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German Pages [196] Year 1970
Christoph Burchard · Der dreizehnte Zeuge
C H R I S T O P H BURCHARD
Der dreizehnte Zeuge Traditions- und kompositionsgeschichtliche Untersuchungen zu Lukas' Darstellung der Frühzeit des Paulus
GÖTTINGEN - VANDENHOECK & RUPRECHT · 1970
Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments Herausgegeben von Ernst Käsemann und £rnst Wiirthwein 103. Heft der ganzen Reihe
Als Habilitationsschrift auf Empfehlung der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen gedruckt m i t Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft- ©Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1970Printed in Germany - Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen
VORWORT Die vorliegenden Untersuchungen sind aus einem Aufsatz zur Form von Apg 9,1-19 entstanden, der 1965 in einer privaten Festschrift zum 65. Geburtstag von J. Jeremias stand und den auszuweiten mein Lehrer mich ermuntert hat. Die Theologische Fakultät der Universität Göttingen hat die Arbeit im Wintersemester 1968/69 als Habilitationsschrift angenommen. Für den Druck habe ich sie noch einmal durchgesehen. Zu danken habe ich außer J. Jeremias vor allem Prof. D. E. Lohse, Prof. D. Conzelmann, Dr. B. Schaller und cand. theol. R. Stuhlmann, dazu Prof. D. E. Käsemann und Prof. D. E. Würthwein für die Aufnahme des Buches in die Reihe der „Forschungen" und der Deutschen Forschungsgemeinschaft für einen Druckkostenzuschuß. Göttingen, den 8. Januar 1970
Christoph Burchard
INHALT Vorwort
5
Abkürzungen
11
Zur Literatur
12
§ 1. Zum Thema
13
K a p i t e l I. Tradition und Redaktion in Lukas' Darstellung der Frühzeit des Paulus
24
§ 2. Herkunft und Werdegang
26
1. Paulus bei Stephanus' Steinigung (Apg7,58; 8,1a)
26
2. Die Abrisse des Werdegangs a) Apg 22,3 b) Apg 26,4f.
31 31 36
3. Die übrigen Personalien a) Saulus-Paulus (Apg 13,9) b) Bürgerrechte (Apg 16,37-39; 21,39; 22,25-29; 23,27) c) Beruf (Apg 18,3) d) Pharisäer, Sohn von Pharisäern (Apg 23,6)
36 36 37 39 39
§ 3. Der Verfolger (Apg 8,3; 9,lf.; 22,4f.; 22,19(f.); 26,9-11) ..
40
1. Die Texte a) Apg 8,3 b) Apg 9,1 f. c) Apg 22,4f* d) Apg 22,19(f.) e) Apg 26,9-11
40 40 43 45 45 46
2. Tradition und Redaktion
47
3. Zur Geschichte der Tradition
49
4. Lukas' Bild des Verfolgers
50
Inhalt
8
§ 4. Die Wende (Apg 9,3-19a; 22,6-16; 26,12-18) 1. Die Texte a) Zur Form von Apg 9,1-19 a α) Apg 9,1-19 a und die Korneliustradition ß) Apg 9,1-19 a und die Heliodorlegende γ) Apg 9,1-19a und Joseph und Aseneth 1) Joseph und Aseneth ein jüdischer Roman Exkurs: Synoptischer Vergleich von JA 1-21 mit Amor und Psyche, Xenophon, Eph. 11-9 und Apuleius, Met. XI 2) JA 1-21 und Apg 9,1-19 a δ) Ergebnis b) Apg 9,3-19 a Exkurs: Die Form der Christophanie Apg9,3ff
51 52 52 54 55 59 59 66 86 87 88 88
c) Apg 22,6-16
105
d) Apg 26,12-18
109
2. Tradition und Redaktion a) Die drei Fassungen b) Tradition in Apg9,l-19a c) Tradition in Apg 26,12-18
118 118 121 124
3. Zur Geschichte der Tradition a) Apg 9,1-19 a b) Apg 26,12-18
125 125 128
4. Das Damaskuserlebnis in lukanischer Sicht Exkurs: Der lukanische Zeugenbegriff
129 130
§ 5. Der Beginn der paulinischen Wirksamkeit (Apg 9,19b-30) . 136 1. Der Text Exkurs : Das apostolische Kerygma nach Lukas
136 138
2. Tradition und Redaktion
150
3. Zur Geschichte der Tradition Exkurs : Lukas' Verhältnis zu den Paulusbriefen
155 155
4. Paulus' Predigt in Damaskus und Jerusalem in Lukas' Sicht . 160
Inhalt
9
§ 6. Die Sendung zu den Völkern (Apg 22,17-21)
161
1. Der Text
161
2. Tradition und Bedaktion
163
3. Zur Geschichte der Tradition
164
4. Paulus' Sendung zu den Völkern in Lukas' Darstellung
165
K a p i t e l I I . Ausblicke
auf Geschichtswert,
und Zweck der Apostelgeschichte § 7. Der Historiker und sein Stoff
Geschichtsverständnis 169 169
§ 8. Der Theologe und sein Konzept 173 Exkurs: Zur Anwendung von Missionsterminologie auf die Apostelgeschichte 177 § 9. Der Schriftsteller und sein Ziel
183
Eegister
186
ABKÜRZUNGEN AGSU/AGAJU
Bauer, Wörterbuch*
Billerbeck
Blaß-Debrunner12
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JA KBANT
= =
Liddell-Scott, Lexicon = SANT SBS SPB SUNT
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WMANT
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Arbeiten zur Geschichte des Spätjudentums (Bd. 6-7 : späteren Judentums, ab 8: antiken Judentums) und des (ab Bd. 6) Urchristentums, Leiden W. Bauer, Griechisch-deutsches Wörterbuch zu den Schriften des Neuen Testaments und der übrigen urchristlichen Literatur 5 , Berlin 1968 = 1963 H. L. Strack - P. Billerbeck, Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, München, I 1922, I I 1924, I I I 1926, IV 1928, V ( J . Jeremias Hrsg., K. Adolph Bearb.) 1956, VI (J. Jeremias in Verbindung mit K. Adolph Hrsg.) 1961 = 3 I - I V 1961, 2 V/VI 1963 F. Blaß-A. Debrunner, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch12, Göttingen 1966 Joseph und Aseneth Kommentare und Beiträge zum Alten und Neuen Testament, Düsseldorf H. Q. Liddell -R. Scott, A Greek-English Lexicon, New Edition, Oxford 1925-1940 = 1961 Studien zum Alten und Neuen Testament, München Stuttgarter Bibelstudien, Stuttgart Studia Post-Biblica, Leiden Studien zur Umwelt des Neuen Testaments, Göttingen Wissenschaftliche Monographien zum Alten und Neuen Testament, Neukirchen-Vluyn
Abkürzungen der biblischen Bücher einschließlich Apokryphen, der apostolischen Väter, der Zeitschriften, Reihen usw. und Umschrift hebräischer Wörter sonst im allgemeinen wie Die Religion in Geschichte und Gegenwart 3 , Tübingen 1963-1968.
ZUR L I T E R A T U R Auf ein Literaturverzeichnis habe ich verzichtet, um Platz zu sparen (bis 1961 einschließlich reicht im übrigen A. J . Mattili -Μ. Β. Mattili, A Classified Bibliography of Literature on the Acts of the Apostles, New Testament Tools and Studies 7, Leiden 1966). Ale Ersatz ist das Verfasserregister so ausgestaltet, daß es die herangezogene Literatur zu überblicken erlaubt. Jede Arbeit ist beim ersten Vorkommen bibliographisch voll samt Neuauflagen, Lizenzausausgaben, Nachdrucken in Gesammelten Aufsätzen usw. angeführt. Die tatsächlich benutzte Fassung (bei Büchern im allgemeinen die letzte Auflage, bei Dissertationen die gedruckte Form, so vorhanden, bei Aufsätzen mit einigen Ausnahmen wie z.B. M. Dibelius' Aufsätzen zur Apostelgeschichte die Erstveröffentlichung) wird beim ersten Vorkommen in jedem weiteren Paragraphen noch einmal voll genannt.
§ 1. Zum Thema Lukas' Darstellung der Frühzeit des Paulus vor seiner Übersiedlung nach Antiochia (Apg 7,58 ; 8,1 a. 3 ; 9,1-30 ; 22,3-21 ; 26,2-23)1 gehört nicht zu den vernachlässigten Texten des Neuen Testaments. Hier kreuzen sich die Interessen von Lukasexegese und Paulusforschung, Geschichtsschreibung und Religionspsychologie. Besonders das „Damaskuserlebnis" (Apg 9,1-19 a ; 22,6-16; 26,12-18) ist hundertfach bearbeitet und darüber hinaus homiletisch und katechetisch ausgemünzt worden2. Zunehmende Einsicht in den Abstand des lukanischen vom historischen Paulus und abnehmendes Interesse am religiösen Individuum mögen die praktische Verwendung der Texte eingeschränkt haben8; ihre exegetische und historische Bedeutung haben sie nur verschoben. Wenn die Texte nicht Paulus selber verstehen helfen, dann doch das Paulusbild der Tradition und des Lukas, damit aber auch die Apostelgeschichte insgesamt, die kaum zufällig grade Paulus' Frühzeit dreimal ausführlich zur Sprache bringt4. 1 Ich verwende den Begriff Frühzeit, der nach dem wenigen, was wir wiesen, für diesen Lebensabschnitt des historischen Paulus sein Recht hat, der Bequemlichkeit halber auch für Lukas' Darstellung, obwohl er hier nur abzählende Bedeutung hat. Lukas kennt keinen „jungen Paulus" in dem Sinn, in dem man vom jungen Luther oder jungen Marx spricht. Lukas' Paulus entwickelt sich nicht (trotz Apg 22,3). 3 Zur Exegese : E. Pf ä f f , Die Bekehrung des h. Paulus in der Exegese des 20. Jahrhunderts, Rom 1942; A. J.Mattili-M. B. Mattili, A Classified Bibliography of Literature on the Acts of the Apostles (New Testament Tools and Studies 7), Leiden 1966, 382-391 (Nr. 5372-5501) u. ö. Mir unzugänglich: H. H. Platz, Paul's Damascus Experience. A Study in the History of Interpretation, Diss. University of Chicago, Chicago, 111. 1960. — Die homiletische Verwendung zwar nicht des lukanischen Textes, aber seines Gegenstands beginnt schon im NT (vgl. u. § 4,3 a), abgesehen davon, daß die lukanische Darstellung selber schon erbaulich ist. 8 Auf höherer Stufe : G. Lohfink, Paulus vor Damaskus. Arbeitsweisen der neueren Bibelwissenschaft dargestellt an den Texten Apg 9,1-19; 22,3-21; 26,9-18 (SBS4), Stuttgart 1965. 4 Starkes Vertrauen zu Lukas' Beschreibung etwa des Damaskuserlebnisses haben noch J. L. Lilly, The Conversion of Saint Paul. The Validity of His Testimony to the Resurrection of Jesus Christ, CBQ 6(1944), 180-204; D.M. Stanley, Paul's Conversion in Acts: Why the Three Accounts?, CBQ 15 (1953), 315-338 = in: Stanley, The Apostolic Church in the New Testament, Westminster, Md. 1965, 285-311. 441-447; W. Prokulaki, The Conversion of St. Paul, CBQ 19 (1957), 453-473; mit Kritik benutzen die Texte J.Munck, Paulus mid die Heilsgeschichte (Acta Jutlandica 26,1), Aarhus-Kopenhagen 1954, 1-27 (Die Berufung des Paulus) ; H. Graß, Ostergeschehen und Osterberichte, Göttingen 1956, 207-226 = 3 1964, 207-226.315-319; J. Jeremias, The Key to Pauline Theology, E T 76 (1964/65), 27-30; vgl. auch Ph. Seidenaticker, Die Auferste-
14
§ 1. Zum Thema
Die Beschäftigung mit solchen Texten muß sich so zwar nicht prinzipiell, wohl aber gegen den Verdacht rechtfertigen, höchstens aus zehn Büchern ein elftes machen zu können. Daß sie mehr leisten kann, ist in der Lage begründet, die die Lukasforschung der letzten zwanzig Jahre geschaffen hat6. Ihr grundsätzlicher Ertrag: Lukas ist Verfasser, nicht bloß Referent oder Bearbeiter, und er ist als Verfasser Theologe, nicht in erster Linie Historiker oder Erbauungsschriftsteller. Lukasexegese hat sich also vor allem um das Lukanische in Gestaltung und Aussage zu kümmern und auf seine Theologie hin zu interpretieren. Angebahnt wurde diese Sicht durch das literarische Strukturmodell, das vor allem M. Dibelius gegen die in den letzten Jahrzehnten des 19. Jh.s herrschende literarkritische Quellenforschung durchgesetzt hatte®. Hier galt die Apostelgeschichte ähnlich wie das Matthäusund das Lukasevangelium als Verknüpfung von Quellenfäden, die ebenfalls schon Geschichtsdarstellung enthielten und zumindest im Paulusstoff womöglich Augenzeugenberichte wiedergaben. Freilich hatten sich die literarkritischen Möglichkeiten ohne ein Ergebnis erschöpft, das so viele so stark überzeugt hätte wie etwa die synoptische Zweiquellentheorie7. Im Gefolge der formgeschichtlichen Evangelienhung Jesu in der Botschaft der Evangelisten. Ein traditionsgeschichtlicher Versuch zum Problem der Sicherung der Osterbotschaft in der apostolischen Zeit (SBS 26), Stuttgart 1967, 33-38. I m allgemeinen ziehen aber die neueren Untersuchungen zu Paulus' Bekehrung Apg 9, l - 1 9 a par. so gut wie gar nicht mehr heran. 6 Als Scheidemarke gilt Ph. Vielhauer, Zum „Paulinismus" der Apostelgeschichte, EvTh 10 (1950-51), 1-16 = in: Vielhauer, Aufsätze zum Neuen Testament (ThB 31), München 1965, 9-27. Zur seitherigen Lukasforschung C. K. Barrett, Luke the Historian in Recent Study (A. S. Peake Memorial Lecture 6), London 1961 ; J. Bohde, Die redaktionsgeschichtliche Methode. Einführung und kritische Sichtimg des Forschungsstandes (Theologische Arbeiten 22), Berlin 1965 = (mit Nachtrag) Hamburg 1965; W. G. van Unnik, Luke-Acts, A Storm Center in Contemporary Scholarship, in : L. E.Keck - J. L. Martyn (ed.), Studies in Luke-Acts. Essays presented in honor of Paul Schubert, Nashville, Tenn. - New York 1966 = London 1968, 15-32; M. Bese, Zur Lukas-Diskussion seit 1950, Wort und Dienst 9 (1967), 62-67. Zur älteren Forschung J. Dupont, Les problèmes du Livre des Actes d'après les travaux récents (ALBO I I 17), Louvain 1950, neubearbeitet Les problèmes du Livre des Actes entre 1940 et 1950, in: Dupont, Études sur les Actes des Apôtres (Lectio Divina 45), Paris 1967, 11-124; E. Haenchen, Die Apostelgeschichte (MeyerK 3) 10 , Göttingen 1956 = 11 1957, 11-41; l a 1959 = "
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41
42
§ 3. Der Verfolger
Imperfekt die Absicht4 oder eher die Dauer ausdrücken soll, mag offenbleiben. Inhaltlich klingt physische Austilgung an5, also Schlimmeres als Zerstreuung, wovon aber nur der Anfang beschrieben wird. Paulus dringt in die einzelnen (Privat ?-)Häuser der Christen ein und schleift Männer wie Frauen6 davon ins Gefängnis. An dem Satz fällt am meisten auf, was nicht darin steht; die Voraussetzungen (Motiv, Autorisierung) fehlen ebenso wie die Folgen (denn mit Gefängnis kann die Sache ja nicht enden). Wie 8,3 im Zusammenhang von V. 1-3 zu lesen ist, bleibt unklar. Der Vers wird oft als Rückblende verstanden: was Paulus tut, ist die „große Verfolgung" von V. 1 oder ein Teil davon7. Damit wäre der Kleiderwächter noch am gleichen Tag zum Kommissar geworden. Die Verhaftungsaktion in „den Häusern" reimt sich aber nicht zur Zerstreuung „aller". Man könnte ergänzen, daß die Verhafteten nach einer Nacht im Gefängnis und womöglich einer Tracht Prügel ausgewiesen wurden; doch denkt sich Lukas nach 9,1; 26,10 als Fortsetzung der Haft einen Prozeß. Außerdem bezieht sich V. 4 a auf V. 1 zurück und übergeht die Männer und Frauen von V. 3. So fragt man sich, ob Lukas nicht folgendes nahelegen will: Am Tag, als Stephanus gesteinigt wurde, wurden die Jerusalemer Christen vertrieben; nur die Apostel blieben8. Wenn dennoch fromme Juden Stephanus begraben und eine formelle, ausgedehnte Totenklage über ihn veranstalten konnten, dann deutet das an, daß die Judenschaft sich bald wieder beruhigte und daß die Gemeinde, die in Gestalt der Apostel dageblieben war, wieder wachsen konnte. Da trat Paulus mit einer neuen, ernsteren Bedrohung auf. Dagegen läßt sich einwenden, daß man ein neues Wachstum der Gemeinde zum Text hinzudenken muß ; geschrieben steht es nicht. So bleibt 8,3 im Kontext ohne rechten Zusammenhang. 4 Botter, Wörterbuch5, Sp. 951 ; H.Conzelmann, Die Apostelgeschichte (HNT 7) Tübingen 1963, 52. 5 Zur Vokabel W.Michaelis, λυμαίνομαι, ThWIV (1942), 313f.; G. Klein, Die zwölf Apostel. Ursprung und Gehalt einer Idee (FRLANT 77), Göttingen 1961, 119, der den möglichen Unterton des Mutwillens hervorhebt. β σύρειν für Einlieferung ins Gefängnis ist redensartlich fixiert (vgl. Epiktet, Dise. I 29, 16f. 22f.). Daß Paulus auch die Frauen nicht schont, ist besonders schlimm (vgl. Philo, In Flacc. 89. 95f.). 7 So z.B. E. Haenchen, Die Apostelgeschichte (MeyerΚ 3) e , Göttingen 1968, 245. 8 Ob und wie Lukas sich das erklärte, ist im Zusammenhang nicht wesentlich. Es mag sein, daß er sich die Verfolgung als Pöbelpogrom vorstellte (vgl. 13,50, die einzige andere Stelle, an der διωγμός in der Apostelgeschichte vorkommt, auch hier von einer Vertreibung), das man überstehen konnte, wenn man mußte wie die Apostel auf Grund ihrer Bestimmung, vor dem die übrigen Christen aber in Übereinstimmimg mit Mt 10,23a wichen. Zum historischen Verständnis o. §2 A. 23; u. § 6 A. 24.
1. Die Texte (Apg 8,3; 9 , I f . ; 22,4f.; 22,19; 26,9-11)
43
b) Apg 9,1 f. Nachdem Lukas in 8,4-40 von Predigt der Zerstreuten vor allem in Samaria berichtet hat, kehrt er in 9,1 f. zu Paulus zurück. Ιτι knüpft an 8,3 an. „Noch" wird nicht heißen „trotz der vergangenen Zeit", sondern „trotz der aufgewandten Energie" (es dürfte nicht Lukas' Meinung sein, daß Paulus' Verfolgung während der ganzen Zeit der Predigt in Samaria andauerte und das Damaskusunternehmen danach anzusetzen ist, vgl. 8,14f.). Die singulare Wendung εμπνέων άπειλης καί φόνου® zeigt, was Paulus' Opfern drohte: die klassische Inquisitionsalternative Abschwören oder Tod. Aber, was 8,3 nur ahnen ließ : in Jerusalem hat Paulus getan, was er konnte; jetzt muß es weitergehen. Immer noch ist es Paulus' eigene nichtamtliche Initiative, die Lukas zeichnet. Der Verfolger wird nicht geschickt; er läßt sich vom Hohenpriester Briefe an die Synagogen von Damaskus geben, um die Christen10, falls er welche fände, von dort in Ketten nach Jerusalem zu bringen, wie in 8,3 Männer sowohl als Frauen. 9,1 f. wird heute meist so gedeutet, daß Lukas voraussetzt oder en passant zu ver9 άπειλή meint kaum die hätra'ä „Warnung" des rabbinischen Strafrechts (das Material bei Billerbeck I, 261-264; J. Jeremias, Untersuchungen zum Quellenproblem der Apostelgeschichte, ZNW 36, 1937, 205-221:209-211); so mit Recht Klein, Die zwölf Apostel, 121 A. 581; Haenchen, Apostelgeschichte·, 268 Α. 1. άπειλή bildet öfter mit einem Ausdruck physischer Gewalt ein Wortpaar, in dem es nichts anderes als „Drohung" heißen kann: Plato, Prot. 325 D ; 4.Makk 4,24; J A 7,4 μετά άπειλής καί ΰβρεως („Mißhandlung?"). Übrigens müssen die Vorstellungen über die rabbinische „Warnung", die gelegentlich nicht nur zur Auslegung von Apg 9,1 f., sondern auch von Mk 2,23-3,6; Joh 5,10; Apg 4f. herangezogen werden, überprüft werden (Chr. Bwchard, Fußnoten zum neutestamentlichen Griechisch, ZNW 61, 1970, Nr. 6). 10 τινάς της όδοϋ βντας. „Der Weg" (noch Apg 19,9. 23; 22,4; 24,14. 22; vgl. 16,17; 18,25f.) wird gern auf Qumran zurückgeführt, ausführlichst von E. Repo, Der »Weg« als Selbstbezeichnung des Urchristentums. Eine traditionsgeschichtliche und semasiologische Untersuchung (Annales Academi» Scientiarum Fennicœ, Β. 132,2), Helsinki 1964; ebenso seither G. Jeremias, Der Lehrer der Gerechtigkeit (SUNT 2), Göttingen 1963, 198 Α. 1; 0. Böcher, Der johanneische Dualismus im Zusammenhang des nachbiblischen Judentums, Gütersloh 1965, 130f. ; J. A. Fitzmyer, Jewish Christianity in Acts in Light of the Qumran Scrolls, in: L.E.Keck-J.L.Martyn (ed.), Studies in Luke-Acts. Essays presented in honor of Paul Schubert, Nashville, Tenn. - New York 1966, 233-257: 240f. ; H. Braun, Qumran und das Neue Testament I, Tübingen 1966, 159. 167. Doch kommt absolutes häddsereek als Bezeichnung der qumranischen „Richtung" oder „Bewegimg" (etwa als Subjekt oder Objekt) gar nicht vor. Bei den Belegen, die überwiegend dsersek ohne Artikel haben, kommt man überall mit „Wandel" o . a . durch (vgl. „die Weg-Wählenden" l Q S 9 , 1 7 f . ; „die WegWeichenden" 1QS 10,21; CD 1,13; 2,6; „die Vorschriften des Weges" 1QS 9,21). Qumran gehört zum Mutterboden, auf dem die sicher vorlukanische Bezeichnung erwachsen ist, ist aber kaum deren Quelle, vgl. M. Hengel, Rez. Repo, ThLZ 92 (1967), Sp. 361-364; Conzelmann, Apostelgeschichte, 57 („eine gewisse Analogie"). Für jüdisch-hellenistischen Hintergrund: J.-Chr. Lebram, Zwei Bemerkungen zu katechetischen Traditionen in der Apostelgeschichte, ZNW 56 (1965), 202-213: 210-213.
44
§ 3. Der Verfolger
stehen gibt11, daß sich das Christentum schon bis nach Damaskus ausgebreitet hat. Der Leser ist darauf freilich nicht vorbereitet. Er weiß, daß die Zerstreuten nach Judäa und Samaria gegangen sind (8,1); über Samaria und die Bekehrung des äthiopischen Eunuchen hatte er Näheres erfahren (8,4r~40). Ein Weiterlaufen der Botschaft kann Lukas sich nur von Judäa aus gedacht haben. Aber warum hat er, dem an den geographischen Etappen soviel liegt, das nicht angedeutet (vgl. erst 11,19)? Er hätte durchaus auch Predigt in Damaskus konstatieren können, selbst wenn er keine ausdrücklichen Nachrichten hatte. Diese Schwierigkeiten vermeidet die Auffassung, die Paulus geflohenen Jerusalemern nachreisen sieht12. So ist offenbar Lukas' Meinung in 26,11. Dafür, daß er auch 9,1 f. so verstanden wissen will, spricht, daß „Jünger" bisher nur in 6,1 f. 7 vorgekommen sind, nicht in 8,4-40, also nur in Jerusalem13. Außerdem klingt „falls er welche fände" so, als ob Paulus nicht wußte, ob in Damaskus Christen wären14; das wird ihn nicht als blind tappenden Polyphem kennzeichnen sollen, sondern als äußerst konsequenten Verfolger: er jagt auch die Christen, die seine Aktion in Jerusalem nicht erreichte, weil sie schon vertrieben waren, wobei die Tatsache, daß er dazu nach Damaskus will, durch die Überlieferung von seiner Bekehrung dort veranlaßt ist, die Lukas verarbeitet15. 11
Conzelmann, Apostelgeschichte, 57 ; O. Stählin, Die Apostelgeschichte (NTD 5), Göttingen 1962, 133. 12 Z.B. H.H. Wendt, Die Apostelgeschichte (MeyerK 3) 9 , Göttingen 1913, 163; K. Lake-Η. J.Cadbury, in: F. J. F. Jackson -Κ. Lake, The Beginnings of Christianity I, IV, London 1933, 100; vgl. Stählin, Apostelgeschichte, ebd. 13 μαθητής τοϋ κυρίου sagt Lukas in der Apostelgeschichte nur 9,1. 14 Lake-Cadbury, ebd. (mit Fragezeichen); Haenchen, Apostelgeschichte', 269; Stählin, Apostelgeschichte, ebd. 16 S. u. § 4. — Lukas setzt also nicht voraus, daß der Hohepriester oder das Synhedrium in Zusammenarbeit mit den einheimischen Synagogen Damaszener Juden nach Jerusalem vor Gericht bringen konnten, sondern daß sie geflohene Jerusalemer, die eines Verbrechens beschuldigt waren, aus Damaskus ausliefern lassen konnten. Die Frage nach der historischen Denkbarkeit und gegebenenfalls Historizität des in Apg 9,1 f. Berichteten ist dementsprechend zu stellen. Falls man annehmen darf, daß Lukas sich Jerusalem als freie Polis vorgestellt hat (H. Conzelmann, Die Mitte der Zeit. Studien zur Theologie des Lukas, BHTh 175, Tübingen 1964, 62f.), was die Stadt freilich nicht war (F. A. Tcherikover, Was Jerusalem a 'Polis'?, Israel Exploration Journal 14, 1964, 61-78), dann spitzt sich die Frage dahin zu, ob eine Polis in der geschilderten Weise auswärts über verdächtige Bürger verfügen konnte. Das zu untersuchen, führt hier zu weit. — Freilich sollte man auch dann, wenn man in den in Damaskus vermuteten Christen Damaszener Judenchristen sieht, das Problem nicht auf weltweiter Basis als das einer ökumenischen Befehlsgewalt des Synhedriums abhandeln, sondern auf den gegebenen Fall Damaskus und die Frage, ob Jerusalem hier mit Recht oder jedenfalls mit Erfolg Juden verhaften und abtransportieren lassen konnte, einschränken. Daß die Jurisdiktion des Synhedriums sich nicht über jedweden Juden kreuz und quer in der Ökumene erstreckte, dürfte der in jüdischen Dingen nicht unbewanderte Lukas doch gewußt haben.
1. Die Texte (Apg 8,3; 9 , I f . ; 22,4f.; 22,19; 26,9-11)
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c) Apg 22,4 f.1* Situation, Thema und Anfang der Verteidigungsrede vor den Jerusalemern sind schon besprochen. Paulus erzählt seine Vita zum Beweis dafür, daß er ein Eiferer für Gott und Gesetz war und ist. Er ist als solcher erzogen worden (22,3) und hat sich zunächst als solcher hervorgetan, indem er verfolgte. „Der ich diesen ,Weg' auf den Tod (άχρι θανάτου) verfolgte" ist Obersatz für das folgende, άχρι θανάτου meint hier wie oft den Tod nicht als beabsichtigte, sondern als in Kauf genommene Folge17. Sonst ist von Tötung in 22,4f. nicht die Rede. Die Verse laufen 8,3; 9,1 f. stark parallel. V. 4 entspricht 8,3b, nur daß δεσμεύων statt σύρων steht. V. 5a entspricht 9,1b; doch sind der Hohepriester und das zusätzlich genannte „Presbyterium"18 nicht als Adressaten der Bitte um Briefe nach Damaskus genannt, sondern als Zeugen für die Jerusalemer Aktion. V. 5 b entspricht wieder 9,2; neu ist „damit sie bestraft würden". Paulus' Verfolgung in Jerusalem und die beabsichtigte in Damaskus erscheinen als ein und dieselbe Aktion (davon, daß Paulus geflohenen Jerusalemern nachjagte, ist freilich nichts zu spüren). d) Apg
22,19(f.)
In der Tempelvision, die Paulus anschließend an seine Bekehrung vor den Jerusalemern berichtet, wendet er gegen den Befehl Jesu, die Stadt zu verlassen, weil man sein Zeugnis nicht annehmen werde, Freilich war das Synhedrium schon eine Größe der Vergangenheit, die Lukas sich mächtiger vorgestellt haben könnte, als sie war; aber wahrscheinlich erscheint mir das nicht, zumal er die Zeit vor der Zerstörung Jerusalems durchaus schon mit Bewußtsein erlebt haben kann. Übrigens wäre nicht nur zu fragen, wie Lukas sich die rechtlichen und faktischen Möglichkeiten Jerusalems, sondern auch, wie er sich die Situation von Damaskus vorgestellt hat. Nach dem vielbesprochenen Synchronismus Lk 3,1 f., der wohl die Herrschaftsverhältnisse im jüdischen Land zeigen soll (hat das Reich Agrippas I. Pate gestanden?) und demzufolge auch die ans Gebiet von Damaskus grenzende Abilene dazugehörte, ist Damaskus allernächstes Ausland. Es ist auch die einzige Stadt außer Jerusalem, von der Lukas sagt, daß sie Synagogen (Plural) hatte und in der „die Juden" Paulus direkt umzubringen versuchen, ohne sich hinter das Volk oder die Obrigkeit zu stecken (s. u. § 5, Í ; eine zweite Ausnahme könnte der Anschlag 20,3 sein) ; vgl. auch die Formulierung τοις έν Δαμασκφ πρώτόν τε καΐ Ίεροσολύμοις (26,20). Es könnte sein, daß Lukas die Stadt ganz unter jüdischem Einfluß stehend geglaubt hat (vgl. Josephus, Bell. 2,660). Wenn das so wäre, dann konnte er Apg 9, l f . ohne Hemmungen schreiben. Übrigens würde sich seine Darstellung insofern vereinfachen, als bis 11,18 nur von Geschehnissen in jüdischem Gebiet die Rede wäre. 16 9,13f. 21 sind Aufnahmen von 9, l f . und werden im Zusammenhang ihrer Perikope besprochen. 17 Vgl. Apg 9,1a. Vgl. l.Clem4,9 ζήλος έποίησεν 'Ιωσήφ μέχρι θανάτου διωχθήναι; LebAd 11. Stellensammlung zu „bis zum Tod" bei K. Beyachlag, Clemens Romanus und der Frühkatholizismus. Untersuchungen zu I Clemens 1-7 (BHTh 35), Tübingen 1966, 61 A. 2. 18 πρεσβυτέρων im NT nur noch Lk 22,66; l.Tim4,14.
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§ 3. Der Verfolger
seine Verfolgertätigkeit in eben dieser Stadt ein. Er zeichnet sie aber anders als in 8,3 und 22,4; er hat durch die Synagogen hin die Gläubigen verhaften19 und auspeitschen lassen (vgl. 26,11). — Zu V. 20 s.o. §2,1. e) Apg
26,9-11
Situation, Thema und Anfang auch dieser Verteidigungsrede vor Agrippa II. und Festus sind behandelt. Paulus spricht von sich als Vertreter der Hoffnung auf Auferstehung, die die Quintessenz des Judentums ist und deren Beweis das Christentum in der Auferstehung Jesu hat. Als solcher, das heißt als Pharisäer (V. 5), hatte er geglaubt, „viel gegen den Namen Jesu von Nazareth unternehmen zu müssen" (V. 9). Das ist wieder Obersatz wie 22,4a. Daß Lukas nicht den „Weg", sondern den „Namen Jesu", d.h. die lukanische Form der Präsenz Christi, als Gegenstand der paulinischen Verfolgung nennt, ist vom Thema der Rede her zu verstehen. V. 10 f. ist Parallele zu 8,3; 9,1 f. und 22,4b-5, unterscheidet sich aber stark davon. Zunächst wird die Jerusalemer Verhaftungsaktion genannt20 und bei dieser Gelegenheit schon die Vollmacht der Hohenpriester (Plural) erwähnt ; dazu kommt ein neuer Zug: Paulus hat mit für Todesurteile gegen Christen gestimmt81, d. h. in Lukas' Sinn doch wohl im Synhedrium. Das mag im Zusammenhang der Rede eine rhetorische Feinheit sein : der Angeklagte erwähnt vor seinen Richtern seine eigene Richtertätigkeit. Daß das voraussetzte, daß Lukas Paulus für einen Rabbinen hielt, ist nicht schlüssig; da er Paulus am Anfang der Rede sein Pharisäertum hat herausstreichen lassen, wird Lukas ihn sich als pharisäisches Mitglied des Synhedriums gedacht haben22. Paulus hat aber noch etwas anderes getan: er hat in allen Synagogen der Stadt „sie" durch Geißelung zum Lästern gezwungen23. Das ist nicht jüdisch geredet — „ich zwang sie, (Gott) zu lästern (so daß sie dann zum Tode verurteilt werden konnten)"24: das hätte durch das Bekenntnis zu 19 20 21
φυλακίζειν ist NT-Hapax. κατακλείειν im NT nur noch Lk 3,20 : κατέκλεισεν τόν Ίωάννην έν φυλακή. καταφέρειν im NT nur Apg 20,9 (2mal) ; 25,7; 26,10; ψήφος nur Apg 26,10; Apk 2,17 (2 mal). Ph.-H.Menovd, Le sens du verbe πορθεϊν Gal 1,13. 23 Act 9,21, in: W. Eltester-F. H. Kettler (Hrsg.), Apophoreta. Festschrift für Ernst Haenchen zu seinem siebzigsten Geburtstag am 10. Dezember 1964 (BZNW 30), Berlin 1964, 178-186: 181: "D'après les Actes comme d'après les Èpîtres Paul n'a pas de sang sur les mains", stimmt für die Apostelgeschichte nur im wörtlichen Sinn. Mörder war Paulus nach Lukas nicht, Blutrichter aber doch. 22 M. E. spricht nichts dafür, daß Paulus für Lukas Babbi war (o. § 2,2a). 23 Bezieht sich πολλάκις auf viele Fälle, auf wiederholte Tortur im Einzelfall oder auf die Vierzig weniger einen, die sachlich gemeint sind? ήνάγκαζον ist plötzlich Imperfekt — der Dauer (Blaß - Debrunner12 § 326), des Versuchs oder der Schilderung (Conzelmann, Apostelgeschichte, 138)? 24 H. Hegermann vermutungsweise mündlich.
2. Tradition und Redaktion
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Christus geschehen müssen, wozu ein Christ nicht erst durch Schläge gezwungen werden muß —, sondern christlich; es ist das Lästern, mit dem Juden mehrfach die Ablehnung der Botschaft verstärken (13,45; 18,6)25. Paulus zwang also zum Abschwören. V. 11 scheint mit V. 10 zu konkurrieren, denn die Betroffenen sind doch wohl andere als die „vielen Heiligen", die Paulus ins Gefängnis brachte, und nicht der Teil der letzteren, der angesichts eines drohenden Todesurteils abfiel (falls doch, berichtete V. 11 keine neue Spüraktion, sondern den öffentlichen Vollzug des Rückfalls ins Judentum). Außerdem ist der Vers antiklimaktisch 28 : der Zwang zum Lästern sollte der Sache und der Schwere nach vor Todesurteilen kommen. Mit V. I I b ist die Stufe von 9,1 f. erreicht ; περισσως τε έμμαινόμενος27 erinnert an 9,1 a. έδίωκον έως και εις τάς έξω πόλεις heißt „ich verfolgte (sie) bis in die Städte außerhalb", nicht „ich dehnte die Verfolgung auch auf (die Christen) in den Städten außerhalb aus". Die „Städte außerhalb" sind am ehesten die außerhalb Jerusalems insgesamt, nicht nur die außerhalb Palästinas 28 . Doch zählt Damaskus zu ihnen, wodurch das Vorhaben nun noch deutlicher als in 9,1 f. und 22,5 als Fortsetzung der Jerusalemer Aktion und als Schlag gegen die vorher Zerstreuten gekennzeichnet ist. In 26,9-11 erscheint ein Gesamtbild, das geschlossener und detaillierter als die bisherigen Angaben ist, das Bild einer Endlösung der Christenfrage durch eine von Anfang an nach dem gleichen Plan und mit allerhöchster Genehmigung durchgeführte, von Zwangsmitteln unterstützte und jeweils bis zu Widerruf oder Tod vorangetriebene Aktion gegen auch den letzten Jerusalemer Christen. Sie ist Paulus' Sache, sein Eifer macht sie scharf, er selber führt sie durch ; gleichwohl bleibt er im Rahmen der Legalität. 2. Tradition und Redaktion Zunächst ist zu fragen, wie sich Bericht (a, b) und Reden (c, d, e) zueinander verhalten. Am besten setzt man bei dem Gesamtbild 26,9-11 ein. Es läßt sich zeigen, daß Lukas hier nicht ein Quellen85 Die Redeweise ist angesichts der Hörerschaft ein Bruch mit der Situation ; das kommt aber in der Rede noch öfter vor (vgl. V. 10 των άγιων; V. 16 ό Sè κύριος). 26 Das hat Klein, Die zwölf Apostel, 126f., hervorgehoben. Er möchte die Klimax herstellen, indem er dem βλασφημεΐν einen gefüllten Sinn abhört: der Verfolger koordiniere „dem physischen auch noch den psychischen Terror", indem er ihnen durch den Zwang zum Lästern das Gottesverhältnis zerstöre; darin liege bewußte „Disqualiäzierung des Verhaltens des Paulus" (S. 126). Ich kann angesichts von 13,45; 18,6 diesen tiefen Sinn nicht entdecken. " NT-Hapax; περισσώς und πολλάκις nur hier bei Lukas. 28 So allerdings Bauer, Wörterbuch6, Sp. 553.
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§ 3. Der Verfolger
stück oder ein en bloc überliefertes Bild „Paulus der Verfolger" verarbeitet29, sondern daß er selber das Bild zusammengesetzt hat. So ist die Erwähnung der hohenpriesterlichen Vollmacht schon bei der Aktion in Jerusalem, bei der sie in 8,3 nicht genannt war, eine Voranziehung aus 9, lf. 30 ; wenn in 22,5 Hoherpriester und Presbyterium als Zeugen für die Verfolgung in Jerusalem angerufen werden, so ist das eine Übergangsstufe. Das Konkurrenzverhältnis von V. 11 zu V. 10 und die antiklimaktische Stellung dürften ihren Grund darin haben, daß Lukas hier komponiert. Er hat in 26,10 mit der Jerusalemer Verhaftungsaktion angefangen, die nach 8,3 der Anfang war und auch in 22,4 als solcher genannt ist, und sie durch die Konsequenz ergänzt, die in 8,3 mitzudenken und in 22,4 durch „auf den Tod" angedeutet ist. Die in V. IIa angeschlossene Fahndung in den Synagogen dürfte ein Rückgriff auf 22,19 sein, der hier antiklimaktisch wirken mußte. V. IIb schließlich ist eine Verallgemeinerung des Damaskusunternehmens 9,1 f. Das heißt, in 26,9-11 steckt keine Paulustradition über das vorher Berichtete hinaus. Lukas entwirft nur aus Zügen, die er schon berichtet hatte, ein geschlossenes, um Details bereichertes und verschärftes Gesamtbild. Das gilt mutatis mutandis auch von 22,4 f. Es spricht nichts dagegen, daß Lukas hier seinen eigenen Text von 8,3; 9,1 f. variiert. Der Obersatz, der auf 9,1 a zurückgreift, die Aussage über die Zeugenschaft des Hohenpriesters und des Presbyteriums sowie schließlich das „damit sie bestraft würden" sind der Situation und dem Thema der Rede angepaßt und durch sie zu erklären. Vorlukanische Tradition über den Verfolger Paulus wird man also nur in 8,3; 9,1 f.; 22,19 suchen dürfen. 8,3 ist im Kontext sekundär, also doch wohl von Lukas eingeführt, da Paulus' Aktion nicht mit Stephanus' Steinigung und auch nicht mit der sich an sie anschließenden Zerstreuung der Jerusalemer verknüpft ist 31 ; aber grade das zeigt, daß Tradition benutzt ist. Auch daß Paulus die Christen ins Gefängnis steckt, dürfte Lukas nicht freihändig dazugesetzt haben, denn damit berichtet er eine nur halbe Sache (26,10 sagt mehr). Nur ist die Frage, ob Lukas hier ein selbständiges Traditions(bruch)stück verwendet, das dann wohl auf Wissen beruhen müßte, oder ob er nicht vielmehr die bekannte Tatsache, daß Paulus die Gemeinde 29 Anders E. Trocmé, Le „Livre des Actes" et l'histoire (Études d'Histoire et de Philosophie Religieuses 46), Paris 1957, 184: aus dem gleichen „excellent document", aus der die auf Paulus selbst oder seine Umgebung zurückgehende Darstellung der Bekehrung 26,12-18 stammt (o. § 2 A. 21). 30 So schon A. Oepke, Probleme der vorchristlichen Zeit des Paulus, ThStKr 105 (1933), 387-424: 395. S1 In V. 2 dürfte das Ende der Stephanustradition stecken, V. 1 ist lukanisches Summarium.
3. Zur Geschichte der Tradition
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verfolgt hatte, mit einem Zug illustriert, der in 9,1 f. an seiner ursprünglichen Stelle steht und dort auch Sinn gibt, nämlich Y. 2 b. Jedenfalls dürfte 9,1 f. abgesehen von der Anknüpfung V. 1 a im wesentlichen Tradition wiedergeben. Falls die Bitte um Vollmacht lukanisch wäre, sollte man sie eher bei 8,3 erwarten. Auch ist nicht wahrscheinlich, daß Lukas, der abgesehen von Jerusalem in jeder Stadt, sogar in Rom, nur mit einer jüdischen Gemeinde und Synagoge zu rechnen scheint32, von sich aus von „Synagogen" in Damaskus gesprochen hätte. Schließlich mag auch der Begriff „Weg" für gegebene Überlieferung sprechen33. In 9,1 f. dürfte der Anfang der Tradition vorliegen, die, wie sich zeigen wird, in 9,3-19 a weiterverarbeitet ist. 22,19 schließlich mag auf die in 22,17-21 benutzte Tradition über die Tempelvisxon zurückgehen; es ist eine andere Art der Verfolgung vorausgesetzt als in 8,3 ; 9,1 f. 3. Zur Geschichte der Tradition
Da 9, lf. und 22,19 im Rahmen ihrer Perikopen unten in § 4,3 a und 6,3 behandelt werden, geht es hier nur um das Stück Wissen, das vermutlich Lukas' Grundlage zu 8,3 bildete: Paulus habe „die Gemeinde verfolgt". Ein Prädikat dieses Inhalts hat früh und womöglich von Anfang an an Paulus' Namen und Gestalt gehaftet, wie Gal 1,23 zeigt, wo Paulus zitiert, was man während seiner Tätigkeit in Syrien und Kilikien in Judäa über ihn erfuhr: der einstige Verfolger verkündigt jetzt 34 . Auch zu Paulus' Selbstbeschreibung gehört der Satz „ich habe die Gemeinde Gottes verfolgt", der offenbar schon in seinem eigenen Mund formelhaft (weil übernommen?) ist 36 . Über Art, Ort und Zeit äußert er sich nicht. Auch sonst ist außerhalb der Apostelgeschichte konkrete Tradition über den Verfolger weder im Neuen Testament noch in der außerkanonischen Literatur zu fassen36. So sehr die Tatsache der Verfolgerschaft festgehalten wurde und jeder32 33
S. u. § 5 A. 5. Repa, Der »Weg«, 17-27. Daß die Stelle die Damaszener, gegen die Paulus vorgehen will, als (womöglich unvollkommen) bekehrte Essener auswiese (H. Koamaia, Hebräer-Essener-Christen. Studien zur Vorgeschichte der frühchristlichen Verkündigung, SPB 1, Leiden 1959, 339f.), leuchtet nicht ein. 31 Daß der vielbesprochene Vers Tradition wiedergibt, hat zuletzt E. Bammel, Galater 1,23, ZNW59 (1968), 108-112, betont. Daß er aber ein regelrechtes Zitat aus einem Märtyrerhymnus wäre, in der ersten Hälfte wörtlich, in der zweiten zusammenfassend, kann ich nicht sehen. Er gibt eine Nachricht wieder, von der Paulus sagt, daß sie in den Jahren seiner Arbeit in Syrien und Kilikien (auf sie bezieht sich der Vers, μόνον 8έ άκούοντες ήσαν ist nicht mit Luther u. a. vorzeitig zu übersetzen) von dort nach Judäa gedrungen war. 36 l.Kor 15,9; Gal 1,13; Phil 3,6; vgl. l.Timl,13. 33 Klein, Die zwölf Apostel, 127-144. 4 Burchard, Zeuge
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§ 3. Der Verfolger
mann gegenwärtig war, so wenig scheint darüber hinaus Tradition geworden zu sein. Lukas stützt sich in Apg 8,3 offenbar auf dieses Urdatum der paulinischen Personaltradition87. 4. Lukas' Bild des
Verfolgers
Die von Paulus allein unternommene und durchgeführte Verfolgung, die gegen alle Christen in Jerusalem gerichtet war und zu Hinrichtung 37 Doch vgl. noch u. A. 39. — Wo und wie es eigentlich gewesen, ist nicht leicht zu sagen (vgl. Oepke, Probleme, 389-406 ; Menoud, Le sens ; H. Kasting, Die Anfänge der urchristlichen Mission. Eine historische Untersuchung, BEvTh 56, München 1969, 54f.; J. Blank, Paulus und Jesus. Eine theologische Grundlegung, SANT 18, München 1968, 238-248; D. v. Dobschütz, Paulus und die jüdische Thorapolizei, ev.-theol. Diss. Erlangen 1968, Diss.-Druck, 70-100). Ob Paulus tatsächlich in Jerusalem verfolgte, wie Lukas behauptet, entscheidet sich an Gal l,22f. M. E. hat V. 23 (vgl. o. A. 34) im jetzigen Kontext nur dann seine Pointe, wenn mit den ehemals verfolgten „wir" dieselben gemeint sind, die jetzt „hören", und wenn das „wir" nicht in Identifizierung mit anderswo verfolgten Christen gesprochen ist, sondern eigentlich: die Gemeinden von Judäa (was Jerusalem einschließt, wie Syrien und Kilikien V. 21 Antiochia einschließt) priesen Gott wegen ihres zum Prediger gewordenen Verfolgers. Ist das richtig, dann hat Paulus in Jerusalem verfolgt und nicht, wie die kritische Forschung heute oft annimmt, in Damaskus (mit Kasting und Blank gegen H. Conzeltnann, Geschichte des Urchristentums, Grundrisse zum Neuen Testament. NTD Ergänzungsreihe 6, Göttingen 1969, 64; G. Bornkamm, Paulus, Urban Bücher 119, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1969, 38f.). Daß er vermutlich gegen ein hellenistisches Judenchristentum kämpfte, wie neuere traditionsgeschichtliche Untersuchungen zeigen (zuletzt P. Stuhlmacher, Das paulinische Evangelium I. Vorgeschichte, FRLANT 95, Göttingen 1968, 73-75), widerspricht dem nicht; es würde im Gegenteil das schwierige „ich war aber von Angesicht unbekannt" V. 22 erklären helfen und außerdem verständlich machen, warum der Verfolger Jerusalem verließ, obwohl die Gemeinde dort keineswegs beseitigt war. Umstritten ist weiter, wie man sich Paulus' Verfolgen vorzustellen hat. Die durch Lukas traditionell gewordene Auffassung, daß Paulus mit amtlichem Auftrag und Zwangsmitteln verfolgte, vertrat zuletzt ausführlich v. Dobschütz. Doch nehmen Methode wie Ergebnis einem die Lust, sich mit seiner von Tipp- und Akzentfehlern wimmelnden Arbeit auseinanderzusetzen. Zum ersten: Ist schon fraglich, ob die herangezogenen jüdischen Texte überhaupt das Schauerbild von „Thorapolizei" hergeben, das v. Dobschütz ihnen entnimmt, so ist es jedenfalls methodisch unerlaubt, jeden Text der Apostelgeschichte und der Paulusbriefe, der eben noch nach diesem Bilde gedeutet werden kann, nun auch mit souveräner Mißachtung der jeweiligen traditionsgeschichtlichen und historischen Problematik so zu deuten, wobei selbst noch Apg 16,6 belegen soll, daß die Agenten der Thorapolizei ihren umgedrehten einstigen Kollegen quer durch Europa jagten (S. 118 — warum eigentlich so erfolglos?). Zum zweiten: Es ist mehr als unerfreulich, die jüdische Ablehnimg des werdenden Christentums, die Paulus zunächst selber praktizierte und dann zu spüren bekam, zu einer Geheimdienstaffäre herabgewürdigt zu sehen. Zieht man von Lukas' Bild das Lukanische ab, so bleibt als Beleg für einen amtlichen Auftrag nur Apg 9, lf., allenfalls noch implizit 22,19; dabei ist aber zu beachten, daß die Initiative von Paulus ausgeht, nicht von der Behörde in Jerusalem, und daß die geforderten „Briefe" sich auf Damaskus beziehen. So haben die Paulustexte das letzte Wort. Sie lassen die Auffassung zu, daß der Verfolger nicht viel anders vorging als später der Apostel (so zuletzt Menoud, ebd.), was durchaus einschließen kann, daß er gegen Christen die Synagogenstrafen erwirkte, die er als Christ dann selber erlitt (2.Kor ll,24f.).
§ 4. Die Wende (Apg 9,3-19a; 22,6-16; 26,12-18)
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oder Widerruf führen sollte, ist also im wesentlichen rein lukanische Konstruktion. G. Klein hat sie als bewußte „Perhorreszierung seines (Paulus') Tuns" beurteilt, die er zu den degradierenden Zügen rechnet, mit denen Lukas einen von gnostischen Gegnern in den Himmel gehobenen Paulus auf den Boden der Großkirche zurückholen wollte38. Mir hat sich die Perhorreszierung nicht bestätigt. Gewiß tritt der lukanische Paulus rein inquisitorisch auf. Aber er ist keineswegs das Scheusal, als das Klein ihn deutet. Er verfolgt in Konsequenz seines Judentums und bleibt im Rahmen der Legalität. Auch wenn Lukas ihn anders als l.Tim 1,13 das „Ich habe es unwissend in Unglauben getan" nicht sagen läßt, der Sache nach ist es vorhanden89. Die von Klein abgelehnte übliche Deutung, daß Lukas Paulus' Verfolgertätigkeit als Kontrastfolie für den folgenden Umschwung ausarbeitete, scheint mir darum nicht falsch zu sein. Nach Lukas zeigt sich an der zum Scheitern verurteilten Verfolgertätigkeit des entschiedenen Juden Paulus der Widersinn der jüdischen Christenfeindschaft überhaupt.
§ 4. Die Wende (Apg 9,3-19 a; 22,6-16; 26,12-18) Kontexte und Anfänge der drei Fassungen des Damaskuserlebnisses 9,l-19a; 22,5-16; 26,12-18 sind schon besprochen. Übereinstimmungen und Unterschiede der drei Texte sind oft zusammengestellt worden1. Sie liegen in 9,3-9 par. (Vor Damaskus) anders als in 9,10-19 a par. (In Damaskus). Im ersten Abschnitt laufen alle drei Fassungen bis zum Anfang der letzten Worte Jesu (9,6; 22,10; 26,16 „steh auf") einigermaßen parallel (je mehr man Wortlaut und Abfolge betrachtet, desto mehr treten die Unterschiede, je mehr man das Ganze ins Auge faßt, desto mehr tritt die Übereinstimmung heraus), von da ab nur noch 9 und 22; 26,16-18 schließt an das „steh auf" eine Rede Jesu an. 38 38
Die zwölf Apostel, 115-144; zur Kritik Blank, Paulus und Jesus, 239f. Daß das Verfolgen unmittelbar aus entschiedenem Judentum hervorwuchs, sagt auch Paulus selbst Gal 1,13f.; Phil 3, 5f., wenn auch anders akzentuiert (o. § 2 A. 43). Vielleicht führt von hier aus noch eine traditionsgeschichtliche Linie zu Lukas' Darstellung. Im übrigen kann man fragen, woher Lukas die Farben zu seinem Bild nahm; Menoud, Le sens, 185: "Les scènes de violence semblent refleter le souvenir des entreprises des Zélotes" gegen die Christen in den fünfziger Jahren, die sich auch auf die Diaspora ausgewirkt hätten und hinter l.Thess 2,14-16 stünden. 1 Z.B. von K. Lahe, The Conversion of Paul and the Events immediately following it, in: F. J. F. Jackson-K. Lake (ed.), The Beginnings of Christianity I, V, London 1933, 188-195: 189; E.Pfaff, Die Bekehrung des h. Paulus in der Exegese des 20. Jahrhunderts, Rom 1942, 108-118. Synopse bei D.M. Stanley, Paul's Conversion in Acts: Why the Three Accounts?, CBQ 15 (1953), 315-338: 323f., von 9,3-8 par. 22,6-11 par. 26,12-18 bei E. Preuschen, Die Apostelgeschichte (HNT 4,1), Tübingen 1912, 66. 4*
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§ 4. Die Wende
Der zweite Abschnitt ist in 26 nicht vorhanden; 9 und 22 sind nicht mehr parallel, sondern komplementär. Die Szene zwischen Jesus und Ananias 9,10-16 fehlt in 22, die zwischen Ananias und Paulus 9,17-18 a ist in 22,12-16 teils kürzer, teils länger. Heilung und Taufe 9,18b-19a fehlen in 22. 9 und 22 stehen also verhältnismäßig nahe beieinander, während 26 stark abweicht. 1. Die Texte a) Zur Form von Apg 9,1-19 a Der Abschnitt ist so in sich geschlossen und von seiner Umgebung abgesetzt, daß man ihn als Einzelgeschichte betrachten muß, gleichviel, wie sich Tradition und Redaktion verteilen, und gleichviel, ob Lukas etwaige Tradition mitsamt ihrem jetzigen Kontext, einem anderen oder separat zugekommen ist. Darüber hinaus ist der Text stark stilisiert. Auslegung und historische Auswertung hängen davon ab, daß zunächst der literarische Charakter erkannt ist. Dessen gegenwärtige Beurteilung hat H. Conzelmann auf die Formel „Legende mit typischen Motiven" gebracht 2 ; mit der Einschränkung, daß Legende als bloßer Formbegriff zu nehmen sei, dürfte heute diese Beurteilung auch dort weithin geteilt werden, wo man die Nähe des Textes zu Paulus hoch einschätzt 8 . Die Formel gibt Methode wie Stand der Forschung exakt wieder. Sie hat den literarischen Charakter von Apg 9,1-19 a bisher vor allem durch den Kachweis typischer Einzelmotive zu erfassen gesucht (Lichterscheinimg, Reaktion der Betroffenen, Wortwechsel Jesus—Paulus, Anklänge an Prophetenberufungen, Blendung, Doppelvision, Heilungsmotive usw.) 4 . Ob die 2
H. Conzelmann, Die Apostelgeschichte (HNT 7), Tübingen 1963, 59. Authentizität kann kaum anders behauptet werden, als indem man Apg 9,1-19 a, zumindest aber V. 3-9, von einem Selbstbericht des Paulus ableitet. Das ist praktisch nur unter der meist auch ausgesprochenen Annahme möglich, daß Paulus öfter von Damaskus erzählte, womit von vornherein als Grundlage des Textes keine spontane Erzählung, sondern eine stilisierte gedacht wird. 4 F. Smend, Untersuchungen zu den Acta-Darstellungen von der Bekehrung des Paulus, Angelos 1 (1925), 34-45; H. Windisch, Die Christusepiphanie vor Damaskus (Act 9, 22 und 26) und ihre religionsgeschichtlichen Parallelen, ZNW 31 (1932), 1-23; W. Nestle, Legenden vom Tod der Gottesverächter, Archiv für Religionswissenschaft 33 (1936), 246-269: 264-267; A. Wikenhauser, Doppelträume, Biblica 29 (1948), 100-111 ; Die Wirkung der Christophanie vor Damaskus auf Paulus und seine Begleiter nach den Berichten der Apostelgeschichte, Biblica 33 (1952), 313-323; J.Munck, Paulus und die Heilsgeschichte (Acta Jutlandica 26,1), Aarhus - Kopenhagen 1954, 16-26; 0. Lohfink, Eine alttestamentliche Darstellungsform für Gotteserscheinungen in den Damaskus berichten (Apg 9; 22; 26), BZ 9 (1965), 246-257, verarbeitet in Lohfink, Paulus vor Damaskus. Arbeitsweisen der neueren Bibelwissenschaft dargestellt an den Texten Apg 9,1-19; 22,3-21; 26,9-18 (SBS 4), Stuttgart 1965, 53-64 (ich zitiere den Aufsatz); vgl. Pfaß, Bekehrimg, 121-127. Außerdem natürlich die Kommentare. 3
l a ) Zur Form von Apg 9,1-19»
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Legende ala ganze, etwa durch charakteristische Verkettung bestimmter Motive, einem festen Typus folgt, hat dagegen kaum jemand gefragt. Der einzige ausführliche Versuch, den es gibt 5 , H. Windischs Vergleich mit der Heliodorlegende 2. Makk 3, ist bezeichnenderweise nur selten als ganzer aufgenommen worden und hat im wesentlichen als Nachweis von Einzelmotiven gewirkt; daß er einen methodischen Neuansatz darstellt, blieb nicht ohne Zutun des Autors unbeachtet 6 . Auch eine ausdrücklich der Popularisierung formgeschichtlicher Arbeit gewidmete Studie wie die von G. Lohfink 7 bleibt bei den Einzelheiten. Offenbar wirkt auch in der kritischen Forschung noch die Auffassung nach, die den Faden des Berichts durch das berichtete einmalige Ereignis gegeben sah und darum nach der Form des Ganzen nicht fragte, sondern höchstens Stilisierung von Details erwog. Nun liegt freilich Parallelmaterial, das am ehesten zu formgeschichtlicher Bearbeitung von Apg 9,1-19 a im ganzen hätte veranlassen können, keineswegs auf der Hand. Das Neue Testament bietet nur wenig. Die Überlieferungen von Erscheinungen des Auferstandenen, die heranzuziehen sich nahelegt, weil Paulus selber Damaskus als letzte Ostererscheinung versteht (l.Kor 15,8), sind formal und inhaltlich etwas ganz anderes, wie oft genug betont wurde. Zumal von Lukas' Ostergeschichten, in denen der mit Fleisch und Bein wiederhergestellte Auferstandene mit seinen Jüngern wandert, redet und ißt (vgl. auch Apg 10,41), unterscheidet sich Apg 9, l-19a gründlich. Die evangelischen Geschichten von Berufungen und Bekehrungen durch den historischen Jesus sind mit Apg 9,1-9 (zu V. 10 ff. haben sie ohnehin nichts Entsprechendes) kaum vergleichbar. Die Apostelgeschichte liefert in der hinter 10,1-11,18 liegenden Tradition über Kornelius' Bekehrung eine Parallele zu 9,10-19a, aber nichts zu 9, l-19a im ganzen. Wenn es Parallelen dazu gibt, müssen sie im nichtchristlichen Bereich gesucht werden. Am nächsten liegt die alttestamentlich-jüdische Literatur. Das Alte Testament selber kommt freilich nicht in Betracht; thematisch verwandte Texte wie die prophetischen Berufungsgeschichten oder die Naemanperikope 2.Kön 5 haben mit Paulus' Damaskuserlebnis in der in Apg 9,1-19 a erzählten Form nicht viel zu tun8. Erst die Literatur des antiken Judentums, und zwar Vgl. Pfaff, Bekehrung, 120f. Auch Pfaff, Bekehrung, 122-126, bespricht ihn unter „Einzelheiten". Ausführliche und im allgemeinen zustimmende Aufnahme bei H. Graß, Ostergeschehen und Osterberichte3, Göttingen 1964, 217ff. 7 Paulus vor Damaskus (o. A. 4). 8 Einzelberührungen mit alttestamentlichen Prophetenberufungen und ihren antiken jüdischen Nachklängen sind damit nicht geleugnet (vgl. Munck, ebd., und u. unter l d zu Apg 26,16-18). 6 6
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§ 4. Die Wende
die jüdisch-hellenistische, hilft weiter®. Zu beachten sind die schon von Windisch herangezogene Heliodorlegende 2.Makk 3 mit ihren Parallelen und vor allem der Joseph und Aseneth-Roman. Dieser eröffnet dann den Blick auf verwandte heidnische Texte. α) Apg 9,1-19a
und die
Korneliustradition
Auf Berührungen von Apg 9, l-19a mit 10,1-11,18 hat zuletzt besonders G. Stählin hingewiesen10. Sie treten noch deutlicher heraus, wenn man den Damaskusbericht mit der vermutlichen Gestalt der von Lukas verarbeiteten Korneliustradition vergleicht11. Jedoch erlebt Kornelius nichts der Christophanie und ihren unmittelbaren Folgen Vergleichbares. Denn die Vision, die seine Bekehrung ein• Nicht allerdings die historischen Nachrichten über jüdische Mission und Übertritte zum Judentum (zu ihnen zuletzt K. G. Kuhn, προσήλυτος, ThW VI, 1959, 727-745; D. Georgi, Die Gegner des Paulus im 2.Korintherbrief. Studien zur religiösen Propaganda in der Spätantike, WMANT 11, Neukirchen-Vluyn 1964, 83-137; H. Kaeting, Die Anfänge der urchristlichen Mission. Eine historische Untersuchung, BEvTh 65, München 1969, 11-32), auch nicht die ausführlichste und bekannteste, die Bekehrung des Izates von Adiabene bei Josephus, Ant. 20,34-48 (dazu zuletzt Kaeting, 24f., der sie als Beleg für die Quasilegitimität von ,,Halbproselyten", gegen die er sich S. 22-27 wendet, aus der Diskussion zu schaffen sucht: „Gottesfürchtige" (was kein technischer Ausdruck sei) seien nie und von niemand in irgendeiner Form als Juden anerkannt worden. Aber daß sie geduldet wurden — wie die lebenslangen Katechumenen des 3. und 4. christlichen Jahrhunderts, vgl. J. Jeremias, Die Kindertaufe in den ersten vier Jahrhunderten, Göttingen 1958, 102 ff. —, wird davon nicht berührt.). 10 Die Apostelgeschichte (NTD 5), Göttingen 1962, 136. 149; vgl. G. Kitin, Die zwölf Apostel. Ursprung und Gehalt einer Idee (FRLANT 77), Göttingen 1961, 145 A. 700; Lohfink, Darstellungsform, 253. 11 Nach M. Dibeliua, Die Bekehrung des Cornelius, Coniectanea Neotestamentica 11 (1948) (in honorem Antonii Fridrichsen), 50-65 = in: Dibeliue, Aufsätze zur Apostelgeschichte (FRLANT 60) e , Göttingen 1968, 96-107, steckt die Tradition in 10,1-8.17-26. 30-33.44-48; ähnlich O. Bauernfeind, Die Apostelgeschichte (ThHK 5), Leipzig 1939, 141-143, nach anderen Überlegungen. Das ist weithin zugestanden, wenn auch gelegentlich mit Änderungen, vgl. F. Hahn, Das Verständnis der Mission im Neuen Testament (WMANT 13) a , Neukirchen-Vluyn 1965, 41f. (daß die ursprünglich selbständige Vision schon vor Lukas in die Korneliusgeschichte eingefügt wurde, ist erwägenswert); G. Schille, Anfänge der Kirche. Erwägungen zur apostolischen Frühgeschichte (BEvTh 43), München 1966, 68-70 (die Tradition habe aber auch V. 17-24a nicht enthalten, weil sie Petrus in Cäsarea gedacht haben müsse, und sei also im Aufbau Mt 8,5-13 sehr ähnlich gewesen; doch dürften die Verse zumindest Lukas schon vorgelegen haben, zumal die Überwindimg des Widerstands von oben her in J A und Apg 9, lOff. ihre Parallele hat). Dagegen möchte E. Haenchen, Die Apostelgeschichte (MeyerK 3)·, Göttingen 1968, 288-308, Apg 10,111,18 im wesentlichen für lukanische Komposition mit einem ungeformten Kern, der etwa als Gründungstradition von Cäsarea zu denken ist, halten; Lohfink, Darstellungsform, 253 f., ist ihm gefolgt. Doch ist Haenchen auf Dibeliua' Begründung gar nicht eingegangen (so mit Recht U. Wückene, Die Missionsreden der Apostelgeschichte. Form- und traditionsgeschichtliche Untersuchungen, WMANT 5 2 , Neukirchen-Vluyn 1963, 63 A. 1), sondern stützt sich auf die kompositorische Geschlossenheit der lukanischen Darstellung.
laß) Apg 9, l - 1 9 a und die Heliodorlegende
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leitet, entspricht nicht Apg 9,3-6 12 , weder formal noch inhaltlich. Kornelius ist kein Verfolger, der niedergeschmettert wird, sondern ein Gottesfürchtiger, der den wahren Gott kennt und „seine Gerechtigkeit tut" (10,2; 10,34f.). Er ist schon an dem Punkt, an den Paulus erst geführt werden muß: nämlich seine Annahme bei Gott zu erwarten und darum zu beten. Die Erscheinung, die Kornelius dann hat, entspricht aber der nur indirekt berichteten paulinischen Vision 9,12, mit dem Unterschied, daß Paulus Ananias' Kommen und Tun voraussieht, während Kornelius den Auftrag bekommt, Petrus holen zu lassen, aber nichts Näheres erfährt (anders in der Nacherzählung 11,13f.). Die Weisung an Petrus 10,19f. ist dann die Parallele zu Ananias' Vision 9,10-16". ß) Apg 9,1-19a
und die
Heliodorlegende
Daß in Apg 9,1—19a einiges an 2.Makk 3, besonders an V. 27—29, erinnert, hat wohl zuerst A. Drews gesehen, der darum Apg 9,1-19 a schlankweg für eine Nachbildung der Legende durch den Verfasser der Apostelgeschichte erklärte14. Unabhängig von Drews meinte ein Jahr später F. Smend beiläufig, daß der Damaskusbericht „an ähnliche Vorstellungen", wie sie die Heliodorlegende hat, „angeknüpft haben" könnte16. Daraufhin verglich Windisch die beiden Texte genauer und versuchte als erster, den Damaskusbericht gattungsgeschichtlich zu bestimmen18. 12 13
Gegen. Stählin, ebd.; Klein, Die zwölf Apostel, 145 A. 700. Weiter ist auf die Korneliustradition hier nicht einzugehen. Sie dürfte jedoch kaum eine harmlose Personallegende gewesen sein (vgl. Schüle, Anfänge, 69f.). Man hat nicht von einem beliebigen Privatmann erzählt, daß sich der Himmel selbst um seine Bekehrung gekümmert und für sie einen Apostel bestellt habe. Ähnliches berichtet die Apostelgeschichte nur noch vom äthiopischen Eunuchen (8,26-39). Die Korneliustradition dürfte also schon vor Lukas von der Erstbekehrung eines Heiden gehandelt haben; Lukas hat das bloß ausgebaut (u. § β A. 19). 14 Die Entstehung des Christentums aus dem Gnostizismus, Jena 1924, 243-245. 15 Untersuchungen zu den Acta-Darstellungen, 44. 16 Christusepiphanie, 1-9. Windisch hat die Heliodorlegende selber abgesehen von einem Blick auf die Variante 4.Makk 4,1-14 (S. 8f.), die Apollonius zum Helden hat, gattungsgeschichtlich nicht weiter untersucht. Nach N. Stokholm, Zur Überlieferung von Heliodor, Kuturnahhunte und anderen mißglückten[ ! ] Tempelräubern, StTh 22 (1968), 1-28, sind" 2.Makk 3,1-40, 3.Makk 1,8-2,24 und 4.Makk 4,1-14 voneinander unabhängige Versionen einer Tradition, die einen historischen Vorfall unter Seleukus IV. Philopator und Apollonius (4.Makk 4, vgl. 2.Makk 3,6-7) nach einem alten, bei Herodot VIII 35-38 (Delphi) und auf einem Keilschrifttext (British Museum, Spartoli 158 + H 962) greifbaren Schema gestalten (Apg 9 par. erwähnt Stokholm nicht ; Windischs Aufsatz scheint er nicht zu kennen). Ich beschränke mich im folgenden auf die Auseinandersetzung mit Windischa Auswertimg von 2.Makk 3. Zu den Paralleltexten wäre mutatis mutandis dasselbe zu sagen, was ihr Verhältnis zu Apg 9, l-19a par. angeht. — Zur historischen Beurteilung der Heliodorlegende vgl. außer
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§ 4. Die Wende Während Jerusalem unter Oniaa (III.) in Frieden und Gesetzesfurcht lebte und sogar die Heidenkönige das Heiligtum ehrten (2.Makk 3,1-3), überwarf sich der Tempelvorsteher Simon aus der Priesterklasse Balgea 17 wegen der Marktaufsicht mit Onias (Y. 4) und brachte, als er nicht durchdrang, dem Strategen von Koilesyrien und Phönizien, Apollonius, zu Ohren, daß der Jerusalemer Tempelschatz weit über die kultischen Bedürfnisse hinaus bestückt sei, so daß die Krone hier etwas zu holen habe (V. 5 f.)· Apollonius meldete das König Seleukus (IV. Philopator, 187-175 v.Chr.), der seinen Kanzler (und späteren Mörder) Heliodor schickte, um den Schatz zu konfiszieren (V. 7). Heliodor, vorgeblich auf Inspektionsreise durch die Provinz, von Onias freundlich empfangen, erfuhr, daß das Geld, nicht sehr viel, treuhänderisch und meist für Witwen und Waisen verwaltet werde, deshalb und wegen der Würde des Heiligtums unantastbar. Heliodor setzte trotzdem eine Bestandsaufnahme an. Jerusalem gärte, alles schrie zum Himmel (V. 8-22). Als Heliodor mit seinen Soldaten schon in der Schatzkammer war, bewirkte Gott „eine große Epiphanie" (V. 24). Es erschien ein Pferd mit einem goldgepanzerten Reiter, das mit den Vorderhufen nach Heliodor auekeilte, dazu zwei feingekleidete Jünglinge, die ihn rechts und links durchpeitschten (V. 25f.) 18 . Heliodor stürzte, „von vieler Finsternis umgeben" 19 , wurde auf einer Bahre weggetragen und lag stumm und hoffnungslos darnieder (V. 2729) ao , während Jerusalem Gott pries, „der seine Stätte wunderhaft verherrlicht" (V. 30). Heliodors Umgebung ersuchte Onias um Fürbitte ; aus Rücksicht auf den König brachte der Hohepriester ein Sühnopfer dar (V. 31 f.). Zur gleichen Zeit erschienen die Jünglinge Heliodor wieder und befahlen ihm, Onias dankbar zu sein und „allen die große Macht Gottes" zu verkündigen (V. 33f.). Heliodor opferte und betete, reiste zum König zurück und bezeugte wie geheißen „die Taten des sehr großen Gottes" (V. 35f.). Auf die Frage des Königs, wen er denn nun nach Jerusalem schicken könne, antwortete er: einen Feind — er kommt geprügelt zurück, wenn überhaupt (V. 38). Denn „der den Himmel zur Wohnstatt hat, ist Wächter und Beschützer jenes Ortes und schlägt vernichtend, die zu Frevel dorthin kommen" (V. 39). So die Geschichte von Heliodor und der Bewahrung des Tempelschatzes (V. 40).
Stokholm, 22-28, vor allem E. Bikerman, Héliodore au Temple de Jérusalem, Université Libre de Bruxelles. Annuaire de l'Institut de Philologie et d'Histoire Orientales et Slaves 7 (1939-44), 5-40, und gegen ihn V. Tcherikover, Hellenistic Civilization and thei Jews, Philadelphia 1959/Jerusalem 5719, 465f. Daß die beiden Jünglinge von V. 26. 33f. Tempelpolizisten, apologetisch kaschiert, waren, wie D. v. Dobschütz, Paulus und die jüdische Thorapolizei, ev.-theol. Diss. Erlangen 1968 (Diss.-Druck), 19-21, will, wird niemand glauben. 17 Zur Frage, was Simon als προστάτης του ίεροϋ war, und zur Verbesserung der Rahlfsschen Lesart έκ της Βενιαμίν φυλής in έκ της Βαλγεα φυλής R. Han· hart, Zum Text des 2. und 3. Makkabäerbuches, Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen I. Phil.-hist. Klasse 1961, 13, Göttingen 1961 = Mitteilungen des Septuaginta-Unternehmens 7 (1961), 61f. 18 Zum Stil von 3,25 vgl. Hanhart, Zum Text, 27. 19 Daß πολλφ σκότει περιχυθέντα V. 27 „geblendet" heißt, bezweifelt Stokholm, Zur Überlieferung von Heliodor, 7, m. E. mit Recht; im weiteren Verlauf ist von Blendung keine Rede, ebensowenig in den Paralleltexten. Der Ausdruck bedeutet soviel wie „schwindlig" oder „ohnmächtig". Vgl. Philo, Leg. ad Gai. 266ff.
laß) Apg 9, l - 1 9 a und die Heliodorlegende
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Windisch fand, daß die Heliodorlegende zwar nicht das Vorbild des Damaskusberichts ist, daß beide aber zum gleichen „Typus der Epiphaniegeschichten" gehören, einem „Typus, der Rettung der Gemeinde u n d Bekehrung des Verfolgers vereint" 21 . Er verglich freilich mit 2.Makk 3 nicht Apg 9,1-19a par., sondern ein aus Apg 9.22.26, Gal 1 und erschlossenen Daten (etwa dem, daß Paulus von Christen in Damaskus gehört haben müsse wie Heliodor vom Tempelschatz) zusammengesetztes Bild, ein Bild also, das nicht nur verschiedene Texte verschiedener Gattung, sondern auch noch Texte und erschlossene Wirklichkeit mischt. Wenn Windisch eine „starke Strukturähnlichkeit" sah 22 , dann zwar mit Recht, weil er in der Tat für fast alle Züge der Heliodorlegende eine Parallele vorweisen konnte; aber die Ähnlichkeit besteht nicht zwischen 2.Makk 3 und Apg 9, sondern zwischen 2.Makk 3 und einem Pasticcio, das Windisch selber erst geschaffen hat. Dieses Verfahren dürfte auch dann unmethodisch sein, wenn man wie Windisch Apg 9,1-19 a par. so entstanden sieht, daß der Schriftsteller Lukas eine im Grundzug vorliegende Überlieferung samt womöglich ein paar weiteren traditionellen Angaben dreifach nach dem in 2.Makk 3 vorliegenden Legendentyp (und dazu noch weiteren Anregungen) ausgestaltete. Mit Formgeschichte hat das jedenfalls wenig zu tun. Stellt man, wie methodisch geboten, die Texte 2.Makk 3 und Apg 9,1-19 a nebeneinander, wobei man den stilistischen Unterschied zwischen asianischer Kunstprosa dort 23 und knappem Biblizismus hier berücksichtigen muß, so ergeben sich Berührungen im Detail, aber keine Ähnlichkeit der Gesamtstruktur 24 . Vergleichbar ist die „Epiphanie" samt ihren Folgen 2.Makk 3,24-29 (vgl. 3.Makk 2,21f.; 4.Makk 4, lOf.) mit der Christophanie Apg 9,3-9 par. Doch fallen die Unterschiede mindestens so ins Auge wie die Berührungen (plötzliche Erscheinung, Niederstürzen, tagelange Apathie). Wesentlich ist, daß 2.Makk 3 von der physischen Niederschlagung eines Frevlers durch Engel, die dementsprechend stumm sind, redet, Apg 9 von der Begegnung eines Verfolgers mit dem Verfolgten, dessen Erscheinung 21
Christusepiphanie, 7. Sperrung original. 23 Christusepiphanie, 6. Hanhart, Zum Text, 69 f. Windisch selber hatte Differenzen beobachtet (Christusepiphanie, 6f.). Weiteres: Dem Anfang der Heliodorgeschichte bis zum Augenblick, in dem Heliodor den Tempel betreten hat (2.Makk 3,24a), entspricht in Apg 9 nichts. Weiter sieht Heliodor anders als Paidus kein Licht und wird nicht blind ("V. 27, o. A. 19), wohl aber stumm (V. 29). Eine Parallele zur zweiten Erscheinung der beiden Jünglinge (V. 33f.) erhält Windisch nur, indem er Paulus' Tempelvision Apg 22,17-21 heranzieht (wenn überhaupt etwas, hätte er die Ananiasepisode vergleichen müssen, aber die ist eben ganz verschieden). Schließlich fehlt Apg 9 eine Entsprechung zur Nachgeschichte des Tempelwunders, daß nämlich Heliodor beauftragt wird, sein Erlebnis zu erzählen, was er auch tut ; Apg 9 endet dagegen mit Paulus' Heilung und Taufe. 22 24
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§ 4. Die Wende
zwar auch physische Folgen hat (vor allem die von Heliodor grade nicht berichtete Blindheit), der sich wesentlich aber als befehlende Stimme äußert. Sind die beiden Geschichten also schon formal wenig vergleichbar, so auch sachlich. Windisch glaubte zu sehen: „Zwei Leitmotive gehen durch beide Geschichten hindurch: 1) Ü b e r w ä l t i g u n g und Bekehrung eines Feindes; Verwandlung eines Verfolgers in einen Bekenner und Zeugen und 2) E r r e t t u n g einer Gemeinde aus schwerster Gefahr ; beides bewirkt durch eine Epiphanie vom Himmel her."26 Diese zwei Leitmotive sind aber so stark als gemeinsamer Nenner formuliert, daß sie beiden Geschichten nicht mehr gerecht werden, und gehen auch beide nicht durch beide Geschichten hindurch. Um mit der Errettung der Gemeinde anzufangen: hierin sind beide Texte grade verschieden. Schon in 2.Makk 3 geht es genau genommen gar nicht um „Rettung der Gemeinde", sondern, gattungstypisch, um Verteidigung eines Heiligtums durch den dort verehrten Gott26. In Apg 9 ist weder von einem Heiligtum noch auch von einer Gemeinde die Rede. Paulus' Christusbegegnung findet zwar unter den Toren von Damaskus statt, aber nicht in einem Augenblick, in dem er gegen die Gemeinde vorgeht27. Es ist richtig, daß sich Jesus mit dem „Saul, Saul, was verfolgst du mich?" implizit schützend vor seine Jünger stellt, aber nicht speziell vor die in Damaskus, sondern vor die verfolgten Christen überhaupt, und eben nur implizit. Umgekehrt kann man zwar bei Apg 9 von „Überwältigung und Bekehrung eines Feindes" sprechen, bei 2.Makk 3 aber nicht. Heliodor — übrigens eine andere Art Feind als Paulus, er hat nichts gegen Tempel und Judentum, sondern unternimmt, angestiftet und falsch informiert, einen Anschlag auf die Kasse — wird doch nicht bekehrt. Daß er stilgemäß nach dem Wunder opfert, betet, bezeugt, macht ihn nicht zum Juden und schon gar nicht zum Prediger28. Mehr ist auch gar nicht zu erwarten. Ein Hellenist kann sehr wohl ohne weitere persönliche Konsequenzen einem fremden Gott seine Reverenz erzeigen, wenn der sich als mächtig erwies. Nicht zufällig kann die Geschichte schwankartig enden: Schick deinen Feind nach Jerusalem, da kriegt er Prügel. Der Gott, dem der Tempel zu Jerusalem gehört, kann etwas — das ist die Quintessenz von Heliodors Jerusalemerlebnis. Von Apg 9,1-19 a ist das ganz verschieden. 86 27
Christusepiphanie, 5. So Windisch, Christusepiphanie, 3, selbst. Auch Windisch sieht das, meint aber, Not und Rettung der „Christengemeinde von Damaskus" (Christusepiphanie, 5) würden wenigstens indirekt beschrieben — aber wieso dann „Leitmotiv" ? Ablehnend auch Ρf a f f , Bekehrung, 123f. 28 Wie Windisch, Christusepiphanie, 6, aus dem Text (wohl V. 35f.) herauslesen konnte, daß Heliodor „Mitgläubiger" und „Mitzeuge" der ehemals verfolgten Gemeinde wird, ist mir schleierhaft.
lay) Apg 9,1-19a und Joseph und Aseneth
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Die Heliodorlegende gehört also zu den Texten, die Parallelen zu Einzelzügen von Apg.9, l - 1 9 a liefern. Insbesondere ist 2.Makk 3,24ff. eine Analogie zur Christophanie Apg 9,3-9, freilich keineswegs die engste und erheilendste29. Eine Parallele zum Ganzen des lukanischen Textes bietet die Legende nicht. Windisch hätte also auch bei strengerer Methode keinen Weg zum form- und religionsgeschichtlichen Verständnis von Apg 9, l - 1 9 a eröffnen können. Daß er einen zu finden versuchte, bleibt sein Verdienst, auch wenn er nicht Schule gemacht hat. γ) Apg 9, l-19a und Joseph und Aseneth Was die Heliodorlegende nicht ermöglicht, ein form- und religionsgeschichtliches Verständnis von Apg 9,1-19a par., das läßt sich meines Erachtens nun von einem anderen, freilich viel längeren jüdisch-hellenistischen Text aus gewinnen, nämlich dem ersten Teil von Joseph und Aseneth (JA 1-21). Es läßt sich zeigen, daß trotz des verschiedenen Umfangs Paulus' Begegnung mit Jesus samt ihren Folgen und Aseneths Begegnung mit Joseph samt der sich daran anknüpfenden Bekehrung ganz ähnlich ablaufen, und weiter, daß Paulus' Umkehr kraft der Christophanie und Aseneths Konversion aus Liebe zu Joseph, die zu Heirat und Kinderkriegen führt, auch inhaltlich vergleichbar sind. Das setzt freilich form- und religionsgeschichtliche Überlegungen zunächst zum Verständnis von JA voraus. 1. Joseph und Aseneth ein jüdischer Roman JA ist ein jüdisch-hellenistisches Buch 30 . Der Verfasser ist unbekannt. Er muß zwischen dem ausgehenden 1. Jh.v.Chr. und dem a » 30
S. u. xinter lb. Literatur bei Chr. Burchard, Untersuchungen zu Joseph und Aseneth. Überlieferung-Ortsbestimmung (WUNT 8), Tübingen 1965, 153-164; M. Philonenko, Joseph et Aséneth. Introduction, texte critique, traduction et notes (SPB 13), Leiden 1968, 239-249; Neueres bei Chr. Burchard, Zum Text von „Joseph und Aseneth", Journal for the Study of Judaism 1 (1970), 3-34: 3 Α. 3 ; zuletzt J. Beeker, Untersuchungen zur Entstehungsgeschichte der Testamente der zwölf Patriarchen, AGAJU8, Leiden 1970, 391; A.-M. Denis, Introduction aux Pseudépigraphes grecs d'Ancien Testament, Studia in Veteris Testamenti Pseudepigrapha 1, Leiden 1970, 40-48. — Mit christlichen Einschüben rechnet jetzt wieder T. Holtz, Christliche Interpolationen in .Joseph und Aseneth', NTS 14 (1967/68), 482-497. Er nennt, ohne vollständig sein zu wollen, die „Mahlformel" 8,5-7. 9; 15,5; 16,16; 19,5; Ps. 3f. 11 und die damit zusammengehörige Episode mit der Honigwabe 16, Iff. (auch 16,17ff. ist verdächtig) — dies gegen Untersuchungen, 121-133 —, die Gottesprädikation 8,9 und die Verleihung des Geistes an Aseneth durch Joseph 19,11 (valentinianisch), schließlich Aussagen über Joseph, so seine Allwissenheit 6,2f., den Sündencharakter böser Worte gegen ihn 13,13f., seine Bezeichnung als Sohn Gottes 6,6b; 13,13; 18,11; Ps. V. 11 (für christlichen Ursprung der Mahlformel ebenfalls, aber nicht auf der Höhe der Forschung, R. D. Richardeon, Supplementary Essay. A Further Inquiry into Eucharistie Origins with Special Reference to New Testament Problems, in : H. Lietzmann, Mass and Lord's
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§ 4. Die Wende
Anfang des 2. J h . s n . C h r . in Ä g y p t e n geschrieben haben 3 1 . Seine Sprache ist ein in Wortschatz und Satzbau stark an der Septuaginta orientiertes Griechisch 3 2 . Sein Stil ist breit und neigt zu mechanischer Wiederholung v o n Wendungen und Motiven; auch hier häufen sich Biblizismen. Der griechische T e x t ist immer noch nicht brauchbar herausgegeben 3 3 . D i e vorhandenen drei Editionen v o n P . Batiffol, V. M. Istrin und M. Philonenko 3 4 bevorzugen für den T e x t jeweils nur eine u n d nicht die beste der erhaltenen vier Handschriftenfamilien a, b, c und d und fragen k a u m hinter sie zurück; die beiden ersten, älteren benutzen noch dazu nur Teile der Überlieferung und sind unzuverlässig. Batiffol, dessen T e x t bis jetzt der herrschende ist 3 8 , bietet die gräzisierende Revision a, Tstrin u n d Philonenko die u m ein knappes Drittel geschrumpfte Textform d, während mir ein eklektischer T e x t auf der Grundlage der ältesten und relativ vollständigsten, freilich auch verzweigtesten Familie b das Gebotene zu sein scheint 3 6 . Gegenwärtig muß m a n sich mit Batiffol und Philonenko zusammen behelfen. Batiffols T e x t , wiewohl bearbeitet, gibt einen Näherungswert für den ursprünglichen Stoffumfang, Philonenkos, Supper. A Study in the History of the Liturgy, Fase. 6, Leiden 1964, 343-347). Einige Argumente werden meines Eraehtens durch die folgenden Erwägungen hinfällig, so die Bedenken gegen den jüdischen Ursprung der Aussagen über Joseph, der Honigwabenepisode und der Geistverleihung an Aseneth. I m übrigen, d.h. vor allem über die „Mahlformel", wäre eine Auseinandersetzung notwendig, die ich hier nicht führen kann (vgl. u. S. 83 f.). 31 Zu den Einleitungsfragen ausführlich Untersuchungen, 91-112. 133-151 (wahrscheinlich Ägypten, keinesfalls essenisch oder therapeutisch, Ende des 1. Jh.s v.Chr.); Philonenko, Joseph et Aséneth, 27-32.99-109 u. ö. (sicher Ägypten, nicht essenisch oder therapeutisch, wahrscheinlich aus dem Judent u m der Provinz abseits Alexandria, Anfang des 2. Jh.s n.Chr.). Auf Feindatierung kommt es hier nicht an. Der Terminus ante quem steht bei einer hellenistisch-jüdischen Schrift aus Ägypten mit dem Aufstand unter Trajan (um 116 n.Chr.) sicher fest; als terminus post quem ist aus sprachlichen Gründen das 1. J h . v.Chr. sehr wahrscheinlich. Damit steht die Schrift im Umkreis des Neuen Testaments. 32 Philonenko, Joseph et Aséneth, 27-32, und die Konkordanz 222-237, alles allerdings auf Grund eines Textes, den ich für ungenügend halte (vgl. u. A. 36). 33 Zur Überlieferung Untersuchungen, 2-90. 34 P. Batiffol, Le livre de la prière d'Aseneth, in : Batiffol, Studia Patristica. Études d'ancienne littérature chrétienne, Paris 1889-90, 1—115; V.M.Istrin, Apokrif ob Iosifë i Asenefë, in: Drevnosti (Trudy slavjanskoj kommissii imperatorskago moskovskago archeologiôeskago obsöestva 2), Moskau 1898, 146-199; Philonenko, Joseph et Aséneth. 36 Er liegt auch den beiden "Übersetzungen von E. W. Brooks, Joseph and Asenath. The Confession and Prayer of Asenath Daughter of Pentephres the Priest (Translations of Early Documents I I 7), London 1918, und P. Rießler, Joseph und Asenath. Eine altjüdische Erzählung, ThQ 103 (1922), 1-22. 145183, ohne Einleitung fast gleichlautend in : Rießler, Altjüdisches Schrifttum außerhalb der Bibel, Augsburg 1928 = Darmstadt 1966, 497-538. 1303f., zugrunde. 36 Kritik an Philonenko ausführlich bei Burchard, Zum Text. Übrigens bietet die Überlieferung keinen Anhalt, um irgendwelche Interpolationen auszuscheiden.
lay) Apg 9 , l - 1 9 a und Joseph und Aserieth
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wiewohl gekürzt, für den ursprünglichen Wortlaut37. Solange wir nicht sicher sind, was in JA ursprünglich stand, geschweige denn, mit welchen Worten, steht die Erforschung der Schrift, der ohnehin noch viel zu tun bleibt, auf wackligen Füßen38. Doch sind Überlegungen zur großen Form und zum religionsgeschichtlichen Hintergrund, wie sie im folgenden versucht werden, davon noch am wenigsten betroffen. JA erzählt in zwei geschlossenen Teilen, wie die männerfeindliche Priesterfürstentochter Aseneth aus Heliopolis sich bei einer zufälligen Begegnung heftig in den schönen frommen Großwesir Joseph verliebte, ihn aber erst nach Buße und Bekehrung bekam (JA 1-21), und weiter, wie der Erstgeborene Pharaos im Bund mit Dan und Gad Aseneth entführte, was Simeon, Levi und Benjamin knapp vereitelten, wodurch der Pharaosohn umkam und Joseph für 48 Jahre König in Ägypten wurde (22-29). Diese Doppelerzählung ist nicht allein und nicht einmal vornehmlich aus alttestamentlich-jüdischer Tradition zu erklären. Wohl durchtränkt Jüdisches die Darstellung, schon durch das biblisierende Griechisch. Die biblische Josephserzählung stellt außerdem die Hauptpersonen, ausgenommen den ägyptischen Kronprinzen 3e, und den großen Rahmen40, die übrige biblische Geschichte und 37 Doch fehlt wohl auch in Batiffols Fassung, die etwas länger als das Markusevangelium ist, noch einiges vom ursprünglichen Umfang (Untersuchungen, 49-90), besonders das Kreuzzeichenmirakel 16,24f. und Aseneths Psalm nach 21,9 (Überlieferung und Übersetzung Untersuchungen, 76-90). — Entsprechend mißlich ist die Zitierung. Die bisher übliche Einteilung fußt auf Batiffols Text (Kapitel von Boti ffol selbst, Verse von Rießler). Phüonenko hat Batiffols Kapitel beibehalten, mußte aber neue Verse machen. Vorläufig wird nichts anderes übrigbleiben, als Rießler zu folgen. 38 Zur Interpretation bisher neben Einzelstudien : V. Aptowitzer, Asenath, the Wife of Joseph. A Haggadic Literary-Historical Study, Hebrew Union College Annual 1 (1924), 239-306 (als Materialsammlung besonders aus dem jüdischpalästinischen Bereich wertvoll, doch mit Kritik zu benutzen); Burchard, Untersuchungen, 112-133 (zur Kritik die Rezension von T.Holtz, ThLZ 93, 1968, Sp. 837-839; Phüonenko, Joseph et Aséneth, 3-26 u. ö.; u. A. 42); Philonenko, S. 53-98 und passim in den Noten zum Text (bisher umfassendste literarische und exegetische Untersuchung mit besonderer Berücksichtigung des ägyptischen und hellenistischen Hintergrunds; vgl. meine Rezension, ThLZ 95, 1970, Sp. 253-255) ; Holtz, Christliche Interpolationen (o. A. 30). 39 Nur die biblischen Gestalten haben Namen, der Erstgeborene Pharaos also nicht. 40 J A 1-21 (Aseneths Heirat) ist zwischen Reminiszenzen von Gen 41,46 (JA 1,1) und 41,50-52 (21,9) gespannt. J A 22-29 (Aseneths Gefährdung) beginnt mit der Aufnahme der folgenden Verse Gen 41,53f. (JA 22,1) und 45,26-46,7. 27 (22,2). Dieser Teil endet in Batiffols Text mit Gen 50,22-26 und einem Wort über Aseneths Tod ; doch ist sehr zweifelhaft, ob der Abschnitt ursprünglich ist, weil er in den übrigen Überlieferungszweigen zu fehlen scheint. Weitere Motive : Pharaos „zweiter Wagen" (JA 5,4) stammt aus Gen 41,43, „der über das Haus" (JA 3,4; 18,2-5. 7.11) aus Gen 43,16 u. ö.; Josephs separates Essen (JA 7,1) erinnert an Gen 43,32. Grundlage ist wohl die LXX. Doch fragt man sich angesichts der nur in den biblischen Rahmensätzen 1,1 f. ; 3,1 ; 22,2 vorkommenden Daten, ob J A etwa statt direkt auf der Schrift auf einem Midrasch analog dem Jubiläenbuch (nicht auf diesem selbst) fußen könnte (andererseits vgl. Apuleius, Met. X I 26,2).
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§ 4. Die Wende
die Haggada haben Motive geliefert41. Aber auch nicht mehr. Ihre nächsten Parallelen hat die Erzählung in jener merkwürdigen Literaturgattung, die man den antiken Roman nennt, wobei man mit dem Begriff, der in derAntike selber nicht ausgebildet war, eher die Erinnerung an Hedwig Courths-Mahler als an Thomas Mann verbinden muß42. Literarische Benutzung ist nicht nachzuweisen, zumal die vollständig erhaltenen Exemplare der Gattung, deren Blütezeit im 2. und frühen 3. Jh. n. Chr. lag, alle jünger sein dürften43; wohl aber ist JA aus dem gleichen Stoff wie sie. 41 Zu J A 14, l£f. vgl. Ri 13,11-22, auch 6,11-24 (s. u. A. 54), zu 17,8 außerdem 2.Kö 2,11 (die von Philonenko, Joseph et Aséneth, 191, zur Stelle notierten antiken jüdischen Stellen handeln nicht von Himmelfahrt). Zur Einschaltung eines Psalms nach 21,9 vgl. Tob 13,2-18; J d t 16,1-17 (Untersuchungen, 106f.). Zu 27,2-5 vgl. l.Sam 17,40. 49, zu 29,2 l.Sam 17,51. Haggadisches findet sich abgesehen von der Charakterisierimg des guten und schönen Joseph vor allem im zweiten Teil in der Feindschaft Gads und Dans gegenüber ihren Brüdern (Aptowitzer, Asenath, the Wife of Joseph, 284f. ; M. Delcor, Un roman d'amour d'origine thérapeute: Le Livre de Joseph et Asénath, Bulletin de Littérature Ecclésiastique 63, 1962, 3-27: 17-21), vielleicht auch in der Erwähnung der Dinageschichte (Gen 34) in 23,2. 14. — Die jüdische Überlieferung scheint weder Vorformen noch Nachwirkungen von J A zu kennen (vgl. Untersuchungen, 96-99), mit einer wahrscheinlichen Ausnahme. Mit J A l f . berührt sich eine Stelle in einer syrischen, aus jüdischer Tradition stammenden Asenethlegende über ihre Abkunft von Dina, die allerdings nur in einer einzigen Handschrift aus dem 19. Jh.(!) belegt ist (Übersetzung bei Philonenko, Joseph et Aséneth, 34f.). Ich möchte trotz Philonenko, S. 34-37, nach wie vor meinen, daß sie von J A abhängt (Untersuchungen, 96 A. 6). "Une importance hors de pair pour la genèse de notre roman" (Philonenko, S. 34) hat sie wohl auch dann nicht, wenn sie traditionsgeschichtlich in die Ahnenreihe von J A gehört. — Soweit die in vielen Varianten verbreitete islamische Geschichte von Jussuf und Suleika an J A anklingt, handelt es sich um Einfiuß von J A (Philonenko, S. 117-123, in Ausführung einer Beobachtung von Baiiffol, Le livre de la prière d'Aseneth, 35f.). 42 Vom antiken Roman habe ich in meiner Dissertation noch nichts gewußt, in deren Interpretationsteil darum manches anders hätte gesagt werden sollen. Den Anstoß zu besserer Einsicht verdanke ich H. Conzelmann, der mit seiner Bemerkung: „Noch nicht erkannt ist, daß Isis auch im Roman von Joseph u. Aseneth verkleidet ist" (Die Mutter der Weißheit, in: E. Dinkier (Hrsg.), Zeit und Geschichte. Dankesgabe an Rudolf Bultmann zum 80. Geburtstag, Tübingen 1964, 225-234: 228 A. 25), schon früher einen Fingerzeig gegeben hatte. Inzwischen hat Philonenko in seiner Ausgabe den antiken Roman ausführlich herangezogen (dazu u. A. 90). 48 Datierung und Filiation sind abgesehen von Petronius und Apuleius noch nicht endgültig gesichert (Überblicke bei R. Petri, Über den Roman des Chariton, Beiträge zur klassischen Philologie 11, Meisenheim am Glan, 1963, 47-58; B. E. Perry, The Ancient Romances. A Literary-Historical Account of Their Origins, Sather Classical Lectures 37, Berkeley-Los Angeles 1967, 350). Nach verbreiteter Meinung ist neben Petronius, der einen Sonderfall darstellt, Xenophon der älteste (bald nach 100n.Chr.); allerdings ist der erhaltene Text eine Epitome (Κ. Bürger, Zu Xenophon von Ephesus, Hermes 27, 1892, 36-67). Doch setzen manche Chariton noch vor Xenophon ins 1. Jh. n. Chr. (dagegen Petri : Chariton hat Xenophon, Jamblichus und Achilleus Tatius benutzt). Kein Streit besteht darüber, daß die Gattung als ganze bis ins 1. J h . v.Chr. zurückgeht und daß unter den Papyrusfragmenten (griechisch mit Kommentar bei F. Zimmermann, Griechische Roman-Papyri und verwandte Texte, Quellen und Studien zur Geschichte und Kultur des Altertums und des Mittelalters, Β 2, Heidelberg 1936) auch Bruchstücke älterer Exemplare (besonders die Ninusfragmente) vorliegen.
lay) Apg 9 , l - 1 9 a und Joseph und Aseneth
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Dieser Stoff bietet allerdings selber noch Probleme genug. Seit E. Rohda vor fast hundert Jahren „gänzlich in die Tiefe der wunderlichsten Romanmeere" hinuntertauchte, um sich „an dem tollen Wesen drunten unter den Larven und sonstigen Schillerschen Klippenfischen" zu erfreuen", und das Buch heraufbrachte, das als Wegbereiter historisches, als Materialsammlung bleibendes Verdienst hat 4 5 , haben sich die Dinge noch kompliziert. Dazu hat vor allem die Forschungsrichtimg beigetragen, die auf dem Grund der Romanmeere Religion findet und das tolle Wesen drunten von droben aus der hellenistisch-orientalischen Mythologie (K. Kerényi) erklärt, oder sogar als bewußte Verschlüsselung von Kultmysterien, besonders der Isis (R. Merkelbach) 4 ·. Die Methode ist nicht unbestritten 47 . Doch dürfte ihre Fruchtbarkeit in motivgeschichtlicher Hinsicht außer Frage stehen, wenn sie auch dazu neigt, Isis in jedem Weibe zu sehen, und oft zuversichtlicher zwischen Roman und Mythus oder Kult hin- und herschließt, als es das knappe, undurchsichtige, teilweise auch unaufgearbeitete religionsgeschichtliche Material erlaubt. Eine andere Sache ist Merkelbachs Sicht, wonach der Roman von Haus aus und noch in den meisten erhaltenen Exemplaren 48 Mysterienkultmythen und -Vorgänge historifiziert. Über diese „konsequente Aretalogie" ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Eine umfassende vergleichende Analyse von JA im Rahmen der antiken Romanliteratur, von der nicht nur die Judaistik profitieren würde, wäre Sache einer selbständigen Untersuchung. Hier beschränke ich mich darauf, einige Grundlinien nachzuzeichnen49. Die Fabel von JA ist aufs ganze gesehen nichts anderes als eine Variante des einen Vorwurfs, der den erotischen Romanen der Chariton, Xenophon, Achilleus Tatius, Heliodor und so weiter mit ihrem bizarren Handlungsgeflecht aus sex, crime and royalty samt einem Schuß kommoder Religion zugrunde liegt: jugendfrischer Held und wunderschöne 44 Brieflich (an Nietzache?), bei O. Cruaiue, Erwin Rohde. Ein biographischer Versuch, Tübingen - Leipzig 1902, 74. 46 Der griechische Roman und seine Vorläufer, Leipzig 1876; 'Leipzig 1914 = 4 Hildesheim I960 (zu zitieren sind die am Rand ausgeworfenen Seitenzahlen der 1. Auflage, nach denen sich auch in den folgenden die Anmerkungsnummern richten). 46 K. Kerényi, Die Griechisch-Orientalische Romanliteratur in religionsgeschichtlicher Beleuchtung, Tübingen 1927 = Darmstadt 1962; Vorwort zur Neuauegabe, in: Rohde, Roman 4 , V I I - X I V ; R.Merkelbach, Roman und Mysterium in der Antike, München - Berlin 1962. Der Schritt von Kerényi zu Merkelbach ist in mancher Hinsicht dem von der synoptischen Form- zur Redaktionsgeschichte vergleichbar. 47 Die angelsächsische Forschung hat sich mit ihr nur wenig befreunden können (ein Parallelfall zur Reserve gegenüber der Formgeschichte). Perry, Ancient Romances, 336, bemerkt trocken: "This is all nonsense to me"; ausführliche Kritik an Merkelbach bei R. Turcan, Le roman «initiatique» : A propos d'un livre récent, Revue de l'Histoire des Religions 163 (Januar-Juni 1963), 149-199. 48 Kein „Mysterienroman" ist Chariton, wie Petri, Über den Roman des Chariton (eine bei Merkeibach geschriebene Dissertation), zeigt. 49 Meines Wissens fehlt im Deutschen eine handliche Sammlung der Romane, wie sie P. Grimal auf französisch veranstaltet hat (Romans grecs & latins, Bibliothèque de la Pléiade 134, Paris 1958 ; ohne Xenophon) ; Inhaltsübersichten bei Rohde, Roman 4 , 361 ff., jeweils am Anfang der Einzelbesprechung.
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§ 4. Die Wende
Heldin aus bestem Hause entflammen jäh in ungeahnter oder sogar ungewollter Liebe zueinander, werden aber zu langen und schauderhaften, das Leben und die Jungfräulichkeit oder eheliche Treue bedrohenden Reiseabenteuern wie Schiffbrüchen und Entführungen durch Räuber auseinandergerissen und finden dennoch am Ende unbeschädigt wieder zusammen, das alles unter der Herrschaft eines anscheinend willkürlichen, zuletzt aber sich als gütig erweisenden Geschicks50. Doch sind die beiden Teile von JA kompositorisch in sich so geschlossen und hängen nur so locker zusammen, daß man sie getrennt behandeln darf, wie es im folgenden für den ersten geschehen soll. In JA 1-21 schieben sich zwei Handlungen in- und zum Teil übereinander: die Liebesgeschichte zwischen Aseneth und Joseph JA 1-9. 19-21 und Aseneths Bekehrung, die hauptsächlich in 10-18 in Josephs Abwesenheit unter Mitwirkung eines Engels stattfindet51, aber in 8-9 und 19 die Liebesgeschichte überlagert. Die Liebeshandlung berührt sich in vielem strukturell und zum Teil inhaltlich mit einem Text, der zwischen Mythus und Märchen schillernd kein Roman, aber doch romanhaft überformt und als Romaneinlage überliefert ist: der anilis fábula von Amor und Psyche, die Apuleius, Metamorphosen IV 28,1-VI 24,4 eine Räubergroßmutter einer von ihrer Hochzeit weg geraubten Braut erzählen läßt52. Daneben kommt die mit Amor 50
Zum erotischen Element in JA bemerkt Philoneriko, Joseph et Aséneth, 44: "Après tant de romans libertins, c'est un roman puritain qui est proposé au lecteur." Das ist im strengen Sinn der Wörter keine zutreffende Alternative. Einerseits kann der antike Roman zwar schwül sein, ist aber nicht libertinistisch. Der Triumph der Keuschheit oder der ehelichen Treue über alle Angriffe gehört vielmehr zur Standardausstattung des Romans; vgl. noch die Symbiose von Erotik und Askese Herrn vis I 1 (dazu M. Dibelvus, Der Hirt des Hermas, H N T Ergbd, Tübingen 1923, 427-430) und in den apokryphen Apostelakten (R. Söder, Die apokryphen Apostelgeschichten und die romanhafte Literatur der Antike, Würzburger Studien zur Altertumswissenschaft 3, Stuttgart 1932 = Darmstadt 1968, 119-148). Andererseits entfernt sich J A im Erotischen nicht allzuweit von den gemäßigten Beispielen der Gattung, etwa Xenophon. Doch sieht die Sache ein wenig andere aus, wenn man wie Philonenko den kurzen Text der Familie d für den ältesten hält. 61 Joseph ist überhaupt nie da, wenn Aseneth Ernstes passiert; auch bei ihrer Entführung im zweiten Teil des Buches ist er beim Kornsammeln (26,3 f.). 5a Text und Übersetzung: B. Helm, Apuleius. Metamorphosen oder Der Goldene Esel (Schriften und Quellen der Alten Welt) 2 , Berlin 1968. Literatur: J.-ö. Swahn, The Tale of Cupid and Psyche (Aarne-Thompson 425 & 428), Lund 1955 (Lit.) ; Merkelbach, Roman und Mysterium, 1-70; Turcan, Le roman «initiatique», 151-171, und vor allem der Sammelband von G. Binder-R.Merkelbach (Hrsg.), Amor und Psyche (Wege der Forschung 126), Darmstadt 1968, der tröstlicherweise zeigt, daß sich Altphilologen und Religionshistoriker über diesen komplexen Text mit seinen literarischen und Interpretationsproblemen auch nicht einiger sind als etwa die Neutestamentier über Komposition und Theologie des lukanischen Doppelwerks. — Eine genaue traditionsgeschichtliche Analyse hätte zu berücksichtigen, daß Apuleius' Text wahrscheinlich zwei
lay) Apg 9, l - 1 9 a und Joseph und Aseneth
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und Psyche wohl traditionsgeschichtlich verwandte Darstellung der Heirat von Habrokomes und Anthia in Betracht, mit der Xenophon von Ephesus' Ephesiaka 11-9 anfangen63. Die Bekehrungshandlung fällt aus dem Genre des Liebesromans heraus, der nicht offen aretaund teratologisch ist. Es überrascht dann nicht, daß sich alttestamentlich-jüdische Überlieferung nicht nur, wie selbstverständlich, in der Sache, sondern auch in der Komposition stärker bemerkbar macht. Daß auf Gebet hin ein Engel erscheint und überhaupt der Rahmen der Engelvisite JA 14-17 gehören in diesen Bereich61. Insgesamt hat aber die Bekehrungshandlung ihre nächsten Parallelen ebenfalls im Roman. Für einige Partien sind wiederum Amor und Psyche und Xenophon zu nennen, im ganzen vor allem Metamorphosen XI. Das Buch vereinigt zwei nebeneinander zu lesende Stoffkomplexe, die Rückverwandlung des Helden Lucius aus der Eselsgestalt, in der er seine Abenteuer erlebte, durch Isis (das Ende der Romanhandlung im eigentlichen Sinn) und seine Initiation in die Isismysterien, deren romanhafte Antizipation die Rückverwandlung ist6S. Zur Illustration der Verwandtschaften diene folgende skizzenhafte Synopse (in der linken Spalte ist JA nacherzählt, in der rechten werden Romanparallelen genannt und kurz zu JA in Beziehung gesetzt): Fassungen kombiniert (L. Bieler, Psyches dritte und vierte Arbeit bei Apuleius, Archiv für Religionswissenschaft 30, 1933, 242-270 = in: Binder-Merkelbach (Hrsg.), Amor und Psyche, 334^369 ; Merkelbach, Roman und Mysterium, 65-70, und andere). 63 Text und Übersetzung: O. Dalmeyda, Xénophon d'Éphèse. Les Éphésiaques ou le roman d'Habrocomès et d'Anthia (Collection des Universités de France publiée sous le patronage de l'Association Guillaume Budé), Paris 1926. Literatur: Merkelbach, Roman und Mysterium, 91-113; Turcan, Le roman «initiatique», 171-175. — Das I. Buch dürfte durch die Epitomisierung noch am wenigsten betroffen sein. 84 Zu 14,1-8 s . u . unter l b Exkurs. Die Folge Botschaft (JA 15,2-10) — Frage nach dem Namen (15,llf., zum Text vgl. Untersuchungen, 68-73) — Einladung zum Essen (15,13f., zum Text vgl. Untersuchungen, 74-76) — Abgang im Feuer (17,8) — Wehe (17,9f.) findet sich Ri 13,13-22, nacherzählt von Pseudo-Philo, Lib. ant. 42,6-10; vgl. noch Ri 6,11-24. Zu Aseneths Umbenennung (JA 15,7) vgl. Untersuchungen, 92-95. 118-120. 65 Text und Ubersetzung o. A. 52. Literatur: J. Berreth, Studien zum Isisbuch in Apuleius' Metamorphosen, Diss. phil. Erlangen 1931 (ältere Lit.); A. D. Nock, Conversion. The Old and the New in Religion from Alexander the Great to Augustine of Hippo, Oxford 1933 = (Oxford Paperbacks 30), Oxford 1961, 138-155 ; W. Wittmann, Das Isisbuch des Apuleius. Untersuchungen zur Geistesgeschichte des 2. Jahrhunderts (Forschungen zur Kirchen- und Geistesgeschichte 12), Stuttgart 1938 (als Werk „nationalsozialistischer Geschichtswissenschaft" mit Kritik zu benutzen) ; K. Prümm, Religionsgeschichtliches Handbuch für den Raum der altchristlichen Umwelt. Hellenistisch-römische Geistesströmungen und Kulte mit Beachtung des Eigenlebens der Provinzen 2 , Rom 1954, 275-281 ·, Merkelbach, Roman und Mysterium, Iff. Die autobiographische Authentizität des Initiationsberichts ist nicht ganz sicher, die sachliche wird nicht bestritten. 5 Burchard, Zeuge
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§ 4. Die Wende Joseph und Aaeneth
Am 5. 2. des ersten fetten Jahres schickte Pharao Joseph auf die Reise durch Ägypten, um das Korn einzusammeln. Am 18.4. kam Joseph in das Gebiet von Heliopolis (JA 1,1 f.). In der Stadt lebte ein reicher, kluger Priesterfürst namens Pentephres. Er hatte eine achtzehnjährige Tochter, die alle Jungfrauen des Landes übertraf. Sie ähnelte überhaupt völlig den Töchtern der Hebräer und war groß wie Sara, graziös wie Rebekka und schön wie Rahel. Sie hieß Aseneth. Ihr Ruf verbreitete sich bis ans Ende der Erde 4 6 und alle jungen Männer von Geblüt stritten sich um ihre Hand (1,3-6).
Romanparallelen
Der typische Romananfang. Met. IV 28,1-29,4: In einer Stadt lebten ein König und eine Königin (Märchenton 1), die hatten drei Töchter, alle schön, die jüngste (ihr Name fällt noch nicht) aber so sehr, daß sie Bewunderer aus aller Welt anlockte und als Venus verehrt wurde, so daß deren klassische Kultstätten verödeten. Eph. I 1,1-3: In Ephesus lebte ein einflußreicher Mann namens Lykomedes. Er nahm Themisto zur Frau. Sie hatten einen Sohn Habrokomes, der von Tag zu Tag schöner wurde, so daß ganz Kleinasien die größten Hoffnungen auf ihn setzte und manche ihn sogar als Gott anbeteten. Noch näher bei J A 1,3-6 steht Chariton 11,1, wo ebenfalls das Motiv der göttlichen Verehrung fehlt: Der General Harmokrates in Syrakus hatte eine Tochter Kallirrhoe, deren göttliche Schönheit ganz Sizilien staunen machte. Sie glich nicht einer Nereide oder Bergnymphe, sondern der jungfräulichen Aphrodite. Ihr Ruf verbreitete sich, und Könige und Tyrannensöhne kamen nicht nur aus Sizilien, sondern auch aus Italien lind Epirus, um sie zu freien. Daß Aseneth groß war, entspricht dem konventionellen I d e a l " . Vergleiche mit einer Heldin der Vergangenheit sind im Roman ebenfalls belegt 88 . Für einen Juden setzen natürlich die großen Frauen der Bibel das Maß, nicht die der klassischen Sage oder Geschichte 5 ·.
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S. u. A. 309 zu Apg 1,8. « Eohde, Roman 4 , 164 A. 3, überhaupt 160-166. 68 Rohde, Roman 4 , 166. 69 In J A 1,5 schimmert deshalb kaum die oft belegte rabbinische Auskunft durch, Aseneth sei nicht Pentephres', sondern Dinas (und Hamors) Tochter gewesen (gegen Phüonenko, Joseph et Aséneth, 33, und seine Vorgänger; vgl. sohon Untersuchungen, 97f.).
lay) Apg 9 , l - 1 9 a und Joseph und Aseneth Auch Pharaos Erstgeborener bat seinen Vater, ihm Aseneth zur Frau zu geben; aber der Pharao lehnte die Unebenbürtige ab (1,7-9). Aseneth selber verachtete die Männer; es hatte auch noch nie einer sie zu sehen bekommen. Von sieben jungfräulichen Dienerinnen behütet, lebte sie der Pflege der ägyptischen Götter in einer luxuriösen Suite im Oberstock eines Turms, der neben Pentephres' Haus in einem ummauerten Park stand (2,1-12).
Joseph kam also am 18.4. des ersten fetten Jahres nach Heliopolis und sagte sich bei Pentephres zu Mittag an (3,1-4). 5·
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Habrokomes stieg die Verehrung zu Kopf. Er verspottete alle Schönheit außer ihm und behauptete, Eros sei kein Gott, niemand brauche ihm unwillentlich zu Gebot zu sein (I 1, 4-6). Von Psyche wird nichts dergleichen gesagt, sie läßt sich die göttliche Verehrimg offenbar bloß gefallen ; erst später beweist sie in ihrem Ungehorsam gegen Cupido aktive Hybris. Aseneth steht sozusagen zwischen beiden. Widergöttlich vermessen ist sie nicht, zumal sie Gott noch nicht kennt (das Motiv ist stumm darin vorhanden, daß Aseneth nach 2,3 Götzenpriesterin ist, doch spielt das für die Handlung zunächst keine Rolle). Auf der anderen Seite ist ihr Stolz latent theomachisch, wie sich zeigen wird. Habrokomes und Psyche bekommen die Rache der beleidigten Gottheiten zu spüren. Eros ersann einen Plan, um Habrokomes zu demütigen (I 2,1). Venus beauftragte ihren Sohn Cupido (so passim), Psyche (erst jetzt fällt der Name) in den elendesten aller Menschen verliebt zu machen (IV 29,5-31,7). Dergleichen konnte vom Gott der Hebräer kaum gesagt werden (doch vgl. immerhin Aseneths Selbstaussage 11,7f., daß Gott sie wegen ihrer Abgötterei hasse). Aseneths Stolz rächt sich selber. Wie sie in 4,11 zu erkennen geben wird, hatte Aseneth alle Freier abgelehnt, weil sie sich auf den allerbesten Hoffnung machte, den Kronprinzen. Der Wunsch nach dem Allerbesten ist nichts Böses, Aseneth kriegt ihn auf die Länge ja auch, wohl aber die eigenmächtige Fixierung auf den einen, der ihr von vornherein versagt ist (1,7-9). Sie führt dazu, daß nun Aseneth versagt, als der Richtige kommt, der ihr bestimmt ist. Die Begegnung des späteren Liebespaares bahnt sich hier zwanglos an. Anders Xenophon: Das hergebrachte Artemisfest stand an. Habrokomes,
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§ 4. Die Wende damals 1β Jahre alt, führte den Zug der Epheben zum Tempel ; an der Spitze der Mädchen ging ale schönste von allen die vierzehnjährige Anthia, Megamedes' und Euhippes Tochter. Beide wurden als Abbilder der Götter begrüßt, Rufe wie „welch ein Paar gäbe das" wurden laut (12,2-9)«°. Komplizierter Amor und Psyche: Psyche wurde trotz Venus' Auftrag an Cupido weiter verehrt, aber nicht gefreit. Der besorgte Vater wandte sich an das Orakel in Milet und erfuhr, daß ihr ein Drache zum Mann bestimmt sei, für den sie auf einem Felsen ausgesetzt werden sollte. Das geschah. Zephyr trug Psyche in ein grünes Tal (IV 32,1-35,4). Dort fand sie einen Palast, wo sie von unsichtbaren Geistern bedient wurde (vgl. die Beschreibung dieser domus regia V 1,2-2,2 mit J A 2,1-12). Unerkannt vereinigte sich Cupido jede Nacht mit ihr. Sehen durfte sie ihn bei Strafe seines Verluste nicht (vgl. V 11,4 non videbis ei videria). Psyche empfand dieses Leben als schön, aber langweilig. Sie erbat und erlangte, daß ihre Schwestern sie besuchen dürften, freilich linter der Bedingung, daß sie nichts von ihrem geheimnisvollen Gatten erzähle. Die Schwestern kommen mehrfach. Neidisch und weil ihnen dämmert, daß Psyches Geliebter ein Gott ist, der sie und das Kind, das sie inzwischen empfangen hat, vergöttlichen könnte, beschließen sie, Psyches Glück zu zerstören und ihre Schätze an sich zu bringen. Sie entlocken ihr das Geständnis, daß sie nicht wisse, wer ihr nächtlicher Besucher sei, und reden ihr dann ein, er sei ein Untier, der sie und ihr Kind fressen werde (vgl. die „von Neid getriebenen bösen Menschen", von denen Aseneth 13,13 sagt, daß sie ihr hinterbracht hätten, was sie in 4,9 f. Böses gegen Joseph geäußert hatte). Sie solle ein Messer
60 Die Begegnung des Romanpaars bei einer Prozession findet sich auch anderswo, vgl. Rohde, Roman 4 , 145f. ; M. Braun, Griechischer Roman und hellenistische Geschichtsschreibung, Frankfurter Studien zur Religion und Kultur der Antike 6, Frankfurt a. M. 1934, 49f.
l a y ) Apg 9,l-19a und Joseph und Aseneth
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und eine Lampe unter einem Gefäß versteckt* 1 bereithalten und die Bestie umbringen (V1,1-21,2). Psyche schwankte lange, bereitete am Abend aber doch den Mord vor (V21,3Der hocherfreute Pentephres eröffnete Aseneth, er wolle sie dem zum zweiten Mann nach Pharao aufgerückten Joseph, dessen Vorzüge er rühmt, zur Frau geben (3,5-4,8). Aseneth war entrüstet : den kanaanäischen Flüchtling, der wegen Verführung seiner Herrin im Gefängnis saß und nur freikam, weil er „wie die alten ägyptischen Weiber" Pharaos Traum deutete, will sie nicht haben; sie wird den Erstgeborenen Pharaos heiraten (4,9-11). Pentephres hielt erschrocken den Mund (4,12). Aseneth war freilich neugierig genug, um sich vom Fenster aus anzusehen, wie Joseph ankam. Weiß gekleidet, mit Strahlenkrone und Szepter, fuhr er mit vier Schimmeln auf Pharaos zweitem Wagen herein (5,1— 7). Erschüttert bekannte Aseneth, daß dieser, der ,,wie die Sonne in unser Haus kommt", Gottes Sohn sein müsse und daß sie ihm gehören wolle, wenn auch nur als Sklavin (6,1-8) 63 .
22,1).
Aseneth sieht sich in ähnlicher Lage, wie es Psyche war, die nach Venus' Willen einen Mann, quem et dignitatis et patrimonii simul et incolumitatie ipsius Fortuna damnavit lieben müssen sollte (IV 31,3).
Wie Aseneth, die Joseph verachtet, erleben Habrokomes, der sich Eros nicht beugen, und Psyche, die ihren ungekannten Geliebten ermorden will, einen blitzartigen Gefühlsumschlag, als sie ihren Partner zum ersten Mal sehen. Psyche erkannte, als sie die Lampe aufdeckte, Cupido in sonnengotthafter Schönheit62. Bestürzt wollte sie das Messer gegen sich selber richten, doch es entglitt ihrer schwachen Hand. Cupidos Anblick stärkte sie. Sie verletzte sich an einem seiner Pfeile, die sie spielerisch in die Hand nahm. Sic ignara Psyche sponte in Amoris incidit amorem (V22,223,3). Habrokomes sah sich am Ende der Prozession im Tempel unerwartet
61 Lucernam . . . subtle aliquo claudentie atdulae (kleiner Topf) tegmine (V 20,2). Hier hat man ein Licht unter dem Scheffel wie Mt 5,15 par., freilich nicht, um es auszulöschen (so die Auslegung von J. Jeremias, Die Lampe unter dem Scheffel, ZNW 39, 1940, 237-240 = in: Jeremias, Abba. Studien zur neutestamentlichen Theologie und Zeitgeschichte, Göttingen 1966, 99-102). 62 Vgl. Merkeibach, Roman und Mysterium, 21. 63 Zum Text der Klage JA 6,2-8 s. Untersuchungen, 22.46 (V. 2-4a gehören ursprünglich hinter V. 7), zur Form P. Tachau, ,Einst' und ,Jetzt' im Neuen Testament. Beobachtungen zu einem urchristlichen Predigtschema in der neutestamentlichen Briefliteratur und zu seiner Vorgeschichte, ev.-theol. Diss. Göttingen 1969 (masch.), 45-47. Zur Bezeichnung Josephs als „(der) Sohn Gottes" JA 6,2. 6; 13,13 (zweimal); 18,11; 21,4; 23,10; Psalm V. 11 ist mit Untersuchungen, 115-117; E. Schweizer, in: υιός, υιοθεσία C, ThWVIII (1969), 357 A. 134, noch nicht das letzte Wort gesagt. — Zu 6,3 τό φως τό μέγα τό δν έν αύτω vgl. Mt 6,23 par. Lk 11,35.
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§ 4. Die Wende Anthia gegenüber und konnte die Augen nicht mehr von ihr lassen ; „er war Gefangener des Gottes"; Anthia ging es genau so (I 3, lf.). Von diesem Moment an wird die Parallelität zwischen JA, Amor und Psyche und Xenophon eine Strecke weit sehr eng (JA 5-13, Met. V 2 2 - V I 5 , Eph. I 3, 1-4,7).
Inzwischen hatte Joseph Aseneth am Fenster entdeckt und wollte sie entfernen lassen, weil er sie für eine der vielen Ägypterinnen hielt, die ihm nachstellten (7,1-6)". Belehrt, daß sie die jungfräuliche, männerverachtende Tochter des Hauses sei, erlaubte Joseph Pentephres, ihm Aseneth vorzustellen, „denn sie ist meine Schwester" (7,7f.) e6 . Aseneth wurde von ihrer Mütter geholt und von ihrem Vater aufgefordert, ihren „Bruder" zu küssen, „denn er ist Jungfrau wie d u " und haßt jede fremde Frau". Joseph begrüßte Aseneth (8,1-4). Ihren Kuß wehrte er ab: Ein Gottesfürchtiger, der Brot des Lebens ißt, den Kelch der Unsterblichkeit trinkt und mit Salbe der Unverweslichkeit gesalbt wird, küßt keine fremde Frau, die am Götzentisch das Brot der Erstickung ißt, bei Libationen den Kelch des Hinterhalts trinkt und mit Salbe des Verderbens gesalbt wird (8,5-7). Aseneth brach in Tränen aus. Daraufhin sprach der mitleidige Joseph eine Fürbitte um Neuschöpfung durch den heiligen Geist, Empfang von Lebensbrot und Segenskelch, Aufnahme ins auserwählte Volk und Eingehen in die himmlische R u h e " (8,8f.). Zwischen Freude und Trauer hin- und hergerissen floh Aseneth auf ihr Zimmer, wo sie den Götzen abschwor und
Die in Liebe entbrannte Psyche wollte den schlafenden Cupido umarmen, doch da fiel ein Tropfen heißes Öl aus der Lampe auf seine Schulter; er sprang auf und flog ohne ein Wort davon (V 23,3-6). Psyche klammerte sich an sein rechtes Bein und ließ sich mittragen, bis sie nicht mehr konnte. Cupido setzte sich auf eine Zypresse und hielt ihr eine Strafpredigt: Ich habe dich gegen den Befehl meiner Mutter zu meiner Frau gemacht. Vor dem, was du getan hast, habe ich dich noch und noch gewarnt. Deine bösen Schwestern werden ihren Lohn erhalten, te vero tantum fuga mea punivero. Damit verließ er sie (V 24,1-5). Psyche stürzte sich in den nächsten Fluß, der sie aber ans Land warf (V 25,1 f.). Dort saß Pan, der ihr riet:
" Zu μετά άπειλής καΐ ύβρεως J A 7,4 o. § 3 Α. 9. « Vgl. Herrn vis I 1,7. " J A 8,1 gebraucht wie schon 4,7 παρθένος männlich, neben Apk 14,4 die ältesten bisher bekannten Belege (Untersuchungen, 150 A. 2). " καΐ είσελθέτω εις τήν κατάπαυσίν σου ήν ήτοΐμασας τοις έκλεκτοΐς σου J A 8,9 (vgl. 15,7; 22,13) greift auf P s 9 5 , l l L X X zurück, belegt also, daß J A die Septuaginta voraussetzt (O. Hofius, Katapausis. Die Vorstellung vom endzeitlichen Ruheort im Hebräerbrief, ev.-theol. Diss. Göttingen 1969, masch., 30.168 = WUNT 11, Tübingen 1970,30. 168).
lay) Apg 9 , l - 1 9 a und Joseph und Aeeneth den Abend erwartete (9,If.). Joseph aß und trank und ließ wieder anspannen, um weiter Korn zu sammeln, nachdem er versprochen hatte, am achten Tag wieder da zu sein (9,3-6). Pentephres ging mit seiner Familie auf sein Landgut (10,1a).
Aseneth blieb mit ihren sieben Dienerinnen allein zurück und weinte bis zum Abend, ohne zu essen oder zu trinken (10,1b). Als es dunkel war, holte sie aus der Pförtnerloge des Turms in einem Türvorhang Asche in ihr Zimmer und Schloß sich ein ( 10,2 f. ). Ihre Lieblingsdienerin M hörte ihr Seufzen und begehrte mit den anderen Einlaß, wurde aber zu Bett geschickt : ich habe Kopfschmerzen, weiter nichts (10,4-7). Dann legte Aseneth ihre kostbaren Kleider und ihren Schmuck ab und warf sie für die Bettler aus dem Fenster 69 ; die Götzenbilder und deren Opferspeisen folgten. Dann verbrachte Aseneth die Nacht weinend und sich an die Brust schlagend in Sack und Asche. Und so sieben Tage lang, ohne irgend etwas zu sich zu nehmen (10, 8-17).
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Cupidinem deorum maximum percole et nipote adolescentem delicatum luxurioeumque blandís obsequiia promerere (V 25,3-6). Wie in JA, wenn auch nicht in derselben Reihenfolge, finden sich hier die Momente Zurückweisung — Trennung — Verzweiflung — Erweckung einer Hoffnung. Zu beachten ist, daß Joseph Aseneth nicht aus dem Grund zurückweist, den die Handlung nahelegte, nämlich ihre bösen Worte gegen ihn (vgl. Cupidos Vorwürfe V 24,3-5), sondern weil sie Götzendienerin ist; entsprechend bezieht sich die Fürbitte auch keineswegs auf ihre Liebe (andere Pans Worte). Hier wird das Thema der Bekehrungehandlung angeschlagen. Habrokomes und Anthia mußten nach ihrer Begegnung getrennt nach Hause gehen, ohne sich gesprochen zu haben (warum nicht, bleibt undeutlich). Im Lauf des Tages wurde ihre Leidenschaft immer stärker (I 3, 3f.). In der Nacht raufte Habrokomes sich schlaflos die Haare und zerriß seine Kleider (I 4, la). Anthia ging es nicht besser; sie versuchte aber, ihre Qual vor ihrer Umgebung zu verbergen (I4,6a).
Vgl. die zehntägige Enthaltsamkeit von Fleisch und Wein, die Lucius vor der Initation auf sich nehmen muß (XI 23,2; 28,5; 30,1). Für Psyche treten an die Stelle der Selbstkasteiung ihre Irrfahrten: Sie bestrafte zunächst ihre bösen Schwestern, indem sie ihnen erzählt, Cupido wolle nun sie zur Frau. Die Schwestern eilen auf den Felsen, um sich von Zephyr in Cupidos Palaet tragen zu lassen, stürzen sich dabei aber zu Tode. Psyche irrte danach in der
· · Zu 10,4 ή παρθένος ήν ήγάπα Άσενέθ παρά πάσας τάς παρθένους vgl. Joh 13,23 ; 19,26; 20,2; 21,7. 20. ββ Zu 13,11 δέδωκα αυτούς καταπατεΐσθαι ύπό πάντων άνθρώπων vgl. Mt 5,13.
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§ 4. Die Wende
Am Morgen des achten Tages sammelte sich die völlig erschöpfte Aseneth zu einem Selbstgespräch (11, lf.) : Ich Elende, wohin soll ich fliehen, von allen Menschen verlassen und von Gott wegen meines Götzendienstes gehaßt? (11,3-9)
Ich habe aber von der Güte des Gottes der Hebräer gehört; ich will mich zu ihm wenden und ihm meine Sünde bekennen (11,10f.). Wer weiß, ob er sich nicht' 1 meiner Selbsterniedrigung und Waisenschaft erbarmt, denn er ist der Helfer der Verfolgten. Ich will zu ihm um Hilfe rufen (ll,12f.).
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Welt umher, einerseits von Venus verfolgt, andererseits Cupido suchend. Sie kommt nacheinander zu einem Heiligtum der Ceres und der Juno und gewinnt das Mitleid der Göttinnen, aber nicht deren Hilfe, weil sie sich vor Venus fürchten (V 26,1-VT 4,5). Von Ceres und Juno enttäuscht, am Ende ihrer Kraft, meditierte Psyche: lam, quae possunt alia meis aerumnis temptari vel adhiberi subsidia, cui nec dearum quidem quanquam volentium potuerunt prodesse suffragio,? QUO rursum, itaque tantis loquéis inclusa vestigium, porrigam quibusque tedie vel etiam tenebrie dbscondita magnae Veneris inevitabüee oculos effugiam? (V 5,2-3 a) 70 Quin igitur masculum tandem, sumís animum et cassae speculae renuntiae fortiter et uMroneam te dominae tuae reddis et vel sera modestia saevientes impetus eius mitigaci (VI 5,3 b) Qui scias an etiam quem diu quaeritae iUie in domo matris repperiae ? (VI 5,4) Auch Habrokomes führte ein Selbstgespräch: Was muß ich Elender erdulden? Ich, der bis jetzt mannhafte Habrokomes, bin gefangen und besiegt und gezwungen, einer Jungfrau zu dienen 72 . Sollte ich mich nicht durchsetzen? Ich muß jetzt diesen nichtigen Gott besiegen. Die Jungfrau mag schön sein, dennoch wird Eros mich nie überwältigen ! Habrokomes protzte also, worauf ihn Eros noch stärker bedrängte (14,1-4 a). Anthia führte eben-
Vgl. neben J A 11,3 noch besonders 6,2 f. Zu dieser Übersetzung von τίς γάρ οίδεν εΐ J A i l , 12 und dem entsprechenden qui scias an Met. VI 5,4 (ähnlich 115,4; VI 1,2 unde scio an) vgl. J. Jeremias, Die missionarische Aufgabe in der Mischehe (I Cor 7,16), in: W. Eltester (Hrsg.), Neutestamentliche Studien für Rudolf Bultmann zum siebzigsten Geburtstag, BZNW 21, Berlin 1954 = 2 1957, 255-260 = in: Jeremias, Abba, 292-298; Chr. Burchard, Fußnoten zum neutestamentlichen Griechisch, ZNW 61 (1970), Nr. 13. 72 Zur Gegenüberstellung von einstigem Glanz und jetzigem Elend vgl. außer Eph. V 11,4 (Gebet der Anthia an Helios) J A 12,5.13; 13,6. 11 und dazu Tachmi, .Einst' und .Jetzt', 45-52. 64f. Tachau, der die Romanstellen nicht nennt, bemüht sich, in den Aussagen über das elende Jetzt einen Heilsaspekt zu finden, was mir fraglich erscheint, wie überhaupt sein Versuch, die JA-Stellen als Formelement der Gerichtsdoxologie zu erklären. — Das von Habrokomes verabscheute δουλεύειν positiv als Wunsch J A 6,8; 13,15.
lay) Apg 9,1-19a und Joseph und Aseneth
Aseneth verwirklichte ihre Absicht in einer langen Konfession (11,14f.): Schöpfer des Alls, ich fliehe zu dir. Schone mich; ich habe durch Götzendienst an dir gesündigt und bin jetzt ganz verlassen. Rette mich vor meinen Verfolgern, vor allem dem Teufel. Sieh meine Selbsterniedrigung an (lange Aufzählung der einzelnen Akte). Vergib mir die Lästerung Josephs und gib mich ihm zur Sklavin (12,1-13,16).
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falls ein Selbstgespräch, aber kürzer und ganz auf Klage gestimmt (I 4,6f.) 73 . Vom Punkt des Selbstgesprächs ab tritt auch Met. X I in engere strukturelle Parallele zu JA. Das Buch beginnt damit, daß der zum Esel gewordene Lucius, eben dem letzten üblen Abenteuer entronnen, sich erschöpft am Strand von Kenchreae zur Nacht niedergelegt hat. Der aufgehende Vollmond weckte in ihm Überlegungen, die hoffen ließen, die im Mond sich manifestierende, noch unbekannte Gottheit werde ihm Erlösung bringen — er denkt allerdings anders als Aseneth nur in indirekter Rede —, und er beschieß, die Gottheit anzurufen (XI 1,1-4). Die inhaltliche Übereinstimmung von Aseneths Monolog J A 11,3-13 besonders mit Psyches Selbstgespräch ist beachtlich, um so mehr als Aseneth sich als verlassen und verfolgt beklagt, was nach der bisherigen Handlung nicht stimmt, wohl aber eben für Psyche und Lucius gilt. Zu bemerken ist auch, daß Aseneth weder hier noch J A 12f. (s. u.) mit einer Silbe erwähnt, was Joseph in 8,9 für sie erbat und was sie auch bekommen wird: Lebensbrot, Geist usw.—Lucius wandte sich nach einem Bad im Meer wie vorgehabt an den Mond (XI1,4) : Regina cadi, wer immer du bist (er zählt Göttinnen und ihre Kultstätten auf) — sit satis laborum, sit satis periculorum. Depelle quadripedis diram faciem, redde me conspectui meorum, redde me meo Lucio, ac si quod offensum numen inexorabili me eaevitia premit, mori saltern liceat, si non licet vivere (XI 2,1-4). Habrokomes, von Eros erneut bedrängt, ergab sich: Du hast gesiegt, Eros; du hast mich als Schutzflehenden. Rette mich, der bei dir, dem Herrn aller, Zuflucht sucht 74 . Strafe meine Leichtfertigkeit nicht zu sehr. In Unkenntnis deiner Macht habe ich mich über-
Zu den Schlußfragen τίνα βοηθόν λήψομαι; τίνι πάντα κοινώσομαι; που δέ Άβροκόμην δψομαι; I 4,7 vgl. J A 11,3; 6,2 f. 74 καταφεύγειν und καταφυγή sind Stichworte von J A 11-13: 11,3. 11; 12,3. 6; 13,1. 12.
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§ 4. Die Wende hoben 75 . Nun schenke mir Anthia (I 4,4f.). Psyche kam nicht mehr dazu, eich Venus mit ähnlichen Worten zu unterwerfen. Die Göttin hatte sie inzwischen durch Merkur als entflohene Sklavin ausrufen lassen (VI 6,1-8,4). Das beseitigte Psyches letztes Zaudern. Sie begab sich zu Venus' Haus (VI 8,4). Beim Herannahen erspähte sie Venus' Dienerin Consuetudo und schleifte sie an den Haaren vor ihre Herrin, die sie mißhandeln ließ, bevor sie den Mund aufmachen konnte (VI 8,6-9,6). Mit der ausgesprochenen bzw. vorgehabten Unterwerfung endet die enge Parallelität von J A zu Amor und Psyche und Xenophon. Psyche wird von Venus gezwungen, ihre bekannten vier Arbeiten zu verrichten: sie muß Getreidekörner sortieren, Wolle der Sonnenschafe holen, Styxwasser besorgen und ein Büchschen formoaitas der Proserpina aus der Unterwelt herbeischaffen. Drei Aufgaben bewältigte Psyche mit Hilfe freundlicher Mächte, bei der vierten versagte sie zunächst. Auf der Rückkehr aus der Unterwelt öffnete sie verbotenerweise aus Neugier und Eitelkeit das Büchschen. Tödlicher Schlaf stieg auf, Psyche brach zusammen. Da fand sie Cupido und erweckte sie wieder. Er schickte sie zu Venus, um ihren Auftrag zu vollenden ; cetera egomet videro (VI 10,1-21,4). Es folgt ein happy end, das dem Schluß von J A 1-21 noch einmal sehr ähnlich ist (s. u.). Anders Xenophon. Habrokomes' Gebet wurde nicht erhört, Eros war noch nicht besänftigt. Habrokomes und Anthia sahen sich weiter täglich im Tempel, wagten aber nicht, sich einander zu erklären. Sie magerten ab und lagen schließlich auf den Tod darnieder. Die verängstigten Väter wandten sich an den Apollo von Kolophon, der in dunklen Hexametern von schrecklichen Reiseabenteuern und
75 Zu άπειρος ών I 4,5 vgl. J A 11,10; 12,5; 13,10f. 13, zu ύπερηφάνουν J A 2,1; 12,5; Psalm V. 6.
lay) Apg 9 , l - 1 9 a und Joseph und Aseneth
Als Aseneth geendet hatte, ging der Morgenstern auf, den sie als „Boten und Herold des Lichts des großen Tages" begrüßte (14,1). Neben ihm spaltete sich der Himmel; ein Mann, der wie Joseph gekleidet war, stieg herunter. Er stellte sich als Stratiarch des Hauses Gottes vor (Michael, ohne daß der Name fällt) und befahl Aseneth, sich wieder anzuziehen, was sie t a t (14,2-15). Dann hieß er sie, ihren Schleier abzunehmen, „denn du bist eine reine Jungfrau und dein Kopf ist wie der eines jungen Mannes" (16,1), und erklärte : Mut, reine Jungfrau Aseneth, Gott hat dein Gebet erhört", deine Selbsterniedrigung angesehen. Du wirst neugemacht, neugeschaffen und neubelebt werden 77 , Brot des Lebens essen, den Kelch der Unsterblichkeit trinken und mit der Salbe der Unverweslichkeit gesalbt werden. Gott gab dich Joseph zur Frau. Übrigens wird dein Name nicht mehr Aseneth sein, sondern Zufluchtsstadt, denn in dir werden viele Bußwillige durch die Metanoia (personal beschrieben als Tochter des Höchsten, die ihnen einen τόπος άναπαύσεως im 78 77
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endlicher Erlösung durch Isis orakelte. Die ratlosen Eltern glaubten, ihre Kinder verheiraten und für einige Zeit auf Reisen schicken zu sollen. Habrokomes und Anthia erlebten eine Hochzeitsnacht, die ihnen der Anfang aller Seligkeit zu sein schien ( 1 4 , 5 9,9). Bald darauf wurden sie auf Reisen geschickt und erführen Widrigkeiten, deren Beschreibung den Rest des Romans füllt. Hieraus erinnert an J A nur noch eine Szene aus der Hochzeitsnacht (s. u. zu J A 19, lOf.) und der grobe Aufbau Heirat-Abenteuer, der der Folge der beiden Teile in J A entspricht. Lucius schlief nach seinem Gebet wieder ein. Kaum hatte er die Augen geschlossen, als ihm Isis erschien, offenbar aus dem Mond (XI 3,1-4,3).
Sie erklärte : En adaum tuia commota, Luci, precibus, rerum naturae parens, elementorum omnium domina . .. Adaum tuoa miserata casus, adaum favene et propitia. Mitte iam fletue et lamentationee omitte, depelle maerorem; iam tibi Providentia mea irducescit dies aalutarie (vgl. X I 22,2. 6). Ergo igitur imperita istia meia animum intende aollicitum. Morgen ist das Fest der Ploiaphesia mit der gewohnten Prozession. Der präsidierende Priester wird auf mein Geheiß einen Rosenkranz halten; den friß, und du wirst wieder Mensch sein. Nec quicquam re-
Vgl. Lk 1,13; Apg 10,4. άπό 8è της ή μέρας ταύτης άνακαινισθήση καΐ άναπλασθήση καί άναζωοποιη&ήση 15,5. Trotz formaler Parataxe ist die innere Logik doch wohl: „ D u wirst neugemacht werden, nämlich neugebildet und neubelebt" (vgl. Gen 2,7); das erste Glied wird durch die beiden folgenden, die sich ergänzen, erläutert. Ebenso lassen sich z.B. die Triaden l.Kor 2,3; 4,9; Eph 2,5; 3,6 auffassen (Fußnoten, Nr. 12).
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§ 4. Die Wende
Himmel bereitet) bei Gott Zuflucht suchen 78 . Ich gehe jetzt und sage das Joseph; er wird kommen und in Ewigkeit dein Mann sein. Mach dich für ihn bereit (15,2-10).
rum mearum reformides ut arduum. Nam hoc eodem momento, quo tibi venio, simuL et ibi praesens, quae sunt sequentia, sacerdoti meo per quietem facienda praecipio. Meo iussu tibi constricti comitatus decedent populi .. . Vergiß nie, wem du deine Rettung verdankst, und sei mir für den Rest deines Lebens verpflichtet. Vives autem beatus, vives in mea tutela gloriosus, hier und in der Unterwelt. Ja, ich kann bei gewissenhafter Beachtung meiner Gebote dein Leben über das gesetzte Maß hinaus verlängern 79 (XI 6,1-6,7). Diese Isisrede fungiert wie die Ansprache des himmlischen Mannes an Aseneth. Es fehlt allerdings ein Gegenstück zu Aseneths typischer Bedeutimg als Zufluchtsstadt der Proselyten, wenngleich es später heißt, daß Lucius' Rückverwandlung die Ungläubigen überzeugen soll: videant inreligiosi, videant et errorem suum recognoscant (XI 16,4). Übrigens hat die engelhafte Metanoia J A 15,7 f. negative Gegenbilder in Venus' Dienerinnen Consuetudo, Sollicitude und Tristities, die Psyche malträtieren (VI 8,5-9,3, s. o.).
Voller Freude lud Aseneth ihren himmlischen Gast zu Brot und altem Wein ein (15,11-15) 80 . Er bat auch um ein Stück Wabenhonig, das Aseneth wunderbarerweise in ihrer Vorratskammer fand, obwohl sie sicher war, keins zu haben (es handelt sich um Manna, wenn es auch nicht so genannt wird 81 ). Aseneth fragte sich, ob der Honig aus dem Mund ihres Besuchers hervorgegangen sei, denn er strömte Lebensduft wie der Hauch seines Mundes aus. Mit einem Lächeln
Isis t a t nichts Vergleichbares, sondern entschwand. Lucius badete sich und ging noch einmal ihre Anweisungen durch. Der Tag brach an (ähnlich stimmungsvoll X I 7,2-5 wie der letzte Tag von Aseneths Buße J A 11,1); das Fest, das ihm Erlösung bringen sollte, begann (XI7,1-11,4).—Geht die wunderbare Auffindung des Honigs J A 16, 1-12 traditionsgeschichtlich auf so etwas wie Psyches dritte oder vierte Arbeit zurück ? — Vgl. X I 4,3 von Isis: spirane Arabiae felicia germina.
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Der Text von J A 15,7f. ist in Untersuchungen, 55-67, aufgearbeitet. Die kollektive Deutung der Asenethgestalt dürfte aus alttestamentlich-jüdischer Tradition zu erklären sein (Untersuchungen, 118-121). 79 Zur religionsgeschichtlichen Beurteilung dieser Sätze vgl. H. Conzdmann, Der erste Brief an die Korinther (MeyerK 5), Göttingen 1969, 308f. 80 Zum religionsgeschichtlichen Hintergrund vgl. Phüonenko, Joseph et Aséneth, 97. 81 Untersuchungen, 129f.; Philonenko, Joseph et Aséneth, 96. Holtz, Christliche Interpolationen, 483, hält die Episode für christlich, weil nach jüdischer Anschauung Manna erst im künftigen Äon wieder zu haben ist. Das gilt aber für das hellenistische Judentum nicht, wie Did 9,3 f. vermuten läßt.
l a y ) Apg 9,1-19a u n d Joseph und Aseneth quittierte der himmlische Mann ihr Verständnis (16,1-12). Dann legte er ihr die Rechte auf den Kopf u n d sagte: Selig bist du, Aseneth, denn dir sind die unaussprechlichen Mysterien Gottes offenbart worden; selig alle, die sich in Buße zu Gott wenden, denn sie werden von diesem Honig essen. Jeder, der davon ißt, stirbt in Ewigkeit nicht. Dann brach er ein Stück Honig ab, aß davon und steckte Aseneth den Rest in den Mund : I ß ! Sie t a t es. Der Mann fügte hinzu: N u n hast du Brot des Lebens gegessen, den Kelch der Unsterblichkeit getrunken und bist mit Salbe der Unverweslichkeit gesalbt worden. Deine Schönheit wird ewig dauern und d u wirst wie eine ummauerte Metropolis sein (16,12-16). Der himmlische Mann berührte die Bruchstelle a m Wabenhonig, der wieder ganz wurde. Dann zeichnete er mit dem rechten Zeigefinger ein Kreuz auf den Honig; die Spur wurde wie Blut. Tausende weißer Bienen stiegen auf, umgaben Aseneth und bauten auf ihrer Lippe eine Wabe, von der sie fraßen. Der Mann schickte sie schließlich „an ihren O r t " ; sie flogen in den Himmel. Einige, die Aseneth stechen wollten, fielen t o t zu Boden, wurden aber wieder auferweckt und ebenfalls fortgeschickt; sie flogen in den Park (16,24f. 17-23) 82 . Der Mann fragte Aseneth: Hast du das gesehen? Als sie bejahte, fügte er hinzu: So wird alles sein, was ich dir heute gesagt habe (17,1 f.). Dann berührte er den Honig zum dritten Mal; Feuer schlug aus dem Tisch,
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Das ist eine Initiation. Sie entspricht aber im Vollzug weder Lucius' reformatio, die wie von Isis vorhergesagt geschieht (XI 12,1-15,6), noch seiner späteren Initiation mit ihrer bekannten geheimnisvollen Beschreibung der noctis sacratae arcana (XI 22,7-24,5). Psyche wird a m Ende durch Ambrosia unsterblich gemacht (VI 23,5, s. u.).
Vgl. Isis* Schutzverheißung X I 6, 6f. (s.o.) und J A 18,9 (s.u.).
88 Diese Episode (JA 16,17-25) gehört zu den schwierigsten des Buches, zumal sie mehrfach textlich unsicher ist (so gehören 16,24f., bei Batiffol nur im Apparat vertreten, von Rießler ohne Anhalt ans Ende der Szene gestellt, hinter 16,16). Sie mag im jetzigen Text zur kollektiven Ausdeutung der Aseneth gehören : sie h a t nicht nur Lebensbrot gegessen, sondern besitzt es auch für die, die „in i h r " bei Gott Zuflucht suchen (15,7). Die Episode wäre also Illustration (vgl. 17,1 f.) von 16,16. H ä n g t sie traditionsgeschichtlich mit dem Bienenwunder zusammen, das festes Requisit der antiken Beschreibung von Dichter-Kindheiten ist (zuerst in der Platovita) und die Begabung mit Wortgewandtheit symbolisiert (zum Topos I. Opelt, Das Bienenwunder in der Ambrosiusbiographie des Paulinus von Mailand, Vigiliae Christianae 22, 1968, 38-44) Î
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auf dem er lag, und verzehrte den Honig (17,3). Aseneth bat den Mann, auch ihre sieben Dienerinnen „wie mich" zu segnen, was er tat : sie sollen sieben Säulen der Zufluchtsstadt sein, die Aseneth ist (17,4-6). Dann fuhr der himmlische Gast auf feurigem Wagen gen Himmel. Aseneth wehklagte, sie habe nicht erkannt, daß „ein Gott" zu ihr gekommen sei, und darum unbotmäßig mit ihm geredet (17,7-10). Da kündete ein Diener Josephs Rückkehr an. Aseneth fielen die Worte des himmlischen Mannes wieder ein. Sie zog sich bräutlich an und schickte nach Wasser für ihr von der Buße gezeichnetes Gesicht. Als sie sich über die Schüssel beugte, sah sie sich wie die Sonne strahlen und ganz verschönt. Aus Furcht, die Schönheit abzuspülen, wusch sie sich nicht (18, 1-11). Inzwischen war Joseph am Tor angekommen. Aseneth ging ihm entgegen. Er erkannte sie aber nicht g s . Sie berichtete vom Besuch des himmlischen Mannes und daß er versprochen habe, Joseph zu unterrichten; du mußt doch wissen, ob er zu dir gekommen ist (19,1-7). Joseph antwortete: Sei beim höchsten Gott gesegnet. Gott hat deine Mauern gebaut. Der Mann hat mir von dir erzählt. „Und nun her zu mir, reine Jungfrau; warum stehst du so fern?" (19,8f.)
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Vgl. Lucius' reformatio.
Lucius eilte im Morgengrauen zum Hohenpriester. Er kam grade aus seiner Kammer und sagte, offenbar unterrichtet, bevor Lucius den Mund aufmachen konnte: 0 Luci, te felicem, te beatum, quem propitia volúntate numen auguatum tantopere dignatur. Quid iam nunc atas otiosue teque ipsum demoraría f Adeat tibi diea votia adaiduia exoptotua, quo deoe midtinominis divinia imperila per ietoa meas manus piiasimis aocrorum arcania inainueria (XI 22,4-6). Entsprechendes findet sich auch X I 13,1. 6; 27,7-9; jeweils ist die Vision des Initiators wie die Josephs nicht erzählt, sondern vorausgesetzt oder kommt indirekt zur Sprache. Joseph fungiert also ähnlich wie der Isispriester, nur daß ihm nicht die zu vollziehende Weihe eines Initianden, sondern die schon vollzogene Aufnahme Aseneths mitgeteilt wurde. Entsprechend klingen seine Worte.
Das Anagnorismosmotiv des Romans.
lay) Apg 9 , í - 1 9 a und Joseph und Aseneth
Joseph und Aseneth umarmten und küßten sich „und lebten beide in ihrem Geist a u f " (19,10)". Joseph gab Aseneth mit je einem Kuß den Geist des Lebens, den der Weisheit und den der Wahrheit (19,11).
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Ein dem adest tibi entsprechender Satz fehlt; Joseph vollzieht keine Initiation. Für Lucius folgt jetzt die Initiation. Er wurde anhand der heiligen Schriften in die Zeremonie eingeführt und einem Reinigungsbad unterzogen. Es folgten zehn Tage der Enthaltsamkeit von Fleisch und Wein. Dann wurde bei Nacht die Weihe vollzogen. Am nächsten Morgen wurde Lucius dem Volk als Helios-Sarapis präsentiert (XI 22,7-24,4). Dem entspricht in J A nichts. Dennoch steht J A 19,10 f. möglicherweise in einer Tradition, die ebenfalls auf Initiation zurückweist. I n der Beschreibung von Habrokomes' und Anthias Hochzeitsnacht heißt es : Nachdem die beiden ins Brautgemach gebracht worden waren, konnten sie sich zunächst nicht fassen. Habrokomes tröstete und küßte die weinende Anthia. Sie erwiderte seine Worte mit einem Threnos lind Küssen, „und was sie empfanden, wurde durch die Lippen aus der Seele des einen in die des anderen übertragen" (I 9,6b). Anthia beschwor Habrokomes' Augen, durch die die Liebe in seine Seele drang, ihn niemand andere als sie schön finden zu lassen. Dann wetteiferten sie die Nacht hindurch im Dienst Aphrodites (I 8,1-9,9). Die Szene hat möglicherweise einen kultischen Nachvollzug der Vereinigung der Isis mit dem dadurch wiederauflebenden Osiris zum Hintergrund 8 6 . Falls J A 19, 10 f. auf ähnliches zurückgeht, ist immerhin eine doppelte Reduzierung festzustellen. Von der Erotik bleiben nur die Küsse; die Hochzeit folgt erst später. Die Vereinigung der Seelen ist zur Geistmitteilung geworden; daû Aseneth durch das empfangene Lebensbrot den Geist schon hat, ist nicht beachtet.
84 καΐ άνέζησαν άμφότεροι τώ πνεύματι αυτών (69, 24 f. Batiffol). Anders Philo· nenko, Joseph et Aséneth, 195: „et (ils) se ranimèrent par leur souffle", was m. E. trotz anderen Textes (καί άνεζωοπύρησαν [ ! ] τω πνεύματι αύτών, 19,3) nicht berechtigt ist. 85 Kerènyi, Griechisch-Orientalische Romanliteratur, 42; Merkelbach, Roman und Mysterium, 94.
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§ 4. Die Wende
Aseneth bat Joseph ins Haus, setzte ihn auf ihres Vaters Thron und wuach ihm trotz seines Widerstrebens die Füße : Deine Füße sind meine Füße, deine Hände meine Hände, deine Seele meine Seele. Joseph setzte sie zu seiner Rechten (20,1-5). So fanden Pentephres und seine Familie, vom Landgut zurückkehrend, die beiden. Sie freuten sich „und priesen Gott, der die Toten lebendig macht" 8 8 (20,6f.).
Dann aßen und tranken sie. Pentephres schlug Joseph vor, am nächsten Tag wolle er zu Hochzeit laden. Joseph bestand aber darauf, sich Aseneth von Pharao geben zu lassen, „denn er ist mein Vater" (20,8-10). Joseph blieb über Nacht, ohne Aseneth zu berühren (21,1) 87 . Am Morgen reiste er an den Hof und bat Pharao, ihm Aseneth zur Frau zu geben. Pharao freute sich : War dir diese nicht von Ewigkeit bestimmt? Er ließ Pentephres und Aseneth kommen. Er pries Aseneth, weil Gott sie zu Josephe Frau erwählte, der wie ein Sohn des Höchsten sei, setzte ihr und Joseph goldene Kränze auf, gab sie mit einem Segensspruch auf immer zusammen und ließ sie sich küssen. Dann lud er die Fürsten Ägyptens und die Könige 86
Vgl. Anthia Eph. I 9,5-8 (s. o.).
Nach Lucius' Rückverwandlung populi mirantur, religiosi venerantur tarn evidentem, maximi numinia potentiam et coneimilem nocturnia imaginibua magnificentiam et jacilitatem reformationis claraque et consona voce, caelo manus adtencientes, testantur tarn inlustre deae beneflcium (XI 13,6). Lucius Schloß sich dann der Prozession an, wobei das Volk sagte : hunc omnipotentis hodie deae numen augustum reformavit ad homines. Felix hercules et ter beatus, qui vitae scilicet praecedentis innocentia fideque meruerit tarn praeclarum de caelo patrocinium ut renatile quodam modo stativi sacrorum obsequio desponderetur (XI16,3f.). Lucius' Initiation wurde als festissirnus natalis sacrorum drei Tage lang fröhlich gefeiert (XI 24,4f.). (Lucius bricht dann bald nach Rom auf und erlebt dort zwei weitere Weihen, womit die Metamorphosen enden.) Diese Coda erinnert stark an den Schluß von Amor und Psyche. Cupido flog, nachdem er Psyche aus dem tödlichen Schlaf erweckt hatte (s. o.), zu Jupiter und unterbreitete ihm seinen Fall. Jupiter versprach ihm, seinem Sohn, den er selber aufzog, gegen das Versprechen gelegentlicher Kupplerdienste Hilfe wider die zornige Venus. Dann ließ er Merkur bei 10000 Nummi Strafe alle Götter herbeizitieren und eröffnete ihnen, daß Cupido Psyche zur legitimen und ebenbürtigen Ehefrau haben solle. Merkur mußte Psy-
Zu J A 20,7 vgl. Rom 4,17. Die Begründung ist jüdisch formuliert: ein Gottesfürchtiger darf vor der Hochzeit nicht mit seiner Frau schlafen (21,1). Aber daß die Tatsache überhaupt erwähnt wird, dürfte wiederum ein Romanmotiv sein: die Liebenden müssen gelegentlich unter einem Dach weilen, ohne zusammenkommen zu können (Apuleius, Met. VI 11,3;Merkelbach, Roman und Mysterium, 36. 132f.). 87
lay) Apg 9,1-19a und Joseph und Aseneth der Völker ein und veranstaltete eine siebentägige Hochzeit ; währenddessen war in ganz Ägypten bei Todesstrafe zu arbeiten verboten. Nach dem Fest vollzog Joseph die Ehe, Aseneth wurde schwanger und gebar Ephraim und Manasse in Josephs Haus (21, 2-9).
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che in den Himmel holen. Jupiter gab ihr einen Kelch Ambrosia zu trinken : sume, Psyche, et immortalis esto, neo umquam digredietur a tuo nexu Cupido sed istae vobis erunt perpetuae nuptiae (VI 23,5). Es folgte ein großes Fest, zu dem alle Götter wie die Vögel auf der Vogelhochzeit etwas beitragen (Vulkan kocht). Sic rite Psyche convertit in manum Cupidinis et nascitur Ulis maturo partu filia, quam Voluptatem nominamus (VI 22,1-24,4).
Der erste Teil von J A endet mit einem lose angehängten Psalm, in dem Aseneth ihre Bekehrung rekapituliert 88 .
Die Synopse bestätigt zunächst, daß JA bei aller biblisierenden Diktion in erstaunlichem Maß die Motivsprache des Romans spricht. M. Philonenko, der die Romane als erster ausdrücklich und ausführlich herangezogen hat, hat das prinzipiell richtig gesehen89. Doch 88 Ebenfalls locker angeknüpft ist der zweite Teil (JA 22-29), der zunächst in den biblischen Bericht zurücklenkt (22 ; s. o. A. 40) und dann Aseneths Entführimg durch den Erstgeborenen Pharaos bringt (23-29). Sie ist aber ohne Rückbezug auf 1,7-9 neu motiviert (23,1 : der Ägypter sieht Aseneth und kommt ihretwegen von Sinnen). Dieser Teil entspricht den Reiseabenteuern des Romans (vgl. Xenophon, bei dem sie nach der Hochzeit beginnen), wenn auch nur in Form einer einzigen ausgedehnten Begebenheit am Ort (mochte der Verfasser biblische Gestalten nicht reisen lassen?), läßt sich aber nicht wie diese als Läuterung deuten. Er dient vielmehr einerseits dem Beweis, daß Gott den Gläubigen bewahrt (vgl. Apuleius, Met. X I 6,6f.; 28,6 u. ö.), und andererseits der Demonstration eines bestimmten Ideals gottesfürchtiger Sanftmut, deren Hauptsatz das mehrfach ausgesprochene μή κακόν άντί κακοϋ άποδιδόναι ist (23,9; 28,5. 10. 14; 29,3; weiter 23,12; 29,2: der Gottesfürchtige schadet niemandem und trägt kein Schwert zur Selbstverteidigung; 28,7. 10: mein ist die Rache; 29,3-5: Levi als barmherziger Samariter; vgl. Fußnoten, Nr. 2). Zu vergleichen sind ähnliche Äußerungen in den Testamenten der zwölf Patriarchen. Diese Sanftmutsethik wäre näher zu untersuchen (vorläufig J. Thomas, Aktuelles im Zeugnis der zwölf Väter, in: W. Eltester (Hrsg.), Chr. Burchard-J. JervellJ. Thomas, Studien zu den Testamenten der Zwölf Patriarchen, BZNW 36, Berlin 1969, 62-150: 92-100; Becker, Untersuchungen, 380-401), vor allem auch die traditionsgeschichtlichen Linien, die von ihr ins NT führen, so zu den drei neutestamentlichen Belegen des genannten Hauptsatzes (Rom 12,17; l.Thess 5,15; l.Petr 3,9, vgl. Untersuchungen, 102.150), möglicherweise auch zu Lk 6,27ff. par. und l.Petr 2,21 ff., wo mir nicht allein Jes 53 und die Passionsgeschichte im Hintergrund zu stehen scheinen. 88 Philonenko, Joseph et Aséneth, 43-48, und passim in den Anmerkungen zum Text. Kategorischer Widerspruch von M. van Esbroeck, Rez. Burchard, Untersuchungen, und Philonenko, Joseph et Aséneth, Analecta Bollandiana 80 (1968), 404-410: 407f.: „Nous avons relevé scrupuleusement tous les points du commentaire où M. Ph. signale une analogie de vocabulaire (6,5; 6,8; 7,11; 8,8; 12,6; 19,3; 24,16; 25,8): le rapprochement ne porte jamais que sur un seul mot qui, dans chaque cas, se trouve employé dans bien d'autres contextes." Das ist offenbar ein Mißverständnis. Es geht nicht um Analogien im Wortlaut, sondern in der Topik, was nicht dasselbe ist.
β Burchard, Zeuge
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deuten sich noch weiterreichende Schlüsse an, die ich hier aber nur in Frageform vorbringen kann. JA scheint sich nicht nur in der Ausstattung eines Romans zu präsentieren, sondern auch gegebenen Romanstoff zu verarbeiten90. Die Berührungen der Liebeshandlung zwischen Joseph und Aseneth mit der Fabula von Amor und Psyche gehen über Einzelheiten hinaus bis in den Geschehensablauf. Joseph und Aseneth sind zwar nicht Zwillinge Cupidos und Psyches, aber doch Verwandte. Es ist zu erwägen, ob nicht die Liebeshandlung auf der Adaption eines Psyche-Stoffs beruht. Wenn das so ist, dann fragt sich weiter, ob dieser Stoff nicht wie vermutlich Apuleius' Materialien (und nach Interpretation mancher noch Apuleius' Text selber) ein Stück theologisierter Mythologie gewesen ist 91 , bei dem die überkommenen Götter- und Heroengestalten schon zu Darstellern des Dramas geworden waren, das der Mensch mit der einen, alle Wesenheiten lenkenden und nur im Mysterium erreichbaren Gottheit erlebt ; also ein Stoff, der in, mit und unter der aus Hochmut jäh aufspringenden Liebe eines Mädchens zu einem unwissentlich verachteten Gott, dem es nach demütigenden Prüfungen gleich wird, auch von der anfänglichen Verachtung und schließlichen, durch harte Buße errungenen Hingabe des Menschen für den einen Gott handelt. Ein solcher Stoff ließ sich leicht auf Aseneth übertragen, die gleichzeitig ihren Mann und den wahren Gott gefunden hatte, wie das antike Judentum ohne Mühe aus der in der Bibel allein berichteten Tatsache herauslesen konnte, daß der fromme Joseph eine ägyptische Priestertochter geheiratet hatte (Gen 41,45). Es war allerdings notwendig, die Gottheit, die etwa in Apuleius' Amor-und-Psyche-Fassung in drei Larven in die Handlung einbezogen ist (die beleidigt-zornige Venus, 90
Das hat Philonenko nicht gesehen, wohl weil er die Fabel als ganze vor allem unter quellenkritischem Gesichtspunkt betrachtet (S. 32-43), unter dem die Romane nicht in den Blick kommen können. Er hat statt dessen eine ganze Reihe von Texten und Erzähltraditionen benannt, von denen JA an einzelnen Punkten direkt oder indirekt zehrt (die jüdische Asenethlegende, die um 1300 v.Chr. belegte ägyptische Geschichte vom gezeichneten Prinzen, die Helenatradition, die Proseuche Joseph u.a.). Mir scheint die Sache anders zu liegen. Der quellenkritische Gesichtspunkt bringt überhaupt nichts ein, sondern nur der traditionsgeschichtliche. Wendet man ihn an, dann liefern die Texte, die Philonenko Quellen nennt, allenfalls den Hintergrund für Einzelheiten, wobei mir mehrere Beziehungen überdies mehr als locker erscheinen ; die Romantexte dagegen, aus denen Philonenko nur Einzeltopoi erklärt, bieten ganze verwandte Stoffzusammenhänge. Ist das richtig, dann muß man sich auch die Arbeitsweise des Verfassers anders vorstellen, als Philonenko es tut. Ihm schwebt offenbar ein die verschiedensten Anregungen aufgreifender und im Romanstil zu einer im übrigen erfundenen Handlung verarbeitender Autor vor ; er hat aber im wesentlichen vorhandenen Stoff auf Joseph und Aseneth übertragen oder gegebene Übertragungen bearbeitet. Natürlich muß das Verhältnis von Tradition und Redaktion im einzelnen genauer bestimmt werden. 91 Vgl. Conzelmann, Mutter der Weisheit, 227.
lay) Apg 9 , l - 1 9 a und Joseph und Aseneth
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der geliebt-liebende Cupido, der listig-ausgleichende Jupiter) 82 , aus dem Spiel zu bringen. So besorgt am Anfang und am Ende von JA Pharao, was in Amor und Psyche Venus und Jupiter besorgen. Joseph selbst ist nicht wie Cupido Gott, obwohl er mit göttlichen Attributen geschildert wird, sondern nur (muß man aus diesem Blickwinkel sagen) Gottes Sohn, was praktisch darin besteht, daß er den Geist hat und von Gott völlig behütet wird 93 . Damit verliert freilich das Verhalten seiner menschlichen Partnerin zu ihm seinen doppelten Boden. Die Bekehrung muß deshalb thematisiert werden. JA tut das durch Einführung der Bekehrungshandlung; sie steht kompositorisch an der Stelle, an der in Amor und Psyche Psyches Irrfahrten und Arbeiten stehen 84 . Diese Bekehrungshandlung hat nun ihrerseits wiederum so viele Parallelen in Lucius' reformatio und Initiation, daß man urteilen muß : Aseneth ist so etwas wie eine Schwester des Lucius. Die Frage ist freilich, wie die Verwandtschaft zustande kam. Ist Aseneths Bekehrung, wenn sie denn als Initiation erzählt ist, einer Isisweihe nachgebildet, sei es direkt oder über eine literarische Darstellung, oder etwa einer analogen, ins Judentum übernommenen Praxis? Philonenko hat aus JA eine „Initiationsliturgie" erschlossen, die zu einem regelrechten „jüdischen Mysterium" gehört 85 , und damit das Buch für das mystische Judentum in Anspruch genommen, das nachzuweisen E. R. Goodenough sich lebenslang bemüht hat 9e . Hier scheint mir Vorsicht geboten zu sein. J A spricht ausdrücklich und unverschlüsselt von einer Praxis in den BrotKelch-Salböl-Formeln 8,5-7; 8,9; 15,5; 16,16; 19,5; Psalm V. 3 f . l l . Die Deutung ist kontrovers. Philonenko schließt wieder mit G. D. Kilpatrick und K. G. Kuhn auf ein Kultmahl 9 7 , ohne sich mit J . Jeremias' und meinem Vorschlag, es handele sich um Theologumena über das gewöhnliche jüdische Essen im 9a
Alle drei übrigens nur in ihrer Beziehung zu Psyche. Für sich und zueinander verhalten sich die Gestalten des Pantheons so burlesk wie bei Lukian oder Offenbach. 93 Die Sonnengottattribute machen Joseph so wenig zu Helios, wie Maria durch eine Mondsichel zu ihren Füßen zu Selene wird. Zur Gottessohnschaft vgl. o. A. 63. 94 Literarisch betrachtet bleibt die Komposition unbefriedigend. Aseneths Bekehrung ist im jetzigen Zusammenhang bei aller subjektiven Ehrlichkeit eine reine Zweckkonversion. Man sieht, daß die Problematik einer littérature engagée als Literatur nicht erst von heute ist. 95 Initiation et mystère dans Joseph et Aséneth, in: C. J. Bleeker (ed.), Initiation. Contributions to the Theme of the Study-Conference of the International Association for the History of Religions Held at Strasburg, September 17 t h to 22nd 1964, Leiden 1965, 147-153; Joseph et Aséneth, 89-98. 99 By Light, Light. The Mystic Gospel of Hellenistic Judaism, New Haven, Conn. 1935; Jewish Symbols in the Greco-Roman Period (Bollingen Series 37), 12 Bände, New York-Princeton, N . J . , 1953-1968. 97 G. D. Kilpatrick, The Last Supper, ET 64 (1952/53), 4-8; K.G.Kuhn, The Lord's Supper and the Communal Meal at Qumran, in: K. Stendahl (ed.), The Scrolls and the New Testament, New York 1957 = London 1958, 65-93. 259-265; Philonenko, Joseph et Aséneth, 89-98. β·
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Gegensatz zur heidnischen Lebensweise 88 , große Mühe zu machen. Aber selbst wenn die Kreise, aus denen J A stammt, ein Kultmahl gefeiert haben, so bedeutet das noch nicht, daß dieses Mahl Teil eines Mysteriums war, zu dem eine Initiation Zutritt verschaffte. Um das zu erschließen, müßte man die romanhafte Bekehrungshandlung kultisch deuten dürfen, und das ist nicht leicht möglich. Yon Aseneth wird in der Tat eine Initiation erzählt. Der himmlische Mann vollzieht sie, indem er ihr eröffnet, Gottes Mysterien seien ihr offenbart, und ihr von dem wunderbaren Honig zu essen gibt (16,14-16). Philonenko hat daraus eine Honigkommunion als Eingangsritus des Kultmahls erschlossen". Das ist schon exegetisch fragwürdig 100 , wirft aber vor allem methodische Probleme auf. Wenn diese Handlung des himmlischen Gesandten einen liturgischen Akt spiegelt, warum dann nicht auch alles andere, was während seines Besuchs geschieht — die wunderbare Erzeugung des Honigs, das Kreuzeszeichen, die Bienenepisode, die Segnung der sieben Dienerinnen, ja schon die Herabkunft aus dem Himmel? Mir scheint, das alles ist nicht weniger und nicht mehr romanhaft als Lucius' reformatio, die ja auch nicht besagt, daß Isismysten auf Prozessionen geweiht wurden und dabei einen Rosenkranz essen mußten. Wer Lucius' weitere Erlebnisse kennt, kann (und soll) natürlich seine Rückverwandlung in Menschengestalt als Vorwegnähme seiner späteren Initiation lesen. Aber das läßt sich mit J A grade nicht machen. Aseneths Initiation durch den himmlischen Mann hat kein irdisches Gegenstück. Es wäre nach 19,8f. zu erwarten, der Szene, in der Joseph anerkennt, daß Aseneth vom Himmel heimgesucht worden ist; nach einem entsprechenden Empfang durch den Isispriester beginnt Lucius' Initiation. In J A findet sich nichts dergleichen. Keine Einführimg in die Heilige Schrift, keine Unterweisimg im Gesetz, keine Taufe, kein Wort vom Brot des Lebens, keine Andeutimg einer Aufnahme in die jüdische Gemeinde. Aseneth bekommt vielmehr die drei Geister, wäscht Joseph die Füße, Pentephres kommt zurück, man lobt Gott, ißt und trinkt. Die Handlung lenkt also zur Liebesgeschichte zurück und läßt sich kaum kultisch deuten, abgesehen von der Geistverleihung, aus der man ein Philema hagion herauslesen könnte.
Kurz : daß Aseneths Bekehrung mysterienhafte jüdische Initiationsriten widerspiegelt, scheint mir bisher nicht bewiesen zu sein, um das mindeste zu sagen (was nicht ausschließt, daß sich bei genauerer Untersuchung dies und jenes auch über den Vollzug eines Übertritts zum Judentum erheben ließe). Was immer die weitere Analyse von JA ergeben mag : daß das Buch nicht nur seiner Topik nach, sondern auch stofflich in den Bereich des antiken Romans gehört, scheint mir sicher zu sein. Hier hat eine Übernahme stattgefunden, die anders als bei den übrigen hellenistischjüdischen Experimenten mit griechischen Literaturformen über das Formale hinaus auch und grade Inhalt umfaßt. Ob das so entstandene Buch, unseres Wissens das einzige seiner Art, das die Diaspora hervor88 J.Jeremias, Thè Last Supper, E T 64 (1952/53), 91f.; Burchard, Untersuchungen, 121-133. 89 Joseph et Aséneth, 98. 100 Nach den Worten des Engels 16,16 hat Aseneth das Brot des Lebens, d.h. nach Philonenko das Kultmahl, genossen, indem sie den Honig aß. Läßt sich auf der Wirklichkeitsebene trennen, was auf der literarischen offensichtlich gleichgesetzt wird?
lay) Apg 9 , l - 1 9 a und Joseph und Aseneth
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gebracht hat101, selber ein Roman ist, darüber läßt sich angesichts des geistlichen Charakters und formaler Abweichungen vom Typus jedenfalls des Liebesromans102 möglicherweise streiten103. Doch ist in einem weiteren Sinn, den auch die klassische Philologie kennt, gegen die Bezeichnung nichts einzuwenden, womit JA übrigens der älteste vollständig erhaltene Roman ist. Letztlich kommt nicht viel darauf an, ob man JA einen hellenistisch-jüdischen Roman oder einen haggadischen Midrasch aus Romanstoff nennt. Die Verwandtschaft mit dem heidnischen Genus ist jedenfalls so eng, daß sie den Schlüssel zur Komposition und nicht nur dazu liefert. Auch der religionsgeschichtliche Hintergrund, soweit nicht jüdisch, erhellt sich von hier aus. JA hat offenbar Elemente aus dem Isis-(Osiris-Sarapis)-Traditionskreis aufgenommen104. Für die Bekehrungshandlung ist das unmittelbar deutlich. Ob die Isisreligion auch dem für die Liebeshandlung verwandten Stoff den theologischen Hintersinn gegeben hat, wie Conzelmann vorschlägt (und Merkelbach für Amor und Psyche angenommen hat)106, bedürfte genauerer Untersuchung; doch ist das schon angesichts der Verwandtschaft Aseneths mit Lucius recht wahrscheinlich. Sehr überraschend ist es nicht, daß ein hellenistischer Jude grade aus diesem Bereich schöpft, der etwa auch die jüdisch-hellenistische Weisheitstheologie mitgeprägt hat 104 . Auch die Aufnahme nicht nur einzelner Motive und Theologumena, sondern ganzer Stoffzusammenhänge ist grade in der Josephslegende nicht ohne Parallele107. Im übrigen ist 101 Einwirkungen des Genres sind auch anderwärts zu spüren, so in der Josephsdarstellung des Testjos (M.Braun, History and Romance in GraecoOriental Literature, Oxford 1938; Thomas, Aktuelles, 89-92. 148-150; Becker, Untersuchungen, 228-239) und, stilgleich mit der zeitgenössischen Geschichtsschreibung, in Josephus' Antiquitates (Braun, Griechischer Roman). 102 Zumindest für den Liebesroman nicht typisch sind die ausdrückliche Fixierung in der Geschichte, die offene Bekehrungsthematik, der areta- und teratologische Einschlag. 103 Im Sinn des Verfassers ist JA wohl kein Roman. Aber diese grundsätzliche Differenz im Geist ist nicht auch notwendig eine im Buchstaben. 104 Philonenko, Joseph et Aséneth, 61-79, erkennt statt dessen in der Asenethgestalt Züge der Neith und nennt JA in dieser Hinsicht einen Schlüsselroman. Aber sind die Berührungen mit der Neithtradition, wenn sie denn bestehen (eine Frage an die Ägyptologen), wirklich so charakteristisch, daß sie Aseneth zum Bild der Dame von Sais machen? 105 Conzelmann, Mutter der Weisheit, 228 A. 25; Merkelbach, Roman und Mysterium, 1-70. 106 Conzelmann, Mutter der Weisheit; B. L.Mack, Logos und Sophia (Untersuchungen zur Weisheitstheologie im hellenistischen Judentum), ev.-theol. Diss. Göttingen 1967 (masch.). 107 Sie hat früh die Tradition vom schwimmenden Osirissarg angezogen (Texte und religionsgeschichtliche Untersuchung bei O. Kittel, Die Probleme des palästinischen Spätjudentums und das Urchristentum, BWANT III 1, Stuttgart 1926, 169-194; vgl. zuletzt J. Jeremias, Heiligengräber in Jesu Umwelt (Mt. 23,29; Lk. 11,47). Eine Untersuchung zur Volksreligion der Zeit Jesu, Göttingen 1958, 130f.).
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nach auch in Palästina und dort schon in tannaitischer Zeit belegter jüdischer Anschauung der mit dem Kornmaß auf dem Kopf abgebildete Sarapis niemand anders als eben Joseph, der Kornspender und Wohltäter des Nillandes, in interpretatio aegyptiaca108. Es mag sein, daß eine solche Gleichsetzung die Übertragung der in JA 1-21 verwendeten nichtjüdischen Stoffe auf Joseph und Aseneth ermöglicht oder erleichtert hat. 2. JA 1-21 und
Apg9,l-19a
Die obigen Vorüberlegungen, die länger sein mußten, weil das Feld unbearbeitet ist, haben gezeigt, daß die breit fließende Erzählung von JA 1-21 relativ einfachen Schemata folgt und daß das Erotische religiös transparent ist, so daß in gleicher Struktur auch viel kürzer erzählt werden kann (man vergleiche noch einmal JA 5-13 mit Eph. I 3,1-4,7) und gänzliche Sublimierung der Erotik denkbar ist. Vergleicht man nun Apg 9,1-19 a, so ergibt sich, daß hier in vergleichsweise extremer Knappheit und völlig anderer, unerotischer Konkretion eine ähnliche Struktur vorliegt wie in JA 1-21. Paulus' böse Absichten gegen die Christen in Damaskus (Apg 9, lf.) entsprechen Aseneths männerfeindlichem Hochmut, der sie dazu bringt, auch Joseph zu verachten (JA 1-4). Die Christophanie, die Paulus niederwirft und geblendet und ratlos nach Damaskus tappen läßt (Apg 9, 3-8), hat ihre Parallele in Aseneths Überwältigung durch Josephs göttliche Erscheinung und seiner Ablehnung ihres Kusses, auf die hin sie sich in ihrem Zimmer verkriecht (JA 5-9). Paulus bringt dann drei Tage blind und fastend in Damaskus zu (Apg 9,9), Aseneth kasteit sich sieben Tage lang klagend und fastend in Sack und Asche (JA 10) ; ähnlich wie Paulus' Blindheit zunächst dauert und dann wunderbar geheilt wird, gräbt sich die Entbehrung auf Aseneths Gesicht ein und erst ein Wunder gibt ihr, nun auf ewig, später ihre Schönheit zurück. 108
b. Ά . Z. 43a Bar.: Sr'pja Ί im Jwsp far wmpja 't kwl h'wlm kwlw; Firmicus Maternus, De err. prof. rei. 13,1-3 u.a. Zu Sarapie Th. Hopfner, Plutarch, Über Isis und Osiris. Zweiter Teil. Die Deutungen der Sage (Monographien des Archiv Orientální 9), Prag 1941 = Darmstadt 1967, 126ff. — In einem kuriosen Buch, das zeigt, zu welch rührendem Unfug die religionsgeschichtliche Methode fromme Dilettanten inspirieren konnte, hat A. Frhr. v, Ow nachzuweisen versucht, daß Osiris und Isis nichts anderes als Vergötterungen Josephs und Aseneths (der historischen Gestalten!) und diese wiederum Vorverkörperungen des präexistenten, in Jesus und Maria Fleisch gewordenen Heilsgeheimnisses sind (Joseph von Ägypten und Aseneth, Regensburg 1918). Das Buch, das nicht einmal als Materialsammlung brauchbar ist, kennzeichnet, daß v. Ow offenbar aus JA Historisches über Aseneth entnehmen zu können glaubt (daneben aus den Visionen der Anna Katharina Emmerich, die aber anscheinend JA gelesen hat, S. 114-117), andererseits aber Batiffol nicht kennt, sondern nur Vinzenz von Beauvais' Auszug aus der lateinischen Übersetzung I im Speculum historíale II 118-124 (S. l l l f . ) .
laS) Ergebnis
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Nach der Selbstkasteiung wendet sich Aseneth im Gebet zu Gott (JA 11-13); auch Paulus hat gebetet, was freilich nur zitiert, nicht erzählt wird (Apg 9,11). Beide Gebete werden auf ähnliche Weise erhört: dem Besuch des himmlischen Mannes bei Aseneth (JA 14-17) entspricht die Vision, in der Ananias Paulus erschien; sie wird freilich nicht direkt erzählt, sondern in einer korrespondierenden Vision Ananias von Jesus referiert (Apg 9,12). Der himmlische Mann wie der geschaute Ananias vollziehen etwas vorweg, was später geschieht. Die korrespondierende Vision, in der Jesus Ananias erscheint (Apg 9, 10-16) hat ihr Gegenstück im Besuch des himmlischen Mannes bei Joseph; diesmal erzählt JA nur indirekt (19,9). Am Schluß wird die Ähnlichkeit der beiden Texte geringer. Aseneths Verschönerung (JA 18) entspricht Paulus' Heilung (Apg 9,17-18 a), steht aber in der Struktur früher und findet ohne Josephs Mitwirkung statt. Paulus erhält wie Aseneth den Geist, aber durch die Taufe (Apg 9,18b), während Aseneth ihn von Joseph direkt bekommt (JA 19,10f.). Wenn schließlich Apg 9,19 a damit endet, daß Paulus wieder ißt und zu Kräften kommt, dann ist das dem Festmahl JA 20,8 kaum vergleichbar. δ) Ergebnis Apg 9, l - 1 9 a hat nicht nur in einzelnen Motiven und für V. lOff. in der Korneliustradition, sondern auch im ganzen seine Parallelen. Nächstverwandt sind JA 1-21 und dessen Seitenstücke im antiken Roman 109 . Natürlich läßt sich nicht sagen, daß der Damaskusbericht (und die Korneliustradition, soweit sie parallel läuft) mit den Romantexten eine Gattung bilden, schon wegen der verschiedenen Größenordnung nicht. Dennoch sind die Berührungen so eng, daß man urteilen muß: Apg 9,1-19 a ist der Form nach kein Text sui generis, sondern folgt einer gegebenen Struktur. Sie steht in einer jüdischhellenistischen Tradition, die Mysterienelemente, wahrscheinlich aus der Isisreligion, aufgenommen hatte. Was damit für Apg 9,1-19 a im einzelnen gewonnen ist, muß sich gleich in der Exegese zeigen. Eine wichtige Einsicht vorweg. Die Ausleger finden in Apg 9,1-19 a meist sowohl eine Bekehrung110 als auch eine Berufung (mit Akzent auf dieser), was angesichts besonders von 26,12-18 und der paulinischen Selbstaussagen verständlich ist. Daß hier eine Alternative liegen könnte, wird offenbar selten empfunden. 109 Zu romanhaften Motiven in der Apostelgeschichte sonst Conzelmann, Apostelgeschichte, 27; E. Plümacher, Untersuchungen zum Verhältnis der Apostelgeschichte des Lukas zur hellenistischen Literatur, ev.-theol. Diss. Göttingen 1967 (masch.), 36-38. 110 Der Begriff ist unbefriedigend, weil er zumindest im durchschnittlichen Gebrauch pietistisch gefüllt ist und in dieser Ausprägung auf Apg 9,1-19 a nicht zutrifft. Ich weiß aber keinen besseren.
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Nur wenige haben betont, daß 9,1-9 nicht auf eine Berufung zielt und 9,17-19a auch keine vollzieht111. Die Formgeschichte zeigt, daß der Text der Struktur nach die Geschichte einer Bekehrung, nicht einer Berufung ist. Daß er trotzdem Elemente einer Berufung enthalten kann, ist dadurch natürlich nicht von vornherein ausgeschlossen. b)
Apg9,3-19a
Die Einleitung V. lf. wurde aus inhaltlichen Gründen schon oben in § 3 besprochen. Kompositorisch gehört sie hierher. Absicht und Reisevorbereitungen des Verfolgers werden ausgeführt, keineswegs aus rein historischem Interesse, sondern als Folie dessen, was folgt. Es folgt die Begegnung des Jägers mit dem Gejagten. Sie entspricht, wenn die oben versuchte Analyse richtig ist, kompositorisch der Begegnung Aseneths mit dem bislang abgelehnten Joseph und ihren Parallelen aus der antiken Romanliteratur. Sie hat aber von daher nicht ihre Form. Daa Verständnis der Form der Christophanie Apg 9,3ff. hat G. Lohfink mit der Beobachtung angebahnt, daß der Wortwechsel zwischen Jesus und Paulus, der in 9,4b-6 par. 22,7-10 par. 26,14-16 fast gleichlautend steht und deswegen oft als historisches Urgestein gilt, ein Formelement der alttestamentlichjüdischen Literatur verwendet 112 . Die Folge von himmlischem Anruf, menschlicher Gegenfrage, himmlischer Selbstvorstellung und Beauftragung kommt sowohl im Alten Testament wie im antiken jüdischen Schrifttum vor 113 , daneben auch eine kurze Fassung ohne Selbstvorstellung und mit einer Meldung statt der Gegenfrage, diese auch zweimal im Neuen Testament, und zwar grade in der Apostelgeschichte 114 . Lohfink hält die Beobachtimg freilich in einer doppelten Engführung. Erstens: Lohfink definiert den Wortwechsel als „Erscheinungsgespräch". Er kommt aber nicht nur bei Gottes- und Engelerscheinungen, sondern auch profan vor, was Lohfink weiß, aber nicht berücksichtigt 115 . Was 111 J. Wagenmann, Die Stellung des Apostels Paulus neben den Zwölf in den ersten zwei Jahrhunderten (BZNW 3), Gießen 1926, 76f.; E. Hirsch, Die drei Berichte der Apostelgeschichte über die Bekehrung des Paulus, ZNW 28 (1929), 305-312: 307; Klein, Die zwölf Apostel, 145-151; vgl. auch Stählin, Apostelgeschichte, 131-138. Nach Hirsch K.-O. Eckart, Urchristliche Tauf- und Ordinationsliturgie (Col 1,9-20 Act 26,18), Theologia Viatorum 8 (1961-62), 23-37: 30f. 112 Darstellungsform, 246-257. 113 Gen 31,11-13; 46,2f.; E x 3,4-10; J u b 4 4 , 5 ; 4.Esra 12,2-13; J A 14,6-8; ApkAbr 8,2-5; 9,1-5; vgl. Poimandres Iff. 114 Gen 22,1 f. l l f . ; l.Sam 3,4-14; J u b 18, l f . 10f.; ApkAbr 11,3-5; 12,6f.; 14,1-3. 9f.; 19,1-3; 20,1-3; ApkMos41; TestHi 3,1 f.; Apg9,10f.; 10,3-5. us Ygi_ Darstellungsform, 248 A. 7. Für die vollständige Form (mit Selbstvorstellung) kann ich nur Gen 27,18f. L X X nennen (vgl. noch l.Sam 26,14f.): εϊπεν Sé Πάτερ, ó δέ είπεν 'Ιδού έγώ· τις εΐ σύ, τέκνον; καΐ είπεν 'Ιακώβ τω πατρί αύτοϋ Έ γ ώ Ήσαϋ ê πρωτότοκός σου- έποίησα καθά έλάλησάς μοι· άναστάς κάθισον καΐ φάγε της θήρας μου, δπως ευλόγηση με ή ψυχή σου. Beispiele für die kurze Form gibt es viele: Gen 22,7; 27,Iff.; l.Sam 1,8 L X X (anders MT); 3,16f.; Tob 2,3 S; 6,11 S (bemerkt auch von Lohfink, Darstellungsform, 251 A. 18); J A 4,3-6 (verdoppelt, vgl. 4,3f. mit 4,5ff.); vgl. Hen 106,8f.
l b ) Exkurs: Die Form der Christophanie Apg 9,3ff.
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er zu fassen bekommen hat, ist keine „Darstellungsform für Gotteserscheinungen", sondern einfach ein Schema, um eine Mitteilung, gelegentlich auch ein Gespräch, anfangen zu lassen. Was für eins, muß die jeweilige Situation zeigen. Zweitens: Lohfink erklärt das „Erscheinungsgespräch" Jesu mit Paulus Apg 9,4b-6 par. für Septuagintanachahmung (und zwar durch Lukas selbst, worauf es im gegenwärtigen Zusammenhang nicht ankommt) n e . Aber die Form ist ja auch im nachbiblischen jüdischen Schrifttum lebendig 117 , und zumindest die kurze Fassung kommt noch Apg 9,10 und 10,3f. vor (von Lohfink auch für lukanisch gehalten). Nach Lohfink handelt es sich freilich auch bei den antiken jüdischen Belegen um Nacherzählung oder Nachbildung des Alten Testaments ; nur J A 14,6-8 und TestHi 3, l f . liege „wirklich freier Gebrauch der Form" vor 118 . Aber das reicht ja doch, um jedenfalls für möglich zu halten, daß auch A p g 9 , 4 b - 6 nicht direkt auf die Septuaginta und überhaupt nicht auf eine literarische Anregung, sondern auf eine lebendige Erzählfigur zurückgreift, zumal es sich doch nicht um einen alttestamentlichen Stoff oder um eine alttestamentliche Gestalt handelt — es sei denn, es gäbe Indizien, die auf die Septuaginta wiesen. Nun hebt Lohfink allerdings eine „entscheidende" Einzelheit heraus: die nachbiblischen jüdischen Belege ließen den Menschen durchweg mit „siehe (hier bin) ich" antworten, wie es auch das hebräische Alte Testament tut. Wenn Apg 9,5 dagegen τις ei, κύριε ; hat, dann sei das Weiterentwicklung des von der Septuaginta an den drei vollständigen Belegstellen Gen 31,11; 46,2; Ex 3,4 gelesenen τί έστιν; 119 . Aber J A 14,7 hat auch τις εΐ σύ (neben ιδού έγώ, vgl. 14,5 τις έστιν ó καλών με) 120 ; die Frage ist in beiden Fällen berechtigt, denn es kommt eine Himmelserscheinung zu jemandem, dem sie fremd ist. Apg 9,4b-6 muß also nicht bewußte Nachbildung des Alten Testaments sein; es kann sich ebensogut um die Benutzung einer zwar aus dem Alten Testament stammenden, aber konventionell gewordenen Figur handeln. Das Vorkommen in J A und TestHi scheint mir zusammen mit dem reichlichen Gebrauch in ApkAbr für die zweite Möglichkeit zu sprechen 121 . Sieht man weiter die Parallelen daraufhin durch, wo nicht nur die Worte ähnlich wie in Apg 9,4b-6 gewechselt werden, sondern das auch in ähnlicher Situation, dann scheiden die alttestamentlichen Stellen wiederum aus. Sie sind bloß eingekleidete Mitteilungen. A p g 9 , 4 b - 6 ist dagegen Teil einer Christophanie, bei der die Erscheinung selber wirksamer Bestandteil der Erzählung ist. Ähnliches liegt nur an einer Stelle des bisher bekannten Materials vor: in J A 14,Iff. Hier ist die Ähnlichkeit so groß, daß sie ein Urteil über die Form von Apg 9,3-6 erlaubt.
116
Darstellungsform, 251-256. — Zur Autorfrage u. unter 2b. Das Material schmilzt zusammen, wenn man sieht, daß die doch wohl späte ApkAbr, typisch epigonal, im „Erscheinungsgespräch" gradezu schwelgt (8 Belege). Übrigens handelt es sich 11,3-5; 12,6f.; 14,lff.9f. nicht um neue Erscheinungen, sondern um Gesprächseröffnungen durch einen Abraham ganz offen begleitenden Engel. 118 Darstellungsform, 252. 118 Darstellungsform, ebd. So auch Apg 10,4, was Lohfink als Bestätigung ansieht. 120 Was Lohfinlc, Darstellungsform, 252 A. 28, sieht, aber nicht ernst nimmt. 121 Das schwächt auch Lohfinks Plädoyer für Lukas als den Verfasser. Unhaltbar jedenfalls: „Es wirft viel Licht auf den Christusglauben eines Mannes, wenn er in eine Formel, die vom « Gott der Väter » sprach, den Namen Jesu setzen konnte" (S. 257). 117
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90 J A 14,1-9 122 1
2
3
4 5
6
7
8
Και ώς έπαύσατο Άσενέθ έξομολογουμένη τω κυρίω, ιδού δ εωσφόρος άστήρ άνέτειλεν έκ τοϋ ούρανοϋ κατά άνατολάς. καΐ εϊδεν αύτόν Άσενέθ καΐ έχάρη καί εϊπεν Spa έπήκουσε κύριος ό θεός της προσευχής μου, διότι ό άστήρ ούτος άγγελος καί κήρυξ τοϋ φωτός της μεγάλης ήμέρας άνέτειλεν. καί ϊτι έώρα Άσενέθ, καί Ιδού έγγύς τοϋ έωσφόρου έσχίσθη δ ούρανδς καί έφάνη φως μέγα καί άνεκλάλητον123. καί εΤδεν Άσενέθ καί ίπεσεν έπΐ πρόσωπον έπί την τέφραν · καί ήλθεν άνθρωπος έκ τοϋ ούρανοϋ καί ϊστη ύπέρ κεφαλής Άσενέθ. καί έκάλεσεν αύτήν καί εϊπεν Άσενέθ Άσενέθ. καί εϊπεν· τις έστιν δ καλών με, διότι ή θύρα τοϋ θαλάμου μου κέκλεισται καί δ πύργος υψηλός έστιν καί πώς άρα είσήλθεν είς τόν θάλαμόν μου; καί έκάλεσεν αύτην δ άνθρωπος έκ δευτέρου λέγων Άσενέθ Άσενέθ. καί εϊπεν Ιδού έγώ, κύριε· τις εΐ σύ άνάγγειλόν μοι. καί εϊπεν δ άνθρωπος· έγώ είμι δ άρχων τοϋ οίκου κυρίου καί στρατιάρχης πάσης στρατιάς τοϋ ύψιστου. άνάστηθι καί στήθι έπΐ τούς πόδας σου, καί λαλήσω πρός σε τά ^ήματά μου.
Apg 9,3-8 Έ ν δέ τω πορεύεσθαι έγένετο αύτόν έγγίζειν τή Δαμασκω,
4
έξαίφνης τε αύτόν περιήστραψεν φως έκ τοϋ ούρανοϋ, καί πεσών έπΐ τήν γήν
ήκουσεν φωνήν λέγουσαν αύτφ·
6
Σαούλ Σαούλ, τί με διώκεις; εϊπεν δέ· τις εΐ, κύριε; δ δέ· έγώ είμι Ίησοϋς δν σύ διώκεις·
β
άλλά άνάστηθι καί εϊσελθε είς τήν πόλιν, καί λαληθήσεταί σοι δ τί σε δει ποιεΐν.
12ί Kritisch rekonstruierter Text (Burchard, Zum Text, 31-34), wie er statt 58,12-69,14 Batiffol gelautet haben dürfte. 123 Scheint erst im 1. J h . n.Chr. belegt eu sein (so Bauer, Wörterbuch 6 , Sp. 127; Liddell - Scott, Lexicon, 131; im NT nur l.Petr 1,8) und spricht daher wie andere Vokabeln (Untersuchungen, 148-151) gegen eine Entstehung von J A lange vor der Zeitwende.
lb) Exkurs: Die Form der Christophanie Apg 9,3ff. 7
• καΐ έπήρεν τήν κεφαλήν αύτής Άσενέθ· καΐ είδεν . . .
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oí δέ άνδρες ot συνοδεύοντες αύτω είστήκεισαν ένεοί, άκούοντες μέν της φωνής, μηδένα δέ θεωροϋντες. ήγέρθη Sè Σαϋλος άπό της γης, άνεφγμένων δέ των όφθαλμών αύτοϋ ούδέν ίβλεπεν
Die beiden Texte laufen im Aufbau ziemlich parallel, wenn man von der Verdoppelung der ersten Anrede und Gegenfrage J A 14,4 f. 6 f. absieht, nur daß Apg 9 karger und straffer formuliert. Licht leuchtet aus dem Himmel, ein Mensch fällt zu Boden, wird zweimal mit Namen angerufen, fragt „wer bist du?", muß wie Gen 27,18 der blinde Jakob so fragen, weil er niemanden sieht, erhält Antwort (in J A ohne Namen) und wird geheißen, wieder aufzustehen, womit die Ankündigung eines λαλεΐν verbunden ist. Das heißt: die Christophanie bei Damaskus ist nach dem Schema einer Angelophanie gestaltet, wie es J A 14,1-8 vorliegt 124 . Wie da« Schema benutzt ist, muß sich im folgenden zeigen.
Mit 9,3 h) δέ τω πορεύεσ&αι έγένετο αύτον έγγίζειν τη Δαμασκφ wird ein neuer Schauplatz eingeführt (Abreise und Reise sind übersprungen). Ähnlich leitet Lukas Perikopen bzw. Episoden auch Lk 18,35; 19,29; Apg 10,9 ein. Nach diesen und anderen Stellen bei Lukas125 bedeutet V. 3, daß Paulus vor Damaskus angekommen ist, wie es auch V. 6, vgl. 8, voraussetzt; anders 9,17.27; 22,6; 26,12f. Da umblitzt ihn plötzlich Licht aus dem Himmel. Der Satz, mit τε dem vorigen eng verbunden, gehört noch zur Exposition. Licht ist als Auftakt (und Begleitphänomen, z.B. Lk2,9; Apg 12,7) einer himmlischen Erscheinung geläufig; so auch JA 14,2f.9. Es geschieht also Übernatürliches, aber das in normaler Form; das Licht kündigt nicht etwa den himmlischen Kosmokrator a n m . Vorausgesetzt ist offenbar, was JA 14,2 ausspricht: daß sich der Himmel gespalten hat und das himm121 Damit ist nicht bestritten, daß auch andere Texte wie etwa Dan 10 und äthHen 14,8ff. (hierziiMunck, Paulus und die Heilsgeschichte, 22-26) Parallelen zu Einzelheiten bieten. 125 F. Rehlcopj, Die lukanische Sonderquelle. Ihr Umfang und Sprachgebrauch (WUNT5), Tübingen 1959, 41.44-46. 128 Daß es sich um ein „altes mythologisches Erzählungsmotiv" handelt (Windisch, Christusepiphanie, 15) oder um den „Abglanz der Lichtherrlichkeit Gottes" (Stählin, Apostelgeschichte, 134), gilt für das Motiv an sich, aber nicht an dieser Stelle (anders Lk 2,9?). Schon gar nicht darf man herauslesen, daß das Licht „Gnade" sei, weil die Erscheinung Christi selber den Tod gebracht hätte; das hätte sie nach 22,17f. ; 26,12-18 zumindest in Lukas' Verstand durchaus nicht, περιαστράπτειν (im NT nur hier und 22,6) scheint vor Lukas nur 4.Makk 4,10 (άγγελοι περιαστράπτοντες τοις δπλοις) vorzukommen (Bauer, Wörterbuch 6 , Sp. 1280; Liddell-Scott, Lexicon, 1368). Da άστράπτειν „blitzen, glänzen, funkeln" heißt (Bauer, Sp. 234), ist nicht einzusehen, warum er und viele andere περιαστράπτειν mit „umstrahlen" statt mit „umblitzen" übersetzen. Was genau gemeint ist, bleibt freilich offen — zuckendes Licht, ein einmaliger Blitz oder (am ehesten) blitzartiges Aufleuchten? Vgl. Apk 4,5.
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lische Licht herausdringt127; es kommt nicht etwa von einer den dann Erscheinenden umgebenden Gloriole oder (vgl. Dan 10,6; JA 14,9) von seinem Gesicht, denn dann könnte kaum davon die Rede sein, daß es Paulus umblitzt. Das Ganze geschieht „plötzlich", was hier auch heißt: unversehens. Es trifft einen Nichtsahnenden, so wie sich etwa bei Xenophon I 3,1 der gotteslästerliche Habrokomes plötzlich Anthia, und das heißt Eros, gegenübersieht. Mit dem nächsten Satz, dessen Subjekt jetzt Paulus ist, beginnt die eigentliche Handlung. Doch folgt zunächst noch ein begleitender Umstand im Partizip: Paulus „stürzte zu Boden"128. Der Zug ist konventionell (z.B. Dan 10,9; JA 14,3.10) und markiert physische Schwäche ebenso wie Erschrecken, welches in analogen Berichten noch extra erwähnt sein kann (z.B. JA 14,10; Lk 1,12; Apg 10,4); er schließt ein, daß Paulus mit dem Gesicht am Boden liegt und schon deswegen nichts sieht, auch wenn nicht aus Y. 8 hervorginge, daß er die Augen geschlossen hielt, und zwar während des ganzen Wortwechsels V. 4b-6; JA 14,3-8 ist es ebenso. Dazu paßt, daß die Blendung erst in V. 8 berichtet ist, als Paulus auf Jesu Geheiß hin aufsteht und die Augen aufmacht ; erst jetzt merkt er, daß er geblendet ist. Da er das von Anfang an war, ist die vieldiskutierte Frage, was Paulus denn nun gesehen habe, nach Y. 3-9 nur so zu beantworten : außer dem Licht nichts129; anders wiederum 22,14f.; 26,16. Zu Boden gestreckt, das Gesicht zur Erde, die Augen geschlossen, „hörte er eine Stimme" (vgl. TestHi 3,1). Von Herabsteigen ist nichts gesagt; die Stimme ruft offenbar vom Himmel herab130. Jesus ist also nicht etwa Paulus, womöglich ihm den Weg versperrend, auf der Straße entgegengetreten131. Zumindest kann Lukas das nicht haben sagen wollen; seit der Himmelfahrt ist Jesus für ihn im Himmel und wird von dort erst zur Parusie wiederkommen (Apg 1,11; 3,21). 127 y g i . w. C. van Unnik, Die „geöffneten Himmel" in der Offenbarungevision des Apokryphons des Johannes, in: W. Eltester-F. H. Kettler (Hrsg.), Apophoreta. Festschrift für Ernst Haenchen zu seinem siebzigsten Geburtstag am 10. Dezember 1964 (BZNW 30), Berlin 1964, 269-280. 129 Paulus reist offenbar zu Fuß ; er fällt nicht vom Pferd. 129 Conzelmann, Apostelgeschichte, 57 ; ältere Autoren bei Pjaff, Bekehrimg, 147 f. Daß Paulus im Licht (was nur ganz zu Anfang geschehen sein kann) die Gestalt Jesu erblickt habe, ist deswegen ausgeschlossen, weil nach 22,9 (vgl. 26,13) auch die Mitreisenden das Licht sahen, das im übrigen doch wie in JA u. ö. rein präliminar ist. Auch aus dem κύριε V. 5 läßt sich dergleichen nicht erschließen (gegen Haenchen, Apostelgeschichte®, 270; Stählin, Apostelgeschichte, 134f., u.a., s.u.). 130 Auch wenn nur λέγουσαν (vgl. Lk 9,35 add. Mk 9,7) dasteht. Die Engel JA 14,3ff. und Apg 10,3 steigen herab. Entsprechend ist auch ihr Weggang JA 17,8 und Apg 10,7 (vgl. Lk 2,15) ausgesagt. 131 έν τη όδώ (9,17.27) bzw. κατά τήν όδόν (26,13) heißt „unterwegs", nicht „auf der Straße".
ib) Apg 9,3-19a
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Trotzdem hat Paulus nicht nur eine Audition, sondern eine unmittelbare Begegnung mit Jesus132. An Direktheit ist ihr in der Apostelgeschichte nur Stephanus' Schau des Menschensohns im offenen Himmel vergleichbar (7,55f.). Aber sie ist ein dem sterbenden Märtyrer gewährter Blick in die Welt Gottes, auf deren Schwelle er steht. Zu Lebzeiten sieht niemand dergleichen133. Wenn der Kyrios sich direkt an die Seinen wendet, dann durch οράματα wie 9,10.12; 10,3; 11,5; 16,9; 18,9 u. ä., die von der Christophanie (wie auch von 7,55f.) schon durch die Bezeichnung qualitativ verschieden sind134. Als unmittelbare Begegnung mit Jesus ist die Christophanie allein den Erscheinungen des Auferstandenen vergleichbar, ohne daß sie eine solche sein sollte136. Dies schon deswegen kaum, weil sie bei aller Direktheit ein Treffen auf Distanz und mit Beschränkung ist. Jesus bleibt im Himmel und Paulus bekommt ihn nicht zu sehen, was für eine Ostererscheinung unabdingbar ist, sondern nur zu hören. Der Wortwechsel V. 4b-6 folgt, wie gezeigt, einem in der alttestamentlich-jüdischen Literatur beheimateten Schema, aber mit kennzeichnenden Abweichungen. So steht am Anfang in V. 4 b die Anrede „Saul, Saul"13β nicht allein, sondern hat eine Frage nach sich : „Warum verfolgst du mich?" (wörtlich gleich 22,7; 26,14). Die Frage ist formwidrig, aber sachgerecht. Der Wortwechsel ist nicht wie üblicherweise sonst unprovoziert, sondern geschieht während eines Gegenschlags gegen den Verfolger. Kompositorisch betrachtet entspricht er Cupidos Strafpredigt an Psyche (Apuleius, Met. V 24,3-5) und Josephs Ab132
Gegen Ph. Seidenaticker, Die Auferstehung Jesu in der Botschaft der Evangelisten. Ein traditionsgeschichtlicher Versuch zum Problem der Sicherung der Osterbotschaft in der apostolischen Zeit (SBS 26), Stuttgart 1967, 37. 193 Anders N. Brox, Zeuge und Märtyrer. Untersuchungen zur frühchristlichen Zeugnis-Terminologie (SANT 5), München 1961, 62f. : eine „charismatische Begabung" des Geistträgers. Aber auch er betont, daß keine Parallele zu den Auferstehungsvisionen vorliegt (gegen J. Bihler, Die Stephanusgeschichte im Zusammenhang der Apostelgeschichte, Münchener Theologische Studien I. Hist. Abt. 16, München 1963, 234). 134 Nicht zufällig nennt Lukas diese in 26,19 ¿πτασία. Nicht beachtet von E. Benz, Paulus als Visionär. Eine vergleichende Untersuchung der Visionsberichte des Paulus in der Apostelgeschichte und in den paulinischen Briefen (Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz. Abhandlungen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Klasse 1952, 2), Wiesbaden 1952, der das Damaskuserlebnis und Paulus' weitere Schauungen unter dem Begriff Vision zusammenfaßt und behandelt. 135 Damit ist noch nicht gesagt, daß hier Lukas' eigene Meinung deutlich wird oder daß er womöglich differenzierend eingegriffen hätte; wie er selbst Damaskus verstand, wird sich erst an 26,12-18 zeigen. 1311 Anrede mit verdoppeltem Namen noch Lk 10,41;22,31,vgl.8,24,und öfter im NT. Sie ist schon im antiken Judentum häufig, z.B. Jub 18,1.10; 23,3; 44,5; syrApkBar 22,2; LXX 1.Sam 3,4. 6; JA 14,6; TestLevi 2,6a; ApkAbr 8,2; 9,1; 19,1; 20,1; ApkMos41; TestHi 3,1 u. ö. Rabbinische Belege bei Q. Dolman, Die Worte Jesu I 2 , Leipzig 1930 = Darmstadt 1965, 186.
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lehnung des Kusses, den Aseneth ihm geben will (JA 8,5-7) 137 . Man darf deshalb aus der Frage keine Identifizierung Jesu mit seinen Jüngern heraushören1SS. Auch der neutestamentliche Sprachgebrauch spricht nicht dafür. Christenverfolgung wird nie als Verfolgung Jesu bezeichnet. Paulus selber gebraucht die stereotype Wendung „ich habe die Gemeinde Gottes verfolgt" o.a.18®. Auch bei Lukas ist „Jesus verfolgen" sonst nicht mehr belegt (allenfalls Apg26,9). Im Neuen Testament sagt nur Johannes so, meint allerdings den Irdischen, nicht den Auferstandenen140. Die Wendung scheint spät zu sein; sie setzt wohl den vertrauten Umgang des Auferstandenen mit den Aposteln voraus, der überlieferungsgeschichtlich späte Stücke wie Joh 21,15 ff. ; 2.Petr 1,16-18 und die außerkanonische Tradition kennzeichnet141. Wenn also „warum verfolgst du mich?" wörtlich zu nehmen ist, dann bezieht sich der darin enthaltene Schuldvorwurf nicht auf Untaten, die Paulus als Verfolger an Christen begangen hätte. Seine Schuld liegt nicht in Einzelheiten, sondern in einer Gesamthaltung, der Ablehnung Jesu, das heißt, nicht im Moralischen, sondern im Existentiellen. Sie ist Hybris, die durch die Ahnungslosigkeit, die ihre Kehrseite ist, moralisch sogar entschuldigt, faktisch aber zur Theomachie verschärft wird. Es ist denn auch, um das vorwegzunehmen, sachgerecht, daß Apg 9,1-19a nicht von Sünde und Vergebung spricht (anders l.Tim l 142 ). Natürlich schließt die Taufe, die Paulus am Ende empfängt (V. 18), die Vergebung ein (22,16 wird das ausdrücklich sagen), aber der Empfang der Vergebung ist ebensowenig wie die Geistbegabung die Essenz dessen, was Paulus bei Damaskus widerfährt143. Nicht Sünde und Vergebung, sondern Ablehnung des verkannten Jesus und Unterwerfung unter den sich offenbarenden bilden das Spannungsfeld, in dem diese Bekehrung stattfindet (was im übrigen mutatis mutandis dem Bild entspricht, das die Apostelgeschichte auch sonst bietet144). 137 Vgl. Windischa Hinweis auf die Klage verfolgter Gottheiten II. 22,8ff. ; Vergil, Aeneis 3,22ff. (Christusepiphanie, 17-19); Nestle, Legenden, 264-267. Dagegen scheint mir l.Sam 24,8ff. ; 26,17ff. formal zu weit abzuliegen, obwohl auch dort ein Saul betroffen ist. 188 So J. Jeremias, The Key to Pauline Theology, ET 76 (1964/65), 27-30: 30; J. Munch, The Acts of the Apostles (The Anchor Bible 31), Garden City, N.Y. 1967, 81, die, weil sie das Wort für historisch halten, hier einen Ansatzpunkt für Paulus' Vorstellung vom Leib Christi sehen ; s. auch Stanley, Paul's Conversion, 325. Die lukanische Christologie läßt eine Identifizierung Jesu mit seinen Jüngern ohnehin nicht zu. — Vgl. dagegen θ-εομάχοι Apg 5,39 ? S. o. § 3,3. 140 Joh 5,16; 15,20; vgl. IgnTrall 9,1. M k l , 3 6 gehört nicht hierher. ι« Ygi_ auoh i.Joh 1,1. — J. Jeremias verweist mich dagegen auf Lk 10,16; Mt 25,3Iff. 142 S. u. unter 3 a. 143 So mit Recht schon Windisch, Christusepiphanie, 9, mit Hinweis auf den Gegensatz zu 4.Makk 4,12. 144 S. u. unter ld.
l b ) Apg 9,3-19a
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Paulus antwortet auf Jesu Frage nichts, sondern fragt dagegen: „Wer bist du, Herr?" (V. 5). Die Gegenfrage war mit der Form gegeben lind ist hier schon insofern berechtigt, weil Paulus ja niemanden gesehen hat (daß die Frage deutlich macht, wer spricht, ist nicht beachtet, was unterstreicht, daß sie formgeschichtlich ein Einsprengsel ist). „Herr" ist also nicht „Herr (Christus)" und schließt nicht ein, daß Paulus nun doch Jesus im Licht erkannt hätte, sondern ist die Anrede, die jeder Himmelserscheinung gebührt und wie sie Engel bei Lukas (Apg 10,4) und anderswo ganz selbstverständlich erhalten, also nicht einmal eine besonders hohe Titulatur145. Auf Paulus' mit der Form gegebene Gegenfrage folgt die ebenso formgemäße Selbstvorstellung mit έγώ είμι, Namen114 und einer Charakterisierung: „Ich bin Jesus, den du verfolgst." Wiederum ist aber eine Abweichung vom Schema zu beachten. Jesus stellt sich nicht als der vor, der er ist, der Kyrios oder, wie es Lukas' Christologie besonders entsprechen würde, als der Christus oder der zukünftige Richter147, sondern als der, als den Paulus ihn schon kannte, aber nicht anerkannte. Er erschien nicht allein, um sich zu offenbaren, sondern um Paulus zu erschüttern. Die Worte setzen fort, was mit der physischen Niederwerfung bereits begann. Der Verfolgte gibt jetzt seinem Verfolger Befehle: „Steh auf und geh in die Stadt, und es wird dir gesagt werden, was du tun sollst" (V. 6). Die Worte haben ihre Schwierigkeiten. „Tun" kann nicht auf Paulus' Predigttätigkeit vorausweisen. Dergleichen ist nach dem Duktus der Geschichte nicht zu erwarten, und es wird Paulus auch im folgenden nichts davon gesagt; anders wieder 22,10; 26,16-18. Freilich wird Paulus überhaupt nicht mit ausdrücklichen Worten bedeutet, daß er etwas tun soll. Als indirekte Ansagen kommen die Vision in V. 12 und Ananias' Worte in V. 17 in Frage; das „Tun" wäre im ersten Fall, den wirklichen Ananias zu erwarten, im zweiten, sich taufen zu lassen. In 22,10 meint „es wird dir gesagt werden" Ananias' Worte V. 14-16 (allerdings in erster Linie V. 14f., nicht die Taufaufforderung V. 16); wenn 9,6 auch so zu verstehen ist, dann ist an das „Tun" zu erinnern, nach dem Bekehrungswillige in 2,37 und 146 Daß nur ein Polytheist, kein Jude gefragt haben würde, welcher Kyrios vom Himmel zu ihm sprach (vgl. l.Kor 8,5), und die Geschichte "in the first place a story of the conversion of a heathen persecutor of the Church to Christianity" war (J. C. O'Neill, The Theology of Acts in its Historical Setting, London 1961, 132f.), ist darum ausgeschlossen. 116 Gott und Engel nennen in den ο. A. 113 genannten Parallelstellen ihre Namen nicht, wohl aber Esaù Gen 27,19. Aseneths himmlischer Besucher nennt JA 14,8 nur seine Funktion und lehnt später (Zusatz zu 15,12) ab, seinen Namen zu sagen (wie die Engel Ri 13,6.17f. [vgl. Pseudo-Philo, Lib. ant. 42,10]; TestLevi 5,5f.). 147 S. u. §6,1.
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16,30 fragen, worauf die Antwort „Tut Buße und laßt euch taufen" (2,38) bzw. „glaube an den Herrn Jesus" (16,31) heißt148. Es bleibt freilich, daß Ananias in 9,17 von einem Tun nicht spricht. So ist immerhin erwägenswert, ob 9,6 nicht doch auf Y. 12 vorausweisen soll. In jedem Fall erhält Paulus einen blinden Auftrag. Jesus hatte ihm offenbar nichts zu sagen, anders als der Auferstandene seinen Jüngern nach Ostern. Diese „inhaltliche Leere" des Befehls fällt besonders auf, wenn man in Apg 9,1-19 a Paulus' Berufung oder seine Bekehrung und Berufung zusammen sieht. Das hat G. Klein, den Blick geschärft durch die Suche nach Anzeichen von Mediatisierung des Paulus, mit Recht herausgehoben und daraus geschlossen, Lukas, den er ohne große Begründung für den Verfasser erklärt, habe Jesus absichtlich so reden lassen, um Paulus „die Bedingung der Möglichkeit" zu nehmen, „seine Bekehrung als mit seiner Berufung identisch zu verstehen", ja, um ihm den Grund dafür zu entziehen, „Berufung und Amt als gottunmittelbar zu begreifen"149. Aber die Geschichte erzählt eine Bekehrung und keine Berufung. Wenn Mediatisierung des Paulus beabsichtigt wäre, dann durch eben diese Tatsache; das ist aber jedenfalls nicht Lukas' Absicht, denn er deutet Damaskus später nachdrücklich als Berufung und läßt auch sonst von der von Klein herausinterpretierten Tendenz nichts spüren. Im Rahmen einer romanhaft erzählten Bekehrung ist eine positive Anweisung Jesu nicht zu erwarten, sondern eher ein Wort analog Cupidos te vero tantum fuga mea punivero (Apuleius, Met. V24,5). Von hier aus betrachtet ist der Befehl, in die Stadt zu gehen, eine Andeutung von Trost (vgl. strukturell Pans Trost für Psyche Met. V 25,5 f. und Josephs Fürbitte für Aseneth JA 8,9). Freilich nur eine Andeutung. Daß Jesus Paulus wie einen Sklaven losschickt, völlig „desorientiert", wie Klein mit Recht sagt, darf nicht übersehen werden. Der selbstherrliche Verfolger muß zunächst stillhalten und dann zeitlebens gehorchen. Mit dem Befehl V. 6 endet die Erscheinimg abrupt ; offenbar schließt sich der Himmel wieder. Jetzt und erst jetzt werden οί άνδρες oí συνοδεύοντες αύτω genannt : Mitreisende (V. 7). Genaueres wird man nicht wissen wollen dürfen; es gibt Stellen, wo Illustration Eisegese ist. Es sind jedenfalls nicht etwa Paulus' Assistenten gemeint150. Die 148 Vgl. Mk 10,17 par.; Lk 10,25.28. Hirsch, Die drei Berichte, 307: „Man kann eigentlich nur annehmen, daß Jesu Wort . . . auf die Taufe geht." 149 Die zwölf Apostel, 146. Zur Verfasserfrage u. unter 2b. 150 Noch Stahlin, Apostelgeschichte, 134f.: Begleitkommando von Tempelpolizisten. Dagegen Haenchen, Apostelgeschichte®, 271: „die Karawanenmitglieder" — aber eine Karawane stellt man sich groß, langsam und mit Kamelen vor. Kuriosum: T. da Castel S. Pietro, Συναιχμάλωτος : Compagno di prigiona o conquistato assieme? (Rom. 16,7; Col. 4,10; Filem. 23), in: Studiorum Pauli-
l b ) Apg 9,3-19a
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„Männer" sind unvermittelt da wie die Männer an der oft in diesem Zusammenhang zitierten Stelle Dan 10,7, die auch aus dem Nichts in einer bis dahin ganz von Daniel allein berichtenden, die Anwesenheit Dritter sogar gar nicht voraussetzenden Geschichte auftauchen (freilich auch anders als die Paulusbegleiter fluchtartig wieder verschwinden). Die Mitreisenden mögen hier als Zeugen eingeführt sein161. Sie stehen sprachlos da162, hörten die Stimme Jesu, sahen freilich niemanden163. Paulus erhebt sich wieder, sieht aber nichts (V. 8). Gäbe es V.8b-9 nicht, so würde man ούδέν έβλεπεν übersetzen: „er sah (von der Erscheinung weiter) nichts" (vgl. Mk9,8par. Mt 17,8); so aber wird es heißen müssen: „er konnte nicht mehr sehen" (auch das Imperfekt deutet darauf). Deshalb müssen ihn seine Mitreisenden an der Hand in die Stadt bringen; in welches Haus, ist nicht gesagt. Die unmittelbare Wirkung der Erscheinung beschränkt sich offenbar auf die Blendung. Daß sie Strafe sein soll, hat Windisch aus der Heliodorlegende erschlossen164, wird aber von den neueren Auslegern mit Recht meist abgelehnt. Dergleichen hätte wohl wie z.B. Pseudo-Arist. 316; Apg 13,11 deutlicher ausgedrückt sein müssen. Grade im Vergleich mit Heliodor fällt auf, wie wenig die physische Seite, die „Niederwerfung des Verfolgers", hervorgehoben ist. Um die „selbstverständliche Folge" der „himmlischen Schau", die deren Wirklichkeit beweisen soll166, handelt es sich freilich wohl auch nicht nur, sondern um Veranschaunorum Congreesus internationalis catholicus 1961 (Analecta Biblica 17-18), I I , Rom 1963, 417-428: 427, erwägt, ob unter den Begleitern einige der Männer waren, die Paulus (dem Verfasser zufolge übertragen) als „Mitgefangene" bezeichnet. — συνοδεύω ist NT-Hapax; vgl. L k 2 , 4 4 έν τη συνοδία. 161 Conzelmann, Apostelgeschichte, 58. ένεός ist NT-Hapax. 168 Chiasmus, wie öfter bei Lukas. — Daß die Begleiter niemanden sahen, ist nicht im Gegensatz zu Paulus zu verstehen, so als ob er jemanden gesehen hätte. Daß sie auch kein Licht sahen, ist nicht gesagt (μηδένα ist maskulinisch) und nur daraus zu erschließen, daß sie nicht niederstürzen. Wenn 22,9 feststellt, daß sie das Licht sahen, aber eine Stimme des Sprechers nicht hörten, so widerspricht nur das zweite ausdrücklich 9,7. Daß hier gemeint sei, die Mitreisenden hätten gehört, aber nichts verstanden (z.B. Billerbeck Π , 690, und noch Stanley, Paul's Conversion, 328f.; Stahlin, Apostelgeschichte, 134; Munck, Acts, 81), ist unerlaubte Harmonisierung. Daß sie sich nicht auf den in 9,7 gebrauchten Genitiv bei άκούειν im Gegensatz zum Akkusativ in 22,9 stützen kann, weil beide Konstruktionen dasselbe bedeuten, ist schon oft gesagt worden (zuletzt H. R.Moehring, The Verb άκούειν in Act I X 7 and X X I I 9, Nov Test 3, 1959, 8099). Auch daß der Konstruktionswechsel an sich in 9,4. 7 und 22,7. 9 andeuten solle, daß die Erfahrungen verschieden waren (Qirlanda, De Conversione Pauli, 78-80), ist zuviel. „Zwar hören, aber niemand sehen" 9,7 schließt ein, daß das Hören vollkommen war. Daß das Hören der Begleiter in 22,9 verneint ist und in 26,12-18 fehlt, dürfte zu Lukas' Interpretation gehören. 154 Christusepiphanie, 6f. Freilich wird Heliodor grade nicht blind (ο. A. 19). 165 Haenchen, Apostelgeschichte®, 271. 7 Burchard, Zeuge
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lichung der „Hilflosigkeit des Mächtigen" 16e . Die Erschütterung geht auch ins Physische. Es folgen drei Tage167 Fasten bei anhaltender Blindheit (V. 9). Auch die Periode der Selbstkasteiung in innerer Ungewißheit gehört zur gegebenen Struktur. Aseneth quält sich sieben Tage lang (JA 10,17)16e. Daß Paulus betete, wird V. 11 rückblickend sagen. Die Vorstellung scheint die zu sein, daß er sich wie Aseneth (JA 11-13) erst am Ende der Bußfrist zum Beten aufrafft. Mit V. 10 wechselt die Szene. Bis V. 17 wird von Ananias und seiner Vision (δραμα) erzählt; darin wird durch das Referat einer Vision, die Paulus hatte, ein Stück Paulushandlung indirekt nachgeholt. Erst in V. 18-19 a wird Paulus wieder Subjekt. Mit der Vision in der Vision, beide übrigens keine Träume und nicht bei Nacht, nimmt die Erzählung nicht selbständig, wie oft angenommen, das im Hellenismus in Geschichtsschreibung, Roman und Heilungsmemorien häufige Motiv des Doppeltraums auf1δβ, sondern folgt weiter der aufgewiesenen Struktur. Was Paulus und Ananias sehen, entspricht wie die doppelte Engelvisite in JA 14ff. dem Doppeltraum, mit dem Isis den Initianden, der sich enthaltsam vorbereitet hat, zur Weihe ruft und gleichzeitig einen Priester zum Initiator bestellt. Hierbei muß, was von den nichtchristlichen Doppeltraumbelegen sonst nicht gilt, die eine Erscheinung natürlicherweise von der anderen sprechen. Doch ist nur eine, die des Initianden, in der Erzählung ausgeführt, wohl aus Gründen der Ökonomie; die andere stellt sich als geschehen heraus, wenn der Initiand mit seinem Initiator Kontakt aufnimmt. Apg 9, lOff. weicht insofern ab, als umgekehrt Ananias' Vision direkt erzählt ist und Paulus' nur indirekt in ihr. Das ist kein unwesentlicher Unterschied. Wenn etwa JA dadurch, daß die Erscheinung vor Joseph nicht erzählt ist (vgl. 19,9), die Einheit des Ortes und der Handlung wahrt lind sie auf Aseneth konzentriert, so lenkt Apg 9,12 umgekehrt von Paulus weg. Das unterstreicht noch einmal, wie wenig er bei diesem Geschehen ein Handelnder ist. 15
· Conzelmann, Apostelgeschichte, 68. Die Zahl ist rund und konventionell; vgl. J. B. Bauer, Drei Tage, Biblica 39 (1958), 354-358; G. Delling, τρεις κτλ., ThWVIII (1969), 215-225. 148 άρτον ούκ ϊφαγεν καΐ ΰδωρ ούκ ίπιεν έν ταΐς έπτά ήμέραις της ταπεινώσεως αύτης (Burchard, Zum Text, 20). Batiffol (S. 53, 3f.) und Philonenko (10,20) haben den Text nur gekürzt. iss Material bei Wikenhauser, Doppelträume (Texte in Übersetzung); Kerényi, Griechisch-Orientalische Romanliteratur, 166; Conzelmann, Apostelgeschichte, 58 ; Merkelbach, Roman und Mysterium, 132 A. 2 u. ö. Doch ist zu beachten, daß die heidnischen Belege alle eben Träume sind, die christlichen meist. Das Motiv im Judentum bisher nur Josephus, Ant. 11,326-335 (aber die korrespondierenden Träume Alexanders d. Gr. und des Hohenpriesters Jaddus liegen Jahre auseinander). m
lb) Apg 9,3-19a
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Ananias wird als „ein Jünger"160 eingeführt. Er ist natürlich Jude, was 22,12 deutlich unterstreichen wird, und zwar Damaszener (9,13). Von 9,1 f. her müßte das heißen: er ist ein von geflohenen Jerusalemern Bekehrter. Der Text sagt freilich nichts dergleichen. Hier wird eine Spannung zwischen Rahmen und Stoff sichtbar, der an diesem Punkt Lukas' Sicht der Entwicklung nicht bestätigt. Ananias tritt im übrigen als einzelner Christ in Erscheinung, nicht als Vertreter der Damaszener Jünger, auch nicht der Kirche schlechthin: er handelt im speziellen Auftrag des Herrn, das heißt Jesu, der ihm erscheint141. Seine Anrede an Ananias und dessen Antwort (V. 10b) folgen dem zu V. 4b-6 besprochenen Wortwechselschemaiea. Ananias wird dann beauftragt, zu dem ihm unbekannten Paulus hinzugehen, dessen Name, Herkunft143 und bisher nicht genannter Aufenthaltsort mitgeteilt werden (V. 11); ähnlich wird Petrus vom Geist geheißen, mit Kornelius' Boten mitzugehen (Apg 10,19f.; 11,12), und der Isispriester Asinius Marcellus in Rom erfährt, während er Osiris' Kultbild schmückt, de eius ore, .. . mitti sibi Madaurensem, sed admodum pauperem, cui statim sua sacra deberet ministrare (Apuleius, Met. X I 27,9). Paulus
hat eine entsprechende Vision gehabt, während er betete, offenbar grade eben : „Er sah einen Mann namens Ananias hereinkommen und ihm die Hände auflegen, damit er wieder sehend würde" (V. 12)144. Nach den Parallelen ist das Gesicht nicht als Blick in die Zukunft, sondern so zu denken, daß ein Engel (oder Christus selbst, vgl. Joh 20,15?) in Ananias' Gestalt (vgl. JA 14,9) vorweg vollzog, was Ananias tun würde. 1,0 Adjektivisches τΙς vor dem Nomen ist lukanisch; ebenso εϊπεν πρός (Rehkopf, Lukenische Sonderquelle, 54 f.). H. Koamala, Hebräer-Essener Christen. Studien zur Vorgeschichte der frühchristlichen Verkündigung (SPB 1), Leiden 1969, 71 A. 14. 19; 341, erklärt Ananias für einen Essener, der erst bei dieser Gelegenheit Christ -wird. 161 Gotteserscheinungen berichtet Lukas nicht. Wenn Stephanus Apg 7,65 „die Herrlichkeit Gottes" sieht, dann wird das bedeuten, daß Gott selbst nicht zu sehen war. lla Da es verbreitet ist, wird die oft zur Stelle zitierte Samuelgeschichte l.Sam 3, Iff. kaum als Vorbild gedient haben, wie noch Haenchen, Apostelgeschichte8, 271 A. 7, erwägt. 1,a Nach G. Kehnacherper, Der Apostel Paulus als römischer Bürger, in : F. L. Gross (ed.), Studia Evangelica Vol. II. Papers presented to the Second International Congress on New Testament Studies held at Christ Church, Oxford, 1961. Part I: The New Testament Scriptures (TU 87), Berlin 1964, 411-440: 418 A. 1, heißt Σαϋλον όνόματι Ταρσέα „Saulus, genannt ,der Tarser'"; aber όνόματι führt den Namen, nicht einen Beinamen ein und gehört hier sicher zu Σαϋλος, vgl. auch V. 12; es ist in V. 11 vermutlich nachgestellt, weil es vorangestellt auch zu Judas gezogen werden könnte. 144 Erscheinungen auf Gebet hin: JA 14,Iff.; ParalJer 6,11 ; Lkl.lOff.; 3,21 f.; 9,28-36; Apg 10,3.30; 22,17. Das Gebet ist also als Bittgebet zu denken, die Vision als Erhörung. Daß Paulus die drei Tage im Gebet verbrachte, ist nicht gesagt. 7·
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Damit weiß Ananias, was er tun soll : Paulus durch Handauflegung wieder sehend machen. Das ist weniger, als er hernach als Auftrag angibt und ausführt (s. u. zu V. 17). Freilich hat Jesus noch nicht alles gesagt. Es ist nicht so, daß Ananias' Vision mit V. 12 abgeschlossen gewesen wäre, wenn er nichts einzuwenden gehabt hätte. In Wirklichkeit muß man weiterlesen. Widerspruch bei einer Beauftragung, bevor alles gesagt ist, ist ein stehender Zug, schon im Alten Testament und auch grade bei Lukas. Der Widerspruch schändet den Widersprechenden meist durchaus nicht (doch vgl. Lk 1,18ff.); er unterstreicht vielmehr die Größe des göttlichen Handelns und seine Unerbittlichkeit, so hier noch einmal, wer Paulus ist und daß Jesus ihn trotzdem haben will. Der Inhalt des Widerspruchs V. 13 f. ist lukanisch; er setzt 8,1-3; 9,1 f. vorauslefi. Ananias will sagen: wenn man den Verfolger wieder sehend macht, verfolgt er doch weiter. Aber grade das wird nicht geschehen, erklärt Jesus in V. 15f., indem er seinen Befehl wieder aufnimmt und sachlich dadurch begründet, daß er ankündigt, was Paulus bestimmt ist 18 ·. Sinn und logischer Aufbau von V. 15 f. sind freilich schwierig. Nach üblicher Auffassung weisen die Verse auf Paulus' Tätigkeit im Dienst Jesu voraus: Dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, der meinen Namen in die Welt tragen soll. Zu solcher Deutung wird man besonders dann geführt, wenn man in Apg 9,1-19 a eine Berufung sucht. V. 15 f. ist die einzige Stelle, an der man zwar nicht eine Berufung finden kann (denn die Worte sind an Ananias gerichtet, der sie nicht weitergibt), aber doch so etwas wie eine Berufung in pectore. Diese Deutung hat aber nicht nur gegen sich, daß dann das „denn" in V. 16 schwierig wird, sondern auch und vor allem, daß sie die Bedeutung von βαστάσαι τό δνομά μου nicht trifft167. Βαστάζειν τό δνομα Ίησοϋ ist traditionelle Wendung. Sie kommt zwar im Neuen Testament nicht mehr, aber in der übrigen altchristlichen Literatur zweimal bei Hermas vor und bedeutet da nicht etwa „predigen", sondern „offen (als Confessor) Christ sein"188. Außerdem hat das einfache 166 Zu ήκουσα άπό πολλών vgl. JA 11,7.10; 24,3. Die Wendung setzt die große Verbreitung der Jerusalemer Geschehnisse voraus. 1,8 Als formale Parallele vgl. vor allem 22,18-21. 1,7 So auch G. Lohfink, «Meinen Namen zu tragen . . .» (Apg 9,16), BZ 10 (1966), 108-115; Vertreter der traditionellen Auffassung S. 109 A. 2; dazu F. Büchsei, βαστάζω, ThW I (1933), 596f.: 597. 168 Herrn sim 8,10,3; 9,28,5. Vgl. φορεϊν τό δνομα Ίησοϋ sim 9,13,2 (2mal). 3 (2 mal) ; 9,14, 5.6 (2 mal) ; 9,16,3, das ganz realistisch das Christsein als Tragen des Namens durch die Taufe bestimmt; vgl. φέρειν τό δνομα Polyk 6,3. Auch hier ist nicht an Mission gedacht (ebensowenig bei den von Lohfmk, S. 110, genannten antiken Belegen für φέρειν όνομα bzw. nomen ferre; dazu die schon von Preuachen, Apostelgeschichte, 58, herangezogene Stelle Ovid, Her. XVI 374). Anders vielleicht das singulare τό δνομα περιφέρειν IgnEph 7,1.
lb) Apg 9,3-19a
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βαστάζειν bei Lukas sonst immer den Unterton des Schleppens, was zu Mission nicht paßt 149 . „Meinen Namen tragen"' ist also nicht Missions-, sondern Märtyrerterminologie (vgl. besonders Herrn sim 9,28,5). Auch die Ortsangabe170 ένώπιον έθ-νών171 τε καί βασιλέων υίών τε Ισραήλ172 paßt nicht zu Paulus' Predigttätigkeit (Israel sollte wie in 26,17 zuerst stehen), zu seinen Leiden freilich auch nur zur Not 173 . An der Deutung des Verses nicht auf Mission, sondern auf das Martyrium ändert das nichts. Von dieser Deutung aus fällt dann auch Licht auf σκεύος εκλογής. „Werkzeug" ist nicht sehr sinnvoll. Σκεύος dürfte wie sonst im Neuen Testament „Gefäß" bedeuten, mit dem Genitiv danach genauer „Gegenstand"174. Faktisch bedeutet der Ausdruck nichts anderes als „Auserwählter". In έκλογή klingt έκλέγεσ&αι an, das bei Lukas für die Auswahl der Apostel steht. Daß dieser Anklang hier gehört werden soll, ist mit Hinweis auf 22,14; 26,16 oft gesagt worden175. Er paßt aber in den Zusammenhang der hier versuchten Auslegung weniger gut, zumal Lukas das Verb mit der Auswahl der Apostel zu Lebzeiten Jesu assoziiert, nicht mit ihrer Erwählung zu Zeugen nach der Auferstehung 1 ", und an den angeführten Stellen 22,14; 26,16 für die analoge Bestimmung des Paulus zum Zeugen nicht έκλέγεσθαι, sondern προχεφίζεσθαι steht. Man wird also die Auserwählung nicht durch den Apostelbegriff, sondern durch den folgenden Infinitiv inhaltlich definiert sein lassen. Auch Leiden, obwohl für die christliche Existenz in der Welt kennzeichnend177, ist Gnade, wie Lukas weiß (Apg 5,41)178. 1,8 170
Lk 7,14; 10,4; 11,27; 14,27; 22,10; Apg 3,2; 15,10; 21,35. ένώπιον bezeichnet nicht die Richtung, sondern den Ort, wie fast überall bei Lukas und im NT (Lohfink, «Meinen Namen zu tragen . . .», 110); so auch, bei missionarischer Auffassung des Verses, Preuechen, Apostelgeschichte, 58f.; Conzelmann, Apostelgeschichte, 58. Reminiszenz von Mt 10,32f. par. Lk. 12,8f. (V. 9 ένώπιον, vgl. Apk 3,5)? Lohfink, S. U l f . , denkt an die Parallele Lk 21, 12-19. 171 So $ 7 < Ν A R E pl gegen των έθνών BC*. Wenn der Artikel nicht ursprünglich ist, dann unterstreicht das, daß hier nicht Paulus' Berufung zum Apostel der Heiden angesagt wird. l'a Vgl, 4,27, nur daß die „Könige" (Herodes und Pilatus) voranstehen. 178 Mit dem Tragen des Namens „vor Heiden und Königen" (vgl. Jer 1,10 L X X A ) müßte Paulus' Schicksal ab Apg 13 (bes. 16; 19f.) gemeint sein, mit dem „vor den Kindern Israel" der Prozeß ab 21, der aber doch grade auch ein Bekennen „vor Königen" war. 174 Vgl. Rom 9,22 f. — έκλογή im NT außer Apg 9,15 nur Rom 9,11 ; 11,5.7. 28; l.Thess 1,4; 2.Petrl,10. Vgl. έκλογης μέρος (die Christen) l.Clem 29,1. Anders etwa: Chr. Maurer, σκεϋος, ThWVEI (1964), 359-368: 365; Haenchen, Apostelgeschichte·, 273; Conzelmann, Apostelgeschichte, 58. Auch bei missionarischer Auffassimg paßt „Werkzeug" nicht bruchlos, denn Apostel und Prediger sind sonst nach der Apostelgeschichte nicht Werkzeuge Christi (u. § 5 A. 15). 175 Z.B. W.Michaelia, προχειρίζω, ThW VI (1959), 863-865: 864 A. 6. 17e 177 S. u. A. 292. Lk 8,13 (u. § 8 A. 20); Apg 14,22 u. ö. 178 Ohne daß Paulus dadurch zu den Aposteln in Parallele gesetzt werden sollte (gegen Girlanda, De Conversione Pauli, 133).
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V. 16 schließt sich an den so verstandenen V. 15 gut an. Das γάρ, als begründendes schwierig m , jedenfalls solange man missionarisch deutet, ist entweder ein weiterführendes180 oder aber es begründet insbesondere die Auserwählung : Paulus ist dadurch ausgezeichnet, daß Jesus selbst181 ihm das Leiden „zeigt". Mit ύποδεικνύναι dürfte hier wie sonst im Neuen Testament kein Weisen von Dingen für die Augen, sondern ein Bedeuten mit Worten gemeint sein182, also weder ein wirkliches Zeigen noch ein Erfahrenlassen durch den Lauf der Ereignisse, sondern ein Mitteilen; und zwar nicht ein für allemal, denn das geschieht in der Apostelgeschichte nirgends, sondern wenn es angebracht ist (z.B. 23,II) 188 . Was Paulus erfahren wird, sagt ein Relativsatz, ,,ύπέρ του ονόματος Ίησοΰ leiden184", ein traditioneller, im Neuen Testament in dieser Form aber nur von Lukas gebrauchter Ausdruck185, ist offenbar wieder Märtyrerterminologie, nicht Missionssprache, wenngleich V. 15 meinen dürfte: am gepredigten, nicht nur am bloßen in Übereinstimmung mit dem Taufbekenntnis bekannten Namen wird Paulus zu tragen haben (vgl. 15,26)18e. Ist das richtig, dann erklärt Jesus in V. 15 f. Ananias nicht, daß Paulus zum Prediger bestimmt ist, und das unter Leiden, was dann womöglich seinen Dienst im Kleinschen Sinn einschränkte, sondern, daß er zum Märtyrer (im Sinn der späteren Unterscheidung zunächst 178
Deutungsversuche bei Klein, Die zwölf Apostel, 148 A. 713; Lohfinlc, «Meinen Namen zu tragen . . .», 112f. 180 So Klein, Die zwölf Apostel, 149, der aber bei der missionarischen Auslegung von V. 15 bleibt; ähnlich Lohfink, «Meinen Namen zu tragen . . .», 113: „Γάρ erklärt . . . das βαστάσαι τό βνομα näherhin als παθεΐν"; das wird aber dem έγώ nicht gerecht. 181 Emphatisches έγώ (anders als etwa 22,21): Klein, Die zwölf Apostel, 149. Ananias soll also Paulus nichts davon sagen. 182 I m NT außer Mt 3,7 par. L k 3 , 7 nur L k 6 , 4 7 ; 12,5; Apg 9,16; 20,35. 183 Freilich: ύποδεικνύναι bezeichnet sonst im NT eine einmalige Sache (Klein, Die zwölf Apostel, 149 A. 717), und an den beiden Stellen, wo noch das Futur steht (Lk 6,47; 12,5), handelt es sich um fut. imminens. — Als Übersetzung dürfte „bedeuten" am besten sein. 184 Lukas hat πάσχειν (abgesehen vom Leiden Jesu) nur Lk 13,2; Apg 9,16; 28,5. Nur 9,16 ist aber Glaubensleiden gemeint (vgl. Phil 1,29); Klein, Die zwölf Apostel, 149. íes Vgl. Herrn sim 9,28,2 (vgl. IgnEph 1,2). πάσχειν διά τοϋ ¿νάματος Herrn vis 3,2 ; sim 9,28,3 ; Polyk 8,2 ; πάσχειν ένεκα τοϋ όνόματος sim 9,28,5. 6 ; vis 3,1. 5. Lukas: Apg 5,41; 21,13 (ähnliches mit διά und ένεκα öfter); vgl. 15,26. ύπέρ τοϋ όνόματος Christi sonst im NT noch Rom 1,5; 3.Joh 7. 186 Etwas anders F. Schütz, Der leidende Christus. Die angefochtene Gemeinde und das Christuskerygma der lukanischen Schriften (BWANT V 9 [89]), Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1969, 109-112, der ύπέρ mit „im Dienst f ü r " übersetzt und meint, daß das Leiden hier und sonst bei Lukas „nicht nur als Folge des Dienstes ,für den Namen' Jesu, sondern selbst als ein solcher Dienst angesehen wird" (S. 110). — L. Legrand, How Much He Must Suffer for My Name (Acts 9,16), Clergy Monthly 31 (1967), 109-111, konnte ich nicht auftreiben.
lb) Apg 9,3-19a
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zum Confessor) erwählt ist, und zwar gegenüber der ganzen Welt, wobei er dadurch ausgezeichnet ist, daß Jesus selbst ihm das Leiden vorweg ansagen wird. Als Antwort auf Ananias' Einwand: Wenn Paulus wieder sieht, verfolgt er doch weiter, die deinen Namen anrufen, bedeutet das : Nein, denn ich habe ihn dazu auserwählt, selber meinen Namen zu bekennen. Der Verfolger wird also zum Verfolgten werden. Daß er es dadurch wird, daß er verkündigt, weiß, wer Paulus kennt, und wird merken, wer weiterliest ; gesagt ist es nicht. Die Verse bleiben im Rahmen einer Bekehrungsgeschichte. Sie fallen auch nicht aus deren vorgegebener Struktur. Ein Ausdruck der Erwählung, der die fernere Existenz im Blick hat, gehört zum Inhalt der obligatorischen Doppelerscheinung (vgl. JAl5,4ff.; 16,16; 19,5ff.; Apuleius, Met. XI 6,5-7; 27,9; 29,4f.). Ihr Tenor ist freilich verheißungsvoll und der Betroffene erfährt selbst von ihr (vgl. JA 16,16 ; Met. XI 6,6) ; Paulus dagegen ist zum Leiden erwählt und bekommt nichts davon zu wissen. Der Unterschied rührt daher, daß Aseneth und Lucius die volle Gnade Gottes am Ende eines notwendigen Leidensweges erfahren, Paulus dagegen von vornherein. Er muß deswegen das Leiden nachholen. Ananias erfährt davon, weil es der Leser erfahren soll; Paulus selber muß es erleben187. Ananias geht dann ohne Zögern in das bezeichnete Haus (ein Beweis dafür, daß es nicht Nacht ist) und legt ohne weitere Vorstellung Paulus die Hände auf, wobei er mit einem Botenspruch erklärt, warum er das tut (V. 17). Die Einleitung „der Herr hat mich gesandt" benutzen Gottesboten (Engel wie Menschen) so oder ähnlich traditionellerweise (vgl. Jdt 11,16. 19; Lk 1,19 usw.). „Herr" ist dort Gott; da er hier Jesus ist, ist ein Zusatz angebracht: „Jesus". Das Attribut „der dir erschien auf dem Weg, auf dem du' kamst" weist auf die Christophanie zurück, führt aber Darstellungselemente ein, die nicht zu 9,3-6, wohl aber zu 26,12-18 passen188. Hier schreibt Lukas. Es folgt ein doppelter Zweck der Sendung des Ananias: Heilung der Blindheit und Geisteserfüllung189. Beim Wort genommen muß das heißen, daß Ananias' Handauflegung nicht nur heilen (vgl. V. 12)1β0, is? Vgl. Habrokomee und Anthia (o. S. 74f.), die zwar heiraten dürfen, was ihnen als Erfüllung des Lebens erscheint (Xenophon I 10,2), trotzdem aber infolge des vorher ergangenen dunklen Unheilsorakels (I 6,2), das sie kennen, aber in ihrem Glück nicht ernst nehmen, auf Reisen geschickt werden, auf denen es ihnen romangemäß übel ergeht. 188 S. u. unter ld. 188 Passives πιμπλάναι mit Genitiv von πνεϋμα (Lk 1,15.41.67; 4,28 ; Apg 2,4 ; 4,8.31; 9,17; 13,9) oder einem Affekt ist lukanisch. Das "Verb kommt im NT außer Mt 22,10; 27,48 überhaupt nur bei Lukas vor. 190 In der Apostelgeschichte wird sonst nur noch 28,8 durch Handauflegung geheilt (andere Jesus im Evangelium), im übrigen dagegen durch das Wort. Handauflegung ist zu Geistmitteilung und Beauftragung da.
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sondern auch den Geist verleihen soll, Paulus also wie Kornelius und seine Leute (10,44; 11,15) den Geist bekommt, bevor er getauft ist. Damit täte Ananias freilich mehr, als er geheißen war (V. 12), und überhaupt etwas innerhalb der Apostelgeschichte Ungewöhnliches, denn sonst berichtet sie nur von Aposteln (und Paulus 19,6), daß sie den Geist vermitteln. Außerdem entspricht die Vollzugsnotiz V. 18 der Ankündigung nur zur Hälfte. Nachdem wie in einer Wundergeschichte191 die sofortige Heilung konstatiert ist, müßte „er wurde des heiligen Geistes voll" kommen, wenn Ananias' Handauflegung auch den Geist verliehe; statt dessen wird Paulus' Taufe berichtet192. So fragt man sich, ob V. 17 nicht einfach locker formuliert ist und sich die doppelte Zweckangabe auf zwei Akte bezieht, die mit dem Botenspruch zusammen vollzogene heilende Handauflegung und die sich daran anschließende geistverleihende Taufe. Von der ihm in V. 15f. offenbarten Bestimmung des Paulus zum Märtyrer sagt Ananias jedenfalls nichts, was, wie gesagt, kaum auf erzählerischer Ökonomie beruht, so daß also kein entsprechendes Wort hinzuzudenken ist 193 . Der Schluß der Perikope unterstreicht so noch einmal den privaten Charakter, den das Damaskuserlebnis hier hat. Christophanie und Ananias' Sendung bewirken an Paulus nicht mehr und nicht weniger, als was sonst Verkündigung an ihren Hörern bewirkt: Paulus läßt sich nach Fasten und Beten taufen und bekommt dadurch den heiligen Geist — wie jeder Christ194. Ein Bezug zu Paulus' kommender Wirksamkeit ist nicht ausdrücklich hergestellt. Der Geist ist die Bedingung der Möglichkeit, daß Paulus predigt, was er alsbald tut (9,19bff.), aber das ergibt sich nur, wenn man vom folgenden Text aus rückblickt. Der Damaskusbericht endet nicht etwa mit einer Demonstration der Geistesmacht des Neugetauften, sondern nüchtern-persönlich mit: „und er nahm Nahrung zu sich und kam wieder zu Kräften" (V. 19a)19B. Das ist eine Privatisierung; eine Mediatisierung ist es nicht. Wenn Ananias Paulus heilt und vermutlich tauft, dann wird Paulus dadurch Glied der Kirche ; doch liegt darauf kein Ton (ebensowenig wie 191 Auf Wundertopik in 9,10-19a und 22,12-16 hat besonders E. Trocmé, Le "Livre des Actes" et l'histoire (Études d'Histoire et de Philosophie Religieuses 45), Paris 1957, 176f., aufmerksam gemacht. 182 Ort und Vollzug interessieren die Geschichte nicht. Daß Ananias mit Paulus an den Barada vor die Stadt gegangen sei (Stählin, Apostelgeschichte, 138), liegt Lukas sicher ferner, als daß die Taufe wie bei Kornelius ( ? ) und beim Kerkermeister im Haus stattfand. 193 Eher als ein solches Wort hätte der Auftrag in V. 17 fehlen können. 1M Also grade nicht eine „pentecoste paulina" (Qirlanda, De Conversione Pauli, 132). iss Vgl. Mk 6,43 (von Matthäus gestrichen, von Lukas Lk 8,55 vor das Erstaunen der Eltern und das Verbot des Weitersagens gestellt); doch ist Apg 9,19 a nicht Demonstration des Wunders.
le) Apg 22,6-16
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etwa beim Eunuchen Apg 8,26-39), und jedenfalls kann ich keine einschränkende Bindung an die Kirche entdecken. Das gilt vor allem im Blick auf Paulus' Verkündigung. Es fehlt jede Andeutung von Übergabe des Kerygmas bei oder nach der Taufe. Wenn Lukas Paulus den Verkündiger und Gemeindegründer hätte mediatisieren wollen, dann hätte er hier eine bequeme Möglichkeit vertan, ihn an die Überlieferung zu binden. Der Text ist von Gesichtspunkten der von Klein für Lukas behaupteten Subordinationstheorie ebenso frei wie von Akzenten, die der historische Paulus gesetzt haben würde. c) Apg
22,6-16
Die zweite Version des Damaskuserlebnisses erzählt Paulus im Anschluß an Werdegang und Verfolgertätigkeit in der Rede vor den Jerusalemern nach seiner Verhaftung. Thema und Anfang der Rede sind oben in §2,2a; 3,1c besprochen. Paulus rechtfertigt sich biographisch gegen den Vorwurf, Tempel und Gesetz mißachtet zu haben; Tenor: ich war und bin ein Eiferer für Gott und Gesetz. Da Lukas die Rede auf das Thema zugeschnitten hat, gleichviel, was er an Tradition für sie benutzte, wird man judaisierende Züge von vornherein auf sein Konto setzen dürfen. Ich hebe im folgenden vor allem die Unterschiede zu 9,3-19 a heraus. Die Erzählung ist wie 9,3-9. 10-19a zweigeteilt (V. 6-11. 12-16); der erste Teil ähnelt 9,3-9 stark. 22,6: Das Verb des ersten Satzes ist wie in 9,3 ein έγένετο, aber „reisen" und „anlangen" sind als Partizipien im Dativ koordiniert. Die Konstruktion ähnelt 10,9; auch sonst finden sich die beiden Verben bei Lukas dicht beieinander (Lk 19,28f. 36f. ; 24,28). Neu sind „um Mittag" und das „beträchtliche" Licht, sachlich Steigerungen, sprachlich lukanisch1M. 22,7f. : Der einführende Wortwechsel zwischen Christus und Paulus entspricht fast völlig 9,4b-5. Neu ist die Apposition „der Nazoräer"; sie paßt gut in eine Rede vor jüdischen Hörern, gehört außerdem in Lukas' Sprachschatz197. 22,9: Was die Begleiter von der Erscheinung merkten, ist anders als in 9,7 nicht erst nach Jesu Auftrag an Paulus gesagt, sondern vorher, und zwar sachlich anders: „die bei mir waren, 1M
μεσημβρία im NT nur noch Apg 8,26. H. J. Cadbury, Some Lukan Expressions of Time (Lexical Notes on Luke-Acts VII), JBL 82 (1963), 272-278: 274f., hält es für möglich, daß „mittags" nicht nur verdeutlichen soll, sondern unbewußter Reflex eines Motivs der griechisch-römischen Mythologie ist (manche Gottheiten erscheinen gern um Mittag; vor allem ist der Mittag Dämonenstunde, vgl. Kerényi, Griechisch-Orientalische Romanliteratur, 256; Apuleius, Met. VI 12,2-4). Ικανός „beträchtlich" ist lukanisch (Lk 6mal, Apg 16mal; Mk lmal; Mt lmal; sonstiges NT 2mal). 197 ó Ναζωραϊος im NT nur Mt 2,23; 26,71; Joh 18,5. 7; 19,19; Lk 18,37; Apg 2,22; 3,6; 4,10; 6,14; 22,8; 26,9; ot Ναζωραΐοι Apg 24,5.
106
§ 4. Die Wende
sahen zwar das Licht, hörten aber nicht die Stimme des zu mir Redenden". Das widerspricht 9,7 im ersten Teil nicht unbedingt, denn das Erblicken des Lichts (mehr sehen die Begleiter nicht) war dort nicht ausgeschlossen, wohl aber im zweiten: nach 9,7 hörten die Begleiter durchaus, was gesagt wurde, hier nicht. V. 10 spielt sich also nur zwischen Jesus und Paulus ab. Formgeschichtlich betrachtet stören die Begleiter hier; ihre Reaktion gehört an den Schluß wie in 9,7; in 22,9 zerreißt sie das Wechselgespräch. 22,10: Das Gespräch muß neu ansetzen. Die Frage „was soll ich tun, Herr?" weist auf den Auftrag voraus, der gleich gegeben wird. Er lautet statt άνάστηθι καΐ εΐσελθε (9,6) άναστάς πορεύου. Das mag bloß anderer Stil sein, doch könnte πορεύου einen längeren Weg bis nach Damaskus voraussetzen 198 . Einen sachlichen Unterschied besagt jedenfalls „und dort wird dir (Bescheid) gesagt werden über alles, was dir zu tun verordnet ist" statt „und es wird dir gesagt werden, was du tun sollst". „Alles" und „verordnet sein" können nicht die Taufaufforderung in V. 16 meinen, sondern müssen auf den in Y. 14f. angekündigten Dienst gehen. 22,11 : Der Vers entspricht 9,8, ist aber viel kürzer. Neu ist „vor dem Glanz des Lichts"; auch hiernach ist also die Blendung wie wohl in 9,8 f. keine Strafe, auch wenn die Begleiter nichts dergleichen betrifft 1M. Anders als in 9,8 ist Paulus Subjekt, χεφαγωγούμενος ύπο των συνόντων μοι könnte lukanisch sein200, ήλθον erlaubt, auch hier an einen weiten Weg bis nach Damaskus zu denken. 9,9 hat in 22 keine Parallele. V. 12-16 weichen von 9,10-19a stark ab. 9,10-16 entspricht in 22 nichts; es fehlt nicht nur der Wortwechsel zwischen Ananias und Jesus, von dem Paulus nichts wissen kann, weil Ananias ihn nicht erzählte, sondern auch Paulus' dreitägiges Fasten in Judas' Haus. Ananias schneit scheinbar herein; in Wahrheit ist 9,9-16 vorausgesetzt. 22,12: Ananias wird mit einer Charakterisierung eingeführt, die in 9,10 nicht stand: „ein frommer Mann nach dem Gesetz, der von allen dort wohnenden Juden ein (gutes) Zeugnis bekam." Sie entspricht der Situation der Rede. Die Sprache ist lukanisch 201 ; im 188
S. u. unter 1 d. Ich sehe keinen Anlaß, mit Stanley, Paul's Conversion, 330-332, δόξα auf die göttliche Glorie des Auferstandenen zu deuten und daher die Fassung 22,5-16, die Lukas nach Stanley selbst hörte, durch eine religiöse Deutung der Blindheit charakterisiert zu finden. 200 συνεΐναι im N T nur noch Lk 9,18 (add. M k 6 , 4 6 ) ; χειραγωγεϊν im NT nur noch Apg 9,8. 201 ευλαβής im NT nur noch Lk 2,25; Apg 2,5; 8,2; μαρτυρεΐσθαι ύπό „ein gutes Zeugnis ausgestellt bekommen" im NT nur Apg 10,22; 16,2; 22,12; 3.Joh 12 (vgl. auch das aktive μαρτυρείν mit Dativ der Person); ot κατοικοΰντες im NT nur Lk 13,4, in der Apostelgeschichte (ohne Ortsnamen dabei allerdings nur hier) und in der Apokalypse (οί κατοικοϋντες έπΐ της γης ο. ä.). 109
le) Apg 22,6-16
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ganzen zu vergleichen ist 10,22. 22,13: Es folgt zunächst die Heilung als separater Akt, und zwar ohne Handauflegung (statt έπιθείς έπ' αυτόν τάς χείρας 9,17 a steht nur έπιστάς) durchs Wort, wie auch sonst in der Apostelgeschichte203. Der Vers hat lukanisches Gepräge, wogegen der angewandte Wunderstil nicht spricht. Statt eines Botenspruchs gibt Ananias den Befehl: Σαούλ αδελφέ (so auch 9,17), άνάβλεψον; vgl. insbesondere Lk 18,42 άνάβλεψον (add. Mk 10,52); Apg 9,40. Auch die Vollzugsnotiz zeigt Wunderstil (vgl. Mk 10,52 par.); „in derselben Stunde" ist lukanisch 203 . Auffällig und darum mit Varianten überliefert ist άνέβλεψα εις αυτόν, das „ich blickte zu ihm hin" oder „ich schlug meine Augen zu ihm auf" bedeuten muß (und auch so übersetzt werden sollte), obwohl „ich wurde wieder sehend" zu erwarten ist, wie es in 9,18 άνέβλεψέν τε sagte. 22,13b ist gleichzeitig Vollzugsnotiz und Überleitung zu einem neuerlichen Wort des Ananias, das in 9,18-19a nicht steht 204 . 22,14-16: Die Verse halten im Aufbau der Erzählung die Stelle des Botenspruchs 9,17; Ananias richtet aber keinen Auftrag aus, sondern handelt in eigener Vollmacht, wie es scheint, als Erklärer des Geschehens. 22,14: „Der Gott unserer Väter" ist wieder im Blick auf die Hörer gesagt. Der Ausdruck (und verwandte) kommt im Neuen Testament nur in der Apostelgeschichte vor und da nur in Reden 205 . Προεχειρίσατό σε bezeichnet das Geschehen vor Damaskus als Erwählung; das προ- ist unbetont und meint hier und 3,20 (Christus); 26,16 (Paulus) 206 ebenso wie das verwandte προχειροτονεΐν in 10,41 (die Apostel)207 nicht eine vorweltliche Erwählung. Wozu Gott Paulus erwählt hat, ist in drei parallelen Infinitiven mit folgendem δτι-Satz gesagt. Die Infinitive können so klingen, als ob noch ausstünde, was sie beinhalten; dann wäre auf 22,17-21 vorausgewiesen, wo Paulus Christus „sieht" und eine Anweisung hört. Damit wäre Damaskus hier nur Vorbereitung 208 . Doch muß „den Gerechten sehen (ΐδεΐν) und eine Stimme aus seinem Mund hören (άκοϋσαι)" denselben Vorgang meinen wie das Sehen (έωρακέναι) und Hören (άκοϋσαι), auf das sich die Zeugenschaft bezieht; dieses aber kann nur Damaskus sein. Außerdem erstreckt sich das Zeugesein auf „alle Menschen", das heißt, nicht nur auf die Heiden, 202
S. ο. Α. 190. (έν) αύτη τη ώρ* steht im NT nur Lk 2,38; 10,21 (diff. Mt 11,25); 12,12 (diff. Mt 10,19); 13,31 (redaktionell); 20,19 (add. Mk 12,12); 24,33 (redaktionell); Apg 16,18; 22,13. 204 Anders Haenchen, Apostelgeschichte', 555 (vgl. Conzelmann, Apostelgeschichte, 125): εις αύτόν ist alte Interpolation. 205 3,13 (zit. Ex 3,15); 5,30; 7,32 (zit. Ex 3,6); 22,14. so« Sonst im NT nicht mehr. 507 NT-Hapax. 08 Klein, Die zwölf Apostel, 154. 203
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§ 4. Die Wende
zu denen Paulus nach 22,21 gesandt werden wird. Schließlich weist „Stimme" auf die „Stimme" von 22,7 zurück. 22,14f. spricht also nicht von einer kommenden Schau Jesu, sondern deutet Damaskus als Erwählung zum Erkennen, Sehen und Hören, eine Deutung, die in 26,16 Jesus selber Paulus geben wird. Da Sehen und Hören zusammengehören, steht das Erkennen für sich. Nach Conzelmann hat es „das Ganze seines (Gottes) Heilsplanes" zum Inhalt209. Da das Erkennen aber wie das folgende Sehen und Hören vor Damaskus geschah, fragt man sich, ob nicht eher das Stück des Heilsplans gemeint ist, das die beiden folgenden Infinitive des Sehens und Hörens zum Inhalt haben: die Tatsache, daß „der Gerechte"210 vorhanden ist und lebt. Daß Paulus ihn gesehen hat, sagte 22,6-11 freilich keineswegs, ohne es allerdings wie 9,4 auszuschließen. Die Deutung, die Ananias in 22,14 dem Damaskusgeschehen gibt, geht über das hinaus, was nach 22,6-11 sowohl als auch 9,3-9 vor Damaskus geschah, berührt sich aber mit 9,17.27 und vor allem mit 26,12-18. 22,15 : Von 26,16 her könnte man den δτι-Satz als Erläuterung der „Stimme" V. 14 fassen und müßte dann besser „die Kunde, daß . . . " übersetzen211; aber im Kontext von 22, wo in V. 10 die Stimme eben nichts von Zeugenschaft sagte, sondern einen Auftrag ankündigte, liegt dieses Verständnis nicht nahe. Der δτι-Satz wird also nicht die „Stimme" erläutern, sondern kausal sein. Nicht was Jesus sagte, ist wichtig, sondern daß er redete und dadurch bewies, daß er lebt; der δτι-Satz sagt, wozu der Beweis dienen soll: Paulus wird oder soll gegenüber allen Menschen (also nicht nur Heiden) Zeuge dessen sein, was er sah und hörte (dazu gleich mehr). 22,16: Hatte 9,18 nur den Vollzug der Taufe berichtet, so fordert hier Ananias nur dazu auf. „Wasch deine Sünden ab"212 hat weder in 9 noch in 26 eine Entsprechung. Die Wendung ist formelhaft und spielt nicht auf besondere Sünden an, etwa das Verfolgen. Paulus' Taufe ist nicht weniger als jede andere eine Taufe zur Vergebung der Sünden, aber auch nicht mehr. Der Vollzug ist nicht berichtet; es schließt sich sofort die Erzählung der Tempelvision an218. 20 « 210
Apostelgeschichte, 126, mit Verweis auf 20,27. Zum Titel ό δίκαιος vgl. J. Jeremias, παις θεοϋ C-D, ThW V (1954), 676-713: 705 = Παις (θεοϋ) im Neuen Testament, in: Jeremias, Abba, 191-216: 202 (daß ein Vergleich von Apg 22,13f. mit 9,17 δ δίκαιος / ó κύριος zeige, daß è δίκαιος der ältere Würdename ist, wie Jeremias unter Hinweis auf Lake-Cadbury, in: Jackson-Lake, Beginnings IV, 104, schreibt, fällt mit Lakes Beurteilung von 22,5-16, s.u. A. 268); Wilckens, Missionsreden2, 168-170; O'Neill, Theology of Acts, 141-143; R. Storch, Die Stephanusrede Ag 7,2-53, ev.-theol. Diss. Göttingen 1967 (masch.), 108-110. 211 So Stählin, Apostelgeschichte, 281; zur Konstruktion vgl. 24,21. 212 άπολούειν im NT nur noch l.Kor 6,11, aber absolut. 218 S. u. § 6.
Id) Apg 26,12-18 d) Apg
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26,12-18
Die dritte Version erzählt Paulus in seiner Verteidigungsrede vor Agrippa II. und Festus, deren Situation und Anfang ebenfalls schon oben in § 2,2b; 3, le besprochen sind. Paulus setzt die vor dem Synhedrium und Felix eingeschlagene Verteidigungslinie fort: ich bin wegen eines (innerjüdischen) Streits über die Auferstehung angeklagt, bezeuge aber, daß ich Jesus als Auferstandenen gesehen habe und ihn darum zu Recht verkündige. Lukas hat auch diese Rede auf die Hörer hin stilisiert ; insbesondere das feinere Griechisch wird auf sein Konto gehen. 26,12-14a: Anders als in 9,3-4a und 22,6-7a bildet der Anfang der Erzählung bis zum ersten Wort Jesu einen mit Partizipialwendungen beladenen Doppelsatz mit den beiden finiten Verben „ich sah" und „ich hörte" (vgl. 9,27; 22,15) — entschieden gehobenes Griechisch, das sich auch in einigen anderen Erscheinungen zeigt. Die Raffung in zwei Sätze macht die Handlung faktisch zur Einleitung der Jesusrede, die, von einem paulinischen Einwand abgesehen, den Rest des Berichts ausmacht. Dazu sind die Verse mit dem vorhergehenden umfassenden Abriß der Verfolgertätigkeit des Paulus verklammert®14; der relativische Anschluß (sv οΐς) macht das Damaskusunternehmen zur Fortsetzung der Verfolgung in Jerusalem. Statt der längeren Exposition 9,1 f. par. 22,5 steht die knappe Bemerkung „mit Vollmacht und Auftrag der Hohenpriester"218 beim einleitenden Partizip „reisend"216. Der erste Teil des Doppelsatzes berichtet vom Sehen des Lichts auf der Reise. Nach 26,13 erschien Jesus „unterwegs" (κατά τήν óSóv). Das entspricht der Auffassung, die Lukas schon in 9,17.27 geltend machte, widerspricht aber 9,3, wonach Jesus Paulus unmittelbar vor Damaskus erschien (22,6 ließ beide Deutungen zu). „Plötzlich" 9,3 par. 22,6 fehlt. Dafür sind zwei Züge da, die schon 22,6 aufwies, 9,3 aber nicht: daß es „Mittag" (ήμέρας μέσης) war, sagte ähnlich auch 22,6; „über die Leuchtkraft der Sonne hinaus" vollendet die in 22,6 angelegte Steigerung der Helligkeit, ούρανόθεν (im Neuen Testament nur noch Apg 14,17) ist feiner als έκ του ούρανοϋ 9,3; 22,6. Das Licht umleuchtet auch „die mit mir Reisenden"217. Sie werden noch früher erwähnt als in 22,9. Sie müßten auch das Licht gesehen haben, wie in 9,7 anzunehmen möglich und in 22,9 gesagt war, denn sie fallen anders als in 9,4 und 22,7 mit zu Boden (gen. abs.); aber Subjekt des Prädikats „ich sah" ist nur Paulus. 814 215
S.o. § 3 , l e . μετ' έξουσίας καΐ έπιτροπης της των άρχιερέων: Attribut mit Artikel nach artikellosem Substantiv bei Lukas öfter, besonders bei attributivem Partizip. «a 4 Formuliert nach 22,6? " Hyperbaton, vgl. 22,9. περιλάμπειν im NT nur noch Lk 2,9.
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§ 4. Die Wende
Diese Unausgeglichenheit zeigt an, daß die Mitreisenden hier sekundär sind; wenn sie erwähnt werden sollten, dann wegen des Aufbaus von 26,12-18 hier; andererseits mußte eben wegen dieses Aufbaus Paulus allein sehen (vgl. V. 16)218. Er allein hört auch, und zwar ,,in der hebräischen Sprache", was in 9,4 und 22,7 nicht stand: eine durch die Hörerschaft veranlaßte lukanische Bemerkung. Die Mitreisenden sind vergessen. 26,14b-16a: Die Verse entsprechen 9,4b-6a 2 i e bis auf die sprichwörtliche Wendung vom Stachel820 und das „Herr" in 26,15 ( = 22,10), das $ al nicht ohne Grund auslassen, denn den Hörern gegenüber kann Paulus eigentlich nicht so selbstverständlich vom Herrn Jesus reden. Das Sprichwort gehört zu den Zügen, die die Rede auf die Hörer hin formen und ist sicher von Lukas eingelegt, doch nicht nur als stilistisches Glanzlicht: es vertritt die in 26,12-18 sonst fehlende Niederwerfung des Verfolgers221. Mit dem um „und stell dich auf deine Füße"222 erweiterten „sondern steh auf" (so 9,6) endet die Parallelität mit 9,3ff. und 22,6fF. Der Rest der Christophanie vor Damaskus und die Ananiasepisode fehlen. Statt dessen fährt Jesus fort zu reden und deutet in 26,16b-18, wozu er erschien. Die Christophanie ist nicht mehr der erste Akt eines sich zwischen Jesus und Ananias, dann Ananias und Paulus fortsetzenden Geschehens, sondern bildet selber das ganze Geschehen. „Denn dazu bin ich dir erschienen" 223 setzt voraus, daß Paulus anders als in 9,3-9 und 22,6-11 Jesus sah. Er war zwar niedergestürzt (V. 14), aber das ist durch das „steh auf" offenbar behoben; von Blendung verlautete von vornherein nichts. Paulus sieht also Jesus, wie schon 9,17. 27; 22,14 formulierten; das dort parallel neben dem Sehen genannte Hören geschieht durch Jesu Deutung des Ereignisses. Die Deutung enthält freilich fast so viele Schwierigkeiten wie Wörter, weil 218 Gegen Seidenaticker, Auferstehung Jesu, 37 A. 10, der eine von 9 über 22 zu 26 wachsende Tendenz beobachtet, das Geschehen ,,'optisch' auf die ganze Begleitung auszudehnen". 219 Abweichungen von 22,7b-10a o. unter lc. 220 Lit. bei Conzelmann, Apostelgeschichte, 139. 221 Die Redensart geht auf das, was Paulus getan hat, nicht auf das, was er tun soll. 222 Die Wörter καΐ στήθι έπΐ τούς πόδας σου gelten meist als Zitat aus Ez 2,1 LXX. Sie finden sich aber etwa auch 4.Esra4(6), 13; syrApkBar 13,2. JA 14,11 (59,22f. Batiffol) hat wie Apg 26,16 άλλ' άνάστηθι καΐ στήθι έπΐ τούς πόδας σου, ebenso 14,8 (59,12 Batiffol) mit τοις ποσί. Lukas biblisiert also wohl, aber er zitiert nicht. Daß im übrigen die Verdoppelung des Imperativs seinem Stilgefühl entspricht, zeigt etwa Lk 6,8 έγειρε καΐ στήθι εις τό μέσον add. Mk 3,3 έγειρε εις τό μέσον. Dae άνάστηθι steht übrigens auch Apg 9,6 nicht allein: άνάστηθι καΐ είσελθε. 223 ώφθ-η hat seinen Sitz in Ostertexten, wird aber nie in der 1. Person Jesus in den Mund gelegt. Zu εις τοϋτο vgl. formal l.Joh 3,8b.
Id) Apg 26,12-18
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sie auf engstem Raum alttestamentliche Reminiszenzen und geprägte jüdisch-christliche Formeln zusammendrängt224. 26,16b: Das, wozu Jesus erschien, ist ein προχειρίσασ&αί σε ύπηρέτην και μάρτυρα ών τε είδες με ών τε όφ·9·ήσομαί σοι. Die Christophanie ist also eine spezielle Erwählung, das heißt eine Berufung, nicht mehr wie in 9,3ff. und gebrochen noch in 22,6ff. das wirksame Moment einer Bekehrung. Der Gegenstand der Diener- und Zeugenschaft ist eine bekannte crux225. Heute wird meist M. Dibelius' Konjektur ών τε είδες ών τε οφθησεταί σοι226 akzeptiert und das όφ&ήσεται auf die Gesichte und Weisungen gedeutet, die Paulus im Laufe seiner Tätigkeit erhält (16,9f. ; 18,9 f. ; 22,17-21 ; 23,11 ; 27,23f.) ; sein Zeugnis wäre demnach darauf gegründet, daß er „beständiger Empfänger himmlischer Gesichte" ist227. Freilich bezeugt Paulus diese Gesichte später 224 V. 16-18a sind aber gegen den schwarzen Augenschein bei Nestle kein „Mosaik" aus alttestamentlichen Berufungstexten (so mit vielen anderen Lohfink, Eine alttestamentliche Darstellungsform, 254f.). Nur in V. 17 ist bewußte Anspielung (Jer 1 LXX) zu erwägen (u. A. 238). Bei den vermuteten Anklängen an DtJes in V. 18 handelt es sich nur um Biblizismen. Die Berührung von V. 16 mit Ez 2,1 L X X ist Zufall (ο. A. 222). Auf jeden Fall stammen die entscheidenden Begriffe in V. 16 nicht aus dem AT. Schon deswegen kann man m. E. nicht sagen, daß Paulus hier zum Propheten berufen wird (gegen Stanley, Paul's Conversion, 333-335; Girlanda, De Conversione Pauli, 136-139; u.a.). In anderem Zusammenhang betont T. Holtz, Untersuchungen über die alttestamentlichen Zitate bei Lukas (TU 104), Berlin 1968, daß der direkte Einfluß der L X X auf Lukas geringer ist als gewöhnlich (etwa von Haenchen) angenommen. Auch wenn man Holtz' These, Lukas habe nur Psalmen, Jesaja und Kleine Propheten unmittelbar gekannt und benutzt, mit Zweifeln betrachtet (läßt sich angesichts des Gebrauchs der L X X in Gottesdienst und Leben überhaupt zwischen „direkter" und „indirekter" Kenntnis trennen?), so ist doch richtig, daß man für Lukas' Sprache und Anschauungswelt neben direkten LXX-Einflüssen jüdisch-christliche Tradition stärker in Rechnung setzen muß. Daß es daneben auch so etwas wie Septuagintamimesis in der Apostelgeschichte gibt, wie sie Plümacher, Verhältnis der Apostelgeschichte des Lukas zur hellenistischen Literatur, 21-46, in den sogenannten Missionsreden findet, soll damit nicht geleugnet sein. — Daß V. 15b-18 „gebundene, poetische Rede, also (?) Kunstprosa" sind (Eckart, Urchristliche Tauf- und Ordinationsliturgie, 33), sehe ich nicht; mit V. 18 allein mag es anders stehen (s. u.). 225 Schon die Textgeschichte zeigt das. Die Auslassung des με durch S A f i pm latt bo gegen BC* 614 al sa sy (D d nicht erhalten) ist gut bezeugt, dürfte aber Erleichterung sein. 226 The Text of Acts. An Urgent Critical Task, The Journal of Religion 21 (1931), 421-431 = Der Text der Apostelgeschichte, in: Dibelius, Aufsätze 5 , 76-83: 83. 227 Haenchen, Apostelgeschichte®, 612; Dibelius, Text, ebd.: „Die HimmelStimme verheißt dem Paulus nicht, daß Christus ihm wiedererscheinen, sondern daß ihm viel gezeigt werden wird" (Himmelstimme ist übrigens nicht angemessen). Klein interpretiert: also fehle „an den Grundlagen der Zeugenschaft" noch etwas; Paulus besitze eine „sukzessive Disposition für die Zeugenschaft" im Gegensatz zur einmaligen der Apostel (Die zwölf Apostel, 156f.). Aber gesetzt, die Wendung ist auf den Visionär Paulus zu deuten : wieso ist das ein Minus gegenüber den Aposteln? Im übrigen zur Kritik J. Rolo ff, ApostolatVerkündigung - Kirche. Ursprung, Inhalt und Funktion des kirchlichen
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§ 4. Die Wende
nicht, so sehr er durch sie geleitet wird 228 . Weiter heißt es nicht όφ&ήναι oder ίδεΐν, soweit Jesus oder ein Engel erscheinen 229 ; es wird Paulus nichts gezeigt, sondern etwas gesagt. Mit einer Ausnahme: 22,17-21. Dies ist ein Sehen unter besonderen Umständen (s.u. § 6,1) und an besonderer Stelle, und Paulus berichtet es selbst im Anschluß an die zweite Fassung des Damaskuserlebnisses. Es ist sachlich wichtig, denn auf ihm beruhen die Reisen. Sollte mit δφ&ήσεται also dieses eine, ausdrücklich so genannte Sehen gemeint sein, an das sich der Leser sofort erinnern dürfte 230 ? Wenn das stimmt, dann gründet sich die Zeugenschaft auf die eine grundlegende Schau bei Damaskus und eine weitere nicht lange darauf im Tempel, die im Verlauf der durch die erste in Gang gesetzten Predigttätigkeit eine Wende brachte, nämlich zu den £θνη. Das besondere Problem der Erwählungsaussage ist, daß sie aus Begriffen besteht, die für das lukanische Bild der zwölf Apostel charakteristisch sind. Auch für die Apostel ist ein έκλέγεσθαι und προχειροτονεϊσ&αι281 kennzeichnend; auch und nur sie sind erwählte μάρτυρες, auch sie können Lk 1,2 αύτόπται και ύπηρέται heißen 232 ; auch sie sind durch ein bestimmtes unwiederholbares Sehen und Hören ausgezeichnet (vgl. Apg 1,3). Das damit gegebene Problem rührt an den Kern des lukanischen Paulusbildes; ich klammere es hier vorläufig aus und nehme es unten unter 4 gesondert wieder auf. 26,17: An die Erwählungsaussage ist partizipial eine Schutzverheißung angeknüpft: έξαιρούμενός σε έκ τοϋ λαοϋ και έκ των εθνών. Daß έξαφεΐσθ-αι hier .erretten" und nicht „erwählen" heißt, ist fast allgemein anerkannt 238 . Gemeint ist nach lukanischem wie neutestaApostelamtes nach Paulus, Lukas und den Pastoralbriefen, Gütersloh 1965, 204 (dessen Argument ebd., A. 121, ών τε άφθήσομαί σοι sei chiastiseh auf ύπηρέτης, ών τε εΐδές με auf μάρτυς zu beziehen, mir freilich falsch zu sein scheint). ase Vgl. auch V. 19 ούκ έγενόμην άπειθής τη ούρανίω ¿πτασία. 229 16,9 steht δραμα . . . ώφθη, aber Subjekt ist der Mazedonier. 18,9 δι' δράματος. 230 Man könnte dann den Text lassen, wie er ist ; er wäre eine der mehreren verunglückten oder unfertigen Stellen der Apostelgeschichte. Auch Roloff, Apostolat, behält den Text bei (ohne die Grammatik zu besprechen) und deutet ών τε όφ&ήσομαί σοι auf die zukünftigen Gesichte, die er als „Auswirkung und Verlängerungen" von Damaskus auffaßt (S. 204); 22,17-21 gilt ihm als „Beispielfall" (S. 205). 231 Apg 10,41 μάρτυσιν τοις προκεχειροτονημένοις ύπύ τοϋ θεοϋ. Freilich ist hier Gott der Erwählende ; ebenso aber auch 22,14 gegenüber Paulus. 232 Der Ausdruck bezieht sich kaum auf die christlichen Prediger und Schriftsteller vor Lukas im allgemeinen (Klein, Die zwölf Apostel, 157). Klein beetreitet freilich, daß Apg 26,16 und L k l , 2 vergleichbar sind (S. 157f.): ύπηρέτης limitiere μάρτυς, wie Apg 13,36 zeige; zur Kritik Roloff, Apostolat, 203-205. 283 Vgl. Bauer, Wörterbuch 6 , Sp. 538 (Lit.); Conzehnann, Apostelgeschichte, 139.
Id) Apg 26,12-18
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mentlichem Sprachgebrauch 234 kein Schützen vor, sondern ein Entreißen aus konkreter Gefahr. Der Anschluß des Partizips muß locker sein. Eng zu ώφθην kann es nicht gehören, denn Paulus war vor Damaskus nicht in Gefahr, schon gar nicht durch Heiden; zu όφθήσομαι paßt es auch nicht, gleichviel, ob 22,17-21 oder alle künftigen Erscheinungen gemeint sind. 22,17-21 ließe sich zwar als ein Erretten vor dem „Volk" verstehen, wenn man Apg9,29f. gelesen hat, aber nicht vor den Heiden; die weiteren Gesichte sind keine Bettungen. Die hier genannte „Errettung" ist also kein Nebenumstand der Erscheinung Jesu auf dem Weg nach Damaskus oder späterer Visionen, sondern muß sich auf die Dauer der Tätigkeit des Paulus beziehen (vgl. V. 22), die damit anklingt. Mit dem Relativsatz είς οδς έγώ αποστέλλω σε tritt sie voll in den Blick. Die Verbindung von (έξ)άποστέλλειν und έθνη in 22,21; 28,28 und der Inhalt von V. 18 legen es nahe, den Relativsatz ganz oder a fortiori auf έκ των εθνών zu beziehen. Da er im Präsens steht, wäre also Paulus' Berufung gleichzeitig seine Aussendung zur Predigt unter den έθνη. Der Vollzugsbericht in V. 19-23 sieht es aber offenbar anders; danach hat Paulus, „dem himmlischen Gesicht nicht ungehorsam", zuerst den Juden in Palästina und dann den έθνη außerhalb gepredigt. Er tut so, als ob Paulus wie nach 22,15 (vgl. 9,15) ausdrücklich zum Zeugen vor „allen Menschen" erwählt sei. Außerdem zeigt 22,17-21, daß „Sendung zu den έθνη" nicht mit Paulus' Berufung identisch oder eines ihrer Momente ist, sondern einen Wendepunkt innerhalb seines Dienstes bezeichnet. Lukas' Meinung ist in der Tat, daß Paulus von Anfang bis Ende an Juden wie Heiden gewiesen war 236 . Dann aber wird man annehmen müssen, daß Lukas entweder bei εις οΰς auch an den λαός gedacht hat 238 oder aber άποστέλλω futurisch meinte 237 . Geschrieben hat er freilich weder das eine noch das andere, und es wird zu fragen sein, ob die damit deutlich gewordene Inkonzinnität nicht auf Tradition weist 238 . 234 Apg 7,10. 34; 12,11; 23,27; 26,17; Gal 1,4. Sonst im NT nur noch Mt 5,29; 18,9 „ausreißen". Vgl. Jer 1,8 LXX. έκ würde zu „erwählen" besser passen, aber „erwählen aus den Heiden" gibt kaum Sinn (vgl. l.Chr 16,35). 335 S. u. § 6. Auch sonst bezeichnet (έξ)αποστέλλειν bei Lukas Einzelaufträge (u. A. 292). 238 So Conzelmann, Apostelgeschichte, 139. 287 Ψ und sehr viele Minuskeln haben das Futur hergestellt. 238 S.u. unter 2c. — Es ist freilich zu beachten, daß V. 17 möglicherweise auf Jeremias Berufung anspielt. Bis auf έκ τοϋ λαοϋ finden sich die Wörter des Satzes in Jer 1,4-10 LXX wieder, wenn auch nicht im Zusammenhang (zu έξαιρούμενός σε vgl. Jer 1,8 μετά σου έγώ είμι τοϋ έξαιρεΐσθαί σε, zu έκ των έθνών 1,15 προφήτην εις ίθνη τέθεικά σε, vgl. 1,10, zu είς οΰς έγώ άποστέλλω σε 1,7 πρός πάντας, ους έάν έξαποστείλω σε, πορεύση). Darum wird allgemein angenommen, daß der Text bewußt auf Jeremias Berufung zurückgreift. Die Berührungen
8 Burchard, Zeuge
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§ 4. Die Wende
26,18: Den Zweck der Sendung gibt der Infinitiv „um ihre Augen zu öffnen" an, den zwei unverbundene Infinitive mit του erläutern. Die drei Infinitive beschreiben in nuce nach Struktur und Inhalt die Bekehrung, wie Lukas sie sieht. Die Dinge sind aber nicht bei ihrem christlich-technischen Namen genannt (sonst müßte von Predigt, Glaube und Taufe die Rede sein), sondern nach ihrer inhaltlichen Seite dargestellt, und zwar durchweg mit traditionellen Formeln. Stil und Begrifflichkeit haben ihre Parallelen in jüdischen wie in christlichen Bekehrungstexten, auch schon in Qumran238. Das heißt nicht, daß der Vers Zitat wäre, womöglich wegen des Aufbaus im Parallelismus membrorum ein liturgisches240. Auch darf man ihn kaum qumranisch interpretieren241; die traditionsgeschichtlichen Linien führen zunächst ins hellenistische Judentum zurück. Doch tritt das Verständnis von Apg 26,18 nur heraus, wenn man scharf differenziert. Paulus' Auftrag ist zunächst ein Augenöffnen242, nämlich durch die Predigt243, die nach Lukas Aufklärung ist, wenn auch pneumatische, keine bloß rationale. Ihr Inhalt ist nicht genannt und braucht auch nicht genannt zu werden, weil er sich aus dem Inhalt der Zeugenschaft, zu der Paulus erwählt ist, ergibt244. Die abhängigen Infinitive bezeichnen jedenfalls Ziel oder Folge der Predigt245, nämlich eine Reaktion, die in den Bereich des menschlichen Tuns fällt und zwei je zweigeteilte Aspekte hat, eine Änderung der Überzeugung bestehend aus Ab- und Zuwendung (Glaube) und ein Empfangen von sind freilich nicht besonders eng, und Vokabeln wie έθνη und άποστέλλειν müssen gerade bei Paulus' Berufung nicht aus dem AT stammen. So ist mir nicht sicher, ob überhaupt ein bewußter Rückgriff vorliegt, der Paulus' Berufung mit jeremianischen Zügen ausstatten soll, zumal die Kernbegriffe aus Jer 1 nicht übernommen sind. 238 K. O. Kuhn, Die Schriftrollen vom Toten Meer. Zum heutigen Stand ihrer Veröffentlichung, EvTh 11 (1951/52), 72-75: 74f.; Eckart, Urchristliche Taufund Ordinationsliturgie, 36: „Ordinaiionsliturgie" ; H. Braun, Qumran und daa Neue Testament I, Tübingen 1966, 168: „dieses qumrananaloge dualistische Mosaikstück"; S. Deichgräber, Gotteshymnus und Christushymnus in der frühen Christenheit. Untersuchungen zu Form, Sprache und Stil der frühchristlichen Hymnen (SUNT 5), Göttingen 1967, 83: „Aussendungsformel" (mit Fragezeichen). 240 Lukas ist fähig, Parallelismen zu schreiben: 28,30f. 211 Braun, Qumran und das Neue Testament I, 167f.; Deichgräber, Gotteshymnus und Christushymnus, 82-87. 242 άνοϊξαι δφ&αλμούς ist kaum Anspielung auf Jes 42,6f. oder 61,1 (so Deichgräber, Gotteshymnus und Christushymnus, 84); die Wendung ist verbreitet, vgl. Eph 1,18; l.Clem 36,2; 59,3; H. Schlier, Der Brief an die Epheser, Düsseldorf 1957 = 4 1963, 80 Α. 1 ; Deichgräber, ebd. Im NT kommt „die Augen öffnen" sonst nur noch eigentlich vor. 243 άποστέλλειν άνοϊξαι όφθαλμούς entspricht Lk 9,2 άπέστειλεν αυτούς κηρύσσειν. 244 Mehr dazu u. § 5,1 Exkurs. 245 Beides liegt ineinander, vgl. Deichgräber, Gotteshymnus und Christushymnus, 73.
Id) Apg 26,12-18
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Gaben bestehend aus Vergebung und Anteil unter den Heiligen (in der Taufe). Wem die Öffnung der Augen widerfährt, der soll ziehen oder zieht die Konsequenz, „sich von der Finsternis zum Licht und (von) der Macht des Satans zu Gott zu wenden". Damit ist ein Topos benutzt. So hat schon das hellenistische Judentum die innere Seite der Bekehrung zum jüdischen Glauben (und a fortiori die Bekehrung als ganze) beschreiben können, und Lukas ist nicht der erste Christ, der das nachmachte 246 . Er versteht den Topos keineswegs dualistisch. „Finsternis" und „Licht" sind nicht zwei Äonen, Machtbereiche oder Seinssphären (wäre es so, könnte man sich nicht einfach von der Finsternis zum Licht „wenden" 247), sondern Metaphern für zwei verschiedene Aufklärungszustände, wie V. 23 φως μέλλει καταγγέλλειν bestätigt 248 . Das gilt auch für den Parallelausdruck. Der Teufel, den Lukas nur hier als Gegenüber Gottes nennt, ist für ihn nicht Gottes Gegenspieler, sondern im wesentlichen Versucher und Verursacher von Krankheiten 249 ; er gehört mit den unter ihm stehenden Dämonen zusammen als Hauptstörenfried einer an sich guten Schöpfung. Die „Macht des Satans" kann für Lukas nicht die „Herrschaft Belials" sein, an die etwa R. Deichgräber erinnert 260 , oder die „Macht der Finsternis" von Kol 1,13, sondern ist eher, wie l.Thess l,9f. 2 6 1 nahelegt, die Macht, die der Teufel durch den Dienst an den Götzen, die seine Kreaturen sind (vgl. JA 12,9), über die Seelen der Polytheisten hat, wovon die Einsicht in den wahren Gott befreit 2sa . Wo immer die 246 JA 8,9 (49,18-21 Batiffol); 15,12 (62,11-13 Batiffol) εύλογητός κύριος 6 θεός σου, ό έξαποστείλας σε του ρύσασθαί με έκ τοϋ σκότους καΐ άναγαγεϊν με άπό των θεμελίων αύτης της αβύσσου εις τό φως (vgl. Untersuchungen, 102 Α. 3); l.Thess 1,9; Kol 1,13; vgl. Ephö,8; l.Petr2,9. άπό σκότους εις φως ist deswegen nicht direkt aus Jes 42,6 f. 16 geschöpft, wo es auch gar nicht wörtlich steht. 247 Sondern es müßte wie JA 15,12 oder Kol 1,13 etwa £ύεσθαι statt έπιστρέψαι stehen, wozu dann freilich kaum ein Mensch Subjekt sein könnte. 248 Das unterscheidet die Redeweise von dem Gebrauch von Licht und Finsternis in der Qumranliteratur, wo übrigens auch „aus- in" nicht vorkommt. Auch für JA sind wie für Lukas Finsternis und Licht praktisch Metaphern für heidnischen Götzen- und jüdischen Gottesglauben. 248 Das ist er nach Lukas' Verständnis wohl auch Lk 10,18 (zum Vorstellungshintergrund vgl. TestSal 20,17). Daß dieser rätselhafte Vers ursprünglich eine andere, umfassendere Bedeutung hatte (prophetische oder visionäre Vorwegnahme der eschatologischen Niederwerfung Satans?), ist damit nicht ausgeschlossen. 260 Gotteshymnus und Christushymnus, 84: msernSseleet BHijjä'äl 1QS 1,18. 23f.; 2,19; 1QM14,9; 18,1 u.a. 261 Vgl. u. § 5 A. 22. 2S2 Vgl, Conzelmann, Die Mitte der Zeit. Studien zur Theologie des Lukas (BHTh 17)», Tübingen 1964, 146. — Erlaubt JA 12,9f. zusammen mit l.Petr 6,8 (Teufel als Löwe), vgl. Mk 4,15 par., den Schluß, daß die christliche wie schon die jüdisch-hellenistische Paränese vor dem Anlauf des Satans besonders gegen die Neubekehrten warnte?
8·
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§ 4. Die Wende
Redeweise letztlich wurzelt, für Lukas besagt sie einen Überzeugungswandel vom polytheistischen zum monotheistischen Glauben. Das gleiche kann auch so ausgedrückt werden, daß Lukas die enthaltenen Momente der Abkehr und der Zuwendung einzeln oder paarweise nennt. Der Begriff für die Abkehr ist „Buße" (vgl. 26,20)263. Bekehrung ist für Lukas also primär keine moralische Angelegenheit. Er berichtet denn auch nie über Sündenpredigt, übrigens auch nie von Sündenbekenntnissen beim Übertritt264. Das läßt sich besonders deutlich an den Reden vor den Jerusalemern ablesen. Auch sie werden zu Metanoia aufgeforderta6B, und zwar wegen der Tötung Jesu. Dies nun aber nicht einfach, weil die Kreuzigung Mord gewesen wäre, sondern weil sie Ungehorsam gegen Gott war, der Jesus durch die Propheten angekündigt (vgl. 13,27) und durch Wunder beglaubigt (vgl. 2,22; 10,38) hatte 266 . Sie ist Schuld, aber Lukas nennt sie nicht Sünde, und umgekehrt lassen die Erwähnungen von Sünden (immer Plural) gegenüber Juden in 2,38 ; 3,19 ; 5,31 ; vgl. 10,43 jeden Bezug auf die Kreuzigung vermissen. Die Tötung Jesu ist das jüdische Äquivalent zur heidnischen Verkennung Gottes im Polytheismus und hat wie diese den mildernden Umstand der Unwissenheit für sich (3,17; 13,27; 17 , 30)267. Metanoia bezeichnet für Lukas zunächst Gesinnungswandel, nicht moralische Umkehr : Abkehr von der Finsternis bzw. der Macht des Teufels und Zuwendung zum Licht bzw. zu Gott. 253
Zu μετάνοια, μετανοεϊν bei Lukas J. Dupont, Repentir et conversion d'après les Actes des Apôtres, Sciences Ecclésiastiques 12 (1960), 137-173 = in: Dupont, Études sur les Actes des Apôtres (Lectio Divina 45), Paris 1967, 421-457; La conversion dans les Actes des Apôtres, Lumière et Vie 47 (1960), 47-70 = in: Études, 459-476; Wilckens, Missionsreden 2 , 178-186; B.Michiels, La conception lucanienne de la conversion, ETL 41 (1965), 42-78. 254 Apg 19,18 scheint von Bekehrten zu sprechen. Sonst wäre dies die einzige Ausnahme. Die Sünde ist im übrigen charakteristisch : Verfehlungen gegen das 1. Gebot. 266 Aufforderung zum έπιστρέφειν nur einmal 3,19, charakteristischerweise nicht πρός τόν θεάν, sondern πρός τό έξαλειφθήνοα ύμών τάς αμαρτίας. 256 Die Tötung Jesu ist für Lukas nicht Schuld der Juden schlechthin, wie man immer wieder lesen kann, und schon gar nicht der Heiden; sie wird nur den Jerusalemern, nicht der Diaspora in 13,16-41 oder den Heiden ebendort und in 10,34-43; 14,15-17; 17,22-31 vorgeworfen (so mit Recht Dupont, Repentir et conversion, 149-152. 156-158; V. Hakler, Judenmission und Judenschuld, ThZ 24, 1968, 173-190: 179-184). Nur in Jerusalem und nur zu Lebzeiten der Jesusgeneration konnte man sagen: „den ihr getötet habt". Zum Problem der Judenschuld bei Lukas außerdem zuletzt Schütz, Der leidende Christus, 126-138. 257 Deswegen können die Diasporajuden und Gottesfürchtigen wie die, zu denen Paulus in Antiochia Pisidiae spricht (13,16-41), nicht zur Buße gerufen werden. Sie sind weder der Vielgötterei noch bislang der Ablehnung Jesu schuldig. Um so dringender läßt Lukas Paulus die Vergebung anbieten und als Ersatz des Bußrufs eine Warnimg anschließen. Wie man weiß, hat sie bei den jüdischen Hörern hier und anderwärts nicht viel genützt. Die Diaspora hat Jesus ebenfalls verworfen und hat damit, was die Buße angeht, den palastinischen Juden nichts mehr voraus.
Id) Apg 26,12-18
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Freilich ist die Bekehrung damit erst halb beschrieben. Dem, der sich zum christlichen Glauben bekehrt, sind zwei Gaben versprochen, Vergebung der Sünden und Anteil unter den Heiligen. Vergebung nennt Lukas öfter auch als Predigtinhalt. Nicht daß die Predigt selber Vergebung zuspräche oder Vergebung überhaupt zugesprochen und im Glauben ergriffen würde: die Taufe vermittelt sie. Das wird nur 2,38; 22,16 ausdrücklich gesagt, ist aber durchweg gemeint, so etwa auch, wenn nach 10,43 jeder, der zum Glauben an Jesus findet, „durch seinen Namen" Vergebung erhält oder nach 13,38f. ,,in diesem" gerechtfertigt wird 258 . Im übrigen besteht die Taufgabe der Vergebung in der Auslöschung der begangenen Sünden, ist also eine einmalige und einen Mangel beseitigende Sache, nicht positiv Leben und Seligkeit (wo das neue Leben im Zusammenhang der Predigt überhaupt zur Sprache kommt, da hängt es an der Metanoia zur wahren Gotteserkenntnis, 11,18; 26,20). Die Sünden sind die Einzelsünden, soweit sie einer begangen hat 259 . Die ehemalige falsche Glaubensüberzeugung gehört, wie gesagt, offenbar nicht dazu; sie ist verschuldet, braucht aber anscheinend nicht vergeben zu werden, sondern ist mit der Zuwendung zu Gott berichtigt und erledigt 280 . Als positive Gabe tritt in V. 18 neben die Vergebung ein κλήρος εν τοις ήγιασμένοις πίστει τη είς εμέ. Auch hier ist eine Wendung benutzt, die schon in Qumran und im hellenistischen Judentum belegt ist 281 . In der zweiten Generation drang sie in die christliche Sprache ein; Lukas hatte sie schon in 20,32 gebraucht. Sie redete ursprünglich von Gemeinschaft mit den 268 Auch 13,38 meint nicht, daß jetzt Vergebung zugesprochen, sondern daß über Vergebung gepredigt wird. Der paulinisierend formulierte Satz unterscheidet sich nicht nur sprachlich von Paulus (er sagt δικαιοϋν άπ6 nur Rom 6,7 in einer offenbar übernommenen Formel; K.G.Kuhn, Zu Rm 6,7, ZNW 30, 1931, 305-310, bestritten von R. Scrogge, Romans VI. 7 ó γάρ αποθανών δεδικαίωται άπό της αμαρτίας, NTS 10, 1963/64, 104-108, der aber ebenfalls Apg 13,38 davon abhebt), sondern auch sachlich. Das δικαιοϋσ&αι ist privativ und als ein Moment des Christwerdens verstanden, nicht als die umfassende und bleibende Gabe des Christsems (vgl. im übrigen zuletzt P. Stuhlmacher, Gerechtigkeit Gottes bei Paulus, FRLANT 87, Göttingen 1965 = 2 1966, 194f.). Da das δικαιοϋσθαι „in diesem" durch den Taufritus geschieht, mag Lukas bei „im Gesetz Moses" ebenfalls an Riten denken; dann stünde Apg 13,38 in der Nähe von Hebr 9,9; 10,1 usw. 259 Das Problem der Sünde von Christen und ihrer Vergebung tritt in der auf die Anfänge gerichteten Apostelgeschichte nur am Rand in Erscheinung (vgl. 8,18-24; 19,18f.). 260 Es entsprechen sich also nicht Buße als Akt des Menschen und Vergebung als zugehöriger Akt Gottes (gegen Wilckens, Missionsreden2, 182). — In JA ist von Vergebung keine Rede (an ihre Stelle tritt Neuschöpfung). 281 Belege bei Schlier, Epheser, 84 Α. 1; Deichgräber, Gotteshymnus und Christushymnus, 79-81 (Qumran); vgl. besonders 1QH3,21 f. Zur Begriffsgeschichte der „Heiligen des Höchsten" zuletzt R. Hanhart, Die Heiligen des Höchsten, in: Hebräische Wortforschung. Festschrift zum 80. Geburtstag von Walter Baumgartner, Leiden 1967, 90-101.
§ 4. Die Wende
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Engeln, so auch noch Eph 1,18; Kol 1,12, wo sie eschatologisch ist. Apg 20,32; 26,18 können aber kaum an Engel denken, weil Lukas auffälligerweise ήγιασμένοι sagt2®2, was von den Engeln nicht belegt ist, soweit ich sehen kann. In 26,18 gehört außerdem πίστει τη είς έμέ wohl gegen die häufigste Auffassung nicht zu λαβείν, weil nach Lukas eben die Taufe, nicht der Glaube die Vergebung bewirkt, sondern zu ήγιασμένοις, bei dem es steht 263 . Die durch den Glauben Geheiligten sind also nicht die Engel, sondern die Christen, d. h. die Kirche 284 , vielleicht einschließlich der Vollendeten. Der Bekehrte empfängt also neben der Vergebung, die seine vergangenen Tatsünden auslöscht, einen Platz unter den Christen. An sich sollte man erwarten, daß unter den Taufgaben der Geist genannt wäre (vgl. 2,38). Praktisch ist wohl nichts anderes gemeint, denn der Geist ist es nach Lukas, der die Kirche beruft, sammelt, erleuchtet und heiligt. Die Taufgaben sind nach Lukas im übrigen zwar nicht eschatologische (Vorweg-)Gaben, haben aber ihre Bedeutung für das Eschaton; die Vergebung ist wesentlich im Blick auf das Gericht, die Zugehörigkeit zur Kirche im Hinblick auf die endgültige Erlösung im Reich Gottes. 2. Tradition und Redaktion a) Die drei Fassungen Nach Apg 9,1-19 a widerfährt dem hinter geflohenen Jerusalemer Christen her nach Damaskus reisenden Verfolger vor den Toren der Stadt, daß der Himmel aufreißt, das herausdringende Licht ihn blendet und zu Boden stürzen läßt und ihn von oben her jemand anruft, der sich als der verfolgte Jesus zu erkennen gibt. Er befiehlt Paulus, in die Stadt zu gehen: dort werde ihm gesagt werden, was er tun solle. Paulus' Begleiter, die Jesus reden gehört, ihn aber wie Paulus selber nicht gesehen haben, bringen den Geblendeten an der Hand nach Damaskus hinein, wo er drei Tage blind und fastend sitzt. Dann wendet sich Jesus in einer Vision an den Damaszèner Christen Ananias und befiehlt ihm, in das Haus des Judas, Breite Gasse, zu gehen; dort sitze der Tarser Saul, der ihn, Ananias, in einer Vision zu sich kommen und durch Handauflegung heilen gesehen habe. Ananias weigert sich. Der Verfolger wird geheilt ja doch weiter ver2,2
άγι,άζείΜ bei Lukas sonst nur noch Lk 11,2. So Stählin, Apostelgeschichte, 304. Allerdings kommt „heiligen durch den Glauben" sonst im NT nicht vor. Zur Konstruktion vgl. Josephus, Ant. 18,334 έπ' άνδρΐ πίστει τη είς έμέ (Partherkönig Artabanus) τεθαρρηκότι. 264 Vgl. JA 8,9 (49,23-50,1 Batiffol) καί συγκαταρίθμησον αύτήν τω λαω σου δν έξέλεξας πρίν γενέσθαι τά πάντα, άγιοι für Christen bei Lukas Apg 9,13. 32. 41; 26,10. 263
2. Tradition und ßedaktion
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folgen. Jesus akzeptiert den Einwand nicht: der Verfolger ist im Gegenteil zum Märtyrer erwählt. Daraufhin geht Ananias, richtet seinen Auftrag aus, der jetzt auf Heilung und Geisterfüllung lautet, worauf Paulus wieder sieht, sich taufen läßt und wieder zu essen anfängt. Diese Geschichte ist nicht nur eine „Legende mit typischen Motiven". Sie ist als ganze nach einem romanhaften Schema erzählt, wie es JA 1-21 benutzt: plötzliche erschütternde Begegnung mit einem Verfolgten, Buße, Ankündigung der Rettung vom Himmel her, Vollzug durch einen gleichzeitig vom Himmel her Beauftragten. Inhaltlich ist bedeutsam, daß 9,1-19 a nicht Paulus' Berufung beschreibt, sondern nur seine Bekehrung. Es geht um die Bekehrung des Mannes, der — wie der Leser zumindest im Groben schon weiß — in der Urkirche eine entscheidende Rolle spielen wird, aber eben um seine Bekehrung. Ihre Art ist einmalig, nicht ihr Ergebnis. Nach ihrer Substanz unterscheidet sich Paulus' Bekehrung nicht wesentlich von den übrigen in der Apostelgeschichte erzählten Übertritten zum Christentum. Auch 22,5-16 folgt dem zweiteiligen Schema wie 9, l-19a, aber mit Unterschieden vor allem im zweiten Teil. 22,5-11 ähnelt 9,1-9 sehr. Jedoch könnte der Ort weiter von Damaskus entfernt gedacht sein, die Stärke des Lichts ist betont, die Reaktion der Mitreisenden ist schon nach Christus' erstem Wort erwähnt und anders als in 9,7 (sie hören nichts, wenn sie auch das Licht sehen), Paulus' Gang nach Damaskus wird kürzer abgemacht. Vor allem: Jesus kündigt die Mitteilung eines Paulus aufgetragenen Tuns an. Von Paulus' Aufenthalt in Damaskus und Ananias' Jesusvision verlautet nichts. Ananias, ausdrücklich als frommer Jude charakterisiert, tritt unvermittelt zu Paulus, heilt ihn zunächst durch ein wirksames Wort (also nicht durch Handauflegung, auch die Schuppen fallen nicht), deutet ihm dann die Christuserscheinung als göttliche Erwählung zum Zeugen des augenund ohrenfällig erschienenen Auferstandenen vor allen Menschen, und fordert ihn auf, sich taufen zu lassen. Die Taufe selbst ist im Gegensatz zu 9,18 nicht erzählt. Wesentlich an dieser Fassung ist, daß ihr zufolge vor und in Damaskus auch noch etwas anderes geschah als Paulus' Bekehrung, nämlich seine Berufung zum Zeugen durch Gott, obwohl Paulus nicht berufen wird, sondern Ananias ihm bedeutet, daß die Christophanie das beinhalte. 26,12-18 ist anders aufgebaut als 9 und 22 und sagt ganz anderes. Der Text hat eine eigene Struktur; die Verse bilden eine Jesusrede, die in 9, l-19a und 22,5-16 nicht steht, mit einer Einleitung, die 9, l - 6 a und 22,5-10a parallel läuft. Doch ist diese straffer und griechischer formuliert und erzählt in wesentlichen Punkten eine andere
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§ 4. Die Wende
Geschichte. Das Damaskusunternehmen erscheint als Krönung einer umfassenden Verfolgungsaktion, die nicht nur die in Jerusalem gefaßten Christen, sondern auch die vor Paulus' Verfolgung schon geflohenen treffen soll. „Unterwegs", nicht erst vor Damaskus, erscheint ihm Jesus. Das Licht ist noch stärker als in 22 geschildert; die Begleiter werden noch früher genannt, aber als bloße Statisten, die gleich mit Paulus niederfallen. Hatte 22,9 ihr Hören ausdrücklich ausgeschlossen, das Sehen des Lichts noch zugestanden, so wird hier beides nicht mehr erwähnt. Die Mitreisenden erleben nichts von dem, was Paulus erlebt: ein Sehen und Hören Jesu. Das Wechselgespräch ist aufgelöst; in das erste Wort Jesu ist die Redensart vom Stachel eingefügt, das zweite ist verändert. Jesus befiehlt nicht, zu weiterer Anweisung in die Stadt zu gehen, sondern deutet selbst, wozu er erschien : nämlich um Paulus zum Zeugen gegenüber Juden und Ιθ-νη, zu denen er ihn schickt, zu erwählen. Der Leser der Apostelgeschichte weiß schon, daß Paulus zunächst Juden gepredigt hat und erst danach in aller Form zu den έθνη geschickt wurde, und so wird er auch Jesu Worte verstehen; aber der Wortlaut paßt besser zu einer jetzt geschehenen Aussendung zu den έθνη. Auf solche ist auch die Zielangabe gemünzt : Paulus wird gesandt, um ihnen die Augen zu offenen, damit sie glauben und die Taufgaben empfangen. Der Vergleich der drei Texte ergibt, daß die Meinung richtig ist, daß Lukas in 22,5-16 und 26,12-18 die Erzählung von 9,1-19a variiert, aber keine Parallelen dieser Erzählung verarbeitet. Die Unterschiede sind fast alle durch Situation und Thema der Reden, innerhalb derer sie vorkommen, zu motivieren und in Sprache und Vorstellung lukanisch2eB. Gelegentlich läßt sich sogar beobachten, daß Lukas ziemlich stark an seinen eigenen Wortlaut von 9,1-19 a gebunden war und ihm die Variation nicht einwandfrei gelang2ββ. Das alles bedeutet nun aber noch nicht, daß 9,1-19 a auf vorlukanischer Tradition fußt. Auch daß hier ein gegebenes Erzählschema benutzt ist, das in 22 durchbrochen, in 26 aufgegeben ist, besagt das noch nicht; Lukas selber könnte es angewandt haben. Entscheidend ist, daß die Änderungen in 22,5-16 und 26,12-18 sich nicht alle als „literarische Variation (und ζ Τ Unachtsamkeit)"2®7 erklären lassen, sondern im Dienst einer Sicht des Damaskuserlebnisses stehen, die von der in 9,1-19 a enthaltenen völlig verschieden und hier nicht einmal angedeutet ist: Damaskus war eine Erwählung zum Zeugen, nicht eine Bekehrung mit der 285 Das gilt auch gegen Trocmée Versuch, 9,3-9 von 26,12ff. abhängen zu lassen (s. o. S. 26 A. 3). 2M So dürfte sich das auffällige άνέβλεψα είς αύτόν 22,13 so erklären, daß Lukas einerseits das άνέβλεψεν von 9,18 aufnahm, andererseits zu dem neuen Ananiaswort 22,14f. überleiten wollte. 287 Conzelmann, Apostelgeschichte, 59.
2. Tradition und Redaktion
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(Paulus unbekannt bleibenden) Bestimmung zum Märtyrer; Jesus erschien nicht vom Licht verhüllt, sondern ließ sich sehen (und hören), um damit die Zeugenschaft zu begründen ; er deutete Paulus wie den Aposteln zwischen Ostern und Himmelfahrt den Sinn der Erscheinung, statt einen erschreckten Verfolger ohne Orientierung von sich zu schicken oder Ananias ihm die Deutung geben zu lassen. Das alles geschah „unterwegs" und ohne Zeugen, nicht vor den Toren von Damaskus und miterlebt von Reisegenossen, die Jesus wenigstens auch reden hörten. Diese Auffassung hat Lukas bewußt zur Geltung gebracht, und nicht nur in 26,12-18; sie bestimmt seine Paulusdarstellung auch über die Anfänge hinaus. Daß sie in 9,1-19 a nicht einmal angedeutet ist, kann keine kompositorischen Gründe haben. Es ist kein Anlaß zu sehen, warum Lukas Paulus' Erwählung zum Zeugen nicht schon hier hätte erzählen können. Ein solcher Anlaß läge vor, wenn Paulus nach Lukas' Auffassung zum Zeugen speziell vor den Heiden bestimmt wäre; aber das ist der lukanische Paulus grade nicht. Er ist Zeuge und Prediger für alle Menschen und macht unmittelbar nach der Bekehrung vor den Damaszener Juden damit den Anfang (9,19b-22). Daß 9,1-19a das Damaskuserlebnis so ganz anders erzählt, kann sich nicht anders erklären, als daß Lukas hier gebunden war, und zwar nicht nur durch ein Bündel Sachangaben, sondern durch eine geformte Geschichte, wozu nun die Beobachtung, daß der Text einem gegebenen Schema folgt, vorzüglich paßt. Es dürfte also in der Tat so sein, daß hinter 9,1-19 a, 22,5-16 und 26,12-18 eine und nur eine vorlukanische Geschichte steckt, und zwar so, daß 9, l-19a ihr am engsten folgt, während 22,5-16 diesen Text, ihn teilweise als erzählt voraussetzend, variiert und 26,12-18 seinen Anfang, ebenfalls variiert und vor allem gestrafft, als Einleitung zu einer ganz anderen Darstellung des Geschehens verwendet268. b) Tradition in Apg 9,1-19 a Wenn Lukas in 9,1-19 a eine Geschichte verarbeitet, wird man bis zum Beweis des Gegenteils annehmen dürfen, daß alles, was an Tradition in der Perikope steckt, zu dieser Geschichte gehörte und daß 2,8
Damit sind also nicht nur die Mehrquellentheorien abgelehnt, sondern auch die Versuche, die zwar nur mit einer Quelle oder Überlieferung rechnen, sie aber nicht vor allem in 9,1-19 a wiederfinden oder sie in allen drei Berichten verarbeitet sehen. Den ersten Typ vertritt Lake, The Conversion of Paul, in: Jackeon-Lake, Beginnings V, 188-191, der 22,5-16 für die ursprünglichste, nur vielleicht gekürzte Fassung hält, 9,1-19 a dagegen für eine hellenisierte Version und 26,12-18 für eine Kurzform, die ihre Entstehung entweder rein stilistischen Gründen oder der Kenntnis des paulinischen Unmittelbarkeitsanspruchs verdankt. Den zweiten Typ hat vor allem Munck, Paulus und die Heilsgeschichte, 1-27, in Auseinandersetzung mit Lake zu begründen versucht.
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§ 4. Die Wende
nicht noch andere Überlieferung in nennenswertem Umfang eingewirkt hat. Auf der anderen Seite braucht Lukas die Geschichte nicht vollständig benutzt zu haben, und jedenfalls hat er sie bearbeitet. Wo und wie, darüber gehen die Urteile weit auseinander. Die Extreme : Nach Dibelius gibt Lukas „offenbar die schon existierende Bekehrungsgeschichte wieder, ohne sie einer ausweitenden Umarbeitung zu unterziehen"2ββ. Dagegen läßt Klein 9,4-6 und 10-16 „nicht nur nach ihrer Komposition, sondern materialiter auf Lukas zurückgehen"270, was bedeutet, daß die „Gemeindeüberlieferung", die Klein im übrigen benutzt sieht, eine ganz andere Geschichte oder aber gar keine gewesen sein muß. Die meisten neueren Äußerungen liegen auf einer mittleren Linie und begnügen sich damit, einzelnes als lukanisch auszuscheiden. Wenn es richtig ist, daß in den Redefassungen des Damaskusberichts 22,5-16 und vollends 26,12-18 eine andere Sicht sowohl des Hergangs als auch seiner Bedeutung durchbricht, als sie in 9,1-19 a enthalten ist, und zwar die für Lukas entscheidende Sicht, dann dürfte 9,1-19 a sich enger an die Tradition halten, als heute meist angenommen wird. Am sichersten dürfte sein, daß V. 3(l)-9 im wesentlichen auf Tradition beruhen, weil die Szene einerseits Lukas' Auffassung des Ereignisses als Berufung widerspricht, sich aber andererseits formal so stark in 22 und 26 durchhält. Auch die für den lukanischen Ursprung des Wortwechsels V. 4b-6 angeführten Argumente schlagen meines Erachtens nicht durch. Es spricht nichts dagegen, daß schon die Tradition dieses hergebrachte Motiv benutzte271. Weniger 268 Die Reden der Apostelgeschichte und die antike Geschichtschreibung, in: Dibelius, Aufsätze 6 , 120-162: 137. 270 Die zwölf Apostel, 144; im Ergebnis ähnlich Lohfink, Darstellungsform. 271 Lohfink nennt zwei Gegengründe. Erstens: das Wechselgespräch kommt in der kurzen Form ohne Selbstvorstellung noch Apg 10,3-6 vor, auch hier von Lukas' Hand (Darstellungsform, 253f.). Aber Apg 10,3-6 ist kaum lukanisch (ο. A. 11), und selbst wenn, dann kann die Damaskustradition immer noch den Wortwechsel enthalten haben, zumal er ja hier in der vollen Form vorliegt. Zweitens : Apg 9,4b-6 ist von der gleichen, die L X X imitierenden Machart wie das lukanische „Mosaik von Prophetenzitaten" 26,16-18a (Darstellungsform, 254-256). Aber ich sehe nicht, was diese nun tatsächlich lukanische Stelle für die Herkunft von 9,4b-6 par. besagen kann, zumal die Bildung eines Mosaiks aus geprägten Wendungen (kaum Zitaten, ο. A. 224. 238) und die Nachbildung einer Erzählform zweierlei ist. Die Sache sieht anders aus, wenn man wie Lohfink dem Formelement keine selbständige Existenz in der antiken jüdischen Literatur zugesteht, sondern alle Stellen für direkte Nachahmung des AT hält; aber das ist kaum richtig (s. o. unter lb). — Wenig Mühe macht sich Klein. Er beruft sich auf E. Haenchen, Tradition und Komposition in der Apostelgeschichte, ZThK 52 (1955), 205-225: 214, nach dem „das Gespräch des Herrn mit Paulus . . . wie das des Christus mit Ananias" nicht aus der Tradition geschöpft ist. Aber erstens meint Haenchen mit dem .Gespräch des Herrn mit Paulus" m. E. gar nicht 9,4b-6, sondern 22,18-21 (nach Haenchen, Apostelgeschichte 8 , 270, gehört jedenfalls gerade 9,4b-6 zur
2. Tradition und Redaktion
123
sicher sind V. 10-19a zu beurteilen, zumal nur 22,12-16 als Vergleichstext zur Verfügung steht, der zudem 9,10b-14 oder sogar 9,10b-16 nicht deckt. So rechnet Haenchen die „verzwickten korrespondierenden οράματα" nicht zur Tradition272. Aber ein einfaches δραμα des Ananias muß Lukas mindestens vorgelegen haben, denn Ananias' Handeln muß motiviert gewesen sein (das unmotivierte Auftreten in 22,12 ist nur möglich, weil 9, lOff. als bekannt vorausgesetzt sind). Da korrespondierende Gesichte zur Form gehören, der die Tradition folgte, und dabei auch das Referat über eine Vision innerhalb einer Vision vorkommt, das also keine lukanische Originalität ist, besteht kein Grund, Lukas die Komposition von V. 10-12 zuzusprechen. Ein inhaltliches Indiz ist, daß V. 17 den Ananias laut V. 12 gegebenen Auftrag erweitert und daß diese Erweiterung nun allerdings lukanisch ist. V. 13f. hat Conzelmann ausdrücklich für redaktionell erklärt273. V. 13 greift auf 8,3 zurück, und auch V. 14 kann von Lukas formuliert sein. Aber Widerspruch als solcher ist stilgemäß. Ob er (vielleicht anders ausgedrückt) schon in der Tradition stand, wird mit von der Entscheidung über V. 15 f. abhängen, die schwieriger, aber auch für die Beurteilung der Tradition im ganzen wichtiger ist. Daß die Verse kein Fremdkörper in der benutzten Struktur sind, ist oben gezeigt. Ein Ausblick auf Paulus' weiteren Weg kann Lukas also sehr wohl gegeben gewesen sein. Damit ist freilich noch nicht gesagt, daß er so lautete, wie man jetzt liest. Die sprachliche Untersuchung trägt hier nichts aus; unlukanisch, aber konventionell formuliert, kann Lukas V. 15 f. sowohl selbst geschrieben wie einer Tradition nachgeschrieben haben. Nun sind es nach ihm gewöhnlich die Juden, die Paulus leiden machen (vgl. 20,19), während hier zuerst die Heiden und ihre Könige und dann auffällig nachgestellt die Kinder Israel genannt sind; weiter ist „leiden" kein Stichwort für die Verfolgung, die Paulus in der Apostelgeschichte erdulden muß, und das angekündigte „Bedeuten" findet nur sporadisch statt. Ich möchte V. 15f. deshalb auch inhaltlich für traditionell halten, ausgenommen „und (vor) den Söhnen Israels", dessen Stellung sich gut erklärt, wenn Lukas es zugesetzt hat. Etwas eindeutiger wird die Sachlage wieder in V. 17-19a. Da „Jesus, der dir erschien auf dem Weg, auf dem du kamst" V. 17 Tradition), zweitens ist der ganze Satz bei Haenchen bloß Vermutung — ein hübsches Beispiel dafür, wie eine Vermutung auf dem Weg vom Autor zum Referenten zur Gewißheit reift. — J. Jeremias weist auch darauf hin, daß Lukas, der in Lk 19,38 das ωσαννά aus Mk 11,9 f. (zweimal) streicht, nicht von sich aus Σαούλ Σαούλ geschrieben hätte. Die Beobachtung wird aber durch die sicher lukanische Bemerkung τη Έβραΐδι διαλέκτω 26,14 beeinträchtigt: Lukas mag bewußt Σαούλ Σαούλ gesetzt haben, um zu historisieren. Doch könnte umgekehrt auch der Hinweis 26,14 durch eine gegebene semitische Anrede veranlaßt sein. 272 273 Apostelgeschichtee, 2 7 6 . Apostelgeschichte, 58.
124
§ 4. Die Wende
Lukas' Auffassung reflektiert, wie sie in 26,12-18 herauskommt, ist die Wendung lukanisch ; ob sie etwas verdrängt hat, ist nicht zu sagen. „Und (damit) du mit heiligem Geist erfüllt wirst" ist sprachlich lukanisch; da die Worte außerdem über V. 12 hinausgehen und sich mit V. 18 stoßen, dürfte Lukas sie zugesetzt haben (daß 22,13 die Heilung als separaten Akt berichtet, bestätigt das). Den Geist zu erwähnen, war angebracht, weil Paulus nach 9,19 b ff. sofort zu predigen anfängt 274 ; daß Lukas die Geisterfüllung nicht nach „er ließ sich taufen" einschaltete, was klarer gewesen wäre, mag daran liegen, daß er nicht Geistbegabung und Nahrungsaufnahme nebeneinanderstellen wollte. Der Rest von Y. 17-19a dürfte auf der Tradition fußen275. Insbesondere ist allgemein zugestanden, daß die Züge, die zum Heilungswunder gehören, traditionell sind276. Kurz, was Lukas in 9,1-19 a schreibt, wird ziemlich weitgehend auf einer gegebenen Geschichte beruhen. In den Einzelheiten rekonstruieren läßt sie sich natürlich nicht. Doch ist möglich, daß sie sich von Apg 9,1-19 a nicht stärker unterschied als eine Markusgeschichte von ihrer Bearbeitung im Lukasevangelium. c) Tradition in Apg 26,12-18 Mit der Feststellung, daß wie 22,5-16 so auch 26,12-18 9,l-19a variiert, ist die Traditionsfrage für 26,12-18 noch nicht erledigt. Eine anderer Text als 9, l-19a wird gewiß nicht sichtbar; was an Handlung berichtet ist, fußt auf 9, Iff., und die Christusrede stammt bei aller Verwendung überlieferter Formeln von Lukas' Hand. Trotzdem ist das Bild der Berufung „unterwegs", nach dem Lukas den Anfang von 9,1 ff. zur Einleitung der Jesusrede umgestaltet und diese selbst gebildet hat, nun seinerseits nicht original lukanisch. Hier liegt das Wahrheitsmoment aller Hypothesen, die 26,12-18 auf einen von 2,4
Vgl. Qirlanda, De Conversione Pauli, 132 f. (aber mit zu weitgehenden Konsequenzen, s. o. A. 194). 276 Nach M. Dibelius, Stilkritisches zur Apostelgeschichte, in: Dibelius, Aufsätze 5 , 9-28: 27 A. 3, aufgenommen -von Klein, Die zwölf Apostel, 151, hat Lukas die Taufe hereingebracht; die physischen Akte des άναβλέπειν und ένισχύειν hätten ursprünglich zusammengestanden. Das mag für eine reine Wimdergeschichte gelten, gilt aber nicht notwendig für eine Bekehrungsgeschichte wie die vorliegende. Daß sie von Taufe o. ä. berichtet haben muß, gibt Dibelius selber zu verstehen, wenn er meint, sie könne nicht mit ένίσχυσεν geschlossen haben. Warum nicht? Wenn Lukas Ananias' Worte über die Geisterfüllung V. 17b eingeführt hat, dann dürfte das dazu nicht passende καΐ άναστάς έβαπτίσ&η inhaltlich nicht von ihm sein; war aber, wie der Duktus der Geschichte ohnehin nahelegt, von sofortiger Taufe die Rede, dann steht das καΐ λαβών τροφήν ένίσχυσεν, das nicht als Wundertopos zu beurteilen ist, weil eine geheilte Blindheit schwerlich durch Essen demonstriert werden kann, an seiner jetzigen Stelle ganz richtig. 27β Vgl. besonders Trocmé, Le "Livre des Actes", 176f.
3. Zur Geschichte der Tradition
125
Paulus selbst stammenden Bericht zurückführen wollen. Wenn es stimmt, daß die in 26,16 ausgesprochene Erwählung zum Zeugen Paulus neben die Apostel stellen soll, dann ist grade ein spezifisch lukanischer Zug wie der Zeugenbegriff in seiner Anwendung auf Paulus sachlich paulinisch, und das dürfte Tradition spiegeln. Es mag auch sein, daß in den Anklängen an prophetische Berufungstexte Paulus' eigene Auffassung nachwirkt277. Doch ergibt sich auch ohne Vergleich mit den paulinischen Selbstzeugnissen, daß Lukas in 26,12-18 nicht frei (um)schafft. Wenn der Wortlaut von 26,17 f. Damaskus als Aussendung zu den Heiden zu verstehen scheint, während nach Lukas Paulus an alle Menschen gewiesen war und „Sendung zu den Heiden" eine Wende im Lauf seiner Arbeit bezeichnet, dann weist das ebenfalls auf Traditionsbindung hin. Das heißt, Lukas bringt in 26,12-18 (teilweise auch schon in 22,5-16) zwar keinen überlieferten Text neben 9,1-19 a zur Geltung, wohl aber eine andere überlieferte Auffassung von dem, was damals geschehen war. Daß diese nicht nur Deutungselemente enthielt, zeigt die Verlegung des Ereignisses nach „unterwegs", zu der Lukas keine Veranlassung hatte. Es wird hinter 26,12-18, genauer in den Abweichungen von 9, l-19a, ein Traditionskomplex sichtbar, der auch das Ereignis selbst, nicht nur seine sachliche Bedeutung für Paulus, anders begriff als die in 9, l-19a benutzte Geschichte. Wiederum wird man ihn nicht mehr genau rekonstruieren können. Daß Lukas ihn nicht unverändert übernommen hat, ist am Motiv der Sendung zu den Heiden deutlich geworden. 3. Zur Geschickte der
Tradition
a) Apg 9,1-19 a
Die in 9,1-19 a verarbeitete und möglicherweise von Lukas ziemlich schonend behandelte Geschichte geht nicht auf Paulus selbst zurück. Dagegen spricht schon, daß ihr Aufbau nicht die Spur individuell ist, sondern einem romanhaften Schema folgt. Falls das Schema erst im Lauf der Überlieferung einem älteren Bericht aufgeprägt worden sein sollte, so wäre der bis zur Unkenntlichkeit verändert worden. So, wie Lukas die Tradition vermutlich vorlag, paßt sie weder zu Paulus' eigener Interpretation des Geschehens als Berufung unter den 277 VgMunck, Paulus und die Heilsgeschichte, 15-21. Wenn freilich T.Holtz, Zum Selbstverständnis des Apostels Paulus, ThLZ 91 (1966), Sp. 321-330, recht hat, dann hat Paulus seine Berufung anders als möglicherweise Apg 26,17 (o.A. 238) gerade nicht mit Jeremía verknüpft, sondern vor allem mit Jes 49,1. Doch bleibt auch dann denkbar, daß abgelöst vom Bezug auf einzelne Stellen die Tatsache, daß Paulus sich zu den Propheten des Alten Bundes in ein Verhältnis setzte, in der Tradition haften blieb (Munck, S. 18).
126
§ 4. Die Wende
Stichworten Letzte Ostererscheinung, Apostolat, Sendung zu den Heiden (l.Kor9,1; 15,8f.; Gall,15f.) noch zur Deutung ala Bekehrung unter dem Stichwort Zerschlagung der Gerechtigkeit aus dem Gesetz durch die Erkenntnis Jesu, „meines Herrn" (Phil 3,4ff.) 278. Nun sind diese Selbstinterpretationen, die Paulus nicht aus autobiographischen Gründen, sondern zur Rechtfertigung seiner Tätigkeit in den fünfziger Jahren rund zwei Jahrzehnte nach dem Ereignis niederschreibt, sicher aus Reflexion erwachsen und ihm nicht verbatim vor Damaskus offenbart worden, was er auch nicht behauptet. Immerhin aber dürfte für ihn Damaskus von Anfang an eine spezielle Bindung an „seinen" Herrn279 und, wie sein Verhalten zeigt, eine spezielle Beauftragung beinhaltet haben280. Das spricht nicht dafür, daß er von Damaskus je als bloßer Bekehrung hätte erzählen können, zu der Jesus, zumal in so reduzierter Form wie nach Apg 9,3-6 erscheinend, nur den Anstoß gab. Apg 9, l-19a steht also in einigem Abstand von Paulus. Das dürfte auch in zeitlichem Sinn gelten. Zwar läßt Gal 1,23 281 vermuten, daß Damaskus schon früh traditionsbildend gewirkt hat, aber die Bekehrungsgeschichte ist in der Lukas vorliegenden Form keine frühe 278 Zum Verständnis der paulmischen Selbstaussagen zuletzt A. Bertrangs, Damascus en de Bijbel, Topieken voor Sint Paulus' roeping, Studia Catholica 29 (1954), 225-236; H. G. Wood, The Conversion of St Paul: Its Nature, Antecedents and Consequences, NTS 1 (1954/55), 276-282; A.-M. Denis, L'élection et la vocation de Paul, faveurs célestes. Étude thématique de Gal., 1,15, Revue Thomiste 57 (1957), 405-428; L'investiture de la fonction apostolique par «apocalypse». Étude thématique de Gal., I, 16, Revue Biblique 64 (1957), 335-362. 492-515; W. Prokulski, The Conversion of St. Paul, CBQ 19 (1957), 453-473; P. Warmoes, De roeping bij Damascus volgens de Paulinische berichten der grote brieven, kath.-theol. Diss. Louvain 1958; U. Wilckens, Die Bekehrung des Paulus als religionsgeschichtliches Problem, ZThK 56 (1959), 273-293; O.Haas, Berufung und Sendung Pauli nach Gal 1, Zeitschrift für Missionswißsenschaft und Religionswissenschaft 46 (1962), 81-92; D. Lührmann, Das Offenbarungsverständnis bei Paulus und in paulinischen Gemeinden (WMANT 16), Neukirchen-Vluyn 1965, bes. 73-79; Holtz, Zum Selbstverständnis ; H. J. Baden, Literatur und Bekehrung, Stuttgart 1968, 22-30. 46-52 ; J. Blank, Paulus und Jesus. Eine theologische Grundlegung (SANT 18), München 1968, 184-248; P. Stuhlmacher, Das paulinische Evangelium I. Vorgeschichte (FRLANT 95), Göttingen 1968, bes. 63-85; Kasting, Anfänge der urchristlichen Mission, 53-60; außerdem die Literatur zum Apostolat (u. A. 289) und zu den Auferstehungsberichten. 279 Paulus sagt nicht zufällig allein Phil 3,8 „mein Herr" (Jeremias, The Key, 28). 280 j ) e r Aufenthalt in der Arabia unmittelbar nach der Berufung (Gal 1,17) ist doch wohl ein missionarischer Versuch gewesen, der zudem wahrscheinlich macht, daß Paulus sich von vornherein zu den Heiden gesandt wußte (anders zuletzt P. Gaechter, Schranken im Apostolat des Paulus, in: Gaechter, Petrus und seine Zeit. Neutestamentliche Studien, Innsbruck-Wien-München 1958, 338-450: 401-415; E.P.Blair, Paul's Call to the Gentile Mission, Biblical Research 10, 1965, 19-33). 281 Vgl. o. § 3 Α. 34.
3. Zur Geschichte der Tradition
127
Bildung282. Die Verse Apg 9,15f., die ich zur Tradition rechnen möchte, blicken auf Paulus' abgeschlossene Wirksamkeit zurück. Auch daß V. 4f. seine Verfolgung gegen seine Selbstaussagen und den übrigen neutestamentlichen Sprachgebrauch einschließlich Gal 1,23 als Verfolgung Jesu bezeichnet, deutet auf späte Abfassung283. Falls sich herausstellen sollte, daß diese beiden Details dem Stoff erst im Lauf seiner Entwicklung zugewachsen sind, so würde das an der Spätdatierung nichts ändern. Sie ist schon damit gegeben, daß das Damaskuserlebnis rein als Bekehrung (nicht anders als die eines Heiden) in Romanstruktur erzählt wird. Darin äußert sich nicht nur ein hagiographisches Interesse an der Person des großen Predigers, das von den Auseinandersetzungen um sein Evangelium und seine Autorität nicht, und das heißt doch wohl: nicht mehr, berührt ist284, sondern eine Erzählung in dieser Form setzt Kenntnis der weiteren Existenz voraus, und zwar unter dem Stichwort Leiden. Daß in nachpaulinischer Zeit Damaskus als Bekehrung erzählt werden konnte, bestätigt l.Tim l,12ff., wo das Geschehen als Paradigma der Begnadigung des Sünders verwandt wird, während die Berufung nur kurz und unter dem nivellierenden Stichwort des Dienstes vorkommt. Und ebenso ist für die nachpaulinische Zeit das Bild des leidenden Apostels charakteristisch (Kol 1,24; Eph 3,1.13; 2.Tim 3 , l l f . ; l.Clem 5, 7) 288. Die Tradition, die Lukas in Apg 9,1-19 a aufnahm, dürfte in den Umkreis solcher Äußerungen gehören. Sie erzählte Paulus' Bekehrung als Eingangskapitel zum Roman seines Lebens, das vom Leiden für den Namen Jesu bestimmt war. Das Paradigmatische, das die zitierten Äußerungen kennzeichnet (und ja auch in Lukas' sonstiger Paulusdarstellung vorkommt, vgl. Apg 20,33-35), ist dabei zwar nicht 282 E. Repo, Der «Weg» als Selbstbezeichnung des Urchristentums. Eine traditionsgeschichtliche und semasiologische Untersuchung (Annales Academise Scientiarum Fannie se B. 132,2), Helsinki 1964, 19f., nimmt eine semitische Vorgestalt an; ähnlich, aber ohne Belege, Hirsch, Die drei Berichte, 308. Angesichts der Form ist das wenig wahrscheinlich. 283 S. o. unter lb. — K. Beyschlag, Clemens Romanus und der Frühkatholizismus. Untersuchungen zu I Clemens 1-7 (BHTh 35), Tübingen 1966, 223 A. 1, meint, „daß wahrscheinlich . . . der Gegensatz Saul/Christus (Ag9,4) typologisch auf das von I Clem 4,13 parr gebrauchte Gegensatzpaar Saul/ David zurückzuführen ist". 284 Persönliches Interesse an Paulus an sich hat man in seinem Missionsgebiet gewiß früh gehabt, aber gerade von Damaskus kann kaum schon früh in der hinter Apg 9,1-19 a liegenden Weise erzählt worden sein. 286 Rolo ff, Apostolat, 243; H. D. Mündel, Das apostolische Amt in den Deuteropaulinen, ev.-theol. Magisterarbeit Göttingen 1969 (masch.), 75-79. Vgl. Apg 9,15 ένώπιον των έ&νών τε καΐ βασιλέων mit l.Clem 5,7 μαρτυρήσας έπΐ των ήγουμένων, besonders wenn μαρτυρήσας hier das Zeugnis trotz Todesgefahr, noch nicht den Zeugentod bedeutet (Beyschlag, Clemens Romanus, 268-276).
§ 4. Die Wende
128
ausdrücklich, aber latent vorhanden: Romanfiguren sind paradigmatisch286. b) Apg
26,12-18
Anders als mit 9,1-19 a steht es mit der Auffassung des Damaskuserlebnisses, die Lukas in 26,12-18 auf den Stumpf der in 9, l-19a benutzten Überlieferung aufgepfropft hat und die er gelegentlich schon vorher durchblicken läßt (9,17.27; 22,14f.). Die schon immer aufgefallenen Berührungen mit Paulus' eigenem Verständnis, die nicht dadurch hinfallen, daß sie meist im Dienst der Hypothese notiert wurde, daß 26,12-18 eine auf Paulus zurückgehende Erzählung wiedergebe, lassen vermuten, daß hier paulinische Tradition vorliegt. Daß Damaskus darin bestand, daß Jesus sich von Paulus „unterwegs" hören und sehen ließ, zum Zeugen wie die Apostel erwählte und dabei von Sendung zu den Heiden sprach, kommt in der Tat dem nahe, was Paulus selbst Gal 1, löf. ; l.Kor 9,1 u. a. über seine Berufung sagt. 288 Trotz des literarischen Charakters von Apg 9, l - 1 9 a wäre zu fragen, was der Text historisch ergibt. Sicher scheint mir, daß er zum Verständnis der paulinischen Auffassung von Damaskus nichts beiträgt. So läßt sich mit ihm keinesfalls stützen, daß Damaskus eine die Kirche nicht verpflichtende, von den echten apostolischen Ostervisionen unterschiedene Privatoffenbarung gewesen sei, deren Anspruch die nichtpaulinischen Gemeinden mit Recht abgelehnt hätten, wie Ph. Seidensticker, Paulus, der verfolgte Apostel Jesu Christi, Studii Biblici Franciscani. Liber Annuus 8 (1967-58), 216-288 = sep., neubearbeitet (SBS 8), Stuttgart 1965, 71-87; Auferstehung Jesu, 33-38, meint. Historisches steckt, wenn überhaupt, wohl nur in den Realien. Doch ist schwierig zu sagen, was. Es ist auf der einen Seite kaum möglich, alles was historisch denkbar ist, eben deswegen für historische Erinnerung zu halten, wozu Graß, Ostergeschehen und Osterberichte, 207-226, neigt. So ist die Existenz von Begleitern in der Tat wahrscheinlich (S. 219), denn man reiste ungern allein. Aber eben deswegen, wenn nicht überhaupt als Motiv, können die Begleiter sekundär in die Überlieferung gekommen sein. Auf der anderen Seite darf man den Text auch nicht einfach übersehen. Wenn etwa W. Prentice schließt: "All that we really know about St. Paul's journey to Damascus is what we learn, or can infer, from that very summary passage in Galatians 1,15-17: All the rest is popular legend" (St. Paul's Journey to Damascus, ZNW 46, 1955, 250-255: 255), so ist an die schlichte Wahrheit zu erinnern, daß auch Legenden einen historischen Kern haben können. So erlaubt erst die Legende, nicht schon Gal 1, überhaupt von einer „Reise nach Damaskus" zu sprechen. Da Paulus m. E. in Jerusalem begann (s. o. § 3 A. 37), ist durchaus zu erwägen, daß die Legende hier Richtiges bewahrt hat. Dann mögen auch die amtlichen Empfehlungsbriefe historische Erinnerung sein, zumal die vorlukanische Tradition nicht bei Paulus' Verfolgerschaft schlechthin von offizieller Billigung sprach (o. § 3,2). Jedenfalls ergibt sich nur aus Apg 9, nicht oder allenfalls indirekt aus Gal 1, daß das Damaskuserlebnis ein Erlebnis bei oder vor Damaskus war, woran zu zweifeln kein Anlaß vorliegt. Judas' Haus in der Breiten Gasse und die Ananiasgestalt (die auch mit Gal 1,16f. zu vereinbaren ist), dürften zumindest Lokaltradition spiegeln, die als solche ein Stück Geschichte darstellt, gleichviel, ob historisch oder nicht, was vermutlich nie zu entscheiden sein wird.
129
4. Lukas' Sicht
Wohin die Traditionslinie zurückführt, ob auf Paulus selbst oder, was nicht ausgeschlossen ist, auf die Briefstellen287, ist nicht sicher zu sagen. 4. Das Damaskuserlebnis
in lulcanischer
Sicht
Lukas hat die im Vorhergehenden festgestellten Überlieferungen beide aufgenommen, obwohl sie Damaskus verschieden auffassen. Er hat sie komplementär verstanden: die überlieferte Geschichte von Paulus' Bekehrung gab ihm die äußere, die überlieferte Auffassung von Paulus' Berufung gab ihm die innere Seite des Vorgangs. Daß er im Bericht in Apg 9,1-19 a im wesentlichen die Bekehrungsgeschichte zu Wort kommen läßt, hat zunächst überlieferungsgeschichtliche Gründe : nur sie war offenbar ein Text. Doch konnte sich Lukas dieses Verfahren der sukzessiven Darstellung insofern erlauben, als auch die Bekehrungsgeschichte nach seinem Verständnis den Sachgrund dessen berichtete, was für ihn die innere Seite des Geschehnisses ausmacht: Jesus „erschien" Paulus und ließ sich hören. Auch wenn nach dieser Geschichte anders als in 22,14f. und 26,16-18 weder Jesus selbst noch Ananias in Worte fassen, was Sehen und Hören für Paulus bedeuten, so zeigt Lukas doch in 9,17 b und 9,27 b sogleich, daß er Erscheinung und Worte Jesu in 9,3-6 in diesem qualifizierenden Sinn verstand. Vermutlich konnte er damit rechnen, daß auch seine Leser so verstehen würden288. Die innere Seite der Sache ist, daß nach 22,14f. Gott, nach 26,16-18 Jesus Paulus durch sein Erscheinen auf dem Weg nach Damaskus zum Zeugen dessen, was er hörte und sah, erwählte. Das oben offengelassene Problem dieser Aussagen ist das, das sich immer deutlicher als ein Schlüsselproblem der lukanischen Paulusdarstellung und des lukanischen Geschichtsbilds überhaupt erwiesen hat: Paulus' Verhältnis zu den zwölf Aposteln289. Die „apostolische" Terminologie 887 288
S.u. §5,3 Exkurs. Analog gestreckte Darstellung: Nicht in der Pflngstgeschichte oder Pfingstpredigt, sondern erst in der Petrusrede vor Kornelius 10,41 wird gesagt, daß Gott zu Pfingsten den Aposteln einen Predigtauftrag gab (vgl. u. §6 A. 16). Vgl. noch Apg 10,6. 32 mit 11,13f. — Ich kann also nicht wie manche in den drei Darstellungen je ein Hauptmoment der Berufung des Paulus betont finden (so Oirlanda, De Conversione Pauli, 129-140: apostolus, testis, propheta). 289 über Begriff und Amt des Apostels und über den Zwölferkreis ist in den letzten Jahren eine Bibliothek geschrieben worden; auf deutsch besondere E. Lohse, Ursprung und Prägimg des christlichen Apostolates, ThZ 9 (1963), 269-275 ; Klein, Die zwölf Apostel ; W. Schmithals, Das kirchliche Apostelamt (FRLANT 79), Göttingen 1961; B. Gerhardsson, Die Boten Gottes und die Apostel Christi, Svensk Exegetisk Ärsbok 27 (1962), 89-131; Georgi, Gegner des Paulus, 39-49; Rolo ff, Apostolat; Kasting, Anfänge der lirchristlichen Mission, 61-81 ; G. Schille, Die urchristliche Kollegialmission (AThANT 48), Zürich-Stuttgart 1967. θ
Burchard, Zeuge
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§ 4. Die Wende
insbesondere der Erwählungsaussage 26,16b ist ja nicht zu übersehen, wobei entscheidend ist, daß sie aus der Mitte, nicht von der Peripherie des lukanischen Apostelbilds stammt290. Das gilt vor allem vom lukanischen Zeugenbegriff, μάρτυς ist für Lukas kein beliebiges Wort. Es bezeichnet eine kraft ausdrücklicher und direkter Erwählung durch den Auferstandenen verliehene Funktion. Diese haben außer Paulus nur die zwölf Apostel 2 ' 1 . Den Apostel macht nach Lukas noch nicht die „Auswahl" durch den irdischen Jesus, wenngleich den Zwölfen damals der Titel verliehen wurde (Lk β, 13 diff. Mk 3,14b-16) 292 , und auch noch nicht die enge Gemeinschaft mit dem Herrn von der Taufe bis zur Himmelfahrt, obwohl sie conditio sine qua non ist (Apg 1,21 f.), sondern ein besonderer Akt der Erwählung durch den Auferstandenen. Er findet sich am Ende der Vermächtnisszene zwischen dem Auferstandenen und den Seinen Lk 24,36-49. Lukas stützt sich hier auf Tradition, die der unabhängig von ihm in Joh 20,19-23 verarbeiteten nahestand 293 . Doch hat er 290
So auch Brox, Zeuge und Märtyrer, 46 f. Lk 24,48; Apg 1,8. 22; 2,32; 3,15; 5,32; 10,39.41; 13,31; 22,15; 26,16. Dazu außer der A. 289 genannten Literatur insbesondere R. Asting, Die Verkündigung des Wortes im Urchristentum. Dargestellt an den Begriffen „Wort Gottes", „Evangelium" und „Zeugnis", Stuttgart 1939, bes. 595-598. 399-615; H. Strathmann, μάρτυς κτλ., ThW IV (1942), 477-520, bes. 495-498; Η. Braun, Zur Terminologie der Acta von der Auferstehung Jesu, ThLZ 77 (1952), Sp. 533-536 = in: Braun, Gesammelte Studien zum Neuen Testament und seiner Umwelt, Tübingen 1962 = 2 1967, 173-177. 344; W. C. van Unnik, The "Book of Acts" the Confirmation of the Gospel, NovTest 4 (1960), 26-59: 53-56; Brox, Zeuge und Märtyrer, bes. 43-69; Wilckens, Missionsreden 2 , 145-149; W. G. Robinson, Jr., Der Weg des Herrn. Studien zur Geschichte und Eschatologie im Lukas-Evangelium. Ein Gespräch mit Hans Conzelmann (ThF 36), Hamburg-Bergstedt 1964, 37-39. Nicht gesehen: Ph.-H.Menoud, Jésus et ses témoins, Église et Théologie 23 (1960), 7-20. Sonst sagt Lukas nur noch von Stephanus quasi-titular τοϋ μαρτυράς σου (Apg 22,20). Doch unterscheidet das Fehlen der spezifischen Erwählung diesen Zeugen von Paulus (anders Qirlanda, De Conversione Pauli, 133-136, zu Apg 22; Bihler, Stephanusgeschichte, 31. 247) und den Aposteln. Stephanus dürfte kraft seines Endes, nicht kraft seiner Predigttätigkeit (so freilich Brox, S. 61-66) Zeuge heißen, wobei auf sich beruhen kann, ob der Begriff hier schon zum Märtyrer tendiert (für viele Conzelmann, Apostelgeschichte, 127) oder den Visionär kennzeichnet. 292 In έκλέγεσ&αι, das Lukas L k 6 , 1 3 (diff. Mk3,14); Apg 1,2 von der Gründung des Zwölferkreises und in Apg 1,24 von der Entscheidung zwischen den beiden Kandidaten gebraucht, wiegt offenbar das Moment des Auswählens, nicht das der Erwählung vor. Daß das Verb Lukas' „Term, techn. von der Berufung in ein kirchliches A m t " ist (Conzelmann, Mitte der Zeit 5 , 145 Α. 1), kann ich nicht finden (da der Apostolat für Lukas einmalig ist, vermeidet man den Amtsbegriff für ihn vielleicht besser ganz). Das Gesandtsein tritt im lukanischen Verständnis des Apostelbegriffs ganz zurück {Conzelmann, S. 201 A. 2). Lukas gebraucht (έξ)αποστέλλειν nie für grundsätzliche Beauftragung von Menschen (Lk 6,13 hat er Markus' Zielbestimmimg 3,14b-15 mit dem καΐ tva άποστέλλη αύτούς gestrichen), sondern nur für Einzelaufträge. Analoges gilt für das seltene (έκ)πέμπειν (13,4; 15,22.25). 283 Die Verwandtschaft der beiden Perikopen wird oft literarisch erklärt, meist so, daß Joh 20,19-23 Lk 24,36-49 benutzt (zuletzt J.A. Bailey, The Traditions Common to the Gospels of Luke and John, Suppl. to NovTest 7, Leiden 1963, 92-94; anders mit Recht schon J. Schniewind, Die Parallel291
4,4. Exkurs: Der lukanische Zeugenbegriff
131
insbesondere V. 44-49 weitgehend in seinem Sinn gestaltet. Die Tradition sprach hier vermutlich von Sendung und Geistverleihung 294 . Bei Lukas steht statt der Sendung von Verkündigern eine Bestallung zu Zeugen und statt der Geistverleihung eine Geistverheißung, wodurch die Szene nicht wie bei Johannes (und Matthäus) krönender Schluß des Wirkens Jesu und darum des Evangeliums, sondern Brücke zwischen Jesu Wirken und dem der Kirche und darum auch zwischen Lukasevangelium und Apostelgeschichte ist. Ob die Tradition in der Lukas vorliegenden Form Ansatzpunkte dafür enthielt, kann dahingestellt bleiben. Die Bestallung der Zeugen durch den Auferstandenen vor der Himmelfahrt und die davon getrennte Geistausgießung nach der Himmelfahrt zu Pfingsten sind jedenfalls bewußte und tragende Elemente der lükanischen Konzeption. Die Szene beginnt bei Lukas mit einer Demonstration des Auferstandenseins Jesu (V. 36-43), wie sie realistischer im Neuen Testament nicht vorkommt (er hat Fleisch und Knochen, Y. 39). Damit, so erklärt der Auferstandene, sind seine Ankündigungen eingetroffen (etwa Lk 18, 31) 295 , daß alles in der Schrift über ihn Geschriebene erfüllt werden müsse (Y. 44). Was das ist, sagt er in einer als Vermittlung bleibender Einsicht in den Sinn der Schrift gemeinten Beperikopen bei Lukas und Johannes, 1914 = "Darmstadt 1958, 91-93, und heute R. Leaney, The Resurrection Narratives in Luke (XXIV. 12-53), NTS 2, 1955/56, 110-114; Β. Lindara, The Composition of John XX, NTS 7, 1960/61, 142-147, die aber beide mit einer gemeinsamen schriftlichen Quelle rechnen, was mehr als zweifelhaft ist; O. Hartmann, Die Vorlage der Osterberichte in Joh 20, ZNW55, 1964, 197-220: 219; Kasting, Anfänge der urchristlichen Mission, 44f.). Die Verwandtschaft ist besonders deutlich, wenn man die angeblichen Western non-interpolations Lk 24,36. 40 (vgl. Joh 20,19. 20) für ursprünglichen Lukastext hält (J. Jeremias, Die Abendmahlsworte Jesu 4 , Göttingen 1967, 144; K. Aland, Neue neutestamentliche Papyri II, NTS 12, 1965/66, 193-210: 206-208 = ergänzt: Die Bedeutimg des ψ * für den Text des Neuen Testaments. Ein Beitrag zur Frage der „Western non-interpolations", in: Aland, Studien zur Überlieferung des Neuen Testaments und seines Textes, Arbeiten zur neutestamentlichen Textforschung 2, Berlin 1967, 155-172: 168-170). Eine genauere traditionsgeschichtliche Analyse hätte auch Mt 28, 16-20 einzubeziehen, wie es ausführlich zuletzt Kasting, 34-45 (Lit.), getan hat, wenn auch die in den letzten Jahren zahlreich erschienenen Untersuchungen zur Matthäusperikope gezeigt haben, daß sie weitgehend matthäische Komposition ist (O. Bornkamm, Der Auferstandene und der Irdische. Mt 28,16-20, in: Ûinkler (Hrsg.), Zeit und Geschichte, 171-191; A. Vögtle, Das christologische und ekklesiologische Anliegen von Mt. 28,18-20, in: Cross (ed.), Studia Evangelica Vol. II, 266-294; O. Strecker, Der Weg der Gerechtigkeit. Untersuchungen zur Theologie des Matthäus, F R L A N T 82, Göttingen 1962 = 2 1966, 208-214; U. Luck, Herrenwort und Geschichte in Matth. 28,16-20, EvTh 27, 1967, 494-508; G. Baumbach, Die Mission im Matthäus-Evangelium, ThLZ 92, 1967, Sp. 889-893; StuMmacher, Das paulinische Evangelium I, 254-256). — M k l 6 , 14-18 ist keine von den Synoptikern unabhängige Überlieferung (vgl. Kasting, 38-40; anders Stuhlmacher, 239 A. 1; 256-258; E. Linnemann, Der (wiedergefundene) Markusschluß, ZThK 66, 1969, 265-287). 294 Hinsichtlich der Geistverleihung ist das durch Joh 20,22 gesichert (zur Vermittlung durch Anhauchen vgl. J A 19, lOf. : drei Küsse). Dagegen gilt die Sendimg oft als johanneische Zutat (z.B. R. Bultmann, Daa Evangelium des Johannes, MeyerK 2 " , Göttingen 1962, 534f.: V. 21 f.; Hartmann, Vorlage, 215: V. 21b). Doch würde ich angesichts von Lk 24,44ff.; Mt 28,18b-20a eher mit einer johanneischen Umformung einer gegebenen Aussage rechnen (falls diese nicht in V. 23 steckt). 295 Zu dem zu ούτοι ol λόγοι zu ergänzenden είσίν vgl. Lk 8,9. 11 (diff. Mk 4,10. 13); 20,17; Apg2,16; 10,17; l.Kor 15,54. 9·
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§ 4. Die Wende
lehrung : das Geschehen des Sterbens 296 und Auferstehens des Christus und der auf Grund seines Namens ergehenden Metanoiapredigt an alle Völker, anfangend in Jerusalem (V. 45-47) 297 . Der Akzent liegt auf dem dritten Glied. Daß der Christus leiden und auferstehen sollte, hatte Jesus im Lukasevangelium deutlich gesagt, wenn er auch nicht verstanden worden war; daß das Heil aller Welt zuteil werden sollte, war zwar nicht deutlich ausgesprochen, aber angedeutet worden 2 ' 8 ; daß das durch Predigt unter allen Völkern geschehen werde, ist neu. Lukas läßt es bewußt erst jetzt laut werden. V. 47 ist Adaption von Mk 13,10; Lukas hatte den Vers an seinem Platz gestrichen (vgl. Lk 21,12f.) und nimmt ihn erst hier auf 2 8 9 . Auch und grade die Metanoiapredigt an alle Völker ist also Teil des in der Schrift zu lesenden Heilsplans Gottes 300 . Auf die autoritative Eröffnung dieses im Alten Testament gegebenen, teils schon ausgeführten und im übrigen dadurch der Erfüllung nahegerückten Plane folgt das für die zukünftige Funktion der Apostel entscheidende ύμεϊς μάρτυρες τούτων (V. 48). Der Satz hält die Stelle, die in Joh 20,21 (vgl. Mt 28,19f.) und so wohl auch in der von Lukas benutzten Tradition die Sendung hält. Er gilt denn auch als der lukanische Missionsbefehl; doch das ist ungenau. Er spricht weder von Sendung zur Predigt, noch ist er formal überhaupt ein Befehl. Das Zeugesein, von dem V. 48 redet, erstreckt sich auf „dieses", das heißt doch wohl die in V. 4647 a genannten Vorgänge. Daß auch die noch ausstehende Predigt als Gegenstand des Zeugnisses genannt ist, zeigt, daß hier nicht angedeutet wird, daß, was und wo die Elf 3 0 1 predigen sollen, denn die Predigt hat nicht sich selbst zum Inhalt (sondern nach V. 47 die Metanoia) 30a . Diese Dinge sind vielmehr der Realgrund der Predigt, und der Zeugenbegriff qualifiziert die Elf nicht als Prediger, sondern, wie es Zeugen eben sind, als Garanten der Tatsächlichkeit dieses Grundes (daß 286 πάσχειν „sterben": W.Michaelis, πάσχω, ThW V (1954), 903-923: 911 f. 916-918. 287 άρξάμενοι άπό 'Ιερουσαλήμ bezeichnet nicht den „Ausgang der Mission von Jerusalem" (Hahn, Verständnis der Mission 2 , 114), sondern heißt „anfangend in Jerusalem" (vgl. E. Lohse, Die Auferstehung Jesu Christi im Zeugnis des Lukasevangeliums, Biblische Studien 31, Neukirchen 1961, 37); άπό ist inklusiv wie Apg 1,22; 10,37, vgl. Lk 23,6. πάντα τά έθνη sind darum an dieser Stelle in Lukas' Verständnis nicht „alle Heiden", sondern „alle Völker"; doch liegt auf „alle" nicht der Ton von „jedes einzelne" (trotz Apg 2,8-11; 8,26-39 u. ö.). είς kann „unter" (Q.Friedrich, κηρύσσω κτλ., ThW III, 1938, 696-714: 703) oder „ a n " (nach Blaß-Debrunner12 §206,4 attisch möglich, doch ohne Beleg; Aramaismus nach J.Jeremias, Mc 14,9, Ζ NW 44, 1952-53, 103-107: 103 A. 7 = [neubearbeitet] Markus 14,9, in: Jeremias, Abba, 116-120: 116) heißen, drückt aber jedenfalls aus, daß die Botschaft zu den Völkern hingebracht werden soll und daß sie sie hören sollen (vgl. J. Dupont, Le salut des gentils et la signification théologique du livre des Actes, NTS 6, 1969/60, 132-155: 139 A. 1 = in: Dupont, Études, 393-419: 401 A.41, und die dort zitierte Literatur). 2,8 Dupont, Le salut des gentils, passim; Hahn, Verständnis der Mission 2 , 111-114. 288 Hahn, Verständnis der Mission 2 , 114 A. 1, der darauf hinweist, daß das selten beachtet wird. 300 Hahn, Verständnis der Mission 2 , 113. — Zum Thema des Plans Gottes bei Lukas vgl. Conzelmann, Mitte der Zeit 6 , 141-144; S. Schulz, Gottes Vorsehung bei Lukas, ZNW 64 (1963), 104-116; Die Stunde der Botschaft. Einführung in die Theologie der vier Evangelisten, Hamburg 1967, 276-283. 301 Sie dürften die Hörer sein, obgleich die letzte Hörerangabe in V. 33 ol ίνδεκα καΐ oí σύν αύτοΐς und dazu die Emmausjünger umfaßte. Vgl. Apg 1,2. 302 Etwas anders Boloff, Apostolat, 190f. Zum Inhalt des Kerygmas s. u. § 5,1 Exkurs.
4,4. Exkurs: Der lukanische Zeugenbegriff
133
sie dann auch predigen werden, ist etwas später auf Grund der Geistbegabung Hinzukommendes und keineswegs ihnen Vorbehaltenes) 303 . Dabei ist zu beachten, daß es nicht um nackte Tatsachen geht, etwa insbesondere das Auferstandensein Jesu als solches, sondern um die Tatsachen in ihrer vom Auferstandenen authentisch erläuterten Bedeutung als Teil des im Alten Testament geschriebenen Plans Gottes. Solcherart Zeugen zu sein, wird nun den Elf in V. 48 nicht einfach befohlen. Der Satz ύμεΐς μάρτυρες τούτων ist nach Analogie von Phil 1,8; l.Thess 2,5. 10 zu verstehen, wozu, wie Rom 1,9 zeigt, ein Indikativ zu ergänzen ist: „Ihr seid Zeugen dessen." 301 Die Elf werden nicht geheißen, Zeugen zu sein, sondern als Zeugen angerufen. Das freilich sind und bleiben sie, und insofern liegt in der Anrufung auch ein Sollen. Nur ist das etwas anderes als eine Sendung, gar eine in alle Welt. Zeugen sind nicht zur Verbreitung, sondern zur Erhebung der Wahrheit da. Von einem „Gehet hin" ist denn auch nichts zu spüren. Vielmehr wird den Zeugen befohlen, in Jerusalem zu bleiben, bis ihnen Jesus etwas sendet, den Geist (V. 49). Lukas zeigt am Ende seines Evangeliums also nicht wie Matthäus einen triumphierenden Kosmokrator, der Boten aussendet, um seine Erhöhung zu proklamieren 305 und alle Völker zu Jüngern zu machen, sondern den wiedererweckten und mit neuem Leben in Herrlichkeit begabten Jesus, der endgültig erklärt, was es mit Gottes Plan auf sich hat, und ein Gremium von Männern konstituiert, die das in seiner Abwesenheit bezeugen können — nicht nur, wie es eigentlich gewesen, sondern auch und vor allem, was es nach Jesu Offenbarung besagt. Als Zeugen sind sie nicht Rufer zu Umkehr und Glauben, sondern die Stützen des Glaubens. Nächst Lk 24,48 ist Apg 1,8 für die lukanische Zeugenvorstellung konstitutiv. Der Vers ist nicht einfach eine Wiederholung von Lk 24,48. Jesus wehrt in Apg 1,6ff. die Naherwartung ab, indem er die Apostel (V. 2) darauf verweist, daß Gott die Zeiten festsetzt, die ihnen zu wissen nicht gebührt. Damit ist ebenso die apokalyptische Eschatologie festgehalten 308 wie das Ende hinausgeschoben (für wie lange, ist aus dem Satz allein nicht zu entnehmen 307 ). Für die Zwischenzeit gibt Jesus zwei Verheißungen, die wie Lk 24,44-49 das Sendungsund Geistverleihungsmotiv abwandeln, wenn auch in umgekehrter Reihenfolge : λήμψεσΟε δύναμιν έπελθόντος τοϋ άγίου πνεύματος έφ' ύμας, καΐ ΙαεαΆέ μου μάρτυρες ί£ν τε Ιερουσαλήμ καΐ έν πάση τη Ίουδαί^ καΐ Σαμαρεία καΐ £ως έσχάτου της γης (V. 8). Nftch dem sicher futurischen λήμψεσθε ist ίσεσθε primär auch futurisch zu verstehen. Die Apostel werden also nicht zu Zeugen angerufen oder erwählt, sondern Jesus verheißt (nicht: befiehlt) ihnen, daß sie nach Pfingsten aktiv Zeugen für ihn 308 sein werden, und zwar ist dieses Zeugesein genauso Signum 303
Die Verben vom Stamm μαρτυρ- gehören zum Wortfeld „verkündigen" und sind von der lukanischen Prägung des Substantivs μάρτυς kaum berührt (gegen Brox, Zeuge und Märtyrer, 45). Das zu μάρτυς gehörige Verb ist μάρτυς είναι. 304 8(C)® Θ pi ergänzen έστε (txt ίβ75 B D pc), was Indikativ oder Imperativ sein kann. 305 Zu der für den Text charakteristischen Verknüpfung der Mission mit der Erhöhung vgl. Bornlcamm, ebd. 306 Daß das für Lukeis überhaupt gilt, betont H. J. Cadbury, Acts and Eschatology, in: W. D. Davies-D. Daube (ed.), The Background of the New Testament and Its Eschatology. I n Honour of Charles Harold Dodd, Cambridge 1956, 300-321; für Apg 1, Iff. ergibt es sich aus V. 3 (dazu Ph.-H.Menoud, „Pendant quarante jours" (Actes i 3), in: Neotestamentica et Patristica. Eine Freundesgabe, Herrn Professor Dr. Oscar Cullmann zu seinem 60. Geburtstag überreicht, Suppl. to NovTest 6, Leiden 1962, 148-156). 307 S. u. § 8. 308 μου dürfte gen. obi. sein wie τούτων Lk 24,48 und sachlich das gleiche meinen.
134
§ 4. Die Wende
der Zeit zwischen Himmelfahrt und dem Ende wie der Geist. War Lk 24,48 der Rückbezug auf das zu Bezeugende betont, so hier in Apg 1,8 das ökumenische Forum, vor dem die Zeugen stehen werden 30 ·. Die dritte für Lukas' Vorstellung von den Zeugen wesentliche Stelle ist der Schluß der Petrusrede in der Geschichte der Ergänzung des Zwölferkreises Apg 1,21 f. Die Verse sind lukanisch; die komplizierten Probleme der Perikope und der von Petrus zitierten Judasüberlieferung können also beiseite bleiben 310 . V. 21 f. bestätigt, daß nach Lukas Augenzeugenschaft allein noch nicht zum Zeugen macht. Der neue Apostel muß zwar von der Johannestaufe bis zur Himmelfahrt mit Jesus und den bisherigen Aposteln „zusammengegangen" sein, aber zum Zeugen soll er erst jetzt werden 311 . Zeuge ist noch nicht, wer bezeugen kann, sondern wer zusätzlich dazu zum Zeugen bestimmt ist. Die Formulierung „Zeuge der Auferstehimg" unterstreicht das. Danach steht der Zeuge nicht etwa für die Vita Jesu in dem ganzen Umfang, in dem er sie mit308 Ich möchte £v τε 'Ιερουσαλήμ καΐ èv πάση τη 'Ιουδαία καΐ ΣαμαρεΙα καΐ 2ως έσχάτου της γης nicht wie üblich dreigliedrig, sondern zweigliedrig auffassen: Palästina und außerhalb. Zur Zusammenfassung von „Jerusalem und ganz Judäa und Samaria" vgl. 15,23 „Antiochia und Syrien und Kilikien", außerdem 9,31, wo Lukas einen Abschluß für Palästina markiert, während eine entsprechende Markierung vorher fehlt; zur Zweigliedrigkeit der Formel vgl. J A 1,6; PsSal 1,4. ϊσχατον της γης bedeutet nach W. C. van Unnik, Der Ausdruck έως έσχάτου της γης (Apostelgeschichte 1: 8) und sein alttestamentlicher Hintergrund, in: W.C. van Unnik-A. S. van der Woude (ed.), Studia Biblica et Semitica Theodoro Christiano Vriezen qui muñere professons theologiae per X X V annos functus est, ab amicis, collegis, discipulis dedicata, Wageningen 1966, 336-349, hier wie immer „(äußerstes) Ende der Erde", nicht Rom, wie oft angenommen. Daß der Ausdruck keine feste Metapher für Rom ist, ist zuzugeben. Dennoch scheint mir τόν άπ' έσχάτου της γης PsSal 8,15 immer noch eher Pompeius' Herkunft aus Rom als seine Ankunft aus Spanien zu bezeichnen, wie van Unnik will. Für Apg 1,8 ist die entscheidende Frage nicht, ob έως έσχάτου της γης „bis nach Rom" bedeutet oder nicht, sondern ob mit Paulus' Ankunft in Rom Apg 28 die Verheißung von 1,8 erfüllt ist. Das ist gegen van Unnik m . E . zu bejahen (u. §8). Vgl. zum ganzen Burchard, Fußnoten, Nr. 5. 310 Außer den Kommentaren zuletzt Klein, Die zwölf Apostel, 204-209; K.H. Rengstorf, Die Zuwahl des Matthias (Apg 1,15 ff.), StTh 15 (1961), 35-67; Rolo ff, Apostolat, 172-199; H.Flender, Heil und Geschichte in der Theologie des Lukas (BEvTh 41), München 1965, 109f.; Braun, Qumran und das Neue Testament I, 139-141. Den Begriff Zu- oder Nachwahl würde ich vermeiden. Gewiß präsentiert die Gemeinde zwei Kandidaten, aber das Wesentliche ist, daß der Kyrios selbst den neuen Zwölften „auswählt", so wie die Elf vom irdischen Jesus ausgewählt sind (gleichviel, ob Apg 1,26 an Losen oder Abstimmimg zu denken ist). 311 V. 22 nennt die Grenzen des geschriebenen Evangeliums (ohne Vorgeschichten), nicht die der Bekanntschaft der Elf mit Jesus, soweit Lukas und die anderen Synoptiker sie schildern. Historisch auswertbar ist die Formulierung kaum (wenn auch Stahlin, Apostelgeschichte, 27, darauf hinweisen kann, daß Joh 1,35. 40f. anzunehmen erlaubt, daß Petrus und Andreas, Johannes und Jakobus die Taufe Jesu miterlebt hätten). — Bei συνελθόντων liegt der Ton nicht auf ήμϊν, so daß etwa nur eine indirekte Teilnahme an der Jesuevita vorausgesetzt und gefordert würde (so mit Recht Klein, Die zwölf Apostel, 207 A. 954). Das ist schon deswegen schlecht denkbar, weil Lukas im Evangelium von einer solchen indirekten Jüngerschaft nichts spüren läßt. Die Formulierung soll ausdrücken, daß der Kandidat nicht bloß wie unzählige andere das Wirken Jesu als Außenstehender erlebt haben, sondern zu seinen nächsten Begleitern gehört haben soll (so daß er schon Lk 6,13 zum Apostel hätte ausgewählt werden können, wenn deren Zahl nicht begrenzt wäre).
4. Lukas' Sicht
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erlebte, gut®12, sondern für die Auferstehung, das heißt doch wohl wie in Lk 24, 48 für sie nicht als nackte Tatsache, sondern als von Jesus interpretiertes Schlüsselereignis in Gottes Plan. Wie das μου in 1,8, so entspricht auch της άναστάσεως αύτοϋ sachlich dem τούτων von Lk 24,48. Apg 1,21 f. fügt Lk 24,48; Apg 1,8 nichts Wesentliches hinzu, unterstreicht aber, daß noch nicht die „Auswahl" zum Apostel zu Lebzeiten Jesu, sondern erst die Erwählung zum Zeugen durch den Auferstandenen den Apostel ausmacht. Die übrigen Belege, die den Begriff auf die Apostel anwenden, die Zeugenformeln der sogenannten Missionsreden vor Monotheisten (2,32 ; 3,15 ; 5,32 ; 10,39. 41; 13,31; vgl. μαρτύριον 4,33), passen zum bisher gewonnenen Bild. Mit einer Ausnahme beziehen sie die Zeugenschaft auf die Auferstehung Jesu. Die Ausnahme ist 10,39 313 . Hier wird zusätzlich (in V. 41 kommt zwar nicht die Formel, aber der Begriff μάρτυς im üblichen Bezug auf die Auferstehung vor) das ganze Leben Jesu von der Johannestaufe an einbezogen, wie ja überhaupt die Rede 10,34-43 als einzige die irdische Wirksamkeit Jesu als eigene Etappe behandelt. Da aber diese Wirksamkeit nach 2,22 nur die Funktion der άπόδειξις hat und nur Vorspiel zur Auferweckimg aus dem Tod, übrigens ja auch allgemein und nicht bloß Juden bekannt ist (Lk24,18; Apg 2,22; 10,37; 26,26) 3U , ist auch das Zeugnis von ihr entsprechend zu qualifizieren. 10,39 ändert nichts daran, daß der Inhalt des Zeugnisses primär die Auferweckung Jesu ist, unterstreicht nur noch einmal, daß nicht die Auferweckung als nacktes, isoliertes Faktum gemeint ist. So wie die Zeugenschaft nach Lk 24,47 f. die auf Grund der Auferweckung ergehende Metanoiapredigt mit umfaßt, so nach Apg 10,39 auch die Tatsache, daß der Auferstandene ein irdisches Leben geführt hat, das von Gott ausgezeichnet war.
Nach Lukas wird Paulus durch seine Berufung also in ein bestimmtes, keineswegs nur negatives Verhältnis zu den zwölf Aposteln gesetzt. Einerseits sind die Zwölf für Lukas ein geschlossenes, nicht erweiterungs- und auch nicht fortsetzungsfähiges Gremium, zu dem Paulus nicht gehört und nicht gehören könnte; er ist weder vom irdischen Jesus selbst ausgewählt worden, noch erfüllt er die Bedingung von Apg 1,21 f. Da nur die Zwölf Apostel sind und heißen, ist und heißt Paulus bei Lukas nicht Apostel, dies im Gegensatz zu seinem eigenen nachdrücklichen Anspruch316. Wenn Lukas aber andererseits seine 312 Anders Brox, Zeuge und Märtyrer, 44f. Klein, Die zwölf Apostel, 208f.: Lukas wolle und müsse die Apostel vom Kreis der übrigen Zeugen absetzen und tue das, indem er ihnen die Auferstehung als exklusiven (aber nicht einzigen) Zeugnisinhalt zuordne; darüber hinaus umfasse der Inhalt die ganze öffentliche historia Jesu in allen Details (10,39). 313 In 13,31 bezieht sich gegen Klein, Die zwölf Apostel, 207 f., die Zeugenformel doch wohl auf das όφθήναι während der 40 Tage (Rückgriff auf 1,3), nicht auf das συναναβαίνειν, das Klein im übrigen m. E. zu Unrecht als Teilnahme an Jesu gesamter Wirksamkeit deutet. 311 Vgl. u. § 5,1. 316 Daß 14,4. 14 (Paulus und Barnabas Apostel) eine Sonderstellung einnehmen, ist allgemein zugestanden, wie immer die Stellen zu erklären sind (Lohse, Ursprung, 273 A. 46: Boten der Gemeinde von Antiochia; Conzdmann, Apostelgeschichte, 79: Durchscheinen einer Quelle, die Paulus und Barnabas den prägnanten Aposteltitel gab). Kleine lucus a non lucendo-Interpretation (Die zwölf Apostel, 212: „Mimikry") ist eine leichte Beute der Kritiker geworden.
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§ 6. Der Beginn der paulinischen Wirksamkeit
Berufung in Apg 22,14f. und 26,16-18 als Erwählung zum Zeugen dessen, „was er sah und hörte", interpretiertSli, dann legt er Paulus eine apostolische Eigenschaft bei, die das Amt der Zwölf in seiner Einmaligkeit und Fundamentalität stärker kennzeichnet als der Aposteltitel und die Teilnahme an der irdischen Wirksamkeit Jesu317. Paulus ist nicht einer von ihnen, aber er ist dasselbe wie sie. Hinzukommt ein Zweites. Das Forum des dreizehnten Zeugen (und sonst niemandes) ist genau so ökumenisch umfassend wie nach Apg 1,8 das der zwölf apostolischen Zeugen : es umfaßt „alle Menschen" (22,15), „das Volk und die Völker" (26,17, vgl. 20). Paulus unterscheidet sich aber von den Aposteln dadurch, daß er wirklich vor dieses Forum tritt. Dazu unten in § 8 mehr.
§ 5. Der Beginn der paulinischen Wirksamkeit (Apg 9,19b-30) Auf die breit ausgeführte Bekehrung des Verfolgers folgt im zweiten, kürzeren Teil des Blocks 9,1-30 seine Predigttätigkeit in Damaskus und Jerusalem, an deren Ende Paulus, verfolgter Verfolger, nach Tarsus abreisen muß. Den zwei geographischen Schauplätzen entsprechen Erzählabschnitte, die ähnlich aufgebaut sind. 9,19b-25 zerfällt in ein Summarium der paulinischen Predigt in Damaskus (V. 19b-22) und einen knappen Bericht über Nachstellung und Flucht (V. 23-25) ; Redeparallelen hat das Stück nicht (doch vgl. 9,27; 26,20). In V. 26-30 folgt auf die summarische Darstellung der mühsamen Kontaktaufnahme mit der Jerusalemer Gemeinde (V. 26f.) Paulus' Predigt in Jerusalem und seine erzwungene Abreise (V. 28-30); Redeparallelen fehlen wiederum (vgl. nur 26,20). 1. Der Text
V. 19b setzt neu ein. Die Bekehrung lief weder in ihrer vorlukanischen noch läuft sie in ihrer lukanischen Gestalt auf die Aufnahme in 31
* Auch Paulus ist also „Tatsachen-", nicht nur „Wahrheitszeuge" (vgl. Roloff, Apostolat, 202f.; gegen Strathmann, μάρτυς κτλ., 497f.; Klein, Die zwölf Apostel, 157). 817 Vgl. Brox, Zeuge und Märtyrer, 46-49. 65-61 (doch würde ich nicht formulieren, man habe „im Aufweis der Zeugenschaft des Paulus den Versuch zu sehen, ihn als Apostel zu legitimieren", S. 59; dagegen spricht, daß eben der Titel fehlt, wie Brox auch sofort notiert); Wilckene, Missionsreden2, 146 A. 4; Roloff, Apostolat, 202-207. — Die oft und nach Apg 9,1-19 a zu Recht getroffene Feststellung, daß für Lukas die Christophanie vor Damaskus keine Ostererscheinung war, muß im Blick auf 26,12-18 modifiziert werden. Nach dieser Version (vgl. ώφθην 26,16; 6 όφθείς 9,17) war sie so gut wie eine.
1. Der Text (Apg 9,19b-30)
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eine konkrete Gemeinde hinaus. Eine solche Aufnahme wird auch in V. 19b nicht berichtet, sondern vorausgesetzt, έγένετο δέ μετά των èv Δαμασκω μαθητών ημέρας τινάς erinnert an die spätere Reiseberichterstattung, die, wenn Paulus in eine Stadt mit Christen kommt, zunächst vermerkt, daß er die oder einen der Jünger aufsucht 1 . Daß es in Damaskus Jünger gibt, was 9,1 f. noch fraglich war, überrascht nach V. 3-19a (vgl. außer Ananias noch V. 13f.) nicht mehr. In Lukas' Sinn müssen sie Jerusalemer Zerstreute bzw. von solchen Gewonnene sein. Sie gehören zur Synagoge 2 . Ihre Reaktion, die negativ hätte sein können, wie es die der Jerusalemer sein wird (vgl. auch V. 21), ist nicht verzeichnet: der Satz ist nicht Beschreibung, sondern Einleitung zu Paulus' Predigttätigkeit. Der Eindruck, daß hier erzählt wird wie später, wenn Paulus auf Predigtreise ist, verstärkt sich, wenn man V. 19b-20a mit dem Anfang des Aufenthalts in Philippi 16,12 vergleicht. „Einige Tage" heißt also genau dieses, nicht „einige Zeit" 8 , und daß Paulus „sogleich in den Synagogen" predigte, bedeutet faktisch „am nächsten Sabbat" oder, das Imperfekt berücksichtigend, „vom nächsten Sabbat an", denn Synagogenpredigt ist in der Apostelgeschichte Sabbatpredigt 4 . Der Plural „Synagogen" 8 zeigt wie die Imperfekte έκήρυσσεν. έξίσταντο, ένεδυναμοΰτο, συνέχυννεν, daß V. 19b-23 keine Einzelszene sind, sondern Summarium. Daß Paulus nach seiner Bekehrung, die ihn laut 9, l-19a zum Christen, nicht zum Prediger machte, doch gleich predigt, ohne daß von Bestallung dazu etwas verlautete, ist kein Bruch der Darstellung ; er hat ja den Geist. Auch die Zerstreuten etwa hatten einfach angefangen zu verkündigen (8,4). Dagegen sollte man irgend etwas an Beauftragung oder Vermittlung des Kerygmas erwarten, falls G. Kleins These stimmte, daß Lukas Paulus mediatisiert und domestiziert®. V. 20 faßt Paulus' Verkündigung als κηρύσσειν τον Ίησοϋν, δτι ούτος εστίν ó υίος του θεοϋ zusammen. Das erinnert in der Form besonders an 17,3 (christologische „dieser"-Sätze auch noch 4,11; 10,42; vgl. 1
21,4. 7f.; 28,14; zu 9,26 s.u. z. St. Zur Formulierung noch 20,18 με®·' ύμών . . . έγενάμην. a Mit oí μάθηταÍ bezeichnet Lukas die Christengruppe einer Stadt, meist auch, aber nicht notwendig, als selbständige Gemeinde. 3 So O. Stählin, Die Apostelgeschichte (NTD 5), Göttingen 1962, 138 (damit wäre V. 19b eine Art Überschrift). 4 So auch W. Schräge, συναγωγή κτλ., ThW VII (1964), 798-850: 834 Α. 242. Vgl. bes. 13,42f. Auch 17,17 dürfte meinen: in der Synagoge am Sabbat (vgl. u. § 8 Exkurs). 5 Lukas nennt nur in Damaskus und Jerusalem (22,19; 26,11; vgl. 6,9) Synagogen, sonst eine oder die Synagoge (bzw. Gebetsetätte wie vielleicht in Philippi 16,13. 16). In Rom erwähnt er gar keine: Paulus ist nicht in der Lage, in eine zu gehen. β Die zwölf Apostel. Ursprung und Gehalt einer Idee (FRLANT 77), Göttingen 1961, 115ff. u. ö. Klein bespricht übrigens Apg 9,19b-26 nicht.
138
§ 5. Der Beginn der paulinischen Wirksamkeit
2,36; 5,31; 13,38). Die Formulierung dürfte lukanisch sein. Der Objektssatz, der die an sich die Predigt ausreichend bezeichnende Wendung κηρύσσειν τον Ίησοϋν (vgl. Apg 19,13) ergänzt, ist epexegetisch. „Sohn Gottes" meint nach Lk 22,70 für Lukas den, der auferstanden und erhöht als Menschensohn zur Rechten Gottes sitzt 7 . Paulus hat also in Damaskus verkündigt, daß Jesus neben Gott erhöht worden ist und zur Parusie bereitsteht. Das ist nichts anderes, als was nach Lukas auch von den Aposteln und überhaupt jedermann rechten Glaubens gepredigt worden ist und was gepredigt werden soll. Das apostolische Kerygma, wie Lukas es versteht, wird gewöhnlich vornehmlich aus den Reden erhoben, die Lukas Petrus in Apg 2.3. 4. 5. 10, Stephanus in 7 und Paulus in 13. 14. 17 halten läßt 8 . Sie gelten als „typische Beispiele apostolischer Verkündigung in der jeweiligen Situation"' oder genauer, da man ihr Schema für literarisch, nicht homiletisch halten muß 10 , als typische Entfaltungen des apostolischen Kerygmas. Betrachtet man Situation und Duktus der Reden genauer, dann muß man dieses Urteil modifizieren 11 . Das mögen als Beispiele ' Vgl. H. Conzdmann, Die Mitte der Zeit. Studien zur Theologie des Lukas (BHTh 17)5, Tübingen 1964, 159 A. 2. 8 Geschichte der Redenforschung bei U. Wilckens, Die Missionereden der Apostelgeschichte. Form- und traditionsgeschichtliche Untersuchungen (WMANT 5) 2 , Neukirchen-Vluyn 1963, 7-31; vgl. auch J. Dupont, Les problèmes du Livre des Actes entre 1940 et 1950, in: Dupont, Études sur les Actes des Apôtres (Lectio Divina 45), Paris 1967, 11-124: 41-56. 9 Für viele Wilckens, Missionsreden 2 , 55. 10 Conzdmann, Mitte der Zeit 6 , 213 A. 1; Die Apostelgeschichte (HNT 7), Tübingen 1963, 8 (Paränese fehlt); C. F. Evans, The Kerygma, JThSt 7 (1956), 25-41. Ob das Schema vorlukanisch und alt ist (M. Dibdius, Die Reden der Apostelgeschichte und die antike Geschichtschreibung, in: Dibdius, Aufsätze zur Apostelgeschichte, FRLANT 60 s , Göttingen 1968, 120-162; C. H. Dodd, The Apostolic Preaching and its Developments, London 1936; 2 1944, bes. 7-35) oder lukanisch (Wilckens, Missionsreden), kann hier offenbleiben. 11 Die Bemühungen um den Aufbau der Reden, für den in den letzten Jahren viel getan worden ist {E. Schweizer, Zu den Reden der Apostelgeschichte, ThZ 13, 1957, 1-11 = in: Schweizer, Neotestamentica. Deutsche und Englische Aufsätze 1951-1963. German and English Essays 1951-1963, Zürich - Stuttgart 1963, 418—428; Wilckens, Missionsreden 2 , 72-100; Conzdmann, Mitte der Zeit 5 , 213 A. 1: der Schlußteil ist nicht Bußruf, sondern Heilszusage; B.M. F. van Iersel, 'Der Sohn' in den synoptischen Jesusworten. Christusbezeichnung der Gemeinde oder Selbstbezeichnung Jesu?, Suppl. to NovTest 3, Leiden 1961 = 2 1964, 40-43), haben über Schema und Topoi die konkrete Führung des Gedankengange vernachlässigt. Den Rahmen der Reden in 2-5, 10 und 13 hat Wückeñs, Miesionsreden2, 56-71, untersucht, um zu zeigen, daß die Reden nahtlos in den Kontext eingefügt und also nicht als gegebene Einheiten eingeschoben sind (S. 71). Das ist richtig. Unbeachtet ist aber geblieben, daß die Redesituationen nicht die der normalen Predigt sind. Die Missionsreden sind wie fast alle Reden der Apostelgeschichte außer 20,18-35 (Paulus' Testament) und 24,2-8 (Tertullus) erbetene oder erzwungene Äußerungen, was von der üblichen Predigt nicht gilt. Die Ursachen sind nicht offene oder verkappte Aufforderungen, das Kerygma zu sagen, sondern sachliche, oft ziemlich spezielle Anlässe, die die Redner auch mehr oder weniger eingehend aufnehmen (das hat wiederum Wilckens gezeigt). Nicht zufällig fehlen deshalb die typischen Verkündigungsverben wie διαλέγεσ-9-at, διδάσκειν, εύαγγελίζεσθαι, καταγγέλλειν, κηρύσσειν, παρρησιάζεσθαι usw. (zu ihnen Conzdmann, Mitte der Zeit 6 , 204-210) in den Rahmenstücken.
5,1. Exkurs: Das apostolische Kerygma nach Lukas
139
10,34-43 (Petrus vor Kornelius) und 17,22-31 (Paulus auf dem Aeropag) zeigen. Nachdem Kornelius Petrus hat kommen lassen, erklärt er seine und seiner Freunde Bereitschaft, άκοϋσαι πάντα τά προστεταγμένα σοι ύπό τοϋ κυρίου (V. 33). Da nach προστάσσειν ein Tun, nicht ein Redeinhalt zu erwarten ist (was die Übersetzung mit „auftragen" verwischt) 12 , heißt πάντα τά προστεταγμένα σοι nicht „alles, was dir (an Predigt) aufgetragen ist", sondern „alles, was dir befohlen ist". Kornelius bittet Petrus nicht direkt zu predigen, sondern zu sagen, was seines Amtes ist. I n der Tat tut Petrus genau das. Die Rede vor Kornelius unterscheidet sich von den inhaltlich verwandten in Apg 2-6 und 13 dadurch, daß sie abgesehen von der auf den Anlaß eingehenden Einleitung V. 34-36 „weniger eine Predigt als vielmehr ein Bericht zu sein scheint", nämlich der historia Jesu, wie Wilckens feststellt; „der Büß- und Heilsruf fehlt" l 3 . Aber er er fehlt gar nicht; er wird nur nicht auegestoßen, sondern zitiert, und zwar in in Fortsetzung der historia Jesu V. 42f. : καΐ παρήγγειλεν ήμϊν κηρΰξαι τω λαω καΐ διαμαρτύρασ&αι δτι οδτός έστιν ό ώρισμένος ύπό τοϋ θεοϋ κριτής ζώντων καΐ νεκρών, τούτω πάντες οί προφήται μαρτυροϋσιν, άφεσιν αμαρτιών λαβείν διά τοϋ όνόματος αύτοΰ πάντα τόν πιστεύοντα εις αύτόν14. Das entspricht strukturell 2,36 ff. ; 3,17ff.; 4,11 (οδτός έστιν); δ,31 (τοΰτον), aber statt den Hörern Buße und Vergebung zu predigen, bleibt Petrus im Referat. Die Rede scheint also nicht nur keine Predigt zu sein, sie ist keine ; Petrus verkündigt nicht, er erzählt, daß er verkündigt und wie es dazu kam. Am Ende zitiert er das ihm und den anderen Auferstehungszeugen von Gott 16 aufgetragene Kerygma 1 '. In Athen hat Paulus in der Synagoge vor Juden und Gottesfürchtigen und ausnahmsweise 17 auch täglich auf der Agora zu den jeweils Anwesenden ge12 Das Verb bei Lukas noch Lk 5,14 (par. Mk 1,44; Mt 8,4); Apg 10,48; 17,26; sonst im NT nur Mt 1,24. Vgl. τάσσειν Apg 15,2; 22,10; 28,23. 13 Missionsreden 2 , 50. Nach S. 65-68 sind Kornelius und seine Leute samt den mit Petrus aus Joppe mitgekommenen άδελφοί (10,23. 45; 11,12) als christliche Hausgemeinde betrachtet und angeredet. Aber sie haben doch weder schon Geist noch Taufe (vgl. auch 11,14). Und wird einer Hausgemeinde bloß die historia Jesu erzählt? 14 „Alle Propheten" 3,18 (vgl. 24); 10,43 ist wie die anderen summarischen Schriftverweise der Apostelgeschichte ernst zu nehmen und meint nicht, auch nicht in erster Linie, Jes 53 (gegen J. Jeremias, παις θεοϋ D, ThW IV, 1954, 698-713: 705). Die ganze Schrift redet von Christus, auch von seinem Leiden (so nach 4,25-28 z.B. P s 2 , l f . ) . 16 Das Subjekt ist wahrscheinlich aus dem vorhergehenden Satz zu ergänzen (ό θεός V. 40), nicht aus dem folgenden (ούτος V. 42). Auch nach 4,19 f. ; 17,30; vgl. 10,36, ist Gott der Auftraggeber der Predigt (zu 9,27f. u. A. 53). Die Predigt hat für Lukas ihren historischen Anfang nicht beim Auferstandenen (Lk 24,48; Apg 1,8, anders Matthäus), sondern Pfingsten. Deshalb sind rein christozentrische Inhaltsbestimmtingen der Apostelgeschichte einseitig (etwa Β. I. Reiche, The Risen Lord and His Church. The Theology of Acts, Interpretation 13, 1959, 157-169: 158: "acts of the Lord through the apostles"). 14 Die Rede berichtet also nicht nur historia Jesu, sondern auch acta Apostolorum. Wückens Bemerkung, Lukas habe hier „das Schema der Missionspredigt in das Formschema des Evangeliums, wie er es versteht, umgestaltet" (Missionsreden 2 , 69), wäre dahin zu ergänzen: Apg 10,34—43 ist ein Abriß des Evangeliums und (des Anfangs) der Apostelgeschichte. Dabei heißt Evangelium hier nicht Lukasevangelium. Lukas faßt in Apg 10,34-43 nicht sein eigenes Buch zusammen, sondern steht in anderer Tradition (zu ihr zuletzt, gegen Wilckena, P. Stuhlmacher, Das paulinische Evangelium I. Vorgeschichte, F R L A N T 95, Göttingen 1968, 277 A. 2; 279 A. 1). 17 S. u. § 8 Exkurs.
140
§ 5. Der Beginn der paulinischen Wirksamkeit
predigt (17,17). Was, steht V. 18: Jesus und die Auferstehung. Daraufhin wollen einige der „epikuräischen und stoischen Philosophen", d. h. Professoren, die freilich für Lukas keine Philosophiedozenten, sondern so etwas wie die Schriftgelehrten unter den Polytheisten sind, Genaueres wissen: „ D u bringst uns Befremdliches zu Ohren; wir wollen deshalb erfahren, was das bedeuten soll." Die erlauchten Frager bitten also nicht um eine private Predigt — die Botschaft haben sie gehört und womöglich täglich —, sondern um eine Erläuterung, die das Befremden beseitigt und Einsicht ermöglicht. Es wäre sinnlos, wenn Lukas jetzt eine Predigt folgen ließe, und es folgt auch keine, sondern eine Rede, die da« verkündigte Neue als längst vertraut, nur verkannt, erklärt 18 . Für den Duktus ist der Umbruch nach V. 29 bemerkenswert. V. 30f. unterscheiden sich inhaltlich und formal vom Vorhergehenden. Nicht nur kommt erst jetzt das spezifisch Christliche der Rede, sondern es weichen jetzt auch die bisherigen (gedrängten) Ausführungen der bloßen Anführung 19 . Bußruf oder Heilszusage sind V. 30 f. nicht (sie rücken dem Hörer weniger auf den Leib als V. 29). Lukas läßt vielmehr Paulus am Schluß der Rede ähnlich wie Petrus in 10,42f. die geschehende Predigt samt Inhalt konstatieren: Gott 20 τά νϋν απαγγέλλει τοις άν&ρώποις πάντας πανταχού μετανοειν, καθότι ϊστησεν ήμέραν έν ή μέλλει κρίνειν τήν οίκουμένην έν δικαιοσύνη, έν άνδρΐ φ ώρισεν, πίστιν παρασχών πασιν άναστήσας αύτόν έκ νεκρών, was einen deutlichen Bruch der Gedankenführimg mit sich bringt 21 . Beide Reden sind nach Situation und Inhalt keine Predigten und entfalten auch nicht einfach das Kerygma. Sie sagen aber am Schluß, daß auf Gottes Veranlassung hin gepredigt wird, und zitieren dabei, was. Beide Formulierungen 18 Zur Areopagrede außer den Kommentaren zuletzt H. Conzelmann, Die Rede des Paulus auf dem Areopag, Gymnasium Helveticum 12 (1957), 18-32; F.Mussner, Anknüpfung und Kerygma in der Areopagrede (Apg 17,22b-31), Trierer Theologische Zeitschrift 67 (1958), 344-364 = va.·. Mussner, Praesentia salutis. Gesammelte Studien zu Fragen und Themen des Neuen Testamentes (KBANT), Düsseldorf 1967, 235-243; G.Schulze, Das Paulusbild des Lukas. Ein historisch-exegetischer Versuch als Beitrag zur Erforschung der lukanischen Theologie, ev.-theol. Diss. Kiel 1961 (masch.), 173-208; Anmerkungen, 82-104; J.-Chr. Lebram, Der Aufbau der Areopagrede, Ζ NW 55 (1964), 221-243 (bestimmt das hinter V. 24-28 erkennbare Schema als „Leitfaden eines Unterrichts" für Proselyten, S. 234) ; Zwei Bemerkungen zu katechetischen Traditionen in der Apostelgeschichte, ZNW 56 (1965), 202-213: 202-210; H.Fleruler, Heil und Geschichte in der Theologie des Lukas (BEvTh 41), München 1965, 64-69; H.-U.Minke, Die Schöpfung in der frühchristlichen Verkündigung nach dem Ersten Clemensbrief und der Areopagrede, ev.-theol. Diss. Hamburg 1966 (Diss.-Druck); O.Schneider, Urchristliche Gottesverkündigung in hellenistischer Umwelt, BZ 13 (1969), 59-75. 19 H. Hommel, Neue Forschungen zur Areopagrede Acta 17, ZNW 46 (1955), 145-178: 158: „Epilog"; Schweizer, Zu den Reden, 9: „strukturell gesehen nur ein Anhang der Rede". Oft übersehen bei den Versuchen, auch V. 30f. als Teil des in V. 24-28 nachweisbaren Motivzusammenhangs zu erweisen (zuletzt Lebram, Aufbau, 241 f.). 20 S. ο. A. 15. 21 Bis V. 28 war von der unbewußten Verehrung des einen Gottes die Rede, etwas Positivem, das nicht nach Gericht, sondern nach Aufklärung schreit. V. 29 (dessen Logik, wie Conzelmann, Apostelgeschichte, 101, feststellt, zunächst nicht einleuchtet) ist Überleitung zu V. 30 f. — Zu beachten, daß offenbar auch der Wiederkommende noch „ein Mann" ist. Das entspricht der Betonung der Menschheit Jesu bei Lukas (unterstrichen von C. H. Talbert, An Anti-Gnostic Tendency in Lucan Christology, NTS 14, 1967/68, 259-271, der darin aber kaum zu Recht eine antikerinthische Tendenz sieht).
5,1. Exkurs: Das apostolische Kerymga nach Lukas
141
sind zweiteilig und stimmen sachlich und in der logischen Verknüpfung (nicht dagegen der Reihenfolge) der Teile überein. Gott hat uns aufgetragen zu verkündigen, daß Jesus der von ihm eingesetzte Richter der Lebenden und Toten ist; in dessen Namen bekommt jeder, der an ihn gläubig wird, die Sündenvergebung (10,42f.) — Gott läßt den Menschen sagen, daß alle überall Buße tun sollen; denn er hat einen Gerichtstag anberaumt, den Jesus wahrnehmen wird (17,30f.). Das Kerygma hat also einen informatorischen und einen adhortatorischen Teil; es klärt darüber auf, daß Gott Jesus von Nazareth zum kommenden Richter erhöht hat, und lädt angesichts dessen zu Buße und Annahme der Vergebung ein. Die beiden Stellen sind auf Grund von Tradition geformt 22 , aber sie entsprechen durchaus Lukas' Meinung, wie eine Untersuchimg aller Reden und der sonstigen Aussagen über das Kerygma erhärten würde 23 . Das apostolische Kerygma hat für Lukas das Eschaton (er selber würde sagen : die Basileia 24 ) zum Gegenstand 26 , und insofern Jesus das Zentrum des Kerygmas ist, spricht es von seiner endzeitlichen Funktion in Gottes Heilsplan, nicht von seinem Werk oder seiner Lehre. Die historia Jesu mit der Auferweckimg als Ziel und die Gotteslehre gehören zum Kerygma dazu, jene als Beweis (17,31), diese als Propädeutikum für Polytheisten 2 ', aber nicht in es hinein. Es sind 22 Die Nähe zu l.Thess l,9f. und Hebr 6, l f . ist nicht zu übersehen (zu beiden Stellen Wückens, Missionsreden 2 , 81-86; zu l.Thess 1,9f. J. Munck, I Thess. I. 9-10 and the Missionary Preaching of Paul. Textual Exegesis and Hermeneutic Reflexions, NTS 9, 1962/63, 95-110; F. Hahn, Christologische Hoheitstitel. Ihre Geschichte im frühen Christentum, F R L A N T 83, Göttingen 1963 = 3 1966, 289f.; Ö.Friedrich, Ein Tauflied hellenistischer Judenchristen. 1. Thess. l,9f., ThZ 21, 1965, 502-516; P.-É. Langevin, Jésus Seigneur et l'Eschatologie. Exégèse de textes própauliniens, Studia. Travaux de recherche 21, Brügge-Paris 1967, 43-106; Stuhlmacher, Das paulinische Evangelium I, 258-266). 23 Vgl. 2,36-39; 3,19f. 26; 4 , l l f . ; 5,31; 13,32f. 38f.; 14,15. 24 Die Basileia ist nach dem Evangelium das Kerygma Jesu und seiner Boten, über das nach Apg 1,3 auch der Auferstandene während der 40 Tage redete; es ist charakteristisch, daß Lukas sie als Predigtinhalt in die Apostelgeschichte hinübernehmen kann. „Die Basileia predigen" sagt im NT im übrigen nur Lukas. Die Belege im Evangelium stammen alle von ihm: 4,43 (add. Mk 1,38); 8,1 (8,1-3 ist lukanisches Summarium); 9,2 (Vers add. Mk6,7); 9,11 (diff. Mk 6,34); 9,60 (Satz add. Mt 8,22); 16,16 (diff. Mt 11,12). In der Apostelgeschichte nennt Lukas die Basileia als Kerygma nicht oft, aber mehrfach an prominenter Stelle (8,12 Philippus in Samaria; 28,23.31 Paulus in Rom), und zwar zweimal allein (19,8; 20,25), dreimal mit dem „Namen Jesu" (8,12) bzw. mit „(da«) über Jesus" (28,23. 31) zusammen. Die Basileia ist bei Lukas nicht mit der Kirche identisch oder in ihr oder sonstwie vorweggenommen gegenwärtig, sondern rein zukünftig (Conzelmann, Mitte der Zeit 6 , 104-116). 26 So auch Ph. Seidenaticker, Die Auferstehung Jesu in der Botschaft der Evangelisten. Ein traditionsgeschichtlicher Versuch zum Problem der Sicherung der Osterbotschaft in der apostolischen Zeit (SBS 26), Stuttgart 1967, 12f. (der freilich für urtümlich hält, was doch wohl lukanisch ist) ; vgl. noch W. C. Robinson, Jr., Der Weg des Herrn. Studien zur Geschichte und Eschatologie im Lukas-Evangelium. Ein Gespräch mit Hans Conzelmann (ThF 36), HamburgBergstedt 1964, 59-66. Ist das richtig, dann kommt ein wesentlicher Abschnitt der lukanischen Theologie im Doppelwerk nur abgekürzt zur Sprache — ein grundsätzliches methodisches caveat. 26 Hierin, nicht durch verschiedene Ausformung des Kerygmas unterscheiden sich die Reden in 2. 3. 4. 5. 10. 13 einer- und in 14.17 andererseits. Darüber hinaus ist die übliche Unterscheidung der beiden Gruppen nach ihren Hörern als Reden vor Juden bzw. Heiden ungenau, denn Reden des ersten Typs ergehen in 10 auch an Kornelius und seinen Anhang, in 13 an Juden und Gottes-
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§ 5. Der Beginn der paulinischen Wirksamkeit
beides auch keine eigentlichen Glaubenegegenstände, sondern Sachen der historischen bzw. philosophischen Vernunft, und als solche auch prinzipiell bekannte Dinge, an die bloß erinnert zu werden braucht 2 7 .
Daß Lukas Paulus' erste Predigt in 9,20 als „dieser ist der Sohn Gottes" zusammenfaßt, ist nun freilich nicht beliebig. Es ist die einzige Stelle in der Apostelgeschichte, an der Jesus „Sohn Gottes" heißt28; Lukas zieht sonst „Herr" und „Christus" vor (s. u. zu V. 22). Der Sohnestitel in V. 20 dürfte nicht nur dadurch veranlaßt sein, daß Lukas Paulus' erste Predigt mit einem möglichst hohen Christusprädikat charakterisieren wollte; es handelt sich vermutlich um eine der Stellen in der Apostelgeschichte, an denen Lukas paulinisiert (vgl. Gal 1,16, woran auch das εύθέως erinnert)29. Y. 21 schildert, wie so oft in der Apostelgeschichte, die Reaktion auf die Predigt, allerdings als Reaktion auf die Person, nicht auf die Botschaft. Formal ähnlich sind Apg 2,7.12 (freilich nicht Reaktion auf Predigt, sondern auf das Zungenreden zu Pfingsten) und Lk 4,22 80 . An beiden Stellen ist Reaktion auf erste Verkündigung gemeint, ist die Reaktion ambivalent und vorläufig. Sie soll den oder die Sprechenden reflektieren und als retardierendes Moment wirken; eine endgültige Entscheidung der Hörer bringt sie noch nicht. So auch Apg 9,20 f. : fürchtige gemeinsam. Genau genommen umfaßt die erste Gruppe Reden vor Monotheisten, die zweite Reden vor Polytheisten. So erklärt sich auch die überwiegende Zahl von Reden „vor Juden" in einem Buch, das gewiß nicht in erster Linie Juden lesen sollten (u. § 9) : die historia Jesu war auch für Christen immer wieder gut zu hören. I m übrigen sind beide Redetypen inhaltlich komplementär. Wenn in 14 und 17 der Jesusstoff fehlt, dann beideutet das nicht, daß „an die Stelle des christologischen das theologische Kerygma tritt, wo eine typisch heidnische Versammlung zuhört" (Schweizer, Zu den Reden, 10, für viele andere) — ganz abgesehen davon, daß hier gar nicht von Kerygma gesprochen werden sollte —, sondern nur, daß Lukas hier nicht alles an Begründung des Kerygmas gibt, was möglich und notwendig wäre; daß auch Polytheisten von Jesus wissen müssen, um den Beweis für das Kerygma zu haben, sagt 17,31 deutlich genug. Wenn umgekehrt die Gotteslehre in den Reden in 2-5, 10 und 13 fehlt, dann nicht, weil sie Juden und gottesfürchtige Heiden nichts anginge, sondern weil sie sie schon kennen. 27 Conzelmanns Urteil über das Lukasevangelium: „Das historische Referat ist . . . nicht selbst Kerygma, sondern gibt dessen geschichtliche Voraussetzungen" (Mitte der Zeit 6 , 3), gilt auch für den Geschichtsstoff der Reden. Die sogenannten Missionsreden „vor Juden" sind also Zeugnis im Sinn von Lk 24,46-48; Apg 1,8 (dazu o. §4,4 Exkurs). Das schließt sie mit Paulus' Verteidigungsreden in 22 und 26 zusammen, obwohl dort der Geschichtsstoff nicht die historia Jesu ist, sondern Paulus' Christusbegegnung. — Daß es der Zweck der Reden sei, das Wort als movens der Heilsgeschichte vorzustellen (Wilckens, Missionsreden 2 , 92-96), kann ich schon deswegen nicht finden. Im übrigen bewegt das Wort nach Lukas Menschenherzen und sonst gar nichts. 28 Ausgenommen das Zitat 13,33. 29 Sonst noch z.B. 13,38f.; 20,33f. 30 Auch die Markusparallele Mk 6,3 hat einen entsprechenden Satz, aber nicht an erster Stelle; auch ist die Predigt in Nazareth bei Markus nicht Jesu erste öffentliche Predigt überhaupt.
1. Der Text (Apg 9,19b-30)
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es soll unterstrichen werden, daß der Verfolger jetzt predigt und wie ungewöhnlich das ist. Die Damaszener Juden reden, als ob sie 9,14 und 9,2 gelesen hätten; dabei fällt aber die Vokabel πορθεΐν auf, die im ganzen Neuen Testament sonst nur Gal 1,13. 23 vorkommt (die dritte Berührung mit diesem Kapitel). Stilgemäß muß nach der ersten Reaktion weiterverkündigt werden, damit die Hörer nicht nur zur Person, sondern auch zur Sache Stellung nehmen: V. 22. Paulus „wurde erst recht stark" und „bewies81, daß dieser der Christus ist". Daß hier „der Christus" und nicht mehr „der Sohn Gottes" steht, ist nicht zufällig. „Der Christus" ist der Titel, in dem sich für Juden die Heilshoffnung zusammenfaßt. Der Satz hat seine Parallelen in 17,3; 18,5. 2832. Formal am nächsten steht die erstgenannte Stelle, wo ebenfalls „Jesus verkündigen" mit „Jesus ist der Christus" gekoppelt ist. Sie zeigt auch, an welche Art „Beweis" Lukas in 9,22 denkt: aus der Schrift wird erhoben, daß der verheißene Christus leiden (sterben) und auferweckt werden soll, und dann festgestellt, daß Jesus das widerfuhr, er also der Christus ist83. Daß Jesus starb und auferweckt wurde, ist nun aber nach Lukas nicht seine Heilsfunktion, sondern nur sein Werdegang als Christus. Seine Funktion liegt darin, daß er als der Christus „der ist, der Israel erlösen wird" (Lk 24,21), daß er „als erster aus der Auferstehung der Toten dem Volk und den Heiden Licht verkünden wird" (Apg 26,23), und zwar dann, wenn Gott „den euch vorbestimmten Christus Jesus" zur Enderlösung schickt (3,20)84. Christus besagt also nichts anderes als Sohn Gottes auch; es kennzeichnet Jesus in seiner eschatologischen Funktion. 81 ένδυναμοϋν nur hier in den. Evangelien, und der Apostelgeschichte, μάλλον dürfte nicht komparativisch zu verstehen sein, als ob Paulus bisher zu wenig getan hätte, sondern addierend oder adversativ (vgl. Lk 5,15; Apg 5,14). Ob man συμβιβάζειν mit Bauer, Wörterbuch6, Sp. 1540, und den meisten als „beweisen, darlegen" oder mit Liddell-Scott, Lexicon, 1675, als „schlußfolgern" (wie Apg 16,10) nimmt, macht keinen großen Unterschied. Die LXX-Nuance „unterweisen" liegt jedenfalls nicht vor (O. Delling, συμβιβάζω, ThW VII, 1964, 763-765: 763). 32 An allen drei Stellen dürfte anders als in 9,22 Jesus Prädikatsnomen sein. 33 Conzelmann, Mitte der Zeit5, 143 A. 3: ein übernommenes festes Argumentationsschema (vgl. Justin, Dial.). Daß „das Leiden . . . im Verständnis dieses Titels beherrschend" ist (S. 159 A. 2), scheint mir nicht richtig zu sein. Der Schriftbeweis dient hauptsächlich der Auferweckung und Erhöhimg (diese z.B. Lk 24,26). Auch ein den Tod betonendes Zitat wie 8,32 f. aus Jes 53,7 f. LXX spricht nach Lukas' Verständnis zugleich von der Überwindung des Todes (E. Lotee, Märtyrer und Gottesknecht. Untersuchungen zur urchristlichen Verkündigung vom Sühntod Jesu Christi, FELANT 64, Göttingen 1955 = 2 1963,189). 34 Die hier vielleicht zugrunde liegende Tradition (zuletzt O. Bauernfeind, Tradition und Komposition in dem Apokatastaeisspruch Apostelgeschichte 3,20f., in: 0. Betz-M. Herigel-P. Schmidt, Abraham unser Vater. Juden und Christen im Gespräch über die Bibel. Festschrift für Otto Michel zum 60. Geburtstag, AGSU5, Leiden-Köln 1963, 13-23; Wückens, Missionsreden2, 157f.; Hahn, Christologische Hoheitstitel 3 , 184-186; dagegen Q. Foes, Die Christologie der lukanischen Schriften in Grundzügen, Studia Neotestamentica 2, Paris-
144
§ 5. Der Beginn der paulinischen Wirksamkeit
Paulus überzeugt freilich nicht, sondern bringt bloß die Damaszener Juden35 in Aufruhr. Eine Erfolgs- oder Mißerfolgsmeldung fehlt, obwohl sie stilgemäß kommen könnte; das συνέχυννεν86deutet aber an, daß die Sache wie Jesu Antrittspredigt in Nazareth nicht gut ausgehen wird. V. 23-25 schließen an V. 19b-22 nur locker an. Obwohl die Juden in Aufruhr sind, vergehen „viele Tage", während derer Paulus als in der summarisch beschriebenen Art predigend zu denken ist. Dann fassen die aufgestörten Juden den Plan 37 , ihn umzubringen; gemeint ist ein Mord, nicht etwa ein Prozeß vor eigenem oder einem anderen Gericht. Einen speziellen Anlaß nennt Lukas nicht. Die Aktion folgt nach Angabe einer längeren Predigtzeit ebenso wie die Anklage vor Gallio 18,12-17 nach Angabe der anderthalb korinthischen Jahre (18,11) und die Demetriusunruhen 19,23 ff. nach einem „er selbst brachte noch einige Zeit in der Asia zu" (19,22), wobei beidemale wie in 9,23 die immittelbare Ursache nicht genannt ist. Daß „die Juden" Paulus einfach umbringen wollen, sagt die Apostelgeschichte sonst nicht mehr ausdrücklich (wie der „Anschlag" 20,3 gemeint ist, bleibt undeutlich); der Anschlag gegen ihn während seiner Jerusalemer Haft (23,12ff.) geht zwar nach V. 12, vgl. 20, von „den Juden" aus38, doch nach V. 13, vgl. 21, sind es de facto einige vierzig Leute, die an Hohenpriester und Älteste herantreten (vgl. 9,1). Gewöhnlich wehren sich die Juden gegen die christliche Predigt anders: durch Widerspruch, Wutausbrüche, Aufwiegelung der Massen, Einschaltung der Obrigkeit. Was die Damaszener Juden konkret unternehmen, wird nicht gesagt, ebensowenig, was Paulus, der von dem Plan erfährt, dagegen tut. Wenn es in V. 24b, wo die Erzählung Farbe bekommt, heißt, daß sie „auch" die Tore beobachteten39, dann ist vorausgesetzt, aber eben Brügge 1965, 151 f.; H. Kasting, Die Anfänge der urchristlichen Mission. Eine historische Untersuchung, BEvTh 55, München 1969, 130f. ; G. Lohfink, Christologie und Geschichtsbild in Apg3,19-21, BZ 13, 1969, 223-241) mag gemeint haben, daß der Christus erst bei seinem endzeitlichen Erscheinen Christus ist oder wird. Für Lukas ist Jesus schon jetzt der Christus (vgl. noch O. Betz, The Kerygma of Luke, Interpretation 22, 1968, 131-146: 143f.); nur hat er noch nicht getan, was er als solcher zu tun hat (anders Betz). 35 "[Indeterminiertes Substantiv mit determiniertem Attribut wie z.B. Apg 11,21 u. ö. 36 συγχύννειν nicht bloß von innerer Verlegenheit, sondern „im Sinne des erregten Durcheinander" (Delling, συμβιβάζω, 764 Α. 12). 37 συμβουλεύεσθαι in Evangelium und Apostelgeschichte nur hier. 38 τινές των 'Ιουδαίων 5ß48Lffi al ist trotz Alters Ausgleich mit V. 13. 38 Daß sie die Tore „bewachten" (rev. Luther; Zürcher; E. Preuechen, Die Apostelgeschichte, HNT 4,1, Tübingen 1912, 60; E. Haenchen, Die Apostelgeschichte, MeyerK3 e , Göttingen 1968, 277; Conzelmann, Apostelgeschichte, 58; H. Riesenfeld, τηρέω κτλ., ThW V i l i , 1969, 139-151: 147), trifft m. E. nicht ganz, παρατηρεϊν (mit lokalem Objekt überhaupt selten) heißt das sonst nicht (trotz Bauer, Wörterbuch6, Sp. 1234, der aber nur Apg 9,24 nennt); außerdem bewacht man zum Schutz oder zum Festhalten. Auch „belauern" (Stählin, Apostelgeschichte, 138. 141) paßte besser, wenn Paulus Objekt wäre.
1. Der Text (Apg 9,19b-30)
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nicht gesagt, daß sie ihm auch in der Stadt auflauerten, ihn aber nicht erwischen konnten, weil er sich versteckt hielt. Stilistisch fällt dabei die wiederholte Zielangabe auf: „damit sie ihn beseitigten" ; mit „um ihn zu beseitigen" hatte schon V. 23 den Zweck des ganzen Plans bezeichnet. Jedenfalls kostet die Unternehmung Mühe und Zeit. „Tag und Nacht" stehen die Tore unter Beobachtung, damit man den Renegaten beseitigen kann, wenn er fliehen will. Ob er das wollte, ist aber nicht gesagt. Die Initiative ergreifen Jünger, die nach der wohl ältesten, weil schwierigsten, eben darum aber oft angezweifelten Lesart „seine" sind 40 ; sie „nehmen" ihn (vgl. Y. 30 u.ö.) und lassen ihn durch die Mauer hinunter 41 . Mit V. 25 reißt der Erzählungsfaden. In V. 26 ist Paulus in Jerusalem, als ob der Korb, der ihn die Stadtmauer von Damaskus hinuntertrug, auf Jerusalemer Gebiet den Boden berührt hätte. Daß vor V. 26 eine Reise liegt, wird mit dem einzigen Wort παραγενόμενος mehr vorausgesetzt als angedeutet 42 . Daß Paulus nach Jerusalem und nicht anderswohin geht, braucht nach der bisherigen Erzählung nicht besonders motiviert zu werden. Dorthin gehörte er als Jude und gehört er jetzt als Christ. Außerhalb Jerusalems und Judäas gibt es Christen bisher nur in Samaria, von denen der lukanische Paulus aber nichts weiß und bei denen er nichts verloren hat 4 8 . Daß er mit hohepriesterlicher Vollmacht nach Damaskus gereist war, ist vergessen, nicht zu Unrecht; seine Verfolgung war seine eigene Sache gewesen und ist mit seiner Bekehrung zu Ende. Nach üblicher Auffassung versuchte Paulus laut V. 26, „sich der Jerusalemer Gemeinde anzuschließen", κολλασθαι bezeichnet aber bei Lukas durchweg nicht mehr als Kontaktaufnahme, die zwar auf Dauer abzielen kann, aber nicht von einem Anschluß an eine Ge40
αυτόν ot μαθηταί fi E (429) prn dürfte Erleichterung sein. Wohl nicht „über" (rev. Luther; Stählin, Apostelgeschichte, 138, anders 141); vgl. C.Maeson, A propos de Act. 9.19b-25. Note sur l'utilisation de Gal. et 2 Cor. par l'auteur des Actes, ThZ 18 (1962), 161-166: 164. Josephus gebraucht Ant. 6,15 δια του τείχους für die Nacherzählung von Jos 2,15 „durch das Fenster" (des an die Stadtmauer angebauten Hauses der Kahab). In Lk 5,19 hat Lukas χαλάν Mk 2,4 durch κα&ιέναι ersetzt (Masson, ebd.). 4a Lukas muß gewußt haben, daß Damaskus nicht vor Jerusalems Toren liegt, wenn er sich auch über die wirkliche Entfernung im unklaren gewesen sein mag (vgl. o. § 3 A. 16). παραγενόμενος (das Verb ist lukanisches Vorzugswort) dient öfter als Übergangsfloskel, wenn eine Distanz überbrückt wurde, ohne daß „gehen" gebraucht ist (besonders nach „wegschicken, abfahren"), zur Einfühning einer Tätigkeit am neuen Ort (Apg 11,23; 14,27; 17,10 [„den Anschein, als seien Paulus und Silas unmittelbar von der Landstraße aus in die Synagoge von Beröa gegangen", den Haenchen, Apostelgeschichte', 447, findet, soll παραγενόμενοι gerade vermeiden]; 18,27). 43 Im übrigen hätte er nach Lukas' Geographie (Conzelmann, Mitte der Zeit 6 , 52. 60-62) vielleicht sogar über Jerusalem reisen müssen, wenn er nach Samaria gewollt hätte. 41
10 Burcbard, Zeuge
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§ 5. Der Beginn der paulinischen Wirksamkeit
meinschaft, womöglich mit innerer Beteiligung, spricht44. V. 26 sagt also nicht, daß Paulus sich als Gesinnungsgenosse den Jerusalemer Christen anzuschließen, sondern daß er Zutritt zu ihnen sucht (vgl. Y. 19 b in Damaskus, nur daß es dort ohne Schwierigkeiten abgegangen war). Daß Lukas ganz selbstverständlich von Jüngern in Jerusalem spricht, wird von manchen als auffällig notiert, weil nach 8,1 alle Jerusalemer vertrieben wurden und seither Paulus gewütet hatte. Aber schon in 8,3 hatte Lukas vielleicht ein neues Wachstum der Gemeinde durch die Apostel vorausgesetzt, die ja dageblieben waren, und der Gedanke, daß gepredigt wird und Leute Christen werden, wo die Apostel sind, wird es ihm auch in V. 26 ermöglicht haben, ohne weitere Einführung wieder von Jüngern in Jerusalem zu sprechen. Auch muß Paulus' Verfolgung in Jerusalem mit seiner Abreise nach Damaskus aufgehört haben. 9,31 ist kein Gegenargument; es stellt einen Zustand fest, nicht dessen Eintreten. Wie Lukas die versuchte Kontaktaufnahme vorgestellt wissen will, ist nicht ganz klar. Möglicherweise meint er einen einzelnen Schritt; das würde bedeuten, daß Paulus in die Gemeindeversammlung geht. Die Christen sind ja (oder waren jedenfalls bis zu Stephanus' Ermordung) täglich beisammen45. Dagegen spricht aber, daß V. 27 vorauszusetzen scheint, daß die Apostel nicht da sind, wo die angesprochenen Jünger und Barnabas sind. So ist doch wahrscheinlicher, daß V. 26 ein Summarium der wiederholten Bemühungen des Paulus ist, überhaupt Verbindung aufzunehmen. Daß Paulus nicht gleich selber zu den Aposteln geht, ist angesichts von 21,17 ff. nicht auffällig. Erfolg haben seine Bemühungen zunächst nicht. „Alle", das muß heißen, alle, an die er sich wandte, schreckten vor ihm zurück. Das Erscheinen des Verfolgers kann nur bedeuten, daß die Verfolgung wieder angeht. Daß Paulus Jünger geworden ist, glaubt niemand44; von Damaskus ist in Jerusalem bisher nichts bekannt geworden (wie V. 27b bestätigt), was nach „vielen Tagen" immerhin auffällig ist 47 . Rettung kommt durch Barnabas, der nach seiner Einführung in 4,36 f. 44 Fußnoten zumneutestamentlichen Griechisch, ZNW6Í (1970), Nr. 3, gegen K.L.Schmidt, κολλάω, προσκολλάω, ThWIII (1938), 822f.; Bauer, Wörterbuch5, Sp. 800. κολλάω von Personen untereinander kommt im NT abgesehen von der sexuellen Bedeutung (Mt 19,6 zit. Gen 2,24; l.Kor 6,16 und dem nachgebildet 6,17) nur Lk 15,15; Apg5,13; 9,26; 10,28; 17,34 vor; vgl. noch Apg8,29. 46 Vgl. bes. 6,13. — Die Imperfekte in V. 26 wären dann nicht solche der Dauer oder Wiederholung, sondern der Schilderung oder der vorbereitenden Handlung. 46 J. Jeremias, Beobachtungen zu neutestamentlichen Stellen an Hand des neugefundenen griechischen Henoch-Textes, ZNW 38 (1939), 116-124: 120, übersetzt μή πιστεύειν hier mit „nicht für möglich halten". Zum Präsens έστίν Blaß - Debrunnerla § 324 (vgl. Joh 20,24; 21,4. 7. 12). 47 Klein, Die zwölf Apostel, 162 f.
i. Der Text (Apg 9,19b-30)
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hier zum ersten Mal wieder auftaucht (wie Paulus an ihn geriet, sagt Lukas nicht): Βαρναβας δέ επιλαβόμενος αυτόν ήγαγεν πρός τούς άποστόλους (auf das im Imperfekt gehaltene Summarium folgt eine Einzelaktion im Aorist), έπιλαβόμενος wird in den deutschen Kommentaren durchweg als „er nahm sich (Paulus') an" o. ä. verstanden48. Das Verb heißt aber bei Lukas nichts dergleichen, sondern „anfassen" oder „mitnehmen" (vgl. besonders Apg 17,19)4e. Der Satz bedeutet also einfach: „Barnabas aber nahm (Paulus) mit und brachte ihn zu den Aposteln", wobei das Bringen einen Weg anzudeuten scheint (vgl. 17,19; 21,17f.). Von einer engeren Beziehung zwischen Barnabas und Paulus, von einer Mittlertätigkeit über die Herstellung eines Kontakts hinaus sagt Lukas also kein Wort. Vielleicht darf man herauslesen, daß der „Sohn des Trostes" (4,36) als einziger keine Angst hat, aber schon das mag zuviel sein. Gesagt ist zunächst nur, daß Barnabas Paulus zu der Instanz bringt, die sicher Rat schafft. „Und er erzählte ihnen" die in 9,1-22 berichteten Ereignisse (V. 27b). Wer erzählt, ist umstritten. Nach der heute meist vertretenen Meinung ist es Barnabas, das Subjekt des vorhergehenden Verbs, nicht Paulus, das Subjekt der folgenden, auch da, wo man in der dann gegebenen Indirektheit der Berichterstattung nicht ein Anzeichen für Mediatisierung des Paulus findet, wie es Klein tut. Dabei kann man sich dann darüber wundern, wieso Barnabas wußte und glaubte, was der Gemeinde sonst weder bekannt war noch glaubhaft erschien (V. 26)60. Nun braucht sich freilich nicht zu wundern, wer έπιλαβόμενος mit „er nahm sich (Paulus') an" übersetzt; denn dann dürfte das Sichannehmen eben darin bestanden haben, daß Barnabas sich Paulus' Fall erzählen ließ und dann vor den Aposteln für den ehemaligen Verfolger plädierte. Bedeutet έπιλαβόμενος aber einfach „er nahm (ihn) mit", dann kann Barnabas nichts wissen, was er erzählen könnte51, und der Duktus des Berichts dürfte dem Leser nahelegen, als Subjekt zu „erzählte" den zu nehmen, der allein Bescheid weiß. Im übrigen ist es stilgemäß, daß eine von einem übernatürlichen Erlebnis betroffene Person dieses 48 Haenchen, Apostelgeschichte', 277. 279: „Lukas läßt Barnabas und Paulus in enge Gemeinschaft treten"; Conzelmann, Apostelgeschichte, 60; Stählm, Apostelgeschichte, 139; J.Munck, The Acts of the Apostles (The Anchor Bible 31), Garden City, N.Y. 1967, 84: "took charge (of him)". " Partizipial Lk9,47 (diff. Mk9,36); 14,4; 23,26 (diff. Mk 15,21); Apg 9,27; 16,19; 17,19; 18,17; 21,30; 23,19; finit 21,33; übertragen Lk20,20 (diff. Mk 12,13); 20,26 (add. Mk 12,17). Vgl. Bauer, Wörterbuch6, Sp. 683f.; Burchard, Fußnoten, Nr. 7. 60 So z.B. Haenchen, Apostelgeschichte', 279. 61 Es sei denn, Lukas wolle sagen, daß Paulus Barnabas auf dem Weg zu den Aposteln nähere Auskunft gab, doch würde kein Leser das herausgelesen haben.
10
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§ 5. Der Beginn der pauliniechen Wirksamkeit
selbst erzählt62. Das ist hier in drei parallelen Objektssätzen ausgedrückt, unter denen noch einmal ein unausgesprochener Subjektswechsel stattfindet ; möglicherweise hat ebendeswegen jeder Satz seine eigene Konjunktion (πώς, βτι, πώς). Danach hat Paulus „unterwegs" Jesus gesehen und gehört und daraufhin ihn gepredigt53. Das stand in 9,1-19 a nicht, entspricht aber, wie gezeigt, Lukas' Auffassung (26,12-18). Die Erzählung bringt Paulus offenbar Vertrauen ein; von einer Approbation durch die Apostel verlautet nichts. V. 28-30 werden ähnlich wie Y. 26 f. von einem aus einer Reihe von Imperfekten bestehenden Summarium gebildet, denen ein konkreter Abschluß im Aorist (Y. 30) folgt. Paulus predigt in Jerusalem gemeinsam mit den Aposteln, και ήν μετ' αυτών είσπορευόμενος καΐ έκπορευόμενος είς 'Ιερουσαλήμ (V. 28) bedeutet engstes Zusammengehen mit den Aposteln in der Stadt 64 . Worin sie zusammengehen, sagt das Partizip παρρησιαζόμενος έν τω ονόματι του κυρίου: Paulus predigte wie die Apostel und dasselbe wie sie, nämlich Jesus. Unterstellung unter die Apostel besagt das ebensowenig, wie es der parallele Satz 1,21 von Jesus besagt. Auch ist keine Rede davon, daß 62 Vgl. Lk 24,35 ; Apg 12,17. Klein, Die zwölf Apostel, 163 A. 780, meint hier zurückhaltend: „den Subjektswechsel hätte Lks wohl deutlich markiert." Aber zwei unmarkierte Subjektswechsel folgen noch, wenn auch der Sinn deutlich macht, wer Subjekt sein muß. Wenn Lukas einer Tendenz zuliebe Barnabas als Erzähler von etwas, was er nach dem Zusammenhang nicht wissen konnte, auftreten lassen wollte, hätte er das deutlich markieren müssen. 53 έν τω όνόματι hier wie in V. 27 wohl nicht „im Namen" (vgl. ο. A. 15), sondern „unter Nennung des Namens" (vgl. H. Bietenhard, όνομα κτλ., ThW V, 1954, 242-283: 278; Bauer, Wörterbuch 5 , Sp. 1134); ähnlich διδάσκειν έπΐ τω όνόματι 4,18; 5,28. Über Paulus' Kerygma s. o. den Exkurs. 54 Etwas anders Conzelmann, Apostelgeschichte, 60: „er ging in Jerusalem bei ihnen aus und ein." Das dürfte der hinter είσπορεύεσθαι καΐ έκπορεύεσθαι stehenden alttestamentlichen (und späteren) Redensart nicht gerecht werden (sie kommt in Apg 1,21 έν παντί χρόνω ώ είσηλθεν καΐ έξήλθεν έφ' ή μας in der Apostelgeschichte noch einmal vor, und das hier gebrauchte έφ' ήμδς könnte die Übersetzung von μετ' αύτών mit „bei ihnen" stützen; doch wird in 1,21 eine Vermischung von „mit uns sein" und „zu uns kommen" vorliegen, vielleicht aus Scheu, von Jesus „bei uns ein- und ausgehen" zu sagen; zu έφ' ήμας „bei uns" nennt Bauer, Wörterbuch 5 , Sp. 571, 2.Thess 1,10 δτι έπιστεύ&η τό μαρτύριον ήμών έφ' υμάς, doch ist auch hier zu fragen, ob nicht eine Vermischimg vorliegt, so daß zu übersetzen ist: ,,. . . unser Zeugnis an euch"). Diese Redensart gibt die Septuaginta übrigens meist substantivisch mit είσοδος καΐ έξοδος wieder. Die einzige verbale Parallele ist die von Bauer, Wörterbuch 6 , Sp. 484, genannte Stelle Tob 5,18; sie paßt aber inhaltlich nicht, denn hier steht είσπορεύεσθαι. καΐ έκπορεύεσθαι ένώπιον, was wie auch sonst im AT; Pseudo-Philo, Lib. ant. 39,1 ; 1 QSa 1,17. 23 u. a. „führen" bedeutet. Sachlich ist zu Apg 9,28 l.Sam 29,6 L X X zu vergleichen. Jedenfalls heißt εις 'Ιερουσαλήμ „in Jerusalem"; Lukas hält είς und έν nicht gut auseinander (vgl. 9,21; Blaß - Debrunner12 § 205). An Predigt außerhalb Jerusalems ist offenbar nicht gedacht (anders 26,20, wo aber der Text fraglich ist), jedenfalls nicht mehr, als auch die Apostel insofern indirekt über die Stadt hinaus wirken, als ihr Ruf sich verbreitet (vgl. 5,16).
1. Der Text (Apg 9,19b-30)
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Paulus das Kerygma von den Aposteln übernähme : schon in Damaskus έπαρρησιάσατο εν τω ονόματι Ίησοϋ (Υ. 27), wie in V. 19b-22 gezeigt war. Paulus tut in Jerusalem in Gemeinschaft mit den Zwölfen nichts anderes, als was er schon in Damaskus getan hatte, bevor er die Zwölf kennenlernte. Daß er genauso predigt wie sie, ist nicht die Frucht seiner Reise zu ihnen, sondern beruht auf dem objektiven Grund, den die Predigt im auferstandenen Jesus hat, der Paulus so unmittelbar begegnet ist wie den Aposteln auch. Paulus predigt aber nicht nur: Er tritt in Stephanus' Spuren und disputiert mit „den Hellenisten", das heißt den Leuten, mit denen Stephanus sich nach 6,9f. auseinandersetzte (V. 29)8S. Konsequent versuchen58 sie, die schon den ersten christlichen Märtyrer auf dem Gewissen haben, nun auch seinen Nachfolger zu beseitigen. Damit bahnt sich ein Muster an. Christenfeinde sind nach der Apostelgeschichte allermeist Diasporajuden, dazu die Jerusalemer Obrigkeit. Der einfache Mann in Jerusalem (und Palästina) dagegen, der, soweit er der Kreuzigung Jesu zusah, schon damals Reue zeigte (Lk 23,48), hat die Gemeinde gern. Auch bei Stephanus' (6,9ff.) und Paulus' Verhaftung (21,27fif.) agiert das Jerusalemer Volk nur von Diasporajuden aufgewiegelt. In 9,29 kommen sie freilich ebensowenig zum Ziel wie kurze Zeit vorher die Damaszener Juden. Der Plan wird bekannt, diesmal nicht Paulus selbst, sondern den „Brüdern". Die Apostel treten nicht auf, sondern die Gemeinde als ganze. Wie in V. 25 die Jünger Paulus „nehmen", so ergreifen auch in V. 30 die Brüder die Initiative, „bringen" den Bedrohten nach Cäsarea und „senden" ihn, doch wohl zu Schiff67, nach Tarsus. Paulus wird also fortgeschickt; ob er einverstanden war, ist nicht gesagt (erst 22,17-21 wird erzählen, daß er auf Grund eines Befehls Jesu ging). Wiederum darf man keine Unterordnung unter Jerusalem herauslesen (womöglich dadurch ver65 Conzelmann, Apostelgeschichte, 60. Zum Hendiadyoin έλάλει τε καΐ συνεζήτει vgl. Lk 24,15; zur Sache vgl. 6,9 άνέστησαν 8έ τίνες . . . συζητοϋντες τφ Στεφάνω (hier geht das συζητεΐν freilich von den Hellenisten aus). Meint Lukas, daß dies in der Synagoge der Hellenisten stattfand, während allgemein im Tempel gepredigt wird ? — 6,9 hießen freilich nicht Stephanus' Gegner Hellenisten, sondern es war im Gegenteil Stephanus ein Hellenist (6,1). Daß Lukas in 9,29 Judenchristen von Stephanus' Art meinte (so zuletzt C. F. D. Movie, Once More, Who Were the Hellenists?, ET 70, 1958/59, 100-102), ist ebenso ausgeschlossen, wie daß er an Heiden dachte. Für ihn bedeutet Έλληνισταί offenbar in Jerusalem ansässige Diasporajuden, wie sie schon in 2,5 ff. erschienen (er hätte Paulus also auch so bezeichnen können) ; in 6,1 meint er mit dem Ausdruck den aus ihnen stammenden Teil der Gemeinde, in 9,29 solche, die Juden geblieben waren (so auch M. Simon, St. Stephen and the Hellenists in the Primitive Church, London-New York-Toronto 1958, 9-16). 5β έπιχειρεΐν steht im NT nur Lk 1,1; Apg 9,29; 19,13. 57 Daß Apg 9,30 das impliziert, scheint mir sicherer, als daß Gal 1,21 eine Landreise meint, wie meist angenommen wird.
150
§ 5. Der Beginn der paulinischen Wirksamkeit
schärft, daß nicht einmal die Apostel, sondern die Brüder handeln)58, aber auch nicht, daß Lukas den Eindruck vermeidet, „als wäre Paulus von den Aposteln entsandt worden" 6 ·. Das „Entsenden" hat mit Sendung überhaupt nichts zu tun; ähnliches wird ja doch 17,10. 14f.*° gesagt, ohne daß Paulus von den dort genannten Brüdern entsandt würde, geschweige denn ihnen untergeordnet wäre. Es dürfte sich, unbeschadet möglicher historischer Erinnerung, um einen Topos handeln; der gefährdete Glaubenszeuge versucht, der Bedrohung standzuhalten, und seine Umgebung muß ihn zur Rettung zwingen41. Daß Paulus so weit wegreist, fällt allerdings auf; später wird er sich, aus einer Predigtstätte vertrieben, nie so weit fortbewegen. Mit 9,30 bricht der erste Paulusabschnitt der Apostelgeschichte ab. Erst in 11,25f., wo Barnabas Paulus aus Tarsus nach Antiochia holt, kommt Lukas auf seinen Helden zurück. Dazwischen liegen Jahre (vgl. Gal 2, l) 82 , wobei aber offenbleiben muß, wieweit Lukas sich darüber im klaren war 83 . Jedenfalls sagt er nichts über diese Zeit, vermutlich, weil er nichts zu sagen hatte· 4 . Das bedeutet nicht, daß in seinem Sinn Paulus „nun eine Weile ruhig in seiner Heimatstadt Tarsus verbleibt" 65 . Lukas hat sich Paulus in Tarsus genausowenig untätig vorgestellt wie Philippus, den er in 8,40 in Cäsarea verläßt und erst Jahre später in 21,8 f. als Evangelist dortselbst noch einmal erwähnt. 2. Tradition und Redaktion Die Untersuchung setzt am besten bei V. 23-25 ein, weil es zu diesem Stück — als einzigem unter allen lukanischen Angaben über Paulus' Frühzeit — in den Paulusbriefen so etwas wie eine literarische Parallele gibt, nämlich 2.Kor l l , 3 2 f . : 68 89
So Klein, Die zwölf Apostel, 165 f. J. Roloff, Apostolat-Verkündigung-Kirche. Ursprung, Inhalt und Funktion des kirchlichen Apostelamtes nach Paulus, Lukas und den Pastoral briefen, Gütersloh 1965, 207 (Kursive original). 60 Geleit ohne Gefahr 20,38, ähnlich 21,5. 41 Vgl. Apg 19,30; MartPol 5,1. 62 Ob die „drei Jahre" Gal 1,18 zu den „vierzehn Jahren" Gal 2,1 zugezählt werden müssen (so meist) oder in ihnen enthalten sind (zuletzt D. Georgi, Die Geschichte der Kollekte des Paulus für Jerusalem, ThF 38, Hamburg-Bergstedt 1965, 13 A. 2), tut hier nichts zur Sache. 63 Wenn man 11,26 mit 12,20-23 kombinieren darf, wobei man aber 11,28 außer acht lassen muß, dann hätte 11,25 f. nach Lukas am Anfang der vierziger Jahre stattgefunden. Aber Lukas läßt nicht erkennen, wie er, wenn überhaupt, Paulus' Bekehrung datierte. " S. u. § 7. 65 Haenchen, Apostelgeschichte", 280; vgl. Conzelmann, Apostelgeschichte, 60.
2. Tradition und Redaktion 2 .Kor 11,32 f.
Apg 9,23-25 23
ώς δέ έπληροϋντο ήμέραι ίκαναί, Μ
34
συνεβουλεύσαντο οί 'Ιουδαίοι άνελεΐν αύτόν· έγνώσ&η δέ τώ Σαύλω ή έπιβουλή αύτών. παρετηροϋντο 8έ καί τάς πύλας ή μέρας τε καΐ νυκτός δπως αύτόν άνέλωσιν* λαβόντες δέ οί μαθηταΐ αύτοϋ νυκτός διά του τείχους καθηκαν αύτόν χαλάσαντες έν σπυρίδι.
έν Δαμασκφ ó έθνάρχης Άρέτα του βασιλέως
έφρούρει τήν πόλιν Δαμασκηνών
33 25
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πιάσαι με, καΐ διά θυρίδος έν σαργάνη έχαλάσθην διά του τείχους καΐ έξέφυγον τάς χείρας αύτοϋ.
Die beiden Texte, die am Anfang ganz verschieden sind, laufen bei παρετηροϋντο Apg 9,24b/έφρούρει 2.Kor 11,32 zusammen und ähneln sich von da ab bis zum Ende erstaunlich; beide brechen mit dem Herablassen „durch" die Mauer ab (abzüglich der paulinischen Erfolgsnotiz V. 33b, der bei Lukas nichts entspricht). Daß Lukas hier auf Tradition fußt, ist deutlich. Sie muß ähnlich knapp gewesen sein wie 2.Kor 11,32f.; Lukas wäre kaum, falls er eine längere Geschichte vor sich gehabt hätte, beim Kürzen (wenn er das überhaupt gewollt hätte) auf eine so ähnliche kompakte Fassung gekommen. Die Anfänge gehen freilich völlig auseinander, inhaltlich wie im Umfang. Nicht nur stellen bei Lukas statt des Ethnarchen des Nabatäerkönigs Aretas IV. e e „die Juden" Paulus nach, sondern Lukas berichtet das auch in einer kleinen Exposition, die bei Paulus fehlt : sie fassen den Plan, den Christusprediger umzubringen, der erfährt aber davon (V. 23-24a). Zwischen der Exposition und dem Folgenden ist eine Naht. Das zeigt einmal der Übergang zur Konkretion in V. 24b, wobei das „auch" darauf aufmerksam macht, daß sachlich etwas fehlt (vom Plan geht es gleich zur Beobachtung „auch" der Tore), zum anderen das im jetzigen Lukastext als Dublette wirkende „damit sie ihn beseitigten", das dem „um mich festzusetzen" entspricht, also auf Tradition beruht. Die Exposition V. 23-24 a gehörte also ursprünglich nicht zu der in V. 24b-25 verarbeiteten Tradition. Die Naht vor V. 24b ·« Haritat IV. (um 9 v. Chr.-40/41 n. Chr.), vgl. zuletzt J. Starclcy, Pétra et la Nabatène, Dictionnaire de la Bible. Supplément V I I (1966), Sp. 886-1017: Θ13-916. Dadurch und nur dadurch steht fest, daß das Ereignis, das 2.Kor 11, 32 f. ohne Anhalt für die Datierung berichtet, in Apg 9,24b-25 insofern richtig eingeordnet ist, als Paulus danach zum ersten Besuch als Christ nach Jerusalem reiste (Gal 1,17f.). Historisch falsch ist, daß damit eine Predigttätigkeit in Damaskus unmittelbar nach der Bekehrung endete. Hier fehlt der Aufenthalt in der Arabia, nach dem Paulus nach Damaskus zurückkehrte (Gal 1,17).
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§ 5. Der Beginn der paulinischen Wirksamkeit
sieht frisch und literarisch aus"; das läßt vermuten, daß sie von Lukas stammt. Und zwar hat er die Exposition wohl nicht fertig davorgesetzt, sondern selbst geschrieben, wie das Vokabular nahelegt 68 . Zu fragen ist nur, ob erst Lukas „die Juden" hereingebracht hat. Denkbar ist das; Lukas beschreibt immer wieder eben sie als Paulus' Gegner und hält sie auch eines Mordes durchaus für fähig. Andererseits sehe ich nicht, warum er den Ethnarchen gestrichen haben sollte, wenn die Tradition von ihm sprach. Gewiß versucht er, die Obrigkeiten des Imperiums zu schonen, aber er verschweigt doch nicht, daß sie sich bei manchen Verfolgungen (wie auch schon bei der Tötung Jesu) wenigstens einspannen ließen. Außerdem fragt sich, ob ein nabatäischer Ethnarch für Lukas ebenso Respektsperson gewesen wäre wie ein römischer Statthalter oder die Spitzen einer Polis®9. Falls Lukas den Ethnarchen vorgefunden hätte, aber entlasten wollte, dann hätte es seinem Stil mehr entsprochen, die Juden als Anstifter hinzustellen. Da die Tradition einen Täter genannt haben muß und Lukas' Text nur die Juden nennt, können sie sehr wohl schon vor Lukas in der Tradition vorhanden gewesen sein70. Im übrigen dürften nicht nur V. 23-24a lukanisch sein, sondern auch V. 19b-22. Der Anklang an die spätere Reiseberichterstattung in V. 19b-20a und die Strukturverwandtschaft von V. 20-22 mit Apg 2,7.12 und besonders mit Lk 4,22 sprechen dafür, daß Lukas selber V. 19b-22 entworfen hat 71 , wenn auch nicht freihändig. Die drei Anklänge an Gal 1 (εύθέως, ó υιός του θεοϋ, πορθεΐν) werden kein Zufall sein72. Lukas hat das Summarium über Paulus' erste Predigt in Damaskus mit Hilfe von überlieferten, aber unverknüpften oder anders verknüpften Daten gestaltet. Ob dazu auch eine Nachricht oder Wissen über Predigt in Damaskus gehörte, ist fraglich. Da Lukas, wenn nicht 67 Wäre die Exposition in einem mündlichen Stadium davorgesetzt worden, hätte wohl eine homogenere Geschichte entstehen müssen. es Lukanisch sind πληρούν, Ικανός, έπιβουλή. — όπως αύτόν άνέλωσιν V. 24 ist also traditionsgeschichtlich geurteilt keine Dublette zu άνελεΐν αύτόν V. 23, sondern das letztere ist Vorgriff. ,e Nach Masson, A propos de Act. 9.19b-26, 165f., hat Lukas den Ethnarchen durch die Juden ersetzt, weil er Paulus' Aufenthalt in der Arabia, von dem er wußte, streichen muß te, da vor Apg 10 nicht von Heidenpredigt die Rede sein konnte. Es ist aber nicht einzusehen, warum Lukas dem nicht eher durch ein μόνον ΊουδαΙοις Rechnung getragen haben sollte und warum er deswegen den Ethnarchen als Verfolger fallenlassen mußte, und das gegen den ausdrücklichen Text von 2.Kor 11,32 f., den Lukas n&ohMaeson hier benutzt hat. 70 So wohl auch Haenchen, Apostelgeschichte*, 282. 71 So auch Haenchen, ebd. (nur belegen die Verse nicht, daß „auch anschaulich erzählte konkrete Szenen in der Apg . . . keinen historischen Wert zu besitzen" brauchen; die Verse sind Summarium, keine Szene). 72 πορθεϊν kommt freilich schon in jüdisch-hellenistischen Texten für Verfolgung vor: 4.Makk4,23; 11,4 (sonst in L X X nicht mehr belegt); Philo, In Flacc. 54 (πόρθησις 68).
2. Tradition und Redaktion
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durch ein überliefertes „sogleich", dann doch infolge seiner Sicht des Damaskuserlebnisses, überzeugt sein mußte, daß Paulus unverzüglich zu predigen anfing, konnte das nur in Damaskus gewesen sein, zumal Lukas vom Aufenthalt in der Arabia nichts weiß73. Auch die Fluchttradition erlaubte den Rückschluß auf vorhergegangene Predigt. Es ist also möglich, aber nicht sicher, daß Lukas wußte oder gehört hatte, Paulus habe in Damaskus gepredigt. Die Synagogen (Plural), von denen er in 9,20 gegen seinen sonstigen Sprachgebrauch schreibt, sind kein Argument für Tradition; sie können und werden aus 9,2 aufgenommen sein. 9,19b-25 ist also bis V. 24 a einschließlich lukanische Komposition, die sich auf einige überlieferte Daten und auf Schlüsse stützt. Nur hinter V. 24b-25 steckt geformte Tradition. Wie sie aussah, ist nicht mehr sicher zu sagen. Was man jetzt bei Lukas liest, ist in manchen Punkten schärfer als 2.Kor 11,32f. (die Tore werden „Tag und Nacht" beobachtet und Paulus muß „nachts" durch die Mauer, wovon er selbst nichts sagt; ihm droht nach Lukas Beseitigung, nach ihm selber bloß Verhaftung). Diese Züge könnten sekundär sein, müssen aber deswegen noch nicht von Lukas stammen. Daß die Jünger Paulus „nahmen", kann lukanisch sein; dagegen mag sich das schwierige αύτοϋ grade als unverarbeiteter Traditionsrest erklären. Bemerkenswert ist das Ende; offenbar hörte Lukas' Tradition da auf, wo auch 2.Kor ll,32f. aufhört. Hinter V. 25 ist wiederum eine Naht. Was folgt, gehörte mit V. 24b25 nicht ursprünglich zusammen. Der redaktionsgeschichtlichen Forschung gelten V. 26-30 als lukanische Komposition ohne konkreten Stoff74. Die Begründung, die E. Haenchen gibt, ist charakteristisch für die Arbeitsweise: der Abschnitt ist unhistorisch (er widerspricht ja in der Tat Gal 1,18f.), dagegen paßt zu Lukas' Absichten, warum er hier erzählt, was er erzählt; also stammt es von ihm'5. Nun ist aber die Historizität eine Sache und die Traditionsfrage eine andere : Lukas könnte doch hier wie anderswo fragwürdige Überlieferung benutzt haben. Wesentlicher ist, wie der Abschnitt zu seinen Intentionen paßt. Haenchen findet in ihm Lukas' Überzeugung, „daß Paulus selbstverständlich sofort den Anschluß an die zwölf Apostel gesucht 73
Daß er von Paulue' Tätigkeit dort wußte, weil er Gal 1 kannte, und sie strich, weil vor Apg 10 nicht Heiden gepredigt worden sein konnte (Masson, A propos de Act. 9.19b-2ß, 165f.), halte ich für ausgeschlossen (s. ο. A. 69). Haenchen, Apostelgeschichte®, 282f. (danach ohne eigene Begründung Klein, Die zwölf Apostel, 162 A. 779); Conzelmann, Apostelgeschichte, 60. Gröber P. Parker, Once More, Acts and Galatians, JBL 86 (1967), 176-182: „an amalgam from three later visits" (180), nämlich 11,29f. ; 15,2.4; 21,27ff. Aber Parker sagt nicht, warum Lukas Motive der drei späteren Reisen verband und warum hier. 75 Apostelgeschichte«, 280-283.
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§ 5. Der Beginn der pauliniechen Wirksamkeit
hat, weil sie für ihn die Quelle aller Legitimität sind"78. Von „sofort" ist freilich bei Lukas keine Rede. Paulus hat zunächst und ganz aus eigenem Recht in Damaskus gepredigt und reiste erst nach Jerusalem, als es in Damaskus nicht mehr ging. Aber gesetzt, er tat das um wenigstens nachträglicher Legitimierung willen: wozu war da Barnabas nötig? Darüber verliert Haenchen kein Wort. Klein, der mit Recht betont, daß eine kompositorische Erklärung erklären muß, daß Lukas Barnabas auftreten läßt, weiß, warum: indem Barnabas als Angehöriger der Mutterkirche Paulus akzeptiert und ihm Zutritt bei den Aposteln verschafft, soll Paulus' Zugehörigkeit zur Kirche und seine Beziehung zu den ihm schon an und für sich übergeordneten Aposteln mediatisiert werden77. Wenn man das für exegetisch falsch hält und für Lukas' Meinung grade, daß Paulus' Rang und Wirken genauso christusunmittelbar sind wie Rang und Wirken der Zwölf78, dann wird man in Barnabas und seiner Funktion ein Indiz für Tradition sehen. Zu der mag dann auch das Verhalten der übrigen Jerusalemer Christen V. 26 gehört haben, von denen Barnabas sich abhebt. Daß 22,17-21 Grund, Art und Zeitpunkt der Abreise des Paulus anders zu berichten scheint als 9,29f., und zwar in einer Form, die Lukas hier durchaus hätte verwenden können, spricht dann weiter dafür, daß auch V. 29 f. auf Tradition beruhen. Ich sehe auch nicht, warum Lukas eine Auseinandersetzung mit Hellenisten hätte erfinden sollen. Ob die damit am Anfang und Ende der Perikope faßbare Tradition Lukas geformt in einem Stück vorlag, ist schwer zu sagen, zumal V. 27 b in der vorliegenden Form lukanisch ist und auch die summarische allgemeine Angabe V. 28 von ihm stammen könnte. Aber die einfachste Annahme ist doch wohl, daß er in 9,26-30 ein durchgehendes Traditionsstück benutzt hat. 9,19b-30 ist also ein Konglomerat aus Lukanischem und zwei Traditionsstücken. Diese dürften von Haus aus nicht zusammengehört haben und auch nicht mit der hinter 9,1-19 a stehenden Überlieferung verbunden gewesen sein. Es liegt hier keineswegs fortlaufende Erzählung des Paulus oder eines Begleiters zugrunde. Daß erst Lukas den vorliegenden Zusammenhang hergestellt hat, ist keine zwingende, aber die nächstliegende und heute auch meist vertretene Annahme7·. 77 '· Apostelgeschichte«, 283. Die zwölf Apostel, 162-166. 78 Daß Barnabas Paulus akzeptiert habe, ist mit der richtigen Übersetzung von έπιλαβόμενος erledigt, und von Legitimation durch die Apostel kann ich im Text auch nichts lesen. Im übrigen o. § 4,4; u. §8. 78 Nach J. Jeremias, Untersuchungen zum Quellenproblem der Apostelgeschichte, Ζ NW 36 (1937), 205-221: 215f., ist Apg 9,1-30 Teil der „antiochenischen" Quelle. Doch wird der Abschnitt sonst, wo man eine solche Quelle oder jedenfalls antiochenisches Traditionsgut annimmt, grade nicht dazugerechnet. Vgl. E. Trocmé, Le "Livre des Actes" et l'histoire (Études d'Histoire et de Philosophie Religieuses 45), Paris 1957, 174; R. Buitmann, Zur Frage
5,3. Exkurs: Lukas' Verhältnis zu den Paulusbriefen
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Dabei ist sehr wohl möglich, daß Lukas die Reiseroute DamaskusJerusalem-Tarsus nicht einfach aus seinem Material abgezogen hat, sondern darin zusätzliches Wissen offenbart. 3. Zur Geschichte der Tradition Ich beginne wiederum mit 9,24b-25. Die vermutliche Tradition ist 2.Kor l l , 3 2 f . so ähnlich, daß man fragen muß, ob beide Texte traditionsgeschichtliche Beziehungen haben. Ausschließen kann man freilich, daß Lukas direkt oder indirekt den Paulusbrief zitiert. Dagegen spricht außer dem Wortlaut der allgemeine Befund. Lukas'1 Verhältnis zu den Paulusbriefen ist kompliziert 80 . Daß die Apostelgeschichte sich mit dem Corpus Paulinum literarisch kaum berührt, ist evident. Als Grund gilt heute meist, daß Lukas keine Paulusbriefe kannte 81 . Das ist richtig, soweit es bedeutet, daß Lukas nicht oder nicht näher wußte, was in ihnen steht. Beweiskräftig sind hier weniger die theologischen Differenzen als die historischen. Lukas weiß vieles nicht, was aus den Briefen zu entnehmen gewesen wäre, und manches anders, und das durchaus nicht in bewußter Korrektur 8 2 . Es ist aber nicht damit gesagt, daß Lukas von Paulusbriefen schlechthin keine Ahnung hatte. Denn das Gegenteil ist wahrscheinlich 83 . Diese Wahrscheinlichkeit wird stärker, je später man die Apostelgeschichte ansetzt und spitzt sich dann immer mehr dahin zu, daß Lukas von einem oder dem Corpus Paulinum gewußt haben muß, besteht aber auch für jedes frühe Datum 84 . nach den Quellen der Apostelgeschichte, in: A. J. B. Higgins (ed.), New Testament Essays. Studies in Memory of Thomas Walter Manson 1893-1958, Manchester 1959, 68-80: 78 A. 15. 80 Zuletzt J. Knox, Marcion and the New Testament. An Essay in the Early History of the Canon, Chicago, 111. 1942, 132-136; Acts and the Pauline Letter Corpus, in: L.E.Keck-J.L.Martyn (ed.), Studies in Luke-Acts. Essays presented in honor of Paul Schubert, Nashville, Tenn.-New York 1966, 279-287; Klein, Die zwölf Apostel, 189-192; J. C. O'Neill, The Theology of Acts in its Historical Setting, London 1961, 21-28; Mossoti, A propos de Act. 9.19b-25; H. Conzdmann, Luke's Place in the Development of Early Christianity, in : Keck-Martyn (ed.), 298-316: 307f. 81 Klein, Die zwölf Apostel, 189, schreibt zwar: „Bis heute ist ein Konsensus darüber nicht erzielt", aber von den in A. 881 aufgezählten Autoritäten sind die neueren meist gegen Kenntnis; vgl. auch W. G. Kümmel, Einleitung in das Neue Testament 1 *, Heidelberg 1969, 125. Für die Abhängigkeit einzelner Stellen der Apostelgeschichte von den Paulusbriefen M. Enslin, "Luke" and Paul, Journal of the American Oriental Society 58 (1938), 81-91 ; Maeson, ebd. — Für die nicht im voraus zu verneinende Möglichkeit, daß Lukas verlorene Paulusbriefe kannte und auswertete, gibt es keinen Anhalt. 82 Klein, Die zwölf Apostel, 190, hält angesichts der „eklatanten Widersprüche" innerhalb Lukas' eigener Darstellung von dem Argument nicht viel. 88 Mit Recht zuletzt Klein, Die zwölf Apostel, 190-192. 84 Das schwierige Problem der Bildung des Corpus Paulinum kann hier beiseite bleiben. Daß "the author of Luke-Acts could still have written in ignorance of [the existence of] Paul's letters between A. D. 115 and 130" (O'Neill, Theology of Acts, 25), halte ich freilich für unmöglich. O'Neill stützt das damit, daß auch Justin keine Paulusbriefe kannte (S. 25-28). Selbst wenn das stimmte (s. u. A. 96), so liegt Lukas' Fall doch anders : er hat sich ja ausdrücklich um Paulustradition bemüht (vgl. auch Khin, Die zwölf Apostel, 191).
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§ 5. Der Beginn der paulinischen Wirksamkeit
Erstens hat Paulus an ziemlich weit gestreute Adressaten geschrieben 85 . Zweitens geht aus seinen Briefen selbst hervor, daß sie nicht bloß (vor der Gemeinde!) gelesen, sondern auch diskutiert wurden und daß die nicht selbstverständliche Tatsache solcher apostolischer Schreiben bekannt und umstritten war (2.Kor 10,9-11; falls echt 2.Thess2,2. 15; 3,17 8 e ). Das Interesse muß in der Folgezeit nicht so lebhaft geblieben sein; immerhin aber kennt Clemens seinen Römerbrief und setzt voraus, daß die Korinther ihre(n) Korintherbrief(e) kennen und zur Hand nehmen können (47,1). Drittens ist die Frage, ob nicht schon früh mit Abschriften zu rechnen ist. So hat Gal schon deswegen die Chance, sehr bald mehrfach vorhanden gewesen zu sein, weil er an eine Gruppe von Gemeinden gerichtet ist. Auch ist denkbar, daß im Zusammenhang mit den Auseinandersetzungen in den paulinischen Gemeinden Briefe oder Briefteile verbreitet worden sind. Mindestens von den neunziger Jahren ab sind Paulusbriefe außerhalb der Adressatengemeinde nachzuweisen. Clemens kennt und zitiert in Rom jedenfalls l.Kor (l.Clem 47, Iff.) und setzt vielleicht schon ein mit l.Kor eingeleitetes Corpus Paulinum voraus 8 7 . Auch Ignatius weiß von (den?) paulinischen Briefen (Eph 12,2), scheint sie gelesen zu haben und hätte ohne ihr Vorbild kaum selber Gemeindebriefe geschrieben 88 . Mögen die Zeugnisse spärlich sein, so darf man sie doch nicht einzeln minimalisieren, sondern muß sie zusammensehen. Im übrigen darf man nicht vergessen, daß auch in nachapostolischer Zeit die Gemeinden trotz oder auch durch Verfolgung miteinander in Verbindung standen 8 8 . Viertens setzen die Deuteropaulinen ebenso wie die Ignatianen voraus, daß die Existenz paulinischer Briefe (nicht nur irgendeines einzelnen) im öffentlichen Bewußtsein war. Dieses Zeugnis mag nicht sicher in vorlukanische Zeit führen und streng nur für das Entstehungsgebiet (Kleinasien?) gelten, aber für Lukas' Zeit gilt es, und über Paulus in Kleinasien hat er einiges gewußt und geschrieben. Kurz, es mag vielleicht zuviel gesagt sein, daß „ a writer on Paul might have been expected to make some search for epistles" 8 0 , aber daß Lukas spätestens seit der Materialsammlung für die Apostelgeschichte wissen mußte, daß Paulus Briefe geschrieben hatte, und, was nicht dasselbe ist, daß es sie noch gab, ist eine vernünftige Annahme. Zumal er von allen Gemeinden, die Briefe erhalten hatten, wenig85 Vgl. Klein, Die zwölf Apostel, 190. Wer weiß übrigens, wohin Paulus noch geschrieben hat. 86 Gleichgültig, ob die επιστολή ώς δι' ήμών real (so zuletzt W. Schmithals, Die historische Situation der Thessalonicherbriefe, in: Schmithals, Paulus und die Gnostiker. Untersuchungen zu den kleinen Paulusbriefen, ThF 35, HamburgBergstedt 1965, 89-157: 149, nur sei kein gefälschter Paulusbrief, sondern eine entsprechend interpretierte oder glossierte echte Paulusstelle gemeint) oder bloß vorgestellt ist. 87 R. Knopf, Die Lehre der zwölf Apostel. Die zwei Clemensbriefe (HNT E r g B d l ) , Tübingen 1920, 123; vorsichtig Kümmel, Einleitung", 353. 88 R. Bultmann, Ignatius und Paulus, in: Studia Paulina in honorem Johannis de Zwaan septuagenarii, Haarlem 1963, 37-51 = in: E. Dinkier (Hrsg.), Rudolf Bultmann, Exegetica. Aufsätze zur Erforschimg des Neuen Testaments, Tübingen 1967, 400-411; H. Raihke, Ignatius von Antiochien und die Paulusbriefe (TU 99), Berlin 1967, 13-66 : Ignatius zitiert formlos höchstwahrscheinlich l.Kor (vgl. insbesondere IgnRöm 5,1 mit l.Kor 4,4; IgnEph 18,1 mit l.Kor 1,19f. ; IgnEph 16,1; IgnPhld3,3 mit l.Kor 6,9f.) und läßt möglicherweise l.Thess, 2.Thess, Eph und die Pastoralbriefe anklingen. 2.Petr 3,15f. bleibt hier außer Betracht, weil vermutlich ganz jung. 88 Vgl. den Bezug von Tit zu Kreta; Did 11-13; l.Clem, bes. 47,7; die Sendschreiben der Offenbarung. 80 Knox, Marcion, 132 f.
5,3. Exkurs: Lukas' Verhältnis zu den Paulusbriefen
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stens etwas und über mehrere (Korinth, Philippi und die Provinz Galatien mit Antiochia, Derbe, Lystra, Ikonium, wenn man Gal für dorthin gerichtet hält* 1 ) ausführlich berichtet und mit einiger Wahrscheinlichkeit selber in einer Gemeinde schrieb, die einen Paulusbrief bekommen hatte 9 2 . Wenn Lukas trotzdem keine Paulusbriefe benutzt, „so wird der Schluß unausweichlich, daß er sie nicht benutzen wollte"93. Dann muß man freilich erklären, warum nicht. Die meist angeführten polemischen Gründe — Lukas benutzt die Paulinen nicht, weil Gegner sie benutzen, etwa (Prä-)Marcioniten 94 oder Gnostiker 95 — ziehen nicht. Denn abgesehen von den Fragen, ob Lukas sich vom Totschweigen gegenüber echten Paulusbriefen überhaupt etwas erhoffen konnte 96 und warum er nicht wenigstens seine Geschichtsdarstellung mit den Angaben der Briefe ausglich, was, wenn schon nicht Historikerpflicht, doch jedenfalls klug gewesen wäre 97 — es ist bisher ganz unbewiesen, daß sein Paulusbild tiefer von derartiger Richtungspolemik geprägt ist. Es scheint mir nun aber auch ohne eine spezifische Sperre denkbar zu sein, daß Lukas von Paulusbriefen wußte und sie dennoch nicht benutzte. Er dürfte keinen Brief, jedenfalls keinen der historisch ergiebigen, zur unmittelbaren Verfügung gehabt haben; anders kann man die Nichtbeachtung der historischen Angaben nicht erklären. Seine Bekanntschaft muß so gewesen sein, daß er wußte oder während der Arbeit erfuhr, daß es hier oder da Paulusbriefe gab. J e geringer und ungenauer seine Informationen waren, desto mehr mochte er sie seinem übrigen Material gegenüber als belanglos empfinden. Denn er brauchte sich von den Briefen nichts zu erhoffen. Sein Thema waren die Anfänge 88 . 91
Gegen diese „südgalatische" Theorie zuletzt Kümmel, Einleitung 1 ', 191— 197; Hahn, Das Verständnis der Mission im Neuen Testament (WMANT 13)a, Neukirchen-Vluyn 1965, 80 A. 2. 92 Knox, Marcion, 133. 93 Klein, Die zwölf Apostel, 192 (Kursive original); Gonzelmann, Apostelgeschichte, 2 : „möglicherweise" ; Knox, Acts and the Pauline Letter Corpus, 284. 94 Knox, Marcion, 132-136; Acts and the Pauline Letter Corpus, 285. 96 Nach Klein ist „Verschweigungstaktik" gegenüber den Briefen, um „die dem orthodoxen Denken unheimliche Theologie des Paulus" zu neutralisieren, die andere Hälfte des Bildes, dessen eine die „Domestikation" und „Mediatisierung" der Gestalt des Apostels ist, der als Person wegen seiner „wahrhaft unersetzliche(n) Rolle . . . in der Entwicklung der christlichen Kirche" nicht preisgegeben werden konnte (Die zwölf Apostel, 215). 96 Klein, Die zwölf Apostel, 192-201, deutet die Tatsache, daß auch Justin die Briefe nicht benutzt, ebenfalls als bewußte Ignorierung; aber wieso war Justin überhaupt genötigt, Paulus zu zitieren? (Daß er die Briefe überhaupt nicht kannte, wie O'Neill annimmt, ist aus zeitlichen Gründen unwahrscheinlich; vgl. o. A. 84). 97 Wenn Klein recht hat, dann muß Lukas auch sich selbst die Lektüre der Paulusbriefe verboten haben. 98 Das gilt sowohl für Gemeinden wie für den einzelnen Christen. Lukas zeigt kaum, wie es weitergeht (vgl. W. C. van Unwik, Die Apostelgeschichte und die Häresien, ZNW 58, 1967, 240-246: 244f.). Organisation und Fortleben der entstehenden Gemeinden spielen abgesehen von Jerusalem kaum eine Rolle, mit Ausnahme von Maßnahmen zur Bewahrung der Predigt und des Glaubens wie der Einsetzung von Presbytern durch Paulus, 14,23 modellhaft vorgeführt (auf einer Rückreise !) und dann offenbar vorausgesetzt. Auch Predigt an schon Bekehrte kommt kaum vor, und wenn, dann meist als „Befestigimg" wider Bedrängung und Irrlehrer (unter den Reden der Apostelgeschichte ist keine normale Gemeindepredigt, wie Lukas sie etwa bei 20,7 leicht hätte einschieben können).
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§ 5. Der Beginn der paulinischen Wirksamkeit
Paulus' Briefe gehören in den Bereich des Wachstums der Gemeinden, über das Lukas nicht schreibt. Dann aber wird die Annahme, daß er sich in Apg 9,24b-25 direkt auf 2.Kor 11,32 f. stützt, noch unwahrscheinlicher, als sie es nach dem Text vergleich ohnehin ist. Dieser spricht auch dagegen, daß die Stelle indirekt (über einen Gewährsmann oder eine Quelle) Zitat ist.
Apg9,24b-26 beruht also nicht auf 2.Kor 11,32f., sondern wie andere Berührungen zwischen Lukas und den Paulinen auf „Tradition des paulinischen Missionsgebietes"··. Aber worauf beruht die? Die nächstliegende Antwort ist in diesem Fall: auf 2.Kor 11,32f. Daß Personaltradition über Paulus nicht nur auf dessen eigene Erzählungen oder die von Freunden und Gegnern, sondern auch auf die Briefe zurückgehen kann, wird kaum erwogen, ist aber möglich, zumal grade die informationsreichen wie Gal und 2.Kor gezielt in Auseinandersetzungen hineingeschrieben sind, in der auch die Person des Autors umstritten war, und eben deswegen Personalien enthalten. Nicht zuletzt Paulus' Anfänge haben damals für einige Zeit so etwas wie einen Sitz im Leben gehabt, sind in weiteste Gemeindekreise gedrungen und können durchaus noch ein Menschenalter später erinnert worden sein. Natürlich muß sich die Anekdote 2.Korll,32f. nicht bei dieser Gelegenheit verselbständigt haben; es könnte auch später gewesen sein. Aber daß sie überhaupt die traditionsgeschichtliche Wurzel von Apg 9,24b-25 ist, legt der Textvergleich nahe100. Die Verschär88
Conzelmann, Apostelgeschichte, 2. loo Wenn nicht traditionsgeschichtlich, so ist Apg 9,24b-25 doch jedenfalls historisch gegenüber 2.Kor l l , 3 2 f . sekundär. Die verbreitete Harmonisierung der beiden Texte — die Juden Anstifter (zuletzt H. Bietenhard, Die Dekapolis von Pompeius bis Traian. Ein Kapitel aus der neutestamentlichen Zeitgeschichte, ZDPV79, 1963, 24-58: 55) oder Helfershelfer des Ethnarchen (Th. Zahn, Zur Lebensgeschichte des Apostels Paulus, Neue Kirchliche Zeitschrift 15, 1904, 23-41. 189-200:41; zuletzt erwogen von Stählin, Apostelgeschichte, 140f.) — ist methodisch fragwürdig. Historisch wird man sich an Paulus' eigene Worte halten müssen. Dabei dürfte die Hypothese erledigt sein, daß Damaskus seinerzeit unter nabatäischer Oberhoheit stand und der Ethnarch der zuständige Statthalter war. Ein Herrschaftswechael (der erst nach Tiberius' Tod am 1β. März 37, also unter Caligula, stattgefunden haben könnte) ist nirgends bezeugt. Die herkömmlich angeführte Lücke in den Damaszener Kai3erprägungen 34/35 — 61/62 besagt nichts, weil aus der frühen Kaiserzeit ohnehin nur ganz wenige solcher Münzen erhalten sind ; auch sollten Aretasmünzen vorkommen, wenn er zeitweilig Souverain von Damaskus gewesen wäre. Schließlich bedeutet έθνάρχης nicht Statthalter (wenn Bauer, Wörterbuch 8 , Sp. 432, so schreibt, ist das Interpretation, nicht Übersetzung); das Wort bezeichnet das Oberhaupt einer ethnischen Gruppe (zum ganzen vgl. Starchy, Pétra, Sp. 915). Mit dem Souveränitätsproblem nicht mitgelöst und immer noch umstritten ist dagegen die Frage, ob der Ethnarch innerhalb oder außerhalb der Stadt zu suchen ist (materialreiche Übersicht bei H. Windiech, Der zweite Korintherbrief, MeyerK 6 e , Göttingen 1924, 363-366). Mir scheint die zweite Möglichkeit wahrscheinlicher zu sein (begründet von Zahn, 34r-41; zuletzt Haenehen,
3. Zur Geschichte der Tradition
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fungen der lukanischen Version lassen sich gut als Folge mündlicher Überlieferung erklären, soweit sie nicht von Lukas stammen101. Woher die in 9,26-30 benutzte Tradition stammt, läßt sich dagegen kaum sagen, zumal sie nicht gut faßbar ist. Daß sie auf Paulus zurückgehen könnte, ist trotz Rom 15,19 wegen Gal 1,18f. kaum vorstellbar, so gewiß diese beiden problematischen Verse kein vollständiges und ausgewogenes Bild des ersten Jerusalembesuchs geben und geben sollen. Zwei Vermutungen. Erstens: 0. Linton rechnet V. 26-30 zu den Stücken der lukanischen Darstellung, in denen Personaltraditionen ähnlich den von Paulus in Gal If. bekämpften nachwirken (die eine mittlere Linie zwischen Paulus selbst und seinen jüdischen Gegnern einnehmende „Galatian version")102. Diese oft mit Wohlwollen oder Zustimmung zitierte These ist in dieser Form fragwürdig. Lintons Exegese ist mehr als skizzenhaft und seine Methode nicht sehr subtil. Er gewinnt die „Galatian version" als einfache Umkehrung dessen, was Paulus in Gal If. versichert, und vergleicht sie mit der Apostelgeschichte, ohne Lukas' Anteil abzuheben. Mit Lukas' Text scheint mir eine so gewonnene „Galatian version" grade nichts gemein zu haben. 9,26-30 läßt nichts davon merken, daß etwa behauptet werden sollte103, Paulus sei sofort oder sehr bald nach der Bekehrung nach Jerusalem gegangen (er geht nach „vielen Tagen" und nur, weil er muß), lange dort geblieben (Lukas sagt über die Dauer gar nichts) und habe sich als eifriger Schüler der Apostel betätigt (er tut nichts dergleichen, sondern predigt in Jerusalem wie schon in Damaskus auf Grund seiner Schau Jesu neben den Aposteln). Wenn die Tradition „galatische" Züge enthielt, so hat Lukas sie verwischt. So bleibt
Apostelgeschichte·, 279 A. 3; ablehnend Bieterihard, 55-58; Starchy, Sp. 916, der aber einräumt, daß ein Oberhaupt der Nabatäerkolonie in Damaskus kaum dae Recht hatte, die ganze Stadt zu bewachen). Das hat historische Konsequenzen. Paulus' Abreise gilt wie schon Lukas so auch heute meist als Flucht; wenn der Ethnarch vor der Stadt lauerte, kann es sich auch um eine beabsichtigte Abreise mit Hindernissen gehandelt haben. ιοί Wenn es stimmt, daß 9,24b-25 Tradition aufnimmt, die von einer Paulusbriefstelle ausgegangen ist, dann kann man fragen (obwohl schwerlich je beweisen), ob das nicht auch anderswo so ist. Z.B. könnten die Anklänge an Gal 1 in 9,19bff. und das Wissen, das vermutlich Akoluthie und Abgrenzung des Paulueblocks 9,1-30 bestimmt, ihre Traditionswurzel in Gal 1 haben (als Beweis direkter Abhängigkeit, wie zuletzt Μαββοη, A propos de Act. 9.19b-25, 162-164, will, reichen die Anklänge nicht aus). Vgl. weiter Apg 11,2 mit Gal 2,12 (Lukas hat ot έκ της περιτομής sonst nur noch Apg 10,45); 20,34 mit l.Kor 4,12; 9,Iff.; l.Thess2,9; 4,11 (vgl. Conzelmann, Apostelgeschichte, 119); 22,3 und 26,4f. mit Gal l,13f.; 22,17-21 mit 2.Kor 12,2-5; 23,6 mit Phil 3,5; schließlich u. A. 106. loa The Third Aspect. A Neglected Point of View. A Study in Gal. i-ii and Acts ix and xv, StTh 3 (1949), 79-95. 105 Linton, The Third Aspect, 85.
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§ 5. Der Beginn der paulinischen Wirksamkeit
Lintons These hier (und wohl überhaupt104) unbewiesen. Trotzdem könnte sie Wahrheit enthalten. Immerhin fällt auf, daß Lukas' ohnehin knappe Traditionen über Paulus vor dem Apostelkonzil106 abgesehen von der Bekehrungsgeschichte an längeren Stücken grade zwei Überlieferungen über den ersten Jerusalembesuch umfaßte (9,26-30; 22,17-21), der erwiesenermaßen in den Auseinandersetzungen eine Rolle gespielt hat, die wir in Galatien und anderswo greifen können. Die hinter Apg 9,26-30 stehende Tradition könnte auf eine der Versionen dieses Ereignisses (nicht notwendig eine „galatische") zurückgehen, die damals ins Feld geführt wurden108. Zweite Vermutung, die der ersten nicht zu widersprechen braucht : Die Tradition sprach von Barnabas und (wahrscheinlich) von Hellenisten, wenn auch Juden. Gehört sie zum „antiochenischen" Material der Apostelgeschichte107? 4. Paulus' Predigt in Damaskus und Jerusalem in Lukas' Sicht Lukas liegt zunächst einmal daran, zu zeigen, daß Paulus nach seiner Bekehrung sofort und ohne menschlichen Auftrag — „der himmlischen Schauung nicht ungehorsam", wie er in 26,19 sagen 104 Es ist bei Lukas auch von einem προσανατίθεσ&αι σαρκΐ καΐ αϊματι gleich nach der Bekehrung, das die galatische Version nach Gal 1,16 behauptet haben müßte, keine Spur. Zwar besagt Apg 9,19b-22, weil lukanisch, in diesem Zusammenhang nur, daß Lukas selber nicht der galatischen Meinimg war. Aber auch die Bekehrungsgeschichte enthält nichts davon, daß Paulus sich mit irgendjemandem ins Benehmen setzte. Ananias sagt ihm nicht einmal das Kerygma. Beim Apostelkonzil räumt Linton selbst ein, daß Lukas' Darstellung der hypothetischen galatischen Version nicht sehr ähnelt. 105 Gleichviel, ob die erste Missionsreise eine von Lukas konstruierte „Modell reise" ist (Conzdmann, Apostelgeschichte, 72) oder nicht, dürften die in Apg i 3 f. verarbeiteten Traditionen von Ereignissen nach dem Apostelkonzil berichten (Jeremias, Untersuchungen, 217f. 220f.; Hahn, Verständnis der Mission 2 , 50; Kasting, Anfänge der urchristlichen Mission, 106; Q. Bornkamm, Paulus, Urban Bücher 119, Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1969, 63-65). 108 In Gal 2,1 kommt Barnabas als Paulusbegleiter auf der zweiten Reise nach Jerusalem vor, in 2,2 ein Darlegen des Evangeliums vor den δοκοϋντες, in 2,4 gesetzeseifrige ψευδάδελφοι, die Paulus καταδουλοϋν wollen — könnte hinter Apg 9,26-30 eine verballhornte Nachwirkung von Gal 2,1-10 stecken, die die beiden Jerusalemreisen zusammenwarf? 107 Über den historischen Wert von Apg 9,26-30 ist damit noch nichts ausgemacht. Gal 1,18f. schließt engen Verkehr mit den Aposteln positiv aus und e silentio auch Predigt (Paulus hätte gewiß gern gesagt, daß er damals in Jerusalem sein Evangelium gepredigt habe). Daß andererseits Barnabas, wohl trotz „hellenistischer" Herkunft Glied der „hebräischen" Urgemeinde (Apg 4,36f.) und bei der Stephanusverfolgung in Jerusalem geblieben (vgl. H. Gonzelmann, Geschichte des Urchristentums, Grundrisse zum Neuen Testament. NTD Ergänzungsreihe 5, Göttingen 1969, 138f.), damals den Kontakt des „Hellenisten" Paulus mit Petrus herstellte, womöglich auf Grund einer bestehenden Bekanntschaft aus der Zeit, als beide zur hellenistischen Synagoge gehörten, wäre denkbar und widerstreitet Gal 1,18 f. nicht — vorausgesetzt, Paulus rechnet Barnabas l.Kor 9,6 nicht zu den Aposteln, die er nach Gal 1,19 in Jerusalem nicht sah.
§ 6. Die Sendung zu den Völkern (Apg 22,17-21)
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wird — zu predigen angefangen hat. Dabei ähnelt insbesondere 9,19b-20 so sehr der späteren Reisebeschreibung, daß man schließen muß : Lukas will bereits das erste Auftreten des Verfolgers als Prediger als vollwertigen Teil des Dienstes herausstellen, zu dem er berufen ist. Daß in Damaskus schon Christen sind, t u t dem keinen Abbruch (zumal Lukas zu meinen scheint, daß sie noch nicht öffentlich gepredigt haben); auch in Jerusalem, Rom und anderswo sind schon welche, als Paulus ankommt. Die Predigt in Damaskus ist nicht Vorspiel, sondern erster Akt 108 . Dieser setzt sich in Jerusalem fort (vgl. 26,20). Paulus muß hier die Gemeinschaft der Apostel finden und findet sie durch Berufung auf Damaskus. Von irgendeiner Approbation durch die Apostel verlautet nichts; die zwölf apostolischen Zeugen können den dreizehnten nur als ihresgleichen zur Kenntnis nehmen. Durch die gemeinsame Predigt in Gemeinschaft mit ihnen erhält Paulus Anteil an der ersten, den Aposteln zugeordneten Phase der Ausbreitung des Christentums unter den Juden in Palästina; mag sein eigentliches Tätigkeitsfeld außerhalb liegen, er hat auch in der Stadt verkündigt, in der nach Lk24,47; Apg 1,8 zuerst verkündigt werden sollte und verkündigt wurde. Als einziger Prediger der Apostelgeschichte arbeitet Paulus in Jerusalem und bis zum Ende der Erde 109 .
§ 6. Die Sendung zu den Völkern (Apg 22,17-21) I n der Verteidigungsrede vor den Jerusalemern Apg 22,1-21 erzählt Paulus anschließend an das Damaskuserlebnis, unmittelbar nach Ananias' letzten Worten, eine Jesusvision im Tempel (V. 17-21). Lukas' Text setzt die Kenntnis von 9,19b-30 voraus, bringt aber etwas noch nicht Berichtetes, das auch nicht ganz zu 9 paßt. 1. Der Text1 Zwei Partizipien skizzieren die Situation (V. 17). Da ύποστρέψαντι, das an das παραγενόμενος 9,26 erinnert (über die Reise nach Jerusalem ist hier nicht mehr gesagt als dort), im Aorist steht, προσευχομένου 108
Ebensowenig ist Paulus' Predigt in Antiochia (11,26) „apprenticeship . . . for his work in Asia Minor, Greece, and Rome" (O'Neill, Theology of Acts, 100). io» Dag unterstreicht J. Gambier, Le voyage de S. Paul à Jérusalem en Act. ix. 26ss. et le schéma missionnaire théologique de S. Luc, NTS 8 (196Í/62), 249-257, allerdings ohne eingehende Exegese und ohne den Versuch, Lukanisches und Übernommenes in der Perikope zu unterscheiden. 1 Er wird kaum je selbständig behandelt. Auch E. P. Blair, Paul's Call to the Gentile Mission, Biblical Research 10 (1965), 19-33, der ihn für im Kern historisch hält und auf das Apostelkonzil verlegt, analysiert ihn nicht. Blair 11 Burchard, Zeuge
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§ 6. Die Sendung zu den Völkern
μου im Präsens, ist der Aorist vorzeitig: „nachdem ich zurückgekehrt war". Die Vision fand also nicht gleich nach Paulus' Ankunft statt, was ja auch 9,26-30 widersprechen würde. „Während ich betete" braucht keinen besonderen, von Paulus gesuchten Anlaß zu meinen; Lukas denkt möglicherweise an einen der üblichen Tempelgottesdienste, die für ihn wesentlich „Gebet" sind2. Für den Leser, der 9,26-30 kennt, gehört die Vision vor die Abreise 9,30; die vorhergegangenen Ereignisse in Jerusalem kann er sich in die durch den Tempuswechsel der Partizipien angedeutete Lücke denken. Die Vision paßt aber nicht zu dem in 9,26-30 Erzählten. Sie wird anders geschildert als die Weisungen, die Paulus sonst noch direkt von oben erhält; „Ekstase" (vgl. 10,10; 11,5) und „sehen" lassen eine besondere Offenbarung erwarten. Die Anweisung Jesu, schleunigst3 die Stadt zu verlassen, weil „sie" Paulus' Zeugnis nicht annehmen würden (V. 18), klingt so, als ob Paulus erst predigen wollte, nicht so, als ob er, wie 9,28f. ausgesprochen, gepredigt und disputiert hätte; das „sie" scheint umfassender zu sein als die Hellenisten, die ihm nach 9,29b an den Kragen wollten. Jesus untersagt Paulus also grundsätzlich die Predigt in Jerusalem. Dazu stimmt auch der (stilgemäße4) Einwand, daß sie den Verfolger hören würden (V. 19f.). Paulus verweist auf seine Aktion in Jerusalem, mit dem neuen Zug, daß er Christen in den Synagogen auspeitschen ließ6, und auf seine Rolle bei Stephanus' Steinigung, dies mit ähnlichen Worten wie 7,58; 8,1a. Die Umkehrung der historischen Reihenfolge wird oft so erklärt, daß die Teilnahme an einer Tötung eine Steigerung gegenüber Verhaftung bemüht sich nachzuweisen, daß Paulus bei Damaskus nicht zur Heidenmiesion berufen wurde und vor Antiochia im wesentlichen nur Juden predigte, daß der Erfolg in Antiochia ihm dann Gottes Plan mit den Heidenvölkern aufgehen ließ und daß er während des durch die Antiochener Mission nötig gewordenen Apostelkonzils seine persönliche Berufung zum Heidenapostel erlebte. — O. Betz, Die Vision des Paulus im Tempel von Jerusalem. Apg 22,17-21 als Beitrag zur Deutung des Damaskuserlebnisses, in: O. Böcher-K. Haacker (Hrsg.), Verborum Veritas. Festschrift für Gustav Stählin zum 70. Geburtstag, Wuppertal 1970, 113-123, konnte ich noch nicht sehen. a Der Tempel ist nach Lukas zum Beten und Lehren da, und zwar ist das für ihn nicht erst die christliche, sondern schon die jüdische Zweckbestimmung (vgl. Lk 2,37.46; 18,10; Apg 8,27; 24,11). Daß im Tempel täglich blutige Opfer stattfinden, lassen Lukasevangelium und Apostelgeschichte allenfalls ahnen (vgl. Lk 19,45 diff. Mk 11,15f.). Der Tempel ist für Lukas so etwas wie die Jerusalemer Hauptsynagoge (dies unabhängig von der mit dem Tempel verknüpften heilsgeschichtlichen Symbolik und von der Frage, ob Christus die Stelle des Kabod einnimmt, so K. Baltzer, The Meaning of the Temple in the Lukan Writings, HThR 58, 1965, 263-277). Zum christlichen Beten in der Apostelgeschichte W. Ott, Gebet und Heil. Die Bedeutting der Gebetsparänese in der lukanischen Theologie (SANT 12), München 1965, 124^136. 3 σπεύβειν im NT nur Lk 2,16; 19,5f.; Apg 20,16; 22,18 (immer intransitiv) und 2.Petr 3,12 (transitiv). 4 5 S.o. § 4,1b zu 9,13. S. o. § 3, l d . e .
2. Tradition und Redaktion
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und Auspeitschung bedeuten solle. Daß Lukas sie als schlimmer angesehen haben sollte, leuchtet aber nicht ein. Wahrscheinlich ist die Erklärung im Verhältnis von Tradition und Redaktion zu suchen (s. u. unter 2). Jedenfalls weist Jesus den Einwand stilgemäß zurück, indem er den ursprünglichen Befehl „Geh!" wiederholt (wenn auch mit πορεύου statt mit έξελθε) und mit είς έθνη μακράν έξαποστελώ σε neu begründet (V. 21). Die Sendung zu den έθνη ist in der Tat etwas Neues, nicht etwa eine Wiederholung oder Bestätigung von Damaskus. Dort war Paulus an alle Menschen als Zeuge gewiesen worden, nicht bloß είς έθνη, und das war keine Sendung. Offen bleibt, ob V. 21 in Lukas' Sinn besagt, daß die Sendung eben jetzt im Tempel geschieht·, wozu das Futur voluntativ zu fassen ist, oder ob das Futur ernst genommen werden muß und die Sendung nur ankündigt (der Vollzug läge dann in 13,1-3). Das letztere scheint mir nicht ausgeschlossen zu sein. Auch die stilistisch verwandte Stelle 9,15 f. blickt in die Zukunft. Dazu dürften in μακράν die großen Missionsreisen anklingen7. Schließlich wird die futurische Auffassung dem Zeitpunkt der Vision gerecht : noch ist kein Heide bekehrt und die Predigt außerhalb Palästinas nicht begonnen. Auf der anderen Seite spricht 26,20 dafür, daß Lukas Paulus' gesamte Predigt außerhalb Damaskus' und Jerusalems als Arbeit an den έθνη ansieht. Aber ob nun Sendung oder angekündigte Sendung: wesentlich ist, wer V. 21 spricht und wo. Jesus selbst hat Paulus' weltweite Tätigkeit unter den έθνη (um seine Tätigkeit geht es, nicht um die Heidenmission schlechthin8) veranlaßt, und der Grund dazu wurde an eben der heiligen Stätte gelegt, wegen deren angeblicher Entweihung Paulus sich verteidigen muß®. 2. Tradition und Redaktion Hinter 22,17-21 steht Tradition. Lukas hätte kaum eine so massive Erscheinung Jesu, wie V. 17 f. sie aussagen, von sich aus gebildet. Die Tradition dürfte geformt gewesen sein. Die antiklimaktische und • So meist (z.B. E. Haenchen, Die Apostelgeschichte, MeyerK 3®, Göttingen 1968, 559). 7 Vgl. Apg21,28f. und weiter u. unter 4. 8 G. Klein, Die zwölf Apostel. Ursprung und Gehalt einer Idee (FRLANT 77), Göttingen 1961, 153f. * Klein findet die Pointe allein im Lokal und deutet das wiederum als Mittel der Mediatisierung des Paulus. Da aber meines Erachtens seine Prämisse nicht stimmt, daß die Vision sich „in der Substanz von dem vorangegangenen, durch Ananias vermittelten Berufungsversprechen (das ja sachlich ein Berufungsa&i ist) in nichts als durch das ausgezeichnete Lokal unterscheidet" (Die zwölf Apostel, 155), ist nicht Paulus' Berufung schlechthin, sondern allenfalls seine Predigt unter den έθνη mediatisiert. Aber steht Paulus damit anders da als die Apostel, wenn sie im Tempel predigen? 11'
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§ 6. Die Sendung zu den Völkern
chronologiewidrige Stellung von V. 20, der wegen des Anklänge an 7,58; 8,1a sicher lukanische Bildung ist, erklärt sich gut, wenn der Vers ein Einschub in eine gegebene Erzählung ist 10 . V. 19 beruhte dann auf der Tradition, wofür auch spricht, daß Auspeitschen in den Synagogen in Lukas' Bild des Verfolgers bisher (auch in 22,4f.) nicht vorkam und nur noch in 26,11 vorkommt, wo vermutlich 22,19 wieder aufgenommen wird. Daß Lukas Paulus zusätzlich auf seinen Anteil an Stephanus' Tod verweisen läßt, mag ad vocem δέρειν geschehen sein oder um einen Bezug auf die Situation herzustellen, in die die Vision nach 9,26-30 gehören muß. Auch V. 18 dürfte sich an die Tradition halten, denn es ist Lukas' Meinimg nicht, daß Paulus nicht in Jerusalem predigen sollte und gepredigt hat (9,28f. ; 26,20). Da die Überlieferung nicht mit V. 18 aufgehört haben kann, wird sie etwas V. 21 Entsprechendes enthalten haben. Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß das nicht eine Sendung zu den εθ·νη gewesen sein sollte, gewiß präsentisch, aber womöglich ohne μακράν. 3. Zur Geschichte der
Tradition
Nach H. Conzelmann setzt die Tradition „keine vorausgehende Berufung voraus, ja, sie paßt gar nicht zu einer solchen und bildet eine konkurrierende Variante zur Berufung vor Damaskus" 11 . Doch scheint die Tradition, wenn man nicht annehmen will, daß etwas weggebrochen ist, einen nicht nur bekehrten, sondern auch predigenden oder mindestens zur Predigt bereiten Paulus vorauszusetzen. Sie konkurriert nicht mit Damaskus schlechthin, sondern nur insoweit, als sie Paulus' Bestimmung zum Heidenapostel in Jerusalem lokalisiert. Daß sie von einem Geschehen bei Damaskus nichts weiß oder wissen will, läßt sich ihr meines Erachtens nicht entnehmen und scheint mir auch nicht wahrscheinlich zu sein. Woher die Tradition stammt, ist ungewiß. Paulinisch ist sie nicht, wenn es stimmt, daß Paulus sich von Anfang an zu den Heiden gesandt wußte 12 . Auf der anderen Seite gibt sie zu, daß Paulus (der?) Heidenapostel war und daß Jesus selber ihn dazu machte, indem er sich sehen ließ. Eigentümlich ist ihr das Lokal, der Tempel, darüber 10
126f. 11
So auch 11. Conzelmann, Die Apostelgeschichte (HNT 7), Tübingen 1963,
Apostelgeschichte, 126. Gegen Blair, Paul's Call, 23-26; vgl. o. § 4 A. 280. Damit ist nicht geleugnet, daß sich Paulus' Sicht seiner Berufung gewandelt haben wird. Sein Übergang nach Antiochia und der von Antiochia in den Westen, der kaum zufällig bald nach dem Apostelkonzil geschieht, werden mehr als Ortswechsel gewesen sein und auch ihre theologische Seite gehabt haben. 12
4. Lukas' Darstellung
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hinaus aber auch, daß die Sendung zu den Heiden Antwort auf die Uneinsichtigkeit der Juden ist. Das ist ein Motiv, das auch in Lukas' Material über die Paulusreisen (und ähnlich schon bei Paulus selbst) vorkommt; er hat es aufgenommen und ausgestaltet, aber nicht hineingebracht. Sollte die in 22,17-21 aufgenommene Tradition zu diesem Material gehören, was auch die Verarbeitung grade in 22 erklären könnte? Über den Ursprung der Tradition ist damit freilich noch nichts gesagt; er ist kaum noch auszumachen 13 . 4. Paulus' Sendung zu den Völkern in Lulcas' Darstellung Nach Lukas' Auffassung bezeichnet Sendung zu den ε&νη einen Vorgang, der sachlich und zeitlich von Paulus' Berufung zu trennen ist. Nach 26,17 hatte Jesus zwar schon bei der Berufung von der Sendung gesprochen, und die Formulierung läßt sich so verstehen, daß die Sendung als ein Moment der Berufung ebenfalls auf dem Weg nach Damaskus geschah 14 . Aber 22,17-21 zeigt, daß Lukas das nicht meint. Die Sendung geschah in Jerusalem (vielleicht sogar erst in Antiochia). Und sie war keine Wiederholung, Umorientierung oder Erweiterung der Berufung, die ja, weit genug, den Zeugendienst vor allen Menschen zu Inhalt hatte, sondern eine Wende in diesem Dienst, der mit der Predigt in Damaskus und Jerusalem schon voll begonnen hatte 1 5 . Die Sendung zu den έθνη ist keine zu den „Heiden" im Gegensatz zu Juden. Paulus — und das gilt auch für seine Mitprediger — wendet sich keineswegs speziell an Heiden, nicht einmal vornehmlich. Predigt oder Rede vor sicher heidnischer Hörerschaft berichtet Lukas nur ganz selten und aus besonderem Anlaß. Paulus verkündigt fast durchweg vor Juden und Heiden, nämlich in den Synagogen, in denen er regelmäßig beginnt, oder vor Heiden und Juden, wenn ihm die Synagoge nicht mehr offensteht1®. Daß er in der Synagoge anfängt, ist 13 Vgl. Conzelmann, ebd. Historisch ist die Vision kaum (anders zuletzt Blair, ebd. ; Ph. Seidensticker, Paulus, der verfolgte Apostel Jesu Christi, SBS 8, Stuttgart 1965, 23). Sollte Spekulation über das 2.Kor 12, Iff. berichtete Ereignis (oder sogar diese Briefstelle) zugrunde liegen? Vgl. Ph.-H.Menoud, L'écharde et l'ange satanique (2 Cor. 12,7), in: Studia Paulina in honorem Johannis de Zwaan septuagenarii, Haarlem 1953, 163-171: 171: Wurzel der Tradition ist eine paulinische Aussage wie 2.Kor 12,7. „Ce passage, des Actes suggère que, dans l'entourage de Paul, on gardait le souvenir que son échec auprès des Juifs lui avait été très dur, et qu'il avait fini par comprendre que cet échec rentrait dans la (!) plan divin." 11 S.o. § 4 , l d . » S . o . §5,4. 16 Daß Paulus von vornherein nicht in der örtlichen Synagoge bzw. Proseuche gepredigt hat, verlautet nur aus Rom, wo er nicht anders konnte, als Hörer zu sich zu bitten (als erste die Synagogenältesten !). Daß er gleichzeitig in der Synagoge und woanders gepredigt hat, berichtet Lukas nur aus Athen (17,17), offenbar in Anlehnung an den örtlichen Brauch, wie er ihn sich vorstellt. Der regelmäßige Anfang in den Synagogen ist lukanisches Schema, das
166
§ 6. Die Sendung zu den Völkern
nicht nur heilsgeschichtliche Notwendigkeit, sondern auch sachliches Gebot, denn grade hier sind „alle Menschen" gemeinsam versammelt, an die ihn seine Berufung gewiesen hatte (22,15; vgl. 26,17. 20.23). Paulus ist nach Lukas weder Heidenprediger, der die Synagoge als Sprungbrett benutzt, noch verhinderter Judenprediger 17 , sondern Prediger für „alle Völker". έθ-νη als Stichwort der Arbeit des Paulus nach der durch Jesus befohlenen Sendung ist also zunächst geographisch-politisch gemeint. Es bedeutet die außerhalb Palästinas lebenden Völker der Ökumene (über sie denkt Lukas nicht hinaus) einschließlich der unter ihnen wohnenden Juden, die Lukas mehrfach zu ihren jeweiligen Wirtsvölkern rechnet18. Hier hätte eine gemischte Christenheit entstehen sollen, in der Juden und Heiden auf dem Boden des in Christus weitgehend erfüllten Alten Testaments in der Hoffnung auf die endgültige Vollendung zusammenlebten, wobei, wie bei Kornelius' Bekehrung offenbart und im Aposteldekret rechtlich fixiert, die Heiden das Alte Testament qua έθη nicht zu übernehmen, die Juden es aber auch nicht aufzugeben brauchten19. Diese Absicht, die zu verwirklichen aber in seinem Stoff angelegt war. Daß Paulus' Synagogenpredigt ganz unhistorisch ist, wie W. Schmithale im Gefolge seiner Sicht des Apostelkonzils behaupten muß (Paulus und Jakobus, F R L A N T 85, Göttingen 1963, 44-50), ist äußerst unwahrscheinlich ; W. Schräge, συναγωγή κτλ., ThW VII, 1964, 798-850: 833-835 ; G. Bornkatrvm, The Missionary Stance of Paul in I Corinthians 9 and Acts, in : L. E. Keck - J . L. Martyn (ed.), Studies in Luke-Acts. Essays presented in honor of Paul Schubert, Nashville, Tenn.-New York 1966, 194-207: 200; P. Stuhlmacher, Das paulinische Evangelium I. Vorgeschichte, F R L A N T 95, Göttingen 1968, 99 A. 5; H. Kasting, Die Anfänge der urchristlichen Mission. Eine historische Untersuchung, B E v T h 55, München 1969, 57f. Nicht gesehen: O. Haas, Paulus als Missionar. Ziel, Grundsätze und Methoden der Missionetätigkeit des Apostels Paulus nach seinen eigenen Aussagen, kath.-theol. Lizentiatenarbeit Würzburg 1959. 17 Gegen Kaeting, ebd. ; Schmithale, Paulus und Jakobus, 46, und andere. Die Alternative ist m. E . auch für die Beschreibung der Haltung der Jerusalemer Gemeinde vor Kornelius nach lukanischer Darstellung nicht sachgemäß. Die Apostel predigen zwar nur Juden und Samaritanern, d.h. Palästinensern. Doch ist das kein Partikularismus in dem Sinn, daß man Heiden ausgespart hätte, und kann es nach Lk 24,46-48; Apg 1,8 nicht sein, sondern einfach die Folge dessen, daß die Predigt zunächst in Palästina bleibt : Palästina ist für Lukas im wesentlichen Land der Juden. 18 Apg 2,5; daneben 4,36; 11,20, vielleicht auch 8,27. 18 Lukas' Bearbeitung der Korneliustradition (dazu o. § 4 A. 11; zur lukanischen Interpretation der Perikope außer den Kommentaren zuletzt J . Jerveü, Das gespaltene Israel und die Heidenvölker. Zur Motivierung der Heidenmission in der Apostelgeschichte, StTh 19, 1965, Johannes Munck piam in memoriam, 68-96: 92-95) zielt m. E . auf die Ermöglichung gemischter Gemeinden ab. E s ist zu beachten, daß der erste Heide, der Christ wird, kein Polytheist ist, sondern ein Gottesfürchtiger (Apg 10,2), und eben solche Leute sind Gott angenehm (10,34f.). W. C. van Unnik, De achtergrond en betekenis van Handelingen 10,4 en 35, NedThT 3 (Ί948/49), 260-283. 336-354, sieht darin ein Zeichen für das hohe Alter der Korneliustradition. Wenn das so ist, so hat Lukas diese Züge jedenfalls bewußt übernommen. Das bedeutet, daß
4. Lukas' Darstellung
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sich Paulus die ganze Apostelgeschichte hindurch müht (er selbst hält das Gesetz und schafft es für Juden so wenig ab, wie er es Heiden auferlegt40), wird dadurch vereitelt, daß die Diasporajuden (anders als die palästinischen, ihre Oberen ausgenommen) sich in ihrer Gesamtheit der Predigt versagen. Nicht weil die christliche Predigt das Gesetz oder Israels heilsgeschichtlichen Vorrang antastete (beides tut sie grade nicht), sondern weil sie sich nicht überzeugen lassen, daß das Alte Testament durch den Christus Jesus erfüllt ist (darüber, daß es wesentlich Prophezeiung ist, besteht kein Streit). Das vollzieht sich in der Kette von Exodoi, von denen Lukas drei exemplarisch ausgebaut hat (13,44-48; 18,5-7; 28,23-28). Paulus verläßt die Synagoge und „geht zu den Heiden". Nicht daß er sich erst jetzt oder jetzt speziell an heidnische Hörer wendete — sie waren bisher schon einbezogen, und Juden werden von jetzt ab nicht ausgeschlossen sein21 —, sondern Prediger und Christengemeinschaft geben gezwungenermaßen ihr Zuhause in der Synagoge auf und ziehen in den heidnischen Bereich um22. Die Essenz des Vorgangs, der sich seit Antiochia Pisidiae außer in Beröa und Athen von Stadt zu Stadt wiederholt, ist nicht, daß jetzt die Botschaft an ihr Ziel kommt, sondern daß die Diaspora sich ihr entzieht. Durch diese Ablehnung wird nicht „der Weg zu den Heiden frei", wie meist gesagt wird28, sondern es ergibt sich leider als traurige Notwendigkeit, daß er allein übrigbleibt. Die Botschaft richtete mit dem Begriff der Gesetzesfreiheit für das lukanische Verständnis des Vorgangs nicht viel anzufangen ist (sie wird erst in Apg 15 thematisiert, nicht zufällig nach Lukas durch ehemalige Pharisäer, nicht etwa die ganze jerusalemer Gemeinde). Freiheit vom Kult- und Zeremonialgesetz ist nicht Ergebnis des göttlichen Handelns an Kornelius, sondern in der Ausgangslage schon gegeben; solche Freiheit braucht Kornelius nicht ermöglicht, sie könnte ihm nur genommen werden. Auf der anderen Seite wird die Gültigkeit des Gesetzes, soweit es vom einen Gott und seiner Gerechtigkeit redet, nicht aufgehoben; seine Einhaltung insoweit ist vielmehr Voraussetzimg für Kornelius' Annahme bei Gott. Das Problem, das Lukas an Kornelius und Petrus darstellt und löst, ist, wie Juden ihr Gesetz, auf das sie verpflichtet sind, einhalten und trotzdem mit Heiden zusammenleben, vor allem essen (11,3) können, die es von Haus aus nicht zu halten brauchen, sondern ihre eigenen, ebenso verpflichtenden έθη haben (dazu o. § 2 A. 43). Weiter u. A. 24. 30 S.o. §2 A. 39.43. 21 Nicht ohne Ton teilt Lukas mit, daß Paulus in Korinth in das Haus des Gottesfürchtigen Titius Justus „angrenzend an die Synagoge" zieht (18,7), d.h. doch wohl: dort predigt. Gewohnt mag er weiter bei Aquila haben (18,3). 22 Auch 13,46 στρεφόμενα dürfte nicht übertragen zu verstehen sein („sich wenden an", Bauer, Wörterbuch 5 , Sp. 1527), sondern konkret wie das πορεύσομαι 18,6.
23 So etwa Bornkamm, The Missionary Stance, 201. In der Negation bin ich einig mit Jerodi, Das gespaltene Israel. Seine Position, daß die Verkündigung Israel in das unbußfertige und das christliche, wahre spaltet, welches daneich die Heiden in sich aufnimmt, scheint mir dagegen der Apostelgeschichte nicht gerecht zu werden. Gewiß ist richtig, daß nach Lukas keineswegs alle Juden die christliche Predigt verwerfen, sondern viele sich bekehren (71-77) ; aber diese stellen m. E. nicht schon das wahre Israel dar.
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§ 6. Die Sendung zu den Völkern
sich von vornherein an alle „Völker"; durch das Versagen der Juden bleiben die Nichtjuden übrig, als die „Heiden", denen jetzt das Evangelium gehört. Jesus sendet Paulus also nicht zur Predigt unter den Heiden, sondern unter den Völkern der Ökumene, die erst durch den Selbstausschluß des Volkes zur faktischen Predigt vor „Heiden" wird — „die werden sie hören" (28,28). Schließlich : so verstanden bezeichnet Sendung zu den Heiden nach Lukas eine Sache, die allein Paulus zugehört. Gewiß hat nicht er, sondern Petrus den ersten Heiden überhaupt bekehrt, und nicht er, sondern die Hellenisten haben die Predigt zum ersten Mal aus Palästina herausgetragen. Aber beide Vorgänge — beide nicht durch Missionswillen, sondern wie Paulus' Sendung von oben veranlaßt, der eine offen, der andere durch das opus alienum der Verfolgung — haben nichts von Sendung an sich. Die Korneliusbekehrung führt zu nichts anderem, als daß die Jerusalemer Gemeinde etwas dazulernt (11,18); die Bewegung der Hellenisten führt nach Zypern, Phönikien und Antiochia und endet da 2 4 . Erst mit 13,2f. wird das Evangelium wirklich mobil, d.h. aber in Form der Predigt des Paulus. Die Handlung konzentriert sich jetzt auf ihn. Sie findet da statt, wo er ist, d. h. sie wird zur Reisebeschreibung, und Paulus ist auch der Redende und Handelnde (bzw. Leidende) in fast allen folgenden Szenen. Nur er reist so große Strecken, nur er stößt in unbekehrtes Neuland vor 2 6 . Paulus ist nach Lukas nicht einer unter mehreren oder vielen Ökumenepredigern, er ist der einzige 2 8 . 24 Es wird oft übersehen, daß die Korneliusepisode nach Lukas' Darstellung keineswegs der Anstoß zur Heidenmission gewesen ist. Die Jerusalemer Gemeinde denkt nicht daran, nun Heiden zu bekehren oder bekehren zu lassen, und die Hellenisten wissen von Kornelius nichts, während sie in Antiochia zum ersten Male „zu den Griechen" sprechen (11,20; Έλληνιστάς statt "Ελληνας liest zu Unrecht zuletzt P. Parker, Three Variant Readings in Luke-Acts, J B L 83, 1964, 165-170: 167f.). Lukas setzt das zwar nach Kornelius an, begründet es aber pragmatisch (scheinbar, natürlich hat für ihn auch hier Gott seine Hand im Spiel) als Folge der Vertreibung, die sich an Stephanus' Ermordung anschloß. — Auch historisch wird man sich das Wirken der Stephanusleute nicht als (unfreiwillige) Missionsreise vorstellen dürfen, sondern als Wanderung vertriebener Familien oder Gruppen, die dann nach einiger Zeit einen festen Platz fanden wie Philippus in Cäsarea und andere in Antiochia. "Übrigens ist zum Verständnis zu beachten, daß der Exodus unterlegener religiöser Gruppen aus Jerusalem an einen anderen Ort ja seine Tradition hatte ( Qumran, Leontopolis). 25 Barnabas betritt nach seiner Trennung von Paulus nicht Neuland, sondern reist nach Zypern (15,39), wo schon er selbst mit Paulus (13,5-12) und vor ihnen die Zerstreuten (11,19) gepredigt hatten. Apollos erscheint in Ephesus nach Paulus (18,24) und reist weiter nach Achaia zu Christen (18,27, vgl. 19,1). Neuland zu betreten war im übrigen die erklärte Absicht des historischen Paulus (Rom lö,20f. u. ö.), aber natürlich nicht als exklusives Vorrecht; er kann im Gegenteil Gegnern vorwerfen, daß sie in „fremdes Arbeitsgebiet" eindringen, statt ihr eigenes zu bearbeiten (2.Kor 10, Ì5f.). 26 Vgl. F. V.Füson, Live Issues in the Acts, Biblical Research 9 (1964), 26-37: 31.
K A P I T E L II A U S B L I C K E AUF G E S C H I C H T S W E R T , G E S C H I C H T S V E R S T Ä N D N I S U N D ZWECK DER APOSTELGESCHICHTE
§ 7. Der Historiker und sein Stoff Weil Lukas erwiesenermaßen an der Komposition der Apostelgeschichte großen Anteil hat und eine reflektierte Geschichtstheologie in ihr zur Geltung bringt, werden sein Respekt vor der Geschichte und der Quellenwert seines Buches heute manchmal so niedrig eingeschätzt, daß man es, falls das stimmt, lieber bei Hennecke-Schneemelcher läse als im Neuen Testament. Die oben in § 2-6 versuchte Trennung von Tradition und Redaktion in Lukas' Darstellung des frühen Paulus gibt mehrfach Gelegenheit, den Historiker Lukas zu beurteilen. Aufschlußreich ist zunächst der Vergleich der Berichtstexte mit den Redeparallelen. So frei er hier gestaltet, so behutsam geht er offenbar dort mit der Tradition um. Das zeigt sich etwa in der Aufnahme der Bekehrungsgeschichte Apg 9,1-19 a, die für Lukas nur die äußere Seite dessen beschreibt, was vor oder auf dem Weg nach Damaskus geschah. Er pfropft denn auch in der Rede 26,12-18, zurückhaltender schon in 22,5-16, seine Auffassung, die sich ihrerseits auf Überlieferung stützt, auf den Anfang der Bekehrungstradition auf; diese selbst aber erzählt er in 9,1-19 a eben auch. Ähnliches läßt sich an der Notiz 8,3 beobachten. Sie ist vermutlich deswegen unvollständig und sitzt schlecht im Kontext, weil Lukas aus der Tradition über den Verfolger Paulus nicht mehr wußte, als daß er verfolgt hatte; der Vers spricht gegen den Schriftsteller, aber für den Historiker. Erst in den Reden 22,4f. und 26,9-11 erlaubt er sich, die Verfolgertätigkeit nicht nur zu illustrieren, sondern ein detailliertes Gesamtbild von ihr zu entwerfen. Und schließlich: Paulus' Abschiedsrede in Milet zeigt am Schluß, daß Lukas wußte, daß Paulus für seinen Unterhalt gearbeitet hatte, und das paradigmatisch ausmünzte (20,33-35). Im Bericht kommt aber Paulus' Handarbeit nur einmal vor (18,3), und Lukas hat diese Notiz
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§ 7. Der Historiker und sein Stoff
weder durch ein „nach seiner Gewohnheit" o. ä. verallgemeinert noch das Moment anderswo in seiner Darstellung verwandt. Damit ist nicht bestritten, daß die Apostelgeschichte auch außerhalb der Reden im Stoff und vor allem in der Stoffverknüpfung reichlich rein lukanische Arbeit enthält. Wie Lukas dabei verfuhr, läßt sich an 9,19b-25 studieren. Hier hat er aus einem kleinen Traditionsstück (V. 24b-25) und ein paar Informationen, die hinter den Stichworten ευθέως, 6 υιός του θεοϋ und πορθεΐν stecken, von Paulus' Predigtaufenthalt in Damaskus ein Bild gezeichnet, das alles andere ist als ein Phantasieprodukt. Daß Paulus sofort zu predigen anfing, stand für Lukas mit seiner Sicht der Berufung fest, und da das Kerygma überall und zu allen Zeiten gleich ist, wußte er auch, was Paulus verkündigt haben mußte. Daß die Predigt im Sabbatgottesdienst stattgefunden hatte (V. 20), legte Paulus' spätere Methode nahe; daß Damaskus mehrere Synagogen hatte, war aus 9,2 zu entnehmen. Daß die Juden sich über den Gesinnungswandel des Verfolgers wunderten (V. 21), durfte Lukas vermuten; daß sie ihm nicht glaubten, war durch die Tradition vom Anschlag gegen ihn gegeben. Es hätte nahegelegen, Paulus wenigstens summarisch auch ein paar Bekehrungen glücken zu lassen ; Lukas sagt nichts davon, die Tradition sprach nicht dafür. Daß die Juden einen regelrechten Mordplan faßten und Paulus davon erfuhr (V. 23-24 a), war wiederum aus der Tradition zu erschließen. Für die Flucht endlich konnte Lukas das Traditionsstück selber zu Wort kommen lassen (V. 24b-25), und da, wo es zu Ende ist, endet auch sein Bericht von Paulus' Damaskusaufenthalt. Es steht in Apg 9,19b-25 nichts, was Lukas nicht in der Tradition fand oder aus ihr und seinen sonstigen Voraussetzungen erschließen konnte. Eine andere Sache ist die Quellenlage. Zunächst: Was Lukas an Geschichten, Informationen und Wissen über Paulus vor Antiochia verarbeitet hat, ist wenig genug: über den vorchristlichen Paulus außer ein paar Personalien nichts, über den Verfolger außer der kurzen Bemerkung in der Stephanustradition kaum mehr als die Tatsache, daß er verfolgte, und dann das Damaskuserlebnis, dieses gleich zweimal, als Bekehrungsgeschichte und ungeformt als Berufungstradition, über den christlichen Prediger die Anekdote von der Flucht aus Damaskus und zweierlei zum ersten Besuch als Christ in Jerusalem. Nimmt man den Rest der mindestens „vierzehn" Jahre zwischen Bekehrung und Apostelkonzil hinzu, dann wäre noch zu nennen, was 11,25-30 und 12,25-13,1 an Tradition enthalten mögen 1 , mehr nicht. 1 Dazu G. Strecker, Die sogenannte zweite Jerusalemreise des Paulus (Act 11,27-30), ZNW53 (1962), 67-77: der Abschnitt ist lukanische Konstruktion aus einzelnen überlieferten Daten, nicht, wie oft angenommen, eine kürzere Parallelüberlieferung zu 15, Iff.
§ 7. Der Historiker und sein Stoff
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Das Bild würde übrigens nicht viel vollständiger, wenn jeder Satz über Paulus von 7,58 bis 13,1 samt den Redeparallelen auf Tradition beruhte. Da man hier annehmen darf, daß Lukas nicht viel mehr hatte, als er schreibt, heißt das, daß man zu seiner Zeit in seinem Informationsbereich, der westlich von Antiochia gelegen haben muß 2 und in dem es also zur Zeit der Ereignisse noch keine Gemeinden gab, über diese in den dreißiger und vierziger Jahren im Osten geschehenen Dinge aus Paulus' Leben nicht mehr viel gewußt hat. Sodann : Lukas' Material ist nicht nur schmal und fragmentarisch, sondern es stammt auch nicht aus erster Hand. Zumindest die geformt auf Lukas gekommene Überlieferung hat deutlich eine Entwicklung hinter sich oder ist überhaupt legendarisch, was im übrigen für die übrigen Traditionen aus der Frühzeit der Kirche in Apg 1-12 auch gilt. Schließlich sind Inhalt und Verteilung der Traditionen aufschlußreich. Sie betreffen im wesentlichen Paulus' Person und Amt sowie sein Verhältnis zu Antiochia und insbesondere Jerusalem; über seine Tätigkeit als Prediger ist so gut wie nichts dabei. Die Stoffverteilung deckt sich auffällig mit Gal 1. Negativ: was Paulus in Gal 1 nicht berührt, darüber hat auch Lukas nichts. Die „drei" Jahre (Gal 1,18) zwischen Bekehrung und erstem Jerusalembesuch einschließlich der Reise Damaskus-Jerusalem sind bei Paulus wie in Apg 9 ein weißer Fleck; bei Lukas fehlt überdies die Arabia (Gal 1,17). Von der an den Besuch anschließenden Reise Jerusalem-Syrien schreibt Lukas, daß sie über Cäsarea ging und nach Tarsus führte, während Paulus keine Städte nennt; aber weitere Reisestationen, geschweige denn Reiseerlebnisse kennt auch Lukas nicht. Aus den „vierzehn" Jahren (Gal 2,1), die Paulus vor dem Apostelkonzil in „Syrien und Kilikien" (1,21) verbrachte, und zwar keineswegs stumm (1,23), hat Lukas nur ein paar Einzelheiten, von denen zum Überfluß die Kollektenreise nach Jerusalem seine (falsche) Konstruktion ist 3 . Positiv: Lukas hat Tra2 Gleichviel, ob an der Überlieferung, daß Lukas aus Antiochia stammt, etwas ist (so zuletzt A. Strobel, Lukas der Antiochener (Bemerkungen zu Act 11,28 D), ZNW49, 1958, 131-134; R. Glover, 'Luke the Antiochene' and Acts, NTS 11, 1964/65, 97-106) oder doch wohl nicht, er kann weder dort noch überhaupt in der Levante geschrieben haben. Die Differenzen zu den Deuteropaulinen (doch vgl. für die Pastoralbriefe die sprachlichen und theologischen Gegenargumente von A. Strobel, Schreiben des Lukas? Zum sprachlichen Problem der Paetoralbriefe, NTS 15, 1968/69, 191-210) mögen bedeuten, daß Lukas auch nicht in Kleinaeien arbeitete, in Ephesus zumal dann nicht, wenn es dort die paulinische Schule gab oder gegeben hatte (o. § 1 A. 29) ; dort müßte auch mehr über den frühen Paulus zu wissen gewesen sein, als Lukas weiß. Also Europa (H. Conzelmanri, Luke's Place in the Development of Early Christianity, in: L.E.Keck-J.L.Martyn (ed.), Studies in Luke-Acts. Essays presented in honor of Paul Schubert, Nashville, Tenn. - New York 1966, 298-316: 301 f.)? 8 S. zuletzt Strecker, ebd.
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dition über die Punkte, die Paulus in Gal 1 berührt, ausgenommen die Arabia: Hingabe ans Judentum, Verfolgertätigkeit, Bekehrung/ Berufung, Damaskusaufenthalt, erster Jerusalembesuch, Ortswechsel nach Syrien-Kilikien. Das spricht nicht dafür, daß die Lukas überkommene Überlieferung über den frühen Paulus der Rest einer ehemals umfassenden Tradition ist, den die Zeit übrig ließ. Es scheinen vielmehr vornehmlich solche Dinge gewesen zu sein, die in den Auseinandersetzungen um Paulus' Person und Auftrag, wie sie in den fünfziger Jahren in seinem Missionsgebiet stattgefunden hatten, diskutiert worden waren. Abgesehen davon ist über das, was Paulus vor seinen Missionsreisen war und tat, außerhalb der Levante offenbar nur wenig ins allgemeine Bewußtsein gedrungen und kaum etwas darin geblieben4. Kurz : wer die Apostelgeschichte als Geschichtswerk beurteilt, muß zwischen Lukas und seinem Stoff unterscheiden. Lukas selber ist nicht nur ein geschickter Schriftsteller gewesen, der sein knappes Material eindrücklich verwertete8, sondern auch, nach seiner Darstellung des frühen Paulus geurteilt, ein behutsamer und verständiger historischer Arbeiter, zumindest im antiken Rahmen, aber nicht nur in diesem. Der Damaskusaufenthalt 9,19b-25 etwa ist solidere historische Rekonstruktionsarbeit als zum Beispiel das Stück Hagiographie, das L. Goppelt in seiner Geschichte der apostolischen und nachapostolischen Zeit als Jugendbildnis des Apostels ausgibt®. Die crux ist 4 Es ist gut, sich daran zu erinnern, wie spät und kurz Paulus in unser Blickfeld tritt : erst vom Apostelkonzil (wohl 48) ab und mit den sich daran anschließenden Jahren der Mission in Kleinasien und Europa bis zum Eintreffen in Rom in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre (zur Pauluschronologie zuletzt J. Finegan, Handbook of Biblical Chronology. Principles of Time Reckoning in the Ancient World and Problems of Chronology in the Bible, Princeton, N. J . 1964, 315-325; E. Haenchen, Die Apostelgeschichte, MeyerK3 e , Göttingen 1968, 53-64; F. Hahn, Dits Verständnis der Mission im Neuen Testament, WMANT 13 a , Neukirchen-Vluyn 1965, 74r-79; D. Georgi, Die Geschichte der Kollekte des Paulus für Jerusalem, ThF 38, Hamburg-Bergstedt 1965, 91-96). Aus dieser Zeit (und vielleicht der anschließenden Haft in Rom) stammen die echten Briefe, über diese Zeit unterrichtet, wenn auch lückenhaft (Ephesus!, vgl. W. Grundmann, Paulus in Ephesus, Helikon 4, 1964, 46-82) und wechselnd zuverlässig, der zweite Teil der Apostelgeschichte. Über die nicht viel kürzere Tätigkeit in Arabien und Syrien-Kilikien wissen wir kaum etwas, über die vorchristliche Zeit und die letzten Jahre fast nichts (natürlich läßt sich aus den Briefen, auch den unechten, und der Apostelgeschichte dies und jenes erschließen, vgl. R. E. Osborne, St. Paul's Silent Years, J B L 84, 1965, 59-65). 8 Darauf läuft E. Haenchen, The Book of Acts as Source Material for the History of Early Christianity, in: Keck-Martyn (ed.), Studies in Luke-Acts, 258-278 = Die Apostelgeschichte als Quelle für die christliche Frühgeschichte, in: Haenchen, Die Bibel und wir. Gesammelte Aufsätze II, Tübingen 1968, 312337, hinaus. • Die apostolische und nachapostolische Zeit (Die Kirche in ihrer Geschichte 1A) 2 , Göttingen 1966, 48f.
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Lukas' Traditionsbasis. Was ihm für den frühen Paulus zur Verfügung stand, war wenig genug, kam nicht aus erster Hand, soweit es nicht überhaupt legendär war, und verdankte sein Überleben nicht dem Interesse an, sondern dem Streit um Paulus. Die historische Auswertung ist entsprechend schwierig und unsicher. Daß Lukas mehr Tradition verarbeitet hat, als ein Teil der neuesten Forschung ihm zubilligt, besagt leider nicht, daß historisch mehr aus ihm zu gewinnen ist. Manchmal haben sich im Gegenteil Zweifel an Dingen ergeben, die als kritisch gesichert galten. Ob zum Beispiel in Lukas' Darstellung des frühen Paulus von den Paulusbriefen unabhängige Überlieferung vorliegt, ist mindestens an einigen Punkten fraglich. In jedem Fall sind die Briefe die bessere Quelle, über die hinaus Lukas nur wenig zu bieten hat 7 . So signalisiert schon der Bericht der Apostelgeschichte über Paulus' Frühzeit, was eine traditionsgeschichtliche Bearbeitung des ganzen Buches bestätigen würde: eine zusammenhängende Darstellung auch nur der Wirksamkeit des Paulus, geschweige denn eine Geschichte des Urchristentums, läßt sich auf Grund der Apostelgeschichte ebensowenig schreiben wie ein Leben Jesu auf Grund der Evangelien — und das heißt, sie läßt sich überhaupt nicht schreiben.
§ 8. Der Theologe und sein Konzept Lukas interessiert an Paulus nicht die Theologie (er läßt ihn nichts anderes sagen als die Apostel, obwohl gelegentlich mit paulinisierender Einfärbung)1, nicht die Persönlichkeit im modernen Sinn des Begriffs, sondern die historische Rolle. Was Lukas' Paulusdarstellung für das Verständnis der lukanischen Theologie hergibt, ist darum in erster Linie ein Beitrag zu seinem Geschichtsbild. Für Paulus' historische Rolle ist seine Berufung zum Zeugen grundlegend. Er ist in Amt, Verkündigung und konkretem Handeln 7 S.o. §2 A. 23. 33. 36. 42. 49.55. 58. 61 ; § 3 A. 37. 39; §4 A. 3. 277. 284. 286; §5 A. 66. 100. 101. 105-107; § 6 A. 13. 16. 24. Zu Paulus' Frühzeit zuletzt G.Bornkam/m, Paulus (Urban Bücher 119), Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1969, 27-52; H. Conzdmann, Geschichte des Urchristentums (Grundrisse zum Neuen Testament. NTD Ergänzungsreihe 5), Göttingen 1969, 62-66; zum vorchristlichen Paulus immer noch A. Oepke, Probleme der vorchristlichen Zeit des Paulus, ThStKr 105 (1933), 387-424. 1 Was an Paulinismen in der Apostelgeschichte steckt, war meist nicht mit dem geformt vorliegenden Material gegeben, sondern ist von Lukas selber bewußt eingebracht worden, aber nicht zur Charakterisierung der Theologie des Paulus (15,11!), sondern seines Stils. Anders ausgedrückt: Lukas verwendet Theologumena als Redeweisen.
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§ 8. Der Theologe und sein Konzept
nach Lukas christusunmittelbar. Lukas stellt ihn, und ihn allein, in dieser Hinsicht neben die zwölf Apostel, und zwar ist Zeugenschaft für sein Apostelbild dermaßen wesentlich, daß man urteilen muß : er benutzt den ihm eigentümlichen Zeugenbegriff dazu, um die in Paulus' Nichtzugehörigkeit zum Kreis der Zwölf liegende grundsätzliche Differenz von den Aposteln aufzuheben. Lukas' Intention geht nicht auf grundsätzliche Nachordnung des Einen hinter die Zwölf, sondern auf Gleichordnung der dreizehn Zeugen (was nicht bedeuten soll, daß sie ein Gremium bildeten). Die neuere Forschung, die fast durchweg das Gegenteil behauptet und Paulus Abhängigkeit von den Aposteln oft unter dem Stichwort „Delegat" juristisch faßt a , hat hier meines Erachtens nicht richtig gesehen. Warum Lukas auf der Gleichordnimg des einen nichtapostolischen Zeugen Paulus mit den zwölf apostolischen besteht, wird an der Verschiedenheit deutlich, die nun allerdings auch da ist, und zwar im Wirken. Paulus ist der einzige bewegliche Zeuge und der einzige, der in Person vor das gesamte, den Zeugen nach Apg 1,8 zugewiesene Forum tritt. Dagegen arbeiten die Apostel nur in Jerusalem, Judäa und Samaria, und zwar nur unter Juden, Petrus' subsidiäres Handeln an Kornelius ausgenommen3. Auch hierin steckt lukanische Redaktionsarbeit: er hat offenbar das Bild der Apostel beschnitten4. Lukas hat die Tradition gekannt, derzufolge der Auferstandene bei seinem Abschied eine Aussendung vollzog, wenn auch nicht sicher ist, ob in einer auf die Apostel beschränkten Form. Er dürfte auch wenigstens einige Überlieferungen über Missionstätigkeit von Aposteln außerhalb Palästinas gehabt haben. Am wahrscheinlichsten ist das für Petrus5. 2
G. Klein, Die zwölf Apostel. Ursprung und Gehalt einer Idee (FRLANT 77), Güttingen 1961, bes. 162-175; S.Schulz, Die Stunde der Botschaft. Einführung in die Theologie der vier Evangelisten, Hamburg 1967, 266-270; E. Käsemann, Der Ruf der Freiheit 3 , Tübingen 1968, 163. 3 Wenn Lukas, wie meist angenommen, die Samaritaner nicht zu den Juden rechnet, dann bleibt doch die Beschränkung der Apostel auf Palästina. M. E. hat Lukas aber die Samaritaner eher für eine jüdische Sondergruppe gehalten : er läßt Philippus ihnen „den Christus" predigen (Apg 8,5) ; vgl. auch die Rolle der Samaritaner im Lukasevangelium (anders E. Lohee, Missionarisches Handeln Jesu nach dem Lukasevangelium, ThZ 10, 1964, 1-13, in seiner Untersuchung des lukanischen Reiseberichte, den er mit der Mehrzahl der Forscher gegen H. Conzelmann, Die Mitte der Zeit. Studien zur Theologie des Lukas, BHTh 17®, Tübingen 1964, 53-66, in Samaria spielen sieht: „Die Samariter stehen geradezu beispielhaft für die Heidenvölker da, die auch zur Teilhabe an der Heilszeit geladen sind", S. 11). S. noch o. § 4 A. 309; § 6 A. 17. 4 Die neuere Diskussion hat sich meistens darauf beschränkt, deutlich zu machen, wo Paulus im Rahmen der lukanischen Geschichtsdarstellung Federn hat lassen müssen. 4 Zur Petrusüberlieferung zuletzt D. Gewalt, Petrus. Studien zur Geschichte und Tradition des frühen Christentums, ev.-theol. Diss. Heidelberg 1966 (masch.); Überblick bei H. Conzelmann, Geschichte des Urchristentums (Grundrisse zum Neuen Testament. NTD Ergänzungsband 5), Göttingen 1969, 130-136. Sieht
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Auch den Topos vom Ausschwärmen der Apostel in alle Welt, der für das Geschichtsbild der alten Kirche maßgebend geworden ist® und zu reicher Legendenbildung geführt hat, kann Lukas sehr wohl gekannt haben7. Wenn Lukas die Abschiedstradition als Anrufung der Elf zu Zeugen (Lk 24,48) bzw. als Verheißung ihres Zeugeseins bis ans Ende der Erde (Apg 1,8), aber nicht als Aussendung interpretiert, wenn er die Apostel in Jerusalem verharren läßt und anschließend aus der Darstellung ausblendet, dann muß das bewußte Beschränkung sein. Sie ist gewiß nicht polemisch zu verstehen. Sie dürfte aber auch nicht nur den positiven Sinn haben, daß die Apostel in die Heilige Stadt und die Mitte des Gottesvolkes gehören wie der Papst nach Rom. Es hätte Möglichkeiten gegeben, sie trotzdem weltweit wirken zu lassen, etwa bei festgehaltener stabilitas loci mittelbar oder in Person nach einer gewissen Zeit, wie es die kirchliche Überlieferung später teilweise darstellte8. Der Hauptgrund für die Unbeweglichkeit der Apostel dürfte vielmehr die Beweglichkeit des Paulus sein. Ähnliches gilt für die Vernachlässigung der Missionare neben Paulus. Lukas hat Traditionen über Tätigkeit der Apostel und überhaupt der urchristlichen Missionare außerhalb Palästinas vernachlässigt oder sogar unterdrückt, um westlich von Antiochia nur den einen Zeugen sprechen zu lassen. Das zunächst wohl deswegen, weil Lukas zu Recht oder Unrecht in den Gemeinden seines Horizonts paulinische Gründungen sah. Doch geht es ihm kaum um die Legitimität von Gemeinden. Er immediatisiert nicht einen als Kirchengründer verehrten Paulus (etwa im Sinn von l.Clem 42,3f.), ebenman von den Briefen des Zeitgenossen Paulus ab (E. Haenchen, Petrus-Probleme, NTS 7, 1960/61, 187-197 = in: Haenchen, Gott und Mensch. Gesammelte Aufsätze, Tübingen 1965, 65-67), so bleibt nicht viel. l.Petr setzt Petrus' Wirken in Rom (5,13; C.-H. Hunzinger, Babylon als Deckname für Rom und die Datierung des 1.Petrusbriefes, in: Gottes Wort und Gottes Land. Festschrift für Hans-Wilhelm Hertzberg zum 70. Geburtstag, Göttingen 1965, 67-77) und vielleicht in Kleinasien (1,1) voraus, l.Clem 5,3f. den Märtyrertod in Rom, bleibt aber neben der Paulusnotiz auffallend vage. • Vgl. E. Lohae, Ursprung und Prägung des christlichen Apostolates, ThZ 9 (1953), 259-275: 259f. 273f. 7 l.Clem 42,3f.; Herrn sim 9,17,1; 9,25,2; Justin, Apol. 139,3; Dial. 110,2; Aristides, Apol. 2,8; Polyk 6,3; ParalJer 9,18; Klein, Die zwölf Apostel, 84-100. 105-111; W.Bauer, Das Apostelbild in der altchristlichen Überlieferung, 1. Nachrichten, in: E. Hennecke-W. Schneemelcher (Hrsg.), Neutestamentliche Apokryphen3 II, Tübingen 1964, 11-41: 17-19. Der früheste Beleg ist l.Clem 42,3f., doch ist der Topos sicher älter. In l.Clem 42,3f. steht freilich nicht, daß die Apostel in aller Welt, sondern daß sie κατά χώρας καΐ πόλεις (V. 4) predigten. Der Akzent liegt nicht darauf, daß sie überall hinkamen, sondern daß sie überall, wohin sie kamen, Bischöfe und Diakone einsetzten (wovon Lukas auch nichts sagt). Aber jedenfalls sind die Apostel nicht wie bei Lukas seßhaft, sondern reisen, so daß die bestehenden Gemeinden, ihre Ämter und Ordnungen auf sie zurückgeführt werden können. 8 Bauer, Apostelbild, 18 f.
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sowenig wie er einen von Gegnern als Theologen beanspruchten Paulus (etwa im Sinn Gr. Kleins) mediatisiert und zum Kirchengründer ohne eigene Theologie herabstuft. Denn Paulus ist für ihn primär weder das eine noch das andere, sondern Prediger. Lukas möchte zeigen, daß seine Predigt und das, was sie bewirkte, nämlich daß das Evangelium unter den Völkern Fuß faßte, von der Diaspora des Volkes aber verworfen wurde, unmittelbar auf Jesus zurückgeht, dessen Zeuge Paulus war. Das bedeutet nun weiter, daß Paulus' Wirken einen geschichtlichen Vorgang darstellt, dessen Ende eine historische Zäsur bedeutet. Es ist nicht so, daß die Apostelgeschichte sozusagen nach hinten zur Gegenwart ihres Verfassers hin offen ist und daß Paulus' Wirken den Anfang dieser Gegenwart oder den Übergang zu ihr darstellte. Es bildet vielmehr mit dem Wirken der Apostel zusammen einen einheitlichen Vorgang, der abgeschlossen ist und der Vergangenheit angehört. Paulus' Reisen enden in Rom, wo er nach einer letzten Absage der Juden zwei Jahre frei predigt und dann offenbar stirbt8. Einen Nachfolger kann er als Zeuge ebensowenig haben wie die Zwölf; es ist auch keiner in anderer Eigenschaft in Sicht (Paulusmitarbeiter und -begleiter zu empfehlen hat Lukas kein Interesse, was auffällig ist; er konstruiert keine auf diese Weise mögliche Traditionskette10). Abgeschlossen ist offenbar auch die Auseinandersetzung mit den Juden ; die Selbstausscheidung geht mit 28,28 zu Ende. Fortan und erst ab jetzt hören nur noch Heiden (ohne daß das Kerygma seine universale Richtung verlöre; man darf auch nicht von einer somit entstandenen Heidenkirche reden: in Lukas' Sinn ist sie eine ökumenische Kirche ohne Juden). Man wird diesen Schluß der Apostelgeschichte nicht ohne Rück- und Seitenblick auf Lk 21 lesen dürfen11. Die Zerstörung Jerusalems entspricht dem mit Apg 28,28 erreichten Zustand nicht nur sachlich, sondern steht ihm auch zeitlich ungefähr parallel. Beides 9 Daß Lukas' Doppelwerk mit Apg 28,31 nicht zu Ende sein sollte, glaube ich mit der Mehrzahl der Heutigen nicht (vgl. E. Trocmé, Le "Livre des Actes" et l'histoire, Études d'Histoire et de Philosophie Religieuses 45, Paris 1957, 34-37. 50; H. Conzelmann, Die Apostelgeschichte, HNT 7, Tübingen 1963, 150). Jedenfalls ist Paulus nach Lukas' Meinung aus Rom nicht mehr in den Osten zurückgekehrt (Apg 20,25.38). Von der Spanienreise — vorausgesetzt, sie fand statt (ob l.Clem 5,7 sie meint, ist mir mit J. G. O'Neill, The Theology of Acts in its Historical Setting, London 1961, 6f., und anderen zweifelhaft) — braucht Lukas nichts gewußt zu haben. 10 Ein historisch wichtiger Mann wie Titus kommt gar nicht vor. Der Begriff der apostolischen Sukzession hat schon deswegen in der Lukasanalyse nichts zu suchen (gegen Klein, Die zwölf Apostel, 210-216 u. ö. ; Schulz, Stunde der Botschaft, 266-270; Käsemann, ebd.). — Die Beobachtung spricht übrigens gegen die Abfassimg der Pastoralbriefe durch Lukas (o. § 7 A. 2). 11 Vgl. P. Borgen, Von Paulus zu Lukas. Beobachtungen zur Erhellung der Theologie der Lukasschriften, StTh 20 (1966), 140-157: 146.
Exkurs: Anwendung von Missionsterminologie auf Apg?
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gehört zu einem Bild. Die heilige Stadt mit dem Tempel ist zerstört, das gelobte Land verloren. Zwar hängt echtes Judentum nicht an Tempel und Land, sondern lebt von der Hoffnung, die in Christus wenn noch nicht völlig erfüllt, so doch völlig bewiesen ist. Aber eben das haben sie nicht sehen wollen, und zwar weltweit. So hat sich das Judentum sich selber entfremdet, sein Erbe ist die Christenheit. Es herrschen jetzt angefangen in Jerusalem und bis zum Ende der Erde, politisch wie religiös, die „Zeiten der Heiden" (Lk 21,24). Damit ist nun schließlich aber offenbar auch die Ausbreitung der Predigt in dem in Lk24,47; Apg 1,8 implizierten Sinn zu Ende; die Weissagung Apg 1,8 ist erfüllt. Zunächst: sie war an die Zeugen gebunden, die Zeugen aber sind tot. Weiter: Lukas stellt Paulus' Wirken als universales hin. Einerseits läßt er ihn nicht nur in der Ökumene vor Heiden und Juden predigen, sondern hat sich auch bemüht, aus spärlichem Material Predigt in Jerusalem, das heißt in Palästina, dem Land der Apostel, darzustellen ; er kann Paulus mit Recht sagen lassen, er habe „denen in Damaskus zuerst und in Jerusalem und das ganze Land Judäa (sie) und den εθνη verkündigt, sie möchten Buße tun und sich zu Gott wenden" (26,20), wobei der Anklang an 1,8 kaum unbeabsichtigt ist 12 . Andererseits klingt „die έθνη", obwohl kein „alle" dabeisteht, hier ähnlich umfassend wie vorher „die in Damaskus und in Jerusalem"; Paulus hat nicht εθνη, sondern den εθ-νη gepredigt. Dazu stimmt, daß Lukas ihm 17,30 den Satz: „Gott läßt nun den Menschen verkündigen, alle möchten überall Buße tun" in den Mund legt (wobei „alle . . . überall" kaum zufällig nicht zu „verkündigen", sondern zu „Buße tun" gehört) und ihn in 21,28 durch Gegner als den, „der alle überall lehrt" bezeichnen läßt. Durch Paulus ist die Predigt überallhin gelangt 13 , obwohl faktisch nur in die Levante, Kleinasien, Griechenland und Rom. Man kann das so ausdrücken, daß man sagt, durch Paulus sei die Heidenmission im Prinzip erledigt11. Doch finde ich die allgemein übliche Anwendung vonMisaionsterminologie auf die Apostelgeschichte („Missionar", „Missionsbefehl", „Missionsreden", „Missionsbuch der Kirche")15 fragwürdig. Sie trifft zumindest 12 Falls das aus der Konstruktion fallende πασάν τε τήν χώραν της 'Ιουδαίας Glosse ist (mit· vielen anderen E. Haenchen, Die Apostelgeschichte, MeyerK 3 e , Göttingen 1968, 612), dann war der Glossator der erste, der das be- und vermerkt hat (oder ist die Glosse aus 9,28 herausgelesen, dann übrigens zu Unrecht ?). Allerdings ist auch Lukas selbst über einen derartigen lapsus calami nicht erhaben. 13 Das ist nicht nur Lukas' Sicht: Kol 1,23; 2.Tim4,17; l.CIem5,7; ohne Bezug auf Paulus Herrn sim 8,3,2 usw. 14 O'Neill, Theology of Acts, 176: "In principle the Gentile mission was over." 15 Für viele W. Bieder, Gottes Sendung und der missionarische Auftrag der Kirche nach Matthäus, Lukas, Paulus und Johannes (Theologische Studien 82), Zürich o. J. (1966Î), 19-29.
12 Buichard, Zeuge
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§ 8. Der Theologe und sein Konzept
im durchschnittlichen Verstand, der seine Kategorien aus Mt 28,16—20 und seine Anschauung aus der Äußeren Miesion des 19. und 20. Jh.s hat, Lukas' Darstellung nicht. Lukas kennt keinen allgemeinen Missionsbefehl le ; es ist wohl Christenart, zu predigen (veranlaßt durch den Geist, nicht den Auferstandenen), aber nicht, woanders. Einen speziellen Missionsbefehl hat freilich Paulus; seine und seiner Begleiter Tätigkeit läßt sich am ehesten mit Missionsterminologie erfassen. Doch hat bei näherem Zusehen Paulus' Verkündigung wie Verkündigimg in der Apostelgeschichte überhaupt wenig Missionarisches an sich. Predigt geschieht normalerweise und zumindest für den Anfang an Orten, die für derlei bestimmt sind, zu den dort üblichen Zeiten, vor den dorthin gewöhnten Hörern, später dann auch in Christenhäusern, was aber nur kurz und formelhaft erwähnt wird. Die Apostel predigen in Jerusalem im Tempel, wo auch die jüdischen „Lehrer" sitzen und lehren (Lk 2,46), später „im Heiligtum und den Häusern" (Apg5,42). Paulus verkündigt, solange irgend möglich, indem er Synagogenpredigten hält. Straßenpredigt berichtet Lukas nur aus Athen (17,17), nicht als besondere Missionsmethode, sondern weil man das in Athen so machen kann. In Ephesus benutzt Paulus offenbar einen Rhetorenhörsaal (19,9). Wenn er in anderen Räumen spricht wie in Titius Justus' Haus in Korinth neben der Synagoge (18,7) und in seiner Mietwohnung in Rom (28,30f.), dann nicht, um bisher unerreichte Hörer anzusprechen, sondern weil es nicht anders geht. Daß er durchweg „öffentlich und in Häusern" verkündigt habe, sagt er zwar im Rückblick (20,20), aber von Häuserpredigt war nichts erzählt (sofern nicht überhaupt Gelegenheiten wie 18,7 gemeint sind). Was die Zeiten angeht, so predigen die Apostel im Tempel anscheinend täglich, aber im Tempel ist auch täglich Gottesdienst. Paulus scheint sich jedenfalls in der Synagoge an die übliche Gottesdienstzeit am Sabbat zu halten und auf sie zu beschränken (vgl. 13,42; 17,17). Tägliche Predigt ist die auf der Agora in Athen und im Hörsaal in Ephesus, aber da waren eben täglich Hörer vorhanden. I m übrigen ist über Predigtzeiten wenig zu ersehen, aber den Eindruck, daß pausenlos verkündigt worden wäre, vermittelt Lukas keinesfalls. Eingeladen wird zur Predigt nie; sie kann darauf vertrauen, daß man zu ihr kommt (vgl. 5,16; 28,30. 28,17 ist die durch die Umstände bedingte Ausnahme, die die Regel bestätigt). Lukas legt schließlich auch keinen Wert darauf, die christlichen Prediger als Gottesmänner völlig eigener Art zu schildern. Prediger hat auch Mose (15,21); Verkündiger gibt es auch von fremden Gottheiten (17,18). Auch die Wunder, die die Predigt begleiten, sind kein exklusives Zeichen christlicher Verkündigung. Mit übernatürlichen Kräften arbeiten auch andere oder versuchen es (Simon Magus, Bar Elymas, die Magd in Philippi, die Skeuassöhne), aber die christlichen Prediger können mehr. Und wenn sie sich auf Heilungen beschränken und Magie ablehnen, dann nicht, weil sie nicht zaubern könnten, sondern weil das verboten ist (vgl. 19,18f.) 17 . Sie stehen ihrem Auftreten nach nicht außerhalb der Reihe, wohl aber an ihrer Spitze. Das Große etwa an Paulus ist in diesem Rahmen nicht, daß er kraftvoll redet und Wunder tut, sondern daß er sowohl als Synagogenprediger wie als Dozent wie als Straßenredner wie als Gesprächspartner von Philosophen wie als Wundertäter (und schließlich auch noch als Jurist und Seemann) etwas taugt. " S. o. §4,4 Exkurs. 17 Ein Strafwunder 13,9-12; Immunität des Gottesmannes 28,3-6. Zu Lukas' Auseinandersetzung mit nichtchristlichen „Gottesmännern" zuletzt Θ. Klein, Der Synkretismus als theologisches Problem in der ältesten christlichen Apologetik, ZThK 64 (1967), 40-82.
Exkurs : Anwendung von Miseionsterminologie auf Apg ?
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Kurz und grob: es ist nach Lukas nicht in eechatologischer Hast an allen denkbaren Orten, zur Zeit und zur Unzeit, gebeten und ungebeten und mit Menschen- und Engelszungen gepredigt worden, sondern auf vorhandenen Kanzeln und Kathedern zur üblichen Zeit und vor gegebenen Hörern, unterstützt von Wundern, wie sie andere Religionen auch tun, bloß schlechter. Die christliche Predigt „von Jerusalem bis ans Ende der Welt" ist nach der Apostelgeschichte aufgetreten als ein, wenn auch das beste, Angebot des religiöe-philosophischen Bildungs- und Erbauungsbetriebs der Zeit, dem das Publikum damals gegenüberstand wie das heutige unserem Kulturbetrieb, nicht etwa wie ein Gläubiger dem Gottesdienst.
Endlich : Lukas macht nie die leiseste Andeutung, daß der Rest der Ökumene nun von den durch die Apostel und Paulus geschaffenen Gemeinden aus christianisiert werden sollte, es sei durch Mission oder durch Osmose, ja nicht einmal davon, daß die Christenheit weiter zunehmen solle. Typisch ist Paulus' Testament vor den Presbytern aus Ephesus in Milet (Apg 20,18-35) 1S , die natürlich ihren Stand vertreten: er befiehlt Wachsamkeit, Festhalten an der Tradition und an seinem Vorbild, so wie er ja schon die ersten Presbyter der Bewahrung wegen eingesetzt hatte (14,21-23). Von Mission, es sei in die Nähe oder die Ferne, ist nicht die Rede, nicht einmal ausdrücklich von Predigt19. Nach den zwölf Aposteln und dem einen Supernumerar, die die Predigt zwischen Jerusalem und Rom etabliert haben, kommen die Presbyter, eine andere Generation, die andere Aufgaben hat: die Arbeit in der Gemeinde. Natürlich bedeutet das nicht Isolationismus. Wo „das Wort" Fuß gefaßt hat, da „wächst" es (Apg 6,7; 12,24; 19,20); das wird nach Lukas auch für die nachapostolische Zeit wahr sein20. Aber 18 Die Rede ist in letzter Zeit mehrfach ausführlich bearbeitet worden: Klein, Die zwölf Apostel, 178-184; J. Dupont, Le discours de Milet. Testament pastoral de Saint Paul (Actes 20,18-36) (Lectio Divina 32), Paris 1962 = Paulus an die Seelsorger. Das Vermächtnis von Milet (Apg 20,18-36) (KBANT), Düsseldorf 1966; H. Schürmann, Das Testament des Paulus für die Kirche. Apg 20,18-35, in: Unio Christianorum. Festschrift für Erzbischof Dr. Lorenz Jäger, Paderborn 1962, 108-146 = in: Theologisches Jahrbuch 1964, Leipzig 1964, 23-61 = in: Schürmann, Traditionsgeschichtliche Untersuchungen zu den synoptischen Evangelien. Beiträge (KBANT), Düsseldorf 1968, 310-340; Schulz, Stunde der Botschaft, 263-266; O. Exum-C. Talbert, The Structure of Paul's Speech to the Ephesian Elders (Acts 20,18-35), CBQ 29 (1967), 233-236. ι» Wenn er sie dem Wort befiehlt (20,32, vgl. 14,23), dann als ihrem Schutz, nicht als ihrer Aufgabe. 90 Ygl. die von ihm stark umgestaltete Auslegung des Sämannsgleichnisses Lk 8,9-15 (J. Dupont, La parabole du semeur dans la version de Luc, in: W. Eltester-F. H.Kettler (Hrsg.), Apophoreta. Festschrift für Ernst Haenchen zu seinem siebzigsten Geburtstag am 10. Dezember 1964, BZ NW 30, Berlin 1964, 97-108; H. Schürmann, Lukanische Reflexionen über die Wortverkündigung in Lk 8,4-21, in: L. Scheffczyk-W. Dettloff-B. Heinzmann (Hrsg.), Wahrheit und Verkündigung. Michael Schmaus zum 70. Geburtstag, PaderbornMünchen-Wien 1967, 213-228) in Verbindung mit 8,16-18 (W. C. Robinson, Jr., On Preaching the Word of God (Luke 8: 4-21), in : L. E. Keck - J. L.Martyn (ed.), Studies in Luke-Acts. Essays presented in honor of Paul Schubert, Nashville, Tenn. - New York 1966, 131-138). Doch ist zu beachten, daß Lukas vom einzelnen Christen Bekennermut, aber keine missionarischen Taten erwartet.
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dieses intensive Wachsen, das man sich historisch wohl nach Analogie der Vermehrung der jüdischen Diasporagemeinden vorstellen muß, ist in Lukas' Augen etwas grundsätzlich anderes als die extensive Ausbreitung der Predigt von Jerusalem bis Rom, die die Apostel und Paulus unterstützt von Barnabas und anderen bewirkt haben. Drückt man den Tatbestand mit den Begriffen des dreistufigen Epochenschemas aus, das nach H. Conzelmanns weithin aufgenommenen Untersuchungen Lukas' Darstellung prägt, dann muß man sagen: die Apostelgeschichte gestaltet nicht die „Zeit der Kirche", zweigeteilt in eine grundlegende, unnachahmliche „Urzeit", die durch die Anwesenheit der Zeugen, das Gesetz, die Gütergemeinschaft u.a. charakterisiert war, und die „heutige", bis zur Parusie fortdauernde Zeit, die im Zeichen der von Paulus exemplarisch begonnenen gesetzesfreien Weltmission steht21. Paulus gehört vielmehr in die Zeit der Apostel, und die Gegenwart, die nach Lukas grade nicht durch Mission gekennzeichnet ist, beginnt erst nach dem Ende der Apostelgeschichte. Damit ergeben sich Fragen an das Epochenschema selbst. Ist die Etablierung der christlichen Predigt von Jerusalem bis Rom, die die Apostelgeschichte füllt, überhaupt Urzeit, Anfang oder was auch immer einer weiterlaufenden Epoche? Einerseits gehört die Wirksamkeit der dreizehn Zeugen eng zur Wirksamkeit dessen, den sie bezeugen und den sie abgesehen von dem Einen schon während seines Erdenlebens begleitet haben. Lk 24,46 f. nennt Jesu Sterben und Auferstehen und die Predigt an alle Völker (eben das in Apg 2-28 Berichtete) in einem Atem als Inhalt der Schrift22. Analog läßt Petrus in der Rede vor Kornelius Apg 10,42 f. die historia Jesu in die Anfänge der historia der apostolischen Predigt übergehen. Entsprechend beschreibt Lukas in den beiden Bänden seines Werkes Jesus und die Zeugen und läßt es offenbar mit dem letzten Zeugen enden. Andererseits ist die Zeit der Zeugen von der Folgezeit scharf unterschieden. Durch sie, d. h. im wesentlichen Paulus, vollzieht sich die großräumige Ausbreitung der Predigt, durch sie schließt das Gottesvolk sich vom ewigen Leben aus und lehnt die Schrift ab, während es zur gleichen Zeit Tempel und Land verliert. Das alles ist mit Apg 28,31 abgeschlossen. Wenn Lukas mit einer Zeit der Kirche gerechnet hat, dann umfaßt sie, was jetzt kommt. Doch fragt sich, ob er ihr den Charakter einer Epoche zugestanden hat. Wenn es stimmt, daß mit Apg 28,31 einerseits die vom Auferstandenen selbst als Teil des Plans Gottes erläuterte Predigt an alle Völker ausgeführt und das zusammen mit dem Geist als Ersatz der unmittelbaren Aufrichtung der Basileia ver21 22
Mitte der Zeit 6 , 195-201; Apostelgeschichte, 9. S. o. § 4,4 Exkurs.
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heißene Zeugesein bis ans Ende der Erde vollzogen ist, wenn andererseits durch die Zerstörung Jerusalems Gott mit Israel fertig ist, dann ist die Geschichte zu Ende, und nur die Parusie steht noch aus. Gewiß ist noch Zeit, aber hat sie für Lukas die Würde einer Epoche der Kirche? Er beschreibt sie nicht und hat sich keine Mühe gegeben, ihre Züge in der Zeit Jesu und der Zeugen anzulegen und anzudeuten. Es ist die Zeit des Bewahrens und der Geduld23. Das schließt ein, daß für Lukas die Parusie nicht in unendlicher Ferne liegt24. Es ist richtig, daß das Ende nach ihm noch nicht da ist. Es ist zukünftig und wird plötzlich kommen, nicht vorhersagbar (Lk 17,20). Berechnen kann und darf man es nicht, denn Gott hat sich Zeit und Stunde vorbehalten (Apg 1,7). Die historischen Dinge, die Markus Mk 13 als eschatologische Ereignisse genannt hatte, darunter die weltweite Predigt und die Zerstörung Jerusalems, sind dies nach Lukas Lk 21 grade nicht26. Jesu Sterben und Auferstehen sind Ereignisse der Geschichte, die auch keine unmittelbare Bedeutung für den Christen haben, sondern erst noch haben werden; Jesus ist „der Erste aus der Totenauferstehung" (Apg 26,23), aber das heißt nicht, daß die allgemeine Auferstehung schon angefangen hat, sondern daß sie sicher kommen wird. Der Geist ist nicht eschatologische Yorweggabe. Die Taufe läßt nicht schon jetzt in einem neuen Leben wandeln, das Vorgriff auf das ewige wäre, sondern schenkt die Gaben, die dereinst aus dem Gericht retten und in die Basileia führen werden. Auf der anderen Seite ist nirgends gesagt, daß die Zeit bis zum Ende uferlos sein wird. Die Ankündigung in Lk 21,24, daß Jerusalem geschleift 23 Zum Thema der Anfechtimg, die nach Lukas die Existenz des Christen in der Welt kennzeichnet (Lk 8,9-15, s. ο. A. 20; Apg 14,22 u. ö.), s. G. Braumann, Das Mittel der Zeit. Erwägungen zur Theologie des Lukasevangeliums, ZNW64 (1963), 117-145; H. Hegermann, Zur Theologie des Lukas, in: „. . . und fragten nach Jesus". Festschrift für Ernst Barnikol zum 70. Geburtstag, Berlin 1964, 27-34: 30-32; F. Schütz, Der leidende Christus. Die angefochtene Gemeinde und das Christuskerygma der lukanischen Schriften (BWANT V 9 [89]), Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz 1969. 21 Zur lukanischen Eschatologie Ph. Vielhauer, Zum „Paulinismus" der Apostelgeschichte, EvTh 10 (1950-51), 1-15: 12-15; H.J.Cadbury, Acts and Eschatology, in: W. D. Davies-D. Daube (ed.), The Background of the New Testament and its Eschatology. In Honour of Charles Harold Dodd, Cambridge 1956, 300-321; E. Grösser, Das Problem der Parusieverzögerung in den synoptischen Evangelien und in der Apostelgeschichte (BZNW 22), Berlin 1957 = 2 1960, 178-198. 204-215; Conzelmann, Mitte der Zeit 5 , 87-127; W. G. Robinson, Jr., Der Weg des Herrn. Studien zur Geschichte und Eschatologie im LukasEvangelium. Ein Gespräch mit Hans Conzelmann (ThF 36), Hamburg-Bergstedt 1964, 45-67; Hegermann, Zur Theologie des Lukas, 27-30. 25 Conzelmann, Mitte der Zeit5, 116-124; Robinson, ebd.; mit anderer Begründimg G. Braumann, Die lukanische Interpretation der Zerstörung Jerusalems, NovTest 6 (1963), 120-127 = in: Χάρις καΐ Σοφία. Festschrift Karl Heinrich Rengstorf anläßlich seines 60. Geburtstages, Leiden 1964, 120-127.
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bleiben wird, „bis die Zeiten der Heiden vollendet sind", klingt rticht so, als ob bis zu den mit „und" unmittelbar angeschlossenen26 apokalyptischen Anfangsvorgängen Jahrhunderte vergehen sollen. Das Kommen des Geistes ist geschehen „in den letzten Tagen", wie Lukas Apg 2,17 ausdrücklich statt „danach" im Joelzitat sagt27. Das sind noch nicht die Tage der letzten Dinge, sondern die letzten Tage dieser Welt, aber doch die letzten, zumal Lukas Joel 3,1-5 einschließlich der auf die Geistverheißung übergangslos folgenden Ankündigung des „Tags des Herrn" zitiert28. Und immerhin ist die Person des Vollstreckers im Himmel seit der Erhöhung Jesu vorhanden, auf Erden wird Jesus und die Basileia verkündigt und zur Bekehrung gedrängt, damit Gott den Christus zur Parusie schicken kann (Apg 3,20). Das heißt, wenn heute meist betont wird, daß Lukas keine Naherwartung gehabt habe, dann ist das richtig, soweit damit eine Enderwartung gemeint ist, nach der das nahe Eschaton schon in irgendeiner anderen Weise irdisch gegenwärtig ist als eben im Modus der Erwartung. Das Ende ist und bleibt für Lukas Zukunft, wenn auch der Himmel schon darauf gerüstet ist. Insofern ist Lukas' Eschatologie von der urchristlichen Naherwartung grundsätzlich verschieden29. Aber Zukunft muß nicht Ferne heißen und tut es jedenfalls für Lukas nicht™. Das Ende ist nahe, so nahe, daß es sich lohnt, darauf zu warten. Man kann der Geschichtsleere der Gegenwart bei Lukas Rechnung tragen, indem man das dreiteilige Epochenschema in ein zweiteiliges modifiziert 31 . Doch muß man vielleicht noch einen Schritt weitergehen, den ich hier nur andeuten kann, weil er weitere Untersuchun" H.Flender, Heil und Geschichte in der Theologie dee Lukas (BEvTh 41), München 1965, 103. 27 Mit F. Mußner, «In den letzten Tagen» (Apg 2,17a), BZ 5 (1961), 263-165, gegen E. Haenchen, Schriftzitate und Textüberlieferung in der Apostelgeschichte, ZThK 51 (1954), 153-167: 161f. = in: Haenchen, Gott und Mensch, 157-171: 165f., der die Worte denn auch für sekundär hält, obwohl sie von LXX abweichen. Textkritisch ebenso T. Holte, Untersuchungen über die alttestamentlichen Zitate bei Lukas (TU 104), Berlin 1968, 7 f. ; M. Rese, Alttestamentliche Motive in der Christologie des Lukas (Studien zum NT 1), Gütersloh 1969, 51 f., die aber wie Mußner der Meinung sind, daft Lukas trotzdem von der Geistausgießung als einem Ereignis der Endzeit spricht. a8 E. Lohse, Die Bedeutimg des Pfingstberichtes im Rahmen des lukanischen Geschichtswerkes, EvTh 13 (1953), 422-436: 433: „Die letzte Etappe vor der Parusie Christi und dem Weltende hebt an." a · Deshalb sollte man bei Lukas jedenfalls nicht von „akuter Naherwartung" (Hegermann, ebd.) sprechen. 30 Wenn die kritische Forschung das heute fast durchweg anders sieht, dann wirkt dabei wohl das theologische Urteil mit, daß mit der Aufgabe des Schon jetzt die urchristliche Eschatologie grundsätzlich verfälscht ist. Aber Lukas teilt dieses Urteil eben nicht. 31 Flender, Heil und Geschichte, 113f.; W.O. Kümmel, Einleitung in das Neue Testament 1 ·, Heidelberg 1969, 89f. 112f.
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gen, so des lukanischen Schriftverständnisses32 und der zeitgenössischen Geschichtsschreibungîa voraussetzt. Aus der alttestamentlichen Geschichte kommt die Zeit nach Salomo, jedenfalls die nach dem Exil, nie in den Blick. Sie scheint eine Zeit des Wartens auf den angekündigten Christus zu sein, nicht eine Epoche geschichtlicher Bewegung auf ihn hin. Ähnliches gilt von den Heiden, mit der Abschwächung, daß Lukas ein polytheistisches Gottsuchen, aber keine heidnische Erlösererwartung kennt. Lukas spricht von den gottgegebenen Ordnungen, in denen sie leben (Apg 17,24ff.); ihre Geschichte aber ist offenbar irrelevant34, ihre Zeit waren die „Zeiten der Unwissenheit" (V. 30). Die Zeit Jesu und der Zeugen ist dadurch gekennzeichnet, daß nach langem Warten und vergeblichem Suchen endlich von Gott her überhaupt etwas geschieht. Vorher hat er etwas geschehen lassen nur in der Väter- und Königszeit der israelitischen Geschichte, nämlich im wesentlichen die Verheißung der Erlösung durch Mose und die Propheten ; nachher wird er etwas geschehen lassen durch Gericht und Aufrichtung der Basileia, deren Vollstrecker im Himmel bereiteteht, was auch schon durch die Zeugen in der Welt gepredigt worden ist. Die Zeit Jesu und der Zeugen ist in der Tat wenn nicht die Mitte, so doch die Höhe der Zeit schlechthin — aber ist sie wirklich eine Epoche einer durchlaufenden Geschichte?
§ 9. Der Schriftsteller und sein Ziel Die Apostelgeschichte ist nicht geschrieben, um zu bekehren1. Das Kerygma kommt nur zitatweise vor und wird nicht entfaltet; es ist vorausgesetzt. Die gegenwärtige Struktur der Kirche und ihre Lebens32 Vgl. Η. v. Campenhausen, Die Entstehung der christlichen Bibel (BHTh 39), Tübingen 1968, 47-62; 0. Betz, The Kerygma of Luke, Interpretation 22 (1968), 131-146; Rese, Alttestamentliche Motive. 33 Vgl. J. Reumann, Heilegeschichte in Luke. Some Remarks on its Background and Comparison with Paul, in: F. L. Grose (ed.), Studia Evangelica Vol. TV. Papers presented to the Third International Congress on New Testament Studies held at Christ Church, Oxford, 1965. P a r t i : The New Testament Scriptures (TU 102), Berlin 1968, 86-115: 101-108. 34 Daß „die Weltgeschichte . . . ale Vorgeschichte des Christentums reklamiert" wird (Conzelmann, Apostelgeschichte, 103), scheint mir zumal nach Gomdmanns eigenen Ausführungen Mitte der Zeit 6 , 156f., zu weit zu gehen. Das gilt auch gegen Käsemann, Ruf der Freiheit 3 , 162f. Apg 17 läßt die Weltgeschichte so weit außer Betracht, wie es jede Theologie der Schöpfungsordnungen tut. 1 Zum Zweck der Apostelgeschichte zuletzt u.a. A. Ehrhardt, The Construction and Purpose of the Acts of the Apostles, StTh 12 (1958), 45-79 = in: Ehrhardt, Framework of the New Testament Stories, Manchester 1964, 64-102; A.C. Winn, Elusive Mystery. The Purpose of Acts, Interpretation 13 (1959), 144-156; W, C. van Unnik, The "Book of Acts" the Confirmation of the Gospel,
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Ordnungen kommen kaum zur Sprache; es geht Lukas nicht darum, sie zu rechtfertigen oder zu erklären und jemanden zu ihnen hinzuführen. Er verschmäht es, mit dem christlichen Ethos zu werben; die Gütergemeinschaft ist mit der Urgemeinde Vergangenheit. Von den sogenannten Missionsreden sind die meisten an Juden und Gottesfürchtige gerichtet, nur zwei an polytheistische Heiden. Wenn Lukas für nichtchristliche Leser schrieb, dann sind sie in der hellenistischen Synagoge zu suchen. Dem widerspricht aber die mehrfach exemplarisch durchgeführte grundsätzliche Trennung der Kirche vom Judentum. Es ist kaum denkbar, daß Lukas mit einem Buch zu tun versuchte, was Paulus in Person nicht erreicht hatte. Derjenige Aussagenkomplex, der sich am ehesten an (heidnische) Außenstehende richtet, ist die politische Apologetik, die einerseits auf Differenzierung des Christentums vom faktischen Judentum aus ist, andererseits auf die Feststellung, daß der christliche Glaube Staat und Gesetze Roms nicht verletzt und daß die Behörden das jedenfalls zu Paulus' Zeit auch anerkannten2. Doch ist die Auseinandersetzung mit dem Judentum grade nicht für römische Ohren bestimmt3, und die Apologetik gegenüber dem Staat ist so sehr auf die innocentia des Christentums hin angelegt, daß sie, soweit sie nicht überhaupt der Selbstverständigung dient, vermutlich weniger für den Christenglauben werben als ihm Ruhe verschaffen soll. Es ist möglich, daß Lukas damit gerechnet oder sogar darauf gehofft hat, auch von Nichtchristen gelesen zu werden, aber geschrieben hat er die Apostelgeschichte für Christen4. Für sie schreibt er Geschichte; als erster in der Geschichte der Kirche, soweit wir wissen, und für lange Zeit auch als einziger. Doch ist sein Buch nach Absicht und Ergebnis nicht „die älteste Kirchengeschichte". Sie ist keine Gesamtdarstellung, sondern eine historische Monographie6, die einen Ausschnitt aus dem Geschehen der ersten christlichen Jahrzehnte bietet und ein Menschenalter vor Lukas endet. Ihr Gegenstand ist nicht die Kirche, von der Lukas auch gar keinen Gesamtbegriff hat, sondern die Predigt der Zeugen von Jerusalem bis Rom. Vor allem: die Apostelgeschichte ist kein selbständiges Werk, NovTest 4 (I960), 26-59; F. V.Filaon, Three Crucial Decades. Studies in the Book of Acts, Richmond, Va. 1963, 9-28; J. H. Crehan, The Purpose of Luke in Acts, in: F. L.Cross (ed.), Studia Evangelica Vol. II. Papers presented to the Second International Congress on New Testament Studies held at Christ Church, Oxford, 1961. Part I: The New Testament Scriptures (TU 87), Berlin 1964, 354-368. 2 Vgl. besonders H. Conzelmann, Die Mitte der Zeit. Studien zur Theologie des Lukas (BHTh 17) 6 , Tübingen 1964, 128-139. 3 Conzelmann, Mitte der Zeit 5 , 132. 4 J. Jeremias weist zur Bestätigung darauf hin, daß das Lukasevangelium Vaterunser und Abendmahlsbericht enthält, die beide nicht für Uneingeweihte bestimmt waren. Doch gilt das streng nur für das Evangelium. 6 H. Conzelmann, Die Apostelgeschichte (HNT 7), Tübingen 1963, 6.
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sondern ein zweiter Band, nicht nur literarisch, sondern auch sachlich®. Die Wirksamkeit der Zeugen ist eine Funktion des Jesusgeschehens. Daraus ergibt sich der Zweck der Apostelgeschichte. Es ist nicht das Interesse an der Geschichte (auch nicht im antiken Sinn, der Belehrung und Unterhaltung nicht ausschließt), schon gar nicht das Interesse an der Geschichte der Kirche, das Lukas zum Historiker macht, sondern das Interesse an der Richtigkeit des Kerygmas. Dieses spricht von Zukünftigem, Gericht und Basileia, das garantiert wird durch Geschehenes, die Auferweckung und Erhöhung des von Gott durch Taten und Worte ausgewiesenen Jesus von Nazareth, der dadurch als Richter und Erlöser bereitsteht. Das haben zwar nur wenige mit eigenen Augen gesehen, und die sind tot. Trotzdem ist es gesichert. Lukas berichtet es im Evangelium, „so wie es uns die überlieferten, die von Anfang an Augenzeugen und Diener des Wortes waren" (Lk 1,2); im zweiten Band fügt er hinzu, wie die Zeugen diese Botschaft bis nach Rom verpflanzt haben, so daß nicht nur ihr Inhalt nachprüfbar ist, sondern auch ihr Weg an die Orte, an denen gegenwärtig gläubige Gemeinden bestehen (um die Weitergabe in den einzelnen Gemeinden seither macht Lukas sich wenig Sorgen, er hat offenbar Vertrauen in die Presbyter). Damit ist auch geschehen, was nach der Verheißung des Auferstandenen vor dem Ende noch geschehen sollte. Noch nicht das Evangelium allein, sondern erst Evangelium und Apostelgeschichte zusammen geben das, was Lukas im Proömium Lk 1,4 Theophilus versprochen hatte: περί ών κατηχή&ης λόγων τήν άσφάλειαν7. Die Apostelgeschichte ist also ein erbauliches oder besser, weil sie nicht zuerst fürs Herz geschrieben ist, ein katechetisches Buch. Die Leser, für die Lukas es bestimmt hat, hoffen und warten auf das Ende, und er versichert sie der Hoffnung, indem er sie anhand der zweifelsfrei feststehenden Geschichte daran erinnert, daß die Hoffnung wenn auch noch nicht erfüllt, so doch bewiesen ist und die Erfüllung bevorsteht. Es geht Lukas nicht darum, eine unbewältigte Gegenwart zu verarbeiten, sondern eine als Zeit des Wartens und der Geduld durchschaute Gegenwart überstehen zu helfen. " So mit Nachdruck van Ormile, "Book of Acts". ' Das wird heute vielfältig betont, vgl. z.B. van Unnik, "Book of Acts" (der aber auch einen kerygmatischen Aspekt betont: Lukas schreibe für Leser auf der Schwelle des Christentums oder wankenden Glaubens) ; Crehan, Purpose of Luke in Acts (Lukas meine vor allem den Adressaten persönlich : er schreibe, "how the mystery of salvation reached Theophilus", 366) ; P. StuMmacher, Das paulinische Evangelium I. Vorgeschichte (FRLANT 95), Göttingen 1968, 277 A. 2; außerdem die Arbeiten zu Lk 1,1-4 (o. § 1 Α. 13). Zu weit geht S. Schulz, Die Stunde der Botschaft. Einführung in die Theologie der vier Evangelisten, Hamburg 1967, 247-249 (nach Lukas habe es bis zu seinem Doppelbuch keine Heilsgewißheit gegeben).
REGISTER 1. Bibelstellen, übrigen Auewahl) Gemete 2,7 75 22, If. 88 7. llf. 27, Iff. 88 27,18 f. 88. 91 27,19 95 31,11-13 88f. 34 62 61 41,43 82 41,45 41,46.60 61 -54 43,16.32 61 45,26- 61 46,7.27 88 f. 46,2f. 50,22-26 61 Exodus 3,4-10
88 f.
Richter 6,11-24 62.65 13,6.17f. 95 13,11-22 62.65 1. Samuel 1,8 88 3, Iff. 99 3,4-14. 88 16f. 17,40.49. 62 51 24,8 ff. 94 26,14f. 88 26,17 ff.94 29,6 148 2. Könige 2,11 62
genannten Abschnitte Psalmen 2,1 f. 95,11
139 70
Jeeaja 42,6 f. 42,16 49,1 53 53,7 f. 61,1
114f. 115 125 81. 139 143 114
Jeremía 1,4-10 1,10
Iii. 113f. 101
Ezechiel 2,1
llOf.
Daniel 10 10,6.9 10,7
91 92 97
Jod 3,1-5
182
Tobit 2,3 5,18 6,11 13,2-18
88 148 88 62
Judith 11,16.19 103 16,1-17 62 Matthäus 71 5,13 69 5,15 5,39 ff.81 6,23 69
10,23 42 10,32 f. 101 13,19 115 97 17,8 96 19,16 20,34 107 25,31 ff.94 28,16-20 131 f. 178 Markus 2,4 2,233,6 3,14f. 4,15 4,21 5,43 6,3 9,8 10,17 10,52 11,9f. 13,10 16,14-18
130 115 69 104 142 97 96 107 123 132 131
Lukas 1,1-4 1,2 1, lOff. 1,12 1,13 1,18ff. 1,19 2,9 2,15 2,37 2,46 3,1 f. 3,21 f. 4,22 4,43
16. 21. 18* 112 99 92 75 100 103 91 02 162 162. 178 45 99 142. 152 141
145 43
187
Register 6.15 5,19 6,8 6,13 6,27ff. 8,1 8,9-15 8,9.11 8,12 8,13 8,16-18 8.16 8,55 9,2 9,11 9,28-36 9,35 9,47 9,60 10,16 10,18 10,25.28 11,33.35 12,8f. 14,4 15.15 16.16 17,20 18,10 18,18 18,31 18,35 18,42 f. 19,29 19,38 19,45 20.17 20,20.26 21
21,12-19 21,12f. 21,20-24 21,24 22,70 23, δ 23,26 23,48 24,15 24.18 24,21.26 24,35 24,36-49
143 145 110 130. 134 81 141 179. 181 131 115 101 179 69 104 114. 141 141 99 92 147 141 94 115 96 69 101 147 146 141 181 162 96 131 91 107 91 123 162 131 147 176 f. 181 101 132 22 177. 181 f. 138 132 147 149 149 135 143 148 130-133
24,46-48 24,46f. 24.47 24.48
142 180 161. 177 130-135. 139. 175
Johannes 1,35. 40 f. 5,10 5,16 9 f. 13,23 15,20 19,26 20,2 20,15 20,19-23 21,7 21,15ff. 21,20
134 43 94 21
71 94 71 71 99 130 f. 132 71 94 71
Apostelgeschichte 171 1-12 1,2 130. 132 1,3 112. 133. 135. 141 l,6ff. 133 1.7 181 1.8 130-136. 139. 142. 161. 166. 174 f. 177 92 1,11 130-135 l,21f. 148 1,21 132 1,22 1,24 130 2,5 ff. 149 2,5 166 2,7.12 142. 152 2,14-39 138-142 2,16 131 2,17 182 2,22 116. 135 2,32 130-135 138 2.36 2.37 f. 95 f. 116-118 2.38 3,12-26 138-142 3,15 130-135 3.17 116 3.18 139 3.19 116
3.20 3.21 3,24 4 f. 4,8-20 4.11 4,18 4,19f. 25-28 4.27 4,33 4,36f. 4,36 5.13 5.14 5,16 5.28 5,29-32 5.31 5.32 5.39 5.41 5.42 6,1 6,7 6,8-8,2 6,9 f. 6,9 7,2-53 7,44-50 7,55 f. 7.55 7.56 8,2 8.4 8.5 8.12
8,18-24 8,26 8,27 8.29 8,32 f. 8.40 9,1 9,40 10,111,18 10,3-5 10.3 10.4 10,6
107.143 f. 182 92 139 43 138-142 137 148 139 101 135 26. 37. 146f. 160 166 146 143 148. 178 148 138-142 116. 138 130-135 94 101 178 149 179 26-31 149 137 18. 27. 138 22 93 99 29 40. 42. 48 137 174 141 117 105 162. 166 146 143 150 134. 146 107 53-55. 166168 88-91. 122 93. 99 75. 95. 166 129
188 131 99 107 146 99 129 135. 138-142 139 132. 135 116 130-135 107. 112. 129. 130-135 180 10,42 f. 137 10,42 116f. 139 10,43 159 11,2 93 11,5 99 11,12 129 11,13f. 117. 168 11,18 166. 168 11,20 144 11,21 11,25-30 170 150 ll,25f. 11,26 161 12,7 91 148 12,17 179 12,24 170 12,2513,1 160 13f. 163 13,1-3 168 13,2f. 130 13,4 13,9-12 178 97 13,11 13,16-41 116. 138-142 116 13,27 13,31 130-135 112 13,36 117. 142 13,38f. 13,38 138 137 13,42 f. 13,42 178 13,44-48 167 47 13,45 42 13,50 14,4.14 135 14,15-17 138-142 14,21-23 179 14,22 101. 181
10,17 10,19f. 10,22 10,28 10,30 10,32 10,34-43 10,36 10,37 10,38 10,39 10,41
Register 157 14,23 167 15 15,11 173 15,21 178 15,22.25 130 15,23 134 15,26 102 Ulf. •16,9f. 16,9 93 16,10 143 16,12f. 16 137 16,17 43 147 16,19 16,30 f. 95 f. 137. 143 17,3 17,10 145. 150 17,14f. 150 137. 165. 178 17,17 178 17,18 147 17,19 17,22-31 138-142 17,24ff. 183 116. 139. 177 17,30 146 17,34 167 18,5-7 143 18,5 47 18,6 167. 178 18,7 lllf. 18,9f. 93 18,9 18,11-17 144 18,17 147 18,25 f. 43 143 18,28 141 19,8 19,9 43. 178 138 19,13 19,18f. 117. 178 19,18 116 179 19,20 19,22ff. 144 19,23 43 19,30 150 20,3 144 20,18-35 138. 179 137 20,18 20,20 178 141.176 20,25 117f. 179 20,32 20,33-35 39. 127. 169 20,33f. 142 159 20,34
20,38 21,4.7f. 21,8f. 21,17ff. 21,17f. 21,20 21,27ff. 21,28f. 21,28 21,30.33 23,11 23,12ff. 23,16-22 23,19 24,11 24,14 24,21 24,22 24,46-48 26,12 26,19-23 26,19 26,20
176 137 150 146 147 32 f. 149 163 177 147 102. 111 144 32 147 162 43 108 43 166 112 113 93. 190 117. 148.163f. 166. 177 143. 166. 181 26,23 135 26,26 27,23 f. 111 178 28,3-6 103 28,8 137 28,14 28,17 178 28,23-28 167 28,23 141 113. 168. 176 28,28 114. 178 28,30f. 28,31 141. 176. 180
Römer 1,9 4,17 6,7 9,22f. 12,17
133 80 117 101 81
1. Korinther 1,19f. 156 2,3 75 156 4,4 75 4,9 4,12 159 156 6,9 f. 72 7,16 95 8,5
Register 9, Iff. 9,1 9,6 15,8f. 15,9 15,54
159 23. 126. 128 160 23. 126 49 131
2. Korinther 10,9-11 156 ll,24f. 50 ll,32f. 150-153. 155. 158f. 12, Iff. 165 12,2-5 159 12,7 165 Oalater lf. 1 1,13f. 1,13 1,15f. l,16f. 1,16
1.17 l,18f.
1.18 1,21
1,22 f . 1,23 2,1-10
23. 159f. 171 f. 32. 35. 51.159 49. 143. 152 126. 128. 152 128 142. 160 126. 151. 171 153. 160 150. 171 23. 50. 149. 171 50 49. 126f. 143. 152. 171 160
150. 171 159
2,1 2,12
Epheser 1,18
2,5 3,1 3,6 3,13 5,8
114. 118 75 127 75 127 115
Philipper 1,8 3,4ff. 3,5 f. 3,5 3,6
133 23. 126 51 39. 159 49
Kolosser 1,12 1,13 1,23 1,24
118 115 177 127
1. Thessalonicher l,9f. 115. 141 2,5 133 2.9 159 2.10 133 4.11 159 5,15 81 2. Thessalonicher 1,10 148
2. Moderne
189 2,2.15 3,17
156 156
1. Timotheus 1,12ff. 94. 127 1,13 49.51 2. Timotheus 3,1 f. 127 4,17 177 Hebräer 6,1 f. 9,9 10,1 1. Petrus 1,1 1.8 2.9 2,21ff. 3,9 5,8 5,13
141 117 117 175 90 115 81 81 115 175
1. Petrus 1,16-18 94 1. Johannes 1,1 94 3,8 110 Apokalypse 4,5 91 14,4 70
Autoren
(bei Festschriften, Gesammelten Aufsätzen u. ä. ist nur das erste Vorkommen verzeichnet) Aland, Neue neutest. Papyri I I 131 — Die Bedeutung d. 131 — Studien z. Überlieferung d. NT 131 Aptowitzer, Asenath, the Wife of Joseph 61f. Asting, Die Verkündigung d. Wortes 130 Baden, Literatur u. Bekehrung 126 Bailey, The Trad. Common to Lk and J n 130
Baltzer, The Meaning of the Temple in Lk 162 Bammel, Gal 1,23 49 Barrett, Luke the Historian 14f. — Stephen and the Son of Man 29 Batiffol, Le livre de la prière d' Aseneth 60-62. 77. 79. 86. 90. 98. 110. 115. 118 Bauer J . B., Drei Tage 98 Bauer W., Griech.-deutsches Wörterbuch 11. 26. 42. 47. 90f. 112. 143f. 146-148. 168. 167
190
Register
— Das Apostelbild in d. altchr. Überlief. 175 Bauernfeind, Apg 28. 54 — Tradition u. Komposition in Apg з,20 f. 143 Baumbach, Die Mission im Mt-Evangelium 131 Becker, Entstehungsgesch. d. TestPatr 59. 81. 85 Bellinzoni, The Sayings of Jesus in Justin 22 Benz, Paulus als Visionär 93 Berreth, Studien zum Isisbuch 65 Bertrangs, Damascus en de Bijbel 126 Betz hg., Michel-Festschrift 143 — The Kerygma of Luke 16. 18. 22. 144. 183 — Die Vision d. Paulus im Tempel 162 Beyschlag, Clemens Romanus 45. 127 — Das Jakobusmartyrium u. s. Verwandten 28 Bieder, Die Apg in der Historie 14 — Gottes Sendling n. Mt, Lk, Paulus и. Joh 177 Bieler, Psyches 3. u. 4. Arbeit 65 Bietenhard, βνομα κτλ. 148 — Die Dekapolis v. Pompeius b. Traian 158 f. Bihler, Der Stephanusbericht 28 — Die Stephanusgeschichte 18.93.130 Bikerman, Héliodore au Temple 56 Billerbeck s. Strack Binder hg., Amor u. Psyche 64 Blair, Paul's Call to Gentile Mission 126. 161 f. 164 f. Blank, Paulus u. Jesus 30. 50f. 126 Blaß-Debrunner, Grammatik 11. 33. 46. 132. 146. 148 Bleeker ed., Initiation 83 Böcher, Der joh. Dualismus 43 — hg., Stählin-Festschrift 162 Borgen, Von Paulus zu Lukas 16. 22. 176 — From Paul to Luke 16 Bornhäuser, Zur Steinigung d. Stephanus 26. 30 Bornkamm, Paulus (RGG) 34 — Der Auferst. u. d. Ird. Mt 28,16-20 131. 133 — The Missionary Stance of Paul 34. 166f. — Paulus 50. 160. 173
Bouwman, Das dritte Evangelium 22 Braumann, Das Mittel d. Zeit 16. 181 — Die lk. Interpr. d. Zerst. Jerusalems 181 Braun H., Zur Term. d. Acta v. d. Auferst. 130 — Ges. Studien z. NT u. 8. Umwelt 130 — Qumran u. d. NT 43. 114. 134 Braun M., Griechischer Roman 68. 85 — History and Romance 85 Bream ed., Alleman-Gedenkschrift 21 Brooks, Joseph and Asenath 60 Brox, Zeuge u. Märtyrer 93. 130. 133. 135 f. Büchsei, βαστάζω 100 Bürger, Zu Xenophon v. Ephesus 62 Bultmann, Joh 131 — Ignatius u. Paulus 156 — Zur Frage n. d. Quellen d. Apg 19. 154 f. — Exegetica. Aufs. z. Erforsch, d. NT 19 Burchard, Untersuchungen zu J A 59-62. 64. 66. 69f. 76. 81. 84. 90. 115 — Zum Text von J A 59 f. 90. 98 — Fußnoten zum neutest. Griechisch 32. 43. 72. 75. 81. 134. 146f. — Rez. Philonenko, Joseph et Aséneth 61 Cadbury, The Beginnings of Christ. IV 44. 108 — The Hellenists 38 — Acts and Eschatology 133. 181 — Some Lucan Expressions of Time 105 — Four Features of Lucan Style 25 Cambier, Le voyage de Paul en Act. ix. 26ss. 161 v. Campenhausen, Die Entstehung d. Bibel 17. 183 da Castel S. Pietro, Συναιχμάλωτος 96f. Colin, Les villes libres de l'Orient 29 Colpe, ό υιός τοϋ ανθρώπου 29 Conzelmann, Die Mitte d. Zeit 16. 44. 115. 130. 132. 138. 141-143. 145. 174. 180f. 183f. — Paulus a. d. Areopag 140 — Apg 19. 37. 39. 42-44. 46. 52. 87. 92. 97f. 101. 107f. 110. 112f. 120.
Register 123. 130. 135. 138. 140. 144. 147150. 153. 157-160. 164f. 176. 180. 183 f. — Die Mutter d. Weisheit 62. 82. 85 — Paulus u. d. Weisheit 20. 35 — Luke's Place in Early Christianity 21f. 155. 171 — Grundriß d. Theologie d. NT 16 — Geschichte d. Urchristentums 19. 50. 160. 173f. — l.Kor. 76 Crehan, The Purpose of Luke in Acts 184f. Cross ed., Studia Evangelica Vol. I I 37 — ed., Studia Evangelica Vol. IV 183 Crusius, Erwin Rohde 63 Dalman, Die Worte Jesu 93 Dalmeyda, Xénophon d'Éphèse 65 Daube ed., Dodd-Festschrift 133 Davies ed., Dodd-Festschrift 133 Debrunner s. Blaß Deichgräber, Gotteshymnus 114f. 117 Delcor, Un roman d'origine thérapeute 62 Delling, συμβιβάζω 143f. — τρεις κτλ. 98 Denis, L'élection et vocation de Paul 126
— L'investiture par „apocalypse" 126 — Introduction aux Pseudépigraphes grecs 59 Dettloff hg., Schmaus-Festschrift 179 Dibelius, Der Hirt d. Hermas 64 — Stilkritisches zur Apg 14. 124 — Zur Formgeschichte d. NT 28 — The Text of Acts 111 — Der Text d. Apg 111 — Die Reden d. Apg 28. 122. 138 — Die Bekehrung d. Cornelius 54 — Aufsätze zur Apg 14 Dinkier hg., Bultmann-80-Festschrift 17 — hg., Bultmann, Exegetica 19 v. Dobschütz D., Paulus u. d. Thorapolizei 30. 50. 56 v. Dobschütz E., Bekehrung d. Paulus 21.25 Dodd, The Apostolic Preaching 138 Drews, Die Entstehung d. Christentums 55
191
Dupont, Les problèmes du Livre des Actes 14.138 — Le salut des gentils 132 — Les sources du Livre des Actes 19 — La conversion dans les Actes 116 — Repentir et conversion d'après les Actes 116 — Le discours de Milet 179 — Paulus an die Seelsorger 179 — Les discours missionnaires des Actes 18 — La Parabole du semeur dans Luc 179 — Études sur les Actes des Apôtres 14 Eckart, Tauf- u. Ordinationsliturgie 88. 111. 114 Ehrhardt, The Construction and Purpose 183 — Framework of the NT Stories 183 Ellis ed., Black-Festschrift 35 Eltester hg., Bultmann-70-Festschrift 72 — Lukas u. Paulus 15 f. — hg., Haenchen-Festschrift 29 Emmerich 86 Enslin, Paul and Gamaliel 35 — "Luke" and Paul 155 van Esbroeck, Rez. Burchard u. Philonenko 81 Evans, The Kerygma 138 Exum, The Structure of Acts 20,18-35 179 Filson, Three Crucial Decades 184 — Live Issues in the Acts 168 Finegan, Biblical Chronology 172 Fitzmyer, Jewish Christianity in Acts 43 Flcnder, Heil u. Geschichte 16. 134. 140. 182 Friedrich, κηρύσσω κτλ. 132 — l.Thess. l,9f. 141 Gaechter, Schranken im Apostolat d.P. 126 — Petrus u. s. Zeit 126 George, Tradition et rédaction chez Luc 16 — Israel dans l'œuvre de Luc 35 Georgi, Gegner d. Paulus im 2. Kor 54. 129 — Kollekte d. Paulus 150. 172
192
Register
Gerhardsson, Die Boten Gottes 129 Gewalt, Petrus 174 Girlanda, De Conversione Pauli 31. 97. 101. 104. 111. 124. 129f. Glover, 'Luke the Antiochene' and Acts 171 Goodenough, By Light, Light 83 — Jewish Symbols 83 — The Perspective of Acts 22 Goppelt, Christentum u. Judentum 16 — Die apostol. u. nachapostol. Zeit 19. 35. 172 Grässer, Das Problem d. Parusieverzögerung 181 Graß, Ostergeschehen u. Osterberichte 53. 128 Greeven hg., Dibelius, Aufsätze zur Apg 14 Grimal, Romans grecs & latins 63 Grundmann, Paulus in Ephesus 172 Haacker hg., Stählin-Festschrift 162 Haas, Paulus als Missionar 166 — Berufung u. Sendung Pauli 126 Haenchen, Schriftzitate u. Textüberlief. 182 — Tradition u. Komposition in d. Apg 25. 122 f. — Apg 14-16. 18-20. 25f. 29. 34. 36f. 42-44. 54. 92. 96f. 99. 101. 107. 111. 122 f. 144f. 147. 150. 152-154. 158f. 163. 172. 177 — Petrus-Probleme 175 — Das „Wir" in d. Apg u. d. Itinerar 18 — Judentum u. Christentum in d. Apg 20. 31. 35 — Gott u. Mensch. Ges. Aufsätze I 18
— The Book ofActs as Source Material 172 — Die Apg als Quelle 172 — Die Bibel u. wir. Ges. Aufsätze I I 20 Hahn, Christologische Hoheitstitel 141. 143 — Das Verständnis d. Mission im NT 30. 54. 132. 157. 160. 172 Hanhart, Zum Text d. 2. u. 3. Makk 56 f. — Die Heiligen d. Höchsten 117 Harrer, Saul Who Also Is Called Paul 37
Hartmann, Die Vorlage in Joh 20 131 Hasler, Judenmission u. Judenschuld 116 Hegermann, Zur Theologie d. Lukas 16. 181 f. — mündlich 46 Heinzmann hg., Schmaus-Festschrift 179 Helm, Apuleius, Metamorphosen 64 Hengel, Die Zeloten 32 — hg., Michel-Festschrift 143 — Rez. Repo, Der „Weg" 43 Hennecke-Schneemelcher hg., Nt. Apokr. 169. 175 Hermann hg., Klauser-Festschrift 35 Higgins ed., Manson-Gedenkschrift 19. 155 Hinderlich, Lukas u. d. Judentum 35 Hirsch, Bekehrung d. Paulus 25. 88. 96. 127 Hirzel, Die Strafe d. Steinigung 26 Hofius, Katapausis 70 Holtz, Beobacht. zur Stephanusrede 27 — Zum Selbstverständnis d. Paulus 125f. — Christliche Interpolationen in JA 59. 61. 76 — Unters, üb. d. altt. Zitate b. Lukas 27 f. 111. 182 — Rez. Burchard, Unters, zu J A 61 Hommel, Neue Forsch, zur Areopagrede 140 Hopfner, Plutarch, Über Isis u. Osiris 86 Hort s. Westcott Hunzinger, Babylon als Deckname f. Rom 175 — Hoffnung im Wandel d. paul. Aussagen 20 Hyldahl, Philos, u. Christentum 21 f. van Iersel, 'Der Sohn' 138 Istrin, Apokrif ob Iosifë i Asenefë 60 Jackson-Lake ed., The Beginnings of Christianity 38 Jeremias G., Der Lehrer d. Gerechtigk. 43 Jeremias J., Zum Quellenproblem d. Apg 19. 43. 154. 160 — Beobacht. an Hand d. neugef. gr. Hen. 146
Register — — — — —
Die Lampe unter d. Scheffel 69 Me 14,9 132 The Last Supper 84 παις θεού 108. 139 Die Aufg. in d. Mischehe (I Cor 7,16) 72 — Perikopen-Umstellungen b. Lukas? 18
— Heiligengräber in Jesu Umwelt 85 — Die Kindertaufe in d. ersten Jahrh. 54 — Die Abendmahlsworte Jesu 18.131 — The Key to Pauline Theology 13. 94. 126 — Abba. Studien zur neutest. Theologie 18 — Paulus als Hillelit 35 — mündlich 94. 123. 184 Jervell, Zur Traditionsgrundlage d. Apg 20 — Das gespaltene Israel u. d. Heiden 31. 166 f. — Paulus — d. Lehrer Israels 31. 35 Käsemann, Paulus u. d. Frühkatholiz. 21
— Exeget. Versuche u. Besinnungen!! 21 — Ephesians and Acts 21 — Der Ruf der Freiheit 16. 174. 176. 183 Kasting, Die Anfänge d. urchr. Mission 30. 50. 54. 126. 129. 131. 144. 160. 166 Keck ed., Schubert-Festschrift 14 Kehnscherper, Paulus als röm. Bürger 37. 99 Kerényi, Die Griech.-Or. Romanliteratur 63. 79. 98. 105 — Vorwort zu Rohde, Roman 4 63 Kettler hg., Haenchen-Festschrift 29 Kilpatrick, The Last Supper 83 — Acts vii. 56 29 Kittel, Die Probleme d. pal. Spätjudt.s 85 Klein, Rez. Haenchen, Apg 10 22 — Die zwölf Apostel 16. 21f. 27. 35. 42f. 47. 49. 51. 54f. 88. 96. 102. 105. 107. U l f . 122f. 124. 129. 134-137. 146. 148. 150. 153-157. 163. 174176. 179 — Lukas 1,1-4 als theol. Programm 17
193
— Der Synkretismus in d. ält. Apologetik 21. 178 — Rekonstr. u. Interpr. Ges. Aufsätze 17 Knopf, Die Lehre d. 12 Apostel 156 Knox, Marcion and the NT 155-157 — Acts and the Pauline Letter Corpus 22. 155. 157 Köster, Γνώμαι διάφοροι.Diversification 21
— Γνώμαι διάφοροι. Mannigfaltigkeit 21 Kosmala, Hebräer-Essener-Christen 49. 99 Kroymann hg., Hommel-Festschrift 15 Kümmel, Einleitung in das NT 14. 155-157. 182 Kuhn H.-W., Ält. Sammlungen in Mk 1-13 18 Kuhn K. G., Zu Rm 6,7 117 — Die Schriftrollen vom Toten Meer 114 — The Lord's Supper and Qumran 83 — προσήλυτος 54 Lake ed. s. Cadbury — The Beginnings of Christianity IV 44. 108 — The Conversion of Paul 51. 121 Lange vin, Jésus Seigneur et l'Eschatologie 141 Leaney, Resurrection Narratives in Luke 131 Lebram, Der Aufbau der Areopagrede 140 — Zu katech. Traditionen in d. Apg 43. 140 Legrand, Suffer for My Name 102 Liddell-Scott, A Greek-English Lexicon 11. 90f. 143 Lietzmann, Mass and Lord's Supper 59 f. Lilly, The Conversion of Saint Paul 13 Lindars, The Composition of J o h n X X 131 Linnemann, Der (wiedergef.) Mkschluß 131 Linton, The Third Aspect 159f. Lohfink, Eine altt. Darstellungsform 52. 54. 88f. 111. 122 — Paulus vor Damaskus 13. 52 f. — „Meinen Namen zu tragen" (Apg 9,15) 100-102
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Register
— Christol. u. Gesch.bild in Apg 3,1921 144 Lohee, Die Ordination 33 — Die Bed. d. Pflngstberichtes 182 — Urspr. u. Präg. d. ehr. Apostolatea 129. 135. 175 — Missionarisches Handeln Jesu 174 — Lukas als Theol. d. Heilsgeschichte 16 — Märtyrer u. Gottesknecht 143 — Die Auferstehung Jesu Christi 132 Luck hg., Das Paulusbild 30 — Herrenwort u. Gesch. in Mt 28, 16-20 131 Lührmann, Das Offenbarungsverst. b. Paulus 126 — Die Redaktion d. Logienquelle 18 Mack, Logos und Sophia 85 Martyn ed., Schubert-Festschrift 14 Masson, A propos de Act. 9.19b-26 145. 152 f. 155. 159 Mattili A. J . - M. Β., Bibliography on Acts 12f. 19 Maurer, σκεύος 101 Menoud, L'écharde (2 Cor. 12,7) 165 — Jésus et ses témoins 130 — „Pendant quarante jours" (Actes i 3) 133 — Le sens du verbe πορθεΐν 46. 50f. Merkelbach, Roman u. Mysterium in d. Antike 63-65. 69. 79f. 85. 98 — hg., Amor u. Psyche 64 Meyer, Ursprung u. Anfänge d. Chr. 37 Michaelis, λιθάζω κτλ. 26 — λυμαίνομαι 42 — πάσχω 132 — προχειρίζω 101 — σκηνοποιός 39 Michiels, Conception de la conversion 116 Minke, Die Schöpf, n. l.Clem. u. d. Areopagr. 140 Moehring, The Verb άκούειν 97 Mommsea, Die Rechtsverhältn. d. Paulus 38 Moule, Who Were the Hellenists 149 — The Christology of Acts 21 Mündel, Das apost. Amt in d.Deuterop. 127
Munck, Paulus u. d. Heilsgeschichte 13. 52 f. 91. 121. 125 — I Thess. I. 9-10 141 — Acts 30. 94. 97. 146 Mußner, Anknüpf, u. Ker. in d. . Areopagr. 140 — „In den letzten Tagen" (Apg 2,17a) 182 — Praesentia salutis. Ges. Studien 140 Myers ed., Alleman-Gedenkschrift 21 Nestle, Tod d. Gottesverächter 52. 94 Nock, Conversion 65 Oepke, Probi, d. vorchr. Zeit d. Paulus 30. 33. 48. 50. 173 O'Neill, The Theology of Acts 16. 18. 21. 22. 95. 108. 155. 157. 161. 176f. Opelt, Das Bienen-wunder 77 Osborne, St. Paul's Silent Years 172 Ott, Gebet u. Heil 162 Frhr. v. Ow, Joseph u. Aseneth 86 Parker, Three Variant Readings 168 — The "Former Treatise* and. Acts 22 — Once More, Acts and Galatians 153 Perrin, Rediscovering Jesus 29 Perry, The Ancient Romances 62 f. Pesch, Die Vision d. Stephanus 29 Petri, Über d. Roman d. Chariton 62 f. Pfaff, Die Bekehrung d. h. Paulus 13. 51-53. 58. 92 Philonenko, Initiation et mystère 83 — Joseph et Aséneth 59-62. 64. 66. 76. 79. 81-85. 98 Platz, Paul's Damascus Experience 13 Plümacher, Verh. d. Apg z. hell. Lit. 36. 87. I l l Preisker, ϊθος 35 Prentice, Paul's Journey to Damascus 128 Preuschen, Apg 38. 51. lOOf. 144 Prokulski, The Conversion of St. Paul 13. 126 Prümm, Religionsgesch. Handbuch 65 Basco, Conzelmann y la 'Hist. Salutis* 16
Rathke, Ignatius u. d. Paulusbriefe 156 Rehkopf, Die lukanische Sonderquelle 18. 91. 99
Register Reicke, The Risen Lord and His Church 16. 139 Reimherr ed., Alleman-Gedenkschrift 21 Rengstorf hg., Das Paulusbild 30 — Die Zuwahl d. Matthias (Apg 1, 15ff.) 134 Repo, Der „Weg" 43. 49. 127 Rese, Zur Lukas-Diskussion 14 — Altt. Motive in d. Christologie d. Lk 182 f. Reumann, Heilsgeschichte in Luke 183 Richardson, Eucharistie Origins 69 f. Riesenfeld, τηρέω κτλ. 144 Rießler, Joseph u. Asenath 61 f. 77 — Altjüdisches Schrifttum 61 Robinson, The Way of The Lord 16 — Der Weg des Herrn 16. 130. 141. 181
— Luke 8: 4-21 179 Rohde E., brieflich 63 — Der griechische Roman u. s. Vorläufer 63. 66. 68 Rohde J., Die redaktionsgesch. Methode 14 Roloff, Apostolat - Verkündigung Kirche l l l f . 127. 129. 132. 134. 136. 150 Schaller, Rez. Colin, Les villes libres 29 Scheffczyk hg., Schmaus-Festschrift 179 Schille, Bern. ζ. Formgesch. d. Ev.s I I I 21
— Die Fragwürdigkeit eines Itinerars 18 — Anfänge d. Kirche 19. 28f. 54f. — Die urchristliche Kollegialmission 129 Schlier, Eph 114. 117 Schmidt H. hg., Gunkel-Festschrift 14 Schmidt K. L., κολλάω, προσκολλάω 146 Schmidt P. hg., Michel-Festschrift 143 Schmithals, Das kirchliche Apostelamt 129 — Paulus u. Jakobus 166 — Paulus u. d. Gnostiker 156 — Rez. Schille, Anfänge d. Kirche 19 Schneider, Urchr. Gottesverkündigung 140
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Schneemelcher hg. s. Hennecke Schniewind, Die Parallelper. b. Lk u. Joh 130 f. Schoeps, Paulus 34 Schräge, συναγωγή κτλ. 137. 166 Schramm, Der Markus-Stoff b. Lukas 18. 22 Schubert, The Final Cycle of Speeches 31 Schürer, Geschichte d. jüd. Volkes 34 Schürmann, Protolk. Spracheigentümlichk. ? 18 — Lk 1,1-4 16f. — Das Testament d. Paulus Apg 20, 18-35 179 — Lk 8,4^21 179 — Traditionsgesch. Untersuchungen 17 Schütz, Der leidende Christus 102. 116. 181
Schulz, Gottes Vorsehung b. Lukas 132 — Die Stunde der Botschaft 16f. 21. 132. 174. 176. 179. 185 Schulze, Das Paulusbild d. Lukas 16. 19. 35. 140 Schweizer, Zu d. Reden der Apg 138. 140. 142 — Neotestamentica. Deutsche u.Engl. Aufs. 138 — υιός, υιοθεσία 69 Scott s. Liddell Scroggs, Romans VI. 7 117 Seidensticker, P. d. verfolgte Apostel 128. 165 — Die Auferstehung Jesu 13f. 93.110. 141 Sherwin-White, The Roman Citizenship 38 — Roman Society and Law in the NT 35. 37f. Silva, „Fabricantes de tiendas" (Act. 18,3) 39 Simon, St. Stephen and the Helleniets 149 Smend, Bekehrung d. Paulus 52. 55 Smith, The Persecution of Paul 34 Söder, Die apokryphen Apostelgeschichten 64 Stählin, κοπετός κτλ. 40 — Apg 26. 28. 30. 38. 44. 54f. 88. 91f. 96 f. 104. 108. 118. 134. 137. 144146. 158
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Register
Stamm, Luke-Acts and the Gospel of John 21 Stanley, Paul's Conversion in Acts 13. 25. 51. 94. 97. 106. I l l Starcky, Pétra et la Nabatène 161. 158f. Steck, Israel u. d. Geschick d. Proph. 27 Stendahl ed., The Scrolls and the NT 83 Stokholm, Zur Überlieferung von Heliodor 55 f. Storch, Die Stephanusrede Ag 7,2-53 18. 29. 34. 108 Strack-Billerbeck, Kommentar z. NT 11. 26. 43. 97 Strathmann, μάρτυς κτλ. 130. 136 Strecker, Der Weg d. Gerechtigkeit 131 — Apg 11,27-30 170f. Strobel, Schreiben d. Lukas? 21. 171 — Lukas d. Antiochener 171 Stuhlmacher, Gerechtigkeit Gottes b. Paulus 117 — Das paulin. Evangelium I 18. 50. 126. 131. 139. 141. 166. 185 Stuiber hg., Klauser-Festschrift 35 Swahn, The Tale of Cupid and Psyche 64
— Der Ausdruck έως έσχάτου τ. γης (Apg 1:8) 134 — hg., Vriezen-Festschrift 134 — Die Apg u. d. Häresien 21. 157 Urbach ed., Scholem-Festschrift 34 Vielhauer, Zum „Paulinismus" d. Apg 14f. 34. 181 Vögtle, Mt 28,16-20 131 Voß, Die Christol. d. lukan. Schriften 143 Wagenmann, Paulus neben d. Zwölf 16. 88
Warmoes, De roeping bij Damascus 126
Wendt, Apg 44 Westcott-Hort ed., The New Testament 38 Wikenhauser, Doppelträume 52. 98 — Die Wirkung d. Christoph, vor Damaskus 52 Wilckens, Die Bekehrung d. Paulus 126
Tachau, 'Einst* und 'Jetzt' im NT 69. 72 Talbert, Luke and the Gnostics 21 — An Anti-Gnostic Tendency 21. 140 — The Structure of Acts 20,18-35 179 Tcherikover, Hellenistic Civilization 56 — Was Jerusalem a 'Polis' ? 44 Thomas, Aktuelles im Zeugnis d. 12 Väter 81. 85 Tödt, Der Menschensohn 29 Trocmé, Le "Livre des Actes" et 1' histoire 19. 26. 30. 48.104.120.124. 154. 176 Turcan, Le roman "initiatique" 63-65
— Die Missionsreden d. Apg 16. 18. 22. 64. 108. 116f. 130. 136. 138f. 141 f. — Interpreting Luke-Acts 17 Wilcox ed., Black-Festschrift 35 Williams, Acts 22 Windisch, 2. Kor 158 — Zur Christologie d. Paetoralbriefe 21 — Die Christusepiphanie vor Damaskus 62-59. 91. 94. 97 Winn, The Purpose of Acts 183 Wirszubski ed., Scholem-Festschrift 34 Wittmann, Das Isisbuch d. Apuleius 65 Wood, The Conversion of St Paul 126 van der Woude hg., Vriezen-Festschrift 134 Wrege, Die Überl.geschichte d. Bergpr. 18
van Unnik, Handelingen 10,4 en 35 166 — Tarsus of Jeruzalem 32 — Tarsus or Jerusalem 32-36 — Acts the Confirmation of the Gospel 130. 183-185 — Die Anklage in Philippi 35. 37 — Die „geöffneten Himmel" 92 — Luke-Acts, A Storm Center 14
Zahn, Zur Lebensgeschichte d. Ap. Paulus 34. 158 — Apg 30 Zimmermann, Griechische RomanPapyri 62 Zinn hg., Hommel-Festschrift 15 Zwi Werblowsky ed., Scholem-Festschrift 34