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German Pages 315 Year 2015
Strafrechtliche Abhandlungen Neue Folge · Band 258
Die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug Von
Bernadette Högel
Duncker & Humblot · Berlin
BERNADETTE HÖGEL
Die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug
Strafrechtliche Abhandlungen · Neue Folge Begründet von Dr. Eberhard Schmidhäuser (†) em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Hamburg
Herausgegeben von Dr. Dres. h. c. Friedrich-Christian Schroeder em. ord. Prof. der Rechte an der Universität Regensburg
und Dr. Andreas Hoyer ord. Prof. der Rechte an der Universität Kiel
in Zusammenarbeit mit den Strafrechtslehrern der deutschen Universitäten
Band 258
Die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug
Von
Bernadette Högel
Duncker & Humblot · Berlin
Zur Aufnahme in die Reihe empfohlen von Professor Dr. Arnd Koch, Augsburg
Die Juristische Fakultät der Universität Augsburg hat diese Arbeit im Jahre 2014 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0720-7271 ISBN 978-3-428-14586-7 (Print) ISBN 978-3-428-54586-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-84586-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
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Meinen Eltern Meinem Ehemann
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2014 an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind auf dem Stand von Januar 2014. Während der Dissertationsphase haben mich einige Personen maßgeblich begleitet, denen ich dafür persönlich sehr verbunden bin. Anlässlich dieser Schrift möchte ich diesen Menschen danken. Bedanken möchte ich mich zunächst bei meinem fachlich und menschlich sehr geschätzten Doktorvater Herrn Professor Dr. Arnd Koch von der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg. Er setzte in mich das Vertrauen, zu diesem brisanten Thema eine wissenschaftliche Forschungsarbeit zu schreiben. Im Laufe der Arbeit bot er mir mehrmals die Möglichkeit, mein Projekt vor Fachgremien vorzustellen und ausführlich zu diskutieren, was mir mehrfach inspirierende Denkanstöße schenkte. Überdies spreche ich meinen Dank gegenüber den Herausgebern Herrn Professor Dr. Dres. h.c. (Breslau) Friedrich-Christian Schroeder und Herrn Professor Dr. Andreas Hoyer für die Aufnahme meiner Dissertation in diese angesehene Schriftenreihe aus. Ebenso möchte ich mich bei der Alumni-Vereinigung der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg für die Verleihung des Dissertationspreises 2014 herzlich bedanken. Besonderer Dank gilt auch Dr. Nicola Pointner. Vor allem in der turbulenten Schlussphase, in der sie meine Arbeit intensiv lektorierte, war sie durch ihre Fachkompetenz und ihr sprachliches Feingefühl der wertvollste Diskussionspartner, den ich mir nur wünschen konnte. Großen Dank verdienen schließlich mein Sohn Johann und mein Mann Johannes Högel, die mich über einen langen Zeitraum tapfer entbehrten. Vor allem mein Mann unterstützte mich während der Dissertationszeit aufopferungsvoll. Mindelheim, im November 2014
Bernadette Högel
Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Einführung in das Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 C. Die historische Entwicklung des Verhältnisses zwischen Diebstahl und Betrug
31
Kapitel 1 Abgrenzungsnotwendigkeit
37
A. Dogmatische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 B. Praktische Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Kapitel 2 Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
50
A. Grundlagen: Prüfung der abgrenzungsentscheidenden Tatbestandsmerkmale beider Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 B. Eigene Abgrenzungslösung und Entwicklung eines Abgrenzungsschemas . . . . . 160 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Kapitel 3 Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
173
A. Das Verfügungsbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 B. Die Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 C. Die Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 D. Abschließende Stellungnahme zu den ungeschriebenen Abgrenzungskriterien . . 266
10
Inhaltsübersicht Kapitel 4 Die Bedeutung weiterer Abgrenzungsvorschläge
268
A. Einzelne Abgrenzungsvorschläge aus Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . 268 B. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 A. Einführung in das Thema . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 B. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 C. Die historische Entwicklung des Verhältnisses zwischen Diebstahl und Betrug . 31
Kapitel 1 Abgrenzungsnotwendigkeit A. Dogmatische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überschneidungen im Bereich der Rechtsgüter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unterschiede im Unrechtsgehalt beider Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Subjektive Tätervorstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Objektive Angriffsrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
37 38 39 42 42 43
B. Praktische Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 I. Aus Opferperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 II. Aus Täterperspektive . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Kapitel 2 Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale A. Grundlagen: Prüfung der abgrenzungsentscheidenden Tatbestandsmerkmale beider Delikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einleitende Bemerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Täterverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Wegnahme als Tathandlung des Trickdiebstahls . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der Gewahrsam als Bestandteil der Wegnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bedeutung des Gewahrsams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhaltliche Deutung des Gewahrsamsbegriffs als heterogenes Gebilde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Voraussetzungen an die Wegnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kasuistische Bestimmung nach der herrschenden Ansicht . . . . .
50
50 50 54 55 56 56 58 64 64
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Inhaltsverzeichnis bb) Bestimmung durch eigene Auslegung des Gesetzes . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die täuschende Irreführung als Tathandlung des Betrugs . . . . . . . . . . . . . a) Die Täuschung über Tatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die Täuschung als Mittel der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . bb) Täuschungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Täuschung durch ausdrückliches Tun und passives Unterlassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Täuschung durch konkludentes Tun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Weite Bestimmung nach der herrschenden Ansicht . . . . (b) Enge Bestimmung durch eigene Auslegung des Gesetzes cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der Irrtumsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Weite Inhaltsdefinition der herrschenden Ansicht . . . . . . . . . (2) Enge Inhaltsdefinition durch eigene Auslegung des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die Irrtumsintensität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Weite Bestimmung nach der herrschenden Meinung . . . . . . (2) Enge Bestimmung durch eigene Auslegung des Gesetzes . . c) Zusammenfassung der durch eigene Auslegung ermittelten Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Täuschung und Irrtum in den Fällen der listigen Warenentwendung aus Selbstbedienungsläden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verstecken von Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Lösung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur (2) Lösung unter Anwendung der durch eigene Auslegung ermittelten Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verbergen von Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Lösung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur (2) Lösung unter Anwendung der durch eigene Auslegung ermittelten Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Objektmanipulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Hinzufügen von Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Lösung der herrschenden Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Lösung unter Anwendung der durch eigene Auslegung ermittelten Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Austausch von Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Lösung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Lösung unter Anwendung der durch eigene Auslegung ermittelten Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65 69 70 71 71 74 75 76 76 78 85 86 86 86 88 91 91 92 96 97 104 104 106 112 113 113 114 115 115 116 118 118 119
Inhaltsverzeichnis
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(3) Umetikettierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Lösung der herrschenden Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Lösung unter Anwendung der durch eigene Auslegung ermittelten Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zusammenfassender Überblick über die Täterverhaltensweisen als Grundlage für die eigene Abgrenzungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Opferverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Verhalten des Opfers eines Diebstahls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Objektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhaltliche Ausgestaltung des Opferwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bestimmung nach der herrschenden Ansicht . . . . . . . . . . . . . (2) Bestimmung durch eigene Auslegung des Gesetzes . . . . . . . bb) Bezugspunkt des Opferwillens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bestimmung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Bestimmung nach eigenen Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Die Verknüpfung objektiver Einflüsse mit dem Opferwillen . . . (1) Verkennen eines Sachverlusts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Erkennen eines Sachverlusts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Aktive Verhinderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Positive Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Dulden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verhalten des Opfers eines Betrugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Funktion der Vermögensverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff der Vermögensverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gegenstand der Vermögensverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhalt der Vermögensverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Objektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Bestimmung nach der herrschenden Ansicht . . . . . . . . . . (b) Bestimmung durch eigene Auslegung des Gesetzes . . . . (2) Durch eigene Auslegung des Gesetzes ermittelte subjektive Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein als Bewusstseinsminimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein bezogen auf die einzelnen Verhaltensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Erfolg der Vermögensverfügung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Bestimmung nach der herrschenden Ansicht . . . . . . . . . . . . .
120 120 120 122 123 123 124 124 124 125 125 126 127 129 130 132 132 133 134 134 134 135 136 136 138 138 140 140 140 141 143 143 147 151 152
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Inhaltsverzeichnis (2) Bestimmung durch eigene Auslegung des Gesetzes . . . . . . . (3) Bezugspunkt des Opferbewusstseins bzw. Vermögensminderung bei der Gewahrsamslockerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Bestimmung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Bestimmung durch eigene Auslegung des Gesetzes und nach eigenen Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Abschließende eigene Definition der Vermögensverfügung . . . . 3. Zusammenfassender Überblick über die Opferverhaltensweisen als Grundlage für die eigene Abgrenzungslösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
B. Eigene Abgrenzungslösung und Entwicklung eines Abgrenzungsschemas . . . . . I. Zusammenführung der Auslegungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gemeinsame Mindestanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Unterschiede zwischen Trickdiebstahl und Betrug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Im Täterverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Im Opferverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzungsschema: Zwei-Stufen-Prüfungsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Erste Stufe: Formelle Eröffnung der Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gemeinsames Tatobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Täuschung und Irrtum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zweite Stufe: Materielle Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ursprüngliche Gewahrsamsinhaberschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Moment des Gewahrsamsverlusts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wille im Moment des Gewahrsamsverlusts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
152 153 154 155 158 159 160 160 160 161 161 162 163 164 164 164 165 166 166 166
C. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
Kapitel 3 Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien A. Das Verfügungsbewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geschichtliche Entwicklung des Verfügungsbewusstseins . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhalt und begrenzter Anwendungsbereich des Verfügungsbewusstseins . . . III. Überprüfung des Verfügungsbewusstseins in verfassungsrechtlicher Hinsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Erfolgsbewusstsein versus herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein . . . . . . 1. Anwendbarkeit der Bewusstseinsformen auf die Fälle des Forderungsbetrugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nichtanwendbarkeit des Erfolgsbewusstseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösung unter Anwendung des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
173 174 175 176 178 183 183 184 184
Inhaltsverzeichnis
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c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vereinbarkeit der Bewusstseinsformen mit der Deliktsstruktur . . . . . . . . V. Tauglichkeit des Verfügungsbewusstseins in den verschiedenen Arten von Bewusstseinsdefiziten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wissensdefizit über die Verhaltenserheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lösung der herrschenden Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wissensdefizit über die Wirkung eines Handelns oder Unterlassens . . . . a) Lösung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . b) Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wissensdefizit über die Eigenschaften des Empfängers . . . . . . . . . . . . . . a) Lösung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . b) Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Wissensdefizit über die Existenz bzw. den Umfang der zu übertragenden Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Lösung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . aa) Verbergen und Hinzufügen von Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Austausch von Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verbergen und Hinzufügen von Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Austausch von Waren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
187 188
B. Die Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überprüfung des Unmittelbarkeitsbegriffs in dogmatischer Hinsicht . . . . . . II. Tauglichkeit der Unmittelbarkeit anhand der Prüfung von Fällen . . . . . . . . . 1. Die Bedeutung des Unmittelbarkeitskriteriums in den Fällen der Gewahrsamslockerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Behandlung der Gewahrsamslockerung anhand der Gegenüberstellung von Beispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Der „Brieftaschen“-Fall unter der Darstellung von Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Lösung unter der Annahme eines verzögerten Gewahrsamswechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Lösung unter der Annahme eines sofortigen Gewahrsamswechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
189 189 190 190 192 192 193 195 196 198 198 200 201 202 203 203 205 206 206 209 210 210 212 215 217 222 223 223 223 224 224
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Inhaltsverzeichnis (3) Lösung unter der Annahme eines tatbestandlichen Nebeneinanders . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 (a) Unterscheidung auf subjektiver Ebene . . . . . . . . . . . . . . . 226 (b) Keine Unterscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 bb) Der „Mobiltelefon“-Fall unter der Darstellung von Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 (1) Lösung unter der Annahme eines sofortigen Gewahrsamswechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 (2) Lösung unter der Annahme eines verzögerten Gewahrsamswechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 cc) Kritische Würdigung der Behandlung beider Fälle . . . . . . . . . . . 230 (1) Notwendigkeit einheitlicher Beurteilung beider Fälle . . . . . 230 (2) Kritik an den dargestellten Stimmen zu beiden Fällen . . . . . 231 (a) Kritik an der Annahme eines sofortigen Gewahrsamswechsels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 (b) Kritik an der Annahme eines gewollten Gewahrsamsverlusts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 dd) Einheitliche Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung . . . . . . . . . . 236 ee) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 b) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Ermöglichungskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 a) Lösung der herrschenden Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 3. Wechselgeldfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 a) Lösung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . 243 b) Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248
C. Die Freiwilligkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 I. Freiwilligkeit versus herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein . . . . . . . . . . . 250 II. Die Tauglichkeit der Freiwilligkeit in den Beschlagnahmefällen . . . . . . . . . 259 1. Lösung in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 2. Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 D. Abschließende Stellungnahme zu den ungeschriebenen Abgrenzungskriterien . . 266
Inhaltsverzeichnis
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Kapitel 4 Die Bedeutung weiterer Abgrenzungsvorschläge A. Einzelne Abgrenzungsvorschläge aus Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . I. Objektive Abgrenzungstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abgrenzung nach der Handlungsrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Behandlung der Tankstellenfälle in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abgrenzung nach der visuellen Wahrnehmbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erläuterung der Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung anhand der Folgen der Sachverschiebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abgrenzung auf Konkurrenzebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
268 268 268 268 269 270 274 274 274 275 277
B. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Zusammenfassung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310
Abkürzungsverzeichnis a. A. aaO. abl. Abs. a. d. a. F. AG AKB Alt. a. M. Anm. Art. Aufl. BayObLG BayObLGSt Bd. BeckRS Bem. BGB BGBl. BGH BGHR BGHSt BGHZ BT BVerfG BVerfGE bzw. CD ders. Diss. DJZ DM DStR E 1919
anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Absatz an der alte Fassung Amtsgericht Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung Alternative am Main Anmerkung Artikel/Article Auflage Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Band Beck-Rechtsprechung Bemerkung Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt (zitiert nach Teil, Jahr und Seite) Bundesgerichtshof BGH-Rechtsprechung Strafsachen, herausgegeben von den Richtern des Bundesgerichtshofs Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Besonderer Teil Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts beziehungsweise Compact Disc derselbe Dissertation Deutsche Juristenzeitung (zitiert nach Band, Jahr und Seite) Deutsche Mark Deutsches Strafrecht (zitiert nach Band, Jahr und Seite) Entwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch 1919, Berlin 1920
Abkürzungsverzeichnis E 1925 E 1962 EMRK etc. e.V. f./ff. Fn. GA GG GS HESt HRR HRRS Hrsg. i. Pr. i.V. m. JA JMBl. NRW JR Jura JuS JW JZ Kfz KG LG LM LZ MDR MschrKrim m.w. N. NJW Nr. NStZ NStZ-RR OLG OLGSt OTSt
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Amtlicher Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs nebst Begründung, Berlin 1925 Entwurf eines Strafgesetzbuches mit Begründung, Bonn 1962 Europäische Menschenrechtskonvention et cetera eingetragener Verein folgende Fußnote Goltdammer’s Archiv für Strafrecht (bis zum 76. Band von 1932 zitiert nach Band, Jahr und Seite) Grundgesetz Der Gerichtssaal (zitiert nach Band, Jahr und Seite) Höchstrichterliche Entscheidungen in Strafsachen Höchstrichterliche Rechtsprechung (zitiert nach Jahr und Nummer) Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht Herausgeber in Preußen in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Justizministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen Juristische Rundschau Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kraftfahrzeug Kammergericht Landgericht Entscheidungen des Bundesgerichtshofs im Nachschlagewerk von Lindenmaier und Möhring Leipziger Zeitschrift Monatsschrift für Deutsches Recht Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Nummer(n) Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-Rechtsprechungsreport Strafrecht Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte zum Straf- und Strafverfahrensrecht Die Rechtsprechung des königlichen Ober-Tribunals und des königlichen Ober-Appellations-Gerichts in Strafsachen
20 PfzOLG PKS PrALR PrOT PrStGB RG RGSt RMG Rn. r+s RStGB S. Sächs. OAG SBSJZ StGB StPO StrÄndG StV u. a. VE 1909 VersR vgl. VRS WiKG Wistra ZfWG ZIS ZJS ZStW zust.
Abkürzungsverzeichnis Pfälzer Oberlandesgericht Polizeiliche Kriminalstatistik Preußisches Allgemeines Landrecht Preußisches Obertribunal Preußisches Strafgesetzbuch Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsmilitärgerichts (zitiert nach Band, Jahr und Seite) Randnummer(n) Recht und Schaden Strafgesetzbuch des Deutschen Reiches Satz oder Seite(n) Sächsisches Ober-Appellationsgericht SelbstbedienungsSüddeutsche Juristen-Zeitung Strafgesetzbuch Strafprozessordnung Gesetz zur Änderung des Strafrechts Strafverteidiger und andere/unter anderen Vorentwurf zu einem Deutschen Strafgesetzbuch, Berlin 1909 Versicherungsrecht vergleiche Verkehrsrechts-Sammlung (zitiert nach Band, Jahr und Seite) Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität Zeitschrift für Wirtschaft Steuer Strafrecht Zeitschrift für Wett- und Glücksspielrecht Zeitschrift für internationale Strafrechtsdogmatik Zeitschrift für das Juristische Studium Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft (zitiert nach Band, Jahr und Seite) zustimmend(er)
Einleitung A. Einführung in das Thema „Der Angeklagte hatte von dem Fuhrmann, mit dem er fuhr, einen Pelz zum Schutz gegen die strenge Kälte empfangen, also zur einstweiligen Benutzung; er entfernte sich bei günstiger Gelegenheit von dem Wagen mit dem Pelze, (. . .)“.1
Dieses kleine Fallbeispiel aus dem 19. Jahrhundert enthält auf den ersten Blick kein klares Votum für exakt einen Straftatbestand. Die Krux bei der Sache sind die beiden zur Verfügung stehenden Lösungswege: Einerseits ist die Annahme eines sogenannten Trickdiebstahls, genauer der listigen Wegnahme fremder Sachen naheliegend, weil der Täter mit dem für ihn fremden Pelz unter dem Vorwand der Rückgabebereitschaft verschwunden ist. Andererseits scheint auch die Betrugslösung vertretbar. Denn typisch für den Betrug ist gerade das durch Täuschung erschlichene Erlangen eines Vermögensvorteils mithilfe des in Irrtum versetzten Berechtigten. In dem konkreten Fall hat der Täter aufgrund eines Vorwands die Übergabe der Sache erreicht, mit der er im Anschluss an die Täuschung geflohen ist. Für die Klärung dieses alten Falls ist nun entscheidend, ob und wie der Trickdiebstahl gegenüber dem Betrug abzugrenzen ist. Bis heute konnte jedoch keine unwiderlegbare Lösung des Abgrenzungsstreits präsentiert werden. Angesichts der Unsicherheiten geläufiger Abgrenzungsmethoden gehört die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug ungebrochen zu den heiklen Standardproblemen im Bereich der Delikte gegen Vermögenswerte. Führt man sich diese nun schon jahrhundertelange Ungewissheit vor Augen, ist eine vertiefte Klärung unerlässlich. Der Grund, weshalb ein Abgrenzungsstreit überhaupt auftritt, ist in den unterschiedlichen Begehungsweisen zwischen Trickdiebstahl und Betrug zu sehen. Die Verschiedenheit beider Delikte erhellt unter Betrachtung der Möglichkeiten der Schadensverwirklichung in dem vorgenannten Fallbeispiel. Der Schaden ist in dem Verlust des Pelzes des berechtigten Fuhrmanns zu sehen. Einerseits ermöglichte die Anwendung listigen Verhaltens des Täters den Verlust des Pelzes durch Ansichnahme und Entfernung des Täters. Dieser Vorgang kennzeichnet eine Fremdschädigung, bei der der Schaden auf Seiten des Berechtigten durch ein opferfremdes Verhalten entsteht. Die List wird dann als Mittel einer erleichterten 1
PrOT, GA 19 (1871), 461.
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Einleitung
Wegnahme im Sinne des Trickdiebstahls nach § 242 StGB eingesetzt.2 Andererseits könnte der Schaden in dem konkreten Fall durch eine selbst getätigte Herausgabe der Sache durch den Fuhrmann eingetreten sein. Dieser Vorgang ist eine Selbstschädigung, wie sie der Betrugstatbestand kennzeichnet. Die List ist im Hinblick auf diese Norm konstitutives Tatbestandsmerkmal. Der tatbestandsmäßige Erfolg, der mit dem Verlust des Pelzes eintritt, kann also einerseits durch eine Fremdschädigung, andererseits durch eine Selbstschädigung verwirklicht werden. Ein gleichzeitiges Vorliegen beider Schädigungsarten ist indessen nicht möglich. Es widerspricht den Gesetzen der Logik, ein und denselben Schaden in ein und derselben Person durch gegenläufige Verhaltensmuster verwirklicht zu sehen. So kann eine Person nicht durch einen Akt fremdgeschädigt werden, während sie sich im gleichen Augenblick selbst schädigt. Daher kann der Täter auch in diesem Fall entweder nur wegen Trickdiebstahls oder nur wegen Betrugs bestraft werden. Eine Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug ist damit notwendig. Die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug könnte angesichts dieser wesentlichen Unterschiede einfach vollzogen werden. Die Schwierigkeit besteht allerdings in dem gemeinsamen Merkmal der List. So ist diesen Abgrenzungssituationen zwischen Trickdiebstahl und Betrug gemein, dass der Täter innerhalb eines Zweipersonenverhältnisses3 mittels List4 eine für ihn fremde Sache des daran Berechtigten erlangt. Die List wird auf Seiten des Diebs als Trick bezeichnet, während auf Seiten des Betrugs für die List eine Täuschung verlangt wird. Trotz dieser unterschiedlichen Begrifflichkeiten kann der Abgrenzungsstreit nicht auf Ebene der List ausgetragen werden. Das beruht auf der Sinnidentität zwischen den Begriffen „Trick“ und „Täuschung“. Der schillernde Begriff „Trickdiebstahl“ entbehrt zwar bislang einer präzisen juristischen Definition.5 Die Sinnidentität ergibt sich aber daraus, dass es für die Rechtspraxis selbstverständlich ist, „Trick“ mit „Täuschung“ gleichzusetzen,6 gewinnt doch der Begriff 2 Dazu BGH, GA 1966, 212 (213); schon Hälschner, Das preußische Strafrecht Teil 3, S. 426 Fn. 3; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 205; Maurach, Deutsches Strafrecht Besonderer Teil, § 26 III B 1, § 38 II B 3 a; siehe auch A. Merkel, Kriminalistische Abhandlungen II/1, S. 193; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (34); Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 120; anders Gryziecki, Studien über den strafbaren Betrug, S. 111 f., der den Diebstahl im Falle einer Täuschung zugunsten des Betrugs ausscheiden lassen will und damit einen Trickdiebstahl für nicht existent erklärt. 3 Das folgt aus der Unterscheidung zwischen Diebstahl in mittelbarer Täterschaft und Dreiecksbetrug unter Gegenüberstellung des Begriffspaares Diebstahl und Sachbetrug in Zweipersonenverhältnissen bei Geiger, JuS 1992, 834; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 75 bzw. 93; Rönnau, JuS 2011, 982. 4 So Hillenkamp, JuS 1997, 217 (219); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 205. 5 Unpräzise Definition von Beukelmann, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, § 263 Rn. 38, da das Merkmal des „Tricks“ nicht beleuchtet wird. 6 So zu lesen in BGHZ 5, 365; BGH, GA 1965, 107; ausdrücklich OLG Karlsruhe, NJW 1976, 902 (903); LG Bonn, VersR 1996, 1139 (1140); Haft/Hilgendorf, Strafrecht
A. Einführung in das Thema
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„Trickdiebstahl“ in Rechtsprechung und Literatur nur in den besagten Kollisionsfällen in Zweipersonenverhältnissen an Bedeutung. Andererseits stellt sich die Frage, warum der Trickdiebstahl bei Sinnidentität dann nicht unter der Bezeichnung „Täuschungsdiebstahl“ geführt wird. Als Erklärung kann nur die Absicht, Missverständnisse zu vermeiden, in Frage kommen. Gerade wegen der strikten Unterscheidung der gegenläufigen Tatbestände des fremdschädigenden Diebstahls und selbstschädigenden Betrugs ist es geboten, durch die Bezeichnung einer speziellen Form des Diebstahls diesen an den Betrug nicht anzunähern und dadurch nicht weitere Verwirrung zu stiften. Diese Überlegung rechtfertigt die unterschiedliche Verwendung von Begriffen, die aber denselben Bedeutungsgehalt haben. Angesichts der Überschneidungen zweier wesentlich gegensätzlicher Delikte im Bereich listigen Verhaltens besteht umso mehr die Notwendigkeit einer stichhaltigen Abgrenzung. In dem einleitenden Fallbeispiel wurde die Notwendigkeit der Abgrenzung verkannt. Der Täter wurde ohne Eingehen auf einen Abgrenzungsstreit zwischen Trickdiebstahl und Betrug wegen Diebstahls7 bestraft. Legt man die Abgrenzungsnotwendigkeit demgegenüber zugrunde, gibt es verschiedene Optionen, eine Differenzierung zu verwirklichen. Neben den verschiedenartigen Rechtsgütern könnten gesetzliche und außergesetzliche Kriterien zur Abgrenzung herangezogen werden. In Rechtsprechung und Literatur gilt es heute als weitgehend gesichert, dass für die materielle Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug nur ungeschriebene Abgrenzungskriterien zu einer eindeutigen Differenzierung beider Delikte beitragen können. So würde nach herrschender Ansicht in dem konkreten Fallbeispiel das in dem Betrugstatbestand nicht normierte Abgrenzungskriterium der Unmittelbarkeit zu einer eindeutigen Lösung des Falls führen. Danach ist der Betrugstatbestand nur erfüllt, wenn das Opferverhalten unmittelbar die Vermögensminderung herbeiführt. Vermittelt hingegen ein opferfremder Akt die Minderung, ist diese nicht Ergebnis der Selbstschädigung, sondern einer Fremdschädigung. Der Täter ist Trickdieb und nicht Betrüger. Der Sachverlust trat in dem konkret genannten Fall nicht unmittelbar durch die Herausgabe des Pelzes durch den Fuhrmann selbst ein, sondern durch die Entfernung des Täters mit demselben. Der Schaden ist daher nicht unmittelbar auf das Verhalten des Berechtigten zurückzuführen, sondern auf das Verhalten des Täters. So müsste der Täter im konkreten Fall nach herrschender Ansicht unter Verwendung Besonderer Teil I, S. 90; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 555 f.; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 85; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 7 Rn. 68; Rotsch, GA 2008, 65 (68); Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 86; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 106; eindeutig bei Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 115, 623; Zopfs, ZJS 2009, 506 (509); gespalten: Og˘lakcıog˘lu, JA 2012, 902 (904) einerseits und ders., JA 2012, 902 (905) andererseits; anders Beukelmann, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, § 263 Rn. 38, der eine Täuschung nicht verlangt. 7 PrOT, GA 19 (1871), 461.
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Einleitung
des ungeschriebenen Abgrenzungskriteriums der Unmittelbarkeit als Trickdieb bestraft werden. Neben dem Kriterium der Unmittelbarkeit verwenden Rechtsprechung und Literatur für die Fälle, in denen die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug relevant wird, die weiteren ungeschriebenen Kriterien des Verfügungsbewusstseins und der Freiwilligkeit. Um ein einheitliches Bild sachverhaltsähnlicher Fälle zu erzielen, werden die betreffenden Kasus je nach Typizität durch Bildung von Fallgruppen kategorisiert. Zur ersten Gruppe zusammenzufassender Konstellationen gehört der Sachverhalt, dass jemand Waren aus einem Selbstbedienungsladen entwendet.8 Die Ausprägungen der Warenentwendung sind vielseitig. In der Praxis wird über eine Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug vor allem in den Fällen des Versteckens in Taschen, des Verbergens im Einkaufswagen und der Objektmanipulation durch Hinzufügen und Austauschen des Verpackungsinhalts bzw. durch Umetikettierung diskutiert. Der Täter könnte die Sache einerseits im Sinne des Trickdiebstahls wegnehmen, weil er sich ohne Bezahlung derselben entfernt. Andererseits erlangt er die sichere Herrschaft über die Sache nur unter der für den Betrug typischen Verschleierung der wahren Sachlage. In diesen Konstellationen meint die herrschende Ansicht unter dem Kriterium des Verfügungsbewusstseins des Getäuschten zu einer Konfliktlösung zu finden: Ist sich der Berechtigte seiner Verfügung bewusst, macht sich der Täter wegen Betrugs, ansonsten wegen Trickdiebstahls strafbar. Probleme bereiten im Weiteren die Fälle der Gewahrsamslockerung9, denen exemplarisch der einleitend genannte Fall aus dem 19. Jahrhundert angehört. In diesen Fallgruppen wird typischerweise das räumliche Band zwischen dem bisherigen Sachgewaltsherrscher und der dazugehörigen Sache aufgrund eines irreführenden Täterverhaltens lediglich unvollständig gelöst. Dort kommt zunächst eine Strafbarkeit wegen Trickdiebstahls in Betracht, weil sich der Täter mit der Sache, die ihm wie so oft nur kurzfristig übergeben werden sollte, entfernt. Genauso gut könnte sich der Täter wegen Betrugs strafbar gemacht haben, weil er die Preisgabe der Sache nur unter einem Vorwand erreicht hat, woraufhin er die günstige Gelegenheit ausnutzte, um mit dieser zu verschwinden. In dieser Fallgruppe soll 8 Dazu BGHSt 41, 198; OLG Hamm, NJW 1968, 1894; OLG Hamm, OLGSt 1978, § 263, S. 165 („Windelkarton“-Fall); OLG Köln, NJW 1984, 810; OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922 („Winkelschleifer“-Fall); BayObLGSt 1988, 5 (7) („Gefrierenten“-Fall); OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1407; PfzOLG Zweibrücken, NStZ 1995, 448. 9 Beispielhaft OTSt 11, 387; PrOT, GA 19 (1871), 461; PrOT, GA 19 (1871), 613; BGH, MDR 1966, 199 (bei Dallinger); BGH, JZ 1968, 637; BGH, VRS 48 (1975), 175; BGH, GA 1987, 307; KG, DStR 4 (1937), 57; OLG Hamm, JMBl. NRW 1950, 48 (49); OLG Hamm, JMBl. NRW 1969, 100 (101); OLG Köln, MDR 1973, 866; OLG Stuttgart, Die Justiz 1973, 396; OLG Düsseldorf, NJW 1990, 923; OLG München, VersR 1995, 954; verkannt von BGH, NStZ 2012, 95; AG Tiergarten, NStZ 2009, 270.
A. Einführung in das Thema
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das Kriterium der Unmittelbarkeit zwischen Verfügung und Vermögensminderung taugliches Abgrenzungsmittel sein. Je nachdem, ob die Minderung unmittelbar an das Verhalten des Opfers anknüpft oder nicht, ist Betrug bzw. Trickdiebstahl gegeben. Dasselbe wird auch für die Fallgruppe der Ermöglichungskonstellationen10 herangezogen. Kennzeichen dieser Kategorie sind Situationen, in denen das Opfer seinen räumlichen Herrschaftsbereich aufgrund eines Vorwands des Täters diesem gegenüber preisgibt. Bereichert wird diese Reihe abgrenzungsrelevanter Fallgruppen durch die sogenannten Wechselgeldfälle11, bei denen der Täter dem Opfer unter Vorgabe der Zahlungsbereitschaft zunächst einen zu wechselnden Schein vorlegt, dann aber nicht nur das Wechselgeld und die Ware, sondern auch den großen Schein wieder an sich nimmt.12 Auch hier wird unter Anwendung des Kriteriums der Unmittelbarkeit eine eindeutige Lösung prophezeit. Zuletzt fallen unter den Problemkreis der Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug die Beschlagnahmefälle 13, in denen die Erlangung einer Sache mittels vorgetäuschter Beamteneigenschaft erreicht wird. Nur bei einem freiwilligen Verhalten des Opfers sei der Täter wegen Betrugs anstelle von Trickdiebstahl strafbar. Dieser Gruppe ist nach allgemeiner Ansicht das Element der Freiwilligkeit zugeordnet. Wenngleich die Grundsätze der Abgrenzung durch die von der überwiegenden Meinung vertretenen Abgrenzungskriterien weitgehend konsolidiert erscheinen, treten in der Praxis widersprüchliche Lösungen zutage. Diese Ungereimtheiten werden nicht nur an den verschiedenen Entscheidungen zu ein und demselben Sachverhalt innerhalb eines Instanzenzugs deutlich14, sondern auch in den diver-
10 Zu dem Begriff Nebelung, Das Zusammentreffen, S. 22; exemplarisch dazu der Frank’sche „Gasmann“-Fall bei Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl., § 263 S. 587; auf diese Konstellation hinweisend Hälschner, Das gemeine deutsche Strafrecht, Zweiter Band, Erste Abtheilung, S. 268 f. 11 RG, JW 1919, 321; RG, GA 74 (1930), 205; BayObLGSt 16, 119; OLG Celle, NJW 1959, 1981; BayObLG, JR 1992, 519. 12 Siehe dazu die verwendeten Fallbeispiele bei Satzger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rn. 112 ff.; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 623 ff.; abweichende Klassifizierung bei Rotsch, GA 2008, 65 (66 ff.). 13 RMG 18 (1914), 231; RG, LZ 1920, 717; RG, LZ 1922, 265; RG, HRR 1934, Nr. 1259; RGSt 71, 50; BGHZ 5, 365; BGH, NJW 1952, 796; BGH, NJW 1953, 73; BGH, NJW 1953, 752 (753); BGHSt 11, 66; BGH, GA 1965, 107; BGH, NJW 2011, 1979; OLG Hamburg, HESt 1, 250; OLG Hamburg, HESt 2, 19; OLG Braunschweig, HESt 2, 29; OLG Nürnberg, SJZ 1950, 136. 14 Siehe dazu RG, JW 1922, 294; RG, JW 1923, 399; RG, HRR 1934, Nr. 1259; BGHZ 5, 365; BGH, NJW 1953, 752; BGHSt 17, 205; BGH, GA 1966, 212; BGH, JZ 1968, 637; BGH, NJW 1983, 2827; OLG Hamm, NJW 1969, 620; OLG Köln, MDR 1973, 866; BayObLGSt 1988, 5; OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922; OLG Düsseldorf, NJW 1990, 923; BayObLG, JR 1992, 519; OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1407; OLG Dresden, BeckRS 2002, 30262700.
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Einleitung
gierenden Lehrmeinungen zu denselben Fallvarianten. Dieser unsichere Zustand ist zum einen angesichts der praktischen Brisanz15 beider Delikte nicht hinnehmbar. Die Schwachstellen der herrschenden Ansicht gilt es daher herauszuarbeiten. Zum anderen ist es an der Zeit, die bisherigen divergierenden Stimmen überblicksweise zusammenzuführen und dogmatisch aufzuarbeiten. Dabei fällt methodologisch auf, dass weder die Rechtsprechung noch die Literatur je versucht haben, eine im Gesetz vorgezeichnete Abgrenzung gelten zu lassen, obwohl die Lösung von rechtlichen Fällen nach der prinzipiellen juristischen Arbeitstechnik doch stets in dem Wortlaut ihren Ursprung nehmen soll.16 Dieser textgetreue Ansatzpunkt für eine Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug ist in den bisherigen Untersuchungen17 entweder vollständig ausgenommen oder nur unzufriedenstellend erörtert worden. Die überwiegende Ansicht ist – offenbar unter stillschweigender Negierung eines gesetzlichen Ausschlussverhältnisses – der Meinung, dass ein Entweder-oder zwischen Trickdiebstahl und Betrug nur außertatbestandlich möglich sei. Zwar werden die dem Betrugstatbestand zugeordneten ungeschriebenen Abgrenzungskriterien Verfügungsbewusstsein, Unmittelbarkeit und Freiwilligkeit aus einer Wesensschau und dem Zusammenspiel zwischen Diebstahl und Betrug abgeleitet – der Wortlaut des Gesetzes bleibt dabei allerdings unbeachtet. Motiviert ist das Hineininterpretieren besagter ungeschriebener Abgrenzungskriterien einzig einer sinnvollen Abgrenzungsverknüpfung wegen unter Zusammenschau beider Delikte. Eine Ge15 Die PKS, Berichtsjahr 2012, S. 18, weist Diebstahl und Betrug als die am häufigsten begangenen Straftaten aus. 16 Hassemer/Kargl, in: Nomos Kommentar, § 1 Rn. 104; Otto, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, § 2 Rn. 38 ff.; von Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, S. 206 f.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 16. 17 Eine kurze Andeutung dieses Aspekts gibt Gribbohm, NJW 1967, 1897; abweichende Ansatzpunkte dagegen insbesondere bei Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 33 ff., der eine Abgrenzung anhand der Rechtsgüter vornimmt; Fey, Die Vermögensdelikte, S. 24 grenzt anhand der Angriffsmittel ab; Habel, Das Verhältnis des Betrugs zu Diebstahl und Unterschlagung, S. 23 ff. bestimmt die Abgrenzung nach den wesensmäßigen Willensrichtungen der Opfer; Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 11 ff. richtet die Abgrenzung an dem Wesen des Betrugs aus, das er von dem Willen des Gesetzgebers ableitet; eine Abgrenzung unter Prüfung der Täuschungsvoraussetzungen nimmt Herberger, Die Abgrenzung, S. 3 vor; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 11 ff., S. 23 ff. ermittelt durch Auslegung der Tatbestandsmerkmale zunächst die Wesen der Delikte, aus denen er später seine Thesen entwickelt; Lietzmann, Das Verhältnis des Betruges zu den Aneignungsdelikten der §§ 242, 246, S. 1 ff. grenzt einseitig anhand der Auslegung des Betrugstatbestands ab; G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Getäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 73 f. grenzt anhand der Wesensunterschiede ab; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 18 f. unterscheidet anhand des Unrechtsgehalts; Nebelung, Das Zusammentreffen, S. 30 ff. arbeitet bisher genannte Literaturstimmen auf; Weingart, Die Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 1 nimmt eine Abgrenzung unter dem Maßstab der Wesensunterschiede vor.
B. Gang der Untersuchung
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setzesauslegung, die nach der grundsätzlichen juristischen Arbeitstechnik an erster Stelle beim Auffinden von Lösungen steht, wird indessen ignoriert. Diesen Gedanken nimmt die Arbeit nun auf. Ausgehend von der Hypothese einer systemimmanenten Abgrenzungsmöglichkeit untersucht diese Arbeit deshalb, ob der Zwist, den man traditionell außerhalb des Gesetzes führt, in den Bereich des Normativierten verlagert werden kann. Bislang blieb diese Methode der Abgrenzung unangetastet. Unterstellt man die Perspektive einer gesetzlichen Abgrenzbarkeit, sind die beiden gegenüberliegenden Tatbestände Trickdiebstahl und Betrug lege artis umfassend auszulegen. Im Rahmen dieser eigenen Auslegung des Gesetzes sind die Reichweiten der einzelnen Tatbestandsmerkmale zu würdigen. Dabei werden zwar die Grunddefinitionen wie die der Wegnahme, der Täuschung und des Irrtums zugrunde gelegt. Sie sind jahrhundertelang geprägt worden und als solche unverrückbar. Gleichwohl sind nicht alle Konkretisierungen, die diese Elemente durch Lehre und Rechtsprechung erfahren haben, ohne Weiteres zu akzeptieren. Insbesondere müssen – unter Befolgung eines strengen Auslegungsmaßstabs – einzelne Lehren zurückgewiesen werden. Aufgrund einer restriktiven Gesetzesinterpretation sind vor allem die Anforderungen an die konkludente Täuschung und an den Inhalt bzw. die Intensität des Irrtums neu zu regulieren. Im Anschluss an die eigene Auslegung des Gesetzes ist zu beleuchten, ob diese durch Auslegung ermittelten Grundsätze eine saubere Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug ermöglichen. Lässt diese fundierte Analyse der Tatbestandsmerkmale eine präzise Differenzierung zwischen Trickdiebstahl und Betrug erkennen, ist eine Abgrenzungsmöglichkeit anhand des Gesetzes nachgewiesen. Angesichts der Überschneidungsfreiheit könnte diese gesetzliche Abgrenzungslösung den Weg für eine praktisch vereinfachte und sichere Unterscheidung zwischen Trickdiebstahl und Betrug freimachen, um letztlich die Abgrenzungsproblematik zu entschärfen. Die Bereinigung kollisionskritischen Fallmaterials auf ein Minimum an Problemkreisen, das Präsentieren einer strafrechtlich dogmatisch überzeugenden Abgrenzungslösung und die Beseitigung unnötiger Unsicherheiten sind die Aufgaben der vorliegenden Arbeit.
B. Gang der Untersuchung Der Abgrenzungsstreit zwischen Trickdiebstahl und Betrug gehört zwar zum Standardrepertoire der besonderen Delikte gegen Vermögenswerte. Trotzdem muss gefragt werden, ob er für die Praxis mit Blick auf die identischen Straffolgen beider Tatbestände überhaupt notwendig ist. Auf der Suche nach einem durchschlagenden Abgrenzungskonzept wird deshalb im ersten Kapitel dargelegt, dass eine Abgrenzung unverzichtbar ist. Innerhalb dieses Kapitels sind in einem
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Einleitung
ersten Schritt die Wesen der Delikte zu ergründen. Die Erörterungen werden zunächst auf dogmatische Erwägungen gestützt, die sich mit dem Schutzzweck und dem Unrechtsgehalt beider Delikte befassen. Aber auch praktische Aspekte aus Opfer- und Täterperspektive weisen die Notwendigkeit der Abgrenzung nach. Die bereits im ersten Kapitel herausgearbeiteten Wesensunterschiede zeigen nicht nur das tatbestandliche Ausschlussverhältnis, sondern sind während der gesamten Untersuchung immer wieder von Bedeutung, dienen sie doch der Überprüfung von Abgrenzungsergebnissen. Ziel der Untersuchung ist es, eine sinnvolle Abgrenzungslösung herauszuarbeiten. Dazu werden alle in Betracht kommenden Abgrenzungsvarianten durchgespielt und anhand von Fällen begreifbar gemacht. Eine Lösung des Streits ist insbesondere im Bereich des Tatbestands anzustreben. Dreh- und Angelpunkt ist die Erörterung, ob die unausweichliche Exklusivität beider Tatbestände – wie von der herrschenden Ansicht vertreten – künstlich durch das Heranziehen ungeschriebener Abgrenzungskriterien für den Fall der Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug überhaupt (verfassungsrechtlich) zulässig ist oder ob sich der Ausschluss des einen gegenüber dem anderen Delikt nicht schon aufgrund der Zugrundelegung der Gesetzesfassung durch Auslegung ergibt. Konkret in dieser Arbeit ist für eine Abgrenzungslösung im Einklang mit den methodologischen Grundtechniken a priori das Gesetz selbst zu bemühen. Die anstehende Prüfung im zweiten Kapitel erfolgt deshalb anhand der Behandlung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des jeweiligen Delikts. Maßgeblich ist eine getrennte Behandlung der objektiven Tatbestandsvoraussetzungen. Der wahre Gesetzessinn einer Norm kann nicht unter dem Einfluss einer anderen Regelung sinnvoll erforscht werden. Nur durch eine von anderen Zwecken bereinigte Besinnung auf das jeweilige Gesetz besteht die Möglichkeit, den originären Gesetzesinhalt zum Ausdruck zu bringen. Eine kriminalpolitisch motivierte Auslegung, die von der Reichweite kollidierender Normen abhängig wäre, würde möglicherweise zu falschen Korrekturen am zu analysierenden Tatbestand führen.18 Daher ist der Inhalt einer Norm im Lichte regelungsautonomer Erforschung ihrer selbst herauszustellen. Die Elemente des Täterverhaltens beider Delikte sind insbesondere deshalb umfassend zu prüfen, da sie erheblichen Einfluss auf die weitere Abgrenzungsprüfung ausüben. Einzugehen ist namentlich auf den Gewahrsamsbegriff als wesentlicher Bestandteil der Wegnahmehandlung des Diebs. Denn der Wille des Gewahrsamsberechtigten, der sich als der alles entscheidende Maßstab für die 18 Zu den Auswirkungen einer auf Abgrenzung ausgerichteten Auslegung Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 92 f.; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 45, 65; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 42; in der Folge auch Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 7 Rn. 64; entgegen der Ansicht von RG, HRR 1934, Nr. 1259; BGHSt 17, 205 (209); Fey, Die Vermögensdelikte, S. 46; Rengier, JuS 1981, 654; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (45).
B. Gang der Untersuchung
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Abgrenzung herausstellen wird, ist genau in dem Moment des Gewahrsamsverlusts zu analysieren. Schließlich sind die Voraussetzungen an die Wegnahme zu erörtern. Dabei wird die Bestimmung des Gewahrsamswechsels durch die herrschende Ansicht der in dieser Arbeit durch eigene Auslegung des Gesetzes ermittelten Wegnahmedefinition gegenübergestellt. Von Bedeutung innerhalb des Täterverhaltens des Betrugs ist die exakte Feststellung der Reichweiten von Täuschung und Irrtum. Im Rahmen dieser Topoi werden jeweils die weiten Interpretationen der herrschenden Ansicht der engen Konkretisierung durch eigene Auslegung des Gesetzes gegenübergestellt. Bezüglich der Täuschung wird maßgeblich auf die Täuschungsformen, insbesondere die der Konkludenz eingegangen. Auf Irrtumsebene werden die von der herrschenden Ansicht eingesetzten Figuren der Vorstellung, dass „alles in Ordnung sei“ und des sachgedanklichen Mitbewusstseins beleuchtet. Anschließend ist anhand der konkreten Fallprüfung in den Varianten der Warenentwendung zu prüfen, ob unter Zugrundelegung einer restriktiven Auslegung beider Elemente nicht bereits ein großer Teil der von der herrschenden Ansicht als abgrenzungserheblich behandelten Fälle ausgeschieden werden muss. Am Ende der Untersuchung der Täterverhaltensweisen sind schließlich die Konsequenzen für eine eigene Abgrenzungslösung als Ziel der Untersuchung zusammenzufassen. Bieten die Täterverhaltensformen keine eindeutige Unterscheidungsmöglichkeit, ist diese in dem nächsten Schritt im jeweiligen Opferverhalten zu suchen. Wenngleich ebensolche zwar in den Tatbeständen keinen ausdrücklichen Niederschlag gefunden haben, sind sie doch gegebenenfalls durch Auslegung unter Zugrundelegung der Wesensmerkmale der Delikte ermittelbar. Daher analysiert die Arbeit die jeweiligen Opferverhaltensweisen in objektiver und subjektiver Hinsicht und deren jeweilige Verknüpfung zueinander. Dabei ist im Rahmen des Opferverhaltens beider Tatbestände zunächst zu untersuchen, welche Voraussetzungen möglicherweise an ein Opferverhalten in objektiver Hinsicht gestellt werden. In Betracht zu ziehen ist zudem eine Eingrenzung des Trickdiebstahls bzw. des Betrugs aufgrund subjektiver Opfervorstellungen. Hier ist die dazu gebildete herrschende Ansicht in der Rechtsprechung und Literatur dem durch eigene Auslegung des Gesetzes ermittelten Ergebnis gegenüberzustellen. Ebenso ist hinsichtlich der Bezugspunkte auf den jeweiligen Opferwillen zu verfahren. Denn auch hier können sich Abweichungen zwischen der herrschenden Ansicht und der durch Auslegung ermittelten Grundsätze ergeben. Zuletzt ist danach zu fragen, ob sich im Hinblick auf die festgestellten Opferwillen Rückschlüsse auf das äußerlich sichtbare Verhalten derselben schließen lassen, um so eine weitere Konkretisierung beider Tatbestände zu erreichen, die für eine Abgrenzungslösung nutzbar gemacht werden kann. Die durch Auslegung gewonnenen Erkenntnisse über die Täter- bzw. Opferverhaltensweisen werden nach einem zusammenführenden Vergleich zwischen Trickdiebstahl und Betrug, in dem die Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei-
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Einleitung
der Delikte gewürdigt werden, in einem strukturierten Abgrenzungskonzept als eigene Abgrenzungslösung nutzbar gemacht. Diese bezeichnet die Arbeit entsprechend ihrer chronologischen Prüfungsreihenfolge als Zwei-Stufen-Prüfung. Ausgehend von den gefundenen Ergebnissen ist festzustellen, ob eine Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug bereits in der zugrunde gelegten Gesetzesfassung einwandfrei möglich ist oder ob sich Überschneidungen ergeben. Kann eine gesetzliche Gegensätzlichkeit beider Delikte durch Auslegung nachgewiesen werden, ergibt sich keine Lücke im Gesetz.19 Eine Abgrenzung rein unter Anwendung des Gesetzes wäre damit erwiesen. Nun sind die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die bisherigen Abgrenzungsversuche zu ziehen. Dieser Aufgabe widmet sich das dritte Kapitel. Zwar dürfen die ungeschriebenen Abgrenzungskriterien Verfügungsbewusstsein, Unmittelbarkeit und Freiwilligkeit, die im dritten Kapitel behandelt werden, nicht von vornherein als unbedeutend abgestempelt werden. Schließlich könnten sie als weitere Hilfestellung im Rahmen der Abgrenzung positiven Einfluss leisten. Würden sie sich als Wiederholung bzw. sinnvolle Ergänzung dessen erweisen, was die vorausgesetzt hinreichend bestimmten abzugrenzenden Normen positivrechtlich vorgeben, wäre der verfassungsrechtlich sensible Bereich wegen des Gleichklangs mit dem Wortlaut noch nicht tangiert.20 Gleichwohl ist die Anreicherung eines Straftatbestands mit derlei fixen, aber ungeschriebenen Größen nur um der Abgrenzung willen einzigartig im deutschen Strafrecht. Für kein anderes Deliktspaar wird mit solcher Vehemenz eine außertatbestandliche Abgrenzung vertreten wie zwischen Trickdiebstahl und Betrug. Als solche ist sie nur durch eine stringente Begründung gerechtfertigt. Ob der Nachweis der Stichhaltigkeit des außertatbestandlichen Abgrenzungsgerüsts auch nach der gesetzestreuen Auslegung beider Tatbestände noch gelingt, ist jedenfalls höchst zweifelhaft. Die jeweiligen Instrumente müssten sämtlichen verfassungsrechtlichen sowie dogmatischen Einwänden standhalten können und in der Praxis tauglich sein. Daher müssen sie im Hinblick auf ihre Konformität mit den durch eigene Auslegung des Gesetzes ergründeten Prämissen anhand von Fällen nochmals umfassend überprüft werden. Bei dieser Überprüfung werden insbesondere die Falllösungen nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur denen unter Anwendung der Zwei-Stufen-Prüfung gegenübergestellt, um Abweichungen aufzudecken. Diese vergleichende Methode dient auch der Authentifizierung des in dieser Arbeit durch Gesetzesauslegung erarbeiteten Abgrenzungskonzepts. Innerhalb dieser Untersuchung werden die eingangs erwähnten Fallgruppen herangezogen, um die Stichhaltigkeit des jeweils für sie entwickelten Abgrenzungskriteriums zu reflektieren. Gelangt man zu dem Ergebnis einer Abweichung gegenüber den durch die natürlichen Auslegungsmethoden er19 20
Zum Begriff „Gesetzeslücke“ Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 191 ff. Vgl. Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 4.
C. Die historische Entwicklung
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schöpften Differenzierungsmaßstäben, sind die auf diese außergesetzliche Weise gefundenen Abgrenzungskriterien wegen des Verstoßes gegen den aus Art. 103 Abs. 2 GG abzuleitenden strengen Gesetzesvorbehalt und nicht zuletzt wegen des Widersetzens gegen das Gewaltenteilungsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG verfassungswidrig.21 Das vierte und letzte Kapitel ist der Behandlung von Mindermeinungen bezüglich einer Abgrenzung vorbehalten. Fraglich ist, ob darunter erfolgsversprechende Abgrenzungsalternativen zu finden sind. Insbesondere ist jenen Mindermeinungen Beachtung zu schenken, die eine sichere Handhabung der Differenzierung nur im äußeren Erscheinungsbild der Verhaltensweisen erblicken bzw. die Folgen der Sachverschiebung als maßgebliche Abgrenzungskriterien bewerten. Manche dieser letzten Mindermeinungen sind bereits zu Beginn der Suche nach der korrekten Abgrenzungstechnik aufgetaucht und werden heutzutage teilweise reformuliert. Die Renaissance überkommener Abgrenzungstheorien attestiert die Aktualität der Kontroverse und die Notwendigkeit einer überzeugenden Konfliktlösung.
C. Die historische Entwicklung des Verhältnisses zwischen Diebstahl und Betrug Der nun schon jahrhundertelang währende Zwist über eine sachgerechte Lösung in Judikatur und Literatur, der bis heute nicht beigelegt werden konnte, ist in der Historie des Verhältnisses von Diebstahl und Betrug begründet. Aus geschichtlicher Sicht ist eine Abgrenzung nicht selbstverständlich. Weder das römische Recht noch das deutsche Recht des Mittelalters kannten eine Trennung beider Delikte. Sie verschmolzen jeweils unter der Formulierung in Sammeltatbestände.22 Ab Ende des 18. Jahrhunderts normierten zwar einige Rechtsordnungen23 eigenständige Betrugstatbestände, die allerdings als abstrakte Delikte, die 21 Vgl. BGH, NJW 1995, 2776 (2777); Hassemer/Kargl, in: Nomos Kommentar, § 1 Rn. 109b; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 246 f.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 42, 50, 53 f., 67. 22 Zu den geschichtlichen Hintergründen Bittner, Der Gewahrsamsbegriff, S. 36; Cucumus, Über das Verbrechen des Betrugs, S. 47, 122 f.; Goltdammer, Die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die preußischen Staaten Theil II, §§ 241, 242 S. 535 f.; Gryziecki, Studien über den strafbaren Betrug, S. 3 f.; Jansen, Der Diebstahl, S. 1; Köstlin, Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 125 f.; siehe auch Maurach, Deutsches Strafrecht Besonderer Teil, § 38 I B; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 41 I Rn. 3; Meyer/Allfeld, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 540 Fn. 4; Rein, Das Criminalrecht der Römer, S. 295; Sauer, System des Strafrechts, S. 26; Thomsen, Das Deutsche Strafrecht Besonderer Teil, S. 368; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, Vor § 263 Rn. 13 f. 23 Siehe hierzu die Betrugstatbestände der Art. 256 ff. und Art. 387 ff. des Strafgesetzbuchs für das Königreich Baiern von 1813 und die Betrugsvoraussetzungen des schwammigen § 1256 in Theil II, 20. Titel des PrALR von 1794.
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Einleitung
die Wahrheit im Allgemeinen schützten, begriffen wurden.24 Im Zuge des Wandels von der Bodenbewirtschaftung hin zum modernen Wirtschaftsverkehr in der Mitte des 19. Jahrhunderts sah man sich angesichts der mannigfaltigen Verbrechensmuster gezwungen, genauer an der Fassung eines Vertrauensbruchstatbestands in Abgrenzung zu physischen Übergriffen zu arbeiten, um den Erhalt der geschaffenen Vermögensmassen effektiver schützen zu können.25 Mit der gesellschaftlichen Umstrukturierung und den veränderten Lebensweisen erweiterte sich auch der Erfindungsreichtum der Delinquenten, die auf einen wachsenden Nährboden für listige Machenschaften trafen. Es war damit an der Zeit, den Betrug als eine Verbindung zwischen Täuschung und Vermögensschaden einer Person normativ darzustellen.26 Der Grundstein für eine Abgrenzungsmöglichkeit wurde in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Einführung des Preußischen StGB gelegt. Erst in dieser Zeit gelang es dem deutschen Gesetzgeber durch Normierung eines eigenständigen vermögensrechtlichen Betrugstatbestands (§ 241 PrStGB)27, sich von dem klassischen Bild der Vereinigung der Eigentums- und Vermögensdelikte zu lösen. Bis zur heutigen Abgrenzungssituation war es allerdings noch ein weiter Weg. Das spiegeln die Wirren der Rechtsprechung und Literatur um die Jahrhundertwende wider. In dieser Zeit war man sich der Abgrenzungsproblematik, insbesondere der Wesensunterschiede beider Delikte noch nicht bewusst.28 Einen Beleg dafür liefern einige Fallkonstellationen, die aus heutiger Sicht unter dem Aspekt der Auseinandersetzung beider Tatbestände diskutiert werden müssten.29 Zudem
24 So die begriffliche Umschreibung des Betrugs bei Abegg, Lehrbuch, S. 289 ff.; Cucumus, Das Verbrechen des Betrugs, S. 70; ebenso von Feuerbach, Lehrbuch, S. 647 ff. 25 Dazu Jacobi, Die mittelbare Täterschaft als konstitutives Tatbestandselement bei den Vermögensbeschädigungsdelikten, S. 3; Nitschke, Die Systematik der Vermögensdelikte, S. 45 ff.; zu den historischen Hintergründen der Schaffung eines Betrugstatbestands ferner Wolf, Der Betrug, S. 32 ff. 26 In diesem Sinne Beseler, Kommentar über das Strafgesetzbuch für die preußischen Staaten, § 241 S. 457 f.; Escher, Die Lehre von dem strafbaren Betruge, S. 55 f., 97 ff.; Hälschner, Das preußische Strafrecht Teil 3, S. 348 ff.; Köstlin, Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 124; Temme, Die Lehre vom strafbaren Betruge nach preußischem Rechte, S. 30. 27 Zu der geschichtlichen Entwicklung des Betrugstatbestands eingehend Kempermann, ZStW 57 (1938), 126 ff.; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 1 ff. 28 Vgl. von Liszt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 452: „Der Täuschende ist es ja, der selbst das Vermögen des Getäuschten beschädigt.“; fortschrittlich hingegen Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts, Besonderer Teil, Band 1, S. 344, 352 Fn. 2, der zwar von einer Selbstschädigung als Charakteristikum des Betrugs spricht, sie aber nicht den fremdschädigenden Zueignungsdelikten gegenüberstellt; und Rommel, Der Betrug, S. 161, der das Verhältnis beider Delikte zueinander zwar nicht ausdrücklich als Exklusivität bezeichnet, eine Idealkonkurrenz aber im Hinblick auf das Bestehen oder Nichtbestehen des Willens bei Betrug bzw. Diebstahl des Berechtigten verneint.
C. Die historische Entwicklung
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verrät eine Sichtung der Kommentare der damaligen Zeit eine Abgrenzung des Betrugs hauptsächlich gegenüber den Münzdelikten (§§ 146 ff. RStGB) und der Unterschlagung (§ 246 RStGB).30 Den Diebstahl grenzte man vor allem gegenüber den Feld- und Forstdiebstahlsgesetzen und dem Mundraub nach § 370 Nr. 2, 5 RStGB ab.31 Das Verhältnis zwischen Diebstahl und Betrug zeichnete sich seinerzeit in der Praxis immer noch durch schwankende Anschauungen aus. Im Zweifel war man geneigt, den Betrugstatbestand weit auszulegen.32 Insbesondere wurde lange Zeit nicht erkannt, dass weder das Merkmal der Täuschung33 noch die subjektive Tatbestandsseite34 der Vermögensbeschädigung ausschließlich dem Betrugstatbestand zugeordnet sind. Immerhin tauchte der von Merkel35 und Köstlin36 wegweisend entwickelte Begriff der Vermögensverfügung, an dem sich der Abgrenzungsstreit entzündete, erstmals im Jahr 1858 auf. Damit war der erste Schritt zu einer Abgrenzung getan. Zunächst musste er von der Strafrechtswissenschaft angenommen und weiterentwickelt werden. Erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts hatte sich der Begriff der Vermögensverfügung verfestigt.37 29 OTSt 11, 387; PrOT, GA 19 (1871), 461; PrOT, GA 19 (1871), 613; RGSt 1, 289; RGSt 15, 426; RMG 18 (1914), 231; RG, JW 1919, 321; RGSt 71, 50; BayObLGSt 16, 119; zumindest in RGSt 55, 59 (60) wird auf die Betrugsmöglichkeit hingewiesen. 30 Namentlich Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1. und 2. Aufl., § 263 S. 323 f. bzw. S. 348 f.; Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 2. Band, § 263 Nr. 55; fortschrittlich aber Temme, Die Lehre vom strafbaren Betruge nach preußischem Rechte, S. 146. 31 Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1. und 2. Aufl., § 242 S. 283 bzw. S. 306; Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 2. Band, § 242 Nr. 36. 32 Vgl. Hälschner, Das preußische Strafrecht Teil 3, S. 373 Fn. 2. 33 Vgl. Harburger, in: Vergleichende Darstellung, Besonderer Teil VI, S. 183 (207 f.); von Liszt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 452; Thomsen, Das Deutsche Strafrecht Besonderer Teil, S. 407; widersprechend Cucumus, Über das Verbrechen des Betrugs, S. 46 ff. 34 Goltdammer, Die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die preußischen Staaten Theil II, § 215 S. 465 f. nahm im Anschluss an von Savigny Betrug bei bloßer Schädigungsabsicht an, während den Diebstahl eine Gewinnsucht kennzeichnete. 35 Kriminalistische Abhandlungen II/1, S. 195 ff.; später auch ders., in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 750 (755 ff.). 36 Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 149 ff., der beklagt, dass „dieses höchst wesentliche Erforderniß gewöhnlich ignoriert oder nur höchst indirekt erwähnt wird“. 37 RGSt 47, 151 (152 f.); RGSt 64, 226 (228); Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1. Aufl., § 263 S. 319; Habel, Das Verhältnis des Betrugs zu Diebstahl und Unterschlagung, S. 10; Hälschner, Das preußische Strafrecht Teil 3, S. 371; Hegler, in: Vergleichende Darstellung, Besonderer Teil VII, S. 405 (424); Meyer/Allfeld, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 543; Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 2. Band, § 263 Nr. 26; Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, ab der 10. Aufl., § 263 Anm. 33; von Schwarze, Commentar zum Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich, § 263 S. 774 f.; rein begrifflich anders Lucas, Anleitung zur strafrechtlichen Praxis, Zweiter Teil, S. 333, 335 f., der zwar die Notwen-
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Einleitung
Bemerkenswert ist, dass zeitgleich mit der Einführung des Begriffs der Vermögensverfügung im Sinne des Betrugstatbestands die heute herrschenden Abgrenzungskriterien des Verfügungsbewusstseins38, der Freiwilligkeit39 und Unmittelbarkeit40 bereits umschrieben wurden. Allerdings wurde zunächst nur letztgenanntes Moment als Abgrenzungskriterium herangezogen, vor allem im Rahmen der als Erstes erkannten Abgrenzungssituation, der Ermöglichungskonstellation.41 Anfang des 20. Jahrhunderts waren nur vereinzelt Fälle bekannt, in denen man sich mit einer Kollision zwischen Trickdiebstahl und Betrug befassen musste. Neben den Ermöglichungskonstellationen trat eine weitere Form abgrenzungsproblematischer Fälle in Erscheinung: die Beschlagnahmefälle. Diese und andere als Kollisionsfälle wahrgenommenen Konstellationen meinte die Rechtsprechung des Reichsgerichts allein anhand des äußeren Erscheinungsbildes durch Unterscheidung zwischen „Geben“ und „Nehmen“ eindeutig lösen zu können.42 Erst Mitte des 20. Jahrhunderts rückte die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug in den Vordergrund innerhalb der Prüfung der Tatbestandsmerkmale. In der Literatur fungierte der aufschlussreiche Beitrag von Schröder43 als Vorbild für viele darauffolgende Stellungnahmen44 zu der Abgrenzungsproblematik. Er stellte die Wesensunterschiede zwischen Diebstahl und Betrug in den Vordergrund und schuf damit die Grundlage einer weiteren Abgrenzung, die sich nunmehr maßgeblich an der inneren Willenseinstellung45 des Getäuschten bemisst.
digkeit einer Vermögensdisposition verneint, aber im Sinne der herrschenden Lehre verlangt, dass ein Vermögensnachteil einem unmittelbar irrtumsbedingten Verhalten des Opfers entspringen muss. Widersprüchlich ist insofern auch die spätere Verwendung des Ausdrucks auf S. 340. 38 A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 750 (777 Fn. 10); ders., Kriminalistische Abhandlungen II/1, S. 198 f. 39 A. Merkel, Kriminalistische Abhandlungen, II/1, S. 195. 40 A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 750 (763); ders., Kriminalistische Abhandlungen, II/1, S. 195. 41 Über das Bestehen eines Verfügungsbewusstseins wird zwar diskutiert – siehe Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl., § 263 S. 587; Lucas, Anleitung zur strafrechtlichen Praxis, Zweiter Teil, S. 335 Fn. 3; A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 750 (777 Fn. 10) –, jedoch nicht in der Funktion als maßgebliches Abgrenzungsmoment, die es nach heutiger Sicht einnimmt. 42 RG, LZ 1920, 717; RG, LZ 1922, 265; RG, LZ 1924, 299. 43 ZStW 60 (1941), 33 ff.; vor ihm stellten fortschrittlich schon Jacobi, Die mittelbare Täterschaft als konstitutives Tatbestandselement bei den Vermögensbeschädigungsdelikten, S. 48, und Lietzmann, Das Verhältnis des Betruges zu den Aneignungsdelikten der §§ 242, 246, S. 21, 24 f., auf innere Maßstäbe als Unterscheidungskriterien ab, begründeten diese allerdings nicht zufriedenstellend. 44 Zum Beispiel Geppert, JuS 1977, 69; Otto, ZStW 79 (1967), 59. 45 Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (43).
C. Die historische Entwicklung
35
Parallel zur Literatur vollzog sich auch in der Rechtsprechung ein Wandel von äußeren Abgrenzungsmaßstäben hin zu vornehmlich inneren Differenzierungsfaktoren.46 Unter Anstoß vereinzelter Lehrmeinungen hielt nunmehr auch der Bundesgerichtshof für eine Differenzierung im Sinne der Entweder-oder-Lösung zunächst eine objektiv-subjektive Betrachtungsweise für richtig. In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs lässt sich erstmals 1962 von dem Ausschluss beider Tatbestände lesen.47 Insbesondere wurde mit dem Aufkommen von Selbstbedienungsläden in der Nachkriegszeit die Diskussion um ein Verfügungsbewusstsein angeheizt. Erst jetzt sah der Bundesgerichtshof die Lösung der Beschlagnahmefälle 48 im Element der innerlichen Freiwilligkeit. Unter dem Schlagwort „Trickdiebstahl“ verstand man nunmehr alle Fälle in Zweipersonenverhältnissen, in denen wegen listiger Sachverschaffung eine Abgrenzung gegenüber dem Betrug notwendig war. Nach derzeitigem Streitstand ist in Rechtsprechung und Literatur überwiegend die subjektive innere Willenseinstellung des Opfers für ein Auseinanderhalten beider Delikte entscheidend.49 Positiv willentliches Handeln des Opfers weist auf eine betrugsrechtliche Vermögensverfügung hin. Diesem steht die tatbestandsmäßige Handlung des Diebstahls, die Wegnahme, gegenüber, bei der der Täter gegen oder ohne den Willen des Opfers gehandelt haben muss. Im Laufe der Zeit haben sich als Indikatoren für eine willensgetragene Vermögensverfügung je nach Fallgestaltung die ursprünglich von Merkel entwickelten Charakteristika des Betrugs als ungeschriebene Abgrenzungsmechanismen herauskristallisiert. Diese in Rechtsprechung und Literatur auftauchenden Abgrenzungsparameter Verfügungsbewusstsein, Unmittelbarkeit und Freiwilligkeit, die je nach Fallgestaltung als Schlüssel zur Lösung angesehen werden, sind in der Arbeit einer umfassenden Prüfung zu unterziehen. Dabei werden Schwachstellen deutlich. Insbesondere sind die Einwände verfassungsrechtlicher, dogmatischer und praktischer Natur. 46 Zumindest für die Beschlagnahmefälle schwenkte auch der BGH nunmehr um, vgl. einerseits RG, LZ 1920, 717; RG, LZ 1922, 265 (Ausnahme: RG, JW 1922, 294) und andererseits RG, HRR 1934, Nr. 1259; BGH, NJW 1953, 73 (74); BGH, NJW 1953, 752 (753); ebenso die unteren Gerichte: OLG Braunschweig, HESt 2, 29 (30 f.); OLG Hamm, JMBl. NRW 1950, 48 (49); OLG Nürnberg, SJZ 1950, 136; dazu auch OLG Köln, MDR 1966, 253 (254 f.). 47 BGHSt 17, 205 (209). 48 Grundlegend BGHZ 5, 365 (368 ff.); BGH, NJW 1952, 796; BGH, NJW 1953, 73 (74); ebenso OLG Hamburg, HESt 2, 19 (20). 49 BayObLGSt 1988, 5 (7); OLG Düsseldorf, NJW 1990, 923; Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 18; Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 56; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 47, 577; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 1 Rn. 67, erachten die „innere Willensrichtung“ zumindest neben dem „äußeren Tatbild“ für „maßgeblich“; Schlehofer, Einwilligung und Einverständnis, S. 52; Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 119.
36
Einleitung
Doch bevor nach der richtigen Abgrenzungsmethode gesucht wird, muss geklärt werden, ob die Auswirkungen der Abgrenzung in dogmatischer und praktischer Hinsicht überhaupt erheblich genug sind, um darüber umfassend diskutieren zu müssen, oder ob der Streit nicht offenbleiben kann.
Kapitel 1
Abgrenzungsnotwendigkeit Auf den ersten Blick erscheinen Trickdiebstahl und Betrug durch die gemeinsamen Elemente der durch listiges Verhalten bewirkten Vermögensverschiebung als Delikte mit ausgeprägter Ähnlichkeit. Denn sowohl für den Trickdiebstahl als auch den Betrug sind eine Täuschung, ein darauf beruhender Irrtum sowie eine Sachverschiebung im Sinne des Übergehens der tatsächlichen Sachherrschaft kennzeichnend. Die äußerliche Gleichartigkeit der abzugrenzenden Tatbestände ist zum einen historisch veranlagt. So entspringen Diebstahl wie auch Betrug dem gleichen Sammeltatbestand des römisch-rechtlichen „Furtums“.50 Außerdem wurde betrügerisches Verhalten bis ins Mittelalter hinein nur in der kasuistischen Ausprägung besonderer Straftatbestände geahndet.51 Dabei kam es regelmäßig zu Überschneidungen mit den Eigentumsdelikten.52 Zum anderen aber zeigen sich auch heute noch gesetzliche Gemeinsamkeiten, die einen engen Verwandtschaftsgrad vermuten lassen. Dafür sprechen drei Aspekte: Erstens fällt allgemein die beidseitige Ausgestaltung zumindest der Grundtatbestände als Vergehen (§ 12 Abs. 2 StGB) auf. Zweitens sind sie mit einer identischen Strafandrohung von einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe ausgestattet. Drittens ist der Grund einer verwandtschaftlichen Verbindung in den jeweils ähnlichen Ursachen für eine Straferhöhung zu finden. Als Regelbeispiel wird in beiden Tatbeständen eine gewerbsmäßige Rechtsgutsverletzung genannt (§ 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StGB bzw. § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB). Mit der gleichen Strafandrohung von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft der Gesetzgeber außerdem die Begehung des Diebstahls und Betrugs als Bande (§ 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB und § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StGB). Auch der Verweis des § 263 Abs. 4 StGB auf die dort angeordneten, entsprechend für den Diebstahl geltenden Regelungen sind Zeugnis für die Gleichartigkeit. Früher lie50 Köstlin, Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 125 f.; Sauer, System des Strafrechts, S. 26; von Wächter, Deutsches Strafrecht, S. 411. 51 Ausführlich Jacobi, Die mittelbare Täterschaft als konstitutives Tatbestandselement bei den Vermögensbeschädigungsdelikten, S. 24 ff.; Kempermann, ZStW 57 (1938), 126 (127 ff.). 52 Nach Jacobi, Die mittelbare Täterschaft als konstitutives Tatbestandselement bei den Vermögensbeschädigungsdelikten, S. 30 trat zumindest eine Überschneidung mit der Unterschlagung ein.
38
Kap. 1: Abgrenzungsnotwendigkeit
ßen auch die Regelungen über die Rückfallverschärfung (§§ 244, 245 StGB a. F. und § 264 StGB a. F. bzw. zuletzt bis 1986 der § 48 StGB a. F.53)54 auf ein verwandtschaftliches Verhältnis beider Vergehensarten schließen. Ferner ist eine tatbestandliche Überschneidungsfreiheit gesetzlich nicht vorgeschrieben. Im Gegenteil: Das StGB hält eine simultane Rechtsverletzung durch ein und denselben deliktischen Akt in § 52 StGB für möglich. Manche Tatbestände erkennen sogar ausdrücklich die tatbestandliche Einheit mit einem anderen Delikt an (z. B. § 253 StGB mit § 240 StGB oder § 292 Abs. 1 Nr. 2 StGB mit § 246 StGB bzw. § 303 StGB).55 Trotz dieser Gemeinsamkeiten besteht Anlass für eine strikte Differenzierung, wie die folgenden dogmatischen Erwägungen und praktischen Gründe zugunsten des Opfers wie auch des Täters zeigen werden.
A. Dogmatische Erwägungen Eine Abgrenzungsnotwendigkeit könnte sich allein schon aufgrund der Wesensunterschiede beider Delikte ergeben. Denn wenn die Charaktere der Delikte grundverschieden sind, ist eine Auseinanderhaltung zwingend. Grundsätzlich gegensätzliche Delikte nicht zu unterscheiden widerspräche dem allgemeinen Rechtsempfinden. Die Rechtfertigung der Abgrenzung setzt daher voraus, mehr über das Wesen der Delikte zu erfahren. Erst wenn ein klar umrissenes Bild von den Tatbeständen möglich ist, kann man zu einer Entscheidung über das Ob der Abgrenzung gelangen. Das Wesen eines Straftatbestands wird aus mehreren Komponenten geformt, die zusammengesetzt das „Leitbild“56 des Straftatbestands ergeben. Eine dieser Komponenten ist das Rechtsgut. Durch die Schutzbereichsbestimmung wird ein Teil des Wesenscharakters eines Tatbestands abgedeckt. Das allein genügt noch nicht, um in den hier gegebenen Kollisionsfällen eine Trennlinie zu ziehen. Hinzutreten müssen vielmehr Umstände sowohl auf Seiten des Opfers als auch Täters, um eine Charakterisierung des Unrechtsgehalts zu ermöglichen. Dazu zählen die Untersuchung der Absichten des Täters, der Angriffsqualität seines Verhaltens sowie der Ausgestaltung der Verknüpfung zwischen den beiden Posten.57
53 Aufhebung durch das 23. StrÄndG (Strafaussetzung zur Bewährung) vom 13.4. 1986 (BGBl. I 1986, S. 393). 54 Vogel, in: Leipziger Kommentar, Vor §§ 242 ff. Rn. 43. 55 Siehe auch Maiwald, ZStW 91 (1979), 923 (930). 56 Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 11. 57 Vgl. Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 38 ff.; Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 48 f.
A. Dogmatische Erwägungen
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I. Überschneidungen im Bereich der Rechtsgüter Um auf das Deliktswesen eines Tatbestands eingehen zu können, ist die Bestimmung des Rechtsguts von entscheidender Bedeutung. Das Rechtsgut trägt maßgeblich zur Charakterisierung eines Strafgesetzes bei.58 Eine Position wird nämlich nur deshalb in einen Straftatbestand aufgenommen, weil die Allgemeinheit an ihr ein besonderes Interesse hegt. Rein formell werden Diebstahl und Betrug als Vermögens(entziehungs)delikte bezeichnet.59 Während der Diebstahl ein Eigentumsdelikt ist, das eine Sachentziehung durch Gewahrsamsverschiebung60 voraussetzt, zielt der Betrug auf eine Vermögensverschiebung61 ab. Geschützt wird beim Betrug der Vermögenswert des Einzelnen in seiner Gesamtheit62, während der Diebstahl alle Vermögensbestandteile einzeln schützt.63 Letzterer wird ausdrücklich an einer fremden, beweglichen Sache begangen und ist ein Vermögensdelikt im weiteren Sinne.64 Der Betrug wird indes als Vermögensdelikt im engeren Sinne bezeichnet.65 Trotz dieser formellen Gegensätze sind Überschneidungen häufig. Das ergibt sich aus der ähnlichen Schutzrichtung beider Delikte. Dass der Diebstahlstatbestand das Eigentumsrecht schützt, lässt sich schon aus dem Wortlaut und aus der Natur der Sache ableiten.66 Maßgeblich ist allein der Eigentumsschutz im Sinne einer formalen Rechtsposition. Geschützt sind die Eigentümerbefugnisse, nicht
58
Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 1. Siehe Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 849; Heinrich, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 11 Rn. 5; Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 39 Überschrift zum Zweiten Abschnitt. 60 Schröter, Der Begriff der Wegnahme, S. 32; Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 82. 61 Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 693; Kindhäuser, in: Festschrift für Hans Dahs, S. 65 (67 ff.). 62 Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 61; Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 3; Gallas, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 401 (432 f.); Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 444; Jacobi, Die mittelbare Täterschaft als konstitutives Tatbestandselement bei den Vermögensdelikten, S. 5 f.; widersprechend Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts Besonderer Teil, Bd. 1, S. 341; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 37 ff. 63 Hoyer, in: Systematischer Kommentar, Vor § 242 Rn. 6 sowie § 263 Rn. 183; Seelmann, JuS 1982, 268; Wittig, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, § 242 Rn. 2. 64 Siehe dazu Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 4; Fey, Die Vermögensdelikte, S. 20 ff.; sowie die Übersicht von Samson, JA 1980, 285; ders., JA 1978, 469 (470); Ranft, JA 1984, 1. 65 Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 2 f.; Hirschberg, Der Vermögensbegriff, S. 3; Joecks, Strafgesetzbuch, Vor § 242 Rn. 2. 66 Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 5; Vogel, in: Leipziger Kommentar, Vor §§ 242 ff. Rn. 52. 59
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Kap. 1: Abgrenzungsnotwendigkeit
das materielle Eigentum.67 Der strafrechtliche Schutz erstreckt sich auch auf wirtschaftlich wertlose Sachen68, sodass der Eigentümer durch die Wegnahme keinen pekuniären Vermögensschaden erleiden muss.69 Daneben wird der selbstständige Schutz des Gewahrsams anerkannt.70 Geschütztes Rechtsgut des Betrugs ist nach herkömmlicher Ansicht allein das Vermögen.71 Das wird zum einen durch den Wortlaut klargestellt, andererseits ist das, da der Betrug einer der Hauptstraftatbestände der Wirtschaftsdelikte72 ist, aus sich heraus verständlich.73 Das Vermögen ist als Ganzes geschützt. Das 67 BGH, NJW 2006, 72; OLG Düsseldorf, NJW 1989, 115 (116); Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 1/2 f.; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 1 Rn. 1; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, Vor § 242 Rn. 1 ff.; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 4. 68 RGSt 51, 97 (98). 69 Siehe RGSt 44, 207 (209); BGH, MDR 1960, 689; BGH, NJW 1977, 1460 (1461); Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 3; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 6; Fischer, StGB § 242 Rn. 3a; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 11; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 31 Rn. 8; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 2 Rn. 1; Sax, in: Festschrift für Franz Laufke, S. 321 (322 f.); Vogel, in: Leipziger Kommentar, Vor §§ 242 Rn. 55. 70 BGHSt 10, 400 (401); BGH, NJW 2001, 1508; OLG Hamburg, MDR 1947, 35; Bruns, in: Festschrift für Edmund Mezger, S. 335 (341 f.); Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 242 Rn. 3; Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 1 f.; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 1 Rn. 1; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, Vor § 242 Rn. 11 f.; Jagusch, in: Leipziger Kommentar, § 242 Anm. I.; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 242 Rn. 1; Laubenthal, JA 1990, 38 (39); damals von Liszt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 411; Maurach, Deutsches Strafrecht Besonderer Teil, § 26 I A 1, 26 II B 1; ders./Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 32 I Rn. 5 und § 33 I Rn. 1; G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Getäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 14; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 2 Rn. 1; Wimmer, NJW 1947/48, 241 (245); widersprechend Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 8; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 1/ 2; Maiwald, Der Zueignungsbegriff im System der Eigentumsdelikte, 208; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 6; Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 39 Rn. 4; Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 9; offengelassen von Vogel, in: Leipziger Kommentar, Vor §§ 242 ff. Rn. 59 f.; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 70; ausführlich zu dem Streitstand Schramm, JuS 2008, 678 f. 71 RGSt 74, 167 (168); BGHSt 16, 220 (221); BGHSt 16, 321 (325); Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 1/2; Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 48; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 1; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, Vor § 263 Rn. 2; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 262 Rn. 2; Maurach/ Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 41 I Rn. 18; Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 51 Rn. 2; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 83; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, Vor § 263 Rn. 18; anders Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 34 ff., der neben dem Vermögen auch das Vertrauensinteresse und die Dispositionsfreiheit geschützt sehen will; Letztere bezieht auch Kindhäuser, ZStW 103 (1991), 398 ff.; 408 f.; ders., in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 15 als unselbstständigen Teil des Vermögens in den Schutzbereich des Betrugstatbestands ein. 72 Tiedemann, in Leipziger Kommentar, Vor § 263 Rn. 5 ff.
A. Dogmatische Erwägungen
41
heißt, alle geldwerten Güter einer Person unterfallen dem Schutz des § 263 StGB, nicht nur einzelne Vermögensposten.74 Der Betrugstatbestand sichert daher auch vollumfänglich alle Eigentümerbefugnisse (Kohärenzkriterium75) und Gewahrsamsbeziehungen einer Person zu den wertbehafteten Sachen ihres Vermögens ab.76 Festzuhalten ist, dass für die Strafbarkeit wegen Diebstahls eine Verletzung des Eigentumsausübungsrechts wesentlich ist. Darüber hinaus genügt bereits die Verletzung der Gewahrsamssphäre. Der Betrug bezweckt den Schutz des Vermögens einer Person in wirtschaftlicher Hinsicht. Da das Eigentum bzw. der Gewahrsam Teile der Vermögenspositionen einer Person77 sind, kommt es hier häufig zu Überschneidungen. Wegen der Überschneidungswahrscheinlichkeit der Rechtsgüter beider Tatbestände ist in materieller Hinsicht eine Kennzeichnung des einen Delikts gegenüber dem anderen anhand der geschützten Rechtsobjekte nicht vermittelbar. Insbesondere kann für eine Abgrenzungsnotwendigkeit nicht argumentiert werden, dass wegen der Verletzung des Vermögensbestands nach § 242 StGB, durch den gleichzeitig eine wirtschaftliche Werteinbuße des Gesamtvermögens im Sinne des § 263 StGB eintritt, von vornherein auf den Schutz des Letzteren verzichtet wird.78 Der Betrug wäre in seiner Anwendung erheblich geschwächt. Denn immer dann, wenn eine wertbehaftete Sache aus einem Vermögenskreis ohne wirtschaftliches Äquivalent verschwindet, erleidet auch die Einheit des Vermögens des Opfers nach § 263 StGB eine schützenswerte Einbuße. Der Schutz aus § 263 StGB wäre preisgegeben. Das kann wegen der herausragenden Bedeutung des Betrugstatbestands in der Praxis nicht gewollt sein. Die grundlegende Wesensverschiedenheit, die eine Abgrenzung notwendig macht, ist daher schlussendlich nicht schon auf Rechtsgutsebene auszumachen.79 73
Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 1. So Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 3; Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 63. 75 Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 321; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 19, 275; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 7 Rn. 88. 76 Vgl. RGSt 39, 239 (244); BGH, GA 1987, 307; OLG Köln, MDR 1973, 866 (867); Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 850; Heinrich, in: Arzt/Weber/ Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 11 Rn. 12; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 6; a. A. Bittner, JuS 1974, 156 (159). 77 Joecks, Strafgesetzbuch, § 263 Rn. 6; dazu auch Nitschke, Die Systematik der Vermögensdelikte, S. 16. 78 So aber nach eingehender Rechtsgüterprüfung Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 64; vgl. die kritischen Äußerungen von Lackner, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 105 und Maiwald, ZStW 91 (1979), 923 (930). 79 Zu diesem Ergebnis gelangen auch Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 29 f.; G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Ge74
42
Kap. 1: Abgrenzungsnotwendigkeit
Wesentliche Unterschiede können aber im Bereich des subjektiven und objektiven Täterverhaltens gefunden werden.
II. Unterschiede im Unrechtsgehalt beider Delikte Neben dem Rechtsgut ergibt sich das Wesen eines Tatbestands aus seinem Tatunrecht. Das Tatunrecht eines Tatbestands richtet sich sowohl nach den subjektiven Vorstellungen des Täters, die er in seinen Tatbestandsvorsatz aufgenommen hat, als auch nach der Ausführung der Handlung.80 1. Subjektive Tätervorstellungen Zunächst sind im Bereich der subjektiven Tätertypik beider zu vergleichender Delikte grundsätzliche Strukturunterschiede erkennbar. Dem Täuschenden kommt es, anders als dem Stehlenden, nicht auf eine Schmälerung der Rechte des Eigentümers an, sondern allein auf den eigenen Vermögensvorteil oder den eines Dritten, unabhängig von dem konkreten Vermögensbestandteil. Nach seinem Gesamtplan will der Betrüger keine Gewahrsamsverbindungen zerstören, um selbst Herr über den entzogenen Gegenstand zu sein. Das ist nur notwendige Begleiterscheinung. Subjektiv motiviert wird er durch die Erwartung einer wirtschaftlichen Bereicherung.81 Dabei ist er nicht erpicht auf Eigentümerrechte. Ihm geht es vielmehr um eine Anreicherung seines Vermögens. Der Dieb hingegen bezweckt das spätere Auftreten als Eigentümer.82 Er beabsichtigt die Erlangung eines speziellen Vermögensbestandteils. Vorderster Zweck der Wegnahme ist das rein äußerliche Ersetzen der Rechte des Eigentümers an dem konkret ausgesuchten Gegenstand, wenngleich der Dieb an seine Grenzen stoßen wird. So wird er nie wirksam eine andere Sache als Geld und Wertpapiere übereignen können (vgl. § 935 Abs. 2 BGB). Beide subjektiven Tätervorstellungen streben allgemein die Herrschaft über eine Sache an. Wenngleich ihre Spezifizierungen unterschiedlich sein mögen, ist der Endzweck jeweils derselbe. Beide Tätertypen trachten nach der Erlangung eines eigenen Vorteils zulasten eines anderen. Auf Ebene der subjektiven Tätertäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 10, 15; widersprechend BGH, NStZ 1985, 123; Hälschner, Das preußische Strafrecht Teil 3, S. 354; ders., Das gemeine deutsche Strafrecht, Zweiter Band, Erste Abtheilung, S. 249. 80 Siehe Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 15; Kindhäuser, Strafrecht Allgemeiner Teil, § 6 Rn. 6. 81 Gallas, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 401 (402, 432); Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 693; Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil I, § 12 Rn. 13. 82 Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 47; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 242 Rn. 21.
A. Dogmatische Erwägungen
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vorstellungen kann daher keine grundsätzliche Verschiedenheit zwischen Diebstahl und Betrug ausgemacht werden. 2. Objektive Angriffsrichtungen Auf der anderen Seite können die phänomenologischen Unterschiede in der schädigenden Handlung bzw. der Angriffsrichtung erblickt werden. Die Verschiedenartigkeit der unmittelbar schädigenden Handlungen lassen sich plakativ anhand des Vergleichspaares des „Gebens“ und „Nehmens“ erhellen.83 Die Reaktion des Opfers auf eine betrügerische Täuschung gleicht der des Gebens. Bildlich gesehen gibt das Betrugsopfer den Vermögensbestandteil von dem Inneren seiner Gewahrsamssphäre nach außen, an den Täter heraus.84 Der Betrüger selbst muss dafür keine geschützte Friedenssphäre verletzen. Vielmehr gibt das Opfer in seiner Person das Substrat preis. Durch die Verabschiedung der Sache aus seinem Herrschaftsbereich schädigt es sich selbst.85 Diese eigene Preisgabe der Sache geschieht durch die Ausnutzung eines Wissensvorsprungs des Täters. Denn durch die bloße Anwendung von List gelingt es dem Delinquenten, ein Kausalgeschehen anzustoßen, für dessen Ausgang er nur mittelbar verantwortlich ist.86 Charakteristisch für den Betrug ist zusammengefasst die Erlangung eines Vorteils durch Missbrauch fremden Vertrauens unter Respektierung eines fremden Machtkreises.87 Der Betrug ist ein Selbstschädigungsdelikt.88 Dagegen wird der Dieb verurteilt, weil er bildlich gesprochen eine Sache nimmt. Er greift von außen in die Gewahrsamssphäre ein, ohne dass der bisherige Herrschaftsmachtinhaber auf die Ausübung der Verfügungsgewalt verzichtet.89 Der Täter durchbricht die privat geschützte Friedenssphäre zwischen
83 Siehe dazu BayObLGSt 1988, 5 (7); Gallas, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 401 (404); Schroeder, Jura 1987, 113; von Schwarze, Commentar zum Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich, § 263 S. 758; Wachenfeld, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 409. 84 Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 23; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 136; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 78; Satzger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rn. 8. 85 Toepel, in: Festschrift für Hans-Joachim Rudolphi, S. 581 (584). 86 Siehe RGSt 16, 1 (2). 87 Näher zu der Typenbeschreibung Bittner, Der Gewahrsamsbegriff, S. 61; Ellmer, Betrug und Opfermitverantwortung, S. 271; Wedekind, NJW 1969, 1128 (1129). 88 Siehe Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 204; Ranft, Jura 1992, 66 (68); Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 5; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 623; anders Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 193, die in dem Betrug beides, eine Selbst- und eine Fremdschädigung sehen; nach Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 241, ist die Bezeichnung als Selbstschädigungsdelikt irreführend; zweifelnd Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 21 Rn. 138. 89 So Haffke, GA 1972, 225; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 78.
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Kap. 1: Abgrenzungsnotwendigkeit
Mensch und Sache.90 Die Gewahrsamsverschiebung ist hier in einem eigenen körperlichen Verschaffungsakt91 des Täters zu sehen und deshalb auch einzig das eigenmächtige „Werk des Täters“92. Selbst wenn der Diebstahl wie im Fall des Trickdiebstahls durch Täuschung erleichtert wird, erschließt sich der Vorteil des Diebs gegenüber dem Betrüger in einem eigenmächtigen Angriff auf die Sache.93 Ein Zugriff auf das Eigentum erfolgt von dem Äußeren des Rechtskreises.94 Um an die Sache zu gelangen, wird der die Sache umschließende Schutzbereich gestört. Gerade die Missachtung fremder Sphären, rechtstechnisch als Gewahrsam bezeichnet, ist phänomenologisch für den Diebstahl. Der Täter versucht das Opfer als vermögensschützenden Faktor auszugrenzen. Der Diebstahl ist ein Akt der Fremdschädigung.95 An den unterschiedlichen Wesenszügen beider Delikte wird deutlich: Sie sind grundverschieden. Die Werturteile, in denen die Motivation für ihre Strafbarkeit verankert liegt, beruhen auf fundamentalen phänomenologischen Gegensätzen.96 Diese Diskrepanz ist zwar nicht für den Bereich der Rechtsgüter und subjektiven Täterziele festzustellen. Dafür verlaufen die Verhaltensweisen geradezu konträr. Während die Sachbewegung im übertragenen Sinne im Rahmen des Betrugs das Werk des Opfers ist, ist sie im Rahmen des Diebstahls das Werk des Täters. Selbst- und Fremdschädigung, also Betrug und Diebstahl, sind gegenläufig. Das Opfer kann daher nicht durch ein und denselben Akt in Bezug auf das gleiche Tatobjekt sich selbst schädigen und gleichzeitig durch den Täter fremdgeschädigt werden. Beide Tatbegehungsformen schließen sich kategorisch aus.97 Damit kann 90 Bethge, Der Ladendiebstahl, S. 102 f.; Cucumus, Über das Verbrechen des Betrugs, S. 48; Haffke, GA 1972, 225 (227); Mayer, JZ 1962, 617 (618); Vogel, in: Leipziger Kommentar, Vor §§ 242 ff. Rn. 29. 91 So Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (40). 92 A. Merkel, Kriminalistische Abhandlungen II/1, S. 195, 197. 93 Ebenso BGHSt 17, 205 (209); BGH, NStZ 1985, 123; Herberger, Die Abgrenzung, S. 5; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (34); von Wächter, Deutsches Strafrecht, S. 405, 413; Wedekind, NJW 1969, 1128 (1129). 94 Vgl. Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 14 ff.; im Gegensatz zum Betrug bezeichnet daher Hassemer, Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafrechtsdogmatik, S. 54 f., den Diebstahl plastisch nicht als Beziehungsdelikt, sondern als Zugriffsdelikt; Wedekind, Die Abgrenzung und das Verhältnis von Betrug und Unterschlagung, S. 55. 95 Siehe Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 69; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 623. 96 BGHSt 17, 205 (209 f.); widersprechend OLG Karlsruhe, NJW 1976, 902 (903 f.); Norouzi, JuS 2008, 113 (114); Wach, in: Vergleichende Darstellung, Allgemeiner Teil VI, S. 1 (69 f.), der den „Zugriff“ des Diebstahls mit der „Täuschung“ des Betrugs als „wesentlich gleichwertig“ ansieht. 97 So die herrschende Ansicht: früher bereits Habel, Das Verhältnis des Betrugs zu Diebstahl und Unterschlagung, S. 23 ff.; grundlegend Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (41 ff.); darauf aufbauend BGHSt 17, 205 (209); OLG Hamm, JMBl. NRW 1950, 48 (49); Brocker, JuS 1994, 919 (920); Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 52;
A. Dogmatische Erwägungen
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entweder der eine oder der andere Tatbestand gegeben sein. Diesem Antagonismus ist bereits auf Tatbestands- und nicht erst auf Konkurrenzebene Rechnung zu tragen. Man spricht von der Exklusivität der Tatbestände. Sie können nicht idealiter konkurrieren.98 Schon diese wesentlichen Unterschiede sprechen für eine zwingende Differenzierung. Während gewisse Geschehnisse eindeutig dem einen oder anderen Tatbestand zugeordnet werden können, sind in den Fällen des Trickdiebstahls Berührungspunkte mit dem Betrug denkbar. Eine Grauzone ergibt sich in diesen Fällen deshalb, weil Täter und Opfer zusammen kausal werden im Hinblick auf den Schaden. Insbesondere das gemeinsame Merkmal der Täuschung kann dann entweder Mittel zum Betrug sein oder Mittel zur erleichterten Wegnahme99. Einem Nebeneinander widersprechen indes nicht nur die Tatbestandslehre, sondern auch praktische Gründe aus Opfer- und Täterperspektive.
Geiger, JuS 1992, 834 (835); Geppert, JuS 1977, 69 (70); Gribbohm, NJW 1967, 1897; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 555 ff.; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 1 Rn. 61; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 160; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 107 f.; Lietzmann, Das Verhältnis des Betruges zu den Aneignungsdelikten der §§ 242, 246, S. 25 f.; G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Getäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 73; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 80; Otto, ZStW 79 (1967), 59 (101); Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 75; Satzger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rn. 89; Toepel, in: Festschrift für Hans-Joachim Rudolphi, S. 581 (585); Wedekind, Die Abgrenzung und das Verhältnis von Betrug und Unterschlagung, S. 51; Welzel, GA 1961, 350 (351); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 623; widersprechend KG, DStR 4 (1937), 57; OLG Düsseldorf, GA 1961, 348 (350); grundsätzlich Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 21 Rn. 135; Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1233 ff.; Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 68 ff., 78 ff.; Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (374 ff.); Huschka, NJW 1960, 1189 (1190); Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 122; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 207; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 13; Og˘lakcıog˘lu, JA 2012, 902 (905); Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 239 f.; Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, S. 354; Rotsch, ZIS 2008, 132 (135 f.); O. H. Schmitt, Die Vermögensverfügung beim Betrug, S. 62, 67; Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, S. 189 ff., 223. 98 Bittner, Der Gewahrsamsbegriff, S. 62; Habel, Das Verhältnis des Betrugs zu Diebstahl und Unterschlagung, S. 23 ff.; Lietzmann, Das Verhältnis des Betruges zu den Aneignungsdelikten der §§ 242, 246, S. 25 f.; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 623; a. A. Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 137; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 101 f.; Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, S. 355 ff.; Stuckenberg, ZStW 118 (2006), 878 (902). 99 BGHZ 5, 365 (368); BGH, GA 1987, 307; vgl. Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 39; bereits Habel, Das Verhältnis des Betrugs zu Diebstahl und Unterschlagung, S. 23; Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, S. 348.
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Kap. 1: Abgrenzungsnotwendigkeit
B. Praktische Gründe Neben den dogmatischen Gründen lassen sich praktische Erwägungen anführen, die für ein „Abgrenzungsmuss“ sprechen. Es wird sich zeigen, dass sowohl aus Opfer- wie auch aus Täterperspektive eine stichhaltige Unterscheidung unumgänglich ist. Insbesondere hat die Einordnung nicht nur Auswirkungen auf das Strafrecht. Auch im Zivilrecht sind strafrechtliche Ergebnisse von Bedeutung.
I. Aus Opferperspektive Eine saubere Abgrenzung ist nicht nur wegen der Wesensverschiedenheit entscheidend. Auch für das Opfer spielt eine klare Differenzierung in der Praxis eine Rolle. Wurde eine Sache weggenommen, gilt dieser Umstand ganz allgemein als Verfügungshindernis in zivilrechtlicher Hinsicht nach § 935 Abs. 1 BGB. Der Empfänger einer abhandengekommenen Sache erwirbt im Falle eines dinglichen Vertragsschlusses grundsätzlich (Ausnahme in § 935 Abs. 2 BGB) nicht das Eigentum an der Sache; umgekehrt verliert der Bestohlene nicht seine Eigentumsrechte an der Sache und kann mit ihr weiterhin am Wirtschaftsleben teilnehmen, ohne die tatsächliche Sachherrschaft zu besitzen (§ 931 BGB).100 Dagegen fällt eine ertrogene Sache nicht unter den Begriff der abhandengekommenen Güter.101 Der Empfänger einer ertrogenen Sache wird zu Lasten des Getäuschten im Falle eines dinglichen Vertragsschlusses Eigentümer der Sache.102 Daher ist in zivilrechtlicher Hinsicht in den meisten Fällen die Bewertung der Tat als Diebstahl für das Opfer günstiger. Auch im Bereich des Versicherungsschutzes ist eine richtige Einstufung des Täterverhaltens notwendig. Häufig kann eine Versicherung nämlich nur für solche Schäden abgeschlossen werden, die infolge eines Diebstahls entstehen. Dagegen fallen Verluste als Folge von Betrügereien meist103 aus dem Versicherungsschutz heraus.104 Aus der Sicht des Opfers kommt es daher im Hinblick auf die Rechtsfolgen wesentlich darauf an, zwischen Trickdiebstahl und Betrug genau zu differenzieren. 100
Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 36. Vgl. BGHZ 4, 10 (38); Bassenge, in: Palandt BGB, § 935 Rn. 3; Wiegand, in: Staudinger BGB, § 935 Rn. 4. 102 Siehe Hillenkamp, JuS 1997, 217 (218). 103 So jedenfalls in den unverbindlichen Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.: Nach A.2.2.2 Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2008) umfasst der Versicherungsschutz bei Teilkasko zwar den Verlust wegen Diebstahls, nicht aber wegen Betrugs. 104 Die richtige Einordnung ist beispielsweise in BGHZ 5, 365 und BGH, VRS 48 (1975), 175 von Bedeutung; dazu auch Brocker, JuS 1994, 919 (920); Geppert, JuS 1977, 69; siehe Hillenkamp, JuS 1997, 217 (218); Seemayer, r+s 2010, 6. 101
B. Praktische Gründe
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II. Aus Täterperspektive Eine Abgrenzungsnotwendigkeit kann sich aus Sicht des Täters zwar nicht hinsichtlich des Strafmaßes ergeben. Denn in diesem Punkt ordnen die Straftatbestände des Diebstahls und des Betrugs im heutigen StGB übereinstimmende gesetzliche Folgen an.105 Beide verlangen eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe. Dennoch ist die richtige Einordnung des Täterverhaltens strafbarkeits- und strafhöhenentscheidend. So führt eine genaue Unterscheidung beider Begehensformen in manchen Fällen zu einer Straflosigkeit zugunsten des Täters. Das betrifft die Fallgestaltungen der grundsätzlich106 gesetzlich nicht missbilligten Gebrauchsanmaßung (Furtum usus) und der bloßen Sachentziehung.107 Der Täter handelt jeweils ohne einen das Eigentumsrecht verletzenden Zueignungswillen als Voraussetzung des Diebstahlstatbestands. Dagegen könnte er trotz mangelnden Zueignungswillens subjektiv eine Bereicherung im Sinne des Betrugstatbestands erfüllt haben. Würde in diesen Konstellationen keine genaue Analyse der beiden gegenüberzustellenden Deliktsformen auf objektiver Ebene vorgenommen, könnte der Täter möglicherweise wegen des Vorliegens einer Bereicherungsabsicht nach § 263 StGB bestraft werden, ohne dass eine selbstschädigende Disposition des Opfers eingetreten wäre. Ferner könnte sich für den Täter bei mangelnder Differenzierung auf objektiver Ebene eine Strafbarkeit wegen Betrugs ergeben, obwohl dieser lediglich eine für den Betrugstatbestand als Tatobjekt nicht taugliche wirtschaftlich wertlose Sache an sich nimmt. Zuletzt sind die tatbestandlichen Möglichkeiten bzw. die der Strafzumessungsalternativen, die zu einer gesteigerten Strafbarkeit des Täters gelangen, im Bereich des Diebstahls bzw. des Betrugs nicht deckungsgleich.108 Steht die Strafbarkeit fest, können die zu erwartenden Strafen, je nach Deliktsverwirklichung, weit auseinanderklaffen. Die Bestrafungshöhen liegen im Rahmen der qualifizierten Diebstahlsformen jenseits der Maximalgrenzen für eine gesteigerte Betrugsqualität. So ist eine genaue Prüfung der Tathandlung für eine eventuell qua-
105 Ursprünglich waren beide Delikte hinsichtlich des Strafmaßes nicht gleichgeschaltet: Im PrStGB entsprachen sich Diebstahl und Betrug nur hinsichtlich der Freiheitsstrafe. Im Weiteren sah § 242 PrStGB für den Betrug eine Geldbuße vor, während bei Diebstahl zusätzlich die Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte untersagt werden konnte, vgl. § 216 PrStGB; § 242 RStGB ordnete für den Diebstahl eine Gefängnisstrafe an, nach § 263 RStGB wurden dem Betrüger daneben Geldstrafe und/oder der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte angedroht. 106 Eine Ausnahme stellt § 248b StGB dar. 107 Siehe dazu RGSt 55, 59; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 242 Rn. 24; Rönnau, JuS 2011, 982. 108 Zu diesem und dem vorhergehenden Aspekt Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 232.
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Kap. 1: Abgrenzungsnotwendigkeit
lifizierende Bestrafung des Täters als Räuber bedeutsam.109 Wird der Täter auf frischer Tat angetroffen, kann er nur dann gleich einem Räuber und damit qualifiziert nach § 252 StGB bestraft werden, wenn er im Anschluss an die Wegnahme Gewalt gegen eine andere Person verübt.110 Hat er dagegen im Vorfeld der Gewaltausübung nur eine irrtumsbedingte Vermögensverfügung provoziert, ist er nicht gleich einem Räuber zu bestrafen. Außerdem kann auf der einen Seite der Betrugstäter, der bei der Ausführung der Tat eine Waffe, ein gefährliches Werkzeug bzw. sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, nicht entsprechend der Qualifikation des § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB höher bestraft werden.111 Aber auch die Inhalte der Regelbeispiele (§ 243 Abs. 1 S. 2 StGB bzw. § 263 Abs. 3 S. 2 StGB) beider Delikte sind nicht identisch. So könnte beispielsweise denjenigen, der eine Sache weggenommen hat und damit einen Vermögensverlust großen Ausmaßes im Sinne des § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StGB verursacht hat, keine strengere Bestrafung unter diesem Gesichtspunkt treffen. Unter Heranziehen der Fallgestaltungen der bloßen Gebrauchsanmaßung und der Sachentziehung sowie den unterschiedlichen Gründen für eine Straferhöhung bei Diebstahl bzw. Betrug ist aufgezeigt, dass auch aus Tätersicht eine Unterscheidung auf Tatbestandsebene zwingend ist.
C. Fazit Eine Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug ist zwar nicht schon auf Rechtsgutsebene wegen der Überschneidungen beider Schutzrichtungen vermittelbar. Gleichwohl sprechen andere Unterschiede im Wesen, genauer in den Angriffsweisen des Täters der objektiven Tatbestände, für die Notwendigkeit der Abgrenzung. Den angeführten Überlegungen liefe es zuwider, sich blind für den einen oder anderen Tatbestand zu entscheiden. Der Trickdiebstahl als Fremdschädigungsdelikt ist grundverschieden von dem Betrug als Selbstschädigungsdelikt. Um für die Dogmatik sinnvolle Ergebnisse zu finden, denen sich auch die Tatbeteiligten nicht willkürlich ausgesetzt fühlen müssen, ist eine eindeutige Entscheidung hinsichtlich der Verwirklichung der besagten Delikte unabdingbar. Vor allem hat die strafrechtliche Beurteilung des Täterverhaltens für das Opfer weitreichende Konsequenzen. Gravierend sind namentlich die rechtlichen Auswirkungen auf dinglicher Ebene und im versicherungsrechtlichen Bereich. Darüber hinaus wird die Abgrenzungsnotwendigkeit anhand der auseinandergehenden Straffolgen für den Täter deutlich. Schließlich muss man sich auch der herausragenden Bedeutung beider Tatbestände in unserem Strafrechtssystem be109 110 111
So auch Brocker, JuS 1994, 191 (920); Hillenkamp, JuS 1997, 217 (219). Siehe AG Tiergarten NStZ 2009, 270 (271); Jäger, JA 2011, 950 (951). Zutreffend Og˘lakcıog˘lu, JA 2012, 902 (905).
C. Fazit
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wusst sein. Beide Delikte stehen nicht zuletzt deshalb im Fokus der Diskussion, weil sie für die Praxis von erheblicher Bedeutung sind. Sie zählen zum absoluten Kernstrafrecht.112 Die Polizeiliche Kriminalstatistik weist die Straftatbestände als die häufigsten registrierten Straftaten aus.113 Angesichts der dogmatischen und gleichermaßen praktischen Brisanz mündet die Abgrenzung keineswegs in ein „folgenloses dogmatisches Glasperlenspiel“.114 Dagegen ist die Notwendigkeit der Abgrenzung nicht in der Lückenlosigkeit der Strafbarkeit zu sehen. Der Ultima-Ratio-Gedanke des Strafrechts muss sich auch in der Strafrechtspraxis niederschlagen. Die normierten Tatbestände können begangenes Unrecht nur fragmentarisch schützen.115 Deswegen verbietet sich auch eine Abgrenzungspraxis, die den Betrug als lückenausfüllendes Korrektiv des Diebstahls ansieht und umgekehrt.116 Wichtig ist deshalb, die Bestrafung des Täters nicht kehrseitenorientiert, sondern anhand der neutralen Beurteilung eines jeden Tatbestands isoliert von anderen eventuell kollidierenden Tatbeständen abzuleiten. Ansonsten könnten straflose Eigentumsdelikte zu strafbaren Handlungen erhoben werden. Das gilt vor allem für die Fälle der straflosen Sachentziehung bzw. Gebrauchsanmaßung. Würde in diesen Fällen reflexartig auf einen Betrug erkannt, wäre nicht nur die Lückenlosigkeit im Strafrechtssystem missachtet, sondern eine falsche Einordnung des an sich straflosen Sachverhalts getroffen. In diesem Sinne ist die nun anstehende Prüfung einer gesetzlichen Abgrenzungsmöglichkeit durch eine separate Auslegung beider Normen durchzuführen, in der die Wertungen des einen nicht auf den anderen Tatbestand transferiert werden.
112 So Vogel, in: Leipziger Kommentar, Vor §§ 242 ff. Rn. 2; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, Vor § 263 Rn. 8. 113 PKS, Berichtsjahr 2012, S. 18. 114 Übereinstimmend Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 231; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 565; Hillenkamp, JuS 1997, 217 (220); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 622; widersprechend Dreher, JR 1966, 29; ders., GA 1969, 56; ihm folgt Otto, ZStW 79 (1967), 59 (101); ein Plädoyer für die Zusammenlegung der Tatbestände hält Wach, in: Vergleichende Darstellung, Allgemeiner Teil VI, S. 1 (69 f.). 115 Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 8. 116 Siehe dazu Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 66 f.; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 4 ff.; so aber vielfach praktiziert: Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 21 Rn. 135; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 44; Lackner, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 104; G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Getäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 75; Rengier, JuS 1981, 654; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (45); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 638; das Problem der Alternativitätsbeziehung kritisiert auch Puppe, JR 1984, 229 (230); allgemein Hillenkamp, JuS 1997, 217 (219).
Kapitel 2
Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale Die sich aus dogmatischen und praktischen Erwägungen ergebende Abgrenzungsnotwendigkeit der zu besprechenden Delikte kann auf vielfältige Art und Weise vollzogen werden. Zum einen ist sie durch Auslegung des positiven Rechts möglich. Denkbar ist zum anderen das Heranziehen tatbestandsexterner Abgrenzungsparameter, auf die sich eine Unterscheidung stützen kann. Diese Vorgehensweise wird seit jeher verfolgt. Indes ist in dieser Arbeit die bisher noch nicht behandelte gesetzliche Unterscheidungsvariante schon deshalb vorzuziehen, weil der Wortlaut des Gesetzes die Ausgangsbasis jeder juristischen Problemlösung ist. Damit genießen die unmittelbar aus dem Gesetz ableitbaren Tatbestandsmerkmale Vorrang gegenüber allen anderen in Betracht zu ziehenden Differenzierungskriterien. Als zentrale Kernfrage innerhalb dieses Kapitels der Arbeit ist daher zu erforschen, ob eine einwandfreie Scheidung beider Delikte ausschließlich anhand der Auslegung des Gesetzes möglich ist. Sofern nach gründlicher Auslegung keine Lücke im Gesetz aufgezeigt werden kann, hat die selbst entwickelte Abgrenzungslösung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale Bestand.
A. Grundlagen: Prüfung der abgrenzungsentscheidenden Tatbestandsmerkmale beider Delikte Ausgehend von der Hypothese einer gesetzesimmanenten Abgrenzungsmöglichkeit sind zunächst die Täter- und Opferverhaltensweisen beider Delikte zu untersuchen.
I. Einleitende Bemerkungen Es wird analysiert, ob nicht schon im Gesetz selbst ein Ausschlussverhältnis zwischen Trickdiebstahl und Betrug vorgezeichnet ist. Ausgangspunkt einer am Gesetz angelehnten Abgrenzung zweier Tatbestände ist der Nullum-crimen-sinelege-Satz (keine Strafe ohne Gesetz)117, der verfassungsrechtlich in dem Gesetzlichkeitsprinzip118 des Art. 103 Abs. 2 GG verankert ist und an exponierter Stelle 117 118
Hassemer/Kargl, in: Nomos Kommentar, § 1 Rn. 1. Hassemer/Kargl, in: Nomos Kommentar, § 1 Rn. 13.
A. Grundlagen
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in § 1 StGB als besondere Ausprägung für das Strafrecht wiederholt betont wird.119 Die Ratio dieses Grundsatzes besteht darin, das Vertrauen des Bürgers in die Rechtsordnung durch die „Vorhersehbarkeit“120 des Rechts zu garantieren. Dieses Garantieprinzip121 wird durch seine besonderen Ausprägungen, namentlich des Analogieverbots, des Bestimmtheitsgebots und des Rückwirkungsverbots verkörpert.122 Da Art. 103 Abs. 2 GG vor nicht positivrechtlich angeordnetem Strafen schützt, ist er als Konkretisierung des Rechtsstaats- und Demokratieprinzips zu verstehen.123 Ferner besteht die aus dem Gesetzlichkeitsprinzip abzuleitende Aufgabe der Legislative in der Schaffung hinreichend bestimmter Gesetze.124 Die rechtsprechende Gewalt ist demgegenüber damit betraut, die verbindlichen Rechtssätze entsprechend ihrer Auslegungsfähigkeit anzuwenden und nicht davon abzuweichen.125 Insbesondere darf sie nicht selbst normativ tätig werden126, indem sie den Wortlaut des Gesetzes einerseits im Sinne einer Analogie zu Lasten des Täters über den Wortsinn hinaus auslegt127 oder andererseits im Sinne einer unzulässigen teleologischen Reduktion über Gebühr reduziert128. Daher ist nicht nur der Gesetzgeber, sondern auch die Richterschaft an das Gesetz gebunden.129 Dem Inhalt der Norm des Art. 103 Abs. 2 GG wird an zahlreichen Stellen in dieser Abhandlung wiederkehrend begegnet. Er betrifft in dem Kontext der Ab119
Ähnlich auch Art. 7 Abs. 1 EMRK. BVerfGE 13, 261 (271); BVerfGE 37, 201 (207); BVerfGE 64, 389 (393); BVerfGE 71, 108 (114); BVerfGE 73, 206 (234 f.); BVerfG, NJW 2009, 2370 (2371); BVerfG, NJW 2010, 3209 (3210); BVerfGE 126, 170 (194 f.); Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Abs. 2 Rn. 54; Schreiber, Gesetz und Richter, S. 213 f. 121 Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Abs. 2 Rn. 53. 122 BVerfGE 126, 170 (194); Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Abs. 2 Rn. 53, 63 ff.; Hassemer/Kargl, in: Nomos Kommentar, § 1 Rn. 13; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Abs. 2 Rn. 49 ff.; Schulze-Fielitz, in: Dreier Grundgesetz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 14, 28 ff.; Süß, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 207. 123 Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Abs. 2 Rn. 53; Kunig, in: von Münch/Kunig, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Abs. 2 Rn. 43; Schulze-Fielitz, in: Dreier Grundgesetz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17, 60 f. 124 BVerfG, NJW 1995, 2776 (2777); BVerfGE 130, 1 (43); Hassemer/Kargl, in: Nomos Kommentar, § 1 Rn. 14. 125 BVerfG, NJW 1995, 2776 (2777); Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 1 Rn. 7; Schmidhäuser, in: Gedächtnisschrift für Wolfgang Martens, S. 231 (232); Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 1 Rn. 5 ff. 126 So BVerfGE 64, 389 (393); BVerfGE 71, 108 (114); BVerfGE 73, 206 (235 f.); BVerfG, NJW 2009, 2370 (2371); BVerfG, NJW 2010, 3209 (3210); BVerfGE 126, 170 (194, 197); BVerfGE 130, 1 (43). 127 Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Abs. 2 Rn. 69; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Abs. 2 Rn. 50; Schulze-Fielitz, in: Dreier Grundgesetz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 46 f. 128 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 245 ff. 129 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Abs. 2 Rn. 43; Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 3; Schulze-Fielitz, in: Dreier Grundgesetz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 17; Süß, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 207 (209). 120
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
grenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug dreierlei. Erstens muss das Gesetz an sich hinreichend bestimmt sein. In diesem Rahmen wird die gesetzliche Bestimmtheit des Diebstahls- bzw. Betrugstatbestands vorausgesetzt. Eine zweite Frage betrifft hingegen die Abgrenzungsbestimmtheit. Diese ist zwar nicht verfassungsrechtlich geschützt. Dennoch spricht sie einen Teilbereich der gebotenen Bestimmtheit an. Denn kann der schutzwürdige Bereich eines Tatbestands von dem eines phänomenologisch verschiedenen nicht eindeutig unterschieden werden, ist die Garantiewirkung des Strafgesetzes verletzt. Ob die Gesetze hinreichend genau sind, eindeutig voneinander geschieden werden zu können, betrifft den Kern des Problems. Drittens zeigt diese Arbeit die Gefahr der Umgehung des Gesetzeswortlauts durch die von der herrschenden Meinung vorgenommenen Konkretisierungen in Bezug auf die Täuschung und den Irrtum, aber auch hinsichtlich der Abgrenzungskriterien des Verfügungsmerkmals auf. Während die letztgenannten Abgrenzungskriterien Gegenstand des dritten Kapitels sind, sind alle anderen genannten Punkte unter dem Gesichtspunkt des Bestimmtheitsgrundsatzes in diesem zweiten Kapitel zu untersuchen. Abgesichert wird der Bestimmtheitsgrundsatz generell über die Auslegungslehre.130 Gesetze müssen so ausgelegt werden, dass sie unter gleichzeitiger Wahrung der Gesetzesbindung verlässliche Konfliktlösungen schaffen. Erst wenn das Gesetz nach den zugrunde gelegten Auslegungsprinzipien ein Rechtsproblem nicht mehr zu lösen imstande ist, ist zur Lückenfüllung die Rechtsergänzung zulässig.131 Bis dahin, so will es der Gewaltenteilungsgrundsatz als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzps (Art. 20 Abs. 3 GG), ist jegliche Art außergesetzlicher Normpräzisierung unzulässig.132 Als Handwerkzeug der juristischen Hermeneutik ist prinzipiell zunächst der Gesetzeswortlaut zu bemühen.133 Bei der grammatikalischen Erforschung des Gesetzessinns ist danach zu fragen, wie der allgemeine Sprachgebrauch134 den auslegungsbedürftigen Inhalt versteht. Im Vergleich zu den restlichen Ausle-
130 Hassemer/Kargl, in: Nomos Kommentar, § 1 Rn. 104 ff.; Otto, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, § 2 Rn. 38 ff.; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 40. 131 Engisch, Einführung in das juristische Denken, S. 235 ff. 132 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 42, 50, 53 f., 67. 133 BVerfGE 71, 108 (115); BVerfGE 73, 206 (235); BVerfGE 92, 1 (12); BVerfG, NJW 1995, 2776 (2777); BGHSt 3, 259 (262); Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 1 Rn. 37, 52; Hassemer/Kargl, in: Nomos Kommentar, § 1 Rn. 78, 106b, 113; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 141; Otto, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, § 2 Rn. 41; Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 1 Rn. 72; Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 57. 134 BVerfGE 73, 206 (235 f.); Baumann, MDR 1958, 394 (396); Hassemer/Kargl, in: Nomos Kommentar, § 1 Rn. 106a; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 141; Otto, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, § 2 Rn. 41; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 69 ff.; Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 20.
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gungsmethoden stellt die am Wortlaut orientierte Auslegung durch ihre formelle Überprüfbarkeit135 die verlässlichste Größe dar. Durch die Schaffung einer anfänglichen Informationsgrundlage wird gleichsam die äußerste Grenze zulässiger Rechtsdeutung markiert.136 Erst im Anschluss daran kann diese „Ausgangsbasis“137 durch weitere systematische138, historische139 sowie teleologische140 Gesichtspunkte konkretisiert werden.141 Ziel dieser Durchdringung ist es, ein fest umrissenes Bild von der auslegungsbedürftigen Norm zu gewinnen. Die in concreto zu untersuchende Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug ist unter Zugrundelegung der vorgenannten allgemeinen Prämissen primär anhand der gesetzlich normierten Tatbestandsmerkmale vorzunehmen. Bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale ist vor allem bei Unklarheiten den oben142 herausgestellten Typenunterschieden beider Delikte Rechnung zu tragen. Im Rahmen dieser Untersuchung können die im ersten Kapitel gefundenen Wesensunterschiede beider Delikte bei der Ergebnisfindung in diesem Kapitel sinnvolle Hilfe leisten. Ein Zirkelschluss143 droht nicht, weil das Herleiten der Charaktere beider Delikte im ersten Kapitel und die im zweiten Kapitel durchzuführende vertiefte Auslegung der Tatbestandsmerkmale unter Zurückbesinnung auf zuvorderst gefundene Charakterzüge auf verschiedenen Methoden beruhen: Im ersten Kapitel wurden die grundlegenden Konstruktionen der Delikte nicht durch hermeneutische Auslegung, sondern durch Betrachtung der inneren und äußeren Angriffsarten auf die Herrschaftssphäre dargelegt. Davon unterscheidet sich die Herangehensweise in diesem Kapitel insofern, als hier die Tatbestandsmerkmale in grammatikalischer, teleologischer, systematischer und historischer Weise aufgeschlüsselt werden. Innerhalb dieser letzten Auslegungsarbeit werden zwar unterstützend Ausschnitte der Erkenntnisse über die Wesen der Delikte herangezo135
Siehe Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 159. So BVerfGE 71, 108 (115); BVerfGE 73, 206 (235); BVerfG, NJW 2010, 3209 (3211); BVerfGE 126, 170 (197); BVerfGE 130, 1 (43); Degenhart, in: Sachs, Art. 103 Abs. 2 Rn. 69; Heck, Gesetzesauslegung, S. 32 f.; Jescheck,/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 159; Kunig, in: von Münch/Kunig, Art. 103 Abs. 2 Rn. 26; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 163 ff.; Otto, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, § 2 Rn. 41; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 103 Abs. 2 Rn. 50; Schulze-Fielitz, in: Dreier Grundgesetz, Art. 103 Abs. 2 Rn. 46. 137 Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 37. 138 Allgemein dazu Otto, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, § 2 Rn. 47; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 42 ff. 139 Allgemein dazu Otto, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, § 2 Rn. 44. 140 Otto, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, § 2 Rn. 49; Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 41 f. 141 Sax, Das strafrechtliche „Analogieverbot“, S. 69; allgemein zu den Auslegungsmethoden Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 35 ff. 142 Siehe Kapitel 1: A. II. 2. 143 Allgemein Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 1. 136
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
gen. Diese wurden allerdings gerade nicht nach der soeben genannten Auslegung der Tatbestandsmerkmale ermittelt. Nach der separaten Auslegung beider Tatbestände werden am Ende dieses Kapitels die selbst gewonnenen Erkenntnisse zusammengeführt, um sie letztlich in einer einheitlichen Abgrenzungslösung nutzbar zu machen. Dazu sind die Unterschiede zwischen Trickdiebstahl und Betrug zu würdigen bzw. Parallelen zu ziehen. Bevor in die Prüfung der Tatbestände eingestiegen wird, ist die konkrete Arbeitsweise zu verdeutlichen. Die Auslegung des Gesetzes und die spätere Nutzbarmachung der so gefundenen Erkenntnisse gehören zu den eigenen Errungenschaften dieser Arbeit. Diese stehen teilweise im Einklang mit den Theorien der herrschenden Anschauung, werden aber selbstständig dogmatisch hergeleitet. Dabei besteht kein Anlass, sich den seit Jahrhunderten tradierten Definitionen zu verschließen. Dazu zählen die Grunddeutungen über die Wegnahme und den Gewahrsam auf Diebstahlsseite bzw. die Definitionen der Betrugsvoraussetzungen von Täuschung und Irrtum. Da sie seit ihrer Kodifizierung im 19. Jahrhundert keiner Änderung bedurften und überdies seitdem mit dem allgemeinen Sprachverständnis übereinstimmen, ist auch in dieser Arbeit keine Korrektur in Betracht zu ziehen. Anderes gilt indessen für die Interpretationen dieser Merkmale in der Rechtsprechung und Literatur. Deren Ausprägungen werden nicht übernommen. Sie müssen geradezu korrigiert werden.
II. Täterverhalten Der Schwerpunkt der Abgrenzungsproblematik zwischen Trickdiebstahl und Betrug ist im Täter- und Opferverhalten anzusiedeln. Daher werden nur die objektiven Tatbestandsmerkmale beleuchtet. Voraussetzung für eine abgrenzungsbedürftige Situation ist vorab eine Überschneidung im Bereich der Tatobjekte. Auf dieser Ebene spielt das Zivilrecht im Strafrecht eine Rolle. Als Tatobjekte des Diebstahls kommen nach dem Wortlaut des Gesetzes körperliche Gegenstände im Sinne von § 90 BGB in Betracht, die bewegbar sind und zumindest auch eine andere Person als den Täter berechtigen und verpflichten.144 Einfluss auf den Abgrenzungsstreit hat auf Tatobjektsebene im Rahmen des Betrugs schließlich der vertretene Vermögensbegriff. Der Streit lässt sich auf zwei Grundpositionen reduzieren.145 Während von dem Standpunkt des wirt144 Allgemein zu dem Tatobjekt Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 8 ff.; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 9 ff.; Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 24 ff.; Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 2 ff. 145 Die Mindermeinungen, die einen juristischen Vermögensbegriff (vertreten ursprünglich von der Rechtsprechung des RG: RGSt 8, 12 (13); RGSt 36, 334 (344 f.);
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schaftlichen Vermögensbegriffs146 aus alle geldwerten Güter einer Person als Tatobjekte möglich sind, erkennt der engere juristisch-ökonomische Vermögensbegriff 147 nur jene geldwerten Güter an, die unter dem Schutz der Rechtsordnung stehen. Wertlose Gegenstände entfallen. Einig ist man sich jedenfalls, dass dem Tatobjekt des Betrugstatbestands ein wirtschaftlich messbarer Wert angedeihen muss. In Zusammenführung der Voraussetzungen zu den tauglichen Tatobjekten des Trickdiebstahls und Betrugs ist die Abgrenzungsproblematik daher dann gegeben, wenn die Sachverschiebung an einer fremden, beweglichen und wirtschaftlich wertbehafteten Sache stattfindet. 1. Die Wegnahme als Tathandlung des Trickdiebstahls Kodifizierte Tathandlung des Diebs ist die Wegnahme. Die Wegnahme als deskriptiv-beschreibender Begriff 148 setzt sich aus dem Verlust fremden Gewahrsams als erster und der Begründung neuen, nicht notwendig tätereigenen149 Gewahrsams als zweiter Teilakt zusammen.150 Diese Grunddefinition ist der weiund in der älteren Literatur: von Bar, GS 40 (1888), 481 (492 f.); Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts Besonderer Teil, Bd. 1, S. 341, 352 f.; ders., DJZ 16 (1911), 558 f.; Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl., § 263 S. 588; Hirschberg, Der Vermögensbegriff im Strafrecht, S. 279; Köstlin, Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 141 ff.; A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 750 (763, 755 Fn. 10); Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, § 241 Anm. 11; von Schwarze, Commentar zum Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich, § 263 S. 758, und modern interpretiert durch Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 333 f., und Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 259 ff.) bzw. einen personalen Vermögensbegriff (siehe Hardwig, GA 1956, 6 (17 ff.); Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 38 Rn. 7, sowie vermittelnd Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 115 ff.) verfolgen, seien hier außer Acht gelassen. 146 RGSt 44, 230 (232 ff.); KG, NJW 2001, 86 f.; Bruns, in: Festschrift für Edmund Mezger, S. 335 (357); Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 92; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 615; modifizierend Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 534 f. (wirtschaftlicher Vermögensbegriff mit normativer Schranke). 147 Gallas, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 401 (433). 148 Roxin, Strafrecht Allgemeiner Teil, Bd. 1, § 10 Rn. 58; Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 131. 149 RGSt 47, 148 (149); RGSt 48, 58 (59); RGSt 57, 166 (168). 150 So Berner, Lehrbuch des Deutschen Strafrechtes, S. 554; Gropp, JuS 1999, 1041 (1043); Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 1 Rn. 42; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 242 Rn. 20; Laubenthal, JA 1990, 38 (39); Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 85; gegen die Zweiaktigkeit Jagusch, in: Leipziger Kommentar, § 242 Anm. III.1.; kritisch auch Mayer, JZ 1962, 617 (618 f.); ebenso Wimmer, NJW 1962, 609 (610); Lampe, GA 1966, 225 (232) hält eine Begründung des Gewahrsams für nicht notwendig; gleichfalls meldet Wallau, JA 2000, 248 (256), Bedenken an; abweichende Begriffsbestimmungen bei Bethge, Der Ladendiebstahl, S. 105 f.; Kahlo,
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teren Prüfung zugrunde zu legen. Wie indessen die Bestandteile des Gewahrsamswegfalls und der Neubegründung ausgestaltet sind, ist durch die eigene Auslegung des Gesetzes zu erarbeiten. Als Ausgangsbasis der Auslegung ist der Gesetzeswortlaut zugrunde zu legen. Dieser verlangt die Wegnahme einer Sache von „einem anderen“. Die zentralen Prüfungspunkte im Rahmen der Wegnahme sind damit vorgezeichnet: Einem anderen, also dem Opfer, kann begriffslogisch nur dann etwas weggenommen werden, wenn es ursprünglich Gewahrsamsinhaber war.151 In der Ausgangssituation ist damit erstens die Gewahrsamsinhaberschaft des Opfers zu fordern und in einem zweiten Schritt nach dem Wegfall der Gewahrsamsbeziehung zu fragen. Für die Wegnahmevollendung ist drittens eine Gewahrsamsneubegründung152 unerlässlich.153 Dass die bloße Aufhebung des Gewahrsams für sich noch nicht genügt, sondern dass ein Gewahrsamswechsel zu verlangen ist, folgt schon aus etymologischer Sicht. Der Täter muss dem Wortlaut zufolge etwas „(weg)nehmen“.154 Der Wortsinn des Nehmens indiziert, dass der Täter die Sache nunmehr in seiner Gewalt haben muss. Um diese Stadien im Einzelnen analysieren zu können, muss vorerst der Gewahrsamsbegriff erklärt werden. a) Der Gewahrsam als Bestandteil der Wegnahme Bevor der Inhalt des Gewahrsams konkretisiert wird, ist vorab seine Legitimation darzulegen. Schließlich ist er im Diebstahlstatbestand nicht ausdrücklich verankert. aa) Bedeutung des Gewahrsams Im Gegensatz zur Tathandlung ist der Gewahrsamsbegriff nicht expressis verbis kodifiziert. Im Preußischen StGB, das an die Stelle vieler einzelner territorial geltender Strafgesetze trat, wurde der Gewahrsamsbegriff, der bisweilen nur im Allgemeinen Preußischen Landrecht (PrALR) von 1794 in Theil 1, Titel 7, § 1155
in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 123 (136); Ling, ZStW 110 (1998), 919 (939). 151 Ebenso Börm, Entwendungen in Selbstbedienungsläden, S. 19; A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 621 (638); Soltmann, Der Gewahrsamsbegriff in § 242 StGB, S. 5. 152 So auch Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 37; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 90; Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 82. 153 Siehe die ähnliche Prüfung bei Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 2 Rn. 10; Zopfs, ZJS 2009, 506 (507 ff.). 154 Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 91. 155 Koch, Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten, S. 395.
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und wenigen Partikulargesetzen156 fixiert war, deshalb nicht festgelegt, damit keine Unklarheiten bei der übrigen Bevölkerung, deren bisher geltende Partikulargesetze diesen Ausdruck nicht kannten, aufkommen konnten. Anstelle des Gewahrsams trat die Formulierung „einem Anderen wegnehmen“.157 Der Vorentwurf zum RStGB von 1909 schloss sich dieser Sichtweise an und behielt eine Definition des Gewahrsamsbegriffs den Rechtsanwendern vor.158 An seiner Existenz und Notwendigkeit bestehen heute dennoch keine Zweifel.159 Bis 1998 war der Gewahrsamsbegriff immerhin fester Bestandteil der Unterschlagung nach § 246 Abs. 1 StGB a. F. Er wurde aber im Zuge der Strafrechtsreform aus dem Tatbestand entfernt, um seine Eigenständigkeit gegenüber dem § 242 StGB zu betonen. Im Umkehrschluss wird in den Diebstahlstatbestand allein schon in konsequenter Abgrenzung zu dem Unterschlagungstatbestand der Gewahrsamsbegriff hineingelesen.160 Damit ist seine Legitimation im Allgemeinen und für den Diebstahlstatbestand erwiesen. Schwierig ist indes seine inhaltliche Deutung. Die Gewahrsamsfrage ist eng mit der hier zu untersuchenden Problematik der Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug verbunden. Beide Delikte schützen vor einem Gewahrsamsverlust. Erst auf Grundlage einer eingehenden Gewahrsamsprüfung lässt sich eine Aussage treffen, welche Person unter den Beteiligten zu einer Fremd- bzw. Selbstschädigung in der Lage ist. Ferner ist die Analyse des Gewahrsams und damit verbunden des Moments des Gewahrsamsverlusts fallentscheidend. Das Willensmoment des Berechtigten ist, wie sich aus späterer161 Untersuchung ergeben wird, gerade auf den Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts zu beziehen. Unterliegt nun dessen Analyse eine falsche Entscheidung, kann diese Fehlbestimmung eine falsche Aussage über die wahre Tatbestandsverwirklichung nach sich ziehen. Die Prüfung des Gewahrsams verdient daher eine eingehendere Beleuchtung. Darüber hinaus verhelfen die Hintergründe zur Zusammensetzung des Gewahrsams der Sensibilisierung in Bezug auf seine spätere Verwendung.
156 Art. 271 Strafgesetzbuch für das Königreich Bayern von 1861; § 213 für das Herzogthum Braunschweig, abgedruckt in Stenglein, Sammlung der deutschen Strafgesetzbücher/1, S. 110. 157 So Hälschner, Das preußische Strafrecht Teil 3, S. 429; Goltdammer, Die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die preußischen Staaten Theil II, § 215 S. 459; Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 2. Band, § 242 Nr. 15; Schwabacher, Diebstahl und Betrug, S. 29; von Schwarze, Commentar zum Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich, § 242 S. 664 Fn. 6, S. 668 Fn. 1. 158 VE 1909, S. 734. 159 Welzel, GA 1960, 257 (264); von geringer Bedeutung daher Ling, ZStW 110 (1998), 919 (922 ff.). 160 Siehe Laubenthal, JA 1990, 38 (39). 161 Kapitel 2: A. III. 1. b) bb) (2).
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bb) Inhaltliche Deutung des Gewahrsamsbegriffs als heterogenes Gebilde Der Gewahrsamsbegriff entbehrt einer konkreten Definition. Vielmehr handelt es sich um eine eigenständige Machterscheinung des Strafrechts162, die grundsätzlich163 ohne Zivilrechtsakzessorietät164 funktioniert. Er ist weder gleichbedeutend mit dem Besitz165 noch mit dem Eigentum166, wenngleich der Eigentümer bzw. Besitzer in den meisten Fällen auch Gewahrsamsinhaber ist. Das ist historisch bedingt. Der Gewahrsamsbegriff entstammt dem altdeutschen Begriff „Gewere“, der als Friedenssphäre übersetzt werden kann.167 In diesem räumlich geschützten Respektsbereich werden regelmäßig auch das Eigentum und der Besitz „gewährt“.168 Früher verstand der Begriff des Gewahrsams zudem ein tatsächliches Machtverhältnis einer Person auf eine Sache.169 Diese Auslegung
162 Dazu Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 242 Rn. 20; Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 56; Welzel, GA 1960, 257 (264); ders., Das Deutsche Strafrecht, S. 347; ihm folgend Nöldeke, Die Begriffe des Gewahrsams und der Wegnahme beim Diebstahl, S. 35; Schröter, Der Begriff der Wegnahme, S. 8 ff.; differenzierend Mayer, JZ 1962, 617 (618); a. A. Redslob, ZStW 30 (1910), 205 (223); Siebert, Der strafrechtliche Besitzbegriff, S. 10 ff. 163 Wie später zu sehen ist, bleibt die Gewahrsamsbestimmung nicht vollständig ungeachtet von privatrechtlichen Einflüssen. Grundlegend dazu Welzel, GA 1960, 257 (264 f.); kritisch auch Mayer, JZ 1962, 617 (618 f.). 164 Dazu RGSt 30, 88 (89); RGSt 52, 143 (145); RGSt 60, 271 f.; Bruns, Die Befreiung des Strafrechts vom zivilistischen Denken, S. 202 ff.; allgemein dazu Dreher, GA 1969, 56 (58). 165 Ursprünglich wurden die Begriffe „Gewahrsam“, „Detention“ bzw. „Besitz“ vermischt, vgl. Berner, Lehrbuch des Deutschen Strafrechtes, S. 556; Köstlin, Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 242 f., 246; Lucas, Anleitung zur strafrechtlichen Praxis, Zweiter Teil, S. 316 ff.; Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, § 215 Anm. 13 f.; von Schwarze, Commentar zum Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich, § 242 S. 669 Fn. 2; seit langem allerdings getrennt, so bereits RGSt 37, 198 (200); RGSt 52, 143 (145); RGSt 53, 336 (340); RGSt 58, 228 (229); Hälschner, Das preußische Strafrecht Teil 3, S. 429; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 14; Heubel, JuS 1984, 445 (447); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 30; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 33 II Rn. 12; Nöldeke, Die Begriffe des Gewahrsams und der Wegnahme beim Diebstahl, S. 32; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 2 Rn. 12; Samson, JA 1980, 285 (286); Siemons, Der Begriff der „Wegnahme“ im deutschen Strafrecht, S. 17; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 93; für eine Gleichstellung des Gewahrsams zumindest mit dem unmittelbaren Besitz tritt Schünemann, GA 1969, 46 (50 f.) ein. 166 Siehe Heubel, JuS 1984, 445 (446); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 85. 167 Siehe Kargl, JuS 1996, 971 (974); A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 621 (625); Temme, Die Lehre vom Diebstahl nach preußischem Rechte, S. 43, 74; Welzel, GA 1960, 257 (264). 168 So Bittner, Der Gewahrsamsbegriff, S. 36; Mayer, JZ 1958, 284. 169 Dazu Nöldeke, Die Begriffe des Gewahrsams und der Wegnahme beim Diebstahl, S. 21; Schütze, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 429.
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wurde ursprünglich auch für die Bestimmung des Gewahrsams im PrALR in Theil 1, Titel 7, § 1 beibehalten. Dort heißt es: „Wer das physische Vermögen hat, über eine Sache mit Ausschließung Anderer zu verfügen, der hat sie in seinem Gewahrsam, und wird Inhaber derselben genannt.“ 170 Annähernd begreifbar wird der Gewahrsamsbegriff nach heutigem Verständnis zwar erst in Verbindung mit der entsprechenden Kasuistik.171 Zwei theoretische Grundströmungen172 sind allerdings auszumachen. Entgegen einer anfänglichen Meinung in Literatur173 und teilweise auch der Rechtsprechung174, die das Relikt des rein physisch bestimmten Gewahrsamsbegriffs des PrALR (Theil 1, Titel 7, § 1) im RStGB aufgehen lassen wollten, setzt sich nach heute überwiegender faktischer Auffassung175 die Gewahrsamsbeziehung zwischen Mensch und Sache aus verschiedenen Komponenten kumulativ zusammen. Erstens erfordert sie in faktischer Hinsicht die Ausübung einer tatsächlichen Herrschaftsmacht. Diese besitzt, wer ohne Hindernisse auf die Sache einwirken kann. Zweitens muss subjektiv ein natürlicher176 Wille zur Bildung eines Herrschaftsverhältnisses vorliegen. Drittens ist als Korrektiv beider vorstehender Elemente auf sozial-normati-
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Siehe Fn. 155. Dazu Heinrich, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 13 Rn. 40; Ling, ZStW 110 (1998), 919 (920); Rönnau, JuS 2009, 1088, der darin eine bedenkliche Unbestimmtheit des Gesetzes sieht; Samson, JA 1980, 285 (286). 172 Abweichende Mindermeinungen von Hoyer in: Systematischer Kommentar, § 242 Rn. 32, der den Gewahrsam als „persönliches Nutzungsreservat“ bezeichnet; Schüerhoff, Der strafrechtliche Gewahrsamsbegriff, S. 211, vertritt ein „Sphärenmodell“ unter Ablehnung einer physischen und psychischen Komponente (S. 190 ff.); Seelmann/Pfohl, JuS 1987, 199 (202), die den Gewahrsam auf einem geschützten Nutzungsrecht und der Möglichkeit seiner Nutzung aufbauen. 173 Berner, Lehrbuch des Deutschen Strafrechtes, S. 553; Mayer, JZ 1962, 617 (619); Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 14. Aufl., § 242 Anm. 16; Schröter, Der Begriff der Wegnahme, S. 32; von Schwarze, Commentar zum Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich, § 242 S. 668. 174 RGSt 5, 218 (219 f.); RGSt 5, 222 (223); RGSt 66, 394 (396). 175 Sog. faktischer Gewahrsamsbegriff vertreten von RGSt 50, 183 (184 f.); BGHSt 8, 273 (274 f.); BGHSt 16, 271 (273); BGH, NStZ 1987, 71; BGH, StV 1988, 529; BGH, NStZ 2008, 624 (625); BGH, NStZ-RR 2013, 276; OLG Düsseldorf, NJW 1990, 1492; BayObLGSt 1995, 88 (89 f.); OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 140 (141); Börm, Entwendungen in Selbstbedienungsläden, S. 37 ff.; Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 242 Rn. 19; Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 26 ff.; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 29/30; Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1. Aufl., § 242 S. 279; Fischer, StGB, § 242 Rn. 11; Hälschner, Das preußische Strafrecht Teil 3, S. 429 f.; Heinrich, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 13 Rn. 38 ff.; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 12 ff.; Kudlich, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 242 Rn. 18; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 242 Rn. 9; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 40 ff.; Otto, Jura 1989, 137 (140); Redslob, ZStW 30 (1910), 205 (212 ff.); Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 2 Rn. 11. 176 RGSt 2, 332 (334); OLG Hamburg, MDR 1947, 35. 171
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
ver Ebene zu fordern, dass der Gewahrsam nach der natürlichen Auffassung des täglichen Lebens einer Person zugeordnet werden kann.177 Diese letztgenannte sozial-normative Korrektur führt in zahlreichen Fällen zu einer Durchbrechung des rein tatsächlichen Ausgangspunkts. Die Regel der ungehinderten Zugriffsmöglichkeit wird beispielsweise dadurch aufgeweicht, dass aufgrund der Verkehrsanschauung selbst trotz erheblicher räumlicher Entfernung des bisherigen Sachgewaltsinhabers diesem weiterhin der Gewahrsam zugesprochen wird. Ebenso wird in den Fällen einer kurzfristigen Sachübergabe in die Hände eines anderen wegen der Anschauungen des täglichen Lebens ein Herrschaftsverlust verneint, obwohl der andere der Sache körperlich nähersteht.178 Genauso wie die faktische Komponente je nach Umwelteinflüssen eingefasst wird, erfährt auch das subjektive Element Umformungen, um zu für die Rechtsgemeinschaft erträglichen Ergebnissen zu gelangen.179 Exemplarisch dazu genügt in größeren Gewahrsamssphären ein genereller Herrschaftswille, der nicht auf jede einzelne Sache bezogen sein muss.180 Dieser faktisch orientierten und sozial-normativ korrigierten Theorie steht der von Welzel 181 entwickelte sozial-normative Gewahrsamsbegriff 182 gegenüber.
177 BGH, GA 1969, 91; BGHSt 23, 254 (255); BGH, NStZ 2011, 158 (159); OLG Düsseldorf, GA 1961, 348; OLG Köln, StV 1989, 156; BayObLGSt 1995, 88 (90). 178 BGH, LM Nr. 11 zu § 242 StGB; BGH, GA 1966, 244; BGH, VRS 48 (1975), 175 (177); OLG Hamm, JMBl. NRW 1969, 100 (101); OLG Köln, MDR 1973, 866 (867); OLG Düsseldorf, NJW 1990, 923; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 26, 35 f.; Otto, ZStW 79 (1967), 59 (65); ebenso nach der Kulturnormentheorie Bittners, Der Gewahrsamsbegriff, S. 97. 179 Zutreffend Kargl, JuS 1996, 971 (972); ähnlich Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 242 Rn. 21 f.; Seelmann/Pfohl, JuS 1987, 199 (200), die demgegenüber beschönigend von „Modifikationen“ sprechen. 180 RGSt 50, 46 (50); OLG Hamm, NJW 1969, 620; Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 29; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 29/30; Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1016; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 19; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 242 Rn. 25; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 57; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 2 Rn. 14; Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 71. 181 GA 1960, 257 (264 f.). 182 Vertreten von Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 87 ff.; ausführliche Herleitung bei Gössel, ZStW 85 (1973), 591 (619 ff.); Heinsch, Der Gewahrsamsbegriff, S. 201; Hillenkamp, JuS 1997, 217 (221); Kargl, JuS 1996, 971 (974 f.); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 28; Lampe, JR 1986, 294 (295); Laubenthal, JA 1990, 38 (39); Ling, ZStW 110 (1998), 919 (923); Scheffler, JR 1996, 342 f.; Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 54 ff.; Seelmann, JuS 1985, 199 (202); vertiefend Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 82 f.; wohl auch Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1013; im Ergebnis identisch die Kulturnormentheorie (S. 91 ff.) von Bittner, Der Gewahrsamsbegriff, S. 106: Gewahrsam ist „ein aufgrund der Kulturnormen sich im dinglichen Bereich ergebendes soziales Zuordnungsverhältnis“, zu dem „objektiv-normative Kriterien herangezogen werden“ können, vgl. dazu ders., JuS 1974, 156 (159).
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Danach ist Gewahrsamsinhaber, wer den Willen zur Sachbeherrschung besitzt und wem die Sache sozial zuordnungsfähig ist. Als Kontrollüberlegung dient die Frage, ob auf die Sache ohne sittliche Rechtfertigung zugegriffen werden kann. Sobald ein Angriff sozial auffällig ist, besteht keine Gewahrsamsbeziehung zwischen Person und Sache.183 Konsens zwischen den beiden Ansichten besteht hinsichtlich der jeweiligen Einbeziehung der drei Komponenten des Faktischen, Subjektiven und SozialNormativen.184 Nur die Gewichtung dieser Elemente fällt jeweils verschieden aus. Während die herrschende Meinung ein tatsächliches Machtverhältnis zugrunde legt und normativ anpasst, setzt die neuere Ansicht von vornherein an einer Wertung der Gesamtumstände an. Hier ist eine faktische Herrschaftsmacht nicht konstitutives Indiz für das Bestehen eines Gewahrsamsverhältnisses.185 Einverständlich gelangen beide Positionen durch Unterscheidung von Tabuzonen186 aufgrund sittlicher Erwägungen weitgehend zu identischen Ergebnissen.187 So werden von jeder der genannten Auffassungen die engste körperliche von den übrigen weiteren Sphären des generell beherrschten Raumes188 und der weitesten Form der Herrschaftsmacht aufgrund gelockerten Gewahrsams unterschieden. Diese aufgezählten Begriffe bedürfen, da sie wesentliche Instrumente der Gewahrsamszuordnung sind, näherer Erläuterung. In der letztgenannten Situation der Gewahrsamslockerung wirkt ein Gewahrsamsverhältnis trotz einer durch räumliche Entfernung reduzierten Herrschaft aufgrund des Einflusses sozialer und dinglich-rechtlicher Anschauungen fort.189
183 Siehe Kargl, JuS 1996, 971 (974 f.); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 28; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 83, 85. 184 Deutlich wird dies bei OLG Zwickau, NJW 2006, 166; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 86 ff.; ebenso Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 55; Ausnahmen dazu Bittner, Der Gewahrsamsbegriff, S. 72 ff.; ders., JuS 1974, 156 (159); Lampe, JR 1986, 294 (295); Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 62 ff. 185 Ähnlich Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1012; Lampe, JR 1986, 294 (295). 186 Vgl. einerseits Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 42; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 23 f.; andererseits Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 28, 37; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 2 Rn. 25; Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 55. 187 Siehe OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 140 (141); Eser/Bosch, in: Schönke/ Schröder, § 242 Rn. 23 f.; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 242 Rn. 30; Rönnau, JuS 2009, 1088 (1089); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 86; treffend Wittig, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, § 242 Rn. 11.1, die von einem „terminologischen Streit“ spricht. 188 Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 26; Hellmann, in: Krey/Hellmann/ Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 20; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 242 Rn. 11. 189 RGSt 2, 64 (65); RGSt 38, 444 (445); RGSt 53, 175 (176); BGH GA 1962, 77; BGH, MDR 1966, 199 (bei Dallinger); BGH, JZ 1968, 637; OLG Köln, MDR 1973,
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
So behält der Bauer ungeachtet des räumlichen Abstands den Gewahrsam an dem Pflug auf dem Feld190, der Fahrzeughalter an dem geparkten Auto191, der Tierhalter bleibt Gewahrsamsinhaber des in der Nachbarschaft umherstreunenden Haustieres192.193 Weiterhin begründet auch die kurze Überlassung einer Sache zur Besichtigung, Probe etc. sowohl nach der herrschenden Meinung wie auch nach der sozial-normativen Theorie nicht automatisch einen Gewahrsamswegfall des Übergebenden. Nach den Anschauungen des täglichen Lebens verbleibt die Sache meist in der bisherigen Gewahrsamssphäre. Es kommt lediglich zu einer vorübergehenden Gewahrsamslockerung zwischen dem Berechtigten und der Sache.194 Der soeben genannte Begriff des generell beherrschten Raumes oder Gewahrsamssphäre erleichtert nach beiden Ansichten die Gewahrsamszuschreibung zahlreicher einzelner, oft unüberschaubar vieler Sachen innerhalb einer Sphäre. Sphären können Grundstücke genauso wie geschlossene Räumlichkeiten sein.195 In stärkstem Maße ergibt sich aus einer Betrachtung sozialer und normativer Belange, dass gerade aufgrund der Schaffung einer sehr engen Personen-Sach-Beziehung ein Gewahrsamsverhältnis begründet wird. Das gilt namentlich für die Beziehung des Wohnungsinhabers gegenüber den in den dortigen Räumen befindlichen Sachen.196
866 (867); OLG Düsseldorf, NJW 1990, 923; OLG München, VersR 1995, 954 (955); Biletzki, JA 1995, 857; Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1015; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 66; Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 88. 190 So u. a. Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1. Aufl., § 242 S. 279; A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 621 (639); das Paradebeispiel zur Aufrechterhaltung des Gewahrsams trotz räumlicher Entfernung wird aus § 217 PrStGB gezogen, der diesen Fall als qualifizierten Diebstahl unter Strafe stellte. 191 BGH, VRS 62 (1982), 274 (275). 192 RGSt 50, 183 (184). 193 Weitere Beispiele bei Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 27; allgemein Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 37 ff.; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 242 Rn. 9; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 2 Rn. 13. 194 Zu diesem Ergebnis gelangen die Anhänger des faktischen Gewahrsamsbegriffs wie BGH, LM Nr. 11 zu § 242 StGB; BGH, GA 1966, 244; OLG Hamm, JMBl. NRW 1969, 100 (101); OLG Köln, MDR 1973, 886 (867); OLG Düsseldorf, NJW 1990, 923; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 26, 35 f.; Otto, ZStW 79 (1967), 59 (65) und die des sozial-normativen wie Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 20 f., 97 Fn. 94; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 38. 195 So übereinstimmend die Anhänger des faktischen Gewahrsamsbegriffs: BGHSt 10, 400 (402); BGH, NStZ-RR 2013, 276 f.; sowie des sozial-normativen Gewahrsamsbegriffs: Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 28; Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 54 ff.; neutral Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 65. 196 Das ist ein aus § 102 StPO i.V. m. Art. 13 GG abzuleitender Rechtsgedanke.
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Umso mehr aber hat man Gewahrsam an Dingen, die selbst am Körper197, in der Kleidung oder auf andere Weise in Behältnissen mitgetragen werden. Für die Umschreibung einer derart engen Personen-Sach-Beziehung wird der vom öffentlichen Staatsrecht inspirierte plastische Begriff „Gewahrsamsexklave“198 (je nach Blickwinkel auch „Gewahrsamsenklave“) verwendet. Sie ist gekennzeichnet durch die Überlagerung einer kleineren Gewahrsamssphäre von einer umfassenderen. Ist das Band zwischen Person und Sache in der engeren stärker als in der weiteren Sphäre, wird um den betreffenden Gegenstand eine Herrschaftsbeziehung aufgebaut. In diesem Fall ordnet sich sowohl nach faktischer wie auch sozial-normativer Sicht die befindliche Sache unter der Sachgewalt der zu ihr näherstehenden Person ein.199 Exemplarisch wird eine Gewahrsamsenklave an Kleidungsstücken oder Waren aufgebaut, die nach Entfernung des Etiketts durch offenes Tragen auf dem Körper oder In-den-Händen-Halten den Anschein erwecken sollen, bereits in den Laden eingeführt worden zu sein.200 Dieser Überblick hat gezeigt, dass der Gewahrsam fester Bestandteil der Wegnahme und damit des Tatbestands des Diebstahls ist. Dagegen kann er definitorisch nicht exakt eingefasst werden. Festzuhalten ist lediglich, dass der Gewahrsam als heterogenes Gebilde aus objektiven, subjektiven und sozialen Elementen bestimmt wird. Ein isoliertes Betrachten der einzelnen Bausteine genügt nicht, ein Gewahrsamsverhältnis sinnvoll zu begründen. Erst eine Zusammenschau aller Komponenten lässt auf richtige Ergebnisse schließen. Insbesondere kommt der objektiven Betrachtung, die auf die bloße tatsächliche Sachherrschaft abstellt, lediglich Indizwirkung zu. Auch der Gewahrsamswille kann für sich gesehen kein Herrschaftsverhältnis zuordnen. Der Schwerpunkt der Gewahrsamsprüfung ist im sozial-normativen Teil anzusiedeln. Die sozial-normativen Überlegungen führen je nach Falllage, insbesondere je nach den räumlichen Gegebenheiten, zu unterschiedlichen Ergebnissen.
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OLG Stuttgart, NStZ 1985, 76; widersprechend BGH, LM Nr. 11 zu § 242 StGB. Erstmalig erwähnt von Wimmer, NJW 1962, 609 (612) nach den von Welzel, GA 1960, 257 aufgestellten Grundprinzipien; allgemein verwendet von beispielsweise Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 242 Rn. 28; Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 42; Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1025; Heinrich, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 13 Rn. 42; Hütewohl, ZJS 2009, 131; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 39; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 63; Og˘lakcıog˘lu, JA 2012, 902 (903); Seier, JA 1985, 387 (388 ff.); ders./Schlehofer, JuS 1983, 50 (51). 199 BGHSt 16, 271 (273 f.); BGH, MDR 1969, 359 f. (bei Dallinger); BGHSt 23, 254 (255 f.); BGHSt 26, 24 (25 f.); BGHSt 26, 95; Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 67; Welzel, GA 1960, 257 (267); Wimmer, NJW 1962, 609 (612); differenzierend Borsdorff, JR 1989, 4 f.; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 40; Seier, JA 1985, 387 (391 f.); widersprechend BGH, MDR 1956, 270 (bei Dallinger); BGH, JR 1963, 466 (467). 200 OLG Düsseldorf, JZ 1990, 100; OLG Frankfurt, MDR 1993, 671 f. 198
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b) Voraussetzungen an die Wegnahme Wegen der Abhängigkeit des Gewahrsamsbegriffs von objektiven, subjektiven und sozial-normativen Gegebenheiten können auch die Voraussetzungen an die Wegnahme nicht von vornherein eindeutig definiert werden. aa) Kasuistische Bestimmung nach der herrschenden Ansicht Die herrschende Ansicht bestimmt die Wegnahme nicht unter Konkretisierung ihrer beiden Teilakte, sondern anhand einer kasuistischen Beurteilung des Gewahrsamswechsels, der den Vollendungszeitpunkt der Wegnahme markiert. Einigkeit besteht dahingehend, dass es immer von der tatrichterlichen Prüfung im Einzelfall abhängt, ob ein Gewahrsamswechsel eintritt oder nicht.201 Dennoch wird der Leitgedanke der Apprehensionstheorie, nach der ein Ergreifen der Sache einem Gewahrsamswechsel genügt202, zugrunde gelegt. Nach dem Gedanken der Apprehensionstheorie muss die Sache unabhängig von ihrer Beschaffenheit aus den Räumlichkeiten grundsätzlich nicht hinausbefördert werden, um eine Vollendung der Wegnahme zu erreichen.203 So vollzieht sich tendenziell bei kleinen, handlichen Dingen ein Gewahrsamswechsel zwar früher als bei großen, schwer transportierbaren Gegenständen. Insbesondere kann bei Geld, Schmuck, Mobiltelefonen oder Taschen schon ein bloßes Ergreifen bzw. In-den-HändenHalten genügen.204 Andererseits gilt das aber auch für größere, leicht fortzubewegende Dinge wie Fahrräder205 und Laptops206. 201 Siehe dazu RG, GA 69 (1920), 104; BGH, MDR 1957, 141 (bei Dallinger); BGHSt 16, 271 (273 f.); BGH, GA 1962, 77 (78); BGHSt 23, 254 (255); BGH, StV 1988, 529; BGH, NStZ 2008, 624 (625); OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922; OLG Köln, StV 1989, 156 (157); BayObLGSt 1997, 101 (102 f.); Mayer, JZ 1961, 617 (620); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 122. 202 Dazu Berner, Lehrbuch des Deutschen Strafrechtes, S. 556; Goltdammer, Die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die preußischen Staaten Theil II, § 215 S. 461 f.; von Liszt, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 411; Mayer, JZ 1962, 617; A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 621 (664 f.); Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, § 215 Anm. 41; von Wächter, Deutsches Strafrecht, S. 414 bzw. 416 Fn. 1; Wimmer, NJW 1962, 609 (610). 203 RGSt 12, 353 (359); RG, GA 40 (1892), 51; RGSt 27, 395 (396 f.); RG, Das Recht 1906, Nr. 2184; RGSt 52, 75 (76); RG, GA 69 (1920), 104; RGSt 76, 131 (133); BGH, MDR 1967, 896 (bei Dallinger); BGH, GA 1969, 91; BGHSt 23, 254 (255 f.); BGH, NJW 1981, 997; BGH, NStZ 2011, 158 (159); KG, GA 69 (1920) 123; OLG Köln, NJW 1986, 392; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 63; anders BGH, JR 1963, 466 (467); Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 37. 204 BGH, MDR 1967, 896 f. (bei Dallinger); BGH, GA 1969, 91; BGH, MDR 1969, 359 f. (bei Dallinger); BGH, NStZ 1987, 71; BGH, StV 2010, 634; OLG Köln, NJW 1986, 392; OLG Düsseldorf, NJW 1988, 1335 (1336); OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 140 (141); AG Tiergarten, NStZ 2009, 270 (271); Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 39; Fischer, StGB § 242 Rn. 18; Kudlich, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 242 Rn. 32, 34; Schüerhoff, Der strafrechtliche Gewahrsamsbegriff, S. 210; Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 96; abweichend der „Brieftaschen“-Fall,
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Hingegen gelten bei sperrigen, nicht ohne Weiteres transportierbaren Gegenständen bzw. überwindbaren physischen Hindernissen andere Maßstäbe. Eine Neubegründung des Gewahrsams und damit Wegnahmevollendung tritt demnach bei Letzteren meist erst in dem Moment ein, in dem die Sache aus dem ursprünglichen Herrschaftsbereich herausgebracht wurde.207 Ausnahmsweise wird aber auch bei großen Gegenständen ein noch in den Räumlichkeiten ihrer bisherigen Aufbewahrung stattfindender Gewahrsamswechsel bejaht, wenn sie so versteckt wurden, dass der Verletzte nicht mehr jederzeit auf sie zugreifen kann.208 Insbesondere hält man ein Einfüllen in Säcke bzw. Verstecken der Diebesbeute in der bisherigen räumlichen Sphäre für ausreichend.209 An anderer Stelle210 genügt sogar ein Öffnen der Zauntür, das ein Ansichnehmen fremder Tiere durch einen Dritten erleichtert. Festzuhalten ist, dass der Zeitpunkt der Neubegründung des Gewahrsams und damit die Wegnahmevollendung nach der herrschenden Ansicht nicht sicher definiert wird, sondern von einer Einzelfallprüfung abhängt, wobei unter dem Leitgedanken der Apprehensionstheorie bereits beurteilte Fallkonstellationen Orientierungshilfen sind. Grundsätzlich kann der Vollendungszeitpunkt rasch verwirklicht sein, weshalb auch die Anforderungen an die Wegnahmehandlung gering sind. Diesem kasuistischen Überblick ist nun die eigene Deduktion der Voraussetzungen an die Wegnahme auf Auslegung beruhend gegenüberzustellen. bb) Bestimmung durch eigene Auslegung des Gesetzes Im Unterschied zu der von der herrschenden Ansicht verfolgten kasuistischen Bestimmung der Wegnahmevoraussetzungen unter Rückschluss aus dem GeOLG Köln, MDR 1973, 866 (867); widersprechend Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 46. 205 OLG Tübingen, SJZ 1947, 556 (557). 206 Siehe BGH, NStZ 2008, 624 (625); mit ablehnender Anmerkung Bachmann, NStZ 2009, 267; BGH, NStZ 2013, 276 f. 207 RGSt 27, 395 (396 f.); RGSt 52, 202; BGH, LM Nr. 9 zu §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB; BGH, NStZ 1981, 435 f.; BayObLGSt 1982, 122 (124); OLG Düsseldorf, NJW 1986, 2266; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 140 (141); LG Zwickau, NJW 2006, 166; dazu auch Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 97. 208 RGSt 12, 353 (359). 209 Siehe RGSt 12, 353 (355 f.); RMG 20 (1916), 197 (198); RGSt 53, 180 (181); RG, GA 68 (1920), 275 (276); KG, GA 69 (1920), 123; in Fortführung der Rechtsprechung des Reichsgerichts KG, JR 1966, 308; OLG Düsseldorf, JZ 1990, 100; Eser/ Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 24, 26, 39; Hälschner, Das Preußische Strafrecht Teil 3, S. 426; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 21; Meyer/Allfeld, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 511; Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 14. Aufl., § 242 Anm. 39; Walter, NStZ 2008, 156 (157); widersprechend Sächs. OAG, GA 19 (1871), 762; RGSt 27, 395 (396 f.); BGH, LM Nr. 9 zu §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB. 210 RGSt 48, 58 (59).
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
wahrsamswechsel legt die Arbeit das Gesetz selbst aus. Eine Annäherung an den Wegnahmebegriff erfolgt einerseits aus dem Wortbegriff der Wegnahme. Andererseits wird konkretisierend gezeigt, dass aus der besonderen Diebstahlsform des Trickdiebstahls eine gesonderte Betrachtungsweise ohne das Anlegen strikter Theorien notwendig ist. Welche Voraussetzungen nun an die Wegnahme zu stellen sind, ist durch Auslegung zu ermitteln. Auf den ersten Blick verbirgt sich hinter dem Verb „wegnehmen“ eine aktive Verhaltensweise. Denn man kann nur dann etwas nehmen, wenn man tätig wird. Ein bloß passives Sichgebenlassen kann danach nicht genügen. Allerdings unterstützen die etymologischen Nachschlagewerke211 diese Sichtweise nicht. Ohnehin sind sie wenig aufschlussreich. Außer der dem Wort unter Vorschaltung des Präfixes „weg“ innewohnenden Ortsverschiebung212 bzw. dem Entzug einer Sache213 kann aus ihnen nichts gewonnen werden. Vergegenwärtigt man sich die Situationen einer Ortsverschiebung unter den Bedingungen eines Trickdiebstahls, ist überdies bei Anwesenheit des Opfers nicht immer eindeutig, ob nun ein aktives Handeln oder ein passives Unterlassen des Täters zum Erfolg geführt hat. Für die Fälle des Trickdiebstahls ist schließlich ein Zusammenwirken von Täter- und Opferverhalten symptomatisch. Beide Beteiligten leisten einen Beitrag zur Tatbestandsverwirklichung. Ein Ansichnehmen des Substrats liegt in der Konstellation einer mehrfachkausalen Sachverschiebung zu Gunsten des Täters letztlich allen Fallgestaltungen zugrunde, ob der bisher Berechtigte nun die Sache einem anderen irrtümlich überreicht oder schlicht gegen ein selbstständiges Ergreifen des Täters einer Täuschung wegen nicht vorgeht.214 Ferner kann nicht beurteilt werden, ob derjenige, der eine Sache nach einer Täuschung liegenlässt, diese gegeben hat oder nehmen ließ. In allen Fällen wird der Täter eine Sache aus ihrer ursprünglichen Herrschaftsbeziehung durch Ansichnahme extrahieren. Ein Wegnehmen nach dem hier bisher verstandenen Sinn ist allen Fällen des Trickdiebstahls gemein. Eine Unterscheidung zwischen passivem Geben durch das Opfer und einem aktiven Nehmen des Täters ist daher nicht eindeutig beweisbar und führt zu willkürlichen Ergebnissen.215 Die Wegnahme als das Täterverhalten des Diebstahls kann daher nicht 211
Kluge, Etymologisches Wörterbuch, S. 651, 975. Duden, Das Herkunftswörterbuch, S. 918; in diesem Sinne im Übrigen auch Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 61 f. 213 Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 10, S. 4451; Köbler, Etymologisches Wörterbuch, S. 488. 214 So auch der Tenor von OLG Nürnberg, SJZ 1950, 136; siehe dazu auch den Vergleich zwischen AG Tiergarten, NStZ 2009, 270, und BGH, StV 2010, 634, denen beiden nach zutreffender Ansicht (in Übereinstimmung mit Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 2 Rn. 30a) trotz äußerlicher Unterschiede eine Wegnahme zugrunde liegt. 215 Sinngemäß BGHZ 5, 365 (369); OLG Nürnberg, SJZ 1950, 136; Bethge, Der Ladendiebstahl, S. 165 f.; Meister, MDR 1947, 251; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (42 f.); 212
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objektiv eingeengt werden. Die Störung des Machtverhältnisses kann also nicht aus objektiven Vorgängen gefolgert werden. Unter Wahrung der Wortlautgrenze ist daher jedes Verhalten des Täters tatbestandsmäßig, sei es aktiv oder passiv, das zu einem Gewahrsamswechsel führt.216 Folglich steht fest: Eine Wegnahme kann sich in vielerlei Verhaltensweisen erschöpfen.217 Der Diebstahl ist damit kein verhaltensgebundenes, sondern ein Erfolgsdelikt.218 Das hat zwei Konsequenzen: Erstens müssen wegen der inhaltlichen Weite alle Verhaltensweisen des Täters, die zu dem tatbestandlichen Erfolg des Gewahrsamswechsels führen, erfasst sein. Insbesondere ist damit auch die besondere Begehungsform des Trickdiebstahls, dessen Täterverhalten durch List geprägt ist, legitimiert.219 Zweitens bedeutet der weite Wegnahmebegriff für die Vollendung des Delikts, dass sie bereits zu einem frühen Zeitpunkt eintreten kann. Im Einklang mit der vorstehend erläuterten herrschenden Ansicht, die den Leitgedanken der Apprehensionstheorie verinnerlicht hat, könnte also bereits mit dem Ergreifen ein Gewahrsamswechsel eintreten und der Trickdiebstahl vollendet sein. Die besondere Form der Entwendung einer Sache in Form eines Trickdiebstahls gebietet allerdings die folgende Einschränkung: Die Apprehensionstheorie ist für diese Fälle nicht anwendbar. Hält man sich vor Augen, dass in diesen Fällen unter der Vorschaltung einer Täuschung das Täter- und Opferverhalten zusammenwirken, ist eine gesonderte Sichtweise notwendig. Denn die Regel der Apprehensionstheorie wurde anhand der Fälle des einseitigen Handelns des Täters entwickelt, ohne dass eine Kollision mit dem Betrugstatbestand bekannt war.220 Auch heute wird der Gedanke der Apprehensionstheorie nur auf einfach-
Stoffers, JR 1994, 205 (207); Weingart, Die Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 10. 216 Zustimmend Erb, in: Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg, S. 711 (724); Mayer, JZ 1962, 617 (618); Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (45); Seelmann, JuS 1982, 268 (271); Tenckhoff, JR 1974, 489 (492); bestritten von Rotsch, GA 2008, 65 (66 ff.); ders., ZIS 2008, 132 (135). 217 Vgl. auch BayObLG, NJW 1987, 663; Ling, ZStW 110 (1998), 919 (933). 218 Ebenso Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 7 Rn. 21; Heinrich, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 11 Rn. 2 mit ergänzenden Hintergründen; Krack, List als Tatbestandsmerkmal, S. 49; Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 20. 219 Davon weicht Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 61, insofern ab, als er die Wegnahme einseitig als bloße Einwirkung auf die Sache versteht. 220 Siehe RG, GA 40 (1892), 51; RG, Das Recht 1906, Nr. 2184; RG, GA 69 (1920), 104; RGSt 76, 131 (133); KG, GA 69 (1920), 123; Berner, Lehrbuch des Deutschen Strafrechtes, S. 556; Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 10. Aufl., § 242 Nr. 39; Wachenfeld, Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 374; anders Kargl, JuS 1996, 971 (975); keine Anwendung der Apprehensionstheorie indessen in Zweipersonenfällen wie RGSt 1, 289; RGSt 27, 395 (396 f.).
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kausale Fälle angewendet, in denen allein der Täter den Schaden herbeiführt.221 In den Fällen des Trickdiebstahls geht es demgegenüber um ein zusammenwirkendes Verhalten von Täter und Opfer. Das wird in den für den Trickdiebstahl typischen Fällen der Gewahrsamslockerung deutlich. Dort sind mehrere Verhaltensweisen zur Herbeiführung des Gewahrsamswechsels kausal: Erstens die Täuschung des Täters, zweitens die Herausgabe durch das Opfer, drittens des Ergreifen durch den Täter, viertens das Entfernen bzw. Einstecken der Sache durch den Täter. Für diese mehrfachkausalen Verhaltensstränge kann kein einheitliches Muster zugrunde gelegt werden. Vielmehr gebietet es die Kommunikationsbeziehung im Rahmen des Trickdiebstahls, die Gewahrsamsbeziehungen anhand sozial-normativer Anschauungen zu bewerten. Unter diesen Kriterien tritt der Gewahrsamswechsel meist erst später ein. Ohnehin verbieten sich zur Frage nach dem Vollendungszeitpunkt schematische Lösungen. Das feste Abstellen auf die Apprehensionstheorie für kleine, handliche Dinge wird den vielgestaltigen Situationen des täglichen Lebens nicht gerecht. Das zeigen zahlreiche Fälle222, in denen die herrschende Ansicht unter Durchbrechung der Apprehensionstheorie eine Entfernung der Sache fordert. Entscheidendes Leitprinzip ist vielmehr die nach den Umständen des einzelnen Falls zu beurteilende Möglichkeit der sozial-normativ anerkannten Einwirkung auf die Sache.223 So liegt es in der Natur der Sache, dass für große, sperrige Dinge ein größerer Aufwand nötig ist, um sie in eine andere Herrschaftssphäre zu befördern. Kleine Dinge können demgegenüber schneller in eine neue Gewahrsamssphäre unter Bildung einer Enklave gebracht werden. Für die Bestimmung des Zeitpunkts des Gewahrsamswechsels kann es daher nicht auf Fachausdrücke ankommen. Vielmehr sind die jeweiligen Verfügungsmöglichkeiten der Beteiligten unter sozial-normativen Anschauungen als Maßstab zugrunde zu legen.224 Die beschriebene Apprehensionstheorie ist damit nicht auf die zu analysierenden Fälle anwendbar. Im Gegenteil: Die maßgebliche sozial-normative Anschau221 Siehe BGHSt 23, 254 (255); BGH, MDR 1967, 896 (bei Dallinger); BGH, GA 1969, 91; BGH, NStZ 2011, 158 (159 f.); OLG Tübingen, SJZ 1947, 556 (557); OLG Düsseldorf, NJW 1990, 1492; LG Karlsruhe, NStZ 1993, 543 (544); OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 140 (141). 222 RGSt 27, 395 (396 f.); RGSt 52, 202; RG, JW 1934, 1358 (1359); BGH, LM Nr. 9 zu §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB; BGH, MDR 1956, 270 (bei Dallinger). 223 Siehe dazu BGHSt 16, 271 (273 f.); BGH, NJW 1981, 997; BGHSt 41, 198 (205); OLG Köln, NJW 1986, 392; OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2005, 140 (141); Bachmann, NStZ 2009, 267; Gössel, ZStW 85 (1973), 591, (610, 613); Hälschner, Das preußische Strafrecht Teil 3, S. 427 Fn. 3; Hecker, JuS 2011, 374; Schmitz, in: Münchener Kommentar zum StGB, § 242 Rn. 79. 224 Zutreffend Gössel, ZStW 85 (1973), 591 (616); Hecker, JuS 2011, 374; Nöldeke, Die Begriffe des Gewahrsams und der Wegnahme beim Diebstahl, S. 82; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 122; Zopfs, ZJS 2009, 506 (510).
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ung gelangt in den Fällen mehrfachkausalen Verhaltens regelmäßig nicht zu einem sofortigen Gewahrsamswechsel. Vielmehr ist im Zeitpunkt des Ergreifens nach sozial-normativer Anschauung je nach Einzelfall regelmäßig noch kein Gewahrsamswechsel feststellbar. Der Gedanke der Apprehensionstheorie ist damit in den Abgrenzungskonstellationen nicht anwendbar. Aufgrund der durch die eigene Auslegung gezogenen Schlüsse ist die Wegnahme im Rahmen des Trickdiebstahls daher folgendermaßen näher zu definieren: Die Wegnahme bedeutet einen durch jede beliebige trickreiche Verhaltensweise herbeigeführten Gewahrsamswechsel. Die Gewahrsamsverhältnisse sind nach den Umständen des einzelnen Falls unter maßgeblich sozial-normativen Gesichtspunkten zu bestimmen. c) Fazit Die Wegnahme als Tathandlung des Diebs setzt sich aus dem Verlust des Gewahrsams auf Opferseite und der Neubegründung des Gewahrsams auf Seiten des Täters zusammen. Die begriffliche Deutung des Gewahrsams fällt schwer, obgleich seine Verwendung innerhalb des Diebstahlstatbestands allgemein anerkannt ist. Die Schwierigkeiten in der inhaltlichen Deutung setzen sich bei der Bestimmung der Voraussetzungen an die Wegnahme fort. Die herrschende Ansicht nimmt keine konkrete Bestimmung des Wegnahmeverhaltens vor. Vielmehr geht sie von einer Vollendung des Diebstahls und damit einer Verwirklichung der Wegnahmevoraussetzungen aus, sobald unter einer Einzelfallprüfung, die von dem Gedanken der Apprehensionstheorie geleitet ist, ein Gewahrsamswechsel vorliegt. Demgegenüber konkretisierte die Arbeit die Voraussetzungen an die Wegnahme durch Auslegung des Gesetzes. Insbesondere ergab die eigene Auslegung, dass eine Verengung des Täterverhaltens auf rein faktischer Ebene nicht geleistet werden kann. Diesen durch Auslegung ermittelten Grundsatz leitete die Arbeit einerseits aus dem Wortbegriff „Wegnahme“ ab. Andererseits wurde der Grundsatz der Unbeachtlichkeit von äußeren Faktoren ausgehend von der Charakterisierung des Trickdiebstahls als mehrfachkausales Geschehen gefolgert. Da in diesen besonderen Situationen Täter- und Opferverhalten mehrfach zusammenwirken, ist es willkürlich, anhand des äußeren Erscheinungsbildes über das Vorliegen einer Wegnahme zu entscheiden. Diese Auslegung führt zu der Konsequenz, dass der Diebstahl ein Erfolgsdelikt ist, bei dem jedes kausale Verhalten, das einen Gewahrsamswechsel herbeiführt, den Begriff der Wegnahme erfüllen kann. Nach diesem zugrunde gelegten extensiven Wegnahmebegriff darf zuletzt auch eine für den Trickdiebstahl typisch vorgeschaltete Täuschung der Wegnahmehandlung nicht schaden. Diese Fälle sind gerade dadurch gekennzeichnet, dass sich der Täter durch die angewandte List einen Gewahrsamswechsel ermöglicht.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
Unter Berücksichtigung der Sonderform des Trickdiebstahls, in der mehrere Bedingungen auf Seiten des Opfers und des Täters einen Gewahrsamswechsel zusammen bewirken, ist der Vollendungszeitpunkt allerdings dahingehend zu konkretisieren, dass in den meisten Fällen nicht schon mit Ergreifen der Sache ein Gewahrsamswechsel eintritt. Letzterer ist vielmehr zeitlich nach dem Ergreifen bzw. Ansichnehmen durch den Täter unter Zugrundelegung sozial-normativer Anschauungen anzunehmen. Damit ist der herrschenden Ansicht, die mit dem Gedanken der Apprehensionstheorie schon im Moment des Ergreifens kleiner Dinge einen Gewahrsamswechsel für gegeben hält, eine Absage zu erteilen. Die Auslegung unter isolierter Betrachtung des gesetzlich normierten Täterverhaltens ergibt damit die folgende eigene Definition der Wegnahme durch den Trickdieb: Die Wegnahme bedeutet einen Gewahrsamswechsel, der sich aus einem Gewahrsamsverlust auf Seiten des Opfers und einer Gewahrsamsneubegründung in einer anderen Person zusammensetzt. Der Gewahrsamswechsel ist in den Fällen des Trickdiebstahls unter Betrachtung sozial-normativer Belange grundsätzlich nicht schon mit dem Ergreifen vollzogen. Nach der Festlegung des Täterverhaltens des Diebstahls ist im nachstehenden Punkt auf das Täterverhalten des Betrugs einzugehen. 2. Die täuschende Irreführung als Tathandlung des Betrugs Kennzeichen des Betrugs ist eine Täuschung. Der Gesetzestext des Betrugs verlangt auf objektiver Seite ausdrücklich eine Vermögensbeschädigung des Opfers durch täuschende Irrtumserregung. Die genaue Qualifizierung der Täuschung ist konkret für die Abgrenzung brisant. Denn beide Tatbestände, der Trickdiebstahl und der Betrug, setzen eine irrtumsbedingte Täuschung225 voraus. Wird nun schon eine Täuschung verneint, scheidet eine Abgrenzungssituation von vornherein aus. Die überwiegende Meinung von heute, die sich vertiefter mit ungeschriebenen Abgrenzungsmechanismen als den im Gesetz enthaltenen Merkmalen beschäftigt, verkennt den abgrenzungstauglichen Wert dieser Merkmale. Umso mehr legt die Arbeit den Fokus auf eine gründliche Auslegung und Reichweitenbestimmung von Täuschung und Irrtum. Der Auslegung des Täterverhaltens im Rahmen des Betrugs, sind, wie schon bei der vorangehenden Prüfung der Wegnahme, bestimmte Ausgangsdefinitionen zugrunde zu legen. Das betrifft neben der Deutung der Täuschung auch den Irrtumsbegriff. Gleichwohl sind die weitergehend durch die Rechtsprechung und Literatur geprägten Konkretisierungen nicht unbesehen zu übernehmen. Vielmehr werden sie durch eine am Gesetzestext arbeitende eigene Auslegung näher bestimmt. Die dadurch ermittelten Erkenntnisse werden eine veränderte Blick225
Siehe Einleitung A.
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richtung auf die Täuschungsformen, namentlich auf die Konkludenz aber auch auf den Irrtumsinhalt und seine Intensität aufzeigen. Das so neu ausgelegte Gesetz ist anschließend in den praktischen Fällen der Warenentwendung aus Selbstbedienungsläden zu illustrieren. a) Die Täuschung über Tatsachen Das Täterverhalten im Rahmen des Betrugs ist in einer psychischen Einwirkung auf das Opfer zu sehen. Der Betrug ist ein Kommunikationsdelikt.226 Er fordert von dem Täter eine täuschende Einwirkung auf das Opfer, die zwar nicht ausdrücklich im Gesetz ihren Niederschlag gefunden hat und doch in den Begriffen der Vorspiegelung falscher227, Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen zu einem täuschenden Gesamtverhalten unter Einhaltung der Wortlautgrenze zusammengefasst werden kann.228 Eine Tatsache ist, worüber auch Beweis erbracht werden kann. Der Tatsachenbegriff ist ganz allgemein von Werturteilen oder zukünftigen Ereignissen zu unterscheiden, deren Inhalte nicht beweisbar sind.229 aa) Die Täuschung als Mittel der Kommunikation In jedem Fall ist eine intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen erforderlich230, um dem Betrug als Kommunikationsdelikt gerecht zu werden.231 Deshalb ist eine Täuschung in den Fällen zu verneinen, in denen der 226 Deutscher, NStZ 1983, 505 (506); Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 542; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 21; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 10; Tönnies, Die Ausdehnung des Täuschungsbegriffs, S. 61; Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, S. 43; Wittig, Das tatbestandsmäßige Verhalten des Betrugs, S. 229. 227 Diese Wortwahl gilt als missglückt, siehe dazu Hellmann, in: Krey/Hellmann/ Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 492; Volk, JuS 1981, 880 (881). 228 So der Vorschlag § 252 E 1962; Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 263 Rn. 8; Herzberg, GA 1977, 289; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 7; Kargl, in: Festschrift für Klaus Lüderssen, S. 613 (615); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 57; Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 193 (194); Küper, Strafrecht Besonderer Teil, S. 285; Volk, JuS 1981, 880 (881). 229 RGSt 3, 332 (333); RGSt 41, 193 f.; RGSt 56, 227 (231 f.); Näheres über den Tatsachenbegriff bei Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 8 f.; Hohmann/ Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 9 ff.; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 12; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 7 Rn. 21; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 13. 230 BGHSt 47, 1 (3, 5); Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 6; Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 263 Rn. 8; Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 521; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 24; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263 Rn. 6. 231 Ellmer, Betrug und Opfermitverantwortung, S. 120; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 76; Kargl, in: Festschrift für Klaus Lüderssen, S. 613 (618,
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
Täter nicht direkt auf die Vorstellung des Opfers einwirkt, sondern Gegenstände manipuliert, ohne die Gedankenwelt des Berechtigten zu verändern.232 Dafür spricht schon der Wortlaut des Gesetzes. Die Täuschung ist nach gebräuchlicher Definition eine Einwirkung auf die Vorstellung eines anderen. Eine Einwirkung auf die psychische Ebene des Berechtigten ist dann anzunehmen, wenn ein Denkprozess in Gang gesetzt wird, unabhängig davon, ob die bisherige Vorstellung aufrechterhalten oder beseitigt wird. Die Gedanken bilden sich im Rahmen der bloßen Realitätsveränderung aber nicht ursächlich zu der Manipulation der Sache, sondern mangels Gedankenaustausches von selbst. Mangels Anstoßes zu der Vorstellung in Bezug auf den Status der Sache fehlt es an einer Einwirkung. Da dann nur auf die tatsächliche anstelle der geistigen Ebene eingewirkt wird, liegt schon kein Gedankenaustausch vor. Hier ist nicht die Vorstellungsbildung angegriffen, sondern lediglich die vorhandene Vorstellung. Eine Täuschung ist in diesen Fällen zu verneinen. Es widerspricht daher dem Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG, in einer bloßen Objektmanipulation ein täuschendes Verhalten zu sehen. Dass eine extensive Betrachtungsweise unter Einbeziehung bloßer Objektmanipulationen unter das Merkmal der Täuschung contra legem verläuft, zeigt auch der Vergleich mit dem betrugsähnlichen Auffangtatbestand233 § 263a StGB, der 621); Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 9 f.; Satzger, in: Satzger/Schmitt/ Widmaier, StGB, § 263 Rn. 30; Trüg/Habetha, JZ 2007, 878 (879); differenzierend Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 23, 51; widersprechend Arzt, in: Arzt/ Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 46; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 25; Nehrer/Labsch, JuS 1981, 603 (604). 232 Bejahend: RGSt 20, 144 (145); OLG Hamm, NJW 1957, 1162; Arzt, in: Arzt/ Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 45 ff.; Erb, ZIS 2011, 368 (371); Franzheim, wistra 1987, 313 (314 f.); Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 499; Lackner, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 19; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 7 Rn. 52; grundsätzlich auch Nehrer/ Labsch, JuS 603 (604), sofern ein Täuschungswille nachweisbar ist; Samson, JA 1978, 469 (473); verneinend: OLG Stuttgart, NJW 1982, 1659 und OLG Düsseldorf, NJW 2000, 158 f.; von Bar, GS 40 (1888), 481 (491); Bockelmann, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 437 (439); Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 12; Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 263 Rn. 8; Ellmer, Betrug und Opfermitverantwortung, S. 120 f.; Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl., § 263 S. 585; Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 53 ff.; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 75 f.; Herzberg, Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip, S. 78; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 16; Kargl, in: Festschrift für Klaus Lüderssen, S. 613 (621); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 98; Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 193 (194); Krack, List als Tatbestandsmerkmal, S. 50 f.; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 86 ff.; Reese, Täuschung und Irrtum beim Betrug, S. 99 ff.; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 10; Samson, JA 1978, 469 (472); Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 22 f.; Triffterer, JuS 1971, 181 (183); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 490; Wittig, Das tatbestandsmäßige Verhalten des Betrugs, S. 222 ff.; unstimmig Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 24 f. 233 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263a Rn. 2.
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ausdrücklich die schädigende Einwirkung durch Objektmanipulation in Form von Datenverarbeitungsvorgängen unter Strafe stellt. Das beweist im Umkehrschluss, dass lediglich ordnungswidrige Einwirkungen auf das Tatobjekt ohne wörtlichen oder mimischen Austausch mit dem zu Täuschenden aus dem klassischen Betrugstatbestand nach § 263 StGB herausfallen müssen.234 Ferner droht eine Ausuferung des § 263 StGB, wenn auch faktische Veränderungen als irreführende Einwirkung erfasst würden. Jede verborgene tatsächliche Veränderung könnte, wenn sie sich auf einen Vermögensgegenstand bezieht, als betrugsrelevante Täuschung angesehen werden.235 Zur Vergegenwärtigung des Ausmaßes dieser Anschauung dienen die folgenden Beispiele: Der Werkstattbesitzer zersticht die Reifen eines in der Nähe seines Betriebs geparkten Autos eines Kunden in der Hoffnung, dass der Kunde bei ihm den Schaden reparieren lässt. Die Täuschung läge nach dieser Anschauung im Zerstören der Reifen, also in einer Sachbeschädigung, § 303 StGB.236 Oder: Während einer Reise des Hausbesitzers entwendet der Täter eine Sache. Eine Täuschung würde hier in der tatbestandsmäßigen Wegnahme nach § 242 StGB gesehen werden. Die Veränderung der Sache erschöpft sich in diesen konkreten Fällen plastisch in rein mechanischen Tätigkeiten. Darin eine Täuschung zu sehen wirkt nicht nur befremdlich.237 Vielmehr kann diese gegenständliche Manipulation schon begrifflich keine Täuschung, die sich auf geistiger Ebene abspielt, begründen. Daher gilt: Eine Realitätsveränderung unterfällt nicht dem Täuschungsmerkmal des § 263 StGB. Im Einklang mit dem Charakter als Kommunikationsdelikt ist daher zu fordern, dass § 263 StGB das Vertrauen in ein Verhalten mit Erklärungswert über die Wirklichkeit schützt, „nicht das Vertrauen in die richtige Wahrnehmung der Realität“ 238. Grundsätzlich schließt aber die manipulative Einwirkung auf einen Gegenstand die Möglichkeit einer Täuschung nicht aus, sofern die Manipulation der Sache in diesem Fall nur vorbereitender Akt einer Täuschung ist. Gleichviel,
234 Richtig insofern OLG Stuttgart, NJW 1982, 1659; AG Gießen, NJW 1985, 2283; OLG Düsseldorf, NJW 2000, 158. 235 Dazu Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 101 f.; Rotsch, JuS 2004, 607 (609); ders., ZIS 2008, 132. 236 Eine Täuschung durch Konkludenz bzw. Unterlassen ist abzulehnen, da die Annahme des Reparaturauftrags durch den Mechaniker nicht den Erklärungswert hat, er sei nicht der Verursacher des Schadens. Andererseits kommt auch eine Garantenstellung des deliktisch Handelnden nicht in Betracht; Näheres dazu unten, Kapitel 2: A. II. 2. a) bb) (2) (b) bzw. Kapitel 2: A. II. 2. d) aa) (2). 237 Das gesteht auch Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 48 ein. Er schlägt – ohne Begründung – vor, den Betrug in den Fällen gleichzeitig begangener anderer Delikte auf Tatbestandsebene zu verneinen. 238 Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 21; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 100.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
ob die Täuschung durch Manipulation einer Sache oder die Täuschung mithilfe einer zustandsveränderten Sache im Raum steht, kommt es für das Merkmal der Täuschung im Sinne des § 263 StGB immer auf ein erklärungserhebliches Verhalten an.239 Als erstes Ergebnis der Auslegung des Täterverhaltens des Betrugs ist daher festzuhalten, dass eine bloße Objektmanipulation dem Täuschungsmerkmal nicht genügt. Im Rahmen der Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug wirkt sich diese Ansicht vor allem in einer verengten Sichtweise auf die wirklich kollidierenden Fälle aus. Vor allem im Bereich des Hinzufügens von Waren, des vollständigen Austauschens des Verpackungsinhalts und der Umetikettierung von Waren, aber auch in den Wechselgeldfällen ist nach einer wirklichen Kommunikationssituation zu fragen. Unter Zugrundelegung der hier bewiesenen restriktiven Täuschungshandlung werden Fallkonstellationen mangels täuschenden Erklärungswerts aus den abgrenzungsbedürftigen Fällen auszuscheiden sein. bb) Täuschungsformen Getäuscht werden kann nach heutiger herrschender Meinung durch aktives Tun wie auch Unterlassen.240 Innerhalb der Täuschung durch ein Tun sind ausdrückliches und schlüssiges bzw. konkludentes241 Verhalten voneinander zu trennen.242 Für die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug erheblich ist vor allem die nicht expressis verbis geäußerte Form der Täuschung durch Konkludenz. So versuchen häufig der Trickdieb wie auch der Betrüger gleichermaßen durch ein positiv-schweigendes Verhalten eine Sache zu erlangen. Typisch ist dies in den 239 So Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 76 f.; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 17; Nehrer/Labsch, JuS 1981, 603; Satzger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rn. 27 ff.; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 23. 240 Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 7; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 73; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 144; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263 Rn. 12; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 41 II Rn. 36 ff.; Otto, JZ 1993, 652 (653); widersprechend früher Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts Besonderer Teil, Bd. 1, S. 345; A. Merkel, Kriminalistische Abhandlungen II/1, S. 136 ff.; von Wächter, Deutsches Strafrecht, S. 453; heute widersprechend Bockelmann, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 437 (451 ff.); Herzberg, Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip, S. 81; Naucke, Zur Lehre vom strafbaren Betrug 1964, S. 110, 214, 246 f.; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 97; Tönnies, Die Ausdehnung des Täuschungsbegriffs, S. 63. 241 Allgemein anerkannt, siehe nur BVerfGE 130, 1 (44); Bedenken bei Bung, GA 2012, 354 (357 ff.); Volk, JuS 1981, 880 (882); ablehnend von Cleric, Betrug verübt durch Schweigen, S. 21; Reese, Täuschung und Irrtum beim Betrug, S. 72 ff., 89 ff.; Triebs, Lügen und Verschweigen, S. 29 ff. 242 Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 21; Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 193 (194).
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für die Abgrenzung bedeutenden Fällen des Bezahlens an der Kasse in Selbstbedienungsläden. Wegen der Relevanz in diesen Fallgestaltungen wird den Erörterungen zum schlüssigen Verhalten ein eigenständiger Punkt gewidmet. Davor werden die Täuschungsformen durch ausdrückliches Tun und passives Unterlassen betrachtet. (1) Täuschung durch ausdrückliches Tun und passives Unterlassen Eine Täuschung durch ausdrückliches Tun liegt in jeder unwahren ausdrücklichen Äußerung, sei sie mündlich oder schriftlich überbracht.243 Strenger sind die Voraussetzungen an die Strafbarkeit wegen Unterlassens. Sie setzt eine spezifische Garantenstellung des Täters voraus, die zur zumutbaren Aufklärung verpflichtet, und verlangt eine Entsprechung244 (Modalitätenäquivalenz)245 des Unterlassens mit positivem Tun gemäß dem Gedanken des § 13 Abs. 1 Hs. 2 StGB246.247 Dabei genügt das bloße Ausnutzen eines Wissensvorsprungs noch nicht.248 Vielmehr muss im Wirtschaftsverkehr den Parteien eingestanden werden, dass diese zunächst auf ihren eigenen Profit bedacht sind und dabei legitime List geschickt eingesetzt werden kann. Wann die Grenze zur strafbaren Täuschung erreicht wird, ist wegen der fließenden Übergänge schwierig.249 Als problematisch erweist sich insbesondere die Abgrenzung des Unterlassens gegenüber dem konkludenten Tun. Hier werden die Grundsätze des Unterlassens in abgeschwächter Form häufig auf die Anforderungen schlüssigen Verhaltens übertragen.
243 Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 13; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 78; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 108. 244 Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 73, 136; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 33; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263 Rn. 12; zu den Einzelheiten insbesondere Maaß, Betrug verübt durch Schweigen, S. 45 ff.; Maurach/ Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 41 II Rn. 49; Samson, JA 1978, 469 (473). 245 Dazu Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 21 Rn. 69; Maaß, Betrug verübt durch Schweigen, S. 32; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 74. 246 Ablehnend Maaß, Betrug verübt durch Schweigen, S. 32 ff. 247 Allgemein zu dem Problem der Täuschung durch Unterlassen Bockelmann, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 437 ff.; BayObLGSt 1987, 8 (10); Ranft, JA 1992, 66 (67); Satzger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rn. 45; Volk, JuS 1981, 880 (881). 248 So BGH, JZ 1989, 550; AG Bremerhaven, JZ 1967, 370 (371); Arzt, in: Arzt/ Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 7; Bung, GA 2012, 354; Krack, List als Tatbestandsmerkmal, S. 76; Naucke, JZ 1967, 371 (373); Reese, Täuschung und Irrtum beim Betrug, S. 120; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 19 f.; differenzierend OLG Köln, JZ 1961, 433 mit zust. Anm. Schröder; abweichend Kühne, Geschäftstüchtigkeit oder Betrug?, S. 54 ff. 249 Kühne, Geschäftstüchtigkeit oder Betrug?, S. 7 ff.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
(2) Täuschung durch konkludentes Tun Im Allgemeinen kommt eine Täuschung nur dann zustande, wenn dem Gesamtverhalten des Täters ein irreführender Erklärungswert zu entnehmen ist.250 Unter dem Unterfall konkludenten Täuschens wird ein positives Verhalten des Täters verstanden, bei dem zwar eine Äußerung ausdrücklich, also expressis verbis zu einem Umstand nicht feststellbar ist, aber aus dem kontextuellen Tun falsche Schlüsse gezogen werden.251 Welcher Erklärungswert sich aus einem Verhalten entnehmen lässt, beurteilt der Tatrichter252 nicht aus der Täterperspektive. Vielmehr ist dabei anhand der allgemeinen Verkehrsauffassung zu ermitteln, welcher Inhalt der Täterhandlung aus Sicht eines verständigen Opferadressaten nach der typischen Risikoverteilung des jeweiligen Geschäftstyps zu entnehmen ist.253 Im Einzelnen ist in Betreff des Inhalts konkludenten Täuschens vieles umstritten. Die Praxis behilft sich durch die Kategorisierung in Fallgruppen.254 Kriterien für eine nähere Charakterisierung des Erklärungswerts finden sich nur vereinzelt255. (a) Weite Bestimmung nach der herrschenden Ansicht Eine zunehmend an Bedeutung gewinnende Ansicht bemisst, wegen der Unschärfe256 des von der herrschenden Meinung angeführten Erklärungswerts, eine 250 BGH, NJW 1995, 539; BGHSt 51, 165 (179 f.); OLG München, NJW 2009, 1288 (1289); Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 14/15; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 76; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 106; Otto, JZ 1993, 652 (653); Samson, JA 1978, 469 (472); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 496; Wittig, Das tatbestandsmäßige Verhalten des Betrugs, S. 256. 251 BGHSt 47, 1 (3); BGHSt 51, 165 (170); OLG München, NJW 2009, 1288 (1289); Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 193 (194); Vogel, in: Gedächtnisschrift für Rolf Keller, S. 313 (314 f.); dagegen keine Kategorisierung als Tun oder Unterlassen Tönnies, Die Ausdehnung des Täuschungsbegriffs, S. 50. 252 Vgl. BGH, NJW 2013, 883 (884); OLG Köln, NJW 1991, 1122; Gaede, HRRS 2007, 16; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 124. 253 BGHSt 47, 1 (3); BGHSt 51, 165 (170); BGH, NJW 2009, 2900 (2901); OLG Stuttgart, NStZ 1985, 503; OLG Köln, NJW 1991, 1122; Garbe, NJW 1999, 2828 (2869); Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1199 f.; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 21; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 110; Ranft, JA 1984, 723 (725); Volk, JuS 1981, 880 (881). 254 Siehe die aufgezählte Kasuistik bei Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 95 ff.; Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 84 ff.; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 125 ff.; Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, Rn. 16 f.; sogar ohne Definition der konkludenten Täuschung Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263 Rn. 9 ff.; zutreffend der Eindruck von Frisch, in: Festschrift für Günther Jakobs, S. 97 (99); Maaß, GA 1984, 264 (268 ff.); Samson, JA 1978, 469 (472); Vogel, in: Gedächtnisschrift für Rolf Keller, S. 313 (324). 255 Konkreter werden immerhin Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 12; Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 205; Kühne, Geschäftstüchtigkeit oder Betrug?, S. 35, setzt eine schadensstiftende Ausgangssituation voraus.
A. Grundlagen
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Erklärung als konkludente Täuschung, wenn sie die Verletzung einer Aufklärungspflicht in sich birgt.257 Aufgrund der konstruktiven Nähe konkludenten Tuns zur Unterlassensstrafbarkeit, die nach § 13 Abs. 1 Hs. 2 StGB eine Garantenstellung notwendig macht, fordert diese Ansicht auch für die Strafbarkeit konkludenten Handelns die Verletzung einer Rechtspflicht. Verschleiert gelangt auch die herrschende Ansicht durch das Abstellen auf die Verkehrsauffassung zur Ableitung der Strafbarkeit wegen Konkludenz im Falle eines Pflichtverstoßes. Eine Pflichtwidrigkeit wird für die positive Täuschungsvariante zwar verbaliter verneint. Entlarvend sind aber vor allem die Erklärungen der überwiegenden Meinung, dass auch die Verkehrsauffassung den Erklärungswert eines Verhaltens nicht anhand einer puren Faktenwelt deutet, sondern aufgrund von Verhaltensnormen des Miteinanders basierend auf Treu und Glauben258, insbesondere der konkreten Pflichtenverteilung im rechtsgeschäftlichen Bereich.259 Daher ist der Inhalt des von der herrschenden Ansicht verlangten Erklärungswerts im Rahmen konkludenten Handelns zumindest dahingehend zu konkretisieren, dass die Verletzung einer gesetzlichen, vertraglichen oder gesellschaftlichen Norm stattgefunden haben muss. Folglich entscheiden in Wahrheit normative Kriterien über den Inhalt des konkreten Täterverhaltens, die sich lediglich hinter dem sogenannten Empfängerhorizont verbergen. Daraus ergibt sich indes keine materielle Abkehr von der im Vordringen befindlichen Ansicht. Vielmehr entpuppt sich dieser Streit als nur oberflächliche,
256 Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 122 ff.; Maaß, GA 1984, 266 ff. 257 Zu dieser Meinung bereits die Vorinstanz zu RGSt 1, 314; Hauptvertreter dieser Ansicht ist Lackner, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 28, 53 ff.; übereinstimmend BGHSt 30, 177 (181 f.); OLG Düsseldorf, NJW 1989, 2003 (2004); Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 44; Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 205; Kubiciel, HRRS 2007, 68 (70 f.); Kutzner, JZ 2006, 712 (715 f.); Seelmann, NJW 1980, 2545 (2546 f.); ders., NJW 1981, 3132; Volk, JuS 1981, 880 (882); abgemildert Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 30, der immerhin den „Indizcharakter“ der Aufklärungs- und Garantenpflichten eingesteht; ebenso Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, S. 49 f.; Streng, ZStW 122 (2010), 1 (19) verlangt lediglich eine „Pflicht“, die den Anforderungen an eine Garantenpflicht nicht genügen muss; vermittelnd spricht Vogel, in: Gedächtnisschrift für Rolf Keller, S. 313 (322 f.) von Verkehrssicherungspflichten. 258 Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 14/15; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 124 ff. 259 BGHSt 51, 165 (170); Gaede, HRRS 2007, 16; Harbort, Die Bedeutung der objektiven Zurechnung beim Betrug, S. 180; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 86 ff.; Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1200; Kubiciel, HRRS 2007, 68 (69); Puppe, NStZ 1991, 571 (573); Satzger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rn. 38; Schlösser, NStZ 2005, 423 (426); vgl. auch die Begrifflichkeiten bei Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 496: „rechtlicher Rahmen“ bzw. „normativer Gesamtzusammenhang“; Wittig, Das tatbestandsmäßige Verhalten des Betrugs, S. 257 f., 281, 285.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
spitzfindige Begriffsjurisprudenz.260 Beiden Ansichten ist der kongruente Maßstab der erwarteten Pflichtenerfüllung als gemeinsamer Nenner unter jeweils anderem Namen zugrunde zu legen. Die Ansichten sind daher als einheitlich herrschende Meinung zusammenzulegen. (b) Enge Bestimmung durch eigene Auslegung des Gesetzes Eine Gleichstellung von schlüssigem Tun und Unterlassen über das Kriterium der Aufklärungspflichten im Sinne der herrschenden Ansicht scheint zunächst verständlich. Sie findet ihren Ursprung erstens in der Ähnlichkeit der Begehensweise. Denn schlüssiges Handeln setzt sich im Gegensatz zu einem ausdrücklichen Handeln aus einem Tun und Unterlassen zusammen.261 Zwar zeichnet sich konkludentes genauso wie ausdrückliches Verhalten durch ein äußerlich sichtbares positives Tun aus. Der wahre Sinngehalt der konkludenten Handlung erschöpft sich allerdings nur unter Einbeziehung einer simultanen Unterlassung. Im Verhältnis eines ausdrücklichen Handelns verbirgt sich hinter einem schlüssigen Verhalten ein „Weniger“ an Aussagewert. Die Divergenz zwischen beiden Verhaltensweisen lässt sich daran ausmachen, dass ausdrückliches Tun den zu überbringenden Informationsgehalt vollständig kundgibt, während der schlüssig Handelnde einen wesentlichen Rest an Fakten für sich behält, die der Adressat aus den vorgegebenen Umständen schließen muss. Schlüssiges Verhalten beinhaltet daher ein „teilweises“262 Unterlassen. Für eine Angleichung des positiven Tuns in Form der Konkludenz an die Unterlassensstrafbarkeit spricht zweitens der gemeinsame Verhaltensunwert beider Begehungsformen. Hinter dem spezifischen Unwertscharakter des Komplexes der Täuschungshandlung, die die drei Varianten der Ausdrücklichkeit, der Konkludenz und des Unterlassens verquickt, steht die Enttäuschung von Vertrauen.263 Grundsätzlich ist auch einzuräumen, dass aus einem Verhalten bei Bestehen von Aufklärungspflichten ein entsprechend miterklärter Inhalt resultieren kann.264 260 Sinngemäß Fasten/Oppermann, JA 2006, 69 (71); Kargl, in: Festschrift für Klaus Lüderssen, S. 613 (617); Kraatz, in: Festschrift für Klaus Geppert, S. 269 (278); Krack, ZIS 2007, 103 (107) bezeichnet den Konflikt zutreffend als „Scheinstreit“; Maaß, GA 1984, 264 (265); Saliger/Rönnau/Kirch-Heim, NStZ 2007, 361 (362); Schroeder, JZ 2011, 187 (191); Trüg/Habetha, JZ 2007, 878 (882); Vogel, in: Gedächtnisschrift für Rolf Keller, S. 313 (316); Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, S. 48 f. 261 Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 86. 262 Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1202. 263 Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 195; Maaß, Betrug verübt durch Schweigen, S. 35; Reese, Täuschung und Irrtum beim Betrug, S. 124 f.; Triebs, Lügen und Verschweigen, S. 64 ff. 264 Auf diese Verbindung hinweisend auch Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 41 II Rn. 40; Volk, JuS 1981, 880 (881); Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, S. 49 f.
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Gleichwohl darf die indizielle Wirkung von Pflichten, die aus einem Geschäft erwachsen, nicht ad absurdum führen. Dieses „partielle“265 Unterlassen der kompletten Tatsachenübermittlung rechtfertigt es nicht, wie im Bereich aller unechten Unterlassungsdelikte, für die Strafbarkeit des Unterlassungstäters, dessen Verhalten sich im Nichtstun266 erschöpft, auch im Bereich der Konkludenz eine besondere Pflichtenstellung des Täuschenden vorauszusetzen.267 Bei der Abgrenzung zwischen konkludentem Tun und Unterlassen gibt schließlich ein rein physikalischer Unterschied den Ausschlag:268 Während eine konkludente Erklärung immer in ein positives Verhalten eingebettet ist, kennzeichnet ein reines Nichtstun die Form der Täuschung durch Unterlassen. Ein schlüssiges Verhalten setzt ein kontextuelles positives Tun voraus, aus dem weitere Schlüsse gezogen werden können. Ein Unterlassen hingegen schließt nicht an ein positives Tun an. Nur in der Täuschung durch Unterlassen liegt damit ein reines Nichtstun vor. Ferner kann zwar ebenso ein Nichtstun einen Erklärungswert besitzen. Dieser ist dann aber ausschließlicher Inhalt des Nichtstuns. Dagegen wird der Inhalt konkludenten Verhaltens aus einem Zusammenspiel von Tun und Unterlassen gezogen. Ohne Verknüpfung mit dem Tun hat das Schweigen keinen Aussagewert. Diese Überlegungen legen dar, dass die Täuschung durch Konkludenz einen Unterfall der aktiven Täuschung kennzeichnet. Es ist also nicht einsichtig, für ein insgesamt positives Verhalten den Maßstab der Unterlassensstrafbarkeit anzulegen. Deshalb kann die Figur der konkludenten Täuschung auch nicht komplett in ihrer Substanz abgeschafft269 und als faktische Nichterklärung270 in die Riege des Unterlassens eingereiht werden. Anzuerkennen ist schließlich, dass die spezielle Täuschungsform des konkludenten Erklärens im Sinne der vagen gesetzlichen Formulierung des Unterdrückens in der Rechtswirklichkeit existiert.271 Das wird in banalen Tätigkeiten deutlich. Jemandem, der an der Kasse eines Selbstbedienungsladens wortlos eine Ware auf das Kassenband legt, ist zumindest zu 265 Ellmer, Betrug und Opfermitverantwortung, S. 101; Seelmann, NJW 1980, 2545 (2547). 266 Täuschung durch Unterlassen z. B. in RGSt 70, 225; AG Bremerhaven, JZ 1967, 370; BayObLGSt 1987, 8. 267 Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 715. 268 Sinngemäß Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 87; widersprechend Bockelmann, NJW 1961, 1934 (1935 f.); Streng, ZStW 122 (2010), 1 (7 f.). 269 So die Vorschläge von Reese, Täuschung und Irrtum beim Betrug, S. 93 ff.; Triebs, Lügen und Verschweigen, S. 30 ff. 270 Belege werden aus rein gesellschaftlichen Überlegungen, der Unschärfe des Begriffs, der Rechtshistorie sowie der Systematik in Bezug auf die betrugsrechtlichen Sondertatbestände der §§ 264 geliefert; vgl. Reese, Täuschung und Irrtum beim Betrug, S. 23 ff., 73 f.; Triebs, Lügen und Verschweigen, S. 43 ff. 271 In Übereinstimmung mit den grundsätzlich ansonsten kritischen Beiträgen von Bung, GA 2012, 354 (361); Erb, ZIS 2011, 368; Jahn/Maier, JuS 2007, 215 (217).
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
unterstellen, diese Dinge bezahlen zu wollen. Die Legitimation konkludenten Täuschens ist damit erwiesen. Auch die Verfassungsmäßigkeit der Konkludenz im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG wurde kürzlich bestätigt.272 Eine Auflösung der Grundstrukturen der Täuschung unter Einebnung der konkludenten Täuschung in die Formen des ausdrücklichen Tuns und Unterlassens ist damit nicht sachgerecht.273 Das Übel mit der konkludenten Täuschung liegt also nicht in ihrer Konstruktion. Das Problem ist indes auf die Überdehnung der zugrunde gelegten vertraglichen Pflichten oder sonstigen Erfahrungssätzen durch die herrschende Ansicht zu spezifizieren. Werden diese überstrapaziert, liegt möglicherweise eine Lüge, aber keine strafbesetzte Täuschung vor. Daher stellt sich insbesondere die Frage, ob die von der herrschenden Meinung vertretenen weiten normativen Kriterien als Maßstab konkludenten Verhaltens aufgrund der eigenen Auslegung des Gesetzes noch überzeugen können, oder ob nicht vielmehr ein anderer Maßstab für die Beurteilung konkludenten Verhaltens zugrunde zu legen ist. Der erste Kritikpunkt betrifft die normative Methode, die die Erwartungen des Gegenübers274 heranzieht, um bei Fehlen einer ausdrücklichen Täuschung Aufschluss über den Inhalt das Täterverhalten geben zu lassen. Es wird also von einer psychischen Vorstellung des Opfers auf das Verhalten des Täters geschlossen. Diese Vorgehensweise ist nicht ohne Verletzung der Wortlautgrenze275 und der Systematik des Gesetzes276 möglich. Über den Kniff der Empfängervorstellungen bzw. Aufklärungspflichten werden Täuschung und Irrtum unauflöslich miteinander verbunden. An die Stelle der drei Kriterien der Täuschung, des Irrtums und der sie verbindenden Kausalitätsbeziehung tritt ein Merkmal: die konkludente Täuschung. Diese Vorgehensweise hat schwerwiegende Konsequenzen. Zunächst führt sie zu einer sprachlichen Umgestaltung des Gesetzes. Ungeachtet der ausdrücklich differenzierten Normierung beider Elemente unter ursächlicher Verknüpfung werden das Irrtumselement und die Täuschung zu einer Einheit verbunden. Damit wird der Boden des Gesetzlichen verlassen. Es ist ein Verstoß gegen das Analogieverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG festzustellen. 272
Dazu BVerfGE 130, 1 (44). Zustimmend Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 21. 274 So in BGHSt 47, 1 (3); BGHSt 51, 165 (170); BGH, NJW 2009, 2900 (2901); OLG München, NJW 2009, 1288 (1289); Lackner, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 28; Tönnies, Die Ausdehnung des Täuschungsbegriffes, S. 17; ausdrücklich darauf hinweisend Krack, ZIS 2007, 103 (108); in diesem Sinne auch nach Wittig, Das tatbestandsmäßige Verhalten des Betrugs, S. 298 f., nach der anhand der Differenzierung von Verantwortungsbereichen zu entscheiden ist. 275 Ebenso Bung, GA 2012, 354 (359); Harbort, Die Bedeutung der objektiven Zurechnung beim Betrug, S. 183 f.; Kraatz, in: Festschrift für Klaus Geppert, S. 269 (276 f.). 276 Übereinstimmend Maaß, GA 1984, 264 (267); Trüg/Habetha, JZ 2007, 878 (879). 273
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Durch Aufhebung der gesetzlichen Nivellierungen werden außerdem die Wertungen, dass nicht jede Täuschung zu einem Irrtum führt und nicht jeder Irrtum auf einer Täuschung basiert277, übergangen. Dass nicht jede Täuschung zu einem Irrtum führt ergibt sich schon daraus, dass ansonsten die ausdrückliche Nennung des Irrtumsmerkmals als kausale Folge der Täuschung im Betrugstatbestand hinfällig wäre. Ferner kann der Täter zwar täuschen, wenn er wahrheitswidrig die Echtheit einer Tatsache vorgibt. Entdeckt die andere Person allerdings die Unwahrheit, erliegt Letztere keinem Irrtum. Damit ist nicht bei jeder Täuschung gleichzeitig ein Irrtum gegeben. Umgekehrt beruht nicht jeder Irrtum auf einer Täuschung. Ist der Irrtum insbesondere durch eigene Fehlinterpretation der Erklärungen des Gegenübers entstanden, ist eine zugrunde liegende kausale Täuschung zu verneinen. Folgendes Beispiel veranschaulicht diese Situation: Ein Autoverkäufer benennt die Lackierung eines Fahrzeugs. Der Käufer denkt, es handele sich um einen besonders hochwertigen Lack. Damit befindet er sich in einem intellektuellen Widerspruch zwischen Wirklichkeit und Vorstellung. Trotz des Irrtums hat der Verkäufer nicht getäuscht, da er lediglich die der Wahrheit entsprechende Lackbezeichnung nannte. Fehlt allerdings die Täuschung, würde der Betrug entgegen seiner verhaltensgebundenen Tatbestandsstruktur278, der die Begehung der Tat gerade durch eine Täuschung verlangt, zu einem reinen Erfolgsdelikt umgestaltet, das auf Seiten des Opfers als Zwischenerfolg einen Irrtum und endlich einen Schaden voraussetzt. Kommt die Gegenansicht unter Missachtung der gesetzlich angeordneten Kausalität zwischen Täuschung und Irrtum zu einer Betrugsstrafbarkeit, setzt sie sich daher über den Gesetzeswortlaut hinweg. Diese Missachtung ist als Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG zu werten. Anzuprangern ist außerdem, dass die Aufnahme der Konkludenz als Normverstoß zu einer „Übernormativierung“ 279 des Betrugstatbestands führt. Für die An277 Zutreffend BGHSt 47, 1 (5); Bung, GA 2012, 354 (356); Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 263 Rn. 8; Garbe, NJW 1999, 2868 (2869); Harbort, Die Bedeutung der objektiven Zurechnung beim Betrug, S. 184; Heinrich, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 11 Rn. 2 mit ergänzenden Hintergründen; Herzberg, Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip, S. 78; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 23; Krack, List als Tatbestandsmerkmal, S. 55 f.; Irrtum jedenfalls immer bei Täuschungsvorsatz Bockelmann, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 437 (438); ders., NJW 1961, 1935 (1936); unzutreffend Mahnkopf/Sonnenberg, NStZ 1997, 187. 278 Übereinstimmend Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 1; Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 50, 205; Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 87; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 8; Herzberg, Die Unterlassung im Strafrecht und das Garantenprinzip, S. 74; Maaß, Betrug verübt durch Schweigen, S. 33; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 109; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 3. 279 Bung, GA 2012, 354 (357); Jahn/Maier, JuS 2007, 215 (217 f.); Joecks, Strafgesetzbuch, § 263 Rn. 49; vgl. dazu auch Kraatz, in: Festschrift für Klaus Geppert, S. 269 (273 ff.); ähnlich Schlösser, NStZ 2005, 423 (426); Trüg/Habetha, JZ 2007, 878 (882 f.).
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nahme der Konkludenz wird nämlich einzig vorausgesetzt, dass die Allgemeinheit von der Erfüllung gewisser Pflichten ausgeht, gegen die konkret verstoßen wurde. Die Anforderungen an den Pflichtverstoß zur Bejahung der Konkludenz sind damit im Vergleich zu den Voraussetzungen an die Garantenpflichtverletzung im Rahmen der Unterlassensstrafbarkeit ungleich herabgesetzt. Unter dem Deckmantel der Konkludenz kann damit eine Strafbarkeit wegen Betrugs durch die Verletzung einer Pflicht angenommen werden, obwohl dieselbe Pflichtverletzung die Voraussetzungen an eine Täuschung durch Unterlassen nicht erfüllt. Das hat zwei Konsequenzen: Einerseits werden über die Figur der Konkludenz die Anforderungen an die Unterlassensstrafbarkeit entgegen § 13 StGB gelockert. Der Täter kann zu seinen Lasten wegen einer Täuschung nach § 263 StGB aufgrund eines Pflichtverstoßes bestraft werden, der nicht den Anforderungen des § 13 StGB entspricht. Die normative Bestimmung des Maßstabs der Konkludenz beinhaltet damit einen unzulässigen Analogieschluss entgegen Art. 103 Abs. 2 GG. Andererseits verwässert unter normativer Bestimmung konkludenten Verhaltens die Grenze zwischen den Begehungsformen Tun und Unterlassen. Insgesamt ist die Annahme einer konkludenten Täuschung wegen des allgemeinen Verstoßes gegen Sittlichkeitserwägungen als Umgehung des Gesetzlichkeitsprinzips zu deuten.280 Weitere dogmatische Aspekte sprechen gegen eine Ableitung des Erklärungsinhalts aus dem generell zu Erwartenden. Wird von den Empfängervorstellungen ausgegangen, was Inhalt des Kommunizierten ist, dann ist der aufgrund des Kausalnexus erst im nächsten Schritt auf einen Irrtum zu prüfende Vorstellungsgehalt des Adressaten eine Petitio principii. Die Vorgehensweise besteht darin, unter Rückschluss auf die Vorstellungen des Opfers eine Täuschung des Täters zu erzeugen, die zu einem spiegelbildlichen Irrtum auf Opferseite führt: Der Irrtumsinhalt wird aus dem Täuschungsinhalt begründet, der wiederum aus der irrigen Fehlvorstellung abgeleitet wurde; der Irrtumsannahme liegt folglich ein Zirkelbeweis zugrunde. Weiterhin hat dies die Konsequenz, dass ein Irrtum281 automatisch bei Vorliegen einer konkludenten Täuschung bejaht werden muss. Dass indessen kein Automatismus zwischen Täuschung und Irrtum bzw. Irrtum und Täuschung besteht, wurde soeben erläutert. Zuletzt sprechen auch kriminalpolitische Erwägungen nicht für eine Erfassung jedweden listigen Verhaltens als Täuschung. Mit Blick auf die Ratio legis des Betrugstatbestands darf nicht jede Lüge pönalisiert werden. Das abstrakte Vertrauen in die Redlichkeit des Gegenübers kann nicht pauschal geschützt wer-
280 Vgl. dazu Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 14/15; Kasiske, GA 2009, 360 (362 f.); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 119; Krack, ZIS 2007, 103 f.; Maaß, GA 1984, 246 (267); Schlösser, NStZ 2005, 423 (426). 281 Meist in Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins.
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den.282 Der Betrugstatbestand ist nicht dazu da, ein allgemeines Risiko, das jeder Vertragserfüllung zugrunde liegt, zu kompensieren. Behelfs der Unterstellung allgemeiner Pflichten als Bewertungsmaßstab konkludenter Täuschungen scheint das Täuschungsmerkmal allerdings beliebig erweiterbar.283 Zu warnen ist deshalb angesichts der Gefahr des Verlassens des gesetzlich vorgegebenen Rahmens vor einem missbräuchlichen Einsatz dieser Figur der Konkludenz, um auch in den Fällen zu einer strafrechtlichen Sanktion zu gelangen, in denen ein Verhalten zwar strafwürdig, aber de lege ferenda nicht mit Strafe besetzt ist.284 Obwohl sich die herrschende Auffassung dazu bekennt, das allgemeine Redlichkeitsinteresse nicht zu schützen, sind ebendiese Selbstverständlichkeiten häufiger Inhalt konkludenter Täuschungen. Mit Recht wird dagegen der Einwand der Fiktion285 erhoben, wenn das allgemeine Interesse an der Erfüllung von Pflichten in den Täuschungsbereich einbezogen wird. Unter Ablehnung einer normativen Bestimmung des Inhalts der Konkludenz aufgrund der eigenen Auslegung des Gesetzes ist deshalb für eine Unterscheidung konkludenter Täuschungen von bloßem listigen Verhalten die folgende Konsequenz zu ziehen: In Ansehung der geäußerten Kritik ist zur Wahrung der Wortlautgrenze einzig unbedenklich, den Erklärungswert eines bestimmten Verhaltens unter Zugrundelegung einer faktisch-konkreten Betrachtungsweise zu bestimmen.286 Lediglich die Umstände, über die tatsächlich ein unwahres Tatsachenbild hervorgerufen wird, führen zur Bejahung einer konkludenten Täuschung. Das ist jeweils Tatfrage und nicht verallgemeinerungsfähig.287 So ist der Wortlaut des Gesetzes, der zwischen den Elementen der Täuschung, des Irrtums 282 So dem Grundsatz nach auch BGHSt 51, 165 (171); vgl. dazu Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 166; siehe auch Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 119; vgl. ebenso Reese, Täuschung und Irrtum beim Betrug, S. 88. 283 Insoweit bestätigend Bung, GA 2012, 354 (358, 362); Gaede, HRRS 2007, 16 (17); Krack, ZIS 2007, 103 (104); Kühne, Geschäftstüchtigkeit oder Betrug, S. 15 f.; Schild, ZfWG 2006, 213 (216); Tönnies, Die Ausdehnung des Täuschungsbegriffs, S. 70 ff. 284 Anzunehmen ist dies jedenfalls in dem sogenannten „Hoyzer“-Fall, in dem angesichts der Wertigkeit und des Vertrauens in den deutschen Fußball eine strafrechtliche Schonung der Beteiligten zu einem Eklat in der Öffentlichkeit geführt hätte; dies befürchten auch Feinendegen, NJW 2007, 787 (788) sowie Gaede, HRRS 2007, 16. 285 Frisch, in: Festschrift für Günther Jakobs, S. 97 (101); Harbort, Die Bedeutung der objektiven Zurechnung beim Betrug, S. 183; im Prinzip auch Kasiske, GA 2009, 360 (364, 366, 368); Kraatz, in: Festschrift für Klaus Geppert, S. 269 (276); ders., JR 2012, 329 (331 f.); Trüg/Habetha, JZ 2007, 878 (881); Wittig, Das tatbestandsmäßige Verhalten des Betrugs, S. 285. 286 Gleichfalls eine faktische Betrachtungsweise anstrebend RGSt 2, 5 (6 f.); BGHSt 3, 69 (71); BGHSt 16, 120 (121); Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 21 Rn. 25; Jahn/Maier, JuS 2007, 215 (218); Kraatz, in: Festschrift für Klaus Geppert, S. 269 (280 ff.); ders., JR 2012, 329 (331); Schild, ZfWG 2006, 213 (216); Trüg/Habetha, JZ 2007, 878 (880). 287 Siehe Erb, ZIS 2011, 368; Gaede, HRRS 2007, 16 (17).
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und des sie verbindenden Kausalnexus unterscheidet, nur gewahrt, wenn einzig die exakte Negativtatsache des Inhalts des expressiv verbis geäußerten Verhaltens als miterklärt angesehen wird. Diese Sichtweise ist in dieser Arbeit bei der Prüfung von Fällen, vor allem den Fällen der Warenentwendung aus Selbstbedienungsläden, zugrunde zu legen. Es ist im Einzelfall danach zu fragen, was der Kommunikant erklärt hat, nicht, was er erklären sollte. Maßstab des Erklärten kann nur sein, was sich als logische Schlussfolgerung aus dem positiven Verhalten ergibt. Um den Inhalt konkludenten Handelns nicht zu überfrachten, ist nur die spiegelbildliche Kehrseite dessen, was positiv erklärt wurde, in den Inhalt der Erklärung aufzunehmen. Sämtliche Tatsachen, die darüber hinaus hineininterpretiert werden, sind reine Fiktionen. So lässt die positive Willenserklärung zu einem Vertragsabschluss unter faktisch-konkreter Betrachtungsweise nur den unmittelbaren Schluss auf einen Erfüllungswillen und die -fähigkeit zu.288 Weiterhin erklärt jemand, der bezahlt, konkludent einzig, dass er zahlen kann und will.289 Über entferntere Umstände wie den Wert der Währung oder darüber, dass es sich eventuell um Falschgeld handeln kann, gibt er keine Auskunft.290 Die auf kriminalpolitische Zwecksetzungen zurückzuführende konturlose Ausdehnung der Täuschung mangels Ausdrücklichkeit bzw. Garantenpflicht konterkariert diese Prämisse. Greifen keine anderen Tatbestände wie die §§ 146 f. StGB oder die §§ 267 ff. StGB, sind etwaige Strafbarkeitslücken, die zumindest noch de lege lata entstehen, hinzunehmen.291 Andernfalls sind in Fortführung des 1. und 2. WiKG aus den Jahren 1976 und 1986 die betrugsrechtlichen Spezialtatbestände zu erweitern. Festzuhalten ist, dass die Rechtsfigur der konkludenten Täuschung in der Rechtswirklichkeit existiert. Sie unterscheidet sich äußerlich zwar nicht von einem aktiven Täuschen, sondern vielmehr darin, dass sie zusätzlich zum positiven Tun ein Unterlassenselement enthält. Dagegen beinhaltet schlüssiges Handeln im Gegensatz zum reinen Unterlassen neben dem Schweigen ein positives Tun. Hinsichtlich der Differenzierung zwischen Nichtstun und konkludentem Handeln kommt es daher auf eine äußere Betrachtung an. Diese Verschiedenheit rechtfertigt es nicht, vor allem in Ansehung des Gesetzlichkeitsprinzips, den gegenständlichen Rahmen der Konkludenz auf Pflichtverstöße auszudehnen. So konnte die Arbeit gegen die Bestimmung des Maßstabs konkludenten Täuschens anhand von Rechtsregeln eklatante verfassungsrechtliche und systematische Widersprü288 Im Einklang mit der herrschenden Meinung BGHSt 15, 24 (26); BGH, NJW 1990, 2476; BGH, NStZ 2009, 694; BGH, NStZ 2012, 95 (96); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 125; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 498. 289 Ebenso Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 531. 290 Anders OLG Hamm, MDR 1968, 778; OLG Frankfurt, NJW 1971, 527. 291 So müsste eine Strafbarkeit Ranft, JA 1984, 723 (726 ff. Fall 23 Alternative c) richtigerweise entfallen.
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che nachweisen. Zu diesen zählen das Übergehen des gesetzlich normierten Irrtumsmerkmals ebenso wie die vom Gesetzestext genannte Kausalitätsbeziehung zwischen Täuschung und Irrtum. Die Umgehung der gesetzlichen Merkmale führt zu einem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Ferner kann der Täter unter einer normativen Bestimmung des Inhalts konkludenter Täuschungen wegen einer Täuschung durch positives Tun aufgrund eines Redlichkeitsverstoßes bestraft werden, obgleich eine Unterlassensstrafbarkeit nicht angezeigt ist. Diese den Täter belastende Methode beinhaltet einen unzulässigen Analogieschluss, der ebenso gegen Art. 103 Abs. 2 GG verstößt. Wird schließlich der Inhalt konkludenten Tuns aus dem Irrtumsinhalt abgeleitet, liegt in der späteren Irrtumsannahme aufgrund einer Täuschung ein unzulässiger Zirkelschluss. Zuletzt konnte nachgewiesen werden, dass die normative Bestimmung konkludenten Handelns auf kriminalpolitischen Überlegungen beruht, die aber im Rahmen der Auslegung des Gesetzes unbeachtlich bleiben müssen. In Ansehung dieser erörterten Diskrepanzen ist der Begriff der Täuschung daher nur hinreichend bestimmt unter einem rein faktisch-konkreten Verständnis, bei dem es zu keinen Fiktionen kommt. Als miterklärt gilt, was in der konkreten Situation tatsächlich erklärt wurde. Dieses durch Auslegung des Betrugstatbestands gewonnene Resultat spielt für die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug eine große Rolle, ist doch gemeinsames Merkmal die Täuschung. Wird eine Täuschung nun aufgrund der nach der Arbeit durch Auslegung ermittelten engen Grenzen der Konkludenz ausgeschieden, entfällt eine mögliche Betrugsstrafbarkeit. Der Täter kann nur wegen Diebstahls bestraft werden. Jedenfalls entfällt eine Abgrenzungsdiskussion zwischen Trickdiebstahl und Betrug. cc) Fazit Der Betrugstatbestand setzt eine Täuschung voraus. Für diese kommt es auf eine psychische Einwirkung der Gedankenwelt des Berechtigten an. Eine bloße Realitätsveränderung wird dem Täuschungsbegriff indes nicht gerecht. Der Täter kann ausdrücklich, konkludent oder durch unterlassendes Verhalten täuschen. In der besonderen Form der Konkludenz ist vor der Gefahr einer unzulässigen Analogie zu warnen, wenn der Inhalt der Täuschung aus Verstößen gegen Rechtsregeln ermittelt wird. Daher ist zur Wahrung des Bestimmtheitsgebots nach Art. 103 Abs. 2 GG nur das als erklärungserheblich anzuerkennen, was der Täter rein tatsächlich mit seinem Verhalten erklärt bzw. expressis verbis nicht geäußert hat. Die Auslegung des Täuschungsmerkmals führt damit zu folgender Definition: Die Täuschung ist eine intellektuelle Einwirkung auf die Vorstellung einer Person. Die Einwirkung muss durch ein erklärungserhebliches Verhalten zustande kommen, das faktisch-konkret zu bestimmen ist.
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Nun ist zu prüfen, ob diese restriktive Tendenz im Rahmen der Täuschung auch in dem Irrtumsmerkmal fortgesetzt werden muss. b) Der Irrtum Zwischen der Täuschung des Täters und der Handlung des Opfers liegt das Irrtumsmerkmal. Es verknüpft die deliktische Täuschung des Täters mit der selbstschädigenden Handlung des Opfers. Als Ausgangsbasis ist der Auslegung die allgemein geläufige Irrtumsdefinition zugrunde zu legen. Unter den Topoi des Irrtumsinhalts und der Irrtumsintensität ist dann zu untersuchen, ob gegenüber der herrschenden Ansicht Restriktionen vorgenommen werden müssen. Insbesondere ist zu erörtern, ob die den Irrtumsbegriff extensivierenden Ausdrücke der Vorstellung, dass „alles in Ordnung sei“, bzw. des „sachgedanklichen Mitbewusstseins“ aufgrund der Auslegung des Gesetzes zurückgenommen werden müssen. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Irrtumsmerkmal kann im weiteren Verlauf für das Verhältnis zwischen Trickdiebstahl und Betrug nutzbar gemacht werden. Insbesondere wirkt sich die hier gefundene Neudefinition des Irrtumsmerkmals auch auf das an späterer Stelle zu untersuchende Element des Verfügungsbewusstseins aus. aa) Der Irrtumsinhalt Ausgangsbasis für die Konkretisierung ist die allgemein geläufige Definition des Irrtums. Danach wird ein Irrtum in einem Widerspruch zwischen subjektiver Vorstellung und objektiver Wirklichkeit erblickt („Fehlvorstellung“ 292).293 (1) Weite Inhaltsdefinition der herrschenden Ansicht Ausgehend von dieser Begriffsbestimmung genügt nach herrschender Ansicht nicht schon das fehlende Wissen um eine positive Tatsache. Zu fordern ist vielmehr eine positive Vorstellung einer von der Wirklichkeit abweichenden Tatsache.294 Die bloße Nichtvorstellung („fehlende Vorstellung“ 295), rechtstechnisch 292 Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 50; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 198; Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1209. 293 Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 263 Rn. 22; Küper, Strafrecht Besonderer Teil, S. 223; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 40; anders Frisch, in: Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg, S. 729 (736), der den Irrtum als Enttäuschung bestimmter Erwartungen des Opfers definiert. 294 Satzger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rn. 69. 295 Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 53; Fischer, StGB § 263 Rn. 57.
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„Ignorantia facti“ genannt, wird dem Irrtumserfordernis hingegen nicht gerecht.296 Allerdings muss sich die Fehlvorstellung nach herrschender Auffassung nicht in dem exakten Gegenteil der vorgetäuschten Tatsache erschöpfen.297 Das würde die Anforderungen an die gesetzlich verlangte Kausalitätsbeziehung zwischen Täuschung und Irrtum überspannen und zu einer kriminalpolitisch nicht gerechtfertigten Einschränkung des Betrugstatbestands führen. Demzufolge genügt eine allgemeiner gefasste positive Fehlvorstellung, die den Unwahrheitsgehalt der Täuschung miterfasst. Lässt sie sich auf gewisse vortäuschende Tatsachen stützen, ist selbst die pauschale Vorstellung des Getäuschten, dass „alles in Ordnung sei“, ausreichend.298 So ist beispielsweise das Irrtumsmerkmal nach dieser An-
296 So die überwiegende Meinung, vgl. nur RGSt 42, 40 (41); in RGSt 50, 46 wird nicht ansatzweise an einen Irrtum gedacht; BGH, NStZ 2000, 375 (376); OLG Düsseldorf, NJW 1989, 2003 (2004); OLG Köln, NJW 1991, 1122; AG Siegburg, NJW 2005, 566 (567); Bockelmann, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 437 (439); von Cleric, Betrug verübt durch Schweigen, S. 46 f.; Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 263 Rn. 23; Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 30 f.; Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 87 f.; grundsätzlich Hardwig, GA 1956, 6 (13); Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 43; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263 Rn. 18; Krack, List als Tatbestandsmerkmal, S. 36; Maurach/ Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 41 II Rn. 57 f.; Naucke, Zur Lehre vom strafbaren Betrug, S. 113, 215; Reese, Täuschung und Irrtum beim Betrug, S. 139 ff.; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 49; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 78; anders Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 60, der in diesen Fällen eine Verfügung verneint; a. A. RGSt 17, 217 (219); OLG Celle, MDR 1957, 436; Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 36; Frisch, in: Festschrift für Bockelmann, S. 647 (666); Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 21 Rn. 74 ff.; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 199; Jagusch, in: Leipziger Kommentar, § 263 Anm. 3; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 170 f.; Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 193 (196); Kühne, Geschäftstüchtigkeit, S. 50 f.; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 7 Rn. 56; Nagler, in: Leipziger Kommentar, § 263 Anm. II.B.2.a); Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 228 ff. 297 Hierzu Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 64; Reese, Täuschung und Irrtum beim Betrug, S. 138 ff.; dagegen Naucke, Zur Lehre vom strafbaren Betrug, S. 113, 215. 298 Siehe BGHSt 51, 165 (174); OLG Hamburg, NJW 1983, 768 (769); ebenso bejahend Börm, Entwendungen in Selbstbedienungsläden, S. 108 auch ohne konkrete Tatsachen; Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 32; einschränkend auf konkrete Tatsachen auch Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1213; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 65; differenzierend ebenso Krack, List als Tatbestandsmerkmal, S. 36 f.; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 553; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263 Rn. 18; Reese, Täuschung und Irrtum beim Betrug, S. 141; Samson, JA 1978, 469 (474); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 511; Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, S. 172; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 41 II Rn. 59; zweifelnd Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 210; widersprechend Naucke, Zur Lehre vom strafbaren Betrug, S. 113, 215.
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sicht erfüllt, wenn der Zugkontrolleur sich entgegen der Wirklichkeit konkret vorstellt, an Bord befinde sich kein blinder Passagier.299 Die herrschende Auffassung sieht einen Irrtum in einer positiven Fehlvorstellung. Durch die Annahme eines Irrtums auch in den Fällen, in denen sich das Opfer keine spezifischen Gedanken macht, sondern glaubt, dass „alles in Ordnung sei“, nimmt sie die Anforderungen an eine positive Vorstellung gleichsam wieder zurück. (2) Enge Inhaltsdefinition durch eigene Auslegung des Gesetzes Legt man die gängige Definition des Irrtums als einen Widerspruch zwischen Opfergedanken und Wirklichkeit als Ausgangsbasis zugrunde, ist der herrschenden Ansicht, die einen Irrtum im Falle einer Nichtvorstellung verneint, zuzustimmen. Denn das Erfordernis einer positiven Fehlvorstellung ist aus dem Wortbegriff „Irrtum“ sowie aus der Struktur des Gesetzes abzuleiten. Wird für den Irrtum definitorisch eine Fehlvorstellung zugrunde gelegt, schließt das nach allgemeinem Sprachgebrauch eine Nichtkenntnis von Umständen, über die man sich keine Gedanken machen kann, aus. Weiterhin fordert das Gesetz des § 263 StGB einen Irrtum, der zu einer Täuschung kausal ist. Die Täuschung muss die Ursache für den Eintritt der Fehlvorstellung sein. Der Irrtum kann nicht schon vor der Täuschung eintreten. In diesem Sinn sind auch die Varianten des Erregens und Unterhaltens zu verstehen. Eindeutig erregt einen Irrtum, wer eine unrichtige Vorstellung über die Wirklichkeit zur erstmaligen Entstehung bringt.300 Gleichsam muss das Unterhalten eines Irrtums so gemeint sein, dass der Täter eine noch nicht gefestigte falsche Vorstellung nicht entkräftet, was dem Hervorrufen eines Irrtums gleichkommt.301 Der Irrtum ist damit Ergebnis eines Reflexionsprozesses, der sich im Anschluss an die Täuschung ergibt. Aus der kausalen Verknüpfung zwischen der Täuschung über Tatsachen und dem Irrtum folgt, dass sich der Getäuschte Gedanken über eine Tatsachenbehauptung machen muss. Genauso wenig wie das bloße Ausnutzen einer Fehlvorstellung den Anforderungen an eine Täuschung genügt302, ist 299
Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 65. Siehe Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 82; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 94. 301 So Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 46 ff.; Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 21 Rn. 90 f.; Kühne, Geschäftstüchtigkeit oder Betrug?, S. 56; Volk, JuS 1981, 880 (881); vgl. auch Kargl, in: Festschrift für Klaus Lüderssen, S. 613 (622). 302 BGH, JZ 1989, 550; BGHSt 39, 392 (398); AG Bremerhaven, JZ 1967, 370 (371); OLG Düsseldorf, NJW 1969, 623 (624); Bergmann, JA 2008, 504 (508); Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 525; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 84; Naucke, JZ 1967, 371 (373); Schild, ZfWG 300
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auch ein reines Nichtdenken unzulänglich. Hat die Täuschung des Täters an der Vorstellung des Opfers keine Wirkung gezeigt, kann der Täter nicht als Urheber der schädigenden Handlung des Opfers gesehen werden.303 Es hat vielmehr kausal aufgrund eines eigenen Nichtwissens, nicht aber durch den täuschenden Impuls des Täters gehandelt. Diese restriktive Interpretation des Irrtumsgedankens wird durch ein weiteres Argument bestätigt. Entscheidend ist, den Betrug in Verbindung mit der Charakterisierung des Betrugsdelikts als „Motivationsdelikt“ 304 zu setzen. Typisch ist, dass der Täter gerade auf das Angriffsmittel der deliktischen List setzt, um eine Fehlvorstellung auf Opferseite zu bewirken. Ist nun Motivationsgrundlage der Selbstschädigung des Opfers nicht die Fehlvorstellung, sondern ein Nichtwissen, geht die Verfügung nicht auf die angewandte Manipulation des Täters zurück. Die Täuschung des Täters geht ins Leere. Trotz der fehlenden Ursachenzusammenhänge zwischen Täuschung und Irrtum bzw. Täuschung und Verfügung einen Betrug zu bejahen, würde zum Übergehen der gesetzlich angeordneten Kausalnexus führen.305 Die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen würden entgegen Art. 103 Abs. 2 GG aufgelöst. Damit ist der herrschenden Auffassung insoweit zuzustimmen, dass eine fehlende Vorstellung nicht den Voraussetzungen eines Irrtums genügt. Das durch Auslegung ermittelte Ergebnis steht im Einklang mit der überwiegenden Meinung in Betreff eines Nichtwissens. Abzulehnen ist allerdings die Aussage der herrschenden Ansicht, wonach es ausreicht, dass das Opfer denkt, „alles sei in Ordnung“ 306. Diese Formel ist wenig aussagekräftig. Denn jeder, der verfügt, denkt im weiteren Sinne, dass „alles in Ordnung sei“.307 In solchen Fällen kann nicht von wirklichem Denken gesprochen werden, sondern lediglich von einer unkonkreten Hoffnung, dass alles regelkonform sei. Vielmehr sieht der Täuschungsadressat in diesem Kontext überhaupt keinen Anlass, gegenüber der Richtigkeit des Täterverhaltens misstrauisch zu werden. Das verdeutlicht das Beispiel des blinden Passagiers: Die Gedanken 2006, 213 (214); Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 39; differenzierend OLG Köln, JZ 1961, 433 mit zust. Anm. Schröder. 303 Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 76, 95; anders, aber im Ergebnis gleich Ellmer, Betrug und Opfermitverantwortung, S. 121 f., der das Prinzip der Opfermitverantwortung zugrunde legt, bei Nichtkenntnis einen Betrug verneint; im Ergebnis widersprechend Hardwig, GA 1956, 6 (14 f.), der einen (aber keinen Kausal-)Zusammenhang zwischen Nichtwissen und Verfügung und damit eine Betrugsstrafbarkeit bejaht, wenn der Getäuschte bei Kenntnis der wahren Umstände möglicherweise nicht verfügt hätte. 304 Lackner, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 6. 305 Ähnlich auch die Gedanken bei Lackner, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 76 und Seelmann, NJW 1980, 2545 (2550). 306 Siehe Fn. 298. 307 Zutreffend Kühne, Geschäftstüchtigkeit oder Betrug?, S. 49.
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des Schaffners, der entgegen der Wirklichkeit glaubt, dass sich kein Schwarzfahrer im Zug befinde und damit „alles in Ordnung sei“, beinhalten richtigerweise keine Vorstellung im Sinne einer festen Überzeugung über Tatsachen308, wie sie für ein fehlgeleitetes Wissen charakteristisch ist, sondern eine pauschale Hoffnung im Sinne einer Erwartung. Diese Erwartung beinhaltet lediglich die vage Möglichkeit, dass alle Passagiere bezahlt haben. Entscheidend für den Inhalt des Irrtums entsprechend seiner Definition ist aber eine positiv gefestigte, unrichtige Vorstellung. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn der Schaffner alle Passagiere kontrolliert hätte und auf dieser Tatsachengrundlage von der Abwesenheit eines blinden Passagiers im positiven Sinn überzeugt wäre. Außerdem fordert die Kausalitätsbeziehung zwischen Täuschung und Irrtum, dass sich die Irreführung des Täters in den Gedanken des Opfers fortsetzt. Wird jedoch allgemein daran gedacht, dass „alles in Ordnung sei“, beinhaltet das keinen konkreten Denkprozess, der aus einer Täuschung resultiert, sondern aus der Überlegung, dass ein gebotenes Verhalten des Täters allgemein gebräuchlich ist. Damit werden die Gedanken des Berechtigten aus von dem Täterverhalten unabhängigen Überlegungen über Sitte und Gewohnheit abgleitet. Daher fehlt in den Fällen, in denen die Opfervorstellung beinhaltet, dass „alles in Ordnung sei“, die Kausalitätsbeziehung zwischen Täuschung und Irrtum. Insgesamt betrachtet kann der Gedanke, dass „alles in Ordnung sei“, keinen Irrtum begründen. Neben der Nichterfassung von dem Begriff des Irrtums fehlt in diesen Fällen der Kausalnexus zwischen Täuschung und Irrtum. Richtigerweise versteckt sich hinter dieser Figur lediglich ein als Wissen getarntes Nichtwissen. Diese Verschleierungstaktik beruht auf der grundsätzlichen Ablehnung des fehlenden Wissens als Irrtum unter gleichzeitiger kriminalpolitischer Motivation, die zuvor erfolgte Einengung des Irrtumskriteriums auf nur positive Fehlvorstellungen in einem zweiten Schritt wieder rückgängig zu machen, um den Weg für die weitere Betrugsprüfung nicht zu behindern.309 Diese Aufweichung des Irrtumsinhalts nur aufgrund einer wünschenswerten Strafbarkeit ist aber nicht Sache der Gerichte, sondern des Gesetzgebers. Werden diese Fälle zu Lasten des Täters unter den Betrugstatbestand subsumiert, obwohl das Irrtumsmerkmal nicht erfüllt ist, verstößt die herrschende Ansicht gegen das Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG. Verfassungskonform ist daher nur eine enge Auslegung des Gesetzes, die sich innerhalb der Grenzen des Irrtumsbegriffs bewegt. Konkret für die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug bedeutet dieses Auslegungsergebnis eine Reduzierung der Fallgruppen, die oftmals von der herrschenden Ansicht als abgrenzungserheblich eingestuft werden.
308 Übereinstimmend Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 41 II Rn. 58; Schuhr, ZStW 123 (2011), 517 (526). 309 Vgl. Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 21 Rn. 77.
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bb) Die Irrtumsintensität Auch hinsichtlich der Irrtumsintensität sind die herrschende Meinung und die durch Auslegung ermittelte Bestimmung gegenüberzustellen. Dabei werden ebenso Abweichungen deutlich. (1) Weite Bestimmung nach der herrschenden Meinung Neben dem Inhalt des Irrtums gilt nach der herrschenden Ansicht allgemein auch für die Irrtumsintensität ein herabgesetzter Maßstab. Die Reaktion des Opfers auf die Täuschung muss sich nicht in einem ständig erneuernden Reflexionsprozess erschöpfen. Unter der Worthülse des sachgedanklichen Mitbewusstseins lässt die herrschende Ansicht310 vielmehr ein ständiges Begleitwissen genügen. Uneinigkeit besteht allerdings über den genauen Inhalt dieser Bewusstseinsform. Nach einer Meinung311 genügt es, wenn sich das Opfer überhaupt keine Gedanken macht. Laut anderen Stimmen312 liegt eine Vorstellung in dieser Gestalt vor, wenn sich das Opfer zumindest beiläufige Gedanken zu einem Täterverhalten macht. Zur Exemplifizierung werden vorwiegend Sachverhalte aus dem Bereich der konkludenten Täuschung bzw. des Unterlassens ins Feld geführt. Denn im Gegensatz zu den anderen Täuschungsformen kann das Opfer einer ausdrücklichen Täuschung durch sprachliche Interaktion einer Nichtvorstellung nur schwer entrinnen.313 Ein Irrtum in Gestalt des sachgedanklichen Mitbewusstseins durch konkludente Täuschung über die Zahlungsbereitschaft wird beispielsweise in den Bereichen der Leistungserschleichung durch Zechprellerei angenommen.314 Genauso wird im Rahmen eines Bezahlvorgangs dem Zahlungsempfänger suggestiv der Glaube unterstellt, kein Falschgeld zu erhalten.315 Innerhalb
310 RGSt 62, 415 und BGHSt 29, 165 verlieren überhaupt kein Wort zu dem Irrtumsmerkmal; BGHSt 51, 165; Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 39; Fischer, StGB § 263 Rn. 62; Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 88; Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1212; Krack, ZIS 2007, 103 (106); Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 7 Rn. 57; kritisch Frisch, in: Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg, S. 729 (733); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 174; widersprechend Reese, Täuschung und Irrtum beim Betrug, S. 140 ff.; abweichend Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 228 ff., der in den Fällen der Ignorantia facti über objektiv-normative Maßstäbe einen Zurechnungszusammenhang zwischen Täuschung und Verfügung herstellt. 311 So Bockelmann, NJW 1961, 1935 (1936); Fasten/Oppermann, JA 2006, 69 (71). 312 Darunter Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 32; Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 88; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 44; Schild, ZfWG 2006, 213 (218). 313 Siehe dazu Reese, Täuschung und Irrtum beim Betrug, S. 135. 314 BayObLGSt 1957, 146 (147). 315 Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 511; weitere Beispiele bei Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 39.
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von Vertragsabschlüssen werden der Wille und die Fähigkeit zur Erfüllung ebenso stillschweigend angenommen.316 In den aufgezählten Fallbeispielen bejahen selbst diejenigen Stimmen317, die bei einer Ignorantia facti mangels feststehenden Gedankenmaterials den Irrtum verneinen, jeweils einen Irrtum, auch wenn positive Gedanken über die zu täuschenden Tatsachen fehlen. Durch die Verwendung des Kriteriums des sachgedanklichen Mitbewusstseins wird das Irrtumsmerkmal daher erweitert. Wie bereits im Rahmen des Irrtumsinhalts unter der abstrakten Opfervorstellung mit dem Inhalt, dass „alles in Ordnung sei“ festgestellt, tendiert die herrschende Ansicht, die den Irrtum rein formell zunächst eng definiert, auch hinsichtlich der Irrtumsintensität unter dem Gebrauch des Kriteriums des sachgedanklichen Mitbewusstseins zu einer Ausweitung des Irrtumsmerkmals. (2) Enge Bestimmung durch eigene Auslegung des Gesetzes Auch die Vorgehensweise der Bejahung eines Irrtums in Form eines sachgedanklichen Mitbewusstseins widerspricht der zuvor aufgestellten Prämisse eines Irrtums, der in einer positiven Fehlvorstellung liegen muss. Ohnehin ist zu reflektieren, ob diese „Zwitterstellung“, die die Figur des sachgedanklichen Mitbewusstseins zwischen Fehlvorstellung und Nichtvorstellung einnimmt, in der Praxis überhaupt existiert. Auf der Skala der Wissensdefizite liegt sie zwischen der absoluten Nichtkenntnis von Tatsachen und der positiven Fehlvorstellung. Nun ist es in der Realität so, dass ein Berechtigter sich über eine Sache Gedanken macht oder eben nicht. Das generelle Unterstellen von Gedanken in spezifischen Situationen ist mit der Wirklichkeit nicht vereinbar.318 Vielmehr ist in jeder Konstellation das Vorliegen der konkreten Gedankenleistung des Berechtigten zu prüfen. In den Kategorien für und wider einen Irrtum gedacht, ist die Frage darüber einzig von zwei Varianten bestimmt:319 Macht sich der Getäuschte Gedanken über den Inhalt der Täuschung oder macht er sich keine? Nur in Ersterem ist nach der Definition des Irrtumsmerkmals wegen einer positiven Fehlvorstellung dieses erfüllt. 316 Siehe BGH, NJW 1954, 1414 (1415); BGH, NJW 2005, 3650 (3652); OLG Köln, NJW 1967, 740 (741); Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 264 Rn. 16a; Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1212. 317 AG Siegburg, NJW 2005, 566 (567 f.); Bosch, JA 2007, 70 (71); Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 43 f.; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263 Rn. 18; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 41 II Rn. 59; differenzierend Reese, Täuschung und Irrtum beim Betrug, S. 140 f. 318 Ebendies erkennt auch Hardwig, GA 1956, 6 (14 f.); insoweit übereinstimmend ebenso Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 231, der allerdings aufgrund objektiv-normativer Maßstäbe einen Zurechnungszusammenhang zwischen Täuschung und Verfügung konstruiert. 319 So auch Krack, List als Tatbestandsmerkmal, S. 36.
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Richtigerweise ist daher je nach Falllage zwischen Kenntnis und Nichtkenntnis zu trennen. Das Unterstellen eines generellen Misstrauens und damit einer Denkleistung ist in den meisten Situationen nicht gerechtfertigt. Der alltägliche Geschäftsverkehr zeichnet sich vielmehr durch eine gedankenlose Abwicklung von Geschäften aus.320 Das sogenannte sachgedankliche Mitbewusstsein ist daher ein bloßes Instrument der Irrtumszurechnung, das auf fingierten Überlegungen beruht.321 In der Wirklichkeit existiert es nicht. Damit lässt die Ausdehnung des Irrtumsmerkmals auf Situationen, in denen keine Gedanken vorhanden sind, den Schluss auf einen Verstoß gegen das Analogieverbot, Art. 103 Abs. 2 GG zu. Wie bereits festgestellt, fordert der Irrtum eine positive Fehlvorstellung. Die Projizierung eines wenn auch nur unterschwelligen Bewusstseins in der breiten Masse konkludenter Täuschungen in toto und ohne Spezifizierung übergeht diese strenge Anforderung. Die Gleichsetzung dieses Vorstellungsinhalts mit einem Irrtum führt zu einem unzulässigen Analogieschluss zu Lasten des Täters. Zudem übergeht die Figur des sachgedanklichen Mitbewusstseins die gesetzlich normierte Kausalitätsbeziehung zwischen Täuschung und Irrtum. Laut Gesetz muss der Irrtum aus der Täuschung resultieren. In der Realität muss die Täuschung daher den Anstoß für die Fehlvorstellung geben. Die irrige Vorstellung kann damit nur nach der Täuschung eintreten. Dieser Zusammenhang ist aber im Rahmen eines sachgedanklichen Mitbewusstseins, in der die falsche Vorstellung den Berechtigten nur peripher umkreist, nicht eindeutig feststellbar. Der Zeitpunkt des Eintritts der falschen Vorstellungen ist hier nicht genau bestimmbar. Damit ist die Kausalitätsbeziehung in den Fällen des sachgedanklichen Mitbewusstseins nicht gewährleistet. Auch das ist im Hinblick auf Art. 103 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. Ein dogmatisches Problem entsteht ferner daraus, dass die Verbindung zwischen konkludenter Täuschung und Irrtum zirkulär ist. Das lässt sich am Beispiel der Prüfung konkludenter Verhaltensmuster in einer jüngst ergangenen Entscheidung322 erhellen. Gegenstand der Entscheidung war ein Sportwettenbetrug durch Spielmanipulation. Die Konkludenz wird in diesem aus der Tatsache abgeleitet, dass beide Parteien von der Manipulationsfreiheit der Wette ausgegangen sind.323 Grundlage für die Bewertung des Inhalts der Täuschung sind daher die subjektiven Vorstellungen der Parteien.324 An späterer Stelle bleibt nichts anderes übrig, als einen Irrtum derselben Art in Form des sachgedanklichen Mitbewusstseins zu bestätigen. Die Annahme eines sachgedanklichen Mitbewusstseins beruht daher 320 321 322 323 324
Siehe Kraatz, in: Festschrift für Klaus Geppert, S. 269 (277). Zustimmend insofern Krack, ZIS 2007, 103 (106). BGH, NJW 2013, 883. BGH, NJW 2013, 883 (884). So auch die Methode nach Krack, ZIS 2007, 103 (108).
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auf einer bereits unterstellten Fehlvorstellung. Da es dies jedoch erst zu beweisen gilt, liegt dieser Konstruktion ein Zirkelschluss zugrunde. Frei von eben genannter verfassungsrechtlicher und dogmatischer Kritik ist allein die Vorgehensweise, die die konkrete Vorstellung des zu Täuschenden in jedem einzelnen Fall untersucht.325 Weder das Vorliegen von Gedanken noch ihr Inhalt können entgegen der Wirklichkeit pauschaliert werden. Ob eine positive Fehlvorstellung in der Person des Getäuschten vorhanden ist, erschließt sich nur aus einer konkreten tatrichterlichen Prüfung. Konkret bedeutet eine notwendige Verengung des Irrtumsmerkmals, dass bei Bargeschäften regelmäßig beim Täuschungsadressaten kein Gedankenprozess geweckt wird, der über den vorgegebenen Umstand hinsichtlich der Echtheit des Geldes reflektiert. Zweifel und damit Gedanken über die Echtheit sind allenfalls bei extrem hohen Bargeldsummen, der Bezahlung mit großen Scheinen und bei Bargeschäften im kriminellen Milieu geboten, nicht aber in den meisten anderen Fällen, in denen mit Münzen und Scheinen gezahlt wird. Das zeigt schon die vereinzelte Echtheitsprüfung von nur großen Scheinen durch die Kassierer bzw. die Beschränkung der Annahme von Scheinen bis zu einer gewissen Summe. Demgegenüber kann in den anderen Fällen der Vertragsdurchführung ein Irrtum über die Erfüllungsfähigkeit bzw. den Willen dazu in der Regel bejaht werden. Vergegenwärtigt man sich die Umstände eines Vertragsabschlusses, treten die Parteien in eine intensive Geschäftsbeziehung über. Das begründet häufig das Aufkommen umfassenderer Überlegungen über die Vertragserfüllung, worunter auch Vorstellungen über die Erfüllungsbereitschaft bzw. -fähigkeit fallen. Diese einschränkende Betrachtungsweise verringert zwar mittelbar über den Irrtumsinhalt und die -intensität die Möglichkeiten der Strafbarkeit wegen Betrugs im Falle konkludenter Täuschungen. Das steht dem Ansinnen der herrschenden Meinung gegenüber, der die Figur des sachgedanklichen Mitbewusstseins dazu dient, die psychologische Ebene des Betrugs zu einem sinnvollen Ganzen zusammenzufügen. Über den Kunstgriff des sachgedanklichen Mitbewusstseins wird in konsequenter Fortsetzung der Überdehnung des Wortlauts des Betrugs im Bereich der konkludenten Täuschung ein Irrtum fingiert, um einer emotionalen Sanktionspflicht nachzukommen.326 Sicherlich führt die in der Arbeit vertretene restriktive Tendenz in Einzelfällen de lege lata zu Strafbarkeitslücken. In den Beispielen gilt das je nach Fallsituation für die Zechprellerei, aber nicht für das Bezahlen mit Falschgeld, vgl. 325 In Übereinstimmung mit BGHR, StGB 10, § 263 I, Irrtum 11, S. 1 (2); Cramer/ Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 33; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 17; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 76; Kühl, in Lackner/ Kühl, § 263 Rn. 19; Schlösser, NStZ 2005, 423 (427); ablehnend Krack, ZIS 2007, 103 (108). 326 Ebenso Kraatz, in: Festschrift für Klaus Geppert, S. 269 (277).
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§§ 146 f. StGB. Eventuelle Strafbarkeitslücken könnten aber durch die Erweiterung betrugsrechtlicher Sondertatbestände327 geschlossen werden. In einer Gesamtschau der Auslegungsargumente ist für das Irrtumsmerkmal an einer restriktiven Anschauung festzuhalten. In der tatrichterlichen Prüfung, die auch substantiiert durchgeführt werden muss, kann ein Irrtum im Sinne des Betrugs nur durch eine positive Fehlvorstellung erfüllt sein. Anders als das sachgedankliche Mitbewusstsein bzw. die Vorstellung, dass „alles in Ordnung sei“, können Zweifel des Opfers am Wahrheitsgehalt der vorgespiegelten Tatsache einen Irrtum begründen.328 Hier wird tatsächlich ein Denkprozess des Opfers, der zu einer positiven Fehlvorstellung führt, angeregt. Der Grund dafür ist in der vertieften geistigen Auseinandersetzung des Opfers mit dem Täterverhalten zu sehen, bei der tatsächlich eine Abwägung stattfindet, die sich letztlich in einer positiven Fehlvorstellung verfestigt. Dass dieser Fall einer positiven Fehlvorstellung auch unter den Betrugstatbestand fällt, ist mit dem großzügigen Opferschutz329 aus § 263 StGB, der keine Einschränkung entsprechend dem Gedanken der Mitverantwortung des Opfers für den Irrtum fordert, zu begründen. Das Schutzbedürfnis des Getäuschten steigt mit dem Grad der Leichtgläubigkeit.330 Es würde dem Gesetz und dem Gerechtigkeitsgedanken widersprechen, eine Opferklassifizierung vorzunehmen, bei der der Unerfahrene benachteiligt wird. Umgekehrt kann der Betrüger einer Strafbarkeit nicht entgehen, nur weil er besonders jungen bzw. älteren Menschen gegenübertritt. Hingegen entfällt die Strafbarkeit des Betrügers, wenn die Einstellung des Opfers hinsichtlich eigener vermögensschützender Maßnahmen einen Grad erreicht 327 Um nun doch dem allgemein als gerecht empfundenen Wunsch der Strafbarkeit dieser Fälle nachzukommen, könnte dafür, wie in der französischen Rechtsordnung auch („filouteries“: Art. 313-5 n ë 1 Code pénal), ausdrücklich normierte Tatbestände geschaffen werden, die z. B. die Zechprellerei oder den Fall des Tankens ohne zu bezahlen erfassen. 328 Unabhängig von dem Überzeugungsgrad bejahen dies BGH, wistra 1990, 305; BGH, NJW 2003, 1189 f.; OLG Karlsruhe, wistra 2004, 276 (277 f.); Achenbach, Jura 1984, 602 f.; Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 69; Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 40; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 34 f.; Joecks, Strafgesetzbuch, § 263 Rn. 76; Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 51 Rn. 22; Ranft, JA 1984, 723 (732); strenger ist die Ansicht Giehrings, GA 1973, 1 (21), der bei Unsicherheit über das Vorliegen einer Tatsache eine subjektive Wahrscheinlichkeitseinschätzung durchführt; ihm folgend Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1210; einschränkend Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 224. 329 Vgl. RGSt 4, 352 (353); RGSt 68, 212 (213); BGH, MDR 1972, 387 (bei Dallinger); BGHSt 34, 199 (201 f.); BGH, NStZ-RR 2004, 110 (111); OLG Hamburg, NJW 1956, 392; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 51; Tröndle, JR 1974, 221 (224); anders Sauer, System des Strafrechts, S. 81. 330 Bejahend Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 549; grundsätzlich auch Harbort, Die Bedeutung der objektiven Zurechnung beim Betrug, S. 58; Maurach/ Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 41 II Rn. 61.
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hat, bei dem der Vermögensschutz wegen Gleichgültigkeit331 oder sogar Desinteresse des Berechtigten entwürdigt ist. Die diesbezügliche intellektuelle Einwirkung äußert sich nicht mehr in einer Fehlvorstellung, sondern gerät in den Bereich, in dem sich das Opfer mental schon nicht mehr mit dem Vermögensobjekt beschäftigt. Verhält sich der Berechtigte innerlich neutral zu dem Verbleib der Sache, kann er sich schon keine falschen Vorstellungen machen. In diesen Fällen scheidet der Betrug nicht nur mangels Irrtums aus. Auch wesensmäßig ist kein betrügerisches Verhalten zu beklagen. Die für den Betrug charakteristische kriminelle Herangehensweise, einen Wissensvorsprung zu missbrauchen, gelangt nur ansatzweise zur Verwirklichung. Die vorangehende Auslegung des Irrtumsmerkmals hat gezeigt, dass das Gesetz über das Irrtumsmerkmal selbst seinen Schutzumfang reglementiert. Das Irrtumserfordernis ist ausreichendes Instrumentarium zum Ausschluss von Fällen, in denen die Raffinesse des Täters so weit reicht, dass sich das Opfer überhaupt keine Vorstellungen macht. Kommt es mangels geschickter Tarnung des Täters nicht zu einer wenn auch wahrheitswidrigen Willensbildung des präsumtiven Opfers, kann dieses auch nicht den Schutz aus einem Delikt beanspruchen, bei dem der deliktische Part des Täters auf geistiger Ebene vollzogen wird. Insbesondere gilt das für die Vorstellung, dass „alles in Ordnung sei“ ebenso wie das sachgedankliche Mitbewusstsein. Diese Figuren sind, da sie keine positiven Fehlvorstellungen beinhalten, im Einklang mit Art. 103 Abs. 2 GG nicht als Irrtum zu betrachten. Die herrschende Ansicht indessen, die diesen Irrtumsinhalt bzw. diese Irrtumsintensität aufgrund kriminalpolitischer Erwägungen für ausreichend zur Erfüllung des Irrtumsmerkmals erachtet, widerspricht dem Analogieverbot entgegen Art. 103 Abs. 2 GG. Sobald indes ein Denkprozess ist Gang gesetzt wird, greift der Schutz aus § 263 StGB, für den ein opferfreundlicher Maßstab zugrunde zu legen ist. Nach der engen Auslegung des gesetzlichen Irrtumsmerkmals ergibt sich folgende Definition: Der Irrtum ist eine positive Fehlvorstellung über Tatsachen, die aufgrund tatsächlich bestimmter Gedanken gebildet wird. c) Zusammenfassung der durch eigene Auslegung ermittelten Grundsätze Ergebnis der eigenen Auslegung des Gesetzes ist zunächst eine notwendige Verengung des Betrugstatbestands im Vergleich zur weiten Anwendung desselben durch die herrschende Meinung. Insbesondere umgeht die herrschende An331 Siehe Beukelmann, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, § 263 Rn. 27; Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 40; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 47; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 7 Rn. 59; Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 51 Rn. 22; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, Vor § 263 Rn. 39; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 512.
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sicht die gesetzlichen Merkmale der Täuschung, des Irrtums und der sie verknüpfenden Kausalitätsbeziehung. Wegen des Verstoßes gegen das Analogieverbot ist darin eine Missachtung des verfassungsrechtlich gesicherten Bestimmtheitsgebots aus Art. 103 Abs. 2 GG zu beklagen. Ein restriktiver Umgang mit den Tatbestandsmerkmalen des § 263 StGB betrifft insbesondere die Begriffe der (konkludenten) Täuschung und des Irrtums. Der erste durch eigene Auslegung ermittelte Grundsatz beinhaltet die folgende Definition der Täuschung: Die Täuschung ist eine Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen mit irreführendem Erklärungswert. Der Erklärungswert ist nicht normativ-abstrakt, sondern faktisch-konkret zu bestimmen. Damit richtet sich der Inhalt konkludenten Handelns nicht an normativen Regeln, sondern tatsächlichen Umständen aus. Der zweite durch eigene Auslegung ermittelte Grundsatz beinhaltet die folgende Definition des Irrtums: Der Irrtum erfasst nur positive Fehlvorstellungen, denen ein konkreter Denkprozess zugrunde liegt. Das schließt die Konstruktion eines Irrtums mit der Vorstellung, dass „alles in Ordnung sei“ und die Verwendung der Figur des sachgedanklichen Mitbewusstseins aus. Die Brisanz konkludenten Handelns und des Irrtums für die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug ist im Folgenden anhand der praktischen Fallgestaltungen der Warenentwendung aus Selbstbedienungsläden zu vergegenwärtigen. Innerhalb dieser werden die neu durch Auslegung konkretisierten Ausprägungen zu den Merkmalen der Täuschung und des Irrtums praktisch angewendet und auch ihre Praxistauglichkeit nachgewiesen. Zu unterscheiden sind folgende Fallgestaltungen: Der Täter kann die Sache offen, versteckt, verborgen oder nach einer heimlichen Objektmanipulation durch Erweiterung bzw. Austauschen des Verpackungsinhalts oder Umetikettierung der Ware in Richtung Ladenausgang befördern. d) Täuschung und Irrtum in den Fällen der listigen Warenentwendung aus Selbstbedienungsläden Mit dem Aufkommen von Selbstbedienungsläden332 in der Nachkriegszeit333 sah sich die Rechtsprechung zunehmend mit Fallkonstellationen an diesem Tatort konfrontiert.334 Insbesondere brachte diese neue Verkaufsform verschiedene Begehungsarten einer Warenentwendung mit sich. Zunächst hatten die Gerichte vor allem das Verhalten vor der Kasse zu beurteilen. Dabei ging es in den Fällen des
332 Ausführliche Darstellung des kriminologischen Profils des Ladendiebstahls bei Geerds, in: Festschrift für Eduard Dreher, S. 533 (534 ff.). 333 Geilen, JR 1963, 446; Welzel, GA 1960, 257; Wimmer, NJW 1962, 609. 334 Geilen, JR 1963, 446 (448); Mayer, JZ 1962, 617 (620); Welzel, GA 1960, 257; Wimmer, NJW 1962, 609.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
Versteckens von Waren darum, den Vollendungszeitpunkt zu bestimmen.335 Darauffolgender Konfliktpunkt war und ist die Frage, ob ein späteres teilweises Bezahlen der nichteingesteckten Waren an der Kasse als Diebstahl oder Betrug zu werten ist.336 Seit Bekanntwerden letzterer Situationen zählen die Varianten der Warenentwendung aus Selbstbedienungsläden zu den klassischen Streitfällen zwischen Trickdiebstahl und Betrug. Ergänzt wird das Konfliktpotential durch die in späteren Jahren bekannt gewordenen Fälle des Verbergens337 und Hinzufügens338 sowie Austauschens339 von Waren. Dort sind die Gerichte dem Problem der Einordnung des Täterverhaltens an der Kasse ausgesetzt. In diesen Falltypen ist neben einer Täuschung und einem Irrtum das Vorliegen einer Vermögensverfügung zu diskutieren. Chronologisch sind im ersten Schritt die Fälle des Versteckens von Waren zu untersuchen. Vor allem die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesem Themengebiet in den frühen 1960er Jahren des 20. Jahrhunderts trug zur Fortentwicklung des Gewahrsamsbegriffs bei. Auch wenn diese Fälle durch mehrere Beteiligte (Käufer, Verkäufer und Ladeninhaber) gekennzeichnet sind, ist es möglich, die genannten Fallkonstellationen für die zu erörternde Abgrenzungsfrage einzubeziehen.340 Zum einen ist Brennpunkt innerhalb dieser Fälle die Vorstellung des Verkaufspersonals, für dessen innere Willenseinstellung dieselben Überlegungen anzustellen sind wie für den Ladeninhaber. Die Stellung zum Tatobjekt ist vernachlässigbar. Zum anderen können die in der Praxis gängigen Dreipersonenverhältnisse problemlos in für diese Arbeit anwendungstaugliche Zweipersonenverhältnisse umgebildet werden, indem Verkäufer und Ladeninhaber als personengleich zu unterstellen sind. Die Probleme in den Bereichen der Täuschung und des Irrtums sowie die Frage eines Verfügungsbewusstseins verändern sich dadurch nicht. Die nun anstehende Prüfung der Fälle der listigen Warenentwendung aus Selbstbedienungsläden konzentriert sich nur auf das Vorliegen der bislang untersuchten Merkmale der Täuschung und des Irrtums. Vorweg muss Grundsätzliches geklärt werden. Hält sich der Täter in der für ihn fremden Gewahrsamssphäre des Ladeninhabers auf, kann er zeitlich wie örtlich erst nach dem Kassenbereich Gewahrsam begründen. Mit dem bloßen Ergreifen und offenen Umhertragen der Ware kann kein sofortiger Gewahrsamswechsel eintreten. Das ergibt sich aus sozial-normativen Anschauungen, die
335
Dazu BGHSt 16, 271 (274 f.); OLG Hamm, NJW 1961, 328. Dazu BGHSt 17, 205; OLG Düsseldorf, GA 1961, 348. 337 OLG Köln, NJW 1984, 810; BayObLGSt 1988, 5 (7); OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1407; PfzOLG Zweibrücken, NStZ 1995, 448; daraufhin BGHSt 41, 198. 338 OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922. 339 OLG Hamm, OLGSt 1978, § 263, S. 165. 340 Vgl. Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 85 Fn. 53. 336
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sowohl dem traditionell-faktischen wie auch dem jüngeren, sozial-normativen Gewahrsamsverständnis zugrunde zu legen sind. Zunächst gehört es in sozialer Hinsicht in einem Selbstbedienungsladen zur Sitte, dass die Waren bis zum Kaufgeschäft an der Kasse in der Gewahrsamssphäre des Ladeninhabers bleiben.341 So geht der Gewahrsam bei einem Bargeschäft grundsätzlich erst dann über, wenn die andere Seite die Gegenleistung erbringt.342 Ausnahmen von diesem Grundsatz können nur gemacht werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Falls mit der Auswahl und Freigabe der Sache bereits ein vollständiger Herrschaftswechsel intendiert ist und der Täter die Geschäftsräume ohne zu bezahlen verlässt. Zu den seltenen Motiven eines in diesen Fällen ausnahmsweise anzunehmenden frühen Gewahrsamswechsels gehört eine vertiefte Geschäftsbeziehung zu bisher treuen Stammkunden, bei der auf die Zahlungsfähigkeit und den entsprechenden Willen vertraut werden darf.343 Eine solche Konstellation ist auch gegeben, wenn nach eingehenden Beratungen zwischen Kunden und Verkäufer die Auswahl auf einen Gegenstand fällt, der einvernehmlich in den Herrschaftsbereich des Kunden gepackt wird, und die spätere Bezahlung nur noch Formsache ist.344 Dass aus sozialer Sicht ein Gewahrsamswechsel nicht schon vor der Kasse eintreten soll, zeigt darüber hinaus die Bereitstellung von Einkaufskörben und -wägen durch den Ladeninhaber, der es zur besseren Kontrolle wünscht, dass der Käufer die ausgesuchten Waren dort hineinlegt. Die Nichtbefolgung dieser Regeln stellt ein Auflehnen gegen die bisherige Herrschaftsordnung dar. Wird ein Gegenstand nicht in die ladeneigenen, zur freien Benutzung ausgestellten Wägen oder Körbe oder mancherorts auch Taschen verbracht bzw. bei wenigen Dingen offen zur Kasse getragen, sondern in eigene Taschen oder mitgebrachte Behältnisse des Täters gelegt, ist nach sozialnormativer Sicht ein Gewahrsamswechsel vollzogen.345 In jenen Fällen ist eine Wegnahmevollendung anzunehmen, wenn die Diebesbeute in ein Eigen- oder Körperversteck, zu dem auch vom Täter mitgebrachte Behältnisse zählen, gesteckt wird.346 Sachen, die von einer Person eng am Körper getragen werden, 341 Übereinstimmend OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1407; PfzOLG Zweibrücken, NStZ 1995, 448 (449); OLG Dresden, BeckRS 2002, 30262700; Brocker, JuS 1994, 919 (920, 922); Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 44; Fahl, JA 1996, 40 (41); Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 7 Rn. 82; Heinrich, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 13 Rn. 42; Hillenkamp, JuS 1997, 217 (220 f.); Jung, JuS 1993, 779; Schmitz, JA 1993, 350 f.; abweichend Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 129. 342 Roxin/Schünemann, JuS 1969, 376; Schröder, SJZ 1950, 94 (96). 343 Vgl. Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 99; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 133. 344 Vgl. Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 129. 345 Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 63; Welzel, GA 1960, 257 (268). 346 Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 243 Rn. 39; Wimmer, NJW 1962, 609 (613 f.).
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unterfallen ihrem Herrschaftsbereich. Derjenige, der eine Sache in seine Körpersphäre bringt oder sie in sonstiger Weise eng am Körper trägt, schließt andere, insbesondere den Ladeninhaber von der weiteren Einwirkungsmöglichkeit aus. Der Täter bildet um die Sache eine Gewahrsamsenklave.347 Insbesondere ist kein Hinaustragen der Diebesbeute aus den Ladenräumen geschuldet. Die Bildung einer Gewahrsamsenklave ergibt sich insbesondere aus der Beleuchtung des normativen Blickwinkels. Wird die Sache in eine Körpersphäre verbracht, liegt die Einwirkungsmöglichkeit auch rechtlich vorrangig in der Person, bei der sich das Körperversteck befindet. Ausgangspunkt ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Grundgesetzes, vgl. Art. 2 Abs. 1 i.V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Es gewährleistet die Würde des Menschen. Dazu schirmt es die enge Persönlichkeitssphäre vor schädigenden Einwirkungen ab.348 Zu diesem Rechtskreis zählt alles, was eine Person direkt am Körper trägt oder zu was auf sonstige Weise eine enge Beziehung besteht.349 Diesen zu durchbrechen bedarf formell gesetzlicher Rechtfertigungsgründe.350 In dieser Situation ist es auch dem Geschäftsinhaber oder der Polizei nicht ohne Weiteres möglich, die Sache sowohl nach der natürlichen Auffassung des Lebens wie auch rechtlich einwandfrei zu befreien. Selbst wenn der in seinem Gewahrsamsverhältnis zu der Sache gestörte vormalige Inhaber weiß, wo sich die Sache befindet, muss er vorerst tatsächliche und rechtliche Barrieren überwinden, um auf sie zugreifen zu können. Für eine Festnahme (§ 127 StPO) und Durchsuchung (§§ 102 ff. StPO) mit anschließender Entnahme der entwendeten Sache bedarf es immerhin besonderer Voraussetzungen. Abgesehen von der Prüfung des § 32 StGB setzt auch privatrechtlich eine Wiederansichnahme der Sache spezielle Rechtfertigungsgründe nach §§ 227, 229 ff. und 859 f. BGB voraus.351 Von diesem Grundsatz der Bildung einer Enklave ist auch im Falle einer Beobachtung oder sonstiger objektiver Faktoren keine Ausnahme zu machen, da der Diebstahl kein heimliches Delikt ist352. Daher kann die beobachtete Sachver347 Bejahend auch Cordier, NJW 1961, 1340; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 1 Rn. 47. 348 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 Rn. 36; Kunig, in: von Münch/Kunig, Art. 2 Rn. 30, 32; Murswiek, in: Sachs, Art. 2 Rn. 60. 349 Cordier, NJW 1961, 1340; Gössel, ZStW 85 (1973), 591 (635); Welzel, NJW 1961, 330. 350 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 Rn. 58; Kunig, in: von Münch/Kunig, Art. 2 Rn. 42. 351 So Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 7 Rn. 81; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 63; Seier, JA 1985, 387 (389); Wimmer, NJW 1962, 609 (612); vgl. auch Welzel, GA 1960, 257 (267 f.); nach Kargl, JuS 1996, 971 (975) und Zopfs, ZJS 2009, 506 (509) sind sogar allgemein-soziale, der Öffentlichkeit gegenüber bestehende, nicht notwendig rechtliche Rechtfertigungszwänge ausreichend. 352 BGH, NStZ 1987, 71; Brocker, JuS 1994, 919 (922); Cordier, NJW 1961, 1340; Hälschner, Das preußische Strafrecht Teil 3, S. 426 Fn. 3; von Liszt, Lehrbuch des
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schiebung einen Gewahrsamswechsel nicht abwehren.353 Ohnehin ist der Streit, ob eine Beobachtung einen Gewahrsamsverlust verhindern kann oder nicht, für die Abgrenzung des Trickdiebstahls von Betrug in Zweipersonenverhältnissen fruchtlos, da ein Ertapptwerden immer bedeutet, dass das beobachtende Opfer später nicht mehr über den wahrgenommenen Vorgang irren kann. Da es die wahre Sachlage kennt, kann die Vorstellung nun nicht mehr falsch werden. Ein Irrtum und erst recht ein Betrug sind zu verneinen. Damit ist dem Abgrenzungsstreit im Falle des Beobachtetwerdens die Grundlage entzogen. Anderes gilt indessen für die objektiven Faktoren, die nach einer Ansicht einen Ausschluss des Gewahrsamswechsels bewirken können. Dieser Streit sei kurz dargestellt. Nach einer kleinen Gruppe von Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur können die körperliche Unterlegenheit des Täters354 bzw. die räumliche Organisation des Ladens355, die Schnelligkeit des Täters356 als auch elektroDeutschen Strafrechts, S. 409; Mayer, JZ 1962, 617 (620); Otto, Jura 1997, 464 (468); von Wächter, Deutsches Strafrecht, S. 413; Welzel, NJW 1961, 330; ders., GA, 1960, 257 (268); Wittig, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, § 242 Rn. 21.1, 25; anders dagegen im deutschen Mittelalter, wo die Heimlichkeit dem Wesen des Diebstahls entsprach, vgl. Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts Besonderer Teil, Bd. 1, S. 253; Hälschner, Das preußische Strafrecht Teil 3, S. 399 f.; Harburger, in: Vergleichende Darstellung, Besonderer Teil VII, S. 183 (184 f., 208); A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 621 (625, 628); Nitschke, Die Systematik der Vermögensdelikte, S. 29 f.; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 32 II Rn. 8. 353 So schon RGSt 52, 75 (76); RGSt 53, 144 (145); grundlegend BGHSt 16, 271 (274); daran anknüpfend BGHSt 17, 205 (208 f.); BGH, GA 1969, 91 f.; BGH, MDR 1987, 94 (bei Holtz); BGH, NStZ 2008, 624 (625); BGH, NStZ 2011, 158 (159); OLG Düsseldorf, NJW 1990, 1492; OLG Frankfurt, MDR 1993, 671; Brocker, JuS 1994, 919 (922); Fischer, StGB § 242 Rn. 21; Heinrich, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 13 Rn. 43, 57; Otto, Jura 1997, 464 (468); Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 2 Rn. 25, 32; Zopfs, ZJS 2009, 506 (512); a. A. BGH, MDR 1969, 902 (bei Dallinger); BGH, StV 1984, 376; OLG Hamm, NJW 1954, 523; OLG Hamm, NJW 1961, 328 (329); OLG Düsseldorf, GA 1961, 348 f.; OLG Düsseldorf, NJW 1986, 2266; OLG Düsseldorf, JZ 1990, 100; OLG Köln, StV 1997, 27; differenzierend BGH, StV 1988, 529; allgemein auch außerhalb von Selbstbedienungsläden BGH, StV 1985 (323); BGH, NStZ 1987, 71; BGH, NStZ 2008, 624 (625); OLG Hamburg, NJW 1960, 1920 (1921); OLG Düsseldorf, NJW 1988, 1335 (1336); Bethge, Der Ladendiebstahl, S. 106 f., 122 ff.; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 37, 40, die zum Aufbau des neuen Gewahrsams neben der Einwirkungsmöglichkeit zusätzlich die Möglichkeit des Fortschaffens verlangen; dieselbe Grundrichtung verfolgen Kahlo, in: Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, S. 123 (137 f.) und Ling, ZStW 110 (1998), 919 (939 ff.), demzufolge Gewahrsam auf Täterseite nur unter den Voraussetzungen einer exklusiven Sachzuordnung zu seinen Gunsten unter günstiger Zukunftsprognose zugesprochen wird; ebenso wohl Schmitt, JZ 1968, 307. 354 OLG Hamm, NJW 1954, 523; OLG Düsseldorf, GA 1961, 348; Bachmann, NStZ 2009, 627; Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 43; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 61; Mayer, JZ 1962, 617 (620). 355 BGH, StV 1988, 529; OLG Hamm, NJW 1961, 328 (329); OLG Düsseldorf, GA 1961, 348; OLG Köln, StV 1989, 156 (157); Bethge, Der Ladendiebstahl, S. 106; Mayer, JZ 1962, 617 (620).
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nische Warensicherungsmaßnahmen357 einen Gewahrsamswechsel abwehren. Selbst die Tatsache, dass sich der Tatort in einem Laden befindet, der innerhalb einer Stadt gelegen ist, kann ein möglicher Hinderungsgrund sein.358 Mit dieser Ansicht wird die Bildung von Gewahrsamsenklaven durch Verbringen einer Sache in ein Körperversteck preisgegeben. Gegen den Einfluss eben genannter objektiver Faktoren auf die Gewahrsamsbeziehungen ist aber Folgendes einzuwenden: Der Begriff des Gewahrsams ist zwar auch tatsächlicher Natur, seine Verteidigung kann jedoch nicht von den Körperkräften der an einer Sachverschiebung beteiligten Personen abhängen. Würde dagegen auch die potentielle Kraftentfaltung des Opfers, sich eines störenden Zugriffs zu erwehren, zur Frage beitragen, ob und wann Gewahrsam auf die Person übergegangen ist, könnten schwächere täuschende Täter gegenüber stärkeren Opfern nie Gewahrsam begründen. Denn sie wären dieser Ansicht zufolge niemals ohne Behinderung durch den vormaligen Gewahrsamsinhaber imstande, auf die Sache unmittelbar einzuwirken. Sie müssten mangels Gewahrsamswechsels immerfort als Unterschlagungstäter behandelt werden. Die Verübung eines Trickdiebstahls wäre kategorisch ausgeschlossen. Danach wäre der größte Teil weiblicher Delinquenten von der Bestrafung nach § 242 StGB nicht erfasst; Gleiches gilt für Minderjährige. Als Täter eines Trickdiebstahls kämen nur gewalttätige, sportliche Menschen in Betracht.359 Der im Gegensatz zum Raub nicht als Nötigungsdelikt konstruierte Diebstahlstatbestand würde schließlich zu einem Gewaltdelikt umfunktioniert. Umgekehrt könnten aber auch kräftige Täter gegenüber ihren unterlegenen Opfern niemals einen Trickdiebstahl verüben. Da es für die Gewahrsamsbegründung nicht auf die unmittelbare Sachherrschaft ankommt, wäre dem überlegenen Täter, der sich einer Sache des schwächeren Opfers nähert, aufgrund der Machtverhältnisse der Gewahrsam bereits zugeordnet.360 Ein Gewahrsamsverlust aufgrund eines weiteren Verhaltens des Täters bzw. Opfers entfiele. Derart abstruse Folgerungen schrecken in ausreichender Weise ab, die Körperkraft als Indikator für den Eintritt eines Gewahrsamsverlusts heranzuziehen. Außerdem ist einzuwenden, dass es sich bei den Begriffen der Körperkraft, Geschicklichkeit und der räumlichen Umgebung lediglich um zufällige Um356 BGH, StV 1988, 529; OLG Hamburg, NJW 1960, 1920 (1921); OLG Düsseldorf, GA 1961, 348; OLG Köln, StV 1997, 27. 357 OLG Köln, StV 1997, 27; Borsdorff, JR 1989, 4 f.; Eser/Bosch, in: Schönke/ Schröder, § 242 Rn. 40; Ling, ZStW 110 (1998), 919 (942); Seier, JA 1985, 387 (391 f.). 358 BGH, LM Nr. 11 zu § 242 StGB. 359 So auch Scheffler, JR 1996, 342 (343). 360 So auch der Schluss bei Gössel, ZStW 85 (1973), 591 (618); Heinsch, Der Gewahrsamsbegriff, S. 101; Kargl, JuS 1996, 971 (972); Rotering, GS 35 (1883), 351 (356 f.); Rosenfeld, ZStW 37 (1916), 159 (165 f.); Seelmann/Pfohl, JuS 1987, 199.
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stände des Berechtigten oder sonstigen Dritten handelt, die die kriminelle Vorgehensweise des Täters in ihrem Unrecht auf- bzw. abwerten. Es handelt sich um willkürliche Faktoren, die nicht sicher handhabbar sind. Insbesondere ist das Vergleichen der Körperkraft für die Gerichte schwierig durchzuführen. Die Beweisaufnahme im Sinne der §§ 244 ff. StPO verlangt das Darlegen des Beweisziels auf der Grundlage von Tatsachen. Wenn es sich dabei überhaupt um beweisbare Zustände handelt, so stellt sich doch die Frage, anhand welchen Maßstabs Sportlichkeit, Flinkheit und Muskelstärke in der konkreten Situation gemessen werden können. Die Gewahrsamslage müsste anhand der Gegenüberstellung des Kräfteverhältnisses der Parteien entschieden werden. Nur durch einen unmittelbaren Kräftevergleich kann gezeigt werden, wer den Gewahrsam wohl eher verloren hat. Doch welcher Maßstab kann für die Körperkraft oder die Schnelligkeit des Eingreifens des Einzelnen angestellt werden? Es wäre sonderbar, im Rahmen der Beweisaufnahme nach §§ 244 StPO das Gericht als Bühne sportlicher Auftritte umzufunktionieren, bei denen die Tatbeteiligten gegeneinander antreten, um die körperliche Verfassung von Täter und Opfer zu vergleichen. Das Gericht ist kein Boxring. Die Irrelevanz der Körperkraft für die Begründung des Gewahrsams ist auch historisch-etymologisch belegbar. Der Gewahrsamsbegriff, der, wie oben361 erwähnt von dem altdeutschen Begriff „Gewere“ herrührt, bezeichnet als solche den räumlichen Bereich einer geschützten Friedenssphäre unabhängig von den Eigenschaften der ihr zuzuordnenden Person.362 Zudem sind die praktischen Tücken dieser faktischen Argumentationsmaßstäbe nicht zu unterschätzen. Insbesondere bei Kumulation mehrerer Faktizitätsgesichtspunkte ist nicht immer klar, welcher den Vorrang genießt.363 So fällt insbesondere die Abwägung zwischen der überlegenen Körperkraft des Täters und der Eingriffsschnelligkeit des Berechtigten schwer. Darauf, dass der Gewahrsamsbegriff neben physischen auch maßgeblich aus sozialen und rechtlichen Erwägungen hergeleitet wird, wurde bereits364 eingegangen. Nichts anderes kann auch für den Verlust bzw. die Neubegründung des Gewahrsams gelten. Der Vergleich von Kräfteverhältnissen führt nicht nur zu 361
Siehe Kapitel 2: A. II. 1. a) bb). Vgl. Hälschner, Das preußische Strafrecht Teil 3, S. 429; A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 621 (625); Otto, ZStW 79 (1967), 59 (62); Rönnau, JuS 2009, 1088; Windgassen, Diebstahl und Betrug, S. 66; Welzel, NJW 1961, 330. 363 Deutlich wird dieses Dilemma bei BGH, MDR 1957, 141 (bei Dallinger) sowie in dem Konflikt zwischen BGH, NStZ 2008, 624 (625) und der ablehnenden Meinung von Bachmann, NStZ 2009; unbefriedigend auch die Diskussion bei BGH, StV 1988, 529; OLG Köln, StV 1989, 156 (157); Mayer, JZ 1962, 617 (620); dazu auch BayOblGSt 1995, 88 (90). 364 Kapitel 2: A. II. 1. b) bb). 362
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willkürlichen Ergebnissen, sondern ist auch praktisch nicht zufriedenstellend durchführbar.365 Objektive Maßnahmen wie die elektronische Warensicherung und -überwachung gleichermaßen wie die Herausgabebereitschaft des Ladendiebs ändern nichts an dem vollzogenen Gewahrsamswechsel. Allenfalls werden dadurch die Wiedererlangungschancen an der Ware gesteigert.366 Die Gegenansicht, die auf objektive Umstände als Indikatoren eines Gewahrsamswechsels abstellt, überzeugt daher insgesamt nicht. Sie knüpft rückschrittlich an die nihilistischen Machtvorstellungen des PrALR an. Der geistige Einfluss auf den Gewahrsamsbegriff muss indes anerkannt werden.367 Der schon im Rahmen der Auslegung der Wegnahme gefundene Maßstab ist zu wiederholen: Ein Gewahrsamswechsel darf nicht von äußeren Umständen abhängig gemacht werden, sondern ist sozial-normativ zu bestimmen. Dieses Ergebnis ist für die weitere Prüfung der nun für die Abgrenzung relevanten Fälle festzuhalten. Ein bloßes Ergreifen führt in Selbstbedienungsläden keinen Gewahrsamswechsel herbei. Dagegen bedingt ein Einstecken in die von dem Täter selbst mitgebrachten Behältnisse unabhängig von äußeren Faktoren einen Gewahrsamswechsel. aa) Verstecken von Waren In der ersten Fallkonstellation steckt der Täter die relevanten Waren vor dem Passieren der Kasse in ein mitgebrachtes Behältnis oder eine Tasche, um sie später an der Kasse unbezahlt vorbeizuschmuggeln. Hier stellt sich das Problem der Täuschung des Kassenpersonals insbesondere dann, wenn der Täter einen Teil der Waren tatsächlich bezahlt. Zugrunde zu legen ist das voranstehend gefundene Ergebnis, dass an den unbezahlten Waren unabhängig von objektiven Erscheinungen ein Gewahrsamswechsel im Zeitpunkt der Begründung einer Gewahrsamsenklave mit Einstecken eintritt. (1) Lösung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur In Bezug auf die Betrugsmerkmale der Täuschung und des Irrtums werden diese Fälle uneinheitlich behandelt. Einerseits werden sie unter vollständiger 365 Zustimmend Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 7 Rn. 81; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 63; Scheffler, JR 1996, 342 (343). 366 Ebenso BGH, GA 1969, 91 (92); BGHSt 23, 254 (255); BGH, NStZ 2011, 158 (159); OLG Düsseldorf, NJW 1988, 1335 (1336); BayObLGSt 1995, 88 (90); Brocker, JuS 1994, 919 (923); Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 1 Rn. 50 f.; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 64; Otto, Jura 1991, 494 (497); Wessels/ Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 126; Zopfs, ZJS 2009, 506 (512). 367 Den faktischen Gewahrsamsbegriff bezeichnet Welzel, GA 1960, 257 (266) pathetisch als „Sündenfall der Gewahrsamslehre“ und spricht von „unheilvoller Verschiebung, ja Verfälschung des Gewahrsamsbegriffes“.
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Ausblendung einer möglichen Täuschung bzw. eines Irrtums gelöst.368 Andererseits werden diese Merkmale entweder positiv festgestellt oder abgelehnt. So sieht ein Teil der Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur in dem Bezahlvorgang eine (konkludente) Täuschung: Die Täuschungsvoraussetzung ist danach in dem Überreichen einer Teilmenge der mitzunehmenden Waren zur Abrechnung zu erblicken. Diesem sei der Erklärungswert zu entnehmen, dass der Täter nur die offen gezeigten Waren mitführe und andere nicht erwerben wolle.369 Der Bezahlung wohne eine der Wirklichkeit nicht entsprechende, täuschende Erklärung inne. Andere Stimmen bejahen eine Täuschung durch Unterlassen. Die Garantenstellung wird einerseits aus einem „vertragsähnlichen Vertrauensverhältnis“ 370 abgeleitet. Daraus wird die Rechtspflicht des Kunden gefolgert, alle aus den Regalen entnommenen Waren auf das Kassenband zu legen. Da das Unrecht des Ableugnens des deliktischen Verhaltens nicht mit dem der eigentlich verfolgten Tat übereinstimmt, wird vermöge des Ableugnens der Tat nur eine Strafbarkeit des Betrugs wegen Unterlassens als Nachtat oder realkonkurrierendes Delikt angenommen.371 Andererseits wird die Unterlassensstrafbarkeit aus der Rechtsfigur der Ingerenz372 gefolgert. Ein anderer Teil der Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur verneint demgegenüber eine Täuschung durch konkludentes Tun und Unterlassen. Eine konkludente Täuschung wird mit der Begründung abgelehnt, dass der Bezahlende an der Kasse erklärt, nur die auf das Kassenband gelegten Waren bezahlen zu wollen. Darüber hinaus können keine weiteren Erklärungsinhalte angenommen werden.373 Die Bejahung einer Täuschung sei daher eine Fiktion.374 Auch könne es zu keiner Täuschung in der Begehungsart des Unterlassens gekommen sein. Insbesondere fehlt es nach dieser Ansicht an einer Garantenpflicht in Form eines vertragsähnlichen Vertrauensverhältnisses mangels Vertragsangebots seitens des 368
So OLG Hamm, NJW 1961, 328. Neben dem OLG Düsseldorf, GA 1961, 348 (349) vertreten diese Meinung auch Börm, Entwendungen in Selbstbedienungsläden, S. 105; Cramer/Perron, in: Schönke/ Schröder, § 263 Rn. 63a; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 50; in anderer vergleichbarer Konstellation auch Otto, JZ 1993, 652 (655). 370 Huschka, NJW 1960, 1189 (1190). 371 Huschka, NJW 1960, 1189 (1190). 372 Angenommen von Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 68 für den Fall, dass eine konkludente Täuschung verneint wird. 373 KG, JR 1961, 271 verneint sowohl eine Täuschung durch Tun wie auch Unterlassen; Bergmann, JA 2008, 504 (509); Bethge, Der Ladendiebstahl, S. 156 f.; Cordier, NJW 1961, 1340 (1341); Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 134; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 128; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 69; Welzel, GA 1961, 350 (351); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 499. 374 Cordier, NJW 1961, 1340 (1341), der auch einen Irrtum verneint. 369
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Täters.375 Ferner erwachse wegen des geringen Vertrauens des Ladeninhabers in seine Kunden aus deren Verhältnis zueinander keine in ihren Anforderungen gesteigerte Garantenpflicht.376 Auch hinsichtlich eines Irrtums divergieren die Meinungen. Einerseits wird ein Irrtum entweder stillschweigend bejaht377 oder wegen der persönlichen Gegenüberstellung auch ohne konkrete Anhaltspunkte378 zwischen Täter und Opfer angenommen. Andererseits wird er mit der Begründung verneint, dass sich die Kassiererinnen keine über das sichtbare Bezahlverhalten des Kunden hinausgehenden Vorstellungen machen. Aus der Erfahrung sei dem Kassenpersonal zwar bekannt, dass Entwendungen vorkommen. In der Praxis mache es sich beim Registrieren der vorgezeigten Waren allerdings keine konkreten Gedanken, die einen Irrtum begründen könnten.379 (2) Lösung unter Anwendung der durch eigene Auslegung ermittelten Grundsätze Die in der Rechtsprechung und Literatur geäußerten divergierenden Stimmen sind nun den durch eigene Auslegung des Gesetzes ermittelten Grundsätzen gegenüberzustellen. Zunächst kann das Bereitlegen von Waren zur Abrechnung an der Kasse nicht den Erklärungswert der Vollständigkeit der vorgelegten Sachen implizieren. Im Einklang mit der allgemein gebräuchlichen Täuschungsdefinition muss das Gesamtverhalten des Täters einen Erklärungswert aufweisen.380 Um eine parallel zu dem redlichen Verhalten des Täters verlaufende Unredlichkeit annehmen zu können, ist eine Beziehung vorauszusetzen, aus der nach der in der Arbeit mittels eigene Auslegung ermittelten faktisch-konkreten Betrachtungsweise381 weitere Tatsachen geschlossen werden können. Voraussetzung ist eine Verknüpfung dergestalt, dass der Gehalt des sichtbaren positiven Verhaltens die Grundlage für den Inhalt weiteren Schweigens darstellt. Auf die konkrete Situation angewendet, 375 KG, JR 1961, 271; Cordier, NJW 1961, 1340 f.; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 32 f. 376 Bethge, Der Ladendiebstahl, S. 153 ff.; Börm, Entwendungen in Selbstbedienungsläden, S. 102 f.; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 173, 186; Maaß, Betrug verübt durch Schweigen, S. 137; allgemein Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 37; Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 193 (196); Wittig, Das tatbestandsmäßige Verhalten des Betrugs, S. 251 ff. 377 OLG Düsseldorf, GA 1961, 348 (349); Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 63a. 378 Börm, Entwendungen in Selbstbedienungsläden, S. 108. 379 So Cordier, der in seinem Aufsatz in NJW 1961, 1340 (1341) mangels Täuschung auch einen Irrtum verneint; Hillenkamp, JuS 1997, 217 (222). 380 Siehe Fn. 250. 381 Kapitel 2: A. II. 2. a) bb) (2) (b).
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wäre das unredliche Verhalten nur dann mit dem redlichen Verhalten schlüssig miterklärt, wenn es für das Gesamtverhalten zur sinnvollen Verbindung notwendig ist.382 Das verbindende Element zwischen den beiden Kausalgeschehen fehlt hier allerdings. Die vollendete Wegnahme von Waren steht in keinem Zusammenhang mit dem Vertragsabschluss bezüglich eines weiteren Teils an Waren. Mit dem Bezahlen eine gleichzeitige stillschweigende Erklärung abzugeben, keine Waren gestohlen zu haben, widerspricht der festgestellten faktisch-konkreten Auslegung des Täuschungsmerkmals. Der Bezahlende gibt mit seinem Verhalten an der Kasse lediglich kund, die Waren – und auch nur die, die er auf das Kassenband gelegt hat – bezahlen zu wollen. Andernfalls müsste angenommen werden, dass jeder redliche bezahlende Kunde an der Kasse miterklärt, keine Schuld auf sich geladen zu haben. Diese Ansicht würde den Aussagewert eines banalen Bezahlvorgangs überstrapazieren und zu Zurechnungsfiktionen führen. Darüber hinaus kann eine konkludente Täuschung nach der dargelegten notwendigen faktischkonkreten Betrachtungsweise für den Inhalt konkludenter Täuschungen auch nicht aus der Pflicht abgeleitet werden, alle Waren vor dem Verlassen des Ladens auf das Kassenband zu legen. Vielmehr ist der Inhalt konkludenten Verhaltens zur Wahrung der Wortlautgrenze nicht normativ zu bestimmen. Eine konkludente Täuschung ist damit abzulehnen. Zu analysieren ist in dieser Variante darüber hinaus die Möglichkeit einer Täuschung durch pflichtwidriges Unterlassen. Voraussetzung dafür ist die Unterlassung einer möglichen und zumutbaren Aufklärung, die aus einer Garantenstellung abgeleitet werden kann. Ferner muss dieses Unterlassen nach § 13 Hs. 2 StGB der Erfüllung des Betrugstatbestands durch ein Tun gleichstehen.383 Die erste Bedingung der Täuschung durch Unterlassen wird durch die Verhinderung der Registrierung der ausgewählten Waren erfüllt.384 Nächstes Merkmal ist eine Garantenstellung, die zu einer Aufklärung verpflichtet. Gesetzliche385 und vertragliche Garantenpflichten kommen nicht in Frage. Eine Aufklärungspflicht lässt sich nur durch außervertragliche Pflichten und/oder Ingerenz bilden.386 Allerdings kann zwischen Verkäufer und Käufer vor dem Zustandekommen des Vertrags kein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis bestehen. Gegen diese
382 So auch Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 134; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 118; Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 193 (195); Lackner, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 50. 383 Siehe Kapitel 2: A. II. 2. a) bb) (1). 384 Soweit noch in Übereinstimmung mit Huschka, NJW 1960, 1189 (1190). 385 Siehe die Aufzählung bei Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 36. 386 Zu den Grundlagen der betrugsrechtlichen Garantenpflicht allgemein Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 505.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
Annahme spricht, dass der Täter gerade keinen Vertrag abschließen wollte. Es fehlt damit bereits an einem Angebot (§ 145 BGB) seinerseits. Selbst ein grundsätzlich anerkanntes tatsächliches Vertrauensverhältnis, das aus dem Grundsatz von Treu und Glauben387 ableitbar ist, lässt sich hier nicht konstruieren. Die wenigen anerkannten Fälle388 beinhalten strenge Voraussetzungen, die in diesem Fall aufgrund eines kurzen anonymen Zusammentreffens von Täter und Opfer in einem Selbstbedienungsladen nicht erfüllt werden. Außerdem liegt unter Anwendung dieser Methodik der Verdacht nahe, Lücken in der Überwachung der Kunden auf rechtliche Art zu schließen. Ist eine ausreichende Kontrolle aus wirtschaftlichen Gründen nicht hinreichend gewährleistet, darf nicht aus kriminalpolitischen Erwägungen dazu übergegangen werden, diese faktischen Mängel durch normative Erweiterung des Betrugstatbestands, insbesondere des Täuschungselements, auszugleichen.389 Eine Garantenstellung ist ebenso nicht über die rechtliche Figur des pflichtwidrigen Vorverhaltens (Ingerenz) konstruierbar. Dahinter steht der Gedanke der Übernahme einer Einstandspflicht für die Verletzung anderer Rechtsgüter, die durch die eigene Gefahrschaffung entstanden ist.390 Sie macht in dem Fall delinquenten Vorverhaltens allerdings keinen Sinn. Um eine Garantenstellung aus Ingerenz annehmen zu können, müsste dem Täter demzufolge die irrsinnige Pflicht erwachsen, seine vollendete Wegnahme an der Kasse aufzudecken. Durch die fehlende Offenbarung der Wegnahme würde er seine Strafbarkeit als Betrüger begründen. Diese Sichtweise ist für jeden Fall der vorsätzlichen deliktischen Straftatverwirklichung paradox.391 Würde nach jedem deliktischen Eingriff in fremdes Vermögen dessen späteres Aufdecken gefordert werden, müsste der Tä-
387 Ablehnend AG Bremerhaven, JZ 1967, 370 (371); Deubner, NJW 1969, 623; Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 216 ff.; Goldschmidt, ZStW 48 (1928), 149 (150); Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 517, 519, 524; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 38; Joecks, Strafgesetzbuch, § 263 Rn. 61; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263 Rn. 14; Maaß, Betrug verübt durch Schweigen, S. 148 ff.; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 7 Rn. 28; Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 51 Rn. 18, 20; Ranft, JA 1984, 723 (729); ders., Jura 1992, 66 (67); Reese, Täuschung und Irrtum beim Betrug, S. 129; Seelmann, JuS 1982, 268 (269); Triffterer, JuS 1971, 181 (183). 388 Allgemein ablehnend die ältere Rechtsprechung des Reichsgerichts: RGSt 14, 310 (311); RGSt 41, 373 (376); später ausnahmsweise zulässig: RGSt 65, 106 (107); RGSt 70, 151 (154 ff.); BGH, NJW 1954, 1414 (1415); BGHSt 39, 392 (400 f.); OLG Nürnberg, MDR 1964, 693 f.; OLG Hamm, NJW 1987, 2245; BayObLGSt 1987, 8 (10 ff.); BayObLGSt 1993, 211 (213 f.); OLG Celle, NStZ-RR 2010, 207 (208); ausführliche kasuistische Aufzählung bei Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 23; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 148 ff. 389 Zutreffend Lackner, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 50. 390 Maaß, Betrug verübt durch Schweigen, S. 37. 391 Siehe auch die Kritik bei Bockelmann, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 437 (444 ff.).
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ter, der seine Unschuld beteuert, stets wegen Betrugs bestraft werden.392 Das Betrugsdelikt würde zu einem allgemeinen Anschlusstatbestand verkehrt, der immer dann greift, wenn ein Eigentumsdelikt unentdeckt bleibt. Darüber hinaus kann vermöge des Ableugnens der Tat auch keine Strafbarkeit des Betrugs wegen Unterlassens als Nachtat oder eines realkonkurrierenden Delikts angenommen werden. Gegen diese Vorgehensweise spricht zunächst der Gedanke des prozessrechtlich anerkannten Selbstbegünstigungsprivilegs des Beschuldigten, das durch die Möglichkeit des Schweigens oder grundsätzlich sanktionslosen393 Lügens verwirklicht wird. Von keinem Täter kann erwartet werden, dass er selbst an seiner eigenen Überführung mitwirkt – nemo tenetur se ipsum accusare.394 Dieses verfahrensrechtliche Prinzip ist auch verfassungsrechtlich anerkannt.395 Auf materieller Seite entspricht dieses Prinzip den oben genannten Zumutbarkeitserwägungen, die im Rahmen der Garantenprüfung stets vorzunehmen sind. Eine Aufklärung der eigenen Straftat ist für den Täter daher unzumutbar.396 Zudem würde bei einer Strafbarkeit wegen des Ableugnens der deliktischen Tat ein und derselbe Schaden doppelt verwertet werden. Zu dem Verlust des Eigentumsrechts durch die Verwirklichung einer Wegnahme würde durch eine gleichzeitige Inanspruchnahme aus § 263 StGB ein Schaden wegen Vermögensverlusts treten. Beide Schadensposten sind allerdings identisch. Vielmehr geht auch der wirtschaftliche Schaden vollständig in dem Verlust der Sache schon bei und wegen der Wegnahme auf.397 Die bloße Verdeckung einer Straftat begründet damit keinen neuen Schaden.398 Die Bestrafung wegen beider Delikte würde gegen das Verbot der Doppelsanktionierung (ne bis in idem, Art. 103 Abs. 3 GG) verstoßen. Darüber hinaus ist der Betrug kein typisches Nachtatdelikt, wie aus der Systematik des StGB hervorgeht. Diese Delikte sind in dem vor dem Betrug stehenden Abschnitt im StGB abschließend aufgezählt.
392 Ebenso Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 86; Biletzki, JA 1995, 857 (860); Welzel, GA 1960, 257 (258). 393 Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 125; Ausnahmen werden in §§ 145d, 164, 185 ff. StGB gemacht. 394 Siehe Beulke, Strafprozessrecht, Rn. 125; dagegen Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 75. 395 Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 Rn. 64; Kunig, in: von Münch/Kunig, Art. 2 Rn. 35. 396 Die Garantenstellung verneinend Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 514; Bedenken auch bei Kraatz, in: Festschrift für Klaus Geppert, S. 269 (273). 397 So auch Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 86 f.; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 514; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 155. 398 BGH, GA 1957, 409 (410).
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
Zuletzt ist gegen die Annahme einer Täuschung und eines Betrugs einzuwenden, dass sie wohl auf sachfremde Motive zurückzuführen ist. Diese Vorgehensweise diente vormals in vielen Fällen dazu, unerträgliche Entscheidungen zu vermeiden. Bis zur Abschaffung der Mundraubregelung nach § 370 Nr. 5 StGB a. F. im Jahr 1975399 war die Annahme des Betrugs in diesen Fällen ein Notanker, an den sich ein Teil der Rechtsprechung klammerte, um dennoch zu einer Strafbarkeit des Täters zu gelangen. Ursprünglich betrafen die Fälle des Ladendiebstahls nämlich Waren des hauswirtschaftlichen Bereichs in kleiner Menge, die zum alsbaldigen Verbrauch bestimmt waren. Nahm die Rechtsprechung400 wegen einer Beobachtung des Einsteckens der Güter lediglich einen Versuch des Gewahrsamswechsels an, konnte der Täter mangels Versuchsstrafbarkeit des Mundraubs nicht bestraft werden. Wartete der Ladeninhaber, der das Geschehen beobachtete, nun so lange, bis der Täter den Laden verlassen hatte, konnte vermöge eines Einverständnisses in den nun vollendeten Gewahrsamswechsel kein Diebstahl angenommen werden. Für den Täter war es nun einerlei, ob ein Übergang des Gewahrsams in Form der Wegnahme wegen des Beobachtens durch einen Detektiv bzw. aufgrund eines Einverständnisses des Ladeninhabers an der Kasse scheiterte, oder ob er ungesehen den Laden verlassen konnte: In allen Fällen entging er einer Strafbarkeit. Diese Ausweglosigkeit, in der ein offensichtlich deliktisch Handelnder der Strafbarkeit entgehen konnte, wurde von den Vertretern der Ansicht, die an dem Fortbestehen des ursprünglichen Gewahrsams gerade wegen der Beobachtung festhielten, durch das Bejahen einer Täuschung in dem Zeitpunkt des Passierens der Kasse ergebnisorientiert geheilt.401 Um die generalpräventive Funktion der geltenden Strafgesetze nicht auszuschalten, sah man sich daher gezwungen, den Ausweg in der Annahme einer Täuschung an der Kasse zu suchen.402 Mit der Abschaffung des Mundraubs ist aber einerseits das Bedürfnis nach einer Strafbarkeit wegen ungerechten Ergebnissen entfallen.403 Denn auch die versuchte Verbrauchsmittelentwendung ist in Form des Diebstahls nach § 242 Abs. 2 StGB strafbar. Andererseits trägt diese Argumentation zur Befürwortung einer Täuschung schon deshalb nicht, weil ein Gewahrsamswechsel, wie gesehen404, durch äußere Umstände nicht verhindert werden kann. Zuletzt können kriminalpolitische Aspekte nicht die zugrunde gelegte dogmatisch korrekte Anwendung des Gesetzes aus den Angeln heben. Eine Täuschung ist in den Versteckensfällen daher abzulehnen. 399
Vogel, in: Leipziger Kommentar, Vor §§ 242 ff. Rn. 45. Siehe dazu die a. A. der Rechtsprechung in Fn. 353. 401 Dazu schon BGHSt 17, 205 (208 f.); Samson, JA 1980, 285 (287). 402 Zugegeben von Börm, Entwendungen in Selbstbedienungsläden, S. 13 f.; dazu auch Cordier, NJW 1961, 1340; Seier, JA 1985, 387 (389); Welzel, GA 1960, 257; Wimmer, NJW 1962, 609. 403 So auch BGHSt 17, 205 (209). 404 Kapitel 2: A. II. 2. d). 400
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Auf Opferseite ist im Weiteren das tatbestandliche Irrtumselement nicht erfüllt. Das Opfer darf sich aufgrund des Bezahlens einiger Waren zugegebenermaßen nicht sicher sein, dass nicht weitere Waren entnommen wurden. Die geschulten Kassiererinnen sind sich etwaiger Unregelmäßigkeiten hinsichtlich einer vollständigen Abrechnung stets bewusst. Für den Eintritt eines Irrtums genügen jedoch, wie oben405 im Rahmen der Auslegung des Irrtumselements gezeigt, keine pauschalierten Erwägungen hinsichtlich einer unredlichen Entwendung und zwar weder die Vorstellung, dass „alles in Ordnung sei“ noch ein unreflektiertes sachgedankliches Mitbewusstsein. Beide Figuren überdehnen den Gesetzeswortlaut und wurden wegen des Verstoßes gegen das Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG abgelehnt. Vielmehr sind spezifische Anhaltspunkte für eine Irrtumsannahme erforderlich. Beispielsweise würde die konkrete Nachfrage über die Vollständigkeit der mitzunehmenden Waren mit einer wahrheitswidrigen Antwort den Anforderungen an eine Täuschung mit darauffolgendem Irrtum in dieser Situation gerecht.406 Da derartige Konversationen in den meisten Abrechnungsvorgängen allerdings unterbleiben, fehlt neben der Täuschung des Täters auch ein Irrtum des Opfers. In dieser ersten Fallgruppe einer zu diskutierenden Täuschung, den Versteckensfällen, ist unter Erörterung der Gewahrsamsbeziehungen bereits in dem Moment des Einsteckens eine Gewahrsamsenklave begründet worden. Zu einer Täuschung konnte es vor dem Gewahrsamswechsel mangels Kommunikationsbeziehung nicht kommen. Ein darauf beruhender Irrtum muss erst recht ausscheiden. Die Tatbestandsvoraussetzungen des Betrugs sind in diesem Stadium nicht erfüllt. Auch später, an der Kasse, sind weder das Merkmal der Täuschung noch der tatbestandlich vorausgesetzte Irrtum nach den durch die eigene Auslegung ermittelten Prämissen gegeben. Weder konnte unter Zugrundelegung einer faktisch-konkreten Betrachtungsweise eine konkludente Täuschung angenommen werden, noch war es möglich, eine Garantenstellung für eine Täuschung durch Unterlassen zu konstruieren. Eine Garantenstellung konnte mangels Vertragsangebots seitens des Opfers weder aus einem vorvertraglichen Vertrauensverhältnis gefolgert noch aus einem allgemeinen Vertrauensverhältnis abgeleitet werden. An Letzteres sind strenge Anforderungen zu stellen, die nicht schon durch die Missachtung einer allgemeinen Pflicht, die aus dem Grundsatz von Treu und Glauben resultiert, erfüllt werden. Ferner entfällt auch eine Garantenstellung aus Ingerenz, weil der Täter ansonsten entgegen dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit verpflichtet wäre, sich selbst zu überführen. Außerdem würde der Schaden unter Bejahung der Ingerenz entgegen Art. 103 Abs. 3 GG doppelt verwertet werden, wenn man diesen einerseits in den Sachverlust und andererseits 405
Kapitel 2: A. II. 2. b) aa) (2) und Kapitel 2: A. II. 2. b) bb) (2). Ebenso Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 251; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 69, 87. 406
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
die Nichtaufdeckung der Wegnahme unterteilt. Schließlich wurde aufgezeigt, dass durch die Erfassung dieser Fälle von § 242 StGB mangels Strafbarkeitslücke schon kein Bedürfnis besteht, den Täter aufgrund eines Betrugs zu bestrafen. Auch von der Annahme eines Irrtums war infolge der hier vertretenen restriktiven Auslegung des Irrtumsmerkmals, das abstrakte Gedanken nicht erfasst, abzusehen. Eine Kollision zwischen Trickdiebstahl und Betrug, die das Exklusivitätsdogma stören könnte, tritt daher in den Versteckensfällen mangels Täuschung und Irrtums insgesamt nicht auf. Dieses Ergebnis sondert nach der in dieser Arbeit dargelegten Meinung einen Teil der fälschlicherweise von zahlreichen Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur unter dem Stichwort der Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug geführten strittigen Fälle aus dem Bereich der Differenzierungsproblematik aus. bb) Verbergen von Waren In Abwandlung zu dem soeben dargestellten Fall des Versteckens von Waren bezahlt der Täter in den nun zu untersuchenden Verbergensfällen einen Teil der Waren, während er andere geschickt im Einkaufswagen oder in sonstiger Weise verbirgt. Hier tritt ein Gewahrsamsübergang auf den Täter nicht schon vor der Kasse ein.407 Hinsichtlich einer Täuschung sind zwei Varianten denkbar: Einerseits kann es entgegen der Praxis sein, dass das Kassenpersonal den Täter direkt fragt, ob er weitere Waren zu bezahlen habe. Eine wahrheitswidrige Auskunft führt zur Bejahung der Täuschung in Form der Ausdrücklichkeit.408 Wird der Täter hingegen – wie regelmäßig – nicht vom Kassenpersonal gefragt, ob die auf das Förderband gelegten Waren vollständig seien, ist zu untersuchen, ob in dem bloßen Bezahlen eine Täuschung liegen kann. In Betracht zu ziehen ist eine Täuschung durch positives Tun wie negatives Unterlassen. Eine positive Täuschung in Form der Ausdrücklichkeit entfällt mangels Wortwechsels. Zur Veranschaulichung folgender vom OLG Düsseldorf entschiedene „Milchkasten“-Fall 409: Der Täter A hat eine CD aus dem Verkaufsregal genommen und sie so in den Einkaufswagen gelegt, dass sie hochkant neben einer Milchkiste stand. Die Kassiererin B konnte die CD, wie von A beabsichtigt, nicht sehen. Außer der CD wurden alle anderen Waren ordnungsgemäß bezahlt. Nach dem Bezahlen wurde A von dem Kaufhausdetektiv, der das gesamte Verhalten beobachtet hat, gestellt. 407
Siehe die Begründung dazu in Kapitel 2: A. II. d). Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 639. 409 OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1407; ähnlich OLG Köln, NJW 1984, 810; BayObLGSt 1988, 5 (7); PfzOLG Zweibrücken, NStZ 1995, 448; daraufhin BGHSt 41, 198. 408
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(1) Lösung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur In dieser Rubrik sind die Meinungen in Bezug auf das Vorliegen einer Täuschung zweigeteilt. Beiden gegenüberzustellenden Ansichten ist allerdings gemein, dass sie sich zurückhaltend gegenüber dem Täuschungselement äußern. Die meisten Beiträge410 aus Rechtsprechung und Literatur konzentrieren sich auf die Merkmale der Verfügung, in der das maßgebliche Abgrenzungsmoment des Betrugstatbestands gegenüber dem Diebstahl gesehen wird. Zu dem ebenso signifikanten Täuschungselement beziehen sie, wenn überhaupt411, nur am Rande Stellung412. Auffällig ist, dass nur der Inhalt der Täuschung angesprochen wird, ohne ihre Existenz in Frage zu stellen. Einerseits verneint ein Teil der Rechtsprechung und Literatur eine Täuschung.413 Andererseits wird eine (konkludente) Täuschung durch Bezahlen mit dem Inhalt der vollständigen Vorlage der den Regalen entnommenen Waren bejaht.414 Allerdings enthält man sich, wie die Gegenmeinung, unter vorwiegender Behandlung des Bewusstseinsmerkmals der Vermögensdisposition einer dezidierten Aussage über das Vorliegen einer Täuschung. (2) Lösung unter Anwendung der durch eigene Auslegung ermittelten Grundsätze Augenscheinlich machen die Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur die Abgrenzungsproblematik auf umständliche Weise an dem ungeschriebenen Merk410 BayObLGSt 1988, 5 (6); OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1407 f.; PfzOLG Zweibrücken, NStZ 1995, 448 (449); ausdrücklich Schmitz, JA 1993, 350. 411 Stillschweigende Verneinung des Täuschungsmerkmals in BGHSt 41, 198; OLG Köln, MDR 1971, 595; OLG Köln, NJW 1984, 810; OLG Düsseldorf, NJW 1986, 2266. 412 BayObLGSt 1988, 5 (6); OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1407; Biletzki, JA 1995, 857 (859); Brocker JuS 1994, 919 (922) bejaht lediglich ein „täuschungsbedingtes Passierenlassen“; Fahl, JuS 2004, 885 (886); Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 54; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 87; Proppe, JA 1996, 321 (326); Schmitz, JA 1993, 350 unterstellt eine konkludente Täuschung; Stoffers, JR 1994, 205 (207); Thoss, Jura 2002, 351; Zopfs, NStZ 1996, 190 (191), erwähnt lediglich den „getäuschten Kassierer“ in diesem Zusammenhang. 413 Stillschweigende Verneinung des Täuschungsmerkmals in BGHSt 41, 198; OLG Köln, MDR 1971, 595; OLG Köln, NJW 1984, 810; OLG Düsseldorf, NJW 1986, 2266; Hillenkamp, JuS 1997, 217 (221) verneint Täuschung und Irrtum ausdrücklich; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 87, verneint eine Täuschung ausdrücklich, sofern keine Kommunikation stattfindet; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 499. 414 BayObLGSt 1988, 5 (6); OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1407; Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 63a; Fahl, JA 1996, 40 (42); ders., JuS 2004, 885 (886); Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 54; konkret ebenso Proppe, JA 1996, 321 (326); ohne Inhaltskonkretisierung Biletzki, JA 1995, 857 (859); Brocker JuS 1994, 919 (922); Schmitz, JA 1993, 350; Stoffers, JR 1994, 205 (207); Thoss, Jura 2002, 351; Zopfs, NStZ 1996, 190 (191).
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
mal der Verfügung aus, anstatt den direkten und gesetzestreuen Weg über die Prüfung der feststehenden Tatbestandsmerkmale zu wählen. Denn wenn schon eine Täuschung und ein darauf beruhender Irrtum nicht existieren, erübrigt sich die Frage nach einer weiteren Abgrenzung. Schließlich fehlen dann elementare Betrugsvoraussetzungen. Hier sind dieselben Aspekte anzuführen, die in den bereits besprochenen Fallkonstellationen des Versteckens von Waren eine konkludente Täuschung und einen Irrtum ausscheiden ließen. Dem Bezahlvorgang ist schlicht ausgehend von einem durch eigene Auslegung ermittelten faktisch-konkreten Blickwinkel kein weiterer Erklärungswert über die einbehaltenen Waren zu entnehmen. Ein täuschendes Gesamtverhalten, das Grundlage für die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug ist, kann nicht festgestellt werden. Eine konkludente Täuschung ist wegen des begrenzten Aussagegehalts nur auf die Tatsache, dass die auf dem Kassenband liegenden Waren zu bezahlen sind, zu verneinen. Ferner ist, wie im Rahmen der Untersuchung der Vorgängerfälle gezeigt, kein Raum für eine interessengesteuerte Annahme einer Täuschung durch Unterlassen wegen der Misere der drohenden Straflosigkeit des Täters bei Verneinung eines Gewahrsamswechsels. Auch der Irrtum muss nach dem durch eigene Auslegung ermittelten Grundsatz, nach dem eine positive Fehlvorstellung tatsächlich nachgewiesen werden muss, entfallen. In den Verbergensfällen scheidet ein Irrtum mangels hinreichenden Außenreizes, der einen auf die Sachbeschaffenheit bezogenen Motivationsprozess anstößt, aus. Weder die Vorstellung, dass „alles in Ordnung sei“, noch ein sachgedankliches Mitbewusstsein genügen nach obigen Ausführungen415 dem Irrtumsmerkmal. Damit ist eine weitere von Teilen der Rechtsprechung und Literatur als kollisionskritisch eingestufte Fallgestaltung entschärft. Festzuhalten ist, dass nicht nur in den Fällen des Versteckens, sondern auch denen des Verbergens bereits auf Ebene der Täuschung und des Irrtums eine Betrugsstrafbarkeit ausscheiden muss. Ebenso kann der Täter mangels Tricks keinen Trickdiebstahl begehen. cc) Objektmanipulation Zuletzt sind die psychischen Betrugsmerkmale in den Fällen der Objektmanipulation zu untersuchen. Darunter fallen die Sachverhalte der Inhaltsergänzung durch Hinzufügen von Waren sowie der Austausch der Ware durch Ersetzen mit einer höherwertigen Sache. Eine Objektmanipulation findet überdies dort statt, wo Preisschilder verändert werden (Umetikettierung). Auch hier werden die Lösungen der herrschenden Ansicht und der durch Auslegung ermittelten Grundsätze nach Einführungsfällen gegenübergestellt.
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Kapitel 2: A. II. 2. b) aa) (2) und Kapitel 2: A. II. 2. b) bb) (2).
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(1) Hinzufügen von Waren Exemplarisch für die Problematik des Hinzufügens von Waren in eine gattungsfremde Verpackung steht der „Winkelschleifer“-Fall 416: Der Täter A wollte im Baumarkt des B einen Winkelschleifer kaufen. Dort stellte er fest, dass im Preis des Winkelschleifers die von ihm benötigten Trennscheiben als Zubehör nicht enthalten waren. A fasste den Entschluss, die notwendigen Trennscheiben in die Verpackung des Winkelschleifers zu legen und den Karton wieder zu verschließen. Dies hat der Hausdetektiv beobachtet. An der Kasse bezahlte A nur den Preis für den Winkelschleifer. Noch in den Räumen des B wurde A von dem Detektiv gestellt. Vorweg ist zu betonen, dass durch die Inhaltsänderung einer Verpackung an dieser kein Gewahrsamswechsel eintritt. Dafür sprechen die üblichen sozialen Konventionen in einem Selbstbedienungsladen. Das Hineinlegen in einen transparenten Einkaufswagen ist nicht als Akt der Änderung der Gewahrsamsverhältnisse anzusehen.417 Übertragen auf die Trennscheiben bedeutet das, dass mit ihrem Verstecken noch kein Gewahrsam verschoben wurde.418 Der Karton, in dem sie sich befanden, wurde sichtbar zur Kasse getragen und keiner neuen Gewahrsamssphäre zugeführt; insbesondere wurde keine Gewahrsamsenklave um die Trennscheiben gebildet.419 (a) Lösung der herrschenden Ansicht Wie in den Vorgängerfällen wird der Täuschung in Rechtsprechung und Literatur auch in den Konstellationen der Veränderung des Inhalts durch Hinzufügen von Waren keine weitere Beachtung, die über eine bloße Randbemerkung hinausgeht, geschenkt. Die herrschende Ansicht bejaht unter vorgeschalteter Prüfung des Täter- und Opferverhaltens eine Täuschung.420 In concreto täuscht der Täter 416 OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922; die gleiche Wirkung wie das Hinzufügen kann ein in der Praxis selteneres teilweises Entleeren des Inhalts haben, vgl. dazu den „Fischkisten“-Fall nach Otto, ZStW 79 (1967), 59 (71). 417 Übereinstimmend OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922 (923); OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1407; PfzOLG Zweibrücken, NStZ 1995, 448 (449); Brocker, JuS 1994, 919 (920, 922); Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 44; Fahl, JA 1996, 40 (41); Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 7 Rn. 82; Heinrich, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 13 Rn. 42; Hillenkamp, JuS 1997, 217 (220 f.); Jung, JuS 1993, 779; Schmitz, JA 1993, 350 f.; abweichend Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 129. 418 Zutreffend Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 564; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 252; Og˘lakcıog˘lu, JA 2012, 902 (904). 419 OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922 (923); Heinrich, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 13 Rn. 42. 420 Selbst wenn ein Betrug mangels Verfügung später verneint wird, siehe Cramer/ Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 63a; Hefendehl, in: Münchener Kommentar,
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nach dieser Auffassung durch das Vorzeigen der Ware konkludent über den Gegenstand, an dem der Sachherrschaftswechsel vollzogen wird421, bzw. über die Vollständigkeit der bezahlten Waren422.423 Nach einer Mindermeinung wird eine konkludente Täuschung mit dem Inhalt, keine Ware in eine andere Verpackung gesteckt zu haben, verneint.424 Denn zum einen sei das Unterstellen eines derartigen Sinngehalts eine Fiktion, zum anderen könnte geradezu allen Verhaltensweisen eine Erklärung des Inhalts, dass „alles in Ordnung sei“ unterstellt werden. Das würde jede bloße Unehrlichkeit mit einer Täuschung gleichsetzen.425 (b) Lösung unter Anwendung der durch eigene Auslegung ermittelten Grundsätze Die eingehende Prüfung des Täter- bzw. Opferverhaltens, wie sie die herrschende Ansicht in diesen Fällen vorschlägt, ist aber unnötig. In systematischmethodologischer Hinsicht ist diese Vorgehensweise sogar falsch, wenn es bereits an einer Täuschung und einem darauf beruhenden Irrtum fehlt.426 Denn die Prüfung des Opferverhaltens ist nach der im Wortlaut verankerten sukzessiven Ursachenreihe nur dann für den Betrug relevant, wenn sie auf eine Täuschung und einen Irrtum zurückzuführen ist. Einerseits könnte eine Täuschung in Übereinstimmung mit der Mindermeinung deshalb entfallen, weil das Bezahlen einer Sache an der Kasse, in deren Verpackung noch weitere Waren hineingeschmuggelt wurden, nicht den Erklärungswert hat, dass nur die in der Verpackung liegenden Sachen bezahlt werden sollen. Andererseits fehlt es möglicherweise an einem Irrtum oder an der aus dem Gesetz hervorgehenden Kausalitätsbeziehung zwischen Täuschung und Irrtum. Fraglich ist der Erklärungswert des Kundenverhaltens an der Kasse. Ausgangsbasis zur Bestimmung des Erklärungswerts ist nach den durch die eigene Auslegung ermittelten Grundsätzen ein faktisch-konkreter Maßstab. Dass dem Kundenverhalten über die Vollständigkeit der zu bezahlenden Waren keine erklä-
§ 263 Rn. 253; Roßmüller/Rohrer, Jura 1994, 469 (474); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 639. 421 So Fahl, JuS 2004, 885 (888 f.). 422 OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922 (924); Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 63a; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 88; Schuster, Jura 2010, 551 (555); offengelassen von Vitt, NStZ 1994, 133 (134). 423 Ohne Inhaltskonkretisierung Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 252 f.; wohl auch Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 103 und Roßmüller/Rohrer, Jura 1994, 469 (474); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 639. 424 Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 128. 425 Gauger, Die Dogmatik der konkludenten Täuschung, S. 166. 426 Insoweit übereinstimmend Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 486, 639; abweichend Vitt, NStZ 1994, 133 (134).
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rungserhebliche Aussage zu entnehmen ist, wurde bereits im Rahmen des Versteckens und Verbergens von Waren aufgezeigt. Wird nach dem durch Auslegung gewonnenen Ergebnis eine faktisch-konkrete Betrachtungsweise zugrunde gelegt, erklärt der Kunde durch Vorlegen der Verpackung, die den Winkelschleifer als Inhalt auszeichnet, lediglich einen Winkelschleifer erwerben zu wollen. Eine positive Zusicherung über die Vollständigkeit des Inhalts gibt er indessen nicht ab. Ebenso erklärt er in negativer Hinsicht nicht, keine weiteren Waren mitzunehmen. Daher täuscht der Täter nicht über das Hinzufügen der Trennscheiben. Eine Besonderheit könnte sich für diesen zu besprechenden Fall aus der Verknüpfung zwischen mitgenommenen Waren und dem Preisschild ergeben. Daraus könnte der Täter über die Angemessenheit des Preises getäuscht haben. Indessen tritt der bezahlende Kunde an der Kasse im Allgemeinen nicht dafür ein, dass der fragliche Artikel auch mit dem richtigen Preis ausgezeichnet ist. Alles, was der Kunde mit dem Vorlegen der Ware an der Kasse erklärt, ist sein Erwerbswille an der Sache zu den Konditionen, mit denen der Gegenstand durch Preisetikett bzw. Barcode ausgezeichnet ist. Von ihm kann nicht erwartet werden, eine Garantieaussage über die wertmäßig sachgerechte Verknüpfung zwischen Sache und Preis zu treffen. Denn wenn schon der Verkäufer über die Preisauszeichnung kein Urteil über die Angemessenheit trifft427, dann erst recht nicht der Kunde. Dem Verhalten des Täters kann nach dieser Sichtweise kein täuschender Erklärungswert entnommen werden. Mit der Vorlage an der Kasse erklärt der Täter, die auf das Kassenband gelegte Ware zum ausgeschilderten Preis bezahlen zu wollen. Das entspricht in Bezug auf den Winkelschleifer der Wahrheit. Eine unrichtige Aussage über die Angemessenheit des Preises kann nicht angenommen werden. Da nun weder über die Vollständigkeit der Waren noch über die Angemessenheit des Preises eine Aussage getroffen wurde, scheitert in dem Fall des Hinzufügens von Waren insgesamt eine Täuschung. Vielmehr handelt es sich um eine bloße Objektmanipulation, die den Voraussetzungen an eine Täuschung nicht gerecht wird.428 Auch die darauf aufbauende Irrtumsannahme hält einer Überprüfung nicht stand. Die Kassiererin glaubt lediglich an den Erwerb eines Winkelschleifers durch den Täter. Da das der Wirklichkeit entspricht, unterliegt sie keinem Irrtum. Insbesondere macht sich die Kassiererin in der Regel weder Gedanken über die Vollständigkeit der Waren noch über die Richtigkeit der Preisgestaltung. Das ist
427 BGH, NJW 1990, 2005 (2006); BGH, NStZ 2010, 88 (89); OLG Stuttgart, NStZ 1985, 503; Beukelmann, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, § 242 Rn. 12; Haft/ Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 84; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 128; Kraatz, in: Festschrift für Klaus Geppert, S. 269 (282); Maaß, Betrug verübt durch Schweigen, S. 128 f.; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 35. 428 Dazu Kapitel 2: A. II. 2. a) aa).
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nicht ihre Aufgabe. Weder die Vorstellung, „alles sei in Ordnung“ noch ein die Verkäuferin peripher umkreisendes sachgedankliches Mitbewusstsein in Bezug auf die Vollständigkeit der Waren bzw. Angemessenheit des Preises sind hinreichende Voraussetzungen eines Irrtums.429 Ausnahmen sind nur bei eklatanten Verstößen, bei denen ein Missverhältnis ins Auge fällt, möglich. Das ist im konkreten Sachverhalt allerdings nicht erkennbar. Mangels offensichtlichen Fehlverhältnisses machte sich das Kassenpersonal über die übereinstimmende Bepreisung mit dem Wert keine Gedanken. Ohne die Feststellung einer positiven Fehlvorstellung scheidet ein Irrtum in den Fällen des Hinzufügens von Waren in eine andere Verpackung aus. Es kommt keine Strafbarkeit unter Betrugsaspekten in Betracht. Mangels Täuschung sowie Irrtums ist eine Abgrenzung gegenüber dem Diebstahl nicht angezeigt. Die enge am Gesetz orientierte Auslegung führt damit auch in den Gestaltungen der Warenentwendung durch Hinzufügen von Sachen in eine gegenstandsfremde Verpackung zu einem Ausschluss der Abgrenzung bereits auf formeller Ebene. Aufgrund der fehlenden Überschneidung ist – entgegen der herrschenden Ansicht – für eine weitere Abgrenzung kein Raum. (2) Austausch von Waren In Abwandlung zu der im vorigen Punkt genannten Konstellation werden nun die Fälle untersucht, in denen die Ware von der Verpackung gelöst wird. Diese Situation veranschaulicht der „Windelkarton“-Fall 430: In der Absicht, Zigaretten ohne Zahlung zu erwerben, entnimmt der Täter Windeln aus einem Windelkarton und legt diese in einem Regal ab. Denselben Karton befüllt er daraufhin mit Zigaretten und bringt ihn zur Kasse. (a) Lösung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur Ein Teil der Literatur verneint in diesen Fällen eine Täuschung.431 Der Erklärungswert des Verhaltens beziehe sich lediglich darauf, die vorgezeigte Ware auch bezahlen zu wollen. Die überwiegende Meinung legt hingegen in diesen Fällen eine Täuschung zugrunde, wenngleich sie dies nicht begründet.432 429
Dazu Kapitel 2: A. II. 2. b) aa) (2) und Kapitel 2: A. II. 2. b) bb) (2). OLG Hamm, OLGSt 1978, § 263, S. 165; ähnlich BGH, GA 1966, 311; OLG Dresden, BeckRS 2002, 30262700. 431 Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 128. 432 Zustimmend BGH, GA 1966, 311; OLG Hamm, OLGSt 1978, § 263, S. 165 (167); OLG Dresden, BeckRS 2002, 30262700; Fahl, JuS 2004, 885 (888); wohl auch Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11, Rn. 103; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 91; Roßmüller/Rohrer, Jura 1994, 469 (475); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 639; offen gelassen von Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 254. 430
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(b) Lösung unter Anwendung der durch eigene Auslegung ermittelten Grundsätze Wie die nun anstehende Erläuterung zeigt, nimmt die herrschende Ansicht zu Recht eine Täuschung an. Die täuschende Irreführung scheitert insbesondere nicht an der Manipulation des Gegenstands wegen bloßer Realitätsveränderung. Neben der Präparierung des Gegenstands wurde auch auf die Psyche des Opfers eingewirkt. Vorauszusetzen ist unter Zugrundelegung der eigenen Grundsätze eine faktisch-konkrete Betrachtungsweise. Derjenige, der Waren auf das Kassenband legt, gibt dem Kassierer zu verstehen, die Ware erwerben zu wollen. Lässt die Verpackung auf ihren Inhalt schließen, erklärt der Kunde, den die Verpackung auszeichnenden Inhalt erwerben zu wollen. Entspricht die Ummantelung nun überhaupt nicht ihrem Inhalt, den sie zu umgeben ausgibt, erklärt der Täter mit dem so durch ihn präparierten Gegenstand eine der Wahrheit zuwiderlaufende Tatsache. Voraussetzung dafür sind Verpackungen, die auf ihren Inhalt schließen lassen. Der Inhalt eines farblosen, unbeschrifteten Kartons lässt keine Aussage über sein Inneres zu. Darüber kann nicht getäuscht werden. Da aber im Regelfall Verpackungen des Einzelhandels mit Beschriftungen und Bebilderungen überladen sind, ist zumindest eine ungefähre Aussage über den abstrakten Inhalt möglich. Im Unterschied zur vorgenannten Fallkonstellation, in der der Täter zumindest hinsichtlich eines Bestandteils der Verpackung die Wahrheit erklärt, stimmt die dem Gesamtzusammenhang zu entnehmende Erklärung des Täters in diesem Fall nicht ansatzweise mit der Wirklichkeit überein. Während der Täter im „Winkelschleifer“-Fall wahrheitsgemäß positiv nur erklärt, einen Winkelschleifer erwerben zu wollen, gibt der Täter im „Windelkarton“-Fall wahrheitswidrig zu verstehen, Windeln kaufen zu wollen. In jenen Gestaltungen, in denen wie beim „Windelkarton“-Fall die Verpackung nach vollständiger Inhaltsentleerung mit einem Aliud neu befüllt wird, ist daher eine Täuschung zu bejahen. Im Weiteren müssten ein Irrtum sowie die gesetzlich vorgeschriebene Kausalitätsbeziehung zwischen Täuschung und Irrtum gegeben sein. Ein bloßes peripheres Begleitwissen, das, wie nach der eigenen Auslegung des Irrtumsbegriffs herausgefunden wurde, den Anforderungen an diesen nicht entspricht, liegt in der konkreten Situation nicht vor. Eine positive Fehlvorstellung über die Wirklichkeit ist vielmehr darin zu erblicken, dass der Kassierer tatsächlich glaubt, der Täter wolle den die Verpackung auszeichnenden Inhalt – im konkreten Fall sind das Windeln – erwerben. Durch das Einlesen des Barcodes in dem Kassenautomaten konkretisiert der Kassierer seine Vorstellung darauf, dass der Kunde den Inhalt der Verpackung erwerben will. In Wahrheit wird der Käufer dagegen einen anderen Gegenstand erhalten. Im „Windelkarton“-Fall erwarb der Täter entgegen den Vorstellungen des Kassenpersonals, die sich auf Windeln konkretisiert hatten, Zigaretten. Ein Irrtum liegt damit vor.
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Schließlich müsste das Vorlegen einer Verpackung an der Kasse kausal für die Fehlvorstellung des Getäuschten geworden sein. Der Täuschende gibt mit Vorlage eines Windelkartons an der Kasse schlüssig vor, Windeln erwerben zu wollen. Das erregt beim Kassenpersonal die der Wirklichkeit zuwiderlaufende Vorstellung, Windeln zu verkaufen. Damit ist auch die Kausalität zwischen Täuschung und Irrtum festgestellt. Formell ist im Einklang mit der herrschenden Ansicht wegen der Bejahung von Täuschung und Irrtum sowie ihrer Kausalitätsverbindung zumindest in den Fällen des vollständigen Austauschens von Waren aus ihrer Verpackung von einer kollisionskritischen Abgrenzungssituation auszugehen. In diesen Fällen ist die Abgrenzung von Trickdiebstahl und Betrug an dieser Stelle noch nicht beendet. Es kommt im Weiteren auf das Opferverhalten an. Zu analysieren bleibt, ob dieses Ergebnis auch für die letzte Kategorie der Fälle von Warenentwendung aus Selbstbedienungsläden gilt, die unter das Schlagwort „Umetikettierung“ fällt. (3) Umetikettierung Unter einer Umetikettierung werden Sachverhalte verstanden, in denen Preisschilder von Waren ausgetauscht werden. Dazu folgender „Musikgeräte“-Fall 433: Die Täter begaben sich in ein Kaufhaus, um Musikgeräte entweder ohne Bezahlung oder zumindest zu niedrigeren Preisen zu erwerben. Dazu entfernten sie die Preisetiketten wertvoller Musikgeräte und tauschten sie durch solche mit niedrigeren Werten aus. Sie wurden beobachtet und nach dem Bezahlen gestellt. (a) Lösung der herrschenden Ansicht Die herrschende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur bejaht eine Täuschung in diesen Fällen. So erwecke der Täter durch Vorzeigen manipulierter Preisschilder den Eindruck, dass der ausgezeichnete Preis mit der vom Verkäufer festgelegten Bepreisung übereinstimme.434 (b) Lösung unter Anwendung der durch eigene Auslegung ermittelten Grundsätze Der überwiegenden Meinung ist Folgendes entgegenzuhalten: Zunächst ist nach den durch Auslegung ermittelten Grundsätzen abermals die extensive Inter433 OLG Düsseldorf, NJW 1986, 2266; ähnlich OLG Hamm, NJW 1968, 1894; OLG Düsseldorf, NJW 1982, 2268. 434 OLG Hamm, NJW 1968, 1984 (1895); OLG Düsseldorf, NJW 1982, 2268; Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 12; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 499; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 128; Nehrer/Labsch, JuS 1981, 603; wohl auch Peters, NJW 1968, 1896.
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pretation des Täuschungs- bzw. Irrtumsbegriffs zu kritisieren. Nachdem sich unter oben435 nachgewiesener Notwendigkeit einer restriktiven Handhabung des Täuschungselements ergeben hat, dass allein das als miterklärt gilt, was sich unmittelbar aus dem faktisch-konkreten Gesamtzusammenhang als Negativtatsache des geäußerten Verhaltens ergibt, scheitert hier die Möglichkeit der Betrugsstrafbarkeit an einer Täuschung. Der Täter erklärt an der Kasse nur, dass er den Gegenstand zu den ausgezeichneten Preiskonditionen erwerben will. Das entspricht der Wahrheit. Über vorherige Manipulationen der Preisschilder ist dem Verhalten des Täters nichts zu entlocken. Durch sein Verhalten an der Kasse nimmt der Täter keine Stellung zu der sinnvollen Verknüpfung zwischen Preis und Gegenstand.436 Darauf wurde bereits in den Fällen des Hinzufügens von Waren in eine andere Verpackung437 eingegangen. Die Veränderung der Preisetiketten hat keinen Erklärungswert. Vielmehr handelt es sich um eine bloße Objektmanipulation, die die Voraussetzungen an eine Täuschung als Akt der Kommunikation nicht erfüllt. Ebenso ist eine Täuschung durch Unterlassen zu verneinen. Besteht das vorangehende Tun in einer strafrechtlich relevanten Handlung (hier: Urkundenfälschung einer zusammengesetzten Urkunde durch Verfälschen im Sinne von § 267 Abs. 1 Alt. 2 StGB), kann diese nicht erneut im Rahmen des Betrugs, in dem der Täter nunmehr mit dem Berechtigten eine kommunikative Beziehung eingeht, in Rechnung gestellt werden.438 Die Annahme einer Garantenstellung würde in diesem Fall insbesondere gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit und das Verbot der Doppelbestrafung verstoßen. Gleichfalls ist ein Irrtum unter der angemahnten engen Auslegung, die nur abstrakt-beiläufige Gedanken ausschließt, zu verneinen. Das Kassenpersonal hat in der Praxis keine eigene Vorstellung hinsichtlich der Richtigkeit der Preisauszeichnung. Es ist angesichts der Kundenströme mit der zügigen Abfertigung der Kunden ausgelastet. Würde es sich zu jeder Preisgestaltung konkrete Gedenken machen, die für die Annahme eines Irrtums nach der Auslegung vonnöten ist, wären die schnellen Abläufe an der Kasse erheblich gestört. Daher ist auch ein Irrtum in dem hier verstandenen Sinn zu verneinen. Mangels Täuschung und Irrtums kommt neben einer Urkundenfälschung nur die Strafbarkeit wegen Diebstahls, nicht hingegen Trickdiebstahls, in Betracht. Auch die Fälle der Umetikettierung entkommen damit einer Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug.
435
Dazu Kapitel 2: A. II. 2. a) bb) (2) (b). Siehe Fn. 427. 437 Kapitel 2: A. II. 2. d) cc) (1) (b). 438 Ausführlich dazu Kapitel 2: A. II. 2. d) aa) (2); widersprechend Og ˘ lakcıog˘lu, JA 2013, 107 (108). 436
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e) Fazit Die Notwendigkeit einer restriktiven Handhabung der Elemente des Täterverhaltens im Rahmen des Betrugs wurde mittels eigener Gesetzesauslegung nachgewiesen. Die von der herrschenden Ansicht vertretenen Instrumente, die zur Befriedigung kriminalpolitischer Zwecke die Merkmale der Täuschung und des Irrtums weit interpretieren, kollidieren mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) durch Analogieschlüsse. Die Missachtung der Merkmale der Täuschung und des Irrtums unter gleichzeitiger Ausdehnung derselben folgt zum einen aus kriminalpolitischen Zwecksetzungen, nach denen es zu einer wünschenswerten Strafbarkeit kommen muss. Zum anderen beruht die Ausweitung dieser Merkmale mangels vertiefter Auseinandersetzung darauf, dass alleine die ungeschriebenen Tatbestandsmerkmale als abgrenzungserheblich angesehen werden. Insbesondere durch das uferlose Bejahen von Täuschung und Irrtum wird die Anzahl kollidierender Fälle unnötig gesteigert. Würden die ohnehin weiten Merkmale der Täuschung und des Irrtums zumindest in der Hinsicht des Erfordernisses einer faktischen Kommunikationsbeziehung streng ausgelegt, wäre ein großer Bereich kollidierender Sachverhalte hinfällig. Mit den hier durch Auslegung ermittelten Grundsätzen ist damit die Abgrenzungsprüfung um einige Fallkonstellationen entlastet. Insbesondere die praktische Anwendung auf die verschiedenen Varianten der listigen Warenentwendung in Selbstbedienungsläden bewies die Vorteile der hier vertretenen Abgrenzung durch Auslegung. Für die Fälle des Warenschmuggels zeigt sich konkret folgendes Bild: Gleich wie die Waren in den Herrschaftsbereich des Täters übergehen sollen – ob durch Verstecken oder Verbergen im Einkaufswagen, durch Hinzufügen weiterer Waren in eine gattungsfremde Verpackung, durch Umwidmung des Verpackungsinhalts mittels Austauschens oder durch die Umetikettierung von Preisschildern –, ist immer der erklärungserhebliche Inhalt des Täterverhaltens an der Kasse in Augenschein zu nehmen. Dieser ist konkret zu überprüfen. Deckt er sich mit der Wirklichkeit, müssen eine Täuschung und selbstverständlich auch ihre kausale Beziehung zu einem Irrtum ausscheiden. Das ist in den geprüften Fällen des Versteckens, des Verbergens im Einkaufswagen sowie des Hinzufügens von Waren und des Umetikettierens anzunehmen. Von allen der für diesen Topos relevanten Fällen konnte nur der vollständige Austausch des Verpackungsinhalts in Selbstbedienungsläden als für die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug tauglich herausgestellt werden. Nur in dieser Fallkonstellation sind die durch eigene Auslegung ermittelten Voraussetzungen an die Betrugsmerkmale der Täuschung und des Irrtums erfüllt.
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3. Zusammenfassender Überblick über die Täterverhaltensweisen als Grundlage für die eigene Abgrenzungslösung Das Gesetz beschreibt in den zu untersuchenden Tatbeständen das strafbare Verhalten des Täters. Während für die Verwirklichung des Diebstahlsvergehens ein körperlicher Verschaffungsakt in Form der Wegnahme geschuldet ist, verlangt das Betrugsdelikt eine psychisch irreführende Einwirkung. Konnte die Verwirklichung täuschungsbedingten Unrechts nicht nachgewiesen werden, scheidet die Strafbarkeit wegen Betrugs von vornherein aus. Die besondere Diebstahlsform des Trickdiebstahls, der in seiner Begehungsart über das Merkmal der List dem Betrug angenähert ist, zeichnet sich ebenso durch ein täuschendes Vorverhalten des Täters aus. Dass sich trotz einer Täuschung in Kombination mit einem Gewahrsamswechsel eine Strafbarkeit aus § 242 StGB ergeben kann, ist auf die begriffliche Weite der Wegnahme zurückzuführen. Die Wegnahme kann durch jedes Verhalten verwirklicht werden kann, das den Erfolg des Gewahrsamswechsels herbeiführt. Deshalb lassen sich unter der Voraussetzung gemeinsam erfasster Tatobjekte in Form von fremden, beweglichen und wertbehafteten Sachen Überschneidungen zwischen Diebstahl und Betrug in den Fällen des abgelisteten Gewahrsamswechsels in Bezug auf das Täterverhalten finden. Während die Täuschung im Rahmen des Diebstahls Mittel zur erleichterten Wegnahme sein kann, setzt sie der Betrüger gezielt ein, um das Opfer als sein Werkzeug zu instrumentalisieren. Abgrenzungstauglich sind die Elemente des gemeinsamen Tatobjekts sowie der Täuschung und des Irrtums wie gesehen nur, insoweit die Untersuchung ebendieser unter dem selbst ermittelten Grundsatz eines restriktiven Umgangs ein negatives Urteil ergibt. Denn dann ist die Abgrenzungssituation schon nicht eröffnet. Diese Erkenntnisse sind im Hinblick auf die Entwicklung einer eigenen Abgrenzungslösung zugrunde zu legen. Liegen die Merkmale einer Überschneidung im Bereich der Tatobjekte sowie der Täuschung und des Irrtums dagegen vor, kann im Weiteren auf Tatbestandsebene nur eine Analyse des Opferverhaltens eine stichhaltige Aussage über eine Fremd- bzw. Selbstschädigung geben.
III. Opferverhalten Über die Ausgestaltung des Opferverhaltens sind beide gegenüberzustellenden Tatbestände aussageschwach. Der Gesetzgeber ist in den betroffenen Tatbeständen – was schon allgemein439 in der Natur der Strafnormen als die Umschreibung delinquenten Verhaltens veranlagt ist – zur Stigmatisierung des Diebs bzw. Betrügers einseitig von den in deren Person jeweils eigentümlichen Merkmalen
439 Ausnahmen gelten für die Delikte mit notwendiger Teilnahme des Opfers, vgl. nur §§ 174 ff., 216, 218, 253 StGB.
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ausgegangen.440 Das hindert allerdings nicht, die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug am Verhalten des Opfers in Bezug auf den fraglichen Gegenstand festzumachen. Welches Opferverhalten jeweils erwartet werden kann, ist unter Zuhilfenahme des Gesetzestextes und der Wesensmerkmale der Delikte zu erforschen. Bevor die Arbeit auf das Verhalten des Betrugsopfers eingeht, ist zunächst das Verhalten des Diebstahlsopfers zu analysieren. 1. Das Verhalten des Opfers eines Diebstahls Fraglich ist, ob ein äußerlich sichtbares Geschehen hinreichende Schlussfolgerungen auf die inneren Gedanken des Opfers zulässt. Diese Frage gilt es für die einschlägigen Willensrichtungen zu überprüfen. Ein positiver Befund liefert eindeutige Ergebnisse und vereinfacht die Abgrenzung. a) Objektive Voraussetzungen Der Diebstahlstatbestand behandelt ausdrücklich nur das notwendige Verhalten des Täters, das in einer Wegnahme zu sehen ist. Ob von dem Opfer überhaupt eine Reaktion erwartet werden kann und wie diese gegebenenfalls aussehen darf, dazu schweigt das Gesetz. Auch darin spiegelt sich der Charakter des Diebstahls wider, der offensichtlich nur von einer Fremdschädigung ausgeht. Doch macht allein das Schweigen des Gesetzes über den Umstand des Opferverhaltens ein solches unzulässig? Ausgehend von der durch die eigene Auslegung des Gesetzes ermittelten Ausgestaltung des Diebstahls als Erfolgsdelikt441 ist zu schließen, dass jedes kausal zurechenbare Verhalten, das zu dem Ziel der Gewahrsamsverschiebung führt, genügt. Das schließt nicht aus, dass das Opfer durch einen unterstützenden Beitrag Hilfe leistet. Solange die vom Täter gesetzte kausale Gefahr demselben auch zurechenbar ist, spricht kein Einwand dagegen, der einen fördernden Opfereinsatz ausschließt. Dabei kann die Mitwirkung zunächst in jedem aktiven Tun wie passivem Unterlassen liegen. Eine objektive Beschränkung des Geschädigtenverhaltens lässt sich dem umfassenden Diebstahlstatbestand zunächst nicht entnehmen. Eine andere Sicht ergibt sich aber unter der Erforschung des Opferwillens. b) Subjektive Voraussetzungen Im Rahmen des Diebstahls ist nun zu untersuchen, ob sich Einschränkungen des Tatbestands aufgrund des Opferwillens ergeben. Dazu ist zunächst zu erkunden, welchen Willensstand das Opfer eines Diebstahls zu welchem Zeitpunkt ha440 441
Zustimmend Frisch, in: Festschrift für Günther Jakobs, S. 97 (124). Siehe oben Kapitel 2: A. II. 1. b) bb).
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ben muss und welche Schlüsse sich daraus gegebenenfalls für das sichtbare Opferverhalten ziehen lassen. aa) Inhaltliche Ausgestaltung des Opferwillens Für die inhaltliche Ausgestaltung des Opferwillens ist die herrschende Ansicht der durch Gesetzesauslegung ermittelten Inhaltsbestimmung gegenüberzustellen. (1) Bestimmung nach der herrschenden Ansicht In negativer Hinsicht leidet die Wegnahme nach herrschender Ansicht unter dem Ausschlusselement des Einverständnisses des Opfers, wodurch ein willentlicher Gewahrsamsverlust in Gestalt eines Gewahrsamsbruchs und damit eine Wegnahme schon tatbestandlich entfallen.442 Der Täter muss ohne oder gegen den Willen des Opfers dessen Gewahrsam verschoben haben.443 Mit dem Einverständnis in die tatsächliche Sachverschiebung ist nicht zwingend eine Zustimmung zu einem Eigentumswechsel verbunden. Handelt das Opfer willentlich mit dem Täter, ist nicht mehr von einer Fremdschädigung zu sprechen. Das Opfer muss, wenn es die Handlung des Täters als Wegnahme erkennt, diese missbilligen. Entsprechend dem Herrschaftswillen zur Begründung der tatsächlichen Sachherrschaft genügt auch zur Erteilung des Einverständnisses der natürliche Wille,
442 Siehe OLG Düsseldorf, NStZ 1992, 237; Beckert, JA 2013, 507; Geerds, Einwilligung und Einverständnis des Verletzten, S. 114; ders., GA 1954, 262 (265); Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1036; Heinrich, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 13 Rn. 53; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 34; Heubel, JuS 1984, 445 (447); Ludwig/Lange, JuS 2000, 446; Nöldeke, Die Begriffe des Gewahrsams und der Wegnahme beim Diebstahl, S. 98 f.; Rengier, JuS 1981, 654; Renner, Die Einwilligung als Tatbestandsmerkmal und als Rechtfertigungsgrund, S. 83; Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 82; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (40); Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 106; Zopfs, ZJS, 506 (507); anders früher, wie der Überblick bei Schröter, Der Begriff der Wegnahme, S. 33 ff. und dessen eigene Stellungnahme (S. 40 ff.) zeigen. 443 Alternativ: Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 25; Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 74; „gegen den Willen“: Fischer, StGB, § 242 Rn. 16; Geerds, Einwilligung und Einverständnis des Verletzen, S. 112; Ludwig/Lange, JuS 2000, 446 (450); G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Getäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 14; Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 40 Rn. 28; Rotsch, GA 2008, 65 (77), nach dem sich der entgegenstehende Wille auf den Bruch und die Neubegründung des Gewahrsams gleichermaßen beziehen muss; ihm folgend Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 111; „ohne den Willen“: Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 35; Hellmann, in: Krey/ Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 31, der ebenso wie Rotsch in dieser Fn. das Willenselement für Bruch und Neubegründung nicht aufspaltet; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB § 242 Rn. 14; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (40); Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 107.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
der auch bei Kindern oder Geisteskranken444 vorliegen kann.445 Dabei schadet es nicht, wenn das Opfer das Einverständnis irrtumsbedingt erteilt. Der tatsächlichen Natur des Einverständnisses ist Genüge getan, wenn das Opfer nur die Gewahrsamsverschiebung will.446 Hinfällig sind daher die Vorstellungen, die die Motivation zur Hingabe der Leistung betreffen.447 Allein die Bildung eines innerlich freien Willens reicht aus.448 Daran fehlt es aber, wenn das Einverständnis durch Nötigung erzwungen wurde. Glaubt das Opfer einer Herausgabe der Sache nichts entgegensetzen zu können, kann kein freier Wille gefasst werden.449 Ohne freie Willensbildung scheidet ein wirksames Einverständnis aus.450 (2) Bestimmung durch eigene Auslegung des Gesetzes Als Ausfluss des oben451 aufgezeigten Charakters als Fremdschädigung ist für die Wegnahme als ein vom Opferwillen gerade nicht willentlich getragener Akt positiv zu fordern, dass das Opfer seinen Gewahrsam gegen oder ohne seinen Willen verloren hat. Dieses wesensentsprechende Ergebnis lässt sich auch aus der Struktur des Gesetzestextes deduzieren. Konkret versteht die allgemeine Sprache unter der Formulierung „etwas wegnehmen“ synonymisch „etwas fortnehmen“ 452. Für die Auslegung dieses Merkmals von Belang ist indessen die syntaktische Verknüpfung des Wegnehmens mit dem Zusatz „einem anderen“. Neben der Bedeutung einer anfänglichen Gewahrsamszugehörigkeit zu einer täterverschiedenen Person453 erfährt das Verb in diesem Kontext eine subjektive Tendenz. Denn die Verwendung des Begriffs der 444
RGSt 2, 332 (334). Geerds, GA 1954, 262 (266); Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 2 Rn. 31; Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 82; Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 108; anders Toepel, in: Festschrift für Hans-Joachim Rudolphi, S. 581 (590), der Einsichtsfähigkeit verlangt. 446 BGH, VRS 48 (1975), 175 (176); BayObLGSt 1978, 145 (146); OLG München, VersR 1995, 954 (955); Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 51; von HeintschelHeinegg, JA 2009, 903; Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 119. 447 Dazu OLG Hamm, NJW 1974, 1957; Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 20 Fn. 9; A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 621 (645 Fn. 1), der in dem Fall der irrtumsbedingten Zustimmung allerdings auch den Betrug entfallen ließ; heute Merz, „Bewußte Selbstschädigung“, S. 114; Samson, JA 1980, 285 (288); Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 87; Toepel, in: Festschrift für Hans-Joachim Rudolphi, S. 581 (585); anders Herzberg, GA 1977, 289 (295 ff.). 448 Heubel, JuS 1984, 445 (447 f.); Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1 § 1 Rn. 71. 449 Ebenso BGH, NJW 1953, 752 (753); Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (43 ff.). 450 Anders früher A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 621 (645). 451 Kapitel 1: A. II. 2. 452 Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 10, S. 4451. 453 Siehe Kapitel 2: A. II. 1. 445
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Wegnahme unter eben dieser Erweiterung stellt nach dem der grammatikalischen Auslegung zugrunde zu legenden allgemeinen Sprachempfinden454 klar, dass die Ortsverschiebung in der Person des anderen keine subjektive Willensübereinstimmung erfährt.455 So macht es in unserer Sprechwelt einen entscheidenden Unterschied, ob etwas weggenommen wird oder ob es einem anderen weggenommen wird. Da sich dieser Satzbaustein auf die Herrschaftsmacht an der Sache bezieht, die das Opfer ursprünglich besessen haben muss, ist die negative Beeinflussung zudem auf die Sachherrschaft gerichtet. In dem Einfügen des Satzbausteins „einem anderen“ liegt daher der Hinweis auf ein nicht vom Opfer getragenes Täterverhalten.456 Das ist erfüllt, wenn der Täter die Sachverschiebung gegen oder ohne den Willen des bisherigen Gewahrsamsberechtigten vorgenommen hat. Die hier gefundenen Grundsätze über den entgegenstehenden bzw. fehlenden Willen im Rahmen des Trickdiebstahls stimmen im Wesentlichen mit dem Inhalt des tatbestandsausschließenden Einverständnisses der herrschenden Meinung überein. Gleichwohl ist die folgende Korrektur vorzunehmen: Das Einverständnis ist ein subjektives Element, dem ausnahmsweise im Rahmen der Prüfung des objektiven Tatbestands Beachtung geschenkt wird. Entsprechend dem Gedanken von der Parallelwertung in der Laiensphäre457, der grundsätzlich nur auf subjektiver Tatbestandsseite herangezogen wird, um den Tätervorsatz zu begründen, sind die Anforderungen an subjektive Vorstellungen über normativ geprägte Begriffe, zu denen der Gewahrsam zählt,458 auch im Rahmen des objektiven Tatbestands zu lockern. Es muss genügen, wenn das Opfer, das von dem strafrechtlichen Begriff des Gewahrsams keine fundierte Kenntnis hat, will, dass es seine Herrschaftsmöglichkeiten an der Sache verliert. Die Auslegung ergibt also, dass die Wegnahme eine negative Einstellung des Gewahrsamsinhabers lediglich zur tatsächlichen Sachverschiebung erfordert. Das ist eine aus einer Wesensschau und dem Normtext abzuleitende Prämisse. bb) Bezugspunkt des Opferwillens Fraglich ist im nächsten Schritt der Bezugspunkt des Opferwillens. Wie oben459 beschrieben, lässt sich die Wegnahme in Verlust und Neubegründung des 454 Baumann, MDR 1958, 394 (396); Hassemer/Kargl, in: Nomos Kommentar, § 1 Rn. 106a; A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 621 (643 Fn. 4); Otto, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, § 2 Rn. 41; Ransiek, Gesetz und Lebenswirklichkeit, S. 69 ff.; Schünemann, Nulla poena sine lege?, S. 20. 455 Siehe dazu den Vergleich innerhalb der Deutung bei Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, Band 10, S. 4451 ((1) und (2)). 456 Ebenso A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 621 (634 Fn. 4); Nöldeke, Die Begriffe des Gewahrsams und der Wegnahme beim Diebstahl, S. 98. 457 Dazu Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 243. 458 Bittner, Der Gewahrsamsbegriff, S. 12. 459 Kapitel 2: A. II. 1.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
Gewahrsams splitten. Der Wille kann an den ersten Teilakt460 oder an beide alternativ461 bzw. kumulativ462 anknüpfen. Diese Frage tritt nur in den Fällen463 des Auseinanderklaffens beider Vorgänge auf. So ist es einmal denkbar, dass eine Person zwar einen Gewahrsamsaufhebungswillen besitzt, während ein Neubegründungswille fehlt. Zur Schilderung dieser Konstellation passt der folgende „Buchlieferungs“-Fall: Der Buchhändler A schickt dem B nach angeblich erledigter Bezahlung des Kaufpreises ein bestelltes Buch zu. Noch bevor es bei B abgegeben wird, bemerkt A in seinen Unterlagen, dass B tatsächlich noch nicht bezahlt hat. Der A wollte zwar in dem Moment des Verlusts des Gewahrsams durch Verschicken des Buches die Herrschaft verlieren. Dieser Wille kehrte allerdings im Zeitpunkt der Empfangnahme durch B, also der Gewahrsamsneubegründung, in sein Gegenteil. Umgekehrt ist es aber auch möglich, dass trotz eines entgegenstehenden Gewahrsamsverlustwillens die Begründung des Gewahrsams in einer anderen Person gewollt ist. Dazu folgender „Einbruchs“-Fall: Der Einbrecher A wirft, als er bemerkt, dass der Hauseigentümer B zurückkommt, aus dessen Wohnung Sachen in den angrenzenden öffentlichen Park, um sie später ungestört abtransportieren zu können. B, der die Einbruchsspuren und das offene Fenster, durch das A geflohen ist, bemerkt, beobachtet A beim Abtransport der Dinge. Da diese für B ohnehin nicht weiter von Nutzen waren, greift er nicht ein. Er gewährt A die Mitnahme der Sachen. In der räumlichen Herrschaftssphäre wird B kraft sozial-normativer Anschauungen ein genereller Herrschaftswille zugesprochen. Im Moment des Gewahrsamsverlusts durch Herauswerfen der Sachen durch A hatte B daher noch den Willen, die Sachen zu beherrschen. Anders dagegen im Moment der Neubegründung des Gewahrsams durch Mitnahme der Sachen in der Person des A. Mit der Verlagerung der Herrschaft auf A war B einverstanden. Damit ist aufgezeigt, dass der Wille zum Verlust und zur Neubegründung zeitlich gespalten werden kann.
460 Ein Einverständnis nur in den Gewahrsamsverlust verlangen BayObLGSt 1978, 145 (146); LG Freiburg, NJW 1996, 2635 (2636); Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 35; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 1 Rn. 56; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 242 Rn. 14; Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 82; differenzierend Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 111 Fn. 124; ähnlich Wittig, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, § 242 Rn. 21. 461 Ohne nähere Begründung Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 7 Rn. 53 f. 462 Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 74 ff.; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 32; Rotsch, GA 2008, 65 (76); Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (45); Wimmer, Die Bedeutung des zustimmenden Willens, S. 75; Hoyer, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 46. 463 Zum Beispiel in BGH, LM Nr. 9 zu §§ 242, 243 Abs. 1 Nr. 2 StGB.
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(1) Bestimmung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur Ein Teil der Literaturstimmen spricht sich dafür aus, den Bezugspunkt des Opferwillens kumulativ auf den gesamten Vorgang des Gewahrsamswechsels zu legen, da die Aussonderung aus dem Vermögen einerseits und die Übertragung andererseits als untrennbare Vorgänge eine Einheit bilden;464 daher ist eine gesonderte Betrachtung von Aufhebung und Neubegründung des Gewahrsams nicht gerechtfertigt. Weiterhin argumentiert diese Meinung wie folgt: Die Schutzrichtung des § 242 StGB bestimmt sich nach dem Maßstab des § 903 StGB.465 Er beinhaltet den formellen Eigentumsschutz in positiver und negativer Richtung. Geschützt ist neben der positiven Ausübung des Eigentumsrechts das negative Recht, andere von der Einwirkung auf das Eigentum auszuschließen. Das positive Nutzungsrecht ist durch die Aufhebung des Gewahrsams gestört, das negative Ausschlussrecht durch die Begründung neuen Gewahrsams. Diese doppelte Schutzrichtung strahlt auch auf den Gewahrsam aus.466 Mit der Aufhebung des Gewahrsams korreliert die Verletzung des positiven Herrschaftswillens. Durch die Neubegründung des Gewahrsams ist der negative Ausschlusswille des Berechtigten betroffen. Erst mit Missachtung des Letzteren liegt die markante Unrechtssteigerung gegenüber der Unterschlagung vor. Diese äußert sich in der höheren Strafandrohung des Diebstahls gegenüber dem § 246 StGB. Voll verwirklicht ist der Tatbestand des § 242 StGB daher erst mit der Neubegründung des Gewahrsams. Nur eine willentlich entgegenstehende Aufhebung und Neubegründung des Gewahrsams begründen eine Wegnahme. Dagegen entfällt eine tatbestandsmäßige Wegnahme nur unter den Voraussetzungen der vollständigen Willensübereinstimmung in Aufhebung und Neubegründung des Gewahrsams. In beiden aufgezählten Fällen ist mangels kumulativer Willensübereinstimmung in beide Akte ein Einverständnis ausgeschlossen. Der Täter ist jeweils wegen Diebstahls strafbar. Eine andere weit verbreitete Ansicht467 legt ohne nähere Begründung den Bezugspunkt des Opferwillens auf den Moment der Aufhebung des Machtverhältnisses fest. Diese Ansicht gelangt in dem „Buchlieferungs“-Fall zu einem Entfallen der Diebstahlsstrafbarkeit, da die Voraussetzungen an die tatbestandsausschließende Zustimmung erfüllt sind. Dagegen würde der „Einbruchs“-Fall wegen des fehlenden positiven Opferwillens im Zeitpunkt des Gewahrsamsver-
464 So Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 74 ff.; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 32; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (45); Wimmer, Die Bedeutung des zustimmenden Willens, S. 75; differenzierend Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 111 Fn. 124; ähnlich Hoyer, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 46. 465 Rotsch, GA 2008, 65 (74 f.). 466 Rotsch, GA 2008, 65 (76). 467 Siehe Fn. 460.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
lusts die Voraussetzungen eines Diebstahls erfüllen. Diese letzte Ansicht wird durch die folgende nähere Untersuchung gestützt. (2) Bestimmung nach eigenen Überlegungen Den Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur ist nun die eigene Bestimmung des Bezugspunkts des Opferwillens gegenüberzustellen. Gegenstand eines positiven Willens in den Herrschaftsverlust ist der im Inneren einer Person gereifte Entschluss, eine Sache preiszugeben oder sie für sich zu behalten. Dieser innerliche Vorgang hat das Ob der Gewahrsamsabwanderung zum Ergebnis. In den Kategorien des Gewahrsamswechsels gedacht, der sich in die beiden Teilakte der Aufhebung und Neubegründung unterteilt, entspricht dieses Ob dem ersten Teilakt. Das veranschaulichen die oben gebildeten Fälle. Die Vorstellungen des ursprünglichen Gewahrsamsbemächtigten zu den Umständen einer Neubegründung auf der gegnerischen Seite beziehen sich, wie der „Buchlieferungs“-Fall und der „Einbruchs“-Fall zeigen, auf die Beweggründe, die zum Gewahrsamsverlust treiben. Die Überlegungen zu einer Neubegründung beinhalten konkret Gedanken über die Person des Empfängers oder Eigenschaften der Sache. Damit spiegeln diese Gedanken lediglich die Rechtsfolgenseite des Gewahrsamsverlusts wider, ohne sich mit der Entscheidung über das Ob der Entlassung einer Sache aus dem Herrschaftsbereich auseinanderzusetzen. Zumindest sind sie für das Stattfinden des Verlustverhaltens an sich irrelevant. Nicht wegen dieser nachrangigen Motive schließlich erfolgt eine Freigabe oder Nichtfreigabe der Herrschaft an der Sache, sondern je nachdem, ob der Entschlusswille positiv oder negativ gefasst war. Bereits die Freigabe, nicht indessen erst die Gewahrsamsneubegründung in einer anderen Person bewirkt allerdings schon die Verletzung der von § 242 StGB geschützten Möglichkeiten zur Gewahrsamsausübung.468 In wessen Gewahrsam die Sache letztlich überwandert oder wie diese Person damit weiter verfährt, ist für die Rechtsgutsverletzung des Diebstahls vielmehr ohne Belang. Auf die Neubegründung des Gewahrsams hat der Opferwille damit keinen Einfluss. Das liegt insbesondere daran, dass der ebenso vom Schutz des Diebstahls erfasste strafrechtliche Gewahrsam, anders als das von § 242 StGB geschützte formelle Eigentumsrecht, nicht auch das negative Recht des Gewahrsamsinhabers umfasst, darüber zu entscheiden, andere Personen von der Gewahrsamsausübung auszuschließen. Das ergibt sich zum einen daraus, dass für den Gewahrsam eine dem § 903 BGB vergleichbare Vorschrift nicht existiert. Zum anderen entspringt diese folgenunabhängige Sichtweise schon der Natur des Gewahrsams. Dieser wird viel468
Siehe Fn. 70.
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mehr unabhängig von dem Willen des vormaligen Gewahrsamsinhabers unter gemischt faktischen, subjektiven und sozial-normativen Erwägungen bei einem Dritten gebildet oder geht verloren. Insofern ist auch die Aussage falsch, Gewahrsam werde übertragen.469 Gewahrsam kann, anders als eine Sache oder das Eigentum an ihr, nicht übertragen werden, sondern wird in der Person eines anderen trotz entgegenstehender subjektiver Einflüsse des bisherigen Gewahrsamsinhabers aufgebaut. Ein negativer Ausschlusswille des Berechtigten kann wegen der nicht vorrangig rechtlichen Sichtweise eine Gewahrsamsbegründung nicht verhindern. Daher kann ein zwar in die Gewahrsamsaufhebung zustimmender, aber die Neubegründung ablehnender Wille der Tatbestandsmäßigkeit eines Gewahrsamswechsels nicht mehr schaden. Da nun die Vorstellungen des Berechtigten über die Gewahrsamsausübung eines Dritten von Ersterem unbeeinflusst sind, ist der Berechtigte nicht in der Lage, eine Zustimmung über die spätere Ausübung des Gewahrsams zu erteilen. Vielmehr betrifft die Zustimmung inhaltlich nur die Entscheidung, ob ein tatbestandsmäßiger Abfluss aus der Gewahrsamssphäre des Opfers eintritt oder nicht. Dagegen kann sie auf die strafrechtliche Bewertung der Möglichkeiten zur Gewahrsamsausübung auf Täterseite keinen Einfluss haben. Deshalb ist der Wille des Opfers im Einklang mit der herrschenden Ansicht lediglich auf den Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts zu beziehen, nicht dagegen (auch) auf die Neubegründung. Diese folgenunabängige Sichtweise wird dadurch bestätigt, dass der positive Wille des Berechtigten in den Gewahrsamsübergang zwar die Tatbestandsmäßigkeit des § 242 StGB ausschließen kann, gleichzeitig aber dennoch nicht unbedingt ein Einverständnis in die Folgen, wie die einer Sachbeschädigung nach § 303 StGB, inkludiert. Diese Sichtweise findet ihre Rechtfertigung weiterhin darin, dass die Zustimmung zu einem Gewahrsamsverlust zwar das Schicksal der Ausübungsmöglichkeiten des Gewahrsamsinhabers bzw. Eigentümers betrifft, nicht aber das des Eigentums im materiell-rechtlichen Sinn. Eine strafrechtlich relevante faktische Zustimmung zu einem Gewahrsamsverlust hat keine Auswirkungen auf die privatrechtliche Eigentumsordnung. Die Auslegung ergibt, dass der Wille des Opfers bereits bzw. nur in der Zeit des Gewahrsamsverlusts von Relevanz ist. Unbedeutend ist die Willenseinstellung im Anschluss daran. Daher ist es nicht sachgerecht, schlicht auf den Moment des Gewahrsamswechsels und damit auf den gesamten Vorgang der Sachverschiebung abzustellen. Dieses Ergebnis ist für die weitere Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug von Bedeutung, da nun klar ist, auf welchen Zeitpunkt der für die Abgrenzung zentrale Opferwille bezogen sein muss.
469
Entgegen Welzel, NJW 1961, 330.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
cc) Die Verknüpfung objektiver Einflüsse mit dem Opferwillen Nun ist zu untersuchen, wie sich objektive Begebenheiten auf den Willen des Opfers auswirken können. Durch diese Verknüpfung des objektiv Sichtbaren mit dem Opferwillen können gegebenenfalls Rückschlüsse auf die Verhaltensweisen des Diebstahlsopfers gezogen werden, was die Einordnung bzw. den Ausschluss des Opferverhaltens unter den Tatbestand des Diebstahls und damit die spätere Abgrenzung gegenüber dem Betrug erleichtern könnte. Dabei sind nochmals die eben durch eigene Auslegung ermittelten inhaltlichen Grundsätze zu vergegenwärtigen. Die Wegnahme im Sinne eines Trickdiebstahls setzt als negativ-konstitutives Element einen entgegenstehenden oder fehlenden Willen zum Herrschaftsverlust voraus. Ein fehlender Wille ist zunächst dann zu verzeichnen, wenn die grundsätzliche Möglichkeit zur Willensbildung fehlt. Innerhalb des Opferverhaltens des besonderen Falls des Trickdiebstahls sind daher folgende Abstufungen vorzunehmen. Unter die erste Kategorie des nicht zustimmenden Opferwillens fallen einmal Situationen, die sich durch ein Kommunikationsdefizit auszeichnen. Macht sich das Opfer mangels Wahrnehmbarkeit keine Gedanken über den Gewahrsamsverlust, ist es schon zu keiner (fehlerbehafteten) Willensbildung fähig. Erfasst das Opfer den Gewahrsamsverlust vor seinem geistigen Auge nicht, hat es auch kein Wissen über denselben. Das ist immer dann der Fall, wenn das Opfer am Tatort abwesend470 war und daher auch nicht im Dialog mit dem Täter stand. In diesen Fällen erfolgt der Gewahrsamsverlust ohne den Willen des Opfers. Hier scheiden mangels kongruenten Elements der Täuschung ein Trickdiebstahl sowie ein Betrug aus. Zu einer entscheidungsbedürftigen Kollisionssituation zwischen Diebstahl und Betrug kommt es schon nicht. Bei Abwesenheit des Opfers ist also der sichere Schluss auf eine Fremdschädigung, begangen ohne Trick, möglich. Die Bildung eines inneren Opferwillens kann zweitens in den Fällen der offenen Gewahrsamsverschiebung fehlen, in der das Opfer am Tatort anwesend ist. Hier ist weiter zu differenzieren. (1) Verkennen eines Sachverlusts Denkbar sind einerseits Fälle, in denen das Opfer dem Sachwechsel zwar körperlich beiwohnt, wegen eines Informationsdefizits diesen aber nicht als Entziehung der Herrschaft an der Sache erkennt.471 Der Täter begeht hier mangels Willensbildung des Opfers eine Fremdschädigung. Das Opfer besitzt in diesen Fällen keinen auf die Sache konkretisierten Willen. Selbst eine aktive Unterstützungs470 471
Ludwig/Lange, JuS 2000, 446 (450). Beispielhaft dazu der im folgenden Kapitel 3: A. V. 1. erläuterte „Klavier“-Fall.
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handlung zum Gewahrsamsverlust schadet der Annahme einer Wegnahme hier nicht. Erkennt das Opfer den Sachverlust nicht, ist daher stets eine Fremdschädigung unabhängig von dem Opferverhalten möglich. Auf einem anderen Blatt steht indessen die Erfüllung der Merkmale der Täuschung und des Irrtums, die für den Trickdiebstahl ebenso konstitutiv sind wie der entgegenstehende Wille zum Sachverlust. Ist das Informationsdefizit auf Opferseite so stark, dass das Opfer sich seines Verhaltens in Bezug auf die Sache nicht bewusst ist, wird eine Täuschung in diesen Fällen regelmäßig fehlen. Einerseits scheitert diese unter Zugrundelegung einer faktisch-konkreten Betrachtungsweise, nach der dem raffiniert-schweigenden Täterverhalten oft kein täuschender Erklärungswert zu entnehmen ist. Andererseits sind auch die Anforderungen an eine Garantenstellung, die zu einer Täuschung durch Unterlassen der Aufklärung führen können, nur selten erfüllt. Ferner fehlt in der Regel bereits ein Irrtum, weil sich das Opfer in diesen Konstellationen keine Gedanken macht. Damit scheidet in diesen Fällen ein Trickdiebstahl meistens aus. Eine Ausnahme ist nur dann möglich, wenn sich das Opfer aufgrund einer Aussage des Täters anderweitige Gedanken über eine Sache macht, die nicht den Sachverlust betreffen.472 Dann wird ein Wille gebildet, der aber mit dem Sachverlust nicht korreliert. Das Opfer irrt über die Erheblichkeit seines Verhaltens in Bezug auf die Sache. Nur in den letzteren Ausnahmefällen kann von einer Täuschung und einem Irrtum gesprochen werden, die einen Trickdiebstahl ermöglichen. Unerheblich für den Trickdiebstahl ist es, ob sich der in der Regel nicht vorhandene Wille an der Sachverschaffung zu Gunsten des Täters in einem passiven Verhalten oder einer aktiven Mitwirkung des Opfers äußert. (2) Erkennen eines Sachverlusts Ist das Opfer wegen des Erkennens eines Sachverlusts nun zu einer Willensbildung fähig, wird die zweite Spielart des für die Wegnahme konstitutiven negativen Willens bedeutsam. In diesen Fällen muss der Sachverlust von einem entgegenstehenden Willen begleitet sein. Ansonsten liegt nach obiger473 durch Auslegung gefundener Inhaltsdefinition schon tatbestandlich keine Wegnahme vor. Es sind drei Situationen denkbar: Erstens kann der Berechtigte aktiv versuchen, den Gewahrsamsverlust zu verhindern. Zweitens ist an den umgekehrten Fall einer aktiven Mithilfe am Sachverlust des Opfers zu denken. Drittens ist es möglich, dass das Opfer trotz Kenntnis des drohenden Sachverlusts eine zum Gewahrsamsverlust notwendige Handlung unterlässt. 472 Siehe dazu die Abwandlung des im folgenden Kapitel 3: A. V. 1. erläuterten „Klavier“-Falls. 473 Kapitel 2: A. III. 1. b) aa) (2).
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
(a) Aktive Verhinderung Im ersten Fall, der aktiven Verhinderung, äußert sich die negative Willenseinstellung des Opfers für jedermann sichtbar. Eine Wegnahme ist zu bejahen. Diese betrifft allerdings nicht die Wegnahme im Sinne eines Trickdiebstahls nach § 242 StGB, sondern eines Raubs nach § 249 StGB. Kennzeichen des Letzteren ist die Erlangung der Sachherrschaft unter vorangehender Anwendung von Gewalt oder Drohung. Diese Nötigungsmittel sind immer dann für einen Gewahrsamswechsel notwendig, wenn das Opfer dazu Widerstand in Form der Verhinderung des Sachwechsels leistet. Zur Vollendung der Wegnahme muss der Täter in diesem Fall den Widerstand mithilfe der besagten Nötigungsmittel brechen. Damit sind diese Fälle, in denen das Opfer zwar einen entgegenstehenden Willen im Sinne der Wegnahme ausdrückt, aber den Gegenstand nicht ohne einen Versuch der Verhinderung des Gewahrsamsverlusts freigibt, für den Trickdiebstahl nicht relevant. Für die spätere Abgrenzung sind diese Fälle daher auszuscheiden. (b) Positive Mitwirkung Auch im Falle der aktiven Mithilfe am Sachverlust scheidet eine Diebstahlsstrafbarkeit aus. Unterstützt der Gewahrsamsinhaber in voller Tatumstandskenntnis den bevorstehenden Gewahrsamsverlust durch positive Handlung, liegt die Annahme eines gewollten Sachverlusts auf der Hand. Die Begehung eines Trickdiebstahls ist nicht möglich. (c) Dulden Die dritte und letzte mögliche Reaktion, die durch die Nichthinderung eines Gewahrsamsverlusts trotz Kenntnis desselben gekennzeichnet ist, wird als duldendes Opferverhalten bezeichnet. Der Duldende erkennt einen Sachverlust, erwehrt sich ihm aber nicht. Ein bloßes Geschehenlassen hingegen genügt dem Begriffsverständnis der Duldung nicht.474 Eine Duldung setzt sich damit äußerlich aus einem aktiven Verhalten des Täters und einem Unterlassen des Opfers zusammen. Wenngleich Dulden und Unterlassen rein äußerlich nicht unterscheidbar sind, zeichnet sich die Duldensvariante im Unterschied zu dem Unterlassen durch ein zusätzliches subjektives Element aus. Neben dem Wissenselement wohnt der Duldung begriffsnotwendig auch ein Wollenselement inne. Denn würde derjenige, der einen Sachverlust erkennt, diesen nicht hinnehmen, würde er eingreifen. Die Duldung setzt sich daher aus einem seitens des Opfers wissentlich und willentlich vollzogenen Verlust der Herrschaftsmacht durch den Täter zusammen. 474 Roßmüller/Rohrer, Jura, 1994, 469 (473); a. A. Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (106, 111); Kluge, Etymologisches Wörterbuch, S. 221, und Duden, Das Herkunftswörterbuch, S. 159, verwenden synonymisch „tolerieren“ bzw. „ertragen“.
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Daher lässt eine Duldung unter gleichzeitigem Wissen und Wollen um den Sachverlust einen fehlenden oder entgegenstehenden Willen hinsichtlich des Täterverhaltens vermissen.475 In der Duldensvariante ist insgesamt von einem zustimmenden Übergang der Sache vom Opfer auf den Täter auszugehen. Damit sind in den Fällen des duldenden Opferverhaltens eine Fremdschädigung und damit ein Trickdiebstahl denknotwendig ausgeschlossen. c) Fazit Die eigene Auslegung der Diebstahlsnorm ergibt, dass sich der Täter inhaltlich ohne subjektive Willensübereinstimmung bzw. gegen den Willen des Opfers im Hinblick auf die Sache verhalten haben muss. Konkret kann darüber hinaus entgegen der herrschenden Meinung kein Wissen über die Gewahrsamsverhältnisse gefordert werden. Nach den durch Auslegung ermittelten Erkenntnissen genügt es, wenn sich der Wille auf den Verlust der Herrschaft an der Sache bezieht. Ferner zeigte die Arbeit auf, dass der fehlende bzw. entgegenstehende Wille zumindest im Zeitpunkt des ersten Teilaktes der Wegnahme, dem Gewahrsamsverlust, vorliegen muss. In welcher Form sich das Verhalten des Opfers sichtbar äußert, ist gleichgültig. Fest steht, dass der Diebstahl als Fremdschädigungsdelikt ein Opferverhalten verlangt, das dem Gewahrsamsverlust innerlich nicht zustimmt. Das ist bei einer verdeckten Sachverschiebung, in der kein Anlass für einen Willensbildungsprozess gegeben wird, immer zu bejahen. Im Rahmen der zwecks Abgrenzung für die spezielle Form der Diebstahlsbegehung mittels Trick relevanten nicht verborgenen Sachverluste ist zu differenzieren. Erkennt der Berechtigte trotz offen vollzogenen Gewahrsamsverlusts die Sachverschiebung als solche nicht, liegt in ihr ein Diebstahl. Dabei ist das äußerlich in Erscheinung getretene Verhalten des Opfers unerheblich für die Bewertung des Sachverlusts. Ein Trickdiebstahl ist in diesen Situationen nur erfüllt, sofern auch Täuschung und Irrtum bejaht werden können. Ferner muss ein negativer Wille zum Sachverlust feststellbar sein. Handelt das Opfer dagegen in voller Tatumstandskenntnis, ist weiter zu differenzieren: Weder eine aktive Verhinderung noch ein positives Handeln erfüllen die Voraussetzungen an einen Trickdiebstahl. Auch ein duldendes Opferverhalten, das sich in einem Unterlassen äußert, schließt einen Trickdiebstahl aus. Für den Trickdiebstahl und damit für die weitere Abgrenzung von Bedeutung sind allein die Fälle, in denen das Opfer trotz wahrgenommenen Sachverlusts diesen nicht als eine solche Sachbewegung erkennt. In diesen Fällen, in denen der Berechtigte über seine Verhaltenserheblichkeit an der Herrschaft der Sache 475
Dagegen Weingart, Die Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 20.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
irrt, lassen weder aktives Tun noch passives Unterlassen des Opfers eindeutige Rückschlüsse auf eine Fremdschädigung zu. Für das Opferverhalten genügt insgesamt jedes Verhalten, das den Verlust der Herrschaft missbilligt. Unabhängig von diesem Ergebnis ist nun das Verhalten des Betrugsopfers näher zu betrachten. 2. Das Verhalten des Opfers eines Betrugs Im Rahmen des Betrugs ist die Handlung des Opfers nicht kodifiziert. Das Zusammenspiel des Irrtums und des Schadens auf Opferseite macht indessen eine hinzuzudenkende Verknüpfung notwendig. Der Irrtum auf subjektiver Seite für sich gesehen genügt nämlich noch nicht, um den vom Tatbestand des Betrugs geforderten Erfolg im Sinne einer äußerlich erkennbaren Vermögensschädigung zu bewirken.476 Auf Opferseite ist Voraussetzung, dass das täuschende Verhalten des Täters einen Irrtum erregt oder unterhält. Bevor es zu einem Schaden kommen kann, muss der Irrtum zu einem Zwischenerfolg führen, der anschließend die kausale Verknüpfung zu dem Schadenseintritt darstellt. Erst durch die Umsetzung der täuschungsbedingten Vorstellung in die Realität kann der Enderfolg herbeigeführt werden. Das Opfer muss subjektiv nicht nur einen Willen bilden, sondern ihn auch verwirklichen.477 Diese logische Kausalitätsbeziehung steht im Einklang mit dem eingangs hergeleiteten Wesen als Selbstschädigungsdelikt. Der zu dem schädigenden Ereignis führende Akt der Willensbetätigung muss durch das Opfer kausal vollzogen werden. Zwischen den beiden ebenso wichtigen Bestandteilen des Irrtums und gesetzlichen Erfolgs tritt das sogenannte Merkmal der Vermögensverfügung. Dieses ist nun unter den Gesichtspunkten seiner Funktion innerhalb des Betrugs wie auch in begrifflicher Hinsicht und bezüglich seines Erfolgs genau zu untersuchen. a) Funktion der Vermögensverfügung Die Vermögensverfügung dient der Festigung des verhältnismäßig weiten Tatbestands des Betrugs durch Eingrenzung der Handlungsvarianten des Opfers. Denn nicht jedes Verhalten des Opfers, das einen Schaden zusammen mit der
476 So Fey, Die Vermögensdelikte, S. 28; Görgen, Die Vermögensverfügung durch Unterlassung, S. 5 ff.; Jacobowitz, Vermögen, Vermögensbeschädigung und Vermögensdisposition beim Betruge, S. 69; Nitschke, Die Systematik der Vermögensdelikte, S. 41; Pröll, JW 1928, 2235; Schober, Die Vermögensdisposition des Getäuschten beim Betrug, S. 13; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (39); Schwabacher, Diebstahl und Betrug, S. 69. 477 Siehe Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 47.
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Handlung des Täters kausal bewirkt, ist auch eine Selbstschädigung. Der Schaden muss vielmehr auf den Umgang mit dem eigenen Vermögen des Täuschungsopfers zurückzuführen sein.478 Da der sich lediglich auf geistiger Ebene abspielende Irrtum diesen tatsächlichen Umgang mit dem Vermögen nicht zu leisten vermag, muss dem Tatbestand ein Merkmal innewohnen, das auf faktischer Ebene die täuschungsbedingte Konditionierung und den Schaden verknüpfen kann. Ohne dieses könnte die Betrugskonstruktion nicht funktionieren. Diesem durch Auslegung gefundenen Ergebnis stimmt die herrschende Ansicht zu. Jedenfalls erschien es der Legislative entgegen dem französischen Vorbild der „escroquerie“ (Art. 405 Code Pénal a. F. von 1810)479 seit jeher nicht notwendig, dieses Hauptmerkmal in den Betrugstatbestand aufzunehmen. Die Bemühungen der Literatur, die Verfügung gesetzlich zu verankern, blieben Gegenstand der Verhandlungen. Die zahlreichen Entwürfe480, die das Verfügungsmerkmal in den Tatbestand festgelegt sahen, konnten sich gegenüber der Gesetzgebung bis heute nicht durchsetzen. Nach langem Hin und Her ist dieses ursprünglich auch in dem vorerst letzten Entwurf von 1962481 eingefügte Element wohl nur deshalb ungeschrieben geblieben, weil es wegen seiner Selbstverständlichkeit als entbehrlich für die Gesetzesfassung angesehen wurde. Damit ist klargestellt, dass das Merkmal der Vermögensverfügung dem Betrugstatbestand selbstverständlich innewohnt und nicht ausdrücklich erwähnt werden muss.482 Konkret für die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug wird sich das Verfügungsmerkmal des Betrugs als wesentliches Abgrenzungskriterium erweisen. Seine Ausprägungen beinhalten die maßgebenden Abgrenzungsinhalte gegenüber dem Trickdiebstahl. Während die Merkmale der Täuschung und des Irrtums noch zu Überschneidungen mit dem Trickdiebstahl führen, liegt in der Verfügung das wesentliche Unterscheidungskriterium des Betrugs gegenüber dem Trickdiebstahl. Der Inhalt des Verfügungsmerkmals ist nun durch die eigene Auslegung zu konkretisieren.
478
Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 86. Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 6, 8; vertiefend Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, S. 196 ff. 480 VE 1909, § 276; E 1925, § 310; E 1919, § 376; Kohlrausch, Entwurf eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs, § 343. 481 E 1962, § 252. 482 Bockelmann, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission 8. Bd., S. 39 f.; Graul, in: Festschrift für Hans Erich Brandner, S. 801 f.; Hälschner, Das preußische Strafrecht Teil 3, S. 371; Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 89; Hansen, MDR 1975, 533; Jagusch, in: Leipziger Kommentar, § 263 Anm. 4; Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 1; Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 193 (197); Pröll, JW 1928, 2235. 479
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
b) Begriff der Vermögensverfügung Bei der begrifflichen Annäherung an das Merkmal der Verfügung sind ihr Gegenstand und Inhalt zu analysieren. Dabei ist die Definition der herrschenden Ansicht der durch Gesetzesauslegung ermittelten Deutung gegenüberzustellen. aa) Gegenstand der Vermögensverfügung Den Gegenstand der Verfügung leitet die herrschende Ansicht aus dem Kontext zu dem in § 263 StGB genannten Vermögen her. In diesem Punkt stimmt sie daher mit der in dieser Arbeit vorgenommenen Methode durch Auslegung des Gesetzes überein. Im Einklang mit der herrschenden Ansicht muss das Objekt der Vermögensverfügung unter Ablehnung des juristischen Vermögensbegriffs483 nicht notwendig ein Vermögensrecht sein.484 Verfügt werden kann über alle Güter, denen der Wirtschaftsverkehr einen Wert beimisst. Zu den Gegenständen der Vermögensverfügung zählen neben dem Besitz485 insbesondere auch der Gewahrsam486. Der Gewahrsam ist nicht nur ein Begriff, sondern nach vorhergehenden Erörterungen die Verbindung zwischen Mensch und Sache, die einem Gegenstand aufgrund tatsächlicher, subjektiver und sozial-normativer Zuordnung angedeiht. Dieser Beziehung wird im Wirtschaftsverkehr bereits ein Wert beigemessen.487 Der Fokus dieser Arbeit liegt im Rahmen des Betrugs auf dem Gewahrsam als Vermögensgegenstand. Das ist vor dem Hintergrund der Abgrenzung des Betrugs gegenüber dem Trickdiebstahl zwingend. Der Trickdiebstahl im Sinne des § 242 StGB ist, wie oben488 gezeigt, bereits durch das Gesetz auf einen Gewahrsams483 Vertreten ursprünglich von der Rechtsprechung des RG: RGSt 8, 12 (13); RGSt 28, 144; RGSt 36, 334 (343); ebenso von Bar, GS 40 (1888), 481 (492 f.); Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts Besonderer Teil, Bd. 1, S. 341, 352 f.; ders., DJZ 16 (1911), 558 f.; Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl., § 263 S. 588; Hirschberg, Der Vermögensbegriff im Strafrecht, S. 279; Köstlin, Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 141 ff.; A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 750 (763, 755 Fn. 10); Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, § 241 Anm. 11; von Schwarze, Commentar zum Strafgesetzbuche für das Deutsche Reich, § 263 S. 758. 484 Holtzendorff, Die Vermögensverfügung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Betruges, § 263 RStGB, S. 28. 485 Siehe RGSt 1, 55 (57 f.); anders Eckstein, GA 58 (1911), 66 (79). 486 BGH, GA 1987, 307; OLG Hamm, NJW 1969, 620 f.; OLG Hamm, OLGSt 1978, § 263, S. 165 (166); BayObLGSt 1988, 5 (7); BayObLG, JR 1992, 519; LG Bonn, VersR 1996, 1139 (1140); Gössel, JA 1976, 463; Gröseling, JuS 2003, 1097 (1098); Rengier, JuS 1981, 654; Schröder, SJZ 1950, 94 (95 ff.); Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 100; Wimmer, NJW 1947/48, 241 (242); a. A. Bittner, JuS 1974, 156 (159). 487 Ebenso G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Getäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 29 f.
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wechsel an einer Sache festgelegt. So kann nach der Natur der Sache eine Forderung nicht Gegenstand des Diebstahls sein. An ihr kann keine tatsächliche Herrschaft aufgebaut werden. Nur wenn auch im Hinblick auf den Betrug nun ebenso von dem Gewahrsam als Gegenstand der Verfügung ausgegangen wird, ist eine Abgrenzung überhaupt denkbar. Daher sind alle anderen Betrugsfälle außerhalb von Gewahrsamsverschiebungen, die andere Vermögenswerte wie beispielsweise Forderungen zum Gegenstand der Verfügung haben, als kollidierende Fälle auszuschließen. In der besonderen Betrugsform, in der Gewahrsam an einer Sache verschoben wird, ist terminologisch korrekt von einem Gewahrsamsbetrug zu sprechen. Indessen ist die technische Bezeichnung „Sachbetrug“ 489 als das Gegenüber des Trickdiebstahls ungenau. Gleiches gilt für den Ausdruck „Besitzbetrug“ 490. Möglich ist einerseits, dass der Berechtigte zwar die unmittelbare Sachherrschaft durch Aushändigung einer Sache zwecks Betrachtung an einen anderen verliert. Im Beisein des bisherigen Inhabers verbleibt aber der Gewahrsam nach sozialnormativen Anschauungen in der Regel bei ihm. In diesen Fällen kommt es zwar zu einer Sach-, nicht aber zu einer Gewahrsamsverschiebung. Denkbar sind andererseits Fallgestaltungen, in denen der Gewahrsam trotz Aufrechterhaltung des Besitzes aufgrund einer irrtumsbedingten Verfügung verloren geht. Typisch dafür sind namentlich die Fälle der zeitlich begrenzten Überlassung zwecks Leihe oder Vermietung. In diesen Fällen übt der Berechtigte zwar weiterhin Besitz aus (sogenannter mittelbarer Besitzer nach § 868 BGB). Den vorher bestehenden Gewahrsam hat er allerdings zumindest vorübergehend verloren.491 Daher hat er keine Verfügung über den Besitz, sondern an dem Gewahrsam getroffen. Der Täter begeht keinen Besitz-, sondern einen Gewahrsamsbetrug. Vor dem Hintergrund eines Vergleichs zwischen den mit dem Trickdiebstahl kollidierenden Betrugsfällen ist der Dispositionsgegenstand wegen dieser geschilderten Ungenauigkeiten nicht in dem im Zivilrecht geregelten Besitz zu suchen, sondern in dem im besonderen Strafrecht relevanten Gewahrsam. Die Bedeutungen des Besitzes bzw. der unmittelbaren Sachherrschaft sind, wie oben492 erläutert, eben nicht mit dem Gewahrsamsinhalt identisch. Den Trickdiebstahl von einem Sach- oder Besitzbetrug zu unterscheiden wirkt daher missglückt. Aus dem Kontext der zu lösenden Differenzierung zwischen Diebstahl und Betrug ist der Abgrenzungsstreit deshalb in Zweipersonenverhältnissen am treffendsten unter den Termini Trickdiebstahl versus Gewahrsamsbetrug zu konkretisieren. 488
Kapitel 2: A. II. 1. a) aa). So Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 28; Geiger, JuS 1992, 834; Gribbohm, NJW 1967, 1897; Hillenkamp, JuS 1997, 217 (221); Roßmüller/Rohrer, Jura 1994, 469; Wedekind, NJW 1969, 1128. 490 Vogel, in: Leipziger Kommentar, Vor §§ 242 ff. Rn. 39. 491 So in BGH, GA 1962, 78. 492 Kapitel 2: A. II. 1. a) bb). 489
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
bb) Inhalt der Vermögensverfügung Der Inhalt der Vermögensverfügung ist objektiv, subjektiv sowie unter zusammenführender Betrachtung beider Blickrichtungen einzufassen. (1) Objektive Voraussetzungen Hinsichtlich der objektiven Ausgestaltung des verfügenden Opferverhaltens ist die Definition der herrschenden Ansicht der durch Orientierung am Gesetzestext gezogenen Schlüsse gegenüberzustellen. (a) Bestimmung nach der herrschenden Ansicht Die konditionierte Reaktion auf Täuschung und anschließendes Irren kann sich in verschiedenen Verhaltensweisen erschöpfen. Die heute herrschende Meinung sieht eine Vermögensverfügung apodiktisch in jedem Handeln, Dulden oder Unterlassen des Getäuschten oder eines Dritten, das bei dem Vermögen des Getäuschten oder das eines Dritten eine unmittelbare Vermögensminderung bewirkt.493 Die Natur des verfügenden Verhaltens ist entgegen der ursprünglichen Lehre494 und Rechtsprechung495 nicht auf rechtsgeschäftliches Handeln beschränkt.496 Auf Seiten des Getäuschten genügt die natürliche Handlungsfähigkeit, um eine Vermögensdisposition vornehmen zu können. Die allgemein gebräuchliche Definition der Vermögensverfügung ist nichtssagend. Ihr Aussagewert weitet den Charakter der Vermögensverfügung inhaltlich auf jedes beliebige Verhalten des Täters aus, das eine Bestandsveränderung am Gesamtvermögen des Getäuschten bewirkt.497 Weder die Einwirkungsart noch das Einwirkungsobjekt werden in der Definition näher spezifiziert. 493 So BGHSt 14, 170 (171); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 197; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 97. 494 So von Bar, GS 40 (1888), 481 (492); Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts Besonderer Teil, Bd. 1, S. 339, 341, 352 ff.; Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, § 241 Anm. 14; Temme, Die Lehre vom strafbaren Betruge nach preußischem Rechte, S. 75 f.; später noch Dalcke, Strafrecht und Strafverfahren, § 263 Nr. 6. 495 RGSt 8, 12 (13 f.); RGSt 49, 16 (19 f.); RGSt 64, 226 (228). 496 Ebendies meinen RG, JW 1926, 586; BGHSt 14, 170 (171); Dreher, GA, 1969, 56 (58); Gallas, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 401 (421); Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 235; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 52; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 198; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 7 Rn. 64; Pröll, JW 1928, 2235; Rönnau, JuS 2011, 982; Samson, JA 1978, 564; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (52); Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 99. 497 Siehe Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 97; abweichend die Beschränkung auf positives Tun bei A. Merkel, Kriminalistische Abhandlungen II/1,
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Dagegen wird aus dem Charakter des Betrugsdelikts als Selbstschädigung eine notwendige Einschränkung auf subjektiver Willensebene des Getäuschten gefolgert.498 (b) Bestimmung durch eigene Auslegung des Gesetzes Auch die eigene Auslegung des Betrugstatbestands unter der Betrachtung des Wortlauts des Betrugstatbestands führt zunächst zu einer weiten Inhaltsbestimmung der Verfügung. Die im Gesetz genannte Kausalitätsbeziehung zwischen Irrtum und Schaden, die die Verfügung verkörpert, verdient keine besondere Ausgestaltung. Vielmehr ist die gesetzliche Kausalität nicht eliminiertes Erbstück der ehemals in speziellen Delikten hervorgehobenen Kausalität.499 Nach den gefestigten Anschauungen des Allgemeinen Teils des StGB über die ungeregelten Kausalitätsgesetze sind diese besonderen Hervorhebungen überflüssig. Eine unterschiedliche Betrachtung der Kausalität innerhalb ein und desselben Betrugstatbestands ist deshalb nicht gerechtfertigt. In Übereinstimmung mit dem Wortlaut erfüllt daher jede Verhaltensweise eine Gewahrsamsverfügung, die kausal und objektiv zurechenbar von dem Irrtum zu einem Schaden führt. Bemessungsgrundlage ist die allgemeine Kausalitätslehre mit ihren Einschränkungen aufgrund objektiver Zurechnung. Über den Verbleib des Gewahrsams an einer Sache kann generell der Handelnde, Unterlassende und auch Duldende durch sein Verhalten entscheiden. Die Wirkung ist, wie das Durchspielen der Varianten des folgenden Sachverhalts zeigt, jeweils dieselbe. „Rucksack“-Fall: In der Umkleide einer Fitnesseinrichtung liegt der Rucksack des B auf einer Bank. Variante 1: Der Täter A gibt sich gegenüber dem Berechtigten B als der Eigentümer aus. B übergibt dem A den Rucksack. Variante 2: A nimmt den Rucksack vor den Augen des B an sich. B lässt den A gewähren.
S. 207; ders., in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 759 (763); ders., Lehrbuch des Deutschen Strafrechts, S. 329; bzw. den Ausschluss des Duldens bei Nagler, in: Leipziger Kommentar, § 263 Anm. II.B.2.b). 498 Görgen, Die Vermögensverfügung durch Unterlassung, S. 35; im Ergebnis übereinstimmend G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Getäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 33 f.; Schraft, Die Vermögensverfügung des Getäuschten als Tatbestandsmerkmal des Betrugs, S. 125 f.; Weingart, Die Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 10; Wimmer, NJW 1947/48, 241 (242); anders Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 50, der auf das „Wollen“ des Täters abstellt. 499 Schraft, Die Vermögensverfügung des Getäuschten als Tatbestandsmerkmal des Betrugs, S. 129 ff. führt die vertatbestandlichte Kausalität darüber hinaus auf die frühere Rechtsgeschäftslehre zurück.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
Variante 3: A weist B wahrheitswidrig darauf hin, dass B vorhin vergessen habe, sein Auto abzusperren. Übereilt rennt B nach draußen. A nimmt den Rucksack wie von Anfang geplant an sich und verlässt den Raum. Die Verfügung ist von außen betrachtet nichts anderes als das kausale Bindeglied zwischen den Vorstellungen des Opfers und dem darauf eintretenden Schaden. Alle Varianten sind für den Schaden kausal. Es ist kein Unterschied, ob der B dem A die Sache überreicht, das Ansichnehmen duldet oder einfach nur weggeht. Wie gesehen, ist der Verfügungsbegriff fürs Erste äußerst weit. Offenbar kann das Äußere nicht hinreichende Richtschnur für ein selbstschädigendes Verhalten sein. Durch das Abstellen auf objektiv sichtbare Geschehnisse würde dem besonderen Tatbestandscharakter des Betrugs allerdings nicht hinreichend Rechnung getragen. Insbesondere würden willkürliche Ergebnisse statuiert, wenn man sich mit einer Differenzierung zwischen einem Geben als positiver Handlung und einem Nehmen in Entsprechung des negativen Unterlassens begnügen würde.500 Zudem laufen innerlich unterschiedliche Denkprozesse ab, über die man sich nicht einfach hinwegsetzen kann. Insbesondere ergeben sich aus der normierten Verknüpfung zwischen Irrtum und Schaden weitere Konkretisierungen. Da die Verfügung die irrige Gedankenwelt der psychischen Sphäre und den Schaden auf objektiver Ebene als Kausalmoment verbindet, liegt es auf der Hand, dass für ihre inhaltliche Deutung die innere Willenseinstellung des Getäuschten entscheidender Faktor sein muss. Der getäuschte Berechtigte muss irrtümlich motiviert einen Schaden selbst herbeiführen. Aus der Verknüpfung der Ursächlichkeit innerer Vorstellungen zur Täuschung und der Charakterisierung als Selbstschädigungsdelikt folgt, dass die Verfügung als Spiegelbild des inneren Willens einen positiven Willen zu dem Verhalten voraussetzt, das später den Schaden begründet. So führt der Irrtum gerade wegen der vorausgehenden Verschleierung der Wirklichkeit zu einem innerlich gewollten Verhalten. Ohne dieses subjektive Erfordernis würde der Betrugstatbestand an Kontur verlieren, da er jegliche Verhaltensweise, die kausal zu einem Schaden führt, genügen ließe. Im Sinne einer sicheren Handhabung ist die Verfügung des § 263 StGB daher anhand dieses subjektiven Willenskriteriums näher einzugrenzen. Dagegen kann eine objektive Sichtweise, wie gezeigt, keine fassbare Definition bewirken. Für den Inhalt der Verfügung als Verzahnung von Täuschung und Irrtum auf der einen und Schaden auf der anderen Seite steht vielmehr jedes beliebige Verhalten zur Auswahl. Der Betrugstatbestand legt sich auf kein bestimmtes Verhalten des Opfers fest. Eine äußerliche Beschränkung auf gewisse Verhaltensweisen an eine betrugsrelevante Verfügung ist zunächst nicht einleuchtend. Stehen die subjektiven Voraussetzungen allerdings fest, kann von diesen mögli500
So aber die Meinung im Kapitel 4: A. I. 1. a).
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cherweise durch den Rückschluss auf die von § 263 StGB erfassten Verhaltensvarianten des Opfers eine objektive Eingrenzung erfolgen. Für die Präzisierung des selbstschädigenden Verhaltens kommt zunächst jedenfalls nur die Analyse der subjektiven Bewusstseinseinstellung des Opfers in Betracht. (2) Durch eigene Auslegung des Gesetzes ermittelte subjektive Voraussetzungen Den eigenen Erörterungen der subjektiven Anforderungen an eine Verfügung ist vorauszuschicken, dass an dieser Stelle kein Vergleich der herrschenden Ansicht mit den durch Auslegung ermittelten Prämissen erfolgt. Die von der herrschenden Ansicht gestellten subjektiven Voraussetzungen des Betrugs in Form des Verfügungsbewusstseins bzw. der Freiwilligkeit sind zu umfassend, als dass sie an dieser Stelle sinnvoll integriert werden könnten. Vielmehr ist ihrer Untersuchung neben dem ebenso ungeschriebenen Kriterium der Unmittelbarkeit ein eigenes, drittes Kapitel geschuldet. Daher werden sie im Anschluss an dieses Kapitel umfassend dogmatisch sowie praktisch überprüft und den durch eigene Auslegung ermittelten Grundsätzen gegenübergestellt. Dieser spätere Arbeitskomplex dient auch der eingehenden Rekapitulation der in diesem zweiten Kapitel durch die eigene Lösung gefundenen Ergebnisse. Vorstehend wurde der Willensinhalt des Betrugsopfers aufgezeigt. Das Opfer muss seine Verfügung positiv wollen. Nun ist die Ausgestaltung des Wissens dieser positiv-willentlichen Zustimmung im Rahmen des Betrugs, die zusammen den Bewusstseinsinhalt des Getäuschten bilden, durch eigene Auslegung des Gesetzes zu erforschen. Mehrere Grundtendenzen erscheinen möglich. Erstens könnte die Zustimmung auf die schädigenden Auswirkungen des eigenen Opferverhaltens bezogen sein. Zweitens ist denkbar, dass das Opfer zwar nicht in eine Schädigung einwilligt, aber zumindest den vermögensrelevanten Abfluss aus seinem Gewahrsam erkennt. Drittens kann die Wissenseinstellung dahin gehen, dass der Getäuschte von dem Vorgang der erfolgreichen Sachverschiebung oder des Sachverlusts aus seinem Herrschaftsbereich weiß. Welche dieser Kenntnisse nun als Wissensminimum verlangt werden dürfen, ist durch die eigene Auslegung des Betrugstatbestands zu ermitteln. (a) Das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein als Bewusstseinsminimum Fraglich ist der Informationsstand, von dem ausgehend eine Zustimmung als wirksam angesehen werden kann. Ganz allgemein gilt, dass ein Irrtum die Wirksamkeit der Zustimmung zu einem Gewahrsamswechsel nicht berührt.501 Gleich501 BGH, VRS 48 (1975), 175 (176); Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 51; Geerds, GA 1954, 262 (268 f.); ders., ZStW 72 (1960), 42 (45); differenzierend Kußmann, Einwilligung und Einverständnis bei Täuschung, Irrtum und Zwang, S. 337.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
wohl wird, wie vorstehend erläutert502, um den Betrugstatbestand nicht zu entkleiden, nicht jede kausale Fehlvorstellung den Anforderungen einer Selbstschädigung gerecht. Diese Antinomie ist in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Der Charakter aller Selbstschädigungsdelikte setzt voraus, dass das Opfer vom Täter missbräuchlich als Werkzeug eingesetzt wird, damit es an dem Tatobjekt ein fremdbestimmtes Verhalten vornehmen kann. Dazu ist zunächst eine OpferSach-Beziehung zu verlangen, in der der Getäuschte zumindest weiß, dass er sich im Hinblick auf die Sache verhält. Das setzt die Möglichkeit der Willensbildung voraus. Hat die in ihrem Vermögen zu verletzende Person dagegen keine Kenntnis, dass sie sich überhaupt erheblich in Bezug auf die Herrschaft an der Sache verhält, scheidet eine Opfer-Sach-Beziehung aus. Der Verletzte wird zwar kausal im Hinblick auf die Sachbewegung. Denn hätte er die Sachverschiebung nicht gewährt, wäre auch keine Verschiebung der Herrschaftsmacht eingetreten. Das Verhalten eines Berechtigten basierend auf dem bloßen Nichtwissen der Sachabgabe kann aber dem Charakter als Selbstschädigungsdelikt nicht entsprechen. Derart verkümmerte Einstellungen zum Vermögensgut genügen nicht einem qualifizierteren Opferwissen im Rahmen des Betrugs. Das Opfer muss zumindest rudimentär umreißen, dass es im Hinblick auf eine Sache eingesetzt wird.503 Wegen der fehlenden Registrierung des herrschaftsbezogenen Aktes hat das Opfer bei einem Wissensdefizit über die eigene Verhaltenserheblichkeit dieselbe Vorstellung, die auch jenes hätte, das im Zeitpunkt der Entwendung nicht anwesend ist. Eine Selbstschädigung entfällt damit. Es kommt nicht zu einer Verfügung im Sinne des § 263 StGB. Das Wissen des Berechtigten muss daher zumindest von der Erkenntnis getragen sein, dass er auf eine Sache, zu der er eine Herrschaftsbeziehung aufgebaut hat, einwirkt. Eine weitere Konkretisierung dieses zugrunde zu legenden herrschaftsbezogenen Wissensstandards ist aus der normierten kausalen Verknüpfung zwischen Täuschung, Irrtum und Schaden zu folgern. Die Täuschung lenkt die Gedanken des Opfers irreführend dazu, einen Schaden auf Berechtigtenseite herbeizuführen. Die Täuschung gibt damit den Anstoß zu einem Gedankenprozess, der auf objektiver Seite die Preisgabe einer Sache in Gestalt der Verfügung bewirkt. Ist die Verfügung nun Spiegelbild der subjektiven Gedanken504, muss das Wissen des Getäuschten die Preisgabe der Sache beinhalten. Der Getäuschte muss daher
502
Siehe die Erläuterung dazu in Kapitel 2: A. III. 2. b) bb) (1) (b). Insofern kommt es zu einer Übereinstimmung mit dem ersten Verfügungsmerkmal Miehes, Unbewußte Verfügungen, S. 55, 60 ff.; sinngemäß auch die Betrachtung von Wedekind, NJW 1969, 1128 (1129); bestritten von Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 93 f., 98; a. A. auch Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 242 Rn. 48; Nöldeke, Die Begriffe des Gewahrsams und der Wegnahme beim Diebstahl, S. 103. 504 Zustimmend Knoben, Der Grundgedanke des Betrugstatbestandes, S. 35. 503
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wissen, dass er nicht nur auf die Herrschaft an einer Sache einwirkt, sondern diese auch verliert.505 Darüber hinaus dürfen im Hinblick auf die Kausalität zu Täuschung und Irrtum keine überzogenen Voraussetzungen an den Wissensstand des Berechtigten gestellt werden. Insbesondere schadet es nicht, wenn das Opfer den Anlass der Aussonderung aus seinem und die Folge der Übertragung in das Vermögen eines anderen verkennt. Es schätzt dann lediglich den Grund für das schädigende Verhalten falsch ein. Die Möglichkeit der Willensbildung, die von der Selbstschädigung vorausgesetzt wird, ist dagegen nicht beeinträchtigt. Ein Irrtum über den Beweggrund und die Folgen des Verschiebungsaktes beinhaltet einen Motivationsirrtum, der die Willensbildung nicht ausschließt, sondern sie lediglich manipuliert. Da der Täter mit der Irreführung gerade eine Verschleierung der wahrheitsmäßigen Grundlage zur Freigabe einer Sache bezweckt, würde andernfalls das Merkmal der Täuschung und seine Folgen über die nichtaufgeklärte Wahrheit gerade selbst zum Ausscheiden einer Betrugsstrafbarkeit führen.506 Der Selbstzweck der Täuschung, die darin liegt, ein bestimmtes Verhalten unter Verfälschung der Vorstellungen des Opfers zu provozieren, wäre empfindlich gestört, dient die Täuschung doch gerade dem Ziel, über Tatsachen wie den Eintritt negativer Folgen für den Berechtigten zu verschleiern. Das Ausscheiden einer Verfügung mangels Kenntnis der Folgen widerspräche zudem dem Wortlaut des Gesetzes. Das Täterverhalten des § 263 StGB verlangt gerade nur eine irreführende Täuschung über Tatsachen, gleich welche Tatsachenfolgen dadurch verschleiert werden. Auf Verfügendenseite können daher keine strengeren Anforderungen gestellt werden, als sie die Täuschung auf Täterseite verlangt. Vor diesem Hintergrund ist die subjektive Seite der Verfügung nicht um das zusätzliche Bewusstsein über etwaige schädigende Folgen des Verhaltens des Opfers oder einen Vermögensabfluss anzureichern.507 Der Getäuschte 505 Abweichend Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 60 f., der verlangt, dass der Getäuschte zumindest vor einer irreführenden Einflussnahme durch den Täter im Gegensatz zu der hier vertretenen Ansicht nicht nur die Herrschaftszugehörigkeit, sondern darüber hinaus das eigene Vermögen als betroffen erkennt und zusätzlich für die Vermögensbewegung gewonnen werden muss; Wedekind, Die Abgrenzung und das Verhältnis von Betrug und Unterschlagung, S. 54 f.; ders., NJW 1969, 1128 (1129), der über eine äußerliche Betrachtung der räumlichen Herrschaftssphären in den Fällen der Täuschung über die Gewahrsamsaufhebung nur ein im Vergleich zu der hier vorgeschlagenen Lösung abgeschwächtes Wissenselement verlangt, das ein bloßes neutrales Verhaltensbewusstsein ohne notwendige Erkenntnis des Verlusts der eigenen tatsächlichen Sachherrschaft beinhaltet. 506 Vgl. dazu Wedekind, Die Abgrenzung und das Verhältnis von Betrug und Unterschlagung, S. 54. 507 Ebenso im Ergebnis RGSt 44, 230 (243 ff.); RGSt 52, 135 f.; RGSt 70, 255 (256); offenbar auch BGHSt 7, 197 (198); BGHSt 19, 37 (45); BGH, NJW 1995, 539; OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922 (923); OLG Dresden, BeckRS 2002, 30262700; Ellscheid, GA 1971, 161 (166); Haack, Die sogenannte Vermögensdisposition beim Be-
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
muss sich nicht über den Erfolg der Gewahrsamsneubegründung auf Täterseite im Klaren sein. Außerdem sind die Überlegungen des Getäuschten zur Neubegründung des Gewahrsams auf Täterseite durch reine Motive gekennzeichnet, die an der isolierten Entscheidung, ob die Sache freigegeben wird oder nicht, nichts ändern. Ein Schädigungsbewusstsein ist damit nicht zu fordern. Weiterer Ausgangspunkt für die Konkretisierung des Opferbewusstseins ist die Überlegung, dass die Verfügung auf objektiver Seite Spiegelbild subjektiver Vorstellungen ist. Da als Maßstab nun der jeweilige Irrtumsgehalt zugrunde gelegt wird, kann nur das Verhalten als Verfügung des Getäuschten bewertet werden, was dem Irrtum korrespondiert, und nicht dasjenige, welches darüber hinausgeht. Weil der Wortlaut des § 263 StGB nicht hinsichtlich verschiedener Irrtumsarten differenziert, ist auch keine Einschränkung auf Ebene der Verfügung vorzunehmen. Insbesondere kann von dem Berechtigten nicht erwartet werden, die Hintergründe und Folgen des Vorgangs vollumfänglich zu überblicken.508 Es entspringt der Natur eines Irrtums, dass Wissensdefizite vorhanden sind. Daher ist nicht das Wissen um den Herrschaftswechsel einer Sache zu fordern. Insbesondere kann auch keine präzise Kenntnis von den abgesteckten Grenzen der Gewahrsamsbereiche erwartet werden. Dafür spricht auch, dass der juristische Laie, dessen Zustimmung relevant ist, nicht zwischen tatsächlicher Sachherrschaft und Gewahrsam unterscheiden kann. Die subjektive Billigung zu einer Vermögensabwanderung, die auf objektiver Tatbestandsseite zum Tragen kommt, ist als willensgetragenes Element an dortiger Stelle der Sache nach ein Fremdkörper. Genauso wie innerhalb der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen der Grundsatz gilt, dass Tatumstände des objektiven Teils, die sich, wie der Gewahrsam, aus normativen Kriterien zusammensetzen, von Laien in ihrem natürlichen Sinngehalt erfasst werden müssen,509 muss das auch für subjektive Überlegungen auf objektiver Tatbestandsebene gelten. In beiden Situationen, geht es, wenn auch auf anderen Ebenen, um die subjektive Einstellung gegenüber normativen Tatbestandsmerkmalen. Von dem Getäuschten truge, S. 35 f.; entgegen seiner früheren (Herzberg, JuS 1971, 516 (517 f.)) Ansicht nun ders., MDR 1972, 93 (97); ders., JuS 1972, 570 (571); Kindhäuser, ZStW 103 (1991), 398 (411); ders., in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 194; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 106 f.; Merz, „Bewußte Selbstschädigung“, S. 100 ff.; Nebelung, Das Zusammentreffen, S. 40; Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 51 Rn. 31 f.; Pröll, GA 63 (1917), 411 (416); Proppe, JA 1996, 321 (327); Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, S. 349; Schmoller, JZ 1991, 117 (121); Seelmann, JuS 1982, 268 (270); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 526. 508 So auch Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 60 f.; abweichend Wedekind, Die Abgrenzung und das Verhältnis von Betrug und Unterschlagung, S. 54 f.; ders., NJW 1969, 1128 (1129), der nicht nur auf den Verlust der Herrschaft, sondern auf den gesamten Vorgang der Gutsverschiebung abstellt. 509 Ähnlich G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Getäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 52; allgemein Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 243.
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kann für die Wirksamkeit der Zustimmung nicht die richtige Einordnung der rechtlichen Lage, in concreto der Gewahrsamsbeziehungen, erwartet werden. Das Bestehen einer Erlaubnis kann a maiore ad minus auch nicht von der rechtlich einwandfreien Würdigung eines Gewahrsamsverlusts abhängig gemacht werden. Da das Opfer schon keine Kenntnis von den Gewahrsamsbeziehungen haben muss, ist erst recht kein Wissen um die Zufügung eines Gewahrsamsschadens auf Seiten des Opfers notwendig. Es genügt die schlichte Erkenntnis, dass die Sachbewegung zu einer Aufgabe der Herrschaft auf Seiten des Getäuschten führt. Dagegen muss das Opfer keine Kenntnis von einem Gewahrsamsverlust haben. Zusammenfassend ist für eine einvernehmliche Vermögensdisposition auf Wissensseite zum Ersten die Wahrnehmung der rein äußerlichen Sachbewegung durch das Opfer notwendiger Mindeststandard. Hinreichend ist zum Zweiten das Wissen des Opfers durch sein Verhalten einen Herrschaftsverlust an einer Sache, die zumindest auch seiner faktischen Gewaltsphäre unterliegt, herbeizuführen. Das Wissenselement ist ferner dahingehend eingeschränkt, dass der Berechtigte nicht in vollem Umfang die Tragweite seines Verhaltens erkennen muss. Es genügt, wenn er weiß, dass eine Herrschaftsminderung an einer Sache stattfindet. In Verknüpfung mit der zuvor durch Auslegung des Gesetzes festgestellten positiven Willenseinstellung des Opfers muss diesen Wissensvoraussetzungen zugestimmt werden, um eine Verfügung im Sinne des Betrugstatbestands annehmen zu können. Der Berechtigte muss daher einem wahrgenommenen Herrschaftsverlust zustimmen. Will sich der Berechtigte dagegen weitere Kontrollmöglichkeiten an der Sache vorbehalten, wird keine Bewilligung erteilt. Subjektiv setzt sich eine Verfügung daher aus einem positiven Willen zu einem selbstschädigenden Verhalten plus dem Wissen um den Verlust der Herrschaft an einer Sache zusammen. Insgesamt erfordert die Verfügung im Sinne des § 263 StGB daher unter der Zusammenfügung des Willens- und Wissensmoments ein herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein des Getäuschten. Um das Irrtumsmerkmal nicht auszuhöhlen, sind keine weitergehenden Restriktionen bezüglich des Informationsstands zu fordern. Im Speziellen bedarf es keines Schädigungsbewusstseins bzw. keines Gewahrsamsübertragungsbewusstseins. (b) Das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein bezogen auf die einzelnen Verhaltensweisen Das Wissens- und Willensminimum ist soeben dargelegt worden. Im nächsten Schritt wird auf das oben angesprochene zweite Problem, die Vereinbarkeit des subjektiven Minimalkonsenses mit den Verhaltensalternativen des Handelns, Duldens und Unterlassens, eingegangen. Zu untersuchen ist, welche dieser Verhaltensweisen dem durch eigene Auslegung ermittelten subjektiven Minimalkonsens des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins der Verfügung und damit den Anforderungen an den selbstschädigenden Betrug gerecht werden.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
Dazu sind zunächst die Unterschiede der einzelnen Verhaltensweisen herauszustellen. Unter Zurückbesinnung auf die oben genannten Varianten der Taterfüllung im „Rucksack“-Fall fällt auf, dass im Unterschied zur ersten und zweiten Variante (Handeln und Dulden) in der letzten Fallalternative (Unterlassen) das Opfer der Sachverschiebung zumindest nicht mental beiwohnt. In der ersten und zweiten Variante ist das Opfer hingegen geistig anwesend. Das folgt bei einem Handeln (erste Variante) schon daraus, dass ein menschliches Verhalten nur deshalb in Gang kommt, weil es einen Bezugspunkt hat, das den Denk- und später auch den Betätigungsprozess anstößt. Beteiligt sich das Opfer daher aktiv an der Sachverschiebung, weiß es davon und will sie auch. Daher besitzt es bei einem Handeln in der Regel ein herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein. Ausnahmen sind nur dann gerechtfertigt, wenn es dem Vorgang der Sachverschiebung zwar körperlich beiwohnt, ihn aber nicht als solche erkennt.510 Ein Handeln erfüllt daher grundsätzlich die Voraussetzungen an den selbstschädigenden Betrug. Gleiches gilt in der Duldensvariante: Diese spiegelt einen inneren Ablauf wider, bei dem das Opfer aufgrund eines Gedankenvorgangs ein Verhalten zur Verhinderung des Übergangs der Sachherrschaft gezielt unterdrückt. Hinsichtlich der Willenseinstellung entspricht das Handeln auf aktiver Seite dem Dulden auf passiver Seite; das Handeln unterscheidet sich lediglich durch das nach außen in Erscheinung tretende Verhalten vom Dulden. Das Dulden zeichnet sich im Genaueren dadurch aus, dass ihm das Verhalten eines Dritten vorausgeht und/oder noch andauert und der Berechtigte diesem Verhalten gegenüber keine Gegenwehr unternimmt. Damit treffen hier ein aktives Handeln des Täters und ein passives Geschehenlassen auf Opferseite zusammen.511 Geduldet werden kann ferner nur etwas, was auch wahrgenommen wird. Dafür ist es notwendig, dass der Duldende das Verhalten des Fremden kennt.512 Das ergibt sich aus dem natürlichen Verständnis der Duldung. Eine unwissentliche Duldung gibt es nicht.513 Ein Dulden ist nur erfüllt, wenn das Opfer eine Vermögensentziehung hinnimmt, von der es Kenntnis hat. Weil das Opfer im Rahmen des Duldens erkennt, dass eine Sachbewegung stattfindet, ist der soeben gefundene Wissensstandard des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins erfüllt. Auch hinsichtlich des Willenselements erfüllt eine Duldung die subjektiven Minimalvoraussetzungen. Vorhergehende Überlegungen haben zu dem Schluss
510
Näher dazu Kapitel 3: A. V. 1. b). Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 97; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 38. 512 Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 46 f.; Roßmüller/Rohrer, Jura 1994, 469 (473). 513 Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 60; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 47; widersprechend Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 68. 511
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geführt, dass das Opfer, das sich Vorstellungen macht, das Täterverhalten entweder bewusst geschehen lassen will oder sich dem Herrschaftsverlust widersetzt. Ein Dazwischen kann es nicht geben.514 Diese letzte Alternative ist in der Realität nicht existent. Dieses Dazwischen kann allenfalls auf einer Nichtvorstellung beruhen. Dieses indifferente Verhalten und eine Missbilligung sind im Rahmen des Duldens aber begriffsnotwendig ausgeschlossen. Für die Duldung ist die Zustimmung zu dem Sachverlust begriffsnotwendig. Es ist irrsinnig, anzunehmen, dass das Opfer erkannte drohende Sachverluste hinnimmt, die es nicht will. Dem Dulden wohnt nach der Natur der Sache schon ein positiver Willensentschluss inne. Damit erfüllt es insgesamt die Anforderungen an das subjektive Minimum des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins im Rahmen des Betrugs. Ein Dulden, das sich nach außen hin als Unterlassen erkennbar macht, wird dem Betrug als Selbstschädigungsdelikt stets gerecht. Fraglich ist, ob die dritte denkbare Verfügungsform, das Unterlassen, von der Verfügung im Sinne des § 263 StGB unter Zugrundelegung des eben erarbeiteten subjektiven Bewusstseinsminimums erfasst sein kann. Dabei sind zunächst die Unterschiede zwischen Unterlassen und Dulden zu klären, die sich nach dem äußerlich Sichtbaren gleichermaßen in einem Nichtstun erschöpfen. Wegen der äußerlichen Identität beider Abläufe hat das wahrnehmbare Erscheinungsbild keine indizielle Wirkung. So können nur innere Momente als Differenzierungsmerkmale herangezogen werden. Wenngleich das Verhalten bei einem Dulden wie auch einem Unterlassen gleichermaßen durch Passivität geprägt ist, weist ein Dulden ein Mehr an intellektueller Auseinandersetzung gegenüber einem Unterlassen auf.515 Das Opfer hat sich in dem Fall des Duldens stärker mit den von dem Täter gebotenen Handlungsvarianten auseinandergesetzt und unternimmt keine Gegenwehr gegen die vorangehende Täterhandlung.516 Im Gegensatz zum Dulden liegt bei einem Unterlassen überhaupt keine Auseinandersetzung des Verletzten mit einer Sachbewegung vor. Auch findet bei einem Unterlassen keinerlei Reflexion statt, anlässlich derer ein Gedankenprozess angestoßen werden könnte. Ein Unterlassen liegt in diesem Sinne daher vor, wenn dem Opfer jegliche Kenntnis über die Sachverschiebung entzogen ist.517 Dieser Bestandserhaltung liegen keine Vorstellungen zugrunde, die ein von der Arbeit ermitteltes bewusstes Verhalten auslösen können. Gerade das setzt aber das Verfügungsmerkmal des Betrugstatbestands, das zumindest eine Willensbildung verlangt, voraus. Das Opfer eines selbstschädigenden Betrugs muss sich
514 Siehe Kapitel 2: A. II. 2. b) bb) (2); das nimmt aber Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 49 f. an. 515 Anders Samson, JA 1978, 564, nach dem Dulden und Unterlassen identisch sind. 516 Ähnlich Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 102. 517 Zustimmend Fey, Die Vermögensdelikte, S. 30.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
nämlich ansatzweise irrige Gedanken zu seinem Verhalten gemacht haben. Damit reicht ein reines Unterlassen den Anforderungen an das durch die eigene Auslegung des Betrugstatbestands abgeleitete herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein nicht aus. Es erfüllt daher nicht das Betrugsmerkmal der Verfügung. Eine Vermögensverfügung im Bereich des Gewahrsamsbetrugs erfüllen nur die Verhaltensweisen des Handelns und Duldens.518 Die Fallgestaltungen des „Rucksack“-Falls dienen der Erhellung des eben Gesagten. In der ersten Variante ist die Übergabe der Sache von dem Gedanken des Opfers beherrscht, A sei Berechtigter. Die Handlung ist Ergebnis eines Willensbildungsprozesses, in dem der Berechtigte weiß, dass er eine Sache, die seiner Herrschaft unterliegt, verliert. Diesem Verlust stimmt B auch zu. Gleiches gilt für die zweite Variante. B gewährt die Ansichnahme des Rucksacks durch den Täter, die er als einen Sachverlust aus seiner Herrschaft realisiert. In diesem Gewährenlassen liegt eine Duldung, die den Anforderungen an das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein gerecht wird. Anders dagegen in der letzten Variante: Ohne Registrierung der Sachbewegung liegt ein Unterlassen vor. Dem Liegenlassen des Rucksacks liegt kein Denkmanöver zugrunde, das sich mit dem Verbleib der Sache befasst. Die Herrschaftsausübung wird unreflektiert gelockert. Das pure Unterlassen in der hier beschriebenen Form ist von der Duldensvariante darin zu scheiden, dass es auf keinem inneren Beweggrund im Hinblick auf die Sache beruht. Unterlassen ist damit stets unbewusstes Verhalten im Sinne der Nichtkenntnis des Vorgangs der Sachabwanderung. Bewusstes passives Verhalten auf der anderen Seite bezeichnet ein Dulden, niemals aber Unterlassen. Aus den Überlegungen zu diesem Punkt ist Folgendes zu resümieren: Subjektiv-inhaltlich verlangt die Vermögensverfügung einen Denkprozess, der über den Verbleib der Sache in einer Herrschaftssphäre entscheidet. Dieses Bewusstsein wird von der Arbeit als herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein bezeichnet. Es
518 So mit anderer Begründung auch Bockelmann, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 8. Bd., S. 40; Görgen, Die Vermögensverfügung durch Unterlassung, S. 35; differenzierend Hansen, MDR 1975, 533 (536 ff.), der stets ein zeitlich fixierbares Verhalten verlangt, was zumindest im Falle unbewussten Unterlassens nicht gegeben ist; ebenso Kaufmann, Die Dogmatik der Unterlassungsdelikte, S. 25; im Ergebnis zustimmend Knoben, Der Grundgedanke des Betrugstatbestandes, S. 36; Naucke, Zur Lehre vom strafbaren Betrug, S. 115, 215, 247; Otto, ZStW 79 (1967), 59 (68); Bedenken auch bei Ranft, Jura 1992, 66 (71); Welzel, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 8. Bd., S. 37; ders., Das Deutsche Strafrecht, S. 371; anders dagegen die herrschende Ansicht: BGHSt 14, 170 (171); Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 60; Fey, Die Vermögensdelikte, S. 30; Hardwig, GA 1965, 6 Fn. 1; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 200; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 42; Schäfer, Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 8. Bd., S. 39; Schraft, Die Vermögensverfügung des Getäuschten als Tatbestandsmerkmal des Betrugs, S. 117; Schröder, MDR 1950, 398.
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ist nicht bei jedem beliebigen erkennbaren Verhalten des Opfers erfüllt. Im Rahmen des aktiven Tuns ist zu untersuchen, ob der positiven Handlung des Getäuschten ein Motivationsprozess vorausgeht. Dagegen wohnt dem Dulden begrifflich bereits ein Bewusstsein für eine Unterlassung inne. Die Duldungsvariante präsentiert sich als gemischte positiv-negative Verhaltensweise, in der Täter- und Opferverhalten aufeinander abgestimmt sind. Eine Duldung beinhaltet stets ein Bewusstsein in Form des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins. Das Unterlassen hingegen scheidet entsprechend der hier gefundenen gegenüber dem Dulden abzugrenzenden Definition naturgemäß aus dem Bereich selbstschädigender Verfügungen aus. Einem reinen Nichtstun liegt niemals eine willentliche Beschlussfassung zugrunde. Charakteristikum ist gerade die mangelnde Reflexion über das Herrschaftsschicksal einer Sache. In dem reinen Unterlassen in dem hier gegenüber dem Dulden verstandenen Sinn kann daher keine Verfügung gesehen werden. Die Vermögensverfügung kann nur durch ein Handeln oder Dulden begangen werden. cc) Erfolg der Vermögensverfügung Eine weitere Eingrenzung erfährt der Verfügungsbegriff durch die inhaltlichen Überlegungen zum Schadensmerkmal, das das Gesetz als Enderfolg normiert.519 Da das Gesetz den Schadensbegriff520 ausdrücklich nennt, kann die Schadensfeststellung nicht mit der Frage nach dem Vorliegen des eigenständigen Verfügungsmerkmals uno actu verschmelzen.521 Dennoch ist die Verfügung von dem Schadensmerkmal nicht unbeeinflusst. Das normierte Schadenselement gibt sogar die Richtung des Korrektivs vor: Auf Schadensebene ist ganz allgemein der Ausgleich dessen, was Ergebnis der Verfügung war, zu beurteilen. Das tatbestandliche Schadenselement ist nach seiner Definition erfüllt, wenn das Opfer eine wirtschaftlich relevante Vermögensminderung erleidet.522 Das wiederum ist gegeben, wenn kumulativ Werte aus dem Vermögen des Getäuschten herausgeschafft werden und ein Ausgleich simultan ausbleibt.523 Bei der Auslegung des Gesetzes wird diese allgemeine Definition des Schadens zugrunde gelegt.
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Entgegen dem Wortlaut Kempermann, ZStW 57 (1938), 126 (148). Zu den einzelnen Definitionen vertiefend Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 183 ff. 521 Zustimmend BayObLGSt 1993, 176 (177); Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 263 Rn. 37; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 58; Küper, Strafrecht Besonderer Teil, S. 388; bestritten von Bittner, MDR 1970, 291 (292); Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 53 f., 88; Schmidhäuser, in: Festschrift für Herbert Tröndle, S. 305 (309 ff.). 522 Schmidhäuser, in: Festschrift für Herbert Tröndle, S. 305 (306); Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 158. 523 Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 538. 520
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
(1) Bestimmung nach der herrschenden Ansicht Die herrschende Ansicht erblickt den Erfolg der Vermögensverfügung in einer unmittelbaren Vermögensminderung.524 Wegen der Relevanz des Unmittelbarkeitskriteriums für die Abgrenzung wird ihm ein eigenständiger Prüfungskomplex im Rahmen des dritten Kapitels gewidmet. Dort wird dieser Abgrenzungsparameter auf seine dogmatische Schlüssigkeit sowie praktische Tauglichkeit überprüft. Dabei werden ihm die jetzt durch die eigene Gesetzesauslegung ermittelten Aussagen gegenübergestellt. (2) Bestimmung durch eigene Auslegung des Gesetzes Der wirtschaftliche Abfluss auf Getäuschtenseite, den die Definition des Schadens nennt, fällt in den Zuständigkeitsbereich des Opfers. Das gebietet die Charakterisierung als Selbstschädigungsdelikt. Daraus ist die Konsequenz zu ziehen, dass nur das verfügende Verhalten des Berechtigten, aber kein weiterer opferfremder Akt zu einem wirtschaftlichen Vermögensabfluss geführt haben darf. Der Werteschwund kann nur in dem Erfolg des Opferverhaltens begriffen werden.525 Die Minderung des Vermögens muss daher in der Verfügung inkludiert sein und ist von dem Schadensbegriff zu trennen. Ob es tatsächlich zu einem Schaden kam, hängt nun von der weiteren Bilanzierung der wirtschaftlichen Lage des Opfers ab.526 Floss dem Vermögen des Opfers kein aufwertender Vermögensbestandteil zu, weil die dazu notwendige Täterhandlung unterblieb, ist neben einer Minderung auch ein Schaden zu bejahen. Dessen Bestimmung hängt jedenfalls von anderweitigen Kriterien ab, die das Opfer nicht mehr beeinflussen kann und die daher nicht mehr in den dem Berechtigten zurechenbaren Bereich eines selbstschädigenden Verhaltens fallen. So führt auch eine Minderung nicht stets zu einem Vermögensschaden, sofern ihr ein im Mindesten gleichwertiges Äquivalent zufließt.527 Aufgrund dieser Überlegungen ist eine Aufspaltung in Minderung und Schaden geboten. Für die Feststellung der Minderung bleibt nur Raum auf der dem Schaden vorgelagerten Ebene der Vermögensverfügung. Ergebnis der Vermögensverfügung muss ein wirtschaftlich relevanter Abfluss aus dem Gesamtvermögen auf Opferseite sein. Für den speziellen Fall des Gewahrsamsbetrugs ist eine Minderung im
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Siehe Fn. 493. Anders Schraft, Die Vermögensverfügung des Getäuschten als Tatbestandsmerkmal des Betrugs, S. 151. 526 Sinngemäß BGHSt 31, 178 (179); Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 58; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 72; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 97; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 517. 527 Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 262. 525
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Vermögen jedenfalls in dem Zeitpunkt eines Gewahrsamsverlusts zu beklagen. Entsprechend der Ausgestaltung als erfolgskupiertes Delikt528 muss es zu keiner erfolgreichen Gewahrsamsverschiebung zu Gunsten des Täters gekommen sein, obgleich in den meisten Fällen der Verlust mit der Neubegründung des Gewahrsams einhergeht. Die Frage ist nun, auf welchen Zeitpunkt das für die Abgrenzung notwendige subjektiv zustimmende Bewusstsein des Opfers bezogen sein muss. (3) Bezugspunkt des Opferbewusstseins bzw. Vermögensminderung bei der Gewahrsamslockerung Einmal ist denkbar, das Bewusstsein auf den frühen Moment der tatsächlichen Überlassung der Sache zu datieren. Andererseits könnte es auch auf den Zeitpunkt des wirklichen Gewahrsamsverlusts bezogen werden. Diese erstgenannte Situation der bloßen tatsächlichen Überlassung der Sache kennzeichnet die Fallgruppe der Gewahrsamslockerung. Symptomatisch dafür ist die Erlangung der tatsächlichen Sachherrschaft durch den Täter mittels täuschungsbedingten aktiven oder passiven Verhaltens des Berechtigten. Im Rahmen dieser besonderen multikausalen Fallgestaltung wird auf Schädigerseite noch kein Gewahrsam begründet. Obwohl er nicht mehr in der Lage ist, auf die Sache wie früher einzuwirken, hat der Berechtigte die Sache nach sozial-normativen Anschauungen noch nicht aus seinem geschützten Bereich entlassen.529 Das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein könnte nur dann auf diesen frühen Zeitpunkt der Sachüberlassung bezogen werden, wenn die Fälle der Lockerung der Gewahrsamsverhältnisse den Anforderungen an eine Verfügung gerecht werden. Das wiederum setzt voraus, dass die Gewahrsamslockerung eine Minderung des Vermögens als Erfolg des Verfügungsmerkmals begründet. Die konkrete Vorgehensweise in der Frage nach dem Bezugspunkt der inneren Willenseinstellung besteht nun darin, zu analysieren, ob bereits in dem Moment der Gewahrsamslockerung durch tatsächliche Sachübergabe an den Täter eine Minderung als Erfolg des Verfügungsmerkmals bejaht werden kann. Wird sie bejaht, ist die Analyse der Ausrichtung des Willens auf den Zeitpunkt der faktischen Überlassung der Sache vorzuverlegen. Kommt man zu dem Ergebnis der Nichteinbeziehung einer Gewahrsamslockerung in den Bereich der Verfügung, steht fest, dass allein der Zeitpunkt des endgültigen Gewahrsamsverlusts Bezugspunkt für die Bestimmung des Opferbewusstseins sein muss. Auch hier sind die Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur den durch die eigene Auslegung ermittelten Ergebnissen gegenüberzustellen und zu bewerten. 528 BGH, NJW 1984, 987 (988); Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 5; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 352. 529 Siehe oben Kapitel 2: A. II. 1. a) bb).
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
(a) Bestimmung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur In den Fällen, in denen es lediglich zu einer Gewahrsamslockerung kam, wird von zahlreichen Stimmen530 in Rechtsprechung und Literatur bereits ein Schaden und damit erst recht eine zeitlich vorgelagerte Minderung des Vermögens in Form der konkreten Vermögensgefährdung bejaht. Demzufolge ist das Bewusstsein schon auf den Moment der rein faktischen Preisgabe der Sache zu beziehen. Allgemeine Kritik in der Literatur an der Einbeziehung der Gewahrsamslockerung als Vermögensverfügung im Sinne des § 263 StGB erwächst hingegen aus dem Zusammenspiel mit § 242 StGB. Ein erster Kontrapunkt ergibt sich aus dem Vergleich beider Strafandrohungen:531 Demnach ist der Diebstahl nur bei einem geglückten Gewahrsamswechsel vollendet; nur in diesem Fall wird die Möglichkeit des Bestrafens nach dem vollen Strafrahmen ausgelöst. Berücksichtigt man dieselben Strafhöhen beider Delikte, können Wertungswidersprüche nur verhindert werden, wenn ebendiese Voraussetzung des Gewahrsamswechsels auch für den Betrug gefordert wird. Ansonsten ist der Betrugstäter gegenüber dem Dieb unbillig belastet. Außerdem, so die Kritik weiter, kann sich der Betrugstäter, anders als der Dieb, der mit dem bloßen Vorsatz zu einer Gewahrsamslockerung tätig wird, entgegen dem Gedanken des § 242 StGB strafbar machen. Denn als Bestandteil der Zueignungsabsicht setzt der Diebstahl zwingend den Vorsatz dauernder Enteignung voraus. Bei seinem Fehlen tritt mangels Zueignungsabsicht Straflosigkeit der Gebrauchsanmaßung ein. Wegen desselben Vorsatzinhalts kann aber der Betrugstäter wegen der erfüllten Bereicherungsabsicht nach dem Strafrahmen des § 263 StGB bestraft werden, der für den Dieb nicht greift. Gegen die Betrachtung der Lockerung des Gewahrsams als Verfügung wird zweitens argumentiert, dass bei Gleichsetzung der Lockerung mit einem Gewahrsamsverlust eine unerwünschte Überschneidung zwischen Diebstahl und Betrug eintritt.532 Der Täter kann danach schon vor dem Gewahrsamswechsel aufgrund 530 So KG, DStR 4 (1937), 57; OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1407 (1408); Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 94; Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (381); Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 98 ff.; Lackner, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 104; grundsätzlich auch Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 47 f., der die Fälle des durch erschlichene Gewahrsamslockerung eingetretenen Schadens für selten hält; Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 51 Rn. 70; Tenckhoff, JR 1974, 489 (491); differenzierend Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 55, 91 f.; O. H. Schmitt, Die Vermögensverfügung beim Betrug, S. 68 ff.; offengelassen von Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, S. 191 f.; ausdrücklich verneinend Fahl, JA 1996, 40 (48); Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 160; Otto, Jura 1991, 494 (495 f.); Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 69; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 627. 531 Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 232. 532 So Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 271 f.; Weingart, Die Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 8.
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einer Gefährdung des Vermögens wegen Betrugs bestraft werden und ab dem später endgültig eingetretenen Gewahrsamswechsel zusätzlich nach § 242 StGB. Dem steht allerdings der anerkannte kontradiktorische Gegensatz beider Tatbestände entgegen. Aus diesem Grund kann erst ab dem Stadium des Gewahrsamswechsels eine Vermögensverfügung bejaht werden. Unter dem Einfluss des § 242 StGB muss man zu dem Ergebnis kommen, dass eine Gewahrsamslockerung nicht unter das Tatbestandsmerkmal der Vermögensverfügung subsumierbar ist. Nach dieser Gegenansicht ist das Bewusstsein daher erst auf den Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts zu beziehen. (b) Bestimmung durch eigene Auslegung des Gesetzes und nach eigenen Überlegungen Auch durch die eigene Auslegung des Gesetzes gelangt man zu dem Ergebnis der letztgenannten Auffassung aus Rechtsprechung und Literatur. Dennoch ist die Rekrutierung des Verhältnisses beider Tatbestände zueinander der falsche Weg. Unübersehbar gibt es Verknüpfungen zwischen beiden Tatbeständen. Gleichwohl kann der Inhalt einer Strafnorm im Gegensatz zu dieser Auffassung nicht wegen unlösbarer Widersprüche zu anderen Delikten bestimmt werden. Wann der Betrugstatbestand erfüllt ist, ist regelungsautonom durch Konkretisierung des eigentümlichen Betrugsunrechts festzulegen.533 Diese singuläre Betrachtungsweise führt, wie die folgenden Überlegungen zeigen, gleichfalls zu einer Ablehnung der Gewahrsamslockerung als Verfügung im Sinne des Betrugstatbestands. Daher ist auch der Bezugspunkt des Opferbewusstseins auf den Gewahrsamsverlust zu beziehen. Dass die Konstruktion einer schädigenden Vermögensgefährdung aus Betrugsgesichtspunkten auf wackeligen Füßen steht, beweist schon der innerhalb der Norm des § 263 StGB auftretende Widerspruch. Die strafzumessungsrechtliche Formulierung des § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB belegt ausnahmsweise die Gefahr eines Schadenseintritts mit Strafe. De lege lata schließt § 263 Abs. 1 StGB daher allgemein die Gleichsetzung der Gefahr mit dem Schaden aus.534 Der Betrug ist bislang kein Gefährdungsdelikt.535 Zudem unterscheiden sich Schaden und bloße Gefahr schon rein begrifflich darin, dass Letztere lediglich eine Vorstufe zum Enderfolg eines Schadens darstellt. Aus dem Umkehrschluss zu § 263 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB und dem natürlichen Wortsinn ergibt sich vielmehr, dass die Begriffe nicht beliebig austauschbar sind. 533
Siehe Einleitung B. Zustimmend Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 301. 535 BVerfGE 130, 1 (47); siehe auch BGH, NJW 2009, 2390 (2391); Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 8, 533; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 630; Würz, Die Vermögensgefährdung, S. 5. 534
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Gegen eine Gleichsetzung von Gefahr mit Schaden sprechen auch die folgenden Überlegungen: Generell begründet eine Vermögensgefährdung dann einen Vermögensschaden, sobald die ihn begründenden Tatsachen derart konkretisiert sind, dass er bei ungehindertem Geschehensablauf hinreichend wahrscheinlich ist. Die rein abstrakte Möglichkeit dazu genügt nicht.536 Nur wenn die Gefahr sich aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem Schaden realisiert, ist im Zeitpunkt des Gefahreintritts schon eine Minderung des Gesamtvermögenswerts anzunehmen.537 Das setzt voraus, dass zeitgleich mit dem Opferverhalten eine Vermögensminderung einhergeht, die sich später in einen endgültigen Schaden verfestigt.538 Hat der Berechtigte noch zumutbare Möglichkeiten, den Eintritt eines endgültigen Schadens zu vereiteln, ist ein Gefährdungsschaden in der Regel zu verneinen.539 Unter diesen Prämissen ist der Raum für die Annahme von Vermögensgefährdungen begrenzt.540 Der Schwerpunkt der Fälle, in denen die Gefahr an das kritische Stadium des Schadens heranreicht, ist den Konstellationen des Forderungsbetrugs zuzusprechen.541 Konkret in dem Fall der Gewahrsamslockerung ist gewiss die Gefahr begründet, einen endgültigen Schaden durch einen Gewahrsamsverlust herbeizuführen. Bei ungehindertem Geschehensablauf tritt die Verschiebung an dem Gewahrsam der Sache indessen nicht ein. Vielmehr ist im Rahmen des lediglich gelockerten Gewahrsams ein weiteres Verhalten des Täters notwendig, das dem Getäuschten die Sachgewalt bis auf Weiteres entzieht.542 Daher begründet eine Gewahrsamslockerung noch keine hinreichende Tatsachenbasis für einen Gewahrsamsverlust. Dieser ist allenfalls möglich, aber nicht zwingend. Im Zeitpunkt einer Gewahrsamslockerung liegt erst ein versuchter Gewahrsamsentzug vor.543 536 BGHSt 21, 112 (113); BGHSt 34, 394 (395); BGH, StV 1995, 24 f.; nach Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 235, setzt eine Vermögensgefährdung sogar „einen nicht mehr umkehrbaren Kausalverlauf“ voraus; Schröder, JR 1971, 74 f. 537 BGH, NStZ 2004, 264 (265); BGHSt 51, 165 (177). 538 Siehe BGHSt 53, 199 (202); Fischer, StGB § 263 Rn. 159 f.; treffend Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 185 und Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 168, die zwischen Gefährdung und Schaden einen lediglich quantitativen Unterschied sehen. 539 Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 172a. 540 Dazu auch Lenckner, JZ 1971, 320 (321); Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 43 ff. 541 Siehe BGHSt 15, 24 (27 f.); BGH, NJW 1965, 702 (703); BGHSt 25, 224 (226); BGHSt 34, 394 (395); BGH, StV 1995, 24; BGHSt 48, 331 (346); BGH, NStZ 2004, 264; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 303; Otto, JZ 1985, 69 (72); Schröder, JR 1971, 74; vgl. die Beispielfälle bei Würz, Die Vermögensgefährdung, S. 2 f. 542 Siehe Jäger, JuS 2010, 761 (763). 543 Ebenso Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 131; grundsätzlich auch G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Getäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 65 f.
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Vergegenwärtigt man sich zudem die Leitlinien des Bundesverfassungsgerichts544, das zwar unter grundsätzlicher Anerkennung der Figur der Vermögensgefährdung als Schaden diese Prämissen jedoch dahingehend ergänzt, dass der künftige Schaden in seiner Höhe genauestens beziffert und wirtschaftlich transparent vor Gericht begreifbar gemacht werden muss, wird die enge Marge der schädigungsrelevanten Gefährdungen deutlich. Zwar können die Gewahrsamsbeziehungen für sich gesehen als Bestandteile des Vermögens einer Person durch einen in Geld messbaren Richtwert dargestellt werden. Ihre genaue Bezifferung fällt jedoch schwer. Der Gewahrsam ist, wie schon erläutert, ein tatsächliches Verhältnis, das, diametral zum Eigentum, eben keine exakt feststehende geldwerte Größe verkörpert. Sein Entzug kann nur in Gestalt von Surrogatansprüchen (§§ 987 ff. BGB) als pekuniäre Einbuße dargestellt werden. Einen wirtschaftlichen Schaden nun im Vorstadium des Gewahrsamswechsels festzustellen, also in dem Moment, in dem die bisherigen Gewahrsamsverhältnisse fortbestehen, ist mangels bilanzrechtlicher Darstellbarkeit definitiv nicht möglich. Ein letztes Gegenargument ergibt sich aus praxisnahen Überlegungen. Unter Vergegenwärtigung der Risiken, die im alltäglichen Wirtschaftsverkehr (Warenauslage in und sogar vor Selbstbedienungsläden; Vereinbarung von Vorleistungspflichten) lauern, pervertiert die erstgenannte Ansicht aus Rechtsprechung und Literatur nahezu jede geschäftliche Betätigung zu einer Vermögensgefährdung. Jede do-ut-des-Beziehung birgt Wagnisse, die hingenommen werden müssen. Diese sogleich als Gefährdungen des Vermögens und damit als Minderung und Schaden im Sinne des Betrugs zu deuten, würde wegen der aufkommenden Unsicherheiten bei den Geschäftspartnern den reibungslosen Ablauf von Austauschgeschäften durch Einführung weitergehender Sicherungen empfindlich stören. Im Gegenteil: Jeder vernünftige Geschäftsinhaber wird keine Gelegenheit auslassen, sich die Möglichkeiten einer kundennahen Auslage zunutze zu machen, um einen größeren Kaufanreiz zu schaffen. Das Ziel der Gewahrsamslockerung geht in diesen Bereichen gerade mit einer Stärkung der wirtschaftlichen Position einher. Insbesondere zählt es zu den sozial anerkannten Gewohnheiten im Wirtschaftsverkehr, eine Sache vor dem Kauf auf ihre Nutzbarkeit zu überprüfen. So gehört beispielsweise zum gewöhnlichen Ablauf eines Autokaufs die Probefahrt. Sie ist Paradefall der Gewahrsamslockerung. Eine Verweigerung derselben wäre undenkbar und würde erst recht zu einem wirtschaftlichen Misserfolg führen. Es wäre mit dem Verständnis über die Sozialadäquanz von Geschäftspraktiken unverträglich, in all diesen Fällen eine wirtschaftliche Vermögenseinbuße anzunehmen. Mit diesem Wirklichkeitsbezug ist unter Anerkennung der wirtschaftlichen Ausrichtung des Betrugstatbestands dargelegt, dass eine Gewahrsamslockerung 544 BVerfG, NJW 2009, 2370 (2372); BVerfG, NJW 2010, 3209 (3220); BVerfGE 126, 170 (226 ff.); BVerfGE 130, 1 (47); zustimmend Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 263 Rn. 69.
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noch nicht zu einer Aushöhlung der Gewahrsamsstellung führt. Durch Verbleib des Gewahrsams bei dem Getäuschten tritt noch kein Schaden in Form der Vermögensgefährdung und erst recht keine ihm vorgelagerte Minderung ein. Erst mit dem endgültigen Entzug der Sache aus seinem Herrschaftsbereich erleidet der Berechtigte eine wirtschaftlich relevante Einbuße im Sinne des § 263 StGB. Die Lockerung des Gewahrsams ist daher keine betrugsrechtlich relevante Vermögensverfügung. Um zu der Ausgangsfrage zurückzukehren, ist nun zwischen der Wertung, dass eine Gewahrsamslockerung noch keine Verfügung darstellt und dem Bezugspunkt des Opferbewusstseins ein Bogen zu spannen. Wenn in der bloßen Sachverschaffung schon keine Verfügung erblickt wird, dann kann sich die Prüfung des Opferbewusstseins in Form des hier ermittelten herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins auch nicht auf den Verlust der tatsächlichen Sachherrschaft beziehen. Vielmehr ist das Opferbewusstsein auf den späteren Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts zu datieren. Zusammenfassend ergibt die Untersuchung zu diesem Punkt, dass nicht jedes Handeln oder Dulden zu einem Schaden führt. Zwischenglied in der Kausalreihe muss eine Vermögensminderung als Vorstufe zum Schaden sein. Diese wird durch ein lediglich den Gewahrsam lockerndes Verhalten des Opfers noch nicht provoziert. Ein opferfremdes Verhalten wäre gleichfalls nicht tauglich, den Erfolg des Schadens als Akt der Selbstschädigung zu begreifen. Zur Bejahung einer Verfügung in den Fällen des Gewahrsamsbetrugs muss ein Gewahrsamsverlust eintreten. Für die Erforschung des Bewusstseins des Getäuschten hat das die Konsequenz, dass sie auf den Moment des Wegfallens der Gewahrsamsverbindung, nicht schon auf den Zeitpunkt einer eventuellen Gewahrsamslockerung zu beziehen ist. Die Bewusstseinseinstellung im Zeitpunkt der tatsächlichen Überlassung der Sache ist unbeachtlich, da in diesem Moment nicht automatisch ein Gewahrsamsverlust eintreten muss. Bezugspunkt für das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein kann nicht der Moment der rein faktischen Sachüberlassung, sondern nur der Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts sein.
dd) Abschließende eigene Definition der Vermögensverfügung Die vorangehende Untersuchung hat gezeigt, dass das in dem Betrug veranlagte, zur sinngemäßen Verknüpfung notwendige Verfügungskriterium durch Auslegung hinreichend genau bestimmbar ist. Sowohl der Gegenstand wie auch Inhalt und Erfolg der Verfügung konnten zufriedenstellend auf Grundlage des Gesetzes konkretisiert werden. Im Rahmen des Gewahrsamsbetrugs ist Gegenstand der Verfügung ein Gewahrsamsverhältnis als Teil des Gesamtvermögens einer Person. Inhaltlich hat die eigene Auslegung ergeben, dass die Verfügung zwar objektiv verhaltensneutral, aber nicht gesinnungsneutral ist.
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So kann sich das Opferverhalten in objektiver Hinsicht sowohl in einem Tun als auch Unterlassen äußern. Subjektiv sind allerdings Einschränkungen vorzunehmen. Durch die Auslegung des Gesetzes konnte das Bewusstseinsminimum des Opfers eines Betrugs ermittelt werden. Danach setzt der Betrugstatbestand einen Bewusstseinsstandard voraus, der von der Arbeit als herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein bezeichnet wird. Es beinhaltet einerseits die Kenntnis eines Herrschaftsverlusts an einer Sache aus dem eigenen Herrschaftsbereich. Andererseits muss das Opfer diesem Herrschaftsverlust zustimmen. Diese Bewusstseinsform kann sich ferner nur in den Verhaltensformen des Handelns oder Duldens äußern. Schließlich wurde aus eigenen Überlegungen unter Rückschlüssen aus der Figur der Gewahrsamslockerung abgeleitet, dass das entwickelte herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein in dem Moment der Vermögensminderung, die den Erfolg der Verfügung markiert, gegeben sein muss. Denn konkret auf den in dieser Arbeit relevanten Gewahrsamsbetrug bezogen tritt der Erfolg erst im Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts ein, nicht schon im Moment der bloßen Lockerung. Zusammenfassend lässt sich die in der Arbeit ermittelte Definition der Vermögensverfügung im Rahmen des Gewahrsamsbetrugs auf folgende Sätze reduzieren: Unter einer Vermögensverfügung ist objektiv jedes Handeln oder Dulden des Getäuschten zu verstehen, das zu einem Gewahrsamsverlust zu Lasten des Berechtigten führt. Subjektiv muss das Opfer im Moment des Gewahrsamsverlusts ein herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein besitzen. 3. Zusammenfassender Überblick über die Opferverhaltensweisen als Grundlage für die eigene Abgrenzungslösung Unter Zusammenfassung der soeben erörterten Punkte der Opferverhaltensweisen beider Delikte sind folgende Kernpunkte herauszustellen: Die nach außen sichtbaren Verhaltensweisen der Berechtigten sind sowohl auf Diebstahlsseite wie auch für den Betrugstatbestand ohne Relevanz. Jedes Opfer der beiden abgrenzungsbedürftigen Tatbestände kann aktiv handeln oder passiv bleiben. Als Mittel der Abgrenzung ist die äußerlich sichtbare Reaktion des Opfers im Anschluss an das Täterverhalten nicht geeignet. Eine Entscheidung für die Strafbarkeit nach dem einen oder anderen Delikt lässt sich nur bei näherer Betrachtung des Willens in Bezug auf den Gewahrsamsverlust ermitteln. Um dem Charakter der Fremdschädigung gerecht zu werden, verbietet der Trickdiebstahl eine mentale Mitwirkung des Opfers an der Wegnahme. Dagegen setzt die Betrugsnorm einen willentlichen Herrschaftsverlust voraus. Im Rahmen des Betrugs wird der Getäuschte seiner selbstschädigenden Verfügung in Form eines subjektiven, herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins gerecht. Erforderlich ist jeweils die geistige Ablehnung im Rahmen des Trickdiebstahls bzw. Zustimmung innerhalb des Gewahrsamsbetrugs in die Erleidung eines realisierten Herrschaftsdefizits. Maßstab ist dabei nicht das Fach-
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wissen um die Gewahrsamsverhältnisse, sondern laienmäßig angepasstes Wissen um die Herrschaft an dem Gegenstand. Bezugspunkt des Willens ist jeweils der Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts. Im folgenden zentralen Punkt der Arbeit ist danach zu fragen, wie die durch eigene Auslegung ermittelten Ergebnisse zu den Täter- und Opferverhaltensweisen in einem selbst entwickelten Abgrenzungskonzept nutzbar gemacht werden können.
B. Eigene Abgrenzungslösung und Entwicklung eines Abgrenzungsschemas Die bisherigen Erörterungen in Rechtsprechung und Literatur gründeten auf der Idee, Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug ausschließlich aufgrund ungeschriebener Abgrenzungsmerkmale zu trennen. Anders dagegen verfährt diese Arbeit: Von der anfänglichen Arbeitshypothese, einem bisher unerforschten systemimmanenten Abgrenzungsansatz ausgehend, untersuchte die Arbeit anhand der geläufigen Auslegungsmethoden beide zu differenzierenden Tatbestände unabhängig voneinander. Um das angekündigte Ziel der Arbeit, eine klare Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug, zu erreichen, sind die gefundenen neuen Erkenntnisse nun in einem eigens entwickelten Abgrenzungskonzept fruchtbar zu machen. Innerhalb dieser neuartigen Abgrenzungsmethode stellt die Arbeit eine zweigliedrige Struktur der normeigenen Abgrenzung fest. Das an dieser Stelle einzuführende Abgrenzungsschema ist entsprechend seiner chronologischen Prüfungsreihenfolge als Zwei-Stufen-Prüfung zu benennen. Es drückt in sinnfälliger Verknüpfung die bedeutenden Schritte einer überschneidungsfreien Abgrenzung anhand des Gesetzes aus. Die Entwicklung und Inhalte dieser beiden Stufen werden im Folgenden näher erläutert.
I. Zusammenführung der Auslegungsergebnisse Um dem Ziel eines ganzheitlichen Abgrenzungsschemas näherzukommen, sind zunächst die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der durch voranstehende Auslegung des Gesetzes gefundenen Grundsätze aufzuzeigen. 1. Gemeinsame Mindestanforderungen Aus der bisherigen Untersuchung lassen sich einige Schlüsse für eine sinnvolle Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug ziehen. Die Abgrenzung fängt bereits rein formell auf Ebene des Tatobjekts an. Der Schwerpunkt der Abgrenzung liegt allerdings im Bereich des Täter- bzw. Opferverhaltens.
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Zum Ersten schließen sich Diebstahl und Betrug bereits dann aus, wenn das Tatobjekt eine Forderung bzw. keine fremde, bewegliche oder wertbehaftete Sache ist. Denn einerseits erfordert der Betrugsschutz die finanzielle Messbarkeit der Sache in Geld. Der Diebstahlstatbestand setzt andererseits die Fremdheit und Beweglichkeit einer Sache ausdrücklich voraus. In einem ersten Schritt ist daher als gemeinsames Minimum beider Tatbestände die Fremdheit, Beweglichkeit und Wertbehaftung der Sache in Geld zu fordern. Kennzeichen sowohl des Betrugs wie auch des Trickdiebstahls ist zum Zweiten ein listiges Verhalten des Täters. Beide Delikte sind durch eine psychische Einwirkung auf das Opfer gekennzeichnet. Der weit gefasste Diebstahlstatbestand steht einer Wegnahme mittels Täuschung nicht entgegen, wenngleich das Täuschungselement nicht normierter Faktor innerhalb der Diebstahlsprüfung ist. Anders hingegen im Rahmen des § 263 StGB: Dort ist das Entstehen eines täuschungsbedingten Irrtums gesetzlich vorgeschrieben. Einer Prüfung kann man sich nicht entziehen. Deshalb muss im Weiteren für die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug in Zweipersonenverhältnissen untersucht werden, ob eine Täuschung und ein darauf beruhender Irrtum bejaht werden können. Sind eine Täuschung und ein dadurch vermittelter Irrtum zu verneinen, entsteht kein Kollisionstatbestand. Liegt ein täuschendes Täterverhalten indessen vor, ist bis zu diesem Zeitpunkt offen, ob der Täter wegen eines Betrugsdelikts oder des Straftatbestands eines Diebstahls verurteilt werden kann. Ist die Abgrenzungssituation wegen des Fehlens einer der formellen Voraussetzungen dagegen schon nicht eröffnet, steht fest, dass eine Abgrenzung von Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug von vornherein entfallen muss. Darüber hinaus muss auch eine fortgesetzte Prüfung des Betrugstatbestands mangels Täuschung oder Irrtums ausscheiden. Andererseits ist die Verwirklichung eines einfachen Diebstahls, verübt ohne List, nicht ausgeschlossen. 2. Unterschiede zwischen Trickdiebstahl und Betrug Nachdem die Gemeinsamkeiten zusammengefasst wurden, sind nun die Unterschiede im Täter- und Opferverhalten beider Delikte gegenüberzustellen. a) Im Täterverhalten Im Rahmen des Täterverhaltens setzt der Betrug lediglich eine Täuschung voraus. Der Trickdiebstahl verlangt demgegenüber neben dem Merkmal der Täuschung eine Wegnahme. An diese werden allerdings keine strengen Anforderungen gestellt. So ist als Ergebnis der eigenen Auslegung des Diebstahlstatbestands vor allem die Unbeachtlichkeit der äußerlich sichtbaren Handlungsabläufe hervorzuheben. Für das Täterverhalten des Diebstahls kommen alle beliebigen Verhaltensmodalitäten in Betracht. Die faktischen Eindrücke über ein Handeln oder Unterlassen der Beteiligten ermöglichen keine stichhaltige Abgrenzung.
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Damit haben äußerlich sichtbare Verhaltensabläufe keine indizielle Wirkung für die Unterscheidung zwischen Fremd- bzw. Selbstschädigung. Die Differenzierung kann einzig über die systematische Prüfung der Gewahrsamsverhältnisse unter Hervorhebung des subjektiven Willensaktes des Opfers erfolgen.
b) Im Opferverhalten Auch in Bezug auf das objektiv sichtbare Opferverhalten ist zu resümieren, dass sowohl aktive wie auch unterlassene Handlungen nicht von vornherein über Trickdiebstahl oder Gewahrsamsbetrug entscheiden können. Auf der einen Seite macht der nur an den Eintritt des Erfolgs gebundene Diebstahlstatbestand hinsichtlich des Opferverhaltens keine Vorgaben. Weder setzt er ein solches voraus, noch schließt er es aus. Auf der anderen Seite hat die Auslegung des Gesetzestextes des Betrugs ergeben, dass der Betrugstatbestand als Selbstschädigungsdelikt ein Verhalten des Opfers voraussetzt, das die tatbestandlich normierten Kriterien des Irrtums und des Schadens sinnvoll miteinander verknüpft. Im Einklang mit der herrschenden Ansicht wird dieses Opferverhalten als Vermögensverfügung bezeichnet. In objektiver Hinsicht kann sich diese Verfügung nach selbst gewonnen Erkenntnissen nur in einem Handeln oder Dulden äußern. Damit zeigen sich beide Tatbestände auch in Bezug auf das äußere Opferverhalten offen. Dagegen ergibt die eigene Auslegung des Gesetzes eine Unterscheidung von Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug allein im Hinblick auf die innerliche Bewusstseinseinstellung des Berechtigten im Zeitpunkt des jeweils stattfindenden Gewahrsamsverlusts. Im Falle des Trickdiebstahls muss das Opfer zu dessen Verwirklichung durch den Täter einen Willen besitzen, der dem Verlust der Herrschaft an der Sache entgegensteht. Eine Kenntnis der Gewahrsamsbeziehungen kann von einem Laien nicht gefordert werden und ist daher auch für das Opfer der Wegnahme nicht nötig. Ferner ist der Bezugspunkt des Bewusstseins lediglich der Verlust des Gewahrsams, nicht hingegen der Moment des Gewahrsamswechsels. Innerlich muss das Diebstahlsopfer insgesamt einen fehlenden oder entgegenstehenden Willen gegenüber dem Herrschaftsverlust an der Sache aufweisen. Demgegenüber konnte für den Betrugstatbestand aufgezeigt werden, dass der Verfügung eine positiv willensgetragene Sachaufgabe anhaftet. Das Bewusstsein des Opfers im Rahmen des Gewahrsamsbetrugs setzt voraus, dass es von dem Sachverlust Kenntnis hat und diesen auch will. Für die Bezeichnung dieses im Rahmen des Betrugs notwendigen Minimalbewusstseins wird der Ausdruck „herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein“ gewählt. Die Anforderungen sind an der Laienvorstellung auszurichten. Schließlich ist der Bezugspunkt, in dem das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein vorliegen muss, auf den Zeitpunkt des
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Verlusts des Gewahrsams, nicht hingegen auf den Moment der tatsächlichen Sachübergabe festzulegen. Eine Zusammenschau im Opferverhalten ergibt, dass die Inhalte der tatbestandsausschließenden Zustimmung des Diebstahls und des vorstehend entwickelten herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins, das zu einer Vermögensverfügung führt, deckungsgleich sind. Gleiches gilt für die Bezugspunkte, in denen die bestimmte innere Willenseinstellung gegeben sein muss, um den Tatbestand jeweils zu erfüllen. Beide Male sind die Bewusstseinsinhalte im Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts zu ergründen. Weder ist der Bewusstseinsinhalt vor dem schädigenden Gewahrsamsverlust noch nach ihm von Belang. Damit sind folgende Ergebnisse festzuhalten: Die Delikte des Trickdiebstahls und des Gewahrsamsbetrugs sind derart ungleich miteinander verquickt, dass, sofern die formellen Voraussetzungen erfüllt sind, der Ausschluss des einen Tatbestands die Bejahung des anderen bewirkt und umgekehrt. Eine Abgrenzung kann einwandfrei auf Tatbestandsebene getroffen werden. Eine Lücke kann nicht festgestellt werden. Allein durch die pure Auslegung des Gesetzes kann die Arbeit eine hinreichend bestimmte Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug darlegen.
II. Abgrenzungsschema: Zwei-Stufen-Prüfungsmodell Aus den vorhergehenden auslegenden Erörterungen zu den Tatbestandsmerkmalen sind die Grundlagen für den hier vorzustellenden Lösungsansatz geschaffen worden. Insbesondere das Ineinandergreifen des Trickdiebstahls gegenüber dem Gewahrsamsbetrug lässt ein Zwei-Stufen-Prüfungsschema erkennen. Die zu untersuchenden zwei Stufen werden wie folgt bezeichnet: In der ersten Stufe wird die formelle Eröffnung der Abgrenzung behandelt. Formell deshalb, weil die dort zu prüfenden Voraussetzungen des Tatobjekts und der Täuschung bzw. des Irrtums vorliegen müssen, um überhaupt einen Kollisionsfall zu produzieren. Bereits in diesem Punkt sind einige Konstellationen, die von der herrschenden Ansicht herkömmlich als Abgrenzungssituationen eingestuft werden, aus dem strittigen Bereich auszusondern. Bis dahin können Diebstahl und Betrug gemeinsam vorliegen. Die Weichen werden nun in der zweiten Stufe, die sich maßgeblich mit den Gewahrsamsverhältnissen befasst, gestellt. Weil hier die ausschlaggebenden Parameter einer Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug aufgrund der Gesetzesauslegung ermittelt werden konnten, wird für diesen Prüfungsschritt die Bezeichnung „materielle Abgrenzung“ gewählt. Die Zwei-Stufen-Prüfung lässt unter Zusammenführung der eigenen Auslegungsgrundsätze daher folgenden Aufbau erkennen: Erste Stufe: Formelle Eröffnung der Abgrenzung 1. Gemeinsames Tatobjekt 2. Täuschung und Irrtum
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Zweite Stufe: Materielle Abgrenzung 1. Ursprüngliche Gewahrsamsinhaberschaft 2. Moment des Gewahrsamsverlusts 3. Wille im Moment des Gewahrsamsverlusts Dieses aus dem Gesetz selbst hervorgebrachte Abgrenzungsraster ist im Folgenden zu verdeutlichen. Dabei werden die Kernpunkte der durch die Auslegung des Gesetzes gefundenen Prinzipien nochmals überblicksweise dargestellt. 1. Erste Stufe: Formelle Eröffnung der Abgrenzung Innerhalb der ersten Stufe ist zu prüfen, ob eine Abgrenzungssituation überhaupt eröffnet ist. Ausgangspunkt ist das erörterte Ergebnis, dass es zu einer abgrenzungsbedürftigen Situation immer im Falle eines täuschungsbedingten Irrtums kommt, in dem an einer fremden, beweglichen und wertbehafteten Sache eine Gewahrsamsverschiebung vorgenommen wird. Hier gilt es, sich den erörterten tatbestandlichen Voraussetzungen beider Delikte zu widmen und nach Überschneidungen in Form des kleinsten gemeinsamen Nenners dieser Voraussetzungen zu suchen. Die gemeinsamen Merkmale der fremden, beweglichen und wertbehafteten Sache bzw. des täuschungsbedingten Irrtums nehmen daher entweder die Funktion negativer Ausschlusselemente oder – als kleinster gemeinsamer Nenner – die Mindestanforderungen für eine Abgrenzung ein. Auf dieser Ebene wird entschieden, ob eine Kollision zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug überhaupt stattfinden kann. Damit handelt es sich lediglich um formelle Voraussetzungen, die vor der materiellen Differenzierungsproblematik zu prüfen sind. Sind diese schon nicht erfüllt, muss eine Abgrenzungssituation von vornherein ausscheiden. a) Gemeinsames Tatobjekt Zu einer Überschneidung und damit zu einer Abgrenzung kann es aufgrund der Grundlagenschaffung nur kommen, wenn das Tatobjekt eine fremde, bewegliche und wertbehaftete Sache ist. Nur dieses unterfällt dem Diebstahl wie dem Betrug gleichermaßen. b) Täuschung und Irrtum Darüber hinaus muss in dem Opfer ein Irrtum durch Täuschung hervorgerufen worden sein. Dieses Täterverhalten ist unerlässliche Voraussetzung für die Qualifizierung eines Diebstahls als Trickdiebstahl. Für den Betrug sind die Täuschung und der Irrtum ohnehin zu erfüllende objektive Tatbestandsmerkmale. Anzustreben ist, wie die Auslegung des Gesetzes545 zeigte, ein restriktiver Umgang mit 545 Siehe Kapitel 2: A. II. 2. a) bb) (2) (b) bzw. Kapitel 2: A. II. 2. b) aa) (2) und Kapitel 2: A. II. 2. b) bb) (2).
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den Kriterien der Täuschung und des Irrtums, um den Wortlaut des Gesetzes zu wahren. Damit wird bereits eine große Anzahl an Fällen, die von Rechtsprechung und Literatur unter dem Topos der Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug behandelt werden, aus dem Bereich kollidierender Fälle herausgenommen. Konkret ist aus der vorhergehenden Erörterung zu den Fällen der Warenentwendung aus Selbstbedienungsläden546 folgende Zusammenschau zu treffen: Wegen fehlender Einwirkung auf die Vorstellung des Berechtigten beim Bezahlvorgang an der Kasse scheiden die Fälle aus dem abgrenzungssensiblen Bereich aus, in denen Waren in mitgebrachte Behältnisse oder in die Kleidung eingesteckt und damit in eine Gewahrsamsenklave überführt werden. Gleiches gilt für ein geschicktes Verbergen von Waren im Einkaufswagen. Durch das Nichterfüllen der Voraussetzungen an eine (konkludente und unterlassende) Täuschung ist weder eine Strafbarkeit wegen Trickdiebstahls noch wegen Gewahrsamsbetrugs angezeigt. Dasselbe ist für die Formen der Objektmanipulation, in denen die Veränderung dem Berechtigten nicht geistig zugänglich gemacht wurde, festzustellen. Konkret konnte das anhand der Fälle des Hinzufügens von Waren zu dem bisherigen Verpackungsinhalt und der Umetikettierung nähergebracht werden. So sind einzig die Fälle des Warenaustausches als abgrenzungserheblich herauszufiltern. 2. Zweite Stufe: Materielle Abgrenzung Wurde festgestellt, dass sich wegen der Bejahung eben genannter Kriterien eine Abgrenzungssituation ergibt, ist im nächsten Schritt die materielle Abgrenzung zu prüfen. Ein Ineinandergreifen von Trickdiebstahl und Betrug in Zweipersonenverhältnissen liegt in Situationen vor, in denen ein Gewahrsamsverlust an der Sache eintritt. Speziell im Rahmen des mit dem Trickdiebstahl kollidierenden Betrugsfalls wird eine Verfügung über den Gewahrsam an der Sache getroffen. Um die Begriffe in Bezug auf die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug zu harmonisieren, ist rechtstechnisch korrekt von der Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug zu sprechen. Dies erlaubt es, die Analyse der Gewahrsamsverhältnisse, die sonst nur Gegenstand des Diebstahlsdelikts sind, in die Betrugsprüfung hineinzuverlagern. So zeichnet sich eine Vermögensverfügung im Rahmen des Gewahrsamsbetrugs im Kontext der Abgrenzung gegenüber dem Trickdiebstahl als eine zustimmende Gewahrsamsaufgabe aus. Setzt der spezielle Tatbestand des Gewahrsamsbetrugs die Verfügung an dem Gewahrsam einer Sache wie eben erklärt voraus, erfolgt eine mehrstufige Untersuchung der Gewahrsamsverhältnisse, die ihrerseits aus drei Prüfungsstationen besteht, die einheitlich für den Trickdiebstahl wie auch den Gewahrsamsbetrug zu untersuchen sind.
546
Siehe Kapitel 2: A. II. 2. d).
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a) Ursprüngliche Gewahrsamsinhaberschaft Im ersten Schritt ist nach den ursprünglichen Gewahrsamsverhältnissen zu fragen. Das bestimmt sich anhand der herkömmlichen tatsächlichen, subjektiven und sozial-normativen Kriterien. Mit dieser Prüfung ist festgestellt, welcher der Tatbeteiligten zu einer Fremd- bzw. Selbstschädigung fähig ist. b) Moment des Gewahrsamsverlusts Im zweiten Schritt gilt es, den Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts, nicht den des Gewahrsamswechsels zu erforschen. Der Trickdiebstahl verlangt zwar einen Gewahrsamswechsel als tatbestandsmäßigen Erfolg. Der Betrugstatbestand setzt aber lediglich einen Schaden voraus, der bereits in Form des Gewahrsamsverlusts verwirklicht ist. Das folgt aus der Ausgestaltung des Betrugs als erfolgskupiertes Delikt.547 Um nun zu dem für das Prüfungsmodell maßgeblichen nächsten Prüfungsschritt zu gelangen, ist als kleinster gemeinsamer Überschneidungsbereich der Eintritt nur des ersten Teilakts des Trickdiebstahls, des Gewahrsamsverlusts, vorauszusetzen. Zum einen wird es in den meisten Fällen ohnehin auch im Rahmen des Betrugs zu einem Gewahrsamswechsel kommen, sodass diese Unterscheidung in Verlust und Neubegründung des Gewahrsams entfällt. Zum anderen ist der von dem Wortlaut des Diebstahls vorausgesetzte zweite Teilakt des Täterverhaltens im Anschluss an die Zwei-Stufen-Prüfung festzustellen. Bis zu diesem Zeitpunkt jedenfalls verläuft die Prüfung anhand paralleler Maßstäbe. Der dritte und letzte Schritt umfasst die Erforschung des Opferwillens zum Zeitpunkt des Gewahrsamsabflusses. c) Wille im Moment des Gewahrsamsverlusts Die Weichenstellung für die Schicksale von Trickdiebstahl auf der einen und von Gewahrsamsbetrug auf der anderen Seite erfolgt erst auf ebendieser subjektiven Willensebene des Opfers. Der fremdschädigende Charakter der Wegnahme verlangt einen dem Willen des Opfers zuwiderlaufenden Gewahrsamswegfall. Für den Gewahrsamsbetrug gelten demgegenüber andere Maßstäbe. Um mit dem Wesen der selbstschädigenden Verfügung zu harmonieren, erfordert er ein dem Gewahrsamsverlust zustimmendes Opferverhalten. Im dritten Schritt ist daher nach der Beschaffenheit des Bewusstseins des Berechtigten zu fragen. In Übereinstimmung mit der Terminologie ist für den Fall des Gewahrsamsbetrugs nach einem Bewusstsein zu fragen, das im Gegensatz zur Tatbestandsausschlussfunktion im Rahmen des Trickdiebstahls tatbestandsbegründend wirkt. An dieses Bewusstsein dürfen weder innerhalb des Trickdiebstahls noch des Gewahrsamsbetrugs nach dem Vorgenannten548 allzu strenge An547 548
Siehe Fn. 528. Kapitel 2: A. III. 1. b) aa) (2) bzw. Kapitel 2: A. III. 2. b) bb) (2) (a).
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forderungen gestellt werden. Wissens- und Wollensteil beschränken sich inhaltlich auf die Erkenntnis, dass ein Sachverlust stattfindet, den der Berechtigte innerhalb des Trickdiebstahls missbilligt und im Rahmen des Gewahrsamsbetrugs wohlwollend gewährt (herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein). Die Unterscheidung zwischen dem Zeitpunkt des zu prüfenden Gewahrsamsverlusts im zweiten Prüfungsschritt der zweiten Stufe und dem dritten Schritt, in dem auf den inneren Willen des ursprünglichen Gewahrsamsinhabers eingegangen wird, hat seine Berechtigung. Man könnte meinen, dass das Willenselement im Rahmen des Gewahrsams, das in dem zweiten Schritt zu untersuchen ist, die letzte Willensfrage im dritten Schritt hinfällig macht. Denn das Ergebnis könnte sich bereits durch Prüfung des Gewahrsamsverlusts im vorhergehenden Schritt, in dem auch das innere Wollenselement bezüglich einer Gewahrsamsbeziehung zu bestimmen ist, vorwegnehmen lassen. So ist auch der Schluss von der Beschaffenheit des Gewahrsamswillens auf den Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts bzw. auf die Schädigungsart in der Judikatur549 und Literatur550 nichts Neues.551 Wiederholt konnte beobachtet werden, dass dann, wenn der Gewahrsamsinhaber seinen diesbezüglichen Willen an der Sache aufgibt oder objektiv schon kein Gewahrsamsband mehr feststellbar ist, ein Gewahrsamswechsel in Form der Selbstschädigung nach allgemeiner Ansicht bejaht wird. Besteht eine Gewahrsamsbeziehung aus subjektiven Gründen fort, wird simultan ein Gewahrsamsverlust in Form einer Selbstschädigung ausgeschlossen. Der Täter kann die bisherige Gewahrsamsbeziehung demnach nur durch eigenmächtige Wegnahme lösen. Richtigerweise kann jedoch allein vom Verlust des Gewahrsamswillens nicht automatisch auf einen Gewahrsamswechsel geschlossen werden.552 In den meis549 Siehe hierzu BGH, MDR 1954, 398 (bei Dallinger); OLG Hamm, NJW 1969, 620; BGH, GA 1966, 212 (213); OLG Hamm, JMBl. NRW 1950, 48 (49); OLG Köln, MDR 1973, 866 (867); OLG Hamm, OLGSt 1978, § 263, S. 165 (166); OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922 (924); OLG Düsseldorf, NJW 1990, 923; BayObLG, JR 1992, 519; AG Tiergarten, NStZ 2009, 270 (271); zutreffend aber BGH, LM Nr. 11 zu § 242 StGB. 550 Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 46; Fey, Die Vermögensdelikte, S. 35 ff.; Gropp, JuS 1999, 1041 (1042); Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 276; Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1030; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 559 f.; Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 85 f.; Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (391); Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 163; G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Getäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 75 ff.; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 69; Rengier, JuS 1981, 654; hingegen zutreffend Renner, Die Einwilligung als Tatbestandsmangel und als Rechtfertigungsgrund, S. 82; richtig statt vieler auch Zopfs, ZJS 2009, 506 (507 ff.). 551 Die Gefahr dieser Vorgehensweise besteht schon nicht, wenn man mit den Mindermeinungen von Bittner, Der Gewahrsamsbegriff, S. 84 ff., und Schüerhoff, Der strafrechtliche Gewahrsamsbegriff, S. 190 ff. auf einen Gewahrsamswillen von vornherein verzichtet. 552 Das erkennen auch Fey, Die Vermögensdelikte, S. 32; Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 42 f.; Schröter, Der Begriff der Wegnahme, S. 29 f.; Wimmer,
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
ten Fällen ist der Gewahrsamsgewinn des Täters zwar bei gleichzeitigem Vorliegen eines positiven Gewahrsamswillens an der Sache zu verneinen. In dieser Abfolge der Prüfungsergebnisse kommt es letztlich zu einer Fremdschädigung. Umgekehrt wird mit der Aufgabe eines Gewahrsamswillens in der Regel ein Gewahrsamsverlust einhergehen, was eine Selbstschädigung begründet. Von diesem Grundsatz sind aber Ausnahmen zu machen. Möglich ist gleichfalls der Eintritt einer Gewahrsamsverlagerung auch ohne Aufgabe des Gewahrsamswillens an der Sache aufgrund tatsächlicher oder sozial-normativer Umstände.553 Wäre der Gewahrsamsverlust maßgeblich an den Gewahrsamswillen des bisherigen Sachgewaltsherrschers gebunden, würde die dritte sozial-normativ geprägte Säule, die das Gewahrsamskonstrukt anerkanntermaßen stützt, übergangen. Dabei erkennt die herrschende Ansicht554 einen Gewahrsamsverlust im Sinne des Diebstahls beispielsweise durch Begründung einer Gewahrsamsenklave in den Fällen der Gewahrsamslockerung an, auch wenn der Gewahrsamswille nach Aushändigung der Sache aufrechterhalten wird. Die Begründung einer Gewahrsamsenklave enthebt den bisherigen Sachgewaltsherrscher von jeglicher Zugriffsmöglichkeit auf die Sache und ruft einen Gewahrsamsverlust trotz des bestehenden Gewahrsamswillens des ehemaligen Gewahrsamsinhabers hervor. Der Gewahrsamswille kann also nicht ausschlaggebendes Kriterium zur Bestimmung einer Gewahrsamsverlusts sein. Zu berücksichtigen sind vielmehr alle Pfeiler, die durch tatsächliche, subjektive und sozial-normative Erwägungen zusammen das Gewahrsamsgebilde prägen. Es ist daher unzureichend, für die Bestimmung des Gewahrsamsverlusts bei den rein subjektiven Erwägungen stehen zu bleiben. Weiterhin ist an diesem Vorgehen zu kritisieren, dass von dem Vorhandensein eines Gewahrsamswillens auf die Schädigungsart geschlossen wird. So ist es falsch, stets bei Vorliegen eines positiven Gewahrsamswillens von der Schädigungsart der Wegnahme auszugehen. Umgekehrt ist es nicht richtig, die Selbstschädigung an einen aufgegebenen Gewahrsamswillen zu koppeln. Für eine Differenzierung ist zwar, wie die Auslegungsgrundsätze gezeigt haben, allein die innere Willenseinstellung des Opfers maßgeblich. Diese kann aber nicht an den Gewahrsamswillen anknüpfen. Dafür spricht die Überlegung, dass nach einem vom Gewahrsamswillen unabhängigen Gewahrsamsverlust schon begriffslogisch
NJW 1947/48, 241 (242): Ist der Gewahrsamserwerb nicht von dem Gewahrsamswillen abhängig, ist auch analog dazu bei Wegfall des Gewahrsamswillens kein Gewahrsamsverlust anzunehmen; die gegenteilige Auffassung vertritt Hälschner, Das preußische Strafrecht Teil 3, S. 430. 553 Zutreffend Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 65; Schröder, SJZ 1950, 94 (95); Wimmer, NJW 1947/48, 241 (242); unzutreffend insofern Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 38. 554 Siehe dazu Fn. 199.
B. Eigene Abgrenzungslösung
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nicht mehr von einem diesbezüglichen Willen gesprochen werden kann. Ging der Gewahrsam verloren, kann auch ein daran anknüpfender Gewahrsamswille nicht mehr bestehen. Der Wille kann sich nur darauf beziehen, den Verlust zu wollen oder eben nicht. Begrifflich korrekt bezeichnet die Arbeit die Willenseinstellung nach einem Gewahrsamsverlust daher als „Verlustwille“. Die dogmatische Rechtfertigung für eine Differenzierung dieser beiden subjektiven Willenskategorien liegt in ihren unterschiedlichen Bezugspunkten veranlagt. Denn wenngleich beide innere Ausprägungen zur Sachherrschaft darstellen, bezieht sich der Gewahrsamswille auf den Herrschaftszustand vor dem friedensstörenden Ereignis. Demgegenüber beinhaltet der Wille über einen Herrschaftsabfluss eine Aussage über einen Daseinszustand ab dem Verluststadium. In ein und derselben Person kann bezüglich ein und demselben Gegenstand bis zum Verlust nach einem Gewahrsamswillen gefragt werden. Ab dem Verlustzeitpunkt ist nur noch die Frage nach dem Verlustwillen möglich. Entweder ist nach dem Inhalt des Gewahrsamswillens oder, ab dem Zeitpunkt der Abwanderung, nach dem Verlustwillen zu fragen. Da der Gewahrsamswille und der Verlustwille zeitlich nicht überlappen können, sind auseinandergehende Bestimmungen ein und derselben Person über ein und denselben Gegenstand möglich. Dagegen wird bei Verschmelzen der subjektiven Vorstellungen vor und ab dem Verlust der Sache die Wegnahme dauerhaft in einem Akt des Gewahrsamswechsels eingeebnet, obwohl das Geschehen in zwei voneinander zu trennenden Schritten zu mustern ist. Dass die Gleichstellung von positivem Gewahrsamswillen und negativem Verlustwillen bzw. negativem Gewahrsamswillen und positivem Verlustwillen in ein und demselben Moment in manchen Fällen zu sinnwidrigen Ergebnissen führt, lässt sich überdies durch Beispiele belegen. Denkbar sind einerseits Konstellationen, in denen trotz eines vorhandenen (generellen) Gewahrsamswillens in der Person des bisherigen Gewahrsamsberechtigten ein Herrschaftsverlust im Einklang mit seinem Verlustwillen steht. Wegen des positiven Verlustwillens ist in diesen Fällen von einer Selbstschädigung zu sprechen. Als Beispiel dafür ist der bereits genannte „Winkelschleifer“-Fall 555 anzuführen, in dem der Täter in die Verpackung eines Winkelschleifers zusätzlich nicht enthaltene Zubehörteile legte, die das Kassenpersonal nicht wahrnahm. Wie eine später556 eingehendere Untersuchung des Falls zeigen wird, tritt trotz des fortbestehenden generellen Gewahrsamswillens an den in der Verpackung versteckten Trennscheiben ein Gewahrsamsverlust an der konkreten Sache mit dem Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers ein. Es liegt ein positiver Verlustwille in Form des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins vor. Damit kommt es zu einer Selbstschädigung nach § 263 StGB trotz vorliegenden Gewahrsamswillens.
555 556
OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922. Dazu Kapitel 3: A. IV. 4. b) aa).
170
Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
Auf der anderen Seite sind Fallgestaltungen möglich, bei denen auch ein negativer Gewahrsamswille zu einer Fremdschädigung wegen eines negativen Verlustwillens führen kann. Das ist an einem konkreten Fall („Kopiergerät“-Fall) zu veranschaulichen: Der Kopierer des Berechtigten A bereitet Probleme. Ein herbeibestellter Spezialist B erklärt den Kopierer für irreparabel. A stellt den Kopierer daraufhin zur Entsorgung in der Hofeinfahrt seines Grundstücks bereit. B, der in Wirklichkeit lediglich einen kleinen, leicht zu behebenden Defekt an dem Gerät feststellen konnte, transportiert es später heimlich ab. Zuhause verwendet er den Kopierer für seine eigenen Zwecke. In dieser Falllage gab der ursprünglich Berechtigte mit Bereitlegen des Gegenstands den Willen bezüglich des Gewahrsams an der Sache auf. Dennoch ist ihm aufgrund sozial-normativer Wertung als Grundstückseigentümer die Sache weiterhin in seine Gewahrsamssphäre einzugliedern. Insbesondere ist das Wissen des Täters über die Aufgabe des Gewahrsamswillens unschädlich. Zum einen ist es kriminalpolitisch unerträglich, den Täter wegen des geringeren Unrechtstatbestands der Unterschlagung, der keinen Gewahrsamsverlust verlangt, zu bestrafen, nur weil das Opfer insgeheim nicht alle Gegenstände seiner Gewahrsamssphäre unterordnet. Die Verwirklichung des Tatunrechts würde andernfalls von einem Spezialwissen und damit von zufälligen Umständen abhängen.557 In dem besonderen Fall konnte überhaupt nur der Täter, der die innere Gewahrsamsaufgabe ja herbeigeführt hatte, darüber Bescheid wissen. Dieses Sonderwissen muss wegen der ansonsten ungerechtfertigten Begünstigung des Täters unbeachtlich bleiben. Vergegenwärtigt man sich überdies die vorgeschalteten Umstände der Täuschung durch denselben, worin die nur diesem Täter zugängliche Information wurzelt, muss erst recht von einer Strafmilderung abgesehen werden. Aus Gründen der Klarheit und Rechtssicherheit ist daher anzunehmen, dass der Berechtigte Gewahrsamsinhaber aller in seiner Gewahrsamssphäre befindlichen Sachen bleibt, sofern er den Gewahrsamsaufgabewillen nicht nach außen für jedermann kenntlich macht.558 Nach sozial-normativen Anschauungen kam es deshalb mit dem Bereitstellen zum Abtransport noch nicht zu einem Gewahrsamsverlust. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn A das Kopiergerät an einem öffentlichen Ort abgestellt hätte. Der Gewahrsamsverlust trat im konkreten Fall daher erst durch Mitnahme der Sache seitens des Täters ein. Im Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts handelte der Täter ohne den Willen des ehemaligen Geräteinhabers, der zwar willentlich seinen Gewahrsam an der Sache aufgegeben hat, mangels Wissens um den Abtransport der Sache aber nicht den 557 Sinngemäß RGSt 50, 46 (49); sowie der Gedanke bei Bittner, Der Gewahrsamsbegriff, S. 84 f. 558 Übereinstimmend RMG 10 (1907), 255 (258); RGSt 56, 207 (208); vgl. auch AG Berlin-Tiergarten, NStZ 1987, 122; Börm, Entwendungen in Selbstbedienungsläden, S. 40; Jagusch, in: Leipziger Kommentar, Vor § 242 Bem. C. V.; Schröter, Der Begriff der Wegnahme, S. 30.
C. Fazit
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Willen zu ihrer Abwanderung aus seinem Vermögen besitzen konnte. Der Berechtigte besaß daher keinen positiven Verlustwillen. Der Täter kann nur nach § 242 StGB bestraft werden. Wurde der fehlende Wille weder ausdrücklich geäußert noch konkludent erklärt, könnte jedoch über den Rechtsgedanken der von der herrschenden Ansicht entwickelten Figur des mutmaßlichen Einverständnisses eine Wegnahme verneint werden. Diese Figur ist allerdings abzulehnen, da das Einverständnis im Gegensatz zu einer Einwilligung positiv bejaht werden muss und nicht bloß unterstellt werden darf.559 In dem Moment des Gewahrsamsverlusts stimmte der Berechtigte der Sachüberlassung an einen anderen nicht zu. Er wurde trotz der Aufgabe des Gewahrsamswillens wegen des negativen Verlustwillens nach § 242 StGB fremdgeschädigt. Die letztgenannten Beispiele verdeutlichen die Möglichkeit des Auseinanderklaffens zwischen dem Gewahrsamswillen und dem Willen des bisherigen Gewahrsamsinhabers, diesen zu verlieren. Klargestellt und dogmatisch begründet ist damit, dass kein Automatismus zwischen dem Gewahrsamswillen und dem Willen an dem Verlust einer Sache besteht. Das rechtfertigt die Erforschung des Willens zur Aushändigung einer Sache in einem eigenen Punkt unabhängig von der Frage nach dem Gewahrsamsverlust. Von dem Verlustwillen in dem Moment des Gewahrsamsverlusts hängt es ab, ob die Tat als Trickdiebstahl oder Gewahrsamsbetrug zu verstehen ist.
C. Fazit Die Hypothese der sicheren Abgrenzung allein unter Anwendung des Gesetzes bewahrheitet sich: Aufgrund der durch Auslegung ermittelten Ergebnisse kann die Arbeit eine einwandfreie Abgrenzbarkeit allein aufgrund des Gesetzes nachweisen. Eine Lücke im Gesetz, die dazu führt, dass eine Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug nicht möglich ist, konnte nicht festgestellt werden. Die durch Auslegung gefundenen Prämissen konnten weiterhin in einem strukturierten Abgrenzungskonzept, der Zwei-Stufen-Prüfung, fruchtbar gemacht werden. Damit führt die Auslegung der Tatbestände unter der Erforschung des Täterund Opferverhaltens zu dem Ergebnis der Abgrenzungsbestimmtheit der Tatbestände. Dieses in der Arbeit selbst entwickelte Abgrenzungsschema ist in dogmatischer Hinsicht gerechtfertigt und überzeugt auch praktisch in den bisher genann559 Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 242 Rn. 46; Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 387 Fn. 75; Kudlich, in: Satzger/Schmitt/ Widmaier, StGB, § 242 Rn. 26; Ludwig/Lange, JuS 2000, 446 (449 f.); Roxin, in: Festschrift für Hans Welzel, S. 447 (449); Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 83; Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 107; vgl. dazu auch Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 7 Rn. 87, der allenfalls einen Tatbestandsausschluss auf subjektiver bzw. Rechtfertigungsebene bejaht.
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Kap. 2: Die Abgrenzung anhand der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale
ten Fallbeispielen. Es ist der weiteren Untersuchung zugrunde zu legen. Insbesondere ist diese selbst entwickelte Prüfungsreihenfolge, die sich unmittelbar aus dem Gesetz und der logischen Verknüpfung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug ergibt, den ungeschriebenen Abgrenzungskriterien des Verfügungsbewusstseins, der Unmittelbarkeit und der Freiwilligkeit gegenüberzustellen.
Kapitel 3
Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien Im Folgenden werden die zusätzlichen ungeschriebenen Abgrenzungskriterien des Verfügungsbewusstseins, der Freiwilligkeit und der Unmittelbarkeit vorgestellt. Sie werden in den Begriff der Vermögensverfügung hineingelesen.560 Das Hineinlesen rührt vermutlich daher, dass sie gleichzeitig mit der Begründung der Vermögensverfügung in der Literatur auftauchten.561 Ohne das Bewusstsein im Hinblick auf eine Abgrenzung gegenüber dem Diebstahl dienten sie damals lediglich der Charakterisierung des Betrugstatbestands und verschwanden so zunächst aus der wissenschaftlichen Diskussion. Erst mit dem Aufkommen abgrenzungstypischer Fallgestaltungen besann man sich auf sie zurück. Die Merkmale sind nun deshalb von Relevanz, weil sie als Abgrenzungsparameter für die immer wieder problematische Differenzierung zwischen Trickdiebstahl und Betrug aufgegriffen werden.562 Trotz ihrer weitgehend konsentierten Geltung muss man sich ihres außernormativen Charakters bewusst sein. Sie sind ungeschriebene Tatbestandsmerkmale, die der Überzeugung der Nichtauslegungsfähigkeit563 des Verfügungsmerkmals entspringen. Nach überwiegender Ansicht ist Quelle der Abgrenzung nicht der vorrangige Normtext. Das allen Ansichten zugrunde liegende Exklusivitätsverhältnis wird außerpositivrechtlich durch das Hinzudenken externer Merkmale gestaltet.564 Im vorigen zweiten Kapitel wurden dagegen eigene Erkenntnisse für eine gesetzesimmanente Abgrenzungsmöglichkeit gewonnen. Diese wurden sinnvoll zusammengefügt und ergaben ein zweistufiges Prüfungsmodell, das eine saubere Trennung beider Delikte ermöglicht. Das macht das zusätzliche Heranziehen erdachter Abgrenzungskriterien prinzipiell überflüssig. Dennoch müssen diese umfassend untersucht werden, um gegebenenfalls ihre Diskrepanz mit dem Ge560 Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 69 ff.; anders Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 94 f. 561 Siehe A. Merkel, Kriminalistische Abhandlungen II/1, S. 195 ff. 562 Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 70, 74, 76; Küper, Strafrecht Besonderer Teil, S. 391. 563 So Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 1, 9. 564 Vgl. Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 60 f.; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 236; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 94 ff., 101, 104 f.; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 201; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263 Rn. 26; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 624 ff.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
setz aufzuzeigen. Der Nachweis ihrer Schwachstellen würde zudem nochmals die in dieser Arbeit entwickelte zweistufige Abgrenzungsmethode, basierend auf den durch Auslegung ermittelten Grundsätzen, bekräftigen. Insbesondere bietet sich die Gelegenheit, die hier eben vorgestellte einheitliche Abgrenzungsmethode hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit anhand von Fallgruppen, für die die außertatbestandlichen Abgrenzungsparameter speziell entwickelt wurden, zu verifizieren und zu vertiefen. Wie anfangs erwähnt, steht in diesem Rahmen insbesondere die Verfassungsmäßigkeit der zu untersuchenden Kriterien auf dem Spiel. Eine Lücke im Gesetz, wie sie eine teleologische Reduktion voraussetzt, konnte immerhin nicht festgestellt werden. Denn eine Abgrenzung ist, wie belegt, schon gesetzlich vorgesehen. Die Vereinbarkeit der ungeschriebenen Kriterien mit der Verfassung wäre nur gewahrt, wenn festgestellt werden könnte, dass die angeblichen Merkmale des Betrugs den Tatbestand nicht über Gebühr reduzieren. Daneben müssten sie auch sämtlichen dogmatischen Erwägungen standhalten. Dazu zählt zunächst ihre konsequente Anwendung. Das setzt zum einen voraus, dass sie Allgemeingültigkeit genießen, das heißt, dass diese ungeschriebenen Kriterien auf alle möglichen Fallgestaltungen, in denen das zu klärende Problem auftritt, einheitlich anwendbar sind. Zum anderen müssten sie inhaltlich präzise sein. Die inhaltliche Genauigkeit eines Merkmals wird darin sichtbar, dass es als Mittel zur Aufklärung eines Problems effektiv ist. Dazu wäre es nicht zuträglich, wenn dadurch ein neuer Konflikt entfacht würde. Nur wenn letztgenannte Prämissen erfüllt sind, können die ungeschriebenen Merkmale als taugliche Abgrenzungshilfen legitimiert sein.
A. Das Verfügungsbewusstsein Als Erstes wird das Verfügungsbewusstsein als subjektive Ausprägung der Verfügung näher betrachtet. Bei dem Verfügungsbewusstsein handelt es sich um eine inhaltliche Konkretisierung der Willenseinstellung des Opfers innerhalb des Betrugstatbestands. Die Willensbeschaffenheit, wie sie nach den durch eigene Auslegung des Gesetzes gewonnenen Grundsätzen aufzufassen ist, wurde bereits unter den Grundlagen565 dargelegt. Gefordert wird ein herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein, das im Moment des Gewahrsamsverlusts vorliegen muss. Im Folgenden werden nach einem kurzen geschichtlichen Rückblick und der inhaltlichen Festlegung des Verfügungsbewusstseins die Inkonsequenzen des Verfügungsbewusstseins in verfassungsrechtlicher und dogmatischer Hinsicht aufgedeckt. Dazu werden die Unterschiede zwischen der herrschenden Auffassung, die die Gesetzesauslegung ignoriert, und den in dieser Arbeit entwickelten Anforderungen an den Opferwillen zunächst theoretisch aufgezeigt. Schließlich 565
Kapitel 2: A. III. 2. b) bb) (2) (a).
A. Das Verfügungsbewusstsein
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werden beide Willensarten durch die Anwendung von Fällen praktisch gegenübergestellt. Auch dabei werden Ungereimtheiten innerhalb der herrschenden Ansicht deutlich.
I. Geschichtliche Entwicklung des Verfügungsbewusstseins Während sich die Lehre566 bereits früh mit dem Kriterium des Verfügungsbewusstseins befasste, spielte es für das Rechtsprechungslager erst einige Zeit später eine Rolle. Merkel567, der sich neben Köstlin568 als Begründer des Verfügungsbegriffs verdient gemacht hat, war auch eifriger Verfechter des Verfügungsbewusstseins. Auf seiner Begründung baut die Argumentation der heute herrschenden Meinung auf. Er war überzeugt, dass das Verfügungsbewusstsein aus der Natur des Betrugs abzuleiten sei. Das Betrugsdelikt als Vermögensdelikt sei maßgeblich davon geprägt, dass auf den Willen einer Person eingewirkt werde, wodurch ein Handeln in eine bestimmte Richtung provoziert werde. Hauptmerkmal sei das Einverständnis des Getäuschten in sein gesamtes Handeln. Begreife das Opfer dagegen nicht, dass sein Vermögen betroffen sei, werde das Charakteristikum des Betrugs umgangen. Erstmals in der gerichtlichen Praxis erwähnt wurde das Verfügungsbewusstsein in einem reichsgerichtlichen Beschluss569 aus dem Jahr 1887. Danach ist Voraussetzung für den geforderten Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und Verfügung, dass das Opfer „den von ihm vorgenommenen vermögensrechtlichen Akt nicht gewollt, nämlich nur infolge des Irrtums, also nicht wahrhaft gewollt habe“ 570. In den Fokus der Diskussion rückte das Verfügungsbewusstsein erst mit dem Aufkommen der Warenentwendung aus Selbstbedienungsläden, wo die Möglichkeiten eines Gewahrsamsentzugs durch Verbergen bzw. der Objektmanipulation vielseitig sind. Dort gewann es als das maßgebliche Abgrenzungsmoment derart an Bedeutung, dass die Analyse der gesetzlichen Merkmale ins Hintertreffen geriet. Diese Verkehrung wurde bereits im Rahmen der Prüfung der Merkmale der Täuschung und des Irrtums anhand von Fällen aus dem Bereich der Warenent566 Allen voran A. Merkel, Kriminalistische Abhandlungen II/1, S. 198 f.; ders., in: Holtzendorffs Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 750 (777 Fn. 10); daran anknüpfend Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1. Aufl., § 263 S. 319, nach dem eine Verfügung auch unbewusst vollzogen werden kann; ebenso Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, § 263 Nr. 26; ablehnend Lucas, Anleitung zur strafrechtlichen Praxis, Zweiter Teil, S. 335 Fn. 3; Wachenfeld, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 409. 567 Kriminalistische Abhandlungen II/1, S. 198 f.; ders., in: Holtzendorffs Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 750 (777 Fn. 10). 568 Abhandlungen aus dem Strafrechte, S. 149. 569 RGSt 16, 1. 570 RGSt 16, 1 (4).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
wendung aus Selbstbedienungsläden571 aufgedeckt. Sie ist ein Grund für die Verkomplizierung der im Raum stehenden Abgrenzung.
II. Inhalt und begrenzter Anwendungsbereich des Verfügungsbewusstseins Nach überwiegender Auffassung572 ist für den Gewahrsamsbetrug eine bewusste Gewahrsamsübertragung zu fordern. Da nicht nur der Verlust, sondern auch die Neubegründung zu einer vollständigen Übermittlung des Gewahrsams führen, muss der Geschädigte sich beider Bestandteile eines Gewahrsamswechsels bewusst sein. Einheitlich wird ein „Erfolgsbewusstsein“ 573 gefordert. Nach herrschender Ansicht574 wird das Verfügungsbewusstsein zumindest im Rahmen des Gewahrsamsbetrugs neben dem Wesen der Delikte aus dem Kontext der Abgrenzung des Betrugs gegenüber dem Trickdiebstahl abgeleitet. Charakteristisch für den Betrug ist demzufolge, dass der Täter sich des Opfers bedient, um durch den Getäuschten seine Bereicherung zu erzielen. Der Getäuschte selbst soll die Ursache für den Gewahrsamswechsel setzen. Dazu muss er mit einem Verfügungswillen ausgestattet sein. Lässt sich das Opferverhalten dagegen als reiner 571
Siehe Kapitel 2: A II. 2. d). So BGHSt 41, 198 (203); OLG Stuttgart, Die Justiz 1973, 396; OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922 (923); BayObLGSt 1988, 5 (7); Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 563; Fey, Die Vermögensdelikte, S. 33 f.; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 55; Otto, ZStW 79 (1967), 59 (66 ff.); ders., Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 51 Rn. 31; Proppe, JA 1996, 321 (327); Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 64; Samson, JA 1978, 564 (565); Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (46); Vitt, NStZ 1994, 133 (134); Weingart, Die Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 22; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 639; Wimmer, Die Bedeutung des zustimmenden Willens, S. 82. 573 Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 61. 574 OLG Hamm, NJW 1969, 620 (621); OLG Stuttgart, Die Justiz 1973, 396; OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922 (923); OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1407 f.; Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 21; Biletzki, JA 1995, 857 (858); Brocker, JuS 1994, 919 (920); Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 60; Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 90; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 558; Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 113; Jung, JuS 1993, 779; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 33 II Rn. 31; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 64; Rönnau, JuS 2011, 982 (983); Satzger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rn. 113; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (46 Fn. 18); Stoffers, JR 1994, 205 (207); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 518, 639; abgemildert bei Miehe, Unbewußte Verfügungen S. 22 f., 62, 77; anders BGHSt 14, 171 (172); Holtzendorff, Die Vermögensdisposition als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Betruges, § 263 RStGB, S. 23, 27 und Nebelung, Das Zusammentreffen, S. 32 ff., die ein Bewusstsein gänzlich ablehnen; das Gegenteil behaupten Hansen, MDR 1975, 533 (538); Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 181 und A. Merkel, in: Handbuch des Deutschen Strafrechts III, S. 750 (777 Fn. 10) sowie Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 51 Rn. 31 f., die für alle Betrugsfälle eine bewusste Verfügung verlangen. 572
A. Das Verfügungsbewusstsein
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Reflex auf die Täuschung ausmachen, erreicht der Täter zwar sein Ziel, aber eben nicht unter Einsatz des Opfers.575 Anders als beim Diebstahl versucht der Täter an die Bereicherung zu kommen, indem er die vermögensschützende Person benutzt. Beim Diebstahl hingegen ist dem Täter daran gelegen, den Gewahrsamsinhaber zumindest im geistigen Sinne zu verdrängen, damit er keinen weiteren Schutz ausüben kann. Der fehlende Wille ist jedenfalls Merkmal des Verhaltens des Opfers im Rahmen des Diebstahls und damit einer Fremdschädigung. Vor dem Hintergrund der Idealkonkurrenz wird daher über das Verfügungsbewusstsein des Geschädigten ein Bogen zwischen der Wegnahme und der Verfügung gespannt. Auf Betrugsseite beinhaltet das Verfügungsbewusstsein nach herrschender Ansicht konkret das Wissen des Getäuschten, eine Gewahrsamsübertragung vorzunehmen. Auf Seiten des Diebstahls ist ein Einverständnis nur gültig bei Vorliegen eines positiven, inneren Willensentschlusses zur Gewahrsamsübertragung. Es lässt die Strafbarkeit wegen Diebstahls entfallen. Nach überwiegender Auffassung ist das Einverständnis auf Diebstahlsseite mit dem Verfügungsbewusstsein auf Betrugsseite gleichbedeutend.576 Wird das Einverständnis bejaht, entfällt auf der einen Seite die Wegnahme, während auf der anderen Seite eine Verfügung gegeben ist. Diebstahl und Betrug sind also über das Verfügungsbewusstsein dergestalt miteinander verquickt, dass sein Wegfall ein Entfallen der Diebstahlsstrafbarkeit bedingt und damit gleichzeitig die Betrugsstrafbarkeit ermöglicht.577 Nach überwiegender Meinung ist das Handeln des Verletzten mit Verfügungsbewusstsein grundsätzlich entbehrlich.578 Ohnehin sei das Verfügungsbewusstsein nur erforderlich bei der Abgrenzung beider Tatbestände im Rahmen der Verfügung über Sachen.579 Über alle anderen Vermögenspositionen wie Forderun575
Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 113. Cramer/Perron, in: Schönke/Schroeder, § 263 Rn. 60; Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 51, 54, 555, 563; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 205; Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 40 Rn. 28 und § 51 Rn. 31; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 639. 577 Siehe Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 1 Rn. 60; Samson, JA 1978, 564 (565). 578 Darunter OLG Stuttgart, Die Justiz 1973, 396; OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922 (923); Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 60; Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 263 Rn. 29; Gröseling, JuS 2003, 1097 (1098); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 223; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263 Rn. 24; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 68 f.; Maurach/Schroeder/ Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 41 II Rn. 73; Schraft, Die Vermögensverfügung des Getäuschten als Tatbestandsmerkmal des Betrugs, S. 153 ff.; Wachenfeld, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, S. 409; anders Hansen, MDR 1975, 533 (538); A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 750 (777 Fn. 10); Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 51 Rn. 31 ff. 579 OLG Hamm, NJW 1969, 620 (621); Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 66; Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 263 Rn. 29; Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 565; widersprechend 576
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
gen, Rechte etc. könne auch ohne spezielles Verfügungsbewusstsein verfügt werden.580 Dahinter steht der Gedanke, dass es einen Diebstahl an Forderungen schon nicht gibt und deshalb überhaupt kein Abgrenzungsproblem auftritt.581 Zudem müsse auffallen, dass bei den typischen Konstellationen des Forderungsbetrugs schon von vornherein das Bewusstsein des Opfers durch Vorspiegelung des Untergangs der Forderung ausgeschaltet werde.582 In der Nichtgeltendmachung der Forderung liege dann die Verfügung.583 Würde man auch hier ein Verfügungsbewusstsein fordern, wäre der Forderungsbetrug praktisch nie strafbar. Im Folgenden werden die Widersprüche des Verfügungsbewusstseins in dem von der herrschenden Ansicht verstandenen Sinne zunächst anhand einer verfassungsrechtlichen Überprüfung entwertet. Das bekräftigt den in der Arbeit dargelegten gesetzlichen Abgrenzungsweg.
III. Überprüfung des Verfügungsbewusstseins in verfassungsrechtlicher Hinsicht Ein Opferverhalten im Sinne eines Erfolgsbewusstseins an der Gewahrsamsverschiebung haftet dem Betrugstatbestand nicht notwendig an. Das hat die Auslegung der Betrugsnorm im voranstehenden Kapitel erwiesen. Danach ist das Opferverhalten rein in einem herrschaftsbezogenen Verlustbewusstsein zu erblicken, in dem vom Opfer gerade keine Bewertung des gesamten Vorgangs einer Gewahrsamsverschiebung erwartet werden kann. Dass das Verfügungsbewusstsein im Sinne eines Erfolgsbewusstseins nicht nur entgegen dem Gesetzeswortlaut verlangt wird, sondern auch eine verfassungswidrige teleologische Reduktion beinhaltet, zeigen die folgenden Überlegungen. Das Erfordernis eines Erfolgsbewusstseins schränkt das Merkmal der Verfügung und insgesamt den Tatbestand des Betrugs ein. Charakteristisch ist dabei vor allem die Eingrenzung einer Norm (hier § 263 StGB) zugunsten einer andeFrank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl., § 263 S. 587; Lackner, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 98 ff.; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 68; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 54; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 65. 580 So die herrschende Meinung: Geiger, JuS 1992, 834 (835); G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Getäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 120 f.; bestritten von Hansen, MDR 1975, 533 (536 ff.); Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 240 ff., 261; Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 122; A. Merkel, Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 750 (777 Fn. 10); Bedenken äußert Ranft, Jura 1992, 66 (71). 581 Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 66; Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 60; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 137; Roßmüller/Rohrer, Jura 1994, 469 (472). 582 Kritisch Otto, JZ 1985, 69 (71). 583 Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 60; anders aber Hansen, MDR 1975, 533 (537), der ein „Entscheidungsbewusstsein“ fordert.
A. Das Verfügungsbewusstsein
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ren (konkret § 242 StGB). Das Erfolgsbewusstsein wird damit nur zur teleologischen Beschränkung des Tatbestands verwendet, um den Trickdiebstahl vom Gewahrsamsbetrug unterscheiden zu können. Wenn durch ebendiese Verwendung eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals der natürliche Wortsinn nicht mehr um den Gesetzeswillen selbst, sondern vorrangig aus gesetzesfernen Praktikabilitätsgründen eingeschränkt wird, handelt es sich nicht mehr um eine restriktive Auslegung, sondern um eine teleologische Reduktion.584 Letztere eliminiert aus Zwecksetzungserwägungen vom Wortsinn erfasste Sachverhalte. Im Prinzip wird dabei ein Tatbestand durch positive Erweiterung negativ reglementiert. Eine teleologisch reduzierte Korrektur eines Tatbestands ist nicht per se unzulässig. Während eine Analogie zu Lasten des Täters gegen den Nullum-crimenGrundsatz585 verstößt, ist dieser Grundsatz nicht reziprok auf eine Einschränkung des Tatbestands anwendbar.586 Voraussetzung für die Zulässigkeit dieser Art von korrigierender Rechtsfortbildung ist erstens eine unvorhergesehene Lücke im Gesetz, deren Schließung zweitens zur Vermeidung gravierender Inkonsistenzen des Gesetzes unabkömmlich ist.587 Damit wird eine teleologische Reduktion unzulässig, sobald eine ihrer Voraussetzungen nicht gegeben ist. Zunächst fehlt ihre Zulässigkeit, wenn eine unvorhergesehene Lücke im Gesetz nicht feststellbar ist. Die Grenze zulässiger Rechtsfortbildung588 wird durch die Wertungen des Gesetzes gezogen.589 Kann aufgrund dieser Wertungen eine unvorhergesehene Lücke nicht festgestellt werden, ist die einschränkende Korrektur durch Anreicherung der Norm mit ungeschriebenen Tatbestandsmerkmalen zwar methodologisch zu beanstanden. Contra legem ist sie gleichwohl nicht, solange sie als subsidiäre Methode an die Stelle einer dieselben Ziele erreichenden Auslegung tritt. Indessen wird sie in einem weiteren Schritt unzulässig, wenn sie einer an der Ratio legis des Gesetzes orientierten Auslegung zuwiderläuft.590 In diesem Fall wird schließlich in den Kompetenzbereich des Gesetzgebers in vorwerfbarer Weise eingriffen.591 Keine der beiden Voraussetzungen wird durch die Verwendung eines Verfügungsbewusstseins in den Fällen des Gewahrsamsbetrugs erfüllt. Zum einen ist 584
Zu den Begrifflichkeiten Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 211 ff., 214. Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 1 Rn. 60. 586 Eser/Hecker, in: Schönke/Schröder, § 1 Rn. 30; Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 1 Rn. 62. 587 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 194, 219 f. 588 Zu den Differenzierungen Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 187 ff. 589 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 189, 245 f. 590 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 246, 250 f. 591 Ellmer, Betrug und Opfermitverantwortung, S. 287 ff.; Harbort, Die Bedeutung der objektiven Zurechnung beim Betrug, S. 29 f.; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 135 ff.; vgl. auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 219 f., 246 f.; Wittig, Das tatbestandsmäßige Verhalten des Betrugs, S. 235 ff. 585
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
eine Einschränkung schon nicht erforderlich. Zwar ist dem Gesetzgeber in der Zeit der Entstehung des PrStGB als Vorläufer unseres heutigen StGB kein absichtliches Schweigen in Bezug auf die Nichtregelung des Abgrenzungskonflikts zu unterstellen. Wie einleitend592 bereits erwähnt, war man sich über das kontradiktorische Verhältnis zwischen Diebstahl und Betrug schlicht nicht im Klaren. Dennoch ist eine Abgrenzung dem Gesetz immanent: Wie anhand der Auslegung des Gesetzes ermittelt und zuletzt durch die praktische Fallprüfung belegt, ist eine sinnvolle wesensmäßige Einschränkung an den subjektiven Bewusstseinsinhalt bereits unmittelbar aus der Norm zu deduzieren. Mangels unvorhergesehener Lücke ist einer außergesetzlichen Einschränkung damit die Grundlage entzogen. Zum anderen schränkt das Erfordernis eines Erfolgsbewusstseins hinsichtlich der Gewahrsamsübertragung den Anwendungsbereich des Betrugstatbestands über Gebühr ein. Zumindest steht dieses strenge subjektive Bewusstsein, das auch das Wissen um den Erfolg der Gewahrsamsneubegründung voraussetzt, nicht im Einklang mit dem durch Auslegung gewonnenen bloßen Verlustbewusstsein, das lediglich ein Wissen des Herrschaftsverlusts erfordert. Das wird anhand der folgenden Überlegungen aufgezeigt. Durch das Verlangen eines Erfolgsbewusstseins in den Fällen gravierender Irrtümer wird insbesondere die Kausalitätsreihe zwischen Täuschung, Irrtum und Verfügung übergangen. Durch den mittels der Täuschung eingefädelten irrigen Beweggrund des Opfers, über eine Sache zu verfügen, ist eine unwissentliche Preisgabe des Gewahrsams an der Sache symptomatisch. Es ist gerade der der Täuschung innewohnende Zweck, das schädigende Element des bezweckten Opferverhaltens zu vertuschen.593 Da das Bewusstsein einer Person stets an ihre richtigen oder falschen Vorstellungen über die Wirklichkeit gebunden ist, folgt das defizitäre Bewusstsein dort aus dem gravierenden Irrtum. Irrtum und Bewusstsein sind inhaltlich derart miteinander verknüpft, dass der Irrtum im fehlerbesetzten Bewusstsein aufgeht. So entsteht durch gewisse Fehlvorstellungen akzessorisch ein Fehlbewusstsein. Aufgrund dieser akzessorischen Verknüpfung zwischen Irrtum und Verfügung darf das die Strafbarkeit des Täters begründende Opferbewusstsein inhaltlich nicht über den Irrtum hinausgehen. Inhaltliche Grenze des subjektiven Bewusstseins können nur die durch Täuschung herbeigeführten irrigen Vorstellungen sein. Daher dürfen von vornherein an das Bewusstsein für die Verfügung nicht höhere Anforderungen gestellt werden, als sie sich aus dem Irrtum ableiten lassen. Wird nun für das Bewusstsein vorausgesetzt, dass das Opfer in seine Vorstellung die Kenntnis vom Erfolg der Gewahrsamsverschiebung aufnimmt, obwohl 592
Siehe Einleitung C. Vgl. Seelmann, JuS 1982, 268 (270); Weidemann, GA 1967, 238 (241); offen bei Ellscheid, GA 1971, 161 ff. 593
A. Das Verfügungsbewusstsein
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dieser Erfolg meist Gegenstand der Verschleierung ist, entsteht ein Ungleichgewicht zwischen den Irrtums- und Verfügungsvoraussetzungen. Nach herrschender Ansicht wird damit in einem Großteil der Irrtumskonstellationen der Schutz aus § 263 StGB unter Verweis auf das fehlende Verfügungsbewusstsein versagt. Gerade nachhaltige Irrtümer führen aufgrund der strengen Voraussetzungen eines subjektiven Erfolgsbewusstseins zur Verneinung der Verfügung und damit eines Betrugs. Der Betrugstatbestand wird dahingehend torpediert, dass ausgerechnet das für den Betrug typische Irrtumsmerkmal, das zunächst bejaht wird, an anderer Stelle der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen Grund für seine eigene Eliminierung ist. Das ruft einen norminternen Widerspruch hervor. Aufgrund dieser paradoxen Ergebnisse widerspricht diese Vorgehensweise zum einen der Systematik des Gesetzes. Zum anderen kollidiert das Verlangen nach einem Erfolgsbewusstsein entgegen Art. 103 Abs. 2 GG auch mit dem Wortlaut des Gesetzes, da unter dieser strengen Einschränkung die Bedeutung des Irrtums als prägendes Merkmal des Betrugs geleugnet wird. Darüber hinaus wird die Wertung des Gesetzes verkannt, alle Irrtumsarten zu schützen.594 Auszuscheiden sind insbesondere viktimodogmatische Tendenzen595, die den Betrugstatbestand aufweichen. Sämtliche Thesen verfolgen das gemeinsame Ziel, den Grundgedanken der Subsidiarität des Strafrechts in dem Betrugstatbestand fruchtbar zu machen.596 Dazu werden Gesichtspunkte der Notwendigkeit des Opferschutzes in die Tatbestandsmerkmale des Betrugs transferiert. Bedenken ergeben sich für die viktimodogmatischen Einwände, die gegen eine weite opferfreundliche Bestimmung des Betrugstatbestands argumentieren, schon daraus, dass sie an die Grenzen des Gesetzeswortlauts stoßen. Außer der Beschränkung der Täuschung über Tatsachen ordnet das Gesetz insbesondere den Schutz jeder noch so banalen Lüge und das Bewahren vor jeglicher Irrtumsform 594 So im Grundsatz RGSt 44, 230 (243 ff.); BGHSt 19, 37 (45); Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 542; siehe Kindhäuser, in: Festschrift für Günter Bemmann, S. 339 (353); eine Mindermeinung verneint einen Irrtum, wenn sich das Opfer seiner Schädigung bewusst ist, so RGSt 21, 161 (162 f.); Cramer, JZ 1971, 415 f.; ders./Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 41; Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 88; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 662; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 655; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 106; Jecht, GA 1963, 41 (44 f.); Kitzinger, Juristische Aphorismen, S. 27; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263 Rn. 55; Küper, NJW 1970, 2253; G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Getäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 6; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 7 Rn. 34; entgegen seiner vormaligen Auffassung auch Schröder, NJW 1962, 721 (722); Weidemann, GA 1967, 238 (241 ff.). 595 Befürwortend Amelung, GA 1977, 1 (6 ff.); Hassemer, Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafrechtsdogmatik, S. 118; Kühne, Geschäftstüchtigkeit oder Betrug, S. 64; Schünemann, in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 51 (72); Stuckenberg, ZStW 118 (2006), 878 (896 ff.). 596 Siehe Amelung, GA 1977, 1 (6); Schünemann, in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 51 (62).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
an.597 Vor allem macht eine Beschränkung der Irrtumserregbarkeit auf nur kundige Bevölkerungsschichten keinen Sinn. Zum einen muss gerade der besonders Leichtgläubige geschützt werden.598 Zum anderen ist nicht erwiesen, dass wirtschaftliche Sachkunde und höhere Bildung das Durchschauen sämtlicher dreister Maschen verhindern können.599 Methodologisch anzumahnen ist zudem, dass die vorgenommenen Einschränkungen nicht an das Opfer-, sondern Täterverhalten anknüpfen dürfen. Deliktisches Verhalten des Täters ist schließlich die täuschende Irreführung, die im Verantwortungsbereich des Täters und nicht des Opfers liegt. Diese Gedanken zugrunde gelegt, ist allenfalls zu erwägen, im Rahmen des Irrtums unter dem Topos der objektiven Zurechnung Ausnahmen für die Strafbarkeit des Täters zuzulassen.600 Die Zurechnungslehre enthält wesentliche Prinzipien aus dem Allgemeinen Teil des Strafrechts, das den Besonderen Teil umklammert. Unter Vergegenwärtigung der Besonderheiten des Betrugs können sie auch zur Lösung betrugsspezifischer Probleme beitragen.601 Festzuhalten ist der Leitgedanke des Betrugs, das getäuschte Opfer ohne Ausnahmen gegenüber dem Täter zu privilegieren. Vor allem ist davon auszugehen, dass gerade das Opfer eines besonders schwerwiegenden Irrtums602 Schutz aus § 263 StGB beanspruchen kann. Die Lehre von dem Erfolgsbewusstsein entwertet das Irrtumsmerkmal, indem sie die Anforderungen an das irrgeleitete Bewusstsein zu hoch ansetzt. Aus der Nichtbeachtung der Wertungen des Irrtumsmerkmals wird dieses schlicht übergangen. Darin ist ein Verstoß gegen den Wortlaut nach Art. 103 Abs. 2 GG zu beklagen.
597 Nähere Einwände bei Achenbach, Jura 1984, 602 (603); Arzt, MschrKrim 1984, 105 (112 f.); Erb, ZIS 2011, 368 (372 ff.); Frisch, in: Festschrift für Paul Bockelmann, S. 647 (656); Harbort, Die Bedeutung der objektiven Zurechnung beim Betrug, S. 30; Hennings, Teleologische Reduktion des Betrugstatbestandes aufgrund von Mitverantwortung des Opfers, S. 140 ff., 154 ff., 166 ff.; Hillenkamp, Vorsatztat und Opferverhalten, S. 22 f., 135 ff.; Krack, List als Tatbestandsmerkmal, S. 38 f. 598 So auch Harbort, Die Bedeutung der objektiven Zurechnung beim Betrug, S. 58; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 41 II Rn. 1; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 51. 599 Ebenso Krack, List als Tatbestandsmerkmal, S. 64 f.; Kurth, Das Mitverschulden des Opfers beim Betrug, S. 164 ff. 600 Beckemper/Wegner, NStZ 2003, 313 (316); Kurth, Das Mitverschulden des Opfers beim Betrug, S. 169 ff.; dagegen Ellmer, Betrug und Opfermitverantwortung, S. 163. 601 Ebenso Harbort, Die Bedeutung der objektiven Zurechnung beim Betrug, S. 45 f.; Krack, List als Tatbestandsmerkmal, S. 67; Merz, „Bewußte Selbstschädigung“, S. 193 f.; Wittig, Das tatbestandsmäßige Verhalten des Betrugs, S. 309 Fn. 35; dagegen Ellmer, Betrug und Opfermitverantwortung, S. 163; Schünemann, in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 51 (69 f.). 602 In diesem Sinne Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 68; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 55; Schraft, Die Vermögensverfügung des Getäuschten als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Betrugs, S. 159 f.; Wedekind, Die Abgrenzung und das Verhältnis von Betrug und Unterschlagung, S. 54; ders., NJW 1969, 1128.
A. Das Verfügungsbewusstsein
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Nach alledem ist Folgendes festzuhalten: Mangels Lücke im Gesetz und wegen der Missachtung der Irrtumsbedeutung innerhalb der Betrugslehre ist die strenge Voraussetzung eines Erfolgsbewusstseins als subjektives Korrektiv der Verfügung eine unzulässige teleologische Reduktion. Sie bedeutet einen Verstoß gegen den Bestimmtheits- und Gewaltenteilungsgrundsatz nach Art. 103 Abs. 2 GG bzw. Art. 20 Abs. 3 GG. Doch nicht nur in verfassungsrechtlicher Hinsicht ergeben sich Widersprüche. So werden im nächsten Punkt weitere dogmatische Inkonsistenzen des Verfügungsbewusstseins der herrschenden Ansicht festgestellt.
IV. Erfolgsbewusstsein versus herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein Für die Entbehrlichkeit des Merkmals des Verfügungsbewusstseins als Mittel der Abgrenzung sprechen weitere einleuchtende dogmatische Gründe. Diesen Kritikpunkten an dem Erfolgsbewusstsein werden die Vorzüge des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins gegenübergestellt. 1. Anwendbarkeit der Bewusstseinsformen auf die Fälle des Forderungsbetrugs Kritisch infrage zu stellen ist zunächst die inkonsequente Anwendung des Verfügungsbewusstseins nur auf die Fälle der Abgrenzung des Gewahrsamsbetrugs zum Trickdiebstahl.603 Dagegen findet es im Rahmen des Forderungsbetrugs keine Anwendung. Zur Verdeutlichung der Sonderform des Forderungsbetrugs sind folgende Konstellationen zu nennen: Nichtgeltendmachung der Forderung604: Das getäuschte Opfer macht infolge der unterlassenen Offenbarung des wahren Sachverhalts keine Ersatzansprüche geltend. Ausfüllen eines Blanketts605: Der Täter fälscht nach der Unterschriftserteilung des Opfers ein Auftragsformular zu Lasten des Letzteren.
603 So Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 66; Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 60; eindringlich Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 51 Rn. 28 ff.; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 236 f., 241 ff.; Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, S. 348 ff.; Roßmüller/Rohrer, Jura 1994, 469 (472); Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, S. 223 f. 604 RGSt 64, 209; RGSt 65, 99 (100); OLG Frankfurt, NJW 1962, 1879. 605 RGSt 64, 226; OLG Celle, NJW 1959, 399; OLG Saarbrücken, NJW 1968, 262; OLG Düsseldorf, NJW 1974, 1833; OLG Celle, NJW 1975, 2218; OLG Hamm, wistra 1982, 152.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
Reine Unterschriftserteilung606: Die getäuschte Person weiß infolge der Täuschung nicht, dass sie einen sie verpflichtenden Vertrag unterschreibt. a) Nichtanwendbarkeit des Erfolgsbewusstseins Ein Bewusstsein nach dem Verständnis der herrschenden Meinung ist für die Fälle des Forderungsbetrugs nicht konstruierbar. Denn zum einen macht das Erfordernis eines Verfügungsbewusstseins in Form eines Gewahrsamsübertragungsbewusstseins für den Forderungsbetrug keinen Sinn. Zu einer Forderung lässt sich schon kein Gewahrsam, der wissentlich übertragen werden könnte, aufbauen. Zum anderen würden die betrugstypischen Fälle der unterlassenen Geltendmachung einer Forderung wegen der täuschungsbedingten Nichtkenntnis an ihrem Bestehen aus dem Anwendungsbereich des § 263 StGB herausfallen. Denn glaubt das Opfer schon nicht an das Bestehen der Forderung, kann es sich erst recht nicht bewusst in Bezug auf die Herbeiführung eines Erfolgs an ihr verhalten. Insbesondere kann es nicht, wenn es schon nicht weiß, dass die Forderung besteht, zugunsten eines anderen auf ihre Geltendmachung verzichten. Das Erfolgsbewusstsein der herrschenden Ansicht findet daher nur auf einen Teilbereich des Betrugs – den Gewahrsamsbetrug – Anwendung. Das führt zu der Inkonsequenz, dass der Betrugstatbestand je nach Tatobjekt verschiedene Verfügungsinhalte hat. Da der Tatbestand des § 263 StGB allerdings nicht hinsichtlich seiner Tatobjekte unterscheidet, müsste er in Forderungs- und Gewahrsamsbetrug gespalten werden.607 Indessen ist das in der Arbeit entwickelte herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein stets, also auch auf die Fälle des Forderungsbetrugs anwendbar. Das wird die nun folgende Prüfung zeigen. b) Lösung unter Anwendung des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins Der Getäuschte eines Forderungsbetrugs muss in Übertragung der bisher aufgestellten Regel des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins hinsichtlich einer Sache einen erkannten Herrschaftsverlust billigen. Diese Definition der anhand des Gesetzes entwickelten Bewusstseinsform ist auch auf die Fälle des Forderungsbetrugs übertragbar. Das Opfer muss hinsichtlich einer Forderung erkennen, dass es seine Herrschaft in Form der Inhaberschaft an der Forderung verliert und diesen Verlust auch billigen. Es ist nun aufzuzeigen, dass sich unter der Ver-
606 RGSt 66, 409; BGHSt 22, 88; OLG Hamm, NJW 1965, 702; OLG Hamm, NJW 1969, 624; KG, JR 1972, 28; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 92 führt als Beispiel die reine Autogrammerteilung im Rahmen einer Lesung an; Otto, ZStW 79 (1967), 59 (69). 607 Vgl. Hansen, MDR 1975, 533 (534).
A. Das Verfügungsbewusstsein
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wendung des in der Arbeit ermittelten Bewusstseinsstandards identische Ergebnisse hinsichtlich sachverhaltsähnlicher Vergleichsgruppen ergeben, sodass der Betrugstatbestand keine Spaltung aufgrund der Verschiedenheit der Tatobjekte erfahren muss. Es sind zwei Vergleichspaare des Forderungsbetrugs und Gewahrsamsbetrugs zu unterscheiden: erstens die Fallgruppe der unterlassenen Geltendmachung einer Forderung wegen des Vortäuschens ihres Nichtbestehens, die deckungsgleich ist mit der Konstellation des Gewahrsamsbetrugs, in der der Berechtigte eine Handlung duldet, die die Herrschaft an der Sache beseitigt608. Zweitens ist die Unterschriftserschleichung609 mit den Untergruppen des abredewidrigen Ausfüllens eines Blanketts und der reinen Unterschriftserteilung zu nennen; diese Fallgruppe entspricht den Situationen der erschlichenen Gewahrsamslockerung bzw. des Irrtums über die Verhaltenserheblichkeit610 auf Seiten des Gewahrsamsbetrugs. Auf das Wesentliche reduziert ist Inhalt der Täuschung des ersten Vergleichspaares die Begünstigtenstellung des Opfers. Das Opfer macht sich regelmäßig die falsche Vorstellung, über seine Berechtigung eine Forderung geltend zu machen bzw. die Sachherrschaft aufrechterhalten zu dürfen. Aus diesem Grund verfügt der Berechtigte durch das Dulden störender Maßnahmen. Die Anforderungen an das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein sind in beiden Fällen erfüllt: Für das Wissenselement des Gewahrsamsbetrugs ist es ausreichend, wenn das Opfer überblickt, dass ein Herrschaftsverlust stattfindet. Diesem stimmt es auf Willensebene auch zu. Diese Voraussetzungen eines herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins sind auch in der parallelen Variante des Forderungsbetrugs gegeben. Der Getäuschte weiß zumindest, dass er nicht mehr Inhaber der Forderung ist und stimmt diesem Verlust auch zu. Die Kenntnis von der Begünstigung einer anderen Person ist nicht erforderlich. Sowohl in dem Fall des Gewahrsamsbetrugs als auch des Forderungsbetrugs sind die Verfügungsvoraussetzungen nach § 263 StGB damit erfüllt. Wesentlich unrechtsgleich ist auch das zweite Vergleichspaar. Innerhalb der Unterschriftserteilung auf Seiten des Forderungsbetrugs ist zwischen der Ausfüllung eines Blanketts und der reinen Unterschriftserteilung zu unterscheiden. Im ersten Fall (Gewahrsamslockerung bzw. Blankett) täuscht der Täter über seine Absicht, die vom Opfer überreichte Sache im Rahmen des Gewahrsamsbetrugs seinem Vermögen einzugliedern bzw. auf Seiten des Forderungsbetrugs die Un608 Exemplarisch dazu OLG Köln, MDR 1974, 15; ebenso der „Geschenke“-Fall von Otto, ZStW 79 (1967), 59 (67 f.). 609 OLG Celle, NJW 1959, 399; OLG Hamm, NJW 1965, 702; OLG Saarbrücken, NJW 1968, 262; OLG Hamm, NJW 1969, 624; KG, JR 1972, 28; OLG Düsseldorf, NJW 1974, 1833; OLG Celle, NJW 1975, 2218; OLG Hamm, wistra 1982, 152. 610 Beispielhaft der unten im Kapitel 3: A. V. 1. genannte „Klavier“-Fall.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
terschrift auf einem Blankett nicht missbräuchlich zu verwenden611. Angesichts des Glaubens an die Redlichkeit des Täters wird die Sache überlassen, die Unterschrift erteilt. Ein Vermögenswechsel tritt noch nicht ein.612 Dieser wird nach den Umständen des Einzelfalls erst durch ein weiteres Verhalten des Täters vollzogen. Mangels konkreter Vermögensgefährdung tritt noch keine sofortige Minderung des Vermögens ein. Im Zeitpunkt des endgültigen Vermögensverlusts hat der Berechtigte jeweils keinen Verlustwillen in Form des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins. Insbesondere fehlt der Wille, die Herrschaft zu verlieren bzw. die Forderung in der vereinbarten Form einzubüßen. Zu einem Verlust müssen nach den jeweiligen Vereinbarungen vielmehr weitere Umstände hinzutreten. Für die Fälle der Gewahrsamslockerung ist das die Bezahlung, für Fälle der Unterschriftsleistung die Erfüllung von Abreden. Daher fehlt es sowohl für den Gewahrsamsbetrug als auch den Forderungsbetrug an dem positiven Verlustwillen als notwendiges Element der Vermögensverfügung. In beiden Fällen ist eine Betrugsstrafbarkeit deshalb abzulehnen. Der zweite Fall der Unterschriftserschleichung, in dem die Unterschrift nicht auf einem Blankett, sondern als solche geleistet wird, entspricht den Fällen, in denen das Opfer über seine Verhaltenserheblichkeit irrt. In beiden Fällen verschleiert der Täter, dass überhaupt auf einen fremden Herrschaftsbereich eingewirkt wird. Dadurch verhindert er die Möglichkeit der Willensbildung auf Opferseite. Die Opfer kommen jeweils nicht auf die Idee, sich in Bezug auf eine Sache aus ihrem Herrschaftsbereich rein faktisch zu verhalten bzw. dass eine Forderung überhaupt entsteht. Das gilt sowohl in den oben genannten Gewahrsamssituationen als auch in den Fällen des Forderungsbetrugs, in denen der Täter eine schlichte Unterschrift als solche ohne weitere Verknüpfungen erfragt. Ebenso wenig wie der Gewahrsamsinhaber selbst bei einer äußerlichen Mitwirkungshandlung daran denkt, es könnte sich um seine Sache handeln, fehlt auch bei dem Unterzeichnenden der Gedanke, eine Forderung zu begründen. Die Verschleierung des Täters ist so tiefgreifend, dass jeglicher Willensbildungsprozess beim Opfer unterbunden wird. Beide Male reift nicht im Geringsten der Gedanke heran, sich in Bezug auf eine Sache bzw. Forderung zu verhalten. Damit fehlt genauso wie in den Fällen des Gewahrsamsbetrugs auch auf Seiten des Forderungsbetrugs der Wissens- und Willensteil des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins. Sowohl in Bezug auf den Gewahrsam an der Sache wie auch hinsichtlich des Bestehens einer Forderung ist die Betrugsstrafbarkeit daher auszuschließen.
611
OLG Celle, NJW 1959, 399 (400); OLG Celle, NJW 1975, 2218 (2219). So auch tendenziell OLG Saarbrücken, NJW 1968, 262; OLG Düsseldorf, NJW 1974, 1833 (1834); OLG Celle, NJW 1975, 2218 (2219); OLG Hamm, wistra 1982, 152 (153); a. A. OLG Celle, NJW 1959, 399 (400); Lackner, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 104; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 91 f. 612
A. Das Verfügungsbewusstsein
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Die Prüfung der Vergleichsfälle hat gezeigt, dass das in der Arbeit entwickelte herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein nicht nur auf die Fälle des Gewahrsamsbetrugs, sondern auch auf die Fälle des Forderungsbetrugs anwendbar ist. Insgesamt führt die Lösung unter Anwendung des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins zu einheitlichen Lösungen wesentlich unrechtsgleicher Fälle des Gewahrsams- und Forderungsbetrugs. c) Stellungnahme Die inhaltliche Ausgestaltung des Verfügungsbewusstseins der herrschenden Ansicht führt zu Ungereimtheiten. Insbesondere findet dieses Verfügungsbewusstsein nur Anwendung auf die Fälle des Gewahrsamsbetrugs. Hinsichtlich aller anderen Betrugsarten wird auf dieses Kriterium verzichtet. Gehörte es aber – wie die herrschende Ansicht behauptet – tatsächlich zu den unerlässlichen Wesensmerkmalen des Betrugs als Selbstschädigungsdelikt, müsste es folgerichtig stets zur Anwendung kommen.613 Die Gesetzesfassung lässt darüber hinaus keine unterschiedliche Behandlung der verschiedenen Betrugsarten erkennen.614 Die Konsequenz wäre, für alle Fälle des Betrugs ein Verfügungsbewusstsein zu fordern.615 Das führt zu nicht hinnehmbaren Strafbarkeitslücken für den Bereich des Forderungsbetrugs. Handhabbar ist der Betrugstatbestand deshalb nur durch Abschaffung des überwiegend geforderten strengen Bewusstseinspostulats bezogen auf die erfolgreiche Gewahrsamsübertragung.616 In allen kongruenten Fällen aus dem Bereich des Gewahrsams- bzw. Forderungsbetrugs konnten demgegenüber mithilfe des in der Arbeit durch Auslegung ermittelten herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins übereinstimmende Ergebnisse erzielt werden. Durch die aus dem Gesetz abgeleitete Reduzierung des Bewusstseinskriteriums für den Betrug wurde ein auf den Betrugstatbestand einheitlicher Maßstab für das Opferbewusstsein geschaffen, der für den Gewahrsams- wie den Forderungsbetrug gleichermaßen anwendbar ist. Dadurch ist keine Spaltung des Betrugstatbestands nötig. Die für beide Betrugskategorien identischen Ergebnisse bestätigen insofern nur das hier geschaffene Bewusstseinskriterium.
613 Ebenso die Kritik bei Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (385); Maiwald, ZStW 91 (1979), 923 (929); Otto, JZ 1978, 564 (566); ders., JZ 1993, 652 (655); Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 236; Puppe, JR 1984, 229 (230) Fn. 9. 614 Ebenso Gallas, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 401 (421). 615 So Hansen, MDR 1975, 533 (538); Ranft, JA 1984, 723 (730 f.); ders., Jura 1992, 66 (71). 616 Siehe dazu Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 67; Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (385); Otto, JZ 1985, 69 (71); Samson, JA 1978, 564 (566).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
2. Vereinbarkeit der Bewusstseinsformen mit der Deliktsstruktur Noch ein weiteres dogmatisches Argument bestätigt die Ablehnung jeglicher subjektiver Erfolgstheorien. Seit der Anerkennung des selbstschädigenden Charakters des Betrugs ist klargestellt, dass das tatbestandlich normierte Ereignis des Schadens in Form eines Gewahrsamsverlusts an eine Verfügung des Opfers gekoppelt ist. Der Schaden kann also nur mittels Verfügung herbeigeführt werden. Er setzt nach oben genannter Definition sogar exakt ein Handeln oder Dulden des Getäuschten voraus. Aus der Begrenzung der Begehungsart erhellt, dass der Betrug, anders als der Diebstahl, der ein reines Verursachungsdelikt617 kennzeichnet, als tätigkeitsgebundenes Erfolgsdelikt618 ausgestaltet ist. Ferner liegt der Erfolg lediglich in einem Gewahrsamsverlust. Eine Gewahrsamsverschiebung, die zwar von dem Täter subjektiv in Gestalt der Bereicherungsabsicht in den Tatplan aufgenommen werden muss, ist indes aufgrund der Ausgestaltung des Betrugs als kupiertes Erfolgsdelikt619 objektiv nicht erforderlich. Aus dieser Tatbestandsstruktur des Betrugs sind im Hinblick auf das Erfolgsbewusstsein zwei Konsequenzen zu ziehen: Erstens ist es unzutreffend, die subjektive Willenseinstellung des Opfers an ein Ergebnis zu knüpfen, das von dem erfolgskupierten Tatbestand zu dessen objektiver Erfüllung schon nicht vorausgesetzt wird. Es kann nicht gefordert werden, dass die subjektiven Opfervorstellungen über das tatbestandlich notwendige objektive Täterverhalten hinausgehen. Bezogen auf den Betrug, der lediglich einen Gewahrsamsverlust, nicht dagegen eine Gewahrsamsverschiebung voraussetzt, reicht es daher auch subjektiv aus, dass sich das Opfer nur des Verlusts, nicht hingegen des Erfolgs bewusst ist. Die zweite Konsequenz ist aus der tätigkeitsgebundenen Tatbestandsstruktur zu ziehen. Die Tätigkeitsgebundenheit des Betrugsdelikts bezieht sich nicht nur auf das täuschende Täterverhalten. Vielmehr resultiert die Tätigkeitsgebundenheit daneben notwendigerweise auch aus dem Opferverhalten. Das ergibt sich aus der Struktur des Betrugstatbestands, in dem der Beitrag des Opfers notwendig zur Erfolgsverwirklichung ist. Daher ist es unzutreffend, die subjektive Willensübereinstimmung an der Erfolgsverursachung zu messen. Vielmehr ist als Ansatzpunkt für die Willenseinstellung ein früherer Moment zu wählen, nämlich der Verhaltensbeginn des Opfers. Nur diese Sichtweise wird der Ausgestaltung des Delikts als verhaltensabhängiges Verletzungsdelikt gerecht. Damit ist bestätigt, dass es für die innere Willenseinstellung nicht auf ein Erfolgsbewusstsein ankommen kann. Vielmehr ist das Bewusstsein entsprechend dem Aufbau des Delikts, dessen Erfolg – hier in Form des Gewahrsamsverlusts – 617
Siehe Rotsch, GA 2008, 65 (69). Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 3; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 8; Merz, „Bewußte Selbstschädigung“, S. 159. 619 Siehe Fn. 547. 618
A. Das Verfügungsbewusstsein
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an eine bestimmte Begehungsform anknüpft, am Verhalten des Opfers zu bemessen. Das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein, das inhaltlich an den Gewahrsamsverlust anknüpft, wird im Vergleich zu dem Verfügungsbewusstsein der herrschenden Ansicht dieser Deliktsstruktur des Betrugstatbestands gerecht. Neben den aufgedeckten verfassungsrechtlichen Verstößen konnten nun noch dogmatische Ungereimtheiten des von der herrschenden Ansicht angeführten Verfügungsbewusstseins in Form eines Erfolgsbewusstseins aufgezeigt werden. Insbesondere ist es nicht einheitlich auf alle Fälle des Betrugstatbestands anwendbar. Zudem konnte zuletzt nachgewiesen werden, dass das Erfordernis eines Erfolgsbewusstseins, anders als das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein, der Tatbestandsstruktur des Betrugs widerspricht. Damit ist seine Verwendung als Betrugsmerkmal entkräftet. Dieses theoretische Ergebnis der Entwertung des Erfolgsbewusstseins spiegelt sich auch in seiner praktischen Anwendung wider. So wird im nächsten Punkt gezeigt, dass eine Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug anhand konkreter Fälle unter der Prüfung des Verfügungsbewusstseins zu uneinheitlichen Ergebnissen führt. Demgegenüber liefert die Zwei-Stufen-Prüfung unter Einbeziehung des in der Arbeit entwickelten herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins eindeutige Lösungen.
V. Tauglichkeit des Verfügungsbewusstseins in den verschiedenen Arten von Bewusstseinsdefiziten Im Folgenden ist die Voraussetzung des Verfügungsbewusstseins in Gestalt eines Erfolgsbewusstseins für den Betrugstatbestand zu entkräften. Das geschieht durch Kenntlichmachung der Abweichungen der herrschenden Ansicht von der gesetzlichen Zwei-Stufen-Prüfung und durch Würdigung der Unterschiede. Konkret bietet sich die Prüfung anhand von Beispielen an, in denen das Opfer verschiedensten Bewusstseinsdefiziten ausgesetzt ist. Auf diese Weise können die Vorzüge des vorher in der Grundlagenuntersuchung erarbeiteten Bewusstseinsinhalts gegenüber dem Erfolgsbewusstsein der herrschenden Ansicht anhand von Fällen verdeutlicht werden. 1. Wissensdefizit über die Verhaltenserheblichkeit In der ersten zu untersuchenden Fallkonstellation bleibt es dem Getäuschten unbenommen, mit seinem Verhalten in Bezug auf eine Sache tätig oder untätig zu sein; in diesem Fall sieht er sein Tun oder Unterlassen nicht als verhaltensrelevant an. Dazu ist mit dem folgenden „Klavier“-Fall 620 einzuleiten: Als A heim620
Otto, ZStW 79 (1967), 59 (67).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
kommt, begegnen ihm im Treppenhaus B und C, die gerade dabei sind, das Klavier des A mitzunehmen. A erkennt es allerdings nicht als das seine, grüßt B und C und geht weiter. In der Wohnung angekommen bemerkt er den Verlust. a) Lösung der herrschenden Ansicht Nach dem Lösungsvorschlag der herrschenden Meinung ist eine Gewahrsamsverfügung zu verneinen:621 Das Opfer weiß zu keinem Zeitpunkt, dass es sich bei dem abzutransportierenden Klavier um einen Gegenstand handelt, der ihn berechtigt und verpflichtet. Mangels Wissens um die eigene Berechtigung kann es kein Bewusstsein an dem Überlassen des Gewahrsams bezüglich des Klaviers bilden. Eine Wegnahme wird nicht durch ihr bloßes Betrachten zu einer Verfügung.622 Eine Selbstschädigung muss daher entfallen. b) Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung Auch eine genauere Prüfung dieses Falls unter systematischer Aufarbeitung der Gewahrsamsverhältnisse, orientiert an dem Zwei-Stufen-Modell im Rahmen beider abzugrenzender Delikte, führt zu diesem Ergebnis. Das Fallbeispiel wird anhand des gefundenen Abgrenzungsschemas aufgrund der bisherigen Erörterungen untersucht. Auf der ersten Stufe muss die Abgrenzungssituation formell eröffnet sein. Das setzt zunächst eine Überschneidung im Bereich der Tatobjekte voraus. Da das Klavier eine fremde, bewegliche und wertbehaftete Sache ist, ist die erste Voraussetzung eines sich überschneidenden Tatobjekts zu bejahen. Nun müssen die Voraussetzungen einer Täuschung und eines daraufhin kausalen Irrtums geprüft werden. In der Konstellation, wie sie im Ausgangsfall beschrieben ist, lag allerdings schon keine Täuschung vor: Weder haben die Täter ausdrücklich getäuscht, noch ist ihnen mangels Offenbarungspflicht eine Täuschung durch Unterlassen vorzuwerfen. Darüber hinaus ist dem Heraustragen eines Klaviers unter zugrundegelegter faktisch-konkreter Betrachtungsweise nicht der Auskunftswert zu entnehmen, dazu berechtigt zu sein623. Damit entfällt auch eine schlüssige Täuschung. Im Original-„Klavier“-Fall ist folglich schon eine Täuschung zu verneinen, was eine weitere Prüfung der Abgrenzung überflüssig macht. Nach der Zwei-Stufen-Prüfung ist im Originalfall ein Diebstahl, nicht hingegen ein Trickdiebstahl, zu bejahen. 621 Siehe Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 84; im Ergebnis auch Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (385), der allerdings ein Bewusstsein innerhalb der Vermögensverfügung verneint; Otto, ZStW 79 (1967), 59 (67); Vitt, NStZ 1994, 133 (134). 622 Otto, ZStW 79 (1967), 59 (67). 623 Zweifelnd Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 30 f.
A. Das Verfügungsbewusstsein
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Eine Täuschung, die die Abgrenzung eröffnen würde, wäre allerdings dann gegeben, wenn die Täter beim Aufeinandertreffen mit A eine Andeutung ihrer Berechtigung machen würden. Zum Beispiel müssten sie erklären, dass es das Klavier des Nachbarn sei, der umziehe. Damit würde auf die Vorstellung des Berechtigten eingewirkt. Angenommen, es läge eine Täuschung unter Zugrundelegung dieser Abwandlung des Ausgangsfalls vor, müsste im Weiteren ein Irrtum geprüft werden. Da das Opfer nun die von der Wirklichkeit abweichende, negative Vorstellung hatte, es handele sich um ein fremdes Klavier, wurde in ihm ein Irrtum erregt. Die Abgrenzungssituation ist dann eröffnet. Unter hypothetischer Zugrundelegung der Eröffnung der Abgrenzung muss man sich in der zweiten Prüfungsstufe mit der eigentlichen Abgrenzungsfrage befassen. Als Erstes sind die Gewahrsamsverhältnisse in der Ausgangssituation darzustellen. Ursprünglich war das Klavier der Gewahrsamssphäre des Eigentümers A unterstellt, der das Klavier in dem generellen Gewahrsamsbereich, der durch die Mauern seiner Wohnung begrenzt wird, unterstand. Zum Zweiten ist innerhalb der zweiten Stufe nach dem Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts zu fragen. Im „Klavier“-Fall könnte der Gewahrsamsverlust durch einen eigenmächtigen Zugriff der Täter auf das Schutzobjekt bedingt sein. Mit dem Anfassen des Klaviers in den Räumlichkeiten des A kam es jedoch unter sozial-normativer Betrachtung noch nicht zu einem Gewahrsamsverlust an dem großen, sperrigen Gegenstand. Im weiteren Verlauf könnte durch Verlassen des räumlich geschützten Bereichs der Wohnung des A ein Gewahrsamsverlust eingetreten sein. Zu diesem Zeitpunkt haben B und C bereits die tatsächliche Sachherrschaft erlangt. Allerdings ist anzunehmen, dass die Täter noch nicht uneingeschränkt über den Gegenstand großen Umfangs nach Belieben verfügen konnten. Der Gewahrsamsverlust muss vielmehr später stattgefunden haben. Ein Gewahrsamsverlust an dem Klavier setzte erst mit dem Entfernen aus dem Wohnhaus ein, da aus sozial-normativer Sicht in diesem Zeitpunkt das Klavier nicht mehr dem räumlich geschützten Herrschaftsbereich des Opfers unterstand. Im dritten Prüfungsschritt innerhalb der zweiten Stufe ist nach dem Verlustwillen des Opfers im Augenblick der schädigenden Handlung zu fragen. Der Betrug ist dem Unrechtstyp nach ein Selbstschädigungsdelikt. Wie sich bei den Grundlagen der gesetzlichen Auslegung ergeben hat, müsste der präsumtiv Verletzte innerhalb des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins zumindest erkennen, dass eine Sache seinen Herrschaftsbereich verlässt. Im konkret zu analysierenden Fall wusste A überhaupt nicht, dass er sich in irgendeine Richtung in Bezug auf eine Sache aus seinem Herrschaftsbereich verhält. Der Gewahrsamsverlust war ohne irgendein Wissen des A geschehen. Zu diesem Ergebnis würde man selbst dann gelangen, wenn der Berechtigte aktiv an der Gewahrsamsverschaffung mitgearbeitet hätte, etwa durch das Aufhalten der Schwingtür des Wohnhauses. Durch diese Verhaltensweise will er lediglich behilflich sein, hat aber von einem Herrschaftsverlust keine Kenntnis. Damit fehlt es schon an dem Wissenselement
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
des aus dem Gesetz abgeleiteten herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins. Auch die objektive Handlungsqualität ändert an dem entgegenstehenden Bewusstsein des Opfers nichts. Eine Verfügung im Sinne des Betrugstatbestands ist zu verneinen. Vielmehr liegt ein negativer Verlustwille in Bezug auf den Herrschaftsverlust vor, der dem Opferbewusstsein des Diebstahlopfers entspricht. Im Moment des Verlassens des Wohnhauses mit dem Klavier haben die Täter damit eine Wegnahme vollendet. Die Täter sind nach § 242 StGB strafbar. c) Stellungnahme In den Fällen, in denen der Geschädigte wegen des umfassenden Wissensdefizits nicht weiß, sich in Bezug auf eine Sache zu verhalten, muss ein Betrug verneint werden. Meistens entsteht mangels Täuschung und Irrtums schon überhaupt keine Abgrenzungsfrage. Ist die Abgrenzungssituation ausnahmsweise doch eröffnet, ist mangels Willensbildung ein positiver Verlustwille in Form eines herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins und damit eine Verfügung im Sinne des § 263 StGB zu verneinen. Das führt regelmäßig zur Bejahung eines Trickdiebstahls. Dieses Resultat ergibt sich auch unter Behandlung des Falls mithilfe des Verfügungsbewusstseins im Sinne der herrschenden Meinung. Dessen Heranziehung ist allerdings überflüssig. 2. Wissensdefizit über die Wirkung eines Handelns oder Unterlassens In der zweiten zu untersuchenden Fallkonstellation ist sich der Getäuschte der Wirkung seiner schädigenden Handlung nicht bewusst. Im Unterschied zum vorhergehenden Verhaltensmuster weiß der Getäuschte zwar immerhin, dass er sich in Bezug auf eine Sache verhält. Er hat allerdings keine Kenntnis von den schädigenden Folgen, die mit dieser Einwirkung auf seinen Herrschaftsbereich verbunden sind. Vielmehr erkennt das Opfer aufgrund einer geschickten Täuschung des Täters nicht, dass es mit seinem darauffolgenden Verhalten sein Vermögen belastet, weil ihm das Wissen um seine Berechtigung an dem Dispositionsgut durch die Täuschung verschleiert bleibt. Dazu folgender „Geldschein“-Fall 624: Ein Kunde A verliert auf dem Flur eines Verkaufsladens aus seiner Hosentasche einen Geldschein. Der Ladeninhaber B, der den Schein auf dem Boden bemerkt, den Verlust aber nicht beobachtete, fragt 624 In Anlehnung an den „Portemonnaie“-Fall des OLG Hamm, NJW 1969, 620; ähnlich auch BayObLG, MDR 1964, 343; dazu grundsätzlich vergleichbar auch der „Armbanduhr“-Fall in BayObLGSt 1963, 193; ähnlich auch die Fälle bei Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (383); Schlehofer, Einwilligung und Einverständnis, S. 37 und 51; Irrtum über die Berechtigung auch in den von Schröder angeführten „Holzstapel“-Fall, ZStW 60, (1941), 33 (44) oder dem „Pferdediebstahl“-Fall, ZStW 60 (1941), 33 (46 Fn. 17).
A. Das Verfügungsbewusstsein
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nun einen anderen Kunden C, ob es sich um dessen Geldnote handele. C nickt wider besseres Wissen und steckt den Schein ein. Voranzustellen ist die Eignung des Falls als Abgrenzungskonstellation des Trickdiebstahls gegenüber dem Gewahrsamsbetrug. Zwar treten hier mehr als zwei Personen auf. Das schadet aber nicht, da für die Abgrenzung nur das Verhältnis zwischen B und C von Bedeutung ist. Damit handelt es sich um ein für die Abgrenzungssituation zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug typisches Zweipersonenverhältnis. a) Lösung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur Eine breite Mehrheit in Rechtsprechung und Literatur bestraft den Täter in diesem Fall als Trickdieb.625 Demnach täuscht C aufgrund der wahrheitswidrigen Auskunft über seine Berechtigung an der Sache.626 B glaubt bereits an eine Eigentümereigenschaft des C und will sich diesem gegenüber nur noch versichern. Indem C die Frage mit einem Kopfnicken beantwortet, bestärkt er diese Fehlvorstellung und unterhält damit einen Irrtum.627 B übergibt den Geldschein daraufhin irrtumsbedingt an C. In der Übergabe ist nach dieser Ansicht aber keine Vermögensverfügung im Sinne des § 263 StGB zu sehen. Entscheidend ist in diesem Fall der innere Wille des Getäuschten zur Gewahrsamsübertragung.628 B will den Geldschein nur an den Eigentümer übergeben und weder fremden Gewahrsam brechen noch neuen wiederherstellen. Er besitzt aufgrund der wahrheitswidrigen Auskunft des C kein Bewusstsein hinsichtlich einer Neuschaffung der Gewahrsamsverhältnisse.629 Er weiß nicht, dass es sich bei dem Geldschein um eine von ihm vergessene oder liegengelassene Sache handelt.630 Insbesondere will er nicht über den Gegenstand in dem Sinne verfügen, dass er Gewahrsam überträgt. Die Hingabe des 625 OLG Hamm, NJW 1969, 620 f.; zustimmend Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 90 ff.; wohl auch Bethge, Der Ladendiebstahl, S. 168 f.; Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 115; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (46); Welzel, Das Deutsche Strafrecht, S. 371; Wimmer, Die Bedeutung des zustimmenden Willens, S. 76 ff. gelangt zu diesem Ergebnis unter Prüfung der Diebstahlsmerkmale, ohne „sich (. . .) im Dickicht der Theorien zu § 263 orientieren zu müssen“. 626 Welzel, Das Deutsche Strafrecht, S. 371. 627 OLG Hamm, NJW 1969, 620. 628 OLG Hamm, NJW 1969, 620; Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 91. 629 Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 92; vgl. auch Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (46); Welzel, Das Deutsche Strafrecht, S. 371; Wimmer, Die Bedeutung des zustimmenden Willens, S. 77. 630 OLG Hamm, NJW 1969, 620 (621); Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (384); Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 115; Otto, Jura 1997, 464 (467).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
Geldscheins erfolgt allein vor dem Hintergrund, schon vorher bestehende Eigentums- und Sachherrschaftsverhältnisse aufrechtzuerhalten. Daher kommt die überwiegende Ansicht mangels Verfügungsbewusstseins zu einem Scheitern der Betrugsstrafbarkeit. Deshalb ist der Täter nach dieser Ansicht wegen Diebstahls zu verurteilen. Eine weitere Stimme in der Literatur631 kommt zu demselben Ergebnis, obwohl sie sich für einen herabgesetzten Maßstab des Verfügungsbewusstseins ausspricht. Neben dem Erkennen des äußerlichen Vorgangs der Vermögensbewegung wird weiterhin verlangt, dass der Getäuschte zumindest bis zum Zeitpunkt der irreführenden Einwirkung von dem Betroffensein eigenen Vermögens überzeugt war. Zuletzt verlangt diese Stimme, dass das Opfer für die Vermögensbewegung „gewonnen“ 632 werden muss. Damit muss nachgewiesen werden, dass der Getäuschte vor der Tat weiß, dass eine Sache seinem Vermögen untersteht. Zu einem Betrug kann es nach dieser Auffassung nicht kommen, da das Opfer von der Eingliederung der Sache in sein Vermögen keine Kenntnis hatte. Daher hat sich der Täter nach dieser Meinung im Rahmen des „Geldschein“-Falls wegen eines Diebstahls strafbar gemacht. Die Gegenansicht633 gelangt demgegenüber (auch)634 zu einer Betrugsstrafbarkeit. Dieses Ergebnis wird einerseits mit der positiven inneren Willenseinstellung des Getäuschten gerechtfertigt. Dabei findet das Verfügungsbewusstsein mit keinem Wort Erwähnung. Maßgeblich sei nur, dass das Opfer einen zwangsfreien Entschluss fassen kann.635 Ist dieses Erfordernis gewährleistet, scheidet demnach eine Strafbarkeit nach den Eigentumsdelikten aus. Da der Berechtigte in dem „Geldschein“-Fall einen zwangsfreien Entschluss fassen konnte, ist der Betrugstatbestand erfüllt. Andererseits führt nach dieser Ansicht auch die konsequente Anwendung der Figur des generellen Gewahrsamswillens zu einer freiwilligen Verfügung. Diese sei nicht nur in den Fällen der Begründung des Gewahrsams, sondern gleichfalls in den Fällen des Verlusts anwendbar. Denn wenn der generelle Gewahrsamswille genügt, Gewahrsam zu begründen, muss er auch hinreichend für den Verlust des Gewahrsams sein. In der konkreten Fallsituation wollte B den Gewahrsam generell an denjenigen übertragen, der berechtigter Eigentümer ist.636 Zuletzt wird mit dem Charakter des Betrugs argumentiert: Wegen des zentralen Vorgangs der Hingabe der Sache durch das Opfer könne man sich der Bejahung einer Vermögensverfügung nicht verschließen.637 Damit ist nach 631 632 633 634 635 636 637
Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 62. Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 62. BayObLGSt 1963, 193; Wedekind, NJW 1969, 1128 (1129). Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (383 ff.). BayObLGSt 1963, 193 (194 f.). Wedekind, NJW 1969, 1128 (1129). Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (385).
A. Das Verfügungsbewusstsein
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dieser Auffassung in dem konkreten „Geldschein“-Fall über den Gewahrsam an dem Schein im Sinne des § 263 StGB verfügt worden. b) Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung Nach dem in der Untersuchung entwickelten Zwei-Stufen-Modell muss in dem „Geldschein“-Fall erstens die Abgrenzungssituation eröffnet sein. Das setzt einen täuschungsbedingten Irrtum an einer fremden, beweglichen Sache mit wirtschaftlichem Wert voraus. Durch das Kopfnicken täuschte C ausdrücklich über seine Berechtigung an dem fremden, beweglichen und wertbehafteten Geldschein. Das bestärkte die wahrheitswidrige Vorstellung bei B, dass C tatsächlich Eigentümer des Geldscheins ist. Die Abgrenzungssituation ist eröffnet. Zweitens ist auf materieller Prüfungsebene die Abgrenzung durch Aufschlüsselung der Gewahrsamsänderungen vorzunehmen. Zunächst ist die Frage nach der ursprünglichen Gewahrsamsinhaberschaft zu klären. Zu Beginn hatte A den Gewahrsam inne. Als dieser den Schein verlor, konnte er auf B übergegangen sein. Verlorene Sachen bleiben nur dann im Gewahrsam des bisher Berechtigten, wenn sie innerhalb der eigenen Gewahrsamssphäre liegen bleiben. In fremder Gewahrsamssphäre kommt es darauf an, ob der Gewahrsamsinhaber einen generellen Willen besitzt.638 Wurde die Sache dagegen an einem Ort verloren, der keinem Herrschaftsbereich zuzuordnen ist, wird auch die verlorene Sache gewahrsamslos. Im konkreten Fall ist A des Geldscheins innerhalb des Gewahrsambereichs des Ladeninhabers verlustig geworden. Durch das Aufheben konnte B neuen Gewahrsam begründen. Da sich sein Gewahrsam aufgrund sozial-normativer Anschauung auf alle Sachen innerhalb seines Ladens erstreckt, um die keine Gewahrsamsenklave gezogen wird, ist anzunehmen, dass er auch zu dem auf dem Boden liegenden Geldschein ein Gewahrsamsverhältnis aufbaute. Daher ist zu diesem Zeitpunkt ein Gewahrsamsverlust an der Geldnote von A auf B eingetreten. Mit der späteren Frage nach der Inhaberschaft des Verkäufers B gegenüber dem C trat noch kein weiterer Gewahrsamsverlust von B an C ein.639 Denn der Gewahrsam ist nicht ausschließlich subjektiv zu bestimmen, sondern wird, um sichere Ergebnisse zu gewährleisten, gerade aufgrund sozial-normativer Erwägungen zugerechnet.640 Wegen der pauschalen Zuordnung grundsätzlich aller 638 RGSt 54, 231 (232); Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 28; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 35; Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 66. 639 Anders Bittner, MDR 1970, 291 f., der in dem Sachverhalt des OLG Hamm, NJW 1969, 620 ab dem Zeitpunkt der Frage des Verkäufers gegenüber dem Kunden Gewahrsamslosigkeit annimmt und im Ergebnis zu einer Strafbarkeit aus § 246 StGB kommt. 640 So auch die Kritik bei Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 91 Fn. 65.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
verlorenen Sachen in dem generellen Herrschaftsbereich gilt auch der Geldschein trotz äußerlich entgegenstehender Frage als dem Verkäufer zugeordnet. Im weiteren Verlauf wurde die Sache schließlich von B an C weitergereicht. In dem Moment des Einsteckens des Geldscheins kam es zu einem Gewahrsamsverlust von B an C. Nach den in der Arbeit gefundenen Voraussetzungen ist in dem dritten Prüfungsschritt auf zweiter Stufe zu prüfen, ob B dem Gewahrsamsverlust zugestimmt hat. B wollte gerade, dass die Sache dem Beherrschungsbereich des C unterfällt. Damit handelte er mit positivem Verlustwillen. Zudem beinhaltet dieser sogenannte Verlustwille ein herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein. Denn im Unterschied zur vorausgehenden Fallkonstellation wusste das Opfer in diesem Fall, dass es faktisch eine Handlung oder Duldung an einer Sache vornimmt, die zu einem Herrschaftsverlust an ihr führt. Die Möglichkeit der Willensbildung als Grundlage für das Ob eines Verhaltens war damit gewährleistet. Dass es keine Kenntnis über die wahren Gewahrsams- bzw. Vermögensverhältnisse hat, schadet nicht. Vielmehr ist für eine Personen-Sach-Beziehung, wie sie der Betrug als Selbstschädigungsdelikt verlangt, die reduzierte Kenntnis eines Laien um den eigenen Herrschaftsverlust ausreichend. Darüber hinaus die Erkenntnis des Opfers zu fordern, dass es dabei eine schädigende Gewahrsams- bzw. Vermögenseinbuße erleidet, ergibt sich nicht aus der eigenen Auslegung641 des Betrugstatbestands. Sein Anwendungsbereich wäre unter dem Erfordernis eines derart gesteigerten Verfügungsbewusstseins erheblich verkürzt, da die Täuschung regelmäßig die schädigenden Folgen verschleiert. Außerdem ergibt sich aus dem Irrtumsmerkmal, das Spiegelbild der Verfügung ist, dass an die subjektive Seite der Verfügung keine höheren Anforderungen gestellt werden dürfen, als sie sich aus dem Irrtum ableiten lassen. Da der Betrugstatbestand nun keine Einschränkung in Bezug auf bestimmte Irrtumsarten vorschreibt, genügt auch auf Seiten der Verfügung jedes Bewusstsein, bei dem die Möglichkeit zur Willensbildung gewahrt ist. Da das Opfer von dem Umstand des Herrschaftsverlusts an der Sache wusste und die Preisgabe auch wollte, sind die Anforderungen an das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein im Moment des Gewahrsamsverlusts erfüllt. C ist Gewahrsamsbetrüger im Sinne des § 263 StGB und nicht Trickdieb. c) Stellungnahme Ausgehend von den eingangs erwähnten Wesensunterschieden der Delikte Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug muss die Widersprüchlichkeit der beiden Ausgangsansichten in Rechtsprechung und Literatur, die einen Betrug verneinen und zu einer Diebstahlsstrafbarkeit gelangen, auffallen. Der Täter verhält sich nicht offensiv im Hinblick auf die Erlangung der Sache, sondern defensiv. Um 641
Kapitel 2: A. III. 2. b) bb) (2) (a).
A. Das Verfügungsbewusstsein
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den Gewahrsam an der Sache zu gewinnen, muss er das Opfer nicht, wie für eine Fremdschädigung typisch, ausschalten. Er benutzt es geradezu missbräuchlich als Werkzeug, um einen Sachgewaltswechsel hervorzurufen. Ohne eine fremde Tabuzone zu stören, lässt er sich die Sache herausreichen. Die zweite Auffassung in der Literatur, die das Erkennen der Vermögenszugehörigkeit vor dem schädigenden Verhalten und die Überzeugung von dem Betroffensein eigenen Vermögens verlangt, mildert zwar entsprechend der hier vertretenen Richtung das von der herrschenden Meinung eingesetzte Verfügungsbewusstsein ab. Dennoch ist diese Meinung noch zu streng. Nach den oben642 herausgearbeiteten Kriterien einer Selbstschädigung muss das Wissen um die Stellung als Herrschaftsinhaber genügen. Der Getäuschte erkennt sich als Sachbeherrscher und nimmt den Vorgang der Sachbewegung wahr. Daher sind die Mindestanforderungen an eine Selbstschädigung erfüllt. Ferner ist auf Opferseite aufgrund der notwendigen Anpassung des Bewusstseins auf einen Laien und wegen der Harmonisierung der kausal verknüpften Tatbestandsvoraussetzungen von Täuschung, Irrtum und Verfügung gerade keine weitere Erkenntnis vonnöten, dass die Sache zu irgendeinem Zeitpunkt dem Opfervermögen angehörig war. Außerdem ist die letzte Anforderung dieser Meinung für die Vermögensverfügung, nämlich dass das Opfer für die Vermögensbewegung gewonnen werden muss, in ihrer Anwendung unsicher. Sie ersetzt das Unmittelbarkeitskriterium.643 Zwar wird klargestellt, dass darunter nicht auf das äußerliche Erscheinungsbild des Opferverhaltens abzustellen ist.644 Dennoch wird nicht deutlich, ob damit nur ein kausaler Faktor oder auch eine subjektive Billigung des Vorgangs der Sachverschiebung gemeint ist. Wegen der nicht mit dem Charakter der Selbstschädigung zu vereinbarenden strengen Voraussetzungen und seiner Unschärfe ist daher dem von dieser Literaturmeinung vorgeschlagenen Mindeststandard einer Verfügung nur in Teilen zuzustimmen. Die Vermögensverfügung verlangt lediglich das Erkennen der Funktion als Inhaber der Sachgewalt eines äußerlich als Sachverlust wahrgenommenen Vorgangs. Betrachtet man die Sachlage allein unter Untersuchung der Gewahrsamsverhältnisse im Rahmen der Zwei-Stufen-Prüfung, erreicht man im Einklang mit der Gegenansicht ein mit dem Wesen des Betrugs harmonierendes Ergebnis ohne Einbeziehung eines Erfolgsbewusstseins des Getäuschten. Ein phänomenologisch sinnvolles Ergebnis ergibt sich allein aufgrund des hier erarbeiteten Abgrenzungsrasters, das vorwiegend auf die Untersuchung des aus dem Gesetz abzuleitenden Gewahrsams und des Verlustwillens in dem Moment des Gewahrsamsverlusts abstellt. Die Einbeziehung eines strengen Verfügungsbewusstseins im Sinne der herrschenden Meinung bzw. einer Mindermeinung in die Prüfung ist hier 642 643 644
Kapitel 2: A. III. 2. b) bb) (2) (a). Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 70. Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 70 f.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
nicht nur überflüssig, sondern führt auch zu Lösungen, die nicht im Einklang mit den Charakteren der kollidierenden Delikte stehen. Sie sind nicht geeignet, die in der Arbeit gefundene, neuartige Lösung unter Anwendung eines herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins zu erschüttern. Die Arbeit gelangt damit in den Fällen des Wissensdefizits über die Wirkung eines Handelns oder Unterlassens entgegen der herrschenden Ansicht zu einer Strafbarkeit des Täters als Betrüger im Sinne von § 263 StGB. 3. Wissensdefizit über die Eigenschaften des Empfängers In der dritten zu untersuchenden Fallkonstellation weiß das Opfer zwar, dass es eine Sache aus seinem Herrschaftsbereich aussondert. Es unterliegt aber einem Irrtum über die richtige Person des Empfängers. Zur Verdeutlichung dient folgender „Buchhandlung“-Fall 645: A hat ein Buch in der Buchhandlung des B bestellt und im Voraus bezahlt. Der Täter C erblickt das als „bezahlt“ gekennzeichnete Buch hinter dem Tresen. Fallvariante 1: C gibt sich als Bote des A aus, der das Buch für A abholen soll. B überreicht C das Buch, der es für sich behält. Fallvariante 2: C gibt sich als A aus, der das Buch telefonisch bestellt hat. B hält C für A und gibt C das Buch mit. Obwohl in der genannten Konstellation mehrere Personen in das Tatgeschehen integriert sind, wird lediglich das Verhältnis zwischen B und C betrachtet. Damit ist der Anwendungsbereich des Trickdiebstahls und auch der Abgrenzung desselben gegenüber dem Gewahrsamsbetrug gegeben. a) Lösung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur Nach einem Großteil der Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur muss der Getäuschte innerlich zu dem Übergang der Sache, also zu dem gesamten Vorgang der Gewahrsamsverschiebung seine Zustimmung erteilen.646 In der Literatur wird teilweise647 eine noch differenziertere Begründung für diese Meinung gegeben, die den sich fälschlicherweise als den richtigen Empfänger ausgebenden Täter als Trickdieb bestraft. Der Übertragungsakt wird aufgeschlüsselt erstens in die Aussonderung der Sache aus dem eigenen Vermögen 645 Ähnliche Fälle bei Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (44 f.) oder Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 73 f. und 76. 646 Siehe Fn. 572. 647 Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 74 ff.; Wimmer, Die Bedeutung des zustimmenden Willens, S. 75; ebenso wohl auch die unter Kapitel 2: A. III. 1. b) bb) (1) erörterte Meinung von Rotsch, GA 2008, 65 (74 ff.).
A. Das Verfügungsbewusstsein
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und zweitens in die Zuordnung in das Vermögen des Getäuschten. Für eine wirksame Vermögensverfügung im Sinne des § 263 StGB muss sich das Bewusstsein auf beide Komponenten beziehen. Neben der bewusst gewollten Eliminierung aus dem eigenen Vermögensbestand muss der Berechtigte auch gerade das Vermögen des Täters aufwerten wollen.648 In beiden Teilen, auf die sich das Bewusstsein erstrecken muss, können subjektive Fehleinschätzungen auftreten. Der Irrtum kann in einem der beiden Elemente liegen oder sich auf beide gleichzeitig beziehen. Wenn das Fortschaffen einer Sache aus seinem vermögensrechtlich geschützten Bereich bereits ohne Willensübereinstimmung des Berechtigten vollzogen wird, kann es sich nur um ein Eigentumsdelikt handeln. Ist das Opfer zwar mit der Aussonderung aus seinem Vermögen einverstanden, nicht aber mit der Übertragung auf eine bestimmte Person, ist ihm eine bewusste Verfügung über den Gewahrsam an der Sache ebenso abzusprechen. Einzig wenn es den gesamten Akt der Gewahrsamsverschiebung – von der Aussonderung bis zur Neueingliederung – auch will, liegt eine Vermögensverfügung vor. Daher schadet es auch nicht, wenn das Opfer unbemerkt an eine andere Person als vertraglich vereinbart leistet. Soll nach dem Willen des Berechtigten der Gewahrsam an einer Sache auf gerade diese täuschungsbedingt unerkannte Person übergehen, handelt er bewusst in Hinblick auf den gesamten Vorgang der Gewahrsamsverschiebung. Diese war letztlich nur fehlerhaft motiviert. Dieser Motivirrtum ändert aber nichts daran, dass das Opfer willentlich gehandelt hat. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist in der ersten Fallvariante ein Eigentumsdelikt649 durch C gegeben. Das Opfer handelte zwar mit Aussonderungswillen, allerdings wollte es die Sache auf A übertragen, für den C lediglich als Bote auftrat. Mit der Einverleibung durch C war B nicht einverstanden. Anders dagegen in der zweiten Variante: Dort handelte B bewusst bezüglich der Abspaltung der Sache aus seinem Vermögen und gleichzeitig positiv willentlich in Bezug auf die Übertragung an C. B hatte die Vorstellung, C sei A. Die falsche Vorstellung über die wahre Identität des Empfängers birgt allerdings nur einen unbeachtlichen Motivirrtum. Sie ändert nichts an dem Bewusstsein, dass B an die an sie herangetretene Person, in diesem Fall C, leisten will. C ist damit nach dieser Ansicht Betrüger im Sinne des § 263 StGB. Zusammenfassend handelt es sich nach den letztgenannten Stimmen in Rechtsprechung und Literatur um eine betrugsrechtliche Vermögensverfügung, wenn 648
So Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung,
S. 77. 649 Nach Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 83 f. handelt es sich im Genaueren um eine Unterschlagung nach § 246 StGB, da der Berechtigte zwar nicht in das Vermögen des Täters leisten wollte, aber den Willen hatte, die Sachherrschaft auf den Abholer zu übertragen. Ein Gewahrsamsbruch im Sinne des § 242 StGB wird dadurch ausgeschlossen.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
das Opfer zweimal willentlich handelt: erstens in Bezug auf den Aussonderungsakt aus seinem Vermögen und zweitens im Hinblick auf die Übertragung in das Vermögen eines anderen. Diese Voraussetzungen sind lediglich in der zweiten Fallvariante gegeben. Eine andere Ansicht geht hingegen davon aus, dass die Zustimmung nur in den ersten Teilakt der Aufhebung des Gewahrsams erfolgen muss650 oder die positive Willenseinstellung alternativ zu nur einem der beiden Teilakte genügt651. In beiden Fällen wird der Täter als Betrüger zu bestrafen sein. Denn zumindest die Gewahrsamsaufgabe erfolgte willentlich. Diesen gegensätzlichen Meinungen aus Rechtsprechung und Literatur ist nun das Zwei-Stufen-Modell gegenüberzustellen. b) Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung Im Rahmen des Zwei-Stufen-Schemas ist die Abgrenzungssituation eröffnet. Denn einerseits ist Vermögensgegenstand das fremde, bewegliche und wertbehaftete Buch. Andererseits täuscht der Täter über seine Identität indem er sich für den eigentlich zu Begünstigenden ausgibt. Auf Opferseite wird dadurch eine positive Fehlvorstellung im Hinblick auf die Person des Vertragspartners erweckt. Damit liegen die für die Abgrenzungseröffnung notwendigen Voraussetzungen der Überschneidung im Bereich der Tatobjekte sowie einer Täuschung und eines darauf beruhenden Irrtums vor. Für die weitere Abgrenzung auf materieller, zweiter Stufe kommen die Gewahrsamsverhältnisse ins Spiel. Ursprünglicher Gewahrsamsinhaber war in allen Fallvarianten B. Letzter Gewahrsamsinhaber des Buches ist jeweils C. Ein Gewahrsamsverlust des B trat in allen Fällen im Moment des Verlassens des C mit dem Buch aus dem Buchladen ein. Im letzten Schritt innerhalb der zweiten Stufe ist nach dem Verlustwillen im Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts zu fragen. In der ersten Variante übergab B das Buch an C zwar nicht mit dem Willen der Überlassung der Herrschaft an die Person des C. Da C nur als Bote auftrat, ging B davon aus, dass die Sache an den Vertragspartner A weitergeleitet werde. Das schadet aber der Annahme eines positiven Verlustwillens im Sinne des Betrugstatbestands nicht. Nach der von dieser Arbeit entwickelten Theorie des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins verfügt der Getäuschte vielmehr bereits dann, wenn er weiß, dass er die Herrschaft an der Sache verliert und seine Herrschaft daran auch aufgeben will. Bezugspunkt für dieses Bewusstsein ist, wie oben652 bereits ermittelt, allein der Ge650 651 652
Siehe Fn. 467. Siehe Fn. 461. Kapitel 2: A. III. 2. b) cc) (3) (b) bzw. 3. Kapitel: A. IV. 2.
A. Das Verfügungsbewusstsein
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wahrsamsverlust. Eine Zustimmung für die Neubegründung des Gewahrsams ist indessen nicht erforderlich. Wer sich im Anschluss daran das Buch einverleibt, ist für den Willen unbeachtlich. Das Einverleiben des Buches durch C stellt zwar eine eigenmächtige Handlung dar. Sie muss nach § 263 StGB aber auch nicht mehr von dem Willen des B umfasst sein. B verliert durch eine Verfügung im Sinne des Betrugstatbestands seinen Gewahrsam an dem Buch. In diesem Fall ist der täuschende Täter Gewahrsamsbetrüger. A maiore ad minus muss Gleiches auch in der zweiten Fallvariante gelten. Denn wenn schon eine Verfügung gegenüber einem offen bekundeten Nichtberechtigten bejaht werden konnte, muss erst recht in der Gewahrsamsübertragung an einen Berechtigten eine Gewahrsamsverfügung im Sinne des Betrugs gesehen werden. Daher gilt: C ist unter Zugrundelegung des Zwei-Stufen-Modells in jedem Fall Gewahrsamsbetrüger im Sinne des § 263 StGB. c) Stellungnahme Die dargestellten Meinungen kommen teils zu widersprüchlichen Ergebnissen. Zur Verteidigung der Lehre von dem herrschaftsbezogenen Verlustbewusstsein, das auf den Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts bezogen werden muss, sind erstens die Argumente653 anzuführen, aus denen heraus diese Prämissen des Bezugspunkts des Verlustwillens entwickelt wurden. So ergab sich als Konsequenz der Nichterfassung von bloßen Gewahrsamslockerungen von dem Verfügungsmerkmal, dass das Bewusstsein nicht in dem Moment der bloßen tatsächlichen Sachüberlassung vor dem Eintritt des Gewahrsamsverlusts festgestellt werden darf. Ferner wurde aus dem tätigkeitsgebundenen Deliktscharakter des erfolgskupierten Betrugstatbestands gefolgert, dass sich der Wille nicht auf den Zeitpunkt nach dem Gewahrsamsverlust beziehen kann. Konkret in dieser Falllage wird zweitens die schwierige Lage deutlich, in die sich ein überwiegender Teil der Lehre unter Verwendung eines Verfügungsbewusstseins, das auf den gesamten Vorgang der Gewahrsamsübertragung bezogen wird, hineinmanövriert. Durch das Erfordernis subjektiver Zustimmung auch zur Gewahrsamsbegründung auf Täterseite erkennt diese Ansicht an, dass die Motive, die der Gewahrsamsfreigabe zugrunde liegen, in die strafrechtliche Bewertung einbezogen werden müssen. Damit billigt sie aber entgegen ihren selbst aufgestellten Prinzipien654 der Sache nach die Dispositionsfreiheit als Schutzgut des § 263 StGB eben doch. Die Inkonsistenz in der Forderung nach einem erfolgsbezogenen Gewahrsamsübertragungsbewusstsein wird außerdem am Vergleich der Bezugspunkte des 653 654
Kapitel 2: A. III. 2. b) cc) (3) (b) bzw. 3. Kapitel: A. IV. 2. Siehe Fn. 71.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
Letzteren mit dem Einverständnis im Rahmen des Diebstahls deutlich. Nach herrschender Ansicht sind beide identisch.655 Wird aber für das Einverständnis einerseits auf den Gewahrsamsbruch656, das Gewahrsamsübertragungsbewusstsein andererseits auf den gesamten Vorgang der Gewahrsamsverschiebung657 bezogen, tritt die Widersprüchlichkeit zutage. Lösen kann diese Inkonsequenzen nur das vorhergehend herausgearbeitete Bewusstseinsminimum des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins, nach dem der Wille nur auf den Gewahrsamsverlust bezogen ist. Der Verlustwille ist nach den in den Grundlagen658 herausgearbeiteten Grundsätzen einheitlich auf den Moment des Gewahrsamsverlusts zu beziehen. Ein Erfolgsbewusstsein im Sinne eines Gewahrsamsübertragungsbewusstseins, wie es in der Fallbearbeitung eines großen Teils der Rechtsprechungs- und Literaturstimmen in den Konstellationen des Irrtums über die Identität des Begünstigten Eingang gefunden hat, führt zu keiner befriedigenden Lösung. Damit ist auch für dieses Fallbeispiel die hier vorgeschlagene Zwei-Stufen-Prüfung, in die das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein als Ausfluss der Gesetzesauslegung des § 263 StGB integriert ist, durchschlagend. In den Fällen des Wissensdefizits über die Eigenschaften des Empfängers ist der Täter daher als Betrüger nach § 263 StGB zu bestrafen. 4. Wissensdefizit über die Existenz bzw. den Umfang der zu übertragenden Sachen In der vierten zu untersuchenden Fallkonstellation weiß der Berechtigte immerhin, dass er auf Sachen durch sein Verhalten einwirkt. Dabei irrt er aber über die genaue Menge der zu entlassenden Sachen. Typisch dafür sind einerseits die Fälle des Verbergens und Hinzufügens von Waren in eine sachfremde Verpackung im Selbstbedienungsladen, andererseits des Austauschens des Verpackungsinhalts, vorausgesetzt, es sind eine Täuschung und ein damit einhergehender kausaler Irrtum zu bejahen. Zu diesem Komplex sind der „Milchkasten“-Fall 659, der „Winkelschleifer“Fall 660 und der „Windelkarton“-Fall 661 beispielhaft in Erinnerung zu rufen. Im „Milchkasten“-Fall verbarg der Täter eine CD so geschickt hinter einem zu bezahlenden Milchkasten, dass sie das Kassenpersonal nicht sehen konnte. Der Täter bezahlte die CD nicht. Im „Winkelschleifer“-Fall versteckte der Täter in der 655 656 657 658 659 660 661
Siehe Fn. 576. Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 41. Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 563. Kapitel 2: A. III. 1. b) bb) (2) bzw. Kapitel 2: A. III. 2. b) cc) (3) (b). OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1407. OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922. OLG Hamm, OLGSt 1978, § 263, S. 165.
A. Das Verfügungsbewusstsein
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Verpackung neben dem Winkelschleifer noch weiteres Zubehör in Gestalt von Trennscheiben. Im „Windelkarton“-Fall wurden die Windeln aus der Verpackung herausgenommen und durch Zigaretten ersetzt. Die Täter bezahlten in den beiden letzten Fällen jeweils nur den auf der Verpackung ausgezeichneten Preis. Um Berührungspunkte zwischen Diebstahl und Betrug zu provozieren, muss es, wie im Rahmen der Grundlagenschaffung erläutert, in Abwandlung zu den originalen Sachverhalten des „Milchkasten“-Falls und des „Winkelschleifer“Falls zu einer Täuschung gekommen sein. Ausgenommen von der hypothetischen Annahme einer Täuschung sind einzig die Fälle des Warenaustausches.662 Hier kommt es, wie die eingehende Untersuchung663 zeigte, bereits im Originalfall zu einer Täuschung. In allen anderen Fällen ist diese etwa darin zu erblicken, dass der Täter auf die Frage, ob das alle den Regalen entnommenen Waren sind, nickt. Dadurch täuscht er ausdrücklich über die Vollständigkeit der zu erwerbenden Sachen und wirkt auf das Vorstellungsbild der Person des Kassierers, nicht nur auf die Sache ein.664 Der Einwand665, dass der Täter den Berechtigten nicht zu einer Weggabe bewegen, sondern die Wegnahme vertuschen will, greift nicht. Es kommt nicht darauf an, wie der Wille des Täters über die Art des Gewahrsamswechsels beschaffen war. Entscheidend ist, ob der Täter der Wirklichkeit widersprechende Tatsachen kundgibt. Das ist bei jenem gegeben, der an der Kasse wider besseres Wissen die Vollständigkeit ausdrücklich bejaht. a) Lösung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur In den Fällen des Verbergens, Hinzufügens und Austauschens von Waren gehen die Stimmen zu der Frage, ob ein allumfassendes Verfügungsbewusstsein, das sich auf den Einkauf in toto bezieht, angenommen werden darf, auseinander. aa) Verbergen und Hinzufügen von Waren Als vorherrschend ist zunächst in den Fällen des Verbergens die Auffassung herauszustellen, die ein Verfügungsbewusstsein verneint.666 Demzufolge ist die 662
OLG Hamm, OLGSt 1978, § 263, S. 165. Kapitel 2: A. II. 2. d) cc) (2) (b). 664 Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 251; wohl widersprechend BGHSt 41, 198 (203). 665 So Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 638. 666 BGHSt 41, 198 (202); BayObLGSt 1988, 5 (7); PfzOLG Zweibrücken, NStZ 1995, 448 (449); Böse/Nehring, JA 2008, 110 (112); Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 54, 564; Fischer, StGB § 242 Rn. 18; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 249 f.; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 168; Kudlich, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 242 Rn. 31; Otto, Jura 1997, 464 (467); Vitt, NStZ 1994, 133 (134); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 639; ohne wei663
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
pauschale Annahme eines Bewusstseins bezüglich eines nicht identifizierten Gegenstands eine Fiktion.667 Allein schon wegen möglicher finanzieller Einbußen kann nicht damit gerechnet werden, dass die Kassiererin generell den gesamten Inhalt übertragen will. Zudem steht die strafrechtliche Verfügung unter der zivilrechtlichen Bedingung der ordnungsgemäßen Abrechnung.668 Das bedeutet, dass eine Sache erst dann Gegenstand einer Verfügung werden kann, wenn sie in das Bewusstsein aufgenommen wird.669 Außerdem birgt diese Sichtweise den Vorteil, im Falle der Gewaltanwendung zur Besitzerhaltung nach dem Passieren der Kasse den Täter gleich einem Räuber nach § 252 StGB bestrafen zu können. Diese Möglichkeit einer qualifizierten Bestrafung besteht bei der Annahme eines generellen Bewusstseins im Sinne des Betrugs nicht.670 Diese auf Verbergensfälle bezogene Ansicht wird auf die Fälle des Hinzufügens von Waren übertragen. Sinngemäß wird in der Fallkategorie des Hinzufügens von Waren in eine artfremde Verpackung ein Verfügungsbewusstsein häufiger verneint671 als bejaht672. Nach der herrschenden Ansicht673 fordert ein Eintere Auseinandersetzung mit dem Abgrenzungsproblem wohl auch OLG Köln, NJW 1984, 810. 667 BGHSt 41, 198 (203); PfzOLG Zweibrücken, NStZ 1995, 448 (449); Biletzki, JA 1995, 857 (859); Brocker, JuS 1994, 919 (921); Hillenkamp, JuS 1997, 217 (221); Roßmüller/Rohrer, Jura 1994, 469 (472); Rotsch, JA 2004, 532 (537); Satzger, in: Satzger/ Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rn. 115; Scheffler, JR 1996, 340 (341); Schmitz, JA 1993, 350 (351); Zopfs, NStZ 1996, 190. 668 BGHSt 41, 198 (203); PfzOLG Zweibrücken, NStZ 1995, 448 (449); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 224. 669 BGHSt 41, 198 (203); Biletzki, JA 1995, 857 (859); Cramer/Perron, in: Schönke/ Schröder, § 263 Rn. 63a; Fischer, StGB § 242 Rn. 18; Hillenkamp, JuS 1997, 217 (221); Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 86; Roßmüller/Rohrer, Jura 1994, 469 (471); Scheffler, JR 1996, 340 (341); Zopfs, NStZ 1996, 190. 670 BGHSt 41, 198 (203 f.); Thoss, Jura 2002, 351. 671 Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 63a; Biletzki, JA 1995, 857 (859); Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 55, 564; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 252 f.; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 169; Otto, Jura 1997, 464 (467) bei Hinzufügen eines Aliuds, was nicht unbedingt für Trennscheiben als Zubehör eines Winkelschleifers gilt; Roßmüller/Rohrer, Jura 1994, 469 (474); Satzger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rn. 115; Vitt, NStZ 1994, 133 (134); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 639. 672 OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922 (924); Fahl, JuS 2004, 885 (889); Otto, ZStW 79 (1967), 59 (71 f.) für den umgekehrten Fall des teilweisen Entleerens, sofern die Gattung des Inhalts keine Veränderung erfährt; ders., Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 40 Rn. 36; nun auch Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 88; Schuster, Jura 2010, 551 (555). 673 Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 242 Rn. 34, § 263 Rn. 29; Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 55, 564; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 242 Rn. 36; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 255; Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1036; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 242 Rn. 49 und § 263 Rn. 169; Roßmüller/Rohrer, Jura 1994, 469 (474); Schmitz, JA 1993, 350 (351); Vitt, NStZ 1994, 134; Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 112; im Ergebnis gleich mit anderer, unten näher erläuterter Abgrenzungsweise Og˘lakcıog˘lu, JA
A. Das Verfügungsbewusstsein
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verständnis ein Gewahrsamsübertragungsbewusstsein. Daran fehlt es, wenn keine Kenntnis über den zu verschiebenden Gegenstand besteht; eine Pauschalierung des Bewusstseins ist dann nicht möglich. Eine Verfügung kann nur insoweit vorliegen, wie die zu übertragende Sache auch sinnlich wahrgenommen wird. Der Täter ist nach dieser Ansicht daher in den Fällen des Verbergens und Hinzufügens von Waren nach § 242 StGB zu bestrafen. Die gegenteilige Ansicht, nach der sich das Bewusstsein pauschal auf das „Ganze“ bezieht, führt an, dass der Getäuschte über alle Dinge verfügen kann, die in sein Blickfeld geraten sind. Das Verfügungsbewusstsein ist nicht teilbar.674 Die Fehlvorstellung ist nur auf den auf ihrer Seite eingetretenen Schaden bezogen. Ein Defizit in dieser Hinsicht beeinträchtigt aber nicht die Wirksamkeit der bewusst vorgenommenen Verfügung.675 Das gilt nicht nur für das defizitäre Wissen über die Existenz zu übertragender Sachen, sondern auch für den Irrtum über die Gattung.676 Nach dieser Ansicht wird der Täter in den Konstellationen des Verbergens und Hinzufügens von Waren wegen der Erfüllung der Betrugsvoraussetzungen nach § 263 StGB bestraft. bb) Austausch von Waren In den Fällen, die wie der „Windelkarton“-Fall einen Totalaustausch der Waren zum Gegenstand haben, werden gleichfalls beide Positionen vertreten. Diejenigen, die bei einer partiellen677 oder vollständigen Inhaltsänderung678 ein hinreichendes Verfügungsbewusstsein bejahen, sehen im Totalaustausch nur einen unbeachtlichen Error in objecto. Damit sei die Betrugsstrafbarkeit des Täters begründet. Die Gegner dieser Ansicht erblicken keinen Unterschied zu den vorher2012, 902 (904); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 639 folgt dieser Ansicht nur für den „Winkelschleifer“-, nicht hingegen für den „Windelkarton“-Fall bei vollständigem Austausch der Waren. 674 Fahl, JuS 2004, 885 (889); Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 88; Schuster, Jura 2010, 551 (555). 675 OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922 (924); OLG Düsseldorf, NJW 1994, 1407 (1408); zustimmend OLG Dresden, BeckRS 2002, 30262700; Fahl, JA 1996, 40 (42 f.); Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 103; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 91; Schuster, Jura 2010, 551 (555); wohl auch Wedekind, NJW 1969, 1128. 676 OLG Hamm, OLGSt 1978, § 263, S. 165 (167); Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 91. 677 Siehe dazu den Beispielfall mit Lösung bei Roßmüller/Rohrer, Jura 1994, 469 (471 f.); Rotsch, JA 2004, (538). 678 OLG Hamm, OLGSt 1978, § 263, S. 165; OLG Dresden, BeckRS 2002, 30262700; Fahl, JuS 2004, 885 (888); Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 224; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 91; jetzt auch Og˘lakcıog˘lu, JA 2012, 902 (904 Fn. 36); Roßmüller/Rohrer, Jura 1994, 469 (475 f.); Satzger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rn. 116; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 639.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
gehenden Fallvarianten. Auch hier gelinge es dem Opfer nicht, den konkreten Verfügungsgegenstand zu reflektieren. Werden Dinge schon nicht wahrgenommen, könne man sie auch nicht freigeben.679 Der Täter sei Dieb. b) Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung Den divergierenden Stimmen in Rechtsprechung und Literatur ist nun die von der Arbeit entwickelte gesetzliche Abgrenzungslösung gegenüberzustellen. Auf der ersten Stufe ist entgegen dem innerhalb der Täuschung besprochenen Original-„Milchkasten“-Fall nach dessen Modifizierung eine Täuschung zu bejahen. Gleiches gilt für den Original-„Winkelschleifer“-Fall. Unter der Existenz einer zu einem Irrtum führenden Täuschung über das Vorhandensein weiterer zu bezahlender Waren in Form von fremden, beweglichen Sachen als formelle Vorbedingung ist die Abgrenzungssituation in beiden Fällen eröffnet. Die Entscheidung über die Frage, ob Trickdiebstahl oder Gewahrsamsbetrug vorliegt, setzt innerhalb des ersten Prüfungsschritts der zweiten materiellen Prüfungsstufe die Untersuchung der Gewahrsamslage im Ausgangsstadium voraus. Der Ladeninhaber ist in jedem Fall ursprünglicher Gewahrsamsinhaber, dessen Gewahrsam erst nach dem Bezahlvorgang an den Täter verloren ging. Allgemein ist davon auszugehen, dass vor der Kasse in jedem Fall, ob nun die verschwiegene Sache verborgen, hinzugefügt oder der Inhalt vollständig ausgetauscht wurde, kein Gewahrsamswechsel vollzogen wurde.680 Der Unterschied zur herrschenden Meinung tritt bei näherer Sichtung der inneren Willenseinstellung des Berechtigten in diesem Zeitpunkt auf. Diese ist für die Fälle des Verbergens, Versteckens und Austauschens nun getrennt voneinander zu prüfen. aa) Verbergen und Hinzufügen von Waren Fraglich ist, wie der Wille des Berechtigten im Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts beschaffen war. Die Klärung der Willensrichtung setzt zunächst die Möglichkeit zu einer Willensbildung voraus. Diese ist im Fall des Verbergens von Waren im Einkaufswagen nicht gegeben. Dort existiert nicht der geringste Anhaltspunkt dafür, dass neben den bezahlten noch weitere Waren aus dem Geschäft herausgeschafft werden. In den Verbergensfällen kommt es mangels Möglichkeit zur Willensbildung und damit mangels herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins zu keinem Betrug. Der Täter ist Trickdieb. 679 Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 254 f.; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 169; Otto, Jura 1997, 464 (467). 680 OLG Hamm, OLGSt 1978, § 263, S. 165 (166); OLG Düsseldorf, NJW 1988, 922 (923); OLG Dresden, BeckRS 2002, 30262700; Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 564; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 252; Og˘lakcıog˘lu, JA 2012, 902 (904).
A. Das Verfügungsbewusstsein
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In den Fällen des Hinzufügens von Waren weiß der Berechtigte zwar, dass er ein Substrat überträgt. Eine Individualisierung des tatsächlichen Inhalts ist allerdings ebenso wie in den Verbergensfällen nicht möglich. Durch das Verstecken zusätzlicher Waren in dem Karton der sie auszeichnenden Ware konnten Erstere nicht wahrgenommen werden. Dreh- und Angelpunkt ist, ob eine positive Kenntnis des Opfers über jeden einzelnen tatsächlich übertragenen Gegenstand unerlässliche Voraussetzung der Willensbildung ist, oder ob schon das generelle Bewusstsein genügt, alle in der zu übertragenden Verpackung befindlichen Dinge preiszugeben. Ein exakter Wille im positiven Sinne kann nur reifen, wenn der Betroffene die Waren durch Eintippen in die Kasse als zu bezahlende Waren individualisiert hat. Das ist bei Dingen, die nicht wahrgenommen werden, unmöglich. Da der Getäuschte in dem zu behandelnden „Winkelschleifer“-Fall nicht die Möglichkeit hatte, alle zu übertragenden Waren zu identifizieren, würde die Willensbildung hinsichtlich der konkreten Sachen fehlen, wenngleich betont werden muss, dass im Gegensatz zu den Verbergensfällen eine Willensbildung in der Person der Kassiererin nicht vollständig ausgeschaltet ist. Immerhin ist in der konkreten Situation durch das Einscannen der Waren ein Denkprozess gewährleistet. Genügt für die Entstehung eines herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins die Vorstellung des Getäuschten pauschal an allen auf das Kassenband gelegten Dingen die Herrschaft zu verlieren, ist im konkreten Fall die Möglichkeit zur Willensbildung zu bejahen. Aufschluss zu dieser Problematik bietet ein Einblick in die Wesenslehre des Betrugs. Aus der wirtschaftlichen Orientierung des Betrugs ist die Erkenntnis zu gewinnen, dass der Gesamtvermögenswert einen Schwund erleiden muss.681 Im Gegensatz dazu ist bei den Vermögensdelikten im weiteren Sinne wie dem Diebstahl eine Einbuße an einer genau individualisierbaren Sache festzustellen.682 Überträgt man diese Tatsache auf den Gewahrsamsbetrug, äußert sich die schädigende Gewahrsamsverfügung objektiv in einer Minderung der Summe der Gewahrsamsverhältnisse, während im Rahmen des Trickdiebstahls unabhängig von der Betrachtung der Summe aller bestehenden Gewahrsamsverhältnisse in der konkreten einzelnen Herrschaftsbeziehung eine Verletzung aufgetreten sein muss. In subjektiver Hinsicht dürfen an die Vorstellung des Opfers aber nicht strengere Voraussetzungen gestellt werden als sie für die Verwirklichung des tatbestandsmäßigen, objektiven Erfolgs erforderlich sind. Ist die Minderung bzw. der Schaden als Erfolg des § 263 StGB an eine pauschale Bestimmung geknüpft, ist auch der Wille innerhalb des Betrugs daher darauf zu beschränken, dass nach 681 Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 61; Gallas, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 401 (432 f.); widersprechend Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts Besonderer Teil, Bd. 1, S. 341. 682 Siehe Kapitel 1: A. I.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
der Verfügung ein Weniger an Gewahrsamsverhältnissen vorliegt als davor. Dieser Bewusstseinsinhalt des Betrugsopfers kann folglich bereits dadurch entstehen, dass das Opfer denkt, durch seine Disposition den gesamten Verpackungsinhalt zu verlieren, unabhängig von der konkreten Individualisierung der einzelnen Bestandteile. Eine aktuelle Kenntnis durch Individualisierung der genauen Güter ist im Betrugstatbestand daher nicht wesensmäßig veranlagt. Im Weiteren ist sie auch nicht praktisch empfehlenswert. Konkret ist es in der Praxis unzumutbar, dem Kassenpersonal die meist langwierige Überprüfung jedes auch noch so kleinen Details eines Kartons aufzubürden.683 Vom Ladeninhaber eines Supermarktes mit breitem Warenangebot kann kein geschultes Wissen über den exakten Inhalt sämtlicher Artikel gefordert werden. Außerdem darf es nicht schaden, wenn Waren lediglich nicht in ihrer Art richtig erkannt werden. Eine detaillierte Identifizierung im Sinne einer Quantitätsfeststellung wohl erkannter Waren ist nicht nötig.684 Die Willensbildung kann zudem nicht schon deshalb verneint werden, weil das Opfer selbst durch unterbliebene Nachforschungen eine solche verhindert hat. Für eine Nichtberücksichtigung eines etwaigen Mitverschuldens spricht der Gedanke der reduzierten Opfermitverantwortung685 im deutschen Betrugstatbestand. Vor allem ist in den wie hier genannten Fällen den Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, unter denen sich der Ladeninhaber von der Richtigkeit des vorgeschalteten Tätergebarens überzeugen kann. Um den Schutz aus § 263 StGB beanspruchen zu können, wäre es unausweichlich, an der Kasse stets die Origi683
So auch Vitt, NStZ 1994, 133 (134). Eindringlich das „Schrauben“-Beispiel bei Fahl, JuS 2004, 885 (889); Roßmüller/ Rohrer, Jura 1994, 469 (471 f.); Vitt, NStZ 1994, 133 (134). 685 Vgl. BGH, MDR 1972, 387 (bei Dallinger); BGHSt 32, 38 (43) („Sirius“-Fall); BGHSt 34, 199 (201 f.) („Haarverdicker“-Fall); BGH, NJW 2003, 1198 f.; BGH, NStZRR 2004, 110 (111); OLG Hamburg, NJW 1956, 392; LG Mannheim, NJW 1993, 1488 f.; BayObLGSt 1993, 176 (177); Achenbach, Jura 1984, 602 (603); Erb, ZIS 2011, 368 (372 ff.); Fischer, StGB § 263 Rn. 55a; Garbe, NJW 1999, 2868 (2869); bereits Goltdammer, Die Materialien zum Straf-Gesetzbuche für die preußischen Staaten, Theil II, § 241 S. 544 f.; Herzberg, GA 1977, 289 (295 ff.); Kindhäuser, in: Festschrift für Günter Bemmann, S. 339 (358); ders., in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 51 f.; Otto, ZStW 79 (1967), 59 (75); ders., JZ 1993, 652 (654); Ranft, JA 1984, 723 (732); ders., Jura 1992, 66 (68); Satzger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rn. 11; Schuhr, ZStW 123 (2011), 517 (526); Stuckenberg, ZStW 118 (2006), 878 (896 ff.); Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, Vor § 263 Rn. 37 f.; für eine viktimologische Einschränkung der Tatbestandsmerkmale der Täuschung: Ellmer, Betrug und Opfermitverantwortung, S. 281 ff.; früher bereits Escher, Die Lehre von dem strafbaren Betruge, S. 66; Temme, Die Lehre vom strafbaren Betruge nach preußischem Rechte, S. 55 f.; bzw. des Irrtums: Amelung, GA 1977, 1 (6 ff.); Hassemer, Schutzbedürftigkeit des Opfers und Strafrechtsdogmatik, S. 118; Kühne, Geschäftstüchtigkeit oder Betrug, S. 64; Schünemann, in: Strafrechtssystem und Betrug, S. 51 (72); bzw. des Kausalnexus: Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 48; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 41 II Rn. 68; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 7 Rn. 61; Naucke, in: Festschrift für Karl Peters, S. 109 (118). 684
A. Das Verfügungsbewusstsein
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nalverpackung von Artikeln aufzureißen und peinlich genau auf den an der Verpackung beschriebenen Inhalt zu achten. Das wird indes dem Erfordernis der Schnelligkeit im geschäftlichen Alltag nicht gerecht. Demzufolge kann kein präzises Bewusstsein hinsichtlich aller Bestandteile einer Verpackung gefordert werden. Die Berücksichtigung eines Mitverschuldens im Rahmen der Tatbestandsverwirklichung würde zu Absurditäten in der Praxis führen. In dem konkret zu untersuchenden Beispielfall bezog sich das Wissen des Getäuschten nur auf den Winkelschleifer, nicht aber auf die gattungsfremden, dem Verpackungsinhalt nicht zugehörigen Trennscheiben. Dieses fehlende konkrete Wissen schadet aber nach vorstehender Argumentation nicht. Wegen der wirtschaftlichen Ausrichtung des Betrugs ist es hinreichend, dass das Opfer sich in dem Bewusstsein verhält, mit seinem Verhalten beliebige Herrschaftsbeziehungen an den Kunden zu transferieren. Der Ladeninhaber wusste in dem „Winkelschleifer“-Fall, dass er nach der Disposition auf seiner Seite die Herrschaftsmöglichkeiten am Verpackungsinhalt verloren hat. Er besitzt einen positiven Verlustwillen in Form des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins. Wegen der Bejahung einer entsprechend pauschalen Willensbildungsmöglichkeit des Opfers ist der Täter nicht wegen Trickdiebstahls, sondern wegen Gewahrsamsbetrugs nach § 263 StGB zu bestrafen. Eine unterschiedliche Behandlung dieser Konstellationen des Hinzufügens von Waren gegenüber den Fällen des Verbergens von Waren in Einkaufswägen ist deshalb gerechtfertigt, weil es mangels Vorlage an der Kasse im letzteren Fall bereits an einem Verhaltensakt in Bezug auf die Sache fehlt. Ein schlichtes unbewusstes Nichtstun erfüllt, wie oben686 festgestellt, nicht die Voraussetzungen einer Verfügung im Sinne des Betrugstatbestands. bb) Austausch von Waren Im Rahmen des Austauschens von Waren sind, wie in der Grundlagenschaffung687 erläutert, eine Täuschung und ein Irrtum über das Schicksal einer fremden, beweglichen und wertbehafteten Sache stets gegeben. Damit ist die Abgrenzungssituation eröffnet. Im Rahmen der zweiten Stufe, der materiellen Abgrenzung, ist die eigene, eben für die Fälle des Hinzufügens von Waren ermittelte Begründungsstruktur als Vorbild für die Fälle des vollständigen Austausches von Waren heranzuziehen. Damit gelangt man auch hier zu demselben Ergebnis. Die Überlassung der Sache ist eine Gewahrsamsverfügung, da das Opfer hinsichtlich des Wechsels der Herrschaft an der wirklich offenbarten Sache keinen individualisierten Willen bilden musste. Der Ladeninhaber weiß aber, dass er eine Sachverschiebung tä686 687
Kapitel 2: A. III. 2. b) bb) (2) (b). Kapitel 2: A. II. 2. d) cc) (2) (b).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
tigt. Auch in den Fällen des Austauschens von Waren ist ein positiver Verlustwille in Form eines herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins gegeben. Der Täter ist Gewahrsamsbetrüger im Sinne des § 263 StGB. c) Stellungnahme Auch in den letzten Fallbeispielen des Verbergens, Hinzufügens und Austauschens von Waren überzeugt das Zwei-Stufen-Prüfungsmodell. Innerhalb dessen ist, wenn der Opferwille, also der Verlustwille im Moment des Gewahrsamsverlusts positiv ausfällt, ein herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein zu fordern. Dass entgegen der herrschenden Meinung eine genaue Individualisierung der zu übertragenden Sachen nicht notwendig ist, konnte zunächst aus dem Wesen des Betrugs hergeleitet werden. Im Rahmen des wirtschaftlich ausgerichteten Betrugs ist eine Minderung anzunehmen, wenn das Gesamtvermögen objektiv, ohne Betrachtung seiner einzelnen Bestandteile geringer geworden ist. Im Einklang mit dieser Gesamtbetrachtung, die auf eine Konkretisierung verzichtet, ist auch die Vorstellung des Opfers konsequenterweise zu pauschalieren. Denn es ist nicht einsichtig, an die Opfervorstellungen höhere Anforderungen zu stellen, als sie objektiv zur Begründung des tatbestandsmäßigen Erfolgs in Form eines Schadens erforderlich sind. Diese Betrachtungsweise wird ferner durch Überlegungen aus der Realität untermauert, nach denen an der Kasse keine eingehenden Kontrollen erwartet werden können. Schließlich beweist der allgemeine Gedanke einer Nichtbeachtung des Mitverschuldens des Opfers im Betrugstatbestand, dass mangelnde Kontrollen dem Opfer nicht zur Last gelegt werden dürfen. Das strenge, von der herrschenden Ansicht vertretene Verfügungsbewusstsein, für das die zu übertragenden Sachen konkret geprüft werden müssen, um eine Betrugsstrafbarkeit zu bejahen, wird damit dem Wesen des Betrugs, der Praxis und dem Schutzbedürfnis des Opfers nicht gerecht. Diesen Aspekten wird indes unter Verwendung des hier erarbeiteten herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins Rechnung getragen. Die Schlüssigkeit der eigenen Abgrenzungslösung, die entgegen der herrschenden Ansicht zu einer Strafbarkeit des Täters als Gewahrsamsbetrüger gelangt, ist damit erneut bewiesen. 5. Zwischenfazit Ein Verfügungsbewusstsein in Form eines Erfolgsbewusstseins zu verlangen ist, wie die vorhergehende Untersuchung gezeigt hat, nicht nur verfassungsrechtlich unzulässig und dogmatisch falsch, sondern überdies in der Praxis nicht tauglich. Es beinhaltet das Bewusstsein hinsichtlich der gesamten Gewahrsamsverschiebung, das sich aus dem Gewahrsamsverlust auf Opferseite und der Neubegründung des Gewahrsams auf Täterseite zusammensetzt. Wie begründet, ist dieses aber gerade nicht dem Betrugstatbestand zu entnehmen. Ein gesteigertes Bewusstsein in Gestalt des Wissens um die Gewahrsamsverschiebung hinsicht-
A. Das Verfügungsbewusstsein
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lich einer konkreten Sache ist vielmehr nicht normgerecht. Nach der eigenen Auslegung des Gesetzes genügt bereits das Bewusstsein hinsichtlich eines Herrschaftsverlusts. Anhand der konkreten Falluntersuchung mit je nach Sachlage verschiedenen Irrtumsarten konnte die Gesetzeskonformität der Zwei-Stufen-Prüfung und ihren Bestandteilen mit den Delikten des Trickdiebstahls und Gewahrsamsbetrugs bewiesen werden. Um der Selbstschädigung gerecht zu werden, ist es insbesondere notwendige, aber auch hinreichende Voraussetzung, dass für die betrugsrechtliche Vermögensverfügung in der Person des Getäuschten ein positives Bewusstsein hinsichtlich des Verlustverhaltens an einer bestimmten Sache vorliegt. Mit anderen Worten genügt das Bewusstsein um die persönliche Mithilfe an dem Abfluss der Sache aus seinem Herrschaftsrefugium. Subjektiv-inhaltlich genügt für die Verfügung bereits ein wissentlich vorgenommenes Verhalten des Opfers in Form eines herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins dem Betrugstatbestand. Diese Erkenntnis wurde anhand der vorherigen Gegenüberstellung von Fällen unter Heranziehung des hier entwickelten Zwei-Stufen-Modells typisiert. An diesem Minimalkonsens des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins fehlt es in jenen Fällen, in denen der Betroffene nicht weiß, dass er sich, wie bei der ersten Kategorie eines Wissensdefizits, in irgendeiner Richtung in Bezug auf das Objekt verhält. Dann sind meistens schon weder Täuschung noch Irrtum gegeben. Es wird kein Motivationsprozess in Gang gesetzt, der in eine Entscheidungsfindung mündet, auf der aufbauend ein Verhalten begründet werden kann. Der Stellung als Werkzeug wird das Opfer bereits dadurch gerecht, dass es in Bezug auf eine Sache tätig wird oder untätig bleibt und dies auch weiß. Fehlt dagegen mangels Reflexion die Erkenntnis des Opfers, dass es selbst durch sein Verhalten eine Sache verliert, liegt darin keine Selbstschädigung begründet. Im Einklang mit der herrschenden Ansicht gelangt man auch unter Zugrundelegung des hier entwickelten Abgrenzungskonzepts in den Fällen des Wissensdefizits über die Verhaltenserheblichkeit zu einer Diebstahlsstrafbarkeit. Zu einer gegenteiligen Auffassung im Vergleich zur überwiegenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur kommt man nun in den Fällen, in denen sich der Getäuschte zwar über sein Verhalten, nicht aber über die Folgen desselben im Klaren ist. Unter der Auslegung des Gesetzes ergibt sich eine Betrugslösung, der die herrschende Meinung mit der Entscheidung über einen Trickdiebstahl widerspricht. Der Grund dafür ist in dem gesteigerten Erfolgsbewusstsein zu sehen, das von dem Großteil der Stimmen in Rechtsprechung und Literatur verlangt wird. Widersprechende Ergebnisse treten auch in den Fällen des Irrtums über die Eigenschaften des Empfängers auf. Während der neu aufgezeigte Lösungsweg eine Betrugsstrafbarkeit annimmt, hält die gegenüberzustellende herrschende Ansicht in dem Fall des nichtberechtigten Boten eine Diebstahlsstrafbarkeit für richtig. Der Fehler liegt in dem strengen Erfordernis eines Erfolgsbewusstseins, nach
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
dem sich der Wille des Opfers kumulativ auf Aussonderung und Übertragung beziehen muss. Wie in der vorhergehenden Untersuchung festgestellt wurde, ist der Wille aber nur auf den Zeitpunkt des Herrschaftsverlusts, nicht dagegen auf den gesamten Verschiebungsakt zu beziehen. In den Fällen des Verbergens von Waren im Einkaufswagen ist mangels Möglichkeit zur Willensbildung von einem (Trick-)Diebstahl auszugehen. Hier kommen der in der Arbeit entwickelte Lösungsweg nach der Zwei-Stufen-Prüfung und die herrschende Ansicht in Literatur und Rechtsprechung zu übereinstimmenden Ergebnissen. Nach den vorangehenden Erörterungen schließt sich die Arbeit in den Fällen des Hinzufügens von Waren dagegen der Mindermeinung an, die ein pauschales Bewusstsein genügen lässt. Gleiches gilt für die Fälle des Totalaustausches. Ein pauschales Bewusstsein genügt jeweils entsprechend dem aus dem Tatbestand des Betrugs abgeleiteten herrschaftsbezogenen Verlustbewusstsein im Moment des Gewahrsamsverlusts. Eine genaue Individualisierung des Substrats verlangt der Betrugstatbestand hingegen nicht. Das ergab sich aus der Schutzrichtung des Betrugs, der das Vermögen des Getäuschten in seiner Gesamtheit schützt, aber auch aus Praktikabilitätsgründen und dem Gedanken der reduzierten Opfermitverantwortung des Betrugsopfers. Die Untersuchung der Beispielfälle hat gezeigt, dass der hier gefundene Lösungsweg und die herrschende Ansicht in Rechtsprechung und Literatur nur dann zu einheitlichen Ergebnissen gelangen, wenn die Willensbildung des Opfers hinsichtlich der Übertragung der Herrschaft an einer Sache ausgeschlossen ist. Das ist nur in den Fällen des Wissensdefizits über die Verhaltenserheblichkeit und in den Fällen des Verbergens von Waren im Einkaufswagen gegeben. In allen anderen Fällen, in denen das Opfer die Möglichkeit zur Willensbildung hat, liegt hingegen ein aus durch Auslegung des Betrugstatbestands gewonnenes herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein vor. Unter Anwendung des präferierten Abgrenzungsmusters ist eine eindeutige Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug möglich. Dieses stimmt auch mit den phänomenologischen Charakteristika der abzugrenzenden Tatbestände überein. Dagegen ist die Heranziehung des Kriteriums des Verfügungsbewusstseins über den Erfolg für eine sichere Abgrenzung nicht geeignet. Das beweisen die zahlreichen auseinandergehenden Meinungen zu jeweils denselben Sachverhalten. Damit ist Letzteres nicht imstande, die gesetzlich vorgegebene Abgrenzungsweise zu erschüttern.
VI. Fazit Vor der Überprüfung des ungeschriebenen Abgrenzungskriteriums des Verfügungsbewusstseins wurden Inhalt und Bezugspunkt des Opferwillens durch Auslegung des Gesetzes erörtert. Ergebnis war das Erfordernis eines herrschaftsbezo-
A. Das Verfügungsbewusstsein
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genen Verlustbewusstseins, das auf den Herrschaftsverlust gerichtet sein muss. Dies wurde innerhalb des Gesetzes insbesondere aus der Notwendigkeit gefolgert, alle Irrtumsopfer durch den Betrugstatbestand zu schützen. Um dem Dilemma des Selbstausschlusses in besonders geschickten Täuschungsfällen zu entgehen, darf das Bewusstsein das Irrtumskriterium nicht ausschalten. Dies kann nur durch eine Harmonisierung des Inhalts des Irrtums und des Bezugspunkts des Opferbewusstseins erreicht werden. Der Inhalt des Opferbewusstseins darf nicht in einer überzogenen Kenntnis um die Vermögensverfügung liegen. Vielmehr muss der Maßstab für das Bewusstsein gleich oder unter den Voraussetzungen eines Irrtums liegen. Eine gerechte Lösung ist nur über ein Bewusstsein des Verlustverhaltens zu erblicken. Wird nur ein sogenanntes herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein für die Verfügung verlangt, werden im Hinblick auf die Aufrechterhaltung des Irrtumsmerkmals gesetzeskonforme Ergebnisse erzielt. Bezugspunkt ist allein der Herrschaftsverlust, nicht indessen der gesamte Gewahrsamswechsel. Dagegen konnte das Verfügungsbewusstsein im Sinne der herrschenden Ansicht, die ein Erfolgsbewusstsein über den gesamten Vorgang der Gewahrsamsverschiebung fordert, entkräftet werden. Gegen die Voraussetzung eines zusätzlichen Abgrenzungsmoments in Form des erfolgsbezogenen Verfügungsbewusstseins sprechen verschiedene Gründe. Zunächst entbehrt das Verfügungsbewusstsein als Mittel der teleologischen Reduktion nicht nur einer Gesetzeslücke als Legitimationsgrundlage, sondern ist auch wegen der unerträglichen Normwidersprüche verfassungsrechtlich verfehlt. Zum einen können einschränkende Tendenzen des Verfügungsmerkmals bereits unter Rückschluss auf das Irrtumsmerkmal wahrgenommen werden, sodass es keines Heranziehens tatbestandsexterner Elemente bedarf. Daneben missachtet das Verlangen einer subjektiven Verfügungskenntnis in Form eines Erfolgsbewusstseins das Irrtumsmerkmal und seine kausale Verknüpfung zur Verfügung. Die Verwendung eines Erfolgsbewusstseins bewirkt damit eine unzulässige teleologische Reduktion, die gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) und den Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG) verstößt. Durch das Erfordernis eines strengen Erfolgsbewusstseins entstehen darüber hinaus dogmatische Konflikte, die zu Verwirrungen in Bezug auf die Abgrenzung führen. Insbesondere seine eingeschränkte Verwendung nur in den besonderen Fällen des Gewahrsamsbetrugs führt zu einer nicht zu rechtfertigenden Aufspaltung des Verfügungsbegriffs. Zuletzt entwertet auch die Tatbestandsstruktur des Betrugs, der als erfolgskupiertes Delikt objektiv zur Tatbestandserfüllung nur einen Gewahrsamsverlust verlangt, ein strenges Erfolgsbewusstsein. Auch die Tätigkeitsgebundenheit des § 263 StGB erfordert, dass nicht an den Erfolg, sondern das verfügende Opferverhalten, das nur zu einem Verlust des Gewahrsams führt, anzuknüpfen ist. Das Verfügungsbewusstsein im Sinne eines Gewahrsams-
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
übertragungsbewusstseins widerspricht folglich insgesamt der Ratio legis des deutschen Betrugstatbestands und muss daher für die Prüfung des Gewahrsamsbetrugs und die Abgrenzung gegenüber dem Trickdiebstahl ausscheiden. Demgegenüber konnte durch die Gegenüberstellung mit dem durch die eigene Auslegung des Gesetzes ermittelten Bewusstseinsstandard aufgezeigt werden, dass die eben gegen das Erfolgsbewusstsein aufgezählten Inkonsequenzen gerade nicht in dem herrschaftsbezogenen Verlustbewusstsein auftreten. Vielmehr bekräftigte diese Gegenüberstellung das in der Arbeit entwickelte Bewusstseinsminimum, das in verfassungsrechtlicher und dogmatischer Hinsicht keine Ungereimtheiten aufweist. Darüber hinaus ist kein Grund ersichtlich, der für eine praktische Tauglichkeit des Verfügungsbewusstseins spricht. Das Verfügungsbewusstsein wird als einschränkender Abgrenzungsmodus zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug aus dieser Beziehung heraus deduziert. Es ist nicht, wie vorgegeben, notwendiges Merkmal des Betrugs. In vielen Fällen meint die herrschende Lehre, dass sich durch das Anwenden des Verfügungsbewusstseins ein eindeutiges Ergebnis erzwingen lässt. So wird es selbst dann aus Unsicherheit herangezogen, obwohl ein Abgrenzungsbedürfnis mangels Täuschung und Irrtums überhaupt nicht im Raum steht; daher wird es vielfach überbewertet. Seine verschleierte Aufgabe besteht einzig in der Wahrnehmung einer sauberen Abgrenzung. Tatbestände können jedoch nicht nach Belieben durch den Richter gebeugt werden, um äußerlich saubere Ergebnisse zu erzielen. Nur durch den isolierten Blick auf den zu bearbeitenden Tatbestand sind unvoreingenommene Ergebnisse möglich. Aufgrund dieses tatbestandsexternen Telos aus dem das Verfügungsbewusstsein begründet wird, treten in der herrschenden Ansicht bei der Lösung von Fällen Inkonsequenzen auf. Die Ungereimtheiten des von der herrschenden Lehre bevorzugten Kriteriums wurden anhand von Fällen plastisch gemacht, in denen eine Täuschung und damit ein Irrtum, außer in den Fällen des Austauschens des Verpackungsinhalts, zu unterstellen war. Damit war die Abgrenzung in allen Fällen eröffnet. Die materielle Abgrenzung führte nach der hier vertretenen Lösung in fast allen Fällen zu einer Abweichung gegenüber der herrschenden Meinung. Wesensgerechte Ergebnisse, die mit dem in der Arbeit gefundenen Lösungsweg übereinstimmen, wurden von der überwiegenden Ansicht nur dann erzielt, wenn das Opfer mangels Willensbildung schon keine Vorstellungen hat. Das trifft einzig auf die Fälle des Irrtums über die Verhaltenserheblichkeit und die Verbergensfälle im Selbstbedienungsladen zu. In den untersuchten Fällen des Irrtums über die Wirkung des Opferverhaltens und des Wissensdefizits über die Eigenschaften des Empfängers gelangt die herrschende Ansicht demgegenüber durch die Voraussetzung eines Gewahrsamsübertragungsbewusstseins zu Ergebnissen, die von der hier vertretenen Lösung abwei-
B. Die Unmittelbarkeit
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chen. Die materielle Prüfung im Rahmen der Abgrenzung ergab nach den in dieser Arbeit ermittelten Grundsätzen jeweils eine Strafbarkeit wegen Betrugs. Gleiches gilt für die Fälle des Hinzufügens und Austauschens von Waren. Unter Zugrundelegung eines herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins, das keine exakte Individualisierung der zu übertragenden Sachen verlangt, werden eindeutige Abgrenzungsresultate erzielt. Das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein überzeugt damit in seiner einfachen und geschlossenen Anwendung gegenüber dem zu Inkonsequenzen führenden strengen Verfügungsbewusstsein der herrschenden Ansicht. Damit bleibt es bei den schon im zweiten Kapitel durch Auslegung ermittelten Grundsätzen der Abgrenzung. Eine konsequente und einfache Differenzierung wird nur durch die geringeren subjektiven Anforderungen in Gestalt des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins als Bestandteil der Zwei-Stufen-Prüfung erzielt. Im Folgenden wird aufgezeigt, dass neben dem ungeschriebenen Merkmal des Verfügungsbewusstseins auch das Kriterium der Unmittelbarkeit dogmatisch und praktisch nicht überzeugt.
B. Die Unmittelbarkeit Das nächste aus der Vermögensverfügung abgeleitete Abgrenzungsmoment ist das ungeschriebene Merkmal der Unmittelbarkeit. Hergeleitet wird es aus der Überlegung, dass die bloße Erfüllung der Tatbestandsmerkmale der Verfügung und des Schadens für sich nicht genügt, um dem Charakter der Selbstschädigung gerecht zu werden.688 Vielmehr müssen diese Voraussetzungen durch das Kriterium der Unmittelbarkeit verbunden werden. Aufbauend auf Merkels legendären Folgerungen aus dem Betrug als Selbstschädigungsdelikt zog die Lehre689 das Moment der Unmittelbarkeit schon am Anfang des 20. Jahrhunderts als Abgrenzungshilfe von Trickdiebstahl versus Betrug in den Ermöglichungskonstellationen heran. Dagegen behielt sich die Jurisprudenz das Arbeiten damit vor. So lässt sich das Kriterium der Unmittelbarkeit mit Blick auf zurückliegende Judikate des Reichsgerichts als Entdeckung der neueren Strafrechtsgeschichte bezeichnen. Frühere Entscheidungen, deren Sach688 Beukelmann, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, § 263 Rn. 32; Stuckenberg, ZStW 118 (2006), 878 (900); ablehnend Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 21 Rn. 138. 689 Binding, Lehrbuch des Gemeinen Deutschen Strafrechts Besonderer Teil, Bd. 1, S. 354 f.; Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 1. Aufl., § 263 S. 319; Grünhut, JW 1926, 1197 (1198); Gryziecki, Studien über den strafbaren Betrug, S. 111; Herberger, Die Abgrenzung, S. 4 Fn. 3; später Holtzendorff, Die Vermögensdisposition als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Betruges, § 263 RStGB, S. 24, 33; Jacobowitz, Vermögen, Vermögensbeschädigung und Vermögensdisposition beim Betruge, S. 71.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
verhalte ähnlich denen sind, die heutzutage ohne Hilfe dieses Abgrenzungskriteriums scheinbar unlösbar sind, erwähnen die Unmittelbarkeit kaum ausdrücklich.690 Es dauerte einige Zeit, bis es sich in der Judikatur der Nachkriegszeit durchsetzen konnte. Der Bundesgerichtshof war anfangs weiterhin zögerlich mit der Verwendung des Unmittelbarkeitsmerkmals und konzentrierte sich bei der Abgrenzungsfrage auf die innere Einstellung des Getäuschten.691 Die unteren Gerichte692 hingegen nahmen es zügig als Argumentationsstütze in ihre Entscheidungen auf. Die Unmittelbarkeit beschreibt nicht einen zeitlichen Faktor, sondern einen ursächlichen.693 Nach heute herrschender Ansicht muss die Vermögensverfügung so beschaffen sein, dass sie unmittelbar zu einer Vermögensminderung bzw. zu einem Schaden führt.694 Der Getäuschte hat durch sein Verhalten direkt eine Selbstschädigung auf seiner Vermögensseite herbeizuführen. Die Unmittelbarkeit geht damit über die gesetzlich normierte Kausalität zwischen dem Verhalten des Opfers und dem Erfolg hinaus.695 Anders als es die früher herrschende Lehre vom Regressverbot696 sah, muss sein Tun, Dulden oder Unterlassen nicht nur ur-
690 Es findet keine Erwähnung in den klassischen Fällen der Gewahrsamslockerung: OTSt 11, 387; PrOT, GA 19 (1871), 461; PrOT, GA 19 (1871), 613 (614); RGSt 1, 289; RG, LZ 1920, 614; RG, LZ 1924, 299; KG, DStR 4 (1937), 57; anders dagegen im Bereich des Forderungsbetrugs, dazu RGSt 58, 215 (216); RGSt 64, 226 (228). 691 Dazu BGH, GA 1966, 212 (213); BGH, GA 1987, 307 f. 692 Noch nicht in OLG Hamm, JMBl. NRW 1950, 48 (49); aber später in OLG Hamm, JMBI. NRW 1969, 100 (101); OLG Stuttgart, Die Justiz 1973, 396; OLG Köln, MDR 1973, 866; BayObLG, JR 1992, 519; nicht mehr in OLG München, VersR 1995, 954 (955); ohne eingehende Prüfung ferner LG Bonn, VersR 1996, 1139 (1140). 693 Holtzendorff, Die Vermögensverfügung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Betruges, § 263 RStGB, S. 33; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 88. 694 BGHSt 14, 170 (171); Bittner, MDR 1970, 291 (292); Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 558; Fischer, StGB § 263 Rn. 70; Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 90; Hillenkamp, JuS 2003, 157 (159); Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 94; Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 193 (198); Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263 Rn. 25; ebenso Maurach, Deutsches Strafrecht Besonderer Teil, § 26 III B 1; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 7 Rn. 68; Otto, Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 51 Rn. 32; anders Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 67; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (39); ders., SJZ 1950, 94 (96); Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 62, 70: Der Täuschende muss für die Vermögensbewegung gewonnen werden; Nebelung, Das Zusammentreffen, S. 55. 695 Samson, JA 1978, 564 (565). 696 Vertreten von RGSt 16, 1 (5 f.); Eckstein, GS 78 (1911), 137 (138 f.); Haack, Die sogenannte Vermögensdisposition beim Betruge, S. 3 ff.; Jacobi, Die mittelbare Täterschaft als konstitutives Tatbestandselement bei den Vermögensbeschädigungsdelikten, S. 46; Lietzmann, Das Verhältnis des Betruges zu den Aneignungsdelikten der §§ 242, 246, S. 23 ff.; Schober, Die Vermögensdisposition des Getäuschten beim Betrug, S. 22; Schraft, Die Vermögensverfügung des Getäuschten als Tatbestandsmerkmal des Betrugs, S. 129.
B. Die Unmittelbarkeit
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sächlich für den Schaden sein. Nach der Lehre vom Regressverbot unterbrach das Dazwischentreten eines weiteren Ereignisses den von einer Person gesetzten Kausalverlauf. Damit fehlte es an der Kausalität zwischen Erfolg und dem ursprünglich gesetzten Kausalverlauf.697 Heute indessen wird unter Einspielung der Unmittelbarkeit die kausale Verknüpfung weiter spezifiziert. Die Verfügung muss dadurch gekennzeichnet sein, dass ein Vermögensschaden ohne notwendige Zwischenhandlung eintritt.698 Das Kriterium der Unmittelbarkeit wurde vor allem entwickelt, um mehraktige Vorgänge, in denen Opfer- und Täterverhalten zusammenwirken, sicher zuzuordnen. Es wird namentlich auf die Situationen der Gewahrsamslockerung, der Ermöglichungskonstellationen und Wechselgeldfälle angewendet. In all diesen Fällen geht es einheitlich um die Frage, ab welchem Zeitpunkt der Gewahrsamsverschiebung von einer Selbst- bzw. Fremdschädigung gesprochen werden kann. Das Merkmal der Unmittelbarkeit soll dort zur sicheren Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug beitragen.699 Indessen birgt die Unmittelbarkeit, wie in dem folgenden Punkt aufgezeigt wird, schon basierend auf dogmatischen Überlegungen keine befriedigende Lösung für eine Differenzierung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug.
I. Überprüfung des Unmittelbarkeitsbegriffs in dogmatischer Hinsicht Das Kriterium der Unmittelbarkeit ist in dogmatischer Hinsicht nicht einleuchtend. Zu beanstanden ist vor allem die Ungenauigkeit des Begriffs, der ohne Begründung postuliert wird und sich auf keine gesetzliche Grundlage stützen lässt.700 Daher ist seine Reichweite auch weitgehend ungeklärt.701 Einig ist man sich zwar darüber, dass mit der Unmittelbarkeit keine zeitliche, sondern eine kausale Verbindung zwischen Verfügung und Schaden geschaffen wird.702
697 Vgl. RGSt 17, 264 (266 f.); RGSt 27, 184 (187); RGSt 47, 151 (153 f.); RGSt 49, 16 f.; Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 69; Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 11. 698 Kindhäuser/Nikolaus, JuS 2006, 193 (198). 699 Siehe Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 70; Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 560; Fischer, StGB § 263 Rn. 70; Holtzendorff, Die Vermögensdisposition als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Betruges, § 263 RStGB, S. 33; Satzger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rn. 121; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 98. 700 Ebenso Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 264 m.w. N. 701 Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 238 Fn. 83. 702 Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 88; Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, S. 189; schwankend Nagler, in: Leipziger Kommentar, § 263 Anm. II.B.2.c).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
Umstritten ist allerdings die inhaltliche Ausgestaltung.703 Einige Autoren704 verstehen den Begriff so, dass zwischen der Verfügung und dem Schaden kein weiteres deliktisches Handeln des Täters mehr liegen darf. Eine andere Ansicht705 macht die Unmittelbarkeit daran aus, ob ein weiteres Handeln des Täters aussteht, das dem Willen des Getäuschten entgegenläuft, eigenständig über die Person des Begünstigten der Gewahrsamsübertragung zu entscheiden. Ganz neutral definiert eine letzte Ansicht706 die Unmittelbarkeit als das Ausbleiben weiterer Zwischenschritte durch einen der Beteiligten oder Dritten. Diese Inhaltsinterpretationen zu der Unmittelbarkeit überzeugen allesamt nicht. Sie sind zu unpräzise. Sichtbar wird die Schwierigkeit, die sich dahinter verbirgt, an ihrem Hauptanwendungsfeld, den multikausalen Bedingungen, die von Opfer und Täter gleichermaßen gesetzt werden. In diesen Gemengelagen kann oft nicht mit absoluter Bestimmtheit der jeweils schädigende Akt herausgefiltert werden.707 Macht man die Beurteilung der Strafbarkeit von diesem Kriterium abhängig, treten nicht selten ungerechte Zufallsentscheidungen zutage.708 Für die Verwirklichung des Tatunrechts kommt es überdies, wie bereits aufgezeigt709, in beiden Tatbestandstypen nicht auf Äußerlichkeiten an. Außerdem sind neben der Undurchsichtigkeit der Definition der Unmittelbarkeit die Meinungen für sich betrachtet schon falsch. So verbirgt sich hinter der ersten Auffassung zur Unmittelbarkeit ein unzulässiger Zirkelbeweis710. Denn wird gefordert, dass für die unmittelbare Verknüpfung zwischen Verfügung und Schaden kein weiteres deliktisches Handeln eines Dritten liegen darf, bedeutet das nichts anderes, als dass der Erfolg nicht durch eine andere strafbare Handlung herbeigeführt werden darf. Wird in einem Fall der Betrug unter Heranziehen 703 So auch Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 68 f. 704 Siehe Brocker, JuS 1994, 919 (921); Maurach, Deutsches Strafrecht Besonderer Teil, § 38 II B 3 a; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 263 Rn. 22; Lackner, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 99; A. Merkel, in: Handbuch des deutschen Strafrechts III, S. 750 (763); Ranft, Jura 1992, 70. 705 Biletzki, JA 1995, 857. 706 Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 62; Fischer, StGB § 263 Rn. 76; Geiger, JuS 1992, 834 (838); Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 90; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 88, 94; Maurach/ Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 41 II Rn. 75; Rönnau, JuS 2011, 982; O. H. Schmitt, Die Vermögensverfügung beim Betrug, S. 58; Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, S. 189. 707 Ebenso Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 37; Kritik auch von Kindhäuser, in: Festschrift für Günter Bemmann, S. 339 (352 f.). 708 Zutreffend Stuckenberg, ZStW 118 (2006), 878 (901). 709 Dazu Kapitel 2: A. III 1. a) bzw. Kapitel 2: A. III. 2. b) bb) (1) (b). 710 So auch Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 69, der darin eine Petitio principii sieht; vgl. auch Biletzki, JA 1995, 857; ohne Vertiefung Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 240.
B. Die Unmittelbarkeit
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des Unmittelbarkeitskriteriums bejaht, geschieht dies unter der Voraussetzung, dass der Schaden nicht durch ein anderes deliktisches Verhalten als das der der Verfügung vorgeschalteten Täuschung des Täters entstanden ist. Die Diebstahlsvoraussetzungen dürfen also nicht erfüllt sein. Dass sich der Schaden durch ein eigenes Verhalten des Opfers und nicht durch ein anderes deliktisches Verhalten eingestellt hat, gilt es aber gerade zu beweisen. Wird die Aufklärung der Unmittelbarkeit in diesem Sinne verstanden, hängt ihre Beantwortung mit den identischen Voraussetzungen zusammen, wie mit der gerade durch sie scheinbar zu lösenden Abgrenzungsfrage. Hinter der Frage nach der Unmittelbarkeit verbirgt sich nichts anderes als das Abgrenzungsproblem zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug. Denn wird die Unmittelbarkeit in dem eben genannten Sinne zur Abgrenzungslösung herangezogen, hängt die Entscheidung über Trickdiebstahl oder Gewahrsamsbetrug von einer Behauptung ab, deren Wahrheitsgehalt unterstellt wird. In den Gewahrsamslockerungen beispielsweise wird die Unmittelbarkeit des Verhaltens des Getäuschten für den Schaden verneint, weil der Täter selbst den Schaden durch eine andere Handlung herbeigeführt hat. Daran wird deutlich, dass die Schädigungsart unter Anwendung des in diesem Sinne verstandenen Merkmals mithilfe eines Arguments begründet wird, das es erst noch zu beweisen gilt. Unter der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des Diebstahls muss vielmehr zunächst untersucht werden, ob dieses Delikt überhaupt erfüllt ist. Unter Verneinung des so definierten Unmittelbarkeitsbegriffs wird Letzteres als gegeben vorausgesetzt. Daher wird nur scheinbar eine Abgrenzung getroffen. Die eigentliche Abgrenzungsfrage bleibt offen. Eine weitere Überlegung spricht gegen die Notwendigkeit des Unmittelbarkeitsmoments. Für den Schaden ist der Kausalzusammenhang zwischen ihm und dem täuschungsbedingten Irrtum ausdrücklich normiert. In Bezug auf die Minderung, die der ebenso ungeschriebenen Verfügung innewohnt, ergibt sich dieses Selbstverständnis aus dem Charakter der Selbstschädigung.711 Greift der Täter in das Geschehen beispielsweise nach einer Gewahrsamslockerung ein, wird die daraufhin entstandene Minderung durch Entziehung der Sache zwar kausal von Opfer und Täter bewirkt. Allerdings führt bereits die Anwendung der objektiven Zurechnungslehre712, die als allgemeines Prinzip zur Lösung von Verknüpfungsproblemen bei Kausalketten transferiert wird, zu einer Ablehnung der bloßen Gewahrsamslockerung als zurechenbare Disposition über Gewahrsamsbeziehungen. Danach kann es aufgrund des Ultima-Ratio-Gedankens erst dann zu einer strafrechtlichen Sanktion kommen, wenn dem Täter nach der natürlichen Lebensauf711
Kapitel 2: A. III. 2) cc) (2). Ebenso Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 240 f.; allgemein zur generellen Geltung der Zurechnung in den Fällen mehraktiger Verfügungen Stuckenberg, ZStW 118 (2006), 878 (902 f.). 712
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
fassung der niedergeschlagene Erfolg als „sein Werk“ 713 zurechenbar ist. Für die Zurechnung aufgrund der objektiven Zurechnungslehre ist die Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr notwendig, die in dem tatbestandsmäßigen Erfolg aufgeht.714 Die Zurechnung des Erfolgs an den Täter ist insbesondere auszuschließen, wenn der Zurechnungszusammenhang durch das vorsätzliche Dazwischentreten eines Dritten unterbrochen wird. Das setzt voraus, dass eine neue Gefahr geschaffen wurde, die selbstständig den Erfolg herbeiführt.715 Konkret auf den Gewahrsamsbetrug angewandt, ist der Erfolg in einem Gewahrsamsverlust zu erblicken. Dass in den Fällen des Dazwischentretens durch den Täter die Erfolgszurechnung auf ihn abzubrechen ist, zeigt die nun folgende Erläuterung. Für die Erfolgsverwirklichung im Rahmen der die Unmittelbarkeit prägenden Fallgruppen sind drei Ursachen auseinanderzuhalten: erstens die Täuschung durch den Täter (Erstursache), zweitens die Vermögensfreigabe durch den Berechtigten (Zweitursache) und drittens das Ansichnehmen der Sache durch den Täter (Drittursache). Prinzipiell kommen für den Ausschlussfaktor der Zurechnung durch Dazwischentreten eines Dritten alle die auf die erste Ursache folgenden weiteren Ursachen in Betracht. Die Zweitursache ist allerdings aufgrund der besonderen tatbestandlichen Struktur des § 263 StGB als Delikt notwendiger Teilnahme nicht als Störfaktor des an den Täter zurechenbaren Erfolgs zu begreifen. Vielmehr ist dies der eigentümlichen Struktur der selbstschädigenden Betrugsnorm geschuldet, die ein täuschungsbedingtes Verhalten des Berechtigten notwendig macht. Hier ist zur logischen Verknüpfung von Täuschung und Schaden immer ein Dazwischentreten des Opfers zwingend. Also kann nur die dritte Ursache, das Ergreifen oder Einstecken der Sache durch den Täter, Anknüpfungspunkt für eine Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs zwischen seiner vorangehenden Täuschung und dem Erfolg sein. Dass der Täter, der die dritte Ursache gesetzt hat, mit dem Erstverursacher identisch ist, schadet nicht.716 Denn kann schon das vorsätzliche Dazwischentreten eines Dritten die Erfolgszurechnung unterbrechen, dann erst recht derjenige, der in einem Zweipersonenverhältnis die ursprüngliche Gefahr geschaffen hat. Ansonsten wäre die Regelung über den strafbefreienden Rücktritt (§ 24 StGB)
713
Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 176. Siehe Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, S. 287; Otto, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, § 6 Rn. 45; Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 179. 715 Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 192. 716 Vgl. Otto, Grundkurs Strafrecht, Allgemeine Strafrechtslehre, § 6 Rn. 55, 64. 714
B. Die Unmittelbarkeit
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sinnentleert. Genauso wie der Täter einerseits die Gefahr stoppen und dadurch den Erfolg verhindern kann, ist es auf der anderen Seite möglich, dass er die Gefahr intensiviert oder zu einer neuen Tat ansetzt. In der konkreten Situation der Gewahrsamslockerung scheitert eine Erfolgszurechnung zwischen der Täuschung des Täters und dem Vermögensübergang. Die Erst- und Zweitursache in Form von Täuschung bzw. tatsächlicher Sachüberlassung haben sich nicht in dem tatbestandsmäßigen Erfolg des Schadens niedergeschlagen. Die bloße Sachverschiebung führt, wie oben717 nachgewiesen, noch nicht zu einer Vermögensverfügung, geschweige denn zu einem Schaden. Für den Erfolg ist schließlich das eigenmächtige Ergreifen der Sache durch den Täter notwendig. Erst dann tritt ein Gewahrsamsverlust ein. Dafür sind die Täuschung und Sachübergabe nur vorbereitende Akte. Es besteht zwar ein Zurechnungszusammenhang zwischen Täuschung und der tatsächlichen Sachüberlassung, aber nicht zwischen der Täuschung und dem Erfolg. Der Inhalt der Täuschung ist nämlich nicht auf die Motivation zur Herrschaftsaufgabe festzulegen, wie sie Voraussetzung der Verfügung ist, sondern zur faktischen Sachüberlassung. Die Minderung knüpft nun nicht an das selbstschädigende Verhalten des Opfers an, das lediglich in einer Gewahrsamslockerung liegt. Mit der Gewahrsamslockerung wird jedoch nur die Dispositionsfreiheit tangiert, nicht hingegen der Vermögensbestand des Getäuschten. Nur Letzterer ist indessen von dem Schutz des § 263 StGB erfasst. Im weiteren Verlauf nimmt der Täter die Sache an sich. Dadurch tritt er der Erst- und Zweitursache, mit denen das Geschehen begann und die keinen Schaden herbeigeführt haben, dazwischen. Der Gewahrsamsverlust ist dem Täter daher nicht aufgrund der Täuschung, die lediglich zu einer Gewahrsamslockerung ohne Schaden geführt hat, sondern wegen der Drittursache (Ansichnehmen der Sache durch Einstecken, Entfernen etc.), die er selbst setzt, objektiv zurechenbar. Das lässt nur eine Bestrafung wegen eines anderen Delikts als des Betrugs zu. Eine Ausnahme muss nur dort gemacht werden, wo das Verhalten des Unterbrechenden so spezifisch mit der Ausgangsgefahr verbunden ist, dass schon die Ausgangsgefahr typischerweise den Erfolg begründet.718 Die ursprüngliche Gefahr, die Täuschung, mündet aber nicht automatisch in einen Gewahrsamsverlust. Ansonsten müsste bereits mit jeder tatsächlichen Überlassung einer Sache ein Schaden angenommen werden. Diesem Aspekt wurde bereits widersprochen.719 Vielmehr kommt es aufgrund eines Verhaltens mit anderem Gehalt als dem einer Täuschung zu einer Gewahrsamsänderung.
717 718 719
Kapitel 2: III. 2. b) cc) (3) (b). Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 192. Kapitel 2: A. III. 2. b) cc) (3) (b).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
Für den Zusammenhang zwischen Verfügung und deren Erfolg genügt daher der für den Betrugstatbestand und seine Merkmale geltende herkömmliche Kausalitätszusammenhang720 unter Restriktion der allgemeinen Zurechnungslehre. Strengere Anforderungen sind unnötig und aus dem System und Wortlaut des Betrugstatbestands heraus nicht ablesbar. Die Unmittelbarkeit ist daher lediglich ein nicht notwendiges Zurechnungsinstrument721, das demjenigen den Schaden zuordnet, der ihn herbeigeführt hat. Es ist durch die allgemeine Zurechnungslehre zu ersetzen. Ein ergebnisgleicher Zurechnungsmaßstab ist für den Betrugstatbestand unnötig. Die Unregelmäßigkeiten in Bezug auf das Unmittelbarkeitskriterium zeigen, dass es dogmatisch nicht überzeugt. Insbesondere entbehrt dieses Merkmal einer einheitlichen Definition. Ferner werden die Unzulänglichkeiten der Inhaltsinterpretationen vor allem in den Fällen offensichtlich, in denen Täter- und Opferverhalten zusammenwirken. Darüber hinaus konnte in der Deutung, die die Unmittelbarkeit als das Fehlen weiterer deliktischer Akte des Täters versteht, ein Zirkelschluss nachgewiesen werden. Zuletzt wurde gezeigt, dass die Unmittelbarkeit durch die ohnehin geltenden allgemeinen Kausalitätsgesetze in Verbindung mit der objektiven Zurechnungslehre zu ersetzen ist. Diese Inkonsequenzen in der Subsumtion unter den Betrugstatbestand decken die ungerechtfertigte Heranziehung des Unmittelbarkeitskriteriums auf. Im folgenden Punkt wird gezeigt, dass auch gerade ohne die Verwendung des Unmittelbarkeitskriteriums unter Anwendung der Zwei-Stufen-Theorie stringente Ergebnisse erzielt werden.
II. Tauglichkeit der Unmittelbarkeit anhand der Prüfung von Fällen Nachdem das Unmittelbarkeitselement nun dogmatisch entwertet ist, wird im Folgenden gezeigt, dass es auch im praktischen Bereich als Abgrenzungskriterium versagt. Das Unmittelbarkeitsmoment ist überflüssig, weil kritische Fälle gerade ohne das Heranziehen dieses Merkmals einwandfrei gelöst werden können. Dagegen führt seine Verwendung in manchen Fällen zu uneinheitlichen Lösungen. Das wird anhand einschlägiger Fallbeispiele aus dem Bereich der Gewahrsamslockerung, der Ermöglichungskonstellationen und der Wechselgeldfälle durchgespielt. Zunächst ist die Abgrenzungstauglichkeit des Unmittelbarkeitsbegriffs in Fallgestaltungen zu betrachten, die unter dem Stichwort der Gewahrsamslockerung behandelt werden.
720 721
Ebenso Kindhäuser, in: Festschrift für Günter Bemmann, S. 339 (352 f.). Übereinstimmend Jäger, JuS 2010, 761 (763).
B. Die Unmittelbarkeit
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1. Die Bedeutung des Unmittelbarkeitskriteriums in den Fällen der Gewahrsamslockerung Unter den Falltyp der Gewahrsamslockerung fallen insbesondere die Fälle der Herausgabe einer Sache zur Überprüfung bzw. Verwahrung und die Fälle, in denen eine Sache zur Erfüllung eines Rechtsgeschäfts vorgeleistet wird. Zu unterscheiden ist jeweils, ob dem Opferverhalten schon eine Gewahrsamsverfügung oder lediglich eine Gewahrsamslockerung zugrunde liegt. Dabei ist es wegen des faktischen Verfügungsbegriffs einerlei, ob sich das Opfer rechtswirksam und rechtsgrundlos in Bezug auf die Sache verhält.722 a) Behandlung der Gewahrsamslockerung anhand der Gegenüberstellung von Beispielen Im folgenden Punkt wird geprüft, ob sich die Unmittelbarkeit in der konkreten Fallprüfung durch Gegenüberstellung zweier Fälle für die Abgrenzung bewährt. In der „Brieftaschen“-Entscheidung wird das Unmittelbarkeitskriterium herangezogen, während es in der Entscheidung zu dem ähnlichen „Mobiltelefon“-Fall nicht erwähnt wird. aa) Der „Brieftaschen“-Fall unter der Darstellung von Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur Das erste, die Unmittelbarkeit im Rahmen der Gewahrsamslockerung zu untersuchende Beispiel ist der „Brieftaschen“-Fall 723: Das Opfer A wollte sich im Foyer eines Gebäudes eine Zigarette anzünden und begann in seinem Jackett danach zu suchen. Dabei stieß es auf seine Brieftasche mit 38.000 DM und nahm sie aus der Jackentasche heraus. Da A in der anderen Hand einen Gegenstand hielt, bat er den neben ihm stehenden B, die Brieftasche für einen Augenblick zu halten. B kam der Bitte des A nach. Sodann erklärte er dem A, mal eben telefonieren zu müssen und sofort zurückzukehren. A schenkte der Aussage des B Glauben und fühlte sich nicht veranlasst, sich zwischenzeitlich die Brieftasche aushändigen zu lassen. B verließ das Gebäude und flog nach Italien. Unter dem Topos der Gewahrsamslockerung hat konkret dieser Fall den Impuls zu einer vertieften Auseinandersetzung mit den Fällen der Gewahrsamslockerung gegeben. Hier haben sich gegnerische Pole herauskristallisiert.
722 BGH, GA 1987, 307; OLG Düsseldorf, NJW 1990, 923; daher fallen auch Schwarzmarktgeschäfte mit „Tramplern“ oder „Spritzern“ unter diese Kategorie, dazu Wimmer, NJW 1947/48, 241. 723 OLG Köln, MDR 1973, 866.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
(1) Lösung unter der Annahme eines verzögerten Gewahrsamswechsels Einer ersten Meinung zufolge findet an Sachen, die vorübergehend an eine zu einer verbrecherischen Aneignung bereite Person übergeben werden, keine Gewahrsamsübertragung statt. Ausgangspunkt ist demnach der unumstößliche Grundsatz, dass der Betrug in Abgrenzung zum Diebstahl fordert, dass das Opfer über sein Vermögen „aus freiem, nur durch Irrtum beeinflußten Willen (. . .) verfügt und es dadurch unmittelbar schädigt.“ 724 Die bloße Schaffung eines Ermöglichungstatbestands zur Erfüllung der Tat durch eine eigenmächtige Handlung des Täters hingegen genügt nicht den Anforderungen an den selbstschädigenden Betrug.725 Die Unmittelbarkeit der Schädigung wird aus der innerlich freien Willenseinstellung des Opfers abgeleitet. Typisch für den Betrug ist nach dieser Ansicht, den eigenen Gewahrsam an einen Dritten auf Willensebene auf- und objektiv weiterzugeben. Die Gewahrsamsherrschaft muss in Gänze aufgegeben werden. Eine bloße Gewahrsamslockerung erfüllt hingegen nicht die Voraussetzungen des Verfügungsmerkmals.726 Wird die Sache dem mit deliktischen Absichten handelnden Täter lediglich zugänglich gemacht, ist die tatsächliche Einwirkungsmöglichkeit möglicherweise gehemmt. Sie geht allerdings nicht verloren. In der Person des Getäuschten, so diese Ansicht weiter, verbleibt ein Gewahrsamsrest, der im Anschluss an die Lockerung gebrochen werden kann.727 Entscheidend ist, dass in dieser Situation ob der zeitweiligen Überlassung des Gegenstands zwar die Möglichkeiten zur Gewahrsamsausübung des ursprünglichen Gewahrsamsinhabers geringer geworden sind, nicht aber der Wille dazu.728 Das gilt im konkreten Fall nicht nur für den Zeitraum der Übergabe im Beisein des Getäuschten, sondern auch für die Zeit, in der sich der spätere Täter unter einem Vorwand räumlich entfernt, was der bisherige Gewahrsamsinhaber gestattet. Im „Brieftaschen“-Fall begeht der Täter demnach einen Trickdiebstahl. (2) Lösung unter der Annahme eines sofortigen Gewahrsamswechsels Nach der Gegenauffassung ist in diesen Fällen ein Einverständnis in die Gewahrsamsaufhebung anzunehmen. Dazu wird das Unmittelbarkeitskriterium selten erwähnt. Diese Ansicht wird durch verschiedene Argumente gerechtfertigt.
724 OLG Köln, MDR 1973, 866; im Wortlaut identisch BGH, GA 1966, 212 (213); BGH, JZ 1968, 637; BGH, MDR 1974, 15 (bei Dallinger); BGH, GA 1987, 307; OLG Düsseldorf, NJW 1990, 923. 725 So OLG Köln, MDR 1973, 866 (867); Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 560 f.; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 626 f. 726 OLG Köln, MDR 1973, 866 (867); Rengier, JuS 1981, 654. 727 OLG Köln, MDR 1973, 866 (867). 728 Dazu Rengier, JuS 1981, 654.
B. Die Unmittelbarkeit
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Zunächst stützt sie sich teilweise auf die allgemeinen Grundsätze der Gewahrsamsbegründung.729 So ist in concreto demjenigen, der eine Sache in den Händen hält, diese sozial zuzuordnen. Nach dieser Ansicht besitzt der Täter in diesen Fällen mit der Übergabe „direkten Gewahrsam“ 730. Wegen der freiwilligen Übergabe scheidet ferner ein Gewahrsamsbruch aus.731 Es kommt weder zu einer Gewahrsamslockerung, noch behält sich der Berechtigte einen Gewahrsamsrest vor.732 Dennoch kommt es nicht zu einer unmittelbaren Schädigung, weshalb der Täter im Ergebnis nicht wegen Betrugs, sondern einer Unterschlagung nach § 246 StGB strafbar ist.733 Außerdem wird ein einverständlicher Gewahrsamswechsel ohne Anwendung der Unmittelbarkeit damit gerechtfertigt, dass das Opfer durch das erlaubte Entfernenlassen des Täuschenden in die Menge mit der Brieftasche eine „teil-bewußte“ 734 Verfügung erteilt. Genauso wie „voll-bewußte“ 735 sind „teil-bewußte“ Verfügungen im Gegensatz zu „unbewußten“ 736 demnach dadurch gekennzeichnet, dass die Sachverschiebung mit Wissen und Wollen des Berechtigten stattfindet. Im Unterschied zu „voll-bewußten“ Verfügungen bleibt bei „teil-bewußten“ lediglich der schädigende Charakter ihrer selbst verborgen. Im konkreten Fall hat das Opfer die maßgeblichen Umstände, die zum Gewahrsamswechsel geführt haben, überblickt. Eine „unbewußte“ Verfügung kann nur dann angenommen werden, wenn der Täter mit der Brieftasche nicht in die Menge eingetaucht wäre, sondern in einem räumlich überschaubaren Bereich entschwunden wäre, bei dem der Berechtigte davon ausgehen konnte, dass der Täter die vorgefundene Gewahrsamslage respektierte.737 Nach dieser Meinung findet ein Gewahrsamswechsel bereits in dem Zeitpunkt statt, in dem der Inhaber der Brieftasche dem Täter die Entfernung gestattete. Mit der Erlaubnis der Entfernung geht gleichsam eine einverständliche Gewahrsamsübertragung im Sinne des § 263 StGB einher. (3) Lösung unter der Annahme eines tatbestandlichen Nebeneinanders Einer dritten Meinung zufolge liegen Verfügung und Wegnahme tatbestandlich gleichzeitig vor. Eine Sondierung des einen von dem anderen Tatbestand erfolgt entweder auf subjektiver Ebene738 (erste Teilansicht) oder sie entfällt739 (zweite 729 730 731 732 733 734 735 736 737 738
Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 33 II Rn. 30. Bittner, JuS 1974, 156 (159). Bittner, JuS 1974, 156 (159). Bittner, JuS 1974, 156 (160). Bittner, JuS 1974, 156 (160). Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 20 ff. Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 17 ff. Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 29 ff. Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 40 f. Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 272 ff.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
Teilansicht). Das Unmittelbarkeitskriterium wird von diesen Teilansichten entweder ausdrücklich kritisiert oder nach Belieben modifiziert. (a) Unterscheidung auf subjektiver Ebene Nach der ersten Teilansicht, die auf subjektiver Ebene unterscheidet, wird das Kriterium der Unmittelbarkeit ausdrücklich abgelehnt.740 Danach führt die Unmittelbarkeit konkret in diesem und anderen Fällen nicht weiter. Insbesondere bewirkt die Eingliederung von Vermögensgefährdungen in den Bereich von Vermögensschäden eine Extensivierung des Vermögensverfügungsbegriffs. Das schließt ein gleichzeitiges Vorliegen von Fremd- und Selbstschädigung nicht aus. Das Unmittelbarkeitskriterium ist demnach für eine Unterscheidung untauglich. Daher muss ein Ausweg aus der Missachtung des Exklusivitätsdogmas konstruiert werden, welche die Aufweichung des Schadensbegriffs mit sich bringt. Die Lösung birgt die Struktur des Betrugstatbestands, vor allem die subjektive Bereicherungsabsicht. Dazu werden zwei Grundkonstellationen unterschieden: In der ersten Konstellation ist das Opfer noch im Stande, jederzeit auf die Sache zugreifen zu können. Trotz Gewahrsamslockerung besteht in seiner Person noch eine faktische Gewahrsamsposition. Es ist einerlei, wer die Sache tatsächlich in den Händen hält. Denn selbst wenn der Täter die unmittelbare Sachherrschaft ausübt, hat der Getäuschte seine Verfügungsmöglichkeit nicht verloren. Beide Beteiligten stehen hinsichtlich der Zugriffsmöglichkeiten gleichgeschaltet nebeneinander. In einem derartigen „Zuordnungspatt“ 741 bedeutet die Gewahrsamslockerung noch keinen schadensfähigen Posten, da die Machtverhältnisse ausgeglichen sind. Ein endgültiges Ergreifen des Gegenstands führt zu einer Wegnahme durch den Täter. Wegen der gleichgewichtigen Verfügungsmöglichkeiten ist eine vorhergehende Verfügung des Opfers auszuschließen. In der zweiten Konstellation hat das Opfer dagegen kraft Gewahrsamslockerung keine ungehinderte Zugriffsmöglichkeit auf die Sache; daher halten sich auch die Machtverhältnisse nicht die Waage. Der Gewahrsamslockerung wohnt eine Vermögensverfügung des Getäuschten in Form des Gestattens inne.742 Nach dieser ersten Teilansicht greift die zweite Konstellation konkret in dem Sachverhalt des „Brieftaschen“-Falls ein. Mit dem räumlich gestatteten Entfernen sind die Machtpositionen unausgeglichen. Die Herrschaftsmacht ist zu Gunsten des Täters verlagert. Die Verfügungsmacht wohnt dem ursprünglichen Gewahrsamsinhaber nur noch in vergeistigter Gestalt inne. Daher wurde die Ge739 740 741 742
Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (376 ff.). Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 272 ff. Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 273. Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 273.
B. Die Unmittelbarkeit
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wahrsamslockerung in diesem Fall durch eine Vermögensverfügung bewirkt. Konkret auf die „Brieftaschen“-Entscheidung bezogen bedeutet das, dass der aus der Annahme einer Gewahrsamslockerung gefolgerte Umkehrschluss, eine Vermögensverfügung sei ausgeschlossen, falsch ist. Wegen der bloßen Gewahrsamslockerung verbleibt der Gewahrsam zunächst in der verfügenden Person, die zwar einen Schaden in Gestalt der Vermögensgefährdung erleidet. Diese bloße schädigende Gefährdung beinhaltet jedoch nicht bereits einen Gewahrsamsverlust. Dem Täter steht die Möglichkeit einer Sachverschiebung durch einen fremdschädigenden Akt in Gestalt einer Wegnahme offen.743 Auf objektiver Tatbestandsebene liegen Diebstahl und Betrug damit gleichzeitig vor. Ein kumulatives Vorliegen entsprechend dem Exklusivitätspostulat ist nun auf subjektiver Tatbestandsseite über das Element der Bereicherungsabsicht auszuscheiden. Um dem Charakter als erfolgskupiertes Delikt gerecht zu werden, muss es dem Täter auf einen stoffgleichen Vermögensvorteil ankommen, der im Moment der Verfügung noch nicht verwirklicht sein muss. Dazu genügt es allerdings nicht, dass der Täter nur eine Lage geschaffen hat, die er später einmal in einen Vermögensvorteil umwandeln will.744 Konkret in dem „Brieftaschen“-Fall ist sich der Täter im Augenblick des Sichentfernens noch nicht sicher, ob er den Gewahrsam an der Brieftasche zu seinem Vorteil umkehren will. Daher scheitert eine Bereicherungsabsicht. In Übereinstimmung mit der Entscheidung des OLG Köln ist der Täter wegen Trickdiebstahls strafbar. (b) Keine Unterscheidung Die zweite Teilansicht schlägt in bestimmten Konstellationen der gewollten Gewahrsamslockerung ein tatbestandliches Nebeneinander von Diebstahl und Betrug vor. Dabei ist das Merkmal der Vermögensverfügung weit auszulegen. Für die begrifflich zulässige Ausweitung des Verfügungsbegriffs wird angeführt, dass im Unterschied zu der auf geistiger Ebene zu entscheidenden Gewahrsamsfrage der Begriff der Vermögensverfügung vorwiegend von faktisch-wirtschaftlichen Anschauungen geleitet wird. In den Fällen der gewollten Gewahrsamsablistung wie dem „Brieftaschen“-Fall liegt die Situation wie folgt: Das Entfernen des Täters mit der Sache bewirkt trotz Billigung des Sichentfernens noch keinen Gewahrsamswechsel. Allerdings ist die Sache mit dem Herausschaffen aus dem Blickfeld des Opfers745 faktisch unmittelbar verloren. Wegen des tatsächlichen Verlusts ist der Gewahrsam wirtschaftlich betrachtet wertlos. Das rechtfertigt es, den Sachverschaffungsakt, der auch gewollt war, auf den Rang einer Vermögensverfügung zu erheben. Die Verfügung ist beginnender Bestand743 744 745
Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 276. Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 276, 709. Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (380).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
teil der späteren Wegnahme.746 Unabhängig von der Gewahrsamslage tritt der Schaden im Sinne des Betrugstatbestands schon mit der Aushändigung ein. Die Entbehrung erfüllt in diesem Fall den Charakter einer schädigenden Vermögensverfügung, die einer späteren Wegnahme durch Gewahrsamsbruch des Täters vorgeschaltet ist. Damit liegen Diebstahl und Betrug tatbestandlich nebeneinander vor. Unterstützt wird diese Argumentation durch das Anführen gleichgelagerter Fälle des Forderungsbetrugs. Veranlasst der Täter den blinden Getäuschten, eine als Glückwunschschreiben getarnte Abtretungserklärung zu unterzeichnen, hat der Irrende die Forderung noch inne, wird sie aber aller Wahrscheinlichkeit nach verlieren. In diesem Fall wird die Strafbarkeit wegen Betrugs nicht angezweifelt. Anders dagegen in den Fällen des Sachbetrugs. Der tateinheitlichen Anwendung, so diese Ansicht weiter, steht die Exklusivitätsthese nicht entgegen. Mangels rechtlich sinnvoller Begründung ist ihr ohnehin eine Absage zu erteilen. Außerdem schafft sie unnötige Strafbarkeitslücken in den Fällen der bloßen Gebrauchsanmaßung. Der Unwertgehalt des deliktischen Handelns kommt vielmehr nur durch eine gemeinsame (§ 52 StGB) Bestrafung aus §§ 242 StGB und 263 StGB zum Ausdruck.747 Dies gilt insbesondere für den „Brieftaschen“-Fall. Damit sind die unterschiedlichen Stellungnahmen konkret auf den „Brieftaschen“-Fall bezogen überblicksweise dargestellt. Diesem ist der „Mobiltelefon“Fall gegenüberzustellen. bb) Der „Mobiltelefon“-Fall unter der Darstellung von Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur Der zweite, jüngere Sachverhalt des „Mobiltelefon“-Falls748 lautet folgendermaßen: Der Täter B forderte das Opfer A auf, seinen Namen zu nennen. Erst nach einem Schlag ins Gesicht durch B kam A dieser Forderung nach. Als dem B ein Gegenstand zu Boden fiel, war A mittels der Taschenlampenfunktion seines Handys bei der Suche behilflich, um einer Eskalation der Situation zu entgehen. B bat den A nun, ihm für kurze Zeit das Mobiltelefon zu geben, um selbst nach der Sache suchen zu können. A kam der Bitte nach. B steckte das Mobilfunkgerät wie von Anfang an beabsichtigt ein. Auf das Herausgabeverlangen des A reagierte B mit einem Faustschlag in dessen Gesicht und drohte, dass er ihn abstechen werde, wenn er nicht endlich sein „Maul halten“ würde. Bei einem späteren Treffen zwischen Täter und Opfer erhielt A unter Drohung von Gewaltanwendung im Falle einer belastenden Aussage gegenüber der Polizei das Handy zurück. 746 747 748
Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (382). Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (382 f.). AG Tiergarten, NStZ 2009, 270.
B. Die Unmittelbarkeit
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(1) Lösung unter der Annahme eines sofortigen Gewahrsamswechsels Der Täter wurde in diesem Fall von dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten wegen versuchter Nötigung und jeweils in Tateinheit mit Nötigung begangener vorsätzlicher Körperverletzung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Betrug, verurteilt. Unabhängig davon muss nach der Ansicht des Gerichts eine Bestrafung wegen Raubs nach § 249 StGB, räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) und räuberischer Erpressung im Sinne von §§ 253, 255 StGB ausscheiden.749 In den Urteilsgründen heißt es dazu, dass der vom Betrug abzugrenzende (räuberische) Diebstahl nach § 242 StGB (§ 252 StGB) auszuscheiden sei, weil mangels freiwilliger, wenn auch irrtumsbedingter Übergabe keine Wegnahme stattgefunden habe. Eine Gewahrsamslockerung, die eine spätere erleichterte Wegnahme und damit einen Trickdiebstahl ermöglicht hätte, müsse verneint werden, da sich nach allgemein anerkannten Grundsätzen ein Gewahrsamswechsel an kleinen Gegenständen wie einem Mobiltelefon sofort mit dem Ergreifen vollziehe. Für diese Sichtweise wird der vom Bundesgerichtshof entschiedene „Laptop“Fall 750 zur Vorlage genommen. In diesem Fall flüchtete der Täter mit einem Laptop aus einem Ladenlokal unter Verfolgung des Ladeninhabers. Der Bundesgerichtshof nahm spätestens im Zeitpunkt des beobachteten Verlassens des Ladenlokals mit dem fremden Laptop in der Hand eine vollendete Wegnahme an. Der Laptop sei zwar keine Sache, die sich ohne Weiteres einstecken lasse, aber dennoch leicht zu transportieren. Ein offenes Wegtragen, ohne dass die Sache am Körper getragen oder in einer Tasche transportiert werde, sei nicht erforderlich. Auch das sofortige Verfolgen und Behindern durch den bisherigen Sachbeherrscher soll an dem gefundenen Ergebnis nichts ändern.751 In Entsprechung dieser Entscheidung nahm auch das entscheidende Gericht im „Mobiltelefon“-Fall einen Gewahrsamswechsel bereits mit Ergreifen des Mobiltelefons an. Daher scheiden nach dieser Meinung auch Nötigungsdelikte wie § 249 StGB und §§ 253, 255 StGB aus.752 Der Gewahrsamswechsel sei mit der Übergabe, in der die Verfügung liege, vollzogen. (2) Lösung unter der Annahme eines verzögerten Gewahrsamswechsels Die Gegenansicht753 reiht den „Mobiltelefon“-Fall demgegenüber unter die Kategorie der Gewahrsamslockerungen ein. Danach liegt mit der Übergabe noch 749 AG Tiergarten, NStZ 2009, 270 (271); ausdrücklich zustimmend Beukelmann, in: Beck’scher Online-Kommentar StGB, § 263 Rn. 38.1; Cramer/Perron, in: Schönke/ Schröder, § 263 Rn. 64; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 627. 750 BGH, NStZ 2008, 624. 751 BGH, NStZ 2008, 624 (625); bestritten von Bachmann, NStZ 2009, 267. 752 AG Tiergarten, NStZ 2009, 270 (271). 753 Konkret auf diesen Fall bezogen Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 46; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 2 Rn. 30 f.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
kein Gewahrsamswechsel vor. Vielmehr kann der fortbestehende Gewahrsam an der Sache erst durch einen späteren Akt verloren werden. Danach begeht der Täter entgegen der ergangenen „Mobiltelefon“-Entscheidung eine Wegnahme nach § 242 StGB und keine Gewahrsamsverfügung. cc) Kritische Würdigung der Behandlung beider Fälle Die urteilenden Gerichte des „Brieftaschen“-Falls und des „Mobiltelefon“Falls und die diesbezüglichen Stellungnahmen in Rechtsprechung und Literatur kommen damit zu gegensätzlichen Entscheidungen. Die in beiden Fällen vorgebrachten Ansichten sind nun kritisch zu würdigen. Vorab stellt sich jedoch die Frage, ob eine verschiedenartige Behandlung des „Mobiltelefon“-Falls im Vergleich zum „Brieftaschen“-Fall überhaupt gerechtfertigt ist, oder ob sie nicht vielmehr einheitlich zu beurteilen sind. (1) Notwendigkeit einheitlicher Beurteilung beider Fälle In Gegenüberstellung des „Brieftaschen“-Falls mit dem „Mobiltelefon“-Fall fällt Folgendes auf: Im „Brieftaschen“-Fall erfolgt die Herausgabe mit dem Zweck der Verwahrung, während im „Mobiltelefon“-Fall eine Hergabe zur Benutzung geschieht. Die Verwahrung liegt im Interesse des Brieftaschenbesitzers, die Herausgabe des Handys hingegen dient altruistischen Zwecken. Ein weiterer Unterschied liegt darin, dass sich das Opfer im „Mobiltelefon“-Fall in einer aktuellen Bedrohungslage befand, das Brieftaschenopfer dagegen nicht. Diese Unterschiede rechtfertigen allerdings keine unterschiedlichen Beurteilungen hinsichtlich des Zeitpunkts des Gewahrsamsverlusts und der Schädigungsart. Vielmehr handelt es sich um Umstände, die für den Bereich der Vermögensdelikte nicht entscheidungserheblich sind. Die äußeren Geschehensabläufe sind in den Vergleichsfällen indes sehr ähnlich: In beiden Fällen gibt der Täter listig vor, die Sache des Eigentümers nur für kurze Zeit an sich nehmen zu wollen. Im ersten Vergleichsfall wird die Brieftasche herausgegeben, im zweiten Fall das Handy. Es handelt sich jeweils um unauffällige, leicht bewegliche Sachen. Insbesondere ist der Gewahrsamswechsel auch nicht daran gehindert, dass sich die Täter nach Erlangen der Sache in der Gewahrsamssphäre des Verletzten aufgehalten haben.754 Vielmehr haben sich die Vorgänge auf offener Straße zugetragen. Beide Situationen sind daher vergleichbar. Trotzdem entscheiden die Gerichte gegensätzlich: Während der Täter des „Brieftaschen“-Falls als Dieb angesehen wird, ist der Täter im zweiten, gleichgelagerten Fall ein Betrüger. Auffällig ist, dass das Gericht im „Mobiltelefon“-Fall,
754
BGH, GA 1969, 91 f.; BGH, NStZ 2011, 158 (159).
B. Die Unmittelbarkeit
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obgleich eine mögliche Gewahrsamslockerung wenn auch nur kurz diskutiert wird, den Begriff der Unmittelbarkeit mit keinem Wort erwähnt. (2) Kritik an den dargestellten Stimmen zu beiden Fällen Fest steht, dass wegen der Ähnlichkeit der gegenübergestellten Fälle nur eine gleiche Behandlung möglich ist. Im Folgenden müssen daher die verschiedenen Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur bewertet werden. Unter Zugrundelegung der Gleichartigkeit beider Fälle müssen alle Stimmen, die zum „Brieftaschen“-Fall und „Mobiltelefon“-Fall erläutert wurden, gemeinsam betrachtet werden. Dabei ist die Kritik zunächst in Bezug auf den frühen Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts der genannten Meinungen (unter Bezugnahme auf die erläuterte zweite Meinung und zweite Teilansicht innerhalb der dritten Meinung, die sich auf den „Brieftaschen“-Fall beziehen, wie auch auf die Ansicht des mit dem „Mobiltelefon“-Fall betrauten Amtsgerichts Berlin-Tiergarten) zu äußern. Anschließend wird zu den Meinungen über die Willenseinstellung der Opfer (unter Bezugnahme auf die erläuterte erste Meinung und erste Teilansicht innerhalb der dritten Meinung, die sich auf den „Brieftaschen“-Fall beziehen, wie auch auf die Ansicht des mit dem „Mobiltelefon“-Fall betrauten Amtsgerichts Berlin-Tiergarten) Stellung bezogen. (a) Kritik an der Annahme eines sofortigen Gewahrsamswechsels Gegen die im Rahmen des „Brieftaschen“-Falls als zweite Meinung zusammengefassten Stimmen, die einen Gewahrsamswechsel mit der Sachübergabe annehmen, ist vorzubringen, dass sie sich zu sehr im Faktischen bewegen und dabei die geistige Komponente des Gewahrsamsbegriffs missachten. Die Annahme eines frühen Gewahrsamswechsels geht fehl. Allein durch Übergabe bzw. räumliches Entfernen – unerheblich, ob aus einem begrenzten Vorraum oder einer unüberschaubaren Gebäudehalle – tritt nicht automatisch ein Gewahrsamswechsel ein. Lehrformelhaft ist zu wiederholen, dass der Gewahrsamsbegriff zwar grundsätzlich auf faktischen Umständen aufbaut, aber sozial-normativ gelenkt wird. Zu entkräften ist auch die zweite Teilansicht innerhalb der dritten Meinung, die zwar nur bezogen auf den älteren „Brieftaschen“-Fall geäußert wurde, aber wegen der Gleichartigkeit zum „Mobiltelefon“-Fall gleichermaßen auf diesen Anwendung findet. Sie sieht in den Fällen der Gewahrsamslockerung bereits das weit zu fassende Merkmal der Verfügung im Sinne des Betrugstatbestands erfüllt. Das Unmittelbarkeitskriterium wird dadurch zwar nicht ausdrücklich abgelehnt, aber umgangen. Denn durch die Erweiterung des Verfügungsbegriffs werden die Fälle der Gewahrsamslockerung als unmittelbarer Schaden erfasst. Das führt zu
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
einem tatbestandlichen Nebeneinander von Trickdiebstahl und Betrug. Gegen diese Ansicht spricht die allgemein anerkannte Geltung des Exklusivitätspostulats, das aus den Wesensgesetzen755 gerechtfertigt wird. Außerdem geht das StGB nicht von einem absoluten Bestrafungsgebot jeglichen strafwürdigen Verhaltens aus. Vielmehr sind Strafbarkeitslücken hinzunehmen. Ferner wird der Schaden aus der räumlichen Entfernung von dem Blickfeld des Berechtigten abgeleitet, was ein ungewisser Maßstab zur Schadensbestimmung ist. Schwierig zu beurteilen ist insbesondere, ab welchem Abstand des Getäuschten zu seiner Sache ein Schaden zu beklagen ist. Genaueren Hinweis auf eine schädigende Handlung können nur die Gewahrsamsverhältnisse liefern. Von der faktischen Entfernung aus kann nicht sicher auf einen Schaden geschlossen werden. Im Hinblick auf die Verwendung der Unmittelbarkeit, die in diesem Fall bereits ohne die Bejahung einer Vermögensminderung angenommen wird, zeigt diese Ansicht, dass dieses Kriterium beliebig modifiziert werden kann und für eine sichere Abgrenzung nicht handhabbar ist. Kritik ist ebenso an der „Mobiltelefon“-Entscheidung im Hinblick auf die Annahme eines rapiden Gewahrsamswechsels zu äußern. Das urteilende Gericht zog untermauernd den von dem Bundesgerichtshof entschiedenen „Laptop“-Fall heran. Nach der dort vertretenen Apprehensionstheorie ist der Gewahrsamswechsel immer dann vollzogen, wenn der Täter „freie Hand hat“ 756 und von dem Opfer zumindest vorerst keine Rückholaktionen erwarten muss. Das ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen. Im „Mobiltelefon“-Fall gelangte das Gericht unter Zugrundelegung dieser Theorie bereits mit der Herausgabe des Handys zu einem Gewahrsamswechsel in Form einer Verfügung im Sinne des Betrugstatbestands. Gegen die Zugrundelegung des vom Amtsgericht BerlinTiergarten untermauernd herangezogenen BGH-Urteils zur Stützung der Apprehensionstheorie muss allerdings der Einwand der fehlenden Anwendbarkeit auf die hier gelagerten Fälle erhoben werden. Nach der oben757 in der Grundlagenschaffung durch eigene Auslegung ermittelten Definition der Wegnahme im Rahmen des Trickdiebstahls zeigte sich, dass der Gedanke der Apprehensionstheorie auf multikausale Fallgestaltungen, in denen Täter- und Opferverhalten zusammen die Sachverschiebung bewirken, gerade nicht anwendbar ist. Diese Prämisse gilt insbesondere für den „Mobiltelefon“-Fall. In dieser konkreten Situation gab der Berechtigte nach vorangehender Täuschung des Täters das Handy heraus, das im Folgenden von dem Täter ergriffen und eingesteckt wurde. In der „Mobiltelefon“Entscheidung hat sich das urteilende Gericht in seiner Begründung daher unsachgerecht auf einen einfachkausalen Fall gestützt.
755 756 757
Genauer dazu Kapitel 1: A. II. 2. Jahn, JuS 2008, 1119 (1120). Kapitel 2: A. II. 1. b) bb).
B. Die Unmittelbarkeit
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Auch die Rekrutierung der Grundsätze aus den Fällen der Warenentwendung758 spricht für einen zeitlich verlagerten Gewahrsamswechsel, der nicht schon im Moment der Erlangung schlichter Sachgewalt begründet liegt. Fazit aus der Behandlung einschlägiger Fälle und Stellungnahmen in der Literatur ist, dass der Beurteilung des Gewahrsamswechsels kein äußerlicher Maßstab zugrunde gelegt werden darf. Insbesondere ist der faktische Aspekt innerhalb der Zuordnung des Gewahrsams nicht vorherrschend. Eine sozial-normative Betrachtungsweise gebietet es, grundsätzlich nicht bei jeder tatsächlichen Überlassung einer Sache simultan einen Untergang der herrschaftlichen Ausübung anzunehmen. Der Behauptung einer vorzeitigen Gewahrsamsverschiebung einhergehend mit dem Sachverlust, wie in der „Mobiltelefon“-Entscheidung geäußert, muss widersprochen werden. Im Einklang mit der „Brieftaschen“-Entscheidung kann ein Gewahrsamsverlust nicht schon mit der faktischen Sachüberlassung, sondern erst später stattgefunden haben. A maiore ad minus muss das auch für den sachverhaltsähnlichen „Mobiltelefon“-Fall gelten. Denn wenn schon eine Person an einer kleinen, leicht zu transportierenden Sache wie einer Brieftasche trotz räumlicher Entfernung weiterhin Gewahrsamsinhaber bleibt, muss dies erst recht für den gelten, der die Sache nur der neben ihm stehenden Person aushändigt. Richtigerweise ist der Gewahrsamsverlust im „Mobiltelefon“-Fall daher erst mit dem Einstecken der Sache durch den Täter vollzogen, im „Brieftaschen“-Fall durch Entfernen des Täters. Die vorhergehenden Argumente gegen einen frühzeitigen Gewahrsamswechsel im Zeitpunkt der Übergabe sind damit dargelegt. Die „Mobiltelefon“-Entscheidung ist in Bezug auf den Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts zu berichtigen. Im nächsten Schritt sind jeweils die Meinungen zu den Willenseinstellungen der Opfer kritisch zu würdigen. (b) Kritik an der Annahme eines gewollten Gewahrsamsverlusts Gegen die erörterte erste Teilansicht der dritten Meinung, die unter Ablehnung der Unmittelbarkeit eine Entscheidung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug auf subjektiver Täterebene trifft, ist Folgendes einzuwenden: Nach dieser Ansicht wird bei jeder Übergabe zunächst blind eine Gewahrsamslockerung bejaht. In manchen Fällen kommt es aber bereits bei der Überlassung zu einem gewollten Herrschaftswechsel. Dann kann schon nicht mehr von dem Terminus einer Gewahrsamslockerung, die begriffslogisch die Gewahrsamsinhaberschaft des bisherigen Sachgewaltherrschers beinhaltet, die Rede sein. Wird nun stets bei Überlassung der tatsächlichen Sachherrschaft auf den Täter eine Gewahrsamslockerung angenommen, stellt das eine Petitio principii dar. Insbesondere geht es innerhalb abgrenzungsbedürftiger Sachverhalte gerade um die 758
Kapitel 2: A. II. 2. d).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
Frage, ob ein Gewahrsamsverlust eintrat oder nicht bzw. ob es nur zu einer Gewahrsamslockerung gekommen ist. Abgesehen davon liegt nach obiger Argumentation759 in der Gewahrsamslockerung schon kein Schaden in Form der konkreten Vermögensgefährdung. Zuletzt ist gegen diese Ansicht, die eine Unterscheidung auf subjektiver Ebene anhand der Tätervorstellungen treffen will, einzuwenden, dass gerade in diesem Bereich keine exakte Differenzierung zwischen Trickdiebstahl und Betrug möglich ist. Denn die Täterziele beider Delikte sind in ihren Inhalten nicht überschneidungsfrei. Beide Male bezweckt der Täter das Erlangen von Vermögenswerten.760 Insgesamt führt diese Abgrenzungsart wegen der prinzipiellen Unterstellung einer Gewahrsamslockerung und der automatischen Annahme einer Verfügung in den Fällen einer Vermögensgefährdung nicht zum Ziel. Ferner soll nach Ansicht des mit dem „Mobiltelefon“-Fall befassten Gerichts der Gewahrsamswechsel durch ein positiv willentliches, freiwilliges Verhalten des Opfers vermittelt worden sein, was zu einem automatischen Ausschluss der Wegnahme führen muss. Dabei wird die Freiwilligkeit des Opferverhaltens ohne nähere Ausführungen unterstellt. Als maßgeblich wurde in der Fallgestaltung des „Mobiltelefon“-Falls nicht die Unmittelbarkeit angesehen, sondern die Freiwilligkeit der Aushändigung der Sache. Der Annahme der Freiwilligkeit, die das Gericht in der „Mobiltelefon“-Entscheidung als Argumentationsstütze gegen einen Gewahrsamsbruch verwendet, ist indes entgegenzutreten. Das Opfer gab die Sache zwar in der irrtümlichen Erwartung heraus, sein Handy bald schon wieder in Empfang nehmen zu können. Gleichzeitig muss aber aufgrund des impulsiven Vorverhaltens des Täters auf eine zwangsähnliche Situation des Getäuschten geschlossen werden. Denn der Täter hat nicht nur getäuscht, sondern das Opfer vor der Bitte um Herausgabe der Sache auch geschlagen und damit eine Nötigungssituation herbeigeführt. Das Opfer gab das Handy nur heraus, um eine Eskalation nach der vorausgehenden gewalttätigen Einschüchterung durch B zu vermeiden. Es handelte damit in einer Zwangslage. Gibt es das Handy nicht heraus, ist mit weiteren körperlichen Angriffen des offensichtlich ohnehin gewaltbereiten Täters zu rechnen. Diesen kann es nur entkommen, wenn es das Handy übergibt. Entgegen den Feststellungen des Gerichts muss daher auch eine Freiwilligkeit verneint werden. Das Opfer stimmte dem Herrschaftswechsel an der Sache gerade nicht zu. Eine positive Willenseinstellung des Opfers zu dem Gewahrsamsverlust ist in beiden Fällen in keinem Zeitpunkt festzustellen. In dem „Brieftaschen“-Fall übergab der Berechtigte zwar aufgrund eines freien Willensentschlusses die Sache bzw. gestattete die Entfernung des Täters mit der Brieftasche. Dieser Übergabe bzw. Erlaubnis wohnt nicht gleichzeitig eine Kundgabe des Willens inne, 759 760
Kapitel 2: A. III. 2. b) cc) (3) (b). Dazu schon Kapitel 1: A. II. 1.
B. Die Unmittelbarkeit
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der Änderung der Sachherrschaftsverhältnisse zuzustimmen. Mit gewollter räumlicher Entfernung entledigt sich der ursprüngliche Sachherrscher nicht seiner Herrschaftsbeziehungen zu einer Sache. Dafür spricht der folgende Vergleich: Auch dem bewussten Entfernen des klischeehaft genannten „auf dem Feld liegenden Pflugs“ 761 ist nicht der Wille zu entnehmen, auf eine Herrschaftsausübung zu verzichten. Das äußerlich Sichtbare ist nicht maßgeblich für die innere Willensrichtung des Opfers. Es wäre irrsinnig anzunehmen, dass der Berechtigte angesichts der erheblichen Summe Bargeld, die sich in seiner Brieftasche befand, die Sache endgültig auf den Täter übertragen wollte. Gewiss handelte er grob fahrlässig, als er das Entfernen gestattete. Gleichwohl bestand sein Wille, die Herrschaft an der Sache nicht zu verlieren, fort. Es fehlt daher an einem in der Arbeit entwickelten sogenannten positiven Verlustwillen. Die Ansicht eines einverständlichen Gewahrsamswechsels befriedigt insgesamt nicht. Damit ist im Ergebnis der ersten Ansicht zuzustimmen, die in dem „Brieftaschen“-Fall eine negative Willenseinstellung des Opfers annimmt. Aber auch gegen diese Stimme spricht die bereits kritisierte762 Vorgehensweise, dass von dem Gewahrsamswillen auf den Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts und auf die Schädigungsart geschlossen wird. So wird aus der Annahme eines fortbestehenden Gewahrsamswillens des Berechtigten automatisch ein Gewahrsamsverlust mit der Übergabe verneint. Das Ergebnis wird dadurch vorweggenommen: Weil das Opfer einen Gewahrsamsrest in seiner Person behalten wollte, soll es mit der Übergabe nur zu einer Gewahrsamslockerung gekommen sein. Eine Gewahrsamsverschiebung könne also nur noch zu einem späteren Zeitpunkt durch den Täter stattgefunden haben. Dieser Zusammenhang ist nicht korrekt. Ein Gewahrsamswille kann einen Gewahrsamsverlust, der sich neben willensgetragenen Elementen auch aus physischen und sozial-normativen Aspekten ergibt, nicht verhindern. Ein Gewahrsamsverlust tritt unabhängig vom Gewahrsamswillen ein, weshalb Letzterer einen solchen nicht aufhalten oder herbeiführen kann. Ein weiterer Fehler dieser Ansicht liegt darin, von dem positiven Gewahrsamswillen automatisch auf die Schädigungsart einer Wegnahme zu schließen. Auf die Fehlerhaftigkeit auch dieser Begründungsstruktur wurde bereits hingewiesen.763 Vielmehr sind der Gewahrsamswille und der entscheidende Verlustwille zwei voneinander zu trennende Prüfungsschritte. Diese können wegen ihrer verschiedenen Bezugspunkte nicht zusammengelegt werden. Der Gewahrsamswille bezieht sich auf die Zeitspanne vor dem Gewahrsamsverlust. Ab dem Moment des Gewahrsamsverlusts greift der Verlustwille, der sich inhaltlich von Ersterem 761 762 763
Siehe Fn. 190. Siehe Kapitel 2: B. II. 2. c). Dazu Kapitel 2: B. II. 2. c).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
unterscheidet, indem er eine Aussage über die subjektive Einstellung des Berechtigten zu einer Veränderung der Kontrollmöglichkeiten zulässt. Demgegenüber befasst sich der Gewahrsamswille mit der Frage nach der Aufrechterhaltung des Status quo. Wegen der verschiedenen Anknüpfungspunkte ist es nicht möglich, beide Willensarten zusammenzulegen. Dieser Unterscheidung wird das erarbeitete Zwei-Stufen-Modell gerecht, in dem der Gewahrsamswille im zweiten Schritt von dem Verlustwillen im dritten Schritt auf jeweils zweiter Prüfungsstufe getrennt erforscht wird. Der maßgebliche Verlustwille wird jedoch durch die hier beanstandete Ansicht, die beide Willensarten vermischt, übergangen. Insgesamt ist den bisherigen von der Literatur hervorgebrachten Lösungswegen, die einen frühen Gewahrsamsverlust bzw. einen willentlichen Herrschaftsverlust annehmen, eine Absage zu erteilen. Deutlich wird aber, dass die Mehrzahl der mit den Problemen des „Brieftaschen“-Falls bzw. des „Mobiltelefon“-Falls befassten Meinungen eine Herangehensweise ohne Einbeziehung der Unmittelbarkeit befürwortet. Wenn die Unmittelbarkeit wie in der „Brieftaschen“-Entscheidung Erwähnung findet, wird sie entweder an die innere Willenseinstellung gekettet oder, wie in der zweiten Teilansicht der dritten Meinung verdeutlicht, nach Belieben modifiziert. Damit ist nachgewiesen, dass die Gerichte und Literaturmeinungen ihrerseits in beiden Fällen dem Unmittelbarkeitskriterium keine eigenständige Bedeutung in der Fallbearbeitung zukommen lassen. Letztlich steht fest, dass das Kriterium der Unmittelbarkeit in Rechtsprechung und Literatur nicht konsequent durchgehalten bzw. sogar bestritten wird. Es wird von einem großen Teil für nicht unabdingbar zum Ziel einer sicheren Abgrenzung gehalten. Die Gegenüberstellung der Fälle hat gezeigt, dass weder die Stimmen, die das Unmittelbarkeitskriterium erwähnen, noch jene, die es bestreiten, zielführend für eine sichere Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug sind. Demgegenüber ist nur das vorangehend entwickelte eigene Abgrenzungskonzept zur Schaffung einer einheitlichen Lösung für beide Fälle in der Lage. Das zeigt die folgende Prüfung. dd) Einheitliche Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung Beide Entscheidungen sind nun unter dem gemeinsamen Maßstab der ZweiStufen-Prüfung zu würdigen. Dabei ist zwischen der ersten Prüfungsstufe, der formellen Eröffnung der Abgrenzung mit den Prüfungsschritten des gemeinsamen Tatobjekts und des täuschungsbedingten Irrtums, sowie der zweiten Prüfungsstufe, die die materielle Abgrenzung zum Inhalt hat, zu unterscheiden. Im „Mobiltelefon“-Fall ist die Abgrenzungssituation eröffnet, da der Täter seine Rückgabebereitschaft hinsichtlich des fremden, beweglichen und wertbehafteten Mobiltelefons gegenüber dem Berechtigten vorspiegelte. Indessen wird
B. Die Unmittelbarkeit
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man bei der Beurteilung einer für die Abgrenzungseröffnung notwendigen kausalen Täuschung im Rahmen des „Brieftaschen“-Falls auf Zweifel764 stoßen. Die Möglichkeit eines Trickdiebstahls wird konkret bestritten, weil das Opfer selbst die Sache ursprünglich ohne Fremdmotivation herausgab. Wegen des Kausalzusammenhangs müsse die Täuschung aber vor der Gewahrsamsverfügung stattfinden. Die Herausgabe der Sache wurde indessen ohne vorausgehende Täuschung des Opfers vollzogen. Eine kausale Täuschung, die zu einem Schaden geführt hat, ist nach dieser Ansicht deshalb zu verneinen. Dieser Einwand ist indessen zu entkräften. Vielmehr schöpft diese einseitige Betrachtung einer Täuschungsmöglichkeit den Sachverhalt nicht vollkommen aus. Im weiteren Verlauf gibt der Täter, nunmehr aufmerksam geworden auf den Inhalt der Brieftasche, vor, sich für kurze Zeit zu entfernen und wiederzukommen. Das begründet eine neue Täuschung, da der Täter in diesem Moment entgegen seiner Aussage bereits vorhatte, sich dauerhaft zu entfernen. Eine Täuschung im Sinne eines Trickdiebstahls bzw. Gewahrsamsbetrugs liegt vor. Daneben sind auch die Voraussetzungen eines gemeinsamen Tatobjekts und eines Irrtums zu bejahen. Insbesondere machten sich die Berechtigten konkrete, irrige Vorstellungen, die Sachen zurückzuerhalten. Formell ist die Abgrenzungssituation damit auch im „Brieftaschen“Fall eröffnet. Nun folgt auf zweiter Stufe die materielle Abgrenzungsprüfung. Dazu müssen im ersten Prüfungsschritt der zweiten Stufe zunächst die Gewahrsamssituationen in der Ausgangslage festgestellt werden. In beiden Fällen war ursprünglicher Gewahrsamsinhaber jeweils der Berechtigte A. In dem darauffolgenden zweiten Prüfungsschritt innerhalb der zweiten Prüfungsstufe muss man sich mit dem Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts befassen. Der Gewahrsamsverlust kann in dem „Brieftaschen“-Fall in dem Moment des Übergebens der Brieftasche oder dem Sichentfernen gegeben sein. Im „Mobiltelefon“-Fall kann ein Gewahrsamsverlust mit der Übergabe oder dem Einstecken begründet sein. Der Moment des Gewahrsamsverlusts ist, wie aus der Kritik zu vorhergehenden Meinungen hervorgeht, nicht nach festen Prinzipien, sondern aus sozial-normativen Anschauungen zu folgern. Die bloße Übergabe einer Sache begründet nicht automatisch einen Wechsel der Herrschaftsverhältnisse. Unter Berücksichtigung der sozialen Gepflogenheiten unseres Miteinanders wird in der bloßen kurzfristigen Übergabe einer Sache unter der Vereinbarung sofortiger Rückgabe kein Herrschaftsverlust begründet. Führt man sich insbesondere vor Augen, dass sich der Gewahrsamsinhaber jeweils in der Nähe der Sache aufhielt, die offen in den Händen gehalten wurde, um sie gleich wieder zurückzuerhalten, kann nach sozialen Anschauungen sein Herrschaftsverhältnis an der Sache nicht verloren gegangen sein. Auch in norma764
Bittner, JuS 1974, 156 (160).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
tiver Hinsicht wurde in keinem der beiden Fälle ein Vertragsverhältnis begründet, das zur Annahme einer Änderung der Herrschaftsverhältnisse führen konnte. Der Gewahrsam wird lediglich gelockert. Damit kann ein Gewahrsamsverlust nicht schon mit der Preisgabe der Sache eingetreten sein. Im „Brieftaschen“-Fall tritt der Verlust im Moment des Sichentfernens durch B ein, im „Mobiltelefon“-Fall erfolgt der Gewahrsamsverlust mit dem Einstecken der Sache durch Begründung einer Gewahrsamsenklave bei B. Nach dem vorangehend erarbeiteten Zwei-Stufen-Prüfungsmodell ist im dritten Prüfungsschritt auf zweiter Prüfungsstufe zu fragen, wie der Wille des Sachgewaltsverlierers zum Zeitpunkt des Verlusts des Gewahrsams beschaffen war. Wenngleich in der erstgenannten „Brieftaschen“-Entscheidung eine begrenzte Entfernung zum Telefonieren und Zigarettenkaufen vereinbart wurde, war A nicht damit einverstanden, dass B mit seiner Brieftasche das Weite suchte. A besaß keinen positiven Verlustwillen. Daher sind eine Wegnahme bzw. ein Trickdiebstahl des Täters zu bejahen. Auch im „Mobiltelefon“-Fall ist davon auszugehen, dass der Täter das Handy des A gegen dessen Willen einsteckte. A gab den Gegenstand nur der erleichterten Suche wegen an B heraus. Eine dauerhafte Entziehung war von A nicht gewollt. Aufgrund eines negativen Verlustwillens wurde die Sache auch in diesem Fall weggenommen. Eine selbstschädigende Verfügung, wie sie das Amtsgericht Berlin-Tiergarten darlegt, scheidet aus. In diesem Fall führte daher ein fremdschädigendes Verhalten den Gewahrsamsverlust herbei. Die Entscheidung ist dahingehend zu korrigieren, dass der Täter nicht, wie von dem urteilenden Gericht angenommen, wegen Betrugs, sondern Trickdiebstahls strafbar ist. ee) Stellungnahme Es stehen sich in gleichgelagerten Fällen widersprechende Meinungen gegenüber, die, übertragen auf den zu besprechenden „Brieftaschen“-Fall auf der einen und den „Mobiltelefon“-Fall auf der anderen Seite, unterschiedliche Ergebnisse sowohl im Hinblick auf den Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts als auch auf die innere Einstellung des Opfers vorschlagen. Weder die von der Rechtsprechung beliebige Verwendung des von dem Willen des Berechtigten abhängigen Unmittelbarkeitskriteriums noch die verschiedenen von der Lehre vorgeschlagenen Thesen unter Modifizierung bzw. Ablehnung der Unmittelbarkeit konnten überzeugen. Einen einheitlichen Abgrenzungsansatz, der für alle Kollisionsfälle allgemeingültig angewendet werden kann, lassen Rechtsprechung und Literatur bisher vermissen. Mit dieser Untersuchung, die sich mit der praxisrelevanten Gegenüberstellung zweier gleichgelagerter Fälle befasste, konnte zweierlei bewiesen werden: Erstens ist auffallend, dass weder in der „Brieftaschen“-Entscheidung noch in der „Mobiltelefon“-Entscheidung die Unmittelbarkeit als das von den Gerich-
B. Die Unmittelbarkeit
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ten maßgebliche Abgrenzungsmittel trotz der für sie typisierten Fallgruppe der Gewahrsamslockerung erkannt wurde. Zwar findet der Begriff in der „Brieftaschen“-Entscheidung Erwähnung. In einen Nebensatz wird die Unmittelbarkeit dort immerhin aus dem Vorliegen eines positiven Willens zur Gewahrsamsübertragung gefolgert. Der wortgetreue Duktus lautet: „Betrug erfordert, daß das Opfer aus freiem, nur durch Irrtum beeinflußten Willen über sein Vermögen verfügt und dadurch sich unmittelbar selbst schädigt.“ 765 Die Bedeutung eines eigenständigen Abgrenzungskriteriums neben der inneren Willenseinstellung des Opfers nimmt das Unmittelbarkeitselement indessen nicht ein. Das gilt im Übrigen für viele weitere entschiedene Sachverhalte766. Zudem sind in der Literatur auch außerhalb der hier gegenübergestellten Fälle vermehrt Stimmen767 zu registrieren, die in der Unmittelbarkeit der Vermögensminderung nicht den entscheidenden Abgrenzungsfaktor im Rahmen der Gewahrsamslockerung sehen. Kollidierende Fälle im Bereich der Gewahrsamslockerung vermag das Unmittelbarkeitskriterium daher nicht einwandfrei sachgerecht zu lösen. Zweitens fand das in dieser Arbeit aufgrund der Auslegung des Gesetzes gefundene Abgrenzungsmodell der Zwei-Stufen-Prüfung seine Bestätigung. Wie gezeigt, bewährt es sich auch in den Fällen der Gewahrsamslockerung, indem es zu den gebotenen strukturierten und einheitlichen Ergebnissen in sachverhaltsähnlichen Konstellationen führt. Die Prüfungselemente des Zwei-Stufen-Modells genügen daher einer hinreichend genauen Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug im Rahmen von Fällen der Gewahrsamslockerung. In Bezug auf das Unmittelbarkeitskriterium ist festzuhalten, dass es für die Lösung der Fälle der Gewahrsamslockerung ohne Bedeutung ist. b) Fazit Anhand der konkreten Fallprüfung durch Gegenüberstellung des „Brieftaschen“-Falls mit dem sachverhaltsähnlichen „Mobiltelefon“-Fall wurde gezeigt, dass die Unmittelbarkeit selbst bei ihrer Erwähnung keinen eigenständigen Prüfungspunkt einnimmt, sondern entweder an die innere Einstellung des Opfers gekoppelt ist oder beliebig modifiziert wird. Stringente Lösungen für sachverhaltsähnliche Fälle der Gewahrsamslockerung ergeben sich nur unter Verzicht auf das Unmittelbarkeitskriterium und der Anwendung des Gesetzes unter Beachtung der 765
LG Köln, MDR 1973, 866, unter Verweis auf BGH, GA 1966, 212 (213). Siehe Fn. 724; anders die unteren Instanzen: OLG Hamm, JMBl. NRW 1969, 100 (101); OLG Stuttgart, Die Justiz 1973, 396. 767 Fey, Die Vermögensdelikte, S. 35 ff.; Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 87; Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 82 ff., 115 ff.; O. H. Schmitt, Die Vermögensverfügung beim Betrug, S. 64; Weingart, Die Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 17; Wimmer, NJW 1947/48, 241 (242). 766
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
allgemeinen Kausalitäts- und Zurechnungslehren. Aber auch die Ansichten, die die Schwachstellen der Unmittelbarkeit erkennen, konnten nicht überzeugen. Demgegenüber erzielte die Zwei-Stufen-Prüfung als Lösungsweg für die Fälle der Gewahrsamslockerung durch ihre einfache und konsequente Anwendung stringente Lösungen. Nun ist zu untersuchen, ob die Überflüssigkeit des Elements der Unmittelbarkeit auf der einen bzw. die Stichhaltigkeit des Zwei-Stufen-Modells auf der anderen Seite auch in den weiteren Fallgruppen der Ermöglichungskonstellationen und den Wechselgeldfällen festzustellen ist. 2. Ermöglichungskonstellationen Eine weitere Fallgruppe mehrfachkausaler Täter- und Opferhandlungen bilden die von Frank768 erstmals erwähnten Ermöglichungskonstellationen. Auch hier ist die Tauglichkeit des Unmittelbarkeitskriteriums zu prüfen. Typisch für diese Fälle ist, dass der Täter unter einem Vorwand die Preisgabe des räumlichen Herrschaftsbereichs durch den Berechtigten erreicht. Wie in den Fällen der Gewahrsamslockerung spielen Täter- und Opferverhalten auch hier zusammen. Ähnlichkeiten zeigen sich zudem darin, dass in den Konstellationen der Ermöglichung einer Sachentziehung dem zeitlich vorangehenden Verhalten des Opfers die Handlung des Täters folgt. Daraus ergeben sich Berührungspunkte zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug. Im Folgenden werden zur Verdeutlichung zwei Fälle aus dem Bereich der Ermöglichungskonstellationen genannt. „Arzt“-Fall 769: Der Täter A ruft bei dem Arzt B wegen eines erfundenen Notfalls an. B bricht sofort zu der angegebenen Adresse auf, während A ungestört das Haus des B plündert. „Gasmann“-Fall 770: In diesem Fall gibt sich der Täter A als Gasmann aus. Er klingelt bei dem Hauseigentümer B und gibt vor, die Gasuhr im Inneren des Hauses betrachten zu müssen. B gewährt A ungestörten Zutritt zu seinen Räumen. Dabei plündert A die Wohnung des B aus. a) Lösung der herrschenden Ansicht Bei Anwendung des Abgrenzungskriteriums der Unmittelbarkeit auf diese Fälle kommt die herrschende Ansicht zu dem Ergebnis, dass der Täter kein Be768 Siehe den „Gasmann“-Fall von Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl., § 263 S. 587. 769 Von Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (35); ähnlich RG, LZ 1922, 614. 770 Siehe Fn. 768.
B. Die Unmittelbarkeit
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trüger sein kann.771 Denn das Verhalten des Opfers – die Entfernung aus dem zu schützenden Bereich bzw. das Einlassen in denselben – führt nicht von selbst zu einem Vermögensschaden. Hinzukommen muss notwendig ein weiterer Akt. Dieser wird allerdings durch den Täter vollbracht. Das Opfer selbst bewirkt nicht unmittelbar durch sein Verhalten einen Schaden. Mangels Unmittelbarkeit kann hier nur eine Fremdschädigung vorliegen. Der Täter begeht einen Diebstahl. b) Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung Dem Lösungsweg der herrschenden Ansicht ist nun die Zwei-Stufen-Prüfung ohne Verwendung des Unmittelbarkeitskriteriums gegenüberzustellen. Sie trennt zwischen der ersten Stufe, die die formelle Eröffnung der Abgrenzung beinhaltet und der zweiten Stufe, in der die materielle Abgrenzung vollzogen wird. Die Abgrenzungssituation ist eröffnet, da der irrende Hausbesitzer unter Vorgabe eines falschen Grundes von seinen fremden, beweglichen Vermögensgegenständen weggelockt wird („Arzt“-Fall) bzw. dem Täter, der einen Vorwand anbringt, Einlass in das fremde Haus, in dem sich fremde, bewegliche und wertbehaftete Sachen befinden, gewährt („Gasmann“-Fall). Im ersten Prüfungsschritt innerhalb der zweiten, materiellen Abgrenzungsstufe ist zunächst die ursprüngliche Gewahrsamsinhaberschaft jeweils bei B festzustellen. Im zweiten Schritt auf zweiter Prüfungsstufe ist der Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts zu analysieren. Mit der Entfernung des Gewahrsamsberechtigten wie in dem „Arzt“-Fall tritt nach herkömmlicher Auffassung kein Ausscheiden von Gegenständen aus der Gewahrsamssphäre ein. Der räumlich geschützte Privatbereich des Wohnhauses bildet aus sozial-normativer Sicht, insbesondere aus dem kodifizierten Schutzgedanken des Art. 13 GG, eine Gewahrsamssphäre um die dort untergebrachten Sachen. Wegen dieser Umfassung darf nur unter besonderen Gründen dort eingedrungen werden. Allein die räumliche Entfernung des Inhabers der tatsächlichen Gewalt von der Sache kann den Gewahrsam an ihr nicht ausschließen.772 Ein Gewahrsamsverlust mit Verlassen des Hauses ist also von vornherein abzulehnen. Diesen führt einzig der Täter mit dem Einstecken bzw. Fortbringen der Sache aus dem Haus des B herbei. Genauso ist in Bezug 771 So die allgemein herrschende Ansicht, siehe Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 64; Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl., § 263 S. 587; Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 56 f.; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (39); Verneinung eines Betrugs mangels Vermögensschadens bzw. -minderung ohne das Kriterium der Unmittelbarkeit Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 97 ff.; O. H. Schmitt, Die Vermögensverfügung beim Betrug, S. 68 f.; Schraft, Die Vermögensverfügung des Getäuschten als Tatbestandsmerkmal des Betrugs, S. 135 ff.; anders OLG Nürnberg, SJZ 1950, 136 (137); Nebelung, Das Zusammentreffen, S. 60. 772 RGSt 2, 64 (65).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
auf den „Gasmann“-Fall zu urteilen. Denn wird schon nicht mit Verlassen des Hauses ein Gewahrsamsverlust begründet, geht das Einlassen in den räumlichen Herrschaftsbereich nach sozial-normativer Sicht erst recht nicht mit einer Preisgabe des Hausrats einher. Erst mit dem Einstecken bzw. Entfernen von Sachen aus dem Gewahrsamsraum kommt es daher zu einem Verlust der unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten durch den alten Gewahrsamsherrscher. Im dritten und letzten Schritt innerhalb der zweiten Prüfungsstufe ist nach der Beschaffenheit des Verlustwillens des Berechtigten im Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts zu fragen. Im Moment des Gewahrsamsverlusts steht der Wille der Opfer in beiden Fällen einem Herrschaftsverlust entgegen. Die Berechtigten besitzen keinen positiven Verlustwillen. Der Gewahrsamsverlust wurde jeweils nicht durch eine Selbst-, sondern Fremdschädigung bewirkt. Der Täter ist daher sowohl in dem „Arzt“-Fall wie auch dem „Gasmann“-Fall jeweils Trickdieb. c) Stellungnahme In den Ermöglichungskonstellationen kommt die herrschende Ansicht unter Anwendung des Unmittelbarkeitskriteriums zu denselben Ergebnissen wie die Zwei-Stufen-Prüfung, die die Unmittelbarkeit nicht prüft. Die zur Abgrenzung entwickelte Zwei-Stufen-Prüfung stellt sich auch als brauchbar im Rahmen der Ergebnisfindung von Ermöglichungsfällen dar. Zu diesem Ergebnis gelangt das hier entwickelte Modell konkret unter strukturierter Prüfung der Gewahrsamsverhältnisse und der Willenseinstellung des Opfers im Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts. Dagegen kann auf das ungeschriebene Abgrenzungskriterium der Unmittelbarkeit verzichtet werden. 3. Wechselgeldfälle Zu diskutieren ist das Unmittelbarkeitskriterium schließlich in den sogenannten Wechselgeldfällen773. Hierbei legt der Täter zur Bezahlung einer Ware einen notwendig zu wechselnden Schein auf den Ladentisch und streicht mit Empfangen des Wechselgeldes und des Kaufgegenstands auf geschickte Weise auch den zu wechselnden Schein wieder ein. Diese Fälle werden von der herrschenden An-
773 Die Terminologie zu dieser Fallgruppe ist uneinheitlich: Die Bezeichnung „Wechselgeldfall“ gebraucht Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 279 ff.; anders Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 561; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 205; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 630, die den Begriff „Wechselgeldfalle“ verwenden; Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 100 spricht von „Wechselfallenstellerei“; „Geldwechsel-Betrug“ liest man bei Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 573.
B. Die Unmittelbarkeit
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sicht als Kollisionsfälle zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug behandelt.774 Ihr ist das zweistufige Prüfungskonzept aufbauend auf den im Rahmen der Arbeit ermittelten Auslegungsgrundsätzen gegenüberzustellen. Anhand dessen wird aufgezeigt, ob diese Fälle überhaupt abgrenzungsrelevant sind. Ihnen liegt folgender Sachverhalt zugrunde. „Wechselgeld“-Fall 775: Der Täter A kauft in einer Bäckerei Gebäck. Zur Zahlung des Kaufpreises legt er einen 50-DM-Schein auf den Ladentisch. Die Verkäuferin B legt das Wechselgeld auf die Theke, ohne den 50-DM-Schein an sich zu nehmen. A nimmt die gekaufte Ware, das Wechselgeld und den 50-DMSchein wie von vornherein geplant an sich und verlässt die Bäckerei. Abwandlung776: B nimmt den Schein zunächst an sich, legt ihn dann aber wieder auf die Theke. A nimmt ihn unbemerkt zurück. Charakteristisch bei den Wechselgeldfällen ist die Abfolge mehrerer Gewahrsamswechsel. So kommt eine Änderung der Gewahrsamsverhältnisse an dem von dem Käufer auf die Theke gelegten Geldschein, an der zu kaufenden Ware und am Wechselgeld in Betracht. a) Lösung nach den Stimmen in Rechtsprechung und Literatur Nach herrschender Ansicht entgeht der Käufer bezüglich des zu wechselnden Scheins einer Strafbarkeit unter dem Gesichtspunkt des Diebstahls.777 Die Strafbarkeit wegen Diebstahls entfällt erstens aus dem Grund der mangelnden Fremdheit des zu wechselnden Scheins für den Täter.778 Neben dem dinglichen Rechtsgeschäft der Einigung ist die tatsächliche Übergabe der Sache nach §§ 854 Abs. 1, 856 Abs. 1 BGB zur Eigentumsübertragung erforderlich (§ 929 BGB). Die Übergabe setzt eine vollständige Besitzaufgabe voraus, die nach dieser Meinung fehlt. Nimmt das Opfer, wie im Ausgangsfall beschrieben, den zu wechselnden Schein nicht in die Hand, verneint die überwiegende Meinung daher einen Diebstahl mangels Einigung und Übergabe des Scheins.779 Zweitens 774
Siehe Einleitung A. OLG Celle, NJW 1959, 1981; ähnlich RG, GA 74 (1930), 205. 776 BayObLG, JR 1992, 519. 777 RG, GA 74 (1930), 205; Köhler, JW 1919, 321 (322); Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 33 Rn. 31. 778 RG, GA 74 (1930), 205; OLG Celle, NJW 1959, 1981; Hauf, JA 1995, 458 (460); Köhler, JW 1919, 321 (322). 779 OLG Celle, NJW 1959, 1981; Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 64; Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 562; Graul, JR 1992, 519 (521); Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 97; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 279 f.; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 575; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 164; Seelmann, JuS 1982, 268 (271); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 630. 775
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
haben beide Parteien an dem hingelegten Schein dieselbe Zugriffsmöglichkeit, sodass der Täter den Gewahrsam an der Geldnote stets behalten hat.780 Die Annahme eines Besitzübergangs vor dem körperlichen Nehmen ist demnach unnatürlich.781 Allerdings unterliegt der Täter in Bezug auf das Wechselgeld einer Strafbarkeit wegen Betrugs. Argumentiert wird mit dem Verhalten des Täters, aus dem die Verkäuferin schließen kann, den Schein bereits zu besitzen. Der Täter täuscht über den ordnungsgemäßen Wechselvorgang.782 Die unmittelbar783 schädigende Vermögensverfügung wird entweder in der Nichtgeltendmachung der Forderung784 des Opfers gegenüber dem Täter oder in der Übergabe des Wechselgeldes erblickt785. Nach einer abweichenden Minderansicht786 begeht der Täter dagegen an dem zu wechselnden Schein im Ausgangsfall einen Diebstahl. Die Voraussetzungen des Diebstahls sind erfüllt: Insbesondere handelt es sich an dem Schein um eine für den Täter fremde Sache. Einigung und Übergabe auf das Gegenüber des Täters fanden statt. Unter Anwendung der Regelung des § 854 Abs. 2 BGB kommt es bereits mit der konkludenten Einigung zwischen Käufer und Verkäuferin durch beidseitiges Hinlegen von Geld und Ware zu einem Übergehen des Besitzes und Eigentums, ohne dass die Verkäuferin den Schein tatsächlich an sich zu nehmen braucht.787 Der Täter kommt mit der Verkäuferin überein, an dem Geldschein gegen die Ware und die Auszahlung des Überschusses Eigentum zu erwerben. Dazu legt er den Schein so hin, dass die Verkäuferin jederzeit auf ihn zugreifen kann. Der Geldschein ist damit nicht nur in das Eigentum des Opfers,
780 OLG Celle, NJW 1959, 1981; Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 64; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 56; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 141. 781 OLG Celle, NJW 1959, 1981; Graul, JR 1992, 519 (521); Köhler, JW 1919, 321 (322). 782 RG, GA 74 (1930), 205; OLG Celle, NJW 1959, 1981; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 141; lediglich eine Täuschung bejahend auch Fahl, JA 1996, 40 (48). 783 So ausdrücklich Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 97; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 107. 784 Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 562. 785 RG, GA 74 (1930), 205; OLG Celle, NJW 1959, 1981; Hauf, JA 1995, 458 (460); Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 575; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 164; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 142. 786 RG, JW 1919, 321 mit abweichender Anmerkung von Köhler; BayObLGSt 16, 119; Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 100 f.; Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 242 Rn. 34; Pasker, JA 1993, 30 (31); Roxin/Schünemann, JuS 1969, 372 (376 f.). 787 RG, JW 1919, 321 (322); Fahl, JA 1996, 40 (49); Roxin/Schünemann, JuS 1969, 372 (37 f.).
B. Die Unmittelbarkeit
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sondern auch in seine Gewahrsamssphäre übergetreten.788 Diese kann der Täter durch den Wiederbeschaffungsakt brechen. Das erfüllt die Voraussetzungen an die Wegnahme einer fremden Sache. Damit ist A wegen Diebstahls an dem zu wechselnden Geldschein strafbar. Obgleich die Mitnahme der Kaufsache und des Wechselgeldes in Zustimmung der Verkäuferin erfolgt, scheidet eine Betrugsstrafbarkeit an dem Wechselgeld teils mangels Schadens789, teils mangels Täuschung und kausalen Irrtums790 aus. Im jüngsten „Wechselgeld“-Fall791, mit dem sich die Gerichte auseinandersetzen mussten, wurde, wie in der Abwandlung beschrieben, der zu wechselnde Schein zunächst von der Verkäuferin ergriffen, bevor ihn die Täterin wieder unbemerkt zurücknehmen konnte. Daraus folgerte das zuletzt mit der Sache befasste Bayerische Oberste Landesgericht einen Eigentumsübergang auf die Verkäuferin. Darüber hinaus ist der Gewahrsam für kurze Zeit auf sie übergegangen. Durch den Entzug seitens der Täterin kann es daher zu einem Diebstahl an dem zu wechselnden Schein kommen.792 Diesen diametral gegenüberstehenden Ansichten in Rechtsprechung und Literatur ist im nächsten Punkt die Lösung nach dem Zwei-Stufen-Schema gegenüberzustellen. b) Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung Endgültige Klarheit kann auch in den Wechselgeldfällen nur mithilfe des Zwei-Stufen-Modells geschaffen werden. Das setzt, bevor in die materielle Abgrenzung eingestiegen wird, voraus, dass die Abgrenzungssituation überhaupt eröffnet ist. Voraussetzung dafür ist die Erregung eines Irrtums durch täuschendes Handeln oder Unterlassen des Täters. Klärung bedarf insbesondere der Täuschungsinhalt. Getäuscht werden könnte einerseits über den inneren Umstand der Zahlungsbereitschaft. Dagegen spricht aber, dass der Täter zumindest für einen kurzen 788 RG, JW 1919, 321 (322); BayObLGSt 16, 119; ebenso grundsätzlich Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 101, sofern der Geldschein nach Erhalt des Wechselgeldes wieder eingestrichen wird. 789 Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 101; anders danach nur, wenn noch vor Erhalt des Wechselgeldes der zu wechselnde Schein wieder eingesteckt wird, dazu OLG Celle, NJW 1959, 1981. 790 Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 281 und Pasker, JA 1993, 30 (31) im Anschluss an Roxin/Schünemann, JuS 1969, 373 (377). 791 Siehe Fn. 776. 792 BayObLG, JR 1992, 519; ebenso in der Literatur: Cramer/Perron, in: Schönke/ Schröder, § 263 Rn. 64; Graul, JR 1992, 519 (521); Hauf, JA 1995, 458 (460); Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 281; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 164; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 56; Maurach/Schroeder/ Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 33 Rn. 31.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
Zeitraum tatsächlich den Willen hatte, die gekauften Sachen zu bezahlen.793 Der Schein sollte lediglich auf Dauer nicht bei der Verkäuferin verbleiben. Eine Täuschung mit dem Inhalt der Zahlungsbereitschaft scheitert daher am Wirklichkeitsbezug. Andererseits könnte A darüber getäuscht haben, den Schein der B endgültig zu überlassen und später nicht wieder zu entziehen. Eine Täuschung mit diesem Inhalt ist in dreierlei Hinsicht abzulehnen: Erstens kann dem Verhalten des Täters unter Zugrundelegung der oben794 durch die eigene Auslegung des Gesetzes ermittelten faktisch-konkreten Betrachtungsweise nicht die schlüssig abgegebene Erklärung innewohnen, dass das überreichte Geld nicht später wieder entzogen werde.795 Außer der Zahlungsbereitschaft und dem Zahlungswillen sind entsprechend der in den Grundlagen deutlich gemachten restriktiven Tendenz im Umgang mit der Konkludenz keine weitergehenden Erklärungsinhalte anzunehmen. Zweitens würde die Täuschung ansonsten wesentlich von einem künftigen Ereignis getragen. Anders als bei der Beurteilung der Zahlungswilligkeit, bei der über den gegenwärtigen Willen einer späteren Zahlung getäuscht wird, beschränkt sich die Vorgabe der späteren Verwendbarkeit des Geldes allein auf einen in der Zukunft stattfindenden Umstand ohne Anhaltspunkt in der Gegenwart. Dann handelt es sich aber schon nicht mehr um eine Tatsache im Sinne des § 263 StGB. Selbst wenn die Täuschungsmöglichkeit derart weit ausgelegt werden könnte, wäre die Betrugsstrafbarkeit durch eine dritte Überlegung gesperrt. Denn die Vorstellung der Verkäuferin, dass der gewechselte Schein weiterhin ihrer Sachgewalt unterliegt, wird durch eine Veränderung der Realität verursacht. Dieses fehlerbesetzte Vertrauen beruht allerdings mangels Konkludenz nicht auf einem kommunikativen Akt, sondern auf der Veränderung der Wirklichkeit796 durch Entzug der Sache. Diese bloße Realitätsveränderung unterfällt, wie in den Grundlagen797 aufgezeigt, nicht dem Täuschungselement. Sie ist insbesondere wegen der Umgehung der gesetzlich vorgeschriebenen Kausalitätsbeziehung zwischen Täuschung und Irrtum und der möglichen Ausuferung des Betrugstatbestands nicht als Täuschung im Sinne des § 263 StGB anzusehen. Daher ist das Tatbestandsmerkmal der Täuschung endgültig nicht erfüllt. Insgesamt fehlt eine Täuschung als psychische Tatbestandsvoraussetzung des Betrugs und als gemeinsames Merkmal der Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug. Die Abgrenzungssituation ist daher nicht eröffnet. Ein 793 Zustimmend Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 281; Pasker, JA 1993, 30 (31); Roxin/Schünemann, JuS 1969, 372 (377). 794 Dazu Kapitel 2: A. II. 2. a) bb) (2) (b). 795 Ebenso Roxin/Schünemann, JuS 1969, 372 (377). 796 Zutreffend Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 281; Pasker, JA 1993, 30 (31); Roxin/Schünemann, JuS 1969, 372 (377). 797 Kapitel 2: A. II. 2. a) aa).
B. Die Unmittelbarkeit
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Gewahrsamsbetrug am Wechselgeld und an der Kaufsache scheidet aus. Allenfalls kommt ein herkömmlicher Diebstahl ohne listiges Verhalten des Täters in Betracht. c) Stellungnahme Der Einblick in die Meinungslager hinsichtlich der Beurteilung der Wechselgeldfälle lässt auf keine einheitliche Richtung schließen. Deutlich wurde aber auch hier, dass die wenigsten Stimmen – mögen sie auch inhaltlich divergieren – das Unmittelbarkeitskriterium als Stütze ihrer Argumentation heranziehen. Die vorgestellten Meinungen aus Rechtsprechung und Literatur konzentrieren ihren Streit auf die Fremdheit des Tatobjekts bzw. die Veränderung der Gewahrsamsverhältnisse. Letztere müssen allerdings nicht näher erörtert werden. Denn unter Zugrundelegung des hier vertretenen Zwei-Stufen-Prüfungsschemas kommt es mangels Täuschung schon nicht zu einer Eröffnung der Abgrenzungssituation. Die Prüfung der zweiten Stufe, also die materielle Abgrenzung, ist daher hinfällig. Die Wechselgeldfälle zählen nicht zu den abgrenzungsrelevanten Konstellationen, in denen eine Unterscheidung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug notwendig ist. 4. Zwischenfazit Die Entbehrlichkeit des Merkmals der Unmittelbarkeit wurde anhand einschlägiger Fälle zu den Fallkategorien der Gewahrsamslockerung, der Ermöglichungskonstellationen und der Wechselgeldfälle bewiesen. Einerseits zeigt eine Analyse der Rechtsprechung mit ihren Ausführungen zur Lösung der aufgezählten Fälle, dass der Unmittelbarkeit nur untergeordnetes Gewicht zukommt. Anhand der stereotypisch-standardisierten Urteilsbegründungen wird die Überflüssigkeit des Merkmals der Unmittelbarkeit deutlich: Solange das Opfer demnach aufgrund eines freien Willens handelt, schadet es sich unmittelbar. Handelt es hingegen nicht mehr willentlich frei, schafft es für den Täter eine erleichterte Lage, den Gewahrsamswechsel zu vollziehen. Die Unmittelbarkeit wird damit lediglich Inhalt eines Nebensatzes und an die innere Willenseinstellung des Getäuschten gekoppelt. Die Gerichte bekunden also den Schwerpunkt der tatbestandlichen Prüfung in Abgrenzungssituationen auf die innere Willenseinstellung des Opfers. Die Unmittelbarkeit bildet keinen eigenständigen Abgrenzungspunkt, sondern wird als Annex zur subjektiven Einstellung des Getäuschten behandelt. Andererseits konnte aufgezeigt werden, dass die Unmittelbarkeit, sofern sie außerhalb der gerichtlichen Praxis erwähnt wird, nach Belieben modifiziert werden kann. Zusammengefasst spielt das Heranziehen des Unmittelbarkeitskriteriums nach allen Ansichten innerhalb des Betrugs keine Rolle. Erst recht verfehlt ist es in der Anwendung als Abgrenzungshilfe zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
Dagegen zeigen die hier genannten Beispielsfälle aus dem Bereich der Gewahrsamslockerung, der Ermöglichungskonstellationen und der Wechselgeldfälle, dass auch bei mehraktigen Vorgängen eine sichere Abgrenzung von Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug anhand der Zwei-Stufen-Prüfung unter Einbeziehung der Gewahrsamsverhältnisse möglich ist. Der Vorzug des erarbeiteten Modells ist vor allem in der Schaffung konsequenter Lösungen zu sehen.
III. Fazit Die Überprüfung des Unmittelbarkeitskriteriums ergab zunächst, dass es in dogmatischer Hinsicht nicht gerechtfertigt ist. Mangels einheitlicher Definition sind nicht hinzunehmende Verunsicherungen in der Anwendung des Gesetzes garantiert. Wegen der mangelnden Genauigkeit ist es nicht handhabbar und insbesondere für eine präzise Abgrenzung unzureichend. Seine Anwendung ist darüber hinaus zirkulär, denn die Tatsache, die es damit zu beweisen gilt, wird stillschweigend unterstellt. Zuletzt konnte aufgezeigt werden, dass sich hinter der Unmittelbarkeit lediglich allgemeine Zurechnungsüberlegungen verbergen, die ohnehin schon durch die objektive Zurechnungslehre aus dem Allgemeinen Teil im Besonderen Teil des StGB berücksichtigt werden. Insgesamt ist das Unmittelbarkeitskriterium daher in seiner Abgrenzungsfunktion entwertet. Darüber hinaus konnte festgestellt werden, dass die Unmittelbarkeit auch einer Tauglichkeitsprüfung in ihrer Verwendung als praktische Abgrenzungsstütze nicht standhalten kann. In allen Anwendungsbereichen, in denen das Unmittelbarkeitskriterium zur Geltung kommen soll, hält das Zwei-Stufen-Schema einen überzeugenden Lösungsweg bereit. Dies konnte anhand der Prüfung von Fällen aus den Gruppen der Gewahrsamslockerung, der Ermöglichungskonstellationen und der Wechselgeldfälle bewiesen werden. Wenngleich die Falllösungen unter Verwendung des Unmittelbarkeitskriteriums in den geprüften Fällen der Gewahrsamslockerung und der Ermöglichungskonstellationen zu keinen Abweichungen gegenüber den Ergebnissen nach der Zwei-Stufen-Prüfung führen, so stellte sich doch für den Bereich der Wechselgeldfälle heraus, dass dort schon kein für die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug relevantes Problem zu sehen ist. In diesen Fällen konnte bei restriktiver Anwendung des Täuschungselements schon keine Täuschung angenommen werden. Ist die Abgrenzung, wie in den beiden anderen Fallgruppen indes eröffnet, führt schon die Prüfung der Gewahrsamsverhältnisse auf zweiter Stufe des erarbeiteten Modells zu gesetzeskonformen Ergebnissen, die nicht durch eine tautologische Verwendung erdachter Abgrenzungsmaßstäbe ersetzt werden müssen. Fraglich ist, ob die Überflüssigkeit auch für das letzte von der überwiegenden Meinung für unverzichtbar gehaltene Abgrenzungsmerkmal der Freiwilligkeit gilt.
C. Die Freiwilligkeit
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C. Die Freiwilligkeit Als weiteres Merkmal der Vermögensverfügung führt die herrschende Ansicht als Ausfluss der Selbstschädigung das Merkmal der Freiwilligkeit an.798 Als freiwillig wird ein Verhalten demnach immer dann bezeichnet, wenn zumindest zwei Handlungsalternativen bestehen, aus denen der Handelnde eine auswählt.799 Wann ein Verhalten freiwillig ist, hängt von der subjektiven Einschätzung des Handelnden ab:800 Glaubt das Opfer, keine Auswahl an Handlungen zu haben, kann keine Vermögensverfügung vorliegen. Das Handeln ist nicht freiwillig. Es kommt nur ein Diebstahl in Betracht. Vor allem in den Beschlagnahmefällen801 soll sich dieses Kriterium als nützlich erweisen, da nur so eine einwandfreie Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug möglich sei. Diesen Fällen liegt folgender Sachverhalt802 zugrunde: Der Täter A gibt sich gegenüber seinem Opfer B als Kriminalbeamter aus, indem er ein Abzeichen vorzeigt. A verlangt von B zur Aufklärung eines angeblichen Kriminaldelikts ihm zu folgen. Währenddessen fordert A den B zur Herausgabe der Geldbörse auf. Dabei merkt A an, dass eine Weigerung des Opfers mit Unannehmlichkeiten für dasselbe verbunden wäre. A gelingt es, B abzuhängen und zu verschwinden. Ursprünglich löste die Judikatur die Beschlagnahmefälle ohne das Freiwilligkeitskriterium. Es wurde maßgeblich auf das äußere Erscheinungsbild der Geschehnisse abgestellt.803 Erst einige Jahrzehnte später, ab der Mitte des 20. Jahr798 BGHZ 5, 365 (370); BGH, NJW 1953, 73 (74); BGHSt 18, 221 (223); dieses Kriterium führte schon A. Merkel, Kriminalistische Abhandlungen II/1, S. 195, 206 ff. auf; später Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 81; Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 56, 566; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 577 ff.; Otto, ZStW 79 (1967), 59 (75); Satzger, in: Satzger/Schmitt/Widmaier, StGB, § 263 Rn. 118 ff.; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 631. 799 Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 236. 800 Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 236; anders noch Meister, MDR 1947, 251. 801 So die Bezeichnung bei Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 638 und Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 281; andere Terminologie mit gleicher Bedeutung Hecker, JuS 2011, 849 (850): „Pseudo-Beschlagnahme“; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 80: „Kriminalbeamten-Fall“. 802 BGHZ 5, 365; ähnlich RMG 18 (1914), 231; RG, LZ 1920, 717; RG, LZ 1922, 265; RG, HRR 1934, Nr. 1259; RGSt 71, 50; BGH, NJW 1952, 796; BGH, NJW 1953, 73; BGH, NJW 1953, 752; BGHSt 11, 66; BGH, GA 1960, 277; BGH, GA 1965, 107; BGH, NJW 2011, 1979; OLG Hamburg, HESt 1, 250; OLG Hamburg, HESt 2, 19; OLG Braunschweig, HESt 2, 29; OLG Nürnberg, SJZ 1950, 136. 803 RG, LZ 1920, 717; RG, LZ 1922, 265; (Ausnahme: RG, JW 1922, 924); heute noch Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 54; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 79; Schmitt, in: Festschrift für Günter Spendel, S. 575 (581).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
hunderts nahm die Rechtsprechung804 das Freiwilligkeitsmoment im Rahmen der zweiten Welle der Beschlagnahmefälle zum Gegenstand der Prüfung des § 242 StGB in Abgrenzung zu § 263 StGB. Heute gelangen die Vertreter des Freiwilligkeitselements805 in den Beschlagnahmefällen wegen des ausgeübten Zwangs zu einer Diebstahlsstrafbarkeit. Dennoch gibt es je nach Fallgestaltung gebotene Ausnahmen. Allein entscheidend sei, ob das Opfer aus seiner Sicht von einer Zwangslage ausgehe oder nicht. Wichtig sei die Beurteilung im Einzelfall.806 Diese Beurteilung anhand der Umstände des jeweiligen Falls ist sachgerecht. Dennoch lässt die Einzelfallentscheidung Zweifel aufkommen, ob die Freiwilligkeit in ihrer Funktion als Abgrenzungsmittel zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug unverzichtbar ist. Das wäre sie nur dann, wenn sie dem Betrug immer wesensmäßig anhaften würde.
I. Freiwilligkeit versus herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein Durch das Abstellen auf die Notwendigkeit des Elements der Freiwilligkeit im Einzelfall entkleiden Rechtsprechung und Literatur ihrerseits den Begriff von seiner Funktion als Abgrenzungsmoment. Demnach scheitert das Vorliegen einer Vermögensverfügung immer bei Vorliegen einer Zwangslage, denn dann ist subjektiv kein freiwilliges Opferverhalten möglich. Im Spezialfall der vorgetäuschten Beamteneigenschaft muss die Freiwilligkeit daher stets verneint werden. Eine Vermögensverfügung ist ausgeschlossen. Andererseits wird in einigen Fällen durch die Annahme eines Betrugs aber zugegeben, dass auch trotz einer Zwangslage freiwillig im Sinne des § 263 StGB gehandelt werden kann. Das ist durch die folgenden Fälle aufzuzeigen. „Mietschulden“-Fall 807: A, der mit der Zahlung des Mietzinses gegenüber der Vermieterin B im Rückstand ist, verlangt seinen Koffer, der sich bei B befindet, von dieser heraus. B beruft sich auf ihr Vermieterpfandrecht und will den Koffer behalten. A setzt ihr entgegen, dass sie ohne Herausgabe des Koffers nicht an ihr 804 Noch nicht in RG, HRR 1934, Nr. 1259; OLG Nürnberg, SJZ 1950, 136; aber BGHZ 5, 365 (368); BGH, NJW 1953, 73 (74); BGH, GA 1965, 107; OLG Hamburg, HESt 1, 250 (253). 805 So BGHZ 5, 365 (370); Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung S. 72, 81; Geppert, JuS 1977, 69 (70); Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 237; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 577 ff.; Rengier, JuS 1981, 654 f.; anders Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 54; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 33 II Rn. 31; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 77; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/ 1, § 1 Rn. 79; Schmitt, in: Festschrift für Günter Spendel, S. 575 (581); Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 126. 806 BGH, GA 1960, 277 (278); BGH, GA 1965, 107; Biletzki, JA 1995, 857 (860). 807 BGH, GA 1960, 277.
C. Die Freiwilligkeit
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Geld kommen werde. Denn dann werde er nur beschlagnahmt. Gebe die B den Koffer hingegen frei, könne er, A, ihn versteigern lassen und aus dem Erlös die Mietschulden bei B begleichen. B glaubt dem A und überlässt ihm den Koffer. „Chantage“-Fall 808: Die ehemalige Geliebte und Mutter eines gemeinsamen Kindes gibt wahrheitswidrig vor, ein Dritter werde die Vaterschaft des angesehenen Vaters offenlegen, wenn an den Dritten nicht ein bestimmter Geldbetrag gezahlt würde. Der Vater zahlt die geforderte Geldsumme an die Mutter aus. Das Verhalten des Täters wurde in beiden Fällen als Betrug eingestuft: Eine mögliche Erpressung ist jeweils zu verneinen, da der Eintritt des Übels nicht vom Täter abhängig zu sein scheint.809 Das Verhalten der Opfer ist freiwillig, denn sie handeln nicht aufgrund eines inneren Drucks. Sie mussten sich nicht vor einer Beschlagnahme fürchten bzw. konnten die Geldzahlung unter Hinnahme der Rufschädigung unterlassen.810 Diese den Beschlagnahmefällen widersprechenden Entscheidungen werden unter dem Stichwort der Einzelfallgerechtigkeit begründet.811 In den Beschlagnahmefällen sei gegenüber den eben genannten Beispielen maßgeblich, dass zur Täuschung einer von ihrer Unschuld überzeugten Person das „Schuldbewußtsein“ oder die „jugendliche Unerfahrenheit“ 812 gezielt ausgenutzt werden. Wegen der befürchteten, potentiell möglichen strafrechtlichen Folgen könne dann kein zwangsfreier Willensentschluss gefasst werden. Anders sei dies bei Getäuschten, die, wie in dem „Mietschulden“-Fall und dem „Chantage“-Fall, eine Sache hergeben, obwohl sie wissen, keine juristischen Sanktionen befürchten zu müssen. Diese Argumentation leuchtet nicht ein. Die Ungereimtheiten der herrschenden Ansicht werden nun daran deutlich, dass in den Beschlagnahmefällen gerade wegen der Zwangswirkung des Täterverhaltens die Freiwilligkeit ausgeschlossen wird, während in den beiden letztgenannten Fallbeispielen trotz einer Zwangslage freiwilliges Handeln bejaht wird. Denn auch im „Mietschulden“-Fall bzw. „Chantage“-Fall befindet sich das Opfer in einer Zwangslage. Den Opfern bleibt jeweils keine andere Wahl, als den Koffer herauszugeben bzw. das geforderte Geld zu bezahlen, um die nachteiligen Folgen abzuwenden. Eine Drohung im Sinne des § 253 StGB in dem Chantage-Fall scheitert zwar deshalb, weil die Tä808
BGHSt 7, 197. BGHSt 7, 197 (198); BGH, GA 1960, 277 (278); BGH, GA 1965, 107; zustimmend Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 636 ff., der allerdings eine damit verbundene Aufkündigung des Freiwilligkeitselements verneint. 810 BGH, GA 1960, 277 (278); so wohl auch BGHSt 7, 197 (198), wo ein Betrug ohne Weiteres bejaht wird. 811 Vgl. BGHZ 4, 10 (39 ff.); BGH, GA 1965, 107; übereinstimmend Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 77 ff. 812 BGH, GA 1965, 107. 809
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
terin angibt, den Eintritt des Übels selbst nicht beeinflussen zu können.813 Dieser Umstand ist jedoch für die bezweckte Zwangswirkung auf die Psyche des Opfers irrelevant. Die Zwangswirkung bleibt vielmehr auch ohne die Annahme einer tatbestandlichen Drohung bestehen. Damit kann entgegen der herrschenden Ansicht nicht bei jeder Zwangslage von einer Unfreiwilligkeit ausgegangen werden, die den Betrugstatbestand entfallen lässt. Das Freiwilligkeitskriterium dient daher zwar einer eindeutigen Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug in den Beschlagnahmefällen. Es kann aber nicht verallgemeinernd als Voraussetzung der Vermögensverfügung gesehen werden. Kann es jedoch nur vereinzelt zu einer Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug herangezogen werden, versagt es als allgemeingültiges Abgrenzungsmittel. Gegen das Hineinlesen des Ausdrucks der Freiwilligkeit sprechen darüber hinaus die dadurch geschaffenen unüberbrückbaren Unterschiede zwischen Forderungs- und Gewahrsamsbetrug. Eine Lücke ergibt sich aufgrund der Voraussetzung der Freiwilligkeit, die nach herrschender Ansicht als Ausprägung der Selbstschädigung unentwegter Begleiter der Vermögensverfügung ist, für den Forderungsbetrug. Das Kriterium der Freiwilligkeit führt im Rahmen des zu prüfenden Gewahrsamsbetrugs im Falle angeblich zu beschlagnahmender Sachen zu dessen Verneinung. Gleichzeitig bejaht die herrschende Ansicht einen Diebstahl. Soll die Freiwilligkeit als Wesensmerkmal des Betrugs allgemein und nicht nur für Abgrenzungsfälle zum Tragen kommen, stellt sich allerdings die Frage eines Ausweichtatbestands im Falle der Verneinung eines Forderungsbetrugs. Wird die Übertragung einer Forderung aufgrund einer zwangsweisen Situation hervorgerufen, scheitert der Diebstahl an der Sachqualität des Tatobjekts. Es kommt allein eine höhere Bestrafung wegen Erpressung (§ 253 StGB) in Betracht, die ihrerseits strenge Voraussetzungen stellt.814 Damit kommt es unter Verwendung des Freiwilligkeitskriteriums nur wegen der Unterschiede im Tatobjekt trotz derselben kriminellen Energie des Täters zu einer unterschiedlichen Bewertung gleichermaßen strafwürdigen Verhaltens. Diese ungerechtfertigten Unterschiede in der Bestrafung des Täters können nur durch eine Nichtanwendung der Freiwilligkeit verhindert werden. Unbehagen löst das Kriterium der Freiwilligkeit, das zu einer sicheren Auseinanderhaltung beider Vergehenstatbestände führen soll, auch deshalb aus, weil es keine feststehende Größe ist. Der psychisch motivierte Begriff lässt sich lediglich anhand der persönlichen Willenseinschätzung einer Person verstehen, was erhebliche Unsicherheiten birgt und in zahlreichen Fällen zu Beweisschwierigkeiten führt.815 Jedenfalls wird damit nur scheinbar ein scharfes Abgrenzungskriterium 813
BGHSt 7, 197 (198). Vgl. Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, S. 226 f. 815 Dazu Puppe, Idealkonkurrenz und Einzelverbrechen, S. 352; Zweifel auch bei Kindhäuser, in: Festschrift für Günter Bemmann, S. 339 (353). 814
C. Die Freiwilligkeit
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geschaffen. Wird die Freiwilligkeit im Sinne der Inhaltsdefinition der herrschenden Ansicht verstanden, ist sie wegen ihrer Unschärfe abzulehnen. Darüber hinaus ergibt sich aus realitätsnahen Überlegungen und unter einer zivilrechtlichen Betrachtung, dass in den Beschlagnahmefällen, in denen die herrschende Ansicht stets unfreiwilliges Verhalten des Opfers annimmt, richtigerweise von freiwilligem Verhalten auszugehen ist. So ist zwar in der Realität zuzugeben, dass bei einem Teil der Berechtigten das Vertrauen in die Behördenarbeit von Misstrauen und Vorsicht geprägt ist. Insbesondere tendiert ein Teil der Bevölkerung zu einer kritischen Einstellung gegenüber der Behördenarbeit. Ein großer Teil wird demgegenüber gerade in den Fällen der vorgetäuschten Beschlagnahme davon ausgehen, dass es sich um ein Missverständnis handelt. Im Sinne einer alsbaldigen Aufklärung wird der Bürger sodann bereitwillig kooperieren und damit freiwillig handeln.816 Daher ist es gerechtfertigt, dem Verhältnis zwischen Beamten und dem Bürger nicht ausnahmslos ein Über-Unterordnungsverhältnis zu unterstellen, sondern primär von einer Kooperationsbeziehung auszugehen.817 Allgemein ist in den Beschlagnahmefällen daher entgegen der herrschenden Auffassung nicht generalisierend unfreiwilliges Verhalten zugrunde zu legen, sondern freiwilliges Verhalten zu widerlegen. Der Grundsatz des freiwilligen Entschlusses wird auch in parallel dazu verlaufenden Überlegungen aus dem Zivilrecht bestätigt. Ausgangspunkt ist dabei der in § 935 Abs. 1 S. 1 BGB verwendete Begriff des Abhandenkommens. Er wird allgemein definiert als der Verlust einer Sache gegen den Willen des Berechtigten.818 Ein Abhandenkommen, also ein widerwilliger, unfreiwilliger Verlust, wird aber regelmäßig in den Fällen verneint, in denen eine Sache gegenüber einem Beschlagnahmebeamten – ob rechtmäßig oder unrechtmäßig, sei dahingestellt – herausgegeben wird.819 Nur durch „unwiderstehliche physische Gewalt oder einen gleichen seelischen Zwang“ 820 sei ein Abhandenkommen begründet. Grundsätzlich handelt der Irrende in den Beschlagnahmefällen damit freiwillig. Überträgt man diese Überlegungen des Zivilrechts um der Einheit der Rechtsordnung willen auf das Strafrecht, ist die prinzipielle Annahme einer Unfreiwilligkeit in den Beschlagnahmefällen nicht gerechtfertigt. In Diskrepanz zu der herrschenden Ansicht, die in den Beschlagnahmefällen grundsätzlich ein freiwilliges Opferverhalten verneint, ist richtigerweise von freiwilligem Verhalten auszugehen. 816 Entsprechend Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 115; bestritten von Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 238. 817 Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 33 II Rn. 31; G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Getäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 105; Miehe, Unbewußte Verfügung, S. 75. 818 BGHZ 4, 10 (33); Bassenge, in: Palandt BGB, § 935 Rn. 3; Wiegand, in: Staudinger BGB, § 935 Rn. 4. 819 BGHZ 4, 10 (38, 41). 820 BGHZ 4, 10 (39).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
Schließlich verwickelt sich die herrschende Ansicht unter ihrer Art der Interpretation freiwilligen Opferverhaltens in Widersprüche. Insbesondere ist der Grundsatz der Freiwilligkeit, der aus dem Charakter der Selbstschädigungsdelikte gezogen wird, nicht auf alle Selbstschädigungsdelikte einheitlich anwendbar. Denn wie der Betrug wird auch die Erpressung als Selbstschädigung bezeichnet.821 Das Erfordernis der Freiwilligkeit in dem von der herrschenden Ansicht verwendeten Sinne haftet den Selbstschädigungsdelikten der §§ 253, 255 StGB aber schon wesensmäßig nicht an.822 Vielmehr widerspricht es der Natur der Erpressung, dass das Opfer aus seiner Sicht die freie Wahl hinsichtlich seiner Handlungsalternativen besitzt. Die Erpressungstatbestände sollen gerade vor zwanghaften Handlungen oder Unterlassungen schützen. Eine Übertragung des Freiwilligkeitselements, wie es für die Abgrenzung zwischen Diebstahl und Betrug gefordert wird, führt in der Folge für die Unterscheidung zwischen Raub und räuberischer Erpressung zu sachwidrigen Ergebnissen.823 Letztere muss, da in den diese Fallgruppen betreffenden Unterscheidungssituationen wegen der durch Nötigungsmittel hervorgerufenen Zwangslage niemals freiwilliges Verhalten im Sinne der herrschenden Ansicht angenommen werden kann, stets ausscheiden.824 Aufgrund dieser Inkonsistenzen des Freiwilligkeitselements im Bereich der Selbstschädigungsdelikte ist es als Charakteristikum des Betrugs und damit als Abgrenzungsmerkmal abzulehnen. Zuletzt ist vor allem im Hinblick auf die Auswirkungen im praktischen Bereich nicht zu verbergen, dass sich unter dem Deckmantel der Freiwilligkeit ein interessengeleitetes Vorgehen versteckt. So bestehen gewiss kriminalpolitisch wünschenswerte wie auch opferfreundliche Gründe, den Betrugstatbestand mit 821 So jedenfalls die herrschende Lehre, die in dem „Handeln, Dulden oder Unterlassen“ des Erpressungstatbestands eine Vermögensverfügung erblickt: Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 253 Rn. 14; Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 253 Rn. 1; Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 2. Aufl., § 263 S. 340; Gallas, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 401 (406 Fn. 15); Maurach, Deutsches Strafrecht Besonderer Teil, § 38 I C 2; A. Merkel, Kriminalistische Abhandlungen II/1, S. 208; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 3, 13, 29; ders., JuS 1981, 654 (655, 659); Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (35, 83 f.); ders., SJZ 1950, 94 (101); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 710; anders Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 6 Rn. 40, der den selbstschädigenden Charakter unabhängig von dem Opferverhalten bejaht; a. A. die Rechtsprechung und Teile der Literatur: BGHSt 25, 224 (228); Erb, in: Festschrift für Rolf Dietrich Herzberg, S. 711 (713 ff.); Rönnau, JuS 2012, 888 (891). 822 So auch Rengier, JuS 1981, 654 (655, 661); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 714; kritisch auch Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 75 f.; unentschlossen dagegen Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (94 einerseits und 110 andererseits). 823 Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 74 warnt bei konsequenter Anwendung des Freiwilligkeitselements vor Strafbarkeitslücken. 824 So auch der Hinweis bei Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 34; ders., JuS 1981, 654 (655).
C. Die Freiwilligkeit
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dem Merkmal der Freiwilligkeit auszuschmücken.825 Insbesondere eröffnet sich für die Gerichte durch die Verneinung der Freiwilligkeit und Bestrafung wegen Diebstahls eine variablere Bestrafung wegen der gegenüber zum Betrug breiter gefächerten Qualifikationen. Mit der nunmehr glaubhaft begründeten Strafbarkeit wegen Diebstahls in ebendiesen Fällen ist man in der Lage, auch für ein besonders gefährliches Vorgehen des beispielweise bewaffneten Täters eine angemessen hohe Strafe nach § 244 Abs. 1 Nr. 1 StGB zu verhängen. Außerdem kann das Opfer nur nach Bejahung eines Diebstahls, nicht aber eines Betrugs einen Schadensersatzanspruch gegenüber der Versicherung geltend machen. Um vermutlich für die Geschädigtenpartei vorteilhafte Ergebnisse zu erzielen, greifen die Gerichte das von der Literatur entwickelte Kriterium dankbar auf. So profitieren die Geschädigten teilweise von der Einführung des Freiwilligkeitskriteriums.826 Umgekehrt kann, wenn es denn gewünscht ist, unter argumentativer Verwendung des Freiwilligkeitselements eine Privilegierung des Täters erreicht werden. Ein Beispiel dafür liefert der „Mobiltelefon“-Fall, in dem das entscheidende Gericht wegen des Kriteriums der Freiwilligkeit einen Gewahrsamsbetrug bejahte.827 In der Arbeit konnte allerdings nachgewiesen828 werden, dass weder die Annahme eines gewollten Verlusts noch die Bejahung einer Verfügung des Opfers richtig sind. Vielmehr handelte das Opfer mit negativem Verlustwillen zu einem späteren Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts, sodass eine freiwillige Verfügung ausscheiden muss. In der „Mobiltelefon“-Entscheidung liegt daher die Vermutung nahe, dass das Gericht hier über das Mittel der Freiwilligkeit interessengeleitet entschieden hat. Denn für den Täter könnte die Annahme einer vorhergehenden Wegnahme schwere strafrechtliche Folgen haben. Nach der Suche mit dem Handy und dem Einstecken desselben beantwortete der Täter das Herausgabeverlangen seines Opfers mit einem Faustschlag und der Aussage, dass er ihn abstechen werde, wenn er nicht endlich sein „Maul halten“ 829 würde. Hätte man entsprechend der oben beschriebenen Lösung eine Wegnahme angenommen, müssten neben den Voraussetzungen des Raubs nach § 249 StGB auch die Merkmale der räuberischen Erpressung im Sinne von §§ 253, 255 StGB und des räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) geprüft werden. In dem konkreten „Mobiltelefon“-Fall kommt man unter Zugrundelegung der mittels der Zwei-Stufen-Prüfung ermittelten Lösung ohne Verwendung der Freiwilligkeit zu dem Schluss, dass der Täter höher bestraft werden müsste, als ihn 825 Diesen Eindruck haben auch Geppert, JuS 1977, 69 (70 Fn. 15) und Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 81. 826 So in BGHZ 5, 365. 827 AG Tiergarten, NStZ 2009, 270 (271). 828 Kapitel 3: B. II. 1. a) cc) (2) (a) und (b). 829 AG Tiergarten, NStZ 2009, 270.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
das mit der Sache betraute Gericht tatsächlich bestraft hat. Zwar erfolgt die vorhergehende Gewalteinwirkung (Schlag ins Gesicht) ohne Wegnahmevorsatz auf das Mobiltelefon, sodass die Nötigung des Opfers und die Wegnahme des Tatobjekts nicht in einer subjektiv-finalen Beziehung zueinander stehen830. Die Bestrafung wegen Raubs (§ 249 StGB) entfällt damit. Mangels finaler Verknüpfung zwischen dem Einsatz objektiver Nötigungsmittel mit dem subjektiven Willen des Täters831 scheitert ebenso die Bestrafung aufgrund einer räuberischen Erpressung, §§ 253, 255 StGB. Im Zeitpunkt der Gewaltweinwirkung hatte der Täter nämlich noch keinen Wegnahmeentschluss gefasst. Dagegen hat der Täter durch die gewaltsame Hinderung an der Durchsetzung des Rückforderungsanspruchs des Opfers das raubähnliche Sonderdelikt des § 252 StGB verwirklicht. Er ist als Räuber zu bestrafen. Laut vorangehender Erörterung hat der Täter einen Trickdiebstahl an einer fremden Sache begangen und ist während der gesamten Dauer der Tat am Tatort vom Tatopfer wahrgenommen und daher auch auf frischer Tat betroffen worden. Weiterhin ist in der Reaktion des Täters (Faustschlag und das angekündigte „Abstechen“) auf die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs des Opfers sowohl eine Gewaltausübung wie die Anwendung von Drohmitteln zu sehen. Der Täter verwirklicht damit den Tatbestand des räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB) und muss gleich einem Räuber bestraft werden. Damit ist zu befinden, dass der Grund für eine gegensätzliche Beurteilung im konkret untersuchten „Mobiltelefon“-Fall darin liegt, für den Täter erträgliche Folgen zu schaffen. Das bestätigt die Freiwilligkeit in ihrer Funktion als Billigkeitsinstrument. Die Gefahr einer gesteigerten Strafbarkeit des Täters wollte das entscheidende Gericht vermutlich von vornherein bannen. Diese die Strafhöhe egalisierenden Überlegungen unter dem Deckmantel der Freiwilligkeit sind möglicherweise berechtigt, dennoch dürfen sie die Gerichte bei der Urteilsfindung nicht leiten. Mögen sie auch für den Täter positiv ins Gewicht fallen; das Gesetz wird falsch ausgelegt. Das verstößt gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Garantiefunktion des Strafrechts832, das die Strafbarkeit aufgrund einer gesetzlichen Bestimmung verlangt, vgl. Art. 103 Abs. 2 GG. Damit ist dargelegt, dass die Einführung des Freiwilligkeitselements nicht auf einer dogmatischen Überzeugung basiert, sondern vielmehr auf kriminalpolitischen Aspekten. Die Freiwilligkeit wird aus Zwecksetzungserwägungen in den Betrugstatbestand hineingezwungen.
830 BGHSt 4, 210 (211); BGHSt 18, 329 (331); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 350. 831 Sander, in: Münchener Kommentar, § 253 Rn. 29. 832 Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 44 ff.
C. Die Freiwilligkeit
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Sämtliche vorgenannten dogmatischen Einwände zeigen die Inkonsistenzen unter der Verwendung des Freiwilligkeitskriteriums auf. Daraus ist insgesamt die Konsequenz zu ziehen, dass die Freiwilligkeit als Merkmal des Betrugs keinen Bestand hat. Die soeben an dem subjektiven Freiwilligkeitselement geübte Kritik kann allein durch Reduzierung der Anforderungen an den Ausdruck der Freiwilligkeit beseitigt werden. Im Einklang mit dem in den Grundlagen833 erforschten Bewusstseinsstandard ist für das Opferverhalten des Betrugstatbestands subjektiv zu fordern, dass das Opfer einem als solchen erkannten Sachverlust zustimmt. Dieses durch Auslegung ermittelte Bewusstseinsminimum des Betrugstatbestands, das von der Arbeit als herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein bezeichnet wird, erhebt für sich den Anspruch der Gesetzeskonformität und dogmatischen Korrektheit. Insbesondere treten die vorgenannten Ungereimtheiten unter Zugrundelegung dieses Bewusstseinsstandards nicht mehr auf. Denn geht man davon aus, dass das Opfer dem tatsächlichen Sachverlust aus seinem Herrschaftsbereich zugestimmt haben muss, ist nicht in jeder Zwangslage per se ein für den selbstschädigenden Betrug nicht taugliches Opferverhalten anzunehmen. Damit beansprucht der erste Einwand, nämlich die inkonsequente Anwendbarkeit des Freiwilligkeitselements nur auf die Beschlagnahmefälle keine Geltung mehr. Neben den Beschlagnahmefällen kann man ebenso wie in dem „Mietschulden-Fall bzw. dem „Chantage“-Fall unter Prüfung des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins zu dem einheitlichen Ergebnis einer Betrugsstrafbarkeit kommen. Überdies ist der nächste Konfliktpunkt, der in der Schaffung von Strafbarkeitslücken unter Verwendung des Freiwilligkeitskriteriums im Rahmen des Forderungsbetrugs führt, entschärft, wenn man an dem durch Auslegung ermittelten Bewusstseinsstandard festhält. Denn dieser ist, wie oben834 dargelegt, auch auf den Forderungsbetrug anwendbar. Außerdem ist das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein in seiner Anwendung sicher handhabbarer gegenüber der nur aus persönlicher Opferperspektive zu beurteilenden Freiwilligkeit. Denn das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein setzt keine Auseinandersetzung zwischen Verhaltensalternativen auf psychologischer Ebene voraus. Zudem sind unter Zugrundelegung des durch die eigene Auslegung des Gesetzes ermittelten herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins die realitätsnahen und zivilrechtlichen Überlegungen bestätigt, die von einem grundsätzlich freiwilligen Opferverhalten innerhalb der Beschlagnahmefälle ausgehen. Darüber hinaus kann den festgestellten phänomenologisch falschen Ergebnissen im Bereich der Selbstschädigungen durch Abmildern des strengen Freiwilligkeitselements auf den Bewusstseinsstandard des in der Arbeit entwickelten herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins entgegengesteuert werden. Dieses Bewusstseinsminimum zugrunde gelegt,
833 834
Kapitel 2: A. III. 2. b) bb) (2) (a). Kapitel 3: A. IV. 1. b).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
kann auch ein genötigtes Opfer, das von dem Herrschaftsverlust Kenntnis hat und diesem zustimmt, Schutz aus den Selbstschädigungsdelikten der §§ 253, 255 StGB erfahren. Diese Überlegungen legen dar, dass nur das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein einen notwendigen einheitlichen Maßstab für die Selbstschädigungsdelikte nach § 263 StGB bzw. §§ 253, 255 StGB schafft. Dagegen ist das Freiwilligkeitskriterium, wie es von der herrschenden Ansicht definiert wird, wegen seiner Inkonsequenzen im Bereich der Selbstschädigungsdelikte abzulehnen. Zuletzt kann dem herrschaftsbezogenen Verlustbewusstsein auch nicht der Vorwurf eines Billigkeitsinstruments, wie im Rahmen der kritischen Würdigung des Freiwilligkeitselements, unterstellt werden. Denn das in der Arbeit gefundene Bewusstseinsminimum basiert, im Gegensatz zu dem ungeschriebenen Kriterium der Freiwilligkeit, auf einer unmittelbaren gesetzlichen Grundlage. Aufgrund dieser Gegenüberstellung des gesetzlichen Bewusstseinsminimums und des Freiwilligkeitselements ist nachgewiesen, dass allein das herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein als subjektiver Maßstab für die Beurteilung des subjektiven Opferverhaltens im Rahmen des Betrugs überzeugt. Das durch Auslegung ermittelte Ergebnis ist damit bekräftigt. Indessen erfährt das Freiwilligkeitselement eine Entwertung. Um der unbefriedigenden Prüfung des Freiwilligkeitselements zu entrinnen, wird in der Literatur teilweise835 vorgeschlagen, in den Beschlagnahmesituationen von vornherein anstelle des Betrugstatbestands die Voraussetzungen des Diebstahls zu untersuchen. Auf Ebene der Wegnahme ist dann ein Einverständnis mangels positiven Willens des Berechtigten zur Gewahrsamsüberlassung zu verneinen. Damit gelangt man auf sicherem Weg zur vorgezeigten Lösung der Bestrafung wegen Diebstahls. Ein Betrug sei unter der Geltung des Exklusivitätspostulats damit ausgeschlossen. Zu einer schwierigen Entscheidung über die Freiwilligkeit müsse es daher nicht mehr kommen. Gegen diesen Kniff spricht allerdings die bereits wiederholt kritisierte Vorgehensweise, die das eine Delikt nur wegen des logischen Ausschlusses des anderen bejaht und vice versa. Letztlich spiegelt sich auch in diesem Lösungsweg die Erkenntnis wider, dass das Kriterium der Freiwilligkeit keine zufriedenstellenden Ergebnisse zulässt. In dogmatischer Hinsicht konnte mit den soeben erläuterten Kritikpunkten das Freiwilligkeitselement entkräftet werden. So sollen die Freiwilligkeit und damit ein Betrug immer dann ausgeschlossen sein, wenn sich das Opfer in einer Zwangslage befindet. Nun sind, wie der „Mietschulden“-Fall und der „Chantage“-Fall zeigen, zahlreiche Fallgestaltungen denkbar, in denen trotz einer 835 Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 76, 78; stillschweigend Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 7 Rn. 70; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 13 Rn. 80; ders., JuS 1981, 654 (655); Theile, ZJS 2012, 138 (139).
C. Die Freiwilligkeit
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Zwangslage freiwilliges Opferverhalten angenommen wird. Diese Inkonsequenz entwertet die Freiwilligkeit als taugliches Mittel der Abgrenzung. Außerdem entstehen in den Fällen des Forderungsbetrugs unter Anwendung dieses Kriteriums Strafbarkeitslücken, falls der eng gefasste Erpressungstatbestand nicht erfüllt ist. Darüber hinaus birgt die Freiwilligkeit unter dem Verständnis einer psychischen Willenseinschätzung große Unsicherheiten. Ferner zeigen sich Inkonsistenzen in dem subjektiven Element der Freiwilligkeit, das aus dem Charakter der Selbstschädigung geschlossen wird. Denn der Erpressung, die ebenso ein Selbstschädigungsdelikt verkörpert, wohnt die Freiwilligkeit naturgemäß nicht inne. Schließlich ist nicht in jeder Zwangslage ein unfreiwilliges Verhalten zu unterstellen. Das bekräftigt ein Blick in die Praxis, der überdies durch Überlegungen des Zivilrechts gestützt wird. Zuletzt konnte dargelegt werden, dass das Freiwilligkeitselement zur Steuerung kriminalpolitisch wünschenswerter Ergebnisse benutzt wird. Diese erhobenen Einwände können nur mit einer subjektiven Reduzierung an die objektiven Anforderungen entsprechend dem durch Auslegung ermittelten Bewusstseinsminimum des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins beseitigt werden. Damit ist nicht in jeder Zwangslage per se von einer unfreiwilligen Opferreaktion auszugehen. Daher ist entgegen den Vertretern des Freiwilligkeitskriteriums die Unfreiwilligkeit gegenüber dem Beschlagnahmetäter nicht prinzipiell zu unterstellen. Schließlich wird das Herabsetzen der Anforderungen an das subjektive Freiwilligkeitselement auf das in der Arbeit durch eigene Auslegung entwickelte herrschaftsbezogene Verlustbewusstsein durch eine Harmonisierung im Bereich der Selbstschädigungsdelikte der §§ 253, 255 StGB und § 263 StGB bekräftigt. Anhand dieser dogmatischen Überlegungen konnte einerseits das Freiwilligkeitselement in seiner Verwendung nach der herrschenden Ansicht widerlegt werden, während andererseits die Geltung des durch die eigene Auslegung ermittelten Bewusstseinsstandards des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins verifiziert wurde. Im folgenden Punkt wird gezeigt, dass das Freiwilligkeitskriterium nicht nur in dogmatischer, sondern auch in praktischer Hinsicht nicht überzeugt. Demgegenüber weist das Zwei-Stufen-Modell, das auf die Prüfung der Freiwilligkeit mangels gesetzlicher Normierung verzichtet, einen stringenten Lösungsweg auf.
II. Die Tauglichkeit der Freiwilligkeit in den Beschlagnahmefällen Die Lösung der Beschlagnahmefälle in Rechtsprechung und Literatur ist nun mit dem Lösungsweg des Zwei-Stufen-Schemas zu vergleichen. Dabei wird insbesondere untersucht, ob die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug überhaupt eröffnet ist.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
1. Lösung in Rechtsprechung und Literatur In der Literatur machten nach dem Pionier Merkel836 vor allem Schröder837 und Meister838 auf das Kriterium der Freiwilligkeit aufmerksam. Diese ergibt sich demnach schon aus der Natur des Betrugstatbestands, zu dessen Wesen ein unbeeinflusster Willensentschluss zählt.839 Aufbauend auf den Thesen in der Literatur unterziehen nunmehr auch die Gerichte die Beschlagnahmefälle einer Freiwilligkeitsprüfung.840 Die überholte Abgrenzung der alten Rechtsprechung des Reichsgerichts anhand der äußeren Unterscheidung zwischen Nehmens- und Gebensakt wird von der neueren Judikatur abgelehnt. Sie argumentiert dabei wie folgt: Genauso wenig wie in jeder Übergabe eine Verfügung gesehen werden kann, liegt auch nicht in jedem Ansichnehmen eine Wegnahme. Es kann nicht auf rein zufällige Umstände ankommen.841 Eine Verfügung kann bei einem aktiven Tun oder Dulden vorliegen, aber auch bei einem passiven Unterlassen. Maßgebend ist allein das Einverständnis zum Gewahrsamswechsel, das frei und ohne Druck zustande kommen muss. Handelt der Getäuschte aufgrund einer Zwangslage, weil er denkt, Widerstand sei zwecklos, resultiert sein Verhalten aus einem unfreien Entschluss. Die Täuschung, die grundsätzlich ein Einverständnis nicht ausschließen muss, führt in diesen Fällen aber dazu, dass Zwang ausgeübt wird, der von vornherein jede Willensbetätigung ausschaltet.842 Das führt zu einer unfreiwilligen Gewahrsamsverschiebung. Der Unrechtsgehalt einer Selbstschädigung wird dadurch nicht erfüllt. Eine Vermögensverfügung scheidet in diesen Fällen deshalb aus.843 In den Beschlagnahmefällen wird der Verletzte daher Opfer eines Trickdiebstahls.
836
Kriminalistische Abhandlungen II/1, S. 195. ZStW 60 (1941), 33 (43, 46). 838 MDR 1947, 251. 839 Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung S. 72, 81; Geppert, JuS 1977, 69 (70); Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 577 ff.; Rengier, JuS 1981, 654 f. 840 OLG Hamburg, HESt 2, 19 (20); BGHZ 5, 365 (368 ff.); BGH, NJW 1952, 796. 841 So BGHZ 5, 365 (369); BGH NJW 1953, 73 (74); BGH, GA 1960, 277 (278). 842 Siehe BGHZ 5, 365 (369); BGH, NJW 1952, 796; zustimmend Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 579; widersprechend Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 99; Puppe, JR 1984, 229 (230). 843 So die überwiegende Meinung: Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung S. 72, 81; Geppert, JuS 1977, 69 (70); Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 577 ff.; Rengier, JuS 1981, 654 f.; anders Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 54; Maurach/Schroeder/ Maiwald, Strafrecht Besonderer Teil 1, § 33 II Rn. 31; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 77; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 79; Schmitt, in: Festschrift für Günter Spendel, S. 575 (581); Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 126. 837
C. Die Freiwilligkeit
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2. Lösung nach der Zwei-Stufen-Prüfung Nach dem in der Arbeit entwickelten Prüfungsmaßstab des Zwei-Stufen-Modells ist als erstes die Eröffnung der Abgrenzungssituation zu analysieren. Ist diese schon nicht gegeben, scheitern sowohl Trickdiebstahl als auch Gewahrsamsbetrug. In Betracht kommt allenfalls ein einfacher, unraffinierter Diebstahl oder die Strafbarkeit wegen eines anderen Delikts aus dem Bereich der Vermögensstraftaten. Das Vorliegen der Abgrenzungssituation setzt einen täuschungsbedingten Irrtum voraus. Entsprechend der herrschenden Meinung ist eine Täuschung konkret im Vorspiegeln der Beamteneigenschaft zu sehen.844 Der Täter gibt sich unwahr als Kriminalbeamter aus. Glaubt das Opfer an den Beamtenstatus des Täters, unterliegt es auch einem Irrtum. Gibt der Berechtigte daraufhin eine fremde, bewegliche und wertbehaftete Sache preis, ist die Abgrenzungssituation unter diesem Blickwinkel zunächst eröffnet. Gleichzeitig könnte dem Verhalten des Täters aber auch bzw. ausschließlich ein drohender Charakter entnommen werden. Gedroht wird per definitionem durch das ausdrückliche oder schlüssige Inaussichtstellen eines Übels, dessen Eintritt der Drohende als von seinem Willen abhängig zu machen vorgibt und den ein besonnener Bedrohter für möglich hält.845 Nach dieser Definition kann eine Täuschung in eine Drohung naturgemäß integriert sein.846 Konkret ist das immer dann der Fall, wenn der Täter, wie in den Beschlagnahmefällen, zur Herbeiführung des Übels tatsächlich nicht in der Lage ist.847 Unter Übel ist jede nicht nur geringfügige Einbuße an Werten oder Zufügung von Nachteilen zu verstehen.848 Das Ausweisen als Kriminalbeamter mit der Verknüpfung, eine Sache beschlagnahmen und bei Widerstand zwangsweise einziehen zu müssen, beinhaltet die Ankündigung eines zukünftigen Nachteils an den Werten des Empfängers. Bei einem besonnenen Opfer ruft dieses Täterverhalten eine Vorstellung hervor, jedenfalls vorübergehend auf die Herrschaft an der zu beschlagnahmenden Sache verzichten zu müssen. Dieser Herrschaftsverzicht stellt eine nicht nur vernachlässigbare Unannehmlichkeit dar. Das Opfer hätte mit einem empfindlichen Kostenund Zeitaufwand zu rechnen. Ferner wird es einen zwangsweisen Einzug der Sache im Regelfall zumindest für möglich halten. In der wahrheitswidrigen Be-
844 Siehe Cramer/Perron, in: Schönke/Schröder, § 263 Rn. 63; Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 237. 845 BGHSt 16, 386 (387); Kühl, in: Lackner/Kühl, § 240 Rn. 12 f.; Küper, Strafrecht Besonderer Teil, S. 104; Sander, in: Münchener Kommentar, § 253 Rn. 10 f.; Seelmann, JuS 1982, 914 (915). 846 RGSt 20, 326 (329); Günther, ZStW 88, 960 (961). 847 Seelmann, JuS 1982, 914 (915). 848 Eser/Eisele, in: Schönke/Schröder, § 240 Rn. 9/10.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
hauptung des Täters, er sei als Kriminalbeamter gekommen, eine Sache zu beschlagnahmen, liegen damit die Voraussetzungen einer schlüssigen Drohung849 mit dem Inhalt vor, etwaigen Widerstand gegen die Staatsgewalt mit den ihr zur Verfügung stehenden Zwangsmaßnahmen (Durchsuchung, Festnahme) zu brechen.850 Dabei macht es keinen Unterschied, ob dem Berechtigten ein wirklicher oder falscher Beschlagnahmebeamter gegenübersteht.851 Damit täuscht und nötigt der Täter zugleich. Das wirft die Frage auf, welche der beiden Verhaltensweisen kausal und objektiv zurechenbar für die schädigende Hergabe ist. Ist es allein die Täuschung, fehlt es an dem für die Erpressung nötigen Zwangselement. Die Abgrenzung wäre weiterhin eröffnet. Gibt das Opfer dagegen die Sache nur aufgrund des Drucks der Beschlagnahme heraus, entspricht das Täterverhalten dem typischen Gepräge der Erpressung. Die Abgrenzung wäre schon nicht eröffnet. Denkbar ist auch, eine Täuschung neben einer Nötigung anzunehmen, sodass die Abgrenzung ebenso eröffnet ist. Zur Klärung der Frage ist die Verknüpfung zwischen Täuschung und Drohung zu untersuchen. Täuschung und Drohung sind in den vorliegenden Beschlagnahmesituationen derart miteinander verbunden, dass die Drohung nicht ohne die Täuschung funktioniert („täuschungsverstärkte Drohung“ 852). Gegenstand der Täuschung ist lediglich die Beamteneigenschaft. Ohne die logische Verknüpfung mit einer zu stellenden Forderung reicht kein Mensch bereitwillig Dinge an den angeblichen Beamten heraus. Die Drohung hingegen beinhaltet den gegebenenfalls zwangsweisen Einzug der Sache. Wird die Sache nicht bei dieser Gelegenheit herausgegeben, müsse sie ohnehin alsbald gewaltsam überlassen werden. Einziger Sinn der Täuschung ist es daher, die Drohung zu ermöglichen.853 Der Inhalt der Täuschung stellt damit nur einen unselbstständigen Bestandteil der Drohung dar854, die in diesen Fällen lediglich geschickt in die Drohung integriert ist.
849 Allgemein anerkannt, vgl. BGHSt 7, 252 (253); BGH, NStZ 2011, 158 (159); Sander, in: Münchener Kommentar, § 253 Rn. 10; Sinn, in: Systematischer Kommentar, § 253 Rn. 9. 850 So auch Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 73; ablehnend mangels konkretisierten Übels G. Merkel, Die Vermögensverfügung des Getäuschten und das „Einverständnis“ mit der Wegnahme, S. 110. 851 Kühl, in: Lackner/Kühl, § 240 Rn. 13; anders OLG Hamburg, HESt 2, 19 (20). 852 RG, JW 1934, 3285; ebenso RG, GA 38 (1891), 54 (55); Duttge, in: Nomos Kommentar, Gesamtes Strafrecht, § 253 Rn. 8; Joecks, Strafgesetzbuch, § 253 Rn. 10, § 263 Rn. 8. 853 Ebenso in BGHSt 11, 66 (67); BGHSt 23, 294 (296); Günther, ZStW 88 (1976), 960 (965), spricht von einer „Art Vorbereitungshandlung“; widersprechend OLG Hamburg, HESt 2, 19 (20). 854 So auch in BGHSt 11, 66 (67); Hillenkamp, JuS 1994, 769 (771); Küper, NJW 1970, 2253; Schünemann, JA 1980, 486 (490).
C. Die Freiwilligkeit
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Gemessen an dem Nutzen der Täuschung, die unerlässlich zur Durchführung der Drohung ist, darf der Vorgang sachlogisch nicht auseinandergezerrt werden.855 Wegen der einheitlichen Betrachtung des Täterverhaltens können die Täuschung und die Drohung nicht als selbstständige Tatbeiträge aufgespalten werden. Damit scheidet die letzte Alternative eines Nebeneinanders von Täuschung und Nötigung aus. Das bedeutet, dass entweder ein durch Täuschung vermittelter Betrug oder eine durch Drohung verursachte Erpressung vorliegt. Die Betrachtung des Tatgeschehens als eine Einheit führt sogleich dazu, dass der Betrug mangels Kausalzusammenhangs zwischen Irrtum und Verfügung ausscheidet. Der Betrug erfordert nämlich einen kausalen „Motivationszusammenhang“ 856 zwischen dem täuschungsbedingten Irrtum und der Verfügung des Getäuschten. In diesem Fall gibt das Opfer aber die Sache nicht deshalb heraus, weil der Täter fälschlich als Beschlagnahmebeamter auftritt. Der isoliert betrachtete Irrtum über die wahre Eigenschaft des Täters löst für sich gesehen das Opferverhalten nicht aus. Die Gefahr des Gewahrsamsverlusts liegt daher nicht schon in der Täuschung und dem Irrtum über die Beamteneigenschaft begründet, sondern in der Aussage des Täters, bestimmte Sachen herausgeben zu müssen, die ohnehin nicht zurückzuhalten sind. Die Täuschung und der Irrtum müssen zu diesem Zweck der Drohung zwar unbedingt vorgeschaltet sein. Die Herausgabe der Sachen erfolgt indes erst aufgrund der vorgestellten Zwangswirkung. Für die Zwangswirkung ist demgegenüber die Drohung kausal. Damit fehlt der Kausalzusammenhang zwischen dem täuschungsbedingen Irrtum und der Verfügung.857 Daraus folgt der tatbestandsmäßige Ausschluss des Betrugs.858 Da die Tat nicht
855 Vgl. RG, GA 38 (1891), 54 (55 f.); RGSt 20, 326 (331 f.); RG, HRR 1941, Nr. 169; Hillenkamp, JuS 1994, 769 (771); Küper, NJW 1970, 2253; Otto, ZStW 79 (1976), 59 (97). 856 Günther, ZStW 88 (1976), 960 (965) spricht von einem fehlenden „spezifischen Motivationszusammenhang zwischen Irrtum und Vermögensverfügung“; Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 122. 857 Im Ergebnis übereinstimmende Verneinung des Betrugsunrechts bei abweichender Begründung durch Jäger, JA 2007, 604 (605 f.) und Küper, NJW 1970, 2253, die eine Verfügung verneinen. 858 Für einen tatbestandlichen Ausschluss in diesen Fallgestaltungen ebenso BGHSt 23, 294 (296); Hillenkamp, JuS 1994, 769 (771); Küper, NJW 1970, 2253; Otto, ZStW 79 (1967), 59 (97); Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 724; anders RMG 18 (1914), 231 (234); Eser/Bosch, in: Schönke/Schröder, § 253 Rn. 37; Haft/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil I, S. 101; Heinrich, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 18 Rn. 7, 22; Herzberg, JuS 1972, 570 (571 f.); Kühl, in: Lackner/Kühl, § 253, Rn. 14; grundsätzlich auch Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 7 Rn. 45; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 75; Sander, in: Münchener Kommentar, § 253 Rn. 43; Schünemann, JA 1980, 486 (490), die eine konkurrenzrechtliche Lösung vertreten; anders RGSt 20, 326 (332), wonach Idealkonkurrenz zwischen Betrug und Erpressung herrscht; daneben könnten aber die §§ 132 f. StGB erfüllt sein; dem widersprechend HESt 1, 250 (253).
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
überwiegend durch List, sondern durch Drohung geprägt ist, entfällt eine Abgrenzungssituation. Zuletzt spricht für den tatbestandlichen Ausschluss des Betrugs die einleuchtende Parallele zu folgender Situation: Der Täter A hält dem Opfer B eine ungeladene Pistole vor das Gesicht und erwartet die Herausgabe des gesamten Geldes, das B bei sich trägt. In diesem Fall erregt A bei B durch das Vorhalten einer Waffe die falsche Vorstellung, bei Nichtbefolgung der Anweisungen des A angeschossen zu werden. Gleichzeitig kann nur durch das täuschende Mittel eine der Täuschung nachgelagerte Nötigungssituation entstehen. Es liegt fern, in diesen Fällen einen Betrug zu erwägen. Dieses Beispiel ist klassischerweise den Kollisionspartnern Raub und räuberische Erpressung vorbehalten.859 Eine von der Drohung abgekoppelte, selbstständige Täuschungshandlung und damit ein Gewahrsamsbetrug sind schon tatbestandsmäßig auszuschließen. Für die Beschlagnahmefälle gilt daher: Mangels Täuschungs- bzw. Irrtumskausalität entfällt die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug. Maßgeblich ist nicht die Täuschung, sondern die Drohung des Täters. Die Abgrenzung ist schon formell nicht eröffnet. 3. Stellungnahme Unter Verwendung des Freiwilligkeitsmerkmals kommen seine Vertreter in den Beschlagnahmefällen zu einer Strafbarkeit als Trickdieb im Sinne des § 242 StGB. Eine Prüfung dieser Fälle unter Zugrundelegung der gesetzeskonformen Zwei-Stufen-Prüfung ergab demgegenüber, dass die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug schon nicht eröffnet ist. Hinter den Beschlagnahmefällen steht richtigerweise eine Abgrenzung zwischen Raub (§ 249 StGB) und räuberischer Erpressung (§§ 253, 255 StGB). Nicht die isoliert betrachtete Täuschung führt das schädigende Opferverhalten herbei, sondern die Drohung.
III. Fazit Die kritische Würdigung des Freiwilligkeitselements ergab zunächst das Bild eines in seiner Anwendung unsicheren Kriteriums. Zum einen wurde aufgezeigt, dass die herrschende Ansicht die Freiwilligkeit nicht konsequent in jeder
859 Dazu RGSt 71, 50 (52); BGH, NJW 1952, 752 (754); BGHSt 11, 66 (67); BGH, GA 1960, 277 (278); OLG Hamburg, HESt 2, 19 (20); OLG Braunschweig, HESt 2, 29 (31 f.); ausführlich dazu Jäger, JA 2007, 604 (606 ff.); Nöldeke, Die Begriffe des Gewahrsams und der Wegnahme beim Diebstahl, S. 108 ff.; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (81 ff.); Schünemann, JA 1980, 486 (490); ebenso im Ergebnis, Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 79.
C. Die Freiwilligkeit
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Zwangssituation bejaht, obwohl nach ihrer Auffassung jede Zwangslage den Schutz aus dem Betrugstatbestand negiert. Zum anderen versagt dieses Kriterium in den Fällen des Forderungsbetrugs, was zu Strafbarkeitslücken führt. Darüber hinaus birgt die subjektive Einschätzung der Freiwilligkeit Unsicherheiten, die keine sichere Abgrenzung ermöglichen. Ferner ergibt sich aus den Überlegungen der Praxis und des Zivilrechts in den Beschlagnahmefällen, in denen die herrschende Ansicht von einem unfreiwilligen Opferverhalten ausgeht, der Grundsatz einer freiwilligen Opferreaktion. Denn die grundsätzliche Veranlagung der Unfreiwilligkeit bei einem Herausgabeverlangen des (falschen) Beamten ist, wie die Handhabung der Beschlagnahmefälle im Zivilrecht unter dem Stichwort des Abhandenkommens zeigt, eine reine Fiktion. Schließlich sprechen auch die auftretenden Inkonsequenzen innerhalb der Selbstschädigungsdelikte gegen die Annahme der Freiwilligkeit. Insbesondere ist der Maßstab der Freiwilligkeit, der im Rahmen des Betrugs aus dem Selbstschädigungscharakter resultieren soll, nicht auf die Erpressungstatbestände übertragbar. Zuletzt konnte die Freiwilligkeit als Steuerungsinstrument einer ergebnisorientierten Rechtsprechungspraxis entlarvt werden. Daher hat sie für die sichere Abgrenzung keine Funktion. Als tauglich für eine einheitliche Abgrenzung in den Beschlagnahmefällen haben sich hingegen die aus dem Wortlaut des Gesetzes durch eigene Auslegung ermittelten Grundsätze, die in dem Zwei-Stufen-Prüfungsschema verkörpert sind, bestätigt. Insbesondere sind unter Verwendung des durch die eigene Auslegung des Betrugstatbestands ermittelten herrschaftsbezogene Verlustbewusstseins als Bewusstseinsstandard die gegen die Freiwilligkeit erhobenen dogmatischen Einwände entkräftet. Danach ist davon auszugehen, dass nicht jede in einer Zwangslage stattfindende Reaktion des Opfers unfreiwillig ist. Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung vor allem in den realitätsnahen und zivilrechtlichen Überlegungen, nach denen in den Beschlagnahmefällen grundsätzlich freiwilliges Verhalten anzunehmen ist. Ferner bewirkt eine inhaltliche Herabsetzung des subjektiven Freiwilligkeitselements auf den Maßstab des in der Arbeit entwickelten herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins auch eine Harmonisierung der subjektiven Bewusstseinseinstellung des Opfers im Rahmen aller Selbstschädigungsdelikte. Die Prüfung des gesetzlichen Maßstabs des Zwei-Stufen-Schemas bestätigte schließlich die bereits im Rahmen der dogmatischen Einwände festgestellten Schwachstellen des Freiwilligkeitskriteriums. Nach der Lösung des zweistufigen Schemas unterfallen die Beschlagnahmefälle mangels Täuschungs- bzw. Irrtumskausalität gerade nicht dem abgrenzungsrelevanten Bereich zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug. Vielmehr sind sie kennzeichnend für die Abgrenzung zwischen Raub und räuberischer Erpressung. Damit entbehrt das Freiwilligkeitselement seiner Grundlage, aus der seine Existenz abgeleitet wurde. Insgesamt ist es in dogmatischer und praktischer Hinsicht abzulehnen.
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Kap. 3: Die Bedeutung ungeschriebener Abgrenzungskriterien
D. Abschließende Stellungnahme zu den ungeschriebenen Abgrenzungskriterien Durch die drei von der herrschenden Ansicht entwickelten ungeschriebenen Abgrenzungskriterien Verfügungsbewusstsein, Unmittelbarkeit und Freiwilligkeit versuchen Lehre und Rechtsprechung die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug zu erhellen. Durch das Ausschmücken des Betrugstatbestands mit diesen Kriterien soll seine Isolation gegenüber dem gleichzeitig ausgeschlossenen Trickdiebstahl gesichert werden. Dagegen erzielen diese Kriterien nicht die sauberen Ergebnisse in Bezug auf eine Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug, die sie versprechen. Das Ergebnis ist vielmehr eine komplizierte Abgrenzungsakrobatik anhand einer umfassenden Kasuistik. Für ein künstliches Ausschlussverhältnis besteht insbesondere schon kein Bedürfnis. Vielmehr ergibt sich die Exklusivität bereits unmittelbar aus dem Gesetz. Damit existiert keine unvorhergesehene Lücke im Gesetz, die eine teleologische Reduktion des Betrugstatbestands notwendig macht. Durch die Praxis der flächendeckenden Verwendung ungeschriebener Abgrenzungskriterien werden vielmehr Sachverhalte zu Abgrenzungskonflikten hochstilisiert, wo überhaupt keine sind. Außerdem konnte die fehlerhafte Herleitung der als gesichert geltenden Abgrenzungskriterien bewiesen werden. Sowohl das Verfügungsbewusstsein als auch die Unmittelbarkeit und Freiwilligkeit haften dem Begriff der Vermögensverfügung nicht an. Innerhalb der dogmatischen Untersuchung zu jedem der Merkmale wurden ihre Unzulänglichkeiten aufgezeigt. Die Schwierigkeiten mit diesen Kriterien offenbaren sich in der Schwammigkeit der Begriffe und ihrer inkonsequenten Anwendung. In Bezug auf das Verfügungsbewusstsein konnte überdies eine Kollision mit dem Grundgesetz, näher Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 3 GG, aufgedeckt werden. Wird das Verfügungsbewusstsein wie von der herrschenden Ansicht als Erfolgsbewusstsein verstanden, bedeutet das eine unzulässige teleologische Reduktion, die einerseits mit dem Bestimmtheitsgebot, andererseits mit dem Gewaltenteilungsgrundsatz unvereinbar ist. Darüber hinaus ist jedes dieser Merkmale für eine Abgrenzung nicht tauglich. Wie anhand der typischen Fallgruppen dargelegt, lassen sich durch sie gesetzeskonforme Ergebnisse teilweise nicht erzielen. Insbesondere kommt es wegen der beliebigen Anwendung dieser ungeschriebenen Kriterien auf gleichgelagerte Fälle zu uneinheitlichen Ergebnissen. Damit ist nachgewiesen, dass sie als taugliche Abgrenzungskriterien versagen. Überzeugen konnten demgegenüber in den konkreten Situationen nur die durch die eigene Auslegung des Gesetzes gefundenen Prinzipien, die in dem von der Arbeit selbst entwickelten Zwei-Stufen-Prüfungsmodell nutzbar gemacht wurden. Die durch Auslegung ermittelten Grundsätze führen zu einer eindeuti-
D. Abschließende Stellungnahme
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gen Scheidung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug. Insbesondere wurde ihre Tauglichkeit anhand der praktischen Prüfung von Fällen nachgewiesen. Zum einen konnte ihre dogmatische Schlüssigkeit in Gegenüberstellung der Lösungen von den Meinungen aus Rechtsprechung und Literatur dargelegt werden. Zum anderen wurde ihre Stringenz durch die einheitlichen Ergebnisse in gleichgelagerten Fallgestaltungen untermauert. Das gibt Sicherheit in der Rechtsanwendung. Letztlich filterte die Zwei-Stufen-Prüfung einen großen Teil der Fälle, die seit jeher als Kollisionsfälle zwischen Trickdiebstahl und Betrug behandelt werden, aus dem abgrenzungskritischen Bereich mangels Eröffnung der Abgrenzung heraus. Darunter fallen namentlich die Varianten860 des Versteckens, Verbergens, Hinzufügens sowie der Umetikettierung von Waren ebenso wie die Wechselgeldfälle und zuletzt die Beschlagnahmefälle. So sind lediglich die Fälle der Warenentwendung durch Austauschen des Verpackungsinhalts, die Gewahrsamslockerung und Ermöglichungskonstellationen für die Abgrenzung bedeutend. Damit entschärft die Arbeit eine Vielzahl problematischer Fälle allein durch konsequente Auslegung des Gesetzes. Abschließend ist festzuhalten, dass die Kriterien des Verfügungsbewusstseins, der Unmittelbarkeit und der Freiwilligkeit für die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug bedeutungslos sind. Die Rechtsprechung und Literatur bieten neben diesen für eine Abgrenzung untauglichen Kriterien weitere Lösungsvorschläge an. Im Folgenden ist zu prüfen, ob diese imstande sind, das Zwei-Stufen-Prüfungsmodell zu erschüttern.
860 Gemeint sind die jeweils den Gerichten vorgelegten Originalfälle, also ohne Konstruktion einer Täuschung und eines Irrtums.
Kapitel 4
Die Bedeutung weiterer Abgrenzungsvorschläge Neben den vorangestellten ungeschriebenen Kriterien, die einer Abgrenzung wie bewiesen nicht dienlich sind, kursieren zahlreiche weitere Abgrenzungstheorien, die sich teils auf überkommene Rechtsgrundsätze stützen, teils moderne Lösungswege aufweisen. Ihnen ist ebenso wie den im dritten Kapitel vorgestellten ungeschriebenen Abgrenzungskriterien gemein, dass sie die gesetzliche Abgrenzungsmöglichkeit ignorieren.
A. Einzelne Abgrenzungsvorschläge aus Rechtsprechung und Literatur Die von der Rechtsprechung und Literatur entwickelten weiteren Abgrenzungsvorschläge stützen sich teils auf objektive Gegebenheiten, teils auf die Folgen der Sachverschiebung. Andere verlagern die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug auf die Konkurrenzebene. Auch sie sind nach ihrer Erläuterung kritisch zu würdigen. Können auch sie nicht überzeugen, ist die in dieser Arbeit entworfene gesetzliche Abgrenzung anhand des Zwei-StufenPrüfungsmodells endgültig bestätigt.
I. Objektive Abgrenzungstheorien Nach wenigen Mindermeinungen muss die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug anhand des äußeren Erscheinungsbildes des Täterverhaltens zu treffen sein. Immer wiederkehrend in der Abgrenzungsentwicklung ist erstens der Vorschlag, anhand des plastischen Begriffspaares des Gebens und Nehmens zu unterscheiden. Zweitens erfolgte erst vor Kurzem ein Vorstoß, der in der Heimlichkeit der Begehensweise der Vermögensentziehung eine Trennlinie zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug zieht. 1. Abgrenzung nach der Handlungsrichtung Vereinzelt gibt es Stimmen in der älteren aber auch neueren Literatur861 und Rechtsprechung862, die eine Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahr861 Grünhut, JW 1926, 1197 (1198); Hegler, Archiv für Rechts- und Wirtschaftsphilosophie, Band IX, 1915/1916, 369 (376); Nagler, in: Leipziger Kommentar, § 263
A. Einzelne Abgrenzungsvorschläge aus Rechtsprechung und Literatur
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samsbetrug, ähnlich der Abgrenzung Raub und räuberischer Erpressung863, nach dem äußeren Erscheinungsbild vornehmen. Dieser Meinung zufolge kommt es bei der Qualifizierung der Wegnahme im Unterschied zu dem wegnahmeausschließenden Geben allein auf das äußere Erscheinungsbild an. Die Beurteilung aufgrund der inneren Willenshaltung des Opfers führt demnach zu keinem allgemeingültigen Ergebnis.864 Wird eine eindeutige Abgrenzung zwischen einer Wegnahme und sie ausschließenden Handlungen angestrebt, muss der äußere Vorgang nachvollzogen werden. Außerdem ist in Übereinstimmung mit dem Wortlaut der Gesetzesfassung des Diebstahls ein „Nehmen“ des Täters zu verlangen. Dagegen kann der Betrugstäter aufgrund der Unschärfe des Begriffs der Vermögensverfügung passiv bleiben oder aktiv tätig werden.865 a) Die Behandlung der Tankstellenfälle in Rechtsprechung und Literatur Ursprünglich suchte das Reichsgericht866 die Lösung der Kollisionsfälle mithilfe objektiver Kriterien zu finden. So sah das Gericht in den ersten Beschlagnahmefällen in der Duldung der Sache eine Wegnahme als gegeben an. Auch heute grenzt gleichfalls der Bundesgerichtshof vereinzelt entgegen seiner herkömmlichen Linie den Trickdiebstahl gegenüber dem Gewahrsamsbetrug in den Tankstellenfällen anhand des Begriffspaares von Geben und Nehmen ab. Darunter lassen sich Beispiele aus dem Jahr 1983 und jüngst 2012 finden. Der Sachverhalt dieser Tankstellenfälle867 lautet sinngemäß: In der vorgefassten AbAnm. II. B. 2. b); jüngeren Datums sind die Beiträge von Fey, Die Vermögensdelikte, S. 50 ff. zumindest für den Fall der falschen Beschlagnahme; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 54; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 79 in Bezug auf die Beschlagnahmefälle; Naucke, Zur Lehre vom strafbaren Betrug, S. 114, 215, 247; O. H. Schmitt, Die Vermögensverfügung beim Betrug, S. 64 ff.; Schmitt, in: Festschrift für Günter Spendel, S. 575 (581 f.); ders./Ehrlicher, JZ 1988, 364 (365). 862 RG, LZ 1920, 717; RG, LZ 1922, 265; RG, LZ 1924, 299; BGHSt 7, 252 (254 f.); BGH, NJW 1983, 2827; BGH, NJW 2012, 1092; unentschlossen auf eine objektiv-subjektive Sichtweise abstellend BGH, GA 1987, 307; BGHSt 41, 198 (201); OLG Düsseldorf NJW 1990, 923; BayObLG, JR 1992, 519. 863 Sofern man BGHSt 41, 123 (126); BGH, NStZ-RR 2011, 80; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, Vorbemerkungen zu §§ 249 ff. Rn. 56 ff. und § 253 Rn. 17; Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 429 ff. folgt; anders dagegen die Anhänger der „Verfügungstheorie“ wie Brand, JuS 2009, 899 (901) zumindest für die Sacherpressung; Kühl, in: Lackner/Kühl, § 253 Rn. 3; Rengier, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 3; Sander, in: Münchener Kommentar, § 253 Rn. 3; Wessels/Hillenkamp, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 708 ff.; Eisele, Strafrecht – Besonderer Teil II, Rn. 772. 864 Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 1 Rn. 79. 865 Fey, Die Vermögensdelikte, S. 50. 866 RG, LZ 1920, 717; RG, LZ 1922, 265. 867 BGH, NJW 1983, 2827; BGH, NJW 2012, 1092.
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Kap. 4: Die Bedeutung weiterer Abgrenzungsvorschläge
sicht, nach dem Betanken seines Pkw das Weite zu suchen, ohne das eingefüllte Benzin zu bezahlen, begab sich der Täter zur Tankstelle. Er führte die Tathandlung entsprechend seinem inneren Tatplan durch. Dabei wurde er vom Kassenpersonal beobachtet. Nach der Ansicht des Bundesgerichtshofs ist eine Täuschung des Täters zu bejahen. Hat der Täter die Tankstelle, gleichviel ob Selbstbedienungs- oder Bedienungstankstelle, in dem vorgefassten Plan angefahren, den Treibstoff nicht zu bezahlen, täuscht er demnach konkludent über den inneren Zustand der Zahlungsbereitschaft. Dadurch wird ein entsprechender Irrtum erregt.868 Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist in den Tankstellenfällen weiter maßgeblich, ob es sich bei dem „Verhalten des Täters aufgrund einer natürlichen Betrachtungsweise als ein durch Täuschung bewirktes Geben oder um ein Nehmen im Sinne des Gewahrsamsbruchs handelt.“ 869 Gleichgültig ist, ob, wie für eine Bedienungstankstelle charakteristisch, das Benzin eingefüllt wird, oder das Einfüllen bei einer Selbstbedienungstankstelle unter Gestattung erfolgt. Regelmäßig handelt es sich um einen Übergabevorgang, der als Vermögensverfügung zu werten ist. Der Schaden des Tankstelleninhabers liegt in der unausgeglichenen Übertragung des Gewahrsams an dem Benzin. Wird der Täter ausnahmsweise von dem Tankstellenpersonal nicht wahrgenommen, ist er wegen versuchten Betrugs zu bestrafen.870 Zu demselben Ergebnis gelangt im Übrigen auch die Lehrmeinung, für die Maßstab indes meist die innere Willensrichtung des Opfers ist.871 b) Kritik Die Kritik an der höchstrichterlichen Ansicht ist im Folgenden anhand der Prüfung des Zwei-Stufen-Schemas zu verdeutlichen. Im ersten Schritt der hier neu erarbeiteten Abgrenzungslösung ist zu fragen, ob die Abgrenzungssituation eröffnet ist. Das setzt neben einem fremden, beweglichen und wertbehafteten Tatobjekt auch einen täuschungsbedingten Irrtum voraus. Entscheidend ist die Fremdheit zu Beginn der Ausführungshandlung. Ein
868 BGH, NJW 1983, 2827; BGH, NJW 2012, 1092; übereinstimmend Gauf/Deutscher, NStZ 1983, 505 (506); Herzberg, JA 1980, 385 (391). 869 BGH NJW 1983, 2827; ähnliche Formulierung in BGH, NJW 2012, 1092. 870 BGH, NJW 1983, 2827; BGH, NJW 2012, 1092 mit bedingter Zustimmung Hecker, JuS 2012, 1138 (1139) und von Heintschel-Heinegg, JA 2012, 305 (306 f.); ders., JA 2009, 903 (904). 871 Borchert/Hellmann, NJW 1983, 2799; Hecker, JuS 2012, 1138 (1139); von Heintschel-Heinegg, JA 2009, 903; ders., JA 2012, 305 (306); Herzberg, JA 1980, 385 (391); abweichend Lange/Trost, JuS 2003, 961 (963), die die Kausalverknüpfung zwischen Täuschung und Irrtum verneinen und deshalb eine Unterschlagung annehmen; Abgrenzung nach dem äußeren Erscheinungsbild hingegen Charalambakis, MDR 1985, 975.
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Eigentumserwerb des Täters durch die Wegnahme schadet nicht.872 Im Moment des Anzapfens des Benzins stand die Flüssigkeit jedenfalls noch nicht im Eigentum desselben.873 Das Benzin ist damit für den Täter fremd. Für die Sachqualität ist der Aggregatzustand irrelevant.874 Auch Flüssigkeiten wie Benzin besitzen Sachqualität. Ferner handelt es sich bei dem Benzin als Tatobjekt um eine bewegliche Sache, da sie fortbewegt werden kann. Zuletzt verkörpert das Benzin auch eine wertbehaftete Sache. Insgesamt ist der erste Punkt der ersten Stufe innerhalb der Zwei-Stufen-Prüfung erfüllt. Das Benzin ist eine fremde, bewegliche und wertbehaftete Sache. Weiterhin müssen zur formellen Eröffnung der Abgrenzung Täuschung und Irrtum gegeben sein. Der Täter gibt wahrheitswidrig vor, entgegen seiner inneren Einstellung, das Benzin bezahlen zu wollen. Der Täter täuschte unter Zugrundelegung einer faktischen Betrachtungsweise in dem konkreten Fall durch das Auftreten als Kunde konkludent über den inneren Umstand der Zahlungsbereitschaft. Obwohl er entgegen seinem Handeln zu einer späteren Zahlung tatsächlich nicht bereit war, erweckte er bei dem Tankstelleninhaber keine falsche Vorstellung über die Wirklichkeit. Diese Konsequenz ist aus der notwendig restriktiven Interpretation des Irrtumsmerkmals, die sich aus der eigenen Auslegung des Gesetzes875 ergeben hat, zu ziehen. Weder genügt die Vorstellung, dass „alles in Ordnung sei“, noch ein sachgedankliches Mitbewusstsein. Sind keine konkreten Anhaltspunkte ersichtlich, die zu Zweifeln an der Zahlungsbereitschaft führen, kann eine lediglich unspezifische Vorstellung dem Irrtumsmerkmal nicht genügen.876 Mangels Irrtums ist die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug nicht eröffnet. Der Täter kann nur einen Diebstahl, verübt ohne List, begehen. Kritik an der Ansicht des Bundesgerichtshofs ist darüber hinaus an der materiellen Abgrenzung zu äußern. Ein Vorteil dieses objektiven Abgrenzungsvorschlags ist freilich die einheitliche Begriffsbestimmung der Wegnahme nach äußeren Kriterien in den beiden Abgrenzungsfällen der §§ 242 und 263 StGB bzw. §§ 249 und 255 StGB. Gewiss ist diesem Abgrenzungsvorschlag auch zugutezuhalten, dass er in vielen Fällen zu eindeutigen Lösungen finden lässt. 872 Siehe Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 242 Rn. 18; Kudlich/Noltensmeier, JA 2007, 863 (866); Vogel, in: Leipziger Kommentar, § 242 Rn. 46. 873 Ebenso Borchert/Hellmann, NJW 1983, 2799 (2802); Charalambakis, MDR 1985, 975; Deutscher, JA 1983, 125 ff.; Gauf/Deutscher, NStZ 1983, 505 (507); von Heintschel-Heinegg, JA 2012, 305 (306); Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 242 Rn. 19; Lange/Trost, JuS 2003, 961 (963); a. A. OLG Düsseldorf, NStZ 1982, 249; Herzberg, JA 1980, 385 (390 f.); ders., NStZ 1983, 252. 874 Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 242 Rn. 9; Schmitz, in: Münchener Kommentar, § 242 Rn. 25. 875 Siehe dazu Kapitel 2: A. II. 2. b) aa) (2) und Kapitel 2: A. II. 2. b) bb) (2). 876 Strafbarkeitslücken könnten durch die Schaffung von Sondertatbeständen geschlossen werden, siehe dazu Fn. 327.
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Kap. 4: Die Bedeutung weiterer Abgrenzungsvorschläge
Jedenfalls ist entgegen einer weit verbreiteten Ansicht877 gegen eine Abgrenzung zwischen den durch täuschendes Verhalten gekennzeichneten Delikten des Trickdiebstahls und des Gewahrsamsbetrugs nach dem äußeren Erscheinungsbild im Weiteren nicht einwendbar, dass der soziale Sinngehalt der Selbstschädigung übergangen werde. Die Entscheidung über die Charakterisierung eines Aktes anhand des äußerlich Erkennbaren sei danach vorschnell. So könne ein äußerlicher Gebeakt verschiedene rechtliche oder tatsächliche Funktionen erfüllen: Der Gebende könne eine Sache verschenken, verleihen, vermieten, sie näher betrachten lassen oder aufgrund eines fremden Drucks hergeben. Von dem äußerlich sichtbaren Geschehen könne aber nicht immer auf eine einvernehmliche Gewahrsamsverschiebung geschlossen werden.878 Hiergegen spricht allerdings, dass ausgehend von der Bejahung einer Täuschung die hinter dem Verhalten des Opfers stehende Motivation ohnehin belanglos ist. Nicht der Sinn und Zweck der Sachverschiebung ist für ihre Qualifizierung entscheidend, sondern die Möglichkeit zur Willensbildung und -betätigung. Sofern diese unter einer Täuschung gewährleistet ist, sind Nötigungen, die die Abgrenzungssituation von vornherein nicht zur Entstehung kommen lassen, ohnehin ausgeschlossen. Zwar führt auch die Zwei-Stufen-Prüfung im Ergebnis wegen des positiven Willens des Tankstelleninhabers im Moment des Gewahrsamsverlusts durch Einfließen des Benzins zu einer Bejahung eines Verlustwillens. Dennoch muss der objektiven Theorie willkürliches Walten angelastet werden. Sie versagt gerade in den Paradefällen der Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug, in denen sich, wie bei der Gewahrsamslockerung, mehrere Gebens- wie auch Nehmensakte zusammenfügen.879 Dem Gebensakt ist immer ein Nehmensakt durch den Unberechtigten nachgeschaltet.880 Einem der beiden Akte nun den Vorzug zu geben ist reine Willkür. Hinzu kommt, dass viele Situationen mangels Gedächtnislücken der Beteiligten vor Gericht nicht der Wirklichkeit entsprechend wiedergegeben werden können.881 Die Judikative müsste ihre Entscheidung daher auf eine unsichere Tatsachengrundlage stützen. Dadurch ließen sich Zufallslösungen nicht vermeiden.
877 BGH, NJW 1953, 73 (74); BayObLGSt 1988, 5 (7); Hellmann, in: Krey/Hellmann/Heinrich, Strafrecht Besonderer Teil 2, Rn. 47; Hoyer, in: Systematischer Kommentar, § 263 Rn. 161; Leibrock, Die Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, S. 78; Meister, MDR 1947, 251; Otto, JZ 1993, 559 (562); ders., ZStW 79 (1967), 59 (64 f.); Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (43, 45). 878 Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 96. 879 Ebenso Otto, JZ 1993, 559 (562); ders., Grundkurs Strafrecht, Die einzelnen Delikte, § 40 Rn. 39; vgl. auch die Bedenken bei Meister, MDR 1947, 251. 880 So Mitsch, JZ 1994, 877 (879). 881 Deutlich in OLG Karlsruhe, NJW 1976, 902 (904).
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Gewiss ist auch der in der Arbeit aufgrund der Auslegung des Gesetzes ermittelte subjektive Abgrenzungsweg in der Praxis mit Beweisschwierigkeiten belastet. Dennoch lässt sich, anders als beim Abstellen auf nur objektive Unterscheidungsfaktoren, meist aus den Umständen des Gesamtzusammenhangs die wahre Willenseinstellung des Opfers gegenüber einem Gewahrsamsverlust einfach rekonstruieren. Dass die Sachverhaltsrekonstruktion beim Abstellen auf das äußere Erscheinungsbild ungleich schwieriger als bei dem in der Arbeit vertretenen subjektiven Abgrenzungsweg ist, verdeutlicht der Vergleich anhand eines Beispielfalls aus der Kategorie der Gewahrsamslockerung. Wird in einem Geschäft ein Kleidungsstück nur zur Anprobe übergeben, ist aus den allgemeinen Anschauungen der Gepflogenheiten im Geschäftsverkehr ersichtlich, dass der Verkäufer keinen positiven Verlustwillen hatte. Denn bevor der Kunde nicht eine erkennbare Kaufabsicht äußert, die sich erst im Bezahlen kenntlich macht, liegt kein positiver Verlustwille vor. Unlösbare Konflikte treten hingegen auf, wenn anhand des äußeren Erscheinungsbildes entschieden werden soll. Es ist möglich, dass der Verkäufer dem Täter das Kleidungsstück zur Anprobe ausgehändigt hat, aber auch, dass der Täter es sich genommen hat, bevor der Verkäufer die Anprobe gewähren ließ. Widersprechen sich nun die Aussagen von Zeugen und Täter und kann auch kein weiterer Beweis durch Videoüberwachung eine eindeutige Entscheidung liefern, besteht nur eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, in dem ausgewählten Beschluss richtig zu liegen. Mit diesem Beispiel ist nachgewiesen, dass die Abgrenzungsproblematik auch in der Praxis anhand des Abstellens auf die subjektive Willenseinstellung des Opfers vorzugswürdig gegenüber der mit erheblichen Beweisschwierigkeiten verbundenen äußeren Abgrenzungslehre ist. Das attestiert zum wiederholten Male die Berechtigung der in dieser Arbeit vertretenen subjektiven Abgrenzungslösung. Schließlich wird nicht klar, weshalb ausgerechnet in dieser genannten Fallgruppe der Tankstellenfälle eine Abgrenzung anhand des äußeren Erscheinungsbildes durchgeführt wird, obgleich in allen übrigen Konstellationen882 eine innerlich erfolgende Abgrenzung maßgeblich ist. Damit ist das Abstellen auf die Handlungsrichtung als Entscheidungsfaktor zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug entkräftet. Wegen ihrer schweren Beweisbarkeit werden willkürliche Ergebnisse postuliert. Befriedigende Ergebnisse können demgegenüber nur durch das Abstellen auf die subjektive Willenseinstellung des Opfers erbracht werden, wie sie von der in der Arbeit entwickelten Zwei-Stufen-Prüfung untersucht wird.
882 BGH, NJW 1953, 73; OLG Hamm, NJW 1969, 620 (621); OLG Düsseldorf, NJW 1993, 1407 f.
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2. Abgrenzung nach der visuellen Wahrnehmbarkeit Ein vollständig neuer Vorstoß wurde jüngst von Og˘lakcıog˘lu883 unternommen, der eine Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug anhand der Heimlichkeit der Begehungsweise vornimmt. a) Erläuterung der Ansicht In diesem Lösungsansatz wird ungeachtet der Verbergeart allein darauf abgestellt, ob der Gewahrsamswechsel im Geheimen stattfindet oder nicht. Tenor dieser Auffassung ist, dass die Unterscheidung der Delikte im Bereich des Verbergens und Austauschens bzw. Hinzufügens von Waren in Selbstbedienungsläden anhand der Art und Weise des Verstecks nicht sachgerecht ist. Während bei einem Verbergen meist ein Diebstahl angenommen wird, bejaht ein Teil der Stimmen aus Rechtsprechung und Literatur unter der Annahme eines Verfügungsbewusstseins in dem Fall des Warenaustausches bzw. des Hinzufügens einen Betrug. Die Probleme werden bei dieser Lösung vor allem sichtbar, wenn beim Austausch von Waren eine höherwertige Ware durch eine minderwertige ausgewechselt wird. Hier kommt es zu Strafbarkeitslücken. Da eine Verfügung gegeben ist, entfällt die Strafbarkeit wegen Diebstahls. Mangels Einbuße muss aber auch ein Betrug verneint werden.884 Diese unsachgerechten Ergebnisse kann man nach dieser Auffassung nur durch Anwendung der folgenden Regel vermeiden: Bleibt der Gewahrsamswechsel verdeckt, ist eine trickreiche Wegnahme zu bejahen; andernfalls sind die Voraussetzungen des Betrugs zu untersuchen. Für die dogmatische Herleitung werden zwei Modelle vorgeschlagen, ein tatbestandliches und ein konkurrenzrechtliches: Entweder wird für das Bewusstsein der Vermögensverfügung eine visuelle Wahrnehmung verlangt oder man lässt „den Betrug immer dann als notwendige Vorbereitungstat zurücktreten, wenn der Diebstahl durch Verlassen des Kaufhauses zur Vollendung gelangt“ 885. b) Kritik Auch diese Mindermeinung kann, wie die sonstigen objektiven Abgrenzungsbemühungen, formelle Exaktheit für sich beanspruchen. Sie verkennt aber den Kern des Problems. Ihre Anwendbarkeit scheitert schon daran, dass seit Ende des Mittelalters allgemein anerkannt ist, dass der Diebstahl nicht heimlich begangen werden muss.886 Das ist im Übrigen die Ausgangsthese, auf der die weitere Dif883
JA 2012, 902 (904). Og˘lakcıog˘lu, JA 2012, 902 (904 f.). 885 Og ˘ lakcıog˘lu, JA 2012, 902 (905 Fn. 40). 886 Insofern steht diese Meinung im offenen Widerspruch mit sich selbst. Auf S. 903 aaO. wird die Heimlichkeit des Diebstahls gerade nicht vorausgesetzt. 884
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ferenzierung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug aufbaut. Nur in den Fällen, in denen ein Gewahrsamswechsel offen getätigt wird, sind die Anstrengungen zu einer Trennung aufzunehmen. Es wäre also willkürlich, nur zwecks stichhaltiger Scheidung zum Betrug die Heimlichkeit der Wegnahme zu verlangen. Ferner ist mit den dogmatischen Konstruktionen, die diese Abgrenzungsweise stützen, in Wirklichkeit nichts gewonnen. Wird der Vorgang einer Sachverschiebung visuell wahrgenommen, ist die Entscheidung nach beiden Seiten offen. Wird auch für den Trickdiebstahl notwendig eine Täuschung zugrunde gelegt, fällt die Entscheidung zwischen beiden Delikten nicht eindeutig aus. Auch eine konkurrenzrechtliche Begründung kann die Abgrenzung anhand der Heimlichkeit nicht stützen. Bei einem vollständig verborgenen Gewahrsamswechsel kommt es schon nicht zu einer Täuschung. Ein Betrug muss in diesen Fällen schon tatbestandlich ausscheiden. Falsch ist es daher, erst auf Konkurrenzebene eine Trennung vorzunehmen. Entgegen dieser Ansicht kann auch nicht mehr von einem „Diebstahl bei trickreicher Wegnahme“ 887 gesprochen werden. Eine äußerlich vorgenommene Abgrenzung anhand des Kriteriums der Heimlichkeit überzeugt insgesamt nicht.
II. Abgrenzung anhand der Folgen der Sachverschiebung Neben dem sichtbaren Vorgang wurde zu einer sicheren Abgrenzung eine Idee hervorgebracht, die an die Wirkung des Täterverhaltens anknüpft. So ist ein Teil der Lehre überzeugt von einer Abgrenzung anhand der Ausprägung des Schadens.888 Ausgangspunkt ist der allgemein akzeptierte Grundsatz des umfassenden Vermögensschutzes durch § 263 StGB, der aber näher kategorisiert werden müsse: Die wirtschaftliche Ausrichtung des Betrugstatbestands bringt die wirtschaftliche Orientierung des Verfügungsbegriffs mit sich. Daher genügt es schon nicht, wenn umfassend der Bestand des Vermögens, also entweder seine Einzelteile oder die Summe derselben, unabhängig von Äquivalenten, geschützt wird. Vielmehr darf der Verfügungsbegriff nur solche Verhaltensweisen erfassen, die den wirtschaftlichen Gesamtvermögenswert betreffen. Denn nur hier fließen äquivalente Gegenleistungen in die Schadensberechnung ein. Andernfalls muss bereits jeder Abfluss ohne Berücksichtigung einer Gegenleistung, selbst wenn diese gleichwertig wäre, einen Schaden bedeuten. Das kann aber ausgehend von ei887
So aber Og˘lakcıog˘lu, JA 2012, 902 (905 Fn. 40). So Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 38 ff.; ihm im Wesentlichen folgend Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 88, 113 ff., der allerdings davon abweichend keine endgültige Aussonderung aus dem Vermögen verlangt. 888
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nem Vermögensschutz, der die Dispositionsfreiheit nicht erfasst, nicht gewollt sein.889 Doch nicht nur das. Weiter eingeengt wird nach dieser Ansicht der Verfügungsbegriff durch die gesetzliche Kausalitätsbeziehung zwischen Täuschung und Schaden. Das Herstellen des Ursachenzusammenhangs gelinge nur bei Täuschungen über die Schadenszufügung. Täuschungen, die zwar motivierend, aber nicht schadenskausal seien, genügen nicht. Daher reiche nicht schon jede beliebige Bestandsbeeinträchtigung der Kausalitätsbeziehung zwischen Täuschung und Schaden aus.890 Daraus zieht diese Ansicht folgende für das Verhältnis zwischen Diebstahl und Betrug geltende Konsequenz: Solange der Bestandsschutz des Vermögens durch ein spezielles Bestandsschutzdelikt wie den Diebstahl gewährt ist, greift der Betrugstatbestand nicht ein.891 Auch diese Theorie ist nicht frei von Kritik. Zwar führt sie zu einer strikten Trennung zwischen Zueignungs- und Bereicherungsdelikten.892 Zu Schwierigkeiten kommt es jedoch in dem Bereich, wo eine Sache zwecks Vorbereitung eines Umsatzgeschäfts übergeben wird.893 In den Fällen also, in denen eine Sache vor einem Vertragsabschluss zur Besichtigung überreicht wird, kommt es bei anschließender Entfernung mit der Sache ohne Bezahlung unter Zugrundelegung eines weiten Schadensbegriffs zu einer Betrugs- (und Diebstahls-894)Strafbarkeit des Täters. Der Getäuschte handelte nicht mit dem Ziel, die Sache zu verwahren, sondern einen Wechsel der Berechtigung herbeizuführen. In diesem Fall ist die wirtschaftliche Verwertung tangiert. Mit dieser Vorgehensweise einer Abgrenzung werden die Grundsätze zur Gewahrsamsbestimmung unterlaufen. Im konkreten, als Betrugsfälle gelösten Bereich der Vorbereitung eines Umsatzgeschäfts handelt es sich um die klassische Rubrik der Gewahrsamslockerung. Dort wird nach allgemeiner Ansicht auf Täterseite durch die kurzweilige Überlassung zur Besichtigung zunächst kein Gewahrsam begründet. Es kommt daher nicht zu einem vom Betrugstatbestand vorausgesetzten Vermögensschaden, insbesondere nicht in Form der konkreten Vermögensgefährdung.895 Der Betrugstatbestand kann nicht erfüllt sein. Weiter ist dieser Ansicht vorzuhalten, dass sie zu einem rechtsgeschäftlichen Verfügungsbegriff neigt. Denn das wirtschaftliche Nutzbarmachen, das im Vor889 Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 41 ff. 890 Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 48 ff. 891 Backmann, Die Abgrenzung des Betrugs von Diebstahl und Unterschlagung, S. 64. 892 So auch Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 61. 893 Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 116 f. 894 Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 123. 895 Dazu oben, Kapitel 2: A. III. 2. b) bb) (1) (b).
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dergrund für die Einschlägigkeit des Betrugstatbestands steht, geht meist mit dem Abschluss von Rechtsgeschäften einher. Ein rechtsgeschäftlicher, veralteter Verfügungsbegriff ist allerdings mit der daraus folgenden Verengung des Verfügungsmerkmals nicht vereinbar. Insbesondere widerspricht diese rechtliche Einschränkung dem faktischen Charakter des schädigenden Eingriffs.896 Schließlich ist es methodologisch falsch, den Schaden an die Verfügung zu heften, bleibt damit doch die Wertung des Gesetzes unberücksichtigt, zwischen der Minderung als Erfolg der selbstschädigenden Verfügung und dem Schaden als tatbestandsmäßigem Enderfolg zu trennen.897 Indem von vornherein für die Verfügung nur ein Schaden verlangt wird, eine Wertminderung aber nicht genügt, wird diese Trennung übergangen. Darüber hinaus ist der generelle Vorrang des Diebstahls für eine Vermögensaussonderung gegenüber dem Betrug nur schwer vermittelbar.898 Weder der Wortlaut noch die Gesetzessystematik lassen die Ausgestaltung des Betrugstatbestands als Auffangnorm für den Diebstahl erkennen. Zuletzt ist dieser Sichtweise zu unterstellen, die Tatbestandsmäßigkeit des Betrugs an das Entfallen des Diebstahls zu koppeln, was der Technik der Abgrenzung widerspricht, wie bereits mehrfach ausgeführt wurde. Insgesamt kann die Ansicht, die den Trickdiebstahl und den Gewahrsamsbetrug anhand der Folgen der Sachverschiebung unterscheiden will, zu keinen befriedigenden Ergebnissen führen. Sie ist abzulehnen.
III. Abgrenzung auf Konkurrenzebene Abgesehen von den Stimmen, die wegen der Annahme eines wesensmäßigen Nebeneinanders sowohl eine tatbestandliche als auch Gesetzeskonkurrenz konsequent ablehnen899, vertritt eine Mindermeinung900 den Trickdiebstahl gegenüber dem Gewahrsamsbetrug auf Konkurrenzebene abzugrenzen. 896 RG, JW 1926, 586; RG, JW 1928, 2235 f.; BGHSt 14, 170 (171); Dreher, GA, 1969, 56 (58); Gallas, in: Festschrift für Eberhard Schmidt, S. 401 (421); Hefendehl, in: Münchener Kommentar, § 263 Rn. 235; Hohmann/Sander, Strafrecht Besonderer Teil I, § 11 Rn. 52; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 198; Mitsch, Strafrecht Besonderer Teil 2/1, § 7 Rn. 64; Pröll, JW 1928, 2235; Rönnau, JuS 2011, 982; Samson, JA 1978, 564; Schröder, ZStW 60 (1941), 33 (52); Tiedemann, in: Leipziger Kommentar, § 263 Rn. 99. 897 Dazu Kapitel 2: A. III. 2. cc) (2). 898 Vgl. auch die Kritik Herzbergs, ZStW 89 (1977), 367 (371 ff.). 899 KG, DStR 4 (1937), 57; OLG Düsseldorf, GA 1961, 348 (350); Gössel, Strafrecht Besonderer Teil 2, § 21 Rn. 135; Herzberg, ZStW 89 (1977), 367 (374, 384); Huschka, NJW 1960, 1189 (1190); Joecks, Zur Vermögensverfügung beim Betrug, S. 122, 137; Kindhäuser, in: Nomos Kommentar, § 263 Rn. 207; Miehe, Unbewußte Verfügungen, S. 9 ff., 12 ff.; Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, S. 243; Puppe, Idealkon-
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Kap. 4: Die Bedeutung weiterer Abgrenzungsvorschläge
Gemeinsamer Ausgangspunkt ist die Überzeugung, dass die Kriterien aus der Notwendigkeit der streitbaren Exklusivität abgeleitet wurden und mit einer unnötigen Verkomplizierung des Betrugsstrafrechts einhergehen.901 Es wird daher vorgeschlagen, die ungeschriebenen Abgrenzungskriterien entweder weit auszulegen902 oder gänzlich auf sie zu verzichten903. Daher werden alle Handlungen, die im weitesten Sinne zur Sachverschiebung beigetragen haben, als Verfügung begriffen. Die hier vorgeschlagene Lösung besteht nun darin, auf das Verfügungsbewusstsein sowie Unmittelbarkeitskriterium als Ausprägungen der Entweder-oderLösung zu verzichten und ein tatbestandliches Nebeneinander von Wegnahme und Verfügung zuzulassen. Eine Trennung sei im Nachhinein auf Konkurrenzebene vorzunehmen. An einer frühzeitigen Abgrenzung bestehe ebenso wenig eine Notwendigkeit wie an der Vorgabe der Exklusivitätsthese.904 Ein tatbestandliches Nebeneinander von Fremd- bzw. Selbstschädigung ist allerdings aus logischen Gesichtspunkten nicht möglich. Das wurde bereits905 dargelegt. Überdies kollidiert diese Ansicht mit dem der allgemeinen Strafrechtsdogmatik zu entnehmenden Zurechnungsprinzip. Das hiesige Strafrecht, das von der herrschenden Äquivalenztheorie gesteuert ist und wie die vorgestellte Ansicht von der prinzipiellen Gleichwertigkeit aller zu dem Erfolg führenden Bedingungen ausgeht, wird durch die Zurechnungslehre ergänzt. Danach kann nur derjenige Urheber einer zurechenbaren Handlung sein, dem diese auch als sein Werk angerechnet werden kann, weil er eine rechtliche relevante Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandsmäßigen Erfolg realisiert hat.906 kurrenz und Einzelverbrechen, S. 343 ff.; Stuckenberg, ZStW 118 (2006), 878 (902); Walter, Betrugsstrafrecht in Frankreich und Deutschland, S. 191 f., 222 f., 231. 900 Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1233 ff.; Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 78 ff.; O. H. Schmitt, Die Vermögensverfügung beim Betrug, S. 71 f.; unentschlossen Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 70, 74, 76, 78, 80, der diese Abgrenzungsweise zwar für die dogmatisch richtige hält, aber mangels Lösungswegs wieder zu der alten Faustregel zurückkehrt, nach der die Problematik durch das Prüfen des § 242 StGB vor § 263 StGB ohnehin oft hinfällig wird; offengelassen von Rotsch, ZIS 2008, 132 (136 Fn. 39). 901 Arzt, in: Arzt/Weber/Heinrich/Hilgendorf, Strafrecht Besonderer Teil, § 20 Rn. 80; Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1234; Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 44 ff.; Rotsch, ZIS 2008, 132 (136). 902 So offenbar Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 68 bezüglich der Unmittelbarkeit. 903 Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1234; ebenso Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 51 f. bezüglich des Verfügungsbewusstseins; O. H. Schmitt, Die Vermögensverfügung beim Betrug, S. 64 ff. 904 Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1234; Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 44 ff. 905 Kapitel 1: A. II. 2. 906 Wessels/Beulke, Strafrecht Allgemeiner Teil, Rn. 179.
A. Einzelne Abgrenzungsvorschläge aus Rechtsprechung und Literatur
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Diese Formel zählt zu den unbestrittenen schriftlich nicht fixierten Grundstrukturen des deutschen Strafrechts. Zu den Zurechnungsgesichtspunkten gehören nicht nur die gefahrbegründenden Umstände, sondern auch die Negativeinwände, die eine Zurechnung unmöglich machen. Darunter fällt insbesondere das oben907 erläuterte Dazwischentreten eines Dritten in den Fällen der Gewahrsamslockerung. Das Umschlagen der Gefahr durch die Täuschung des Täters in den Erfolg konnte widerlegt werden. Die Gefahr konkretisiert sich erst durch das weitere nicht täuschende Verhalten des Täters. Dadurch kann der Täter allein wegen Trickdiebstahls, nicht auch wegen Gewahrsamsbetrugs bestraft werden. Begnügt man sich dagegen mit dem Kausalitätserfordernis, wie die Vertreter der Konkurrenzlehre, wird die Regel der objektiven Zurechenbarkeit des Erfolgs missachtet. Eine weitere Schwäche dieser Ansicht ist das Hinauszögern der Entscheidung über die Bestrafung wegen Trickdiebstahls oder Gewahrsamsbetrugs. Selbst wenn keine tatbestandliche Scheidung stattfindet, so doch eine konkurrenzrechtliche. Es stellt sich somit die Frage, wie eine Abgrenzung auf Konkurrenzebene ohne das geltende Exklusivitätsdogma auszusehen hat. Dafür wird allerdings keine hinreichend begründete Lösung präsentiert. Insbesondere kann nicht aufgrund des Vorliegens einer Täuschung, die nur der Betrugstatbestand abverlangt, unterschieden werden, um so im Wege der Konsumtion einen Rücktritt des Diebstahls gegenüber dem Betrug zu erreichen.908 Wegen einer tatbestandsmäßigen Täuschung auf den Ausschluss eines Diebstahls zugunsten eines Betrugs zu schließen negiert die allgemein anerkannte Verwirklichungsform des Diebstahls mittels Tricks. Darüber hinaus wird vorgeschlagen, die Gesetzeskonkurrenz in den Fällen der Gewahrsamslockerung grundsätzlich anhand der Straflosigkeit der Vortat, nämlich des Betrugs zu lösen und den Täter wegen Diebstahls zu bestrafen. Als Grund wird die bloße Vermögensgefährdung genannt, die durch den Betrug eintritt, während erst der Diebstahl den konkreten Schaden herbeiführt. Das gilt nach dieser Ansicht aber nur, solange sich der Tätervorsatz auf eine bestimmte Sache spezialisiert hat. Hat sich der Wille dagegen nicht auf die Entwendung bestimmter Sachen individualisiert, liegt demnach Realkonkurrenz vor. Wegen der größeren Menge der potentiell zu verletzenden Vermögenspositionen ist im letzten Fall von einer Strafbarkeit wegen Betrugs auszugehen.909 Auch diese Abgrenzungsweise verfängt nicht, da sie auf den zufälligen Vorstellungen des Täters basiert. Zudem führt sie zu Beweisschwierigkeiten, da der Täter selbst oft keine sichere Aussage darüber treffen kann, ob er nur auf den Erhalt bestimmter oder beliebiger Dinge abzielte. 907
Kapitel 3: B. I. So aber Hellriegel, Versuch einer Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl, S. 79 ff. 909 O. H. Schmitt, Die Vermögensverfügung beim Betrug, S. 71 f. 908
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Kap. 4: Die Bedeutung weiterer Abgrenzungsvorschläge
Zuletzt wird von einer anderen Stimme der „Schwerpunkt der Schadensverursachung“ 910 ins Feld geführt. Demnach verdrängt aus Subsidiaritätsgründen der Betrug den Diebstahl, sofern das Opfer schwerpunktmäßig den Gewahrsamswechsel herbeigeführt hat. Umgekehrt tritt der Betrug im Wege der Subsidiarität zurück, wenn dem Täter der schädigende Akt hauptsächlich anzulasten ist. Dennoch kann diese Abgrenzungstheorie keine punktgenaue Scheidung beider Tatbestände leisten. In dem dort angeführten Beispielfall des Verbergens von Waren in Einkaufswagen durch Zeitschriften gelingt dies ausnahmsweise nur deshalb, weil es an der Wahrnehmung der Beute und damit an einem verhaltenserheblichen Akt in Bezug auf die Sache durch das Kassenpersonal fehlt. Der Täter begeht einen Diebstahl. In den Fällen des Hinzufügens von Waren in der Verpackung einer anderen Ware ist, da das Kassenpersonal die Sachverschiebung selbst vornimmt, von einem Betrug auszugehen. In den Konstellationen der Gewahrsamslockerung aber versagt bereits diese Methode, da hier mehrere Faktoren kumulativ zum Schadensereignis beitragen. In dem genannten „Brieftaschen“-Fall sind das Weggeben der Geldbörse durch den Berechtigen ebenso wie das Entfernen durch den Täter gleichermaßen schwerwiegend. Eine Schwerpunktsetzung wäre hier willkürlich. Schließlich wird anhand der gegenübergestellten Fälle des Verbergens im Einkaufswagen und des Hinzufügens in eine Verpackung deutlich, dass dieses Schema auf Konkurrenzebene einer abzulehnenden faktischen Betrachtungsweise verfällt. Auch hier sind die Contra-Argumente des vorstehenden Alternativvorschlags911 zu einer Abgrenzung anhand des äußeren Erscheinungsbildes anzuführen. Insgesamt überzeugt auch eine konkurrenzrechtliche Differenzierung nicht. Sie ist nicht nur dogmatisch nicht begründbar, sondern auch in praktischer Hinsicht nicht zielführend.
B. Fazit Auch die alternativen Differenzierungslösungen, die Rechtsprechung und Literatur neben den ungeschriebenen, aus dem Begriff der Vermögensverfügung abgeleiteten Abgrenzungskriterien vorschlagen, können nicht befriedigen. Zunächst scheitert eine Abgrenzung anhand des äußeren Geschehensablaufs in den Fällen multikausaler Verhaltensstränge, in denen Geben bzw. Nehmen nicht auseinanderzuhalten sind. Ferner ist das äußere Abstellen auf die Heimlichkeit angesichts der Notwendigkeit eines Kommunikationsaktes für die Abgrenzungseröffnung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug widersinnig. Schließlich ist der weitere Lösungsvorschlag, der auf die wirtschaftlichen Auswirkungen des Täterverhaltens abstellt, wegen seiner Nähe zu dem überholten rechtsge910 911
Heghmanns, Strafrecht für alle Semester, Rn. 1235. Kapitel 4: A. I. 1. b).
B. Fazit
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schäftlichen Verfügungsbegriff abzulehnen. Ferner kann er gerade in den kollisionskritischen Fällen der Gewahrsamslockerung keine genaue Unterscheidung treffen. Außerdem vermischt er die Minderung als Erfolg der Verfügung mit dem Schadensmerkmal. Überdies ist nicht einzusehen, weshalb der Diebstahl Vorrang gegenüber dem Betrugstatbestand genießen soll. Zuletzt schafft auch die Konkurrenzlösung keine befriedigenden Ergebnisse. Sie verstößt nicht nur gegen die Exklusivitätsthese, sondern setzt sich über die allgemein anerkannte Zurechnungslehre hinweg. Darüber hinaus versagen die Theorien über die Art und Weise der Abgrenzung auf Konkurrenzebene. Für die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug sind diese weiteren außergesetzlichen Abgrenzungstheorien unbedeutend. Daher bleibt es bei dem in der Arbeit durch Auslegung des Gesetzes selbst entwickelten Abgrenzungsmodell der Zwei-Stufen-Prüfung.
Zusammenfassung und Ausblick Am Anfang der Untersuchung stand die Frage, ob und wie die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Betrug in Zweipersonenverhältnissen funktioniert. Dabei verfolgte die Arbeit das Ziel, kollisionskritisches Fallmaterial auf ein Minimum an Problemkreisen zu reduzieren, eine strafrechtlich dogmatisch überzeugende Abgrenzungslösung zu präsentieren und unnötige Unsicherheiten zu beseitigen. Ein geschichtlicher Rückblick hat einleitend gezeigt, dass bereits in den Anfängen der Rechtsentwicklung Unsicherheiten beim Auseinanderhalten der Delikte des Diebstahls und Betrugs bestanden. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts hat sich dieses Verhältnis gewendet, da man phänomenologische Strukturunterschiede erkannte. Der Diebstahl als Fremdschädigungsdelikt wird seit jeher als eigenmächtiges Zugreifen auf eine Sache angesehen, bei dem es auf die Mitwirkung des Berechtigten nicht ankommt. Der Betrüger hingegen ist stets an eine andere sich selbst schädigende Person gebunden, die er durch Täuschung zu einer Vermögensfreigabe bewegt. Heute ist man sich einig, trotz der Ähnlichkeiten unter dem Dach des Exklusivitätspostulats strikt zwischen den beiden für die Strafrechtswirklichkeit bedeutendsten Delikten trennen zu müssen. Das folgt aus den gegenläufigen Wesenszügen beider Deliktgruppen, hat aber auch Gründe praktischer Art. Über die Mittel der Abgrenzung wird lebhaft gestritten. Von vornherein auszuschließen ist allerdings eine frühe Abgrenzung bereits auf Rechtsgüterebene. Dort ist, wie im ersten Kapitel gezeigt, schon mangels überschneidungsfreien Raums zumindest bei wirtschaftlich wertvollen Dingen keine eindeutige Unterscheidung möglich. Erst auf Tatbestandsebene kann wegen der sich widersprechenden Arten des deliktischen Angriffs bei Diebstahl und Betrug eine Unterscheidung getroffen werden. Das zweite Kapitel dieser Arbeit beschäftigte sich mit der Frage, ob eine hinreichend zufriedenstellende Differenzierung, wie nach der herkömmlichen juristischen Arbeitstechnik zugrunde gelegt, nicht bereits über das Gesetz selbst erreicht werden kann. Dieser eingeschlagene Weg setzte eine profunde Auslegung der relevanten Merkmale beider objektiven Tatbestände voraus. Dabei war es wichtig, Täter- und Opferverhalten der jeweiligen Tatbestände getrennt voneinander zu prüfen. Insbesondere wurde darauf geachtet, losgelöst von dem Ziel eines sinnvollen Abgrenzungskonzepts, die einzelnen Kriterien inhaltlich so stichhaltig wie möglich zu bestimmen.
Zusammenfassung und Ausblick
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Aufmerksamkeit verdiente innerhalb der eigenen Auslegung des Gesetzes im Rahmen des Täterverhaltens des Diebstahls namentlich der Gewahrsamsbegriff als Bestandteil der Wegnahme, dem eine zentrale Rolle bei der Abgrenzung gebührt, kommt es doch auf den Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts für die weitere Differenzierung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug an. Als Ergebnis der Auslegung des Täterverhaltens eines Diebs ist die inhaltliche Weite des Täterverhaltens festzuhalten. Denn das Wegnahmeverhalten ist weder aus etymologischer Sicht noch in praktischer Hinsicht einer Begrenzung zugänglich. Daher konnte der Diebstahl als reines Verursachungsdelikt charakterisiert werden. Das führte konkret für die hiesige Abgrenzungslösung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug zu folgenden Konsequenzen: Erstens sind die äußerlich erkennbaren Geschehensabläufe unbeachtlich. So ist es einerlei, ob der Täter die Sache durch ein Nehmen oder Geben erlangt. Zweitens werden dadurch insbesondere auch Täuschungen inkludiert, die den Erfolg der Wegnahme in Gestalt des Gewahrsamswechsels bedingen. Damit konnte die Figur des Trickdiebstahls als eine Begehungsform des § 242 StGB dogmatisch legitimiert werden. Zuletzt gewann die Arbeit unter der Konkretisierung der Tathandlung des Diebstahls Rückschlüsse auf die Bestimmung des Zeitpunkts des Gewahrsamswechsels. Der Gewahrsamswechsel, der wegen der Weite der möglichen Begehungsformen der Wegnahme grundsätzlich in einem frühen Stadium der Tatbegehung verwirklicht sein kann, tritt in der besonderen Form des Trickdiebstahls in der Regel schon nicht mit einem Ergreifen der Sache entsprechend dem von der herrschenden Ansicht verfolgten Gedanken der Apprehensionstheorie ein. Vielmehr gebietet das mehrfachkausale Zusammenwirken von Täter- und Opferverhalten nach sozialnormativer Sicht in diesem Fall ein Hinauszögern des Vollendungszeitpunkts. Auf Betrugsseite war durch eigene Auslegung des Gesetzes für das Täterverhalten festzustellen, dass nur ein restriktiver Umgang mit den dortigen Merkmalen dem Bestimmtheitsgrundsatz aus Art. 103 Abs. 2 GG gerecht wird. Namentlich gilt dies für konkludente Täuschungen. Insbesondere ist der herrschenden Ansicht, die den Inhalt der Figur der konkludenten Täuschung aus Rechtsverstößen ableitet, eine Absage zu erteilen. Sie führt in dieser Form zu einer Übernormativierung des Betrugstatbestands. Da bei der normativen Ableitung der Konkludenz positive Täuschungen wegen eines Regelverstoßes bejaht werden, obwohl die Voraussetzungen einer Täuschung durch Unterlassen von dem Täterverhalten nicht erfüllt werden, liegt in dieser Vorgehensweise ein Verstoß gegen das Analogieverbot, der verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar ist. Einzig verfassungskonform ist das Ableiten des Inhalts konkludenten Verhaltens unter einer faktischkonkreten Betrachtungsweise, nach der nur das konkludent erklärt wird, was als direkte Negativtatsache aus dem positiven Täterverhalten hervorgeht. Dieser wesentliche Grundsatz ist Ergebnis der eigenen Auslegung des Gesetzes. Die restriktive Tendenz auf intellektueller Ebene setzt sich nach eigenen Untersuchungen auch in dem Irrtumsmerkmal fort. So ist ein weiteres Ergebnis der
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Zusammenfassung und Ausblick
Auslegung die Begrenzung des Irrtumsbegriffs auf tatsächliche menschliche Fehlvorstellungen. Deshalb werden geistige Nichtleistungen wie die Konstellation der Ignorantia facti im Einklang mit der herrschenden Ansicht von dem Irrtumsmerkmal nicht erfasst. Konsequent muss diese Prämisse nun entgegen der herrschenden Ansicht auch auf die Vorstellung, dass „alles in Ordnung sei“, sowie auf die Figur des sachgedanklichen Mitbewusstseins angewendet werden. Diese beiden sind, wie die Auslegung nachgewiesen hat, keine positiven Gedankenprozesse, die an die Täuschung kausal anknüpfen, was der Gesetzeswortlaut aber verlangt. Insbesondere beinhaltet einerseits die Vorstellung, „dass alles in Ordnung sei“, lediglich eine unspezifische Hoffnung. Andererseits erfüllt auch die Figur des sachgedanklichen Mitbewusstseins als bloßes peripheres Begleitwissen ohne konkreten Bezugspunkt nicht die durch Auslegung ermittelte Anforderung an einen Irrtum als positive Fehlvorstellung. Vielmehr enttarnte die Arbeit beide Vorstellungsarten als reine Instrumente der fiktiven Irrtumszurechnung, um in Fällen konkludenter Täuschungen zu einer wünschenswerten Strafbarkeit zu gelangen. Diese durch Auslegung ermittelten Ergebnisse dienten als Grundlage für die später in der Arbeit entwickelte Abgrenzungslösung. Wegen der durch die eigene Gesetzesauslegung festgestellten Gebotenheit einer engen Bestimmung hinsichtlich Inhalt und Intensität der gesetzlichen Merkmale konnte eine Limitierung der tatsächlich abgrenzungsbedürftigen Fälle erreicht werden. So fallen nach eigenen Ergebnissen mangels Täuschung und Irrtums viele Situationen bereits auf rein formeller Ebene aus dem Bereich abgrenzungsrelevanter Fälle heraus. Das gilt namentlich für die Fälle der Warenentwendung aus Selbstbedienungsläden, in denen Waren versteckt, verborgen, hinzugefügt oder umetikettiert werden sowie die Wechselgeldfälle und die Beschlagnahmefälle. Sämtliche genannten Fallgruppen, die von der herrschenden Ansicht als kollisionskritisch betrachtet werden, sind in der Regel bereits von vornherein aus dem Feld der Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug auszusondern. Aufgrund der Auslegungsergebnisse konnte die den Trickdiebstahl und Betrug kennzeichnende Täuschung dagegen nur in den Fallkonstellationen des vollständigen Austausches von Waren, der Gewahrsamslockerung und der Ermöglichungskonstellationen bejaht werden. Nur hier ist eine Abgrenzung nach den in der Arbeit entwickelten Grundsätzen überhaupt eröffnet. Damit ist das Ziel der Bereinigung kollisionskritischen Fallmaterials erreicht worden. Als weiteres Ergebnis der eigenen Auslegung hat sich als neuralgischer Punkt vor allem der innere Wille des Opfers im Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts erwiesen. Dieser in der Arbeit bezeichnete Verlustwille ist von dem vor dem Gewahrsamsverlust bestehenden Gewahrsamswillen notwendig zu trennen. Bis heute verkennt die herrschende Ansicht eine Trennung dieser beiden Willenskategorien und vermischt sie. Das führt nicht nur in der praktischen Fallanwendung zu falschen Ergebnissen, wie durch den „Winkelschleifer“-Fall und „Kopiergerät“-Fall belegt, sondern ist auch dogmatisch zu beanstanden. Denn beide Wil-
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lenskategorien beziehen sich auf unterschiedliche Momente und können daher verschiedene Inhalte haben. Nicht das objektiv sichtbare Täterverhalten und dessen Wille dazu, sondern die innere Willenseinstellung des Opfers im Zeitpunkt des Gewahrsamsverlusts entscheidet maßgeblich über das Schicksal der Strafbarkeit des Täters. Dabei dürfen an das Opferbewusstsein, das auf Seiten des Trickdiebstahls tatbestandsausschließend wirkt, während es auf Seiten des Gewahrsamsbetrugs konstitutives Element ist, keine überzogenen Forderungen gestellt werden. Während die Diebstahlsstrafbarkeit an eine negative Willenseinstellung des Opfers bezüglich der Herrschaft an der Sache anknüpft, genügt es für die Betrugsstrafbarkeit, wenn der Berechtigte willentlich und wissentlich eine Sache, die seiner Herrschaftsgewalt unterliegt, verliert. Diese besondere Bewusstseinsform wurde von der Arbeit als herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein bezeichnet. Ferner müssen der negative Wille des Opfers im Rahmen des Trickdiebstahls wie auch der positive Wille des Betrugsopfers jeweils im Moment des Gewahrsamsverlusts vorhanden sein. Dagegen spielen weder der Wille vor dem Gewahrsamsverlust noch spätere Willensinhalte nach dem Gewahrsamsverlust eine Rolle. Auf den Willen vor dem Gewahrsamsverlust, also im Zeitpunkt der bloßen Gewahrsamslockerung kann es mangels Verfügungserfolgs, der in der Vermögensminderung zu sehen ist, nicht ankommen. Aber auch spätere Willensinhalte betreffen lediglich die Rechtsfolgenseite nach dem Gewahrsamsverlust, die für die Entscheidung über die bloße Herrschaftsüberlassung unbeachtlich sind. Ausgehend von der genauen Untersuchung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale unter Zuhilfenahme der Wesensvoraussetzungen beider Delikte ergab sich der Befund, dass ein Ausschlussverhältnis bereits im Gesetz veranlagt ist. Eine Gesetzeslücke ist nicht feststellbar. Das Gesetz selbst gibt die Richtung der einzig wahren Abgrenzungslösung vor. Durch die sinnvolle Verknüpfung der durch die eigene Auslegung ermittelten Ergebnisse konnte die Arbeit ein anhand der einschlägigen Fälle verifiziertes Abgrenzungsmuster entwickeln, die sogenannte Zwei-Stufen-Prüfung, die als Leitmodell einer systematisch-geschlossenen und vereinfachten Prüfung gilt. Besteht die Vermutung einer drohenden Kollision beider Tatbestände, deckt dieses vorgestellte Modell die formelle Eröffnungsfrage der Abgrenzung mit anschließender materieller Abgrenzungsprüfung ab. Die erste Stufe der formellen Eröffnung der Abgrenzung besteht aus der Prüfung des Tatobjekts, der Täuschung und des Irrtums. Innerhalb dieser beiden letztgenannten Elemente kommt die durch Auslegung ermittelte restriktive Tendenz zum Tragen. Im Rahmen der zweiten Stufe findet die materielle Abgrenzung statt. Hier wird in einem ersten Prüfungsschritt zunächst die Gewahrsamssituation in der Ausgangslage geprüft. Ihm folgt die Feststellung des Zeitpunkts des Gewahrsamsverlusts, bevor, wie in der Arbeit ausgeführt, zum Schluss nach dem Willen im Moment des Gewahrsamsverlusts, dem von der Arbeit bezeichne-
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ten Verlustwillen, gefragt wird. Ergebnis ist entweder das Vorliegen eines Trickdiebstahls oder eines Gewahrsamsbetrugs. Im Anschluss daran sind die für den jeweils einschlägigen Tatbestand im Weiteren geltenden Tatbestandsvoraussetzungen zu prüfen. Der so gefundene Abgrenzungsweg kann für sich den Anspruch der Neuwertigkeit erheben. Er erfolgt zwar in manchen Teilen in Übereinstimmung mit den von der herrschenden Ansicht aufgestellten Prinzipien, baut aber im Unterschied dazu nicht auf kriminalpolitischen, abgrenzungstaktischen Gründen auf. Vielmehr ergab sich durch die eigene Auslegung des Gesetzes selbst eine hinreichend genaue Differenzierungsmöglichkeit zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug. Diese in der Arbeit gefundenen Erkenntnisse dienen als Grundpfeiler einer konsequenten, gesetzesimmanenten Differenzierung. Durch logische innere Verknüpfung und Sortierung dieser Grundsätze konnte ein stimmiges Gesamtpaket geschnürt werden. Dieser geordnete Abgrenzungsweg überzeugt durch eine gesetzestreue Subsumtion der Tatbestandsmerkmale. Damit ist auch das Ziel einer dogmatisch korrekten und konsequenten Abgrenzung erreicht. Im dritten Kapitel wurde die Bedeutung der von der herrschenden Ansicht verwendeten ungeschriebenen Abgrenzungskriterien des Verfügungsbewusstseins, der Unmittelbarkeit und der Freiwilligkeit erörtert. Dabei wurden die Lösungen in Rechtsprechung und Literatur zunächst umfassend in verfassungsrechtlicher und dogmatischer Weise gewürdigt. Die dort herausgestellten verfassungsrechtlichen und dogmatischen Ungereimtheiten bestätigten sich auch in der praktischen Anwendung, in der die Lösungen der Ansichten aus Rechtsprechung und Literatur den aus der Gesetzesauslegung ermittelten Grundsätzen gegenübergestellt wurden. Als Ergebnis ist herauszustellen, dass eine Lückenfüllung außerhalb des Gesetzes nicht nur falsch, sondern darüber hinaus auch in der konkreten Fallanwendung untauglich ist. Im Rahmen der verfassungsrechtlichen Prüfung des Verfügungsbewusstseins konnte insbesondere seine Nichtvereinbarkeit mit dem Gesetz wegen des Übergehens des Irrtumsmerkmals nachgewiesen werden. Damit liegt in dem Erfordernis des Verfügungsbewusstseins eine unzulässige teleologische Reduktion, die gegen den Bestimmtheitsgrundsatz und das Gewaltenteilungsprinzip verstößt. Wegen der Verletzung der in Art. 103 Abs. 2 GG und Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Prinzipien ist das Verfügungsbewusstsein in verfassungsrechtlicher Hinsicht abzulehnen. Des Weiteren konnten Inkonsequenzen in dogmatischer Hinsicht nachgewiesen werden. Vor allem überzeugt die gespaltene Anwendung dieses Kriteriums nur in den Sonderfällen des Gewahrsamsbetrugs nicht. Außerdem widerspricht gerade die subjektive Erfolgsgebundenheit des Verfügungsbewusstseins der Tatbestandsstruktur des Betrugs als verhaltensgebundenes, erfolgskupiertes Delikt. Zuletzt erwies sich die Verwendung des Verfügungsbewusstseins in Form
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eines Erfolgsbewusstseins in der praktischen Falllösung als untauglich und mit dem Wesen des Betrugs nicht vereinbar. In dogmatischer Hinsicht spricht entscheidend gegen die Verwendung des Unmittelbarkeitskriteriums zunächst die Unsicherheit hinsichtlich seiner Definition. Insbesondere zeigte sich, dass es gerade in den mehrfachkausalen Fallkonstellationen wie der Gewahrsamslockerung nicht zielführend ist. Ferner liegt der Prüfung dieses Merkmals in einer dieser Inhaltsdeutungen ein Zirkelbeweis zugrunde. Schließlich konnte nachgewiesen werden, dass das Unmittelbarkeitskriterium ein bloßes Zurechnungsinstrument ist, das an die Stelle der allgemeinen Kausalitätsgesetze in Verbindung mit der objektiven Zurechnungslehre tritt. Weiterhin wurde die Tauglichkeit der Unmittelbarkeit in den auf sie anzuwendenden Fallgruppen der Gewahrsamslockerung, der Ermöglichungskonstellationen und der Wechselgeldfälle widerlegt. Vor allem zeigte der konkrete Vergleich zwischen dem „Brieftaschen“-Fall und dem „Mobiltelefon“-Fall auf, dass sie nicht konsequent angewendet wird. Auch der Begriff der Freiwilligkeit überzeugt wegen seiner uneinheitlichen Verwendung nicht. So wird im Rahmen von Zwangslagen die Freiwilligkeit nach Belieben bejaht oder verneint. Ferner führt das Freiwilligkeitselement nur in den Fällen des Gewahrsambetrugs, nicht hingegen in den Fällen des Forderungsbetrugs zu sinnvollen Lösungen. Diese inkonsequente Anwendbarkeit führt zu Strafbarkeitslücken. Zudem führt sie wegen ihrer psychischen Ausrichtung zu Unschärfen. Außerdem haftet die Freiwilligkeit in ihrer von der herrschenden Ansicht verwendeten Definition den Selbstschädigungsdelikten, worunter auch der Betrugstatbestand fällt, schon wesensmäßig nicht an. Auch ein Vergleich mit dem zivilrechtlichen Begriff des Abhandenkommens, der in den Beschlagnahmefällen entgegen der herrschenden Ansicht im Strafrecht nicht grundsätzlich von unfreiwilligem Opferhandeln ausgeht, spricht dafür, die Unfreiwilligkeit nicht als Merkmal der Beschlagnahmefälle zu sehen. Überdies konnte sie als Instrument einer interessengeleiteten Entscheidungsfindung enttarnt werden. Zuletzt ist auch das Freiwilligkeitskriterium in der praktischen Falllösung nicht zielführend. Schließlich wurde seine fehlende Anwendbarkeit für die Beschlagnahmefälle nachgewiesen, die mangels Täuschungs- und Irrtumskausalität für eine Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug ausscheiden. Abschließend lassen diese drei angeblichen Abgrenzungsmerkmale wegen der damit verbundenen Unsicherheiten eine einheitliche Musterlösung vermissen. Insbesondere ist an den bisherigen Differenzierungslösungen aus Rechtsprechung und Literatur zu beklagen, dass sie keine saubere Begründungsstruktur verfolgen. Die sogenannten Lösungsvorschläge erfüllen weniger den Grundgedanken eines fragmentarischen Strafrechtsschutzes, sondern dienen vordergründig dem verschleierten Ziel einer zwanghaften, lückenlosen Abgrenzung. Mehr noch: Die hier als tatbestandsbeschränkende Abgrenzungskriterien eingesetzten Stereotypen
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des Verfügungsbewusstseins, der Unmittelbarkeit und Freiwilligkeit geraten in Widerstreit zu dem Betrugstatbestand, indem sie ihn uneinheitlich interpretieren. Es konnte bewiesen werden, dass die ungesetzlichen Abgrenzungsmerkmale allesamt ihre Wirkweise verfehlen. Die Entwertung der genannten ungeschriebenen Kriterien bedeutet gleichzeitig eine Bestätigung für die hier entwickelte Abgrenzung allein aufgrund des Gesetzes. Im Gegensatz zu den ungeschriebenen Abgrenzungskriterien hat sich im Rahmen dieser Erörterung die Stringenz der durch die Auslegung des Gesetzes selbst zusammengeführten Grundsätze, die in dem Zwei-Stufen-Prüfungsmodell verkörpert sind, bestätigt. Insbesondere sind die subjektiven Kriterien des Verfügungsbewusstseins und der Freiwilligkeit durch den in der Arbeit entwickelten gesetzestreuen Maßstab des herrschaftsbezogenen Verlustbewusstseins zu ersetzen. Die Möglichkeiten alternativer Abgrenzungskonzepte wurden im vierten Kapitel der Arbeit vorgestellt. So vertreten einzelne Mindermeinungen aus Rechtsprechung und Literatur eine Abgrenzung anhand objektiver Kriterien bzw. der Folgen der Sachverschiebung auf Tatbestandsebene. Andere wiederum meinen, nur auf Konkurrenzebene zu einer sinnvollen Differenzierung zu gelangen. Ihre vorgegebene Eigenschaft, eine zielgenaue Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug zu erringen, konnte für ebendiese Theorien widerlegt werden. Als Schlussergebnis ist festzuhalten, dass eine klare Abgrenzung nur über das Mittel der gesetzestreuen Anwendung des Diebstahls- bzw. Betrugstatbestands selbst erreicht werden kann. Das Abgrenzungsgerüst bestehend aus ungeschriebenen Abgrenzungskriterien bricht aufgrund seiner erwiesenen Schwachstellen in sich zusammen. Unter Einhaltung der hier aufgezeigten Grenzen der Tatbestände ist eine Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug schon gesetzlich gewährleistet. Mit dieser gesetzlichen Abgrenzungslösung konnten alle der drei einleitend gesetzten Ziele erreicht werden: Erstens konnte allein aufgrund der Auslegung des Gesetzes ein strukturiertes Abgrenzungskonzept entwickelt werden. Zweitens trat eine Entlastung der Abgrenzung durch die Bereinigung kollisionsbedürftiger Fallgruppen ein. Zuletzt erreichte die Untersuchung durch die Entwertung der ungeschriebenen Abgrenzungsmerkmale die Beseitigung von Unsicherheiten im Rahmen der Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug. Die Arbeit präsentiert damit ein Gesamtkonzept, das die Kontroverse über den Abgrenzungsstreit zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug für alle Fallkonstellationen entschärft. Klärungsbedarf besteht für die Zukunft sicherlich hinsichtlich des Gewahrsamsbegriffs, der entscheidende Bedeutung innerhalb der Abgrenzungsprüfung einnimmt. Seine Abhängigkeit von sich wandelnden sozialnormativen Anschauungen birgt nach wie vor einen großen Unsicherheitsfaktor für die Differenzierung zwischen Trickdiebstahl und Gewahrsamsbetrug. Insbe-
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sondere wegen der bloßen kasuistischen Einordnung der Gewahrsamsverhältnisse ohne konkrete Definition des Gewahrsamsbegriffs bedarf es weiterer Untersuchungen zu dessen Bedeutung. Schließlich ist die Schaffung betrugsrechtlicher Sondertatbestände in Erwägung zu ziehen, die auch die strafrechtlich zu missbilligenden Sachverhalte erfassen, die aufgrund der durch Auslegung ermittelten restriktiven Interpretation des Täuschungs- und Irrtumsmerkmals de lege lata von dem Betrugstatbestand nicht geschützt sind. Der Tenor dieser Arbeit ist auch weiteren strafrechtlichen Streitfällen anderer Art als Leitidee zugrunde zu legen. So sollte man sich zur Problemlösung im Strafrecht auf das Sicherste überhaupt zurückbesinnen: den Wortlaut des Gesetzes.
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Sachregister Abgrenzungsnotwendigkeit 37–49 – Angriffsrichtung 43–45 – Glasperlenspiel 49 – Rechtsgüter 39–42 – Subjektive Tätertypik 42–43 Abhandenkommen 46, 253 Allgemeines Persönlichkeitsrecht 100 Analogie 51, 80, 82, 90, 179 Apprehensionstheorie 65, 67–69, 232 Arzt-Fall 240 Äußeres Erscheinungsbild 268 Beschlagnahmefälle 25 Besitzbetrug 139 Bestandsschutz 276 Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG 72, 89, 93, 213, 256, 50–51, 80, 82, 181, 183, 31 Betrug – Bereicherungsabsicht 47, 227 – Erfolgskupiertes Delikt 166, 188 – Irrtum 86–96 – Kommunikationsdelikt 71, 111 – Selbstschädigung 22, 43, 136, 152, 168, 187, 191, 196, 215, 254, 257–258 – Tätigkeitsgebundenheit 188 – Täuschung 70–85 – Verhaltensgebundenes Delikt 81 – Vermögensschaden 32, 152, 156, 217, 241 – Vermögensverfügung 136–140 – Vertrauensbruchstatbestand 32, 78 – Willensbildung 144, 186, 196, 206– 209, 212 Beweisschwierigkeiten 252, 273 Brieftaschen-Fall 223
Buchhandlung-Fall 198 Buchlieferungs-Fall 128 Chantage-Fall 251 Dazwischentreten eines Dritten 220, 279 Deliktsstruktur 188 Deliktswesen 38 Dispositionsfreiheit 201, 221, 276 Drohung 251, 261–264 Duldung, Dulden 134–135, 148–149 Einbruchs-Fall 128 Einheit der Rechtsordnung 253 Ermöglichungskonstellationen 25, 215, 240–242 – Arzt-Fall 240 – Frank’scher Gasmann-Fall 240 Erpressung 252, 262–264 – Räuberische 229, 254–255, 264, 269 Exklusivitätsverhältnis 45, 173, 227– 228, 232, 258, 266, 278 Forderungsbetrug 178, 183–187, 228, 252, 257 – Unterlassene Geltendmachung einer Forderung 184 – Unterschriftserschleichung 185 Formeller Eigentumsschutz 39, 129 Frank’scher Gasmann-Fall 240 Freiwilligkeit 24–25, 34, 229, 234, 249– 265 – Beschlagnahmefälle 25, 249 – Chantage-Fall 251 – Definition 249 – Mietschulden-Fall 250 Fuhrmann-Fall 21
Sachregister Garantenstellung 133 Garantieprinzip, -funktion 51, 256 Gebrauchsanmaßung 47, 228 Geldschein-Fall 192 Gesetzeslücke 30, 50, 52, 163, 171, 174, 179, 183 Gewahrsam 56–63, 172 – Begriff der Gewahrsamslockerung 61, 153–158 – Direkter Gewahrsam 225 – Faktischer Gewahrsamsbegriff 59–60 – Fehlende Zivilrechtsakzessorietät 58 – Generelle Gewahrsamssphäre 60, 194 – Genereller Herrschaftswille 60, 128, 169, 194 – Gewahrsamsbetrug 139, 152, 158– 159, 163–166, 171, 176, 179, 184 – Gewahrsamsbruch 125, 202, 225, 228, 270 – Gewahrsamsexklave bzw. Gewahrsamsenklave 63, 68, 102, 115, 168, 195, 100 – Gewahrsamsinhaber 56, 195, 200, 233, 237 – Gewahrsamslos 195 – Gewahrsamsneubegründung 56 – Gewahrsamsrest 224, 235 – Gewahrsamssphäre 41, 43, 60, 68, 98, 170, 191, 195, 230, 241 – Gewahrsamsübertragung, Gewahrsamsverschiebung 176–178, 180, 187, 201, 260, 198–199 – Gewahrsamsverfügung 141, 190, 201, 230, 237 – Gewahrsamsverlust 57, 191, 194, 195– 196, 200–201, 235, 237, 241 – Gewahrsamswechsel 64, 99–103, 115, 131, 225, 229, 231–240 – Gewahrsamswille 63, 235 – Gewere 58, 103 – Heterogenität des Begriffes 58–64 – im Preußischen Allgemeinen Landrecht 56, 59, 104
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– Sozial-normative Wertung 59–60, 62, 68, 98, 170, 191, 195, 231, 235, 237, 241 – Sozial-normativer Gewahrsamsbegriff 60–61 – Tatsächliche Sachherrschaft 46, 63 Gewahrsamsbetrug 139, 152, 158–159, 163–166, 171, 176, 179, 184, 211, 236, 243, 246, 252, 264, 269 Gewahrsamslockerung 24, 229, 233, 239, 223–240, 272, 276 Gewaltenteilungsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG 31, 52, 183, 213 Herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein – Austausch von Waren 209 – Beschlagnahmefälle 257 – Buchhandlung-Fall 198 – Chantage-Fall 257 – Geldschein-Fall 192 – Hinzufügen von Waren 207–210 – Klavier-Fall 189 – Mietschulden-Fall 257 – Verbergen von Waren 207–208 Innere Willenseinstellung des Opfers, Nach Schröder 34 Irrtum – Bestimmtheitsgebot 89, 93 – Eigene Definition 96 – Fiktion 94 – Ignorantia facti 86–88 – Irrtumsinhalt 86–90 – Irrtumsintensität 91–96 – Motivationsirrtum 145 – Opferschutz 95 – Positive Fehlvorstellung 88–90 – Zirkelbeweis 94 – Zweifel 95 Juristisch-ökonomischer Vermögensbegriff 55 Juristische Arbeitstechnik
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Sachregister
– – – –
Gesetzesauslegung 26–27, 50, 52–55 Grammatikalische Auslegung 127 Methodologische Grundtechniken 28 Regelungsautonome Auslegung 28, 49, 54, 155, 258 Juristischer Vermögensbegriff 138 Kausalzusammenhang – Irrtum und Verfügung 136, 144, 263 – Täuschung und Irrtum 80–82, 89–90, 107, 116, 120, 145, 180 – Verfügung und Schaden 136, 141 Kernstrafrecht 49 Klavier-Fall 189 Konkludente Täuschung – Bestimmmtheitsgebot 80 – Faktisch-konkrete Betrachtungsweise 60, 133, 190, 246, 283 – Fiktion 83–84 – Normativer Maßstab 76–78 – Übernormativierung 81 – Zirkelbeweis 82 Konkurrenzlehre 277–280 Kopiergerät-Fall 170 – Mutmaßliches Einverständnis 171 – Sonderwissen 170 – Unterschlagung 170 Laptop-Fall 229 Lehre vom Regressverbot 216 Leihe 139 L’escroquerie 137 List 21–23 – Täuschung 22, 45, 89 – Trick 22, 67 Mietschulden-Fall 250 Mittelbarer Besitzer 139 Mobiltelefon-Fall 228 Motivirrtum 199 Nötigung 229, 262, 272
Objektive Zurechnung 219–220, 279 Opfermitverantwortung 208–209 Pauschalierung des Bewusstseins 205, 207 Petitio principii 233 Preußisches StGB 32 Raub 134, 229, 254–255, 264, 269 – Finale Verknüpfung 256 Räuberischer Diebstahl 48, 204, 229, 255–256 Rechtsgut – Rechtsgut des Betrugs 40–41 – Rechtsgut des Diebstahls 40 – Vermögensdelikt 39, 175 Rückfallverschärfung 38 Rucksack-Fall 141–142, 150 Rücktritt 220 Sachbetrug 139 Sachentziehung 47 Sammeltatbestände – Deutsches Recht des Mittelalters 31, 37 – Römisches Recht 31, 37 Selbstbedienungsläden 24 – Austausch von Waren 118, 205, 209 – Beobachtung 100–101, 110 – Faktisch-konkrete Betrachtungsweise 106–107, 114, 117, 119, 121 – Garantenstellung 107–108 – Geschichtliches 97 – Gewahrsamswechsel 99–103, 110, 115 – Hinzufügen von Waren 115, 204–205, 207–210 – Milchkasten-Fall 112, 202 – Mundraub 110 – Musikgeräte-Fall 120 – Objektive Faktoren 101 – Objektmanipulation 114 – Selbstbegünstigungsprivileg 109 – Umetikettierung 120
Sachregister
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– – – –
Verbergen von Waren 112–114, 206 Verbot der Doppelsanktionierung 109 Verstecken von Waren 104–112 Warenentwendung in Selbstbedienungsläden 274, 97, 121 – Windelkarton-Fall 118, 202 – Winkelschleifer-Fall 115, 169, 202 Strafandrohung 37, 47 Strafbarkeitslücke 49, 84, 94, 112, 187, 228, 232, 257
– Ermöglichungskonstellationen 25, 215, 240–242 – Frank’scher Gasmann-Fall 240 – Fuhrmann-Fall 23 – Geschichtliches 216 – Gewahrsamslockerung 24, 223–240 – Laptop-Fall 229 – Mobiltelefon-Fall 228 – Wechselgeldfälle 25, 242–248 Unterschlagung 225
Tankstellenfälle 269 Tatobjekt 54 – Vermögensbegriff 54 Tatunrecht 42 Täuschung – Ausdrückliche Täuschung 75 – Konkludente Täuschung 76–86 – Objektmanipulation, Realitätsveränderung 117, 121, 246, 71, 73 – Tatsachenbegriff 71 – Täuschung durch Unterlassen 75, 190 Teleologische Reduktion 174, 178–179, 183 Trickdiebstahl – Erfolgsdelikt 67, 124 – Fremdschädigung 21, 44, 124, 132, 135, 171 – Heimlichkeit 100, 274–275 – Wegnahme 55–70 – Willensbildung 132, 212 – Zueignungsabsicht 47
Verfügungsbewusstsein 24, 34, 174–215 – Austausch von Waren 205 – Buchhandlung-Fall 198 – Entbehrlichkeit 177, 184 – Erfolgsbewusstsein 176, 188 – Geldschein-Fall 192 – Geschichtliches 175–176 – Hinzufügen von Waren 207–210 – Klavier-Fall 189 – Milchkasten-Fall 202 – Verbergen von Waren 207–208 – Warenentwendung in Selbstbedienungsläden 24, 9–121 – Windelkarton-Fall 202 – Winkelschleifer-Fall 202 Verfügungsbewusstsein, Erfolgsbewusstsein 188 Vergehen 37 Vermietung 139 Vermögensverfügung 136–159 – Begriff 138–139 – Eigene Definition 158 – Erfolg 151, 158 – Gegenstand 138 – Herrschaftsbezogenes Verlustbewusstsein 147, 153, 162, 167, 169, 174, 178, 189, 191, 196, 200–201, 210, 257, 149, 151, 158–159, 185, 187, 206, 209 – Inhalt 140–151 – Konkrete Vermögensgefährdung 154– 158, 186, 227, 234, 276 – nach Merkel und Köstlin 33, 175
Über-Unterordnungsverhältnis 253 Ultima-Ratio-Gedanke 49, 219 Ungeschriebene Abgrenzungskriterien 173–267 – Freiwilligkeit 249–265 – Unmittelbarkeit 215–248 – Verfügungsbewusstsein 174–215 Unmittelbarkeit 24, 34, 215–248 – Arzt-Fall 240 – Brieftaschen-Fall 223
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Sachregister
– Opfer-Sach-Beziehung 144, 196 – Parallelwertung in der Laiensphäre 146 – Schaden 151 – Schädigungsbewusstsein 146 – Teil-bewusst 225 – Unbewusst 225 – Vermögensminderung 152–158 – Voll-bewusst 225 – Willensbildung 144, 149, 186 Versicherungsschutz 46, 255 Viktimodogmatik 181–182 Wechselgeldfälle 25, 242–248 Wegnahme – Eigene Definition 69 – Einverständnis 110, 125, 171, 177, 260 – Etymologische Begriffsdeutung 66 – Gewahrsamsneubegründung 56 – Gewahrsamsverlust 57 – Parallelwertung in der Laiensphäre 127 – Willensbildung 132 Wirtschaftlicher Vermögensbegriff 55
Wissensdefizit – Wissensdefizit über die eigene Verhaltenserheblichkeit 132, 144, 186, 189, 192 – Wissensdefizit über die Eigenschaften des Empfängers 198–202 – Wissendefizit über die Existenz bzw. den Umfang der zu übertragenden Sachen 202–210 – Wissendefizit über die Wirkung des Handelns oder Unterlassens 192–198 Zahlungsbereitschaft 245, 270 Zirkelschluss – Auslegung 53 – Konkludente Auslegung 82 – Unmittelbarkeit 218 Zwangslage 234, 250–253, 254, 257, 259 Zwei-Stufen-Prüfung 163–171 – in der Fallanwendung 189–210, 236– 240, 241, 245, 261–264, 270 – Schema 163 – Verlustwille 169–171, 196, 200, 235, 238, 242, 272 Zweipersonenverhältnis 193