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German Pages 92 [191] Year 2022
Deutsche Volksschulen mit besonderer Rücksicht
auf die
Pestalozzischen Grundsätze von Christian Wilhelm Harnisch, Doktor der Philosophie.
O unster Schande Quell — Erziehung deutscher Ju gend ! — Wer pflanzt in
ihre Brust Empfindungen der
Tugend und Liebe für das Vaterland? —
irrBerlin, 1812.
I» derRealschulbuchhandlirirg.
Seinen beiden Freunden. Dankbar' geb' ich der Welt, Wad Ihr, Freunde! mir gabt!
Der Verfasser.
llebcv Schulen ist viel geschrieben/ auch man
ches Schülerhafte über eigentliche Volksschu le»/ in dem vollwichtigen Sinne des Worts/ noch nichts; denn was man sonst Volksschu
len nannte/ davon ist hier nicht die Rede. Das Volk ist ein hoher Begriff/
keine Be
zeichnung der ungebildeten Menschen. schulen
len;
Volks
sind keine Bauern - oder Armenschu
sondern Schulen zur Entwickelung der
Keime eines immer in sich fortlebendcn/ innig
verbundene»/ neben und in einander wohnen
den Menschenvereins, —-
Weil
noch keiner über solche Volksschu
len schrieb,
so schreibe ich darüber.
Mein
Beruf ist mein Wille und meine Erfahrun gen^
Erzogen wurde ich
zur Sitte.
nach
alter Sitte
Die Kinder der Armen waren
meine Gespielen,
die Hauser der Ungebilde
ten mein kindlicher Aufenthalt.
Den Land
mann und den Bewohner der kleinen Städte
kenne ich genau.
Meine Bildung war stets
mit Bilden anderer verbunden, und so wurde es allmählig meine Freude und meine Wonne. Die gelehrte Welt lernte ich auf mehreren
Hochschulen kennen;
nicht weniger der Vor
nehmlinge Verbildung.
Seit mehreren Jah
ren ist mein Leben ganz der Bildung Andrer
geweiht.
Mein Blick verschloß sich
nicht bloß auf das Innere;
auch nach Außen. meines Volks,
dabei
sondern ging
Ich betrachtete die Lage
ich vernahm,
darüber sagten und schrieben;
was Andere
und der Ge
danke, Volksbildung, erhob sich und beseelte
mich:
Was ich hier nicdergeschrieben,
sind
Betrachtungen über meine Erfahrungen.
Leben schrieb ich, Leben.
und
Abgebrochene
ich glaube für das Stunden
nur dieser Arbeit widmen. ja auch
ser geordnet sein.
konnte ich
Die Schrift soll
nur Nebensache sein,
die Hauptsache.
Im
das Handeln
Manches könnte daher bes Manches ist unvollständig,
manche Andeutungen bedürften einer nähern,
Ausführung.
Aber Jeder thue was er kann!
Die Zeit und des Einzelnen Leben eilt schnell vorüber.
Des Menschen Thaten sind Bruch
stücke der Zeit.
Nur die ganze Menschheit
baut Werke für die Ewigkeit.
Der eine fallt
das Holz, der andere behauet cs, der dritte verbindet es u. s. w. für bloßes Bauholz,
Ich halte mein Werk
für kein Gebäude.
Manche Ausdrücke sind neu gebildet, weil
ich für Deutsche deutsch schreiben wollte.
meisten angeführten
Stellen und
Die
Schritten
sind aus dem Gedächtnisse angeführt, weil ich keine Zeit hatte die Bücher selbst wieder auf-
zusuchcn.
Manches Wort darin mag anders
VIII
gestellt feitt r der Sinn ist immer derselbe. Scharf ist öfters getadelt, weil ich die 'Halb heit hasse; aber nie ohne die wichtigsten Gründe. — Meine reine Ueberzeugung habe ich ausgesprochen in diesem Buche/ und wün sche/ daß andere über dasselbe dasselbe thun. Geschrieben zu Berlin. Im Christmonat i8n-
Inhalts - Anzeige.
Begriff der Erziehung § i—12, Darstellung der Erziehung § 12—13. Erziehung in einem Staat § 19—23. Schulen § 29—44. AeußereBedingungen derVolksschnlc» § 45 — 66. 6ter Absch. Innere Einrichtung der Volksschu len § 67 — 79. 7ter Absch. Gegenstände der Volksschulen § 8» — 126, ist er Absatz. Sprachlehre §32—94. 2ter Absatz. Gesanglehre § 95 — 975tcr Absatz. Zahllchre §98 — 101. 4 t e r A b sa tz- Raumlehre § 102 — 103. Ster Absatz- Bildelehre § 104 —109,
ist er Ab sch. 2ter Ab sch. Zter Absch. 4ter Absch. Ster Absch.
X
6ter Absatz. Turnlehre § no — m.
7tcv Absatz. Erschcinungskunde § 115—117. 8ter Absatz- Vaterlandskunde § ng —119.
9ter Absatz. Volkslehre §120 — 121.
iotcv Absatz. Bestinunungslehre § 122—126. 8ter Absch. Verhältniß der Pestalozzischen Lehr artzu den Volksschulen § 127—155.
9ter Absch. Was kann jetzt der Preußische Staat für Volksschulen thun? § 156 — 141.
N a ch rede.
Deutsche Volksschulen. Erster Abschnitt. Begriff der
§)er Raum,
Erziehung.
§ r. worin der Mensch das Innere
zum Aeußeren gestaltet, bildet und schafft, ist uti, sre Erde. Durch sic ist des Menschen Erscheinen
bedingt, auf sie seine Kräfte gerichtet.
Sie selbst
ist ein Erscheinen der Gottheit in dieser besondern Gestalt; der Mensch ein Theil dieser Erscheinung, und zwar der Vorzüglichste,
derjenige, welcher
dem Sein am nächsten steht. Die ganze Sinnen,
weit, trennen wir sie vom Menschen, ist an sich nichts — ein Bewußtloses.
Nur durch ein Be
wußtsein, durch den Menschen ist sie etwas, ist sie ein Theil der gedachten Welt, göttlichen Erscheinung.
ein Theil der
Der Mensch kann aber
auch wiederum nicht gedacht werben ohne diese
12
SimMwelt, denn an ibu muß sich sein Bewußt, sein entwickeln; ohne sie Ware höchstens zu den, ken eine ruhende Kraft, wenn diese denkbar ist. Die Sinnenwelt als ein Bewußtes, und der Mensch als das Bewußtsein fordern sich gegensei, tig, verschlingen sich in einander, ausgehend und durchdrungen von Einem Leben, hinstrebend zu ihm, und bildend dasselbe. §.
2.
Daö Eine Urleben, was bas Bewußtsein, und durch dieses das Bewußte durchdringt, ist die Gott, Helt. Das Bewußtsein im Menschen Ist also nur das Erscheinen des Einen Bewußtseins — des eigentlichen Seins — der Gottheit. Die Gott, Helt ist kein ruhendes Sein, sondern ein thätiges ein sich entäußerndes — ein sich darstellendes.. Sle stellt sich dar — entäußert sich — erscheint in der Welt. Sie erscheint In keinem Sein, weil das Sei» nur Eins ist, sondern in einem De, wußtsein — im Menschen. Dieses Bewußtsein ent, wickelt sich, nach dem nothwendigen Gesetze aller Entwickelung, im Raume und in der Zett. L. 3Das Bewußtsein des Menschen hat den Trieb sich immer mehr Bewußtsein zu werden sich zu bilden und auszuhilden, denn das Göttliche
13
will und soll erscheinen. Das Bewußtsein ist also
kein abgeschlossenes, kein ruhendes, sondern ein
sich erzeugendes.
Der Mensch
ist daher bil
dungsfähig — bildsam.
§ 4. Der Mensch denkt natürlicher Weise als Mensch eine Sinnenwell außer sich.
Mit ihr steht er
in der genauesten Verbindung;
sie ist also der
Stoss und der Raum, in dem er sein Bewußt sein entwickeln muß.
Die Bildung des Men
schen beginnt also sinnlich mit der Sinnenwelt,
, und geht so allmählig über in ein immer größe, reö Bewußtsein.
Das worin und wovon sich der
Mensch bildet ist zunächst dse Sinnenwelt; oder
Sinnenwelt
die
ist
die Werkstatt
der
menschlichen Bildung.
§ 5-
Die Sinnenwelt ist ein Bewußtes.
Sie kann
also nicht selbst Bildnerin sein, sondern das Be
wußtsein muß es sein, und zwar das Bewußtsein, was sich bilden will, weil Freiheit und Wille die nothwendigen
sind.
Bedingungen
alles
Bildens
Jeder Mensch ist daher sein eigner
Bildner. §6. Da aber das Bewußtsein
in Einem Men,
schen nur ein Theil des Bewußtseins der Mensch,
Helt ist,
so hängt die Bildung der Einzelwesen
Don der Bildung der ganzen Menschheit ab. (i)
Friedrich Schlegel sagt in seinen
Anmerk. i.
„Vorlesungen über die neuere Geschichte, gehal, teil zu Wien im Jahr 1810. Wien, bei Schaum,
-bürg 1811./z Seile 545:
„Auf jeden, der ein,
mal in den Bezirk der Erkenntniß tritt,
wirkt,
wenn gleich ihm unbewußt, die ganze Vorwelt, und ein großer Theil der Mitwelt ein.
Keines
Menschen Geist ist je fähig gewesen, für sich -al, lein und abgesondert die Wahrheit zu ersinden! " Dies mögen die neuern Erzieher beherzigen! —
§ 7Die Menschheit, als ein allgemeiner Gedanke,
wirkt nicht geradezu ein auf die Bildung eines Einzelwesens,
sondern durch Einzelwesen,
jedes Handeln ein bestimmtes ist.
weil
Daher wir,
ken einzelne Menschen auf Menschen als Bildner ein;
nicht
unmittelbar,
weil jeder
Mensch sein eigner Bildner ist, sondern mittelbar. Der Mensch ist daher bildungsfähig;
seine Bildung beginnt sinnlich, wird von andern geleitet, bestimmt und bedingt, bleibt aber stets eigne Bildung. (2)
An merk. 2. Friedrich Ludwig Jahn sagt im „DeuischenVolkülhum,Lübeck beiNiemann ign" Seite 169; „Mit seiner Geburt ist der Menschen, säugling an die Welt geknüpft; — an die phy-
fische thierisch durch seine Bedürfnisse, an die sittliche geistig durch seine Rechte. Es ist sein Vorrecht zum Vernunstwesen erzogen zu werden. Für dies Erbgut ist die Gesellschaft, der durch Geburt er einverlerbt wird, sein Vormund."
§ 8Jede Einwirkung
eines Menschen auf die
Bildung anderer heißt Erziehung Im weitesten Sinne des Worts. — Erziehung kann nur ein Mensch dem Menschen geben.
Das Bewußte
kann das Bewußtsein nicht erziehen, das Gebun
dene kaun das Freie nicht lösen.
Schicksaale,
Begebenheiten können also nicht erziehen, sondern nur Stoff und Gelegenheit dazu geben.
Erzieh»
bar ist bloß der Mensch, denn nur er hat ein Bewußtsein.
Das Thier kann nur abgerlchtet
werden; und den Daum kann man eigentlich
nur ziehen.
§ 9Bildung ist die Selbstentwicklung des Gött lichen im Menschen, oder des Bewußtseins.
Er,
ztehung ist Beförderung dieser Selbstentwick lung.
Die Erziehung leistet also Verzicht darauf
aus dem Menschen alles zu machen, was ste will, oder alle Menschen in eine bestimmte Quetschform
zu passen, sondern sie achtet die Selbstständigkeit, Freiheit und Eigenthümlichkeit jedes Einzelne» (3).
Der Erzieher ist also nach Sokrates eine Heb,
amme, die das Kind geistig zur Welk befördert, aber nicht sein Schöpfer.
Anmerk. 3.
Paul Richter sagt in seiner Levan,
ne: „Die Erziehung muß ansforschen und hoch achten." und an einer andern Stelle: „Die feststehende Individualität ist der innere Sinn aller Sinne. Sie ist das an andern, worauf unser Vertrauen, 'Befreunden und Anfeinden
ruht. Wird in der Mittelnatur die Urkraft ge brochen, so bleibt ewige« Irre» in sich selber.
§
10.
Die Entwicklung des Menschen und der Mensch,
heil, ist sie gleich ein Werk der Freiheit, bleibt dessen ungeachtet, und wird gerade dadurch Dar,
steliung
der
Menschheit,
und
dadurch
Darstellung der Gottheit in der Mensch, hett.
"Jeder menschliche Geist strebt also nach
dem Einen Ziel, strebt mehr oder weniger, er,
reicht es früher oder später, ganz aber nle, weil jedes Einzelwesen bedingt ist.
§
n.
Alle Bestrebungen der Bildung, in sich Eins, zerspalten sich in folgende Hauptrichtungen: 1) Entweder sucht der Mensch das Wesen des Lebens zu ergründen,
sei'ü unmittelbar in dem
Begriff und in dem Wesen des Geistes, set'6 im
Leben, in den Thaten und Ansichten der Men,
scheu,
sch en,
sei's in den Erscheinungen der Sinnen,
weit.
Der Mensch sucht daö-Endliche im Un,
endlichen zu erkennen und zu verstehen.•
2) Oder er versucht seine Gedanken und Ideen
sie der Sin
außer sich anschaulich darzustellen,
nenwelt auszuprägen und
ihnen gleichsam
eine
sinnliche Wahrheit zu verschaffen, das Unendliche kleidend in endliche Gestalten! Der Mensch sucht
im Endlichen das Unendliche
nachzubilden und
zu bewahren.
3) Oder er ordnet sich und sein Bestreben im
Gefühle seiner Endlichkeit und Schwäche dem ewl,
gen Gange des Lebens unter, er unterwirft sich dem Allwaltendcn, macht sein Loos und alle Er,
eignisse der Welt abhängig von dem Ewigen, und erblickt in Allem,
was geschieht,
nur Offcnba,
rung der heiligen Nothwendigkeit,
durch welche
das zerrissene Leben Eins ist. Der Mensch schauet
im Endlichen das Unendliche an.
§
12.
Die Eine Bestrebung des Menschen, sich zur
Menschheit und dadurch zur Göttlichkeit zu bil den, zerspaltet sich also in diese drei Hauptrlchtun,
gen,
die
wir
kurz benennen Wissenschaft,
Kunst und Gottesfurcht
(Religion).
Die
Menschheit auf den höchsten Gipfel der Wissen
schaft, der Kunst und der Gottesfurcht zu brln[ - ]
iß
gen, ist Zweck des Erdenlebens. Jeden Einzel, ncn auf dieser großen Dahn so weit als möglich zu führen, ist Zweck der Erziehung. Sich selbst so viel als möglich nach allen drei Richtungen aus, zubtlde'n, ist . die erste Pflicht jedes Einzelne». Je mehr sich Jemand bildet, ein desto tüchtigeres Glied ist er in dem großen Freiwerke der Mensch, heil, und in dem hohen Dollkommnungsplane der Gottheit. Eine andere Erziehung als die zur Menschheit, sei ste Abrichtung, sei sie Beachtung, ist Verziehung und'Verteufelung; denn nur die wahre Erziehung ist Vergöttlichung.
Zweiter Abschnitt. Darstellung der Erziehung. § 15Xie Menschheit ist eine hohe allgemeine Idee, abgeleitet von der Gottheit und ihr am nächsten verwandt. Erziehen zur Menschheit ist der Hoch, sah der Erziehung; aber dieser ist als solcher all, gemein. Um die Erziehung in Leden und That zu verwandeln, muß ste näher bestimmt werden. § 14Die Menschheit wird dargestellt und erscheint
iß
gen, ist Zweck des Erdenlebens. Jeden Einzel, ncn auf dieser großen Dahn so weit als möglich zu führen, ist Zweck der Erziehung. Sich selbst so viel als möglich nach allen drei Richtungen aus, zubtlde'n, ist . die erste Pflicht jedes Einzelne». Je mehr sich Jemand bildet, ein desto tüchtigeres Glied ist er in dem großen Freiwerke der Mensch, heil, und in dem hohen Dollkommnungsplane der Gottheit. Eine andere Erziehung als die zur Menschheit, sei ste Abrichtung, sei sie Beachtung, ist Verziehung und'Verteufelung; denn nur die wahre Erziehung ist Vergöttlichung.
Zweiter Abschnitt. Darstellung der Erziehung. § 15Xie Menschheit ist eine hohe allgemeine Idee, abgeleitet von der Gottheit und ihr am nächsten verwandt. Erziehen zur Menschheit ist der Hoch, sah der Erziehung; aber dieser ist als solcher all, gemein. Um die Erziehung in Leden und That zu verwandeln, muß ste näher bestimmt werden. § 14Die Menschheit wird dargestellt und erscheint
19
in den Menschen. Ihre Erscheinungen können nicht gezählt, sondern nur gewogen werden. Zn dem Leben eines einzelnen Mannes tritt sie oft leuchtender und lichter hervor, als in den kvm, wenden Zahrtausendgeschichten ganzer Völker. Die Menschheit gestaltet sich, bedingt durch Zeit und Raum, in ihren Erscheinungen. In den Urzeiten der Lebensentwicklung auf unsrer Erde wurde sie sichtbar durch Ehe und Geschlechter. Die Ehe ist die Aufheber!»« der gänzlichen Thier, Helt und Anfacherinn deö göttlichen Lebens. Zn einzelnen Geschlechtern (Familien) und allmahlig in Geschlechtsstammen, die sich zu Völkerstämmen und Völkerschaften ausblldeken und vereinten, er, zeugte sich mählig und mählig die Menschlichkeit und ging über zur Menschheit. Die Völkerschaft ten breiteten sich mehr auseinander,' nahverwandte vereinten sich friedlich (4), yder mächtige unter, jochten andere (5); und so entstand ein Volk. Zedes Volk halte sein Eigenthümliches, so wie schon vorher jedes Geschlecht und jeder Stamm. Dieses Eigenthümliche, wie Sprache," Lebensart, Sitten und Gewohnheit, band die Einzelwesen dieses Volks an einander, und trennte sie von andern Völkern. Die Eigenthümlichkeit jedes Volks heißt sein Volksthnm. So waren also mehrere neben einander bestehende Volksthümer,
als Darsteller' der Menschheit. Elnrichturigen dem Volksthume gemäß entstanden allmählig, und aus dem Volke und in ihm wuchs der Staat empor» Anmcrk. 4.
So die Römer und Curcte», und
mehrere andere kleine Völker mit den Römern. Anmerk. 5. Tausend Beispiele liefert hierzu al, lei» Die Völkcrgcschichte Europens.
§
1.5-
Die Menschheit erscheint also hicnieden nie ab, gesondert und als eine reine Zdee, und kann auch so nicht erscheinen» Stets wird sie' durch Volksthümer vertreten und vorgestellt. Die Volksthümer sind aber keineswegcs ein Wiederkäuen der Menschheit, ein immer Wiederhollwerden derselben; sonst gleichen sie einem Schachbrette. So wie nie ein Mensch sich iviedcrkäuct und wie, Verlebt, nie zwei Doppelstücke in der Sinnenwelt erscheinen, so auch nicht zwei gleiche Volksthümer» In jedem Menschen erscheint die Menschheit im Kleinen, und so in jedem Vviköthume stets neu, nie vorher gesehen, nie nachher gesehen, so wie kein Pulsschlag der Zeit den andern wiederholt. Die Vokslhümer sind verschieden nicht allein in ihrer Art zu sein, sondern auch in dem Grade der Vollkommenheit. Einige gerielhen auf Zrr, wege jund verloren- in ihrer Volksthümerel die Menschheit. So die Chinesen und die Römer
zu einigen Zelten, Andere machten einen Sprung und wollten nicht In der Volksthümlichkeir die Menschheit darstellen, sondern In einer AllerweltS, licbelei. Dieser Frevel hat sich schrecklich gerächt, und wird sich stets rächen. Dasjenige Volks, thum steht am höchste», was den heiligen Begriff der Menschheit in sich ausgenommen har, mit einer äußerlichen Allseitigkeit sie sinnbildlich Im Kleinen vorblldet. Aber auch dasjenige Volk, des sen VolkSthum das vollkommenste Ist, soll durch, aus kein Musterbild für alles und jedes Volk werden, und kann es auch nicht. Zn Einem Volke kann sich der Adel der Menschheit nicht ein, zig aussprechen, sondern in allen mit allen. Je, des Volk soll seinen eignen Charakter haben, seine eigne Art zu sein, so wie jeder Mensch seinen eignen Charakter sich bildend erwerben soll, und so aus dem Eigengegebeiien selbst geschaffen her vorgehen (6). Anmerk. 6. Vergleiche: „Deutsche« VolkSthum von Friedrich Ludwig Zahn." Ihm verdanken wir das Wort und das nähere Begründen der Sache.
§ 16. Die Erziehung soll den Menschen zum Men, scheu für die Menschheit bilden. Die Menschheit
22
wird vertreten und dargestcllt durch Volksthümer. Die Volksthümer entstanden und bestehen durch Geschlechter. Soll also dle Erziehung in Leben und That übergehen, so muß ihr nächstes Ziel das Haus sein, das zweite der Staat, das letzte dle Menschheit. Diese Ziele stnd stch weder nachnoch vor, sondern lngeordnet. Wer zu einem tüchtigen Geschlechtsgllede gezogen wlrd, ist ein tüchtiger Staatsbürger (7), und tüchtige Staats, bürger stnd kernige Menschen. — Jede Erziehung muß und soll also vvlköthümltch sein; denn jeder soll und muß zu einem Volke gehören, wenn er ein Mensch sein will. Wer nicht zu einem Volke gehört, gehört zum Gestndel, das wie Fliegengeschmeiß und Zigeuner den Erd, boden überall bedeckt und befleckt, den Völkern zur Last, als Auüwprf der Menschheit.
An merk. ,7. Ein alter Weltweise sagt daher; „Derjenige Staat ist der glücklichste, der die meisten tüchtigen Familien zahlt." § i?-
Eine volkSthümliche Erziehung ist also keines, Weges eine beschränkte, sondern eine naturgemäße, und die allein echte und xechte (8); denn ihr letz, tes Ziel ist Darstellung der Menschheit, und zwar keiner eingebildeten und geträumten, sondern ei-
2Z
ner begründeten.
Der volksthümllchen Erziehung
bleibt also unerläßlich die Erziehung zum wahren Menschen, zu einem vernünftig denkenden, Mensch,
ltch fühlenden
und selbsthandelnden Wesen.
der volksrhümltchen Erziehung
In
die
ist enthalten
einträchtige Ausbildung des gesummten Menschen.
Sie ist Waffe und Wehr gegen
leibliche und
geistige
alle
Verkrüppelung
und jede
und
Ver,
zerrung.
An merk. 8.
Sprache man von Erziehung,
so
sollte man eigentlich nie an eine andere denken, als an eine volkstümliche, weil es keine andere
giebt, wenn man nicht Verziehung mit Erziehung vermengen will.
In unsern weltliebenden
(humanen) Zeiten schien man aber lange andrer Meinung zu sein. Von den Nachäffern des Phi, lanthropinismus ging dieser seichte Geist aus,
und
mit ihm manche
fade
Erzeugnisse
von
Schlaffheit,
manche holde Traume vom Schla,
raffenlande.
Niemeyer der größte Sammler
und Leser .in der Erziehungswissenschaft,' bauete
ein großes Gebäu für Erziehung als einen Tem, pel der Menschheit. Dem Ganzen fehlt der Grund, weil
nicht VolköthümlichkeiL berücksichtigt
Schwarz bauete fester.
ist.
Paul Richter warf
die herrlichsten Bruchstücke hin, und er ist der Vordermann einer kräftigen Erziehung.
Pesta,
lozzi aber sprach in seiner Gertrud und in dem Buche: „Wie Gertrud ihre Kinder
lehrt", klar und deutlich aus, wo man an/
fangen müsse;
daß alle hohen Erziehungüideen
nichts helfen, daß man nur solle Hand anlegen
und vorzüglich die bilden, denen es am nöthig/ ften sei.
Sein Blick ging nur auf die Schweiz,
und den Schweizern bot er seine Hand.
Alle
seine Ideen gingen über in That und Leben, und
fein ganzes
Streben
war
echt
volksthümlich.
Pestalozzi stand da als eine große Erscheinung
der Zeit, beinahe zu neu, um ganz gefaßt zu werden.
Er wurde fortgerissen in einem Stru/
del von Leben
und Thätigkeit;
fremde Ideen
wirkten auf ihn ein, wurden ihm angeredet und
untergelegt, so daß das erste Streben dem Scheine nach verloren ging. Bildung
Aus feiner volkstümlichen
macht Niederer eine
menschheitliche,
und so entstand eine Zeitschrift für Menschenbildung.
allgemeine
Der Zeitgeist, Manner von
verschiedenen Völkern, die dorthin wallfahrteten, die Lage der Anstalt u. s. w. beförderten Nie/
dereü Ideen.
Ans den klaren kernigen und werk/
lichen Erziehungssätzen Pestalozzis entstand ein
luftiges Erziehungsgebäude für Menschheit, auf geführt von Niederer, gekittet durch falsch ver standene Wissenschaft (Philosophie) und gehüllt
in dunklen Wolken von Worten.
Zur Bestäti
gung dessen, was ich behaupte, lese man Vieles
von Niederer
in der Wochenschrift für Men-
schenbildung.
Ium Glück ist Pestalozzis Werk wie es in feiner Anstalt dasteht, und Niederere Lehre nicht' Eins.
Während Niederer allgemeine Menschen
bildung lehrt, bilden werklichs Männer fchweit-
zerisch die Knaben. Die Pestalozzische Anstatt, ihre Lehrart und
ihr ganzes Wesen muß daher geschicktich aufge-
faßt werden, sonst taumelt man im Nebel und Schwebet.
Dann kann "man die Widersprüche
deuten, dann versteht man Joseph Schmid in
seiner Kraft und Lieblosigkeit; dann erkennt man
im Ganzen das Hohe und Erhabene; dann wird man nicht staunend loben, und auch nicht lä
chelnd verdammen.
§
*5-
Fassen wir die volksthümliche Bildung
noch
näher ins Ange, so erhält sie Grnndzügc, wo,
durch sie sich ganz von der Allerwelrsbildnerel schel,
det, und diese dadurch verdammt und verbannt.
Sie macht; i) Die Muttersprache zur Sprachmutter, wie
es Paul Richter in seiner Levana
ausdrückt.
Zhre Gegnerinn bildet aber Zwei, Drei- und Viel, züngler, vertilgt durch Sprachen den Sprachgeist, entzweiet die Denkform, spaltet das Gemüth und
die Handlungsweise. (9)
5
nicht in die Volksschulen
schicken will,
erklärt
dadurch, daß er nicht zum Volke gehören will; wer aber nicht zum Volke gehören will, gehört
zum Gesindel.
§ 55zue
neuer Volksschulen,
Znr Begründung
Verbesserung der alten, zur Zerstörung des Schlech ten in den Schulen, braucht man also keines, weges wichtige Gelder; (obgleich auch dies kein
Grund seyn sollte, das Alte beim Alten zu las
sen) sondern der Staat muß nur die Rechte, die er über Schulen hat, ausüben, er muß alle Prl,
vatanstalten
aufheben,
und
diejenigen,
die
so
lange das Privatschulwesen beförderten und er
hielten, dahin bringen, daß sie jetzt die öffent lichen Schulen begründen und erhalten; denn sie
sind ja die Gebildeten, sie müssen also vorgehen und vor thun, nicht bloß vornehmen.
In
dem Augenblick,aber,jwenn dieses Winkelschulwese» aufhört, müssen.schon tüchtige Volksschulen be,
gründet seyn, damit sich keiner mit dem Mangel
an Schulen entschuldigen kann.
§ 56. Eine wichtige Sache sind die Schulgebäude;
wichtig durch ihre Kosten, wichtig
durch
ihren
Zweck, weil in ihnen die Menschen den zehnten Theil des Lebens zubringen sollen.. Alte Klöster
C5 3
mit ihren dicken Mauern mochten recht gut seyn,
um
die Tugend
und Nonnen
dec Mönche
zu
sichern und zu schützen, oder besser, um ihre La, ster zu verbergen.
Die engen Feusterlöcher mögen
recht gut seyn, um den Dünst zu erhalten, und dadurch die Wärme zu vermehren; aber nur in Vtehstallen sollte man so rechnen, und darnach
bauen.
Eine gesunde Wohnung erhält einen ge,
sundett Leib, und in einem gesunden Leibe wohnt eine gesunde Seele.
Man
sollte
daher darauf
sehen, daß die Schulgebäude luftig und geräumig
wären.
Za wenn eö möglich lst, sollte man so
gar auf Schönheit des Gebäudes sehender Schönheitssinn kann Anschauung.
denn
sich nur bilden durch
Die Erhaltung der Schulgebäude
ist Sache der Schulverwaltung.
Von ihr müssen
jährlich Bestchtlger der Gebäude herum geschickt
werden, damit nicht das Haus verwahrloset, son dern Alles, zu rechter Zeit.gebauet werde, worauf
sehr viel ankonimt;
denn wlrd der kleine Scha
den größer, so wird er oft unheilbar.
Viel Geld
ist ans diese Weise an öffentlichen Gebäuden ver,
schwendet,
und dennoch
Durchschnitt in
wohnt ein Zeder
öffentlichen
Gebäuden
im
schlecht.
Die Kosten zur Aufrichtung solcher neuer Gebäude
und zur Verbesserung
der
Gemeinde aufbringen,
aber sie darf nicht bauen,
alten
muß stets
die'
wann sie will, denn dann geschieht eS oft erst,
wann der Schullehrer beinahe vor Regen und
Frost umkommt. Helt
jetzt
erbauen
Zur
Schande der
die
Größländerer
Mensch,
für
ihre
Schweine Palläste, für ihre Ochsen Schlösser,
während der Dorfschulmeister in einem Schwel, nekoben hauset.
Sollten sie nicht vor sich selbst
vergehen, wenn sie an den würdigen Rochüw auf
Rekan dächten?
§
57-
Zu einem jeden Schulgebäude gehört ein Hof
und ein verdecktes Schauer zu Spielen und kör
perlichen Uebungen;
denn die Schule muß und
soll nicht bloß ein geistiger Brürstall seyn (26). Wo möglich sey auch daneben ein Garten.
Dee
Dorfschullehrer muß auch etwas Land haben, sein Vieh,
und
überhaupt eine
Landwirthschaft iin
Kleinen; denn er ist auf dem Lande, er muß da«her auch ländlich seyn, um dem Landbebauer uud dessen Kindern näher zu
stehen, und um auch
hier ein Lehrer und Beispiel zu seyn (27).
den Städten ist es etwas Anders. diese Wirthschaft nicht seyn,
Zn
Zu groß darf
sonst wird sie oft
Hauptsache (28). Anmerk. 26.
In Holland gibt ea Spielschulen.
An merk. 27.
Eben
so ist es eine unglückliche
Idee, daß der Pfarrer soll ganz entlandert wer,
Bin.
Der Pfarrer muß mit seinen Bauern lei-
den und sich freuen,
und ihnen auch in der
Häuslichkeit ein Muster seyn.
An merk. Lg,
In einem. kleine» Städtchen um
weit Berlin, ist der sie Schullehrer der größte Ackerwirih der Stadt; aber für die Schule ist
er weniger als nichts.
§
58*
Sobald die Volksschullehrei stelle» .ihren Mann ernähren, so werden sich von selbst tüchtige Män
ner,
und vorzüglich die Gorresgelehrren,
ihrer
Bestimmung gemäß (29), diesem Fache widmen;
zumal sie sich keinem andern widmen können, in, dem
die Hof < und Winkelschulmeisterei aufge,
hoben l(t;
Der junge Eotteügelehrte wird seine
Zelt edler ausfüllen als Dorfschullehrer,
als auf
der faulen Hauslehrerbank, wo Alles hinarbeitet,
ihn zu verweichlichen, und ihn von seiner Bestim mung abzusühren-
Ueber die Ungebildetheit der
Dorfschullehrer ist sehr viel geklagt,
aber nicht
weniger sollte man klagen über die Elendigkeit
der -Stadtschullehrer.
Es
ist
diese in der Klage übersieht.
eigen,
daß man
Wenn ein Gottes
gelehrter, ein Mann / der sein, ganzes Selbst dec Volksbildung bestimmt, wenn dieser in Trägheit
und Erbärmlichkeit, im Kegel- und Kartenspielen sein Schullehrerlcben dahin dämmert, so ist dies
6g schändlich; bedauernswerth aber nur, wenn der
Dorfschullehrer seinen Rock macht und dabei buch« stabiren läßt,
um für eine Kuh freie Weide zn
haben, Laub Harken zu könne», und jährlich ei» Paar Scheffel Roggen zu bekommen.
Nicht also
allein die Dorfschullehrcr sollen besser gebildet wer« den, sondern ebenfalls die Stadrschullchrer, die so
genannten Rectoren, Conrectoren und Cantore».
An merk. 29.
Vergleiche „Thilo'« pädagogische
Bestimmung de« Geistlichen, al« Mesen seines Berufs. Franks, a. d. O. i8»o." — Eine Schrift,
die jeder Geistlicher lesen sollte! §
59-
ES wäre wünschenewerth, daß beinahe alle Volksschullehrer Gotteegelehrte wären, und man könnte es durch folgende Einrichtung dahin brtn«
gen,
und zugleich dem Hauslehrerwesen und der
Winkelschulmeisterei Einhalt thun.
Zst das Ge,
setz gegeben, daß Keiner Prediger werden kann,
der nicht an einer Volksschule oder sonst an einer andern öffentlichen Schule gearbeitet hat, so ziehe
man die Predigerstellen zusammen (30).
Zn je
dem Kirchspiele muß dann ein junger GotteSgelehrter seyn, der dem Prediger an die Hand geht,
und vorzüglich
das Schulwesen
betreibt, wozu
aber der Prediger auch selbst verpflichtet ist. Beide
müssen daher nicht in Einem Dorfe wohnen; son-
7o
dem dem Schullehrer kann sein Sitz angewiesen werden auf
einer großen Länderet,
eine Wohnstube übrig Ist.
wo
immer
Verhelrathen muß er
So entstünden also zwei Schm
sich nicht können.
len in einem Kirchspiele: in der einen unterrichtete
der Prediger, in der andern der Volkeschullehrer.. Diese Schulen waren hinlänglich.
Noch besser
ist es, wenn die Dörfer so nahe zusammen lte/
gen, daß Eine Schule für alle hinreicht. Daß die Kinder über Land dahin gehen müssen,
schadet
ihnen nichts, sondern ist ihnen heilsam; sie kön nen vorher essen und sich eine Kleinigkeit mirbrln, gen.
damit man
Dies nur,
nicht glaubt,
es
wäre nicht ausführbar.
An merk. 30.
Das Zusammenziehen der Predü
gerstellen wird schon an und für sich jetzt eine nothwendige Sache,, da beinahe die meisten Prediger Nahrungssorgen haben,
Vorfahren Schatze häuften.
statt daß
ihre
Keiner, der Willen,
Muth und Kraft hat etwas zu thun, will jetzt Prediger werden.
Auch ist es gar nicht nöthig,
daß alle 8 Tage in jedem Dorfe gepredigt wird. Auf das viele Predigen kommt wenig an; Ueber/ füllung schadet immer.
Wer alle Sonntage in
die Kirche geht, dem wird die Sache zur Ge
wohnheit.
.
§
60.
Da aber noch immer mehr Volksschullehrer
-
erstarke» lasse, damit er sich selbst zu seiner Zeit der Menschheit weihe, wollen wir nochmals wiederholen.^
§ 6g. Auch die größer» müssen nicht zuviele Stun, den haben» Das Zuviele schadet nirgends mehr, als hier. Wenn Kinder von 8 bis i und von 2 bis 6 Stunden haben, so ist dies eine wahre Geistesnudelei. Wenn eine Gans genudelt wird, so ist das Fletsch ungesund; dasselbe gilt vom Geiste. Wenn die Schule naturgemäß eingertch, tel wird, so muß Geistesbildung mit Leibesübung abwechsel». Zeder weiß, daß der Geist am auf, gelegtesten ist, wenn der Körper sich abgearbeitet hat; zwar muß es nicht bis zur' Abspannung kommen. Das Tabakerauchen und Schnupfen werden ja dazu gebraucht, daß man dem Leibe einen Spielraum giebt, um mit dem Geiste in Äuhe arbeiten zu können. Viele Gelehrte sind daher nicht im Stande ohne Pfeife und Schnnpftabacksdofe, ja ein Rechtsgelehrter ohne feinen Bindfaden, etwas zu machen» Es ist Zeit, daß wir als Erdensöhne auch unsern irdischen Leib achten lechen; denn wir haben ja jetzt klar gesehen/ daß alle hohe Geistesverfeinerung nichts ' hilft ohne einen ausgebildeten Leib. Ein geüb, ter Leib ist eine zehnmal bessere Stütze für die Tugend,
8i
Tugend,
als alle gepredigten Dewegungsgründe.
Wird der Körper geübt, so gehorcht er fretwiliig
dem Geiste (34).
Jnfibulation
Gegen die geheimen Sünden
nur dies
gibt es
der Kindheit, ist
nur
Eine
Mittel.
bei Grundverdorbenen
zu
gebrauchen; sie allgemein etnführen wollen, wie man
es einem
angesehenen
Erzieher
nachsagt,
heißt die Menschheit schänden» Anmerk. 54.
Schultheß. sagt, in
der Schrift:
„ genauere Einsicht der neuesten Versuche einer bessern Erziehung
und Bildung
Zürich 1810.z/ S. 161
und 162.
der Jugend.
„Man
lehre
immer das Volk: Sunde ist alles, was Gottes Willen zu wider ist!
Gottes Wille muß in sei
nem Innern, in seinem Gewissen, sich bestimmt und hochgebietend auösprechen, und hierzu das
Gewissen erweckt, in schneller, richtiger, starker, bleibender Empssndung dessen, was recht und
wahrhaft gut ist, geübt werden.
Das Kind schon
muss durch Aufmerksamkeit auf fein eigenes Ver
halten
und
derer,
die es zunächst
umgeben,
durch die Anschauung moralischer Gegenstände
in der Erfahrung und Geschichte moralisches Ge fühl erhalten! — Jedoch, wenn
ein
Mensch
schon Gefühle hat, wenn ihm aber die Muskel
kraft'fehlt, so wird ihm gleich wohl alle Thä
tigkeit unmöglich
seyn.
So kann ein Mensch
mir einem noch so feinem moralischen Gefühle, '[ 6 ]
82
das Gute lieben tinb bewundern, mit der bered/ testen Zunge selbst bekennen und^ andern anprei/ sc», aber aus Mangel an Kraft wird er eher das Gegentheil, als das Gute thun." § 6y. Die Volksschulen müssen den Sommer und Winter hindurch gehalten werden. Dle Entschuld digungen auf den Dörfern, daß es im Sommer nicht gehe, fallen dann'ganz weg, wann Folgendes, wie jetzt geschieht, erst ganz ausgeführt wird. 1) Wenn der Dauer ganz frei-ist, und nicht mehr eines Andern Sklave. Hat der Dauer seine eigene Wirthschaft nur zu besorgen, so braucht er die kleinen Kinder dazu nicht-. 2) Wenn erst die Landertheilung allgemein durchgeführt ist. Hat Zeder sein eigenes Land, und wohnt er auf diesem, so kann er seine Weide elnhegen, oder die Stallfütternng einführen. Aus diesen beiden Einrichtungen wovon die eine eben so gerecht als die andere nützlich ist, kann viel Ersprießliches für die ganze Volksbildung hervor, gehen. Der Landmann kommt dadurch in einen bessern Wohlstand, und nur erst dann, wann der Mensch von drückenden Nahrungssorgen frei ist, richtet er seinen Dlick auf etwas Höheres. Nur Kraftgeister machen hiervon eine Ausnahme; so wie auch bisweilen auf schlechtem Boden ein
85
guter Baum wachst; aber die Ausnahmen gelten
nicht für die Regel.
In
Städten ist die Sache schlimmer,
den
aber ebenfalls weit mehr übersehen als auf dem Lande, weil man vor
nicht sah.
dem Walde die Baume
Die armern
Leute in
den
kleinen
Städten können weit weniger ihre Kinder ernäh
ren als
die Dorfbewohner; deshalb vermiethen
sie dieselben gewöhnlich auf den Sommer.
Hier
muß man durch Freischulen, Ertheilung der Schul bücher, und wo möglich, auch durch Ertheilung
der Kost zu Hülfe kommen. Willen einer Srcidtgemeinde,
Bet
einem guten
und von ihr sollte
man doch diesen verlangen können, ist dies nicht
unausführbar. gen,
daß
So muß man es also dahin brln,
nur Krankheit
Schulbesuch abhält.
von dem
die Kinder
Lange Reisen mit den Eltern
sollte man Kindern nicht erlauben; sie bekommen verwirrte Anschauungen
und
Begriffe,
ihnen die Reise mehr schädlich als
so
daß
nützlich ist.
Wenn ich einen fortwährenden Schulbesuch fordere, so will ich ketuesweges dadurch Freizeiten verdam
men.
Unser ganzes Leben ist kein gerader in eins
fortlaufender, sondern ein oft gekrümmter, ein, geschnittener und gebogener Strich.
Auch schon
im kindlichen Leben müssen Abwechslungen vor, kommen.
Es muß das Kind auf bestimmte Tage
84
hoffen,
ünb sich freuen.
Freizeiten
sind
daher
nützlich; wer sie nicht will, kennt bad Leven nicht.
wird
Lcbeneetnschnitte
Durch
neue
Lebenskraft
gewonnen, das alte Getriebe noch einmal unter/ sucht, und für das neue ein neuer Plan entwor,
fen, und ein neuer Vorsatz gefaßt. der der Gottesfurcht wußten dies.
derer-der Schöpfung tragt sogar
Herrgott über.
unsern arbeiten
und
Der Schll-
die Ruhe auf
„Sechs Tage
am yten ruhen!"
Erwachsene, und dennoch
schulen für Kinder.
Alle Begrün,
sollt du
Dies gilt für
will man Sonntags,
Die Schule soll kein Spiel
seyn, sondern eine Arbeit, und wie andere sonn' tägliche Arbeiten untersagt sind, so muß cd auch mit der Schule seyn.
Auch ein Mittwoch und
ist gar . nicht schädlich^
Sonnabend Nachmittag
sondern nützlich den Lehrern und Lernern.
Bet
schönem Wetter sollte der Lehrer bisweilen
mit
seinen Schülern ins Freie gehen,'hier aufmerk-
sam ans die Natur machen, damit die Kinder Auch kleine Nelsen mit
Anschauungen bekommen.
dem Lehrer haben einen doppelten Nutzen; nehm lich,
als
Körperstarkung
Anschauung.
und
Erweiterung
der
In den heißen Sommer, Nachmit,
tagen sollte man ebenfalls die Kinder nicht quä len; aber
keinesweges
bestimmte Hundstagszeit
als Freizeit festsetzen, und sie halten, auch wenn
es die Zeit übet regnet. Man muß es dem Pflichtgefühle des Lehrers überlassen, die Freizei ten zu bestimmen. Die Festtage brauchen eben falls keine langen Freischwänze zu haben; sondern dafür setze man auf dem Lande fest, daß 6 Wochen als Erntefrei gegeben werden. Diese 6 Wochen brauchen nicht hinter einander zu seyn, sondern diese Zeit muß nach örtlichen Verhältnissen so ge theilt 'werden, daß auch die Kinder wirklich an der Ernte Theil nehmen. In der Stadt muß es dem Lehrer erlaubt seyn, jährlich 3 Wochen hinter einander auszusetzen, und die Zeit selbst zu bestimmen, nur darf sie nicht in eine schlechte Jahreszeit fallen, wo sie auch beiden nicht viel hilft.
§ 7RIst nur Ein Lehrer an einer Volksschule, welcher Fall doch der häufigste lst, so muß er die große Kunst verstehen, viele Kinder und zwar von verschiedenen Fähigkeiten, und von unglei chem Alter zu beschäftigen. Diese Kunst wird ganz übersehen von den feinen menschheitliche» Erziehern. Diese glauben nur auöerwahlte Kna ben gebrauchen zu können. Aus einer Anzahl von 30 wählen sie 9; die übrigen sind unfähig. O, arme Menschheit! Wie viele Mißgeburten hast du! Diese 9 müssen nun gleich den Strang
fortziehen; geht dieses nicht, so geht auch ihr ganzes Wesen nicht. Auf dieses Kühren und Kiesen müssen dieVolköschullehrer gänzlich Verzicht thun. Der Volksschullehrer hat oft ioo Kinder, und nach dieser gegebenen Bedingung muß er wirken. Und darin btsteht der Werth des Leh, ms, daß er die gegebenen Bedingungen richtig tn's Auge faßt, und darnach seinen Weg ein, schlage Der Knoten muß gelöset und nicht zer, hauen werden. Das erste, um viele Kinder zu beschäftigen, ist, daß der Lehrer seine Schüler in gewisse Abtheilungen bringt, ziemlich gleiche zusammen stellt, und so strebt, sie alle vorwärts zu bringen. Diese Abtheilungen müssen keine Einschnitte auf eine bestimmte Zeit sein, .denn das Lernen der Kinder gleicht keinem fortlaufen den Striche- sondern es kommt oft stoßweise, wie der Wuchs eines Baumes, oder wie die kreuzende Fahrt eines Schiffers. Daher müssen die Kinder zu jeder Zeit von einer Abtheilung in die andere kommen können, rückwärts und vorwärts. Von. den Abtheilungen unterscheiden sich die Ordnungen (Classen). Diese sind des, halb um verschiedene Gegenstände, In einer Stunde behandeln zu können. Freilich ist dies Geschäft ermüdend, aber auch belohnend; nur müssen solche Gegenstände zusammen gebracht werden, die zu,
stimmen passen. Das Wichtigste für einen solchen Lehrer, der allein steht unter so vielen Kindern, ist Zuziehung von Unterlehrern, kelnesweges aber von Unteraufsehern; denn dies ist eine Vorübung zur Verratherei, zu Lug und Trug, oder zum wenigsten zur Klatscherei und Wascherei. Sehr viel leistete hierin Lankaster (zs). So verwerf lich seine Beinhölzer und Armhölzer, seine blei ernen Kronen, seine Orden und Bilder, seine Aufseherei und dergl. mehr ist, so löblich die Einrichtung, daß die altern Schüler, Lchrschüler werden. Zeller soll dies nachgeahmt haben, lei, der aber auch die Aufseherei. Es ist eine große Freude, wenn die Kinder sich wechselseitig unter, richten, e6 bindet sie das Band der Liebe dann noch näher zusammen; nur muß niemals der Lehrschüler als ein polizeilicher Obermann dem Kleinen .dastehen, sonst hat er mehr Furcht vor ihm, als vor dem eigentlichen Lehrer. Auch bet körperlichen Uebungen ist solches wechselseitiges Belehren ganz anwendbar. An merk. 55. Mau vergleiche den Schulmeister unter 1000 Kindern, aus dem Engl. übersetzt von Natorp. § 71Sind in eineu Anstalt mehrere Lehrer, was immer vorzuitehen ist, weil dadurch gleichere KIn,
88 der zusammen kommen, so ist das Zuziehen von Lehrschülern auch noch immer nützlich und. an,> wendbar, nur braucht es nicht so wett ausge dehnt zu werden." Verwerflich ist es aber, daß jeder Lehrer seine besondere Ordnung (Classe) hat. Besser, wenn die Lehrer sich in die Facher theilen. Eben so verwerflich ist es, die Kinder nach Einem Gegenstände auch in den übrigen zu versetzen. Will man aber dies, so muß in einer Volksschule die deutsche Sprache dieser Rtchtge, genstand seyn, keinecweges aber das Rechnen, wie dies in mancher neuen Anstalt den Schein hatte.
§ 72» Das Sitzen nach einer bestimmten Reihens folge ist durchaus beizubedalten, schon um der Ordnung willen. Monatlich kann diese Reihen folge geändert werden) auch in gewissen Fallen täglich; nur entstehe daraus kein sogenanntes Certiren, was das Lernen in eine Platzjagd verwanbeit, wo der Lehrer als Oberhetzer erscheint. Diese fortwährende Geistesstachelei ist ein immerwäh rendes Prickeln mit Nadeln, ein tmmerwähren, der Retz, voraus Ueberreiz und Erschlaffung ent steht. Monatlich geht. dies, und nun soll der Schüler den Monat hindurch streben, und sich selbst spornen, um seinen Platz zu behaupten, ,
§ 73. Die Fortschritte sind ettvnd Acußecliches, und nur dadurch kann Veräußere Platz bestimmt werden.
E6 verfielen einige auf den Gedanken, den Plah-
durch den innern Fleiß und durch die Aufführung bestimmen zu lassen; dies lst aber
falsch.
Die
Kinder können den innern Fleiß und dle Anstren
gung nicht anschauen, wenn er nicht durch seine Folgen als Fortschritte erscheint; und wenn eine Reihenfolge lst,
so muß der Schüler sie auch
messen können.
Ja, ich würde Vorschlägen, daß
die Schüler monatlich selbst die Plätze bestimmten, und nach der Mehrzahl ipürde versetzt.
Die Auf,
sührung mit einem Platze belohnen wollen, heißt sie entwürdigen.
Durch sie bekommt der Schüler
einen Platz in dem Herzen des Lehrers, und das
ist genug.
Weil es in den Stunden der Gottes,
furcht, wie sie in Volksschulen seyn sollen, kei
nen eigentlichen Fleiß gibt,
so ist auch hier an
keine Reihenfolge zu denken; Jeder seht sich, wo, hin er kommt.
§
74-
Daß Mägdchett und Knaben in den meisten Stunden zusammen sind, versteht sich von selbst. In einigen Stunden müssen sie aber, wenn sie
größer sind, getrennt werden, da der Mägdchen/
beruf anders lst, als der der Knaben.
Herrlich
und
Bossir, Kunst) und in die Flachbildeknnst (Zei, chen, und Malkunst).
Beide sind nahe verr
wandt, und wandeln auch oft Hand in Hand.
§
K' j.
Daß jeder Mensch (m gewissen Sinne Anlage
zur Kunst habe, wird wohl Keiner leugnen.
Die
Bildung des Kunstsinnes gehört ebenfalls in ble.
Volksschulen, nicht, um große Künstler zu zie, hen,
sondern
um
Daß das Zeichnen
den Kunstsinn
zu
wecken.
ein Gegenstand des frühern
Unterrichts sey, und zwar des allerfrühesten, dies
*3* haben die neuern Erzieher bewiesen; und zwar
werkltch durch das, was ihre Schüler darin ge,
leistet haben.
Ich füge eine andere Kunst hinzu,
nämlich die, den Raum zu gestalten, oder die
Nundbildekunst, dle eben so einfach betrieben wer den kann, aiö das Zeichnen, und um so wichti, ger erscheint, da bei so vielen Menschen das Le, ben ein Bilden
der Dlnge ist.
Das, Zeichnen
muß schon bis zu einer gewissen Stufe entwickelt seyn, ehe die Rundblldekunst beginnt. §
106.
Das Zeichnen muß mit Strichen, und zwar mit geraden beginnen.
Sind die Kinder zur Fer
tigkeit, so folgen Winkel nach ihren Bestimmung gen; dann die sieben Dreiecke, deren genaue Zetch,
nung schon keinen ungeübten, Schüler vorauösetzt. Nun lasse man alle möglichen Aneinandersetzungen
zweier gleicher Dreiecke aufftnden, wodurch man von selbst auf dle Vierecke kommt und auf den
Gleichlauf.
Hat man die Vierecke erschöpft, so
lasse man aus drei Rauten oder besser aus sechs
gleichseltigen Dreiecken
ein Sechseck zusammen
stellen. Vom Sechsecke geht es zum Achteck, zum Kreise,
zur
Erdbahn (Eltpse),
zum Schneckenstrich u. s. w.
zum
Eirund,
Alle mannigfaltigen
Verbindungen und Zusammenstellungen hier an zudeuten, erfordert zu viel Raum,
Zst die Hand
IZ2
durch diese lückenlose Reihenfolge zur Fertigkeit
gebracht, und weiß das Kind stets, was es thut, und wie eins aus dem andern folgt, so übe man
noch vorzüglich das
Augenmaaß durch Vergrö,
ßern und Verkleinern der Striche, der Winkel und selbst der Flächen nach gewissen Bedingun,
gen, und durch Eintheilen derselben, sowohl der
krummen als der geraden Striche.
Freies Zu»
sammenstellen aller möglichen Striche zu einem
Bildtverk in einem gegebenen Umriß entwickelt den freithätigen erfinderischen Dildestnn, der von
guter Hand geleitet die Schönheit in seiner noth wendigen Begleitung hat-
§
107.
So weit gehört der Zeichenunterricht in die Volksschulen.
Wer so weit gekommen ist, kann
jedes Gezeichnete nachmachen.
Das Malen und
das sogenannte perspektivische Zeichnen gehören nicht hierher. nannte,
Daö, was man-sonst Zeichnen
nämlich das Nachmachen von ^Köpfen,
Blumen, Landschaften und dergleichen ist durch aus nicht bildend, und daher verwerflich.
Wer
auf eine schaffende Weise zeichnen lernte, kann dies von selbst.
Freilich haben -wir auch zu die,
fern Unterrichte noch keine Anleitung. Schmtd'ö Zelchenlehre ist
Joseph
ohne Geschmack und
Sinn für Schönheit, daher nie Schönheit erzeu-
155 gend.
Peter Schmidts Schrift, mit allen Peter
Schmidtschen Heimlichkeiten, ist kaum des Erwäh,
nens werth.
Es,ist Schade, daß der Mann, der der eigentlich Pestalozzi
hierin so viel geleistet,
daß dieser hierüber noch
am besten verstanden,
Gäbe er etwas über
nichts heransgegeben hat.
das Zeichne», die
über
die Raumlehre
Erfcheinungskunde heraus,
und
über
so- würde man
was eln Mann vom Fache leisten kann;
sehen,
und viele elenden Machwerke, die das Pestalozzische Lehrqesetz frech an der Stirn, tragen, würden wie Seifenblasen zerplatzen.
■S 108Der beste Zeichcnstoss ist die Schiefertafel, spä
terhin
das Schieferpapter,
Retsblci, Kreide und Feder.
zuletzt
Papler mlt
Solche Stoffe sind
wohlfeil, und der Lehrer ist mit keinen Vorzeichnungen geplagt,
und- kann dessenungeachtet eine
Menge Kinder und zwar von sehr vorschiedenen Fortschrltten beschäftigen.
Ein Winkelmaaß und
einen Paffer (Zirkel) muß er aber stets zur Hand
haben,
um die Kinder von ihren Fehlern zu
überzeugen.
§ 109. Die Rundbildekunst fängt an mit der Ver
fertigung
von 'Flächen, setzt digse zu einfachen
und endlich zu mehrfachen und unregelmäßige»
Körpern zusammen. chen Masse
Man kann sich einer roeb
dazu bedienen,
auch, Pappe und
Holz. 'Die Werkzeuge müssen "aus dem Schul, schätz angeschast werden.
Das eine Kind würde
sich bald in diesem, das andere in jenem auszeich, nen.
Hier ist ein herrliches Feld, wo die Kinder
ihre Erfindungskraft zeigen können.
Sechster Absatz. T u r n l e h r e.
§ 67. Unsre Sprache ist so reich und so bildsam, daß, wenn wir auch noch einmal so viele Begriffe 6t, kommen, als wir jetzt haben, wir nie in Verle,
genheit zu seyn brauchen, um die Bezeichnung.
Friedrich Ludwig Jahn hat das vortreffliche Wort Turnkunst für Gymnastik nicht allein geprägt,
sondern auch durch ihre merkliche Ausübung in
Umlauf gebracht.
Gymnastik treiben wir Deutsche
nicht, und sollen sie auch in unserm Himmelsstriche
nicht treiben. Das Nackte verabscheut der Deutsche. Dies beweist die Geschichte im Würtembergischen, wo man die nackte Venus mit Pech beschmierte
und zermeiffelte, mit der Behauptung, daß ja
kein niedriges Hurenmensch so erscheinen dürste.
Die Künste müssen überhaupt volkSthümlicher wer, den, wenn sie zum ganzen Getriebe des Volks lebens, zu seiner Verschönerung und Veredelung
etwas beitragen wollen.
Unsere Bildhauerkunst
hat sich griechisch, unsre Tonkunst italiänisch ver,
buhlt, und es ist deshalb keln Wunder, wenn
man behauptet,
daß die Künstler keinen Volks,
thümlichen Sinn haben, sondern solche AllerweltS, Menschen sind.
§
i'n.
Von Jahr zu Jahr fühlt man doch immer
mehr Das Bedürfniß
der Turnkünst, und nur
eine verschrobene Erzleherinn, wie Betty Gleim,
kann in ihrer Erziehungslehre behaupten,
daß
jetzt zu viele Leibesübungen getrieben würden (po).
Eutümuth's und Vielh's herrliche Werke liegen
schon langst da vor den Augen der deutschen Welt.
Jahns Anstalt in Berlin zog die Aufmerksam, feit der ganzen Stadt auf sich. — Einzelne Kraft,
Menschen haben
also viel hierin
geleistet.
Die
Sache zu verallgemeinen; dazu reichen leider die
Kräfte Einzelner nicht hin.
Von
selbst macht
sich nichts, wer das auespricht, spricht nur seinen
Willen aus, nichts zu machen;, Alles muß gemacht
werden.
Es wäre leicht, sehr leicht, die Turn,
kunst überall etnzusühren, und ist jetzt über Alles
wichtig, uln das Volk zu kräftigen und
zu stär
ken, damit es sich aus der Willenlosigkeit wieder aufraffe.
Freilich eine Rührkunst (51),
der Pestalozzischen Wochenschrift Proben sind,
wird
zu
nichts
wie in
davon
führen; man möchte sie
denn als eine Arzenei gebrauchen für Körper, die durch Trägheit
Verziehung
und
schon versteift
sind, um sie wieder in den. natürlichen Zustand zu bringen. — Die Turnkunst
Ziel,
als
die
hat
ein höheres
englischen Bereiterkünste; sie
ist
die Vorschule der Wehr tun st.
An merk. 50»
Thilo
sagt in seiner „pädagogi
schen Bestimmung des Geistlichen."
Seite 161,
„Die offenbar schwache Seite der heutigen Erzie
hung ist, wie bekannt, die körperliche Bildung. Den allgemeinen, Grund ihrer Vernachlässigung
finde ich in dem Geiste der neuen Welt, die ent weder einseitig in daü Innere gekehrt, in Ideen
und Gefühlen lebt, oder in dem Aeußern nur die augenblickliche Befriedigung des Bedürfnisses,
des Vergnügens oder der Eitelkeit sucht." Anmerk. 51.
Diese wurde zufälliger Weise von
dem Prediger Wiesaud, einem sehr tüchtigen Er, Sicher und kernigen Manne erfunden und durch Niederer pestalozzisch geprägt."
Die Zweige der
Turnkunst hier anzugeben,
wäre überflüssig, da, wenn nur das erst ausge,
führt ist, was In GutSmuths sieht, schon genug
geschehen Isi.
Ich würde Einiges sogar In Guts-
muths Gymnastik
außstreichcn,
wenn es eine
Turnkunst fürs Volk werden soll, z. B. die zu künstlichen Uebungen mit dem Reifen und Seil.'
Vielleicht haben wir bald eine Anleitung zur Turn» fünft für das Volk zu" erwarten.
Zur Einfüh
rung und Vervollkommnung der Turnkunst könnte
Mali jetzt Folgendes thun:
1) tüchtige Hauptleute
und Unterhauptleute,
(Offiziere und Unteroffiziere) in Städte und Dörfer schicken, um die Jünglinge im Ge, brauche der Waffen, und überhaupt im Kriegs
dienste zu üben, und zwar alle Jünglinge ohne
Ausnahme, wenn nicht Kränklichkeit sie da
von abhielte.
Dies würde die Jugend etwas
erwecken; 2) müssen Volksfeste festgesetzt werden, worin
der Tüchtigste in dieser oder jener Uebung
einen Preis, davon trägt ($2).
Mit Schlitt
schuhlaufen ist es in Dänemark, und wenn
ich nicht irre, in Holland noch so; 3) in alle Schulen , vorzüglich in die Hoch,
schulen und in die Lehrerschnlen ist sogleich die Turnkunst etnzuführen, damit von hier aus sie sich verbreite;
4) man lasse Turnlehrer reisen, nm in dieser
oder jener Stadt, und wo nur möglich, diese Uebungen einzurichten. $) Man trage es Jemanden auf, ein kleines Werk, was Allen verständlich ist,
als eine
merkliche Anleitung zu schreiben, und «ertheile davon Abdrücke in alle» Gemeinden. A n m e r k. 52.
Ueber die Volksfeste vergleiche mail
Ludene Staalswcisheit.
Siebenter Absatz. Erschetnungükun de,
§)er Mensch
§ “5denkt nothwendiger Weise eine
Sinnenwelt außer sich.
Die Stnnenwelt ist das
Erscheinen. der Gottheit,
der Mensch
ein Theil dieser Erscheinung.
ist selbst
Er steht als solcher
mit den Erscheinungen außer ihm in der genaue, sten, in einer nothwendigen Verbindung,
ganze Handeln
Das
ist ein Etnwirken mit Freiheit
auf diese Erscheinungswelt, ein anderes Gestalten derselben; die, Kenntniß dieser Erscheinungen ist
also nothwendig. .Die Kenntniß aller Erschetnun, gen
übersteigt
die
menschliche Wissen.
menschliche Kraft
und das
Die nächste Erscheinung ist
dem Menschen die, wozu er selbst gehört, näm,
lich unsre Erde. — Die Kenntniß ihrer Gestalt und Beschaffenheit oder die Erdkunde gehört
daher mit zur Menschenbildung und also zur Volke,
btldung.
Der Mensch beschäftigt sich nicht bloß
Mit der Erde im Allgemeinen, sondern auch mit
ihren Bestandtheilen den — Minern. Ihre Kunde heißt Minerkunde.' Die Erde ist umgeben und
durchströmt von verschiedenartigen Stoffen, welche
die Quellen des Lebens sind.
Eine Kunde dieser
Stosse — Stoffkunde (Athmoöpharognosie) wird daher ebenfalls
nothwendig.
Die Stoffe
der Erde sind keine todte, sonder» erzeugende und
erzeugte.
Ein Leben durchdringt sie und erscheint
vorzüglich Jedem sichtbar in der Pflanzenwelt. Ihre Kenntniß ist Pflanzenkunde (Botanik).
Das Leben der Erde steigt noch höher, entwickelt
aus sich die Thierwelt. kunde (Zoologie).
Ihre Kunde ist Thier
Alles dieses zusammen nenne
ich die Erscheinungökunde. — Der Mensch will aber nicht bloß die Erscheinungen auffaffen,
nein er sucht auch in ihre Gesetze elnzudringen, und die Lehre dieser Gesetze wäre Erscheinung s,
lehre, oder allgemeine Naturlehre. Es wird viel Zeit erfordert, um nur das von der Erscheinungökunde zu wissen, was schon aus, geforscht ist.
Jahrtausende haben daran gearbet-
14®
tet, um dies zu suchen; und dennoch Ist nur der
kleinste Theil entdeckt, der größere ist noch- eln unbekanntes Feld.
Keiner wird also je behaupten
wollen, daß diese Kunde in ihrem ganzen Um, fange Gegenstand der Volksschulen werden soll.
Nein,.nur von dem kann die Rede.sein, was zunächst und klar erforscht ist.
Die ganze Kunde
und Lehre ist eine der wichtigsten Gegenstände der Mark, und der Hochschulen.
§
114-
So wie bis jetzt die Erscheinungskunde und Lehre getrieben wurden, so waren sie ein Gräuel.
Die Erscheinung kann nur an der Erscheinung, und durch sie erkannt werden.
Durch die bloße
Wortlehre (Philologie) geleitet,
glaubte man,
daß auch hier das Wort,genüge.
Erdkunde trieb
man ohne Karten, Thier- Pflanzen, und Miner
kunde ohne Anschauungsmittel, und Naturlehre ohne Versuche. als das Wie,
Das Was war eben so elend
Statt der eigentlichen " Erdkunde
trug man willkührliche Ländervertheilungen vor, die mit jedem Jahre, zumal in unsern wandeln-
den Zeiten und Staaten sich ändern.
An einen
Plan war gar nicht zu denken, man möchte denn, bas für einen Plan halten, daß man Europa
mit Porkugall anfing, und mit Rußland endigte. In der Thierkunde blühte Funkens Handbuch,
*4l an die Pflanzenkunde wurde beinahe gar nicht
gedacht; von Steinen oft viel gesprochen, zumal von den Edelsteinen, aber daß man sie sah, das
war nicht nöthig, schine und
Die Luftpumpe, Elektrisirma-
bergt wurden genau auseinanderge/
seht nach Nikolais Beschreibung. man
keine.
Es
war
Sehen brauchte
auch unmöglich bet
der
Dürftigkeit der Volksschulen, bei ihrer schlechten Verfassung, und
bet
der Vtelheit der Winkeln
und Haueschulen. — Basedow, Salzmann, ihre
Nachfolger, hierin mehr,
Nachtreter
und
und
Nachkneter thaten
brachen einen besseren Weg.
Unstreitig haben die Philantropintsten in der Er/ schetnungekunde und tu der Turnkunst viel gelei,
stet.
Wae thuen aber abging) war, daß sie nicht
ordneten und sonderten,, keinen in sich selbst be gründeten Weg bet diesem Unterricht elnschlugen,
und zwar deshalb weil sie die Volksthümlichkeit
nicht
berücksichtigten.
Pestalozzt's
haben
Einige
tüchtige
hiertn einen
Schüler
herrlichen Weg
für die Wissenschaft eingeschlagen.
Ich brauche
nur darauf aufmerksam zu machen,
was durch
Zrtesen's und - Schmidt's Bemühungen
in der
Plamannschen Anstalt zu Berlin ausgeführt wurde. Vieles hiervon muß in den Volksschulen benutzt,
aber
der ganze Gang kann
in denselben nicht
verfolgt werben, weil er zu lang ist.
Auch die
142 Volkstümlichkeit Ist wohl' bei diesem Unterrichte
zu berücksichtigen.
§ nZ. Ich wage hier einen Pfad vorzuzeichnen, der
in der ErschelliungSkunde für Volksschulen einzu
schlagen
Man
wäre.
dazu. gehe
bediene sich zuerst eines
Der Zeunesche ist vortrefflich
kleinen, Erdballs.
Man lasse Erde und Wasser nnkerschetden,
die vorzüglichsten Erd - und
Wassertheile
durch, den Hauptzug der Gebirge, und einige Hauptflüsse, alles
von der ganzen Erde.
So
viel gehört von der Htmmelekunde ebenfalls hier«
her,
als erfordert wird
(orienticen)
zu
um sich
stets richten
Daher Bestimmung
können.
des Erdlaufs um die Sonne,
des Mondlaufs,
und Kenntniß von' den leitenden Sternen.
Der
Krieger ist ohne diese Kenntnisse übel berathen;
zumal beim Nachtkriege.
Von der Erdkunde gebe
man eher zu wenig, als zu viel.
Auf die Erdkunde folgt die Miner, und
Stoffkunde.
Man mag annehmen, wie viele
Urstoffe (Elemente) man will.
Die Miner, und
Stvffkunde gehen den natürlichsten Weg, wenn sie mit dem Festen anfangen, -und so zu dem Flüs
sigen übergehen.
Zur Mtnerkunde braucht man
keine weitlauftige Sammlung aus Süden und Norden der Welt zusammenznfahren; die Haupt-
gattungen der deutschen Steinarten sind .hinrei, chend.
Man ordne sie für die Kinder nach de»
auffallendsten Eigenschaften, also zuerst nach der
Farbe, dann nach dem Glanze, nach dem Bruche, nach der Schwere u. s. w»
Nach den Minern
folgen die verschiedenen Erscheinungen der Lebens, stosse.
Zunächst die wässrigen Erscheinungen, als
Eis, Thau, Reif, Schnee, Hagel, Regen, Wol, ken; dann die gasartigen und diejenigen, welche
durch die Bernkraft (Elektricität) erzeugt werden. Auch
die gewöhnlichen Erscheinungen der Zieh
kraft (Magnetismus) gehören noch hierher.
Den
sogenannten thierischen Magnetismus kann man übergehen; denn man möchte von ihm sich zum
Ahnungsvermögen
hinaufschwlngen,
leicht späterhin noch höher.
und viel,
(Wahlverwandschaf-
ten und Leben und Dichtungen von Göthe.)
§
116.
Die Pflanzenkunde
-
ist für die Volks,
schulen eben so wichtig, wie die Stvffkunde.
Der
größte Theil des Volks beschäftigt sich mit Säen
und Pflanzen.
Eine Kunde der deutschen Pflan