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German Pages [620] Year 2005
PETER BROUCEK • EIN GENERAL IM ZWIELICHT
VERÖFFENTLICHUNGEN DER KOMMISSION FÜR NEUERE GESCHICHTE ÖSTERREICHS BAND 76
Ein General im Zwielicht Die Erinnerungen Edmund Glaises von
Horstenau
Band 3
Deutscher Bevollmächtigter General in Kroatien und Zeuge des Untergangs des „Tausendjährigen Reiches" eingeleitet und herausgegeben von
PETER BROUCEK 2., ergänzte Auflage 2005
© 1988 BÜHLAU VERLAG W I E N - K Ö L N - G R A Z
DIE K O M M I S S I O N FÜR N E U E R E G E S C H I C H T E Ö S T E R R E I C H S Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr. Gerald Stourzh Stellvertretender Vorsitzender: Univ.-Prof. Dr. Fritz Fellner Gen.-Dir. i. R. Hofrat Dr. Richard Blaas Univ.-Prof. Dr. Moritz Csäky Gen.-Dir. i.R. Hofrat Univ.-Prof. Dr. Walter Goldinger Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Häusler Univ.-Prof. Dr. Grete Klingenstein Univ.-Prof. Dr. Herbert Knittler Gen.-Dir. i.R. Hofrat Dr. Rudolf Neck Gen.-Dir. Hofrat Dr. Kurt Peball Univ.-Prof. Dr. Richard Plaschka Univ.-Prof. Dr. Josef Riedmann Univ.-Prof. Dr. Helmut Rumpier Univ.-Prof. Dr. Hans Wagner Univ.-Prof. Dr. Adam Wandruszka Univ.-Prof. Dr. Ernst Wangermann Univ.-Prof. Dr. Erika Weinzierl Univ.-Prof. Dr. Hermann Wiesflecker Univ.-Prof. Dr. Herwig Wolfram Univ.-Prof. Dr. Erich Zöllner Sekretär: Univ.-Ass. Dr. Margarete Grandner in den Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs gemachten Aussagen sind die der jeweiligen Verfasser, nicht der Kommission.
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Glaise von Horstenau, Edmund: Ein General im Zwielicht: d. Erinnerungen Edmund Glaises von Horstenau / eingeh u. hrsg. von Peter Broucek. - Wien ; Köln ; Graz : Böhlau Bd. 3. Deutscher Bevollmächtigter General in Kroatien und Zeuge des Untergangs des „Tausendjährigen Reiches". - 1988 (Veröffentlichungen der Kommission für Neuere Geschichte Österreichs; Bd. 76) ISBN 3-205-08749-6 NE: Kommission für Neuere Geschichte Österreichs: Veröffentlichungen der Kommission f ü r Neuere Geschichte Österreichs.
ISBN 3-205-08749-6 Copyright © 1988 by Böhlau Verlag Gesellschaft m. b. H. und Co. KG., Wien Alle Rechte vorbehalten Gedruckt mit Unterstützung des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung Datenerfassung: Peter Paul Kloß, Satz: Manz, Wien 5, Druck: Novographic, Wien
INHALTSVERZEICHNIS Seite
Abbildungsverzeichnis
7
Vorbemerkung
11
Einleitung I. Die Aufteilung Jugoslawiens II. Über die Verhältnisse im UstaSa-Staat III. Die kroatische Wehrmacht IV. Die Cetnici und die Partisanen V. Glaise-Horstenaus politische Pläne VI. Glaise-Horstenau und Österreich 1944/45 VII. Kriegsgefangenschaft und T o d VIII. Nachspiele IX. Die Manuskripte Glaise-Horstenaus X . Zusammenfassung
13 13 17 19 21 30 42 51 56 58 63
Exkurs: Neu festgestellte Werke Glaise-Horstenaus
71
Zur Edition
72
Abkürzungsverzeichnis
74 DIE M E M O I R E N
I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV. XV.
Eine Mission nach Kroatien 79 Erste Enttäuschungen in Agram - Die Auseinandersetzung mit Italien . 1 1 1 Vor dem Angriff auf die Sowjetunion in Berlin 119 Berliner Impressionen im August 1941 124 „Gott Wraldar" 132 „Fahrt ins Führerhauptquartier" 145 „Auf dem absteigenden Ast" 161 „Berlin und Hauptquartier Mitte Februar 1943" 182 Elsässer in Kroatien 196 „Das Deutsche Kreuz" 198 „Kiesheim und Berchtesgaden" 206 I m O K W Juni 1943 230 Besuch in Wien im Juli 1943 233 „Der beschleunigte Fall" 239 „Im Führerhauptquartier September 1943" 255
6
XVI. Eindrücke in Ungarn. Waffen-SS und Kosaken in Kroatien 284 XVII. Moskauer Deklaration über Österreich. Im Führerhauptquartier und in Berlin 304 XVIII. Besprechungen in Wien und Klagenfurt. Weihnachten 1943 in Agram . 326 XIX. Die Lage in Kroatien im Jänner 1944 346 XX. Bei Adolf Hitler in Kiesheim - Einmarsch in Ungarn 380 XXI. Greuel der Waffen-SS in Dalmatien. Eindrücke in Ungarn im Mai 1944 394 XXII. Dienst in Belgrad im Juni 1944 414 XXIII. Besuch in Salzburg anfangs Juli 1944 425 XXIV. „Mein Sturz als Deutscher Bevollmächtigter General in Kroatien" . . . . 427 XXV. „Abschied vom Leben?" 465 XXVI. Untätig in Wien - Nachrichten aus Kroatien und Ungarn 468 XXVII. Dezember 1944 in Wien 485 XXVIII. Gespräche mit Slavko Kvaternik und Ernst Kaltenbrunner 508 XXIX. Kriegsverbrecherprozesse und Friedensfühler der SS 522 XXX. Die Front nähert sich Wien - Flucht nach Salzburg 525 XXXI. „Dem Ende entgegen!" 535 XXXII. Kriegsgefangenschaft in Salzburg und Augsburg 541 Letzte Manöverkritik Adolf Hitlers „Großdeutsche" Politik Erklärung
566 581
Verzeichnis der Abbildungen Umschlagbild: Edmund Glaise-Horstenau begrüßt Dr. Ante Pavelic anläßlich des Besuches des Direktors des Heeresarchivs Wien, Rudolf Kiszling. Agram, um den 10. April 1942. Links außen: Heeresarchivdirektor Rudolf Kiszling. Österreichisches StaatsarchivKriegsarchiv/Materialien zur Geschichte des Kriegsarchivs, Wien) Titelbild: Generalmajor z.V. Edmund Glaise von Horstenau. Herbst (Österreichisches Staatsarchiv-Kriegsarchiv/Bildersammlung)
1938.
1
Unterzeichnung des Beitritts Jugoslawiens zum Dreimächtepakt. Wien, Belvedere, 25. M ä r z 1941. Sitzend: Links: jugoslawischer Ministerpräsident Dragisa Cvetkovic; Mitte: Reichsaußenministerjoachim v. Ribbentrop; rechts: italienischer Außenminister Galeazzo Graf Ciano. (Rudolf Kiszling, Die Kroaten, Graz 1956, nach S. 160)
2
Adolf Hitler schreitet die Front der Ehrenkompanie des Führerbegleitbataillons ab. 20. April 1941, Mönichkirchen, Bahnhofsgelände. Von links: G F M Wilhelm Keitel; G F M Walther v. Brauchitsch; Großadmiral Erich Raeder; Reichsmarschall H e r m a n n Göring; Adolf Hitler. (Gerhard Buck, Das Führerhauptquartier 1939-1945. 3. Aufl. Leoni 1983, S. 91)
3
Die Unterzeichnung des Staatsvertrages zwischen Italien und Kroatien in Rom. Palazzo Venezia, 19. Mai 1941. Mitte: Benito Mussolini; hinter ihm Dr. Ante Pavelic; zweiter von rechts: Galeazzo Conte Ciano. (Rudolf Kiszling, Die Kroaten, Graz 1956, nach S. 176)
4
Marschall Kvaternik schreitet Einheiten der neu aufgestellten 369. (kroat.) Infanteriedivision ab. Stockerau, Frühjahr 1942. In der ersten Reihe von links: Gen. d. Inf. Streccius, Kommandierender General im Wehrkreis XVII; Obst. Fabianek (?); Marschall Slavko Kvaternik. (Franz Schraml, Kriegsschauplatz Kroatien, Neckargemünd 1962, vor S. 33)
5
Gen.Mjr. Edmund Glaise-Horstenau. Wahrscheinlich bei der Parade 19. April 1941 in Agram. (Sammlung Beatrix Flück-Wirth)
am
6
Dr. Ante Pavelic. (Sammlung Gen.Mjr. i. R. Dr. Mario Duic,
7
Marschall Slavko Kvaternik inspiziert den Militärflugplatz in Agram. Frühjahr 1941. Dritter von links: Marschall Kvaternik; nach rechts zweiter daneben: Gen. d. Fl. Alexander Lohr; dann Gesandter Siegfried Kasche; Gen.Mjr. Glaise-Horstenau. (Sammlung Erwin Pitsch, Wien)
Wien)
Abbildungsverzeichnis
8
8
Pause bei den Außenaufnahmen zum Film „Menschen im Sturm". 1941. Von links: Gen.Lt. Glaise-Horstenau, kroat. Minister Mile Budak, Olga Tschechowa. (Sammlung Dr. Robert Katschinka, Wien)
9
Begegnung Adolf Hitlers mit Marschall Kvaternik im Führerhauptquartier in Ostpreußen. 21. Juli 1941. Rechts: Reichsaußenminister v. Ribbentrop. (Sammlung Erwin Pitsch, Wien) Der deutsche Gesandte Siegfried Kasche beim Verlassen des Regierungsgebäudes in Agram. 1941. (Sammlung Erwin Pitsch·, Wien)
10 11
Empfang in Agram 1941/42. Dritter von links: Gen.Mjr. Ivo Percevic; fünfter von links: Glaise-Horstenau; dritter von rechts: Gen.d.Inf. Vladimir Laxa. (Sammlung Beatrix Flück-Wirth)
12
Parade von Teilen der 1. Kosaken-Division Agram. Jelacic-Platz, 18. März 1944. Von links: Gen.d. Inf. Glaise-Horstenau; Gen.Lt. Helmuth Pannwitz; ganz rechts: Mjr. Erwein Graf zu Eitz. (Kameradschaft XV. Kosaken-Kav.-Korps Fulda bzw. Erwein Karl Graf zu Eitz. Mit den Kosaken, Donaueschingen 1970, vor S. 105)
13
Vladimir Velebit, Offizier im Hauptstab der jugoslawischen Volksbefreiungsarmee. Mit Angelegenheiten der Militärgerichtsbarkeiten befaßt. Im Frühjahr 1943 Mitglied einer Verhandlungsdelegation, die mit Dienststellen der Deutschen Wehrmacht über einen Austausch von Kriegsgefangenen und über eine völkerrechtliche Anerkennung unterhandelte. Foto ca. 1985. (Österreich II, Fernsehdokumentation des ORF, gestaltet von Hugo Portisch und Sepp R i f f )
14
Marschall Josip B r o z - T i t o . Um 1944. (HeeresgeschichtlichesMuseum, Wien)
15
Zusammentreffen nach dem Besuch der Ausstellung „Unser Heer" in der Wiener Hofburg. Frühjahr 1944 (nach dem 11. März 1944), Wien. Stehend: Gen.Lt. Dr. Fritz Franek; rechts neben ihm Gesandter Dr. Hermann Neubacher; ganz rechts: Univ.-Prof. Dr. Heinrich R. v. Srbik. (Österreichisches Staatsarchiv-Kriegsarchiv/Nachlaßsammlung, Wien)
16 17
Hausdurchsuchung in Bosnien. 1944. (Heeresgeschichtliches Museum, Wien) Reichsführer SS Heinrich Himmler vor einer Inspektion der 13. (kroat.) SS-Gebirgsdivision „Handschar" mit SS-Brigadeführer Sauberzweig. (Frankreich ?), 1944. (Österreichische Nationalbibliothek/Bildarchiv, Wien)
18
Eingang zur Ausstellung „Kampfraum Südost". Heeresmuseum Wien, Juli 1944. (Heeresgeschichtliches Museum, Wien)
19
20
Eigenhändiger Brief des Dr. Ante Paveli6 an den deutschen Gesandten Siegfried Kasche, in dem er General Glaise-Horstenau des Defätismus bezichtigt. Agram, 22. August 1944. Erste Seite. (Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes, Bonn.) SS-Obersturmbannführer Dr. Wilhelm Höttl. 1945. (Privatbesitz)
21
Dr. Ludwig Jedlicka. Um 1945. (Privatbesitz)
22
Obstlt. a.D. Ivo Percevic und Obst. a.D. Stevo Duic. Graz, 19. August 1931. (Sammlung Generalmajor i.R. Dr. Mario Duic, Wien)
Abbildungsverzeichnis
9
23
Obstlt. a. D. Ivo Percevic und Generaloberst a. D. Stefan Sarkotic. Wien, Mai 1931. (Sammlung Gen.Mjr. i.R. Dr. Mario Duic, Wien)
24
Generaloberst Erich v. Ludendorff und k. u. k. Generaloberst Arthur Arz v. Straußenburg am Standort des k. u. k. Armeeoberkommandos in Baden bei Wien. Frühjahr 1918. (Österreichisches Staatsarchiv-Kriegsarchiv, Wien)
25
Ankunft des k . u . k . Minister des Äußeren O t t o k a r Graf Czernin in Brest-Litowsk. 1918. Von links nach rechts: Staatssekretär Richard v. Kühlmann; Graf Czernin; bulgarischer Delegierter Popov; FML. Max Csicserics v. Bacsäny; Mjr. Edmund Glaise v. Horstenau. (Österreichisches Staatsarchiv-Kriegsarchiv/Nachlaß GlaiseHorstenau, Wien)
26
Der Frequentant der Militär-Unterrealschule Edmund Glaise v. Horstenau. U m 1894. (Heeresgeschichtliches Museum, Wien)
Nach Seite 42: Flugblatt, C o d e - N u m m e r AU/064, vertrieben durch britische und US-Luftstreitkräfte, gerichtet an sechs namentlich genannte Generäle der deutschen Wehrmacht, die am Balkan im Einsatz standen, mit der Aufforderung, sie mögen aus ihrer A b k u n f t Konsequenzen ziehen und einen aktiven Beitrag zur Befreiung der österreichischen Heimat leisten. Ende Juli/August 1944. Österreichisches Staatsarchiv-Kriegsarchiv/Flugschriftensammlung) Nach Seite 597: Übersichtskarte
V O R B E M E R K U N G Z U R N E U A U F L A G E D E S 3. B A N D E S D e r Herausgeber freut sich über das Interesse der Historiker und Geschichtsfreunde, die eine unveränderte Neuauflage des 3. Bandes von Edmund Glaise v. Horstenaus Memoiren ermöglicht. Für die Durchführung ist auch dem Verlag Böhlau und besonders seinem C h e f Dr. Peter Rauch Dank zu sagen. Eine Vorbemerkung gibt kurz Gelegenheit, um einige Ergänzungen zu den bisherigen drei Einleitungen anzubringen. Die diversen Texte wollten ursprünglich drei Schutzbefohlene Glaise-Horstenaus in ihre Verfügungsgewalt bringen, um sie zu verwerten, Dr. Wilhelm Höttl, Dr. Taras v. Borodajkewycz und Dr. Ludwig Jedlicka. Als sich Dr. Wilhelm H ö t t l entschloss, den ersten Teil der Aufzeichnungen an die Nachlaßsammlung des Osterreichischen Staatsarchiv/Kriegsarchivs zu übergeben, trat zunächst sein Freund Univ. Prof. Dr. Jedlicka dazwischen und gewann Höttls Erlaubnis für seine geschichtswissenschaftlichen Vorhaben, nicht für das Institut für Zeitgeschichte, eine Kopie anzufertigen. Jedlicka konnte Glaise-Horstenaus Erinnerungen dazu heranziehen, seinen früheren Aufsatz „Kaiser Karl in neuer Sicht" wesentlich zu erweitern und im letzten Werk seines Lebens, den „Fallstudien" 1 zu publizieren. Jedlicka und Höttl hofften weiters, die Sammlung der Glaise-Aufzeichnungen abzuschließen und mit der Hilfe einer Zuwendung der Familie Schicht herausgeben zu können. D e r „Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung" und der nunmehrige Herausgeber mussten bzw. konnten nach dem Ableben Jedlickas mit der Zustimmung H ö t t l s einspringen. Es gab beträchtliche Ängste bei der Beurteilung von Aussagen Glaise-Horstenaus in den Bänden 1 und 2, die nur durch außerordentliche gutachtliche Fürsprache von Univ.Prof. Dr. Stephan Verosta ( f ) überwunden werden konnten. Dafür wird hier der tief empfundene Dank ausgesprochen. Was jene Aussagen Glaises betrifft, so konnten zum Beispiel seine Äußerungen zur sogenannten „Sixtus-Affäre" 1917/18 durch Aktenfunde nicht nur bestätigt sondern durch weitere Forschungen ergänzt werden. 2 Nach Erscheinen des zweiten Bandes fand Frau Hilde Borodajkewycz im Nachlass ihres Gatten Glaise-Horstenaus Abschriften seines politischen Briefwechsels mit Bundeskanzler Dr. Schuschnigg 1 9 3 6 / 3 7 . Es handelt sich um eine Maschinschrift, die 1
Ludwig J e d l i c k a , V o m alten z u m neuen O s t e r r e i c h . Fallstudien zur ö s t e r r e i c h i s c h e n Z e i t g e s c h i c h t e
2
T a m a r a G r i e s s e r - P e c a r , D i e M i s s i o n Sixtus. Ö s t e r r e i c h s F r i e d e n s v e r s u c h im E r s t e n W e l t k r i e g , W i e n
1 9 0 0 - 1 9 7 5 , St. P ö l t e n 1975 1 9 8 8 ; P e t e r B r o u c e k , Karl I. ( I V ) , D e r p o l i t i s c h e Weg des l e t z t e n H e r r s c h e r s der D o n a u m o n a r c h i e , Wien 1007
V o r b e m e r k u n g zur N e u a u f l a g e des 3. Bandes
Glaise-Horstenau nach dem Anschluss 1938 verfasste, um seine Bemühungen um eine Art Versöhnung zwischen der österreichischen Regierung und den österreichischen Nationalsozialisten zu dokumentieren. Diese Schrift wurde in den Nachlass aufgenommen. D e r dritte Band der Memoiren erregte keine Bedenken bezüglich seiner Herausgabe. Es gibt neuere Editionen, wie die der Aufzeichnungen des deutschen Diplomaten Ulrich von Hassel, die uns eine gewisse Vertiefung des Wissens über den Gang Glaise-Horstenaus in die Opposition zum Nationalsozialistischen Regime gebracht hat. 3 Ein Manuskript im Nachlass H ö t t l s , das dieser für sein Erstlingswerk „Die G e heime F r o n t " erhielt, aber nicht verwertete, hält einige weitere Fakten fest. GlaiseHorstenau wird in jener Maschinschrift des Dr. Karl v. Winckler als eine Art Beschützer einer deutsch-österreichischen Oppositionstruppe unter Nikolaus v. Halem bezeichnet, die bereits vor 1938 aktiv war. Die Gruppe hatte nach dem 20. Juli 1944 den (geglückten) Kontakt zu den serbischen Partisanen des Draza Mihailovic auf dem Programm. U n d was Österreich betrifft, so versuchte sie, die Westalliierten zur Landung in Triest oder Istrien zu gewinnen. Welchen Anteil Glaise-Horstenau an diesen Bestrebungen hatte, schilderte in den letzten Jahren ein britischer Agent in seinen M e moiren. 4 Sie veranlassten den Historiker Klaus Schmider in seinem wesentlichen Werk „Partisanenkrieg in Jugoslawien 1 9 4 1 - 1 9 4 4 " , die Vermutung zu äußern, Glaise-Horstenau sei von Agram aus mit dem Office of Strategie Services unter Allen Dulles in Bern in Verbindung gestanden. 5 Wir wissen seit Publikationen über Dr. Wilhelm H ö t t l noch genauer, dass dieser, ursprünglich ein Vertrauensmann Dr. Ernst Kaltenbrunners, jenen Kontakt ab 1943 gesucht und mit Hilfe des Industriellen Fritz Westen ab Spätherbst 1944 auch gefunden hat. N a c h Mitteilungen Dr. H ö t t l s an den A u t o r wurde Glaise-Horstenau auch verwendet, um die Generalobersten Alexander Lohr und Dr. Lothar Rendulic für eine Kapitulation ihrer Heeresgruppen vor den Westmächen in ähnlicher Form zu gewinnen, wie dies bei der Heeresgruppe Italien der Fall war. Schließlich war G l a i s e - H o r stenau auch bereit, in eine Art westösterreichische Notregierung einzutreten, der Erzbischof Dr. Andreas Rohracher vorstehen wollte. Dies war in der zweiten Aprilhälfte 1945. In H ö t t t l s Nachlass fanden sich schließlich eine Anzahl mehrseitiger Maschinschriften, die zum Teil auf 1 9 4 5 / 4 6 datiert sind, wie: Dr. Best über Hitler; Hitler und der Generalstab; D e r Tod der Angela Raubai; Gespräch mit dem Gesandten Schmidt;
3
Friedrich Freiherr Hiller von Gaertringen (Herausgeber), Die Hassell-Tagebücher 1 9 3 8 - 1 9 4 4 . Aufz e i c h n u g e n v o m A n d e r e n D e u t s c h l a n d , 2 B ä n d e , Berlin 1988.
4
F r a n k l i n Lindsay, B e a c o n s in the N i g h t . W i t h the O S S and T i t o ' s Partisans in W a r t i m e Yugoslavia, S t a n f o r d 1993
5
Klaus S c h m i d e r , Partisanenkrieg in J u g o s l a w i e n 1 9 4 1 - 1 9 4 4 , H a m b u r g 2 0 0 2
Vorbemerkung zur Neuauflage des 3. Bandes
Nürnberg, Ende Jänner 1946; Rommels Tod; Eva Braun; Max Amanns Aufzeichnungen. Dies sind die Informationen und neueren Forschungsergebnisse, die der Herausgeber mitzuteilen hat. Nach seiner Meinung und nach Glaises Aufzeichnungen war dieser auf dem Weg von der großdeutschen Vision zur österreichischen Idee und zur österreichischen Realität von 1946. Dazu hat er sich zuletzt vor seinem Ableben ebenso wie zum katholischen C h r i s t e n t u m bekannt. Er war für Jedlicka und Höttl nicht nur Lehrer und Taufpate ihrer Kinder, sondern auch Leitbild gewesen. Peter Broucek
VORBEMERKUNG Mit dem dritten Band wird die Edition der memoirenhaften Aufzeichnungen des Edmund Glaise von Horstenau abgeschlossen. Dieser Band enthält Aufzeichnungen, die vom April 1941 bis Juni 1945 mehr oder weniger gleichzeitig geführt worden sind. Ihnen wurden zwei Aufsätze angeschlossen, die aus den im Nürnberger Gefängnis verfaßten Niederschriften ausgewählt worden sind. Sie haben den Charakter eines Lebensüberblicks und einer Betrachtung über die praktische Anwendung des großdeutschen Gedankens in der Politik Adolf Hitlers. Glaise-Horstenau, der Offizier, Journalist und historische Schriftsteller, hat in der k. u. k. Monarchie, der (Ersten) Republik Österreich und 1938 bis 1945 politisch gehandelt und schriftstellerisch gewirkt. D e r überwiegende Teil seiner W e r k e sind Beiträge für Journale, für literarische, militärgeschichtliche und politische Sammelwerke sowie größere historisch-biographische Werke. Von 1938 bis 1946 hat dann Glaise-Horstenau - teils Jahre zurückblickend, teils täglich, wöchentlich oder monatlich - autobiographische Aufzeichnungen verfaßt. Sie sind nunmehr, soweit bisher bekannt, von einigen Wiederholungen im T e x t abgesehen, vollständig herausgegeben worden. Von 1957 bis 1984 gelangten diese Aufzeichnungen ins Osterreichische Staatsarchiv, es verging dazwischen kein Jahrzehnt, in dem sie nicht gemehrt worden sind, bedingt sowohl durch das wechselvolle Schicksal des Autors als auch, unabhängig davon, das der Aufzeichnungen selbst. Glaise-Horstenau hat - wahrscheinlich immer wieder im Hinblick auf eine mögliche Veröffentlichung vor oder nach seinem T o d e - die Aufzeichnungen verfaßt, aber sie kaum redigiert. Es muß aber der Umstand gebührend berücksichtigt werden, daß der schreibfreudige Publizist manche Information in seinen Schriften gezielt aufnahm, manches Bekenntnis ablegte, aber ebensosehr viel Wissenswertes und für die Beurteilung seines Handelns Wichtiges verschwieg. T r o t z d e m scheint der Inhalt jener Schriften für die Zeitgeschichte, die Militärgeschichte, die Kultur- und die politische Geschichte Österreichs und seiner Nachbarländer von Bedeutung zu sein. Deshalb wurde nun die Edition abgeschlossen. Der Herausgeber dankt allen Persönlichkeiten und Institutionen, die nochmals zur Herausgabe der Memoiren und damit diesmal zur Fertigstellung des Werkes beigetragen haben. E r möchte hier in erster Linie Herrn Vaza Kazimirovic nennen. E r hat sich bei der Verfassung der Einleitung und der Anmerkungen, was seine kritischen Hinweise, ergänzenden Erkenntnisse, seinen geistigen Zuspruch ebenso wie seine technische Hilfe betrifft, als wahrer Freund erwiesen, dessen Kenntnisse als Journalist und Schriftsteller sowie persönliche Erfahrungen zum Abschluß der Arbeit
12
Vorbemerkung
außerordentlich beitrugen. Dank gebührt weiters vor allem Dr. Wilhelm Höttl und Hilde Borodajkewycz, daß sie dem Kriegsarchiv nunmehr alle in ihrem Besitz befindlichen Manuskripte Glaise-Horstenaus sowie weitere Materialien zur Verfügung stellten und durch Hinweise aus ihren persönlichen Erinnerungen in wertvoller Weise ergänzten. Für Interviews, wertvolle Hinweise, Ergänzungen und sonstige Hilfe dankt der Herausgeber weiters: Dr. Erich Bielka-Karl treu, Otto Brezina, Alois Carmine, Trude Dragoilov (f), Dr. Herbert Fellner, Beatrix Flück-Wirth, Friedrich Karl zu Fürstenberg, Eugen Hirsch-Stronstorff (f), Eitel Friedrich Kamischke, Robert Katschinka, Prof. Rudolf Kiszling (t), Dr. Otto Lachmayer, Eduard Metzger (f), Dr. Herbert Michner, Eginhardt Frh. v. Müller-Klingspor, Willibald Nemecek, Slavko Odic, Erwin Pitsch, Josef Rausch, Prof. Herbert Sauer, H e r r Schwarzenbrunner, Auguste Straskraba, Prof. Dr. Herbert Steiner, Dr. Erwin Steinböck, Engelbert Teufelhardt (f), Vladimir Velebit. Die Leitungen des Bundesarchivs/Militärarchiv Freiburg im Breisgau und des Politischen Archivs des Auswärtigen Amtes, Bonn, gewährten in sehr zuvorkommender Weise die Einsicht in Aktenbestände, die zur Erstellung des Anmerkungsapparates notwendig und wichtig war. H i e f ü r sei ebenfalls gedankt. Auskünfte erteilte weiters, dank der Bemühungen des Kollegen Dr. Kolanovic, das Arhiv Hrvatske. Ebenso gedankt sei allen öffentlichen Institutionen und privaten Leihgebern, die Bildmaterial zur Verfügung stellten. Daß das Thema trotz gewissenhafter Nachforschungen noch nicht restlos erschöpft ist, zeigt etwa ein Fund im Juli 1987: Frau Grete Metzger stellte nach dem Tod ihres Mannes die Korrespondenz zwischen Glaise und seinem Adjutanten Eduard Metzger aus der Zeit 1945/46 zur Verfügung. Aus ihr ist der erlöschende Lebenswille des Generals einerseits und andererseits der Versuch, durch vielfältige Interventionen seiner Freunde eine Enthaftung zu erwirken, zu erkennen. D a f ü r stand Metzger auch ein warmer Dankesbrief des Erzbischofs Stepinac an Glaise für seinen Einsatz zur Rettung von Menschenleben zur Verfügung. Der Herausgeber dankt dem Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung f ü r die Drucksubvention und der Kommission f ü r Neuere Geschichte Österreichs dafür, daß sie die drei Bände der Erinnerungen in ihr Veröffentlichungsprogramm aufgenommen hat. Besonders fühlt sich der Herausgeber jedoch dem Verlag Böhlau und seinen Exponenten f ü r die gute Betreuung des Manuskripts und die Drucklegung verpflichtet. Die Familie des Herausgebers, insbesondere die Gattin Gertraud, hat am Zustandekommen des Werkes einen Anteil, der nicht abgeschätzt werden kann.
Wien, im Sommer 1987
Peter Broucek
EINLEITUNG I. Die Aufteilung Jugoslawiens Nachdem am 28. Oktober 1940 Italien Griechenland angegriffen hatte, geriet der östliche Mittelmeerraum in Bewegung. Die Italiener wurden von den Griechen weit nach Albanien zurückgeschlagen. Von Kreta aus gerieten die rumänischen Erdölfelder in den Bereich der Bomber Großbritanniens, das Griechenland zunächst durch Landungen auf jener Insel zu Hilfe gekommen war. Nachdem Rumänien und, viel später, am 1. März 1941, auch Bulgarien dem „Dreimächtepakt" beigetreten waren, versuchte Hitler auch Jugoslawien zum Eintritt in den Dreimächtepakt zu nötigen. Er versprach Saloniki als Belohnung für wohlwollende Neutralität. Während jener Verhandlungen bot sich Glaise-Horstenau, wie wir aus seinen Aufzeichnungen wissen, beim O K W für eine militärdiplomatische Aufgabe nochmals an. Jugoslawien erklärte am 25. März 1941 seinen Beitritt zum Dreimächtepakt, doch bereits in der Nacht vom 26. zum 27. März erfolgte in Belgrad der Militärputsch. Zwar erklärte sich auch die neue Regierung Simovic als neutral und vertragstreu, doch Hitler fürchtete für die rechte Flanke der in Bulgarien und Rumänien zum Angriff auf Griechenland gegen die bereits am Festland gelandeten Briten bereitgestellten Truppen. Er hatte vor allem die Saloniki-Front des Ersten Weltkrieges vor Augen. Er beschloß sehr rasch den Angriff auf Jugoslawien 1 ). Das Oberkommando des Heeres ( O K H ) improvisierte den Aufmarsch für einen neuerlichen Blitzfeldzug. Er begann ohne Kriegserklärung nach einer Unternehmung am Eisernen T o r in der Nacht vom 5. zum 6. April am Morgen dieses Tages mit einem Bombenangriff der Luftflotte 4 auf die Befehlszentralen in Belgrad, der aber sehr erhebliche Opfer unter der Zivilbevölkerung forderte. Die deutsche 12. Armee (Generalfeldmarschall List) mit sechzehn Panzer-, Infanterie- und Gebirgsdivisionen nahm von Bulgarien aus den Kampf gegen Jugoslawien und Griechenland auf. Die deutsche 2. Armee (Generalfeldmarschall Frh. v.Weichs), mit Verbänden, die teilweise bereits gegen die Sowjetunion aufzumarschieren im Begriffe waren, hatte ab dem 10. April vom steiermärkisch-ungari') Die folgende Zusammenstellung will nur einen Überblick Uber die Lage geben und stUczt sich auf die neuesten Handbücher und Sammelwerke. Eine neuere Bibliographie zur Geschichte Jugoslawiens bei: T h e o d o r Schieder, Handbuch der Europäischen Geschichte, Bd. 7, Stuttgart 1979, 1183; Die neuesten Gesamtdarstellungen: Holm Sundhaußen, Geschichte Jugoslawiens 1 9 1 8 - 1 9 8 0 , Stuttgart u.a. 1982; Gotthold R h o d e , Die südosteuropäischen Staaten von der Neuordnung nach dem 1. Weltkrieg bis zur Ära der Volksdemokratien, in: T h e o d o r Schieder, Handbuch, 1 1 3 4 - 1 3 1 2 , bes. 1 2 1 1 - 1 2 2 6 .
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Einleitung
sehen Raum aus nach Süden und Südosten vorzudringen 2 ). Sie stieß auf noch in Mobilisierung begriffene jugoslawische Verbände mit Soldaten kroatischer Nationalität, die auch zum Teil kampfunwillig waren und hie und da auch der Hand ihrer Kommandanten entglitten. Am 11. April bereits marschierten deutsche Truppen in Agram ein. Am 13. April drang die deutsche Panzergruppe 1 in Belgrad ein. Am 17. April bat die jugoslawische Armee um Waffenstillstand. In Agram war am 10. April über den Rundfunk ein unabhängiger kroatischer Staat proklamiert worden, ausgerufen von einem Exponenten der rechtsradikalen „UstaSaPartei", vom ehemaligen k.u.k. Oberstleutnant im Generalstab Slavko Kvaternik. Dieser Proklamation waren ab 30. März geheime Verhandlungen des Beauftragten des Auswärtigen Amtes und Spezialisten für die Bildung von „Fünften Kolonnen", Dr. Edmund Veesenmayer, mit Vertretern der stärksten politischen Kraft im Lande, der Kroatischen Bauernpartei, vorangegangen 3 ). Deren Führer, Dr. Vlatko Macek, hatte sich nach dem Putsch der neuen Regierung zur Verfügung gestellt und hing trotz Betonung der kroatischen Eigenständigkeit dem jugoslawischen Gesamtstaatsgedanken an. Er war nur zu einer öffentlichen Loyalitätserklärung für den Exponenten der „Ustasa", für Kvaternik, zu bewegen. Diese Bewegung, eine kleine chauvinistische Partei, die, von faschistischen und rassenideologischen Gedanken beherrscht, einen unabhängigen nationalkroatischen Staat wünschte, war mit Deutschland kooperationswillig. Sie suchte in Kroatien selbst die Unterstützung von Teilen der katholischen Kirche zu gewinnen, erklärte die muselmanischen Bosnier für Kroaten und erhoffte auch die Unterstützung der unter Erzbischof Josip Stadler noch in der Zeit der Donaumonarchie aufgebauten kleinen militanten katholischen Bewegung in Bosnien-Herzegowina. Ihr Führer, Dr. Ante Pavelic, hatte mit etwa 500 Ustaüe lange Jahre im italienischen Exil geweilt. Er beeilte sich nun, nach Agram zu gelangen, mußte aber in Karlstadt (Karlovac) am 16. April gegenüber italienischen und deutschen Emissären nicht nur die Abtretung der dalmatinischen Küste an Italien vorläufig mehr oder weniger versprechen, sondern auch dem Deutschen Reich seine Dankbarkeit und Loyalität versichern. Dann konnte er am 17. April in Agram einziehen. In Wien, in Besprechungen zwischen Ribbentrop und dem italienischen Außenminister Ciano am 21. und 22. April, wurde im wesentlichen die Aufteilung Jugoslawiens beschlossen. Das steirische Unterland, der Teil des ehemals kärntnerischen Gebietes und ein weiter Streifen Sloweniens (Oberkrain) kamen an Deutschland. Dort begann man bald mit der Zwangsaussiedlung von Teilen der slowenischen Bevölkerung. Das Übermurgebiet und die Batschka (Neusatz) wurden von Ungarn annektiert. Dort überall setzte bald eine Magyarisierungspolitik ein, mit Massenaustreibungen und Pogromen. Der Hauptteil Makedoniens und ein Stück Südostserbiens wurden von den Bulgaren an ihren Staat angeschlossen. Montenegro sollte ein Staat unter dem Schutz Italiens werden. Das Kosovo-Gebiet und ein Teil Westmazedoniens sollten 2 ) Detlef Vogel, Das Eingreifen Deutschlands auf dem Balkan, in: Das Deutsche Reich u n d der Zweite Weltkrieg, Band 3, Stuttgart 1984, 4 1 7 - 5 1 1 , bes. 448ff. 3 ) Klaus Olshausen, Die deutsche Politik gegenüber Jugoslawien und Griechenland von M ä r z bis Juli 1941 (Beiträge z u r Militär- und Kriegsgeschichte, Bd. 14), Stuttgart 1973, 148 f.
Die Aufteilung Jugoslawiens
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mit Albanien zusammengeschlossen als Großalbanien an die Kolonialmacht Italien angegliedert werden. V o r allem aber sollten der südliche Teil Sloweniens und der Großteil Dalmatiens an Italien fallen. Dr. Pavelic, der neue Staatschef des „Unabhängigen Staates Kroatien" (USK) oder Nezavisna drzava Hrvatska ( N D H ) , der Kroatien mit Syrmien und Bosnien-Herzegowina umfaßte und sich im Osten bis zur Drina erstreckte, mußte in Verhandlungen mit Ciano am 25. April in Laibach und mit Mussolini in Monfalcone am 7. Mai diesen Abtretungen zustimmen. Dann wurden in den „Römischen Protokollen" vom 28. Mai 1941 jene Grenzen, soweit sie Italien und Kroatien betrafen, festgelegt. Dem H e r z o g von Spoleto wurde die Krone Kroatiens angeboten, der sie annahm, aber das Land nie betrat. Doch auch der UstaSa-Staat hatte von Anfang an eine höchst eingeschränkte Souveränität. Denn Hitler hatte am 24. April mit den Italienern eine Demarkationslinie quer durch Kroatien f ü r eine italienische Besatzungsmacht im Süden und f ü r die zunächst sehr geringen deutschen Truppen im Norden, also f ü r Interessensgebiete, festgelegt. Die Linie verlief von Kalje, nahe der slowenischen (nunmehr italienischen) Grenze, bis Rundo, beim Dreiländereck Serbien/Montenegro/Bosnien. In jenem Gebiet südlich der Demarkationslinie waren die politischen und militärischen Befugnisse des kroatischen Staates von Anfang an eingeschränkt. Kroatien durfte keine Kriegsmarine und auch in dem ihm verbliebenen Küstengebiet keine Militärgarnisonen unterhalten. Mehr noch: Als infolge der gleich um sich greifenden Grausamkeiten der Ustasa gegenüber serbischen Bevölkerungsteilen Kroatiens die ersten Unruhen auch im Küstengebiet ausbrachen, usurpierte Italien am 16. August 1941 in einem einseitigen Akt in der sogenannten Zone II, einem an das bereits unter italienischer Militärverwaltung stehende Küstengebiet (Zone I) anschließenden Streifen, die Zivil- und Militärverwaltung. In dieser „demilitarisierten" Zone durften zwar Garnisonen, aber keine Befestigungen und Wehrbetriebe errichtet werden. Das faschistische Italien hatte sein ursprüngliches gegenüber der kroatischen Usta3a-Führung aufgestelltes Maximalprogramm de facto erreicht, es hatte die Mare-nostrumPolitik, die auch von der nichtfaschistischen italienischen Generalität getragen wurde, bis auf weiteres durchgesetzt. Die kroatische Bevölkerung hat diese Usurpationen Italiens schärfstens abgelehnt, und diese Maßnahmen trugen ebenso wie die kroatische Innenpolitik dazu bei, daß das Regime fast jede Unterstützung in der Bevölkerung verlor. Das Großdeutsche Reich hatte in Serbien eine Militärverwaltung eingerichtet. Es verwaltete vorläufig auch das Gebiet der zwischen Rumänien und Ungarn strittigen Baranya bis zu einer noch ungewissen Neuordnung. Mit Kroatien aber wurden völkerrechtliche Beziehungen aufgenommen. Doch bedeutete dies nicht nur, daß ein Gesandter f ü r Agram in der Gestalt des SA-Obergruppenführers Siegfried Kasche nominiert wurde, es wurde bereits vorher, am 12. April, auch ein „Verbindungsmann der Besatzungstruppe zur kroatischen Regierung" entsandt 4 ). Dies war Generalmajor z . b . V . im O b e r k o m m a n d o der Wehrmacht Edmund Glaise von Horstenau. Hitler 4 ) So die Bezeichnung Ribbentrops, vgl. H o l m Sundhaußen, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens im nationalsozialistischen G r o ß r a u m 1941-1945. Das Scheitern einer Ausbeutungsstrategie (Studien zur Zeitgeschichte, Bd. 23), Stuttgart 1983, 79.
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Einleitung
teilte dies Glaise persönlich im Führerhauptquartier in Mönichkirchen mit. Am 14. April erhielt er den Titel „Deutscher General in Agram", am 15. April richtete er in Agram eine Dienststelle ein, am 17. April war er wieder bei Hitler in Mönichkirchen. Dabei gab dieser gegenüber Glaise zu erkennen, daß Deutschland zwischen Kroatien und Italien eine Schiedsrichterrolle zu wahren gedenke und ihm zu diesem Zweck die Ubergabe Dalmatiens als willkommene Reibungsfläche dienen könne. Im übrigen brauche er seine Truppen anderswo. Mit jenen Eindrücken von den Intentionen Hitlers am 12. und am 17. April begann Glaise-Horstenaus Mission. Er war von Anfang an dem Chef des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) direkt unterstellt. Er hatte die Aufgabe, die kroatische Regierung beim Aufbau einer eigenen Armee zu beraten und weiters die Interessen der deutschen Truppen, zunächst die Forderungen des Armeeoberkommandos 2, bei der kroatischen Regierung zu vertreten. Nach Abzug jener Kommandanten hatte er die Befugnisse eines Wehrkreisbefehlshabers über die wenigen deutschen Dienststellen und Truppen wahrzunehmen. Es waren dies zunächst die Feldkommandantur 725 und sechs Landesschützenbataillone, die vor allem die strategisch wichtige Bahnlinie Agram-Belgrad zu bewachen hatten. Glaise-Horstenau hatte damit einen Auftrag erhalten, der ihm sehr bald ein vornehmlich militärpolitisches Aufgabengebiet zuwies und gleichzeitig die Souveränität Kroatiens - je länger der Krieg dauerte, desto mehr - beeinflußte. Hervorstechend war Glaise-Horstenaus Ablehnung der italienischen Aspirationen und Okkupationen, doch erhielt er in seiner Funktion die Devise, „Ratschläge ja nicht aufdrängen, sondern nur geben, wenn sie erbeten werden" 5 ) . Trotzdem wurde, wie Glaise-Horstenau selbst schreibt, noch 1941 vom O K W angedeutet, daß seine scharfe kritische Haltung gegenüber dem italienischen Bundesgenossen unerwünscht sei, und er wurde zur Mäßigung in der intensiven Berichterstattung aufgefordert. Zunächst hatte Glaise noch an der endgültigen Zerschlagung Jugoslawiens durch weitere Verhandlungen mit dem sogleich errichteten Landesverteidigungsministerium mitzuwirken. Er hatte mitzuberücksichtigen, daß es Deutschland auf eine fortgesetzte Wahrung des außenwirtschaftlichen Besitzstandes im ehemals jugoslawischen Raum ankam. In erster Linie bedeutete dies, daß vor allem die Bauxitvorkommen in Dalmatien und der Herzegowina für die deutsche Rohstoffversorgung gesichert sein mußten, obwohl diese Abbaugebiete in der Interessenszone der Italiener lagen und nur gemäß einem Abkommen mit ihnen genutzt werden konnten. Dazu kamen noch andere interessante Erzvorkommen. Diese wirtschaftlichen Interessen vor allem, die ungestörte Nutzung der Verkehrswege und die Stabilität durch eine verbündete Regierung sollten gesichert sein, weshalb auch Kroatien zum Eintritt in den Dreimächtepakt eingeladen und veranlaßt wurde.
5 ) Gert Fricke, Kroatien 1941-1944, Der „Unabhängige Staat" in der Sicht des Deutschen Bevollmächtigten Generals in Agram, Glaise v. Horstenau (Einzelschriften zur militärischen Geschichte des Zweiten Weltkrieges, Bd. 8), Freiburg im Breisgau 1972, 24. Dieses Werk beruht vornehmlich auf den Berichten Glaise-Horstenaus.
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Der UstaSa-Staat
II. Über die Verhältnisse im UstaSa-Staat In diesem staatlichen Gebilde hatte der Chef der im italienischen Exil aufgebauten „Ustasa-Bewegung" die Macht übernommen, der nun die Kollaboration mit den revisionistischen Mächten Deutschland und Ungarn und dem faschistischen Italien versuchte. In diesem Staat lebten etwa 3 069 000 ( = 50,78%) Kroaten, 1 847000 ( = 30,56%) Serben, 717000 ( = 11,86%) Muselmanen und 410000 ( = 6,80%) Angehörige weiterer Völker, darunter etwa 100 000 Deutsche. An die Spitze des neuen Staates trat der Rechtsanwalt Ante Pavelic mit Mitarbeitern aus der Emigration sowie Anhängern, die aus dieser nach 1937 - nach einer Verständigung zwischen Jugoslawien und Italien - nach Kroatien zurückgekehrt waren. Dazu kamen noch wenige Sympathisanten, die im Lande verblieben waren. Die Aktivisten wurden insgesamt im Frühjahr 1941 auf etwa 4 000 Personen geschätzt, eine Basis, wovon etwa 500 aus der Emigration in Italien, wesentlich weniger aus Deutschland und Ungarn zurückgekehrt waren 6 ). Die Bewegung stützte sich ansonsten auf den rechten Flügel der kroatischen Bauernpartei, insbesondere auf deren militante Schutzformationen, denen der 1939 mit der jugoslawischen Regierung von ihren Führern, insbesondere Dr. Macek, ausgehandelte Autonomiestatus, das „Sporazum", zuwenig weitgehend gewesen war. Die Ustasa-Bewegung hatte weiters Sympathisanten und Anhänger in klerikalen Kreisen Kroatiens und Bosniens und in rechtsorientierten Intellektuellenkreisen um verschiedene kulturelle Vereinigungen, vor allem einer Gruppe, in der Rechtsanwälte und Studenten, weiters ehemalige k. u.k. Offiziere, stark vertreten waren. Einigendes Band dieser Anhänger waren die Ideen des Gründers der Kroatischen Rechts-Partei, Ante Starcevic, und seines Nachfolgers, Josip Frank, von einem nationalen Staat, der seine Kraft aus einer Verherrlichung des bodenverbundenen Bauerntums und einer Frontstellung gegen den ideellen Jugoslawismus schöpfte. Unklare Ideen von Volksgemeinschaft und Kooperativismus, entnommen dem deutschen Nationalsozialismus und dem italienischen Faschismus, sollten nur eine eingeschränkte Verfügung des einzelnen über das Privateigentum gestatten und dem „Gemeinwohl" den Vorrang geben 7 ). Verantwortlich f ü r eine D u r c h f ü h r u n g jener Ziele und Ideen war Pavelic, der noch vor 1938 einige Programme, in denen rassistisches Gedankengut dominierte, erarbeitet hatte. Er schuf eine Staats- und Parteiorganisation nach faschistischem Muster, er war „Herr der Staatsverwaltungsmacht" und Gesetzgeber, Führer der „UstaSa-Bewegung" und Oberbefehlshaber der Landwehr. Er ernannte und entließ die Regierung nach eigenem Ermessen, und die Minister waren nur ihm verantwortlich. Er unterstellte sich einige Bereiche durch die Gründung von „Staatsdirektionen" direkt, wovon die „Direktion f ü r öffentliche Sicherheit und O r d n u n g " die wichtigste war. D e r Staat war in 22 Großgespanschaften geteilt.
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) Sundhaußen, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens, 70 f. ) Ladislaus H o r y - M a r t i n Broszat, D e r kroatische Ustascha-Staat 1941-1945 (Schriftenreihe der Vierteljahreshefte f ü r Zeitgeschichte, N u m m e r 8), Stuttgart 1964, 76 ff. 7
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Einleitung
Es gehörte weiters zum System, daß die Ustasa-Partei per Gesetzesverordnung die Aufsicht über sämtliche Staatsorgane erhielt. Umso mehr strömten Staatsbeamte in jene Organisation und vom Staat Abhängige, die sich dann aber nur oberflächlich oder gar nicht mit dem Programm der UstaSa identifizierten. Dieses Programm, die utopische Agrarideologie und der Kroatozentrismus, hätte eine Lösung der nationalen Frage zunächst durch Grenzziehung, durch vereinbarte Umsiedlung, gesicherte Minderheitenrechte und Autonomie vorzunehmen gehabt. Dies stand weder im Sinn der vorläufigen Siegermächte noch der UstaSa-Bewegung. Durch die Grenzziehung in Dalmatien gelangten 280 000 Kroaten und 90 000 Serben unter italienische Hoheit. Die Muselmanen, vornehmlich in Bosnien, wurden zu eigentlichen und „echten" Kroaten erklärt, und Pavelic bemühte sich besonders, sie den UstaSe anzunähern, was ihm auch weitgehend gelang. Die Serben im neuen Staate wurden jedoch durch einen Prozeß der Enteignung und Entrechtung zur Flucht veranlaßt, vor allem nach Serbien und in die italienisch besetzte Zone. Sie wurden durch Massaker dezimiert, in die Wälder und unwegsamen Gebiete getrieben oder auch als scheinbar äußeres Zeichen eines Wechsels der Nationalität zum Übertritt in die katholische Kirche gezwungen. Die UstaSe errichteten bereits Ende April 1941 das erste Konzentrationslager in Drnje bei Koprivnica, später mehrere weitere, darunter das berüchtigte KZ Jasenovac am Zusammenfluß von Una und Save. Auf diese Art und Weise dürften im USK bis Herbst 1941 nach deutschen Schätzungen bei Ausschreitungen und in Lagern 200000 Serben getötet worden sein. Ende 1943 schätzte Gesandter Dr. Neubacher die umgekommenen Serben bereits auf etwa 750000 Menschen 8 ). Einige hunderttausend Serben flohen sowohl aus dem kroatischen Staat als auch aus anderen Gebieten in das unter Militärverwaltung stehende Serbien oder schlossen sich gleich einer der Partisanenbewegungen an. Jener immer wieder aufkeimende Terror, die fehlende diplomatische und parlamentarische sowie verwaltungstechnische Erfahrung der Vertreter des Regimes und der Druck von außen, zunächst von Italien, brachten die Regierung noch im Verlauf des Jahres 1941 um fast jeden Kredit bei der Bevölkerung, sodaß ihre Unterstützung nur mit etwa 2 Prozent Bevölkerungsanteil angenommen wird. Insgesamt wurden während des bald einsetzenden Partisanenkrieges und des Weltkrieges überhaupt etwa 30 Prozent der wirtschaftlich aktiven Bevölkerung dem Produktionsbereich entzogen, der kroatische Staat weiters von den Hauptanbaugebieten in Syrmien und von den Seehandels- und Industriegebieten an der dalmatinischen Küste abgeschnitten. Vernichtung der Ernteerträge und des Viehbestandes sowie Lähmung des Verkehrsnetzes taten ein übriges, um Mangelerscheinungen, ja zeitweise Hungersnot, aufkommen zu lassen, die von der Regierung nicht gesteuert werden konnten. Dazu mußte die italienische Besatzungsmacht von etwa 200 000 Mann (1941) versorgt werden. Der etwa 50prozentige Produktionsrückgang
8 ) Josef Rausch, Z u r nationalserbischen Variante des bewaffneten Widerstandes im besetzten Serbien 1941-1943. Die Cetnik-Bewegung Draza Mihailovic, in: Österreichische Militärische Zeitschrift, H e f t 4/1978, 307-315, bes. 313, Anm. 33.
Die kroatische Landwehr
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und die wachsende Desorganisation der Volkswirtschaft, die Ausbeutung und Verschleppung an Nahrungsmitteln und Industriegütern führten zur Inflation und zur hohen Staatsverschuldung.
III. Die kroatische W e h r m a c h t Vor diesem Hintergrund sollte Glaise-Horstenau seiner Aufgabe einer Mitwirkung an der Errichtung einer kroatischen Streitkraft und der Wahrung deutscher militärischer Interessen obliegen. Das Ustasa-Regime zog zunächst im Frühjahr die Milizen der Bauernpartei gegen die ersten Regungen serbisch-nationalen Widerstandes heran sowie die Gendarmerie und zurückgekehrten Ustase, die sehr bald eine sowohl der allgemeinen SS als auch der Waffen-SS ähnliche Stellung je nach ihrer Verwendung einnahmen und im Laufe des Jahres 1941 in 17 Bataillone gegliedert wurden. Sie blieben auch immer dem Innenministerium unterstellt, nur ihren militärischen Teil kommandierte der Landwehrminister Marschall Slavko Kvaternik. Erst ab Juli 1941 gestatteten Deutschland und Italien den Aufbau der Domobranen, der Landwehr, f ü r die zunächst 43 000 Reservisten, dann Rekruten erfaßt und in fünf Divisionen (darunter 15 Infanterieregimenter) eingeteilt wurden. Ende des Jahres 1941 war - ohne Rekruten eine Streitmacht von 32 000 Domobranen und 10000 Ustase einsatzbereit. Ihre Bewaffnung und Ausrüstung kam zum Teil aus deutschen und italienischen Beständen 9 ). Uber jene Truppen hinaus stellte Kroatien f ü r den sogenannten Kampf gegen den Bolschewismus, den Uberfall auf Sowjetrußland, 5 000 Freiwillige, die sich nach einem Aufruf gemeldet hatten, zur Verfügung. Von diesen wurden 3 000 Mann im verstärkten (kroatischen) Infanterieregiment (Legionsregiment) Nr. 369 ausgebildet und an der O s t f r o n t in den Kampf geworfen, bis sie größtenteils in der Schlacht von Stalingrad 1942/43 zugrunde gingen. Weiters wurden zwei kroatische Fliegerstaffeln und ein Kontingent Matrosen an der O s t f r o n t in eigenen Formationen, die Matrosen auf leichten Kriegsschiffen, geschlossen eingesetzt. Alle zeichneten sich durch überdurchschnittliche Tapferkeit aus. Ferner entstand 1942 im Rahmen der Deutschen Wehrmacht und mit deutschern Rahmenpersonal, sehr gegen den Willen der italienischen militärischen Führung, ein aus kroatischen Rekruten gebildetes Ersatzbataillon und ab November 1942 die 369. Legionsdivision, in die von jenen 5 000 Freiwilligen die restlichen 2 000 eingeteilt wurden. Dieser Division folgten später zwei weitere, nämlich zunächst die 373. Infanterie-Division (kroat.), die nach dem Abtransport der 369. Division in Döllersheim aufgestellt wurde und ab April/Mai 1943 in Bosnien im Einsatz stand, sowie die 392. Infanterie-Division 9 ) Die folgenden Angaben nach: Rudolf Kiszling, Die Wehrmacht des Unabhängigen Staates Kroatien 1941-1945, in: Österreichische Militärische Zeitschrift, 3. Jg., 1965, 261-266; Friedrich Wiener, Partisanenkampf am Balkan (Truppendienst-Taschenbücher, Bd. 26), Wien 1976, 103 ff.
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(kroat.), die ab September 1943 in Aufstellung begriffen war und ab Jänner 1944 die Adriaküste von Kraljevica bis Karlobag zu sichern hatte 10 ). Diese kroatischen Einheiten waren gemeinsam mit den Infanterie- und Gebirgsdivisionen sowie den SS-Divisionen die kampfkräftigsten und zuverlässigsten Instrumente der deutschen militärischen Führung in Kroatien bei den ab Sommer 1941 immer stärker ausbrechenden Kämpfen. Denn die Streitkräfte der kroatischen Regierung erwiesen sich mehr und mehr als unzulänglich. Es war für die reguläre Armee geplant, daß in den drei Territorialbereichen (Agram, Brod und Sarajewo) im Zuge der allgemeinen Wehrpflicht zehn Gebirgsbrigaden (zu vier Bataillonen und zwei Batterien) und vier Sicherungs-(Reservisten-)Divisionen errichtet werden sollten. Die Armee wuchs bis Ende 1942 auf 66 000 Mann, doch schon 1943 und 1944 gingen die Rekruteneinberufungen, die 1942 noch 28 000 Mann betragen hatten, auf 17000 Mann im Jahre 1944 zurück, weite Gebiete waren bereits unter Kontrolle der Partisanen. So entstanden nur vier (dann sogar nur drei) der geplanten zehn Brigaden sowie acht „stehende Brigaden". Dazu kamen noch Luftstreitkräfte (6 000 Mann) und schließlich Seestreitkräfte (4000 Mann), die aus dem Schwarzen Meer im Sommer 1944, also erst nach dem Abfall Italiens von der Achse, nach Dalmatien verlegt wurden, sowie 10000 Mann Gendarmerie, etwa zur Hälfte in der deutsch-kroatischen Gendarmeriedivision organisiert. Die Domobranenarmee blieb mithin in ihrer Organisation bei 38 000 Mann stecken. Sie war insgesamt von überaltertem Offizierspersonal, das der kroatischen Nationalität und der Zuverlässigkeit halber ja nur zum Teil aus der jugoslawischen Armee übernommen werden konnte, geführt, bewährte sich aber trotzdem in den Anfangskämpfen 1941/1942. Infolge der schlechten Ausrüstung, der Verlängerung des Dienstes und der Ungewißheit um ihre Versorgung fiel jedoch ihr Kampfwert ab, Desertion sowie Schmuggel an Waffen und Ausrüstung, da die Besoldung und Verpflegung unzureichend waren, nahmen zu. Denn die kroatische Staatsführung bevorzugte je länger je mehr den Aufbau und die Ausrüstung der UstaSa-Verbände, ähnlich dem Aufbau der Waffen-SS in Deutschland. Waren die Waffen-UstaSe Ende 1941 nur etwa 10 000 Mann stark (45 Kampfbataillone, wozu noch zwei Verkehrsbataillone kamen), die wiederum vornehmlich Sicherungsaufgaben und vor allem Repressalien durchführten, so waren sie Ende 1943 auf 64000 Mann (eine Division, 19 Brigaden) angewachsen. Bis Ende 1944 stiegen sie auf drei Divisionen, 115 000 Mann, darunter die 16 000 Mann starke „Garde des Poglavnik" und 17 selbständige Brigaden. Sie hatten ein eigenes Oberkommando, das im Zuge diverser Reorganisationsmaßnahmen nur zeitweise auch dem Landesverteidigungsministerium unterstand. Ab Herbst 1944, bereits nach Glaise-Horstenaus Abgang, betrieb Pavelic mit Unterstützung des Reichsführers-SS die totale Eingliederung der Domobranen in eine UstaSa-Armee, was schließlich im März 1945, vor den letzten Abwehrkämpfen, in der Bildung von fünf UstaSa-Korps aus je drei bis vier Felddivisionen, zum Teil Domobranen, mündete. Sie umfaßten mit l0 ) Franz Schraml, Kriegsschauplatz Kroatien. Die deutsch-kroatischen Legions-Divisionen - 369., 373., 392. Inf.-Div. (kroat.) - ihre Ausbildungs- und Ersatzformationen, Neckargemünd 1962.
Die Bewegung Draza Mihailovic
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jenen Korps und ihren insgesamt 17 Divisionen etwa 114000 UstaSe, insgesamt aber eine Streitkraft von etwa 170 000 M a n n sowie 40 000 M a n n f ü r Hilfsdienste. Bei Kriegsende sollen ihnen und der Deutschen Wehrmacht nach jugoslawischer Darstellung 800 000 Mann der Streitkräfte Titos gegenübergestanden sein.
IV. Die Cetnici und die Partisanen Als die jugoslawische Armee einen Waffenstillstand geschlossen hatte und auseinanderlief, formierten sich bewaffnete Gruppen in Serbien, im Sandzak von Novipazar, Montenegro und Bosnien, die diese Regelung nicht anerkennen wollten. Ebenso kam es bereits im April in verschiedenen Teilen Kroatiens zu Aktionen spontaner Selbstverteidigung, insbesondere unter den Serben. Noch im April fanden Kämpfe um Nevesinje, Bosnien, statt, am 28. April erging der Befehl, jeder M a n n , der mit W a f f e angetroffen werde, sei zu erschießen. So ging auch wenige Tage nach der Kapitulation der nationalserbisch denkende ehemalige jugoslawische Militärattache in Sofia und Prag, Oberst Draza Mihailovic, mit einigen Gefährten ins Suvobor-Gebirge, nahe dem Geburtsort eines Helden des Ersten Weltkrieges, des Woiwoden Misic. Er setzte sich die Aufgabe, in Treue zum westlichen Bündnis eine Guerilla-Truppe zu organisieren und in den Ortschaften Mobilisierungslisten anzulegen und möglichst viele regionale Militärorganisationen zu schaffen"). Er baute eine Kampfgruppe auf und unterstellte sich der Londoner Exilregierung unter König Petar. N u r vereinzelt führte er Anschläge auf Munitionslager, Verbindungslinien, Fernsprechanlagen und Brücken durch. Denn sein Konzept beruhte darauf, mit seiner möglichst kampfstarken Miliz eine Niederlage der Deutschen Wehrmacht an den Fronten abzuwarten, währenddessen einen bewaffneten Widerstand vorzubereiten und diesen schließlich nach einer Landung alliierter Truppen auszulösen. Die Substanz des serbischen Volkes sollte so erhalten bleiben. Auf welche Weise sowohl die Anhänger von Mihailovic, die sogenannten Cetnici (von ceta = Schar), als auch die Partisanen Zulauf erhielten, zeigt das Beispiel der Vergeltung f ü r einen Überfall bei Kragujevac, bei dem zehn deutsche Soldaten ermordet und doppelt so viele verwundet wurden. In Befolgung des OKW-Befehls Nr. 888 a vom 16. September 1941, wonach 50 bis 100 Zivilpersonen f ü r jeden ermordeten deutschen Soldaten zu exekutieren seien, ließ der Bevollmächtigte Kommandierende General in Serbien, Franz Böhme, 2 000 bis 3 000 Personen, darunter auch Schüler, erschießen; in Kraljevo weitere 2 000 Personen. In der Folge wurden Anhaltelager und Sperrzonen entlang der Bahn errichtet. Deshalb vermehrten sich die bewaffneten Gruppen aller Art, andererseits versuchte Mihailovic aber bereits im Frühherbst 1941 mit den Deutschen Abkommen zu treffen, um derartige Repressalien zu vermeiden. Schon ab September 1941 befand " ) Jovan Marjanovic, Draza Mihailovic. Izmedu Britanaca i Nemaca, Beograd-Zagreb 1979; Josef Rausch, Die Jugoslawische Exilregierung und Jugoslawien 1941 bis Sommer 1943 unter besonderer Berücksichtigung der Bewegung Draza Mihailovics, Wiener ungedruckte Dissertation 1971; J o z o T o m a s e vich, War and Revolution in Jugoslavia 1941-1945, vol. 1: T h e Chetniks, Stanford 1975.
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sich in seinem Stab auf der Ravna Gora ein Verbindungsoffizier der Briten. U m die gleiche Zeit gab die Regierung Simovic jedoch auch durch, es sollte keinesfalls mit den Kämpfen begonnen werden, bevor nicht Befehle aus Kairo kämen 1 2 ). So autorisierte Mihailovic also neuerlich Emissäre zu weiteren Zusammentreffen mit deutschen Offizieren, wobei der aus Österreich stammende Hauptmann Dr. Josef Matl eine bedeutende Rolle spielte. Als Mihailovic am 11. November (oder 14./ 15. November) 1941 bei Divci zu einer längeren Besprechung mit deutschen Offizieren zusammentraf, ließ er ihnen zum Beweis seines guten Willens 360 Partisanen, Sympathisanten der Partisanen und Verwundete übergeben, die dann großteils liquidiert wurden 1 3 ). Dabei vertrat Mihailovic die Meinung, daß seine Hauptfeinde die Partisanen unter T i t o seien. Doch die Deutschen verlangten von Mihailovi6 bedingungslose Kapitulation, und so flammten die Kämpfe wieder auf. Die Kommunisten hatten bereits am 10. April 1941 in Agram ein Militärkomitee formiert und in einem Manifest vom 15. April die jugoslawischen Völker zum Widerstand ermutigt sowie zum Sammeln und Verstecken von Waffen aufgefordert. Am 1. Mai erließ das Z K der KPJ eine neuerliche Proklamation. Am 8. Mai formierte Tito dann in Agram den Hauptstab der Partisanen. Schon im April kämpften die Partisanen in der Herzegowina, im Juli wurde bereits die Hälfte von Montenegro von den Aufständischen kontrolliert. Zum Unterschied von den Cetnici bevorzugten die Partisanen die Bildung von Überfall-Kommandos und Sabotagetrupps, die Provokationstaktik, die auch immer wieder Repressalien der Gegenseite herbeiführten. Die Partisanen bekämpften dadurch gleichzeitig die Gesellschaftsordnung. Tito versuchte noch am 16. September und am 27. Oktober 1941 durch Treffen mit Mihailovic nahe von Uzice eine Zusammenarbeit mit den Cetnici herbeizuführen. Da aber Mihailovic auf die später in einem Brief formulierten Bedingungen Titos nicht einging, nämlich die Gemeindeverwaltungen aufzulösen und Räte zu bilden, die „faschistischen" Kollaboranten in Serbien zu bekämpfen und die gegenseitigen Operationsgebiete abzugrenzen, kam es bald darauf, in der Nacht vom 1. zum 2. November 1941, zu einem Angriff von Cetnici auf die Partisanen bei P o i e g a in Westserbien. Seither herrschte Bürgerkrieg. Noch im September 1941 hatte der Hauptstab der Partisanen Titos die Aufstellung ganzer Bataillone beschlossen. Ende 1941, als Tito aus Uzice vor den Erfolgen der deutschen Einkreisung bis 10. Dezember nach Ostbosnien ausweichen mußte und auch Mihailovic mit nur wenigen Begleitern dem Zugriff der eingesetzten deutschen, serbischen und schließlich bulgarischen Truppen entging, wurde die 1. Proletarische Brigade aufgestellt. Die Partisanenbewegung hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Stärke von etwa 80 000 M a n n , während Mihailovic nach England eine Stärke von 200000 M a n n meldete, die er mobilisieren könnte. Die Aufstellung jener Brigade wurde in Foca, Montenegro, vorgenommen, und damit begann der Aufbau praktisch regulärer Streitkräfte mit allerdings besonderen taktischen Anweisungen und Verhaltensweisen. Nachdem sie aus Serbien vertrieben worden waren und sich bis 1944 dort ,2 ) Marjanovic, 19. Die Regierung befand sich im Exil in Kairo. " ) Vaza Kazimirovic, P r o d a j a rodoljuba, Beograd 1951; Marjanovic, 125 ff.
Die Partisanen Titos
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nicht mehr f ü r längere Zeit festsetzen konnten, mußten sie sich auf Ostbosnien, Herzegowina und Montenegro konzentrieren. Ihre Gegner waren die deutschen, kroatischen und bis zum Frontwechsel Italiens auch die italienischen Einheiten, die in jenen Gebieten stationiert waren, sowie die Cetnici. Für sie blieb, seitdem Mihailovic am 20. Dezember 1941 erklärt hatte, daß es mit den kommunistischen Partisanen keine Zusammenarbeit geben könne, der CetnikFührer der Hauptfeind. Dies bedeutete, daß die wesentlich lockerer organisierten Verbände der Cetnici und deren einzelne lokale Führer insbesondere mit der italienischen Armee zusammenzuarbeiten begannen und daß auch schon Ende 1941 einzelne Unterführer zu begrenzten Ubereinkommen mit den Deutschen zu kommen trachteten. Cetnici hatten an den Unternehmen gegen die Partisanen der kommenden Jahre Anteil. Sie waren 1942 den Partisanen noch eindeutig überlegen, doch 1943, als die Italiener kapitulierten, die Briten infolge amerikanischer und sowjetischer Widerstände trotzdem nicht in Dalmatien landeten, arbeiteten immer mehr lokale Cetniciführer mit den Deutschen zusammen. Die Mission des deutschen „Sonderbevollmächtigten Südost", Dr. Neubacher, spielte dabei eine wichtige Rolle. Im September 1943 entzogen die Alliierten Mihailovic ihre bisher gewährte Unterstützung, während andererseits um diese Zeit die Partisanen an den italienischen Waffenbeständen partizipierten und der amerikanische Geheimdienst OSS mit der logistischen Unterstützung der Partisanen begann. Im Verlauf der Konferenz von Teheran (28. 11. bis 1. 12. 1943) beschlossen die „Großen Drei" die Anerkennung Titos als Alliierten und ließen Mihailovic fallen. Tito hatte am 1. März 1942 die 2. Proletarische Brigade aufgestellt, und weitere 21 Brigaden mit je 500 bis 600, später etwa 1 000 Mann stark, folgten noch im selben Jahr im Sandzak, in Montenegro und in der Herzegowina. Im November 1942 wurde mit der Aufstellung von Partisanendivisionen begonnen. Der Erfolg, den Tito trotz gelegentlicher Rückschläge hatte, gründete sich auf die wachsende Unterstützung durch die Mehrheit der Bevölkerung im kroatischen Staat. Er hatte revolutionäre und sozialistische Phrasen zurückstellen lassen. Die Partei richtete in den durch die Partisanen befreiten Gebieten eine funktionierende Verwaltung ein, vermied Plünderungen und Diebstahl, gab der Bevölkerung ein Gefühl des Schutzes und relativer Rechtssicherheit. So konnte er schließlich im November 1942 in Bihac an der Una einen von nahezu allen Landesteilen beschickten „Antifaschistischen Rat der Volksbefreiung Jugoslawiens" abhalten, der ein Exekutivkomitee, praktisch eine Regierung, bestimmte. Bis Ende 1944 war seine Armee, die sich schließlich auf Grund der Wehrpflicht in den befreiten Gebieten rekrutierte, auf 400 000 Mann angewachsen, während sich Ende 1943 auf jugoslawischem Boden 24 deutsche, neun bulgarische Divisionen, insgesamt etwa 450 000 Mann, und noch 180000 Mann einheimischer Truppen befanden, einschließlich der Cetnici mit wechselnden Loyalitäten. Auf kroatischem Staatsgebiet hatten sich währenddessen die folgenden größeren Operationen abgespielt: - Freikämpfung der Eisenbahnstrecke D o b o j - M a g l a j durch Domobranen- und Ustasa-Bataillone im Dezember 1941;
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Einleitung
- Vorstoß zweier deutscher Divisionen (342. und 718. Infanteriedivision) samt dem UstaSa-Detachement „Schwarze Legion" zwecks Säuberung nach Ostbosnien 15. Jänner bis Februar 1942 („2. feindliche Offensive"). Das Gros der proletarischen Brigade konnte sich in die nördliche Herzegowina absetzen. Der Hauptstab der Partisanen kam nach Foca. - Kämpfe in der „Kozara" ab 20. April 1942, bis zum Beginn des sogenannten „langen Marsches", des Ausbruchs der Partisanen nach Nordwesten am 22. Juni 1942: Insgesamt griffen 22 Bataillone an Domobranen, Teilen zweier deutscher Infanterie bzw. Gebirgsdivisionen sowie ein UstaSa-Bataillon an (sogenannte „3. feindliche Offensive"). - „Langer Marsch" Titos in zwei Kolonnen entlang dem Zentralmassiv Bosniens in der italienischen Zone III vom Juli bis September 1942: Eroberung von Konjic (7. 7. 1942) und Livno (6. 8.1942) sowie Mrkonjic Grad südöstlich von Banja Luka (24. 8. 1942), schließlich von Jajce (25. 9. 1942); - Kämpfe um Bihac, südöstlich von Agram, das angesichts des Umstandes, daß die italienischen Truppen den Domobranen und Ustase nicht halfen, am 1./2. November 1942 von den Partisanen erobert wurde; - Unternehmen „Weiß" (sogenannte „4. feindliche Offensive") laut Führer-Weisung Nr. 47, 28. Dezember 1942, das am 3. Jänner 1943 mit den Großaktionen Weiß I und II begann und bis Ende März 1943 andauerte. Mittels eineinhalb deutscher Jäger-Divisionen (Teile der 714. und 718. Division), der 7. SS-Gebirgsdivision, der 369. (kroat.) Infanterie-Division, der 2. und 3. Gebirgsdivision der Domobranen sollten die Partisanen um Biha6 eingekreist werden. Die Italiener setzten drei Divisionen und Cetnici ein. Insgesamt kämpften 80 000 Mann gegen das I. Kroatische Korps der Partisanen, das I. Bosnische Korps und die Korps ab teilung z.b.V. des Obersten Stabes mit 30 000 Mann. Den Partisanen gelang ab 7. März die Überwindung der Neretva und nach schwersten Kämpfen, in denen insbesondere Cetnici-Verbände zerschlagen worden waren, der Ausbruch in die Dreiländerecke Herzegowina/ Montenegro/Sandzak Novipazar um Foca. - Unternehmen „Schwarz" („5. feindliche Offensive") ab 15. Mai 1943, in welchem die Partisanen zwischen den Quellflüssen der Drina, Tara und Piva umzingelt werden sollten. Insgesamt etwa 119000 Mann, zwei deutsche Divisionen, die 7. SS-Gebirgsdivision, die 369. (kroat.) Infanteriedivision, die 4. Jägerbrigade und die 2. Gebirgsbrigade der Domobranen, vier italienische Divisionen und ein verstärktes bulgarisches Regiment griffen an die 20 000 Partisanen an, von denen etwa 3 000 Mann nach Nordosten entkamen, um sich in der Javornik Planina südöstlich von Sarajewo zu sammeln. Das Unternehmen endete am 19. Juni 1943; - Entwaffnung der italienischen Truppen ab 9. September 1943 durch die Truppen der 2. Panzerarmee (fünf Divisionen) in Dalmatien und Albanien sowie Besetzung aller dalmatinischen Inseln mit Ausnahme von Lissa (Vis); - Unternehmen „Kugelblitz" in Ostbosnien ab 2. Dezember 1943 mit sechs deutschen Divisionen, kroatischen und bulgarischen Truppen („6. feindliche Offensive") gegen etwa 30000 Partisanen. Die Partisanen brachen am 17. Dezember 1943 durch die Sicherungslinie nach Westen durch. Die schweren Kämpfe dauerten bis
Die Kämpfe gegen Partisanen 1941-1944
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Jänner an, am 7. Jänner 1944 eroberten die deutschen Streitkräfte Jajce, die Partisanen wichen nach Mitteldalmatien aus; - Unternehmen „Rösselsprung" („7. Offensive") gegen Titos Obersten Stab der Volksbefreiungs-, Partisanen- und Freiwilligenarmee Jugoslawiens in Drvar, etwa 70 km südöstlich von Bihac am 25. Mai 1944, durch etwa 600 Fallschirmjäger der SS. Tito konnte entkommen und wurde nach Lissa geflogen. Am 28. August 1944 setzte auf alliierten Druck hin Petar II. General Mihailovic als Kriegsminister ab, und Tito wurde alleiniger Oberbefehlshaber in Jugoslawien. Dies war das letzte größere deutsche Unternehmen im kroatischen Staat. - Am 6. September 1944 begann die Rückführung der Heeresgruppe Ε aus Griechenland 1 4 ). Bereits am 1. September 1944 hatte Mihailovic den Befehl zum allgemeinen Aufstand gegeben, doch schon näherte sich die Rote Armee Belgrad, das am 28. September 1944 angegriffen wurde, am 14./15. Oktober 1944 erreichten sie zusammen mit Titos 1. Proletarischer Division das Stadtzentrum. Am 6. April 1945 wurde von den Verbänden der Heeresgruppe Ε Sarajewo geräumt, am 12. April 1945 begann die Offensive der jugoslawischen Befreiungsarmee in Syrmien, wobei schließlich die deutsche Front durchbrochen wurde. Als Generaloberst Lohr, seit 23. März 1945 Oberbefehlshaber Südost, am 2. Mai 1945 von der Kapitulation der Heeresgruppe C in Italien erfuhr, leitete er ab 5. Mai 1945 den Rückzug der Heeresgruppe Ε aus der Zvonimirstellung bei Agram zur österreichischen Grenze ein. Daß Glaise v. Horstenau im Rahmen dieser Kämpfe, abgesehen von einer Nebenaufgabe in Slawonien im Rahmen des „Unternehmens Weiß", die ihm gestellt wurde und die er löste, nicht als Kommandeur herangezogen wurde, hing mit der Entwicklung der Befehlsstruktur in jenem Raum zusammen. Noch in den Jahren 1941/42 wurde versucht, in Kroatien gegen die Partisanen und die Cetnici mit den Verbänden der Domobranen und UstaSe, dann - soweit es die italienischen Besatzungszonen betrifft - mit italienischen Divisionen erfolgreich vorzugehen und kroatische wie montenegrinische Gendarmerie einzusetzen. Glaise-Horstenau kam dabei eine koordinierende Funktion zwischen den „Verbündeten" zu. Eine Entscheidung über eine Änderung in dieser Aufgabe fiel im August/September 1941. Denn einerseits wurde mit 1. August 1942 dem aus dem k. u.k. Generalstab hervorgegangenen Generaloberst der deutschen Luftwaffe, Alexander Lohr, die Funktion des Wehrmachtbefehlshabers Südost anvertraut. Er war zuvor als Generalmajor Kommandant der Luftstreitkräfte des Osterreichischen Bundesheeres, dann 1938 bis 1942 Chef der Luftflotte bei ihren Einsätzen in Polen, am Balkan und im südlichen Rußland gewesen. Bei ihm, einem hervorragenden Kenner der Verhältnisse am Balkan, d u r f t e Glaise-Horstenau mit Recht ein Eingehen, Aufgreifen und Vertreten der militärischen, vor allem seiner politischen Vorschläge und Beobachtungen 14 ) Vlado Strugar, Die jugoslawische Armee II. Die Volksbefreiungsarmee Jugoslawiens, in: Österreichische Militärische Zeitschrift, Jg. 1964, 1 9 4 - 2 1 0 , 4 0 3 - 4 0 9 ; Jg. 1965, 1 5 - 2 3 ; Wiener, 110ff., dort auch weitere Literatur: 239ff. Janusz Piekalkiewicz, Krieg auf dem Balkan 1940-1945, M ü n c h e n 1984. Eine zusammenfassende Beschreibung der Kämpfe von amtlicher jugoslawischer Seite ist: Vlado Strugar, Der jugoslawische Volksbefreiungskrieg 1941 bis 1945, 2 Bde., Berlin 1969.
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erwarten. Nach dem Besuch des Poglavnik im O k t o b e r 1942 bei Hitler und dem Vortrag, den Glaise-Horstenau im Führerhauptquartier zu halten hatte, wurde dort zwar keinerlei Hinarbeiten auf eine Änderung der politischen Verhältnisse erwogen, wohl aber sollten weitere Streitkräfte zur Partisanenbekämpfung nach Kroatien verlegt und d a f ü r eine eigene Befehlsstelle geschaffen werden. Wie aus Aufzeichnungen und Berichten Glaise-Horstenaus hervorgeht, war er selbst vom Wehrmachtsführungsstab als „Befehlshaber der deutschen Truppen in Kroatien" vorgesehen, doch dann erhielt - offenbar überraschend - Generalleutnant Lüters diese Funktion. D a ß Glaise-Horstenau selbst seine Ernennung in der Erkenntnis, daß er selbständig nie mehr als eine Kompanie kommandiert habe, diese Betrauung hintertrieben habe, wie von Kiszling behauptet wird 15 ), ist nicht undenkbar, wird aber von den Akten keinesfalls bestätigt. Jedenfalls behielt er die Befugnisse eines territorialen Befehlshabers f ü r alle nicht f ü r die Operationen herangezogenen Truppen und eines Verbindungsoffiziers der Deutschen Wehrmacht zur kroatischen Regierung. Mit Beginn des „Unternehmens Weiß" am 28. Dezember 1942 erhielt Lohr als „Oberbefehlshaber Südost" die „Verteidigung des Südostraumes" und die Bekämpfung der Aufstände übertragen. Es wurden ihm Glaise-Horstenau und Lüters unterstellt, ebenso wie die Militärbefehlshaber in Serbien, Saloniki-Ägäis, Südgriechenland, Kreta. Davon ausgenommen blieb Glaise-Horstenaus Eigenschaft als Militärattache, er hatte also weiter an das O K W zu berichten 16 ). Diese Funktion bedingte jedoch auch, d a ß Glaise-Horstenau bei der Aufstellung und dem Einsatz der 1943 formierten SS-Polizeikräfte Befugnisse innehatte und ebenfalls mit der Rekrutierung f ü r eine aus bosnischen Freiwilligen zu bildende Waffen-SS-Division herangezogen wurde. Das SS-Hauptamt hatte zunächst ab April 1941 Werbungen unter den etwa 500 000 Deutschen im ehemals jugoslawischen Staatsgebiet versucht' 7 ). Sie hatte daneben eine „Einsatzstaffel" der sogenannten „Deutschen Mannschaft", einer ebenfalls von Deutschland über die Volksgruppenführung gelenkten Selbstschutzformation geschaffen. Aus dieser entstand schließlich nach einem langwierigen Kampf zwischen Auswärtigem Amt und O K W einerseits, der Reichsführung-SS andererseits, die 7. SS-Freiwilligen-Gebirgs-Division „Prinz Eugen", anfangs 1943. Die Souveränität des kroatischen Staates und die Belange der kroatischen Landwehr wurden dabei schwer mißachtet, das O K W mußte ebenfalls im Mai 1942 zustimmen, daß Erfassung, Einstellung und Ausbildung der Volksdeutschen durch die SS erfolge. Lohrs spätere Proteste und Vorschläge, hinter denen zweifellos Glaise-Horstenau mit zu vermuten ist, blieben wirkungslos. Die nächste Formation, die von der Reichsführung-SS forciert und durchgesetzt wurde, war eine Polizeiorganisation, die von dem aus Österreich stammenden Polizeibevollmächtigten SS-Brigadeführer Kammerhofer als SS-Gendarmerie im Frühjahr 1943 aufzustellen begonnen wurde. Sie sollte 20 000 Mann umfassen, Reichsdeutsche, Volksdeutsche und 15 000 Kroaten, und sie hatte als Polizei wie Genarmerie den deutschen Truppen zur Verfügung
15
) Rudolf Kiszling, Die Kroaten. D e r Schicksalsweg eines Südslawenvolkes, Graz-Köln 1956, 188. " ) Piekalkiewicz, 172, 175. 17 ) H o l m Sundhaußen, Z u r Geschichte der W a f f e n - S S in Kroatien 1941-1945, in: Sudostforschungen, Bd. X X X , 1971, 176-196.
Die SS in Kroatien
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zu stehen. Angesichts der passiven Resistenz der kroatischen Regierung kamen aber nur etwa 10 000 Mann zustande, die in der SS-Gendarmeriedivision Dienst versahen und schließlich kämpften. Glaise-Horstenaus Verhalten in seinen Denkschriften ist durchaus zwiespältig, da er einerseits versuchte, die Befugnisse Kammerhofers auf das Operationsgebiet der deutschen Truppen einzuschränken, andererseits ohne Zweifel gewisse Möglichkeiten sah, den Einfluß der UstaSa einzuschränken 1 8 ). Gewissermaßen der Schlußpunkt in jenen Bestrebungen waren dann Himmlers Ideen f ü r eine „SS-Wehrgrenze", die zunächst durch die Aufstellung einer „muselmanischen SS-Division" realisiert werden sollte. Sie sollte gleichzeitig eine Verbindung zwischen Islam und Nationalsozialismus darstellen, „bluts- und rassemäßig vom Norden, weltanschaulich-geistig dagegen vom Orient" gelenkt werden 1 9 ). Aber zunächst kam es nur auf die Lenkung aus dem Norden an, und so setzten im Herbst 1943 Werbungen für etwa 85 000 Freiwillige ein, zum Jahresende zählte dann die „13. Waffengebirgsdivision der SS, Handschar (kroat. Nr. 1)" bereits 21 065 Mann. Eine weitere Division, die Oberstgruppenführer Gottlob Berger als „23. Waffengrenadierdivision der SS. Kama" (kroat. Nr. 2) im Herbst 1944 aufstellen wollte und wohl im Juli 1944 bei seinem Besuch von Pavelic auch gefordert hat, kam nicht mehr zur Gänze zustande. Daneben wurde ein weiterer Heereskörper, das III. (Germanen-)SS-Panzerkorps, zeitweise 1943/44 nach Kroatien verlegt. O h n e Zweifel geht aus den Aufzeichnungen Glaise-Horstenaus hervor, daß sich dieser im Zusammenhang mit der Befassung mit SS-Belangen, der Aufstellung ihrer Einheiten und der zum Teil versteckten Anprangerung mancher Greueltaten, insbesondere jener der Prinz-Eugen-Division im April 1944, über die Auseinandersetzung um die Errichtung eines SS-Imperiums in Mitteleuropa im klaren war. Der Sturz des Faschismus in Italien und die Gefahr einer Landung der Westalliierten in Dalmatien bedingten eine Neuordnung der Militärverwaltung mit 20. August 1943. Generalfeldmarschall Maximilian Freiherr von Weichs in Belgrad übernahm als Oberbefehlshaber Südost (Heeresgruppe F) die Führung auf dem Balkan 20 ). Für Griechenland und Serbien unterstanden ihm Lohr nun wieder als Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Ε sowie f ü r Kroatien, Montenegro und Albanien der Kommandeur der 2. Panzerarmee, Generaloberst Dr. Lothar Rendulic, weiters der Militärbefehlshaber in Serbien und der Deutsche Bevollmächtigte General in Kroatien. Auch bei Weichs konnte Glaise-Horstenau weitgehendes Verständnis f ü r seine politischen Anliegen finden, wenn dieser auch mehrmals - zum Unterschied von Glaise-Horstenau - f ü r die Errichtung einer Militärverwaltung in Kroatien eintrat. Dies war eine Maßnahme, die Glaise-Horstenau in einer so offenen Form keineswegs befürwortete, die aber auch bezüglich Weichs als das Herausarbeiten eines Gegensatzes zu der realitätsfernen Berichterstattung des deutschen Gesandten in Agram zu werten ist.
18
) Fricke, 122.
" ) H i m m l e r , zit. bei H o r y - B r o s z a t , 159. 20 ) Vgl. Fritz F r h . v. Siegler, D i e h ö h e r e n D i e n s t s t e l l e n d e r D e u t s c h e n W e h r m a c h t 1 9 3 3 - 1 9 4 5 , 151 ( S k i z z e 3: D i e Befehlsverhältnisse am Balkan).
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Einleitung
In den amtlichen schriftlichen Äußerungen Glaises und auch in den in der Folge edierten Aufzeichnungen nehmen in den Berichten unter dem Gesichtspunkt des Schadens des Ansehens der Deutschen Wehrmacht beziehungsweise der Minderung einer effektiven Kampfführung der Gegensatz zwischen Domobranen und UstaSe und das Verhältnis zu den Italienern den ersten Platz ein. Glaise-Horstenau konnte hier sehr wohl eine Gefährdung der deutschen militärischen Interessen im engeren und weiteren Sinne geltend machen, wenn er unter bestimmten Gesichtspunkten auf die Greuel und Vertreibung der serbischen Bevölkerung, das Sinken der Kampfkraft der Domobranen infolge der eklatanten und provokanten Bevorzugung der UstaSe in allem und jedem durch die Staatsführung, die Gefährdung der von den Deutschen auszubeutenden Bodenschätze, der Annexion der Italiener und deren Zusammenarbeit mit den Cetnici, wenn diese offenkundig gegen kroatische Interessen ausgespielt wurden, berichtete. Darüber hinaus geht aus den Aufzeichnungen Glaise-Horstenaus hervor, daß er außerhalb jener amtlichen Berichte, im Gespräch, offenbar wirksam intervenierte. Besonders trat er massiv dafür ein, die Maßnahmen der Entvölkerung, wie sie bei der „3. Offensive" (Kozara-Unternehmen) gegen die Bevölkerung gesetzt wurden und gegen die Glaise-Horstenau bereits im Juni/Juli 1942 protestiert hatte, nicht oder nicht in jenem Ausmaß zu wiederholen. Die Entvölkerung jener Landstriche, als anläßlich der Operationen alle männlichen Einwohner über 14 Jahre - ausgenommen Greise - in Sammellager transportiert und zur Zwangsarbeit nach Deutschland verschickt oder die Bevölkerung durch Liquidierung und unzureichende Ernährung überhaupt dezimiert wurde, sollte aufgrund der Einwirkung Glaise-Horstenaus in diesem Umfang nicht nochmals vorgenommen werden 21 ). Die Übertragung der vollziehenden Gewalt an die Militärbefehlshaber „nach eigenem Ermessen", wofür anläßlich des Unternehmens Weiß (4. Offensive) das kroatische Staatsgebiet südlich der Save bis zur Demarkationslinie bestimmt wurde, gab Glaise-Horstenau weitere diesbezügliche Einflußmöglichkeiten und Befugnisse 22 ). Darüber hinaus ist allerdings nicht klar, welche Stellung Glaise-Horstenau zu den mehrmals aufgeworfenen Plänen wirklich bezog, die gesamte Verwaltung in Kroatien durch die Deutsche Wehrmacht zu übernehmen. Generaloberst Lohr hatte am 27. Februar 1943 in einer ausführlichen Denkschrift die Abberufung des Gesandten Kasche und die Beseitigung der UstaSa sowie eine Neubildung der 21
) Sundhaußen, Wirtschaftsgeschichte Kroatiens, 254 ff. ) Siegler, 71: Laut Reichsverteidigungsgesetz v. 4.4.1938 sowie Heeresdienstvorschrift 90: „Vollziehende Gewalt ist die höchste Staatsgewalt (summum imperium), die ihre Grenze nur in dem Willen des Führers findet. Ihre Übernahme ist nur gerechtfertigt, wenn die Lage in einem größeren Gebiet sehr ernst ist." § 2 des Reichsverteidigungsgesetzes: „Ist ein Operationsgebiet bestimmt, erhalten mit Erklärung des Verteidigungzustandes der Oberbefehlshaber des Heeres und die Oberbefehlshaber der Armeen ohne weiteren Befehl die Befugnis zur Ausübung der vollziehenden Gewalt in diesem Operationsgebiet. Die die vollziehende Gewalt ausübenden Oberbefehlshaber können mit Wirkung für das Operationsgebiet Rechtsverordnungen erlassen, Sondergerichte einsetzen und den für die Operationsgebiete zuständigen Behörden und Dienststellen Weisungen erteilen . . . " Das Operationsgebiet war geteilt in das „Gefechtsgebiet", das Gebiet der eigentlichen Kämpfe, und in das „rückwärtige Armeegebiet", wo auch zivile Interessen zu berücksichtigen waren. 22
Reichsbevollmächtigter Glaise-Horstenau ?
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kroatischen Regierung, vor allem aber die Einsetzung Glaise-Horstenaus als „Reichssonderbeauftragten und Befehlshaber der deutschen T r u p p e n " gefordert. Generaloberst Jodl hatte diese Denkschrift Hitler gar nicht erst vorgelegt. Kasche hatte empfohlen, die ihm zugeleitete Denkschrift abzulehnen, was somit auch geschah 23 ). Damals wurde neben der Behauptung, die Ustasa sei staatstragende Bewegung, auch mit der Belastung des Verhältnisses zum italienischen Verbündeten argumentiert. Nach dem Absprung Italiens sollte ab 1. Oktober 1943 der Deutsche Bevollmächtigte General „in denjenigen Teilen Kroatiens, die im Einvernehmen mit der kroatischen Regierung zu Operationsgebieten erklärt werden . . . die vollziehende Gewalt ausüben" 2 4 ). Nicht lange darnach machte Glaise-Horstenau selbst nochmals den Vorschlag der Einsetzung eines Generals als „Reichsbevollmächtigten", der die „vollziehende Gewalt" auf kommandierende Generäle übertrage und die kroatische Regierung „kontrolliere". Wahrscheinlich hat Glaise-Horstenau dabei an sich selbst gedacht und diesen Vorschlag vielleicht als Gegengewicht gegen Vorstellungen des Kommandeurs der 2. Panzerarmee, Generaloberst Dr. Rendulic, unternommen, der ebenfalls eine Militärverwaltung anstatt einer kroatischen Verwaltung befürwortet hatte 25 ). Dem hatte sich Kasche neuerlich entgegengestemmt und die Vorschläge als abwegig bezeichnet. Hitler hatte ihm recht gegeben 26 ). Welche Stellung er zu Glaises Ansichten einnahm, ist nicht nachweisbar. Jedenfalls sprach sich Glaise-Horstenau, als Hitler Kasche wegen dessen Stellung gegenüber der SS kritisierte, für den Verbleib dieses SA-Gesandten aus, allerdings unter dem Motto, daß er Sorge habe, vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Nochmals tauchten derartige Pläne im Juli 1944 auf, als Generalfeldmarschall v. Weichs den Vorschlag machte, die kroatische Wehrmacht nach deutschem Muster umzubauen und unter deutsches Kommando zu stellen. Der Wehrmachtsführungsstab stand derartigen Plänen positiv gegenüber. Glaise hingegen sprach sich für deutsch-kroatische Beratungen zur Verbesserung des Verhältnisses und gegen solche radikale Änderungen aus. Die Katastrophe des Frontwechsels Rumäniens machte dann derartige weitere Überlegungen ebenso illusorisch wie der Umstand, daß sich Pavelic, indem er eine „Verschwörung Lorkovic-Vokic" aufdeckte, Hitler und der SS völlig in die Arme warf. Bevor dieser neuerliche und wesentliche Rückschlag f ü r die deutsche Kriegsführung am Balkan eintrat, standen Ende Mai 1944 auf jugoslawischem Boden etwa 700000 M a n n deutsche Soldaten, mitgezählt die serbischen und slowenischen Kombattanten auf deutscher Seite sowie die kroatischen Soldaten in den Legionsund den SS-Divisionen. Dies waren insgesamt 16 Infanterie-, Gebirgs- und WaffenSS-Divisionen sowie sieben Regimenter. In Griechenland und Albanien standen weitere 350000 Mann, deren Schicksal damals bereits vordringlichstes Augenmerk zugewendet werden mußte. 23 ) Johann Wuescht, Jugoslawien und das Dritte Reich. Eine dokumentierte Geschichte der deutsch-jugoslawischen Beziehungen von 1933-1945, Stuttgart 1969, 319f. 24 ) Vgl. S. 298, Anm. 21 u. 22. 25 ) Vgl. S. 256, Anm. 5 u. S. 259, Anm. 10. M ) Vgl. S. 259, Anm. 10.
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Einleitung V. Glaise-Horstenaus politische Pläne
Die bereits erwähnten Bestrebungen und Urteile Glaise-Horstenaus im Rahmen seines Dienstes in der Deutschen Wehrmacht sind zum Teil durch seinen amtlichen Schriftverkehr, den amtlichen Schriftverkehr über seine Vorschläge und die Verhältnisse in Kroatien sowie seine Aufzeichnungen dokumentiert. Alle derartigen Vorschläge lagen in seiner Kompetenz oder zumindest am Rande seines Zuständigkeitsbereiches und konnten irgendwie mit der Wahrung der Interessen der Wehrmacht gerechtfertigt werden. Soweit Glaise-Horstenau Aktionen setzte, die teils nicht in jenem Schriftverkehr, also vornehmlich in seinen Berichten an das O K W und an die Vorgesetzten am Balkan, festgehalten worden sind, ja in den mehr oder weniger gleichzeitig geführten Aufzeichnungen höchstens andeutungsweise erwähnt werden, müssen wir uns auf weitere Quellen stützen. Dies betrifft zum guten Teil Zeugnisse von Glaise-Horstenaus Gegenspielern und anderen Zeitgenossen sowie Akten, die von jugoslawischer Seite verwahrt werden. Weiters müssen wir uns auf die deutsche, jugoslawische, englische und amerikanische Literatur verlassen. Hier sind möglicherweise noch Überraschungen oder Klarstellungen zu erwarten. Der gegenwärtige Stand an Wissen oder Vermutungen sei hier als Ergänzung und Erklärung der nachfolgenden Aufzeichnungen kurz angeführt. In seiner allerdings erst in Salzburg 1945 verfaßten Einleitung für seine Aufzeichnungen über die Tätigkeit in Kroatien 27 ) verweist Glaise-Horstenau kurz darauf, was er selbst in den zwanziger Jahren für Eindrücke vom Verhalten ehemaliger k. u.k. Generalstabsoffiziere nach 1918 gewinnen konnte; daß Kvaternik unter denjenigen Kroaten gewesen sei, die anfangs Dezember 1918 die „Wallfahrt nach Belgrad" mit dem Angebot der Königsherrschaft an die Dynastie Karadjordjevic gemacht haben und zum Beispiel auch Ivan Percevifc, sein Freund und Kamerad von der Theresianischen Militärakademie, in die jugoslawische Kavallerie eingetreten sei. Durch diesen und durch die älteren k.u.k. Offiziere um Generaloberst Sarkotic lernte er die Unzufriedenheit jener Kreise über den serbischen Zentralismus und die zu geringe Berücksichtigung kroatischer Interessen im SHS-Staat, seit 1929 Königsdiktatur, sowie die Unterdrückung aller Bestrebungen für einen größeren Anteil an der Lenkung der Außen- und Innenpolitik kennen. Glaise-Horstenau traf flüchtig mit Stjepan Radi6, dem Führer der Bauernpartei, der 1928 ermordet wurde, zusammen und lernte seinen Angaben nach auch Ante Pavelic kennen, offenbar als sich dieser bereits mit dem Aufbau der Ustaäa beschäftigte, wohl 1926 bei Percevi6. Pavelic kam dann im April 1930 wieder nach Österreich, als er in Baden bei Wien eine Beratung seiner Sympathisanten und kroatischer Exilpolitiker, darunter etwa Percevi6, über Maßnahmen zur Erlangung der kroatischen Unabhängigkeit leitete. Es wurde über die italienische Unterstützung derartiger Bestrebungen berichtet, und es wurden Attentatspläne und Terrormaßnahmen erwogen. Diese hatten später ihren Höhe") B/67, nr. 87.
Glaise-Horstenaus politische Pläne
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punkt im M o r d an König Alexander am 9. Oktober 1934, der eine internationale Krise auslöste. In seinen Aufzeichnungen betonte Glaise-Horstenau jedoch, er hätte sowohl die territoriale Abgrenzung Jugoslawiens als auch Rumäniens als noch die günstigsten Lösungen angesehen, die im Rahmen der Pariser Vororteverträge getroffen worden seien. Wie er hervorhebt, hat er daher die Zerschlagung Jugoslawiens bereits im Dezember 1941 grundsätzlich kritisiert. Ebenso wie er schon 1938 in der Münchener Krise erwartete, eine Art Verbindungsoffizier zu den Ungarn im Kriegsfall zu werden und sich im Herbst 1939 f ü r eine ähnliche Aufgabe im besetzten Polen zur Verfügung hielt, hoffte er auch im Frühjahr 1941, als er von den Bestrebungen erfuhr, Jugoslawien in den Dreimächtepakt zu zwingen, auf ein solches Betätigungsfeld. Er bot sich dem O K W um diese Zeit neuerlich an und nahm die Berufung nach Mönichkirchen ins Führerhauptquartier mit Befriedigung und Erwartung entgegen. Seinen Behauptungen nach sei er vorerst nur über die Konzessionen, die Italien und auch Ungarn auf Kosten des jugoslawischen Staatsgebietes gemacht wurden, mehr oder weniger entsetzt gewesen, und er scheint ja auch zunächst seine Mission einer ersten Verbindung zum kroatischen Militär als eher begrenzt und kurzfristig angesehen zu haben. Es stellte sich bald heraus, daß es für ihn eine dauerhafte Stellung wurde. Glaise-Horstenau hat zum Teil in dem im September/Oktober 1944 verfaßten Rückblick, in seinen in Nürnberg verfaßten Betrachtungen sowie zwischen den Zeilen auch in seinen Aufzeichnungen 1942 bis 1944 zugegeben, es hätte einige Monate gedauert, bis er sich über den Charakter des Ustasa-Regimes und über die Person des Diktators Dr. Pavelic sowie seiner engsten Umgebung an Ministern und Ustasa-Funktionären klar geworden sei 28 ). Seine Berichte ließen sodann - bedenkt man das selbstverständliche Eingehen an die Adressaten und die mögliche Lektüre durch Hitler selbst sowie das Auswärtige Amt - an Schärfe und Klarheit der Forderung nach einer Änderung kaum etwas zu wünschen übrig. Auch in mündlichen Äußerungen gegenüber militärischen Vorgesetzten im O K W sowie deutschen Diplomaten hat er mit seiner Meinung zumindest ab 1942 nicht hinter dem Berg gehalten. Seine diesbezüglichen Äußerungen wurden vom Auswärtigen Amt und insbesondere auch vom Gesandten Kasche in Agram selbst mehr oder weniger rundweg abgelehnt, und es wurde auf die Einbindung des N D H in das deutsch-italienische Bündnissystem, auf die ideologische Verbundenheit mit dem UstaSa-Regime sowie auf den „staatstragenden" Charakter der Ustasa verwiesen, die mehr und mehr die „revolutionäre" Anfangsphase ihrer Tätigkeit ablege. An dieser grundsätzlichen Stellung Kasches und des Auswärtigen Amtes änderte sich auch nach dem September 1943 nichts, vielmehr trat neben der Deutschen Wehrmacht immer mehr die SS hervor, beide höhlten die kroatische Souveränität laufend aus und beherrschten über die ihnen beigestellten kroatischen Zivilkommissäre in Wahrheit die Gebiete, in denen ihre Einheiten stationiert waren 2 9 ). 2S 29
) B/67, nr. 98 (Fragment ohne Titel), S. 5. ) Vgl. Hory-Broszat, 154 ff.
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Einleitung
Glaise-Horstenau hatte aber bereits im Frühjahr 1941, wie aus den Tagebucheintragungen Ulrich v.Hassels hervorgeht, kaum mehr Illusionen über die deutsche Politik in jenem Raum, die es den radikalen Kroaten freistellte, die Serben zu unterdrücken und zu massakrieren und zwischen Italien und N D H einen unüberbrückbaren Gegensatz zu erhalten, sodaß Deutschland die Rolle eines Schiedsrichters zufalle 30 ). Abgesehen davon, daß Glaise-Horstenau zunächst Marschall Kvaternik von den Verhaftungswellen, Massenexekutionen und Inhaftierungen in Lagern abzubringen versuchte, sah er eine Änderung der Verhältnisse nur in der Möglichkeit, Pavelic durch Einbeziehung von Exponenten der stärksten politischen Kraft im Lande, der Bauernpartei, zur Ubergabe zumindest eines Machtanteils zu zwingen. Die Partei selbst war in dem im Jänner 1942 erstmals einberufenen Sabor (Landtag) durch 70 „einberufene" Abgeordnete von 200 vertreten, ihr Führer Macek wurde am 10. Oktober 1941 verhaftet. Glaise-Horstenau hielt es sich zugute, daß er mehrmals f ü r Macek intervenierte, damit dieser nicht liquidiert werde und daß er auch dessen Vertreter Kosutic aus dem Gefängnis befreite 31 ). Mit diesem sei er schon 1942 in „freundschaftliche Beziehungen" getreten, hätte ihn aber nicht „als sehr initiativen Politiker" kennengelernt 3 2 ). Diese Kontakte verdichteten sich offensichtlich, als Glaise-Horstenau spätestens seit August 1942 mit dem kroatischen Oberstleutnant Babic in Verbindung stand, der vorher zeitweise zur kroatischen Ausbildungsbrigade nach Stockerau kommandiert worden war, zeitweise auch, im Winter 1941/42, das kroatische Regiment an der O s t f r o n t geführt hatte. Ihm hatte Glaise-Horstenau im August 1942 bereits das Urteil abgegeben, daß Hitler den Krieg verloren habe, eine Meinung, die Glaise seiner Angabe nach gegenüber dem späteren kroatischen Generalstabschef General Laxa bereits im Mai oder Juni 1941 vertreten hätte 33 ). Jedenfalls soll sich dieses Verhältnis zu Funktionären der Bauernpartei sowie die Beziehungen Babic-Glaise-Horstenau ab August 1943 verstärkt haben, als die Politiker über Konstantinopel eine Nachrichtenverbindung zur jugoslawischen Exilregierung knüpften. Dabei dürften der britische Balkanspezialist Robert W. Seton-Watson oder dessen Sohn hilfreich gewesen sein 33a ). Zur selben Zeit hatte auch der kroatische Innenminister Mladen Lorkovic, einer der weiterblickenden Mitarbeiter des Poglavnik, auf Drängen Glaise-Horstenaus hin Gespräche mit Funktionären der Bauernpartei, insbesondere mit KoSutic, aufgenommen. Wahrscheinlich verfolgte Paveli6, der sogar KoSutic empfing, keine ernsten Absichten eines Kurswechsels, doch auch die Bauernpartei wollte sich nur an einem völlig neutralen Beamtenkabinett beteiligen und lehnte ansonsten eine Zusammenarbeit ab. Das Kabinett Mandic (ab September 1943 im Amt), von Dr. Pavelic völlig abhängig, stellte gewiß nicht jene ) Ulrich V. Hasseil, Vom anderen Deutschland, Wien 1948, 165, 176, 201. ) B/67, nr. 98, 3. 32 ) B/67, nr. 89, 31. 33 ) B/67, nr. 89, 25. 33a ) Robert W. Seton-Watson, I Jugoslaveni Korespondencija 1906-1941, 1. Bd. (1906-1918), hg. v. Institut za hrvatsku povjest und Britanska Akademija. Einleitung von Hugh u. Christopher Seton-Watson, 7 - 3 9 , bes. 38f., s. auch Fricke, 133, Anm. 385. 30
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Affäre Babic
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Wende dar, die Glaise-Horstenau, der informiert wurde, angepeilt hatte. Jedenfalls blieben jene Kontakte zueinander weiter aufrecht, und schließlich kam es am 9. Jänner 1944 zur spektakulären Flucht des Oberstleutnant Babic mittels Flugzeug nach Bari 34 ). Der Bericht, den der britische Botschafter in Ägypten, Stevenson, über diesen Versuch einer Verbindungsaufnahme lieferte, und die Aussagen, die Babic damals und später machte, widersprechen einander im Hinblick auf die Rolle Glaise-Horstenaus. Während Babic in der Internierung erklärte, er hätte dem Briten nur ein Urteil über Glaise abgegeben beziehungsweise nach dem Krieg zu Kiszling äußerte, er könne sich nicht vorstellen, daß der Deutsche General von seinen, Babic', Absichten nichts gewußt habe, berichtete Stevenson am 20. Februar 1944, Babic hätte mitgeteilt, er hätte eine geheime Botschaft Glaise-Horstenaus zu überbringen. Jedenfalls wurde dem kroatischen Offizier nicht der Status eines Emissärs zuerkannt und diese Aktion, die letztlich in der H o f f n u n g auf eine Anerkennung kroatischer nicht-kommunistischer und nicht-faschistischer politischer Gruppierungen durch die Westalliierten unternommen wurde, schlug fehl. Ein Zusammenhang mit Glaise-Horstenau konnte anscheinend bei den Untersuchungen nach der Flucht Babic' nicht festgestellt werden. Das Interesse an dieser spektakulären Aktion wäre noch größer gewesen, wenn sich herausgestellt hätte, daß Babic - mit Wissen Glaise-Horstenaus? - auch mit den Partisanen verhandelt hat. Was diesbezüglich bisher bekannt geworden ist, sei hier kurz dargestellt. Glaise-Horstenau selbst hielt 1944/45 fest, einen Kontakt bezüglich eines Gefangenenaustausches hätte es bereits nach der Aktion in der Kozara-Planina gegeben 35 ). Glaise-Horstenau meinte damit die Mission des deutschen Ingenieurs H a n s Ott, der mit einer Schar von sieben Bergfachleuten im August 1942 in die H ä n d e der Partisanen gefallen war und einen Auftrag Titos erhielt, zu den deutschen Truppen zurückzukehren, um einen Gefangenenaustausch einzuleiten. O t t war aber auch V-Mann der Abwehr. Zwar waren schon vorher gewisse Austauschaktionen zwischen lokalen deutschen Kommandanten und Führern der Partisanen durchgeführt worden, doch diesmal, in der zweiten Augusthälfte, wurde der Vorschlag von Verhandlungen über einen Austausch von über zehn Personen an Glaise-Horstenau und über Kasche auch an Ribbentrop herangetragen, dies deshalb, da sich ein Teil der gewünschten Austauschgefangenen in italienischem Gewahrsam befanden. Im Namen des Hauptstabes der Volksbefreiungsarmee war Marijan Stilinovic Leiter der Verhandlungen auf der Seite der Partisanen, die zu Austauschaktionen am 5. September und am 17. November 1942 führten. Schon bei jener zweiten Austauschaktion ließ der Vertreter Titos einen Brief an Glaise-Horstenau gelangen, in dem die Anerkennung der Volksbefreiungsarmee als Streitkraft, gegenüber der das Internationale Kriegsrecht angewendet werde, gefordert wurde, insbesondere was Gefangene und Verwundete betraf. Es wurde aber auch ein Waffenstillstand angeboten. Diese 34 ) Ljubo Boban, Iz Britanske politike prema Hrvatskoj seljackoj stranci p o t k r a j 1943 i p o t e t k o m 1944 godine, in: Zbornik zavoda za povijesne znanosti istrazivackog centra Jugoslavenske Akademije znanosti i umjetnosci, volumen 10, Zagreb 1980, 1-107. " ) B/67, nr. 98, 17.
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Einleitung
Verhandlungen hatten noch zu keinerlei weiterem Ergebnis geführt, als die Deutschen das „Unternehmen Weiß", die neue Offensive, einleiteten. Mitten während der nun ausbrechenden monatelangen schweren Kämpfe kam es zu einer neuerlichen Fühlungnahme 36 ). Als am 5. März der Hauptstab der Partisanen den Befehl gab, im Raum Prozor die Neretva zu überschreiten und weiter in Richtung Kalinovik und Foca anzugreifen, waren die Partisanenstreitkräfte durch Verluste im Kampf und infolge von Typhus bedenklich geschwächt. Die Sowjets aber hatten neuerlich Hilfsmaßnahmen als unmöglich hingestellt, und andererseits wußte Tito, daß die Unterstützung der Westalliierten für die Cetnici anhielt. So kam der Oberste Stab zum Entschluß, der Deutschen Wehrmacht neuerlich Verhandlungen anzubieten. Noch am 5. März wurde ein zuvor gefangengenommener Major Strecker des 738. Grenadierregiments (der 717. Infanteriedivision, die von Sarajewo her nach Süden angegriffen hatte) veranlaßt, einen diesbezüglichen Brief an seinen Kommandeur zu schreiben. Als sehr rasch eine zustimmende Antwort zurückkam, wurden von Tito der Kommandant der 1. Proletarischen Division, Koca Popovic, das Mitglied des Politbüros Milovan Djilas und der Rechtsexperte im Hauptstab Dr. Vladimir Velebit entsandt. In der Zwischenzeit hatten sowohl Glaise-Horstenau als auch Kasche das Angebot Titos über den SD an Hitler selbst beziehungsweise an Ribbentrop herangetragen. Hitler verbot die Verhandlungen („Rebellen werden erschossen") ebenso wie Ribbentrop, doch scheint Glaise-Horstenau darunter nicht ein Verbot, über Gefangenenaustausch - auch über einen solchen größeren Umfanges - zu verhandeln, verstanden zu haben. So konnten die drei Abgesandten Titos - Velebit und Djilas unter falschem Namen - am 11. März in Gornji Vakuf mit dem Stab der 717. Infanteriedivision verhandeln. Es wurden ihre Wünsche protokolliert, über Austausch der Kriegsgefangenen, Anwendung des Völkerrechtes gegenüber der Volksbefreiungsarmee und über alle anderen Fragen, über die bereits am 17. November 1942 Gespräche geführt worden seien, zu verhandeln. Dies betraf, wie nun festgelegt wurde, die Ansicht des Hauptstabes, daß kein Grund vorhanden sei, die Kriegshandlungen gegen die Deutsche Wehrmacht fortzusetzen, und daher sollten die Feindseligkeiten eingestellt werden. Die Partisanen betrachteten die Cetnici als ihre Hauptfeinde. Die Unterhändler seien berechtigt, in Präliminarverhandlungen einzutreten. Die Gegenseite bekundete in erster Linie ein Interesse am Austausch und an einer Einstellung der Anschläge auf die Bahnlinie Agram-Belgrad. Jedenfalls ging der Austausch vor sich, obwohl Popovic wegging, Djilas sich zunächst zur Berichterstattung zu Tito begab und nur Velebit in Sarajevo blieb. Nochmals hat Velebit betont, daß die Partisanen nur gegen die Deutschen kämpften, weil sie sich verteidigen mußten, und daß die Cetnici ihr Hauptfeind seien und sie die Anwendung des Völkerrechts forderten. Ebenso betonte Velebit, die Volksbefreiungsarmee sei eine unabhängige nationale Bewegung, die nicht von außen unterstützt werde. Dann schrieb Velebit aus Sarajevo an den Hauptstab, Djilas möge nochmals 36
) MiSo Lekovit, Martovski pregori 1943, Beograd 1985; davon auch kurze Auszüge bei: Carl G. Ströhm, Als T i t o auf die Wehrmacht setzte, in: Die Welt, 11.2.1986. Weitere Einzelheiten bei: Djurica Labovic, Οδί u οέί sa neprijateljem za zelenim stolom, in der Tageszeitung „Pobjeda", Titograd, N o v e m b e r / D e z e m b e r 1984. In dieser Serie Interviews mit Popovic und Velebit.
Verhandlungen mit den Partisanen
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zurückkehren, und nun fuhren die beiden Unterhändler in Begleitung Otts nach Agram. D o r t lagen mittlerweile die Erklärungen Velebits vor, die von Dr. Krisch, übrigens wahrscheinlich identisch mit dem ehemaligen Sekretär Schuschniggs, protokolliert worden waren. Am 26. M ä r z begannen neuerlich Verhandlungen über Austauschaktionen, aber auch über die politisch-militärischen Vorschläge der Vertreter Titos. Während dieser Verhandlungen kam es dann mit Zustimmung Djilas' zu einer Unterredung zwischen Velebit und Glaise-Horstenau, die nicht nur in einer angenehmen menschlichen Atmosphäre mit Hinweisen Glaise-Horstenaus auf die Verwandten und Vorfahren Velebits in der k . u . k . Armee verlief, sondern auch den Kern der Partisanenvorschläge erbrachte. Demnach meinte Tito, Deutschland möge ihn in einem begrenzten Raum in Westbosnien nicht angreifen, und er würde in Slawonien den Aufstand nicht ausdehnen und auf Sabotageaktionen verzichten. Außerdem wären die Partisanen bereit, im Falle einer angloamerikanischen Landung gegen die Westalliierten gemeinsam mit den deutschen Truppen vorzugehen 3 7 ). Ob Glaise-Horstenau diese Vorschläge weiterleitete, ist ungewiß. Er hatte Velebit im übrigen auch gestattet, sich in Agram frei zu bewegen und seine Familie aufzusuchen. Dann kehrten Djilas und Velebit, nachdem sie auch den Fortgang des Austausches überprüften, zu Tito zurück und erstatteten Bericht. Noch am 29. März schrieb Tito an den Kommandanten der 6. bosnischen Brigade, er solle den Kampf mit den Cetnici fortsetzen, aber auf dem Weg in den Sandzak Kämpfe mit den Deutschen vermeiden. Ähnliche Befehle erhielten das 1. Bosnische Korps und die 1. Proletarische Brigade - zum Teil in spanischer Sprache. Velebit selbst erhielt am 1. April von Glaise-Horstenau die Gelegenheit, mit einem Brief Titos zu den Partisanen in Slawonien zu reisen, um diese zu einer vorläufigen Einstellung der Sabotageaktion auf die Bahnlinie A g r a m - B e l g r a d zu veranlassen 38 ). Dies alles fand in den Tagen statt, als die 2. Proletarische Division ab dem 20. M ä r z bei Kalinovik den Cetnici zwischen 20. und 29. M ä r z eine schwere Niederlage beizubringen vermochte und am 6. April über die reißende Drina zu setzen begann. Die Partisanen konnten sich in weiteren Gefechten gegen Cetnici und Italiener den Weg in das nördliche Montenegro freikämpfen. Ebenfalls aber am 29. M ä r z traf Ribbentrops Telegramm an Kasche in Agram ein, in dem jede weitere Verhandlung mit den Partisanen verboten wurde 3 9 ). Auch Glaise-Horstenau erhielt den Bescheid, daß mit Rebellen nicht verhandelt, sondern diese erschossen würden. Zwar versuchte Kasche seine Ansichten von der Notwendigkeit einer politischen Lösung vorzubringen, da ja die militärischen Maßnahmen erfolglos wären, doch am 21. April wurde ihm die gleiche Antwort gegeben, die Hitler bereits dem General erteilt hatte. J1 ) Es gibt Erklärungen von Koca Popovic, daß dieses Protokoll die Erklärungen der Kommandeure der Partisanen nicht ganz sinngemäß wiedergebe. T i t o wiederum hat gegenüber Djilas erklärt, daß seine Abgesandten diesbezüglich ihr Pouvoir überschritten hätten: Vladimir Dedijer, Novi prilozi za biografiju Josipa Broza Tito, Bd. 2, 1981, 810. 3S ) Dazu auch: Ilija Jukic, T h e Fall of Yugoslavia, New York-London 1955, 174 f. Walter H a g e n (Pseud. f. Wilhelm Höttl), Die Geheime Front, L i n z - W i e n 1950, 2 6 4 - 2 6 8 ; Ders., Unternehmen Bernhard, Wels 1955, 176. 39 ) Hory-Broszat, 145.
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Einleitung
Auch Tito hatte seine Schwierigkeiten, als er seine Verhandlungen mit den Deutschen nach Moskau telegraphierte und mißtrauische Rückfragen sowie Rügen schon am 31. März einstecken mußte. Er rechtfertigte sich selbstbewußt mit dem Nutzen des Gefangenenaustausches. Eine Art „Waffenstillstand" auch auf der Ebene der Kampftruppen ist für den April noch nachweisbar, doch am 15. Mai begann das Unternehmen „Schwarz" (5. Offensive) im Sandiak gegen die Partisanen. Dann machte Tito im Juli 1943 an Glaise-Horstenau ein neues Austauschangebot. Im Herbst 1943 soll dann wieder der Abwehrmann Ingenieur Ott die Fäden geknüpft haben. Diesmal war es, nachdem es anfangs November zu den ersten Kontakten mit deutschen Vorschlägen zur Einrichtung einer ständigen Kommission über Gefangenenaustausch gekommen war 40 ), der Sondergesandte Dr. Neubacher, der am 19. November 1943 an Kasche schrieb, gegen einen Gefangenenaustausch sei nichts einzuwenden, wenn dabei die Partisanen nicht als kriegführende Macht anerkannt würden. Dies war die Erlaubnis, der offenbar später nach der Äußerung Glaise-Horstenaus noch eine Zustimmung Hitlers - anscheinend eine mündliche - gefolgt ist. Wieder war auf der Seite der Partisanen Marijan Stilinovic zunächst der Chefunterhändler namens des Hauptstabes der Partisanen, dessen Ausweis von Glaise-Horstenau persönlich unterfertigt wurde. Tito hat dann entschieden, daß die weiteren Verhandlungen vom Hauptstab der Partisanen Kroatiens geführt werden sollten, wobei der Unterhändler in erster Linie Boris Bakrac (Chef der Geheimpolizei) sein sollte41). Es wurde vereinbart, daß die Kämpfer beider Seiten jeweils als Kriegsgefangene behandelt, im Kriegsgefangenenlager festgehalten und im Verhältnis 1:1 ausgetauscht werden sollten. Die Ausweitung der Modalitäten auf Kriegsgefangene aus ganz „Jugoslawien" lehnte Generalfeldmarschall v. Weichs jedoch ab. Im Ort Pisarovina wurde eine neutrale Zone festgelegt, und Vertreter der Partisanen erhielten vom Ic-Offizier Glaise-Horstenaus, Major v. Pott, Ausweise. Zwar hat Generalfeldmarschall Frh. v. Weichs das Abkommen nicht unterschrieben, doch ließ er durch seinen Ic-Offizier, Oberstleutnant v. Harling, alle Einheiten benachrichtigen, sie sollten sich gemäß jenem Abkommen verhalten. Die Austauschaktionen selbst wurden vom Stabe Glaise-Horstenaus organisiert und durchgeführt, wobei auf deutscher Seite der Sonderführer im Stab Glaise-Horstenaus, Ing. Willibald Nemecek, der als Dolmetscher, Pressereferent und Lagekartenführer fungierte, die Abwicklung durchführte und dabei zweimal schwer verwundet wurde 42 ). Seinen Angaben nach ist es bis April 1945 zum Austausch von etwa 2000 Mann auf jeder Seite gekommen, nach jugoslawischen Darstellungen zum Austausch von etwa je 800 Mann. Parallel zu diesen Verhandlungen über Gefangenenaustausch kam es am 26. und 27. November 1943 zwischen Ott und Stilinovic zu einem einmaligen Abkommen, in dem ein Pferdeeinkauf von 10000 Stück durch den Hauptstab im Gegenzug gegen *") Vgl. wieder Labovic, a.a.O.; Hermann Neubacher, Sonderauftrag Südost 1940-1945, 179f. 4I ) Das Folgende vornehmlich nach einer Maschinschrift von Zivorad Mihailovic-Silja, Ο Razmeni Zarobljenika, 1985, Archiv Vaza Kazimirovi6, Wien. n ) Frdl. Mitteilungen von Willibald Nemecek, 10.9.1981.
Verhandlungen mit den Partisanen
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den ungestörten Verlauf von Chlortransporten nach Deutschland abgemacht wurde. Sowohl im Zusammenhang mit diesem Abkommen als auch mit dem Gefangenenaustausch haben die jugoslawischen Darstellungen mit Bezug auf Ott, Kasche, aber auch Glaise-Horstenau die Behauptung aufgestellt, die Abwicklung der Vereinbarungen sei für nachrichtendienstliche Zwecke mißbraucht worden; insbesondere sei Kasche daran interessiert gewesen, bei den Kontakten Hinweise zu erhalten, die eine Gefangennahme oder Liquidierung Titos ermöglicht hätten, was auch durch eine Bemerkung in Glaise-Horstenaus Aufzeichnungen und durch Kasche bestätigt wird. Alle diese Abmachungen, die - soweit es den Gefangenenaustausch betrifft - schon nahe an eine Anerkennung der Partisanen als Kriegführende herankamen, wurden jedoch durch Konspirationen in den Schatten gestellt, an denen Glaise-Horstenau offenbar ab Sommer 1943 einen Anteil hatte. Wie bereits erwähnt, äußerte sich Glaise-Horstenau damals bereits durchaus pessimistisch über den Ausgang des Krieges. Er hatte auch nach dem von ihm schon ab Herbst 1942 immer wieder vermuteten Abfall Italiens vom Bündnis mit Deutschland nochmals versucht, durch eine Denkschrift bezüglich Kroatiens die Lage des Landes als „politisch, wirtschaftlich und militärisch hoffnungslos" zu erklären. Änderung könne „nur eine völlige Umstellung der Politik" bringen, die „Demission der gegenwärtigen Regierung und Bestellung einer neuen, auf möglichst breiter Grundlage fußenden", die unter deutscher Kontrolle stünde, „Verschmelzung der Ustasa-Miliz einschließlich der Leibgarde mit der Domobranenarmee, Ausschaltung des Poglavnik". Diese Vorschläge wurden vom O b e r k o m m a n d o der Wehrmacht als zu riskantes „Experiment" abgelehnt. Glaise-Horstenau behielt den sicheren Eindruck, daß der Kurs Kasches und des Auswärtigen Amtes im Gegenteil weiterhin eine Stütze Pavelic' darstelle, der durch die Regierungsumbildung mit von ihm völlig abhängigen Beamten nur Sand in die Augen der Beobachter streue, ja den Ustasa-Kurs verstärke. Er wurde dazu, wie bereits einmal 1942, aber diesmal in schärferer und ausdrücklicherer Form, aufgefordert, seine Berichterstattung zu mäßigen oder auf das Militärische zu beschränken 4 3 ). Es dürfte ihm aber auch eine indirekte Einflußnahme im Hinblick auf die Sondervollmachten Dr. Neubachers verwehrt gewesen sein, da er erkannte, daß dieser ziemlich einseitig, aber nur auf eine kurzfristige Verbesserung der deutschen Beherrschung des jugoslawischen Raumes ausgehend, im November 1943 mehrere Abkommen mit Cetnik-Führern abschloß, obwohl kein Zweifel darüber bestand, daß der Bürgerkrieg gegen die Ustasa einerseits, die Partisanen andererseits dadurch nur verstärkt werden würde 4 4 ). Jedenfalls scheint Glaise-Horstenau spätestens nach der Landung der Westalliierten in Italien und dem dortigen Umsturz den Eindruck gewonnen zu haben, daß früher oder später auch in Kroatien ein Abfall vom Machtbereich Hitlers stattfinden werde. Der Herbst 1943 dürfte aufgrund seiner, wenn auch nur vorsichtigen, privaten Aufzeichnungen und seiner offiziellen, total abgelehnten Denkschriften ungefähr der 43
) Vgl. unten S. 298. Tomasevich, 323 ff.
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Zeitpunkt gewesen sein, zu dem er sich zu den gewiß in einem längeren Prozeß erarbeiteten Gedankengut durchgerungen hatte, eine Neuordnung, die aufgrund einer Niederlage der deutschen nationalsozialistischen Führung und seiner Satelliten zustande komme, sei unerläßlich und müsse aktiv betrieben werden. Wir haben bereits Glaise-Horstenaus Kontakte zur Bauernpartei sowie zu einem jüngeren, mit der Truppe verbundenen Offizier der Domobranen angedeutet. Dazu ist spätestens ab der Regierungsumbildung eine engere Beziehung zu Innenminister Lorkovic gekommen, von dem die Deutschen vermuteten, daß er Kontakte in die Schweiz unterhalte. Glaise-Horstenau wußte um die Beziehungen von Funktionären der Bauernpartei zu den Westalliierten, und er hatte seit Juli 1943 Informationen, daß auch Offiziere der UstaSa Verbindungen zu den Westalliierten aufgenommen hatten 45 ). Dazu kamen noch die Kontakte Glaise-Horstenaus mit den Spitzen des katholischen Klerus in Kroatien. Glaise-Horstenau hatte zwar für das Jahr 1941 die Sympathien von maßgebenden Teilen des Episkopats, etwa des Bischofs Saric, und Angehöriger des Franziskanerordens mit ihren starken Vorbehalten gegen die Orthodoxie und das Serbentum nicht verschwiegen. Er hatte zunächst von sich aus eine Abneigung gegen Erzbischof Stepinac wegen dessen Teilnahme an den Kämpfen gegen Österreich-Ungarn, obwohl dieser k. u.k. Reserveoffizier gewesen war. Noch in den folgenden Jahren gab er in seinen Aufzeichnungen absprechende Urteile von Jesuiten über Stepinac' unkluge Haltung gegenüber dem Ustaäa-Regime wieder und beklagte, daß der Bischof bei seinen Interventionen bezüglich Übergriffen der Deutschen Wehrmacht oder zur Abstellung von Greueltaten der UstaSa seinen Einfluß überschätzte 46 ). Trotzdem ist es, angebahnt offenbar von der Familie des Prinzen Lobkowitz, zu einer Serie von Gesprächen mit dem Erzbischof gekommen 47 ) und insbesondere zu einer nicht näher definierbaren Zusammenarbeit mit dem päpstlichen Delegaten Bischof Marcone, der Glaises „politische Linie kannte" 48 ). Auch über diesen ergaben sich offensichtlich Verbindungen ins westliche Ausland. Der aus Wien stammende Unteroffizier Engelbert Teufelhardt im Stabe Glaise-Horstenaus hielt die Verbindung zum Sekretär des Erzbischofs, Jaskovic, aufrecht 49 ). Es scheint nun sicher zu sein, daß Glaise-Horstenau den Erzbischof mit dem Sekretär des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Kroatiens, Andrija Hebrang, zumindest 1944 in Beziehung brachte und mit diesem mindestens zweimal zusammentraf. Hebrang war 1942 in der Gefangenschaft der Ustasa, er war in diesem Jahr auf der Wunschliste der Partisanen für einen Gefangenenaustausch, er gelangte aber im Austausch gegen zwei Polizeioffiziere in die Freiheit. Er wurde 1948 und in den folgenden Jahren beschuldigt, daß er damals ein Agent der UstaSa geworden und für sie sowie für Glaise-Horstenau nachrichtendienstlich tätig gewesen sei. 45 ) Fricke, 131 f. ««) Fricke, 132 f. 47 ) Glaise-Horstenau bezeichnete ihn schließlich als „einfachen sittlich hochstehenden Mann": B/67, nr. 98, 11. 48 ) B/67, nr. 89. 49 ) Mitteilungen Engelbert Teufelhardt, 13.8.1975.
Kontakte mit Erzbischof Stepinac
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Sei dem wie immer, jedenfalls dürfte feststehen, daß Oberstleutnant Babi£ im Mai 1943 und später Gespräche mit den Partisanen führte, damit diese auch mit der regulären Landwehr ein Abkommen über Gefangene, Überläufer und über Abbruch der Feindseligkeiten abschließen könnten. Babic und Glaise-Horstenau waren aber - schon seit Herbst 1942 - auch die Vorstellungen der Bauernpartei bekannt, die angeblich mit den Partisanen aus Kroatien diskutiert wurden 50 ), nämlich Konstituierung einer kroatischen Republik im Rahmen einer jugoslawischen, zentraleuropäischen oder Balkan-Föderation. Im Gespräch standen ein Bevölkerungsaustausch zwischen Serbien und Kroatien, Zusammengehen der Domobranen, der militärischen Formationen der Bauernpartei und der Partisanen Kroatiens, zehn Jahre britische und amerikanische Besetzung zur D u r c h f ü h r u n g dieser Vorstellungen und zur Garantie des Abzugs der Cetnici, die also ihre serbisch-zentralistischen Vorstellungen in Jugoslawien oder Kroatien keinesfalls durchsetzen können sollten. Es ging also, so behaupten jugoslawische Darstellungen, um eine Regierung Bauernpartei-kroatische Partisanen ohne Wissen Titos, bei deren Konstituierung die Domobranen und Glaise-Horstenau als Vertreter der Deutschen Wehrmacht sozusagen Rückendeckung gewähren sollten 51 ). Möglicherweise hatte Glaise-Horstenau in diesem Zusammenhang eine Beseitigung Titos für wünschenswert gehalten, wie von Mihailovii-Silja behauptet wird. Die d a f ü r angeführte Quelle, nämlich einen Brief Glaise-Horstenaus an General Ringel, hält der Autor Odic, so seine mündliche Auskunft, f ü r fragwürdig 5 2 ). Dies schrieb Glaise-Horstenau - angeblich - zu einem Zeitpunkt, als zumindest die Kontakte der Bauernpartei nach dem Westen durch die Erfolglosigkeit Babic' kompromittiert waren. D a f ü r war es aber inzwischen gelungen, nach der von Pavelic auch bei Hitler durchgesetzten Ablösung des kroatischen Landwehrministers, General Navratil, Ende Jänner 1944 der Ernennung des Verkehrsministers Vokic, der gleichzeitig Führer der Bahnbrigade der UstaSa war, sowie der Ernennung des Heeresgenerals Canic zum Kommandanten der Domobranen, anscheinend über Lorkovic neue Kontakte zu den Westmächten herzustellen. Im Verlaufe der folgenden Monate, mit weiteren Erfolgen der Roten Armee, dem ungebrochenen Wirken der Partisanen in Teilen Sloweniens, Kroatiens und Bosniens, neuen Greueltaten der „Prinz-Eugen-Division" anläßlich von Säuberungsaktionen, schließlich dem fehlgeschlagenen „Unternehmen Rösselsprung", betrieb Vokic eine Verschmelzung der Teile der Ustasa, die, ähnlich wie die Waffen-SS, als Kampftruppe und nicht f ü r reine Polizeihund Terror-)Aufgaben eingesetzt waren, mit den Domobranen. Dabei vermittelte Innenminister Lorkovic, der sich immer mehr im 5
°) Boban, 65 f. ) Slavko F. Odic, Neostvareni Planovi, Zagreb 1961, 265 f. Gerade dieser Autor brachte als erster Pläne Glaise-Horstenaus bezüglich eines Staatenbundes an der Donau zur Darstellung. Es scheint - der Autor gibt nur gelegentlich und indirekt Hinweise auf Quellen - , daß er sich auf Aussagen von Personen wie Kasche, H e r r m a n n , Mihailovic, UstaSa-Offiziere stützt, die hingerichtet wurden oder im jugoslawischen Gewahrsam starben. Weiters standen aber Odic auch einige - o f f e n b a r wenige - erbeutete D o k u m e n t e aus den Registraturen deutscher Dienststellen zur Verfügung. 52 ) Mihajlovifc-Silja, 17. 51
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Einleitung
Gegensatz zu den sogenannten „alten" italophilen Politikern und den militant-chauvinistischen UstaSa-Obristen um Pavelic befand, ab Mai 1944 eine Reihe von Unterredungen zwischen Vokic und Kosutic. Anfangs Juli kam es in Sarajevo zu einer Besprechung zwischen Domobranen- und UstaSa-Offizieren unter Beisein von Vokic und Canic, das auch einem Nachrichtenoffizier der Waffen-SS nicht verborgen blieb53). Dieser wußte zu melden, daß das Verhalten im Falle einer Landung der Alliierten in Dalmatien besprochen wurde. Gemäß einer Anzahl von Aussagen von Mitwissern, insbesondere des Gesandten in Berlin, Vladimir KoSak, bestand der Stufenplan in der Entwaffnung der deutschen Truppen, der Erzwingung der Demission Pavelic', der Einrichtung einer Regierung aus Exponenten der Bauernpartei sowie der Einladung an die Westalliierten zur Landung. Im weiteren Sinne muß auf die Vorstellungen, die der Vermittler Lorkovic um diese Zeit gegenüber einem jungen Bekannten, dem späteren österreichischen Außenminister und damaligen Studenten Lujo Toncic-Sorinj äußerte, zurückgegriffen werden. Darnach hatte Lorkovic Kontakte in die Schweiz und stellte sich vor, Kroatien sollte zu den Westalliierten übergehen und ein Partner einer Donauföderation, bestehend aus Osterreich, der Tschechoslowakei, Ungarn, Slowenien und Kroatien, werden 54 ). Diese Äußerungen von kroatischer Seite lassen es auch nicht als unmöglich erscheinen, daß Glaise-Horstenau diesbezügliche Gedanken hegte 55 ). Er hat jedenfalls, so berichtet es Stöckelle, gegenüber einem kroatischen Freund und Marineur, Linienschiffkapitän Tomic, noch 1944/45 in mehreren Unterredungen erklärt, er hätte beabsichtigt, das Vorhaben von Vokic und Lorkovic zu unterstützen, indem er die deutschen Truppen so verteile, daß eine Landung der Westalliierten erleichtert würde 56 ). Von den Vereinbarungen der Westalliierten, wonach Jugoslawien unter sowjetischen Einfluß falle, hätte er nichts gewußt. Wie weitgehend der Zusammenhang mit der Militäropposition in Deutschland gewesen ist, die ja doch in Verbindung mit jenen Bestrebungen gebracht werden muß, weiß man nicht. Nachzuweisen ist, daß Glaise-Horstenau einen Kontakt zu Ulrich v. Hasseil und zu Generalmajor Hans Oster, zu Helmuth James Graf Moltke sowie zum Beauftragten der Verschwörer für den Wehrkreis XVII, Oberst Graf MarognaRedwitz 57 ), hatte. Glaise-Horstenau schrieb später selbst von Freiherrn Karl Ludwig " ) Wuescht, 54 f. ) Lujo Toncic-Sorinj, Erfüllte Träume, Kroatien, Osterreich, Europa, Wien-München 1982, 98. 55 ) Am bestimmtesten nimmt Odic, 51 f., 259 f., diese Pläne an. Er meinte, daß auch Bayern, Baden und Württemberg in diese Pläne einbezogen waren. Glaise-Horstenau hätte diese Pläne - im Rahmen des Dritten Reiches - bereits 1941 gehegt, nun aber Großbritannien gewissermaßen als Schutzmacht in Betracht gezogen. Eine Vermittlerrolle sollte der Vatikan spielen. Gustav Stöckelle, Vom Ende zum Anfang. Erlebnisse und Erkenntnisse eines Nationalsozialisten, Graz-Wien 1949, 189 f. 56 ) Vgl. dazu, nämlich zu den von Churchill gewünschten Maßnahmen für eine Landung angloamerikanischer Streitkräfte in Dalmatien, die infolge der Opposition Roosevelts und Stalins nicht zur Durchführung kamen: Elizabeth Barker, British Policy in South-East Europe in the Second World War, London 1976, 123 ff, F. W. Deakin, The Myth of an Allied Landing in the Balkans during the Second World War (with particular reference to Yugoslavia), in: Phyllis Auty, Richard Clogg (Hg.), British Policy Towards Wartime Resistance in Yugoslavia and Greece, London et al. 1975, 98-116, bes. 104ff. " ) Hasseil, 176; Odic, 258; Mitteilungen Dr. Höttl, 26.11.1985. Mitteilung Prof. Dr. G e r v a n R o o n a n den Herausgeber, 18.11.1986, wonach sich Graf Moltke im Jänner 1940 mit Glaise-Horstenau getroffen 54
Nach dem 20. Juli 1944
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v. Guttenberg, Abwehrangehöriger, „den mir die 20.-Juli-Gruppe im Jahre 1943 als Verbindungsoffizier gesandt hatte und der nach dem tragischen Datum als Häftling nach Berlin abgeführt wurde" 58 ). Guttenberg hatte 1934 bis 1943 in Bayern die christlich-monarchistischen „Weißen Blätter" herausgegeben. Er war „offenbar beteiligt" an einem Attentatsplan gegen Hitler, den der Freikorpsführer Dr. Josef Römer 1939 bis 1942 hegte 59 ), und er gehörte dem Kreis um Hans Oster und Hans v. Dohnanyi in der Abwehr an. Er gab selbst in den späteren Verhören bei der Gestapo an, daß er seine Aufgabe darin gesehen habe, „Glaise-Horstenau ein möglichst vielseitiges Bild der Lage zu geben" 60 ). Dies konnte er auch deshalb behaupten, da er in Agram der Ic-Abteilung als Ordonnanzoffizier zugeteilt war. Odic behauptet weiterhin, daß Guttenberg ein Kontaktmann der Männer des 20. Juli zum Vatikan gewesen wäre, gleichzeitig aber auch die Verbindungen zwischen Glaise-Horstenau und Marogna-Redwitz aufrechterhalten hätte 61 ). Glaise-Horstenau selbst schreibt, daß Guttenberg bei ihm am häufigsten privat eingeladen war. Noch im Frühjahr 1944 hatte namens der Verschwörer der Adjutant des Generals Köstring anläßlich einer Inspektionsreise nach Agram mit Guttenberg eine Unterredung, um diesen über die Haltung des dortigen deutschen Offizierskorps zu befragen 62 ). Als nach dem 20. Juli bei Glaise-Horstenau über den Repräsentanten des SD in Agram, Obergruppenführer Herrmann, die Aufforderung eintraf, Guttenberg zu verhaften, hatte Glaise-Horstenau über Nemecek, Metzger und Teufelhardt versucht, Guttenberg zur Flucht zu den Partisanen zu veranlassen, doch dieser begab sich bewußt in die Gestapohaft 63 ). Gegenüber Taras v. Borodajkewycz bezeichnete Glaise-Horstenau das Uberleben Hitlers bald danach als großes Unglück. Er dürfte über den genauen Zeitpunkt und den geplanten Ablauf der Aktion kaum genauer orientiert gewesen sein. Doch nun war zunächst die Verschwörung auch in Kroatien nicht durchführbar. Pavelic warf sich sehr bald der SS in die Arme, ließ auch Lorkovic und Vokic verhaften und zieh Glaise-Horstenau defaitistischer Äußerungen. Pavelic war von Lorkovic wahrscheinlich in gewissem Umfang über seine Beziehungen zu den Westalliierten unterrichtet worden, sodaß er es nicht mehr wagte, Himmler gegenüber eine aktive Mittäterschaft Glaise-Horstenaus anzugeben; vielleicht aber wußte er doch nichts davon. Jedenfalls akzeptierten Hitler und Generalfeldmarschall Keitel Glaise-Horstenaus Rücktritt im Spätsommer 1944, Vokic und Lorkovic wurden im Frühjahr von Pavelic liquidiert. Guttenberg wurde in Deutschland hingerichtet, Andrija Hebrang wurde 1948 inhaftiert und beging 1950 Selbstmord. hatte. Etwa 1943, so schreibe M o l t k e an seine Frau, hätte Glaise-Horstenau wegen Geiselerschießungen um den Besuch Graf M o l t k e s gebeten. Vgl. auch: R o m e d i o Graf v. T h u n - H o h e n s t e i n , Der Verschwörer. General Oster und die Militäropposition, M ü n c h e n 1984, 199. 58 ) B/67, nr. 89, 21. 59 ) Peter H o f f m a n n , W i d e r s t a n d - Staatsstreich - Attentat. Der Kampf der Opposition gegen Hitler, 3. Ausgabe, M ü n c h e n 1979, 317, 667. 60 ) J a m e s D o n o h o e , Hitler's Conservative Opponents in Bavaria 1 9 3 0 - 1 9 4 5 , Leiden 1961, 266. 6 1 ) Odic, 258. 6 2 ) H a n s v. H e r w a r t h , Zwischen Hitler und Stalin. Erlebte Zeitgeschichte 1931 bis 1945, 338. " ) Odic, 259; A u s k u n f t E d u a r d M e t z g e r , 3 . 2 . 1 9 7 6 ; A u s k u n f t Engelbert T e u f e l h a r d t , 13.8.1975.
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Einleitung VI. Glaise-Horstenau und Österreich 1944/45
Glaise-Horstenaus direkte Unterstellung unter das OKW wurde ihm belassen, und es wurde ihm - vielleicht nur als Verlegenheitslösung - mit seinem Adjutanten Major Metzger die Aufgabe eines „Beauftragten für die militärische Geschichtsschreibung im Südosten" übertragen. Als solcher hatte er seinen Sitz in Wien, das er erst im Februar 1945 angesichts der immer näher heranrückenden Front zunächst nur vorübergehend verließ. Er erhielt noch Berichte64) und auch mündliche Mitteilungen über die Lage in Kroatien, seine persönlichen Akten und insbesondere Durchschläge seiner bisherigen Berichte an den Wehrmachtsführungsstab hat er nach seinem Abgang aus Kroatien im Heeresarchiv Wien hinterlegt 65 ). Abgesehen von gewissen Stimmungsberichten, Hinweisen auf die militärische Lage, Mitteilungen über Unterredungen mit Politikern, Beamten und Militärs der Vergangenheit, hat Glaise-Horstenau über seine politischen Aktivitäten dieser Zeit durch seine persönlichen Aufzeichnungen kaum Einblick gewährt. Die Unterredung mit Kaltenbrunner im Jänner 1945 und die Beschäftigung mit der ungarischen Waffen-SS bilden darin eine Ausnahme 66 ). Wir wissen sowohl durch die eigenen Aufzeichnungen 1939 bis 1941 über Glaise-Horstenaus Enttäuschung und auch Erbitterung angesichts der Behandlung, die das Problem „Osterreich" durch den deutschen Nationalsozialismus, aber auch durch die deutschen Behörden erfahren hatte. Glaise-Horstenaus Ansichten gelangten in die Aufzeichnungen von Gesprächspartnern, etwa die Ulrich v. Hassells, als er im Oktober 1938 von einem „Räuberstaat" sprach und im Juli 1939 erwähnte, in Österreich „würden jetzt nicht mehr zehn Prozent Wahlberechtigte für Hitler 67 ) stimmen". In dieselbe Richtung zielte auch Glaise-Horstenaus scherzhafte Frage gegenüber Anton Böhm, ob die Österreicher eine eigene Nation seien, und seine scharfen „antifriderizianischen" Auslassungen um dieselbe Zeit 68 ). Besondere Bedeutung kommt jedoch dem Zeugnis des kroatischen Bildhauers Ivan MeJtrovic zu, zu dessen Befreiung aus den Händen der UstaSa Glaise-Horstenau 1941 interveniert hatte 69 ). Der General hatte dann - anscheinend im Frühjahr 1943 eine Zusammenkunft mit dem Bildhauer und Politiker, die ein Freund Glaise-HorsteM ) B/67, nr. 100: Berichte des Militärattachfe bei der deutschen Gesandtschaft in Agram v. 25.10.1944, 17.11.1944, 8.12.1944, 18.12.1944, 18.2.1945. Berichte und Lagebeurteilungen des Referats VI E 3 des RSHA, 2.1.1945, Jänner 1945, 19.2.1945,9.3.1945, s. d. (vor 26.3.1945). B/67, nr. 101: Denkschriften Uber kroatische, serbische und ungarische Fragen, Neujahr 1945, 15.2.1945, 5.3.1945. 6S ) KA, Kanzleiregistratur 6603 ex 1944. Bereits am 7.9.1944 wurde vom Kriegsarchiv eine Kiste mit dem Aktenmaterial übernommen und am 30.11.1944 überprüft. Es dürfte sich, dem damals angelegten überblicksmäßigen Inventar zufolge, um jene Akten handeln, die derzeit im Bundesarchiv/Militärarchiv erliegen. Sie scheinen - eine aktenmäßige Bestätigung liege darüber nicht vor - während der monatelangen Besetzung des Kriegsarchivs durch die Alliierten 1946 weggeschafft und später an die Deutsche Bundeswehr weitergegeben worden zu sein. «) Vgl. unten S. 523 f u. 520 f. 67 ) Hasseil, 23, 54. 68 ) Vgl. unten S. 185. " ) Vgl. unten S. 432 f, Anm. 2.
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Britisch/amerikanisches Flugblatt, gerichtet an sechs deutsche Generäle österreichischer Abkunft am Balkan, Juli/August 1944.
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), 1.1.1943 Obstlt. d. Genst., 1.10.1944 Obst. d. Genst., 1944 Stab 5. Pz.Brig.
Der Tod Dietls
421
Rossi 13 ) bei Hartberg in der Steiermark einem Flugzeugunglück zum O p f e r gefallen 14 ). Sie hatten in den Tagen zuvor die Generals-NS-Kurse in Sonthofen besucht und sich nachher einen T a g bei ihren Familien in Graz aufgehalten. Am 24. kam Rendulic zu mir nach Belgrad, um sich zu verabschieden. Er h o f f t e noch immer, er werde nach Italien kommen. Ich sprach mich jedoch f ü r den Nordpol aus. Wir gingen äußerlich gut auseinander. Tatsächlich kam Rendulic an Dietls Stelle. Als mich wenige Tage später Schmundt wegen der Güte der Wahl fragte, meinte ich, mir ein militärisches Urteil nicht anmaßen zu können; politisch sei das Abgehen Lothars aus dem Balkanraum jedenfalls f ü r diesen eine Erleichterung. Im übrigen wird er's nicht leicht haben. O f f e n b a r wegen der gleichzeitigen Verhandlungen mit Finnland, wohin sich sogar Ribbentrop begab 15 ), um den Finnen militärische Hilfe zuzusichern, wurde in Graz bei schwerer Strafe verboten, den T o d Dietls weiterzusagen. D e r Staatsakt fand am 1. Juli in Schloß Kiesheim bei Salzburg statt. An diesem Tage erfuhr die aufhorchende Welt erst von dem Unglück. Hitler hielt in sichtbarer Ergriffenheit eine Abschiedsrede 16 ). Dietl war anno 1920 oder 1921 der erste deutsche Offizier, der den Führer an seine Abteilung heranließ; so geschehen in München. Egelseer wurde in Klagenfurt, Rossi in Graz, Dietl in München beigesetzt. Am 25. abends, einem Sonntag, verließ ich mit Flugzeug Belgrad; mein ruhmreiches Wirken als Militärbefehlshaber Südost hatte sein Ende gefunden. Ich ging aus Serbien mit dem Gefühle weg, daß auch hier die deutsche Position ein Kartenhaus ist. D e r einflußreichste Mann im Lande ist nach wie vor, trotz seiner Niederlage durch Tito, Draza Mihajlovic, dessen Anhang bis ins Kabinett Nedic hinaufreicht. Mit Nedic war ich zweimal beisammen, er ist sicherlich ein ernst zu nehmender Mann, der sich's aber heute auch hundertmal überlegen würde, seinen verlorenen Posten zu beziehen. Deutsche mobile Kräfte gibt es in Serbien überhaupt kaum, von ein paar Polizeitruppen abgesehen. Das bulgarische Korps, dem man in dem größten Teil des Landes die Besetzung anvertraut hat (nur der Nordwestwinkel und das Banat sind ausgeschlossen), ist die schlechteste Truppe, über die Bulgarien verfügt. Als ich das O b e r k o m m a n d o in Belgrad übernahm, waren gerade zwei Kompanien Bulgaren samt ihren Führern bei Leskovac zu den Partisanen übergegangen. Wirklich brauchbar waren f ü r den Kampf gegen die Partisanen nur die serbischen und halbwegs auch die russischen Freiwilligen und - die Draza Mihajlovic-Leute, zu denen ich einen M a j o r und Ritterkreuzträger als Verbindungsoffizier hatte. Die Korruption bei den Deutschen hat in Belgrad beängstigende Formen angenommen. In der letzten Zeit sind sogar Todesurteile erflossen: Umgebung " ) Franz Rossi (Berndorf bei Graz, 13.8.1889 bis 23.6.1944 Flugzeugunglück bei Hartberg), 18.8.1908 als K. O f f z . Stellv. zu IR 87, Tit. Mjr., 1.1.1921, Ü b e r n a h m e ins Bundesheer, Batterie- u. Abteilungskmdt., 28.12.1935 Obstlt., 1.2.1939 Obst., 30.9.1939 bis 19.3.1941 Kdr. A.R. 127, 1.7.1942 G e n . M j r . , 10.6.1943 Kmdt. v. Petsamo, 1.9.1943 Gen. Lt. "·) Vgl. J. Thorwald, Die ungeklärten Fälle, Stuttgart 1950, 5 6 - 8 3 . I5 ) Der Besuch in Helsinki fand zwischen 24.6. und 26.6.1944 statt, wobei Ribbentrop die Zusage des finnischen Staatspräsidenten Ryti erhielt, jeden Sonderfrieden mit Sowjetrußland abzulehnen. >6) Wortlaut bei Domarus, 2111-2113.
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Dienst in Belgrad im Juni 1944
Neuhausens, des Chefs der Militärverwaltung und besonderen Günstlings des Reichsmarschalls, daneben Oberkorruptionist. Eine Feldkommandantur ist samt und sonders wegen Schiebereien an der Grenze hinter Schloß und Riegel gesetzt worden. Gesoffen wird allenthalben wahnsinnig. Nicht sehr schön alles in allem. Im Stabe habe ich ein gutes Andenken hinterlassen. Nach Agram zurückgekehrt harrte meiner eine Menge Arbeit, dabei manches Unangenehme. Hier vor allem ein neuer „politischer Schachzug", wie deren jetzt so beliebt sind. In Syrmien treibt seit geraumer Zeit, eigentlich gegen seinen Willen, der Chef der „kroatisch-deutschen" Polizei, Gruppenführer Kammerhofer, sein Unwesen als Feldherr, und zwar, statt mit seinen zweifelhaften, grün angezogenen kroatischen Polizisten wirklich Polizeidienste zu versuchen, durch Hin- und Hermarschieren gegen die Partisanen, wobei nie etwas herauskommt. (Er ist Steirer, Beruf unbekannt, Juliputschist, von jenem Zwergentypus mit hochgezogenen, vorgeschobenen Schultern, der sich durch besonderen Ehrgeiz auszeichnet.) Da Himmler mit seinen Leistungen unzufrieden ist, will er immer mehr zeigen. Und so schlug er in den letzten Tagen vor, man möge ihm die vollziehende Gewalt in Syrmien übertragen. Er eilte zu Renduli6, der mit der vollziehenden Gewalt wohl einverstanden war, diese aber für sich beanspruchte, wobei er gleich nach einem Gebiete bis knapp an die Tore Agrams verlangte. Ergebnis ein Befehl des Oberkommandos der Wehrmacht, der mir die vollziehende Gewalt in diesem Räume übertragen wollte, wobei ich mit der Ausführung den Kommandierenden General LXIX (damals noch Ringel, später dessen Nachfolger Auleb 17 )) betrauen sollte. Mit Kammerhofer sollte ich engstens zusammenarbeiten (er ist in Esseg). Als Wirtschaftsdiktator sollte an Aulebs Seite der SS-Brigadeführer Wagner 18 ) treten, der sich irgendwo in Weißrußland seine Sporen als Wirtschafter geholt hat und seither sich bei der 13. SS-Division (Muselmanen „Handschar") betätigt. An die Beistellung von Truppen dachte der Wehrmachtführungsstab nicht, das heißt, vielleicht dachte er daran, hatte jedoch keine 19 ). Nunmehr kam es wegen dieser Ideen zu dem seit einiger Zeit geplanten Flug nach Salzburg, von welchem im nächsten Abschnitt die Rede sein soll. 17 ) Helge Auleb (Gehren, Thüringen, 24.3.1887 bis ?), 1907 Eintritt i. d. Armee als Fhj., 1908 Lt. IR 117, Übernahme ins Reichsheer, 6.10.1936 Kdr. IR 39, 1.2.1939 Gen.Mjr., 1.9.1939 Gen. St. (O.Qu.) AOK 5, 13.10.1939 ebenso AOK 2, 1.11.1939 ebenso H.Gr. A, 15.6.1940 Chef d. Kdo.St. Militärbefh. Nordfrankreich bzw. (ab 1.7.1940) Frankreich, mit d. Führung beauftragt bzw. Kdr. 72. ID bzw. 290. ID bzw. 6. ID (bis 21.1.1942), 1.12.1940 Gen.Lt., 10.6.1942 Gen. z.b.V. H.Gr. A, 20.12.1942 Kdr. Gruppe Auleb („Kaukasus"), 1.2.1943 Kdi.Gen. Abschn.-Kdo. „Auleb" (Krim), 27.4.1943 Stellv. Befh. Krim, 26.7. bis 15.8.1943 mit d. Führ, beauftr. XXXXIX. (Geb.)A.K., 17.9.1943 Kom.Gen. d. Sich.Tr. und Befh. d. Sich.Tr. im Heeresgebiet A, 1.12.1943 Gen. d. Inf., 18.12.1943 Befh. d. dt. Tr. in Transnistrien, 1.4.1944 Befh. d. dt. Tr. in Nordrumänien, 24.6.1944 Kdi.Gen. LXIX. A.K. z.b.V. 18 ) Dr. Wagner, SS-Brigadeführer, ab 17.4.1944 Chef eines SS- und Polizei-Organisationsstabes der 13. Waffen-Gebirgs-Division-SS „Handschar" (kroatische Nr. 1). ") Zur Durchführung dieser Pläne ist es, soweit es Glaise-Horstenau betrifft, nicht gekommen. Über die Erlassung einer sogenannten Landfriedensordnung durch die SS im Gebiet zwischen Save, Drina, Spreca und Bosna zur „Befriedung" und wirtschaftlichen, vor allem landwirtschaftlichen, Ausbeutung jenes Gebietes vgl. Hory-Broszat, 161; Fricke, 163 ff.
Korruption
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Im übrigen gäbe es noch mancherlei nachzutragen. Eines möchte ich nicht unterlassen. In diesem M o n a t war auch einmal Dr. Peric, der ehemalige Außenminister, bei mir zum Kaffee. Seine Frau, eine nette, schweigsame Braunschweigerin, war mit dabei. Peric erzählte natürlich vor allem von seinen römischen Erlebnissen, insbesondere von seiner Freundschaft mit Pietro Macchio, Staatssekretär im Außenamt. Dieser war, einer alten Familie entstammend, ein Antifaschist, ohne es besonders zur Schau zu tragen. Peric erzählte mir unter anderem, Ribbentrop habe nach Mitteilung Macchios im Sommer 1939 mit Ciano eine Wette abgeschlossen, daß die Franzosen und die Engländer in den bevorstehenden Krieg nicht eintreten würden. Ein weiterer kleiner Beitrag zur tragischen Vorgeschichte dieses Krieges . . . Am Schlüsse des Monats Juni 1944 ziehen auch tiefschwarze Gewitterwolken im Osten empor. Entgegen der allgemeinen Meinung, daß der Russe zuerst auf dem Balkan, gegen Rumänien, offensiv werde - er hatte dort Angriffsvorbereitungen mit großer Schlauheit vorgetäuscht - , brach er gegen die Heeresgruppe Mitte zwischen Pripet und Lettland vor 20 ). Dieser Vorstoß wurde, wie Warlimont meinte, dem deutschen H e e r zur größten Frontkatastrophe des Krieges. Als der M o n a t zur Neige ging, standen die Russen am Njemen und in unserer alten Dauerstellung von Baranoviczi. Nicht ohne Wehmut gedenke ich der Frontkämpfer von 1914/18 samt dem „Ulmklotz 12", wie der schöne Deckname f ü r Kövess als Korpskommandant des XII. Korps hieß, der hier einige Zeit gestanden war. Nun möchte ich noch etwas nachtragen, was meine Seele schwer bedrückt. Auf dem Hause Mühlbacherstraße 8 in Wien XIII., das ich mir im Jahre 1938 noch nach österreichischen Gesetzen kaufte, lag eine Wohnbauhypothek der österreichischen Wohnbauförderung 1929 von etwa 80 000 Reichsmark; gleichzeitig war das Haus bis 1952 steuerfrei. Mit dem Ubergang in die reichsdeutsche Gesetzgebung wurde die Steuerfreiheit auf den April 1944 zurückgeschraubt, gleichzeitig wurde der Einheitswert eingeführt und standen alle möglichen Gefahren wegen Begrenzung der Mietzinse nach oben in Aussicht und dergleichen mehr. Nebenbei hörte ich von der Bank Herrengasse 13, die die W o h n b a u f ö r d e r u n g 1939 verwaltet, die Absicht, eine Rückzahlung der Hypotheken im Gegenwartswert - etwa 25 000 Reichsmark in meinem Falle - zu ermöglichen. Ich wandte mich zunächst mit der Bitte, mir diese Rückzahlung zu gestatten, an das Reichsfinanzministerium. Von diesem bekam ich zur Antwort, eine solche generelle Lösung sei wohl geplant gewesen, aber wegen der Bombardierungen zurückgestellt worden. Ich wandte mich daraufhin an Lammers, er möge mir beim Reichsfinanzministerium zur ausnahmsweisen Erfüllung meiner sonst durchaus keine Ausnahme bedeutenden Bitte verhelfen. Wieder lautete die Antwort, es ging nicht, wohl aber sei es mir unbenommen, dem Reichsfinanzministerium den Nominalbetrag zurückzuerstatten, was f ü r den Staat bedeutete, daß er dreimal soviel 20 ) Am 22.6.1944 begann die sowjetische Sommeroffensive gegen die dt. Heeresgruppe Mitte im Raum Witebsk-Mohilev. Nach dt. Schätzungen wurden 45 Pz.-Brigaden, 16 mot. Brig., 6 Kav.-Div. und 126 Schütz-Div. eingesetzt. Ihnen standen insgesamt 40 dt. Divisionen gegenüber. Die Rote Armee erzielte sofort tiefe Einbrüche. Am 3.7. mußte Minsk geräumt werden, am 8.7. wurde der Widerstand von Resten der 4. dt. Armee im Kessel sö. jener Stadt eingestellt. Bis dahin wurden 28 Div. der Heeresgruppe mit etwa 350000 M a n n vernichtet.
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Dienst in Belgrad im Juni 1944
bekäme, als die Hypothek wert ist. Lammers schrieb nun, er verfüge über gewisse Gelder und könnte mir helfen. Ich schlug vor, daß ich den Gegenwartswert an das Reichsfinanzministerium zurückerstatte, er aus seinen Geldern das übrige, was in Praxis soviel bedeuten würde, daß aus einer offenen Hand in die andere dieses Geld gehen würde und der Gewinner nicht ich, sondern der Staat wäre, der mehr als dreimal soviel erhielte, als ihm gebührte. Nun kam leider die Bombe. Lammers schrieb mir, daß sich die Sache machen ließe, auf seinen Vorschlag habe mir der Führer eine Dotation von 100000 Reichsmark bewilligt. Sie werde dazu verwendet, dem Reichsfinanzministerium den über den Gegenwartswert hinausgehenden Betrag meiner Hypothek zurückzuerstatten, indes ich den Gegenwartswert von 25000 Reichsmark zu zahlen hätte. Die Restsumme der 100000 Reichsmark würde mir überwiesen werden. An sich bedeutete der Begriff Dotation mir auf jeden Fall Beschwer. Hätte sie sich nur auf den das Reichsfinanzministerium betreffenden Betrag beschränkt, so wäre die Sache noch bedeutungslos. Denn die Dotation wäre von einer öffentlichen Hand in die andere geflossen und hätte lediglich dazu gedient, bürokratische Schwerfälligkeiten des Reichsfinanzministeriums zu überwinden, wobei der Gewinner . . ,21) [Manuskript bricht ab]
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) Es ist nicht nachweisbar, ob Glaise-Horstenau diese Dotation erhalten hat.
XXIII. BESUCH IN SALZBURG ANFANGS JULI 1944 Agram, Juli 1944 Eigentlich langweilt mich das Schreiben. Denn wozu? Daß es die Nachwelt zu lesen bekommt? Eigentlich ist mir alles egal. Dennoch will ich mich zwingen. Also: Am 3. nachmittags bestiegen Metzger und ich ohne „Mio" (wie der geheimnisvolle Ausdruck für Luftgefahr heißt) unsere brave W 34, die uns über Wiener Neustadt, St. Pölten nach Salzburg trug. Der Flug war wunderschön, zumal das Überqueren des Salzkammergutes bietet immer neue Wunder. Dabei weiß ich jeden Weg und jeden Steg. Trotzdem bohrt sich das jetzige Erlebnis so tief ins Gehirn, daß ich über verschiedene Namen bereits nachdenken muß. Wie oft habe ich mit meiner seligen Mutter alle diese Strecken abgegrast! Salzburg umflogen wir im Norden, dann senkte sich der Vogel auf den Exerzierplatz nieder. Dieser ist verwüstet wie alles in dieser entsetzlichen Welt. Da er der Startplatz des Führers werden soll, durchziehen ihn kreuz und quer neu werdende Startbahnen. Auch sonst ist rund um Kiesheim durch Autobahnen und -Straßen vielerlei landschaftlicher Unfug angestellt. Von den weiten grünen Wiesen, an deren Saum man dahingaloppierte, kaum mehr ein Fleckchen, auf dem das Auge ausruhen könnte. Wir sind eigentlich widerrechtlich gelandet. Unser Vogel muß sich wieder erheben und nach Ainring abziehen. Wir besteigen jedoch das Auto des Wehrkreiskommandos XVIII und lassen uns nach dem Österreichischen Hof bringen. Mein Zimmer liegt im zweiten Stock, neben Cafe Bazar, zur Salzach hinaus. Der liebe, gewohnte Anblick, leider gestört durch den ewigen Umbau der Staatsbrücke mit all dem Grafflwerk flußauf- und -abwärts bis zu den beiden Stegen. Abends kam noch Warlimont zu uns. Wir boten ihm ein ganz gutes Nachtmahl. Dann besprachen wir die aktuellste Frage, den Ausnahmezustand in Syrmien und Slavonien. Ich meinte vor allem, ob man die Absicht habe, in Kroatien eine Staatskrise zu riskieren oder sich wirklich nur mit der Ernteeinbringung zu begnügen? Warlimont stellte das erstere in Abrede, wir beschlossen daher, einen neuen Entwurf zu machen, in welchem wir auf die „vollziehende Gewalt" verzichteten. Metzger setzte sich noch abends hin und warf mit dem ihm eigenen Geschick acht knappe Punkte hin, nach denen General Auleb, der neue Kommandeur des LXIX. Armeekorps gleichfalls eine Art vollziehender Gewalt bekam, die sich aber nur auf die Ernteeinbringung beschränkte und auch da nicht so genannt wurde. Der SS-Standpunkt sollte durch entsprechende Herausstellung Wagners gewahrt bleiben. Als wir am 4. vormittags unsere Gedanken beim Obersten Poleck vortrugen, fanden wir bei ihm und seinem Kriegsverwaltungsrat und dann auch bei Warlimont befriedigte
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Besuch in Salzburg anfangs Juli 1944
Aufnahme. Mit letzterem sprach ich zuerst noch unter vier Augen. Er sprach auch die Absicht aus, den Führer auf meine Anwesenheit aufmerksam zu machen, teilte mir jedoch nachmittags mit, daß dieser nicht eingeschnappt [habe] und wohl auch heiser sei. Der Hauptgrund seiner Interesselosigkeit für Kroatien besteht wohl in der äußerst angespannten Kriegslage im Osten. Trotzdem habe ich mich ein wenig geärgert, als mir Warlimont das Mißlingen seines Stupfers auf der Terrasse des Berchtesgadener Hofes mitteilte. Gleichzeitig rieten wir ihm, sich vor der Ausgabe des Befehles, der erst auf Grund der Notizen Metzgers geboren werden sollte, mit dem Auswärtigen Amt und dem Reichsführer-SS ins Benehmen zu setzen. Dieses geschah jedoch nicht, was schon bis heute (17. Juli) mancherlei Konsequenzen hatte. Ich werde darüber am Schlüsse das Wissenswerteste noch sagen. Am 4. vormittags hatten wir auch noch Buttlar aufgesucht, der kein Kirchenlicht zu sein scheint und mit dem wir über die uns von Vokic überfallsartig aufgedrängten zwölf Ustaiabrigaden (statt deren sieben) sprachen. Er Schloß sich unserer Auffassung an, daß man es den Kroaten einfach nicht verbieten könne, daß man sie aber in den Waffen kurzhalten werde (was im Augenblick ohnehin ein dringendes Gebot der allgemeinen Kriegs- und Ausrüstungslage ist). Zum Frühstück waren wir ins Kasino des Wehrmachtführungsstabes entboten, doch zogen wir es vor, bei Albert Reitter zu essen, wo auch die beiden Schwestern der Frau und Generalmusikdirektor v. Zallinger 1 ) anwesend waren. Reitters Untersuchung, in der er bezichtigt ward, sich in den ersten Kriegsjahren durch Bezug von Reisemarken 17 Kilogramm Lebensmittel herausgeschwindelt zu haben, endete mit einem vollen Sieg für den Beklagten. Er erhielt heitererweise sogar das Kriegsverdienstkreuz I. Klasse. Allerdings mußte er den Posten eines Regierungspräsidenten an den Ministerialrat Laue der Reichskanzlei abtreten. Er wird bei seinem Schwager Ziegler in der Wiener GOC unterschlüpfen, mußte aber vorerst gleich nach unserem gemeinsamen Essen nach Berlin, um dort zum Schein eine Stelle im Reichsministerium des Innern zu übernehmen. Frau Hilde ist auf das frisch geborene Töchterchen sehr stolz; ich mußte Begeisterung heucheln, obgleich ich kleine Kinder nur höchst ungern anschaue. Am 5. abends gab Warlimont mir ein Essen im Berchtesgadener Hof. Anwesend waren die Herren seines Stabes, dazu Schmundt und Bouhler. Vorher ging ich noch für einen Augenblick zu Jodl, mit dem ich mich gut redete und der in der kroatischen Frage wie ich der Auffassung war, daß zur Zeit auf tiefgreifende Versuche nicht zu greifen sei. Der Abend war wegen Schmundt und Warlimont recht interessant. Es war diesmal mein letztes offizielles Auftreten im Hauptquartier. Denn Keitel . . . [Manuskript bricht ab] ') Meinhard v. Zallinger (Wien, 25. 2. 1897). Nach Studium in Salzburg und Innsbruck Kapellmeister an den Opernhäusern in München (1926-1929), Köln (1929-1935) und wieder München (1935-1944) sowie Generalmusikdirektor in Duisburg (1944-1945); sodann 1947 Direktor des Mozarteum-Orchesters und Kapeilmeister am Salzburger Landestheater; Musikdirektor in Graz (1949-1950), an der Wiener Volksoper (1950-1953), an der Komischen Oper in Berlin-Ost (1953-1956), Dirigent an der Bayerischen Staatsoper (1956-1973), Direktor der Sommerakademie des Salzburger Mozarteum (1956-1968).
XXIV. „MEIN STURZ ALS DEUTSCHER BEVOLLMÄCHTIGTER GENERAL IN KROATIEN" Wien, Oktober 1944 Mein Leben ist reich an Peripetien. Im Jahre 1918 war ich knapp daran, Chef der österreichischen Militärkanzlei (es hätte eine österreichische und eine ungarische kommen sollen) zu werden. Da kam der Zusammenbruch. Während meiner Ministerschaft 1936/38 prophezeiten mir eine Menge von Leuten, ich würde zum Bundeskanzler aufsteigen. Am 12. Februar 1938 stürzte ich bei den Berchtesgadener Verhandlungen, von beiden Seiten zu Fall gebracht, und Seyß trat - ich bedaure es nicht, daß es so kam - an meine Stelle. Im Sommer 1944, von dem ich jetzt auszugehen habe, wurde bei sämtlichen Zentralen Berlins Sturm gelaufen, man möge den deutschen Gesandten in Agram, Siegfried Kasche, endlich wegjagen und mich als Bevollmächtigten General auch mit der politischen Vertretung des Reiches betrauen. Wenige Wochen später - nach dem unglückseligen 20. Juli - war ich ein erledigter Mann, und der mit Recht viel belächelte und auch geschmähte Kasche, von den Kroaten selbst vielfach als Urheber ihres nationalen Unglücks bezeichnet, stieg wie ein Phönix aus der Asche. Ob man es als Glück oder Unglück bezeichnen soll, ist bei der Gesamtkriegslage gegenstandslos. Viele Kenner meinen, ich könne Gott danken, daß es so gekommen sei. Leider m u ß ich zum Verständnis der Dinge ein wenig ausholen, und zwar rund um die Persönlichkeit des Poglavnik Dr. Ante Pavelic. Dieser ehrgeizige Winkeladvokat hatte zu Beginn seiner politischen Karriere anfangs der zwanziger Jahre versucht, Stefan Radic zu verraten, indem er Pasic die Gründung einer kroatisch-radikalen Partei als Pendant zur serbisch-radikalen antrug. Es wurde nichts daraus. Ende der zwanziger Jahre verließ er auf Geheiß der Starcevicianer Kroatien, um sich zunächst nach Österreich und dann nach Deutschland zu begeben. In beiden Staaten drückte ihn die Belgrader Regierung weg. Er begab sich mit seiner Frau, einer Halbjüdin, nach Italien, wo er in den nächsten 10 Jahren je nach den Beziehungen zwischen Rom und Belgrad gut oder schlecht behandelt wurde. Dennoch verschworen er und namentlich seine Frau sich sehr bald dem Regime Mussolinis, der seine schützende H a n d auch dann über Pavelic hielt, als dieser in Frankreich wegen des Mordanschlages gegen den König Alexander zum T o d e verurteilt wurde. Tatsächlich ist Pavelic als Hauptarrangeur dieser Untat zu bezeichnen, die sich vielleicht 1941 an Deutschland in Form des Belgrader Staatsstreiches gerächt hat, zu dem es unter Alexander kaum gekommen wäre. Die Folgen dieses Staatsstreiches haben Deutschland bekanntlich
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genötigt, gegen Rußland 2 bis 3 Monate später anzutreten, wodurch wir vor Gewinnung Moskaus in den Winter hineinkamen. Der technische Arrangeur des Marseiller Attentates war der Mazedonier Vanca Mihailow, der den Terrorismus zu einer Wissenschaft ausgestaltet hat. Van6a Mihailow begleitete später bezeichnenderweise Pavelic nach Agram, wo er seither, den meisten Kroaten unbekannt, eine Villa im Tuskanac-Sperrkreis, unmittelbar neben dem Staatschef, bewohnt. Sehr traurig war Pavelic, daß sich vor dem Marseiller Attentat kein Kroate fand, der die Bombe werfen wollte. Mihailows bulgarischer Chauffeur mußte diese Aufgabe übernehmen. Wohl im gleichen Jahre, als das Attentat stattfand, führte Pavelic persönliche Verhandlungen mit Mussolini. Sie sind mit dem Schleier der Dunkelheit umgeben, es ist jedoch sicher, daß der kroatische Emigrantenführer damals weitgehende Zugeständnisse in der dalmatinischen Frage machte und auch bereits Aimone von Spoleto (später Aosta) als künftigen König anzunehmen bereit war. Pavelic hatte damals bereits eine Schar von einigen Hunderten kroatischen Emigranten um sich versammelt, zumeist verbummelten Studenten und ähnliche Leute, unter ihnen auch solche, die den mißglückten Aufstand im Velebit im Jahre 1932 mitgemacht hatten. In der Emigration, die von Italien ausgehalten wurde, scheint es ziemlich balkanisch zugegangen zu sein. Auch an „Todesurteilen" und Morden soll es nicht gefehlt haben. Das gemeinsame Wissen um solche Dinge schmiedete die Kerle zusammen, machte sie allerdings auch stark voneinander abhängig. Diese gegenseitige Abhängigkeit dauert auch heute noch an. Außerdem verhandelte der Dr. Pavelic auch mit Gömbös. Verzicht auf die 100 000 kroatischen Bunjevazen 1 ) nördlich der Drau-Donau und Verbleiben des Medzimurje bei einem künftigen Kroatien waren das Besprechungsergebnis. Die engen Beziehungen zwischen Deutschland und Jugoslawien einerseits und das Erstarken der deutsch-italienischen Freundschaft andererseits ließen Paveli6 jedoch im zweiten Lustrum der dreißiger Jahre am Entstehen eines neuen Kroatiens ziemlich verzweifeln. Er sandte einen Teil der Emigration unter Führung von Budak und Lorkovic nach Hause und beschäftigte sich mit historischen und künstlerischen Spielereien, indem er sich Titel für die künftigen Würdenträger des kaum mehr erhofften Staates ausdachte und für diesen Wappen, Uniformen und Abzeichen erfand, dabei immer an die vagen Traditionen der selbständigen kroatischen Könige anknüpfend. Im übrigen vollkommen vom italienischen Milieu eingesponnen, in welchem sich namentlich seine Frau, eine absolute Gegnerin des Dritten Reiches, besonders wohlfühlte, wurde er von den Frühjahrsereignissen 1941 geradezu überrascht. Noch ') Die Bunjewatzen sind ein Siidslawenstamin mit römisch-katholischem religiösem Bekenntnis, der in und um Maria Theresiopel (Subotica bzw. Szabadka) und um Sombor (Zombor) lebt und in den letzten Jahrzehnten des 17.Jahrhunderts dorthin zugewandert ist. 1910 wurden 88209 Bunjewatzen gezählt. Sie sprechen den ätokavischen Dialekt des Serbokroatischen und fühlen sich als eigenständige Volksgruppe, die sich gegen die Magyarisierung und die Assimilierung durch das Serbentum zur Wehr setzen möchte. Vgl. W. Bihl, Notizen zu den ethnischen und religiösen Splitter-, Rest- und Sondergruppen in den Habsburgischen Ländern, in: Die Völker des Reiches (Die Habsburgermonarchie 1848-1918, III. Bd.), Wien 1981, 965 f.
Über Pavelic
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mehr überrascht wurde er jedoch, daß man mit der Verkündung des kroatischen Staates nicht auf ihn wartete, sondern daß der ehemalige österreichische Oberstleutnant Slavko Kvaternik dies am Karfreitag, den 10. April unter deutschen Fahnen tat, ohne auf die Italiener zu warten. Nach den Mitteilungen von Dr. Proebst soll namentlich Frau Pavelic getobt haben, die absolut damit gerechnet hatte, unter der Patronanz Italiens - und nur unter dieser - in Zagreb einziehen zu können (und im Unterbewußtsein natürlich auch an den Mann ihrer Schwester, den jüdischen Kaufmann Weinberger, dachte, der sofort nach der Staatsgründung fluchtartig Kroatien verließ). Daher auch der überaus seltsame Einzug Antes in seiner Hauptstadt bei Nacht und Nebel, nachdem er sich vorher 2 Tage in Karlstadt versteckt gehalten hatte. Die italienischen Bindungen belasteten seine Politik zweifellos von Anbeginn. Mir fiel bei meinem ersten Besuche schon auf, wie er, statt sich mit meinen anderwärts aufgezeichneten, von Hitler zunächst angenommenen Vorschlägen zu befassen, rund um das italienische Gebiet von Zara erweiterte Grenzen in der Richtung Spalato zugunsten der Italiener zog. Wenn er uns gegenüber nach den Besprechungen von Laibach und Monfalcone Überraschung ob der italienischen Begehrlichkeit zeigte, so hat er wahrscheinlich geheuchelt. Der größere Teil der italienischen Wünsche ist ihm nicht nur bekannt gewesen, sondern er hatte ihnen V o r j a h r e n auch zugestimmt. So mußte er sich denn auch am 18. Mai 1941 in Rom gefallen lassen, daß man ihn einen Vertrag zu unterzeichnen zwang, der stark von den vorher paraphierten Abmachungen zwischen ihm und Mussolini abstach. Allerdings hatte er damit zugleich die Stunde versäumt, als wahrhaft großer Kroate in die Geschichte seines Volkes einzugehen. Ich riet schon Anfang Mai dem kroatischen Gesandten in Berlin, Dr. Benzon, der Poglavnik möge sich gegenüber Italien härter zeigen; hätte er Erfolg, würde es ihm die Reichspolitik eher gut als schlecht schreiben. Ante unterzeichnete jedoch in Rom mit leichtem Zucken der Gesichtsmuskeln, die allein meistens seine Aufregung verrieten - wohl auch deshalb, weil er ein Gefangener seiner Emigrantenpolitik war und nicht zuletzt, weil er auf alles eher verzichtet hätte als auf den Besitz der ihm unverdient in den Schoß gefallenen Macht. Dabei spielte er Uneingeweihten gegenüber schon damals ein wenig den Märtyrer der deutsch-italienischen Bindungen - eine Rolle, die er in der Folge, wie man nachträglich bemerken kann, mit Geschick weiterspielte. Nach meinen seitherigen Erfahrungen glaube ich beispielsweise nicht mehr, daß sein Verhältnis zum Gesandten Casertano wirklich so gespannt war, wie er es immer uns gegenüber hinstellte. Bei den Charaktereigenschaften dieses Orientalen ist es sehr wahrscheinlich, daß er sehr oft die „Bösartigkeit" der Deutschen gegenüber den Italienern ausspielte. Die Beziehungen zu Casertano scheinen dabei o f t einer gewissen Innigkeit nicht entbehrt zu haben, dies umso mehr, als er dessen Sprache viel besser beherrschte als die der nordischen Barbaren. In den ersten 2 Jahren waren überdies Frau und Kinder sehr oft in Florenz oder in Mailand, in welch letzterer Stadt sich Schwager Weinberger aufhielt. Mit Casertano hatte Ante die Abberufung von Lorkovic als Minister des Äußeren und von Peric als römischen Gesandten schon wochenlang abgesprochen, ehe er sich diesen beiden gegenüber durch die Italiener „vergewaltigt" fühlte. Im nachhinein bin ich namentlich der Meinung, daß er den
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Italienern gegenüber sehr oft meine Wenigkeit vorschob. Wiederholt berichtete er mir über das große Mißtrauen der Italiener mir gegenüber. Ich sei nur ein als General verkleideter Politiker. Mich dünkt es nicht als sehr wahrscheinlich, daß er mich den Kazzis gegenüber sehr in Schutz nahm. Vielleicht steckte er sogar das eine oder das andere Mal hinter den wiederholten Versuchen der Italiener, mich loszuwerden. Parallel mit dieser zwiespältigen Einstellung zu den Italienern, hinter der sich eine gewisse Italophilie barg, ging, sehr gut mit letzterer zusammenpassend, sein ausgesprochen österreichfeindliches Gefühl, das sehr bald wahrzunehmen war. In diesem Punkte hatten wir alten Österreicher überhaupt von den Kroaten eine falsche Vorstellung, mit der ich leider auch im April 1941 nach Zagreb kam. Die traditionsmäßigen Bindungen der Kroaten zum alten Osterreich gediehen, wie ich nachträglich feststellen konnte, fast ausschließlich auf militärischem Boden. Dazu kam bei den Leuten über 40 ein gewisser gesellschaftlicher Gleichklang, der sich auch in der Aussprache des Deutschen äußerte. Dagegen fehlte es selbst auf kulturellem Gebiet schon an innerem Zusammenhang, obwohl das Bild von Alt-Agram ausgesprochen das einer deutschösterreichischen Stadt war und jeder Intellektuelle älteren Jahrgangs in Wien oder Graz studiert hatte. Wie es überhaupt unter den österreichischen Nationen keine gab, die so sehr wie die Kroaten bis 1918 auch deutsches Kulturgut einzig und allein über Deutschösterreich bezog - was allerdings zu Zeiten Starcevifc', den „Vater des Vaterlandes", nicht hinderte, lediglich die französische Kultur als der kroatischen kongenial zu preisen. Während nicht Zvonimir oder Tomislav oder ähnliche Räuberhäuptlinge die Kroaten in Europa berühmt machten, sondern - trotz ihrer Plünderei - einzig und allein die Militärgrenze, wurde diese mit ihren Überlieferungen und ihren unzweifelhaften verwaltungsmäßigen und wirtschaftlichen Leistungen schon gar selbst in jugoslawisch infizierten Offizierskreisen entschieden abgelehnt. Wahr ist, daß Wien den Kroaten zumal um die Mitte des 19. Jahrhunderts schwere Enttäuschungen bereitete und auch, soweit es offiziell war, später nie mehr den Versuch machte, den Pester Alpdruck lockern zu helfen. Aber ebenso gewiß ist, daß die Kroaten ein unglückliches Volk sind, das nie weiß, was es will - wofür auch wieder Starcevic ein besonders beredtes Beweisstück ist. Auch ich bin am 14. April 1941, als ich nach Zagreb kam, von schweren Irrtümern in dieser Richtung erfüllt gewesen. Bei der Annahme der altösterreichischen Gradabzeichen durch die neu aufzustellende Armee hatte ich einen starken Anteil; ich weiß nicht, ob ich damit der österreichischen Tradition einen Dienst tat. Jedenfalls konnte ich, als am Ante-Tag, den 13. Juni 1941, zum erstenmal Kroaten mit Sternen und Goldborte, mit den alten kaiserlichen Fahnen und unter den Klängen altösterreichischer Märsche am Poglavnik, am italienischen General Ambrosio, dem Armeekommandanten in Susak und an mir vorbeimarschierten, die Tränen kaum zurückhalten. Pavelii: wird sich im heimlichen geärgert haben. Weit später trat er an mich mit dem Vorschlage heran, die Gradabzeichen durch nationaler stilisierte zu ersetzen; er redete sich dabei dahin aus, es ginge nicht gegen die alte österreichische Tradition, sondern wäre wegen der Ähnlichkeit mit der ungarischen Armee. Die mir vorgelegten Modelle waren den ungarischen Chargendistinktionen noch weit ähnlicher als die bisherigen.
Über Kasche und Kvaternik
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In seiner Abneigung gegen alles Osterreichische traf sich der einstige k. Landsturm-Reserveleutnant mit Kasche, der nichts so sehr haßt wie Alt- und Neuösterreich und bei dem jedes zweite Wort eine Erinnerung an „Friedrich den Großen" ist. O f t und o f t stänkerte mich Kasche über den Tisch hinweg wegen meines „Preußenhasses" an, von dem ich ihm nicht die geringsten Beweise gegeben hatte. Als im Führerhauptquartier im Jahre 1944 (vor dem 20. Juli) Osterreichertum Trumpf war, litt er schwer darunter. N u n ist es ihm doch gelungen, den dominierenden Österreicher aus Agram mit Hilfe der gemeinsten Intrigen wegzubringen. Und der „Österreicher" Hitler hat sofort ja gesagt. Ich kam nach Kroatien, erfüllt von österreichischer Tradition, aber auch mit der wahrhaft österreichischen H o f f n u n g , mitzuhelfen, daß der neu geschaffene Staat mit seinen drei Völkerschaften und seinen vielen Volkssplittern ein richtiger Nationalitätenstaat werde, in dem sich jeder anständige Bürger ohne Unterschied von Religion und Volkszugehörigkeit wohlfühlen sollte. D a ß dies sein könnte, war der zweite große Irrtum, in welchem befangen ich die liebe, schöne Savestadt betrat. Denn Pavelic betrat am 9. April 1941 mit ganz anderen Absichten den heimatlichen Boden wieder, mit keinen geringeren als denen, die 1,800000 Pravoslawen, die neben 4 Millionen Kroaten, 700 000 Moslims und anderen Volkssplittern das Land bewohnten, um jeden Preis mit Feuer und Schwert zu vertilgen. Er war bei seiner Heimkehr von etwa 500 Bewaffneten begleitet, zum Teil Emigranten aus seiner italienischen Umgebung, zum Teil kroatische Bergarbeiter aus Belgien und von anderwärts, meist Kommunisten, die sich über Nacht in radikale Nationalisten verwandelten. Mit dieser wüsten Schar beglückte der neue Staatsführer sein „befreites" (was heute alles unter „Befreiung" verstanden wird!) Vaterland. Ich war nur einen T a g in Zagreb, da saß in meinem Vorzimmer bekümmerten Gesichtes mein alter Freund Fliegergeneral a . D . Uzelac. Er war Pravoslawe und sollte nach einem Erlaß des neuen Polizeichefs Eugen Kvaternik, des Sohnes Slavkos, gleich allen Religions- und Volksgenossen aus seiner Villa in den Raum südlich der Save übersiedeln. Ich beeilte mich, vom Ante wenigstens f ü r die alten kaiserlichen Offiziere eine Ausnahme zu erwirken, und sie wurde mir bewilligt. Gleichzeitig Schloß sich aber der am 15. zum ersten Marschall von Kroatien ernannte Slavko dem radikalen Kurs vollinhaltlich an. Alle pravoslawischen Beamten, Gendarmen et cetera wurden, ohne daß man uns befragte, ungesäumt auf die Straße gesetzt, auch bei den Eisenbahnern versuchte man's, doch mußte auf Wunsch der deutschen Militäreisenbahnbehörden zurückgepfiffen werden. Vergeblich warnte ich Slavko vor Existenzvernichtungen, vergeblich beschwor ich ihn in Gegenwart des Erzbischofs Saric von Sarajevo, Kroatien müsse ein Rechtsstaat werden! Die Existenzvernichtungen waren nur ein Anfang, unendlich Ärgeres sollte nachkommen. Ende Mai erhielten wir zum erstenmal die Nachricht von einem „Sühnemord", den der junge Kvaternik unter persönlicher Assistenz in der Nähe von Bjelovar an 200 Pravoslawen hatte vollziehen lassen. Gleichzeitig kamen Schaudernachrichten aus der Herzegowina und der Gegend von Sarajevo. In der Herzegowina erschienen „Ustasi" - so nannte sich das Totalitätsinstrument der Totalitätspartei - aus Agram und aus der Lika, besonders wilde Kerle, und begannen ihr blutiges Werk. Vergebens setzten sich die Generäle Prpic und Laxa für den Bürgerfrieden ein. Laxa, alter kaiserlicher General und
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Theresienritter, mußte sich als Kommandant in Bosnien gefallen lassen, daß Eugen Kvaternik eine Proklamation, die er erlassen hatte, von seinen Gaunern abreißen ließ. Laxa wurde als Kommandant in Bosnien abgesetzt, unter meinem Druck jedoch Chef des Generalstabes. Ich bezog als „Deutscher General in Zagreb" von Anbeginn schärfstens gegen die UstaSagreuel Stellung. Kasche hingegen sah in ihnen ein „Ventil" von an sich begrüßenswerter revolutionärer Gesinnung und ließ über diese Auffassung niemand in Zweifel. Vergebens machte ich auch in meinen Meldungen immer wieder aufmerksam, daß der künstlich heraufbeschworene Bürgerkrieg viel deutsches Blut kosten werde. Im einzelnen den Verlauf der Ereignisse zu verfolgen, wird Sache einer anderen Darstellung sein müssen. Ich verbarg auch dem Poglavnik nicht meine schweren Besorgnisse, unter dessen unmittelbarer Patronanz, wie wir heute wissen, alle Greueltaten verübt wurden. Ein besonders eindringliches Gespräch führte ich anfangs September 1941 - es kommt in meinen Meldungen vor - in Gegenwart von Slavko Kvaternik, Kasche und Lorkovic mit Pavelic. Slavko war an diesem Tage so blutrünstig, daß ich ihn mit den Worten unterbrach: „Lieber Slavko, ich bin froh, daß du überhaupt mich noch am Leben läßt." Nachher erklärte der Poglavnik, von den eineinhalb Millionen Pravoslawen wären bestimmt eine Million für den Staat zu gewinnen. Ich antwortete (frei nach Metternich, Gespräch mit Napoleon in Dresden): „Poglavnik, ich hätte es sogar etwas billiger gegeben, aber erlauben Sie vor allem, daß ich diese Fenster aufmache, damit Sie diese Äußerung auch auf den Markusplatz hinausrufen können!" Keiner der Anwesenden hat mein wirksames r eschichtliches Plagiat verkannt. Im darauffolgenden Winter begann Ante überdies seinen zweiten Lieblingsfeldzug, den gegen die Intellektuellen. Unter den Verhafteten befand sich gleich zu Anfang auch der berühmte Bildhauer Ivan MeStrovic2). Ich intervenierte, ohne den 2
) Vgl. Ivan Meitrovic, Uspomene na politicke ljude i dogadaje, Zagreb 1969, 317 ff., 342. Zitiert wird eine Übersetzung aus der 1. Auflage dieses Erinnerungswerkes in KA, B/800, nr. 19: „Eines Tages kommt die Sekretärin von Glaise, eine junge Bosnierin, und ruft mir durchs Fenster zu, der General möchte zu mir kommen. Er kam bald danach und brachte seinen Freund Dr. Ullmann mit, mit der Begründung, daß er ihn diesmal als Zeugen brauche, der gleichzeitig unser Gespräch aufschreiben wird." „Ich bin gekommen, um von Ihnen persönlich zu hören, ob Sie in Freiheit sind oder nicht. Ich glaubte, Sie seien frei, hörte aber gestern von Ihrem Bruder, den ich zufällig traf, daß Sie es nicht sind." „Er hat Ihnen die Wahrheit gesagt", antwortete ich ihm, und er stampft mit dem Fuße: „Dieser verfluchte, lügenhafte likanische Wolf! Und mir versichert er vor zwei Wochen, als ich in Ihrer Sache bei ihm war, daß Sie in Freiheit sind." „Ich weiß nichts. Es wurde mir nur gesagt, als ich aus dem Gefängnis entlassen wurde, daß ich jetzt unter Hausarrest bin und daß ich die Schwelle nicht überschreiten dürfe, wenn ich nicht meinen Kopf verlieren will." „Verfluchte, lügnerische und wilde Bagage! Italienische Knechte!" Haben Sie nicht einmal einen persönlichen Zusammenstoß mit Pavelic gehabt, da er so gegen Sie ist? - „Niemals." - „Haben Sie ihn gesehen, seit er Poglavnik ist?" - „Nein. Als ich aus Spalato hierher gekommen war, hat er mir sagen lassen, er würde wünschen, daß ich zu ihm komme, aber ich habe abgelehnt." - „Sie haben allen Grund gehabt, da er Ihr Dalmatien Mussolini ausgeliefert hat, und Sie haben das wahrscheinlich irgendjemand gegenüber verurteilt, worauf er Sie und andere gleicher Gesinnung in H a f t genommen hat. Nun, was ist er anderes als Diener Mussolinis. Er hätte schon zu Ihnen kommen können, wenn er Sie sehen wollte, es sind ja auch Könige zu Ihnen gekommen." - „Es konnte hier, Herr General, nicht um mein Prestige gehen." - „Ich
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Mann zu kennen, s o f o r t f ü r ihn, auch Kasche folgte. Dabei konnten wir die verstehe, aber es ging um das Prestige eines kroatischen Patrioten gegenüber dem f r e m d e n Söldling, der nichts und n i e m a n d e n darstellt. Finden Sie mir einen dezenten M a n n , der die R e g i e r u n g in Kroatien übernehmen könnte, und ich w ü r d e mit P a n z e r n auf den M a r k u s p l a t z gehen und den Pavelic und seine R e g i e r u n g verhaften." - „Schwer wird man einen anständigen Kroaten finden, d e r unter diesen schon gegebenen U m s t ä n d e n die R e g i e r u n g übernehmen möchte." - „Verstehe, aber die Kroaten machen hier einen Fehler, ebenso wie ihn M a c e k gemacht hat, als er die R e g i e r u n g nicht übernommen hat. Er hätte sich, sagen wir, geopfert, aber es w ä r e in diesem unglücklichen Land nicht zu diesen teuflischen Zuständen gekommen." „Sie sind doch Österreicher und kennen diese Länder wie auch die Italiener, und auch Hitler ist schließlich Österreicher, w a r u m haben Sie nicht Einfluß auf ihn g e n o m m e n ? " „Ich k e n n e diese Länder, und ich k e n n e auch die Italiener, und wie g u t ! Ich k e n n e sie vom Isonzo her. Dort haben w i r sie mit ein paar Regimentern im Schach gehalten, vor allem mit dem dalmatinischen. Ich habe davon Hitler erzählt, er w u ß t e das schon und sagte mir, d a ß sie auch heute nicht besser sind und d a ß es f ü r uns viel leichter wäre, sie w ä r e n neutral geblieben, aber Mussolini wollte um alles mit uns gehen." Auch Griechenland habe er ohne vorherige V e r s t ä n d i g u n g mit uns angefallen und Hitler dadurch in große U n g e l e g e n h e i t e n gebracht. Ermutigt durch diese Mitteilung Hitlers, erinnerte ich daran, d a ß Italien zweimal seine Verbündeten verraten habe. Das w ä r e richtig, erwiderte mir Hitler, aber f ü r ihn sei Mussolini Italien, von dem er an sich nichts hält. Aber auch Mussolini sei ein Italiener, warf ich ein, w o r a u f Hitler aufsprang und auf mich losbrüllte „Daß Sie mir niemals eine solche Ansicht über Mussolini äußern, ich lasse Sie sonst degradieren!" - so Schloß Glaise. „Es ist sonderbar", antwortete ich, „daß der nächste Punkt Deutschlands M a r b u r g ist." - , J a , das konnte nur dieser verrückte S c h w ä c h l i n g zulassen. Aber im Falle, daß wir siegen, was aber Gott verhüten möge, werden die Deutschen die Italiener nicht um Erlaubnis fragen, ob sie von M a r b u r g ans M e e r kommen, um zu baden." Bis dahin hatte Glaise mir g e r a d e in die A u g e n geblickt, aber sein Blick w a r w i e leicht verschleiert. Aber jetzt auf einmal, wie wenn dieser Schleier verschwunden wäre, flackerten seine A u g e n auf, als er begann: „Sie wissen, d a ß ich Österreicher bin und Katholik." - „Ich w e i ß . " „Aber Sie kennen nicht meine Geschichte. Ich habe Österreich verraten, und für den Fall, d a ß es wiederaufersteht, verdiene ich nichts anderes, als d a ß ich a u f g e h ä n g t werde. Im vorigen Krieg w a r ich an der italienischen Front, und ich habe gesehen, w a s das f ü r Soldaten sind und d a ß m a n f ü r sie nur Verachtung haben kann. N a c h dem Kriege erlebte ich, d a ß ich diese Feiglinge in W i e n in ihren Pelerinen sehen mußte, und Italien, d a ß es unseren Beschützer spielte. Das konnte ich nicht ertragen, und ich fing mit dem ,AnschIuß' an zu komplettieren. Ich ging mit B a i d u r v. Schirach zu Hitler, um über die Anschlußbedingungen zu verhandeln. Dieser hat uns feierlich versprochen, d a ß er in Österreich nichts ändern, an unserer Individualität nicht rühren, sondern unsere V e r f a s s u n g respektieren werde. Es w e r d e nur die Zollunion verlautbart werden und etwas deutsche Truppen werden einmarschieren, um den Anschluß zu schützen, wenn sich j e m a n d dagegenstemmen wollte. Er dachte hier hauptsächlich an Italien. Die Deutschen sind aber einmarschiert und haben alles zertreten. W i r haben später a u f g e d e c k t , d a ß uns H i t l e r betrogen hat und d a ß er den g a n z e n Plan, wie er ihn dann d u r c h g e f ü h r t hat, ganze zwei M o n a t e , bevor er uns das Versprechen gegeben hat, bereits endgültig g e f a ß t hatte. Von da an habe ich keinen größeren W u n s c h als sein Verschwinden. Ich gelte i r g e n d w i e als sein Diplomat in militärischen Angelegenheiten, wahrscheinlich deswegen, weil ich mehrere Sprachen spreche und weil er mich f ü r subtiler hält als die Preußen. Er schickte mich nach Frankreich und jetzt hieher, und er beruft mich oft zu sich, aber g l a u b e n Sie mir, d a ß ich nach jedem solchen T r e f f e n aus Zorn darüber, d a ß ich ihn nicht umgebracht habe, bis zu zwei Nächte nicht schlafen kann." „Wie alt sind Sie, H e r r General, und haben Sie Familie?" „Ich bin ein J a h r älter als Sie, und Familie habe ich keine. Ich weiß, w a s Sie f r a g e n , Sie wollen sagen, weshalb ich ihn nicht umgebracht habe, aber wissen Sie, jeder M e n s c h , a n g e f a n g e n von Brauchitsch, muß baden bevor er zu Hitler k o m m t und darf nichts bei sich haben, nicht einmal eine Füllfeder [!?]. Der größere Teil des deutschen Stabes ist überzeugt, d a ß er f ü r Deutschland und das deutsche V o l k fatal ist, und man wäre glücklich, wenn er verschwände. N u r schützt ihn seine U m g e b u n g schrecklich. Das ist das eine, und das andere ist die m e r k w ü r d i g e deutsche Seelenverfassung. Die M e h r z a h l sagt: ,Noch niemals haben die
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Wahrheitsliebe der kroatischen Behörden und des Staatschefs kennenlernen. Wann immer wir einzeln oder gemeinsam mit dem Poglavnik über MeStrovic sprachen, erhielten wir über sein angebliches Delikt eine andere, der früheren entgegengesetzte Auskunft. Als es uns endlich gelungen war, den Künstler freizubekommen, benützte ich die erste freie Stunde, ihn in seinem Heim, wo er noch konfiniert war, gemeinsam mit Dr. Hermann Ullmann zu besuchen. Nachdem es geglückt war, ihm die volle Freiheit zurückzugewinnen, bat ich ihn auf einen Kaffee zu mir. MeStrovic, durch Wiener Mäzene aus einem Hirtenknaben zum Künstler ausgebildet, hatte im letzten Kriege der Londoner jugoslawischen Emigration angehört. Ich fragte ihn nunmehr, wie er sich das Zusammenleben der Serben und Kroaten auf engem Raum vorstelle und war mit meinen altösterreichischen Idealen beinahe enttäuscht, als er antwortete, ihm scheine es unmöglich, und diese Auffassung durch verschiedene Kleinerlebnisse aus seiner norddalmatinischen Heimat belegte. Auch andere Intellektuelle ließ man auf mein Drängen heraus. Im Frühjahr 1942 wurde unter dem Befehl des Militärbefehlshabers von Serbien, General der Artillerie Bader, im Raum von Sarajevo eine deutsch-italienische Säuberungsaktion gegen die Cetnici unternommen 3 ). Die italienische Mitwirkung, bei der zum erstenmal der mit allen Salben geschmierte Roatta auftauchte, beschränkte sich darauf, daß wir alles daransetzen mußten, um eine Besetzung Sarajevos durch die Italiener zu verhindern. Dies gelang; Roattas Truppen mußten in Vororten haltmachen. Die Säuberungsaktion bei und nordöstlich von Sarajevo gelang. Deutsche Wirtschaftsmaßnahmen und unser militärischer Schutz ließen die serbische Bevölkerung bis Vlasenica hinauf aufatmen. Da machte sich plötzlich unter dem Kommando eines „Fähnrichs" eine UstaSakompanie auf den Weg, um neuerlich in den befriedeten Gebieten fröhliche Pravoslawenjagd zu machen. Unter meiner politischen Deckung wurde der Haufen verhaftet, entwaffnet, kaserniert; wir fragten beim Oberkommando der Wehrmacht an, ob wir die Kerle vors deutsche Kriegsgericht bringen dürften, da die UstaSagerichte gewiß nichts tun würden. Antwort: „Der Führer entschied, daß dje UstaSa die staatstragende Bewegung Kroatiens sei, wir sie stützen mußten und daher auch Ausschreitungen in Kauf nehmen müßten; die Angelegenheit ist dem kroatischen Staat zu übergeben." Trotz dieser grundsätzlichen Einstellung Hitlers, die mindestens in dem bunten Völkerstaat Kroatien nicht im entferntesten die wirklichen Bedingtheiten des öffentlichen Lebens richtig einschätzte, mußte ich mich im Herbst entschließen, Deutschen ihren Führer erschlagen, wohin er sie auch immer führen mag.' Es hat einige Versuche gegeben, aber keiner ist geglückt. Die Deutschen sind in neunundneunzig von hundert Fällen Atheisten, aber trotzdem abergläubisch. Nach jedem mißlungenen Attentatsversuche sagen sie: ,Eine höhere Gewalt schützt ihn!'" . . . [Zu einem Schreiben Glaises an Meätrovic, damals im Exil in Lausanne, Ende 1943 oder erste Hälfte 1944: „Ungefähr um diese Zeit kam auch Dr. Ullmann, der Freund von General Glaise, und brachte mir ein Schreiben des Generals, das an ihn adressiert war . . ."] 3 ) Gemeint ist das in der jugoslawischen Geschichtsschreibung „Dritte Offensive" genannte Vorgehen anfangs April 1942 deutscher und kroatischer Verbände von Sarajevo und deutscher Einheiten aus Serbien Richtung Viäegrad, das mit einem konzentrischen Angriff auf Foca enden sollte. Dazu kamen italienische Verbände dann zu spät.
KZ in Kroatien
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unbekümmert um Ressortzuständigkeiten et cetera einzugreifen. Das arme bosnische Landvolk war schon bis aufs Blut gepeinigt. Zahlreiche arme Teufel waren „in den Wald gegangen", um den mit der Terrorbombe geschmückten Bedrängern zu entkommen, und gesellten sich so unseren Gegnern bei. N u n m e h r begannen aber die Banden Antes ihr Auge auf die reichen pravoslawischen Siedlungen zwischen Save und Drau zu werfen. Ende August leitete der junge Kvaternik unter Patronanz des dummen Kasche eine „Polizeiaktion" in Syrmien ein, an der - Gott sei's geklagt auch schwächere deutsche Truppen teilnahmen. D e r Beauftragte des Poglavnik war einer seiner engsten Vertrauten, der Massenmörder, Säufer und Hurenknecht Viktor Tomic; in Unkenntnis seiner werten Persönlichkeit habe ich ihm - das erste- und letztemal - auf dem Boden der deutschen Gesandtschaft die H a n d reichen müssen. Kasche schwamm natürlich über den hohen Besuch in Seligkeit. Die Befriedungsaktion des Herrn Tomic bestand jedoch in ununterbrochenen Blut-, Sauf- und Sexualorgien, wobei, was Leben und Besitz anlangt, natürlich die reichen pravoslawischen Bauern dieses Gebietes dran glauben mußten. (Syrmien, überwiegend von Pravoslawen bewohnt, ist in verschiedenen Teilen ein Abbild Altösterreichs. Wer von Semlin nach Indija fuhr, traf in den schönen Dörfern beiderseits der Straße alle Völker des versunkenen Reiches an: Serben, Kroaten, Magyaren, Walachen, Slovaken, Polen, Tschechen, Deutsche.) Schließlich wurde es selbst Kasche zu dumm. O h n e daß ich bis heute Offizielles erfahren habe, weiß ich doch, daß er sich inmitten einer Nacht veranlaßt gesehen hatte, die Abberufung des Tomic von der kroatischen Regierung zu verlangen. Sie erfolgte. Es vergingen aber nicht 14 Tage, da erhielt ich, um den 18. September 1942, knapp vor der Abreise des Poglavnik ins Führerhauptquartier nach Winniza, Nachrichten über eine neue, von Kvaternik junior dem Tomic übertragenen „Befriedungsaktion" in Bjelovar und bei Grubesno polje, letzteres die Heimat des großen kroatischen Lyrikers Preradovic. Obgleich ich bereits den Originalbefehl Kvaterniks in Händen hatte, leugnete Pavelic auf Grund sofort eingeholter telephonischer „Erhebungen" alles ab. Als ich ihm 600 Verhaftete in Bjelovar meldete, ließ er durch Percevic mitteilen, es seien nur fünf oder sechs. Auch der junge Kvaternik ließ mich beim Abflug nach Rußland ähnliches wissen und lachte sich über meine scheinbar kindhafte Gläubigkeit wahrscheinlich ins Fäustchen. In der T a t hatte eine der blutigsten und grausamsten Aktionen begonnen, die je in diesen 3 Jahren in Kroatien „durchgeführt" worden sind. In viele Tausende gehende Pravoslawen, darunter Greise, Frauen und Kinder, wurden aus der Heimat vertrieben und in qualvoll dicht besetzten, tagelang nicht geöffneten Viehwaggons furchtbaren Konzentrationslagern zugetrieben. Viel wertvolles H a b und Gut der reichen Bauern fiel den von Staats wegen angesetzten Räumern in die Hände. Schließlich wurde kroatischerseits offiziell „abgeblasen". Aber in der zweiten Oktoberhälfte kamen aus der Savegegend westlich von Jasenovac neue Schreckensnachrichten. Jasenovac ist das berüchtigtste KZ Kroatiens. (In Jasenovac haben viele Tausende von Bürgern des befreiten kroatischen Staates ein furchtbares Ende gefunden. Schon im November 1941 drang ich darauf, daß eine deutsche Kommission in das Lager gelassen werde. Kvaternik junior führte einen mehrwöchigen Kampf um Zeitgewinn, den er dazu ausnützte, unweit von dem eigentlichen Todeslager ein potemkinsches Dorf mit aus der
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Umgebung ausgeliehenen Häftlingen mit wunderbar zufriedenem Aussehen in prachtvollen Lageranlagen - allerdings nur für 1 400 Mann - einzurichten. Selbst dem naiven Kasche kam der Bericht über den Lagerbesuch etwas eigenartig vor. Das wirkliche Lager hat nie eines Deutschen Fuß betreten. Der Einbruch wäre nur mit Panzern möglich gewesen.) Dort hatte sich unter dem Kommando des besonders wilden Ljuburic, gleichfalls eines in der Emigration verbummelten Studenten, eine angeblich niemandem recht unterstehende Ustasagruppe von etlichen 1 000 Mann gebildet, die die ganze Gegend unerhört terrorisierte und nach Belieben „Aktionen" mit unerhört blutigem Ausgang unternahm. Als mir nun wieder eine solche Aktion zur Kenntnis kam und die Kroaten samt Pavelic wieder alles ableugneten, ließ ich kurzerhand einen Sonderzug zusammenstellen, verlangte vom Poglavnik zwei kroatische Begleiter, die mir in der Person des Staatssekretärs Seitz 4 ) und des UstaSa-„Oberstleutnant" Lisak 5 ) beigestellt wurden, und fuhr, nicht zur Freude des Staatschefs, los. Was ich zuerst auf dem Bahnhof Sissek und im dortigen Konzentrationslager und dann - nach einer längeren Autofahrt unter Panzerbegleitung - in dem kürzlich erst zur römisch-katholischen Kirche übergetretenen Crkveni bog an Greueltaten der Luburic-Banditen zu sehen bekam, spottete jeder Beschreibung. Nach meiner Rückkunft erstattete ich dem Staatschef unverblümten Bericht mit noch unverblümterer Kritik und stellte einige Forderungen, deren Erfüllung er mit allen Ehrenworten versprach, ohne im geringsten ans Halten zu denken. Ich hätte ihm gegenüber schon damals einen Zweifel hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit äußern sollen. Er empfing mich das nächste Mal mit der feierlichen Versicherung, mich nie mehr anzulügen. 2 Minuten später tat er es schon wieder kräftig. Nur in einem Punkte errang ich einen vorübergehenden Erfolg. Ljuburic hatte inzwischen auf dem Hauptplatz von Travnik vor einem versammelten Aufgebot Freiwilliger einen offenen Mord begangen, den er nachher mit der Bekämpfung einer Meuterei beschönigte. Er verschwand aus dem öffentlichen Leben, wofür ich mich bereit erklärte, von weiteren Verfolgungen des Falles Ljuburi6 abzusehen. Unmittelbar vorher hatte Kasche den Gauner für einen deutschen Orden eingeben wollen. Es währte auch höchstens ein Jahr, da erfuhr ich hintenherum, daß Ljuburic schon wieder, diesmal bei Banja Luka, „tätig" sei, und zwar unter besonderer Patronanz Kasches. Man solle es mir aber nicht sagen, meinte der Gesandte damals bei Gelegenheit. (Ljuburic ist ein Du-Freund eines der nächsten Mitarbeiter des Gesandten.) Auch die Jasenovacer Bande blieb weiter bestehen und verübte in der Folge manche neue Untat. Rückschauend aber kann man doch sagen, daß mit jenem meinem Eingreifen der wildeste UstaSakurs bis zu dem Augenblick, da ich diese Zeilen schreibe, abgebogen war. Der Poglavnik hatte damals noch eine falsche Vorstellung von den Möglichkeiten eines deutschen Generals; er überschätzte sie. Lorkovic sagte mir noch im Jahre 1943 bei Gelegenheit, der einzige Deutsche, vor 4)
Aleksandar Seitz (?), 2.7.1941 bis 10.10.1942 Staatssekretär. Erih Lisak (Agram, 29.1.1912 bis nach 11.10.1946), Medizinstudent, Angehöriger der UstaSa in Italien, Stellvertreter des Poglavnik, Obergespan der Gespanschaft Gera, als Obst. 1943 bis 1944 Chef des Amtes für öffentliche Ordnung und Sicherheit. 5)
Österreicher in Kroatien
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dem Pavelic Angst hat, sei ich. Er hat diese Angst seit dem 20. Juli 1944 gründlichst verlernt und ist dabei auf seine Kosten gekommen. Rein menschliche Gesichtspunkte und die Erwägung, daß es nicht Aufgabe eines Staatswesen sein könne, die ständige Patronanz über einen innerhalb seiner Grenzen entbrannten Bürgerkrieg zu behalten, waren gewiß für mich die maßgeblichsten Gründe bei meinem Eingreifen in das UstaSa-Unwesen. Aber auch deutsche Interessen standen auf dem Spiel, vor allem das Blut der deutschen Soldaten und die Bedürfnisse der deutschen Kriegführung, die sich den Luxus eines in ihrem Rücken ständig künstlich angefachten Bürgerkrieges wilder Völker nicht leisten konnte. Namentlich gilt dies f ü r das Land zwischen Save und D r a u - D o n a u . Das Pravoslawentum hatte hier, zumal in Syrmien, auch keine besondere Freude über den ihm geschenkten neuen Staat. Aber es bestand aus gesättigten, reichen Bauern, die vor allem ihre Ruhe haben wollten, und es konnte nicht unser Wunsch sein, diese an der wichtigsten Verbindung A g r a m - B e l g r a d sitzenden Leute künstlich aus ihrer Ruhe aufzuscheuchen. Die Problematik der ganzen Entwicklung mag sich seither durch den katastrophalen Wandel der deutschen Kriegslage in aller Welt einigermaßen geändert haben. Die Aufstandsbewegung hätte auch ohne den Vernichtungsfeldzug der UstaSakroaten gegen eigene Staatsbürger Nahrung empfangen, und zwar umso mehr, je mehr der Glaube an den deutschen Sieg, ja die deutsche Behauptung, schwand. Ebenso hat eine günstige Lösung der Grundfragen, die dem von uns geschaffenen Staate gestellt waren, an Bedeutung verloren, da der Staat ohnehin nicht weiterbestehen wird. D a ß aber die unglückselige Politik des Poglavnik und seiner Emigranten dem Aufstand auch da noch unzählige Teilnehmer zugetrieben hat, deren Bekämpfung vor allem das Blut deutscher Soldaten kostete, und daß jene Mordpolitik - leider nicht zu Unrecht - auch in deutschfreundlichen Kreisen uns und vor allem unserem dummen Gesandten zur Last gelegt wurde, bleibt Tatsache. Ich persönlich fühlte mich, unbekümmert was daraus entstehen mochte, gegenüber dem Ansehen der deutschen Wehrmacht verpflichtet, mich von der Blutpolitik Antes und seiner Mordscharen, vor allem ihren prominenten Trägern, zu distanzieren, und habe dies in immer deutlicherer Weise getan. Ich glaube nicht, daß ich damit der Geltung des Deutschtums und seiner bewaffneten Vertreter einen schlechten Dienst erwies. Bis in das Frühjahr 1943 erfreute sich der deutsche Soldat bedingungslos des größten Ansehens bei allen Volksteilen in Kroatien und Bosnien. Die Manneszucht war mustergültig. W o immer der deutsche Soldat hinkam, wurde er mit Freuden begrüßt und fühlte man sich geborgen. Ausschreitungen kamen fast überhaupt nicht vor. Eine einzige größere Ausnahme ist mir in Erinnerung: als plötzlich eine deutsche Kompanie unter einem Hauptmann Müller in einem großen Pravoslawendorf in Syrmien einige Sabotageakte mit der Justifizierung von 250 pravoslawischen Einwohnern sühnte. Diese Greueltat wurde von einer Sonderformation ohne Vorwissen ihrer Vorgesetzten begangen; die Abteilung wurde sofort nach dem Osten verbannt. Die in Kroatien bodenständig gewordenen deutschen Truppen, die
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718. Infanteriedivision unter General Fortner 6 ) seit Frühsommer 1941 und die 714. unter General Stahl 7 ) seit Frühling 1942, beides Divisionen der 15. Welle, aus vielfach alten Leuten zusammengesetzt, die erstgenannte zum großen Teil österreichisch, haben sich ebenso wie die paar Landesschützenbataillone vorbildlich in die äußerst komplizierten Verhältnisse eines Landes hineingefunden, das verbündet und doch teilweise feindlich war. Erst das Auftreten der Freiwilligen SS-Division Prinz Eugen zu Beginn 1943 begann an dem unerhörten moralischen Kapital der deutschen Wehrmacht in Kroatien zu zehren. Die Division hatte mein Freund Phleps, altösterreichischer Generalstabsoffizier, im Banat vornehmlich aus dort ansässigen „Schwaben", in die sich mitunter wohl auch Serben mischen, aufgestellt. Sie machte ihrem Schöpfer als Kampftruppe alsbald volle Ehre. In disziplinarer Hinsicht brachte sie aber alle selbstherrlichen Eigenschaften mit, die für ihre schwarze Farbe charakteristisch geworden sind. Wohl war es nicht zuletzt mir geglückt, zu erreichen, daß der zunächst von oben diktierte Plan, das von Karlovac bis über Mostar reichende Partisanengebiet in eine menschenlose „Wüstenei" zu verwandeln, unausgeführt blieb. Dennoch konnten sich die Kämpfer der SS-Division nicht dreinfinden, daß sie nicht in Feindesland, sondern in einem verbündeten Staate zu operieren hatten. Als General Lüters bei einem Besuche bei der Division zu Beginn ihres Einsatzes eines Morgens nach dem Verbleibe von 400 zwangsweise aufgenommenen kroatischen Schneearbeitern fragte, die er tags zuvor gesehen hatte, wurde ihm verlegen geantwortet, man habe nicht gewußt, was mit ihnen anfangen und habe sie daher kurzerhand erschossen. Lüters, ein durchaus anständiger Mann, hatte doch nicht die „Zivilcourage", den Fall aufzugreifen. Den Gipfelpunkt erklomm diese Art von Tätigkeit der SS-Division, die leider auf den ruhmreichen Namen Prinz Eugen getauft worden war, im März des Jahres 1944 an der Cetina (Norddalmatien), wo in ein paar Ortschaften einige tausend Kroaten, wirkliche Kroaten, darunter Greise, Weiber, Kinder, hingeschlachtet wurden. Auch Phleps hat die Sache, die natürlich ohne sein Vorwissen geschehen ist, eingestanden. Aber ein völlig unangebrachter SS-Geist hinderte, die Angelegenheit trotz des Geschreis der Kroaten in voller Öffentlichkeit auszutragen. Es hätte dem Ansehen der deutschen Wehrmacht nur genützt, wenn der allgemein bekannt gewordenen Untat eine entsprechend scharfe Sühne auf dem Fuße gefolgt wäre. Nicht viel besser war der Ruf des III. SS-Germanenkorps, das im Winter 1943/44 Agram und seine Umgebung mit seiner Anwesenheit beglückte. Es hauste wie in Feindesland und nahm bei seinem Abgang mit, was nicht niet- und nagelfest war, so in Samobor selbst die Einrichtung des städtischen Bades! Das Korps zeichnete sich bald darauf in Estland 6 ) Johann Fortner (Zweibrücken i. d. Pfalz, 25.11.1884 bis 1947, hingerichtet in Jugoslawien), 1903 Eintritt als Fhr. ins bayer. Heer, 1905 Lt. bayer. IR 5, 1920 verabschiedet als Hptm., Polizeidienst; 1.10.1935 als Obst, ins Reichsheer, 1.7.1939 Ausbildungslt. in Landeck., 3.5.1941 bis 14.3.1943 Kdr. 718. ID, 1.6.1941 Gen.Mjr., 1.11.1942 Gen.Lt., 31.3.1944 verabschiedet. 7 ) Friedrich Stahl (Darmstadt, 14.6.1889 bis ?), 1909 als Fhj. Eintritt i. d. Armee, Übernahme ins Reichsheer, 1.1.1937 Obst., 1.12.1940 Gen.Mjr., Kdr. 714. ID bis 1.1.1944, sodann bis 13.8.1944 Befh. Sonderst. II d. O K H (1.9.1942 Gen.Lt.), 1.11.1944 Gen. z.b.V. H.Gr. B, ab 1.4.1945 Befh. Feldj.Kdo. I, Nord.
Repressalien
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so aus, daß sein Kommandeur, General der Waffen-SS Steiner, die Schwerter erhielt. Mit diesem Landsknechttypus läßt sich eben ein Krieg im engeren Sinne führen, aber keine Politik. Propagandisten des neuen Europa sind die Herren wahrlich nicht geworden. Einen besonders schweren Stoß erhielt die Geltung des deutschen Soldatentums durch die Kosakendivision des Generals v. Pannwitz, die im Oktober 1943 in Syrmien eingesetzt wurde und von dort aus sengend und brennend, raubend und mordend in einer Anzahl von Wochen bis vor die T o r e von Zagreb kam. Natürlich verdarb schlechtes Beispiel auch die guten Sitten der eigentlichen Heerestruppen. Es war schlechterdings unmöglich, von diesen Entbehrungen und Verzicht zu verlangen, während es f ü r bevorzugte Nachbartruppen keine Hemmung gab. So bemühte sich insbesondere eine Heeresdivision an der Küste eine Zeit hindurch dem Beispiele der Kosaken und SS nachzuahmen, was so weit ging, daß sogar Fälle von Vergewaltigungen vorkamen. Auch die Hemmungen, die sich die Truppen bis Beginn 1943 in der Frage des Geiselunwesens auferlegten, fielen allmählich weg. Hier hatte zumal der seit September 1943 in Kroatien, Montenegro und Albanien befehligende General Rendulic, ein wildgewordener Österreicher, seinen Anteil, indem er den Schlüssel, ein ermordeter Deutscher gleich 50 gehenkten Geiseln, aufstellte. Allerdings muß gesagt werden, daß bei den zahlreichen Sabotageakten der Aufständischen unzählige Unschuldige umkamen, daß die Kriegführung der Partisanen Titos immer grausamere Formen annahm, und es am Ende gleichgültig bleibt, ob unschuldige Menschen aus der Horizontalen oder durch Luftterror aus der Vertikalen umgebracht und zu T o d e gemartert werden. Ich selbst habe das Geiselunwesen stets, so gut es ging, bekämpft. Die kroatische Regierung freute sich, durch deutsches Beispiel angeeifert zu werden. Unmittelbar nach Weihnachten 1943 hingen eines Morgens vor den Toren Agrams 16 Intellektuelle; sie wurden bloß als angebliche Kommunisten zur Sühne eines Verbrechens, mit dem sie selbst keinen Zusammenhang hatten, hingerichtet. Die Liste ähnlicher Äußerungen kroatischen Gerechtigkeitsgefühls ließe sich nach hinten und vorn ins Unendliche verlängern. Ich hatte dem Poglavnik wegen seiner blutrünstigen Regierungsmethoden o f t und oft ins Gewissen geredet. Einmal, im Herbst 1942, sagte ich ihm: „Ich weiß, Sie denken sich, die Deutschen machen es in Polen und in Rußland auch nicht anders. Sie mögen recht haben oder nicht, der Vergleich wäre unter allen Verhältnissen unangebracht. Denn wir betraten diese Länder als Eroberer, als Feinde, Sie sind aber als Vater des Vaterlandes in dieses so unglückliche Land gekommen!" Er nahm solche Belehrungen mit orientalischer Gelassenheit zur Kenntnis, höchstens daß seine Lippen etwas nervös zuckten und sein Gesicht einen violetten Schimmer annahm. Vergessen hat er mir meine Worte gewiß nicht. In den Spätsommer 1943 fiel auch das Attentat auf den schon halb und halb abservierten Generalstabschef Prpic. Sehr viele Indizien sprachen dafür, daß dem Anschlage einer der Intimsten des Poglavnik nicht ferne stand, der Usta5a-„Oberst" Herencic, der sich als Serbenschlächter schon reichlich bewährt hatte. Ich forderte für den Prozeß die Einvernahme des „Obersten" und einiger ihm nahestehender Leute. Die kroatische Wehrmacht, deren höchster Offizier hätte umgebracht werden
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sollen, sollte das Gefühl haben, daß die Vertretung der deutschen Wehrmacht kameradschaftlich zur Seite stand. In Wirklichkeit wurde der Prozeß eine Farce. Alles war auf den geheimnisvollen, natürlich geflohenen „Anstifter" zugespitzt. Von den zwei Tätern wurde einer im Spital sterbenskrank, man hat nie wieder von ihm gehört. Der zweite wurde zu längerer Kerkerstrafe verurteilt, er hat diese wahrscheinlich nie angetreten. Fast zu gleicher Zeit wurde ein Attentatsplan gegen den Innenminister Lorkovic aufgedeckt, dessen Spiritus rector der feine Tomic war. Herencic und Tomic wanderten ins Exil nach Budapest, wo sie auf Kosten des kroatischen Staates fröhliche, turbulente Wochen verbrachten. Der Poglavnik wollte nachher Herencic in eine besondere militärische Position einbauen. Ich lehnte eine Zusammenarbeit zwischen der Deutschen Wehrmacht und diesem entschieden ab, trotz des Flehens Antes. Auch ein anderer charakteristischer Fall ist aus diesen Monaten zu berichten. Der Chef der persönlichen Sicherheitspolizei des Poglavnik namens Kirin, ein äußerlich nicht unebener Mann, mordete eines Morgens in dem lieblichen Dorf Sestine bei Zagreb vier aus den Betten geholte Einwohner wegen angeblicher Beziehungen zu den Partisanen. Er erschoß sie eigenhändig ohne das geringste Verfahren. Das war offener Mord. Trotzdem begleitete Kirin den Staatschef auch weiterhin auf Schritt und Tritt. Ich behandelte ihn jedoch von da an, auch in Gegenwart Antes, völlig als Luft und sah durch ihn durch, als wäre er nicht anwesend. Auch das bereitete Ante keine Freude. Es gab also genug Stoff des Ärgers gegen mich für ihn. Aber wie schon bemerkt, er ließ es mich nicht fühlen, sondern behandelte mich stets mit Auszeichnung, verlieh mir Großkreuze, goldene Gedenkmünzen und unterschiedliche Geschenke und war auch so angenehm und entgegenkommend im Umgang, daß Metzger und ich öfter sagten: „Mit einem gescheiten Gauner ist doch besser umzugehen als mit einem dummen." Er hat die Stärke meiner Position „oben" offenbar überschätzt, war auch wiederholt Zeuge meiner sehr gnädigen Behandlung durch den Führer und nahm daher auch das Unangenehme von mir hin, selbst Auftritte wie den, den ich ihm machte, als er mit Kasche zusammen und ohne mich Vokic als Kriegsminister durchdrückte und bei welcher Gelegenheit ich mit meinem Theaterdonner vielleicht zu weit ging. Haften blieben, wie ich nachträglich sehe, die Dinge jedoch in der Seele dieses Orientalen, sie brannten sogar unablässig in ihr. Er wartete nur auf den Augenblick, den Dolchstoß „von hinten" zu führen, und hat sich Vertrauten gegenüber in diesem Sinne wohl auch geäußert. Denn ab und zu tauchte das Gerücht auf, ich sei bei Pavelic unten durch und würde Kroatien bald verlassen. So kam der 20. Juli heran, der dem kroatischen Tyrannen vor allem zeigte, daß im Dritten Reich selbst Marschälle vor dem Schicksal nicht gefeit sind, aufs Schafott zu kommen und dabei statt mit einer ehrlichen Kugel mit dem Galgenstrick bedacht zu werden. Die große Hetze, die gleichzeitig im offiziellen und im inoffiziellen Deutschland gegen die Generäle einsetzte und sie aller möglichen Kriegssabotage bezichtigten, ließ auch den Poglavnik, obgleich er gescheit genug war, die Dinge richtig zu werten, deutlich erkennen, daß ein deutscher General, auch wenn er in Agram war, nicht unangetastet bleiben mußte. Zugleich wurde in den Kreisen der UstaJaterroristen freudig verfolgt, wie im Reich die SS den „Generälen" Position um
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Position abnahm, und Pavelic und Spießgesellen waren eines Sinnes, daß es nun auch in Kroatien ähnlich kommen müsse. Kasche, der vor dem 20. Juli durch Monate bedenklich gewackelt hatte, nun aber auf einmal wieder ganz fest saß (er war eben ein alter Parteikämpfer), obwohl sich der Führer persönlich noch kurz zuvor immer über ihn lustig gemacht hatte, war f ü r eine so gemeinte Entwicklung in Kroatien sicherlich zu gewinnen. Von wem die Initiative ausging, ob vom Poglavnik oder der Terroristengruppe, ist nicht zuverlässig festzustellen. Wie immer in ähnlicher Lage, so ist auch hier, bedingt durch gemeinsame Vergangenheit und gemeinsame Missetaten, die Abhängigkeit eine gegenseitige. Jedenfalls wollten die Terroristen (Herencic, Tomic, Luburic, Kirin und ein paar andere) noch vor Torschluß zum Zuge kommen. Das einzige Hindernis dagegen war der Deutsche Bevollmächtigte General! Hier ist noch ein Wort zur SS-Politik in Kroatien einzuschalten. Sie wurde, da sich der Beauftragte des Reichsführers, Generalleutnant der Polizei und SS-Gruppenführer Kammerhofer, der seinerzeitige Kommandant der steirischen Heimwehr, auf Befehl des Reichsführers in Esseg befand, um dort, im Gegensatz zu seiner ursprünglichen Aufgabe als kroatischer Polizeiorganisator, mit seinen in deutsches Grün gekleideten kroatischen SS-Polizisten Feldzüge gegen die Partisanen zu führen, vom Führer des Sicherheitsdienstes Obersturmführer Herrmann, meinem seinerzeitigen ersten „Adjutanten" nach dem Anschluß, und vom Polizeiattache bei der Gesandtschaft, dem Bayern Helm, geführt. Beide waren bis in den Sommer 1944 der bestimmten Meinung, daß die Ustasaterroristen absolut ins Reich abzuschleppen, ja sogar physisch zu beseitigen seien. O f t und oft wurde darüber in verschiedenen Zirkeln, auch einmal bei Anwesenheit des Neubacher bei Helm, über diese Frage gesprochen. Sogar Himmler war bei seinem Agramer Besuche der Auffassung, daß die Betreffenden irgendwie ins Reich müßten. Noch knapp vor dem 20. Juli sollte zwischen Kaltenbrunner und mir eine Zusammenkunft durch Hermann veranstaltet werden, bei der die Ausschaltung der Terroristen besprochen werden sollte. Bezeichnenderweise stellten sich diese Persönlichkeiten samt Kammerhofer auch die ganze Zeit über in schärfster Form gegen Kasche. Als im Juni und Anfang Juli dessen Abberufung schon beinahe sicher war, begrüßten sie diesen Entschluß mit größter Begeisterung, nicht zuletzt im Hinblick auf dessen sturen Poglavnik-UstasaKurs und traten wie ein Mann d a f ü r ein, daß ich auch die Geschäfte des Gesandten übernehmen sollte. Da kam der 20. Juli. Es ist klar, daß diese Tragödie auf den kroatischen Diktator in der Westentasche nicht bloß den tiefsten Eindruck machte, denn wenn das schon auf dem grünen Holze des deutschen Totalitätsstaates geschehen konnte - um wieviel mehr auf dem kümmerlichen Zweige seiner eigenen Diktatur. Außerdem bot die Sühne, die in Deutschland geübt wurde, überaus viel Anreiz. Zuerst Mussolini mit dem Monsterprozeß gegen Ciano und De Bono, dann Hitler mit dem scharfen Vorgehen gegen Marschälle und Generaloberste - da durfte der Kleine nicht allzu stark nachhinken. Gleichzeitig erkannte Pavelic mit der ihm gewiß eigenen, sehr genauen Einfühlung, daß nun die Zeit der Furcht vor dem Deutschen General vorüber sei und es zweckmäßig war, nach der anderen Farbe umzuschalten, bei der er auch auf mehr Verständnis hoffen konnte.
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Sofort begann es mit Gerüchten über mich: Ich sei in den 20. Juli verwickelt 8 ). Das Gerücht empfing besondere Nahrung dadurch, daß ich Ende Juli, Anfang August nach Breslau fuhr, um dort eine Filiale der Deutsch-ungarischen Gesellschaft zu gründen, es wurde allgemein die Nachricht verbreitet, Glaise werde nicht mehr zurückkehren 9 ). Ich kehrte zurück. Wenige Tage nachher kam aber SS-Obergruppenführer Berger, Chef des SS-Reichshauptamtes, einer der besonderen Vertrauten des Reichsführers. Er wurde auf dem Bahnhof wie ein König empfangen, so daß ich den Witz machte, umgeschaut zu haben, ob nicht auf einem roten Polster die Krone Zvonimirs gebracht würde. Ich hatte irgendwie ein unangenehmes Gefühl. Berger wurde im Sperrkreis auf dem TuSkanac untergebracht, in unmittelbarer Nähe des Poglavnik, so daß unbeobachteter Verkehr ohne weiteres leicht war. Der kroatische Gesandte KoSak sagte mir allerdings, Pavelic und Berger hätten höchstens eine dreiviertel Stunde miteinander unter vier Augen gesprochen. Am zweiten Tage sollte Berger mir die selbstverständliche Aufwartung machen. Aber vergeblich wartete ich. Berger kam nicht. Pavelic hatte ihn nicht nur lange in Besitz genommen, sondern es sich auch nicht nehmen lassen, ihn „Zu Fuß" zum Kriegsminister Vokic zu begleiten; Berger sollte sehen, daß Ante wie seinerzeit Eberhart der Rauschebart sein Haupt in den Schoß des schlichtesten Untertanen bergen konnte. Wo die Begeisterung bestellt war, war sie gut. Beim Mittagessen in der Gesandtschaft - Kasche selbst war noch in Berlin - stellte ich Berger, der sich erst dann entschuldigte, aber trotzdem das Versäumnis nicht nachholte. Im übrigen war er von der überquellenden Liebenswürdigkeit, die ihm auch sonst eigen ist. Sehr viel erzählte er beim Essen von den Gehenkten und den noch Folgenden, wobei er zwei Gesten zeigte, die Fesselung und einen Strick um den Hals. Bezeichnend war es immerhin, daß auf einmal für Sonntag, den 6. August vormittags nach Novy Dvory eine Sitzung zwischen Pavelic, Berger, Lorkovic und Vokic einberufen war (letztere dieselben „Schwerverbrecher", die am 30. schon 8
) PAAA, Nl. Kasche, Bd. 10/6, Vermerk Kasches, Geheim, Zagreb, 21.7.1944. „Mich rief am 20.7.1944 um 23 Uhr Gen. Glaise fernmündlich an und teilte mir mit: Da ihm dies soeben vom OKW fernmündlich mitgeteilt worden sei, könne er mir dies auch fernmündlich weitergeben. Das Attentat auf den Führer hat wahrscheinlich ein Offizier verübt. Hinter diesem stünde eine Offiziersgruppe. Der von Gen. Obst. Fromm verkündete Ausnahmezustand habe keine Gültigkeit. Von ihm, vom Feldmarschall v. Witzleben und vom ehemaligen Gen. Obst. Höppner seien keine Befehle anzunehmen. Reichsführer Himmler sei zum Oberbefehlshaber des Ersatzheeres ernannt und erhalte nur Befehle vom Führer selbst oder vom Feldmarschall Keitel. Gen. Glaise übermittelte mir dies in nüchternem Tone ohne jede Bemerkung oder jedes Anzeichen eigener Anteilnahme." ') Siehe auch: KA, B/67, Nr. 112: Zeugenaussage Dr. Taras Borodajkewycz, 14.12.1950, im Prozeß um die Testamentsvollstreckung Glaise-Horstenaus: „Ende Juli 1944 erfolgte in Breslau die Gründung einer Zweigstelle der Deutsch-ungarischen Gesellschaft... Ich selbst war Vizepräsident der Wiener Zweigstelle dieser Gesellschaft und sollte diese in Breslau vertreten, wozu mich Glaise telegraphisch gebeten hatte. Ich fuhr von Prag, wo ich damals Professor an der deutschen Universität war, am 28. Juli [sie!] nach Breslau. Als ich spätabends in Breslau ankam und in dem uns zugewiesenen Hotel Monopol abstieg, meldete mir der Portier, daß mich General Glaise noch auf seinem Zimmer erwarte. Als ich bei Glaise eintrat, kam er mir entgegen und sagte ohne viel Begrüßung: ,Ein fürchterliches Unglück ist passiert.' Als ich ihn fragend ansah, fuhr er fort: ,Das Attentat auf den Führer ist mißlungen.'"
Um die vollziehende Gewalt
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wegen Hochverrat abgesetzt waren), daß ich aber erst zum Mittagessen hätte kommen sollen. Ich erklärte natürlich, daß ich nur entweder zu beiden Anlässen oder zu keinem kommen würde. Daraufhin kam ich zur Sitzung, wo alles wie in Butter lag, aber von dem Entscheidenden kaum gesprochen wurde. T r o t z d e m halte ich es nicht f ü r ausgeschlossen, daß damals bereits der Fallstrick gelegt wurde, der mich erledigen sollte. In einigen Bemerkungen Bergers sehe ich nachträglich den Beweis dafür, daß der Poglavnik seinen Frieden mit der SS hergestellt und ihr seinen Staat zur Selbstbehauptung überliefert hat. Allerdings sagte mir der Poglavnik einige Tage später bei einem Essen, es sei mit dem Bergerbesuch „nichts herausgekommen". Ich glaube es nicht. Er hat sich und sein Schandregime gerettet. Auf wie lange, weiß im Augenblick der liebe Gott. Inzwischen ging der Dienst und der gemütliche Verkehr mit dem Poglavnik weiter. Ich konnte ihm in diesen Wochen manchen Gefallen tun. Als der Oberbefehlshaber Südost eine scharfe antikroatische Stellung einnahm, f ü r den Küstenraum die Übertragung der vollziehenden Gewalt an die beiden deutschen Kommandierenden verlangte, erbat der Poglavnik aus optischen Gründen, daß die Ausführung zwei Küstenabschnittskommandanten der kroatischen Wehrmacht übertragen werden möge, die sozusagen heimlich den beiden deutschen Kommandierenden Generälen unterstellt würden. Ich drückte diese Lösung, die nicht ohne Gefahren war, beim O b e r k o m m a n d o der Wehrmacht durch 1 0 ). Kurze Zeit darauf verlangte der Oberbefehlshaber Südost, offenbar auf Anregung einer Stelle des Reichsführer SS, daß das Zwischenstromland von Semlin bis knapp nach Agram zur Sicherung der Ernteeinbringung der vollziehenden Gewalt des Kammerhofer zu überantworten sei; außerdem Ostbosnien der SS. Diese Lösung hätte natürlich das Ende der Souveränität des Poglavnik bedeutet; außerdem hatten wir gar nicht die Kräfte, die vollziehende Gewalt de facto auszuüben. Ich sprach mich daher dagegen aus und erzielte eine Lösung, die auch f ü r die kroatische Souveränität tragbar war. Schließlich war ich, wie ein Telegramm an das O b e r k o m m a n d o der Wehrmacht und den Oberbefehlshaber Südost bewies, bemüht, die Wehrmachtspolitik auf eine maßvolle,
i0 ) Vgl. dazu Fricke, 163 ff. Glaise-Horstenau schlug vor allem zweitägige Besprechungen aller maßgebenden deutschen und kroatischen Faktoren vor und stellte eine Liste von „Belastungen" des deutsch-kroatischen Verhältnisses zusammen. Am 8.8.1944 gab Kasche eine Stellungnahme zum Bericht des O B Südost v. 26.7.1944 betr. „Kroatische Wehrmacht" ab (PAAA, Nl. Kasche, Bd. 10a, 1). In einer Notiz für den Führer v. 14.8.1944 (ebdt., Nl. Kasche, Pol. 5) erklärte Ribbentrop: Da der Führer den Bericht des O B Südost über den geringen Wert der kroatischen Wehrmacht und über die Notwendigkeit durchgreifender neuer M a ß n a h m e n gebilligt habe, sollte Kasche den Poglavnik davon in Kenntnis setzen, daß der Führer die D u r c h f ü h r u n g jener Vorschläge „über enge Zusammenarbeit" wünsche. Einzelheiten der D u r c h f ü h r u n g „als rein militärische Angelegenheit" sollten von Glaise-Horstenau „mit den Vertretern des Generalfeldmarschalls von Weichs" besprochen werden. D a r a u f h i n fertigte Kasche einen „Vermerk für den Herrn Reichsaußenminister über vom Führer anl. d. Vortrages am 14. 8.1944 u. a. gemachte Äußerungen", Zagreb, 18. 8.1944, geh. Reichssache (ebdt., Nl. Kasche, Bd. 2) an. Der Führer wünsche Rücksichtnahme auf die Kroaten, das Wort „Betreuung" enthalte alles Notwendige. D e r Führer lehnte Kasches Standpunkt nicht ab, es gäbe „noch heute", wenn auch schwerer als 1943, die Möglichkeit eines Einstellens der Kämpfe mit Tito, o h n e „weitgehende staatspolitische Vereinbarungen" zu treffen. Das Verhältnis zu Kroatien müsse gemäß dem Führer „ein sehr enges" werden, wobei die Eigenstaatlichkeit - a u t o n o m e r oder unabhängiger Bundesstaat - zu wahren sein würde.
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der Aufrechterhaltung der äußerst labilen Lage dienende Linie zu bringen"). Ich stand mit diesen Auffassungen in einem offenen Gegensatz zu dem sehr rustikalen Generalstabschef des Feldmarschalls Weichs, Generalleutnant Winter, einem Bayern, und auch zum Armeeoberkommando des Generals der Artillerie Angelis, in einem Punkte (Zwangswerbung der SS in Ostbosnien) auch zur SS-Führung. Zumal in meinem Widerstand gegen die Evakuierung der Küstenstädte von Suäak bis über Ragusa, ein Plan der militärischen Befehlsstellen, der nicht nur die Städte selbst, sondern auch ihre Bewohner, inklusive Greise, Frauen, Kinder, vernichtet hätte, blieb ich trotz Abratens durch meine Mitarbeiter hart, wobei ich in meinen dienstlichen Hinweisen ausdrücklich auf den geringen Wert hinwies, den diese Maßnahmen im Westen gegen das Fortschreiten der Offensive hatten. Tatsächlich wurden noch 2 Tage vor meinem Sturz die Evakuierungsbefehle und die Zwangsrekrutierungen widerrufen, ein namentlich hinsichtlich der Evakuierungen gewiß geschichtlicher Erfolg zugunsten des kroatischen Volkes. Den Poglavnik ließen beide Fragen allerdings ziemlich kalt. Inzwischen war am 22. August der Gesandte neuerlich geheimnisvoll verschwunden; er sei abermals zum Außenminister gerufen worden 12 ). Die ganze Gemeinheit gegen mich hatte eingesetzt. Am Tage zuvor zieh mich Pavelic in Gesprächen mit Kasche, ich hätte in den letzten Wochen mich gegenüber Lorkovic defätistisch geäußert und dadurch diesen und Vokic verdorben; er müsse infolgedessen beide entfernen 13 ). Der ebenso blöde wie bösartige Kasche beging dann noch die Unglaublichkeit, um eine Aufzeichnung über diese gegen einen hohen deutschen General erhobene Anklage zu bitten. Diese wurde sofort gegeben. Dabei bat der Poglavnik angeblich um Unterrichtung des Führers. Statt mich sofort von den erhobenen Anwürfen zu verständigen, steckte er sie in die Tasche, verabschiedete sich von mir aufs herzlichste und fuhr nach Berlin zu Ribbentrop, um mich ») K T B / O K W / W F S T , I V / 1 , 748. ) PAAA, Nl. Kasche, Bd. 10/6, FS Rasches an AA für R A M , geh. Reichssache Nr. 1561: „Der Poglavnik bat mich zu sich um mir eine sehr ernste Mitteilung betreffend Gen. Glaise zu machen. Sie ist derart, daß ich bitten muß, mir Möglichkeit persönlichen Vortrages beim Führer zu verschaffen." Entscheidung sei „eilig erforderlich". 13 ) L. Tonci6-Sorinj, Erfüllte Träume. K r o a t i e n - Ö s t e r r e i c h - E u r o p a , Wien-München 1982, 98 (TonticSorinj, aus einer angesehenen Familie Kroatiens stammend, in Salzburg ebenfalls beheimatet, 1943/44 Student in Agram): „Im Frühjahr 1944 hatte ich kurz Gelegenheit, nach Zagreb zu kommen. Ich besuchte den mir bekannten früheren kroatischen Außenminister Dr. Mladen Lorkovic, der mir im Zuge einer vertraulichen Unterredung seine Pläne offenbarte. Er hatte über die Schweiz und Italien Fühlung mit der britischen und amerikanischen Regierung a u f g e n o m m e n , um deren Unterstützung bei einem politischen Umschwung in Kroatien zu erlangen. Er wollte zusammen mit Ilija Vukic (wohl Vokic, d. Hrsg.), aber offensichtlich mit breiter Unterstützung anderer Kreise, darunter auch des kroatischen Militärs, Pavelic zwar nicht als Staatschef absetzen, aber doch in den Hintergrund drängen und vor allem den radikalen deutschfreundlichen Flügel der Ustaia-Bewegung liquidieren. Kroatien würde sich neutral erklären und aus der Achse ausscheiden. Lorkovic, der ein sehr gescheiter M a n n war, war sich natürlich bewußt, daß dies zur totalen M a c h t ü b e r n a h m e durch das deutsche Militär fuhren würde. Für ihn war aber die Z u k u n f t wichtig: Kroatien w ü r d e dann eine Chance haben, auf Seiten der Alliierten zu stehen, so wie die Regierung Badoglio in Italien, damit die Selbständigkeit retten und ein Partner einer D o n a u f ö d e r a t i o n , bestehend aus Österreich, der Tschechoslowakei, U n g a r n , Slowenien und Kroatien, werden." 12
Kasches Verhalten
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dort anzuzeigen. Natürlich ging ein schriftlicher Bericht entsprechender Länge voraus 14 ). Während der Abwesenheit Kasches 1 5 ) hatte ich sehr viel bei Pavelic zu tun. Ich glaube, daß ich auch einmal eingeladen war. Er war von auserlesener Freundlichkeit und Vertraulichkeit, so daß ich alles eher angenommen hätte als die bereits vollzogene Tatsache des Dolchstoßes, den er mit Hilfe seines Freundes Kasche verübt hatte. Am 27. erfuhr ich, der Poglavnik habe den in Berlin weilenden Kasche bitten lassen, er möge nicht, wie geplant, erst am 30., sondern schon am 29. zurückkehren. Mir fiel dies auf, und ich fragte bei meinem letzten Besuche Pavelic so nebenbei, warum er eine so große Sehnsucht nach Kasche habe. Er sagte, es sei wegen der Anwesenheit Kosaks in Agram; dieser müsse am 29. abends nach Berlin zurückfahren und er - Pavelic - halte es für zweckmäßig, daß sich die beiden Gesandten noch bei ihm in Agram träfen. Tatsächlich wollte Pavelic Koäak, den intimsten Freund von Lorkovic, gleichfalls in Agram zurückhalten. Aber das wäre für den guten Kasche doch zuviel gewesen: der dritte seiner intimsten Freunde Hochverräter und Verräter an der deutschen Sache. Er erreichte, daß KoSak unbehelligt nach Berlin zurückkehren konnte. O b er je wieder nach Agram kommen wird, weiß der liebe Gott. Er sucht für seine Familie bei München einen Unterschlupf. Am Montag, den 28. August war ich, zusammen mit Metzger, in 3'/4 Jahren zum letztenmal beim kroatischen „Staatschef" in seinem Kanzleihaus auf dem TuSkanac. 14 ) Ρ AAA, Nl. Kasche, Bd. 10/6, Eigenh. Brief des Poglavnik an Kasche, Zagreb, 22.8.1944. In einer intimen Unterhaltung mit Lorkovic hätte sich Glaise „äußerst negativ über die Kriegslage ausgesprochen und sogar den Minister Lorkovic gefragt . . . wie sich Kroatien in dieser Lage orientieren wird". Er hätte „ausdrücklich gesagt, daß der Krieg verloren" sei usw. Diese Äußerungen hätten äußerst ungünstig gewirkt und er, Pavelic, müsse M a ß n a h m e n ergreifen. 15 ) PAAA, Nl. Kasche, Bd. 10/6, Nicht unterfertigte Aufzeichnung Kasches, datiert, Zagreb, 1.9.1944, Abgang der kroatischen Minister Lorkovic und Vokic und Angelegenheit des Gen. Glaise v. Horstenau, 12 Seiten Maschinschrift (die Aufzeichnung enthält auch Angaben Uber Vorgänge am 2. u. 3.9.1944). Kasche schildert Vorsprachen bei Ribbentrop, Ritter u. Sonnleithner, wobei Ribbentrop meinte, daß er Glaise „für einen Kaffeehauspolitiker immer gehalten habe", aber sich fragte, „ob der Poglavnik nicht doch ein eigenes politisches Spiel betriebe". Kasche, der eine schnelle Entscheidung und eine „Glaise in seinen Verdiensten würdigende Lösung" empfahl, erhielt jedoch nicht die Gelegenheif der Vorsprache bei Hitler. Vielmehr fürchtete Ribbentrop am 26.8.1944 schließlich, da Glaise nicht gehört worden sei, könnte der Führer den Bericht Kasches „als Angeberei" auffassen. Ribbentrop sei schließlich „sehr unbeherrscht" geworden „und kam von einem zum anderen, o h n e mehr die Sache selbst zu berühren". Kasche hätte dann die Unterredung „bei so wenig Verständnis und einer solchen Form der Auseinandersetzung" abgebrochen. Er kam mit Ritter und Steengracht überein, nach Agram zurückzufahren und Glaise zu hören. Am 29.8.1944 hätte ihn der Poglavnik zu sich gebeten und ihm Berichte seines Sicherheitsdirektors über die Absichten von Lorkovic und Vokic vorgelesen, mit der Feindseite Kontakte aufzunehmen. Er, der Poglavnik, müsse nun handeln. Am 30.8.1944 nachmittags hätte ihm Pavelic erklärt, Lorkovic und Vokic beabsichtigten nunmehr die U b e r f ü h r u n g der UstaSa-Miliz in eine „allgemeine kroatische Wehrmacht", um Vorbedingungen der Feindseite zu erfüllen. Er, Pavelic, würde am 31.8.1944 entsprechende Verhaftungen vornehmen. Er besprach personelle Veränderungen in der Regierung („betonte Herausstellung unbedingten Ustaäa-Kurses"). Kasche hatte die Fragen noch am 29.8.1944 mit H e r r m a n n und Requard erörtert, wobei besonders Requard sein Mißtrauen gegen die Absichten des Poglavnik äußerte. Am 30.8. abends erklärte Pavelic gegenüber Kasche nochmals, daß er etwa 60 Personen verhaften wolle. Pavelic „legte nur Wert auf eine rücksichtsvolle Behandlung des Generals. Ich sagte dies zu."
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Zum letztenmal fuhr ich den wohlbekannten Weg, der zu meinem Hause führte. Ich ahnte noch nicht, was kommen werde. Am 29. kehrte Kasche aus Berlin zurück. Er stellte sich mir gegenüber irgendwie tot, steckte sofort beim Poglavnik vormittags und nachmittags, vereinbarte dann telephonisch mit mir ein Rendezvous für den 31. um 12 Uhr mittags. Am 30. abends war ich mit Metzger noch einmal bei Lorkovic. Um 7 Uhr abends sagte er, er müsse jetzt zum Poglavnik, um ihn vor übereilten Schritten gegenüber Macek und der Bauernpartei abzuhalten. Gleichzeitig meinte er, eine „sehr hohe Stelle" der Gesandtschaft zeihe mich defätistischer Gesinnungen und Reden. Metzger und ich mutmaßten beim Weggehen, daß vielleicht v. Schubert, der erste Gesandtschaftsrat, irgendwie dumm gepäppelt habe. Des anderen Morgens um 6 Uhr früh rief mich Obersturmführer Hermann, Leiter des Sicherheitsdienstes in Agram, an. Gestern spätnachts seien Lorkovic und Vokic ihrer Ministerschaft enthoben und verhaftet worden. Ich war, wie sich denken läßt, doch betroffen. Um 8 Uhr läutete auf meinem Schreibtisch im schönen Alkoven meiner unvergeßlich schönen Wohnung neuerlich das Telephon. „Hier Lorkovic!" Ich erstaunt: „Was, Sie sind nicht verhaftet?" Antwort: „Vorläufig noch nicht, ich kann mich vollkommen frei bewegen." Ob ich ihn nicht besuchen könne und was es mit der Einladung bei ihm sei, die für den Abend ausgemacht wurde. Ich meinte, daß ich alles, was wie eine Demonstration aussah, vermeiden möchte und daher nicht kommen könne. Doch werde Metzger kommen. (Lorkovic hatte sich vor einigen Monaten von seiner ersten, um 12 Jahre älteren Frau, einer geborenen Deutschen, die ihm in der Emigration beigestanden hatte, getrennt. Er hatte schon seit einigen Jahren mit einer anderen Frau ein Verhältnis, die - angeblich eine geborene Jüdin - auch schon zweimal verheiratet gewesen und dabei gleichfalls wesentlich älter als Lorkovic war. An der Möglichkeit, dem Bunde staatliche Gültigkeit zu geben, hatte noch der Poglavnik vor einigen Wochen mit allen möglichen Schlichen mitgearbeitet. In einer eigenen Lex Lorkovic wurde das ungarische Recht, Zivilehen zu schließen, zugleich mit dem letzten jugoslawischen Bezirksvorsteher von Czakathurn nach Warasdin übertragen. Hier hatten Anfang August Lorkovic und Gattin geheiratet, wobei Vokic und der kroatische Gesandte in Berlin Dr. KoSak als Beistände fungierten. Ehepaar Lorkovic und Vokic machten die ganze Sache in einem Militärflugzeug! Die neue Frau war jedenfalls netter als die erste, aber, bei der Nähe besehen, auch schon ein wenig abgetragen.) Metzger erschien um die zehnte Morgenstunde in der schon ziemlich stark bewachten Wohnung des gestürzten Ministers. Man ließ ihn unbehelligt eintreten. Lorkovic erzählte den ganzen Sturz. Der Poglavnik sei plötzlich, ganz violett im Gesichte, im Ministerrat erschienen. Er habe dort allerdings noch einige Minuten auf den verspätet kommenden Vokic warten müssen, den er noch irgendwie wegen der hübschen Baronin Vraniczany, dem Gegenstand seiner Verehrung, aufzog. Nachher erklärte er beiläufig, es gäbe einige Minister, die den Regierungskurs nicht ganz billigen, sondern gerne andere Wege gehen möchten. Dies sei in der Hochspannung des Tages nicht zweckmäßig, er müsse daher diese Minister, nämlich Vokic und Lorkovic, ihres Postens entheben. Die ganze Sache ging in voller Freundschaft vor
Der Poglavnikbrief
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sich, Pavelic sagte zu den scheidenden Ministern noch, er hoffe, daß der private Verkehr dadurch nicht zu Schaden kommen werde. Gleichzeitig mußte er über sich ergehen lassen, daß sich die Mehrheit seines Kabinetts gegen ein schärferes Einschreiten wider die Bauernparteiler aussprach. Nach der Enthebung der beiden Minister verlautete, daß - bei Verhaftung ihrer Vorgänger - Lisak zum Chef des Sicherheitswesens und Kirin zum Polizeipräsidenten von Agram ernannt worden sei. Desgleichen hieß es, daß die Ernennung des Ustasa-„Obersten" Herencic zum Ustasa-Oberkommandanten und des UstaiSaObersten Sertic 16 ), seinerzeit in der kaiserlichen Armee Feldwebel - zum Chef des Generalstabes bevorstünde. Dragojlow, der bisherige Generalstabschef, alter Freund und Genösse aus der Operationsabteilung des Ersten Weltkrieges, und der ebenfalls aus der k. u.k. Armee stammende Generalleutnant Perkovic 17 ) sollten von der Bildfläche verschwinden. Auch diese Prophezeiungen gingen in Erfüllung, ohne daß der Deutsche Bevollmächtigte General, wie es die Pflicht des Poglavnik war, befragt worden wäre. Am Mittwoch, den 31., mittags fand die erste Unterredung mit Kasche statt. Er streifte den Regierungswechsel nur flüchtig und ging gleich in medias res. Er überreichte mir - alle Einzelheiten sind im Dossier meiner dienstlichen Meldungen enthalten - eine persönliche Aufzeichnung über die Vorwürfe, die der Poglavnik in bezug auf meine Gespräche mit Lorkovic erhoben hatte. Die einzelnen Punkte der Aufzeichnung Kasches stimmten mit dem Inhalt des von Kasche provozierten Poglavnik-Briefes überein, nur der letzte Absatz, demzufolge ich die beiden Minister so verdorben hätte, daß nicht mehr mit ihnen zu regieren war, fehlte 18 ). Vielleicht hat sich Kasche doch geniert, auch das wiederzugeben. Von dem Poglavnikbrief selbst erhielt ich - auch ein Beweis f ü r die Hinterhältigkeit Kasches - erst im Hauptquartier Kenntnis. Ich verwahrte mich gegen die Anwürfe des Poglavnik, die durchwegs auf unter vier Augen geführte Gespräche zurückgingen, erwähnte nebenbei, daß ich wohl Uber das alle Kroaten interessierende Thema gesprochen hätte, was mit dem Lande geschehen würde, falls wir es verlassen müßten, und gab überdies zu erkennen, daß man mit einem erwachsenen Menschen nicht so blöd reden dürfe, wie er, Kasche, es zu tun beliebt. Kasche bat mich um Stellungnahme zu meiner [seiner?] Aktennotiz. Des anderen Tages, als ich wiederkam, erklärte ich dem Gesandten, daß ich diese Angelegenheit nicht zwischen uns beiden weiterbehandeln könne, sondern auf dem 16 ) Tomica Sertic (?), k . u . k . U n t e r o f f z . , UstaSa-Obstlt. bzw. Obst., I X / 1 9 4 4 f ü r kurze Zeit kroat. Chef d. Glstb. 17 ) Alexander Perkovic v. Krizpolje (Agram, 15.7.1878 bis ?), 1897 als E F zu IR 53, 1899 Lt. aktiv, 1.11.1905 Oblt., 1.11.1913 H p t m . , 1914 in der Militärabt. d. 15. Korpskmdo. (Sarajevo) als Kundschaftsoffz., ab 15.11.1914 Baonskmdt. Ldst. IR 27, 1.11.1918 Mjr., Übernahme in die jugoslaw. Armee, Gen. Lt., Übernahme in die kroat. Armee. 18 ) Fortsetzung von Anm. 15. Kasche beschreibt die Unterredung ebenso. „Gen. Glaise bemerkte, er habe Lorkovic sicher in seiner sehr trüben Auffassung der Lage nicht mit aller Entschiedenheit widersprochen. Die weitgehenden Behauptungen über seine Äußerungen lehnte er ab." . . . Er „äußerte, daß für ihn eine Zusammenarbeit mit dem Poglavnik wohl nicht mehr möglich bleiben würde". Kasche gab Glaise die Aufzeichnung über die belastenden Äußerungen und bat bis zum nächsten T a g um „schriftliche Äußerung".
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Dienstweg erledigen müsse 19 ). Gleichzeitig hielt ich ihm, wie schon am Vortage, sein eigenartiges Benehmen mir gegenüber vor, wobei er mir neuerdings sagte, daß auch Ribbentrop meine Ansicht geteilt habe, obgleich er mir sonst nicht sehr wohlgesinnt sei. „Ich gestehe", meinte Kasche, „daß ich hier einen Fehler gemacht habe." Ich machte Kasche zugleich aufmerksam, daß nach dem hinterhältigen Benehmen des Poglavnik meines weiteren Bleibens in Agram unmöglich sei. Kasche nahm es mit Fassung zur Kenntnis. Allerdings rieb ich ihm unter die Nase, wie ich mich bei der letzten Gesandtenkrise für ihn eingesetzt hätte, so daß sich alle Militärs gewundert hatten. Inzwischen vollzogen sich die schon erwähnten militärischen Veränderungen, bei denen es hauptsächlich darauf ausging, erstens den Terroristen Herencic zu Amt und Würden zu bringen, zweitens im Ministerium selbst den deutschen Einfluß weitgehend auszuschalten. Ich habe dabei vergessen, zu notieren, daß an Stelle des Lorkovic der bisherige Heeressanitätschef Dr. Frkovic 20 ), ein besonders radikaler Likaner, kam, an die Stelle von Vokic der unschuldige Admiral Nikolaus Steinfl 21 ), ein braver, sicherlich verläßlicher Mann, der aber vom Landheer keine Ahnung hatte. Alles in allem wollte der Poglavnik in Hinkunft mit seiner Clique „unter sich sein", lediglich betreut vom dummen Kasche, der völlig sein Höriger war. Die militärischen Änderungen, die der Poglavnik ohne mich oder den Gesandten vollzog, veranlaßten mich zu einem Brief an Kasche. Das weitere geht gleichfalls aus dem „Dossier" hervor. Kasche wurde sofort vom Poglavnik angelogen, was ihm aber nichts machte. Nach dieser Affäre fand die letzte Unterredung zwischen Kasche und mir statt - ich hoffe, fürs ganze Leben 22 ). Am 7. nachmittags verließ ich mein wunderbares Agramer Heim - wie ich wohl wußte für immer. Ich hatte um Vortrag bei Keitel gebeten. Dieser fand am Sonntag, den 10. September statt 23 ). Keitel war sehr gnädig, meinte aber sofort: „Oh, das ist ja ") R H 31 I I I / l l : FS Glaises an OB Sudost, Nr. 01535/44 g. Kdos. v. 1.9.1944: Es sei, „leider nicht ganz ohne Verschulden des Gesandten, zwischen dem Poglavnik und mir eine tiefe, scheinbar unüberbrückbare Kluft entstanden, wobei es mir auch unmöglich gemacht wurde, etwaige Interessen der Wehrmacht, sei es gegenüber dem Poglavnik selbst, sei es durch Vermittlung des Gesandten, zu vertreten. Ich bitte mir eine persönliche Berichterstattung beim Chef OKW zu erwirken". Vertretung durch Gen. Lt. Juppe. 20 ) Mate Frkovic (?), 1.9.1944 bis 6.5.1945 kroat. Min. f. Inneres. 21 ) Nikola Steinfl (? bis 1945, hingerichtet), k. u.k. Linienschiffslt., 1944 Kmdt. d. kroat. Kriegsmarine, 1.9.1944 bis 6.5.1945 Kriegsminister. 22 ) Fortsetzung von Anm. 15. „Gen. Glaise erörterte in der bei ihm bekannten Art die politischen Verhältnisse, hob vor allem die von ihm abgelehnten Persönlichkeiten der UstaSa hervor, die wohl die günstige Gelegenheit gegen ihn wahrnehmen wollten, äußerte aber auch mit einer gewissen Bitterkeit darüber, daß gerade er in den letzten Wochen Vieles bei unserer Wehrmacht für Kroatien erwirkt hätte." Kasche äußerte noch, daß er „den Einsatz eines Mannes wie General Ringel in Kroatien wegen dessen besonderer Resonanz bei den Kroaten besonders begrüßen würde". Kasche gab sodann einen entsprechenden Bericht in einem Fernschreiben vom 1.9.1944. 2J ) Laut der Ausarbeitung im OKW: Kroatien (unter militärischen Gesichtspunkten) im Jahre 1944, K T B / O K W / W F S T , IV/1, 751: „Es entsprach der Logik der Entwicklung, daß die Mission des Gen.s v. Glaise, der stets für eine Distanzierung der deutschen Politik von dem Ustaüa-Regime eingetreten war . . . jetzt ihr Ende fand. . . . Er wurde daraufhin ins FHQu. beschieden, w o er am 9.9. die näheren Umstände schilderte und den Wunsch nach seiner Ablösung wiederholte. Da auch der Poglavnik diese in einem Brief an den Gesandten Kasche und später bei seinem Besuch im FHQu. wünschte, wurde sie beschlossen. Als
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eine eminent politische Angelegenheit!" und begann gleich nach dem beliebten Beispiel preußischer Generale seit Moltke, seine H ä n d e in Unschuld zu waschen. Die Angelegenheit zerfalle in einen sachlichen Teil, bei dem es nur um die politische Seite, das heißt das Verhältnis zum Pavelic, ginge, und bei welchem der Führer zu entscheiden hätte, und in einen persönlichen Teil, das sei ich. Der sachliche gehe dem persönlichen natürlich weit voraus. Ich meinte, es gäbe nur zwei Lösungen: entweder bliebe ich in Agram, dann hätte der Führer dem Poglavnik auf diplomatischem Wege mitzuteilen, daß ich sein volles Vertrauen genösse - oder ich müßte geopfert werden, dann wäre f ü r einen würdigen Abgang zu sorgen. Keitel stimmte diesmal und auch bei einer zweiten Audienz zu. Ribbentrop ließ ausdrücklich erklären, das Auswärtige Amt werde sich mit der Angelegenheit nicht befassen, diese sei ausdrücklich Sache des Oberkommandos der Wehrmacht. (Allerdings wird er nicht böse gewesen sein, mich anzubringen.) Klarer sah Jodl die Situation mindestens in bezug auf das Verhalten Kasches. Tatsächlich hat dieser seit langem viel Groll gegen die Wehrmacht aufgestapelt. Und als er weder Lohr noch Rendulic hinausbeißen konnte, suchte er die Linie des geringsten Widerstandes, auf der ich mich befand. Er hatte sich nicht verrechnet. Einige Tage zuvor hatte Jodl beim O b e r k o m m a n d o der Wehrmacht Berlin Vortrag über die Lage gehalten, dessen Pessimismus nur lange Gesichter zurückließ. Ich blieb 4 Tage im Hauptquartier. Metzger und ich wohnten im Zuge „Braunschweig", der dem Feldmarschall Keitel gehört. Der kleine Salon, den jeder von uns beiden hatte, war ganz angenehm. N u r ist das Schlafen im stehenden Zug irgendwie unnatürlich. Im übrigen kam man sich wie in einem KZ vor. Das Spazierengehen in weiterem Umkreise war mühsam. M a n ging daher wie ein brüllender Löwe vor dem Zuge auf und ab. Einen Abend brachten wir im Wehrmachtsführungsstab zu, wo leider Warlimont fehlte. Seine Ohrenverletzung beim Attentat hat unangenehme Folgen gezeitigt, die ihn zu einem Krankenurlaub zwangen. Am Dienstag, den 12. war ich - auf Rat Keitels - noch bei Himmler, dem ich das Dossier zurückließ. Er war in seinem Sonderzug Steiermark gerade von der Westfront gekommen. Diese kommandiert wieder - mit dem Standort Koblenz Feldmarschall v. Rundstedt. Kluge, sein Vorgänger, hat ein geheimnisvolles Ende gefunden. Er soll mit seinem Salonwagen auf der Fahrt ins Führerhauptquartier abgekoppelt worden und in einem Walde erschossen worden sein. Zusammenhang mit dem 20. Juli 24 ) ? Obwohl Rundstedt da war, hatte Himmler doch alle Vollmachten Nachfolger war vom Anfang an ein General der SS ins Auge gefaßt, um eine einheitliche Vertretung der Wehrmacht- und SS-Interessen zu erreichen (Lagebuch 19.9.), doch zogen sich die diesbezüglichen Verhandlungen noch länger hin." 24 ) Dies ist nicht zutreffend. G F M H a n s G ü n t h e r v. Kluge war am 15.8.1944 in den Kessel v. Falaise gefahren. D a er durch Jagdbomber während der Fahrt am Vorwärtskommen behindert wurde und seinen Funkwagen verlor, glaubte Hitler am Abend, er sei übergelaufen. Er ernannte G F M Model zum O B West. Dies erfuhr der zurückgekehrte Kluge erst eine Stunde vor dem Eintreffen Models auf seinem Gefechtsstand. Model übernahm am 19. 8.1944 das Kommando. Am 19.8.1944, bei der Rückfahrt, nahe den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges, nahm v. Kluge zwischen Paris und Metz Zyankali. In einem Abschiedsbrief brachte er T r e u e zum Führer und die Bitte um Beendigung des Krieges zum Ausdruck. Vgl. P. H o f f m a n n , Widerstand, 638.
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erhalten, bei Aachen und in der Pfalz die rückflutenden Kolonnen zum Halten zu bringen. Er habe, erzählte er mir, sogar Armeeführer in die Front geschickt und ihnen mit dem „Kragenumdrehen" gedroht. Im übrigen erzählte er mir, wie er sich das Kriegsende vorstelle. Im Jahre 1945 würde, dank der dummen Politik der Angelsachsen, in ganz Europa - außer Deutschland natürlich - ein Bürgerkrieg entstehen, zu dessen Bewältigung schließlich unsere Hilfe benötigt würde. „Dann werden wir uns, lieber Glaise, in den Jahren 1946 und 1947 wieder alles nehmen können, was wir brauchen." Sehr scharf drückte sich Himmler über die bekannte Unkameradschaftlichkeit Kasches aus, was ihn nicht hinderte, beim bevorstehenden Poglavnikbesuch mit ihm recht intim umzugehen. An sonstigen Lösungen, die im Hauptquartier als möglich diskutiert wurden, stand insbesondere - auch beim Führer - die Hoffnung auf einen britisch-russischen Zusammenstoß an den Dardanellen im Vordergrund. Als ich im Vorzimmer Himmlers gegenüber dessen Verbindungsoffizier zum Führer, Fegelein 25 ), und dem Generalmajor Burgdorff 26 ), dem Stellvertreter Schmundts im Heerespersonalamt, Zweifel darüber ausdrückte, daß es im Verlaufe dieses Krieges noch zu einem bewaffneten Zusammenstoße zwischen den Bundesgenossen kommen könnte, wurde ich lächelnd abgelehnt. Tatsache ist, daß die Briten eine Zeitlang der Evakuierung der ägäischen Inseln ruhig zusahen, ohne sie zu stören. Vielleicht sahen sie es nicht ungern, wenn Lohr um Saloniki entsprechende Kräfte sammeln konnte, dachten die Optimisten. Da wandte sich von einem Tag auf den anderen das Blatt. Die Russen, die in Bulgarien Kurs nach Süden eingeschlagen hatten, machten halt, das Schwergewicht der Bewegung wurde in nördlicher Richtung über die transsylvanischen Alpen nach Siebenbürgen verlegt. Gleichzeitig vernichteten die Engländer in der Ägäis deutsche Transportschiffe und auf dem Flugplatz von Athen Transportflugzeuge. Also war es mit dem russisch-britischen Konflikt wieder nichts 27 ). Schließlich spukte der Partisanenkrieg, den Deutschland führen soll, irgendwie in den verschiedensten Köpfen. Natürlich ein verbrecherisches Beginnen. Denn ein Partisanenkrieg bedarf starken materiellen und moralischen Rückhaltes, wie zum Beispiel der Titos in Kroatien. Ein deutscher Partisanenkrieg würde eines solchen in jeder Hinsicht entbehren. . . . 25 ) Otto Hermann Fegelein (Ansbach/Mittelfranken, 30.10.1906 bis 28.4.1945, Berlin), Führer der ersten Reiter-SS, bis V/1942 Kdr. d. SS-Kavalleriebrig., V bis XII/1942 Inspekteur des Reit- und Fahrwesens im RSHA, XII/1942 SS-Oberführer u. Kdr. Kampfgruppe Fegelein, IX/1943 ins FHQu., 1.1.1944 Chef d. Amt VI im SS-Führungshauptamt u. Verbindungsoffz. d. Waffen-SS im FHQu., 21.6.1944 SS-Gruppenführer u. Gen. Lt. d. Waffen-SS, 27.4.1945 wegen Fahnenflucht degradiert u. auf Befehl Hitlers am 28.4.1945 erschossen. M ) Wilhelm Burgdorf (Fürstenwalde/Spree, 15.2.1895 bis V/1945, vermißt in Berlin), 1.8.1914 Eintrit als Fhj. in die Armee, 1915 Lt., Übernahme in die Reichswehr, 1.8.1938 Obstlt., 1.9.1939 bis 30.4.1940 Adjutant IX. A.K., sodann bis 4.4.1942 Kdr. IR 529, 1.9.1940 Obst., 1.5.1942 Abt. Chef im Heerespersonalamt, 1.10.1942 dessen Stellv. Chef u. Gen.Mjr., 1.10.1943 Gen. Lt., 1.10.1944 Chef Heerespersonalamt, 1.11.1944 Gen. d. Inf. 27 ) Am 2.9.1944 begann die Räumung der ägäischen Inseln, insbesondere von Kreta, Rhodos und Kos. Am 24.9.1944 setzten britische Angriffe zur Eroberung der Ägäis ein. Am 1.10.1944 begann die Räumung Athens durch die deutschen Truppen, die die Stadt am 3.10.1944 an den Bürgermeister übergaben.
Wehrwolf-Ideen
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Am 12. September abends fuhren wir nach Alienstein. Wir verirrten uns in der stockdunklen Nacht zehnmal und erreichten unseren Zug nur dadurch, daß dieser mehr als eine halbe Stunde Verspätung hatte. Unser braver Fahrer war sehr froh. Wir fuhren in einem Schlafwagen aus dem 18. Jahrhundert nach Breslau. Ich war allein, hatte aber so kalt wie noch nie in meinem Leben. In Breslau stiegen wir in den Personenwagen um. Die weitere Fahrt über Glatz und Brünn nach Wien stand, wie heutzutage alle Bahnfahrten, unter dem Zeichen von „Mutter und Kind". Ich bekenne mich zu Herodias . . . Noch habe ich einiges über Kroatien nachzuholen. Noch in Agram sagte mir Kasche, der Poglavnik habe um einen Besuch beim Führer gebeten. Auch das gehörte in sein fein ausgedachtes Konzept. Keitel stimmte mir zu, daß ich an diesem Besuche natürlich nicht teilnehmen könne. In den letzten Tagen meines Agramer Aufenthaltes begannen die Gazetten über geheimnisvolle Verräter im eigenen Lager zu schreiben, ohne daß Namen genannt wurden. Natürlich waren Vokic und Lorkovic gemeint. Eines Morgens wurde ich von einer fremden, radebrechenden Stimme angerufen: mein schwerbedrohter Freund im Norden (es war Lorkovic gemeint) wolle mir etwas sagen lassen. Kurz darauf erschien T i t o v. Ghyczy, der 22jährige angeheiratete Stiefsohn von Lorkovic, um mir in dessen Auftrag mitzuteilen, daß er und Vokic nichts getan hätten, was sie nicht dem Poglavnik vorher gesagt hätten. Im wesentlichen drehte es sich um gewisse Fühler zu den Bauernparteilern. Pavelic gestand auch Kasche, daß die beiden Minister ihm wirklich „alles" gesagt hätten, er habe sie aber nur deshalb reden lassen, um hinter ihre Schliche zu kommen. Tito von Ghyczy wurde, als er zu seinem Stiefvater zurückwollte, nicht mehr ins Haus gelassen. Einen T a g später verkündete das kroatische Radio, ein Gericht der Ustasaleibgarde habe den Krilnik Vokic und den Ustasamajor Lorkovic (beide hatten ihre Würden erst ganz kurze Zeit) ausgestoßen und „verbannt". Warum, wußte man eigentlich wieder nicht. In einer Rede machte der Poglavnik allerdings Andeutungen, wobei er unter anderem Vokic vorwarf, daß dieser schon im Februar die UstaSa-Miliz auflösen habe wollen. Vokic hatte damals urbi et orbi erklärt, er wolle eine einheitliche Nationalarmee schaffen, was unser aller Beifall fand. Nach Dr. Proebst sollen die zwei Verurteilten dem Poglavnik beiläufig das folgende gesagt haben: Sollte Deutschland aus Kroatien weggehen, dann käme f ü r die Ustasaregierung ein weiteres Verbleiben nicht in Frage, da sie gegen jedermann sonst aktionsunfähig sei. Ihr bliebe nur der eine Weg, sich in Deutschland als Gegenregierung zu aktivieren. Um aber in Kroatien nicht alles drunter und drüber zu lassen, solle man vorher die Macht der Bauernpartei übergeben, wobei es notwendig wäre, eine halbwegs brauchbare Brachialgewalt zurückzulassen. D e r Poglavnik habe ein gewisses Einverständnis gezeigt. Jedenfalls war das hochnotpeinliche Gericht wider die beiden Minister ein kleines Widerspiel zu dem Ehrenhof in Deutschland. Lorkovic kam in die Gegend von Krizevci, Vokic nach Koprivnica, beide unter UstaSabewachung. Es soll ihnen vorderhand gutgehen. In seiner Rede überschlug sich Pavelic zugunsten der H o f f n u n g , mit Deutschland gemeinsam sterben zu können. Nachher zogen kleine Grüppchen zur Gesandtschaft,
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um dort Sieg-fried zu brüllen; einige Leute kamen auch zur Dienststelle des abwesenden Deutschen Bevollmächtigten Generals, um ihm zu huldigen. In den gleichen Tagen wurden etwa 50 Intellektuelle verhaftet und in dem Restaurant Tomislav auf dem Sljeme interniert. Unter ihnen befanden sich Gracic, der Direktor des Esplanadehotels, Oberst Blaskovic28) und auch mein Freund Gustl Marie, Generalleutnant a.D. Als dessen Frau beim neuen Chef des Sicherheitswesens, Lisak, um Gnade bat und sich dabei auf die Freundschaft der Deutschen, darunter auch des deutschen Bevollmächtigten Generals berief, schrie dieser: „Was, deutscher General? Der ist kein Deutscher, sondern ein Österreicher; wir haben ihn aber angebracht!" Er hatte recht. Ich bin nicht mit der primitiven Vorstellung Kasches über die nationalen Verhältnisse in Südslawien gekommen, sondern mit dem Gedanken, daß ein national gemischter Staat allen seinen Bürgern ihr Recht lassen muß. Das war österreichisch im besten Sinne des Wortes . . . Nach meiner Rückkehr aus dem Hauptquartier ließ mich der Oberbefehlshaber Südost in Belgrad wissen, man erwarte meine Berichterstattung. Metzger und ich flogen am Samstag, den 16. mit dem Verkehrsflugzeug dahin. Es war schon ziemlich dunkel, als uns unser Vogel, kaum 20 Meter über der Erde, über die gesegneten Städte und Orte zwischen Theiß und Donau dahintrug. In der Finsternis kamen wir auf dem wohlvertrauten Flugplatz in Semlin an. Ein Auto brachte uns fürs erste ins Kasino des Generals Felber, wo es wie immer recht gemütlich war. Wohnung war uns im Gästehaus des Oberbefehlshabers Südost zugewiesen, wo wir nicht ohne Fährlichkeiten um Mitternacht ankamen. Es war das typische serbische Parvenuehaus mit lauter Photos an den Wänden und Möbeln aus der Massenerzeugung. Des anderen Tages Vortrag bei Feldmarschall Weichs und seinem Chef, nachmittags Zusammenkunft mit Neubacher, der sehr alt geworden ist und auch nachdenklich, aber schon wieder mit verschiedenen, ihm wohlbekannten Amerikanern unter Zustimmung seines Amtes Pläne schmiedet (aus denen natürlich nichts wird). Er ist der Meinung, daß die Russen das ehemalige Jugoslawien nicht berühren werden. Abends wieder Essen beim Feldmarschall. - Da am nächsten Tag der Poglavnik im Führerhauptquartier sein soll (an meiner Statt begleitete ihn Selchow), schickt Weichs ein Telegramm, in welchem er einem Wechsel in der Position eines Bevollmächtigten Generals von Kroatien widerrät - wie sich zeigen soll, ohne Erfolg. Das ganze Belgrader Milieu war wie immer ganz nett, wenn auch sehr langweilig. Neubacher und Weichs saßen zum Beispiel beim schwarzen Kaffee nach dem Abendessen mindestens 10 Minuten nebeneinander, ohne ein Wort zu wechseln. Erst ich versuchte, den Bann zu brechen. Neubacher soll, nebenbei bemerkt, den Hauptanteil an der Verhaftung Neuhausens gehabt haben, die vor einigen Wochen erfolgt war. Neuhausen war im letzten Krieg Verpflegsoffizier des Jagdgeschwaders Richthofen, Führer Hermann Göring. Von da an stand er in engen Beziehungen zu diesem und wurde nach der Machtergreifung als in Bulgarien wegen schuldbarer Krida verfolgter Kaufmann 28 ) Peter Blaskovic (Duborac, Kroatien, 25.6.1883 bis?), 18.8.1902 als K.Offz.Stellv. zu I R 4 3 , 1.11.1903 Lt., 1.11.1909 Oblt., 6.12.1914 H p t m . bh. IR 3 (Regimentsadjutant), nach 1918 Ruhestand, 1941 Kmdt. d. Domobranen-Division in Sarajevo.
Die Rote Armee bei Belgrad
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„Deutscher Wirtschaftsbeauftragter f ü r Jugoslawien" mit dem Titel Generalkonsul. Nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens wollte er zuerst von dieser Tatsache keine Notiz nehmen. Nachher mußte er sich mit der Würde eines „Wirtschaftsbeauftragten f ü r Serbien" begnügen, als welcher er den jeweiligen „Militärbefehlshabern" großes Ungemach bereitete. Er erhielt von Göring einen großen Landsitz im Banat zum Geschenk, den er mit großem Aufwand an Geld und Material ausbauen ließ und befaßte sich vor allem mit der Ausbeutung des Banats, das bekanntlich eine der besten Gegenden Europas ist. Alle Wochen erhoben sich auf dem Flugplatz von Pancova mächtige Vögel voll von Lebensmittelvorräten zur Fahrt nach Berlin. Schon lange war Neuhausen vom Geruch schwerer Korruption umwittert. Man versuchte ihn und seine Eigenwilligkeit schließlich dadurch zu bändigen, daß man ihm neben seinen wirtschaftlichen Pflichten zugleich den Posten eines Verwaltungschefs von Serbien verlieh (Generalleutnant-Rang). N u n kam er aber doch zu Fall und wurde unter dem Schutz der SS aus Belgrad weggeführt. Nachrichten besagen allerdings, daß ihm nicht viel geschehen werde. Am Montag, den 18., um 6 U h r f r ü h entführte uns wieder der Vogel der Lufthansa. Ich sagte zu Metzger: „Heute sind wir zum letztenmal im Leben hier!" Metzger verneinte. Ich bin neugierig, wer recht haben wird. 14 Tage später mußte Belgrad vor den herandrängenden Russen von der Zivilbevölkerung evakuiert werden. Die „Regierung" Nedic erschien - wo denn anders - in Wien. Sie zählt zwölf Minister und über 100 Begleiter und wohnt im Sacher. Mitte September hatte Belgrad noch ein ganz friedliches Bild geboten. Man ging ruhig in entlegenen Gassen spazieren. Allerdings sagte mir General der Infanterie Felber, er sei im Begriffe, aus seiner schönen Villa in den „Stützpunkt" zu übersiedeln. Seither wurde er Oberbefehlshaber einer Armeegruppe Serbien und dürfte sich in Vrnjacka Banja, der einstigen Residenz von Rendulic, befinden. Kurz nach meiner A n k u n f t in Wien, am 20., wurde ich von Admiral Bürkner, dem politischen Hauptreferenten Keitels, aufgerufen. Er teilte mir das Ergebnis des Poglavnikbesuches kurz mit. Der Poglavnik habe die Geschichte mit meinen defätistischen Äußerungen nicht mehr aufgewärmt, aber den Führer auf die Notwendigkeit eines scharfen Kurses in Kroatien hingewiesen und dabei bemerkt, ich sei ein Anhänger eines milden Kurses und würde mich daher schwer hineinfinden 2 9 ). Ergebnis (siehe Näheres weiter unten): meine Ablö29 ) Diese Bemerkung ist bei der bei Hillgruber, Staatsmänner und Diplomaten bei Hitler, 5 0 5 - 5 1 9 , wiedergegebenen Aufzeichnung des Gesandten Schmidt über den Besuch am 18.9.1944 nicht zu finden. Pavelic verlangte mehrmals vor allem eine bessere Bewaffnung f ü r die UstaJa. Wohl aber wurde Glaise-Horstenau in der „Abendlage" in der Wolfsschanze am 17.9.1944 erwähnt: K T B / O K W / W F S T , 1638f.: „Der Führer: Nebenan haben unsere Militärs die Lage richtig beurteilt. Er [d.i. Kasche, d. Hrsg.] muß das doch jedenfalls objektiv weitergeben, v. Sonnleithner: Militär war der Glaise(-Horstenau) . . . der das schon kennt. Keitel: Nein . . . Rendulic. v. Sonnleithner: Militär war der Glaise(-Horstenau) . . . der das schon kennt . . . Der Führer: Er muß doch wenigstens die beiden Sachen anhören. Jodl: Kasche hat hier betont, es sei grundfalsch, einen Kenner der Verhältnisse dort hinzutun. Niemals dürfe ein Österreicher dorthin, v. Sonnleithner: Er meint, daß die voreingenommen sind. Das ist der eine Standpunkt. Aber andererseits kann man sich in die Mentalität dieser Schlawiner nicht hineinfühlen, wenn man sie nicht kennt. Der Führer: Also, das habe ich ja immer gesagt . . ."
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sung 30 ) und voraussichtlicher Ersatz 31 ) durch einen SS-General 32 ). Im übrigen wollte mich Keitel nochmals sprechen, er werde für mich immer Zeit haben. Ich bat, die erste Oktoberwoche in Aussicht nehmen zu dürfen. Gleichzeitig bat ich in einem Telegramm an den Feldmarschall, man möge die Entscheidung über mein weiteres Schicksal erst nach meiner Rücksprache treffen. Die Dinge funktionieren aber grundsätzlich nicht. Am 26. telephonierte mich mein Stabschef aus Agram, Oberst v. Selchow, an. Es sei eben vom Oberbefehlshaber Südost ein Telegramm gekommen: General der Infanterie Glaise von seinem Agramer Posten enthoben, zur Führerreserve übersetzt und zum „Beauftragten der militärischen Geschichtsschreibung für den Südosten" ernannt. Das war natürlich aus verschiedenen Gründen vorgeschossen, abgesehen davon, daß es vor allem meiner aus sachlichen Gründen erbetenen, optisch wirksamen Entfernung von Agram nicht entsprach. Auch die Möglichkeiten, mich wirklich in dem gewünschten Sinne zu betätigen, erscheinen mir gering zu sein; zudem müßte ich dem seit dem Führerattentat allerdings erkrankten Scherff, dem „Beauftragten des Führers für militärische Geschichtsschreibung", ins Handwerk pfuschen, was bei dem überaus ehrgeizigen und hysterischen Manne nicht ratsam wäre. Sonntag, den 1. Oktober war ich zu St. Stephan im Hochamt. Dem Kirchengesang merkt man auch schon den totalen Kriegseinsatz an. Metzger war schon wieder aus Agram zurück, hatte aber nichts wesentlich Neues mitgebracht. Angenehmer wird es dort auch nicht. Der Standpunkt: Grüß mich nicht unter den Linden! macht sich auch bei unseren bisherigen Freunden stark fühlbar. Zudem fürchtet jeder, sich gegenüber der Terroristenclique durch einen engeren Verkehr mit uns zu kompromittieren. Wunschgemäß hat Metzger die mir vom Poglavnik zum 14. April 1944 gespendete Goldene Denkmünze (angeblich 850000 Kuna wert) dem Erzbischof für wohltätige 30 ) Die Nachfolgefrage wurde noch länger nicht entschieden. Zunächst vertrat Gen. Lt. Juppe GlaiseHorstenau. Kasche drängte auf die Regelung der Nachfolge im November 1944 angesichts der Kämpfe an den Grenzen Kroatiens (ADAP, Ser. E, Bd. VIII, Nr. 289, 7.11.1944). Mit Telegramm v. 10.11.1944 hatte dann Ges. Schmidt Kasche unterrichtet, daß die Ernennung Kammerhofers als Nachfolger Glaise-Horstenaus beabsichtigt sei (ebdt., S. 571). Kasche, der sich dazu äußern sollte, meinte (ebdt., Nr. 305, 20.11.1944), Juppe sei „am geeignetsten. Bei Zusammenfassung mit Dienststelle Kammerhofers werde General Juppe als Heeresinspekteur und in seinen kroatischen Sonderaufträgen ohnehin aus Dienststelle Bevollmächtigten Generals herausgenommen werden". Dann erging eine Mitteilung des OKW, daß lt. Filhrerbefehl SS-Obergruppenführer Prützmann zum Bevollmächtigten Deutschen General in Kroatien ernannt worden sei (Schreiben Keitels an Glaise-Horstenau vom 25.11.1944, das dem AA mitgeteilt wurde) (ebdt., Nr. 308 v. 28.11.1944). Prützmann scheint aber nur kurze Zeit in Kroatien amtiert zu haben. 31 ) Zwar wurde mit 4.12.1944 der Stab des Dt. Bev. Generals, des Heeresinspekteurs und des Beauftragten des Reichsführer-SS, Kammerhofer, dem Nachfolger Glaise-Horstenaus, Prützmann, unterstellt (KTB/OKW/WFST, rV/1, 756), aber mit 15.1.1945 wurde Juppe zum „Deutschen General für die kroatische Wehrmacht" ernannt, und Prützmann erhielt eine andere Dienstverwendung. 32 ) Hans-Adolf Prützmann (Tolkemit, 31.8.1901 bis 21.5.1945, Lüneburg, Selbstmord), Landwirt, 1929 zur NSDAP und SA, 1930 zur SS, 1932 M.d.R., 1934 SS-Gruppenführer, 1938 Senator in Hamburg, 9.4.1941 Gen. Lt. der Polizei, bis 1.5.1941 Höherer SS- u. Polizeiführer des SS-Oberabschnittes Nordsee, 22.6.1941 Höherer SS- u. Polizeiführer im Vormarschraum der Heeresgruppe Nord, 30.10.1941 Höherer SS- u. Polizeiführer Rußland-SUd, 22.10.1943 Höchster SS- u. Polizeiführer im Reichskommissariat Ukraine, u. IX/1944 mit Bildung einer im Bandenkampf verwendbaren „Werwolf-Organisation beauftragt, 19.9.1944 Generalinspekteur für Spezialabwehr, 5.12.1944 auch Dt. Bev. Gen. in Kroatien (bis ?).
Das Attentat
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Zwecke zugunsten hilfsbedürftiger Agramer überreicht 33 ). Der Erzbischof nahm das Geschenk an. Der Gesandte hat hinsichtlich meiner Angelegenheit kein gutes Gefühl, ist aber sonst ganz groß, da er auf der ganzen Linie siegte. Er und der Poglavnik mit seinen Terroristen sind jetzt unter sich. Selchow läßt Metzger gerne ziehen, er empfindet ihn als Belastung. Wenn ich denke, was sich Funk an Korruption geleistet hat und nun das menschliche Verhalten Selchows in meiner Frage in Betracht ziehe, so bekomme ich von der Ritterlichkeit dieser altpreußischen Junker eine eigenartige Vorstellung. Dabei ist charakterlich Funk zweifellos der Bessere. Am 2. vormittags flogen wir abermals nach Berlin, wo wir mittags ankamen, im Adlon ein Nachmittagsschläfchen hielten und dann zu Kappus gingen. Abends fuhren wir im Kurierzug nach Ostpreußen. Ich zählte, als ich morgens aufwachte, jede Minute, als wäre sie eine Gnadenfrist vor Vollstreckung eines Todesurteils - so ekelhaft war mir dieser neue Canossagang. Er fiel aber ungleich besser aus, als ich wähnte. Wir wurden wieder im Zug Braunschweig des Feldmarschalls untergebracht (Keitel stammt aus dem Braunschweigischen und besitzt dort noch einen H o f ) und ergötzten uns an dem aus wirklichem Kaffee und aus Aufschnitt bestehenden Frühstück. Dabei erfuhren wir, daß der Führer bettlägerig sei; er leidet an einer Magenverstimmung, die jedoch große Bersorgnis in der Umgebung hervorruft, da die Mutter Hitlers an Magenkrebs gestorben ist. In der Tat findet keine „Lage" statt, Besuche werden ferngehalten, selbst Keitel redet nur von der Möglichkeit von Minutenbesuchen. Daher auch Fernbleiben Hitlers vom Staatsakt f ü r Schmundt, der (wenn ich nicht irre, tags zuvor) im Lazarett zu Rastenburg gestorben ist 34 ). Schmundt war beim Anschlag vom 20. Juli schwer verletzt worden. Er hatte ein Auge verloren und trug schon ein solches aus Glas. Außerdem waren ihm unzählige, zum Teil recht große Holzsplitter in beide Beine gefahren. Professor Sauerbruch (der also nicht in den 20. Juli verwickelt war, wie es hieß) hat ihm fast das ganze Fleisch weggeschnitten und erwog am Schlüsse, dem inzwischen zum General der Infanterie beförderten 48jährigen M a n n e beide Beine zu amputieren; aber eine schwere Sepsis bewahrte diesen vor solchem Schicksal. Admiral Bürkner hatte ihn noch vor kurzem besucht. Schmundt weinte die ganze Zeit - nicht wegen seines bevorstehenden Todes, den er nicht ahnte, sondern wegen anderer Dinge. Er machte sich die schwersten Vorwürfe, daß es ihm als f ü r die Sicherung Hitlers verantwortlichen Chefadjutanten nicht geglückt war, das Attentat zu verhindern. Zum zweiten klagte er sich im Zusammenhang mit dem Debakel in Frankreich an, als Chef des Heerespersonalamtes, der er seit dem Sommer 1942 gewesen ist, der deutschen Kriegführung kein entsprechendes Führerpersonal zur Verfügung gestellt zu haben, so daß die ganze Schweinerei möglich geworden sei. Natürlich entstammen beide Anklagen einem 33 ) Völkischer Beobachter v. 19.5.1944. P h o t o mit Text: Der General der Infanterie Dr. h.c. Ritter (sie!). Edmund Glaise von Horstenau dankt dem Poglavnik des Unabhängigen Staates Kroatien für die goldene Plakette, die er zum Zeichen der Anerkennung f ü r die Mitarbeit am Aufbau des Unabhängigen Staates Kroatien erhielt. 34 ) G e n . M j r . Schmundt erlag am 1.10.1944 seinen Verletzungen.
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fiebererhitzten Gehirn. Daß Stauffenberg 35 ) in das Besprechungszimmer kommen konnte, war wirklich nicht zu verwundern - weit eher, daß der Polizei die Vorbereitungen in Berlin und anderwärts verborgen geblieben sind. Und was das Führerkorps anlangt, so soll darüber weiter unten noch ein Wort verloren werden. Ich war mit Schmundt noch anfangs Juli in Berchtesgaden bei einem Abendessen, das mir Warlimont gab, zum letztenmal beisammen. Persönlich bekannt ist er mir seit dem Anschluß, knapp nachdem er Führeradjutant geworden war. Mittelgroß und überschlank war er gut profiliert, aber mit wenig feinen Zügen und weit wegstehenden Ohren. Daß seine Beliebtheit im Heere äußerst gering war, wußte er; er kam darauf im September 1943, als ich auf einen Empfang bei Hitler wartete, klagend zurück, worauf ich ihn tröstete. Sein nationalsozialistischer Fanatismus war, wie Metzger und ich am Berchtesgadener Abend feststellen konnten, wirklich nicht zu übertreffen. Der Fonds revolutionärer Phrasen, über den er verfügte, nahm bei einem Generalssohn, der während der Hunderttausend-Mann-Zeit im Regiment Potsdam aufgewachsen war, sich doch seltsam aus. So verkündete er, daß in der nächsten Zeit eine wahrhaft revolutionäre Besetzung der höchsten Führerstellen erfolgen werde. Daß er sich auch alle nationalsozialistischen Überspitzungen zu eigen gemacht hatte, verrieten unter anderem seine volkspolitischen Auffassungen, die er auch in der Armee durchsetzen wollte und in denen er an Himmler heranreichte. Alles in allem ein Typus, der einem trotz seiner Primitivität unheimlich wurde. Ob für die Umgebung Hitlers gerade solche Leute nützlich waren, bleibe dahingestellt. Vielleicht waren sie, abgesehen vom Typus Keitel, auch die einzigen, die sich dort hielten. Zu Mittag kam ich (3. Oktober) zu Keitel. Er haust im „Sperrkreis I", wo sich auch Hitler befindet. Das Herumfahren ist ziemlich mühsam, da man alle möglichen Ausweiszettel braucht, die einem spätestens am Abend abgenommen werden, und auch sich unentwegt ausweisen muß. Ich blieb bei Keitel über eine Stunde. Die Unmöglichkeit, vom Führer aufgerufen zu werden, hat ihm offenbar ein hohes Maß seelischer Ruhe gegeben, die ihm sonst fehlt. Er war liebenswürdig wie noch nie seit dem Abend, da ich ihn im April 1937 im Hause Blombergs kennenlernte. „Wir haben uns", leitete er ein, „seit dem Poglavnikbesuche noch nicht gesprochen." Als ich verneinte, erzählte er mir mit epischer Breite den Verlauf des ganzen Besuches, wobei es im wesentlichen auf die unerschütterlichen Treuekundgebungen des Pavelic für den Führer herauskam, was in einer Zeit des Bundesgenossenschwundes doch sehr angenehm zu hören war. Dazu kamen Waffenwünsche, Pläne für den Ausbau der UstaSa - eventuell sogar auf Kosten der Domobranen und so weiter. (Ich habe noch nachzutragen, daß unmittelbar nach meiner Ausreise in Kroatien infolge des befürchteten Terrorkurses, wohl auch wegen eines am 15. September ablaufenden Ultimatums Titos, eine unerhörte Überläuferbewegung bei den Domobranen, zu geringerem Teil auch bei der Ustasa ausbrach, die allerdings dann wieder abflaute; diese Überläuferei fiel in die Zeit meines vorletzten Aufenthaltes im Führerhaupt35
) Ü b e r Claus Schenk Graf Stauffenberg (Jeuingen, 15.11.1907 bis 20.7.1944, Berlin), seit 1.10.1943 Chef des Stabes im Allgemeinen Heeresamt, ab V I / 1 9 4 4 Chef des Stabes beim Chef Heeresrüstung u. Befehlshaber des Ersatzheeres, und Uber das Attentat vgl.: P. H o f f m a n n , W i d e r s t a n d - S t a a t s s t r e i c h - A t t e n tat. D e r Kampf der Opposition gegen Hitler, 3. Aufl., München 1979, 389ff.
Bei Keitel
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quartier.) Das Protokoll über diese Dinge liegt in den Akten. Die f ü r sein Vaterland lebenswichtigen Fragen, wie Evakuierung et cetera, scheint Pavelic nur in Fragen der Räumung von Banja Luka angeschnitten zu haben. Die Besprechungen fanden in ihrem wichtigeren Teile zwischen Hitler, Pavelic, Ribbentrop, Keitel statt. Kasche, den Keitel überhaupt sehr schlecht behandelt haben will, wurde nicht zugezogen, dagegen nach einiger Zeit der brave Georg Gruic 36 ), der durch den Strom seiner Rede alle so zu Boden drückte, daß der Führer schon ungeduldig wurde und der Poglavnik ihn kroatisch zurechtwies. Auf meine Angelegenheit übergehend erzählte mir nun Keitel, was er mir schon telephonisch sagen ließ, die Klage des Poglavnik, daß ich für einen zu milden Kurs sei und mich daher in die neue scharfe Ära nicht hineinfinden mag. Wie sich das Weitere abspiek, weiß ich im einzelnen nicht. Sowohl der Poglavnik wie auch der Führer sollen sich aber über mich sehr lobend ausgesprochen haben - aber das H a u p t des Johannes fiel schließlich doch. Auch Himmler half mir nicht. Wohl aber meldete er die Nachfolgeschaft auf meinen Posten sofort für die SS an, was Keitel sehr begrüßt hat. (Buttlar, der Stellvertreter des noch immer kranken Warlimont im Wehrmachtsführungsstab, will sogar wissen, daß die Anregung, einen SS-Mann nach Agram zu setzen, von Keitel selbst ausgegangen sei. Tatsächlich sagte Jodl, als ich Mitte September bei ihm war: „Nach Agram gehört ein wilder SS-Mann, damit sie sehen, was gut ist!") In der Folge kam es nach Keitels Schilderung zu einem Gebrüll zwischen Ribbentrop und Himmler, und Ribbentrop soll dem Führer abermals auch das H a u p t Kasches zur Verfügung gestellt haben. Keitel wundert sich, daß Hitler dieses Angebot nie annimmt; irgendwie scheint dieser den Kasche das Ende seines diplomatischen Experimentes erleben lassen zu wollen. Anders können es sich die Leute nicht erklären, daß er sich über Kasche immer lustig macht und ihn dann doch läßt. (Bei meinem ersten Besuch bei Keitel, Mitte September, sagte dieser beiläufig: „Wenn Sie wegmüßten, sind Sie froh, daß Sie den schmählichen Untergang des schäbigen Staates - gemeint war Kroatien - nicht miterleben müssen.") Diesmal meinte er, die Kroaten würden f r o h sein, „den Hecht im Karpfenteich" angebracht zu haben. Ich nahm alle diese Mitteilungen mit Gelassenheit und Dank zur Kenntnis und kam dann auf meine persönlichen Angelegenheiten zu sprechen. Die nach Agram gelangte Lösung bezeichnete Keitel als vorgeschossen und in der Form nicht seinem Willen entsprechend. Ich kam neuerlich auf die Notwendigkeit zurück, mir einen würdigen Abgang zu bereiten und sagte dabei, auf die Klage wegen meiner defätistischen Äußerungen gegenüber Lorkovic zurückkommend: „Wenn ich Defätist wäre, dann müßte ich f r o h sein, mit Spott und Schande weggejagt zu werden; denn es würde mir f ü r die Z u k u n f t nur dienlich sein. So stehe ich aber zur Fahne, auch ,wenn sie zerfetzt ist'!" Keitel lächelte wehmütig, so daß ich beifügend die H o f f n u n g aussprach: „Sie wird hoffentlich wieder ganz werden." Schließlich kamen 36
) Georg Gruic (Mitrovica, Kroatien, 6.12.1887 bis ?), 18.8.1908 aus der Milak. als Lt. zu IR 12, 1.5.1913 Oblt., 1913/14 Frequentant der Kriegsschule, ab Kriegsbeginn Dienst als Brigadegenstabsoffz., 1.9.1915 Hptm. zuget. d. Glstb., 26.11.1915 zugeteilt 2. Armeekmdo., 1.5.1916 H p t m . d. Glstb., 25.8.1917 zum 4. Korpskmdo., 19.3.1918 wieder zur 2. Armee, Übernahme in die jug. Armee, 1941 Divisionsgen., in die kroat. Armee übernommen, I X / 1 9 4 4 bis V / 1 9 4 5 Chef des kroat. Genstabes.
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wir überein: General zur besonderen Verwendung beim Chef-Oberkommando der Wehrmacht, Sonderaufträge für den Südosten und Süden, vorbereitende Geschichtsschreibung für den Balkan, wobei es Jodl vorbehalten bleiben sollte, Scherff entsprechend zu bearbeiten, nachdem ich nicht verfehlt hatte, auch sonstige Bedenken vorzubringen. Nachdem ich schöne Dankesworte gesprochen hatte, meinte Keitel noch, auch Hitler habe sich stets über meine Berichterstattung gefreut und habe nie ein ungünstiges Wort über mich gesprochen. Keitel stimmte mir zu, daß es als Wunder zu betrachten sei, wenn ich mich auf dem Glatteis von Kroatien so lange gehalten habe. Während ich beim Feldmarschall war, unterhielt sich Metzger im Adjutantenzimmer, wobei einer hinsichtlich der Russengefahr in Ungarn meinte, man werde die Russen schon aufhalten - gegebenenfalls im Wiener Becken! Am Abend des Tages war ich vom Wehrmachtsführungsstab zum Essen eingeladen. Die Leute sind im Verkehr ganz nett. Sie ließen mich das Gestürztsein in keiner Weise fühlen. Was die Kriegslage anlangt, so bleibt man an der Oberfläche. Immerhin erfährt man unter anderem, daß die Treibstofflage katastrophal ist und das Autofahren und Fliegen mit der Zeit auf ein Mindestmaß sinken wird. Buttlar ist nach wie vor „der" Partisanenkämpfer. Wir „Kroaten" sind entsetzt, daß im Wehrmachtsbericht von Russen nördlich und nordwestlich von Belgrad die Rede ist. Die Russen sind „nur" bis zur Theißmündung, also nördlich von Belgrad gekommen. Am anderen Tag heißt es glücklich nordöstlich. Manches wird über Ungarn geredet, das große Sorgen bereitet. Der Journalist Kornhuber aus Budapest, ein Mann mit Schmiß und Monokel, erzählte mir vor meiner Abreise aus Wien, Horthy habe bereits in Kronstadt Verhandlungen mit den Russen geführt und diese erst abgebrochen, als wir Panzerdivisionen schickten. Es ist nicht wahr. Aber Möglichkeiten bestehen. Angeblich hat sich Horthy den Rückzug nach Stockholm gesichert. Der alte Herr tut mir wirklich leid. Er hat übrigens im Frühjahr 1941 ähnlich wie der Zar Ferdinand nur nach einem Krieg, dem Russenkrieg, gerufen. Nach dem Essen war ich auf Befehl Keitels bei Jodl, der trocken, aber doch irgendwie gnädig wie meistens war. Er ist der Urheber der Geschichtsschreibungsidee und meint, ich solle mich ihr doch nicht ganz verschließen. Die „Audienz" dauerte keine 10 Minuten. Am Mittwoch, den 4., nachmittags waren wir im Wehrmachtsführungsstab, ich vor allem bei Buttlar. Er versprach, sich meiner Dienste zu bedienen. Wir sprachen dann über mancherlei. Im Osten kamen wir unter anderem auf die Slowakei zu sprechen. Dort wurde dem Deutschen Bevollmächtigten General Hubicki, einem sehr tüchtigen, aus dem Bundesheer stammenden Panzergeneral, zur Last gelegt, er habe den slowakischen Kriegsminister CatloS37) zu den Partisanen entwischen lassen. In der Folge hat ihn Himmler als Befehlshaber des Ersatzheeres aus diesem und anderen Gründen von einer Stunde auf die andere abberufen lassen - es kann einem also noch 37 ) Ferdinand Catlos (?), Offizier, Ausbildung noch in der k. u. k. Armee, Übernahme in es. Armee, 1935 Obstlt. i.G., 14.3.1939 bis 5.9.1944 slowakischer Minister für Verteidigung, ging zu den Partisanen Uber, nach 1945 zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt, soll um 1970 verstorben sein.
Der slowakische Aufstand
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wesentlich schlechter gehen, als es mir in Kroatien gegangen ist. Im übrigen ist auch SS-Obergruppenführer Berger, auf den Himmler in der Bekämpfung der slowakischen Partisanen soviel H o f f n u n g e n gesetzt hat, zurückgeholt worden, weil er erfolglos blieb. Vor einigen Tagen haben die slowakischen Partisanen bei Neu- und Altsohl dem neuen Polizeigeneral Höfle 3 8 ) gleichfalls eine aufs Dach gegeben 39 ). Im Zusammenhang mit dem Schicksal Hubickis wies ich Buttlar auf den Geltungsverlust der Generalität seit dem 20. Juli hin. Er meinte, noch mehr als der 20. Juli habe den Generälen beim Führer die Katastrophe in Frankreich geschadet. Wie mächtig diese war, beweisen uns die Erzählungen des Generals Kitzinger 40 ), eines Schwaben, der heute vormittags (4. Oktober)«mit uns zusammen das Frühstück im Zuge Braunschweig einnahm. Er war lange Zeit Militärbefehlshaber an der Seite Kochs in der Ukraine und wurde knapp vor Torschluß zum Militärbefehlshaber in Frankreich ernannt. Sein Vorgänger, General v. Stülpnagel, einst Chef der Wiesbadener Waffenstillstandskommission und nachher Kommandant der 17. Armee im Osten (als Nachfolger Schoberts), hatte sich als Mitwisser des 20. Juli blind geschossen und wurde nachher von milden Ärzten vom Leben zum T o d e befördert. Ein großer Teil seines Stabes war miteingeweiht, der Chef, der I a und so weiter; noch während der Anwesenheit Kitzingers wurden täglich neue Leute weggeschafft. Kitzinger gibt vor allem beredte Schilderungen der Auflösung der Etappe Paris, die vollkommen versumpft gewesen sei. In der Stunde der Abfahrt sei die Halle des Hotels Majestic voll von deutschen Offizieren und Zahlmeistern gewesen, an deren Hals verzweifelte und weinende Franzosenfrauen und -mädchen gehangen seien. Er, Kitzinger, habe f ü r künftige Fälle die Abfahrt auf späte Nachtstunden verschoben. Von 80 Etappengenerälen seien mindestens 20 irgendwie verschwunden. Feldmarschall Sperrle, der Oberbefehlshaber der Luftflotte, ist abgesetzt. Die drei Kommandierenden Generäle der Luftgaue in Frankreich wurden verhaftet. Buttlar ist der Meinung, man hätte eine Reihe von Generälen wegen ihrer Fahrlässigkeit aufhängen müssen. Ich teilte diese Auffassung nicht, sondern meinte, man könne in ein paar Jahren nicht das Führerkorps f ü r eine so große Armee aus dem Boden stampfen, und wies auch auf die mindere Ausbildung des Generalstabes hin. Buttlar gab mir bei meiner Klage wegen 38 ) H e r m a n n H ö f l e (Augsburg, 19.6.1911 bis 1948, ?), 1914 bis 1918 Kriegsdienst, dann Freikorps Epp, Offizier bis 1934, 1937 zur N S D A P , 1943 zur SS, 20.4.1944 SS-Obergruppenführer, 15.9.1943 H S S P F Mitte, 1.7.1944 Gen. d. Waffen-SS u. d. Polizei, 20.9.1944 H S S P F und Dt. Befh. i. d. Slowakei. 39 ) Der Slowakische Nationalrat, eine Widerstandsorganisation mit Schwerpunkt in der Tatra und den Westbeskiden, die zahlreiche Deserteure und Widerstandskämpfer unter ihrer Leitung hatte, beschloß Ende Juli 1944 im Einvernehmen mit der Exilregierung und in der H o f f n u n g auf die sich nähernde Rote Armee einen Aufstand. Nachdem anfangs August Aktionen einzelner Partisanengruppen begonnen hatten, wurde am 25.8.1944 der eigentliche Aufstand, der auch durch Luftlandetruppen unterstützt wurde, ausgelöst. Ab 29.8.1944 begannen deutsche Verbände die Besetzung des Landes und die Niederschlagung der Erhebung, die sich bis Ende Oktober, bis zur Eroberung der Aufstandszentren Banska Bystrica (Neusohl) und Zvolen (Altsohl) am 27.10.1944, vornehmlich durch die Deutsche Kampfgruppe „Schill" und die 18. SS-Panzergrenadierdivision „ H o r s t Wessel", hinzog. Am 29.10.1944 überschritten erste Verbände der Roten Armee die slowakische Grenze. Vgl. W. V e n o h r , Aufstand in der Tatra. Der Kampf um die Slowakei 1939-1944, Königstein/Taunus 1979. 40 ) Karl Kitzinger (?, 18.4.1886 bis 14.4.1962, ?), 1.10.1939 Gen. d. Flieger, 1944/45 O B Festungsbereich West.
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völliger Vernachlässigung jeder technischen Ausbildung recht, nannte mir selbst einige Armeekommandanten, die man als Major nicht einmal zum Regimentskommandeur beschrieben hätte, und meinte, es herrsche eben jetzt das Zeitalter der „Bullen". Am 4. Oktober abends verließen Metzger und ich mit dem Kurierzuge die „Wolfschanze", wie der Deckname des Wehrmachtsführungsstabes lautet. Ich tat es mit dem Gefühle, daß ich nicht mehr wiederkommen werde. Es wird in diesem riesigen Waldkomplex noch sehr viel gebaut, jede der Holzbaracken mit Betonziegeln ummauert, wobei ich Metzger gegenüber nur die wehmütige Bemerkung zu machen pflegte: „Junggesellensteuer!" Die Bauten im Sperrkreis I sind so ziemlich fertiggestellt - unter einem ungeheuren Kostenaufwand; in II wird noch gearbeitet. Der Aufenthalt auf der Baustätte ist für die Offiziere des Oberkommandos der Wehrmacht natürlich sehr wenig angenehm. Sie trösten sich damit: Wenn's fertig ist, wird das Oberkommando der Wehrmacht weggehen. Tatsächlich liegt die Ubersiedlung nach Berechtesgaden in der Luft. Der Entschluß wird stets in wenigen Stunden verwirklicht. Neben der „Wolfschanze", in der sich der Führer aufhält, gibt es noch zwei Waldkomplexe. Der eine heißt „Anna" und dient dem Oberkommando des Heeres, das heißt dem Generalstab des Heeres, als Unterschlupf. Dort hatte Zeitzier gehaust, von dem man nichts Näheres weiß, und auch der Generalquartiermeister Wagner, der sich am 21. Juli gleichzeitig mit zwei Pistolen erschossen hat. Der zweite Komplex heißt „Hochwald" und beherbergt Himmler, der allerdings auch im unmittelbaren Anschluß an die „Wolfschanze" eine kleine Häuserkolonie besitzt, die vom Gruppenführer Fegelein, Verbindungsoffizier zwischen SS und Wehrmachtführungsstab, beherrscht wird und wo Himmler, der an Kanzleien wohl reichste Mann in Deutschland, auch ein Büro besitzt. Der Chef der Reichskanzlei, Reichsminister Dr. Lammers, mein Freund, ist ein vorsichtiger Mann. Er hat sich seine Baracke unmittelbar neben die Himmlers hingebaut und tat offensichtlich gut damit . . . In Berlin bezogen wir wieder ein Tagesquartier im Adlon und fuhren gegen Mittag nach dem Grunewald zum Ausweichquartier des Feldmarschall Keitel, wo mein alter Bekannter Generalleutnant Winter 41 ) als Chef der Wehrmachtszentralkanzlei seinen Sitz hat. Er war vom Feldmarschall über meine Angelegenheit schon unterrichtet. Ich werde also General zur besonderen Verwendung Nummer 3. Nummer 1 ist mein alter Freund Thomas, der übrigens demnächst in Pension geht. Nummer 2 der General der Kavallerie v. Becker, Militärattache in Nordamerika vom Rittmeister bis zum General der Kavallerie und nun weiter Bearbeiter der amerikanischen Angelegenheiten. Aufstellungsort meiner Dienststelle Wien oder Salzburg (wegen Berchtesgaden). Ich glaube allerdings, es wird im Wesen ein otium cum dignitate daraus, wenn 41 ) Paul Winter ( N e u b u r g / D o n a u , 29.1.1894 bis ?), 1912 Eintritt als Fhj. in die bayer. Armee, 1.8.1914 Lt. bayer. Fußart.R., Ü b e r n a h m e ins Reichsheer, 1.8.1936 Obstlt., 15.7.1938 Chef der Zentralabtlg. d. O K W , 1.3.1939 Obst., 1.10.1941 G e n . M j r . , 1.6.1943 Gen.Lt. u. enthoben, 9.8.1943 bis 4.11.1943 Führer 329. bzw. 30. ID, 5.11.1943 bis 4.12.1943 Kdr. 9. Luftwaffenfelddiv., 1944 wieder Chef Zentral-Abtl. d. OKW.
Goebbels-Propaganda
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mir auch die Herren des Wehrmachtsführungsstabes vor meiner Abreise schon sagten, man habe sich in den vorangegangenen Stunden mit der Absicht getragen, mich zu H o r t h y zu schicken 42 ). Die sehr nett eingerichtete Villa, wo Winter haust, der in seinem eigenen Heim auch völlig ausgebombt worden ist, ist, wie man uns sagte, keine der üblichen Judenvillen gewesen, sondern wurde bereits im Jahre 1936 (!) als Ausweichquartier f ü r den damaligen Reichskriegsminister gebaut. Wir armen Überfallenen! Zu Mittag waren wir im Adlon Gäste des Admirals Bürkner. Er erzählte unter anderem, daß in meiner Enthebungsangelegenheit Ribbentrop ganz auf meiner Seite gestanden habe. Nach einem Abstecher zu Carpentier f u h r ich in die Rheinbabenallee zur Deutsch-ungarischen Gesellschaft und sah dort, daß aus dem trauten Heim auf dem Kurfürstendamm doch sehr viel gerettet worden ist, sogar das komische Meyerlexikon mit der neuen nationalsozialistischen Weltanschauungslehre. Das Fahren durch Berlin ist eine unerhört traurige Angelegenheit, zumal in der Nacht. N u r Ruinen, dabei in überwiegendem Ausmaße Brandruinen: die Außenmauern intakt, innen alles ausgebrannt. Immer wieder die Frage: Was wird man mit diesem Trümmerfeld überhaupt noch machen können? Wenn es windstill ist, geht's noch an. Aber der leiseste Luftzug weht einem gewaltige Staubwolken in die Augen. Ist dieses Menschengeschlecht überhaupt noch wert, weiterzuexistieren? Seit 6 Jahren sage ich immer wieder: „Der liebe Gott müßte einen Planeten gegen diese schmähliche Erde jagen und alle Lebewesen darauf vernichten. Denn mindestens die Zweibeinigen verdienen es nicht, von der Sonne beschienen zu werden - ohne Ausnahme." Im Schlafwagen Berlin-Wien, wo ich schon um 20 U h r das Bett aufsuchte, führte ich mir gegen meine sonstige Gewohnheit die Leitaufsätze des „Schwarzen Korps" und Goebbels im letzten „Reich" zu Gemüte. Das Ende des Goebbelschen Lateins ist nun glücklich die bestimmte H o f f n u n g auf den Zusammenbruch der feindlichen Koalition (auch das ist „fritzisch")! Sonst ist sein Artikel eine große Wehklage. Aus dem Schwarzen Korps entnehmen wir wieder mit unverkennbarer Deutlichkeit Anweisungen f ü r den Partisanenkrieg, der Deutschland die Rettung bringen soll (und den zu führen wir ja überhaupt den Krieg begonnen haben). Die Frivolität, mit der man da Deutschland und dem deutschen Volke den Selbstmord nahelegt, wird nur noch durch die namenlose Dummheit, die der Artikelschreiber verrät, übertroffen. Nach Wien zurückgekehrt, hatte ich Gelegenheit, eine halbe Stunde den Berliner kroatischen Gesandten Kosak im Hotel Bristol zu sprechen. Er hat nicht die Absicht, so bald nach Agram zurückzukehren. Denn wenn ihn Kasche das letztemal noch gerettet hat, so wird er ihn nächstens doch genauso wie seine Freunde Lorkovic und Vokic fallenlassen. Übrigens meint Kosak nach wie vor, daß am Verhalten Kasches gegen Lorkovic die sehr simple Frau Kasche einen Hauptanteil hatte. Mit ihr habe in den letzten Monaten unentwegt die geschiedene Frau Lorkovic zusammengesteckt. Kosak erzählt, er habe Kasche beim Besuch des Poglavnik im Führerhauptquartier ganz deutlich gesagt, welch unerhörte Schuld gegenüber dem kroatischen Volk die 42
) Die Versetzung in die Führerreserve erfolgte mit Datum vom 25.9.1944.
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deutsche Diplomatie und ihr maßgeblicher Vertreter - eben Kasche - auf sich geladen habe. Als ich Kosak erzählte, daß der Poglavnik nach seiner Rückkehr aus dem Führerhauptquartier seine Stellung als um 300 Prozent gebessert bezeichnet habe (wie hoch ich doch im Kurse stand!), da meinte Kosak, seither habe sich alles ins Gegenteil verschoben. Vor allem hätten meine Berichte über die Persönlichkeit des kroatischen Staatsführers ihren Eindruck nicht verfehlt. Außerdem habe der Widerstand des Poglavnik gegen die Berufung eines SS-Führers an meine Stelle Himmler und seine Leute zum Weißglühen gebracht. SS-Obergruppenführer Berger, aus der Slowakei zurückberufen und nun mit der Organisation des „Volkssturmes" betraut (der „Volkssturm" soll die Partisanenorganisation werden), habe Kosak zugerufen: „Euer Poglavnik ist ein gewöhnlicher Gauner!" Womit er durchaus die Ansicht seines Gesprächspartners traf. Wenn das so weitergeht, wird man mich noch nach Kroatien zurückrufen. Berger glaubte übrigens bei diesem Gespräch, daß Ringel wirklich nach Agram kommen werde - im Gegensatz zu Keitel, der mir, wie schon bemerkt, die Angelegenheit als unentschieden bezeichnete. Inzwischen wird wahrscheinlich leider die Weltgeschichte das Endurteil auch über das hinterlistige Vorgehen des Pavelic gegen mich sprechen. Die Entscheidung scheint der russische Vorstoß gegen Ungarn zu bringen 43 ). In den letzten Tagen waren in Wien Gerüchte darüber verbreitet, daß die Regierung Lakatos von einem Pfeilkreuzlerkabinett Szälasi abgelöst werden soll. (Himmler sagte mir, als ich neulich bei ihm war: „Mit der Situation in Ungarn werden wir fertig, da haben wir schon ein Kabinett bereit.") Veesenmayer, Winkelmann und Höttl waren im Führerhauptquartier, Veesenmayer sollte aus dem Sattel gehoben werden, es scheint jedoch nicht geglückt zu sein, was Höttl in eine schiefe Lage brachte. Ich hielte das Experiment Szälasi für eine ganz unnötige Belastung. Unterdessen haben die Russen den Theißabschnitt abwärts von Szolnok gewonnen, sind 120 Kilometer südöstlich von Budapest entfernt und auch gegen Debreczin vorgestoßen. Kroatien scheinen sie links liegen zu lassen, sie überlassen es Tito. Heute (9. Oktober) ist der Befehl gekommen, östlich von Wien an der Grenze gegen Ungarn Schanzen aufzuwerfen (der Ödenburger Zipfel ist vorderhand auszulassen 44 )). Dagegen hört man nichts mehr von der Plattensee-Stellung, von der bei unserem vorletzten Besuch im Führerhauptquartier die Rede war. Gestern hielt Baidur von Schirach vor der HJ eine Rede mit bedeutungsvollen Andeutungen über die Zweite Türkenbelagerung und so weiter 45 ); heute sprach im Wehrkreiskommando ein Gauredner oder dergleichen 43
) Nach der Kapitulation Rumäniens am 12.9.1944 waren zwischen 13.9. und 16.9.1944 Arad und Temesvär wieder von dt. bzw. ung. Truppen zurückerobert worden. Am 26.9.1944 erreichten Einheiten der Roten Armee die Theiß bei Szegedin. Am 6.10.1944 begann die Offensive der Sowjet. 2. Ukrainischen Front gegen die 3. ung. Armee in die Ungarische Tiefebene zwischen Arad und Großwardein. Sie stieß bis zur mittleren und unteren Theiß vor. Nach der Aufgabe von Debreczin kam die Front Ende Oktober zum Stehen. **) Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 11.10.1944, 1: Diverse Aufrufe unter der Schlagzeile „Wir bauen den Südostwall". 4S ) Völkischer Beobachter, Wiener Ausgabe, 22.10.1944, 1: Schirach erklärte in einer Kundgebung am 21.10.1944 in Wien, vor dem ehem. Rriegsmin. u. a.: „Als einst das Türkenheer, von Belgrad kommend, sich gegen Wien wandte, da haben sich die Bürger dieser Stadt bewaffnet, Frauen und Mädchen trugen Munition und Lebensmittel in die Schanzen und pflegten die Verwundeten. Das Volksaufgebot von damals brach den
Abschied von Agram
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über den Partisanenkrieg und die Sehnsucht jedes männlichen D e u t s c h e n , sich, wenn es schon nicht anders geht, am Schlüsse erschießen zu lassen. M a n lebt in einem riesigen Irrenhaus. Für die K r o a t e n wird - im einzelnen soll dieses Kapitel noch geschrieben werden der Verlust Ungarns das Ende ihrer UstaSa-Staatlichkeit, wobei es ihnen um die Ustasa nicht leicht sein wird, weit mehr wegen der drohenden roten Gefahr, die allerdings neuestens gewisse Doktrinäre nicht gar so bedenklich betrachten wollen. D e n n unsere Verteidigungsstellung, wenn sie bezogen werden muß, wird auf die Murinsel zurückbiegen und von da nach Westen längs des Alpenrandes verlaufen. Damit wird die Lage eintreten, die Lorkovic und ich voll Verantwortungsgefühl miteinander erörterten. Statt mir zu danken, hat Pavelic aus diesen Gesprächen den Anlaß zu einem D o l c h s t o ß gegen mich abgeleitet, der allerdings dank meiner Geistesgegenwart danebenging, aber kennzeichnend ist für die schäbige, geradezu kroatienfeindliche Lumperei des „Staatsoberhauptes", die wir den unglücklichen Kroaten gaben, und für die Dummheit des Reichsvertreters, Siegfried Kasche, mit dem wir zu allem Ü b e r f l u ß das bei allen Fehlern von mir geliebte Kroatenvolk beschenkten. Inzwischen ist M e t z g e r noch einmal nach Zagreb zurückgekehrt, um dort an meiner Stelle Abschiedsbesuche zu machen. Ich selbst habe am 7. September meine Agramer „ B u r g " mit dem Gefühle verlassen, daß ich sie nicht Wiedersehen würde. D e r Abschied ist mir so unvergleichlich leichter geworden. M e t z g e r hat 40 und mehr Besuche gemacht und Hunderte von Karten abgegeben. D e n Poglavnik und Kasche ließen wir selbstverständlich links liegen. V o r einigen T a g e n war Requart, der SS-Leibfuchs Kasches, der auch der deutschen Gesandtschaft in Zagreb angehört, bei mir und hielt mit seiner Meinung über die Charaktereigenschaften seines Chefs nicht zurück. Einen T e i l seiner Mitteilungen habe ich in einem Briefe an J o d l niedergelegt, dessen Abschrift beiliegt. Andere Angaben dieses Briefes stammen von Metzger, die über die S S vom kroatischen Gesandten Kosak. Letzterer kam kürzlich mit dem SS-Obergruppenführer Berger in Berlin zusammen. E r hält meinen Verdacht, Berger und Pavelic hätten sich bei dem Besuch des ersteren irgendwie „gefunden", für verfehlt. Süddalmatien und die Herzegowina werden o f f e n b a r von unseren Truppen schon geräumt. Die 118. Infanteriedivision ist schon von der Küste abgezogen worden, ohne Evakuierung der Küstenstädte. Sie soll angeblich in den R a u m D o b o j - T u z l a , den Schauplatz meiner ersten historischen Arbeit, kommen. D e n Poglavnik lassen diese Dinge, wie es M e t z g e r scheint, völlig kalt. Dabei handelt es sich um seine engere Heimat. Meines Bleibens in Zagreb wäre wirklich nicht mehr gewesen. D e r Poglavnik hat sich nach meinem Abgang beeilt, auch die beiden berühmtesten Mörderterroristen sofort in Amt und Würden zu bringen: T o m i c und Ljuburic. Letzterer hat bereits bei meinem Stellvertreter, Generalleutnant Juppe, Besuch gemacht und natürlich tiefsten Eindruck zurückgelassen. Juppe ist noch naiver als mein Stabschef Selchow - und das A n s t u r m der J a n i t s c h a r e n . W i r w o l l e n h e u t e v o r den A h n e n dieses K a m p f e s nicht r o t w e r d e n , wir wollen uns ihrer würdig erweisen und uns s o b e h a u p t e n , d a ß auch die E n k e l unser in E h r e n g e d e n k e n k ö n n e n . "
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will manches sagen. Pavelic und Kasche können an beiden ihre Freude haben. Sie werden durch sie nicht gestört werden. Die Funktionen des Bevollmächtigten Generals sind außerordentlich zusammengeschrumpft. Operatives erfährt er überhaupt nicht mehr. Die Politik hat Kasche ganz an sich gerissen, worüber Juppe und Selchow nur froh sind. Für den Staatschef existiert der Bevollmächtigte General überhaupt kaum mehr. Auch durch die Anwesenheit des Feldmarschalls v. Weichs, der sich aus Belgrad nach Vukovar zurückgezogen hat, und des Armeekommandanten General Angelis im gleichen Räume (er sucht schon Quartier in Samobor) wäre selbst ohne mein „Drama" die Position des Bevollmächtigten Generals wesentlich in den Schatten gerückt worden. Bei der eigenartigen Lage, in der sich deutsche Generäle seit dem 20. Juli befinden, verlief die ganze Geschichte nicht gefahrlos. (Churchill sagte kürzlich bösartigerweise: „Wenn ein deutscher General nach Berlin gerufen wird, weiß er nie, ob zu einem Avancement oder um aufgehängt zu werden.") Aber wie sie schließlich ausging, kann ich nur froh sein, so glimpflich aus Zagreb weggekommen zu sein. Es war gerade der richtige Augenblick, und niemand wird mir nachsagen können, ich hätte nicht Linie gehalten, sondern wäre, wie so viele in ähnlicher Lage, ein Popanz gewesen. Meine engere österreichische Gemeinde, die ich auf meiner Zagreber Dienststelle um mich gesammelt hatte, trauert begreiflicherweise um mich. Ich besorge, daß sie auch gewissen Anfeindungen aus dem preußischen Lager ausgesetzt ist, das sich rund um meinen Chef Selchow zweifellos gebildet hat. Ich werde trachten, den braven Leuten noch zu helfen. Privat hätte ich sehr gern noch die Herbstwochen seit dem 7. September in meinem wunderbaren Tuskulum auf dem TuSkanac verbracht; die schönen Sonntagvormittage, bei denen ein fast südlich blauer Äther das Geläut der Glocken aus dem Tal heraufträgt; die schönen Abende auf dem Balkon, da der Blick immer wieder entzückt die Baumkronen des dunklen Waldes streifte, hinter dem man Zagreb ahnte - indes meine Bosniakin Anica mir mit echt südslawischem Erzählertalent Geschichten aus ihrer traurigen und armseligen Kinderzeit berichtete; die netten Stunden mit Menschen, die dem alten Österreicher doch innerlich noch weit näherstehen als die aus dem Norden und die ich auch oft in meinem ganz vorzüglich geführten Haushalt begrüßen konnte. All dies ist nun wie ein Traum versunken, der wohl jedenfalls in kürzester Zeit hätte ausgeträumt werden müssen, den ich aber doch nicht missen möchte. Er hat mich das Hereinbrechen des Alters nicht fühlen lassen, sondern leichtgemacht. Er war inhaltsreich und trotz allen Enttäuschungen ein harmonischer Abschluß . . .
XXV. „ABSCHIED VOM LEBEN?" Geschrieben Wien, 22. September 1944 Es ist nicht ausgeschlossen, daß ich - den nötigen M u t und die nötige Verzweiflung vorausgesetzt - freiwillig aus dem Leben scheide. Ich täte dies nur unter dem äußersten Zwang - schon aus religiösen Gründen. Und möchte mich daher über den Gegenstand im folgenden kurz auslassen. Das eine ist für mich gewiß - und war es nur nach dem Frankreichfeldzug durch einige Wochen nicht - , daß der Krieg für Deutschland und Österreich mit einer furchtbaren Katastrophe enden wird. Ich sagte zu Taras und Kramsall zu Beginn des entsetzlichen Ringens: „Merken Sie sich, dieser Krieg ist das größte Verbrechen an der Menschheit!" Und ich sagte zu Beginn meiner Agramer Zeit zu meiner Haushälterin Anica: „Liebe Anica, es gab im Mittelalter ein Sprichwort ,Qui mange du pape en meurt'. Das heißt, wer vom Papste ißt, stirbt daran. Ich habe vom Papste gegessen, er heißt Adolf Hitler." Als im Jahre 1918 mein armes altes Osterreich zum Unglück der ganzen Welt zusammenbrach und das kleine neue als Strandgut eines großen Schiffbruches an die Küste geworfen wurde, da traf mich alles tief ins Herz. Aber ich war 36 Jahre alt und ging frisch und munter, mit festem Boden unter den Füßen, an den Aufbau eines neuen Berufes. Jetzt bin ich 63, und die Katastrophe wird f ü r alle Menschen unendlich furchtbarer sein als 1918, zumal f ü r die Besiegten. Ich bin zu alt und zu müde, mit einem solch schweren Leben, wie es droht, noch einmal den Kampf aufzunehmen. Dennoch würde ich es versuchen, wenn mein Schicksal nur das der Allgemeinheit wäre und nicht ein besonderes. Erstens werde ich voraussichtlich von dem künftigen Jugoslawien auf die Liste der „Kriegsverbrecher" gesetzt sein. Dr. Oeri hat neulich sehr gute Worte zu diesem Thema gesagt. Er verwies vor allem auf das Beispiel von 1815, als man sich darauf geeinigt hatte, einen einzigen, Napoleon, als Kriegsverbrecher zu brandmarken und damit alle anderen von Schuld freisprach. Nun ist freilich nicht zu leugnen, daß in diesem Kriege furchtbare, unendlich über Kriegsnotwendigkeiten hinausgehende Verbrechen begangen wurden. Aber Oeri hat des weiteren recht, wenn er beklagt, daß nur die geschlagenen Kriegsverbrecher vor Gericht gezogen werden sollen, während ihre siegreichen Kameraden lorbeergeschmückt durch die Weltgeschichte stolzieren. Und hier muß man vor allem der Terrorangriffe aus der Luft gedenken. Gewiß: angefangen haben wir dank dem bodenlosen Übermut Hermanns, und es wäre verständlich gewesen, wenn sich der Feind, als er stark genug war, zwei-, drei-, viermal gerächt hätte. Aber das Ausmaß der Terrorangriffe überschritt und
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.Abschied vom Leben?"
überschreitet alles erlaubte und denkbare Maß, und diese Angriffe sind, etwa selbst im Vergleich zu den Geiselerschießungen, die ich immer bekämpft habe, die aber doch ein defensives Element, ein Element der Abwehr, in sich tragen, planmäßiger Mord an Unschuldigen, wobei es lediglich die Frage sein könnte, was „edler" ist, schuldlose Menschen aus der Horizontalen oder aus der Vertikalen umzubringen. Dazu kommt, daß sich selbst Gegner wie die Titopartisanen das Recht herausnehmen, jemanden zum „Kriegsverbrecher" zu stempeln, Gegner, die an ihren eigenen Landsleuten und an den deutschen Soldaten, an Zivil und Militär so namenlose Morde und Grausamkeiten verübt haben! Dennoch: ich bin sehr wahrscheinlich „Kriegsverbrecher". Niemand in Agram kann es glauben. Auch der Erzbischof hat in einem Briefe an den damaligen Kardinalstaatssekretär Maglione auf das Unrecht hingewiesen, welches mir durch ein solches Verdikt widerfährt, und ebenso sind in der Schweiz verschiedene Kräfte, darunter wohl der Agramer Generalkonsul Köstli und der große, in Lausanne lebende Bildhauer MeStrovic, am Werk, mich von diesem Makel freizumachen. Wenn ich für den Fall, daß ich trotzdem auf der Liste bleibe, vor einem europäischen Gerichtshof Rede und Antwort zu stehen hätte, würde ich es mit Vergnügen tun. Denn ich habe nicht nur keine Kriegsverbrechen begangen, sondern meine Hauptaufgabe in Kroatien darin gesehen, gegen den Bürgerkrieg zu arbeiten und seine Härten möglichst zu mildern. Ich habe, mit Ausnahme von ein paar Monaten, nie ein Kommando geführt, sondern war stets nur ehrlicher Makler zwischen der deutschen Wehrmacht und der soidisant kroatischen Regierung. Daß ich auf die Liste der „Kriegsverbrecher" kam, beruht offenbar auf der Vorstellung, ich hätte das deutsche Oberkommando in Kroatien geführt, maßgeblich gewiß auf Verwechslungen mit dem seinerzeitigen „Befehlshaber der Deutschen Truppen in Kroatien", General der Infanterie Lüters, der, persönlich ein anständiger Kerl, doch schon dank der ihm unterstellten SS-Division Prinz Eugen manches „Kriegsverbrechen" auf sich nehmen mußte und auch den blöden Fahndebrief auf Tito anonym unterschrieb. Dabei habe ich nicht nur in 1 000 Einzelfällen zu helfen versucht und auch geholfen, und zwar ohne Ansehen der Person, der Nation und der Religion; unter meinen „Klienten" befanden sich orthodoxe Schuldiener, ukrainische Studenten, serbische Bauern, kroatische Schneider und dergleichen mehr. Manch einer hat nur dank meiner Intervention noch seine Seele im Leibe, darüber gibt es in Agram unzählige Zeugen. Ich habe aber auch im großen nicht Tausenden, nein Zehntausenden von Menschen das Leben gerettet und verweise hiefür zum Beispiel auf meine Aufzeichnungen über den Beginn des Jahres 1943 (Aktionen „Weiß" I und II) sowie auf meinen letzten „Erfolg" in Kroatien: die Verhinderung der von den deutschen Kommandos geplanten Evakuierung der Küstenstädte, die nicht bloß diese, sondern auch ihre Bewohner zum großen Teil vernichtet hätte. Ich habe im Jahre 1944 einige Todesurteile unterzeichnen müssen, Major Metzger weiß, wie schwer es mir in jedem Einzelfalle geworden ist. Aber sie waren durchwegs - es sind drei bis vier - streng nach Gesetz und Recht, und zwar nach der Friedensgesetzgebung, gefällt. Mir wurden, wenn ich nicht irre, zu Anfang 1944, vom vorgesetzten Militärbefehlshaber Südost, General der Infanterie Felber, Belgrad, die „gerichtsherrlichen Funktionen" gegenüber jenen kroatischen
Als „Kriegsverbrecher" gebrandmarkt
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Staatsbürgern übertragen, die feindseliger Handlungen gegen die deutsche Wehrmacht bezichtigt waren. Wie gesagt, ich würde einem europäischen Gerichtshof mit Freude Rede und Antwort stehen. N u n aber vor einem asiatischen Gericht, mißhandelt von böswilligen Schergen, die Meister im Massakrieren sind, Subjekt für einen Schauprozeß zu sein? Sich auf solches einzulassen, ist zuviel verlangt. Das kann kein gnädiger Gott verlangen. Gegenüber dem „Kriegsverbrechertum" fiele die zweite Anklage, die mir droht, die Anklage, im Jahre 1938 Osterreich „verraten" zu haben, wohl unters Maß. Auch über diesen Gegenstand enthalten meine Aufzeichnungen ein eigenes Kapitel, das meine Rolle genau darstellt. Im übrigen gehörten, wenn ich wegen des Anschlusses auf die Anklagebank zu kommen hätte, auch Daladier und der verstorbene Chamberlain dahin, die nicht nur Osterreich, sondern auch die Tschechoslowakei dem Moloch Hitler leichten Herzens opferten - allerdings deshalb, um der Welt einen neuen Krieg zu ersparen, den sie dann doch auf sich nehmen mußten. Für die einzelnen Österreicher gibt es überhaupt keinen objektiven Dolus, denn bei der Mattigkeit der Westmächte in der politischen und wirtschaftlichen Unterstützung Österreichs (seit 1919) wäre kein einzelner Österreicher in der Lage gewesen, das spätere Schicksal vom Lande fernzuhalten, und es war ebenso gegenstandslos, ob Hitler mehr oder weniger Anhänger im Lande hatte. Er hätte sich das Land auch ohne solche erobert, dank der Gleichgültigkeit der Westmächte und dem Verrate Mussolinis. Uber alle diese Dinge vor einem Gerichtshof zu sprechen, wäre ein reines Vergnügen und f ü r viele Interessierte ein Beitrag zur Zeitgeschichte. Aber auch da könnten die Begleitumstände ( H a f t et cetera) viele Qualen mit sich bringen. Manche Freunde raten mir zu rechtzeitiger Flucht, eventuell sogar in die Schweiz. Gegen letzteren Plan spräche neben anderem schon das „Kriegsverbrechertum"; es wäre sehr leicht möglich, daß man ausgeliefert würde. Um mich im eigenen Lande zu verbergen, bin ich, abgesehen davon, daß ich nicht wüßte wo, schon zu alt. (Wirklich gerührt hat es mich immer, wenn in den letzten Wochen vor meinem Abgehen in Agram immer wieder wohlhabende und auch ganz arme Leute mir immer wieder einen Unterschlupf bei ihnen für die Stunde der N o t antrugen. Einmal konnte ich meine Tränen nicht zurückhalten.) Machte ich nach alldem nicht rechtzeitig selbst Schluß, dann müßte ich mindestens durch viele Wochen das Leben eines gehetzten Wildes führen, das jede Stunde T a g und Nacht fürchten müßte, von böswilligen Schergen aufgegriffen zu werden. Hoffentlich finde ich die Kraft, mich selbst vor einem solchen traurigen Schicksal zu bewahren. Gott, der unendlich Ferne und nach menschlichen Begriffen nicht zu Erfassende, möge mir gnädig sein. Und schütze Österreich!
XXVI. UNTÄTIG IN WIEN - NACHRICHTEN AUS KROATIEN UND UNGARN Ende Oktober 1944 Seit dem 7. September treibe ich mich, abgesehen von den schon geschilderten Besuchen im Führerhauptquartier und in Belgrad, im Hinterland herum. Meine erste Absicht war, nach Gastein zur Kur zu gehen oder sonstwohin. Aber die Luftalarme in Wien ließen es mir irgendwie wie eine Flucht erscheinen und auch die Sorge, daß mir jemand in die Wohnung gelegt würde, wenn ich abwesend wäre, läßt mich vor einer Abreise zurückschrecken. Einmal, am 12. Oktober, hätte ich mit Freunden im Auto - so etwas gibt's noch immer - nach Budapest fahren sollen. Ich tat es im Hinblick auf die politischen Verwicklungen in Ungarn und meine persönlichen Beziehungen zur bisher herrschenden Schichte nicht. Inzwischen ist die Regierung Szälasi (Pfeilkreuzler!) ausgerufen worden 1 ). Horthy hat am Sonntag, den 15., nachmittags mit Radio ein Waffenstillstandsangebot in die Lüfte gesandt. Es war einerseits ganz schön begründet: Der Reichsverweser wolle seinem Volke in einem aussichtslosen Kampfe weitere Opfer ersparen. Den Bruch des Bündnisses begründete er mit dem Ausbleiben versprochener bundesgenössischer Hilfe, welch letzteres teilweise zutraf, denn wo nichts ist, hat auch im Dritten Reich der Kaiser sein Recht verloren. Sophistisch war alles, was Horthy über den ungarischen Länderraum 1938 bis 1941 sagte. Es ist wahr, er hat sich sehr gezogen, als wir im August 1938 auf der Patria waren 2 ), und hätte auch sonst lieber die verschiedenen Sächelchen ohne Kriegsrisiko eingesteckt. Aber noch lieber, als zu verzichten, hat er doch das Schwert gezogen. Und nun kam er an diesem um. Dabei möchte ich nebenher verzeichnen, mit welcher Inbrunst er im Frühjahr 1941 bei meinem letzten Ungarnaufenthalt vor der jugoslawischen Krisis die Auseinandersetzung mit Rußland herbeigesehnt hat - ebenso wie es Zar Ferdinand der Alte und Gantscheff einige Wochen zuvor taten. Ich wußte, als ich bei Horthy war, schon von unseren Absichten und teilte sie ihm unter Ehrenwort mit. Kurz nach dem Aufruf Horthys brachte der Budapester Rundfunk einen zweiten, der vom Generalstabschef Vörös 3 ) stammte und beiläufig besagte, ein Waffenstill') Vgl. Gosztony, Hitlers fremde Heere, 428 ff. Ebdt., 496 weitere Literatur. ) Siehe Glaise-Memoiren, 2. Bd., 313. 3 ) Jänos Vörös (Csabrendek, 21.3.1891 bis 23.7.1968, Balatonfüred), 1.9.1911 aus der Artkadettenschule Traiskirchen als Fhr. zu FAR 11, 1912 zur 2. H.Art.Abt., 1.9.1913 Lt., 1.5.1915 Oblt., im Weltkrieg meist Dienst in der 38. H I D als zugeteilter Glstbsoffz., 1.9.1920 Hptrn., 1920/21 ung. Kriegsschule, 1921 bis 1927 bei der gemischten Brig, in Szombathelyi, sodann bis 1940 Lehrer an der Kriegsschule bzw. in der 7. Abt. d. 2
Bombenangriffe auf Wien und Salzburg
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standsangebot bedeute noch nicht den Waffenstillstand selbst, es müsse im Gegenteil weitergekämpft werden. Also schon ein Desaveu des Reichsverwesers. Am Abend erfolgte dann die Bildung der Regierung Szälasi - offenbar schon unter der Patronanz des Veesenmayer vorgesetzten deutschen Obergesandten Rahn, der zugleich Botschafter bei dem übrigens auf der Flucht nach Zürs gemeldeten Duce sein soll. D i e Einzelheiten weiß ich noch nicht. Sicher ist, daß Horthy abgesetzt wurde oder vielmehr - freiwillig - verzichtet hat und sich in Wien befindet, dem Rendezvous sämtlicher abgetakelter oder auf der Flucht befindlicher Bundesgenossen. Allerdings berichten Leute, die es wissen müssen, Horthy sitze im Hotel Metropol, w o Schuschnigg manches Monat verbracht hat. Der U m s c h w u n g in Ungarn hat uns in Österreich, zumal in Wien, hinsichtlich der unmittelbaren Kriegsgefahr eine Atempause geschaffen, die vielleicht wegen der Moskauer Konferenzen (Zusammenkunft Churchill-Stalin) 4 ) wertvoll werden könnte. In Ungarn sollen starke Kräfte mit uns gehen. Wie lange noch? Wer die Panikempfänglichkeit der Ungarn kennt, macht sich seine Gedanken. Besondere Freude soll dem neuen Regime, von dem ich nur den Kriegswirtschaftsminister Generalmajor v. Hellepront, den Schwieger- und Adoptivsohn des alten Hellepront, kenne, und seinen Anhängern das Umbringen der Juden machen. Die reichen Juden werden angeblich auf die Donaubrücken geführt und dort nach Genickschuß in den Strom geworfen. W o bleiben die Grundsätze Veesenmayers? Das Leben im Hinterland bei uns ist doch Zagreb. In letzterem ist es nach allgemeinen friedlich. In meine Villa auf dem Tuskanac Fliegerführer auf dem Balkan, ein. Wie beneide
unvergleichlich unangenehmer als in Mitteilungen noch immer unberührt zieht mein alter Kamerad Waber 5 ), ich ihn! Anica bleibt und soll sich, wie
Honvedgenstabes, 1.5.1938 Obst. i.G., X / 1 9 4 0 Kmdt. d. 2.mot.Brig., 1.5.1941 G e n . M j r . , IX/1941 bis XII/1942 Chef d. Operationsabt. d. Honvedgenstabes, 1.2.1943 FML, X / 1 9 4 3 bis IV/1944 Kmdt. d. II. Korps in Szekesvehervär, 19.4.1944 Chef d. Honvedgeneralstabes, 26.4.1944 Gen. Obst., 17.10.1944 in Balatonfiired interniert, 31.10.1944 meldet er sich bei Sowjet. T r u p p e n , 22.12.1944 bis 15.11.1945 Honvedminister in der provis. Regierung in Debreczin, 1.9.1946 pensioniert, 1948 oder 1949 verhaftet u. als angeblicher amerik. Spion zu lebenslanger H a f t verurteilt, 1956 in Freiheit. 4 ) Konferenz zwischen Churchill und Stalin in Moskau, 9.10. bis 20.10.1944, in der Einflußzonen in Südosteuropa festgelegt wurden. 5 ) Bernhard Waber (Kremsier, 20.5.1884 bis 6.2.1945, hingerichtet in Berlin-Spandau), 18.8.1907 aus der Milak, als Lt. zu IR 13, X / 1 9 1 2 bis VIII/1914 Frequentant der Kriegsschule, Genstabsdienstleistung im 1. Weltkrieg, I X / 1 9 1 4 bis I X / 1 9 1 6 bei diversen Infanteriebrigaden, 1.7.1915 H p t m . zuget. d. Glstb., IX/1916 bis III/1918 in der Quartiermeisterabt. bzw. Generalstabsabt. 3. A r m e e k o m m a n d o , III/1918 bis XI/1918 im Armeekmdo. Ost, X I bis X I I / 1 9 1 8 Offiziersburgwache, ab X I I / 1 9 1 8 in der Amtsleitung d. Staatsamtes f. Heerwesen, 1.7.1920 Mjr., 1.9.1921 definitiv eingeteilt beim Brigadekmdo. 2, 1.6.1924 Obstlt., 21.2.1930 Obst., 1.8.1930 Leiter der Heeresverwaltungsstelle Wien, Mitglied der N S D A P seit 23.5.1932, 1. 8.1933 beurlaubt mit Wartegebühr, 1.12.1934 wieder einberufen zur Dienstleistung im BM f. Lv./Abt. 1, 1.12.1935 versetzt zur Mobabteilung (als es zur Kenntnis des Staatssekretärs kam, daß Waber Mitglied der N S D A P sei), 22.6.1936 G e n . M j r . , 30.11.1936 dauernder Ruhestand, 1.3.1938 wieder eingestellt, mit 1.6.1938 in den Befehlsbereich des O B d. L u f t w a f f e übernommen, 1.5.1939 Kdi.Gen. u. Befehlshaber Luftgau VIII, 1.9.1940 Gen.Lt., 23.10.1941 Luftgau Kiew, 1.3.1942 Gen. d. Flieger, 19.7.1943 Luftgau X X X , 1944 Kdi.Gen. d. Dt. Luftw. im Nordbalkan, X I / 1 9 4 4 bis 6.2.1945 in Festungshaft; lt. Reichsmarschall-Befehl Nr. 11 v. 16.1.1945 „wegen Zersetzung der W e h r k r a f t " zum T o d e verurteilt.
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Untätig in Wien - Nachrichten aus Kroatien und Ungarn
Hofbauer erzählte, ins Zimmer der Marica zurückziehen müssen. So vornehm und behaglich wie unter mir wird es nicht mehr sein. In Agram Mangel an Kohle und Elektrizität. Die Verbindung Zagrebs mit der Welt ist allerdings schon trostlos. Telegraph und Telephon gehen seit langem nicht. Die Verbindung Rann-Cilli ist fast ununterbrochen an χ Stellen durch Partisanen zerstört. Neuestens bildet die Marburger Bahnbrücke auch den steten Angriffspunkt von feindlichen Fliegern. Vor einigen Tagen brachten Teufelhardt und Hofbauer meine in Zagreb zurückgebliebene Habe, liebevoll von Anica verpackt, nach Wien. Aber drei Stücke gingen verloren, darunter ein ziemlich großer Koffer mit manchen wertvollen Sachen. Der Zug, der das Gepäck brachte, mußte über die Kleinbahn 6 ) nach Pettau ausweichen. Dabei fuhr er an einer Kehre zu geschwind und entgleiste, wobei der Waggon mit Hofbauer und Teufelhardt in den vor ihnen fahrenden Güterwagen hineingepreßt wurden. Ein Dutzend Soldaten waren tot, noch mehr verwundet. Auch meine beiden Leute hatten Verletzungen, allerdings unbedeutender Art, erlitten. Metzgers zwei Kisten waren nicht mehr aufzufinden, worüber er natürlich grollt . . . An meinen kleinen Haushalt in Wien hätte ich mich schon wieder halbwegs gewöhnt. Gusti heizt mein Schreibzimmer, wo ich auch esse und Freunde zum Kaffee empfange. Aber die Begleitumstände sind recht unangenehm. Zweimal gab es schwere Terrorangriffe, die sich besonders Meidling aufs Korn nehmen. Man fühlte sich dem Schicksal schon recht unheimlich nahe. Längere Zeit war man von Telephon und Gas, auch vom Verkehr abgeschnitten. Die Zerstörungen in meiner Nähe sind teilweise erheblich. Auch Tote gibt es viele. Zugleich kam die Nachricht von einem Terrorangriff auf Salzburg mit dem Ungeheuerlichen, daß der Ostteil der wunderbaren Domkuppel getroffen und gegen den Hauptaltar herabgesunken sei7). Irgendwie sehe ich in dieser mich tief treffenden Katastrophe ein Abbild meiner eigenen Hoffnungslosigkeit. Ich werde nun nie mehr ein Pontifikalamt in der herrlichen Apsis Solaris erleben! Bezeichnenderweise hieß es in dem Wehrmachtsbericht nur, daß ein Terrorangriff auf Salzburg stattgefunden habe. Dafür wurde einige Tage später ausführlich über einen gleichen Angriff auf Bonn berichtet, wobei auch der zerstörten Universität gedacht ward, der Heimat der in aller Welt so unbeliebten Bonner Borussen et cetera. Welchen Eindruck hätte demgegenüber in der ganzen Welt die Kunde von der Zerstörung des Salzburger Domes gemacht, den auch in Amerika jedermann kennt! Nicht zuletzt dank der Festspiele des wieder verhafteten Rehrl. Vor etwa einer Woche (ich schreibe heute den 21.) wurde der Aufruf zur Verschanzung an der bedrohten Grenze östlich von Wien erlassen. Als wir im Führerhauptquartier waren, sprach man uns von einer Verteidigungslinie, die über den Bakonyer Wald und am Nordufer des Plattensees bis Pettau und von da eventuell nach den Karawanken verlaufen werde. Man scheint auf diese verzichtet zu haben und schanzt in den Weißen und Kleinen Karpaten, westlich von Preßburg, westlich des Neusiedler Sees und dann in der Richtung Pettau. Jury und Baidur erließen 6 7
) Gemeint ist eine Nebenbahn. ) Luftangriff auf Salzburg am 16.10.1944.
Pläne der Alliierten für Österreich
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Aufrufe, ersterer war aufrichtiger, letzterer geschickter. Bei Schicht in Atzgersdorf haben sie 130 Mann zur Arbeit ausheben wollen, Werner hat ihnen 60 abgehandelt. Seither hört man wenig. Die Bauern in „Niederdonau" sollen recht widerwillig sein, da es ihnen nicht paßt, Haus und Hof ganz alleinzulassen - nur mit den ausländischen Arbeitern. Die Wiener verstehen natürlich zu gut, daß das Schanzen vor den Toren ihrer Stadt deren lebensgefährliche Bedrohung bedeutet. Sie sind sehr traurig und werden auch durch die vielfachen Erinnerungen an die Türkenbelagerungen in Zeitungen und R u n d f u n k nicht erheitert. Aber irgendeine Reaktion ist nicht bemerkbar, weil unmöglich. Ich leide schwer unter dem Wahnsinn der ganzen Situation. Wahnsinnig sind wir und wahnsinnig ist der Feind! Das ist wohl die traurige Wahrheit über den Zustand der Menschheit von heute. Aber einer von den beiden Wahnsinnigen müßte der Gescheitere sein. Wir sind es bestimmt nicht. Denn sonst müßten wir erkennen, daß wir dem Schicksal, in das wir uns im Herbst 1939 gestürzt haben, nicht entrinnen können. Die Überlegenheit der Feinde in der Luft und zur See und in der Wirtschaft ist viel zu groß und eine Besserung nur mit Wundern möglich, an die nicht zu glauben uns gerade der Nationalsozialismus in seiner materialistischen Zeit befohlen hat und die nicht kommen werden. Wohl wird noch immer von neuen Waffen gefaselt, die den großen Umschwung bringen sollen: von Rapidjägern, die die Luft wenigstens abschnittsweise ausputzen, und eigenartigen, aus der Luft wirksamen Kräften, durch die auf weiten Strecken Lebewesen auf geraume Zeit betäubt werden, so daß man über sie hinwegschreiten kann, hinwegschreiten zum „Sieg um jeden Preis". Sogar Metzger hat, als er kürzlich von Zagreb kam, einen leichten Köhlerglauben an diese großen Dinge verraten. Kämen sie selbst, so würden sie von der anderen Seite mit dem Gaskrieg beantwortet werden, eine nicht auszudenkende Folgerung . . . Nicht anders steht es mit der auch von besonnenen Leuten genährten H o f f n u n g auf ein Auseinanderbrechen der feindlichen Koalition. Bestimmt schaut es in dieser Allianz nicht gut aus, die vielfache Kriegsproblematik stößt sich zu stark im Räume. Auch wird es dieser unglücklichen Welt kaum erspart bleiben, daß diese Gegensätze einmal nach der Besiegung Deutschlands und Japans zu einer neuen tiefen W u n d e aufbrechen werde. Aber dies während des jetzigen Krieges bei der Abhängigkeit Englands und Amerikas von Rußland wegen des Fernen Ostens zu erhoffen, wäre Selbstbetrug, dem man nicht verfallen darf, so angenehm es erscheinen mag. Ja nicht einmal das darf man hoffen: daß der mit völliger Besetzung verbundene Waffenstillstand durch Zwistigkeiten im Feindeslager eine Erleichterung erfahren werde. Recht wird im allgemeinen der behalten, der mehr und Härteres von uns verlangt. Einen Vorgeschmack bekamen wir vor ein paar Tagen. Es wurden die Grundsätze verlautbart 8 ), unter denen die Alliierte Militärverwaltung die besetzten Gebiete Deutschlands in ihre Zucht nehmen will. Sie sind bestimmt nicht so hart wie die 8 ) Die Besatzungszonen wurden von der European Advisory Commission zuletzt nach einem am 15.1.1944 vorgelegten britischen Plan abgegrenzt und im Juli 1944 gebilligt. Abänderungen erfolgten im September 1944 zwischen geplanten britischen und amerikanischen Zonen und im Februar 1945, als aus den westlichen Zonen ein französischer Sektor entnommen wurde. Abkommen über die Grenzen der Besatzungs-Zonen wurden am 12.9.1944 (Konferenz v. Quebec) und am 14.11.1944 abgeschlossen.
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Untätig in Wien - Nachrichten aus Kroatien und Ungarn
Unsrigen bei der Besetzung Polens und der Ukraine, unsere Gazetten haben gar kein Recht zur Aufregung. Aber sie sind hart. Dagegen verlautet über das, was mit Deutschland und Osterreich bei der endgültigen Regelung der Verhältnisse geschehen soll, so gut wie nichts. Wir hoffen, daß bei der eben gehaltenen Moskauer Besprechung doch wenigstens Wien vor einer Besetzung durch die Russen bewahrt wird. Grotesk klingt es, wenn man sagt, daß der Widerstand Kesselrings für Österreich ein Unglück ist. Aber es ist doch so, weil er die immerhin noch genießbareren Engländer und Amerikaner fernhält und den Russen die Möglichkeit rascheren Eindringens in unser schönes Land gibt. Aber ich schweife von der Kardinalfrage ab. Also der Krieg ist für uns verloren, und auch die Waffenstillstandsbedingungen können höchstens härter, bestimmt aber nicht milder werden. Hat es da einen Sinn, der Nation immer neue Opfer auszulasten, Hunderttausende von Menschen mehr zu opfern, unzählige Kulturstätten und Wohnhäuser der unrettbar überlegenen feindlichen Luftwaffe preiszugeben und dem wirklichen, bodenständigen Bolschewismus jede Möglichkeit zu schaffen? Jeder Tag länger Krieg ist - ohne jede Aussicht auf andere Entwicklungen - physischer und moralischer Kapitalverlust schwerster Art für uns. Wir stehen - nicht erst seit heute vor dem Entscheid: Ende mit Schrecken oder Schrecken ohne Ende. (Ich habe in diesem Kriege, wie sich nachweisen läßt, in drei größeren Punkten in meiner Voraussicht geirrt. Erstens wähnte ich nach dem Einbruch in Holland und Belgien, es würde sich bei Brüssel eine Dauerstellung ergeben [Mai 1940]. Das bedeutete eine weitgehende Überschätzung des damaligen Feindes. Zweitens hielt ich es nach der Niederwerfung Frankreichs, Sommer 1940, einige Wochen lang nicht für völlig ausgeschlossen, daß wir doch noch glimpflich aus dem Kriege herauskommen könnten. Voraussetzung hierfür schien mir eine kluge Politik gegenüber Frankreich zu sein, an der es in der Folge jedoch gebrach. Drittens wähnte ich, daß die Russen militärisch zu überwältigen wären; dennoch sah ich in der Weite des russischen Raumes die größte Gefahr für die Fortführung und Beendigung des Krieges.) „Oben" verschließt man sich offenbar völlig solchen Gedanken. Die Gründe liegen dunkel. Haben sie ihre Wurzel in der Romantik, die seltsamerweise immer wieder aus dem nationalsozialistischen Materialismus hervorschaut, besonders etwa im Denken Himmlers, aber auch Hitlers? Oder ist es das Streben, sein eigenes Dasein so lang als möglich zu erhalten und sich lieber unter den Trümmern des deutschen Vaterhauses begraben zu lassen, als dieses um den Preis der eigenen Person wenigstens notdürftigst zu retten? Oder ist es glatter Wahnsinn? Diese Fragen stellen sich einem täglich und stündlich seit vielen Monaten und stellten sich kürzlich wieder besonders entsetzlich, als - ausgerechnet am Jahrestag der Schlacht bei Leipzig - Hitler und Himmler mit den ersten Aufrufen zur Gründung des „Volkssturmes" hervortraten. Hitler, der der Öffentlichkeit gegenüber überhaupt die Sprache verloren hat, tat es in Form einer schriftlichen Proklamation ohne Aufschrift. Gleich der erste Satz enthält einen schweren Faux-pas gegenüber Kroatien, der Slowakei und dem eben gebändigten Ungarn. Denn er lautet:
Selbstkritik
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„Nach fünfjährigem schwerstem Kampf steht infolge (!) des Versagens aller unserer europäischen Verbündeten der Feind an einigen (!) Fronten in der Nähe oder an den deutschen Grenzen." (Auch dieses „Nähe oder an . . ." ist nicht deutsch.) Außerdem ist es ungerecht, immer den anderen Verrat in die Schuhe zu schieben, indes doch wir sie durch unsere schlechte Politik und Kriegführung reichlich verraten haben. M a n könnte höchstens sagen, jene Verbündeten seien auf dem Wege liegen geblieben, der von Stalingrad nach Budapest führte. Der zweite Absatz mit seinem Vergleich zwischen der Lage Deutschlands im Herbst 1939 und der jetzigen ist ein sacrificium intellectus, das ein Staatsführer nur dann von seinem Volke verlangen kann, wenn er es f ü r besonders dumm hält. Dazu der völlig unlogische Satz, daß es in jenem Herbst geglückt sei, „den Bestand des Reiches und damit Europas f ü r Jahre hindurch zu sichern . . ." Damals habe sich der „erste Großeinsatz" der deutschen Volkskraft geltend gemacht, jetzt werde es der zweite sein, und es gelte, „nicht nur den Vernichtungswillen der Feinde zu brechen, sondern sie wieder zurückzuwerfen und so lange vom Reiche abzuhalten (!), bis ein die Z u k u n f t Deutschlands, seiner (in der Einleitung abgeschriebenen) Verbündeten und damit Europas sichernder Friede gewährleistet" sei. Diese Kundgebung verrät bei aller sonst nicht üblichen Kürze einen bis in die tiefsten Tiefen aus dem Gleichgewicht gebrachten Autor, der wohl Adolf Hitler heißt. Etwas ausgeglichener, aber doch auch schwerer Widersprüche nicht entratend, ist die gleichzeitig verlautbarte Rede Himmlers vor den „ersten Volkssturmkompanien" 9 ). Anerkennung verdient, vorweg sei es gesagt, daß Himmler seine österreichische „Schwäche" auch in Ostpreußen nicht verleugnete, sondern die Schlacht bei Leipzig einen Sieg der Preußen und Österreicher nannte und auch von „Prinz Eugen, Friedrich dem Großen und vielen anderen" als den Vorbildern und Erziehern deutschen Heldentums sprach 10 ). Dagegen waren natürlich seine und alle anderen, seither täglich aufgewärmten Berufungen auf den Landsturm von 1813 völlig fehl am Orte, und noch unglücklicher war die Herausstellung der schlechten Behandlung der Volksdeutschen in Polen als Ursache f ü r diesen entsetzlichen Krieg. N u n müssen wir tage- und wochenlang Abwandlungen dieses Themas über uns ergehen lassen, wobei gewisse Wiener Blätter preußischer als die Uberpreußen sind, indes andere sich auch wieder auf die Türkenbelagerungen, auf Andreas H o f e r und den Kärntner Freiheitskampf 1919 beziehen. Alles ist grauenvoll, wenn man - zum entschiedenen Nachteil der gegenwärtigen Situation - die unerhörten Unterschiede klaffen sieht, die zwischen einst und jetzt bestehen und jedem logisch Denkenden offenkundig sind. Dieser Volkssturm Muster 1944 f ü h r t ausschließlich zu einer Verlängerung der allgemeinen Qualen und zu einer unendlichen Vermehrung der Opfer. Aachen, im Augenblick nur mehr ein entsetzlicher Trümmerhaufen, ist ein neuestes Beispiel f ü r den Wahnsinn, mit dem diese Blutorgie weiterbetrieben wird. ®) Vgl. den Text bei: K. Mammach, Der Volkssturm. Bestandteil des totalen Kriegseinsatzes der deutschen Bevölkerung 1944/45, Berlin 1981, 168 ff. I0 ) Vgl. ebdt., 39ff.
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Der 20. Oktober, der Tag des Falles von Aachen oder eigentlich des noch übriggebliebenen Trümmerhaufens, hat uns übrigens auch noch drei andere Städte gekostet: Debreczin, Belgrad und Ragusa. Von diesen Verlusten berührten mich die letzten zwei irgendwie persönlich. Wie lange ist es her, daß ich mit Metzger noch in Belgrad, in Dedinje, im Weißen Schloß, im Gästehaus des Oberbefehlshabers Südost, wo uns ein hübsches untersteirisches Mädchen die Honneurs machte, geweilt habe. Belgrad unterschied sich von Agram sehr, jenes war Osten, dieses Westen, worin in beiden Städten moderne Neubauten aus der jugoslawischen Zeit nichts änderten. Was wird die hübsche Foska Zivanovic machen als Verwandte von Cvetkovic, einem der deutschfreundlichen Minister, die im März 1941 gestürzt worden sind? Besteht nach den diversen Bombardements des Nordteils der Stadt, die auch der Feindsender als russische Taten meldet, der Wolkenkratzer noch, der - gleichfalls in der jugoslawischen Zeit - an die Stelle jenes schäbigen Kaffee Albanien trat, in welchem anno 1914 das Attentat gegen Franz Ferdinand ausgeheckt worden ist? Und Ragusa, das nun von Tito und seinen Getreuen „befreit" worden ist! Als man die Bewohner 1000 Jahre lang alleinließ, verstanden es diese biederen Levantiner, in diesem Wetterwinkel Europas jede feindliche Kriegshandlung von dem Boden ihrer wunderschönen Stadt fernzuhalten. Als Ragusa 1797 seine Selbständigkeit verlor, verschworen sich die Patrizier, keine Kinder mehr zu zeugen. Einige Familien haben diesen Schwur gehalten. Ich sah Ragusa im vergangenen Sommer auf einem Rückflug aus Saloniki das letztemal bei herrlichstem Sonnenschein aus der Luft. Anno 1910 war ich, auf einer Kriegsschulreise, zum erstenmal dort. Es war an einem Sonntag. Uns junge Leute haben besonders die schönen Frauen und Mädchen in höchste Begeisterung versetzt. Was werden nun Gracic11) und Peric dazu sagen, daß wir die Stadt den Kommunisten überlassen haben? Paveli6 sitzt sicherlich in orientalisch-fatalistischer Ruhe auf dem Rebro; ihm geht es nur um seine eigene Person. Mit der Räumung der Herzegowina haben wir auch das erträgnisreichste Bauxitgebiet Europas preisgegeben, das freilich für uns schon geraume Zeit bedeutungslos war, da es die Bahnzerstörungen durch die Partisanen nicht möglich machte, das Material von den vollen Halden abzutransportieren. Manches Bauxit ging nach Norwegen (!), wo wir uns eigene Verarbeitungsfabriken gebaut haben. Für das 1 000jährige Reich natürlich. Heute, den 21., habe ich einiges neues Authentisches über Ungarn und Kroatien erfahren. Weichs will nach Agram, Angelis nach Samobor. Lohr soll in Mitrovica (offenbar) eingelangt sein. Felber, der in der letzten Zeit die „Armeegruppe Serbien" befehligte, ist natürlich auch weg. Man hat ihm in der letzten Zeit noch an Stelle des braven Geitner in Oberst Varnbüler 12 ) einen reschen Generalstabschef gegeben. Die ") Wilhelm Erich Frh. Varnbüler v. u. zu Hemmingen (Ludwigsburg, 26.7.1884 bis 7.2.1963, Rietheim), 1.4.1944 Obst. i.G., im Genst. d. Heeres, VI/1944 l a Pz. AOK 2. Varnbüler war der Verfasser der Studie für das Unternehmen „Rösselsprung". I2 ) Dr. Gracic, Direktor des Hotels Esplanade, verheiratet mit einer Wienerin, Hertha Graiii. Er entstammte laut Glaise-Horstenau, ebenso wie Außenminister Peric, einem Ragusaner Patriziergeschlecht. Vgl. Glaise-Horstenaus Manuskript: Agram - das verlorene Paradies, masch. Übertragung aus der Kurzschrift, S. 32 (KA, B/67, Nr. 89).
Pfeilkreuzler an der Macht
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Sekretärin Selchows hat Metzger auf dem Semmering besucht und erzählte, daß die Dienststelle nahe daran sei, an Beschäftigungslosigkeit eines schönen Todes zu sterben. Es war dienstlich gerade der richtige Augenblick f ü r mich, Agram zu verlassen. Allerdings hätte ich mich doch besser behauptet. Ungarn soll in der Linie D u k l a - P a ß - B u d a p e s t - D o n a u bis Esseg gehalten, Budapest als Brückenkopf behauptet werden. Als ich meinem Besucher die Frage stellte, daß da die schöne Stadt wohl draufgehen werde, bejahte er dies ziemlich gleichgültig. Über die letzte Entwicklung erzählte er mir, Horthys Waffenstillstandsangebot sei das Ergebnis eines höchst eigenen Nervenzusammenbruches gewesen. Wie man Horthy zur Kapitulation gezwungen habe? Nicht mit „sehr schönen Mitteln". Man hat sich zuerst seines Sohnes Nikolaus auf listige Weise bemächtigt und mit diesem Druckmittel auch den alten Herrn zum kleinweis Beigeben genötigt. Dieser dankte ab und befindet sich zur Zeit in der Nähe von München in einem würdigen Exil. Qui mange du pape . . . Es hat ihm von Anbeginn nicht besonders gut geschmeckt, aber er aß doch vom Papste. Szälasi ist ein kompletter Narr, der bisher nur Ungelegenheiten bereitete. Gleich nach seiner Ernennung verkündete er urbi et orbi, daß ihm der Führer schon am 26. September die baldige Berufung zur Regierung in Aussicht gestellt habe. Er mußte wohl oder übel wieder dementieren, was ihm niemand glaubte. Die Budapester Reichsvertreter haben durchwegs Szälasi nicht wollen, sondern dachten an Bärdossy oder Imredy. Himmler war jedoch f ü r den Erstgenannten. Daher kam er. Inzwischen erhielt Werner Schicht von seinem Schwiegervater aus Güns einen Brief. Der 65jährige ist mit·der 60jährigen Gattin dort in einem Hotel als Flüchtling eingetroffen. Alle Straßen seien von Autos und Wägen aller Art voll gewesen, alles nach Westen strebend, ein „verkehrter Schwabenzug", wie der alte Herr witzig schrieb. Sehr viele Flüchtlinge, alle, alle, möchten nach Osterreich. Viele - darunter auch feine Damen - finden ihren Weg über die „grüne Grenze" - so eine Sekretärin Kurt Schichts aus Budapest, die mit den Drasches verwandt ist. Nach dem Grund ihrer Flucht befragt, äußerte sie sich, sie fürchte sich vor einer Schändung durch die Russen. Es ist alles furchtbar, dieses Unglück über einer ganzen Welt. Unter den „Trecks" befinden sich auch die deutschen Auswanderer aus Syrmien und dem Banat. Viele von ihnen erleiden nicht das erstemal dieses Schicksal. Im Frühjahr 1944 befahl auf einmal Brigadeführer Kammerhofer, Beauftragter des Reichsführers SS für Kroatien, den reichen deutschen Grundbesitzern in Slawonien, ihre zum Teil noch auf Maria Theresia zurückreichenden Besitzungen zu verlassen und sich in Syrmien anzusiedeln, da dieses ein Bestandteil des rund um Belgrad geplanten deutschen Pufferstaates und daher möglichst deutsch werden sollte. Wegen der Aufstandslage konnten natürlich die wenigsten der nach Syrmien Gelockten die ihnen zugewiesenen, ehemals serbischen Güter, deren frühere Besitzer meist ermordet worden waren, beziehen; sie wären sonst von den Partisanen umgebracht worden. Daher blieben sie in den größeren Ortschaften hängen, verarmt und heimatlos . . . N u n m e h r bricht auch das gesamte Siedelungswerk des Prinzen Eugen und seines treuen Schülers Mercy nach mehr als 200jährigem Bestände völlig
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zusammen. Gehört mit in die Geschichte des 1000jährigen Reiches, an dessen Sicherung wir kürzlich arbeiteten. In Zell am See wird für Kesselring Quartier gemacht. Das sind alles Dinge, die uns der letzte Krieg bedingungslos erspart hat. Mein Blick fällt auf das Conrad-Bild, das gegenüber meinem Schreibtisch hängt. Ich leiste manche Abbitte. 22. Oktober. Heute bin ich - nach weiß Gott wie langer Zeit - wieder in das 9-Uhr-Hochamt nach Hietzing gegangen. Die Wanderung durch den herbstlich wunderbaren Schönbrunner Park war ein schmerzlich-schönes Erlebnis, nur gestört durch das Geräusch der Sammelbüchsen, das dank dem totalen Kriegseinsatz in Hinkunft nur jeden dritten oder vierten Sonntag ertönen soll. Ich bin nun 31 Jahre in dieser Gegend, die mir zur zweiten Heimat geworden ist. Bei jedem Stein, den ich betrachte, werde ich von dem quälenden Gedanken verfolgt: Wie lange noch wird diese Herrlichkeit währen, bis ein Neger aus Texas sie durch einen kleinen Druck auf einen Apparat durch eine blindwütig niedersausende Bombe zerstören wird? Namenloser Haß packt einen gegen einen Feind, der solches zu verrichten vermag. Aber hätten wir es, wenn wir könnten, anders gemacht? Wer hat zuerst mit dem „Ausradieren" von Städten gedroht? Die bösesten, tierischesten Urinstinkte haben von der Menschheit Besitz ergriffen. Es gibt nur eine Lösung: diese samt und sonders zu vernichten. In der schönen Hietzinger Kirche haben dünne Stimmchen die Schubertsche Deutsche Messe gesungen. Ich gestehe, daß mich der Krieg den wohlbekannten Text hat vergessen lassen. Meine Gedanken entflohen in die steingewordene Andächtigkeit der St.-Georgs-Kirche in Neustadt, und neben mir saß, wie immer möglichst falsch singend, mein lieber Freund Gusti Denk, der mir diesmal entgegen allem Gebrauch das Handschreiben zum 18. August schuldig blieb - auch ein ungutes Zeichen der Zeit. 23. Oktober. Gestern, Sonntag, ein besuchsreicher Tag. Im Vergleich zu mir „Jugend" zwischen 35 und 45. In Budapest ist es doch nicht ganz so einfach hergegangen. In Neustadt wurden sechs deutsche Fähnriche begraben, die beim Sturm auf die Ofener Burg gefallen sind. Dieser Sturm ist nach Auskunft beim Wehrkreiskommando nur dadurch entstanden, daß sich gegenteilige Befehle zu spät durchgesetzt haben. In Pest tut sich v. d. Bach, der „Bezwinger" Warschaus, Himmlers Rasiermesser, um. Die Russen stehen von Baja abwärts bereits an der Donau. Schichts haben Esseg aufgegeben, das heißt ihre Fabrik stillgelegt. Was machen Eitz und Khuens bei Vukovar? Die Lage auf dem Balkan ist auch den Herren auf dem Stubenring ganz unklar; vielleicht sogar unserer Heeresleitung. Ostbosnien und Syrmien sind, wenn wir vernünftig führen, was freilich fraglich ist, kaum mehr zu halten. Kragujevac ist von den Russen und Partisanen genommen. In Kroatien wäre zur Zeit bestenfalls eine Front Sebenico-Jajce-Esseg zu denken. Doch stecken zahlreiche deutsche Verbände - offenbar mit ihrem armen Führer Lohr - noch tief im Balkan, selbst noch in Nordgriechenland! In Ungarn mußten wir, gezwungen durch den ausgezeichneten siebenbürgischen Süd-Nord-Stoß der Russen auf Debreczin, die Waldkarpaten und
Slawonien gehe verloren
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das Oberland der Theiß freigeben 13 ). Ob es der Armee Wöhler überhaupt noch gelingt, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen? Die Stimmung aller, auch meiner „jungen" Besucher, ist völlig hoffnungslos, ja verzweifelt. Von den Bewohnern Wiens kämen wegen „hochverräterischer Äußerungen" mindestens die H ä l f t e an den Galgen, wenn sich Anzeiger fänden; sehr oft wird eine ganz seltsam rückhaltlose Sprache geführt, auch in bezug auf den 20. Juli. Jeder zweite Mensch, dem man begegnet, ist auch Selbstmordkandidat. Alles denkt nur: Wohin fliehen?- Fliehen vor den feindlichen Bomben und vor den Russen. Man setzt sich wohl auch zusammen und zerbricht sich Hitlers Kopf, wie und was noch zu retten wäre. Der Gedanke, den Westen stehenzulassen, alles nach dem Osten zu werfen und damit noch einmal einen acte de presence zugunsten der abendländischen Kultur zu setzen, wenn auch von hinten der (immerhin noch bessere) Feind ins Herz Deutschlands marschiert??? Immer wieder erfährt man aus SS-Kreisen von Verhandlungen, die der kürzlich von Hitler empfangene Oshima 1 4 ) in Moskau führen will, wo er sogar schon gewesen sein soll. Die Russen seien nicht einmal besonders unbescheiden, aber der Führer wolle nichts hören . . . Im O b e r k o m m a n d o der Wehrmacht ist eine bedeutsame Veränderung vor sich gegangen. Warlimont kehrt nicht mehr auf seinen Posten zurück 1 5 ). An seine Stelle trat Winter, der bisherige Chef des Generalstabes bei Weichs, ein wendiger, leicht beeindruckter, sicherlich nicht dummer Mensch, aber doch nicht das, was man sich unter einem Mann seiner jetzigen Stellung früher vorzustellen be[?] Warlimont hat mir stets freundschaftliche Gefühle gezeigt, er ist mir gegenüber mehr herausgetreten als gegenüber den meisten seiner Kameraden. Vierteilen hätte er sich f ü r mich aber kaum lassen. Doch wer täte dies überhaupt? Von Mussolini hieß es, er sei auf dem Sprung, nach Zürs in Vorarlberg zu übersiedeln. Quartiermacher waren schon dort und haben beträchtliches Aufsehen erregt. Einige studierten den Weg in die Schweiz. Aber der Duce will nun doch nicht, er will ins Königreich Rainer, um seinen Fuß bis zuletzt auf italienischem Boden zu haben. W o z u all dieses blöde Theater? 26. Oktober. Dieser T a g war Requart auf der Rückreise von Berlin da. Er findet, daß die Stimmung in H a m b u r g ausgezeichnet und erhebend sei. Auch im Auswärtigen Amt sei sie fest (was nicht wahr ist), nur könne niemand sagen, wie man aus dieser Affäre herauskomme. Die Agramer Episode scheint ihm zu Ende zu gehen. Was meinen Sturz anlangt, so hält er es schon f ü r möglich, daß Frau Kasche, der ich immer die Stange hielt, aus Rivalitätsbedenken beteiligt war. Sie habe mich nie l3 ) Die am 6.10.1944 begonnene Offensive der 2. Ukrainischen Front (6 Armeen) zwischen Großwardein und Arad sollte in Richtung Nyireghäza und Debreczin vorstoßend die dt. Heeresgruppe Süd einschließen. Die Armeen drangen bis zur mittleren und unteren Theiß vor sowie nach N o r d e n (Nyiregyhäza). Diese Stadt wurde zwar von der nach Westen angreifenden Gruppe Wöhler wieder zurückerobert und die Abschnürung der Heeresgruppe Süd zunächst vereitelt. Debreczin war aber am 22.10.1944 gefallen. M ) Der japanische Botschafter Oshima w u r d e von Hitler am 4.9.1944 empfangen. I5 ) Warlimont mußte infolge einer Gehirnerschütterung (Gleichgewichtsstörungen) nach dem 20.7.1944 anfangs September 1944 einen Krankenurlaub antreten und wurde bis zum Kriegsende nicht mehr dienstfähig. Er wurde zunächst durch Gen. Frh. v. Buttlar vertreten, bis ab 8.11.1944 General August Winter das Amt übernahm.
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sonderlich geliebt und sei zum Beispiel sehr unruhig geworden, als nach Verleihung der Gedenkmünze zum 14. April 1944 nicht Kasche, sondern ich mit dem Poglavnik im Völkischen Beobachter abgebildet gewesen sei. Ich meinte noch, daß ich auf diese Auszeichnung gar kein besonderes Gewicht gelegt hätte. Lorkovic soll beim Poglavnik auf einmal eine gute Presse haben. Dagegen dürfte KoSak kaum mehr lange Gesandter bleiben. Navratil treibt bei Kasche Mastdarmtouristik, um den Berliner Posten zu bekommen. KoSak hat sich von Scheel (!) eine Villa in St. Gilgen ergattert. Die treffen es. Unsereiner muß fürchten, daß er sein lächerlich bescheidenes Heim an Ausgebombte verliert. General Burgdorf, inzwischen zum Chef des Heerespersonalamtes an Stelle Schmundts ernannt, mir nicht übermäßig sympathisch, hat in einem Vortrag in Lübben nochmals über den 20. Juli gesprochen. Es gab drei Zentren: Generalstab des Heeres, Allgemeines Heeresamt (bei Fromm) und Militärbefehlshaber Paris. Unter den vom Ehrengerichtshof aus dem Heere Entlassenen finde ich auch einen Generalmajor v. Pfuhlstein; offenbar der frühere Kommandeur der Division Brandenburg. Das Vertrauen Hitlers in das Heer ist seit dem 20. Juli endgültig erledigt. Daher auch die Aufstellung der neuen „Volksgrenadierdivisionen". Es gibt deren 48, davon 23 eingesetzt. Ihre Kader bestehen zum größten Teil aus ausgelaugten Heeresdivisionen, doch wird bei der Auswahl der Führer streng auf parteimäßige Verläßlichkeit gesehen. Bei ihren Angehörigen ruht auch die Parteizugehörigkeit nicht. Beim Heerespersonalamt wird für die Volksgrenadierdivisionen eine eigene Abteilung eingerichtet, in der alle Sparten und Referate des Heerespersonalamtes noch einmal vorkommen. Dort werden auch die Offiziere der Volksgrenadierdivisionen geführt, deren jeder in Hinkunft neben seinem Namen die Bezeichnung (VG) (Volksgrenadier) führen wird. Einsatzmäßig werden die neuen Divisionen wie alle anderen behandelt, im übrigen unterstehen sie jedoch ausschließlich der Betreuung durch den Reichsfüher SS, der von diesem Rechte vor der Öffentlichkeit schon mehrfach Gebrauch gemacht hat. Der Führer hofft, daß aus den Reihen der einfachen Heeresdivisionen der Ruf nach Umwandlung in eine Volksgrenadierdivision möglichst häufig laut wird. Schriftliches wird in dieser Richtung nicht herausgegeben. Die Volksgrenadierdivisionen sollen den Kern der künftigen Friedenswehrmacht bilden. Also eine neue, völlige Umwälzung in der Heeresorganisation. Aus Kroatien kommt die Nachricht, daß Neusatz, Peterwardein und Karlowitz in den Händen der Partisanen sind; die Orte wurden wahrscheinlich früher von uns geräumt. Das arme, so wunderbar fruchtbare Syrmien! Wenn man noch vor 2 Jahren auf der Straße von Semlin nach Indja fuhr, fuhr man durch einen Ausschnitt des alten Österreich: In dem einen Dorf wohnten Deutsche, in dem anderen Serben, in dem dritten Kroaten, Tschechen, Slowaken, Polen, Walachen, Magyaren. Die Serben hatten allerdings die Oberhand, nicht zuletzt auch dank Österreich. Nach dem Karlowitzer Frieden 1699 wandte sich nämlich der Patriarch von Ipek, Cernojevic, an Wien um die Erlaubnis, mit einem beträchtlichen Teil seiner Anhängerschaft, 20 000 oder mehr, unter den Schutz des Kaisers flüchten zu können. In Wien stimmte man mit dem geheimen Vorbehalt zu, daß es möglich sein werde, die kaiserlichen Eroberungen in den folgenden Jahrzehnten weiter nach Süden auszudehnen und
Umquartierung Wien - Salzburg
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dann die Orthodoxen wieder in ihre Heimat zurücksenden zu können. Man gab ihnen eine sehr weitgehende kirchlich-politische Autonomie - die Serben blieben jedoch und wurden später ausgerechnet in diesem Räume zu den vornehmsten Trägern der großserbischen Bewegung, die schließlich den äußeren Anstoß zum Zusammenbruch Altösterreichs bot. Die strategische Lage im Südosten kann sich auch der Generalstab des Wehrkreises nicht recht vorstellen. Bei Zagreb soll geschanzt werden. Wenn ich einen Entschluß zu fassen gehabt hätte, hätte ich die deutschen Truppen inklusive Kosaken und vielleicht Legionsdivisionen in Kroatien hinter die oben erwähnte Linie zurückgenommen, den Domobranen und der Ustasa aber im wesentlichen die Verteidigung des Vorgeländes übertragen. Ich denke immer an meine Gespräche mit Lorkovic. Ich meinte es mit Kroatien zweifellos ehrlicher als der „violette" Poglavnik, dem es eben nur um seine Person zu tun ist. Mir täte es um Zagreb leid, wenn es auch in diese Mühle des Vernichtungskampfes geriete . . . Da mir von allen Seiten nahegelegt wird, in puncto W o h n u n g und Inhalt die H ä n d e doch nicht in den Schoß zu legen, habe ich mich heute nacht zu dem Plane durchgerungen, in den allernächsten Tagen nach Salzburg zu fahren und mir zunächst f ü r Bücher, Bilder und sonstige Schätze - ein Ausweichquartier zu suchen. Auch die bei Gusti deponierten Sachen möchte ich dahin bringen, da Dürnkrut an der tschechisch-(oder besser gesagt: slowakisch-)deutschen (oder besser gesagt: österreichischen) Grenze liegt und daher sehr leicht mit den Russen Bekanntschaft machen kann. Eigentlich ist das alles furchtbar, auch frage ich mich, ob es bei meiner zweifelhaften Existenz noch einen Zweck hat. Aber irgendetwas soll man doch tun. Ad vocem Slowakei! Wie mir Kenner der Verhältnisse mitteilen, hat die deutsche Politik auch dort große Fehler begangen, darunter auch den, daß sie sich aus Furcht vor dem „politischen Katholizismus" zu stark den Protestanten verschrieb, die sich schon im letzten Kriege im Gegensatz zu den autonomistischen und separatistischen Hlinka-Leuten als Fahnenträger der tschechoslowakischen Idee bewährt haben. Ludin ist zwar der beste der SA-Männer, die man auf den Südosten gehetzt hat (Killinger, Kasche, Jagow, Beckerle 16 )), aber auch manchmal recht ungeschickt. . . . Pott ist heute, schußpartelig wie immer, aus Zagreb gekommen, um zunächst in die „Führerreserve des Wehrkreises XVII" einzutreten. Das Ganze ist gemacht worden wegen seiner Göttergattin, die sonst als lästige Ausländerin herumgeschoben worden wäre. Natürlich hatte er nur den Kopf mit dieser Sorge voll, wußte also sonst wenig zu erzählen. 27. Oktober. In Kroatien erfolgt also die Frontrücknahme vorderhand nicht so weit, wie ich es gedacht hatte. In Syrmien geben wir bis jetzt den Raum östlich der Linie I l o k - D r i n a m ü n d u n g frei. Allerdings marschiert gegenüber dieser Linie ein russisches motorisiertes Gardekorps auf, was für Kroatien nicht angenehm ist. Weiter südlich haben wir bis jetzt nur den Raum R a g u s a - S p a l a t o freigegeben, Mostar noch " ) Adolf-Heinz Beckerle ( F r a n k f u r t / M a i n , 4.2.1902 bis ?), Dipl.-Volkswirt, Bankangestellter, 1922 zur N S D A P , 11/1931 SA-Führer u. O b e r f ü h r e r des Gausturmes H e s s e n - N a s s a u - S ü d , 14.9.1933 Polizeipräsident v. Frankfurt am Main, 9.11.1937 SA-Obergruppenführer, Beauftragter des Reichssportführers f ü r den Gau XIII des Dt. Reichsbundes f ü r Leibesübungen, 23.6.1941 Gesandter in Sofia.
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nicht. Lohr hat mit seiner Armada, von Mitrowica (auch hier das umgekehrte au delä de Mitrowica) kommend, Vischegrad, seine Brigadestation aus der österreichischen Zeit, erreicht. Die Bahn B r o d - S a r a j e v o funktioniert auf einmal wieder ganz gut. Feldmarschall Weichs kommt also wirklich nach Agram. Mir tut sehr leid, daß er nicht meine Villa bezieht; Waber hätte in ihr beinahe seine Dienststelle untergebracht. Angelis kommt nicht nach Samobor, sondern muß nach Nova Gradiska. Im Zwischenstromland tummeln sich, zum Teil aus Truppen der Salonikifront zusammengesetzt, alle möglichen Verbände herum. Kasche macht viel in hoher Politik, er will, wie schon seit langem, die Titoleute in zwei Lager spalten. Ausgerechnet auf diesen Esel haben sie gewartet, um dergleichen zu tun. Daß sie an den Russen keine besondere Freude haben, will ich ihnen freilich glauben. Kasche soll mich durch Pott grüßen haben lassen, ich werde der Sache noch nachgehen, da ich es mir nicht gefallen lasse. Weichs wird in die Villa Lorkovic einziehen. Was macht die schöne Nada? Der Poglavnik hält in einem Gespräch mit Pott die Behauptung Agrams schon f ü r sehr fraglich. Er will dann mit seinen Getreuen in den Wald gehen - ich glaube in den bei Kitzbühel. Große Sorge macht den deutschen Dienststellen die Ustasabrigade Jasenovac. Wie o f t habe ich ihre Auflösung verlangt! Aber bei der Machtlosigkeit, zu der man mich von oben verurteilte, war nichts zu erreichen. Schon vor einigen Wochen hat sich diese Räuberbande bei Windhorst sehr nett gegen Reichs- und Volksdeutsche benommen. Recht geschieht diesen und ihren Vertretern. 28. O k t o b e r . Mein Tagesprogramm verläuft meistens so, daß ich am Vormittag überhaupt nicht ausgehe, vor allem wegen eines etwaigen Luftalarms, heute auch wegen des seit einigen Tagen herrschenden Sauwetters, das so recht in die allgemeine Stimmung hineinpaßt. Nachmittags traf ich zuerst im Imperial mit Admiral Bürkner zusammen, der mich vormittags anrufen ließ. Sehr nett, Ergebnis aber wie immer ziemlich null. Während wir zusammensaßen traf ein Stück, von Keitel unterschrieben, ein, das sich mit meinen Beziehungen zu Kasche befaßte und f ü r mich eine Rechtfertigung sein sollte. Natürlich haben die Herren des Oberkommandos der Wehrmacht bis jetzt nicht den Kernpunkt der Frage verstanden, und ich ließ Bürkner erkennen, daß mich die ganze Angelegenheit nicht mehr interessiert. Er hat auch irgendwie das Gefühl, daß Kasche auf der ganzen Linie gesiegt hat, und tröstete mich und sich damit, von Ribbentrop zu wissen, d a ß er dem Führer das H a u p t Kasches schon viermal (!) angeboten habe, ohne daß dieser jedoch bereit war, es anzunehmen. Dann Gespräche über meine künftige „Dienststelle", die ich nur in Salzburg aufstellen möge. D e r Führer befindet sich (Berichtigung gegen oben gemachte Angaben) noch immer in Ostpreußen, er wird einmal gezwungen sein, die Flucht zu ergreifen; Übertragung seiner Strategie auf sich selbst. In der Slowakei, wo Bürkner war, ist mit den Aufständischen ziemlich aufgeräumt. Ihre russischen und tschechoslowakischen Anführer sind nach Lemberg zurückgeflogen. In bezug auf die allgemeine Kriegslage bekennt sich auch Bürkner zu der H o f f n u n g , daß die feindliche Allianz zerfallen (oder daß der Atem der Bolschewiken ausgehen) werde. Ich setze meine Ideen über die Verlegung des Schwergewichtes nach Osten auseinander, das allein dem Kriege wieder seinen Sinn
Die Volksgrenadierdivision
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zu geben vermöchte und auch die Westmächte in eine gewisse ethische Zwangslage versetzen würde. Im allgemeinen staune ich immer wieder über die geringe Orientiertheit dieses politischen Beraters Keitels. So wußte er zum Beispiel von der Aktion H a u s h o f e r Vater und Sohn im Frühjahr 1941 in der Schweiz 17 ) überhaupt nichts, obgleich er in der nächsten Zeit mit Professor Burckhart 1 8 ) zusammenzukommen gedenkt. Man versteht vieles. Aus einem eigenhändig geschriebenen, ziemlich langen Brief des netten Feldmarschall Weichs, den ich heute früh erhielt, kann ich Bürkner mitteilen, daß Weichs schrieb, der kroatische Staat pfiffe „aus dem letzten Loch". Abends war ich bei meinem alten Kameraden Bachmayer 19 ), jetzt Generalstabschef des Wehrkreises, zu Gast. Er bewohnt die einstige Auffenbergwohnung zum Teil, es war recht nett. Da Beate und Frau Bachmayer da waren, konnte sich das Fachgespräch nur auf ein paar Worte erstrecken. Immerhin waren alle, inklusive des servierenden Obergefreiten, Salzburger, was einen gewissen genius loci erzeugte. Goebbels Rede ertrugen wir nur ganz kurze Zeit 20 ). Ich führte sie mir des anderen Morgens aus der Zeitung zu Gemüte. Mir tut sehr leid, daß ich kein Karikaturist bin. Sonst würde ich den „nachgedunkelten Schrumpfgermanen" - diese Bezeichnung enthält angeblich ein parteiamtliches Dokument aus der Zeit vor der Machtergreifung - zeichnen, wie er sein „Herz in beiden Händen trägt" und - in seiner Rede gleich zweimal - „fest auf beiden Beinen steht", von denen bekanntlich eines von Geburt aus stark verkrüppelt ist. D a ß auch diesem gewiß sehr geschickten Propagandisten nur mehr Phrasen einfallen, denen niemand mehr glaubt, sondern die alle Menschen ärgern, ist f ü r die Zeitläufte bezeichnend. Zu den Volksgrenadieren ist noch nachzutragen, daß die Bataillonskommandeure bei ihrer Einstellung höchstens 32 Jahre, die Regimentsführer 38 und die Divisionäre 42 Jahre alt sein dürfen. So kommt also Hitlers Wort auf dem „Robert Ley" (April 1939) bald zu Ehren: „Ich werde, wenn's nötig ist, 38jährige Divisionskommandeure haben." Ich sagte: „Wie Napoleon!" Allerdings wird den so nach aufwärts getragenen ausdrücklich gesagt, daß sie in der künftigen Friedensarmee mit Funktionen, die nicht ihren Dienstgraden entsprächen, zu rechnen hätten. Ich glaube, die Stunde, sich über derlei den Kopf zu zerbrechen, ist noch nicht gekommen. In der Bewaffnung unterscheiden sich die Volksgrenadierdivisionen kaum von der besserer Infanteriedivisionen. W o nichts ist, hat der Kaiser das Recht verloren. Ansonsten werden sie den Waffen-SS-Divisionen angeglichen. Jedenfalls ist das Heer glücklich in drei Teile zerrissen, von denen zwei beim Führer eine einflußreiche " ) Über ein Gespräch Albrecht Haushofers vor dem 12.5.1941 mit Carl J. Burckhardt, das allerdings von diesem später in Abrede gestellt wurde, vgl. Laack-Michel, Albrecht H a u s h o f e r , 236ff. Is ) Diese Aktion scheint bisher unbekannt geblieben zu sein. " ) Josef Bachmayer (Budapest, 1 1.9.1887 bis 6.9.1957, Salzburg), 18.8.1908 aus der Milak. als Lt. zu 2 . T K J R , 1912 bis 1914 Frequentant der Kriegsschule, 1.8.1914 zugeteilt d. Glstb., Brigadeglstbsoffz., 1.8.1916 transferiert ins Genstabskorps, 4.9.1917 bis Kriegsende in der Opabt. d. A O K (Italien-Gruppe), 1938 in die Dt. W r a , Genkdo. XVIII. A.K., Herbst 1944 bis 9.4.1945 Chef d. Stabes Wehrkreis XVII. 20 ) Siehe Auszüge dieser „Durchhalterede" im R u n d f u n k vom 27.10.1944 im Völkischen Beobachter, 28.10.1944, 1.
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Vertretung in Himmler haben, indes der beau reste des eigentlichen Heeres nur mehr ein geduldetes Dasein führt. 29. Oktober. Sonntag, zugleich verlegtes Allerheiligenfest. Ich wohnte im Dom dem von Bischof Seydl pontifizierten Hochamt bei und dachte dabei immer, daß es in Salzburg im Dom so etwas nicht mehr gibt. Nachher traf ich Dr. Kramsall, der am Abend zuvor aus Kroatien gekommen ist. Obgleich Zivilist, erstattete er einen unvergleichlich inhaltsreicheren Rapport als einige Tage zuvor der durch die Sorge um seine entsetzliche Paula völlig meschugge gewordene Major Pott. Militärisch ist nicht viel zu sagen, nur daß wir den Partisanen auch Spalato überlassen haben und selbst die Truppen in Hochkroatien von der Küste absetzen. Privat: Meine Villa ist nur von Waber bewohnt, der mit Anica sehr nett ist. Kramsall bezweifelt aber, daß sich die Sache halten läßt, da das Auftauchen des Oberbefehlshabers Südost und aller möglichen Dienststellen einen unerhörten Bedarf an Wohnungen im Gefolge hat. Anica, Menschenkennerin wie immer, läßt mir durch Kramsall sagen, ich soll mich durch Metzger nicht wieder in eine sehr exponierte Position drängen lassen, in der dann er in meinem Schatten eine große Rolle spielen wird. Auch Kramsall ist nicht abgeneigt, in der wenig diplomatischen Art Metzgers keine unwesentliche Ursache meines Sturzes zu erblicken. Meine ehemalige Dienststelle stirbt fast völlig aus, eine Zusammenlegung mit Juppe ist unvermeidlich. Wie mir übrigens Bürkner sagt, hat man vorläufig Juppe mit der dauernden Vertretung des Bevollmächtigten Generals betraut. Nach Hause gekommen, finde ich einen hohen deutschen Polizeifunktionär aus dem Bereich Oberbefehlshaber Südost vor, einen Wiener, der mir offenbar ergeben ist. Er erzählt mir eine interessante, für die reichsdeutschen und augenblicklichen Armeeverhältnisse bezeichnende Geschichte aus meiner früheren Agramer Umgebung, die ich trotz ihres dienstlichen Charakters nicht wußte. Bei Oberstleutnant v. Harling, dem Ic von Oberbefehlshaber Südost, lief im Sommer die Meldung ein, meine Sekretärin, Fräulein Eiswaldt, eine Preußin und begeisterte Nationalsozialistin, habe ein Verhältnis mit einem kroatischen Offizier und leite durch diesen Mitteilungen, die sie von dem unserem Regime feindlich gesinnten Metzger erhalte, an die Partisanen weiter. Auch Selchow sei hiervon verständigt worden mit der ausdrücklichen Weisung, mir, seinem Befehlshaber, nichts zu sagen (!!!), was er natürlich getreulich befolgte. Die ganze Geschichte erwies sich natürlich als eine lächerliche Erfindung, schon weil Fräulein Eiswaldt neben dem von ihr inbrünstig geliebten Unteroffizier Klein nicht eine Minute Zeit für einen anderen Liebhaber gehabt hätte, was jedermann auf der Dienststelle wußte. Die Angelegenheit war offenbar ein Bosheitsakt gegen den unbeliebten Metzger. Und das Merkwürdige: Wie mir der Polizeibeamte erzählte, ist es vor allem Harling, der Metzger besonders ungern hat - wiewohl dieser das Gegenteil glaubt. Diese herrliche deutsche Welt ist voll von Intrigen und Quertreibereien und Hinterhältigkeiten, man kann wirklich schon seinem besten Freunde nicht mehr trauen. Zur militärischen Lage ist auf Grund dieses Gespräches zu sagen, daß erstens wohl 10 000 bis 15 000 Mann auf den Inseln der Ägäis zurückgelassen werden, die natürlich dem Feinde preisgegeben sind. Im Raum Belgrad - U s k ü b sollen zwei russische Armeen Front gegen Westen haben. Der Polizeibeamte meint, südlich der Drau
Das Verratsproblem
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stünde ein Deutscher gegen zehn Feinde, man muß schon sagen, kein besonders günstiges Verhältnis. In Zagreb mimt Kasche trotzdem den Sieger. Ich beneide ihn dennoch nicht um seine augenblickliche Lage. Denn, wie mir mein Gesprächspartner verrät, kommt es bereits zu starken Gegensätzen zwischen Oberbefehlshaber Südost und ihm in Dingen der dreimal heiligen kroatischen Souveränität, für die natürlich unsere militärischen Stellen gar kein Verständnis mehr aufbringen (besonders stark war es bei ihnen nie). Wahrscheinlich wäre ich in diesen Kämpfen oft auf der Seite Kasches zu finden gewesen, was meine Lage gegenüber meinen militärischen Vorgesetzten nicht erleichtert hätte. Selchow hat sich völlig in das Gefolge Kasches begeben und macht sich's dadurch leicht. Neubacher bleibt grundsätzlich weiter im Gefolge Weichs'. Er soll übrigens, behauptet mein Besucher, ausersehen sein, ausgerechnet die künftige kroatische Emigrationsregierung zu begleiten, von der schon ziemlich viel in Agram gesprochen wird. Im Gegensatz hiezu wurde, wie mir Hauptmann Dr. Danneberg aus Sarajevo berichtet, der wie ein Jud' aussieht, aber ein sehr verläßlicher Parteigenosse ist, nach dem Besuche des Poglavnik im Führerhauptquartier von allen möglichen Regierungsrednern urbi et orbi verkündet, der Führer habe dem Staatschef versprochen, den kroatischen Boden ebenso wie den deutschen zu verteidigen. Was Pavelic wohl über den gegen mich gerichteten Uriasbrief, den ihm Kasche abgebettelt hat, in stillen Stunden denken mag? Nach wie vor bin ich der Meinung, daß man auch mit Verbündeten ehrlich zu sein hat; jedes andere Verhalten ist Verrat, auch Verrat eines Großen gegenüber einem Kleinen. Es war anständig, richtig und auch politisch angebracht, mit Lorkovic wie mit Pavelic über die Möglichkeit eines deutschen Rückzuges aus Kroatien zu sprechen und Lösungen zu erwägen, die, mindestens auf weitere Sicht, sowohl den kroatischen wie den deutschen Interessen gerecht werden konnten. Natürlich darf ein Diktator in der Westentasche nicht bloß um seine eigene Person und seine Pseudomacht besorgt sein. [ . . .] Sehr interessant ist auch die Behandlung des „Verratsthemas". Es ist eben doch so, daß sich Bundesgenossen, wenn es ihnen schlechtgeht, gegenseitig Verrat vorzuwerfen pflegen. Im allgemeinen mache ich aber auch bei altösterreichischen Offizieren wie bei Kiszling, Dragoilov, Bachmayer immer wieder die Beobachtung, daß ihre Einstellung zum Verratsdelikte unter Bundesgenossen nie an das Kernproblem herangeht. Jeder Bündnisvertrag ist zweiseitig und verpflichtet weitgehend, hat aber doch nach Bismarck und Fridericus Rex seine Grenzen. Und wenn sich ein kleiner Staat einem großen anvertraut, so erwartet er von ihm doch eine annähernd gleichartige Betreuung seiner Interessen. Horthy hat die aus unseren schweren Niederlagen im Osten, an denen unsere Kriegführung weitgehend schuld ist, für Ungarn entstandene Lage ganz gut charakterisiert, indem er uns bezichtigt, daß wir sein Land „zum Schauplatz der Nachhutkämpfe des Deutsches Reiches" machen wollen. In solch heiklen Situationen soll der größere mit allzu starken Anklagen wegen Verrats und Feigheit vorsichtig sein. Sonst bekommt man unangenehme Sachen zu hören, wie sie zweifellos in Horthys später widerrufener Botschaft enthalten waren ... Am Nachmittag war ich bei Srbik, der so schlecht aussieht, daß er sich sofort ins Grab legen könnte; hoffentlich tut er's noch lange nicht. Der trockene und empfindsame Mann fühlt sich mir sehr stark verbunden und die 2Vi Stunden, die wir
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Untätig in Wien - Nachrichten aus Kroatien und Ungarn
in vertraulichem Gespräch beisammensaßen, waren überaus fesselnd, wenn auch nicht immer erfreulich. Ganz lächerlich sind die Vorwürfe, die ihm als Präsidenten der Akademie ein Glückwunschschreiben an den früheren Kurator Erzherzog Eugen (zum 80. Geburtstag) zuerst beim „Gaustudentenführer", dem versoffenen Kurt Knoll, und dann beim Reichserziehungsminister Rust eingetragen hat. Das Schreiben wurde als Zeichen einer undeutschen Gesinnung - die Ausdrücke lauteten noch stärker - ausgelegt. Die Angelegenheit ist noch offen, Srbik hat sich noch eine kurze Frist gestellt und würde dann vom Vorsitz der Akademie zurücktreten. Er beklagte sich mit Recht: „Vor dem 13. März 1938 war man der gefeierte Historiker, seither ist man nur mehr ein vergreister Trottel." 2 1 ) Wir haben viel deutsche Geschichtsphilosophie betrieben, die Ubereinstimmung ist erstaunlich. Jeder nahm dem anderen das Wort von den Lippen weg. In den letzten Tagen des Monats November stellte ich meine Adjutantenfrage bei der Wehrmachtszentralkanzlei klar. Burgdorf schrieb mir, daß er mir Metzger gebe. Was sonst aus dieser ganzen Verwendung wird, weiß der liebe Gott. In Kroatien ist es nicht schöner geworden. Ein Autofahrer, der die Strecke A g r a m - R a n n befuhr, berichtete, daß alle Bäume mit gehenkten Geiseln garniert gewesen seien, denen man sogar noch Regenschirme in die Hand gedrückt hatte. Der Terror blüht also doch recht lebhaft. Die Basler Nachrichten vom 7./8. Oktober brachten auf der ersten Seite die Nachricht: Aus zuverlässiger Quelle vernehmen wir, daß in Kroatien chaotische Zustände herrschen. Wegen einem Meutereiversuch der Armee wurden 22 kroatische Generäle von den SS erschossen. Nach diesen Ereignissen wurde der Oberbefehlshaber der Wehrmacht in Kroatien, der österreichische General Glaise-Horstenau, abgesetzt und die ganze Macht den SS und der Gestapo anvertraut. In richtiger Allerseelenstimmung, die auch klimatisch einen Vorzug, die Schwierigkeit von Luftangriffen, für sich hat, beendete ich den Oktober 1944 in meiner Wiener Wohnung. Als ich anfangs September von Zagreb wegging, wähnte ich, der Krieg werde um Allerseelen, soweit er regulär ist, seinem Ende entgegengehen. Viele, viele waren derselben Meinung. Alle haben geirrt. Churchill ließ sich im Parlament etwas betroffen vernehmen, daß der Krieg noch tief ins Jahr 1945 andauern werde 22 ). Er wird recht haben. Er war eben aus Moskau zurückgekehrt, wo nach Schweizer Meldungen unter anderem die künftigen Besetzungszonen in Deutschland neu abgegrenzt worden sein sollen. Rußland soll Nordwestdeutschland bis an die Linie Lübeck-Ostrand H a m b u r g - G ö t t i n g e n - E g e r l a n d besetzen, Berlin-Besatzungen aller drei Weltmächte, Österreich nur eine russisch-britische erhalten. Gott helfe uns weiter! 21 ) Vgl. dazu: G. Hamann, Kriegs- und Nachkriegserinnerungen eines Studenten an Heinrich Ritter v. Srbik, in: Anzeiger der phil.-hist. Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, 115. Jg. (1978), 3 6 6 - 3 9 5 , bes. 388f. 22 ) Vgl. den Hinweis auf eine Churchill-Rede im brit. Unterhaus im Völkischen Beobachter v. 2.11.1944, 2: Ich kann nicht voraussagen und noch weniger garantieren, daß der Krieg gegen Deutschland vor dem Frühling oder selbst vor dem Frühsommer zu Ende ist."
XXVII. DEZEMBER 1944 IN WIEN Dezember 1944 Ich habe jetzt - wir schreiben augenblicklich den 10. Dezember - mit meinen Aufzeichnungen lange, lange ausgesetzt. Teilweise benützte ich die Wochen, um meine Ministererinnerungen fortzuführen, die mir doch noch irgendwie auf der Seele lasten. Zum zweiten hat sich mein Lebensüberdruß so gesteigert, daß ich Stunden, die ich sonst gerne für meine Notizen benützte, ungenützt vorübergehen lasse. Ich nehme mir einen alten Schematismus und blättere ihn Seite f ü r Seite durch, um Erinnerungen zu „kneipen", oder nehme zu dem gleichen Zwecke den II. Band Svobodas „Geschichte der Neustädter Akademie und ihrer Zöglinge"') zur H a n d , wo es zumal innerhalb der Ausmusterungsjahrgänge 1838 bis 1860 noch manches interessante und auch turbulente Schicksal aufzustöbern gibt. Aber wie geruhsam war dennoch jene Welt, wie ausgeglichen und selbstverständlich und ordnungsmäßig alles, was geschah - im Vergleich zu heute! Natürlich bietet jeder Jahrgang zugleich einen Spiegel der wunderbaren Staatsschöpfung Altösterreichs, immer sind alle Nationen vertreten, und nur selten hat der nationale Kampf des Zeitalters ein oder das andere Lebensschifflein vom allgemeinen, alles zusammenfassenden Strome abgetrieben. Fast keine dieser kleinen Jahrgangsgemeinschaften, in denen nicht Vertreter jeder der zehn Nationen zu den höchsten militärischen Würden emporgestiegen sind. Und alldies geschah in den Banden einer beispiellosen Kameradschaft, die auch in das kleine Osterreich nach 1918 überging und erst durch die unduldsame Totalität des Regimes D o l l f u ß - S c h u s c h n i g g einen schweren Stoß erlitt. Die Kriegslage hat sich in den zurückliegenden 6 Wochen, in denen ich nichts niederschrieb, zumal im Osten außerordentlich verschlechtert. Während im Westen dank Arnheim 2 ) der Angriff der Angloamerikaner auf das Ruhrgebiet unter natürlich erheblichem Kräfteeinsatz und um den Preis völliger Zerstörung des Anmarschgeländes durch die feindliche Luftwaffe im wesentlichen abgewehrt und nur Straßburg 3 ) einem Uberfall preisgegeben werden mußte, verlegte der Russe im Osten das Schwergewicht seiner Operationen auf den ungarischen Kampfraum. Im äußersten Norden vermochte Rendulic, neuestens mit dem von ihm reich verdienten Goldenen ') J o h a n n S v o b o d a , Die T h e r e s i a n i s c h e M i l i t ä r - A k a d e m i e zu W i e n e r N e u s t a d t u n d i h r e Z ö g l i n g e von d e r G r ü n d u n g d e r A n s t a l t bis auf u n s e r e T a g e , 3 Bde., W i e n 1894 u. 1897. 2 ) D i e am 1 7 . 9 . 1 9 4 4 g e l a n d e t e n K r ä f t e d e r 1. brit. L u f t l a n d e d i v . w u r d e n bei A r n h e i m bis z u m 2 6 . 9 . v o m II. S S - P z . - K o r p s a u f g e r i e b e n . 3 ) A m 2 3 . 1 1 . 1 9 4 4 w u r d e S t r a ß b u r g d u r c h die 7. U S - A r m e e , die bis z u m R h e i n v o r s t i e ß , e i n g e n o m m e n .
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Dezember 1944 in Wien
Parteiabzeichen ausgezeichnet, seinen Kopf aus der finnischen Schlinge zu ziehen. Er hat den Oberbefehl über ganz Norwegen erhalten. Für seinen Ehrgeiz sicherlich nicht viel! Ebensowenig gelang es bisher den Russen, die in Kurland brückenkopfartig eingeschlossene Heeresgruppe Schörner ernstlich zu fassen oder dem allerdings unerhört mit Truppen bedachten Ostpreußen maßgeblich zuzusetzen. In Südpolen und Mittelgalizien, wo doch das schlesische Industriegebiet winken würde, stehen die Russen schon gar wie die angemalten Türken. Umso rühriger sind sie südlich der Karpaten. Wohl halten wir den Dukla-Paß, dafür ringen sie bei Miskolcz, haben vor einigen Tagen Waizen nördlich von Budapest genommen 4 ), stehen unmittelbar vor dieser Stadt, vielleicht schon in den Vorstädten und nähern sich ihr von Süden her über Csepel und auf dem westlichen (!) Donauufer. Die Donaustrecke von Pest abwärts hat in keiner Weise gehalten. Bei Apatin haben die Russen unschwer zu Beginn November das Westufer betreten 5 ). Sie traten auf den alten Schlachtfeldern von Mohacs und beim Berge Harsanyi zum Angriff an und stießen gegenüber dem Korps Felmy und einigen sonst zusammengerafften Truppen Ende des vergangenen Monats und Anfang Dezember über Fünfkirchen an den Plattensee vor. Im Augenblick wird um die Straße Stuhlweißenburg-Budapest und östlich von GroßKanizsa gerungen. Der südlichere Teil dieser unserer Front gehört bereits zur Heeresgruppe Weichs; auch Angelis hat sein Hauptquartier in den Raum nördlich der Drau verlegt. Hatten die Russen bisher Kroatien gemieden, so haben sie neuestens bei Ilok und Vukovar doch Kräfte auf das Südufer der Donau geworfen; angeblich zielt die Spitze auf Agram. Lohr steckt, seiner schweren Waffen vielfach ledig geworden, noch in den bosnischen Bergen, wo gegenüber der Adria die Front über Knin und Mostar verläuft; britische Kommandos, die hier und in Montenegro angesetzt wurden, sind ziemlich still geworden. Angeblich will Tito von ihnen nichts wissen. Die derzeitige Lage in Kroatien, die mich natürlich nach wie vor brennend interessiert - ich hänge irgendwie an dem Lande wie an einer zweiten Heimat ist zum Teil in einem Briefe dargestellt, den ich Anfang Dezember an Jodl schrieb 6 ). Wie die Gazetten berichteten, hat vor einigen Tagen der Poglavnik in höchst eigener Person den Oberbefehl über die gesamte bewaffnete Macht übernommen 7 ). Was das heißen soll, läßt sich schwer sagen. Auf dem Papier war er's ohnehin, in der Praxis befehligt alles das deutsche Kommando. Pavelic ist aber ein guter Schauspieler, der wer sollte es sonst - die Psychologie der Diktatoren gut kennt und genau weiß, womit er Hitler imponiert. Natürlich ist dieser die einzige Karte, auf die Ante noch setzen kann, sonst nimmt in ganz Europa kein H u n d einen Bissen Brot von ihm. Bei der 4
) Am 9.12.1944 erreichte der sowjetische nördliche Zangenarm zur Eroberung Budapests (6. GardePz.-Armee u. 7. Garde-Schützen-Armee) bei Waitzen die Donau. 5 ) Am 8.11.1944 übersetzte die Rote Armee bei Apatin östlich Fünfkirchen die Donau und bildete einen Brückenkopf. Im Zuge einer am 27.11.1944 begonnenen Offensive fiel am 28-/29.11.1944 Fünfkirchen, und die Rote Armee drang bis zur „Margarethen-Stellung" zwischen Drau und Südspitze des Plattensees vor. 6 ) Dieser Brief ist im Nachlaß Glaise-Horstenaus bzw. in den erhalten gebliebenen Akten nicht feststellbar. 7 ) Laut KTB/OKW, IV/1, 755 übernahm Pavelic am 4.12.1944 den Oberbefehl Uber die kroatische Wehrmacht.
Die Angst vor den Russen
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Verständnislosigkeit, mit der man oben der ganzen Entwicklung im Südosten gegenübersteht, wird Kasche dennoch dieses Theater als seinen Erfolg buchen können - obgleich die Ergebnisse ohne das Theater mindestens ebenso gut wären. Im allgemeinen gestalten sich die Dinge doch so, wie ich es in meinen Meldungen seit 4 oder 5 Monaten vorhersagte. Da die Engländer und Amerikaner nicht kommen, geben die guten Kroaten den Deutschen gegenüber den Russen noch immer den Vorzug. Diese Vorhersage tritt jetzt - nicht dank dem eingesetzten Terror, sondern trotz dessen - weitgehend ein. Die Deutschen gelten wieder etwas! Eine Frage ist allerdings, wie sich die kroatischen Truppen im Kampfe gegen die Russen halten werden. Als ich kürzlich in Salzburg war, traf ich den Kommandeur des LXIX. Reservekorps (Agram), General der Infanterie Auleb, der sich einer sehr lästigen kriegsgerichtlichen Untersuchung wegen „defätistischer" und anderer bösartiger Äußerungen gegenüber einem vom O b e r k o m m a n d o des Heeres gesandten NS-Führungsoffizier zu „unterziehen" hatte. Auleb meinte, die Kosaken werden gegen die Russen kaum zu brauchen sein, viel eher die UstaSa. Auch mir scheint dies möglich, da Tito nie versäumt, gegen die Ustasa seine Bannflüche zu schleudern, was natürlich erst deren Widerstandsfähigkeit so recht erzeugt. Wir machten das gleiche im Osten gegenüber den „Politruks" und den eingeschriebenen Kommunisten, unsere Feinde gegenüber der SS. Die Menschen haben alle, auch alle psychologischen, Maßstäbe verloren. Aus meiner Agramer Villa ist General Waber plötzlich verschwunden, bisher weiß ich nicht, wohin. Statt seiner zog im ersten Stock der Oberquartiermeister Oberst Freiherr v. Kap-herr 8 ) ein, im Parterre irgendein Oberstleutnant. - Anica muß sich mit Maro ein Zimmer teilen. Es geht manchmal ziemlich laut her, besonders arg sind die einquartierten deutschen Mannschaften, die auch viel zugrunde richten. Anica läßt sich das einemal hören: „Der H o f b a u e r ist ein ganz großer Kavalier!" Das anderemal: „Mir wäre es lieber, ich hätte die Deutschen nur aus Büchern kennengelernt." Natürlich hat sie von mir zwischen Deutschen und Österreichern unterscheiden gelernt. Mir kommt alles wie die Entweihung eines verlorenen Paradieses vor. Kasches haben alle Möbel nach Deutschland gebracht, auch die fünf Kinder sind in Osterreich. Dazu ist das so gehaßte Osterreich gut genug. Frau Kasche hat kürzlich in St. Gilgen in der zwölfräumigen Villa des kroatischen Berliner Gesandten KoSak genächtigt. Sie erklärte, man werde noch lange in Agram bleiben. Auleb erzählte, der Poglavnik habe erklärt, erst „mit dem letzten Bataillon Kroatien zu verlassen". M a n wird doch da sehen! In Wien herrscht begreiflicherweise große Besorgnis wegen den anrückenden Russen. Alles möchte fliehen. Die Stimmung ist hundsmiserabel. Die Vereidigung des „Volkssturmes", die an einem Novembersonntag stattfand, war nichts weniger als erhebend. Neuestens heißt es, es hapere absichtlich oder unabsichtlich mit der Bewaffnung. Jeden T a g kommt irgendwer, sich zu erkundigen, wie er loskommen könnte. Ich kann glücklicherweise meine H ä n d e in Unschuld waschen, da die ganze Geschichte ausschließlich von der Partei gemacht wird. 8 ) Wolfgang Ludwig Frh. v. Kap-herr (München, 2.11.1898 bis 12.5.1966, Salzburg), Oberst i.G., Dr. iur.
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Wenn ich schon beim Intervenieren bin, so einen charakteristischen Fall aus einer ganz anderen Sparte. Plötzlich erscheinen Frau v. Binder-Degenschild, Witwe meines alten Freundes Binder aus dem Kriegsarchiv, und ihr Sohn, ein D o k t o r juris. Sie kommen wegen der Schwester der Frau, Baronin Margutti, Witwe des bekannten Generals. Beide Frauen sind Jüdinnen. Die Baronin war in erster Ehe mit einem um 1915 gestorbenen oder gefallenen Rittmeister von den 7er Dragonern verheiratet. Als sie 1917 der damals dem General der Kavallerie Paar zugeteilte Generalmajor Freiherr v. Margutti heiratete, kam er vom H o f e weg und wurde Vizedirektor des Kriegsarchivs - , obgleich er der einzige wirkliche Kenner des Hofzeremoniells war. Nach dem Ersten Weltkriege wurde Margutti, zu Zeiten der ordensreichste General der k . u . k . Armee (mindestens 70 Kommandeur- und Ritterkreuze), als geborener Triestiner italienischer Staatsbürger und gab kurz darauf ein viel angefochtenes Buch über Kaiser Franz Joseph heraus. Nach dem T o d e des Obersten Veltze fragte mich als den Direktor des Kriegsarchivs - der damalige Oberst und nachmalige Armeegeneral Vecchiarelli, ob ich Margutti als italienischen Beauftragten nehmen möchte. Ich stimmte gerne zu, da er vom Kriegsarchiv keine Ahnung hatte und auch sonst ein auskömmlicher Mensch war, und hatte recht behalten. Mitte der dreißiger Jahre starb er an einem sehr leidvollen Speiseröhrenkrebs (er hatte, so lange ich ihn kenne, einen Riesenkropf). Die Witwe blieb dummerweise in aller Zurückgezogenheit in Wien. N u n war sie plötzlich, 67jährig, einige Tage vor dem Besuche der beiden Binder von der Gestapo abgeholt und auf die Elisabethpromenade gebracht worden, wo man sie mit 30 anderen Rassengenossinnen in einem Saal auf Stroh bettete. Da sie an Angina pectoris leidet, hatte sie sofort mehrstündige Herzkrämpfe, was aber das Personal nicht weiter kümmerte. Ich ließ über Generalmajor H o r n u n g , Generalstabschef der hiesigen Waffen-SS, intervenieren, erfuhr aber, daß sich die ganze Sache auf eine grundsätzliche Entscheidung des Reichsführers SS zurückführe und daher nicht zu machen sei. Alles geschehen mitten im sechsten Kriegsjahr, während die Russen am Plattensee und die Westgegner in Straßburg stehen! Kommentar erübrigt sich. Im übrigen habe ich in Wien wieder mehrere heftige Luftangriffe mitgemacht. Einer zertrümmerte auch einen T r a k t des Belvedere 9 ). D o r t war jedenfalls, entgegen dem Wunsche des hiesigen Polizeipräsidenten und trotz der Warnung von Dr. Grimschitz, Polizei untergebracht, der im Park auch ein schöner Bunker ausgehoben wurde. Vielleicht hat man auch anderes deponiert. M a n ist in dieser Hinsicht nicht f a d ! In der Nähe des Belvedere befand sich auch die W o h n u n g Conrads, in der noch immer seine Witwe hauste. Auch sie ist ausgebombt. Dr. Jedlicka hat glücklicherweise die Bibliothek geborgen, die wegen der persönlichen Randglossen des Feldmarschalls von geschichtlichem Wert ist. Ich ging bisher bei den Luftangriffen - unberufen - leer aus. So lange der D r a h t f u n k es rätlich erscheinen läßt, bleibe ich in der W o h n u n g , dann gehe ich ins Parterre zu Jirkowskys hinunter. Alles ist natürlich Schicksalsfügung. Stimmungsmäßig erfaßt mich vor allem zu Beginn des Luftalarms eine namenlose Wut gegen den Wahnsinn dieses Krieges, der meiner bestimmten 9 ) Gemeint ist der Angriff vom 18.10.1944, bei dem der Makartsaal im Oberen Belvedere schwer beschädigt wurde. In einem weiteren Bombenangriff am 21.2.1945 wurde dann im Oberen Belvedere der Dachstuhl beschädigt und im Unteren Belvedere der Groteskensaal zerstört.
Freunden droht das KZ
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Überzeugung nach auf unserer Seite nur mehr prestigemäßig weitergeführt wird; denn an einen wirklichen Erfolg ist nicht mehr zu denken. Nachher bin ich ruhiger und gefaßter. T r o t z des Lebensüberdrusses, der mir eigen ist, ertappe ich mich doch dabei, daß ich irgendwie den T o d fürchte. Dieser Zwiespalt ist blöd und traurig. Der Gedanke, in Salzburg für meine Soi-disant-Dienststelle eine Ausweiche zu finden, führte mich in den letzten 6 Wochen zweimal in meine Heimat. Das zweitemal geschah es bereits nach dem zweiten, ganz schweren Angriff 1 0 ). Die Stadt schaut entsetzlich aus. Schon die mitternächtliche Einfahrt bot einen Vorgeschmack: Fünfhaus hin, Auersperg- und Franz-Joseph-Straße hin, das Kurhaus, gewiß kein Kunstdenkmal, aber eine Erinnerungsstätte an schöne Jugendstunden, eine Ruine. Das Mirabellschloß in seiner Nordwestecke getroffen, von der Raffael-DonnerStiege einige Putten ohne Kopf. Sakristei der Andräkirche und Schrannen hin, die Kirche wird als Depot f ü r aus den Schrannen ausgebombte Möbel, Geräte et cetera benützt. Mit der Auerspergstraße sind natürlich meine Freunde beziehungsweise Freundinnen Sigmundt und Schwarbach völlig ausgebombt. Die letztere hat sich mit ihrem M a n n e in das Häuschen ihrer Tochter in der Riedenburg zurückgezogen; beide sind völlig geknickt. Alette Sigmundt und ihre Mutter wohnten im Osterreichischen H o f . Ich verbrachte mit ersterer die Abende in dem vorzüglichen Restaurant Est-Est-Est, sie ist fröhlich und guter Dinge, nimmt die ganze Sache außerordentlich leicht. Die Linzergasse habe ich nicht gesehen; auch sie schaut furchtbar aus. Am Stein sind ein paar Häuser, Gott sei Dank nicht die schönsten, herausgebrochen. Das Kaffee Corso liegt zur Hälfte in Schutt und Trümmer. Besonders übel ist die Kaigasse daran, ebenso Pfeiffergasse und Umgebung. Ein Teil des Truppenspitals soll auch getroffen sein. In der Gstättengasse, die bisher nur vom Mönchsberg her bedroht war, gibt es auch Trümmer; ebenso hat der hintere Teil des Museums daran glauben müssen. Metzger war im Dom. Die Vierung, in der über dem Grab Paris Lodrons bei den Pontifikalämtern mein Stammplatz war, ist von den Trümmern der Kuppel bedeckt. Der Hochaltar ist unversehrt. Die prachtvolle Kirche wird in der nächsten Zeit wohl schwer unter Witterungsunbill zu leiden haben, weil man nicht die Möglichkeit und auch nicht die Lust zur Herstellung eines provisorischen Daches haben wird. Es ist alles scheußlich. Für meine Soi-disant-Dienststelle fand ich Unterkunft in der Villa Reitter. H e r m a n n , der Gewaltige, versammelt in Karinhall seine ganze Sippe um sich. Daher mußte auch Pauli Hueber mit ihrem Mädchen aus Mattsee abziehen. Hilde Reitter bezieht das dortige Häuschen. Dadurch wird die Reittervilla in der Riedenburg weitgehend frei. In mancher Hinsicht wäre mir die ursprünglich in Aussicht gestellte W o h n u n g des kürzlich verstorbenen Vaters Reitter lieber gewesen, die ober dem Ritzerbogeri liegt. Ich stellte mir vor, dort mein Leben in einem Lehnstuhl zu beschließen, den Blick zur Kollegienkirche und auf das bunte Treiben des Marktplatzes gerichtet, in Erinnerung daran, daß ich hier vor soundso vielen Jahrzehnten an der H a n d meines Vaters den ersten Schritt ins öffentliche l0
) 1944/45 fanden 16 Bombenangriffe auf Salzburg statt. Der schwerste war der bereits erwähnte Angriff am 16. 10. 1944.
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Dezember 1944 in Wien
Dasein getan habe, nämlich in die k.k. Übungsschule in der alten Benediktiner Universität. Aber diese Wohnung wurde mir durch Ausgebombte weggeschnappt. In Salzburg gibt es jetzt täglich einigemal Luftalarm oder doch wenigstens Voralarm. Da zieht alles mit Kind und Kegel in langen Kolonnen den Stollen entgegen, die in die beiden Stadtberge, den Mönchs- und den Kapuzinerberg, eingebaut sind. Angeblich können dort 30 000 bis 40000 Menschen untergebracht werden. Der stundenlange Aufenthalt ist natürlich nicht schön. An einem der Tage, die ich in Salzburg war, war um 5 Uhr früh Vollalarm. Ich blieb zunächst in meinem Bett, dritter Stock Österreichischer Hof, liegen, wurde aber dann doch durch Metzger und das unheimlich nahe Hinwegbrausen der Feindflugzeuge herausgelockt und begab mich ins Parterre - natürlich eine Fiktion von einem Schutz, da das Hotel ein Kartenhaus mit Glasdächern ist. Das Brausen über unseren Köpfen dauerte eine Stunde, es war in der kleinen Stadt in dem fast leeren Hotel unheimlicher als in Wien. Bombenabwürfe erfolgten bei der Ludwig-Viktor-Brücke und bei Aigen, wo der Feind gern die für Himmler bereitgestellte Unterkunft aufsucht. An einem Mittage war ich bei Emil Gussetti zu einem Gulasch eingeladen. Kaum hatten wir den letzten Bissen in den Mund gesteckt - als Voralarm gegeben wurde. Sofort stob die ganze Gesellschaft mit Ausnahme von Paula Mussoni auseinander. Das Enkelkind wurde in einen Korb gepackt. Der alte, schwer herzleidende Emil zog einige Hüllen über seinen einst so feisten, jetzt aber abgemagerten Körper, an dem alle Kleider hängen. Dann ging's mit der ganzen Karawane zum Schänzel los, wo der Schutzkeller eingebohrt ist. Auf der Karolinenbrücke wurde der rührselige Emil von einem Weinkrampf befallen; es war nur schwer, ihn weiterzubringen. Als er zurückgekommen, fragte er mich immer nur erschreckt wie ein scheues oder waidwundes Tier: „Wann wird der Krieg aus sein? Werden wir siegen?" Der alte Schönerianer trägt besonders schwer an den Enttäuschungen, die der Krieg natürlich durch seinen Verlauf auch ihm gebracht hat. Beinahe könnte man wie gegenüber jedem Schönerianer sagen: „Recht geschieht euch! Ihr habt ein voll gerüttelt Maß von Mitschuld an den Schrecknissen, die wir erleben müssen . . . " Das Salzburger Generalkommando ist ganz ausgebombt. General Ringel hat sein Büro in der Riedenburgkaserne aufgeschlagen. Bei der Einfahrt in den Hof kommen mir die Erinnerungen an die vielen Ritte, die ich zwischen 1926 und 1937 von dort aus unternommen habe. Wo sind die Zeiten? Wie sorglos waren sie! Und trotzdem war man unzufrieden mit irgendetwas. Ich hatte einen einzigen Grund. Es war die Tyrannei meiner Mutter. Sonst war ich die meiste Zeit sorglos. Aber niemandes Schicksal sei vor dem Abend glücklich gepriesen. Ringel erzählte auch etwas von dem „Defätismus" Aulebs. Ich war unerhört fest und zuversichtlich . . . Von sonstigen Erlebnissen in diesen Wochen ist vor allem die Verleihung des Ritterkreuzes vom Kriegsverdienstkreuz mit Schwertern") zu berichten. Eines Tages wurde ich in Wien vom Oberkommando der Wehrmacht, Abteilung Wehrmachtszentralkanzlei, angerufen, ich hätte mich binnen 48 Stunden bei Keitel zu melden. Seit ") Die Verleihung erfolgte mit 8.11.1944.
Das Ο KW in Berlin
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gut 10 Jahren habe ich immer irgendwie ein schlechtes Gewissen. So war ich auch diesmal durch den ersten Anruf ein wenig beunruhigt. Bald aber tröstete mich August Winter: es handele sich um eine Auszeichnung. Metzger und ich flogen Dienstag, den . . . November, 9 U h r früh mit der Lufthansa los. Zu Mittag saß ich im Grunewald Keitel gegenüber. Zu meinem Erstaunen nahm ich wahr, daß das ganze Oberkommando der Wehrmacht mit all seinen wichtigsten Unternehmungen nach Berlin übersiedelt war - nachdem man in Ostpreußen glücklich den letzten Betonblock in das dortige Hauptquartier eingebaut hatte. Der Führer wohnte in der Reichskanzlei. Alle hofften auf Berchtesgaden, vorderhand ist jedoch die Chance gering. Keitel überreichte mir zuerst mit feierlichen Worten im Namen des Führers das Ritterkreuz im Etui. Er meinte, hoffentlich sei damit der üble Nachgeschmack überwunden, den ich von meinem Agramer Abgang etwa noch hätte. Ich sagte: .Jawohl!" Es war aber nicht wahr. Denn daß Kasche bei aller Gemeinheit, die er nicht nur gegen mich, sondern gegen die deutsche Wehrmacht verübt hat, noch immer unten ist und dort sogar den großen Mann und Sieger spielt, vermag ich nicht zu verwinden. Nachher sprach Keitel - auf meinen „Sonderauftrag" mit keinem Worte zurückkommend - über die allgemeine Situation. Er war mit der Entwicklung im Westen vor allem der Abwehr des Feindes vom Ruhrgebiet - durchaus zufrieden (Straßburg war noch nicht gefallen), hatte dagegen wegen eines russischen Zangenangriffes Plattensee-Kohlengebiet Oberschlesien beträchtliche Sorgen; zumal der russische Aufmarsch gegen das letztere Gebiet beunruhigte ihn (obwohl er sich bis heute, 14. Dezember 1944, nicht ausgewirkt hat). M e h r u m Keitel auszuhorchen als „Gutes" zu stiften machte ich ihn auf die Gerüchte wegen Hitler aufmerksam; daß er schwer krank, vom Schlag gerührt oder überhaupt tot sei; dabei warf ich die Bemerkung ein, daß das feindliche Radio ohnehin von „jedermann" gehört werde. Der Führer müsse einmal zur Nation sprechen oder sich doch wenigstens in irgendeinem aktuellen Zusammenhang photographieren lassen. (Er tat letzteres 2 Wochen später wirklich. Man sah ihn mit Szalasi daher marschieren 12 ). Es wirkt irgendwie betrüblich, daß sich das neue Europa Hitlers nur in Gegenwart von so zweifelhaften Gestalten wie Szalasi und Pavelic oder einer lächerlich gewordenen Ruine wie Mussolini repräsentiert!!! N u n wurde auch eine neue nationale „rumänische" Regierung unter dem Oberlumpen Horia Sima gebildet, den wir bis vor kurzem in „Ehrenhaft" in einem KZ hielten 13 ).) Den Abend verbrachte ich im Grunewald bei General Winter, dem neuen stellvertretenden Chef des Wehrmachtsführungsstabes. Wir waren nur unser f ü n f , es war sehr gemütlich. Aber zu einem größeren ernsthaften Gespräch kommt man in all diesen Kreisen nicht. Worte der Kritik oder auch nur der zweifelnden Frage traut sich ,2
) Über die Unterredung Szälasis mit Hitler am 4.12.1944 vgl. Hillgruber, Staatsmanner u. Diplomaten bei Hitler, 2. Bd., 5 1 9 - 5 3 6 . Bei dieser war die Versicherung der deutschen Seite f ü r Szalasi entscheidend, daß Budapest gehalten werden würde. P h o t o der Unterredung Szälasis mit Hitler im Völkischen Beobachter. I3 ) Die Regierung Horia Sima, die später ihren Sitz in Wien nahm, wurde als „Nationalregierung" am 28.11.1944 gebildet. Horia Sima war nach seinem mißglückten Putschversuch nach dem 23.1.1941 nach Deutschland geflohen.
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Dezember 1944 in Wien
niemand in den Mund zu nehmen. Natürlich ist dann auch jede Diskussion ausgeschlossen. Man hat so den Eindruck, als würde auch in diesen obersten Sphären nur Tageshandwerk betrieben, wie im Frieden in irgendeinem Büro. Ob das die richtige Art ist, zu führen, weiß der liebe Himmel, ich glaube es nicht. Einen Nachmittag verbrachten wir beim kroatischen Gesandten KoSak. Der wesentliche Inhalt der Unterredung, die recht interessant war, ist in einem Schreiben an Jodl niedergelegt. Ergänzend wäre noch zu erwähnen, daß Kosak durch Kasche vor mir etwas von den gegen mich erhobenen Anklagen erfahren hat, ein neuer Beitrag für die Gemeinheit dieses SA-Obergruppenführers. Oder seine Dummheit oder beides! Zum zweiten will KoSak bei der Poglavnikreise ins Führerhauptquartier Kasche neuerlich gesagt haben, daß er an allem kroatischen Unglück schuldig sei. Ob die Vorhaltungen so arg waren, möchte ich bezweifeln. Das Urteil des Gesandten über seinen Staatschef ist unverändert geblieben. Ich erzählte ihm bei diesem Anlasse, der kroatische Bildhauer Augustincic14), zur Zeit Partisanenminister, habe nach Herstellung seiner bekannten Paveli6büste zu einem Freunde gesagt, er habe noch nie einen solchen Verbrechertyp modelliert als beim Kopfe seines Staatschefs. KoSak meinte, mein Berichterstatter sei Professor Vraneci615) gewesen - womit er recht hatte. Ein Abendessen führte mich nach Dahlem zu General Gantscheff. Das Essen selbst - Gäste waren außer Metzger und mir Baron und Baronin Massenbach - war wunderbar. Das Heim des in Halensee völlig ausgebombten Hausherrn war ganz nett, natürlich aber unpersönlich. Gantscheff war stolz, an der Spitze eines Stoßtrupps seinen alten König beim letzten Partisanenaufstand in der Slowakei befreit zu haben. Partisanenführer war der Gutsverwalter des Königs! Dieser hatte lediglich den Verlust von vier sehr schönen Autos zu beklagen. Er lebt zur Zeit in Ebenthal, wo ich ihn in Kürze zu besuchen hoffe. Massenbach, der dem Stabe Hases angehörte, hat eine fünfwöchige Untersuchungshaft bei der Gestapo hinter sich. Es war natürlich kein Vergnügen, trotzdem ist er, mit dem Kriegsverdienstkreuz I geschmückt, innerlich eher ruhiger herausgekommen. Zur Zeit ist er beim Wehrmachtkommandanten in Zeppelin, dem Lager des Oberkommandos des Heeres bei Zossen. Er fährt prachtvoll im Diplomatenauto seines Vorgängers Gantscheff (als Gatte der Anneliese). Bei einem Mittagessen mit Fräulein Katner, der Sekretärin Reineckes, erfuhr ich nicht viel. Reinecke sitzt als Chef des NS-Führungsstabes des Oberkommandos der Wehrmacht wie jeder OKW-Mann irgendwie zwischen zwei Stühlen. Während General R. v. Hengl 16 ), Chef des NS-Führungsstabes des Oberkommandos des Heeres, unausgesetzt beim Führer steckt, kommt er fast gar nicht hin.
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) Antun Augustintic (geb. Klanjec bei Agram, 4.5.1900), kroat. Porträtbildhauer; Werke in Jugoslawien, Genf, New York, Moskau; bevorzugte wuchtigen, monumentale Wirkung anstrebenden Stil, stellte seit 1925 aus. 15 ) Dr. Juraj VraneSifc, Inhaber eines Sanatoriums, in dem UstaSa-Angehörigen vor 1941 Unterschlupf gewährt worden war. ") Georg R. v. Hengl (Leiling, 21.10.1897 bis ?), 2.8.1914 Eintritt als Fhj. ins bayer. Heer, 1919 verabschiedet und zur bayer. Polizei, 6.10.1936 Übernahme ins Heer u. Kdr. III./Geb.Jg.R. 99, 1.4.1939
Die NS-Führungsoffiziere
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Im übrigen bilden sich die NS-Führungsoffiziere immer mehr ganz naturgemäß zu Politischen Kommissaren aus. Ihr Wirkungskreis ist, wie ich noch aus den Anweisungen in Zagreb entnehmen konnte, außerordentlich umfangreich. Sie sind im notwendigen Ausmaße sogar über operative Geschehnisse zu unterrichten. Ich hatte in Zagreb einen prachtvollen Kerl, den Lehrer Schrott aus Hallein. Uberall wird es gewiß nicht so sein. Das Spitzel- und Naderersystem untergräbt natürlich die Armeekameradschaft vollkommen. Aber auf diese kommt es nicht mehr an, im Gegenteil: sie wird seit dem 20. Juli für gefährlich gehalten! Es soll nur mehr eine Kameradschaft geben, die der Partei. Diese Kameradschaft ist in der T a t gut fundiert, und zwar durch die gemeinsame Gefährdung im Falle eines Zusammenbruches. Als alter Mann fühlt man sich o f t und oft zu Vergleichen mit der Jugendzeit veranlaßt. Die Kameradschaft von damals war wirklich wunderbar. D a ß ein Kamerad den anderen wegen einer politischen Sache angezeigt hätte, hatte es nicht gegeben. N u r gemeine Verstöße und solche gegen die Offiziersehre unterlagen der Anzeigepflicht, die in dieser Umgrenzung die Kameradschaft nicht störte, sondern hob! Erst die unglückselige Totalität des Regimes D o l l f u ß - S c h u s c h n i g g hat unter den deutschösterreichischen Offizieren die Kameradschaftsgesinnung schwer erschüttert. Das Bild, das nach dem Anschluß die berühmte altösterreichische Kameradschaft den verschiedenen reichsdeutschen Personalreferenten bot, war nichts weniger als schön: scheußliches Denunziantentum als Revanche gegenüber den ehemaligen „Vaterländischen", die früher fleißig angezeigt hatten. Heute ist es so, daß jeder Untergebene bei einigem Geschick jeden mißliebigen Vorgesetzten durch Denunziation buchstäblich umbringen kann. So scheint es leider auch meinem alten Freunde Waber gegangen zu sein, der, in der Systemzeit wegen NS-Gesinnung aus dem Bundesheer hinausgeschmissen, vor einigen Tagen wegen Truppenzersetzung zum T o d e verurteilt worden ist. Ich habe Waber im letzten Jahre des öfteren in Belgrad getroffen, jedem anderen hätte ich eher zugemutet, was ihm zur Last gelegt wurde (und worüber ich nichts Näheres weiß). Es bereitete mir einen gewissen Trost, daß ausgerechnet er, Neustädter 1909, nach mir meine Agramer Villa, mein „verlorenes Paradies", bezog. Auf einmal war er von dort verschwunden, und wilde Burschen aus dem Norden hielten statt seiner Einzug. Vor einigen Tagen (ich schreibe heute den 14. Dezember) kam meine neue Dienstanweisung an mich. Metzger, nach wie vor ehrgeizig bis zum äußersten, hatte mir vor unserer Berliner Reise einen Entwurf vorgelegt, aus dem ich das „Größenwahnsinnigste" herausstrich. Winter erklärte sich mit dem Rest ziemlich einverstanden, ich war überzeugt, daß bei Jodl nur sehr wenig übrigbleiben werde und hatte recht damit. Anicas Wunsch, ich solle mich durch Metzger nicht in neue Verantwortlichkeiten hineinhetzen lassen, ist erfüllt worden. Meine „neue Verwendung" ist ein otium cum dignitate geworden. Ich hoffe, es läßt sich entsprechend lange aufrechterhalten.
Obstlt., 1.4.1940 Kdr. Geb.Jg.R. 137, 1.12.1940 Obst., 1.1.1942 Kdr. 2. Geb.Div., 1.4.1942 G e n . M j r . , 1.1.1943 Gen.Lt., 1.10.1943 Kdi.Gen. X I X . Geb.K., 1.1.1944 Gen. d. Geb.Tr., 1.6.1944 Amtschef im O K H , 1.2.1945 Kdi.Gen. LIX. A.K.
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Dezember 1944 in Wien
Die Wiener Zeitungsverlautbarung über mein Ritterkreuz habe ich selbst verfaßt: „Der Führer hat dem , bisherigen Deutschen Bevollmächtigten General in Kroatien, für seine Verdienste als Vertreter der deutschen Wehrmacht beim USt Kroatien verliehen. Glaise v. Horstenau wirkte dreieinhalb Jahre in Kroatien und erhielt eine neue Verwendung." Mir war zumal der Passus „Vertreter" wichtig, um vor der Weltöffentlichkeit die Verantwortung für gewisse Dummheiten deutscher Kommandanten abzulehnen. Kürzlich war Jedlicka bei mir. Er erinnerte mich an eine Rede, die ich auf seine Einladung hin etwa 14 Tage vor Ausbruch des Krieges in einem HJ-Lager am Attersee abgehalten habe. Der Polenfeldzug zeichnete sich schon am Horizont ab. Ich hätte die Hörer durch folgende Feststellung recht traurig gestimmt, Jedlicka erinnere sich immer wieder daran: „Dieser Krieg wird, wenn er kommt, nicht bei zwei Staaten haltmachen. Große Mächte werden in ihn hineingerissen werden, und schließlich wird der Feuerbrand um die ganze Erde züngeln." Dem Hofbauer sagte ich auf der Reichsautobahn bei Bayreuth nach Anhörung der Kriegserklärungen: .Jetzt beginnt der siebenjährige Krieg!" [ ] 15. Dezember. Heute war ich mit Dr. Höttl beisammen. In Kroatien haben sich interessante Dinge abgespielt. Ein Ergänzungstransport des serbischen Freikorps Ljoti617) wurde irgendwie durch das La.nd transportiert. Da fiel es in die Hände meines „Freundes" Ljuburic. Er fischte 36 Serben, die Hälfte, heraus, ließ sie durchhauen und umbringen. Darob soll große Verwirrung entstanden sein, die auch Paveli6 und Kasche hineingerissen hat. Höttl übertreibt wohl manchmal, nicht mit Absicht, aber in jugendlichem Uberschwang. Aber die Tatsache selbst stimmt wohl und gibt mir und meiner Politik weitgehend recht. Man kann eben das neue Europa doch nicht nur mit Hilfe von Gaunern und Mördern aufbauen. Eine seltsame Rolle spielt in Zagreb der Chef des Sicherheitsdienstes Hermann, mein Adjutant vom März 1938. Wir haben oft und oft darüber beraten, wie man Leute vom Kaliber Ljuburic' auf die Seite schaffen könnte. Nun ist er mit den gleichen Herrschaften Bruder im Spiele. Ich bin neugierig, was aus der Sache wird. Oben versteht man bisher absolut nicht, worum es geht. Neubacher hat in der französischen Botschaft ein Balkanbüro aufgeschlagen. Ich werde ihn in diesen Tagen sprechen. Mit der Entwicklung in Ungarn ist man sehr unzufrieden. Die magyarischen Truppen wollen für Szälasi und Genossen absolut nicht kämpfen. Die Zahl der Abteilungen, die noch in der Front stehen, lassen sich bald an den Fingern abzählen. Höttl macht Veesenmayer für die Entwicklung verantwortlich. Er selbst war für eine Ministerpräsidentschaft Ruszkay (recte Rutzinger) oder sonst mit einem alten General; der hätte wenigstens etwas Einfluß auf die Honvedtruppen gehabt. Von besonderer Quelle erfahre ich, daß noch vor Neujahr im Westen eine ganz große Panzeroffensive mit neuen Luftwaffen et cetera steigen soll. Vederemo!
17 ) Dimitrije Ljotic war der Führer der nach faschistischem Vorbild geschaffenen national-serbischen „Zbor"-Bewegung, der ein serbisches Freikorps aufstellte, das ab 1941 mit den Deutschen, später auch mit Mihailovi6, zusammenarbeitete. Vgl. Tomasevich, The Chetniks, 110 f.
Militärgrenze und „Neues Europa"
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Über einen Sturz Ribbentrops wird viel geredet. An seine Stelle soll doch - als Lieblingskandidat Himmlers - Seyß-Inquart treten, mit Rahn als erstem Staatssekretär. Es gibt noch immer Seyßianer. Für einen Frieden des Ausgleiches, der wohl das Maximum des Erreichbaren darstellen dürfte, ist er als angeblich Hauptverantwortlicher für den Anschluß gewiß nicht geeignet. Auch kann er keine fremde Sprache außer Iglauerisch, wie Mühlmann bemerkt. Also: Der Führer hat es neuerlich Kaltenbrunner erklärt. Ungarn wird im künftigen neuen Europa kein selbständiger Staat mehr sein. Uberhaupt wird an das Großdeutsche Reich alles angeschlossen werden, was früher zum alten Österreich gehörte, inklusive Kroatien und Siebenbürgen. Mit dem Verlust des letzteren wird Rumänien f ü r seinen Verrat bestraft. O b auch wir f ü r die Niederlagen, die wir uns von Rußland beibringen ließen, bestraft werden, wurde nicht gesagt. Jedenfalls stellt sich diese ganze Problematik des Donauraumes, die seit Prinz Eugen die besten Geister befaßt und zu keiner entsprechenden Lösung gebracht hat, nun höchst einfach dar. Sie umfaßt nichts anderes als eine Polizeiaufgabe: widerspenstige Völker kirre zu machen. Man sieht wieder, daß Hitler vom alten Osterreich und den ihm innewohnenden zentripetalen und zentrifugalen Kräften keine blasse Ahnung hat (wie übrigens zum Beispiel auch Neubacher wirklicher Kenntnisse auf diesem Gebiete entbehrt, sonst würde er nicht in der Wiedererweckung einer kroatischen Militärgrenze eines der Elixiere f ü r die Lösung der südslawischen Frage erblicken). Leider, fürchte ich, werden wir - wenigstens unsere Generation - nicht mehr dazukommen, unser Gehirnschmalz an diese Dinge zu verschwenden. Aber eines ist jedenfalls interessant. Irgendwie dämmert im Unterbewußtsein des Führers die Erkenntnis, welch großen Wert das alte Österreich f ü r die Behauptung des Deutschtums in Europa gehabt hat! Ich habe denn auch nicht verfehlt, meinem aus jüngeren SS bestehenden heutigen Zuhörerkreis vor Augen zu bringen, daß seit einem Vierteljahrtausend, das heißt seit der Gründung des österreichischen Großreiches, am Plattensee kein äußerer Feind gestanden ist. Dies zu ermöglichen, war erst uns vorbehalten . . . Nebenbei bemerkt: Unmittelbar nach dem 20. Juli wurden an der O s t f r o n t drei ausgezeichnete Generäle, darunter unser österreichischer Artillerist Martinek, der Held von Sebastopol, als vor dem Feinde gefallen gemeldet. Nach den Bemerkungen eines meiner SS-Freunde scheint sich hinter dieser Angelegenheit eine mit dem Attentat zusammenhängende Tragödie zu verbergen. Man habe den plötzlichen Rückzug in dem Räume, in welchem diese Generäle den T o d gefunden, in Zusammenhang mit dem Verrat am Führer gebracht . . . et cetera, et cetera. Kein früherer Krieg hat auch Einzeltragödien in so reichem Ausmaße gebracht wie dieser. So erfährt man doch aus ziemlich sicherer Quelle, daß sich Feldmarschall von Kluge auf der Heimfahrt aus Paris im Schlafwagen vergiftet haben soll, ob aus Gram über die Niederlage oder aus anderen Gründen, weiß man nicht. 16. Dezember. Gestern hat Lauppert im schönen Kellersaale des Kriegsarchivs einen prachtvollen Vortrag über den Aufstieg Napoleons gehalten, einen Vortrag, der allerdings durch die sich einem aufdrängenden Parallelen erschütternd wirkte. Besonders charakteristisch des Redners immer wieder betonte These, daß es dem Korsen an jenem gesunden Blick f ü r das richtige M a ß gefehlt habe, den zum Beispiel
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Dezember 1944 in Wien
Srbik so schön der Kaiserin Maria Theresia zuschreibt. Unheimlich auch die Feststellung, daß Napoleon irgendwie ein heimat- und nationsloser Mensch gewesen sei, der sich sozusagen zufällig der französischen Nation bediente, um seinen unermeßlichen Ehrgeiz zu befriedigen; er hätte es ebenso mit einem anderen Volke versucht, wenn es in seine Hände geraten wäre. Von den 20 oder 30 Anwesenden, lauter ehrwürdigen alten Herren, die ich alle kannte, zum Teil aber kaum wiedererkannte, haben sich wohl die wenigsten tiefere Gedanken gemacht . . . 18. Dezember. Also die Offensive im Westen soll doch vorgestern knapp nach Mitternacht losgegangen sein18). Näheres weiß man im Augenblick noch nicht. Ich tröste mich, daß ich in Agram kaum mehr erfahren hätte als in meinem Wiener Exil. Alles in allem habe ich noch immer schweres Heimweh nach Agram und meinem verlorenen Paradies mit seiner wunderbaren Ländlichkeit inmitten einer ansehnlichen Stadt. Vergeblich sage ich mir, daß seit der Anwesenheit der Heeresgruppe meine dienstliche Situation kaum erträglich gewesen wäre. Schreiben hätte ich ebenso wie in Wien gekonnt. Fast jede Nacht träume ich von der schönen Savestadt und den Gemeinheiten des Poglavnik. So sehr beschäftigt mich diese letzte enttäuschungsvolle Episode meines Lebens. Kürzlich kam die neue Dienstanweisung, wie ich schon niederschrieb. Sie entielt vor allem den Auftrag, meine „Erfahrungen" als Deutscher Bevollmächtigter General in Agram niederzuschreiben. Man hat den Gedanken an eine Geschichtsschreibung erfreulicherweise aufgegeben. Die Sache ist nicht uninteressant, ich denke mich im Ernst an sie zu machen. Sie bietet Gelegenheit zu manchem kritischen Hinweis, der unter anderen Verhältnissen undenkbar wäre. Metzger wird einige Reisen tun müssen. Es schadet ihm nicht, er möchte am liebsten das Leben eines Grandseigneurs führen . . . In einem vertrauten Kreise erfuhr ich authentische Einzelheiten über die Rolle der Frau v. Ribbentrop und des Dr. Steengracht, des politischen Staatssekretärs im Auswärtigen Amt. Dieser sieht seine Hauptaufgabe darin, den penetranten Einfluß der abschreckend häßlichen Ministersgattin auf ihren Mann abzuwehren. Diese rufe oft schon um 7 Uhr früh an und gebe Weisungen und Rügen, die Steengracht abzuwehren versuche. Es ist alles schon furchtbar. Gestern war ich mit Guido Schmidt beisammen. Er ist wieder ganz groß. Man hat Diels19), den Leiter der Binnenschiffahrt bei den Hermann-Göring-Werken, in Haft gesetzt. Diels war seinerzeit der Vorgänger Himmlers als Organisator der SS. Er wurde nachher Regierungspräsident in Hannover, wo er mit Muff zusammenarbeitel8 ) Am 16.12.1944 begann die Ardennenoffensive zwischen dem H o h e n Venn und dem Nordteil Luxemburgs. " ) Rudolf Dieis (Berghausen/Taunus, 16.12.1900 bis 18.11.1957, ?), 1918 Kriegsfreiwilliger, Jusstudium, 1930 ins preuß. Innenministerium, V l / 1 9 3 3 Chef einer neu geschaffenen polit. Geheimpolizei (Abteilung I A des Berliner Polizeipräsidiums), der späteren Gestapo, sodann Stellv. Polizeipräsident v. Berlin, 1.4.1934 als Gestapochef enthoben, V / 1 9 3 4 Regierungspräsident in Köln, 1940 in Hannover, verheiratet mit der Witwe von Görings jüngerem Bruder. 1944 kurz in Gestapohaft. 1945 bis 1948 interniert. Bücher: Lucifer ante portas - Zwischen Severing und Heydrich (1950); Der Fall O t t o J o h n (1954).
Guido Schmidt und Franz v. Papen
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te. Muff erzählte mir o f t von der unerhörten Freimütigkeit seiner Kritik, so daß man schon fürchtete, es mit einem Agent provocateur zu tun zu haben. Nachher heiratete Diels Ilse Göring, eine nahe Verwandte des Reichsmarschalls. Ilse kam bei dem flatterhaften Gatten in keiner Weise auf ihre Rechnung, wohl aber Diels, der als einer der „leitendsten" Männer in die Hermann-Göring-Werke aufgenommen wurde. N u n m e h r hat ihn sein Schicksal ereilt. Er wurde als Defätist gefaßt. Ilse wird sich wahrscheinlich von ihm scheiden lassen. Guido Schmidt übernimmt neben seinen schlesischen und böhmisch-mährischen Werken wieder das Ressort Diels. Er befindet sich neuerlich auf der Spitze eines Wellenberges und ist dementsprechend aufgepinselt. Seine Hauptstütze ist nicht so sehr, meint er, Hermann, sondern Pleiger 20 ), der der große M a n n der Werke ist. Pleiger beurteilte die Sache recht pessimistisch; zumal die Kohlenlage ist besonders schwierig, mit ihr hängt die Transportkrisis eng zusammen. Wir heizen Lokomotiven schon mit allen möglichen Braunkohlen. Wenn das oberschlesische Kohlengebiet verlorenginge, sei der Krieg verloren. Schmidt hält dennoch, entsprechend seiner persönlichen Gehobenheit, einen halbwegs tragbaren Ausgang noch f ü r möglich. Er singt dabei besonders Papen ein hohes Lied, mit dem er 2 Monate in Ankara beisammen war. Papen habe damals den Standpunkt vertreten, daß bei einem Rücktritt Hitlers und bei Aufhebung der Parteitotalität ein annehmbarer Friede zu erreichen sei; er werde dies Hitler selbst sagen (was er gewiß nicht getan hat, sonst lebte er kaum mehr). Ich teile Schmidts Begeisterung f ü r Franzi Papen nicht. Er ist gesellschaftlich gewiß ein lieber Kerl, nimmt aber die Probleme viel zu sehr auf die leichte Schulter. Wenn f ü r ihn irgendwo ein Hirsch „angebunden" ist, dann ist ihm die höchste Politik Wurst. In der Anschlußfrage hatte er seinerzeit ein ganz unklares Programm. Die von ihm gehegte Idee, mit dem Anschluß in ganz Deutschland ein Geschäft zugunsten des Katholizismus und des Kulturkampfes zu machen, war völlig abwegig. Ebenso hat mich das Weltbild, das er bei unserer letzten Zusammenkunft, Oktober 1940 im Unionklub, vorwies, schwer enttäuscht; er hat auf der ganzen Linie unrecht bekommen. Seine Stellung in der Türkei ist, wie mir Schmidt versichert, glanzvoll gewesen; er habe unter allen Diplomaten den ersten Platz eingenommen. Dennoch glaube ich, daß man auch dort sein Wirken überschätzt; die Türken wollten auf keinen Fall in den Krieg eintreten. Sicherlich ist unter Blinden der Einäugige König. Gegenüber Kasche und ähnlichem Gelichter ist Papen eine ganz große Nummer; er verzeihe die Gegenüberstellung. Das Gespräch mit Schmidt f ü h r t dann, durch mich gelenkt, in die Vergangenheit hinüber. Ich frage ihn zunächst über die Entrevue Mussolini-Schuschnigg in
20
) Paul Pleiger (Buchholz, 29.9.1899 bis ?), dt. Industrieller, frühzeitig NSDAP-Mitglied, führte als Generaldirektor der 1937 gegründeten „Reichswerke-Aktiengesellschaft f ü r Erzbergbau und Eisenhütten Hermann Göring" in Berlin den Aufbau der Eisenwerke in Salzgitter und Linz durch, vereinigte 1939 die H ü t t e Linz mit der „Alpine" zur „Österreichischen Alpine-Montan-Aktiengesellschaft H e r m a n n Göring" in Linz (bis 1.1.1941 Vorstandsvorsitzender, ab 1.11.1941 bis Kriegsende neuerlich); Aufsichtsratvorsitzender bei zahlreichen weiteren Großbetrieben, u.a. Steirische Gußstahlwerke AG. in Wien, Sudetenländische Bergbau AG. in Brüx, Bau-AG. Negrelli in Wien. Am 11.4.1949 durch den Militärgerichtshof IV zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt.
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Venedig, April 1937. Er sagte, bei dieser Zusammenkunft habe er zum erstenmal besonders deutlich wahrgenommen, was es heiße, einen armseligen Kleinstaat zu vertreten. Man habe in San Daniele oder irgendwo mit Mussolini gegessen, dieser sei wortkarg gewesen und sofort nach dem letzten Gang aufgesprungen, um die Milwaukee zu besichtigen, die unter einem Wald von Hakenkreuzfahnen im Hafen gelegen habe. Schuschnigg habe auf der Rückreise getobt und wollte dem Gayda-Artikel ein scharfes Dementi folgen lassen, was er aber dann unterließ. Auch das bestätigt Schmidt, daß Schuschnigg in den darauffolgenden Monaten wiederholt unter dem Eindrucke gelebt habe, wir seien auch im Westen abgeschrieben. Offenbar hat ihm Zernatto seine Sorgen ausgeredet. Nach jenen Erkenntnissen war natürlich die zunehmende politische Versteifung, die sich Schuschnigg gegenüber Deutschland leistete, nur noch blöder. Daß man die anderen Minister so ganz im unklaren über die Lage ließ, bezeichnete ich Schmidt gegenüber als unentschuldbaren Fehler. Wenn ich jetzt meine Erinnerungen schreibe, erkenne ich, welch schmähliche Rolle man zumal mich habe spielen lassen. Schmidt meint, da komme wohl auch er in meinen Aufzeichnungen nicht gut weg. Ich gab eine ausweichende Antwort. Übrigens zeichnet auch er seine Ministererlebnisse zur Zeit auf. Zu den von Schuschnigg immer wieder gehegten Hoffnungen, Österreich bei einem Krieg Deutschlands neutral zu halten, erzählt Schmidt, er habe bei einer der letzten Unterredungen mit Känya Schuschnigg die gleichen Hoffnungen aussprechen hören. Känya habe geantwortet, Ungarn würde wohl versuchen, neutral zu bleiben, doch bezweifle er die Möglichkeit; eine solche bestünde für Österreich ganz gewiß nicht. Mit Recht bemerkte Schmidt, daß bei der Haltung der Deutschösterreicher in diesem Kriege diese in den ersten siegreichen Feldzügen nie und nimmer hätten beiseite stehen wollen. Er hat recht; jetzt ist es natürlich ganz anders. Das Gesamtbild, das man von Schmidt in Augenblicken des „Wellenberges" bekommt, ist immer wenig günstig . . . 19. Dezember. Heute war ein interessanter Tag. Vormittag nicht, denn es gab wieder Luftalarm; nur kamen sie im Gegensatz zu gestern nicht zu uns nach Wien, sondern begnügten sich, abgesehen von einigen Aufklärern, im Osten vorüberzuziehen. Diese jetzt schon täglichen Besuche sind äußerst störend. Nachmittags kam zunächst Metzger mit dem ehemaligen kroatischen Arbeitsstaatssekretär Bulic zusammen. Er möchte nationale Partisanen organisieren. Ausgerechnet den in der Slowakei weilenden General Prpic sollen wir ihm hiezu verschaffen; der ginge überall anders eher hin als in den Wald. Bulic erzählt, am 27. November sei Pavelic an den Abtbischof Marcone mit der Bitte herangetreten, der Vatikan möge sich für die Übernahme Kroatiens in die anglosächsische Interessenssphäre einsetzen. Die Sache könnte nicht aus der Luft gegriffen sein. Tatsächlich brachte Westen aus der Schweiz die Nachricht mit, England hätte ausdrücklich eine solche Lösung proklamiert. Die Westenleute sind natürlich wegen Cilli und Aßling froh . . . Bulic ist seinerzeit aus Agram weggegangen, weil er sich an dem Begräbnis der vier beteiligte, die seinerzeit Kirin in Sestine hingemordet hat. Ich traf bei Beate mit dem königlich ungarischen Kriegswirtschaftsminister, Feldmarschalleutnant Kranz-Hellepront, zusammen. Er ist ein wilder Pfeilkreuzler, gesteht in seinem Lande überhaupt nur diesen eine Daseinsberechtigung zu, weshalb
Ein ungarischer SS-General
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zum Beispiel mein lieber alter Freund Gusti Denk sehr schlecht bei ihm abschneidet, und ist überzeugt, daß die Regierung Szälasi (dieser ist übrigens Neustädter 1915 und alter Kaiserjäger) noch im Jänner wieder in Budapest einziehen wird. Der Angriff im Westen habe eine Tiefe von 60 Kilometer erzielt. Mit Jänner werde das große Wunder geschehen, daß wir unsere Luftüberlegenheit zurückgewännen, nur bis dorthin brauchten wir noch Geduld haben. Ungarn werde unter dem Pfeilkreuzlerregime unerhörte Aufbauarbeit leisten müssen. Die Arbeitspflicht werde auf das siebzigste Lebensjahr ausgedehnt - ich fragte: „Warum nicht überhaupt das neunzigste?" Großer Bannfluch gegen alle, die mit dem „alten Dusel" zu tun gehabt hätten, worunter er H o r t h y meint. Im übrigen sei die Sarah (das Pseudonym f ü r Frau Horthy) die Hauptschuldige. Wir Deutschen hätten einen großen Fehler begangen, daß wir nicht schon im März den Kaiser-, pardon den Königsschnitt gemacht hätten. In der unmittelbaren Umgebung Horthys hätten prominente Leute bereits Geld von den Russen bezogen. Die vorbereitete Verteidigung der Königsburg hätte bis zur Ankunft der Russen durchhalten sollen. Der Sturm hat 20 Minuten gedauert, dann begab sich H o r t h y unter den Schutz der Waffen-SS! N u n ist er samt Gattin und Sohn, den man angeblich bei Verhandlungen mit Kommunisten verhaftet hat, im Exil. Von dort habe er sich beim Führer wegen einiger Freiheitsbeschränkungen beschwert, ihm aber (!) gleichzeitig in Aussicht gestellt, er werde ihm nach Besetzung Ungarns durch die Engländer ein Asyl gewähren. Wenn das wahr ist, leidet der gute H o r t h y an Dementia senilis. Die ungarische Industrie wird samt Betriebsführern und Arbeitern fabriksweise nach Deutschland verlegt. Auch sonst haben wir eine Menge ungarischer Gäste zu erwarten, zum Beispiel das ganze ungarische Parlament, das sich jetzt in dem völlig niedergebombten Odenburg befindet. Die Odenburger Frage dürfte übrigens f ü r uns erledigt sein. Zerstörte Städte haben wir genug. Hellepront fährt nach Berlin, wo er mit keinen Wehrmachtspersonen, wohl aber mit Jüttner 2 1 ) und Gottlob Berger zusammenkommt. Das sind auch Zeichen der Zeit . . . Nachher Zusammenkunft mit Kronholz bei Metzger im Grand Hotel. Kronholz ist mit Nedic von Kitzbühel her in Wien. Er soll zu einer Kundgebung der Bündnistreue und des Antikommunismus gepreßt werden, eine neue Regierung bilden und dergleichen mehr; er will aber nicht, worüber Neubacher böse ist. Die Leute wollen sich eben alle nicht exponieren. Die Räumung Belgrads habe sich unter sehr wenig erfreulichen Umständen vollzogen. Als erster f u h r der Sicherheitsdienst samt dem serbischen Polizeipräsidenten, der zugleich Bürgermeister war, ab. Sehr viel wurde von uns gesprengt, sehr viel im Kampfe zerschossen. Die Russen wüten 21 ) Max Jüttner (Saalfeld/Saale, 1 1.1.1888 bis ?), 1906 als Fhj. zu FAR 55, 18.8.1907 Lt., 18.12.1915 Hptm., zuletzt I a bei 119.Inf.Div., 1919 Freikorpsführer in Merseburg, ab 1.8.1920 im mitteldeutschen Kohlebergbau tätig, 12.4.1933 Landesführer des Stahlhelms Mitteldeutschland, 1.1 1.1933 Brigadeführer der SA-Gruppe N o r d , 20.4.1935 SA-Gruppenführer, 9.11.1937 SA-Obergruppenführer u. Chef des Führungshauptamtes der Obersten SA-Führung, III/1938 auch Führer des Dt. Schützenverbandes, 1.5.1943 interimistischer Stabschef der SA (bis 18. 8.1943), ab 1939 als G r u p p e n f ü h r e r in der Waffen-SS, zuletzt Gen. Lt., nach 1942 SS-Obergruppenführer, nach dem 20.7.1944 Ständiger Vertreter Himmlers in dessen Eigenschaft als Befehlshaber des Ersatzheeres.
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wahnsinnig, bringen alle Intellektuellen um, vor allem jeden ehemaligen Offizier. Feldmarschall Freiherr v. Weichs soll versichert haben, zu Weihnachten wieder in Belgrad zu sein. Ich kann es nicht glauben. Sehr große Aufregung verursacht in serbischen Kreisen die Mordtat des Ljuburic auf dem Agramer Bahnhof. Unter den 36 erschossenen serbischen Freiwilligen befand sich auch ein hochverdienter Oberst. Ljotic war bescheiden genug, von den Kroaten die Auslieferung der Leichen zu fordern; auch die bekommt er bei unserer schmählichen Nachgiebigkeit nicht. Kronholz traf kürzlich den entsetzlich dummen Gesandtschaftsrat Kühn im Agramer Esplanade. Kühn sagte triumphierend, die Politik der Gesandtschaft in Kroatien habe doch recht behalten. Kronholz widersprach natürlich. Aber ich bin überzeugt, daß man oben genau der gleichen Auffassung ist. Man hängt eben am Schein und geht den Dingen nicht nach. Der Poglavnik ist der prachtvollste Bundesgenosse, denn er behauptet sich nach wie vor treu wie Gold!!! Daher auch eine erstaunliche Leisetreterei im Falle Ljuburic. Übrigens ist es auch bei Kopreinitz zu neuen Ubergriffen gegen durchfahrende serbische Freiwillige gekommen! Nedic bekommt monatlich 4000 Reichsmark, die anderen serbischen Minister 2 000 Reichsmark. Das alles wird uns eine Menge kosten, fällt aber gegenüber allem, was sonst an Geld durch den Krieg verschlungen wird, unters Maß. Nachzutragen habe ich, daß Hellepront von Meutereien der Kanadier zu berichten wußte. Es scheint wirklich gut vorwärts zu gehen. Gestern kam ich bei Schicht mit Fritz Westen zusammen, der eben voll Nachrichten aus der Schweiz zurückgekehrt ist. Meine dortigen Freunde, August Westen, Hermann Ulimann, MeStrovic, Alois Auersperg lassen mich durchwegs grüßen. Es wäre interessant, einmal mit ihnen zu reden. Das äußere Leben geht prachtvoll weiter, man spürt den Krieg nicht, auch nicht durch Teuerung. Die Weltlage wird sehr schlecht beurteilt. Deutschland ist als Sieger bei 99,9 Prozent abgeschrieben. Aber auch bei den Gegnern ist es alles eher denn schön. Die Lage in den wiedergewonnenen Ländern Italien, Frankreich, Belgien läßt alles zu wünschen übrig. Uberall Bolschewismus, Blutrache, Anarchie, Raub. Dabei die Alliierten wie Hund und Katz, was sich sogar im Verkehr mit ihnen auf Schweizer Boden zeigt. Professor Burckhardt meint, wenn heute der Krieg aus wäre, wüßte niemand, wo aus und ein; es gibt kein politisches Konzept. Amerika ist an Europa völlig desinteressiert, es will - wegen der bevorstehenden Auseinandersetzung im Pazifik - nur Rußland bei der Stange halten. Wann immer Churchill den Versuch wagt, europäische Politik zu treiben, kriegt er von drüben eines über die Schnauze. Die Schweiz fürchtet, am Ende noch ins Chaos mit hineingerissen zu werden. Zu guter Letzt bekommt doch noch Himmler recht, wenn er sagt, daß Deutschland als einziger Ordnungsstaat übrigbleibt und von den anderen noch zu Hilfe gerufen werden wird. Österreich soll wieder selbständig werden, natürlich noch mehr Blinddarm als früher, da man ihm Klagenfurt und womöglich Graz wegnehmen will. Otto war zweimal beim Papst in Rom, ist wieder nach London zurückgekehrt. Er soll der anerkannte Liebling Roosevelts sein. Westen bringt auch die Nachricht, daß in London erklärt worden sei, Slowenien und Kroatien fielen in die britische Interessenssphäre; es freut ihn wegen Cilli und Aßling.
Neue UstaSa-Greuel
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20. Dezember. Heute einen Brief an Jodl über die Ljuburic-Affäre geschrieben. Wie ich erfahre, kann Erwin Conrad, der Sohn des Feldmarschalls, Oberst im Generalstab, nicht General werden, sondern er muß in Pension gehen, weil seine Frau eine Schwedin ist. 21. Dezember. Vormittags Telephongespräch mit Höttl. In Kroatien neue UstaSaschweinerei. Die 6. Brigade hat von aus den Gefechten bei Knin abgeschobenen verwundeten Cetnici 140 aus den Wagen geholt und umgebracht! Mir wird weitgehende Rechtfertigung. Aber ich habe nichts mehr davon. An eine augenblickliche Rückkehr ist nicht zu denken; auch in Z u k u n f t ist keine zu erwarten, da nunmehr alles die SS machen wird. Frau Pavelic war, als sie bei ihrer Ankunft im Panhans erfuhr, daß der alte Kvaternik dort wohnte, so entrüstet, daß sie sofort umkehren wollte. Auch das Fehlen eines Vertreters des Auswärtigen Amtes erboste sie. N u n m e h r verläßt sie ihr Appartement nicht, das von einem Posten bewacht ist. Wozu sie da aus Agram weggeht, verstehe ich nicht. Nachmittags besuchte ich den ungarischen Generalobersten (Generaloberste sind bekanntlich Generäle der Infanterie oder Kavallerie) Ruszkay, recte Rutzinger, im Grand Hotel. Er war längere Zeit Führer der ungarischen Nationalsozialisten, führt auch das Wort „Weltanschauung" unausgesetzt im Munde, hat sich später mit Szälasi fusioniert, saß aber zuletzt zwischen zwei Stühlen, so daß er auch jetzt nicht „zum Zuge gekommen" ist. N u n befindet er sich auf dem Wege nach Berlin, um dort - sage und schreibe - SS-Obergruppenführer zu werden! Die Magyaren (nicht Volksdeutsche) haben bisher eine SS-Division aufgestellt, die sich offenbar in Neuhammer befindet. Zu dieser Division sollen nun, unter Patronanz Ruszkays, vier weitere kommen; sie werden alle SS-Uniform tragen, nur auf Ärmel oder Kragen oder auf beiden ein besonderes ungarisches Abzeichen. Die magyarischen SS-Leute werden, wenn nötig mit sanftem Druck, aus der Honved als Freiwillige geworben. Diesen Bestrebungen setzen sich allerdings sämtliche militärischen Behörden bis zum Kriegsminister Beregffy (recte Berger) 22 ) hinaus entgegen. Außer den fünf SS-Divisionen sollen in Deutschland noch vier Honveddivisionen mit von Ungarn beigestellten Uniformen und deutschen Waffen aufgestellt werden. W o sind die seligen Zeiten, in denen sich die Herren Magyaren in der alten Monarchie wegen furchtbarer staatsrechtlicher Gravamina beschwerten! W o sind die Jahrzehnte des Kampfes um die magyarische Dienstsprache, die sie jetzt zum erheblichen Teile opfern müssen! Ein gerechtes Schicksal hat die Leutchen getroffen, obwohl sie mir in einem Winkel der Seele leid tun. 22 ) Käroly Beregffy (Magyarisierung von Berger) (Cservenka, 12.2.1888 bis 12.3.1946, hingerichtet in Budapest), 1.9.1910 aus der Milak. als Lt. zum IR 46, 1.8.1914 Oblt., im l . W k g . Dienst als zugeteilter Genstabsoffz., 1.5.1917 Hptm., 1919 in der ung. Roten Armee, 1920 in die Honved übernommen, 1.5.1925 Mjr. i.G., 1.5.1929 Obstlt. i.G., Dienst im Honvedmin., 1930 Lehrer an der Kriegsschule, 1.11.1934 Obst. i.G., Chef der mat. Abt. im Honvedmin., 1.11.1939 Gen. Mjr., IX/1941 Kmdt. d. Korps in Debrecen, 1.11.1941 FML, VIII/1943 bis V/1944 Kmdt. d. I. Korps in Budapest, 1.1.1944 Gen.Obst., 26.5.1944 Kmdt. d. 1. A r m e e i n den Karpaten, Ende Juli 1944 nach Zerfall dieser Armee enthoben, 17.8.1944 Kmdt. d. „Ersatzreservearmee", 16.10.1944 Honvedminister u. Chef d. Glstb. (bis Kriegsende), mit dem 2. Kriegsverbrechertransport von den USA an Ungarn ausgeliefert, zum T o d e verurteilt.
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Ruszkays Schilderung über das Versagen der Honved ist erschütternd. Nur ein paar kleine Divisionen am Nordflügel halten noch. Auch die Husarendivision auf Csepel, Horthys Stolz, hat schließlich, allerdings nach sehr intensivem Einsatz, nachgelassen. Ursache angeblich oder wirklich die zersetzenden Einflüsse von der „Burg" und ihrer Clique, zwei übergelaufene Armeekommandanten und ein ebensolcher Generalstabschef! Horthy sei halbwegs anständig, aber schon senil gewesen. Alle Bösartigkeit sei von Bethlen gekommen. Dieser ist verschwunden, wohin, ahnt man nicht; er hat bis zum Schluß auf der Burg gewohnt. Dagegen haben die Türken den früheren Ministerpräsidenten Källay auf unsere energische Forderung doch ausgeliefert; er ist „in guter Gewahrsam". Ruszkay redet von seinem früheren Staatschef nicht so despektierlich wie der dumme Kranz-Hellepront, der ihn nur den „alten Dusel" nannte und sie die „Rebekka", obwohl er zuzeiten vor beiden sehr gekrümmte Rücken zeigte und auch die von Horthy verliehenen Orden im Gegensatz zu Ruszkay in vier Zeilen weiterträgt. Ich frage Ruszkay noch über die Gerüchte wegen der Deutschmeisterdivision, die angeblich bei Fünfkirchen versagt hat 23 ). Er meint, von einem „Versagen" könne nicht gesprochen werden. Die Division sei völlig ermattet und abgekämpft ausgeladen und mit 2 000 bis 3 000 auf einen riesigen Frontraum aufgeteilt worden, so daß sie von den x-fach überlegenen Russen eingedrückt werden mußte. Die Führung habe dem versumpften Mündungsdreieck der Drau zuwenig Beachtung geschenkt, auch habe man ungeschickterweise die Naht zwischen den Heeresgruppen Frießner und Weichs nicht an der Drau belassen, sondern sie weiter nördlich verlegt - womit er sicher recht hat. Im Gegensatz zu Hellepront gefällt mir Ruszkay überhaupt recht gut. Er ist ein Offizier von altem Schrot und Korn; spricht natürlich ausgezeichnet Deutsch, während sich Hellepront bemüht, zu preußeln. Nach Ruszkay besuchte ich Neubacher, den ich in einer verhältnismäßig wenig beschwingten Verfassung antraf; in diesem Zustand ist er angenehm, und es läßt sich ruhig mit ihm reden. Er fühlt sich kaltgestellt, meint, man sei ihm längst den „Botschafter" schuldig, womit er recht hat bei der Wohlfeilheit dieses Titels, führt diese Schikanen im wesentlichen auf die Gegnerschaft Ribbentrops zurück, der ihn nicht zu groß werden lassen wolle und vielleicht sogar seine Konkurrenz fürchte womit er auch recht hat. Zu einer etwaigen Nachfolgeschaft Seyß-Inquarts meint er, diese Spinne würde sich vielleicht wirklich hineinspinnen, ein ganz guter Ausdruck. Er glaubt jedoch nicht, daß es in absehbarer Zeit zu einem Wechsel kommen werde. Wir sprechen davon, daß sowohl Deutschland wie alles, was wir sonst noch haben werden, ausschließlich SS-Angelegenheit sein werde, und ich frage ihn, ob er nicht doch von der SA übergehen möchte; er sagt, er beschäftige sich mit dem Gedanken. Die jugoslawische Frage betrachtet er ganz genau wie ich. Militärgrenzideen und dergleichen hat er nicht mehr berührt. Er ist nach wie vor für ein selbständiges Serbien, zu dem auch Syrmien und Ostbosnien treten müßten. Der Poglavnik habe ihm bei einem Besuche in Agram schon fünf Bezirke (sicher die wildesten in Bosnien und der Herzegowina) angetragen. Natürlich müßte trotzdem eine weitgehende ") Über den Einsatz der 44. Inf.Div. im Raum Fünfkirchen v. 11.11.1944 bis 21.1.1945 vgl. Schimak - Lamprecht - Dettner, 331-333.
Die „Deutschmeisterdivision" wird fast aufgerieben
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Umsiedelung Platz greifen, da es O r t h o d o x e auch in der Lika in großer Zahl gibt. D a ß man Paveli6 und seine Garnitur abräumen müßte, falls an eine neue Lösung im Südosten zu gehen wäre, ist Neubachers Anschauung wie meine; er erklärt mit dem Brustton der Überzeugung, daß er anders überhaupt nicht mittun würde. Metzger und ich besorgen dennoch, daß sich der Poglavnik, schlau wie er ist, halten würde. Die Übernahme des Oberkommandos der kroatischen Wehrmacht gehört mit zu den Schachzügen, mit denen er sein Ziel erreichen will. Auch die immer wieder gegebene Versicherung, erst mit dem letzten Bataillon Kroatien zu verlassen oder gar in den Wald zu gehen, ist ein Teil einer Taktik, mit der der gehaute Pavelic oben Wohlgefallen erregen will. Die Ljuburic-Geschichte wirbelt wohl viel Staub auf. Kasche mußte dem Poglavnik eine sehr scharfe N o t e Ribbentrops überreichen 24 ); außerdem wurde er - auf unbestimmte Zeit, wie Neubacher behauptet - nach Berlin berufen. Aber auf dem militärischen Sektor scheinen schon mildere T ö n e herabgekommen zu sein. Man fürchtet dummerweise eben schon, den „treuesten Bundesgenossen" zu vergrämen, welche Rolle sich Pavelic immer wieder so geschickt auf den Leib schreibt. Zudem hat der Gottsöberste für Leute, die „hart" sind wie der Ljuburic, in einem Winkel seines komplizierten Herzens doch auch dann eine Schwäche, wenn sie mit dieser ihrer „Härte" Schaden anstiften. Mit solchen psychologischen Dingen muß man rechnen. Wir würden daher bei einer Wendung der Kriegslage, die im Augenblick wegen der Erfolge im Westen, der inneren Verfassung des russischen Heeres und der steigenden Zerwürfnisse im gegnerischen Lager auch von vernünftigen und kühl denkenden Menschen nicht für unmöglich gehalten wird, die an uns herantretenden außerdeutschen Probleme genau so dumm lösen oder noch dümmer als das erstemal. (Ruszkay: russische Panzer sehr gut, Artillerie gut, Infanterie teilweise gut bewaffnet, aber sonst zerlumpt, in der Ebene beweglich, im Gebirge sicherlich sehr schwerfällig.) Längere Zeit ließ sich Neubacher über die ungarische Frage aus. Ich erzählte ihm, daß Ruszkay sich über die völlige Unfähigkeit der Regierung Szälasi beklagt habe. Dieser sei ein reiner Phantast, der von dem Gedanken an den Aufbau eines Idealstaates (ausgerechnet mit den Magyaren) besessen sei, sich zu diesem Behufe schon von einem Kranz von allen Ministerien hineinredenden Sonderkanzleien umgeben habe, ansonsten aber sich um nichts kümmere. Das Flüchtlingselend sei namenlos, andernorts schwimme wieder alles im Überfluß, man bekomme westlich Steinamanger Schlagobers, soviel man haben wolle, et cetera. Ruszkay meinte, es wäre praktischer gewesen, schon am 19. März zu einer radikaleren Lösung zu schreiten, wobei er allerdings die Frage des Reichsverwesers offenließ.
24 ) ADAP, Serie E, Bd. VIII, N r . 318: Ribbentrop an Kasche, Sonderzug Westfalen, 16.12.1944: Er solle dem Poglavnik eine Notiz übergeben mit stärkstem Befremden über eine Reihe von Vorgängen. U. a. „Am 7. Dezember 1944 wurden in der N ä h e des Bahnhofs in Agram und auf dem Bahnhof 36 Offiziere und M ä n n e r der Serbischen Freiwilligenkorps, die sich nach gemeinsamem Kampf an der Seite einer deutschen Heeresgruppe in Begleitung eines deutschen Unteroffiziers nach Fiume begeben sollten, trotz Protestes des deutschen Begleitunteroffiziers von einer schwerbewaffneten UstaSa-Abteilung aus dem Zug geholt und sofort erschossen . . K a s c h e solle nach D u r c h f ü h r u n g der Demarche nach Berlin kommen.
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Dezember 1944 in Wien
Neubacher hält unsere ganze ungarische Politik für unglücklich und macht weitgehend Veesenmayer dafür verantwortlich. Es sei dumm von uns gewesen, einen Mann von so geringer Repräsentanz hinzuschicken, und meint, was viele meinten, ich wäre der richtige Mann gewesen. Ich glaube nicht, denn die Politik, die man von mir verlangt hätte, hätte ich nicht mitmachen können; genau so, wie ich es in Kroatien nicht konnte. Am wenigsten wäre es mir noch im März geglückt, mich rechtzeitig einzuschalten. Veesenmayer, der verschiedene Nervenzusammenbrüche hatte und sich zu erschießen drohte, befindet sich jetzt auf der großen Schütt auf Schloß Hedervär. Die Regierung ist auf 30 Stellen ohne Telephon verteilt. Ich möchte in dieser Desorganisation nicht unbedingt ein Zeichen ungarischer Unfähigkeit oder dergleichen erblicken. Wenn drei Viertel Deutschlands vom Feinde besetzt wären, würde es im letzten Viertel auch nicht wunderbar organisatorisch aussehen. Wie immer es sei: vorderhand gilt finis Hungariae! Um das Neubacher-Gespräch fortzusetzen: Auf unsere bulgarophile Politik ist er besonders schlecht zu sprechen. Die Bulgaren seien durch und durch russisch infiziert gewesen, und es sei ein Skandal gewesen, wie sich die bulgarischen Truppen von Anbeginn benommen haben. Wir müßten die Bulgaren endgültig abschreiben. Offenbar haben diese Anteil an der Zerstörung der albanischen Hoffnungen Neubachers gehabt. Ich glaube, ich schrieb es schon nieder: Als Neubacher im Oktober 1943 bei mir in Zagreb war, sagte er mir: „Ich werde dir wahrscheinlich einen Schmerz antun müssen; im Wiener Kunsthistorischen Museum liegt der Helm und das Schwert Skanderbegs - ich werde beide wahrscheinlich, wenn das albanische Experiment glückt, einem Albaner verleihen müssen." Ich meinte, auch diesen Schmerz zu überstehen, da ich doch auch den Raub der Reichskleinodien überstanden hätte. Neubachers halbe oder ganze Kaltstellung entbehrt nicht einer gewissen Tragik. Zwar ist es eine umstrittene Sache, ob er überhaupt der Mann gründlicher und konsequenter Arbeit ist. Auf den Balkan wurde er im Sommer 1943 gerufen. Natürlich hat er Hitler mit seiner glänzenden Beredsamkeit eine Fata morgana politischer Zukunftshoffnungen vorgeträumt, die sich, zumal im Wetterwinkel Europas, ein halbes Jahr nach Stalingrad nie mehr erfüllen konnten. Zudem war der stolze Sonderauftrag Neubachers nach unserer Gewohnheit derart verklausuliert, daß sich mit ihm auch unter besseren Verhältnissen nur wenig hätte machen lassen. Bulgarien und Kroatien wurden sehr rasch seiner Ingerenz entzogen. Es geschah aus Rücksicht auf die beiden trefflichen SA-Gesandten Beckerle und Kasche. Folgerichtig fiel dadurch die Möglichkeit weg, auch die anderen Balkanprobleme, das griechische, albanische und serbische, planmäßig zu behandeln. So konnte es nicht lange währen, und Neubacher mußte - vielleicht nicht zum Mißbehagen Ribbentrops - oben, wo man jede günstige Perspektive wie einen Strohhalm ergreift, schwer enttäuschen. Jetzt sitzt er als Sonderbeauftragter in den schönen Räumen der französischen Botschaft, die ich das letztemal als Gast des Gesandten Puaux betreten hatte. Abends gab ich im Imperial dem Ehepaar Dr. Proebst aus Agram und Metzger ein kleines Essen. Es war ausnahmsweise vorzüglich. Unter dem, was Proebst, seines Zeichens Bayer und ehemaliger CVer, jetzt Herausgeber der „Neuen Ordnung" in
Die Umgebung des Poglavnik
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A g r a m , e r z ä h l t e , w a r eigentlich n u r das, w a s er von Pavelic berichtete, e i n i g e r m a ß e n interessant. Dieser h a b e in der Emigration j a h r e l a n g n u r K r i m i n a l r o m a n e u n d S c h i l d e r u n g e n des Lebens von w i l d e n D i k t a t o r e n gelesen. Es g e h ö r e vielleicht zu seinen E m i g r a t i o n s k o m p l e x e n , d a ß ihm „Kabale" eine b e s o n d e r e F r e u d e bereite. V o k i c sei in N o v y M a r o f völlig z u s a m m e n g e b r o c h e n . Lorkovic w e r d e gleichfalls sehr schlecht b e h a n d e l t , d ü r f e n u r im H o f e seines H a u s e s Spazierengehen, mit n i e m a n d sprechen u n d sei auch in der L e k t ü r e sehr e i n g e s c h r ä n k t . W a s die z w e i eigentlich angestellt haben, k a n n auch Proebst samt seiner journalistischen Phantasie nicht erklären. Bei L o r k o v i c meint er, d a ß die von ihm verursachte D e m i s s i o n des j u n g e n Kvaternik beim P o g l a v n i k und seiner Gattin in die Ferne w i r k e n d e H a ß k o m p l e x e erzeugt hätten. Der U s t a s a b r i g a d i e r Boban 2 5 ), in dessen G e w a h r s a m sich die beiden g e f a n g e n e n M i n i s t e r b e f i n d e n , läßt diese ihre R o l l e mit der ihm eigenen Gemeinheit fühlen. W e n n ich all diese D i n g e h ö r e u n d dabei an den H a ß der UstaSa-Bonzen gegen mich d e n k e , w u n d e r e ich mich i m m e r aufs neue, d a ß in Z a g r e b nie ein Attentat auf mich verübt w u r d e . Gelegenheit d a z u w ä r e bei d e r Freiheit, mit der ich mich stets u n b e w a c h t bewegte, u n d bei der M ö g l i c h k e i t , in mein gleichfalls u n b e w a c h t e s H a u s e i n z u d r i n g e n , reichlich g e g e b e n g e w e s e n . E n t w e d e r w a r e n die H e r r e n zu feige o d e r haben sie von ihrem H e r r n und M e i s t e r Pavelic ein striktes V e r b o t erhalten. N o c h eine nicht uninteressante Episode. M e i n alter Freund Percevic ( w i r kennen uns seit 1901 und haben nie im Leben die V e r b i n d u n g verloren) h a t leider nach 1918 eine H a l b - o d e r Dreivierteljüdin, eine g e b o r e n e Baronin Fest 2 6 ), geheiratet, die, als ich sie Vorjahren noch in W i e n k e n n e n l e r n t e , sehr nett w a r , aber nicht nur durch die J a h r e , s o n d e r n auch die antijüdischen B e d r o h u n g e n der letzten Zeit sehr havariert w u r d e . Ihr Bruder, B a r o n Fest, d e r seinerzeit w e g e n verschiedener A f f ä r e n in Bukarest als u n g a r i s c h e r D i p l o m a t stürzte und später bei einem physischen S t u r z aus einem A u t o ein A u g e verlor - dem Ä u ß e r e n nach ein j ü d i s c h e r R o ß t ä u s c h e r , w i e er im Buche steht, hatte seit vielen J a h r e n als P r ä s i d e n t o d e r Aufsichtsrat der Beociner Z e m e n t w e r k e in Kroatien eine wirtschaftliche Position und machte natürlich seit der G r ü n d u n g des u n a b h ä n g i g e n Staates g r ü n d l i c h e Geschäfte, w o b e i leider seine Schwester u n d damit i n d i r e k t Freund Ivo (Percevic) partizipiert zu haben scheinen. Als seine Gattin f ü h r t e B a r o n Fest eine ursprünglich g a r nicht üble u n d viel j ü n g e r e a u f g e n o r d e t e J ü d i n ein, die natürlich seit d e m Kurs vom M ä r z 1944 in ihrem u n g a r i s c h e n V a t e r l a n d e in eine recht schwierige L a g e geriet. Sie flüchtete zu Ivo Percevic nach Z a g r e b , w o sie s o f o r t das Entsetzen des nebenan w o h n e n d e n Gesandten Kasche h e r v o r r i e f , der seinem Personal nahelegte, ihr ja nicht die H a n d zu geben, sondern sie mit einem leichten K o p f n i c k e n zu b e g r ü ß e n , u n d auch vergeblich versuchte, B a r o n i n Eva von seinem L u f t s c h u t z k e l l e r f e r n z u h a l t e n . D a f ü r verkehrte Eva sonst z i e m l i c h u n g e n i e r t in der Z a g r e b e r Gesellschaft, unter a n d e r e m auch beim u n g a r i s c h e n G e s a n d t e n u n d beim P r i n z e n Erwein L o b k o w i t z . Neben der H e b r ä e r e i hatten die Fests noch e t w a s auf d e m Gewissen. Die H e r m a n n - G ö r i n g W e r k e hätten gerne die Beociner C e m e n t A.G. in ihren K o n z e r n eingebracht. Fest,
25 ) General Boban w a r 1944 K o m m a n d a n t der 5. Ustaäa-Brigade, die in diesem J a h r durch andere UstaSa-Einheiten zur 5. UstaSa-Division, einer der drei UstaSa-Divisionen, a u f g e f ü l l t w u r d e . 16 ) M a r g i t Percevic, geb. Freiin v. Fest.
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Dezember 1944 in Wien
der wußte, was das für ihn bedeutet hätte, durchkreuzte die Aktion. Er ist seit einigen Wochen verschollen. Eva war für Percevic natürlich ein Gegenstand der Verlegenheit. Nun erhielt sie ein Ausreisevisum in die Schweiz, und zwar auch ein Durchreisevisum durch Deutschland. Sie fuhr im Auto mit einem kroatischen Konsularbeamten nach Wien, wurde aber hier kurz nach ihrer Ankunft von der Gestapo ausgehoben und nach Berlin gebracht. Offenbar Kasches Geschoß . . . Für Percevic eine neue Verschlimmerung. Allerdings sitzt zur selben Zeit Frau Kasche mit der Halbjüdin Pavelic auf dem Semmering . . . Natürlich wird Kasche die Sache nicht ohne vorherige Rücksprache mit Pavelic: gemacht haben. Da hat sich schon ein sehr nettes Konsortium gebildet. Nach Zagreb kommt also richtig der SS-General Prützmann als mein Nachfolger. Ihm soll, wie Selchow schreibt, meine bisherige Dienststelle sowie der Heeresinspekteur und die Polizei unterstellt werden. Natürlich wird bei dem Rückhalt, den ihm Himmler bietet, Prützmann eine Art Diktator werden. Der Hauptleidtragende ist natürlich Kasche, der sich gegen die Lösung mit Händen und Füßen gewehrt hat. Die Politik wird nach den Weisungen Himmlers sein Prützmann machen. Noch eine zweite Schwierigkeit scheint für Kasche entstanden zu sein: da der Poglavnik nunmehr ausübender Oberkommandant geworden ist, erhebt die Heeresgruppe den Anspruch, unter Ausschaltung des Gesandten mit dem Staatsoberhaupt in allen militärischen Fragen direkt zu verkehren. Ob sie sich Prützmanns bedienen wird, ist fraglich. Hodenberg ist zum Militärattache ernannt worden. Somit ist das von mir geschaffene Gebäude, das allerdings schon seit dem Frühjahr recht rissig war, in sich zerfallen. Momentan fristet die Dienststelle ein wenig interessantes Leben. Vor allem sind ihr alle Nachrichtenquellen abgeschnitten worden. Sie bekommt weder von der Gesandtschaft etwas, noch darf sie selbst die Basler Nachrichten abonnieren! Alles auf Befehl der Heeresgruppe, die damit natürlich kürzlich erschienene Befehle von höchster Stelle befolgt. Der Geheimhaltungsfimmel hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Besonders aber geht's gegen alle Nachrichten aus Feindlager. Ein Befehl sagt, daß sich bei den Untersuchungen rund um den 20. Juli die verheerende Wirkung der Feindsender besonders erwiesen habe. Ich kann's nicht glauben. Mir persönlich hätte zu einem Urteil über die Situation völlig genügt zu wissen, daß wir in etwas über einem Jahr von Stalingrad bis in die Karpaten zurückgesunken sind. Das zu erfahren brauchte ich keinen Feindsender. Nochmals auf Agram zurückkommend, wird sicher Kasche trotz seiner Sturheit sich manchmal denken, wie gut er es mit mir gehabt hat und daß er durch seine Intrige gegen mich vom Regen in die Traufe kam. Ob es auch den Drahtziehern um den Poglavnik ähnlich gehen wird, weiß ich nicht. Jedenfalls erzählte mir heute Proebst, daß sie sehr traurig waren, als sie erfuhren, ich sei keineswegs ganz ausgeschieden. Übrigens soll Prützmann gestern in Zagreb eingetroffen sein, ohne daß die Gesandtschaft von ihm Notiz nahm. Vielleicht ist es eine Kampfansage. Da werden die Herren in der Vysoka wohl den kürzeren ziehen. Was sagt schließlich Juppe, der Heeresinspekteur, der sich anfangs beklagte, in meiner Wenigkeit einem rangjüngeren General unterstellt zu sein? Kasche hat am 18. Dezember auf Weisung des Auswärtigen Amtes Agram für unbestimmte Zeit verlassen und mußte sich nach Berlin begeben. Beim Sicherheitsdienst spricht man davon, seine Funktionen auch
Rückblick auf Agram
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Prützmann zu übertragen, aber auch von einer Nachfolgeschaft Neubachers. An die letztere glaube ich nicht. 24. Dezember - Heiliger Abend. Wir haben Stuhlweißenburg verloren, 250 Kilometer Luftlinie von Wien! Auch bei Gran wird gekämpft. Man soll mir noch etwas von den dekrepiten Russen sagen! Sie kommen ja doch überall durch, wo sie wollen. N u r in Ostpreußen gelang es ihnen nicht. Generaloberst Frießner, bisher Heeresgruppenkommandant in Ungarn, f u h r durch Wien durch - auf Urlaub unbestimmter Dauer. Sein Nachfolger soll angeblich Wöhler sein, zu Kriegsbeginn Chef des Wiener Korps. Mich haben am Heiligen Abend, den ich zum Teil bei Beate, zum Teil zu Hause verbrachte, die Erinnerungen an die drei wunderschönen Agramer Weihnachten völlig erfüllt. Ich bin voll des Heimwehs nach der lieben, in ihrem Kern echt altösterreichischen Stadt und meinem verlorenen Paradies auf dem Tuskanac. Sicherlich liegt Schnee auf den Bäumen, und der zunehmende M o n d wird sein Licht über die wunderbare Landschaft ausgießen, die mein Auge so oft entzückt gestreift hat, nur immer verdüstert durch den Gedanken, daß es einmal aus sein könnte. Dazu die nette Gesellschaft des klugen Naturkindes Anica, mit dem man über die ernstesten Dinge sprechen konnte und das seine Meinung immer in köstliche Sätze und Aussprüche zu kleiden wußte. Vorbei . . . vorbei . . . 25. Dezember. Um 8.30 Uhr f r ü h im Stephansdom beim Hochamt. Innitzer zelebriert. Die Musik leidet auch unter dem totalen Krieg. Die Pontifikalämter in Zagreb waren, abgesehen von der Kirchenmusik, unvergleichlich prunkvoller. Auch Stepinac zelebriert besser als Innitzer. Dazwischen der Gedanke an den zerstörten Salzburger Dom . . . Wieviel weiter, als es die Christenlehre den Menschen sagt, muß doch der liebe Gott von uns armseligen Erdenkindern sein, wenn er, ohne mit der Wimper zu zucken, derartige Katastrophen zuläßt! Was hat das Christentum, was die katholische Kirche zur Verhütung oder Milderung des gigantischen Unglückes beizusteuern vermocht? Nichts, aber schon gar nichts. Selbst am Christtag fliegen Geschoße der V-l und V-2 auf Antwerpen und London, werfen heuchlerische Briten und Amerikaner Bomben auf deutsche und tschechische Kirchen! Bei solchen Erlebnissen haben Zeremonien wie ein noch so schönes Pontifikalamt alles Symbolische, das sie sonst in sich trugen, verscherzt; sie drohen, zu einem Mummenschanz zu werden. 26. Dezember. Ich habe mich nun doch entschlossen, f ü r ein paar Tage ins Panhans auf den Semmering zu gehen. Gerne tue ich es nicht, ich bin jetzt wie eine Katze, die nicht vom Hause wegwill. Außerdem ist es furchtbar, um 6 U h r f r ü h aufzustehen. Gestern um 23 U h r war noch Vorwarnung wegen ein paar Kampfflugzeugen, die westlich von Wien herumflogen; ich habe mich im Bett nicht stören lassen.
XXVIII. GESPRÄCHE MIT SLAVKO KVATERNIK UND ERNST KALTENBRUNNER Jänner 1945 Die wenig erfreulichen Lebensverhältnisse in Wien ließen mich den Entschluß fassen, das ereignisreiche Jahr 1944 auf dem Semmering zu beschließen. Ich fuhr mit dem Ehepaar Metzger und der Baronin Irene Hauser, deren Eltern bei Temesvär begütert sind, in einem sehr bequemen Abteil erster Klasse, in dem es sogar warm war, die wohlbekannte Strecke über Baden-Wiener Neustadt. Mein Quartier bezog ich im Hotel Panhans, das als Parteibesitz von der Umwandlung in ein Lazarett verschont geblieben ist, indes das unvergleichlich elegantere und angenehmere Südbahnhotel sich diesen Prozeß gefallen lassen mußte. Allerdings ist es jetzt auch schon wieder - ähnlich wie das Heereskurlazarett - zum großen Teile leer, da die Anstalten auf dem Semmering, offenbar wegen der Lage in Ungarn, evakuiert werden. Man spricht von allerlei Zerstörungsplänen, die gewiß im Bereich des Möglichen liegen. Im übrigen war Panhans „heißer Boden", und es ist nicht ausgeschlossen, daß aus meinem Aufenthalt allhier noch eine diplomatische Affäre wird, da ich durch ihn vielleicht noch Kasche die „Reichspolitik" gestört habe. Einerseits sitzt seit geraumer Zeit der Marschall Kvaternik mit viel Familienanhang heroben. Andererseits hatte sich vor einigen Wochen Frau Pavelii: heraufgeflüchtet, die von Frau Prebeg, Admiral Crisomali 1 ) und verschiedenem anderen Gefolge, dazu von mehreren Personen- und Lastautos begleitet ist. Aus den Lastautos seien, nach Slavkos Mitteilung, eisenbeschlagene Kisten ausgeladen worden, die kaum Speck zum Inhalt hätten. Kvaternik erzählt, wie er einmal bald nach Gründung des Staates zum Poglavnik gekommen sei und ihn bei einigen vollen Goldsäcken angetroffen habe, die nachher nicht ihren Weg in die Staatsbank gefunden hätten. Außerdem hatte in den letzten Wochen die aus Terroristen bestehende wunderbare Kommission zur Erfassung von kroatischem Volksvermögen sich betätigt und vor einigen Tagen sei noch - nach Kvaterniks Mitteilung - in der Abteilung für Judenvermögen zu Zagreb eingebrochen worden . . . Die ganze Flucht der Frau Pavelic ist nach Meinung des Marschalls die Frucht einer plötzlichen Panik gewesen. Nunmehr wird sie kaum mehr in ihr glückliches Vaterland zurückkehren. Wohl aber sucht sie nach einer anderen Unterkunft, als ') Nikolaus Ivan Crisomali (?), k . u . k . Fregattenleutnant, Ü b e r n a h m e in die kroat. Kriegsmarine.
Die Kvaterniks wollen alles erklären
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welche vielleicht eine Villa des Südbahnhotels oder irgendetwas in Reichenau in Frage kommt. Möglicherweise geht sie auch weiter nach Westen. Inzwischen wurde ihr in der H ö h e des Südbahnhotels ein von ihr recht klein befundenes Schlößchen zugewiesen. Frau Pavelic war bei ihrer H e r f a h r t von Frau Kasche begleitet. Seltsamerweise war sie nicht bloß erstaunt, sondern auch entrüstet gewesen, von unserem Auswärtigen Amt, das sich den feierlichen Abtransport mit Panzerschutz et cetera sehr angediehen sein ließ, plötzlich unter ein Dach mit dem „Vojskovodja" gesetzt worden zu sein. Sie soll sich nur schwer beruhigt haben. Frau Kasche war bei meiner A n k u n f t nicht mehr da, sondern hat sich zu ihren in den Alpenreichsgauen verteilten Kindern begeben. Der Gatte ist im Zusammenhang mit der Affäre Ljuburic (Ermordung von 36 unter deutschem Kommando stehenden serbischen Freiwilligen auf dem Agramer Bahnhof) auf unbestimmte Zeit nach Berlin berufen worden und soll angeblich durch Neubacher ersetzt werden, was ich schon in Wien erfuhr und auch Slavko aus Zagreb hörte. Ich glaube, Neubacher wäre nicht besonders entzückt, denn erstens war er früher H e r r über drei oder vier Staaten und zweitens ist er in Zagreb kaum Persona grata. Bin übrigens neugierig, ob Prützmann schon unten ist. Im Zusammenhang mit letzterem hat Dido Kvaternik, über den ich noch verschiedenes sagen werde, ein f ü r meinen Sturz möglicherweise nicht uninteressantes Detail erzählt. Danach soll der blöde SS-Obergruppenführer Berger bei seinem letzten Agramer Besuch, anfangs August, dem Poglavnik gesagt haben: „Nehmen Sie sich einen SS-Führer zum Bevollmächtigten General und Sie werden von uns alles bekommen, was Sie wollen." Möglich ist es schon, daß dieses Gespräch so geführt wurde. Auch das Benehmen Bergers mir gegenüber war danach, er fand es nicht der M ü h e wert, bei mir einen Besuch zu machen. Außerdem mußte ich selbst fordern, daß ich zur Endbesprechung in Novy Dvory zugezogen wurde (siehe frühere Aufzeichnungen). Vielleicht hat Pavelic durch Berger die erste Anregung bekommen, sich meiner zu entledigen. Der Vorschlag Bergers lag in der allgemeinen Linie von heute. Vergleiche den Sturz Hubickis in der Slowakei. Kasche dürfte am Schlüsse jedenfalls nicht weniger draufzahlen als ich. Denn f ü r ihn ist die Liquidierung Agrams noch unangenehmer als für mich. Ich weiß nun nicht, wo ich mit meiner Erzählung über die Semmeringer Ereignisse anfangen soll. Bei Frau Pavelic habe ich selbstverständlich keinen Besuch gemacht. N u r Crisomali, den Obersthofmeister, sprach ich einigemal, er war unverändert nett. Ebenso habe ich einige Ustasabegleiter angeredet, als sie mich grüßten. Die Landesmutter bekam ich übrigens gar nicht zu sehen. Slavko Kvaternik erwies sich persönlich wie immer als lieber Kerl. Als er durch den netten kroatischen Oberpolizeirat Klobucaric, der seit 1918 der Emigration angehört und auch einige Tage im Panhans war, erfuhr, daß ich zum Kaffee keine Milch erhalten hätte, sandte er mir sofort ein schönes Paket Vollmilchkarten. Im übrigen waren wir täglich mehrmals beisammen, einmal auch bei Metzgers gemeinsam eingeladen, wobei er in der Uniform des kroatischen Fliegermarschalls erschien. Sehr oft fanden sich auch die Familienmitglieder ein, am flüchtigsten Frau Potthoff, die am Tage nach meiner A n k u n f t samt Mann und Kind nach Gastein fuhr. Sie ist sehr schlank geworden.
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Gespräche mit Slavko Kvaternik und Ernst Kaltenbrunner
Zusammenfassend kann und muß man wohl sagen, daß Slavko nicht ernst zu nehmen ist. Daß sich sein Gesamthaß gegen Pavelic konzentriert, kann ich selbst am besten verstehen. Aber eine derartige Verleugnung alles dessen, was er in den anderthalb Jahren seiner Wirksamkeit in Kroatien verbrochen hat, eine derartige Verleugnung unter fortgesetzten ehrenwörtlichen Beteuerungen ist schlechterdings unvorstellbar. Wenn nicht der böse Poglavnik gewesen wäre, dann hätte er nach tiefster Uberzeugung haarscharf alles so gemacht, wie ich es in meinen Berichten an das Oberkommando der Wehrmacht immer wieder vertrat. Nichts, nichts, gar nichts wäre zu machen übriggeblieben. Die Serbenmassaker, an denen höchstens sein Sohn noch mehr schuld ist, seien ihm die ganze Zeit absolut wider den Strich gegangen; er habe in ihnen das größte Unglück erblickt. Wir Deutschen hätten schwer gefehlt, daß wir nicht von Anbeginn den Oberbefehl über die ganze kroatische Wehrmacht an uns gerissen haben. (Dieweilen hat sich anfangs September 1942 in einer Sitzung Poglavnik-Slavko-Bader-Stahl-ich niemand so scharf gegen einen dergleichen lautenden Vorschlag Lohrs ausgesprochen wie er.) Wir zwei hätten, jeder zu 50 Prozent, den Fehler begangen, nicht genügend aufeinander abgestimmt zu arbeiten. (Er ist mir bei jeder Gelegenheit durchgewischt.) Gelungen ist es, wie der Bogumile von einst plötzlich ein Betbruder geworden ist, der sich alles nehmen läßt, nur seinen Christenglauben nicht. Besondere Wertschätzung genießt der Erzbischof Stepinac. Daß er mich einmal bei einer Tischrede wegen meiner Beziehungen zu diesem direkt angeschossen hat mit der Bemerkung, daß er ihn nicht möge, ist völlig in Vergessenheit geraten. Für die Bauernpartei und ihre Führer kann er nicht genug warme Worte finden, obgleich er in Gegenwart von Warlimont - es war Anfang Mai 1942 - keinen heißeren Wunsch äußerte als den, bei kurzer Abwesenheit des Poglavnik Macek erschießen lassen zu können. Diese ganzen Gespräche wären überhaupt nicht anzuhören gewesen, wenn man aus ihnen nicht manche interessante Einzelheit innerkroatischer Art erfahren hätte. Aber das Gelungenste: auch der Sohn Dido redet in bezug auf sein „Wirken" in Kroatien genauso wie der Vater. Auch er wurde ausschließlich vom Poglavnik vergewaltigt und betätigte sich unausgesetzt als Bremser. Seine Enthebung im Herbst 1942 sei hauptsächlich deshalb erfolgt, weil er (genau zur selben Zeit wie ich) das Verschwinden des Gauners Ljuburic aus dem öffentlichen Leben vom Poglavnik verlangt habe! Demgegenüber sagt Metzger mit Recht, Dido Kvaternik und Luburic seien so ziemlich aus dem gleichen Holz geschnitzt. Auch hier traute ich meinen Ohren nicht. Der einzig Normale in diesem vierblättrigen Kleeblatt war außer meiner Wenigkeit der Oberpolizeirat, der von Anbeginn das Poglavnikregime durchschaut hatte und daher im April 1941 nicht in seine Heimat zurückkehrte. An Interessantem ergab sich im Gespräch vor allem, daß Pavelic selbst offenbar doch die Absicht hat, möglichst lange in Kroatien zu bleiben. Er will sich eventuell sogar nach unserem Abmarsch aus Zagreb in südlicher Richtung, Direktion Fiume, durchschlagen. Slavko ist natürlich überzeugt, daß Verratsabsichten vorliegen, und auch Metzger neigt zu der gleichen Auffassung. Ich frage Slavko und Dido, warum
War Pavelic für Italien?
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dann der Poglavnik seine Kalle 2 ) samt den beiden Töchtern uns ausgeliefert hat. Die beiden meinen, dergleichen lasse sich nur verstehen, wenn man sich in die Mentalität eines hundertprozentigen Orientalen hineindenke. Erstens sei die Flucht der Landesmutter, wie schon bemerkt, der Ausfluß einer Augenblickspanik gewesen. Zweitens sei deutscherseits bei unserer Anständigkeit auch im Falle einer Flucht des Poglavnik zum Feinde nichts zu fürchten; wohl aber hätten wir f ü r den Augenblick den Eindruck, daß Pavelic uns die Mara als Unterpfand seiner Bündnistreue überreicht habe. Dieweilen denke er zweifellos daran, daß sich selbst ihm noch die Möglichkeit bieten könnte, mit den angelsächsischen Mächten anzubandeln, falls sie auf dem Plane erschienen. Am 28. November soll Pavelic angeblich den Delegaten Marcone gebeten haben, er möge den Vatikan zugunsten einer anglo-amerikanischen Intervention veranlassen. Marcone soll ein derartiges Ansinnen abgelehnt haben. Vom rein kroatischen Standpunkt aus kann man den Wunsch, lieber Briten und Amerikaner im Lande zu haben als Bolschewiken, gewiß nicht als unpatriotisch brandmarken. Im übrigen weiß der Poglavnik, wenn er das Land nicht ganz verlassen will, sehr gut, daß er es, was immer auch kommen möge, nie Wiedersehen wird. Er vertraut in diesem Belange wohl auch uns nicht. Zur Ministerkrise Ende August 1944 betont Slavko, daß die „Bündnisrede", die Pavelic Mitte September gehalten hat, eine genug deutliche Sprache rede. Wenn Minister einem Staatschef so weitgehende Anträge machen, wie er sie in dieser Ansprache Vokic und Lorkovic in den M u n d legt, so muß er im „Hinhorchen" schon ziemlich weit gegangen sein. Alles spricht dafür, daß Pavelic auf die Ideengänge der zwei zuerst eingegangen ist, dann aber erfahren hat, die Sache sei über verschiedene V-Männer den Reichsstellen bekanntgeworden und sich nun in typisch orientalischer Weise seiner beiden Komplizen mit einem möglichst großen Eklat entledigte, um sich so uns gegenüber zu salvieren. Einen breiten Raum in den Unterredungen mit Slavko und Dido nimmt der „Verrat" des Poglavnik an Italien ein. Verschiedene Indizien werden gemeinsam überprüft. Es ist für mich seit langem fast sicher, daß Pavelic den Italienern das, was er am 18. Mai 1941 in Rom unterschrieben hat, längst zugesichert hatte. Daher fielen auch meine Versuche, ihn (es war noch vor dem Russenfeldzug) zum Widerstand zu reizen, auf unfruchtbaren Boden. D i d o hat auch erzählt, daß bei den Besprechungen von Laibach (28. April 1941) von dem reichen Gefolge, das der Poglavnik aus Agram mitgebracht hatte, niemand zu dessen Besprechungen mit Ciano beigezogen wurde und Ciano nachher beim Abendessen furchtbar arrogant war und in seiner Rede auch Seitenhiebe auf Deutschland nicht unterließ. So sagte er, es stünde Italien völlig frei, Kroatien so aufzuteilen wie Slowenien, aber der Duce sei aus Freundschaft für Pavelic gnädig und tue es nicht. Auch der König sei bereits ausgewählt gewesen 3 ). Ich fragte Slavko, warum er dann am 10. April 1941 einen solchen Schuft und Verräter zum Staatschef ausgerufen habe. Er entschuldigte sich damit, Pavelic so gut 2
) Kalle, jiddisch: die Braut, im ü b e r t r a g e n e n Sinn: F r a u , E h e f r a u . ) D i e A n s i c h t e n D i d o K v a t e r n i k s sind w i e d e r g e g e b e n in: E u g e n K v a t e r n i k , UstaSka emigracija u Italiji i 10. travnja 1941, in H r v a t s k a Revija, S e p t e m b e r 1952, 2 0 6 - 2 4 4 ( Ü b e r s e t z u n g in: K A , B / 8 0 0 , N r . 170). D o r t (S. 241 f.) g e h t K v a t e r n i k a u c h a u s d r ü c k l i c h auf die U n t e r r e d u n g m i t G l a i s e - H o r s t e n a u am 3 1 . 1 2 . 1 9 4 4 ein. 3
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Gespräche mit Slavko Kvaternik und Ernst Kaltenbrunner
wie gar nicht gekannt zu haben, und Ivo Percevic wie auch Mile Budak hätten ihm die allerbesten Referenzen zukommen lassen. Slavko vertritt auch die Auffassung, daß Ante seiner Frau - was es alles gibt! - sexuell hörig sei und daher sie in allen wichtigen Dingen die Politik gemacht habe. Sie sei auch die Hauptverfechterin der Serbenmorde gewesen, die er stets so bedauert habe. Dido galt stets als besonderer Favorit der Frau Mara, er leugnet es entschieden. Ebenso war er als italophil verschrieen; nun ist er deutschfreundlich zum Überfließen. Da soll sich der Mensch auskennen! Dr. Lutinski, der zweite Schwiegersohn Slavkos, weiß zu berichten, daß der Poglavnik ein schwerkranker Mann sei, um nicht zu sagen Todeskandidat. Er habe sich in jungen Jahren in der Herzegowina eine Lues zugezogen, an deren Folgen er nach Mitteilung des gleichfalls entscheidend einflußreichen Leibarztes Dr. Budak stark leide. Das Herz sei sehr schlecht, in den Augen träten zeitweilig krankhafte Veränderungen ein (vielleicht kommt auch das violette Gesicht davon, von welchem Lorkovic am Tage seines Sturzes zu erzählen wußte?), die Füße seien seit langem gefatscht und müßten immer höher hinauf gefatscht werden. Kurzum, ein prachtvolles Krankheitsbild, dem sich sicher sehr bald krankhafte Veränderungen im Gehirn zugesellen werden. Die Familie Kvaternik hat sich bereits nach Gastein zurückgezogen. Nur der alte Marschall bleibt vorderhand noch. Er träumt von der Rückkehr in sein Vaterland und wäre bei dessen Wiederaufbau nach einer Mitteilung von Klobucaric bereit, mit mir gegen Gegenzeichnung zu arbeiten. Derlei wird aus verschiedenen Gründen gewiß nicht mehr kommen. Auf dem Semmering weilte als Gast des Heereskurlazarettes auch ein alter Freund, der einen erheblichen Teil des Russenfeldzuges mitgemacht hat. Er erzählt über die von uns verübten Greuel gräßliche Dinge. Unter anderem hat er in irgendeiner ukrainischen Stadt einen biederen Wiener Geschäftsmann getroffen, der sich als SS-Streiter in der Ukraine „betätigt" hat. Er hat aber nicht nur Juden umbringen geholfen, sondern wollte die Sache auch produktiv gestalten. Als sich nämlich herausstellte, daß die Russen in wiedereroberten Gebieten alle erlangbaren Leichen Hingemordeter wieder ausgraben, sei der Befehl gekommen, daß dies durch uns gemacht werde und die Uberreste verbrannt würden. Unser Wiener hatte nun in einer ukrainischen Stadt, in deren Umgebung in einem ehemaligen Tankgraben Zehntausende von Leichen eingescharrt waren, bis ins einzelne ausgearbeitet, den Vorschlag gemacht, aus den Leichen zuerst Seife zu sieden und sie erst dann zu verbrennen. Er ist noch heute böse, daß sein Vorschlag nicht angenommen wurde. Dagegen hatte er die Befriedigung, durch Adaptierungen an Flammenwerfern ein vereinfachtes Verfahren für Leichenverbrennung einführen zu können. - In den Waldkarpaten traf mein Freund ein SS-Erholungsheim, das von einen SS-Mann und seiner Frau sehr nett betreut wurde. Der SS-Mann litt an Melancholie, weil er zuerst alle Juden der ganzen Umgebung hatte „liquideren" müssen. Kulturell erfreulicher waren die Erlebnisse meines Freundes in einem Lemberger Laboratorium, wo Serum gegen Fleckfieber erzeugt wurde. Die hiezu benötigten Läuse werden dort zur Welt gebracht. Sie bekommen ihre Nahrung von menschlichen Nährvätern und noch mehr Nährmüttern, denen man sie in porösen Schächtelchen täglich mehrmals ans Fleisch der Oberschenkel oder dergleichen bindet, werden dann
Silvester am Semmering
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mit Fleckfieber geimpft und schließlich bei lebendigem Leibe seziert, da man aus den Exkrementen den Impfstoff erzeugt. Eine kleine Schar büßt mit dieser grausamen Prozedur f ü r alles, was die ganze Gattung der Menschheit an Ungemach zufügt. Man kann es verstehen, daß eine einzige Fleckfieberimpfung auf mehrere hundert Mark kommt. Übrigens sind die Flöhe Pestüberträger. Eigentlich sind, bemerkt einer der anwesenden Gäste, die Wanzen noch die anständigsten Tiere. Sie beißen, aber sind ungefährlich. Außer den Kroaten, der Familie Metzger und dem genannten Freunde habe ich auf dem Berg keinen Bekannten getroffen - ein Beweis, wie fremd man seit Anschluß und Krieg in der Heimat geworden ist. Am 2., um 7 Uhr früh f u h r ich mit Metzger nach Wien zurück. Kvaternik lieh mir sein Auto auf die Bahn. Glücklicherweise erst im letzten Augenblick der Fahrt blieben wir in einer Schneewächte stecken. In Wien hat sich die erste Neujahrswoche vor allem dadurch gut angelassen, daß es keine Luftalarme gab. Man ist f ü r eine solche Pause dem lieben Gott wirklich dankbar. Dem lieben Gott? Ich hadere in den letzten Wochen unter dem Eindruck der furchtbaren Geschehnisse sehr stark mit dem christlichen Gottesbegriff. Ich glaube, der liebe Gott ist von der armseligen Erde unendlich weiter entfernt, als es das Christentum lehrt. Für ihn ist das Schicksal unseres Planeten das, was f ü r den Tritt eines Menschen die Ameise ist, die ihm unter die Schuhsohle kommt. Anders ist für unseren armseligen Verstand all das Schreckliche, was Gott jetzt beim Menschengeschlecht „zuläßt", nicht zu erklären. So habe ich denn auch die Silvesterpredigt, die der bekannte irische Geistliche in der Semmeringkapelle abhielt, nur mit nagendem Skeptizismus anhören können. Den Silvesterabend verbrachte ich bei Metzgers. Es war recht gemütlich. Knapp nach Mitternacht drehten wir das Radio auf, um die Ansprache des Führers mitanzuhören 4 ). Sie war nichts weniger als erhebend, weder nach Inhalt noch nach Ton. Besonders schlecht kamen die Magyaren weg, was sie verdienen. Der ungarische Außenminister, der einige Tage später privat in Wien weilte, erklärte, sich nicht mehr nach Ungarn zurückzuwagen und verlangte irgendeine Genugtuung, die er natürlich nicht bekommen wird. Der Heimweg vom Südbahnhotel zum Panhans bei mondheller Schneenacht war unerhört schön. Wie doch die Welt schön sein könnte, wenn es nicht so böse und dumme Menschen gäbe! Unter den Neujahrsereignissen verzeichne ich zuerst die Entlassung der Baronin Margutti von der Elisabethpromenade. Sie ist als volljüdische Tochter eines Brandeiser Heuhändlers dorthin gekommen und hätte nach Theresienstadt gebracht werden sollen - unbekümmert darum, daß sie italienische Staatsbürgerin ist. In der letzten Dezemberwoche enthüllte sie eine eidesstattliche, notariell beglaubigte Erklärung ihres verstorbenen Gatten, nach der sie nicht die Tochter des Juden Weil, sondern des nachherigen Generalmajors Richard Reichsgrafen Ludolf ist 5 ). Dies hätten nicht nur Zdenko Lobkowitz und General Baron Gemmingen dem General ") Text bei Domarus, 2, 2 1 7 9 - 2 1 8 5 . 5 ) Vgl. Glaise-Memoiren, 1. Bd., 390.
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Gespräche mit Slavko Kvaternik und Ernst Kaltenbrunner
Margutti erklärt, sondern auch Ludolf selbst eingestanden. So fiel meine Intervention auf fruchtbaren Boden, und die 66jährige kinderlose Witwe ist wieder nach Hause gebracht worden. Sie schrieb mir einen wirklich rührenden Dankesbrief. Eine gelungene Geschichte über illegitime „Beziehungen", die jetzt so oft „aufgedeckt" werden, passierte mir in den gleichen Tagen. Ein Sohn des alten Hofrates Baron Sacken will eine junge Dame heiraten, die durch den Vater Halbjüdin ist. Um heiraten zu können, hat ihre Mutter nun gestanden, daß das Mädchen die Tochter eines anderen, selbstverständlich vollarischen, Mannes ist. „Natürlich", meinte die nachsichtige Tochter, „weiß sie nicht mehr, wer es war, denn es ist schon 34 Jahre her!" Und noch eine Arisierungsgeschichte. Unter den Wachleuten, die während meiner Ministerschaft beim Tor meines Wohnhauses standen, war der radikalste Nazi ein gewisser Pollak, der wie Napoleon aussah. Nach dem Anschluß kam er einmal sehr zerknittert zu mir, um mir zu gestehen, daß er erst erfahren habe, von Vaterseite her Halbjude zu sein. Einige Monate später erschien er abermals, jedoch mit geschwellter Brust: seine Mutter habe ihn vor 37 Jahren illegal empfangen, es sei ihm sogar gelungen, in einem gewissen Zahorsky (oder ähnlich hieß er) aus Ottakring seinen wirklichen Vater zu entdecken!! Herr Pollak ist nunmehr hoher Hauptwachtmeister oder dergleichen . . . Am 8. Jänner kam ich in einer Privatwohnung der Gußhausstraße mit dem SS-Obergruppenführer, General der Polizei und neuestens auch der Waffen-SS, Kaltenbrunner, oberstem Chef der Ordnungspolizei, zusammen. Anwesend waren Waneck 6 ) und Dr. Höttl. Kaltenbrunner, ein geborener Linzer und Verwandter der ersten Frau Josef Ferdinands, war in jungen Jahren bei Dr. v. Vilas in Salzburg der „faulste" Praktikant, den es gegeben hatte. Er wandte sich später der hohen Politik zu und wurde in der illegalen Zeit SS-Führer in Osterreich. In den letzten Monaten vor dem Anschlüsse gehörte er zu den Felsen, auf denen Seyß seine Kirche baute; als dieser Februar 1938 seinen ersten Führerbesuch in Berlin unternahm, sah man auf den Bildern hinter ihm die lange Gestalt Kaltenbrunners auftauchen. Kurz zuvor hatte dieser noch im Landesgericht gesessen. Nach dem Anschluß wurde Kaltenbrunner österreichischer Staatssekretär für Sicherheitswesen und nach Auflösung Österreichs höherer SS- und Polizeiführer der Alpen- und Donaugaue. Wieso er es zum Nachfolger Heydrichs brachte, ist mir ein Rätsel, noch mehr die Rührigkeit, die er seither auf politischem Gebiete und nicht zuletzt in der Außenpolitik entfaltete. Zu diesem hochmächtigen Manne, der auch das Ritterkreuz des Kriegsverdienstkreuzes mit Schwertern trägt, kam ich nun. Was er mir erzählte, war im Augenblick so grotesk, daß ich meinen Ohren kaum traute. Ich wisse es vielleicht schon, daß der Führer bei völligem Verzicht auf Osterwerbungen die Absicht habe, alle im ehemaligen österreichischen Räume entstandenen Staatsgebilde unter unmittelbarer reichsdeutscher Herrschaft, sozusagen als Gaue des Reiches, zu vereinigen (unter anderem nannte Kaltenbrunner zum Beispiel Jury als künftigen Gauleiter von Ungarn). Daß solche Pläne existieren, war mir nicht neu. Ich erinnere mich aber auch, 6 ) Wilhelm Waneck (?), SS-Sturmbannführer, 1943 bis 1945 Leiter der Gruppe bzw. Amt VI Ε - Balkan im Reichssicherheitshauptamt.
Hitlers Pläne Jänner 1945
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wie Hitler am 17. M ä r z 1939, nach der Besetzung von Prag, im Zusammenhang mit der Slowakei zu Ribbentrop meinte: „Ich will von dieser Südostmission nichts mehr wissen." U n d wie er sich immer wieder schon in meiner Agramer Zeit bitter beklagte, daß ihm die Italiener den Balkan nicht abnehmen wollen und können, er höre von diesem am liebsten nichts mehr. Und wie ich ihm einmal bemerkte: „Mein Führer, sie werden um dieses Problem nicht herumkommen." Erläuternd bemerkte nun Kaltenbrunner, es handle sich um nicht mehr und nicht weniger als um eine Zusammenschmelzung der beiden einstigen Kaiserreiche. Ich meinte im Verlaufe des Gespräches: „Sehr schön, aber ich muß dich etwas fragen, worauf du mich vielleicht ins KZ schickst: Warum haben wir das nicht gleich nach München gemacht, wo uns der Osten wie eine reife Frucht im Schöße lag, warum haben wir die ganze Krot von einem entsetzlichen Kriege gefressen?" Unter der „reifen Frucht" meinte ich natürlich nicht, daß wir aus den Staaten des Südostens Gaue hätten machen sollen; aber die Gelegenheit, diese Gebiete zuerst wirtschaftlich und damit auch abgestuft politisch heranzuziehen, wäre nach dem grandiosen „Siege" von München wirklich gegeben gewesen. Ich erinnere mich noch, wie ich auf einer Kahlenbergfahrt mit meinem schwedischen Freund Böök die Frage besprach, wie wir aber auch beide bezweifelten, daß Hitler die Ruhe und Mäßigung zu einer klugen Lösung aufbringen werde und Böök zu mir sagte: „Wissen Sie, man müßte eigentlich dem deutschen Volke und der ganzen Welt wünschen, daß der liebe Gott Hitler jetzt zu sich nähme." Kaltenbrunner machte zu meiner Bemerkung ein verlegenes Gesicht. Im einzelnen sollten Kroatien und die Slowakei natürlich irgendwie Bundesländer werden, wobei es für alle Beteiligten klar war, daß Kroatien ohne Pavelic neu zu organisieren sei. Ein Gegensatz bestand nur insofern, als ich der Meinung war, den Poglavnik so bald als möglich aus dem Lande herauszubringen, während Kaltenbrunner ihn drinnen lassen möchte. Der besondere Groll der Mächtigen gilt offenbar den Ungarn. Diese seien, Gott sei Dank, zu erheblichem Teile ausgerottet. Man werde so auf einfache Weise die Bodenreform durchführen können, das Land zunächst mit einem Heer deutscher und in Deutschland geschliffener ungarischer Polizisten überziehen und auch die Wirtschaft völlig unter deutsche Führung zwingen. Weites, unbesiedeltes Land werde Gelegenheit zu neuen, geschlossenen deutschen Siedlungen bieten, wobei Kaltenbrunner auch an preußische Siedler in der Puszta dachte. Ich erlaubte mir, an Serbien, Siebenbürgen und Rumänien zu erinnern. Serbien und Rumänien werde man wohl in ein Abhängigkeitsverhältnis zu Deutschland bringen müssen, über Siebenbürgen sprach sich der große Staatenplaner nicht näher aus. Auf meine Frage, ob Hitler bei Erfolgen gegen Rußland, ohne die diese Pläne nicht auszuführen wären, auch an Erwerbungen im Osten denke, sagte Kaltenbrunner entschieden: „Nein!" - Was ist mit „Mein Kampf"? Im allgemeinen kann ich mir wohl die tiefgehende Geisteswandlung Hitlers in der mitteleuropäischen Frage erklären. Seit die Russen bei Budapest und am Plattensee stehen, hat er wohl erkannt, welche Bedeutung das alte Österreich, nämlich die Donaumonarchie auch in ihrer Wurmstichigkeit, als Flankenschutz Deutschlands hatte. Auch das ist eine starke Abkehr von „Mein Kampf", in welchem es nur eine Sehnsucht der Jugend gab: die eheste Zertrümmerung des Habsburgerreiches! Die
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Geschichte ist oft eine bittere Lehrmeisterin, sie wird aber entweder nicht gehört oder kommt zu spät! Diesmal, fürchte ich, gilt das letztere. Denn Kaltenbrunner verriet mir mit keinem Wort, wie wir die militärische Ausgangsposition für solche unerhörte Pläne zurückgewinnen sollen (die wir sicherlich Ende 1938 und auch in diesem Kriege wieder besaßen); zurückgewinnen in einer Zeit, in der drängendste Not an allem überall herrscht, wo man hinsieht. Und ebenso war mir aus den Ausführungen Kaltenbrunners aufs neue klar, daß der Nationalsozialismus, diese Überspitzung des Preußentums, und der SS-Geist nie und nimmer befähigt waren, auch nur die kleinste außenpolitische Frage mit Erfolg zu lösen. Und drittens ist es nach allen Dummheiten und Bösartigkeiten, die das Dritte Reich seit 1938 in guten und schlechten Zeiten begangen hat, völlig klar, daß sich uns auf Jahrhunderte hinaus niemand mehr anvertrauen wird, außer unter schärfstem Polizeidruck, der selbst bei der außerordentlich wirksamen und geschickt aufgebauten Maschine der SS seine Grenzen haben wird; dieses Ergebnis wäre selbstverständlich auch für den Fall, daß wir es mit anderen Mitteln und Menschen versuchen würden - in Wirklichkeit würde diesmal die SS ganz allein auftreten. Die Männer sind bereits gewählt: Serbien Behrends 7 ), Kroatien mein alkoholfröhlicher Nachfolger Prützmann, Ungarn Winkelmann, Slowakei der Nachfolger Hubickis, SS-General Höfle. Diese Herren sollen das neue Reich Prinz Eugens wiedererrichten — natürlich für 1 000 Jahre. An Einzelheiten aus meinem Gespräch ist noch zu vermerken, daß auch Kaltenbrunner von der Abberufung Kasches überzeugt ist; ich glaube an sie erst, nachdem sie vollzogen worden ist. In Gedanken an mein letztes Gespräch mit Neubacher anknüpfend, fragte ich unvermittelt: „Wann werdet ihr Neubacher in die SS übernehmen?" Worauf die Antwort ebenso prompt und entschieden „Nein" lautete. Neubacher wird also noch ein wenig warten müssen, bis er das außenpolitische Amt der SS übernehmen kann, wie er es mir gegenüber erträumte. Es ist eben sein Schicksal, daß man ihn verhältnismäßig rasch als Blender bewertet. Nach Kaltenbrunners Mitteilung hat der Führer mindestens den Brief, den ich über die Affäre Ljuburic an Jodl schrieb, persönlich gelesen, und zwar nicht ohne Vergnügen. Der Staatengründer Kaltenbrunner und ich gingen sehr freundschaftlich auseinander. Haben diese Gespräche nach allem, was zu erwarten ist, irgendeinen Sinn? Es werden nur Luftschlösser gebaut, wobei man vielleicht seine eigenen Sorgen betäuben will. Kaltenbrunner fuhr des anderen Tages mit Höttl nach Ödenburg, wo sie gründlich eingeschneit worden sind. An diesen Nachmittagen hatte ich auch ein Erlebnis, das mir so recht die Tragik unserer Tage vor Augen führte. Im Türrahmen erschien auf einmal ein hochgewachsener ungarischer Artillerieleutnant. Es war der ältere Sohn von Denk Gusti, dem besten Freunde meiner Jugend. Er befand sich mit seinem Ersatztruppenteil nach 7 ) H e r m a n n Behrends (RUstringen, 11.5.1907 bis ?), D r . j u r . , 11/1932 bis I X / 1 9 3 3 Führer der SS in Wilhelmshaven, 1933 Erster Leiter des SD in Berlin, X I I in der Reichsführung SS, 1933 Ratsherr der Stadt RUstringen, I I I / 1 9 3 9 Mitglied des Reichstages, 1943 Stabsführer beim Reichskommissar f. d. Festigung deutschen Volkstums, H a u p t a m t Volksdeutsche Mittelstelle, G e s c h ä f t s f ü h r e n d e r Vizepräsident des Volksbundes f ü r das Deutschtum im Ausland, Generalmajor der Waffen-SS.
Die Honveds auf dem Rückzug
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glücklich überstandener Kinderlähmung, die er sich in Hajmasker zugezogen hatte, auf der „Flucht", wie er traurig meinte. Er werde zwar in deutschen Landen überall sehr gut behandelt, aber es sei doch überaus schmerzlich, „Flüchtling" zu sein. Seine Abteilung nächtigt in Brunn am Gebirge und kommt nach Zwettl, wohin seine Schwester May, mein Patenkind, also gleichfalls flüchtendes Familienmitglied, bereits mit der Bahn vorausgefahren ist. In Brunn sind sie in Baracken untergebracht, 20 Offiziere in einem Raum, dazu Wanzen. Der sympathische junge Mann ist gefaßt, aber man sieht es seinem Mienenspiel an, wie sehr ihn das Schicksal der Nation trifft. Fast ängstlich fragt er: „Wo ist der Reichsverweser?" Ich kläre ihn auf und frage: „Euch ist wohl sehr leid um Horthy?" Er nickt: „Selbstverständlich." Was weiß der arme Teufel von den „neuen Kräften", mit denen wir Europa beglücken. Gusti Denk befindet sich seit Sommer auf seinem Gute M e n f ö bei Raab. Er ist alt geworden, muß Holz hacken, da ihm alles Personal weggenommen wird, hat samt seiner Frau keine Nacht einen Augenblick Ruhe, da es fortwährend Truppendurchzüge und -lager gibt. Alles ist devastiert. Trotzdem hat Gusti den Entschluß gefaßt, unter allen Verhältnissen zu bleiben. Ich habe ihm in einem Brief davon abgeraten. Denn alles, was man von den Russen hört, läßt f ü r den alten Offizier das Ärgste befürchten. In diesen Tagen war ich auch bei Ruszkay im Grand Hotel. Er ist von Berlin etwas enttäuscht zurückgekommen. Man hat von Ungarn aus gegen ihn quergeschossen, so daß er im besten Falle Generalinspekteur der fünf magyarischen SS-Divisionen wird. Da auch Erzherzog Albrecht in der Gegend herumspukt, habe ich die Rede auf ihn gebracht; Ruszkay ist ein besonderer Freund gewesen, er rückte aber sichtlich ab. Der gute Erzherzog befindet sich schon wieder inmitten einer Eheirrung. Wie bekannt, sind seine Ehegeschichten damit angegangen, daß er dem seinerzeitigen ungarischen Gesandten in Sofia (nachmals in Wien), v. Rudnay, seine Frau wegheiratete. Es war eine sehr stürmische Angelegenheit. Noch lebte die Mutter Isabelle, genannt „Busabella", die durch die Eheabsichten des lang erwarteten einzigen Sohnes sich in der ehrgeizigen H o f f n u n g schwer bedroht fühlte, diesen dereinst auf dem T h r o n e der Arpäden, deren Abkömmling er durch Croys angeblich war, zu sehen. In ihrer Bedrängnis wandte sich die Erzherzogin an den alten Hausarzt der Familie. Oberstabsarzt Professor Dr. Bichl, der mir die Sache laut und vernehmlich in der Wiener Trambahn erzählte, meinte zur hohen Frau begütigend (er hat sich in Wirklichkeit noch drastischer ausgedrückt): „Kaiserliche Hoheit, kastrieren kann i ihn not!" Die Ehe dauerte ein paar Jahre und ging dann krachend auseinander, wobei die geschiedene Gattin vom „königlich ungarischen Hofmarschallgericht", das dazu gar nicht berechtigt war, den Titel einer Herzogin von Teschen erhielt, der bekanntlich von Erzherzog Carl her in der Linie übererbt war. Albrecht machte damals auch einen Kniefall in Steenokkerzeel, zur geringen Freude des Vaters. Dann heiratete er seine neue Liebe, eine Volksschullehrerin, die, ohne mit dem siebenbürgischen Fürstengeschlecht etwas zu tun zu haben, v. Bocskay hieß. Diese wurde nach ungarischem Gesetz königliche Hoheit Prinzessin von Ungarn und gebar ihm zwei Töchter, keinen Sohn. N u n trat vor Jahresfrist eine Künstlerin (Sängerin oder dergleichen) in die Lebensbahn Albrechts. Und die Verwirrung ist da. Er ist (im Gegensatz zu der Ehe mit Frau v. Rudnay) mit seiner jetzigen katholisch verheiratet,
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das wird einige Schwierigkeiten machen. Außerdem hat ihn die neueste Flamme in Ungarn mehrfach in Kreise eingedrängt, die den Anforderungen deutschfreundlicher Gesinnung nicht voll entsprachen, so daß seine Position bei uns etwas ins Wanken geraten ist. Als ich in Berlin war, besuchte mich der Erzherzog öfters. Er hatte sich sehr eng an Deutschland herangemacht, war auch einmal bei Hitler gewesen, der ihm für die Zeit nach dem Kriege für sich und seine unmittelbare Deszendenz angeblich Teschen verheißen hat, und hielt insbesondere zu Meißner recht enge Beziehungen. Er gestand mir offen, der Nachfolger Horthys werden zu wollen, und zwar um den Preis, daß er den Ungarn irgendwie Siebenbürgen verschaffte. Später gehörte er auch dem Kreise Veesenmayers an. . . . 8 ) Indessen ging der Krieg weiter. Am 18. Dezember hatte im Westen aus dem Räume Eifel-Trier ein Vorstoß begonnen, der direkt auf Antwerpen gerichtet war. Er bohrte sich zunächst in die feindlichen Stellungen ein, ein Beweis, wie unverwüstlich dieser deutsche Soldat noch heute ist, richtete seine Spitze auf Namur, kam aber nicht einmal bis an die Maas heran. Ich erinnerte mich an die große Schlacht in Frankreich, Frühjahr 1918, deren Anfangserfolg allerdings unvergleichlich größer war, die dann aber doch steckenblieb. Diesmal hatte der Stoß, dessen Fortführung offenbar vor allem unter Mangel an Nachschub und Zerstörung der Nachschublinien litt, doch immerhin den einen Vorteil, daß der Feind von seinem Südflügel Kräfte abzog und uns (offenbar improvisierte) Stöße aus dem Süden der Pfalz und im Elsässischen gestattete 9 ), die auch zu ansehnlichen Teilerfolgen führten. Ebenso konnten wir Saarbrücken zurückgewinnen. Im Osten behauptet sich Budapest unter Führung des SS-Gruppenführers Doerner l f t ) noch immer, freilich um den Preis seiner Existenz. U m die Jahreswende schritten vier deutsche Divisionen, darunter zwei Panzer SS, aus dem Räume südöstlich Komorn zum Gegenangriff. Ob es dabei um den Entsatz der Hauptstadt ging, wie die Ungarn glaubten, oder bloß um die Herausführung der Besatzung, was angeblich Ludin dem slowakischen Staatspräsidenten Tiso mitzuteilen hatte, wird sich vielleicht zeigen. Die Russen haben mit affenartiger Geschwindigkeit an der Westfront von Ofen eine „Kontravallationslinie" aufgebaut; schmale Verbindungen scheinen zwar ein paarmal offen gewesen zu sein. Aber der Zweck ist vorderhand nicht erreicht. Dagegen ist es am Plattensee und südwestlich von ihm ruhiger geworden. In Slawonien wurden ein paar russische Vorstöße durch Kosaken und Poglavnikgarden abgewiesen.
8 ) K T B / O K W , I V / 1 , 852. Glaise-Horstenau gab in der Anlage eines Briefes an Jodl, 3.3.1945, Ruszkays Informationen über Ferenc Szälasi weiter. ') Das „Unternehmen Nordwind", eine begrenzte Offensive des X X X I X . Pz. Kps. und des X I I I . SSKorps am 31.12.1945. , 0 ) SS-Oberführer Doerner führte im Jänner 1945 eine Kampfgruppe am Westrand von Budapest und hatte den Funkkontakt mit den angreifenden deutschen Einheiten beim dritten Entsatzversuch (18. bis 27.1.1945). Kommandant der eingeschlossenen Truppen war SS-Obergruppenführer u. General der Waffen-SS Karl Pfeffer v. Wildenbruch, Kdi. Gen. IX. SS-Geb.-Korps und Kmdt. d. Festung Budapest. Vgl. P. Gosztony, Der Kampf um Budapest 1944/45, in: Wehrwissenschaftliche Rundschau, Jg. 13 (1963), 5 7 5 - 5 8 5 , 6 5 4 - 6 7 2 , 729-739; J g . 14 (1964), 4 6 - 6 1 , 92-105, 181-190.
Neue sowjetische Offensive
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Viel geredet wird von dem Einsatz neuer Jagdflieger"). Auch der Feind behauptet es und erklärt, daß die Sache mit einem großen Fiasko geendet habe. Ebenso hat der U-Boot-Krieg wieder stärker eingesetzt, da wir gegen die amerikanischen Horchgeräte ein entsprechendes Gegenmittel gefunden haben. Als ich mit dem Poglavnik Ende April 1943 in Kiesheim weilte, hatte uns der Führer an der H a n d einer Weltkarte eindrucksvoll auseinandergesetzt, wie in kürzester Zeit der Feind durch die U-Boote in die Knie gezwungen sein werde. 14 Tage später verschwanden wegen des eben genannten feindlichen Horchgerätes - alle unsere U-Boote von hoher See. Was es in diesem Krieg alles schon für Zusicherungen gab! Inzwischen hat das neue „Volksopfer" begonnen. Es bedeutet, zumal mit der in der Partei, der Wehrmacht und der Beamtenschaft angekündigten Handhabung, einen ganz gewaltigen Schritt in der Richtung der „Expropriation der Expropriateure". Andererseits zeigt es sich, wie wir aus dem letzten Loch pfeifen. D a ß sich die Wehrmacht mit ihren Maßnahmen überschlägt, ist nicht zu wundern. Einen solchen Niedergang hat noch nie ein Heer erlebt, wie das einst so stolze preußische und preußisch-deutsche. Daneben läuft die immer stärker würgende Transportkrisis, die zum Beispiel den Kohlenantransport gegenüber dem Vorjahre auf den Bruchteil sinken ließ und zweifellos die schwerste Bedrohung der weiteren Kriegführung darstellt. Fräulein Weitz, Sekretärin der Berliner Deutsch-ungarischen Gesellschaft, welch letztere übrigens sich jetzt mit der „kulturellen Betreuung" der Flüchtlinge zu befassen hat (die wollen W o h n u n g und Brot und erst dann Kultur), war kürzlich bei ihren Leuten in Essen auf Urlaub (auch Verlust von allen drei Brüdern). Dort kann man umsonst Kohle schaufeln, soviel man will. Ebenso ist es im oberschlesischen Industriegebiet. Aber man vermag die vollen Halden wegen Mangel an Lokomotiven und Transportmitteln und absinkender Leistungen der Bahnen nicht zu leeren. 15. Jänner. Vorgestern hat der lang erwartete russische Angriff im Weichsellande begonnen 1 2 ). Fritz Westen war Ende der letzten Woche (heute ist Montag) in Olkusz und Wolbrom, dort wurde noch auf Hochtouren gearbeitet, und niemand hatte eine Ahnung von den unmittelbar bevorstehenden Ereignissen. Gestern haben die Russen von Baranow aus in breiter Front die Nida seligen Andenkens überschritten! Budapest ist ein rauchender Trümmerhaufen, der Entsatzversuch kann, mindestens vorläufig, als gescheitert angesehen werden 1 3 ). In der einst so schönen ungarischen " ) Bei diesem Flugzeug handelt es sich um den „Volksjäger H e 162". Er stand seit Anfang Dezember 1944 in Erprobung. Die Fertigung der einzelnen Großbauteile erfolgte in dem unterirdischen aufgelassenen Kreidebergwerk in der Hinterbrühl bei Mödling, der Seegrotte. Vgl. H . Nowarra, Der „Volksjäger" H e 162 (Waffen-Arsenal, Bd. 85), Friedberg 1984. 12 ) Am 14.1. trat die 1. Weißrussische Front unter Marschall Schukow aus den Weichselbrückenköpfen Magnuszew und Pulawy zum Großangriff an, die dt. Heeresgruppe Α wurde zerschlagen, am 17.1. gab die 9. dt. Armee Warschau auf. Am 30.1. erreichten die 2. Garde Pz.-Armee und die 5. Stoß-Armee jener Front die O d e r zwischen F r a n k f u r t / O d e r und Küstrin. 13 ) Das IV. SS-Panzerkorps hatte am 17.1.1945 als 3. Entsatzvorstoß auf Budapest nördlich des Plattensees angegriffen, das 135. Sowjet. Schützenkorps vernichtet und hatte am 19.1. die Donau bei Dunapentele erreicht. Es stieß weiter bis 20 km vor Budapest vor. Die Budapester Garnison d u r f t e nicht ausbrechen. Als am 27.1. die russischen Gegenangriffe begannen, mußte sich das Korps bis zum 7.2.1945 wieder zurückziehen.
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Gespräche mit Slavko Kvaternik und Ernst Kaltenbrunner
Hauptstadt sind Teile der 6. Armee (Stalingrad) eingeschlossen. Im Westen mußte der gegen Namur gerichtete Dorn auf 25 Kilometer von der Ausgangsstellung zurückgezogen werden; seine Basis ist in beiden Flanken schwer belastet. Nur südlich meiner Urväterheimat haben wir noch Teilerfolge zu verzeichnen. In Jugoslawien ist der Versuch der Londoner Emigration, gegen den Stachel Titos zu locken, mißglückt; Rußlands Einfluß ist mindestens in Serbien gesichert 14 ). Ich war gestern mit Ruszkay beisammen. Er ist ein wenig geknickt. Zu rasch hat er sich, wohl aus Ehrgeiz, in die Arme der SS geworfen. Durch eine Indiskretion General Keiners 15 ), des Stellvertreters von Obergruppenführer Jüttner (!), läuft er Gefahr, da ihn die ungarische Regierung nicht will, zwischen zwei Stühlen zu sitzen. Auch um sein Vaterland ist er besorgt. Er gibt sich keinen so ausschweifenden Hoffnungen hin wie etwa der dumme Kranz-Hellepront, sondern erinnert mit Recht an die Türkenzeit. Ich habe neulich zufällig eine Karte aus dieser Zeit zur Hand gehabt. Die Grenze im engeren Ungarn läuft, die Slowakei mitinbegriffen, ziemlich ähnlich der, als der türkische Pascha in Ofen saß. Nur Kroatien liegt im Vergleich zu damals noch in großartiger Ausdehnung da, wohl weil sich die Mächte über die Interessenssphäre nicht klar sind und die russische Wehrmacht zu schwach ist, um die Front noch nach Bosnien zu verlängern. Die Magyaren werden bei all diesen Geschäften, meint der Schwabe Ruszkay mit Fug und Recht, am schlechtesten abschneiden. Eine furchtbare weltgeschichtliche Vergeltung vollzieht sich an ihnen, die nie wahrhaben wollten, welche Vorteile gerade sie aus der habsburgischen Völkergemeinschaft zogen. Ruszkay erzählt mir auch Interessantes über das Horthy-Problem. Mit Horthy sei um 1936 die große Veränderung vor sich gegangen. Früher habe er sich von der Familie so gut wie nichts dreinreden lassen. Nun sei es plötzlich anders geworden. Er wurde völlig von der Außenwelt abgeschlossen. Selbst die höchsten Militärs hätten ihn nicht anders gesehen wie nur in kurzen, rein formalen Audienzen. Die Burg sei ein völlig abgeschlossenes Gebiet einer Sonderpolitik geworden, in die niemand außer dem engsten Kreise Einblick gewann. Vielleicht liege die Ursache dieses plötzlichen Wandels in einem Familiengeheimnis, das aber nicht die Abstammung der Frau v. Horthy, sondern seine betraf. Sie ist bekanntlich eine geborene v. Burgli. Burgli klingt nicht zu Unrecht schweizerisch. Der Urgroßvater war ein Schweizer Landwirt, den irgendein ungarischer Hocharistokrat zur Einführung Schweizer Viehs in die Puszta brachte und der dort zu Ansehen und Wohlstand kam. Horthys Gut stammt aus seiner Erbschaft. Die Familie Burgli nahm zwar verwandtschaftliche Beziehungen zu der jüdischen Nachbarschaft der Wodnianer an, deren Blut aber nicht in die Blutbahnen der 14 ) Gemeint ist der Versuch König Petars, die zwischen Tito und dem königlichen Ministerpräsidenten Ivan Subaäifc geschlossenen Vereinbarungen zurückzuweisen oder zu modifizieren. Vgl. W. Roberts, Tito, Mihailovic and the Allies 1941-1945, New Brunswick 1973, 299ff. ,5 ) Walter Keiner (Benshausen, 10.12.1890 bis ?), 1910 Eintritt als Fhj. in die Armee, 18.8.1911 Lt. Fußart.R. 3, Übernahme in die Reichswehr, 1.4.1935 Obst., 1.10.1937 Kdr.Arko. 8, 1.8.1938 Gen.Mjr., 1.9.1939 Kdr. 62. ID, 1.9.1940 Gen.Lt., 17.9.1941 schwer verwundet, 1.1.1943 Gen. d. Art., 15.8.1943 Heeresfeldzeugmeister, 1.8.1944 Chef des Allgemeinen Heeresamtes im O K H .
Mutmaßungen über Horthy
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Reichsverweserin geriet. Wohl aber kam man zu Anfang des vergangenen Jahres darauf, daß die Großmutter mütterlicherseits von H o r t h y selbst eine geborene Lisi Gerber war. Sie sei Tänzerin gewesen, habe sich mit dem mütterlichen Großvater Horthys in Altofen in einer obskuren Kirche vermählt und im Heiratsregister stehe nur der Name, nichts von Abstammung et cetera. Wieso H o r t h y trotzdem Kämmerer geworden ist? Er hatte schon als junger Offizier versucht, es zu werden. Es war damals vergeblich. Als er sich von seinem Posten als Flügeladjutant im Jahre 1914 vom alten Kaiser abmeldete und, wie gewöhnlich, um einen Wunsch gefragt wurde, brachte er neuerlich den, Kämmerer zu werden, vor. Da man bei den Ungarn mit der Verleihung der Kämmererwürde stets large war, wurde auch H o r t h y es. Nun meint Ruszkay, ob nicht die Juden früher als die politischen Gegner auf dieses Gebrechen in Horthys Stammbaum gekommen sind und ihn, eben seit etwa 1936, unter Erpressung setzten. (Momentan weiß ich nicht, ob es sich um Horthys Großmutter oder Mutter handelte.) Irn übrigen hätte sich H o r t h y trösten können, denn bei fremden Staatsoberhäuptern sind wir, wenn sie „treue Bundesgenossen" mimen - siehe Ante Pavelic - nicht gar so empfindlich . . . Während ich diese Zeilen niederschrieb, war Luftalarm. Die guten Wiener, die seit 28. vorigen Monates Ruhe hatten, gaben sich schon wieder allen möglichen H o f f n u n g e n hin. Ich sah in der Pause im Gegenteil „Ruhe vor dem Sturm". Höchstens schien es mir beim heutigen Alarm denkbar, daß der Feind an uns vorüberflöge, um das oberschlesische Industriegebiet zu bedenken. Aber auch das erfüllte sich nicht. Es kam vielmehr zu dem schwersten Terrorangriff, den unsere schöne Stadt bisher über sich ergehen lassen mußte 16 ). Fast alle Bezirke wurden getroffen, Tausende von Menschen sind um H a b und Gut gebracht, sicherlich auch Tausende tot; letztere haben das bessere Los gezogen. Ich selbst machte den Angriff wie gewöhnlich in der Parterrewohnung Jirkowskys mit. Am liebsten hätte ich mich, beengt durch den Gedanken, ein Haus über mir zu haben, auf der Straße aufgehalten. Man hörte wohl das Brummen der Flugzeuggeschwader, die gut eine Stunde über Wien kreisten, auch Flakfeuer und ab und zu von fern Bombengeräusch. Es schien aber gar nicht arg - im Gegenteil zur furchtbaren Wirklichkeit. Wie immer bohrte in mir bitterster Groll gegen den Wahnsinn dieser scheußlichen Welt, gegen die Dummheit der anderen zu glauben, daß man durch das Verschütten von Wohnstätten und das Töten friedlicher Einwohner den durch T e r r o r gehaltenen deutschen Krieg um eine Stunde früher zu beenden vermöchte. Über allem Ingrimm aber stand das Bild dessen, der all dies Unglück verschuldet hat. Denn darüber zerbreche sich niemand den Kopf, in diesem Zweiten Weltkrieg gibt es keine Schuld„frage", sie ist im voraus eindeutig gelöst. Der Mann ist nicht in Braunau, sondern in Versailles geboren worden, aber er übersiedelte unmittelbar nach seiner Geburt nach Potsdam. Die großen Kreuzwegstationen des deutschen Volkes heißen: Martin Luther, Gustav Adolf, der Soldatenkönig, Friedrich der „Einzige" und der 30. Jänner 1933 . . .
I6 ) G e m e i n t ist w o h l d e r B o m b e n a n g r i f f v o m 2 1 . 1 . 1 9 4 5 , d e r Ziele im 1., 3., 5., 10. u n d 12. G e m e i n d e b e zirk traf.
XXIX. KRIEGSVERBRECHERPROZESSE UND FRIEDENSFÜHLER DER SS Februar 1945 Vorgestern um 11 Uhr nachts sind in Bukarest 1 ) Prinz Kyrill und die zwei weiteren Regentschaftsräte, ferner 22 ehemalige Ministerpräsidenten und Minister, sechs frühere Berater des verstorbenen Königs und 56 Abgeordnete auf Grund des Urteils eines Revolutionstribunals hingerichtet worden. Unter den Hingerichteten befanden sich der frühere Ministerpräsident Bagranjow 2 ), der - allerdings nach dem vergeblichen Versuche, in Kairo Schutz bei den Westmächten zu finden - Bulgarien den Russen in die Arme geführt hat, und auch mein einstiger Freund Bagranjow, ein aufrichtiger Anhänger Deutschlands, der jedoch im Sommer 1944 als Gesandter in Madrid zur Uberzeugung kam, daß Deutschland den Krieg verloren habe, und dann als Außenminister auch bemüht war, sein Vaterland mit Hilfe der Anglosachsen (gegen die Bolschewiken) aus dem bevorstehenden Zusammenbruch zu retten. Es gehört zu den ungeheuerlichsten Zeichen dieser entsetzlichen Zeit, daß in derselben Stunde, in der die Köpfe dieser Männer wegen ihres allerdings völlig unberechtigten Vertrauens zu Churchill und Konsorten rollten, die beiden Ultrachristen Churchill und Roosevelt dem Anstifter jener Bluturteile, die doch auch gegen sie gerichtet waren, Herrn Stalin freundschaftlich die Hände schüttelten. Und es gehört mit in das Kapitel Dummheit unserer Presse, daß diese nicht solche Tatsachen hervorhebt, sondern sich ausschließlich über den T o d der „Verräter" freut und über das Blutregime der Bolschewiken entrüstet. Daneben ist aber noch eine interessante Episode anzumerken. Ich habe kürzlich den Bericht eines Ministers aus der „Nationalregierung" Zänkow 3 ) über die Ereignisse in Bulgarien bis zum Abfall zur Einsicht bekommen. D a ist eine für unsere Zeit besonders charakteristische Episode vermerkt, die absolut den Charakter der Wahrhaftigkeit in sich trägt. Sowohl König Boris wie eine Reihe seiner Minister standen danach seit 1934 stark unter dem Einfluß der Sekte der „Danowisten", so benannt nach ihrem Führer Danow, der alle Kirchen negierte, einen Sonnenkult ') Recte: Sofia. Die Mitglieder des bulgarischen Regentschaftsrates Prinz Kyrill, Bruder König Boris III., Bogdan Filow (ehemals Ministerpräsident) und Nikolaus Michow (Kriegsminister) wurden am 1.2.1945 in Sofia erschossen. 2 ) Iwan Bagranjow (geb. 1892 bis 1.2.1945, hingerichtet in Sofia), 2.6.1944 bis 2.9.1944 Ministerpräsident. 2. 6. 1944 bis 12. 6. 1944 auch Außenminister. 3 ) Am 9.9.1944 war in Deutschland die „nationale Regierung" Alexander Zänkow für Bulgarien gebildet worden.
Die Verhältnisse in Bulgarien
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betrieb und aus den Sternen weissagte. D a n o w hatte auch in Frankreich, Japan und insbesondere Amerika, wo er lange Jahre gelebt hatte, bevor er nach Bulgarien kam, viele Anhänger. Im Jahre 1938 kamen ungefähr 30 Anhänger in sein Lager im Rila-Gebirge, unter denen auch Professoren der Pariser Universität waren. Die Danowisten lebten in einem besonderen Lager in der Umgebung Sofias, und jede Woche hielt ihnen ihr „Lehrer" D a n o w Vorträge, denen auch viele Sofioter Intellektuelle beiwohnten, darunter auch Angehörige des Hofes. Bezeichnenderweise ist Boris nach einem Ausflug ins Rila-Gebirge todkrank geworden. Fast noch größeren Einfluß auf maßgebliche Kreise Sofias als Danow gewann dessen engster Mitarbeiter, der ehemalige Oberst Ljubomir Lultschew. Die Position der Sekte bei Boris war angeblich so groß, daß seit 1934 kein Kandidat Minister werden konnte, ohne daß ihn zuerst D a n o w und Lultschew untersucht hatten, und zwar auf Grund der Handschrift und der Bilder. Schließlich kam sogar Lultschews Bruder Andrew selbst in eines der letzten Kabinette. Vor das eingangs erwähnte Revolutionstribunal soll nun auch Ljubomir Lultschew gekommen sein. Verschiedenen Nachrichten zufolge sei er aber dem T o d e durch folgende Geschichte entronnen. Er habe erzählt, daß König Boris ihn auch zu Adolf Hitler gebracht habe. Dieser habe nun gleichfalls auf seine Wahrsagungen und Ratschläge gehört, und es sei vor allem den Einflüsterungen Lultschews zuzuschreiben gewesen, wenn es 1941 zum Kriege gegen Rußland kam. N u n habe aber Lultschew, wie er angeblich vor dem Tribunal behauptete, den Führer absichtlich in das russische Abenteuer hineingehetzt, weil ihm nur dann die herbeigewünschte Niederlage Deutschlands erreichbar erschien. Diese Erklärung habe Lultschew angeblich den Kopf gerettet. D a ß Adolf Hitler einen Seni habe wie der selige Wallenstein, wurde mehrfach behauptet. Die geheimnisvolle Atmosphäre, die H e ß umgab, ist allgemein bekannt. Nach seiner Flucht wurde mit diesen Dingen von Partei wegen aufgeräumt. Auch Himmler wird gewisser okkulter Einflüsse geziehen. Was Wahres daran ist, wissen wohl nur die aus der nächsten Umgebung. In diesen Tagen begab sich in Wien Interessantes. Der Großindustrielle Fritz Westen und Graf Potocki 4 ), der H e r r von Lancut, das längst die Russen geplündert 4 ) Vgl. Öst. Institut für Zeitgeschichte, M a p p e Höttl, PS 1899, S. 3: Parallel zu dieser Aktion lief noch eine andere, viel offiziellere und dadurch auch Dr. Kaltenbrunner bekannt. Es handelte sich um den polnischen Hocharistokraten Graf Alfred Potocki, den ich mit seiner Mutter, der bekannten Fürstin Potocka, nach Liechtenstein schaffte. Die Ausreise der letzteren hatte Himmler verboten, um in ihr eine Geisel zu haben. An dieser Aktion war Dr. Kaltenbrunner maßgeblich beteiligt, jedoch führte sie, wie nicht anders zu erwarten, zu nichts, da Potocki eine viel zu bekannte Persönlichkeit war, um derart diskrete Dinge erledigen zu können. . . ." Weiters wurde von den National Archives Washington eine Archivalie freigegeben, von der sich eine Kopie im Besitz Dr. Höttls befindet, dem Herausgeber freundlicherweise zur Verfügung gestellt mit Schreiben vom 5.1.1987: Bern an Director, O f f i c e of Strategie Services, 28.2.1945; entziffert: "503 arrived from Austria February 25 having left Vienna about 18. 503 for several years acquainted with Hottel one of Viennese SS chiefs who knew vaguely that 503 had indirect contacts with Americans Suisse. Prior 503's recent departure f r o m Vienna f o r Suisse, Hottel informed him, that Kaltenbrunner, Chief of SD, wanted to see him. Kaltenbrunner informed 503, that he and Himmler most anxious to end war and as first step were contemplating liquidation of 'war mongers' within Nazi-Party, especially Bormann. Himmler and
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Kriegsverbrecherprozesse und Friedensfühler der SS
haben, reisen mit Vorwissen Himmlers und Kaltenbrunners in die Schweiz, um dort Friedensfühler auszustrecken. Potocki beteiligt sich nur unter der Bedingung an der Sache, daß wir mit einer Wiederherstellung Polens einverstanden sind. Er muß seine alte Mutter als Pfand zurücklassen, obgleich er sich mit dem „Ehrenworte eines ehemaligen k. u. k. Offiziers" rückzukehren verpflichtete. Man sagte, auch Vörös, der ungarische Generalstabschef, habe Ehrenwörter gegeben und sei jetzt bolschewistisch-ungarischer Kriegsminister. Dafür darf Potocki einen Tintoretto, Schmuck et cetera mitnehmen. Die geheimen Protektoren der Aktion wären eventuell geneigt, die Partei zu opfern, wenn die SS als Ordnungspolizei erhalten werden könnte. Grundgedanke: Deutschland schließt Frieden mit dem Westen und übernimmt es, die Russen von Europa abzuhalten. Metzger und ich sind eines Sinnes, daß da schon ungeheuer größere Zugeständnisse zu machen sein würden. Denn wer in der Welt brächte uns noch Vertrauen entgegen? Die ganze Geschichte hat noch verschiedene, sagen wir pikante, Details, die, wenigstens vorläufig nicht dem Papier anvertraut werden sollen. Jedenfalls reicht der Pessimismus, für den kleine Staatsbürger gehängt werden, bis weit hinauf.
Kaltenbrunner were most anxious t o establish contact with British and Americans and asked 503 to make e f f o r t in this direction on his trip to Suisse and contemplated sending here high SS-officials to speak on their behalf provided contact could be established. 503 on own initiative suggested that Alfred Potocki, brother of f o r m e r Polish minister to Washington should be permitted to go t o Suisse with him as he felt Potocki had first class contacts with British. Hottel arranged immediate exit visa for Potocki and his mother. Potocki expected proceed first to Liechtenstein where has not yet arrived. While 503 is rather lightweight, consider above approach interesting as sign of increasing disintegration within Nazi-Party and as indication antics of Himmler t o prepare alibi. According 503, Himmler now organizing defense on eastern f r o n t and largely in command of this theater of w a r . " 503 war Fritz Westen.
XXX. DIE FRONT NÄHERT SICH WIEN - FLUCHT NACH SALZBURG März 1945 Ich habe jetzt wieder lange pausiert. Eben schreibe ich den 18. März. Nach einem durch Luftalarme wenig erfreulichen Aufenthalt verließ ich am 26. abends Wien. Die 10 Tage, die ich dort war, war fast täglich etwas los. Als ich am Dienstag, den 20., um Mittag während des Alarms im Hochparterre meines Hauses am Fenster stand, schlug eine Bombe neben dem Meidlinger Tor ein und riß den Hauswirt nieder. Ich hörte den Krach. Zur gleichen Zeit regnete es von den Fenstern meines Hauses Glasscherben herab. Ich verhüllte mein Gesicht mit den Händen und sprang zurück. Gusti und ich hatten als einzige Partei die Fenster offen, mit Ausnahme der Oberlichtscheiben. Diese allein waren zerbrochen. Sonst blieb an der ganzen Front kein Fenster unbeschädigt. Des anderen Tages weilte ich mi Wehrkreiskommando, und am dritten Tage hielt ich mich im Keller des Hotel Imperial auf. Dort bekam ich vom Drahtfunk unausgesetzt Bombenabwürfe über dem Kreise Schönbrunn zu hören. Als ich an die Erdoberfläche kroch, gab es an der Lastenstraße kein ganzes Fenster mehr, ein sehr starker Terrorangriff war niedergegangen. Das vom Wehrkreis entliehene Auto kam bloß bis oben zur Winckelmannstraße, dann mußte ich durch die durch Wasserrohrbrüche in einen Morast verwandelte „Schwarze Weste" durchwandern. Meiner W o h n u n g und meinem Häuserblock war nichts geschehen, abgesehen von einigen Mauersprüngen an den Heraklitwänden, sonst bot sich aber ein Bild der Verheerung. Auch die Stadtbahn war an vielen Teilen so schwer beschädigt, daß wir auf Kriegsdauer kaum mehr mit einem Betrieb rechnen können. Zudem das ewige Damoklesschwert einer Einquartierung. Nett erklärt der Führer in seiner Botschaft vom 24. Februar 1 ), es täte ihm leid, daß, entgegen den Feindnachrichten, sein Berghof nicht vernichtet worden sei. Er sieht dem Problem nicht im entferntesten auf den Grund. Wenn ihm sein Berghof, der ganz modern eingerichtet ist und kein einziges Familienandenken enthält, zerhaut wird, braucht er nicht als Untermieter in ein H o f z i m m e r einer fremden Familie einziehen, sondern er bekommt sofort ein neues Schloß mit allem Komfort. Man sieht, wie weit man oben von den wirklichen N ö t e n des Volkes entfernt ist. Hiezu gehört auch das in Wien täglich wiederkehrende Schauspiel, daß schon beim Voralarm die Thaliastraße von einer langen Autokolonne besät ist, die den wunderbaren „Regierungsbunkern" auf dem
') Hitler erließ am 24.2.1945 eine Proklamation zum Parteigründungstag, die aber von Hermann Esser in München verlesen wurde. Text bei Domarus, 2, 2 2 0 2 - 2 2 0 6 . Das Zitat bezüglich des Berghofes: 2206.
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Die Front nähert sich Wien - Flucht nach Salzburg
Wilhelminenberg 2 ) zustreben. Drinnen sitzen stolz und breit die „Goldfasane", indes das gemeine Volk mit Kind und Kegel den Katakomben zustrebt. Die Thaliastraße heißt im Wiener Volksmund nur mehr die Heldenallee. Ich gehe schweren Herzens von meinem Wiener Heim weg. Werde ich es Wiedersehen? Und werde ich mich noch der idyllischen Ruhe freuen können? Auch Gusti tut mir leid, sie ist sehr tapfer und brav. Es gibt doch noch wirklich anhängliche Menschen. Professor Srbik, der 2 Monate Urlaub nach Ehrwald bekommen hat, wird von Metzger und mir in den Urlauberzug hineingeschwindelt. Ich sehe erst, wie alt er geworden ist. Metzger meint, er könnte mein Vater sein. Schon nach St. Pölten brauchen wir drei - sage drei - Stunden. In Amstetten stehen wir wieder eine Stunde. Als wir ins Gesäuse einschwenken, graut schon der Tag, mein 63. Geburtstag! Alle waren in meinem Leben schöner als dieser eine. Mit der Bahn geht es furchtbar langsam. Man hat doch irgendwie das Gefühl einer passiven Resistenz oder mindestens einer großen Gleichgültigkeit beim Personal. Nach Radstadt, in der kleinen Station Fitzbach wird um 1 Uhr nachmittags haltgemacht. Wir dürfen nicht weiterfahren, denn es ist in Salzburg Fliegeralarm. Der Aufenthalt dauert 4 Stunden, die ich zum Teil bei den Volksgenossen im Stellwerk verbringe. Ich habe diese einfachen Eisenbahner gern, man spricht sich gut mit ihnen. Auch ein Slowene ist angestellt, er wird von den anderen geschätzt. Zuerst kommen Schreckensnachrichten: wir werden nicht nach Salzburg, sondern nach Wörgl geleitet. Schließlich endet es noch großartig. Wir kommen bis Aigen, wo wir allerdings den Zug verlassen müssen. Metzger hat einen Rucksack und einen Koffer, ich nur meine schöne Ledertasche. Der Versuch, rasch das Zubringerauto zu gewinnen, scheitert am Drängen der Soldaten, von denen keiner daran denkt, dem General Platz zu machen. 1918! Zuletzt entschließen wir uns, nicht länger zu warten, und wir treten den Marsch nach Salzburg per pedes apostolorum an, wobei mir Metzger überaus kameradschaftlich beim Fortbringen meiner doch schweren Reisetasche hilft. Am Mozartsteg erhalten wir ein Militärauto, das uns in unsere Wohnung in der Riedenburg bringt. Die Angriffe galten wieder dem Bahnhofviertel, wobei Cafe Krimel und die Andräkirche daran glauben mußten. Leider hat man auch, wie ich mich einige Tage später bei einem Spaziergang überzeugen konnte, rund um Schloß Leopoldskron bombardiert. Die „k. u. k. Militärschwimmschule" ist endgültig hin. Viele finden, es sei nicht schade darum. Für mich ist es doch ein Stück Jugend; ich habe dort schwimmen gelernt. Was aber schmerzlicher! Unmittelbar vor dem Schlosse ging eine Bombe nieder, so daß sämtliche Fenster hin sind und wohl auch mancher Stuck daran glauben mußte. Alles ist Wahnsinn. Ad vocem Andräkirche: Kardinal Katschthaler hat sie als Weihbischof zustande gebracht, er ließ sie auch auf seinem Epitaph im Dome verewigen. Als Militärrealschüler erlebte ich die Einweihung von unserem Balkon in Mülln aus mit. Die Kirche hat dem Standbild nicht 2 ) Wilhelminenberg ist der neuere N a m e f ü r den Gallitzinberg, einem Teil des Kahlengebirges im 16. Wiener Gemeindebezirk. D o r t wurden 1942/43 das Zentrum des Luftwarnsystems in der „Ostmark", eine D r a h t f u n k z e n t r a l e und der Gaubefehlsstand errichtet. Vgl. A. Elmar, D e r „Schirachbunker" im Gallitzinberg, in: Wiener Geschichtsblätter, Jg. 34 (1979), 133-138.
Flüchtlingselend und Bombenangriffe
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genützt. Sie trat an die Stelle der alten Andräkirche, die sich an der Ecke Linzergasse-Dreifaltigkeitsgasse befand und in der mein Vater und seine Geschwister getauft worden sind. Bei Albert Reitter in der Riedenburg bin ich recht gut untergebracht. Wie im letzten Kriege wurde ich wieder „Mansardeur", das heißt, ich schlafe im Mansardenzimmer, neben dem sich, recht gut angebracht, ein Badezimmer befindet. Büros haben Metzger und ich im ersten Stock und im Parterre. Schrecklich ist es nur, wenn Albert mit einer Geigerin „Musik" betreibt. Das bringt die ganze Mitwelt zur Verzweiflung! Eine zweite Schwierigkeit bildet die materielle Versorgung. Aber da hat sich in der Küche eine Arbeitsgemeinschaft zu meinen Gunsten gebildet, an deren Spitze Irina, die ganz nette Tochter des Hausbesorgers, ehemaligen estnischen Hauptmanns Perg, befindet. Den Kaffee koche ich mir selber - täglich eine sakrale Handlung, auf die ich mich geradezu freue. Im übrigen kann ich die glücklichen, das heißt, in Vergessenheit versunkenen Augenblicke an den Fingern einer H a n d herzählen. Es ist eben ein Irrenhaus, zu dem diese Welt geworden ist. Die Kriegslage hat sich in den letzten Wochen neuerlich außerordentlich verschlechtert. Die Russen stehen an der unteren Oder, vor Küstrin und Frankfurt, in Oberschlesien und zernieren dort - ebenso wie Königsberg in Ostpreußen - das liebe Breslau, wo ich noch im August vorigen Jahres geweilt hatte. Wirklich erschütternd erklang einmal - ganz im Gegensatz zu den aufreizend platten Äußerungen, die Goebbels manchmal von sich geben zu müssen glaubt - die hartgewordene Stimme des sympathischen Gauleiters Hanke 3 ), der in Breslau kommandiert. Das Flüchtlingselend ist unbeschreiblich. Auch mein früherer Stabschef in Agram, v. Selchow, der südöstlich von Ratibor seßhaft war, weiß nichts vom Aufenthalt seiner Frau. Im schönen Teschener Landl drängen die Russen gegen Mährisch-Ostrau vor. Wie nahe war doch auch 1914 der Krieg von diesem lieblichen Stück Erde; wir haben damals unser Schwert bei Krakau in die abendländische Erde gerammt. Heutzutage rammen wir vergeblich. In Ungarn gelang es uns, den russischen Brückenkopf am Granfluß zu „liquidieren" 4 ). (Wie sich schon die Bolschewikensprache überall eingeschlichen hat!) Die Deutschmeister haben sich ausgezeichnet. Südlich der Donau, am Ostende des Plattensees, wurde Sepp Dietrich mit vier SS-Panzerdivisionen in die Schlacht geworfen. Er sollte die Donau erreichen. Natürlich gelang es ihm nicht 5 ). Warum hat 3
) Karl H a n k e (Lauban, 24.8.1903 bis VI/1945, erschlagen bei N e u d o r f , Schlesien), Müller, 1928 Gewerbelehrer in Berlin, auch Mitglied d. N S D A P , 1932 Abgeordneter zum preuß. Landtag, 1932 auch Reichstagsabgeordneter, III/1933 persönlicher Referent Goebbels' im Propagandaministerium, IV/1937 Ministerialdirektor, 1/1937 2. Präsident der Reichskulturkammer, IX/1939 Kriegsfreiwilliger, 11/1941 Gauleiter u. Oberpräsident v. Niederschlesien, leitete ab 15.2.1945 die Verteidigung v. Breslau, geriet im Mai in die H ä n d e tschechischer Partisanen. 4 ) Die 2. Ukrainische Front war gegenüber der 8. Armee bei den Kämpfen zur Einschließung von Budapest am 18.12.1944 bis zum Fluß Gran ( H r o n ) vorgestoßen. Dort stabilisierte sich die Front. 5 ) Am 6.3. griffen die 6. SS-Panzerarmee und die 6. Armee (Gen. d. Pz.-Tr. Balck) aus dem Raum zwischen Plattensee und Velenczer See, sowie die 2. Pz.-Armee (Gen. d. Art. de Angelis) südlich des Plattensees an, um das Erdölgebiet bei Nagy-Kanizsa zu schützen. Der Angriff mußte am 15.3. eingestellt werden, während die 3. Ukrainische Front zur Gegenoffensive überging. Schon am 5.3. hatten Teile der Heeresgruppe Ε an der Drau bei Siklös Brückenköpfe gebildet, die nun wieder verlorengingen.
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Die Front nähert sich Wien - Flucht nach Salzburg
man nicht im November oder Dezember alle irgendwie verfügbaren Kräfte in Ungarn eingesetzt, Direktion Budapest-Przemysl, um dadurch den russischen Ansammlungen bei Baranow in den Rücken zu kommen. Das ganze Operieren besteht bei uns seit Herbst 1942 nur mehr im Flicken, im Herumdisponieren mit einzelnen Divisionen, die natürlich zerrinnen wie Tropfen auf einem heißen Stein. Mit Ruhm hat sich Freund Lohr bedeckt durch die glänzende Anabasis SalonikiBelgrad, die natürlich reichlich spät angetreten worden ist. Ende August, schon als Rumänien und Bulgarien abgesprungen waren, war Weichs im Führerhauptquartier, um die Lage zu besprechen. Aber niemand hat es gewagt, die Frage des Rückzuges von der Agäis zu berühren. Es wurde von allem anderen gesprochen, nur davon nicht. Hitler will von einer freiwilligen Preisgabe errungener Gebiete, von vorbereiteten Rückzügen nichts wissen. Er sieht in Vorschlägen solcher Art grundsätzlich Defätismus. Was wären da Conrad und Hindenburg im Herbst 1914 für Defätisten gewesen! Sie haben das strategische Mittel des freiwilligen Rückzuges meisterhaft gehandhabt. Nicht schön schaut es auch im Westen aus. Dort ist in den letzten Wochen der ganze Westwall nördlich der Rheinpfalz zusammengebrochen. Am Rhein ist auf dem Rückzug hinter den Strom mit der Ludendorffbrücke von Remagen ein Malheur passiert. Sie wurde nicht rechtzeitig gesprengt, was vier im OKW-Bericht namentlich genannte Offiziere mit dem Tode büßen mußten 6 ). Ein breiter amerikanischer Brückenkopf lagerte sich auf das Ostufer des Rheins und durchschnitt die Reichsautobahn Köln-Frankfurt. Ein ziemlicher Wirrwarr ist in der Rheinpfalz entstanden. Frankfurt, Ludwigshafen und Mannheim werden von Eisenhower feierlich mit der völligen Vernichtung bedroht. Im Augenblick - 20. März - ist dort eine empfindliche Druckstelle entstanden, die sich sehr leicht in der historischen Richtung mainaufwärts auswirken könnte. Die Kundgebungen von „oben" sind dessenungeachtet auf Entschlossenheit und auf vollen Sieg gestimmt. Dabei werden, bis zum Speien, die Geister des Fridericus Rex aufgerufen. Fridericus Rex bei Kunersdorf ist zum Mythos geworden. Robert Ley ging um Weihnachten so weit, in Salzburg in einer Gesellschaft zu erklären, der Führer habe sich, als er nach dem Attentat auf den Stock gestützt ging, auch äußerlich dem „großen" König angeglichen; selbst Hitlers Kinn sei schon so vorgestreckt wie das des alten Fritz. Die Damen in Berchtesgaden rund um Emmy Göring mimen dafür Königin Luise. Sie wollen in Schönheit sterben, allerdings „mit einem Giftzäpfchen im Hintern". Ich beschäftige mich seit Wochen nur mit Fridericus Rex. Nunmehr habe ich Onno Klopps Biographie 7 ) vorgenommen und dabei unerhört viel Anregung empfangen. Den hätte ich lesen sollen, bevor ich mit Kasche zusammenkam. Der hat uns doch alles, was wir tun, ganz genau vorgemacht. Vergleiche etwa das Vorgehen gegen Sachsen vor dem Siebenjährigen Krieg oder die ersten Verträge mit Katharina von 4 ) Am 23.2.1945 hatte die amerikanische Offensive an der Roer östlich v. Aachen begonnen, bis 1.3.1945 konnten die Alliierten bis Mönchengladbach und knapp westl. v. Köln vordringen, am 7.3.1943 überschritten amerikanische T r u p p e n infolge eines Fehlers der dt. Verteidigung bei Remagen den Rhein. 7 ) O n n o Klopp, D e r König Friedrich II. und seine Politik, 2. Aufl., Schaffhausen 1867.
Suspekte Österreicher
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Rußland, in denen das Hauptgewicht darauf gelegt wird, daß weder in Polen noch in Schweden geordnete Regime entstehen. „Man muß sich Möglichkeit zum Intervenieren (und Rauben) vorbehalten." Osterreich ist dank dem friderizianischen Geist wieder tief im Kurs gesunken. Aber nicht nur dank ihm, sondern auch wegen der verschiedenen Vorfälle mit den Schauspielern. Paul Hörbiger 8 ) und einige andere Esel haben sich durch Spenden in Listen zugunsten des „freien Osterreich" verewigen lassen. Auch Hennings 9 ) soll darunter sein. Eine andere Gruppe reichte einen als englischer Offizier in der Slowakei abgesprungenen Wiener Juden Dr. Klauber 10 ) (vielleicht ein Verwandter meines verewigten Zahnarztes?) herum; wurde erwischt und hat zum D a n k alle seine Gastgeber der Polizei angegeben. Bei der ersteren Gruppe sollen auch zwei aus Österreich stammende Reserveoffiziere beteiligt gewesen sein. Grund genug, um den seit Monaten zu beobachtenden Säuberungskurs in den Wehrkreisen XVIII und XVII (Salzburg und Wien) fortzusetzen. General Ringel hat mit Hilfe des Gauleiters H o f e r f ü r seinen Wehrkreis zwar das Ärgste vereitelt. In Wien soll nebst anderen auch Bachmayer daran glauben. An seine Stelle soll ein 44jähriger Schwabe k o m m e n " ) . Ich habe versucht einzugreifen, ob mit Erfolg, ist zu bezweifeln, da sich General der Infanterie Schubert sehr wenig f ü r seinen alten Chef einsetzt. Jedenfalls sind wir Österreicher anscheinend wieder suspekt. Demgemäß wird auch Wien in den Wehrmachtsberichten schlecht behandelt. Am 12. M ä r z war die Innere Stadt von Wien das O p f e r eines überaus schmerzlichen Luftangriffes. Unter den zerstörten Baulichkeiten befanden sich die Sakristei von St. Stephan, die Oper, die neue Burg, die Kärntner Straße und so weiter. Ich mag gar nicht daran denken. Die Leute standen weinend um die Ruine der Oper herum 1 2 ). Der OKW-Bericht aber sagte: „Gestern wurden auf Swinemünde, Wien und Marburg a. d. Lahn Terrorangriffe unternommen." Fertig. Ich war im Begriffe, an Wedel einen 8
) Paul H ö r b i g e r (Budapest, 29.4.1894 bis 5.3.1981, Wien), bedeutender österreichischer Bühnen- und Filmschauspieler, war seit Ende 1943 in einer österreichischen Widerstandsgruppe tätig, betonte bei seinen Auftritten die österreichische N o t e immer mehr, wurde 1944 mehrmals von der Gestapo verhört, aber aus Propagandarücksichten nicht verhaftet. Dies geschah erst am 20.1.1945. Am 6.4.1945 wurden er und die politischen Mithäftlinge von der Gefängnisverwaltung aus dem Wiener Landesgericht entlassen. Vgl. Paul Hörbiger, Ich hab für euch gespielt. Erinnerungen. Aufgezeichnet v. Georg Markus, München 1979, 268-317. 9 ) Fred Hennings (eigentlich Franz R. v. Pawlowski) (Klagenfurt, 26.1.1895 bis 22.11.1981, Heiligenkreuz); Schauspieler, ab 1923 Mitglied des Burgtheaters, Kammerschauspieler, Kulturhistoriker. Hauptwerke: Das barocke Wien, 2 Bde., Wien 1965; Das josephinische Wien, Wien 1966; Fast hundert Jahre Wien. Rudolf v.Alt 1812 bis 1905, Wien 1961; Ringstraßensymphonie, 3 Bde., Wien 1963/64; Solange er lebt, 5 Bde., Wien 1968 bis 1971; Memoiren: Heimat Burgtheater, Wien 1972 bis 1974; M i r gefällt das Altsein, Wien 1971. 10 ) Ein Dr. KJauber scheint im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes bzw. in der relevanten Literatur nicht auf. " ) Erst mit 10.4.1945 wurde Bachmayer durch Oberst i.G. Helmuth v. Wissmann als Chef des Generalstabes im Wehrkreis X V I I abgelöst. I2 ) Bei einem Angriff von 777 Bombern gegen die Ölraffinerie Wien-Floridsdorf wurden 1 667 t Bomben abgeworfen und die Oper, Albertina, Börse, Messepalast, die Spanische Hofreitschule, das Kunsthistorische Museum, das Burgtheater und das Volkstheater teilweise zerstört. Vgl. M. Rauchensteiner, Der Krieg in Österreich 1945 (Schriften des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien, Bd. 5), 2. Aufl., Wien 1984, 64 f.
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Brief zu schreiben, habe es dann jedoch unterlassen. Sinn hätte es ja doch keinen gehabt. In der ganzen Sache liegt irgendwie friderizianisches System. Ich bin von Wien weitgehend abgeschnitten. Man bekommt nur ausnahmsweise Verbindung. Es ist eine recht unangenehme Lage. Am 15. waren Metzger und ich bei Scheel, um für Frau Milic und Koczian (Aufenthalt in Gastein) zu intervenieren. Scheel, Gauleiter von Salzburg, war etwas nachdenklich und sieht eine glückliche Beendigung des Krieges nur in der Möglichkeit, in den Feindbund eine Spaltung hineinzutragen. Als Voraussetzung hiefür gilt ihm ein Wechsel im Auswärtigen Amt, wobei er auf meinen Hinweis auf die Kandidatur Seyß-Inquart erklärte, diese unterstützt zu haben, obgleich Seyß nicht aus seiner Welt - der Gustav Adolfs - komme. Trotz dieser immerhin bemerkenswerten Einstellung zum Kriegsproblem las man 2 Tage später in der Zeitung eine Kundgebung Scheels an die „alten Kämpfer", die nur so von Siegeszuversicht troff. Es ist eine unerhörte Schindluderei, die mit dem deutschen Volke betrieben wird. 22. März. Gestern oder heute wollte ich nach Wien fahren. Aber die Zerstörungen der Bahn bei Wels und vor allem Amstetten machen es unmöglich. Von Gusti erhielt ich gestern einen Brief; sie ist eine treue, aufopfernde Seele. Heute scheint wieder ein sehr schwerer Angriff auf Wien erfolgt zu sein13). Man entnahm es wenigstens aus dem Radio. Bald werden 7 Jahre verflossen sein, daß Hitler in dem inzwischen abgebombten Rathause die großen Worte sprach: „Wien ist eine Perle, ich werde ihr die passende Fassung zukommen lassen." Schön ist diese Fassung. Wenn ich nicht wahrscheinlich - meine Wohnung noch in Wien hätte, würde ich überhaupt nie mehr dorthin zurückkehren: so, wie man sich das verstümmelte und entstellte Antlitz eines Toten nicht gerne ansieht, den man das letztemal in blühender, vollreifer Lebendigkeit gesehen hat. Die Kriegsnachrichten der letzten 48 Stunden sind überaus schlimm. Im Westen hat sich die „Druckstelle" in der Rheinpfalz zu einer klaffenden Wunde umgewandelt 14 ). Unsere Stellungen bei Saarbrücken und südlich der Linie KaiserslauternWorms sind über die Mosel und Nahe in Flanke und Rücken genommen worden. Saarbrücken, Zweibrücken, Kaiserslautern, Worms sind in Feindeshand. Die amerikanischen Panzerspitzen brachen in Mainz ein! Das Ruhrgebiet wurde, ähnlich wie Frankfurt und Mannheim, zum Kriegsgebiet erklärt, dessen restlose Vernichtung in den nächsten Tagen beginnen soll. Gleichzeitig kommen aus dem Osten neue Hiobsposten. In Ungarn haben wir den lächerlichen Draubrückenkopf von Siklos so geschickt geräumt, daß er vom Feind beschossen wurde, als wir längst draußen waren. Dafür kam der Russe nach der Sepp-Dietrich-Offensive wieder über Totis hinaus, und Feindstimmen reden von dem bevorstehenden Zangenangriff gegen " ) D e r Angriff von 138 B-24 am 22.3.1945 richtete sich gegen den Wiener Ostbahnhof sowie die Raffinerien in Kagran und in Floridsdorf. Die Universität wurde dabei schwer beschädigt: vgl. Rauchensteiner, 68. I4 ) Am 24.3. ging die 21. alliierte Heeresgruppe beiderseits Wesel Uber den Rhein. Am 25.3. erreichte das XII. U S - K o r p s Worms, das X X . US-Korps Ludwigshafen. Das ganze linke Rheinufer war nun in alliierter H a n d (3. u. 7. US-Armee u. 1. französische Armee).
Friderizianischer Sklavengeist
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Wien und das Protektorat, da es auch an der Grenze des Sudetenlandes bei den Russen vorwärts geht 15 ). Die Serie von Mißerfolgen in den letzten 3 Monaten müßten genügen, um in den Augen des dümmsten deutschen Bürgers unsere Kriegführung zu brandmarken. Zuerst die Offensive im Westen mit dem wackeren Skorzeny im Hintergrund, der wie Robert Ley in Salzburg in großer Gesellschaft verhieß - ausgeschickt ward, um Eisenhower zu fangen! Dann der gleichfalls völlig mißglückte Entsatzversuch f ü r die Besatzung von Budapest! Dann - nach dem entsetzlichen Ansturm der Russen gegen die mittlere O d e r - der großartig geplante Doppelstoß der Heeresgruppen Himmler und Schörner gegen den russischen Keil mit der einzigen Folge, daß der N o r d a r m dieser Zange in die Ostsee geworfen wurde 1 6 ). Vorher schon im Westen der Vorstoß zur Wiedergewinnung Straßburgs, der gleichfalls in aller Stille abgeblasen werden mußte. Und zuletzt die Sepp-Dietrich-Offensive, gegen die plötzlich aus dem Erdboden 20 russische Schützendivisionen und zahlreiche Panzerabteilungen aufstehen! Diese Serie von Niederlagen ist jedoch nur ein Ausschnitt alles dessen, was seit dem Sommer 1942 vor sich ging. Dennoch muß der im friderizianischen Sklavengeist erzogene Deutsche an den ihm verheißenen Sieg glauben, und wehe dem, der zeigt, daß er's nicht tut. Sein Kopf kommt zuverlässig unters Beil, wie es zum Beispiel auch mit dem des früheren Sicherheitsdienst-Chefs von Wien, des Dr. Ebner 17 ) geschehen soll, der sich Freunden gegenüber dahin geäußert hat, daß der 20. Juli der „letztmögliche Augenblick" gewesen sei. Die Verhaftungswelle ist überhaupt wieder sehr angeschwollen. Aus Mariazell ist eine ganze Gesellschaft mit Herren und Frauen mit Lauensteiner an der Spitze wegen Schwarzhörens eingesperrt. Sogar Folgendes ist möglich: Vor einiger Zeit wurde über einen Verbrecher eine Strafe verhängt, weil er vor dem inzwischen vollzogenen Verrate Italiens dieses Ereignis vorhergesagt und sich dadurch der Zersetzung der W e h r k r a f t schuldig gemacht habe. Generalkonsul Messner sitzt als zum T o d e Verurteilter im Gefängnis in Neunkirchen, Niederösterreich, hat jedoch das Glück, als Austauschobjekt aufs Eis gelegt zu sein. Dank der Nähe von Wimpassing, dessen Präsident er war, geht es ihm nicht schlecht. Der unerhörte Terror, mit dem die Masse gebändigt wird, läßt natürlich keinen Widerstandsversuch aufkommen. Die Offenheit, mit der in Wien und Osterreich aber ls ) Ab 16.3. stießen starke Kräfte der 3. Ukrainischen Front zwischen Bicske und Stuhlweißenburg nach Westen. A m 2 5 . 3 . trat auch die 2. Ukrainische Front nördlich der D o n a u zum Angriff an. Vgl. Rauchensteiner, 109 ff. 16 ) Am 21.1. war die Bildung der Heeresgruppe Weichsel unter dem O B Himmlers b e f o h l e n worden. In der ersten Märzhälfte wurden die deutschen Truppen in N o r d o s t p o m m e r n und Westpreußen von den Hauptkräften abgeschnitten. N e b e n der Heeresgruppe Kurland und der Heeresgruppe N o r d um Königsberg war damit die dritte deutsche Kräftegruppe isoliert. n
) Karl Ebner (Franzensfeste, 2 7 . 1 0 . 1 9 0 1 bis ?), Dr.iur., 1928 Vertragsangestellter bei der Burgenländ. Landesreg., ab 1929 in diversen Polizeikommissariaten, ab 1 . 2 . 1 9 3 4 im Bundeskanzleramt/Generaldirektion f . d . öffentl. Sicherheit, 1 . 8 . 1 9 3 4 in Kommissariaten im Bereich der Bundespolizeidirektion Wien; Angehöriger des Ö C V ; ab 1 . 4 . 1 9 3 9 in die G e h e i m e Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle W i e n übernommen, Regierungsrat, ab Juni 1939 Leiter des Referats „Kirche, Freimaurerei und Judentum", Stellvertreter des Chefs der Gestapo in Wien, SS-Obersturmbannführer; mit Urteil des Obersten SS- und Polizeigerichts v. 1 6 . 3 . 1 9 4 5 z u m T o d e verurteilt; G n a d e n g e s u c h v. 2 4 . 3 . 1 9 4 5 ; 1947 Verfahren vor dem Volksgerichtshof.
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allen Denunziationen und Spitzeln zum T r o t z und zum Beispiel auch in Bayern die Lage kritisiert wird, läßt nichts zu wünschen übrig. Adolf Hitler ist in den weitesten Kreisen des Volkes der Gegenstand erbitterten Hasses. Allgemein wird die Auffassung vertreten, daß der wahnsinnige Krieg, der in jeder Stunde zutiefst in die Substanz der Nation greift, nur mehr fortgeführt werde, um den Führern des Regimes noch einige Wochen Gnadenfrist zu verschaffen. Uberall ertönt die Frage, warum denn keiner von den Bonzen in die vorderste Linie sterben geht, indes die schlichten Untertanen in hellen Massen in den T o d geschickt werden. Tatsächlich zielt alles, was man in Salzburg und anderwärts erfährt, darauf ab, gegebenenfalls, wenn es geht, die Sage von der Schlacht auf dem Walserfeld zur Wirklichkeit werden zu lassen. Solche Absichten entsprächen durchaus dem seltsamen Gemisch von Romantik und Wildheit, das die führenden Geister charakterisiert. Gestern war Donegani, der verrückte Kroate, bei mir. Sein Schwiegersohn ist Zahntechniker in Berchtesgaden. Er war eben dort. Was da an Personen- und Lastautos herumfahren, alle intensivst mit Bauarbeiten befaßt, sei nicht zu sagen. Donegani erzählt auch von sehr schönen neuen Wohnungen, die er dort gesehen hat. Natürlich steht auch viel Flak herum. Eine Kanone auf dem Untersberg soll kürzlich bei völligem Verschwinden der Mannschaft von „Partisanen" gesprengt worden sein. Natürlich wird auch Salzburg, wenn es zur Ausführung des verrückten Planes kommen sollte, schwer in Mitleidenschaft gezogen werden. Denn es gehört offenbar zur Festung Berchtesgaden. Auch bei München wird erbittert an Bunkern und ähnlichen Schönheiten gebaut. Gleichzeitig heißt es, die Einkommensteuer werde um 30 Prozent erhöht. Am 17. war ich bei Warlimont in Tegernsee. Er hat nach vierjährigem Wirken als Stellvertreter Jodls seinen Platz im O b e r k o m m a n d o der Wehrmacht verlassen, da er anfangs September 1944 wegen der Gehirnerschütterung, die er beim Attentate vom 20. Juli erlitten hatte, dringend erholungsbedürftig war. Zu Beginn des Jahres wollte er wieder einrücken. U n d zwar hat ihm Keitel eine Art Staatssekretärsstellung gegenüber den Amtern des Oberkommandos der Wehrmacht angetragen. Der Plan wurde jedoch von dritten und vierten Stellen durchkreuzt. Außerdem erreichte Burgdorf, daß eine wirklich verdiente Ordenseingabe f ü r Warlimont zurückgezogen wurde, und zwar deshalb, weil Warlimont ja ohnehin beim O b e r k o m m a n d o der Wehrmacht bleibe. Drittens kam das Unglück im Osten, das den Armen doch sehr stark erschüttert hat. Er will nun nur mehr in die Aktivität zurückkehren, wenn man ihm ein Armeeoberkommando verleiht. Dennoch habe ich, als ich auf dem netten Landhaus über dem Tegernsee einlangte, alles andere denn einen durch Ärger kritisch gewordenen M a n n angetroffen. Entweder ist er sich über den U m f a n g der Tragödie, die wir erleben, nicht klar oder er verbirgt seine wirklichen Auffassungen. Als Möglichkeit, aus dem entsetzlichen Abenteuer herauszukommen, sieht er den Sturz Churchills und seinen Ersatz durch einen „wirklich konservativen" M a n n , mit welcher Meinung der gute Warlimont natürlich sehr stark irrt. Für den Kriegsausbruch gesteht Warlimont, daß er mit einem Eingreifen der Westmächte auch nicht gerechnet habe. Als Hauptnachteil unserer Führung betrachtet er die Tatsache, daß sich Hitler nie zu freiwilliger Preisgabe von schon sicher verlorenen Positionen zu entschließen vermag. Ich frage, ob es zum
Bei Warlimont in Tegernsee
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Beispiel Jodl möglich sei, für die Gesamtkriegführung Ideen vorzuschlagen; zum Beispiel f ü r eine Verlegung des Schwergewichtes nach dem Osten. Warlimont meint, so etwas sei schon deshalb nicht möglich, weil das O b e r k o m m a n d o der Wehrmacht nur einen Teil der Kriegsschauplätze überblicke, den Osten zum Beispiel nicht, da er Guderian untersteht und dieser eine Befassung Jodls mit den dortigen Ereignissen irgendwie als Eingriff in seine Rechte betrachten würde. Auch ersehe ich aus Warlimonts Bemerkungen, wie ferne unserer Kriegführung seit Jahren große Entschlüsse überhaupt liegen. Ich komme auf den Luftkrieg. Göring rede sich gegenüber seiner Verwandtschaft wegen Versagens der Luftwaffe und den Führer aus. Warlimont, der auf Hermann nicht sehr gut, auf Milch aber ganz schlecht zu sprechen ist, stellt die Richtigkeit dieser Entschuldigung entschieden in Abrede. Die amerikanische Viermot-Bomber habe man, statt sie nachzumachen, in der Luftwaffe lange Zeit als „fliegende Särge" verspottet. Uber die tatsächliche Wirkungsfähigkeit der verbesserten feindlichen Jäger habe man sich noch vor der Westlandung keinerlei Vorstellung gemacht. Ebenso sei der Einbau der Luftwaffe in die Einheitlichkeit der Kriegshandlungen noch heute nicht befriedigend gelöst. Wahr sei, daß die durch den Führer rücksichtslos betriebene Verwendung der Flugzeuge zur Versorgung der N o r d a f r i kakämpfer und des Stalingrad-Kessels sowie anderer „Igelstellungen" unerhörte, unausfüllbare Lücken in unsere Bestände riß. Immerhin ist es bemerkenswert, füge ich hier ein, daß sich zwei der hervorragendsten Berater Hermanns, Udet und Jeschonnek, während des Krieges erschossen haben. Neuestens sollen die Feldmarschälle Richthofen und Sperrie verhaftet worden sein. Neu ist mir, daß Rundstedt abermals zurückgetreten und durch Kesselring ersetzt worden ist 18 ). An Stelle des letzteren trat Generaloberst Freiherr v. Vietinghoff, den ich knapp nach unserem Einmarsch im einstigen Korpskommandogebäude Sarajevo kennengelernt habe. Zeitzier, der frühere Chef des Generalstabes, ist mit schlichtem Abschied entlassen worden 1 9 ) - eine Folge der Rolle, die seine unmittelbare Umgebung am 20. Juli gespielt hat. Sein Adjutant ist aufgehängt worden 2 0 ). Zeitzier dürfte noch nicht 50 Jahre zählen. Thomas, der General zur besonderen Verwendung, ist seit geraumer Zeit wegen Miesmacherei in H a f t . M o m m , der in meinen Aufzeichnungen oft vorkommende einstige Kommandant des Führerhauptquartiers, hat seine Oberstencharge verloren und kämpft als Sturmbannführer der SS in den " ) A m 10.3. w u r d e G F M Kesselring (bisher O B S ü d w e s t ) statt G F M v. R u n d s t e d t O B W e s t . An Kesselrings Stelle r ü c k t e G e n . O b s t . v. V i e t i n g h o f f - S c h e e l . " ) Z e i t z i e r h a t t e am 3 0 . 6 . 1 9 4 4 einen s c h w e r e n Z u s a m m e n s t o ß mit H i t l e r . E r m e l d e t e sich s o d a n n k r a n k . Die G e s c h ä f t e w u r d e n v o m C h e f d e r O p e r a t i o n s a b t . G e n . Lt. H e u s i n g e r w e i t e r g e f ü h r t . A m A b e n d des 2 0 . 7 . w u r d e d a n n G e n . O b s t . G u d e r i a n , d e r niemals G e n e r a l s t ä b l e r g e w e s e n w a r , mit d e r W a h r u n g d e r G e s c h ä f t e des C h e f s d e s G e n e r a l s t a b e s b e t r a u t u n d Z e i t z i e r mit 1 5 . 8 . 1 9 4 4 in die F ü h r e r r e s e r v e versetzt. E r w u r d e mit 3 1 . 1 . 1 9 4 5 entlassen. 20 ) M a j o r d. G . G ü n t h e r S m e n d , bis 9 . 6 . 1 9 4 4 A d j u t a n t des C h e f s des G e n e r a l s t a b e s des H e e r e s . G e g e n ihn w u r d e v o r d e m V o l k s g e r i c h t s h o f v e r h a n d e l t . M i t allen a n d e r e n A n g e k l a g t e n , vor allem G e n . d . I n f . H e i n r i c h v. S t ü l p n a g e l w u r d e a u c h S m e n d a m 3 0 . 8 . 1 9 4 4 z u m T o d e verurteilt, a b e r erst am 8 . 9 . 1 9 4 4 hingerichtet.
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Reihen von Sepp Dietrich. Pfuhlstein wurde vom Generalleutnant zum Major (!) degradiert. Die Zahl der Damokles-Schwerter, die über einem hängen, ist Legion. Warlimont hat Rommel nach seiner Verletzung kurz vor dem Abtransport in die Heimat in Paris besucht. Er hält ebenso wie ich die in der Feindpresse aufgetauchte Nachricht von einer Teilnahme Rommels am 20. Juli für ausgeschlossen. Wohl aber habe Rommel bei seiner Rückkehr aus Afrika viel von seinem alten Schwung eingebüßt und diesen erst bei seinem Einsatz im Westen wieder teilweise zurückbekommen. Seine Meldungen von dort hätten sich durch unerschütterlichen Optimismus ausgezeichnet. Meine oft wiederholte Beobachtung über die Kühle der Kameradschaft im Oberkommando der Wehrmacht wird durch Warlimont bestätigt. Er spricht sich allerdings auch nicht von Schuld frei. Jodl hat vor einigen Tagen wieder geheiratet, ein Fräulein v. X 2 1 ), die irgendwo als Sekretärin im Kriegseinsatz gewesen ist.
21 ) Gen. Obst. Jodl heiratete am 7.3.1945 in Berlin Luise Katharina v. Benda (geb. Rubkow, Pommern, 10.9.1905), ab 1926 im Reichswehrmin., bis 1938 Sekretärin des Chefs des Truppenamtes bzw. d. Glstb., V/1941 bis X / 1 9 4 4 in Italien beim Dt. Gen. im Hqu. d. ital. f m , X / 1 9 4 4 in die Attachfeabt./ÖKW, X I / 1 9 4 4 Präsidium des Roten Kreuzes, nach 1945 Assistentin der Verteidigung beim Nürnberger Prozeß. Vgl. ihre Memoiren: Jenseits des Endes. Leben und Sterben des Generaloberst Alfred Jodl, Wien et al. 1976.
XXXI. „DEM ENDE ENTGEGEN!" [April 1945] Mein kroatischer Freund Lorkovic hat mich des öfteren gefragt, ob nicht meinem Buche „Katastrophe" ein solches mit N u m m e r zwei folgen werde. Ich habe stets mit Sorge die Möglichkeit bejahen müssen. N u n sind wir soweit. Aber ich muß mich an die Schreibmaschine zwingen, denn mir fehlt jede Stimmung und Sammlung. Im Mittelpunkt des großen Unglücks steht f ü r mich und jeden Österreicher im Augenblicke Wien. Mitte M ä r z wurde die 6. Panzerarmee (SS) unter Kommando des „Generalobersten der Waffen-SS" und Oberstgruppenführer Sepp Dietrich nördlich des Plattensees zu einem Gegenangriff gegen die dort auf Raab vordringenden Russen angesetzt. Alle Nachrichten zufolge endete dieses Unternehmen mit einem großen Mißerfolg. Angeblich haben ungarische Divisionen Reißaus genommen, und der frischgebackene SS-Obergruppenführer Ruszkay meinte in Wien, auch die ungarische Regierung habe Verrat geübt. Sepp Dietrich verlor jedenfalls die Totenkopfdivision fast ganz, mußte mit allem anderen in größter Eile zurückweichen. Auch die Deutschmeister ließen bei zweimaliger fast völliger Einschließung gewaltig Haare, ihr Kommandeur Günter v. Rost erlitt den Heldentod 1 ). In der Karwoche f u h r ich von Salzburg nach Wien. Es war am Montag, den 26. März. Da es außerordentlich riskant war, mit der Bahn zu fahren (man hätte weite Fußmärsche in Kauf nehmen müssen), charterten Metzger und ich Plätze auf einem Möbelwagen der Firma Eder, die einst den Nachlaß meiner Tante nach Wien transportierte. Metzger fand es zuerst unstandesgemäß, sich eines solchen Vehikels zu bedienen, entschied sich dann jedoch mitzufahren. Er schlug in Erinnerung an die stolzen Agramer Zeiten, in der wir über Flugzeuge und Autos nach Belieben verfügten, die Abfassung eines Buches vor „Von der H e 111 bis zum Möbelwagen". (Der Wiener Witz weiß zu berichten, daß Baidur von Schirach in Anlehnung an Goebbels „Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei" ein Buch „Vom Doppeladler zum Kuckuck" schreibe.) Die Fahrt war nicht unangenehm und ging verhältnismäßig schnell. Wir fuhren um 4 U h r nachmittags von der Realschule in der Griesgasse ab und waren um 2.30 U h r f r ü h — nach einer Nachtmahlpause in Strengberg — bei meiner Wohnung. Es war nach 32 Jahren wahrscheinlich das letztemal, daß ich unter Assistenz der braven Gusti mein bescheidenes Gelaß in der Grünbergstraße bezog.
') Über Rückzugskämpfe der 44. Inf. Div. nahe dem Plattensee, als die Div. am 22.3. mit Teilen der 1. Panzerdivision und der SS-Div. Gille eingeschlossen worden war und Gen. Lt. v. Rost beim Durchbruch der Div. Kampfgruppe nach Westen am 22.3.1945 fiel, vgl. S c h i m a k - L a m p r e c h t - D e t t n e r , 343f.
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Dem Ende entgegen!"
Als ich ankam, dachte ich es noch nicht. Unter den Briefen, die ich vorfand, war auch einer von Gusti Denk, der mir den Tod seines älteren Sohnes, des Artillerieoberleutnants, mitteilte. Er hatte von einem kleinen Wimmerl am Halse eine schwere Sepsis bekommen, der er in den Armen der schwer geprüften Eltern erlag. Der Bischof von Raab hatte ihm die letzte Ölung und den päpstlichen Segen erteilt. Im übrigen meinte der arme Denk - er hatte am 5. März geschrieben - daß sich die Lage für Raab gebessert habe und er daher vorderhand an eine Flucht nicht denke. Als ich seinen Brief in der Hand hatte, war Raab schon in russischen Händen. Ich konnte ihm daher nicht mehr schreiben. Wohin er gekommen ist, weiß ich nicht. Vielleicht ist er doch geblieben. Auch die Bedrohung Wiens war mit einem Schlage sehr groß geworden. Es zeigte sich dies auch darin, daß kein größerer Luftangriff mehr erfolgte. Ich war nur am Karfreitag kurze Zeit im Schloß Schönbrunn im Luftschutzkeller. Allerdings drängte, wenn ich nicht überhaupt in Wien bleiben wollte, die Zeit zur Abfahrt. Verschiedene Autokombinationen scheiterten. Schließlich kam ich mit Werner Schicht überein, mit ihm zusammen auf einem sehr schäbigen Lastauto - die schönen hatte man ihm weggenommen - am Karfreitag abends Wien zu verlassen. Als ich mich anschickte, meine bescheidene Wohnung und Gusti zu verlassen, weinte ich wie ein kleines Kind. Ich habe mich nachher geschämt. Da geschah es auf der Fahrt, daß der neben mir sitzende Werner plötzlich zu schluchzen begann, daß es ihn nur so schüttelte. Also auch er war nicht „härter" als ich. Am Vorabend hatte ich von Beate Abschied genommen. Sie sagte, sie hoffe mich des anderen Tages nicht mehr zu sehen - in meinem Interesse. So gefährlich sah sie die Lage für mich. Ein recht trauriger Abschiedsbrief kam einige Tage später in meine Hände. Sie, Trixl und Gusti bleiben in Wien. Ich glaube, sie haben recht. Daß Gusti völlig frei diesen Entschluß faßte, ist mir doch angenehm. Aus Rücksicht für sie ließ ich ihr mein Gold zurück. Sie wird es nicht den Russen überlassen. Es gelang mir noch einmal, mit ihr telephonische Verbindung zu erhalten, leider verstand sie mich nicht mehr. Die Fahrt nach Salzburg war ziemlich mühsam. Wir saßen sehr eng, Werner erlaubt nur 30 Kilometer Geschwindigkeit. Vor Mitternacht steckten wir mehrere Stunden auf dem eingeleisigen Umgehungsweg bei Amstetten, wo die Brücke der Hauptstraße von feindlichen Bombern zerstört worden war. Zwei lange Kolonnen von Lastautos mit Beiwagen (letzteres eine besondere Erschwernis) schienen rettungslos ineinander gefahren zu sein. Schließlich gelang es doch, den Knäuel zu entwirren, und wir kamen weiter. Ankunft in Salzburg 8 Uhr früh! Werner blieb noch einen Tag in Salzburg und fuhr am Ostersonntag früh nach Lech in Vorarlberg weiter. Ich war am Sonntag nachmittags im erzbischöflichen Pontifikalamt in der St. Peterskirche. Ein allerdings kriegsbedingt verdünnter Chor versuchte, die Mozartmesse zu intonieren. Die enge Apsis ist für die Entwicklung eines wirklichen Pompes nicht sehr geeignet. Ich saß mit Frau Schwarzbach im Chorgestühl an der Epistelseite. Es ist alles sehr traurig. In der Woche nach Ostern, zwischen Ostersonntag und dem Weißen Sonntag, entschied sich Wiens Schicksal.
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Letzte Fahrt nach Wien
Metzger war noch am Karsamstag auf dem Semmering bei seiner Frau gewesen, er mußte jedoch über Bruck nach Salzburg zurückfahren, da die Russen dank einer deutschen Panik von Güns aus die Neunkirchener Straße südlich von Neustadt erreicht hatten und nun sowohl nach Norden wie gegen Süden ausschwärmten. Neustadt selbst ist, samt der ehrwürdigen Alma mater, aus der Luft zum T r ü m m e r haufen zerschlagen worden. Der Gedanke, nun auch das „Vaterhaus" verloren zu haben, ist f ü r mich unendlich traurig. Ich habe diese ehrwürdige Burg nie ohne Ergriffenheit betreten . . . N u n m e h r gingen die Ereignisse rasch vonstatten. Heute, den 10. April, meldet der Feind bereits, daß er nicht bloß Ost-, Süd- und Westbahnhof in Wien besitzt, sondern auch das Rathaus, die Oper und das Funkhaus erobert hat und um die M ü n z e (gegenüber von Beate) kämpft. Gestern kamen Nachrichten von SS-Kämpfen im Schönbrunner Park. Eine Schwenkung der Russen von Baden in den Wienerwald hat sie nach Klosterneuburg, Tulln und Sieghartskirchen geführt. Im Osten und Südosten sind Schwechat und Laxenburg in ihrer H a n d . Es klingt alles wie ein ganz böser, böser Traum, der aber leider wahr ist. Auch Preßburg ist gefallen, und in kurzer Zeit werden meine Familienpapiere, Bücher, Kleider et cetera, die sich in Waidendorf bei Dürnkrut befinden, eine Beute des Feindes sein. Auf dem Semmering gab es eine eigenartige Episode 2 ). Während das Südbahnhotel, wo sich Grete Metzger mit ihrem 82jährigen Vater, Feldmarschalleutnant Heimerich, aufhält, in unserer Hauptkampflinie blieb, wurden die Meierei und das Kurlazarett von den Russen besetzt. Diese zogen ein paar Tage später, ohne das geringste angestellt zu haben, wieder ab, indes unsere Truppen an verschiedenen Orten namenlos geplündert hatten. Ähnliches erfährt man aus dem Westen. Die Leute haben eben jede Haltung verloren, woran neben der Kriegsdauer auch die desolaten Verhältnisse in der Heimat die Schuld tragen. 15. April 1945 Inzwischen hat sich das Schicksal meines lieben Wien erfüllt. In der Woche zwischen Ostersonntag und Weißem Sonntag ist das Wesentlichste vor sich gegangen. Wir sind natürlich hier mit angehaltenem Atem am Radio gesessen und haben so die Tragödie miterlebt. Aus der Ferne betrachtet ist Wien doch glimpflicher davongekommen, als etwa das völlig pulverisierte Würzburg, das vor einigen Tagen die Waffen streckte 3 ). Der „Kampfkommandant" Sepp Dietrich scheint nicht in die Lage gekommen zu sein, sich „auszuleben"; er ist allem Anschein nach rechtzeitig ausgebrochen und soll sich im Räume von Krems befinden. Die Heeresgruppe Süd hat, von dem inzwischen verlorenen Königsberg herbeigerufen, Lothar Rendulic übernommen 4 ), der bestimmt noch, wie kürzlich Schörner, aus der H a n d Hitlers den 2 ) Ü b e r die Lage am S e m m e r i n g , auf d e m es v o m 1 . 4 . 1 9 4 5 bis 8 . 5 . 1 9 4 5 zu K ä m p f e n d e r R o t e n A r m e e mit einer K a m p f g r u p p e d e r G e b i r g s - A r t i l l e r i e - S c h u l e D a c h s t e i n k a m , vgl. auch: H . G r u n w a l d , Bericht Uber die ersten u n d letzten G e f e c h t e des S S - G e b . J g . A u s b . - u. Ers.Btl. 13 L e o b e n / S t e i e r m a r k im A p r i l / M a i 1945, H e i d e l b e r g 1978. 3 ) A m 1 6 . 3 . 1 9 4 5 w u r d e n d u r c h B o m b e n a n g r i f f e etwa 85 P r o z e n t v o n W ü r z b u r g z e r s t ö r t . ") A m 7 . 4 . 1 9 4 5 .
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,Dem Ende entgegen!"
Marschallstab empfangen wird. Baidur von Schirach und Scharizer sollen gleichfalls das Weite gesucht haben. Natürlich war es unerhört wehmütig anzuhören, daß um den Westbahnhof, das Rathaus, in der Praterhauptallee gekämpft wurde. Es ist eine Affenschande für die Führung, daß ausgerechnet die Russen Herren von Wien werden konnten. Der Einmarsch der Russen - das war die Fassung, die vor 7 Jahren auf den Tag genau Hitler der Perle Wien am Tage der Gründung des Großdeutschen Reiches verhieß. Es ist eine schwere Gewissenslast, irgendwie - wenn auch mit aller Reserve - „dabei"gewesen zu sein. 22. April Der Krieg geht weiter. Es ist namenloser Wahnsinn. Ich möchte gerne schreiben und hätte unendlich viel zu Papier zu bringen, bin aber nicht in der Sammlung. Immer nur durchwühlt mich, weitgehend losgelöst vom eigenen Schicksal, so sehr mich dieses natürlich befaßt, der Gedanke, wie das alles möglich ist, wie ein Volk so dumm, so feig sein kann, diesem Wahnsinn weiter Gefolgschaft zu leisten; wie eine Polizeigewalt so stark sein kann, jede aufrechte Gesinnung, jede Äußerung der Vernunft niederzudrücken; wie sich Narren, Verbrecher und Schwächlinge noch immer vor ein Volk hinstellen und es „führen" können, das sie in so entsetzliches, „einmaliges" Elend gestürzt haben. Und dennoch: Vor 5 Tagen konnte Hitler einen „Befehl" an die Osttruppen herausgeben, in denen er stolze Worte wie eh und je fand, in denen er feierlich verkündete, daß Berlin - 24 Stunden später schon aufs heftigste bedrängt - deutsch bleibe, Wien (Rendulic soll es zurückgewinnen) wieder deutsch werde und Europa nicht russisch sein werde 5 )! Zu allem Überfluß versetzte er am Schlüsse dieser greulichen Enunziation seinem eben gestorbenen Gegner Roosevelt einen Eselstritt, indem er das Schicksal pries, das den „größten Kriegsverbrecher aller Zeiten" von dieser Erde abberufen hat. Uber den „größten Kriegsverbrecher aller Zeiten" wird die Geschichte ein weit schlüssigeres Urteil fällen, er heißt unbestritten Adolf Hitler! Aber abgesehen davon, ist dieser Passus auch ein Beweis für die lumpenproletarische Unritterlichkeit, die dem Deutschland ins tiefste Unglück stürzenden System eigen ist. Und er ist überdies in Stunden und Tagen, in denen die Narren und Trottel ihre einzige Hoffnung auf den Zerfall der feindlichen Koalition bauen, ein schwerer politischer Fehler. Denn daß dieser Zerfall der Koalition die letzte und einzige V-Waffe ist, mit der wir noch rechnen, geht aus der qualvollen und gequälten Rede hervor, die wenige Tage nach Hitlers Kundgebung der hundsgemeine Goebbels zum 20. April hielt6). Ich habe sie im Hause Schwarzbach angehört und kann nur sagen, daß ich körperlich litt, die verlogenen und schleimigen Äußerungen mitanhören zu müssen. Trotzdem hielt ich pervers bis zum letzten Worte durch. Zu 5 ) Im letzten Tagesbefehl Hitlers, gerichtet an die „Soldaten der deutschen Ostfront", 15.4.1945, heißt es: Zum letzten Mal ist der jüdisch-bolschewistische Todfeind mit seinen Massen zum Angriff angetreten. Er versucht Deutschland zu zertrümmern und unser Volk auszurotten... . Berlin bleibt deutsch, Wien wird wieder deutsch und Europa wird niemals russisch. . . . Vgl. Hubatsch, Hitlers Weisungen, 310 f. 6 ) Über diese Rede am 19.4.1945, am Vorabend von Hitlers Geburtstag, die von seinem letzten Biographen als eine der „eindringlichsten Reden Goebbels" beurteilt wird, siehe: V. Reimann, Dr. Joseph Goebbels, Wien 1971, 345 ff.
Die „Sepp-Dietrich-Schlacht"
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sagen, was am greulichsten war, ist unmöglich. Jeder Satz war zum Speien. Um eines herauszugreifen: Die Schilderung über die glückliche Zukunft, die dem deutschen Volke dank Hitler bevorstehe, wie es wieder seinen Acker wohlhabend bestellen, seine Städte und D ö r f e r schöner als je aufbauen werde und so weiter! Und das Furchtbare dabei: es gibt noch immer Millionen Trottel, auf die solche Kundgebungen Eindruck machen, die sich irgendwie getröstet und gehoben fühlen. Diese Nation ist dank dem friderizianischen Geist bis ins Innerste verdummt; sie verdient das Schicksal, das ihr die „größte Gestalt ihrer Geschichte" bereitet. Auch gibt es noch immer Esel und philosophisch-literarische Snobs, die diesen Krieg verteidigen. Vor einigen Tagen hatten wir einen solchen Besuch bei Reitters, einen Direktor von Böhler, der in diesem Kriege trotz blühender Männlichkeit noch keinen Schuß gehört hat außer einem Bombenabwurf in der Ferne und gestriegelt und gebügelt unter uns saß und mit apodiktischer Sicherheit erklärte: „Dieser Krieg ist unvermeidlich gewesen!" Er kenne England sehr genau, dieses habe nur auf den Augenblick gelauert, auf Deutschland zu stürzen. Warum? Weil Deutschland in Europa eben jene Vorherrschaft beanspruche, die ihm gebühre! Ich versuchte einzuwenden, daß eine solche Gebühr eben erst durch den Erfolg bewiesen werden müsse, den es wahrlich schon 1914/18 in keiner Weise gezeigt und jetzt noch weniger gezeigt habe. Mit dem gleichen Recht könne füglich San Marino den Anspruch auf die Vorherrschaft in Europa anmelden. Bald hörte ich auf, mich an der Debatte zu beteiligen. Denn es war unmöglich. Am gleichen Abend weilte Fischböck bei Reitter. Er habe in Wien alles verloren, auch seine Häuser. Drei Koffer seien sein einziges Eigentum. Ich erzählte ihm, was ich von dem vorbeigekommenen Grafen Eitz gehört habe, der von Wetzlar hierher geflüchtet war; daß die Amerikaner im besetzten Gebiet eine M a r k für dreieinhalb Goldpfennige rechnen. Fischböck erklärte, davon nichts zu wissen, doch sei mit Sicherheit zu rechnen, daß sämtliches Vermögen in Mark samt Sparguthaben et cetera nach dem Kriege einfach als nicht vorhanden gestrichen würden. Der Notenumlauf habe, abgesehen von den Reichskassenscheinen, zu Kriegsbeginn 7 Milliarden betragen, jetzt betrage er über 70 Milliarden, und der Notendruck komme kaum mehr nach. Wunderbare Aussichten. Wir danken unserem Führer! Unsere „Dienststelle" in der Riedenburg ist das reinste Wohnungs- und Interventionsbüro geworden. Alles, was kreucht und fleucht, kommt hier durch. Von Ungarn war neulich der ehemalige Kriegsminister Bartha als Flüchtling da. Mit einem hochaufgebauten Personenauto, das er selbst lenkte und in welchem seine Frau, eine Wienerin, als einzige Passagierin saß. Die Ungarn werden in Deutschland sehr schlecht behandelt. Es ist zu verstehen. Sie überschwemmen wirklich das Land, verfügen in einer Zeit krassen Benzin- und Lebensmittelmangels über beides in Mengen und tragen außerdem das Odium mit sich, in den letzten Monaten unausgesetzt an der Front „Verrat" geübt zu haben, vor allem auch in der Sepp-Dietrich-Schlacht, die indirekt zum raschen Verluste Wiens geführt hat. Veesenmayer, der gleichfalls hier ist, teilte mir über diese Schlacht einiges mit. Entgegen seinen Vorstellungen und denen Sepp Dietrichs und des Heeresgruppenkommandanten Wöhler, habe das O b e r k o m m a n d o der Wehrmacht oder das O b e r k o m m a n d o des Heeres auf dem exzentrischen Südoststoß zwischen Platten-
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.Dem Ende entgegen!"
und Velencze-See bestanden. Dieser sei buchstäblich im Dreck und Morast steckengeblieben. Inzwischen ist an der unteren Raab die durch Magyaren besorgte Rückensicherung angefallen und zerschlagen worden. Albert Reitter hat im Gasthof Ofenloch einen der beiden Divisionäre getroffen. Er erzählte, man habe seine Division an der Raab in unerhörter Frontausdehnung ohne schwere Waffen, nur mit Gewehren und leichten Maschinengewehren kämpfen lassen. Sie sei dem überlegenen russischen Druck wehrlos erlegen. Jedenfalls hat sich Sepp Dietrich aus der Affäre gezogen, er hat auch seine Pflichten als Kampfkommandant von Wien sehr rasch an den Verteidigungskommandanten General v. Bünau 7 ), einst Regimentskommandant im Wehrkreis XVII, übertragen und sich rasch zuerst in Krems, dann bei Amstetten mit Baidur von Schirach [ . . .] [Manuskript bricht ab]
7 ) Rudolf v. Bünau (Stuttgart, 19.8.1890 bis 14.1.1962, Stuttgart), 1909 Eintritt als Fhj. in die Armee, 1910 Lt. Grenadierrgt. 119, Übernahme in die Reichswehr, 1.8.1936 Obst., 1.11.1938 Kdr. IR 133, 1.9.1940 Gen.Mjr., 1.11.1940 Kdr. 177.ID, 1.6.1941 Ltr. d. Arbeitsstabes der Offiziers-Kriegs-Schule Bonn, 1.11.1941 Kdr. 73. I D , 1.11.1943 mit der Führung des X X X X V I I . Pz.K. beauftragt, 1.2.1944 mit d. Führung d. LII. A.K. beauftragt, 1.4.1944 Kdi.Gen. X I . A.K., 7.4.1945 Kampfkmdt. v. Wien, 16.4.1945 Kdi. Gen. Korps Bünau.
XXXII. KRIEGSGEFANGENSCHAFT IN SALZBURG UND AUGSBURG [Mai bis Juni 1945] [Oberster Teil der Seite abgerissen.] Tatsächlich lebte er noch so lange. Am 30., glaube ich, hieß es im Wehrmachtsbericht, der Führer sei im Kampfe um Berlin gefallen. In Wirklichkeit haben er und seine Umgebung (Bormann, Krebs, der stellvertretende Chef des Generalstabes, Burgdorf, der unsympathische Heerespersonalchef) sich erschossen - eine wahrhaft Shakespearesche Tragödie. Goebbels soll sich mit seiner ganzen Familie ausgerottet haben. Allerdings gibt es genug Leute, die nicht daran glauben, daß Hitler wirklich tot sei; er habe sich irgendwohin gerettet. Ich halte ihn f ü r tot. Es ist ein schmähliches Ende, diese Flucht aus dem Leben, nachdem er sein Volk in das denkbar größte Unglück hineingeritten hat. Zwei Aussprüche, die verbürgt sind, anmerkungsweise: Vor der Landung im Westen sagte Hitler: „Wenn ihnen dies gelingt, dann ist der Krieg verloren!" Die Landung gelang, der Wahnsinnige hetzte jedoch das deutsche Volk in neue, entsetzliche Abenteuer. Ein zweites Mal, Ende März 1945, vor der Sepp-DietrichOffensive in Ungarn, erklärte Hitler: „Wenn wir das Petroleumgebiet am Plattensee und Wr. Neustadt verlieren, dann ist der Krieg aussichtslos." Auch das kam wenige Tage später, aber der Unselige verkündete noch am 17. April: „Berlin bleibt deutsch, Wien wird wieder deutsch und Europa wird nicht russisch werden!" Am 28. April besuchten Metzger und ich den Wehrmachtsführungsstab 2, der sich im Gasthaus Schiffmeister am Königssee aufgetan hatte. Die Leitung hatte der mir immer freundlich gesinnte Generalleutnant Winter, der einstige Chef von Weichs. Den Führungsstab I führte Jodl, der mit Keitel in jenen Tagen in Fürstenberg (Süd-Mecklenburg) weilte. Eben waren von Südwest und Südost Entlastungsstöße angesetzt worden, von denen sich Winter viel erwartete. N u r die Tatsache, daß die Russen westlich der unteren Oder bedenklich an Raum gewannen, umdüsterte seine Stirne. Das Abendessen war noch recht gut (angeblich zum letztenmal), die Stimmung seltsam normal, obgleich das deutsche Operationsgebiet sehr zusammengeschrumpft und längst in der historischen Mainlinie in zwei Kessel zerrissen war. Nach dem Essen wurde Winter ans Telephon gerufen. Vietinghoff, der mir von der Einnahme Sarajevos her bekannte General und Oberbefehlshaber der in Auflösung begriffenen Südfront, war „schlapp geworden" und sollte durch einen anderen ersetzt werden. Führungsbegabung des Nachfolgers war gleichgültig, ,,'n Bulle" mußte er sein. Aber noch ehe ein Entschluß gefaßt werden konnte, hatte Vietinghoff bereits f ü r
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Kriegsgefangenschaft in Salzburg und Augsburg
seine zwei Armeen bedingungslos kapituliert 1 ), natürlich das einzig Richtige, was er machen konnte. Kesselring, der irgendwie Oberbefehlshaber des Südringes geworden war, nahm die Verantwortung auf sich. Als ich mich von Winter verabschiedete, meinte er bedeutungsvoll, er werde den dem Führer geleisteten Eid unbedingt halten. Spät abends fuhren Metzger und ich, mit unserer blonden Chauffeuse, über Schellenberg nach Salzburg zurück. Die Ereignisse nahmen einen raschen Lauf. Metzger und ich saßen den ganzen Tag bei Reitters vor den Auslandsendern. Die Amerikaner hatten Regensburg, München, Augsburg genommen und kamen immer näher an Salzburg heran. Am Donnerstag, den 3. Mai holte mich Pschikryl, der Schwager Wimmers, mit seinem noch immer gehenden Auto ab und brachte mich nach Strobl in . . . [oberer Rand der Seite abgerissen] Als ich nach Hause kam, traf ich Alette Sigmundt an. Ganz Salzburg war begreiflicherweise sehr aufgeregt. Der Feind stand vor den Toren, die Frage, ob Salzburg verteidigt würde, stand vor der Entscheidung 2 ). Die Armee in unserem Räume führte mein Freund, General der Infanterie Foertsch, noch in der letzten Stunde ängstlich wie immer. Er hatte zum Oberst Lepperdinger, dem „Kampfkommandanten von Salzburg", einem Bayer 3 ), einen Divisionskommandeur 4 ) mit dem strikten Auftrage geschickt, um Salzburg zu kämpfen. Auch Skorzeny, der „Befreier" des inzwischen bei der Flucht in die Schweiz gefaßten und umgebrachten Mussolini, trieb in der Nähe der Stadt sein Unwesen. Fast schien es, als sollte wirklich noch das Ärgste geschehen. Die Amerikaner hatten zum Angriff auf Salzburg drei Divisionen und etliche hundert Bomber bereitgestellt, die tags darauf unbedingt losgelassen worden wären. Von meiner Heimatstadt Salzburg stünde kein Stein mehr auf dem anderen. Da ertönte um 11 Uhr nachts - ich schlief schon, allerdings mit einem Schlafpulver - am Gausender Salzburg abermals Lepperdingers Stimme. Der Brave teilte mit, daß er sich entschlossen habe, Salzburg freizugeben, nicht zu kämpfen, sondern die Stadt zu retten 5 ). Ich beneide ihn um diese geschichtliche Rolle im Schicksal meiner Heimat. Er verdient auf einem der schönsten Plätze ein Denkmal. Auch Salzburg hat im Laufe der Monate einiges abbekommen. Viele der zerstörten Gebäude, so die wenig schöne Andräkirche, waren mir als Jugenderinnerungen ans Herz gewachsen. Aber ernsten Schaden von dauerndem Verlust boten nur die Schranne, der Hexenturm, das Kaiviertel und - das Ärgste - die Kuppel des herrlichen Domes. ') Die Heeresgruppe C unter Generaloberst v. Vietinghoff-Scheel hatte am 28.4.1945 in Caserta einen Waffenstillstand unterzeichnet, der am 2.5.1945 bekanntgegeben wurde. Die Verhandlungen waren am 21.2.1945 vom H ö h e r e n SS- und Polizeiführer f ü r Italien, SS-Obergruppenführer W o l f f , eingeleitet worden. Vgl. M . Waibel, 1945. Kapitulation in Norditalien. H g . v. E. Preiswerk - A. Burckhardt - G. Kreis, 2. Aufl., Basel 1981. 2 ) Vgl. I. Lackerbauer, Das Kriegsende in der Stadt Salzburg im Mai 1945 (Militärhist. Schriftenreihe, H e f t 35), Wien 1977. 3 ) H a n s Lepperdinger (?), Obst., ab 8.4.1945 K a m p f k o m m a n d a n t Salzburg. Vgl. Lackerbauer, 15 ff. 4 ) Gemeint ist Gen. Lt. M a x v. Bork, der am 3.5.1945 den Befehl im Abschnitt Salzburg zu übernehmen hatte. Lackerbauer, 27 ff. 5 ) Diese Ansprache erfolgte erst am 4.5.1945, 6 U h r früh.
Kein Kampf um Salzburg
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Als ich des anderen Morgens erwachte, war für mich der Krieg aus. Ich trank mit Fräulein Räbiger, die sich sehr an mich angeschlossen hatte, im Eckzimmer' der Reittervilla meinen Kaffee und holte dann mit ihr zusammen bei einem Bäcker in der Augustinergasse Brot, das wir ohne Marken und - umsonst bekamen. Nachher erschien neuerlich Alette Sigmundt, und wir gingen mit Metzger durch die Riedenburg auf den Mönchsberg. Von den Häusern der Neutorstraße flatterten weiße und die lieben rotweißroten Fahnen. (Letztere waren nicht schwer zu erzeugen, man brauchte nur die Hakenkreuzfahnen umfrisieren.) Der nun folgende Spaziergang über den Mönchsberg, Richtung Neutor, gehörte zu den wenigen schönen Stunden des Krieges. Es war ein schöner Tag. Man vergaß einen Augenblick alles, was uns noch bevorstand und f ü r uns sicherlich nicht schön war, zumal f ü r mich. Die Straßen der Altstadt, in die man hinabsah, waren ruhig und leer. Uber die T r ü m m e r von den Luftangriffen her schaute man hinweg. Friede, Friede - war der einzige, so beseligende Gedanke. Die beseligende Ruhe sollte nur kurz dauern. Am 4. nachmittags, nach noch halbwegs genossenem Nachmittagsschläfchen, gingen Metzger, Räbiger und ich auf die Straße hinaus. Als wir zum Gasthaus Riedenburg kamen, sahen wir lange Autokolonnen. Die Amerikaner waren da! Ein banges Gefühl beschlich uns. Wir drehten um und gingen nach Hause. Bald darauf hörten wir, die Amerikaner hätten in der Neutorstraße in wenigen Stunden ganze Häuserblocks räumen lassen. Es war ein Wunder, daß wir verschont blieben. Abends kamen allerdings drei freizügige Amerikaner, denen wir widerstandslos das Speisezimmer im Parterre zur Verfügung stellten. Die beiden Sekretärinnen wurden in oberen Räumen einquartiert, Fräulein Adametz neben mir in der Mansarde; sie brauchte nicht mehr wie in der letzten Nacht, in der noch viel herumgeschossen worden war, im Keller neben dem H u n d e schlafen. Die Amerikaner wurden von den estnischen Hausbesorgern betreut und blieben bis 6 U h r früh auf! Metzger war der Meinung, wir sollten uns noch an diesem Abend bei den Amerikanern melden. Mir hatte die ganze Sache einen schweren Schock gegeben. Ich zögerte, und wir verschoben die Entscheidung auf morgen. Ein Pülverchen half wieder über die Nacht weg. Am Samstag, den 5., morgens kämpfte ich mit mir, Schluß zu machen. Mehr als einmal setzte ich den entspannten Revolver im M u n d an. Aber es fehlte mir immer wieder - leider - der nötige Mut. Um 9.30 U h r betraten Metzger und ich, seit langem wieder in Uniform, das wohlbekannte, vertraute Milieu der Riedenburgkaserne. Hunderte, Tausende von deutschen Kriegsgefangenen, darunter Schwerinvalide, füllten alle H ö f e . Uberaus schwer war es, zu einem amerikanischen Offizier zu gelangen. Schließlich wurden wir mittels Auto ins Hotel Bristol gebracht, wo uns ein amerikanischer Oberstleutnant recht liebenswürdig empfing und nach einem kurzen Verhör wieder nach Hause sandte. Wir erhielten vor dem Garten einen Posten aufgestellt, der alle Wohnungssucher wegtrieb, es schien eine angenehme H a f t zu werden. Da wurden wir um 17 U h r neuerlich aufgestöbert und mit einem Auto abgeholt. Ich nahm das nötige Waschzeug mit. Wir wurden zur amerikanischen 3. Division gebracht, die ihr Stabsquartier im neuen Borromäum in Parsch aufgeschlagen hatte. D o r t warteten wir bis 19.30 U h r abends. Dann wurden wir durch einen jüngeren
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Kriegsgefangenschaft in Salzburg und Augsburg
Offizier kurz verhört und alsbald in das nette Landhaus gebracht, das meinem Kappen- und Portepeelieferanten aus der Leutnantszeit, dem Kaufmann Gollhofer aus der Judengasse, gehörte. Ich wählte ein kleines, nettes, mit Waschgelegenheit versehenes Zimmer. In dem schlößchenähnlichen Bau war auch General Foertsch untergebracht, der eben im Begriffe stand, f ü r seine, am nördlichen Alpenrand stehende Heeresgruppe einen Waffenstillstand abzuschließen. D e r Heeresgruppe gehörte nun auch der Obernazi General Ringel (Wehrkreisbefehlshaber XVII) an. Metzger hatte diesen noch am Mittwoch abends knapp vor der Abfahrt ins Gebirge im H o f e der Riedenburgkaserne gesprochen. M a n werde weiterraufen müssen, erklärte Ringel. Er nahm den Gauleiter und Lederhosen mit, die letzteren offenbar, um sich nachher im Gebirge zu verstecken. Ob es gelang, weiß ich nicht. Als Foertsch erfuhr, daß ich da war, lud er mich sofort zum schwarzen Kaffee ein. Wir hatten uns das letztemal, wenn ich nicht irre, im Frühjahr in Belgrad gesehen und erinnerten uns an die Gespräche, die wir im August 1941 in den Gärten bei Athen geführt hatten. Sie wichen wohl nur in bezug auf den letzten Wahnsinn, das „Ankrampeln" am heimischen Boden, von dem tatsächlichen Gang der Ereignisse ab. Foertsch war ein kluger Kopf, aber seit dem Dritten Reich außerordentlich eingeschüchtert, da er unter Schleicher als Presse- und Propagandachef gedient hatte und daher als suspekt galt. Immer wenn Lohr, dessen Generalstabschef Foertsch längere Zeit war, zu Göring kam, bemerkte dieser: „Sie, Sie haben da einen so verdächtigen Chef." Die Einschüchterung Foertschs hatte bezeichnenderweise bis in die letzten Tage gedauert. Als ich mich lobend über Lepperdinger und die Rettung Salzburgs aussprach, meinte Foertsch: „Ich habe ihm zwar befohlen, die Stadt zu verteidigen, jedoch heute trotzdem die H a n d gedrückt!" So waren die deutschen Generäle der Hitlerzeit. Schon im Borromäum hatten sich uns einige Schicksalsgenossen zugesellt: D e r Fliegergeneral Herbert 6 ), Generalmajor Voß, ein Kriegsgefangeneninspekteur, der violette Heeres-Feldpostdirektor Ziegler 7 ), der mich einmal in Agram besucht hatte, und Generalmajor Lange 8 ), Wehrmachtskommandant von Salzburg. Nachdem ich mich von Foertsch verabschiedet hatte, speisten wir im Speisesaal das sehr gute Abendmenü der Division. Dann schlief ich ziemlich gut bis morgens 8 Uhr. Am Sonntag, 6. Mai, übersiedelten wir in eine Villa in der Nähe des AhrenbergSchlosses. Es war f ü r mich ein eigenartiges Gefühl, nach vielen Jahren wieder in eine Gegend zu kommen, die ich kaum mehr besucht hatte, seit vor 50 Jahren Gussettis gegenüber vom Schlosse wohnten. Metzger trieb einen Captain auf, den er in unser Schweizer Geheimnis mit Leslie 9 ) einweihte. Entgegen meiner, wie sich zeigen sollte berechtigten, Skepsis versprach er sich von diesen Beziehungen unerhört viel f ü r unsere Freilassung. Unsere neue Behausung, die mit Ausnahme des Hausmeisters 6
) T h e o d o r H e r b e r t (?, 10.8.1897 bis ?), 1.1.1944 G e n . M j r . , Kdi.Gen. Luftwaffen-Auffangstab West. ) Es d ü r f t e sich um einen Heeresfeldpostmeister, einen Gruppenleiter im Stabe des Generalquartiermeisters beim O b e r k o m m a n d o des Heeres handeln. Vgl. B. Gericke, Die deutsche Feldpost im Zweiten Weltkrieg (Archiv f ü r deutsche Postgeschichte, H e f t 1), Darmstadt 1971, 9 f . 8 ) Kurt Lange (Wirsitz, 18.12.1891 bis ?), 1912 Eintritt als Fhj. in die Armee, 22.3.1914 Lt., Übernahme in die Reichswehr, 1.10.1937 Obstlt., 10.11.1938 Kdr. I I I / I R 163, 1.9.1939 Kdr. IR 163, 1.10.1940 Obst, u. Kdr. IR 584, 1941 Kindt, v. Karlsruhe, Herbst 1941 bis 1945 Kmdt. v. Salzburg. ®) Edge Leslie (auch M u r r a y E.), Mitarbeiter von Allen Dulles. 7
Bei den Amerikanern in Salzburg
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Weinlich schon ganz altreichsdeutsch war, war lange nicht so schön wie die Gollhofer-Villa; aber ich richtete mir die Sache doch ziemlich behaglich her. Zum Essen wurden wir von Posten, die uns immer erklärten, nicht uns bewachen, sondern nur - vor einem allerdings unbekannten Feinde - schützen zu müssen, in das Divisionskasino bei Gollhofers begleitet, das wir immer erst betreten durften, wenn der Divisionsstab abgegessen hatte. Persönliches Interesse an mir als gefangenem General der Infanterie und Minister a . D . nahm sonst niemand. Am anderen T a g zu Mittag erhielten wir noch einmal Erlaubnis, in unsere Behausung in die Riedenburg zurückzukehren, um einige Sachen zusammenzupakken. Bei der Gartentür traf ich den Generalmajor Braumüller, den langjährigen Wehrwirtschaftsoffizier aus Belgrad. Er hatte sich am 30. April in einen Zivilisten verwandelt und wohnte nebenan bei einem evangelischen Wehrmachtspfarrer, seinem Vetter. O b ihm die Entlassung in Frage der Gefangenschaft etwas nützen wird? Mir war, als ich, betreut durch Fräulein Räbiger, das liebe Häuschen in der Riedenburg durchschritt, schmerzlich zumute, wenn ich auch nicht ahnte, wie lange ich fern bleiben würde. Auch General Lange hatte seine Frau noch zufällig in ihrem Heim angetroffen, das gleichfalls f ü r die Amerikaner geräumt werden mußte. Die Faust des Siegers und Eroberers war überall zu spüren. Wie denn auch nicht! Nachmittag besuchte uns auf dem Fürberg noch Alette, die unseren Aufenthalt irgendwie herausgespürt hatte. Sie war ziemlich verzagt, denn in aller Eile hatte man ihr noch ein Dutzend Russen in die Möbel hineingelegt, die sie im ersten Stockwerk ihres niedergebombten Hauses untergebracht hatte. Auch sie hatte sich die deutsche Niederlage unvergleichlich „schöner" vorgestellt. Eben stand sie noch mit uns vor unserem neuen „Heim", als einige Autos vorfuhren, uns in unbekannte Weiten abzuholen. Wir packten in Eile zusammen und fuhren los, nur mehr willenlose Objekte einer unfaßbaren Macht! Wohin ging es? Wir fuhren durch das Neutor, die Neutorstraße, an N u m m e r 28 vorbei, wo ich 7 Jahre gewohnt hatte, in die Bayernstraße, bei Schwarzbach vorüber - und hielten auf einmal: ich traute kaum meinen Augen, einige Häuser weiter bei einem verlassenen Wirtshaus, an dessen H i n t e r f r o n t wir einschwenkten. Vom ersten Stock sah ein schmales Oberstengesicht herunter. Es wimmelten einige amerikanische Soldaten herum. Hier sollten wir vorübergehend untergebracht werden. Natürlich war Metzgers und mein erster Gedanke: Warum konnten wir nicht in der Riedenburggasse 8 schlafen, wo doch dieses unser Heim so nahe war? Alle Bitten am gleichen und an den nächsten Abenden reichten nicht hin, wir mußten in dem entsetzlichen Beisel verbleiben. Der Oberst, namens Collasius 10 ), Generalstäbler vom O b e r k o m m a n d o des Heeres, kam herunter. Wir wurden notdürftig in ein paarStuben verstaut. Collasius trat mir in der Küche seinen Diwan ab, indes er, Voß und Metzger auf zerlegbaren Feldbetten schliefen. Vier andere nächtigten in einem anderen Zimmer wie Zigeuner. Im Jahre 1914 hatte ich zum letztenmal so primitiv geschlafen. Die nächsten Tage warteten wir l0
) Collasius, 30.1.1945 Obst., O b . K d o . d. Heeres, Abt. Fremde Heere West.
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von Stunde zu Stunde auf eine neue Transferierung. Am Dienstag kam ein grimmig aussehender Oberbefehlshaber zur Verfügung, der einäugige General der Panzertruppen von Vormann 11 ), mit seinem Adjutanten und noch zwei Herren. Geheimnisvoll wurden für eine Nacht zu ebener Erde auch zehn SS auf dem glatten Fußboden untergebracht. Glücklicherweise erhielten Räbiger, Dr. Schwarzbach, Frau Reitter und die junge Schwarzbach von unserer Anwesenheit Wind und kamen uns immer wieder besuchen. Die Unterhaltung mußte kurz sein, da sie sonst von der Wache eingestellt wurde. Immerhin hatten wir Verbindung mit der Außenwelt. Wir erfuhren von einer Wiederberufung Hildmanns zum Bürgermeister, von einem Herannahen Rehrls, Hilde Reitter, die Heidin, war sogar beim Erzbischof, um ihm zu erzählen, wie sehr ihr Gatte in den letzten Jahren (siehe Prozeß wegen unrechtmäßigen Bezugs von 17 Kilogramm Lebensmittel in Form von Reisemarken) unter dem Regime zu leiden hatte! Frau Schwarzbach trug mir ihren Schlafsack an, den ich dummerweise nicht annahm. Fräulein Räbiger sagte mir unter Tränen beim Abschied, ich möge sie wann immer rufen, auch in 20 Jahren, sie werde bestimmt sofort kommen. Metzger und ich wurden fleißig mit Kaffee versorgt. Metzger gelang es abermals, eines jungen Offiziers habhaft zu werden, dem er abermals die Lesliegeschichte auseinandersetzte - natürlich wieder vergebens. Die Herren Amerikaner waren immer liebenswürdig, sagten zu allem ja, es erfolgte jedoch nichts. In der Nacht vom Dienstag auf den Mittwoch wurde bei den Amerikanern Waffenstillstandsfeier begangen. Um Mitternacht begann ein wahnsinniges Schießen mit Gewehren, Maschinengewehren, sogar ein paar Kanonen. Metzger sagte mit Recht, es sei doch traurig, immer an der Seite der Besiegten stehen zu müssen. Im allgemeinen benahm sich unsere amerikanische Garde sehr anständig und höflich. Am Mittwoch, den 9., vormittags hieß es wieder packen. Mein Gepäck bestand aus einem Rucksack, meiner Ledertasche und meiner geliebten Underwoodmaschine. Vormann, Collasius und ich wurden in einen klapprigen Volkswagen verpackt, die anderen mußten samt dem Gepäck ein Lastauto besteigen. Die Reichsautobahn war angeblich wegen zerstörter Brücken nicht fahrbar. Collasius legte jedenfalls Wert, die Straße über Freilassing zu benutzen, weil er von dort aus einen kleinen Umweg über den Waginger See riskieren konnte, wo sich seine Familie aufhielt. Diese Fahrt über Maxglan, Liefering, an der Klesheimer Mauer vorüber, über die Freilassinger Eisenbahnbrücke hatte für mich begreiflicherweise etwas unerhört Wehmütiges. Wie oft fuhr ich diese Linie mit meiner Mutter, wie oft galoppierte ich längs der weißen Klesheimer Mauer vor 30 und mehr Jahren! Wie war es noch im April 1943, als ich im Gefolge des Poglavnik im Schloß Kiesheim eine Nacht verbrachte! Und nun in dieser ") Nikolaus v. Vormann (Neumark/Westpreußen, 2.4.1895 bis ?), 3.8.1914 Eintritt als Kriegsfreiwilliger in die Armee, 29.1.1915 Lt., Übernahme ins Reichsheer, 1.6.1938 l a X.A.K., 1.8.1938 Obstlt., 1.9.1939 Verbindungsoffz. des Heeres im Führerhauptquartier, 1.10.1939 Chef Gen.Stb. III. A.K., 1.6.1940 Chef Gen.St. XXVIII. A.K., 1.9.1940 Obst., 26.12.1942 Kdt. 23. Pz.D., 1.1.1943 Gen.Mjr., 26.12.1943 Kdi.Gen. XXXXVII. Pz.K. (bis 12.3.1944), 27.6.1944 Führer 9. Armee (bis 21.9.1944), 5.10.1944 OB Festungsbereich Süd-Ost, 4.5.1945 Kdt. Festung Alpen.
Verlegung nach Augsburg
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Verfassung! Die einstigen Zollhäuser an der Saalachbrücke sahen mich mit hohlen Augen an. Wie schön war es doch, als sie - vor dem Anschluß - noch in Tätigkeit waren! Als mein Polizeifahrer Ogorevc heimlich die H a n d zum Hitlergruß erhob, den er jetzt aufs bitterste bereute! In Waging, neben einem alten Wasserschloß unter mächtigen Bäumen, erhielten wir Milch und Wurstbrote. Unser kleines Auto machte bereits Manderln, ging aber dann doch weiter - bis wir hinter München auf der Reichsautobahn das Gefährt stehenließen und auf das Lastauto hinüberkletterten. In einem Dorfe, in welchem wir hielten, sprach ich mit Volksdeutschen aus der Batschka. Sie konnten, aus wohlhabenden Bauern arme Schnorrer geworden, auch nur sagen: „Wir danken unserem Führer!" In einem oder dem anderen bayrischen Orte sah man eine schüchterne blauweiße Fahne wehen. (Seltsamerweise hatte die amerikanische Besatzungsbehörde den Gebrauch von anderen Fahnen als weißen und denen der Alliierten schon einige Tage zuvor, auch f ü r Österreich, verboten; sie legten kein Gewicht mehr auf Begeisterung bei den Unterlegenen.) Schön und unversehrt lag Wasserburg vor uns, als wir das Inntal dortselbst überquerten. Alle Hoheitszeichen der Partei waren weg, nur am Rande von München verkündete eine irrtümlicherweise belassene schwarzgelbe Wegtafel: „Hauptstadt der Bewegung". München sah furchtbar aus. Alles leergebrannte Ruinen. Das Bahnhofgelände war völlig niedergelegt. Hitler hatte nun Platz f ü r den 242 Meter hohen Obelisk, unter dem er hier den letzten Schlaf schlafen wollte. Er liegt jetzt irgendwie unter den Trümmern der Reichskanzlei in Berlin verscharrt, Metzger meint, in irgendeiner Schreibtischlade. Hinter München kamen wir auf die Reichsautobahn, auf der ich zum letztenmal vor 7 Jahren mit Kramsall gefahren bin, um Beate in der „Hauptstadt der Bewegung" abzuholen. In einer knappen Stunde, allerdings erst gegen 7 Uhr, kamen wir nach Augsburg, wo man uns zuerst an das Südende der gleichfalls entsetzlich hergerichteten Stadt, zum Kommando der 7. amerikanischen Armee, brachte - nicht zu dem Zweck, daß uns der Armeekommandant empfing, sondern nur, damit wir eine Stunde später nach dem Westen der Stadt, in die „Bärenkellersiedlung" verschoben werden konnten. Es war eine Siedlung von χ Typenhäusern, um zwei Wiesen- und Gartenanlagen gruppiert, von denen ein halbes Dutzend f ü r die „Militärinternierten" frei gemacht wurde. Ich wurde als erster in die „Aufnahmskanzlei" geführt. Es war offenbar eine besondere Aufmerksamkeit der Amerikaner, daß das Bewachungspersonal des Lagers zum erheblichen Teil aus Juden, darunter sicherlich auch aus Wiener und Berliner Juden, bestand. Auch der Kanzleileutnant, der mich empfing, war das, was man in der seligen Zeit der Judenwitze einen „scheenen Juden" nannte. Er sprach glänzend Deutsch und hatte sich einen Akzent, gemischt aus Liebenswürdigkeit und Sarkasmus, zurechtgelegt. D a ß er mir die Sparkassenbücher, die Brieftasche, das Bargeld ins Depot nahm, habe ich begriffen. D a ß mir hinterrücks ein Wachsoldat Wurst, Speck, eine unerhört wertvolle Flasche Kölnisch Wasser (ich glaube von Houbigant in Paris) aus meiner Ledertasche zog, dazu meine „Quitschlampe", hätte ich noch ertragen. Aber daß ich meine geliebte Schreibmaschine zurücklassen mußte, hatte mich zutiefst getroffen. Ich komme darüber nicht hinweg, der Verlust lastet in der Nacht wie ein Alpdruck auf mir. Werde ich sie je wiederbekommen?
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Kriegsgefangenschaft in Salzburg und Augsburg
Ich wurde mit einem Auto um die Ecke geführt und bekam meine Unterkunft in der Lerchenstraße 46, Zimmer 413, wo ich noch jetzt hause. (Nur statt des zur Straße liegenden Zimmers 413 habe ich das in den Schrebergarten gehende kleinere, Nummer 415, bezogen, weil es ruhiger war.) Ein Bett ohne Leintuch, mit höchst unappetitlichen Unterlagen, ein Tisch mit Linoleumüberzug, ein schäbiger Sessel das war die ganze Einrichtung des neuen Heimes, in welchem ich, weiß nicht wie lange, wohnen soll. Die Küche neben mir bezog erfreulicherweise Metzger, ein hinteres Zimmer wurde den Generälen Voß und Vormann gemeinsam angewiesen. Ein Klosett ohne Wasserspülung, das an gewissen Tagen einen herrlichen Geruch ausstrahlt, bildete den Ergänzungsraum der bescheidenen Behausung, die sich in der ganzen Siedlung einige hundertmal wiederholte. Wenn man nach vorn auf die Straße sah, da blickte man gegenüber in einen noch von Zivil bevölkerten großen Nutzgarten. Die Einwohner nahmen, vielleicht aus Vorsicht, von uns so gut wie gar keine Notiz. Umso mehr spannen sich zwischen den meist leicht bekleideten Mädchen und den Amerikanern gewisse Fäden, bei denen Lebensmittelpakete eine nicht geringe Rolle spielten. Unsere Verpflegung war anfangs gleichfalls überreichlich. Jeden Tag sechs ausgezeichnete Konservenbüchsen, vier davon voll Fleisch, Nudeln, Ham and Eggs und anderes, zwei mit Kaffee, Schokolade, Keks, Zigaretten, sogar Klosettpapier. Nur Brot gab es keines. Nach 10 Tagen wurde die Ration erheblich heruntergesetzt. Es gab täglich zwei Schachteln gleichen Inhaltes, aber der Menge nach die Hälfte. Ich habe jedoch bis jetzt genug. Allerdings nahm ich schon seit meiner Rückkehr aus Agram und noch mehr seit meinem Salzburger Aufenthalt stark ab, was mir nicht leid tut. Die anderen jammern stark. Anfangs stattete man sich innerhalb des Hauses Besuche ab, später mußten sie eingeschränkt werden, da es verboten wurde, sich in anderen Wohnungen aufzuhalten. Übertretungen des Verbotes können leicht Stubenarrest und andere Annehmlichkeiten zur Folge haben. Bedienung gibt es nicht. Wir machen uns alles selbst, auch Wäsche waschen und ausbessern (man kann sich denken, was da Schönes herauskommt). Eine unerhörte Ressource ist die Waschküche, in der ich mich seit einiger Zeit in der Früh um 6.30 Uhr auch wasche. Ein Ofen, den man heizen muß, ein Tisch, zwei Schaffein sind die nicht fürstliche, aber ausreichende Einrichtung. Das Zimmerreinigen ist vormittags eine ganz große Sache. Jeden vierten Tag trifft einen der Stubendienst, das heißt man muß Küche, Vorzimmer und Klo säubern. Bis vor kurzem habe ich auf einer Decke, die beim Kopf mit einer aus dem Hause Mittermeier stammenden Serviette zugedeckt war, geschlafen; nun habe ich „Leintücher" organisiert, was mir als ungeheuer angenehmer Luxus vorkommt. Habe ich Wäsche, da hängt sie auf Schnüren an den Fenstern zum Trocknen. Einige Parteien machen „große Wäsche" und trocknen dann im Garten. Unser Block ist unausgesetzt von Wachen umschritten, die kürzlich verstärkt wurden. Selten sind es Anglosachsen, meist Soldaten aus den lateinamerikanischen Zentralstaaten. Sie singen gerne ihre eintönigen Lieder und brennen, wenn es kalt ist, in der Nacht ihr Feuerchen an, wobei sie, als ich noch nach vorne schlief, gerne den Platz unter meinem Fenster als Kasino wählten.
Gerüchte und Schicksalsgenossen
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[Oberer Rand der Seite abgerissen] . . . mir Kameraden mit, Hermann sei soeben mit drei Begleitpersonen in eigenen Autos angekommen. Also doch! Was ist sonach mit den berühmten Zäpfchen geworden, von denen Emmy schwärmte? Angeblich wurde Göring auf der Flucht nach Kitzbühel aus einer Militärautokolonne herausgefischt. Wir haben einander nie geliebt. Aber als ich ihn bei einem Spaziergang aus dem Fenster blicken sah, grüßte ich doch mit einer Verbeugung, auf die er mit überschwenglichem Winken antwortete. Schon tags zuvor hatte ich bei einem anderen Fenster den Kopf des Majors Grafen Westphalen erblickt. Gleich darauf erschien der liebe Feldmarschall Freiherr v. Weichs, durch ihn gerufen, um mir einen Gruß zuzuwinken. Auf einem dieser Spaziergänge traf ich eine eben heimkehrende Gruppe, an ihrer Spitze die Minister Lammers, Funk und Ohnesorge. Ich wechselte mit Lammers, der ein dunkelgrünes Zivil trug, einen Händedruck. Auch Frick soll im Lager sein. Ebenso war es H o r t h y f ü r kurze Zeit. Dagegen glaube ich nicht an die gleichfalls behauptete Anwesenheit Schuschniggs. Er wurde, wie im Radio verlautbart war, befreit, soll aber seine Frau samt Töchterchen irgendwo in Bayern verloren haben. Besonderen Überblick erhielt man aber über die Häftlinge, allerdings nur über die katholischen, als am letzten Sonntag des Mai der erste Gottesdienst in der modernen, aber recht stimmungsvollen Kirche der Siedlung f ü r die Gefangenen abgehalten wurde. Ein amerikanischer Geistlicher hielt die Abendmesse, spendete die Generalabsolution und die heilige Kommunion. Sehr viele der Anwesenden gingen zu dieser. Die Reichsminister waren vom Kirchengang weggeblieben. D a f ü r begrüßte mich Staatssekretär Esser (Partei-Nummer 2!) in landesüblicher Tracht; der Brave ging auch f r o m m in die Kirche. Außerdem waren, von mir nicht gesehen, Szälasi, der ungarische Innenminister a . D . Keresztes-Fischer, der ehemalige ungarische Ministerpräsident Bärdossy, der Feldmarschall Leeb, natürlich auch Weichs zugegen. Nach der Kirche trat ein kleiner, soignierter Zivilist auf mich zu: Warlimont. Wir haben beide bedauert, getrennt zu sein. Für mich wäre er eine Geschichtsquelle ersten Ranges . . . Auch Professor Suchenwirth-Suchanek begrüßte mich; ich erinnerte ihn an die Gespräche, die im Dezember 1940 er, ich und Dr. Fochler-Hauke von der Akademie miteinander führten, sie waren durchwegs auf Niederlage abgestimmt. Die evangelischen Kriegsgefangenen hatten Feldgottesdienst auf der Wiese zwischen den Lagern. In einem Häuschen neben mir haust mit seinem Bruder auch der ungarische Generaloberst Keresztes-Fischer, Horthys einstiger Generalstabschef und nachmaliger Generaladjutant, im Ersten Weltkrieg mein Operationsabteilung-Kamerad. Außerdem befinden sich dort zehn höhere Polizeibeamte. Fischer Lajos und ich lassen uns gegenseitig grüßen, haben uns aber noch nicht treffen können. Die Armen sind vom M ä r z vorigen Jahres bis zum Zusammenbruch in einem deutschen KZ gesessen, und nun sind sie wieder in H a f t . Es ist eine greuliche Zeit. Am 27. Mai wurde unserer Hausgemeinschaft ein schwerer Schlag versetzt. Die meisten Stabsoffiziere und Hauptleute wurden aus dem Lager weggeführt, unbekannt wohin. Metzger gehörte wohl nicht zu ihnen, aber wir hatten beide große Sorge, daß man uns auseinanderreißen könne. Des anderen Tages geschah es wirklich. Wir trennten uns überaus schwer. Ich war dem Selbstmord nahe.
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Kriegsgefangenschaft in Salzburg und Augsburg
Auch Prominentere hatten das Lager verlassen. Vor meiner Ankunft . . . [Oberer Rand der Seite abgerissen] Die beiden wurden, knapp nachdem sie dem Erzherzog Eugen zu seinem Geburtstag Aufwartung gemacht hatten, in Strobl, wohin die Wiener Universitätsinstitute ausgewichen waren, hoppgenommen und verbrachten zunächst einen Tag und eine Nacht bei Kerkerkost in der Salzburger Fronfeste. Aus einer Aktentasche wurde auch die Anwesenheit von Seyß-Inquart an diesem schönen Orte abgeleitet. Er wird wohl dort unter wesentlich ungünstigeren Lebensbedingungen wie wir zu verbleiben haben. Die Holländer sind sehr böse auf ihn. Knoll war früher nicht mein Freund, er hat mich im Gegenteil als Sicherheitsdienst-Mann gar nicht weniger als der prächtige Heigl verfolgt. Nun ist er milde wie ein Lämmchen. Er leugnet aber auch seine Nazivergangenheit nach jeder Richtung völlig ab, was, da er als Angeklagter dasitzt, sein Recht ist. Er gibt uns Unterricht im Englischen. Vorderhand sitzen wir bei der Aussprache, deren Regeln wirklich sehr schwierig sind. Trotzdem bemühe ich mich, mit meinem alten Schädel mitzukommen. Christian ist ein ausgesprochen guter Kerl. Die Ungarn scheinen weggekommen zu sein. Dagegen hatten wir heute, am 1. Juni das Glück, Helen Riefenstahl 12 ) mit brennrot gefärbten Haaren in einem amerikanischen Auto zu sehen. Ich habe in Wien einmal 1938 einen Abend in der neuen Hofburg mit ihr verbracht. Eine Photographie kam in die Wiener Bilder. Sie soll sehr gut behandelt werden. Warum sie da ist, weiß von uns niemand. Heute (2. Juni) erfahre ich, daß sich auch Feldmarschall List hier im Lager befindet. An Prominenz fehlt es also nicht. Einer Mitteilung zufolge ist Friedl Rainer, der Gauleiter von Kärnten, als besonderer Kriegsverbrecher begrüßt, verhaftet worden. Man hat ihn das letztemal in Strobl gesehen. Ich müßte leugnen, viel Mitleid mit diesem eingebildeten Laffen zu haben. Rundstedt soll gleichfalls nach England gekommen sein13). Schörner ist angeblich an die Russen ausgeliefert worden. Letzterer verdiente es; er hat noch am Schlüsse, als schon alles aus war, wahnsinnig unter den eigenen Truppen gewütet, da er sich in den Kopf setzte, den Krieg gegen Rußland auf eigene Faust fortzuführen, zuletzt aber vorgezogen, sich doch in amerikanisch-britische Hände zu begeben. Vor einigen Tagen bin ich zum erstenmal verhört worden 14 ). Es handelte sich vor allem um meine Tätigkeit in Kroatien. Es scheint, daß die Akten des Wehrmachtsfühl2 ) Helene Riefenstahl (geb. 22.8.1902, Berlin), ab 1925 als Filmschaffende tätig, bekannteste Regisseurin des Dritten Reiches („Triumph des Willens"; „Olympia"), nach 1945 bemerkenswerte Filme über Volksstämme Schwarzafrikas. " ) Gerd v. Rundstedt wurde anfangs Mai in Bad T ö l z von den Amerikanern festgenommen und den Briten ausgeliefert, die ihn in Bridgend festsetzten. Nachdem er 1946 beim O K W - P r o z e ß in N ü r n b e r g Zeuge gewesen war, wurde er im Mai 1949 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. Ferdinand Schörner begab sich bald nach dem 15.5.1945 in Kitzbühel in amerikanische Kriegsgefangenschaft und wurde sodann von Augsburg aus Ende Mai an die Sowjets ausgeliefert. Er d u r f t e nach verschiedenen Gefängnisaufenthalten im J ä n n e r 1954 nach Ost-Berlin und dann nach M ü n c h e n reisen. Vgl. O . E . Moll, Die deutschen Generalfeldmarschälle 1935-1945, Rastatt 1961, 223f. u. 237f. ,4 ) An Verhörprotokollen Glaise-Horstenaus ist bisher n u r ein Schriftstück über eine Einvernahme am 22.8.1945 vom Interrogation-Center der 7. US-Armee bekannt geworden. Das V e r h ö r betraf vor allem Kroatien. Kopie in D Ö W , N r . 10.630.
Verhöre und Gedanken an Wien
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rungsstabes auf ihrer Flucht aus Liegnitz, wohin das Reichsarchiv Potsdam ursprünglich ausgewichen war, von den Amerikanern geschnappt worden sind. So konnte mich mein Befrager, ein netter amerikanischer Reserveleutnant, mit den Worten begrüßen: „Ich weiß, Sie haben dort gegen eine Granitmauer anstürmen müssen!" Weniger günstig schnitt ich bei der ersten Unterredung als Österreicher ab. Mein Befrager hatte die letzten 4 Jahre vor dem Anschluß und die ersten Monate nachher in Wien verbracht. Er hatte sich über den Radikalismus der Wiener in der Judenfrage und die Grausamkeiten, die dabei verübt wurden, sehr gewundert und entrüstet - begreiflicherweise. Er hat die gemütlichen Wiener nicht wiedererkannt! Ich habe in der Folge f ü r ihn zwei Memoranden geschrieben, eines über Kroatien, ein wesentlich kürzeres, aber recht gutes, über meine Rolle in Osterreich. Er kam später noch zu mir, einmal auch nach einer Fahrt nach Innsbruck, wo es angeblich nicht schlecht aussieht. Nunmehr (10. Juni) ließ er sich schon einige Tage nicht sehen. Der Name, den er mir angab, Leutnant „Hochstadt", war vielleicht ein Deckname. Es wird hier alles sehr geheimgehalten. Unter unseren „Kurgästen" ist auch ein gewisser Oberstleutnant Buden aufgetaucht, ein seit 2 Jahren wieder zu Tito abgeschwenkter Kroate. Er war, offenbar schon nach meiner Agramer Zeit, als russischer Spion in ein deutsches KZ gekommen. Tatsächlich hat er schon Ende 1942 innerlich den Bruch mit dem Agramer Regime vollzogen, wurde in die „Befreiungsarmee" aufgenommen, aber mußte offiziell in kroatischem Dienste bleiben. Nach achtmonatigem Aufenthalt im deutschen KZ in Oberpfalz (darunter 4 Monate Dunkelarrest!) wurde er kürzlich befreit. Tito schickte ihm angeblich mit Flugzeug Uniformen. N u n kam er aber (mit zwei Autos und einem lettischen Diener angefahren) erst wieder zu uns, weil während seiner kroatischen Zeit einige von ihm bei Jajce gefangene englische Spionageoffiziere verschwunden sind. Er ist ausgesprochen russophil, treibt russische Propaganda, weiß stets eine Menge Neuigkeiten, die zu einem erheblichen Teile wahr zu sein scheinen. Meine Situation beurteilte er vorerst sehr schwer, da kroatische Offiziere in Anzeigen an Tito mich mit Kasche in einen Topf geworfen hatten. Er war erstaunt, von mir die wirkliche Lage zu erfahren, und ist jetzt in bezug auf mich sehr optimistisch. Ich bin es nicht. 10. Juni. Gestern war es ein Monat, daß ich hier eingeliefert wurde. Seither bin ich von der Welt völlig abgeschlossen. Auch Korrespondenz gibt es keine, überhaupt noch nicht in Deutschland. Es ist unfaßbar, welches Unglück Hitler über „sein" Volk gebracht hat. Es könnte uns hier noch schlechter gehen. Man kann wenigstens seelisch sein Eigenleben führen. Hätte ich nur eine Schreibmaschine, dann wäre ich ganz zufrieden! Es ist erstaunlich, wie wenig der Mensch eigentlich braucht. Allerdings sieht man jede verdächtige Schuhsohle, jeden abgerissenen Knopf mit Sorge an. Man hat von allem nur wenig. Mein Lieblingsanzug ist der blaue Schlafrock, den ich im Jahre 1940 bei Braun auf dem Graben kaufte; leider mußte sich schon in Agram Marica seiner annehmen, ich fürchte, er hält nicht durch! Sehr betrübt bin ich, daß ich, dem Rate Metzgers folgend, in Uniform in die Gefangenschaft ging. Zivil wäre unvergleichlich besser. Meinen Stubengenossen hat sich, an Stelle des mit anderen Kriegsgefangenen-Inspekteuren ausgezogenen Voß ein 50jähriger österreichischer Fliegergeneral namens
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Kriegsgefangenschaft in Salzburg und Augsburg
Uhl 15 ) zugesellt. Er kannte mich von Wien her und erzählte manches über Wien, meist nicht sehr Schönes und Hoffnungsvolles. Es hat aber wenig Sinn, die Sache niederzuschreiben, denn Wahres und Falsches war gemischt. Übrigens ist Uhl ein Kandidat des Todes, 94 Blutdruck . . . Sonntag nachmittags, leicht bewölkter, aber doch sonniger Himmel. Feiertägliche Stille umfängt die Einsamkeit des Lagers, nur ab und zu unterbrochen vom Geschrei eines Mittelamerikaners, der darauf zu sehen hat, daß ich nicht durchbrenne. Ich liege auf meinem Bett, lege den Kriminalroman zur Seite und schließe, von Heimweh gepackt, die Augen. Drei Städte sehe ich vor mir: Zagreb, das Tusculum auf dem TuSkanac, den Weg zum Smrok, das Bänkchen oben bei der Weggabel, wo ich bei sinkendem Tag mit der getreuen Anica sitze, den Blick in die Waldpracht am Hange des Sljeme gerichtet; oder den Balkon der Villa Rendi, auf dem ich Abend für Abend verbrachte, heimgesucht von trüben Ahnungen, die noch weit hinter der Wirklichkeit zurückbleiben sollten, aber doch irgendwie [ein Wort unleserlich] in die Stunde hineinlebend. - Dann Salzburg mit dem feierlichen Geläute der Kirchen, das wieder voll erklingen wird, wenn sich auch die Trauer ob der geborstenen Domkuppel hineinmengt; mit dem lieben Haus in der Riedenburg, wo Metzger und ich die letzten Tage der Freiheit verbrachten . . . und „Wien, Wien nur Du allein, sollst die Stadt meiner Träume sein . . ." mit meiner bescheidenen Behausung in Schönbrunn (wer wird in ihr wohnen und besteht sie überhaupt noch?). Ich denke der Menschen, die in den drei Städten meiner sicher gedenken, vor allem der Frauen, die es tun werden allem Haß zum Trotz, der da und dort emporlodern mag! Ich mache mir nichts vor; es ist eine furchtbare Situation, in der ich mich befinde nach 63 Jahren ein völlig vernichtetes Dasein! Es drückt mich selbstverständlich tief nieder. Manchmal aber kommt's über mich, als ginge es mich persönlich gar nichts an, als wäre es das Los eines Fremden, das ich zu betrauern hätte! Diese Distanzierung vom eigenen Schicksal folgt immer dann, wenn ich glaube, stark genug zu sein, um diesem Jammer ein frühes Ende zu bereiten. Dieser Ausweg wird wohl gefunden werden müssen, aber leicht ist es nicht. Vorläufig tröste ich mich, so lange zu warten, bis man mit der Heimat wieder Verbindung aufnehmen und erfahren kann, wie es dort aussieht. In Wien soll Körner Bürgermeister, Franek 16 ) Chef der russischen Militärregie15
) Ernst Uhl (Seefeld, N Ö , 25.12.1895 bis 24.1.1976, Wien), 15.10.1914 aus IKSch. Brünn zu LIR 11 als Fhr., 5.5.1915 Lt., 1.5.1917 Oblt., Ü b e r n a h m e in Volkswehr u. Bundesheer, 1.1.1921 Titular-Hptm., 1.9.1921 zu IR 2, 1.2.1935 zu Brigkmdo. 2, 25.8.1935 Mjr., 1.6.1938 Ü b e r n a h m e in die Dt. Luftwaffe, 10.10.1938 Staffelkapitän im Kampfgeschwader 355, 1.6.1939 Obstlt., sodann Abt. Kdr. in Flak-Rgtern. bzw. Kdr. v. Flak-Rgtern., 1.4.1941 Obst., 15.3.1943 Kdr. IV. Flak-Brig., 26.4.1944 Kdr. 26. Flak-Div., 6.7.1944 Kmdt. Flakart.-Schießplatz R u s t - O g g a u , 21.7.1944 des Flakart.-Schießplatzes Büsum, 30.1.1945 G e n . M j r . , 1945 Führerres., dann bis 23.5.1946 Kriegsgef. " ) Friedrich Franek (Wien, 16.7.1891 bis 2.4.1976, Wien), 1910 als Fhr. zu I R 4 1 , 1.5.1913 als Lt., zu IR 63, 1.3.1915 Oblt., Zugskmdt. bzw. Sturmkompaniekmdt. im 1. Weltkrieg, III bis V/1918 Frequentant des Informationskurses f ü r Kriegsschulaspiranten, sodann in Genstabsverwendung, 1.11.1918 Hptm., Zuerkennung des Ritterkreuzes des M M T O f ü r die l l . I s o n z o s c h l a c h t , Ü b e r n a h m e ins Bundesheer, 1920 bis 1922 kommandiert an die Universität Wien, 1.1.1921 Mjr., 1924 D r . r e r . p o l . , 1929 bis 1934 kommandiert ins Kriegsarchiv, Verfasser zahlreicher militärwiss. Arbeiten, 1934 bis 1938 Taktiklehrer an der Milak., 15.12.1934 Obstlt., Übernahme in die Dt. Wm., 1.4.1940 Obst. Geb.Jg.Rgt. 98, X / 1 9 4 0 Kdr.
Gerüchte über Hitlers Ende
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rung sein. Ich sah Körner das letztemal auf der Stadtbahn, er war noch sehr von einem eben abgesessenen Arrest benommen. Franek war durch 4 bis 5 Jahre mein Untergebener im Kriegsarchiv. Wir schrieben uns noch bis zu seiner Gefangennahme. Sehr wandlungsfähig, aber doch kein Konjunkturritter: 1918 sozialdemokratischer Offizier, dann Altösterreich, dann Christlichsozialer, Nationalsozialist, jetzt Seydlitzgruppe . . . Wenn das alles wahr ist und andere Meldungen es auch sind, dann schaut das „neue Europa" der Russen besser als das der Amerikaner aus. Letzteres stand doch stark unter jüdischem Einfluß, der natürlich - wie könnte man anderes verlangen! sehr böse ist. Das bekommen auch wir immer wieder zu fühlen. „Fraternisieren" ist unseren Wächtern strengstens verboten, wir sind irgendwie aussätzig. Natürlich wirkt das nicht gut. Unsere ganze Kolonie wird allmählich russophil und erhofft von den Russen auch Deutschlands Rettung. Mein Streben in der Kameraderie geht vor allem dahin, den Leuten die Augen zu öffnen. Sie müssen sich klarwerden über die Lage und die eigentlichen Urheber. Uber die Kriegsschuldfrage dieses Krieges gibt es in meiner Umgebung keinen Zweifel. Wenn einer der Verbohrten noch immer Versailles dazwischenruft, dann stopfe ich ihm das Maul. W o war Versailles im Winter 1938/39? Oder im Frühjahr 1939, nach unserem Einmarsch in Prag? Es gibt nur einen Kriegsurheber, das ist Hitler, und wir alle sind mitschuldig, das ganze deutsche Volk! Aber nicht aus Bösartigkeit, sondern aus politischer Unfähigkeit, aus jenem Sklavensinn heraus, dessen Existenz sich auf die „großen Preußenkönige" zurückleitet. Letzteres wollen, wie ich heute einem von ihnen sagte, auch die Amerikaner nicht erkennen. Ich lasse nicht locker, wenigstens dem kleinen Kreis um uns diese Wahrheiten in die Schädel zu hämmern. Einige interessante verläßliche Neuheiten: Hitler hat, wie aus Aufzeichnungen seiner Umgebung hervorgeht, einige Tage vor seinem Untergang Eva Braun geheiratet! Die Amerikaner glauben übrigens nicht, daß Hitler tot ist; man hat wohl die verkohlten Leichen in der Reichskanzlei untersucht, und es könnte eine oder die andere die seinige sein. Aber es sei ebenso möglich, daß er nach Spanien geflüchtet ist. Die Aufzeichnungen aus der Umgebung Hitlers hören plötzlich zu einem gewissen Zeitpunkt ein paar Tage vor seinem T o d e auf. Karl der Große, Friedrich Barbarossa! - eine Legendenbildung! - In Osterreich konsolidiert sich manches. In Wien ist eine alliierte Militärregierung zustande gekommen. Schilling und Groschen wieder eingeführt, eine Mark ist ein Schilling. In Zagreb Mandic (der saubere Alte), Alaj Begovic, Steinfl (Nachfolger Vokic) und Ljuburic (!) hingerichtet. Letzteres ist um 4 Jahre zu spät geschehen. Den Poglavnik haben sie noch nicht erwischt, d a f ü r Frau Mara Pavelic, die sich bei Aussee an die Amerikaner um Autos gewandt hat. In Deutschland wird eine sehr starke Radiopropaganda gegen die Bonzen betrieben, deren Bankguthaben vor aller Öffentlichkeit I n f . R g t . 4 0 5 , 11.11.1941 Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes, 1.3.1942 mit der Führung d. 196.Inf.Div. beauftragt, 1.4.1942 G e n . M j r . , X I I / 1 9 4 2 Kdr. 44.Inf.Div., 1.4.1943 Gen.Lt., V/1944 Kdr. 73.Inf.Div., 29.7.1944 Sowjet. Kriegsgefangenschaft, im Herbst 1944 Mitarbeit am Antifaschistischen Büro österreichischer Kriegsgefangener, 28.7.1948 Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft, Arbeit in der Privatwirtschaft. Vgl. E. Kruml, General Dr. Fritz Franek, Wr. Diss. 1983.
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klargestellt wird. Wir sind hier so abgeschlossen, daß wir wirklich nichts erkennen können. Ich fürchte, die Propaganda ist geringer, als man glaubt, und wird kaum die Mißstimmung besiegen, die die amerikanische Politik in Deutschland täglich bewirkt. Die Russen machen es angeblich besser. Meine Situation erscheint mir nach wie vor, besonders wenn ich aufwache, wie ein böser Traum. In wachen Nachtstunden versuche ich mir den etwaigen Eintritt in das bürgerliche Leben auszumalen. Heimkehr in einer Uniform, die man anspeit, die auch ich hassen gelernt habe. Was werde ich in Salzburg, in Wien vorfinden? Wie wird man mich da und dort aufnehmen? Ein völlig zerstörtes Leben wäre neu aufzubauen. Mit 63 Jahren! Da gibt's doch nur eines: Flucht aus diesem irdischen Jammertal. Ich will jetzt noch zusehen, zumal bis ich Authentisches aus der Heimat höre. Dann aber muß der entscheidende Entschluß fallen. Wenn ich freiwillig sterbe, dann tue ich es ausschließlich deshalb, weil ich zu müde bin, um den Mut für ein neues Leben aufzubringen. Meinen „politischen" Richtern sehe ich frei ins Auge. Nur wer sich keiner Sünde schuldig weiß, werfe den ersten Stein auf die Ehebrecherin! 13. Juni. Heiliger Anton von Padua. Vor 4 Jahren erste Parade in Zagreb. In den letzten Tagen fand wieder ein starker Wechsel unter den Gefangenen statt. Alte gingen, neue kamen. Heute war großer Abschub, darunter auch die Österreicher Wittas 17 ) und Marcinkiewicz 18 ). Um 2 Uhr nachmittags, ich lag schon im Bett, wurde plötzlich ich angerufen: Ubersiedlung in ein kleineres Nachbarzimmer, wo früher Ungarn und kürzlich Oberst v. Tippeiskirch und Generäle wohnten. Man wird dort wie die Amerikaner verpflegt. Leider muß ich das Zimmer mit einem zweiten teilen. Glücklicherweise ist es der nette Berliner Advokat Graf v. d. Goltz 19 ), ein Prothesenmann aus dem letzten Krieg und berühmter Naziadvokat, der „es jetzt auch nicht gewesen sein will". Ich bin wegen des Nichtalleinseins verzweifelt. Neben uns sitzen SS-Obergruppenführer Schaub und Admiral v. Puttkamer 20 ), zwei persönliche
,7 ) Glaise schrieb „Wittek". Gemeint sein d ü r f t e jedoch: Paul R. v. Wittas (Hermannstadt, 10.1.1886 bis 25.1.1973, Salzburg), 18.8.1907 aus der Milak. als Lt. zu IR 71, 1911 bis 1914 Frequentant der Kriegsschule, 31.7.1914 zugeteilt d. Glstb., Genstabsdienstleistung im 1. Wkg., vornehmlich bei Transportleitungen, 1.9.1914 H p t m . i. Glstb., Ü b e r n a h m e ins Bundesheer, 1.7.1920 Titular-Mjr., 17.12.1920 eingeteilt im Staatsamt f. Heerwesen, 1.9.1924 Obstlt., 1.6.1927 zum 3. Brigkdo., 1.4.1928 zum 2. Brigkdo., 21.2.1930 Obst., 1.9.1935 Leiter der Mil. Fachprüfungskommission ( = Genstabsausbildung), 24.12.1935 G e n . M j r . , 31.10.1938 verabschiedet, 1.10.1939 G e n . M j r . z.V., 6.6.1940 Kmdt. Stalag XVII, 1.2.1941 K d r . d . Kriegsgefangenen Wehrkreis XVII, 21.8.1941 Kdr. d. Kriegsgefangenen z.b.V., 1.3.1942 Gen. Lt., 31.1.1945 Mobverwendung aufgehoben. 18 ) August Marcinkiewicz (Steyr, 18.10.1888 bis ?), 18.8.1907 aus Pionierkadettenschule Hainburg zu Pibaon. 15, 1.5.1910 Lt., 9.8.1914 Oblt., Pionieroffz. im 1. Weltkrieg, übernommen ins Bundesheer, Dienst bei diversen Pibaonen, 1.1.1921 Titular-Mjr., 18.12.1934 Obstlt., 1.9.1935 dienstzugeteilt dem 6. Divkmdo., 7.4.1938 Pionieroffz. XVIII. A.K., 1.2.1939 Obst., 29.9.1940 Kdr. Festungspionierstab I, 1.12.1941 G e n . M j r . , 12.12.1941 Festungspionierkdr. XV, 19.8.1943 H ö h . Pionierführer 14. " ) Rüdiger Graf von der Goltz (Berlin, 10.7.1894 bis 18.4.1976, Düsseldorf), Oblt. in einem Garde-Regiment, nach schwerer Kriegsverletzung Studium der Rechtswissenschaft, Dr.iur., Mitglied der N S D A P , Mitglied des Reichstages, Rechtsanwalt, Anwalt der Verteidigung im Fall Fritsch. Vgl. H . C . Deutsch, Komplott, 248 ff. 20 ) Karl-Jesko v. Puttkamer (?, 24.3.1900 bis ?), 1917 Seekadett, 1921 Leutnant zur See, 1930 Kapitänleutnant, 1935 Marineadjutant beim Führer, 1936 Korvettenkapitän, I X / 1 9 3 8 Kmdt. in der
Die Verteidiger des Generaloberst Fritsch
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Adjutanten Hitlers. Sie glauben beide weder an die Verheiratung Hitlers noch an dessen Weiterleben. Eva Braun habe stets nur die nun auch verwirklichte Absicht gehabt, mit Hitler zu sterben. Die zwei Kerle sind allerdings von Hitler schon am 20. nach Berchtesgaden geschickt worden. - Offiziell dürfen Zimmernachbarn nicht zusammenkommen, hoffentlich geht es trotzdem. Im Flur steht ein lateinamerikanischer Posten, der wie alle seinesgleichen pfeif- und sangesfreudig ist. Außerdem ist er stark verkühlt. Ich bin auf die Nacht neugierig. 14. Juni. Heute erzählte mir mein Zimmergenosse den Fall Fritsch, bei dem er als Verteidiger des Generaloberst fungierte. Die erste Anzeige eines Denunzianten, eines gewissen Schmidt, war bereits 1936 erfolgt und auch Hitler bekanntgeworden. Dieser entschied jedoch im Hinblick auf die politische Lage, daß die Sache nicht zu verfolgen sei. Ende Jänner 1938, schon nach der Blomberg-Affäre, wurde die Angelegenheit Fritsch von Himmler wieder aufgegriffen, um zu verhindern, daß Fritsch Reichskriegsminister werde. Hitler schuf ein Ausnahmegericht, dessen Vorsitz Göring erhielt, überließ aber gleichzeitig eine Paralleluntersuchung der Gestapo. Die Einzelheiten des Verlaufes sind skandalös, auch das Benehmen Görings war längere Zeit zwiespältig. Fritsch wurde zwar freigesprochen, aber eine völlige Genugtuung erhielt er nicht. Er suchte daher 1939 den Soldatentod. Mit meinen Nachbarn sprach ich heute über Ribbentrop; sie nahmen an, daß er sich erschossen hat. Er war noch bis zum 20. April jeden Tag in der Reichskanzlei bei Hitler. Völlig verheerend sei der Einfluß der Frau auf Ribbentrop gewesen, und auch die erwachsene Tochter war nicht besser. Beide seien verrückte Frauen gewesen. Beim Spaziergang traf ich den „jungen" Siebert. Auch er war kein Nazi und Kriegsgegner. Das „Volk ohne Raum", sagte er, zählt jetzt 350 auf den Quadratkilometer, man hat die Verpflegungsration um 50 Prozent herabgesetzt. Goltz und ich bekommen jetzt die warme Kost der Amerikaner statt der angenehmen Lebensmittelpakete; die Kost ist ergiebiger, aber das andere war aparter. Das Wohnen zu zweien ist alles andere denn schön, wenn auch das Bett besser ist. Ich bin recht verzweifelt und befasse mich viel mit dem Gedanken, Schluß zu machen. Allerdings ist es, wenn man nicht allein im Zimmer, auch viel schwerer. - Ich leide jetzt unausgesetzt an sehr ungereimten politischen Träumen, schlafe aber nicht schlecht. 17. Juni. Sonntag, natürlich wieder kein Kirchengang, trotzdem ich in dieser Woche wieder einen Appell an den geheimnisvollen Lagerkommandanten gerichtet habe, der auf nichts eine Antwort gibt. Auch heute schickte ich wieder einen Schrieb; ich will zurück in mein früheres Haus, weil mich der Posten vor unserer T ü r nicht schlafen läßt. Es ist ein ewiger Krieg, bei dem ich immer der Besiegte bin. Also Ribbentrop ist in H a m b u r g aus seinem Versteck herausgekitzelt worden; er hat mit großer Gebärde bei der Verhaftung sein Gift übergeben. Benes ließ durch das Radio die Verhaftung Martin Bormanns verkünden. Beide sind ganz große Kriegsverbrecher. In den letzten 48 Stunden waren Obergruppenführer Schaub und Admiral v. Puttkamer neben mir einquartiert; ich durfte nicht viel mit ihnen reden. Jedenfalls glaubten sie nicht die Verheiratung mit Eva Braun und sind überzeugt, daß Hitler tot 4. Zerstörerflottille, X / 1 9 3 9 wieder Adjutant der Wehrmacht beim Führer, X I / 1 9 3 9 Fregattenkapitän, IV/1941 Kapitän zur See.
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ist, Eva Braun mit ihm. Sonst bekam man von den beiden wenig heraus. Besonders Puttkamer war recht stur. - Gestern abends wurden die zwei durch den berühmten Dolmetscher Schmidt und einen zweiten Diplomaten ersetzt. Leider erlaubt der Posten vor unserer Tür nicht, daß wir länger miteinander sprechen. Dafür trampelt er in der Nacht fleißig herum, singt und pfeift, so daß ich ihn schon gründlich heruntergeputzt habe - italienisch, was er als Lateinamerikaner aber leider nicht versteht! Goltz und ich führen unausgesetzt Gespräche über Kriegsschuld, Kriegsverbrechen, Parteiverbrechen. Wir gingen gestern eine Stunde mit unseren beiden Amerikanern spazieren. Ich bemühte mich, aufklärend zu wirken. Stimmung meinerseits sehr resigniert, unausgesetzt Koketterie mit Selbstmord. - Beim Spaziergang der im Gefangenenlager festgehaltenen Damen - unser Balkon geht auf die große Wiese, wo der Viehtrieb stattfindet - sehe ich seit einigen Tagen auch mit schön gewelltem weißem Haar Frau Seyß-Inquart! Sie ist offenbar in die Spuren Helene Riefenstahls getreten, die, von den Amerikanern einigermaßen umworben, auch einige Tage hier angehalten war. Hübsche, anziehende Frauen haben es auch hier besser als alte Männer. Das konnte man in meinem früheren Gefängnis beobachten, von dem aus man in die Gärten der Siedlung Bärenkeller sah. - Unter den Internierten befinden sich auch die ehemaligen ungarischen Ministerpräsidenten Bärdossy und Szälasi (letzterer Neustädter 1915). Ersterer wurde auf der Flucht vor den Russen vom Schweizer Gesandten Jäger (früher in Wien) nach Bern mitgenommen, mußte aber dann von der Schweizer Regierung an die Amerikaner ausgeliefert werden! Die Herren, nämlich die Alliierten, trauen sich schon ein bißchen viel zu. 19. Juni 1945. Heute ebenso interessante wie tief erschütternde Gespräche mit dem im Nebenzimmer einquartierten Gesandten Schmidt über Hitler und das Attentat vom 20. Juli. Spätestens im Jahre 1943 scheint es den Wissenden ziemlich wahrscheinlich geworden zu sein, daß Hitler an Schizophrenie leide. Nach dem Attentat war sein Zustand so, daß im Auswärtigen Amt in Berlin in den Stunden, in denen Hitler im Park der Reichskanzlei spazierenging, niemand durch die Gartenfenster blicken durfte, um das verheerende Bild nicht zu sehen, das sich dort dem Beschauer bot. Ein gebeugter Mann mit grauen Haaren, eingefallenen Wangen, zitternden Händen eine bedauernswerte Erscheinung. Als im Frühjahr 1945 Roosevelt starb, wollte Ribbentrop zur Besprechung der neuen Situation zu Hitler. Er wurde auch vorgelassen. Hitler ließ Joachim jedoch nicht zu Wort kommen, sondern fragte ihn immer nur, ob er mit ihm „über die drei Musen" sprechen wolle. Schließlich zog der Minister unverrichteter Dinge ab und legte sich, wie es seine Gewohnheit war, bei völlig verdunkeltem Zimmer und schwarz verhangener Lampe ins Bett (Irrsinniger Nummer 2, Hermann ist Nummer 3). Ich denke daran, wie ich im Gasthauszimmer zu Winniza meinem Freunde Warlimont sagte: „Der Führer ist doch ein Wahnsinniger!" Und er die Hand an den Mund legte: „Um Gottes willen, so etwas dürfen Sie nicht sagen!" Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die offeneren Köpfe aus Hitlers Umgebung dessen Zustand erkannten, der immer schlechter wurde. Aber die leiseste Andeutung, die an Himmler herangekommen wäre, hätte dieser den Warner mit dem Tode büßen lassen, obgleich er selbst zweifellos von dem Zustande seines Herrn und Meisters eine Ahnung hatte. Noch ein Detail: In der nationalsozialisti-
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sehen Wissenschaft wurde, in Übereinstimmung mit früheren Auffassungen, Schizophrenie f ü r eine Erbkrankheit erklärt und dementsprechend im Eherecht verfahren. N u n entdeckte aber ein Leipziger Professor, daß das Leiden von Zustandsveränderungen in der Nebenniere kommt und dabei besserungsfähig ist. Die nationalsozialistische Wissenschaft, einmal auf die andere Auffassung festgelegt, erlaubte dem Forscher jedoch nicht, mit seinen Ergebnissen hervorzutreten. - Was an Hitlers Gesundheitszustand im letzten Jahre noch zu verderben war, tat Morell mit seinen Injektionen. Nun zum Attentat: Stauffenberg hatte im „Lagezimmer" nur die halbe Ladung zurückgelassen. Die andere Hälfte warf er auf dem Wege weg. Trotzdem hätte sie ihren Zweck erreicht, wenn sie neben Hitler, dort wo Stauffenberg die Aktentasche hingelegt hatte, losgegangen wäre. Der Zufall wollte aber, daß Hitler, knapp nachdem Stauffenberg weg war, um den schweren Eichentisch herum auf die andere Seite ging. Ausschließlich dadurch blieb ihm der T o d erspart, und das deutsche Volk mußte noch viel Elend über sich ergehen lassen. Hitlers Trommelfelle wurden zerrissen, seine Haare am Hinterhaupt verbrannt, sein rechter Arm geprellt, die Hose um ihre unteren Ärmel gebracht, zahlreiche Sprengsplitter steckten im Gesicht und in den Beinen. Dennoch war er ganz munter, als ihn 20 Minuten später Ribbentrop von seinem Schlosse her aufsuchte. Dagegen bot die Stätte des Attentates ein entsetzliches Bild, und bei der A n k u n f t Ribbentrops wurden eben die Verwundeten weggeschleppt, darunter Korten mit abgerissenem rechten Bein und linkem Arm. Keitel, der Blöde, dem nichts geschehen war, rannte wie verzückt von einem zum anderen - zu Schmidt kam er dreimal - , um glücklich zu verkünden: „Der Führer lebt - Heil ihm - nun erst recht!" Göring war gekommen, er umarmte weinend Hitler und stieß Drohungen gegen den Attentäter aus. Himmler stand unrasiert mit zusammengebissenen Zähnen da. Er hatte Hitler 3 Monate früher auf gewisse Umtriebe in der Bendlerstraße aufmerksam gemacht, aber die Weisung erhalten, im Hinblick auf die Arbeitsgegebenheiten die Angelegenheit nur von weitem zu verfolgen. Anfänglich verdächtigte man ausländische Arbeiter, die in großer Zahl in dem ewig im Umbau begriffenen Hauptquartier beschäftigt waren. Dann aber kam ein Telephonanruf: Generaloberst Fromm meldete, Generalstabsoberst Stauffenberg, der eben aus dem Hauptquartier mit Flugzeug zurückgekommen sei, berichte von einem Attentat auf den Führer, ob Wahres daran sei. Stauffenberg hätte noch zu Hitler zum Vortrag kommen sollen, in wenigen Augenblicken war alles klar. Hitler meinte bald zu einem Ankömmling: „Kein Arbeiter, sondern ein aristokratisches Schwein!" Womit auch die nötige Devise in die Massen geworfen war. Ley trieb es in der Folge mit seinen Angriffen auf den Adel allerdings gar zu arg; da zahlreiche Beschwerden und demonstrative Pensionsgesuche aus der Front kamen, wurde er zurückgepfiffen. Kaum lag die Stauffenbergsache ziemlich klar, als Himmler mit einem zur Unterschrift durch Hitler bestimmten Befehlsentwurf erschien, in welchem jener zum Befehlshaber des Ersatzheeres mit außergewöhnlichen Vollmachten im Zusammenhang mit dem Attentat ernannt wurde. Hitler meinte noch: „So, jetzt fahren Sie los, nehmen Sie sich genug Bewaffnete mit und schießen Sie jeden nieder, der Ihnen irgendwie verdächtig ist." Von Berlin kam die Telephonnachricht, auf dem Wilhelms-
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platz seien Truppen aufmarschiert. Als Hitler, übrigens irrtümlich, hörte, es seien SS, sagte er: „Gott sei Dank, es sind unsrige." Die Situation in Berlin erklärt Schmidt als ausreichend klar. Einige der Hauptarrangeure waren geneigt. Gelang es, war man geneigt mitzutun, gelang es nicht, dann wollte man nicht dabei gewesen sein. Besonders kam dieser Standpunkt bei General v. Hoepner zum Ausdruck. Aber auch Feldmarschall v. Witzleben war nicht weit davon entfernt. Viel schöner benahmen sich Jüngere. Generaloberst Fromm schwankte besonders stark. Er tat halb, als wolle er mit, halb, als sei er dagegen. Jedenfalls hat er dem armen Beck unter vier Augen den Gnadenschuß gegeben. (Beck hat sich am 20. abends im Zimmer von Generaloberst Fromm zuerst selbst einen Schuß beigebracht. Fromm schickte die anderen Anwesenden weg, man hörte nachher einen weiteren Schuß, dann trat Fromm mit den Worten aus der Tür: „Eben hat sich Generaloberst Beck erschossen." Alle aber meinten, daß er selbst es tat. Später ist dann auch er erschossen worden. Besonders viel hat Goerdeler verraten, den man bekanntlich erst nach längerer Zeit, vor seinem Abflug nach Schweden, erwischte; er sagte auch alle Mitwisser.) Das Volksgericht war wohl eine der greulichsten Farcen, die es je gegeben. Freisler 21 ) war seines Zeichens ursprünglich Kommunist und bald nach dem Ersten Weltkrieg stellvertretender Volkskommissar in Moskau. Ende der zwanziger Jahre kehrte er zurück und wurde sofort radikales Mitglied der N S D A P , als welches er sich im Volksgerichtshof besonders demagogisch und gemein betätigte. Er fiel nach den Prozessen im Keller des Volksgerichtshofes einer Bombe zum Opfer, die ihn so zerriß, daß man nichts mehr von ihm fand. Schmidt war bei verschiedenen Verhandlungen anwesend und erzählt Schaudervolles. Die Tschekaprozesse in Moskau seien ein Kinderspiel gewesen. Von der Aufmachung angefangen, zum Beispiel von der weiten Zivilhose Witzlebens, die der Angeklagte unausgesetzt halten mußte, damit sie nicht herunterfiel, was doch einigemal geschah. Übrigens war auch ein Jesuitenpater 2 2 ) verwickelt. Einer der Mitschuldigen hatte vor der T a t bei ihm gebeichtet und dabei einen Tyrannenmord in Aussicht gestellt. V o r dem Geständnis, daß der Name Hitler gefallen sei, fiel der Pater in Ohnmacht, dann bekannte er es ein. Auch er endete auf dem Galgen. Der Befehl, den T o d durch Erhängen zu vollziehen, ging für den ganzen Prozeß von Hitler aus, der auch sonst des öfteren eingriff, namentlich bezüglich der vom Ehrenhof zu überstellenden Offiziere. Die Verurteilten wurden nur mit Schwimmhosen bekleidet unter den Galgen geführt und mußten auch diese unmittelbar vor der Exekution ablegen. Als Witzleben bat, man möge ihm das Hemd belassen, wurde es 2 I ) Roland Freisler (Celle, 1893 bis 3 . 2 . 1 9 4 5 , Berlin), Jusstudium, Kriegsdienst im 1. Weltkrieg, 1915 in russ. Kgf., bolschewistischer Kommissar in Sibirien, 1920 zurück nach Deutschland, Rechtsanwalt, 1925 zur N S D A P , 1932 in den preuß. Landtag, I I I / 1 9 3 3 Leiter der Personalabt. im preuß. Justizministerium, 1934 bis 1942 Staatssekretär (ab V / 1 9 3 5 im Reichsjustizmin.), SA-Brigadeführer, V I I I / 1 9 4 2 Vorsitzender des Volksgerichtshofes.
" ) Alfred Delp (Mannheim, 1 5 . 9 . 1 9 0 7 bis 2 . 2 . 1 9 4 5 , hingerichtet in Berlin), Dr.theol., 1925 in den Jesuitenorden eingetreten, 1937 Priesterweihe, 1937 bis 1941 Mitarbeiter von „Stimmen der Zeit", 1941 bis 1944 Seelsorger in Mlinchen-Bergesheim, Mitglied des Kreissauer Kreises der Gegner des NS-Regimes, nach dem 2 0 . 7 . 1 9 4 4 verhaftet.
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abgelehnt. Helldorf 2 3 ), Polizeipräsident von Berlin, mußte bei mehr als einem Dutzend von Verurteilten bei der Justifizierung zusehen, ehe die Reihe an ihn kam. Ein Filmer des Promi hätte sich besonders gefreut, die entsetzlichen Szenen filmen zu dürfen. Bei Beginn des Putsches in Berlin saßen alle Minister im „Promi" bei einem Vortrag. Man hätte sie dort glattweg verhaften können. Die ganze Sache war aber äußerst ungeschickt vorbereitet. Ebenso geschickt wie tapfer hat sich, wie auch Schmidt bestätigt, mein junger Freund Haeften - „jung", er war etwas über 40 - benommen. Es gelang ihm, von Freisler Redefreiheit abzulisten, und er vermochte mehr als alle anderen alles zu sagen, was ihm auf dem Herzen lag. Dagegen hatte Goerdeler in unglaublicher Weise sämtliche Mitvertraute angegeben - und was er vergaß, entnahm man seinem unglaublich genau geführten Tagebuch, das dem Gerichte vorlag . . . Zu Hitlers Ende: Hitler hatte den Entschluß, sich umzubringen, wohl erst in den allerletzten Tagen gefaßt. 2 Tage vorher bestimmte er Dönitz zu seinem Nachfolger. Gleichzeitig ernannte er Goebbels zum „Premierminister" und Seyß-Inquart zum Minister des Äußeren - eine ungeheuerliche Verkennung der Lage. Wie mir Lammers 1943 bei einem Besuche in Berchtesgaden erzählte, strampelte der kleine „nachgedunkelte Schrumpfgermane" schon damals nach diesem Posten, es wehrte sich jedoch Ribbentrop. Himmler war in den letzten Wochen kaum mehr bei Hitler. Schmidt glaubte zu wissen, daß sich Hitler und seine Getreuen durch Giftinjektionen töten ließen. Nie ist mir die Tragödie der Nation in der ganzen Welt mit schrecklicherer Deutlichkeit vor Augen getreten als bei dieser Unterredung. Ich war zutiefst erschüttert. 20. Juni: Die Zeit vergeht, es ist bald 7 Wochen, daß ich meine Freiheit verloren habe. Ich gehe jetzt jeden T a g beim Viehtrieb mit einem ungarischen Generalmajor namens M 2 4 ), zuletzt Distriktskommandant in Steinamanger. Er ist Neustädter 1912 und wurde 1915 als Adjutant beim Infanterieregiment 23 gefangengenommen; kehrte 1920 aus Sibirien zurück. Wir sprachen viel über unsere gemeinsamen Bekannten, vom alten Ferjentzik angefangen, und auch über die allgemeine ungarische Tragödie, die sich nun vollendet hat und noch schrecklicher vollenden wird. Seine Schilderungen über den Staatsstreich Oktober 1944 sind unerhört ergreifend. H o r t h y hat seinen Radio-Aufruf schon längere Zeit im Schreibtisch gehabt. Die Versuche Källays, mit den Westmächten auf gleich zu kommen, waren insofern gescheitert, als diese erklärten, gerade in der ungarischen Frage ohne Russen nichts machen zu können. N u n fingen die Magyaren mit Tito zu verhandeln an. Ein Abgeordneter Titos, der 23 ) Wolf Heinrich Graf Helldorf (Merseburg, 14.10.1896 bis 15.8.1944, hingerichtet in Berlin), Offizier, nach 1918 Freikorpsangehöriger, 1925 Landtagsabg. f ü r die N S D A P in Preußen, 1933 Reichstagsabg., III/1933 Polizeipräsident in Potsdam, VII/1935 in Berlin, Anteil an der Verschwörung vom 20.7.1944, danach verhaftet, gefoltert und zum T o d e verurteilt. 24 ) Es könnte sich handeln um: Paul Magyar (Zombor, 5.1.1891 bis 1961, Veszprim), der am 18.8.1902 zu IR 86 ausgemustert wurde, 1.1.1915 Oblt. in russ. Kgf., 2.10.1918 Hptm., Übernahme in die H o n v e d , 9. H I R , 1.5.1930 Mjr., 1.5.1935 Obstlt., 1938 Kmdt. des 17. Grenzschutzbaons, 1.9.1940 Obst. u. Kmdt. der Fünfkirchner Militäroberrealschule, V1II/1942 Kmdt. 9. H I R , 1943 Kmdt. d. 9. Grenzbrigade, 1.2.1943 Gen. Mjr., YIII/1943 bis 11/1944 Kmdt. des 23. Militärbezirkes in Kaschau.
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mit dem jungen Horthy reden sollte, war bereits in Budapest. Die SS kam darauf, nahm dem Mann die Uniform ab und schickte einen der ihrigen verkleidet auf den Ort des Zusammentreffens. Es kam im Laufe der Unterredung zu einer Revolverschießerei, im Zuge derer Nikolaus Horthy verwundet wurde. Er wurde deutscherseits abgeführt. In der Wut soll der Alte den von ihm entworfenen und nur vom Kabinettsdirektor durchgesehenen Aufruf herausgelassen haben. In der letzten amerikanischen Armee-Zeitung ist ein Artikel, der unseren Herren ich bin jenseits von Gut und Böse - vielerlei Nachdenken bereitet. Die ganze deutsche Schwerindustrie soll zerschlagen und die Leitung der einzelnen Werke in amerikanische Hände übergehen. Schon seien über 100 besonders geschulte amerikanische Offiziere am Werk. Ich halte diese radikale Knechtungspolitik natürlich für verfehlt, bemerkte aber zu meinem Zimmergenossen Goltz, daß wir in Polen und in der Ukraine auch versucht hätten, die gesamte Intelligenz wegzuräumen und von ähnlichen Versuchen auch für ganz Rußland geträumt hatten. Goltz brauste auf, faselte etwas von unkultivierten Völkern und grollte, ich möge doch nicht immer uns unrecht geben. Ich erwiderte ein paar scharfe Worte und verharrte weiterhin in Schweigen, bis er wiederkam. Er ist eben auch Vertreter der Herrenrasse! Sehr dezidiert zieht das amerikanische Militärblatt auch gegen das Fraternisieren los. Es sollen wegen dessen gegenüber amerikanischen Soldaten schwere Strafen gefallen sein. Nun will aber die amerikanische Zeitung auch haben, daß gegenüber sich anbiedernden Deutschen scharf vorgegangen werde. Recht geschähe diesen! Aber grundsätzlich muß man sich doch fragen: Wohin soll dies alles führen? Allerdings sind seit Kriegsende erst 6 Wochen vergangen. Allerdings haben die Amerikaner von diesem Kriege am wenigsten zu leiden gehabt. Alles ist grauenvoll. Wir danken unserem Führer, der sich so tapfer aus der Affäre gezogen hat. Eben fällt mir von den gestrigen Gesprächen noch etwas ein. Schon zu Weihnachten 1942 wurde ein höherer Beamter zum Tode verurteilt und hingerichtet, weil sein Notizbuch in einer Tagebuchaufzeichnung Zweifel an den Sieg enthielt. Diese Strafpraxis blieb bis zum Schluß. Noch im März 1945 wurde ein Oberstleutnant Graf Rietberg 25 ) hingerichtet, den ein „Kamerad" wegen defätistischer Äußerungen denunziert hatte. 21. Juni. Sommeranfang. Was wird dieser Sommer bringen? Geradezu erheiternd ist es, wie von allen Gefangenen keiner mit dem schmählich zugrunde gegangenen Regime etwas zu tun haben will. Betreffs Knoll sagte ich noch in meiner alten Behausung, man werde sehen, daß er noch einmal erklären wird, von den Nazis verfolgt worden zu sein. Und siehe, 2 Tage später erzählte dieser so unduldsame und bösartig gewesene Mensch, er sei wegen einer Vorlesung, in der er behauptete, die englische Hautfinance sei nicht jüdisch, von der NS verwarnt worden. Sehr gelungen ist auch mein jetziger Zimmergenosse. Er hieß allgemein der Nazi-Advokat. Dennoch weiß dieser Mann, der mir langsam auf die Nerven geht, von nichts anderem zu reden als von seinem grandiosen Urteil am 20. Juli. Es wird nicht lange 25 ) Karl Heinrich Graf Rietberg (Balfanz, 22.1.1914 bis 12.4.1945, hingerichtet bei St. Leonhard am Forst, Niederösterreich), Obstlt. d. G.
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dauern, und er wird die Bombe neben Hitler niedergelegt haben. - Das Zusammenwohnen mit Goltz, dessen äußere Lebensgewohnheiten sonst gut zu den meinen passen, hat f ü r mich auch einen Nachteil: Ich muß die Stubenreinigung ganz allein besorgen, da seine Prothese eine solche Arbeit unmöglich macht. Er wäscht lediglich das Geschirr. - Zum 19. Juni habe ich noch nachzutragen. Schmidt sagt, die Erzählung, daß Hitler in der W u t Vorhänge abriß und in Teppiche biß, sei wahr. - Im allgemeinen wird die Haftpsychose immer ärger - wenn nur das Schlußmachen nicht so schwer wäre! Eine schlechte Föhnnacht mit viel Lärm der Posten, deren einer vor unserer T ü r aufgepflanzt ist. Gestern abends war Schmidt mehrere Stunden bei uns. Ich hielt ihn durch Zigaretten fest. Thema I: Sexualleben Hitlers. Nach Schmidts Kenntnis in früheren Jahren eine leicht homosexuelle Rolle. Später seit langem Sadist (mit Peitsche), was auch sonst zu seinem Charakter gepaßt hätte. Schließt die sonst verschleißte Nachricht, nach der er Exhibitionist gewesen sei, nicht als unmöglich aus. Ließ sich über L i s s a b o n - S c h m i d t - H e w e l (vor Schmidt in geschlossenem Kuvert) aus Amerika pornographische Geheimzeitschriften ordinärsten Inhalts kommen. Sah auch sonst gerne Blätter mit pikanten Zeichnungen. Daher nach Meinung Schmidts Verhältnis zu Eva Braun, die ein ganz ekelhaftes, unbedeutendes Frauenzimmer war, durchaus sexuell. Sie wohnte auf dem Obersalzberg neben seinem Zimmer; er geleitete sie stets zu Tisch, sie sagte zu ihm Adolf. Ribbentrop trug jedem, der in das Milieu hineinsah, strengste Diskretion unter Todesstrafe auf. (Ad vocem Exhibitionismus: Feldmarschalleutnant Kutschera 26 ), Generaladjutant Franz I., wurde auf einem Adamitenball erwischt. Als er nächstes Mal vor dem Kaiser erschien, musterte ihn dieser vom Scheitel bis zur Zehe und meinte nachher: „Na, schön müssen Sie ausg'schaut haben!") Der SS-Gruppenführer Fegelein, Verbindungsoffizier von Himmler zu Hitler, hat noch 1944 die Schwester der Eva Braun heiraten müssen. Er hat sich, als sie noch Mädchen war, auf einem Spaziergang hinter dem Führerhaus auf dem Berg mit ihr vergnügt. Sie erzählte es ihrer Schwester, und diese erreichte von Hitler den Befehl, daß Fegelein das Mädchen binnen 8 Tagen heiraten mußte. Die Hochzeit war großartig, das letzte Fest auf dem Berg. Thema II: Weltgeschichte. Ribbentrop kehrte von seiner Londoner Mission mit einem unerhörten Groll gegen Albion zurück. Dennoch tat er während der Polenkrise alles, die Besorgnisse Hitlers wegen der englischen Haltung einzuschläfern. Als Ribbentrop im Dezember 1938 bei Bonnet war, gab dieser irgendwie ein geringes Interesse für Polen zu erkennen. Ribbentrop beeilte sich, nach dem 20. Jänner 1939 dies dem Oberst Beck bei seinem Warschauer Besuch zu sagen. Beck wandte sich offenbar an Bonnet, dessen Antwort in einer Rede am 28. Jänner (?) enthalten war: kein Desinteressement an Polen (daher grimmige Äußerungen, die Ribbentrop am 30. in der Reichskanzlei in meiner Gegenwart zu Lammers machte). Ende M ä r z Reise Becks nach London, wo man ihm den Garantiepakt halb und halb
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) Über J o h a n n N e p o m u k Frh. v. Kutschera (Prag, 1766 bis 20.4.1832, Wien), ab 1805 bis zum Lebensende Generaladjutant Kaiser Franz II. (I.), zuletzt Feldzeugmeister, vgl.: H. Neuhauser, F 2 M Johann N e p o m u k Freiherr von Kutschera, Generaladjutant Franz I., Wr. Diss. 1937.
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„aufnötigte". Denn Beck wollte ihn gar nicht in so feierlicher Form, weil er fürchtete, daß Hitler gegen Polen gereizt würde. Von da an wurde ein eigenes Referat Polen eingerichtet. Der Krieg war gesichert! (Damals erhielten die Wiener Archive die Weisung, polnische Greuel aus dem letzten Krieg zu sammeln.) Einmal mußte Schmidt im Auftrag von Ribbentrop Zeitungsstimmen aus England über dessen Haltung in der Polenfrage sammeln. Schmidt kam zum Ergebnis, daß England nicht mehr zusehen würde. Aber Ribbentrop nahm dieses Resümee nicht zur Kenntnis. Er wollte den Krieg und war nur von dem Gedanken besessen, als Sieger in London einzuziehen. Dagegen war Göring, wie ich schon von Huebers wußte, entschieden gegen den Krieg. Schmidt war dabei, wie Ribbentrop Hitler die Kriegserklärung Englands brachte. Mit dem ernsten Worte „Was nun?" zogen sich die beiden in das Schreibzimmer Hitlers zurück. Der Krieg gegen Polen wurde trotz des bereits erfolgten Einmarsches auf 24 Stunden verschoben. Die Mitschuld Ribbentrops ist doch unvergleichlich größer, als man oberflächlich annehmen möchte. „Er ist ein dummer Narr!" resümierte Schmidt seine Auffassung über seinen Herrn. Im Jahre 1942 brachte Schmidt aus Stockholm, wo er, obgleich verheiratet, eine Braut hatte, den Entwurf eines glänzenden Neutralitäts- und Freundschaftspaktes des Außenministers Günther mit. Günther hatte auch den Wunsch, mit Ribbentrop zusammenzukommen. Ribbentrop war sehr wild, beschimpfte Schmidt, daß er Diplomatie alten Stiles betreibe, und meinte, es gäbe nur eine Lösung, Eintritt Schwedens in den Dreimächtepakt. Auch über den Besuch Molotows in Berlin, November 1940, weiß Schmidt einiges zu erzählen. Molotow erklärte Rußland bereit, in den Dreimächtepakt einzutreten unter folgenden Bedingungen: Desinteresse Deutschlands gegenüber Finnland und Bessarabien, Teilung des Baltikums zwischen Deutschland und Rußland, Bulgarien bei Aufrechterhaltung von Regime und sozialer Ordnung russisches Interessengebiet, rüssische Garnisonen. Deutschland wollte Rußlands Aufmerksamkeit auf persischen Meerbusen, Afghanistan und Indien lenken, Molotow erklärte aber, daß dies kein Besprechungsgegenstand zwischen Deutschland und Rußland sei, umso mehr, als jenes nicht darüber verfüge. Allgemein hat man geglaubt, der Überfall Japans auf Amerika sei eine mit Deutschland abgekartete Sache gewesen. Das Gegenteil ist der Fall. Als die ersten englischen Zeitungstelegramme aufgefangen wurden, hat sie in Berlin niemand, inklusive Oshima, geglaubt. Ribbentrop drehte sich im Bett um und knurrte: „Unmöglich." Unsere Kriegserklärung an Amerika ist ausschließlich auf dem Miste Hitlers gewachsen. Er erließ sie in der Hoffnung, daß Japan an Rußland den Krieg erklären werde. Dem aber fiel es nicht ein. Es hatte einige Monate zuvor mit Moskau einen Freundschaftspakt geschlossen. Ein hiesiger Amerikaner meinte, daß es ohne Kriegserklärung Deutschlands Roosevelt kaum möglich gewesen wäre, bei der Bedrohung des Pazifik Amerikaner nach Europa zu bringen. Wo man hinsieht, ist es scheußlich. - Im Jahre 1943 war Rußland friedensgeneigt. Ein Unterhändler wartete 8 Tage in Stockholm. Wir waren jedoch stolz und erblickten in diesem russischen Akt ein Zeichen der Schwäche, auf das man am besten nicht reagiere! Ribbentrop hatte übrigens in Frage eines bevorstehenden Zusammenbruchs nie die Wahrheit an sich herankommen lassen. Noch Mitte April erhoffte er sich alle möglichen militärischen Entscheidungen.
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Unter den hiesigen Gefangenen macht sich vielfach die bekannte Haftpsychose fühlbar. Ich trachte mich möglichst zu beherrschen. Im allgemeinen behandelt man mich irgendwie als Mann von Distinktion. Der Bürokratismus der Amerikaner ist sehr arg. Gleichzeitig kommen Nachrichten aus der russischen Zone, die wegen ihrer propagandistischen Wirkung selbst den einsichtsvollen Amerikanern einige Sorge bereiten. Tatsächlich weht unter den Gefangenen ein sehr starker „russischer" Wind, wobei speziell bei den Preußen noch alte Velleitäten aus der Hohenzollernzeit hinzukommen. Ich bin noch kein Bolschewik geworden. Mein Spaziergang-Genosse ist seit einigen Tagen Imredy, der den Aufenthalt allhier hauptsächlich seiner Mitwirkung bei der ungarischen Judengesetzgebung „verdankt". Nachmittag sehe ich von meinem Balkon aus den Spaziergang der 15 bis 16 inhaftierten Frauen zu - zum größten Teil junge Gestalten. Unter ihnen auch die dritte Frau Ley, groß, schlank, blond aufgenordet, die langen Beine in Hosen, der Busen angeblich in Hängematte, wie Haftgenossen behaupten. Wegen ihr hat sich die zweite Frau Leys umgebracht; sie hat bereits ein Kind, unterhält sich aber mit den Amerikanern ganz ausgezeichnet! Die Vormittage vergehen verhältnismäßig rasch: aufstehen, waschen, Frühstück, Stubendienst, Spaziergang, ein abwechslungsreiches Programm. Um 12 U h r kommt der ungarische Kriegsgefangene Stanislawsky, ein Jusstudent, der Denks gut kennt, mit dem Essen. Dann zieht sich der Tag. Abendessen kommt zwischen 5 und 6 Uhr, um 9 U h r geht man schlafen. Wenn der Posten vor der T ü r keinen Krawall macht, dann schlafe ich relativ gut. Die Träume sind ungeheuer verwirrt, die H a f t spielt in ihnen immer eine Rolle. Post gibt es überhaupt nicht. Man ist aus der Welt verschwunden. 23. Juni. Fortsetzung vom 22.: Orgien überdimensionalen Umfanges wurden bekanntlich in München um Adolf Wagner und Christian Weber et cetera gefeiert. Man rief um 12 U h r nachts das Chorpersonal des Theaters ins „Kunstheim", ließ es zuerst splitternackt tanzen, und dann kam alles übrige, bis zur größten Schweinerei. Hitler ließ einmal f ü r sich und seinen engeren Stab die Fledermaus in möglichst größter Nacktheit spielen, wobei es auch keine Schürzchen gab. - Die Asche der Verurteilten vom 20. Juli wurde in einen See bei Berlin geworfen oder sonstwo verstreut (auf Befehl Hitlers). Montgomery hat dieser Tage in H a m b u r g eine sehr scharfe Rede gehalten, nach der noch die Enkel der jetzigen Generation in Deutschland vor den Missetaten ihrer Väter gewarnt werden sollen. Wenn er dabei sagt, das ganze deutsche Volk hätte im Falle eines Sieges Hitler genauso zugejubelt, wie es ihn jetzt verleugnet, so hat er recht. Aber welches Volk an Stelle des deutschen hätte im gleichen Falle dies nicht getan? Und wie o f t haben wir während des Krieges in Gesprächen erörtert, wie grauenvoll die Hybris der Partei sein würde, wenn wir siegten? Wie o f t sagte ich in vertraulichen Kreisen, die Geschichte hätte, wenn es gut ausginge, ihren Sinn verloren! Allerdings fürchte ich, daß sie das auf jeden Fall tun werde. Uber Osterreich erfährt man nichts. 28.Juni. T a g um T a g fließen gleichmäßig entnervend dahin. „Sieben U h r aufstehen!" - so lautet der Befehl des mystischen Lagerkommandanten, den noch niemand gesehen hat. Dann ein wirklich gutes Frühstück, annehmbarer Kaffee, Eierkuchen, Haferflockenmilchkoch und dergleichen. Nachher Aufräumen des
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Kriegsgefangenschaft in Salzburg und Augsburg
Zimmers, das ich ganz allein besorge, da mein Stubengenosse mit seinem Holzbein zu schwer beweglich ist. Dann etwa 10.30 U h r Spaziergang auf einer der beiden Wiesen mit den Inwohnern eines zweiten Hauses, mit denen man eigentlich nicht reden dürfte. 12 U h r Mittagessen, das, wie alle Speisen, der ungarische Kriegsgefangene Stanislawsky, seines Zeichens stud, jur., bringt. Meistens auch recht gut, und zwar in unserem Hause gekocht, keine Büchsen (obwohl mir letztere lieber wären, da ihre Auswertung der Phantasie gewisse Entwicklungsmöglichkeiten gewährt). Zwischen 5 und 6 U h r abends ebenso gutes Nachtmahl. 9 U h r schlafen. D e r seltsame „jugoslawische" Oberstleutnant Buden sagt mir, ich sei ausschließlich wegen meiner Tätigkeit in Kroatien hier, die Sache stünde - ich möchte es auch glauben! - recht gut. Meine österreichische Rolle stände gar nicht zur Erörterung. Die kommt erst in Osterreich dran, was mir gar nichts macht - wenn ich's erlebe. Nachrichten von auswärts sickern nur spärlich ein. Über Österreich verlautet, daß es in San Franzisko seine Selbständigkeit wiedererhalten hat 27 ), mit den Grenzen vom 31. Dezember 1937 - also ohne Südtirol, aber mit Klagenfurt, auf das Tito so spitzte. Neuestens heißt es, die Russen hätten weite Strecken des Landes geräumt (als Kompensation f ü r Thüringen), säßen nur mehr in Wien und Graz, wobei Wien jedoch bald auch eine amerikanische und britische Besatzung bekäme. Wahlen fänden sehr bald statt. Gott gebe es, daß es rasch weitergeht. Allerdings sage ich allen Amerikanern, mit denen ich zusammentreffe: „Wenn ihr uns nicht gründlich auch wirtschaftlich helft, so werdet ihr bald wieder mit einer Anschlußbewegung zu rechnen haben." - Für das Auftreten der Amerikaner und Briten in Deutschland galt bisher strengstes Verbot gegen jedes „Fraternisieren". Neuestens soll eine Lockerung geplant sein. Das russische Besatzungsgebiet ist nach wie vor auch gegen die Alliierten hermetisch abgeschlossen. Verpflegungsmäßig soll es dort besser gehen, während in den anderen deutschen Gebieten die Verpflegungsmenge pro Kopf und T a g auf 1000 Kalorien (gegen 4 000 beim Ententesoldaten) herabgesunken ist. Montgomery verkündet allerdings f ü r das britische Besatzungsgebiet die Möglichkeit, es auf 2 000 Kalorien zu bringen. In verschiedenen Teilen Thüringens, wo die Amerikaner den Russen Platz machen, spielt sich eine Massenflucht der Einwohner ab. Ich denke viel an Salzburg, an Wien, an meine W o h n u n g , meine Bibliothek, an meine Getreuen, Frauen und Männer. Werde ich überhaupt noch irgendetwas, irgendwen Wiedersehen? Werde ich f r ü h e r Schluß machen? Flätte ich nur den M u t dazu! Ein sehr angenehmer und interessanter Haftgenosse ist der Gesandte Schmidt. Er ist o f t bei uns und erzählt aus seinem Leben, das trotz seiner 34 Jahre schon überaus reich ist. Gestern gab er seine Berufung zu Ribbentrop zum besten. Es war zum Teil eine Farce. Nicht nur Hitler und H e r m a n n waren Narren, auch Joachim war ein solcher. Schon allein, daß er sich halbe Tage und mehr ins Bett zurückzog, wobei das Zimmer völlig verdunkelt und die elektrische Lampe mit einem T u c h verhängt wurde, 27 ) Die Konferenz von San Francisco wurde am 25.4.1945 e r ö f f n e t und Schloß am 26.6.1945. Die dort vertretenen Unterzeichnerstaaten der Deklaration der Vereinten Nationen einigten sich über die Satzungen der Vereinten Nationen. Bezüglich Österreichs wurden keine speziellen Beschlüsse gefaßt.
Nachrichten über Osterreich und Ungarn
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zeigt den Hysteriker. Likus 28 ), sein seinerzeitiger Adjutant und Schulkamerad, konnte, ohne daß er sich versah, Bürstenabzüge ins Gesicht geschlagen bekommen. Pressepolitisch interessierte Ribbentrop nur das, was ihn persönlich betraf. Wenn ein Staatsbesuch bei Hitler war, dann mußte auf der ersten Seite der Blätter je ein Bild des Besuchers mit Hitler und mit Ribbentrop gebracht werden, wobei letzteres nach Möglichkeit Goebbels durchkreuzte. Eine schlechte Anordnung von Bildern konnte Joachim zum Weißglühen bringen und krank machen. Bei seinen Tobsuchtsanfällen hatte es den Anschein, als entginge man mit knapper N o t einer körperlichen Mißhandlung. Diese Leute haben Deutschland regiert! Falls ich es nicht schon notiert habe: Hitler hat knapp vor seinem T o d e Dönitz zum Führer-Nachfolger, Goebbels zum Premierminister und den guten Seyß zum Außenminister ernannt. Dönitz hat jedoch die Ernennung ignoriert und den Grafen Schwerin-Krosigk das Außenportefeuille verliehen. Unter meinen Mitspazierern befindet sich seit einigen Tagen der ehemalige ungarische Ministerpräsident Imredy. Ihm nimmt man vor allem die Judengesetzgebung übel. Außerdem sah ich aus der Ferne Bärdossy und Remenyi-Schneller 29 ). Die Ungarn sind noch schlechter dran als wir. „Frau Ley" ist weg. Im übrigen wird das Lager immer schütterer. Sehr viel Wohnungen sind fast leer. Das Abgehen vollzieht sich so, daß man eine halbe Stunde f r ü h e r die Verständigung bekommt und nach Verlauf dieser Frist ein Lastauto besteigen muß, dessen Ziel nur der Fahrer weiß. Zwischen General und Hauptmann wird kein Unterschied gemacht, man ist ein Stück Ware geworden. 29. Juni. Imredy und ich haben f ü r heute Kirchgang erbeten. Peter und Paul. Aber es nützt nichts. Wir hatten nicht einmal Ausgang. - Vor einigen Tagen hat sich der jugoslawische Oberstleutnant Buden von mir eine U h r ausgeliehen. Gestern f u h r er, nachdem er sich vom Professor Christian eine zweite „ausgeliehen" hatte, samt seinem lettischen Diener weg. Er will in einigen Tagen wiederkommen. Sein Auto ist dageblieben. Zuerst habe ich mich wahnsinnig geärgert, jetzt bin . . . [Manuskript bricht ab].
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) R u d o l f Likus (?), S S - O b e r f ü h r e r , V o r t r a g e n d e r L e g a t i o n s r a i , 1938 bis 1945 im p e r s ö n l i c h e n Stab des Reichsaußenministers. 29 ) L a j o s R e m e n y i - S c h n e l l e r ( B u d a p e s t , 1 5 . 3 . 1 8 9 2 bis 2 4 . 8 . 1 9 4 6 , h i n g e r i c h t e t in B u d a p e s t ) , B a n k f a c h m a n n , 9 . 3 . 1 9 3 8 bis 1 6 . 1 0 . 1 9 4 4 F i n a n z m i n i s t e r .
LETZTE MANÖVERKRITIK ADOLF HITLERS „GROSSDEUTSCHE" POLITIK Nürnberg, Allerseelen 1945 Vor einigen Tagen ist mir eine Schrift in die Hände gekommen, in der Dr. SeyßInquart das Selbstbestimmungsrecht des deutschen Volkes, das österreichische Problem und einiges über die Frage der sogenannten „Volksdeutschen" behandelt, er tut es nach seiner Gewohnheit, mit der ihm - gleich Schuschnigg - eigenen Lust an Formulierungen, ohne den Trieb, in die Tiefe des Problems vorzudringen. Seine Ausführungen sind es, die mich zu diesen Zeilen anregen. Darin hat Seyß recht, daß auch das deutsche Volk - gleich den Franzosen in früherer Zeit und den Italienern, Griechen, Serben, Polen im 19. und 20. Jahrhundert - Anspruch auf die Ausübung des neuerlich durch Wilson unter dem Beifall aller demokratischen Mächte verkündeten Selbstbestimmungsrechtes hatte. Für die Deutschen wurde die Frage nach dem Zusammenbruch des Habsburgerreiches in allen Gebieten südöstlich und südlich der Reichsgrenze aktuell, in denen insgesamt zehn Millionen Deutsche in geschlossener, breit hingelagerter Siedlung wohnten; die Deutsch-Österreicher und die Sudetendeutschen. Gleichzeitig zeigte sich aber zu Versailles, daß auch die Durchsetzung so edler Grundsätze, wie sie Woodrow Wilson verkündete, in dieser ärmsten aller Welten nicht im luftleeren Raum stattfinden kann. Übten diese zehn Millionen Deutschen ihr Selbstbestimmungsrecht aus, so konnte es nach der Lage nur in dem Sinne geschehen, daß sie die Vereinigung mit dem großen Volkskörper im Reiche anstrebten. Ein solcher Wunsch entsprach sicherlich dem Naturrecht. Aber seine Erfüllung mußte eine neue Verschiebung der Machtverhältnisse in dem so komplizierten mitteleuropäischen Raum herbeiführen, eine Verschiebung, die den Siegern und ihren Assoziierten nicht in ihr Konzept paßte. Eine Einverleibung Deutschösterreichs - wir gebrauchen der Deutlichkeit halber, zur Unterscheidung von dem alten, großen Osterreich, mitunter diese Bezeichnung - führte das eben noch geschlagene Deutsche Reich auf den Brenner, eine Machterweiterung, die zumal Mussolini bis zu seinem Raubzug gegen Abessinien schon gar nicht wünschte, und sie ließ das Reich mit dem gewaltigen Block agrarischer Südoststaaten in engste Tuchfühlung treten, wobei es sich rittlings auf die alte Heerstraße nach Stambul und Bagdad setzte, was wieder bei vielen anderen Mächten Bedenken hervorrief. Daß sonach Hitler am 12. März 1938 mit seinem Einmarsch in Österreich einen gordischen Knoten zerschlug, der im Wege einer
Hitler gegen Osterreich
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europäischen Verständigung schwer genug zu lösen gewesen wäre, ist kaum zu leugnen. Wenn der Deutschösterreicher, nicht ahnend, was kam, den Anschluß zunächst als Befreiung aus einer fast unmöglichen erscheinenden Lage begrüßte, so hat daran die politische und wirtschaftliche Impotenz der Westmächte in der österreichischen Frage keinen geringen Anteil, zumal als seit 1933 über die deutsche Grenze herüber ein Wirtschaftsaufschwung ohnegleichen zu leuchten schien. D a ß diese deutsche Wirtschaftskonjunktur in Wirklichkeit eine gigantisch aufgezogene Scheinkonjunktur gewesen ist, die dem wirtschaftlichen Gesetz über die Aufeinanderfolge von Konjunktur und Krise unterworfen war - Hitler hat es selbst in einer am 22. August 1939 an Generale gehaltenen Ansprache indirekt einbekannt - , hat fürs erste niemand bemerkt, am wenigsten der Arbeitslose, der in seiner Heimat bis zum 25. Lenz und darüber hinaus noch nie in den Arbeitsprozeß eingeschaltet war und dem auf einmal jenseits der Reichsgrenze unerhörte, durch ins Reich geflüchtete Kameraden immer wieder bestätigte Möglichkeiten winkten. Ebenso ist es Tatsache, daß sich andererseits das nationalsozialistische Deutschland die Gelegenheit nicht entgehen ließ, zur Erzwingung der von ihm gewünschten politischen Entwicklung den „Bruderstaat" nach Möglichkeit wirtschaftlich ins Bein zu kneifen, diesen Bruderstaat, der zu drei Vierteilen seines Exportvolumens auf die Ausfuhr ins Reich angewiesen war. Dies galt auch f ü r die kurze Spanne Zeit nach dem Abkommen vom 11. Juli 1936, das angeblich den Frieden zwischen Hitler und Osterreich wiederherstellte. Wie schlecht es mit diesem Frieden auch nachher selbst auf wirtschaftlichem Gebiete aussah, erwies sich z.B.daraus, daß die Tausendmarksperre, eine w a h r h a f t teuflische Erfindung, die den österreichischen Fremdenverkehr aufs empfindlichste traf, abgeschafft wurde, die Ausreise Reichsdeutscher nach Osterreich aber durch Devisenzuteilung auch weiterhin außerordentlich gedrosselt und nur auf verläßliche Parteigenossen beschränkt bleiben konnte. Der 12. Februar 1938 brachte dann sogar eine neue, wenn auch verschleierte Kriegserklärung Hitlers. Inzwischen hatten aber auch die bisher um die österreichische Selbständigkeit besorgten Westmächte schon im Herbst 1937, wie auch der gut unterrichtete Martin Fuchs in seinem Buche „Un pacte avec Hitler" unterstreicht, die Unabhängigkeit des von ihnen gestützen Staates Osterreich so gut wie abgeschrieben. Noch schwieriger als mit Osterreich gestaltete sich das Problem der Selbstbestimmung der Deutschen in bezug auf die Tschechoslowakei, diesen allerdings höchst untraditionellen kleinen Abklatsch des habsburgischen Völkerreiches. In der „Verzahnung" des national so bunten „Zwischeneuropa", das sich vom Baltikum bis zur Agäis erstreckt, bedeutete die Anwesenheit der Tschechen in dem strategisch und wirtschaftlich so wichtigen böhmischen Becken und seinem gegen die Donau absinkenden mährischen Glacis seit je ein besonderes Problem, das noch dadurch kompliziert wurde, daß die Ackerbau treibenden Tschechen einstmals die Rodung und Besiedelung der Randgebirge deutschen Kolonisten überlassen hatten. Ob ein Teil der Deutschen in Böhmen und Mähren als Uberrest älterer Siedler zu betrachten ist oder nicht, ist in unserem Zusammenhang gegenstandslos.
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Letzte Manöverkritik
Die römisch-deutschen Kaiser des hohen Mittelalters haben sich gegenüber dem böhmischen Problem damit geholfen, daß sie den König von Böhmen in eine allerdings lose Abhängigkeit vom Reiche brachten; später gehörte dieser sogar dem Kurfürsten-Kollegium an, und Ottokar II. Przemysl hatte den Ehrgeiz, selbst Deutscher Kaiser zu werden. Unter den Habsburgern war die tschechische Frage zuletzt ein innerpolitisches Problem, gewiß keines der leichtesten des mit schwerer Problematik belasteten Reiches. Nach 1918 versuchten sich die Tschechen dadurch ein wenig besser vor der deutschen Umklammerung zu salvieren, daß sie einen Arm bis in die Waldkarpaten ausstreckten und dort Rumänien die Hand reichten. Das böhmische Kernland jedoch, Böhmen-Mähren, blieb nach wie vor von drei Seiten her durch den großen deutschen Volkskörper eng umfaßt; in der Zeit des Motors vermochte eine Panzerkraft in wenigen Stunden von Ostrau nach Lundenburg durchzustoßen und die Slowakei von den westlichen Gebieten abzuschnüren. Andererseits lebten die deutschen Siedler im Böhmerwald, in Nordböhmen und im nordmährischen Raum in enger Verschlingung mit den die Beckenlandschaften ausfüllenden Tschechen. Diese paar Andeutungen machen es verständlich, daß die Tschechen die größten Gegner einer staatsrechtlichen Vereinigung Österreichs mit dem deutschen Reiche waren. Wohl war schon die nationale und kulturelle Bindung der Deutschösterreicher, die nach dem Zusammenbruch Altösterreichs unvergleichlich stärker hervortrat, von den Tschechen als ständige Bedrohung empfunden worden. Aber diese mußte unvergleichlich größer werden, wenn die Gemeinschaft zwischen Deutschösterreich und dem Reich ins Politische und Militärische ausreifte. In der Tat hatte Hitler sofort nach dem Anschluß Österreichs dieses zu einem Aufmarschraum gegen die Tschechoslowakei ausersehen. Und die Lösung nach München gab die Tschechen noch mehr in die Hände des Deutschen Reiches. Nun waren sie auch ohne Hacha und ohne den 15. März 1939 rettungslos mit ihrem Schicksal an Berlin gekettet. Sich mit den Deutschen irgendwie abzufinden, war den Tschechen als hartes Geschenk in die Wiege gelegt worden. Die Habsburgermonarchie hatte bis dahin den Tschechen die besten nationalen Sicherheiten gewährt. Daß diese dennoch es mit der Zerstörung dieses übernationalen Reiches besonders eilig hatten, gehört zu den Seltsamkeiten der europäischen Entwicklung. Was nun das Münchener Abkommen vom 29. September 1938 betrifft, so hätte kein „gelernter Altösterreicher" dieses unerhörte Zugeständnis an den europäischen Frieden — ein solches war es vor allem — für möglich gehalten. Denn dieser Schiedsspruch, der überdies nachträglich die Einverleibung Österreichs anerkannte, bedeutete nicht mehr und nicht weniger als die völlige Preisgabe des zu Versailles aufgebauten mitteleuropäischen Machtsystems, womit nicht gesagt sein soll, daß dieses ein ideales gewesen ist. Allerdings war sich Hitler seines einzig dastehenden politischen Erfolges nach München keineswegs bewußt. Er hätte zu gerne die Tschechoslowakische Frage auf einmal, und zwar durch die Gewalt der Waffen, gelöst, letzteres trotz der Warnungen seines Generalstabes. Er kehrte aus München mit dem Gefühle heim, daß ihm Daladier und Chamberlain bei einem aussichts- und ruhmvollen Unternehmen „in die Arme gefallen" seien, und sann auf neues Unheil. (Gespräche des Schreibers dieser Zeilen Mitte und Ende Oktober 1938.)
Die Frage Tschechoslowakei
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Im nachhinein ist sicherlich die Frage zu stellen, ob es nicht andere, „europäischere", Lösungen beider - des österreichischen und des sudetendeutschen Problems - gegeben hätte. Sie wären auf der Basis eines weitmaschigen förderalistischen Prinzips zu finden gewesen. Eine solche Lösung hätte - natürlich den guten Willen aller Beteiligten, auch Deutschlands, vorausgesetzt - erstens die Erhaltung der österreichischen Eigenstellung sichern können, was im deutschen und im europäischen Interesse gewesen wäre. Und zum zweiten hätte man den Fortbestand der Tschechoslowakei als einer in ihren Kernländern vorbildlichen geographischen und wirtschaftlichen Einheit erzielen können, indes München eine unhaltbare Grenzziehung brachte. Selbstverständlich hätte Prag gezwungen werden müssen, unter einer internationalen Garantie einen wirklich inneren Frieden mit den deutschen Mitbürgern zu schließen, sei es durch Zubilligung einer territorialen oder einer personellen Autonomie oder beider an die Deutschen (siehe etwa mährischen Ausgleich von 1910). Ebenso wäre eine wirkliche, seelische Annäherung zwischen Prag und Berlin die Voraussetzung gewesen. Beides war mit Hitler unmöglich, wie wir heute wissen und besonders kluge Leute schon damals gewußt haben wollen. Föderalistische Lösungen hätten auch, ohne daß man sich an ein Schema sklavisch zu halten hatte, weiteren Entwicklungen in Osten und Südosten als Vorbild dienen können. Denkt man noch die Möglichkeit einer deutsch-französischen Verständigung durch, so ahnt man, welche ungeheure historische Möglichkeit sich einem maßvollen Hitler nach München geboten hätte. Aber dieser Amokläufer durch die Geschichte, der in der Jugend in die Schule Schönerers, des unglücklichsten österreichischen Politikers, gegangen und dann als Renegat zum Widerpart des Österreichers geworden ist, hatte weder die Einsicht noch die Gesinnung, noch die Ruhe, solche Gegebenheiten heranreifen zu lassen und auch die von ihm ins Leben gerufene Bewegung war bei ihrer außenpolitischen Unfähigkeit zu solchem T u n ungeeignet. Allerdings boten auch die Stimmen, die außerhalb von Deutschland im europäischen Staatenkonzert laut wurden, die italienische keineswegs ausgenommen, noch sehr, sehr wenig Voraussetzungen f ü r das Werden einer wirklich europäischen Kombination. Die Sachen stießen sich eben im Räume und boten einem grandiosen politischen Gangster, wie es Hitler war, Gelegenheit genug, die andere Welt vor vollzogene Tatsachen zu stellen. In der Folge wurde die kleine, vielgegliederte Halbinsel Eurasiens, die einstmals Anspruch auf die Weltherrschaft erhob, durch einen furchtbaren Krieg in äußerst unsanfter Weise an die bescheidene Stellung erinnert, die ihr auf dem Globus nach Größe und Bevölkerung eigentlich zukommen würde. Das deutsche Volk hatte in grauer Vorzeit das Unglück, das Volk der europäischen Mitte geworden zu sein. O b machtvoll, ob in Ohnmacht, sein Schicksal war immer gleich schwer. Im 19. Jahrhundert haben zwei Männer grundverschiedener Art, Metternich und Bismarck, jeder auf seine eigene Weise, noch besonders eindrucksvoll gegen dieses Schicksal gerungen. Die östliche Anlehnung kleiner Völker, jenseits deren sich einst im Südosten das Reich der Kalifen zu gewaltigen, bis Wien führenden Eroberungszügen aufmachte und jetzt im Osten das gewaltige russische Reich mit seinen Geheimnissen dehnt, stellt das europäische Volk der Mitte immer wieder noch vor besondere Aufgaben, deren jede aber keineswegs nur
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Letzte Manöverkritik
eine deutsche, sondern zugleich eine europäische, eine solche der europäischen Gewichtsverhältnisse gewesen ist. Manche Last aus diesem Sektor nahm der deutschen Nation das auch von ihren Führern mitunter sehr geschmähte Habsburgerreich ab; mancher Zwist, der sonst als Krieg mit den Waffen ausgetragen worden wäre, wurde auf dem Boden der Donaumonarchie im unblutigen innerpolitischen Kampfe ausgetragen. So ist seltsamerweise Adolf Hitler, der sein einstiges großes Vaterland gehaßt hat wie kein zweiter und erst durch die Berührung mit dem Südosten ein wenig auf die österreichischen Verwaltungs- und Kulturleistungen gestoßen wurde, durch seinen Krieg der Rächer der unsinnigen Tat geworden, die man durch die Zertrümmerung Altösterreichs begangen hat. Es gehört zu unserem Thema, gleichfalls daran zu erinnern, daß völkische, verwaltungsmäßige und wirtschaftliche Spuren dieses Reiches im Südosten noch zu Beginn dieses Krieges existierten - völkische besonders interessant im weiteren Mündungswinkel der großen Ströme Donau, Theiß, Drau und Save. Wer etwa auf der uralten Straße von Belgrad nach Peterwardein fuhr, der fand hier, wie zu einem Rosenkranz aufgereiht, blühende Ortschaften aller Nationen des einstigen Donaureiches: deutsche, magyarische, tschechische, slowakische, slowenische, kroatische und serbische natürlich auch und sogar wallachische. Das waren Wegspuren des Prinzen Eugen, Maria Theresias, des zweiten Joseph und ihrer Nachfolger. Diese Wegspuren griffen nach 1878 über die Save, nach Bosnien hinüber, durch dessen Hauptader, das Bosnatal, schon Prinz Eugen an der Spitze von zweitausend Eisenreitern geritten war. Auch aus diesen Erinnerungsmalen altösterreichischer Verwaltungs- und Kulturtätigkeit wurden nun durch Hitlers Krieg die bedeutendsten Marksteine herausgebrochen, indem das dort vorhanden gewesene deutsche Siedlerelement der Vernichtung zum Opfer fiel oder doch ihr entgegengeht. Deutsche „Volkstumsarbeit" lag vor 1933 im Reiche vornehmlich in den Händern des V.D.A., des Vereins der Auslanddeutschen. Den sogenannten deutschen Volksgruppen war von diesem grundsätzlich als Leitlinie gegeben worden, vom Reiche nur kulturelle und eventuell bescheidene wirtschaftliche Unterstützung zu erwarten. Politisch habe sich jeder „Volksdeutsche" vorbehaltlos auf den Boden des Wirtsstaates zu stellen. Nun ist es gewiß richtig, daß der Minoritätenschutz, der in Versailles gegenüber den Mittel- und Kleinstaaten vorgesehen war, vielfach nicht seinen vollen Zweck erreichte. Allerdings ging es den deutschen Minderheiten im Donauraum noch immer besser als im einstigen historischen Ungarn, wo etwa ein Aufstieg in die führende Klasse nur unter Verzicht auf das ererbte Volkstum möglich war. Nach 1918 hatten die Volksdeutschen des Donauraumes wohl an den Nachkriegs- und anderen wirtschaftlichen Lasten schwerer zu tragen als die betreffenden Staatsnationen, aber ein gewisses Maß an Eigenleben war ihnen in Schule, Presse usw. doch verbürgt, in den einen Staaten mehr, in anderen weniger. Da kam der Nationalsozialismus und erwies sich auch in diesem Bezirke als Element der Zerstörung. Rauschning, der Danziger „Renegat", erzählt in seinem zweiten Buche „Hitler et moi", wie der Führer bald nach der Machtergreifung zur Auslandsorganisation der Reichsdeutschen auch über Einstellung und Pflichten der Volksdeutschen gesprochen habe. Was er sagte - die Rede ist meines Erinnerns bei Rauschning ziemlich im Wortlaut enthalten - , war eine völlige Abkehr von den
Volksgruppenfragen
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bisher vom V.D.A. verfochtenen Grundsätzen. Den Begriff „5. Kolonne" gab es damals noch nicht, er kam erst im Spanischen Bürgerkrieg auf. Aber alles, was man seither unter diesem Bilde versteht, verlangte Hitler von den Volksdeutschen: Aufgabe jeder Treueverpflichtung gegenüber dem Wirtsstaate, bedingungslosen Gehorsam gegenüber seinen (Hitlers) Befehlen, vollste Opferbereitschaft in diesem Sinne. Was Hitler unter solchen „Aufträgen" verstand, hat man in diesem Kriege vor allem in Polen und Jugoslawien erleben können. Den Eindrücken, die durch Greuelnachrichten über an den Volksdeutschen begangenen Untaten erweckt werden sollten, mußte allerdings noch durch die Propaganda Dr. Goebbels nachgeholfen und nötigenfalls auch durch drastischere Mittel, wie etwa dadurch, daß Himmler vor Ausbruch des Polenkrieges Grenzzwischenfälle durch als polnische Soldaten verkleidete deutsche KZ-Sträflinge ausführen ließ. Begreiflicherweise war schon im Frieden der neue Wind, der unter den Volksdeutschen auf Geheiß Berlins zu wehen hatte, nicht verborgen geblieben. Begreiflich auch, daß manche Herausforderung zu Gegenmaßnahmen verleitete, die f r ü h e r nicht vorgekommen waren. Ein Sonderkapitel nationalsozialistischer Politik wurde die Behandlung der Volksgruppenfrage während des Krieges. Für die Deutschen Südtirols hatte Hitler dem Duce zu Gefallen die Aussiedelung vorgeschlagen. Auch als nach Kriegsausbruch die Möglichkeit eines Aufschubes dieser Maßnahme bestand, weigerte sich Hitler, auf diesen Gedanken einzugehen. Während Südtiroler Kompagnien an der Front bluteten, ließ Himmler auf Befehl des Allgewaltigen f ü r die Urenkel der Freiheitskämpfer von 1809, deren Vorfahren schom im 7. Jahrhundert auf ihrer Scholle gesessen waren, zuerst in den Beskiden, dann bei Beifort und schließlich auf der Krim neue Heimstätten ausforschen. Die deutschen Bauern an der Etsch und am Eisack blieben allerdings zum größten Teil auf ihren H ö f e n . Die Italiener, nicht geneigt, Gebirgsbauern zu werden, hatten es mit der Vertreibung der Deutschen weniger eilig als der gottgesandte Führer des deutschen Volkes. Dessen Dankbarkeit für Anhänglichkeit und Vertrauen kennenzulernen, hatten die deutschen Südtiroler in tragischer Weise Gelegenheit. Auch f ü r die wolhynischen Deutschen und die deutschen Bauern des später von Rußland annektierten Bessarabien wurden von Hitler mit Sowjetrußland Aussiedelungsverträge abgeschlossen. In der Slowakei, in Ungarn, Rumänien und Kroatien wurden die Regierungen fürs erste genötigt, den deutschen Volksgruppen eine Autonomie einzuräumen, die sie zu einem Staat im Staate machte. Dies war natürlich Unfug. Denn solange das Reich stark war, bedurften auch entferntere Volksgruppen keines so weitgehenden Schutzes, zumal keines solchen, der sie zum Teil der Staatsgewalt des Wirtsstaates entzog und auf das Staatsvolk nur aufreizend wirkte. War das Reich aber nicht mehr genügend stark, dann war der beste Volksgruppenschutz bedeutungslos; die Volksgruppe war in einem solchen Falle erst recht dem Wirtsstaate auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, und dieser sann höchstens darüber nach, sich so unangenehmer Zeitgenossen wie der Volksdeutschen möglichst zu entledigen. Natürlich trug Himmler als „Reichskommissar f ü r die Festigung des deutschen Volkstums" Sorge dafür, daß an Stelle gemäßigter Volksgruppenführer radikale Leute gesetzt wurden,
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verläßliche Parteigenossen, die als SSFührer noch besondere Bindungen an ihn hatten. Bodenständigkeit im Wirtslande war weniger wichtig. Geradezu grotesk war es, daß im Bereiche der Volksgruppen Doppelvereidigung auf das Staatsoberhaupt des Wirtsstaates und zugleich auf Adolf Hitler als den obersten Führer des deutschen Volkes Mode wurde. „Freiwillige" SS-Kämpfer aus den Reihen der Volksdeutschen sahen sich auf dem Schlachtfelde an beide Eide gebunden, eine ethisch unmögliche Angelegenheit. Daß Heinrich Himmler in seinem Traum von einem den Krieg überdauernden stehenden SS-Heer sehr bald auf die gesamte Männlichkeit der Volksgruppen zu greifen begonnen hat, versteht sich von selbst. Man findet in einzelnen Gefangenenlagern ζ. B. auffallend viele Volksdeutsche aus der ehemals ungarischen Batschka. Sie wurden einfach, auch durch Terror, sogar solchen der eigenen Leute, dazu gezwungen, „freiwillig" bei der Waffen-SS zu dienen, und sind damit, inzwischen meist ihrer Familie und ihrer Heimat beraubt, in die große Mühle des Gefangenenwesens geraten, ohne recht zu wissen warum. Auch mit der Staatszugehörigkeit dieser SS-Leute wurde ein eigenartiges Spiel getrieben. Sie wurden vielfach für ihre Person in Deutschland eingebürgert, ohne ihr heimatliches Staatsbürgerrecht zu verlieren. Die Familie behielt nur das heimatliche Staatsbürgerrecht. .Jeder Volksdeutsche gehört mir", pflegte Himmler stolz zu sagen. Er erhob diesen Anspruch auch auf einem besonders traurigen Gebiet, das zum Teil schon gestreift worden ist: auf dem der Umsiedelung. Hunderttausende von Volksdeutschen aus dem Osten und Südosten wurden ihren vielfach behaglichen Heimstätten mit allen möglichen Mitteln, nicht selten durch gleißnerische Verheißungen, entrissen, für die Neubesiedelung eines erweiterten „deutschen Lebensraums" entwurzelt und einem unbestimmten, fast immer unendlich traurigen Schicksal preisgegeben. Binnen 24 Stunden oder in noch kürzerer Frist verließen mit ganz kleinem Gepäck behäbige Bauern aus Wolhynien, Bessarabien, Polen und aus dem Südosten Haus und Hof. Ein Lager bei Lodz oder sonstwo war die erste Station auf dem Kreuzweg dieser Armen. Die weiteren Stationen waren ungewiß. Wolgadeutsche weigerten sich mitunter aus religiösen Bedenken, in die noch warmen Betten vertriebener Polen zu steigen. Anderen Umsiedlern wurde ihr Besitz durch die früheren Eigentümer oder durch Partisanen vergällt; sie bezahlten Himmlers Wohltaten mit dem eigenen Leben und dem der Ihrigen. Als es mit der bäuerlichen Unterbringung teilweise nicht mehr klappte, griff man zur „Umschulung"; man machte aus Bauern Handwerker und Industriearbeiter. Andererseits mußten sich etwa die Deutschen aus der Gottschee in der Windischen Mark, seit 1200 herumziehende Krämer und Hausierer, gefallen lassen, auf geleerten Gütern ihrer früheren slowenischen Staatsgenossen als Klein- und Großbauern eingesetzt zu werden. Was aus ihnen jetzt wird, kann man sich ausmalen. Kein Alter blieb durch Himmlers Umsiedelungsaktion verschont. Hunderttausende kamen in der Fremde überhaupt nicht mehr zum Zuge und wurden proletarisiert. Dennoch träumte Hitler davon, daß er auch Amerikadeutsche anlocken und in der Ukraine beiderseits der beiden großen Straßenzüge, die er plante, ansiedeln werde; in 200 Jahren würden es ihrer 15 Millionen sein. Die Hybris einer völlig unbegründeten Siedlungszuversicht, die die Welt schon
Der „Anschluß"
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so fertig vor sich sah, wie man sie erträumte - ganz ähnlich wie Ludendorff während Brest-Litowsk - , trieb die seltsamsten Blüten. Zuletzt mußten auch die, die sich irgendwo in Posen oder Westpolen an eine neue Scholle angeklammert hatten, das verbrecherische Experiment einiger Narren und Fantasten als jammervolle Flüchtlinge mit Existenz, Gesundheit und Leben bezahlen. Und das radikale Vorgehen der Tschechen und Polen gegenüber ihren früheren deutschen Mitbürgern oder - bei den Polen - in den neu gewonnenen Gebieten gibt einen Vorgeschmack davon, was etwa noch gebliebene Volksdeutsche an Bitterem erwartet. Die Rolle der fünften Kolonne vor dem Kriege und die des Spaltpilzes während des Krieges und nach demselben, die ihnen beide Hitler aufgetragen hat, ist den Volksdeutschen wahrlich nicht gut bekommen und wird ihnen auch weiterhin heimgezahlt werden, indem man sie entweder zur Aufgabe ihres Volkstums zwingen wird - die leichtere Lösung - oder zur Flucht. Hunderttausende von Verwünschungen aus dem M u n d e ehemaliger Volksdeutscher werden Hitler in sein unbestimmtes Grab folgen und auch Himmler, der ein so großer Narr war, daß er noch im Herbst 1944 von Posen aus die Verwirklichung seines Königsgedankens, die Entstehung eines „Großgermanischen Reiches Deutscher Nation" als selbstverständlich voraussagte. N u n haben wir noch zu prüfen, wieweit der Nationalsozialismus und sein Führer bei der Einfügung Österreichs und der Sudetenlande ins „Großdeutsche Reich" seine Fähigkeiten zu erweisen wußte. Die Frage hat sich längst in erschütternd negativer Weise beantwortet. Noch am 19. April 1937 ließ sich Hitler einem Besucher gegenüber dahin vernehmen, Bayern habe 50 Jahre gebraucht, um ins Reich hineinzuwachsen, er würde Osterreich - mit Fristbestimmungen war der Gründer des 1000jährigen Reiches immer sehr freigebig - ohne weiteres 80 Jahre bewilligen. O b Hitler schon damals oder erst später seine tatsächlichen Pläne gegen Osterreich gefaßt hat, wissen wir nicht. Sechs Wochen nach dem 13. März 1938 mußte jedenfalls in Wien der Schreiber dieser Zeilen gegenüber dem Chef der Hitlerschen Reichskanzlei feststellen: „Herr Reichsminister, Sie müssen sich klar darüber sein, daß sich dieses Osterreich heute als eroberte, unterjochte Kolonie fühlt." Und ein Jahr darauf bezeichnete er in einem Münchener Gespräch mit demselben Minister das bisherige Ergebnis der nationalsozialistischen Verfassungs- und Verwaltungskünste in Osterreich als einen „Trümmerhaufen". Auf die Einzelheiten des nationalen Trauerspiels einzugehen - das sich nun in und über Osterreich abspielte und auch von allen ruhigeren österreichischen Nationalsozialisten sehr bald als solches empfunden wurde - , fehlen seelische Sammlung und Raum. Eine Erinnerung darf der flüchtigen Betrachtung vorausgestellt werden. In den Akten des Wiener Staatsarchivs liegt ein bemerkenswertes Dokument, enthaltend den Niederschlag der Verhandlungen, die zwischen der Weimarer Republik und der damaligen deutschösterreichischen Regierung über einen etwaigen Zusammenschluß der beiden Staaten im Frühjahr 1919 geführt wurden. Da waren eingehende Beratungen abgehalten, f ü r und wider erwogen, Vorschläge geprüft, Kompromisse geschlossen worden. Das kleine, als Strandgut eines großen Zusammenbruches zu Boden liegende Osterreich wurde vom Reiche als vollwertiger, über sein Schicksal frei bestimmender Partner genommen - der Staatskanzler hieß
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Letzte Manöverkritik
damals Dr. Karl Renner und ist identisch mit dem heutigen Bundeskanzler - und wäre mit weitgehenden Sonderrechten, die seine Eigenständigkeit verläßlich sichern konnten, ins Reich eingetreten - mit Wien als in aller Form „zweiter Reichshauptstadt". Auch in der Folge haben sich alle Parteien und Gruppen in Osterreich, die sich aus diesen oder jenen Gründen zum Anschluß bekannten, die Lösung so gedacht, zumal auch der vor allem in der Provinz recht starke katholische Flügel, der, wie der Schreiber dieser Zeilen einmal als Präsident der katholischen Akademikergemeinschaft andeutete, an die Front K ö l n - M ü n c h e n - W i e n dachte. Diese Gruppe h o f f t e nach der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus - geistesgeschichtlich um Bischof Hudal, den Verfasser eines Buches über Katholizismus und Nationalsozialismus, gesammelt - , daß eine Verstärkung des Katholizismus in Deutschland dem Nationalsozialismus seine, sagen wir antichristlichen Giftzähne, auszubrechen vermöchte (womit sie sich natürlich wie Hudal selbst im Wesen des Nationalsozialismus und seines Führers täuschte, denn Nationalsozialismus und Christentum sowie Nationalsozialismus und Kirche waren unvereinbar wie Feuer und Wasser). Bemerkenswerterweise hat in den Jahren nach 1933 auch der österreichische Nationalsozialismus den Anschlußwunsch gegenüber der innerpolitischen Gleichschaltung zurückgestellt. Noch in den Tagen von Berchtesgaden (Februar 1938) befaßte sich die Leitung der illegalen Partei mit Machtergreifungsplänen, wobei sie alle Mandate, Inbegriffen Bundespräsident- und Kanzlerschaft, fein säuberlich unter sich verteilte. An ein direktes Diktat aus Berlin dachte jedenfalls auch sie nicht, wie zweifellos wenigstens diese übrigens noch vor dem 13. M ä r z im Einvernehmen zwischen Hitler und Schuschnigg „abservierte" Gruppe auch von den Plänen Hitlers bestimmt nichts wußte. Aber auch Seyß-Inquart hat von den radikalen Absichten Hitlers vor dem Anschluß sicherlich nichts gewußt. Er stellte erstens den Befürchtungen, die der Schreiber dieser Zeilen wegen etwaiger Einmarschabsichten Hitlers hatte, die lächelnde Versicherung entgegen, daß derlei gar nicht in Frage käme, und dachte auch in den Stunden der Entscheidung an Lösungen, wie sie die Niederschrift vom Jahr 1919 in Aussicht genommen hatte. Übrigens war es f ü r Hitler zwischen Zögern und temperamentvollen Augenblicksentschlüssen schwankende Art bezeichnend, daß auch er, als er am 12. M ä r z 1938 abends in Linz eintraf, fürs erste daran dachte, den politischen H o r i z o n t damit abzutasten, indem er Österreich in eine „Schutzgemeinschaft" mit dem deutschen Reiche eintreten lassen wollte. Erst das diplomatische Bild, das er in der folgenden Nacht gewann, ließ ihn sich zu sofortigem vollem Anschluß entschließen, wobei es keine weitere Befragung der österreichischen Regierung oder des bundespräsidentliche Funktionen ausübenden Bundeskanzlers Seyß-Inquart gab, sondern nur das Diktat eines Gesetzes, dessen legistische Abfassung einem aus Preußen herbeigeholten Staatssekretär des Reichsinnenministeriums vorbehalten blieb. Näheres darüber, wie er sich die Einverleibung Österreichs in das Reich dachte, verriet Hitler allerdings auch jetzt noch nicht, da er zuerst die Abstimmung vom 10. April vorübergehen lassen wollte, die deshalb etwas seltsam war, weil das Volk im Reich und in Österreich über eine res iudicata abzustimmen hatte. Nachdem diese Abstimmung glänzend verlaufen war, eilte Hitler, nun seine herostratischen
Der „Anschluß"
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Pläne gegen Osterreich zur Ausführung zu bringen. Er bediente sich dabei vor allem des zum „Reichskommissar f ü r Österreich" ernannten Josef Bürckel, eines kleinen ehrgeizigen Volksschullehrers, der sich schon in der Pfalz und im Saargebiet nationalsozialistisch bewährt hatte. Der sudetendeutsche Dr. Seyß-Inquart wurde zwar zum „Reichsstatthalter in Osterreich" ernannt, entäußerte sich aber in der Folge jedes Einflusses auf die österreichischen Dinge gegen das Linsengericht, das ihm Hitler mit der feierlich bekundeten Verheißung seiner Ernennung zum Reichsminister geboten hatte. Mit jemand anderem als mit Bürckel und Seyß sprach Hitler, abgesehen von seiner engeren Umgebung, überhaupt nicht mehr über die österreichische Frage. Schon wenige Tage nach der Landnahme ordnete Hitler von Mund zu M u n d an, daß statt des Namens Osterreich die verschwommene und unhistorische Bezeichnung „Ostmark" anzuwenden sei. (Ostmark hieß in der Karolingerund in der ersten Babenbergerzeit beiläufig der Streifen beiderseits der Donau von Enns bis zum Wienerwald. Bereits im Jahr 995 [richtig: 996] kommt in einer Urkunde zum erstenmal die Bezeichnung Ostarrichi vor, die bald f ü r den Babenbergischen Landbesitz allein gebräuchlich wurde. (Es gibt übrigens auch eine bayrische Ostmark.) Seit dem Frühjahr 1941 war auch diese Benennung geächtet, um jede Gemeinschaft der ehedem österreichischen Länder zu löschen; allerdings heischten legistische Notwendigkeiten doch wieder einen zusammenfassenden Begriff, der glücklich in der gewundenen Bezeichnung „Alpen- und Donaureichsgaue" gefunden wurde, wobei das Kennwort Reich im Hinblick auf die noch nicht zu Reichsgauen erhobenen Bayrischen Gaue nicht vergessen werden durfte. Noch lächerlicher und bösartiger war die Einführung der undeutschen Benennungen „Nieder- und Oberdonau" statt der ehrwürdigen Namen Nieder- und Oberösterreich. Ob er der Erfinder dieser Namen war, wissen wir nicht; wahrscheinlich befand er sich in der Umgebung Bürckels. Die Beseitigung der historischen Bezeichnung entsprach jedenfalls dem ausdrücklichen Befehle Hitlers. Hitler, der geborene Österreicher, hatte irgendwie Furcht vor den geheimnisvollen Kräften eines Flecks Erde, der noch Osterreich hieß. Er beeilte sich, dessen Spuren auch verwaltungsmäßig zu tilgen, indem er die größere Zahl der österreichischen Bundesländer in direkt nach Berlin dependierende „Reichsgaue" verwandelte, an deren Spitze bewährte Parteigenossen als Gauleiter und Reichsstatthalter berufen wurden. Am zerissenen Leibe des unglücklichen Osterreich sollte zum erstenmal ein Stück der geheimnisvollen Reichsreform exerziert werden. (Von den früheren acht Bundesländern wurde Vorarlberg zu Tirol geschlagen, das Burgenland auf Niederösterreich und die Steiermark aufgeteilt. Osttirol - um Lienz - kam zum Lande Kärnten, womit Hitler neuerdings Mussolini demonstrieren wollte, daß Südtiroler Wünsche endgültig begraben seien. Die Osttiroler waren sehr unglücklich.) Gleichzeitig begann eine öde, geistlose Gleichschaltung. Alle irgendwie denkbaren Gesetze und Einrichtungen Preußen-Deutschlands wurden, mochten sie passen oder nicht oder auch schlechter sein als gleichgeartetes Österreichisches, was sehr, sehr oft zutraf, in größter Hast auf die österreichischen Reichsgaue ausgedehnt. Die Gauleiter, zunächst durchwegs illegale Parteigenossen aus Österreich, ein einziger über 40 Jahre alt, ließen es an Gleichschaltungseifer nicht fehlen. Nachdrücklichst war man bestrebt, in die österreichische Verwaltung möglichst viele Beamte aus dem
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Letzte Manöverkritik
Reich einzuschieben; sie sollten den „schlappen" Österreichern zeigen, wie man es macht. Gleichzeitig war ein fast nur von heimgekehrten österreichischen Emigranten bestrittenes Büro (Gott schütze jedes Land vor seinen Emigranten!) emsig um die Ausmerzung möglichst vieler bewährter österreichischer Beamter wegen unzuverlässiger Gesinnung bemüht. Ahnlich ging es in der Privatwirtschaft zu. Überall machten sich die Hermann-Göring-Werke und andere reichsdeutsche Großkonzerne breit. Die nötigen „Wirtschaftsführer" wurden gleichfalls zum größten Teile aus dem Reich beigestellt, wobei auch wieder die österreichische Partei erhebliche Mitschuld hatte. Wo immer von irgendwoher ein Österreicher für einen halbwegs wichtigen Posten präsentiert wurde, fanden die Gralshüter der NS-Gesinnung ein Haar in der Suppe. Schließlich riefen die Berliner, der ewigen Vorschläge müde, einen ihnen nahestehenden Mann, der als Österreicher, durch die NS-Lupe besehen, sicherlich auch kein Glück gehabt hätte. Als Reichsdeutscher hatte er es. Hervorragende österreichische Fachleute, die es vielleicht an illegaler nationalsozialistischer, nie aber an nationaler Gesinnung hatten fehlen lassen, mußten den Staub ihrer undankbaren Heimat von den Sohlen schütteln. Der Radikalismus der jungen Gauleiter, die durchwegs besonders intensiv am Drahte Martin Bormanns hingen, ließ auch sonst nichts zu wünschen übrig. Dies gilt vor allem für das Kulturelle, Religiöse und verwandte Gebiete. Daß jeder als Bauherr auf Kosten der Steuerträger ein kleiner Hitler werden wollte, sah der große Hitler, der noch am Schlüsse seines Lebens bedauerte, Staatsmann und nicht Architekt geworden zu sein - wie schön hätte es die Welt gehabt nur zu gern. Jeder dieser Gernegroße hatte sein gigantisches Bauvorhaben, und man hätte, wenn der Krieg nicht gekommen wäre, manches erleben können - wie etwa den Ausbau des Kapuzinerberges in Salzburg zu einer „Akropolis" der Partei oder einer schönen alten Kirche zu einer nationalen Weihestätte. Daß im Schulunterricht binnen wenigen Tagen jede österreichische Note verschwinden und einem schwarz-weiß-roten oder schwarz-weißen Anstrich weichen mußte, war schon übler. So unbeirrte Vorkämpfer einer maßvollen gesamtdeutschen Geschichtsauffassung wie Heinrich v. Srbik mußten es sich gefallen lassen, von kleinen NS-Rezensenten als Reaktionäre angebellt zu werden, weil sie zugleich gute Österreicher blieben. Besonders wurde entgegen den Versicherungen, die die Partei immer wieder während der illegalen Zeit abgegeben hatte - der Kulturkampf betrieben, wobei edle Priester wie der Gurker Bischof, der früher so nachdrücklich gegen Überspannungen der österreichischen Diktatur eingetreten war, sehr bald die Erfahrung machen mußte, wie dem Nationalsozialismus und seinen hervorragendsten Trägern jedes Mindestmaß von Dankbarkeit, Edelmut und Treue abging. Kulthandlungen, eng verknüpft mit dem Volksempfinden, wurden sofort möglichst unterbunden. Schon zum ersten Fronleichnamsfest mußten die an ihren Bräuchen besonders hängenden Tiroler mitansehen, wie man das Allerheiligste auf Hinterwegen in die Felder schmuggelte, da Prozessionen in geschlossenen Orten verboten waren. Die ältesten Klöster wie St. Peter in Salzburg, wie Kremsmünster, wie Wilten bei Innsbruck wurden schleunigst aufgelöst, nicht natürlich ohne durch Verdächtigungen der Kleriker begleitet zu sein. Altbewährte Klosterschulen wurden in nationalpolitische Anstalten, Musikhochschulen u. dergl. umgewandelt. Der Religionsunterricht entschwand aus den
Kirchenkampf und Antisemitismus
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Schulen wie das Kruzifix an der Wand. Ein Gauleiter erklärte, daß es in zwei Jahren in seinem Lande keinen „Pfaffen" mehr geben werde. Austritt aus dem Christentum erfreute sich der größten Förderung. Bezeichnenderweise war allerdings das Ergebnis der Kirchensteuer in den meisten Pfarrgemeinden durchaus erfreulich. Immerhin aber konnten Hitler und seine Adepten Himmler und Bormann mit der Dynamik, die in den neuen Reichsgauen wider das „moderne" Christentum entwickelt wurde, durchaus zufrieden sein. Der Ausrottungskampf gegen die Juden wurde in Wien mit besonderer Gründlichkeit aufgenommen, wobei ihm zustatten kam, daß Osterreich vielleicht das Heimatland des Antisemitismus gewesen ist und sich seit Luegers Zeiten alle bürgerlichen Parteien von Bedeutung mit einem nicht unbeträchtlichen Teile der stark jüdisch geführten Arbeiterschaft in antisemitischer Gesinnung teilten. Die Judenverfolgung wurde sofort nach dem 11. März aufgenommen - leider muß gesagt werden, sogar mit einer Härte, die dem österreichischen Charakter sonst nicht entspricht. Odilo Globocnik, der komische erste Gauleiter von Wien, hatte sich in der „Kampfzeit" durch einen Anschlag auf den jüdischen Juwelier Futterweit die Sporen verdient. Er sollte sich später in der Judenbekämpfung als Polizeipräsident von Lublin besonders hervortun. Außerhalb Wiens, in der judenarmen Provinz, gab es weniger Ausschreitungen. In Wien zählte man 50 Prozent der Arzte und 75 Prozent Zahnärzte zu den Juden: Ahnlich stand es bei den Rechtsanwälten, Journalisten und anderen freien Berufen. Zahlreiche jüdische Geschäfte boten überdies den willkommenen Anreiz zu eintragverheißenden „Arisierungen", und in den früher jüdischen Villen am Stadtrande machten sich „Bonzen", die früher, wie der Wiener sagte, neben den Schuhen einhergegangen waren, behaglich breit. Die Zahl der Juden, die ihrem Leben ein Ende bereiteten, war groß. Selbst der Versuch, Frontkämpfer aus dem letzten Kriege, die nach den auf Osterreich ausgedehnten N ü r n berger Gesetzen als Juden galten, vor dem Ärgsten zu bewahren, scheiterte völlig. In den folgenden Jahren, bis zum entsetzlichen Ende, wurden im ganzen großdeutschen Reich immer neue Noten in die Judenverfolgung getragen, wobei Osterreich, längst angewidert von dem Schauspiel und schon von Mitleid erfüllt, in den Strudel hineingerissen blieb. Es fehlte selbstverständlich die ganze Zeit über auch nicht an Bemühungen, in Einzelfällen zu helfen. Eine generelle Milderung war bei der an Schärfe zunehmenden Einstellung Hitlers unmöglich. Für das rasche Tempo, in welchem sich Osterreich in den Schmelztiegel des Hitlerregimes hineingeschleudert sah und das niemand in Österreich, auch radikale Nationalsozialisten nicht, verlangt hätte, hat man später die Kriegsabsichten Hitlers nicht mit Unrecht mitverantwortlich gemacht. (Die österreichischen Nationalsozialisten befaßten sich in der sogenannten Kampfzeit weit mehr mit Plänen f ü r eine Machtergreifung im eigenen Lande als mit der Anschlußfrage.) Sowohl bei der sudetendeutschen Krise 1938 wie bei der tschechischen, M ä r z 1939, bediente sich Hitler beim Aufmarsch des südlichen Zangenarmes der österreichischen Lande als Versammlungsraum. Aber auch Hitlers seltsame Abneigung gegen alles spezifisch Osterreichische, die sogar mit einer gewissen Furcht davor gepaart war, ließen ihn vor allem gegen jedwede österreichische Soldatentradition mit besonderer Entschiedenheit vorgehen. So z.B. war er bei seinem Einzug in Wien nur schwer d a f ü r zu
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Letzte Manöverkritik
gewinnen, sich von einer Ehrenkompagnie des österreichischen Bundesheeres empfangen zu lassen. Dieses mußte schneller als alles andere Osterreichische im Schmelztiegel untergetaucht werden. Dabei focht es Hitler nicht an, daß mit der Einverleibung Österreichs eine Soldatentradition, die vielleicht gewaltiger und deutscher war als die preußische, in den Überlieferungsschatz des deutschen Heeres einzuverleiben war. Nicht nur die nationalsozialistische Geschichtsauffassung stand solchen Gedanken völlig fern, sondern auch das in seinem Wesen in rein preußischem Denken aufgezogene Offizierskorps. Kein Abzeichen, kein Trompetensignal, keine andere Erinnerung aus dem k.k. Soldatentum wurde übernommen, so leicht es gewesen wäre. (Die Verleihung des historischen Namens Hoch- und Deutschmeister an die Wiener Division ist ein Kapitel für sich, welches das eben Gesagte nur illustrieren könnte.) In personeller Hinsicht wurde vor allem darauf gesehen, daß die Österreicher ja nicht unter sich blieben. Auf ausdrücklichen Befehl Hitlers durften ζ. B. in die zuletzt von Rommel kommandierte Wiener Neustädter Kriegsschule nur Männer aus dem Altreich aufgenommen werden; dafür wurden die Österreicher nach dem Norden deportiert. Dorthin kam ebenfalls die Mannschaft zur Umschulung, wobei sie Kasernhofgewohnheiten kennenlernte, die im altösterreichischen Heer bei einem ostgalizischen Regiment unmöglich gewesen wären. Der preußische „Spieß" (Feldwebel) sorgte dafür, daß jeder Umgeschulte als überzeugter Partikularist, wenn nicht Separatist, in seine Heimat zurückkehrte. Gewiß.gab es genug reichsdeutsche Offiziere, die sich um eine bessere Einfühlung bemühten; so etwa der nachmalige Feldmarschall List als Heeresgruppenoberbefehlshaber in Wien. Aber sie konnten sich gegenüber der Masse nicht durchsetzen und verstimmten mitunter durch herablassende Nachsicht, die sie für Einfühlung hielten. Für Hitlers Mißtrauen gegenüber allem Österreichischen war es bezeichnend, daß er z.B., als ihm im Kriege der Schreiber dieser Zeilen als Kenner des Balkans für einen militärischdiplomatischen Posten in diesem Gebiete vorgeschlagen wurde, sofort das Bedenken einwarf, daß der Vorgeschlagene Österreicher sei. Daß es dennoch und trotz des erwiesenermaßen strengeren Maßstabes, der angelegt wurde, im Kriege verhältnismäßig vielen Österreichern gelang, zum kommandierenden General aufzurücken, war ihrer Tüchtigkeit und ihrer Ausbildung zuzuschreiben, die oft gediegener war als die der reichsdeutschen Kameraden. Darüber, daß Österreicher auch im Kriege zwischen deutschen Vorgesetzten und Kameraden viele Enttäuschungen erleben, zeugten Umfragen in den Gefangenenlagern. Gewiß hatte an den Mißstimmungen auch die erlebte Katastrophe ihren Anteil. Aber es war doch immer wieder äußerst eindrucksvoll, welche Enttäuschung und Erbitterung - man kann -es nicht anders sagen - Österreicher von ihrem Dienst im deutschen Heere heimbringen; darunter waren unter den Befragten genug solche, denen man den Nazi von 1938 von weitem ansah; auch unter ihnen hat der mit nationalsozialistischem Geist geschmierte preußisch-deutsche Kommißstiefel seine Wirkung nicht verfehlt. In diesem Zusammenhang ist überhaupt vielleicht auf das zu verweisen, was einige Gefangene, aus Österreich stammende Generäle, in einem Schriftsatz ihrem amerikanischen Lagerkommandanten auseinandersetzten: wie sehr der„Gleichschaltungs-, Unifizierungs- und Totalitätswahnsinn" des Dritten Reiches sowie die
Die Abkehr der Österreicher von Deutschland
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persönliche Einstellung Hitlers den Österreichern in den sieben zurückliegenden Jahren erst den Wert staatlicher, politischer und kultureller Eigenständigkeit und demokratischer Freiheiten schätzen lehrten. M a n tut nicht gut, diese Tatsache bei einem Volk, das im tiefsten Grunde immer individualistisch war und nur durch seine geschichtliche Lage zum Betreten eines seinem Charakter gar nicht angepaßten Weges verleitet worden ist, mit höhnischen Bemerkungen über die Begeisterung von 1938 abzutun. Es waren nicht die Österreicher allein, die zuzeiten dem großen Rattenfänger, dem „Trommler", auf den Leim gegangen sind; es gab in der weiten Welt auch genug andere Leute, denen er zu imponieren wußte. Und ebenso ist es zumal bei den Österreichern - absolut ungerecht, in den bekehrten und wiedergewonnenen Söhnen, deren einer bekanntlich mehr zählt als 99 Gerechte, nur Heuchler und Konjunkturisten zu erblicken, die ihr Mäntelchen nach dem Winde drehen. Diese Konjunkturisten haben in H e e r und Heimat genug schweres Lehrgeld gezahlt, und es wäre gut, so sie höchstens Kollektiv-, aber keine persönliche Schuld auf sich geladen haben, sie nicht weiter Lehrgeld zahlen zu lassen. Solche M a h n u n g gilt auch den neuen Männern in der Heimat, die gewiß meist charaktervolle Leute sind, unter denen einzelne aber doch - man kennt diesen Typus - im Jahre des Unheils 1938 nicht ungern den Eintritt in den Pferch der Gesicherten gegen die Annahme eines kleinen Parteiabzeichens erkauft hätten. Der Schreiber dieser Zeilen, der durch ein Jahrzehnt öffentlichen Lebens unter drei Regimen, darunter auch in einem fremden Land, das er allerdings wie seine zweite Heimat liebte, f ü r Versöhnung, Ausgleich, Nachsicht und Menschlichkeit eingetreten ist, kann aus der Gefängniszelle heraus auch seinem heißgeliebten österreichischem Vaterlande nur Gleiches anempfehlen. Der sogenannte „Sudetenreichsgau" wurde noch ärger gefaßt als Osterreich. Verwaltung und Wirtschaft - seit 1918 ganz oder teilweise schon in tschechische H ä n d e übergegangen - boten noch mehr Gelegenheit zum Eindringen reichsdeutscher Beamter und Wirtschaftsführer, zur „Überfremdung". Es genügt festzustellen, daß Zeiten kamen, in denen sich mancher Egerländer oder „Riesengebirgler" gewiß war auch der Krieg daran schuld - sehnsüchtig der tschechischen Bedrückung erinnerte. Die NS-Politik leistete sich auch hier ihre wunderbaren Kapriolen. Ein furchtbares Zukunftsschicksal ist das Ergebnis der Oktobertage 1938 f ü r die Sudetendeutschen geworden, die übrigens ihrerseits bei aller Begabung und allem Fleiß in der Politik Altösterreichs nicht immer eine glückliche Rolle gespielt haben. Ihr künftiges Schicksal ist klar: Verstoßung aus der Heimat der Väter oder, als Gnade, Aufgehen in einem fremden Volkstum. Das ist das Ende. Was aber wird mit dem wiedererweckten Österreich geschehen? Die Wiedererweckung findet unter unendlich schwierigeren Verhältnissen statt als die Staatsgründung von 1918. Allerdings gilt es nicht, das schwere politische und wirtschaftliche Erbe einer zertrümmerten Großmacht anzutreten, wie es damals zum Teil geschehen mußte. In diesem Sinne darf man sogar hoffen, daß man Österreich als ein befreites Land nicht alle Lasten wird mittragen lassen, die Deutschland zu tragen haben wird. Unendlich schwer wird dennoch alles sein. Was wirtschaftlich wünschenswert und teilweise unentbehrlich ist, das ist aus den einleitenden Betrachtungen über die Zeit vor 1938 abzuleiten. Die Welt ist um vieles ärmer geworden, als sie
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Letzte Manöverkritik
selbst 1918 war. Keine Macht der Welt schöpft mehr aus dem vollen. Aber ohne ein vernünftiges, zeitgerechtes Gewähren einer vernünftigen Hilfe - wie es übrigens schon durch die U N R R A geschah - würde Österreich wieder, wie die 20 Jahre vor dem Kriege, ein Objekt der Verlegenheit sein. Nochmals: Was soll aus Österreich werden? Vor 1938 bildete die Existenz eines besonderen „österreichischen Menschen" einen lebhaften Streitgegenstand zwischen den Parteien: Deutschbewußte Österreicher - sie brauchten keineswegs Nazi zu sein und waren es auch o f t nicht - wollten nur einen „deutschen Menschen österreichischer Prägung" gelten lassen. Tatsächlich ist der Österreicher ein Deutscher, in dessen Volkstum neben dem bajuwarischen Grundstock vor allem fränkische, aber auch alemannische und andere Stammeselemente enthalten sind. Er ist in seiner Masse südlich des römischen Limes groß geworden und hat so auch romanische Kulturgrundlagen unter sich. Sein vielhundertjähriges Zusammenleben mit fremden Völkern hat ihn f ü r diese Kulturen aufgeschlossen. Aber letztlich war er doch als Vermittler deutscher Kultur unter jene fremden Völker des Südostens getreten und auch vor dem Schicksal, als Kulturdünger auf dem Felde zu bleiben, ist er nicht bewahrt geblieben, wie andererseits viele Kinder dieser anderen Völker im deutschen Kultur- und Volkskreis aufgingen. Deutscher ist der Österreicher - dies unter dem Eindruck der furchtbaren Niederlage zu leugnen, wäre eine Geschichtslüge nach seinen ganzen Lebenssäften geblieben. T r o t z d e m ist es einem als Österreicher im Kriege, zumal in der Fremde, ö f t e r passiert, daß man sich beim plötzlichen Zusammentreffen mit engeren Landsleuten gefragt hat, ob wir Österreicher nicht am Ende im Begriffe waren, eine eigene Nation zu bilden. Auch Hitler hat dergleichen in stillen Stunden mitunter besorgt. Wir Österreicher haben, seit unser Stammland mit der Erhebung zum H e r z o g t u m vom römischdeutschen Reich zu Sonderaufgaben nach dem Osten abgezweigt wurde, doch stark eigene Wege beschritten, die uns seelisch selbst von den wesensverwandten Bayern erheblich abdrängten. Zudem sind die Süddeutschen westlich des Innflusses im Zeitalter der nationalen Erhebungen, zumal seit 1870, stärker unter den machtvollen Einfluß des Preußentums geraten, als sie selbst es wahrzunehmen vermochten - ein neues Element der Scheidung vom Osterreichertum. Als im Jahre 1523 Bischof Hadrian von Utrecht, der Vertraute Karls V., zum Papste gewählt wurde, hieß es, ein Deutscher habe den Stuhl Petri bestiegen; seither gilt Adrian VI. als der letzte deutsche Papst. Dennoch waren zwei Menschenalter später die Holländer in der Esse ihres Freiheitskampfes wider Spanien zu einer eigenen Nation geworden. Sollten sich die Österreicher auf demselben Wege befunden haben, der sich ihnen jetzt, nach dem schrecklichen Niederbruch, neuerlich auftun könnte? O d e r werden sie es doch wenigstens mit den Deutschen in der Schweiz halten? Die Meinung, man werde aus dem gebirgigen, auch kantonal aufgespaltenen Osterreich eine zweite Schweiz machen können, das an landschaftlicher Schönheit ihrem Vorbilde nicht nachsteht, es an historischer Patina sogar übertreffen mag, hat schon seit 1918 verschiedene Köpfe beschäftigt . . . O d e r wird nicht am Ende doch, wenn Deutschland, was ja einmal sein muß, wieder zu einem neuen Schicksal erwacht, auch der Anschlußgedanke wieder wach werden? Wird die Ernüchterung, die vor allem das nationalsozialistische Joch und die nationalsozialistische Gleichmacherei
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Österreich braucht Hilfe
über Österreich brachten, nicht wieder in Vergessenheit geraten, zumal dann, wenn uns schwere wirtschaftliche Nöte drücken sollten, und im Hinblick darauf, daß die Zerstörung Preußens im Reich Schwergewichtsverlagerungen nach Süden bringen mußte? Realpolitiker werden auch mit solchen Möglichkeiten zu rechnen haben. Ebenso wird, solange die Donau zwischen Passau und dem Schwarzen Meere fließt, der Begriff einer Donauföderation mit gewissen Entwicklungsmöglickeiten nicht aus dem politischen Wörterbuche verschwinden. Aber, müßte man am Schlüsse fragen: Ist es überhaupt zu verantworten, wenn der Europäer f ü r seine kleine, von Eurasien gen Südwesten ausgestreckte Insel noch immer in Staatenkombinationen, Einzelbünden, Anschlüssen, Zollgrenzen, Wirtschaftskriegen usw. denkt? M u ß sich diese kleine, vielfältige Buntheit von Staaten, die sich, gemessen an den großen Imperien, zum Teil lächerlich unbedeutend ausnehmen? Hitler hatte es vielleicht, wie wir schon andeuteten, nach München in der Hand gehabt, dem gequälten europäischen Pseudokontinent einen solchen Weg zu weisen. Vielleicht war das deutsche Volk als Volk der europäischen Mitte, mit seinen ungezählten Ausstrahlungen in die kleinen Völker des Ostens und Südostens, sogar am berufensten, bei einer solchen Einigung die Initiative, die Führung zu übernehmen. Es scheidet, da es von seinem Führer in das furchtbarste Unglück seiner wahrlich nicht glückhaften Geschichte gestürzt worden ist, wohl f ü r Generationen von der Erfüllung einer solchen Rolle aus. Europa hat kaum Zeit, so lange zu warten. N u r mehr Großbritannien bleibt, um - der Zustimmung Amerikas sicher die europäische Einigung in die H a n d zu nehmen. Es wird sich dieser Aufgabe kaum entziehen können, nicht bloß Europas willen, sondern auch seiner selbst willen, im Hinblick auf die Erhaltung des Empires, für das die kleinen Inseln nördlich des Kanals nur so lange interessant sind, solange sie zugleich in der Alten Welt verankert bleiben. Das ganze ist gleichzeitig eine anglosächsische Frage schlechtweg. Wenn sich England versagt, dann wird sich Rußland zur Stelle melden. Dann würde die geheimnisvolle Sphinx des asiatisch-byzantinischen Ostens mit ihren gewaltigen Pranken alles Land zwischen dem N o r d k a p und den Säulen des H e r k u les zu sich herüberziehen hinter den Eisernen Vorhang, von dem Winston Churchill sprach, in eine Welt, in deren Schoß neues, völlig unerforschtes und kaum ahnbares Leben heranwächst.
ERKLÄRUNG Nürnberg, den 9. November 1945 Im Zusammenhang mit meinem Verhör vom 5. d. M. und etwaigen künftigen Verhören gestatte ich mir, nachfolgende grundsätzliche Erklärung abzugeben: Für mich besteht - und zwar nicht erst seit dem 8. Mai 1945 - kein Zweifel, daß es so etwas wie eine Kollektivschuld des deutschen und auch des österreichischen Volkes gibt. Mitschuldige an dieser kollektiven H a f t u n g befinden sich auch sonst in der weiten Welt. Ich erinnere an die Festigung der Hitlerpolitik durch das Verhalten der Mächte beim Anschluß Österreichs, an das Münchener Abkommen, an die deutsch-russischen Beziehungen zu Beginn des Polenkrieges.
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Österreich braucht Hilfe
über Österreich brachten, nicht wieder in Vergessenheit geraten, zumal dann, wenn uns schwere wirtschaftliche Nöte drücken sollten, und im Hinblick darauf, daß die Zerstörung Preußens im Reich Schwergewichtsverlagerungen nach Süden bringen mußte? Realpolitiker werden auch mit solchen Möglichkeiten zu rechnen haben. Ebenso wird, solange die Donau zwischen Passau und dem Schwarzen Meere fließt, der Begriff einer Donauföderation mit gewissen Entwicklungsmöglickeiten nicht aus dem politischen Wörterbuche verschwinden. Aber, müßte man am Schlüsse fragen: Ist es überhaupt zu verantworten, wenn der Europäer f ü r seine kleine, von Eurasien gen Südwesten ausgestreckte Insel noch immer in Staatenkombinationen, Einzelbünden, Anschlüssen, Zollgrenzen, Wirtschaftskriegen usw. denkt? M u ß sich diese kleine, vielfältige Buntheit von Staaten, die sich, gemessen an den großen Imperien, zum Teil lächerlich unbedeutend ausnehmen? Hitler hatte es vielleicht, wie wir schon andeuteten, nach München in der Hand gehabt, dem gequälten europäischen Pseudokontinent einen solchen Weg zu weisen. Vielleicht war das deutsche Volk als Volk der europäischen Mitte, mit seinen ungezählten Ausstrahlungen in die kleinen Völker des Ostens und Südostens, sogar am berufensten, bei einer solchen Einigung die Initiative, die Führung zu übernehmen. Es scheidet, da es von seinem Führer in das furchtbarste Unglück seiner wahrlich nicht glückhaften Geschichte gestürzt worden ist, wohl f ü r Generationen von der Erfüllung einer solchen Rolle aus. Europa hat kaum Zeit, so lange zu warten. N u r mehr Großbritannien bleibt, um - der Zustimmung Amerikas sicher die europäische Einigung in die H a n d zu nehmen. Es wird sich dieser Aufgabe kaum entziehen können, nicht bloß Europas willen, sondern auch seiner selbst willen, im Hinblick auf die Erhaltung des Empires, für das die kleinen Inseln nördlich des Kanals nur so lange interessant sind, solange sie zugleich in der Alten Welt verankert bleiben. Das ganze ist gleichzeitig eine anglosächsische Frage schlechtweg. Wenn sich England versagt, dann wird sich Rußland zur Stelle melden. Dann würde die geheimnisvolle Sphinx des asiatisch-byzantinischen Ostens mit ihren gewaltigen Pranken alles Land zwischen dem N o r d k a p und den Säulen des H e r k u les zu sich herüberziehen hinter den Eisernen Vorhang, von dem Winston Churchill sprach, in eine Welt, in deren Schoß neues, völlig unerforschtes und kaum ahnbares Leben heranwächst.
ERKLÄRUNG Nürnberg, den 9. November 1945 Im Zusammenhang mit meinem Verhör vom 5. d. M. und etwaigen künftigen Verhören gestatte ich mir, nachfolgende grundsätzliche Erklärung abzugeben: Für mich besteht - und zwar nicht erst seit dem 8. Mai 1945 - kein Zweifel, daß es so etwas wie eine Kollektivschuld des deutschen und auch des österreichischen Volkes gibt. Mitschuldige an dieser kollektiven H a f t u n g befinden sich auch sonst in der weiten Welt. Ich erinnere an die Festigung der Hitlerpolitik durch das Verhalten der Mächte beim Anschluß Österreichs, an das Münchener Abkommen, an die deutsch-russischen Beziehungen zu Beginn des Polenkrieges.
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Letzte Manöverkritik
Neben dieser Kollektivschuld schreibe ich mir aber auch eine individuelle Schuld zu, worauf ich in den folgenden Zeilen kurz zu sprechen kommen möchte. Dabei liegt es mir ferne, etwas zu verschweigen, abzutönen oder gar ins Gegenteil umzudichten. Der objektive Tatbestand hat sicherlich in keiner Weise den Gang der Geschehnisse beeinflußt, die von ganz anderen Dingen als von meiner Wenigkeit abhingen. Der subjektive Tatbestand ist da. Wenn ich mit ein paar Strichen schildere, wie ich zu meiner Rolle kam, so schildere ich zugleich einen für Osterreich überhaupt symptomatischen Fall; für dieses unglückliche Osterreich, das als Strandgut des großen Zusammenbruches des Habsburgerreiches durch zwanzig Jahre weder leben noch sterben konnte . . . Ich war immer politisch überaus interessiert - auch als Historiker - und hatte schon 1914 an der Peripherie dem Mitarbeiterkreis Franz Ferdinands angehört. Gleich vielen, wahrlich nicht den schlechtesten Österreichern hatte sich mir in den Jahren nach 1918 die Auffassung aufgedrängt, daß es für das armselige Österreich auf die Dauer doch nur einen Ausweg geben könne: den Zusammenschluß mit dem großen Deutschen Reich. Natürlich dachte damals kein Mensch an die GangsterLösung von 1938, sondern an eine durch internationale Vereinbarungen zustande gekommene Lösung, bei der der Fortbestand von Österreichs Eigenständigkeit weitgehend zu wahren gewesen wäre. Ich war im alten Osterreich entschiedener Föderalist und bin es geblieben. Diese Einstellung, die man auch aus vielen meiner Schriften kannte, und das Ansehen, das ich auch in nationalen Kreisen in- und außerhalb Österreichs darob genoß, waren es, denen ich letztlich die unglückliche Aufgabe vom 11. Juli 1936 „verdankte". Ich galt bei meinen engeren Landsleuten als national, ohne daß man Überspitzungen zu besorgen hatte. Deshalb hatte mich Schuschnigg bereits im Herbst 1934 zum erstenmal eingeladen, ihm bei der inneren Befriedung nach der „nationalen Seite" hin behilflich zu sein; ich wurde Staatsrat. Zu dem Ministerposten vom Jahre 1936 habe ich mich wahrlich nicht gedrängt. Da ich ihn nun aber hatte, war ich bemüht, mich als ehrlicher Makler im Kampf der Parteien zu betätigen und dabei auch manchen Schritt „zurück zum Rechtsstaat" anzuregen. Dabei kann ich beschwören, daß ich es mit einem Anschluß an das Deutschland von 1933 wahrlich nicht eilig hatte. Schuschnigg und ich stimmten überein: Es sollte außen- und innenpolitisch ein Modus vivendi gefunden werden, durch den man sich gegenüber der „Dynamik" Hitlers zur Not behaupten konnte. Die Unterstützung anderer Mächte war von Haus aus fraglich, sie blieb zum Schlüsse ganz aus. Der außenpolitischen Aufgabe erwähnter Art hatte Guido Schmidt, der innerpolitischen ich mich zu unterziehen. Spätestens vom Sommer 1937 an zweifelte ich an jeder Erfolgsmöglichkeit. Es gab nur mehr ein Lavieren. Das Scheitern der Politik Schuschnigg-Glaise, wie ich sie wohl nennen darf, hatte seine Hauptursache in der schon betonten „Dynamik" Hitlers, der in Wirklichkeit nicht geneigt war, auf Österreich zu verzichten oder wenigstens seine Hast zu zähmen. Zudem hatte ich als Nicht-Nationalsozialist und gläubiger Katholik bei den illegalen Nationalsozialisten Österreichs wenig Vertrauen und Einfluß. Zu prominenten reichsdeutschen Nazis hatte ich überhaupt keine persönlichen Beziehungen. So kam es, daß ich bei den Berchtesgadener Besprechungen vom 12. Februar 1938 durch den gleichzeitig unverhältnismäßig mehr herausgestellten Dr. Seyß-
Individuelle Schuld
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Inquart ersetzt wurde. Daß ich nachher in der Regierung vom 11. März 1938 verblieb, der letzten von Miklas vereidigten, hatte seine Ursache nicht zuletzt in dem Streben, das Prinzip des Guten vertreten und Schlimmes vielleicht doch verhindern zu können. Ich darf erinnern, daß sich in Demokratien in Koalitionsregierungen o f t ähnliche Situationen ergeben. Doch weiß ich nicht erst seit heute, daß mein damaliges Verbleiben falsch war. Aber wenn ich auch im Großen nichts erreichte, konnte ich doch in vielen Einzelfällen helfen, w o f ü r ich eine Reihe prominenter Zeugen aus dem antinazistischen Lager Österreichs anführen kann. Dabei befand ich mich bis zum Schluß unausgesetzt im Status demissionis. Schon Anfang April schlug ich Seyß schriftlich vor, mich entheben zu lassen; es geschah mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß ich kein Nationalsozialist sei. Ende Mai 1938 war ich bereits entlassen. Da erfuhr ich Anfang Juni aus der Zeitung, daß ich wieder Minister der umgebildeten österreichischen Landesregierung geworden sei. Ich blieb allerdings ohne jeden Geschäftsbereich. Der Reichs-Innenminister begründete diesen seltsamen Zustand mit dem Bemerken, ich würde gerade als „Beobachter" gute Dienste leisten können. Mit meinen Bitten, mich freizugeben, hörte ich nicht auf. Dabei wußte ich aus meinem mir beiläufig bekannten Blatte in der SD-Kartei, daß ich in der Partei sehr schlecht angeschrieben war. Ich galt als absoluter Gegner des NS-Regimes und wurde bis zum T o d e Heydrichs auf Schritt und Tritt überwacht. Der Sicherheitsdienst verlangte von der Gauleitung Wien und der SA-Gruppe Donau (ich war als Minister SA-Ehrenführer geworden, ohne je eine Funktion oder gar ein Kommando ausgeübt zu haben) strikte meinen Ausschluß. Uberall hieß es, daß ich erstens langjähriges Mitglied der Christlichsozialen Partei und auch noch zur Zeit der Machtergreifung Präsident der von mir mitbegründeten Katholischen Akademikergemeinschaft gewesen sei (bis Frühjahr 1934); was beides zutraf. Auch als Legitimist wurde ich angekreidet, offenbar weil ich in meinen historischen Arbeiten die Verdienste des Hauses Habsburg um Osterreich und Deutschland nicht totschwieg. Als besonders untragbar bezeichnete ein Schreiben des SD an den Gauleiter meine Zugehörigkeit zum Reichstag, die ich gleichfalls ausschließlich meiner Ministerschaft zuzuschreiben hatte, da es irgendeine Bewerbung oder dergleichen nicht gab. Es wurde als untragbar bezeichnet, daß ein nationalsozialistischem Denken so fernstehender Mensch wie ich das (an sich völlig belanglose) Amt eines Reichstagsabgeordneten bekleide. Daß dieser Ansturm erfolglos blieb, hatte, wie ich glaube, seinen Hauptgrund im persönlichen Verhalten Hitlers mir gegenüber bei den nicht zahlreichen Gelegenheiten, die sich ergaben. Ich pflegte mit ihm anders zu reden als seine Anbeter, betätigte mich bewußt, um etwas sagen zu können, ein wenig als „Enfant terrible" und leistete mir Aussprüche und Späße, die durch die ganze Partei gingen. Hitler hörte mich bei allem sicherlich vorhandenen Mißtrauen nicht ungern. Als der Krieg ausbrach, flüchtete ich mich in die Wehrmacht. Ich mußte mich dabei, da ich zwanzig Jahre weg war, fürs erste mit dem bescheidenen, o f t auch zu Spott herausfordernden Posten eines „Kriegsgräberinspekteurs" begnügen. Ich ging mit dem Entschluß zum O b e r k o m m a n d o der Wehrmacht nach Berlin, endgültig den Staub einer Welt von meinen Füßen zu schütteln, in der ich mich bewegen zu können glaubte, ohne daß sie je die meinige geworden wäre. Ich ließ sofort in
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Letzte Manöverkritik
verschiedenen Gesprächen gegenüber Männern wie Halder, Lammers, Meissner keinen Zweifel über meine Einstellung zu den Zeitproblemen, auch zum Krieg, den ich von Anbeginn „als schwerstes Verbrechen" an der Menschheit bezeichnet hatte, und fand in den Pressekonferenzen der Heeresleitung auch vor einem breiteren Kreise öfter Gelegenheit, wider die Überheblichkeit der Partei gegenüber der Wehrmacht, über deren Stellung und auch über integrales Osterreichertum zu sprechen. Auch bei Besuchen österreichischer Truppen bestärkte ich unter patriotischer T a r n u n g meine Landsleute in ihrem Selbstbewußtsein. Manchem bedrängten Landsmann konnte ich in der Reichszentrale helfen. Meinen persönlichen Umgang fand ich fast ausschließlich in dem Kreise der späteren „20.-Juli-Männer". Beck, Hassel, Popitz, Haeften zählten zu meinen Intimisten. Als ich später nach Agram kam, schickte dieser Kreis einen Verbindungsoffizier zu mir, der drei Tage nach dem Attentat von meiner Seite weg verhaftet und gegen Kriegsende ermordet wurde. D a ß ich im April 1941 Bevollmächtigter General in Kroatien wurde, hatte ich meinen besonderen Länderkenntnissen zuzuschreiben. Hitler gab dem Vorschlage Keitels nur ungern die Zustimmung, da er mir „als Österreicher" mißtraute (Mitteilung Jodls). In Kroatien vertrat ich von Anbeginn eine Politik der Versöhnung und des Ausgleiches sowie der nationalen Gleichberechtigung. Ich stellte mich entschieden und zeitweilig auch mit Erfolg gegen den UstaSaterror, hielt enge Beziehungen zu der oppositionellen Bauernpartei und ihren Führern sowie auch längere Zeit manche Verbindung mit Tito, die erst im Sommer 1943 durch eine unglückselige Verquickung von Umständen gelockert wurde. Mein Verhältnis zur kroatischen Kirche führte zu einem Notenwechsel des Auswärtigen Amtes, das sich an meinen Kirchenbesuchen rieb. Meine Meldungen ließen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Ich stand in offenem Gegensatz zur Reichspolitik, die - schon gar im Auslande - Hitler allein diktierte. Schließlich stürzte ich Anfang September 1944 nach einer recht gefährlichen Denunziation wegen „defätistischer Umtriebe" über Pavelic und seine UstaSa-Terroristen, die sich nachher rühmten, den General, der kein Deutscher, sondern ein Österreicher gewesen sei, billig angebracht zu haben. Nach Wien zurückgekehrt, schaltete ich mich aktiv in einen ehemaligen, nun zu einer wirklichen Widerstands- und Oppositionsgruppe gewordenen Freundeskreis ein, mit dessen Mitgliedern ich teilweise schon in Kroatien Fühlung gehalten hatte. Seit Ende 1944 bekam ich auch Aufträge, die von einer amerikanischen Stelle in der Schweiz stammten. Ich berufe mich auf Mr. Dulles und Mr. Leslie von der amerikanischen Botschaft, auf den Vertreter der österreichischen Freiheitsbewegung Dr. Grimm 1 ) in der Schweiz und andere. In den Monaten vor dem Zusammenbruch ') Kurt Grimm (gest. 20.9.1984 in Wien im 82. Lebensjahr), Dr.iur., österreichischer Rechtsanwalt in Wien, kam 1938 als Emigrant in die Schweiz und betrieb d o r t eine Anwaltskanzlei, durch die Geschäfte von Schweizer Banken mit internationalen Konzernen abgewickelt wurden. T r u g ab 1939 in mehreren M e m o r a n d e n das Anliegen einer Wiederherstellung Österreichs an die Schweizer Bundesregierung heran; hatte sodann zahlreiche Beziehungen zu den Westalliierten und zu österreichischen Emigranten. Er vertrat insbesondere gegenüber Allen Dulles die F o r d e r u n g der österreichischen Unabhängigkeit und unterstützte die österreichische Widerstandsbewegung. Vgl. über ihn besonders: F. Goldner, Flucht in die Schweiz. Die neutrale Schweiz und die österreichische Emigration 1938-1945, Wien 1983.
Bekenntnis zu Osterreich
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hat diese Gruppe sehr intensiv gearbeitet und - soweit ich es in meinem Sektor beurteilen konnte - auch manches erreicht. Ich lege diese Ausführungen nieder, um eine notwendige Klarstellung zu erzielen. Ich bekenne offen, mehrfach schwer geirrt zu haben. Ich habe aber nach gewonnener Erkenntnis innerlich und, soweit als möglich, bis zu persönlicher Gefährdung auch nach außen die Konsequenzen gezogen. Daß mir nichts Ernsthaftes passierte Verdächtigungen regnete es natürlich - , verdanke ich nicht zuletzt illegalen Beziehungen zu SD-Freunden. Ich habe vor allem in der Politik nie einem Mitmenschen wissentlich Böses zugefügt. Auch wehrlos gewordenen Gegnern nicht und erlaube auch niemandem, mein Osterreich, dessen charakteristischen Repräsentanten ich mich nach Anlage, Eigenart und Temperament nennen darf, mehr zu lieben, als ich es immer und auch auf Irrwegen tat.
PERSONENREGISTER Adam, Walter 238, 326 Albrecht, s. Osterreich Alexander, s. Jugoslawien Alexander of Tunis, H a r o l d Rupert Lord 50, 413 Altenburg, G ü n t h e r 125 Alvensleben, Joachim Ernst v. 80 Ambrosio, Vittorio 142, 213, 214, 219, 220, 248, 368, 430 Arne, Cesare 245 Arnsberg, Erik v. 120 Andreas, Willy 129 Andres, Ivo 282, 358 Angelis, Maximilian de 50, 443, 464, 480, 486 Antonescu, Mihail 146, 188, 258, 352 Anzinger 260 ATZ v. Straußenburg, A r t h u r 363 Auersperg, "Alois Prinz 47, 500 Auersperg, Karl Alain Prinz 286 August Wilhelm s. Preußen Augustincic, Antun 492 Auleb, Helge 422, 425, 487, 490 Babifc, Ivo 33, 39, 159, 356, 357, 359 Bach-Zelewski, Erich v. d. 240, 243, 321, 476 Bachmayer, Josef 481, 483, 529 Bader, Paul· 165, 175, 267, 346, 434, 510 Badoglio, Pietro 138, 244, 246, 247, 262, 278, 280, 318, 338, 362, 363 Bagranjow, Iwan 522 Bakrac, Boris 36 Balabanoff, Angelica 262 Baien, Josip 282 Bardolff, Carl 107, 380 Bärdossy, Läszlo 475, 549, 556, 565 Bartha, Albert 539 Bastianini, Giuseppe 209, 212, 215, 225 Baur, H a n s 206 Bayern, Rupprecht Kronprinz v. 104 Bechtolsheim, Anton Frh. v. 113 Beck, Josef 118, 561, 562 Beck, Ludwig 173, 234, 239, 558, 584 Becker, Karl 460 Beckerle, A d o l f - H e i n z 479, 504
Begic, Vilko 206, 211, 273, 303, 394, 396 Begovic, Alaj 553 Behle, ? 188, 209 Behrends, H e r m a n n 516 Benak, Sändor 403 Benckiser, Nikolas 358 Benes, Edvard 118, 555 Benzler, Felix 268 Benzon, Branko 105, 110, 111, 429 Berchem, Kaspar Graf 46 Beregffy, Käroly 501 Berger, Gottlob 27, 240, 241, 242, 284, 442, 443, 459, 462, 463, 499, 509 Bethlen, Istvän 502 Beyer, Eugen 154, 386 Bibra, August Wilhelm Frh. v. 257 Bicker 116, 311 Biehl, Carl 517 Binder-Degenschild, Karl 488 Bismarck, O t t o Fst. 131, 363, 483, 569 Bittner, Ludwig 238, 284 Blahut, T h e o d o r 361 Blaskovic, Peter 452 Blomberg, Werner v. 555 Boban, ? 505 Bodenschatz, Karl 88 Böckl, Friedrich 375, 384 Böhm, Anton 42, 45, 185, 420 Böhm-Ermolli, E d u a r d Frh. v. 158 Böhme, Franz 169, 219, 343 Börner, Karl 122 Book, Fredrik 515 Boje, Arthur 174 Bonnet, Georges 561 Boog, Adolf 271 Boris, s. Bulgarien Bork, M a x 102, 542 Bormann, Martin 46, 90, 127, 137, 193, 228, 290, 307, 377, 541, 555, 576, 577 Borner, ? 173 Borodajkewycz, Hilde v. 63 Borodajkewycz, T a r a s v. 41, 4 4 - 4 6 , 58, 63, 138, 200, 2 3 5 - 2 3 8 , 285, 465
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Personenregister Boroevic v. Bojna, Svetozar Frh. 85, 158 Bouhler, Philipp 285, 426 Bourbon, Jayme Prinz v. 80 Braganza, D o m Miguel H z g . v. 80 Braganza, D o m Pedro H z g . v. 80 Brand, Fritz 152 Brandenburg, Friedrich Wilhelm Kurfürst v. J 29 Brantner, T h e o d o r 253, 415 Brauchitsch, W a l t h e r v . 87, 91, 95, 106, 123, 181, 185, 390, 392 Braumüller, ? 545 Braun, Eva s. Hitler Brauner v. Haydringen, Josef 179, 196, 202, 248, 332, 369, 386, 409, 413 Brehm, Bruno 360 Briesen, Kurt v. 92 Brinkmann, Helmuth 281 Brinkmann, ? 124 Briosi, Settimo 337 Brockdorff, Friedrich Gustav Frh. v. 146, 155, 231, 345, 354, 372, 373 Brockdorff, Freiin v. 354, 372, 373 Buch, Walter 137 Budak, Mile 187, 206, 354, 428, 512 Buden, ? 551, 564, 565 Bünau, Rudolf v. 540 Bürckel, Joseph 80, 302, 575 Burkner, Leopold 124, 186, 318, 320, 322, 323, 324, 453, 455, 461, 480, 481 Bulat, E d o 394, 395, 397, 402, 417, 420 Bulgarien, Boris Kg. v. 273, 281, 522, 523 Bulgarien, Ferdinand Kg. v. 182, 183, 204, 458, 468, 492 Bulgarien, Kyrill Prinz v. 522 Bulic, ? 355, 498 Burckhardt, Carl J. 481, 500 Burgdorf, Wilhelm 450, 478, 484, 532, 541 Butsch, Stjepan 112 Buttlar-Brandenfels, H o r s t Frh. Treusch v. 156, 157, 216, 231, 257, 293, 376, 426, 458, 459, 460 Canaris, Wilhelm 245 Canic, Matija 39, 40, 375 Casertano, ? 199, 200, 212, 225, 429 CatloS, Ferdinand 458 Cavallero, U g o 362, 363 Chamberlain, H o u s t o n Stewart 204 Chamberlain, Neville 467, 568 Chapeaurouge, A l f r e d d e 146, 155 Chorin, Ferenc 388 Churchill, Winston 121, 143, 151 184, 246, 273, 413, 464, 469, 484, 522, 532, 581 Ciano, E d d a Contessa 262, 370, 371 Ciano, Galeazzo Conte 14, 15, 99, 226, 227, 245, 246, 262, 270, 327, 352, 362, 363, 423, 441, 511
Cieker, ? 292, 293, 335 Clark, Mark 52 Clodius, Carl August 223, 319 Clößner, Heinrich 349 Collasius, ? 545 Conrad v. H ö t z e n d o r f , Erwin Grf. 500 Conrad v. H ö t z e n d o r f , Franz Grf. 163, 164, 235, 239, 476, 489, 528 Conrad v. H ö t z e n d o r f , Gina Grfin. 489 Crisomali, Nikolaus Ivan 508, 509 C r a m o n , August v. 323, 363 Csatay v. Csata, Lajos 411 Csicserics v. Bacsäny, Maximilian 253 Cuninghame, Sir T h o m a s 144 Cus, O t o 265 Cvetkovic, DragiSa 474 Czernin, O t t o k a r Graf 108 Daladier, Edouard 467, 568 Daniels, Alexander Edler v. 391 Danneberg, ? 483 D a n o w , ? 522, 523 De Bono, Emilio 370, 441 Dehner, Ernst 386 Delp, Alfred 558 Denk, Gustav 253, 285, 408, 409, 476, 498, 516, 517, 536 Deutsch, Julius 327 Diels, Rudolf 496, 497 Died, Eduard 187, 249, 420, 421 Dietrich, O t t o 331 Dietrich, Sepp 527, 534, 535, 537, 540 Djilas, Milovan 34 D o d d , H . J . 54 Dönitz, Karl 559 Dörfler, ? 104, 105, 106, 110 Dörnberg, Alexander Frh. v. 184, 324 Doerner, ? 518 Dohnanyi, Hans v. 40, 186 Dollfuß, Engelbert 65, 66, 234, 245, 273, 414,415, 485 Drabich-Wächter, Viktor v. 124 Dragoilov, I-'edor 271, 346, 483 Dragoilov, Gertrude 346 Draxler, Ludwig 50 Dulles, Allen 42, 47, 48, 69, 584 Dwinger, Erich Edwin 235, 236 Dyes, ? 234 Dzal, Franjo 156 Ebner, Karl 531 Eckold, ? 301 Edelsheim-Gyulai, Leopold 113 Eden, Anthony 143, 283 Eder, Franz 224
588 Eglseer, Karl 330, 420, 421 Eigruber, August 141, 149, 325 Einsiedel, Heinrich Graf 247 Eisenhower, Dwight 528, 531 Eiswaldt, ? 482 Elisabeth, s. Österreich Eitz, Erwein Karl Grf. 372, 539 Empting, Rudolf 377 Ender, Otto 51 Esser, Hermann 140, 549 Etzdorf, H a s s o v. 401 Eugen, s. Osterreich Eugen, s. Savoyen Fabianek, ? 158 Falkenstein, Sigismund Frh. v. 253 Farinacci, Roberto 266 Fegelein, Gretl 561 Fegelein, Otto Hermann 461, 561 Feketehalmy-Czeydner, Ferenc 367 Felber, Hans 251, 267, 268, 351, 352, 418, 419, 452, 453, 466, 474 Fellgiebel, Erich 276 Fellner, Herbert 52 Felmy, Hellmuth 210, 277, 351, 486 Ferdinand, s. Bulgarien Fest, Eva Baronin 505 Fest, ? 505 Feurstein, Valentin 264, 339 Fey, Emil 415 Fiehler, Karl 283 Filov, Bogdan 328 Fischböck, Hans 300, 301, 302, 539 Fischer v. Poturczyn, Friedrich 106 Fitzthum, Josef 300 Flandin, Pierre-Etienne 371 Fochler-Hauke, Gustav 549 Förster, Hellmuth 115 Foertsch, Hermann 142, 161, 175, 178, 209, 217, 219, 221, 239, 240, 248, 250, 251, 268, 279, 295, 297, 303, 306, 311, 312, 331, 343, 350, 374, 385, 542, 544 Foppa, Hermann 107 Fortner, Johann 438 Franckenstein, Georg 328 Franek, Fritz 552, 553 Frank, Hans 195, 223 Frank, Josip 17, 165, 226 Franz II., s. Österreich Franz Ferdinand, s. Österreich Franz Joseph, s. Österreich Frauenfeld, Alfred 137 Freisler, Roland 558, 559 Freyberg-Eisenberg, Albrecht Frh. v. 245 Frick, Wilhelm 106, 549
Personenregister Friede, ? 79 Friedrich I., s. Preußen Friedrich II., s. Preußen Friedrich Wilhelm, s. Brandenburg Friedrich Wilhelm I., s. Preußen Friedrich Wilhelm II., s. Preußen Friedrich Wilhelm III., s. Preußen Frießner, Johannes 502, 506 Fritsch, Werner Frh. v. 555 Frkovic, Mate 448 Fromm, Fritz 124, 184, 557, 558 Fuchs, Martin 136, 567 Funck, Albrecht Ludwig Frh. v. 92, 94, 98, 162, 171, 192, 230, 231, 454 Funder, Friedrich 54 Funk, Waither 549 Futterweit, ? 577 Gadow, Hans-Joachim 212 Gaiswinkler, Albrecht 51 Gaj, Ljudevit 226 Galen, Clemens August Grf. 127, 128 Gantscheff, Peter 204, 324, 468, 492 de Gaulle, Charles 371 Gautier, Theophil 104, 105 Gautier, Werner 104 Geitner, Curt R. v. 267, 352, 474 Gerba, Raimund v. 113 Geßler, Otto 326 Ghyczy, Nikolaus v. 285 Ghyczy, Tito v. 451 Glaise v. Horstenau, Johanna 141, 223, 325, 382, 384 Glasmeyer, Heinrich 196 Gleissner, Heinrich 51 Globocnik, Odilo 255, 337, 338, 340, 341, 577 Goebbels, Josef 106, 121, 131, 134, 193, 217, 331, 344, 353, 461, 481, 527, 535, 538, 565, 572 Gömbös, v. Jäkfa, Gyula 101, 387, 428 Göring, Emmy 549 Göring, Hermann 68, 101, 106, 107, 115, 124, 162, 171, 172, 178, 188, 195, 215, 217, 231, 239, 261, 285, 301, 331, 351, 390, 422, 452, 453, 489, 497, 533, 544, 555, 556, 557, 562, 564 Göring, Ilse 496, 497 Gördeler, Karl 69, 558, 559 Goldberger, Leö 388 Goltz, Rüdiger Grf. v. d. 5 5 4 - 5 5 7 , 560 Gottberg, C u r t v . 330 Gracic, ? 452, 474 Grauert, Ulrich 115 Graziani, Rodolfo 276, 278
363,
376, 223, 541,
117, 216, 355, 549,
Personenregister
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G r e b e n z , Karl 253 G r e i f f e n b e r g , H a n s v. 286, 406, 407, 408, 4 1 0 , 411 Greiner, H e l m u t h 156 G r i k o v i i , ? 115 G r i m m , K u r t 46, 48, 49, 584 Grimschitz, B r u n o 488 Griskovic, ? 115 Grivicic, L e o n i d a s 354 G r u i c , G e o r g 457 G u a r i g l i a , R a f f a e l l e B a r o n 248 G u d e r i a n , H e i n z 533 G ü n t h e r , Christian 562 G u g l i a , E u g e n 385 Gussetti, Emil 490 G u t t e n b e r g , Emil Frh. v. 97 Guttenberg, Karl L u d w i g Frh. v. 41, 43, 298, 325, 584 H ä c h a , Emil 568 H a d r o v i c , ? 273 H a e f t e n , H a n s Bernd v. 45, 185, 559, 584 H a l d e r , F r a n z 91, 151, 153, H a l e m , N i k o l a u s v. 42 Haller, J o h a n n e s 224 H a n k e , Karl 527 Hankenstein, Alfred 235 H a n s e n , ? 419 H a r l i n g , F r a n z Arnold v. 36, Hassell, Ulrich v. 32, 40, 42, Haßlacher, F r a n z 279, 337, H a u s h o f e r , Albert 69, 481 H a u s h o f e r , K a r l 66, 69, 481 H e b r a n g , Andrija 38, 41 H e g e m a n n , Werner 129 Heigl, Paul 194, 550 Heimerich, O s k a r 537
157, 584
420, 482 102, 408, 584 338, 340, 409, 412
Heibich, ? 315 H e l l d o r f , Wolf Heinrich G r f . 559 Hellepronth, Antäl v. 285, 469 H e l m , ? 441 H e n c k e , A n d o r 401 H e n g l , G e o r g R. v. 49, 492 H e n n i n g s , Fred 529 Herbert, T h e o d o r 544 Herencic, Ivo 275, 276, 357, 439, 440, 441, 447, 448 H e r r m a n n , Walter 40, 389, 441 H e r w a r t h v. Bittenfeld, H a n s 393 H e s s e n , Philipp Prinz v. 105, 261 Heß, R u d o l f 118, 283, 362, 523 Hettwer, Emil 140 H e u s i n g e r , A d o l f 261 H e w e l , Waither 88, 90, 91, 361, 561 H e y d r i c h , Reinhard 127, 128, 136, 514, 583 H i l d m a n n , Richard 546 H i m m l e r , G e b h a r d 137
H i m m l e r , Heinrich 27, 41, 46, 47, 108, 136, 137, 149, 185, 1 8 8 - 1 9 1 , 203, 223, 232, 234, 241, 242, 243, 259, 306, 307, 321, 322, 327, 341, 342, 382, 397, 408, 422, 426, 441, 449, 458, 459, 461, 462, 472, 473, 475, 488, 494, 500, 506, 523, 524, 5 3 1 , 559, 572, 573 H i m m l e r , M a r g a r e t e 137
130, 221, 288, 353, 450, 476, 555,
134, 222, 290, 362, 456, 482, 556,
H i n d e n b u r g , Paul v. Beneckendorf u. v. 67, 284, 322, 348, 528 H i r s c h - S t r o n s t o r f f , E u g e n 235 H i r s c h a u e r , Friedrich 121 Hitler, Adolf 1 4 - 1 6 , 25, 2 8 - 3 1 , 34, 36, 37, 39, 41, 42, 47, 48, 67, 68, 8 1 - 8 5 , 88, 94, 95, 100, 101, 103, 1 0 5 - 1 0 8 , 110, 111, 113, 118, 120, 121, 1 2 4 - 1 2 8 , 1 3 0 - 1 3 7 , 139, 141, 1 4 5 - 1 5 2 , 154, 155, 157, 158, 162, 164, 171, 172, 174, 175, 176, 1 7 9 - 1 8 2 , 185, 189, 1 9 1 - 1 9 3 , 195, 196, 199, 200, 204, 206, 2 0 7 - 2 1 0 , 214, 216, 219, 221, 223, 226, 228, 231, 234, 236, 239, 242, 244, 245, 247, 2 4 9 - 2 5 1 , 2 5 7 - 2 6 9 , 2 7 3 - 2 7 5 , 277, 279, 280, 284, 2 8 7 - 2 9 1 , 294, 295, 3 0 1 303, 3 0 5 - 3 0 9 , 312, 3 1 8 - 3 2 0 , 325, 326, 327, 330, 333, 338, 339, 3 4 1 - 3 4 3 , 348, 353, 362, 3 6 4 - 3 6 7 , 3 7 3 - 3 7 7 , 3 8 1 - 3 8 5 , 389, 391, 395, 397, 401, 4 0 7 - 4 1 0 , 412, 413, 4 1 8 - 4 2 0 , 4 2 4 426, 431, 434, 440, 441, 449, 4 5 3 - 4 5 6 , 458, 467, 472, 473, 475, 477, 480, 481, 483, 491, 492, 495, 497, 504, 513, 515, 519, 521, 523, 525, 528, 530, 532, 5 3 7 - 5 3 9 , 541, 547, 551, 553, 5 5 5 - 5 7 9 , 581, 583, 584 Hitler, E v a 553, 555, 556, 561 Hitler, P a u l a 132, 133 H n e d a c e k , s. Pavelic H o d e n b e r g , L e o n h a r d Frh. v. 399, 506 H ö f l e , H e r m a n n 459, 516 H o e n , M a x R. v. 155, 173, 174, 348 H o e p n e r , Erich 558 H ö r b i g e r , Paul 529 H ö t t l , Wilhelm 4 4 - 5 2 , 5 4 - 5 9 , 269, 278, 279, 2 8 7 - 2 8 9 , 387, 399, 407, 408, 462, 494, 500, 514-516 H o f b a u e r , F r a n z 368, 469, 470, 487, 494 H o f e r , F r a n z 46, 127, 264, 282, 290, 291, 338, 339, 340, 529 H o f e r , Peter 282 H o f f m a n n , Heinrich 261 H o f f m a n n v. W a l d a u , O t t o 121 H o f m a n n , ? 97, 353 H o h e n b e r g , M a x H z g . v. 97 H ö m a n , Balint 234, 284 H o r i n k a , Stefan 354 H o r n b o s t e l , T h e o d o r v. 237 H o r n u n g , K o n r a d 488
590 Horthy, Magdolna ν. 407, 409, 499, 520, 521 Horthy, Nikolaus v. 211, 285, 385, 386, 387, 389, 407, 408, 409, 410, 411, 458, 461, 468, 469, 475, 483, 499, 501, 502, 517, 520, 521, 549, 559, 560 Horthy, Nikolaus d. J. 475, 499, 560 Hoth, Hermann 349 Hube, Hans Valentin 390 Hubicki, Alfred R. v. 229, 458, 509, 516 Hubka, Gustav v. 380 Hudal, Alois 574 Hueber, Pauline 489 Hlinewaldt, ? 103 el Husseini, Mohammed Emin 241 Imridy, Bela 387, 389, 410, 475, 563, 565 Innitzer, Theodor 139, 507 Isabella, s. Österreich Iser, Georg 180 Italien, Umberto II. Kg. v. 138 Italien, Viktor Emanuel II. Kg. v. 138, 262, 270 Jäger, ? 556 Jagow, Dietrich v. 285, 385, 409, 479 Jakein, Djuro 86, 90, 184, 389, 390 Janko, Josef 100 Jansa v. Tannenau, Alfred 67 Jaskovic, ? 38 Jedlicka, Ludwig 45, 58, 103, 269, 285, 489, 494 Jelacic, Joseph Grf. 85, 226 Jeschonnek, Hans 178, 350, 533 Jevdjevic, Dobroslav 296 Jodl, Alfred 29, 81, 84, 86, 90, 91, 133, 152, 155, 173, 187, 191, 218, 219, 220, 258, 259, 261, 264, 274, 276, 280, 297, 306, 307, 317, 321, 322, 340, 343, 369, 374, 385, 399, 400, 426, 449, 458, 493, 500, 516, 532, 533, 534, 541, 584 Jodl, Luise 534 Johann, s. Osterreich Johst, Hanns 242 Joseph Anton, s. Osterreich Joseph Ferdinand, s. Österreich Jüttner, Max 499, 514, 520 Jugoslawien, Alexander Kg. v. 31. 427 Jugoslawien, Paul Prinz v. 118 Jugoslawien, Petar II. Kg. v. 352 Juppe, Hans 252, 268, 274, 276, 314, 357, 463, 482, 506 JuriSic, Nikola 158 Jury, Hugo 409, 470 Justiniani, ? 243 Kaiser, ? 377 Kalinin, Michail Iwanowitsch 327 Källay, Miklös v. 285, 385, 387, 410, 502, 559
Personenregister Kaltenbrunner, Ernst 42, 46, 47, 49, 50, 288, 327, 442, 495, 514, 515, 524 Kaltner, Balthasar 224 Kammerhofer, Konstantin 26, 190, 202, 203, 210, 215, 241, 242, 321, 360, 417, 422, 441, 443, 475 Känya, Kälmän 387, 498 Kap-herr, Wolfgang Frh. v. 487 Kappus, Franz Xaver 104, 123, 183, 455 Karl I. (IV.) s. Österreich Karsten, Julius 402 Kasche, Siegfried 15, 27, 28, 31, 33, 35, 37, 90, 91, 94, 95, 99, 100, 105, 115, 124, 128, 129, 140, 145, 147, 148, 149, 155, 162, 166, 171, 178, 183, 187-189, 200, 206, 209-213, 221, 225, 239, 243, 247, 255-259, 264-266, 268, 270, 274, 275, 279, 281, 282, 286, 287, 289, 291, 297, 299, 305-309, 316, 320, 335, 338-342, 351, 355, 356, 360, 363, 364, 370, 373-377, 383, 393, 394, 397-400, 415, 416, 420, 427, 430, 431, 435, 436, 439, 441-449, 451, 452, 454, 455, 461-464, 477, 480, 483, 487, 491, 492, 494, 497, 504, 506, 510, 528, 551 Kastner, ? 323 Katschthaler, Johann Baptist 141, 224, 286, 526 Katschinka, Robert 395, 396 Katte, Hans Hermann v. 130 Kaulbach, Eberhard 230, 231, 239, 240, 252, 260, 347 Keiner, Walter 520 Keitel, Bodewin 119, 120 Keitel, Wilhelm 40, 81, 84, 88, 90, 101, 106, 116, 120, 121, 135, 147, 148, 150, 151, 152, 187, 191, 195, 203, 207, 208, 209, 210, 211, 218, 219, 220, 221, 244, 317, 318, 319, 320, 322, 332, 342, 343, 366, 368, 369, 372, 382, 384, 398, 426, 448, 449, 451, 453, 454, 455, 456, 457, 458, 460, 462, 481, 490, 491, 541, 557, 584 Keppler, Wilhelm 107 Keresztes-Fischer, Ferenc 387, 410, 549 Keresztes-Fischer, Lajos 387, 410, 549 Kesselring, Albert 47, 215, 231, 276, 338, 472, 475, 542 Kienböck, Viktor 238, 302 Kienitz, Werner 250 Killinger, Manfred Frh. v. 479 Kirin, Ico-Ivan 355, 360, 440, 441, 447, 498 Kiszling, Rudolf 26, 47, 58, 59, 308, 316, 336, 376, 483 Kitzinger, Karl 459 Klauber, ? 529 Kleist, Ewald v. 143, 151, 154, 180, 390, 392 Klobucaric, Ζέηό 509, 511, 512 Klopp, Onno 528 Kluge, Hans Günther v. 392, 449, 495 Knobeisdorff, Otto v. 349
Personenregister Knoll, Kurt 194, 237, 484, 550, 560 Koch, Erich 120, 236, 237, 301, 459 K o d r i , Heinrich 234 Koderle, Richard 96 Köhler, Karl Erik 124 Körner, T h e o d o r 58, 414, 552 Köstli, ? 343, 382, 466 Köstring, Ernst-August 40, 392, 393 Koppenberg, Heinrich 105, 106 Korningen, Ann Tizia 406 Korningen, Erich 406 Korten, G ü n t h e r 331, 352, 378, 557 KoSak, Vladimir 40, 286, 352, 398, 418, 444, 461, 463, 478, 487, 492 Kossack, ? 200 KoSutic, August 32, 214, 243, 351, 358 Kral, ? 98 Kramsall, Karl 200, 298, 336, 341, 465, 482, 547 Kranz-Hellepronth, ? 469, 498, 500, 502, 520 Krappe, G ü n t h e r 122, 286 Krasnow, Petr Nikolaevic 313 Krauss, Alfred 186 Krauss, Clemens 139 Krebs, H a n s 541 Kretschmayr, Heinrich 385 Krisch, Franz 35 Kronholz, Robert v. 287, 289, 351, 352, 356, 499, 500 Kruckenberg, ? 395 Kubart, ? 188 Kube, Wilhelm 330 Kubuschok, ? 53, 54 Kühn, ? 382, 500 Kumm, O t t o 294 Kuntze, Walter 142, 343 Kutschera, Johann N e p o m u k Frh. v. 561 Kvaternik, Eugen 159, 165, 166, 169, 170, 171, 347, 431, 435, 505, 5 0 9 - 5 1 2 Kvaternik, Peter 85, 86 Kvaternik, Slavko 14, 19, 32, 85, 86, 87, 89, 92, 9 4 - 9 9 , 113-116, 124, 139, 155, 158, 159, 162, 165, 169-171, 195, 222, 254, 319, 347, 354, 355, 356, 403, 429, 431, 432, 435, 501, 5 0 8 512 Kyrill, s. Bulgarien Lakatos, Geza 411 Lammers, H a n s Heinrich 118, 120, 124, 127, 128, 188, 216, 217, 322, 400, 423, 424, 549, 559, 584 Lange, Kurt 544, 545 Langer v. Langerode, H e r m a n n 337 Langoth, Franz 107 Lanz, H u b e r t 154, 386 Lasch, Karl 223 Lasser v. Zollheimb, ? 186, 236
591 Laue, ? 426 Lauer, Bernhard 174, 234, 334 Lauer, H a n s 174, 334 Lauer, Paula 174, 333, 334 Lauppert v. Peharnik, Egon 271, 495 Laval, Pierre 215 Laxa, Wladimir 33, 170, 431, 432 Leitich, Ann Tizia s. Korningen Leeb, Wilhelm R. v. 549 Lennartz, ? 184 Lepperdinger, H a n s 542, 544 Leslie, Murray 49, 544, 584 Levetzow, Erdmann Frh. v. 224 Levetzow-Lanthieri, Carl Erdmann Frh. v. 224, 225, 245, 272 Ley, Robert 217, 283, 377, 529, 531, 557, 563 Leyser, Ernst v. 401 Lieb, Theobald 391, 392 Ljuburic, ? 374, 436, 441, 464, 494, 499, 503, 509, 510, 516, 553 Likus, Rudolf 565 Lisak, Erih 43, 447, 452 List, Wilhelm 13, 103, 142, 154, 392, 406, 550, 578 Ljoti£, Dimitrije 494, 499 Lobkowitz, Erwein Prinz v. 38, 280, 505 Lohr, Alexander 161, 162, 164, 172, 176-178, 182, 187, 188, 193, 1 9 8 - 2 0 0 , 203, 209, 215, 221, 224, 225, 231, 239, 2 4 3 - 2 4 5 , 2 4 9 - 2 5 1 , 261, 267, 272, 279, 310, 350, 351, 353, 416, 449, 474, 476, 480, 486, 520, 528, 544 Lohse, Hinrich 121 Lombardi, ? 29 Lorenz, Werner 217, 361, 362, 363 Lorkovic, Mladen 29, 3 8 - 4 1 , 116, 159, 171, 199, 206, 208, 211, 2 2 5 - 2 2 7 , 279, 286, 300, 311, 3 1 4 - 3 1 6 , 330, 331, 344, 354, 357, 359, 363, 364, 368, 369, 3 7 2 - 3 7 4 , 376, 3 9 7 - 3 9 9 , 428, 429, 435, 436, 443, 446, 447, 478, 479, 483, 504, 511, 512, 535 L u d e n d o r f f , Erich v. 66, 150, 230, 363, 573 Ludin, H a n s Elard 401, 479, 518 Ludolf, ? 513 Ludwig Viktor s. Österreich Lueger, Karl 577 Lüters, Rudolf 25, 164, 165, 172, 176, 178, 179, 190, 199, 209, 215, 217, 240, 309, 310, 347, 375, 396, 438, 466 Lultschew, Ljubomir 523 Luther, Martin (I) 129, 521 Luther, Martin (II) 108, 139, 185 Lutze, Viktor 91 Macchio, Pietro 423 Macek, Vladimir 14, 17, 32, 42, 98, 100, 118, 159, 242, 375, 510 Mach, ? 184
592 Mackensen, Hans Georg v. 227, 267, 278, 338, 361 Maglione, Luigi 281, 466 Magyar, Paul 559, 560 Makanec, Juli je 315 Mandic, Nikola 271, 276, 279, 289, 314, 382, 384, 397, 398, 553 Manstein, Erich v. 179, 366, 390, 392 Marchi, Pietro 212 Marcinkiewicz, August 554 Marcone, Giuseppe Ramiro 38, 54, 138, 299, 356, 498, 511 Margutti, Albert v. 488, 513 Margutti, Maria Karoline v. 488, 513 Maria Theresia s. Osterreich Marogna-Redwitz, Rudolf Grf. 40, 41, 46 Maroitic v. Madonna del Monte, Georg Frh. 158 Märossy, ? 243, 285, 356, 369, 389, 398, 399, 408 Marschik, Josef 254 Mari6 de Acs, August 87, 296, 452 Martinek, Robert 179, 495 Massenbach, Wolf Frh. v. 79, 85, 92-97, 183, 187-189, 301, 492 Materna, Friedrich 212 Matl, Josef 21, 22 Matzky, Gerhard 110, 157, 173 Mayer, ? 157 Megay, Ernst 257 Mehring, Franz 129 Meissner, Otto Heinrich 208, 518, 584 Meli, Alfred 352 Mellenthin, Horst v. 121, 122, 124, 152, 157 Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein, Albert Grf. 187 Mesii, Adamaga 389 Meßner, Franz 531 Meätrovie, Ivan 42, 143, 432, 433, 434, 466, 500 Metternich, Klemens Fst. 569 Metzger, Eduard 41, 42, 50, 54, 56, 58, 146, 156, 163, 164, 167, 172, 174, 214, 220, 225, 230, 242, 243, 245, 248, 257, 265, 267, 268, 272, 280, 285, 291, 298, 299, 300, 325, 331, 343, 350, 363, 370, 372, 376, 378, 382, 384, 388, 394, 395, 397, 400, 403-406, 408, 409, 419, 425, 426, 440, 446, 447, 449, 452-456, 458, 460, 463, 466, 469, 471, 474, 475, 482, 484, 489-491, 493, 496, 498, 499, 502, 508-510, 513, 524, 526, 527, 529, 535-537, 541-549, 551, 552 Metzger, Grete 12, 508, 537 Metzger, Josef 164, 384 Meyszner, August Edler v. 214, 346 Michael, s. Rumänien Mickl, Johann 348, 349 Mihailovii, Draia 21, 22, 24, 25, 49, 218, 219, 220, 305, 329, 352, 374, 421
Personenregister Mihailov, Vania 358, 428 Miklas, Wilhelm 58, 415, 583 Milch, Erhard 127, 533 Miloslavich, Eduard 354, 355 Model, Walter 349, 366, 391 Mödritsch, Auguste 56, 141, 222, 269, 285, 325, 333, 470, 479, 525, 526, 530, 535, 536 Möhring, ? 92 Molden, Fritz 48 Moltke, Helmuth Grf. 239 Moltke, Helmuth James Grf. 40 Molotow, Wjatscheslaw Michailowitsch 393, 562 Momm, ? 257, 534 Montgomery, Sir Bernard Law 347, 563, 564 Montini, Giovanni Battista 54, 56 Morell, Theodor 81, 557 Moser, Otto v. 230 Moser, ? 116, 117 Moßdorf, ? 395 Mrak, ? 359 Muhlmann, Kajetan 50, 301, 494 Müller, ? 315 Muff, Cäthe 185 Muff, Wolfgang 67, 101, 185, 496 Mussolini, Benito 15, 68, 83, 84, 86, 89, 100, 113, 125, 126, 128, 136, 138, 139, 147, 162, 164, 199, 209, 212-214, 218, 219, 222, 225, 226, 243, 244, 245, 247, 249, 262, 267, 269, 270, 273, 276-280, 285, 288, 290, 291, 297, 307, 318, 319, 327, 338-341, 352, 362, 370, 371, 412, 427, 441, 467, 477, 491, 497, 566, 572, 575 Mutschmann, Martin 217 Nadler, Josef 335 Nake, Albin 330 Navratil, Miroslav 39, 275, 280, 287, 309, 313, 315-323, 346, 373, 374 Nedii, Milan 149, 266, 277, 289, 290, 358, 374, 376, 421, 453, 499, 500 Nemetek, Willibald 36, 41 Neubacher, Hermann 18, 21, 23, 36, 37, 49, 50, 146, 264, 268, 278, 287, 288, 289, 290, 297, 302, 306, 307, 309, 310, 318, 327, 343, 351, 352, 358, 364, 365, 374, 398, 420, 441, 452, 494, 495, 499, 502-504, 506, 509 Neuhausen, Franz 115-118, 355, 356, 422, 452, 453 Neumann, ? 134 Neumayer, Rudolf 52 Neurath, Konstantin v. 365 Neustädter-Stürmer, O d o 415 Niederle, Oskar 109, 110 Niedermayer, Oskar v. 277, 278, 292, 293 Nietzsche, Friedrich Wilhelm 204
Personenregister Oberkamp, Carl R. v. 254, 362 O b w u r z e r , H e r b e r t v. 241 O ' C o n n o r , Sixtus 55, 56 Oeri, Albert 370, 465 Österreich, Albrecht Ehg. v. 515, 517, 518 Österreich, Eugen Ehg. v. 103, 104, 403, 484, 550 Osterreich, Franz II. Kaiser v. 131, 561 Österreich, Franz Ferdinand Ehg. v. 65, 97, 112, 474, 581 Österreich, Franz Joseph Kaiser v. 80, 96 Osterreich, Isabella Ehgin. v. 517 Osterreich, Johann Ehg. v. 80 Osterreich, Joseph Anton Ehg. v. 183 Österreich, Karl Kaiser v. 66, 80, 183, 362, 381, 403 Österreich, Ludwig Viktor Ehg. v. 206 Österreich, Maria Theresia, Kaiserin v. 197, 385, 475, 496, 570 Österreich, O t t o Ehg. v. 104, 183, 327, 500 Österreich, Zita Kaiserin v. 80, 104, 183 Ogorevc, ? 547 Ohnesorge, Wilhelm 140, 141, 549 Orsenigo, Cesare 139 Orsini-Rosenberg, Felix Grf. 113 Oshima, Hiroshi 477 Oster, H a n s 40, 186 Osterkamp, Herbert 184 Ott, H a n s 33, 35, 37 Otto, s. Österreich Oxilia, ? 215, 245, 346 Paar, E d u a r d Grf. 488 Pace, M a r i n o Grf. 340 Palffy, Fidel Graf 408, 409 Pannwitz, Helmuth v. 292, 311, 312, 313, 330, 372, 393, 394, 439 Papen, Franz v. 53, 57, 103, 107, 108, 185, 284, 327, 419, 497 PaSic, Nikola 427 Paul, s.Jugoslawien Paulus, Friedrich 153, 154, 179, 312 Pavelic, Ante 14, 15, 17, 18, 20, 25, 27, 29, 31, 32, 37, 3 9 - 4 1 , 50, 8 5 - 8 7 , 89, 92, 94, 95, 9 8 - 1 0 0 , 111-113, 115, 145-148, 152, 153, 156-158, 165-167, 169-171, 176, 183, 184, 2 0 2 - 2 0 4 , 2 0 6 - 2 0 9 , 211, 214, 226, 232, 240, 247, 262, 265, 270, 271, 2 7 4 - 2 7 6 , 279, 281, 286, 289, 295, 298, 303, 306, 310, 315, 318, 321, 322, 335, 340, 341, 355, 356, 358, 359, 360, 363, 365, 367, 3 7 3 - 3 7 6 , 383, 390, 3 9 6 - 3 9 9 , 403, 409, 412, 417, 418, 427-432, 4 3 4 - 4 5 7 , 4 6 1 464, 474, 478, 479, 480, 483, 486, 487, 491, 494, 496, 500, 502, 503, 505, 506, 5 0 8 - 5 1 2 , 515, 518, 547, 554, 584 Pavelic, Heinrich 254
593 Percevic, Ivo 30, 31, 92, 93, 148, 150, 157, 166, 319, 363, 390, 505, 512 Perievic, Margit 505 Perifc, Stijepo 199, 225, 330, 359, 360, 363, 381, 384, 397, 398, 423, 429, 474 Perkovic, Alexander 447 Perovie, ? 296 Perponcher-Sedlnitzky, Heinrich Grf. 383 Petacci, Clara 138, 280 Petain, Philippe 125 Petar II. s. Jugoslawien Petrovic s. Velebit Petrucci, Luigi 243 P f a f f e r o t t , ? 164, 172, 173, 175, 234, 239, 240, 249, 309, 310 Pfuhlstein, Alexander v. 294, 384, 385, 478, 534 Philippovich v. Philippsberg, Joseph Frh. v. 158 Phleps, Arthur 175, 191, 219, 228, 254, 291, 292, 294, 295, 362, 372, 3 9 4 - 3 9 6 , 399, 438 Pichl, Eduard 402 Pilsudski, Jozef 388 Pius XII. 200, 262, 279, 280, 281, 326, 356 Pleiger, Paul 497 Pogrell, Günther v. 323 Pohl, Robert v. 54 Poleck, Friedrich 258, 298, 425 Popitz, Johannes 101, 106, 107, 173, 204, 584 Popovic, Kofca 34 Popp, Philipp 228, 354 Potiorek, Oskar 271 Potocki, Alfred Grf. 47, 523, 524 Pott, Emil Frh. v. 162 Pott, Eugen Frh. v. 36, 162, 175, 230, 350, 480, 482 Prahl, ? 394 Prebek 363 Preradovic, Petar v. 166 Preußen, August Wilhelm Prinz v. [auch „Auwi"] 106 Preußen, Friedrich I. Kg. v. 129 Preußen, Friedrich II. Kg. v. 130, 131, 173, 185, 196, 204, 242, 264, 362, 473, 483, 521, 528, 529 Preußen, Friedrich Wilhelm I. Kg. v. 130 Preußen, Friedrich Wilhelm II. Kg. v. 131 Preußen, Friedrich Wilhelm III. Kg. v. 158 Preußen, Wilhelm I., dt. Kaiser, Kg. v. 131 Preußen, Wilhelm II., dt. Kaiser, Kg. v. 363 Preziosi, Giovanni 244, 245 Princip, Gavrilo 112 Proebst, H e r m a n n 357, 429, 451, 504, 505 Proksch, Alfred 106 Prpic, Ivan 166, 170, 207, 211, 212, 222, 265, 275, 276, 356, 357, 431, 439, 498 P r ü t z m a n n , Hans-Adolf 506, 509, 516 Puttkamer, Karl-Jesko v. 554, 555, 556
594 Quisling, Vidkun 136 Raab, Julius 51 Rabe v. Pappenheim, Friedrich 286 Radic, Stjepan 30, 427 Rabenau, Friedrich 353, 354 Radetzky, Josef Grf. 371 Räbiger 543, 545, 546 Raeder, Erich 127, 136 Rahn, Rudolf 318, 339, 365, 469, 494 Rainer, Friedl 128, 216, 274, 279, 290, 291, 307, 311, 331, 336-341, 412, 550 Rätz, Jenö 408 Rauschning, Hermann 571 Rfe, Giancarlo 213, 224, 245, 272 Ri, Johann nobile di 224, 225 Redl, Alfred 354 Rehrl, Franz 141, 470 Reinecke, Hermann 79, 103, 133, 187, 367, 492 Reinhardt, Fritz 106, 348 Reinsperg, Hugo 80 Reinthaller, Anton 107 Reitter, Albert 50, 79, 188, 216, 222, 262, 426, 527, 539, 542 Reitter, Hilde 223, 426, 489, 542, 546 Reminyi-Schneller, Lajos 565 Rendulie, Lothar 27-29, 250, 251, 255, 259, 269, 270, 272, 279, 287, 291, 300, 303, 313, 314, 320, 330, 332, 348, 358, 362, 364, 369, 372, 396, 398, 402, 403, 416, 417, 420, 421, 422, 439, 449, 453, 485, 537, 538 Rendulie, Nella 291, 402 Renner, Karl 53, 574 Requart, Willy 382, 395, 463, 477 Rhemen zu Barenfeld, Adolf Frh. v. 113 Ribar, Jan 329 Ribbentrop, Anneliese v. 496, 555 Ribbentrop, Joachim v. 14, 33-35, 85, 90, 91, 94, 105, 106, 108, 111, 124, 125, 128, 146, 147, 150, 151, 158, 162, 164, 165, 182, 185, 187, 195, 199, 203, 206, 208, 209, 211, 212, 214, 215, 216, 222, 223, 226, 227, 244, 246, 255, 256, 259, 266, 274, 277, 278, 279, 287-291, 306, 307, 318, 319, 322-324, 327, 335, 338, 339, 351, 361, 362, 364, 365, 368, 370, 374, 382, 397, 398, 400, 401, 407-409, 412, 415, 416, 418, 420, 423, 443-447, 449, 461, 480, 494, 502, 504, 555-557, 559, 561, 562, 564, 565 [auch „Ribbi"] Richthofen, Wolfram Frh. v. 143, 155, 533 Rieder, Ignaz 224 Riefenstahl, Helene 550, 556 Riehl, ? 85, 336, 337, 379 Rietberg, Karl Heinrich Grf. 560 Rieth, Kurt 125
Personenregister Ringel j u l i u s 39, 49, 50, 386, 417, 422, 462, 490, 544 Rintelen, Enno v. 215 Ritter, Karl 186, 187, 209, 212, 213, 214, 215, 398 Roatta, Mario 142, 147, 219, 434 Robotti, Mario 219, 224, 225 Römer, Josef 41 Rogge, Walter 381, 416 Rohan, Karl Anton Prinz 44, 228 Rohnenberger, ? 358 Rohracher, Andreas 51, 52, 54, 56, 63, 546 Rolf, Tomislav 316 Romberg, ? 296 Rommel, Erwin 91, 125, 171, 172, 173, 231, 239, 249, 259, 260, 262, 263, 266, 267, 276, 280, 289, 349, 351, 366, 534, 578 Roosevelt, Franklin Delano 184, 204, 237, 246, 273, 500, 522, 556, 562 Rose, ? 95, 98 Rosenberg, Alfred 89, 101, 118, 121, 136, 150 Rossi, Franz 421 Rost, Günther v. 535 Ruhe, Heinrich Adolf 324 Rukavina, Jozo 159 Rumänien, Michael Kg. v. 258 Rumler, Dragutin 168, 253 Rundstedt, Gertv. 47, 107, 154, 267, 392, 449, 533, 550 Ruoff, Richard 154, 193 Rupnik, Leo 340 Rupprecht, s. Bayern Rust, Bernhard 484 Ruszkay, Jenö 408, 409, 494, 501, 502, 503, 517, 520, 521, 535 Sabljak, Adolf 375 Sacken, Adolf v. 51 Salis-Seewis, Franz Grf. 93 Salis-Seewis, Johann Gaudenz Grf. 93 Sangiorgio, ? 86, 272 Sarii, Ivan 38, 96, 97, 98, 398 Sarkotic v. Lovcen, Stefan 29, 158, 271 Sauckel, Fritz 302 Sauerbruch, Ernst Ferdinand 234, 455 Savoyen, Eugen Prinz v. 117, 143, 418, 475, 570 Schäffer, Richard 186 Schardt, ? 260 Scharizer, Karl 223, 228, 538 Schaub, Julius 81, 554 Scheel, Gustav Adolf 139, 140, 223, 478, 530, 544 Scherff, Walter 152, 454, 458 Schicht, Franz 121, 123 Schicht, Heinrich 174 Schicht, Kurt 412, 475 Schicht, Werner 42, 227, 282, 285, 405, 471, 475, 477, 500, 536
595
Personenregister Schildenfeld, Z o e 104, 403 S c h i m m e l m a n n v. Lintenburg, ? 349 Schirach, Baidur v. 45, 46, 103, 107, 1 5 8 , 2 2 8 , 2 2 9 , 2 3 5 - 2 3 7 , 284, 337, 462, 470, 535, 538, 540 Schlegelberger F r a n z 134 Schleicher, K u r t v. 67, 240, 285, 544 Schmid, Josef 10 Schmidt, A r t h u r 154 Schmidt, G u i d o 53, 188, 238, 496, 497, 498,582 Schmidt, Paul O t t o 5 5 6 - 5 6 2 , 564 Schmidt, W i l h e l m 381 Schmitz, Richard 48, 237 S c h m u n d t , Rudolf 151, 152, 157, 164, 187, 228, 255, 260, 262, 321, 353, 365, 392, 400, 416, 421, 426, 450, 455, 456, 478 Schnagl, Ludwig 97 S c h n e i d e r - M a n n s - A u , Josef v. 91 S c h ö n b a u e r , Leopold 132 S c h ö n b u r g - H a r t e n s t e i n , Aloys Fst. 54, 67, 284, 316, 414 S c h ö n e r e r , G e o r g R. v. 226, 308, 402, 416 S c h ö r n e r , F e r d i n a n d 47, 391, 486, 531, 537, 550 S c h r ö d e r , Ludwig 115 Schubert, Albrecht 316, 529 Schubert, ? 279, 315, 324 Schulenburg, Friedrich W e r n e r v. d. 393 Schuschnigg, K u r t v . 52, 66, 68, 118, 165, 273, 414, 415, 469, 485, 497, 498, 566, 575, 582 Schuster, Karlgeorg 156 S c h w a r z e n b e r g , Felix Fst. 264 S c h w a r z n e c k e r , A r t h u r 330, 331 Schwerin v. K r o s i g k , L u t z 55, 56, 565 S c h w ö d e r , Friedrich 234 Seeckt, H a n s v. 252, 353, 354 Seipel, I g n a z 54 Seitz, A l e k s a n d a r 436 Seitz, Karl 48 Selchow, K u r t A l e x a n d e r v. 252, 260, 269, 298, 303, 310, 311,314, 315, 317, 320, 321, 322, 332, 333, 353, 363, 373, 379, 382, 386, 393, 400, 416, 452, 454, 463, 464, 475, 482, 483, 527 Sertic, T o m i c a 447 S e t o n - W a t s o n , R o b e r t W . 32 Seydl, Ernst 482 S e y d l i t z - K u r z b a c h , W a l t h e r v. 276, 391, 392 S e y ß - I n q u a r t , A r t h u r 53, 57, 67, 106, 107, 190, 215, 302, 408, 427, 494, 502, 514, 530, 550, 559, 566, 574, 575, 582 S e y ß - I n q u a r t , G e r t r u d e 556 Siebert, ? 555 S i g m u n d t , Alette 79, 222, 489, 542, 543, 545 Sima, H o r i a 491 Simic, F r a n j o 396 Simic, M a r i j a n 396 Simovic, D u ä a n 100, 118
Sincic, ? 225 S k o r z e n y , O t t o 269, 278, 327, 531 S m e n d , G ü n t h e r 533 S o d e n s t e r n , G e o r g v. 154, 155 Sonnleithner, F r a n z v. 401 Spee, F r a n z X a v e r G r f . 122, 231 Speer, Albert 251, 363 Sperrle, H u g o 459, 533 Spitzl, B r u n o 54, 56, 58, 59, 63, 327 Spitzmüller, A l e x a n d e r Frh. v. 57, 342 Spitzy, R e i n h a r d 361 Spoleto, A i m o n e H z g . v. 14, 99, 113, 122, 428 Sponeck, H a n s G r f . 195 Springer, A n t o n 381 Srbik, Heinrich R. v. 57, 326, 335, 483, 495, 526, 576 Stadler, Josip 14, 96 Staedke, H e l m u t 250 Stahl, Friedrich 438, 510 Stahlecker, W a l t e r 108 Stalin, Josef 108, 1 8 4 , 2 0 4 , 2 4 5 , 2 4 7 , 2 6 4 , 2 6 9 , 2 7 9 , 289, 330, 469, 522 Stancer, Ivo 93 Starcevic, Ante 17, 158, 226, 286, 416, 430 S t a u f f e n b e r g , Claus Graf Schenk v. 456, 557 Steengracht v. M o y l a n d , Gustav Baron 496 Steinbauer, G u s t a v 5 3 - 5 9 Steiner, Felix M a r t i n 248, 269, 279, 287, 288, 300, 303, 314, 321, 330, 334, 335, 399, 401, 439 Steinfl, N i k o l a 448, 553 Steinitz, E d u a r d R. v. 58 Stepinac, Alojzije 38, 87, 90, 249, 293, 299, 300, 304, 314, 315, 344, 354, 371, 372, 455, 466, 507 Stevenson, Ralph 32 Stilinovic, M a r i j a n 33, 36, 37 Stipetic, G e o r g 212, 213 S t o m m , Marceil G r f . 180 Streccius, Alfred 141, 158, 234, 236 Straßer, G e o r g 284 Strecker, ? 34 Streicher, Julius 419 Strossmayer, Josip J u r a j 226 Stuckart, Wilhelm 307, 337 Stülpnagel, O t t o v. 459 S t ü r g k h , Karl G e o r g G r f . 136 S t u m m e , G e o r g 171, 172 Suchenwirth, Richard 549 Sucher, Arnold 53 S v o b o d a , J o h a n n 485 Szälasi, Ferenc 407, 462, 468, 469, 475, 491, 494, 498, 501, 503, 549, 556 Szombathelyi, Ferenc 386, 411 Sztöjay, D o m o 184, 21 1, 227, 323, 387, 408, 410
596
Personenregister
Taaffe, Eduard Grf. 265 Tamburini, Tullio 297 Tarnoczy, ? 224 Tasnady-Nagy, Andräs 228 Teufelhardt, Engelbert 38-41, 58, 316, 378, 470 Thomas, Georg 104, 105, 123, 135, 184, 460, 533 Tippelskirch, ? 554 TiSljarv. Lentulis, Milan 403 TiSljar v. Lentulis, Zivko 403 Tiso, Jozef 334, 518 Tito, Josip Broz, genannt 21-25, 33-39, 220, 255, 302, 305, 309, 329, 331, 347, 353, 374, 375, 412, 439, 451, 456, 462, 466, 486, 487, 520, 551, 559, 584 Todt, Fritz 106, 107, 300, 302 Tomie, Viktor 165, 166, 347, 357, 435, 440, 441, 464 Tomifc, ? 40 Tomljenovic, Karl 97 Toncic-Sorinj, Lujo 40 Torresani, Karl v. 253 Toussaint, Rudolf 117, 122, 318, 365 Treusch v. Buttlar-Brandenfels, Horst Frh. s. Buttlar Tringali-Casanova, Antonio 370 Troll-Obergfell, Heribert v. 90, 91, 159 Tuka, Vojtech 334 Turina, ? 290 Turner, Harald 116 Twardowski, Fritz v. 108, 257 Udet, Ernst 350, 533 Übersberger, ? 213 Uhl, Ernst 552 Uiberreither, Siegfried 341, 409 Ujszäszy, Istvän 410 Ullein-Revicky, Antäl 399 Ullmann, Hermann 43, 434, 500 Umberto II. s. Italien Uzelac, Milan 203, 431 Vauhnik, Vladimir 84 Valenta, Anica 160, 175, 198, 227, 272, 299, 313, 316, 334, 344, 389, 398, 413, 464, 469, 470, 482, 487, 493, 552 Valsecchi, Franco 138 Varnbüler, Wilhelm Frh. v. 474 Vaugoin, Karl 67 Vecchiarelli, Carlo 250, 488 Veesenmeyer, Edmund 85, 87, 92, 100, 105, 110, 111, 112, 287, 288, 352, 385, 388, 407, 408, 409, 462, 494, 503, 518, 540 Velebit, DuSan 220 Velebit, Ljubomir 220 Velebit, Vladimir 34, 35, 220
304, 465,
107, 406,
Vierling, Albert 95, 99 Vietinghoff gen. Scheel, Heinrich v. 97, 534, 541 Viktor Emmanuel, s. Italien Vörös, Jänos 468, 524 Vokic, Ante 29, 39, 40, 41, 373, 375, 415, 426, 440, 442, 443, 444, 446, 447, 448, 451, 461, 504, 511 Vormann, Nikolaus 546, 547 Voß, ? 104, 544, 545, 547, 551 Vrancic, Vjekoslav 311, 330 Vranecic, Juraj 354, 492 Waber, Bernhard 469, 480, 482, 487, 493 Wächter, Otto Gustav Frh. v. 341 Wagner, ? 422, 425 Wagner, Adolf 563 Wagner, Eduard 101, 102, 260, 460 Wagner, Josef 302 Wagner, Robert 246 Waitz, Sigismund 79, 224 Waldstätten, Hans Frh. v. 403 Waneck, Wilhelm 514 Warlimont, Walter 84, 102, 133, 142, 145, 151, 152, 155-157, 162, 173, 187, 191, 192, 207, 213-219, 222, 229, 231, 232, 242, 248, 2 5 6 259, 266, 267, 350, 351, 361, 363-369, 372, 374, 376, 382-385, 398-400, 423, 425, 426, 449, 456, 477, 510, 532-534, 556 Weber, Christian 563 Weber, ? 79 Wedel, Hasso v. 529 Weichs, Maximilian Frh. v. 12, 26, 28, 35, 85, 92, 95, 114, 115, 118, 152, 155, 250, 251, 268, 269, 287, 288, 289, 303, 306, 350, 385, 387, 419, 420, 444, 452, 464, 474, 477, 480, 481, 483, 486, 499, 502, 528, 541, 549 Weinberger, ? 429 Weiß, Manfred 388 Weiß v. Schleussenburg, Friedrich 95 Weizsäcker, Richard Frh. v. 156 Weizsäcker, Ernst Frh. v. 69, 108, 139, 184, 223, 280, 326, 361 Wellebith, Elias 220 Wessely, Marian v. 132 Westen, August 500 Westen, Fritz 44, 45, 498, 500, 519, 523, 524 Westen, Karl-Hermann 45, 498 Westphalen, Ferdinand Grf. 419, 549 Wien, Otto 98, 102 Wilhelm I. s. Preußen Wilhelm II. s. Preußen Wilson, Woodrow 566 Wimmer, Friedrich 55, 262, 542 Winkelmann, Otto 408, 462 Winter, August 418, 443, 477, 491, 541 Winter, Paul 460, 461
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Personenregister Wirth-Petrini, Beate 52, 58, 91, 103, 481, 493, 498, 507, 536, 547 Wirth-Petrini, Trixi 103, 536 Wittas, Paul R. v. 554 Witthöft, Joachim 339 Witzleben, Erwin v. 95, 114 Witrieben, H e r m a n n v. 142, 558 Wlassow, Andrej Andrejewitsch 2 3 5 - 2 3 7 Wöhler, O t t o 477, 507, 540 W o e r m a n n , Ernst 212 Wolf, Wilhelm 80, 81 Wolff, Karl 48 W o l f r u m , ? 283, 321 Wolsegger, Ferdinand 279, 291, 311, 336, 337, 341, 342, 412 Woroschilow, Kliment 243
Woyrsch, Remus v. 242 Woyrsch, U d o v. 242 Wrede, Karl Ludwig Fst. 419 Zachariae, Georg 412 Zagorski, Waldemar 388 Zallinger, Meinhard v. 426 Zankow, Alexander 522 Zeitzier, Kurt 151, 157, 191, 192, 207, 209, 210, 260, 261, 369, 460, 533 Zernatto, G u i d o 498 Ziegler, Joachim 279, 300, 545 Zimmer, Artur 402 Zita, s. Österreich Zwade, Georg 342
· · · · Grenze des Königreiches Jugoslawien b e i K r i e g s b e g i n n a m 6. 4. 1941. Tirana' . G r e n z e n n a c h d e r territorialen N e u o r d O n u n g v o m 8. 7. 1941.
J
Monastir
h - i i - i Demarkationslinie zwischen dem deutschen und d e m italienischen Einflußgeblet in K r o a t i e n Die territoriale Neuordnung am Balkan (8. Juli 1941) Das italienische Einflußgebiet in Kroatien war nochmals unterteilt: im Westteil durfte Kroatien weder Truppen stationieren noch militärische Einrichtungen unterhalten; auch im Ostteil waren die politischen und militärischen Befugnisse Kroatiens eingeschränkt.
1
J u g o s l a w i e n s B e i t r i t t z u m D r e i m ä c h t e p a k t in W i e n .
2
A d o l f H i t l e r in M ö n i c h k i r c h e n , 20. A p r i l 1941.
3
M u s s o l i n i u n t e r z e i c h n e t die i t a l i e n i s c h - k r o a t i s c h e n V e r t r ä g e .
4
M a r s c h a l l K v a t e r n i k bei d e r e r s t e n „Legionsdivision".
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