. 2009, CISG-online Case No. 1939 (Bezugnahme auf Entscheidung des OGH mit Blick auf ein allgemeines Zurückbehaltungsrecht); Rechtbank Amsterdam (Niederlande), 3. 6. 2009, CISG online Case No. 2065, Erw. 5.7 (Bezugnahme auf BGH); OLG Hamm, 2. 4. 2009 – 28 U 107/08, CISG online Case No. 1978, Erw. II.1.a)cc)(2) (US Court of Appeals zu den Anforderugen an eine Abwahl des CISG zitierend – mittels CISG-online); Audiencia Provinciale de Zaragoza (Spanien), 31. 3. 2009, CISG-online Case No. 2085 (Bezugnahme auf Entscheidung des LG Saarbrücken); Pamesa Ceramica ./. Yisrael Mendelson, Supreme Court of Israel (Israel), 17. 3. 2009, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/090317i5.html, Erw. 54 ff. (ausführliche Auseinandersetzung sowohl mit der Literatur als auch mit der internationalen Rechtsprechung zur Anwendbarkeit von Deliktsrecht neben der vertraglichen Haftung nach dem CISG); Rechtbank Rotterdam (Niederlande), 25. 2. 2009, CISG-online Case No. 1812, Erw. 4.4 (Bezugnahme auf Rspr. des BGH zum Erfordernis des Zugänglichmachens von AGB); Tribunale di Forli (Italien), 16. 2. 2009, CISG-online Case No. 1780 (zitiert rund 30 ausländische Entscheidungen aus Spanien, Frankreich, Schweiz, Deutschland und Belgien); Foreign Trade Court of Arbitration attached to the Serbian Chamber of Commerce (Serbien), 28. 1. 2009, CISG-online Case No. 1856 (Bezugnahme auf deutsche und ungarische Urteile); Rechtbank Utrecht (Niederlande), 21. 1. 2009, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/090121n1.html, Erw. 4.3 und in Erw. 4.11 (explizit dem BGH [Teil 3 Fn. 1074] beitretend); Tribunale di Forli (Italien), 11. 12. 2008, CISG-online Case No. 1729 (zitiert rund 40 ausländische Entscheidungen aus den Niederlanden, Frankreich, Schweiz, Österreich, Deutschland, Spanien, v. a. zur Frage der Wesentlichkeit i. S. v. Art. 25 CISG); Hannaford ./. Australian Farmlink Pty Ltd., F.C.A. [South Australia District Registry], 24. 10. 2008, CISG-online Case No. 1743, Erw. 5. (Bezugnahme auf Cour de Cassation bzgl. Vertragsstaateneigenschaft Hongkongs sowie Bezugnahme auf Literatur), Erw. 233 (Bezugnahme auf LG Saarbrücken zur Frage der Angemessenheit i. S. v. Art. 39 CISG); CNA International ./. Guangdon Kelon Electronical Holdings et al., U.S. D.C. [N.D. Ill.], 3. 9. 2008, http://cisgw3.law.pace.edu/cases/080903u1.html, Erw. II.B.1. (Auseinandersetzung mit der Rspr. der Cour de Cassation zum chinesischen Vorbehalt nach Art. 93 CISG, „Accordingly, this Court is not persuaded by the French Court’s decision.“); Foreign Trade Court of Arbitration attached to the Serbian Chamber of Commerce (Serbien), 15. 7. 2008, CISG-online Case No. 1795, Erw. 6. (Bezugnahme auf australische Entscheidung); OLG Stuttgart, 31. 3. 2008 – 6 U 220/07, CISG-online Case No. 1658, Rz. 41

§ 13 International einheitliche Anwendung (Art. 7 Abs. 1 CISG)

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(Bezugnahme auf dänische Rspr. und genaue Abgrenzung zur Argumentation eines finnischen Gerichts zur angemessenen Rügefrist); Tribunale di Rovereto (Italien), 21. 11. 2007, CISGonline Case No. 1590 (Bezugnahme auf BGH bzgl. der wirksamen Einbeziehung von AGB); Sa˛d Najwyz˙ szy (Oberstes Gericht Polen), 11. 5. 2007, CISG-online 1790 (Bezugnahme auf CISG-AC Opinion No. 5 und entsprechendes Urteil des OGH zum allgemeinen Zurückbehaltungsrecht); Arbitral Institute of the Stockholm Chamber of Commerce (Schweden), 5. 4. 2007, CISG-online Case No. 1521, Erw. 145 (Verweis auf BundesG (Schweiz), 15. 9. 2000, CISG-online Case No. 770 und BGH (Kobaltsulfat)); TeeVee Toons, Inc. et al. ./. Gerhard Schubert GmbH, U.S. D.C. [S.D. N.Y.], 23. 08. 2006, CISG-online Case No. 1272, Erw. II.C.2.a)1. (dort Fn. 1, mit ausdrücklicher Bezugnahme auf und Abgrenzung zur internationalen Rspr. betreffend die Rechtzeitigkeit einer Mängelrüge); Barbara Berry, S.A. de C.V. ./. Ken M. Spooner Farms, Inc., U.S. D.C. [W.D. Washington], 13. 4. 2006, CISG-online Case No. 1354 (Rspr. des ZivilG Basel berücksichtigend); KantonsG Appenzell Ausserrhoden (Schweiz), 9. 3. 2006, CISG-online Case No. 1375 (Bezugnahme auf österreichisches Urteil zur Angemessenheit i. S. v. Art. 39 Abs. 1 CISG); OGH (Österreich), 25. 1. 2006, CISG-online Case No. 1223 (ausführliche Auseinandersetzung mit der Literatur zu Art. 35 CISG und Verweis auf BGH-Entscheidung); Tribunale di Padova (Italien), 10. 1. 2006, CISG-online Case No. 1157 (zitiert deutsche, US-amerikanische, schweizerische und belgische Entscheidungen); LG Neubrandenburg, 3. 8. 2005 – 10 O 74/04, CISG-online Case No. 1190, Erw. III.3.a)bb) (russischen Schiedsspruch zitierend); LG Salzburg (Österreich), 2. 2. 2005, CISG-online Case No. 1189 (Bezugnahme auf die Rspr. des BGH zur Angemessenheit i. S. v. Art. 39 Abs. 1 CISG); Tribunale di Padova (Italien), 11. 1. 2005, CISG-online Case No. 967 (den Grundsatz autonomer Auslegung gem. Art. 7 Abs. 1 CISG hervorhebend, Bezugnahme auf schweizerische, französische, deutsche, österreichische Rspr., insb. zur Frage der Wesentlichkeit i. S. v. Art. 25 CISG); OLG Karlsruhe, 20. 7. 2004 – 17 U 136/03, CISG-online Case No. 858, Erw. II.B)2.b)dd) (verweisend auf OGH und außerdem cisg-online.ch als Quelle für zitierte Rspr. nennend); BGH, 30. 6. 2004 – VIII ZR 321/03, CISG-online Case No. 847, Erw. III.2.a) (Berücksichtigung niederländischer und kanadischer Rspr. sowie eines schwedischen und eines ICC Schiedsspruchs zu Fragen der Beweislast)); Chicago Prime Packers, Inc. ./. Northam Food Trading Co. et al., U.S. D.C. [N.D. Ill., E. Div.], 21. 5. 2004, CISG-online Case No. 851, Erw. II.2. (Ausdrückliche Bezugnahme auf deutsche Rspr. zu Art. 38, 39 CISG); Tribunale di Padova (Italien), 31. 3. 2004, CISG-online Case No. 823 (Berücksichtigung rund 30 ausländischer Entscheidungen aus Argentinien, Deutschland, Belgien, Frankreich, Schweiz, Frankreich, Österreich betr. Fragen der Formfreiheit, der Wesentlichkeit i. S. v. Art. 25 CISG und eines Zinsanspruches); Amco Ukrservice & Promriladamco ./. American Meter Company, U.S. D.C. [E. D. Pa.], 29. 3. 2004, CISG-online Case No. 1664, Erw. II.A. (Bezugnahme auf deutsche Rspr. zur Anwendbarkeit des CISG auf Rahmenverträge); Tribunale di Padova (Italien), 25. 2. 2004, CISG-online Case No. 819 = IHR 2005, 31 – 33 (deutsche Übersetzung) (u. a. Bezugnahme auf deutsche, schweizerische und französische Rechtsprechung zu den Voraussetzungen eines Kaufvertrages i. S. d. CISG und auf italienische, deutsche und französiche Rspr. bzgl. der internationalen Ansicht, dass die Abwahl des CISG auch konkludent erfolgen kann, insgesamt vorbildliche Berücksichtigung internationaler Präzedenzen zur Aufrechnung, Stellvertretung etc., auch Berücksichtigung mexikanischer und belgischer Entscheidungen); LG Trier, 8. 1. 2004 – 7 HK.O 134/03, CISG-online Case No. 910, Erw. II.1. (Verweis auf Urteil des US Court of Appeals zur Einbeziehung von AGB); BundesG (Schweiz), 13. 11. 2003, CISG-online Case No. 840 (Auseinandersetzung mit französischer und deutscher Rspr. zur Beweislast, umfassende Berücksichtigung deutscher und englischsprachiger Kommentarlitertur); HandelsG Zürich (Schweiz), 24. 10. 2003, CISG-online Case No. 857, Erw. IV.3.b)bb) (Bezugnahme auf BGH); Audiencia Provincial de Valencia (Spanien), 7. 6. 2003, CISG-online Case No. 948, Erw. 6. (auf niederländische und deutsche Rechtsprechung zur Angemessenheit der Rügefrist bezugnehmend); Tribunale di Rimini (Italien), 26. 11. 2002, CISG-online Case No. 737, Erw. 2. (ausführliche Bezugnahme auf US-amerikanische,

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Teil 3: Einzelbetrachtung

men, was gerade für deutschsprachige Parteien einen sicherlich nicht zu unterschätzenden Vorteil darstellt. Noch erfreulicher stellt sich die Situation in der Literatur zum CISG dar. Dass hier weniger Schwierigkeiten bestehen, dogmatisch sauber und differenziert dem Gebot einer autonomen, einheitlichen Anwendung Rechnung zu tragen, dürfte einleuchten. Andererseits ist dies keine Selbstverständlichkeit und eine wissenschaftliche Herangehensweise geht natürlich nicht automatisch mit einer einheitlichen, autonomen Anwendung, geschweige denn mit einheitlichen Ergebnissen, einher. Dennoch ist die Aufarbeitung in der Literatur mittlerweile so umfassend, dass sich nahezu zu jeder Rechtsfrage, gerade auch den weniger praxisrelevanten bzw. von der Rechtsprechung noch nicht eingängig behandelten, eine herrschende oder jedenfalls überwiegende Meinung gebildet hat.1400 An dieser Stelle sei noch angemerkt, dass der mittlerweile zu verzeichnende beträchtliche Gleichlauf bei der Anwendung und Auslegung des CISG nicht zuletzt Produkt des besonderen Rahmens ist, in dem sich die Anwendung der Konvention österreichische, ungarische, belgische, niederländische, deutsche, schweizerische, französische und italienische Rspr.); HandelsG Aargau (Schweiz), 5. 11. 2002, CISG-online Case No. 715, Erw. 4.b)aa) (Bezugnahme auf OLG Koblenz zu Fragen der Vertragsaufhebung gem. Art. 49 CISG); OLG Köln, 14. 10. 2002 – 16 U 77/01, CISG-online Case No. 709 = IHR 2003, 15, 17 (Verweis auf OGH bzgl. Aufhebungserklärung); Usinor Industeel ./. Leeco Steel Products, D.C. [N.D. Illinois], 28. 3. 2002, CISG-online Case No. 1326, Erw. II.B.i), ausdrücklich Bezug nehmend auf Roder Zelt- und Hallenkonstruktionen ./. Rosedown Park et al., F.C.A. [S.A. Adelaide], 28. 4. 1995, CISG-online Case No. 218, Erw. 20 („While this case [Roder] is far in distance from the present jurisdiction, commentators on the CISG have noted that courts should consider the decisions issued by foreign courts on the CISG.“); St. Paul Guardian Insurance Company et al. ./. Neuromed Medical Systems & Support et al., U.S. D.C. [S. D. N. Y.], 26. 3. 2002, CISG-online Case No. 615, Erw. B.2. und C. (Bezugnahme auf deutsche Rspr. zu Art. 6 CISG und der Einbeziehung von INCOTERMS); Tribunale di Vigevano (Italien), 12. 7. 2000, CISG-online Case No. 493 („[…] foreign case law […] must nevertheless be considered in order to assure and to promote uniform enforcement of the United Nations Convention, according to its article 7(1).“ Berücksichtigung von rund 40 ausländischen Urteilen aus den USA, Österreich, Frankreich, Deutschland, Schweiz, Niederlanden); OGH (Österreich), 13. 4. 2000, CISG-online Case No. 576 (Auseinandersetzung mit Rspr. des BGH sowie der Kommentarliteratur zu Art. 35 CISG); Tribunale di Pavia (Italien), 29. 12. 1999, CISG-online Case No. 678 (Berücksichtigung schweizerischen Urteils zur Zinshöhe); Medical Marketing International, Inc. ./. Internazionale Medico Scientifica, S.R.L., U.S. D.C. [E. D. of Louisiana], 17. 5. 1999, CISG-online Case No. 387 (ausdrückliche Bezugnahme auf die Rspr. des BGH zu Art. 35 CISG); BundesG (Schweiz), 22. 10. 1998; CISG-online Case No. 413, Erw. 2.b) (Verweis auf BGH); OberG Luzern (Schweiz); 8. 1. 1997, CISG-online Case No. 228, Erw. 4.e) (vorbildliche Auseinandersetzung mit der Literatur und der deutschen Rsp. zur Auslegung von Art. 39 CISG); ICC International Court of Arbitration Zürich, 1. 1. 1997, CISG-online Nr. 749 (Verweis auf OLG Hamm, 12. 11. 2001 – 13 U 102/01, CISG-online Case No. 1430); Cour d’appel Grenoble (Frankreich), 23. 10. 1996, CISG-online Case No. 305 (Bezugnahme auf OLG Düsseldorf zur Frage des Erfüllungsortes); vgl. auch schon die Nachweise oben in Teil 2 Fn. 103. 1400 Vgl. Magnus, in: FS-Kritzer, S. 303, 325 („[…] we can discern the clearly prevailing view with respect to almost every problem under the CISG.“).

§ 13 International einheitliche Anwendung (Art. 7 Abs. 1 CISG)

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vollzieht.1401 Im Rahmen der Untersuchung hat sich gezeigt, dass sowohl von den Datenbanken („informationelle Infrastruktur“), als auch von der Aufbereitung und Weiterentwicklung im Schrifttum in großem Umfang Gebrauch gemacht wird.1402 Die dargestellten Arbeitsmittel fungieren als entscheidendes Vehikel für die Verwirklichung der Vorgaben in Art. 7 Abs. 1 CISG. Es ist davon auszugehen, dass dieses Wechselspiel die weitere Konkretisierung, Vereinheitlichung und damit die weitere Steigerung der Rechtssicherheit immer zügiger vorantreiben wird – ganz ohne einheitliche Auslegungsinstanz.1403

1401 Vgl. dazu oben die Ausführungen zu den Arbeitsmitteln zum CISG (§ 5), insbesondere unter § 5 F.; ferner etwa Andersen, 13 V.J. (2009) 43, 63 (Wortlaut in Teil 3 Fn. 1398). 1402 Vgl. auch Ferrari, in: FS-Kritzer, S. 134, 154 ff. 1403 Vgl. dazu bereits oben § 4 F., insbesondere in Teil 2 Fn. 95.

Zusammenfassende Schlussbetrachtung

„Eine Änderung des geltenden Rechts, wie sie mit der Rechtsvereinheitlichung in der Regel für alle beteiligten Länder verbunden ist, schafft zunächst immer eine Übergangsperiode der Rechtsunsicherheit, bis genügend Erfahrungen mit dem neuen Recht gewonnen wurden.“1

Die Übergangsperiode der Rechtsunsicherheit ist mit Blick auf die Anwendung des CISG überwunden. Die untersuchten „Einfallstore für Rechtsunsicherheit“ stellen mittlerweile keine Angriffspunkte mehr dar, die es sachgerecht erscheinen lassen, das CISG alleine mit der Behauptung abzuwählen, seine Anwendung gehe mit nicht hinnehmbarer Rechtsunsicherheit einher. Im Rahmen einer grundlegenden Betrachtung zu den Merkmalen der Rechtssicherheit wurde gezeigt, dass sich deren Grad vor allem anhand der sogenannten Orientierungs- und Realisierungssicherheit bemessen lässt. Hohe Orientierungssicherheit setzt dabei die Vorhersehbarkeit bzw. Berechenbarkeit des Rechts voraus, die sich im Einzelnen durch eine systematische Übersichtlichkeit, die Vollständigkeit, einen klaren und verständlichen Wortlaut bzw. eindeutige Vorgaben und letztlich die Praktikabilität auszeichnet.2 Das CISG weist eine leicht zu erfassende Regelungsstruktur und Rechtsbehelfssystematik auf. Dies ermöglicht aufgrund der systematischen Übersichtlichkeit eine gewissermaßen intuitive Herangehensweise. Was das Kriterium der Vollständigkeit angeht, so ist der Anwendungs- und Regelungsbereich begrenzt, was der Übersichtlichkeit wiederum zuträglich ist. Die Vorschriften betreffend den Anwendungs- und Regelungsbereich (Artikel 1 – 6 CISG) liefern aber nur eine erste, wenngleich wichtige, Orientierung zur konkreten Beantwortung der Frage, ob eine bestimmte Rechtsfrage vom CISG umfasst wird. Dennoch lässt sich insgesamt durchaus verlässlich beurteilen, wann die Regelungen des CISG greifen. Dazu wurde dargelegt, dass in Gesamtschau der umfangreichen Judikatur und Literatur nahezu alle praxisrelevanten Fragestellungen geklärt und anschaulich aufgearbeitet wurden. Vergleiche zum autonomen deutschen Recht haben gezeigt, dass (v. a. bei der Abgrenzung vom Kaufrecht gegenüber anderen

1 2

Neuhaus/Kropholler, RabelsZ 45 (1981) 73, 82. S. dazu oben § 3 C.I.1.

Zusammenfassende Schlussbetrachtung

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Rechtsbereichen) unter Geltung autonomen Rechts mitunter deutlich größere Anwendungs- bzw. Abgrenzungsprobleme bestehen. Der tatsächliche Umfang des Anwendungs- und Regelungsbereiches deckt dabei weitestgehend alle Kernfragen der kaufvertraglichen Bindung international agierender Warenhändler ab und vereinfacht damit den internationalen Warenhandel ganz erheblich – die Unwägbarkeiten einer kollisionsrechtlichen Anknüpfung und v. a. die Berücksichtigung der unterschiedlichen autonomen Kaufrechtsordnungen entfallen in weiten Teilen. Auch zu den grundsätzlich umfassten Rechtsfragen bzw. -materien, für die entweder keine Einzelregelung getroffen wurde, z. B. die Einbeziehung von AGB, oder gar keine unmittelbare Regelung enthalten ist (vgl. Art. 7 Abs. 2 CISG), hat sich mittlerweile eine umfassende Konkretisierungsleistung vollzogen. Dass einige, zweifellos praxisrelevante Fragen nicht vom CISG umfasst sind, ist zu verkraften. Deutlich zu klein ist der Vereinheitlichungsumfang jedenfalls nicht. Zudem handelt es sich bei den ausgeschlossenen Rechtsfragen v. a. um solche des allgemeinen Schuldrechts – an der Sinnhaftigkeit ihrer Einbeziehung in die Kaufrechtsvereinheitlichung darf man zweifeln. Schließlich sind sich die mannigfaltigen, damit verbundenen rechtlichen und praktischen (Folge-)Probleme zu vergegenwärtigen. Eine künstliche Überfrachtung geht mit schwer auflösbaren Kollisionsfragen zum Umgang mit dem autonomen Recht einher, die der vermeintliche Mehrwert einer umfänglicheren Rechtsvereinheitlichung keinesfalls aufwiegt. Mit Blick auf das Erfordernis eines klaren und verständlichen Wortlauts bzw. eindeutiger Vorgaben erleichtert die Fassung in sechs authentischen Sprachfassungen sowie die Übersetzung in zahlreiche weitere Sprachen die Anwendung ganz erheblich. In Zweifelsfragen gilt die englische Fassung als die international verständlichste. Allerdings arbeiteten die Konventionsverfasser sowohl bei der Regelung des Anwendungs- und Regelungsbereiches als auch bei der Gestaltung der materiellrechtlichen Vorschriften vermehrt mit unbestimmten, wertungsoffenen Rechtsbegriffen. Diese Regelungstechnik stellt seit jeher eines der Hauptargumente der Verfechter einer Rechtunsicherheitsthese dar. Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass gerade in Bezug auf die wertungsoffenen Formulierungen im CISG mittlerweile eine nicht deutlich genug hervorzuhebende Fülle an Entscheidungen in einem weltweiten Kontext ergangen ist. Dieser weitentwickelte Fundus an Präzedenzen wurde im Rahmen eines international erfolgenden Diskurses in der Literatur einer hervorragenden Aufbereitung und Weiterentwicklung zugeführt. Insofern ist die Intention der Konventionsverfasser aufgegangen, durch stellenweise besonders neutrale Formulierungen eine flexible, sachgerechte und v. a. einzelfallgerechte Bewältigung der vielschichtigsten internationalen Sachverhalte zu gewährleisten. Der Praxis und Wissenschaft wurde dabei ganz bewusst die Aufgabe übertragen, die belassenen Wertungsspielräume mit Leben zu füllen. Am Ende dieser in Kauf genommenen „Übergangsperiode der Rechtunsicherheit“ steht eine Konkretisierung auf Grundlage (1.) einer ausdifferenzierten Entwicklung von abstrakten – möglichst

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verobjektivierten – Beurteilungskriterien und Regelbeispielen, die den Wortlaut quasi komplettieren, (2.) einer weit entwickelten Fallgruppenbildung sowie (3.) einer Masse an konkreten Anwendungsbeispielen aus der Rechtsprechung und der Literatur. Dass allein die PACE-Datenbank3 mittlerweile über 3.000 Entscheidungen zum CISG aufführt, dürfte für sich sprechen. Insgesamt stellt sich das CISG somit als orientierungssicher und hochgradig praxisorientiert dar, flankiert von einem Grad an Parteiautonomie, den man in rein nationalen Rechtsordnungen nur selten, wenn überhaupt, vorfinden wird. Es darf dabei ernsthaft bezweifelt werden, dass eine bestimmtere Formulierung der betreffenden Vorschriften zu einem solchen Ergebnis geführt hätte. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass durch die alternative Regelungstechnik, ex ante bereits die einzelnen Konstellationen näher regeln zu wollen, der im Einzelnen kaum vorhersehbare Wandel im internationalen Warenhandel keinesfalls mit vergleichbarem Praxisbezug hätte abgebildet werden können. Den Parteien und deren Rechtsbeiständen sollte bewusst sein, dass das CISG einen Rechtstext darstellt, der nicht nur für die Bedürfnisse des internationalen Warenhandels konzipiert wurde, sondern auch durch dessen Bedürfnisse konkretisiert wurde bzw. wird. Berechenbar und damit orientierungssicher wird die Anwendung des CISG somit auch vor dem Hintergrund, dass sich die Normadressaten bei der Einschätzung der rechtlichen Sphäre eines Warenhandelsgeschäfts an den tatsächlichen Gegebenheiten bzw. Grundüberlegungen im unternehmerischen Warenhandelsgeschäft orientieren können – von den entsprechenden Ergebnissen dürften die Parteien in aller Regel am wenigsten überrascht sein. Der beträchtliche Gleichlauf zwischen rechtlicher und unternehmerischer Sachverhaltsbewertung steigert also zusätzlich die Vorhersehbarkeit des Rechts. Der hohe Grad an Orientierungssicherheit ist eng verknüpft mit der erfreulichen Entwicklung in punkto Realisierungssicherheit.4 Auch wenn es zur Auslegung bzw. Anwendung des CISG an einer einheitlichen Auslegungsinstanz mangelt, so wird dem Gebot der einheitlichen und autonomen Anwendung des CISG gemäß Art. 7 Abs. 1 CISG erstaunlich konsequent Rechnung getragen und der persuasive authority ausländischer Entscheidungen Beachtung geschenkt. Auch die Gerichtsbarkeit in Vertragsstaaten, wie den Vereinigten Staaten, die lange einem starken homeward trend folgte, ist mittlerweile sehr bemüht um die Einhaltung der Vorgaben in Art. 7 Abs. 1 CISG. Der insofern durchaus zufriedenstellende Grad an Realisierungssicherheit und auch die (Weiter-)Entwicklung einer hohen Orientierungssicherheit wäre ohne die außerordentlich hilfreichen Rahmenbedingungen bei der Anwendung des CISG nicht denkbar. Hier steht ein Gerüst an kostenlosen Datenbanken, Kommentarliteratur, Leitfäden, Vertragsmustern in den verschiedensten Ausprägungen und Spra3 4

Dazu oben § 5 A. S. dazu oben § 3 C.I.2.

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chen u. s. w. zur Verfügung, das den Umgang mit der Konvention ganz entscheidend vereinfacht. International agierende Warenhändler und v. a. deren Rechtsbeistände, insbesondere die deutschen, sollten die immer noch weit verbreitete Abwahlpraxis ernsthaft überdenken. Jedenfalls vermag die Begründung, es herrsche zu große Rechtunsicherheit, nicht mehr zu überzeugen. Vor diesem Hintergrund scheint der vorsichtige Hinweis angebracht, dass die eigene Unsicherheit im Umgang mit dem CISG nicht mit einem Zustand von Rechtsunsicherheit gleichgesetzt werden sollte, der die Abwahl des CISG aufdrängt.

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Stichwortverzeichnis Absorptionstheorie 123 Abstraktionsprinzip 104 Abtretung 180 f., 201 Akkreditiv 221, 224 f., 244 f., 247 ff. Aliud 235 f. Allgemeine Geschäftsbedingungen – Battle of the forms 283 ff. – Einbeziehung 184 ff., 197, 204, 266 ff., 339 – Gekreuzte AGB 283 – Inhaltskontrolle 162, 213 – Theorie des letzten Wortes/Last shot rule 285 ff. – Restgültigkeitstheorie/knock out rule 289 ff. Anfechtung, Anfechtbarkeit 162, 186 f. Anlage, Anlagenliefervertrag 118 ff., 235, 241, 307 Anlagenliefervertrag 118 f. Anwendungsbereich – Räumlich 82 ff. – Zeitlich 99 ff. Arbeitsmittel 55, 64 ff., 337 Asset-deal 143 Aufhebung, Vertragsaufhebung 159 f., 183, 191, 204, 206, 213, 218, 222, 226 ff., 238, 243, 249, 254, 260, 264, 315 Aufrechnung 176 ff., 200, 201, 236 Auslegung 197, 212 ff., 219, 223, 228, 261, 268, 267 ff., 292, 295 ff., 309, 318, 321, 326, 329, 331, 336, 340 Ausschlussfrist 327 ff., 330

Barter 140 f., 151 Begleitdokumente 241, 256 Behebbarkeit 228, 230, 236, 238 f., 242, 263 Beschaffenheit, 186, 228, 230, 232, 235, 317 Beweislast 194 ff., 335 Blauer Bericht 29

Brauch, Handelsbrauch 239 f.

197, 208, 213,

CIF 223, 244 CISG Advisory Council 71 ff. CLOUT 65 ff. Culpa in contrahendo 189 ff. Datenbanken 64 ff., 71, 74, 340 Delikt, Deliktsrecht 166 ff., 189 ff. Dienstvertrag 109, 114 f., 120, 151 Dokumentenkauf, Dokument 142, 240, 242 ff. Drohung 186, 189, 191 Dual-use 127, 131 EAG 29 ff., 31, 84 Eigentum 102 ff., 120, 153, 158, 160, 164 ff., 188, 245 EKG 29 ff., 31, 84, 125, 144, 170, 217, 309, 317 Erfüllungsinteresse 170, 211, 230, 334 Erklärungsirrtum 186 Existenzgründung, Existenzgründer 131 Externe Lücken 153 ff., 160 ff. Fahrlässigkeit 128 Finanzierungsleasing 151 Fixgeschäft 223, 227, 238, 249 ff. Fixschuld, Fixschuldcharakter 223, 225 ff., 249, 263 Floating charge 165 Form 183 ff., 270 Formfreiheit 183 f., 200, 335 GbR, Gesellschaft bürgerlichen Rechts 132 f. Gebräuche 155, 160, 164, 197, 239, 246, 267 ff., 276, 280 Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (GEK) 295

Stichwortverzeichnis Gemischter Vertrag 123 f., 147 Genfer Entwurf 31 Gepflogenheit 76, 155, 197, 208, 213, 239 f., 249, 252, 256, 268 f., 275 f., 280, 285, 294, 297, 303 Gesamtfrist 316, 319, 322, 325 ff. Geschäftsfähigkeit 161 Global Sales Law Survey 38 Gültigkeit 134 f., 153, 155, 161 ff., 183 ff. Hauptpflicht

Inbetriebnahme 119 INCOTERMS 274 f., 336 Information, Informationsquelle 59, 65 f., 67, 72 Informationspflichten 138, 258 Installation, Installationspflicht 119, 147 Integritätsinteresse 170 f., 174 f. Interne Lücken 153 ff. 197 ff. Kalkulationsirrtum 186 Kaufoption 106, 121 f. Kenntnis, Unkenntnis 39, 48 ff., 59, 83, 128 ff., 138, 224, 268, 271, 274 f. Know-how 143 ff. Kombinationstheorie 124 Kommissionsgeschäft, Kommissionär 107 Konkludent, konkludente Erklärungen/Vereinbarungen 177, 244, 249, 294, 252, 285, 289, 292, 294, 300 Konsens 157, 161 ff., 184, 186 Konsensprinzip 104 Konsumentenkauf 125 ff., 133, 308 Körperverletzung 155, 166 ff. Leasing, Leasingvertrag Lex rei sitae 164

Nebenpflicht 78, 120, 208, 256 f. New Yorker Entwurf 32 Nichtleistung 77, 220 ff., 235, 243, 249, 263 Noble Month 315 ff., 330 Nutzung, Nutzungsmöglichkeit 126 f., 131, 137, 146, 230 ff., 240 f., 253, 263 Nutzungsmöglichkeit 230 f., 241, 263 Option

78, 256

121 ff.

mailbox rule 100 f. Maschine 118, 129, 143, 231 f., 289, 306 Mietkauf 106, 114, 120 ff. Montage, Montagepflicht 118 f., 168, 257 Muster, Vertragsmuster 73 f., 340 Nachbesserung 168, 207, 211, 229, 255 Nacherfüllung 167, 228, 230, 238, 245, 315

363

106, 120

PACE 65, 67, 340 Parteiinteresse 115, 117 ff., 197, 321 Partieautonomie 33, 73, 264, 340 Person – Juristische Person 127, 132 f. – Natürliche Person 132 f. Personengesellschaft 132 f. Personenschaden 166 ff. Pflichtverletzung 77 ff., 168, 189 f., 208 f., 213, 217, 225, 230, 255 ff. PICC siehe UNIDROIT-Principles Probe 106, 305, 307 Produkthaftung 166, 170 f., 173 f. Rahmenvertrag 138 ff. Rechtskauf 104, 142 Rechtsphilosophie 40 Rechtssicherheit – Einfallstore für Rechtsunsicherheit 51 ff. – Grundlagen und Faktoren 40 ff. – Orientierungssicherheit 43 ff. – Realisierungssicherheit 45 ff. Rechtswidrigkeit 161 Regress 168, 173 Restgültigkeitstheorie siehe Allgemeine Geschäftsbedingungen Römischer Entwurf 29 Rücktritt 78 Rügefrist 204, 301 ff., 335 Rügepflicht 302, 309, 321 Sachenrecht 104, 165 Sachschäden 167, 169 ff. Saisonware 305, 313, 224 Sale-and-lease-back 122

364

Stichwortverzeichnis

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch 78, 140, 159 f., 168, 173, 211 f., 218, 231, 233, 236, 239, 249, 253, 304, 315 Schenkung 141 Schriftform 191 Schuldanerkenntnis 182 Schuldbeitritt 182 Schuldrechtsmodernisierung 78, 109, 149 Schuldübernahme 182, 201 Schulung, Schulungspflicht 111, 118 f. Share-deal 143 Sicherungsübereignung 165 Sittenwidrigkeit 161 Software, Softwareüberlassung 143 ff., 148 ff., 151 Spezifikationskauf 105, 160 Stellvertretung 176, 201 Störung der Geschäftsgrundlage 191 f. Streckengeschäft 106 Sukzessivliefervertrag 105, 159, 204, 218, 239, 253 ff. Tausch 140 f. Täuschung 186, 189, 191 Tegernseer Gebräuche 276 Theorie des letzten Wortes siehe Allgemeine Geschäftsbedingungen Tier 142 Tod 155, 166 ff. Treu und Glaube 174, 229, 268 UNCITRAL 31 ff., 37 ff., 65, 90, 181, 202 UNCITRAL Digest 67 f., 74 UNIDROIT, UNIDROIT-Principles 28 ff., 122, 276, 295 UNILEX 64, 67 Unmöglichkeit 78, 163, 188, 220, 238, 251, 260

Unternehmer, unternehmerisch 50, 55, 73, 77, 91, 152, 174, 250, 265, 282 f., 288, 309, 314, 340 Untersuchungsfrist 303 ff., 330 Unwiderruflichkeit 191 Verbraucher 135, 314 f. Verbraucherschutz 134 ff., 152, 162 Verbrauchsgüterkauf 137 Verjährung 181, 327 ff. Verpackung 110, 167, 235, 241, 289, 306, 320 Versendungskauf 106 f. Vertragsübernahme 182, 201 Verwendungszweck 125, 126, 128, 130, 133, 231, 239, 263 Verwertungsmöglichkeit 230 f., 237, 241, 263 Verzug 78 – Abnahmeverzug 251 ff. – Lieferverzug 221 ff. – Zahlungsverzug 248 ff. Vorkaufsrecht 107 Ware 142 ff. Wartung, Wartungspflicht 118 f. Werklieferungsvertrag 108 ff., 117, 147, 151 Werkvertrag 147, 149 f. Wesentliche Vertragsverletzung 203 ff., Wesentlichkeit 73, 78, 109 ff., 203 ff., 210 ff. Widerruf 134, 157 Wiederkaufsrecht 107 Willensmangel 162, 168, 200 Zinsen, Zinsansprüche 50, 140, 159 f., 249, 335 Zug-um-Zug 177, 192 Zurückbehaltungsrecht 192 f., 198, 203