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German Pages 386 Year 2019
Dominik Herzner Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Histoire | Band 153
Dominik Herzner (Dr. phil.), geb. 1988, ist Lehrer für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde. Neben seiner Lehrtätigkeit forscht er zur Auswärtigen Kulturpolitik und zu Fragen der Geschichtsdidaktik.
Dominik Herzner
Deutsche Auslandsschulen in Spanien Auswärtige Kulturpolitik zwischen Konflikt und Kooperation
Die vorliegende Arbeit wurde aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert.
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Inhalt
Vorwort | 7 1.
2.
Atención Colegio: Deutsche Auslandsschulen in Spanien | 9
1.1 Forschungsgegenstand und Definition | 13 1.2 Auslandsschulen als Teil der Auswärtigen Kulturpolitik | 25 1.3 Untersuchungsraum: Sonderfall Spanien | 31 Die Auslandsschulen von ihrer Gründung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs | 39
2.1 Evangelische Gemeinden als Initiatoren für die Gründung neuer Auslandsschulen | 44 2.2 Deutscher Einfluss in Spanien: Kulturpolitik und pädagogische Entwicklung | 61 2.3 Der Erste Weltkrieg: Fluch und Segen für die Deutschen Auslandsschulen in Spanien | 73 3. Zwischen Monarchie und Diktatur | 83
3.1 ‚Goldene Zwanziger‘ in den Auslandsschulen | 87 3.2 Neue Konzepte der Kulturpolitik |101 4. Zwischen Hitler und Franco | 113
4.1 Die Deutschen Auslandsschulen im NS-Staat | 115 4.2 Der Spanische Bürgerkrieg und seine Folgen | 133 4.3 Die Deutschen Schulen während des Zweiten Weltkriegs | 148 5. Ende und Neuanfang: Die Auslandsschulen nach 1945 | 155
5.1 Schließung, illegaler Unterricht und Neuanfang | 159 5.2 Kontinuitäten nach dem Zweiten Weltkrieg | 177 6. Chaos und Organisation: Versuche zur Strukturierung | 189
6.1 6.2 6.3 6.4
Konflikt und Kooperation: Wildwuchs der Kompetenzen | 192 Struktur- und Raumprobleme | 207 Überproportionale Förderung und Schließung von Schulen | 216 Ordnung im Chaos? – Die Gründung der Zentralstelle für Auslandsschulwesen | 228
7.
Bewegte Zeiten – Auf dem Weg zur Begegnungsschule | 233
7.1 Begegnung in den Auslandsschulen bis 1969 | 236 7.2 Begegnung in den Auslandsschulen nach der Einführung des Bachillerato mixto | 244 7.3 Begegnung mit der Demokratie: Der Umgang in den Schulen mit der Franco-Diktatur | 256 7.4 Begegnung mit dem ‚anderen Deutschland‘: Der Umgang in den Schulen mit der DDR | 270 8.
Auslandsschulen als Visitenkarten in der Welt | 277 8.1 Zwischen Sprache und Kultur: Zielsetzungen der Auswärtigen Kulturpolitik | 278 8.2 Zwischen Politik und Pädagogik: Bewährung der Reformen in der Praxis | 289 8.3 Europäischer Einigungsprozess und seine Auswirkungen | 307 8.4 Herausforderungen der Gegenwart | 317
9.
Spannungsverhältnisse aus historischer Sicht | 325 9.1 Kulturpolitische Spannungsverhältnisse | 328 9.2 Entre dos aguas: Bilaterale Spannungsverhältnisse | 342 9.3 Donde vas, Colegio Alemán? | 354
10. Quellen- und Literaturverzeichnis | 359
Quellenverzeichnis | 359 Sekundärliteratur | 366 Abkürzungsverzeichnis | 383
Vorwort
„Spain is different“ lautete der Werbeslogan während der Franco-Zeit, um Touristen ins Land zu locken. Für mich war Spanien vor dieser Forschungsarbeit noch weit mehr als nur ‚different‘. Es war eine terra incognita, die ich in den letzten Jahren erkunden durfte, um dort die Deutschen Auslandsschulen kennenzulernen. Dabei konnte ich nicht nur die einzelnen Einrichtungen besuchen, sondern ein Land lieben und schätzen lernen, das mich mit seiner Kultur, seiner Geschichte und seiner Sprache begeistert hat. Für diese Gelegenheit möchte ich vor allem Prof. Dr. Christian Kuchler danken, dessen wissenschaftliches Engagement diese Arbeit erst ermöglicht hat. Seinem Ideenreichtum ist diese Arbeit geschuldet. Er hat mich als externen Doktoranden in Aachen aufgenommen und stand mir als Erstbetreuer immer mit Rat und Tat zur Seite. Prof. Dr. Till Kössler gebührt mein Dank für die Zweitbetreuung und die hilfreichen Diskussionen in seinem Forschungskolloquium. Ohne den fachlichen Austausch mit „Spanien-Experten“ wäre es mir nicht möglich gewesen, die terra incognita zu erkunden. Mein Dank gilt daher auch allen weiteren Gesprächspartnern, die mir mit guten Ratschlägen den Weg zum Abschluss dieser Arbeit erleichtert haben. Namentlich seien hier aufgeführt: Prof. Dr. Walther Bernecker, Prof. Dr. Carlos Collado Seidel, Prof. Dr. Xosé Nuñez Seixas, Prof. Dr. Rainer Liedtke, Prof. Dr. Antonio Muñoz Sánchez, Dr. Carlos Sanz Diaz, Prof. Dr. Bernd Marizzi, Prof. Dr. Ingrid Schneider, Prof. Dr. Marició Janué i Miret und Prof. Dr. Glenn Penny. Aber auch viele weitere Diskussionspartner haben mir in Forschungskolloquien oder privaten Gesprächen wertvolle Anregungen gegeben. Ihnen gilt mein Dank ebenso wie den Mitarbeitern in den einzelnen Archiven, die mich bei der häufig nicht einfachen Recherche unterstützt haben und den Weg durch die Signaturen leichter gemacht haben. Zuletzt sind die Vertreter der einzelnen Schulen zu nennen. Leider haben mich nicht alle mit offenen Türen empfangen, der Kontakt war oft mühsam und be-
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schwerlich. Ob dahinter die Angst vor der eigenen Vergangenheit steckt? Oder doch nur der stressige Schulalltag die Bereitschaft einschränkte? Umso mehr möchte ich den einzelnen Personen danken, die sich für mich Zeit genommen haben: Dr. Frank Müller und Maria Marx (Madrid), Dr. Erhard Zurawka (Málaga), Guido Erhard (Valencia), Monika López Rall (Sevilla), Bettina Riedesser und Martin Deckert (Teneriffa), Wiebke Bayer (Zaragoza), Manfred Zierrot (San Sebastian) sowie Stephanie Wickers (Barcelona). Dr. Volker Manz danke ich für die Übernahme des Lektorats. Für die finanzielle Förderung gilt mein Dank der Hanns-Seidel-Stiftung. Die vorliegende Arbeit wurde aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Ein großer Dank gebührt natürlich auch meinen Eltern, die mich stets unterstützt haben, und all meinen Freunden, die meinen Überlegungen immer ein offenes Ohr schenkte und mich mit Tipps und Ratschlägen unterstützen. Muchas gracias! Regensburg/Aachen im Februar 2018
1. Atención Colegio: Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Auslandsschulen unterliegen, bedingt durch ihre besondere Struktur, einem doppelten nationalem Paradigma, das zu Konflikten führen kann. Ein Beispiel aus dem Jahr 2016 machte dies jüngst deutlich. Kurz vor Ende des Jahres waren die diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei angespannt. Der Pakt über die Aufnahme syrischer Flüchtlinge und die restriktive Regierungsweise des türkischen Präsidenten Recep Erdogan führten zu diplomatischen Spannungen. In dieser aufgeheizten Stimmung sorgte im Dezember ein weiteres Ereignis für Schlagzeilen in der deutschen Presse: Weihnachtsverbot an deutscher Eliteschule in Istanbul.1 Die Leitung der deutschen Abteilung hatte ihre Lehrer2 laut Medienberichten angewiesen, im Unterricht nichts mehr über Weihnachtsbräuche mitzuteilen und untersagt, entsprechende Lieder zu singen oder über das christliche Fest zu informieren. Der ranghohe türkische AKP-Abgeordnete Mustafa Sentop warf der Schule in der darauf entbrannten Debatte christliche Missionierungsarbeit vor, die gegen die laizistische Grundordnung der türkischen Bildungspolitik verstoße. Die türkische Schulleitung dementierte zwar, etwas mit diesem Verbot zu tun zu haben, und erklärte, dass es sich nur um ein Missverständnis gehandelt habe, doch der Vorfall sorgte für einiges Aufsehen in der deutsch-türkischen Berichterstattung und rückte das Istanbul Lisesi für kurze Zeit in den Fokus öffentlicher Debatten. Politiker aller Parteien waren empört über das angebliche Verbot, denn schließlich finanziert das Auswärtige Amt die Schule mit.
1
Vgl. http://www.sueddeutsche.de/bildung/tuerkei-deutsche-auslandsschule-in-s-hebtweihnachts-verbot-auf-1.3301303 (aufgerufen am 03.02.2017).
2
In der Arbeit wird auf die Verwendung des generischen Substantivs und die explizite Hervorhebung der weiblichen Form aufgrund der Lesbarkeit verzichtet. Bei den entsprechenden Begriffen sind stets beide Geschlechter gemeint.
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In einer Stellungnahme der Bundesregierung hielt man den Vorgang für einen Einzelfall, doch offenbart diese Episode eine typische Charaktereigenschaft der Deutschen Auslandsschulen: das Spannungsverhältnis, dem eine einzelne Institution in den binationalen Beziehungen ausgesetzt ist, und die Auswirkungen diverser Kultur- und Wertevorstellungen auf einen halboffiziellen Akteur der Auswärtigen Kulturpolitik. Bildlich gesprochen pendelt der Mikrokosmos Schule hier zwischen verschiedenen Polen und muss in diesem Spannungsverhältnis seine Position finden. Diese ‚Bipolaritäten‘ sind Gegenstand der vorliegenden Arbeit und sollen aus historischer Sicht analysiert werden. Die Deutschen Auslandsschulen sind ein vielschichtiger Teil der auswärtigen Kulturarbeit Deutschlands. Sie sind von der Eigendynamik der jeweiligen Schulgeschichte, aber auch von den politischen Konstellationen ihres Gast- und Mutterlandes abhängig, spiegeln die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse wider und zeigen die enge Verbindung von Politik und Kultur.3 Die Auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik setzt dabei in den heute weltweit 1424 anerkannten Auslandsschulen auf Dialog, Wertebindung, Zielgruppenorientierung, Netzwerkbildung und Partnerschaft.5 Diese Organisationsform ist aber keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Ergebnis neuerer Entwicklungen. Die Schulen haben sich im 19. und 20. Jahrhundert von deutschen Enklaven6 über Propagandaschulen hin zu Dialogschulen entwickelt und waren noch Mitte der 1970er Jahre in Politik und Gesellschaft umstritten.7 Dabei kritisierten gerade die Schulen selbst ihre Bestimmung und Ausrichtung.8 Im Laufe ihrer Geschichte waren sie immer ein Seismograph der politischen Entwicklungen und wichtiger Bestandteil der Kulturpolitik der Regierungen. Das politische Engagement im Auslandsschulwesen zeigt sich auch in den finanziellen Anstrengungen: Lange Zeit floss rund ein Drittel der Aufwendungen
3
Vgl. Trommler, Frank: Kulturmacht ohne Kompass. Deutsche Auswärtige Kulturbeziehungen im 20. Jahrhundert, Köln 2014, S. 26.
4
Vgl. http://www.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_ZfA/DieZfA/ ZahlenausderZfA/AuslandsschulwesenZahlen2013.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (aufgerufen am 27.01.2017).
5 Vgl. 16. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik 2011/2012, S. 9. 6 Vgl. Müller, Bernd: Von den Auswandererschulen zum Auslandsschulwesen. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Nationalismus vor dem Ersten Weltkrieg, Weimar 1996, S. 230–242. 7 Vgl. Arnold, Hans: Kulturexport als Politik? Aspekte auswärtiger Kulturpolitik, Tübingen 1976, S. 160. 8
Vgl. Peisert, Hansgert: Die auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1978, S. 154.
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für die auswärtige Kulturarbeit in die Arbeit und Förderung der Auslandsschulen.9 Der Einsatz von 224,7 Millionen Euro im Jahr 2015 seitens der Bundesregierung macht den politischen Stellenwert deutlich.10 Dieser kulturellen und finanziellen Bedeutung steht die geringe Beachtung in der Forschung gegenüber. Es gibt wenige Studien zur historischen Entwicklung der Schulen und besonders die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wird in diesen Untersuchungen kaum beachtet.11 Das Auslandsschulwesen durchlebte im Zeitraum nach 1945 vielschichtige Änderungen, die Einfluss hatten auf ihren transnationalen Charakter und ihre interkulturelle Struktur, die aber in der historischen Forschung kaum thematisiert werden. Hayden und Thompson kamen 2008 zu dem Schluss, dass das Auslandsschulwesen noch ein gut gehütetes Geheimnis sei.12 Die vorliegende Untersuchung versucht, dieses Geheimnis in einigen Punkten zu lüften, indem am Beispiel Spaniens eine fundierte Studie über die strukturelle Entwicklung des Auslandsschulwesens Antworten auf einige der offenen Fragen geben soll. Die Verknüpfung mit Konzepten der Auswärtigen Kulturpolitik und den binationalen Beziehungen zwischen Spanien und Deutschland erlaubt es, ein ganzheitliches Bild zu zeichnen und mit Hilfe der einzelnen Schulgeschichten zu konkretisieren. Jede Schule hat eine individuelle Entwicklungsgeschichte, die hier zusammengefügt werden sollen, um das deutsche Auslandsschulwesen in Spanien in seiner ganzen Breite greifbar zu machen. Der einleitende Teil dieser Arbeit (Kapitel 1) widmet sich dem Gegenstand theoretisch und versucht, aufbauend auf der Forschungsliteratur, eine Definition zu liefern sowie einen Überblick über die Quellenlage und das methodische Vorgehen zu geben. Im Hauptteil (Kapitel 2–8) wird die strukturelle Entwicklung der Auslandsschulen in Spanien chronologisch dargestellt. Dieser methodische Zugriff ergibt 9
Vgl. Winter, Klaus: Ein Erfolgsmodell – Deutsche Schulen im Ausland, in: Maaß, KurtJürgen (Hrsg.), Kultur- und Außenpolitik. Handbuch für Studium und Praxis, BadenBaden 2009, S. 171–183, S. 177.
10 Vgl. http://www.auslandsschulnetz.de/wws/3396198.php (aufgerufen am 21.06.2015). 11 Vgl. Kuchler, Christian: Deutsche Visitenkarten in der Welt. Geschichte des Auslandsschulwesens als Instrument auswärtiger Kulturpolitik, in: GWU 5/6 (2016), S. 261–271, S. 263. Ausnahmen bilden die Untersuchungen von Gerd Vesper (2013) über die Deutsche Schule Rom, Slavtcheva-Raiber (2006) über das Schulwesen in Bulgarien bis 1939, Bernd Müller (1996) über die Entwicklung der Auswandererschulen, Jens Waibel (2010) und seine Untersuchung über die Auslandsorganisationen der NS und die älteren Arbeiten von Kurt Düwell (1976), der in seiner Habilitationsschrift die Arbeit der Auslandsschulen als Teilbereich behandelt. Die aufgeführten Arbeiten konzentrieren sich dabei fast ausschließlich auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts. 12 Vgl. Hayden, Marie/Thompson, Jeff: International schools. Growth and influence, Paris 2008, S. 9.
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sich durch die enge Anlehnung dieser Arbeit an die Institutionengeschichte des Auslandsschulwesens, die vor allem durch die deutschen Zäsuren geprägt ist. Zwar verlieren dadurch einzelne Themengebiete an Konturen, doch für den Aufbau der Studie als Längsschnitt ist die Zeit als historische Dimension von größerer Bedeutung. Jedes Kapitel enthält zunächst allgemeine Anmerkungen zu den deutschspanischen Beziehungen und zur Auswärtigen Kulturpolitik, bevor dann näher auf die Entwicklung der Schulen eingegangen wird. Die einzelnen Kapitel sollen dabei eigenständig gelesen werden können, so dass die Möglichkeit besteht, einzelne Zeitabschnitte für sich zu betrachten. Das letzte Kapitel fasst die unterschiedlichen Spannungsverhältnisse zusammen. Die Besonderheiten einzelner Schulen werden ebenso berücksichtigt wie die globalen Konzepte des Auslandsschulwesens. Die grundlegenden Forschungsfragen, um die es dabei geht, lauten wie folgt: Wie entwickelten sich die Deutschen Auslandsschulen als Träger der Auswärtigen Kulturpolitik und welche globalgeschichtlichen Ereignisse hatten Einfluss auf den Mikrokosmos Schule? Wie positionierten sich die Schulen in diversen Spannungsverhältnissen und inwiefern kam es zu Konflikten oder zur Kooperationen? Auslandsschulen als Ort einer doppelten Nationalität sind geprägt durch unterschiedliche Narrative und Wertvorstellungen, die auf engstem Raum zusammentreffen. Sie sind nach der Raumtopologie von Assmann gleichzeitig ‚Ort‘ und ‚Raum‘: Geschichte hat in ihnen stattgefunden und wird durch sie konstruiert; sie sind gleichzeitig zukunftsgewandt als auch vergangenheitsorientiert.13 Geschichte wird in ihnen erlebt und explizit oder implizit erinnert. Die Schule als Raum und Ort eines zentralen Dispositivs der Repräsentation und Gestaltung bildet durch seine Konkretheit die Grundlage für eine historische Mikrogeschichte. Dadurch entstehen eigene Strukturen, Netzwerke, Ideen und mentale Repräsentationen, die in dieser Arbeit offengelegt werden sollen. Das Auslandsschulwesen wird zusätzlich als „transnationaler Raum“ betrachtet, dem folgende Definition von Faist zugrunde liegt:14 „Transstaatliche Räume bezeichnen […] verdichtete ökonomische, politische und kulturelle Beziehungen zwischen Personen und Kollektiven, die Grenzen von souveränen Staaten überschreiten. Sie verbinden Menschen, Netzwerke und Organisationen in mehreren Orten über die jeweiligen Staatsgrenzen hinweg. Eine hohe Dichte, Häufigkeit, eine gewisse Stabilität
13 Vgl. zur Topologie des Raums: Assmann, Aleida: Geschichte findet Stadt, in: Csáky, Moritz/Leitgeb, Christoph (Hrsg.): Kommunikation – Gedächtnis – Raum. Kulturwissenschaften nach dem „Spatial Turn“, Bielefeld 2009, S. 13–27, S. 15f. 14 Faist, Thomas: Grenzen überschreiten. Das Konzept transstaatlicher Räume und seine Anwendungen, in: Faist, Thomas (Hrsg.): Transstaatliche Räume. Politik, Wirtschaft und Kultur in und zwischen Deutschland und der Türkei, Bielefeld 2000, S. 9–56, S. 10.
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und Langlebigkeit kennzeichnen diese Beziehungen unterhalb bzw. neben der Regierungsebene.“
Ziel ist es, deutsche Auslandsschularbeit als ambivalente Entwicklung offenzulegen, die im Spannungsverhältnis verschiedener Pole stand. Dabei verlief die geschichtliche Entwicklung keineswegs geradlinig, sondern verschiedene Konzepte und Strömungen, die sich ergänzen, verzahnen, aber auch einander widersprechen konnten, beeinflussten sie. Vor diesem Hintergrund soll die politische Einbindung des Auslandsschulwesens und seine organisatorische Verfasstheit rekonstruiert werden, um die Spezifika der Deutschen Auslandsschulen als Akteure der ‚cultural diplomacy‘ zu zeigen und ihre Funktion im Prozess des ‚nation branding‘ historisch zu verankern.15 Es gilt, deutlich zu machen, dass spezifische Faktoren für die strukturelle Ausrichtung der einzelnen Schulen maßgebend waren und unterschiedliche Auswirkungen hatten. Dargestellt wird dies am Beispiel Spaniens, das, wie herauszuarbeiten sein wird, eine besondere Rolle im Auslandsschulwesen einnahm und noch immer einnimmt.
1.1
FORSCHUNGSGEGENSTAND UND DEFINITION
Der Beginn der Geschichte Deutscher Auslandsschulen wird in einigen Darstellungen im Mittelalter gesehen, 16 doch der Großteil der Forschung setzt ihn im 16. Jahrhundert mit Gründungen in Nord- und Osteuropa an.17 Bei diesen Einrichtungen handelte es sich hauptsächlich um Auswandererschulen, die im Umfeld evangelischer Gemeinden entstanden. Die ersten Schulen dieser Art gab es 1569 in Stockholm, 1626 in Moskau, 1643 in Kopenhagen, 1710 in St. Petersburg, 1769 in London und 1780 in Warschau. Während die dänische St.-Petri-Schule bis heute noch existiert, musste an den anderen Orten aus ökonomischen oder politischen Gründen der Schulbetrieb relativ früh wieder eingestellt werden. 15 Vgl. Adick, Christel: Internationaler Bildungstransfer im Namen der Diplomatie. Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik der Bundesrepublik Deutschland, in: Zeitschrift für Pädagogik 3 (2017), S. 341–362, S. 348. 16 Vgl. stellvertretend: Schmidt, Franz: Zur Geschichte der deutschen Auslandsschulen, in: Boelitz, Otto/Südhof, Herrmann: Die Deutsche Auslandsschule. Beiträge zur Erkenntnis ihres Wesens und ihrer Aufgaben. Langensalza 1929, S. 17–28, S. 18. Schmidt nennt als erste Deutsche Auslandsschule die Domschule in Reval, die im 12. Jahrhundert gegründet wurde. In der Chronik zum 40-jährigen Jubiläum der Zentralstelle für Auslandsschulwesen wird der Beginn des ASW im 14. Jahrhundert ebenfalls mit der Domschule in Reval verankert, die dort im Zuge der ‚deutschen‘ (sic!) Raumeroberungen stattfand. 17 Vgl. Kuchler: Visitenkarten, S. 266.
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Bis ins 19. Jahrhundert hinein blieben Auslandsschulen lokal verortete Institutionen ohne Vernetzung und staatliche Verankerung. Zu einem weltweiten Aufbau kam es erst ab den 1840er Jahren, weshalb insbesondere diese Schulen im Fokus der folgenden Arbeit stehen. Zudem erscheint es problematisch, von Deutschen Auslandsschulen zu sprechen, ohne die nationale Komponente des Begriffs zu beachten. Im 16. Jahrhundert war der Terminus weder sprachlich noch im nationalen Sinne identisch mit der heutigen Vorstellung von „Deutsch“, wie er in den Auslandsschulen vermittelt und gelebt wird. Es ist daher schwierig, diese frühen Schulen als „Deutsche“ Auslandsschulen zu charakterisieren. Dies wird deutlich, wenn man das Anwachsen der genannten Institutionen ab der Gründung des Kaiserreichs und der damit einhergehenden nationalen Euphorie beachtet. Erst ab dem Bestehen eines deutschen Nationalstaates wurden die Auslandsschulen zu einem Exportgut des Landes mit der Charakterisierung „Deutsch“. Allein zwischen 1871 und 1890 entstanden 74 neue Institutionen, und am Vorabend des Ersten Weltkrieges ist in Statistiken von weltweit 700 Auslandsschulen die Rede.18 Dabei ist allerdings zu beachten, dass bei dieser Zahlenangabe unterschiedlichste Schultypen inbegriffen sind, die aus heutiger Sicht nicht der Definition einer Auslandsschule entsprechen. Sowohl was die Schülerzahlen als auch die pädagogische Ausstattung betrifft, waren diese Schulen höchst unterschiedlich. In Teilen handelte es sich um improvisierte Einrichtungen mit nur geringer Reichweite und wenig Ausstrahlungskraft.19 Der Terminus ‚Deutsche Auslandsschule‘ war kein geschützter Begriff; theoretisch konnte sich jede Einrichtung diese Bezeichnung verleihen. Dies führte zu einer Unübersichtlichkeit verschiedener Schultypen, Formen und Begrifflichkeiten. Die Abgrenzung zu anderen Schulformen ist daher unklar und auch in der Forschung nicht immer eindeutig definiert. Dies wird zum Beispiel bei Hanna Kiper deutlich, wenn sie schreibt, dass es „neben den deutschen Auslandsschulen in privater Trägerschaft […] eine Vielzahl weiterer Schultypen, wie Begegnungsschulen oder Sprachdiplomschulen“20 gibt. Doch auch diese Schulformen werden von privaten Schulvereinen geführt, weshalb dies kein Unterscheidungskriterium darstellen kann. Klaus Winter differenziert ebenfalls zwischen verschiedenen Schularten und führt verschiedene Klassifizierungen auf, sieht dabei aber ‚Auslandsschule‘ als Oberbegriff.21 Es soll hiermit auch versucht werden die verschiedenen Termini, die in der Literatur zu finden sind, zu ordnen, um so zu einer Definition zu gelangen, die der Arbeit zugrunde gelegt werden kann. ‚Auslandsschule‘ wird dabei wie bei 18 Vgl. ebd. [übernommen aus der Geheimen Denkschrift 1914] 19 Vgl. Müller: Auswandererschulen, S. 187f. 20 Kiper, Hanna: Arbeit in der Weltgesellschaft. Deutsche Schulen im Ausland, in: Maaß, Kurt Jürgen (Hrsg.): Kultur- und Außenpolitik. Handbuch für Studium und Praxis, Baden-Baden 32015, S. 149–159, S. 160. 21 Vgl. Winter: Erfolgsmodell, S. 172.
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Winter als Oberbegriff verstanden und grenzt sich von der relativen jungen Erscheinungsform der Sprachdiplomschulen ab, da diese nach dem Lehr- und Bildungsplan des Gastlandes organisiert sind und verstärkten Deutschunterricht anbieten. Aus historischer Sicht lassen sich einzelne Schulen nicht immer einer Kategorie zuordnen, da sie durch strukturelle Entwicklungen ihren Charakter veränderten und häufig Verwaltung oder Forschung unterschiedliche Unterscheidungsmerkmale anlegten. Als Beispiel sei hier die Deutsche Schule Valencia genannt, die in den 1970er Jahren Zuschüsse von der Firma Ford erhielt, um den Schulstandort für ihre Mitarbeiter erhalten zu können. Damit fiele sie in die Kategorie der Experten- oder Firmenschule. Allerdings besuchten weiterhin spanische Schüler die Einrichtung, weshalb sie durchaus den Charakter einer Begegnungsschule behielt. Ebenso schließt eine kirchliche Trägerschaft, wie bei der Deutschen Schule der Borromäerinnen in Kairo, verschiedene Schultypen mit ein, unterscheidet sich jedoch in der organisatorischen Form. Die Übergänge zwischen den einzelnen Typen sind daher durchaus fließend und können nicht als statische Abgrenzung dienen. Für die vorliegende Arbeit sind besonders die Einrichtungen von Interesse, die durch die Anerkennung des Auswärtigen Amtes offiziell in die deutsche Kulturpolitik einbezogen waren. Durch ihre Insellage mussten solche Schulen immer wieder ihr Selbstverständnis und ihren eigenen Standpunkt hinterfragen.22 Bedingt durch die geographische Entfernung erhielten sich in den halbamtlichen Strukturen der Auslandsschulen Selbstverständnisse und ideologische Vorstellungen, so dass dort auf der Mikroebene der politischen Entscheidungen eigene Ideen von Auswärtiger Kulturpolitik eine Umsetzung erfuhren. Die Schulen wurden zum Knotenpunkt und Zentrum der Auslandskolonie; insofern gibt ihre historische Entwicklung Aufschluss über deutsche Denkvorstellungen und Räume, in denen Menschen multiple Subjektpositionen einnahmen und dynamisch-hybride Identitäten florieren konnten.23
22 Vgl. ebd. S. 174. 23 Vgl. Glenn, Penny: Knotenpunkte und Netzwerke. Auslandsschulen in Chile 1880–1960, in: GWU 5/6 (2016), S. 281–295, S. 281f.
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Die Aufgaben der Lehrer – ob nun einheimische oder aus Deutschland entsandte Kräfte – endeten nicht in der Schule, sie waren wichtige Mitglieder in der jeweiligen Kolonie und stellten sich in den Dienst der kulturpolitischen Aktivitäten Deutschlands im Ausland. Sie transportierten ein Bild ihrer Heimat und des Gastlandes und waren somit wichtige Vermittler in der transnationalen Beziehung. Die Schulen waren sich dieser Sonderrolle durchaus bewusst. Zum 50-jährigen Jubiläum der Deutschen Schule Las Palmas im Jahr 1970 schrieb ihr Schulleiter:24 „Das Jubiläum […] gibt Anlaß zu einer Besinnung auf ihre besondere Lage im Spannungsfeld zweier Kulturen, in dem sie zu bestehen und sich zu bewähren hat. Anders als in Deutschland, wo der festgefügte administrative Apparat die eigenständige Entwicklung einer Schule kaum zuläßt, zeichnet sich in der Geschichte einer Auslandsschule das individuelle Schicksal […] ab.“
Ihre Geschichte und die aller anderen Deutschen Schulen ist eine vieldimensionale, nicht an nationale Grenzen gebundene Geschichte.25 Als Repräsentanten bilateraler Beziehungen umfassen sie multiple kulturelle Definitionen. In der vorliegenden Arbeit werden Nationen und Völker daher auch nicht genauer spezifiziert. Deutsche und Spanier werden bewusst vage und teils pauschalisierend beschrieben, auch wenn sie sich selbst als ‚Katalanen‘ oder ‚Bayern‘ fühlten. Eine nachträgliche Zuschreibung ist kaum durchführbar, daher beinhalten die allgemeinen Begriffe ‚deutsch‘ oder ‚spanisch‘ alle subkategorialen Identitäten und kulturelle sowie sprachliche Nuancen. Vor allem da durch Mischehen, Staatsangehörigkeit, konfessionelle Zugehörigkeit und Sprachkompetenzen die Grenzen zwischen Nationalitäten oder Identitäten fließend verlaufen. Eine nachträgliche genaue Definition lässt sich nicht erstellen, da zu viele Einzel- und Sonderfälle sowie individuelle Identitäten die Vorstellung von ‚Deutsch-Sein‘ und ‚Spanier-Sein‘ prägten. 1.1.1 Struktur Deutscher Auslandsschulen Die Deutschen Auslandsschulen sind Teil einer spezifischen Variante des internationalen Bildungstransfers, der sich weder als Austauschmodell noch als Bildungshilfe, noch als Bildungsexport definieren lässt, sondern eine Kategorie sui generis dar24 Deutsche Schule Las Palmas (Hrsg.): 50 Jahre Deutsche Schule Las Palmas, Las Palmas 1970, S. 12. 25 Vgl. Kaiser, Wolfram: Transnationale Weltgeschichte im Zeichen der Globalisierung, in: Conze, Eckart u. a. (Hrsg.): Geschichte der internationalen Beziehungen. Erneuerung und Erweiterung einer historischen Disziplin, Köln 2004, S. 65–92. Vgl. zur Idee des Netzwerks in der transnationalen Geschichte: Osterhammel, Jürgen: Transnationale Geschichte. Erweiterung oder Alternative?, in: GG 27 (2001), S. 464–479, S. 474.
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stellt.26 In ihrer Organisation sind sie Privatschulen, die von Schulvereinen nach dem Recht des Gastlandes gegründet wurden.27 Pädagogisch werden sie von einem aus Deutschland entsandten Schulleiter geführt, dem Verein steht ein meist ehrenamtlicher Vorstand vor, der durch Elternvertretungen und Verwaltungspersonal ergänzt wird. Abhängig vom individuellen Aufbau bieten die Schulen ein differenziertes Angebot vom Kindergarten bis zum Sekundarbereich II und weitere Dienstleistungen, wie Kulturangebote, Mensabetrieb, Elterntreffpunkte etc. Der Großteil der Kosten (durchschnittlich 70 Prozent) wird aktuell durch Schulgelder und Spenden finanziert, die restlichen Gelder sind Zuschüsse aus dem Schulfonds des Auswärtigen Amtes, der teils durch konkrete Zuwendungen oder durch die Finanzierung von Lehrergehältern geleistet wird. Diese Unterstützung ist an Auflagen gebunden, die das Schulkonzept, die Erfolgsquote der Schüler, die Schülerzusammensetzung und die eigene Evaluation betreffen. Während innerdeutsche Schulen nach dem Bildungsplan der Länder organisiert sind, ist für die Auslandsschulen der Bund verantwortlich. Die Schulaufsicht wird durch die Zentralstelle für Auslandsschulwesen (ZfA) wahrgenommen, die in das Bundesverwaltungsamt eingegliedert ist, aber dem Auswärtigen Amt untersteht. Aufgaben der Zentralstelle sind neben der Beratung und Förderung der Auslandsschulen die Vermittlung von Lehrkräften, die Begleitung von Qualitätsentwicklungen und die Werbung für Deutschland.28 Neben der Zentralstelle als Vertreterin des Bundes kümmert sich ein Gremium der Kultusministerien der Länder um die Verwaltung und die pädagogische Betreuung der Schulen.29 Der Ausschuss für Auslandsschulwesen (AschA), seit 1993 als Bund-Länder-Ausschuss (BLAschA) bezeichnet, nimmt die Aufsicht für die Qualität und Vergleichbarkeit der Schulabschlüsse wahr. Er ist zusätzlich für die Erstellung von Prüfungsaufgaben der zentralen Abschlussprüfungen zuständig. Schulen, die gemeinsam von Bund und Ländern gefördert werden und eine qualitative und nachhaltige Entwicklungen nachweisen, können die Anerkennung durch die Kultusministerkonferenz beantragen. Damit erhalten sie das Recht, Zeugnisse zu erteilen, die äquivalent zu denen öffentlicher Schulen in der Bundesrepublik Deutschland sind. Zusätzlich haben sie das Recht, sich jährlich zu deutschen Abschlussprüfungen anzumelden und diese unter Aufsicht eines Prüfungsbeauftragten durchzuführen. Lehrplantechnisch richtet man sich aktuell um einen gewissen 26 Vgl. Adick: Internationaler Bildungstransfer, S. 342. 27 Vgl. im Folgenden Kiper: Arbeit in der Weltgesellschaft, S. 150. 28 Vgl. http://www.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_ZfA/DieZfA/Zah lenausderZfA/AuslandsschulwesenZahlen2015.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (aufgerufen am 05.02.2017). 29 Vgl.https://www.kmk.org/themen/auslandsschulen/verantwortung-fuer-dieauslandsschulen.html
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Grad an Einheitlichkeit zu erzielen auf der Nordhalbkugel nach dem Curriculum Thüringens, südlich des Äquators wird nach den Vorgaben aus Baden-Württemberg unterrichtet.30 Der BLAschA koordiniert die Zusammenarbeit zwischen der Kultusministerkonferenz und dem Auswärtigen Amt und setzt sich aus verschiedenen Vertretern der einzelnen Gremien zusammen. Durch die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure entsteht eine Public-private-Partnership mit komplementären Zielsetzungen, deren Koordination seit dem Jahr 2013 durch ein Gesetz über die Förderung Deutscher Auslandsschulen geregelt ist. Demnach ist eine Schule förderfähig, wenn sie nach Paragraph acht: 31 „deutschsprachigen Unterricht anbietet und deutschsprachig geprägte Abschlüsse vermittelt […,] den demokratischen Werten Deutschlands Rechnung trägt, indem sie den Schülerinnen und Schülern, den Eltern und den Lehrkräften eine angemessene Beteiligung am Schulleben sichert, die Mittel selbst aufbringt, die neben der Förderung für den nachhaltigen Betrieb einer Deutschen Auslandsschule notwendig sind, und durch die Vorlage einer Bescheinigung einer Behörde des Sitzlandes oder der Bundesrepublik Deutschland oder eines im Sitzland oder der Europäischen Union zugelassenen Wirtschaftsprüfers nachweist, dass sie entweder keine Gewinne erzielt oder die erzielten Gewinne ausschließlich für den Betrieb, den Ausbau oder die Entwicklung der Schule oder als Rücklagen oder Rückstellungen für diese Zwecke eingesetzt werden.“
Durch den Fördervertrag wird weiterhin die Vermittlung von Lehrkräften geregelt, und die Schulträger verpflichten sich, Kindern aus einkommensschwachen Familien Nachlässe beim Schulgeld zu gewähren. Das Lehrpersonal kann hinsichtlich seines Status entweder als Auslandsdienstlehrkraft (ADLK), Bundesprogrammlehrkraft (BPLK), Landesprogrammlehrkraft (LPLK) oder Ortslehrkraft (OLK) an einer Auslandsschule arbeiten und unterscheidet sich nach beamtenrechtlicher Stellung, vertraglicher Beziehung zum Schulverein und Besoldung.32 Während Ortslehrkräfte ein direktes Vertragsverhältnis mit dem Schulverein eingehen, werden die anderen über die Zentralstelle vermittelt und sind nur einen begrenzten Zeitraum an einer Auslandsschule tätig, bevor sie wieder in den innerdeutschen Lehrdienst zurückkehren müssen. Bei der Besetzung der Schulleiterstellen hat das Auswärtige Amt ein Vorschlagsrecht, der Verein wählt dann aus dem Kreis der Bewerber einen geeigneten Kandidaten aus. Der Erwerb landeskundlichen Wissens und interkultureller Kompetenz bleibt der Eigeninitiative der Kandidaten überlassen, so dass Lehr-
30 Vgl. Kuchler: Visitenkarten, S. 262. 31 http://www.gesetze-im-internet.de/aschulg/BJNR330600013.html (aufgerufen am 05.02.2017). 32 Vgl. Kiper: Arbeit in der Weltgesellschaft, S. 155.
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kräfte im Rahmen ihrer Auslandsarbeit sehr heterogene Erfahrungen sammeln.33 Faktoren wie die Zusammensetzung der deutschen Community, die politische Situation des Gastlandes, Lebensbedingungen, Klima und die Möglichkeit der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben beeinflussen den Aufenthalt. Neben den Lehrkräften erleben auch die Ehepartner und Kinder transnationale Sozialisationsprozesse, welche sowohl die private Entwicklung als auch die der Schule beeinflussen können. Sie sind ein wichtiger Bestandteil eines globalen Bildungssystems und aus historischer Perspektive Komponenten der geschichtlichen Entwicklung der Auslandsschulen. Für die Beziehungen der einzelnen Akteure kann die ‚Ökologie der menschlichen Entwicklung‘ von Urie Bronfenbrenner herangezogen werden. Demnach wird die einzelne Person (z. B. Lehrer, Schüler, Elternteil) auf der Mikroebene durch die Makroebene (z. B. Bildungssystem in Deutschland), die Mesoebene (z. B. die jeweilige Schule) und das Exosystem (z. B. Curriculum, Entscheidungen in der ZfA) beeinflusst.34 Graphisch kann dies wie folgt dargestellt werden: Abbildung 2: Akteure im Auslandsschulwesen
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33 Vgl. ebd., S. 156. 34 Vgl. Bronfenbrenner, Uriel: Die Ökologie der menschlichen Entwicklung, Stuttgart 1981, S. 39–43.
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Die Übergänge sind dabei fließend, die Ebenen grenzen sich nicht kategorisch voneinander ab, sondern können sich in unterschiedlichen Richtungen beeinflussen. Ziel dieser Arbeit wird es demnach sein, diese Beziehungen genauer zu bestimmen und mögliche Konfliktlinien aufzuzeigen. 1.1.2 Quellenlage und Forschungsliteratur Für die Studie sind zwei zentrale Forschungszugänge geplant. Erstens geht es um eine Untersuchung der administrativen Ebene, vor allem um die staatliche Intention, die Curricula, die Stellung der Auslandsschulen in der Politik, das Wechselspiel zwischen Geschichte und Politik, den Schulbau, die Schülergewinnung sowie den Geschichts- und Politikunterricht. Dabei sollen die Gründe erarbeitet werden, die zu einer Förderung des Auslandsschulwesens führten und welche kulturpolitischen Konzepte dessen Aufbau zugrunde lagen. Auf einer zweiten Ebene kann der Zugang zum Thema auf einer persönlichen Basis erfolgen; Lehrer, Schüler, Schulleiter und Schularchive sind hier Ansatzpunkte für die Untersuchungen. Bisherige Studien beschränkten sich meist wahlweise auf die öffentlich zugänglichen Informationen im Internet, auf private Informationen in Schularchiven oder auf die Auswertung einzelner Bestände in deutschen Staatsarchiven. Dieser Einseitigkeit wird in der vorliegenden Arbeit entgegengewirkt, indem die verschiedenen Quellenstränge zusammengeführt wurden und somit erstmals die administrative Ebene der persönlichen kontrastiv entgegengestellt werden kann.35 Die Struktur des Auslandsschulwesens entspricht der einer dezentralen Kulturorganisation. Aus diesem Grund wurden verschiedene Institutionen konsultiert, um ein möglichst vielseitiges Bild zu erreichen. Einerseits waren offizielle Akten und Schriftstücke über Verwaltung, Arbeit und Ansehen der Deutschen Schulen, die vor allem von Seiten der Bundesrepublik Deutschland ausgehen, Gegenstand der Untersuchung. Für die Studie wurden umfangreiche Quellenbestände in nationalen Archiven, wie dem Bundesarchiv in Berlin Lichtenfelde (BAL) und Koblenz (BAK) und dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amts (PAAA), ausgewertet und dabei die Beweggründe für die kontinuierliche Förderung einzelner Schulen analysiert. Die Akten des Ausschusses für Auslandsschulen, der durch die Kultusminister besetzt ist, werden nicht zentral aufbewahrt, sondern finden sich in den einzelnen Landesarchiven. Hierzu wurden die Sammlungen in den Landesarchiven Stuttgart und München ausgewertet. Ergänzend zu den deutschen Archiven erstreckte sich die Recherche auch auf spanische Institutionen, beispielsweise das Archivo General de la Administración in Alcalá de Henares, das Archivo Histórico Nacional in Madrid und die spanische Nationalbibliothek, sowie des Weiteren auf Magazine und 35 Vgl. stellvertretend für die bisher dezidiert nicht historische und einseitige Auswertung von Material aus dem Internet: Adick: Internationaler Bildungstransfer, S. 348.
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Datenbanken von spanischen Zeitungen. 36 Außerdem gibt es Verbindungslinien zwischen den Deutschen Schulen in Spanien und den amerikanischen Geheimdiensten,37 weshalb Quellenbestände im National Archive in Washington D. C. mit Blick auf die Geschichte der Deutschen Auslandsschulen ausgewertet wurden, um die binationale Perspektive auf das Thema um eine weitere Dimension zu erweitern. Neben den zentralen politischen und staatlichen Archiven boten weitere Einrichtungen wertvolle Anknüpfungspunkte zum Thema Auslandsschulen in Spanien, so etwa die Überlieferungen einzelner Parteien oder Stiftungen. Die Arbeit individueller politischer Akteure ermöglichte einen Einblick in die Konstellationen und die Beziehungen zwischen spanischen und deutschen Organisationen. So betrieb beispielsweise die CSU-nahe Hanns Seidel Stiftung eine enge Zusammenarbeit mit der Deutschen Schule Marbella und organisierte immer wieder Austauschprogramme mit spanischen und deutschen Schülern und Studenten.38 Die Schule bildete dadurch eine indirekte Basis für eine konkrete Unterstützung durch deutsche Parteien im spanischen Transformationsprozess. Konfessionelle Aspekte ergaben sich im evangelischen Zentralarchiv Berlin, wo sich Akten zu den Kirchengemeinden im Ausland befinden, die häufig in die Gründung von Auslandsschulen involviert waren. Abgerundet wird das politische und gesellschaftliche Quellenbild durch Protokolle zeitgenössischer Parlamente sowie politischer Sitzungen und Tagungen. Der zweite Zugang ergab sich durch die Auslandsschulen selbst, denn sie bieten umfangreiches Quellenmaterial in Form von Jahresberichten, Schulchroniken oder Verwaltungsakten, die in dieser Arbeit erstmals wissenschaftlich erschlossen wurden. In den Archiven der einzelnen Schulen, welche die Geschichtswissenschaft bislang gänzlich vernachlässigt hat, wurden nicht nur die Fest- und Jubiläumsschriften der Schulen herangezogen, sondern auch die jeweiligen Jahresberichte. Im Falle der ausländischen Institutionen geht es dabei noch mehr um eine repräsentative Selbstdarstellung als bei den inländischen Schulen; sie zeigen so die Eigenwahr36 Anm. Ähnlich wie bei der deutschen Tagespresse ist medial nur wenig über die Auslandsschulen überliefert. Eine umfangreiche Auswertung der deutschen und spanischen Tagespresse fand daher nicht statt. Relevante Artikel waren jedoch häufig in den Archiven als Abdruck oder Übersetzungen zu finden. 37 Vgl. Collado Seidel, Carlos: Angst vor dem „Vierten Reich“. Die Alliierten und die Ausschaltung des deutschen Einflusses in Spanien, Paderborn 2001, S. 264f. Weitere Verbindungslinien der Deutschen Schulen in Spanien zur amerikanischen Außenpolitik ergeben sich durch das Safehaven-Programm und die Konfiszierung deutschen Eigentums durch die spanische Regierung sowie durch die Überwachung durch die Geheimdienste. 38 Die Schirmherrschaft der DS Málaga durch das bayrische Kultusministerium wird beispielsweise durch die Hanns-Seidl-Stiftung vermittelt. Vgl. ACSP HSS/V/IBZ 4 Spanien: von Gepperth 06.04.1977.
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nehmung der Schulträger und ihre Repräsentation nach außen. Diese Berichte sind zwar keine objektive und selbstkritische Quelle, können aber als klare Positionierung der Schulen gesehen werden – auch gerade in Abgrenzung zu anderen Bildungseinrichtungen in Spanien. Die Auswertung dieses Quellenmaterials erbrachte eine neue Perspektive auf das Auslandsschulwesen auf der Mikroebene. Ihren Stellenwert verdeutlicht eine Aussage von Urban Götz, Lehrer in Spanien, in der Verbandszeitschrift ‚Deutsche Lehrer im Ausland’ aus dem Jahr 1980:39 „Eine Geschichte der Neuen Sekundarstufe in Spanien könnte erst dann geschrieben werden, wenn dem Historiker dafür nicht nur die Archive der Zentralstelle und des Auswärtigen Amtes, sondern insbesondere auch die Protokolle der Schulvereinsvorstandssitzungen an den einzelnen Schulen zur Verfügung stünden.“
Dieser These ist voll beizupflichten, gleichzeitig ist aber zu bedauern, dass die Archive der Schulen häufig nicht über relevantes Material verfügten. Während in einigen Einrichtungen wertvolle Quellen im Laufe der Jahre aus unterschiedlichen Gründen verloren gegangen waren, sind in der Deutschen Schule Madrid beispielsweise sämtliche Jahresberichte und einige Protokolle von Fachkonferenzen erhalten. An anderen Orten verhinderten Umzüge, private Nachlässigkeiten oder fehlendes Geschichtsbewusstsein die Aufbewahrung von Dokumenten. Vielfach weigerten sich Vereine schlichtweg, Zugang zum vorhandenen Material zu gewähren. Der Schulverein der Deutschen Schule Madrid weigerte sich zunächst auf Grund der in Spanien strengen Datenschutzregeln, das Archiv zu öffnen und ermöglichte erst nach dem Umzug in das neue Schulgebäude und einer Trennung von persönlichen Schülerakten und Jahresberichten die Auswertung des Materials. Die Deutsche Schule Bilbao und die Deutsche Schule Las Palmas gaben erst nach mehrmaligen Nachfragen und äußert widerwillig einen kleinen Einblick in ihre Unterlagen. Auch in den anderen Schulen war beispielsweise die Einsicht in Fachprotokolle, Tagungsmitschriften und andere interne Dokumente nicht möglich. Der Ertrag einer Erforschung der Geschichte durch diese Quellenart ist daher oft geringer als erhofft, und die konkrete Forschungsarbeit hängt von der Kooperationsbereitschaft des jeweiligen Vereins ab.40 Datenschutzrechtliche Bestimmungen der Gastländer und das Misstrauen der Schulen gegenüber Fremden haben die Arbeit zusätzlich erschwert. So konnten insgesamt nur sehr wenige Protokolle von Vereins39 Götz, Urban: Zur „Neuen Sekundarstufe“ in Spanien, in: DLiA 1 (1980), S. 3–6, S. 3. 40 Vgl. Günther, Sven: Viele Lebenswelten, eine Schule? Die Deutsche Schule Tokyo Yokohama 1904–1991, in: GWU 5/6 (2016), S. 295–303, S. 303. Günthers optimistischen Einschätzungen zum Quellenfundus der Schulen muss daher vom Standpunkt der Forschungspraxis widersprochen werden. Die konkrete Arbeit ist stark von der Kooperation der Vereine abhängig und für externe Forscher daher erschwert.
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sitzungen eingesehen werden, und manche Quellensammlungen waren völlig unzugänglich. Dies zeigt, dass zukünftige Forschungen stärker von den Schulen und einer eigenen Quellenkritik mitgetragen werden müssten. Die hier vorliegende Arbeit kann dazu als Grundlagenwerk dienen. Neben den Archiven boten Fachbibliotheken einen Zugang zu schriftlichem Quellenmaterial und zu spezieller Sekundärliteratur. Dazu zählen beispielsweise die Bibliothek des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart, die Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung in Berlin oder die Forschungsstelle für Deutsche Auslandsschulen an der Universität Oldenburg. Das dort eingerichtete Archiv besteht seit circa 40 Jahren und wurde bis 2008 von Professor Klaus Winter geleitet. Seine Nachfolge übernahm Professorin Hanna Kiper, jedoch besteht an der Universität keine Professur für vergleichende Pädagogik oder historische Bildungswissenschaft. Die Leitung des Archivs verfolgt daher bis dato keine historischen Fragestellungen, sondern widmet sich den Auslandsschulen aus pädagogischer Perspektive. Inhaltlich finden sich vor allem Jahresberichte der Auslandsschulen im Archiv, die jedoch erst ab den 1960er Jahren gesammelt wurden und größtenteils auch nur bis Ende der 90er Jahre reichen. Der Zugang zum Archiv ist stark eingeschränkt, da es an Personal und Geldern für eine öffentliche Arbeit fehlt; der Weiterbestand der Forschungsstelle ist zudem ungewiss. Der ursprüngliche Plan, eine umfassende Dokumentation des Auslandsschulwesens zu schaffen, gelang nur bedingt.41 Die Lehrpläne, Jahresberichte und Schülerzeitungen der Deutschen Auslandsschulen geben Aufschluss über die praktische Unterrichtsumsetzung. Für die Einsicht in die konkreten Schulbücher und deren Stellenwert bildete das Georg-EckertInstitut einen Anlaufpunkt. Weitere Informationsgrundlagen waren Periodika oder Zeitschriften, allen voran Der Deutsche Lehrer im Ausland (DLiA). Gerade für die schulische Perspektive sind dessen Beiträge aufschlussreich, weil eine Vielzahl der Artikel von Lehrern und Verantwortlichen stammt. Der Grad der Objektivität des Organs muss dabei immer kritisch gesehen werden, stand doch der DLiA streckenweise in enger Zusammenarbeit mit den politischen Behörden.42 In eine ähnliche Kategorie sind die Zeitschriften und Magazine der Zentralstelle für Auslandsschulwesen, beispielsweise die ‚Begegnung’ einzuordnen. Die schriftliche Quellenlage wurde durch persönliche Zugänge ergänzt, beispielsweise durch Zeitzeugengespräche, die einen Einblick in den konkreten Schulalltag gewährten. Eine eigens durchgeführte Online-Umfrage mit offenen und geschlossenen Fragen unter Alumni der Auslandsschulen lieferte zusätzliches Daten41 Vgl. Schröter, Rudolf: Zur Dokumentation der deutschen Auslandsschularbeit, in: DLiA 4 (1976), S. 224–229, S. 227. 42 Vgl. stellvertretend Schriftwechsel Redaktion Dr. Hettich mit Auswärtigem Amt in: PAAA B93 603IV/4 Bd. 56, Juli 1956. Hettich gibt hier der Zeitschrift eine Zensur vor, um unliebsame Themen herauszuhalten.
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material in Form von Zeitzeugenaussagen. Über die Alumni-Vereine wurde der Fragebogen an eine unbestimmte Zahl ehemaliger Schüler verschickt. Insgesamt beantworteten 22 Personen die Fragen; 55 Prozent besaßen die spanische Staatsbürgerschaft, 45 Prozent die deutsche. Diese Umfrage kann nicht den Anspruch erheben, eine umfassende Statistik zu liefern, sondern soll Meinungen über die Schulen offenlegen und Tendenzen andeuten. Diese insgesamt große Quellen- und Materialmenge wurde kritisch ausgewertet und im Sinne einer qualitativen und zusammenfassenden Inhaltsanalyse in Anlehnung an Philipp Mayring interpretiert.43 Methodisches Ziel war es, durch Strukturierung und Explikation eine Analyse der Geschichte Deutscher Auslandsschulen in Spanien zu ermöglichen und ihre historische Entwicklung darzulegen. Die deskriptive Schulgeschichte soll dabei in kulturpolitische und binationale Fragestellungen eingebettet werden und eine Grundlage für tiefer greifende Überlegungen bilden.
1.2
AUSLANDSSCHULEN ALS TEIL DER AUSWÄRTIGEN KULTURPOLITIK
Die Auswärtige Kulturpolitik als übergeordnete Kategorie der Auslandsschulen ist ebenso wie die Geschichte ihrer Mittlerorganisationen wenig in historischen Forschungen berücksichtigt worden. Der Befund Winfried Bölls aus dem Jahr 1973, dass sie noch keinen ernsthaften Platz in den wissenschaftlichen Theorien gefunden hat, scheint auf den ersten Blick immer noch aktuell zu sein.44 In den politischen Diskurs hingegen hat die Auswärtige Kulturpolitik schon länger Einzug gehalten. Seit 1969 erhielt sie mit Willy Brandt einen neuen Stellenwert, da eines der wichtigsten Felder seiner Außenpolitik die kulturellen Beziehungen waren. Der damalige Außenminister erklärte vor der 129. Plenarsitzung der Kultusministerkonferenz die Kulturpolitik zur ‚dritten Säule‘ der Außenpolitik. 45 In einer Regierungserklärung vom 28.10.1969 stellte er sie in den Kontext einer zentralen Friedenspolitik und betonte, dass zur internationalen Zusammenarbeit der Austausch geistiger Leis-
43 Vgl. Mayring, Philipp: Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken, Weinheim und Basel, 122015, S. 64. 44 Vgl. Böll, Winfried: Überlegungen, in: Freund, Wolfgang/Simsons, Uwe (Hrsg.): Aspekte auswärtiger Kulturbeziehungen in Entwicklungsländern, Meisenheim am Glan 1973, S. 248. 45 Vgl. Leonhardt, Rudolf Walter: Wer errichtet die Säule Kulturpolitik?, in: Die Welt, 28.03.1969.
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tungen gehöre.46 Kritische Pressestimmen attestierten ihm zwar einen Hang zum Overstatement,47 doch Brandt hatte mit dieser Aufwertung einen Prozess in Gang gesetzt, der die Auswärtige Kulturpolitik und deren Mittler nachhaltig beeinflussen sollte. Mit seinen Reformansätzen zu Beginn der 1970er Jahre begann eine neue Phase, in der erstmals ein eigenes Konzept entstand,48 mit dem die Kulturpolitik vom „zweiten Gleis zur dritten Bühne“49 wurde. Diese auf Konsens und Kompromiss ausgerichtete Form der Politik war aber keine Selbstverständlichkeit, sondern das Ergebnis einer langen Entwicklung, geprägt durch zwei Weltkriege und den Wechsel unterschiedlicher politischer Systeme. Eine Konstante der Auswärtigen Kulturpolitik waren und sind die Deutschen Auslandsschulen. Aktuell belegen sie mit 252 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2017 noch vor dem Goethe-Institut mit 219 Millionen den ersten Platz in den Budgetplanungen.50 Die beiden größten Mittlerorganisationen nehmen von jeher als aktiver Teil der Auslandsbeziehungen eine wichtige Rolle im Transport von Kulturgütern und Ideen ein und sind die zentralen Einrichtungen der Sprachförderung.51 Daneben gibt es eine Vielzahl an weiteren Institutionen – das Außenministerium verteilt seine Mittel an bis zu 120 unterschiedliche Organisationen.52 Dadurch entsteht ein verwobenes Netz im Verwaltungsapparat der Auswärtigen Kulturpolitik, das sich aus Institutionen, Verbänden, Politikern und einzelnen Kulturschaffenden zusammensetzt. Obwohl alle auswärtigen Kulturbeziehungen per Grundgesetz durch den Bund wahrgenommen werden, haben die Länder infolge der föderalen Struktur ein Mitspracherecht. Durch diese multiplen Akteure überschneiden sich häufig Interessensphären und es kommt zu latenten und offenen Kompetenzkonflikten. Die Auswärtige Kulturpolitik wird daher häufig als chaotisch und unübersichtlich charakterisiert.53 Dieses undurchschaubare System von halbamtlichen und dezentralen Organisationen unterscheidet die deutsche Kulturpolitik von der französischen oder englischen und macht sie einzigartig in den auswärtigen Beziehungen. Kulturpolitiker wie Hildegard Hamm-Brücher sahen in dieser Verstaat46 Vgl. Schulte, Karl-Sebastian: Auswärtige Kulturpolitik im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 2000, S. 49. 47 Vgl. Leonhardt: Wer errichtet die Säule Kulturpolitik. 48 Vgl. Trommler: Kulturmacht ohne Kompass, S. 691. 49 Vgl. ebd., S. 646. 50 Vgl. Haushaltsgesetz 2017, BGBl. IS. 3016, S. 34. 51 Vgl. Emge, Richard Martinus: Auswärtige Kulturpolitik. Eine soziologische Analyse einige ihrer Funktionen, Bedingungen und Formen, Berlin 1967, S. 102. 52 Vgl. Hamm-Brücher, Hildegard: Kulturbeziehungen weltweit. Ein Werkstattbericht zur Auswärtigen Kulturpolitik, München 1983, S. 22f. 53 Vgl. Kathe, Steffen: Kulturpolitik um jeden Preis. Die Geschichte des Goethe-Instituts von 1951 bis 1990, München 2005, S. 17f.
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lichung dennoch einen Vorteil, da trotz der Dezentralisierung der Primat der Außenpolitik weiterhin beim Bund liege und nicht verloren gehe.54 Immer wieder wird diese Kompetenzaufteilung als eine Reaktion auf die staatliche Lenkung während des Nationalsozialismus gedeutet.55 Mit Blick auf die Auswärtige Kulturpolitik des Kaiserreichs und der Weimarer Republik zeigt sich aber, dass sie kein Novum der Bundesrepublik darstellt, sondern vielmehr zu den zentralen grundlegenden Eigenschaften ihrer historischen Entwicklung gehörte. Hier deutet sich erstmals an, dass im Auslandsschulwesen strukturelle Elemente die Brüche des 20. Jahrhunderts überdauerten und Kontinuitäten prägend für die Ausgestaltung einzelner Schulen waren. Darüberhinaus lassen sich drei weitere Thesen aufstellen, die zur Untersuchung der Auswärtigen Kulturpolitik dienlich sind.56 Sie sind prinzipiell auf alle Kulturinstitute, beispielsweise das Goethe Institut oder den DAAD anwendbar und sollen in der Arbeit hinsichtlich ihrer Tragfähigkeit auf das Auslandsschulwesen verifiziert werden. Die im Folgenden vorgestellten vier Thesen dienen somit auch als Beschreibung von Spezifika der Auswärtigen Kulturpolitik und sollen hinsichtlich des Auslandsschulwesens mit genauerem Inhalt gefüllt werden. Es handelt sich insofern um Thesen, da bisher nicht nachgewiesen werden konnte, dass die Auslandsschulwesen als Vertreter der Auswärtigen Kulturpolitik alle Bereiche erfüllen. Dies soll in dieser Arbeit erstmals erfolgen. Kultur wird hierbei stets als allgemeiner Begriff verwendet und nicht genauer bestimmt, da er zu unterschiedlichen Zeiten und aus unterschiedlichen Perspektiven auch unterschiedlich interpretiert wird. Eine nachträgliche Definition wäre daher in den meisten Fällen ahistorisch, nicht valide und würde die jeweilige Ausprägung nur unzutreffend beschreiben, denn selbst zum gleichen Zeitpunkt schrieben unterschiedliche Personen und Gruppierung der ‚Kultur‘ eine jeweils andere Bedeutung zu. Kontinuitätsthese Mit der Kontinuitätsthese ist gemeint, dass sich auf der Ebene der Mittlerorganisationen Kontinuitäten erhalten haben und deren Entwicklung unabhängig von politischen Zäsuren erfolgte. Es gab personelle, ideologische und institutionelle Weiterführungen über alle entscheidenden Einschnitte der deutschen Geschichte hinweg. Die Auswärtige Kulturpolitik der Weimarer Republik war dementsprechend beeinflusst von Ideen des Kaiserreichs, die der Bundesrepublik geprägt durch die NSZeit. Gerade die halbamtliche Struktur erlaubte es nicht, politische Wechsel auf der
54 Vgl. Hamm-Brücher: Kulturbeziehungen weltweit, S. 105f. 55 Vgl. Kathe: Goethe-Institut, S. 40. 56 Diese Thesen werden im Folgenden in Anlehnung an Kathe: Goethe-Institut, S. 28ff. formuliert.
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Mikroebene der Mittlerorganisationen durchzusetzen, so dass dort antiquierte Denkvorstellungen überleben konnten und es zu einer Ungleichzeitigkeit von Mentalitäten, politischen Mustern und Strukturen kam. Die Verwobenheit der einzelnen Akteure führte zu Abhängigkeiten und Netzwerken; entsprechend lassen sich innerdeutsche Diskurse über Kontinuitäten auch auf die auswärtigen Institutionen anwenden. Deutlich wird dies beispielsweise bei der Debatte über die von Joschka Fischer initiierte Untersuchung ‚das Amt und seine Vergangenheit‘.57 Diese offenbarte bei zahlreichen Diplomaten der Bundesrepublik eine NS-Vergangenheit, die, wie Daniel Koerfer eindrucksvoll aufzeigt,58 im Buch zwar häufig pauschalisierend und wenig reflektierend beschrieben wird, dennoch aber ein grundlegendes Phänomen charakterisiert, nämlich den Weiterbestand von Personal, Institution und Ideologie im Bereich der auswärtigen Beziehungen. Durch solche Kontinuitäten ließen sich kulturpolitische Konzepte nicht durch politische Systemwechsel beeinflussen. Auf der Mikroebene der Mittlerorganisation war ein Neuanfang noch schwieriger zu vollziehen als auf amtlicher Ebene, da angesichts der semioffiziellen Struktur häufig die Einflussmöglichkeiten fehlten. Inwiefern sich diese Kontinuitäten in den Auslandsschulen zeigten, wird ein zentraler Bestandteil der Untersuchung sein. Dabei erscheint es wichtig auf einzelne Biografien genauer einzugehen, um Kontinuitäten in ihrer Breite kennenzulernen und ein ausführliches Bild über Schicksale in den Deutschen Auslandsschulen zu gewinnen. Wildwuchsthese Die unkontrollierte Expansion der Auslandsschulen führte, so die Wildwuchsthese, zu einer strukturellen Wucherung. Mit Ausnahme der Propagandaschulen waren Schulgründungen nicht staatlich geplant sondern erfolgten durch private Initiativen. Die Entwicklung hing und hängt daher stark vom individuellen Engagement einzelner Personen oder Gruppen ab. Die Ausbreitung der Auslandsschulen in Spanien war beispielsweise vom Auswärtigen Amt in diesem Ausmaß nicht beabsichtigt, doch füllten sie einen politischen Raum aus, und aufgrund fehlender Ideen und Strukturen im Auswärtigen Amt wurden Fördermaßnahmen häufig nach dem Gießkannenprinzip verteilt und die Mittel dort eingesetzt, wo die Möglichkeit dazu bestand. Über längere Zeiträume hinweg gab es kein Konzept, das die Entwicklungen der Auslandsschulen regelte. Die wenigen ordnenden Momente und Konzeptualisierungen, wie die Geheime Denkschrift 1914 oder die Enquete-Kommission 1975,
57 Vgl. Conze, Eckart u. a. (Hrsg.): Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik, Bonn 2011. 58 Vgl. Koerfer, Daniel: Diplomatenjagd. Joschka Fischer seine unabhängige Kommission und das Amt, Potsdam 2013.
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waren eher Versuche, Übersicht im bestehenden Chaos der auswärtigen Beziehungen zu gewinnen. Ebenso ist die Gründung der Zentralstelle für Auslandsschulwesen 1968 diesem Bereich zuzuordnen, da das Auswärtige Amt mit der verwaltungstechnischen Versorgung der Auslandsschulen überlastet war. Nur durch die Wechselbeziehungen zwischen Amt und Schule kann dieser Wildwuchs begreifbar gemacht werden. Es gilt daher zu zeigen, dass das heutige System der Auslandsschulen sich nur durch die historische Entwicklung und das Verhältnis zu den politischen Stellen erklären lässt. Deutschland war lange Zeit eine ‚Kulturmacht ohne Kompass‘, wie Frank Trommler seine im Jahr 2014 erschienene Untersuchung über die Auswärtige Kulturpolitik benannte. Diese Orientierungslosigkeit findet sich, so die These, auch in den Auslandsschulen wieder und soll genauer analysiert werden. Neben unkontrollierten Entwicklungen im Äußeren waren die Schulen auch von einem inneren Wildwuchs betroffen. Die Entwicklung von Satzungen, Verträgen und der strukturellen Ausrichtung war geprägt durch die Kompetenzverteilung zwischen Schulverein, Schulleitung, Lehrerkollegium und Elternschaft. Zwischenmenschliche Beziehungen erschwerten die Konsensfindung, und die innere Entwicklung war streckenweise ebenso chaotisch wie die Beziehungen zum Heimatland. In diesem Bereich gab es zwar ordnende Maßnahmen, wie Rahmenverträge, Präzedenzfälle und Formen der Kooperation, beispielsweise die Schulleitertagungen auf der Iberischen Halbinsel, bei der sich die einzelnen Schulen gegenseitig beeinflussten. Doch deren Entstehung gingen lange Prozesse voraus, die hier genauer dargestellt werden sollen. Diskrepanzthese Die Diskrepanzthese besagt, dass es ein beträchtliches Missverhältnis zwischen dem Anspruch und der Wirklichkeit der deutschen Auswärtigen Kulturpolitik gab. Die innerdeutschen Pläne zur Ausgestaltung scheiterten häufig am eigenen Personal und an den Vermittlern auf der Mikroebene der politischen Beziehungen im Ausland. Die verschiedenen Protagonisten, wie Lehrer, Vorstände oder Schulleitung, trugen nicht immer die Vorstellungen der Heimat in die Gastgesellschaft hinein, sondern verbreiteten ihre eigenen Ideen von Deutschland, die dem offiziellen Bild diametral entgegengesetzt sein konnten. Zusätzlich erschwerten fehlende Konzepte oder eine desinteressierte Öffentlichkeit bzw. Politik in den Gastländern die praktische Arbeit. Auslandsschulen standen nach dieser These zwischen Konflikt und Kooperation. Die Bewertung der Zusammenarbeit zwischen Mittlerorganisation und Heimatund Gaststaat kann Aufschluss geben über die Diskrepanz von Anspruch und Wirklichkeit kulturpolitischer Ideen. Angesichts positiver politischer oder finanzieller Konsequenzen war zwar bei allen Beteiligten die Bereitschaft zur Zusammenarbeit
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vorhanden, doch haben die Synergien in der Realität eigene Muster entwickelt, und erst der Blick auf einzelne Schulen beantwortet die Frage nach der tatsächlichen Umsetzung konzeptioneller Überlegungen. Die Auslandsschulen sollten schließlich den Anspruch auf Repräsentation Deutschlands im Ausland in die Tat umsetzen und fühlten sich dementsprechend berechtigt, eine eigene Politik zu betreiben. Dadurch, so soll gezeigt werden, entwickelte sich eine zweite Ebene der Diskrepanz, insofern die Auslandsschulen eine Förderung aus Deutschland erwarteten, die aufgrund finanzieller und kulturpolitischer Erwägungen nicht immer zur Zufriedenheit der Schulen ausfiel, so dass sie ihren selbstgesteckten Anspruch nicht erfüllen konnten. Als Diplomaten auf der Mikroebene waren sie fähig eigene Vorstellungen von Kulturpolitik umzusetzen, waren aber gleichzeitig von den Fördergeldern aus Deutschland abhängig und daher zur Kooperation bereit. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit zeigt sich aber beispielsweise auch in verschiedenen Reformkonzepten, Rahmenplänen oder Denkschriften, in denen sich Politiker jeglicher Coleur über das Auslandsschulwesen äußerten und neue Ideen für dessen Umsetzung entwickelten. Wie weit diese in der Realität Einzug in die Schulen fanden, gilt es zu überprüfen. Rezeptionsthese Wie bereits bei der Wildwuchsthese angedeutet, gab es – abgesehen von individuellen ‚Skandalen‘, die für Schlagzeilen sorgten – immer wieder Phasen, in denen die Auswärtige Kulturpolitik und insbesondere die Auslandsschulen stärker in den Fokus politischer und gesellschaftlicher Debatten rückten. Diese Beachtung erfolgte keineswegs kontinuierlich, sondern hatte unterschiedliche Höhepunkte. Der erste lässt sich am Vorabend des Ersten Weltkriegs feststellen, als mit der Geheimen Denkschrift 1914 erstmals ein staatliches Bemühen um Überblick und ein Konzept erkennbar ist. Eine zweite große Rezeptionsphase erlebten die Auslandsschulen ab den 1970er Jahren, in denen die Affinität der Bundespolitiker – stellvertretend seien hier nur die beiden Bundeskanzler Willy Brandt und Helmut Kohl mit ihren unterschiedlichen Deutungen von Kulturpolitik genannt – zu den auswärtigen Beziehungen zu einer erhöhten Rezeption führte.59 Wie wechselhaft diese Rezeption jedoch war, zeigt die Phase der Regierung Kohl, die auswärtige Kulturarbeit ab 1982 zunehmend auf Spracharbeit reduzierte.60
59 Für neue Konzeptvorschläge seien beispielhaft genannt: Peisert: Kulturpolitik; der Bericht der Enquete-Kommission 1975, in: Bulletin der Bundesregierung Nr. 91 vom 23.9.1977; die 51 Leitsätze zur Auswärtigen Kulturpolitik von Ralf Dahrendorf, 1970; für die Lage der Auslandsschulen insbesondere Schneider, Christian (Hrsg.): Die Deutsche Schule im Ausland. Beiträge zur auswärtigen Kulturpolitik, Heidelberg 1969. 60 Vgl. Kathe: Goethe-Institut, S. 30.
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Abhängig von globalen politischen Konstellationen konnte die deutsche Regierung im Laufe der Zeit den Auslandsschulen und einzelnen Regionen günstig oder ablehnend gegenüberstehen. Während beispielsweise Spanien lange Zeit im Fokus der Förderung stand, nahm nach dem Ende des Kalten Krieges Osteuropa diesen Platz ein. Die Ambivalenz der Rezeption trifft auch auf die Selbstwahrnehmung der Schulen zu, die ihren Standpunkt und ihre Arbeit immer wieder kritisch hinterfragen mussten. Es gilt daher zu untersuchen, welche Ereignisse zu unterschiedlichen Rezeptionen führten und wie diese im Detail ausgeprägt waren. Hinzu kommt in den Auslandsschulen eine zweite Ebene der Rezeption, durch das Gastland. In ihrem Alltag waren sie als private Vereine von den Regeln und Gepflogenheiten an ihrem jeweiligen Standort abhängig. Inwiefern die spanische Regierung auf die Auslandsschulen reagierte und sie zu einem Teil der spanischen Bildungslandschaft wurden, wird daher eine weitere zentrale Frage dieser Untersuchung bilden.
1.3 UNTERSUCHUNGSRAUM: SONDERFALL SPANIEN Die Geschichte Deutscher Auslandsschulen in Spanien ist auch eine Geschichte der deutsch-spanischen Beziehungen. Diese werden sowohl in der Forschung als auch in der Selbstwahrnehmung der Völker als positiv beschrieben, mit einer großen Sympathie der Spanier gegenüber Deutschland, ohne gegenseitige Abneigung und mit einer jahrelangen ökonomischen, kulturellen und politischen Verbindung.61 Die Beziehungen beider Länder waren dennoch recht wechselhaft und wiesen eher kurze Berührungspunkte, kaum längere Überlappungen auf.62 Luis Manuel Egusquiaguirre sieht die deutsch-spanische, neben der italienisch-französischen, als eine der zentralen Achsen der kontinentaleuropäischen Kulturverbindungen. 63 Der Grund für diese kulturelle Konnexion sei aber weder die Sprache als Schlüssel der Verbindung noch die Religion, sondern die Geschichte und das Fehlen von starken kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Ländern.64 61 Vgl. Quintín, Aldea: El desafío de la continuidad en las relaciones mutuas entre Alemania y España, in: Vega Cernuda, Miguel Ángel/Wegener, Henning: España y Alemania. Percepciones mutuas de cinco siglos de historia, Madrid 2002, S. 213–216, S. 213. 62 Vgl. Mecke, Jochen u. a. (Hrsg.): Deutsche und Spanier. Ein Kulturvergleich, Bonn 2012, S. 22. 63 Vgl. Fraga Egusquiaguirre, Luis Manuel: Los intercambios culturales entre Alemania y España. Retrospectiva y perspectiva, in: Vega Cernuda, Miguel Ángel/Wegener, Henning: España y Alemania. Percepciones mutuas de cinco siglos de historia, Madrid 2002, S. 201–212, S. 201. 64 Vgl. ebd., S. 204f.
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Die kulturgeschichtlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern beginnen bereits im Mittelalter,65 vor allem durch den Einfluss des Christentums in Spanien und dessen Auswirkungen auf die nördlichen Staatsgebiete und einen daraus entstehenden Kulturtransfer.66 Ein erster intensiver Kontakt auf politischer Ebene ist vor allem die Herrschaft des Habsburger Kaisers Karl V. (Carlos Primero in Spanien), der in Personalunion deutscher Kaiser und spanischer König war und somit zu einem Bindeglied zwischen der spanischen Geschichte und der des Deutschen Reiches wurde.67 Die Erinnerung an seine Regentschaft wirkt als ein Anknüpfungspunkt für die deutsch-spanischen Beziehungen und die deutsch-spanische Freundschaft.68 Ebenso wird der legendenumwobene Sieg seines unehelichen Sohnes Don Juan de Austria gegen die türkische Armada bei Lepanto kultur- und identitätsstiftend gedeutet und in der Rezeption häufig zum Beginn des geeinten Europas stilisiert.69 In den Reifeprüfungen der Deutschen Schulen finden sich Don Juan und Karl V. immer wieder als Anlass und Ausgangspunkt für Aufsatzthemen über die deutsch-spanischen Beziehungen.70 Die historischen Beziehungen beider Länder sind ausschlaggebend für die strukturellen Entwicklungen der Auslandsschulen und münden darin, dass Spanien noch heute eine exponierte Stellung im Deutschen Auslandsschulwesen besitzt. Im
65 Vgl. stellvertretend: Classen, Albrecht: Spain and Germany in the Middle Ages. An Unexplored Literary-Historical Area of Exchange, Reception and Exploration, in: Kent, Conrad u. a. (Hrsg.): The Lion and the Eagle. Interdisciplinary Essays on GermanSpanish Relations over the Centuries, New York 2000, S. 47–77. 66 Vgl. Wegener, Henning: Los Antecedentes: Hispanos y Germanos en la Edad Media, in: Vega Cernuda, Miguel Ángel/Wegener, Henning: España y Alemania. Percepciones mutuas de cinco siglos de historia, Madrid 2002, S. 31–37, S. 36. 67 Vgl. Bernecker, Walter: Spaniens Geschichte. Vom 15. Jahrhundert bis zur Gegenwart, München 42006, S. 20. 68 Collado Seidel, Carlos: Überlegungen zu Nation und Nationalbewusstsein in Spanien, in: Collado Seidel, Carlos/König, Andreas u. a. (Hrsg.): Spanien: Mitten in Europa. Zum Verständnis der spanischen Gesellschaft, Kultur und Identität, Frankfurt am Main 2002, S. 37–109, S. 99. 69 Vgl. Panzer, Marita: Don Juan de Austria. Karriere eines Bastards, Regensburg 2004, S. 185f. So wurde die NATO in den 1950er Jahren mit der „Heiligen Liga“ in Verbindung gebracht, während nach den Terroranschlägen 2001 auf das World Trade Center und dem daraus resultierenden Kampf gegen den islamistischen Terrorismus die Bewertung Don Juans sich änderte. 70 Vgl. Abschlussprüfungen in Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1971/72; Einladung zu einem Kulturabend an der Deutschen Schule Madrid, 21.02.1945, in: AGA 82/20880.
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Vergleich zu anderen Staaten finden sich dort zahlreiche Einrichtungen.71 Es besteht ein hoher Grad an Kontinuität sowie ein dichtes Netzwerk.72 Außerdem stand das iberische Land lange Jahre im Zentrum der politischen Interessen des Auswärtigen Amts 73 und erfuhr ein starkes finanzielles Engagement. 74 Die Deutschen Schulen in Spanien wurden als ein bedeutsamer Faktor der kulturellen Beziehungen wahrgenommen.75 Ein Sonderstatus, der bis heute besteht: Der Neubau der Deutschen Schule Madrid war 2015 mit circa 50 Millionen Euro eine der größten Investitionen in der Geschichte der Auslandsschulen,76 und während in anderen Ländern die beiden Weltkriege einen tiefen Einschnitt bildeten und zu einer sinkenden Zahl an Schülern, Schulen, Institutionen und Gebäuden führten, blieben die Deutschen Schulen in Spanien von den Brüchen des 19. und 20. Jahrhunderts in dieser Hinsicht weitgehend unberührt. Mit einem Zuwachs der Schülerzahlen von rund 300 Prozent nach dem Ersten Weltkrieg ist Spanien im Gegenteil vielmehr ein Sonderfall im Auslandsschulwesen.77 Die Einrichtungen waren zu diesem Zeitpunkt vergleichsweise gut organisiert und erfuhren eine intensive Förderung seitens der neu gegründeten Weimarer Republik,78 wobei sie als Offensive der Außenpolitik auf die germanophilen Eliten Spaniens zu bewerten sind.79 Die Schulen waren nach Pöppinghaus einer der wichtigsten Aktivposten der Kulturpolitik in Spanien,80 um das Ansehen Deutschlands nach dem Krieg wieder aufzubauen.81 Während und nach dem Zweiten Weltkrieg wiederholte sich die Sondersituation, da viele Schulen nach 1939 nicht schlossen und sogar noch 1944 neue Gebäude bauten. Dies belegt die enge kulturpolitische Verbindung zwischen Franco-Spanien und dem NS-Staat bis in die Spätphase des Krieges. Die Anstalten wurden zu Pro71 Vgl. Gimber, Arno/Schütz, Jutta (Hrsg.): Spanien verstehen, Darmstadt 2012, S. 138f. 72 Vgl. Lepiorz, Gerhard: Deutsche Schulen in Spanien, in: DLiA (1975), S. 147. 73 Vgl. Schneider: Deutsche Schule, S. 137–152. 74 Vgl. Aufzeichnungen über Beratungen des Haushaltsausschusses des Bundestages vom 11.02.1960, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 154. 75 Vgl. Fragestunde des Bundestages am 23.02.1956, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 33. 76 Vgl. Schröter, Karl Martin: Palabras de Bienvenida del Consejero de Educación y Cultura de la Embajada de la República Federal de Alemania, in: Asociación Alexander von Humboldt de España (Hrsg.): Relaciones científico-culturales hispano-alemanes, 1/2013, S. 11–17, S. 14. 77 Vgl. Pöppinghaus, Ernst-Wolfgang: Moralische Eroberungen?, Kultur und Politik in den deutsch-spanischen Beziehungen der Jahre 1919 bis 1933, Frankfurt am Main 1999, S. 249. 78 Vgl. ebd., S. 217. 79 Vgl. ebd., S. 212. 80 Vgl. ebd., S. 248. 81 Sitzungsprotokoll Konferenz der Kultusminister vom 15.06.1920, in: PAAA R62454.
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pagandaschulen umgewandelt und übernahmen die ideellen Vorstellungen der Nationalsozialisten.82 Nach dem Kriegsende versuchte sich die Bundesrepublik besonders bei den neutralen Ländern als Kulturmacht zu zeigen, wobei auf Vorläuferkonzepte in der Kulturpolitik zurückgegriffen wurde.83 Solche Kontinuitäten wurden von den westlichen Alliierten kritisch betrachtet, und die Deutschen Auslandsschulen gerieten in den Fokus der Geheimdienste, die sie überwachten.84 Die Wiedereröffnung dieser Schulen bereitete den Siegermächten große Sorgen, sahen sie doch in ihnen einen Kern des deutschen Nationalismus.85 Die beinahe bruchlose Geschichte mit zahlreichen personellen, institutionellen und strukturellen Kontinuitäten sowie die Furcht vor einem neuen Nationalismus und der gleichzeitige Versuch, sich von der NSPolitik abzusetzen,86 führten in Schulen und Verwaltung zu einem Spagat, der interessante Forschungsansätze zulässt. Zudem setzte ab Mitte der 1960er Jahre eine profiliertere Auslandsschularbeit ein, 87 womit ab diesem Zeitpunkt die Schulen stärker in die Außenpolitik einbezogen wurden. Mit der Öffnung des Eisernen Vorhangs verlagerten sich ab 1990 die Schwerpunkte der Auslandsschulpolitik, und Ressourcen, Personal, Gelder sowie Initiativen wurden umstrukturiert. Dieser Einschnitt betraf gerade die Deutschen Schulen in Spanien: Die Anstalten gerieten aus dem Fokus der Auslandsarbeit, in den nun Osteuropa rückte.88 Neben der spezifischen Kontinuität und der wechselhaften Geschichte, die es so nur in Spanien gibt, sind die Deutschen Auslandsschulen in Spanien ein lohnender Untersuchungsgegenstand, da gerade die politische Situation im Gastland zahlreiche Forschungsfragen zulässt. Die demokratische Grundausrichtung der Deutschen Schulen der Nachkriegszeit traf dort beispielsweise bis zum Jahr 1975 auf eine Diktatur.89 Die Schulen waren ein Spiegelbild für die kulturelle Arbeit verschiedener 82 Vgl. Waibel, Jens: Die Deutschen Auslandsschulen. Materialien zur Außenpolitik des Dritten Reiches, Frankfurt an der Oder 2010, S. 6. 83 Vgl. Trommler: Kulturmacht ohne Kompass, S. 557, 576. 84 Vgl. Deutsche Schule Bilbao (Hrsg.): Colegio Alemán de Bilbao San Bonifacio 1917– 2007, Bilbao 2007, S. 20. 85 Vgl. Messenger, David: Hunting Nazis in Franco’s Spain, Louisiana 2014, S. 147; Collado Seidel: Angst, S. 120ff. 86 Vgl. Trommler, Frank: Kulturmacht ohne Kompass, S. 570. 87 Vgl. ebd., S. 652. 88 Vgl. Schmidt, Walter: Die Wende, in: Egenhoff, Manfred (Hrsg.): Deutsche Lehrer im Ausland. Beiträge zur schulischen Arbeit weltweit, Münster 2013, S. 83–97. 89 Vgl. Bernecker, Walther: Franquismo in: Spanien Lexikon, München 1990, S. 206f. Der Franquismus wandelte sich im Laufe der Jahre von einer faschistisch inspirierten Militärdiktatur zu einem konservativen-autoritären Regime und wird als „Autoritarismus“ charakterisiert.
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Systeme und politischer Parteien, in der sich deutsch-spanische Beziehungen zeigten. Als halbpolitische Einrichtungen sind sie beispielsweise in puncto Lehrplan, Lehrmittel und Personal sowohl vom Gast- als auch vom Mutterland abhängig. Mit den Auslandsschulen in Spanien werden einzelne Institutionen untersucht, deren Wirken ein Indikator für gesellschaftliche und politische Veränderungen in den Beziehungen zwischen zwei Nationen ist. Sie bilden Verbindungen, Netzwerke und Bewegungen ab und sind somit eine statische Dimension von fluiden Beziehungen.90 Spanien wird in der vorliegenden Arbeit stellvertretend für die historische Entwicklung der Deutschen Auslandsschulen herangezogen und die Geschichte der einzelnen Schulen untersucht. Warum das Land lange Zeit im Fokus des schulischen Teils der Auswärtigen Kulturpolitik stand, bildet hierbei eine zentrale Frage. Darüber hinaus weist Spanien Besonderheiten auf, die spezielle Fragestellungen zum Auslandsschulwesen erlauben: 1. Wie weit spiegeln sich Kontinuitäten und Brüche nach dem Ersten und besonders nach dem Zweiten Weltkrieg in Personal, Schule und Lehrplan wider? 2. Welchen Einfluss haben unterschiedliche politische Systeme auf die Entwicklung einer Auslandsschule? 3. Konkreter für die Zeit ab 1949: Wie verhielt sich eine demokratische Schule in einem faschistischen Land und inwieweit trugen die Deutschen Schulen als halbamtliche Institutionen zur Verbreitung des demokratischen Gedankens während der Transformation ab 1975 bei? 4. Wie zeigen sich politische und soziale Strömungen, sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene, in den einzelnen Schulen? 5. Wie weit werden Fördermittel als Zweck einer politischen Zielsetzung eingesetzt? 6. Wie beeinflussen sich Gastland, Heimatland und Auslandsschule im gegenseitigen Verhältnis? 7. Welche Spannungsverhältnisse ergeben sich durch die binationale Charakterisierung der Schule? Um ein umfangreiches Bild der deutschen Schullandschaft in Spanien zu erhalten und den Untersuchungsgegenstand einzugrenzen, werden die acht (bzw. mittlerweile sieben) vom Auswärtigen Amt anerkannten Bildungseinrichtungen91 (siehe Ta-
90 Vgl. Herzner, Dominik/ Kroll, Markus: Tagungsbericht Deutsche Schulen im Ausland. 17.07.2014, Aachen, in: H-Soz-Kult, 09.10.2014, . 91 Vgl. http://www.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_ZfA/Auslandsschularbeit/Auslandsschulverzeichnis/ (aufgerufen am 05.02.2017)
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belle) untersucht und gemeinsame Strukturmerkmale und Unterschiede herausgearbeitet. Darüber hinaus werden Einzelmerkmale kleinerer, nicht anerkannter oder bereits wieder geschlossener Schulen die Darstellung ergänzen, um so ein möglichst vollständiges Bild über das Auslandsschulwesen geben zu können. Tabelle 1: Deutsche Auslandsschulen in Spanien Schule
Gründung*
Schülerzahlen**
DS Madrid
1896 / 1949
1278 / 471
DS Barcelona
1894 / 1947
1132 / 534
DS Marbella/Málaga
1898 / 1966
522 / 237
DS Bilbao
1917 / 1951
521 / 30
DS Las Palmas de Gran Canaria
1920 / 1947
576 / 169
DS San Sebastián***
1921 / 1951
454 / 40
DS Santa Cruz de Tenerife
1909 / 1951
543 / 212
DS Valencia
1908 / 1946
609 / 86
* Neben der ersten Gründung wird auch das Datum der Wiedereröffnung angegeben. ** Gesamtschülerzahl und Anzahl der deutschsprachigen Schüler (Stand: Dezember 2014). *** Die DS San Sebastián war zu Beginn der Arbeit noch als Auslandsschule anerkannt, hat sich aber zu einer Sprachdiplomschule entwickelt.
Dass sich die Deutschen Schulen aus dem „Streit politischer Tagesmeinung“92, wie es Schmidt und Boelitz noch 1927 gefordert hatten, heraushalten, war sowohl zur Zeit der Weimarer Republik als auch nach 1945 kaum möglich. Wie weit sich die Lehranstalten von den politischen Linien des Heimat- und auch des Gastlandes lösen und ein eigenes Profil entwickeln konnten, ist ein wichtiger Punkt, den es zu untersuchen gilt. Dabei sollen zentral der Schulalltag, das schulische Leben und die konkreten Auswirkungen politischer Dimensionen erforscht werden. Neben den pädagogischen, historischen und politischen Analysekriterien zeigen sich in den spanischen Schulen aber auch die wirtschaftlichen Aspekte der Auslandsschulen. Die Einrichtungen bieten eine Bildungsinfrastruktur für Investitionsentscheidungen
WeltkarteDerSchulen/Datenbank/Auslandsschule_Liste.html?nn=4491322&country= Spanien (aufgerufen am 17.12.2014). 92 Boelitz, Otto/Schmidt Franz: Aus deutscher Bildungsarbeit im Auslande. Erlebnisse und Erfahrungen, Langensalza 1927, S. 39.
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deutscher Unternehmen und sind somit eine Förderung der Wirtschaft und der Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Deutschland.93 In der Gegenwart zeichnet sich Spanien durch die große Anzahl von sogenannten ‚exzellenten Auslandsschulen‘94 und den hohen Anteil der Begegnungsschulen aus.95 Diesen Typus charakterisierte Winter als besonderes ‚Erfolgsmodell‘.96 Doch diese Darstellung gilt es zu hinterfragen, denn die Begegnung funktionierte in der Praxis nicht immer reibungslos. Zu untersuchen sind daher der Weg zum Begegnungscharakter und die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft. Da sich die Schulen durch private Beiträge finanzieren, erscheint die Frage berechtigt, inwiefern Schüler und Elternschaft als eher wohlhabend und die Schulen damit als elitär zu bezeichnen sind. Noch aus einem weiteren Grund stellen die spanischen Schulen aktuell eine Besonderheit dar, die in der Arbeit beachtet werden soll: Neben Deutsch und Spanisch wird an vielen Schulen eine dritte Regionalsprache, beispielsweise Katalanisch, unterrichtet.97 Damit ergibt sich eine Konstellation aus Regionalismus und Globalisierung, die nicht von allen Seiten unkritisch gesehen wird. Durch das binationale Wechselverhältnis und die regionale Fokussierung auf Spanien ergeben sich die zeitlichen Kriterien, die für die Gliederung der Arbeit maßgebend sind. Dabei werden die deutschen Zäsuren einschneidender bewertet als die spanischen, da die Auslandsschulen institutionell mit dem politischen System des Heimatlandes enger verbunden waren und vor allem durch die politischen Wechsel in Deutschland immer wieder eine neue kulturpolitische Aufgabe erhielten. Allerdings hatten auch die wichtigen Ereignisse der spanischen Geschichte, wie der Bürgerkrieg 1936–1939, einen starken Einfluss auf die Entwicklung der Auslandsschulen. Die unterschiedlichen politischen Systeme in Gast- und Heimatland gewähren einen Einblick in die Ungleichzeitigkeit des Gleichzeitigen. Darüber hinaus soll die Arbeit aufzeigen, wie einzelne Schulen, unabhängig von politischen Ereignissen oder sogar entgegen den allgemeinen Strömungen, ihren eigenen Weg gingen und mit ihrer Entwicklung höhere Ebenen beeinflussen konnten. Die chronologische Entwicklung folgt vier zentralen Phasen: Kaiserreich, Weimarer Republik, NS-Zeit und ab 1949 Bundesrepublik Deutschland. 93 Vgl. Braun, Ludwig Georg: Deutsche Schulen im Ausland, in: Lammert, Norbert (Hrsg.): Alles nur Theater? Beiträge zur Debatte über Kulturstaat und Bürgergesellschaft, Köln 2004, S. 286–299, S. 286. 94 Vgl. http://www.bva.bund.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/ZfA/Aktuelles/2011/ Guetesiegel.html (aufgerufen am 16.12.2014). 95 Vgl. Petersen, Anna: Spanien. Faszination für deutsche Erziehungsideen, in: Begegnung 30 (3/2009), S. 44–50, S. 45. 96 Winter: Erfolgsmodell, S. 171. 97 Vgl. Petersen: Spanien, S. 47.
2. Die Auslandsschulen von ihrer Gründung bis zum Ende des Ersten Weltkriegs
Um die Geschichte der Gründung Deutscher Auslandsschulen in Spanien nachvollziehen zu können, ist es zunächst erforderlich, einen Blick darauf zu werfen, wann und warum Deutsche nach Spanien ausgewandert sind. Die Sozialisationshintergründe deutscher Emigranten und ihre Denkvorstellungen beeinflussten maßgeblich die Entstehung der Auslandsgemeinden und damit die der Schulen. Die politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge sind dabei notwendige Parameter für die Einbettung der Auslandsschulen in einen transregionalen und transnationalen Kontext. Die Auswanderer blieben zuerst in eigenen kleinen Gemeinden zusammen, solidarisierten sich als Auslandskolonie, ohne großen demographischen Einfluss auf die spanische Bevölkerung zu haben, und entwickelten so genuine Sozialisationsmuster.1 Durch den Auslandsaufenthalt veränderten sich aber auch ihre persönliche Werte, die eigene Identität, Handlungsspielräume und Gewohnheiten.2 Psychologische Studien zeigen, dass bei längeren Auslandsaufenthalten die eigene Gruppe zwar kritisch und negativ betrachtet werden kann, doch meistens gehen Emigranten Verbindungen mit ihresgleichen ein und beginnen ihre eigene Kultur mehr zu schätzen.3 Die Auswanderung nach Spanien verlief in verschiedenen Phasen und erfolgte in Abhängigkeit von politischen Konstellationen und Ereignissen. Ab dem Spanischen Erbfolgekrieg (1701–1714) und dem Ende der Habsburger Verbindung zu Spanien stagnierten die vorangegangenen Intensivierungen in den bilateralen Be-
1
Vgl. Bernecker, Walther: Spanien Handbuch. Geschichte und Gegenwart, Tübingen 2006, S. 309.
2
Vgl. Zschoke, Martina: Mobilität in der Postmoderne. Psychische Komponenten von Reisen und Leben im Ausland, Univ. Diss., Leipzig 2005, S. 246.
3
Vgl. ebd., S. 280.
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ziehungen zwischen Deutschland und Spanien auf politischer Ebene.4 Die Spanier erschienen aus deutscher Perspektive im Zeitalter der Aufklärung als ein lächerliches und rückständiges Volk von Außenseitern, wenn sie nicht gar als exotische Wilde abgestempelt wurden.5 Die Gründe für diese negative Beurteilung waren vor allem wirtschaftlicher Natur, die sich ab dem 19. Jahrhundert verstärkten, als der ökonomische Abstand zu den restlichen Industrienationen Europas immer größer wurde. Schritt dort die industrielle Revolution voran, war Spanien von Bürgerkriegen und Militärputschen gelähmt.6 Diese Vorstellung von einer spanischen Rückständigkeit führte zu einem Gefühl der Überlegenheit, das sich in den politischen Beziehungen, in der Handelsbilanz7 und in einem Export von Ideen- und Gedankengut zeigte.8 Auf der gesellschaftlichen und privaten Ebene bildeten die Deutschen Auslandsschulen solch ein ideelles Exportgut deutscher Erziehungsideale und Wertevorstellungen, die in eine neue Region transferiert wurden. Ihre Gründung in Spanien war durch drei Merkmale motiviert: erstens durch den Wunsch einer konfessionellen Missionierung, zweitens durch Bestrebungen nach nationaler Selbsterhaltung und drittens durch ein Gefühl der pädagogischen Überlegenheit. Zentraler Motor bei der Etablierung der Auslandsschulen in Spanien waren dabei die evangelischen Gemeinden, die sich dort im Zuge der Auswanderung bildeten. Eine erste größere Gruppe Deutscher kam während der spanischen Revolution 1820–1823 ins Land. Während dieser Phase verstärkten sich die Beziehungen zwischen Spanien und Deutschland und damit die Wanderungsbewegungen. Die Auseinandersetzungen auf der Iberischen Halbinsel erfuhren starke Aufmerksamkeit in den Ländern des Deutschen Bundes, sowohl seitens nationalliberaler Kräfte als auch im konservativen Lager. Beide Seiten betrachteten die Konfrontation in Spa-
4
Vgl. Collado Seidel: Überlegungen, S. 99.
5
Vgl. Briesenmeister, Dietrich: Spanien aus deutscher Sicht. Deutsch-spanische Kulturbeziehungen gestern und heute, Tübingen 2004, S. 3.
6
Vgl. ebd., S. 5.
7
Vgl. Loscertales, Javier: Deutsche Investitionen in Spanien 1870–1920, Stuttgart 2002, S. 286. Die jeweiligen Handelsbilanzen belegen eine typische Beziehung zwischen einem industrialisierten und einem wirtschaftlich unterentwickelten Land. Spanien exportierte Agrarprodukte und Rohstoffen, Deutschland lieferte dafür Fertigprodukte und Maschinen.
8
Im Bereich der Philosophie waren dies die Lehren Karl Krauses; vgl. García Mateo, Rogelio: Das deutsche Denken und das moderne Spanien. Panentheismus als Wissenschaftssystem bei Karl Chr. F. Krause. Seine Interpretation und Wirkungsgeschichte in Spanien. Der Spanische Krausismus, Frankfurt am Main 1982, S. 144ff.
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nien als einen Stellvertreterkampf der je eigenen Anschauungen.9 Liberale Strömungen sahen dabei den Krieg als eine Bedrohung der freiheitlichen Bewegung in ganz Europa, und viele Deutsche solidarisierten sich mit den spanischen Aufständischen.10 In der Folge meldeten sich zahlreiche Freiwillige für die Fremdenlegionen und reisten nach Spanien, um aktiv einzugreifen.11 Zwar verließen viele Kämpfer das Land nach der gescheiterten Revolution wieder, doch sie öffneten mit dieser Intervention eine Traditionslinie, die Spanien erneut in den Fokus deutscher politischer und gesellschaftlicher Interessen brachte. Zudem erhielt durch sie die erste Auswanderungsbewegung im 19. Jahrhundert eine liberale Komponente. Parallel dazu verstärkte sich das wirtschaftliche Interesse an Spanien. Nach der napoleonischen Kontinentalsperre 1806 erhofften sich international ausgerichtete Unternehmen eine Wiederbelebung des spanischen Amerikahandels, eine Intensivierung wirtschaftlicher Geschäfte und lukrative Gewinne.12 Diese Wünsche sollten sich in den kommenden Jahren erfüllen, der Textilhandel mit Cádiz beispielsweise verdreifachte sich im Jahr 1820.13 Diese gesteigerten Handelsbeziehungen hatten nachhaltige Auswirkungen auf das Anwachsen der deutschen Gemeinden in Spanien, gerade in den zentralen Handelsstädten wie Madrid, Barcelona, Málaga und Sevilla. Die deutsche Sprache wurde ab diesem Zeitpunkt zu einer der führenden Handelssprachen und die Geschäftsleute vor Ort zu wichtigen Partnern. Diese Entwicklungen verliefen zunächst sehr langsam, doch bis zum Ende des 19. Jahrhunderts hatten beispielsweise die Deutsche Bank, AEG oder SiemensSchuckert Niederlassungen in Spanien gegründet.14 Gleichzeitig entwickelte sich Deutsch zu einer der führenden Wissenschaftssprachen; an den spanischen Universitäten boomten die philosophischen, von der Humanität geprägten Ideen von Karl Krause, die in Deutschland zwar kaum Resonanz fanden, doch in Spanien durch die Übersetzungen des spanischen Philosophen Julián Sanz del Río einen enormen Wirkungskreis erlangten.15 Die zweite und gleichzeitig intensivste Phase der deutschen Auswanderung setzte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts ein. Hauptziele waren die USA, Australien und Südamerika. Zwischen den Jahren 1816 und 1914 verließen schätzungsweise
9
Vgl. Ludwig, Jörg: Deutschland und die spanische Revolution 1820–1823, Leipzig 2012, S. 19.
10
Vgl. ebd., S. 113.
11
Vgl. ebd., S. 116f.
12
Vgl. ebd., S. 207.
13
Vgl. ebd., S. 209.
14
Vgl. Loscertales: Deutsche Investitionen, S. 287.
15
Vgl. García Mateo: Das deutsche Denken, S. 148f., S. 203.
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5,5 Millionen Deutsche ihre Heimat.16 Spanien war dabei meist nur Transitland, aufgrund der niedrigen eigenen Bevölkerungszahlen nahm es aber gerne deutsche Auswanderer auf, weshalb es gezielt um Zuzug warb. Ein Beispiel dafür ist eine Beilage zur in Frankfurt am Main erschienen Deutschen Zeitung, die 1849 einen übersetzten Artikel zu diesem Thema publizierte.17 Die Sonderausgabe sprach besonders Ackerbauern und kleine Landwirte an, denen empfohlen wurde, in großen Gruppen auszuwandern, da sie so die Chancen auf ein erfolgreiches Leben in Spanien vergrößern würden. Der Strom deutscher Auswanderer solle den Ackerbau vervollkommnen, den Reichtum im Land vermehren und die Bevölkerung vergrößern. Dabei würden, so die Meinung des Autors, gerade die Deutschen wegen ihres friedfertigen Charakters, ihrer Arbeitsliebe und ihrer Sittenreinheit am besten zu Spanien passen. Die Landwirte, die solchen Aufrufen folgten, bildeten neben den Revolutionsteilnehmern der 1820er Jahre eine zweite größere Gruppe deutscher Auswanderer, sie haben sich aber nicht in den städtischen Regionen niedergelassen, sondern gründeten fernab von den Handelszentren und Ballungsräumen kleine deutsche Gemeinden. Ab dem Ende der 1850er Jahre nahm der Anteil dieser meist aus Süddeutschland kommenden Gruppe wieder ab,18 änderte sich doch mit dem Übergreifen der Auswanderungsbewegung auf Mittel- und Norddeutschland die soziale Zusammensetzung der Emigranten. So wuchs ab den 1880er Jahren der Anteil der Arbeiter und Gewerbetreibenden stetig an, die somit eine weitere Großgruppe deutscher Auswanderer bildeten. Die Zuwanderer aus den gebildeten Schichten und freien Berufen nahm im Verhältnis zu, was vor allem an der beginnenden Industrialisierung Spaniens lag. Die elektrotechnische und die chemische Industrie entdeckten ab dem Ende der 1880er Jahre den spanischen Markt und kontrollierten diesen fast vollständig.19 Dadurch kam es zu einer dritten Welle deutscher Auswanderung, da die großen deutschen Firmen ihre bereits bestehenden Geschäftsbeziehungen intensivierten und weitere Filialen in den spanischen Handelsstädten errichteten, in die sie ihre Mitarbeiter schickten. Diese Fachleute unterschieden sich von den vorherigen Auswanderern, da sie vorerst nur für einen bestimmten Zeitraum im Land bleiben sollten. Die Investitionen und die Expertise deutscher Ingenieure nahmen spanische Industrielle größtenteils positiv auf, da sie sich davon eine Modernisierung ihres Landes erhofften. Deutsche Technik, deutsche Wissenschaften und deutsches 16
Vgl. Ette, Andreas/Sauer, Lenore: Auswanderung aus Deutschland. Daten und Analysen zur internationalen Migration deutscher Staatsbürger, Wiesbaden 2010, S. 49.
17
Vgl. Kruse, B.: Deutsche Auswanderung, Beilage Nr. 183 zur Deutsche Zeitung, 5. Juli 1849.
18
Vgl. Smolka, Georg: Die Auswanderung als politisches Problem in der Ära des deutschen Bundes (1815–1866), Sigmaringen 1986, S. 20ff.
19
Vgl. Loscertales: Deutsche Investitionen, S. 288ff.
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Know-how erhielten in dieser Zeit einen guten Ruf und steigerten die Beliebtheit der Deutschen. Durch die unterschiedlichen Phasen der Auswanderungsbewegungen kam es in den Auslandsgemeinden zu einer sehr heterogenen Zusammensetzung. Die Emigration war durch verschiedene Strömungen und soziale Einflüsse geprägt, und liberale Bürgerkriegskämpfer, Handelskaufleute, katholische Landwirte, technische Mitarbeiter und norddeutsche Bildungsbürger hinterließen ebenso ihre Spuren wie Diplomaten oder Wissenschaftler. Die Konzentration auf wenige Orte verstärkte dies zusätzlich, da sich Deutsche meist dort niederließen, wo bereits deutsche Spuren vorhanden waren und somit eine Spirale in Gang setzten, die zu einem weiteren Anwachsen der kleinen Gemeinden führte. Die Auslandsgemeinden waren dadurch ein Konglomerat verschiedener Individuen, die sich als primäre Bezugsinstanz mit ihren Denkvorstellungen und Handlungen gegenseitig beeinflussen konnten, da vor allem im Ausland Sozialisierungsprozesse und Gruppenbildung eine andere Dynamik annehmen konnten als in der Heimat. Die Zugehörigkeit zum ‚Deutschtum‘ bildete den kleinsten gemeinsamen Nenner, der oftmals ausreichte, um unterschiedlichste Personengruppen zusammenzubringen. Die eigene Kultur wurde als näher empfunden, und gerade Personen, die sich diese bewahren wollten, grenzten sich zunehmend vom spanischen Umfeld ab. Gemeinschaften solidarisierten sich, Beziehungen unterschiedlichster Art schlossen sich zusammen, und der Alltag war auch bei einer urbanen Umgebung von kleinstädtischen Strukturen geprägt. Häufig nahmen Deutsche aber auch wichtige Funktionen in der spanischen Gesellschaft ein. Deutsche Produkte und Dienstleistungen galten als qualitativ wertvoll, weshalb das Ansehen der Auswanderer häufig hoch war. Fußballvereine (Bsp. in Zaragoza), Brauereien (Bsp. Mahou) oder Industriebetriebe mit deutschen Wurzeln zeugen noch heute vom Einfluss der Deutschen in Spanien und von ihrer Wertschätzung seitens der spanischen Bevölkerung und von der Akzeptanz deutscher Waren im Land. Der Bekanntheitsgrad in der Community untereinander war groß und die einzelnen Personen häufig familiär, beruflich oder durch Vereine eng verflochten. Führende Persönlichkeiten der Auslandsgemeinden konnten so mit ihrem Netzwerk die Entwicklung der Gemeinde lenken und Einfluss auf die Auslandsschulen nehmen, die häufig vom persönlichen Engagement einzelner Individuen abhing. Ein Beispiel hierfür ist die im folgenden Kapitel geschilderte Biographie Fritz Fliedners, die zeigen soll, dass häufig die evangelischen Pastoren zu einem zentralen Knotenpunkt in den Auslandskolonien wurden.20 Durch ihn gewann die protestantische Kirchengemeinde zunehmend an sozialem Gewicht und wurde zum Motor im 20
Vgl. Herzner, Dominik: Kirchenmänner als Schulgründer. Die Entstehung Deutscher Auslandsschulen in Spanien und die Rolle evangelischer Pastoren, in: Zeitschrift für Religion und Geistesgeschichte 3 (2017), S. 285–289.
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Aufbau gemeinschaftlicher Strukturen und zu einem wichtigen Element bei der Entstehung der Auslandsschulen.
2.1 EVANGELISCHE GEMEINDEN ALS INITIATOREN FÜR DIE GRÜNDUNG NEUER AUSLANDSSCHULEN Der ab Mitte des 19. Jahrhunderts erhöhte Anteil evangelischer Auswanderer traf in Spanien auf ein stark katholisch geprägtes Land. So musste durch die Gründung protestantischer Kirchengemeinden zuerst einmal eine Basis für das eigene, vom katholischen Umfeld abgeschottete religiöse Leben geschaffen werden. Diese konfessionellen Enklaven gingen meist auf preußische Kaufleute und Diplomaten zurück, die sich in den führenden Handelszentren des Landes niederließen, sich dort aber in einer religiösen und sprachlichen Diasporasituation befanden.21 1869 erhielten Minderheiten zwar durch einen liberalen Umschwung in Spanien Religionsfreiheit, doch schon 1876 wurde der Katholizismus wieder zur Staatsräson erklärt und gestattete nur eine private Ausübung anderer Religionen.22 Die evangelischen Gemeinden waren in der Folge auf Unterstützung angewiesen, und es ergingen immer wieder Hilferufe in die Heimat mit der Bitte um seelsorgerischen, finanziellen und politischen Beistand. In Deutschland nahmen beispielsweise der Gustav-Adolf-Verein oder das speziell für diesen Zweck gegründete Berliner Comité zur Förderung des Evangeliums in Spanien die Appelle aus dem Ausland wahr. Im Jahr 1870 schickte das Comité den Verwaltungsjuristen Graf Andreas von Bernstorff nach Spanien, um dort die evangelischen Gemeinden zu unterstützen.23 Das Hauptinteresse seiner Mission lag auf Madrid, da sich in der Hauptstadt die größte evangelische Enklave herausgebildet hatte. Er konzentrierte seine Unterstützungsmaßnahmen nicht auf die deutsche Gemeinde, sondern richtete sein Wirken primär auf spanische evangelische Gruppierungen aus, denn zentrales Motiv seiner Reise war nicht die nationale Unterstützung der deutschen Glaubensbrüder, sondern konfessionelle Hilfe im Kampf gegen den katholischen Einfluss und Beihilfe für den Aufbau evangelischer Strukturen im Land. Einen geeigneten Ansatzpunkt sah Bernstorff in der Erziehung. Daher forderte er in einem Bericht
21
Vgl. Wellnitz, Britta: Deutsche evangelische Gemeinden im Ausland. Ihre Entstehungsgeschichte und die Entwicklung ihrer Rechtsbeziehungen zur Evangelischen Kirche in Deutschland, Tübingen 2003, S. 18ff.
22
Vgl. Fitschen, Klaus: Protestantische Minderheitenkirchen in Europa im 19. und 20. Jahrhundert, Leipzig 2008, S. 82f.
23
Vgl. Bernstorff, Andreas von: Die evangelische Bewegung in Spanien. Reisebericht, Berlin 1870, S. 3.
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eine stärkere Unterstützung von Schulen, da so eine Brücke in das Gastland gebaut werden könne und Bildung das beste Mittel gegen den römischen Irrglauben sei.24 Er plädierte für die Entsendung eines Seelsorgers, der sich um den Aufbau von Kirchen und Schulen kümmern sollte.25 Seine Vorschläge fanden in Deutschland ein offenes Ohr, und Bernstorff bekräftigte mit seinen Ideen das Vorhaben des Comités, das in Berlin mit Fritz Fliedner bereits einen Mann für diese Arbeit gefunden hatte. Nach der Rückkehr Bernstorffs veröffentlichte das Comité ein Zirkular, das die Ergebnisse von dessen Reise festhielt und an interessierte Kreise, wie Fliedner oder potentielle Geldgeber, verbreitet wurde.26 Darin hielt das Comité fest, dass erstens die evangelische Bewegung keine vorübergehende, sondern eine bleibende Erscheinung in Spanien sei. Zweitens sei jedoch das Evangelisationswerk in Spanien von großen Gefahren bedroht, weshalb drittens die evangelische Bewegung in Spanien von Deutschland aus unmittelbar und kräftig unterstützt werden müsse und viertens dieser Einfluss nur durch die Entsendung eines ständig dort lebenden und wirkenden Repräsentanten der deutsch-evangelischen Kirche zu gewinnen sei, der nicht als Seelsorger einer einzelnen Gemeinde auftreten, sondern sich dem ganzen Werke des evangelischen Glaubens nützlich machen solle. Noch bevor dieses Zirkular mit dem Aufruf zur Unterstützung des Vorhabens an andere Vereinigungen und Hilfsvereine versendet wurde, trat das Comité mit Pastor Fritz Fliedner in Verhandlungen. Der im Jahr 1845 in Kaiserswerth geborene Priester engagierte sich nach seinem Theologiestudium in der evangelischen Arbeit in Spanien und nahm später im Jahr 1871 an der ersten Synodentagung in Sevilla teil.27 Damit verfügte er über erste Spanienerfahrungen, die er durch weitere Aufenthalte im Land vertieft hatte. Dabei leistete er bereits erste Missionierungsarbeit, und nach seiner Rückkehr nach Deutschland unterstrich er sein spanisches Engagement, indem er immer wieder Spenden für die Madrider Gemeinde sammelte, zu der er freundschaftliche Verbindungen pflegte.28 Für das Comité war er somit der ideale Kandidat für die anstehenden Aufgaben, und mit einem Budget von jährlich 1000 Thalern wurde er im August 1870 ordiniert und nach Spanien entsandt, um dort neben der Seelsorge die theologische Bildung auf wissenschaftlicher Grundlage voranzubringen.
24
Vgl. ebd., S. 18.
25
Vgl. ebd., S. 30.
26
Vgl. Fliedner, Georg (Hrsg.): Aus meinem Leben. Erinnerungen und Erfahrungen von Fritz Fliedner, Berlin 21903, Bd. 2, S. 27ff.
27
Vgl.
http://www.fliedner-stiftung-madrid.de/fritz-fliedner.php
08.02.2017). 28
Vgl. Fliedner: Aus meinem Leben, S. 23f., 39f.
(aufgerufen
am
46 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Fliedners Auftragsgeber erteilten genaue Instruktionen für seine Arbeit in Spanien.29 Primäraufgabe war die Beratung der neu entstehenden evangelischen Kirche in Spanien, wobei er sein Augenmerk auf das ganze Land und nicht nur auf einzelne Städte oder Gebiete richten sollte. Fliedners Missionstätigkeiten brachten ihn daher an verschiedene Orte, wo er Kontakte knüpfen und seine Ideen verbreiten konnte. Er sollte sich dazu in die spanischen Gemeinschaften integrieren und mit ihren Leitern freundschaftliche Beziehungen aufbauen. Der spanischen evangelischen Kirche sollte nichts Fremdartiges oktroyiert, sondern eine eigenständige Entwicklung mit deutscher Unterstützung gewährleistet werden. Dieser Auftrag war durchaus ambivalent. Einerseits beinhaltete er den Dialog mit anderen Kulturen und religiösen Kreisen, andererseits wurde in der Praxis deutlich, dass Fliedner seine Mission nicht nur als Unterstützung sah, sondern gerade im Kontrast zu katholischen Elementen vor Ort im Auftrag des Vereins ein deutsches Überlegenheitsgefühl vermitteln sollte und dies zuweilen auch tat.30 Immer wieder kam es daher zu Konflikten mit katholischen Kreisen und Streitigkeiten mit anderen Missionierungswerken in Madrid;31 zuweilen warfen ihm seine Gegner sogar einen getarnten Imperialismus vor.32 Ein Punkt, der dazu beigetragen hatte, war die Omnipräsenz Fliedners in verschiedenen Gesellschaftsbereichen der spanischen Gemeinden. Neben dem Aufbau der kirchlichen Strukturen in verschiedenen Ortschaften veröffentlichte er zahlreiche Schriften, gründete in Madrid ein Waisenhaus, ein evangelisches Krankenpflegeheim und mehrere Bildungseinrichtungen. Die Jugendbildung machte Fliedner zum Zentrum seines missionarischen Wirkens. Sie sollte durch theologischen Unterricht und religiöse Gemeinschaftsbildung ausgefüllt werden, da sich besonders in diesem Bereich die konfessionelle und nationale Überlegenheit des deutschen Protestantismus zeigte. Die mangelhafte schulische Versorgung in Spanien erklärte Fliedner mit dessen kirchlicher Prägung, da Rom ein Interesse daran habe, das Volk in Unwissenheit zu halten.33 Der Protestantismus hingegen war für ihn eine traditionelle Bildungs- und Kulturkonfession. Entsprechend stellten Schulgründungen einen wichtigen Teil seiner Missionsarbeit dar. Evangelische Schulen zeichneten sich zu dieser Zeit einerseits durch eine Säkularisierung des Unterrichts und eine humanistische Weltauffassung aus, auf der anderen Seite dienten sie der Ausbildung zukünftiger Geistlicher und besaßen dadurch
29
Vgl. ebd., S. 72f.
30
Vgl. Van der Grijp, Rainer: Geschichte des spanischen Protestantismus im 19. Jahrhundert, Wageningen 1971, S. 204.
31
Vgl. ebd., S. 284.
32
Vgl. ebd., S. 239.
33
Vgl. Fliedner: Aus meinem Leben, S. 170.
Gründung bis Erster Weltkrieg | 47
einen konfessionellen Charakter, der dem laizistischen Grundgedanken widersprach.34 Im Oktober 1872 entsandte das Comité den Lehrer Heinrich Ruppert nach Spanien, um dort beim Aufbau einer Elementarschule in der Mission in Madrid mitzuwirken und Fliedner zu unterstützen.35 Diese Schule sollte, mit „deutscher Zucht und nach deutschen Grundsätzen geleitet, auf die spanisch-evangelischen Schulen des Landes einen dauernden Einfluss“36 ausüben. Neben der Lehrkraft stellte das Comité auch Schulbücher und notwendige Lehrmittel bereit und organisierte Räumlichkeiten. Besonders die von vielen Spaniern bewunderten pädagogischen Ideen, wie beispielsweise Freiarbeit, führten zu einem raschen Zuwachs der Schülerzahlen, die nach einem Jahr in der Knabenschule bereits von 10 auf 45 Schüler angestiegen waren. Diese positiven Entwicklungen wurden in Madrid nicht überall wohlwollend aufgenommen, immer wieder kam es zu Übergriffen und Sabotageakten seitens katholischer Kreise. Fensterscheiben wurden eingeworfen oder Mietverträge storniert, sobald man von der evangelischen Trägerschaft der Schule erfuhr. Trotz dieser Widrigkeiten hielt man am Vorhaben einer Schule fest, denn von Anfang an war für die Verantwortlichen klar, dass sie für eine erfolgreiche Missionierung ein ausgebautes Elementar- und Sekundarschulsystem benötigten.37 Nach anfänglichen provisorischen Unterbringungen in Mietwohnungen erwähnte Fliedner 1880 zum ersten Mal in den von ihm publizierten Spanischen Blättern den Bau eines Gebäudes für eine höhere Knabenschule,38 die ab 1884 unter dem Namen ‚El Porvenir‘ bekannt wurde. Am 31.10.1897 wurde das Gymnasium offiziell eingeweiht mit einem konkreten evangelischen Bezug und einem christlichen Bildungsauftrag:39 „El fin primordial del fundador y sus descendientes fue atender las necesidades educativas de adolescentes y jóvenes de Madrid y otras partes de España, evangélicos o no, dándoles una sólida formación académica, preparándoles para la vida y promoviéndoles hacia la universidad. Todo ello desde una profunda concepción cristiana de la vida y del hombre.“
‚El Porvenir‘ umfasste eine von Heinrich Ruppert betreute Elementarschule und Sekundarstufe. Die Lehrkräfte der Oberschule hatten meist Teile ihrer Ausbildung 34
Vgl. Mayer, Ulrich: Die Anfänge historisch-politischer Bildung in Deutschland im evangelischen Schulwesen des 16. bis 18. Jahrhunderts, in: GWU 7 (1979), S. 393–416, S. 411f.
35
Vgl. Fliedner: Aus meinem Leben, S. 171.
36
Blätter aus Spanien, 10/1872, in: Archiv Fliedner Kulturstiftung Kaiserswerth.
37
Vgl. Fliedner: Aus meinem Leben, S. 220.
38
Blätter aus Spanien, 06/1880, in: Archiv Fliedner Kulturstiftung Kaiserswerth.
39
http://www.elporvenir.es/es/historia-colegio (aufgerufen am 26.04.2016).
48 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
in Deutschland oder der Schweiz absolviert,40 so dass die Schule eine deutsche Prägung bekam. Doch weder sprachlich noch strukturell, beispielsweise mit Blick auf den Lehrplan, erfüllte die Schule nach heutigem und selbst nach damaligem Verständnis die Kriterien einer Deutschen Auslandsschule. So verließ Federico Larrañaga, einer der ersten Abiturienten, die Schule ohne Deutschkenntnisse und erlernte die Sprache erst in einem Missionshaus in Deutschland.41 Fokus der Schularbeit war nicht die sprachliche Ausbildung, sondern die evangelische Missionsarbeit durch die Bildungseinrichtung – schließlich war dies bei der Entsendung Fliedners dessen zentraler Arbeitsauftrag. Die Gründung einer ‚Deutschen Schule‘ spielte für ihn keine zentrale Rolle – nicht der nationale Aspekt, sondern der konfessionelle war für ihn bedeutend. Fliedner musste jedoch bald nach seiner Ankunft auch die Aufgaben eines Seelsorgers für die Deutschen in Madrid und den anderen Städten übernehmen, da diese in ihren Gemeinschaften ohne evangelische Pastoren lebten. 1864 fand zum ersten Mal ein protestantischer Gottesdienst in deutscher Sprache statt, und die Betreuung dieser kleinen Gemeinden, die zwar unter dem Schutz der preußischen Gesandtschaft standen, aber sonst kaum Kontakt zu Deutschland hatten, wuchs zu einer weiteren Nebenaufgabe Fliedners heran.42 Nach seiner Ankunft besuchte er fast täglich Deutsche und veranstaltete Gottesdienste, in denen er in der Muttersprache predigte. Selbst bei geringem Interesse bot Fliedner seine Dienste an, um die deutschen Auswanderer seelsorgerisch betreuen zu können.43 Durch diese kirchlichen Arbeiten in den deutschen Kolonien wurde er in dieser einer angesehenen Persönlichkeit und zu einer zentralen Figur bei der Entstehung der ersten Deutschen Schule in Madrid, die ein Nebenprodukt seiner Missionsarbeit war. 2.1.1 Die Entstehung der Deutschen Schule Madrid Madrid war Ende des 19. Jahrhunderts mit 465.000 Einwohnern größte Stadt Spaniens. Die deutsche Kolonie zählte hier ungefähr 200 bis 250 Mitglieder und bestand größtenteils aus Beamten, Kaufleuten und Fabrikanten, die infolge der steigenden Geschäftsverbindungen in der Hauptstadt weilten.44 Schon bald trugen sie an Fliedner den Wunsch heran, die Kinder der Gemeinde zu unterrichten. Diesem
40
Vgl. Blätter aus Spanien, 06/1880, in: Archiv Fliedner Kulturstiftung Kaiserswerth.
41
Vgl. Van der Grijp: Protestantismus, S. 291.
42
Vgl. http://www.friedenskirche.es/wir-ueber-uns/geschichtliches/ (aufgerufen am 26.04.2016); Van der Grijp: Protestantismus, S. 295.
43
Vgl. Fliedner: Aus meinem Leben, S. 70f.
44
Vgl. Engel, Ulrich u. a. (Hrsg.): Deutsche Schule Colegio Alemán Madrid 1896–1996, Madrid 1996, S. 45. (im Folgenden: 100 Jahre DSM).
Gründung bis Erster Weltkrieg | 49
Ansinnen kam der Pastor nach und erteilte ab 1879 deutschen Sprachunterricht. Dazu vermerkte er in seinen Aufzeichnungen:45 „Am Montag den 3. Oktober 1879 haben wir […] eine Deutsche Schule eröffnet, damit den heranwachsenden Kindern unserer Landsleute die Gelegenheit geboten ward, in der Muttersprache Unterricht zu empfangen. […] So waren wir doch der Meinung, daß einmal ein Anfang gemacht werden muß, um zu sehen ob das Bedürfniss und die Anteilnahme groß genug ist, um später eigene Lehrkräfte aus der Heimat kommen zu laßen.“
Sein Angebot wurde schnell angenommen und vom deutschen Botschafter, der dort seine eigenen Kinder unterrichten ließ, unterstützt.46 Ab 1885 führte Fliedner in seinen Abrechnungen einen eigenen Posten für eine Deutsche Schule, für die er von nun an neben privaten Spenden und Schenkungen erstmals Reichszuschüsse durch das Auswärtige Amt erhielt.47 Dafür gab es noch kein festes Budget, sondern der Kaiser persönlich ordnete auf Vermittlung der deutschen Botschaft in Spanien die Zahlungen an. Die Fliednerschule, wie sie schnell genannt wurde, war damit weltweit eine von nur 31 geförderten Schulen (beim damaligen Stand von insgesamt 243 Deutschen Auslandsschulen) und erhielt im Jahr 1885 1.000 Mark und 1890 nochmals 800 Mark.48 Ein Grund für die Finanzhilfe war einerseits die Unterstützung der Auslandsdeutschen in Spanien, andererseits erachtete das Auswärtige Amt die Gründung von Schulen mittlerweile als strategisch sinnvoll, da speziell nach dem deutsch-französischen Krieg und der Reichsgründung 1871 die Bereitschaft stieg, die Jugend im Ausland nach deutschen Erziehungsvorstellungen zu unterrichten. 49 Die Schülerzahlen stiegen an, weshalb Fliedner eine eigene Lehrerin aus Deutschland einstellte. Er musste zudem immer neue Räume suchen. Anfangs hatte der Pastor noch in seiner Privatwohnung Unterricht erteilt, doch dieser Platz reichte nicht mehr aus.50 Neben den deutschen Kindern nahm er auch die Kinder aus Mischehen auf, um sie für das Deutschtum ‚zu retten‘.51 Damit erfüllte die Schule
45
Vgl. Handschriftliche Notizen Fritz Fliedner, 05.10.1879, in: Archiv Fliedner Kulturstiftung Madrid.
46
Vgl. Engel, Ulrich: Die erste Deutsche Schule Madrid, in: DLiA 3 (1999), S. 197–201, S. 199.
47
Vgl. Fliedner, Friedrich: Blätter aus Spanien, 08/1885, in: Archiv Fliedner Kulturstiftung Kaiserswerth.
48
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 47.
49
Ebd., S. 47.
50
Vgl. Ankündigung des Umzugs, in: La Iberia, 02.11.1884.
51
Vgl. Engel: Erste Schule, S. 200.
50 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
eine weitere politische Dimension der Auslandsarbeit, weshalb sich besonders die Botschaft für die finanzielle Förderung aus Deutschland einsetzte. In der Auslandskolonie wuchs aber Kritik an der Schule, denn sie war institutionell nicht verankert und befriedigte nicht die Ansprüche der Eltern. Dies lag unter anderem an der Person Fliedners. Er war die dominierende Persönlichkeit in der Deutschen Schule, doch seine Konzentration lag auf der spanischen Oberschule ‚El Porvenir‘, die sich durch seine pädagogischen Ideen schnell einen Namen als progressive Schule gemacht hatte.52 Er selbst widmete sich mehr dem spanischen Erziehungssystem als dem deutschen. So legte er die spanische Hochschulreife ab und promovierte in Spanien.53 Für die Deutschen, die sich ihr Nationalgefühl erhalten wollten, wurde er sprachlich und sozial immer mehr zum Spanier und blieb nur noch auf dem Papier Deutscher.54 Zudem betrieb er die Deutsche Schule nur als Nebenprojekt. Diese eher improvisierte Form brachte bei der wachsenden Schülerzahl eine starke Doppelbelastung für Fliedner mit sich, weshalb er mit Erleichterung Pläne der Kolonie zur Gründung einer neuen Schule aufnahm.55 Seine provisorische Einrichtung litt ständig unter Finanznot, so dass alle Beteiligten eine neue Form der Trägerschaft wünschten. Die Organisation übernahm maßgeblich der Verein ‚Germania‘, dessen Ziel die Erhaltung und die Pflege des Deutschtums waren. Vorsitzender war lange Zeit Heinrich Ruppert,56 der mit Fliedner über die Schule ‚El Porvenir‘ verbunden war. Zusammen mit Konsul Christian von Jecklin gründete er 1896 eine neue Schule. Im Jahresbericht legten sie ihre Motive genauer dar:57 „Die zunehmende Zahl der schulpflichtigen Kinder […] ließ […] den Wunsch nach einer größeren deutschen Schule in Madrid lebhaft hervortreten. Es wurde als eine nationale Pflicht und Ehrensache empfunden, Kinder nicht länger der Gefahr, in den hiesigen französischen und spanischen Schulen dem Deutschtum entfremdet zu werden, auszusetzen.“
Während Fliedner bei der Gründung der ersten Schule noch den Erhalt der deutschen Muttersprache betont hatte, dominierte bei der Neugründung nun der nationale Aspekt, da sich die Initiatoren rund um Jecklin zusätzlich von anderen Nationen abgrenzen wollten. Es etablierte sich durch den neuen Schulverein eine Einrich52
Vgl. Circulo de Amigos de „El Porvenir“ (Hrsg.), 90 Aniversario. El Porvenir. Historia viva, Madrid 1987, S. 20f.
53
Vgl. ebd., S. 16f.
54
Vgl. Krüger, Jürgen/Tichy, Christiane: Kirchenbau und Politik. Deutsche evangelische Kirchen auf der iberischen Halbinsel 1900–1945, Petersberg 2003, S. 46.
55
Vgl. Engel: Erste Schule, S. 201.
56
Vgl. Van der Grijp: Protestantismus, S. 296.
57
Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1896, S. 5.
Gründung bis Erster Weltkrieg | 51
tung, die von der evangelischen Gemeinde losgelöst war und als neuen Schwerpunkt die Erhaltung des ‚Deutschtums‘ in den Mittelpunkt des Bildungsauftrags stellte. Heinrich Ruppert war als Lehrer an der neuen Schule und im Vorstand bis 1903 aktiv, Fliedner hingegen hielt sich aus den Schulgeschäften heraus, sein Sohn arbeitete zwar dort als Religionslehrer, er selbst aber immatrikulierte lediglich seine noch schulpflichtigen Kinder und spendete regelmäßig Geldbeträge an den Verein.58 Dessen Finanzierung erfolgte maßgeblich über solche Zuschüsse und Schulgelder, die von Beginn an für Gesprächsstoff sorgten. Der erste Jahresbericht bemerkte dazu, dass die Kolonie patriotische Opferwilligkeit zeige, obwohl sie schon durch andere deutsche Vereine und die schlechte Handelslage finanziell sehr in Anspruch genommen sei.59 Als Bildungsziel proklamierte der Verein bei den Jungen den Besuch der Untertertia eines Gymnasiums, bei den in Spanien bleibenden Kindern die Vorbereitung auf den Besuch einer Universität. Organisiert wurde die Schule im Vergleich zu ‚El Porvenir‘ nach deutschen Lehrplänen, da man diese als besonders vorbildlich und leistungsfähig einschätzte.60 Der Unterricht fand in deutscher Sprache statt; schnell erkannten die Lehrer jedoch, dass besonders im Deutschunterricht Defizite auftraten, so dass die Vermittlung der Sprache von Anfang an eines der Hauptanliegen und Hauptprobleme der Auslandsschulen in Spanien wurde.61 Der Religionsunterricht war fakultativ und wurde entsprechend dem streng paritätischen Charakter der Schule in beiden christlichen Konfessionen erteilt.62 Die Schulleitung verzichtete damit auf eine konfessionelle Ausrichtung der Schule, vielmehr wurden die patriotische Pflicht und der Erhalt des ‚Deutschtums‘ zu dem prägendsten kulturellen Charaktermerkmal.63 Die Verbindung mit der evangelischen Gemeinde empfand der Schulverein gar als lästige und entwicklungsfeindliche Abhängigkeit, weshalb er sich bewusst vom zuvor bestehenden evangelischen Einfluss, der durch Pastor Fliedner gegeben war, lösen wollte.64 2.1.2 Die Entstehung der Deutschen Schule Barcelona Der Vorgang der Emanzipation verlief in anderen Schulvereinen in Spanien ähnlich, denn auch dort fand eine Loslösung von den evangelischen Gemeinden statt. Bereits zwei Jahre vor der Gründung der Schule in Madrid entstand in Barcelona 58
Vgl. ebd., S. 22.
59
Vgl. ebd., S. 5.
60
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 53.
61
Vgl. ebd., S. 55.
62
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1896, S. 11.
63
Vgl., 100 Jahre DSM, S. 50.
64
Vgl. Amrhein, Hans: Die deutsche Schule im Auslande, Leipzig 1905, S. 38.
52 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
1894 ein erster Schulverein. Katalonien war um die Jahrhundertwende neben dem Baskenland die erste Region in Spanien, in der eine nennenswerte Industrialisierung einsetzte.65 Agrarproduktion und gewerblicher Handel waren die Hauptfaktoren in der katalonischen Wirtschaft, mit Barcelona als Handelszentrum am Mittelmeer. Für den Ausbau der neuen Infrastruktur wurden ausländische Fachkräfte benötigt, und zusätzlich sorgte die verstärkten Handelsbeziehungen für ein Anwachsen ausländischer Kolonien. 66 Die deutschsprachige Gemeinde entwickelte sich langsam und setzte sich aus Deutschen und einer großen Zahl Schweizer zusammen, die ebenfalls aus wirtschaftlichen Gründen nach Barcelona kamen. Mit der Reichsgründung 1871 und dem daraus resultierenden Boom der Gründerzeit hatte sich der Zuzug deutscher Kaufleute erhöht. Die evangelische Kirche schuf bei den in Barcelona lebenden Deutschen eine gemeinsame Identität und ein Gefühl des Zusammenhalts. Auf Anregung von Fritz Fliedner gründeten verschiedene Deutsche vor Ort 1885 eine protestantische Gemeinde unter Leitung von Pastor Johannes Rüter, die in der rein katholischen Umgebung die nationale und religiöse Andersartigkeit konsolidierte.67 Fliedner war es auch, der seinen Kollegen den Aufbau einer Schule empfahl. Dieser Vorschlag wurde im Jahr 1894 mit der Gründung eines paritätischen Schulvereins umgesetzt, dem somit sogar eine Vorbildfunktion für Madrid zukam.68 Die Leitung übernahm Rüters Nachfolger, Otto Amtsberg, der später Unterstützung durch einen Volksschullehrer erhielt. 69 Der damals 27-jährige Pastor aus Stralsund begann den Schulunterricht mit einer einzigen Schülerin, der sich aber bald weitere Kinder anschlossen.70 Die Aufgaben des Vereins umfassten die Wahrung der Schulinteressen und die finanzielle Absicherung der Schule.71 Bereits im ersten Schuljahr entstand jedoch ein Defizit von 2.040 Peseten, das durch einen Reichszuschuss des Auswärtigen Amts kompensiert werden sollte. Die Beihilfe reichte allerdings nicht aus, um die vollen Kosten der Schule zu decken, so dass 65
Vgl. Bernecker, Walther: Eine kleine Geschichte Kataloniens, Frankfurt am Main 2007, S. 68–91.
66
Vgl. Deutsche Schule Barcelona (Hrsg.): 100 Jahre Deutsche Schule Barcelona. Chronik, Barcelona 1994, S. 26 (im Folgenden: 100 Jahre DSB).
67
Vgl. ebd., S. 28.
68
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1896, S. 5. Hier ist die Rede davon, dass sich die Schulgemeinde in Madrid nach einem Beispiel anderer Kolonien gegründet habe. Damit kann nur Barcelona gemeint sein, da dort die einzige Schule war, die, durch Fliedner initiiert, zuvor gegründet worden war.
69
Vgl. 9. Jahresbericht der evangelischen Gemeinde Barcelona, in: Evangelisches Zentral Archiv (EZA) 5/1881.
70
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 29.
71
Vgl. ebd., S. 32.
Gründung bis Erster Weltkrieg | 53
man bald in Deutschland und in der Schweiz auf private Spendensuche ging.72 Amtsberg predigte bei Urlaubsfahrten in der Heimat bei kirchlichen Organisationen, um so Gelder akquirieren zu können. In den Danksagungen der Jahresberichte finden sich regelmäßig Verweise auf Beträge des Gustav-Adolf-Vereins oder des Protestantischen Kirchlichen Hilfsvereins.73 Weitere Spendenaufrufe ergingen besonders an die Mitglieder der deutschen Kolonie in Barcelona und an Amtsbergs Kollege Fliedner in Madrid. Während dieser seine Schule primär als Sprachschule mit evangelischem Charakter verstand, gab Amtsberg der Schule in Barcelona gleich zu Beginn einen stärkeren nationalen Charakter:74 „Wir haben die Schule begonnen in der fröhlichen Zuversicht, daß wir der deutschen Kolonie in Barcelona, dem großen deutschen Vaterlande, der Muttersprache, dem deutschen Geist und Wesen einen Dienst erweisen, wenn wir deutsche Kinder zu deutschen Bürgern erziehen, die des Wortes eingedenk sind: Mit Gott für König und Vaterland, Mit Gott für Kaiser und Reich!“
Er sprach sich gegen die Aufnahme von ausländischen Schülern aus, um so das deutsche Wesen besser erhalten zu können, und machte nur wenige Ausnahmen: 75 „Die wenigen Spanier, die wir haben sind entweder durch eine deutsche Mutter oder sonst wie mit Deutschland verbunden. Wir halten es geradezu für verfehlt, wenn sich deutsche Schulen im Ausland den Ausländern gar zu weit öffnen. Wenn auch das fremde Element nur annähernd dem deutschen gleichkommt, so wird der Unterricht dadurch sehr erschwert und das nationale Empfinden zurückgedrängt.“
In dieser Abschottung gegenüber ausländischen Schülern unterschied sich die Schule in Barcelona von der Gründung in Madrid. In der Hauptstadtschule finden sich bereits im zweiten Schuljahr spanische Namen in den Schülerlisten; zusätzlich waren Kinder aus Ungarn, Italien und der Schweiz eingeschrieben, so dass sich in Madrid im Gegensatz zu Barcelona früher ein internationaler Charakter entwickelte.76 Dabei war aber nicht der interkulturelle Austausch Motiv für die Aufnahme, sondern finanzielle Gründe und der Wettbewerb mit anderen Schulen beeinflussten maßgeblich die Entscheidung: 77
72
Vgl. ebd., S. 33.
73
Vgl. ebd.
74
Vgl. 9. Jahresbericht evangelische Gemeinde Barcelona, in: EZA 5/1881.
75
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1897, in: EZA 5/1881.
76
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 51.
77
Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1897/1898, S. 4.
54 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
„Die Aufnahme einer beschraenkten Zahl der nichtdeutschen Kinder bedeutet zwar fuer die Schule eine Erschwerung der Arbeit. Demgegenueber bringen die Kinder einen fuer das Schulbudget sehr in’s Gewicht fallenden Beitrag von Schulgeldern. Vor allem aber: naeheres Verstaendnis fuer unser Wesen, und treue Freunde des Deutschtums bei bestehendem Wettbewerb der verschiedenen auslaendischen Kolonien.“
Diesen Nutzen erkannte auch Amtsberg, weshalb er seine rigide Ablehnung gegenüber nicht deutschen Schülern aufweichte und spanische Kinder zuließ, zumal er durch deren Aufnahme die Chance hatte, deutsche Sprache, Bildung und Sitte im Interesse seines Vaterlandes an Ausländer zu verbreiten.78 Die Schülerzahlen wuchsen schnell an, weshalb auch in Barcelona die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten begann. Im Jahr 1899 waren 81 Schüler eingeschrieben; Amtsberg stellte für den Unterricht seine Privatwohnung zur Verfügung, die Pausen verbrachten die Schüler auf dem Dach, weil nicht genügend Platz vorhanden war.79 Für die Finanzierung gründete Amtsberg einen Bau-Fonds, doch daraus ergaben sich für ihn Interessenkonflikte, da auch die Kirchengemeinde ein neues Gotteshaus benötigte. Die Verknüpfung des Pastorenamtes mit der Schulleiterstelle erwies sich zunehmend als ungeeignet. Es erschien zudem ratsam, die Verbindung des Vereins mit der in Spanien nur geduldeten evangelischen Gemeinde zu trennen.80 Als Amtsberg 1901 aus gesundheitlichen Gründen seinen Posten niederlegen musste, nutzte man dies, um die Satzung zu ändern, und trennte die Ämter des Gemeindepfarrers und des Schulleiters. Amtsbergs Nachfolger, Pastor Loewer, war nur noch Religionslehrer der Schule und behielt einen obligatorischen Posten als Beisitzer im Schulvorstand. Selbst diese Verbindung war einigen Mitgliedern der Schulgemeinde immer noch zu eng, zumal sich der Neubau der Schule auf dem gleichen Grundstück wie die evangelische Kirche befand und sich somit schon eine räumliche Bindung ergab.81 Gegen diese Verflechtung regte sich immer mehr Widerstand, denn „Kreise im Vorstand, der Lehrer und der unverheirateten jüngeren Mitglieder der Schulgemeinde [standen] in Gegnerschaft, sogar Feindschaft gegen jeden kirchlichen Einfluss in der Schule. Ziel sei die Entfernung des Pfarrers aus dem Vorstand und Übertragung des Religionsunterrichts auf einen Angestellten der Schulen [gewe-
78
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 31.
79
Vgl. ebd., S. 36.
80
Vgl. ebd., S. 41.
81
Vgl. 19. Jahresbericht der evangelischen Gemeinde 1904, S. 8, in: EZA 5/1882. Der Schulbau sollte die evangelische Kapelle verdecken, da nach spanischen Vorschriften nicht katholische Kirchen von der Straßenseite aus nicht einsehbar sein durften und keine Türme und Glocken haben sollten; vgl. 100 Jahre DSB, S. 43.
Gründung bis Erster Weltkrieg | 55
sen].“82 Im Jahr 1910 wurde der obligatorische Sitz des Pastors im Vorstand abgeschafft; Pastor Brauneck, Nachfolger Loewers, wurde zwar in den Vorstand gewählt und blieb weiterhin Mitglied, doch geschah dies wohl aus Rücksicht auf seine Stellung in der Kolonie.83 Im folgenden Jahr musste er wegen seiner Diasporatätigkeit und seiner häufigen Abwesenheit sein Engagement in der Schule komplett einstellen. Er konnte seinen Pflichten als Religionslehrer nicht mehr vollständig nachkommen und wurde daraufhin nicht mehr in den Vorstand gewählt.84 Dadurch setzte der Schulverein eine einheitliche Organisation und Gestaltung des Unterrichts durch, losgelöst von der evangelischen Kirchengemeinde. 2.1.3 Die Entstehung der Deutschen Schule Málaga Die dritte Schulgründung, an der Fliedner ebenfalls beteiligt war, erfolgte 1898 in Málaga.85 Die Region Málaga wird dominiert von der gleichnamigen Stadt, in dessen Einzugsgebiet auch Marbella, der spätere Standort der Schule, fällt. Der Ballungsraum war Ende des 19. Jahrhunderts einerseits durch Industrie, Hafen und Lebensmittelproduktion geprägt, andererseits waren die Strandregionen an der Costa del Sol schon ein Touristenmagnet. Der Tourismus war einer der Hauptfaktoren in der ökonomischen Struktur der Stadt und der Region und wurde als bewusstes Werbemittel eingesetzt, um die von Krankheitsepidemien und sozialer Notlage infolge der Industrialisierung schrumpfende Stadt vor einer weiteren Bevölkerungsabwanderung zu schützen. Das mediterrane Klima war für gut situierte Rentner ein Grund, sich in Málaga niederzulassen, so dass bereits in dieser Phase der Ursprung für den späteren Ruf der Stadt als reiche Touristenzone begründet liegt. Dies sollte für den weiteren Ausbau der Schule eine wichtige Rolle spielen.
82
Vgl. Bericht des Oberkonsistorialrats Dr. Kapler über die deutschen evangelischen Gemeinden Nov/Dez. 1910, in: EZA 5/1883.
83
Vgl. Bericht Brauneck an evangelischen Oberkirchenrat, 25.04.1910, in: EZA 5/1883.
84
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1911/1912, S. 10, in: EZA 5/1883.
85
Vgl. im Folgenden die Schulchroniken der Deutschen Schule Málaga: Bergmann, Peter: Die Gründung der Deutschen Schule in Málaga im Jahre 1898, in: Patronat der Deutschen Schule in der Provinz Málaga (Hrsg.): Deutsche Schule in der Provinz Málaga, 1898–1998, Málaga 1998, S. 22–79 (im Folgenden 100 Jahre DS Málaga); Lepiorz, Gerhard: Die Deutsche Schule in der Provinz Málaga, in: Patronat der Deutschen Schule in der Provinz Málaga (Hrsg.): Deutsche Schule in der Provinz Málaga 1980, Málaga 1980, S. 55–62; Klein, Horst: Chronik der Deutschen Schule in der Provinz Málaga. Von ihren Anfängen bis zum Jahre 1990, in: Patronat der Deutschen Schule in der Provinz Málaga (Hrsg.): Deutsche Schule in der Provinz Málaga 1990, Málaga 1990, S. 28–31.
56 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Die soziale Zusammensetzung der Auslandskolonie war von einem bürgerlichprotestantischen Milieu geprägt. Die frühen deutschen Zuwanderer schlossen sich zu Handelsgesellschaften zusammen, die vor allem im Export der örtlichen Produkte wie Wein oder Oliven ein neues Geschäftsfeld fanden. Die ersten Komplikationen mit der einheimischen Bevölkerung traten beim Integrationsprozess schnell zutage, was eine zeitgenössische Beschreibung der deutschen Gemeinde durch die Spanier mit Blick auf ihre sprachliche Anpassung zeigt: 86 „Y en eso tienen ventaja los malagueños: y es que el malagueño va a Alemania y aprende el alemán con perfección suma en menos de tres años; y el alemán se pasa toda vida en España y jamás sabe hablar y escribir con perfección nuestro hermosísimo idioma.“
Neben den sprachlichen Problemen kamen unterschiedliche Gehälter in den Fabriken und vor allem auch religiöse Unterschiede hinzu, denn die protestantischen Einwanderer trafen auch in der Küstenregion auf eine überwiegend streng katholische Bevölkerung. Die Unterdrückung der lutherischen Kirchengemeinde führte, wie in den anderen Städten auch, zu einer Konsolidierung der deutschen Kolonie mit einem starken Einfluss der evangelischen Gemeinde.87 Diese Gemeinde geht zurück auf Fliedner, der als Reiseprediger im Süden Spaniens und in Marokko tätig war und sich wie in Madrid um das Seelenheil der mittlerweile dort angesiedelten Deutschen sorgte. Er beauftragte Pastor Arndt und dessen Nachfolger Pastor Hans Schumann mit dem Aufbau einer evangelischen Gemeinde und einer Schule in Málaga. Bis dahin musste er das Gehalt der Pastoren in anderen Orten selbst entrichten und erhoffte sich so, dass sich die Last der Finanzierung auf mehrere Schultern, vor allem auf die der reichen Kaufleute, verteilen würde.88 Eine Schulgründung konnte zudem seiner Meinung nach mit ihrem Einfluss auf die Jugend mehr zur Arbeit der evangelischen Kirche beitragen als eine Predigt.89 Den Aufruf zur Etablierung evangelischer Institutionen kam die Gemeinde in Málaga nach. Pastor Schumann übernahm die Leitung der Schule, zielte aber nicht in der Hauptsache auf die konfessionelle Erziehung, sondern erklärte, wie in Barcelona, die Erhaltung des ‚Deutschtums‘ und die sprachliche Pflege zum Bildungsziel.90 Er hielt anfangs in seinem Privathaus in kleinem Kreis Unterricht. Die Motivation der ansässigen Gemeinde zum finanziellen Einsatz stieg im Jahr 1898, als der Kaiserliche Konsul Pries seine zwei Kinder zu Pastor Schumann in den Un86
Amparo, Quilles Faz: Málaga y sus gentes en el siglo XIX, Málaga 1995, S. 33.
87
Vgl. Fitschen: Minderheitenkirchen, S. 82–84.
88
Vgl. Blätter aus Spanien 06/1895, in: Archiv Fliedner Kulturstiftung Kaiserswerth.
89
Vgl. Blätter aus Spanien 10/1870, in: Archiv Fliedner Kulturstiftung Kaiserswerth.
90
Vgl. 4. Bericht evangelische Gemeinde Málaga 1898, S. 5, in: EZA 3484_dig.
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terricht schickte. Noch im selben Jahr entschloss man sich zur Gründung eines Deutschen Schulvereins, stellte sich am 13. Juni 1898 bei der deutschen Botschaft in Madrid unter die Aufsicht des Konsulats und warb um staatliche Fördergelder.91 In dem entsprechenden Schreiben wurde nicht der konfessionelle Aspekt betont, sondern die nationale Verbindung mit dem Vaterland hervorgehoben. Erklärtes Ziel der Verfasser war es, die deutschen Kinder durch nationale Erziehung in der deutschen Sprache und gemäß dem deutschen Wesen dem Vaterland zu erhalten und in ihnen die Liebe zum Kaiserreich zu wecken. Durch den fakultativen Status des Religionsunterrichts distanzierte man sich zusätzlich von der anfänglichen religiösen Prägung der Schule. Wie in Madrid und Barcelona wurde der Einfluss der Pastoren und der evangelischen Gemeinde minimiert, und die Schule entwickelte sich daraufhin als eigenständige Einheit mit einem nationalen Bildungsziel. 2.1.4 Bier und Disziplin – Schulen zur Erhaltung des Deutschtums Nachdem sich die Schulen von ihrer konfessionellen Prägung gelöst hatten, verstärkte sich die nationale Komponente, und ihr primäres Bildungsziel wurde die Erhaltung des ‚Deutschtums‘. Dabei handelte es sich um ein wenig konkretes Konstrukt, das von den jeweiligen Akteuren mit unterschiedlichen Ideen gefüllt wurde. Da es keine einheitliche Definition für das ‚Deutschtum‘ gab, soll hier versucht werden, diesen Begriff genauer zu bestimmen. Die starke nationale Orientierung an Kaiserreich, Vaterland und dem ‚deutschen Wesen‘ war eine Schnittmenge bei allen drei Schulgründungen. Die Funktion des deutschen Kaisers als Oberhaupt der evangelischen Kirche führte bereits bei den ersten Schulgründungen zu einer tiefen Verwurzelung des Nationalgedankens.92 Das ‚Deutschtum‘ wurde zum gemeinsamen Nenner der heterogenen Auslandsgemeinde, zumal die ambivalenten politischen Beziehungen zwischen dem Kaiserreich und Spanien am Ende des 19. Jahrhunderts wenige Integrationsmöglichkeiten boten.93 Der Streit um die mikronesische Inselgruppe der Karolinen im Jahr 1885 zeigt beispielsweise, dass diese Phase gerade für diplomatische und wirtschaftliche Verbindungen keineswegs problemlos verlief.94 Manuel Espadas Burgos charakterisiert den Konflikt sogar als
91
Vgl. 100 Jahre DS Málaga, S. 37.
92
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 29.
93
Havemann, Nils: Spanien im Kalkül der deutschen Außenpolitik. Von den letzten Jahren der Ära Bismarck bis zum Beginn der Wilhelminischen Weltpolitik, Berlin 1997, S. 21f.
94
Vgl. ebd., S. 108ff.
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den Tiefpunkt der deutsch-spanischen Beziehungen. 95 Auf Drängen der Firma Robertson & Herrnsheim besetzte die deutsche Flotte auf Befehl Bismarcks 1885 die Inseln, um das deutsche Schutzgebiet auszudehnen und einer spanischen Inbesitznahme zuvorzukommen. Damit schützte sie vor allem die wirtschaftlichen Interessen der Hamburger Handelsgesellschaft. Die spanische Regierung reagierte mit einem Memorandum, in dem Außenminister José de Elduayen den Besitzanspruch auf die Inselgruppe unterstrich. In Madrid und Barcelona kam es infolge des Streits zu starker antideutscher Propaganda und zu Demonstrationen. Der Konflikt spitzte sich zu, als in Madrid eine aufgebrachte Menge das Gebäude der kaiserlichen Gesandtschaft attackierte. Vizeadmiral Leo von Caprivi spekulierte bereits über einen möglichen Seekrieg mit Spanien, und nur die Intervention Papst Leos XIII., der auf Vorschlag Bismarcks als Vermittler fungierte, führte zu einer Beilegung der Krise. Im Oktober 1885 wurde Spanien die Souveränität über die Inseln zugesprochen und dem Deutschen Reich Handelsfreiheit zugesichert. Diese Lösung entsprach Bismarcks außenpolitischem Kalkül, sich nicht in die Angelegenheiten des spanischen Kolonialbesitzes einzumischen. Er nutzte die diplomatische Entspannung zur Verlängerung eines gegenseitigen Handelsvertrags, doch das deutsch-spanische Verhältnis erhielt schon ein paar Jahre später einen erneuten Rückschlag: Die Niederlage Spaniens 1898 im amerikanisch-spanischen Krieg bedeutete das Ende des spanischen Weltreiches mit seinen zahlreichen Überseebesitzungen. Das deutsche Kaiserreich stellte sich in dieser Phase zwar prinzipiell auf die Seite Spaniens, da man eine Schwächung der Monarchien in Europa möglichst verhindern wollte, doch Wilhelm II. betrieb auf der anderen Seite durch Unterstützung der USA eine inkonsequente Außenpolitik, die das deutsch-spanische Verhältnis verschlechterte.96 Für die in Spanien lebenden Deutschen bedeutete dies, dass sie streckenweise sowohl politisch als auch konfessionell isoliert waren und ihre Gemeinschaft häufig nur als in sich geschlossene Gruppe von Deutschen funktionieren konnte.97 Regionale Unterschiede verloren an Bedeutung; Bayern, Sachsen und andere fühlten sich im Ausland zuerst als Deutsche.98 Der Kontakt mit dem spanischen Umfeld entstand nur zaghaft, was am Beispiel des Schulvereins in Barcelona deutlich wird, der erst allmählich germanophile Spanier akzeptierte. Diese Öffnung, die ebenso in Málaga und Madrid stattfand, war einerseits den finanziellen Nöten der Schule ge95
Vgl. Espadas Burgos, Manuel: De la época bismarckiana a la Gran Guerra, in: Bernecker, Walther (Hrsg.): España y Alemania en la Edad Contemporánea, Frankfurt am Main 1992, S. 63–88, S. 65.
96
Vgl. ebd., S. 21f.
97
Vgl. Krüger/Tichy: Kirchenbau, S. 17.
98
Vgl. dazu die Jahresberichte der Deutschen Schule Madrid. In den ersten Ausgaben werden Schüler noch nach den einzelnen Bundesstaaten aufgelistet, nach zwei Jahren ist nur noch von ‚deutschen‘ Schülern die Rede.
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schuldet, andererseits hatte man so die Möglichkeit, die Spanier deutsche Sprache, Bildung und Sitte im Interesse des Vaterlandes zu lehren und so für ein positives Deutschlandbild zu sorgen. 99 Ein weiterer Grund für die Fokussierung auf das ‚Deutschtum‘ war, dass ein großer Teil der Auslandsdeutschen wieder in die Heimat zurückkehren wollte, der Wunsch nach einer Assimilierung mit dem Gastland demnach gering ausgeprägt war und die ansässigen Kaufleute, Händler und Diplomaten darauf setzten, ihren Kinder die spätere Integration in das heimische Bildungssystem zu erleichtern.100 Der Wunsch nach dem Erhalt ‚deutscher Tugenden‘ war vorhanden, und durch den Wegfall der konfessionellen Verbindung mit der evangelischen Gemeinde wurde er zum vereinenden Element in den Kreisen der deutschen Kolonie, denn die Gefahr, das ‚Deutschtum‘ zu verlieren, war in Spanien aufgrund der politischen, sprachlichen und konfessionellen Diaspora zu groß. Der Begriff des ‚Deutschtums‘ war, wie bereits angedeutet, sehr vage und wurde nicht definiert. Es lassen sich aber einige Elemente erkennen, die für die Deutschen im Ausland zum ‚Deutschtum‘ zählten: So zeigt sich unter anderem eine Fokussierung auf eigene Sitten und Bräuche, wie beispielsweise Weihnachts- oder Karnevalsfeste oder den Geburtstag des Kaisers, den die Kolonie meist in den Räumlichkeiten der Schule feierte.101 Die Feste und Empfänge wurden häufig mit Bier, Würsten und Sauerkraut zelebriert, dazu gab es deutsche Musik. 102 Der Lehrplan betonte die deutsche Charakterbildung, die sich vornehmlich durch die preußische Geschichte und die Bewahrung von deren Tugenden ergeben sollte.103 Dies beinhaltete Disziplin, Gehorsam, körperliche Stärke und patriotische Vaterlandsliebe. Deutschlandbegeisterung war Bildungsziel und wurde in verschiedenen Formen umgesetzt. Kinder trugen Gedichte im Kostüm der Germania vor, schwarzweiß-rote Fähnchen schmückten die Schulgebäude und selbst außercurriculare Unternehmungen wurden in den Dienst der Vaterlandsliebe und der Überlegenheit des deutschen Wesens gestellt. 104 So führte der erste Wandertag der Deutschen Schule Madrid die Kinder auf einen 32 Kilometer langen Marsch durch die Sierra de Guadarrama und sollte ein Zeugnis für die deutsche Widerstandsfähigkeit und Stärke abgeben.105 Den Patriotismus wollte man ebenso in den räumlichen Aspekten zei99
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 31.
100 Vgl. Müller: Auswandererschulen, S. 230. 101 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1896, S. 21 und eine in 300 Exemplaren gedruckte Broschüre des ehemaligen Konsuls August Hofer, Deuschtum in Spanien, erschienen 1918 in Barcelona. 102 Vgl. stellvertretend: Molino, Sergio del: Soldados en el jardín de la paz. Huellas de la presencia alemana en Zaragoza (1916–1956), Zaragoza 2009, S. 86. 103 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1897, S. 13f. 104 Vgl. 100 Jahre DSB, S. 54. 105 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1902, S. 4.
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gen. Nachdem in Madrid die Schülerzahlen angestiegen waren und 1910 ein Neubau geplant war, sprach der Verein von einer „Schule für deutsche Art und Sitte, für alle Deutsche königs- und kaisertreuer Gesinnung ein unerschütterlicher Fels inmitten der brandenden Wogen eines fremden Volkstums.“106 Die Grundsteinlegung erfolgte symbolisch am Geburtstag des Kaisers und sollte die Jugend lehren, das Deutschtum zu mehren.107 Ein besonderer Aspekt der Vaterlandsliebe war die Erhaltung der Sprache. Der deutsche Sprachunterricht wurde früh zu einer der zentralen Aufgaben der Auslandsschulen, einerseits um den deutschen Kindern die Muttersprache zu erhalten, andererseits um germanophile Spanier durch die Sprache an Deutschland zu binden. Bereits im Kindergarten sollten die Kleinen an das Deutsche herangeführt werden, um so später dem Unterricht besser folgen zu können.108 Die didaktischen Konzeptionen dieses Sprachunterrichts waren noch wenig entwickelt, ein Verständnis für Deutsch als Fremdsprache fehlte, spanische Kinder mussten teilweise demselben Unterricht folgen wie ihre deutschen Mitschüler. In Madrid sollte deswegen eine Vorbereitungsklasse die heterogenen Sprachkenntnisse angleichen und die Kinder auf ein ähnliches Niveau bringen.109 Doch es gab kaum verlässliche und erprobte Unterrichtswerke, und die Lehrkräfte mussten improvisieren, um Probleme im Sprachunterricht aufzufangen. Der Erhalt der Muttersprache hatte die religiöse Erziehung, wie sie Fliedner noch bei der Gründung seiner Schulen miteinbezogen hatte, als Primärziel abgelöst. Der Deutschunterricht wurde als Teil des ‚Deutschtums‘ zur höchsten Aufgabe der Schule erklärt.110 Trotz alledem hinterließ die Verbindung mit der evangelischen Gemeinde ihre Spuren. Die konfessionelle Prägung der drei ersten Schulen beeinflusste die weitere Entwicklung des Auslandsschulwesens im katholischen Spanien.111 Obwohl man sich von der Kirchengemeinde trennte, musste man gegenüber der spanischen Geistlichkeit immer wieder die paritätische Ausrichtung der Schulen hervorheben. Deutlich wird dies in der späteren Geschichte beispielsweise in der Besetzung von Schulleiter- oder Lehrerstellen, bei der auf eine ausgewogene Zusammensetzung 106 Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1909, S. 3. 107 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1907, S. 8. 108 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1910, S. 26. 109 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 55. 110 Vgl. ebd. 111 Vgl. Vesper, Gerd: Die Deutsche Schule Rom. Konfessionalität, Nationalismus, Internationale Begegnung, Husum 2011. Auslandsschulen in anderen Ländern durchliefen ähnliche Entwicklungen. In Litauen und Italien trennten sich die Auslandsschulen ebenfalls von der anfangs konfessionellen Prägung und entwickelten sich zu Schulen zur Erhaltung des ‚Deutschtums‘; vgl. Stossun, Harry: Geschichte des deutschen Schulwesens in Litauen, in: Annaberger Annalen 2001.
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aus katholischen und evangelischen Bewerbern geachtet wurde.112 Auch die Namensgebung einiger Schulen, so etwa des ‚Colegio St. Bonifatius‘ in Bilbao, war eine Anpassung an das katholisch dominierte Gastland. Es lässt sich also sagen, dass durch den Verlust des konfessionellen Charakters die Schulen eine stärkere nationale Ausrichtung bekamen. Neues Hauptanliegen war die Erhaltung des ‚Deutschtums‘, wodurch sie einen stark nationalkonservativen Charakter erhielten, der die Schulstruktur maßgeblich beeinflusste. Dieses Ziel deckte sich mit Ansprüchen der Auswärtigen Kulturpolitik des Kaiserreichs, das ab 1906 die Schulen verstärkt als politisches Mittel wahrnahm und seinen Einfluss im Auslandsschulwesen ausbaute.
2.2 DEUTSCHER EINFLUSS IN SPANIEN: KULTURPOLITIK UND PÄDAGOGISCHE ENTWICKLUNG Die Auswärtige Kulturpolitik entwickelte nach der Reichsgründung 1871 eine eigene Dynamik. Dem neuen Kaiserreich wurden auf internationaler Ebene die Erfolge und Misserfolge von kulturellen Veranstaltungen zugeschrieben, und jede private Organisation erschien in den Augen des Auslands als Stellvertreter des Reiches.113 Internationale Beziehungen ließen sich demnach nicht mehr ohne kulturelle Ambitionen denken. Die Außenpolitik des Kaiserreichs erkannte in diesem Zusammenhang das kulturpolitische Potential der Auslandsschulen und gliederte diese verstärkt in Fördermaßnahmen ein. Die anfängliche Ablehnung, die fehlende Fürsorge und die intransigente Einstellung der kaiserlichen Außenpolitik gegenüber den Auswanderergemeinden nahmen ab. Damit stieg deren Ansehen, und sie etablierten sich als Stützpunkte für wirtschaftliche Kontakte und als Zielpunkte des deutschen Exports.114 Vermied Bismarck noch vor dem Hintergrund seiner Saturiertheitspolitik nationales Expansionsstreben im schulischen Bereich, änderte sich dies am Ende des 19. Jahrhunderts grundlegend.115 Den Anfang der Förderung bildete zwar bereits die Gründung eines Schulfonds im Jahr 1878, doch Bismarck verfolgte damit weniger das Ziel, die Schulen zu unterstützen, als vielmehr die Absicht, den kirchlichen Einfluss auf die Außenpolitik auszuschalten.116 Erst nach sei-
112 Vgl. Niederschrift Tagung des Auslandsschulausschusses am 28.05.1951, in: Landesarchiv Baden Württemberg Q1/20 Nachlass Löffler 42 und die Erklärungen in Kapitel 4.2.3. und 5.1.1. sowie 6.1.3. 113 Vgl. Trommler: Kulturmacht, S. 33. 114 Vgl. Müller: Auswandererschulen, S. 232. 115 Vgl. ebd., S. 236. 116 Vgl. ebd., S. 235.
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ner Amtsniederlegung erkannte das Auswärtige Amt zunehmend den nationalen Aspekt der Auslandsschulen, was an dem steigenden Etat des Fonds deutlich wird. Wurden anfangs nur 75.000 Goldmark vergeben, stieg das Volumen bis 1914 auf 1,1 Millionen an.117 Ein Katalysator war die Orientreise des Kaisers im Jahr 1898, bei der Wilhelm II. in Konstantinopel eine gut ausgebaute Schule vorfand und im Anschluss daran begeistert die Förderung der Auslandsschulen vorantrieb. Für ihn galten die reichseigene Gründung von Schulen, die Entsendung deutscher Lehrer und der Unterricht der Sprache als wirksamstes Mittel, um deutsche Kultur im Ausland zur Geltung zu bringen.118 Neben den staatlichen Akteuren engagierten sich in dieser Zeit auch private Vereine, um Unterstützung für die Landsleute im Ausland zu organisieren. Ein wichtiger Vertreter war der im Jahr 1881 in Berlin gegründete ‚Allgemeine Deutsche Schulverein zur Erhaltung des Deutschtums im Ausland‘, der sich ab 1908 den Namen ‚Verein für das Deutschtum im Ausland‘ (VDA) gab.119 Sein regionaler Schwerpunkt war das östliche Europa und später Lateinamerika, sein Ziel, deutsche Sitte und Kultur im Ausland zu wahren. Wichtigster Geldgeber und Basis für eine pädagogische Legitimation blieb jedoch der Staat. Im Auswärtigen Amt wurde ab 1906 ein Auslandsschulreferat eingerichtet, das einzig für die Finanzierung und Versorgung der Schulen mit geeigneten Lehrkräften zuständig war. 120 Franz Schmidt, ehemaliger Direktor in Bukarest, übernahm die Leitung und arbeitete eng mit dem preußischen Kultusministerium zusammen, das sich um die Entsendung des Lehrpersonals kümmerte. Spanien interessierte ihn und seine Kollegen zunächst wenig. Wichtigster Posten in der Auslandsschularbeit waren zunächst die Kolonialschulen in Afrika und die Propagandaschulen im Nahen Osten und in China. Im Jahr 1911 gab es in allen deutschen Kolonien Afrikas circa 112 staatliche Regierungsschulen.121 Dort wurden einheimische Kinder unterrichtet, die in erster Linie Grundlagen in Lesen, Schreiben und Rechnen lernen sollten. Diese Förderung war unter Kolonialpolitikern durchaus umstritten. Einerseits brauchte man deutsch sprechende Hilfskräfte für Verwaltungsarbeiten und den Ausbau der Infrastruktur, andererseits befürchtete 117 Vgl. Kuchler: Visitenkarten, S. 267. 118 Vgl. Reinbothe, Roswitha: Die Anfänge der auswärtigen Kulturpolitik in der Zeit des Kaiserreichs, in: Wolff, Armin/Tanzer, Harald (Hrsg.): Materialien Deutsch als Fremdsprache. Sprache – Kultur – Politik (Heft 53), Regensburg 2000, S. 55–81, S. 55. 119 Vgl. Weidenfeller, Gerhard: VDA. Verein für das Deutschtum im Ausland. Deutscher Schulverein (1881–1918). Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Nationalismus und Imperialismus im Kaiserreich, Frankfurt am Main 1976. 120 Vgl. Reinbothe: Anfänge, S. 58. 121 Vgl. Schlunk, Martin: Das Schulwesen in den deutschen Schutzgebieten, Hamburg 1914, S. 25f.
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man, dass durch zu viel Wissen und zu gute Deutschkenntnisse der Abstand zwischen Kolonialherren und Untertanen verringert werden könnte.122 In China hingegen wandte man sich an eine elitäre Oberschicht, deren Ansprüche in einer langen Bildungstradition wurzelten.123 Die deutsche Sprache sollte den Zugang zu den modernen Wissenschaften eröffnen und die Schulen den technischen Fortschritt Europas exportieren. 1907 nahm die ‚Deutsche Medizinschule für Chinesen‘ in Shanghai als erste Fachschule ihren Betrieb auf, 1912 eröffnete daran angeschlossen eine Ingenieursschule. Diese Fachschulen entwickelten sich zu beliebten und renommierten Lehranstalten und sollten die Leistungsfähigkeit der deutschen Kulturmacht zeigen. Das Außenministerium sah sie als ‚Propagandaschulen‘, die in fremden Ländern die richtige Vorstellung von Deutschland verbreiten und Angehörige fremder Staaten zu Freunden deutscher Bildung und deutschen Wesens machen sollten. Erstmals konzeptionell ausgearbeitet wurden diese Zielsetzungen in der ‚Geheimen Denkschrift‘.124 Ein anonymer Verfasser beschrieb darin im Jahr 1914 den Stand des Auslandsschulwesens und seine Aufgaben, die er mit der auswärtigen Kulturpolitik verband. Vor dem Ausbruch des Weltkriegs gelang es dem Auswärtigen Amt damit, die Auslandsschulen zu einem Instrument und Objekt nationalkonservativer Politik zu machen.125 Die nationale Orientierung, die sich bei den Auslandsschulen zuerst auf privater Ebene zeigte, wurde nun in einer politischen Dimension manifestiert. Kuchler formuliert dazu treffend:126 „Die Geheime Denkschrift belegt, dass der von Fritz Fischer festgestellte ‚Griff nach der Weltmacht‘ auch auf dem Feld des auswärtigen Schulwesens vorbereitet und umgesetzt werden sollte.“
Dies zeigt sich beispielsweise in der Zusammenarbeit mit dem Osmanischen Reich. Entlang der Eisenbahnstrecke Istanbul – Bagdad, die deutsche Firmen mit aufbauten, gründete die Regierung deutschsprachige Schulen, in denen einheimische Kinder zu deutsch sprechendem Bahnpersonal und deutsch sprechenden Beamten herangebildet werden sollten. 127 So entstanden Deutsche Schulen in Eskischehir 122 Vgl. Reinbothe: Anfänge, S. 63f. 123 Vgl. ebd., S. 65f. 124 Vgl. Lubos, Hans: Die Denkschrift des Auswärtigen Amtes über das deutsche Auslandsschulwesen von 1914. Ein historisches Dokument, in: DLiA 3 (1999), S. 192–194; Düwell, Kurt: Deutschlands auswärtige Kulturpolitik, 1918–1932. Grundlinien und Dokumente, Köln 1976, S. 268–371; der Text im Original unter anderem in: PAAA R62366. 125 Vgl. Müller: Auswandererschulen, S. 240. 126 Kuchler: Visitenkarten, S. 267. 127 Vgl. Reinbothe: Anfänge, S. 69.
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(1895), Istanbul (1903), Bagdad (1909), Aleppo (1910) und Adana (1912). Diese Propagandaschulen waren jedoch ausnahmslos staatliche Gründungen und hatten ihren Ursprung nicht, wie im Falle Spaniens, in kirchlichen Gemeinden oder privaten Vereinen der Auslandskolonien. Sie waren zunächst der wichtigste Schwerpunkt der deutschen Außen- und Wirtschaftspolitik, um dem Kaiserreich eine Weltmachtstellung zu sichern. In diesen staatlich gegründeten Auslandsschulen wurde daher verstärkt ein nationales Deutschlandbild gezeichnet, um den ‚Platz an der Sonne‘ zu legitimieren. Noch viel stärker als bei den privaten Vereinen in Spanien sollte diese Form der Kulturpolitik die wissenschaftliche und politische Vormachtstellung des Reichs unterstreichen und die kulturelle Überlegenheit zeigen.128 Wilhelm II. stellte die Schulen dabei persönlich in den Dienst einer höheren Politik,129 denn sein Engagement im Auslandsschulwesen steigerte seine Popularität vor Ort, wo ein Kaiserkult entstand und beispielsweise zu vorgeschriebenen Feierlichkeiten, Ansprachen und Huldigungen führte. 2.2.1 Geld aus Deutschland: Eingliederung in die Kulturpolitik Die Deutschen Schulen in Spanien waren im Gegensatz zu den Schulen im Nahen Osten und China private Gründungen und passten nicht in das Raster der staatlichen Propagandaschulen. Dennoch profitierten sie von der expandierenden Schulpolitik des Kaiserreichs, denn der nationale Gedanke der Überlegenheit Deutschlands sollte schließlich überall in der Welt verbreitet werden.130 Da durch die privaten Schulgründungen in Spanien bereits eine Struktur gegeben war, sah das Auswärtige Amt besonders in Madrid, Barcelona und Málaga die Chance, seine Vorstellungen von Kulturpolitik durchzusetzen, zumal die bereits bestehende nationale Ausrichtung der Schulen eine perfekte Basis für die außenpolitischen Ziele bildete. So wurden beispielsweise der Deutschen Schule in Málaga während der Beratung über erste Fördergelder zwei zentrale Aufgaben zugewiesen, an deren Erfüllung die finanzielle Unterstützung gekoppelt war:131 erstens die Rückgewinnung der verlorenen deutschen Familien und die Bewahrung des ‚Deutschtums‘ und zweitens die Sorge, dass diese Kinder nicht wieder für das Kaiserreich verloren gehen würden. Das Auswärtige Amt stimmte nur unter Annahme dieser Bedingungen einer Förderung zu und gewährte der Schule eine anfängliche Summe von 1.200 Reichsmark. Die Zahlung wiederholte sich jährlich, so dass die Schule bis zum Kriegsaus128 Vgl. Kloosterhuis, Jürgen: Deutsche auswärtige Kulturpolitik und ihre Trägergruppen vor dem ersten Weltkrieg, in: Düwell, Kurt (Hrsg.): Deutsche auswärtige Kulturpolitik seit 1871. Geschichte und Struktur, Köln 1981, S. 7–46, S. 14. 129 Vgl. Trommler: Kulturmacht, S. 68ff. 130 Vgl. Anrheim, Hans: Die deutsche Schule im Auslande, S. 39. 131 Vgl. 100 Jahre DS Málaga, S. 36f.
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bruch mit deutschen Subventionen kontinuierlich anwuchs und 1914 eine Schülerzahl von 89 vorwies.132 Darunter befand sich auch eine Gruppe ausländischer Schüler, die aus germanophilen Familien oder Mischehen stammten und durch die Schule intensiver an das Deutschtum herangeführt werden sollten. Hatte man bei der Gründung in den Statuten noch festgelegt, fremde Kinder nicht aufzunehmen, war nach zehn Jahren über ein Drittel der Schüler spanischen Ursprungs. Man vertraute auf die „innere Kraft des Deutschen Charakters“133 und ließ andere Nationalitäten zu. 24 von 150 Unterrichtsstunden hielten die Lehrer in der Landessprache, was der Schule seitens des Generalkonsulats und der Botschaft jedoch schnell Kritik einbrachte. Dort stand man dem hohen Anteil spanischer Schüler skeptisch gegenüber. In einem vertraulichen Schreiben an den Schulvorstand sorgte man sich über die drohende Auflösung der Schule infolge eines Anstiegs der spanischen Elemente.134 Die Botschaft hatte früh ein starkes Interesse an den Auslandsschulen, bildeten sie doch die Möglichkeit, die Kinder der Angestellten nach deutschen Vorstellungen zu erziehen. Am Beispiel der Deutschen Schule Madrid wurde bereits deutlich, dass die staatlichen Initiativen für die Fördermaßnahmen maßgeblich von ihr ausgingen, da es zum Zeitpunkt der Schulgründung noch keine offizielle Kulturpolitik gab. Erst ab dem Jahr 1906 wurden Richtlinien für die Zuweisungen der Reichsbeihilfen im Auswärtigen Amt reglementiert, gemäß denen auch die Schulvereine in Spanien ihren nationalen, kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Wert nachweisen mussten.135 Dies gelang der Schule in Madrid beispielsweis durch die bereits angesprochene Fokussierung auf den Erhalt des ‚Deutschtums‘ und führte dadurch auch zu einem Anstieg der finanziellen Förderung. Erhielt sie im Schuljahr 1896/97 noch 3.000 Mark Reichsbeihilfe, stieg der Betrag im Jahr 1905 bereits auf 4.500 Mark an, verdoppelte sich beinahe auf 8.000 Mark für 1906/07 und stieg im Jahr darauf nochmals um 5.000 Mark an.136 Das Auswärtige Amt wollte gerade in der spanischen Hauptstadt Präsenz zeigen und bezog dafür die Schule immer stärker in die Fördermaßnahmen mit ein.137 Durch die Unterstützung aus Deutschland stiegen die Schülerzahlen, was einen Umbau der räumlichen Verhältnisse notwendig machte. 1903 überschritt die Schülerzahl erstmals die 100, 1912 besuchten 300 Schüler die Schule, davon waren 70 Deutsche, deren Zahl aber seit 1904 stagnierte.138 1905 zog die Schule nach der 132 Vgl. ebd., S. 49. 133 Koethke, Wilhelm: Bericht der Deutschen Schule Málaga in: Der Auslandsdeutsche (1920), S. 115–116. 134 Vgl. 100 Jahre DS Málaga., S. 52f. 135 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 56f. 136 Vgl. ebd., S. 57f. 137 Vgl. ebd., S. 58. 138 Vgl. ebd., S. 61.
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Kündigung des alten Mietvertrags in ein neues Gebäude. Das größere Anwesen erlaubte es, die Schüler nach Geschlechtern getrennt in eigenen Fluren unterzubringen.139 Die zuvor durchgeführte Koedukation, die die Deutsche Schule Madrid nicht aus pädagogischen Gründen, sondern vor allem angesichts der Raumnot praktiziert hatte, wurde aufgehoben. Doch bereits ein Jahr nach dem Umzug in die neuen Gebäude war absehbar, dass die Räume für die Entwicklung der Schülerzahlen erneut zu klein waren. Unter Verweis auf ihren kulturpolitischen Auftrag kritisierte die Schule den Platzmangel nicht nur aus pädagogischer Sicht. Im Vorstandsbericht des Jahres 1905/06 bedauerte die Schulleitung den beschränkten Platz für nationale Festakte an der Schule, da gerade solche Veranstaltungen patriotische Gefühle wecken sollten.140 Mit Beiträgen solcher Art versuchte sie somit nicht nur die Eltern anzusprechen, sondern der Verein rechtfertigte damit gegenüber den offiziellen staatlichen Institutionen seine Geldwünsche. Die Bitten waren erfolgreich: Ab 1908 unterstützte der kaiserliche Konsul Felix Schlayer den Bau eines neuen Schulgebäudes in der Calle Fortuny.141 Neben privaten Anleihen von insgesamt 380.000 Pesos floss ein Reichszuschuss von 20.000 Mark in das Projekt. Damit erhielt eine Deutsche Schule in Spanien erstmals eine größere Geldmenge für einen Neubau. Die Grundsteinlegung feierte der Verein im Jahr 1909 am Geburtstag des Kaisers und machte sie damit zu einem symbolischen politischen Akt in der Hoffnung, dass die neue Schule Grundlage des praktischen Lebens und eine Pflanzstätte der Gottesfurcht und königstreuen Gesinnung werden würde, aus denen die gesamte deutsche Nation ihre Ideale zu schöpfen seit langem gewohnt sei.142 Der einmalige staatliche Zuschuss reichte jedoch nicht aus. Der Neubau hinterließ deutliche Spuren in den Bilanzen, und 1911 war das Auswärtige Amt gezwungen, ein Defizit von 12.000 Mark durch eine erneute Beihilfe auszugleichen, da die Schule ansonsten bankrottgegangen wäre.143 Einhergehend mit dem Neubau verfolgte das Direktorium die offizielle Anerkennung zur Realschule. Dies machte den Platz für zusätzliche Klassen dringend notwendig, so dass man ab dem Schuljahr 1904/05 die strukturelle mit der räumlichen Entwicklung verband. Vier Jahre später, nach der Erfüllung sämtlicher Auflagen, erhielt man die Erlaubnis zur Ausstellung von Zeugnissen über die Befähigung zum einjährigen freiwilligen Militärdienst und den Status als offizielle Realschule.144 Madrid war weltweit die achte Deutsche Auslandsschule, die diesen Abschluss erteilen durfte – eine Besonderheit also, die sich bis in die späten Jahre des 20. Jahrhunderts noch im Selbstverständnis der Schule widerspie139 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1904/1905, S. 6. 140 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1905/1906, S. 1f. 141 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 62. 142 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1908/1909, S. 6. 143 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1910/1911, S. 6. 144 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 65.
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gelte. So betonen die Autoren der Schulchronik zum 100-jährigen Jubiläum explizit, dass Madrid diesen Status noch vor der Schule in Barcelona erhielt.145 Die Elternschaft befürwortete den Ausbau zur Realschule, und immer mehr Spanier entschieden sich, ihre Kinder auf die Deutsche Schule zu schicken. Die finanzkräftigen spanischen Familien waren ein wichtiger Posten für die Schulfinanzen und wurden in den national geprägten Bildungsauftrag einbezogen, da man hoffte, die kommende Führungsschicht des Landes mit dem deutschen Wesen und der deutschen Sprache vertraut zu machen. Das führte zu einer äußerst heterogenen Zusammensetzung der Klassen.146 Neben rein muttersprachlichen und bilingualen Kindern nahmen immer mehr rein spanischsprachige Kinder am Unterricht teil. Dies erschwerte wiederum den praktischen Unterricht, da die fehlenden Sprachkenntnisse im Deutschen die Qualität der Leistungen beeinträchtigten. Die schlechten Ergebnisse gefährdeten die dringend benötigten Unterstützungszahlungen und die offizielle Anerkennung. Im Jahr 1913 beschwerte sich Oberlehrer Hans Borbein, der die Schule im Rahmen der Abschlussprüfungen besuchte, über die ungünstigen Leistungen. 147 In die gleiche Richtung zielte die Kritik von Franz Schmidt, der als Vertreter des Auswärtigen Amtes zur Einweihung des Neubaus nach Madrid gekommen war und trotz vieler lobender Worte klar und deutlich den Deutschunterricht bemängelte.148 Schmidt sah nicht nur den hohen Anteil an spanischsprachigen Schülern als Hauptgrund für die schlechten Ergebnisse, sondern auch das Fehlen einer einheitlichen Methodik und Zielsetzung. Diese negativen Beurteilungen stellten für die Schule ein ernstes Problem dar, da die Schulabteilung des Auswärtigen Amtes mit dem Entzug der Militärberechtigung drohte. In Berlin hatte man durchaus Interesse an einer gut organisierten und qualitativ hochwertigen Schule, denn man sah besonders in den Schulen in den Handelszentren Barcelona und Madrid zwei vortreffliche Bildungsanstalten, deren Wirken weit in die spanischen Kreise hineinreichen sollte.149 Die Kritik hatte demnach nicht nur eine pädagogische, sondern auch eine politische, ideelle Dimension, da die Verantwortlichen im Auswärtigen Amt den propagandistischen Wert der Schulen und deren Entfaltungsmöglichleiten in Spanien bewusst einkalkulierten.150 In diesem Sinne wurde auch der Neubau der Deutschen Schule Barcelona durch Reichszuschüsse mitfinanziert. Sie war die erste in Spanien, die sich von der provisorischen Unterbringung löste und durch eigene neue Räume die Basis für eine in145 Vgl. ebd. 146 Vgl. ebd., S. 66. 147 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1912/1913, S. 3. 148 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 67. 149 Vgl. Geheime Denkschrift des Auswärtigen Amtes über das deutsche Auslandsschulwesen 1914, in: PAAA R62366, S. 14. 150 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 69.
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stitutionalisierte Einrichtung legte. Die Feierlichkeiten zur Einweihung waren pompös und sollten, wie in Madrid, die Stärke und Präsenz der deutschen Kolonie und des Kaiserreichs zeigen.151 Zum Zeitpunkt des Neubaus im Jahr 1904 besuchten 81 Kinder die Schule, von denen knapp 66 Prozent deutschsprachig und circa 25 Prozent spanische Muttersprachler waren.152 Mit dem Schulneubau stiegen die Schülerzahlen an, so dass sich neue Klassenstrukturen ergaben. Nach dem Wunsch der Eltern gliederte man die Schule in einen Kindergarten, eine Grundschule und eine Realschule, die wie in der Hauptstadt die Berechtigung zum einjährigen Militärdienst verlieh.153 Der berufliche Hintergrund der Eltern bedingte den Umbau, da ein Großteil der Gemeindemitglieder kaufmännische Berufe ausübte. Die Form des Realunterrichts in Mathematik und Naturwissenschaften war in ihren Augen ein erstrebenswertes Ziel, zumal man nach der einjährigen Militärzeit den Titel eines Reserveoffiziers erwerben konnte, der ein hohes Sozialprestige genoss. Neben den drei bestehenden Einrichtungen entstanden in den Jahren nach der Jahrhundertwende weitere Anstalten, die in das Fördersystem des Auswärtigen Amtes einbezogen wurden. Im Gegensatz zu den Schulen in Madrid, Barcelona und Málaga waren sie nicht mit der evangelischen Gemeinde verbunden, sondern gingen aus anderen Einrichtungen und Vereinen der Auslandskolonie hervor. In Valencia lag der Ursprung im Kegelclub Germania.154 Drei Familien bestellten 1904 für ihre Kinder eine private Erzieherin, drei Jahre später engagierten sie einen Grundschullehrer. Mit der Gründung eines Schulvereins legten sie 1908 die Basis für die Anerkennung durch das Auswärtige Amt, das 1909 Wilhelm Burmeister als Direktor an die Schule entsandte.155 Wie bei den anderen Einrichtungen führte ein Schulverein die Geschäfte, die er durch Mitgliedsbeiträge, Schulgeld und Spenden finanzierte. Die Ursprünge der Deutschen Schule Santa Cruz de Tenerife datieren auf das Jahr 1909.156 Schweizer und Deutsche gründeten auf der Insel einen Verein, den die Brüder Wilhelm und Gustav Wildpret lenkten. Durch den binationalen Charakter stand bereits zu Beginn der Sprachunterricht stärker im Vordergrund, der Patriotismus und die nationale Komponente, die sich in anderen Schulen zeigten, waren auf der kanarischen Insel aufgrund des starken schweizerischen Einflusses andersartig ausgeprägt. War die Außenwirkung bei den anderen Schulen bereits zentraler Bestandteils des eigenen Selbstbildes, spielte sie in Teneriffa zunächst keine große 151 Vgl. ebd., S. 44. 152 Vgl. ebd., S. 46. 153 Vgl. ebd., S. 48. 154 Vgl. Schulverein Deutsche Schule Valencia (Hrsg.): 100 Jahre Deutsche Schule Valencia, Valencia 2009, S. 65 (im Folgenden: 100 Jahre DSV). 155 Vgl. ebd., S. 66. 156 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Santa Cruz 1989/1990, S. 42ff.
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Rolle. Das Schulgebäude war provisorisch in einem Stall mit Kühen und Pferden untergebracht, der Unterricht noch stark auf die eigenen Kinder ausgerichtet. Erst der Hamburger Kaufmann und Konsul Jakob Ahlers änderte diese Situation, fehlten ihm doch eine repräsentative Außendarstellung und eine Anbindung an die staatlichen Behörden. Ab 1919 ließ er zuerst in seinem Garten unterrichten, bevor er den weiteren Ausbau und die Förderung vorantrieb. 2.2.2 Bildungsideen in Deutschland und Spanien Neben den finanziellen Fördermaßnahmen und der Etablierung deutscher Abschlüsse waren es vor allem die aus Deutschland kommenden Lehrkräfte, die für eine ideelle Verbindung zum Heimatland sorgten. Die Schulvereine profitierten in doppelter Hinsicht von ihnen: Einerseits verringerte sich durch die festen Verträge die Fluktuation beim Lehrpersonal, andererseits war der deutsche Charakter eher gewährleistet. Bei der Auswahl der Lehrer achteten Verein und Auswärtiges Amt auf die Eignung für den Auslandseinsatz. Die Deutsche Schule Madrid stellte eigens eine Anforderungsliste auf.157 Danach musste die Lehrerschaft über die soziale Schichtung ihrer Zöglinge und den politischen Einflussbereich der nicht deutschen Eltern Bescheid wissen, und neben pädagogischen Aufgaben war die Pflege des gesellschaftlichen Lebens und das Zusammenkommen mit den Landesbewohnern vorgeschrieben. Die einzelnen Lehrkräfte konnten einen starken Einfluss auf die Schule entfalten. In Barcelona prägte beispielsweise Schulleiter Otto Boelitz die Anfangsjahre der Schule maßgeblich. Er propagierte eine liberale Erziehung und versuchte besonders Mädchen eine höhere Bildung zukommen zu lassen.158 In der Praxis bedeutete dies, dass der Lehrer weniger als Autoritätsperson wahrgenommen, sondern vielmehr zum Vermittler einer gemeinsam erlebten und erarbeiteten Kulturerfahrung werden sollte. Für die stark auf Disziplin orientierte Pädagogik des Kaiserreichs war dies ein revolutionärer Schritt, der reale Anschauung, Lebensnähe und Gruppendynamik in den Mittelpunkt des Unterrichts rückte. Die pädagogische Offenheit und Andersartigkeit machte die Schulen für Spanier zusätzlich interessant, da die deutsche Erziehung einen guten Ruf besaß. Das spanische Bildungssystem befand sich schon länger in einem äußert schlechten Zustand.159 Bis weit in das 19. Jahrhundert hinein verhinderten konservative Regierungen und der einflussreiche Klerus durch Misspolitik, dass die Mehrheit der Bevölkerung eine systematische Bildung erhielt. Obwohl seit 1857 eine Schulpflicht bestand, lag die Analphabetenquote 1887 bei circa 72 Prozent und 1910 immer 157 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 60f. 158 Vgl. 100 Jahre DSB, S. 49. 159 Vgl. Bernecker: Spanien Handbuch, S. 356f.
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noch bei 64 Prozent. Das öffentliche Schulwesen entwickelte sich nur langsam, wurde zentralistisch von Madrid gesteuert und war als ‚Lernschule‘ mit Frontalunterricht, Prüfungsorientierung, Auswendiglernen und einer Ausrichtung an vorgeschriebenen Lerninhalten konzipiert. Einen großen Einfluss auf die Erziehung hatte die katholische Kirche, die allerdings keineswegs rein traditionell-bewahrend ausgerichtet war, sondern durchaus am Ende des 19. Jahrhunderts mit neuen Formen der Vergemeinschaftung unter katholischen Gesichtspunkten experimentierte. 160 Die Kinder standen nach der politischen Krise 1898 im Mittelpunkt einer kirchlichen Rechristianisierungspolitik, und die Kindheitsreform war ein wesentlicher Bestandteil katholischer Gesellschaftspolitik und einer Mission ‚von unten‘. Dadurch entstand ein Interesse an der einzelnen Kinderpersönlichkeit und an reformpädagogischen Maßnahmen, wobei die gesellschaftliche Säkularisierung durch eine innere Persönlichkeitsreform von Erzieher und zu Erziehenden gestoppt und rückgängig gemacht werden sollte. Die katholische Pädagogik war damit ein Gegenentwurf zu liberalen Bildungskonzeptionen, wurde aber trotzdem zu einer dynamischen Kraft der Veränderung des Bildungsmilieus. Das Aufwachsen der Kinder wurde so in der spanischen Gesellschaft um die Jahrhundertwende zu einem wichtigen Thema der urbanen Öffentlichkeit und das Bewusstsein für Erziehung stieg. Jugendliche wurden für Staat und Gesellschaft zu einer nationalen Ressource, die man pflegen und fördern musste. Dementsprechend machten sich immer mehr Eltern aus bildungsnahen Schichten Gedanken über die schulische Karriere ihres Nachwuchses, und obwohl die Deutschen Auslandsschulen zum Teil noch schlecht ausgestattet waren, boten sie bessere Bedingungen als die öffentlichen Schulen des Landes. Die liberale Ausrichtung, kombiniert mit ‚preußischer‘ Erziehungsmoral, eine bilinguale Erziehung, eine enge Verbindung mit deutschen Werten und Moralvorstellungen sowie das gesellschaftliche Ansehen einer privaten Auslandsschule hatten großen Einfluss auf die Schulwahl der Eltern. Wie beliebt deutsche Erziehung zu diesem Zeitpunkt war, zeigt ein Beispiel aus Palma de Mallorca. Dort gründete der spanische Marinekommandant David Delgado eine Deutsche Schule mit der Begründung, dass er das deutsche Wesen, die Sprache und die Erziehung bewundere, ohne selbst einen persönlichen Bezug zum Land zu haben.161 Sie existierte allerdings nur wenige Jahre, ohne in das Fördersystem eingebunden zu sein. Neben der reichen spanischen Oberschicht bildete durch diesen Interessenszuwachs die gehobene Mittelschicht ab Beginn des 20. Jahrhunderts zunehmend einen Kundenstamm für die Schulvereine, was einerseits die Reputation der Schule ver160 Vgl. Kössler, Till: Kinder der Demokratie. Religiöse Erziehung und urbane Moderne in Spanien, 1890–1936, München 2013, S. 494ff. 161 Vgl. Grothe, Hugo: Kleines Handwörterbuch des Grenz- und Auslanddeutschtums, München 1932, S. 310.
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besserte und andererseits finanzielle Unterstützung ermöglichte. Im Werben um spanische Schüler waren die Deutschen Schulen allerdings nicht allein vor Ort, denn Frankreich und England betrieben ebenfalls Auslandsschulen, gegen die man sich immer wieder propagandistisch zu behaupten versuchte. 2.2.3 Überlegenheit des Systems: Konkurrenz mit Auslandsschulen anderer Nationen Frankreich, das seit circa 1880 Kulturexport als Außenpolitik betrieb, fungierte als Vorbild in der auswärtigen Kulturpolitik.162 Es dehnte seinen kulturellen Einfluss einerseits in den Kolonien, andererseits durch Auslandsschulen in Nachbarländern aus. 163 In Deutschland sahen vor allem linksliberale Politiker wie Friedrich Naumann in diesem Vorgehen eine moderne außenpolitische Konzeption. Einerseits war das Verhältnis zu diesen Schulen vor Ort durch Nachahmung und Bewunderung geprägt, anderseits entstand eine Atmosphäre der Konkurrenz, da man bemüht war, die Schüler des Gastlandes aus höheren sozialen Schichten und andere Kinder reicher, einflussreicher internationaler Familien für sich zu gewinnen. Diese Bestrebungen hatten zum Teil Erfolg. Die Schulen entwickelten sich dadurch zunehmend zu internationalen Institutionen, in denen Kinder aus verschiedenen Nationen zusammen lernten. In der Deutschen Schule in Málaga waren beispielsweise 1913 französische, deutsche, spanische, amerikanische und englische Kinder immatrikuliert.164 Die Aufnahme der französischen Kinder führte jedoch zu heftigen Diskussionen, denn Schulleitung und Vorstand gerieten in einen Gewissenskonflikt, ob sie die friedliche Kooperation mit den französischen Eltern fördern oder durch eine Abweisung der Schüler indirekt die französische Schule stärken sollten. Konsul Frömke attackierte den Vorstandsvorsitzenden Brausewetter mit dem Argument, dass man Frankreich als Erzfeind des Deutschen Reiches nicht zugestehen dürfe, seine Kinder auf Kosten deutscher Steuerzahler an der Schule unterrichten zu lassen. Das Ergebnis des Konflikts ist nicht überliefert, doch er zeigt, dass die ‚Erzfeindschaft’ zu Frankreich in den Schulen präsent war. Der Wettbewerb mit anderen internationalen Schulen führte darüber hinaus zu einer Reflexion der eigenen schulischen und politischen Leistung. Im Jahresbericht der Deutschen Schule Madrid wurde 1912 der Ausbau der Schule als positiv resümiert und in Verbindung mit der Konkurrenz zu den anderen Nationen gebracht:165
162 Vgl. Kloosterhuis: Kulturpolitik, S. 15. 163 Vgl. stellvertretend: Möller, Esther: Orte der Zivilisierungsmission. Französische Schulen im Libanon 1909–1943, Göttingen 2013. 164 Vgl. 100 Jahre DS Málaga, S. 54. 165 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1911/1912, S. 17.
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„Nur dadurch, daß unsere Anstalt nicht beim Erreichten stehen bleibt, sondern bei der Anwendung der Erfahrung der modernen Pädagogik unter steter Berücksichtigung ihrer Sonderverhältnisse in ihrer Entwicklung stetig fortschreitet, wird sie auch in Zukunft ihre anerkannte Überlegenheit über Schulen ähnlichen Systems anderer Nationen am Orte behalten und erhöhen zur Ehre und Förderung des Deutschtums und deutschen Geistes im fremden Volkstume.“
Sowohl die Schulleitung als auch das Auswärtige Amt waren sich bewusst, dass man den anderen Nationen und den einheimischen Ordens- und Priesterschulen nur überlegen sein konnte, wenn man die Leistungen und Angebote erhöhte. Passte sich die französische Schule den Bequemlichkeitswünschen der Eltern an, indem man einen kostenlosen Omnibusdienst anbot, musste die Deutsche Schule diesen Service ebenfalls aufnehmen, um konkurrenzfähig zu bleiben.166 Des Weiteren ergaben sich Berührungspunkte mit dem Gastland, da die Deutschen Schulen auf die Anerkennung der Abschlüsse in Spanien angewiesen waren. Am 20. September 1913 genehmigte die spanische Regierung durch ein königliches Dekret zunächst den Abschluss der Deutschen Schulen als spanisches Bachillerato, doch nach starken innenpolitischen Auseinandersetzungen nahm man diese Konzession im Mai 1914 wieder zurück.167 Kritiker bemängelten, dass der Realschulabschluss der Deutschen Schule nicht mit dem Bachillerato übereinstimme und eine Gleichsetzung daher nicht möglich sei. In die bildungspolitischen Diskussionen mischten sich noch weitere Kritikpunkte: Unterrichtsminister Ruiz Jiménez beschwerte sich über die fehlende Beaufsichtigung durch das spanische Unterrichtsministerium und die Abhängigkeit der Schule von Deutschland.168 Damit wurde die Diskussion über die Schule auf einen nationalen Aspekt gehoben, denn sie bezog sich nicht nur auf die pädagogische Anerkennung der Abschlüsse, sondern auch auf deren staatliche Kontrolle und die Bildungshoheit im eigenen Land. Die Deutschen Auslandsschulen waren nicht nur Bildungseinrichtungen, sondern auch Teil eines nationalen Wettbewerbs und eines Konkurrenzkampfes. Kultur wurde immer mehr zum Kampfmittel in propagandistischen Auseinandersetzungen und von deutscher Seite mit militärischen Komponenten, wie dem Abschluss zum einjährigen Militärdienst, verbunden.169 Am Vorabend des Ersten Weltkriegs waren die Deutschen Schulen in Spanien von evangelisch geprägten Sprachschulen zu Zentralen des deutschen Nationalismus im Ausland geworden, die sich im Kampf gegen andere Kulturen behaupten mussten.
166 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1912/1913. S. 23. 167 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 70. 168 Vgl. ebd., S. 72. 169 Vgl. Trommler: Kulturmacht, S. 185ff.
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2.3 DER ERSTE WELTKRIEG: FLUCH UND SEGEN FÜR DIE DEUTSCHEN AUSLANDSSCHULEN IN SPANIEN Während des Ersten Weltkrieges entbrannte zwischen Frankreich, England und Deutschland ein Kulturkrieg, bei dem besonders neutrale Staaten wie Spanien das Schlachtfeld bildeten und der in seinen Auswirkungen nicht zuletzt die Auslandsschulen betraf. Aufgrund der geostrategischen Lage geriet Spanien in das Spannungsfeld der Großmächte und ihrer diversen Propagandabemühungen.170 Das Verhältnis zu den Kriegsparteien war ambivalent, die spanische Bevölkerung war gespalten in germanophile und frankophile Kreise. Ökonomische Verbindungen mit England, die destruktive Kolonial- und Außenpolitik und die fehlende Unterstützung während der Krieges 1898, die Karolinenkrise sowie die Ausgrenzung Spaniens aus den deutschen Bündnissystemen waren Gründe dafür, dass trotz der viel beschworenen Freundschaft der beiden Völker und ihrer geistigen Verbindung Spanien im Ersten Weltkrieg die Neutralität wahrte und nicht an der Seite der Mittelmächte in den Krieg zog, sondern im Gegenteil streckenweise eine klar die Entente begünstigende Haltung einnahm.171 Die Ehrverletzungen durch den Krieg 1898, die Gibraltar-Krise und die französische Politik in Marokko sorgten auf der anderen Seite für eine antifranzösische Haltung und eine Favorisierung Deutschlands.172 Diese Ambivalenz versuchte das Kaiserreich vor allem in den großen Städten durch die Etablierung von Propagandainstitutionen, beispielsweise des Deutschen Nachrichtendienstes 1914 in Barcelona, auszunutzen, um so die Gunst der Spanier für sich zu gewinnen, Nachrichten zu filtern und ein positives Bild der deutschen Nation zu zeigen.173 Spanien war wirtschaftlich ein potentieller Partner für das Kaiserreich, doch Frankreich und England waren die wichtigsten Akteure im wachsenden spanischen Überseehandel. Die Kriegsjahre stellten für Spanien den Beginn der chemischen Schwerindustrie und eine Steigerung des Auslandsabsatzes dar. Die Gewinne der Banken und Reedereien vermehrten sich zunehmend in den Jahren zwischen 1915 und 1920.174 Während die spanische Handelsbilanz 1913 noch ein Defizit von 230 Millionen Pesos verzeichnete, erzielte man 1917 einen Überschuss von
170 Vgl. Albes, Jens: Worte wie Waffen. Die deutsche Propaganda in Spanien während des Ersten Weltkriegs, Essen 1996, S. 25ff. 171 Vgl. Espadas Burgos: De la época bismarckiana, S. 87. 172 Vgl. ebd., S. 78. 173 Vgl. ebd., S. 83. 174 Vgl. Bernecker, Walther/Pietschmann, Horst: Geschichte Spaniens. Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart, Stuttgart 42005, S. 305.
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589 Millionen.175 Hauptabnehmer der spanischen Exportartikel waren vor allem die Entente-Mächte, in geringerem Umfang aber auch die anderen kriegsführenden Nationen. Allerdings brachte die im Rahmen des Weltkrieges erzielte wirtschaftliche Expansion in Spanien keine sozialen Reformen und Umstrukturierungen im Inneren des Landes.176 Der bewusste Export von Waren aller Art und die gleichzeitige Reduktion des Imports sorgten für eine Güterknappheit auf dem eigenen Binnenmarkt und zu drastischen Preisanstiegen, was wiederum zu einer starken Unzufriedenheit in den Reihen der Industriearbeiter führte, deren Zahl als Resultat der wirtschaftlichen Expansion extrem anstieg. Spanien war einerseits eine starke Exportkraft, andererseits entwickelten sich im innenpolitischen Bereich mehrere Problemfelder, die schließlich 1917 zu einer schweren Krise führten. Der erste Krisenherd war die Insubordination der ‚Verteidigungsjuntas‘ des in Marokko stationierten Militärs, die den Rücktritt der Regierung erzwangen und unter deren Befehl sich die Zivilregierung folglich stellen musste. Das Militär sah sich als Bewahrer der nationalen Einheit und reagierte, besonders nach der Niederlage im Jahr 1898, empfindlich auf Anfeindungen aus dem zivilpolitischen Lager. Das zweite Problemfeld war in Katalonien die Verbindung des parlamentarischen Systems mit dem eigenen Nationalismus. Die selbstbewusste katalanische Bourgeoisie sah in dieser kritischen Phase die Chance, eine Verfassungsrevision herbeizuführen und ihre Autonomie zu stärken. Die Bestrebungen nach mehr Selbstständigkeit scheiterten aber an der militärischen Dominanz des Zentralstaates. Das dritte Problem waren die negativen sozialen Entwicklungen, die gerade während der Schlussphase des Krieges zu immer schlechteren Verhältnissen in der Arbeiterschaft führten und darin mündete, dass die UGT (Unión General de Trabajadores) 1917 einen revolutionären Generalstreik ausrief. Die aus Russland kommenden Revolutionsnachrichten verstärkten die aufrührerische Stimmung. Im März streikte in Valencia die Eisenbahn, in Bilbao legten 27.000 Stahlarbeiter die Arbeit nieder, und in anderen Orten kam es zu weiteren kleinen Aufständen.177 Obwohl diese drei Krisen zeitgleich ausbrachen und zu einer Staatskrise kumulierten, arbeiteten die revolutionären Gruppen nicht zusammen, vielmehr herrschte ein sozialer und politischer Kampf zwischen den Parteien.178 Das Militär schlug die Arbeiteraufstände blutig nieder, und im Bürgertum herrschte eine große Angst vor sozialen Unruhen und kommunistischen Strömungen. In dieser unsicheren und instabilen Lage war die Aufgabe von Propagandaeinrichtungen umso bedeutender, da diese starken Einfluss auf die unterschiedlichen 175 Vgl. Bernecker, Walther: Geschichte Spaniens im 20. Jahrhundert, München 2010, S. 76. 176 Vgl. zum Folgenden: Bernecker/Pietschmann: Spanien, S. 305ff. 177 Vgl. Bernecker: Geschichte Spaniens, S. 80. 178 Vgl. zum Folgenden: Bernecker/Pietschmann: Spanien, S. 310f.
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Gruppierungen ausüben konnten. Da die nachrichtentechnische Einflussnahme aus Deutschland durch eine Unterbrechung der Kommunikationswege weitestgehend gestört war, hing das Werben um Sympathien im Wesentlichen von den vor Ort lebenden Deutschen ab.179 Es waren die ansässigen Kaufleute, die als Träger einer indirekten Propaganda auftraten. Sie verfügten über ein engmaschiges Netz von Kontakten und kannten die Sitten des Landes.180 Ein Teil ihres Kommunikationssystems waren die Auslandsschulen, in denen Kontakt zu hochrangigen Persönlichkeiten der spanischen Gesellschaft aufgebaut werden konnte. Eine dieser einflussreichen Personen war beispielsweise der liberale spanische Ministerpräsident Álvaro Figueroa Torres, Graf de Romanones, der seine Kinder auf die Deutsche Schule Madrid schickte. Sein Nachfolger versuchte zwischen den Kriegsparteien neutral zu bleiben und schrieb je eines seiner Kinder in die französische und die deutsche Schule ein.181 Die Auslandsschulen wurden zum Kristallisationspunkt und Kulturträger der Kolonien, in ihnen vereinten sich alle unterschiedlichen politischen und konfessionellen Gruppen der deutschen Auslandsgemeinde. Das Auswärtige Amt nutzte bewusst die Verbindungen der Lehrer und Koloniemitglieder zur einheimischen Bevölkerung, was sich beispielsweise an Alexander Bruns, Direktor der BerlitzSprachenschule in Madrid sehen lässt, den das Außenministerium zum Vertrauensmann für Pressenachrichten aus Deutschland und zum offiziell akkreditierten Korrespondenten der Nationalzeitung ernannte. 182 Ein anderes Beispiel privater Propagandamaßnahmen ist August Heinz Hofer, Unternehmer und Konsul in Barcelona, der eine Telegraphenagentur in seinem Wohnhaus aufbaute, um deutschfreundliche Nachrichten leichter in spanischen Zeitungen lancieren zu können.183 Seine Artikel verbreitete er vor allem in der Kolonie, und besonders das Umfeld der Schule wurde zu einem Umschlagsplatz für Meldungen, welche die deutsche Überlegenheit zeigen sollten und die Entente-Staaten attackierten.184 Mit dem Beginn des uneingeschränkten U-Boot-Krieges mussten auch die Propagandamaßnahmen gesteigert werden, um wieder Sympathien bei den Spaniern zurückzugewinnen.185 Spanische Zeitungen wurden daher bestochen, auf Messeveranstaltungen deutsche Pavillons aufgebaut und Filmvorführungen veranstaltet. Ausgehend von der beruflich exponierten Position deutscher Kaufleute sollte wirtschaftlicher Einfluss aufgebaut werden, um Engländer und Franzosen als führende Han179 Vgl. Albes: Worte wie Waffen, S. 124. 180 Vgl. ebd., S. 133. 181 Vgl. ebd., S. 44, 69. 182 Vgl. ebd., S. 54. 183 Vgl. ebd., S. 59. 184 Vgl. ebd., S. 90. 185 Vgl. ebd., S. 326ff.
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delspartner abzulösen. Durch die enge Verbindung dieser Kaufmänner blieben auch die Auslandsschulen stets ein indirekter Sammlungs- und Treffpunkt für den Meinungsaustausch. Sie etablierten ihre Rolle als wichtige kulturelle und politische Zentren für die gesamte deutschsprachige Kolonie und waren damit wenn auch nicht explizit, so doch indirekt Teil der deutschen Außenpolitik während der Kriegszeit. 2.3.1 Finanzielle Krise und Kampf um Kulturhoheit Der Ausbruch des Krieges traf die Auslandsschulen unvorbereitet. In Madrid war man regelrecht überrascht:186 „Da brach jählings mitten in den Ferien der furchtbare Europäische Krieg aus, welcher uns sofort, wie allen vaterländischen Betrieben, eine unsichere Zukunft bereitete.“
Das größte Problem für den Schulbetrieb war das Fehlen des Lehrpersonals. Sowohl Schulleiter Schmidt als auch der Vereinsvorsitzende Schlayer sowie Mitglieder des Kollegiums waren als Freiwillige ins Heer eingetreten.187 Mit der Hilfe von Stellvertretern und Lehrern aus anderen Schulen, die sich zum Urlaub in Spanien aufhielten und nicht zurückreisen konnten, nahm die Schule mit folgender Meldung am 21. September 1914 den regulären Unterricht auf:188 „Wir hatten jedoch schwerwiegende Gründe, unter keinen Umständen unsere Schule geschloßen zu halten, selbst wenn sich noch größere Hindernisse eingefunden hätten.“
Zu diesen Gründen gehörte allen voran das Prestige gegenüber den anderen internationalen Schulen. Man wollte den englischen und französischen Nachrichten, welche die Schließung der Schule propagierten, unbedingt entgegentreten.189 Die gleiche Situation traf auf Barcelona zu. Der Kriegsbeginn bedeutete zunächst einmal den Verlust des deutschen Kollegiums, da die Lehrkräfte, die sich auf Heimaturlaub befanden, zum Heeresdienst eingezogen wurden.190 Nur drei von vierzehn Lehrern waren noch in der Stadt, so dass Schulvorstand Hermann Kaupp wie in Madrid auf Kollegen zurückgreifen musste, die sich zufällig in Spanien auf Studienreise befanden und aufgrund des Krieges nicht mehr heimreisen konnten.191 186 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1913/1914, S. 3. 187 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 75. 188 Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1913/1914, S. 7. 189 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1914/1915, S. 21. 190 Vgl. 100 Jahre DSB, S. 51. 191 Vgl. ebd., S. 52.
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In Valencia hingegen konnte man keinen Ersatz für verhinderte Lehrkräfte finden und die Schule stellte als einzige in Spanien ihren Unterricht nach Kriegsausbruch ein.192 Fünf Jahre nach ihrer Gründung waren die Strukturen noch nicht so stark ausgebaut wie in Madrid oder Barcelona, so dass die Kriegsfolgen stärkere Auswirkungen hatten als in den beiden Großstadtschulen, die vor allem unter finanziellen Engpässen litten. Die Mitglieder der Gemeinde konnten dort wegen wirtschaftlicher Einbußen und wegen teils starker Notlage die Schule nicht unterstützen.193 Die Zuschüsse aus dem Reich verloren durch die Geldabwertung an Wert, und gezeichnete Kriegsanleihen sorgten zwar für eine kurzfristige Besserung, stellten sich allerdings nach Kriegsende als schwere Hypothek heraus.194 Im Schulalltag machte sich zudem das Fehlen angemessener Schulbücher bemerkbar. Ausbleibende Lieferungen wirkten sich negativ auf den Unterricht aus, da didaktische und methodische Reformen unterblieben.195 Die Aufrechterhaltung eines guten Schulbetriebs war jedoch ein wichtiges Ziel der Außenpolitik, denn er wurde als eine Waffe gegen die Feinde des Reiches angesehen:196 „Die eine [Waffe] ist die Ausbreitung der deutschen Sprache in der Welt, der wir gerade auch wirtschaftspolitisch eine ganz ungeheure Wichtigkeit beimessen […]. Die Vorherrschaft der englischen Sprache in der Welt hat unseren Feinden nicht nur auf dem Gebiete politische Beeinflussung und Stimmungsmache während des Krieges, sondern schon lange zuvor handelspolitisch einen Vorsprung verschafft. […] Hier muß meines Erachtens nach dem Kriege mit allen Kräften und ohne ängstliche Rücksicht auf die Kostenfrage Wandel geschaffen werden und die Gründung deutscher Schulen […] scheint uns […] notwendig zu sein.“
Der Kulturkrieg mit Frankreich und England hatte in Spanien direkte Auswirkungen auf die Schülerzahlen. In Málaga gingen sie von 89 im Jahr 1914 auf 52 im Jahr 1915 zurück, was Schulleiter Wilhelm Koethke mit dem Abgang der ausländischen Kinder und der Bekämpfung des ‚Deutschtums‘ in Spanien durch Propagandamaßnahmen der feindlichen Nationen erklärte.197 Die sogenannte ‚Black List‘ der Engländer untersagte die Zusammenarbeit mit deutschen Firmen und Einrichtungen und hatte starken Einfluss auf die spanische Gesellschaft.198 Dies führte nicht nur zu einem Rückgang der englischen und französischen Schüler, sondern – und das war finanziell ein schwerer Schlag für die Schule in Málaga – zu einer Abwanderung der spanischen Schüler. Hinzu kam, dass die Eltern der zurückgebliebenen deut192 100 Jahre DSV, S. 4. 193 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1913/1914, S. 6. 194 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 77. 195 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 76. 196 PAAA R 62364 Bd. 5: Potsdamer Handelskammer an Auswärtiges Amt, 23.07.1918 197 Jahresbericht DS Málaga 1914/1915, S. 4. 198 Vgl. 100 Jahre DS Málaga, S. 79f.
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schen Schüler infolge der heimatlichen Inflation und der Auswirkungen auf die spanische Wirtschaft oft finanziell beeinträchtigt waren und sich so bei der Schulleitung die Anträge auf Schulgelderlass häuften. Die Eröffnung eines Lycée francais schuf ein zusätzliches Konkurrenzangebot, das gerade französische und englische Schüler vermehrt annahmen.199 Des Weiteren fror die Banco Alemán Transatlántico sämtliche Gelder der Schule zur Sicherung von Ansprüchen auf Kriegsanleihen ein, so dass die Schule kurz vor dem finanziellen Bankrott stand. Mit Kriegsausbruch verließen die letzten vier verbliebenen französischen Kinder die Schule, 27 englische folgten im Laufe des Jahres. Doch nicht alle Eltern meldeten ihre Kinder sofort ab. Ein Blick in die Schülerlisten zeigt, dass 1915 noch immer vier englische Schüler das Colegio besuchten, obwohl sich das Kaiserreich zu diesem Zeitpunkt schon mit dem Commonwealth im Krieg befand.200 Die Gründe hierfür können nicht mehr genau rekonstruiert werden, doch Eltern, die ihre Kinder auf eine internationale Schule schicken wollten, hatten in der Region bis zur Gründung des französischen Lyceums kaum Alternativen, so dass ein schneller Schulwechsel nicht möglich war. Hinzu kommt, dass die Statistiken der Jahresberichte nur die Nationalität aufführten, jedoch nicht die eigentliche kulturelle oder nationale Identität der Kinder beziehungsweise der Eltern. Für einige von ihnen mochten die familiären Belange, beispielweise die Nationalität des Ehepartners oder die Erziehung der Kinder, wichtiger gewesen sein als der politische Konflikt und der Krieg. In Madrid ergab sich eine ähnliche Konstellation, denn bei Kriegsausbruch waren noch sieben englische Schüler eingeschrieben, ein Jahr später drei.201 Mit dem Andauern des Krieges verließen diese die Schule. Im Jahresbericht 1917/1918 stellte der Schulleiter schließlich beinahe erleichtert fest, dass keine „Kriegsfeinde“ mehr eingeschrieben seien.202 Es ist anzunehmen, dass einerseits die Anmeldungen ausländischer Eltern zurückgingen, andererseits der Schulverein die Aufnahme ihrer Kinder verhinderte und die anfangs verbliebenen Kinder aus englischen Familien oder Mischehen keinen leichten Stand in der Schule hatten. In der verstärkt deutschnational aufgeladenen Atmosphäre des Krieges verlor der interkulturelle Kontakt schnell an Bedeutung. Problematisch gestaltete sich für Madrid und Barcelona, dass auch immer mehr spanische Eltern ihre Kinder von der Schule nahmen. Sie folgten wie schon in Málaga dem Aufruf der Entente-Mächte, die auf ihrer ‚schwarzen Liste‘ deutsche Unternehmen in den wirtschaftlichen Zentren aufführten, die nicht mehr unterstützt 199 Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 238. 200 Vgl. 100 Jahre DS Málaga, S. 80. 201 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1913/1914, S. 61; Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1914/1915, S. 21. 202 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1917/1918, S. 28.
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werden sollten.203 In Málaga wirkte sich dieser Wegfall der Schüler im Vergleich zu den beiden anderen Anstalten jedoch drastischer auf die finanzielle Situation aus. Im Rechnungsjahr 1918 verzeichnete der Verein einen Fehlbetrag von 16.439 Reichsmark, der höchste aller Schulen in diesem Jahr.204 Die Deutsche Schule Barcelona klagte ebenfalls über die finanziellen Auswirkungen des Krieges; sie richtete immer wieder Schreiben und Anfragen an das Auswärtige Amt und bat um finanzielle Förderung. Nicht nur die Gehälter der Lehrer verursachten Kosten, sondern auch die Profilierung im Konkurrenzkampf gegen die anderen internationalen Schulen vor Ort. Trotz aller finanziellen Engpässe bestellte der Verein für das 25-jährige Jubiläum ein aus Gips gefertigtes Miniaturmodell der Schule im Wert von mehreren tausend Reichsmark und bat dafür um Zuschüsse aus Berlin.205 Die Selbstdarstellung und Eigenrepräsentation war für die Schule ebenso bedeutsam wie die Versorgung mit Lehrmitteln und Personal. Mit großem Aufwand feierte die Gemeinde weiterhin Feste und veranstalte Feierlichkeiten, so etwa zum Geburtstag des Kaisers. 2.3.2 Anstieg und Wachstum der Auslandsschulen Strukturell gesehen hatte der Krieg aber nicht nur negative Folgen für die Auslandsschulen, sondern wirkte in einigen von ihnen mit Blick auf die Schülerzahlen wie ein Katalysator. Einerseits führte der beschriebene Abgang von Schülern und Eltern zu Beginn des Krieges zu finanziellen Krisen, andererseits profitierten einige Schulen vom Zuzug von Auslandsdeutschen, die in Spanien Zuflucht suchten. Außerdem bedeutete die spanische Neutralität für viele Handelsregionen wie Barcelona einen wirtschaftlichen Aufschwung. So hatten die Mitglieder der deutschen Gemeinde zwar einerseits unter den finanziellen Folgen des Krieges zu leiden, andererseits ergab sich durch zahlungskräftige Spanier, sofern diese germanophil waren, ein neues Kundenpotential. Beispielsweise stieg in Madrid die Schülerzahl während des Krieges von 326 auf 388 an.206 Deutsche Kinder konnten wegen fehlender Reisemöglichkeiten die Gegend nicht verlassen, weshalb deren Anzahl stagnierte, doch aufgrund der germanophilen Einstellung eines Teils der Madrider Bevölkerung schrieben immer mehr spanische Eltern ihre Kinder an der Schule ein. Leitung und Vorstand interpretierten diesen Zuwachs mit dem „glänzenden Erfolg der deutschen Truppen.“207 Der Kriegsverlauf war ständiges Thema in den Diskursen der Schule, nicht nur, weil ehemalige Lehrer an der Front kämpften, sondern 203 Vgl. 100 Jahre DS Málaga, S. 80. 204 Vgl. ebd., S. 59. 205 Vgl. PAAA R62456: Schreiben DSB an die deutsche Botschaft, 25.08.1918. 206 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 75. 207 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1914/1915, S. 21.
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auch, weil die kulturelle Bildung immer stärker mit militärischen Komponenten verknüpft wurde.208 Des Weiteren hatte der Erste Weltkrieg strukturelle Folgen für die Auslandsschulen, was sich besonders im Fall der Deutschen Schule in Barcelona manifestierte. Durch die fehlenden Möglichkeiten einer Heimreise und einer Weiterführung der Schullaufbahn in Deutschland mussten die Absolventen der Realschule nun in Spanien bleiben. Dies brachte den Verein dazu, den Ausbau einer Oberstufe zu konkretisieren. Mit einem Entwurf der ‚Ordnung zur Reifeprüfung für die Oberrealschule‘ bat die Deutsche Schule Barcelona beim Reichskanzler um die entsprechende Genehmigung und konnte am 25. Juni 1918 die erste Reifeprüfung abhalten.209 Am 21. November 1918 erhielt sie die offiziellen Dokumente für die Abiturprüfung – die Revolutionswirren in Berlin scheinen keinen Einfluss auf die verwaltungstechnischen Angelegenheiten des Auswärtigen Amtes gehabt zu haben. Damit stieg die Deutsche Schule in Barcelona in der Endphase des Ersten Weltkriegs zur einzigen Deutschen Auslandsschule mit Abituranerkennung auf, da die zuvor prüfungsberechtigten Einrichtungen in Brüssel, Antwerpen und Konstantinopel schließen mussten.210 Der Krieg war somit für Barcelona ein Katalysator auf dem Weg zur Vollanstalt. Neben den bereits bestehenden Schulen entstanden in den Kriegsjahren außerdem neue Einrichtungen in Spanien. Während in anderen Regionen die Zahl der Gemeindeangehörigen stagnierte oder wie in Málaga rückläufig war, sorgten kriegsbedingte Fluchtbewegungen in Bilbao zu einem Anwachsen der deutschen Gemeinde um fast 100 Prozent. Vor allem aus Portugal und Frankreich kamen deutsche Staatsangehörige, die sich in die Kolonie eingliedern mussten. Die meisten Eltern sorgten sich um den Verlust der Muttersprache ihrer Kinder, und das spanische Schulsystem bot keinen Deutschunterricht. In einem angemieteten Lokal startete daher am 11. Februar 1917 ein neu gegründeter Verein mit 17 Schülern den Unterricht.211 Die Gründung war rein privater Natur, da im Gegensatz zu anderen Schulen keine evangelische Gemeinde oder ein anderer Verein im Hintergrund den Aufbau vorantrieb.212 In den ersten Schuljahren waren nur deutsche Schüler eingeschrieben. Spanische Eltern sollten durch Werbemaßnahmen angesprochen und von der Deutschen 208 Vgl. Trommler: Kulturmacht, S. 185ff. 209 Vgl. 100 Jahre DSB, S. 53. 210 Vgl. ebd. 211 Vgl. Deutsche Schule Bilbao (Hrsg.): 50 Jahre Deutsche Schule St. Bonifatius Bilbao, Jahresbericht 1966/67, Bilbao 1967, S. 45 (im Folgenden: 50 Jahre DSBi). 212 Vgl. Lang, Gerhard: Ein Blick zurück, in: Mauritz, Martina (Hrsg.): Deutsche Schule Bilbao, Colegio Alemán de Bilbao San Bonifacio 1917–2007, Bilbao 2007, S. 36–50, S. 36 (im Folgenden: 90 Jahre DSBi).
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Schule überzeugt werden, da der Norden Spaniens traditionell englandfreundlich war und die Spanier wenig Interesse für die Neugründung zeigten. Gleichzeitig baute man jedoch Hürden auf, um sich Selektionsmöglichkeiten zu bewahren. Die Satzung schrieb beispielsweise vor, die Aufnahme spanischer Kinder im Sonderfall zu prüfen, und ein höheres Schulgeld schreckte viele Eltern ab.213 Zudem beschränkte der Verein den Anteil der spanischen Schüler auf ein Drittel, so dass anfangs nur wenige einheimische Eltern ihre Kinder immatrikulierten. Die Finanzierung war daher maßgeblich von der Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden abhängig. Über das Konsulat beantragte der Verein Fördergelder beim Auswärtigen Amt, welches das zielbewusste Gründungsvorgehen goutierte und mit Zuschüssen unterstützte. Diese verloren jedoch infolge der Inflation rasch an Wert, so dass der Schulverein bereits kurz nach seiner Gründung zum ersten Mal das Schulgeld anheben musste.214 Schnell erwies sich daher die anfängliche Beschränkung spanische Kinder auf ein Drittel der Schülerschaft als illusorisch, da eine Finanzierung ohne sie nicht möglich gewesen wäre.215 Die Vorstandschaft lockerte die strengen Aufnahmeregelungen und öffnete sich stärker für Besucher aus dem Gastland. In der Folge entwickelte sich die Schule in Bilbao zu einer der Schulen mit dem höchsten Anteil an Spaniern. Neben den Flüchtlingen aus Portugal und Frankreich waren es vor allem ehemalige deutsche Kolonialisten aus Afrika, die zu einem Anwachsen deutscher Gemeinden in Spanien führten. Über 800 Deutsche flohen etwa aus Kamerun nach Spanisch Guinea und wurden daraufhin als Internierte nach Spanien gebracht. Ein Großteil von ihnen kam nach Zaragoza, wo sie sich als die ‚Deutschen aus Kamerun‘ einen Namen machten.216 Die Kolonialisten waren eine spezielle Gruppe und unterschieden sich in einigen Punkten von anderen Deutschen. Zu knapp 85 Prozent handelte es sich um junge, unverheiratete Männer, woraus später viele Mischehen entstehen konnten, was in den Jahren ab 1950 dazu führen sollte, dass zu wenige deutsche Kinder in Zaragoza lebten und die Schule ihre Anerkennung und Förderung verlor. Außerdem waren diese Kamerun-Deutschen in besonderem Grade chauvinistisch und trugen ihr ‚Deutschtum‘ offensiv nach außen. Dies führte zwar zu einem hohen Bekanntheitsgrad in der Stadt, aber auch zu Konflikten, da die Deutschen schnell an Einfluss in der Geschäftswelt gewannen. Sie machten Eindruck auf ihre spanischen Mitmenschen. Es gab beispielsweise immer wieder Beschwerden über „betrunkene Deutsche“,217 wenngleich solche negativen Äußerungen die Ausnahme blieben. Zaragoza entwickelte sich zu einer germanophilen 213 Vgl. 50 Jahre DSBi, S. 46. 214 Vgl. ebd., S. 47. 215 Vgl. 90 Jahre DSBi, S. 38. 216 Vgl. Molino: Soldados, S. 106ff. 217 Vgl. ebd., S. 111.
82 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Stadt. Die Universität veranstaltete beispielsweise kostenlose Spanischkurse, um die Einwanderer zu integrieren. Als 1918 das Kaiserreich zusammenbrach, war für einen Großteil der ehemaligen kaisertreuen Kolonialisten eine Rückkehr in das republikanische Deutschland keine Option mehr.218 In der Zwischenzeit gründeten sie ihre eigenen Firmen und Unternehmen, deren Qualitätsstandards für einen guten Ruf der Deutschen sorgten. Eine Wurstfabrik und eine Brauerei entstanden ebenso wie eine Druckerei, deutsche Cafés oder ein deutscher Fußballverein, der diese Sportart in Zaragoza erst einführte und beliebt machte. Nachdem viele von ihnen geheiratet hatten, wuchs der Wunsch nach einer Schule für die eigenen Kinder. Das Beispiel zeigt, welch weitreichende Auswirkungen der Krieg auf die demographische Zusammensetzung der Auslandsgemeinden und die Entwicklung der Schulen hatte. Einerseits stiegen in einigen Einrichtungen die Schülerzahlen kontinuierlich an, andererseits bedingten Wanderungsbewegungen die Entstehung neuer Auslandsgemeinden. Gleichzeitig sorgten die wirtschaftlichen Folgewirkungen bei anderen Schulen für finanzielle Problemlagen. Die verwaltungstechnischen Aufgaben konnten während des Krieges erfüllt werden und der politische Systemwechsel sowie die Revolution in Deutschland berührten den Schulalltag kaum. In den Jahresberichten und Vereinsprotokollen wurde das Kriegsende 1918 im Gegensatz zum Ausbruch nicht thematisiert. Nahezu unberührt von den politischen Vorkommnissen im Heimatland führten die Schulen in Spanien ihre Arbeit fort.
218 Vgl. ebd., S. 115.
3. Zwischen Monarchie und Diktatur
Die einschlägige Forschung zu den deutsch-spanischen Beziehungen zur Zeit der Weimarer Republik konzentriert sich größtenteils auf ökonomische, militärische und diplomatische Beziehungen, vergisst aber kulturelle Verbindungslinien.1 Während die Regression und die Inflation nach dem Ende des Weltkriegs sowohl in Deutschland als auch in Spanien enorme wirtschaftliche Probleme und einen Rückgang der ökonomischen Verbindungen verursachte, intensivierten sich die kulturellen Beziehungen beider Länder, denn trotz wirtschaftlicher Depression herrschte eine kulturpolitische Aufbruchsstimmung. Der Boykott der deutschen Wissenschaft in anderen europäischen Ländern, allen voran bei den ehemaligen Kriegsgegnern Frankreich und England, hatte eine Konzentration der deutschen Kulturbemühungen auf neutrale Länder wie Spanien zur Folge.2 Die Neutralität Spaniens störte die diplomatischen Beziehungen beider Nationen nicht, vielmehr konnten sie sich während des Krieges weiterentwickeln, da Berlin in Madrid den einzigen starken Partner in Westeuropa vermutete.3 Wolfgang Pöppinghaus warf in seiner Arbeit die berechtigte Frage auf, ob es sich bei den kulturellen Beziehungen nicht um „moralische Eroberungen“ handelte, da die Verbindungslinien zwischen Deutschland und Spanien doch sehr einseitig waren und es kaum ein entsprechendes spanisches Äquivalent zu den deutschen Kulturbemühungen gab.4 Besonders in der direkten Nachkriegszeit verliefen die
1
Vgl. Janué i Miret, Maria: Presentación: el análisis de las relaciones culturales hispanoalemanas en el siglo XX, in: Ayer, Revista de Historia Contemporánea 69/2008, S. 11– 20, S. 13. Ausnahmen bilden die Forschungen von Wolfgang Pöppinghaus und Jesús de la Hera Martínez.
2
Vgl. Trommler: Kulturmacht, S. 322.
3
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 217.
4
Vgl. ebd., S. 403ff.
84 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Beziehungen im Vergleich zu den vorherigen Jahrzehnten stark in eine Richtung.5 Dabei waren sie durchaus ambivalent: Einerseits hatten sie eine propagandistische Orientierung, um den deutschen Einfluss in Spanien zu stärken, andererseits versuchte man in der Kulturabteilung durch vorsichtiges Taktieren den Eindruck einer Propaganda zu vermeiden und wanderte somit auf einem schmalen Grat.6 Das vorrangige Ziel der Spanien-Außenpolitik war es, den deutschen Handel nach dem Krieg wieder zu stärken. Legationsrat Eberhard von Stohrer, der während des Krieges ein enges Agentennetz gegen die Westmächte aufgezogen hatte, maß dem Aufbau der wirtschaftlichen Beziehungen eine eminente politische Bedeutung bei, um vor allem dem Einfluss der gegnerischen Nationen in Spanien entgegenzuwirken.7 Die diplomatischen Intrigen rund um die Karolinenkrise, der uneingeschränkte UBoot-Krieg, der auch spanischen Staatsbürgern das Leben gekostet hatte, und die französisch-englische Kriegspropaganda stellten jedoch eine Last für die junge Republik dar.8 Die Bildung diplomatischer und handelspolitischer Beziehungen gestaltete sich daher oftmals beschwerlich und langwierig, weshalb man durch die Intensivierung der Kulturpolitik eine Lösung suchte.9 Das Auswärtige Amt nutzte dabei besonders die halbamtlichen Kanäle und Organisationen – unter anderem die Deutschen Auslandsschulen – als Anknüpfungspunkte, um das Ansehen Deutschlands wieder aufzubauen.10 Die Dynamik dieser semioffiziellen Kontakte wurde zu einem bewussten Kommunikations- und Transferinstrument der Außenpolitik ausgebaut.11 Noch stärker als vor dem Krieg bildeten diese Institutionen somit einen Multiplikator für den politisch-ökonomisch Einfluss und eine Basis für wirtschaftliche und kulturelle Verbindungen.12 Besonders die beiden spanischen Metropolen Barcelona und Madrid wurden zu einem Knotenpunkt des Kulturaustausches mit zahlreichen Veranstaltungen und Aktivitäten.13 Neben der Görres-Gesellschaft, dem Iberoamerikanischen Institut oder den ‚Deutsch-Spanischen Wissenschaftlichen Vermittlungsstellen‘ zählten die Auslandsschulen zu den wichtigsten Prototypen deutscher Kultureinrichtungen.14 5
Vgl. Fraga Egusquiaguirre: Los intercambios, S. 209.
6
Vgl. De la Hera Martínez, Jesús: La política cultural de Alemania en España en el período de entreguerras, Madrid 2002, S. 438.
7
Vgl. Aufzeichnungen Legationsrat von Stohrer (13.11.1919), in: Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918–1945 (Serie A/Bd. 2), Göttingen 1984, S. 404 (Nr. 228).
8
Vgl. Pöppinghaus: Relaciones culturales, S. 92.
9
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 403.
10
Vgl. Trommler: Kulturmacht ohne Kompass, S. 312.
11
Vgl. ebd., S. 381.
12
Vgl. Janué i Miret: Presentación, S. 16.
13
Vgl. ebd., S. 435.
14
Vgl. De la Hera Martínez: La política cultural, S. 36.
Zwischen Monarchie und Diktatur | 85
Ein weiterer Faktor für die starken Verbindungen beider Länder nach dem Krieg war die steigende Zahl der Deutschen in Spanien. Durch Flucht bedingte Wanderungsbewegungen vor 1918 und eine zunehmende Auswanderung in der Nachkriegszeit führten beinahe zu einem enormen Anstieg der deutschen Einwohnerzahl in Spanien, vor allem in den wirtschaftlich bedeutsamen Städten Madrid, Valencia, San Sebastián, Málaga, Sevilla oder Bilbao.15 Dabei war die deutsche Community in diesen Städten keine homogene Gruppe. Besonders zwischen den neu Hinzugezogenen und den alten Bewohnern kam es zu generationenbedingten und politischen Konflikten.16 Diese heterogene Struktur und die besonders bei den alten Mitgliedern weit verbreitete Ablehnung der Weimarer Republik erschwerten die Umsetzung kulturpolitischer Forderungen, was in den folgenden Abschnitten näher dargestellt werden soll.17 Im Land selbst trafen die deutschen Zuwanderer auf eine meist germanophile Gesellschaft, bei der besonders eine traditionelle Hochachtung deutscher Bildung und Wissenschaft, die sich bereits vor dem Ersten Weltkrieg herausgebildet hatte, positiv auf die kulturellen Beziehungen wirkte. Dies motivierte die Deutschen zusätzlich, durch kulturelle Beziehungen das positive Bild Deutschlands in Spanien zu stärken.18 Pöppinghaus fasst die kulturellen Beziehungen in der Zeit der Weimarer Republik unter folgenden Punkten zusammen:19 Spanien bildete für Deutschland eine gute Möglichkeit, nach dem Ersten Weltkrieg außenpolitische und wirtschaftliche Verbindungen aufzubauen, und gerade in der Frühphase der Weimarer Republik fehlte es Deutschland an Alternativen. Außerdem war Spanien eine Brücke nach Südamerika, womit sich zusätzlich potentiell neue Handlungsfelder für die deutsche Außenpolitik eröffneten, da man dort unerschöpfliche Rohstoffquellen und Absatzmärkte vermutete.20 Im vorangehenden Kapitel konnte bereits gezeigt werden, dass der Erste Weltkrieg keinen Einschnitt bedeutete, sondern vielmehr ein Katalysator für die deutsch-spanischen Kulturbeziehungen und speziell für das Auslandsschulwesen war. Das erkannten auch die verantwortlichen Politiker im Auswärtigen Amt. Legationsrat Graf von Welzeck schrieb in seinen Aufzeichnungen vom Februar 1919 im Hinblick auf Spanien von einer „insbesondere[n] auf wirtschaftli-
15
Vgl. Pöppinghaus, Ernst Wolfgang: Intercambio cultural, proyección cultural o imperialismo cultural? Aspectos de las relaciones culturales germano-españoles entre 1918 y 1932, in: Bernecker, Walther (Hrsg.): España y Alemania en la edad contemporánea, Frankfurt am Main 1992, S. 89–119, S. 94.
16
Vgl. ebd., S. 95.
17
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 404.
18
Vgl. De La Hera Martínez: La política cultural, S. 435.
19
Vgl. zum Folgenden Pöppinghaus: Relaciones culturales, S. 113f.
20
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 406.
86 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
che[m] und auch kulturelle[m] Gebiete sich erstreckende[n] Propaganda auf der während des Krieges geschaffenen Grundlage.“21 Die kulturellen Entwicklungen der Vorkriegszeit setzten sich nach 1918 zunächst fort. Erst ab 1925 trat in zweifacher Hinsicht ein Wandel ein, indem man ab dieser Zeit versuchte, die Eindimensionalität durch Kooperation zu ersetzen. Erste Stimmen wurden laut, die sagten, dass die Kulturpolitik nur dann eine Zukunft habe, wenn sie einen kulturellen Austausch begünstige. Besonders im Bereich des Studenten-, Jugend- und Literaturaustausches intensivierte sich daher die Zusammenarbeit.22 Erste wirtschaftliche Erfolge waren die Konsequenz, aber auch der vorläufige Höhepunkt. Ein Beispiel hierfür ist der deutsch-spanische Handelsvertrag, mit dem beide Staaten 1925 die wirtschaftliche Grundlage für eine engere Zusammenarbeit schufen, diese dann aber kaum nutzten.23 Der Grund ist darin zu sehen, dass sich gleichzeitig mit dem Vertrag von Locarno und dem Beitritt zum Völkerbund die deutschen Beziehungen zu den ehemaligen Kriegsgegnern verbesserten und eine zweite Phase der Auswärtigen Kulturpolitik mit einer intensiveren Kontaktaufnahme zu diesen Nationen begann.24 Daraus resultierte ein Rückgang der Kulturbemühungen zu Spanien – die hohen wirtschaftlichen Erwartungen hatten sich bis dahin kaum erfüllt und die Kapazitäten wurden nun in anderen Staaten benötigt.25 Die spanische Presse nahm die Annäherung Deutschlands an Russland infolge der Rapallo-Verträge dementsprechend negativ auf und kritisierte die Vereinbarkeit der Russlandverträge mit der Völkerbundsatzung.26 Die Stagnation der diplomatischen27 und wirtschaftlichen Kontakte zwischen der Weimarer Republik und Spanien führte dazu, dass die an den kulturellen Beziehungen beteiligten Institutionen – und damit auch die Deutschen Auslandsschulen – unter Legitimationszwang gerieten, um beim schmalen Finanzetat des Auswärtigen Amtes weiterhin Gelder für ihre Arbeit zu erhalten.28 Die leeren Staatskassen er21
Vgl. Aufzeichnungen Graf von Welzeck (01.02.1919), in: Akten zur Auswärtigen Politik 1918–1945 (Serie A/Bd. 1), Göttingen 1982, S. 222 (Nr. 129).
22
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 409.
23
Vgl. Stresemann an die Botschaft in Madrid (28.05.1925), in: Akten zur Auswärtigen Politik 1918–1945 (Serie A/Bd. 13), Göttingen 1995, S. 177 (Nr. 69).
24
Vgl. Trommler: Kulturmacht, S. 373.
25
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 405ff.
26
Vgl. Stresemann an die Botschaft Madrid (01.05.1926), in: Akten zur Auswärtigen Politik 1918–1945 (Serie B/Bd. 3), Göttingen 1968, S. 260 (Nr. 124).
27
Vgl. Staatssekretär Schubert an Botschaft Madrid (13.08.1928), in: Akten zur Auswärtigen Politik 1918–1945 (Serie B/Bd. 9.), Göttingen 1976, S. 567 (Nr. 231). Staatssekretär Schubert schreibt von „undurchsichtigen politischen Beziehungen“ besonders bezüglich der Frage des Völkerbundsratssitzes.
28
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 408.
Zwischen Monarchie und Diktatur | 87
schwerten die Finanzierung von halbamtlichen Institutionen, aber um sich gegen die französische Konkurrenz vor Ort durchzusetzen, war gerade für die deutschen Kultureinrichtungen eine finanzielle Absicherung notwendig.29 Besonders in den französischen Einrichtungen sah Berlin auch nach dem Ersten Weltkrieg einerseits einen omnipräsenten Gegner im Kampf um die Gunst der Spanier, andererseits nach wie vor feindliche Propagandaeinrichtungen, die darauf abzielten, das Ansehen Deutschlands in Spanien zu unterminieren.30
3.1 ‚GOLDENE ZWANZIGER‘ IN DEN AUSLANDSSCHULEN Mit einem Zuwachs der Schülerzahlen von rund 300 Prozent war Spanien in den Jahren nach 1918 ein Sonderfall im deutschen Auslandsschulwesen und ein Ansatzpunkt für eine neue Form der Kulturpolitik.31 Die Einrichtungen waren vergleichsweise gut organisiert und erfuhren eine intensive Förderung. Sie sollten die Basis bilden, um das Ansehen Deutschlands je nach Region wieder aufzubauen beziehungsweise zu festigen.32 Das Kriegsende und die damit einhergehenden Umwälzungen im Kaiserreich bedeuteten in der Geschichte der Auslandsschulen keinen Bruch, vielmehr gab es Kontinuitäten in personellen, institutionellen und ideologischen Bereichen. Den Erhalt des ‚Deutschtums‘ formulierten die Schulen weiterhin als eine der zentralen Aufgaben ihrer Arbeit, wenngleich die ersten Nachkriegsjahre vor allem von finanziellen Sorgen geprägt waren: Infolge der Inflation mussten die Schulen weitestgehend auf die Unterstützung aus Deutschland verzichten. Das bedeutete jedoch nicht, dass pädagogische Entwicklungen aus dem Heimatland nicht bis nach Spanien vordrangen. Die Bildungsreformen der Weimarer Zeit beeinflussten die konkrete schulische Gestaltung vieler Einrichtungen, die neue Konzepte ausprobierten. Daneben kam es in den Jahren nach 1918 zu einer kulturellen Blüte, parallel zu den ‚Goldenen Zwanzigern‘ in der Weimarer Republik. Durch Gründungen und den Ausbau von allgemein zugänglichen Lesesälen konnten vermehrt Tageszeitungen und Zeitschriften konsultiert werden. Mitglieder der ‚Deutschen Community‘ nutzten die Schulen als Treffpunkt, da hier der Kontakt zur Heimat gehalten werden konnte. Kulturveranstaltungen verschiedenster Art, die in den Schulen stattfanden, stellten zusätzlich eine mentale Verbindung zu Deutschland her. Die Gemeinden in den einzelnen Städten waren zwar heterogen, aber es herrschte Einigkeit, was die
29
Vgl. Trommler: Kulturmacht, S. 312.
30
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 410.
31
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 249.
32
Vgl. ebd., S. 217.
88 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Aufrechterhaltung ihrer Bildungseinrichtungen betraf. Die Vereine fanden so einen starken Rückhalt in der Elternschaft und erhielten neben der geringen staatlichen vor allem private Unterstützung. Weitere Indikatoren für die Entwicklung des Auslandsschulwesens in Spanien waren die baulichen und strukturellen Veränderungen. Es entstanden neue Schulgebäude und neue Institutionen, beispielsweise in Santander oder Las Palmas de Gran Canaria. Spanien profitierte dabei zunächst vom Zusammenbruch des Auslandsschulwesens in anderen Regionen, beispielsweise im Nahen Osten. So konnten Ressourcen, sofern sie nach dem Abflauen der Inflation vorhanden waren, verstärkt auf der Iberischen Halbinsel zur Förderung eingesetzt werden, was sich positiv auf die Schulen auswirkte. Diese galten als progressive Bildungseinrichtungen, und in vielen Städten gründeten Deutsche nach dem Vorbild der bereits bestehenden Anstalten neue Vereine. 3.1.1 Wachstum und strukturelle Entwicklung nach 1918 Die Folgen des Krieges trafen einige Regionen, etwa Málaga, stärker als andere. An der Costa del Sol führten die Forderungen der amerikanischen ‚Black List‘ zu einem Rückgang der spanischen Schüler und zu starken finanziellen Problemen.33 Um diese Einbußen zu überwinden, baute der Verein vor allem auf private Initiativen. Damit ging der staatliche Einfluss ein Stück weit zurück. Erst mit der Stabilisierung der deutschen Wirtschaft änderte sich die Situation, und die Schule in Málaga erholte sich von ihrer monetären Zwangslage, da besonders ab der Einführung der Rentenmark 1923 im Auswärtigen Amt wieder vermehrt Zuschüsse für die spanischen Schulen zur Verfügung standen, von denen auch sie profitierte. Stand sie 1918 noch kurz vor dem Kollaps, florierte sie wenige Jahre später. Hier wird deutlich, wie stark sie von den staatlichen Förderungen abhing. Die Einrichtung ließ sich keinesfalls mehr als reine Privatschule führen. Das erkannte auch Schulleiter Wilhelm Koethke, als er im Jubiläumsbericht den Einfluss des Auswärtigen Amtes kommentierte: 34 „Damit wurde unsere[r] Schule […] die Grundlage des Reiches untergeschoben. Sie blieb keine Privatschule. […] Die Frage der Auslandsschulen war niemals allein eine pädagogische und schultechnische, sondern stets eine nationale und politische. National – im Sinne der Erhaltung deutscher Art, politisch – im Sinne der Ausbreitung deutscher Sprache und Bildung.“
33
Vgl. 100 Jahre DS Málaga, S. 79f.
34
Vgl. 20 Jahre Deutsche Schule Málaga, Bericht von Wilhelm Koethke, in: BAL R57/1135-2.
Zwischen Monarchie und Diktatur | 89
Eine ähnliche Situation entstand im Norden Spaniens in Bilbao. Direkt nach dem Krieg halbierte sich die Gemeinde durch Wegzug um fast die Hälfte;35 ihre erste Blütephase erlebte dadurch einen Einbruch, von der sie sich aber genauso rasch wieder erholte. Die Stadt war das Zentrum des spanischen Eisenerzbaus und der Schwerindustrie sowie der Ein- und Ausfuhrhafen Nordspaniens. In der Kaufmannsstadt wuchs daher die deutsche Gemeinde bis 1927 wieder auf 500 Personen an, deren Nachwuchs bald ein größeres Schulgebäude benötigte.36 Benito Lewin, ein Mitglied des Schulvereins und wichtigster Geldgeber, kaufte für diesen Zweck eine Villa, die er der Schule als Unterrichtsraum vermietete.37 1924 konnten die neuen Gebäude eingeweiht werden, mit dem räumlichen Ausbau erhielt die Schule gleichzeitig die Erlaubnis, die Mittelstufe als Realschule zu führen.38 Die Schülerzahl war zu diesem Zeitpunkt auf 84 angestiegen. Darunter fanden sich auch einige spanische Schüler, für die ein Jahr zuvor bereits eine eigene Lehrerin eingestellt worden war, die Unterricht nach dem spanischen Lehrplan erteilte.39 Die Schülerzahl setzte sich insgesamt aus über 17 verschiedenen Nationalitäten zusammen und gab der Schule neben dem deutschen einen internationalen Charakter.40 Trotz der multikulturellen Schülerschaft sah sich der Schulverein selbst als „Pflanzstätte des deutschen Wesens in Nordspanien“ und forderte aus diesem Grund nach dem räumlichen und strukturellen Umbau vehement finanzielle Unterstützung des Auswärtigen Amtes ein, wobei sie immer wieder die wirtschaftliche Bedeutung der Baskenregion betonte.41 Die Bitten hatten schließlich Erfolg, der Reichszuschuss für Bilbao wurde, trotz genereller Kürzungen im Kulturbudget, wieder aufgenommen und der Schule damit finanzielle Sicherheit geboten. In anderen Städten hatten die finanziellen Folgen des Krieges weniger starke Folgen. Die Deutsche Schule in Barcelona zog am Ende des Krieges gar eine positive Bilanz, da man gestärkt aus dieser Phase herausgegangen und nun in die erste Reihe der deutschen Anstalten im Ausland vorgerückt sei.42 Komplett spurlos gingen die finanziellen Engpässe aber auch hier nicht vorüber, denn mit dem Ende des Krieges erlitt die vorläufige wirtschaftliche Hochkonjunktur in der katalanischen Industrieregion einen Einbruch. Zusätzlich stockte der Reichszuschuss, und Kriegs35
Vgl. 90 Jahre DSBi, S. 40. Zu dem Rückgang dürften Anfeindungen wegen des verlorenen Krieges und die Inflation beigetragen haben.
36
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 234.
37
Vgl. 50 Jahre DSBi, S. 47.
38
Vgl. 90 Jahre DSBi, S. 42.
39
Vgl. 50 Jahre DSBi, S. 47.
40
Vgl. ebd., S. 101.
41
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 235f.
42
Vgl. Bericht des Schulvereins zum 30-jährigen Gründungsjubiläum 1924, S. 7., in: PAAA R62793.
90 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
anleihen und Inflation belasteten die Finanzen der Schule schwer. 43 In diesen schwierigen Jahren führte die Schule daher verschiedene Sondermaßnahmen durch, um ihre Bilanzen sowie die der Schulmitglieder zu verbessern. Dabei kam eine Erhöhung des Schuldgeldes zuerst nicht in Frage. Viele Familien, die während des Krieges von Frankreich nach Barcelona geflohen waren, konnten es sich finanziell nicht leisten, den Schulbeitrag zu bezahlen. Die Schule sah sich jedoch verpflichtet, allen deutschen Gemeindemitgliedern eine Schulbildung zu ermöglichen.44 Zahlreichen Familien musste daher ein Schulgelderlass gewährt werden. Ein eigens gegründeter Hilfsverein übernahm die Beträge, die ansässige Industrie sowie Banken und Firmen gaben Sonderspenden, das Schulgeld für liquide Familien wurde erhöht, ein Werbeausschuss wurde gegründet und die Einnahmen aus kulturellen Veranstaltungen bekam die Schule für Stipendien.45 Der Schulvorstand konnte so zuerst ohne Hilfe des Auswärtigen Amtes die Schule durch die Umbruchphase des Weltkriegendes führen und den Schulbetrieb aufrechterhalten. Eine finale Lösung brachte aber dennoch, trotz der schuleigenen Maßnahmen, erst die Stabilisierung der wirtschaftlichen Situation in Deutschland und die wirtschaftliche Blütezeit der 1920er Jahre.46 Die Deutsche Schule nutzte den Aufschwung und hob auch nach ersten Zahlungen immer wieder ihre kulturelle und politische Bedeutung hervor, um weitere Gelder zu erhalten. Eines der Hauptargumente war der Konkurrenzkampf in Barcelona, denn sowohl Frankreich als auch die Schweiz eröffneten stark geförderte Schulen in der Stadt. Damit schien die Deutsche Schule einer Meinung mit dem Außenministerium zu sein, steigerten doch gerade diese „Gegner“47 und der Wettbewerb das Engagement des Auswärtigen Amtes. Der Leiter der Kulturabteilung Otto Soehring forderte in einem seiner Schulberichte, dass Barcelona zum Kristallisationspunkt für die Anbahnung deutsch-spanischer Beziehungen werden sollte.48 In seinen Augen sollte sich die Schule daher bewusst gegen die anderen Nationen durchsetzen, weshalb er die Förderung seiner ehemaligen Arbeitsstätte erfolgreich vorantrieb. In den folgenden Jahren stiegen die Schülerzahlen von 328 auf 776 an, Spanisch war seit 1924 Abiturfach, und die ersten spanischen Schüler legten im selben Jahr die 43
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 64f. 1919/20 gab es keine Subventionen aus Deutschland; vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 223.
44
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 222f.
45
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 65.
46
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 224.
47
Vgl. PAAA R62457: Brief des DIA-Stuttgart an Oberschulrat Dr. Südhof, 03.10.1922. Der Terminus des ‚Gegner‘ hat sich in den Schulen auch nach dem Krieg gehalten, immer wieder wurden die Schulen der anderen Nationen als Feinde im Kulturkampf wahrgenommen.
48
Vgl. PAAA R62799: Bericht Dr. Soehring 07.07.1921.
Zwischen Monarchie und Diktatur | 91
Prüfung ab. Aufgrund des starken Anwachsens der deutschen Kolonie wurde 1926 ein Anbau auf dem Nachbargrundstück errichtet.49 Bereits 1928 zeigte sich, dass er trotz der optimistischen Schätzungen nicht genügend Platz für die steigenden Schülerzahlen bot.50 Die Weltwirtschaftskrise 1929 und ihre Folgen erschwerten zunächst den Ankauf eines Nachbargrundstücks im Jahr 1932; die Beihilfen für Barcelona sanken in diesem Zeitraum von 70.000 auf 48.000 Reichsmark. Dessen ungeachtet blieb Barcelona finanziell eine der am besten ausgestatten Auslandsschulen in Europa.51 Diese Neu- und Umbauten zeigen eindrucksvoll die Abhängigkeit der Schulen vom Auswärtigen Amt, denn ohne dessen Kooperation wären die Investitionen nicht möglich gewesen. Durch die verstärkte Entsendung von Lehrkräften, jährliche Kontrollen und die Abnahme von Prüfungen baute die politische Behörde ihren Wirkungskreis auf die spanischen und deutschen Schüler aus. In der rund 70 Jahre später erschienen 100-Jahres-Chronik stuften die Verfasser den staatlichen Einfluss jedoch überraschenderweise als gering ein. In ihren Augen hatte man Spanier nicht von der eigenen Kultur entfremden, sondern lediglich die eigene kulturelle Identität deutscher Kinder erhalten wollen.52 Die positive Entwicklung des deutschen Auslandsschulwesens und die Unterstützung durch das Auswärtige Amt nutzte auch die Deutsch Schule in Valencia. Nachdem man als einzige Schule während des Weltkriegs den Betrieb hatte einstellen müssen, trat der noch aktive Schulvorstand 1926 an die deutschen Behörden heran und bat um finanzielle Förderung für den Wiederaufbau der Anstalt, die schließlich im Umfang von 3.000 Reichsmark gewährt wurde.53 27 Schüler begannen das neue Schuljahr in der provisorisch eingerichteten Kegelbahn. Sechs von ihnen waren Spanier, während ein Drittel angab, Deutsch als Muttersprache zu sprechen. Die Festchronik zum 100-jährigen Jubiläum charakterisiert diesen Umstand in der Retroperspektive bereits als eine Art „Begegnungsschule“, da das Profil der Schule das Ziel beinhaltete, fremdsprachigen Schülern und Eltern die deutsche Kultur nahezubringen.54 Für die Schule waren die spanischen Schüler, die 1931 einen Anteil von knapp 36 Prozent ausmachten, jedoch eher eine finanzielle Bestandsgarantie,55 da sie der kleinen Schule ein höheres Schulgeld garantierten,
49
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 67.
50
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1927/1928, S. 20: „Der Neubau hat eine so beträchtlich[e] Erweiterung gebracht, dass das Schulhaus […] von Jahren hinaus den Anforderungen genügt.“
51
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 68; Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 226.
52
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 69.
53
Vgl. 100 Jahre DSV, S. 67.
54
Vgl. ebd.
55
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 246.
92 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
mussten doch spanische Schüler bis zu 90 Pesos pro Monat mehr entrichten.56 Zudem war der Schulbesuch für die spanischen Schüler bis 1930 nur bis zur Grundschule möglich, danach mussten sie an die größere Schule in Barcelona oder an eine spanische Schule wechseln, um einen Abschluss zu erwerben. Valencia plante daher, sich um eine höhere Abschlussberechtigung zu bewerben. Damit folgte sie dem allgemeinen Trend der Deutschen Schulen in Spanien. Der Ausbau der Bachillerato- und Abiturzweige war einer ihrer dezidierten Wünsche, unterstützt durch das Auswärtige Amt. Otto Soehring formulierte bei einem seiner ersten Besuche in Spanien klare Zielsetzungen für die Auslandsschulen und betonte, dass der Ausbau zur Oberrealschule den gegenseitigen Kontakt zwischen Spanien und Deutschland fördern und ein Band zwischen den Völkern weben werde.57 Besonderes Interesse zeigte die Kulturabteilung in ihren Planungen an der Deutschen Schule Madrid. Trotz finanzieller Notlage wurde die Schule dort nach den formulierten Zielvorgaben Soehrings zu einer Oberrealschule ausgebaut. In der Hauptstadt wirkte sich zunächst der während des Krieges fast zum Erliegen gekommene Spanienhandel negativ auf die Schulentwicklung aus, so dass auch hier der deutsche Staat als Retter in der Not eingreifen musste. Die finanzielle Krise der Kaufleute in der Kolonie wurde zu einer Krise der Schule. Der Anteil der deutschen Schüler, deren Eltern kein Schulgeld zahlen konnten, war in Madrid mit 41 Prozent fast doppelt so hoch wie in Barcelona. Die Schule war damit deutlich stärker vom finanziellen Ruin bedroht, was sich auch auf die Schülerzusammensetzung auswirkte. Die schwierige Lage führte zu einer Abwanderung der spanischen Schüler an die Auslandsschulen anderer Nationen oder das neu gegründete spanische InstitutioEscuela.58 Den Grund für die Misere sah die Botschaft in der Community: Dieser fehle es an nationaler Solidarität, und einzig die Schule sei ein Lichtblick in dieser krisenhaften Zeit.59 Im Jahresbericht 1923/24 rief die Schule gezielt die deutsche Gemeinde auf, ihren Wert als Kulturförderin zu erkennen und gemeinsam die finanziellen Probleme zu lösen, da die wirtschaftliche Situation den Bestand der Einrichtung gefährde.60 1920 stand sie gar kurz vor der Schließung.61 Auch hier trat erst 56
Vgl. 100 Jahre DSV, S. 70.
57
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 80.
58
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 232f.
59
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 81f.
60
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1922/1923, S. 6.
61
Die Schule verzeichnete einen Fehlbetrag von 44.061 Peseten; vgl. ebd., S. 8. Im laufenden Schuljahr mussten 16.000 Peseten Schulgeld erlassen werden; vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1923/1924, S. 8. Während der Kriegsjahre hatte die Schule bereits auf das Schulgeld von 286 Kinder (73.383 Peseten) verzichten müssen, und durch die Fluchtbewegungen aus Frankreich und Portugal hatte sich die finanzielle Lage der
Zwischen Monarchie und Diktatur | 93
mit der positiven Konjunktur und dem Ende der Inflation eine Entspannung ein. Wie in Barcelona sorgten außerplanmäßige Zuwendungen, eigene Werbetätigkeiten und Spendenaufrufe der Schule in Deutschland und vor allem die Hilfe des Auswärtigen Amtes für Linderung.62 So sollten beispielsweise die frei gewordenen Gelder des Schulvereins in Tanger nach Madrid transferiert werden.63 Die privaten Spenden belegen, dass der Rückhalt der Schule in der Community trotz der Beschwerden groß war. Eugen Löffler, Schulinspektor des Auswärtigen Amtes und Ministerialrat im baden-württembergischen Kultusministerium, attestierte der Kolonie dabei die Gewohnheiten einer Kleinstadt, mit Gerede und Gerüchten, die um einzelne Personen der Schule entstanden.64 Die Schülerzahlen entwickelten sich gerade im Vergleich zu den anderen Schulen zwar langsam, doch 1923 überstiegen sie das bisherige Rekordjahr 1917.65 Im Schuljahr 1924/1925 fand die erste Reifeprüfung an der Schule statt, womit sie den Plan zum Ausbau als Vollanstalt erreichte. Für den Schulverein wurde damit „in Spaniens Hauptstadt, dem kulturellen Mittelpunkt unseres Gastlandes, eine würdige Vertretung deutschen Geisteslebens geschaffen.“66 In Deutschland teilten jedoch nicht alle in der Kulturabteilung Soehrings Meinung über den Ausbau in Madrid. In einem Bericht schrieb beispielsweise Eugen Löffler, dass er pädagogisch nur bedingt notwendig und eher der Eifersucht der Auslandskolonien und der Konkurrenz der Regionen Katalonien und Kastilien geschuldet gewesen sei.67 Der deutsche Nachwuchs hätte in seinen Augen auch auf einer anderen Schule zum Abitur geführt werden können. Löffler interpretierte die Schule noch verschlechtert, da viele Eltern nicht in der Lage waren, das Schulgeld aufzubringen; vgl. PAAA R62799, Schreiben Schulvorstand an das AA. Vgl. zudem Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 228. 62
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1923/1924, S. 8, 12: 53.641 Peseten werden der Schule gespendet. Vgl. ebenso Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 229.
63
Vgl. PAAA R62799, Schreiben Schulvorstand an das AA am 01.09.1920.
64
Vgl. PAAA R62457, Bericht über die Anerkennung der DSM. Eines der wichtigsten Gesprächsthemen war offensichtlich der Rücktritt des Direktor Geys, der offiziell (vgl. JB DSM 1922/1923) an einem Nervenleiden erkrankte und deswegen um seine Enthebung bat. Löffler berichtete aber auch über perverse Neigungen des ehemaligen Schuldirektors, was in der kleinen Kolonie sicherlich zu einem negativen Image der Schule geführt hatte. Geys Nachfolger, Direktor König, wird im gleichen Schreiben ein hoher Alkoholkonsum attestiert. Das Auswärtige Amt hatte demnach auch ein Auge auf die persönliche Eignung der Schulleiter, die ein positives Deutschlandbild vermitteln sollten.
65
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 80.
66
Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1924/1925, S. 5.
67
Vgl. PAAA R62457, Bericht Dr. Löffler über den Ausbau der DSM, 26.10.1925.
94 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Rollen der Schulen damit als Teil eines innenpolitischen Antagonismus der beiden Regionen und eines Zentrum-Peripherie-Konflikts und als interne Konkurrenz zwischen den beiden größten Schulen im Land.68 Der innerspanische Konflikt zwischen den Großstädten fand in diesem Fall auch im Umfeld der deutschen Gemeinden Ausdruck. Löffler artikulierte diese Kritik aber nur indirekt. In den offiziellen, an die Schulen gerichteten Berichten schwärmte er vielmehr vom ‚Deutschtum‘ in Spanien und hob die Leistungen der Schulen in Barcelona und Madrid in diesem Bereich hervor.69 Ein Gutachterausschuss vom 6. August 1927 bestätigte die Qualität der Schule in Madrid und attestierte ihr, zu den besten deutschen Auslandsschulen zu gehören.70 Ihre herausragende Stellung unterstrich auch der Besuch des damaligen Außenministers Gustav Stresemann, der am 17. Juni 1929 die Schule als Einzige im Land im Rahmen einer Tagung des Völkerbundes besichtigte.71 Die Schulchronik und der Jahresbericht beschreiben diesen Besuch als einen Höhepunkt, da Stresemann nach seiner Reise im Reichstag Werbung für die Schule machte und mehr Gelder zur Unterstützung forderte.72 Zu diesem Zeitpunkt war dies bereits ein schwieriges Unterfangen. Die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise sorgten für einen immer geringeren Etat der Kulturabteilung, und die Forderungen Stresemanns wurden nicht erfüllt. Für die Schulen ergaben sich so nach den kurzen erholsamen Jahren neue finanzielle Probleme. In Madrid führten die immer weiter steigenden Anmeldezahlen und das Anwachsen der Kolonie zu Platzproblemen.73 Viele Eltern gerieten zudem erneut in Zahlungsschwierigkeiten, die Schule sah es jedoch als ihre nationale Pflicht an, dass auch Kindern von „schlechter gestellte[n] Volksgenossen die Pforten nicht verschlossen bleiben.“74 Im Schuljahr 1929/1930 fehlten für knapp 100 Schüler die Kapazitäten. Die Leitung wollte aber weder den Deutschen den Zutritt verweigern noch spanische Kinder aus gehobeneren Verhältnissen abweisen.75 Gleichzeitig gab es Befürchtungen, dass das Anwachsen der spanischen Schülerzahl zu einer Überfremdung führen und die Schule dadurch ihren deutschen Charakter verlieren könn-
68
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 230.
69
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1924/1925, S. 26ff.
70
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1926/1927, S. 5.
71
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 83f. [Anm. Die Berichterstattung in deutschen und spani-
schen Medien geht nicht auf den Schulbesuch Stresemanns ein. Einzige Überlieferung sind die Quellen der Schulen, die in der Chronik eingearbeitet sind] 72
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1928/1929, S. 6.
73
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 87.
74
Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1928/1929, S. 7.
75
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1929/1930, S. 25.
Zwischen Monarchie und Diktatur | 95
te.76 Die Statistik zeigt, dass dies eher einer subjektiven Wahrnehmung entsprang. Der Anteil der deutschen muttersprachlichen Kinder stieg von 1925 bis 1930 um 9,7 Prozentpunkte auf 47,7 Prozent an, was bedeutet, dass der Anteil der rein spanischsprachigen Schüler dementsprechend abnahm.77 Es fehlte jedoch für alle Kinder an ausreichendem Platz. Die Suche nach einer kostengünstigen Lösung endete im Ankauf eines neuen Grundstücks und in einem Neubau für Kindergarten und Vorschule.78 Ende September 1931 konnte das neue Gebäude bezogen werden, ein Jahr später hatte die Schule insgesamt 807 Schüler und etablierte sich als größte Anstalt auf der Iberischen Halbinsel.79 Immer mehr Spanier drängten auf die Schule. Die spanische Republik rief 1931 eine Bildungskampagne aus und entzog vorläufig der katholischen Kirche die Lehrbefähigung. Auf der Suche nach einem adäquaten Ersatz fanden viele Eltern zur Deutschen Schule. Für den Botschafter Johannes von Welczeck war dies ein wahrer Glücksfall, stieg doch damit, wie er glaubte, die politische Bedeutung der Schule, da besonders die Kinder der führenden Gesellschaftskreise und nicht zuletzt der maßgeblichen Politiker und Beamten zum Klientel des Instituts zählten.80 Gerade in Konkurrenz zu den französischen Anstalten war dies ein erheblicher Wettbewerbsvorteil, da auch diese Einrichtungen um die Gunst exponierter Spanier buhlten. Neben den großen Bildungsstätten entwickelte sich auch die kleine Schule in Santa Cruz auf den kanarischen Inseln nach dem Ende des Weltkriegs kontinuierlich weiter.81 Zehn Jahre nach den ersten Unterrichtsversuchen fand ab 1919 ein regelmäßiger Unterricht im Gartenhaus des deutschen Konsuls Jakob Ahlers statt, der diesen primär für seine eigenen Kinder organisierte. Der Nachwuchs anderer Familien vergrößerte die kleine Privatschule, und ab 1922 unterrichtete sie nach dem Lehrplan der Oberrealschule Barcelona. Zwei Jahre später gründete die Familie Groth eine zweite deutsche Schule, die 1927 mit der Ahlers-Schule fusionierte. Erst ab 1932 bildeten beide Familien einen Verein, der die Schule endgültig aus dem privaten Umfeld heraushob und die Grundlage für die finanzielle Unterstützung schuf. Auch hier stellte das Auswärtige Amt bereitwillig Mittel für den Ausbau zu Verfügung, ohne die der Schulverein nicht überlebensfähig gewesen wäre. Moti76
Vgl. ebd., S. 23.
77
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 87.
78
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1929/1930, S. 5f. Einen Aufbau am bestehenden Gebäude lehnte das Amt wegen zu hoher Kosten ab. Die Finanzierung für das neue Grundstück und Gebäude erfolgte durch Reichszuschüsse und durch private Spendenmaßnahmen.
79
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 231.
80
Vgl. PAAA R 71946, Berichte von Welczeck vom 08.02.1930 und 09.05.1930.
81
Vgl. Deutsche Schule Santa Cruz (Hrsg.): Historia del Colegio alemán 1909–2009, Santa Cruz 2009, S. 30.
96 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
viert von den positiven Entwicklungen planten Deutsche in anderen Städten ebenfalls Schulen, die sie mit Hilfe aus der Heimat auszubauen versuchten. 3.1.2 Entstehung neuer Auslandsschulen Neben den bereits bestehenden Einrichtungen in Madrid, Barcelona, Málaga, Valencia, Santa Cruz de Teneriffa und Bilbao kamen zwischen 1918 und 1933 San Sebastián, Sevilla, Las Palmas, Vigo, Gijon, Cádiz, Cartagena, Santander und Zaragoza hinzu. 82 1924 gründeten beispielsweise zwei in Santander ansässigen Firmen eine Deutsche Schule, die aber bereits drei Jahre später wegen fehlender Schülerzahlen ihren Betrieb wieder einstellen musste. Eine längere Existenz hatte die Deutsche Schule in Vigo, deren Schulverein die Gründung mit dem Bestreben nach Erhalt des Deutschtums rechtfertigte und dazu ein Rundschreiben an die Koloniemitglieder verfasste: 83 „Ermutigt durch die Erfolge, welche [die] in Madrid, Barcelona, Málaga und Bilbao bestehenden deutschen Schulen als Traeger und Foerderer deutscher Art und deutschen Wesens erzielt haben, haben wir mit einer Anzahl Gleichgesinnter am 27.12.1925 in Vigo einen deutschen Schulverein gegruendet […] Wie kann ein Kind deutsch fuehlen und denken, wie kann es Verstaendnis für deutsches Wesen haben, wenn es die deutsche Sprache nicht spricht?!– Wie kann es als erwachsener Mensch für das Deutschtum in der Welt eintreten, wenn ihm alles Deutsche fremd ist?!“
Die Schülerzahlen blieben niedrig; 1936 waren nur 75 Kinder eingeschrieben.84 Ein Grund dafür war die anfängliche Ablehnung spanischer Schüler, da man fest davon überzeugt war, nicht zu viele Spanier aufnehmen zu wollen, um den deutschen Charakter nicht zu gefährden.85 Nach ein paar Jahren erkannte die Schule aber, dass sie auf die Kinder des Gastlandes angewiesen war, da der deutsche Nachwuchs zu gering war.86 Die Deutsche Schule in Las Palmas de Gran Canaria sollte ursprünglich ebenfalls deutschen Kindern vorbehalten sein. Im Juni 1920 wurde ein Schulverein ins spanische Vereinsregister eingetragen, über die Motive der Gründung und über die
82
Vgl. De la Hera Martínez: La política cultural, S. 124–125
83
Vgl. Rundschreiben des Schulvereins an die Deutschen in Vigo, undatiert, in: BAL R57/7008.
84
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Vigo 1936/37, in: BAL R57/7008.
85
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Vigo 1928/29, S. 9, in: BAL R57/7008.
86
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Vigo 1933/34, S. 1, in: BAL R57/7008.
Zwischen Monarchie und Diktatur | 97
Elternschaft ist jedoch wenig bekannt.87 Die deutsche Gemeinde setzte sich, ähnlich wie in Zaragoza, aus Kriegsinternierten zusammen. Besatzungsmitglieder des vor Westafrika versenkten Kreuzers ‚Kaiser Wilhelm der Große‘ waren vorübergehend auf der kanarischen Insel untergebracht und blieben teilweise dauerhaft dort. 1928 stellte die Familienschule erstmals einen Unterstützungsantrag an das Auswärtige Amt. Sie hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen genehmigten Lehrplan und hatte deutsche Lehrkräfte angestellt. Die Erziehung zum ‚Deutschtum‘ war in Las Palmas wie in den anderen Deutschen Schulen ein zentrales Element des Bildungsplans, und neben der pädagogischen Arbeit entwickelte sich die Schule ebenfalls zu einem kulturellen Zentrum der Auslandskolonie mit Weihnachtsfeiern, Sportfesten und musikalischen Darbietungen. Eine noch undurchsichtigere Quellenlage als bei den anderen Standorten, besteht bei der Deutschen Schule Sevilla, über die nahezu keine Informationen zur Gründung vorliegen. Bereits 1916 hatte der Kaiserliche Konsul eine Unterstützung für den Aufbau einer Deutschen Schule in Sevilla beantragt, da durch den Eintritt Portugals in den Ersten Weltkrieg viele deutsche Familien und Lehrer aus Lissabon nach Sevilla gekommen waren.88 Berlin lehnte den Antrag ab, und die Geflüchteten mussten nach Madrid ausweichen. 1921 gründeten die Mitglieder der Kolonie dennoch einen Schulverein, dessen erneutem Antrag auf Förderung diesmal stattgegeben wurde. Als Begründung für den Aufbau des Vereins nannten seine Initiatoren neben der Aufgabe, Kindern aus deutschen und deutsch-spanischen Familien deutschsprachigen Unterricht anzubieten, die Notwendigkeit, nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg ein positives Bild Deutschlands in der aufstrebenden Stadt Sevilla zu vermitteln. Damit öffnete sich die Schule im Gegensatz zu anderen Einrichtungen von Beginn an für spanische Kinder. 1928 waren neben 31 Deutschen 19 Spanier immatrikuliert. Die fortschrittlichen Unterrichtsmethoden, das liberale Schulklima, ein guter Sportunterricht und die Koedukation trugen zur Popularität der Schule bei. 3.1.3 Auf dem Weg zur progressiven Schule Die reformpädagogischen Ansätze im innerdeutschen Bildungsdiskurs beeinflussten durch die Entsendung deutscher Lehrer die Gestaltung des Unterrichts in den Auslandsschulen. Die Prinzipien der Heimatkunde mit aktiver Anschauung, dem Gelegenheitsunterricht und dem Erlebnisprinzip oder jene des Arbeitsunterrichts 87
Vgl. Heß, Joachim: 1920–1975. Zur Geschichte der Deutschen Schule Las Palmas, in: Schulverein Deutsche Schule Las Palmas (Hrsg.): 75 Jahre Deutsche Schule Las Palmas de Gran Canaria, Las Palmas 1995, S. 70ff. (im Folgenden: 75 Jahre DSLP).
88
Vgl. Infoflyer 75 Jahre Deutsche Schule Albrecht Dürer Sevilla 1921–1996, in: Privatarchiv Monika López Rall.
98 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
unterschieden sich stark vom Frontalunterricht und Auswendiglernen der spanischen Schulen. Diese progressiven Methoden hatten ihren Anfang bereits in der Kaiserzeit genommen und wurden während der Weimarer Republik weitergeführt.89 Ein Beispiel für die Auswirkungen auf die Deutschen Schulen in Spanien ist Wilhelm Koethke, Schulleiter der Deutschen Schule Málaga.90 Er galt in seiner pädagogischen Arbeit als Vorreiter und Unterstützer des modernen didaktischen und methodischen Unterrichts, wenngleich in einigen Bereichen seine Arbeit noch wenig fortschrittlich wirkte. So legte er in seiner Praxis den Schwerpunkt auf die Spracharbeit, der Deutschunterricht nahm einen Hauptteil des Stundenplans ein. Die 8. Klasse musste beispielsweise 15 Aufsätze und 40 Diktate anfertigen. Koethke betonte ausdrücklich, dass er darin keine Disziplinierungsmaßnahme sah, sondern dies für ihn ein zentraler Aspekt des Spracherwerbs war. Moderner wirkte hingegen seine im Jahresbericht 1912/1913 beschriebene Intention, Schüler zu selbstständigem Denken hinzuführen. Eines seiner Ziele war dabei die „Erziehung zu selbsttätiger Beurteilung der Wirklichkeit“. Andere Ideen entwickelte er in der direkten Nachkriegszeit, als die Schule noch durch die finanzielle Notlage in ihrer Existenz bedroht war. Als der Verlust des Schulgebäudes drohte, rettete sich der Schulleiter unter das Dach der Reformpädagogik und schlug die Idee einer Freilichtschule vor; die klimatischen Bedingungen Málagas zog er dabei als unterstützendes Argument heran, die Schulstube interpretierte er als eine Einengung der Schülerseele.91 Der Freileichtunterricht sollte mit dem Bau eines Schülerheims verbunden werden, mit dem vor allem die verlorenen spanischen Schüler nach dem Krieg wieder angesprochen und zurückgewonnen werden sollten. Das Konsulat stand dieser Idee allerdings skeptisch gegenüber, da die Kosten für das Schülerheim nicht realisierbar waren, es die klimatischen Bedingungen nicht so positiv wie der Schulleiter beurteilte und vor allem in den Wintermonaten Erkrankungen bei den Schülern befürchtete, so dass die Idee der Freilichtschule wieder verworfen wurde.92 Einfluss auf die pädagogische Gestaltung der Auslandsschulen hatte auch die Entstehung der ‚Weimarer Grundschule‘, die mit ihrem vierjährigen, auf Chancengleichheit basierendem Konzept auch im Ausland Anwendung fand. Der Primarbereich war eines der zentralen Elemente der Auslandsschulen, da die Eltern die Gründungen meist in Angriff nahmen, wenn die eigenen Kinder in das schulpflichtige Alter kamen.
89
Vgl. Geißler, Gert: Schulgeschichte in Deutschland. Von den Anfängen bis in die Gegenwart, Frankfurt am Main 22013, S. 479ff.
90
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Málaga 1912/1913, S. 6f.
91
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Málaga 1918/1919, S. 5.
92
Vgl. 100 Jahre DS Málaga, S. 57.
Zwischen Monarchie und Diktatur | 99
Abbildung 3: Lesefibel von Koethke 1916
Quelle: Marizzi Den Sprachunterricht als eine der wichtigsten Aufgaben der Auslandsschule richteten die Schulen folglich auf den Beginn des Spracherwerbs im Kindesalter aus. So verfasste beispielsweise Koethke bereits 1916 eine Fibel für den Erstlese- und Schreibunterricht, die speziell für den Einsatz in der Grundschule gedacht war. 93 Die Konzentration auf den Spracherwerb war eine Kontinuität, die sich aus der 93
Vgl. Koethke, Wilhelm: Fibel für Deutsche Auslandsschulen. Erster Unterricht im Schreiben, Lesen und Sprechen im Anschluss an „Die Deutsche Sprache im Ausland“, Málaga 1916.
100 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Kaiserzeit erhalten hatte und nach 1918 eine Fortsetzung fand. Damit einhergehend blieben auch die kulturellen und landeskundlichen Aspekte des Deutschlernens bestehen. Die Grammatiken und Lehrbücher für den Deutschunterricht wiesen speziell seit 1871 militärisch geprägte Inhalte auf, sprachliche Strukturen wurden exemplarisch anhand eines soldatischen Fachwortschatzes eingeübt.94 Dabei nahmen nicht nur Schulbuchverlage in Deutschland den Weltkrieg als Anlass, grammatische und sprachliche Übungen zu veranschaulichen, sondern auch Autoren, die im Ausland lebten. In Koethkes Fibel finden sich eindeutige Hinweise auf eine preußisch geprägte Militärkultur. Beim Buchstaben ‚S‘ ist beispielsweise eine Gruppe Soldaten mit der typischen ‚Pickelhaube‘ und dem geschulterten Bajonett zu sehen. Im Gleichschritt folgen sie einem berittenen Soldaten und marschieren durch eine idyllische anmutende, ländliche Gegend. Graphisch umrahmt ist die Szene von Säbel und Fahnenelemente und verschiedenen Verschriftlichungen des stimmhaften ‚S’ zur Einübung des Anlauts.95 In den Schulen fand so einerseits ein Unterricht mit modernen Methoden statt, der gegenüber den spanischen Schulen trotz Bildungsreform noch immer sehr fortschrittlich wirkte, und sich andererseits auf eine Bewahrung monarchischer, militärischer Kulturwerte, die ein deutsches Überlegenheitsgefühl und Weltgeltungsdenken implizierten, konzentrierte. Die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen in Form einer Parallelität von modernen, teils progressiven Elementen und eines bewahrenden Konservatismus war eine zentrale Charaktereigenschaft der Auslandsschulen während der Weimarer Republik – ein Faktum, das sich auch in den kulturpolitischen Konzeptionen der Auslandsschulen zeigen sollte, denn dort entstand ein Widerspruch zwischen einer pazifistisch orientierten Kulturpolitik und ihrer realen Umsetzung. Schulbücher wie Koethkes Lesefibel waren nur ein Teil dieser Diskrepanz, die sich in verschiedenen Bereichen der Einrichtungen zeigten. Gleichzeitig begründeten die didaktischen und methodischen Entwicklungen der Weimarer Republik den Ruf der Deutschen Schulen als fortschrittliche und pädagogisch wertvolle Bildungsanstalten.
94
Vgl. Marizzi, Bernd: La guerra enseñada. Los conflictos bélicos en los manuales de lengua alemana elaborados en España antes y despues 1914, in: Revista de Filología Alemana 23 (2015), S. 213–228, S. 218.
95
Vgl. Abbildung aus: ebd., S. 220.
Zwischen Monarchie und Diktatur | 101
3.2 NEUE KONZEPTE DER KULTURPOLITIK Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges engagierte sich die Regierung der Weimarer Republik besonders in der Auswärtigen Kulturpolitik.96 Dies war eine Reaktion auf den Verlust des machtpolitischen Handlungsspielraumes, und sowohl Liberale und Sozialdemokraten als auch konservative Politiker forderten eine Kompensation durch kulturpolitische Mittel. Dabei wollte man einen neuen Kurs einschlagen und nach der aggressiven propagandistischen Außenpolitik des Kaiserreichs Kultur nicht mehr als politische Waffe instrumentalisieren, sondern diesen Faktor minimieren. Dem Konzept der Propagandaschule erteilte die Politik eine Absage,97 sollte doch Deutschland nach außen hin als friedliche Nation präsentiert werden. In der Kulturpolitik sah man dafür ein geeignetes Mittel. Sie sollte eine neue Kraft des gesellschaftsübergreifenden Aufbaus werden, um den Staat zu repräsentieren.98 Mehr noch: Für Weimars Außenpolitik sollte sie ein wichtiger Schlüssel zur politischen Neuintegration nach dem Krieg und eine Chance zur Revision des Versailler Vertrags sein. Über Parteigrenzen hinweg entstand daher zunächst eine kulturpolitische Aufbruchsstimmung. Der parteilose preußische Kultusminister Carl Heinrich Becker forderte beispielsweise in einer Denkschrift für den Verfassungsausschuss der Nationalversammlung 1919 eine stärkere Orientierung der Außenpolitik nach innen und einen Verzicht auf Politik in der Kulturvermittlung, 99 kurzum einen Wandel gegenüber den vorherigen expansionistischen Konzepten des Kaiserreichs.100 In eine ähnliche Richtung gingen die Leitlinien von Außenminister Walter Simon 1921, der eine Abkehr von der Propaganda forderte und eine defensive Strategie entwarf. Friedrich Naumann von der liberalen DDP wies ebenfalls eine starke „Abrichtung und Lenkung des Einzelnen in der Kulturpolitik“ zurück.101 Auch Reichspräsident Friedrich Ebert sprach sich bei der Eröffnungsrede des ersten Reichstags 1919 gegen das kulturelle Besitzdenken des wilhelminischen Bürgertums aus und artiku96
Vgl. Düwell, Kurt: Die Gründung der Kulturpolitischen Abteilung im Auswärtigen Amt 1919/20 als Neuansatz. Inhaltliche und organisatorische Strukturen der Reform auswärtiger Kulturpolitik nach dem Ersten Weltkrieg. In: Düwell, Kurt/Link, Werner (Hrsg.): Deutsche auswärtige Kulturpolitik seit 1871. Geschichte und Struktur, Köln 1981, S. 46–72, S. 46.
97
Vgl. Düwell, Kurt: Probleme des deutschen Auslandsschulwesens in der Weimarer Republik, in: GWU 3 (1975), S. 142–154, S. 146.
98
Vgl. Trommler: Kulturmacht, S. 291.
99
Vgl. Scholten, Dirk: Sprachverbreitungspolitik des nationalsozialistischen Deutschlands, Frankfurt am Main 2000, S. 40.
100 Vgl. Düwell: Probleme des Auslandsschulwesens, S. 146. 101 Vgl. nach Trommler: Kulturmacht ohne Kompass, S. 289f.
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lierte eine Besinnung auf den humanistischen Geist von Weimar, der Deutschland erfüllen und der Demokratiebildung dienen solle. Die demokratische Komponente der Kulturpolitik betonte noch einmal 1927 Gustav Stresemann. Er wollte als Teil seiner Minderheitenpolitik ohne völkische Programmatik eine verstärkte Unterstützung der Auslandsdeutschen. Diese sollten kulturell weiter an die Republik gebunden werden, da gerade hinsichtlich der nach dem Versailler Vertrag verlorengegangen Gebiete diese Deutschen vom Heimatland abgeschnitten waren. Als Außenminister kämpfte er zusätzlich um Anerkennung der Weimarer Republik auf dem internationalen Parkett und hegte dabei die Hoffnung, Kultur zum Vorreiter einer neuen Außenpolitik machen zu können. Das Auswärtige Amt dürfe fortan nicht reglementieren, und private sowie halbamtliche Kulturverwaltungen hätten sich diesem Paradigma unterzuordnen. Alles in allem herrschte in der Weimarer Republik in dieser Frage also Konsens. Insgesamt war die gezielte Applizierung der Kulturpolitik eine Weiterführung der Außenpolitik des Kaiserreichs, doch stand sie ab 1918 nicht mehr primär im Sinne einer gegen den ‚Feind‘ gerichteten Kulturpropaganda, sondern hatte eine friedliche Völkerverständigung zum Ziel. Sie wurde zunehmend als Teil der Außenpolitik anerkannt und führte schließlich 1920 zur Schaffung einer unabhängigen Kulturabteilung innerhalb des Auswärtigen Amts.102 Die dieser Abteilung zugedachten Aufgaben waren in dieser Aufbruchsstimmung schnell formuliert und deckten sich mit den Forderungen der Politik: Verankerung der demokratischen und humanistischen Ausrichtung des neuen Staates und Schaffung eines neuen positiven Bildes im Ausland, das dem Prinzip der Völkerverbindung und Zusammenarbeit entsprechen sollte.103 Den Auslandsschulen wurde dabei eine besondere Rolle zugedacht. Pazifistische Kreise betrachteten sie schon zu Kriegszeiten als ein Mittel, friedliche Kulturziele und deren Verwirklichung durchzusetzen.104 Kurt Düwell bescheinigt in seinem Fazit der Weimarer Republik in seiner Untersuchung eine erfolgreiche Trennung von Außen- und Kulturpolitik und den Verzicht auf den Einsatz von Druckmitteln für außenpolitische Zielsetzungen. Er sieht in der Abkehr von der ‚Geheimen Denkschrift‘ einen Beleg dafür, dass die neue Ausrichtung der Kulturpolitik im Auswärtigen Amt erkannt worden sei, weshalb das Papier während der Zeit der Weimarer Republik in Vergessenheit geraten sei.105 In diesem Punkt irrt Düwell jedoch, denn beim ersten Treffen des Gutachterausschusses des Schulreferats 1921 zogen die Teilnehmer die ‚Geheime Denkschrift‘
102 Vgl. Pöppinghaus: Relaciones culturales, S. 91. 103 Vgl. De la Hera Martínez: La política cultural, S. 434. 104 Vgl. PAAA R 62362, Bd. 3: Herne, Michel: Die deutsche Auslandsschule, in: Die Woche, 29.01.1916. 105 Vgl. Düwell: Deutschlands auswärtige Kulturpolitik, S. 146.
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wieder als Grundlage für die Besprechungen und Planungen heran.106 Das Papier war also keinesfalls verschwunden, sondern bildete noch immer einen Ausgangspunkt für die Gestaltung des Auslandsschulwesens. Der Ausschuss beschloss die Geheimhaltung des Dokuments beizubehalten und legte fest, dass die Auslandsschulen weiterhin als wichtiger Aktivposten der Politik und des Deutschtums zu betrachten seien. Dabei habe vor allem das System der Autonomie und privaten Führung die Schulen über den Krieg gerettet, weshalb diese Organisationsform beizubehalten sei. Der Kulturabteilung fehlten folglich wirklich neue Richtlinien. Sie hielt vor allem am Nationalismus und an der Erhaltung des ‚Deutschtums‘ als Komponente der Kulturpolitik fest und überließ die Umsetzung den Mittlerorganisationen, ohne diese stärker zu kontrollieren. Erschwerend kam hinzu, dass die Diplomaten die offizielle Abkehr vom Kulturkrieg des Kaiserreichs und die innenpolitische Dynamik nur mit wenig Bereitschaft nach außen trugen. Die Kulturabteilung wurde im Auswärtigen Amt eher stiefmütterlich behandelt und galt als berufliches Abstellgleis.107 Zudem sahen vor allem rechte, national gesinnte Gruppen einen Grund für die Kriegsniederlage in der mangelnden Propaganda. Entsprechend war Kulturpolitik im Denken dieser Personen weiterhin stark mit expansionistischen Gedanken verbunden. Sie mussten die militärische Niederlage der Monarchie verdauen, die einst Macht ausgestrahlt hatte und nun einer Republik hatte weichen müssen, um deren Anerkennung sie nun werben sollten, obwohl sie sie innerlich ablehnten. Im Gegensatz zu den eingangs skizzierten Vorstellungen sahen sie Außenpolitik weiterhin als ein Instrument zur Durchsetzung nationaler Machtinteressen an. Damit wurde die darin inkludierte Kulturpolitik schließlich zu einem Zerklüftungsfaktor in der politischen Landschaft Weimars. Sowohl auf privater als auch auf institutioneller Ebene wirkten monarchische Kontinuitäten in die Betätigungsfelder der Weimarer Republik hinein, und es kam zu Diskrepanzen zwischen dem Anspruch und der Wirklichkeit kulturpolitischer Bemühungen. Die Pflege des ‚Deutschtums‘ als kontinuierliche Aufgabe des Auswärtigen Amtes und der Auslandsschulen begünstigte dabei das Weiterbestehen nationalkonservativer Strömungen. Die gewünschte Neuausrichtung war so kaum möglich. Die Auslandsschulen spiegelten insofern die gesellschaftlichen Phänomene der Weimarer Republik wider; innenpolitische Entwicklungen waren im Ausland im Mikrokosmos der Schulen in ähnlichen Formen ausgeprägt.
106 Vgl. Bericht Gutachterausschuss, 27.04.1921, in: BAL R1501/114893. 107 Vgl. Trommler: Kulturmacht, S. 300–311.
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3.2.1 Auslandsschulen als nationalkonservativer Kulturraum Die Deutschen Auslandsschulen waren weiterhin nicht nur das nationale und sprachliche Zentrum, sondern auch der kulturelle Mittelpunkt der Auslandskolonien. Sie beherbergten Zeitungssäle, boten Platz für Theaterabende, veranstalteten Schulfeste, Karnevalsfeiern und Weihnachtsfeste oder organisierten Vorträge.108 Zu solchen Gelegenheiten trafen sich zahlreiche Mitglieder der Community und tauschten sich über private, geschäftliche oder politische Themen aus. Da sich die soziale Zusammensetzung der Gemeinschaft durch die Migrationsbewegungen des Ersten Weltkriegs verändert hatte, kam es durchaus zu politisch divergenten Meinungen, die bei solchen gemeinschaftlichen Veranstaltungen in die Kolonie hineingetragen und diskutiert wurden. Die Schulen selbst waren nicht nur eine Plattform des Meinungsaustausches, sondern als Veranstalter auch Initiatoren eines politisch-kulturellen Bildungsprozesses. Häufig stammten die eingeladenen Referenten aus dem völkisch-nationalen Bereich, was zu der nationalkonservativen Aura der Schule beitrug. Im Jahr 1929 hielt beispielsweise die Dichterin Maria Kahle einen Vortrag an der Deutschen Schule Madrid, in dem sie über das Volkstum in Not und über den deutschen Kampf referierte.109 Solchen prodeutschen Veranstaltungen stand die deutsche Botschaft in der direkten Nachkriegszeit zunächst noch distanziert gegenüber, sie legte diese Ablehnung aber in den folgenden Jahren ab und unterstützte das Kulturprogramm der Schulen und der Kolonie, so dass auch solche Vorträge wie von Kahle kein Problem darstellten. Am Beispiel von zwei weiteren Festen ist dies gut zu erkennen: Bei den Planungen zum 50-jährigen Reichsjubiläum 1921 erschien eine pompöse Form des Festes noch als „deplatziert und unerwünscht“.110 Elf Jahre später hingegen feierte die Auslandskolonie den 85. Geburtstag von Reichspräsident Hindenburg zusammen mit spanischen Vereinen und Persönlichkeiten im öffentlichen Rahmen. 111 Die Botschaft nutzte diese Veranstaltung gleichzeitig, um Deutschland als mächtige Nation zu präsentieren. Von der anfänglichen Zurückhaltung war nichts mehr zu spüren. Die Öffnung gegenüber deutschnationalen Ideen zeigte sich auch auf der Ebene der Generalkonsulate. Ulrich von Hassel, späterer Botschafter in Rom und 1944 in den geplanten Staatsstreich gegen Hitler involviert, unterstützte in Barcelona bei108 Vgl. stellvertretend der Besuch von Thomas Mann in: Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1922/1923, S. 27. 109 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1929/1930, S. 29. 110 Vgl. Telegramm Botschaft Madrid an Auswärtiges Amt, 29.12.1920, in: PAAA R 71946. 111 Vgl. Telegramm Botschaft Madrid an Auswärtiges Amt, 04.10.1932, in: PAAA R 71496.
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spielsweise die Vortragsreise des Journalisten Arnold Krumm-Heller, der mit prodeutschen Vorträgen über Kriegsschuld oder Territorialansprüche durch Spanien tourte.112 Von Hassels Vorgehen entsprach dem nationalen Zeitgeist, wollte er doch mit solchen Veranstaltungen das deutsche Zusammengehörigkeitsgefühl in der Fremde stärken. Einer defensiven Kulturausrichtung entsprachen solche Veranstaltungen aber nicht. Die Ablehnung des prodeutschen Propagandakonzepts war im Laufe der Jahre aufgegeben worden und einer nationalistisch orientierten Außendarstellung gewichen, wie sie schon vor 1918 praktiziert worden war. 1921 hatte sich von Hassel in einer Aufzeichnung noch gegen eine starke Kulturpropaganda ausgesprochen:113 „Die Propaganda ist uns im Kriege und schon vorher nicht gerade gut gelungen. Wir sind dafür unbegabt, haben augenblicklich auch kein Geld und haben ferner gerade jetzt den Anlaß, Propagandamethoden zu vermeiden, die uns diskreditiert haben und die die Welt überhaupt satt geworden ist. […] Ein wirksamer, wenn auch beschränkter Ersatz für die eigentliche Propaganda steht uns dann zur Verfügung, wenn es gelingt, den einzelnen Deutschen mehr als bisher dazu zu erziehen, daß er sich dauernd als Vertreter seines Vaterlandes fühlt und seine Interessen wahrnimmt.“
Acht Jahre später hatte sich der Ton in der deutschen Gemeinde geändert. So berichtete beispielsweise die nationalkonservative Zeitung Volk und Heimat, die in Madrid und anderen großen spanischen Städten erschien, dass einer der Gründe für die Niederlage im Krieg die Vernachlässigung der Kulturpropaganda gewesen sei und es ein Fehler der deutschen Vertrauensseligkeit sei, dass man auf diese in Spanien nun verzichten wolle – schließlich sei der beste Kampfplatz für die Kulturpropaganda die Pyrenäenhalbinsel.114 Der Artikel beinhaltete nicht nur einen Aufruf zur Wiederaufnahme der Kulturpropaganda, wie sie vor dem Krieg betrieben worden war, sondern auch eine klare Ablehnung der Weimarer Konzepte einer friedlichen kulturellen Positionierung. Dabei war dies keineswegs ein Phänomen der späten 1920er Jahre. Von Hassel schrieb schon 1921, dass die politischen Ideen der Republik einen schweren Stand in den Auslandskolonien hätten:115 „Der Entwicklung der politischen Verhältnisse in Deutschland stehen die meisten Auslandsdeutschen, wie wir aus zahlreichen Berichten unserer Auslandsvertretungen sehen, fast durchweg noch verständnislos gegenüber. Sie leben noch ganz auf dem Boden der alten Zu112 Vgl. Generalkonsulat Barcelona an Auswärtiges Amt, 21.05.1926, in: PAAA R 71496. 113 Aufzeichnung über Auslandsdeutsche, Generalkonsulat Barcelona an Auswärtiges Amt, 25.10.1921, in: PAAA R 60214. 114 Vgl. Zeitung Volk und Heimat, 15.11.1929, in: PAAA R 63897. 115 Vgl. Aktenvermerk von Hassel, 12.12.1921, in: PAAA R 60214.
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stände, daher ist es ihnen zugute zu halten, daß sie dem Verhalten der jetzigen Regierung verständnislos gegenüberstehen.“
Diese Aura ging an den Auslandsschulen nicht spurlos vorüber und wird besonders in den außercurricularen Bereichen deutlich, denn diese waren meist geprägt von einer Zuschreibung stereotyper preußischer Tugenden: Disziplin, Gehorsam, militärische Zucht und Ordnung. Diese Werte waren keineswegs negativ konnotiert, sondern bedingten sogar den guten Ruf der deutschen Pädagogik und Erziehung und machten daher die Schulen für spanische Kreise attraktiv. Durch die außerschulischen Aktivitäten wirkten sie zusätzlich in die Gastgesellschaft hinein. Der Madrider Lehrer Willy Schulz gründete beispielsweise einen Pfadfinderverein, dessen Aufgabe es war, „aus Muttersöhnchen Jungens zu machen“, und dessen Credo „Gehorche ohne Widerrede“ lautete.116 Im Jahr 1928 kam es in der Kolonie zu einem Eklat, als Schulz bei der Einweihung des neuen Pfadfinderheimes die schwarzrot-weiße Reichsflagge hissen ließ und auf dem gesamten Festgelände keine Weimarer Fahne zu sehen war. Er provozierte damit einen Flaggenstreit auf kleiner Ebene: Die Diplomaten der Botschaft verließen die Veranstaltung unter Protest und das Auswärtige Amt mahnte, den Vorfall aus Prestigegründen nicht in die Öffentlichkeit zu tragen und Streitereien dieser Art nicht vor den Spaniern auszufechten.117 Die Mitglieder der Schulinspektion, die zur Abnahme der Reifeprüfung in Madrid weilten, und der Botschafter rieten daraufhin von einer Weiterbeschäftigung des Lehrers ab, da er zusätzlich als Mitglied im Stahlhelm durch unangenehme nationalistische Äußerungen aufgefallen sei. Umgesetzt wurde diese Empfehlung jedoch nicht, vielmehr wurde Schulz ein Jahr später zum Direktor ernannt und hatte bis 1936 die Leitung der Schule inne. Einen solchen Flaggenstreit gab es auch in den Kolonien in anderen Städten: In Barcelona entfernte die Schulleitung die schwarz-rot-weiße Kaiserfahne erst nach dem Protest eines Elternteils und ersetzte sie durch die republikanische.118 Auch andere gesellschaftliche Phänomene der Weimarer Republik zeigten sich auf der Ebene der Auslandsgemeinden. So trat der Antisemitismus in Teilen der Kolonie offen zutage. Ein Beispiel hierfür ist die Debatte um die Finanzierung des Schulgrundstücks in Bilbao 1924.119 Vereinsvorstand Benito Lewin, der das Geld für den Kauf vorstreckte, weigerte sich, das Grundstück zu den Konditionen des Schulvereins abzutreten. Im Zuge des daraus entstandenen Streits trat er aus der 116 Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1924/25, S. 33–34. 117 Vgl. Vertraulicher Bericht Deutsche Botschaft von Viellinghof an Auswärtiges Amt 3.12.1928, in: PAAA R 71946. 118 Vgl. 100 Jahre DSB, S. 70. 119 Vgl. Briefwechsel Botschaft von Welzeck mit Auswärtigem Amt ab 18.03.1926, in: PAAA R 62796.
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Vorstandschaft aus, was eine lange Diskussion um seine Nachfolge, die Geschäftsführung und die Finanzierung der Schule nach sich zog. Lewin kündigte den Mietvertrag und stellte den Verein damit vor ernsthafte Probleme. Generalkonsul Eickhoff, der die Schule 1917 mit gegründet hatte und nach wie vor in der Vorstandschaft aktiv war, machte gegen ihn Stimmung. In dieser Auseinandersetzung griffen Lewins Gegner unter anderem auch seine jüdische Abstammung auf und diffamierten ihn damit gegenüber dem Auswärtigen Amt. In einem Brief nach Berlin äußerte Generalkonsul Eickhoffs Vetter folgende antisemitische Vorwürfe:120 „Nichts neues für Sie und nicht für mich, dass Deutsche im Streit liegen […] Ich erzähle es Ihnen auch nur, weil wieder einmal der Jude die treibende Kraft ist. […] Dabei ist der Judenanhang zahlenmäßig nicht gross, aber sie verstehen zu wühlen, zu lügen, die Kolonie dauernd in Unruhe [zu] halten. […] Kampf, Hader, Eifersucht, Neid unter den Deutschen in der Heimat und draußen! Und wieder und wieder der Jude als Schürer!“
Lewin rückte schließlich von seiner Haltung ab und übergab das Grundstück an die Deutsche Schule. Der Schulverein vermerkte nach der Beilegung des Streits 1927 im Jahresbericht, dass es die „heilige Pflicht eines jeden echtdeutschen Mannes [sei] mitbeizutragen, dass das nachkommende Geschlecht in treudeutschem Sinne erzogen [werde].“ Die Schule gab so mit dem Verweis auf den „echtdeutschen Mann“ ihrem Bildungsauftrag einen stark nationalen Sinn und betonte somit indirekt noch einmal die antisemitische Komponente in der Auseinandersetzung mit dem ehemaligen Schulvorstand. Dabei berief sie sich in der Selbstdarstellung immer wieder konkret auf die Zeit des Kaiserreichs, etwa als Direktor Pfisterer anlässlich eines Schulfestes berichtete, dass „manch Traenlein, heimlich und offen in wehem Erinnern an Deutschlands schoene, stolze Zeit, die so kurz hinter uns liegt, und nun, ach so weit entfernt scheint“121, geflossen sei. Ob Antisemitismus, Flaggenstreit oder Reminiszenzen an das vergangene Kaiserreich, die geschilderten Beispiele machen eines deutlich: Das ‚Deutschtum‘ der Weimarer Zeit deckte sich häufig mit den Ideen des ‚Deutschtums‘ der Kaiserzeit. Eine Neuausrichtung der Kulturpolitik gestaltete sich daher schwierig. Eine weitere Kontinuität zeigte sich in der Konkurrenz gegenüber den anderen Kulturnationen, die die Zäsur von 1918 überdauerte.
120 Namentlich nicht gekennzeichneter Brief an das Konsulat Barcelona, 1926, in: PAAA R 62796. 121 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Bilbao 1921/1924, S. 39.
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3.2.2 „Gegen eine ganze Welt voll Feinde und Neider“ Im Umgang mit anderen Nationalitäten verhielten sich die Auslandsschulen über die Jahre hinweg ambivalent. Einerseits betonten sie immer wieder die Erhaltung des ‚Deutschtums‘ und die dazu angeblich erforderliche Abschottung gegenüber ihrem Umfeld, andererseits öffneten sie sich für ausländische Familien, wenngleich insbesondere solche, die dem ‚Deutschtum‘ zugeneigt waren. Ausschlaggebendes Motiv war dabei weniger die Idee der Begegnung zwischen den Völkern als vielmehr die Propaganda und finanzielle Aspekte, da nicht deutsche Schüler meist den doppelten Schulgeldbetrag entrichten mussten. Während französische oder englische Kinder weniger zur Zielgruppe gehörten, sollte speziell die spanische Oberschicht angesprochen werden, um so auch einer Verbesserung der deutschspanischen Handelsbeziehungen zu dienen:122 „[Es] stammt doch ein sehr großer Teil ihrer [Anm. der Auslandsschulen] Schüler aus guten spanischen Kreisen. Nicht wenige davon setzen nach dem Besuch der deutschen Auslandsschule ihre Studien in Deutschland fort, wo sie deutsche Arbeit und deutsches Wissen näher kennen und schätzen lernen.“
Diese Einschätzung des Generalkonsulats Barcelona entsprang allerdings einem Wunschdenken und sollte die Bedeutung der Auslandsschulen gegenüber dem Auswärtigen Amt hervorheben. In der Realität war die Zahl der spanischen Studenten eher gering und die Aufnahme eines Studiums in Deutschland die Ausnahme. 1927 berichtete ein Gutachten, dass nur 18 Spanier an deutschen Hochschulen studieren würden und dieser bedauernswerte Zustand verbessert werden sollte.123 Die spanischen Schüler stellten in den Augen mancher aber auch ein Problem für die nationale Identität dar. Direktor Rudolf Seyfang in Barcelona beispielsweise kritisierte angesichts der steigenden Zahl spanischer Schüler das Fehlen eines deutschen Rassenstolzes und befürchtete einen zu starken Einfluss durch die Spanier; ohnehin drohten sie seiner Meinung nach durch ihre gute Ausbildung eine unliebsame Konkurrenz zur deutschen Kaufmannsschicht zu werden.124 Gerade im Hinblick auf Frankreich und England überlebte das nationale Konkurrenzdenken den Niedergang der Monarchie. Der Topos des Kampfes und die Überzeugung, sich mit England und vor allem mit Frankreich in einem Kulturkrieg zu befinden, überdauerte das Kriegsende und spiegelte sich immer wieder in den Vorstellungen der Auslandsschulen nach 1918 wider. Vor Ort mussten und wollten 122 Bericht Generalkonsulat Barcelona an Mitglied des Reichstags Dr. Matz, 11.10.1928, in: PAAA R 63897. 123 Vgl. Gutachten über Spanier in Deutschland, 13.07.1927, in: PAAA R 63897. 124 Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 227.
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sie sich dieser ‚Gegner‘ erwehren, einerseits um sich finanziell zu erhalten, andererseits aber auch, um die eigene nationale Überlegenheit zu demonstrieren. Ein Spendenaufruf der Deutschen Schule Bilbao aus dem Jahr 1920 verdeutlicht, wie sich dieser Konkurrenzkampf mit dem Bildungsauftrag und der Bestrebung, das ‚Deutschtum‘ zu erhalten, verband:125 „[D]ies [Anm.: der Verkauf des Schulgebäudes] wäre ein Triumpf unserer Gegner, welche diese Niederlage weidlich ausbeuten würden. […] jetzt wird schon starke Kulturpropaganda der anderen Länder betrieben, mit Gastvorträgen und zahlreichen Zuschüssen. Wenn die Schule geschlossen werden muss, dann kämen die Kinder eventuell sogar in übelgesinnte Schulen und würden alles Deutschtum verlieren.“
Die Schulleitung und die Vorstandschaft in Bilbao sahen die Auslandsschulen als ein zentrales Element in der Auseinandersetzung mit anderen Nationen:126 „Je fürchterlicher die Lage in Deutschland ist, desto mehr sind wir verpflichtet, das Ansehen Deutschlands und unser eigenes persönliches Ansehen im Auslande hochzuhalten, oder besser gesagt, wieder hoch zu bringen, gegen die ganze Welt voll Feinde und Neider und gegen die Machenschaften unserer Feinde, die uns selbst im neutralen Lande mit grenzenlosem Haß und niedrigster Gesinnung weiter verfolgen und verleumden. Die deutsche Schule im Ausland ist das beste Mittel, deutschen Geist und deutsches Wesen, die dem Ausländer schwer verständlich sind nahe zu bringen.“
Der Kampf um die Kulturhoheit wurde in Form von finanziellen Propagandamaßnahmen fortgeführt. Für die Schulen ging es dabei um den Gewinn finanzkräftiger Kreise aus der spanischen Oberschicht, welche die Schule potentiell unterstützen konnten. Mit Werbemaßnahmen versuchte man besonders in der direkten Nachkriegszeit, als die Förderung aus Deutschland geringer ausfiel oder vollständig ausblieb, Gönner und Förderer anzusprechen.127 In Frankreich wurden diese verstärkten privaten kulturpolitischen Aktivitäten durchaus bemerkt. So berichtete der französische Autor Alfred Gassadessus in seinem Buch L’Allemagne au belá des Pyrénées von einer Invasion der Deutschen auf der Iberischen Halbinsel und for-
125 Vgl. Spendenaufruf der Deutschen Schule Bilbao 15.06.1920, in: BA R57/neu 1134. 126 Bericht Vorstand Franz Schulze, in: Jahresbericht Deutsche Schule Bilbao, 1919/1921, S. 9. 127 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1923/1924, S. 3.
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derte, Frankreich müsse seinen historisch bedingten Rang als führende Kulturnation in Spanien aufrechterhalten und die Kampfansage der Deutschen aufnehmen.128 Um mit den französischen Schulen konkurrieren zu können, war ein Ausbau der schulischen Infrastruktur notwendig. Dieser war nur mit Hilfe finanzieller Zuschüsse aus Deutschland möglich.129 Das wiederum brachte die Auslandsschulen in eine größere Abhängigkeit vom Auswärtigen Amt und von der Weimarer Regierung, obwohl sie diese politisch häufig nicht befürworteten. 3.2.3 Opportunistische Haltung gegenüber der Weimarer Regierung Die Politik in Deutschland wurde nach 1918 zunehmend zum Zankapfel zwischen neuen und alten Mitgliedern der Kolonie.130 Letztere kümmerten sich mehrheitlich wie schon in den Jahren zuvor um den Betrieb der Auslandsschulen und steuerten deren Entwicklung. Die privaten Spenden und Zahlungen, durch die sich die Schulen finanzierten, erlaubten kaum eine Expansion des Schulbetriebs, weshalb die Schulen auf Gelder seitens der Regierung angewiesen waren. Zum Teil stammten 70 Prozent des Haushaltes aus Deutschland. Daraus ergab sich eine opportunistische Grundhaltung: Die Vereine begrüßten die finanzielle Unterstützung, der Republik hingegen standen die Akteure häufig kritisch gegenüber. Über Jahre hinweg hatten sie dem Kaiserreich als Vermittler eines national zentrierten ‚Deutschtums‘ gedient. Das gekrönte Staatsoberhaupt war in den Gebäuden ikonographisch allgegenwärtig, seine Geburtstagsfeier blieb fester Bestandteil im Jahreskalender der Schulen, und in den evangelisch dominierten Gemeinden waren die Menschen zusätzlich auf den Kaiser als Kirchenoberhaupt fokussiert. Die revolutionären Vorgänge in Deutschland erreichten die Auslandskolonien hingegen kaum. Es gingen kaum Meldungen über die Umstürze aus der Heimat ein, eine revolutionäre Stimmung kam nicht auf. Und nun sollten sich die Lehrer und Kaufleute quasi ad hoc einem neuen System unterstellen! Deutlich wird diese Problemlage am Beispiel der Deutschen Schule Madrid. Beim Besuch Stresemanns in der spanischen Hauptstadt 1928 begrüßte Schulleiter Willy Schulz ihn feierlich und mit freudigen Worten,131 nur fünf Jahre später formulierte er, veranlasst durch den Machtwechsel in Deutschland, seine Einschätzung zur politischen Situation folgendermaßen:132 128 Vgl. Auszüge des Buches (Erscheinungsort und Datum unbekannt) nur zu finden, in: PAAA R 63897. Der genaue Wirkungskreis solcher Schriften kann nicht mehr nachvollzogen werden. 129 Vgl. Bericht Soehring an Auswärtiges Amt, März 1920, in: PAAA R 71946. 130 Vgl. Bericht Generalkonsulat Barcelona an Auswärtiges Amt, 25.10.1921, in: PAAA R 60214. 131 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1928/1929, S. 6. 132 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1932/1933, S. 16.
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„Die Wiedergeburt des Deutschen Reiches sah bei uns allen an der Schule wohlvorbereitete Herzen. Hatte doch gerade die Deutsche Oberrealschule zu Madrid unter einem weitblickenden Vorstand alle Versuche, parteipolitische Kulturansprüche auch auf die bedeutenden Auslandsschulen zu übertragen, in bestimmter Form und ständig abgelehnt. […] Die Deutsche Oberrealschule zu Madrid kann heute mit Stolz bekunden, dass sie den Experimenten sogenannter neugeistiger Art während der letzten anderthalb Jahrzehnte keinen Raum gewährt hat.“
Schulz empfing Stresemann 1928 als Repräsentanten der Weimarer Regierung, weil dies den Ruhm seiner Anstalt mehrte und Madrid in den Blickpunkt förderpolitischer Diskussionen rückte, die politischen Ideen des Außenministers der Weimarer Republik unterstütze er aber nicht, sondern sprach sich vielmehr offen gegen diese aus. Als Geldgeber jedoch war Stresemann ein gern gesehener Gast. Dieses Verhalten ist ein typisches Muster für viele Personen im Umkreis der Auslandsschulen. Sie verkörperten eine national gesinnte Gemeinschaft, die zwar das politische System Weimars nicht aktiv bekämpfte, aber doch am Nationalismus als Grundidee ihres Bildungsauftrages festhielt und dementsprechend mit freudiger Genugtuung den Regierungswechsel und die Erfolge der NSDAP in Deutschland wahrnahm. Von einer nationalen und rechtsorientierten Regierung erhofften sie sich zusätzlich eine stärkere Beachtung ihrer Interessen. Auch in Bilbao begrüßte der Schulverein den Wahlerfolg der Nationalsozialisten daher mit positiven Worten:133 „Erst jetzt empfinden wir mit ganzer Begeisterung das Erlebnis, dass das ganze unteilbare Vaterland hinter uns steht. Und dies ganze Deutschland symbolisiert sich für uns in der Gestalt des Führers. […] Wir hatten und wir haben nur einem Zweck zu leben, dem ewigen Deutschland, dessen Geistesquell wohl verschüttet, aber nicht vernichtet werden konnte. […] mit diesem Vaterland wissen wir uns eins mehr denn je.“
Die Zielsetzung der Auswärtigen Kulturpolitik der Weimarer Republik, eine von der Politik losgelöste eigenständige Kulturvermittlung zu betreiben, konnte nicht umgesetzt werden. Vielmehr zeigten sich die Schulen als eigenständige Akteure mit nationalem Sendungsbewusstsein, die Einfluss auf ihre Umwelt ausüben konnten. Sich aus dem Streit politischer Tagesmeinungen herauszuhalten, wie Otto Boelitz es 1927 forderte,134 war im Alltag der Schulen kaum möglich. Die Lehrer als verantwortliche Kulturakteure transportierten ihre eigenen politischen Vorstellungen in die Auslandskolonie, wo sie von den Schülern aufgenommen und weiter verbreitet wurden. In der Abiturrede des Jahrgangs 1929 berichtete beispielsweise der Madri-
133 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Bilbao 1932/1933, S. 7. 134 Vgl. Boelitz/Schmidt: Bildungsarbeit, S. 39.
112 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
der Schüler Erwin Schneidewind von den Aufgaben, die ihnen als zukünftigen Vertretern des Vaterlandes zukämen, sei doch Deutschland das Volk ohne Raum und die Deutsche Schule ein Teil der Kolonisation und eine Brücke zwischen Heimat und Fremde.135 Bei ihm hatten sich bereits Vorstellungen gefestigt, die ein paar Jahre später durch die Nationalsozialisten zum festen Bestandteil des Curriculums werden sollten. An seinen Gedanken wird deutlich, dass die Kultureinrichtungen in Spanien, allen voran die Schulen, durch ihre national-konservative Ausrichtung und die von ihnen geschaffenen Strukturen und Netzwerke ein Fundament für den Ausbau der nationalsozialistischen Außenpolitik bildeten. Die politische und ideelle Ausrichtung der Auslandsschulen und anderer Organisationen boten einen idealen Ansatzpunkt und einen Nährboden für die NS-Ideologie.
135 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1928/1929, S. 34.
4. Zwischen Hitler und Franco
Mit der in der deutschen Geschichte einschneidenden Zäsur von 1933 ergaben sich in den deutsch-spanischen Beziehungen tiefgreifende Veränderungen im Bereich des kulturellen Austausches. Von diesem Zeitpunkt an war die deutsche Politik vom Faschismus geprägt und nur ein paar Jahre später sollte dies auch in Spanien der Fall sein.1 Die Bemühungen Deutschlands ein positives Bild zu vermitteln, waren zwar eine Kontinuität, die sich trotz aller politischen Wechsel während der Weimarer Republik bis in die Phase des Nationalsozialismus fortsetzte, doch sie erhielten nun eine explizit nationalsozialistische Prägung.2 Die Kultureinrichtungen in Spanien führten zunächst ihre Arbeit fort; in einigen Bildungsanstalten begrüßten Schulleitung und Vorstand den politischen Wechsel, in anderen blieb er unkommentiert, jedoch äußerte sich keine Einrichtung ablehnend gegenüber der neuen Regierung in Deutschland. Die Öffentlichkeit in Spanien hingegen stand trotz germanophiler Tendenzen keineswegs geschlossen hinter den Entwicklungen in Deutschland. Politisch links orientierte Spanier demonstrierten gegen den aufkommenden Nationalsozialismus in ihren Städten. Am 10. Juli 1934 kam es nach einer nationalsozialistisch beeinflussten Sportveranstaltung an der Deutschen Schule in Madrid zu Auseinandersetzungen mit kommunistischen Arbeitern, die sich über das mit Hakenkreuz geschmückte Stadtviertel empörten. 3 Neben dieser sozialistisch-kommunistischen Kritik starteten auch katholische Kreise Kampagnen gegen das junge Hitler-Regime und Priester prangerten in ihren Predigten immer wieder das System in Deutschland
1
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 416.
2
Vgl. De La Hera Martínez: La política cultural, S. 444.
3
Vgl. Koop, Volker: Hitlers fünfte Kolonie. Die Auslandsorganisation der NSDAP, Berlin 2009, S. 133.
114 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
an.4 Die deutsche Botschaft beschwichtigte in ihren Berichten zur inneren Lage Spaniens und charakterisierte die Demonstrationen als bedeutungslos.5 Doch es fanden sich immer mehr Menschen in antifaschistischen Bewegungen zusammen, die in Hitler-Deutschland einen neuen Gegner sahen. Einen ersten Höhepunkt erreichte die katholische Kritik nach der Liquidierung der SA-Führung im sogenannten ‚Röhm-Putsch’, da sich unter den Opfern Erich Klausener, Leiter der Katholischen Aktion, befand.6 Der Klerus in Spanien wertete diese Ermordung als einen direkten Angriff auf den Katholizismus und verurteilte das Vorgehen in Deutschland. Um einem negativen Image entgegenzuwirken, startete die deutsche Botschaft in Madrid eine systematische Propagandakampagne, welche die ‚wahre Bedeutung der nationalen Revolution‘ zeigen sollte. Die Bemühungen blieben jedoch weitgehend erfolglos.7 Eine langsame Besserung der Beziehungen trat erst mit dem Beginn des Spanischen Bürgerkriegs, der Machtübernahme Francos und dem Rückgang kommunistischer Bewegungen in Spanien ein. Was blieb, war vor allem die Kritik aus der katholischen Kirche, die sich jedoch nach 1936 nicht mehr so intensiv gegen den Hitler-Faschismus richtete – schließlich kooperierte sie ja auch mit der neuen Regierung, die ebenfalls eindeutig faschistische Positionen vertrat. Für die Auslandsschulen hatte der aufkommende Faschismus in beiden Ländern nicht nur ideologische Auswirkungen, sondern auch strukturelle. Dabei nahmen drei zentrale Ereignisse besonderen Einfluss auf die Schulen: erstens die Einbettung der Institutionen in die NS-Außenpolitik und die NS-Ideologie, zweitens die Auseinandersetzungen während des Spanischen Bürgerkriegs und drittens der Zweite Weltkrieg.
4
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 417.
5
Vgl. Botschaftsrat Völckers an das Auswärtige Amt (26.03.1936), in: Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918–1945 (Serie C/Bd. 5/1), Göttingen 1977, S. 288–292 (Nr. 221), S. 289.
6
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 418f.
7
Vgl. PAAA AV 71016 – Botschaft Madrid: Spanische Kundgebungen gegen die deutsche Regierung Hitler. Die deutsche Botschaft berichtet immer wieder über Demonstrationen und Kundgebungen gegen Deutschland. 1936 demonstrierten 300.000 Spanier vor der deutschen Botschaft in Madrid gegen die politische und rassische Verfolgung im Reich.
Zwischen Hitler und Franco | 115
4.1 DIE DEUTSCHEN AUSLANDSSCHULEN IM NS-STAAT Zur Außenpolitik der NSDAP gehörte auch eine Vereinnahmung der im Ausland lebenden Deutschen. Sie sollten als Potential genutzt werden, um einer totalitären Weltorganisation im nationalsozialistischen Sinne näherzukommen.8 Die dafür geschaffene Auslandsorganisation der NDSAP entsprach der Gliederung eines inländischen Gaus mit Hitlerjugend, Arbeitsfront, NS-Frauenschaft oder Volkswohlfahrt. Bereits 1931 hatte sich in Madrid eine erste Ortsgruppe gegründet, ein Jahr später entstand eine Landesgruppe.9 Die Deutschen Schulen und die Auslandslehrer erhielten nach 1933 wie andere Organisationen einen Dachverband erhalten und wurden gleichgeschaltet. Dazu wurde der Gau Ausland des Nationalsozialistischen Lehrerbundes gegründet, um sowohl die ideologische Einbindung als auch die Steuerung der Mitglieder zu gewährleisten.10 Im September 1935 entwarf das Auswärtige Amt eine Regelung zur Vereinheitlichung der Lehrer, denen folgende Aufgabe zukam:11 „[Es ist Pflicht, zur] Durchdringung von der Verantwortung, zu der Schaffung eines dem Dritten Reich ergebenen Auslandsdeutschtum beizutragen, die auswärtige Kulturpolitik des Reiches durch den Einsatz ausgesuchter und erprobter Nationalsozialisten zu fördern, unfähige und unwürdige Elemente auszuscheiden, – getragen von dem Willen des Führers, nach dem der NSDAP die weltanschauliche Erziehung und die nationalsozialistische Auslese der Menschen auf allen Gebieten zufällt.“
Im gleichen Schreiben forderte das Auswärtige Amt, dass Lehrer nur nach einem Gutachten der Auslandsorganisation (AO) der NSDAP vermittelt werden sollten, der Gauleiter bei der Besetzung von Direktorenstellen zustimmen müsse und Lehrer, die nicht dem Nationalsozialistischen Lehrerbund (NSLB) oder der Partei angehörten, nicht ins Ausland gehen sollten. Die Lehrerschaft war somit einer stärkeren Kontrolle durch Amt und Verein ausgesetzt, die sich in den Jahren nach 1936 in Spanien noch verstärkte, da von nun an nicht nur die politische Zugehörigkeit ein Kriterium für die Einstellung in den Auslandsschuldienst war, sondern auch physiognomische Äußerlichkeiten überwacht und, entsprachen sie nicht den Ansprüchen des propagierten Bildes eines/einer Deutschen, beanstandet wurden. Ein Beispiel
8
Vgl. Koop: Fünfte Kolonie, S. 7f.
9
Vgl. ebd., S. 131.
10
Vgl. Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 17.
11
Entwurf des Auswärtigen Amts zur Vereinheitlichung der Lehrer, vom 26.09.1935, in: PAAA R 63665.
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hierfür ist die Lehrerin Edith Hermes, die der Schulverein in Valencia 1944 wegen ihres Aussehens kritisierte:12 „Unsere Schulen sollen Propagandaschulen sein gegenüber dem Gastland. Es möge daher doppelt darauf geachtet werden, dass Persönlichkeiten, mögen sie noch so tüchtig sein, auch äußerlich einigermaßen ansprechen. […] Ein Mannweib passt hier nach Spanien nun aber keinesfalls her […] so etwas ist unmöglich. […] Wenn man unsere Schule auch während der Kriegszeit als Propagandaschule erhalten will – und das ist dringend geboten – so müsste es auch möglich sein, durchzusetzen, daß entsprechende Lehrkräfte freigemacht werden.“
Da es in Spanien für Frauen typisch war, längere Haare zu tragen, darüber hinaus das Abschneiden der Haare eine Strafe für das Tragen unsittlicher Kleidung am Strand war, konzentrierte sich die Kritik hier auf die kurze Frisur von Frau Hermes. Das Aussehen der Lehrerin war somit ein kulturell nicht tragbarer Aspekt für die Schulgemeinde in Valencia, und sie schrieb an das Auswärtige Amt,13 „daß sie in einem unmöglichen Kleid mit einem unmöglichen Hut und mit einem Dackel an der Leine in der Schule erschienen wäre und sich dort vorgestellt hätte. […] daß sie mit ihrem Herrenschnitt weniger Haare hätte, als ich selbst […] unmöglich angezogen und ungepflegt; die wenigen Haare ganz struppig und kaum gekämmt. […] Die spanischen Kinder lachen über sie. […] zumal sie inzwischen auch einige spanische Kinder mit Ohrfeigen bedachte, was […] für spanische Auffassung über Kinderbehandlung völlig unmöglich ist. […] Vor allen Dingen hat sie sich längere Haare zuzulegen und zu verweiblichen. […] Ferner möchte ich fragen, wie es möglich ist, daß das Auswärtige Amt solche Lehrkräfte in das Ausland, vor allem hier nach Spanien schickt.“
Das Beispiel der Lehrerin zeigt, dass die Auslandskolonie bedacht war, in allen Bereichen ein mit den Vorstellungen des Nationalsozialismus kompatibles Deutschlandbild zu vermitteln. Schulverein und Konsulat kontrollierten bei der Auswahl der Lehrkräfte die politische Ausrichtung und die persönliche Eignung der Bewerber. Der Heimatgau behielt sich allerdings ein Mitspracherecht vor. So bewarb sich Lothar Altmeyer Ende 1933 in Barcelona, doch der Gau Köln lehnte seine Einstellung mit folgender Begründung ab:14
12
Brief Schulvorstand an Generalkonsul Noeldeke, Auswärtiges Amt, 01.06.1944, betreffend Aussehen Lehrerin Edith Hermens, Deutsche Schule Valencia, in: Personalakte Edith Hermens, in: PAAA R 63837.
13
Vgl. ebd.
14
Personalakte Lothar Altmeyer, in: PAAA R 63825.
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„Altmeyer stammt aus einer Familie, deren politische Zuverlässigkeit auch heute noch nicht bejaht werden kann. Die Haltung des L. Altmeyer war naturgemäß davon nicht frei; starke konfessionelle Bindungen liegen vor. Die Gesamtbeurteilung durch den zulässigen Gau Köln-Aachen spricht ihm die Eignung für eine Auslandstätigkeit ab.“
Erst ein Jahr später konnte er ausreisen, als ihm der Gutachterausschuss trotz der anfänglich negativen Beurteilung aus nicht genannten Gründen eine Besserung attestierte. Besonders junge Pädagogen, die noch nicht mit den Bildungsidealen der Weimarer Republik in Berührung gekommen waren, hatten gute Chancen, vom Auswärtigen Amt für den Auslandsschuldienst ausgewählt zu werden. In Madrid betrug das Durchschnittsalter des Lehrkörpers gerade einmal 33 Jahre.15 Fritz Koethke, Bruder des langjährigen Leiters der Deutschen Schule Málaga und Direktor der Grundschule in Madrid, lieferte eine exemplarische Beschreibung des Idealtypus eines deutschen Auslandslehrers:16 „Mehr denn je braucht das deutsche Schulwesen in Spanien für seinen neuen Aufbau als Lehrer Kampfnaturen mit soldatischem Charakter, die gewillt sind ihre ganze Kraft für die Schule und das Deutschtum in Spanien einzusetzen.“
Kandidaten für den Auslandsschuldienst unterstrichen in ihren Bewerbungen ihre nationalsozialistischen Ansichten und verbanden ihren Schuldienst mit militärischen Motiven. Lehramtsassessor Ottmar Stehle bewarb sich am 30. Januar 1936 mit folgendem Schreiben beim Auswärtigen Amt für eine Stelle in Spanien:17 „[Es sei] Interesse der Landesverteidigung und der Kulturpropaganda. […] daß für das Auslandsdeutschtum und für die Weltgeltung der deutschen Kultur Wertvolles geleistet werden […]. Zudem hat die Heeresverwaltung ein berechtigtes Interesse, möglichst viele Reserveführer zu bekommen, die fließend Fremdsprachen beherrschen.“
Ein anderes Beispiel ist der Lehrer Rudolf Jacobitz, der sich 1934 zum Auslandsdienst an die Deutsche Schule Barcelona bewarb. Er wollte, so schilderte er in seinem Motivationsschreiben, dazu beitragen, die deutschen Schüler zu Nationalsozialisten zu erziehen und die spanischen als Freunde für das Reich zu gewinnen.18 Während so ein parteikonformer Nachwuchs an die Schule kam, konnten ab 1939 mit dem Kriegsbeginn unliebsame Lehrkräfte durch die Einberufung zur Wehr15
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 102.
16
Zitiert nach: 100 Jahre DSM, S. 102.
17
Personalakte Otto Strehle, in: PAAA R 63665.
18
Vgl. Personalakte Rudolf Jacobitz, in: PAAA R 63839.
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macht vom Auslandsdienst abgezogen werden. Die Auslandsschulen konnten aber gleichzeitig junge Lehrkräfte vor dem Militäreinsatz bewahren, indem sie sie als unabkömmlich erklärten und somit eine Freistellung vom Dienst an der Waffe erwirkten. Das war etwa bei Lothar Altmeyer der Fall, den der Schulverein nicht ziehen lassen wollte.19 Seine anfangs zweifelhafte Gesinnung hatte keine Bedeutung mehr, mit seiner Arbeit leistete er einen wichtigen Beitrag zum Schulbetrieb, und gute Lehrkräfte waren für den Verein schwer zu bekommen, weshalb er sein Personal nur ungern abgab. Neben der Anpassung des Lehrerkollegiums modifizierten einige Schulvereine auch ihre Satzungen, ohne dass es aus Berlin eine entsprechende Order gegeben hätte.20 So schloss Madrid am 24. Februar 1941 alle jüdischen Schüler de facto aus der Schule aus und untersagte jüdischen Eltern die Mitgliedschaft im Verein.21 Direktor Max Johs drängte beispielsweise Albert Merle, seine Tochter von der Schule zu nehmen, da ihr Großvater Jude war.22 Nachdem in den besetzten Gebieten immer wieder die Frage nach der Behandlung jüdischer Schüler aufgetaucht war, vermerkte das Reichserziehungsministerium im Mai 1941:23 „Die Maßnahmen zur Entfernung der Juden von den Deutschen Schulen im Ausland müssen den Landesgesetzen und der politischen Einstellung des Gastlandes angepasst werden. […] Aus außenpolitischen Gründen wurde […] vielfach von einer plötzlichen Ausschließung der früher sehr zahlreichen jüdischen Schüler […] abgesehen und ihre Entfernung durch nach außen nicht allzu auffällige, wenn auch langsamer wirkende Maßnahmen herbeigeführt, besonders durch die grundsätzliche Vermeidung jeder neuen Aufnahme. […] Ob unter den augenblicklichen Verhältnissen eine schnellere Liquidierung möglich erscheint, können nur die örtlichen amtlichen und [sic!] Parteidienststellen entscheiden.“
Für Spanien gab es keinen gegenteiligen Befehl, so dass es im Ermessen der Schulvereine lag, ihre Satzungen zu ändern. Diese rassistisch motivierten Vorgänge waren allerdings kein Spezifikum der Auslandschulen, sondern müssen im Zusam19
Vgl. Personalakte Lothar Altmeyer, in: PAAA R 63825.
20
Vgl. Aktenvermerk über die Behandlung jüdischer Schüler, vom 08.05.1941, in: BAL R 4901/6595.
21
Vgl. PAAA AV34.699: Satzung Madrid 24.02.1941: „No se admiten niños de la raza judía […]. Las personas y casas comerciales alemanas domiciliadas en Madrid […] pueden ser miembros de la Asociación del Colegio Alemán, con excepción de los de la raza judía o mezclados con ella.“
22
Vgl. Comments on the Platzek Proposal, Juli 1945, in: National Archives and Record Administration [NARA] Record Group [RG] 226, UD 127, Box 3, Folder 22.
23
Vermerk Reichserziehungsministerium, 08.05.1941, in: BAL R 4901/6595.
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menhang mit dem weiteren Vorgehen der AO in Spanien betrachtet werden. In Firmen und Verwaltungsapparaten verdrängten die Nationalsozialisten ebenso politische Gegner und in ihren Augen ungeeignetes Führungspersonal. Auf den Vertreter der Germanischen Lloyd in Alicante, Enrique Steinkamp, veranstalteten sie eine regelrechte Hetzjagd und setzten schließlich 1935 seine Kündigung durch.24 Ähnlich erging es den Direktoren der AEG in Madrid, die als unzuverlässige Juden diffamiert und ihrer Posten enthoben wurden. Die im wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich durchgeführten Repressalien hatten direkten Einfluss auf die gesellschaftliche Stellung der Mitglieder in der Community und im Schulverein. In einem Umfeld, in dem jeder jeden kannte, war Widerstand nur schwer möglich. Infolge der engen Verbindungen innerhalb der Auslandskolonie und der Verknüpfung von Firmen und Schule ließ sich die Gleichschaltung leicht umsetzen, da Kritik an ihr im Rahmen der Community oder der Schule leicht dazu führte, dass die finanzielle Existenz und die Karriere des Individuums bedroht wurden. 4.1.1 Übernahme und Durchsetzung der NS-Ideologie in den Schulen Die starke nationale Ausrichtung der Schulen stellte sich, wie in Kapitel 3, gezeigt nicht erst mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten ein, sondern war, bedingt durch die Exilsituation der Schulen, schon immer ein Bestandteil ihrer Identifikation. Ebenso war die körperliche und geistige Erziehung zum ‚Deutschtum‘ fest in den Schulplänen und den außercurricularen Aktivitäten verankert.25 Zwar berichtet die Festschrift zum 75-jährigen Jubiläum der Deutschen Schule Madrid im Rückblick von einem retardierend einsetzenden Nationalsozialismus,26 tatsächlich waren jedoch bereits während der Zeit der Weimarer Republik nationalkonservative Elemente in den Auslandsschulen vertreten, die nun die Basis bildeten für die Durchsetzung der Schulen mit der angeblich neuen Ideologie. Der bereits angesprochene Pfadfinderverein der Deutschen Schule Madrid oder antisemitische Argumentationen in den Auseinandersetzungen in Bilbao machen deutlich, dass das Umfeld der Schulen die Entfaltung nationalchauvinistischer Einstellungen begüns-
24
Vgl. Koop: Fünfte Kolonie, S. 100.
25
Vgl. stellvertretend noch einmal den Jahresbericht Deutsche Schule Madrid, 1902/1903, S. 4: Der erste Wandertag der Schule erstreckte sich über 32 Kilometer durch das umliegende Gebirge und sollte die Widerstandsfähigkeit und die Energie der Schüler steigern.
26
Deutscher Schulverein Madrid (Hrsg.): 75 Jahre Deutsche Schule Madrid, Madrid 1971, S. 16f. (im Folgenden: 75 Jahre DSM).
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tigte. Oft nahmen daher die Auslandsschulen den Systemwechsel in Deutschland positiv auf. Artikuliert hat dies beispielsweise Willy Schulz, Direktor in Madrid:27 „Das grosse deutsche Geschehen wurde von uns mit jener freudigen Bejahung aufgenommen, wie sie aus der Tradition der Schule sich ergeben musste. Wir haben von jeher Parteien keinen Einfluss auf die Schule gewinnen lassen, sondern sind stets den Weg der guten deutschen Sache gegangen. So konnte der Herr Reichskommissar Prof. Dr. Lohmeyer dem Vorstande die Ueberzeugung uebermitteln, dass die Deutsche Oberrealschule in Madrid jenen Geist der neuen Volksgemeinschaft mit der Wahrung des alten, wertvollen Kulturgutes und der gleichzeitigen Erarbeitung des Gedanken der grossen deutschen Schicksalsgemeinschaft schon in sich trage.“
Auch sah er eine besondere Rolle, die den Auslandsschulen nach der Umbruchphase in Deutschland zukam:28 „Wir stehen im härtesten Kampfe um die Anerkennung unserer geistigen Einstellung auf die Erfordernisse des Umbruchs der deutschen Nation, und in diesem Kampfe bleibt der deutschen Auslandsschule eine Sonderstellung vorbehalten.“
Die Umgestaltung des Lehrplans und die Anpassung an NS-Erziehungsziele fanden in Madrid rasche Umsetzung, und dies teils ohne dass bereits offizielle Order aus Berlin eingetroffen war.29 Leiter Willy Schulz berichtete, dass die Schule nicht von offiziellen Stellen reguliert werde. Der Umbau der Schule und die Erziehung zu „mannhaften Vertretern und Vorkämpfern für das Reich“ fanden also auf Eigeninitiative statt. Ein weiteres Indiz hierfür ist die Anpassung des Biologie- und Geschichtsunterrichts hinsichtlich der Rassenkunde, obwohl es dazu noch keine Bestimmungen aus der Heimat gab. Schulz erhielt zudem den Posten als Landesobmann der AO der NSDAP und wurde Leiter der Regionaltagungen der Deutschen Auslandsschulen. Beim ersten Treffen, das er als Vorsitzender führte, referierte er über die neue Weltanschauung, die von den Lehrkräften nicht nur gedacht, sondern gelebt werden müsse.30 Die Gleichschaltung der Deutschen Schulen in Spanien und deren Ausrichtung an den Vorstellungen des Nationalsozialismus waren das Ziel seiner kulturpolitischen Bestrebungen. Schulz machte dies in seinen Reden vor der Schulgemeinde deutlich und ordnete deren Aufgaben der NS-Ideologie unter:31 27
Jahresbericht Deutsche Schule Madrid, 1932/1933, S. 6f.
28
Jahresbericht Deutsche Schule Madrid, 1933/1934, S. 17.
29
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1933/1934, S. 18f.
30
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1934/1935, S. 23.
31
Schulz, Wilhelm, in: Deutsche Schule im Ausland (1935), S. 258, zitiert nach Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 139.
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„Träger der Idee des neuen Deutschlands muss draußen der deutsche Auslandslehrer werden, der in ständigem Wechsel zwischen Heimat und Ausland seine Kräfte auf dem Boden der heimatlichen Erde erneuert. Er soll den Gedanken des Führertums im Sinne Adolf Hitlers hinaustragen. Die Auslandsschule sei in diesem Kampf häufig passiv geblieben. Es gebe nur ein nationalsozialistisches Deutschland, so dürfe es nur noch eine nationalsozialistische deutsche Auslandsschule geben.“
Die Durchdringung der Auslandsorganisation hatte für Schulz jedoch Grenzen. Die Macht der eigenen Schule war für ihn genauso wichtig wie die Anpassung an die NS-Organisation, so untersagte er als Obmann der Landesgruppe die Gründungen von HJ-Sektionen auf der Iberischen Halbinsel, da die Wirkungsmöglichkeiten der Auslandsschulen darunter hätten leiden können. Als Ersatz plante er eine Angliederung an die bestehenden deutschen Vereine.32 Auch wenn der erste Eindruck etwas anderes vermittelt, war das Verhältnis von Schulz zum Nationalsozialismus durchaus ambivalent und sein Handeln so nur infolge der Entfernung und der Isolation der deutschen Gemeinde in Madrid, die sie der Kontrolle der Behörden im Reich teilweise entzogen, durchführbar. So entsprach das Bestehen seiner Pfadfindergruppe beispielsweise nicht dem nationalsozialistischen Absolutheitsanspruch.33 Auch seine feste Verankerung des Religionsunterrichts und der Glaube an Gott waren ein weiterer Widerspruch zur NSIdeologie und führten schließlich mit dazu, dass Schulz 1939 nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs nicht mehr ins Ausland entsandt wurde.34 Sein Nachfolger Max Johs setzte die Schulpolitik ohne religiösen Charakter konsequenter fort und zeigte sich bei Reden, Tagungen und Referaten ähnlich systemkonform wie sein Vorgänger, von dem er auch die Posten in den NS-Verwaltungseinheiten übernahm. Die Gleichschaltung der Auslandsschulen verlief nicht in allen Städten gleich. Die nationalsozialistische Idee, die in Madrid schnell Einzug hielt, setzte sich in Málaga beispielsweise erst nach dem Bürgerkrieg durch. Als Schulleiter Wilhelm Koethke nach Deutschland zurückkehrte, nahm seine Position Fritz Jessel ein, ein „jüngerer Leiter, vertraut mit den nationalsozialistischen Ideen des neuen Deutschlands.“35 Málaga blieb aber trotz des neuen Schulleiters ein Ort, an dem sich eine gewisse Zurückweisung der NS-Ideologie erhalten konnte. So wurde noch 1944 die
32
Vgl. Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 200.
33
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 94.
34
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1934/1935, S. 27: Seine Religiosität wird beispielsweise in der Abiturrede deutlich, in der Schulz betonte, dass der Mensch wurzellos sei, wenn er nicht an Gott glaube.
35
Personalakte Fritz Jessel, in PAAA: R 63839.
122 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
mangelnde Einstellung des Vereinsvorsitzenden Schröder bemängelt, der noch wenig vom nationalsozialistischen Gedankengut aufgenommen habe.36 Während die Kontrolle der Vereine schwierig war, konnten hingegen nonkonforme Lehrer rasch ihren Job verlieren. Ein Pädagoge, dem dieses Schicksal widerfuhr, war der Biologie- und Chemielehrer Hans Leitl, der in Barcelona verdächtigt wurde, jüdischer Abstammung zu sein und eine linke politische Gesinnung zu haben. Der Stimmungsdruck gegen ihn wurde so groß, dass er bereits 1933 seine Stelle verlor.37 Damit entsprach Barcelona der typischen Personalpolitik nach dem Machtwechsel in Deutschland. In anderen Bereichen ordnete sich die Deutsche Schule Barcelona ebenso den Prinzipien der nationalsozialistischen Erziehung unter.38 So betonte sie die Volkstumszugehörigkeit oder die Bedeutung des Faches Sports besonders stark. Den Sport schätzte die Schule zwar schon immer, boten doch sportliche Wettkämpfe eine Möglichkeit, die Außenwirkung der Schule zu steigern. Doch erst nach 1933 erhielt der Unterricht eine neue Deutung: Nun sollte er kämpferische Tugenden wie Angriffsgeist, Durchhaltewillen und Härte im Nehmen fördern. Zusätzliche jugendspezifische Aktivitäten wurden an der Schule durch HJ und BdM an mindestens einem Nachmittag pro Woche durchgeführt. Sportlehrer Gotthilf Vollmer leitete die Treffen, und die Teilnahme an ihnen hatte Auswirkungen auf die schulische Bewertung und Beurteilung der Zeugnisse. Die inhaltliche Schwerpunktsetzung der restlichen Fächer änderte sich ebenfalls. In der Reifeprüfung Deutsch 1933/34 mussten die Abiturienten über „Deutschlands Kampf um die Befreiung von Versailles“ schreiben. Während dieses Thema noch den revisionistischen Ideen der Nachkriegszeit entsprach, passten sich die Aufsatzthemen in den folgenden Jahren dem nationalsozialistischen Gedankengut und dem Kriegsgeschehen an. 1941/42 behandelte die Klasse O7 Aufsätze mit den Themen „Der Soldat als deutsches Mannesideal“, „Der deutsche Anspruch auf den Osten“ oder „Soll die Frau etwas soldatisches an sich haben?“. Der Geschichtsund Erdkundeunterricht propagierte den Nationalsozialismus als Höhepunkt der rassischen Weltentwicklung und erklärte die geopolitische Situation Deutschlands als Volk ohne Land. Der Biologieunterricht musste wissenschaftliche Begründungen für die rassenideologischen Vorstellungen bieten, und der Sinn und Zweck der Nürnberger Gesetze von 1934 nahm einen großen Teil des Unterrichts ein. Parallel zu den innerdeutschen Entwicklungen unterlagen auch die restlichen naturwissenschaftlichen Unterrichtsfächer einer impliziten Weltanschauung, die auf den kommenden Krieg vorbereiten sollte. Während jedoch der Religionsunterricht im Reich
36
Vgl. Bericht Dr. Quandt über Dienstreise nach Spanien, in: PAAA R 63875.
37
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 97.
38
Vgl. im Folgenden ebd., S. 90ff. und Memorandum E. O. Titus, Mai 1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3, Folder 22.
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selbst immer mehr an Bedeutung verlor, blieb er aus Rücksicht auf das Gastland in den Auslandsschulen in Spanien unbehelligt. Der Unterricht zeigte Wirkung: Ein Großteil der Schüler war von den nationalsozialistischen Lehren überzeugt. Als das Kriegsende näher kam und die Nachricht vom Tod Hitlers die Runde machte, entfernte Ferdinand Birk, Schatzmeister der Deutschen Schule Barcelona, das Portrait des Führers. Er sah sich dem Protest zahlreicher Schüler ausgesetzt, für die nach eigenem Bekunden Hitler nach wie vor das höchste Ideal war und es daher für sie nicht in Frage kam, sein Bild abzuhängen.39 Die Schüler waren bereits so stark auf ihren Führer eingeschworen, dass sie die Meldungen aus Deutschland über seinen Tod nicht glauben wollten und weiterhin an ihrer Verehrung festhielten. 4.1.2 Schulneubauten Neben der ideologischen Anpassung erfuhren die Schulen in Spanien in der Zeit des Nationalsozialismus eine starke finanzielle Förderung, die ihren Ursprung bereits in den Jahren zuvor fand. In die Jahre zwischen 1933 und 1935 fiel ein Drittel aller weltweiten Schulneubauten in Spanien. In Cartagena und in Las Palmas errichteten die Schulvereine bald nach dem Regierungswechsel in Deutschland neue Gebäude.40 1935 eröffnete auch in Santa Cruz ein neues Schulhaus in der Calle Enrique Wolfson, das durch viele private Hilfsmaßnahmen, freiwilligen Arbeitsdienst der Schüler und die Reichsregierung finanziert wurde. In einer in einem Eckpfeiler eingemauerten Gründungsurkunde kamen die mittlerweile deutliche Ausrichtung am neuen Regime und die Verbindung des Bauvorhabens mit den politischen Veränderungen in Deutschland deutlich zum Ausdruck:41 „[D]urch den gewaltigen Aufbruch unseres Volkes unter der Fuehrung Adolf Hitlers wurde auch in unserer Kolonie das Gefuehl der Zusammengehoerigkeit gestaerkt und der Wunsche einer engeren Verbundenheit maechtig. […] Die Deutsche Kolonie hat nach dem Vorbilde der Heimat, aufgerufen von der hiesigen Ortsgruppe der N.S.D.A.P. […] mit Pickel und Schaufel selbst mit Hand angelegt am Werke fuer die deutsche Sache. […] Der Tag der Freude aller Deutschen ueber die Heimkehr unserer Saar nach 15 Jahren der Trennung vom Deutschen Reich wurde ausersehen, um den ersten zu legen fuer die Deutsche Schule und das ‚Haus der Deutschen‘ auf Tenerife. […] Er [Anm.: der Grundstein] enthaelt dieses Dokument, daß es fuer spaetere Zeiten kund tue unser Streben und unsere Liebe zum Deutschen Vaterland.“ 39
Vgl. Secret Report Hans Rothe, Datum unbekannt, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3, Folder 22.
40
Vgl. Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 218f.
41
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Santa Cruz 1989/90, S. 53.
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In Barcelona (Grundstücksankauf 1941), Cádiz (Einweihung 1944) und Valencia (Baubeginn 1944) investierten Amt und Vereine nach dem Bürgerkrieg ebenso in neue Grundstücke und Gebäude.42 Selbst in prekären finanziellen Situationen wurden in Granada und Santander zwei Schulen gegründet und ausgebaut. In Madrid plante man sogar noch 1945 kurz vor Kriegsende, einen aufwendigen Neubau zu gestalten, da nach Auffassung der Schule die Stellung Deutschlands in Spanien noch sehr stark war.43 Die bisherigen Räumlichkeiten waren für die Ansprüche, die man im Zeichen der deutsch-spanischen Verbundenheit an die Schule hatte, zu klein. Das Gebäude in der Calle Fortuny wurde aufgestockt und das gegenüberliegende Grundstück vom Schulverein hinzugekauft. Finanziell durch den Krieg stark eingeschränkt, bestand das Auswärtige Amt darauf, dass beim Bau weder Devisenausgaben noch Materiallieferungen zu Lasten des Reiches gehen sollten. Die deutsche Gemeinde hatte unabhängig vom Reich eigene schulpraktische und repräsentative Interessen, den Schulumbau voranzutreiben. Die Finanzierung des Teilbaus erfolgte daher über private Investoren und Kredite einer spanischen Bank. Ein erster Gebäudeteil auf dem neuerworbenen Grundstück konnte mit Beginn des Schuljahres 1944/45 fertiggestellt werden, und bis zum Kriegsende wurde weiterhin am Objekt gebaut. In Bilbao investierten der Schulverein und das Auswärtige Amt ebenso hohe Summen. Es entstand ein neuer Erweiterungsbau, eine Turn- und eine Mehrzweckhalle. Die geringfügigen Schäden, die der Spanische Bürgerkrieg mit sich gebracht hatte, waren schnell behoben, und der zerstörte Autobus der Schule wurde von einer privaten Stiftung ersetzt.44 Es ist bemerkenswert, dass diese Baumaßnahmen noch bis in die Spätphase des Krieges im Jahr 1945 geplant und durchgeführt wurden. Noch im März beriet das Auswärtige Amt in Ausweichquartieren über die Finanzierung der Schulprojekte.45 Eines der vorrangigen Ziele der Außenpolitik war dabei immer noch, die Überlegenheit des Deutschen Reichs zu demonstrieren und diese Botschaft über die Schulen zu transportieren. Der Schulneubau in Valencia wurde sogar als „unbedingt kriegswichtig und vordringlich“46 eingestuft. Einerseits dienten solche Einschätzungen im Auswärtigen Amt als interne Argumentationshilfe gegenüber dem Reichswirtschaftsministerium, um Gelder zu erhalten, andererseits war man aber in der Behörde durchaus von der Nachhaltigkeit der Auslandsschulen und ihrer kulturellen Ausstrahlungskraft überzeugt. Gerade in Anbetracht der drohenden Kriegsniederlage wurde ihr Propagandawert als hoch eingeschätzt, und sie sollten nach ei-
42
Vgl. Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 371.
43
Vgl. 75 Jahre DSM, S. 18.
44
Vgl. 90 Jahre DSBi, S. 48.
45
Vgl. Bericht Quandt, Inspektionsreise Spanien, Mai 1944, in: PAAA R 63875.
46
Geheimer Bericht Quandt an Reichswirtschaftsministerium, in: PAAA R 63879.
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nem Niedergang des Dritten Reichs ein möglicher Ansatzpunkt für den Wiederaufbau kultureller Beziehungen werden:47 „Die Schulen waren dadurch ein wichtiges Propagandainstrument […] um das deutsche Auslandsschulwesen zu erhalten, müßten die wichtigsten Schulen, wenn auch in beschränktem Ausmaße, als Ansatzpunkte für die spätere Weiterarbeit bestehen bleiben.“
Zusätzlich sah man die Investitionen als eine Förderung des eigenen Ansehens im Ausland. Die Konkurrenz zu spanischen und französischen Schulen war allgegenwärtig. Legationsrat Dr. Quandt merkte in seinem Bericht zu seiner Dienstreise in Spanien mit Blick auf die Raumsituation in San Sebastián an:48 „Die von den Spaniern in der Nachbarschaft errichtete Armenschule wirkt neben der deutschen Schule wie ein Palast. [San Sebastián] wird alljährlich von einer großen Zahl von Ausländern aller Nationen besucht. Insofern würde eine moderne deutsche Schule in San Sebastian einen besonderen Ausstrahlungseffekt besitzen.“
Die Schulvereine selbst deuteten die Aufrechterhaltung des Schulbetriebs und den Ausbau der Schulen als ein Symbol der eigenen Stärke. Dies wird in der Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum der Deutschen Schule Barcelona 1944 deutlich:49 „Weltkrieg und Bürgerkriegswirren vermochten nicht ihren Bestand zu erschüttern, ein Zeichen für innere Kraft. Wir leben heute in harter Zeit, aber die Schule leidet keine Not; es ist Sorge getragen, daß sie ungestört ihre Aufgabe erfüllen kann.“
Zudem waren die Auslandsschulen noch bis Kriegsende ein wichtiger Teil der deutsch-spanischen Beziehungen, die durch die Baumaßnahmen gefördert werden sollten. In seiner Ansprache zum 50-jährigen Jubiläum der Schule in Barcelona betonte der deutsche Konsul diesen Aspekt:50 „Ich schloß mit dem Wunsche, daß die Deutsche Oberschule in Barcelona als Symbol und Instrument bester schöpferischer, kultureller Zusammenarbeit zwischen zwei befreundeten
47
Aktenvermerk Steimer, Januar 1944, in: PAAA R 63955b.
48
Bericht Legationsrat Dr. Quandt über Dienstreise in Spanien, 20.07.1944, in: PAAA R 63875.
49
Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum der Deutschen Schule Barcelona 1944, in: PAAA R 63877.
50
Bericht Konsulat über Festakt zum 50jährigen Bestehen der DS Barcelona, 05.05.1944, in: PAAA R 63877.
126 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Völkern, wie in der Vergangenheit, so auch in der Zukunft an dem Ziele unseres heutigen Kampfes, nämlich den europäischen Völkern die Freiheit zur Entfaltung ihrer vielgestaltigen Kultur zu sichern, erfolgreich mitwirken möge.“
Die Baumaßnahmen hatten aber nicht nur propagandistische Gründe. Sie waren aus pädagogischer Perspektive notwendig, da die Schülerzahlen auch während des Krieges kontinuierlich anstiegen und die Schulen an ihre räumlichen Grenzen stießen, so dass die Umbauten unumgänglich waren. Um die anfallenden Kosten für die Baumaßnahmen zu senken, erstellten die Botschaft in Madrid und das Auswärtige Amt Sparprogramme. Verhältnismäßig kleine Positionen, wie die Deutsche Schule in Cartagena, die nach dem Abzug der deutschen Marineoffiziere an kulturpolitischer Bedeutung verloren hatte, sollten geschlossen werden, und nur die gegenwärtige kriegspolitische Situation im Winter 1944 und der Umzug des Auswärtigen Amtes in die Ausweichquartiere nach Krummhübel und die damit verbundenen verwaltungstechnischen Schwierigkeiten veranlassten die Botschaft und das Amt, von einem Antrag auf Auflösung abzusehen.51 Kosten versuchte man auch dadurch einzusparen, dass kranke, pädagogisch ungeeignete oder politisch unzuverlässige Lehrer abberufen wurden.52 Insgesamt stießen die Bauprojekte auf wenig Kritik, einzig das Reichswirtschafsministerium beklagte, dass es „die Weiterführung des Schulneubaus in Valencia nicht für so dringlich halte, dass hierfür Beträge zur Verfügung gestellt werden können, die für andere kriegswichtige Zwecke dringend gebraucht werden.“53 Das Amt plante trotzdem großzügig; einzig in San Sebastián erfüllten sich die Wünsche nach einem Neubau nicht: Als ein Jahr vor Kriegsende Bitten um Gelder in Deutschland eingingen, genehmigten die Behörden diese nicht, und der Schulverein half sich durch private Finanzierungen.54 Abgesehen von kleinen Beschwerden kritisierte niemand die Bauvorhaben grundlegend. Den Schulen selbst lag es fern, ihre eigenen Fördergelder zu hinterfragen; Beanstandungen kamen allenfalls aus der Reihe ehemaliger Lehrkräfte oder Schüler, so etwa vom ehemaligen Schulleiter in Madrid, Willy Schulz, der noch
51
Vgl. Schreiben Deutsche Botschaft an Auswärtiges Amt, 15.12.1944, in: PAAA R 63877.
52
Vgl. Vertraulicher Brief der Deutschen Botschaft an das Auswärtige Am, undatiert, in: PAAA R 63875. So wurde beispielsweise Lothar Altmeyer, der ein zweifelhaftes politisches Führungszeugnis hatte, aus Barcelona abberufen.
53
Vgl. Geheime Notiz Reichswirtschafsministerium, in: PAAA R 63879.
54
Vgl. Deutsche Schule San Sebastián (Hrsg.): 50 Jahre Deutsche Schule San Sebastián 1921–1971, San Sebastián 1971, S. 24.
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Kontakte nach Spanien hatte und den Madrider Neubau folgendermaßen charakterisierte:55 „Überheblich war auch der geplante Schulneubau gegenüber der alten Schule. Die Entwürfe wurden in spanischen Tageszeitungen veröffentlicht. Die Fassade war pomphaft, klassizistisch-nürnbergerisch. Sie hätte alle übrigen Gebäude in Castellana in den Schatten gestellt. Im spanischen Unterrichtsministerium wurden darauf zwei Fragen gestellt: 1. Hat Deutschland den Krieg überhaupt schon gewonnen? 2. Glauben denn die Deutschen, sie seien hier in China?“
Erst nach Kriegsende erkannte man die utopischen Pläne, als die zahlreichen Schulneubauten Spanien als Förderregion erneut in den Fokus kulturpolitischer Überlegungen brachten.56 Eugen Löffler schrieb 1955 über das Vorgehen in Valencia:57 „Wenn man das in bester Lage des Universitätsviertels liegende grosse Grundstück betrachtet, auf dem eine Schule für 1000 Schüler mit Schwimmbad, Sportplatz und allen sonstigen Einrichtungen gebaut werden sollte […] kann man über diese utopischen Pläne nur den Kopf schütteln. Am Ende des Krieges war der Spuk zu Ende.“
In Spanien als neutralem und ab 1936 ideologisch nahestehendem Land war es möglich gewesen, hohe Investitionen in den Ausbau der Auslandsschulen zu tätigen, deren Nachwirken bis weit in die Zeit der Bundesrepublik reichte. Dieser Ausbau während der Zeit des Nationalsozialismus war neben der bereits bestehenden starken Struktur zur Zeit der Weimarer Republik ein weiterer Grund für die heute noch hohe Zahl an Schulen im Land und bildete die Basis für einen Neustart nach 1945. Die monumentalen Pläne machen deutlich, dass das Auslandsschulwesen in Spanien als Propagandamaßnahme angesehen wurde. Die Zurückhaltung der Weimarer Kulturpolitiker gaben die Nationalsozialisten auf; sie griffen auf die expansionistischen Konzepte der Kaiserzeit zurück und wendeten zusätzlich das Format der ‚Propagandaschule‘ auf Spanien an. 4.1.3 Grenzen der ideologischen Durchdringung Die ideologische Durchdringung stieß in einigen Bereichen an ihre Grenzen. Diese sind jedoch nur in persönlichen Lebenserinnerungen überliefert und dadurch stark subjektiv geprägt. Sie lassen jedoch erahnen, dass ein gewisser Grad an ‚Freiheit’ 55
Zitiert nach 100 Jahre DSM, S. 107.
56
Inspektionsbericht Eugen Löffler, 08.07.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 38.
57
Ebd.
128 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
oder ‚Widerstand’ im Sinne von einer aktiven und/oder passiven Gegenwehr gegen die erzwungene Anpassung möglich war. Dies war etwa bei Schülern anderer Nationalität der Fall. So berichtet der Schweizer Leopold Davi, der die Deutsche Schule in Santa Cruz besuchte, er habe nie das Gefühl gehabt, offensichtlich nationalsozialistischer Propaganda ausgesetzt zu sein.58 Ähnliche Berichte sind aus Madrid überliefert, wo trotz des Drucks seitens der Partei ein Klima herrschte, das der totalitären Vereinnahmung bis zu einem bestimmten Grad widerstehen konnte.59 In eine ähnliche Richtung gehen die Erinnerungen von Jordi Puyol, dem ehemaligen katalanischen Ministerpräsidenten, der bis 1945 Schüler an der Deutschen Schule Barcelona war. Obwohl sein Vater anglophil war und dem Nationalsozialismus ablehnend gegenüberstand, meldete er seinen Sohn 1935 an der Deutschen Schule an.60 Deutschland galt trotz des Hitler-Faschismus vielen Spaniern noch als die Heimat von Goethe, Schiller und Kant und war ein Land mit einer hoch geschätzten Industrie und technischem Fortschritt. Puyol fühlte sich an der Schule mit Ausnahme eines Lehrers keiner politischen Beeinflussung ausgesetzt. Er beschreibt die Stimmung als patriotisch, da alle Dozenten einen deutschen Kriegserfolg wünschten. Ab 1939 musste mit dem Hitlergruß und ‚Arriba España‘ gegrüßt werden, der Franco-Gruß blieb aus. Nach 1945 wechselte Puyol an eine spanische Schule, wo er das Bachillerato ablegte. Seine politische Erziehung schildert er in seinen Memoiren als Mischung aus nationalistisch, christlich-sozial und sozialdemokratisch.61 Natürlich handelt es sich hier um die Erinnerungen eines aktiven Politikers, der kein Interesse haben kann, zuzugeben, einer nationalsozialistischen Erziehung ausgesetzt gewesen zu sein. Möglicherweise sind die Erinnerungen der Schriftstellerin Esther Tusquets, die ebenfalls die Deutsche Schule in Barcelona besuchte und wie Puyol über ihre Erfahrungen schrieb, von solchen Erwägungen frei.62 Das Besondere an der Deutschen Schule war in ihren Augen die laizistische Ausrichtung und die Koedukation sowie die hohe Anzahl protestantischer Lehrer. Die Atmosphäre schildert sie einerseits als familiär – Lehrerinnen konnten beispielsweise als ‚Tante‘ angesprochen werden. Andererseits herrschte ein Klima des Wettbewerbs mit mili58
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Santa Cruz 1989/1990, S. 58ff. So schildert Davi, dass er anstelle des Hitlergrußes mit „Heil Schweiz“ grüßen durfte und auch die scherzhafte Umbenennung des Deutschen Nachrichten Bundes in Deutschen Lügenbund ‚nur’ mit einem Verweise geahndet wurde, er danach aber keine Repressalien erleiden musste. Es ist aus der Quelle jedoch nicht eindeutig erkennbar, in welchen Jahren Davi an der Schule war.
59
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 94.
60
Vgl. Puyol, Jordi: Memorias 1930–1980. Historia de una convicción, Barcelona 2007, S. 28ff.
61
Vgl. ebd., S. 45.
62
Vgl. Tusquets, Esther: Habíamos ganado la guerra, Barcelona 2007, S. 67–74.
Zwischen Hitler und Franco | 129
tärischen Aspekten und überbetonter Disziplin. Besonders den Sportunterricht empfand sie als körperlich anstrengend und hart. Schülerinnen mussten bei schlechten Leistungen durch ein Spalier ihrer Mitschüler gehen und wurden verspottet oder erhielten von den Lehrern Ohrfeigen.63 Trotzdem beschrieb auch Tusquets die Erziehungsmethoden als modern, bewertete beispielsweise Einrichtungen wie die Bibliothek als ausgezeichnet und schätzte die akademischen Ergebnisse, so dass sie den Schulbesuch zusammenfassend als positiv bewertete. Ihre Einschätzungen über die Lehrerschaft bestätigten amerikanische Berichte nach Kriegsende:64 „In spite of this [Anm.: Lehrer Vollmer], the reputations of most of the teachers are fairly good except for one or two, who are described and officially known as secret Party agents.“
Ein weiterer Fall ist der Philosoph und Politiker Federico Krutwig, der die Deutsche Schule in Lissabon und in Bilbao besuchte.65 Als Verfechter der baskischen Unabhängigkeit hasste er die spanischen und deutschen Faschisten, deutet aber dennoch in seiner Autobiographie an, dass ihn die Jahre an der Deutschen Schule politisch geprägt hätten. Da es keinen baskischen Unterricht gab, erlernte er die Sprache autodidaktisch und war gleichzeitig einer der besten Schüler am Colegio Alemán. Es fehlen auch bei ihm Hinweise auf eine übertrieben starke Beeinflussung in der Schule; er beschreibt seinen Aufenthalt mit einer Mischung aus Abscheu und Gleichgültigkeit. Der rechtsgerichtete Journalist und Mitglied des spanischen Partido Español Nacional Socialista Ernesto Milá publizierte 2006 auf seinem Blog ein Zitat Krutwigs über seine Zeit in Bilbao. Zwar ging es ihm darum, die Nähe des Nationalsozialismus zur spanischen ETA aufzuzeigen, doch im vorliegenden Kontext gibt es Aufschluss über die Atmosphäre an der DS Bilbao:66 „[L]a educación recibida en el colegio … seguía, sin duda, pautas culturales alemanas, pero creo exagerado calificarlas de nacionalsocialistas, al menos en aquel tiempo … Se hablaba, eso sí, de la gran cultura alemana, de Wagner, pero no se mencionaba al nazismo. Se guardaba una gran discreción […]. Los alemanes han tenido siempre en gran estima el concepto de pueblo, el concepto de nacionalidad … La moderna teoría de las nacionalidades es sin du-
63
Schüler, die im Sportunterricht schlechte Leistungen erzielten, konnten nicht am Abschlussexamen teilnehmen. Vgl. Report on German School Barcelona to Ambassador Butterworth 04.06.1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 4, Folder 22.
64
Ebd.
65
Vgl. Krutwig, Federico: Años de peregrinación y lucha, Tafalla 2014, S. 22f.
66
Zitiert nach: Milá, Ernesto: La influencia del nazismo en el nacimiento de ETA, in: http://infokrisis.blogia.com/2006/041001-la-influencia-del-nazismo-en-el-nacimientode-eta.php (aufgerufen am 12.10.2017).
130 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
da alguna de origen alemán, y me atrevería a decir que esa distinción me ayudó a suscitar en mí el interés por el tema vasco.“
In der 100-jährigen Festchronik der Deutschen Schule Madrid sind weitere Beispiele überliefert, die zeigen, dass sich die NS-Ideologie nicht immer durchsetzen ließ. Hier war vor allem der Einfluss der katholischen Kirche von Bedeutung. Die Parteigruppen vor Ort versuchten, deren Macht zurückzudrängen und Schüler und Lehrer zum Austritt aus der Kirche zu bewegen. Ab Mai 1941 traten jedoch nur 26 Personen aus der evangelischen Kirche aus, und in den Schulen nahm die Schülerzahl im katholischen Religionsunterricht sogar zu.67 Auch der Fall des Lehrers Raymond Mathys in Santa Cruz zeigt, dass die Gleichschaltung der Schulen nicht ohne Konflikte und Widerstand verlief.68 Schulleiter Max Johs (später DS Madrid) drängte auf ein Ausscheiden des flämischen Lehrers, der als einer der Gründer der Institution und als Pädagoge hohes Ansehen in der Schule genoss. Viele Eltern, besonders die spanischen, stellten sich hinter Mathys und machten die Entscheidung des Schulbesuchs ihrer Kinder von seiner Weiterbeschäftigung abhängig. Bei der Frage um seine Zukunft kam es bei der Abstimmung im Schulvorstand zu einer Pattsituation, und einige Mitglieder wandten sich deutlich gegen die nationalsozialistische Erziehung der Kinder. Der Vorstand sprach Schulleiter Johs schließlich zum 1. Juli 1933 das Misstrauen aus und kündigte ihm. Aber auch Mathys musste die Schule verlassen; der anfängliche Widerstand gegen die nationalsozialistische Indoktrination konnte nicht lange aufrechterhalten werden. In den folgenden Jahren wurden weitere nicht konforme Eltern und Lehrer aus dem Vorstand und der Schule gedrängt und ihr Einfluss reduziert.69 Johs beschrieb später in einem Bericht die Schule als „Wahrerin des neuen Geistes“, das Ausscheiden Mathys war für ihn eine notwendige Handlung für eine „nationalistische Schule“.70 Nach Beendigung des Konflikts resümierte er in einem Bericht:71 „Im Laufe des Jahres 33 kam es aus Anlass des Ausscheidens des frueheren Schulleiter Mathys zum offenen Konflikt zwischen dem Vorstand des Schulvereins einerseits und der Deutschen Lehrerschaft und der Opposition der Mehrheit der Deutschen Eltern andererseits. 67
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 103.
68
Vgl. Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 79f. Und Report on German School Barcelona to Ambassador Butterworth 04.06.1945, in: NARA RG226, UD 127, Box 4, Folder 22.
69
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Santa Cruz 1989/90, S. 42.
70
Vgl. Bericht Max Johs über Deutsche Schule, 28.12.1933, in: BAL N12/7325.
71
Vgl. Bericht Max Johs über die Deutsche Kolonie Santa Cruz, 02.01.1934, in: BAL N12/7325.
Zwischen Hitler und Franco | 131
Der Kampf wurde fuer uns tatkraeftig unterstuetzt von dem Ortsgruppenfuehrer der NSDAP, und zugunsten des heutigen Denkens entschieden. Augenblicklich bemueht man sich, den Schulverein auf eine andere Basis unter nationalsozialistischer Fuehrung zu stellen und die Kolonie im nationalsozialistischen Geiste zu einigen.“
War Johs zuvor in Santa Cruz durch sein Vorgehen gegen nicht deutsche Lehrer noch stark kritisiert worden und in Konflikt mit Eltern und Verein geraten, hatte er später in Madrid bessere Voraussetzungen, den nationalsozialistischen Anforderungen an einen Schulleiter gerecht zu werden.72 Ein weiterer Punkt, an dem sich widerständiges Verhalten zeigte, war die Behandlung jüdischer Schüler. Während in Madrid ohne entsprechende Order aus Berlin eine neue Satzung den Schulbesuch von Juden untersagte, behauptete der Rektor der Universität in Barcelona nach dem Krieg, dass noch bis 1943 Schüler jüdischen Glaubens an der Deutschen Schule Unterricht erhielten.73 Zweifelhaft an dieser Bemerkung ist jedoch die Tatsache, dass deren Anzahl im Laufe des Krieges stieg. 1933 waren nach seiner Angabe 23 jüdische Schüler eingeschrieben, 1939 nach dem Bürgerkrieg nur zwei, aber 1942 angeblich wieder acht und 1943 zwölf.74 Eine andere Schule, in der sich eine abweichende Judenpolitik zeigte, war in Vigo. Dort erlaubte der Verein eine Mitgliedschaft unabhängig von Rasse und Religion, es fehlen jedoch verlässliche Mitgliederstatistiken, die zeigen können, ob sich dies in der Realität widerspiegelte.75 Die vermutete Toleranz in Barcelona erwuchs nach Meinung der Schule aus dem Zusammenleben von Deutschen mit Spaniern und anderen Nationalitäten.76 Bei der Besetzung des Lehrerkollegiums herrschte sie allerdings nicht, erwartete man doch vom Personal, dass es dem nationalsozialistischen Bildungs- und Menschenideal entsprach. 77 In Bilbao hingegen verschwanden die Namen jüdischer 72
Vgl. Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 82.
73
Vgl. Satzung der Deutschen Schule Madrid 24.02.1941, in: PAAA AV 34.699. In Málaga und Cádiz untersagte der Verein jüdischen Schülern ebenfalls den Zugang; vgl. Table of contents. The problem of the former German Schools in Spain, in: NARA RG226, UD 127, Box 3, Folder 22.
74
Vgl. Schreiben des Rektors der Universidad Barcelona an Ministerio Asuntos Exteriores am 26.03.1953, in: Archivo General de la Administración [AGA] 82/20880.
75
Table of contents. The problem of the former German Schools in Spain, in: NARA RG226, UD 127, Box 3, Folder 22.
76
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 90.
77
Vgl. Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 146ff. So wurde bei der Tagung des Landeslehrerverbands 1933 in Spanien den Lehrern Rassen- und Volkslehre nähergebracht, da der Lehrer als persönliches Beispiel vorangehen sollte. Zudem wurde der Geschichtsunterricht an die NS-Ideologie angepasst. Die Anpassung des Curriculums und
132 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Mitschüler aus den Listen, und ebenso tauchten ihre Eltern nicht mehr in den Mitgliederstatistiken des Schulvereins auf. Vorstand Wilhelm Pasch versuchte dabei, so berichtet es die Festchronik, einen vorsichtigen, taktierenden Kurs zu steuern und möglichst viele unpolitische Mitglieder im Vorstand zu halten. So ernannte er beispielsweise den ehemaligen, zwangspensionierten Konsul Eickhoff nach 1933 zum Ehrenvorstand.78 Ob dies eine gute Wahl war, scheint fraglich. Sein Vetter fiel bereits 1927 während des Konflikts mit dem ehemaligen Vorstandsmitglied Benito Lewin durch antisemitische Äußerungen auf. Legationsrat Gottfried von Waldheim gab in seinem ersten Bericht nach Kriegsende einen weiteren Einblick in die ablehnende Haltung einiger Vereine:79 „Nur in der Nazizeit ist versucht [worden] – gegen den Willen der Schulvereine – bestimmte Lehrkräfte […] durch […] Anordnung unterzubringen. Die Schulvereine in Spanien haben sich dem weitestgehend entzogen, ich bin […] Zeuge gewesen, wie versucht wurde, die Satzungsänderungen zu verschleppen[…], wie Sitzungen verlegt wurden, damit der Ortsgruppenleiter nicht zugezogen wurde.“
Für Waldheim spielten dabei vor allem die religiöse Ausrichtung der Schulen und der in Spanien stark verwurzelte Katholizismus eine wichtige Rolle:80 „Ich glaube, das Deutschtum in Spanien hat schon zweimal bewiesen, dass es seine Kinder nur religiös erziehen lassen will. […] gegen das Dritte Reich: nicht nur den katholischen Kindern, sondern auch nichtkatholischen [gab man], wo es nur irgendmoeglich war, die Möglichkeit religiöser Unterweisung.“
Diese im Rückblick geäußerte Sichtweise stellte aber eine Ausnahmen dar, denn trotz mancher Versuche, sich dem Nationalsozialismus zu entziehen, wurden alle Schulvereine und ihr Personal gezwungen beziehungsweise waren von sich aus bereit, der Parteilinie zu folgen. Die Bewahrung des ‚Deutschtums‘ und die Konzentration auf deutsche Tugenden waren dabei erneut das Kontinuum und erhielten ab 1933 eine neue völkische Prägung. Die grundlegenden ideologischen Überzeugungen des Nationalsozialismus trug der Großteil der deutschen Gemeindemitglieder mit. Zusätzlich ergaben sich für die Schulen durch die verstärkte Förderung viele finanzielle Vorteile, investierte doch die NS-Regierung spürbar in die Prestigeobjekte in Spanien. Schulvereine, Lehrer und Eltern akzeptierten so die Eingliederung der Lehrpläne lief an den Schulen parallel. Auch in Madrid (vgl. 100 Jahre DSM, S. 105) wurde der Fächerkanon der NS-Ideologie untergeordnet. 78
Vgl. 90 Jahre DSBi, S. 46.
79
Aktenvermerk von Waldheim, 02.05.1951, in: PAAA AV 7670.
80
Ebd.
Zwischen Hitler und Franco | 133
in das NS-System, garantierte sie doch den Weiterbestand der Schule und ermöglichte einen finanziellen und strukturellen Ausbau. Die häufig positive oder verharmlosende Darstellung in den Jahresberichten bleibt fraglich und ist insofern kritisch zu hinterfragen.
4.2 DER SPANISCHE BÜRGERKRIEG UND SEINE FOLGEN Der Beginn des Bürgerkriegs im Jahr 1936 beeinflusste die Geschichte der Auslandsschulen in Spanien nachhaltig. Erstmals sorgten innenpolitische Geschehnisse für eine zeitweilige Schließung der Anstalten. Der Sieg Francos näherte schließlich das Land politisch Hitler-Deutschland an und sorgte für eine Intensivierung der deutsch-spanischen Beziehungen unter faschistischen Bedingungen. Eine wichtige Rolle spielten dabei zunächst die militärischen und wirtschaftlichen Verknüpfungen. Bereits im Vorfeld der Kampfhandlungen sah die deutsche Rüstungsindustrie Chancen auf neue Absatzmärkte und erklärte ihren Handel mit Waffen zum vorrangigen Ziel der auswärtigen Politik. 81 Drei Tage nach dem Ausbruch der Kriegsrevolten ging in Deutschland eine Bitte Francos nach Flugzeugen und Truppentransporten ein – die kriegswirtschaftlichen Hoffnungen der Reichsgruppe Industrie erfüllten sich schnell.82 Mit den Waffenlieferungen wollte die deutsche Regierung vor allem die Aufständischen unter Franco unterstützen,83 Anfragen der republikanischen Regierung hingegen behandelte man bewusst dilatorisch.84 Die aktive Intervention und Beteiligung Deutschlands war eine neue Etappe der militärischen Zusammenarbeit. Aus kulturpolitischer Perspektive war sie hingegen eine zusätzliche Bürde.85 Die Unterstützung basierte anfänglich auf Waffenlieferungen, sah Hitler doch von einem aktiven Eingreifen vorerst ab – der Sieg Francos konnte noch nicht als sicher gelten, und im Falle seiner Niederlage hätte sich die Meinung der Weltöffentlichkeit und des spanischen Volkes gegen Deutschland ge-
81
Reichsgruppe Industrie an das Auswärtige am (24.09.1935), in: Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik (Serie C/Bd. 4,2), Göttingen 1975, S. 631–639 (Nr. 303), S. 639.
82
Vgl. Konsulat in Tetuán an das Auswärtige Amt (22.07.1936), in: Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918–1945 (Serie D/Bd. 3), Baden Baden 1951, S. 5 (Nr. 2).
83
Vgl. Kanzler Wegener an das Auswärtige Amt (29.07.1936), in: ADAP (Serie D/Bd. 3), S. 16 (Nr. 16).
84
Vgl. Gesandschaftsrat Schwendemann an das Auswärtige Amt (02.08.1936), in: ADAP(Serie D/Bd. 3), S. 20 (Nr. 23).
85
Vgl. De La Hera Martínez: La política cultural, S. 442.
134 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
wandt.86 In der sogenannten Canaris-Aussprache in Rom einigten sich Italien und Deutschland zunächst darauf, keine geschlossenen Verbände nach Spanien zu schicken.87 Mussolini hielt sich jedoch nicht an diese Absprachen und entsandte mehrere Divisionen nach Spanien, um dort einen Erfolg Francos zu erzwingen.88 Hitler überließ ihm zunächst das Feld; noch neigte er dazu, den Italienern den Vortritt bei der militärischen Intervention zu lassen. 89 Doch seine Einstellung änderte sich schnell, denn trotz der offiziellen Zurückhaltung beteiligten sich deutsche Einheiten sowohl freiwillig als auch abkommandiert an den Kriegshandlungen. Die Zerstörung Guernicas durch deutsche Bomber war nur eines von vielen deutlichen Zeichen der aktiven Unterstützung. Offiziell dementierte Berlin eine Beteiligung deutscher Einheiten an der Zerstörung der Stadt, und die deutsche Propaganda schrieb die Schuld bolschewistischen Truppen zu.90 Tatsächlich war der Angriff geplant und befohlen worden; wie Luftwaffenchef Herman Göring später bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen zugab, bot er eine Übungsmöglichkeit für die technische Ausstattung der deutschen Luftwaffe.91 Die deutsche Regierung bemühte sich, diese Version zu vertuschen, und Hitler lehnte eine genauere Untersuchung des Falles Guernicas vehement ab.92 Die Zerstörung der baskischen Stadt ist – und dies nicht nur, weil Pablo Picasso dem Geschehen bestürzenden Ausdruck verliehen hat – zu einem tiefen Einschnitt in der Erinnerungskultur der deutschspanischen Beziehungen und zu einer der spürbarsten Erfahrungen der faschistischen Kooperation geworden. Dabei war Guernica keineswegs ein Einzelfall, und
86
Vgl. Aufzeichnungen des Ministerialdirektors Dieckhoff (ohne Datum), in: ADAP (Serie D/Bd. 3), S. 134 (Nr. 145).
87
Vgl. Aufzeichnungen des Ministerialdirektors Dieckhoff (11.12.1936), in: ADAP (Serie D/Bd. 3), S. 142 (Nr. 151).
88
Vgl. Deutscher Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt (20.12.1936), in: ADAP (Serie D/Bd. 3), S. 148 (Nr. 158).
89
Vgl. Gesandter von Erdmannsdorff an Botschafter von Welzeck (31.12.1936), in: ADAP (Serie D/Bd. 3), S. 169 (Nr. 179).
90
Vgl. Staatssekretär an die Botschaft in Salamanca (04.05.1937), in: ADAP (Serie D/Bd. 3), S. 238 (249).
91
Göring gab zu Protokoll: „[…] ich drängte lebhaft, die Unterstützung unter allen Umständen zu geben. Einmal, um der Ausweitung des Kommunismus an dieser Stelle entgegenzutreten, zum zweiten aber, um meine junge Luftwaffe bei dieser Gelegenheit in diesem oder jenem technischen Punkt zu erproben.“ Der Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof. 14. November 1945 – 01. Oktober 1946 (Bd. 9), Nürnberg 1947, S. 317.
92
Vgl. Aufzeichnungen des Staatssekretärs (15.05.1937), in: ADAP (Serie D/Bd. 3), S. 246 (Nr. 258).
Zwischen Hitler und Franco | 135
die deutsche Kriegsteilnahme führte bei weiten Teilen der republikanischen Gefolgsleute zu einem tiefen Hass gegenüber allem Deutschen. In Madrid verschärfte sich infolge der Teilnahme deutscher Flugzeuge an Luftangriffen die antideutsche Stimmung. Es kam zu mehreren Ausschreitungen, die Sicherheit der deutschen Kolonie und der Botschaft war nicht mehr gewährleistet.93 In allen Regionen des Landes setzte eine Massenflucht der Spaniendeutschen ein: Schulen, Institutionen und wissenschaftliche Vertretungen mussten schließen. 94 Hinzu kamen weitere Kriegsfolgen, die sich negativ auf die deutschen Kultureinrichtungen auswirkten: Eigentum wurde konfisziert, Gebäude wurden zerstört und deutsche Bewohner vertrieben. Für Spanien selbst und seine Bürger hatte der Krieg ebenfalls gravierende Konsequenzen. Das Volkseinkommen sank auf das Niveau des Jahres 1914,95 ein drastischer Rückgang, den auch die im Ort verbliebene deutsche Community deutlich zu spüren bekam, da der Handel nahezu vollständig einbrach. Den Sieg Francos begrüßte der Großteil der Deutschen in Spanien, da ihrer Ansicht nach keine andere Regierungsgewalt in der Lage gewesen wäre, sie und ihr Eigentum zu schützen.96 Eine Mischung aus ideologischer Überzeugung und opportunistischer Schutzbedürftigkeit sorgte bei den Spaniendeutschen für eine reibungslose Akzeptanz des neuen Staatssystems, konnte man doch nun wieder den alltäglichen Geschäften nachgehen, insbesondere da man als Deutscher seitens der FrancoRegierung, sofern man sich nicht gegen sie stellte, keine Repressalien zu befürchten hatte. Da aber Francos ‚nuevo estado‘ zu Beginn keinerlei kulturpolitischen Dialog mit seinem neuen faschistischen Partner suchte, war diese Phase der kulturellen Beziehungen besonders eindimensional und schwach ausgeprägt. Nach wie vor entwickelte sich kein Pendant zu den deutschen Kultureinrichtungen, während diese zu Teilen bereits während des Bürgerkriegs ihre Arbeit wieder aufnahmen. In Deutschland gab es weder spanische wissenschaftliche Einrichtungen noch ein starkes Netz von Schulen oder spanischen Bibliotheken.97 Außerdem erschwerte die politisch-religiöse Symbiose von Kirche und Staat, wie sie Spanien seit Franco wieder verstärkt betrieb, eine stärkere Zusammenarbeit. Der Katholizismus in Spanien und der Nationalsozialismus in Deutschland waren in ihrer Grundidee unvereinbare Strömungen und widersprachen sich in zahlreichen ideologischen und poli-
93
Vgl. Geschäftsträger in Madrid an das Auswärtige Amt (29.08.1936), in: ADAP (Serie D/Bd. 3), S. 53 (Nr. 62).
94
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 421.
95
Vgl. Bernecker: Geschichte Spaniens, S. 177.
96
Vgl. Rundtelegramm des Ministerialdirektors Dieckhoff (18.11.1936), in: ADAP (Serie D/Bd. 3), S. 114 (Nr. 124).
97
Vgl. De La Hera Martínez: La política cultural, S. 439.
136 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
tischen Aspekten. Hier wurde die Kluft zwischen den fundamentalen Ideen der staatlichen Dogmen in Deutschland und Spanien deutlich.98 Die Vertreibung vieler spanischer Intellektueller während des Bürgerkriegs sorgte für eine zusätzliche Störung der Kulturbeziehungen, zumal sie als Bildungsbürger potentielle Kunden der Auslandsschulen waren.99 Zu den rund 5.000 ins Exil abgewanderten Intellektuellen zählten zahlreiche Diplomaten, Lektoren und Wissenschaftler, die sich bis dahin um die kulturellen Beziehungen zwischen den beiden Ländern verdient gemacht hatten.100 Während es so kulturpolitisch zu einer Stagnation im Austauschverhältnis kam, entwickelten sich militärpolitisch durch das Eingreifen Deutschlands in den Bürgerkrieg neue, vielschichtige Verbindungslinien. Bei der Unterstützung im Krieg dominierten primär ökonomische Gründe.101 Die Auseinandersetzung auf der Iberischen Halbinsel wurde für die nationalsozialistische Propaganda zudem ein Kampf gegen den Bolschewismus.102 Hitler sah sich so einerseits in seiner militärischen Stärke bestätigt, konnte doch Franco nur mit seiner Hilfe gewinnen, andererseits unterstützte der deutsche Diktator seinen neuen ideologischen Partner.103 Der Antibolschewismus war das einende Band der beiden Staatschefs. In anderen Bereichen gab es hingegen mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten, eine enge Beziehung, wie sie zwischen dem Duce und Hitler herrschte, kam so nie zustande. Ein Grund dafür waren unter anderem die ungleichen Führerpersönlichkeiten.104 Der deutsche Diktator entwickelte im Gegensatz zu seinem spanischen Pendant eine allumfassende Diktatur und betrachtete sich selbst als Machtzentrum Europas. In Franco sah er nur ein ‚opportunistisches Männchen‘ im Schatten des Deutschen Reiches.105 Dieses Überlegenheitsgefühl gegenüber dem spanischen Partner zeigte sich in dieser Phase in vielen Bereichen der binationalen Beziehungen und war Teil der ideologischen Überheblichkeit des NS-Staates. Mo98
Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 421.
99
Vgl. Díaz García, Elias: Intellektuelle unter Franco. Eine Geschichte des spanischen Denkens von 1939–1975, Frankfurt am Main 1991, S. 15.
100 Vgl. Pöppinghaus: Moralische Eroberungen, S. 423. 101 Vgl. García Pérez, Rafael: Franquismo y Tercer Reich. La vertiente económica del Nuevo Orden, in: Bernecker, Walther (Hrsg.): España y Alemania en la Edad Contemporánea, Frankfurt am Main 1992, S. 197–209, S. 197. 102 Vgl. Bernecker, Walther: Alemania y la Guerra Civil Española, in: Bernecker, Walther (Hrsg.): España y Alemania en la Edad Contemporánea, Frankfurt am Main 1992, S. 137–159, S. 140. 103 Vgl. ebd., S. 138. 104 Vgl. Fusi Aizpura, Juan: Franco e Hitler. Aproximación biográfica al estudio comparativo de dos regímenes, in: Bernecker, Walther: España y Alemania en la Edad Contemporánea, Frankfurt am Main 1992, S. 159–173, S. 161. 105 Vgl. ebd., S. 170.
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tive des 19. Jahrhunderts von der spanischen Rückständigkeit fanden wieder Anwendung in der Beschreibung der Spanier. Die einzige ideologische Basis zwischen den beiden Diktaturen blieb demnach die Abwehr des Kommunismus.106 Hitlers Außenpolitik beschränkte sich im spanischen Fall auf zwei zentrale Aspekte: die Abwehr der bolschewistischen Gefahr und das Problem des Lebensraums Ost. Ein Sieg der republikanischen Truppen im Bürgerkrieg hätte für Hitler die Gefahr bedeutet, sich in Frankreichs Nachbarland einem neuen Gegner gegenüberzusehen. Das Eingreifen in den Bürgerkrieg hatte daher neben den genannten wirtschaftlichen und ideologischen vor allem auch militärtaktische Gründe, da sich Hitler so den Rücken freihalten konnte.107 Spanien war ein potentieller Partner gegen den bolschewistischen wie auch gegen den französischen Feind.108 Die Einigung auf gemeinsame Gegner zeigte sich in verschiedenen Vertragswerken, so etwa dem Geheimabkommen 1937, das Verträge mit Drittstaaten untersagte, die sich gegen den jeweils anderen richteten.109 Am 27. März 1939 trat Spanien dem Anti-Komintern-Pakt bei und unterzeichnete vier Tage später einen weiteren Freundschaftsvertrag mit Deutschland, der die spätere Neutralität im Zweiten Weltkrieg vorwegnahm.110 In der deutschsprachigen Gemeinde blieben sowohl die Kriegsverbrechen der Deutschen in Spanien als auch der faschistische Schulterschluss offiziell unkommentiert. Das bedeutet aber nicht, dass die politischen Veränderungen keinen Einfluss auf das Alltagsleben der Spaniendeutschen gehabt hätten. Der Machtwechsel in Deutschland und die politischen Krisen sowie der Bürgerkrieg in Spanien führten beispielsweise zu einem Wandel in der Bevölkerungsstruktur. Es bildeten sich zwei Gruppen in der deutschen Kolonie heraus:111 Die erste bestand aus Personen, die aus verschiedenen Gründen schon seit Jahren in Spanien lebten und nach 1933 zumeist deutlich mit der NSDAP und ihren Auslandsorganisationen sympathisierten. Die zweite Gruppe setzte sich aus Emigranten zusammen, die nach der Machtübernahme Hitlers aus politischen Gründen Deutschland verlassen hatten und in Spanien mit der republikanischen Seite sympathisierten. In den Einrichtungen der Auslandskolonie kam es zu Auseinandersetzungen und zu internen Meinungskämpfen, die sich häufig an der nationalsozialistischen Propaganda entzündeten. Diese politischen Debatten standen in den Auslandsschulen zwar nicht auf der offiziellen Agenda, doch trugen Eltern, Lehrer und der Schulvorstand ihre Meinungen und politischen Vorstellungen in das Schulumfeld hinein. 106 Vgl. Bernecker: Alemania y la Guerra Civil, S. 141. 107 Vgl. ebd., S. 145. 108 Vgl. De La Hera Martínez: La política cultural, S. 442. 109 Vgl. Protokoll (20.03.1937), in: ADAP (Serie D/Bd. 3), S. 219 (Nr. 234). 110 Vgl. Fusi Aizpura: Franco e Hitler, S. 160. 111 Vgl. Bernecker: Alemania y la Guerra Civil, S. 154.
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4.2.1 Einfluss der Kriegshandlungen auf die Deutschen Schulen Der Bürgerkrieg führte in den Schulen zu tiefgreifenden Problemen. Einige von ihnen mussten bei Ausbruch des Krieges geschlossen werden. Da der Beginn der Kampfhandlungen in die Zeit der Sommerferien fiel, waren viele Deutsche in den Urlaub abgereist, konnten aber nun nicht mehr in die Kriegsgebiete zurückkehren. Die restlichen Gemeindemitglieder mussten evakuiert werden und flohen in andere Regionen Spaniens oder gingen nach Deutschland.112 Die NSDAP und der Madrider Direktor Willy Schulz organisierten dort zwei Internate: Die Jungen brachten sie in Königswinter unter, die Mädchen kamen nach Herchen bei Siegen. Die Schulheime für die Schüler hatte die AO der NSDAP in Zusammenarbeit mit den zuständigen staatlichen Behörden geschaffen, betreut wurden sie vom Hilfsausschuss für die Spaniendeutschen. Die nicht vom Krieg betroffenen Schulen, meist im Einflussgebiet der Truppen Francos gelegen, konnten nach kurzer Zeit wieder den Schulbetrieb aufnehmen, und in Gegenden, die nicht in die Kämpfe involviert waren, konnten sie ohne Unterbrechung ihren Aufgaben nachgehen. In Santa Cruz wurde in dieser Zeit sogar ein neues Schulgebäude eröffnet.113 Auch in Las Palmas konnte infolge der geographischen Lage abseits der militärischen Schauplätze der Verein den Betrieb ununterbrochen beibehalten. Eine weitere Schule, die trotz des andauernden Bürgerkriegs durchgehend geöffnet blieb, war die Deutsche Schule Zaragoza.114 Sie hatte noch im Sommer 1936 einen Erweiterungsbau beschlossen, der mit Schuljahresbeginn am 15. September 1936 bezogen werden sollte. Am ersten Tag des Schuljahres 1936/37 waren jedoch alle deutschen Lehrer noch in Deutschland; das Lehrerkollegium musste mit Hilfskräften aufgestockt werden, so dass es mit vier deutschen Lehrkräften, einer deutschen Kindergärtnerin und einer spanischen Lehrerin am Ende des Jahres wieder vollzählig war. Die Schule hatte anfangs keine Probleme in der Stadt, die Lage verschlechterte sich jedoch durch die wiederholten und zahlreichen Luftangriffe, die immer mehr zu kurzen Unterbrechungen im Schulbetrieb führten. Im Keller wurde ein Luftschutzraum eingerichtet, in dem die Schüler Zuflucht suchen sollten. Wegen der Gefahr der Bombardements nahmen zahlreiche Eltern ihre Kinder von der Schule und schickten sie zu Verwandten aufs Land. Die Schülerzahl sank infolgedessen um rund 50 Prozent. Trotz dieser für die Schule schwierigen Situation versuchte der Verein, den Alltag aufrechtzuerhalten, und feierte regelmäßig Schulfeste. Willy Schulz, der Zaragoza im Auftrag des Auswärti112 Vgl. Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 291f. und ausführlicher: Norden, Jörg van: Heim ins neue Deutschland Adolf Hitlers. Die Evakuierung der Spaniendeutschen während des Spanischen Bürgerkriegs, Saarbrücken 1998. 113 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Santa Cruz 1989/90, S. 43f. 114 Vgl. Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 293f.
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gen Amtes besuchte, übermittelte den besonderen Dank der amtlichen Stellen für die Durchführung des Schulbetriebs in diesen schweren Zeiten und in unmittelbarer Nähe zur Front. Schulz, als Sympathisant der NS-Politik propagierte die ununterbrochene Arbeit des Vereins als ein Zeichen der Stärke Deutschlands und deutete die Arbeit des Vereins als Erfolg der deutschen Bildungsarbeit. In Málaga verlief die Front ebenso nahe der Stadt, im Gegensatz zu Zaragoza hatte die Schule aber schwerer unter den Folgen des Bürgerkriegs zu leiden. Maria Krusche, Ehefrau des ehemaligen Schulvorstands, berichtete später von Ermordungen und Hinrichtungen an der Oberschicht der Stadt, zu der auch einige Deutsche und andere Ausländer gehörten.115 Besonders gegen die reichen Grundbesitzer entlud sich die Wut der verarmten Bevölkerung. Deutsche Händler und deren Einrichtungen wurden im Zuge von Plünderungen überfallen und Häuser und Wohnungen besetzt. Auch die Schule fiel Plünderern zum Opfer, und viele Akten gingen in dieser Phase verloren. Mit der Einnahme der Stadt durch die Truppen Francos im Jahr 1937 beruhigte sich die Situation für die deutsche Bevölkerung, doch das Morden und Inhaftieren nahm unter Franco kein Ende, nur dass diesmal vor allem die einheimische Bevölkerung unter den Folgen zu leiden hatte. Obwohl die Front des Bürgerkrieges in den folgenden Jahren nur zwei Kilometer von Málaga entfernt verlief, normalisierte sich das Leben in der Stadt schnell, und die Schule konnte nach nur wenigen Wochen der Schließung ihren Schulbetrieb wieder aufnehmen. Damit war Málaga kein Einzelfall. Nach den Gebietsgewinnen Francos kam es in mehreren Orten wieder zu einem regulären Schulleben. 1938 meldete die deutsche Botschaft aus ihrem Ausweichsitz in San Sebastián elf Schulen mit 75 Klassen, die zu diesem Zeitpunkt betriebsfähig waren.116 Die Probleme waren dennoch unübersehbar: In Cádiz waren, bedingt durch den Krieg, alle deutschen Schüler mit einer einzigen Ausnahme weggezogen, so dass nur noch Spanier die Schule besuchten. In Vigo und Zaragoza nahm die Anzahl deutscher Schüler ebenso drastisch ab. Dies sollte später dazu führen, dass diese Schulen schließen mussten oder ihren Status als anerkannte Auslandsschule verloren, da sich die deutschen Gemeinden von der Abwanderung während des Bürgerkriegs nicht mehr erholten und nur noch mehrheitlich spanische Kinder eingeschrieben waren.117 Die drei größten Schulen in Madrid, Valencia und Barcelona konnten bis 1939 keinen Unterricht durchführen. In Barcelona waren kommunistische Truppen in das Gebäude der Schule eingedrungen und hatten Teile der Einrichtung zerstört oder 115 Vgl. 100 Jahre DS Málaga, S. 92f. 116 Dies waren Santa Cruz, Cádiz, Zaragoza, San Sebastián, Vigo, Sevilla, Las Palmas, Puerto de la Cruz, Málaga, Bilbao und Santander; vgl. Korrespondenz der Deutschen Botschaft San Sebastián, in: AGA Leg. 19925 32/65-126. 117 Vgl. dazu die Erklärungen in Kapitel 6.3.1. zur Schließung der Deutschen Schule Zaragoza.
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geplündert.118 Sie betrachteten die Schule als deutsches Eigentum und damit als faschistische Anstalt. Erst der vehemente Einsatz des Vorsitzenden Ernst von Steindorff bei der republikanischen Generalität sorgte dafür, dass das Gebäude verschont blieb und nicht zerstört wurde. Stattdessen nutzten es die revolutionären Gruppen selbst als Lehranstalt, und zeitweise diente es als katalanische Schule oder für Schreibmaschinenkurse. Dadurch überstand das Gebäude den Bürgerkrieg, so dass die deutsche Kolonie es nach der Eroberung durch Francos Truppen wieder in Besitz nehmen konnte. Zu ähnlichen Vorkommnissen kam es in Madrid, als republikanische Milizen die Gebäude durchsuchten und Akten und Einrichtungsgegenstände beschlagnahmten.119 In der Hauptstadt stand man der deutschen Bevölkerung größtenteils feindlich gegenüber, und 700 Mitglieder der Kolonie suchten aus Angst vor Übergriffen in der Botschaft, die bei der republikanischen Regierung noch diplomatischen Schutz genoss, Zuflucht.120 Gerade die Angriffe deutscher JU52-Bomber auf Madrid führten zu einer zunehmenden Furcht vor Racheakten; über 2.000 Mitglieder der Kolonie flohen aus diesem Grund aus der Stadt.121 Das verlassene Schulgebäude funktionierten Soldaten zu einer Kaserne um, Einrichtungsgegenstände wie Bänke, Turngeräte und Lehrmaterial zerstörten sie dabei. Das Kindergartengebäude und den Garten des Schulgebäudes trafen Bomben, was später zu hohen Reparaturkosten führte.122 Die deutsche Propaganda instrumentalisierte diese Verwüstungen und nutzte sie zur antikommunistischen Diffamierung. In einem Aufsatz in der NSLBeigenen Zeitschrift Der Deutsche Erzieher im Ausland versuchten die Autoren, „ein eindrucksvolles Bild von den Methoden des bolschewistischen Regimes zu vermitteln“, und stellten die Zerstörungen in der Schule als ein Werk kommunistischer Barbaren dar.123 Max Johs, inzwischen Direktor in Madrid, fand ähnlich klare Worte über die von ihm als „rote Machthaber“ bezeichneten republikanischen Truppen. Im Jahresbericht von 1939 bezeichnete er sie als „verkappte Anarchisten“, welche die Schule besetzt hätten.124 Zerstörungen, die durch die Truppen Francos erfolgten, wurden hingegen nicht dokumentiert oder kommentiert. In Valencia, das sich während des gesamten Bürgerkriegs im von der Republik kontrollierten Gebiet befand, musste die Schule ebenfalls schließen. 125 Bei der Rückkehr in die Schule fanden die Vereinsmitglieder ein Trümmerfeld vor, das pri118 Vgl. 100 Jahre DSB, S. 100. 119 Vgl. Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 292. 120 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 95. 121 Vgl. ebd., S. 96f. 122 Vgl. Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 295. 123 Zitate nach Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 295. 124 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1939/1940, S. 11. 125 Vgl. 100 Jahre DSV, S. 73.
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vat finanzierte Maurer, Maler und Handwerker beseitigen mussten.126 Der Schulverein und das aus bis zu 13 Lehrkräften bestehende Kollegium um Schulleiter Dr. Nätscher erledigte die restlichen Aufräumarbeiten, und der Unterricht begann zum neuen Schuljahr planungsmäßig am 9. Oktober 1939 für 95 Schülerinnen und Schüler und am nächsten Tag für 45 Kindergartenkinder. Von der vorrübergehenden Schließung in Madrid, Barcelona und Valencia profitierte die Schule in Bilbao, da viele Schüler aus anderen Regionen ins Baskenland kamen. Dr. Abele, zuvor Direktor in Barcelona, übernahm die Leitung. Die Schule konnte sich unter seiner Führung während des Bürgerkriegs weiterentwickeln, bis sie 1940 sogar den strukturellen Ausbau zur Oberstufe abschloss.127 Beim Neuaufbau der teils stark zerstörten Schulen half das Reich mit finanziellen Beigaben. Die Kosten für die erforderliche Eröffnung der auf dem ehemaligen ‚rotspanischen‘ Gebiet gelegenen deutschen Auslandsschulen wurden mit 466.000 RM (einschließlich der Schulzuschüsse für die übrigen Schulen in Spanien) beziffert. Die Kulturabteilung bat in einer internen Aufzeichnung an den Reichsminister, eine einmalige Beihilfe aus besonderen Mitteln zur Verfügung zu stellen.128 Trotz beengter Haushaltslage kalkulierte das Auswärtige Amt 1939 für den Schulhaushalt die doppelte Summe (7,4 Mio. RM), um vor allem den Neuaufbau in Spanien finanzieren zu können.129 Politische Verträge, wie das deutsch-spanische Kulturabkommen von 1939, sollten den Wiederaufbau zusätzlich erleichtern. Zwar ratifizierte letztendlich keiner der beiden Partner dieses Vertragswerk, doch die Inhalte setzten sie weitestgehend um. Franco nahm offiziell einen Einspruch des Vatikans als Vorwand, insgeheim distanzierte er sich bereits ein Stück weit von NaziDeutschland.130 Dennoch hatte für die Deutschen mit dem General die richtige Seite gewonnen. Denn trotz der Beschädigungen durch die Kriegshandlungen hatte der Bürgerkrieg, strukturell gesehen, eine positive Wirkung auf die weitere Entwicklung der Auslandsschulen in Spanien. In Bilbao war der Bürgerkrieg ein Katalysator auf dem Weg zur Vollanstalt und hatte ähnliche Wirkungen wie einst der Erste Weltkrieg in Barcelona. Aufgrund des starken Engagements Deutschlands auf der Seite Francos erhielten viele Schulen nach 1939 zahlreiche Vorzüge. So war es Madrid beispielsweise erlaubt, wieder komplett nach dem deutschen Schulsystem zu unterrichten und eine eigene Vorbereitung zum Bachillerato durchzuführen; zudem berechtigte die Reifeprüfung die deutschen Schüler vorerst ohne Umwege zum 126 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Valencia 1939/40. 127 Vgl. 90 Jahre DSBi, S. 48. 128 Vgl. Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 296. 129 Vgl. ebd., S. 245. 130 Vgl. Barbian, Jan-Pieter: Kulturwerte im Zweikampf. Die Kulturabkommen des „Dritten Reiches“ als Instrumente nationalsozialistischer Außenpolitik, in: Archiv für Kulturgeschichte 74 (1992), S. 415–459, S. 447-454.
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Studium in Spanien.131 Erst nach der Konsolidierung des Franco-Staates nahm die Kirche als verantwortliche Instanz im Bildungsbereich einige dieser Zugeständnisse wieder zurück. 4.2.2 Der Spanische Bürgerkrieg – Katalysator der Gleichschaltung? 1937, ein Jahr nach Ausbruch des Bürgerkriegs, schrieb der Vorstand der Deutschen Schule Málaga einen kurzen Bericht über die Neubesetzung der Schulleiterstelle und über den Abschied des alten Schulleiters Wilhelm Koethke:132 „Es ergab sich damit die Gelegenheit durch Anstellung eines neuen, jüngeren, in nationalsozialistischen Ideen ausgebildeten Leiters dem Geist des neuen Deutschlands in unserer Schule Eingang zu verschaffen.“
Die erwähnte „Gelegenheit“ spezifizierte er nicht genauer, sie war aber nicht, wie vielleicht anzunehmen, der Ausbruch des Krieges, denn die Kriegshandlungen erreichten Málaga erst ein paar Monate später. Koethke kehrte aus privaten Gründen, die in den Akten nicht genauer definiert sind, nach Deutschland zurück. Da er mitten im Schuljahr Málaga verließ, verbreiteten sich Gerüchte, die offizielle Abberufung habe politische Gründe. Koethke versuchte dies zu dementieren:133 „Um alte Rechte, die ich verloren hatte, auf deutschem Boden wieder zu erwerben, muss ich mich in die Heimat begeben. Ich folge dem Lübecker Senat in eine Stelle meiner Vaterstadt, in der ich noch Bürgerrechte habe. Ich erwähne das, nachdem ich zu meinem größten Befremden hören musste, dass mein Fortgang nicht freiwillig erfolge. Das stimmt nicht. Warum gehe ich zum 1. April? Das scheint auffällig und scheint den Gerüchtemachern verdächtig, aber ich will meinen Nachfolger einarbeiten.“
In Valencia wechselte der Schulleiter ebenfalls bereits vor 1936. Schon zwei Jahre zuvor erhielt Max Nätscher die Leitung der Schule und arbeitete bis 1945 als Direktor.134 Der Bürgerkrieg bedingte jedoch einen Wechsel im Personal, da Stellen danach umbesetzt und neu eingerichtet wurden. 1939 startete der Betrieb nach der 131 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 98. 132 Jahresbericht Deutsche Schule Málaga 1937/38, S. 5. 133 Bericht Schulleiter Koethke an Auswärtiges Amt 1935/36, in: BAL R57neu 1135/2 Málaga. 134 Vgl. 100 Jahre DSV, S. 72. Die Chronik berichtet vom Besuch des Reichsaußenministers Konstatin von Neurath im November 1933. Ein paar Monate später, 1934, trat ein Wechsel in der Schulleitung ein. Direktor Kohl, der erst seit zwei Jahren diesen Posten innehatte, wurde durch Max Nätscher ersetzt.
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kriegsbedingten Pause wieder, und die AO setzte die nationalsozialistische Parteiund Organisationsstruktur durch.135 Der Schulleiter bekleidete fortan das Amt des Ortsgruppenwalters des NSLB und seit 1940 das Amt des Ortsgruppenleiters. Lehrer der Schule führten HJ und BDM, Lehrer Klose übernahm das Amt des Kulturamtsleiters.136 Die Wechsel betrafen primär entsandte Lehrkräfte, viele Verantwortliche auf der Verwaltungs- oder Vereinsebene traten nicht freiwillig von ihren Ämtern zurück. Der Einschnitt des Spanischen Bürgerkrieges bot so die Möglichkeit, in zahlreichen Positionen das Personal auszuwechseln. In Madrid wurde der Vorstand nach der Unterbrechung durch den Bürgerkrieg nicht mehr gewählt, sondern durch die AO und den lokalen NSDAP-Führer einberufen.137 Nicht mehr die Freiwilligkeit und die demokratische Wahl, auf welchen der Verein einst basiert hatte, bildeten das Grundprinzip, sondern die Übertragung des Führerprinzips. Der erste neue Vorstand dieser Junta war Carl Sönke Albrecht, ein Anhänger des NS-Regimes. In Barcelona fanden ebenfalls personelle Veränderungen nach der Wiedereröffnung der Schule nach dem Bürgerkrieg statt.138 Sowohl Schulleiter Kurmeier als auch der Vorsitzende Hermann Kaupp traten ihren Dienst nicht mehr an und mussten jüngeren Kräften weichen, die sich in der Kolonie etabliert hatten. Die neue führende Person der Schule wurde Ernst Ritter von Steindorff, der als einflussreicher Mitarbeiter der Firma Bayer finanzielle Sicherheiten und Garantien mitbrachte. Von Steindorff stand den wirtschaftlichen Zielen des Dritten Reichs nahe, und Barcelona war als Umschlagsplatz für wichtige strategische Güter ein zentraler Ort für die wirtschaftspolitischen Ziele der Nationalsozialisten in Spanien. Im Lehrerkollegium wurde der Umbruch des Bürgerkriegs ebenso dazu genutzt, das Personal anzupassen und NS-konform zu besetzen. Nur fünf Deutsche und vier Spanier wurden aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg übernommen. Viele der Lehrer hatten über ihre Lehrtätigkeit hinaus Funktionen in Partei und Kolonie inne. So war der Sportlehrer Gotthilf Vollmer Standortführer der HJ, der Musiklehrer Alois Krumscheid der Musikreferent der HJ, StR Heinrich Winckler war SS-Führer und Propagandaleiter der NSDAP und Detlev Ehlers Leiter der Landesgruppe Spanien für die NSJugendarbeit. Gerade der Beruf als Lehrer war ein guter Ausgangspunkt für diese Positionen in den Jugendorganisationen.
135 Vgl. ebd., S. 74. 136 Vgl. ebd., S. 75. 137 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 101; Table of contents. The problem of the former German Schools in Spain, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3, Folder 22. 138 Vgl. im Folgenden: 100 Jahre DSB, S. 101–103.
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Abbildung 4: Plakat zur Wiedereröffnung
Quelle: private Unterlagen Erhard Zurawka
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In Málaga führte das Plakat zur Wiedereröffnung der Schule nach dem Spanischen Bürgerkrieg den Einzug der NS-Propaganda in das Schulsystem deutlich vor Augen. Zentrales Element ist die Hakenkreuzfahne, die neben dem Eingangsportal abgebildet ist. Nach Angaben der Schulchronik war die Künstlerin nicht an politischen Themen interessiert, auffällig ist jedoch, dass neben den Schulbüchern für Deutsch und Französisch auch das Religionsbuch von einem der Kinder in der Hand gehalten wird. Durch die Erhebung des Katholizismus zur Staatsreligion mussten die Deutschen Schulen ihre religiöse Ausrichtung seit Francos Machtübernahme verstärkt betonen. Sie inkludierten somit zwei konträre Ideologien: die spanische Version des politischen Katholizismus und die antireligiösen Ideen des Nationalsozialismus. Hier wird zudem deutlich, dass sich Hitler-Deutschland gerade in seiner Anfangsphase bemühte auf den Katholizismus zuzugehen und somit dieser Dualismus nicht vermeidbar war. Auch die koedukative Ausrichtung der Schule machte das Plakat deutlich: Jungen und Mädchen betreten durch eine gemeinsame Pforte das Gebäude. Während die Koedukation in Deutschland durch den Nationalsozialismus einen tendenziellen Rückschritt erlebte, 139 hielten die Auslandsschulen dieses Erziehungskonzept meist aus pragmatischen Gründen weiterhin aufrecht und gerieten damit immer wieder in Konflikte mit den katholischen Stellen in Spanien. 4.2.3 Einfluss der katholischen Kirche in Spanien auf die Auslandsschulen nach 1936 Die katholische Amtskirche gehörte in Spanien seit Beginn des Bürgerkriegs zu einer der tragenden Säulen des faschistisch-autoritären Regimes.140 Die Mehrheit der spanischen Bischöfe sah in Francos Aufstand einen Kreuzzug gegen den Kommunismus und die nationale Verteidigung der zivilisiert-religiösen Gemeinschaft gegen den roten Atheismus. Seit der Ausrufung der Republik 1931 hatte die Regierung die Rechte der katholischen Kirche zunehmend eingeschränkt. Die Abwehrhaltung und der Antiklerikalismus des Staates und eines Teils der Bevölkerung entluden sich zu Beginn des Bürgerkriegs in Ausschreitungen, im Mord an Priestern und im Abbrennen von Kirchengebäuden. Der Klerus erwartete von Francos nationaler Bewegung eine Wiedereinsetzung in seine vorrepublikanische Machtstellung. 1945 erfüllten sich diese Hoffnungen mit dem Grundrechtskatalog, der dem Katholizismus wieder den Status als Staatsreligion zusicherte. Die Kirche entwickelte in den ersten Jahren während Francos Regierung eine Omnipräsenz in allen gesell139 Vgl. Pfister, Gertrud: Entwicklungslinien. Die Geschichte der Koedukation. Eine Geschichte des Kampfes um Wissen und Macht, in: Pfister, Gertrud: Zurück zur Mädchenschule. Beiträge zur Koedukation, Pfaffenweiler 1988, S. 30ff. 140 Vgl. Bernecker: Spanien Handbuch, S. 398f.
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schaftlichen Bereichen, deren Charakteristika ein ausufernder Doktrinarismus und Autoritarismus waren. Im Erziehungssektor wurden ihr sämtliche Rechte wieder eingeräumt. Als erste Maßnahmen verbot sie den Unterricht in nicht kastilischer Sprache (also auf Katalanisch und Baskisch), Laizismus und Koedukation wurden abgeschafft sowie Schulbücher zensiert. Religion, Staatsbürgerkunde und Leibeserziehung erhielten eine neue Bedeutung mit katholischer Prägung. Die Deutschen Schulen spürten diesen Wandel deutlich, da sich die Kirche als Instanz in Erziehungsfragen nun noch häufiger einmischte als vor 1936. Bemerkungen über Unterrichtskonzepte und -durchführung waren nichts Neues, doch vor 1936 beinhalteten sie weitestgehend moralische Fragen,141 während sich die Kritikpunkte nach 1936 auf Unterricht und Ausgestaltung konzentrierten. 1943 erwähnte Ministerialdirektor Langerfeld in einem Gutachterausschuss, dass die Kirche dem 142 deutschen Kultureinfluss argwöhnisch und teilweise feindlich gegenüberstehe: „Das macht sich im Zugang zu den deutschen Schulen aus einflussreichen spanischen Elternkreisen an den kleineren Orten bereits deutlich bemerkbar und zwar weniger durch eine Verringerung der Zahl der Anmeldungen, als durch die politische und soziale Einstellung der Elternkreise […]. Der Schulleiter sollte bei der Aufnahme der Kinder darauf achten, daß die Schule nicht in den Ruf einer Zufluchtsstätte für kirchen- und staatsfeindliche Elemente komme.“
Die Kirche forderte von den Deutschen Schulen eine Einstellung der Koedukation, einen Verzicht auf deutsche Lehrbücher und die Religionsbekenntnis von Lehrern und Schulleitung. Für das Auswärtige Amt ergaben sich daraus zwei zentrale Problemfelder, die Langerfeld in seinem Bericht ansprach. Erstens arbeitete man seit mehreren Jahren an der Vorbereitung eines neuen Geschichtslehrbuchs, dessen Einführung man sogar als „kriegswichtig“ einstufte. Nun konnte die Benutzung solcher Geschichtswerke zu einem staatlichen Verbot der Schule führen. Zweitens musste sichergestellt werden, dass die Schulleitung katholisch war. Langerfeld bemerkte dazu:143
141 Vgl. Bericht Deutsche Schule Barcelona, 06.06.1934, in: PAAA R63912d: „Um diese Einstellung zu verstehen, möchte ich nicht verfehlen zu bemerken, dass auch die katholische Geistlichkeit gegen das Mädchenturnen Einspruch erhoben hat, und zwar unter der eigentümlichen Begründung, die Art des Turnens könne leicht dazu führen, dass einem Mädchen das Jungfernhäutchen zerreiße, es liefe somit Gefahr, nicht unberührt in die Ehe zu kommen.“ 142 Gutachten Langerfeld über Auslandsschulen in Spanien und Portugal, April 1943, in: BAL R4901/6596. 143 Ebd.
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„Im Hinblick auf die Gefahr, dass sich bei einer Lehrerauswahl unter den genannten Gesichtspunkten an den deutschen Schulen in Spanien Lehrer mit starker kirchlicher Bindung sammeln, muss die politische Zuverlässigkeit vor der Entlassung sorgfältig geprüft werden.“
Einer dieser zuverlässigen Schulleiter war Max Johs, der mit der Leitung der Hauptstadtschule betraut wurde und dort den katholischen Einfluss deutlich zu spüren bekam. 1943 schrieb er an das Generalkonsulat einen Brief, in dem er die Auseinandersetzungen mit dem örtlichen Bischof Leopoldo Eijo y Garay, einem Unterstützer des Opus Dei, schilderte.144 Seit 1939 forderte dieser die Aufhebung der Koedukation im Religionsunterricht, seit 1940 verlangte er es für alle Fächer. Für die Schulen hätte dies jedoch einen logistischen, finanziellen und räumlichen Mehraufwand bedeutet, der nicht durchsetzbar gewesen wäre. Man trat daher in Verhandlungen mit dem Bischof und einigte sich auf eine Trennung der Geschlechter im Religionsunterricht. Als die Geistlichkeit 1942 aber eine Separierung in verschiedene Häuser forderte, konnte die Schulleitung dem nicht nachkommen, woraufhin der Bischof allen spanischen Geistlichen die Erlaubnis zur Erteilung des Religionsunterrichts an den Deutschen Schulen untersagte. Johs intervenierte und argumentierte mit dem Fronteinsatz der Lehrer, die ja im Kampf gegen den Kommunismus stünden. Einzig deswegen sei kein getrennter Unterricht möglich gewesen. Diese Begründung schien zu überzeugen, beide Parteien einigten sich auf eine Trennung der Schüler und Schülerinnen in den Pausen; sie mussten separate Eingänge und Treppen benutzen und sich auf zwei Seiten im Klassenraum verteilen. Bischof Eijo y Garay begnügte sich jedoch nicht mit diesen Vereinbarungen, sondern stellte neue Fragen und erhob weitere Vorwürfe. Er wollte unter anderem Geschichtsbücher überprüfen und die Behandlung der Reformation verbieten, den Schutz katholischer Kinder vor protestantischen Einflüssen gewährleistet sehen und sicherstellen, dass zu Beginn und am Ende des Unterrichts gebetet wurde. Johs sprach nach diesen erneuten Forderungen von einer offenen Kampfansage gegen die Schule und bereitete einen Notfallplan vor, der einen für die Jungen und Mädchen getrennten Unterricht am Vormittag und am Nachmittag vorsah. Er beteuerte zudem die Beteiligung der Schule am religiösen Leben und bekundete, dass die religiöse Erziehung der Kinder eines der wichtigsten Anliegen der Schule sei. Diese Aussagen Johs entsprangen sicherlich einem opportunistischen Selbsterhaltungstrieb und entsprachen keinesfalls der Wahrheit. Er versuchte damit weitestgehend den Wunschvorstellungen des Bischofs zu entsprechen, führte daher nur eine temporäre Geschlechtertrennung ein, wenn dies bei einer Inspektion notwendig war, oder schickte nur einen Teil der Schulbücher zur Begutachtung an das bischöfliche Ordinariat. Solche Täuschungsaktionen führten zu weiteren Kompromisslösungen, wie zu der Erlaubnis einer temporären Weiterbeschäftigung protestantischer Lehrer. 144 Vgl. Schreiben Max Johs an Generalkonsulat, 08.02.1943, in: BAL R4901/6596.
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In Sevilla verbot der Schulleiter bereits 1928 dem katholischen Geistlichen, seinen Unterricht im Schulgebäude abzuhalten. Seit diesem Zeitpunkt galt die Schule bei vielen Spaniern als ketzerische Einrichtung, die das Seelenheil ihrer Kinder gefährde.145 Das Vorgehen gegen die Kirchen in Deutschland seit 1933 verschlechterte das Image zusätzlich. Um nicht gänzlich in Misskredit zu geraten, erlaubte die Schulleitung 1944, den Religionsunterricht wieder im Gebäude abzuhalten, und versuchte damit die Beliebtheit der Schule zu befördern. Sie verzichtete im Religions- und Geschichtsunterricht sogar auf eine vertiefte Bearbeitung der Reformation, um die Spanier nicht zu verärgern. Seit ihrer Gründung standen die Auslandsschulen in einem bipolaren konfessionellen Spannungsverhältnis, das ab 1936 verstärkt Auswirkungen auf den Schulalltag hatte. Francos klerikal-faschistische Herrschaftsform und die enge Verflechtung staatlicher und kirchlicher Institutionen verschafften der Kirche erhebliche Mitspracherechte im Bildungssektor und steigerte dadurch ihren Einfluss auf die Auslandsschulen, der sich nach 1945 fortsetzte und beispielsweise in der katholischen Namensgebung der Auslandsschulen zum Ausdruck kam.146
4.3 DIE DEUTSCHEN SCHULEN WÄHREND DES ZWEITEN WELTKRIEGS Der Beginn des Zweiten Weltkriegs brachte weitere Änderungen in den deutschspanischen Beziehungen.147 Das NS-Regime war in Spanien nicht unumstritten. Sowohl in den deutschen Kolonien als auch in spanischen Kreisen gab es Befürworter und Gegner der deutschen Politik. Das zeigte sich deutlich mit dem Ausbruch des Krieges, da sich ab diesem Zeitpunkt Gruppierungen bildeten, die einen spanischen Kriegseintritt an der Seite Deutschlands unterstützten oder ablehnten.148 Durch die enge politische Anlehnung des faschistischen Spaniens an Deutschland schien zu Beginn des Zweiten Weltkriegs eine Anbindung an die Achsenmächte unvermeidlich.149 Aber obwohl es durchaus Interesse an einer stärkeren Partizipati-
145 Vgl. Bericht über das Schuljahr 1943/44 Deutsche Schule Sevilla, in: PAAA R 63879. 146 Vgl. dazu die Erklärungen im Kapitel VII.3.1. zum Leben nach den Regeln des Gastlandes. 147 Vgl. Marquina Barrio, Antonio: La política exterior de España con Alemania durante la Segunda Guerra Mundial, in: Bernecker, Walther: España y Alemania en la Edad Contemporánea, Frankfurt am Main 1992, S. 173–197, S. 173. 148 Vgl. Bernecker, Walther: Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg, München 31997, S. 85. 149 Vgl. Bernecker: Geschichte Spaniens, S. 199.
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on gab, beteiligte sich Franco-Spanien mit Ausnahme des Eingreifens der Blauen Division nicht direkt an den Kriegshandlungen. Befürworter dachten an eine territoriale Expansion Spaniens auf französische Gebiete, doch da Hitler VichyFrankreich Zugeständnisse machte, erübrigten sich solche Zukunftspläne150 – Franco hätte die Kriegsgegner in Spanien nur dann zu einer Kriegsteilnahme bewegen können, wenn dies Gebietsgewinne in Aussicht gestellt hätte.151 Ab 1940 verschlechterte sich die wirtschaftliche Situation in Spanien, womit ein Kriegseintritt zunehmend unwahrscheinlicher wurde.152 Franco agierte in den folgenden Jahren gegenüber Hitler opportunistisch und erklärte sein Land während des Krieges je nach militärischer Lage wahlweise als neutral oder nicht kriegsführend. Diese Schaukelpolitik erlaubte es ihm, sich sowohl außen- als auch innenpolitisch auf keine Machtgruppierung festlegen zu müssen. Erst mit der militärischen Überlegenheit der Alliierten nahm der spanische Kurs ab dem Jahr 1943 festere Formen zugunsten Amerikas und seiner westlichen Verbündeten an.153 Franco berief die in Russland kämpfende Blaue Division ab und reduzierte auf angelsächsischen Druck die Wolframlieferungen nach Deutschland. Zusätzlich gewährte er den Alliierten Landeerlaubnis auf spanischen Flughäfen.154 Diese tendenzielle Parteinahme für die Alliierten provozierte Putschpläne gegen Franco, die Hitler und Agustín Muñoz Grandes, Kommandeur der Blauen Division, als letzte Möglichkeit sahen, Spanien wieder an die Seite Deutschlands zu bringen. Für eine Umsetzung fehlte es jedoch an Unterstützern, denn Franco hatte mit seiner lavierenden Politik bereits zahlreiche Anhänger gewonnen, die seine Macht festigten. Sie hielten ihm zugute, Spanien aus dem Krieg herausgehalten zu haben. Die militärischen und wirtschaftlichen Eliten des Landes verfolgten dieselben Ziele wie der Staatsführer, nämlich die eben erst im Bürgerkrieg errungene Macht zu sichern, was ein neuer Kriegseinsatz gefährdet hätte.155 Entsprechend versuchte die deutsche Regierung, mit verstärkten Propagandamaßnahmen und erhöhtem politischem Druck wieder Einfluss auf diese spanischen Kreise zu gewinnen.156 Mitglieder der deutschen Kolonien agierten als Vorposten und als eine nach außen verlagerte Front im Kampf um Einflusssphären. Ein Schauplatz dieser Propaganda waren, wie schon zu Zeiten des Ersten Weltkrieges, erneut die Auslandsschulen, denn sie ermöglichten den Kontakt zu germanophilen Spaniern, die sich für die Deutschen
150 Vgl. ebd., S. 200. 151 Vgl. Marquina Barrio: La política exterior, S. 181. 152 Vgl. Bernecker: Geschichte Spaniens, S. 200. 153 Vgl. Bernecker: Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg, S. 85. 154 Vgl. Bernecker: Geschichte Spaniens, S. 201. 155 Vgl. ebd., S. 86. 156 Vgl. Marquina Barrio: La política exterior de España, S. 175.
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einsetzen würden. Wenn auch nicht von den Kampfhandlungen betroffen, hielt der Zweite Weltkrieg somit dennoch indirekt Einzug in die Klassenzimmer. 4.3.1 Einfluss der Kriegshandlungen auf die Schulen Damit Lehrer und Schüler in der Distanz zum Heimatland nicht den Kontakt zur Front verloren, führten Schulleitung und Vorstandschaft der Schulvereine Maßnahmen ein, um den Krieg in den Schulen präsent zu machen. In Madrid mussten die Lehrer einen Teil der langen Sommerferien als Kriegsdienst in Deutschland oder Frankreich ableisten und wurden zu Arbeiten in Krankenhäusern oder Bauernhöfen eingeteilt.157 Die restliche Schulgemeinde kommentierte die Frontverläufe und verfolgte die Kampfhandlungen aus der Ferne. Schulleiter Max Johs in Madrid betonte beispielsweise in seinem Jahresbericht 1941, dass das Schuljahr im Zeichen der „geschichtlich einmaligen Kämpfe und Siege [der] deutschen Wehrmacht“ stehe.158 Einzelne Schüler meldeten sich als freiwillige Kämpfer, so beispielsweise Antonio Sánchez, den der Jahresbericht besonders hervorhob, da er sich gegen den Bolschewismus stelle und mit der División Azul nach Russland ziehe.159 Der freiwillige Kriegseinsatz spiegelte sich in den Listen der gefallenen ehemaligen Schüler und Lehrer wider, die spätestens ab 1942 immer mehr Platz in den Jahresberichten einnahmen.160 Die in Spanien verbliebenen Schüler erhielten einen eigens der Kriegssituation angepassten Unterricht: Für Mädchen fiel der Lateinunterricht weg, an seine Stelle traten für Frauen als nützlich erachtete Fächer wie Handarbeit, Werkunterricht, Hauswirtschaft und Gesundheitslehre. Für die Jungen kam Modellbau für Segelflieger als Lehrfach hinzu, um den fliegerischen Gedanken zu stärken.161 Materiallieferungen für den Unterricht und für Schulumbauten aus Deutschland blieben deutlich länger aus, so dass beispielsweise die baulichen Erweiterungen der Madrider Schule verspätet abgeschlossen wurden.162 Zusätzlich herrschte in Spanien Güterknappheit, dringende Bedarfsgegenstände waren demnach nicht lieferbar. 1940 musste beispielsweise der Omnibusverkehr der Madrider Schule wegen Benzinmangels eingestellt werden.163 157 Vgl. 100 Jahre DSM, S. 104. Der Kontakt mit Franzosen war dabei strengsten untersagt. Wer vor Ende der Sommerferien nach Spanien zurückkehren wollte, galt als Saboteur und wurde dem Parteigruppen – Führer gemeldet; vgl. Report German Labour Front, 13.09.1944, in: NARA RG 226, UD 127, Box 27, Folder 192. 158 Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1940/41, S. 13. 159 Vgl. ebd., S. 17. 160 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1942/43, S. 7. 161 Vgl. ebd., S. 15f. 162 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1941/42, S. 8. 163 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1940/41, S. 8.
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In Barcelona überschattete der Kriegsausbruch die Wiedereröffnung der Schule nach dem Bürgerkrieg, da viele Mitglieder des Kollegiums den sonst üblichen Landweg über Frankreich nicht nehmen konnten oder zur Wehrmacht eingezogen wurden.164 Obwohl eine Anreise über das verbündete Italien möglich war, musste das Schuljahr mit zu wenig Personal starten. Ähnlich wie in Madrid standen die Kriegserfolge auf der Tagesordnung des Unterrichts. Gebietsgewinne der Wehrmacht gaben Anlass, die Schüler vor den Landkarten zu versammeln, und mit Briefen und Berichten von der Front versuchten die Lehrkräfte, deren Anschaulichkeit zu erhöhen. Mit zunehmender Kriegsdauer distanzierten sich jedoch die gesellschaftlich höheren Kreise der Stadt von der Schule, so dass Botschaft und Konsulat in Barcelona 1944 zum 50. Geburtstag der Einrichtung eine große Demonstration deutscher Präsenz planten, um verlorene Sympathien zurückzugewinnen. Die Schule veranstaltete ein großes Fest zum Jubiläum – der Schrecken des Krieges sollte damit in weite Ferne rücken. Schulleitung und Vorstand planten, ein Zeichen der tiefen deutsch-spanischen Freundschaft zu setzen. Diese existierte jedoch zu diesem Zeitpunkt nur noch auf der privaten Ebene. Die einstige politische und öffentliche Freundschaft hatte Franco zu diesem Zeitpunkt schon aufgegeben; er stand bereits in Verhandlungen mit den Alliierten. Die Neutralität erlaubte bis dahin in vielen Schulen eine ruhige Entwicklung. In Málaga verlief die Zeit zwischen 1939 und 1945 ohne besondere Vorkommnisse, was die NS-Propaganda vor Ort als einen Beweis der Stärke Deutschlands interpretierte.165 Probleme verursachten lediglich die wirtschaftlichen Konsequenzen des Krieges. Die Kontrolle der Treibstoffzufuhr nach Spanien durch die Engländer führte wie in Madrid zu einem Ausfall der regulären Schulbusse. Für große Investitionen fehlte es an Finanzmitteln. Zusätzlich hielt die Schulgemeinde Sammlungen für die Soldaten an der Front ab, in denen sie Geld- und Bücherspenden entgegennahmen, die eigentlich für den eigenen Schulbetrieb nötig gewesen wären. Außerdem zogen zahlreiche deutsche Familien in dieser Zeit aus Málaga weg oder kehrten nach dem Bürgerkrieg nicht mehr zurück. Den Verlust dieser Kinder versuchte der Verein durch die Aufnahme von spanischen Schülern zu kompensieren, die nach wie vor wegen des hohen Ansehens der Schule im Raum Málaga den Unterricht besuchten. Im Vergleich zu anderen Schulen sind die Schulberichte der Deutschen Schule Valencia für die Jahre 1939 bis 1942 neutral geschrieben. Sie weisen auf die Schwierigkeiten der Finanzierung und den Lehrermangel im Krieg hin, sind aber nicht ausgeprägt nationalsozialistisch gehalten.166 Die Schule übte nach wie vor insbesondere auf rechtskonservative Kreise eine große Anziehungskraft aus. Die 164 Vgl. im Folgenden: 100 Jahre DSB, S. 102–106. 165 Vgl. Jahresbericht DS Málaga 1942/43, S. 5. 166 Vgl. im Folgenden: 100 Jahre DSV, S. 75–77.
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Abendkurse für Erwachsene waren mit bis zu 100 interessierten Offizieren, Ärzten und Kaufleuten ausgebucht und die Schülerzahlen nahmen, wie in anderen Schulen, stetig zu. 1943 waren 219 Schüler an der Deutschen Schule Valencia angemeldet, wodurch die räumlichen Kapazitäten an ihre Grenzen stießen. Der Schulverein verfolgte schon seit 1941 den Plan, in der Calle Micer Mascó ein neues, großzügig angelegtes Schulgebäude zu errichten. Für die Verantwortlichen in Valencia war dieses Projekt im Gegensatz zum Auswärtigen Amt kein Propagandabau, sondern eine normale Anpassung an die Vergrößerung der Schülerzahl und eine Abhilfe für den miserablen Zustand der bestehenden Schulbauten. Noch Mitte März 1945 verhandelte das Auswärtige Amt intern über Zuschüsse für den Bau, obwohl das Kriegsende bereits absehbar war. Für die Deutsche Schule Vigo ist das einzige Beispiel einer direkten militärischen Kooperation überliefert. 167 Hier etablierte sich eine geheime militärische Nachrichtenstelle, die somit eine direkte Verbindung zwischen Abwehr und Auslandsschule bildete. Das Auswärtige Amt forderte, solche Kooperationen zu unterlassen, da sonst politische Schwierigkeiten zu befürchten seien. Bei Bekanntwerden hätten Gegner eine starke Propagandawaffe gegen die Deutschen Schulen in der ganzen Welt. Das Amt wollte auf alle Fälle den Eindruck vermeiden, die Auslandsschulen seien eine Tarnung für politische oder militärische Aktionen. Die Nachrichtenstelle in Vigo konnte nur unter strikter Geheimhaltung weiter operieren und stellte ein Unikum dar. Die Auslandsschulen waren demnach kein direkter Ort für militärische Operationen. Aber sie boten den Raum für den Aufbau eines Personennetzwerkes, für den Austausch politischer Meinungen und für die Verbreitung eines nationalsozialistischen Deutschlandbildes. Sie waren somit ein indirekter Propagandaposten der Außenpolitik Hitler-Deutschlands. Vielfach waren allerdings Personen aus dem direkten Umfeld der Schulen in Spionagetätigkeiten verwickelt.168 Karl Albrecht Soehnke aus der Vorstandschaft in Madrid oder Josef Boogen aus Bilbao schmuggelten Wolfram; Friedhelm Burbach und Walter Junghans, ebenfalls im Schulverein Madrid, sollen als Gestapo-Agenten eine Ladung Orangen mit einer Bombe sabotiert haben; Friedrich Lipperheide, dessen Töchter die Schule in Bilbao besuchten, betrieb eine Sendestation; Leonhardt Birk unterhielt nach Kriegsende in Barcelona einen heimlichen Widerstandskreis gegen die Alliierten; Jacob Ahlers, Vorstand in Teneriffa, versteckte Kunst und Wertgegenstände in Spanien.169 Die Schulen waren dabei immer wieder inoffizieller Treffpunkt und somit ein Raum für nationalsozia-
167 Vgl. Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 333f. 168 Vgl. Revised priority list, 10.07.1946, in: NARA RG 226, UD 127, Box 4, Folder 19. 169 Vgl. Report S/3602, 27.02.1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 27, Folder 192/3.
Zwischen Hitler und Franco | 153
listische Agitationen. Ein amerikanischer Informant beschrieb diese Atmosphäre in einem Bericht über die Deutsche Schule Bilbao:170 „Hans Bruno Meyer, secretary of the German school, which gives him frequently opportunities of making contact with the teachers of same, who in their turn, have contact with the friends of their pupils who go to the college. The German college frequently organizes fetes of a musical and educative character in which the pupils take part and their friends are invited, thus creating an atmosphere very favourable and sympathetic towards Germany.“
Die Schulen waren aber nicht nur ein Raum für NS-Veranstaltungen, sie waren auch ein Schutzraum für Lehrkräfte, um dem Militärdienst zu entgehen. 4.3.2 Auslandsschulen als Schutzraum für Lehrer Das Auswärtige Amt und die Auslandsorganisationen der NSDAP schätzten den kulturpolitischen Stellenwert der Schulen. Aus diesem Grund wollten sie eine Schließung unter allen Umständen vermeiden. Sie planten daher, trotz Kriegszeiten weiterhin genügend Lehrer zu entsenden. Für einige Lehrkräfte bedeutete dies, dass sie der Einberufung zur Wehrmacht entgehen konnten, da sie die Schulvereine oder das Auswärtige Amt als unabkömmlich deklarierten und sie somit weiterhin im Ausland bleiben konnten. Der Schulverein der Deutschen Schule Barcelona schrieb zu diesem Zweck an das Reichserziehungsministerium einen Brief, um den Lehrer Lothar Altmeyer von der Wehrpflicht freizustellen:171 „Die Aufrechterhaltung des Schulbetriebs ist aus kulturpolitischen Gründen dringend erforderlich. Da eine Ersatzkraft für den Genannten nicht zu beschaffen ist, kann auf ihn nicht verzichtet werden, wenn nicht der Schulbetrieb zum Erliegen kommen soll.“
Altmeyer konnte so infolge des Schuldienstes seiner Einberufung zunächst entgehen, obwohl ihm einst das Reichserziehungsministerium die Eignung im nationalsozialistischen Sinne abgesprochen hatte.172 Andere Lehrkräfte mussten trotz Versuchen, sich freistellen zu lassen, den Wehrdienst antreten. Felix Großkinsky, der nach Kriegsende 1945 in Madrid den Wiederaufbau der Schule vorantrieb, musste noch im März 1945 nach Deutschland reisen, um sich bei der Wehrmacht zu mel-
170 Report on agents G/1851, 5.9.1944, in: NARA RG 226, UD 127, Box 27, Folder 192. 171 Personalakte Lothar Altmeyer, in: PAAA R 63825. Ein anderes Beispiel ist Walter Dörr von der Deutschen Schule Santander, der ebenfalls freigestellt wurde; vgl. File 11c 15.09.1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 7, Folder 63. 172 Vgl. zur Auswahl der Lehrkräfte in Kapitel IV. 1.1.
154 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
den.173 Wieder andere meldeten sich hingegen freiwillig für die Armee, da sie es als ihre Pflicht erachteten, für das Vaterland zu kämpfen.174 In eine ganz andere Kategorie fallen Personen, die den Auslandsaufenthalt dazu nutzten, unterzutauchen. Rudolf Fechter, Lehrer für Deutsch und Geschichte in Madrid, versuchte nach gescheiterten Anläufen, als unabkömmlich deklariert zu werden, in Spanien unterzutauchen:175 „Fechter hat die Versuche wieder nach Spanien zu kommen, nach seiner Einberufung zur Wehrmacht fortgesetzt. U. a. hat er im Juni ds. J. mit Unterstuetzung der Botschaft in Madrid ein Gesuch um einen kurzzeitigen Urlaub nach Spanien gestellt. […] Fechter hat m. W. in Madrid Beziehungen zu ultraklerikalen Kreisen.“
Fechter war der NSDAP ein Dorn im Auge. Er verweigerte den Austritt aus der Kirche und lehnte die heidnischen Riten der Partei kategorisch ab.176 Auf einer Zugfahrt von Madrid nach Barcelona Anfang November 1944 beging er Fahnenflucht, worauf seine Konten gesperrt, Unterstützungszahlungen an die Familie eingestellt und eine polizeiliche Fahndung ausgeschrieben wurde. Einer handschriftlichen Notiz in seiner Personalakte kann man entnehmen, dass er in Spanien verhaftet und dem Reichserziehungsministerium überstellt wurde. Die spanische Polizei brachte ihn in das von Paul Winzer geführte Konzentrationslager in Miranda de Ebro, das spanische Einheiten nach einem gemeinsamen Polizeiabkommen im Jahr 1938 zusammen mit der SS führten. Fechter blieb bis Kriegsende interniert und verlor seine Staatsbürgerschaft.177 Nach dem Krieg blieb er vier Jahre als Dozent in Madrid, bevor er nach Deutschland zurückkehrte, dort als Redakteur beim Rheinischen Merkur arbeitete und später in den Auswärtigen Dienst eintrat.178
173 Vgl. Personalakte Felix Großkinsky, in: PAAA R 63835. 174 Vgl. stellvertretend Personalakte Heinrich Metzler, in: PAAA R 63847. 175 Unbekannte Notiz vom 22.11.1944, Personalakte Rudolf Fechter, in: PAAA R 63832. 176 Vgl. Memorandum Hans Rothe, 11.05.1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3, Folder 22. 177 Vgl. Gossip colum B/34921, 13.2.45, in: NARA RG 226, UD 127, Box 27, Folder 192/3. 178 Vgl. Kosch, Wilhelm u. a. (Hrsg.): Deutsches Literaturlexikon. Das 20. Jahrhundert, Bd. 8, Zürich und München 2005, S. 306.
5. Ende und Neuanfang: Die Auslandsschulen nach 1945
Das Jahr 1945 wird in den Schulchroniken durchgängig als tiefe Zäsur wahrgenommen. Maßgeblicher Grund hierfür war die Konfiszierung des deutschen Eigentums auf der Iberischen Halbinsel und die Schließung aller Deutschen Schulen auf Befehl der USA und Englands. Der alliierte Druck auf die spanische Regierung hatte aber bereits während des Krieges kontinuierlich zugenommen und schließlich zu einem Bruch in den deutsch-spanischen Beziehungen geführt. So stellten im Oktober 1943 die USA eine Liste mit konkreten Forderungen auf, die folgende Punkte enthielt:1 1) ein komplettes Exportverbot von Wolfram nach Deutschland, 2) die Auslieferung italienischer Schiffe, die in spanischen Häfen ankerten, 3) die Auflösung des deutschen Konsulats in Tanger, 4) die Kontrolle über die deutschen Spionageaktivitäten in Spanien und 5) eine ständige Verbindung zwischen Spanien und den Vereinigten Staaten. Den vierten Punkt dieser Liste weiteten die Alliierten schließlich aus und forderten nicht nur eine Kontrolle der Spionagetätigkeiten, sondern die Überprüfung aller in Spanien lebenden Deutschen. Nach amerikanischer und britischer Order begannen spanische Behörden mit Kriegsende deutsches Eigentum in Spanien zu beschlagnahmen. Auf einer ‚schwarzen Liste‘ standen Besitztümer, Gebäude und Vermögen, die spanische Behörden nun einfroren oder konfiszierten. 2 Die Amerikaner und Briten misstrauten den Deutschen in Spanien, aber auch Francos faschistischer Regierung. Für die Alliierten bildete Spanien einen möglichen Anlaufpunkt für deutsche Naziflüchtlinge. Tatsächlich tauchten, als die Kriegsniederlage absehbar war, vielfach Gestapo- oder SS-Mitglieder mit gefälschten Pässen im Land unter und entzogen sich somit der strafrechtlichen Verfolgung.3 In den Einrichtungen der deutschen Kolonie sahen
1
Vgl. Marquina Barrio: La política exterior de España, S. 191f.
2
Vgl. Collado Seidel: Angst, S. 166ff.
3
Vgl. Marquina Barrio: La política exterior de España, S. 194.
156 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Briten und Amerikaner daher den Hort eines neu aufkommenden Nationalismus innerhalb des spanischen Territoriums.4 Die Spanier zeigten sich offiziell zumindest kooperativ, zu viel hing für sie international davon ab. Doch trotz offizieller Unterstützung für die Alliierten im Bereich der Repatriierung schlossen die Teilnehmer der Potsdamer Konferenz Francos Staat als faschistisches Land von einer Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen aus. 1946 zogen mit Ausnahme Argentiniens alle UN-Mitglieder ihre Botschafter aus Spanien ab.5 Das Franco-Regime war in der Folge isoliert und litt unter dem wirtschaftlichen Boykott und unter der politischen Nichtanerkennung. Auch in Deutschland ging man in den frühen Jahren der Bundesrepublik politisch und gesellschaftlich auf Distanz. So war beispielsweise Spanisch nach dem Krieg kaum in den Vorlesungen der Universitäten präsent, da Sprache und Land speziell in akademischen Kreisen wenig Prestige genossen.6 Zudem kritisierten Presse und Publizistik Franco-Spanien vehement, da sie es als letzte Bastion des Faschismus in Europa ansahen. Die Berichterstattung war ablehnend und skeptisch, was das spanische Außenministerium wiederum negativ aufnahm und Reporter deutscher Zeitungen unter Bewachung stellte, wenn sie nach Spanien reisten.7 Franco hingegen hob seine Konflikte mit Hitler-Deutschland hervor und präsentierte sich als Friedenswahrer, der Spanien aus dem Krieg herausgehalten habe. Tatsächlich hatte er sich von Nazi-Deutschland abgewandt, doch seine Haltung war ambivalent, konnten doch gerade in Spanien ehemalige Nazi-Verbrecher unbehelligt untertauchen.8 All dies zeigt, dass das Verhältnis zwischen Spanien und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen Bereichen belasteter war als in der Vergangenheit. Die 4
Vgl. Messenger: Hunting Nazis in Spain, S. 147.
5
Vgl. Bernecker: Spaniens Geschichte seit dem Bürgerkrieg, S. 87.
6
Vgl. Neuschärfer, Hans-Jörg: Eine Inventur aus deutscher Sicht, in: Bader, Wolfgang/Olmos Ignacio (Hrsg.): Die deutsch-spanischen Kulturbeziehungen im europäischen Kontext. Bestandsaufnahme, Probleme, Perspektiven, Frankfurt am Main 2004, S. 23–35, S. 26f.
7
Vgl. Notiz des Ministerio de Política Exterior, Autor unbekannt (Juni 1950), in: AGA 54/11692. Hans Gaebel, Redakteur der FAZ, beschwerte sich über den „harmlosen Besuch“ des Frankfurter OB Dr. Walter Kolb, der nur die „blühenden Orangen in España“ besichtige und die Augen vor der Diktatur in Spanien schließe. Das Außenministerium sah eine derartige Berichterstattung als einen Angriff auf Spanien an und kommentierte diese Art von Artikeln skeptisch: „va un violento articulo del periodico socialista […] contra, por tanto, abiertamente admeas, contra nosotros.“
8
Vgl. Weber, Petra Maria: Politíca española hacia Alemania 1945–1958. El impacto político y económico de las relaciones hispano-alemanes, in: Bernecker, Walther (Hrsg.): España y Alemania en la edad contemporánea, Frankfurt am Main 1992, S. 209–230, S. 211.
Ende und Neuanfang | 157
Außenpolitik beider Länder konzentrierte sich auf eine Annäherung an die Alliierten, so dass für eine konstruktive Deutschland-Spanien-Politik in den ersten Jahren der Bundesrepublik kaum Platz war.9 Bis 1958 reiste kein deutscher Kanzler oder Außenminister nach Spanien, und besonders die Zeit bis 1952, als Prinz Adalbert von Bayern als erster Botschafter nach Spanien entsandt wurde, war eine Phase des politischen Misstrauens und gegenseitigen Sondierens.10 Belastend wirkte dabei vor allem die Frage des enteigneten deutschen Eigentums.11 Andererseits hatte die internationale Ächtung des spanischen Staates auch positive Folgen für die deutsch-spanischen Beziehungen, da sich viele Parallelen ergaben, die auf privater und offizieller Ebene zu einer Intensivierung der Kontakte führten. Die Rolle als ‚Außenseiter‘ Europas nach dem Zweiten Weltkrieg und die oft beschworene, historisch argumentierende schicksalshafte Verbindung führten auf privater Ebene zu einer engeren Beziehung beider Länder. Der Gedanke an die Zugehörigkeit zu Europa und an die traditionelle deutsch-spanische Freundschaft sowie die Idee des christlichen Abendlandes waren dabei die Kernthemen.12 Die historischen Gemeinsamkeiten und die Begegnungen der letzten Jahrhunderte bildeten ein Positivum, auf dem kulturelle und private Beziehungen aufgebaut werden sollten. Karl V. (Carlos I.) diente einmal mehr als Begründer der langen Freundschaft zwischen den Ländern. Die jüngste Vergangenheit hingegen mit der engen Kooperation zwischen Franco und Hitler, die für beide Länder kompromittierend wirkte, klammerte die offizielle politische Erinnerung, aber auch die private aus. Das Gedenken an den Krieg war in den 1950er Jahren ein Tabu auf beiden Seiten.13 Beide Länder praktizierten eine bewusste Politik des Verdrängens und täuschten mit Amnestiegesetzen über die Verbrechen und die politischen Verstrickungen der Vergangenheit hinweg. 14 Sowohl auf spanischer als auch auf deutscher Seite herrschte lange Zeit eine politische damnatio historiae, die verhinderte, dass die jüngste gemeinsame Vergangenheit kritisch hinterfragt wurde.15 9
Vgl. Aschmann, Birgit: Treue Freunde? Westdeutschland und Spanien 1945–1963, Stuttgart 1999, S. 445.
10
Vgl. Weber: Politíca española hacia Alemania, S. 213.
11
Vgl. Aschmann: Treue Freunde?, S. 445.
12
Vgl. Briesenmeister: Spanien aus deutscher Sicht, S. 13.
13
Vgl. Weber: Política española hacia Alemania, S. 209.
14
Vgl. Collado Seidel, Carlos: Spanischer Bürgerkrieg und Zweiter Weltkrieg, in: Mecke, Jochen u. a. (Hrsg.): Deutsche und Spanier. Ein Kulturvergleich, Bonn 2012, S. 86– 102, S. 90.
15
Vgl. Bernecker, Walther: Demokratie und Vergangenheitsbewältigung. Zur Wiederkehr verdrängter Geschichtserinnerung in Spanien, in: Olmos, Ignacio/Keilholz-Rühle, Nikky (Hrsg.): Kultur des Erinnerns. Vergangenheitsbewältigung in Spanien und Deutschland, Frankfurt am Main 2009, S. 57–75, S. 60.
158 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Eine weitere Parallele in der deutsch-spanischen Politik waren die Rehabilitationsprozesse beider Länder. Seit der 1953 endende Koreakrieg als ein Katalysator für die Westintegration fungierte, verliefen sie in vielen Punkten ähnlich. Birgit Aschmann bewertete in ihrer Studie diesen Parallelismus als einen der wichtigsten Gründe für die wieder aufkommenden positiven Beziehungen der beiden Staaten zueinander, denn „diese Analogien führten zu einer Interessengemeinschaft […], die ein gegenseitiges kooperatives Verhalten und gemeinsames Vorgehen in außenpolitischen Fragen nahelegten.“16 Franco-Spanien wurde zu einem wichtigen Verbündeten im Kampf gegen den Ostblock, da es eine große geostrategische Bedeutung hatte. Die internationale Ächtung wurde schwächer, war doch im Zeichen des Kalten Krieges dem Westen jeder Partner im Kampf gegen den Kommunismus willkommen; zudem lockerte das Regime in Spanien seinen anfänglich festen Griff um die Bevölkerung. 1955 folgte schließlich die Aufnahme in die UN.17 Der Kampf gegen den Faschismus wich der Abwehr des Kommunismus, und die internationalen politischen Konstellationen bildeten die wichtigsten Voraussetzungen für die weitere Entwicklung der deutsch-spanischen Beziehungen, da nun beide Staaten in das westliche System integriert wurden.18 Die Frage nach dem Umgang mit Francos Diktatur blieb aber ein wichtiger Punkt in den politischen Diskussionen. Durch die Charakterisierung Spaniens als autoritärer und nicht als faschistischer Staat umgingen die anderen westlichen Nationen dieses Problem. Sie hinterfragten in ihrer Spanienpolitik kaum den repressiven Charakter des Regimes oder die Missachtung der Menschenrechte. Die journalistischen Berichte zu Spanien nahmen nach der anfänglichen Kritik das Bild des antikommunistischen Spaniens auf und zeigten bei ihrer Interpretation der spanischen Politik einen deutlichen Rechtstrend.19 Zunehmend differenzierten sie dabei zwischen dem konservativen Staatsführer und der faschistischen Falange. Aschmann charakterisierte diese Situation als doppeltes Paradigma.20 Einerseits wandelte sich das Bild des Franco-Staates von einer faschistischen Diktatur hin zu einem unbefangenen Partner, dessen ideologische Haltung zugunsten eines militärstrategischen, antikommunistischen und wirtschaftlichen Pragmatismus in Kauf genommen wurde. Andererseits erschwerten gerade die Kriegsfolgen die Beziehungen untereinander. Die nach Spanien geflohenen SS-Angehörigen trugen dazu bei, 16
Aschmann: Treue Freunde?, S. 444.
17
Vgl. Barth, Reinhard: Diktaturen in Europa, Berlin 2005, S. 97.
18
Vgl. Aschmann: Treue Freunde?, S. 443f.
19
Vgl. Bernecker, Walther: Historiografische Aspekte zur Geschichte des 20. Jahrhunderts, in: Bader, Wolfgang/Olmos, Ignacio (Hrsg.): Die deutsch-spanischen Kulturbeziehungen im europäischen Kontext. Bestandaufnahme, Probleme, Perspektive, Frankfurt am Main 2004, S. 231-261, S. 234f.
20
Vgl. Aschmann: Treue Freunde?, S. 446.
Ende und Neuanfang | 159
dass dort ein Deutschlandbild tradiert wurde, das im Widerspruch zur demokratischen Haltung der Bundesregierung stand. Diese ambivalente Lage hatte auch Auswirkungen auf die kulturellen Beziehungen der Staaten. Deutschland verlor nach dem Krieg seine Vormachtstellung als Kulturmacht in Spanien. An den spanischen Oberschulen wurde der Deutschunterricht zugunsten des Englischen zurückgefahren.21 Diese Lücke versuchten Kulturpolitiker einerseits durch die Deutschen Schulen, andererseits durch den intensiven Kontakt zwischen Akademikern oder Studentenverbindungen und durch Jugendaustauschprogramme zu schließen. Dabei waren die Veranstaltungen, die im Rahmen solcher Austauschprogramme stattfanden, weiterhin eine Möglichkeit, politisch erwünschte Bilder vom eigenen Land zu präsentieren. Auf kultureller Ebene entwickelten sich durch die Neugründung der Schulen und den Aufbau von wissenschaftlichen Beziehungen neue Ansatzpunkte. Da die alliierte Kontrollpolitik keine uneingeschränkte Annäherung der ehemaligen Partner zuließ, bildeten erneut die halboffiziellen Kanäle der Kulturverbindungen eine Möglichkeit zur Zusammenarbeit. Grundsätzlich lässt sich für die ersten Jahre nach 1945 sagen, dass sowohl die wirtschaftliche, politische und militärische als auch die kulturelle Zusammenarbeit durchgehend ein wichtiger Bestandteil der bilateralen Beziehungen waren und das positiv konnotierte Bild vom jeweils anderen, das trotz einiger Konfliktpunkte überwog, die Basis für das weitere positive Verhältnis zwischen den beiden Ländern bildete. Dadurch entstand eine Spirale, die wiederum zu einer Intensivierung einzelner Bereiche führte. Gerade durch diese freundschaftlichen Beziehungen konnten sich Kultureinrichtungen in einer Art und Weise entwickeln, die aus deutscher Perspektive im Vergleich zum restlichen Europa so nur in Spanien möglich war. Die Deutschen Auslandsschulen waren dabei immer noch ein wichtiger Bestandteil, und der Diskurs um die Rückerstattung von Schulgebäuden und die Wiedereröffnung der Schulen prägte die deutsch-spanischen Beziehungen. Neben der Enteignung der schulischen Gebäude und dem Neuanfang nach 1945 waren vor allem die personellen und strukturellen Kontinuitäten für die Phase der Nachkriegszeit ausschlaggebend.
5.1 SCHLIEßUNG, ILLEGALER UNTERRICHT UND NEUANFANG Francos Spanien sah sich nach dem Kriegsende einem doppelten Faschismusvorwurf ausgesetzt: So wurde ihm vorgehalten, eine eigene faschistische Genese durchlebt zu haben, und zum anderen auf die Tatsache verwiesen, dass flüchtige
21
Vgl. ebd., S. 450.
160 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
NS-Verbrecher in Spanien Zuflucht fanden.22 Der Druck der Alliierten auf Spanien als letzte Bastion des Faschismus stieg. Gleichzeitig sahen die westlichen Mächte in Spanien immer mehr einen strategischen Partner im sich abzeichnenden Ost-WestKonflikt, und bereits im März 1946 erklärten Frankreich, England und die USA in der Drei-Mächte-Erklärung, sich nicht in die inneren Angelegenheiten Spaniens einmischen zu wollen. Um einer außenpolitischen Isolation zu entgehen, fügte sich Franco der alliierten Politik, deren Ziel unter anderem das Ausschalten des deutschen Einflusses in Spanien war. Dazu sollten in der ‚Operation Safehaven‘ 12.000 in Spanien lebende Deutsche auf ihre Vergangenheit hin überprüft und das gesamte deutsche Vermögen in Spanien eingefroren und kontrolliert werden.23 In einem Bericht des spanischen Außenministeriums hegte die Regierung zwar Zweifel an der juristischen Rechtsmäßigkeit einer Unterstützung solcher Vorhaben, doch sie erhoffte sich eine eigene politische Rendite für die Nachkriegsjahre. Spanien trat nach dem Londoner Abkommen am 5. Mai 1945 der Resolution VI von Bretton Woods bei und erließ ein Gesetz zur Verfolgung nationalsozialistischer Agenten auf spanischem Hoheitsgebiet und zur Erfassung und Blockierung deutscher Vermögenswerte.24 Damit kam das Land den Forderungen der Alliierten nach, die angesichts der großen Sympathie Franco-Spaniens für Deutschland eine neue Brutstätte für Nazi-Organisationen im Land vermuteten.25 Bei der Konfiszierung und Enteignung des deutschen Eigentums überwachten sie die Vorgänge daher genau und waren die letzte Kontrollinstanz bei Durchsuchungen, Anträgen oder Konfiszierungen. Ab dem 15. Juli 1945 erkannte Spanien den Alliierten Kontrollrat de facto, aber nicht de jure als Regierung Deutschlands an.26 Zwei Monate zuvor, am 7. Mai, hatten die diplomatischen Beziehungen zwischen Spanien und Deutschland geendet und die spanische Polizei deutsche Gebäude und Liegenschaften, unter anderem die Deutschen Schulen, versiegelt.27 Private Eigentümer konnten Einspruch erheben und einen Antrag auf Freigabe stellen, zuvor mussten jedoch die Eigentümerverhältnisse geklärt werden. Bei den Schulen waren sie infolge der finanziellen Unterstützung durch das Reich nicht eindeutig. In San Sebastián und Valencia wurden sie beispielsweise erst Ende Mai 1945 als deutsche Einrichtungen erkannt und geschlossen. Ab 1947 traten die westlichen Alliierten und Spanien in intensive Vermögensverhandlungen ein und schlossen am 10. Mai 1948 ein Abkommen zur Liquidierung der deutsch-spanischen Zahlungsbilanz und zur Enteignung des deutschen 22
Vgl. Collado Seidel: Angst, S. 11.
23
Vgl. ebd., S. 15.
24
Vgl. ebd., S. 166ff.
25
Vgl. ebd., S. 16.
26
Vgl. ebd., S. 178.
27
Vgl. ebd., S. 174ff.
Ende und Neuanfang | 161
Vermögens. Für die Deutschen stellte dies einen völkerrechtswidrigen Akt dar.28 Die De-jure-Enteignung Deutscher Schulen nahmen die Verantwortlichen daher nicht ohne Proteste hin, sie waren aber gegenüber den spanischen und alliierten Behörden weitestgehend machtlos. Erst mit Beginn der spanisch-deutschen Kulturverhandlungen und dem Kulturabkommen 1954 gelangten einige Grundstücke und Gebäude wieder in den Besitz der Schulvereine. Bis dahin war es für alle Beteiligten ein weiter und mühsamer Weg. Nicht nur die Spanier und die Deutschen beschäftigten sich intensiv mit den Schulen. Im Oktober 1947 schrieb der amerikanische Staatssekretär Earl Titus an seinen britischen Amtskollegen anlässlich eines Lagebericht zu Spanien, dass ihm die Auslandsschulen von Anfang an Kopfschmerzen bereitet hätten und ihn noch lange beschäftigen würden.29 Er sollte damit recht behalten. 5.1.1 Enteignung der Gebäude und Weiterführung des Schulbetriebs Die Auslandsschulen hatten in der NS-Kulturpropaganda einen hohen Stellenwert. Noch bis Ende des Krieges plante das Auswärtige Amt Neu- und Ausbauten in Spanien. An eine deutsche Kriegsniederlage oder gar einen Verlust des Eigentums dachte hier noch niemand. So musste teilweise, als die Schließung nach dem 8. Mai 1945 doch absehbar war, das Schulmaterial – Bänke, Stühle, Lehrbücher – kurzfristig aus den Klassenräumen geschafft werden, um sie vor einer möglichen Zerstörung oder Konfiszierung zu retten.30 In Bilbao brachten die Vereinsmitglieder in einer geheimen Aktion Material aus der Schule und transportieren es via Taxi in eine nahe liegende Fabrik.31 Die in Spanien lebenden Deutschen traf das Kriegsende schwer. Eine Passage aus der Chronik der Deutschen Schule Valencia lässt eine Zeitzeugin zu Wort kommen:32
28
Vgl. Scholten, Reinhard: Die Liquidierung des deutschen Privatvermögens in Spanien im Spiegel des Völkerrechts, Düsseldorf 1957, S. 62.
29
Vgl. E. O. Titus an Mr. Culbertson, 24.10,1947, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3, Folder 22.
30
Vgl. private Schulchronik Monika López Rall, Deutsche Schule Sevilla: „Vorgewarnt durch spanische Stellen, stiegen die Schüler auf Anweisung der Lehrer nachts in das Schulgebäude ein und ‚retteten‘ Unterrichtsmaterial (Landkarten, einen Medizinball, eine Filmkamera, Bücher, Bänke etc.) und andere Gegenstände (Fahnen, Abzeichen etc.).“
31
Vgl. Memorandum Saint, 18.05.1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 1, Folder 2.
32
100 Jahre DSV, S. 79.
162 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
„[I]hre Pässe wurden eingezogen, sie hatten keine konsularische Vertretung, durften sich nicht weiter als 50 km vom Wohnort entfernen. Sie hatten Arbeitsverbot, ihre Konten wurden gesperrt, die Alliierten fertigten Listen an, nach denen einige Männer in gehobenen Positionen (nicht etwa Parteimitglieder) nach Deutschland überführt wurden. Von anderen, die in der Wehrmacht den Krieg mitgemacht hatten, fehlte jede Nachricht. Für die deutsche Kolonie, deren Hauptbetätigungsfeld ja der internationale Handel war, war die finanzielle Lage schwierig.“
Zu diesen Alltagsproblemen kam nun die schwierige Schulsituation hinzu. In Bilbao gingen der normale Schulbetrieb und die Unterstützungsmaßnahmen der Gemeinde bis einige Wochen nach Kriegsende weiter.33 Die Abiturprüfung fand in der Privatwohnung des Schulvereinsvorsitzenden statt, der die Zeugnisse auf den 8. Mai 1945 zurückdatierte. Erst nach dem Abschluss des Abiturjahrgangs wurde der Schulbetrieb offiziell eingestellt. Konsul Friedhelm Burbach hatte bereits zwei Wochen vor der Kapitulation eine Sondersitzung einberufen, in der politisch kompromittierte Mitglieder ihr Amt aufgeben mussten. Man rechnete schon fest mit der Niederlage und hoffte, den Schulbetrieb ohne belastetes Personal bald wieder regulär aufnehmen zu können. Nach der Enteignung des Schulgebäudes betrieben Lehrer und Schüler getarnt in einer Einrichtung namens ‚Academia San Luis‘ ihren Unterricht, der jedoch von der Polizei schnell entdeckt und unterbunden wurde. Zusätzlich nahm das Interesse der Eltern ab, da ein Unterricht an einer inoffiziellen Schule zu keinem Abschluss führte. Das Kriegsende unterbrach außerdem die diversen Bautätigkeiten. In Valencia wurde nicht einmal der erste Gebäudeflügel des geplanten Neubaus fertiggestellt.34 Ein ehemaliger Lehrer der Schule, Herr Sangüesa, übernahm den Unterricht in einer von ihm neugegründeten Privatschule, zwei deutsche Lehrer bezahlte ihm die deutsche Kolonie. Zusätzlich begann Familie Hartmann ab September 1946 illegal den Unterricht in privaten Räumlichkeiten durchzuführen. 23 Schüler und vier Lehrer meldeten sich zum provisorischen Unterricht. Valencia war damit eine der ersten Deutschen Schulen in Spanien, die nach dem Krieg, wenn auch heimlich, den Betrieb wieder aufnahm. Um kein Aufsehen zu erregen, fuhren die Eltern zur Bachillerato-Prüfung in das benachbarte Jativa, immer in getarnten Fahrzeugen, da sie mit einer Gruppe ‚germanischer‘ Kinder sonst unwillkommenen Argwohn erweckt hätten. Der Unterrichtsalltag in dieser Zeit war allerdings beschwerlich, denn die Schule war offiziell immer noch verboten:35
33
Vgl. 90 Jahre DSBi, S. 48.
34
Vgl. 100 Jahre DSV, S. 78ff.
35
Ebd., S. 80.
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„Die Lehrer mussten zwischen den immer mehr werdenden Räumen in den verschiedenen Häusern hin- und herwandern, der Zeitverlust und Aufwand war immens. Neben dem Schulgeld musste jeder Schüler einen Tisch und einen Stuhl von zu Hause mitbringen, die Tafel war ein schwarzes Stück Papier, das zusammengerollt werden konnte, das Provisorium war offensichtlich. Die Lehrer hüteten die Kreide sorgfältig, nahmen jeden Rest mittags mit nach Hause, nichts durfte verschwendet werden. Um kein Aufsehen bei den Nachbarn zu erregen, mussten die Kinder auf Strümpfen gehen, durften nicht mit den Tischen rücken und mussten natürlich im Flüsterton kommunizieren.“
Die Bemühungen, die Auslandsschulen weiterzuführen, gingen somit vor allem von den Lehrkräften aus, die sich ihrer finanziellen Grundlage beraubt sahen. Die Vorstände, welche meist Kaufleute oder Unternehmer waren, hatten häufig andere Sorgen und mussten sich um ihre eigenen Geschäfte kümmern. Für die Lehrer, die im Land blieben, ergab sich so eine finanzielle Notlage, da die Unterstützung aus der Heimat entfiel.36 Sie übernahmen Tätigkeiten als private Nachhilfelehrer, wechselten das Berufsfeld, waren arbeitslos oder versuchten eben, heimlich die Deutsche Schule zu erhalten, um so sowohl die Schülerschaft als auch die pädagogische Infrastruktur sicherzustellen und zu nutzen. In Valencia mieteten die ehemaligen Lehrer für die 34 Schüler der Grund- und Oberschule in der Calle Cirilo Amorós eine Wohnung an. Schnell meldete sich der erste spanische Schüler an, es folgten kurz darauf weitere Spanier, und 1951/52 betrug die Zahl der Schüler wieder 84. Die Hartmanns organisierten eine weitere Wohnung in der Calle Salamanca, um den Kindergarten und einige Gruppen der Grundschule unterzubringen. In Madrid ging der Schulbetrieb nach der Schließung ebenfalls auf der Grundlage privater Initiativen weiter. Auch hier blieben viele Lehrer in Spanien und erteilten ihren Schülern privat Einzel- oder Gruppenunterricht. Es bildeten sich zunächst vier von Idealismus und Eigeninitiative geprägte Gruppen.37 Felix Großkinsky, ein ehemaliger Lehrer, engagierte sich für eine Einigung der vier Fraktionen, die sich im September 1949 zum Colegio de San Miguel zusammenschlossen. Die Schule sah sich moralisch als Nachfolger des alten Colegio Alemán, rein rechtlich gesehen war die Gründung einer deutschen Schule jedoch untersagt, und auch das Interesse der Eltern war anfangs noch gering, da in der wirtschaftlichen Notlage nach dem Zweiten Weltkrieg kaum einer der ansässigen Deutschen daran denken konnte, seine Kinder für ein Studium nach Deutschland zu schicken. Die Neugründung orientierte sich daher am spanischen Bachillerato-Plan von 1938, ergänzt um fünf Wochenstunden Deutsch. Dadurch trat die Sprache so weit zurück, dass sie eher als Fremdsprache erschien. Erkannte die spanische Schulbehörde vor 1945 die 36
Vgl. Plasse, Edeltraud: Als Deutsche in Madrid zur Kriegs- und Nachkriegszeit, in: Deutsche Lehrer im Ausland 1 (1994), S. 56–59.
37
Vgl. zum Folgenden 100 Jahre DSM, S. 110–112.
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deutschen Abschlüsse nicht an, konnte die Schule nun zunächst gar keine mehr anbieten.38 Ihre Struktur wandelte sich damit vollkommen; erst ab 1952 konnte sie wieder Abiturprüfungen anbieten, die allerdings in Spanien keine Anerkennung fanden. Mit 216 Kindern begann das erste Schuljahr, inklusive Kindergarten. Die räumlichen Verhältnisse waren prekär, die Ausstattung mit Lehrmitteln oder naturwissenschaftlichen Sammlungen dürftig. Trotzdem erhielt die Schule regen Zulauf; schon bald stiegen die Anmeldezahlen, nun auch von spanischen Kindern. Ihr guter Ruf, den sie in der Stadt besaß, überdauerte die Querelen der Schließung, sie erreichte bald wieder ähnliche hohe Schülerzahlen, wie vor dem Kriegsende. In Barcelona ist wegen privater Aktenaufzeichnungen, die in der Festchronik zum 100-jährigen Jubiläum eingearbeitet wurden, die Quellenlage weit besser als bei den anderen Schulen. In der katalanischen Stadt war der Schulvorstand stärker in die Bemühungen zum Erhalt der Schule involviert. Zusammen mit der Lehrerschaft versuchte er, durch Protest und Neustrukturierung die Schule vor dem Aus zu bewahren. Das Ende Mai 1945 geschlossene Gebäude durfte nach Intervention bei den spanischen Behörden zwei Tage später wieder öffnen, bevor es am 5. Juni 1945 auf Weisung der Alliierten endgültig abgeriegelt wurde.39 Versuche seitens des Vereinspräsidenten, das Lehrerkollegium und den Vorstand von politisch belasteten Mitgliedern zu befreien, wurden nur noch teilweise in die Tat umgesetzt. Der alte Vorstand traf sich eine Woche nach der offiziellen Schließung, um Mitglieder zu entfernen, die in der Partei aktiv waren, und um über ein neues Führungsgremium zu beratschlagen. Die Chronik berichtet von vier Personen, die sich besonders für den Erhalt der Schule engagierten: Dr. Leonhardt, Herr Birk, Ernst von Steindorff und Carl Hartmann.40 Die Gruppe war sich zwar einig, dass eine Mitarbeit von Leuten, die während des Dritten Reiches an verantwortungsvoller Stelle gestanden hatten, die Verhandlungen schwächen würden, weshalb beispielsweise Lehrer Vollmer, Jugendführer der HJ, aus dem Kollegium ausschied. Doch die verantwortlichen Vorstandsmitglieder, etwa von Steindorff, hielten sich selbst für unbedenklich, und bei der Frage nach der Amtsniederlegung tat niemand den ersten Schritt. Die Amerikaner hielten von Steindorff allerdings keinesfalls für unschuldig: 41 „Ernst Ritter von Steindorff, a man who was flying the swastika from his car until the last moment and now pretends that he had nothing to do with the Nazis. He is described as unreli38
Vgl. Sauer, Waldemar: Die Neustruktur der Deutschen Schule Madrid. Modell einer integrierten Auslandsschule, in: DLiA 2 (1972), S. 88–92, S. 89.
39
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 123.
40
Vgl. zum Folgenden 100 Jahre DSB, S. 126ff.
41
Report on German School in Barcelona, 04.06.1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 4, Folder 22.
Ende und Neuanfang | 165
able, an intrigeur, and at times was in the habit of denouncing compatriots of opposed political views.“
Die internen Beratungen wurden von einer Durchsuchung des Schulgebäudes durch die amerikanischen und britischen Konsulate unterbrochen. Eine Beschlagnahmung des Gebäudes konnte vorerst nur durch den Verweis auf die private Trägerschaft verhindert werden. Gegenüber den spanischen Behörden arbeiteten Steindorff und seine Kollegen. darauf hin, die Schule als spanischen Verein und als spanische Schule anerkennen zu lassen, um so der Konfiszierung zu entgehen. Der Vorstand betonte, dass die Mehrheit des Vereins Spanier seien, zudem besetzte man mit Don José Muñoz den Schulleiterposten mit einem Spanier. Der ehemalige Generalkonsul Hans Kroll erkannte, dass diese Maßnahmen nicht ausreichen würden und die Probleme nicht von den Spaniern gelöst werden konnten:42 „Im übrigen ist es falsch zu glauben, dass man den Alliierten weismachen könne, dass die deutsche Schule ein reines Privatunternehmen sei, und dass der Schulverein sowohl aus zahlenden Mitgliedern und den Eltern der deutschen und der spanischen Kinder bestehe. Wie erkläre sich dann, dass kein einziger Spanier bisher im Vorstand gewesen ist? Formal sei zwar die Schule nicht im geringsten deutsches Reichseigentum, aber den Alliierten könne nicht verborgen geblieben sein, dass vom Reiche Zuschüsse geleistet worden seien, die in die Millionen gehen. Schließlich sei nicht davon auszugehen, dass die Alliierten zulassen, dass eine deutsche Schule in Spanien nach mehr oder weniger eigenen Gesichtspunkten wieder aufmacht, wo doch sicherlich für alle deutsche Schulen in Spanien einheitliche alliierte Direktiven zu erwarten sind.“
Der Konsul behielt recht. Die amerikanischen Behörden akzeptierten das Argument der privaten Trägerschaft nicht, für sie waren die Schulen Staatsbetriebe:43 „Despite differences in their organization, all schools were alike in that they were completely controlled by the German State; the members, the income, their aim, and their direction were completely German Government controlled and they must be recognized as official property.“
Nicht nur, dass die Amerikaner sie als Staatseigentum betrachteten, es mehrten sich die Berichte, die in ihnen einen potentiellen Gefahrenherd für die Nachkriegsordnung identifizierten:44
42
Zitiert nach: 100 Jahre DSB, S. 129.
43
Table of contents – problem of the former German Schools, 12.09.1947, in: NARA RG 226, UD 127, Box 4, Folder 22.
166 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
„[…] the world-wide efficiently organized German school system (Schulverein) is one of the more important media designated by the Nazi Party for the perpetuation of its teaching and its postwar under-cover subversive activities.“
Für die Alliierten war daher klar, dass sämtliche Maßnahmen nur Täuschungsmanöver waren und sich in den Schulen nichts geändert hatte:45 „So far, German mentality neither in Madrid nor in Barcelona appears to accept the fact that the German armies have surrendered unconditionally. On the contrary, Germans in both cities still behave as if nothing had happened, and in dealing with the school ‚problem‘, are relying on every possible trick to camouflage past events and future intentions.“
Die Amerikaner begründeten ihre Position mit der Organisation der Schulen: Der deutsche Konsul und der örtliche NSDAP-Chef waren Mitglieder im Vorstand, Lehrer mussten der Partei angehören, Juden durften die Schulen nicht besuchen, das Curriculum erarbeiteten und überwachten deutsche Behörden und die hohen Fördergelder garantieren das Überleben.46 Damit fielen sie für die Amerikaner unter die Direktiven von Bretton Woods und mussten beschlagnahmt werden. Carl Hartmann schlug in Barcelona aus diesem Grund immer wieder eine Kooperation mit der Schweizer Schule vor, um so die Zugehörigkeit zu Deutschland zu verschleiern. Zeitgleich sorgte eine Zusage des spanischen Gobierno Civil, dass die Schule im Oktober wieder öffnen könne, für zusätzlichen Optimismus. Parallel versuchte man weiterhin die Besetzung des Vorstandes zu verändern, um auch gegenüber den Alliierten eine legitime Basis zu schaffen. Allerdings wäre dafür gemäß Satzung eine außerordentliche Generalversammlung nötig gewesen, deren Genehmigung wiederum von den Alliierten abhing. Insofern machten sich die Verantwortlichen keine großen Hoffnungen, die Pläne umsetzen zu können. In der Zwischenzeit errichteten Mitglieder des alten Schulvereins, Lehrer und ehemalige Schüler ein spanisches Unterrichtszentrum, das Colegio Mediterráneo, um die pädagogischen Ziele in der ungewissen Übergangsphase weiterführen zu können. Die Chronik berichtet von internen, nicht genauer definierten persönlichen Intrigen, die zu der Weisung des Gobierno Civil geführt hätten, dass nur spanische Lehrer am Colegio unterrichten dürften. Damit war das Ziel, den in Barcelona verbliebenen Lehrern eine Anstellung zu geben und den deutsch-spanischen Charakter 44
Memorandum: The closing of the German School, E. O. Titus, 11.05.1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3, Folder 22.
45
Secret Memorandum Hans Rothe, Datum unbekannt, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3, Folder 22.
46
Vgl. Memorandum E. O. Titus 21.05.1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3, Folder 22.
Ende und Neuanfang | 167
zu wahren, hinfällig. Dieses neue Institut wäre in direkter Konkurrenz zur alten Schule gestanden und fand daher bei den verbliebenen Vorstandsmitgliedern keinen Anklang, und auch die Eltern wandten sich von dieser Schulidee enttäuscht ab. Nachdem der Plan einer alternativen Schule gescheitert war, legten am 27.09.1945 von Steindorff und die restlichen deutschen Vorstandsmitglieder ohne Begründung ihre Ämter nieder. Dadurch machten sie den Weg für Verhandlungen mit den Alliierten frei. Als Vertretung des Schulvereins bildete sich ein Aktionsausschuss, der Gespräche mit dem amerikanischen Konsul aufnahm. Dieser machte die Enteignung von der Eigentümerfrage abhängig und sicherte dem Ausschuss zu, Privateigentum nicht zu konfiszieren. Auf einer – nun von den Amerikanern genehmigten – außerordentlichen Generalversammlung wurde die Schule in die Hände eines alliierten Gremiums übergeben. Am 27. Oktober 1945 überreichte der neu gewählte Vorstand eine Übergabeerklärung, der amerikanische Generalkonsul forderte zusätzlich eine legale Transaktion, die rechtlich den Verzicht auf die Liegenschaften der Schule oder gleichwertigen Ersatz bedeutete. Die Schule stand nun de facto unter der Kontrolle des amerikanischen Konsulats, das in der Folge das Colegio Alemán in ein Colegio Internacional umwandelte. Der neue Vorstand der Deutschen Schule sah in dieser Lösung den einzigen Ausweg, die Schule in einem anderen Gewand zu erhalten. Diese Internationale Schule hatte das Ziel, junge Menschen aller Nationen ohne nationalen Egoismus zu erziehen. Sie distanzierte sich damit explizit von den Propagandaschulen des Dritten Reichs. Der Trägerverein wurde durch die Generalkonsulate der drei Westalliierten gebildet, die Leitung übernahm ein französischer Direktor. Zwar hätte der deutsche Einfluss durch eine höhere Schülerzahl gesteigert werden können (pro 100 Schüler einer Nation wurde ein Lehrer eingestellt), doch meldeten nur wenige deutsche Eltern ihre Kinder an, weil das deutsche Mitspracherecht im Vergleich zur vorherigen Anstalt gering ausgeprägt war und sie in ihr keine ‚Deutsche‘ Schule mehr sahen. Besonders Boos agitierte gegen das neue Colegio und warnte die Eltern in Rundschreiben, dass es keine deutsche Abteilung geben werde.47 Die Befürchtungen bewahrheiteten sich zum Teil: Durch eine Änderung der Statuten am 8. September 1949, der zufolge drei ständige Mitglieder des Schulvorstands Franzosen sein mussten, wurde die Schule sukzessive zu einer französischen Einrichtung umgewandelt. Mit einer Überschreibung des Grundstücks und den darauf befindlichen Gebäuden an den internationalen Verein am 4. Januar 1950 ging die Chance auf eine Wiederbenutzung der alten Bauten durch eine spätere Deutsche Schule verloren. Zeitgleich zu den Versuchen, die Schule zu erhalten oder alternativ deutschen Unterricht im Colegio Internacional zu organisieren, versuchten einige frühere Lehrer, 47
Vgl. Memorandum Hans Rothe, School trouble in Barcelona, 13.01.1947, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3, Folder 22.
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den Betrieb auf privater Ebene weiterzuführen, und boten Einzel- oder Gruppenunterricht an. Aus dieser Konstellation bildeten sich zwei Gruppen, die persönlich, konfessionell und politisch-ideologisch unvereinbar waren. Beide gründeten jeweils eine eigene Schule, so dass in Barcelona insgesamt drei neue Bildungseinrichtungen aus dem ehemaligen Colegio Alemán mit unterschiedlichen pädagogischen Zielsetzungen und unterschiedlichem nationalen sowie konfessionellen Charakter hervorgingen. Neben dem Colegio Internacional entstanden das Colegio La Salud und die Escuela Miramar. Ihre Entstehungsgeschichte führte zu heftigen Konflikten in der Eltern- und Lehrerschaft48, weshalb ein genauerer Blick auf dieses Spannungsverhältnis notwendig ist. Ein erster Versuch der Lehrergruppe Rehnelt, Stegmann und Hartmann, zusammen mit der spanischen Lehrerin Palau-Ribes eine Schule zu gründen, scheiterte an ihrer stark spanisch-katholisch orientierten Ausrichtung. Nur wenige Eltern unterstützten diesen Plan, weshalb Hartmann und Kollegen als Ersatz die Eröffnung einer Schule mit stärkerem deutschen Charakter und einem Spanier als nominellem Leiter ins Auge fassten. Diese Einrichtung erhielt den Namen ‚La Salud‘. Bei ihrer Eröffnung im Oktober 1947 waren 100 Schüler eingeschrieben, zwei Jahre später unterrichteten 17 Lehrkräfte knapp doppelt so viele Kinder, und im Mai 1950 konstituierte sich ein dazugehöriger Schulverein. Ebenfalls im Oktober 1947 etablierte sich die Escuela Miramar. Lehrerin PalauRibes, die weiterhin eine katholische Orientierung präferierte, spaltete sich von der ‚La Salud‘-Gruppe ab und gründete mit Rektor Boos, Pfarrer der deutschen katholischen Gemeinde in Barcelona, die neue Einrichtung und gab ihr einen streng katholischen Charakter. Um einen Neuanfang durchzuführen wurde im Gegensatz zu ‚La Salud‘ auf viele ehemalige Mitglieder, die der NS-Ideologie nahestanden, verzichtet, und das Schuljahr 1948/1949 begann mit 80 Schülern. Wichtige Anliegen der Schulleiter waren die konfessionelle Ausrichtung, die Offenheit gegenüber spanischen Schülern und die pädagogische Nachfolge des alten Colegio Alemán. Man berief sich auf die Methoden des ehemaligen Instituts, um als legitimer Nachfolger zu gelten. Palau-Ribes brachte 1950 von einer Deutschlandreise eine mündliche Zusicherung mit, dass die Schule wieder anerkannt werde. Damit waren in Barcelona zwei Schulen entstanden, die von nun an um die Gunst der im Aufbau befindlichen deutschen Kulturbürokratie buhlten. Während der einstige Schulvorstand wegen interner Streitigkeiten nicht in der Lage war, ein Nachfolgekonzept zu entwickeln, und das alte Schulgebäude an das französisch ausgerichtet Colegio Internacional übertragen wurde, blieb durch die private Initiative die Kontinuität erhalten, und nur zwei Jahre nach der offiziellen Schließung konnte der Betrieb mit Einschränkungen weitergehen.
48
Vgl. zum Folgenden 100 Jahre DSB, S. 141ff.
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Neben den privaten Konflikten war mit Blick auf das spanische Gastland vor allem der Einfluss der katholischen Kirche ein wichtiger Aspekt, der zu Auseinandersetzungen führte, zumal die deutschen Auslandsschulen, bedingt durch ihre Gründungsgeschichte, einen evangelischen Charakter hatten und sich daher gegenüber dem seit 1936 erstarkten spanischen Klerus stärker rechtfertigten mussten als zuvor.49 Als Vertreter der Staatsreligion hatten die katholischen Geistlichen nicht nur gesellschaftliche, sondern auch politische Macht und Mitspracherechte in der Bildungspolitik. Zu sehen ist dies im weiteren Verlauf der Entwicklung in Barcelona.50 Die Schulen La Salud und Miramar standen zu Beginn in Konkurrenz zueinander, doch sie erkannten beide den Nutzen einer Fusion, um so wieder eine einzige Deutsche Schule etablieren zu können. Bei den Bestrebungen um die Vereinigung forderte Boos einen stärkeren christlichen Charakter und einen höheren Stellenwert der Katholiken in der Schulgemeinde, der in La Salud seiner Meinung nach nicht gegeben war. Neben derartigen konfessionellen Diskrepanzen war vor allem die Frage nach der Weiterbeschäftigung einzelner Lehrer in einer neuen Schule ein Problem, das zum Scheitern erster Verhandlungen führte. Für das in der Zwischenzeit neugegründete Auswärtige Amt war die Finanzierung von zwei Auslandsschulen vor Ort unvorstellbar, so dass der ehemalige Vorstand von Steindorff mit Wohlwollen der deutschen Stellen einen Ausschuss zum Zwecke der Schaffung einer einzigen Schule gründete, die den Namen Colegio Alberto Magno erhielt und sich als legitime Nachfolgeschule der alten Deutschen Schule präsentierte. Schnell übernahm sie Schüler aus La Salud und Miramar, deren Eltern ihre Kinder auf die Schule schicken wollten, welche die größte Chance auf Unterstützung aus Deutschland hatte. Ende 1950 waren wieder über 350 Schüler eingeschrieben, und La Salud schloss sich bereitwillig dem neuen Colegio an beziehungsweise ging in diesem auf, da das Alberto Magno die besten Aussichten auf eine Förderung hatte. Die Verantwortlichen der katholisch dominierten Miramar-Schule reagierten jedoch zögerlicher, denn das letzte Wort bei der Vereinigung hatte der Bischof von Barcelona, da ohne seine Zustimmung und seine Anerkennung des Religionsunterrichts keine Prüfungen abgelegt werden konnten. Er knüpfte sein Placet an einige Bedienungen.51 Der Generalvikar Barcelonas forderte in seinem Namen, dass das neue Colegio katholisch sei und Protestanten nur geduldet werden könnten. Weitere Vorschriften betrafen die konfessionelle Zusammensetzung der Lehrerschaft und der Schulleitung, eine Trennung nach Konfession in der Grundschule so wie die Namensgebung San Alberto Magno. Diverse Vermittlungsversuche seitens des 49
Vgl. die Ausführungen in Kapitel IV. 2.3 zum Einfluss der katholischen Kirche. Und Herzner: Kirchenmänner.
50
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 148ff.
51
Vgl. zum Folgenden: Korrespondenz Eugen Löffler mit Kulturreferent Salat 25.12.1950, in: Staatsarchiv Baden Württemberg Q1/20 Nachlass Löffler 254.
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Auswärtigen Amtes oder durch den Kölner Kardinal Frings sowie die Zusage eines katholischen Schulleiters führten nach acht Monaten zur Genehmigung durch den Bischof, und die Schulen konnten vereinigt werden. Die spanische katholische Geistlichkeit legte so der Deutschen Auslandsschule ihren Willen auf, was wiederum in der paritätisch ausgerichteten Schulgemeinde für Kritik sorgte. Die deutschen Eltern sahen ihre Rechte missachtet, beugten sich jedoch den Vorgaben der spanischen Obrigkeit, da man sonst mit einem Verbot hätte rechnen müssen. Rektor Boos, einer der Hauptverantwortlichen der katholischen MiramarSchule, kritisierte ebenfalls die Vereinigung, hatte dabei aber andere Motive. In seinen Augen war das Colegio Alberto Magno eine ‚Nazischule‘, die Personal und Ideen aus der Zeit vor 1945 weiterführte. Boos urteilte dabei mit zweierlei Maß, immerhin half er mit seinen eigenen Interventionen im spanischen Außenministerium und der Erstellung von ‚Persilscheinen’, dass zahlreiche ehemalige Nazis oder Verdächtige im Land bleiben konnten.52 Seine Meinung über die neue Schule entsprach auch jener der Amerikaner, die den Neugründungen skeptisch gegenüberstanden. Im März 1948 verfasste der amerikanische State Secretary Earl Titus ein Memorandum, in dem er den Fortbestand der Schulen scharf kritisierte:53 „It is being mooted about the Nazi colony that the Allies are going to give the German schools over to a Spanish school board, the board probably being composed of 5 Spaniards (including Martinez Pardo), 3 Germans (probably one Nazi Schlayer […] who was early president of the German schools Madrid, and honorary President until 1945; one DAMMERS, former President of Madrid Schools; and three unknowns), and one allied member. German interest circles are preparing, in connivance with fanatic Spaniards such as Martinez Pardo, to keep the school Spanish de jure and make it increasingly German de facto. It is said that the disinterestedness and indifference on the part of the Allies towards the German school and its activities has become a symbol for the Germans by which they can rally the Nazi-minded Germans and re-establish their influence. […] Allied indifference to the continuation of STEGMANN’s school in Barcelona and the lack of facilities for Germans in the so-called International School in Barcelona (run by the Allies) presaged ill for the prevention of Nazi inculcation in German youth in Spain.“
Für ihn waren sie eine Quelle nazistischen Widerstands und behinderten die Repatriierung der in Spanien lebenden Deutschen, die in den Schulen weiterhin ein Netzwerk betreiben konnten. Eckart Stegmann, der aktiv bei der Gründung von La
52
Vgl. Confidential report, Request to establish a German School in Madrid, E. O. Titus, 9.01.1948, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3, Folder 22.
53
Memorandum E. O. Titus, 30.03.1948, in: NARA RG 226, UD 127, Box 5, Folder 42.
Ende und Neuanfang | 171
Salud mitwirkte, war Titus ein besonderer Dorn im Auge. Im Oktober 1947 charakterisierte er ihn in einem Memorandum folgendermaßen:54 „He was one of the supervisors of Nazi education in Spain and as such naturally is a dangerous person to have in educational activities.“
Der Eindruck, es handle sich um Nazi-Brutstätten, erhärtete sich durch Vorfälle in anderen Städten. In Zaragoza tauchten Berichte auf, die eine Kooperation der Schule mit einer bayrischen Nazi-Untergrundorganisation vermuteten. Deutsche Kinder sollten demnach nach Spanien geschickt werden, um dort weiterhin in NaziMethoden geschult zu werden.55 Für die Amerikaner ein unzumutbarer Zustand, wollte man doch eigentlich alle Deutschen aus Spanien hinausbekommen. 5.1.2 Repatriierung der in Spanien lebenden Deutschen Spanien als faschistischer Staat galt in den Augen der Weltöffentlichkeit als Zufluchtsstätte für Nationalsozialisten. Namhafte SS-Mitglieder wie Otto Skorzeny konnten noch lange Zeit nach Kriegsende unbehelligt im Land leben.56 Schon vor 1945 versuchten die Alliierten den Druck auf Spanien zu erhöhen und die Unterstützung von in Spanien lebenden deutschen Agenten zu unterbinden. Nach der Kapitulation des Deutschen Reiches erweiterten sie diese Forderung: Nun sollten alle Deutschen, die mit der NSDAP oder anderen Staatsorganen in irgendeiner Form zusammengearbeitet hatten und sich in Spanien aufhielten, den alliierten Behörden überstellt und repatriiert werden.57 Dies betraf unter anderem die Botschaftsmitarbeiter, Schulvorstände und Lehrer. Im Madrid der Nachkriegszeit kursierten unterschiedliche Berichte und Gerüchte über die Verwicklung ehemaliger Diplomaten und Verwaltungsangestellter in neue Geheimorganisationen.58 Spanien bot theoretisch eine gute Basis für einen neonazistischen Widerstand. Die Zahl der Deutschen in Spanien hatte sich zwischen 1941 und 1945 auf circa 20.000 mehr als verdoppelt, und viele von ihnen hatten be54
Memorandum E. O. Titus, 17.10.1947, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3, Folder 22.
55
Vgl. RIC Report 08.06.1946, in: NARA RG 226, UD 127, Box 8, Folder 66.
56
Vgl. Zeitzeugengespräch mit Prof. Dr. Ingrid Schulze Schneider, Madrid, September 2016. Skorzeny konnte unbehelligt einen Import-Export-Betrieb mit Rindern und Werkzeugen führen. Gleichzeitig diente er als Knotenpunkt für ein Netz von Nationalsozialisten.
57
Vgl. Collado Seidel, Carlos: Zufluchtsstätte für Nationalsozialisten? Spanien, die Alliierten und die Behandlung deutscher Agenten 1944–1947, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1 (1995), S. 131–157, S. 131.
58
Vgl. zum Folgenden ebd., S. 133–134.
172 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
reits in der Legion Condor oder in Francos Armee während des Bürgerkriegs gekämpft. Fidel Dávila, Chef für die äußere Sicherheit im Alto Estado Mayor, vermutete, dass nahezu alle Ausländer, allen voran die Deutschen, nachrichtendienstlich tätig waren. Die Alliierten standen diesem dichten Netz an Spionagetätigkeiten, Verstrickungen und Geheimhaltungen nahezu machtlos gegenüber. Zunehmend erhöhten sie daher den Druck auf die spanische Regierung, um wenigstens geringe Erfolge zu erreichen. In einem Abkommen vom 2. Mai 1944 distanzierte sich Spanien von Deutschland und ging konkrete Verpflichtungen ein. 59 Noch vor Abschluss des Abkommens lag dem spanischen Außenministerium eine Liste mit 115 Namen vor, die in der Folgezeit von den Alliierten mehrmals aktualisiert und erweitert wurde. Zunächst in drei, später in vier Prioritätsgruppen eingeteilt, befanden sich auf diesen Listen Drahtzieher deutscher Agententätigkeit, deren Auslieferung die Amerikaner wünschten. Auf der ‚priority list no. 1‘ standen unter anderem Jacob Ahlers, Konsul und Schulpräsident in Teneriffa, der dort deutsche U-Boote unterstützt haben soll, Max Johs, Direktor der Schule in Madrid und führendes Parteimitglied, oder Gustavo Kruckenberg, der sich als Konsul maßgeblich an der Gründung der Deutschen Schule in Vigo beteiligt hatte.60 Das spanische Außenministerium reagierte zuerst ausweichend auf die Forderungen und argumentierte mit Fehlern auf den Listen. Viele der aufgeführten Personen hatten eine spanische Staatsbürgerschaft, bei anderen fehlten Adresse oder genauere Angaben. So kam es immer wieder zu Verwechslungen infolge fehlerhafter Schreibweisen oder Namensähnlichkeiten. Josef Boogen, seit 1940 Präsident des Schulvereins in Bilbao, reagierte überrascht auf seinen Repatriierungsbefehl und erklärte in einem Schreiben an das spanische Außenministerium, dass er keine Spionage betrieben habe, sondern es vielmehr einen Namensvetter gebe, der mit einem Blankopass über Frankreich seine Tätigkeiten ausführen konnte.61 Bei dem ‚Namensvetter‘ handelte es sich in Wahrheit um seinen Bruder, und auch bei Josef selbst waren sich die alliierten Agenten sicher, dass er einer der gefährlichsten Nazi-Agenten in der Gegend Bilbaos war.62 Er soll maßgeblich beim Schmuggel von Wolfram beteiligt gewesen sein und zusammen mit Walter Junghans, Friedhelm Burbach und Eduard Bunge, alles Personen im Umfeld der Schule, ein Spionagenetzwerk betrieben haben.63 Die Spanier glaubten seinen Erklärungen und verhinderten vorerst seine Ausreise. Boogen ist nur ein Beispiel für die verschleppende Arbeit der spanischen Exekutive. Verhaftungen und Repatriierungen verliefen sehr zögerlich. Briten und Ameri59
Vgl. ebd., S. 138f.
60
Vgl. Priority List der britischen Botschaft, in: AGA 82/06345.
61
Vgl. Boogen Josef, an MAE, Juni 1946, in: AGA 82/06347.
62
Vgl. Report Saint, 15.11.1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 1, Folder 4.
63
Vgl. Revised priority list 10.07.1946, in: NARA RG 226, UD 127, Box 4, Folder 19.
Ende und Neuanfang | 173
kaner bestimmten zwar, wer auf die Listen kam, die exekutive Gewalt hatte jedoch der spanische Staat inne, der vor allem gegenüber mit Spanierinnen verheirateten Deutschen nachsichtig war. Nahezu wöchentlich beschwerten sich die britischen und amerikanischen Botschafter Samuel Hoare und Carlton Hoyes über die skandalös langsame Umsetzung des Abkommens. Nach britischer Zählung befanden sich im Juli 1944 noch 201 von 220 deutschen Agenten, die auf einer ersten Liste standen, in Spanien.64 Diese Situation verbesserte sich nicht signifikant nach Kriegsende. Trotz einer ersten Repatriierung vermuteten die Alliierten im Mai 1946 noch 1.388 deutsche Agenten in Spanien.65 Die Ausweisungen konnten auch nach 1945 immer noch lange hinausgezögert werden; die spanische Verwaltung und vor allem das Polizei- und Sicherheitswesen war seit den deutsch-spanischen Polizei- und Geheimdienstabkommen von 1936 und 1940 von deutschen Kräften durchsetzt, die nun die amerikanischen und britischen Forderungen behinderten.66 Und selbst die deutsche Botschaft konnte vor 1945 die Listen noch beeinflussen, da die spanischen Behörden auf ihre Zusammenarbeit angewiesen waren, um betroffene Personen ausfindig zu machen oder identifizieren zu können. Im November 1944 schrieb der deutsche Botschafter an das spanische Außenministerium, dass angeblich alle relevanten Personen bereits das Land verlassen hätten:67 „Después de que la cuestión de las expulsiones había entrado en un estado agudo, se recomendó a los siguientes súbditos alemanes, cuya permanencia en España hubiera podido eventualmente significar para el Gobierno Español un inconveniente, su regreso voluntario a Alemania. Todos estos súbditos alemanes han salido entretanto de España.“
Den als Einladungen formulierten Polizeiaufforderungen leisteten die Betroffenen vielfach nicht Folge. Für den Großteil trafen die Schreiben überraschend ein und erschienen ihnen nicht nachvollziehbar. Otto Kuebler, Lehrer an der Deutschen Schule Madrid, erklärte in einem Schreiben an das spanische Außenministerium im April 1945 seine Verwunderung, da er erst seit einem Jahr in Spanien lebe und keinerlei politische Tätigkeiten aufgenommen habe.68 Während sich viele DeutschSpanier freiwillig der Repatriierung beugten,69 versuchte ein beachtlicher Teil, ihr zu entgehen, da sie einem finanziellen und sozialen Niedergang gleichkam – schließlich hatten die meisten Auslandsdeutschen kein Vermögen mehr in Deutsch64
Vgl. Collado Seidel: Zufluchtsstätte, S. 142.
65
Vgl. Aide Memoire Britische Botschaft an MAE, 21.05.1946, in: AGA 82/06345.
66
Vgl. Collado Seidel: Zufluchtsstätte, S. 143.
67
Vgl. Menciona Deutsche Botschaft, 03.11.1944, in: AGA 82/06346.
68
Vgl. Otto Kuebler an MAE, 25.04.1945, in: AGA 82/06346.
69
Vgl. Personenliste der Marine Perch oder Passagierliste eines Sonderzuges via Hendaye mit 1.297 Personen, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3, Folder 15.
174 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
land, auf das sie bei einer Rückführung hätten zurückgreifen können. Um der Ausweisung zu entgehen, suchten sie daher Fürsprecher, die sich bei führenden spanischen Politikern für die Betroffenen einsetzten.70 Zu ihnen zählte beispielsweise Rektor Boos, der Mitbegründer des neuen Colegio in Barcelona. Die Eingaben, die diese Fürsprecher zusammen mit denen der zur Ausreise aufgeforderten Deutschen an das spanische Außenministerium schickten, trafen dort auf offene Ohren und die Bereitschaft auf sie einzugehen war groß. Martín-Artajo, seit Juli 1945 Außenminister, schätzte die Bedeutung der deutschen Kolonie für die wirtschaftlichen Verbindungen zu Deutschland hoch ein, weshalb es in seinem Interesse lag, sich besonders für diejenigen einzusetzen, die sich um die deutsch-spanischen Beziehungen bemühten. Die betroffenen Personen sahen darin ihre Chance und machten nun in den Eingaben an das Ministerium ihre Verdienste geltend. Ernst von Steindorff, Vorstand der Deutschen Schule Barcelona, argumentierte beispielsweise mit seiner langjährigen Tätigkeit in Spanien und seiner privaten und beruflichen Verbundenheit mit dem Land.71 Einer anderen Argumentationslogik folgte Friedhelm Burbach, Schulvereinspräsident in Bilbao und Konsul.72 Er hob vor allem seine politischen Verdienste hervor, die er im Rahmen des Bürgerkriegs 1936 geleistet habe. Seit 1934 war Burbach für die Außenarbeit der NSDAP in Bilbao zuständig und übermittelte während des Bürgerkriegs entgegen dem internen Parteibefehl ein Schreiben Francos an Hitler mit Unterstützungsgesuchen. Als Schulfreund von Rudolf Heß nutzte er seine Verbindungen, um seiner Meinung nach den spanischen Bürgerkrieg maßgeblich zu beeinflussen. In drei weiteren Schreiben vertiefte Burbach seine Ausführungen und zählte seine Verdienste für Spanien auf, zu denen er unter anderem Rettungs- und Hilfsaktionen während des Bürgerkriegs, aber auch die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge im Hafen von Bilbao zählte. Während solche Erklärungen bei den Spaniern positiv wirkten, waren sie für die Briten ein weiterer Beweis über die Verstrickungen der Deutsch-Spanier in Nazi-Tätigkeiten. 73 Das Wohlwollen spanischer Ministerien gegenüber Deutschen, die sich um Spanien verdient gemacht hatten oder sogar mit einem Verdienstorden von Franco ausgezeichnet worden waren, verschleppte die Auslieferungsverfahren weiter und sorgte gleichzeitig für eine innerspanische Auseinandersetzung über den 70
Vgl. Collado Seidel: Zufluchtsstätte, S. 144f.
71
Vgl. Schreiben Ernst von Steindorff an MAE, 28.05.1946, in: AGA 82/06345
72
Vgl. Schreiben Friedhelm Burbach an MAE, 11.04.1945, in: AGA 82/06344
73
Vgl. Aide Memoire British Embassy an MAE, 16.09.1946, in: AGA 82/06348: „[T]he mere effect of long residence does not exculpate Germans from the charge of having engaged in dangerous activities during the war and indeed many of these old residents have, through their penetration into Spanish life, proved to be the most effective agents of the Nazi regime.“
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Umgang mit den Deutschen im Land: Ausweisen oder untertauchen lassen? Dieses Dilemma war kennzeichnend für einen generellen Konflikt in der Ausrichtung der spanischen Außenpolitik.74 Auf der einen Seite stand eine Politik der Stärke und Kompromisslosigkeit, wollte man doch den deutschen Freunden nicht in den Rücken fallen. Auf der anderen Seite standen Pragmatismus und Reformbereitschaft, um die außenpolitische Lage Spaniens zu verbessern, da die internationale Kritik an Schärfe zunahm. Die amerikanische Botschaft drohte mit negativen Konsequenzen in Bezug auf die Reisefreiheit der Spanier, da nicht geklärt war, welche Staatsbürgerschaft einige Deutsche hatten. 75 Diese Drohungen zeigten Wirkung, und der pragmatische Flügel setzte sich langsam durch. Immer mehr Deutsche erhielten daher eine Aufforderung, sich in ein ‚Internierungslager‘ zu begeben. Dabei handelte es sich tatsächlich um Hotelanlagen in katalanischen Kurorten. Der Vorschlag hierfür ging ursprünglich von der deutschen Botschaft aus. Legationsrat Gottfried von Waldheim begab sich selbst nach Caldas de Malavella, wo er unter ‚libertad vigilada‘ frei ein- und ausgehen konnte.76 Die Briten beschwerten sich immer wieder über diese skandalös freizügigen Umstände, die ihrer Meinung nach sogar die Weiterführung von Spionagetätigkeiten förderten. Ein geheimer Informant beschrieb beispielsweise die Lagerbedingungen von Eduard Bunge, Mitglied des Schulvereins in Bilbao und verdächtiger Spion.77 Bunge konnte demnach ein gemütliches Leben führen und zusammen mit Burbach regelmäßig Parteitreffen in Nazi-Uniform abhalten. Für die Deutschen war der Aufenthalt in den Internierungslagern trotz der großen Bewegungsfreiheit dennoch problematisch, da sie nach Schließung der deutschen Botschaft, die ursprünglich die Hotels bezahlte, selbst die Kosten tragen mussten und zusätzlich berufliche Einbußen erlitten. Am Ende blieben sogar zahlreiche spanische Hoteliers auf ihren Forderungen sitzen, da die Deutschen nicht mehr zahlungsfähig waren. Hans Peter Fromm, Mitarbeiter bei AEG sowie Vorstand der Deutschen Schule Valencia, wurde über ein Jahr in Caldas festgehalten, ohne dass konkrete Vorwürfe gegen ihn er-
74
Vgl. Collado Seidel: Zufluchtsstätte, S. 147.
75
Vgl. Nota verbal, Embassy of the United States, 30.05.1945, in: AGA 82/8493: „[T]he acquisition of Spanish nationality by German agents might have embarrassing repercussion for the Spanish Government on the freedom of movement of Spanish nationals after the war […] the entry of Spanish nationals into foreign countries will hardly be an easy process so long as it is known that various persons with Spanish papers and nationalities may in fact be disguised Axis agents.“
76
Vgl. Collado Seidel: Zufluchtsstätte, S. 149f.
77
Vgl. Report Suzi 20.12.1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3, Folder 12.
176 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
hoben wurden.78 Die rechtliche Grundlage der Internierung war häufig unklar, es fehlten Begründungen, konkrete Gesetze oder ein ausreichender Straftatbestand.79 Ab August 1946 wurde zunehmend deutlich, dass es nicht gelingen würde, die Deutschen aus dem Land zu bekommen. Von 255 dringlich Gesuchten hatten 105 das Land verlassen, der Rest war verschwunden oder wurde von offizieller Seite geschützt.80 Ein eindrucksvolles Beispiel ist Léon Degrelle, Führer der belgischen Rexisten und SS-Standartenführer. Bei Kriegsende floh er mit einem Flugzeug nach Spanien und stürzte mit diesem bei San Sebastián ab. Degrelle überlebte mit leichten Verletzungen und gastierte fortan als Staatsgast in Spanien, ohne dass polizeiliche Ermittlungen oder Repatriierungsforderungen zugelassen wurden.81 Amerikaner und Briten rückten immer mehr von der Idee der Repatriierung ab, da sie einerseits den geringen Erfolg und andererseits eigene Fehler erkannten. Auslöser war der Fall von Herta Leuthold Kremp, Angestellte im Konsulat Barcelona. Zunächst stand sie als Mitarbeiterin eines offiziellen Amtes auf der Ausreiseliste. Auch sie war ein Fall, der bei einer Rückkehr nach Deutschland keinen Anschluss gehabt hätte. In einem Schreiben an die amerikanische Botschaft erklärte sie ihren Standpunkt, betonte ihre Hilfe für ein jüdisches Pärchen, an einen Pass zu kommen, und fand einen Befürworter ihres Falles. Im Juni 1947 schrieb Philip Bonsal, US Chargé d’Affaires, an den britischen Secretary of State Stanley Baldwin:82 „This is the time to cut down the list, would it not be well to establish a whole category of persons rather than merely concentraiting on a couple of cases? […]why should we persists on our mistakes?“
Das Schreiben Bonsals verdeutlicht, dass die Alliierten die rigorose Repatriierungspolitik nach zwei Jahren bereits aufgegeben hatten. Die restlichen in Spanien lebenden Deutschen nahmen sie nicht mehr als Gefahr wahr. Diese waren zusehends damit beschäftigt, ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln, und kaum in der Lage, Untergrundnetzwerke aufzubauen. Die Internierungslager wurden aufgelöst, und viele bereits repatriierte Deutsche, wie Felix Großkinsky, Neubegründer der Deutschen Schule Madrid, konnten in der Folge wieder relativ problemlos nach Spanien zurückkehren, so dass dort letztendlich eine hohe personelle Kontinuität in den deutschen Communitys herrschte.83 Seine Frau Gertrude blieb ebenfalls als Sport78
Vgl. Notiz über Hans Peter Fromm, Juni 1946, in: AGA 82/06347.
79
Vgl. Collado Seidel: Zufluchtsstätte, S. 151.
80
Vgl. ebd., S. 156.
81
Vgl. Report Ibañez, 03.09.1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3 Folder 12.
82
Bonsal an Baldwin, 16.06.1947, in: NARA RG 226, UD 127, Box 6, Folder 47.
83
Großkinskys Name war auf einer der Passagierlisten der Marine Perch. Er kehrte demnach erst nach Deutschland zurück, bevor er wieder nach Madrid kam.
Ende und Neuanfang | 177
lehrerin an der Schule. Von ihr berichteten die amerikanischen Unterlagen, dass sie eine fanatische Nazi-Anhängerin gewesen sei.84 Die NS-Ideologie war demnach nach 1945 nicht aus dem Unterricht verschwunden. Mit dem Weiterbestand des Personals bildeten sich ideelle Kontinuitäten, die den Wiederaufbau des Auslandsschulwesens in vielen Bereichen behinderten und zu zahlreichen Spannungsfeldern führten.
5.2 KONTINUITÄTEN NACH DEM ZWEITEN WELTKRIEG Die halbherzig durchgeführte Repatriierung sorgte für einen hohen Grad an Kontinuität in den Deutschen Schulen in Spanien. Obwohl das Kriegsende institutionell ein tiefer Einschnitt war und alle Schulen ihre Gebäude und ihren Status verloren hatten, überdauerten die Schulstrukturen ideologisch und personell den politischen Wendepunkt des Jahres 1945. Die Beispiele aus Barcelona (1947) und Madrid (1949) zeigen, dass noch vor der Wiederaufnahme eines offiziellen Auslandsschulwesens Lehrer und Vereinsmitglieder für eine nahezu ununterbrochene Weiterführung sorgten. Eine Stunde null gab es so in den spanischen Auslandsschulen nicht, vielmehr wirkte die nationalsozialistische Vergangenheit der Schulen noch bis Ende der 1960er Jahre. Während die Lehrer durch eine Abberufung nach Deutschland einer gewissen Kontrolle unterlagen, konnten Schulvorstände, Verwaltungspersonal, Elternschaft oder Ortslehrkräfte weiterarbeiten und im Schulumfeld aktiv sein. Für das Auswärtige Amt, das ab 1951 die spanischen Einrichtungen wieder in die Förderung aufnahm, ergab sich so das Problem, dass eine Entnazifizierung des Auslandsschulwesens bislang nicht stattgefunden hatte, zumal im Amt selbst NSStrukturen teilweise weiter bestanden. Mit Adalbert von Bayern kam 1952 der erste Botschafter nach Spanien, der keineswegs ein hundertprozentig überzeugter Vertreter der neuen Demokratie war.85 In seinen Memoiren berichtet er, seine Arbeit in Spanien sei dadurch erschwert worden, dass unter den rund „11 000 in Spanien lebenden Deutschen – in Madrid allein 5000 – Nazis waren, teils die dort verbliebenen, teils die dorthin geflüchteten.“86 Der neue Botschafter plante jedoch nicht, sich um die politischen Einstellungen der Einzelnen zu kümmern, sondern riet vielmehr dem Auswärtigen Amt, auf Untersuchungen zur nationalsozialistischen Vergangenheit zu verzichten,
84
Vgl. Staff of the German School, Verfasser & Datum unbekannt, in: NARA RG 226, UD 127, Box 3, Folder 22.
85
Vgl. Collado Seidel: Angst, S. 446f.
86
Vgl. Bayern, Adalbert von: Erinnerungen 1900–1956, München 1991, S. 557.
178 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
da diese zu unnötiger Unruhe in der Kolonie führen würden.87 Mit der steigenden Zahl neu hinzugezogener Deutscher kam es mitunter zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen alten und neuen Elementen in den deutschen Gemeinden, doch interne und externe Versuche zur Aufarbeitung der nationalsozialistischen Vergangenheit erfolgten nur verspätet und sorgten erst nach einigen Jahren für Diskussionen und Kontroversen im Auslandsschulwesen, als personelle Besetzungen hinterfragt wurden. 5.2.1 Personelle Kontinuitäten Im Oktober 1950 schrieb der Direktor des Deutschen Instituts für Auslandskunde an das Auswärtige Amt, dass er Mitteilungen empfange, in Madrid existiere eine Privatschule, die noch nationalsozialistisch ausgerichtete Lehrer beschäftige, die wiederum eine notwendige Zurückhaltung vermissen ließen.88 Berichte solcher Art häuften sich im Auswärtigen Amt und drängten das Schulreferat zum Handeln, da veraltete pädagogische und personelle Strukturen die Rekonstruktion des Auslandsschulwesens zu behindern drohten. 1951 befanden sich einzig in Südamerika und Spanien Auslandslehrer, die nach Kriegsende bis dahin nicht in den Heimatdienst zurückgekehrt waren. Eine gesetzliche Regelung sollte sie zwingen, sich bei der Heimatbehörde zu melden, da sie sonst ihren Beamtenstatus verlören.89 Der neu gegründete Ausschuss für Auslandsschulwesen war sich einig, dass Lehrkräfte, die noch aus der nationalsozialistischen Zeit in den Deutschen Schulen in Spanien tätig waren, möglichst bald durch gut ausgewählte neue Kräfte ersetzt werden sollten.90 In Spanien gingen die Maßnahmen zur Entnazifizierung vor allem von Werner Peiser aus. 1933 war er aufgrund seines jüdischen Glaubens zuerst nach Italien emigriert, wo er in Florenz ein Landschulheim für verfolgte deutsche Kinder errichtete.91 Nach einer Inhaftierung durch die Gestapo 1938 ging Peiser weiter in die USA und war von 1939 bis 1945 Professor für romanische Sprachen an den Universitäten in New Orleans und Maryland. Nach Kriegsende kehrte er als Berater für das International Military Tribunal nach Deutschland zurück und trat 1950 in den
87
Vgl. Telegramm Adalbert von Bayern an Auswärtiges Amt, 27.01.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 33.
88
Vgl. Escudero Ruiz, Inés: Franco y Adenauer. La diplomacia cultural hispano-germana en los años cincuenta, Valladolid 2015, S. 156.
89
Vgl. Liste mit nicht zurückgekehrten Lehrkräften 15.08.1951, in: HStA Stuttgart Q1/20 Nachlass Löffler BÜ 166.
90
Vgl. Bericht 1. Sitzung AschA, 28.05.1951, S. 12, in: HStA Stuttgart Q1/20 Nachlass Löffler 42.
91
Vgl. Personalakte 54870 Werner Peiser, in: PAAA R 63858.
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Auswärtigen Dienst ein. Zuerst als Kultur- und Pressereferent in Rio de Janeiro eingesetzt, kam er 1954 nach Madrid. Adalbert von Bayern äußerte sich unzufrieden über die neue Personalbesetzung und sprach sich gegen eine Versetzung Peisers nach Spanien aus:92 „Ferner wird auf spanischer Seite sicher vermerkt werden, dass Herr Dr. Peiser seinerzeit aus rassischen Gründen aus Deutschland ausgewandert ist, und dass er von 1944–1948 im Dienste des American Joint Distribution Committee gestanden hat. Ich glaube nicht, dass ich im Verdacht stehe, Nationalsozialist oder Anhänger einer Rassentheorie zu sein; der oben erwähnte Gesichtspunkt ist jedoch für zahlreiche Spanier gefühlsmäßig von Bedeutung.“
Trotz dieser Bedenken nahm Peiser seine Arbeit auf und trat in engen Kontakt mit den Auslandsschulen. In seinen Berichten protokollierte er nicht nur die pädagogische Eignung der Lehrkräfte, sondern überprüfte auch deren politische Einstellung. In einem Konflikt zwischen Lehrerschaft und Schulleitung an der Deutschen Schule Las Palmas empfahl Peiser konkret die Abberufung einer Lehrkraft, da sie einerseits für Streitigkeiten verantwortlich und zusätzlich als Lehrerin während der NSZeit sehr aktiv gewesen sei. Seine Vorschläge fanden im Auswärtigen Amt jedoch nur selten konkrete Umsetzungen; Lehrer, die er aufgrund ihrer NS-Vergangenheit als ungeeignet ansah, wurden weiterhin beschäftigt oder an eine andere Auslandsschule versetzt.93 Die Auslandslehrer, die dazu beigetragen hatten, nationalsozialistisches Gedankengut zu verbreiten, konnten vielfach weiterhin Karriere machen. Ein Beispiel hierfür ist Max Johs, ehemaliger Schulleiter der Deutschen Schulen Madrid und Santa Cruz, der nach Kriegsende als NSDAP-Mitglied auf der Auslieferungsliste der Alliierten weit oben stand. Er war unter anderem als Direktor der Hauptstadtschule für die Schulleitertagungen auf der Iberischen Halbinsel und für die konzeptionelle Ausrichtung aller Auslandsschulen in Spanien zuständig. Als überzeugter Nationalsozialist trug er mit dazu bei, die NS-Ideologie in den Auslandskolonien zu verbreiten. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland sprach ihn ein Schiedsgericht frei, und Johs arbeitete weiterhin als angesehener Lehrer und Experte für das Auslandsschulwesen.94 1960 war er als neuer Schulleiter an der Deutschen Schule 92
Adalbert von Bayern an das Auswärtige Amt, 24.09.1954, in: PAAA R 63858.
93
Vgl. Bericht Werner Peiser über die Deutsche Schule Las Palmas, 19.07.1955, in: PAAA B93 603 IV4, Bd. 33.
94
Vgl. seine Publikationstätigkeit unter anderem in: Johs, Max: Die Deutschen Schulen 1939–1945, in: Schmidt, Franz (Hrsg.): Deutsche Bildungsarbeit im Ausland. Nach dem ersten und dem zweiten Weltkrieg. Erlebnisse und Erfahrungen in Selbstzeugnissen aus aller Welt, Braunschweig 1956, S. 206-213. Johs liefert in diesem Artikel Statistiken und Datenangaben über die Auslandsschulen. Seine eigene Funktion als Land-
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Barcelona im Gespräch. Bedenken bezüglich seiner Vergangenheit gab es nicht. 95 Vielmehr kritisierte man seinen Vorgänger Willy Schulz, der sich ebenfalls wieder um Posten im Auslandsschulwesen bemühte; dessen Bitten lehnten sowohl Schulverein als auch Auswärtiges Amt mit Hinweisen auf seine Vergangenheit ab. Ein eindringliches Beispiel für die Komplexität der Kontinuitäten ist die Geschichte von Hans ‚Juan‘ Hoffmann, Gründer der neuen Deutschen Schule und Generalkonsul in Málaga.96 Er arbeitete als Dolmetscher für die Legion Condor und die División Azul im Rang eines Sonderführers im Verbindungsstab des Armeeoberkommandos. Durch seine guten Beziehungen machte er das Auswärtige Amt auf sich aufmerksam, so dass er rasch zu einem Bindeglied in der deutschen Spanienpolitik wurde. Abbildung 5: Hoffmann (Mitte) als Dolmetscher für Esteban Infantes und Adolf Hitler
Quelle: Collado Seidel
schulbeirat für die Deutschen Schulen in Spanien beschreibt er lediglich als eine, die pädagogischer und lehrerrechtlicher Natur gewesen sei. 95
Vgl. Vorschlag des Regierungsrats und AschA-Mitglieds Eugen Löffler an die Deutsche Schule Barcelona 05.07.1960, in: Staatsarchiv Baden Württemberg, Q1/20 Nachlass Löffler 254.
96
Vgl. Collado Seidel, Carlos: Unser Mann in Marbella. Das exemplarische Lebenswerk des Auslandsdeutschen Juan Hoffmann, in: Collado Seidel, Carlos (Hrsg.): Geheimdienste, Diplomatie, Krieg. Das Räderwerk der internationalen Beziehungen, Berlin 2013, S. 45–54, S. 45f.
Ende und Neuanfang | 181
Regelmäßig schickte Hoffmann vertrauliche Berichte an Ribbentrop und fungierte als Vermittler zwischen General Muñoz Grandes und Hitler, die Intrigen über eine mögliche Absetzung Francos planten.97 Nach dem Krieg versuchte Hoffmann die ‚Deutsch-spanische Gesellschaft‘ wiederzubeleben, die als semioffizielle Verbindungsstelle 1945 wegen ihrer nationalsozialistischen Tätigkeiten aufgelöst worden war.98 Den spanischen Behörden ging dieses Vorhaben bei aller Sympathie für Deutschland zu weit, denn eine Neugründung hätte zu Problemen mit den alliierten Mächten geführt. Für die Alliierten war Hoffmann ein gefährlicher Spion, doch tauchte sein Name nur mit einem kurzen Vermerk auf den Repatriierungslisten auf. Anfang der 1950er Jahre trat er wieder an die deutsche Botschaft heran und offerierte seine Dienste als Mittelsmann. Diese vermied jedoch den amtlichen Umgang mit ihm, da er als Persona non grata bei Adalbert von Bayern geringes Ansehen genoss.99 Von Bayern sah im Kontakt mit Hoffmann eine Gefährdung der diplomatischen Beziehungen, hatte doch Außenminister Martín-Artajo erklärt, dass die Vermittlung von Beziehungen über ehemalige Nationalsozialisten ungeeignet sei. In Berlin hingegen hatte man weniger Bedenken. Über Joseph-Ernst Fugger von Glött, Bundestagsabgeordneter der CSU, gelangten seine Berichte an das Kanzleramt direkt zu Adenauer.100 Seine Kenntnisse und Informationen über Spanien waren für die Regierung in Bonn von großem Nutzen, erst nach und nach kamen Zweifel an seiner Integrität auf. Angesichts seiner Verstrickungen in die NS-Maschinerie hielt man es ab Mitte Mai 1954 nicht mehr für ratsam, Hoffmanns Berichte direkt an Adenauer zu leiten.101 Ein Jahr später lernte Hoffmann Franz Josef Strauß kennen, bei dessen erster Spanienreise er als Gesprächsvermittler auftrat. Damit begann eine neue Karriere als Vertrauensmann und Freund des bayrischen Ministers.102 Parallel kam Hoffmann als Bauunternehmer zu großem Vermögen und wurde 1961 als Honorarkonsul in Algeciras vorgeschlagen, ehe er wenige Jahre später das Konsulat in Málaga übernahm. Über sein persönliches Netzwerk zu hochrangigen Politikern baute er seinen politischen und
97
Vgl. Vertraulicher Bericht Hoffmann an Ribbentrop, undatiert, in: PAAA R27.101; Ruhl, Klaus-Jörg: Spanien im Zweiten Weltkrieg. Franco, die Falange und das ‚Dritte Reich‘, Hamburg 1975, S. 110ff.
98
Vgl. Collado Seidel: Unser Mann, S. 52.
99
Vgl. Vermerk Adalbert von Bayern über Hans Hoffmann, 12.10.1955, in: PAAA AV17447.
100 Vgl. Sanz Díaz, Carlos: España y la República Federal de Alemania (1949–1966). Política, económica y emigración, entre la guerra fría y la distensión, Madrid 2005, S. 181. 101 Vgl. Aschmann: Treue Freunde?, S. 159. 102 Vgl. Collado Seidel: Unser Mann, S. 51f.
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gesellschaftlichen Einfluss aus. Schon bald galt er als ‚König von Marbella‘ und als ‚Erfinder der Costa del Sol‘.103 Hoffmann engagierte sich neben seinen baulichen Aktivitäten beim Wiederaufbau des Auslandsschulwesens. So forderte er beispielsweise im Gegenzug für die Vermittlung politischer Gespräche die Rückgabe der Schulgrundstücke.104 Selbst Abiturient der Deutschen Schule Madrid, war ihm das Konzept und die Struktur des Auslandsschulwesens bereits vertraut. Im Jahr 1966 gründete er eine neue Schule in Marbella und engagierte sich als Vorstand für deren Förderung und Anerkennung als Deutsche Auslandsschule. Dabei griff er auf seine Funktion als Generalkonsul und auf persönliche Beziehungen zurück, um in politischen Kreisen für seine Sache zu werben.105 Ende der 1990er Jahre geriet Hoffmanns guter Ruf ins Wanken. Im April 1997 titelte die spanische Zeitung El País: „Ehemaliger Nazi ist Konsul in Málaga“. Informationsquelle waren Akten im amerikanischen Staatsarchiv, die Hoffmann auf einer der Spionageliste mit dem Vermerk „dangerous“ zeigten. Der Artikel brachte einen Stein ins Rollen. Die deutschen Medien übernahmen die Schlagzeile und die taz erklärte den Konsul sogleich zum SS-Mann.106 Die Berichte führten zu politi-
103 Vgl. ebd., S. 53. Die Titel stammen aus der taz, 02.03.1998, und der FAZ, 04.04.1997. 104 Vgl. Gedächtnisprotokoll Jäger über die Unterhaltung Strauß mit spanischem Minister im Juni 1955, in: ACSP NL Jaeger C:310. Ein Besuch des Bundeskanzlers in Spanien wurde an ein freundschaftliches Entgegenkommen geknüpft. Damit war die Rückgabe der Schulgrundstücke gemeint. Kultusminister Ruiz Jiménez sicherte die Rückgabe der Deutschen Schule Las Palmas zu, die man für eine formelle Miete von 10 Pesetas an den Schulverein zurückgeben wollte. Die Aktenlage deckt sich mit den persönlichen Erzählungen von Dr. Erhard Zurawka, dem ehemaligen Schulleiter der Deutschen Schule Marbella. 105 Vgl. Schreiben Hans Hoffmann an den ehemaligen Vorsitzenden der DS Emilio Küstner und Gesuch an Deutsche Botschaft 04.10.1961, in: PAAA AV 7674. Hoffmann handelte dabei durchaus eigennützig, wie er selbst zugab: „Eine beachtliche Anzahl von Deutschen hat sich an der Costa del Sol Ferienhäuser gekauft und verbringt längere Zeit des Jahres hier. […] denn jetzt sind die Eltern gezwungen ihre Urlaubszeit mit der Ferienzeit der Schulen in Deutschland in Einklang zu bringen […]. Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, dass ich aus eigenstem Interesse an dieser Frage interessiert bin, denn ich wäre froh, wenn ich meine Kinder in absehbarer Zeit zumindest in einen deutschen Kindergarten schicken könnte.“ 106 Vgl. Irujo, José María: Un presunto nazi es cónsul general de Alemania en Málaga desde 1974, 01.04.1997, in: El País; Collado Seidel: Unser Mann, S. 50; Wandler, Reiner: Konsul war SS-Mann, in: taz, 12.10.1998.
Ende und Neuanfang | 183
schen Debatten im Bundestag über Hoffmanns frühere NS-Tätigkeiten. Eine Anfrage der SPD Fraktion zu seiner Vergangenheit blieb unzureichend beantwortet, da nach Recherchen des Auswärtigen Amtes im Berliner Document Center an Hoffmanns demokratischer Gesinnung keine Zweifel bestünden. 107 Dies bestätigten auch Zeitgenossen und ehemalige Weggefährten, die vielmehr seine Verdienste um die deutsch-spanischen Beziehungen hervorhoben.108 Hoffmanns Tätigkeiten als Dolmetscher in der Botschaft und in der División Azul sind nicht zu bestreiten. In einem internen Bericht von Informanten aus der deutschen Botschaft wurde er als „chief of the Security Service“ bezeichnet, der im Range eines Sonderführers für die Überwachung politischer Personen zuständig gewesen sei.109 Trotz der Warnungen über seine Person stand sein Name allerdings auf keiner der Listen über deutsche Top-Agenten in Spanien.110 Erst auf der ‚priority list 4‘ wurde sein Name auf einer ‚additional list‘ geführt.111 Die Amerikaner sahen in ihm anscheinend keine große Gefahr. Nationalsozialistische Agitationen nach 1945 lassen sich nicht beweisen.112 Sein Lebenswerk kann nicht nur als typische Kontinuität nach 1945 gedeutet werden, sondern ist auch exemplarisch für einen Mann, der opportunistisch auf seine eigene Karriere und seine Interessen bedacht war und dafür in der Nachkriegszeit den Nepotismus Spaniens und die Verbindungen zu Deutschlands Politikprominenz nutzte. Dazu scheint auch seine charakterliche Beschreibung zu passen: intelligent, egozentrisch, skrupellos und mit einem politischen Geltungsbedürfnis.113 Es ist nicht auszuschließen, dass Hoffmann vor 1945 überzeugter Nationalsozialist war; er trat schon früh der Partei bei und schwor als Soldat den Eid auf Hitler.114 Hoffmanns Biographie ist auch deshalb exemplarisch, weil sich in ihr Wahrheiten und Halbwahrheiten vermischten. So steht sein Name im Zusammenhang mit dem Telegramm German Journalists and active party members B/3990, 17.07.1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 27, Folder 192/4: Hans Hoffmann, SS chief, interpreter to General Muñoz Grandes, is protected by him. Very active and dangerous. 107 Vgl. Deutscher Bundestag. Plenarprotokoll 13/168, vom 16.04.1997, S. 15194f. 108 Vgl. Zeitzeugengespräch mit Dr. Erhard Zurawka, ehemaliger Schulleiter der Deutschen Schule Málaga, im Juli 2014 in Marbella. 109 Vgl. Bericht Otto Kuebler, 22.08.1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 28, Folder 194. 110 Vgl. Liste mit Gestapo & SD-Mitarbeiter, 29.05.1945, in: NARA RG226, UD 127, Box 27, Folder 192/4. 111 Vgl. 4. Priority list, in: NARA RG 226, UD 127, Box 4, Folder 19. 112 Vgl. Collado Seidel: Unser Mann in Marbella, S. 45. 113 Vgl. ebd., S. 51. 114 Vgl. Dokumente aus dem Konsulat Bilbao, undatiert, in: NARA RG 226, UD 127, Box 6 Folder 63.
184 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Aufbau einer Werwolf-Einheit in Spanien, die nach Kriegsende als nationalsozialistische Untergrundorganisation wirkten sollte. Diese Anschuldigungen gehen laut taz-Artikel hauptsächlich auf Ernst Arno Kleyenstüber zurück, der nach seiner Verhaftung umfangreich aussagte, doch der SD-Mann stand selbst im Verdacht, Anführer dieser Gruppe gewesen zu sein, und wurde für mehrere Verbrechen verantwortlich gemacht. 115 In keinem der amerikanischen Berichte über die WerwolfAktivitäten in Spanien findet sich Hoffmanns Name. Einzig die Aussagen eines SD-Mannes, der sich selbst verteidigte, sind somit Beleg für sein Mitwirken in Nazi-Organisationen nach Kriegsende. Außerdem wurde Hoffmann fälschlicherweise nachgesagt, mit Carlos Horst Fuldner identisch zu sein, der mit der Flucht Eichmanns nach Argentinien im Zusammenhang stand.116 Die doppelte Identität, die man ihm zuschrieb, gab es nicht. Ebenso wenig lässt sich eine Flucht Hoffmanns nach Argentinien nachweisen. Auf einer Liste über ‚unapproved exits‘ aus dem Jahr 1948 findet sich sein Name mit dem Vermerk, dass er versucht habe, nach Argentinien zu entkommen. Doch handelte es sich dabei wohl um seinen Namensvetter, einen Marinekapitän, der sich zeitgleich in Spanien aufhielt.117 Auch als Dolmetscher beim Treffen zwischen Hitler und Franco tauchte Hoffmanns Name immer wieder unbegründet auf.118 Die Deutsche Schule in Marbella hielt lange an ihrem Gründer fest; bis 2017 trug sie offiziell seinen Namen.119 In einer außerordentlichen Generalversammlung entschied sich das Patronat dann ohne Gegenstimmen, den belasteten Namen abzulegen. Sein Dienst für die Schule wird jedoch weiterhin hoch angesehen – man halte sich an die offiziellen Verlautbarungen aus dem Auswärtigen Amt, das nach wie vor keine Indizien für die Anschuldigungen erkennen könne. Die Kontinuitäten, die es in den Deutschen Schulen und allgemein in der deutschen Auslandskolonie in Spanien gab, führten zu einem verzerrten Bild der Deutsch-Spanier, die sowohl auf privater als auch auf institutioneller Ebene einem ‚NS-Generalverdacht‘ ausgesetzt waren, der häufig wenig differenziert war und Nuancierungen nicht beachtete. Die bestehenden Kontinuitäten als typisches Merkmal müssen daher im Einzelfall immer näher betrachtet werden. Ein Schick-
115 Vgl. Report B/4149, 3.5.1945, in: NARA RG 226, UD 127, Box 27, Folder 192/4. 116 Vgl. http://jungle-world.com/artikel/1998/43/33271.html (aufgerufen am 15.05.2017); Collado Seidel: Unser Mann, S. 50. Collado Seidel bestätigt in seiner Arbeit entgegen vorherigen Vermutungen, dass Fuldner und Hoffmann nicht identisch sind. 117 Vgl. List with unapproved exits from Spain, 23.01.1948, in: NARA RG 226, UD 127, Box 6, Folder 44. 118 Vgl. http://soweit-das-auge-reicht.blogspot.de/2016/02/der-generalkonsul-mit-nazi.html (aufgerufen am 15.05.2017). 119 Vgl. Förster, Dietmar: Die Akte Hoffmann, in: Costa del Sol Nachrichten, 29.06.2017.
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sal, das dies besonders eindringlich zeigt, ist das von Franz Nüßlein, Generalkonsul in Barcelona. 5.2.2 Institutionelle Kontinuitäten – Das Amt und die Vergangenheit Die Verstrickung einiger Schulangehöriger und Mitglieder im Auswärtigen Amt in NS-Tätigkeiten war unbestreitbar, doch gerieten die Auslandsschulen nach 1945 angesichts institutioneller und personeller Kontinuitäten in eine Art Generalverdacht, der bei genauerem Hinsehen nicht immer gerechtfertigt ist. Im Umfeld der Schulen erhielten sich Bilder und Vorstellungen, die diese Einrichtungen immer wieder als Hort des Nationalismus beschrieben: „Schräg gegenüber [Anm.: der Schule] residierte der damalige deutsche Generalkonsul Nüßlein, da schon einschlägig bekannt als Naziverbrecher“, berichtete beispielsweise eine Zeitzeugin, die zwischen 1965 und 1971 die Deutsche Schule Barcelona besuchte.120 In diesem Zeitraum kam es im April 1969 zu einem Eklat, als Abiturienten die Zeugnisübergabe durch den Konsul verweigerten und gegen Nüßleins Vergangenheit demonstrierten.121 Das Bild des ‚Blutanwalts‘, wie er genannt wurde, hatte sich in den Köpfen gefestigt. Dieser unrühmliche Titel rührte aus seiner Zeit im Protektorat Böhmen und Mähren, wo er als Staatsanwalt in Brünn und Prag gearbeitet hatte. Ein genauerer Blick auf seine Biographie zeigt jedoch, dass hier ein Pauschalurteil gefällt wurde, das nicht alle Seiten seiner Geschichte berücksichtigte. Im DDRBraunbuch finden sich folgende Informationen über ihn:122 „Dr. Franz Nüßlein war einer der Nazi-Blutjuristen, die sich wegen ihrer Brutalität bei der Aburteilung tschechoslowakischer Patrioten der ganz besonderen Gunst des SD-Chefs Heydrich und des Nazi-Reichsleiters Bormann erfreuten. Nach der Okkupation der CSR sorgte er als Staatsanwalt erst in Brno, dann in Prag für zahlreiche Todesurteile gegen tschechoslowakische Bürger […] Nüßlein war insgesamt an der Ermordung von über 900 tschechoslowakischen Patrioten beteiligt.“
Nach dem Kriegsende floh Nüßlein nach Bayern, wo ihn die Amerikaner verhafteten und an die Tschechoslowakei auslieferten. Dort verurteilte man ihn zu 20 Jahren Gefängnis, 1955 wurde er vorzeitig in die Bundesrepublik entlassen, wo er im gleichen Jahr in den Auswärtigen Dienst eintrat und ab 1962 als Generalkonsul in Barcelona wirkte. 2003 erschien nach seinem Tod ein Nachruf in der internen 120 Vgl. privater Bericht einer ehemaligen Schülerin, E-Mail an den Autor, 08.05.2015. 121 Vgl. Conze u. a.: Amt, S. 664. 122 Vgl. Nationalrat der nationalen Front des demokratischen Deutschland (Hrsg.): Braunbuch. Kriegs- und Naziverbrecher in der Bundesrepublik und in Westberlin. Berlin 1968, S. 254.
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Mitarbeiterzeitschrift des Auswärtigen Amtes, der letztendlich zu einer Änderung der Nachrufpraxis durch den damaligen Außenminister Joschka Fischer führte.123 Von nun an sollten ehemalige Mitarbeiter, die einst NSDAP-Mitglieder gewesen waren, keine offizielle Ehrung im Amtsblatt mehr erhalten. Fischer setzte eine Historikerkommission zur Untersuchung der Verstrickung des Auswärtigen Amts während der NS-Zeit ein. 2011 veröffentliche das Team um Eckart Conze seine Ergebnisse. Nüßleins Biographie hoben sie dabei als einen der exemplarischen Fälle im Buch hervor und widersprachen der Darstellung des DDR-Braunbuchs nicht.124 Zwei Jahre nach Erscheinen dieses Berichts publizierte der Berliner Historiker Daniel Koerfer eine Gegendarstellung und kritisierte die undifferenzierte Analyse des Falles. Sowohl das Braunbuch als auch die von Fischer eingesetzte Historikerkommission hätten Nüßleins Stellung im Protektorat Böhmen und Mähren falsch eingeschätzt.125 Allein die Tatsache, dass er im von Beneš-Dekreten beeinflussten und auf Rache sinnenden Gerichtsverfahren nicht zum Tode verurteilt worden war, passte seiner Meinung nach nicht zum NS-Mörder-Duktus des Braunbuches. Die NSDAP-Mitgliedschaft des jungen ehrgeizigen Anwalts ist nach Koerfer auf den internen Druck im Amt zurückzuführen und erfolgte keineswegs aus innerer Überzeugung. Dem erwünschten Beitritt in die SA oder SS kam Nüßlein nicht nach. Zeitzeugen beschrieben den gebürtigen Kassler vielmehr als eine Oase des Rechtsempfindens im Unrechtssystem des Protektorats. Seine konkrete Position in der Verwaltung war auf einer niedrigen Hierarchiestufe angesiedelt, er besaß kaum funktionale Kompetenzen. Todesurteile konnte er daher nur in äußert geringem Maße beeinflussen, war doch die eigentliche Gnadenbehörde in Prag die deutsche Staatsanwaltschaft, der Nüßlein nicht angehörte. Entscheidungen fällte er nicht, ihm verblieb der verwaltungstechnische Auftrag, Gnadengesuche an den Staatsminister heranzutragen. Er legte seine Tätigkeiten in einer zwölfseitigen Verteidigungsschrift dar, die das tschechoslowakische Gericht überprüfte und akzeptierte. In diesem Schreiben erwähnte er unter anderem konkrete Hilfsmaßnahmen für tschechoslowakische Bürger – ein Umstand, der ihm wohl das Todesurteil ersparte, aber sowohl im Braunbuch als auch im Historikerbericht keine Erwähnung fand. Insgesamt gibt es 14 von tschechoslowakischer Seite bestätigte Fälle, in denen Nüßlein zum Tode verurteilten Tschechen half und sie retten konnte. Dabei handelte es sich definitiv nicht um Taten, die zum einschlägigen Bild des Naziverbrechers passten. Nüßlein geriet als junger und ehrgeiziger Anwalt in das NS-System, dessen Teil er zwar war, dessen Verbrechen er aber nicht vollstreckte. Ein Vorfall in Barcelona während seiner Zeit als Konsul rüttelt ebenfalls am Bild des blutrünstigen Anwalts und Judenhassers: Als im November 1967 schwedische und spanische Neonazis an123 Vgl. Conze u. a.: Amt, S. 10. 124 Vgl. ebd, S. 528. 125 Vgl. im Folgenden: Koerfer: Diplomatenjagd, S. 335–355.
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tisemitische Flyer vor der Schule verteilten, war es Nüßlein, der darauf drängte, Polizei und Konsulat zur Strafverfolgung einzuschalten, während der Schulleiter den Prozess verschleppte.126 Dies kann zwar nicht als Indiz für seine Taten im Zeitraum von 1938 – 1945 gedeutet werden und ist durchaus unter dem Aspekt eines zeitgenössischen diplomatischen Verhaltens zu betrachten, aber dennoch passt seine Aktion nicht in das Bild des blutrünstigen Anwalts, das einst von ihm gezeichnet wurde. Nüßleins Biographie ist ein eindringliches Beispiel für den pauschalen Umgang mit NS-Vergangenheiten in Deutschland und in Spanien. Die Auslandsschulen gerieten wegen der starken personellen und institutionellen Kontinuitäten in den Verdacht, ein Hort des Nationalsozialismus zu sein. Aber auch wenn sich Strukturen erhalten hatten, ist ein differenzierter Blick auf einzelne Schicksale, beispielsweise von Hans Hoffmann oder Franz Nüßlein, notwendig. Dies betrifft sowohl die Mikroebene der Schulen als auch die politische Verwaltung im Auswärtigen Amt. Schon bald kooperierten beide Ebenen wieder miteinander und bauten alte Verbindungen auf, so dass das Auslandsschulwesen in Spanien nach kurzer Unterbrechung weitergeführt werden konnte. Der Zusammenbruch des Schulwesens in anderen Regionen begünstigte dabei die Entwicklung. Neben den Schulen als Institution gab es ab 1951 wieder das Auswärtig Amt als führende Instanz. Die Struktur des Auslandsschulwesens wurde weitestgehend beibehalten, an der Stellung der Schulvereine wenig geändert. Dennoch waren die Anfangsjahre der auswärtigen Kulturpolitik eine Zeit des Wildwuchses und der Desorganisationen in verschiedenen Bereichen. Dem Auswärtigen Amt dabei ein komplettes Versagen bei der Aufarbeitung von nationalsozialistischen Strukturen vorzuwerfen, wie es Fischer und die Historikerkommission andeuten, 127 wäre ein falsches Pauschalurteil. Gewisse Kontinuitäten waren somit gegeben, doch ein Beispiel aus dem Alltag der Auslandsschulen zeigt, dass das Amt durchaus auf die eigene NSVergangenheit in seinem Zuständigkeitsbereich reagierte, allerdings nur in einer sehr ritualisierten und äußerlichen Form, ohne dabei die eigenen Strukturen tiefer zu hinterfragen. Als 1961 an einer einzelnen in den Akten nicht näher bestimmten Schule Bücher auftauchten, die der NS-Ideologie nahestanden, reagierte das Kulturreferat und erließ ein Rundschreiben an alle Einrichtungen:128 „Ein Einzelfall gibt Veranlassung, darauf hinzuweisen, dass es sich keinesfalls mit der Förderung von Auslandsschulen durch das Auswärtige Amt vereinbaren lässt, wenn die Schüler126 Vgl. Generalkonsulat Barcelona an Auswärtiges Amt 23.11.1967, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 556. 127 Conze u. a.: Amt, S. 9–25. 128 Rundschreiben Dr. Kitt Auswärtiges Amt an alle Auslandsvertretungen, 20.12.1961, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 255.
188 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
oder Lehrerbücherei einer mit amtlichen Mitteln unterstützten Schule noch Bücher enthält, in denen die Ideologie des Nationalsozialismus oder die Gestalten des Hitler Regimes positiv dargestellt werden. Es wird daher gebeten […] alle derartigen Bücher, sofern noch vorhanden, unverzüglich aus[zumerzen].“
Die Reaktionen der Auslandsvertretungen auf diese Eingaben waren unterschiedlicher Art. Während die spanischen Konsulate keine Meldung erstatteten, hatte man in Guatemala Bücher mit diesem Inhalt bereits verbrannt. Ein weiteres Beispiel war die ablehnende Haltung gegenüber Franz Schmidts Veröffentlichung seines vierten Bandes zur ‚Deutschen Bildungsarbeit im Ausland‘. Als ehemaliger Leiter des Kulturreferats galt er als einer der Experten auf dem Feld des Auslandsschulwesens. Doch das Auswärtige Amt charakterisierte die Aufsätze in seinem neuesten Werk als Relikte einer überlebten Weltanschauung und gewährte keine Zuschüsse.129 Schmidt, der jahrelang seine Bände in Kooperation mit dem Amt herausgebracht hatte, reagierte verärgert und publizierte in geringer Auflage in Eigenregie eine Infobroschüre. Der Archivreferent des Auswärtigen Amtes distanzierte sich nochmals nachhaltig von Schmidts Werk: Es fehle dem Werk vor allem an wissenschaftlicher kritischer Bearbeitung. Neben einer stärkeren Orientierung an der Wissenschaftlichkeit der eigenen Publikationen, kam ein kulturpolitischer Kritikpunkt hinzu, denn einer Darstellung der Auslandsschulen als Opfer des Weltkrieges müsse mit Rücksicht auf die Gefahr politischer Ressentiments deutlich widersprochen werden. Den Mitarbeitern im Auswärtigen Amt war demnach die Rolle, welche die Auslandsschulen während der Kriegszeiten gespielt hatten, bewusst: Sie wurden erneut als Propaganda-Anstalten genutzt, was nun beim Neuaufbau unter allen Umständen zu vermeiden sei.
129 Vgl. Schreiben Eugen Löffler an Prof. Drascher, 29.07.1961, in: HstA Stuttgart Q1/20 Nachlass Löffler 223.
6. Chaos und Organisation: Versuche zur Strukturierung
Nach 1949 ergriffen beide deutsche Staaten Maßnahmen zur Förderung der deutschen Sprache im Ausland. Die Bundesrepublik und die DDR buhlten regelrecht um Einflusssphären. In Ägypten setzte das Auswärtige Amt beispielsweise erhebliche Geldmittel ein, um den Konkurrenten auszustechen.1 Während die DDR Lektoren und Lehrkräfte primär an die Universitäten der kommunistischen Satellitenstaaten entsandte, konzentrierte sich Westdeutschland unter anderem auf den Wiederaufbau des Auslandsschulwesens. In Bonn rechnete jedoch niemand mit einem schnellen Neubeginn.2 Nach dem Zentralismus der NS-Zeit versuchte die Bundesregierung alles zu vermeiden, was an die ‚Volkstumspolitik‘ hätte erinnern können. Die Schulen blieben demnach lange ohne pädagogische Betreuung und ohne Konzept. Der Neubeginn der Auswärtigen Kulturpolitik startete mit der Gründung eines Kulturreferats im Herbst 1949. Zwei Jahre später entstand im neuen Auswärtigen Amt eine eigene Kulturabteilung. Die Westorientierung der Außenpolitik prägte dabei maßgeblich die kulturelle Dimension der auswärtigen Beziehungen.3 Bonn entschied sich in Fortführung der Weimarer Tradition für eine dezentrale Organisation und die Implementation institutionell eigenständiger Mittlerorganisationen.4 Neben dem Goethe-Institut oder dem Deutschen Akademischen Austauschdienst nahm man vor allem die Auslandsschulen wieder in die finanzielle Förderung mit auf. Mit der Wiedereinrichtung der amtlichen Strukturen, der Schaffung des Ausschusses für Auslandsschulwesen der Kultusminister der Länder (AschA) und dem Aufbau diplomatischer Vertretungen verbesserte sich die finanzielle und organisa1
Vgl. Bericht 27. Sitzung AschA 22.23.101.1959, in: Bayrisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA) MK52074, S. 9.
2
Vgl. Vorbericht der Enquete-Kommission, 05.06.1972, in: BAK 304/5168.
3
Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 46f.
4
Vgl. ebd., S. 42.
190 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
torische Situation der Auslandsschulen deutlich. Die junge Republik suchte Ansatzpunkte für einen geistigen Kulturkontakt und zeigte entsprechend großes Interesse für die Anfragen der Schulvereine. Eugen Löffler, erster Vorsitzender des AschA, drängte den Kulturreferenten Rudolf Salat in einem Schreiben, sich wieder vermehrt für die Schulen einzusetzen:5 „Diese noch bestehenden Zellen suchen nun wieder Anschluss an den deutschen Mutterboden, aus dem sie hervorgegangen sind. Ohne diesen Anschluss werden sie in kurzem verkümmern und zu Grunde gehen. Es ist dringend notwendig, sie zu erhalten und weiter auszubauen, Denn unsere Kultur, die das Ausland immer noch hochschätzt und zum Teil bewundert, ist einer der wenigen Aktivposten, über die wir in der Welt verfügen. Dass das Vorhandensein dieser kulturellen Außenposten und ihre sorgfältige Pflege auch für das Wirtschaftsleben und den deutschen Export ins Ausland von großer Bedeutung ist, ist eine unbestreitbare Tatsache. […] Ohne eine gewisse diskrete Lenkung und Hilfestellung von amtlicher Seite besteht immer die Gefahr, dass auf dem glatten Boden des internationalen Parketts Unglücksfälle passieren. Diese Gefahr ist heute grösser als früher, weil die Deutsche Demokratische Republik sich offenbar nachdrücklich einer zum Teil nicht ungeschickten Kulturpropaganda zuwendet.“
In der Anfangsphase förderte die Kulturabteilung situativ vor allem dort, wo schon Strukturen bestanden und der Aufbau eines deutschen Auslandsschulwesens ohne größere Probleme erfolgen konnte. Die Wahl fiel rasch auf Spanien, befanden sich doch bis 1960 die größten schulischen Einrichtungen im iberischen Sprachraum. In Francos Spanien musste die Bundesrepublik zudem keine Konkurrenz durch die DDR befürchten. Die Folgen der frühen Förderung waren Ende der 1950er Jahre offensichtlich. Mit mehr als 500 Schülern pro Institut, einer Gesamtschülerzahl von rund 4.100 (8,5 Prozent aller Schüler an Deutschen Auslandsschulen weltweit) und 128 entsandten Lehrern (14 Prozent aller Lehrkräfte weltweit) dominierte die Region.6 Die Arbeit im Amt und die Wiederaufnahme kultureller Aktivitäten im Ausland standen dabei im Zeichen der Abgrenzung von den rassisch-völkischen Dogmen der NS-Zeit. Man erteilte der aggressiven Volkstumsideologie und Kulturpropaganda eine deutliche Absage.7 Die Situation des Jahres 1918 wiederholte sich in gewisser Weise, doch diesmal waren die Anzeichen für einen Erfolg günstiger. Bonn wollte die Fehler Weimars nicht noch einmal machen. Amt und AschA stan5
Eugen Löffler an Kulturreferent Salat, 27.02.1950, in: HStA Stuttgart Q1/20 Nachlass Löffler BÜ 230.
6
Vgl. Bericht 32. Sitzung des AschA, 09.10/11.1960 in Bonn, in: BayHStA MK 52079, S. 8.
7
Vgl. ebd., S. 41.
Chaos und Organisation | 191
den daher Institutionen, die an alte Traditionen anknüpfen wollten, skeptisch gegenüber. Als sich beispielsweise 1955 der Verein für das Deutschtum im Ausland (VDA) wieder gründete, äußerte der AschA starke Bedenken, da der VDA als Exponent alldeutscher Bewegungen Misstrauen wecken und dem Ansehen im Ausland erheblich schaden könne.8 Die Verbindungen zur Vergangenheit sollten in vielen Bereichen gekappt werden und die Auswärtige Kulturpolitik nicht noch einmal der Propaganda dienen, sondern im Dienste der Völkerverständigung und der gegenseitigen Freundschaft stehen.9 Während die ideologische Ausrichtung relativ klar definiert war, ergaben sich die Probleme auf anderer Ebene. Die im Wildwuchs entstanden Einrichtungen wirkten einer Zentralisierung der Auswärtigen Kulturpolitik nach französischem oder englischem Muster entgegen. Vorteilhaft war in diesen Ländern, dass die dortigen Institutionen klar abgetrennte Kompetenzen mit homogenen Programmen und fachkundigem Personal besaßen, das Spezialwissen einbringen konnte.10 Der Bruch mit dem staatlichen Zentralismus der NS-Zeit und die föderale Struktur des Kulturund Bildungswesens führten in Deutschland hingegen zu einer kulturpolitischen Vielfalt von Akteuren und einem Handlungspluralismus auf verschiedenen Ebenen; daraus ergab sich allerdings auch das Problem überlappender Kompetenzen. Neue und alte Spannungen waren somit vorprogrammiert. Der Staat sollte offiziell Abstand wahren, doch das Verhältnis zwischen Regierung als Finanzquelle und den halbamtlichen Mittlerorganisationen als Exekutivorganen brachte es mit sich, dass die Vertreter des Staatswesens nicht immer mit den Entscheidungen auf der Mikroebene sympathisierten.11 Infolge der dezentralen Organisation ergaben sich in den Auslandsschulen Differenzen zwischen folgenden Akteuren: Elternschaft, Lehrer, Schulverein, Konsulate bzw. Botschaft, Ausschuss für Auslandsschulwesen, Landesvertretungen, Auswärtiges Amt und natürlich den Behörden der Gastländer. Der 8
Vgl. Schreiben Eugen Löffler an Senator Dehnkamp, Präsident der Kultusministerkonferenz, 25.04.1955, in: BAK B304/5310.
9
Vgl. stellvertretend die Rede zur Grundsteinlegung Deutsche Schule Madrid von Botschafter Heinrich Knappstein, 25.02.1959, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 107: „Wir tun es nicht, weil wir etwa der Meinung wären, es gäbe in Spanien keine guten Schulen, wir tun es auch nicht aus der nationalistischen Überheblichkeit heraus […]. Wir tun es auch nicht, um in Spanien [...] aus Deutschland stammenden Ideen oder Ideologien an den Mann zu bringen. […]Die Schule soll den Kindern der hier lebenden Deutschen die traditionellen Werte deutscher Erziehung vermitteln. […] So dient die Schule letzten Endes der Freundschaft zweier großer Völker, die sich im Laufe der Geschichte noch niemals als Feinde gegenüber gestanden haben.“
10
Vgl. Mitchell, John: Die deutsche auswärtige Kulturpolitik seit Kriegsende aus britischer Sich, in: ZfK 1 (1992), S. 118–128, S. 120.
11
Vgl. ebd., S. 121.
192 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Wildwuchs der Kompetenzen führte zu einer nicht selten von Spannungen gekennzeichneten Zusammenarbeit, was sich in den Struktur- und Raumproblemen der Schulen zeigte und in einer überproportionalen Förderung der spanischen Einrichtungen zum Ausdruck kam. ‚Ordnung im Chaos‘ sollte schließlich die Gründung der Zentralstelle für Auslandsschulwesen schaffen.
6.1 KONFLIKT UND KOOPERATION: WILDWUCHS DER KOMPETENZEN Mit dem Zusammenbruch der politischen Verwaltungsebene entstand 1945 ein Vakuum in der Versorgung der kulturpolitischen Mittlerorganisationen.12 Ohne Kontrolle des Auswärtigen Amtes und durch den privaten Charakter der Weiterführung entwickelte sich eine strukturelle Wucherung im Inneren und im Äußeren, die sich bis in die 1960er Jahre hineinzog. Das Auswärtige Amt setzte mit seinen Fördermaßnahmen ohne große Pläne und Konzepte dort an, wo sich Strukturen erhalten hatten, so dass die entsprechenden Einrichtungen expandieren konnten, was das Amt in späteren Jahren wiederum häufig bedauerte. Beim erneuten Aufbau des Auslandsschulwesens waren weder die Zuständigkeiten zwischen den behördlichen Stellen eindeutig geklärt, noch gab es ein strukturelles Vorgehen. Das erste Problem war dabei die Aufteilung bildungspolitischer beziehungsweise kulturpolitischer und außenpolitischer Belange auf Bund und Länder. Das Auslandsschulwesen in Spanien, das früh im Fokus der Auswärtigen Kulturpolitik stand, spürte schnell diesen Konflikt, zumal die binationalen Beziehungen beider Länder noch problematisch waren. 1958 gab Ministerialdirigent Hermann Meyer-Lindenberg im Namen der Deutschen Botschaft in Madrid eine Stellungnahme heraus, welche die Fragen der Kompetenzen der Kultusministerkonferenz auf dem Gebiet des Auslandsschulwesens klären sollte. Anlass war ein anstehender Schulbesuch eines Vertreters des Ausschusses der Kultusminister in Spanien.13 Meyer-Lindenberg meinte, dass die Kultusministerkonferenz und der daraus resultierende AschA als Organe der Bundesländer nur Kompetenzen hätten, die ihnen föderal zustünden. Der Bund sei nach Artikel 32 I GG für die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten zuständig. Der Begriff der ‚auswärtigen Beziehungen‘ war jedoch unklar definiert, und es war nicht deutlich, ob die Schulen darunter fielen. Durch das Kulturabkommen zwischen Deutschland und Spanien im Jahr 1954 waren sie nach Meinung Meyer-
12
Vgl. zu anderen Kulturvermittlern: Kathe: Goethe-Institut.
13
Vgl.
zum
Folgenden:
Meyer-Lindenberg:
12.06.1958, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 78.
Stellungnahme
zur
Zuständigkeit,
Chaos und Organisation | 193
Lindenbergs aber in ein Vertragswerk zwischen dem Bund und Spanien einbezogen, woraus sich eine administrative Betreuung und Beaufsichtigung der Schulen durch das Auswärtige Amt ergebe. Konkurrierende Zuständigkeiten mussten daher zuerst geklärt und neu diskutiert werden. Sie ergaben sich beispielsweise bei der Frage nach der Zuständigkeit für die Reifeprüfungen. Die Schulhoheit war zwar eine Kompetenz der Bundesländer, sie beschränkte sich aber auf deren eigenen Hoheitsbereich und das eigene Staatsgebiet. Ein weiterer offener Punkt waren die aus dem innerdeutschen Schuldienst freigestellten Lehrkräfte, die als Staatsbeamte vom jeweiligen Bundesland abhängig waren. Die Gründung des AschA sollte bei Fragen dieser Art helfen. Er ging 1951 aus der Kultusministerkonferenz hervor und sah sich in seinem Selbstverständnis als Sachverständigengremium, das sowohl die Kultusministerkonferenz als auch das Auswärtige Amt in Angelegenheiten des Auslandsschulwesens beraten sollte. Vertreter beider Institutionen nahmen an den Sitzungen teil.14 Seine Kompetenzen beschrieb er selbst als weitgehend beratende Tätigkeit, aber er nahm auch Einfluss auf Richtlinien, Muster und Ordnungen, die in Kraft traten und von den Bundesländern oder vom Auswärtigen Amt ausgingen. Seine Arbeit richtete sich explizit auf das Ausland. Die Mustersatzungen für Schulvereine, Konferenzordnungen oder Dienstanweisungen für Schulleiter, die der AschA mit erstellte, hatten kaum spürbare Rückwirkungen auf das innerdeutsche Schulsystem. Die endgültige Entscheidungsgewalt über die Anerkennung von Abschlüssen, die Gleichstellung der Auslandsschulen mit innerdeutschen Schulen und die Verleihung von Berechtigungen oblag der Kultusministerkonferenz.15 Die innerdeutschen Kompetenzregelungen waren die eine Seite, auf der anderen kamen die Akteure im Ausland hinzu. Die Madrider Botschaft erkannte, dass wegen der zahlreichen Überlappungen eine Verflechtung technisch unumgänglich war, betonte aber, dass die Betreuung und Beaufsichtigung der Schulen grundsätzlich Bundessache sei. 16 So konnten nach Meinung der Auslandsvertretung beispielsweise Dienstreisen des Beauftragten der Kultusministerkonferenz nur mit dem Einverständnis des Auswärtigen Amtes durchgeführt werden. Des Weiteren stellte sich der Botschaft die grundsätzliche Frage, welche Aufsichtsrechte die deutsche Seite über die Schulen und speziell die Vereine, die ihrer Rechtsnorm nach ja spanisch waren, ausüben konnte. Diese Zuständigkeit klärte auch das Kulturabkommen 14
Vgl. Bericht 32. Sitzung des AschA am 09.10/11.1960 in Bonn, in: BayHStA MK 52079, S. 2; Werner, Harry: 25 Jahre Auslandsschulausschuß der Kultusministerkonferenz. Leistungen und Probleme seiner Arbeit, in: DLiA 4 (1976), S. 230–238.
15
Vgl. Bericht 1. Sitzung AschA, 28.05.1951, S. 5, in: HStA Stuttgart Q1/20 Nachlass Löffler 42.
16
Vgl. Meyer-Lindenberg: Stellungnahme zur Zuständigkeit, 12.06.1958, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 78.
194 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
von 1954 nur unzulänglich. Es sah zwar nach Artikel 10–12 einen ständigen gemischten Ausschuss zur Überprüfung vor, dieser tagte aber vorerst nicht. Spannungsverhältnisse bildeten sich maßgeblich auf zwei Ebenen heraus, die nicht klar voneinander zu trennen waren: erstens innerhalb der Vereine, etwa zwischen Schulleitung und Vorstandschaft, und zweitens zwischen Mikro- und Mesoebene, sprich zwischen dem Verein und den amtlichen Behörden. Im Gastland ergaben sich infolge des inneren Wildwuchses zusätzliche Konflikte, die verschiedene Akteure austrugen. 6.1.1 Schulleitung und Schulverein Neben der internen Kompetenzdifferenzierung auf der staatlichen Ebene macht ein Beispiel der Deutschen Schule Madrid aus dem Jahr 1954 interne Zuständigkeitsprobleme zwischen Schulleitung und Vorstandschaft deutlich. In der Hauptstadt standen sie sich in der Person des Oberstudienrats Franz Niedermayer und den Mitgliedern der Junta gegenüber. Diese besaß noch keine demokratische Legitimation und setzte sich aus verschiedenen Kaufleuten zusammen. Niedermayer war nach Felix Großkinsky der erste vom Auswärtigen Amt vermittelte Schulleiter. Eugen Löffler, Vorsitzender des AschA, charakterisierte ihn als unduldsamen und temperamentvollen Menschen, der durch unbedachte Äußerungen das Patronat des Vereins gegen sich aufgebracht habe.17 In einem Schreiben an Legationsrat Simon beklagte Niedermayer die Zielsetzung des Vorstands und den Stillstand auf dem Weg zum deutschen Schulausbau.18 Die Qualität des Unterrichts nahm zwar seines Erachtens zu, doch besonders die vielen Mitregenten bei seiner Arbeit kritisierte Niedermayer. Seine Vorgesetzten würden sich bei Kleinigkeiten wie dem Gebrauch des Wörterbuches einmischen, die Schulleitung nicht zu gemeinsamen Sitzungen einladen, das Verhältnis zum spanischen Mitdirektor trüben und den spanischen Lehrplan als bestimmend erklären. Das Abitur verkomme, so Niedermayer, zu einem künstlichen Anhängsel und unverdientem Geschenk, berufe sich doch der spanische Lehrplan auf mangelhafte Lehrbücher und sei voll von Konstruktionsfehlern. Der Direktor sah keine Möglichkeit mehr für eine gemeinsame Zusammenarbeit. Er äußerte seinen Unmut zusätzlich in einer Denkschrift zur Lage des Colegios und ging darin auf weitere Details des Konflikts mit der ihm übergeordneten Schuljunta ein.19 Diese sehe ihn, als deutschen Akademiker, nur als ihren persönlichen Angestellten, der ihre Aufgaben 17
Vgl. Brief Eugen Löffler an Ministerialrat Höhne, 31.01.1957, in: HStA Stuttgart Q1/20 Nachlass Löffler 253.
18
Brief Niedermayer an Dr. Simon, 27.12.1954, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 36.
19
Brief Niedermayer an Deutsche Botschaft, Dezember 1954, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 36.
Chaos und Organisation | 195
zu erfüllen habe. Zusätzlich würden alle Mitspracherechte auch von Elternseite unterdrückt, was dem deutschen demokratischen Lebensstil widerspreche. Das in den Vordergrund gerückte spanische Bachillerato-System verdränge Kapazitäten für den Ausbau des deutschsprachigen Unterrichts, und die spanischen Lehrmethoden des Auswendiglernens seien wenig geeignet. Neben den pädagogischen Gründen nannte Niedermayer in seinem Memorandum die dauernde Einmischung der Junta in die vertraglichen Rechte des Schulleiters als weiteren Kritikpunkt. Auslöser für die Eskalation des Streits waren dem Direktor zufolge persönliche Gründe. Ein Angehöriger des Vorstands habe gegen die Ablehnung seines Sohnes zum Abitur interveniert und sich in andere private Versetzungen und Zeugnisse der eigenen Kinder eingemischt. Ein weiterer Vorwurf betraf wirtschaftliche Willkür, da Lehrerinnen finanziell benachteiligt und andere Kollegen durch die vertragliche Bindung an den Schulverein gemaßregelt würden. Frauen verdienten zehn Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, und mit Ortskräften schließe die Junta keine Verträge ab.20 Niedermayers Vorwürfe gingen aber noch weiter: Bei notwendigen Sanierungsmaßnahmen werde gegeizt, im Gegenzug dazu habe die Junta die Stelle eines Geschäftsführers geschaffen, den sie mit einem Kaufmannskollegen aus den eigenen Reihen besetzt habe. Dieser Posten erschwere zusätzliche die Verwaltungsaufgaben und koste unnötig Geld. Der frustrierte Schulleiter fasste seine Denkschrift mit einem Resümee zusammen und konkretisierte den Konflikt mit einem nationalen Vorwurf: Die Junta handle spanisch und wirtschaftlich, er deutsch und kulturell, und so sei eine deutsche Schule mit diesen Personen nicht realisierbar. Die Verhältnisse seien unwürdig. Niedermayer verglich die Vorstandschaft direkt mit der „Hitler-Komiß-Ära“ von 1939 und meinte damit wohl die Klüngeleien der ehemaligen Vorstandschaft, die durch den Ortsgruppenleiter ernannt wurde. Bei diesem Argument kam hinzu, dass viele Mitglieder im Verein bereits vor 1945 aktiv waren und alle offiziellen Seiten sie als nationalsozialistisch einstuften, Niedermayer mit seinen Anschuldigungen also gar nicht so falsch lag. Die Schuljunta, allen voran Dr. Wagner, wurde selbst bei der Botschaft vorstellig und beschwerte sich ihrerseits über Niedermayer.21 Dieser sei ein unverträglicher, anmaßender Mensch, der die Ruhe der harmonisch lebenden Kolonie gestört habe, bei Kindern, Kollegen und Eltern nicht beliebt sei und vor allem durch seine katholische Orientierung bei der evangelischen Gemeinde für Missstimmung sorge. Wagner wünschte, Großkinsky wieder als Schulleiter einzusetzen, doch dieser war gerade erst in den Heimatdienst zurückgekehrt.
20
Vgl. Bericht 13. Sitzung AschA, 13.09.1955, S. 5, in: HStA Stuttgart Q1/20 Nachlass Löffler 42.
21
Vgl. Aktenvermerk von Trützschler, 24.10.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 36.
196 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Die Botschaft nahm den Streit zum Anlass, grundlegende Kompetenzen voneinander abzugrenzen, stärkte dabei aber die Rolle des Schulleiters.22 Schließlich bot er als von Bonn vermittelte Lehrkraft eine Möglichkeit, Einfluss auf die Strukturen der Vereine auszuüben, so dass die Botschaft Interesse an seiner starken Stellung hatte. Sie formulierte klare Richtlinien für seine Funktionen. Entsprechend seinem Dienstvertrag sei der Leiter allein zuständig für Lehrplan, Unterricht, Stunden- und Notenverteilung sowie die Versetzung der Schüler. Dem Leiter seien die pädagogischen Kräfte der Schule verantwortlich und unterstellt, der Dienstverkehr mit den einzelnen Lehrern habe über den Direktor zu laufen. Es sei weiterhin die Pflicht des Vorstandes, den Schulleiter zu wirtschaftlichen Beratungen hinzuzuziehen. Das Auswärtige Amt hob darüber hinaus auch die Stellung des Schulleiters im Verein hervor und stärkte seine Position in der Mustersatzung für Deutsche Schulvereine unter anderem durch § 16, der ihm eine beratende Stimme bei den Sitzungen des Schulvereins zugestand.23 Dies war ein Punkt, den gerade die Madrider Junta nicht erfüllte, was Bonn sehr argwöhnisch aufnahm. Außerdem sabotierte der Verein sämtliche Empfehlungen der Schulinspektionen zur Gestaltung der Schule. Die Kulturabteilung sah sich hier erstmals in seiner jungen Geschichte genötigt, klar Position gegen einen Schulverein zu beziehen. Sie stellte sich in dem Madrider Streit gegen den Vorstand, hatte aber nur wenig Möglichkeiten, direkten Einfluss zu nehmen. Einziges Druckmittel waren die finanziellen Zuwendungen:24 „Das Auswärtige Amt ist vielmehr der Meinung, dass dieser Schulvorstand längst durch einen anderen ersetzt hätte werden können. […] Es wird deshalb gebeten […] einen neuen Vorstand wählen zu lassen. Es könnte eventuell zu dem Druckmittel gegriffen werden, dass das Auswärtige Amt nicht bereit sei, so erhebliche Bundesmittel wie bisher einzusetzen, wenn nicht ein neuer Schulvorstand in Kürze gewählt werde.“
In Madrid ließ man sich von den Drohungen aus Bonn nicht einschüchtern. Der Konflikt spitzte sich zu, der Verein kündigte dem Schulleiter und weitete damit den Streit auf größere Kreise in der deutschen Kolonie aus. Juntapräsident Wagner suchte nach Fürsprechern, die seine Entscheidung unterstützen sollten. Er fand sie im evangelischen Prälaten Kunst und dem CDU-Bundestagsabgeordneten Hermann Ehren, die sich zunächst beim Auswärtigen Amt über Niedermayer beschwerten, dann aber doch die Hintergründe erkannten und Wagner das Vertrauen entzogen.25 Schnell wurde deutlich: Die Mehrheit stand auf Niedermayers Seite. Viele Mitglie22
Vgl. Aktenvermerk Adalbert von Bayern, 11.07.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 36.
23
Vgl. Mustersatzung des AA an Botschaft Madrid 26.07.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 36.
24
AA an Botschaft, 26.07.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 36.
25
Vgl. AA an Botschaft, 15.12.1955, in PAAA B93 603/IV4, Bd. 36.
Chaos und Organisation | 197
der der deutschen Community sympathisierten mit dem Schulleiter und sicherten ihm ihre Unterstützung zu. Auch das Katholische Auslandssekretariat – Seelsorge für die Katholiken deutscher Sprache im Ausland schaltete sich ein und intervenierte gegen die als unsachlich empfundene Kündigung. Monsignore Büttner, Leiter der Seelsorge, erwähnte ausdrücklich in einem Schreiben an die Vorstandschaft, das in Kopie nach Bonn ging, dass der Patriarch [sic!] von Madrid einen katholischen Schulleiter wünsche, nur ein frei gewählter nach demokratischen Gesichtspunkten gewählter Vorstand die Schule leiten solle und alle nationalsozialistischen Einflüsse ausgeschaltet werden müssten. 26 Das Auswärtige Amt schloss sich dieser Meinung an und forderte die Vorstandschaft auf, die Kündigung rückgängig zu machen.27 Ebenso sprachen sich mit einer Ausnahme alle Mitglieder der Lehrerschaft für Niedermayer aus und stimmten ihm in all seinen Kritikpunkten zu.28 Private Fürsprecher erhöhten den Druck auf die Junta und kontaktierten sämtliche amtlichen Behörden, um für Niedermayer Stellung zu nehmen.29 Alle von Bonn entsandten Lehrer drohten mit Rücktritt, falls Niedermayer seine Stelle aufgeben müsse, da sie eine ernste Gefahr für die Zukunft der Schule sahen.30 Der Druck auf die Junta nahm zu. Weder in Bonn noch in Madrid fanden sie Rückhalt. Als schließlich das Auswärtige Amt drohte, die Anerkennung als Auslandsschule zu entziehen, machte sie einen Rückzieher. Die Vorstandschaft nahm die Kündigung des Direktors zurück und legte selbst ihre Ämter nieder. Im Bonn reagierte man erleichtert:31
26
Vgl. Monsignore Büttner an Ministerialrat von Trützschler, 02.02.1956, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 36.
27
Vgl. von Trützschler an Büttner, 16.02.1956, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 36.
28
Vgl. Studienrat Lechner an von Trützschler, 14.11.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 36. Lehmann ging in seinem Schreiben noch einmal auf die pädagogischen Kritikpunkte, etwa die fehlende Fachkompetenz der Junta, ein und sah die Handlungen des Vorstands als eine Missachtung des Lehrerberufs und eine Beleidigung der Beamten des neuen Deutschlands. Des Weiteren vermuteten die Lehrer eine Intrige, da der einzige Gegensprecher Niedermayers persönlich mit dem vorgesehenen Nachfolger befreundet sei und das „Ganze somit den Anschein einer Verschwörung einer weltanschaulichen eng und streng festgelegten Interessengruppe“ bekomme.
29
Vgl. Rechtsrat Hirsch an Bundesfinanzministerium, 30.11.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 36. Hirsch lenkte die Kritik auf eine regionale Ebene. Der aus Passau kommende Rechtsrat kritisierte die norddeutschen Kaufleute, welche die Junta formten, beklagte er doch die Überantwortung der Schule an die „geldmächtigen und schon während der Zeiten des dritten Reiches einflussreichen norddeutschen Kräfte“.
30
Vgl. Bericht Botschaft, 12.12.1955, in PAAA B93 603/IV4, Bd. 36.
31
Vgl. AA an Botschaft, 15.12.1955, in PAAA B93 603/IV4, Bd. 36.
198 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
„Das Auswärtige Amt hat mit Genugtuung davon Kenntnis genommen, dass die Junta abgetreten ist. Damit ist eine der Bedingungen erfüllt, die die Kultusministerkonferenz für eine zukünftige Anerkennung der Deutschen Schule in Madrid als deutsche Vollanstalt im Ausland gestellt hat. […] Die Verhältnisse […] verlangen eine sofortige Wahl eines neuen Schulvorstands, da die abgetretene Junta auch weiterhin versuchen wird, im Trüben zu fischen. Die Botschaft wird gebeten, darauf hinzuwirken, dass der neue Schulvorstand nicht einseitig wie bisher zusammengesetzt ist.“
Nun galt es zu verhindern, dass der alte Vorstand wieder an die Macht gelangte. Mit dem aus Bundesmitteln geplanten Neubau ergaben sich zusätzliche Bedenken gegen eine Inanspruchnahme des Grundstücks durch den Verein, so dass Bonn auf eine gesetzliche Regelung bestehen musste. Man verknüpfte daher den Bau mit der demokratischen und satzungsmäßigen Wahl eines Vorstandes.32 Legationsrat Simon reiste für Besprechungen nach Madrid und erklärte in der Botschaft und in der Schule, dass sich der alte Vorstand nicht zur Wiederwahl stellen dürfe. Simon sprach der alten Junta demokratische Grundsätze ab und empfahl der Elternschaft, sie nicht mehr zu wählen.33 Für die Mitglieder der alten Junta war dies ein Affront. In ihren Augen mischte sich der Staat unrechtmäßig in die inneren Angelegenheiten des Vorstands ein. Nach Besuch Simons erschienen die ehemaligen Mitglieder Eisner und Wendel aufgebracht in der Botschaft und überreichten Botschafter Adalbert von Bayern in feindlicher Haltung ein Protestschreiben.34 Sie beklagten darin, dass der alte Schulvorstand nicht zu den Besprechungen, in denen Legationsrat Simon die Anschuldigungen angehört hatte, eingeladen worden waren, und fühlten sich in ihren Positionen übergangen. Aber die Kritik nutzte nichts. Der Weg für Neuwahlen war beschlossen, und am 12. Dezember 1956 gründete sich ein Deutscher Schulverein, der die Basis für eine Anerkennung durch das Auswärtige Amt bildete.35 Der interne Konflikt zwischen Schulleitung und Schulvorstand hatte sich hier auf eine zweite Ebene verlagert und zu einer Auseinandersetzung zwischen Verein und Auswärtigen Amt geführt. Der Fall Niedermayer war jedoch nur der Beginn von mehreren Konflikten in diesem Bereich, doch erstmals hatte sich im Laufe dieses Konflikts das Auswärtige Amt in Spanien konkret in die internen Angelegenheiten des Schulvereins eingemischt.
32
Vgl. Bundesminister der Finanzen an AA, 27.05.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 36.
33
Vgl. Barth, Enrique: Konflikt zwischen dem Schulvorstand und Bonn, in: Süddeutsche Zeitung, 01.04.1956.
34
Vgl. Berichtsdoppel Botschaft Madrid, 20.03.1956, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 36.
35
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1957/1958, S. 8.
Chaos und Organisation | 199
6.1.2 Schulverein und Auswärtiges Amt Zu Beginn der 1950er Jahre bestimmten Diskurse über die religiöse Ausrichtung der Schulen deren Alltag. Das Ministerio de Educación forderte, die katholische Staatsreligion als einzige Konfession im Unterricht zuzulassen. Kinder anderer Glaubensrichtungen sollten zu Hause in ihrem Glauben beschult werden.36 Mit religiösen Aspekten argumentierten in Madrid auch die Gegner im Niedermayer-Streit. Im Juli 1952 beschwerte sich Pater Conrado de Hamburgo beim spanischen Außenministerium über die akatholische und antispanische Besetzung der Junta der Deutschen Schule in Madrid, die nicht im Namen der Schule spreche.37 Der Kapuzinermönch unterstützte aber auch nicht direkt die Positionen Niedermayers; seiner Meinung nach war allein der General técnico, der spanische Direktor, für die Leitung zuständig. Als Religionslehrer war er immer wieder für konspirative Streitigkeiten verantwortlich, wollte er doch eine Schule komplett nach spanischem Recht und spanischer Organisation aufbauen.38 Die nationale und damit eng verknüpft die konfessionelle Ausrichtung entwickelte sich nach dem Fall Niedermayer zu einem der Hauptstreitpunkte in der Madrider Gemeinde. Im Rahmen des Neubaus drohte der Konflikt zu eskalieren. Das Auswärtige Amt, das durch die Subventionierung des neuen Schulgebäudes finanziell eingebunden war, konnte und wollte sich aus diesen Streitigkeiten nicht heraushalten. Seit 1959 errichtete man ein neues Gebäude, dessen Kosten zu nahezu 80 Prozent die Bundesregierung trug. Das Auswärtige Amt knüpfte im Vorfeld schon im Fall Niedermayer die Unterstützung an die Bedingung, einen demokratisch gewählten Vorstand zu etablieren, um so endgültig die alten Strukturen der Schule aufzubrechen und diese auf eine durch eine Schulverfassung gesicherte Basis zu stellen. Bonn pochte darauf, als Eigentümer aufzutreten. Nicht nur Prestigegründe waren dafür ausschlaggebend, als Geldgeber wollte man auch Mitspracherechte bei strukturellen Entscheidungen. Das Amt fühlte sich für die Schule verantwortlich und sah keinen Grund, nach den finanziellen Anstrengungen den Neubau den wechselnden Stimmungen und Meinungen im Schulvorstand auszusetzen.39 Es war immerhin nicht auszuschließen, dass der neue, verständnisvolle und loyale Vorstand abgewählt wurde und sein Nachfolger unpopuläre Maßnahmen beschloss. Zudem waren viele Mitglieder in der Schulgemeinde nicht bereit, von sich aus Mit-
36
Vgl. Ministerio de Educación an Ministerio de Asuntos Exteriores, 10.01.1950, in: AGA 82/20880.
37
Vgl. Schreiben Pater Conrado an MAE, 14.07.1952, in: AGA 82/20880.
38
Vgl. Asuntos de Ministerio exteriores, 26.02.1956, in: AGA 82/20880.
39
Vgl. Vorschläge zum Wahl des Standortes, Datum unbekannt, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 36.
200 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
tel zur Verfügung zu stellen. Wollte das Auswärtige Amt also eine repräsentative Schule, musste es selbst in die Tasche greifen. Das Amt lieferte die Gelder für den Neubau, und zwei Jahre später sollten sich alle seine Befürchtungen bewahrheiten. Im Rahmen einer Vorstandswahl entbrannte zwischen verschiedenen Elterngruppen ein heftiger Streit über die künftige Ausrichtung der Schule. Die Madrider Reibereien zogen weite Kreise, mehrere Zeitungen berichteten über die Vorfälle. Die Welt titelte „Skandal um die Deutsche Schule“, die Würzburger Tagespost sah einen Schulkrieg ausbrechen.40 Was war passiert? Der hauptsächlich von Deutschen besetzte Vorstand legte aus pädagogischen Gründen eine Begrenzung der Schülerzahlen auf 1.200 fest, während einige spanische Eltern eine Großschule mit mehr als 4.000 Schülern planten. Zusätzlich sorgten die höheren Schulbeiträge für Spanier für Konflikte und Missstimmung innerhalb der Schulgemeinde. Die spanischen Eltern waren im Schulverein in der Überzahl, so dass es bei Neuwahlen zu einer 2/3-Mehrheit kam und nun die spanische Majorität Einfluss auf das Leben einer Schule ausüben konnte, die mit deutschen Mitteln finanziert wurde. Hatte man in den Jahren zuvor stets versucht, Spanier aus dem Vorstand herauszuhalten, schien dies angesichts der geänderten Mehrheitsverhältnisse nicht mehr möglich. In der Folge entstand ein Plan für eine Umstrukturierung nach spanischen Vorstellungen. Für die Deutschen war die Wahl Teil einer ‚Elternrevolte‘. Sie verlief derart turbulent, dass sich der Botschafter genötigt sah, den Saal zu verlassen.41 Der Journalist Gottfried Gosse schrieb dazu in der Welt:42 „Der alte Schulvorstand wurde nach den demokratischen Regeln, wie sie hier verstanden werden, niedergestimmt. Was siegte, war eine negative Auslese, der Aufstand der Minderbegabten. Die Auseinandersetzungen […] hatten ein beschämendes Niveau. Es fehlte nicht an nationalistisch gefärbten Ausfällen gegen die Deutschen. […] Man kann es nur komisch nehmen, wenn ausgerechnet den Spaniern die Chance zugespielt wird, uns nach allen demokratischen Regeln matt zu setzen.“
Kritik an dieser Darstellung blieb nicht aus. Die spanische Botschaft in Bonn rügte die Wortwahl Gosses in seinem Artikel, stelle er doch die Spanier als Minderbegabte dar. Vielmehr sei es die Schuld der Deutschen, der Streit offenbare die generelle Schwäche der föderalen Kulturpolitik und sei ein Prestigeverlust für die Deutsche Schule.43 In dem letztgenannten Punkt waren sich spanische Botschaft und deutsche 40
Vgl. Gosse, Gottfried: Skandal um die Deutsche Schule Madrid, in: Die Welt, 04.01.1961; Schulz, Werner: Deutscher Schulkrieg in Madrid, in: Würzburger Tagespost, 20.01.1961.
41
Vgl. Schreiben Botschaft an Auswärtiges Amt, 27.12.1960, in: AV 12613.
42
Vgl. Gosse: Skandal.
43
Vgl. Schreiben Embajada de España Bonn an MAE, 15.02.1961, in: AGA 33/36351.
Chaos und Organisation | 201
Presse einig. In den Westfälischen Nachrichten forderte der Journalist Werner Karsunky die Gründung einer Behörde, die für die Auslandsschulen zuständig sein sollte.44 Das Bestreben, den Schulen keinen offiziellen Charakter zu geben, hatte in seinen Augen dazu geführt, dass sie als Privatunternehmen agierten. Madrid sei dafür das extremste Beispiel. Der Staat sei, obwohl er den Großteil der Kosten bezahlt habe, nicht einmal Eigentümer – für Karsunky und die mediale Öffentlichkeit unvorstellbar. Der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zufolge offenbarten sich in diesem Streit ein grundsätzliches Problem und ein Mangel des Deutschen Auslandsschulwesens. Die Regierung stehe zwischen finanziellem Protektionismus und schulischer Selbstbestimmung.45 Das Spannungsverhältnis zwischen privatem und öffentlichem Raum fand erstmals ein Echo in der bundesdeutschen Medienlandschaft. Das Auswärtige Amt reagierte und erarbeitete eine Mustersatzung für Schulvereine, die es unter anderem erlaubte, Mitglieder, die dem Ansehen oder dem Interesse des Vereins schadeten, auszuschließen.46 Zudem knüpfte es die Übergabe des neuen Schulgebäudes an die Bedingung, erneut einen Vorstand zu wählen, der die Schule im kulturpolitischen Sinne der Bundesrepublik leiten und diese als Eigentümerin in der Satzung festschreiben würde. Bei den Neuwahlen setzte das Auswärtige Amt eine nationale Proporzverteilung durch; das Schulgrundstück blieb Bundesliegenschaft und wurde dem Schulvorstand kostenlos zur Nutzung gestellt.47 Der Madrider Vorfall war eine Warnung für den zukünftigen Umgang mit ähnlichen Bauvorhaben. Während man in Bilbao bei den Planungen 1958 die Regierung ursprünglich noch nicht als Eigentümerin hatte festlegen wollen, änderte sich dies nun drei Jahre später nach den Geschehnissen in Madrid:48 „Es erscheint dem Auswärtigen Amt im Hinblick auf die bekannten Vorfälle in der Mitgliederversammlung der Deutschen Schule in Madrid ratsam, auch in diesem Falle das Grundstück in Bilbao in Bundeseigentum zu überführen. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass sich auch in Bilbao bei einer Änderung der derzeitigen Mehrheitsverhältnisse […] Entwicklungen ergeben, die eine Gefährdung des Eigentumsrechts des Bundes zur Folge hätten.“
44
Vgl. Karsunky, Werner: Streit um Madrids deutsche Schule, in: Westfälische Nachrichten, 26.01.1961.
45
Vgl. Schulz, Werner: Streit in deutschen Auslandsschulen, in: FAZ, 02.02.1961.
46
Vgl. Schreiben Auswärtiges Amt an Deutsche Botschaft Madrid, 04.01.1961, in: PAAA AV 12613.
47
Vgl. Korrespondenz Auswärtiges Amt mit Deutsche Schule Madrid, in: PAAA B93 603 IV4, Bd. 324.
48
Schreiben Kulturabteilung AA an Bundesminister der Finanzen, 07.08.1961, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 324.
202 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Bevor die Diskussionen über den Neubau in Bilbao weitergingen, sollte sich ein Schulverein bilden. Dessen Gründung führte aber auch hier zu Streitigkeiten. In der baskischen Stadt waren dabei Hans Peter Jungfleisch und die Vertreter des Konsulats in die Auseinandersetzungen involviert. Jungfleisch, Vorsitzender der Junta, warf der behördlichen Vertretung mangelnde Unterstützung bei der Gründung der Schule vor, denn sie zeige keinerlei Interesse daran, einen Schulverein zu gründen.49 Das Konsulat und die Botschaft sahen sich jedoch nicht dafür verantwortlich und beschwerten sich ihrerseits, dass sich die Kolonie zu sehr auf den Staat verlasse und zu wenig Eigeninitiative zeige. Man warte auf finanziellem wie auf organisatorischem Gebiet auf einen Anstoß und gebe sich obrigkeitsstaatlichem Denken hin.50 Gleichzeitig bestand das Konsulat auf der Gründung eines Vereins, der eine feste Basis schaffen sollte. Es forderte die Verantwortlichen um Jungfleisch daher immer wieder auf, den ersten Schritt zu Vereinswahlen zu machen, und stellte sogar eine juristische Beratung zur Verfügung. Die Auseinandersetzung führte schließlich zum plötzlichen Rücktritt Jungfleischs. Während der Zeit des Neuaufbaus nach 1945 war er noch die treibende Kraft gewesen und hatte sich immer wieder in der Schule engagiert. So hatte er auf seinen Namen ein Grundstück gekauft, das er ihr zur Verfügung gestellt hatte. Nun fühlte er sich von Bonn im Stich gelassen. In Valencia versuchte die Bundesregierung, dem Konflikt um die Besitzverhältnisse rechtzeitig zu entgehen, und verpflichtete die Schule, das Eigentum formlos an die Bundesrepublik zu übertragen, denn auch hier bestand die Gefahr, dass Spanier die Mehrheit im Verein übernehmen und die Schule nach ihren Vorstellungen führen:51 „Sollte also ein Schulvorstand mit spanischer Mehrheit sich an diese Erklärung nicht gebunden fühlen, so könnte er rechtswirksam einem gutgläubigen Dritten das Eigentum an dem Schulgrundstück übertragen. […] Spanischerseits sind jedoch seit längerer Zeit Bestrebungen im Gange, das Stimmenverhältnis im Schulvorstand zu Gunsten der Spanier möglichst zu stärken. […] ein Spanier erklärt, der Schulvorstand in seiner bisherigen Zusammensetzung entspreche nicht dem Nationalitäten-Verhältnis an dieser ‚Spanischen Schule‘ er müsse darauf dringen, dass der spanische Einfluss im Schulvorstand dem wahren Verhältnis zwischen deutschen und spanischen Kindern entsprechend geändert wird.“
Das örtliche Generalkonsulat drängte daher auf eine Ermächtigung zur Übertragung des Grundstücks, da es ansonsten Vorfälle wie in Madrid befürchtete. 49
Vgl. Schreiben Schulvorstand Bilbao an Geheimrat Dr. Simon AA, 09.12.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 35.
50
Vgl. Schreiben Konsulat an AA, 17.12.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 35.
51
Generalkonsulat Barcelona an Auswärtiges Amt, 04.02.1961, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 327.
Chaos und Organisation | 203
Die Streitigkeiten in den spanischen Auslandsschulen über Kompetenz und Zuständigkeit hatten insgesamt zur Folge, dass das Auswärtige Amt seinen Einflussbereich ausweitete und als Führungsinstanz hinter den Schulvereinen stand. Hatte man nach Kriegsende eine staatliche Kontrolle noch abgelehnt, führten die Madrider Vorfälle zu der Erkenntnis, dass bei einem hohen finanziellen Einsatz eine Mitbestimmung erforderlich sei. Dabei wurden die Unterstützungszahlungen immer mehr als Druckmittel eingesetzt, um bei konträren Meinungen die Vorstellung des Amtes durchzusetzen. Ein letztes kurzes Beispiel macht dies deutlich.52 Der Schulverein der Deutschen Schule Valencia erhöhte Ende der 1950er Jahre das Schulgeld für die spanischen Schüler. Das Konsulat kritisierte diesen Schritt und versuchte zu intervenieren. Es wollte die einflussreichen Eltern nicht vertreiben und als ‚Kunden’ der Schule erhalten. Als sich der Verein weigerte, die Vorschläge des Konsulats zu übernehmen, drohte das Auswärtige Amt Konsequenzen hinsichtlich der Zuweisung weiterer amtlicher Mittel an. Die finanziellen Folgen wären für Valencia katastrophal gewesen, so dass dem Verein keine Wahl blieb, er die Forderung des Konsulats akzeptierte und seine Entscheidung revidierte. 6.1.3 Zwischen Spanien und Deutschland Die Neugründungen der Schulvereine führten zu einer Überschneidung von nationalen Kompetenzen. Seit dem Spanischen Bürgerkrieg war die katholische Kirche zu einem wichtigen Einflussfaktor geworden. Beispielsweise setzte sie es durch, dass die Durchführung von evangelischem Religionsunterricht in vielen Städten nicht gestattet war. Madrid und Barcelona durchbrachen dieses Verbot allerdings, was stillschweigend toleriert wurde.53 Bei den Baumaßnahmen in Valencia, Madrid, Bilbao und Barcelona musste eine eigene Kapelle integriert werden, da sowohl das spanische Erziehungsministerium als auch die kirchlichen Behörden besonderen Wert darauf legten.54 Durch den Kulturvertrag von 1954 waren die Schulen zwar offiziell anerkannt, dem Willen der spanischen Behörden mussten sie trotzdem Folge leisten.55 Nur dann konnte neben dem spanischen Lehrplan auch das deutsche Curriculum wieder unterrichtet werden. Die Deutschen Schulen versuchten daher, ein gutes Verhältnis zu den spanischen Dienststellen aufzubauen – schließlich konnten sie theoretisch in einem Staat, 52
Vgl. Schreiben Auswärtiges Amt an Generalkonsulat Barcelona, 03.08.1960, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 214.
53
Vgl. Aufzeichnungen zur Fragestunde des Deutschen Bundestags, 25.02.1956, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 33.
54
Vgl. Schreiben Deutsche Botschaft an Auswärtiges Amt, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 327.
55
Vgl. Ruiz Escudero: Franco y Adenauer, S. 157.
204 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
in dem der Nepotismus an der Tagesordnung war, durch die richtigen Verbindungen zahlreiche Vorteile erreichen. In Santa Cruz zahlte der Verein zum Beispiel keine Steuern, da die Firma des Vorstandes Jacob Ahlers gute Beziehungen zu den spanischen Behörden unterhielt.56 In Madrid versuchte man ebenfalls, sich gut mit den Behörden zu stellen. Die Schule betrieb seit 1960 einen durch Spenden finanzierten Dispositionsfonds, um kleine Geschenke nach Landessitte verteilen zu können.57 Diese kleinen Gesten kamen an, und noch immer hatten viele Deutsche einen guten Ruf bei ihren spanischen Freunden. Die spanische Obrigkeit bewunderte nach wie vor die Auslandsschulen. Bei einem Besuch des Erzbischofs von Sevilla in der dortigen Schule lobte er die Disziplin und die Energie der Deutschen, die den Spaniern immer noch fehle.58 Auf der anderen Seite erschwerte die spanische Bürokratie, trotz zugesicherter Zollfreiheit, die Einfuhr von Baumaterial für Neubauten oder die Mitnahme von Kraftfahrzeugen.59 Des Weiteren gab es konkrete Gesetze, die den Schulalltag betrafen. So erging 1961 eine Verordnung, dass das Gehalt spanischer Ortslehrkräfte an das ihrer Kollegen angepasst werden müsse.60 Für die Vereine war dies natürlich nur mit einem enormen finanziellen Mehraufwand möglich. Die Unterstützungsgesuche und Anfrage nach Hilfe aus Bonn ließen nicht folglich nicht lange auf sich warten. Die spanischen Schulgesetze forderten außerdem, dass der Unterricht in den Fächern Spanisch, Religion, Geographie, Geschichte und politische Erziehung von spanischen Lehrkräften erteilt wurde.61 In San Sebastián waren drei dieser Lehrkräfte Mitglieder der Falange, die bereits vor 1945 an Auslandsschulen gearbeitet hatten. Das spanische Personal sorgte so zusätzlich für einen hohen Grad an ideolo-
56
Vgl. Schulbericht Deutsche Schule Teneriffa, Werner Peiser, 20.04.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 37.
57
Bericht Deutsche Botschaft an Auswärtiges Amt, 11.02.1960, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 107.
58
Vgl. Bericht über Besuch des Erzbischofs von Sevilla, 03.12.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 37.
59
Vgl. Schreiben Bundesbaudirektion an Auswärtiges Amt, 02.08.1960, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 155; Bericht Deutsche Botschaft Madrid an Auswärtiges Amt, 11.02.1960, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 107. Dazu passen die Erzählungen von Prof. Dr. Walther Bernecker. Sein Vater war als Schulleiter an der Deutschen Schule San Sebastián tätig. Die Lehrkräfte wurden dort rechtzeitig vor einer Inspektion gewarnt und konnten ihre Fahrzeuge über die Grenze nach Frankreich bringen, um so das Einfuhrverbot zu umgehen.
60
Vgl. Botschaftsbericht 22.01.1962, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 93.
61
Vgl. Meldeblatt der Deutschen Schule Santa Cruz, 07.02.1959, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 156.
Chaos und Organisation | 205
gischer Kontinuität.62 Die Erfüllung der spanischen Vorschriften war notwendig, da die Schulen sonst ihre Anerkennung verloren hätten. In einigen Städten drohte ernsthafte Gefahr, vielfach befürchtete man die Schließung durch die spanischen Behörden. Die Deutsche Schule Madrid verstieß beispielsweise gegen das Verbot der Koedukation und konnte nur durch persönliche Interventionen des Schulvorstandes beim Director General de Enseñanza Strafen gegen die Schule abwenden.63 In Bilbao warnte ein Klingelzeichen die Klassen bei einem unangekündigten Besuch des Inspektors. Die Jungen verließen daraufhin die Klassenzimmer auf die anliegende Terrasse, um dort Sportunterricht zu machen.64 Der Direktor schmeichelte zusätzlich dem Inspektor, der den Verstoß daraufhin übersah und positive Berichte verfasste. Ein weiteres spanisches Schulgesetz betraf die Bachillerato-Prüfung. Diese durfte nur dann in einer Fremdsprache abgehalten werden, wenn im zuständigen Bezirk ein universitärer Lehrstuhl für diese Sprache eingerichtet war. Als in Bilbao Germanistik für Mädchen wegfiel, konnten die Schülerinnen keinen Abschluss mehr ablegen.65 Diese Probleme waren aber eher die Ausnahme. Insgesamt erfüllten die Deutschen Schulen die Vorgaben des Gastlandes, so dass sich die spanische Schulinspektion meist mit den Einrichtungen zufrieden zeigte:66 „[D]ie pädagogischen Methoden und die Beachtung der spanischen vorgeschriebenen Normen für Stundenpläne, Jahrespläne, patriotische und religiöse Symbole und vorallem für das Studium der ‚christlichen Doktrinen‘ und ‚politische Erziehung‘ bei den spanischen Kindern haben mich vollauf befriedigt. Darüberhinaus haben unsere Kinder den Vorteil der Erlernung einer so nützlichen Sprache wie der Deutschen [sic!]. […] Sie erleben einmal im Jahr religiöse Ausbildung in geistigen Exerzitien und feiern die Erste Kommunion und das Weihnachtsfest in erhebenden und inbrünstigen Festakten von großer künstlerischer Qualität.“
Der wichtigste Punkt in der Zusammenarbeit mit der spanischen Regierung war die Rückgabe der Schulgebäude, die nach 1945 enteignet worden waren. In einer Unterredung mit Landwirtschaftsminister Heinrich Lübke versicherte Franco 1955, dass man besonderen Wert darauf gelegt habe, kulturelles Vermögen in spanische
62
Vgl. Auskunftsbogen Deutsche Schule San Sebastián, Oktober 1961, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 338.
63
Vgl. Brief Martin Schwab, Schulvorstand, an Ministerialdirigenten Dr. Trütschler, 11.03.1958, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 107.
64
Vgl. 90 Jahre DSBi, S. 54.
65
Vgl. Schreiben DS Bilbao an Auswärtiges Amt, 29.01.1959, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 106.
66
Bericht Inspektion Jefe de enseñanza primera an der DS Las Palmas, 09.07.1959, in: BAK B304/ 4874.
206 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Hände zu bringen, um es leichter zurückgeben zu können.67 De facto geschah dies häufig jedoch nicht: So verkaufte das spanische Außenministerium beispielsweise in Sevilla, sehr zum Ärger des Schulvereins, das Schulgelände inklusive Gebäude für nur 301.000 Peseten, einen Bruchteil seines eigentlichen Wertes.68 Eine allgemeine Lösung bahnte sich schon ein Jahr vor diesem Treffen mit dem Abschluss des Kulturvertrages an. Diesem war ein Besuch des spanischen Landwirtschaftsminister Rafael Cavestany in Deutschland vorangegangen. Unter Vermittlung von Konsul Hans Hoffmann sprach der spanische Minister in Bonn mit Adenauer und Heuss.69 Erstmals reiste ein Politiker Francos in die Bundesrepublik, um über die Beziehungen beider Länder zu verhandeln. Cavestany brachte bei seiner Rückkehr die Zusicherung mit, dass Deutschland seine Kredite im deutschspanischen Handel nahezu verdoppeln würde. Im Gegenzug hatte der spanische Minister die Rückgabe von Grundstücken sowohl für die Botschaft als auch für die Kultureinrichtungen versprochen. Ein Jahr später legte die spanische Enteignungskommission einen Entwurf zur Regelung des Vermögensproblems vor, der die spanische Regierung unter anderem von allen Entschädigungsverpflichtungen entbunden hätte.70 Mit Annahme dieses Vorschlags hätte die Bundesregierung die Enteignungsmaßnahmen in Spanien ausdrücklich anerkannt und somit eine Rückführung der Schulgrundstücke verwirkt. Die spanische Regierung hatte sich gegenüber den Alliierten vertraglich gebunden, die Schulgebäude an die spanischen Vorbesitzer zurückzugeben. Sie versuchte einerseits mit Deutschland gute Beziehungen zu erhalten und die Schulen und deren Rückgabe als Druckmittel für politische Kontakte einzusetzen, gleichzeitig stand man in der Vermögensfrage zusammen mit den Alliierten und weigerte sich die Besitztümer zurückzugeben.71 Es dauerte noch bis 1958, bis sich beide Seiten einigten und die Schulgrundstücke in Vigo, Santa Cruz de Tenerife, Las Palmas und Madrid an ihre Eigentümer zurückgegeben wurden. Das Gelände in der Hauptstadt ging an die Bundesregierung, die dort das neue Botschaftsgebäude errichtete. Das Auswärtige Amt überlegte lange, der Schule den Gebäudekomplex zurückzugeben, entschied sich dann aber für einen Neubau der Schule. Das repräsentative Gebäude in einer der wichtigsten 67
Vgl. Abschrift einer Unterredung Francos mit Minister Lübke, 07.10.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 33.
68
Vgl. Schreiben Gustavo Draeger, ehemaliger Schulvorstand an Auswärtiges Amt, 18.01.1952, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 37.
69
Vgl. Sanz Díaz: España y la República Federal de Alemania, S. 179f.
70
Vgl. Bericht Deutsche Botschaft: Das deutsche Vermögensproblem in Spanien, 07.09.1955, in: PAAA AV 7670.
71
Vgl. Collado Seidel, Carlos: Ende und Neuanfang der Deutschen Schulen in Spanien nach 1945, in: Altmann, Werner/Vences, Ursula (Hrsg.): Por España y el mundo hispánico. Festschrift für Walther L. Bernecker, Berlin 2007, S. 126–142, S. 141.
Chaos und Organisation | 207
Straßen Madrids sollte hingegen die Vertretung der Bundesrepublik in Spanien beherbergen.
6.2 STRUKTUR- UND RAUMPROBLEME Der Verlust der Schulliegenschaften zwang die Schulvereine zu improvisierten Übergangs- und Notlösungen. Neubauten konnten nur mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes geplant und durchgeführt werden, die Kompetenzen waren dabei aber keineswegs geklärt. Die unklare rechtliche Situation und die zum Teil fehlende Anerkennung durch Deutschland oder Spanien sorgten für einen zusätzlichen Wildwuchs der Strukturen, da nahezu jeder Schulverein einen individuellen Stunden- und Lehrplan aufstellte. Die deutschen Familien verfolgten hartnäckig das Ziel der Anerkennung und klopften immer wieder an die entsprechenden Türen in Bonn. So fuhr bereits 1949, noch vor Wiedergründung des Amtes, das Ehepaar Hartmann aus Valencia auf eigene Kosten nach Deutschland, um dort um Hilfe für ihre Schule zu bitten.72 Sie bekamen prompt eine Zusage. Im ersten offiziellen Schuljahr erhielten sie einen aus Deutschland vermittelten Schulleiter, der jedoch nach nur einem Jahr aufgrund interner Zwistigkeiten, die mit dem Erbe des Nationalsozialismus zu tun hatten, zurückkehrte. 73 Zuvor konstituierte sich bereits ein provisorischer Schulvorstand, ein Schritt, der vorgeschrieben war, um die Förderung aus Deutschland zu erhalten. Mit Blick auf die spanischen Gesetze war allerdings noch unklar, in welcher rechtlichen Situation der Verein sich befand.74 Noch bis Juli 1955 hatte die Schule von den spanischen Behörden keine Genehmigung zum Betrieb erhalten, und es fehlte jede Rechtsgrundlage.75 Nach der Anerkennung durch die spanische Regierung infolge des Kulturvertrages plante der Verein einen Neubau, den die Regierung in Bonn dank des Einsatzes von Generalkonsul Herbert Schaffarczyk ge72
Vgl. 75 Jahre Deutsche Schule Valencia, S. 55.
73
Vgl. Inspektionsbericht Eugen Löffler, 08.07.1955, in PAAA B93 603/IV4, Bd. 38: „Direktor Alter, der früher an der deutschen Schule in Madrid gewesen war. Er war an sich durchaus kein ungeeigneter Mann. Aber er kam offenbar mit den falschen Vorstellungen nach Valencia, geriet in das Getriebe der inneren Zwistigkeiten, die als Folge der nationalsozialistischen Zeit unter den Deutschen bestand, und konnte sich dabei nicht durchsetzen.“
74
Vgl. PAAA B93 603/IV4, Bd. 38. Generalkonsul Schaffarczyk riet in einem Schreiben vom 17. Mai 1955 an das Auswärtige Amt von einer Inspektionsreise des Oberschulrats Löffler ab, um keinen offiziellen Eindruck zu erwecken, da sich die Schule noch im Gründungsstadium befinde und nur mit stillschweigender Genehmigung ihren Betrieb aufgenommen habe.
75
Vgl. Schulbericht Löffler, 08.07.1955, in: PAAA B93 603/IV4 Bd. 38.
208 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
nehmigte. Valencia war ein frühes Beispiel für die Raumproblematik. Da das alte Gebäude in absehbarer Zeit nicht an die Schule zurückgegeben werden konnte, war ein neues Schulhaus primäres Anliegen der Eltern. Ausschlaggebend dafür waren nicht nur die akute Raumnot und die unzulängliche Ausstattung, sondern auch Prestigegründe gegenüber den einheimischen Schulen.76 Die Raumnot und die steigenden Schülerzahlen zwangen auch die Vereine in anderen Städten zu räumlichen Veränderungen. Gleichzeitig beschäftigte sie die Frage nach der Anerkennung ihrer Abschlüsse, setzten sie sich doch das Ziel, mit den innerdeutschen Schulen gleichgestellt zu sein. 6.2.1 Steigende Schülerzahlen und Neubauten Einzig in Las Palmas de Gran Canaria gaben die städtischen Behörden das enteignete Gebäude schon vor Abschluss des Kulturabkommens an den Schulverein zurück. Nachdem das Erziehungsministerium die Schule knapp acht Jahre selbst in Anspruch genommen hatte, akzeptierte es 1953 das Argument, dass es sich beim Grundstück nicht um Eigentum des Deutschen Reiches, sondern um privates Vermögen des Vereins handelte.77 Der ehemalige Vorsitzende Harald Flick hatte sich über die deutsche Botschaft für eine Rückgabe des Gebäudes eingesetzt. Lange blieb die Schule aber nicht dort. Bereits vier Jahre später waren die Schülerzahlen in einem Maße angestiegen, dass sie in eine größere Villa umziehen musste. In anderen Orten erhielten die Vereine ihre Liegenschaften nicht zurück. Sie kauften daher neue Grundstücke oder mieteten externe Gebäude. Käufer waren die Schulvereine oder, vermittelt über das Auswärtige Amt und die Botschaften, die Bundesrepublik. In Valencia erwarb sie ein knapp 8.500 qm großes Grundstück und finanzierte den Neubau. Nach den Niedermayer-Querelen in Madrid war Bonn jedoch nicht mehr bereit, Gelder zu investieren und diese unkontrolliert dem Schulverein zu überlassen. Das Schulhaus in Valencia wurde daher Eigentum der Bundesrepublik, die es dem Schulverein nur zur Nutzung überließ. Dieser trat zwar als provisorischer Käufer auf, um ein langes Warten auf die Genehmigung des Finanzausschusses zu umgehen, doch das Generalkonsulat legte besonderen Wert darauf,
76
Vgl. Schulbericht Löffler, 08.07.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 38. Die Schule war zum Zeitpunkt der Inspektion in zwei weit entfernten Privathäusern im Zentrum untergebracht. Es gab weder ein Lehrerzimmer noch Lehrmittel, noch Bücher. Es fehlte an Aufenthaltsräumen und weiterem Unterrichtsmaterial. Vgl. PAAA B93 603/IV4 Bd. 38: Bericht Generalkonsulat an AA, 21.11.1955: „Es wirkt sich auch ungünstig aus, dass die deutsche Schule in ihrer äusseren Aufmachung noch immer weit hinter den spanischen, insbesondere den Klosterschulen steht“.
77
Vgl. 75 Jahre Deutsche Schule Las Palmas, S. 97.
Chaos und Organisation | 209
sicherzustellen, dass jederzeit auf Verlangen des Bundes das Eigentum am Grundstück der Bundesregierung übertragen werden konnte.78 Mit dem Neubau erreichte der Verein eine Profilierung in der Schullandschaft der Stadt, konnte er sich doch nun optisch gegenüber den spanischen Schulen herausheben. Nach einer Änderung der Bebauungspläne in der Stadt forderte er gleich noch einmal 170.000 DM an, um ein zusätzliches Grundstück anzukaufen – schließlich sollte die Schule eine imposante Wirkung entfalten. 79 Einige Aspekte des Propagandagedankens waren demnach noch nicht verschwunden. Nach wie vor sollten die Gastländer mit der Größe und Stärke Deutschlands beeindruckt werden. Für die Schule erfüllten sich damit auch die Pläne des imposanten Neubaus aus den 1940er Jahren. 80 Allerdings interpretierte sie die Schule nun neu. Der spanische Architekt Pablo Navarra sah in der Gestaltung im Bauhaus-Stil die architektonische Auffassung des neuen Deutschlands, das nach der Überwindung der Krisis, die durch die Architektur des Nationalsozialismus hervorgerufen worden war, ein Konzept geschaffen habe, das einfach und ohne Übertreibung auskomme.81 In der Madrider Schule stiegen durch die Bevölkerungsentwicklung die Schülerzahlen nach dem Krieg auf über 1.000 an, so dass auch hier ein Neubau nötig wurde. Die unzulängliche Unterbringung sorgte nicht nur vor Ort, sondern auch im Deutschen Bundestag für Aufsehen.82 Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, musste zugeben, dass die Unterbringung der Schule nicht befriedigend und nach wie vor eine Rückgabe des alten Schulgebäudes durch die spanischen Behörden unwahrscheinlich sei. Im Hintergrund schwelten jedoch die Konflikte mit dem Schulverein, so dass die Bundesregierung als Käufer des neuen Grundstücks einsprang. Als der bisherige Vermieter den Vertrag 1956 kündigte, musste sie rasch handeln und erwarb ein Grundstück an den Straßen Serrano und Concha Espina.83 1959 erfolgte die Grundsteinlegung zum Neubau, der mit 8 Millionen DM die bis dahin teuerste, größte und anspruchsvollste Investition in das Auslandsschulwesen seit dem Krieg mit starker kultureller Ausstrahlung und nachhaltiger Wirkung werden sollte.84 Die kulturelle Bedeutung von Baumaßnahmen hatte sich auch in Madrid seit den Propagandaplänen der NS-Zeit wenig geändert. Nach wie vor deutete 78
Vgl. Generalkonsulat an Auswärtiges Amt, 03.08.1956, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 327.
79
Bitte um Zuschüsse, Schulverein an Auswärtiges Amt, 12.04.1960, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 327.
80
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Valencia 1962/63, S. 14.
81
Vgl. ebd., S. 18.
82
Vgl. Parlamentarische Fragestunde im Bundestag, 08.03.1956, BT Protokoll 6885.
83
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 119.
84
Vgl. ebd., S. 121.
210 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
man repräsentative Bauten als einen wichtigen Aktivposten der Auswärtigen Kulturpolitik, um fremden Nationen zu imponieren. Zum 75-jährigen Jubiläum blickte Botschafter Hermann Meyer-Lindenberg zurück:85 „Nach der Katastrophe des 2. Weltkriegs ging die Kulturpolitik der Bundesrepublik Deutschland von der Erwägung aus, daß einer der wesentlichen Aktivposten, der uns geblieben war, in dem Ansehen bestand, über das die deutschen Auslandsschulen immer noch verfügten, und daß es daher im langfristigen deutschen Interesse lag, diese Schulen – wo immer es möglich war – nachdrücklich zu fördern. Dieser Einsicht verdankt u. a. auch die Schule in Madrid ihr neues Gebäude.“
Spanien stand zum Zeitpunkt des Baus in Madrid bereits nicht mehr im Fokus der finanziellen Förderung. Der Schwerpunkt hatte sich nun nach Nordafrika und in den Mittleren Osten verlagert, wo die Bundesrepublik neue Schulprojekte plante, um ihren kulturellen Einfluss auszudehnen.86 Für die Schulvereine in Spanien war die Zusicherung von finanziellen Hilfen daher häufig ein langwieriger Prozess. Im Jahr 1957 wandte sich der Schulverein in Barcelona mit einem Fördergesuch an das Konsulat, in dem er beklagte, dass in wenigen Monaten der Mietvertrag ablaufe und gleichzeitig die Schülerzahlen anstiegen.87 Ein Jahr zuvor hatte man bereits ein Grundstück gekauft, neben dem nun eine zweite Wohnung frei wurde, für deren Ankauf man 500.000 DM erbat. Der Schulverein wartete jedoch nicht die Zustimmung des Haushaltsausschusses ab, sondern finanzierte den Kauf mit einem Darlehen der Firma Bayer und hoffte nun auf eine Rückzahlung durch Bonn. Aus Sicht des Schulvereins hatte man sich das günstige Angebot gesichert und somit im Interesse des Amtes gehandelt:88 „Der Schulvorstand glaubt, dass Barcelona genauso geeignet wäre, auch in ihrem äußern Rahmen eine repräsentative Deutsche Schule zu besitzen, wie z. B. Mailand, Madrid, Lissabon oder Valencia. Wenn der Schulvorstand [...] aber vielleicht mit übertriebener Zurückhaltung und mit Rücksicht auf die Beschränktheit der dem Auswärtigen Amt für kulturelle Zwecke zur Verfügung stehenden Mittel, versucht hat, billigere Lösungen für das Raumproblem zu finden, so hofft er, dass ihm wenigstens ohne Zögern und ohne allzu starke bürokratische Hemmungen die erforderliche geldliche Unterstützung gewährt werde.“ 85
Rede Botschafter zum 75-jährigen Jubiläum, in: PAAA AV 7671.
86
Vgl. Rede Leiter der Kulturabteilung von Lucius auf der Sonnenbergtagung 20.07.1960, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 245.
87
Vgl. Deutscher Schulverein an Konsulat Barcelona, 08.11.1957, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 453.
88
Vgl. Deutscher Schulverein an Auswärtiges Amt, 28.03.1959, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 453.
Chaos und Organisation | 211
Das Auswärtige Amt genehmigte die Summe, doch infolge unvollständiger Eingaben über einzelne Zahlungsposten kam es immer wieder zu Verzögerungen. Ferner wurde 1959 der Etat der Kulturabteilung um neun Prozent gekürzt, von den angeforderten 58 Millionen erhielt die Kulturabteilung nur rund 33 Millionen. Sie plante daher mit Geldern, die sie nun nicht mehr einsetzen konnte. Das Bundesfinanzministerium unter Leitung von CDU-Minister Franz Etzel sah sich zu einer Stellungnahme genötigt, in der es das Vorgehen in Barcelona kritisierte:89 „[Es] ergibt sich die Frage, ob die Gewährung einer Zuwendung für den Grundstückerwerb überhaupt vertretbar ist. Ich halte es für bedenklich, wenn Schulvereine finanzielle Verpflichtungen übernehmen, ohne über die erforderlichen Mittel [zu] verfügen und nach Abschluss des Rechtsgeschäfts unter Hinweis auf das deutsche Ansehen im Ausland zur Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen die Hilfe des Bundes beanspruchen.“
Im Antwortschreiben erklärte das zuständige Referat der Kulturabteilung, dass wenig Einflussmöglichkeiten bestünden, da die Entwicklung der Auslandsschulen nach einer gewissen Eigengesetzlichkeit verlaufe und es Verpflichtungen gebe, die man nachträglich kaum sanktionieren könne. Der Schulverein hatte das Amt demnach vor vollendete Tatsachen gestellt und erhielt im April 1960 nach einer zusätzlichen Prüfung durch das Finanzministerium die Zulagen.90 Die kleineren Schulen konnten ihre Bauwünsche hingegen nicht durchsetzen. In San Sebastián waren die Gebäude derart baufällig, dass sich 1968 auf Grund eines defekten Geländers bei einem Sturz von einer Treppe vier Kinder verletzten.91 Insgesamt war die Schule zu diesem Zeitpunkt in fünf unterschiedlichen Villen untergebracht und die einzelnen Abteilungen waren weit voneinander entfernt. Für eine Lösung dieses Provisoriums benötigte sie die Unterstützung der Bundesrepublik, die diese jedoch nicht gewähren konnte und wollte.92 Bereits vier Jahre zuvor hatte man einen Antrag auf einen Neubau gestellt, der jedoch ebenso wenig genehmigt worden war. Während das Konsulat angesichts der hohen Anzahl deutscher Kinder
89
Vgl. Stellungnahme Bundesminister der Finanzen, 21.10.1959, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 453.
90
Vgl. Schreiben Referat 603 an Bundesministerium der Finanzen, 11.01.1960, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 453.
91
Vgl. Schreiben Schulverein Deutsche Schule San Sebastián an Auswärtiges Amt, 06.03.1968, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 709.
92
Vgl. Deutsche Schule San Sebastián (Hrsg.): 50 Jahre, S. 37f.
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den Antrag befürwortete, gab das Auswärtige Amt ein Mietkonzept vor, da andere Bauten in anderen Regionen wichtiger waren.93 Neben bautechnischen Projekten hingen die Schulen vor allem in der Frage ihrer Anerkennung als Auslandsschule vom Auswärtigen Amt ab. Zum einen wünschten die deutschen Eltern, dass ihre Kinder bei einer möglichen Rückkehr nach Deutschland in das dortige Schulsystem einsteigen konnten. Zum anderen vermittelte das Amt an anerkannte Schulen deutlich mehr Lehrkräfte und unterstützte deren Arbeit. Erreichte ein Verein die Anerkennung, konnte er damit gezielt in der deutschen Gemeinde Werbung machen und sich so zusätzlichen Zuspruch erhoffen. Er sprach aber nicht nur deutsche Eltern an, sondern versuchte auch Spanier von den Vorteilen eines deutschen Schulabschlusses zu überzeugen. 6.2.2 Strukturelle Ausrichtung und Anerkennung als Auslandsschule 1952 stellte die Deutsche Schule Madrid erstmals einen Antrag auf Anerkennung als Auslandsschule. ‚Deutsche Schule’ an sich war kein geschützter Begriff, der Status als anerkannte Schule hätte eine bessere Versorgung mit Lehr- und Geldmittel bedeutet und vor allem eine Anerkennung der Abschlusszeugnisse. Der AschA lehnte ab, da Schüler bis dato nur das spanische Bachillerato erreichen konnten.94 Erst langsam vollzog sich ein Wandel, bis die Eltern erkannten, dass die Vorbereitungen für die spanischen Prüfungen nicht die Schulstruktur bestimmen durften.95 Die Anerkennung verknüpfte der AschA mit mehreren Punkten:96 Stärkung des deutschen Elements im Unterricht, Gründung eines Schulvereins, Vorlage eines Lehrplanes, finanzielle Gleichbehandlung der Lehrer und Abschluss von Arbeitsverträgen mit Ortskräften. Die anwachsenden Schülerzahlen machten die Anerkennung immer dringlicher. Innerhalb von sechs Jahren stiegen sie von 284 im Jahr 1949 auf 766, was nicht nur den Neubau notwendig machte, sondern auch eine Neugestaltung der Schulstruktur und der eigenen Leitbilder erforderte: Deutsche Schüler sollten eine deutsche Ausbildung bekommen, spanische Kinder über den Weg der deutschen Sprache in die deutsche Denkweise und Kultur eingeführt wer-
93
Vgl. Konsulat Bilbao an Auswärtiges Amt, 26.02.1964, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 709.
94
Vgl. Protokoll 4. Sitzung AschA 11.06.1952, in: HStA Stuttgart Q1/20 Nachlass Löffler 42.
95
Vgl. Protokoll 10. Sitzung AschA 05.08.1954, in: HstA Stuttgart Q1/20 Nachlass Löffler 42.
96
Vgl. Protokoll 13. Sitzung AschA 13.09.1955, in: HstA Stuttgart Q1/20 Nachlass Löffler 42.
Chaos und Organisation | 213
den. Nur wer beide Sprachen beherrschte, sollte das deutsche Abitur bekommen, daneben gab es einen abgetrennten Zug, der mit der Mittleren Reife abschloss.97 Nach der Abhaltung der ersten Reifeprüfung 1953 hatte die Leitung den deutschen Lehrplan neben dem spanischen etabliert, so aber für eine starke Doppelbelastung der Schüler gesorgt. Mit einem Beschluss der Lehrerkonferenz 1956 teilte die Schule die Oberstufe in einen A-Zweig (Abitur) und B-Zweig (Bachillerato) auf. Dadurch verbaute sie sich zwar den Weg zu einer ‚Begegnungsschule’, der durchaus diskutiert wurde, doch die spanischen Behörden hätten die Abschlüsse sonst nicht anerkannt. Die neue Struktur erlaubte sowohl deutschen als auch spanischen Kindern den Hochschulzugang in ihren Heimatländern und bildete somit die Basis für die Anerkennung durch die Kultusministerkonferenz. Ab dem Schuljahr 1958/59 durfte sich die Schule offiziell als anerkannte Auslandsschule bezeichnen und den Namenszusatz ‚Colegio Alemán‘ führen. Während es in Madrid zunächst Widerstand gegen die Stärkung des deutschen Elements gab, war 1953 in Barcelona schon in fast allen Fächern die Unterrichtssprache Deutsch.98 Der AschA nahm den Wandel von einer spanischen Privatschule hin zu einer ‚echten‘ Auslandsschule positiv auf.99 Ein Jahr zuvor hatte er der Schule die Anerkennung als Vollanstalt mit Abiturberechtigung zugesichert, so dass nur wenige Monate nach der Zusammenlegung von La Salud und Miramar der Schulverein des Colegio Alberto Magno sein primäres Ziel erreicht hatte.100 Probleme auf dem Weg zur Anerkennung ergaben sich in Valencia. Im Jahr 1955 sprach sich Konsul Schaffarczyk noch dagegen aus, da zu wenig deutsche Kinder immatrikuliert waren und somit aus seiner Sicht die Schule nur als Zubringer für die größere Einrichtung in Barcelona dienen sollte.101 Da die deutschen Schulabschlüsse in Spanien nicht anerkannt waren, orientierte sich der Schulverein angesichts der hohen spanischen Schülerzahl am spanischen Schulsystem. Die Oberschule war ein spanisches Colegio, das die spanischen Behörden zuerst weder anerkannten noch autorisierten.102 Erst mit der Entsendung deutscher Lehrer nahm das deutsche Element in der Schule zu, und es konnte wieder deutscher Sprachunterricht angeboten werden. Dessen offizielles Ziel war aber nicht nur die Vermittlung der Sprache, sondern auch der Kultur und der deutschen Arbeitsweise.103 Fremdsprachlichen Fachunterricht gab es noch nicht. Eugen Löffler kritisierte bei 97
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 114.
98
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 157.
99
Vgl. Protokoll 7. Sitzung AschA 30.07.1953, in: HStA Stuttgart Q1/20 Nachlass Löffler 42.
100 Vgl. 100 Jahre DSB, S. 157. 101 Vgl. Schreiben Generalkonsulat an AA, 17.09.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 38. 102 Vgl. Inspektionsbericht Löffler, 08.07.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 38. 103 Jahresbericht Deutsche Schule Valencia 1962/63, S. 28.
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seinem ersten Inspektionsbesuch für die Kultusministerkonferenz die Qualität des Unterrichts.104 Der Kindergarten war seiner Meinung nach nicht mehr als ein äußerliches Betreuen der Kinder. Es fand keine echte erzieherische Arbeit statt, vor allem da den jungen Erzieherinnen jegliche Ausbildung fehlte. Zudem hatte die Lehrerschaft in der Grundschule nur einen behelfsmäßigen Charakter, einzig Schulleiter Gerhard Lepiorz besaß eine ordnungsgemäße Ausbildung, so dass der Kenntnisstand der Schulklassen weit hinter den Erwartungen lag. Das Urteil Löfflers war für die Leitung und den Verein ernüchternd, sprach er der Schule damit doch direkt die Lebensfähigkeit ab und machte deutlich, dass sie sich nicht auf dem richtigen Weg befand und so keine Chance auf Anerkennung hatte. Löffler formulierte klare Forderungen, die es zu erfüllen galt, wenn die Schule den Status einer offiziellen Auslandsschule erlangen wollte. Die deutsche Gemeinde sollte bereit sein, mehr finanzielle Opfer zu erbringen, um durch ein höheres Schuldgeld die Ausstattung zu verbessern. Außerdem sollten neben dem Deutschunterricht auch andere Fächer auf Deutsch abgehalten werden, da man nur auf diese Weise erreiche, dass die spanischen Kinder zu einer befriedigenden Beherrschung der deutschen Sprache kämen. Der Überfremdungscharakter verhinderte auch in Bilbao zuerst eine Anerkennung als Auslandsschule. Doch obwohl streckenweise nur elf Prozent der Schüler die deutsche Staatsbürgerschaft hatten, hielten Schulverein und Auswärtiges Amt am Aufbau fest. Es stellte sich allerdings allmählich die generelle Frage, ab wann eine Anerkennung und eine Förderung sinnvoll waren. Die Kultusministerkonferenz entwickelte daher einen Kriterienkatalog, den sie 1964 vorstellte.105 Der erste Punkt war die Durchsetzung des Deutschen als überwiegende Unterrichtssprache. Des Weiteren musste der deutsche Charakter durch Lehrplan, deutsche Lehrer und Elternschaft gewährleistet sein. Ferner musste die wirtschaftliche und pädagogische Arbeit gesichert sein. Nicht jede Schule konnte alle diese Punkte erfüllen. Während aber in Valencia und Bilbao der Betrieb weiter gefördert wurde, nahm man andere Einrichtungen vorerst nicht mehr in das Netzwerk der Auslandsschulen auf. So erhielt die Deutsche Schule Las Palmas zunächst keine Zuschüsse mehr. In einem Schreiben von 1958 konfrontierte der Schulvorstand das Auswärtige Amt mit dem Vorwurf, die Schule als minderwertig und uninteressant anzusehen, und erneuerte seine Bitten auf Zuschüsse.106 Die Kulturabteilung reagierte jedoch weiterhin ablehnend, da man die Schule ohne Erlaubnis des Amtes aufgebaut habe und nicht jeder Forderung nachkommen könne. Hinter dieser Entscheidung stand zusätzlich das Misstrauen 104 Vgl. Inspektionsbericht Löffler, 08.07.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 38. 105 Vgl. Kriterien zur Anerkennung, in: Protokoll AschA 47. Sitzung 09/10.07.1964, in: BayHStA MK 52094. 106 Vgl. Schreiben Schulvorstand DS Las Palmas an Legationsrat Simon, 12.02.1958, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 107.
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gegenüber der Qualität der Schule – seit rund einem Jahr gingen Beschwerden von Eltern über die pädagogische Eignung des Schulleiters ein.107 Allerdings war in Las Palmas der Anteil deutscher Kinder ausreichend, so dass das Auswärtige Amt einen Grund zur Unterstützung sah und bei den Personalproblemen half: Bonn vermittelte einen neuen Schulleiter, und bald nach dessen Dienstantritt verbesserte sich das Verhältnis. Daraufhin nahm die Kulturabteilung die Schule wieder in die Förderung auf. Das Mischverhältnis zwischen spanischen und deutschen Kindern wurde zu einem der wichtigsten Kriterien für die Fördermaßnahmen. Nach der Schulleiterkonferenz im Juli 1961 forderten die spanischen Direktoren eine konkrete Zahl, fragten sie sich doch, bis zu welchem Anteil deutscher Kinder die Schule eine Berechtigung habe, da durch das Anwachsen der Schülerzahlen deren Quote beständig sinke. Auch die Schulvereine befürchteten einen zu geringen Anteil deutscher Elemente und so eine Gefährdung der Anerkennung durch die Bundesregierung beziehungsweise einen Verlust des deutschen Charakters in den Schulen.108 Es setzte sich die Auffassung durch, dass mindestens 25 Prozent die deutsche Staatsangehörigkeit haben und die Hälfte der Kinder Deutsch sprechen sollten.109 Schulen, die dieses Kriterium nicht erfüllten, gefährdeten ihren Anspruch auf Förderung. Trotzdem artikulierten sie ihre Wünsche und hofften, ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen. Der Standort Spanien entwickelte sich mit seinem dichten Netz an Auslandsschulen allmählich zum Problemfall für das Auswärtige Amt. Immer mehr Anfragen und Bitten gingen ein. In Bonn tat sich die Kulturabteilung immer schwerer, deren Erfüllung zu rechtfertigen, und lehnte sie in vielen Fällen ab.110 Vor allem kleinere Institutionen fürchteten unter diesen Umständen um ihre Existenz, da sie ohne Zuschüsse aus Deutschland nicht lebensfähig waren.
107 Vgl. Beschwerde Peter Bundies, 23.01.1958, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 107: Direktor Brettschneider fehle es an Vertrauen gegenüber seinem Personal. Er baue zudem den Deutschunterricht ab und fördere den Musikunterricht, den seine Frau erteile. 108 Vgl. Botschaftsbericht über Schulleitertagung 11.07.1961, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 155. 109 Vgl. Protokoll 62. Sitzung AschA 01.02.1968, in: BayHStA MK 52109. 110 Antwortschreiben Leiter der Kulturabteilung Rudolf Salat zur Anfrage des Bundestagsabgeordneten Kahn Ackermann 04.10.1962, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 283: „Eine Verpflichtung zu schulischer Betreuung von Kindern solcher Eltern, die ihren Hauptwohnsitz an sich in der Bundesrepublik beibehalten und in der Lage sind, einen mehr oder weniger großen Teil des Jahres unter den von ihnen bevorzugten Lebensbedingungen im Süden zuzubringen […] erscheint mir angesichts vielfacher und dringlicherer Anliegen in anderen Ländern nicht gegeben.“
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6.3 ÜBERPROPORTIONALE FÖRDERUNG UND SCHLIEßUNG VON SCHULEN Die Investitionen in Spanien führten ab Ende der 1950er Jahre dazu, dass das Auswärtige Amt die Förderpolitik zunehmend hinterfragte. Man versuchte die Konzentration auf Spanien historisch zu erklären: Vor dem Krieg war es das Land mit den größten Auslandsschulen in Europa, das entsprechend nach dem Krieg erste Anknüpfungspunkte für den Wiederaufbau des Auslandsschulwesens in der jungen Bundesrepublik bot.111 Zudem gab es eine verhältnismäßig große Zahl deutscher Schüler und interessierter Eltern in Spanien. Die hohen Summen, die nach Spanien flossen, stießen aber bald auf Kritik. Heinrich Ritzel, SPD-Politiker im Bundestag, erklärte Ende des Jahres 1960, dass das Auswärtige Amt bei zukünftigen Anträgen auf Schulzuschüsse von seiner Partei keine Zustimmungen mehr bekommen werde.112 Dieter Sattler, Leiter der Kulturabteilung, ordnete an, wegen der Bedenken im Haushaltsausschuss keine weiteren Schulneubauten in Spanien in Angriff zu nehmen, obwohl in San Sebastián und Sevilla weiterhin entsprechende Wünsche bestanden.113 Als sich 1961 Konsul Hans Hoffmann mit einem Schreiben an die Botschaft wandte, um seine Pläne für eine Neugründung in Málaga zu bewerben, lehnte der Kulturausschuss des Bundestages das Gesuch ab mit dem Hinweis, an der Costa del Sol lebten genügend reiche Deutsche, die den Betrag zur Verfügung stellen könnten.114 Doch nicht alle Mitglieder des Bundestages standen den Schulgesuchen ablehnend gegenüber. Georg Kahn-Ackermann, ebenfalls Mitglied der SPD, setzte sich für eine Förderung ein und argumentierte mit einem übergeordneten europapolitischen Aspekt:115 „Das Argument, daß in den letzten Jahren für die deutschen Schulen in Spanien so viel getan worden wäre und man in einem gewißen Abschluss kommen müße, finde ich nicht stichhaltig. […] Wenn es die Politik der Bundesregierung ist, Spanien in die EWG zu bringen, dann kann sie dazu einen handfesten Beitrag leisten, indem die deutschen Schulen in Spanien soweit wie möglich ausgebaut werden um damit dem absolut unterentwickelten mittleren und
111 Vgl. Aufzeichnungen über Beratungen des Haushaltsausschusses des Bundestags am 11.02.1960, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 155. 112 Vgl. Aktenvermerk MdB Ritzel, 09.12.1960, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 155. 113 Vgl. Aufzeichnung Ministerialdirektor Sattler, 20.10.1961, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 155. 114 Vgl. Schreiben Juan Hoffmann an Deutsche Botschaft, 04.10.1961, in: PAAA AV 7674. 115 Vgl. Schreiben Kahn-Ackermann an Auswärtiges Amt, 27.09.1962, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 283.
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höheren Schulwesen in diesem Lande eine Hilfe zu geben, daß es die notwendigen Voraussetzungen für den spanischen Weg nach Europa schafft.“
Kahn-Ackermann erreichte seine Bundestagskollegen mit seinem Plädoyer nicht. Die Ressentiments gegenüber Investitionen in das Auslandsschulwesen wuchsen. Allein für Spanien entstanden innerhalb des Rechnungsjahres 1960 Kosten von mehr als 17 Millionen DM, was zu nachhaltigen Vorurteilen im Auswärtigen Amt und im Haushaltsausschuss des Bundestags führte. Die Kulturabteilung und der AschA begannen, den Nutzen der Förderungen in Spanien eingehend in Frage zu stellen:116 „Das deutsche Auslandsschulwesen ist fast nirgends so stark ausgebildet wie in Spanien. Die Ausgaben des Auswärtigen Amtes für die deutschen Schulen in Spanien sind am größten. Man fragt sich, ob die Beziehungen zu Spanien wirklich so eng sind bzw. wodurch dies Übergewicht gerechtfertigt ist. Die spanischen Studenten stehen in der Bundesrepublik erst an 16. Stelle. Das zeigt, daß dort, wo die meisten deutschen Auslandsschulen sind, nicht auch das stärkste Interesse für Deutschland vorhanden ist.“
Seit 1959 leitete Dieter Sattler die Kulturabteilung.117 Mit ihm kam erstmals fokussiert eine neue Komponente zur Leistungsmessung der Auslandsschulen hinzu: Nicht mehr die Schülerzahl war ausschlaggebendes Kriterium für den Erfolg, sondern die nachhaltige Qualität, die Sprachkenntnisse und die Anzahl der Studierenden aus dem jeweiligen Gastland in Deutschland. Er wollte dabei bewusst mit alten Traditionen brechen und bestehende Strukturen hinterfragen:118 „Es heißt im allgemeinen, daß die deutschen Auslandsschulen ihre ausländischen Schüler zu echten Freunden Deutschlands machen. Dies erweist sich bei näherer Betrachtung weitgehend als bloße Redensart. Welches Deutschland ist gemeint, das Wilhelms II., Stresemanns, Hitlers oder Heuss? Es ist sehr fraglich, ob die ausländischen Schüler, die deutsche Auslandsschulen besuchen, Deutschland gegenüber wirklich freundlich gesinnt sind und später die deutsche ‚Qualität‘ bevorzugen.“
Die oft angeführte Disziplin als ein Gütekriterium der Auslandsschulen betrachtete Sattler kritisch und sah darin ein antiquiertes Deutschlandbild:119 116 Dieter Sattler, Leiter der Kulturabteilung bei einem Vortrag der 32. Sitzung des AschA, 9/10.11.1960, in: BayHStA MK 52079. 117 Vgl. ausführlicher zu seiner Biographie: Stoll, Ulrike: Kulturpolitik als Beruf. Dieter Staller (1906-1968) in München, Bonn und Rom, Paderborn 2005. 118 Ebd. 119 Ebd.
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„Einzig und allein die deutsche Disziplin macht die deutschen Schulen […] so beliebt. Es fragt sich, ob wir unsere Disziplin noch mit so gutem Gewissen verkaufen können wie vor 35 Jahren und ob wir noch den richtigen Lehrertyp für die Auslandsschulen haben.“
Er forderte daher nötige Korrekturen, einen Abbau von Schwerpunktbildungen und ein gesundes Verhältnis bei der Subventionierung. Während Barcelona und Madrid als große Vollanstalten weiterhin hohe Geldsummen erhielten, konnten kleinere Anstalten nicht mehr mit der vollen Unterstützung des Auswärtigen Amtes rechnen. Neben Sevilla und San Sebastián spürte vor allem die Deutsche Schule in Zaragoza den Rückgang der Förderbereitschaft. Sie sollte die erste Schule in Spanien sein, die ihren Status als anerkannte Auslandsschule verlieren sollte. Neu gegründeten Schulen wie derjenigen in Málaga stand ein langer Weg zur Anerkennung bevor, der die Akteure in zahlreiche Konflikte verwickelte. 6.3.1 Schließung der Deutschen Schule Zaragoza Die erste Sparmaßnahme betraf die Deutsche Schule in Zaragoza.120 Zeitgleich mit den strukturellen Konflikten beschloss die Kulturabteilung, neue Schwerpunkte zu schaffen und kleinere Schulen aufzugeben. Die Schule in Zaragoza besaß zwar einen guten Ruf; spanische Eltern schickten ihre Kinder gerne dorthin und sahen die Einrichtung als Prestigeobjekt. Doch es fehlte aufgrund der demographischen Zusammensetzung der deutsche Nachwuchs.121 Der hohe Anteil spanischer Schüler legte in Bonn die Vermutung nahe, es hier mit einer klassischen ‚Propagandaschule‘ zu tun zu haben. Die Förderungen gingen zurück, da es sich aus Sicht des Auswärtigen Amtes nicht mehr um eine ‚Deutsche Schule‘ im kulturpolitischen Sinne handelte. Die fehlenden Gelder versuchte der Verein durch eine Erhöhung der Schulgelder zu kompensieren, die er um mehr als 130 Prozent anhob. Noch im März 1959 erhielt die Schule die Zusage, dass sie weiter bestehen könne, gleichzeitig sollte sich der Ausbau aber in Grenzen halten. Hans Schönemann, Vorsitzender des Vereins, beschwerte sich bei Legationsrat Arens über die Hinhaltetaktik des Amtes:122 „[Es gibt] von keiner Seite eine klare Marschlinie […]. Diese Unterlassung geht zu Lasten der Kulturabteilung des Auswärtigen Amts. Hier in Zaragoza wurde kein Mensch darüber 120 Vgl. Korrespondenz Auswärtiges Amt mit Deutsche Schule Zaragoza ab 17.11.1958, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 109. 121 Vgl. dazu die Erläuterungen zum Ursprung der deutschen Gemeinde in Zaragoza in Kapitel II. 3.2. 122 Vgl. Schreiben Hans Schönemann an Legationsrat Arens, 06.06.1959, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 109.
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orientiert, daß die Schule eventuell nur bis zur Grundschule gehen sollte bzw. daß überhaupt ihr Schicksal ungewiß sei. […] Die Eltern unserer 150 Kinder sind davon überzeugt, daß die Schule […] bis zur Oberschule geplant ist. Stellen Sie sich bitte die Reaktion dieser 150 Eltern vor, wenn sie erfahren sollten, daß man sie getäuscht hat. […] Da es sich bei unseren Kindern hauptsächlich um Söhne aus Kreisen der Ärzteschaft, Rechtsanwälten, Universitätsprofessoren, Offizieren und führenden Personen der Wirtschaft handelt, werden die Rückwirkungen fatal sein.“
Ein Jahr später brachte der Inspektionsbericht unerfreuliche Ergebnisse für die Schule.123 Zaragoza entspreche nicht den Vorstellungen von einer Deutschen Auslandsschule, da sie fast 98 Prozent fremdsprachige Kinder unterrichte. Der Schulleiter sei zudem ungeeignet und die Entwicklung ungesichert. Direktor Josef Pacht trat im Gegenzug mit einer eigenen Beschwerde an das Amt heran und gab der Vorstandschaft die Schuld an den schlechten Verhältnissen. Mit dieser sei keine Zusammenarbeit möglich, sie veruntreue Gelder und wirke in seine Kompetenzbereiche als Schulleiter hinein.124 Anfang des Jahres erhielt Pacht eine Kündigung; das Konsulat musste als Schiedsgericht eingreifen und attestierte dabei der Schule einen desolaten Zustand:125 „Der Prozentsatz deutscher Kinder ist so gering, daß er als aktivierendes Element im Deutschunterricht überhaupt nicht in Frage kommt. […] deutsche Kolonie und spanische Elternschaft ‚keineswegs in der Lage seien, einen funktionsfähigen Schulträger zu konstituieren.‘ Schule müsste daher direkt dem Konsulat unterstellt werden. Schulpädagogische und kulturpolitische, finanzielle und juristische Gesichtspunkte sprechen damit gegen einen Fortbestand der Schule. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre eine Schließung ohne großen Ansehensverlust vertretbar.“
Damit ergab sich jedoch das grundlegende Problem, dass die deutsche Behörde keinerlei Befugnisse hatte, einen spanischen Verein aufzulösen. Es blieb daher nur die Möglichkeit, die finanziellen Zuwendungen zu streichen. Bonn beschloss, die bereits gespendeten Büromöbel wieder einzuziehen, und überließ sie dem Verein nur leihweise unter der Voraussetzung, den Zusatz ‚Deutsch‘ aus dem Namen der Schule zu streichen, da es sonst zu Beschwerden kommen könnte. Das Konsulat in Barcelona sprach der Schule trotz seiner eindeutigen Kritik immer noch einen kul-
123 Vgl. Protokoll 30. Sitzung AschA, 21/22.04.1960, in: BayHStA MK 52077. 124 Vgl. Bericht Schulleiter Josef Pacht an Auswärtiges Amt, 28.02.1960, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 215. 125 Bericht Konsulat Barcelona an Auswärtiges Amt, 15.03.1960, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 215.
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turpolitischen Wert zu und versuchte zu vermitteln, doch das Amt in Bonn wollte endgültig alle Verbindungen lösen. Der Verein führte die Schule daraufhin als unabhängige Asociación cultural del Colegio Alemán und sah sich moralisch verantwortlich für die Aufrechterhaltung des Schulbetriebs. In einem Schreiben an das Konsulat bedauerte Professor Ángel Canellas López, Mitglied der Vorstandschaft, den Abbruch der Beziehungen:126 „Ich bedauere, dass meine Überzeugungen und die spanische Politik nicht erlauben, wegen der Finanzierung unserer Schule an das andere Deutschland heranzutreten. Die Bundesrepublik mag ohne Zweifel zur Zeit Freunde im Schwarzen Afrika mit den kürzlich geschaffenen Schulen gewinnen (die ohne Zweifel zur Einsparung in Zaragoza zwingen), aber sowohl in der Zukunft wie seit Jahrhunderten werden es die spanischen Freunde sein und nicht die afrikanischen Freunde, die dem ewigen Deutschland zur Seite stehen.“
Die kulturpolitische Lage in Deutschland zwang die Schule somit zu einer neuen Strukturierung. Da es nicht mehr möglich war, einen deutschen Schulabschluss abzulegen, bot sie verstärkten Deutschunterricht an und versuchte, so weit wie möglich ohne deutsche Lehrer nach deutschen Methoden zu unterrichten. Die wenigen Deutschlehrer stellte der Verein direkt als Ortslehrkräfte an.127 Eine Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut sicherte die Versorgung mit deutschem Lehrmaterial und ausreichend Büchern für den Unterricht. Diese Kooperation erschwerte jedoch in späteren Jahren die Wiederaufnahme in die Förderung durch das Auswärtige Amt, da eine doppelte Unterstützung nicht geduldet wurde.128 6.3.2 Neugründung in Málaga – Kampf um Geld und Anerkennung Nach der Schließung und Konfiszierung der Gebäude 1945 brach das deutsche Auslandsschulwesen in Málaga zusammen. Es dauerte über zwanzig Jahre, bis sich 1966 eine neue Schule etablieren konnte, allerdings nicht mehr im Zentrum der Stadt, sondern in dem Vorort Marbella, da sich dort vermehrt deutsche Auswanderer niedergelassen hatten. Das kleine Küstendorf machte in den 1960er Jahren zunehmend Schlagzeilen als Promi-Ort, den die ‚High-Society‘ Familien der Bismarcks oder Hohenlohes als Urlaubsdomizil auswählten.129 Nicht sie interessierten sich jedoch für eine Deutsche Schule, sondern die dauerhaft in der Region lebenden 126 Professor Canellas an Konsulat, 29.04.1961, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 215. 127 Vgl. Rodriguez Benito, Lidia (Hrsg.): 50 Aniversario. Memoria Gráfica de la Asociación cultural del Colegio alemán, Zaragoza 2006, S. 10. 128 Vgl. persönliches Interview Wiebke Bayer, September 2016 in Zaragoza. 129 Vgl. Wiegand, Jens: Mittelmeer-Route Spanien. Neue Wege zwischen Costa Brava und Costa de la Luz, Meerbusch 2014, S. 347.
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Eltern, allen voran Generalkonsul Hans Hoffmann, die einen Neuanfang wünschten. Die Schule reiste dem Zielklientel hinterher, in Málaga selbst lebten nur noch wenige Deutsche, die meisten zogen an die Küste. Die neue Schule stellte sich bewusst in die Tradition ihrer Vorgängereinrichtung und fühlte sich als legitime Nachfolgeinstitution. Maßgeblich beteiligt bei der Entwicklung war neben Hoffmann der erste Leiter der Schule, Erhard Zurawka. Während sich in anderen Städten die Arbeiten auf mehrere Personen verteilten, organisierte das Duo den Großteil der Aufgaben zu zweit. Einmal mehr wird damit deutlich, wie sehr der Aufbau des Auslandsschulwesens vom Idealismus einzelner Persönlichkeiten abhing. Infolge dieser starken persönlichen Einbindung finden sich in den Schulchroniken viele Berichte aus einer emotionalen, persönlichen Perspektive, die nicht ohne Pathos den Stolz der Schulgründer deutlich erkennen lassen. Das ist etwa der Fall, wenn Zurawka in seinen Schilderungen die Schule mit Bert Brechts Der Gute Mensch von Sezuan assoziiert, um so die inneren Konflikte zu beschreiben, die ihn quälten, als er Eltern ablehnen musste, weil die Kapazitäten der Schule zu klein waren, oder wenn Hoffmann stets von „seiner“ Schule schrieb.130 Offensichtlich hat dies damit zu tun, dass, während die anderen Schulen noch Subventionen oder Neubauten erhielten, die Gründung der Deutschen Schule Málaga in einen Zeitraum fiel, in dem die Fördergelder für Spanien zurückgingen. Hoffmann wollte in erster Linie seinen eigenen und den weiteren deutschen Kindern in der Umgebung eine Möglichkeit zur deutschen Erziehung geben. Er arrangierte daher zunächst die Einführung einer deutschen Abteilung in der spanischen ECOS-Jesuitenschule. Die Ordensgemeinschaft hatte sich aus missionarischen Gründen in den entlegenen Berggegenden nahe der Küste angesiedelt, um dort ihre Glaubensarbeit verrichten zu können. Nach persönlichen Berichten von Zurawka waren die Erziehungsmethoden des Jesuitenkollegs jedoch rückständig. So standen körperliche Bestrafungen zur Disziplinierung auf der Tagesordnung.131 Hoffmann wollte daher mit der Schulgründung nicht nur deutsche Kultur und Sprache vermitteln, sondern mit modernen pädagogischen Methoden Alternativen und Verbesserungen schaffen. Die deutschen Klassen entwickelten sich so zu einer Art eigenständigen Schule, institutionell und rechtlich in den Rahmen der ECOSSchule eingebunden. Die Bevölkerung nahm das Angebot rege an. 1969 hatte die Schule bereits 60 Schüler in vier Klassen, und ihre Beliebtheit wuchs weiter. In späteren Jahren instrumentalisierte sie ihre Lage in der beliebten Urlaubsregion, um neue Schüler zu gewinnen, was ein Flyer der Schule aus dem Jahr 1975 zeigt.132 130 Vgl. 100 Jahre DS Málaga; Korrespondenz Gerhard Lepiorz, Leiter DS Valencia, und Erhard Zurawka vom 10.09.1980, in: Private Unterlagen von Dr. Erhard Zurawka, wo Lepiorz sein Gefallen an der persönlichen Stellungnahme zum Ausdruck bringt. 131 Interview mit Dr. Erhard Zurawka am 09.08.2014 in Marbella. 132 Private Unterlagen von Dr. Erhard Zurawka.
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Abbildung 5: Flyer Deutsche Schule Málaga 1975
Quelle: private Unterlagen Erhard Zurawka Die Schule warb in ihrer Außendarstellung primär mit den Temperaturen, den Freizeitmöglichkeiten (Tennis, Reiten, Wassersport), der guten infrastrukturellen Lage der Schule, aber nicht mit pädagogischen Konzepten. Die Schule finanzierte sich ausschließlich durch private Investoren und durch das Schulgeld. Höhere Schülerzahlen sicherten somit das Überleben der Schule, die für ihren Start keinerlei Fördergelder aus Bonn erhielt. Bis zur Anerkennung durch das Auswärtige Amt war es nach den Worten Zurawkas ein „dramatischer Weg“, den die Schule zurücklegen musste. Er schrieb in seinen Chroniken von einem regelrechten „Kampf um das Bestehen der Schule“.133 Er und Hoffmann fühlten sich mit ihrem Projekt vom Bund im Stich gelassen, und diese Meinung teilten auch andere Kollegen. Der Leiter der Deutschen Schule Valdivia in Chile äußerte sich fassungslos und empfand eine „Scham über die Bürokratie in Bonn.“134 Doch alles
133 Zurawka: Die Gute Schule von Sezuan, in: 100 Jahre DS Málaga, S. 131. 134 Leiter der DS Valdivia über die Schulchronik von Dr. Erhard Zurawka, in: Private Unterlagen von Dr. Erhard Zurawka.
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Wehklagen nutzte wenig – in Deutschland stießen sämtliche Appelle auf taube Ohren. Der ‚Kampf‘ um die finanzielle Förderung begann dabei schon recht früh, als Hoffmann zum ersten Mal von seinem Experiment der Schulneugründung in Marbella an das Auswärtige Amt schrieb.135 Während andere Schulneugründungen nur teure Zuschussunternehmen seien, habe sich die neue Deutsche Schule Marbella eigenständig etabliert und als besonderes Zugeständnis sogar Religionsfreiheit und Koedukation durchsetzen können, so dass es auch für Investoren und Förderer ein dankenswertes Objekt darstelle. Dessen ungeachtet lehnte Bonn eine Unterstützung ab und argumentierte mit der Zumutung für den deutschen Steuerzahler, die eine Finanzierung bedeuten würde:136 „Wir können doch nicht Schulen für deutsche Kinder in aller Welt finanzieren, deren Eltern sich aus irgendwelchen privaten, also nicht spezifisch in öffentlichen deutschem Interesse gehörenden Gründen im Ausland aufhalten.“
Hoffmann und Zurawka bemühten sich daher, in ihren Anträgen vor allem den Förderbedarf darzulegen. So entbrannte schon in der Anfangszeit eine Debatte über das Klientel der Schule, beispielsweise als Rudolf Vogel, Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums und Unterstützer der Schulpläne, an den Bundestagsabgeordneten und Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt, Luitpold Werz, von „Kindern deutscher Erwerbstätiger“ schrieb, die eben nicht die Kinder von den Reichen der Sonnenküste seien und somit gefördert werden sollten.137 Werz begründete seine ablehnende Antwort vor allem mit den geringen Finanzmitteln und den bereits hohen durchgeführten Aufwendungen in Spanien.138 Er vertröstete die Befürworter einer Förderung mit bereits erteilten Sachmittelspenden, machte aber darüber hinaus keine Zugeständnisse, sondern verwies auf den Verein der ‚Freunde Deutscher Auslandsschulen‘ und wies damit eine Verantwortlichkeit des Auswärtigen Amtes zurück. Vogel plädierte in seinem nächsten Schreiben mit der Gleichberechtigung unter den deutschen Gemeinden. Die deutsche Bevölkerung in Marbella sei verbittert, habe doch der Bund Millionenzuschüsse für die Schulen in Valencia und Bil135 Vgl. Hans Hoffmann an Botschafter a. D. Rudolf Rahn von Lions International, vom 20.09.1968, in: PAAA B93 603 IV/4, Bd. 707. 136 Vgl. Handschriftliche Notizen (der genaue Verfasser ist nicht bekannt) im Brief von Hans Hoffmann an Botschafter a. D. Rudolf Rath vom 14.11.1968, in: PAAA Bd. 93 603 IV/4, Bd. 707. 137 Vgl. Brief von Rudolf Vogel, Staatssekretär des Bundesschatzministeriums, an den Bundestagsabgeordneten und Leiter der Kulturabteilung Luitpold Werz, 10.07.1969, in: PAAA Bd. 93 603 IV/4, Bd. 707. 138 Vgl. Brief von Luitpold Werz an Rudolf Vogel, 31.07.1969, in: PAAA Bd. 93 603 IV/4, Bd. 707.
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bao genehmigt, während Marbella vernachlässigt werde.139 Er forderte daher zumindest eine Geste der guten Gesinnung seitens der amtlichen Behörden, die jedoch erneut ausblieb. Werz lehnte diesmal eine Förderung aufgrund der niedrigen deutschen Schülerzahlen ab und verwies auf die Notwendigkeit der Finanzierung der anderen Schulen, um diese vor der Schließung zu retten.140 Dem Amt ging es ums Geld: Handschriftlich wurde in den Akten noch einmal die finanzielle Notlage verdeutlicht, da die Kulturabteilung 19 Millionen DM weniger erhielt als in den Vorjahren. Der Briefwechsel um die Förderung der Schule zeigt drei Aspekte. Erstens verlief die Diskussion um die Förderung nicht einseitig. Einige Politiker wie Vogel befürworteten einen weiteren Ausbau, das Auswärtige Amt hingegen blieb seiner Linie treu und unterschied konsequent zwischen bereits bestehenden Schulen, die man am Leben erhalten wollte, und Schulneugründungen, welche nicht ins Finanzbudget passten. Zweitens rechnete kaum jemand mehr mit einer starken Entwicklung im Raum Málaga, vielmehr hielt man die Schule für ein privates Prestigeobjekt einer ausgewanderten Oberschicht. Bonn hatte die Region nicht mehr auf dem kulturpolitischen Radar. Schon seit einigen Jahren interessierte sich niemand mehr für die Costa del Sol. Werner Peiser sprach 1956 in einem Bericht über das Deutsche Auslandswesen in der Region Málaga noch davon, dass sich dort in den nächsten Jahren keine Schule entwickeln werde.141 Er charakterisierte die Region um Málaga als kulturelles Brachland, in der die nationalsozialistische Ideologie noch immer stark verwurzelt sei. Zwar plädierte er generell für Investitionen in abgeschiedenen Regionen, zu denen auch Málaga zählte, aber ein Förderkonzept stellte dafür in Bonn niemand auf. Da keine privaten Bemühungen das Auslandsschulwesen vorantrieben, geriet Málaga in Vergessenheit. Knapp zehn Jahre später kamen nun die Anfragen, eine kurzfristige Umstrukturierung des Haushaltsplanes war aber nicht mehr möglich. Drittens kann man das Bemühen erkennen, trotz finanzieller Engpässe einigen Wünschen im Rahmen des Möglichen nachzukommen und gleichzeitig dabei so unkonkret wie möglich zu bleiben. Besonders Luitpold Werz schob die Verantwortlichkeit anderen Institutionen zu, etwa dem genannten ‚Freundeskreis der Auslandsschulen‘, der sich aber speziell des Auslandsschulwesens in Osteuropa annahm. Werz suchte nach unterschiedlichen Begründungen, um eine Absage zu erteilen, sei es die generell zu niedrige deutsche Schülerzahl, die Förderung privilegierter Kinder an der Sonnenküste oder die prekäre Haushaltslage. In 139 Vgl. Brief von Rudolf Vogel an Luitpold Werz, 08.08.1969, in: PAAA Bd. 93 603 IV/4, Bd. 707. 140 Vgl. Brief von Luitpold Werz an Rudolf Vogel, 02.09.1969, in: PAAA Bd. 93 603 IV/4, Bd. 707. 141 Vgl. Schulbericht von Botschaftsrat Werner Peiser über Reisen nach Sevilla, Granada und Málaga, vom 21.01.1956, in: PAAA Bd. 93 603 IV/4, Bd. 56.
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einem Schreiben an den Bundestagsabgeordneten Georg Kahn-Ackermann (SPD) verdeutlichte er seine Argumente noch einmal, indem er den bereits erbrachten hohen Einsatz in Spanien hervorhob und keine kulturpolitischen Gründe für eine Förderung in Málaga erkannte.142 Die deutschen Klassen in der ECOS-Schule hatten für ihn keine Berechtigung, da sie nur Kindern reicher Sonnenküstenbewohner dienen würden und eine derartige ‚Expertenschule‘ nicht förderungswürdig sei. Die Verantwortlichen der Schule sahen sich selbst jedoch keineswegs als ‚Expertenschule‘. Die Leitung bemühte sich um eine Integration der deutschen Abteilung in die spanische Schule, sei es bei gemeinsamen Schulfesten oder bei dem Angebot, Deutschunterricht für die spanischen Schüler anzubieten, um so die Atmosphäre einer ‚Begegnungsschule‘ zu schaffen. Es entwickelte sich eine gute Zusammenarbeit zwischen der kleinen deutschen Abteilung und dem Jesuitenkolleg, doch die Einheiten blieben institutionell getrennt. Dem Vorwurf, eine Schule der ‚Sonnenkinder‘ zu sein, versuchte sie ebenfalls entgegenzuwirken. Zwar wurden solche Anschuldigungen selten offiziell geäußert, doch hatte man seitens der Schule immer wieder den Eindruck, als Einrichtung für Steuerflüchtlinge, Kriminelle und privilegierte Kinder wahrgenommen zu werden.143 Diese Meinung hielt sich über Jahre, und noch in den 1970ern versuchte Zurawka dieses Bild zu ändern. Hier wird erstmals ein neues Spannungsverhältnis deutlich, denn nicht nur Málaga weigerte sich, den Ruf, eine ‚Eliteschule‘ zu sein, hinzunehmen. Nahezu jeder Akteur brachte seine Vorstellung von ‚Elite‘ in den Diskurs ein. Eine offizielle Verlautbarung existierte nicht. Zurawka erstellte daher eine Statistik über die beruflichen Tätigkeiten der Eltern seiner Schüler, um zu beweisen, dass Letztere nicht aus privilegierten Elternhäusern stammten. Ob diese Aufgliederung geeignet war, dem Vorwurf, eine Wohlstandsschule zu sein, entgegenzutreten, ist jedoch fraglich, da sie keinerlei Informationen über die Finanz- oder Kaufkraft der verschiedenen Berufsgruppen zur Verfügung stellte und etwa der Bereich des Hotel- und Gaststättengewerbes sowohl den gering verdienenden Barkeeper als auch den Hoteleigentümer beinhalten konnte.
142 Vgl. Brief von Dr. Werz an den Bundestagsabgeordneten Georg Kahn-Ackermann, 20.08.1968, in: PAAA Bd. 93 603 IV/4, Bd. 707. 143 In seinem Antwortbrief vom 10.07.1969 schreibt Vogel an Werz von den „Sonnenkindern“, so dass dieser Vorwurf wohl erhoben worden ist; vgl. Vogel an Werz, 10.07.1969, in: PAAA Bd. 93 603 IV/4, Bd. 707.
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Abbildung 6: Berufe der Schülereltern nach privater Statistik von Erhard Zurawka
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Auffallend ist die hohe Anzahl an kaufmännischen Berufen, die 1973 schon über ein Drittel der Tätigkeiten der Eltern ausmachten und innerhalb von sechs Jahren um knapp zehn Prozentpunkte zulegten. Die Deutsche Schule Málaga war nach dieser Statistik primär eine Schule für ‚Kaufmannskinder‘, deren Eltern wichtige Handelsinteressen vertraten. Zurawka erklärte in einem Artikel in der DLiA, dass sie außerdem Stipendien gewähre und somit eine soziale Öffnung verwirkliche. 144 Seine Bemühungen halfen nichts. Für Bonn blieb die Schule vorerst eine Einrichtung für reiche Auswanderer. Trotz fehlender Anerkennung florierte die Abteilung. Bald nach ihrer Gründung musste die Sección Alemán expandieren, die Anträge von Schülern aus weit entfernten Regionen in Südspanien und Nordafrika nahmen zu, so dass man ab 1968 die Errichtung eines eigenen Schülerheimes plante. Auch hierfür fehlten die öffentlichen Zuschüsse, weshalb Hoffmann den Bau mit seinen eigenen Mitteln finanzierte. Als die Räume in der Jesuitenschule nicht mehr ausreichten, funktionierte Hoffmann das Internat zum neuen Schulgebäude um. Die Vergrößerung der Räumlichkeiten übernahm er ebenfalls vollständig in Eigenregie und ohne öffentliche Gelder. Die immer weiter ansteigenden Schüleranmeldungen brachten die Schule Mitte der 1970er Jahre jedoch zunehmend in Bedrängnis – sie war keinesfalls in der 144 Vgl. Zurawka, Erhard: Die neue deutsche Schule der Provinz Málaga, in: DLiA 3 (1976), S. 136–140, S. 137.
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Lage, diesen Bedarf alleine zu stemmen, und suchte immer wieder improvisierte Lösungen.145 Dabei stiegen die Anmeldezahlen immer weiter an. Die deutsche Abteilung profitierte hier von der geringen Schuldichte an der Costa del Sol. Sie war die einzige Einrichtung mit internationalem Charakter und hatte somit eine Monopolstellung inne, die zugezogene Ausländer gerne annahmen. Zurawka musste viele Anfragen ablehnen, was wiederum den Unmut der Eltern erregte, die ihrerseits beim Auswärtigen Amt anklopften und ihr Recht als Steuerzahler und die Schulpflicht ihrer Kinder ansprachen. Immer mehr Fürsprecher setzten sich für die Schule ein. Hoffmann und Zurawka nutzten zudem vielfältige Kanäle, um auf ihr Projekt aufmerksam zu machen. So sorgten sie unter anderem dafür, dass jeder Bundestagsabgeordnete ein Exemplar der Schulchronik erhielt oder der Freistaat Bayern die Schirmherrschaft übernahm. Und tatsächlich: Die Bemühungen zahlten sich langsam aus. 146 1975 konnte erstmals eine anerkannte Schlussprüfung für die 10. Klasse abgehalten werden, drei Jahre später erhielt man die offizielle Anerkennung als Auslandsschule, und im gleichen Jahr traten elf Abiturienten in Bilbao zur Fremdenreifenprüfung an – das Abitur in der eigenen Schule konnte erst 1991 abgehalten werden. 1981 nahm das Auswärtige Amt die Schule in die personelle Förderung auf und vermittelte ein Jahr später erstmals einen ausgebildeten deutschen Direktor. Der Erfolg der Schule hing maßgeblich mit dem Engagement seines Schulvorstandes Hans Hoffmann zusammen. Er verstand es, seine Beziehungen einzusetzen und erfolgreiche Lobbyarbeit für ‚seine‘ Schule zu betreiben, so dass die anfänglichen Bedenken der Kulturabteilung und später der Zentralstelle schwächer wurden und verschwanden. Anderen Standorten, die wie Málaga ebenfalls in die Kategorie ‚Urlaubsort‘ fielen, gelang dies nicht. So besteht bis heute keine anerkannte Deutsche Schule auf Mallorca.147 Anfragen von dort gab es immer wieder. Die Argumente ähnelten denen in Málaga, doch das Auswärtige Amt stellte keine Mittel für rein private Schulen zur Verfügung. Förderte es zu Beginn der 1950er Jahre noch nahezu jedes Projekt, hatten sich die Zeiten inzwischen geändert. Diese klare Linie konkretisierte sich Ende der 1960er Jahre, als die Zentralstelle für Auslandsschulwesen gegründet wurde. Sie sollte für Ordnung im Chaos sorgen und den Wildwuchs beseitigen.
145 Vgl. 100 Jahre DS Málaga, S. 134. 146 Vgl. ebd., S. 175f. 147 Vgl. Anfrage von Richard Fester auf Förderung für eine Deutsche Schule in Mallorca, 15.04.1964, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 388. Festers Anfrage wurde abgelehnt, da man keine Schule an einem Standort unterstütze, an dem die Schülereltern keinen festen Wohnsitz hätten und nur zum Urlaub verweilten.
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6.4 ORDNUNG IM CHAOS? – DIE GRÜNDUNG DER ZENTRALSTELLE FÜR AUSLANDSSCHULWESEN Die strukturellen und personellen Planungen der Auslandsschulen führten zu einem anwachsenden Verwaltungsaufwand, den das Auswärtige Amt nicht mehr decken konnte. Zwar waren nach dem Krieg nur knapp 50 Prozent der Auslandsschulen noch in Betrieb, doch deren steigende Schülerzahlen und die Verwaltungsaufgaben stellten für die Kulturabteilung eine große Herausforderung dar. Zehn Jahre nach der Wiedergründung des Auswärtigen Amtes musste es 128 Schulen mit rund 48.000 Schülern versorgen.148 Die Zahl der entsendeten Lehrkräfte stieg im gleichen Zeitraum von 300 auf 1.200 an.149 Die eingesetzten Finanzmittel wuchsen von 600.000 DM im Jahr 1952 auf 60 Millionen DM im Jahr 1960.150 Kurzum, es gab immer mehr zu tun, und die Personaldecke reichte dafür bald nicht mehr aus. Ende der 1950er Jahre kam es in Las Palmas zu Verzögerungen der Gehaltszahlungen, da die Kulturabteilung mit der Bearbeitung der Anträge überfordert war. Schulleiter Darapsky reichte eine Beschwerde beim Petitionsausschuss des Bundestages ein.151 Einige Lehrkräfte hatten bereits 8.000 Peseten Schulgeld beschlagnahmt, um ihre Reisekosten und ihren Unterhalt zu finanzieren.152 Schon einige Jahre zuvor war es zu ähnlichen Situationen gekommen, als die Lehrer der Deutschen Schule Barcelona in finanzielle Nöte geraten waren, da ihr Gehalt nicht mehr den Lebenskosten entsprochen hatte und eine Forderung um Anhebung der Bezüge in Bonn nicht hatte bearbeitet werden können. Erst die Drohung, zu streiken, hatte den Vorgang beschleunigt.153 Es wurde immer offensichtlicher: Das Auswärtige Amt hatte ein Verwaltungsproblem. Die Notwendigkeit, Aufgaben persönlicher, technischer, finanzieller und organisatorischer Art zu erledigen, beeinträchtige die restlichen Arbeiten der Kul-
148 Vgl. Protokoll 32. Sitzung AschA 09/10.11.1960, in: BayHStA MK 52079. 149 Vgl. Klemp, Hubert: Deutsche Kulturpolitik im Ausland, in: DLiA (1967), S. 181–198, S. 184. 150 Vgl. Krath, Stefany: Deutsche Auslandsschularbeit. Spannende Geschichte mit langer Tradition, in: Bundesverwaltungsamt (Hrsg.): Deutsche Auslandsschularbeit. 40 Jahre ZfA, Köln 2008, S. 20–28, S. 23. 151 Vgl. Schreiben Darapsky an Petitionsausschuss des Bundestages, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 211. 152 Vgl. Schreiben Verband Deutscher Auslandsschulen an Auswärtiges Amt, 13.05.1958, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 107. 153 Vgl. Generalkonsulat Barcelona an Auswärtiges Amt, 15.06.1956 und 10.05.1957, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 116.
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turabteilung.154 Erste Aufgaben, wie die Versorgung mit Schulbüchern und Lehrmitteln, lagerte sie an das Sekretariat der Kultusministerkonferenz aus, doch es war allen Verantwortlichen klar, dass nur eine eigene Dienststelle für eine Besserung der Lage sorgen konnte. 1961 trat das Auswärtige Amt erstmals mit dieser Idee an die Kultusminister heran. Neben dem Personalmangel im Amt wollte es vor allem die schulischen Aufgaben in die Hände von Pädagogen geben. Das Auslandsschulwesen erforderte die Betreuung durch Fachbeamte, die im Amt nicht vertreten waren. Zudem wollte man als Bundesbehörde keine alleinige politische Verantwortung mehr für Querelen zwischen Vereinen und Lehrern übernehmen.155 Folgende Bereiche sollten daher ausgelagert werden: Finanzierungs- und Lehrerfragen, Übernahme der Verwaltung, Planung und Weiterentwicklung (auch Neubauten), Aufsicht und Beratung, pädagogische Auswertung und Lehrmittelversorgung. Eine eigene Zentralstelle sollte sich um all diese Tätigkeiten kümmern. Bevor es jedoch zu einer Gründung kam, mussten die Zuständigkeiten geklärt werden. Das Auswärtige Amt wollte weiterhin weisungsbefugt bleiben, das Bundesfinanzministerium sah dies jedoch als zu kostspielig an.156 Die Kultusministerkonferenz hingegen pochte weiterhin auf ihr Mitspracherecht: Die Mitwirkung der Länder musste durch Inspektionen gesichert bleiben und durfte nicht durch eine selbstständig arbeitende Zentralstelle geschwächt werden.157 Die Länder behielten weiterhin die Zuständigkeit für die Anerkennung von Prüfungen im Sinne einer Gleichstellung mit öffentlichen Bildungseinrichtungen in Deutschland und die Fürsorgepflicht für entsendete Lehrkräfte.158 Deren Vermittlung sollte über die Zentralstelle erfolgen, die den Schulen geeignete Bewerber vorzuschlagen hatte.159 1967 kam es im Bundestag zu dem einstimmigen Beschluss, die Zentralstelle beim Bundesverwaltungsamt anzusiedeln. Das Auswärtige Amt behielt seine Oberfunktion.160 Auch die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern sollte nach der Gründung der Zentralstelle beibehalten werden und wurde später in den eigenen Reihen
154 Vgl. Löffler, Eugen: Verwaltungsprobleme der deutschen Schularbeit im Ausland, in: DLiA (1963), S. 34–37, S. 34. 155 Vgl. Protokoll 34. Sitzung AschA 18/19.05.1961, in: BayHStA MK 52081. 156 Vgl. Krath: Spannende Geschichte, S. 23. 157 Vgl. Protokoll 42. Sitzung AschA 09/10.04.1963, in: BayHStA MK 52089. 158 Vgl. Werner, Harry: Deutsche Schulen im Ausland. Werdegang und Gegenwart, Berlin 1988, S. 57. 159 Vgl. Schmidt, Walter: Lehrkräfte im Auslandsschuldienst. Personelle Förderung vor 1914 und nach 1968, in: Bundesverwaltungsamt (Hrsg.): Deutsche Auslandsschularbeit. 40 Jahre ZfA, Köln 2008, S. 28–33, S. 29. 160 Vgl. Krath: Spannende Geschichte, S. 23.
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als Erfolgsgeschichte wahrgenommen.161 Viele betroffene Lehrer sahen dies hingegen skeptischer: Die zeitweilige Überschneidung von Kompetenzen, das Nebeneinander von Behörden und die Rivalität zwischen Bund und Ländern seien für das Auslandsschulwesen nicht von Vorteil.162 Im September 1968 kam es zur offiziellen Gründung. Erster Leiter wurde Engelbart Onnen, Oberschulrat aus Bremerhaven. Die Entstehung der Zentralstelle ist auch heute noch für viele Kulturpolitiker die Fortführung einer langjährigen Tradition, die sich auf die Geschichte des Auslandsschulwesens seit dem Kaiserreich berufen kann. Eine Komponente blieb dabei als Kontinuum unerschütterlich: die Zusammenarbeit von Staat beziehungsweise Zentralstelle und privatem Schulverein. So berichtet die Festchronik der ZfA aus dem Jahr 2008:163 „Der Blick in die geheime Denkschrift von damals, verfasst nur wenige Wochen vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs, vermittelt einen Eindruck von den Anfängen des deutschen Auslandsschulwesens im Kaiserreich. Rückblickend lässt dies auch besser die Traditionen verstehen, in der viele der damals gegründeten Schulen sich auch heute noch sehen. Diese Schulen boten günstige Anknüpfungsmöglichkeiten in den Anfängen der westdeutschen Auswärtigen Kulturpolitik nach dem Zweiten Weltkrieg und sind dankbar für die umfassende Förderung durch Bund und Länder, vor und nach der Gründung der ZfA im Jahre 1968. Mit Unterstützung der ZfA werden sie auch in Zukunft blühen und gedeihen.“
Die erste fachliche Herausforderung für die Zentralstelle war der Aufbau einer bilingualen und bikulturellen Begegnungsschule, deren sukzessive Entfaltung sie von Beginn an plante. Schon in seinem Gründungsbericht kündigte der ZfA-Leiter Engelbart Onnen den Aufbau neuer Strukturen an:164 „[I]n dem neuen Referat 3 […] [können] nun die Vorstellungen und Grundsätze erarbeitet werden, nach denen wir, unterstützt durch die Gutachterberichte der Schulberater der Zentralstelle, zu neuen Umrissen und Modellen der Auslandsschulen kommen können.“
161 Vgl. Stoldt, Peter: Die Bund-Länder-Zusammenarbeit. Erfolgsgeschichte Auslandsschulwesen, in: Bundesverwaltungsamt (Hrsg.): Deutsche Auslandsschularbeit. 40 Jahre ZfA, Köln 2008, S. 45–49. 162 Vgl. Schmidl, Georg: Fünf Jahre Zentralstelle für Auslandsschulwesen, in: DLiA 4 (1973), S. 253–266, S. 255. 163 Schmidt: Lehrkräfte im Auslandsschuldienst, S. 32. 164 Onnen, Engelbart: Die Zentralstelle für das deutsche Auslandsschulwesen, in: DLiA (1968), S. 3–5, S. 3.
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Das Gießkannenprinzip, das bis dato herrschte, lehnte er strikt ab. Die Zentralstelle wollte einheitliche Unterrichtskonzepte schaffen, um Lehrer gut auf die Arbeit im Ausland vorbereiten zu können. Schulen, die sich diesem Fortschritt widersetzen würden, prophezeite Onnen den Untergang.165 Das Zeitalter der Propaganda und des Wildwuchses wollte er nicht allein aus Kostengründen endgültig hinter sich lassen, vielmehr plante die neue Zentralstelle, erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg ein allgemeingültiges Konzept für die Entwicklung der Auslandsschulen zu schaffen. Sie erklärte den Ausbau der Begegnungsschule zum neuen Schwerpunkt. Deren Umsetzung hing in Spanien allerdings von den politischen Gegebenheiten und von der Anerkennung durch die spanischen Behörden ab. Das ‚Chaos‘ war somit noch keineswegs beseitigt, es standen vielmehr neue Aufgaben und Konflikte vor der Tür. Die Auslandsschulen kamen gerade erst an einem zentralen Punkt ihrer Entwicklung an.166
165 Vgl. ebd., S. 4. 166 Vgl. Vorbericht der Enquete-Kommission, 05.06.1972, in: BAK B 304/5168.
7. Bewegte Zeiten – Auf dem Weg zur Begegnungsschule
Die Auslandsschulen standen Ende der 1960er Jahre bei verschiedenen Akteuren stark in der Kritik. Stellvertretend sei hier die Klage von Hubert Klemp, ehemaliger Lehrer in Santiago de Chile, bei der Hauptversammlung des Verbandes der Auslandslehrer 1967 aufgeführt:1 „Die deutschen Auslandsschulen haben geradezu einen Nachholbedarf an kritischer Auseinandersetzung, da sie aufgrund ihrer geographischen Abwesenheit und der Anstrengungen für ihren Wiederaufbau, der zunächst alle verfügbaren Kräfte band, der innerdeutschen Diskussion entzogen waren.“
Die Kritik richtete sich vor allem auf ihre kulturpolitische Effizienz und die gesellschaftspolitische Position. Ihre patriarchalisch-autoritäre Führungsstruktur und ihre soziale Exklusivität stünden einer modernen Demokratisierung entgegen.2 Klemp forderte daher eine soziale Öffnung der Schulen durch Stipendien für Schulgelder und eine größere Offenheit der Schulen gegenüber der Kultur des Gastlandes.3 Eine Auslese von Schülern oder Kindergartenkindern fand bis dato nur aufgrund von Beziehungen, Zahlungsfähigkeit oder sozialer Herkunft statt. Viele ungeeignete Schüler scheiterten dann an den Anforderungen der Oberstufe.4 Eine Möglichkeit, dies zu ändern, sah man im Umbau zu einer Begegnungsschule. Die Idee dahinter hatte im Auslandsschulwesen bereits lange Tradition. Der Gedanken, gemeinsam eine fremde Sprache zu erlernen, findet sich schon in den 1
Klemp, Hubert: Die deutsche Auslandsschule im Umbruch, in: DLiA 1967, S. 313–325, S. 313.
2
Vgl. ebd., S. 314.
3
Vgl. ebd., S. 320.
4
Vgl. Vorbericht Enquete-Kommission, 05.06.1972, in: BAK B304/5168.
234 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Auslandsschulen des späten 18. Jahrhunderts, beispielsweise in der Lombardei.5 Ein zentrales Kriterium bildete dabei seit jeher die Beherrschung der deutschen Sprache, ohne die es, so der weit verbreitete Konsens, keine Begegnung geben könne. Zu Beginn der 1960er Jahre bekam der Diskurs neuen Schwung. Dieter Sattler, Leiter der Kulturabteilung im Auswärtigen Amt, beschwerte sich auf der Sitzung des AschA über die geringe Sprachkenntnis der Absolventen und der daraus resultierenden fehlenden Begegnung:6 „Viele deutsche Auslandsschulen sind keine echten deutschen Schulen mehr; in den Schulpausen wird nicht einmal mehr Deutsch gesprochen. Es gibt Auslandsschulen, an denen nur 4 % deutsche Schüler sind; das ist keine Begegnungsschule mehr“
Dies sollte sich rund zehn Jahre später ändern. Die Idee der Begegnungsschule passte in die neuen Konzepte der Zentralstelle, die von Beginn an verstärkt Integration und interkulturellen Austausch forderte. Politische Rückendeckung kam aus dem Ministerium. Im Jahr 1969 erklärte Außenminister Willy Brandt vor der 129. Plenarsitzung der Kultusminister die Kulturpolitik neben der Sicherheit und der Wirtschaft zur ‚dritten Säule der Außenpolitik‘.7 Damit läutete er eine neue Phase der Auswärtigen Kulturpolitik ein, in der diese mehr Wertschätzung erhielt. In der Kulturabteilung vertrat Sattler diese Thesen schon einige Jahre früher als sein Dienstherr. Doch erst mit der Akzentuierung durch den Außenminister geriet die Kulturpolitik in einen erweiterten Interessentenkreis.8 Kritische Pressestimmen attestierten Brandt einen Hang zum Overstatement, doch der Sozialdemokrat katalysierte mit dieser Aufwertung einen Prozess, der die Auswärtige Kulturpolitik und deren Mittler nachhaltig beeinflusste. 9 Mit seinen Reformansätzen begann eine neue Phase, in der zum ersten Mal seit dem Ersten Weltkrieg wieder ein eigenes grundlegendes Konzept entstand.10 Dessen Inhalte konkretisierte Brandt in mehreren Reden. So betonte er schon in einer Regierungserklärung vom 28. Oktober 1969, dass zur internationalen Zusammenarbeit der Austausch geistiger Leistungen
5
Vgl. hierzu Vesper, Gerd: Die Deutschen Schulen in der Lombardei im ausgehenden 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Schulpolitik der Habsburger in Italien, in: Römische Historische Mitteilungen 2016, S. 63–119, S. 106.
6
Vortrag Ministerialrat Sattler, Auswärtiges Amt, dokumentiert in: Protokoll 32. Sitzung AschA 09.10/11.1960, in: BayHStA MK 52970.
7
Vgl. Leonhardt: Säule.
8
Vgl. Autor unbekannt: Auswärtige Kulturpolitik, Woanders mehr, in: Der Spiegel Nr. 39/1966, S. 50–51.
9
Vgl. ebd.
10
Vgl. Trommler: Kulturmacht, S. 691.
Auf dem Weg zur Begegnungsschule | 235
gehöre, und spielte damit indirekt auf das Auslandsschulwesen an.11 Folge dieser neuen Fokussierung war eine innerbehördliche Aufwertung des Prestiges, ein höheres Budget und eine reformerische Neuorientierung, welche Kulturpolitik in den Kontext einer globalen Friedenspolitik rückte, internationale Zusammenarbeit anstrebte und eine begegnungsorientierte Zusammenführung verschiedener Nationen und Kulturen förderte.12 Die Kulturpolitik wurde vom ‚zweiten Gleis zur dritten Bühne‘ emporgehoben.13 Es herrschte euphorische Aufbruchsstimmung, und alle trieben die neuen Pläne voran. Politiker, Lehrer und Wissenschaftler überboten sich regelrecht mit Ideen. Eine der prominentesten stammte von Ralf Dahrendorf. Der Soziologe und frühere Parlamentarische Staatssekretär definierte eine neue Zielgruppenausrichtung der Auswärtigen Kulturpolitik. Danach sollten weniger die Kinder ausländischer Eliten als vielmehr der Nachwuchs der breiten Bevölkerungsschichten angesprochen werden. Sie sollten durch wechselseitiges Verständnis einen außenpolitischen Mehrwert bilden; nicht mehr der Wettbewerb der Systeme, sondern der kulturelle Austausch und die soziale Öffnung stünden nun im Vordergrund.14 Einhergehend mit der Konzeptualisierung der Kulturpolitik rückten nun auch die Auslandsschulen wieder in den Fokus.15 Brandt wollte diesen Schultypus reformieren, da er seiner Meinung nach in hervorragender Weise der Begegnung zweier Kulturen im Geiste gegenseitigen Verstehens und gegenseitiger Achtung diene und zu den wichtigsten Medien der ausländischen Kulturarbeit gehöre.16 Die neue Zentralstelle erhielt daher einen politischen Blankoscheck für ihre Pläne und Reformmaßnahmen. Den Auslandsschulen standen bewegte Zeiten bevor, denn Brandts Außenpolitik erklärte direkt und indirekt das Konzept der bikulturellen Begegnungsschule zum führenden Ziel der auswärtigen Schulpolitik der Zentralstelle. Bis zum Jahr 1969 war ihre Umsetzung in Spanien jedoch aufgrund struktureller Vorgaben kaum möglich. Die eigenen Fachleute vor Ort beurteilten diesen Schultypus bis dato eher negativ.17 Der interkulturelle Austausch und Kontakt unter den Schülern fand in der Realität nur pro forma statt und sorgte vielfach für strukturelle und organisatorische Probleme. Daher gilt es, das Konzept der Begegnung differenziert zu betrachten 11
Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 49.
12
Vgl. Trommler: Kulturmacht, S. 690.
13
Vgl. ebd., S. 646.
14
Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 50.
15
Bericht an den Bundestag, Drucksache V/4550, 20.06.1969. Brandt betonte darin den Vorrang der Begegnungsschulen.
16
Vgl. das Vorwort von Willy Brandt sowie Wagner, Richard: Die Förderung der Auslandsschulen im Rahmen der deutschen Kulturarbeit im Ausland, beide in: Schneider: Deutsche Auslandsschulen, S. 18–26, S. 22.
17
Vgl. Bericht der Schulleitertagung in Madrid, 20.06.1962, in: PAAA B93/IV4, Bd. 283.
236 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
und das Jahr 1969 als Zäsur anzunehmen, denn erst ab dann änderten sich durch die spanische Gesetzgebung die grundlegenden Bedingungen im Land. Auch stellt sich die Frage, wie die neue Partnerschaft in der Realität konkret funktionierte – schließlich trafen die Deutschen Auslandsschulen mit ihrem demokratischen Bildungsauftrag in Spanien bis 1975 auf eine Diktatur. Sollte die Auswärtige Kulturpolitik nun die dritte Ebene der Außenpolitik werden, mussten die Schulen mehr denn je ihre Funktion als Diplomaten auf der Mikroebene erfüllen. Sie hatten daher in der alltäglichen Begegnung mit dem Gastland eine politische Position zu beziehen und Deutschland als Nation nach außen zu vertreten. Damit übernahmen sie auch die Leitlinien des Ministeriums, wodurch beispielsweise die Frage nach dem Umgang mit der DDR in Zeiten der Ostannäherung zunehmend an Bedeutung gewann.
7.1 BEGEGNUNG IN DEN AUSLANDSSCHULEN BIS 1969 Der unkontrollierte Wildwuchs, strukturelle Neuordnungen und die spanische Gesetzgebung zwangen die Auslandsschulen nach dem Zweiten Weltkrieg, ihre Abteilungen unterschiedlich zu konzipieren. Francos Regierung erkannte die deutschen Abschlüsse bis 1969 nicht an, so dass das Abitur oder die Mittlere Reife für die Eltern spanischer Kinder nicht mehr attraktiv waren, da sie keinen Zugang zu spanischen Universitäten eröffneten.18 Schüler, die beide Abschlüsse erhalten wollten, mussten eine enorme Doppelbelastung auf sich nehmen, mit einem überdimensionierten Fächerangebot und bis zu 50 Schulstunden pro Woche.19 Dieses Problem war keineswegs neu, doch in der Vorkriegszeit hatten die wenigsten spanischen Schüler eine akademische Laufbahn angestrebt. Zudem waren die Anforderungen für das spanische Abitur weniger anspruchsvoll gewesen, so dass diejenigen, die dieses Ziel verfolgten, das Pensum parallel bewältigen konnten.20 Auch erleichterten Verträge, die im Rahmen des Kulturabkommens 1939 geschlossen wurden, die Arbeit. Spanien erkannte den Unterricht der Auslandsschulen an, so dass diese in Nachmittagskursen die spanischen Jugendlichen auf das Bachillerato vorbereiten konnten und eigene Bachillerato-Prüfungen anboten, ohne dass die spanischen Schüler dafür die Schule wechseln mussten.21 Die Spanier absolvierten neben ihrem Pflichtprogramm in einigen Fächern Unterricht nach deutschem Lehrplan. Einige Stunden, etwa Latein, konnten in der Oberstufe sogar zusammen unterrichtet wer-
18
Vgl. Palau-Ribes, Francisca: Die deutschen Schulen in Spanien als Brücken zwischen zwei Kulturen, in: DLiA (1965), S. 42–45, S. 42.
19
Vgl. 75 Jahre DSM, S. 20.
20
Vgl. Palau-Ribes: Brücken zwischen zwei Kulturen, S. 42.
21
Vgl. ebd., S. 44.
Auf dem Weg zur Begegnungsschule | 237
den. Kurzum: Die Ablegung beider Schlussprüfungen war zwar schwierig, aber möglich. Dies änderte sich nach dem Zweiten Weltkrieg. Als 1951 Joaquín Ruiz Giménez als Erziehungsminister ins Amt kam, liberalisierte sich das spanische Bildungssystem.22 Seine Vorgänger hatten den Bildungssektor lange vernachlässigt, was den Auslandsschulen eine gewisse Autonomie erlaubt hatte. Nun griff erstmals ein Minister stärker in die Bildungslandschaft ein. 1953 erging eine erste Reform, die keinen gemeinsamen Unterricht in den Auslandsschulen mehr zuließ.23 Die Anforderungen an das Bachillerato stiegen erheblich, so dass an eine gleichzeitige Aneignung des Lernstoffes nicht mehr gedacht werden konnte. Ein weiteres Problem kam hinzu: Während das deutsche Abitur nach neun Jahren abgelegt werden konnte, schloss die spanische Oberschule nach sechs Jahren und einem zusätzlichen universitären Vorbereitungsjahr ab. Die Bereitschaft, zwei weitere Jahre in einen deutschen Schulabschluss zu investieren, der den Spaniern nichts nützte, sank zunehmend. Der gemeinsame Unterricht reduzierte sich auf die künstlerischen Fächer und Sport, Begegnung fand nur noch während gemeinsamer Veranstaltungen, etwa auf Ausflügen oder bei Schulfesten, statt.24 Selbst in diesen Freizeitphasen war der interkulturelle Kontakt gering. In den Pausen standen die Deutschen bei den Deutschen und die Spanier spielten mit den Spaniern.25 Lehrern und der Schulleitung war klar, dass es sich unter diesen Umständen nicht um eine Begegnungsschule handelte. 1965 schrieb Francisca Palau-Ribes, Mitbegründerin des neuen Colegio Alemán in Barcelona, in der Verbandszeitschrift der Auslandslehrer:26 „Es gilt, noch viele Schwierigkeiten aus dem Weg zu räumen, ehe man zur wahren Begegnungsschule gelangt, die es versteht, Interesse, Achtung, Liebe und Begeisterung für das deutsche und spanische Kulturwachstum zu wecken, und darüber hinaus eine menschliche Gemeinschaft zu begründen.“
Um ein Minimum an Kontakt zu garantieren, war ein prozentualer Anteil deutscher Schüler notwendig, die zusammen mit den deutschen Lehrern die deutschen Kulturwerte vermitteln sollten, die aber ähnlich wie zu Zeiten des ‚Deutschtums’ kaum definiert waren. Auswärtiges Amt und Schulvereine einigten sich auf einen Anteil von 25 Prozent deutscher Kinder, der sinnvoll erschien. Die restlichen 75 Prozent stammten aus Mischehen oder beide Elternteile hatten die spanische Staatsbürger22
Vgl. Bernecker: Spanien Handbuch, S. 358.
23
Vgl. Palau-Ribes: Brücken zwischen zwei Kulturen, S. 44.
24
Vgl. ebd., S. 44.
25
Vgl. Scholz, Manfred: Die Begegnung im Alltag einer deutschen Auslandsschule in Spanien, Schwäbisch Hall 1972, S. 37.
26
Palau-Ribes: Brücke zwischen zwei Kulturen, S. 45.
238 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
schaft. Doch alle, sollten in der Lage sein, parallel zwei Abschlüsse zu erreichen. Dies erforderte eine rigorose Auslese von Schülern, welche die betroffenen Vereine immer wieder vor Probleme stellte, ganz zu schweigen von den strukturellen und verwaltungstechnischen Fragen, die sich durch die verschiedenen Züge und ihre Mischformen ergaben. 7.1.1 Spanische und deutsche Züge: Mischformen und ihre Probleme In Spanien entwickelten sich nach dem Krieg drei Typen von Deutschen Schulen: erstens Vollanstalten mit Abiturberechtigung in Madrid, Barcelona und Bilbao, zweitens Realschulen mit Übergangsmöglichkeiten an die erstgenannten Einrichtungen in Valencia, San Sebastián, Teneriffa und Las Palmas und drittens Schulen mit einer Volksschuloberstufe in Vigo oder Sevilla.27 Daraus ergaben sich drei unterschiedliche Zielsetzungen: Die kleineren Schulen führten, sofern von den spanischen Behörden anerkannt, den Bachillerato-Plan durch. Schüler mit Abiturwunsch mussten zum Abschluss an eine der Vollanstalten wechseln. Bilbao gabelte teilweise den Unterricht und führte für die spanischen Schüler vormittags den deutschen und nachmittags den spanischen Lehrplan durch. In Madrid und Barcelona konnte angesichts ausreichender Anmeldezahlen eine Gliederung in zwei parallel laufende Abteilungen erfolgen. Das Resultat waren zwei unabhängige Zweige unter einem Dach und eine komplexe Aufteilung von Klassen und Lehrkräften. Die spanische Sección führte zudem keine Koedukation durch. Der Begegnungscharakter ging damit vollends verloren. Die Schulen stellten in ihren Stundentafeln komplexe Verteilungen auf und gliederten die Oberstufe in zwei unabhängige Züge. Begegnung wäre so theoretisch gesehen zwar in allen Schulen möglich gewesen, konkret war sie jedoch nicht umsetzbar, zumal immer weniger Deutsche auf die Schulen gingen. Das hinderte die Schulen nicht daran, sich selbst als Begegnungsschulen zu sehen. So auch im Baskenland: In Bilbao füllte die Schulleitung lange Jahre die deutschen Klassen mit spanischen Schülern auf, weil zu wenig Muttersprachler vorhanden waren; es kam streckenweise zu rein spanischen Klassen, die deutschen Unterricht besuchten.28 Im Jahr 1962 waren von allen 4.877 Schülern an den Deutschen Schulen in Spanien 1.086 deutschsprachig. Das bedeutete im Vergleich zum Jahr 1960 zwar einen De-facto-Anstieg um 94, war allerdings ein prozentualer Rückgang von 23 auf 17,4 Prozent. Während Barcelona mit 32 Prozent einen hohen Anteil deutsch-
27
Vgl. Bericht Schulleitertagung in Madrid, 20/21.06.1961, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 283.
28
Vgl. Weimann, Albrecht: Das „Bachillerato mixto“ an der Deutschen Schule Bilbao, in: DLiA 6 (1975), S. 155–159, S. 156.
Auf dem Weg zur Begegnungsschule | 239
sprachiger Kinder hatte, waren es in Valencia nur acht Prozent.29 In Bilbao entstand zusätzlich das Problem, dass durch den teilweise gemeinsam durchgeführten Unterricht und die hohe Stundenbelastung die Leistungen in den Abschlussprüfungen rapide abnahmen. 1962 beklagte die Schulinspektion die mangelnde Reife der Abiturienten, obwohl sie ihre Prüfungen bestanden hatten.30 Das Interesse an der Schule nahm in der baskischen Stadt ab, die Schülerzahlen gingen zurück. Hatte das Auswärtige Amt erst einige Jahre zuvor einen umfangreichen Neubau subventioniert, hatte man nun zu wenige Schüler:31 „Bilbao besitzt eine optische herrliche große Schulanlage. Ihr fehlen aber die Schüler. Eine eindeutige Trennung in einen deutschen und einen spanischen Zweig könne nicht angestrebt werden.“
Um die Kinder möglichst lange an der Schule halten zu können, reduzierten die Lehrer die fachlichen Anforderungen. Das Auswärtige Amt bemängelte daher weiter: „Ab Klasse 8 finde offenbar keine Auslese mehr statt. […] Die Ergebnisse der Prüfungen sind schlecht, das System kompliziert. […] Die ganze Schule bleibe problematisch.“
Probleme wie die in Bilbao führten zu einer generellen Hinterfragung der Förderungswürdigkeit einiger Schulen. Immerhin war das Geld im Amt knapp, und es überprüfte daher jede Investition:32 „Wir [Anm.: AA] haben uns z. B. – auch in Aussprachen mit dem Auslandsausschuss – im letzten Jahr mit der Förderungswürdigkeit von Vigo, San Sebastian und Sevilla befaßt, doch bisher zu keinem radikalen Entschluß durchdringen können, obwohl er in der heutigen außerordentlichen Finanzmisere uns geldlich sehr zu Paß kommen würde. Zweifellos sind ja in früheren Jahren in Spanien zu hohe Investitionen auf diesem Gebiet konzentriert worden. Doch – wie gesagt – von einmal bezogenen Positionen ist sehr schwer wieder herunterzukommen. Bilbao ist angesichts der dort errichteten viel zu großen äußeren Hülle ein besonderes Sorgenkind.“
29
Vgl. Bericht Schulleitertagung in Madrid 20/21.06.1962, in: PAAA B93 604/IV4, Bd. 283.
30
Vgl. Protokoll 40. Sitzung AschA 8/9.11.1962, in: BayHStA MK 52087.
31
Protokoll 56. Sitzung AschA 18/19.10.1966, in: BayHStA MK 52103.
32
Internes Schreiben AA von Dziembowski an Legationsrat Schött, 15.10.1965, in: PAAA B93/603 IV, Bd. 386.
240 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
In Bilbao sollte die Lösung des Problems die Errichtung eines Schülerinternates sein. Mit dem Zusatzangebot erhoffte sich der Verein, vermehrt deutsche Eltern überzeugen zu können, ihre Kinder doch noch auf die Deutsche Schule Bilbao zu schicken.33 Sie sollten dort durch das Internat eine jugendgerechte und liebevolle Unterbringung und gleichzeitig ihre Schulbildung erhalten. Der Erfolg blieb jedoch aus. Die Einrichtung entpuppte sich als Fehlplanung, die sich erst ab 80 Belegungen wirtschaftlich getragen hätte, aber nur für 50 konzipiert war und sogar nur von 28 belegt wurde.34 Ein anderer allgemeiner Lösungsvorschlag kam aus der Botschaft in Madrid. Dort überlegte man, die Bachillerato-Zweige komplett abzuschaffen, da dann nur die Schüler bleiben würden, die an einer deutschen Ausbildung interessiert und somit förderungswürdig seien. Die Ablehnung spanischer Schüler wäre jedoch ein Politikum gewesen, welches das Auswärtige Amt keinesfalls provozieren wollte.35 Es blieb somit nur der Weg, den spanischen Zweig mit deutschen Elementen zu durchsetzen und durch Lehrkräfte und Lehrmethoden für eine Begegnung mit deutscher Kultur und Lerntradition zu sorgen. Damit war man auf die pädagogischen und didaktischen Fähigkeiten der Lehrkräfte angewiesen, die zu diesem Zeitpunkt noch keine besondere Vorbereitung für ihre Aufgaben im Auslandsdienst erhielten. In ihren Berichten kritisierten die Schulinspektionen daher häufig eine fehlende Didaktik und die Adaption spanischer Lehrmethoden, wie ein Beispiel aus Valencia zeigt:36 „[Die] Lehrerin […] hat sich in den 4 Jahren ihres Dortseins den spanischen Unterrichtsstil (mechanisches Auswendiglernen lassen und Abfragen) so zu eigen gemacht, daß ich sie zunächst für eine spanische Lehrerin hielt. Man sollte ihr nach 1961 Gelegenheit geben, sich wieder an deutsche Methoden zu gewöhnen.“
In diesem Fall trafen zwei unterschiedliche Vorstellungen von Unterricht aufeinander. Um den großen Stoffumfang zu bewältigen und um auf das Bachillerato vorzubereiten, zielten die Methoden der spanischen Lehrkräfte auf eine Schulung des Gedächtnisses. Auswendiglernen, Abfragen, Reproduzieren waren typische Merkmale für den spanisch geprägten Unterricht, während deutsche Lehrkräfte ein Sys-
33
Vgl. Schulverein Deutsche Schule Bilbao (Hrsg.): 50 Jahre Deutsche Schule St. Bonifatius Bilbao, Bilbao 1967, S. 61.
34
Vgl. Protokoll 56. Sitzung AschA 18/19.10.1966, S. 46, in: BayHStA MK 52103.
35
Vgl. ebd., S. 44.
36
Schulbericht über die Deutsche Schule Valencia, Oberschulrat Döhner am 22.06.1960, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 214.
Auf dem Weg zur Begegnungsschule | 241
tem des selbstständigen Denkens und Arbeitens praktizierten.37 Dieses Nebeneinander von zwei Lehrplänen und Lehrmethoden ließ zwar theoretisch eine persönliche Annäherung, ja vielleicht sogar eine inhaltliche Bereicherung zu, es verhinderte aber besonders in den kleineren Schulen das eigentliche Miteinander, das sich Lehrkräfte, Schulleitung und später die Zentralstelle wünschten. 7.1.2 Zulassung und Auslese geeigneter Schüler Die Festlegung, dass 25 Prozent der Schüler deutsche Muttersprachler sein sollten, führte zu einem organisatorischen Problem: Spanische Kinder wurden vielfach abgelehnt und deutsche, obwohl sie nicht für eine Oberstufe geeignet waren, aufgenommen. Der erste Selektierungsprozess fand bereits beim Übergang vom Kindergarten zur Grundschule statt.38 Die Regelungen in der Deutschen Schule in San Sebastián können stellvertretend für die Komplexität des Problems gelten, dem sich alle Schulen in unterschiedlicher Form stellen mussten. In der baskischen Stadt konnten von circa 70 Kindern nur 50 in den ersten Klassen aufgenommen werden. Ausschlusskriterium war dabei der Stand der Deutschkenntnisse, den die Erzieherinnen und der Schulleiter mit Hilfe von standardisierten Aufgaben einschätzten. Die Prüfungen waren jedoch für den innerdeutschen Betrieb konzipiert, für Auslandsschulen gab es noch keine erprobten Testverfahren.39 Die Schulleitung plante, mit der Auslese das generelle Klassenniveau und damit einhergehend das Ansehen der Schule zu steigern sowie die Sprechfertigkeit im Deutschen zu fördern. Wer den Anforderungen nicht entsprach, sollte in einer spanischen Schule eingeschult werden.40 In der Grundschule ging der Selektionsprozess weiter. Hatten Kinder die erste Jahrgangsstufe nicht bestanden, mussten sie die Schule verlassen, ebenso wenn sie die Klasse 2 oder 3 mehrmals wiederholen mussten. Ausgenommen von dieser Regelung waren jedoch deutsche Kinder. Beim Übergang in die Oberstufe waren erneut die Deutschkenntnisse und nicht die allgemeine Intelligenz des Kindes das ausschlaggebende Kriterium. Damit praktizierte San Sebastián ein Aufnahmeverfahren, das nach Leistung und nicht nach Finanzkraft separierte, noch bevor Willy Brandt den Fokus auf die soziale Gleichheit richtete. Doch es blieb nach wie vor das Hindernis der Schulgebühren bestehen. Für die kleineren Schulen kam ein weiteres Problem hinzu. Während die großen Anstalten ihre Zweige und Abschlüsse aufteilten, gab es in den kleineren Einrichtungen wie Valencia oder San Sebastián keine Trennung in 37
Vgl. Unrau, Malte: Unterrichtsprobleme an einer Begegnungsschule. Die Deutsche Schule in San Sebastián, in: DLiA (1963), S. 241–244, S. 243.
38
Vgl. Unrau, Malte: Probleme der Auslese in der Grundschule, in: DLiA (1965), S. 123– 128, S. 123.
39
Vgl. Unrau: Unterrichtsprobleme, S. 242.
40
Vgl. Unrau: Probleme der Auslese., S. 124.
242 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Volks-, Mittel- oder Oberschule, sondern nur Gesamtklassen. Die Folge waren Über- oder Unterforderung einzelner Schülergruppen im Sprach- und Fachunterricht. Dem versuchte man durch einen erneuten Aufnahmetest am Ende der vierten Klasse entgegenzuwirken. Zuvor gab einzig die Beurteilung der Fachlehrer den Ausschlag, was jedoch oft starke Streuungen verursachte, da Spanier und Deutsche, welche die gleichen Fächer unterrichteten, oftmals unterschiedliche Anforderungen stellten.41 Der gleiche Schüler erhielt beim spanischen Lehrer oft deutlich bessere Noten als bei seinem deutschen Kollegen. Die große Bedeutung der Sprache sensibilisierte für den Umgang mit Deutsch als Fremdsprache. Die Lehrkräfte bemerkten, dass sie andere methodische Mittel einsetzen mussten oder auch spezielle Arbeitsbücher benötigten, die es für die Auslandsschule jedoch noch nicht gab.42 Leistungsschwache Schüler hatten so kaum eine Chance, angemessen gefördert zu werden, was den Druck auf den Ausleseprozess zusätzlich erhöhte. Um spanische Eltern mit der Ablehnung ihrer Kinder in der Grund- oder Oberschule nicht zu verärgern, tendierten die Auslandsschulen bereits zu einer Selektion vor dem Kindergarten.43 Der AschA hatte dabei klare nationale Präferenzen, die zuerst Kinder mit deutscher Staatsangehörigkeit begünstigten, danach Kinder mit einem deutschsprachigen Elternteil oder ehemaliger Absolventen. Erst am Ende sollten die Kapazitäten mit Spaniern und anderen Nationalitäten aufgefüllt werden, bei denen aufgrund ihrer Leistung oder Herkunft erwartet werden konnte, dass sie später einmal führende Stellungen in Wirtschaft, Politik oder Gesellschaft erreichen würden.44 Als 1966 diese Weisung erging, spielte die soziale Herkunft noch eine wichtige Rolle, da die Schulen nach wie vor die höheren sozialen Schichten ansprechen wollten und sollten. Problematisch war zudem aus sprachlicher Sicht die Aufnahme von Kindern aus Mischehen. Der AschA vertrat dabei folgenden Standpunkt, auch im Hinblick auf zurückkehrende Gastarbeiter:45 „Demgegenüber wird hervorgehoben, daß, wenn der Vater die ausländische Staatsangehörigkeit hat, diesen Kindern nach der Rückkehr aus Deutschland in ihrem Heimatland der Zugang zu ihrer eigenen Sprache und der Übergang in ihr Volkstum nicht erschwert werden dürfe; deswegen sei in diesen Fällen die Eingliederung in die landeseigenen Schulen im Interesse
41
Vgl. ebd., S. 126.
42
Vgl. Unrau: Unterrichtsprobleme, S. 242.
43
Vgl. Bericht Schulleitertagung Madrid 20/21.06.1961, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 283.
44
Vgl. Bericht Botschaft über die Lage der Auslandsschulen in Spanien, 16.02.1966, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 518.
45
Stellungnahme AschA zur Aufnahmeregelung, in: Protokoll 62. Sitzung AschA 01./02.02.1968, in: BayHStA MK 52109.
Auf dem Weg zur Begegnungsschule | 243
der Kinder. Wenn der Vater dagegen Deutscher ist, sollte das Kind in dem Gastlande so gefördert werden, daß es später in Deutschland einen Beruf ergreifen könne.“
Die Mutter spielte bei diesen Erwägungen zu dieser Zeit noch keine Rolle. Weder der Großteil der Schulen noch der AschA differenzierten genauer und machten die Herkunft des Kindes allein vom Vater abhängig. Das Anwachsen der Schulen machte derartige Regulierungen notwendig, denn die Aufnahme einer zu großen Zahl an Schülern hätte gleichzeitig eine Überlastung räumlicher und finanzieller Kapazitäten bedeutet. Nach den baulichen Anstrengungen zehn Jahre zuvor sollte nicht schon wieder Geld nach Spanien fließen müssen. Um Baumaßnahmen zu vermeiden, versuchte das Auswärtige Amt daher die Schülerzahlen zu reduzieren, griff damit aber in die satzungsmäßigen Befugnisse der Schulvereine ein, die laut Statut über die Aufnahme entschieden. Die meisten Vereine wollten spanische Kinder einflussreicher Kreise nicht ablehnen, da sie stark von deren Schulgeld und Renommee profitierten.46 1966 kam es in diesem Zusammenhang zu einem Konflikt zwischen dem Schulverein in Madrid und dem Auswärtigen Amt. Ersterer wollte aus Bonn nur Empfehlungen und keine Weisungen entgegennehmen, der Verein fühlte sich selbst für seine Aufnahmeregelung zuständig.47 Das Amt hatte aus dieser Sicht keine Befugnis, darüber zu entscheiden. Eine Änderung der Schülerzahl musste jedoch einen Einfluss auf Struktur und Gebäude haben, weshalb sich das Amt doch in der Verantwortung sah und auf seinem Willen bestand. Es drohte mit einer Kürzung der Mittelzuweisungen und erzwang damit die Zusage des Vereins, die Anmeldezahlen zu begrenzen.48 Dass es bei solchen Meinungsverschiedenheiten über die Aufnahmeregelung auch zu ernsthafteren Auseinandersetzungen kommen konnte, zeigt der im vorangehenden Kapitel dargestellte Streit in der Madrider Vorstandschaft am Ende des Jahres 1960. Die spanischen Eltern wollten dort erreichen, dass keines ihrer Kinder mehr abgelehnt werden konnte und Deutsch nicht versetzungsrelevant war.49 Grundsätzlich waren die Auslandsschulen somit von zwei Kernproblemen betroffen. Die größeren Schulen in Madrid, Bilbao und Barcelona konnten ihre Oberstufe in zwei Züge teilen und deutsche und spanische Abschlüsse anbieten. Damit ging jedoch der interkulturelle Kontakt verloren. In den kleineren Schulen war diese Trennung aufgrund der Klassenstärke nicht möglich und die Anzahl deutscher Kinder war deutlich geringer, so dass auch hier kaum eine Begegnung stattfinden konnte. Solange die Erfüllung spanischer Bildungsziele im Vordergrund stand, 46
Vgl. Schriftverkehr Deutsche Schule Madrid und Auswärtiges Amt, Juli 1966, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 518.
47
Vgl. Protokoll 56. Sitzung AschA, 18./19.10.1966, in: BayHStA MK52103.
48
Vgl. Protokoll 59. Sitzung AschA 11./12.04.1967, in: BayHStA MK 52106.
49
Vgl. Botschaftsbericht über Neuwahl Deutsche Schule Madrid, 27.12.1960, in: PAAA AV12613.
244 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
konnte der deutsche Charakter nur in begrenztem Maße umgesetzt werden.50 Eine Änderung konnten nur die spanischen Behörden herbeiführen, indem sie die deutschen Abschlussprüfungen anerkannten und mit den spanischen gleichstellten. Vorbild war Portugal, wo es bereits seit 1959 möglich war, mit einem deutschen Abitur an einer Hochschule zu studieren. In Spanien sollte dies zehn Jahre länger dauern.
7.2 BEGEGNUNG IN DEN AUSLANDSSCHULEN NACH DER EINFÜHRUNG DES BACHILLERATO MIXTO Lange Zeit war die Hoffnung auf eine Anerkennung der deutschen Schulabschlüsse durch die spanischen Behörden gering. Sie wuchs erst im Juli 1968, als Ricardo Diez Hochleitner die Stelle als Secretario General Técnico im Ministerio de Educación y Ciencia antrat. Er war ehemaliger Schüler der Deutschen Schule Bilbao und mit den Problemen der Auslandsschulen vertraut.51 Bei seinem Antrittsbesuch in der deutschen Botschaft gab er zwar noch zu bedenken, dass eine Anerkennung des Abiturs aus nationalen Gründen unwahrscheinlich sei,52 doch ein Jahr später erließ die spanische Regierung ein neues Gesetz, das ausländische Reifezeugnisse akzeptierte. Eingebunden in umfassende Reformmaßnahmen zum spanischen Bildungssystem erfüllte diese Neuregelung einen lang gehegten Wunsch. Diez Hochleitner beteiligte sich maßgeblich an der Erarbeitung der Dekrete und ermöglichte somit seiner alten Schule in Bilbao wie auch den anderen Einrichtungen eine neue strukturelle Ausrichtung. Von nun an konnte eine gemeinsame Oberschule aufgebaut werden, die mit einem kombinierten Abschluss, dem ‚Bachillerato mixto‘, endete und zum Studium in beiden Ländern berechtigte. Damit war eine neue Form der Begegnung möglich, die mit den neuen kulturpolitischen Überlegungen im Auswärtigen Amt einherging. Es bot sich die Möglichkeit, mehr Stunden gemeinsam zu unterrichten, denn in der neuen Stundentafel mischten sich spanische und deutsche Fächer stärker als zuvor. Für die Spanier waren weiterhin die Literatura y gramática española, Religión, Historia de España und Formación del Espíritu Nacional obligatorisch.53 Im Deutschunterricht unterschieden die Lehrer fortan konsequenter zwischen Mutter- und Fremdsprachler. In den restlichen Fächern, wie Mathematik oder Chemie, wurde auf Deutsch unterrichtet, jedoch fehlte dort noch weitestgehend ein Bewusstsein für einen fremdsprachlichen Fachunterricht. Die sprachlichen Anforderungen stiegen zusätzlich an und machten neue Überlegungen für die Organisation der Schulen, beispielsweise neue Aufnah50
Vgl. Unrau: Unterrichtsprobleme, S. 244.
51
Vgl. Weimann: Das „Bachillerato mixto“, S. 156.
52
Vgl. Gesprächsprotokoll Deutsche Botschaft, Juli 1968, in: PAAA AV 7671.
53
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 213.
Auf dem Weg zur Begegnungsschule | 245
meverfahren, notwendig. Die neu gegründete Zentralstelle entwickelte dafür Förderkonzepte und fokussierte den Ausbau der großen Schulen zu Begegnungsschulen und die Umwandlung kleinerer Schulen, etwa in Sevilla, in eine Schule mit erweitertem Deutschunterricht.54 Diese Reformmaßnahmen stießen bei vielen Einrichtungen auf Kritik und sorgten für neue Konflikte zwischen den Schulvereinen und den Behörden in Deutschland. Sie entluden sich beispielsweise an der Frage nach dem Stellenwert der Grundschule und des deutschsprachigen Kindergartens. Hielt Waldemar Sauer, Schulleiter in Madrid, sie weiterhin für die Basis bei der Vermittlung solider Deutschkenntnisse,55 plante der Leiter der Zentralstelle Onnen, sie an einigen Orten abzuschaffen. Der neue Mann in Köln eckte mit seinen Ideen bei vielen Schulen an. Viele Lehrer wünschten sich von ihm eine fruchtbare Zusammenarbeit und eine wechselseitige Diskussion56, waren aber schnell enttäuscht, da sich kaum zu Kompromissen bereit zeigte. 7.2.1 Vorbild sein, ohne zu belehren – neue Pläne der Auswärtigen Kulturpolitik Aufbauend auf Willy Brandts neuer Konzeption der Auswärtigen Kulturpolitik entstand ab Ende der 1960er Jahre ein breiter Diskurs über Nutzen und Ziele der Auslandsschulen. Zwei wichtige Vertreter dieser Debatte saßen im Auswärtigen Amt. Dort wurde der Soziologe Ralf Dahrendorf 1970 für kurze Zeit zum Staatssekretär ernannt und veranlasste in den wenigen Monaten seiner Tätigkeit Professor Hansgert Peisert von der Universität Konstanz, ein Gutachten über die Situation der Auswärtigen Kulturpolitik zu erarbeiten.57 Die Ergebnisse der Studien veröffentlichte er zwar erst 1978,58 doch schon wenige Monate nach Beginn formulierte Peisert auf der Basis verschiedener Umfragen erste Kritikpunkte.59 Die Auslandsschulen wirkten demnach zu wenig auf ihr Umfeld ein, klare kulturpolitische und didaktische Konzeptionen fehlten. Viele Schüler würden das Schulziel nicht erreichen, der Aufwand und Nutzen passe an vielen Schulen nicht zusammen. Die Unterrichtsmittel für Deutsch als Fremdsprache seien in vielen Bereichen noch unzulänglich.
54
Vgl. Chronik DS Sevilla, in: Privatarchiv Monika López Rall.
55
Vgl. Sauer: Die Neustruktur, S. 91.
56
Vgl. Schmidl: 5 Jahre ZfA, S. 265.
57
Vgl. ausführlicher zur Biographie Dahrendorfs: Meifort, Frankziska: Ralf Dahrendorf. Eine Biographie, München 2017.
58
Vgl. Peisert: Kulturpolitik.
59
Vgl. Stegmann, Eckhart: Neuorientierung der deutschen Kulturpolitik im Ausland, in: DLiA 6 (1970), S. 319–322, S. 321.
246 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Diese Beurteilung kam keineswegs überraschend. Viele Aspekte der Auswärtigen Kulturpolitik betrachteten die Akteure bereits seit längerer Zeit kritisch. Luitpold Werz, Leiter der Kulturabteilung von 1966 bis 1969, wünschte sich schon zwei Jahre vor Peiserts Gutachten mehr Partnerschaft und eine Form von ‚lending & borrowing‘:60 „Die kulturpolitische Konzeption des Auswärtigen Amtes lasse sich auf eine einfache Formel bringen. Die Aufgabe der Kulturpolitik sei es, in diesem Bereiche eine Selbstdarstellung der Nation zu geben, und zwar nicht im Sinne eines Kulturexportes, sondern des Gebens und Nehmens in einem lebendigen Kontakt mit den anderen Nationen.“
Als wichtigste Aufgabe sah er die Pflege und Erhaltung der deutschen Sprache und betonte dabei die wichtige Rolle der Begegnungsschulen: „[E]s ist zu erwarten, dass bei den jungen Ausländern, die später vielleicht einmal führende Positionen in ihrem Land übernehmen, eine dauernde Bindung an Deutschland geschaffen werde, die sich dann auf den verschiedenen Gebieten zum wechselseitigen Nutzen auswirken könne.“
Förderungsmaßnahmen sollten sich daher auf wirklich lohnende Einrichtungen konzentrieren. Eine Neuorientierung des Auslandsschulwesens bedeutete in seinen Augen primär eine Überprüfung des wirtschaftlichen und kulturellen Nutzens. Was bei ihm noch nahezu komplett fehlte, war die soziale Komponente des Kulturbegriffs. Diese nahm erst sein Nachfolger Hans Georg Steltzer in seine Überlegungen mit auf: Kultur sollte erstens nicht mehr das Privileg bevorzugter Schichten sein, zweitens auch auf technologische und wissenschaftliche Entwicklungen verweisen und drittens im internationalen Bezug stehen, da man vor allem vom Ausland eine ‚friedliche Kulturpolitik‘ lernen könne, wie sie Deutschland eben lange gefehlt habe.61 Von besonderem Interesse waren auch bei seinen Überlegungen die Begegnungsschulen, die als Stätten kulturpolitischer Ausstrahlung wirken sollten. Sie sollten nicht nur Sprachinstitute sein, sondern auch zeigen, was sich in Deutschland auf wirtschaftlichem und technologischem Gebiet in den Nachkriegsjahren entwickelt hatte. Steltzer wollte dabei keine Selbstdarstellung betreiben, sondern einen Kultur- und Informationsaustausch anregen. Bisher habe man nur die eigene Seite dargestellt und ungeplant Beziehungen aufgebaut, die nun überdacht werden müssten. Seine Kritik stieß auf offene Ohren. Der Ausschuss für Auslandsschulwesen erkannte sie sofort an und begründete die bisherigen Fehler mit der historischen Entwicklung:62 60
Protokoll 62. Sitzung AschA, 01./02.1968, in: BayHStA MK 52109.
61
Vgl. Protokoll 72. Sitzung AschA 16./17.07.1970, in: BayHStA MK 52119.
62
Ebd.
Auf dem Weg zur Begegnungsschule | 247
„Der Vorwurf, […] daß die Auslandsschulen in ihrer gegenwärtigen Zahl und Verteilung das Ergebnis ungeplanter Entwicklungen seien, erscheine im ganzen zutreffend. Weitgehend seien nach dem Kriege die vorhanden Ansätze individuell genutzt worden.“
Da die kulturpolitische Wirksamkeit einiger Schulen nur gering sei, andere hingegen mehr Unterstützung brauchen könnten, sah auch der AschA hier die Notwendigkeit zur Umstrukturierung, warnte aber gleichzeitig im Hinblick auf die Gastländer vor einer zu rigorosen und schnellen Umsetzung: „Bei dem Versuch einer solchen Koordinierung könne indes ein Spannungsfeld entstehen, wenn die Bedürfnisse des Landes den deutschen Vorstellungen entgegenstehen sollten.“
Onnen forderte für die ZfA bei den Umstrukturierungen eine Fokussierung auf Wert, Leistung und Wirksamkeit. Die Deutschen Schulen müssten sich daher für Begabte und Förderungsfähige aller sozialen Schichten öffnen. In einer Ansprache anlässlich einer Ausstellung zu ‚Chile – mein Heimatland‘ in Düsseldorf formulierte er seine Vorstellungen.63 Die Hauptgebiete des Unterrichts wären demnach die Sprachen, Mathematik, Naturwissenschaften, die Gesellschaft, der musische Unterricht und Arbeitslehre. Die Unterrichtsformen sollten zu eigenem Denken, Kritik, Toleranz und zum verantwortlichen, sozialen und gemeinschaftsbezogenen Handeln anregen. Musische und künstlerische Fächer erhielten in seiner Konzeption einen besonderen Stellenwert, da der Mensch sich dort in einer Welt erkenne, die ihn befreie und seine Potentiale entfalten lasse. Ein weiterer Schwerpunkt war für Onnen die Zusammenarbeit gesellschaftlicher Gruppen und eine Abkehr von der Kulturpropaganda früherer Zeiten. Durch ‚Wir-Gruppen‘ sollten andere Kulturkreise beteiligt und nicht nur belehrt oder beeindruckt werden.64 Zielgruppen müssten daher genauer definiert und ihre Bedürfnisse bei der Planung berücksichtigt werden. Gleichzeitig gelte es, zukünftige Führungsschichten anzusprechen und durch weiterführende Schulen nachhaltig an Deutschland zu binden. Die bauliche Einrichtung der Schulen sollte Vorbildcharakter für die einheimischen Schulen im Gastland haben und ihre Fachausrüstung in Entwicklungsländern Modell stehen. Vorbild zu sein, ohne zu belehren, war ein Spagat, der die Schulen vor Herausforderungen stellte. Onnen war sich bewusst, dass nur die wenigsten Auslandsschulen all diese Kriterien erfüllen konnten.65 Selbst den Begegnungsschulen sprach er teils die Leistungsfähigkeit ab, da sie, wie in Spanien, lange Zeit nicht zur Hochschulbe-
63
Vgl. Onnen, Engelbart: Heute und morgen in den deutschen Auslandsschulen, in: DLiA 5 (1970), S. 121–124, S. 123.
64
Vgl. Onnen, Engelbart: Deutsche Auslandsschulen und ihre Struktur im Rahmen einer deutschen Kulturpolitik im Ausland, in: DLiA 6 (1970), S. 231–237, S. 231.
65
Vgl. ebd., S. 233.
248 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
rechtigung führten oder bilateral gar nicht anerkannt waren. Alle Auslandsschulen standen folglich auf dem politischen Prüfstand und mussten ihre Wirksamkeit vor der ZfA beweisen. Zu Beginn des Jahres 1970 präsentierte Onnen ein Memorandum über die Konzeption von Modelltypen. Darin sah er einen nötigen Schritt, um ein System der finanziellen Hierarchisierung zu schaffen und nicht mehr nach Einzelfällen entscheiden zu müssen.66 Die schulpolitische Leitlinie sollte als Basis für Förderungsansätze sowie als Grundlage detaillierter pädagogischer Überlegungen dienen. Im Klartext bedeutete dies, dass Schulen ihre finanzielle Förderung verlieren konnten, wenn sie sich dem Modellcharakter widersetzten. Das erste Modell beschrieb Schulen mit verstärktem Deutschunterricht, das zweite Modell beinhaltete die integrierte zweisprachige Sekundarschule, das dritte Modell bildeten nach Vorstellung der ZfA die Sprachgruppenschulen, die im landeseigenen Unterrichtssystem die deutsche Sprache pflegen sollten, und in der letzten Gruppe wurden die Expertenschulen zusammengefasst. Priorität hatten die Schulen aus Modell II, da sie die größte Möglichkeit boten, soziologisch repräsentativ zu sein und das Kriterium der ‚Wir-Schule‘ zu erfüllen. Die bilaterale Oberstufe sollte erst ab Sekundarstufe II einsetzen, da man im Kindergarten und in der Grundschule noch nicht sagen könne, wie sprachbegabt ein Kind sei. Onnen hielt den spielerischen Spracherwerb, wie ihn der Kindergarten praktizierte, für eine Illusion. Vielmehr befürchtete er, eine zweite Sprache könnte die Entwicklung hemmen, so dass viele Schüler den Anforderungen nicht gewachsen wären. Er kritisierte die so entstandene Pyramidenstruktur mit breiter Primaria und schmaler Oberstufe. 50 Prozent der Kinder waren seiner Meinung nach für die Anforderungen der bilingualen Schule ungeeignet, was in den älteren Klassen schließlich zu hohen Abbruchquoten führe.67 Das Ziel, möglichst viele Schüler zur Hochschulreife zu bringen, erfülle sich demnach nicht. Onnen wollte durch eine soziale Leistungsauslese begabter Schüler den Auslandsschulen das Odium der ‚Privilegiertenschule‘ nehmen und ihnen eine gewisse gesellschaftliche Repräsentativität geben. In der Oberstufe sollte den Jugendlichen die Möglichkeit gegeben werden, ihren Neigungen entsprechend Arbeitsgruppen auszuwählen. Er propagierte hierfür das ‚Buxtehuder Modell‘, ein seit 1966 in Niedersachsen durchgeführter Schulversuch, der die spätere Oberstufenreform 1972 in vielen Bundesländern maßgeblich beeinflusste.68 Grundvoraussetzung für die Umsetzung der Pläne Onnens war eine bilaterale Anerkennung der Abschlüsse, wie sie in Spanien durch das Bachillerato mixto ab 1969 existierten. Für Onnen bot das Land nun das ideale Experimentierfeld für sei66
Vgl. Protokoll 73. Sitzung AschA, 03./04.1970, in: BayHStA MK 52120.
67
Vgl. Onnen: Auslandsschulen und ihre Struktur, S. 235.
68
Vgl. Detjen, Joachim: Das Buxtehuder Modell. Die Halepaghen-Schule schreibt Schulgeschichte, in: Halepaghen-Schule (Hrsg.): Halepaghenschule 600 Jahre. Festschrift zum 600jährigen Jubiläum. Buxtehude 1991, S. 53–76.
Auf dem Weg zur Begegnungsschule | 249
ne Ideen. Die Umstrukturierung sollte durch drei Maßnahmen eingeleitet werden: Neugründungen an Orten mit günstigen Voraussetzungen, Fortfall der Primaria, Einschränkung der Grundstufe und des Kindergartens und Einführung eines zusätzlichen Sekundarzweiges mit dem Ziel einer sukzessiven Umwandlung in bilinguale Klassen.69 Erste Gegenstimmen zu seinen Konzepten kamen aus dem AschA. Dieser fühlte sich beinahe gekränkt und kritisierte den Modellplan der Zentralstelle. Er bemühte sich, die eigene Arbeit der letzten Jahre nicht zu negativ zu bewerten:70 „[Eine] eindeutig negative Bilanz des Auslandsschulwesens könne verletzend wirken. […] Hier seien die bisherigen Bemühungen um die Förderung und Ordnung des Auslandsschulwesens zu wenig berücksichtigt. Die positiven Seiten der jetzigen Wirklichkeit der Auslandsschulen würden nur an einer Stelle kurz erwähnt.“
Weiterhin rügte er Onnens Plan, da er zu wenig auf geographische Besonderheiten eingehe und die notwendige Flexibilität verhindere. Außerdem gebe es durchaus Beispiele für den Erfolg der Kindergärten und Grundschulen. Der Ausschuss riet der Zentralstelle daher, die neue Konzeption zuerst wissenschaftlich abzusichern, was jedoch nicht geschah. Die ZfA brannte darauf, ihre Pläne zu verwirklichen, und verlor keine Zeit. Die erste Schule in Spanien, in der sie die neuen Strukturen einführte, stand in Valencia, obwohl dort die deutsche Kolonie zahlenmäßig zu klein war, um auf Dauer einen aufwendigen Betrieb verantworten zu können.71 Ohne Spanier fehlte es an ausreichend Kindern und Schulgeld. Der Schulleiter suchte daher in den spanischen Grundschulen nach begabten Kindern, denen er einen Quereinstieg in die 5. Klasse erlaubte.72 Die Schule sicherte ihnen zu, mindestens drei Jahre bleiben zu können, und weiterführende Sprachkurse sollten helfen, den Kindern möglichst schnell die Sprache beizubringen. Der Fachunterricht wurde für diesen sogenannten ‚C-Zweig‘ sukzessive eingeführt und die Stundentafel angepasst, um später problemlos auf eine spanische Universität übertreten zu können. Die Direktoren der staatlichen Schulen nahmen den Verlust ihrer besten Schüler meist ohne Klagen in Kauf, sie hatten auch kaum Einflussmöglichkeiten auf den Wunsch der Eltern, die in dem Quereinstieg eine gute Möglichkeit zur Förderung ihrer Kinder sahen.73 Für den Schulverein war der Zuwachs einer geistigen Elite ebenfalls eine positive Folge, da die erfolgreichen Abiturienten ein Aushängeschild für die Schule darstellten. 69
Vgl. Onnen: Auslandsschulen und ihre Struktur, S. 236.
70
Vgl. Protokoll 73. Sitzung AschA, 03./04.1970, in: BayHStA MK 52120.
71
Vgl. 75 Jahre Deutsche Schule Valencia, S. 60f.
72
Vgl. ebd., S. 82f.
73
Vgl. Zeitzeugengespräch mit Wolfgang Försterling, ehemaligen Schulvereinspräsident DS Valencia, im September 2016 in der DSV
250 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Ein Problem gab es aber noch. Den sozial schwächeren Schichten fehlte es häufig an Geld für die Schulbeiträge. Die finanziellen Einbußen, die nun durch den Wegfall der ökonomischen Elite entstanden, konnte der Verein nur durch höhere Zuschüsse aus Deutschland kompensieren – die dann auch bereitwillig genehmigt wurden. Valencia setzte Onnens Pläne mustergültig um und erhielt dafür in den ersten Jahren regelmäßig Lob und Zuspruch aus Köln. Die individuellen Bedingungen an einzelnen Schulstandorten erlaubten jedoch nicht an allen Schulen eine reibungslose Umsetzung der Reformpläne. Vor allem gegen den Wegfall des Kindergartens und der Grundschule regte sich Widerstand. 7.2.2 Widerstand gegen die geplante Umstrukturierung Schon kurze Zeit nach der Einführung der neuen Strukturen lobte sie die Deutsche Schule Madrid im Jahresbericht als sinnvolle Form, die ihre Bewährungsprobe bestanden habe. 74 Doch nicht alle Einrichtungen in Spanien teilten die Euphorie der Hauptstadt. Die Pläne der ZfA sorgten vor allem bei den kleineren Schulen für zahlreiche Diskussionen über die konkrete Umsetzung. Manfred Scholz, langjähriger Leiter der Deutschen Schule in Santa Cruz de Tenerife, merkte zu der Problematik der Begegnung 1972 in einer von ihm herausgebrachten Studie an:75 „[Die] Begegnung, wie die Schüler sie erleben, vollzieht sich im Schulalltag durchaus noch nicht unter dem Blickpunkt der Begegnung zweier Kulturen im Geiste gegenseitigen Verstehens und gegenseitiger Achtung. Sie vollzieht sich auch nicht im Unterricht unter den Augen des Lehrers, sondern in der Gemeinschaft der Klasse, auf dem Pausenhof, beim Sport, etc. und in der Regel erfährt der Lehrer nichts von ihren Auswirkungen. […] Er kann kaum fördernd […] eingreifen, weil er seine Schüler nicht genügend kennt, ihre Mentalität, ihr Charakter ihm fremd ist.“
Genau diese Umstände wollte die ZfA nun mit ihren Maßnahmen beheben. Zu deren Verwirklichung plante sie neben einer regionalen Schwerpunktbildung, um deutsche Schüler zu sammeln, eine Umstrukturierung des Kindergartens und der Grundschule. Nicht mehr der Schulgeldbeitrag oder der soziale Status sollten das Kriterium für eine Aufnahme in die Oberschule sein, sondern die Leistungen des einzelnen Individuums, um später in der Oberstufe dem bilingualen Unterricht folgen zu können. Im Klartext bedeutete dies, dass es für einflussreiche und finanzstarke spanische Eltern nun nicht mehr so leicht war, ihr Kind auf die Schule zu bringen, sofern es nicht die kognitive Eignung mitbrachte. Entschied früher das Portemonnaie oder das Renommee, zählte nun, so die Vorstellung in Köln, ausschließlich die Leistung. 74
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1971/1972, S. 5.
75
Vgl. Scholz: Begegnung im Alltag, S. 68.
Auf dem Weg zur Begegnungsschule | 251
Nicht alle Schulen nahmen diese neuen Ideen positiv auf. Die Deutsche Schule Las Palmas erklärte in einer Denkschrift 1972: „Noch vor einem Jahr war die Begegnungsschule Grundlage der Auslandsschulpolitik. Heute gilt dieses Experiment als gescheitert.“76 Hauptgrund für diese pessimistische Haltung war die neue starke Fokussierung auf die Schüler des Gastlandes und die geringe Vertretung deutscher Interessen. Erstens musste der Verein nun theoretisch auch deutsche Kinder ablehnen, zweitens betrachtete er die Förderung der Chancengleichheit für spanische Schüler selbst nicht als seine Aufgabe. Schulvorstand und Leitung forderten die Beibehaltung einer zweizügigen Grundschule, um weiterhin eine breite Basis an spanischen und deutschen Schülern aufnehmen zu können. Dies widersprach jedoch den Plänen der Zentralstelle, eine leistungsstarke Oberstufe aufzubauen. Onnen verfolgte strikt seine Zielsetzungen, möglichst viele Reifeprüfungen zu erlangen und talentierten Kindern des Gastlandes ein realistisches modernes Deutschlandbild zu vermitteln. Als sich die Schulleitung weiterhin sträubte, setzte er die Fördermaßnahmen als Druckmittel ein, um die notwendigen Strukturänderungen durchzusetzen. Las Palmas lenkte ein und gab den Forderungen trotz großer Enttäuschung nach und akzeptierte die Entscheidung.77 Sie schuf damit als erste Schule die zweizügige Grundschule mit Oberstufenberechtigung konsequent ab.78 Auf der Nachbarinsel jedoch widersetzte man sich weiterhin dem Vorhaben. Im Juni 1971 schrieb der Vorstand der Deutschen Schule Santa Cruz an die ZfA, dass man eine gemeinsame Oberstufe bis Klasse 12 einführen wolle, um dort mit dem Bachillerato mixto ein Kombi-Abitur anzubieten. Die höheren Klassenstufen betrachtete der Verein als besonders relevant für eine kulturpolitische Bildung.79 Soweit erfüllte Santa Cruz die Vorstellungen aus Köln, doch die Zentralstelle forderte wie in Las Palmas zudem eine Abschaffung der Grundschule für spanischsprachige Kinder und stattdessen die Einführung eines Auslesetests.80 Nach ersten Protesten der spanischen Eltern gegen diese Regelungen betonte Onnen seine Position in einem Schreiben an das Auswärtige Amt:81
76
Vgl. Aide Memoire Deutsche Schule Las Palmas 1972, in: PAAA B93/IV4, Bd. 795.
77
Vgl. Bericht Oberschulrat Diekert an AA, März 1972, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 705.
78
Vgl. Bericht Diekert über Schulbesuch in Las Palmas, Dezember 1975, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 1044.
79
Vgl. Schreiben Schulverein Santa Cruz an ZfA, 02.06.1971, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 709.
80
Vgl. Schreiben ZfA an Schulverein Santa Cruz, 28.02.1972, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 709.
81
Schreiben ZfA an Auswärtiges Amt, 15.08.1972, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 709.
252 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
„Die Auswahl nach Begabung […] ließ[…] es zweifellos nicht mehr zu, Kinder aus bestimmten Familien mit Vorrang zu berücksichtigen. […] abgesehen davon, dass dies auch die soziale Öffnung unumgänglich macht.“
Sein Plan entwickelte sich zum Politikum.82 Die Schließung des Kindergartens und der Grundschule bedeutete für die spanischen Eltern eine Missachtung ihrer Wünsche. Sie fühlten sich diskriminiert und übergangen und lehnten die Umstrukturierung daher rigoros ab. Sie forderten einen Zugang zur Grundschule und favorisierten ein Modell, das mit der spanischen Hochschulreife und einem deutschen Sprachdiplom endete.83 In einer Abstimmung votierten knapp 70 Prozent für diese Form mit dem Argument, dass sie als Spanier das erste Recht auf den Besuch der Schule hätten. Sie forderten mehr demokratische Mitspracherechte, vor allem da sie der Schule überhaupt erst ihre Existenzberechtigung gäben.84 In Teneriffa brodelte es. Interne Konflikte erschwerten die Debatte zusätzlich. Waltraud Schirner, eine Befürworterin des ZfA-Modells, schrieb die Schuld dem Vorsitzenden Konsul Jacob Ahlers zu, der keine Abiturschule wolle und sich dem feudalen Charakter der spanischen Kaufleute angepasst habe.85 Ahlers war erst zwei Jahre zuvor unter skandalösen Umständen erneut zum Vorstand gewählt worden. Bei der Abstimmung verwehrte er Eltern, die kurz zuvor neu in den Verein eingetreten waren, mit Hilfe der spanischen Polizei den Zutritt zum Wahllokal. Gegenkandidaten entzog er das Rederecht, woraufhin diese den Saal verließen.86 Die Zentralstelle reagierte: In einem Schreiben an das Auswärtige Amt machte Onnen deutlich, dass man im Falle einer weiterhin fehlenden Kooperation bereit sei, Gelder zu streichen, Baumaßnahmen nicht mehr zu fördern, Lehrer abzuziehen oder den Ausbau zur Abiturschule einzustellen.87 Nachdem keine Besserung der Verhältnisse eintrat und sich der Verein weiterhin gegen die Abschaffung der Grundschule wehrte, drohte das Auswärtige Amt mit dem Abzug von drei Lehrkräften und leitete ein Disziplinarverfahren gegen Ahlers ein, der daraufhin seinen Rücktritt einreichte mit der Begründung, er fühle sich nur noch als Befehlsempfänger aus Bonn und Köln.88 Ein Jahr später bedauerte das Lehrerkollegium indirekt 82
Vgl. Scholz, Manfred: Zwischen Schulreform und Kulturpolitik, in: DLiA 4 (1972), S. 294–297.
83
Vgl. Bericht über die Schulvereinssitzungen in Santa Cruz de Tenerife 06.03.1973, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 797.
84
Vgl. Scholz: Zwischen Schulreform, S. 296.
85
Vgl. Schreiben Waltraud Schirner an ZfA, 15.03.1973, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 797.
86
Vgl. Schreiben des Lehrerkollegiums an Auswärtiges Amt, 07.12.1971, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 709.
87
Vgl. Bericht ZfA über Santa Cruz, 15.08.1972, in: PAAA B93/IV4, Bd. 709.
88
Vgl. Bericht Diekert über Schulbesuch in Las Palmas im Dezember 1975, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 1044.
Auf dem Weg zur Begegnungsschule | 253
seine Entscheidungen. In einer von 13 Personen unterschriebenen Stellungnahme sprach es sich in einem Beitrag in der Verbandszeitschrift aus pädagogischer Perspektive für die Positionen der ZfA aus, da diese die strukturellen Probleme der Schule lösen würden.89 Eltern und Vorstandschaft setzten aber als entscheidende Parteien ihren Willen durch, die Grundschule wie sie einst in alter Form bestand, wurde vorerst beibehalten. Die Einmischung der ZfA in den Alltag der Schule zog erstmals größere Aufmerksamkeit auf sich und Bonn wurde von der deutschen Presse zum „Elefanten im Porzellanladen“ deklariert, der mit ungestümen Forderungen die Arbeit der Schulen störe.90 Von den Streitereien in Santa Cruz profitierte Las Palmas. Parallel zu den Konflikten in Teneriffa gingen von der Nachbarinsel ebenfalls Gesuche bei der ZfA ein mit dem Wunsch, die Schule mit einer Oberstufe auszubauen.91 Die lehnte den Antrag mit dem Argument zu hoher Kosten ab:92 „Andererseits bildet der Umfang der gesamten finanziellen und personellen Förderungsmaßnahmen für die deutschen Schulen in Spanien bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt einen erheblich überproportionalen Anteil am Schuletat des Auswärtigen Amts. […] Das Auswärtige Amt ist daher nicht in der Lage, die Aufwendungen für die deutschen Schulen in Spanien insgesamt zu erhöhen.“
Ursprünglich sollte die Schule auf die Belange der deutschen Kinder ausgerichtet bleiben, die vor allem die Mittlere Reife nach der 10. Klasse ablegen wollten. In einer ausgebauten 11. Klasse sollten den spanischen Kindern die Möglichkeit gegeben werden, das Bachillerato zu machen, dazu war ein verstärkter Deutschunterricht geplant. Nachdem sich nun aber Teneriffa derart heftig wehrte, überdachte die Zentralstelle ihre alten Pläne und baute nun Las Palmas als Schule mit Oberstufe aus, während Teneriffa eine Oberstufe mit verstärktem Deutschunterricht anbieten musste. Oberschulrat Diekert fasste die Vorkommnisse später in einem Bericht zusammen:93 „Im Zuge der Bemühungen um Schwerpunkte sollte nur eine Schule auf den kanarischen Inseln zur Abiturschule ausgebildet werden, Wahl viel ursprünglich auf Santa Cruz, da dort 89
Vgl. Stellungnahme des deutschen Kollegiums: Zur neuen Schulstruktur der Deutschen Schule Santa Cruz, in: DLiA 1 (1973), S. 41–43.
90
Vgl. Sebastian, Max: Bonner Elefant im Porzellanladen, in: Die Welt 21.03.1973.
91
Vgl. Schreiben Vorstand Deutsche Schule Las Palmas an ZfA, 04.03.1971, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 705.
92
Schreiben ZfA an Deutsche Schule Las Palmas, 25.02.1972, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 705.
93
Bericht Diekert über Schulbesuch in Las Palmas im Dezember 1975, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 1044.
254 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
bessere Ergebnisse und bessere Unterbringung, aber Schule lehnte Umstrukturierung ab, daher mussten die Aufgaben vertauscht werden. Santa Cruz kann seither nur DaF anbieten.“
Auch andere Schulen nahmen Onnens Pläne unterschiedlich auf. Während die Deutsche Schule in San Sebastián sich in ihrer Entwicklung gehemmt sah, freute sich jene in Sevilla, dass endlich ein klares Ziel vorgegeben sei und die Schule ein deutliches Profil bekommen habe.94 Beide Einrichtungen wurden nach dem Modell I betrieben, dessen Erfolg also durchaus unterschiedlich bewertet wurde. In Bilbao ergaben sich weitere Konflikte aus der Umstrukturierung. Dort hatte die Vorstandschaft einige Jahre zuvor ein Internat errichtet, um die schwach besuchte Oberstufe mit Kindern aus anderen Regionen aufzufüllen. Für das Generalkonsulat entwickelte sich das Internat jedoch zunehmend zu einem Problemfall, da dort angeblich reiche Eltern ihre Kinder abluden und sich nicht weiter um sie kümmerten.95 Die Schule befürwortete ebenfalls eine Schließung, da sie die geringe Rentabilität des Internats erkannte:96 „[Es] wirft die Betreuung der weitgehend aus schwierigen Familienverhältnissen stammenden Internatsschüler menschliche, administrative und finanzielle Probleme auf, denen keine entsprechenden schulischen Erfolge gegenüber stehen.“
Die Zentralstelle hatte jedoch bei der Umstrukturierung im Nachbarort San Sebastián den Eltern zugesagt, das Internat und die Oberstufe in Bilbao besuchen zu können, und ihnen eine Weiterförderung der Einrichtung versprochen. Ein Fehler, wie sich nun herausstellte, denn man hatte Entscheidungen gefällt, ohne diese mit dem Verein in Bilbao abzusprechen und ohne die Konsequenzen ausreichend zu beachten. Die ZfA konnte ihre Versprechen nicht komplett einhalten und befürchtete einen Verlust ihrer Glaubwürdigkeit, sollte Bilbao sein Internat wirklich schließen. Sie versuchte daher, den Vorstand in Bilbao zu überreden, das Heim weiterhin offen zu lassen.97 Dieser forderte im Gegenzug Zuschüsse, um die negativen Bilanzen, die dadurch entstanden, auffangen zu können.98 Der ZfA blieb nichts anderes übrig, als für die Kosten aufzukommen. Erst als das Interesse der Schüler aus San Sebastián am Internat abnahm, konnte es eingestellt werden. 94
Vgl. Brück, Heinrich: Die Deutsche Schule San Sebastian, in: DLiA 6 (1975), S. 164– 165; Frey, Gerhart: Die Deutsche Schule Sevilla, in: DLiA 6 (1975), S. 165–167.
95
Vgl. Generalkonsulat Bilbao an Auswärtiges Amt, 01.02.1974, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 795.
96
Schulverein Bilbao an Auswärtiges Amt, 28.01.1974, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 795.
97
Vgl. Schreiben ZfA an Schulverein Bilbao, 15.02.1974, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 795.
98
Vgl. Schreiben Schulverein Bilbao an ZfA, 03.04.1974, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 795.
Auf dem Weg zur Begegnungsschule | 255
Bilbao hatte sich ebenfalls gegen eine Weisung aus Köln gewehrt, doch im Unterschied zu der Auseinandersetzung mit den Schulen auf den Kanarischen Inseln drohte der ZfA in diesem Fall ein Glaubwürdigkeitsverlust. Da es sich zudem nicht um strukturelle Maßnahmen handelte, akzeptierte man die Meinung des Schulvereins und sah einen eigenen Fehler ein. Generell zeigen die Beispiele, dass die Zentralstelle viel stärker agierte, als dies zuvor noch das Auswärtige Amt tat, das meist reaktiv auftrat und auf Entwicklungen eingehen musste. Köln schrieb nun ganz klare Pläne vor, eckte damit aber immer wieder bei den Schulvereinen an. Nach den anfänglichen Konflikten nahmen aber insgesamt alle Schulen die neue Struktur positiv auf. In einem Sonderheft des DLiA 1975 zu Spanien attestierten fast alle Schulleiter dem neuen System mehr Vor- als Nachteile. Als dringlichstes Problem sahen sie die Auslese geeigneter Schüler. Die Anforderungen hatten sich zwar quantitativ verringert, doch der bilinguale Unterricht war weiterhin eine große Herausforderung. Hoffnungen setzten sie daher in den sogenannten Seiteneinstieg, bei dem talentierte Kinder aus den Colegio nacionales direkt in die 5. Klasse übertreten konnten und eine ‚Neue Sekundarstufe‘ bildeten.99 Athen und Istanbul praktizierten dieses System gezwungenermaßen, und es lieferte gute Ergebnisse.100 Trotz aller Kritik und Konflikte bedeutete die Umstrukturierung erstmals nach 1945 ein klares Konzept und eine Abkehr vom Gießkannenprinzip. Nach der ungeplanten Entwicklung und einer nicht funktionierenden Begegnung lieferte das spanische Dekret 1969 die Möglichkeit zur strukturellen Neukonzeption. Erstens wollte man an großen Schulen wie Madrid oder Barcelona einen integrierten Lehrplan einführen und mit dem ‚Bachillerato mixto‘ abschließen, zweitens kleineren Schulen die Möglichkeit geben, mit spanischem Lehrplan verstärkt Deutschunterricht anzubieten – ein Konzept, das auch heute noch in den Sprachdiplomschulen umgesetzt wird, von denen es weltweit circa 1.100 gibt und die eine wichtige Ergänzung der traditionellen Auslandsschulen bilden, da sie neben der Sprache deutsche Lernkulturen und Traditionen vermitteln.101 Von den neuen Begegnungsschulen erhoffte man sich in Köln einen stärkeren interkulturellen Kontakt. Das bedeutete aber auch, dass politische Vorstellungen direkter aufeinander treffen konnten, als sie dies zuvor taten. Die Rolle als Diplomaten in der Welt intensivierte sich für die Auslandsschulen ab den frühen 1970er Jahren, da sie nun nicht nur Bildung exportieren, sondern im Sinne des Nation Branding ein aktuelles und adäquates Deutschlandbild vermitteln sollten. Landeskunde und Deutschlandkunde gewannen immer mehr an Bedeutung. In einem Bei99
Vgl. Weimann: Das „Bachillerato mixto“, S. 158.
100 Vgl. Allhoff, Gottfried: Die „Neue Sekundarstufe“ an der Deutschen Schule Valencia, in: DLiA 6 (1975), S. 159–163. 101 http://www.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_ZfA/ Auslandsschularbeit/DSD/node.html (aufgerufen am 25.11.2016).
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trag des DLiA stellte der Lehrer Bernhard Becker einige Jahre später die These auf, dass die Schulen nicht nur Deutschlandkunde vermitteln, sondern Deutschlandkunde „sind“. Jede Unterrichtsstunde und jedes Handeln eines Lehrers habe einen deutschlandkundlichen Aspekt.102 Der Terminus ‚Begegnung‘ beinhaltet demnach nicht nur den Kontakt der Schüler untereinander und die strukturelle Organisation der Schulen, sondern auch die Begegnung mit anderen politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen. In Spanien waren die Auslandsschulen als Vertreter des demokratischen Deutschlands zwischen 1949 und 1975 mit einer Diktatur konfrontiert. Die Spanier begegneten im Gegenzug tendenziell ‚zwei Deutschlands‘.
7.3 BEGEGNUNG MIT DER DEMOKRATIE: DER UMGANG IN DEN SCHULEN MIT DER FRANCO-DIKTATUR Begegnung beinhaltete nach der Vorstellung Onnens auch ein tiefes Verständnis für die Kultur des Gastlandes.103 Verstand man darunter auch politische Kultur, bedeutete dies ein Verständnis für unterschiedliche Regierungsformen. In Spanien trafen nach 1949 nicht zum ersten Mal zwei unterschiedliche Staatssysteme aufeinander. Bereits die Schulen der Weimarer Zeit hatten zeitweise der Diktatur Miguel Primo de Riveras gegenübergestanden. Eines hatte sich aber seitdem grundlegend geändert: Waren die Auslandsschulen vierzig Jahre zuvor noch weitgehend eine kulturelle Insel im spanischen Umfeld, sollten sie nun die Partnerschaft der beiden Nationen vorleben. Kein einfaches Unterfangen, hatte sich doch der Militarismus des Franco-Staates auch in den Schulalltag eingeschlichen. Ein illustrativer Beleg dafür ist eine Fotografie des Schulfaschings der Deutschen Schule Bilbao aus dem Jahr 1954. Kinder posierten verkleidet als Soldaten und präsentierten das Gewehr. Die Schule äußerte keinerlei Bedenken, sondern druckte das Bild in ihrer Chronik ab.104 Für sie repräsentierte der Junge anscheinend ein vorzeigbares Bild ihrer Schüler. Auf der Makroebene gestalteten sich nach der Gründung der Bundesrepublik die Beziehungen zum franquistischen Spanien schwierig. Bundeskanzler Konrad Adenauer vermied auf der höchsten politischen Ebene den Kontakt zu Franco. Auf einer unteren Ebene war Zusammenarbeit aber notwendig, nicht zuletzt um die Eigentumsverhältnisse der Schulgrundstücke zu regeln.
102 Vgl. Becker, Bernhard: Die Stellung und die pädagogische Arbeit der deutschen Schulen im Ausland unter deutschlandkundlichen Aspekten, in: DLiA 4 (1985), S. 25–33. 103 Vgl. Referat von Engelbart Onnen zur Interdependenz von Schulzielen, März 1975, in: BAK B304/3038. 104 Vgl. 50 Jahre DSBi, S. 121. Anm: Das Bild stammt von einem unbekannten Fotografen und ist ohne weitere Angaben in der Schulchronik abgedruckt. Die Markierung erfolgte durch den Autoren.
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Abbildung 7: Schulfasching an der Deutschen Schule Bilbao
Quelle: Jahresbericht DS Bilbao 1954 Mit der Regierungsübernahme Ludwig Erhards nahm das deutsche Engagement für eine spanische Integration in Europa zu, damit einhergehend intensivierten sich die wirtschaftlichen und politischen Kontakte zwischen den Staaten. 105 Kurt Georg Kiesinger stattete 1968 als erster bundesdeutscher Regierungschef Spanien einen offiziellen Staatsbesuch ab. Die Zeichen auf Annäherung standen gut, doch der politische Kontakt in den Folgejahren verlief keineswegs geradlinig. Durch die Regierung Brandts änderte sich die deutsche Spanien-Politik erneut. War das iberische Land zuvor noch ein starker Partner gegen den Kommunismus, verlor dieses Argument mit der Ostannäherung der Bundesrepublik zunehmend an Gewicht und die ablehnende Haltung der SPD gegenüber dem Franco-Regime erschwerte die Beziehungen.106 Die Zusammenarbeit der Partei und der Friedrich-Ebert-Stiftung mit oppositionellen Kreisen in Spanien sorgte in der spanischen Regierung für Missstimmung.107 Kooperationen dieser Art eröffneten aber nach 1975 einen neuen Weg der Zusammenarbeit, der Deutschland nach dem Ende der Diktatur schlagartig zu einem der wichtigsten Partner Spaniens machte, hatten doch die neuen Entscheidungsträger bereits Kon-
105 Vgl. Aschmann: Treue Freunde?, S. 453f. 106 Vgl. ebd. 107 Vgl. im Folgenden: Muñoz Sánchez, Antonio: Von der Franco-Diktatur zur Demokratie. Die Tätigkeiten der Friedrich Ebert Stiftung in Spanien, Bonn 2013, S. 13ff.
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takte mit der deutschen Regierungspartei.108 Dadurch lässt sich auch die Unterstützung für einen Eintritt Spaniens in die NATO und die EG (Vollmitgliedschaft) erklären, die so mit ein Resultat der Kooperation zwischen SPD und PSOE sind. Gleichzeitig übernahm Deutschland in der Zeit der Transición eine innenpolitische Beratungstätigkeit und half beim Auf- und Ausbau von Gewerkschaften, der Lösung des Regionalismusproblems und bei der Ausarbeitung der Verfassung. Die Auslandsschulen erhielten in diesem Prozess die Funktion als Vermittler von demokratischen Werten zugeschrieben. In der Diskussion um ihre finanzielle Förderung zu Beginn der 1960er Jahre betonte der SPD-Abgeordnete Georg KahnAckermann in einem Schreiben an das Auswärtige Amt ihr demokratisches Potenzial:109 „Das Argument, dass in den letzten Jahren für die deutschen Schulen in Spanien so viel getan worden wäre und man in einem gewissen Abschluss kommen müsse, finde ich nicht stichhaltig. […] Wenn es die Politik der Bundesregierung ist, Spanien in die EWG zu bringen, dann kann sie dazu einen handfesten Beitrag leisten, indem die deutschen Schulen in Spanien soweit wie möglich ausgebaut werden und damit dem absolut unterentwickelten mittleren und höheren Schulwesen in diesem Lande eine Hilfe geben, die notwendige Voraussetzungen für den spanischen Weg nach Europa schafft.“
Kahn-Ackermann war mit seiner Meinung nicht allein. Das Auslandsschulwesen sahen Politiker immer wieder als Instrument der Demokratiebildung an. Aufgrund ihrer Struktur konnte die Schule einerseits interkulturelles Lernen als einen Aspekt politischer Bildung durchsetzen, andererseits war sie als Lebens- und Erfahrungsraum selbst ein Ort für Demokratie-Lernen im Alltag.110 Schüler konnten durch eigene Erfahrungen und Handeln den Sinn von Politik und Demokratie praktizieren und dadurch Demokratiekompetenzen erwerben. In Spanien war diese Arbeit allerdings rund dreißig Jahre durch die Diktatur Francos geprägt. Politiker, Diplomaten und Lehrer mussten sich mit dem politischen System des Gastlandes auseinandersetzen und arrangieren. Erwin Kothny, Konsul in Bilbao, durch sein Amt an diplomatische Zurückhaltung gebunden, kommunizierte intern durchaus über die Möglichkeiten einer Demokratisierung Spaniens mit Hilfe der Auslandsschulen:111
108 Vgl. Aschmann: Treue Freunde?, S. 459f. 109 Georg Kahn Ackermann an Dieter Sattler, 27.09.1962, in: PAAA B93 603/IV4 Bd. 283. 110 Vgl. Henkenborg, Peter: Politische Bildung als Schulprinzip: Demokratie-Lernen im Schulalltag, in: Sander, Wolfgang (Hrsg.): Handbuch politische Bildung, Schwalbach 32005, S. 265–282, S. 265. 111 Konsul Erwin Kothny an Auswärtiges Amt, 26.02.1964, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 709.
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„Spanien ist ein autoritär geführter Staat. […] nicht zu bestreiten dürfte jedoch sein, daß Spanien früher oder später seinen Weg zu einer demokratischen Regierungsform wird suchen müssen, wenn es seinen Anschluß an das übrige Europa finden will. Dazu aber bedarf der Spanier bereits heute einer gewissen Anleitung von außen her, da ihm im Laufe der letzten drei Jahrzehnte aus verständlichen Gründen ein demokratisches Empfinden in erheblichem Maße verlorengegangen ist. Eine derartige ‚politische Entwicklungshilfe‘ können wir dem heranwachsenden Spanier in Gestalt eines im demokratischen Sinn geformten deutschen Schulunterrichts gut geben.“
Wie bei Georg Kahn-Ackermann ist das Zitat zwar im Zusammenhang mit der Argumentation um mehr Fördergelder zu sehen, doch es zeigt, dass die unterschiedlichen politischen Systeme immer wieder Teil im Diskurs der Auslandsschulen waren. So ärgerten sich die deutschen Mitglieder des Schulvereins Madrid Anfang der 1960er Jahre während des Streit in der Vorstandschaft darüber, dass „ausgerechnet die Spanier“ sie mit demokratischen Mitteln aus der Schule verdrängen würden.112 Die Schulen waren vielfach ein politischer Raum, der sich den Regeln des Gastlandes anpassen musste, um überleben zu können. 7.3.1 Leben nach den Regeln des Gastlandes Das Bewusstsein über die politische Diversität war in den Schulen vorhanden, doch meistens betrieben sie aus Rücksicht auf das Gastland keine aktive politische Erziehung. Sie hatten vielmehr einen diplomatischen Status inne, der zu Zurückhaltung aufforderte. Der demokratische Bildungsauftrag und die Auseinandersetzung mit der Diktatur des Gastlandes beschränkten sich auf private Kontroversen der Schulakteure und wirkten nicht nachweislich in das Umfeld und den Unterricht. Kritik gegenüber dem politischen System vermied man, Konflikten ging man aus dem Weg. An der Deutschen Schule Barcelona enthob die Vorstandschaft Schulleiter Benno Volk 1961 seines Amtes, weil er erstens mit seinem autoritären Verhalten seine Vorgesetzten verärgert und zweitens das Bild Francos, das in allen spanischen Schulen hängen musste, von der Wand entfernt hatte.113 Ein anderes Beispiel findet sich in Madrid, wo die Geschichtslehrer 1967 den Einsatz der Geschichtsbücher für Mittelklassen der Realschule aus dem Klett Verlag vermieden, da sie das politische System Spaniens zu kritisch darstellten und eindeutig antispanische Ten-
112 Vgl. Grosse, Gottfried: Skandal um die deutsche Schule in Madrid, in: Die Welt, 04.01.1961. 113 Korrespondenz Benno Volk mit Eugen Löffler Februar–April 1961, in: Hauptstaatsarchiv Stuttgart Q1/20 Nachlass Löffler 254.
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denzen beinhalteten.114 Expliziter Unterricht von demokratischen Strukturen beschränkte sich häufig auf den deutschen Zweig und deren Abiturvorbereitung.115 Es festigte sich in den Auslandsschulen ein Grundtenor: Gehorche den Gesetzen des Auslandes und mische dich nicht in seine innere Politik ein.116 Den Ausschlag für Aussagen dieser Art gab eine Episode aus Johannesburg: Als dort 1961 der Sportlehrer Viktor Niedermayer im Südafrika der Apartheid seine Kinder auf der Farm seines schwarzen Kindermädchens spielen ließ, verhaftete die Polizei seinen Nachwuchs und brachte ihn in ein Jugendheim. Weiße Kinder durften nicht mit dunkelhäutigen spielen, die Polizei ‚rettete‘ sie daher. Niedermayer warfen sie eine Vernachlässigung seiner Betreuungspflicht vor, und er brach die Regeln des Gastlandes, weil er sich privat mit der anderen ‚Rasse‘ abgab. Die Behörden verlängerten daher sein Visum nicht mehr und er musste das Land verlassen.117 Rückendeckung aus der Heimatbehörde erhielt er nicht. Auf eine Anfrage der SPD-Fraktion im Bundestag antwortete das Auswärtige Amt, dass es sich bei der Verhaftung der Kinder nur um eine Vorsichtsmaßnahme gehandelt habe und die Aufkündigung der Aufenthaltserlaubnis nicht im Zusammenhang mit dem Vorfall stehe.118 Es galt unter allen Umständen zu vermeiden, dass der ‚geringfügige‘ Vorfall eine diplomatische Krise provozierte. Viel einfacher erschien es daher, die Lehrer anzuweisen, auf die Sitten und Gebräuche der Gastländer mehr Rücksicht zu nehmen. In Spanien galt ebenfalls das Motto der ‚Nichteinmischung‘ und der persönlichen Zurückhaltung. Lehrer und Schüler sollten sich den spanischen Sitten, Moralvorstellungen und politischen Meinungen anpassen beziehungsweise diese nicht kritisieren. Ein Vorfall in Las Palmas im Jahr 1973 zeigt, wie eng schulinterne Probleme mit den gesellschaftlichen Gepflogenheiten vor Ort verbunden sein konnten.119 Ursprung war die Beschwerde einer Mutter über den Lehrer Schneemann. Dieser verkehre privat mit ihrer Tochter, habe sie am Strand eingecremt und sei eng an sie geschmiegt gesehen worden. Der Lehrer verteidigte sich in einer Stellungnahme, gestand den privaten Kontakt, gab jedoch an, dass dieser im Einvernehmen mit seiner Ehefrau geschehen sei, um dem jungen Mädchen die Zärtlichkeit zu ge114 Protokoll Fachkonferenz Geschichte 12.05.1967, in: Schularchiv Deutsche Schule Madrid. 115 Vgl. Bericht über Unterrichtsbesuch DS Barcelona 22.06.1973 im Fach Geschichte, in: BAK B304/4898. 116 Vgl. Hettich, Leonhardt: Vom Verhalten im Ausland, in: DLiA 10 (1960), S. 226. 117 Vgl. Anfrage der SPD-Fraktion im Bundestag, 28.02.1961, in: Drucksache Deutscher Bundestag 2561. 118 Vgl. Antwort des Bundesministers des Auswärtigen auf Kleine Anfrage der SPDFraktion, 15.03.1961, in: Drucksache Deutscher Bundestag 2618. 119 Vgl. im Folgenden: Bericht von Oberschulrat Aßmann über Schlussprüfung in Las Palmas, 12.06.1973, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 795.
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ben, die es in seinem Elternhaus nicht bekommen habe. Die Schulinspektion beschrieb Schneemann als hemdsärmeligen Lehrertyp, der mit ‚Jesuslatschen‘ und ‚Räuberzivil‘ schon äußerlich nicht den Vorstellungen der Schulleitung und des Vorstands entsprach. Der Schulverein sprach ihm als Konsequenz aus dem privaten Umgang mit seiner Schülerin die Kündigung aus, da er ein derartiges Verhalten als mit der Stellung eines Erziehers nicht vereinbar ansah. Neben dem nachvollziehbaren pädagogischen Argument brachte der Vorstand in der Diskussion aber noch einen weiteren interessanten Punkt auf: Ein solches Verhalten toleriere die spanische Öffentlichkeit nicht, und es könnte der Schule einen schlechten Ruf einbringen. Es waren also nicht nur die pädagogischen Gesichtspunkte, die zu seiner Entlassung führten, seine Vorgesetzten argumentierten zudem mit dem gesellschaftlichen Prestige ihrer Einrichtung. Beide Parteien schalteten das Konsulat als Schlichter ein, das sich zunächst für einen Verbleib Schneemanns aussprach. Der Verein akzeptierte den Schiedsspruch jedoch nicht und betonte nochmals, dass sich der Auslandslehrer an die Regeln des Gastlandes anzupassen habe. In der Debatte wurden neben den pädagogischen Argumenten die interkulturellen Differenzen immer mehr zum zentralen Element. Nach einigen Wochen schaltete sich die Zentralstelle ein und setzte eine Aufhebung der Kündigung durch, hielt aber an einer Suspendierung des Pädagogen fest.120 Onnen befürchtete bei einer bestehenden Aufhebung des Vertrags, dass Schneemann eine Klage mit der Begründung einreichen könnte, die ZfA habe ihn nicht auf die moralischen Wertungen des Gastlandes vorbereitet. Die finanziellen Folgen wollte niemand riskieren, man nahm den Lehrer vielmehr in Schutz, er komme schließlich aus der „extrem freizügigen BRD“. Für Spanien bedürfe es einer speziellen Einstellung, die Schneemann noch fehle:121 „Sicherlich bedarf er im spanischen Ambiente, dessen Substanz durch den Tourismus zwar überlagert aber nicht im Kern gelöst ist, des Rates und auch der Belehrung der Erfahrenen. Es kann angenommen werden, daß er hierfür jetzt zugänglich ist. Vorher war er es vermutlich ebensowenig wie die Mehrzahl der neuen pädagogischen Erlösergeneration.“
Die Kölner Verwaltung erkannte zunehmend, dass eine bessere pädagogische und interkulturelle Vorbereitung für die Auslandslehrer notwendig war. Dem Lehrer als Repräsentanten der deutschen Kultur kam immer mehr Bedeutung zu. Er stand mit seinem Verhalten stellvertretend für das Land sowie für dessen demokratischen Bildungsauftrag und politische Kultur. Wie Deutschland eingeschätzt wurde, hing maßgeblich vom Führungsstil der Lehrkraft ab. Die Diskussionen um Einführungsseminare und spezielle Schulungen erhielten durch solche Einzelfälle neuen An120 Vgl. Zentralstelle für Auslandsschulwesen an Auswärtiges Amt, 24.09.1973, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 795. 121 Vgl. ebd.
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trieb. Dabei war es 1973 keineswegs ein Novum, dass mit Blick auf die kulturelle Prägung Spaniens besondere Rücksicht genommen werden musste.122 Bereits 1954 löste der junge Lehrer Paul Simmet einen Skandal aus.123 Bei einem Heimaturlaub hielt er in Zweibrücken einen Vortrag vor einer katholischen Jugendgruppe und referierte über seine Erfahrungen im Ausland. Dabei beschrieb er das gefährliche Polizeiwesen der Diktatur, die missliche Soziallage der Arbeiter, die chaotische Verwaltung und die geringe Bildungsqualität sowie die hohe Analphabetenquote. Durch einen Bericht über seinen Vortrag im Pfälzischen Merkur gelangten die Inhalte an die spanische Botschaft. Diese legte sogleich Beschwerde über die in ihren Augen beleidigenden Äußerungen ein. Simmet wurde daraufhin zurückberufen und verlor die Aufenthaltsgenehmigung im Land.124 Versuche, seine Aussagen richtigzustellen, blieben erfolglos. Ein weiteres Beispiel aus Madrid aus dem Jahr 1963 zeigt nochmals, wie heikel oftmals der Umgang mit dem Gastland war. In der Schülerzeitung Der Wecker erschienen in der zweiten Ausgabe mehrere Artikel, die den Unmut des Schulleiters hervorriefen. Während einige Texte den eigenen Ruf der Schule herabsetzten, erregten die Einleitung und der Schluss einer HemingwayGeschichte den Groll des Direktors, da sie in Spanien „politisch unklug“ seien.125 Er konfiszierte alle 700 gedruckten Zeitschriften und verbrannte bis auf zwei Ansichtsexemplare alle Ausgaben in seinem Kamin. All diese Fälle lassen erahnen, dass eine offene Positionierung gegen die Diktatur Francos oder ein Verstoß gegen den Moralkodex der spanischen Gesellschaft trotz des demokratischen Bildungsauftrages für die Auslandsschulen nicht möglich war oder zumindest nicht gern gesehen wurde. Infolge der auferlegten diplomatischen Zurückhaltung praktizierten die Schulen diesen daher kaum. Die Passivität änderte sich auch nicht nach dem Tod des Diktators. Das Ableben des spanischen Regierungschefs thematisierten die Schulen nicht. In den Jahresberichten und Chroniken finden sich keine politischen Anmerkungen zum politischen Wechsel in Spanien nach 1975. Dies hing sicherlich damit zusammen, dass in der spanischen Gesellschaft bis Ende der 1990er Jahre ein einvernehmliches Schweigen über die Vergangenheit der Diktatur herrschte und die Funktion des Staatsoberhauptes lange Zeit öffentlich nicht kritisch betrachtet wurde, so dass kein offizieller Diskurs über die Jahre der Diktatur stattfand.126 Selbst in der jüngeren 122 Vgl. dazu auch die Episode der Lehrerin Edith Hermes, Kapitel IV. 1.1. 123 Vgl. zum Folgenden: Deutsche Schule Bilbao an Auswärtiges Amt, 11.04.1954, in: PAAA AV 7676. 124 Vgl. Ministerio de Asuntos Exteriores an Embajada Bonn, Datum unbekannt, in: AGA 82/20880. 125 Vgl. Schreiben Schulleitung DS Madrid an AA, 27.05.1963, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 1325. 126 Vgl. Capedón, Ulrike: Der öffentliche Umgang mit der Franco-Diktatur, in: APuZ, 36/37 (2010), S. 33–38.
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Generation lässt sich noch heute kein Konsens über die Deutung der jüngsten Vergangenheit finden und das Wissen von Jugendlichen über Franco variiert stark. Eine 2013 durchgeführte Befragung in der Provinz Málaga hat gezeigt, dass die Mehrheit der spanischen Gymnasiasten widersprüchliche Geschichtsbilder besitzt.127 Es fehlte daher in der Gesellschaft und den Schulen nach dem Tod Francos eine tiefgehende Aufarbeitung. Die Auslandsschulen waren trotz ihrer Stellung als kulturpolitische Mittler in diesem Bereich zumindest nach außen hin eine unpolitische Einrichtung, die keine offiziell anerkannte Rolle in der Demokratiebildung innehatte. In anderen politischen Bereichen sah dies durchaus anders aus. Während die Deutschen Schulen sich in den Jahren vor 1975 nicht aktiv gegen das Franco-Regime positioniert hatten und diesen Komplex auch danach kaum angingen, versuchten andere deutsche Einrichtungen in der Phase der Transición den spanischen Wandel zu unterstützen. Allen voran die politischen Stiftungen halfen den spanischen Parteien beim demokratischen Aufbau.128 Die Konrad-Adenauer- und die Friedrich-Ebert-Stiftung engagierten sich schon vor der politischen Wende. Die Hanns-Seidel-Stiftung schaltete sich erst später in den Prozess ein und argumentierte dabei wie ihre Pendants zuerst mit der außerschulischen Demokratiebildung:129 „Wir leisten in den Ländern, in denen jetzt die Demokratie sich entfalten kann, partnerschaftliche Hilfe. […] Die angesprochenen Stiftungen sind politische Stiftungen für Erwachsenenbildung, d. h. sie betreiben auf der Grundlage ihrer Weltanschauung außerschulische politische Erwachsenenbildung.“
Neben den Stiftungen waren weitere halboffizielle Kulturvermittler in der Demokratisierung aktiv. Das Madrider Goethe-Institut stellte beispielsweise 1976 die Bühne für eine der wichtigsten Debatten über die politische Zukunft Spaniens bereit, als sich dort Vertreter verschiedener Parteien zur Diskussion trafen.130 Eine demokratische Erziehung junger Spanier in den Auslandsschulen nach 1975 wäre bei so viel Engagement eine naheliegende Vermutung, doch finden sich 127 Vgl. Zehr, Kathrin: Memoria Histórica in der Schule. Eine Analyse der Geschichtsbilder spanischer Jugendlicher am Beispiel von Gymnasiasten aus der Provinz Málaga, Univ. Diplom, Köln 2013, S. 69f. 128 Vgl. für die Konrad-Adenauer-Stiftung: Urigüen López, Natalie: Von der „traditionellen Freundschaft“ zur „notwendigen Nähe“. Entwicklung der Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland gegenüber Spanien. 1949–1979, in: Historisch-Politische Mitteilungen 20 (2013), S. 71–102; für die Friedrich-Ebert-Stiftung: Muñoz Sánchez: Von der Franco-Diktatur zur Demokratie. 129 Vgl. Notiz von Solemacher über Gespräche mit dem Bayrischen Rundfunk, 04.05.1977, in: ACSP HSS V IBZ 4 Spanien. 130 Vgl. Haubrich, Walter: Spanien, München 2009, S. 60.
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in den Strukturen, Lehrplänen, Konferenzen oder im Lehrmaterial ebenso wenig Hinweise darauf wie auf einen bewussten Wandel des Unterrichts nach 1975. Das neue politische System thematisierten sie offiziell nicht. Dies kann durchaus überraschen, da Deutschland und Spanien immerhin gemeinsam hatten, in der jüngeren Geschichte eine Diktatur und einen demokratischen Neubeginn erlebt zu haben. Deutschland hätte – im wahrsten Sinne des Wortes – die Rolle eines Lehrers einnehmen können.131 Die eigene Erinnerung an den Nationalsozialismus steckte aber noch abgesehen von einigen Initiativen weitgehend in den Kinderschuhen. Es ist daher anzunehmen, dass politische Bildungsarbeit im persönlichen Kontakt stattfand. Ein Indiz hierfür ist die Deutsche Schule in Málaga, die durch ihren Schulvorstand Hans Hoffmann eng mit der CSU verbunden war. Er hatte persönliche Kontakte zu Franz Josef Strauß, der die Schule unter anderem mit privaten Spenden unterstützte.132 Der Konsul initiierte eine Kooperation mit der parteinahen Hanns-Seidel-Stiftung, die ein Bildungszentrum auf dem Grundstück der Schule gründete. Der langjährige Schulleiter Erhard Zurawka übernahm dessen Leitung und sorgte so für eine enge personelle Verbindung zwischen Schule und Stiftung, die in ihrer Anwesenheit und nun auch in der Kooperation mit der Schule einen wichtigen Beitrag zur Demokratiebildung sah, was interne Notizen in der Stiftung über das neue Bildungszentrum belegen:133 „Die gesellschaftspolitische Lage in Spanien erfordert und rechtfertigt derzeit eine Hilfe für die demokratischen Kräfte Spaniens von außen. Diese benötigen insbesondere Hilfestellung bei der breiten Aufklärungsarbeit der Bevölkerung über alle Fragen der demokratischen Praxis und über die Entwicklung in den europäischen Ländern.“
Die Nähe zur Hanns-Seidel-Stiftung nahm der Großteil der Verwaltung und des Lehrerkollegiums positiv auf, da man sich Unterstützung für die Schule erhoffte:134
131 Olea García, Laura: La transición de la dictadura a la democracia como categoriá común a Alemania y España, in: Jarillot Rodal, Christina (Hrsg.), Bestandsaufnahme der Germanistik in Spanien. Kulturtransfer und methodologische Erneuerung, Bern u. a. 2010, S. 639–649. 132 Strauß übernahm eine Bücherrechnung im Wert von knapp 3.300 DM; vgl. Handschriftliche Aktennotiz Franz Josef Strauß, Datum unbekannt, in: ACSP NL Strauß PV 14336. 133 Vgl. Notiz Hans Friedrich von Solemacher, Wiss. Mitarbeiter der HSS, 25.01.1977, in: ACSP HSS V IBZ4 Spanien. 134 Anlage Lehrerbericht in Schreiben ZfA an Auswärtiges Amt 02.08.1983, in: PAAA B93 ZA Bd. 1312.
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„Günstig für die Schule wirkt sich die Nähe der Hanns Seidl Stiftung aus, deren Leiter, Herr Dr. Zurawka, zugleich am Colegio Aleman beschäftigt ist. Durch diese personelle Verbindung besteht die Möglichkeit, die dortigen Räumlichkeiten und das Studienmaterial ggf. in Anspruch zu nehmen.“
Die Presse sprach vom „Nachhilfeunterricht in Demokratie“,135 doch dieser beschränkte sich offenbar auf die Arbeit der Stiftung, zwischenmenschliche Kontakte und auf indirekte Einflussnahme im schulischen Bereich durch persönliche Gespräche und Aktionen seitens der Schulleitung und des Vorstandes136 . Auf der anderen Seite hatte das spanische Regierungssystem zu keiner Zeit nennenswerten Einfluss auf die inhaltliche Ausrichtung der Schulen. Das Erziehungsministerium stellte als Exekutivorgan kaum Forderungen und Ansprüche. Einzig der Einfluss der katholischen Kirche war, wie bereits dargestellt, ein wichtiger Aspekt, der die Schulen in stärkerem Maße prägte. Insgesamt führte die Akzeptanz der politischen und gesellschaftlichen Strukturen zu einer rücksichtsvollen Positionierung in der spanischen Kulturlandschaft, so dass sich die Schulen nicht um ihre Existenz sorgen mussten, aber eben auch keine demokratischen Impulse initiierten. 7.3.2 Schulen als politischer Raum: rote Vögel und schwarze Schafe Die Schulen trotz ihrer politischen Zurückhaltung in Bezug auf das Gastland als unpolitischen Raum zu definieren, wäre allerdings eine Fehlinterpretation. Lehrer, Vereinsmitglieder, Schulleitung, Elternschaft und Schüler hatten ihre spezifischen Vorstellungen und politischen Meinungen, die sie in die Verwaltung und in den Unterricht hineintrugen. Der deutsche Ost-West-Gegensatz und der Kalte Krieg bildeten nach 1949 den Hintergrund für ideologische Debatten. Dies war kein Spezifikum für Spanien. In Chile beschwerte sich beispielsweise die deutsche Botschaft über die kommunistische Orientierung der Ortslehrkräfte, die deutschen Lehrer hätten daher einen schweren Stand, sich mit einem klaren Bekenntnis zur Demokratie durchzusetzen.137 In Spanien unterzog Franco die einheimischen Lehrer einer strengen Kontrolle. Die Regierung sah in der Bildung ein fundamentales Instrument der Indoktrinie-
135 Vgl. Schmalz, Peter: Nachhilfeunterricht für das Abenteuer Demokratie, in: Die Welt, 20.09.1983. 136 Vgl. Persönliche Erinnerungen Dr. Erhard Zurawka (persönliches Interview Februar 2016). 137 Vgl. Deutsche Botschaft Santiago de Chile an Auswärtiges Amt, 26.09.1961, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 245.
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rung, das sie durch systemkonforme Lehrer umsetzen konnte.138 Die rigorose ‚Lehrer-Säuberung‘ führte zu einer Durchsetzung der Lehrerschaft mit linientreuem Personal und damit gleichzeitig zu einem sinkenden Niveau, da viele talentierte Pädagogen ihre Jobs verloren.139 Francos Politik beeinflusste auch die Auslandsschulen. In San Sebastián erteilten beispielsweise drei Mitglieder der Falange den politischen Unterricht für den spanischen Zweig.140 Das spanische Personal war somit größtenteils politisch rechts orientiert, gegen die deutsche Seite kamen dagegen immer wieder Vorwürfe auf, einzelne Lehrkräfte oder Schulen würden kommunistische Ideen verbreiten. Diesen Anschuldigungen galt es besonders in Spanien entgegenzutreten, um den Ruf der Anstalten zu bewahren. Im Jahr 1975 erreichte beispielsweise Außenminister Hans-Dietrich Genscher ein besorgtes Schreiben des stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU, Hans Kratzer. Dieser erhielt Briefe aus Santa Cruz mit Klagen über einen links orientierten Pastor, der seinen Schülern ein kommunistisches Glaubensbekenntnis diktiert habe.141 In einer Stellungnahme der Schule teilte der Vorstand mit, dass besagte Lehrkraft bereits versetzt worden sei und die Vorfälle schon lange zurück lägen. Die Schulleitung fühlte sich übergangen und war verärgert, dass sie durch solche Aussagen in Misskredit gebracht wurde:142 „Hier werden auf Grund von anonymen Informationen […] Gerüchte in die Welt gesetzt[…], die nur eine ungerechtfertigte Diskriminierung eines gesamten Kollegiums und einer gesamten Schule zur Folge haben. Jemand, dem das Wohl der Schule am Herzen liegt, hätte sich in erster Linie mit der Schule in Verbindung gesetzt.“
Das Motiv des Antikommunismus durchläuft die Auslandsschulen wie ein rotes Band. Einige exemplarische Episoden zeigen, dass die Abgrenzung zum Kommunismus und zum ‚Osten‘ für viele Akteure zum Kernelement der Schulen gehörte. So wandte sich im Mai 1956 der Schokoladenfabrikant Emile Steiner direkt an Bundeskanzler Adenauer mit der Bitte um eine Million Mark für den Aufbau einer
138 Vgl. Ramos Zamora, Sara: Maestros y maestras de primera enseñanza bajo la dictadura franquista. Depuracíon y represión, in: Cuesta, Josefina (Hrsg.): La Depuracíon de Funcionarios bajo la Dictadura franquista, 1936–1975, Madrid 2009, S. 52–64, S. 55. 139 Vgl. Bernecker: Spanien Handbuch, S. 358. 140 Vgl. Schulauskunftsbogen Deutsche Schule San Sebastián, Oktober 1961, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 338. 141 Vgl. Schreiben Hans Kratzer an Außenminister Genscher, 3.11.1975, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 1055. 142 Stellungnahme Deutscher Schulverein zum Schreiben von Hans Kratzer, 21.12.1975, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 1055.
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Humanitas School in Locarno. 143 Kernaufgabe der Schulen sollte laut seinem Schreiben die Abwehr des Ostens sein, denn der Westen sei diesem so lange unterlegen, bis dort eine systematische Schulung zur Freiheit stattfinde, welche die Auslandsschulen verbreiten sollten. Kann man Steiners Schreiben noch als den Brief eines ‚Ewiggestrigen‘ abtun, der elf Jahre nach Kriegsende noch den Kampf gegen den „totalitären Osten“ beschwor und ganz im Sinne des Systemwettkampf während des Kalten Krieges argumentierte, ist der Vorwurf Eduard Werners, eines besorgten Vaters knapp dreißig Jahre später nicht mehr mit einem überkommenen Sprach-Duktus erklärbar. Werner beschwerte sich bei Botschafter Lothar Lahn, dass die Grundschule Madrid einen Besuch auf einem Bauernhof plane, deren Besitzer der kommunistischen Partei naheständen.144 Er untersagte seinem Kind die Teilnahme an der Klassenfahrt und warnte vor einer leichtfertigen Zusammenarbeit mit den spanischen Kommunisten. In einem weiteren Schreiben kritisierte er die Haltung der Schule:145 „[Es gebe] Hetze gegen die NATO in den offiziellen und in den clandestinen Schülerzeitungen. Ein Lehrer erklärte […] die Aufstellung sowjetischer Angriffswaffen mit einer verständlichen Angst vor einem deutschen Angriff. Ein anderer Lehrer begründete intern die Zusammenarbeit mit dem kommunistischen Landschulheim so: Diese Partei werde noch sehr wichtig werden und deshalb liege es im deutschen Interesse, schon jetzt gute Kontakte zu ihr zu entwickeln. Es sei dahingestellt, ob es sich hier nur um eine Außenpolitik auf eigene Faust handelt, oder ob dieser Mann auf höhere Weisung hin vorgeht.“
Die Botschaft in Madrid stärkte in diesem Disput der Schule den Rücken und meldete, dass an der demokratischen Grundordnung der Grundschule und ihres Leiters keine Zweifel bestehen.146 Ein anderer Vorfall ereignete sich nahezu zeitgleich in Marbella, als dort der Schulverein dem Vorwurf ausgesetzt war, Lehrer zu beschäftigen, die einen kommunistisch geprägten Unterricht halten würden.147 Die Schule galt als Kommunisten- und Rauschgiftzentrum, eine Kritik, die überraschend wirkt, schließlich war gerade Marbella durch Schulleitung und Vorstand eng mit der CSU und der partei143 Vgl. Schreiben Emile Steiner an Bundeskanzler Adenauer, 01.05.1954, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 56. 144 Vgl. Schreiben Eduard Werner an Lothar Lahn, 28.04.1983, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1311. 145 Vgl. Schreiben Eduard Werner an Lothar Lahn, 08.10.1983, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1311. 146 Vgl. Schreiben Deutsche Botschaft an Auswärtiges Amt, 12.10.1983, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1311. 147 Vgl. Beschwerde Helmuth Schuhmacher an MdB Probst, 26.06.1984, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1312.
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nahen Hanns-Seidel-Stiftung verbunden. Sie arbeitete mit der Alianza Popular zusammen, die im politischen Spektrum als Rechtsaußenpartei und als Zufluchtsort für alte Falangisten galt. Die anderen Stiftungen beschwerten sich über diese Verbindung, doch Hoffmann hielt die Beziehung zur Partei aufrecht.148 Als Leitbild artikulierte die Hanns-Seidel-Stiftung das Ziel, eine Bildungsarbeit für alle politischen Gruppierungen bis Mitte-Links zu betreiben. Offen linksorientiere Lehrkräfte hatten daher in der Schule wohl eher einen schweren Stand. Mitte der 1980er Jahre musste dies eine Lehrerin erleben. Schulvorstand Hoffmann missbilligte in einem Schreiben an die Botschaft ihre politische Orientierung:149 „[Sie] war äußerst kontaktarm und bekam […] den Spitznamen ‚Rotvogel‘. Offenbar war sie gesellschaftsverändernd engagiert. […] Sie trug ihre persönlichen politischen Überzeugungen in den Unterricht. Das Schulpatronat hat darüber hinweggesehen, weil wir überhaupt glücklich waren, eine Lehrkraft gefunden zu haben […]. Unter der Elternschaft wurden Stimmen laut, weshalb wir eigentlich nicht gleich Lehrer aus der DDR erbitten. […] Sie können sich denken, dass derartige Äusserungen mir äusserste Missvergnügen bereiten.“
Hoffmann argumentierte gegen eine Weiterbeschäftigung der Lehrkraft mit der Rolle der Auslandsschule im Gastland und schrieb weiter: „Mit extremistischen Lehrern sind deshalb Konflikte mit den deutschen Schulvereinen vorprogrammiert. Auch Gastländer sehen es bestimmt nicht gern, wenn an Deutschen Auslandsschulen Tendenzen propagiert werden, die dem Gastland nicht passen.“
Für Hoffmann war die Zusammenarbeit mit der Stiftung ein wichtiger Aspekt, seine eigene politische Einstellung zu demonstrieren. Ebenfalls eng verbunden war Erhard Zurawka, in Personalunion Leiter der Schule und der Außenstelle. Seine Personalie führte zu mehreren Beschwerden, jedoch nicht aufgrund seiner Verbindung zur Partei, sondern weil ihm die akademische Lehrerausbildung fehlte.150 Bildlich gesprochen war er das ‚schwarze Schaf’ unter den Schulleitern auf der Iberischen Insel, da er als einziger Direktor ohne entsprechendes Studium auf diesem Posten
148 Vgl. Aktenvermerk Gepperth, 21.04.1977, in: ACSP HSS V IBZ4 Spanien: „Herr Huber (Anm.: Konrad-Adenauer-Stiftung), da sich dieser mir gegenüber bitter beschwerte, dass die Konrad Adenauer Stiftung in Spanien nur Schwierigkeiten aus den Beziehungen der HSS zur Alianza Popular hätte. Die Partner der KAS würden die Alianza als rechtsradikal darstellen.“ 149 Hans Hoffmann an Deutsche Botschaft Lothar Lahn, 26.09.1981, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1220. 150 Vgl. stellvertretend Beschwerde Manfred Mongs an Auswärtiges Amt, 26.03.1979, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 1055.
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saß. Auf dem Weg zur Anerkennung der Schule durch das Auswärtige Amt war dies ein klares Hindernis, weshalb Zurawka die nötigen Staatsexamina nachholte. Seine politische Einstellung hingegen war als Leiter der Außenstelle der Hanns Seidel Stiftung offenkundig, weshalb besonders die Vorwürfe die Schule sei ein Kommunistenzentrum, überraschen. Marbella war kein Einzelfall, auch in anderen Städten sprachen sich Schulleitung oder Vorstandschaft offen gegen den Kommunismus aus. Im Rahmen der Wiedervereinigung hielt der Direktor der Deutschen Schule Barcelona eine Ansprache, in der er die Demokratie der Bundesrepublik lobte, die jahrelang den kommunistischen Bedrohungen aus dem Osten erfolgreich entgegengewirkt habe.151 Als Vertreter der Bundesrepublik vermittelten die Auslandsschulen ein Bild der ‚westdeutschen‘ Politik und Kulturlandschaft. Das Deutschlandproblem und die Existenz zweier deutscher Staaten konnte nicht ausgeklammert werden. Die Deutschlandfrage stellte sich auch immer wieder in den Auslandsschulen. Als die Deutsche Schule Las Palmas 1972 in einem Aide Memoire um finanzielle Hilfen bat, unterstrich sie einerseits die Bedeutung der Stadt als Mittelpunkt einer global orientierten Welt und vermerkte andererseits die wichtige Rolle der Sowjetunion und der DDR, die mit ihren Schiffflotten im Hafen präsent waren.152 Der Hinweis konnte eindeutiger nicht sein: Sollte das Geld aus Bonn ausbleiben, könnte man ja noch in Ostberlin anfragen. Die Schule fügte noch hinzu, dass man sich den demokratischen Grundlagen der Bundesrepublik verbunden fühle, weshalb man auf Unterstützung der anderen Länder verzichte. Die Äußerungen liefen ins Leere, doch sie waren durchaus als Drohung gedacht, das Lager zu wechseln. Es blieb beim Bluff, denn beide Seiten wussten, dass eine Annäherung an die DDR im spanischen Umfeld kaum möglich war. Doch wie ging man mit der Koexistenz der zwei Staaten um? Seit sich die Regierung unter Willy Brandt um eine Annäherung an den Osten bemühte, änderte sich die Situation grundlegend. Schnell wurde klar, dass die kulturelle Begegnung mit Deutschland nicht auf den Westen beschränkt bleiben durfte und die DDR in den Unterricht und in die Diskurse der Schule einbezogen werden musste. Doch wie funktionierte das konkret? Eine Geschichte aus Marbella kann Aufschluss geben: Zurawka berichtete von einem geselligen Beisammensein im Rahmen eines Seminars der Hanns-Seidel-Stiftung, das sie im Schulgebäude abhielt. Zu später Stunde versicherten sich die Teilnehmer Unterstützung bei ihren jeweiligen außenpolitischen Aufgaben. Die Deutschen versprachen bei der Rückgewinnung Gibraltars zu helfen, die Spanier versicherten ihren Dienst bei der Deutschlandfrage.153 Die persönlichen Erinnerungen des ehemaligen Schulleiters sind sicherlich nur eine 151 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1990/1991, S. 53. 152 Vgl. Aide Memoire Deutsche Schule Las Palmas, Dezember 1972, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 795. 153 Vgl. Persönliches Interview Erhard Zurawka, Juli 2014 in Marbella.
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Anekdote, aber sie zeigen, wie tief die politischen Fragen in den Akteuren verwurzelt waren. Die Begegnung mit dem ‚anderen Deutschland‘ war eine davon.
7.4 BEGEGNUNG MIT DEM ‚ANDEREN DEUTSCHLAND‘: DER UMGANG IN DEN SCHULEN MIT DER DDR Die DDR als zweiter deutscher Staat war in den Auslandsgemeinden stets präsent. Im Frühjahr 1959 schrieb der Deutsch-Argentinier Juan Maler einen Rundbrief an deutsche Behörden und beschwerte sich darin über die Kulturpropaganda, die wieder betrieben werde. Grund für seine Eingabe: Das Auswärtige Amt sandte an seine Schule eine Biographie Adenauers. Für Maler ein Affront, schließlich wolle er auch keine Werke über Wilhelm Pieck, den damaligen DDR-Präsidenten, erhalten.154 In Spanien spielte der zweite deutsche Staat ebenfalls immer wieder eine direkte und indirekte Rolle. Als die Schule in Zaragoza ihre Förderung und Anerkennung verlor, bedauerten Teile der Vorstandschaft, sich aufgrund ihrer eigenen Überzeugungen und der Situation im Gastland nicht an das „andere Deutschland“ wenden zu können.155 Zwar standen die beiden deutschen Staaten in einigen Ländern in direkter Konkurrenz zueinander, doch die Kulturpolitik der DDR beschränkte sich auf die östlichen Einflusszonen.156 Dabei fehlte ein Pendant zum westdeutschen Auslandsschulsystem. Zwar existierten an einzelnen Standorten wie in Moskau Botschaftsschulen, doch ein derart umfangreiches und finanzkräftiges System, wie es Bonn bzw. Köln praktizierten, lässt sich im Osten nicht finden. Die Auslandsschulen der Bundesrepublik hatten in ihren Standorten daher meistens das Monopol und vermittelten indirekt zwei Deutschlandbilder. Die Teilung und die Existenz zweier deutscher Staaten waren in der curricularen Programmatik und im privaten Alltag der Schulen vertreten. Informationen über die Bundesrepublik und die DDR wurden meist zusammenhangslos über den Heimatkunde-, Erdkunde- oder Geschichtsunterricht vermittelt.157 Explizite Lernziele
154 Vgl. Auslandsdeutscher Rundbrief Juan Maler, Januar 1959, in: BAK B304/5166. Malers Haltung im Brief ist äußert ambivalent. Verurteilte er einerseits jegliche Kulturpropaganda mit dem Argument, dass die zu sehr an die NS-Zeit erinnere, schrieb er wenige Zeilen später vom „Weltjudentum“, das die geistige Tradition des Abendlandes zerstören wolle. 155 Vgl. Kapitel 6.3.1 156 Vgl. Griese, Olivia: Auswärtige Kulturpolitik und Kalter Krieg. Die Konkurrenz von Bundesrepublik und DDR in Finnland 1949–1973, Wiesbaden 2006. 157 Vgl. im Folgenden: Fischer, Hans-Joachim: Deutschlandbild und Deutsche Frage in den an den Auslandsschulen und in der pädagogischen Auslandsarbeit der DDR verwende-
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gab es in den Lehrplänen nicht, die Verantwortung für die Aufbereitung geeigneter didaktischer Konzepte lag in der Hand der Lehrer und war entsprechend den jeweiligen qualitativen Gegebenheiten vor Ort unterworfen und vom Improvisationstalent der Pädagogen abhängig. Eine inhaltliche Erweiterung des Deutschlandbildes um Themen aus der DDR fand aber zu Beginn der 1970er Jahre statt. Die bis dahin betriebene Landeskunde, welche die DDR kategorisch ausklammerte, empfanden Lehrer und Lehrwerksautoren als Propaganda und nicht mehr zweckmäßig. Den Schülern sollte bewusst werden, dass ‚Deutschland‘ nicht allein die Bundesrepublik meinte und unter deutscher Kultur nicht nur das kulturelle Leben im Westen zu verstehen war. Die ZfA erweiterte zudem den Begriff ‚Deutschlandkunde‘ auf Österreich und die Schweiz und lieferte damit zu Beginn der 1970er Jahre erstmals Ideen für ein DACH-Konzept im Fremdsprachenunterricht. Da es keine expliziten Lehrwerke gab, war der Unterricht durch exemplarisches Lernen geprägt. An ausgewählten Beispielen sollten die Schüler mehr über die beiden deutschen Staaten erfahren. Vorrangiges Ziel war dabei nicht die Anhäufung eines Faktenwissens, sondern die Fähigkeit, Informationen unvoreingenommen aufzufassen, zu überprüfen und kritisch zu hinterfragen.158 Tief verwurzelte Vorstellungen sollten abgeschafft werden und eine intensive Auseinandersetzung mit der Deutschen Frage sollte stattfinden. In Spanien war eine unparteiische Darstellung der beiden deutschen Staaten jedoch den spezifischen Strukturen des Gastlandes unterworfen. Eine zu positive Darstellung von oder eine zu große Nähe zur Sowjetunion oder DDR konnte zu Kritik an den Schulen führen. Die Lehrkräfte waren, was das Unterrichtsmaterial betraf, auf die implizite Deutschlandkunde in den Fach-Lehrbüchern angewiesen, die damit einen großen Einfluss auf die Darstellung der beiden deutschen Staaten hatten. 7.4.1 Die DDR im Schulbuch und im Unterricht Im Juli 1962 bat das Auswärtige Amt in einem Schreiben an die Vertretung der Bundesrepublik bei der NATO, nach Möglichkeit keine Schulwandkarten aus der Sowjetischen Besatzungszone mehr zu kaufen, da diese den politischen Auffassungen widersprächen, denn sie erkannten die DDR als legitimen Staat und den bestehenden Grenzverlauf zwischen Polen und Deutschland an.159 Karten dieser Art ginten Unterrichtsmaterialien. Sektor 6 des Forschungsprojekts: Deutschlandbild und Deutsche Frage in den historischen, geographischen und sozialwissenschaftlichen Unterrichtswerken der beiden deutschen Staaten, Universität Oldenburg, 1984, S. 24ff. 158 Vgl. Picht, Robert: Didaktische Stichworte zum Deutschlandbild, in: DLiA 2 (1979), S. 31–40, S. 37. 159 Vgl. Auswärtiges Amt an Vertretung der Bundesrepublik bei der NATO, 16.07.1962, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 255.
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gen, meist wegen des niedrigeren Preises, immer wieder als Spenden an die Auslandsschulen – was das Auswärtige Amt nun unterbinden wollte. Die Folge war, dass die Bezüge zur DDR im Kartenmaterial der Auslandsschulen ab Mitte der 1960er Jahre abnahmen.160 Die Bonner Mitarbeiter kontrollierten das Schulmaterial in allen Bereichen – nicht nur im Hinblick auf die DDR, sondern auch auf andere osteuropäische Staaten. Ein Jahr nach der Kartenepisode lehnten sie beispielsweise den Einsatz der Auslandsfibel aus dem Schroedel Verlag ab.161 Dieser publizierte seit 1927 Lesewerke für den Grundschulunterricht mit Fokus auf den Auslandseinsatz. In seinem neuesten Werk stellte er jedoch die Souveränität Polens in Frage und bagatellisierte nach Meinung des Auswärtigen Amtes Verbrechen des Zweiten Weltkrieges auf beiden Seiten. So sei der Überfall auf Polen nur durch vorherige antideutsche Maßnahmen ausgelöst worden. Während es für die Verwendung im Inland keine Beanstandung gab, wurde das transportierte Deutschlandbild für den Einsatz im Ausland ohne Begründung als ungeeignet klassifiziert. Ab Beginn der 1970er Jahre stellte man die Vermittlung des Deutschlandbildes auf einen generellen Prüfstand.162 Die Kontrolle der Curricula war ein Teil der Reformmaßnahmen, eingeleitet durch die ZfA. Im Zuge dieser Überprüfung untersuchte der Bildungswissenschaftler Hans-Joachim Fischer an der Universität Oldenburg die an den Auslandsschulen eingesetzten Schulbücher, die in Fachdisziplinen wie Geschichte, Erdkunde und vor allem Deutsch als Fremdsprache ein implizites Bild der beiden deutschen Staaten vermittelten. Er unterschied dabei vier Kategorien von Büchern: erstens Schulbücher, die in der Bundesrepublik für den Einsatz im Ausland hergestellt wurden, zweitens Material, das für den Einsatz in Deutschland gedacht war, drittens Veröffentlichungen aus Selbstverlagen und viertens Lehrbücher für Deutsch als Fremdsprache.163 Es tummelten sich demnach viele unterschiedlichste Publikationen auf dem Markt, deren Qualität stark divergierte. Dass der fremdsprachliche Unterricht ein sachliches Wissen über Deutschland vermittelte, war durchaus bewusst, doch bis zu Beginn der 1960er Jahre gab es kaum Konzepte für eine Didaktik der Landeskunde.164 Das Bewusstsein für einen expliziten Deutschkunde-Unterricht entwickelte sich erst im Laufe der Jahre. Bis dahin waren der Erwerb der Zielsprache und die Förderung der Kommunikations160 Vgl. Fischer, Hans-Joachim: Das Deutschlandproblem in Unterrichtswerken für deutsche Auslandsschulen und fremdsprachlichen Unterricht Deutschunterricht (Deutsch für Ausländer), in: Freiwald, Helmut u. a. (Hrsg.): Das Deutschlandproblem in Schulbüchern der Bundesrepublik, Düsseldorf 1973, S. 199–225, S. 212. 161 Vgl. Aufzeichnungen über Fibel zur Deutschlandfrage von Hermann Schroedel, 25.03.1963, in: PAAA B93 603/IV, Bd. 255. 162 Vgl. Fischer: Das Deutschlandproblem, S. 200. 163 Vgl. ebd., S. 200f. 164 Vgl. Eicke, Hans: Zur Frage der deutschen Lesebücher und Lektüren für mittlere Klassen der Auslandsschulen, in: DLiA 8 (1961), S. 195–198, S. 195.
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fähigkeit das primäre und häufig einzige Lernziel.165 Ende der 1960er Jahre änderte sich dies, so dass eine Diskrepanz zwischen alten und neueren Lehrwerken entstand. In aktuelleren Publikationen bemühten sich die Macher, zeitgenössische Themen aufzunehmen und ein breites sowie vielseitiges Deutschlandbild zu vermitteln. Fischer stellte jedoch in seiner Untersuchung fest, dass der Großteil seines Untersuchungskorpus undifferenzierte Inhalte wiedergab. Die Lehrwerke schlossen pauschale Wertungen mit ein und aus sachlich richtigen Darstellungen wurden unrichtige Zusammenhänge konstruiert. 166 So folgerten die Autoren des Kleinen Deutschlandbuches für Ausländer verallgemeinernd aus dem Aufbau des Bildungswesens der DDR, dass die Sowjetunion in ausnahmslos allen Gesellschaftsbereichen Vorbild für das Leben im Osten gewesen sei.167 Häufig verzahnten sich Sachinformationen mit Vorurteilen, Mutmaßungen und Agitationen; die wenigsten Bücher boten durchgängig sachbezogene Informationen und gingen konkret auf politische, gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Verhältnisse in der DDR ein.168 Bei sachlich richtigen Informationen banden sie vor- oder nachgestellte Verweise auf die Bundesrepublik ein, die deren Überlegenheit darstellen sollten. Ein Beispiel findet sich im Lesebuch für Auslandsschulen des Diesterweg Verlags:169 In einem fiktiven Lesestück erzählt die Schülerin Gisela von einem überfahrenen, toten Igel auf der Straße und fügt an, dass ihre Cousine Gerda, die „hinter der Grenze“ wohne, berichtet habe, dass bei ihr nicht so viele Autos führen und es daher keine toten Igel gebe. Der indirekte Hinweis auf den Wohlstand im Westen in Form zahlreicher PKWs ist unüberhörbar. Des Weiteren wurden die Grenze beziehungsweise die Mauer als besondere Thematik in den Schulbüchern hervorgehoben und hatten einen besonderen Platz. Die Darstellungen reichten in Fischers Untersuchungskorpus von reinen Sachinformationen bis hin zu Reportagen und Abenteuergeschichten.170 Es fehlte nicht an polemisch aufgeheizten Formulierungen. Das ‚andere Deutschland‘ war beispielsweise mit einer Ausnahme nicht „gegründet“, sondern vom Sowjetstaat „errichtet worden“. Auffällig ist, dass die Lehrbücher das kulturelle Leben in der DDR hingegen ohne abwertende Konnotationen präsentierten, wobei der Schwerpunkt immer noch klar auf Autoren und Literaten der Bundesrepublik lag.171 165 Vgl. Erdmenger, Manfred/Istel, Hans-Wolf: Didaktik der Landeskunde, München 1973, S. 11. 166 Vgl. Fischer: Das Deutschlandproblem, S. 206. 167 Vgl. Meldau, Rudolf: Kleines Deutschlandbuch für Ausländer. Wichtige Sachgebiete und ihr Wortschatz, München 81969, S. 12f. 168 Vgl. Fischer: Das Deutschlandproblem, S. 207–209. 169 Vgl. Schröter, Rudolf: Lesebuch für Auslandsschulen, Bd. 3, Frankfurt am Main 1966, S. 109. 170 Vgl. Fischer: Das Deutschlandproblem, S. 210. 171 Vgl. ebd., S. 212.
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Die Bundesrepublik wurde durchgehend als potente Industrienation beschrieben, kombiniert mit zum Teil romantisierenden Elementen des Landlebens. Die Gesellschaft war dabei schon geradezu idealisierend harmonisch und konfliktfrei.172 Beispielsweise besuchte im Lehrbuch Deutscher Alltag ein fiktiver persischer Student Deutschland und wunderte sich über das schnelle und fleißige Bautempo, über die hilfsbereite und unbestechliche Polizei und die schlicht gekleideten Professoren.173 Bedenkt man, dass zur Zeit der Veröffentlichung der achten Auflage des Buches die Studenten in Deutschland gegen den ‚Muff unter den Talaren‘ demonstrierten, erscheint dieses Bild durchaus beschönigend und einseitig. Die Darstellungen in den Sprachlehrwerken erzielten bei ihren Lesern durchaus Wirkung. Zwar handelte es sich in den wenigsten Fällen um Publikationen aus dem Geschichts- oder Erdkundeunterricht, sie waren somit meist nur als indirekte Landeskunde im Unterricht präsent. Doch es ist davon auszugehen, dass sie die Meinung der Schüler maßgeblich beeinflussten und für eine einseitige und simplifizierende Wahrnehmung, verbunden mit Stereotypen und Vorurteilen, sorgten.174 7.4.2 Begegnung vor Ort: Schulausflüge nach Ost-Berlin Das transportierte Bild der DDR basierte maßgeblich auf den Inhalten der Schulbücher und der Darstellung der Lehrkräfte, die ausschließlich aus dem westdeutschen Schuldienst stammten. Eine Überprüfung konnte nur stattfinden, wenn Schüler im Rahmen von Klassenausflügen nach Deutschland kamen, Berlin besuchten und die Gelegenheit hatten, den Ostteil der Stadt zu erkunden. Dabei bestätigten sich entweder Stereotypen, oder die gefestigten Vorstellungen von der DDR brachen auf. Meist absolvierten die Jugendlichen ein politisches Begleitprogramm, das zum Teil das Auswärtige Amt mitorganisierte. Die umfangreiche Idee, Deutschland aus eigener Anschauung kennenzulernen, entstand in Spanien, abgesehen von vereinzelten früheren Versuchen, Anfang der 1970er Jahre.175 Eine der ersten Schulen, die solche Austauschprogramme organisierte, war die Deutsche Schule in Valencia.176 Die ursprüngliche Intention solcher Veranstaltungen war ein stärkerer sprachlicher Kontakt mit der Zielsprache, doch die Jugendlichen erhielten zwangsläufig während ihrer Zeit in Deutschland kulturelle und politische Eindrücke. Einige Fälle geben Aufschluss darüber, wie dies vonstattenging. Schüler aus Madrid hörten bei172 Vgl. ebd., S. 214f. 173 Vgl. Bartsch, Johanna: Deutscher Alltag. Ein Gesprächsbuch für Ausländer (Deutsche Reihe für Ausländer), München 81969, S. 77–79. 174 Vgl. Fischer: Das Deutschlandproblem, S. 216. 175 Vgl. für einen früheren Auslandsaustausch Deutsche Schule San Sebastián (Hrsg.): 50 Jahre, S. 39. 176 Vgl. Schauser, Geert-Henning: Spanisch-deutscher Schüleraustausch. Ein hoffnungsvoller Versuch, in: DLiA 2 (1975), S. 74–77.
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spielsweise 1973 bei ihrem Besuch in Berlin einen Vortrag über die Ein- und Ausreisebedingungen der DDR.177 Die teilnehmenden Jugendlichen berichteten, in der anschließenden Diskussion sei der Eindruck entstanden, dass bei den DDR-Bürgern von einem sozialistischen Bewusstsein noch keine Rede sein könne. Sie machten sich also Gedanken über das politische System der DDR. Doch nicht nur die Staatsform betrachteten sie näher. Bei einem Besuch in Ostberlin fielen den Schülern vor allem die staatliche Propaganda, die Schlangenbildung vor Geschäften und der reduzierte Straßenverkehr auf. Die im vorherigen Abschnitt dargestellte Beschreibung findet sich in dieser Aussage wieder. Es ging aber auch anders. Marta Capella, Schülerin in Barcelona, war bei ihrem Besuch überrascht und schrieb in ihrem Bericht, dass sie außer dem politischen System keine Unterschiede habe feststellen können.178 Sie sah also die Darstellung einer rückständigen DDR, wie sie viele Schulbücher vermittelten, nicht bestätigt, sondern erhielt vielmehr gegensätzliche Eindrücke. Selbst wenn ein Besuch in Ostberlin nicht eingeplant war, standen häufig Vorträge über die politische Lage auf dem Programm. Bei einem Aufenthalt in Bonn führten Schüler aus Barcelona ein Gespräch mit Bundespräsident Karl Carstens, in dem eines der Hauptthemen die Lage Berlins und der DDR war.179 Interesse der Schüler an der Thematik war vorhanden oder wurde vorausgesetzt, gleichzeitig wurde vielen beim Besuch in Deutschland ihr eigenes fehlendes Wissen über die politische Situation bewusst. Trafen sie auf gleichaltrige deutsche Schüler, waren sie dem Bericht zufolge erstaunt über deren politische Kenntnisse und vergleichsweise gutes Demokratieverständnis.180 Politische Bildung war in den Auslandsschulen kein Selbstläufer, sondern hing vom Personal, den Lehrwerken und der einzelnen Schülerpersönlichkeit ab. Einmal mehr wurde in den beschriebenen Beispielen die Bipolarität der Auslandsschulen offenkundig. Als Diplomaten auf der Mikroebene waren sie kein einheitlicher Sozialisationsraum. Die kulturpolitischen Diskussionen, die ab Mitte der 1970er Jahre verstärkt einsetzten, erschwerten diese Rolle zusätzlich. Auf einen Punkt einigten sich alle Akteure: Die Auslandsschulen waren mittlerweile deutsche Visitenkarte in der Welt. Die Informationen, die sich ihnen entnehmen ließen, konnten jedoch unterschiedlicher nicht sein. Der Aufbau der Begegnungsschule mit all ihren beschriebenen Facetten beendete das Spannungsverhältnis zwischen Konflikt und Kooperation noch lange nicht.
177 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Madrid 1973/1974, S. 55. 178 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1971/1972, S. 29. 179 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1979/1980, S. 40f. 180 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1971/1972, S. 29.
8. Auslandsschulen als Visitenkarten in der Welt
Blickt man auf die Zahlen des Schuletats des Auswärtigen Amtes, kann der Eindruck entstehen, dass die Auslandsschulen Mitte der 1970er Jahre ihren Platz in der politischen Agenda gefunden hatten und durch den Ausbau der ‚Begegnung‘ ihren kulturellen Stellenwert begründeten. Standen im Jahr 1951 nur 300.000 DM zur Verfügung, stieg der Etat bis zum Jahr 1967 auf 78 Millionen DM und verdoppelte sich auf nahezu 159 Millionen DM im Jahr 1976.1 Ihre Funktion als Exporteure von deutschen Kulturwerten wurde parteiübergreifend anerkannt. Sie sollten das Bild Deutschlands im Ausland vermitteln und als Visitenkarten in der Welt einen positiven Eindruck hinterlassen.2 Doch trotz dieser breiten Akzeptanz, die sich in politischen Rahmenplänen und wiederkehrenden Lobeshymnen manifestierte, gab es von vielen Seiten Kritik an der Ausrichtung der Auslandsschulen. 1982 stellte der AschA-Prüfungsbeauftrage Günther Diehl fest: „Die Begegnungsschule ist gescheitert!“3 Wie kam es zu dieser drastischen Formulierung, obwohl Lehrer und Politiker gerade diesen Typus immer wieder als Idealziel kulturpolitischer Maßnahmen propagierten? Doch trotz ihrer scheinbaren Popularität entbrannten immer wieder Diskussionen über die konkrete Gestaltung der Begegnungsschule. Die einzelnen Akteure betrachteten sie weiterhin skeptisch. Sie einigten sich zwar auf den Typus, stritten aber um die Details. Lehrkräfte bezweifelten den Erfolg verschiedener Reformen und Abschlüsse, Politiker diskutierten ihren Status, und neue Konzepte und globale Bildungsdiskurse beeinflussten die Auslandsschulen ebenso wie die inländischen Entwicklungen. In einem zusammenwachsenden Europa spielten die Auslandsschulen auf dem Kontinent zudem eine spezifische Rolle. So wurde Spaniens Weg in die EWG von außenpolitischen Forderungen und finanziellen Förderungen 1
Vgl. Arnold: Kulturexport, S. 167.
2
Vgl. Kuchler: Visitenkarten, S. 261.
3
Vgl. Binder, Harald: Die Begegnungsschule ist gescheitert! – Eine Formulierung, in: DLiA 2 (1982), S. 2–4, S. 2.
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begleitet, bei denen den Schulen eine wichtige Funktion zugedacht war. Sie sollten Spaniens Weg nach Europa begleiten und dem neuen demokratischen Partner ein positives Deutschlandbild vermitteln. Noch ein weiteres politisches Großereignis beeinflusste ihre Geschichte nach den Reformmaßnahmen zu Beginn der 1970er Jahre, denn nicht nur Spaniens Weg nach Europa, sondern auch Deutschlands Prozess der Einigung hatte große Auswirkungen auf die Auslandsschulen. Die politische Wende der Jahre 1989/1990 brachte tiefgreifende Einschnitte in die regionalen Schwerpunktsetzungen. Die Auslandsschulen in Westeuropa mussten nun verstärkt Argumente für ihre kulturpolitische Bedeutung bringen, um weiterhin von den Fördergeldern profitieren zu können. Dass Auslandsschulen bildlich gesprochen als Visitenkarten Deutschlands in der Welt dienen sollten, war Ende der 1970er Jahre Konsens, welche Informationen und Details jedoch darauf stehen sollten, war vielen noch nicht klar. Der genaue Stellenwert musste stets aufs Neue austariert werden, sobald sich global-politische Konstellationen veränderten. Dabei schwankten die Schulen erneut zwischen multiplen Polen. Sie mussten in ihrer Rolle als Sprach- und Kulturvermittler einen Standpunkt finden und sich dabei fragen, inwiefern sie politische Wunschvorstellungen und pädagogische Realitäten in Einklang bringen konnten. Die Europäisierung der Schulen brachte zudem komplett neue Bipolaritäten zum Vorschein, denn gerade in Spanien trafen nun globale Einigungsprozesse auf einen aufkeimenden Regionalismus.
8.1 ZWISCHEN SPRACHE UND KULTUR: ZIELSETZUNGEN DER AUSWÄRTIGEN KULTURPOLITIK War Auswärtige Kulturpolitik lange Zeit nur ein Etikett für kulturelle Aktivitäten jeglicher Couleur von quasi-staatlichen Akteuren im Ausland, so war die Phase zwischen 1970 und 1980 das Jahrzehnt, in der sie dem politischen Anspruch nach als eigenwertige Teilpolitik sui generis aufgebaut wurde.4 Zwei für die Auslandsschulen maßgebliche Dokumente waren dabei der Abschlussbericht der EnqueteKommission 1975 und der Rahmenplan zur Auswärtigen Kulturpolitik drei Jahre später. Diese Dokumente beseitigten, so zumindest die breite politische Meinung,5 einen langjährigen Missstand, den der Bildungsforscher Hansgert Peisert in seinem erst 1978 veröffentlichten Bericht bemängelte: Die additive Politik der Einzelakti-
4
Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 55.
5
Vgl. dazu die Beiträge in der Zeitschrift für Kulturaustausch (1/1979), die vielfach von MdB oder anderen politischen Funktionsträgern stammen und trotz einiger Kritikpunkte meist zu einem positiven Fazit in der Bewertung des Kommissionsbericht und des Rahmenplans kommen.
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vitäten der Vorjahre und das Eigenleben der Auslandsschulen, die in keinerlei offizielle Konzepte integriert waren, sollten überwunden werden.6 Mit dem Einsatz der Enquete-Kommission und dem Rahmenplan legte der Bundestag eine Basis für organisatorische Fragen, eine bessere Koordination und politische Steuerung. Für die vorherigen Jahre zeichnete Peisert mit Blick auf das Auswärtigen Amt das Bild einer chronisch unterbesetzten und schlecht informierten Abteilung, die kaum relevante Konzeptionen habe umsetzen können.7 Das sollte sich nun ändern. Die Diskussionen darüber reichten in die 1960er Jahre zurück.8 Sie kamen von den Mittlerorganisationen selbst, von der Presse und vom Parlament. Es handelte sich dabei keineswegs um Randerscheinungen. Kultur als ein Mittel der Kontaktaufnahme zu sehen war schon rund zehn Jahre vor dem Rahmenplan und der Enquete-Kommission gesellschaftlich und politisch en vogue. Internationale Reformbewegungen und Institutionen wie die UNESCO oder der Europarat trugen diese Idee in die Welt. In der Regierung Brandt-Scheel fanden sie auch in Deutschland zunehmend politisches Gehör und wurden in konkrete Forderungen und Reformen umgesetzt, in der Kultur als partizipatorisches Instrument der Demokratie zu dienen hatte. In einer Stellungnahme zum Bericht der Enquete-Kommission verfiel die Bundesregierung regelrecht in Jubel, da nun erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ein offiziell und politisch verbindliches Konzept für die Auswärtige Kulturpolitik vorliege.9 Es zeigte sich aber schnell, dass nicht alle Akteure diese Euphorie teilten und die Konflikte um den Stellenwert der Kulturpolitik im Allgemeinen und um die Auslandsschulen im Besonderen weitergingen. So zeigte das in Spanien einige Jahre zuvor eingeführte Bachillerato mixto noch nicht die gewünschten Erfolge. In einer ersten Überprüfung beklagte beispielsweise die Deutsche Schule Barcelona die abnehmenden Leistungen, vor allem bei den sprachlich überforderten Spaniern.10 Eine Variation des Konzepts, die ‚Neue Sekundarstufe‘, sollte Abhilfe schaffen. Einhergehend mit der Aufwertung der Kulturpolitik als Teil einer Reformagenda, etablierten sich die Auslandsschulen im Feld der Auswärtigen Politik als einer der wichtigsten Träger und Vermittler von Kultur und Sprache. Sowohl der Rahmenplan als auch die Enquete-Kommission unterstrichen ihre Bedeutung. Grund genug, sich die beiden Dokumente näher anzusehen, deren Veröffentlichung in den Auslandsschulen auf große Resonanz stieß. Für Spanien hatte zudem ein weiteres Gesetzeswerk großen Einfluss: Ein neues spanisches Schulgesetz veränderte 1978 6
Vgl. Peisert: Kulturpolitik, S. 299–331.
7
Vgl. Peisert, Hansgert: Das Bonner Aschenputtel. Überlegungen zu einem neuen Konzept der auswärtigen Kulturpolitik, in: Die Zeit, 13.10.1970.
8
Vgl. Trommler: Kulturmacht, S. 690f.
9
Vgl. Bulletin der Bundesregierung Nr. 91, 23.09.1977, S. 841–844.
10
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1974/1975, S. 45.
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die Lage für die Schulen, da es indirekt die Wiedereinführung der bilingualen Grundschule forderte. Nach dem Real decreto von 1969 gab es nun eine zweite spanische Regelung, die Arbeit und Struktur der Deutschen Auslandsschulen beeinflusste. 8.1.1 Auslandsschulen im Bericht der Enquete-Kommission Die Reform der Kulturpolitik hatte sich schon mit Brandts Übernahme des Außenministeriums angedeutet, nahm nun aber unter seiner Kanzlerschaft Fahrt auf. Die oppositionelle CDU/CSU ließ es sich nicht nehmen, ein Wörtchen mitzureden. Um nicht in einen konzeptionellen Rückstand im Diskurs zu kommen, beantragte sie die Einsetzung einer Enquete-Kommission.11 Diese erhielt den Auftrag, Empfehlungen für eine bessere kulturelle Repräsentation der Bundesrepublik im Ausland zu erarbeiten. In diesem Rahmen sollte auch die kulturpolitische Effizienz der Auslandsschulen überprüft werden.12 Nach viereinhalb Jahren legte die Kommission das Ergebnis ihrer Arbeit in einem Abschlussbericht vor. Sie bemühte sich darin, einen größtmöglichen Konsens für alle Parteien zu finden, und blieb daher in ihren Formulierungen häufig unkonkret.13 Für die Auslandsschulen formulierte sie beispielsweise Zielsetzungen, die eine stärkere Integration in das Schulsystem der Gastländer beinhalteten.14 Wie sie das schaffen sollten, ließ der Bericht offen. Des Weiteren forderte die Kommission mehr Zweisprachigkeit in den Schulen und die Vermittlung eines wirklichkeitsnahen Deutschlandbildes. Vorschläge für die praktische Arbeit fehlten jedoch. Selbst bei strukturellen Fragen blieb der Bericht schwammig. Von den kulturpolitisch bedeutenden Begegnungsschulen grenzte er die sogenannten Experten- und Botschaftsschulen für vorübergehend im Ausland lebende Deutsche ab. Regionale Unterschiede bei allen Typen nahm er zwar zur Kenntnis, ging aber wenig darauf ein. Das Modell der nach dem Prinzip der Partnerschaft organisierten bikulturellen Schule schrieb die Kommission als vorrangiges Ziel fest.15 Spanien diente dabei als Paradebeispiel, denn dort existierten nach den Reformmaßnahmen der vorherigen Jahre bereits erste Einrichtungen dieser Art. Dieses Konzept sollte nun auf andere Regionen ausgeweitet beziehungsweise für die Entwicklungsländer optimiert werden. Um die hohen Ausgaben zu senken, sollten Deutschlehrer in Zukunft die Funktion eines Fachberaters einnehmen und Ortskräfte verstärkt als günstigeres Personal eingesetzt werden.
11
Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 49.
12
Vgl. Bundestag Drucksache 6/57, 11.11.1969.
13
Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 54.
14
Vgl. Bundestag Drucksache 7/4121, 07.10.1975, S. 14.
15
Vgl. ebd., S. 57ff.
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Die Expertenschule hatte in den Überlegungen weiterhin ihre Berechtigung, einerseits weil auch dort ausländische Schüler aus dem Gastland unterrichtet wurden und andererseits weil Experten für Entwicklungsregionen leichter gewonnen werden konnten, wenn dort eine schulische Struktur für ihre Kinder vorhanden war. Die Akzeptanz der Expertenschule hing jedoch maßgeblich von der Region ab. Als 1973 die Firma Ford in Valencia eine Niederlassung plante und es so aussah, als würden 500 deutsche Mitarbeiter ihre Kinder auf eine Deutsche Schule schicken wollen, waren Verein und ZfA alarmiert, da dies die gerade neu eingeführte Struktur mit dem Seiteneinstieg zu stören drohte.16 Nun war aber Valencia keine Entwicklungsregion im klassischen Sinne, weshalb die Zentralstelle ablehnend auf die Pläne reagierte. Zusätzliche Fördergelder stellte sie nicht zur Verfügung, da der notwendige Ausbau nicht im öffentlichen Interesse liege.17 Firmenchef Henry Ford sah das spanische Werk jedoch als sein Prestigeobjekt und förderte daher privat den Ausbau der Schule. Eine Spende von 213.000 US-Dollar und der provisorische Bau einer Zeltstadt halfen ihr, bis zu 80 Kinder zusätzlich aufzunehmen.18 Ford machte aber damit aus Valencia gleichzeitig eine Begegnungs- und Expertenschule. Das Beispiel zeigt eine der zentralen Problemlagen des Abschlussberichts. Kritiker gestanden ihm zwar eine umfangreiche Bestandsaufnahme zu, doch bemängelten sie seine schwache Kontur im Hinblick auf strukturelle Fragen.19 Der Ausbau der Ford-Werke in Valencia machte deutlich, dass eine klare Differenzierung zwischen Experten- und Begegnungsschule in der Praxis nicht immer möglich war und die Erklärungen des Berichts solche Sonderfälle nicht regelten. Hans Arnold, der Leiter der Kulturabteilung, bezeichnete ihn daher trotz positiver Hinweise und Empfehlungen insgesamt als enttäuschend, da eindeutige Antworten, Strukturmodelle oder Alternativen ausblieben.20 Der Enquete-Bericht sorgte so zwar dafür, dass die Auslandsschulen stärker in den Blick der Öffentlichkeit und der Politik rückten, doch es blieben viele Probleme ungelöst.21 Arnold verwies beispielsweise auf die schwierige Verwirklichung der bikulturellen Begegnungsschule, auch wenn er das Konzept generell guthieß.22 Als Beispiel führte er eine europäische Hauptstadt an, in der die Deutsche Schule in einem peripheren Villenviertel liege. Eine soziale Öffnung sei so seiner Meinung nach nicht machbar, da schon die Anfahrt für soziale Randgruppen nahezu unmög16
Vgl. Schulverein Deutsche Schule Valencia an ZfA, 06.10.1973, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 797.
17
Vgl. Stellungnahme Engelbart Onnen, April 1974, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 797.
18
Vgl. Bericht Generalkonsulat an Auswärtiges Amt, 12.02.1975, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 1060.
19
Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 54.
20
Vgl. Arnold: Kulturexport, S. 46.
21
Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 54.
22
Vgl. Arnold: Kulturexport, S. 164ff.
282 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
lich sei. Zudem berücksichtige die Kommission zu wenig die nationalen Interessen der Gastländer, die unter Umständen einen Lehrplan vorschreiben oder die Abschlüsse nicht anerkennen könnten. Gleichzeitig habe sie, so Arnold, innerdeutsche Reformen übersehen, die in den letzten Jahren das Bildungssystem betrafen. Er forderte daher individuelle Bewertungen einzelner Schulen, um deren Kosten-NutzenVerhältnis zu überprüfen. Die Annahme, dass Auslandsschulen per se zu einer engeren Bindung an Deutschland führen würden, wies er unter anderem mit der geringen Zahl ausländischer Studenten und Stipendiaten aus diesen Schulen zurück. Die weit verbreitete These, dass sie zu den wirkungsvollsten Elementen deutscher Kulturarbeit zählen würden, sei zu verallgemeinernd. Vielmehr würden die steigende Schülerzahl deutscher Kinder den Begegnungscharakter und die soziale Öffnung stören und die hohen Kosten fragwürdige Förderungen nicht legitimieren. Arnolds Thesen lassen sich kaum überprüfen, da bis heute verlässliche Zahlen über Studienbeginn, Art und Dauer von Absolventen der Auslandsschulen fehlen. Erst seit einigen Jahren sammeln einige Universitäten unsystematisch Daten über diese Punkte. Eine objektive Kontrolle der Nachhaltigkeit war und ist daher kaum machbar. Kritik an der Kommission kam aber auch von Seiten der Kultusministerkonferenz. Schon beim ersten Zwischenbericht bemängelt sie, dass die Bundesländer zu wenig Berücksichtigung gefunden hätten und ihr fachlicher Beitrag zu wenig gewürdigt werde.23 Der große Wurf sei der Kommission demnach nicht gelungen, weil sie ihn gar nicht gewagt habe, urteilte beispielsweise der Bonner Generalanzeiger.24 Der fachliche und inhaltliche Diskurs über den Stellenwert der Auslandsschulen fand so durch die Enquete-Kommission kein Ende und ging mit der Stellungnahme der Bundesregierung 1977 und im Rahmenplan ein Jahr später in die nächste Runde. 8.1.2 Rahmenplan der Bundesregierung und königliches Dekret 1978 Aufbauend auf dem Bericht der Enquete-Kommission und der dazugehörigen Regierungserklärung verabschiedete das Auswärtige Amt einen Rahmenplan für Auslandsschulen, der die Grundlage für die zukünftige Weiterentwicklung legen sollte. Die Euphorie war groß. Staatssekretärin Hildegard Hamm-Brücher bezeichnete ihn als das erste festgeschriebene Konzept für das auswärtige Schulwesen in dessen hundertjähriger Geschichte.25 Er bestätigte den Ausbau der Begegnungsschule als 23
Vgl. Kurt Frey, Generalsekretär der KMK, an Berthold Martin, Vorsitzender der Enquête-Kommission, 14.11.1972, in: BAK B304/ 5169, Bd. 1 u. 2, S. 26.
24
Vgl. Splett, Oskar: Auswärtige Kulturpolitik der Bundesrepublik vor neuer Phase?, in: Bonner Generalanzeiger, 23.10.1975.
25
Vgl. Hamm-Brücher, Hildegard: Ziele und Schwerpunkte auswärtiger Kulturpolitik im Schulwesen, in: Zeitschrift für Kulturaustausch 1 (1979), S. 4–6, S. 4. Hamm-Brücher geht dabei nicht auf die Geheime Denkschrift von 1914 ein, die jedoch von vielen als
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primäres Ziel sowie die Abkehr vom einseitigen Kulturexport hin zu einem partnerschaftlichen Austausch.26 Die Berechtigung der Expertenschulen und der Ausbau der Europäischen Schulen wurden ebenso betont wie die soziale Öffnung hin zum Gastland. Ein weiteres wichtiges Element des Rahmenplans war die Intensivierung der internationalen Zusammenarbeit. Schulabschlüsse sollten vergleichbar und anerkennungsfähig werden.27 Im Vergleich zum Enquete-Bericht enthielt der Rahmenplan einen ausführlichen Abschnitt zur Planung und Finanzierung, nannte jedoch keine konkreten Zahlen.28 Um die immer höher werdenden Kosten decken zu können, sollten die Bundesländer stärker in die Finanzierung eingebunden werden – ein Vorschlag, der erwartungsgemäß in den Länderparlamenten auf wenig Bereitschaft stieß. Als Gegenargument führten diese die Kinder von ‚Gastarbeitern’ auf, die im Interesse des Bundes auf Länderkosten Schulunterricht in Deutschland erhielten.29 Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Förderung der deutschen Sprache im Schulwesen. Der Rahmenplan akzentuierte diese stärker als der EnqueteBericht, da sie das ideale Mittel sei, ein Deutschlandbild zu vermitteln, Lerner an das Land zu binden sowie Interesse und Freude zu wecken.30 Damit nahm erstmals ein politisches Dokument die bisherigen Bemühungen im Fach ‚Deutsch als Fremdsprache‘ auf. Kritik blieb auch diesmal nicht aus. Sie ähnelte der des Enquete-Berichts und richtete sich auf nahezu die gleichen Punkte. Die theoretischen Forderungen seien in der Praxis häufig schwierig umzusetzen. Der SPD-Abgeordnete Adolf MüllerEmmert bezweifelte die Implementierung der sozialen Öffnung.31 Einerseits seien Vermittler auf die Zusammenarbeit mit den örtlichen Behörden angewiesen, was zum Beispiel in Südafrika das Problem der Rassentrennung aufwerfe, andererseits stelle das Schulgeld eine grundlegende Frage dar und führe automatisch zu einer Auslese. Neben den inhaltlichen Punkten mischten sich vermehrt parteipolitische Differenzen in die Diskussion. Anton Pfeifer, Bundestagsabgeordneter der CDU, warf der SPD-geführten Regierung vor, keine konkreten Ziele zur Verwirklichung ihrer
erstes Dokument zum Auslandsschulwesen angesehen wird. Vgl. dazu Lepiorz, Gerhard: Zur Geschichte des deutschen Auslandsschulwesens, in: ebd., S. 28. 26
Vgl. Bundestag Drucksache 6/2103, 15.09.1978, S. 9.
27
Vgl. Hamm-Brücher: Ziele und Schwerpunkte, S. 5.
28
Vgl. Bundestag Drucksache 6/2103, S. 12.
29
Vgl. Lubos, Hans: Auslandsschulen und auswärtige Kulturpolitik, in: Zeitschrift für Kulturaustausch 1 (1979), S. 33–39, S. 38.
30
Vgl. Hamm-Brücher: Ziele und Schwerpunkte, S. 5.
31
Vgl. Müller-Emmert, Adolf: Die tendenziellen Innovationen im Auslandsschulwesen, in: Zeitschrift für Kulturaustausch 1 (1979), S. 7–11, S. 10.
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Pläne erkennen zu lassen.32 Erst seit 1979 sei ein Bemühen feststellbar, ausreichend Förderung bereitzustellen. Bis dahin seien die Gelder für die Belange der Kulturpolitik stets zu niedrig gewesen. Darüber hinaus bekräftigte die CDU/CSU jedoch viele Ziele des Rahmenplans. So betonte sie ebenfalls die pädagogische Ausstrahlung der Begegnungsschulen, akzentuierte dabei aber vor allem die Bedeutung der Sprache als Schlüssel für ein vertieftes Kennenlernen zweier Kulturen. Deutsche Auslandsschulen sollten in ihren Augen nicht Schulen mit Deutsch als Fremdsprache sein, sondern Deutsch als echte Zweitsprache vermitteln.33 Außerdem sollten sie nicht von den bildungspolitischen Entwicklungen in der Bundesrepublik abgekoppelt werden, sondern Aspekte aus dem inneren Schulwesen stärker aufnehmen. Ein weiterer Kritikpunkt aus den Reihen der CDU war die strikte Differenzierung zwischen Experten- und Begegnungsschulen. Der Ausbau der Erstgenannten werde konsequenterweise zu einem Fehlen der Gelder für den anderen Typ führen. Die stringente Unterscheidung sollte einem flexibleren Modell weichen. Als Beispiel führte Pfeifer die Schulen in Spanien auf. Dort habe das neue System zu einer Ablehnung zahlreicher Kinder und einem Rückgang der Schülerzahlen geführt. Durch die Reformmaßnahmen habe sich die Aufnahmepraxis geändert. Während Kinder mit einer deutschen Mutter – der Vater war mittlerweile als Bezugspunkt weitgehend verschwunden34 – als Muttersprachler Zugang zur Begegnungsschule erhielten, hätten die Kinder mit einer spanischen Mutter und einem deutschen Vater, der als ‚Experte‘ im Land arbeitete und später eventuell nach Deutschland zurückkehren würde, keinen Anspruch auf die Aufnahme in die Grundschule. Die in der Praxis bestehenden Mischformen – wie etwa die Deutsche Schule Valencia – berücksichtige der Rahmenplan ebenso zu wenig. Pfeifer bemängelte daher eine fehlende regionale Differenzierung, da die Abhängigkeit vom jeweiligen Standort genauere Unterscheidungen verlange. Der Hauptpunkt seiner Kritik betraf daher wieder einmal die fehlende Konkretisierung der Finanzplanung, ohne die der Rahmenplan in den Augen des CDU-Politikers wertlos war. Er würde so nur Hoffnungen wecken, die dann später angesichts fehlender Finanzmittel nicht erfüllt werden könnten. Auch aus der eigenen Regierungskoalition kam leise Kritik am Rahmenplan. Der FDP-Abgeordnete Helmut Schäfer forderte beispielsweise eine stärkere Euro32
Vgl. Pfeifer, Anton: Die Zukunft des deutschen Schulwesens im Ausland, in: Zeitschrift für Kulturaustausch 1 (1979), S. 11–14, S. 11.
33
Vgl. ebd., S. 12f.
34
Gründe hierfür sind einerseits die Rolle der Mutter als ‚Familienoberhaupt’ und das Ende des männlichen Patriarchats in der Kindererziehung seit dem Ende der 1960er Jahre und das Erkennen der Wichtigkeit von Mutter-Kind Interaktionen beim Spracherwerb. Vgl dazu: Gestrich, Andreas: Geschichte der Familie im 19. und 20. Jahrhundert, München 2010. Und Heidler, Maria-Dorothea: Spracherwerb. Die Bedeutung der frühen Mutter-Kind- Interaktion, in: Logos 1 (2013), S. 36-42.
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päisierung der Auslandsschulen mit der Anerkennung von Prüfungen und Abschlüssen.35 Besonders im Bereich der Europäischen Gemeinschaft mussten sich seiner Meinung nach die Schulen noch stärker dem Gastland öffnen. Diese hatten mit ihrer Gesetzgebung weiterhin zentralen Einfluss auf die Auslandsschulen. In Spanien änderte sich deren Lage 1978 durch ein neues königliches Dekret. Es gewährte den Auslandsschulen weitestgehend Freiheit in ihrem Aufbau und schrieb lediglich vor, dass mindestens 25 Prozent der Kinder die spanische Staatsangehörigkeit besitzen mussten. Die Debatten um den Zugang der Spanier zur Grundschule erhielten damit neuen Auftrieb, zeigte sich doch mittlerweile in der Praxis, dass Onnens Pläne häufig an der Zusammensetzung der Schülerschaft scheiterten.36 Die Mehrzahl der Kinder stammte aus deutsch-spanischen Familien, die jedoch kaum Deutsch sprachen. Bislang verwehrten ihnen die Vereine vielfach den Zugang zur Grundschule. Eine weitere kulturpolitisch besonders relevante Gruppe, die Onnens Pläne benachteiligten, war rein spanisch, traditionell germanophil und besuchte in langer Tradition die Schulen. Auch sie lehnten die Schulvereine seit der Einführung des Bachillerato mixto und der damit kombinierten deutschen Grundstufe ab. Durch die Quotenregelung des spanischen Gesetzes stiegen nun wieder ihre Chancen auf Aufnahme. Die Schulen mussten zwischen einer kompletten Abschaffung der Grundschule und der Wiederaufnahme spanischer Staatsangehöriger, die aber schlecht Deutsch sprachen, wählen. Ausnahmslos alle entschieden sich mit Billigung des Auswärtigen Amtes und nach langen internen Diskussionen für die zweite Option und führten Förderprogramme für den Spracherwerb im Kindergarten und im Primarbereich ein. Johannes Röhrenbach, Direktor in Madrid, brachte in der Diskussion während einer Regionaltagung in Spanien das Spannungsverhältnis auf den Punkt:37 „Diese Spannung zwischen pädagogischen und kulturpolitischen Aspekten – vor allen Dingen bei der Zulassung von nicht deutsch-sprachigen Kindern aus binationalen Ehen – das ist nun eine Spannung, die wir längst erkannt haben [...] und die damals ja nicht beachtet worden ist […] und etwa mit den Worten ‚ein schlechtes Pädagogikum kann kein gutes Politikum sein‘ erledigt worden ist. […] Die Frage ist nun: ist das Konzept der Primarstufe auf rein muttersprachlicher Basis durchführbar? Bisher schien es […] ein Dogma und wird […] immer wieder verkündet.“
35
Vgl. Schäfer, Helmut: Gedanken zur Weiterentwicklung des deutschen Auslandsschulwesens in Europa, Lateinamerika und Afrika, in: Zeitschrift für Kulturaustausch 1 (1979), S. 15–18.
36
Vgl. Vorlage zur 2. Regionaltagung der Deutschen Schulen in Spanien, 11.12.1979, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 896.
37
Diskussionsprotokoll Regionaltagung Spanien 19.10.1978, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 896.
286 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Die Schulleiter waren sich darin einig, wieder eine begegnungsorientierte Grundstufe einzuführen, aber sie stritten über die genaue Umsetzung der gemischtsprachigen Grundschule und deren Zielpublikum, da dies die Ideen der sozialen Öffnung und die Sprachfertigkeiten maßgeblich beeinflusste. Schulleiter Ullmann in Las Palmas attackierte in einem Schreiben seinen Kollegen in Madrid:38 „Die Behauptung der Schule Madrid, daß die Aufnahme spanischer Kinder in die 1. Klasse von besonderer kulturpolitischer Relevanz ist, bleibt umstritten […]. Die Bemerkung des Schulleiters Madrid, daß die traditionelle Eltern- und Schülerschaft eine viel stärkere und emotionelle Bindung an die Bundesrepublik habe und für diese viel effektiver wäre als die Eltern- und Schülerschaft der ‚Neuen Sekundarstufe‘, halte ich schlicht und einfach für reaktionär und stellt eine eindeutige Diskriminierung dieser Eltern und Schüler dar. Hier wechselt sachliche Diskussion zur zielbewussten Polemik.“
Ullmann befürchtete, in die Vergangenheit zurückzufallen, als der Kindergarten und die Grundstufe nur rudimentäre Deutschkenntnisse vermittelten, mit denen sie, so der Schulleiter, zwar Ehefrauen bundesdeutscher Besuchspolitiker mit Liedchen zu Freudentränen rührten, aber keinen sinnvollen Spracherwerb leisteten. Das spanische Gesetz erschwerte zwar die pädagogische Arbeit in den gemischtsprachigen Grundstufen, verschaffte aber Kindern aus Mischehen und Spaniern, die besonderes Interesse an Deutschland hatten, wieder einen leichteren Zugang. Es sorgte somit wieder für ein ‚Mehr‘ an Begegnung, die sich zuvor auf die bilinguale Oberstufe beschränkt hatte. Und es erlaubte Kompromisse zwischen den strikten Modellen, die Onnen einst aufgestellt hatte. Die Deutsche Schule in Teneriffa, die darunter besonders zu leiden hatte, erhoffte sich nun wieder eine Änderung. 39 Führte sie bisher eine entweder rein spanische und eine rein deutsche Grundschule und musste so jeweils Kinder der anderen Nationalität ablehnen, konnte sie jetzt wieder mehr Begegnung ausprobieren. Damit hatte das königliche Dekret einen ebenso starken Einfluss auf die Schulentwicklung wie die Reformpläne in der Heimat. Seine Bedeutung überlagerten jedoch die Diskurse in Deutschland. Der Enquete-Bericht und der Rahmenplan wurden stark vereinfacht als Erfolge betrachtet, da sie als Konzeptionen die Phase des ungeplanten Wiederaufbaus ablösten.40 Die Grundsatzdebatten gingen in ihrer Folge ab Ende der 1970er Jahre zurück und wichen Einzelfragen, etwa der Stellung des Sprachunterrichts.
38
Deutsche Schule Las Palmas an Auswärtiges Amt, 20.10.1981, in: PAAA B93 ZA_1 Bd. 1173.
39
Vgl. Diskussionsprotokoll Regionaltagung Spanien 19.10.1978, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 896.
40
Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 57.
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8.1.3 Sprachpolitik im Fokus? – Auslandsschulen in der Ära Kohl Mit dem Regierungswechsel in Deutschland verbindet die Forschung häufig einen Wandel in der Sprachpolitik, da Deutsch als Fremdsprache mehr Förderung erfuhr.41 Das Fach rückte jedoch schon vor 1980 vermehrt in den Fokus pädagogischer Überlegungen.42 Es änderte sich weniger die Bedeutung von Sprachvermittlung als vielmehr die Vorstellung von Kulturvermittlung. Die Regierung Helmut Kohls führte zahlreiche Aspekte der Auswärtigen Kulturpolitik ihrer Vorgängerin weiter. Zentrale Punkte wie die Aufwertung des gesamten Politikfeldes, die Abkehr vom Kulturexport, Dialog und Partnerschaft oder die Begegnungsschule als oberstes Ziel des Auslandsschulwesens behielt sie bei. Dennoch sind neue Nuancierungen erkennbar, die Kohl bereits in einer seiner ersten Regierungserklärung ansprach:43 „In unserer Lage ist es wichtig, daß ein Bild von unserem Land, von unserem Volke, von unserer Geschichte, und zwar das zutreffende Bild, auch im Ausland wichtig ist. […] Sie [Anm.: die Auswärtige Kulturpolitik] soll das internationale Ansehen der Bundesrepublik Deutschland und der Kultur der unteilbaren deutschen Nation stärken […]. Wir müssen die deutschen Schulen im Ausland stärker als bisher fördern. Wir werden mehr Anstrengungen unternehmen, um die deutsche Sprache im Ausland wieder mehr zu verbreiten.“
Doch was bedeutete dies konkret für die Vermittlung des Deutschen als Fremdsprache? Ein Blick in die Jahresberichte einzelner Schulen zeigt, dass sich im Diskurs um die Bedeutung des fremdsprachlichen Deutschunterrichts wenig änderte. Sein Stellenwert war nach wie vor hoch. Kohls Regierungserklärung war dabei anfangs keineswegs der Katalysator, wie so oft in Regierungskreisen behauptet wurde, sondern entfaltete seine Wirkung erst einige Jahre später.44 Im Vergleich zu seinen Vorgängern wird aber die stärkere Betonung des Deutschlandbildes deutlich. Mehr als zuvor sollte das Image Deutschlands im Ausland positiv dargestellt und verbreitet werden.45 Diese Zielvorgabe hatte direkte Auswirkungen auf die Mittlerorganisationen, denn ihre konkrete Arbeit stand nun vermehrt unter Beobachtung. Ein Umstand, den insbesondere das Goethe-Institut
41
Vgl. ebd., S. 58.
42
Vgl. Schulleitertagung Spanien 18.–20.10.1978, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 896.
43
Regierungserklärung Helmut Kohl 4.2.1983, in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (1984), S. 115-163, S. 145.
44
Vgl. Pfeifer, Anton: Die Kulturpolitik der Bundesregierung unter Helmut Kohl im Zeichen der deutschen und europäischen Einigung, in: Historisch-Politische Mitteilungen 12 (2005), S. 241–262, S. 258.
45
Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 59.
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zu spüren bekam. Der damalige bayrische Ministerpräsident Franz Josef Strauß verfasste 1987 einen Beschwerdebrief an Außenminister Hans-Dietrich Genscher über das von den Instituten vermittelte Deutschlandbild. 46 In den Augen des CSUVorsitzenden seien Gäste der Kulturveranstaltungen, wie beispielsweise Günther Grass oder Peter Handke, zu oft mit staatsfeindlichen Äußerungen aufgefallen. Dem bayrischen Ministerpräsident fehlte die Hochkultur. Während im Jahresprogramm 1984/85 nur fünfmal der Name Goethe auftauche, so seien 18 Veranstaltungen zu Bertolt Brecht durchgeführt worden. Für Strauß waren die Einrichtungen demnach eine politische Opposition im Ausland, die ihren Auftrag darin sehe, den Ruf der Bundesregierung zu schädigen.47 In diesem Punkt waren sich der Kanzler und der bayrische Regierungschef einig. Ohne eine grundsätzliche Neuorientierung der Kulturpolitik der 1970er Jahre vorzunehmen oder demonstrativ neue Initiativen zu lancieren, akzentuierten sie einen konservativeren Bezug, der sich namentlich an der deutschen Hochkultur von Schiller und Goethe orientierte.48 Besonders Strauß vertrat dabei einen intellektuell-ästhetischen Kulturbegriff, der sich auf Bildung, Kunst, traditionelle Folklore und große Namen beschränkte.49 Ein weiterer Punkt der neuen Regierung betraf die Verschiebung weg von Kultur- und Bildungsprojekten hin zu einer ausgebauten Sprachpolitik. Durch die Gründung eines speziellen Referates ‚Deutsche Sprache‘ im Auswärtigen Amt verankerte sie die Neubewertung der Sprachpflege 1988 institutionell. Deutsch sollte nicht nur Kommunikationsmittel, sondern das erste Instrument zur Begegnung der Völker sein. Ein erster Referatsbericht über den Stand und die Entwicklung der Auslandsschulen im Jahr 1988 formulierte Vorgaben für eine bedarfsdeckende Sprachvermittlung und eine Ausdehnung der Sprache.50 So sei Sprache ein Element menschlicher Identität und besitze ein gewisses Eigenleben. Damit solle sie den Menschen wirtschaftliche, politische und wissenschaftliche Ressourcen eröffnen.51 Die konkrete Sprachpolitik gestaltete sich schwierig. Indirekt betrieben sie die Schulen schon seit Jahrzehnten, jetzt sollten sie, so der Wille Bonns, diesen Prozess aktiver steuern. Deutsch sollte explizit nicht als Instrument beabsichtigter Einflussnahme gefördert werden, sondern Mittel der Verständigung und des Verstehens sein, gleichzeitig aber über seine Funktion als Transporteur kultureller Bilder und 46
Vgl. Krude Obszönitäten. Bonner Kulturpolitiker wollen den Goethe-Instituten verbieten, ein kritisches Deutschlandbild zu vermitteln, in: Der Spiegel Nr. 5/1987.
47
Vgl. Trommler: Kulturmacht, S. 702.
48
Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 60.
49
Vgl. stellvertretend zu den verschiedenen Vorstellungen von Kultur: Lüsebrink, HansJürgen: Interkulturelle Kommunikation. Interaktion, Fremdwahrnehmung, Kulturtransfer, Stuttgart 42016, S. 10.
50
Vgl. Bundestags Drucksache 11/1642, 14.01.1988.
51
Vgl. Schirmer, Horst: Deutsche Kulturpolitik und Sprachförderung, in: Born, Joachim (Hrsg.): Deutsch als Verkehrssprache in Europa, Berlin 1993, S. 127–136, S. 132.
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Vorstellungen hinausreichen. Chancen für diese Politik sah das Auswärtige Amt vor allem in Mittel- und Osteuropa, wo die Nachfrage nach Deutschunterricht insbesondere nach 1990 extrem anstieg. Die Auslandsschulen waren neben den Goethe-Instituten die wichtigsten Werkzeuge dafür. Dementsprechend entfiel nahezu die Hälfte des Kulturetats auf die Arbeit der beiden Institutionen in diesen Regionen. Für die Auslandsschulen in Spanien bedeuteten diese kulturpolitischen Konzeptionen erneut Umstrukturierungen und neue Schwerpunktsetzungen. Sie standen einerseits exemplarisch für erfolgreiche beziehungsweise viel diskutierte Reformmaßnahmen, andererseits mussten sie immer um ihre Berechtigung und um Fördergelder kämpfen. Ihren Spitzenplatz in der Förderung, den sie noch zu Beginn der 1960er Jahre gehabt hatten, machten ihnen schon vor 1979 Südamerika, allen voran Chile, mit zeitweise rund 60 Prozent der Ausgaben streitig.52 Nun kam Anfang der 1990er Jahre mit den Auslandsschulen in Osteuropa ein neuer Akteur hinzu, der Finanzhilfen beanspruchte. In Spanien griffen die Schulen daher vermehrt auf privatwirtschaftliche Subventionen zurück. Aber ungeachtet der neuen Konkurrenz hatten sie weiterhin eine kulturpolitische Bedeutung, gerade im Hinblick auf die europäischen Einigungsprozesse, die Integration Spaniens in der EG und die Expansion des Deutschen als zentrale Sprache im (west-)europäischen Raum.
8.2 ZWISCHEN POLITIK UND PÄDAGOGIK: BEWÄHRUNG DER REFORMEN IN DER PRAXIS Im politischen Diskurs um den Stellenwert der Auswärtigen Kulturpolitik und die Bedeutung der Auslandsschulen für diese herrschte nach außen hin also weitestgehend Konsens. 53 Karl-Heinz Hornhues, Vorsitzender des Unterausschusses der Auswärtigen Kulturpolitik im Bundestag, bekräftigte vor der Tagung der Auslandslehrer 1987 in Trier die Signifikanz der Schulen für die Bundesregierung.54 Trotz der Haushaltskürzungen im Jahr 1983 sah er eine positive Zukunft für die Finanzlage der Auslandsschulen. Auf derselben Konferenz referierte der Journalist Gernot Sittner von der Süddeutschen Zeitung und fand deutlich skeptischere Worte als Hornhues. Die Auswärtige Kulturpolitik sei keine Entwicklung der Politik, sondern
52
Vgl. Lubos: Auslandsschulen und auswärtige Kulturpolitik, S. 33.
53
Vgl. Diskussionsprotokoll Regionaltagung Spanien 19.10.1978, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 896.
54
Vgl. Hornhues, Karl-Heinz: Die deutschen Auslandsschulen als bedeutendstes Instrument der auswärtigen Kulturpolitik. Restriktion oder Innovation?, in: DLiA 6 (1987), S. 220–224, S. 224.
290 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
von den Akteuren im Ausland geprägt worden.55 Einzelkämpfer, Idealisten und Praktiker hätten mehr Einfluss auf die Entfaltung des Auslandsschulwesens als politische Konzepte. Diese hätten zu lange die Auswärtige Kulturpolitik nicht als dritte Säule, sondern als fünftes Rad gesehen, und nach wie vor seien die Auslandsschulen für die bundesdeutsche Öffentlichkeit ein weißer Fleck auf der politischen Landkarte. In der anschließenden Diskussion bekräftigten die anwesenden Lehrkräfte diesen Eindruck und beklagten die geringe Wertschätzung durch Politik und Gesellschaft. Wie kam es zu solch unterschiedlichen Bewertungen? Sittner zufolge bestand bei den Auslandsschulen wenig Reformbedarf, weshalb sie auch weniger Aufmerksamkeit bekämen. Sie stünden in der öffentlichen Debatte im Schatten des GoetheInstituts, über das die öffentlichen Medien nach den Anfeindungen von Franz Josef Strauß stärker debattierten. Sittner hielt aber dessen Probleme ebenso für die Probleme der Auslandsschulen, nur habe die Politik diese bisher einfach noch nicht erkannt.56 Denn trotz aller Lobeshymnen für die Arbeit der Lehrer, so konstatierte der Journalist, laufe in den Schulen vieles schief und hänge vom Zufall ab. Die Umsetzung der in den politischen Papieren der Vorjahre geforderten Ziele stellte viele Einrichtungen vor schwere Herausforderungen. Die Anfang der 1970er Jahre angestrebte soziale Öffnung gestaltete sich in der Praxis schwierig. Ebenso stellten die partnerschaftliche Verbindung mit dem Gastland und der neue Fokus auf die Sprachvermittlung die Auslandsschulen immer wieder vor strukturelle Schwierigkeiten, und nach wie vor schwebte die Frage nach der Effizienz der Begegnungsschule im Raum. Beim Streben nach Fördergeldern suchten die Schulvereine nach verschiedenen Möglichkeiten der Finanzierung und argumentierten mit ihrem kulturpolitischen Nutzen. Durch den politischen Wechsel der 1980er Jahre erhofften sich viele eine Erhöhung der Zuschüsse, während gleichzeitig die Diskussionen um die Begegnungsschule weitergingen. 8.2.1 Kampf um Geld und Anerkennung Teil II Alle politischen Stellungnahmen seit Ende der 1960er Jahre bestätigten den Auslandsschulen ihre Signifikanz als Vermittler der deutschen Kultur im Ausland. Kohl forderte sogar einen weiteren Ausbau. Er ließ seinen Worten der Regierungserklärung 1983 Taten folgen und steigerte die Ausgaben für den Kulturhaushalt während seiner Regierungszeit von 700 Millionen DM im Jahr 1982 auf 1,2 Milliarden Mitte der 1990er Jahre.57 Gleichzeitig kam es jedoch zu massiven Einsparungen von Stellen. Der Haushaltsausschuss reduzierte die Zahl der amtlich vermittelten Lehrkräfte 55
Vgl. Sittner, Gernot: Botschafter ohne Diplomatenpaß – die Auswärtige Kulturpolitik und ihre Akteure, in: DLiA 6 (1987), S. 207–217, S. 208f.
56
Vgl. ebd., S. 212f.
57
Vgl. Pfeifer: Die Kulturpolitik der Bundesregierung unter Helmut Kohl, S. 258.
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um 60 Prozent und strich dem bereits ins Ausland entsandten Personal viele Zuwendungen.58 Dem geforderten Ausbau der Begegnungsschule kam man ebenfalls nicht nach. Einerseits gab es keine Neugründung und andererseits ging dieser Typus quantitativ zurück, da an einigen Orten die deutschen Schülerzahlen drastisch einbrachen und die Vereine somit ihren Status als Begegnungsschule wieder verloren. Kohls Regierung erkor einen neuen Favoriten: Die Schulen mit verstärktem Deutschunterricht erhielten unter ihm deutlich mehr Aufmerksamkeit. Ihre Aufgaben konkretisierten sich seit 1988, und Gelder flossen verstärkt in ihren Aufbau. 59 Für die Deutschen Schulen in Spanien, die als Prototypen der Begegnungsschule galten, waren sie indirekt eine neue Konkurrenz im Gesamtplan des Auslandsschulwesens. In Spanien bekamen Valencia und Las Palmas im Oktober 1980 die Anerkennung zur Vollanstalt, da in beiden Einrichtungen der Umbau zur Begegnung möglich war. Die Deutsche Schule Málaga profitierte anfangs ebenfalls von der größeren Bereitschaft der Politik, Schulen weiter auszubauen, und erhielt nach ihrer offiziellen Anerkennung als Deutsche Auslandsschule 1981 erstmals eine vermittelte Lehrkraft. Patronat und Schulleitung wollten mehr, denn es fehlte nach wie vor die Anerkennung zur Abiturschule. Nach dem Ende der 10. Klasse konnten die Schüler noch zwei Jahre in Málaga bleiben, mussten dann aber in Bilbao, Madrid oder Barcelona eine für die Jugendlichen anspruchsvolle Fremdenreifeprüfung ablegen. Deren Ergebnisse stellten Teilnehmer und Lehrer meist wenig zufrieden. Ein weiteres Problem für die Schulführung waren die abnehmenden Schülerzahlen. 1980 meldeten sich 40 Kinder weniger an als erwartet. Das bedeutete für die Schule auch vierzig Mal weniger Schulgeld. Der Hilferuf nach Bonn folgte unvermittelt in Form von Broschüren, Informationsmaterial oder durch persönliche Kontakte Hoffmanns, der nicht selten hochgestellte Persönlichkeiten für seine Schule interessieren konnte.60 Große Hoffnungen setzte er in den Regierungswechsel. Im März 1983 schrieb Hoffmann an seinen Freund Lothar Lahn, Botschafter in Madrid:61 „Die Wende in Bonn wird sicher auf vielen Gebieten belebend. In Spanien werden wir vorlaeufig den bitteren Weg sozialistischer Utopien [Anm.: Spanien regierte zu diesem Zeitpunkt Felipe González, PSOE] weitergehen, bis auch hier die schon eingesetzte Ernuechterung eine Wende bringt.“
58
Vgl. Franqué, Andrea von: Stellungnahme des VdLiA zum neuen „Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über Stand und Entwicklung der deutschen Schulen im Ausland“, in: DLiA 4 (1988), S. 125–132, S. 125f.
59
Vgl. Vogt, Hans-Dieter: Deutsche Auslandsschulen. Begegnung als kulturpolitischer Anspruch, in: DLiA 2 (1989), S. 128–135, S. 130.
60
Vgl. Bericht Schulinspektor Thomas an ZfA, 18.3.1981, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1220.
61
Vgl. Hans Hoffmann an Lothar Lahn, 08.03.1983, in: PAAA B93 ZA Bd. 1312.
292 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Die Zentralstelle erfüllte seine Erwartungen jedoch nicht. Nachdem Lahn das Schreiben weitergeleitet hatte, wurde handschriftlich in den Akten vermerkt, dass sich diese Belebung „sicher nicht auf das Geld“ auswirken werde. In einem internen Bericht attestierte Ministerialrat Alsen der Schule ein unzureichendes Leistungsniveau, eine Unstetigkeit des Unterrichts durch häufigen Lehrerwechsel und eine Unausgeglichenheit des Kollegiums, da es an vermittelten Lehrkräften fehle.62 Diese Vorwürfe hatten einen tieferen Ursprung, der fast vier Jahre zurücklag. Bis 1979 verzichtete die Schulleitung in Málaga auf vermittelte Lehrkräfte, um Gehaltsungleichheiten mit den Ortskräften zu vermeiden. Für einen massiven Einstieg in die Förderung hätte die ZfA nun vier weitere Lehrer abstellen müssen, was zu Kosten von mehr als 800.000 DM geführt hätte. Eine Einstellung der Förderung wäre billiger gekommen. Köln hatte bereits eine Lehrerin nach Málaga geschickt. Diese bekräftigte die Zweifel an der Förderwürdigkeit der Schule und bemängelte in ihrem Bericht das große Leistungsgefälle, das Fehlen deutschsprachiger Aufnahmeprüfungen für den Seiteneinstieg und die finanziellen Geschäftspraktiken der Schule. Die Schülerzahlen gingen zurück, die Ergebnisse der Fremdenreifeprüfungen fielen unbefriedigend aus. Die ZfA favorisierte in der Folge das Ende der Förderung, obwohl sie befürchtete, dass Hoffmann seine Beziehungen zur Politikprominenz nutzen würde, um das Auswärtige Amt zu einer Änderung seiner Meinung zu bewegen. Allen Bedenken zum Trotz teilte sie der Schule im August 1981 über die Botschaft das Ende der Förderung mit. Hoffmann war geschockt. Er reagierte umgehend mit einem Schreiben an die Botschaft:63 „Fassungslos stehen wir vor einer Situation, die uns zwangsläufig an die – zumindest für unsere Schule unseligen – Zeiten des Herrn Onnen erinnern. […] Seit 15 Jahren wird eine Leistung im Aufbau und der Erhaltung einer Deutschen Schule nicht nur ohne Hilfe der Zentralstelle, sondern mit Gegenwind von dort erbracht, die ihresgleichen sucht.“
Hoffmann beklagte einen Teufelskreis. Die ZfA beanstande die schlechte Ausstattung, gewähre aber keinerlei Hilfe. Sein Intervenieren führte tatsächlich zu einem Umdenken: Im Oktober 1981 wurden Beihilfen für einen weiteren Gymnasiallehrer gewährt. Die ZfA hatte anscheinend ihre Meinung geändert, was sogleich Kritiker auf den Plan rief. Die Gewerkschaft für Erziehung und Unterricht vermutete, dass die Förderung nur beibehalten wurde, weil bereits zu viele Bundestagsabgeordnete die Schule besucht hätten.64 Die Beschwerden nahmen in der Folge kein Ende, Málaga blieb ein Problemfall. Aus der Elternschaft meldete sich zu Beginn des Jah62
Vgl. Aktenvermerke Ministerialrat Alsen, 25.06.1981 und 03.08.1981, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1220.
63
Vgl. Hoffmann an Botschaft Madrid, 26.09.1981, in: PAAA B93 ZA Bd. 1220.
64
Vgl. GEW an Staatsministerin Hildegard Hamm-Brücher, 24.03.1982, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1220.
Visitenkarten in der Welt | 293
res 1982 eine Gruppe Unzufriedener, die ihren Bericht von einer Delegation spanischer Parlamentarier der PSOE bei deren Deutschlandbesuch übergeben ließ.65 Auf ihrer Liste standen die beklagenswerte pädagogische Situation, unzulässige Versetzungspraktiken, das Fehlen von Lehrplänen, mangelnde Differenzierung im Deutschunterricht, illegale Beschäftigungspolitik, dubiose Steuerpraktiken und das Nichteinhalten von Tarifverträgen. Zwei entsandte Lehrkräfte trugen diese Kritik mit, was für Hoffmann wiederum ein unzumutbarer Zustand war und Verrat am Dienstherrn gleichkam. Streit war daher vorprogrammiert. Unterstützung erhielt er überraschenderweise von der Kultusministerkonferenz. Dort erkannte man zwar insgesamt die Mängel an, schrieb den Lehrkräften beim Streit aber eine Mitschuld zu:66 „Fehler sind auf beiden Seiten zu suchen: beim Schulträger, bei der Schulleitung, bei der Lehrerschaft […] Hüben und drüben finden sich Überheblichkeiten, ideologische Verdächtigungen, Fehleinschätzungen bei den Pflichten, […] Grenzüberschreitungen, auch verderbliche Lässigkeiten. […] Schließlich ist von ihnen [Anm.: den Lehrern] auch politische Zurückhaltung zu fordern, dies insbesondere in einem Gastland wie Spanien, das noch um seine demokratische Struktur zu ringen hat.“
Die Kultusministerkonferenz sprach sich im Anschluss für eine Intensivierung der Förderung aus, um das Netz der Begegnungsschulen zu erweitern. Die finanziellen Opfer der Schule sollten honoriert werden. Die Zentralstelle stimmte dem Erhalt der Schule schließlich zu – vor einem Jahr hatte man im Auswärtigen Amt noch ihr Ende geplant. Im Gegenzug wollte sie, um Kosten zu sparen, auf den Ausbau der Begegnungsschule in Santa Cruz verzichten und die Grundschulabteilungen in Bilbao und Valencia beschränken. Málaga konnte so unter Auflagen vorerst weiterbestehen, musste allerdings eine Schul-, Konferenz- und Versetzungsordnung vorlegen und die restlichen kritisierten Mängel beheben.67 Für Hoffmann war der politische Kampf um Anerkennung und Fördergelder aber noch nicht zu Ende. Beim langjährigen Leiter der Hanns-Seidel-Stiftung und nun Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit Siegfried Lengl beschwerte er sich über die Zentralstelle und das Auswärtige Amt, die für ihn ein „zähflüssiger Brei einer Bürokratie“ und „im Grunde in der Mehrzahl der heutigen Regierung nicht hold“68 waren. Er schrieb weiter, dass sie durch bürokratische Borniertheit die Existenz der Schule in Frage stellten, beide Einrichtungen von SPD-Sympathisanten durchsetzt seien und sie daher der CSU-nahen Schule Steine in den Weg legten: 65
Vgl. Elternbericht, 10.02.1982, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1220.
66
Bericht Konferenz der Kultusminister an AschA, 26.04.1982, in: PAAA B93 ZA 1220.
67
Vgl. ZfA an Auswärtiges Amt, 18.05.1982, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1220.
68
Brief Hoffmann an Siegfried Lengl, 12.04.1983, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1312.
294 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
„Sie [Anm.: zwei vermittelte Lehrerinnen] haben sich hier so verhalten, als ob sie von irgendeiner Seite Anweisungen hatten, uns in die Luft gehen zu lassen […]. Natuerlich ist es ein Dorn im Auge vieler einschlaegig bekannter Personen, dass hier bereits 2000 Schueler durch unsere Schule gegangen sind, von denen ein Grossteil anschliessend in die Bundeswehr gingen, in Deutschland studieren oder in den Arbeitsprozess eingegliedert sind und unter denen sich bestimmt wenig Genossen befinden.“
Hoffmann fühlte sich nach wie vor mit ‚seiner‘ Schule benachteiligt. In einem früheren Brief an Lengl bat er um mehr Unterstützung mit dem Hinweis, dass man ja mehr deutsche Schüler habe als beispielsweise Sevilla und somit die Ziele der Begegnung besser erfüllen könne.69 In San Sebastián, das in den Augen Hoffmanns ‚nur‘ verstärkten Deutschunterricht anbot, gingen 120.000 DM ein, Marbella erhalte hingegen immer noch keine Unterstützung. Doch auch der nordspanische Verein kämpfte um jeden Peso. Die Zuschüsse waren nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Bitten um mehr Geld für einen Neubau lehnte das Auswärtige Amt ebenso ab wie ein Wiederaufnahmegesuch des Colegio in Zaragoza.70 Angesichts der hohen spanischen Schülerzahl sprang in San Sebastián zeitweilig das Ministerio de Educación als Geldgeber ein. Spanien wurde in den Augen der deutschen Behörden nach wie vor überproportional gefördert. Ein Siebtel aller Gelder floss in den Südwesten Europas, und jeder neunte entsandte Lehrer war zu Beginn der 1980er Jahre auf der Iberischen Halbinsel tätig.71 Die Schulen und Lehrer interpretierten dies noch als ein Zeichen ihrer wichtigen Funktion und ihrer kulturpolitischen Bedeutung, für das Amt war es ein finanzielles Problem. In Marbella versuchte die Schule daher Finanzierungsmöglichkeiten unabhängig von Bonn zu finden. Hoffmann arrangierte einen Vertrag mit einer TennisAkademie, die in Marbella nahe der Schule ein Sportcamp betrieb. Die teilnehmenden Kinder sollten nun im Internat untergebracht werden und am Unterricht teilnehmen können.72 Ziel war es, dadurch 40 bis 100 zusätzliche Schüler und die daraus resultierende finanzielle Stabilisierung unabhängig vom Amt zu gewinnen. Dieses äußerte jedoch Bedenken gegen das Vorhaben, da die Eltern der Tennis-Kinder ihren Wohnsitz nach wie vor in Deutschland hätten und somit ein Präzedenzfall entstehen könnte, wenn eine Schule im klimatisch bedingten Mittelmeerraum Kinder aufnehme, die nicht im öffentlichen Interesse dort verweilten. Der Plan, die 69
Vgl. Brief Hoffmanns an Siegfried Lengl, 10.03.1984, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1312.
70
Vgl. Schulverein Deutsche Schule San Sebastián an Auswärtiges Amt, April 1982, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1221; Aktenvermerk Auswärtiges Amt über Gesuch DS Zaragoza, Datum unbekannt (1980), in: PAAA ZA_1, Bd. 897.
71
Vgl. Vorlage zur Regionaltagung der deutschen Auslandslehrer in Spanien, 22.10.1981, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 1173.
72
Vgl. Hoffmann an Lahn, 08.03.1983, in: PAAA B93 ZA Bd. 1312
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Tennisschüler zu integrieren, scheiterte so vorerst am staatlichen Veto.73 Die Zentralstelle war weiterhin in der Lage, ihre Vorstellungen durchzusetzen, selbst in Bereichen, die nicht ihrer Zuständigkeit unterlagen. Dass Kinder das Internat bewohnten und der Verein private Abkommen mit Firmen schloss, stand ihm theoretisch frei, doch sobald solche Verträge die Schulstruktur betrafen, intervenierte die Behörde. In Málaga verzweifelte man beinahe. Hoffmann schrieb larmoyant an Lengl:74 „Es wird untersagt aus eigenen Kräften weiterzubestehen aber seit 18 Jahren! wird keine Schulbeihilfe gegeben! […] Der Schule wird immer wieder Wind ins Gesicht geblasen. Das hat in erster Linie politische Gründe. […] Es handelt sich um eine sportliche Ausbildung und nicht um Intensivkurse im Haschrauchen oder Bauchtanz.“
Hoffmann spielte in seiner Klage auf die Vorwürfe an, Málaga sei Rückzugsort für verwöhnte Kinder reicher Eltern. Einige Einzelfälle brachten der Schule zudem den Ruf ein, ein Umschlagsplatz für Drogen zu sein. Auch wenn das Auswärtige Amt diese Vorfälle offiziell nicht kommentierte, standen sie doch im Raum und konnten das Bild der Schule negativ beeinflussen. Die Episode mit der Tennis-Akademie ist noch aus einem weiteren Grund bemerkenswert. Zum ersten Mal suchte eine Deutsche Auslandsschule in Spanien von sich aus den intensiven Kontakt zu einem privatwirtschaftlichen Unternehmen. Die Zusammenarbeit hatte dabei einen anderen Charakter als beispielsweise bisherige Spendensammlungen oder die Symbiose der Ford-Werke und der Deutschen Schule Valencia. Während dort eine große internationale Firma ihren Standort errichtete und auf die Schule zuging, suchte man in Marbella unabhängig von familiären oder beruflichen Bindungen der Eltern oder der Vereinsmitglieder den Kontakt zu einem außenstehenden Geldgeber, der nicht als einmaliger Spendengeber, sondern als Kooperationspartner fungieren sollte. Die Zusammenarbeit mit Sponsoren sollte auch in anderen Schulen immer mehr zunehmen und zu einem wichtigen Bestandteil der Finanzierung werden. Besonders in der Zeit nach 1990, als Fördergelder vermehrt in Osteuropa eingesetzt wurden, waren die Deutschen Schulen in Spanien auf andere Mittel angewiesen. Aktuell finden sich bei allen großen Einrichtungen Partner aus der privaten Wirtschaft. Bei der Deutschen Schule Madrid sind das beispielsweise ‚große Namen‘ wie Siemens oder Rödl & Partner, aber auch einheimische Firmen wie die Labortech-Firma Waldner.75 73
Vgl. Schulverein Deutsche Schule in der Provinz Málaga (Hrsg.): Deutsche Schule in der Provinz Málaga 1990, Málaga 1990, S. 7.
74
Hoffmann an Lengl, 12.04.1983, in: in: PAAA B93 ZA, Bd. 1312
75
Vgl. Startseite der Schulhomepage: http://www.dsmadrid.org (aufgerufen am 16.07.2017).
296 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Das Beispiel der Deutschen Schule Málaga macht deutlich, dass die Regierungserklärung Kohls, Auslandsschulen mehr zu fördern, kein Heilsversprechen war. Zwar gab es insbesondere in CDU-Kreisen Rückendeckung für die spanischen Schulen, aber deren überproportionale Förderung wurde weiterhin stets kritisiert. Engagierte Einrichtungen wie Málaga mussten sämtliche Vorlagen erfüllen, um eine Chance auf Unterstützung zu erhalten, während eigene Bestrebungen dabei wenig beachtet wurden. Wirkten Kohls Worte für viele Schulen wie ein Freifahrtschein, zeigte die Realität rasch, dass der Kampf um Fördergelder komplexer war – geprägt von bürokratischen Hürden, pädagogischen Herausforderungen und parteipolitischen Zwistigkeiten. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität der Förderpolitik war in Spanien in den 1980er Jahren offenkundig. Aber auch andere Aspekte der Auswärtigen Kulturpolitik, wie die Funktionalität der Begegnungsschule, standen in den 1980er Jahren auf der Iberischen Halbinsel auf dem Prüfstand. 8.2.2 Gescheiterte Begegnung? Kulturpolitik auf dem Prüfstand ‚Soziale Öffnung‘ lautete das Schlagwort der Brandt’schen Reformpläne Ende der 1960er Jahre. Im Rahmenplan der Regierung Kohl 1988 tauchte der Begriff nur noch am Rande auf, und in der Realität der Schulen war er vielfach komplett verschwunden.76 Trotz finanzieller Unterstützung aus Deutschland mussten die Schulen weiterhin Gebühren erheben, um liquide zu bleiben. Dieses Schulgeld war das grundlegende Hindernis, soziale Öffnung flächendeckend durchzusetzen und ärmeren Schichten den Schulbesuch zu ermöglichen. Die vergleichsweise geringe Anzahl an ausgeschriebenen Stipendien konnte dem nicht entgegenwirken. Die Schulen besuchte entweder weiterhin die soziale Oberschicht oder, wie in Bilbao, eine höhere Mittelschicht, die dann aber häufig Probleme hatte, die hohen Kosten aufzubringen.77 An der soziokulturellen Zusammensetzung der Schüler- und Elternschaft hatte sich demnach wenig geändert. Zwar waren die Schulen in Spanien keine Eliteanstalten der oberen Zehntausend, doch gerade ärmeren Bevölkerungsschichten blieb der Zugang mit wenigen Ausnahmen verwehrt. Der Verband der Deutschen Auslandslehrer beurteilte die Lage realistisch, bisweilen sogar pessimistisch:78 „Genaue Zahlen über die soziale Zusammensetzung der Schülerschaft an diesen Schulen liegen nicht vor. […] Die Auslandsschulen sprechen aber immer noch im wesentlichen Schüler aus Oberschicht und gehobener Mittelschicht der Gastländer an. Die Schulgeldforderungen der deutschen Auslandsschulen als Privatschulen, relativ hohe Nebenkosten für Lernmittel, 76
Vgl. Franqué: Stellungnahme, S. 132.
77
Vgl. Deutsche Schule Bilbao an Auswärtiges Amt, 14.12.1983, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1311.
78
Vgl. Vogt: Deutsche Auslandsschulen, S. 131.
Visitenkarten in der Welt | 297
Schulunternehmungen, oft erhebliche Fahrtkosten in den Millionen-Metropolen bis hin zu Ausgaben für angemessene Kleidung wirken bereits selektiv.“
Abhilfe sollten Stipendien schaffen. Onnen forderte 1974, dass die Schulen mindestens 50 Prozent des fiktiven Schulgeldausfalls, der dadurch entstehen würde, alleine tragen sollten.79 An andere Maßnahmen für sozial schwächere Schüler neben der Übernahme des Schulgeldes dachte vorerst niemand, und auch eine komplette amtliche Übernahme blieb aus. Dementsprechend liefen Onnens Forderungen größtenteils ins Leere. Die Schulen blieben zunächst auf den Kosten sitzen, was viele aber nicht davon abhielt, trotzdem Stipendien zu gewähren. Bei einer Umfrage des Verbands Deutscher Auslandslehrer im Jahr 1984 teilten die spanischen Schulen ihre Zahlen mit:80 In Bilbao erhielten 30 bis 60 Prozent einen Nachlass, in Las Palmas bis zu 50 Prozent, in Madrid 27 Prozent und in Valencia 10 Prozent. In diesen Zahlen sind auch teilweise komplette Erlasse enthalten. Es kam nur zu einer leichten Verschiebung des sozialen Spektrums nach unten, es setzte sich aber immer noch größtenteils aus den gleichen Schichten zusammen wie zuvor. Die Stipendien gingen meistens an Personen aus der unteren Mittelschicht. Die soziokulturelle Differenz zwischen Spanien und Deutschland war in den 1980er Jahren deutlich geringer als beispielsweise in Südamerika, was bedeutete, dass in Spanien andere soziale Schichten von den Nachlässen profitierten als beispielsweise in Guatemala oder Bolivien. Georg Schmidl, Direktor in Bogotá, äußerte bereits 1972 seine Zweifel am Erfolg der sozialen Öffnung.81 Vom erzieherischen Standpunkt aus war seiner Meinung nach nicht die Armut das Problem, sondern die damit verbundene Geringschätzung von Bildung und geistigen Werten. Das Kind aus ärmlichen Familien habe daher per se einen Nachteil im Wettbewerb um Zweisprachigkeit. Zielgruppe sei folglich die aufstrebende ‚bewusstseinsbildende‘ Schicht, die aber trotz alledem ihren Kindern eine finanzielle Grundlage und einen anderen Sozialisationsraum biete als der ärmere Teil der Bevölkerung. Auch in Spanien änderte sich die soziale Zusammensetzung nur geringfügig, die sogenannte Unterschicht war kaum vertreten. Im ersten Zweig der Neuen Sekundarstufe in Valencia kamen von 36 Kindern elf aus Akademikerkreisen, 16 stammten aus Familien von Bank- oder Verwaltungsangestellten. Von den restlichen Eltern arbeiteten sechs im Handel, zwei waren Unternehmer und einer Volks-
79
Vgl. Onnen, Engelbart: Die mühevolle Aufgabe der sozialen Öffnung, in: DLiA 10 (1974), S. 259–266, S. 266.
80
Vgl. Frank, Claus Günter: Schulreformen an deutschen Auslandsschulen. Dargestellt an der Einführung der Neuen Sekundarstufe an der Deutschen Schule Lissabon, Saarbrücken 1995, S. 134.
81
Vgl. Schmidl, Georg: Soziale Öffnung und Strukturprobleme der deutschen Auslandsschulen, in: DLiA 3 (1972), S. 141–148, S. 144.
298 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
schullehrer.82 Die Aufnahme intelligenter Kinder im Seiteneinstieg bedeutete nicht, dass in bedeutender Weise andere soziale Schichten vertreten waren. Ein interner Vergleich der Schule in Valencia zeigte, dass sich mit der Einführung der Neuen Sekundarstufe die Verhältnisse im Jahr 1975 gegenüber denen von 1971 kaum geändert hatten. Zehn Jahre später war das nicht anders: 1985 stammten 26 Prozent der Kinder von Professoren, Ärzten oder Ingenieuren, und fast genauso viele waren nicht näher definierte Angestelltenkinder.83 Mit dem traditionellen Zweig, der wieder mit der Grundschule begann, sprach die Schule in ihren Augen die ‚herrschende Oberschicht‘ an, mit der Neuen Sekundarstufe die ‚Aufsteiger‘, sprich die kommende Elite. Zwar lässt sich so ein geringer Erfolg feststellen, doch blieben die Hoffnungen der ZfA und speziell die idealistischen Vorstellungen Onnens von einer sozialen Öffnung im Großen und Ganzen unerfüllt. Für Schmidl in Kolumbien zeichnete sich dennoch schon zu Beginn der Reformmaßnahmen ein kleiner Erfolg ab:84 „Sicherlich beseitigen wir mit diesem bescheidenen Beitrag [Anm.: gemeint sind Stipendien] […] nicht die bestehenden sozialen Ungerechtigkeiten, noch weniger können wir damit die Gesellschaftsstruktur verändern. Für die Auslandsschulen ist es aber wichtig, sich aus der traditionsbedingten Unbeweglichkeit zu lösen, den gesellschaftlichen Strömungen Rechnung zu tragen, teilzuhaben an der dynamischen Entwicklung unserer Zeit, und sei es auch nur durch das Beispiel guten Willen, sozialer Verantwortung und befreiender Tat.“
Eine weitere zentrale Forderung aller kulturpolitischen Konzeptionen war die Partnerschaft mit dem Gastland und das Ende eines nationalkonservativen, einseitigen Kulturexports. Ein Indiz für deren Gelingen war die stärkere Zusammenarbeit zwischen einheimischen Ortskräften und den vermittelten Lehrkräften, die in der bilingualen Schule nun stärker kooperieren mussten. Zwar gab es keine finanzielle Gleichstellung, doch die früher getrennten Kollegien hatten in der Begegnungsschule nun die Chance und sogar die Verpflichtung, menschlich, pädagogisch und kulturell miteinander in Kontakt zu treten, wenn sie ihren Unterricht abstimmen wollten.85 In vielen Orten blieb dieser Kontakt jedoch hinter den deutschen Erwartungen zurück. Häufig gelang es den nationalen Ortskräften nicht, sich auf die pädagogischen Vorstellungen ihrer Kollegen einzustellen. 86 In Bilbao nannte der Schulleiter diese Zusammenarbeit sogar einmal einen der Nachteile der Begeg82
Vgl. Allhoff: Die Neue Sekundarstufe, S. 160.
83
Vgl. Dietz, Manfred: Neue Sekundarstufe und/oder traditioneller Weg, in: DLiA 2 (1985), S. 24–27, S. 26.
84
Schmidl: Soziale Öffnung, S. 148.
85
Vgl. Strieder, Hermann-Josef: Quo vadis – Begegnungsschule, in: DLiA 6 (1986), S. 193–195, S. 193.
86
Vgl. Vogt: Deutsche Auslandsschulen, S. 131.
Visitenkarten in der Welt | 299
nungsschule, da die spanischen Kollegen weiterhin den Vortrags- und Nachlernunterricht pflegten und dadurch bald an Autorität bei den Schülern verloren.87 Inwiefern sich deutsche Lehrkräfte auf einheimische Lehrkonzepte einlassen sollten und dies auch getan haben, diskutierten weder die Verbandszeitschrift noch die ZfA tiefgehend. Die deutsche Lehrmethode blieb der Königsweg, an den sich die Kollegen aus dem Gastland anzupassen hatten. Die spanische Fokussierung auf das Auswendiglernen blieb den deutschen Pädagogen ein Dorn im Auge.88 Deren Zahl überwog die der spanischen Kollegen in den Klassen des Bachillerato mixto, dessen Lehrplan größtenteils von deutschsprachigen Fächern dominiert war. Gemeinsamer Unterricht in Spanisch fand anfangs nur im Sprachunterricht statt.89 Der kulturelle Austausch und die Partnerschaft verwirklichten sich im Schulalltag durch gesellschaftliche und außercurriculare Aktivitäten.90 Sportveranstaltungen mit örtlichen oder anderen internationalen Schulen, Konzerte, Weihnachts- oder Karnevalsfeiern, Lesungen oder Ausstellungen trugen die Schulen in die Öffentlichkeit. Die Repräsentation nach außen nahm spürbar zu und fand auch in den jährlichen Berichten der Schulen einen immer größeren Niederschlag. Neben einer stärkeren Verankerung in der einheimischen Bevölkerung dienten diese Veranstaltungen der Werbung für die eigene Schule, und die Erfolge bei Sportturnieren wurden als sichtbarer Beweis für die Qualität der deutschen Bildung interpretiert. Ein Auszug aus der Veranstaltungschronik der Deutschen Schule Madrid zum 100-jährigen Jubiläum vermittelt einen Eindruck von der Vielfältigkeit der Angebote.91 Neben Autorenlesungen mit Dichtern beider Nationen veranstaltete der Verein eine Projektwoche über die Hauptstädte, zeigte Kunstwerke von Schülern in einer öffentlichen Vernissage, organisierte Künstler-Workshops, besuchte einheimische Firmen und führte eigene Theaterstücke auf. Eine Isolation, wie sie noch in frühen Jahren teilweise zu finden war, ist somit ab Ende der 1970er Jahre nicht mehr zu erkennen. Waren Kulturveranstaltungen in der Weimarer Zeit primär für die deutsche Gemeinde oder germanophile Spanier gedacht, zeichneten sie sich jetzt durch mehr Offenheit und Gegenseitigkeit aus. Die Schulen drängten in die öffentliche Wahrnehmung der Gesellschaft, auch um ihren eigenen Wert und ihre Qualität zu präsentieren. Die öffentlichen Veranstaltungen nahmen kontinuierlich zu, und Ende der 1980er Jahre gab es keine Deutsche 87
Vgl. Weimann: Bachillerato mixto, S. 158.
88
Vgl. Diehl, Günther: „Befriedigen kann die Begegnungsschule noch lange nicht …“, in: DLiA 4 (1988), S. 159–167, S. 162f.
89
Vgl. Röhrenbach, Johannes: Das „Bachillerato mixto“ an der Deutschen Schule Madrid, in: DLiA 6 (1975), S. 151–155, S. 152.
90
Vgl. Frank: Schulreformen, S. 129.
91
Vgl. 100 Jahre DSM, S. 181–190. Zwar wurden im Festjahr besondere Events organisiert, doch auch in anderen Jahren war das kulturelle Rahmenprogramm der Schule ähnlich reichlich.
300 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Schule in Spanien, die nicht versuchte, auf sich aufmerksam zu machen, um sich in spanischen Kreisen zu profilieren. Da sich die Qualität des einheimischen Bildungssystems verbesserte, brauchten die Deutschen Schulen neue Aushängeschilder. Ein Versuch ein solche zu schaffen ist das ‚Literatur Café‘ der Deutschen Schule Madrid, das sich Ende der 1990er Jahre zu einem festen Treffpunkt entwickelte, in dem Deutsche und Spanier Vorträge hielten und sich außerhalb der Schule zu Diskussionsrunden trafen. Orte dieser Art stilisierten die Verantwortlichen nahezu romantisierend zu Idealplätzen der Begegnung: Dort „treffen deutsche Gemütlichkeit und selbst gebackener Marmorkuchen auf spanisches Temperament und Tortilla español.“92 Die kulturpolitischen Ansprüche lassen sich aus historischer Perspektive noch an einem weiteren Kriterium ablesen. Zentrales strukturelles Element der Reform der 1970er Jahre war der Abbau der zweisprachigen Grundschule und die Einführung eines Seiteneinstieges in den Sekundarzweig durch ein Auswahlverfahren vor der 5. Klasse, was die Schulen als ‚Neue Sekundarstufe‘ bezeichneten. In einem persönlichen Gespräch erklärte der ehemalige Vereinsvorstand der Deutschen Schule Valencia Wolfgang Försterling, dass seine Schule die einzige gewesen sei, in der dieses Konzept funktioniert habe.93 Doch was war das Problem in den anderen Städten? Ein Blick in das Nachbarland Portugal kann hier Aufschluss geben. 1995 legte der ehemalige Lehrer der Deutschen Schule Lissabon Claus-Günter Frank eine Studie über die Reform der Auslandsschulen in Portugal vor, in der er immer wieder kontrastierend auf Spanien verweist. Seine Arbeit ist damit auch gerade für die Deutschen Schulen in Spanien aufschlussreich. Nach 1990 existierte die Neue Sekundarstufe im Grunde nur noch auf der Iberischen Halbinsel und in vereinzelten Schulen Südamerikas oder Afrikas.94 Diese fühlten sich alle in ihrer Arbeit von der ZfA im Stich gelassen. Bei der Regionaltagung in Spanien 1986 machten die in Spanien tätigen Lehrkräfte ihrem Unmut Luft: Die Zentralstelle kümmere sich zu wenig um diese wichtige Form im iberischen Raum. Sie verspreche zwar immer wieder eine Bestandsaufnahme, doch es gesche-
92
Gerhardt, Heinz: Das Literatur Café der Deutschen Schule Madrid – ein Ort der Begegnung, in: Begegnung 22 (1/2001), S. 14–17, S. 14.
93
Vgl. persönliche Gesprächsnotizen: Interview mit Wolfgang Försterling, Deutsche Schule Valencia, September 2016. Valencia erzielte bei der Neuen Sekundarstufe die besten Abschlussquoten, doch auch in den anderen spanischen Schulen waren diese vergleichsweise hoch. Vgl. außerdem: Graff, Helmut: 75 Jahre Deutsche Schule Valencia, in: DLiA 1 (1984), S. 29–33. Die Schule hat ihr aktuelles Profil maßgeblich durch die Neue Sekundarstufe und durch den Vorbereitungslehrgang für Auslandslehrer erworben.
94
Vgl. Frank: Schulreformen, S. 95.
Visitenkarten in der Welt | 301
he nichts.95 Viele Schulen gaben das Konzept daher wieder auf, und auch in Spanien gab es Modifizierungen des ursprünglich strikten Plans, die Grundschule nicht für Ausländer zu öffnen. Bereits 1981 gestattete die ZfA nach dem königlichen Dekret drei Jahre zuvor den Schulen die Wiedereinführung von DaF-Klassen in der Grundschule, was quasi die Wiederaufnahme ausländischer Kinder bedeutete.96 Im Dezember 1983 übermittelte der Schulverein in Bilbao erstmals die Bitte, wieder Spanier in die Grundschule aufnehmen zu dürfen. Die Zahl der Seiteneinsteiger nehme deutlich ab, zudem würden sie die restlichen Schüler im Unterricht bremsen, da sie die Erwartungen doch nicht erfüllen könnten.97 In der baskischen Metropole und in anderen Städten wurde nach solchen Interventionen wieder ein zweiter bilingualer Zweig eingeführt, der bereits im Kindergarten startete. Onnens rigide Umstrukturierung der 1970er Jahre weichte zunehmend auf, zumal sie die Wünsche der Eltern missachtete und somit kaum die Idee der Partnerschaft erfüllte. 98 Seine Nachfolger gestanden sich ein, dass seine Forderungen überpointiert waren, und gewährten den Schulen wieder mehr Autonomie.99 Die Deutsche Schule Valencia konnte so neben der Neuen Sekundarstufe parallel ihren eigenen Kindergarten- bzw. Grundschulzweig führen. Sie ist eine der wenigen Schulen, bei der eine Erfolgskontrolle überliefert ist, worauf Frank in der genannten Studie verweist.100 Bei vier Jahrgängen erreichten 60,7 Prozent der Grundschüler und 73,6 Prozent der Schüler der Neuen Sekundarstufe das Abitur. Bei anderen Schulen lag das Verhältnis ähnlich, in Barcelona bestanden meist über 70 Prozent der Seiteneinsteiger die Reifeprüfung.101 Das waren in Spanien gute Quoten, doch kamen sie nur aufgrund einer strengen Selektion zustande. In Lissabon, das die Aufnahme großzügiger gestaltete, erreichten nur 35 Prozent die Reifeprüfung. Ein Beispiel aus Valencia zeigt die drastischen Ablehnungszahlen: Im Schuljahr 1988/89 meldeten sich 376 Kinder für den Vorkurs an, von denen 69 zugelassen wurden. Davon kamen 28 in die 5. Klasse, 22 erreichten einen Hochschulabschluss. 95
Vgl. Graff, Helmut: Aus der Arbeit des Vorstandes. Tagung der Regionalgruppe Spanien/Portugal vom 22.–25.5.1986 in Valencia, in: DLiA 4 (1986), S. 118–120, S. 119.
96
Vgl. Dietz: Neue Sekundarstufe S. 24.
97
Vgl. Deutsche Schule Bilbao an Auswärtiges Amt, 14.12.1983, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1311.
98
Vgl. Scholz, Begegnung im Alltag, S. 261f.: „Welche Art von gegenseitigem Verstehen und Verständnis ist es, wenn so einschneidende Maßnahmen verfügt werden, ohne daß der Beauftragte der Zentralstelle mit den betroffenen Eltern diskutiert.“
99
Vgl. Becker, Bernhard: Drei Fragen zum Auslandsschulwesen, in: Mitteilungen, Meinungen, Materialien des Verbands deutscher Lehrer im Ausland 3/4 (1977), S. 59–65, S. 60.
100 Vgl. Überlieferungen der Zahlen bei: Frank: Schulreformen, S. 113. 101 Vgl. ebd., S. 115.
302 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Rechnet man nur die Erfolgsquote des Vorkurses, besuchte lediglich knapp ein Drittel die Schule bis zum Ende. Nimmt man gar die ursprünglichen Anmeldezahlen, erreichten gerade einmal 5 Prozent der Interessierten das Abitur. Bei den Eltern, die berechtigterweise viel Hoffnung in den Seiteneinstieg gesetzt hatten, machte sich zwangsläufig Resignation breit. Erschwerend kam hinzu, dass die Umstrukturierung nicht stringent durchgeführt wurde. Erhielt Santa Cruz 1978 noch die Zusage, eine Neue Sekundarstufe einführen zu können, teilte die ZfA 1983 mit, dass der Umbau nicht fortgeführt werde. Die Zahl der deutschen Schüler gehe stark zurück, der finanzielle Aufwand sei nicht mehr gerechtfertigt.102 Bedenkt man, dass Málaga gleichzeitig mehr Förderung erhielt, kann man erkennen, dass die ZfA die beiden Schulen gegeneinander abwog und nur bereit war, bei einer von ihnen Gelder einzusetzen. Das grundlegendes Problem dabei war: Die Steuerungsfunktion der ZfA beinhaltete hauptsächlich finanzielle Komponenten, eine richtige Leistungskontrolle der Neuen Sekundarstufe führte die ZfA nie durch.103 Die ‚Fördergießkanne‘ tröpfelte immer noch weiter. Eine Bewertung über Erfolg oder Misserfolg der Neuen Sekundarstufe aus historischer Perspektive ist nahezu unmöglich, da zu viele Faktoren einen Einfluss ausübten. Mit der strukturellen Reform setzte auch ein Wandel in der Methodik und Didaktik des Fremdsprachenunterrichts ein. Durch diese ‚neue Form‘ der Deutschvermittlung entstanden bessere Ergebnisse, ein Vergleich mit Zahlen aus früheren Zeiten wäre daher irreführend. Onnens stets wiederkehrendes Argument für den späteren Einstieg in die bilinguale Schule war die psychologische Eignung der Kinder für den Spracherwerb. Seine Meinung teilten viele Pädagogen. Bei einem Kurzreferat auf der Regionaltagung in Spanien bekräftigte Georg Ullmann, Lehrer in Las Palmas, Onnens Theorie.104 Wissenschaftliche Belege blieben beide schuldig, und aktuelle Forschungen weisen darauf hin, dass sie mit ihren Thesen falsch lagen.105 Zu Beginn der 1980er Jahre änderten auch das Amt und die Kultusministerkonferenz ihre Meinung und unterstützten den Aufbau des Kindergartens und der Grundschule, da sie eine frühe Sprachförderung nützlich fanden. 106 Die Praxis frühkindlicher Erziehung betrachteten beide Institutionen erneut als Beitrag zu den internationalen Bemühungen um eine Zusammenarbeit in allen Bereichen der Schu102 Vgl. Forster, Dieter: Eine Deutsche Schule in der Provinz. Santa Cruz de Tenerife, in: Vergin, Siegfried u. a. (Hrsg.): Herausforderung für die Auslandsschule. Auswärtige Kulturpolitik – national zentriert?, Braunschweig 1988, S. 127–131. 103 Vgl. Frank: Schulreform, S. 157. 104 Vgl. Ullmann, Georg: Die Deutsche Auslandsschule in Spanien als bilinguale Sekundarschule. Ausgehend von dem Beispiel der Deutschen Schule Las Palmas/Gran Canaria, in: DLiA 1 (1979), S. 11–13. 105 Vgl. Jung, Britta: Erstsprache, Zweitsprache, Fremdsprache. Eine Einführung, Weinheim 2007, S. 202–210. 106 Vgl. KMK Bericht 25.11.1982, in: BAK B 304/3044.
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len. Den Schulen gestand man daher wieder beide Möglichkeiten zu und gewährte ihnen die Aufnahme ausländischer Kinder in deutsche Grundschulklassen. Nun wäre es ahistorisch, Onnens Argumentation mit aktuellen oder späteren Forschungsergebnissen zu widerlegen, doch er beachtete zu wenig die Fortschritte der Fremdsprachendidaktik, die zu seiner Zeit – sogar durch ihn mit katalysiert – einsetzten. Er pauschalisierte die Erkenntnisse der Sprachpsychologie, um eine Rechtfertigung für seine Reformen zu erhalten, deren Erfolg so nicht valide messbar wurde. Die unterschiedlichen Abschlussquoten hatten ihren Ursprung nach Frank in der variablen Selektion und nicht im unterschiedlichen System. Während in Lissabon knapp die Hälfte der Vorkurskinder in die 5. Klasse kam, waren es in Valencia nur 13 Prozent. Nur durch diese strengen Maßnahmen konnte die Neue Sekundarstufe in Spanien beibehalten werden, während sie in anderen Schulen Ende der 1970er Jahre schon wieder komplett abgeschafft wurde. Ein weiterer Grund für den Erfolg in Spanien war auch, dass beide Systeme, die Neue Sekundarstufe und der Grundschulzweig, zu ähnlichen Ergebnissen führten und die Eltern sie damit als gleichwertig wahrnahmen.107 Wie gelungen waren nun Onnens Ausbaupläne in Spanien insgesamt? Sowohl im Bereich der strukturellen Änderungen und der sozialen Öffnung als auch bei der partnerschaftlichen Verortung in der Gastgesellschaft machten sich zwar nur geringe beziehungsweise langsame, aber eben doch positive Entwicklungen bemerkbar. Offen blieb weiterhin die Frage, wie der Zugang zur Grundschule geregelt werden sollte.108 Kinder aus gemischtsprachigen Ehen hatten, insofern sie die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen, einen Anspruch auf die Aufnahme in die 1. Klasse. Da sie aber oftmals die Sprache nicht beherrschten, dürfte der rein deutschsprachige Unterricht sie überfordert haben. Mehr noch als der strukturelle Ausbau und die soziale Öffnung sorgte genau dieser Aspekt der Sprachbeherrschung für Kritik. Seit der Regierungserklärung Kohls war er wieder stärker in den Fokus gerückt, und nun mussten sich die Schulen an ihm messen lassen. 8.2.3 „Wuchtbrumme“ und „steiler Zahn“ – Sprachbeherrschung „Begegnung in der bikulturellen Schule heißt vor allem Begegnung mit Deutsch als Unterrichtssprache“, bemerkte Walter Karcher, Leiter der Deutschen Schule Helsinki, zu Beginn der 1980er Jahre.109 Mit Deutsch im Fachunterricht, etwa in Mathematik oder Erdkunde, machten die Kinder eine vollkommen neue Erfahrung. Schnell offenbarten sich auch hier Probleme, die alle Schulen betrafen. Erstens wirkte sich die Sprachfelderweiterung wenig auf die Alltagssituation aus; die 107 Vgl. Dietz: Neue Sekundarstufe, S. 26. 108 Vgl. Ullmann: Bilinguale Sekundarschule, S. 13. 109 Vgl. Karcher, Walter: Die besondere Verantwortung für die Schüler der Neuen Sekundarstufe, in: DLiA 2 (1981), S. 3–9, S. 5.
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Kommunikation unter den Schülern oder auch unter den Lehrern verbesserte sich nicht entscheidend. Nach wie vor blieben sie größtenteils in ihrem nationalen Umfeld und unterhielten sich nur mit ihresgleichen. Zweitens schloss der Eignungstest die Gefahr, Kinder sprachlich zu überfordern, nicht aus. Die Frustration bei Abgängern war dementsprechend hoch, hatte man doch zuvor durch die Aufnahme berechtigte Hoffnung auf einen erfolgreichen Abschluss gehabt. Karcher befürchtete ein Drop-out-Syndrom und warnte davor, die Anforderungen zu hoch zu stecken.110 Das einheimische Schulsystem bot oftmals keine Übergangsmöglichkeiten von der Deutschen Schule, viele Schüler wurden daher mitgezogen, auch wenn sie die Anforderungen, besonders im fremdsprachlichen Fachunterricht, nicht erfüllten. Dort stand eine Weiterentwicklung der Fachbücher und Sachtexte, die auf den Stand des Fremdsprachenunterrichts Rücksicht nahm, erst zur Debatte.111 Der Fachunterricht diente meist noch als verlängertes Experimentierfeld für die Festigung von Sprachstrukturen und sollte dabei syntaktische und semantische Fehler, die zu falschen Sprachformen führten, nicht dulden. Sprachliche Mischformen ließen sich aber nicht vermeiden, der stärkere Kontakt der Schüler untereinander führte zwangsläufig zu Interferenzen.112 Syntaktische Strukturen und Wortbildungen wiesen sowohl bei Mutter- als auch bei Fremdsprachlern Elemente beider Sprachen auf, was für die Zielsetzung einer ‚perfekten‘ Sprachbeherrschung kontraproduktiv war. Das Leistungsgefälle im Deutschunterricht nahm zu und wirkte sich mitunter hemmend auf die ganze Klasse aus.113 Hier setzte nun die Kritik von Günther Diehl, dem Prüfungsbeauftragten des AschA, an, die exemplarisch für viele stehen kann.114 Diehl war 15 Jahre Teil der Prüfungskommission und besuchte in seiner Laufbahn mehr als 60 Auslandsschulen. Während er bei den Leistungen in den Naturwissenschaften und Sachfächern keine Probleme im Vergleich zu Schulen in Deutschland entdeckte, bemängelte er den Deutsch- und Geschichtsunterricht. Er erklärte dies mit der Ferne zur politisch-ökonomischen Realität des Vaterlandes und zu Film, Radio und Nachrichten. Mit dieser Meinung war Diehl nicht allein. Die komplizierte Fachsprache im Geschichts- oder Erdkundeunterricht, so die Meinung vieler Experten, überfordere die Kinder.115 Für den Prüfungsbeauftragten lag die 110 Vgl. ebd., S. 7. 111 Vgl. Erwert, Helmut: Die bilinguale Schule – Perspektiven einer differenzierte Einführung der deutschen Fachsprache, in: DLiA 3 (1981), S. 20–29, S. 20. 112 Vgl. dazu stellvertretend: Schön, Barbara: „Warum sprechen die Kinder das schon wieder falsch aus?“ – Phonetische Interferenzen bei deutschlernenden Spaniern, in: DLiA 1 (1984), S. 40–47. 113 Vgl. Ullmann: Bilinguale Sekundarschule, S. 12. 114 Vgl. im Folgenden: Diehl, Günther: Erfahrungen mit Deutschprüfungen an Deutschen Schulen im Ausland, in: DLiA 4 (1981), S. 23–26. 115 Vgl. Doll, Walter: Fachsprache Deutsch: Erdkunde- und Geschichtsunterricht in bilingualen Klassen, in: DLiA 3 (1979), S. 25–28.
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Ursache in der schlechten Ausstattung der Schulen. Das Angebot an deutscher Lektüre sei an vielen Einrichtungen zu wenig ausgebaut, und selbst dann würden es die Kinder nicht nutzen, weil sie laut Diehl ihre Freizeit mit Reiten, Segeln, Tennis und Fliegen verbringen würden. Der Vorwurf der finanziellen Eliteschule ist auch in diesem Statement unüberhörbar. Für Diehl waren die Folgen aus diesem Schülerverhalten klar: mangelhafte Leistungen in den Prüfungen. In einem Beitrag in der Verbandszeitschrift Deutsche Lehrer im Ausland schilderte er einige in seinen Augen besonders drastische Fälle. Abiturienten einer italienischen Anstalt kannten die Begriffe „Wuchtbrumme“ und „steiler Zahn“ nicht, für Diehl zwar keine Katastrophe, aber ein „Symptom von Unsicherheit im Sprachgebrauch“. Unterentwickelt seien auch die Fähigkeiten, Gedanken logisch, klar und in gutem Deutsch auszudrücken. Diehl führte mehrere Beispiele auf, bei denen Schüler in der Interpretation von Goethes Faust oder Eichendorffs Mondnacht zweifelhafte Antworten lieferten. Welche Bewertungskriterien er dabei anwendete, bleibt unklar, genauso wie bei einem Vergleich mit Schülern an Schulen in Deutschland. Es ist zu vermuten, dass auch Jugendliche an einem bayrischen oder hessischen Gymnasium zuweilen ‚zweifelhafte‘ Antworten auf die Gretchenfrage gaben – und bei Diehl mit hoher Wahrscheinlichkeit durchgefallen wären. Sein Kriterium war die Beherrschung der hohen Literatur, jugendsprachliche Elemente betrachtete er allenfalls als sprachliche Dummheiten. Diehl verkörperte einen eher konservativen Prüfertyp, für den Deutschland nach wie vor das Land der Dichter und Denker war, geprägt von der Hochkultur eines Schillers und Goethes. Dabei lässt sich in seinen Beiträgen durchaus ein gewisser Überlegenheitsanspruch und ein Bezug zur Nationalität herauslesen, etwa wenn er vom „Vaterland“ schrieb, den Begriff des „Deutschtums“ wieder aus der Versenkung holte oder die „Neger“ in Costa Rica nur als „Zitronen- und Bananenbauern“ wahrnahm.116 Seine Erwartungen an die Sprachbeherrschung waren dementsprechend hoch, wurden aber nur selten erfüllt. Sowohl die Ergebnisse in den Abiturals auch in den Sprachdiplomprüfungen enttäuschten ihn. Trotz unbestreitbarer Fortschritte bei den Lehrwerken und in der Lehrervorbereitung lag die Erfolgsquote bei den Sprachdiplomprüfungen bei nur knapp zwei Drittel, was für Diehl zwar eine positive Tendenz, aber noch deutlich zu wenig war.117 Er lieferte in seinen Analysen gleich eine Erklärung für die schlechten Leistungen mit: Grund dafür war seiner Meinung nach die gemeinsame Erziehung und Beschulung vom Kindergarten bis zum Abschluss, die seit 1981 wieder viele Anstalten praktizierten. Sie ließen damit keine Auslese von geeigneten Kindern zu. Sieben Jahre später wiederholte er sein Statement, eine Besserung war für ihn nicht eingetreten.118 Auch bei dieser erneuten Kritik reduzierte er die Begegnung weiterhin auf die Sprachbeherrschung, 116 Vgl. Diehl: Befriedigen, S. 166. 117 Vgl. Diehl: Erfahrungen, S. 25. 118 Vgl. Diehl: Befriedigen, S. 163.
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andere Kriterien waren für ihn kaum relevant. Seine Meinung blieb bestehen: Die Begegnung war gescheitert, weil die Kinder schlecht Deutsch sprachen. Ein Blick auf die Iberische Halbinsel legt eine andere Einschätzung nahe. Die Daten zu den dortigen Auslandsschulen lassen Diehls Pauschalurteil von der gescheiterten Begegnungsschule aus sprachlicher Perspektive fragwürdig erscheinen. Im Schuljahr 1975 legte in Bilbao die erste Klasse ihre Reifeprüfung für das Bachillerato mixto ab.119 Sechzehn spanische Schüler traten an und erzielten insgesamt eine Durchschnittsnote von 2,9. Besonders gute Ergebnisse kamen nach Meinung des Schulleiters in den naturwissenschaftlichen Fächern zustande. Alle Teilnehmer mussten ‚Deutsch‘ als Pflichtprüfung wählen, das Ergebnis lag dort bei 3,32. In den schriftlichen Prüfungen lag die Fehlerquote in der Orthographie zwischen 0,0 und 0,8 Prozent, in der Grammatik zwischen 0,2 und 1,4 Prozent. Das bedeutet, dass alle Spanier in der Lage waren, einen deutschen Text in muttersprachlicher Qualität zu verfassen. Die sprachliche Qualität war für Schulleiter Albrecht Weimann daher auch nicht das zentrale Problem, er kritisierte vielmehr die fehlende Zeit in der Vorbereitung für inhaltliche Aspekte. Rund zehn Jahre später absolvierte weiterhin ein Großteil der Schüler in Spanien die Prüfungen erfolgreich. Die Quote der Absolventen an den Sekundarschulen lag bei rund 70 Prozent, der Abiturschnitt ähnelte mit ca. 2,5 dem der innerdeutschen Einrichtungen. Weitere Thesen Diehls, wie zum Beispiel die Aussage, der Geschichtsunterricht sei besonders von den Sprachschwierigkeiten betroffen, lassen Zahlen der Deutschen Schule Lissabon zweifelhaft erscheinen.120 Dort bewerteten Schüler diese Stunden leichter als die naturwissenschaftlichen Fächer und sogar einfacher als den Musik- und Kunstunterricht, der gemeinhin als sprachlich wenig anspruchsvoll galt. Indirekter Widerspruch kam aber auch aus den eigenen Reihen. Hans Karl Kissner, Vorsitzender des Zentralen Ausschusses für das Deutsche Sprachdiplom und Nachfolger Diehls, präsentierte 1988 zum 15-jährigen Bestehen der Prüfung Abschlusszahlen.121 Bei den Muttersprachlern oder gemischtsprachigen Teilnehmern lag die Erfolgsquote zwischen 80 und 100 Prozent, bei den ausländischen Kandidaten war sie vor 1980 noch unter 50 Prozent, stieg danach aber kontinuierlich an und konnte bei 60 Prozent gehalten werden. Für Kissner war dies ein Erfolg, denn seiner Meinung nach war die gleichbleibende Zahl bei steigenden Ansprüchen eine Leistungsverbesserung. Die Prüfungsanforderungen waren in den Jahren zuvor zum Teil stark verschärft worden, ein Punkt, den sein Vorgänger nicht erwähnt hatte. In die Diskussion um Diehls Urteil schalteten sich auch die betroffenen Pädagogen ein. Harald Binder, Lehrer an der Deutschen Schule in Santiago de Chile, 119 Vgl. Weimann, Albrecht: Die erste Reifeprüfung des „Bachillerato mixto“ an der Deutschen Schule Bilbao, in: DLiA 6 (1975), S. 239–242. 120 Vgl. Frank: Schulreformen, S. 358. 121 Vgl. Kissner, Hans Karl: Das Deutsche Sprachdiplom der Kultusministerkonferenz, in: DLiA 1 (1988), S. 2–7, S. 5.
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formulierte im DLiA eine Gegendarstellung und verband sie mit einem Vorwurf an Diehl. In seinen Augen waren „ältere Exponenten“ wie Diehl für die schlechten Leistungen verantwortlich. Ohne Plan und Struktur hätten sie den Deutsch- und fremdsprachlichen Fachunterricht auszubauen versucht und dabei Lehrer und Schüler mit der neuen Herausforderung allein gelassen:122 „Dem Gießkannenprinzip muttersprachlich betriebenen Unterrichts folgte eine zunächst übertrieben rigoros jedweden Wildwuchs durch unkontrollierten Gebrauch der Sprache ablehnende, einsinnig-monolithisch gehandhabte, dabei ausschließlich modern aufgebauten Lehrwerken verpflichtete Methode. Und siehe! – es ging auch nicht so viel besser. Also probierte man oft ziemlich hilflos, auf jeden Fall weitgehend alleingelassen, so allerlei an diesen Schülern aus.“
Abseits von Diehls suggerierter Kausalität, der zufolge die Begegnungsschule aufgrund der unzureichenden Deutscherfolge versagt habe, stellte Binder die Frage, ob diese das einzige Kriterium für eine Evaluierung der Begegnungsschule sei. Viele Aspekte hatte Diehl tatsächlich nicht beachtet: Politische Fragen, das Ansehen der deutschen Sprache oder wirtschaftliche Aspekte blieben bei ihm außen vor, während doch gerade sie die Motivation, eine Fremdsprache zu erlernen, extrem beeinflussen konnten. Plakativ gesagt: Deutsch-Lernen in Südamerika war nicht Deutsch-Lernen in Spanien. Der Erfolg des Spracherwerbs hing von vielen Faktoren ab und war in Spanien nicht zuletzt davon geprägt, dass sich das iberische Land in den 1970er und 1980er Jahren auf dem Weg nach Europa befand.
8.3 EUROPÄISCHER EINIGUNGSPROZESS UND SEINE AUSWIRKUNGEN Francos Spanien war seit Mitte der 1950 Jahren wieder politisch salonfähig. Nach dem Konkordat mit dem Vatikan 1953 und der Rückendeckung der USA kam 1955 der Beitritt zur UNO.123 Das Land war auf dem internationalen Parkett nach der Ächtung in der Nachkriegszeit wieder vertreten, doch bedeutete seine Eingliederung keineswegs, dass es in den trans- und supranationalen Institutionen über großen Einfluss verfügte. Den Beitritt zur NATO und zur EG verwehrten ihm weiterhin die anderen Staaten, und er konnte erst nach dem Tod Francos und der Demokratisierung erfolgen.
122 Binder: Die Begegnungsschule ist gescheitert, S. 2. 123 Vgl.
Viñas,
Angel:
Außenpolitik
in
der
Übergangsphase,
in:
Bernecker,
Walther/Collado Seidel, Carlos (Hrsg.): Spanien nach Franco. Der Übergang von der Diktatur zur Demokratie 1975–1982, München 1993, S. 212–230, S. 213f.
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Im Jahr 1962 hatte Spanien erstmals mit Blick auf die EG einen Beitrittswunsch zum Ausdruck gebracht, mehr als Handelsabkommen kamen zu diesem Zeitpunkt aber nicht zustande. Der Weg nach Europa war daher nicht selbstverständlich, zumal Alternativen vorlagen. Nach 1975 musste sich die neue Regierung entscheiden, ob sie sich mehr an Lateinamerika oder an die europäischen Nachbarn annähern sollte. Mit der Übergabe eines Beitrittsgesuchs 1977 vollzog das inzwischen demokratische Spanien eine klare Hinwendung zu Europa.124 Für das Land war dies eine historische Weichenstellung, die Gespräche kamen aber nur langsam voran, denn Frankreich und Griechenland forderten Nachverhandlungen über Finanzunterstützung und Agrarmarktordnungen. Angesichts dieser langwierigen wirtschaftlichen Debatten begannen bald schon viele Spanier zu resignieren und zwischen der EG und ‚Europa‘ als ideellem Konstrukt zu unterscheiden. Die Aufnahme im Jahr 1986 bedeutete schließlich eine Anerkennung des demokratischen Wandels und eine stärkere Solidarisierung mit Europa und seinen Werten und Gedanken. Diese fanden in dieser Zeit vermehrt Eingang in die schulischen Curricula auf beiden Seiten. Im Sozialkunde-, Geschichts- und Geographieunterricht war Spanien kein weißer Fleck mehr auf der Karte Europas, sondern nunmehr ein wichtiger Partner. Das Schulsystem in Spanien selbst erlebte einen generellen Aufschwung. Zwischen 1975 und 1985 stieg die Schülerzahl in der Sekundarstufe II um rund 50 Prozent an, das Bildungsniveau nahm zu.125 Die Transición ebnete den Weg nach Europa, öffnete aber gleichzeitig regionalen Tendenzen die Tür. Die autonomen Regionen wie Katalonien oder das Baskenland pochten nach der langen Unterdrückung während der Franco-Diktatur nun auf mehr Eigenständigkeit. Die Mehrsprachigkeit, die einen großen Einfluss auf Kultur und Bildung entwickelte, ist ein anschauliches Beispiel dafür.126 Die baskischen und katalonischen Schulen führten ihre jeweilige Landessprache als Pflichtfach ein. Dies betraf ebenso die Deutschen Schulen, die nun gleichzeitig europäische und genuin regionale Elemente in ihren Unterricht einbinden konnten und mussten. Aber noch ein weiteres politisches Großereignis beeinflusste die Auslandsschulen in Spanien nachhaltig. Die Deutsche Einigung im Jahr 1990 bewirkte eine regionale Neuorientierung beim Einsatz von Fördergeldern und führte in den Schulen zu zahlreichen Diskussionen.
124 Vgl. Bernecker, Walther: Der Traum von Europa in Deutschland und Spanien, in: Mecke, Jochen u. a. (Hrsg.): Deutsche und Spanier – ein Kulturvergleich, Bonn 2012, S. 114–128, S. 120. 125 Vgl. Tusell, Javier/García Queipo de Llano, Genoveva: Die Kultur in der Zeit des politischen Umbruchs, in: Bernecker, Walther/Collado Seidel, Carlos (Hrsg.): Spanien nach Franco. Der Übergang von der Diktatur zur Demokratie 1975–1982, München 1993, S. 231–247, S. 241. 126 Vgl. ebd., S. 235.
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8.3.1 Zwischen Europäisierung und Regionalismus Nach dem Tod Francos standen die spanischen Schulen und auch die Deutschen Auslandsschulen in einem Spannungsverhältnis zwischen Regionalisierung auf der einen und Europäisierung auf der anderen Seite.127 Besonders die autonomen Regionen Katalonien, das Baskenland und Galicien betrieben eine national orientierte Bildungspolitik mit einem Streben nach regionaler Identität. Zur Sicherung ihrer Autonomie verfolgten sie eine rigide Sprachpolitik und erschwerten damit häufig indirekt den Demokratisierungsprozess in ihrer Region, da die einzelnen Regierungen ihre Sprachpolitik oktruyierten und somit eine Legitimation von unten fehlte. Sie griffen damit direkt in die Diskurse um Multilingualität ein, die in Deutschland zu dieser Zeit geführt wurden. Der sprachliche Kontakt und der Ausbau von Fremdsprachen unter dem Gesichtspunkt der europäischen Einigungsprozesse war bereits Ziel des Rahmenplans des Auswärtigen Amtes von 1978:128 „In der Begegnung junger Menschen verschiedener Sprachen und Kultur sieht die Bundesregierung die wichtigste Aufgabe für die von ihr geförderten Schulen. Mit zwei Sprachen und Kulturen vertraut zu werden, eröffnet jungen Menschen für ihr ganzes Leben persönlichen Gewinn.“
Staatsministerin Irmgard Schwaetzer wiederholte knapp zehn Jahre später diese Forderungen und betonte die Wichtigkeit der kulturellen Dimension beim Friedensprozess in Europa:129 „Einen ganz besonderen Beitrag zum europäischen Einigungsprozeß kann die auswärtige Kulturpolitik im Rahmen der europäischen Bildungspolitik leisten. Ziel muß es sein, daß möglichst viele junge Menschen bis zum Ende ihrer Schulzeit Kenntnisse in mindestens zwei europäischen Fremdsprachen erwerben.“
Bei der ersten Regionaltagung der Deutschen Schulen in Spanien 1978 sprach Barthold Witte vom Auswärtigen Amt die Rolle der Schulen im europäischen Prozess an:130
127 Vgl. Palt, Beatrix: Bildungsreformen in Spanien im Kontext von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Bildungspolitik im Spannungsfeld zwischen europäischen und regionalen Anforderungen, Frankfurt am Main 1997, S. 105f. 128 Hamm-Brücher: Ziele und Schwerpunkte, S. 4. 129 Schwaetzer, Irmgard: Aufgaben und Ziele der auswärtigen Kulturpolitik, in: DLiA 6 (1987), S. 190–197, S. 193. 130 Bericht Regionaltagung 18.–20.10.1978, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 896.
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„Hier ist ein Stichwort gefallen, ‚europäische Einigung‘, das ja für Sie von besonderer Bedeutung ist, und ich möchte das an dieser Stelle gleich einflechten: Spanien als Beitrittskandidat für die Europäische Gemeinschaft – und wir hoffen ja alle, daß dieser Beitritt sich möglichst bald vollziehen kann […]. Und das wird und muß sich auch […] auswirken auf das, was wir in der kulturellen Zusammenarbeit mit Spanien tun. Und da ist der Schulbereich der mit Abstand teuerste Einzelbereich.“
Witte sprach dabei besonders dem bikulturellen Konzept der Begegnungsschule eine zentrale Rolle zu: „Weil dieses Konzept […] gerade im Zeitalter der europäischen Einigung konkrete Konsequenzen aus dem immer engeren Zusammenwachsen der Nationen zieht. […] es handelt sich um ein Konzept, das zukunftsorientiert ist, orientiert auf eine Zukunft, in der wir […] immer mehr Menschen brauchen werden, die in mehr als einem Land zuhause sind. Ich könnte mir denken, daß eine der wichtigsten Aufgaben für die Schule gerade in Spanien darin besteht, das Personal bereitzustellen, das benötigt wird, wenn die immer enger werdende Verdichtung der wirtschaftlichen Beziehungen im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft zwischen unseren Ländern nach Menschen verlangt, die sozusagen auf beiden Sätteln reiten können.“
Die Auslandsschulen erhielten somit einen europäischen Bildungsauftrag, mit dem sie die Bereitschaft zur Verständigung, die Verwirklichung der Menschenrechte und die Wahrung des Friedens in Europa vermitteln sollten.131 Die ‚Besonderheit des europäischen Raums‘ betraf nun auch Spanien und fand dort vermehrt Berücksichtigung in den Lehrplänen und Schulbüchern.132 Das Interesse an den neuen europäischen Partnern stieg, die Zahl der Deutschlerner nahm seit Beginn der 1980er Jahre zu.133 Die Sprache gewann auf Kosten des Französischen rasch an Boden, die Zahl der Germanistikstudenten stieg an, Fremdsprachen wurden generell stärker akzeptiert und ihr Nutzen erkannt. Im Jahr 1991 nahm sie das Erziehungsministerium als Pflichtfach für 6- bis 11-jährige Kinder in den Lehrplan mit auf. Im Sekundarbereich unternahmen die spanischen Bildungspolitiker zwar schon im Vorfeld erste Schritte, doch vor allem der EG-Beitritt war ein Katalysator für die Fremdsprachenentwicklung.134 Die wirtschaftliche, soziale und kulturelle Bedeutung der
131 Vgl. Werner, Harry: Der europäische Bildungsauftrag der Auslandsschulen in den Mitgliedstaaten des Europarats, in: DLiA 3 (1979), S. 6–9. 132 Vgl. Alvarez, Nieves: Die spanische Bildungsreform im Hinblick auf die Europäisierung des Bildungswesens, Baden-Baden 1995, S. 164f. 133 Vgl. Zurdo Ruiz-Ayúcar, María Teresa: Die Stellung der deutschen Sprache in Spanien: Wie sie war, wie sie ist, wie sie voraussichtlich sein wird, in: Born, Joachim (Hrsg.): Deutsch als Verkehrssprache in Europa, Berlin 1993, S. 195–209, S. 197. 134 Vgl. ebd., S. 201.
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neuen EG-Partner wurde schnell erkannt und ihre Sprachen, darunter Deutsch, rückten in den Vordergrund. Der anwachsende Tourismus, zurückkehrende Gastarbeiter und die kulturpolitischen Bestrebungen vergrößerten die Beliebtheit der Sprache zusätzlich. Den Deutschen Auslandsschulen als einer der wichtigsten Instanzen kam dabei eine zentrale Bedeutung zu, zumal trotz der steigenden Zahl an Lernern noch vielfach Unzufriedenheit über den Sprachstand herrschte.135 Mit dem Eintritt Spaniens in den EU-Binnenmarkt verschob sich die Motivation für den Sprachlernprozess. Waren vor 1975 noch häufig persönliche, familiäre Bindungen zu Deutschland oder generelle Bewunderung für das Land für den Besuch einer Deutschen Schule ausschlaggebend, kam besonders für die spanischen Schüler nun eine wirtschaftliche Komponente hinzu. In einer vom Autor durchgeführten Umfrage mit Alumni findet sich das Motiv ‚Bessere Jobchancen auf dem europäischen Arbeitsmarkt‘ nur bei Schülern, die nach 1987 eingeschult wurden, bei allen älteren dominierten private beziehungsweise familiäre Gründe. Rund die Hälfte der Teilnehmer gab zudem an, dass sie einen Teil ihres Studiums in Deutschland absolviert und später berufliche Verbindungen geknüpft hatten. Austauschprogramme wie ERASMUS trugen sicherlich genauso dazu bei wie der zuvor prägende Kulturkontakt in der Deutschen Schule, der zunehmend eine europäische Komponente erhielt. In Spanien entwickelten sich dazu parallel regionale Strukturen, besonders in den Autonomen Regionen Katalonien und Baskenland. Trotz jahrelanger Unterdrückung hatten sich dort die Regionalsprachen erhalten, die sich nach 1975 neu entfalteten. Fand das Katalanische in der Deutschen Schule Barcelona zuvor kaum institutionelle Resonanz, führte es die Regionalregierung nun als Pflichtfach in den Schulen ein. Die Deutsche Schule erteilte zwei Jahre nach Annahme des Autonomiestatuts ein bis zwei Stunden pro Woche.136 Ab 1995 bot die Schule das Fach durchgängig von der dritten bis zur zwölften Jahrgangsstufe mit dem Status einer zweiten Fremdsprache an. Zwar hielt die Sprache erst nach dem Tod Francos offiziell Einzug in die Schule, doch ein katalanisches Umfeld war in der Schule zuvor schon unter der Oberfläche präsent gewesen. Prominentestes Beispiel ist wohl Jordi Puyol, ehemaliger Ministerpräsident Kataloniens und Alumni der Schule.137 Er zog in einem späteren Bericht Karl den Großen als gemeinsamen Ahnherrn heran, unter dessen Herrschaft beide Völker vereint waren und der somit nach Meinung Puyols schon den Europagedanken vorweggenommen hatte. Die Zugehörigkeit zum Kontinent spiegelte sich auch in den Debatten zur Unabhängigkeit der Region wider. 135 Vgl. Spaniens Kulturerbe und der Besuch des Bundespräsidenten. Um die sprachlichen Kenntnisse ist es auf beiden Seiten noch schlecht bestellt, in: FAZ, 08.04.1989. 136 Vgl. Siart, Jolande: Eine deutsche Schule in Barcelona – und Barcelona liegt in Katalonien, in: 100 Jahre DSB, S. 225. 137 Vgl. Puyol, Jordi: Catalunya i Alemania, in: Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1984/85, S. 13–15.
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Die Einheit Europas und gleichzeitig die Trennung von Spanien ist heute fester Bestandteil der Separationsbefürworter. Die Eigenständigkeit der Sprache wird dabei als politisches Argument ins Feld geführt und soll die nationale Besonderheit unterstreichen.138 In der 2017 ausgebrochenen Krise um die Abspaltung Kataloniens spielte sie erneut eine wichtige Rolle. Die Diskrepanz zwischen europäischer Einigung und regionaler Separation ging auch an der Schule nicht spurlos vorbei. Zwei Beispiele seien genannt: So wurde zum einen der Festakt zum 100-jährigen Jubiläum maßgeblich von katalanischen Künstlern mitgestaltet, die wie Puyol, der als Festredner auftrat, ehemalige Schüler waren. Zum anderen besteht seit 1984 eine Partnerschaft zwischen der Schule und dem Land Baden-Württemberg, die durch das Projekt ‚Europa der Regionen‘ zustande gekommen ist und die föderalistische Komponente im supranationalen Gefüge betont. Die Schule erfüllte durch solche Projekte gleichzeitig einen regionalen und einen europäischen Bildungsauftrag. Im Normalfall schließt das eine das andere nicht aus, doch in Katalonien bestehen spezielle Separationsbewegungen, die diese Konstellation möglicherweise zu einem Spannungsverhältnis werden lassen. Das neue trilinguale Problem brachte aber auch alte Probleme wieder hervor. Die Verpflichtung, zusätzliche Stunden in katalanischer Sprache und Geographie beziehungsweise Geschichte zu belegen, erhöhte die Anforderungen und gefährdete die Reifeprüfung als zentrales Schulziel.139 Für die Schulen entstanden nach 1975 aber noch weitaus größere Gefahren. Die Unabhängigkeitsbewegungen in Spanien wurden von terroristischen Ausschreitungen begleitet – die Aktionen der ETA waren hierfür das drastischste Beispiel. 1970 entführte eine radikale Splittergruppe den deutschen Honorarkonsul Eugene Beihl in San Sebastián und forderte im Gegenzug für seine Freilassung das Ende eines Prozesses gegen 16 Mitglieder ihrer Organisation in Burgos.140 Die mediale Aufmerksamkeit des Falles tangierte die Deutsche Schule in Bilbao, da dort Reporter Recherchen über Beihl anstellten, der auch in der Vorstandschaft des Vereins aktiv war.141 Fünf Jahre später verschärfte sich die Sicherheitslage, und 1976 ging eine Bombendrohung an der Schule ein.142 Nach mehreren Einbrüchen ins Gebäude stellte der Verein in Bonn den Antrag auf Mittelbereitstellung für einen Nachtwäch138 Vgl. stellvertretend: Kraus, Peter: Language policy and Catalan independence, in: Nagel, Klaus Jürgen (Hrsg.): Catalonia in Spain and Europe. Is there a way to independence?, Baden-Baden 2015, S. 129–141. 139 Vgl. Rückblick des Schulleiter Deutsche Schule Madrid über die aktuellen Entwicklungen an Botschaft Madrid, 09.10.1998, in: Schularchiv Deutsche Schule Madrid. 140 Vgl. Baskenprozess. Enormer Irrtum, in: Der Spiegel Nr. 50 (1970). 141 Vgl. Schulverein Deutsche Schule Bilbao an ZfA 30.11.1971, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 709. 142 Vgl. Schulverein Deutsche Schule Bilbao an ZfA 14.05.1976, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 1043.
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ter. Auch in anderen Städten wurde die Situation zunehmend bedrohlicher. In Valencia detonierte in der Schule ein Jahr später ein Sprengsatz und zerstörte knapp 100 Fensterscheiben und beschädigte einen Betonpfeiler.143 Zu dem Anschlag bekannte sich in der Tageszeitung Las Provincias ein Einzeltäter, der ein Zeichen gegen den Kapitalismus setzen wollte und die Freilassung von Miguel Angel Apalategui, einem baskischen Militanten, forderte. Den Schaden am Schulgebäude von rund 20.000 DM übernahm das Bundesfinanzministerium. Die drohende Terrorgefahr bestimmte auch strukturelle Debatten. Als man in Bilbao nach der Projektphase der Neuen Sekundarstufe bemerkte, dass der Seiteneinstieg zurückging, befürchtete die Schule einen Rückgang ihrer Förderung. Die daraus resultierenden Entlassungen von Ortslehrkräften machte besonders der Schulleitung Angst, da man Racheaktionen der ETA erwartete.144 Der Schulverein wollte in der herrschenden Wirtschaftskrise und im vom Terrorismus überhitzten Klima des Baskenlandes keine Experimente vornehmen und forderte auch aus diesem Grund die Wiederaufnahme eines fremdsprachlichen Grundschulzweiges, um so die Schule vor einem finanziellen Rückschlag zu bewahren und Entlassungen zu vermeiden. Eine Kündigung von spanischen Grundschul- oder Gymnasiallehrern sollte unbedingt vermieden werden. In einem Fernschreiben an das Auswärtige Amt machte das Konsulat die Sicherheitslage noch einmal klar:145 „Es geht nicht darum, welches pädagogische Konzept richtiger ist. Es geht um das Überleben der Schule und es geht um die Sicherheit des Schulleiters.“
In anschließenden Gesprächen mit Vertretern der Schule äußerte das Amt Bedenken, ob eine Begegnungsschule bei der Terrorgefahr durch die ETA überhaupt noch zu verantworten sei, stimmte aber dann schließlich dem Aufbau der Grundschule zu, obwohl man fürchtete, damit einen Präzedenzfall für andere Situationen zu schaffen.146 Eine endgültige Entspannung der Situation trat erst ab 2002 ein, als Juan José Ibarretxe als Ministerpräsident des Baskenlandes eine Initiative zum friedlichen Zusammenleben verabschiedete.147 Die Öffentlichkeit distanzierte sich von der Gewalt der Terrororganisation, die illegale Batasuna-Partei legte durch ihren Sprecher Arnaldo Ortegi 2004 einen Friedensplan vor, im März 2006 erklärte die ETA eine dauerhafte Waffenruhe.
143 Vgl. Handnotiz Explosion Valencia, 29.08.1977, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 1060. 144 Vgl. Generalkonsulat Bilbao an Auswärtiges Amt, 17.12.1983, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1311. 145 Konsulat Bilbao an Auswärtiges Amt, 07.03.1984, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1311. 146 Vgl. Gesprächsprotokoll Vertreter DS Bilbao und Auswärtiges Amt, 16.05.1984, in: PAAA B93 ZA, Bd. 1311. 147 Vgl. Bernecker: Spanien Handbuch, S. 189ff.
314 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Die Separationsbewegungen sind damit aber keineswegs beendet, und Spanien muss sich auch weiterhin der Diskussion über Regionalismus und Teilautonomie stellen. Im Jahr 2017 spitzte sich die Lage im Herbst zu, als das katalanische Parlament nach einem Referendum die Unabhängigkeit ausrief und von der Zentralregierung unter Zwangsverwaltung gestellt wurde. Die Bevölkerung rund um Barcelona war zu diesem Zeitpunkt in zwei Lager gespalten: Befürworter und Gegner. Diese Ambivalenz dürfte mit Sicherheit auch an der Deutschen Schule nicht spurlos vorübergegangen sein. Während Spanien um seine nationale Einheit ringen musste und muss, erlebte Deutschland mit der Wiedervereinigung 1990 eine Zäsur seiner nationalen Nachkriegsgeschichte, die vielschichtige Auswirkungen auf die Auswärtige Kulturpolitik hatte. 8.3.2 Wiedervereinigung und Osterweiterung Der Fall der Mauer, die Wiedervereinigung und die damit einhergehende Osterweiterung des europäischen Raumes wirkten sich zwangsläufig auf die Auswärtige Kulturpolitik aus. Der gesamtdeutsche Bundestag bestätigte 1990 die Richtlinien der bisherigen Außenpolitik, darunter etwa die Zugehörigkeit zum europäischatlantischen Westen.148 Friedens- und freiheitsfördernde Netzwerke sämtlicher Couleur sollten ausgebaut werden und Deutschland als guter und vertrauenswürdiger Nachbar auftreten. Mit dieser pazifistisch anmutenden Erklärung wollte die Regierung der aufkommenden Angst vor einem expansionistischen und hegemonialen Staat entgegenwirken, den viele Nachbarn im vereinten Deutschland mit seiner zentralen geopolitischen und wirtschaftlichen Lage sahen.149 Das Auswärtige Amt verzichtete in seiner politischen Agenda auf eine Betonung der geeinten und gestärkten Nationalkultur und kehrte damit der auf kulturelle Überhöhung abzielenden Politik, wie sie bis 1945 praktiziert worden war, endgültig den Rücken.150 Der regionale Fokus verschob sich nun allerdings deutlich nach Mittel- und Osteuropa. Ab 1992 nahm die Zahl der Kulturabkommen mit Staaten dieser Region stetig zu. Neben Sondermaßnahmen für Transformationsprozesse und Demokratieprogramme legte die Bundesregierung einen Schwerpunkt auf den wissenschaftlichen Austausch und die Sprachpflege.151 In Osteuropa lebten in vielen Ländern deutsche Minderheiten, die sich eine starke Bindung zur Heimat erhalten hatten und nun für eine immense Nachfrage an Deutschunterricht sorgten. Für die Finanzierung richtete die Regierung 1993 ein Sonderprogramm ein, das mit 134 Millionen 148 Vgl. Witte, Barthold: Auswärtige Kulturpolitik des vereinten Deutschland, in: Zeitschrift für Kulturaustausch 1 (1992), S. 12–21, S. 12f. 149 Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 62. 150 Vgl. Trommler: Kulturmacht, S. 712. 151 Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 63.
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DM die Sprache in Mittel- und Osteuropa fördern sollte.152 Neben wirtschaftlichen Interessen sah Bonn die Möglichkeit, Deutsch als ‚lingua franca‘ zu etablieren.153 Als zentrale Mittlerorganisation fungierte der ‚Verein für das Deutschtum im Ausland‘, der seit jeher einen starken Bezug zu Osteuropa hatte. Außerdem beteiligten sich das Goethe-Institut, der DAAD, die Deutsche Welle und das Auslandsschulwesen. Hatte die DDR bis dato nur eine Art ‚Expertenschule‘ geführt, konnte das Auswärtige Amt nach 1990 die Idee der Begegnungsschule in den Osten exportieren.154 Eine Herausforderung stellte die Integration der personellen und strukturellen Kapazitäten der DDR-Einrichtungen dar, die man größtenteils nicht übernehmen wollte und konnte. Die bisherige Finanzplanung musste daher angepasst werden, zumal sich quantitativ neue Schwerpunkte ergaben. Von 17 Millionen Deutschlernern lebten 11 Millionen in Mittel- und Osteuropa.155 In deren Versorgung sah die Bundesregierung eine der Hauptaufgaben der Auswärtigen Kulturpolitik nach 1990, da sie die bedeutsamen kulturellen Leistungen der im Osten lebenden Deutschen als Erbe des vereinten Deutschlands verstand.156 Die ersten bilingualen Gymnasien eröffneten in Budapest, Prag und Bratislava, alles Städte mit einer großen deutschsprachigen Gemeinschaft. Die Euphorie im Auslandsschulwesen erhielt aber einen kleinen Dämpfer. Der Plan, 900 weitere Lehrkräfte nach Osteuropa zu entsenden, scheiterte an der Kooperation der Bundesländer, die diesem Umfang größtenteils nicht zustimmen konnten und wollten.157 Die Hauptlast der Spracharbeit trug daher das Goethe-Institut, das mehr als zwanzig neue Einrichtungen eröffnete. Angesichts des fehlenden Personals trieben Amt und ZfA den Ausbau der Sprachdiplomschulen voran, da diese mit kleinerem Lehreraufwand arbeiten konnten und Sprachunterricht oft mit Ortskräften betrieben und dennoch mit ihrer Abschlussprüfung ein begehrtes Zertifikat ausstellten. Ab 1994 erlebte das Programm eine massive Ausweitung in den GUS-Staaten und in den Schulen Mittel- und Osteuropas. Beide Seiten profitierten von diesem Typus. Für die Teilnehmer eröffnete sich die Möglichkeit, in Deutschland zu studieren, und die ZfA hatte ein kostengünstiges pädagogisches Instrument für den Aufbau eines modernen Fremdsprachenunterrichts, der sich an einen gemeinsamen europäischen Referenzrahmen richtete.158 152 Vgl. Bericht der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache 13/3823, 20.02.1996. 153 Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 63f. 154 Vgl. Witte: Kulturpolitik des vereinten Deutschland, S. 15f. 155 Vgl. ebd., S. 18. 156 Vgl. Pfeifer: Kulturpolitik unter Helmut Kohl, S. 254. 157 Vgl. ebd., S. 257. 158 Vgl. Grußwort von Cornelia Pieper, MdB Staatsministerin im Auswärtigen Amt, in: Zentralstelle für Auslandsschulwesen (Hrsg.): 40 Jahre Deutsches Sprachdiplom, Köln 2013, S. 12–13.
316 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
In Spanien standen viele Politiker der deutschen Wiedervereinigung skeptisch gegenüber. Ignacio Sotelo von der PSOE erklärte 1989, niemand wünsche eine deutsche Einheit, da es entweder ein vereintes Europa oder ein vereintes Deutschland geben könne, das mit seiner wirtschaftlichen Kapazität den restlichen Kontinent dominieren würde.159 Gleichzeitig freuten sich viele Spanier mit den Deutschen über diesen historischen Schritt, war doch die Bundesregierung in den letzten Jahren einer der wichtigsten Partner Spaniens geworden und die Beziehungen zu Deutschland wurden seit jeher als positiv wahrgenommen.160 In den Auslandsschulen dominierte wenig überraschend die Freude über das politische Ereignis, die sich in diversen Formen äußerte: Unterrichtsausfall, Festabende in der Aula, Projektwochen oder spontane Ausbrüche der Freude in Kollegium und Unterricht.161 Die Angst um das Geld trübte jedoch diese Freude. In Barcelona prognostizierte Direktor Heinrich Schulten einen Rückgang der Staatsgelder und stimmte die Schulgemeinde darauf ein, sich in Zukunft stärker selbst helfen zu müssen.162 Valencia veröffentlichte seinen Jahresbericht in Schwarz-Weiß, weil, so die Begründung, infolge der Einigung das Geld für einen Farbdruck fehle.163 Die für die Osterweiterung notwendigen Kürzungen belasteten den Finanzhaushalt der Schulen stark. 1996 beklagte die Deutsche Schule Madrid das Fehlen von 200.000 DM, und auch wenn Schulleiter Heinz Rüland ein paar Jahre zuvor noch an das Auswärtige Amt geschrieben hatte, man werde die Belastungen schon ertragen, weil dadurch ein Beitrag zur Wiedervereinigung geleistet werde, waren diese Einschnitte ein schwerer Schlag für die nach wie vor gut versorgten Schulen.164 Die Nachfrage war immer noch hoch, doch konnten beispielsweise 1996 nur 22 von 160 Bewerbern in die Sekundarstufe aufgenommen werden – für mehr Schüler fehlten räumliche, personelle und finanzielle Kapazitäten. Die Schulen mussten lernen, mit den neuen Verhältnissen umzugehen und sich mit ihnen zu engagieren. Sie griffen vermehrt auf private Sponsoren zurück und versuchten, dem Amt nicht zur Last zu fallen. Das erkannte, dass Spanien auch mit geringeren Mitteln zurechtkam. Im Jahr 2000 reduzierte es nochmals die Beihilfen und die Zahl der Auslandsdienstlehrkräfte. Diese allgemeine Sparphase kombiniert mit dem Aufbau in Osteuropa 159 Vgl. Bernecker, Walther: España y la unificación alemana, in: Bernecker, Walther (Hrsg.): España y Alemania en la Edad Contemporánea, Frankfurt am Main 1992, S. 257–275, S. 257f. 160 Vgl. ebd., S. 257f. 161 Die geschilderten Beispiele stammen aus verschiedenen Interviews, die mit ehemaligen Schülern oder Lehrern geführt wurden. In den Jahresberichten der einzelnen Schulen wird dieser Eindruck bestätigt. 162 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1990/1991, S. 28. 163 Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Valencia 1990/1991, S. 5. 164 Vgl. Heinz Rüland an Auswärtiges Amt, 04.07.1991 und 28.03.1996, in: Schularchiv Deutsche Schule Madrid.
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alarmierte die Deutschen in Spanien. Es wuchs die Besorgnis vor einem kompletten Rückzug des Staates aus dem spanischen Auslandsschulwesen.165 Bereits ein Jahr zuvor beschloss der Bundestag bundeseigene Liegenschaften ihren Trägern, also den Schulvereinen, zum Kauf anzubieten. In Spanien läuteten die Alarmglocken. Anscheinend wollte die Regierung das Feld räumen. Die Verunsicherung führte zu Lehrerstreiks, Aufruhr bei den Eltern und Beschwerden bei den Geldgebern in Berlin. Mit der Eigentumsübertragung an den Verein stehe Prestige und Glaubwürdigkeit Deutschlands auf dem Spiel, die Gerüchte würden dem guten Ruf des deutschen Engagements schaden. Die Schule in Madrid warnte vor einer Privatisierung, da dies mit einer Hispanisierung gleichzusetzen sei, und erinnerte an frühere Konflikte, die um die Ausrichtung des Vereins entbrannt waren. Die Sorgen erfüllten sich nicht, und ein paar Jahre später waren die Diskussionen obsolet. Die Deutsche Schule Madrid als repräsentative Hauptstadtschule erhielt 2015 ein neues Gebäude im Wert von 52 Millionen Euro – die höchste Investition in der Geschichte des deutschen Auslandsschulwesens. Letztendlich verlor Spanien so auch durch die deutsche Einheit und die Osterweiterung seine Sonderrolle nicht.
8.4 HERAUSFORDERUNGEN DER GEGENWART Die Osterweiterung führte zu einer gesteigerten Komplexität im Auslandsschulwesen. Peter Stoldt, seit 1993 Vertreter Bremens beim BLAschA, legte 2001 eine Einführung für interessierte Lehrer und Eltern vor, in denen er auf knapp zehn Seiten die unterschiedlichen Schulstandorte und ihre Abschlüsse beschrieb.166 Als kurzer Überblick deklariert, zeigt allein der Umfang die Komplexität des Auslandsschulwesens im neuen Jahrtausend. Trotz dieser Fülle an strukturellen Variationen und Diskussionen um ihre Ausrichtung hatte es sich weltweit im Laufe der achtziger und neunziger Jahre insgesamt gefestigt. An seinen Grundstrukturen und seiner konzeptuellen Organisation nahmen die Akteure kaum noch Veränderungen vor. Das bestehende System mit seinen vielschichtigen Variationen, lokalen Besonderheiten und prüfungsrechtlichen Eigenheiten war ein komplexes Konglomerat bildungspolitischer Entwicklungen und durch das historische Wachstum entstanden, das es nun zu optimieren galt. Die Bedeutung der Auswärtigen Kulturpolitik nahm
165 Vgl. Deutsche Botschaft an Deutsche Schule Madrid, Treffen von Schulleiter, 30.05.2000, in: Schularchiv Deutsche Schule Madrid. 166 Vgl. Stoldt, Peter: Deutsche Abschlüsse an Schulen im Ausland. Ein Leitfaden, Bonn 2001, S. 165–177.
318 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
nochmals spürbar zu.167 Die Idee der Partnerschaft und des gegenseitigen Dialogs zog sich dabei seit Willy Brandts ‚dritter Säule‘ wie ein roter Faden durch die Politik. Es waren und sind aber noch lange nicht alle Fragen geklärt. Die finanzielle Förderung und der Einsatz von Steuermitteln sorgen als Themen von öffentlichem Interesse immer wieder für Aufsehen. 2002 entbrannte zuletzt eine größere Debatte, als der Schulfonds um knapp 11 Prozent gesenkt wurde, obwohl der Bundeshaushalt insgesamt zunahm.168 Andere Diskussionen der jüngeren Vergangenheit betrafen die Public-Private-Partnership: Die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern, die Rolle deutscher Wirtschaftsunternehmen im Ausland oder die Wettbewerbssituation der Schulen im Vergleich zu Einrichtungen der Gastländer waren nur einige Fragen, die nach einer Anhörung des Untersuchungsausschusses für Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik im Jahr 2006 offenblieben.169 Die Verbindungen zu privatwirtschaftlichen Unternehmen wurden für die Schulen ab der Jahrtausendwende immer wichtiger. Ingo Plöger, Präsident der Deutsch-Brasilianischen Handelskammer, versprach beispielsweise 2001 bei einer Verbandstagung, dass sich die Wirtschaft in Hoffnung auf gesteigerte Kapitalerträge stärker für die Deutschen Schulen im Ausland interessieren würde.170 Seine Zusicherung ist nur ein Indiz dafür, dass die Wirtschaft das Potential der Schulen erkannt hat. Seit den 2000er Jahren ist eine weitere Komponente zu erkennen, die das Spektrum der Diskurse erweitert: Diskussionen aus dem innerdeutschen Bildungssystem finden sich vermehrt im Ausland wieder. Neben fächerspezifischen Debatten sind das aktuell Themen wie Inklusion, Integration, Fachkräftemangel oder der demographische Wandel, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Auf der strukturellen Ebene waren für die Auslandsschulen drei Ereignisse beziehungsweise Konzepte von besonderer Bedeutung: das PASCH-Konzept, die Exzellenz-Initiative und das Gesetz für Auslandsschulen.
167 Vgl. Maaß, Kurt Jürgen: Aktuelle Herausforderungen der Auswärtigen Kulturpolitik, in: Jäger, Thomas (Hrsg.): Deutsche Außenpolitik, Wiesbaden 22011, S. 584–601, S. 600. 168 Vgl. Reinert, Wolfgang: Wird das Auslandsschulwesen kaputt gespart?, in: DLiA 2 (2002), S. 86–87. 169 Vgl. Geisler, Johannes: „Im Ausland für Deutschland Schule machen“, in: DLiA 3 (2007), S. 236–241, S. 241. 170 Vgl. Plöger, Ingo: Die Bedeutung der Schulen im Ausland aus Sicht der Wirtschaft, in: DLiA 2 (2001), S. 71–76, S. 71.
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8.4.1 Partnerschaft, Exzellenz-Initiative und Auslandsschul-Gesetz Die Forderung nach mehr Partnerschaft war ein wichtiger Teil der kulturpolitischen Debatten der 1980er Jahre. Ein breites Netz von Paten- und Austauschprogrammen sollte die Begegnung unterstützen.171 2008 rief das Auswärtige Amt die PASCHInitiative ins Leben.172 Das Akronym steht für „Schulen: Partner der Zukunft“. In diesem Programm sind mehr als 1.800 Schulen verbunden, an denen Deutsch einen „hohen Stellenwert“ besitzt. Dazu gehören sowohl die 142 Auslandsschulen als auch die circa 1.100 Sprachdiplomschulen. Neben dem Auswärtigen Amt und der Zentralstelle sind das Goethe-Institut, der Deutsche Akademische Austauschdienst und der Pädagogische Austauschdienst der Kultusministerkonferenz in die Initiative eingebunden. Ziel ist es, bei jungen Menschen ein nachhaltiges Interesse und Begeisterung für das moderne Deutschland und die deutsche Sprache zu wecken. Schwerpunktregionen sind Asien, Naher und Mittlerer Osten sowie Mittel- und Osteuropa. Der Deutsche Bundestag unterstützte die Initiative von Beginn an und hob stets ihre Bedeutung für die schulische Arbeit im Ausland hervor. Wichtigste Maßnahmen der Aktion sind die personelle Unterstützung, die Beratung und Qualifizierung, Sprach- und Studienstipendien sowie die Vernetzung. Konkret geht es um die Unterstützung der Partnerschulen durch deutsche Lehr- und Fachkräfte, um Fortbildungen für einheimische Lehrer, die Beratung von Ministerien bei der Entwicklung von Curricula für den Deutschunterricht, Jugendkurse und Deutschlandreisen für Schüler und den Aufbau von Schulpartnerschaften oder den Austausch via Internetplattformen. Den Vorteil für die teilnehmenden Schulen beschreibt die Homepage zur Initiative folgendermaßen:173 „PASCH-Schulen werden dabei unterstützt, Deutsch als Schulfach auszubauen bzw. neu einzurichten. Sie können moderne, multimediale Lern- und Landeskundematerialien und im Bedarfsfall technische Geräte erhalten. ZfA, GI und PAD unterstützen die Schule bei der Sicherung der hohen Qualität des (Deutsch-)unterrichts durch Lehrerfortbildungen, Maßnahmen zur Schulentwicklung, Schulpartnerschaften und Hospitationsprogramme. Die Mitgliedsschulen können zudem auf die Kompetenz von Fachberaterinnen und Fachberatern sowie Expertinnen und Experten für Unterricht zurückgreifen, die die Schülerinnen und Schüler sowie die Deutschlehrkräfte unmittelbar vor Ort und im Land optimal betreuen.“
Neben der starken Fokussierung auf die Spracharbeit wird deutlich, dass sich die Initiative vor allem an einheimische Einrichtungen mit verstärktem Deutschunterricht richtete. Die anerkannten Auslandsschulen sind zwar in die Initiative einge171 Vgl. stellvertretend dazu Franqué: Stellungnahme, S. 128. 172 Vgl. zum Folgenden die Informationen der Homepage: www.pasch-net.de (aufgerufen am 18.07.2017). 173 http://www.pasch-net.de/de/hil/faq.html#i4126115 (aufgerufen am 22.11.2017).
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bunden, doch alle aufgezählten Vorteile sind dort größtenteils bereits realisiert. Für sie stellt die PASCH-Aktion vor allem ein weiteres Gütesiegel dar und hilft bei der Vernetzung. Metaphorisch gesprochen sind die anerkannten Auslandsschulen der große Bruder in dieser Partnerschaft, von dem kleinere Institute mit starkem Deutschunterricht lernen können. Die Forderung nach interkulturellem Austausch und Vernetzung mit dem Gastland Ende der 1980er Jahre ist hiermit nur zum Teil erfüllt. Es besteht nach wie vor ein einseitiger Austausch, beispielsweise wenn als Zielvorgabe die Beratung von Ministerien festgeschrieben ist. Es ginge zu weit zu sagen, dass es sich nach wie vor um ‚moralische Eroberungen‘ wie zu Zeiten des Kaiserreichs oder der Weimarer Republik handle, doch die partnerschaftliche Komponente im Sinne eines gleichberechtigten ‚lending & borrowing‘ ist noch ausbaufähig. Eine weitere Auszeichnung können die Auslandsschulen ebenfalls seit 2008 erwerben. Eine Bund-Länder-Inspektion vergibt seither den Titel ‚Exzellente Deutsche Auslandsschule‘. Kernziel dieser Kontrolle ist es, Stärken und Schwächen sichtbar zu machen und Potentiale für eine Verbesserung offenzulegen.174 Bei regelmäßigen Schulbesuchen kontrollieren externe Begutachter die Qualität der Schule und überprüfen dabei Bildungspläne, didaktische Grundsätze und das Management. In einzelnen Unterrichtsstunden evaluieren sie anhand von 60 Kriterien die Lehrmethoden.175 Nach erfolgreicher Abnahme erhalten die Schulen eine Urkunde, welche die geprüfte Qualität verifiziert. Bei einer ersten systematischen Kontrolle im Jahr 2009 erzielten alle geprüften Schulen ein durchschnittlich gutes Ergebnis.176 Für die Schulen ist dies ein wichtiges Instrument der Außendarstellung. Der erste Inspektionsbericht bescheinigte den untersuchten Schulen bereits eine hohe Selbstrepräsentation, die durch das Gütesiegel noch verstärkt werden kann.177 In Spanien führen alle anerkannten Schulen den Titel ‚Exzellente Deutsche Auslandsschule‘. Die Evaluation der eigenen Arbeit gewann mit der Jahrtausendwende zunehmend an Bedeutung. Seit 2006 findet im Vier-Jahres-Turnus ein Weltkongress der Deutschen Auslandsschulen statt, bei dem sich Schulleiter, Politiker und die ZfA zum Austausch treffen.178 Eine andere Form der Selbstüberprüfung betrieb der Weltverband Deutscher Auslandsschulen (WDA). Er veröffentlichte eine Studie zum Public Value der Deutschen Auslandsschulen, die ihren eigenen Standpunkt 174 Vgl. Projektgruppe PQM beim Bundesverwaltungsamt (Hrsg.): Deutsche Schulen weltweit unterwegs zur Exzellenz. Bund-Länder-Inspektion Bilanz 2010, Köln 2010, S. 18. 175 Vgl. Lenze, Franz: Hart, aber herzlich, in: Die Zeit, 22.12.2019. 176 Vgl. Bundesverwaltungsamt (Hrsg): Schulen weltweit, S. 48. 177 Vgl. ebd. S. 54. 178 Vgl.
https://www.auslandsschulnetz.de/wws/weltkongress.php
25.07.2017).
(aufgerufen
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und ihre Wertevorstellungen analysieren sollten.179 Zusammen mit der Universität Sankt Gallen untersuchte der Verband die Bedeutung für die Wirtschaft, die Begegnung mit Kulturen, die Vermittlung eines Deutschlandbildes als Visitenkarte in der Welt, welchen Bezugspunkt die Schulen in der Gemeinde spielen und wie sie deutsche Bildungsideale umsetzen. In einer zweiten Studie 2017 prüfte der WDA, welchen Beitrag Auslandsschulen zur qualifizierten Zuwanderung leisten, und kam zu dem positiven Ergebnis, dass Auslandsschulen sowohl für das Einwanderungals auch für das Herkunftsland sowie für die Migranten förderlich sind.180 Eine zweite Studie untersuchte den Triple Win mit dem Ziel, einen Brain Drawn in den Gastländern zu vermeiden.181 Eine der aktuellsten Entwicklungen im Auslandsschulwesen vollzieht sich seit dem Jahr 2013, als der Bundestag das Auslandsschulgesetz erließ, in dem erstmals eine juristisch verbindliche Förderungsdauer von drei Jahren festgeschrieben ist. Die Vereine erhielten damit eine höhere Planungssicherheit.182 In den Jahren zuvor mussten sie bei Kürzungen im Haushalt das Schulgeld immer wieder unerwartet erhöhen und so ihre Position im Konkurrenzkampf mit anderen internationalen Schulen schwächen. 183 Obwohl der Gesetzesentwurf theoretisch nicht zustimmungspflichtig war, sprach ihn der Bundestag mit den Länderparlamenten und der Kultusministerkonferenz ab. Seit Beginn der Auswärtigen Kulturpolitik der Bundesrepublik besteht ein Einvernehmen zwischen beiden Gremien, gemeinsame Absprachen zu halten.184 Die Länderorgane ließen sich ihr Einvernehmen allerdings ‚bezahlen‘: Sie machten ihr Placet davon abhängig, dass der Bund auch in Zukunft die Hälfte der Versorgungszuschläge für entsandte beamtete Lehrkräfte übernimmt und darüber eine gesonderte Vereinbarung getroffen wird, die in den Gesetzestext aufgenommen wurde. Das neue Gesetz regelt des Weiteren die Bedingungen für eine Förderung, denn nur bei einer konstant hohen Abiturientenzahl erhalten die Schulen 179 Vgl. Weltverband Deutscher Auslandsschulen (Hrsg.): Wertvoll für die Welt. Wertvoll für Deutschland. Studie zum Public Value der Deutschen Auslandsschulen, abrufbar unter: https://www.auslandsschulnetz.de/wws/publicvalue.php (aufgerufen 29.07.2017). 180 Vgl. Weltverband Deutscher Auslandsschulen (Hrsg.): Deutsche Schulen, globale Bildung. Beitrag der Deutschen Auslandsschulen zum Triple Win, abrufbar unter: https://www.auslandsschulnetz.de/wws/bin/3848038-3882598-3studie_deutsche_schulen_globale_bildung_wda_bst.pdf (aufgerufen 29.07.2017). 181 Vgl. Weltverband Deutscher Auslandsschulen (Hrsg.): Deutsche Schulen, globale Bildung. Beitrag der Deutschen Auslandsschulen zum Triple Win, abrufbar unter: https://www.auslandsschulnetz.de/wws/bin/5453670-5454694-1studie_deutsche_schulen_globale_bildung_wda_bst.pdf. (aufgerufen 29.07.2017) 182 Vgl. §§ 17/18 des Gesetzes über die Förderung Deutscher Auslandsschulen, in: Bundesgesetzblatt 52 (2013). 183 Vgl. Schmoll, Heike: Nicht mehr nur nach Kassenlage, in: FAZ, 19.03.2013. 184 Vgl. Werner: 25 Jahre Auslandsschulausschuß, S. 234.
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eine erneute dreijährige Planungszusage. Schulen, die nicht mehr unter der Aufsicht des Bundes stehen, dürfen in Zukunft die Bezeichnung ‚Deutsche Auslandsschule‘ nicht mehr führen. Neben der Planungssicherheit brachte die Entscheidung im Bundestag somit auch ein Mehr an Qualitätskontrolle mit sich. 8.4.2 Aktuelle Debatten im Auslandsschulwesen Vergleicht man die Themen in der Verbandszeitschrift DLiA oder in der Begegnung, dem Publikationsorgan der ZfA, fällt auf, dass Fragen nach dem eigenen kulturpolitischen Stellenwert rückläufig sind und sich die Verfasser stärker mit den alltäglichen Problemen der Schule beschäftigen. Je mehr die eigene Position im Ausland gefestigt ist, umso mehr Raum bleibt, weitere Themen zu behandeln, die im innerdeutschen Diskurs so ebenfalls geführt werden. Zwei Beispiele: In ihrer zweiten Ausgabe im Jahr 2013 beschäftigte sich die Begegnung mit der GenderFrage.185 Dabei stellte sie unter anderem das MINT-Förderprogramm des Istanbul Lisesi vor, das die Schule anbot, um speziell Mädchen in diesem Bereich zu fördern.186 Ein anderes Beispiel geht von Deutschland aus. Die führenden technischen Universitäten in Deutschland (TU9) schließen seit 2009 Kooperationsverträge mit Deutschen Schulen und werben seitdem mit speziellen Beratungs- und Betreuungsangeboten um Absolventen, die für eine Karriere im MINT-Bereich geeignet erscheinen.187 In Spanien sind alle Einrichtungen in diesem Projekt vertreten und kooperieren mit den Universitäten. Zum zweiten Fallbeispiel: Seit 2014 schreibt die ZfA einen Inklusionswettbewerb aus, der spezielle Förderprojekte auszeichnen soll. Bei der ersten Verleihung erhielt die Deutsche Schule Barcelona den mit 2.500 Euro dotierten dritten Platz. Zwei Jahre später erhielt sie den ersten Platz und ein Preisgeld von 10.000 Euro. In der Begründung beschreibt das Auswärtige Amt die besondere Leistung in der sozialen Inklusion:188 „Die Deutsche Schule Barcelona lebt die in ihrem Leitbild verankerten Werte Begegnung, Gerechtigkeit, Vielfalt, gegenseitiger Respekt und Offenheit. Das gilt für die Förderung von
185 Vgl. Will, Viktoria: Schule und Gender: Zwischen Konstruktion und Dekonstruktion, in: Begegnung 34 (2/2013), S. 20–23. 186 Vgl. Will, Viktoria: Istanbul Lisesi: Spitzenförderung für junge MINT-Talente, in: Begegnung 34 (2/2013), S. 26–28. 187 Vgl. Pressemitteilungen auf der Homepage: www.tu9.de/presse. (aufgerufen am 29.07.2017) 188 http://www.bva.bund.de/DE/Organisation/Abteilungen/Abteilung_ZfA/ Auslandsschularbeit/Inklusion/Inklusionswettbewerb2016/node.html (aufgerufen am 29.07.2017).
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Hochbegabten ebenso wie für Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedarfen und solchen, die sozial benachteiligt sind. Mit Systematik und Konsequenz werden die Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler erfasst und individuell zugeschnittene Förderpläne entwickelt. Ein Leitfaden für inklusives Arbeiten wurde von Lehrkräften, Eltern und Schülern gemeinsam erarbeitetet. Der Schulvorstand vergibt Stipendien an Seiteneinsteiger aus einkommensschwachen Familien.“
Das Motiv der sozialen Öffnung verbindet die Laudatio mit der Inklusion, der Gedanke der 1970er Jahre lebt damit indirekt weiter. Wie im Inland ist der Diskurs um inklusive Maßnahmen fester Bestandteil im Schulalltag und häufig vertreten.189 In einer Umfrage der Zeitschrift Begegnung gaben 46 Prozent der Teilnehmer an, in Zukunft weniger über Inklusion lesen zu wollen. Obwohl das Thema die Schulen in Zukunft beschäftigen wird, ist anscheinend schon ein gewisser Sättigungsgrad erreicht.190 Die 2016 aufgestellte Prognose von Bettina Amrhein „Inklusion ist kein Selbstläufer“ im Jahrbuch der ZfA ist nach wie vor aktuell.191 Sowohl Inklusion als auch die Gender-Förderung im MINT-Bereich sind keine genuinen Themen für das Auslandsschulwesen. In den letzten Jahren wurden immer mehr innerdeutsche Diskurse in die eigenen Debatten aufgenommen. Dazu trägt sowohl die stärkere Vernetzung der Vereine, Lehrkräfte und Schüler bei als auch die Akzeptanz der Auslandsschulen in der politischen Landschaft. Das Auslandsschulgesetz ist hierfür ein deutlicher Beleg.
189 Vgl. Böttges, Johanna/Krath, Stefany: Inklusion. 16 Bundesländer, 16 Konzepte, in: Begegnung 36 (1/2015), S. 14–18. 190 Vgl. Meyer-Engling, Bettina: Umfrage 2014. Was sich unsere Leser wünschen, in: Begegnung 36 (4/2015), S. 9. 191 Amrhein, Bettina: Inklusion ist kein Selbstläufer, in: Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (Hrsg.): Deutsche Auslandsschularbeit. Bildungspartnerschaften, Köln 2016, S. 61–65.
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9. Spannungsverhältnisse aus historischer Sicht
Die Auslandsschulen spielten als Vermittler stets eine wichtige Rolle in der Auswärtigen Kulturpolitik, doch während beispielsweise für das Goethe-Institut eine grundlegende Forschung vorlag, fehlten für den zweiten großen kulturpolitischen Akteur historische Untersuchungen, insbesondere für den Zeitraum nach 1945. Diese Forschungslücke konnte durch die vorliegende Arbeit zwar nicht geschlossen, aber doch verkleinert werden. Mit ihrer Pluralität bieten die Auslandsschulen ein breites Forschungsgebiet, das hier am Beispiel Spanien näher betrachtet wurde. Die dortige Schwerpunktbildung entwickelte sich weniger durch überlegte Steuerung als vielmehr aufgrund günstiger örtlicher Begebenheiten und nachdrücklicher, ja nahezu hartnäckiger Arbeit der Schulen.1 Bereits 1925 meinte Eugen Löffler, damals Prüfungskommissar des Baden-Württembergischen Kultusministeriums, Spanien benötige nicht mehr als die zwei Vollanstalten in Barcelona und Madrid.2 Heute besitzt das Land sieben anerkannte Auslandsschulen – Löfflers Aufforderung, den Ausbau zu stoppen, lief offensichtlich ins Leere. Die vorliegende Untersuchung hat gezeigt, dass die Sonderrolle des iberischen Landes für das deutsche Auslandsschulwesen durch die historische Entwicklung erklärbar ist. Insbesondere die Nichtbeteiligung Spaniens an beiden Weltkriegen und das Wohlwollen spanischer Behörden wirkten hier förderlich. Das Fehlen eines Förderkonzepts im Auswärtigen Amt führte insbesondere in den 1950er Jahren zu einer überproportionalen Finanzierung der spanischen Schulen, deren Folgen noch heute erkennbar sind. Ausgehend von der Darstellung in den Kapiteln 2 bis 8 lassen sich grundlegende Entwicklungsmuster und zentrale Aspekte ableiten, die Ansätze für weitere Untersuchungen liefern. Diese können das historische Bild des Auslandsschulwesens ergänzen und offene Fragen beantworten. Eine Ausweitung auf andere Regionen 1
Vgl. Holzheimer, Hermann: Das deutsche Auslandsschulwesen als Element der auswärtigen Kulturpolitik, in: DLiA 3 (1973), S. 287–295, S. 289.
2
Vgl. Eugen Löffler an Geheimrat Soehring, Auswärtiges Amt, 15.09.1925, in: PAAA R 63879.
326 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
wäre wünschenswert, um vergleichende Arbeiten durchführen zu können. Auf dem Feld der transnationalen Geschichtsschreibung bieten Auslandsschulen eine erweiterte Perspektive, wie sie Hans-Ulrich Wehler für das Fach gefordert hat.3 Der Wissenstransfer als Teil der Globalisierungsgeschichte kann dort anhand von Schülerund Lehrerbiographien deutlich gemacht werden, da die Grenzen des Nationalstaates durch einen binationalen Sozialisationsprozess im Bildungssystem und im Berufsleben verschwinden. Im Sinne einer vertikalen Internationalisierung können die Einwirkungen von höheren Ordnungen in nationale Gesellschaften untersucht werden.4 Am Beispiel Spaniens und der Positionierung der Schulen während der Diktatur Francos konnte gezeigt werden, dass der kulturelle Expansionsprozess sowie der Export von Denkmustern und politischen Vorstellungen in den Auslandsschulen auf offizieller Ebene nicht umgesetzt wurde, aber durchaus in den privaten Räumen Anwendung fand. Die Deutschen Auslandsschulen können als Teil der Transfergeschichte im Sinne eines Transporteurs von Wissen eingeordnet werden, vor allem da es in ihrem konkreten Fall möglich war, spezifische Transfervorgänge mit gesellschaftlichen und politischen Dimensionen zu verbinden und anhand der bisher nicht untersuchten Quellenlage in den Schularchiven zu dokumentieren.5 Im Bereich der Auswärtigen Kulturpolitik wurde deutlich, dass die Auslandsschulen als Repräsentanten des deutschen gesellschaftlichen Lebens und als Instanz der Außenpolitik eine wichtige Rolle spielten.6 Die Desorganisation in der direkten Nachkriegszeit wurde durch personelle und ideengeschichtliche Kontinuitäten kompensiert, und speziell Spanien rückte durch die private Erhaltung des Auslandsschulwesens in den Fokus förderpolitischer Maßnahmen. Die gesellschaftlichen Diskurse und Debatten über Kontinuitäten auf der politischen Ebene sind auch auf die Mikroebene der halbamtlichen Akteure übertragbar. Die Deutschen Auslandsschulen als „nützliche Repräsentanten Deutschlands in der Welt“7 zu sehen, muss aus historischer Perspektive weiterhin kritisch hinterfragt werden, unterschied sich doch das dynamische Eigenleben der Schulen zu häufig von den kulturpolitischen Vorgaben des Auswärtigen Amtes. Ohnehin fehlen oft Dokumentationen und Zahlen, um die Nachhaltigkeit zu überprüfen. Die aufgezeigten personellen Kontinuitäten sind nicht nur im Sinne einer deskriptiven Aufarbeitung einzelner Schicksale relevant, sondern offenbaren Verflechtungen und Netzwerke, die sich um die Schulen herum gebildet haben, und 3
Vgl. Wehler, Hans-Ulrich: Transnationale Geschichte. Der neue Königsweg historischer Forschung?, in: Budde, Gunilla (Hrsg.): Transnationale Geschichte. Themen, Tendenzen und Theorien, Göttingen 2006, S. 161–174, S. 171f.
4
Vgl. dazu die Überlegungen zu transnationaler Gesellschaftsgeschichte in: Osterhammel: Transnationale Gesellschaftsgeschichte, S. 472.
5
Vgl. ebd., S. 477.
6
Vgl. Winter: Erfolgsmodell, S. 174.
7
Vgl. ebd., S. 175.
Spannungsverhältnisse | 327
lassen nichtamtliche Bestrebungen zur Aufrechterhaltung der Auslandsschulen als Kulturfaktor des Staates erkennen, der von 1945 bis 1949 nicht existierte. Aus der Sicht der Erziehungswissenschaften und der historischen Bildungsforschung sind Auslandsschulen transnationale Bildungsräume in einer globalisierten Welt.8 Ihr Wirken in Spanien war dabei von unterschiedlichen Konzepten, Ideen und Vorstellungen geprägt. Neben der sprachlichen Arbeit wird immer wieder der interkulturelle Aspekt der Schulen betont. In der historischen Entwicklung ist dabei insbesondere das Konzept der Begegnungsschule relevant. Es konnte skizziert werden, dass damit erstmals in der Nachkriegszeit das Auswärtige Amt eine strukturelle Ausrichtung geplant und durchgesetzt hat. Fördermaßnahmen wurden dabei zur Disziplinierung einzelner Schulen herangezogen und der Einfluss der halbstaatlichen Akteure wurde zurückgedrängt. Eingehende Studien in diesen Teilbereichen könnten eine kulturalistische Erweiterung des Politikbegriffs liefern, und eine lokale Erweiterung über Europa hinaus, insbesondere auf den afrikanischen Raum mit seinen multiplen Ausprägungen des Auslandsschulwesens, wäre im Sinne einer transnationalen Gesellschaftsgeschichte, wie sie Albert Wirz sieht.9 Dem Desiderat in der Forschung zum Auslandsschulwesen, insbesondere für die Zeit nach 1945, konnte mit ersten Ergebnissen entgegengewirkt werden. Die Grundlinien, die Kuchler in seinen ersten Überlegungen aufgezeigt hat, konnten vertieft und der „Visitenkarte“ Deutschlands in der Welt ein deutlicheres Bild mit diversen Ausprägungen von ‚Bipolaritäten‘ gegeben werden.10 Die viel beschriebenen Spannungsverhältnisse wurden dabei aus historischer Sicht genauer analysiert. Auf verschiedenen Ebenen bildeten sich unterschiedliche, teils extreme Haltungen aus, in denen sich die Schulen selbst verorten mussten. Zwischen diesen Polen war nicht immer klar, wo ihre Position lag. Jede Schule war zudem von ihrer eigenen Geschichte geprägt, weshalb nach wie vor nicht von einem einheitlichen Auslandsschulwesen gesprochen werden kann – auch nicht mit Blick auf einen relativ kleinen Raum wie ein einzelnes Land, hier Spanien. In Madrid, Barcelona, Bilbao und den anderen Städten entwickelten sich unterschiedliche Schulen mit eigenen Strukturen. Sie alle mussten ihren Standpunkt in den Spannungsverhältnissen finden, die sich auf den übergeordneten Ebenen der Auswärtigen Kulturpolitik, der bilateralen Beziehungen und den inneren Entwicklungen fin8
Vgl. Kiper, Hanna/Dwertmann, Franz (Hrsg.): Transnationale Bildungsräume in der globalen Welt. Herausforderung für die deutsche Auslandsschularbeit, Dokumentation der Fachtagung vom 11–13.10.2013, in Bremen.
9
Vgl. Wirz, Albert: Für eine transnationale Gesellschaftsgeschichte, in: GuG 27 (2001), S. 489–498; dazu auch Steinmetz, Willibald: Neue Wege einer historischen Semantik des Politischen, in: Steinmetz, Willibald (Hrsg.): „Politik“. Situationen eines Wortgebrauchs im Europa der Neuzeit, Frankfurt am Main 2007, S. 9–40.
10
Vgl. Kuchler: Visitenkarten, S. 271.
328 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
den. Vor der folgenden Zusammenfassung soll daher nochmals betont werden, dass es nicht um die Geschichte einer einzelnen Institution geht, sondern ein Gesamtbild des Auslandsschulwesens in Spanien Ziel für die Untersuchung war. Es sind nicht alle Aussagen auf alle Schulen im gleichen Maße anwendbar, doch können die betrachteten Fälle exemplarisch für die grundlegende Entwicklung des Auslandsschulwesens in Spanien gelten.
9.1 KULTURPOLITISCHE SPANNUNGSVERHÄLTNISSE Frank Walter Steinmeier zitierte bei einigen Reden in seiner Zeit als Außenminister eine Geschichte der Mittelschule im ukrainischen Donezk, die bei schweren Kämpfen 2015 mehrmals beschädigt wurde. Das Auswärtige Amt leistete jedes Mal nach einer Zerstörung Aufbauhilfe. Für Steinmeier ist dies ein Symbol kreativer Außenpolitik und moderner Diplomatie. Die Auswärtige Kulturpolitik lege so ein breites Fundament als nachhaltiges und sichtbares Instrument internationaler Beziehungen.11 Man kann die Geschichte aber auch anders auslegen. Das Auswärtige Amt steckt Mühen, Geld und Arbeit in den Aufbau einer Schule, die durch einen fremden Einfluss zerstört wird. In diesem Sinne wäre es ein Sinnbild für ein Misslingen Auswärtiger Kulturpolitik und für die Verschwendung deutscher Steuergelder. Zwischen diesen beiden Deutungen liegt ein großer Spielraum für Interpretationen, der in den in dieser Arbeit eingeteilten historischen Phasen unterschiedlich ausgefüllt wurde und in dem die Auslandsschulen zwischen verschiedenen Positionen lavierten. Die unterschiedlichen Spannungsverhältnisse waren demnach nicht zu allen Zeiten präsent, sondern lösten sich ab, verzahnten sich oder bedingten sich gegenseitig. Die expansionistische Kulturpolitik des Kaiserreichs legte andere Schwerpunkte als die friedliche, demokratisch ausgerichtete Weimarer Politik. Die Kulturpolitik der Bundesrepublik hingegen hob sich von den nationalsozialistischen Konzepten ab, die wiederum aufgrund der halbamtlichen Kontinuitäten auf einen national-konservativen Unterbau in den Schulen hatten zurückgreifen können.12 Innerhalb der letzten Phase ab 1949 lassen sich weitere Unterschiede feststellen: Mit der Konzipierung als ‚dritte Säule der Außenpolitik‘ 1969 erhielt die Kulturpolitik eine soziale Komponente und eine generelle Aufwertung. Je höher der finanzielle Einsatz der Regierung war, umso mehr Mitspracherechte beanspruchte sie. Stammen heute knapp 30 Prozent des Budgets der Schulen aus Steuergeldern, war das 11
Vgl. Krath, Stefany: Umbruch und Wandel, in: Begegnung 36 (4/2015), S. 16–21, S. 16f.
12
Vgl. Herzner, Dominik: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die Umsetzung der Auswärtigen Kulturpolitik in den Deutschen Auslandsschulen Spaniens zwischen 1918 und 1933, in: Braune, Andreas/Dreyer, Michael (Hrsg.): Republikanischer Alltag. Die Weimarer Demokratie und die Suche nach Normalität, Stuttgart 2017, S. 321–333.
Spannungsverhältnisse | 329
Verhältnis in den 1970er Jahren umgekehrt.13 Die kulturpolitische Legitimierung war demnach ungleich höher, als sie es heute ist. Auch die Spannungsfelder in der Auswärtigen Kulturpolitik waren temporär unterschiedlich ausgeprägt. Im Laufe ihrer Entwicklung durchlebten die Schulen als Vermittler diverse Situationen, in denen sie sich entscheiden mussten zwischen Konflikt und Kooperation. Zwischen Erfolg und Misslingen Auswärtiger Kulturpolitik und zwischen Anspruch und Wirklichkeit lagen verschiedene Stufen, die von der Perspektive der jeweiligen Akteure geprägt waren und bisweilen zu einer starken Diskrepanz führten. Die eingangs aufgestellte These ließ sich in vielen Fällen bestätigen. Bedingt durch die geographische Entfernung ergaben sich in den halbamtlichen Strukturen der Auslandsschulen Kontinuitäten und hielten sich ideologische Vorstellungen, wodurch in den deutschen Gemeinden auf der Mikroebene der politischen Entscheidungen eigene Ideen von Auswärtiger Kulturpolitik entstehen und sich auswirken konnten. Als wichtiger Vermittler der Auswärtigen Kulturpolitik kam es so immer wieder zu Spannungen zwischen den Auslandsschulen und den politischen Instanzen in der Heimat wie auch innerhalb des historischen Raums der Schule. Neuankömmlinge mussten die subtilen Spielregeln des Miteinander, Füreinander, Gegeneinander und Aneinandervorbei von Auswärtigem Amt, ZfA, Schulvorstand, Schulleitung, Elternkommissionen und Unterrichtsministerium des Gastlandes erst kennenlernen, beeinflussten aber diese teils direkt, teils indirekt mit ihren Ideen und Vorstellungen.14 Die vorliegende Arbeit konnte zeigen, dass interne Konflikte für die Schulen häufig in ähnlicher Weise belastend wirkten wie das Verhältnis zu den heimischen Behörden. Diesen Eindruck bestätigt eine der wenigen aktuellen Studien über die Arbeit der Schulleitung, die den Kontakt mit den Kollegen als größte Herausforderung herausstellt.15 Aus historischer Sicht konnten in den Jahresberichten Konflikte häufig nur angedeutet werden, in denen Diskurse, die das Auslandsschulwesen nachhaltig prägten, zutage traten. 9.1.1 Zwischen Anspruch und Wirklichkeit Eine der zentralen Thesen dieser Arbeit war, dass es in der Auswärtigen Kulturpolitik streckenweise zu einem Missverhältnis zwischen Anspruch und Wirklichkeit 13
Vgl. Holzheim: Element, S. 290.
14
Vgl. Feige, Bertold: Impressionen eines Neulings in Sachen Auslandsschule, in: DLiA 5 (1975), S. 115–117.
15
Vgl. Languth, Maike: Schulleiterinnen und Schulleiter im Spannungsverhältnis zwischen programmatischen Zielvorgaben und alltäglicher Praxis. Eine empirische Studie zur Berufsauffassung von Schulleiterinnen und Schulleitern. Univ. Diss., Göttingen 2006, S. 192. Die Studie geht zwar nicht explizit auf Schulleiter im Ausland ein, doch die Ergebnisse können auch auf die Arbeit im Ausland angewendet werden.
330 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
kommen konnte. Dies zeigte sich erstmals besonders deutlich in den Jahren zwischen 1918 und 1933. Die Bewahrung des Deutschtums war eine ideologische Konstante, die vom Kaiserreich bis in die NS-Zeit reichte. Sowohl in den Schulen als auch im Auswärtigen Amt gab es, obwohl Kulturpolitiker eine neue Ausrichtung propagierten, keine Neukonzeption des Auslandsschulwesens. Exemplarisch macht dies ein Zitat von Otto Boelitz deutlich, der als Schulleiter an der Deutschen Schule in Barcelona und später als Staatssekretär im Auswärtigen Amt tätig war:16 „Die Frage des Auslandsdeutschtums ist heute zur Schicksalsfrage unseres Volkes geworden. […] Wir mussten den Krieg verlieren, um unser Volkstum zu gewinnen. Stärkste Stütze in diesem gewaltigen Kampf um die Erhaltung des deutschen Volkstums ist die deutsche Auslandsschule. […] Der Willensakt ihrer Begründung bedeutet […] die bewußte Bemühung um die Erhaltung des deutschen Volkstums in der Fremde!“
Boelitz verband das Auslandsschulwesen mit einem nationalen Auftrag: Die Erhaltung des ‚Deutschtums‘ in der Fremde und der Kampf für das Volkstum waren seiner Meinung nach die Hauptaufgaben kulturpolitischer Bestrebungen. Die Verschiebung der Grenzen nach 1919 erweiterte dabei die Aufgaben der Auslandsschulen. Besonders im Osten lebten nun viele Deutsche außerhalb der Staatsgrenzen. Sie sollten aber dem ‚Deutschtum‘ erhalten bleiben und sich gegen Nationalisierungsbestrebungen der Gastländer zur Wehr setzen. Die Auslandsschulen funktionierten dabei als Integrationsfeld und Zentrum für volkstümliche Ideologien. Nur in ihnen erhielt sich nach Boelitz das ‚Deutschtum‘ und damit einhergehend die Verbindung zur Heimat. Dieses ideologische Konzept galt für alle Regionen. Obwohl die Auslandsgemeinde in Spanien einen anderen Bezug zu Deutschland hatte als beispielsweise die Sudetendeutschen, galt auch dort die Bewahrung des ‚Deutschtums‘ weiterhin als eines der obersten staatlichen und schulischen Ziele. Der Erhalt von ideologischen, personellen und strukturellen Konstanten auf der Ebene der Kulturvermittler verhinderte zudem eine Neuausrichtung der Auswärtigen Kulturpolitik. Viele Akteure im Auslandsschulwesen, so etwa die Schulleitung der Deutsche Schule in Madrid, standen der republikanischen Regierung misstrauisch gegenüber. Die zuvor jahrelange Konzentration auf Kaiser und Vaterland hemmte die Identifikation mit den demokratischen Werten Weimars. Der häufig diagnostizierte Wechsel 1919/1920 muss daher mit Blick auf die Auslandsschulen relativiert werden. Die erfolgreiche Trennung von außen- und kulturpolitischen Zielen und der Neuansatz in der Kulturpolitik, wie sie Düwell der Weimarer Republik zuschrieb, ergibt eher ein abgestuftes Bild, da die Auslandsschulen als politische Akteure partiell zu eigener Kulturpolitik fähig waren.17 Schon Scholten merkte in 16
Vgl. Boelitz, Otto: Das deutsche Auslandsschulwesen, in: Reichszentrale für Heimatsdienst 180 (1929), S. 2-8, S. 2.
17
Vgl. Düwell: Gründung der Kulturpolitischen Abteilung, S. 48–50.
Spannungsverhältnisse | 331
seiner Untersuchung zur Sprachverbreitungspolitik des nationalsozialistischen Deutschlands an, dass die Stellung der Mittlerorganisationen bei der politischen Positionierung Deutschlands im Ausland höher bewertet werden muss, da Ansätze, die Sphären der Politik und der Kultur zu trennen, die Realität kaschieren würden.18 In Spanien entwickelten die Schulen ein starkes Eigenleben, bei dem sie zwar auf die Gelder aus Deutschland angewiesen waren, davon abgesehen aber häufig nicht mit den Zielen des Auswärtigen Amtes kooperierten. Durch den hohen Grad an Eigenständigkeit der Schulvereine und den Wegfall des Konzepts der Propagandaschule ergab sich zwar eine Trennung von Auslandsschulwesen und Kulturpropaganda, eine vollständige und vor allem erfolgreiche Separierung der Kulturpolitik von der Außenpolitik war jedoch nicht möglich, da die Schulvereine als außenpolitische Akteure eigenständig waren. Als politische und ideologische Multiplikatoren konnten sie ihr Bild von Weimar und von Deutschland in der Auslandskolonie verankern und waren eine direkte Verbindung zu den deutschen Minderheiten im Gastland sowie Repräsentanten des Heimatlandes.19 Ihre Vorstellungen und ihre Auffassung von Politik beeinflussten die Auslandsgemeinde, allen voran die Jugend, maßgeblich. Dabei beriefen sich Lehrerkollegium und Schulleitung, wie in der Arbeit deutlich wurde, immer wieder auf Vorgängerkonzepte aus der Zeit des Kaiserreichs, während sie der Weimarer Republik teilweise feindlich gegenüberstanden. Damit entwickelte sich ein nationalkonservativer Charakter, der die demokratischen Werte Weimars nicht nach außen repräsentierte und eine Basis bildete für die spätere Durchsetzung der chauvinistischen NSIdeologie. Zum zweiten Mal wird die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit in der lang anhaltenden Debatte in der BRD um die Begegnungsschule deutlich. Die Weigerung einzelner Schulen, etwa der Deutschen Schule in Santa Cruz, zeigt drastisch, dass Vereine nicht immer bereit waren, die pädagogischen und kulturpolitischen Forderungen aus Bonn umzusetzen. Die Kooperation erkaufte sich das Auswärtige Amt, indem es Fördergelder vermehrt als Druckmittel nutzte, um eigene Ziele umzusetzen. Hier greift auch die Wildwuchsthese, da durch die Reformmaßnahmen erstmals, auch gegen den Willen der Schulen, Konzepte durchgesetzt wurden und das Gießkannenprinzip der Förderung der vorangegangenen Jahre aufgegeben wurde. Das Konzept von „Beethoven in den Busch“, wie die Stuttgarter Zeitung einst den Kulturexport bezeichnete, wich einer neuen Form überdachter, kultureller Außenpolitik, die sich sozial öffnen sollte.20 Die eigenen Ansprüche der Bonner Behörde erfüllten sich aber nur zum Teil. Die bildungsökonomischen Wünsche der Kostenminimierung gewährleistete bei-
18
Vgl. Scholten: Sprachverbreitungspolitik, S. 41.
19
Vgl. ebd., S. 41.
20
Vgl. Martenson, Sten: Kulturexport, in: Stuttgarter Zeitung, 13.10.1975.
332 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
spielsweise die Einführung der Neuen Sekundarstufe.21 Im Vergleich zu Schulen mit eigenem Kindergarten waren die Seiteneinstiegsklassen günstiger, und frei gewordene Gelder konnten in den Aufbau anderer Schulen investiert werden. Der Erfolg der sozialen Öffnung muss indes kritischer hinterfragt werden. Zwar erleichterten seit den 1970er Jahren Stipendien den Zugang zur Schule, doch die generelle Erhebung von Gebühren schränkte ihn wieder ein. Diese waren und sind aber unverzichtbar – knapp 70 Prozent des Haushaltes erwirtschaften die Vereine selbst durch Schulgeld, Sponsoren und private Gönner.22 Ihren Ruf als Eliteanstalten werden sie so nie vollkommen ablegen können, zahlreiche Eltern sind nach wie vor über die hohen Gebühren erstaunt und verärgert.23 Trotzdem sind die Anmeldezahlen hoch, Viele sind enttäuscht, wenn ihre Kinder abgelehnt werden. Nach wie vor unklar ist dabei die genaue Bedeutung von ‚Elite‘. Selbst im wissenschaftlichen Diskurs fehlen genaue Abgrenzungen von Bildungs- und Finanzelite. So schreibt beispielsweise Christel Adick:24 „Die einheimische Klientel besteht hauptsächlich aus der Bildungselite, die den teuren Besuch der Privatschulen finanzieren kann.“
Damit wird suggeriert, dass die finanzkräftige Schicht automatisch die Bildungselite stelle. Fraglich bleibt, ab wann eine Familie zur jeweiligen ‚Elite‘ gehört. Hier bedarf es in Zukunft genauerer Analysen über Stipendienprogramme und Schulhilfen für sozial schwächere Schichten. Die Wichtigkeit der Auslandsschulen in der Auswärtigen Kulturpolitik ist hingegen mittlerweile unumstritten. Nach den unterschiedlichen Rahmenprogrammen und Regierungserklärungen ist die Funktion der Auslandsschulen seit 2013 durch das Auslandsschulgesetz festgelegt. Die statistischen Entwicklungen der letzten Jahre machen die gestiegene Bedeutung nochmals deutlich. So nahm beispielsweise die Anzahl der geförderten Schulen im Ausland von 566 im Jahr 2000 auf 1236 im Jahr 2015 zu. 25 Sowohl die Nachfrage als auch das Angebot sind in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen. Diese starke Zunahme ist nur durch ein ge21
Vgl. Frank: Schulreformen, S. 390.
22
Vgl. Kohlmaier, Matthias/Gschwendtner, Christian: Wie die Deutschen Auslandsschulen funktionieren, in: Süddeutsche Zeitung, 19.12.2016.
23
In verschiedenen Gesprächen haben Eltern und ehemalige Schüler diese Aussage bestätigt. Die hohen Gebühren schrecken immer wieder vom Schulbesuch ab. In einer vom Autor durchgeführten Umfrage nannten die Teilnehmer immer wieder das Schulgeld als negativen Aspekt.
24
Adick: Internationaler Bildungstransfer, S. 355.
25
Vgl. Zentralstelle für Auslandsschulwesen (Hrsg.): Deutsches Auslandsschulwesen in Zahlen 2015, Köln 2015, S. 5; Zentralstelle für Auslandsschulwesen (Hrsg.): Deutsches Auslandsschulwesen in Zahlen 2013, Köln 2013, S. 6.
Spannungsverhältnisse | 333
wachsenes Finanzbudget möglich. 2015 waren die Auslandsschulen mit einem Budget von rund 215 Millionen Euro noch vor dem Goethe-Institut der höchste Posten in den Planungen zur Auswärtigen Kulturpolitik.26 Die Lobeshymnen deutscher Politiker wie die eingangs zitierte Passage Frank Walter Steinmeiers zeigen, dass sich aktuell eine gewisse Zufriedenheit mit dem Auslandsschulwesen eingestellt hat und sie die eigenen beziehungsweise gesellschaftlichen Ansprüche erfüllen. Die Untersuchung hat jedoch deutlich gemacht, dass dies nicht immer der Fall war und die Schulen als Akteure und das Amt als Planer sich zwischen Konflikt und Kooperation bewegten. Der Grund hierfür ist vor allem in der Konstellation des Auslandsschulwesens und in der punktuellen Unvereinbarkeit von Politik und Pädagogik zu sehen. Das Auswärtige Amt als staatliches Organ der Exekutive und die privaten Schulvereine mussten zusammenarbeiten, damit beide ihre Ziele erreichen konnten. Ein weiteres Spannungsverhältnis besteht daher zwischen der staatlichen und der privaten Ebene. 9.1.2 Öffentlich-private Zusammenarbeit Die einzelnen Akteure des Auslandsschulwesens trugen ihre Konflikte auf verschiedenen Ebenen aus. Als Ende der 1950er Jahre die Schule in Zaragoza ihre Förderung verlor, schrieb das Generalkonsulat ein Jahr später an das Auswärtige Amt und nahm nochmals auf den Vorfall Bezug. Dieses Schreiben verdeutlicht eindrücklich, wie sich Konflikte zwischen Schulverein, Schulleitung und Generalkonsulat verzahnen und auf die politische Verwaltungsebene auswirken konnten:27 „Im Mai 1960 ist im Einvernehmen mit der Kultusministerkonferenz entschieden worden, daß die Deutsche Schule in Zaragoza nicht mehr unterstützt werden dürfe, da durch die Streitigkeiten zwischen dem damaligen Schulleiter und dem Schulvorstand und die Streitigkeiten innerhalb des Schulvorstandes, von dem eine ordnungsmäßige Arbeit im Interesse des deutschen Ansehens und der Deutschen Schule nicht mehr erwartet werden könne, eine Zurverfügungstellung deutscher amtlicher Mittel nicht mehr zu verantworten sei. […] Es zeigte sich jedoch, daß […]die Schule immer mehr an Ansehen verlor.“
Das Generalkonsulat setzte die Schule auf Weisung des Amtes daraufhin in Kenntnis, dass auch die letzten noch leihweise überlassenen Möbel und das Inventar eingezogen würden. Der Schulvorstand erhielt aus Bonn jedoch eine Zusage, diese behalten zu können. Generalkonsul Fischer fühlte sich düpiert und schrieb daher weiter:
26
Vgl. Krath: Umbruch und Wandel, S. 22.
27
Generalkonsulat an Auswärtiges Amt 23.10.1961, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 215.
334 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
„Ich halte es für unerträglich, daß das Generalkonsulat, das seit Jahr und Tag […] sich mit in gewissem Maße böswilligen Mitgliedern des Schulvorstandes und des Schulvereins auseinanderzusetzen hat, vom Auswärtigen Amt in solcher Weise bloßgestellt und in seiner Stellung und seinem Ansehen geschädigt wird.“
Auseinandersetzungen dieser Art prägten die Geschichte der Deutschen Schulen immer wieder. Ihre Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt ist ein klassisches Beispiel für eine Public-Private-Partnership (PPP). In den Auslandsschulen ist dies in einem doppelten Sinne gegeben: erstens durch die Kooperation von privatwirtschaftlichen Unternehmen mit der Schule und zweitens durch die Zusammenarbeit von Staat als öffentlicher Einheit und den Schulen als privaten Vereinen. Während die Abhängigkeit von wirtschaftlichen Unternehmen als Konfliktfaktor in der Public-Value-Studie des Weltverbandes eine Rolle spielt, wird das Spannungsverhältnis zwischen Staat und privatem Verein nur angedeutet, etwa wenn es heißt, dass das deutsche Element in der Bildung eine relativ starre Vorgabe aus Deutschland sei, die innovationshemmend und beengend wirken könne.28 Arbeitet die Bundesregierung als öffentliche Hand mit den privatwirtschaftlichen Schulen zusammen, kann auch hier eine Konfliktebene entstehen. Die öffentliche Seite erwartet in der Regel im PPP eine Entlastung ihrer Finanzen, was aber im Auslandsschulwesen nur bedingt der Fall ist. Vielmehr zeigen die hohen Investitionssummen und die Bereitschaft des Bundes, als Träger aufzutreten, ein gegenläufiges Bild. Historisch gesehen hat diese Kooperation zu vielen Konflikten geführt, die sich in verschiedenen Punkten äußern konnten. Die Organisation durch eine private Trägerschaft nach Ende des Zweiten Weltkriegs war eine Weiterführung des Modells der Weimarer Zeit. Sie war vor allem durch das Delegationsprinzip gekennzeichnet.29 Die Übertragung der Ausführung auf dezentrale Einrichtungen und eigenständige Mittler ermöglichte einen Trägerpluralismus. Wie weit der Staat in diese Eigenständigkeit eingreifen sollte und musste, hing von der jeweiligen Situation ab. Beim Schulstreit in Madrid zu Beginn der 1960er Jahre war ein Eingriff zwingend notwendig, um bereits getätigte Investitionen zu schützen. Der Einsatz von Fördergeldern als politisches Druckmittel half der staatlichen Seite immer wieder, ihre Ziele umzusetzen: Personalentscheidungen (Madrid 1959), Strukturänderungen (Santa Cruz 1975) oder ein Ende der Förderung (Zaragoza 1958) konnten durchgesetzt werden. Obwohl alle Akteure eine Unabhängigkeit der Vermittler nach 1945 forderten, kontrollierten das Auswärtige Amt und die Zentralstelle zunehmend wichtige Bereiche der Schulen oder erwirkten sich 28
Vgl. Weltverband Deutsche Auslandsschulen (Hrsg.): Public Value, S. 8.
29
Vgl. Singer, Otto: Auswärtige Kulturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Konzeptuelle Grundlagen und institutionelle Entwicklung seit 1945, in: Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, 22.12.2003, Reg. Nr. WF X – 095/03, S. 6.
Spannungsverhältnisse | 335
bei bestimmten Entscheidungen ein Mitspracherecht. Das Auswärtige Amt widersetzte sich stets dem Vorwurf, den Entzug von Geldmitteln als Drohmittel einzusetzen, und argumentierte, dass die Schulen keinen Anspruch auf den Erhalt des Status quo hätten; zudem sei es seine Pflicht, die Haushaltslage zu berücksichtigen.30 Nun könnte man davon ausgehen, dass diese Einmischungen für die Schulvereine ein ständiges Problem in ihrem Arbeiten war. Die finanzielle Abhängigkeit führte jedoch meist zu einer Akzeptanz der kulturpolitischen Forderungen, begleitet allerdings von vorangegangenen Konflikten und Debatten. Trotz dieser Regulierungen konnten sich die Auslandsschulen einen hohen Grad an Eigenständigkeit bewahren. Auf der anderen Seite bot die häufig an den Tag gelegte Laisser-faireHaltung des Staates die Möglichkeit, ein eigenes Profil zu entwickeln. Für Helmut Graff, den ehemaligen Leiter der Deutschen Schule Valencia, lag darin aber auch ein großes Problem. So schrieb er anlässlich des 75-jährigen Jubiläums seiner Schule:31 „Man hat den Eindruck, daß einige der in Valencia noch vorhandenen Problemfelder, […] die nicht übersehen werden sollten, darin ihren Ursprung haben, daß die Bundesrepublik Deutschland ihr Auslandsschulwesen nur halbherzig plant und verwirklicht, wenn sie es im wesentlichen nur deutschen Privatpersonen im Ausland und den von ihrem Schulverein angestellten Ortskräften überläßt, ihre auswärtige Kulturpolitik zu betreiben. […] Es ist sicher eine unpopuläre Forderung, die sich aus solchen Betrachtungen zu einer Auslandsschule ableiten läßt – sie sei trotzdem erhoben: Wir brauchen mehr Staat, d. h. nicht nur mehr staatliche finanzielle Unterstützung – das wäre eine unlautere, weil einseitige Forderung –, sondern auch mehr staatlich festgesetzte Regelungen, mehr Kontrolle und mehr Verantwortung des Staates im Auslandsschulwesens.“
Graffs Forderungen waren in den Diskursen der Auslandsschulen kein Einzelfall. Das Spannungsfeld zwischen Staat und privater Schule beeinflusst die Kontroversen im Auslandsschulwesen bis heute. Das Auslandsschulgesetz aus dem Jahr 2013 ist nur ein Teil dieser Debatte, hat aber nun zu einer vorläufigen Regelung der beiderseitigen Verpflichtungen geführt. Wie profitiert nun der Staat von den Auslandsschulen? Was sind, abgesehen von dem naheliegenden Argument, einen Vermittler deutscher Kulturwerte und Sprache zu haben, seine Vorteile in dieser Public-Private-Partnership? In der vom Autor durchgeführten Umfrage mit Alumni gaben von 22 Teilnehmern 78,5 Prozent an, dass sie durch den Besuch der Schule dauerhafte Verbindungen mit Deutschland aufgebaut hätten. Diese waren kultureller, wirtschaftlicher oder privater Art. Sieben Teilnehmer verwiesen zusätzlich darauf, dass sie einen Teil ih-
30
Vgl. ZfA an Auswärtiges Amt 19.09.1978, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 896.
31
Graff: 75 Jahre Deutsche Schule Valencia, S. 32.
336 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
res Studiums in Deutschland absolvierten. 100 Prozent würden nochmals die Deutsche Schule besuchen. Das klingt nach einer erfolgreichen Nachhaltigkeit, doch gab es am gegenseitigen Nutzen auch häufig Kritik. Diese betraf weniger den Erfolg der Schüler als vielmehr den gegenseitigen Austausch von pädagogischen Erfahrungen. Die Auslandsschulen hätten in gewisser Hinsicht eine Pilotfunktion für das Inland haben können, sei es durch Erfahrungen im Deutsch-als-Fremdsprache-Unterricht, in strukturellen Fragen wie in der Diskussion um G8 oder G9 oder durch Erkenntnisse bei einer bikulturellen Erziehung.32 Trotz Empfehlungen der Kultusministerkonferenz geschah dies jedoch kaum. So sahen die Kollegen Rückkehrer oftmals als ‚Paradiesvögel‘ und nutzten deren Erfahrungen und interkulturelles Wissen nicht für eine Reflexion der eigenen Arbeit.33 Die Diskurse der Auslandsschule streuten so kaum sinnvoll in das innere Schulsystem. Mitunter lassen sich in einzelnen Phasen Parallelen ziehen, beispielsweise zwischen der sozialen Öffnung der Auslandsschulen und dem Versprechen 1970, im Inland Chancengleichheit in einem demokratischen Schulsystem zu gewährleisten.34 Analogien finden sich auch in der Diskussion um die Neue Sekundarstufe, die ihr Pendant in der Debatte um eine Orientierungsstufe für Gesamtschulen hat. Die Idee, den Erfolg einer Schule an ihren Abiturienten zu messen, kam von Picht und beeinflusste sowohl In- als auch Ausland. Seine weiteren Thesen, beispielsweise die der sogenannten ‚Bildungskatastrophe‘, finden sich im Auslandsdiskurs nicht. Aber auch darüber hinaus konnte ein expliziter und politisch fokussierter gewinnbringender Austausch von innerdeutschen und ausländischen Debatten nicht festgestellt werden. Die Parallelitäten entstanden zufällig und waren nicht staatlich intendiert. Vielmehr beklagten viele Lehrer nicht nur eine fehlende Anerkennung durch die Kollegen, sondern auch eine mangelhafte ministeriale Aufnahme und Wertschätzung sowie eine institutionelle Verankerung bei ihrer Rückkehr.35 Der pädagogische Diskurs fand nicht offiziell, sondern auf einer indirekten Ebene, durch die privaten Initiativen von Lehrkräften, Schulleitern oder Verbänden statt. Deren eigene Vorstellungen und Erfahrungen fanden ihren Niederschlag in Lehrmethoden und der Unterrichtsgestaltung. Erst in neueren Diskussionen erhalten die Auslandsschulen auf politischer Ebene eine Pilotfunktion. So verwies die FDP-Staatsministerin Cornelia Pieper bei einer Rede 2011 auf die größere Entscheidungsfreiheit der Auslandsschulen, die sie 32
Vgl. Frank: Schulreformen, S. 417.
33
Vgl. Werner, Harry: Die Bundesländer und das Auslandsschulwesen. Grundriß und aktuelle Aspekte ihrer Beziehungen, in: Hammer, Wolfgang (Hrsg.): Deutsche Lehrer in aller Welt, Baltmannsweiler 1990, S. 46–57, S. 50.
34
Vgl. Frank: Schulreformen, S. 398.
35
Vgl. Klaustermeyer, Hans: Rückkehr, Rückkehrschock und neue Einsichten, in: Hammer, Wolfgang (Hrsg.): Deutsche Lehrer in aller Welt, Baltmannsweiler 1990, S. 358– 365, S. 361.
Spannungsverhältnisse | 337
sich auch für das Inland wünsche.36 Zudem solle in Deutschland eine stärkere Kooperation zwischen Bund und Ländern im Bildungswesen stattfinden, die in den Auslandsschulen bereits bestehe. In der gleichen Ansprache kritisierte sie im Hinblick auf die Umsetzung des Auslandsschulgesetzes auch die Blockadehaltung einiger Bundesländer. Die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern ist somit ein weiteres Spannungsverhältnis, das weitreichende Auswirkungen hatte. Die Einordnung der Auswärtigen Kulturpolitik in die föderale Struktur der Bundesrepublik und die Abgrenzung von Kompetenzen waren in den 1950er Jahren ein häufig diskutiertes Problem.37 Die Zuständigkeit der Länder für Bildung und Kultur erforderte eine enge Zusammenarbeit mit dem Bund. Bei situativ zu treffenden Entscheidungen sollten eigentlich für größere Anwendungsbereiche einvernehmliche Regelungen zwischen Bund und Ländern getroffen werden. 38 Dabei herrschte keineswegs immer Einigkeit. Selbst in den Phasen, als über ihren Abbau diskutiert wurde, sprachen sich Befürworter für den Erhalt der Schulen in Spanien aus, da sie ein Kapital positiver Aktivitäten für die Zukunft seien.39 Ein Beispiel aus der Deutschen Schule Málaga soll dies nochmals verdeutlichen: In der Diskussion um ihre Förderung zu Beginn der 1980er Jahre war es das Auswärtige Amt, das ein Ende der Zahlungen anordnete, während sich der Ausschuss der Kultusminister dagegen aussprach. Hans Hoffmann, Präsident des Schulvereins, nutzte vor allem seine parteipolitischen Beziehungen, um Fürsprecher für seine Position zu finden. Dies wirft die Frage nach der Rolle der Parteien auf, die neben Bund und Ländern als ein weiterer Akteur der öffentlichen Seite gesehen werden können und die maßgeblich zur Rezeption der Schulen beitrugen. In der Arbeit konnte gezeigt werden, dass es über eine längere Dauer keine grundlegenden parteipolitischen Linien gab, sondern sich diese mit der politischen Lage veränderten. Wetterte die SPDFraktion in den fünfziger Jahren noch gegen die hohen Zahlungen im Auslandsschulwesen, war es Willy Brandt, der in seiner Amtsperiode die soziale Öffnung und den Ausbau zur Begegnungsschule auf den Weg brachte. Gleichzeitig forderte die CDU-Opposition in der Enquete-Kommission eine größere Beachtung des Auslandsschulwesens. Ihre generelle Bedeutung erkannten die Regierungsparteien seit den 1970er Jahren also an. Uneinigkeit herrschte über ihre Ausrichtung oder auch über ihre Aufgabe als Kultur- oder Sprachvermittler. Dieses Spannungsverhältnis ist ein grundlegendes Merkmal der Schulen seit ihrer Gründung und heute noch aktuell. Parteipolitisch war hierbei vor allem die Phase ab 1982 relevant, in der es zu 36
Vgl. Rede von Cornelia Pieper zum Internationalen Bildungsfest am 08.09.2011 im Auswärtigen
Amt,
abrufbar
unter:
http://www.auswaertiges-
amt.de/DE/Infoservice/Presse/Reden/2011/110908-StM_ Pieper_Bildungsfest.html (aufgerufen am 30.07.2017). 37
Vgl. Singer: Auswärtige Kulturpolitik, S. 9.
38
Vgl. Werner: Die Bundesländer und das Auslandsschulwesen, S. 54.
39
Vgl. Vorbericht der Enquete-Kommission, 05.06.1972, in: BAK 304/5168.
338 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
den größten Auseinandersetzungen kam. Dabei ging die Kritik der CSU am kulturellen Rahmenprogramm des Goethe-Instituts an der Realität der Schulen in Spanien vorbei. Die häufig propagierte neue Ausrichtung auf die Sprachförderung wiederum kann nur global betrachtet werden.40 Sie zeigte sich eher im Ausbau der Sprachdiplomschulen als in den Curricula einzelner Schulen. Bei den SDS kam der Antrieb hauptsächlich von der Kultusministerkonferenz, da sie diese Form als ideales Mittel zur Sprachförderung erachtete und dem Verfall des fremdsprachigen Deutschunterrichts entgegenwirken wollte.41 Konflikte über Arbeit und Wirken der Schulen ergaben sich aber auch auf der privaten Ebene. Verein, Direktorium, Lehrkräfte, Schüler und Eltern waren die Pole vielfältiger interner Spannungsverhältnisse und von Konflikten, die häufig sehr persönlich ausgetragen wurden. Der häufige personelle Wechsel, die fachliche Sozialisation und die Herkunft aus verschiedenen Bundesländern konnten dabei innerhalb des Kollegiums zu Streitigkeiten, Spannungen oder interkulturellen Missverständnisse führen. Unterschiedliche Erwartungen von Eltern und Lehrern sorgten, gefördert durch die private Struktur, häufig für weitere Konflikte. Während Erstere die Schulen als Dienstleistungsunternehmen sahen, ging es dem Personal primär darum, pädagogische Aufgaben zu erfüllen. 9.1.3 Zwischen Begegnung und Isolation Die einstigen Gründer Deutscher Auslandsschulen hofften mit ihnen das ‚Deutschtum‘ bewahren zu können. Damit richteten die einzelnen Gemeinden sie nach ‚innen‘ aus. Die Idee, mit dem Gastland in Kontakt zu treten, dominierte zwar nicht die Pläne, trat aber parallel dazu. Schon früh erhielten die Deutschen Schulen daher das Label ‚Begegnungsschule‘, das aber sehr stark von einem dominanten Kulturexport geprägt war: Die Begegnung stand im Dienste der Propaganda, sollte fremde Völker von der Überlegenheit des ‚Deutschtums‘ überzeugen und neue Freunde für dieses rekrutieren. Spätestens mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges war dieses Konzept in Spanien aber nicht mehr möglich. Nicht nur, dass Deutschland es nicht mehr praktizierte, die spanische Regierung kannte die deutschen Abschlüsse nicht mehr an. Spanische Schüler strebten nach dem landeseigenen Bachillerato, wechselten in den Oberstufen in eine andere Anstalt oder blieben in ihrem eigenen Zweig unter sich. Die Schulen erkannten dieses Manko, resignierten aber ob ihrer Machtlosigkeit gegenüber der Gesetzgebung. Im Jahresbericht 1966 bedauerte der Schulleiter der Deutschen Schule Barcelona das Fehlen einer richtigen ‚Begegnung‘, wie sie die Schulen vor dem Krieg vereinzelt umgesetzt hätten.42 Er wünschte sich eine verstärkte Partnerschaft mit freundschaftlichem Dialog und ei40
Vgl. Schulte: Auswärtige Kulturpolitik, S. 60.
41
Vgl. Werner: Die Bundesländer und das Auslandsschulwesen, S. 53.
42
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1965/1966, S. 11f.
Spannungsverhältnisse | 339
nem gegenseitigen Geben und Nehmen. Damit artikulierte er Ideen, die später zu einer der offiziellen Hauptlinien werden sollten, doch in seinen Gedanken fehlten noch einige ‚moderne‘ Aspekte der Begegnungsschule, beispielsweise die soziale Öffnung. Die Begegnung beschränkte sich auf gemeinsame Veranstaltungen im künstlerischen und musischen Bereich. Auch Sportfeste trugen dazu bei, Schüler beider Nationen zu vereinen. Es fehlte jedoch ein gemeinsames Lernen in den höheren Klassen, die nach Auffassung vieler Direktoren besonders prägend auf die Jugendlichen wirken. Die Schulen äußerten diese Wünsche früher und deutlicher, in der deutschen Behörde wurden sie erst später relevant. Das Konzept der bikulturellen Begegnungsschule nach heutigem Verständnis wurde mit Willy Brandts Außenpolitik zum Ziel der auswärtigen Schulpolitik des Außenministeriums und später der Zentralstelle. Diese tiefgreifenden Veränderungen in der Auswärtigen Kulturpolitik fanden in der Forschung bisher zumeist aus der Perspektive der Politik Beachtung. Am Beispiel Spaniens konnten nun erstmals Folgen für einzelne Auslandsschulen thematisiert werden. Durch das Real Decreto 1969 und das gut ausgebaute Netz an Schulen wurde das Land zum Experimentierfeld für die Begegnung. In keinem anderen Land boten so viele Orte die Möglichkeit, das neue Konzept umzusetzen. Die rigide Einführung des neuen Systems stachelte allerdings die Konflikte zwischen öffentlicher und privater Ebene weiter an. Die Entwicklung der bikulturellen Begegnungsschule ist eng mit der Gründung der Zentralstelle verbunden. Eine ihrer ersten Maßnahmen war die Verwirklichung einer regionalen Schwerpunktbildung, um deutsche Schüler zu sammeln, sowie eine Umstrukturierung des Kindergartens und der Grundschule in den Auslandsschulen. Nicht mehr der Schulgeldbeitrag oder der soziale Status waren Kriterium zur Aufnahme in die Oberschule, sondern die Leistungen der Schülerschaft. Die Zentralstelle verfolgte strikt ihre Zielsetzungen, möglichst viele Reifeprüfungen durchzuführen und talentierten Kindern des Gastlandes ein realistisches modernes Deutschlandbild zu vermitteln. Dazu wurden erstmals in der Geschichte des Auslandsschulwesens Fördermaßnahmen als Druckmittel eingesetzt, um Strukturänderungen durchzusetzen. Im Falle einer fehlenden Kooperation war die Zentralstelle bereit, Gelder zu streichen, Baumaßnahmen nicht mehr zu fördern, Lehrer abzuziehen oder den Ausbau zur Abiturschule einzustellen.43 Engelbart Onnen als erster Leiter der Zentralstelle prägte auf der Grundlage seiner Ideen und seiner Persönlichkeit die ersten Jahre der Begegnungsschule.44 Erst als ein personeller Wechsel eintrat, verlor die Reform an Schwung und an Strenge und konnte eine andere Richtung einschlagen. Die neue Führung und das spanische Gesetz 1978 erlaubten den Schulen in Spanien wieder die Einführung gemischtsprachiger Grundschulklassen und somit einen stärkeren Zugang zur Gesellschaft des Gastlandes, die zuvor ihre Kinder nicht mehr in den gemischtsprachi43
Vgl. Schreiben ZfA an Auswärtiges Amt, 03.12.1973, in: PAAA B93/IV4, Bd. 795.
44
Vgl. Frank: Schulreformen, S. 404.
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gen Primarbereich hatten schicken können. Die Erfolge der Begegnungsschule wurden jedoch immer wieder bezweifelt. Ein Blick in die Schulen kann dies nochmals veranschaulichen. Einen ausführlichen Rückblick lieferte Jolande Siart im Jahresbericht der Deutschen Schule Barcelona 1992/1993.45 Ihr zufolge verhinderten die Sprachbarrieren und die Prägung durch unterschiedliche Grundschulsysteme eine richtige Begegnung in den Mixto-Klassen. Die Hinführung zum Abitur begünstigte zudem einen Konkurrenzkampf innerhalb der Klassen. Den Schülern des Seiteneinstiegs haftete oft der Ruf von ‚Strebern‘ an, sie kapselten sich im Verband von ihren deutschen Kollegen häufig ab. Im Vergleich zu den Schülern, die seit dem Kindergarten die Schule durchliefen, erreichten sie bessere Ergebnisse im Abitur, Erstere sprachen wiederum besser Deutsch, da sie sich länger im fremdsprachlichen Umfeld bewegten. Für Siart bezahlten die Kinder der Neuen Sekundarstufe ihren Abiturerfolg mit einem erhöhten Arbeitspensum. Viele Eltern hätten sich beschwert, dass ihren Kindern die unbeschwerte Jugend genommen würde. Weiterhin kritisierte die Lehrerin die unausgewogene Begegnung und zählte eine Bandbreite an Fehlern auf: Die deutschen Fächer überwogen, die Lerninhalte orientierten sich an deutschen Vorstellungen, die Schüler der Neuen Sekundarstufe erfüllten häufig nicht die Anforderungen an die Fremdsprachenkommunikation, die Reifeprüfung orientierte sich an deutschen Maßstäben und die Methoden des deutschen und spanischen Unterrichtssystems stimmten kaum überein. Die Selectividad-Prüfung behinderte weiterhin den direkten Zugang zu den spanischen Hochschulen, eine deutsche Universität hingegen konnte problemlos besucht werden. Es war ein langer Weg, bis die deutschen Behörden wieder beide Möglichkeiten – Neue Sekundarstufe und gemischtsprachiger Kindergarten/Grundschule – zuließen und den Schulvereinen Wahlfreiheit einräumten. Die Diskussionen über den Erfolg der Begegnungsschule beschäftigten alle Akteure über Jahre hinweg. Trotz aller Kritik und Konflikte führten die Umstrukturierungen nach 1945 erstmals zu einem klaren Konzept und bedeuteten eine Abkehr vom Gießkannenprinzip. Nach der ungeplanten Entwicklung und einer nicht funktionierenden Begegnung lieferte das spanische königliche Dekret 1969 die Möglichkeit zur strukturellen Neukonzeption. Die großen Schulen wie Madrid oder Barcelona erhielten einen integrierten Lehrplan, die kleineren Einrichtungen wie Sevilla oder San Sebastián wurden nachhaltig auf den spanischen Lehrplan mit verstärktem Deutschunterricht eingestellt – eine Struktur, die auch heute noch maßgeblich den Alltag vor Ort bestimmt. Das Thema Begegnung wird jedoch immer noch viel diskutiert. In den Spannungsfeldern der Public-Value-Studie finden sich gleich drei Bereiche, die damit zu tun haben.46 Erstens böten Auslandsschulen einen Ort der Gemeinschaft für im Ausland ansässige Deutsche an, verhinderten damit aber deren Integration im Gastland. Eine übermäßige Orientierung an der deutschen Klientel drohe somit 45
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona, S. 109–115.
46
Vgl. Weltverband Deutscher Auslandsschulen (Hrsg.): Public Value, S. 8.
Spannungsverhältnisse | 341
die Begegnung zu unterlaufen oder zumindest zu hemmen. Zweitens führe die Fokussierung auf wirtschaftliche Interessen und die Konzentration der Standorte auf Ressourcenzentren und Großstädte zu einem weiteren Verlust der Begegnung. Und drittens verbaue gerade die Konzentration auf deutsche Bildungsqualität den Weg hin zu einem interkulturellen Austausch. Auf den mangelnden Austausch zwischen Auslandsschulen und Inlandsschule wurde bereits im vorherigen Abschnitt eingegangen. Dieser Aspekt lässt sich im Begegnungskonzept noch ausweiten. Nach wie vor sind die Auslandsschulen vor allem ein Exporteur deutscher Bildungsideale und nehmen offiziell nur wenig von den ausländischen Systemen auf. Die Begegnung ist daher in einem gewissen Sinne immer noch stark einseitig und verzerrt. Christiane Paulus hat dies mit einer Befragung an einer Deutschen Schule in Afrika deutlich gemacht.47 Die Minderheitenkultur beziehungsweise -sprache ist dort dominant, die afrikanische, rezessive Mehrheitskultur müsste aber eigentlich die Basis für die Integration liefern. Die semantische Komponente der Gleichheit erfüllt sich also beim Begriff ‚Begegnung‘ nicht und setzt die Beteiligten der Schule häufig unter Druck. Die Einheimischen fühlen sich nach wie vor wohler, wenn sie in ihrer Muttersprache sprechen können, und der Kontakt zwischen den deutschen Schülern und jenen des Gastlandes beschränkt sich auf den Unterricht – privat leben sie in zwei verschiedenen ‚Welten‘. Die Problematik resultiert nach Paulus maßgeblich aus den rudimentären Sprachkenntnissen der Deutschen. So überwiegt die Minderheitenkultur im Alltag der Schulen. Die Geschichte der Schulen in Spanien bestätigt diesen Eindruck. Der Weg zum ‚Erfolgsmodell‘, wie ihn Winter in der bikulturellen Version sieht, war in der Geschichte lang und konfliktreich und ging häufig nur über ‚moralische Eroberungen‘.48 Die aktuellen Debatten der Public-Value-Studie zeigen, dass er immer noch nicht vollständig zurückgelegt, das Ziel noch nicht erreicht ist. Die Wirkung über den Kreis der germanophilen Spanier hinaus nach außen in das städtische Umfeld war und ist weiterhin Anliegen der Vereine. Bereits 1966 nannte Jose Muñoz Pascua, spanischer Lehrer in Barcelona, die fehlende Projektion nach außen ein Manko der Schule.49 Die Gesellschaft müsse verstehen, dass es mehr als nur die Institution des Colegios gebe. Der ‚Geist‘ der Begegnung verbleibe noch zu sehr in den Mauern des Gebäudes. Wie weit diese Diagnose nach rund vierzig Jahren noch zutreffend ist, lässt sich schwer beurteilen. Die öffentlichen Auftritte der Schulen legen jedoch nahe, dass sie bemüht sind, sich selbst nach außen hin zu repräsentieren, um über ihr eigenes Umfeld hinaus zu wirken. Mit Blick auf Spanien hat sich außerdem gezeigt, welche historischen Spannungsfelder die ‚Begegnung‘ umfasst. Die Schu47
Vgl. Paulus, Christiane: „Begegnung findet nicht statt.“ Probleme von Begegnungsschulen im postkolonialen Kontext, in: Zeitschrift für internationale Bildungsforschung und Entwicklungspädagogik 2 (2011), S. 24–30, S. 27.
48
Vgl. Winter: Ein Erfolgsmodell, S. 177.
49
Vgl. Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1966/1967, S. 14.
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len verstanden dieses Konzept stets als Kulturkontakt, und infolge ihrer Diversität und der heterogenen Akteure boten sie ein weites Feld an bipolaren Kontakten, in dem sich unterschiedlichste Strömungen begegnen konnten.
9.2 ENTRE DOS AGUAS: BILATERALE SPANNUNGSVERHÄLTNISSE Auslandsschulen als Teil der Auswärtigen Kulturpolitik hatten es stets mit antagonistischen und konvergierenden Interessen zu tun, um deren Vermittlung sie bemüht sein mussten.50 Diese waren in Spanien unterschiedlich ausgeprägt. Die deutschen Einwanderer brachten ihre kulturellen Vorstellungen mit nach Spanien und vermischten sie dort mit denen der einheimischen Bevölkerung. Ende des 19. Jahrhunderts trafen preußische Tugenden auf spanisches Temperament. Ein Bild der Familie Kurtz in Zaragoza kann diesen Gegensatz illustrieren. Der eher bürgerliche, deutsche Biedermeierstil findet sich im spanischen Süden wider, wenn beispielsweise der Hausherr vor dem Kopf eines erlegten Hirschs posiert. 51 Abbildung 8: Juan Kurtz in seinem Haus in Zaragoza – Datum unbekannt
Quelle: Del Molino
50
Vgl. Vorbericht Enquete-Kommission, 05.05.1972, in: BAK B304/5168.
51
Vgl. Del Molino: Soldados, S. 162.
Spannungsverhältnisse | 343
In den Gemeinschaften der Auslandsdeutschen bildeten sich interkulturelle Vermischungen und Interferenzen unterschiedlicher Ausprägung. Während sich einige Deutsche stärker assimilierten, versuchten andere so viel wie möglich von ihrem ‚Deutsch-Sein‘ zu bewahren. Kinder, die Mischehen entsprangen, waren immer wieder ein Problem für die Schulen, da ihr Zugang geregelt werden musste.52 Bei beschränkten Kapazitäten entschieden häufig die Staatsangehörigkeit und die Sprachfertigkeit über die Aufnahme. Ein in Spanien geborenes Kind mit deutschem Pass sprach aber nicht automatisch ein besseres Deutsch als sein spanisches Äquivalent, das eine deutsche Mutter hatte. Die Integration und die Identität hingen maßgeblich von der individuellen Bereitschaft und Identifikation der deutschen Einwanderer ab. Sie lebten und leben auch heute noch überwiegend in den küstennahen Regionen oder in den wirtschaftlichen Zentren.53 Die ursprüngliche Ansiedlung setzte eine Dynamik in Gang, die weitere Auswanderer nach sich zog. Die soziale und soziologische Zusammensetzung umfasste Touristen, Existenzgründer, Altersmigranten oder Expats. Ausländische Bewohner der beiden Wirtschaftszentren Barcelona und Madrid sprechen laut einer Umfrage aus dem Jahr 2007 zu 90 Prozent Spanisch, in den Küstenregionen sind es nur 44 Prozent. Vergleichbare Zahlen für frühere Zeiten liegen nicht vor, doch kann davon ausgegangen werden, dass die Integration in den wirtschaftlichen Zentren größer war als in abgeschotteten Siedlungen am Meer. Das gesellschaftliche Engagement der Deutsch-Spanier konzentrierte sich auf Vereine, die einen starken Heimatbezug hatten, und so auch auf die der Schulen. Dieser Eindruck lässt sich für den ganzen Untersuchungszeitraum bestätigen. Durch die partielle Öffnung der Vereine für spanische Mitglieder wurden sie zu Kulturvermittlern, die ihren Platz finden mussten zwischen spanischen und deutschen Interessen. In gewisser Weise lassen sich die sechs Phasen interkulturellen Lernens von David Hoopes auf die Schulen als Institutionen anwenden:54 1. Ethnozentrismus: Überhöhte Wertschätzung der eigenen Identität mit tendenzieller Ignorierung und Abwertung fremdkultureller Werte (Betonung des konfessionellen Charakters in der Gründungsphase, Bewahrung des Deutschtums) 2. Aufmerksamkeit: Positive Hinwendung zu anderen Kulturen und ihren Angehörigen (Aufnahme fremder Schüler) 52
Vgl. stellvertretend Bericht Regionaltagung 18.–20.10.1978, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 896.
53
Vgl. Kreienbrink, Axel: Spanier in Deutschland und Deutsche in Spanien, in: Mecke, Jochen u. a. (Hrsg.): Deutsche und Spanier. Ein Kulturvergleich, Bonn 2012, S. 289– 303, S. 295–298.
54
Vgl. Hoopes, David: Intercultural Communication Concepts and the Psychology of Intercultural Experience, in: Pusch, Margaret (Hrsg.): Multicultural Education. A CrossCultural Training Approach, Chicago 1981, S. 9–38.
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3. Verstehen: Fähigkeit, Werte und symbolische Codes anderer Kulturen zu interpretieren 4. Akzeptanz: Bereitschaft, kulturelle Differenzen zu respektieren, auch solche, die den eigenen Vorstellungen entgegenstehen (Entwicklung der Begegnungsschule) 5. Wertschätzung: Respekt vor anderen Kulturen und gewisser Grad an Identifikation (Umsetzung der Begegnungsschule) 6. Gezielte Annahme: Übernahme und Aneignung fremdkultureller Werte, Kommunikationsformen und Symbolsysteme (Adaption des spanischen Unterrichtsstils einiger deutscher Lehrkräfte) Wie sich der letzte Punkt in der Realität ausgestalten konnte, verdeutlicht eine Anekdote im Rahmen des Grundstückskaufs der Deutschen Schule in Madrid 1956, bei der Guillermo Frühbeck, Vertrauensanwalt der Botschaft, sehr genau auf die spanischen Gepflogenheiten beim Grundstückskauf eingehen wollte. Nach „landesüblicher Sitte“ 55, wollte er in die Kaufurkunde einen geringeren Preis einsetzen lassen, um Steuern zu sparen. Der wirkliche Preis würde vor der notariellen Urkunde gezahlt werden und in einem Privatdokument vermerkt. Der deutsche Anwalt hatte sich demnach der Sitte angepasst, dass beim Immobilien Verkauf in Spanien manchmal nur ein Fünftel des wirklichen Wertes angegeben wurden. Jochen Mecke und Hubert Pöppel prägten in ihrer kulturwissenschaftlichen Studie für solche interkulturellen Erscheinungen den Begriff des ‚entre dos aguas‘ als Symbol für ein transnationales Spannungsverhältnis.56 Im Falle Spaniens war ihrer Meinung nach die Neutralitätsvermutung, sprich die Objektivität in interkulturellen Debatten, die jedem Mittler zugeschrieben wird, durch die große Entfernung erhöht, so dass dem einzelnen Akteur eine besonders wichtige Funktion zukam. Er verbreitete im direkten Kontakt Informationen über die jeweils andere Kultur. Trotz aller Individualität im Kulturkontakt prägten die bilateralen Beziehungen die Wahrnehmung des Gegenübers in hohem Maße. Diese waren zwischen Spanien und Deutschland im Untersuchungszeitraum mit wenigen Ausnahmen durchwegs positiv. Die geographische Distanz bot die Voraussetzung für die Entstehung einer als harmonisch wahrgenommenen Verbindung. Dabei beeinflussten unterschiedliche politische Systeme diese Wahrnehmung kaum, vielmehr wurde und wird die teilweise ähnliche Vergangenheit, beispielsweise die Erfahrung mit einer Diktatur, als Schicksalsgemeinschaft gedeutet. Erst bei einem zweiten Blick werden Risse in diesem Bild deutlich, die jedoch in der offiziellen Darstellung der beiden Länder 55
Vgl. Deutsche Botschaft an Auswärtiges Amt 07.04.1956, in: PAAA ZA_1, Bd. 1325.
56
Vgl. Einleitung zu: Mecke, Jochen/Pöppel, Hubert (Hrsg.): Entre dos aguas. Kulturvermittler zwischen Spanien und Deutschland, Berlin 2016., S. 7–25. Die Studie konzentriert sich auf den kultur- und literaturwissenschaftlichen Bereich und nahm institutionelle Bereiche leider nicht mit auf.
Spannungsverhältnisse | 345
keinen Niederschlag finden. Die Wahrnehmung Spaniens als romantischer Sehnsuchtsort für deutsche Touristen oder die durch die europäische Einigung intensivierten wirtschaftlichen Verflechtungen trugen genauso zum Erhalt der wechselseitig positiven Charakterisierung bei wie militärische oder kulturelle Partnerschaften. Trotz aller Freundschaft und aller Globalisierungstendenzen blieben und bleiben dennoch genuin kulturelle Unterschiede bestehen. Die Deutschen Auslandsschulen als transnationaler Bildungsraum mussten daher erst einmal ihren Standort in dieser Beziehung finden. Ihre lange Geschichte instrumentalisierten die Schulen dabei stets als ein Zeichen der deutsch-spanischen Freundschaft. Im Bereich der bilateralen Public-private-Partnership legte der spanische Staat den Schulen kaum Hindernisse in den Weg. Ausnahme waren der strenge Staatskatholizismus zu Beginn der Franco-Diktatur (Kapitel 4.2.3) und die beiden zentralen Schulgesetze 1969/1970 (Kapitel 7.2.1) und 1978 (Kapitel 8.1.2). Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges beschrieb Geheimrat Soehring erstmals den Sonderstatus der Schulen in Spanien:57 „Die Wirkungsmöglichkeiten der Schulen hängt jedoch […] natürlich nicht nur von den wirtschaftlichen Verhältnissen, der Opferwilligkeit und den Arbeitsleistungen der deutschen Kolonien, der Schulvorstände und Lehrerkollegien ab, sondern ganz wesentlich auch von der politischen Situation. In dieser Beziehung sind die Schulen während des Krieges in Spanien im allgemeinen besser dran gewesen als in manchen anderen neutralen Ländern. Denn die allgemeine politische Atmosphäre war uns Deutschen nicht ungünstig.“
Dieses Wohlwollen blieb als Kontinuum bestehen. Joaquín Tena Artigas, Director General de Enseñanza Primaria, versicherte 1960, dass das spanische Erziehungsministerium keinerlei Einwände gegen eine möglichst große Zahl deutscher Schulen in Spanien erhebe.58 Dementsprechend positiv fielen ihre Beurteilungen durch die spanischen Behörden aus. Maria Paz Sáenz Tejera de Asensi, Provinzialschulrätin in Las Palmas und Ehefrau eines Lehrers, beglückwünschte zu Beginn der 1960er Jahre die Schule:59 „Der äusserst gute Eindruck, den ich bei meinen wiederholten Inspektionsbesuchen gewinnen konnte, basiert auf der hervorragenden unterrichtlich-erzieherischen Arbeit, die sowohl im kulturellen Bereich als auch in der Beherrschung der deutschen Sprache durch die ihr anvertrauten Schüler, insbesondere die spanischen, sichtbar wird. Besonders möchte ich die grosse
57
Vgl. Bericht Soehring an Auswärtiges Amt März 1920, in: PAAA R 71946.
58
Vgl. Protokoll der Dritten Sitzung des deutsch-spanischen Kulturausschusses, 04.10.1961, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 154.
59
Jahresbericht Deutsche Schule Las Palmas 1958–1964, S. 7.
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Achtung hervorheben, die die Schule stets unseren religiös-vaterländischen Erziehungsgrundlagen entgegengebracht hat.“
Bei der ersten Regionaltagung der Schulen in Spanien 1978 wiederholte Regierungsrat Barthold Witte aus deutscher Sicht den Sonderstatus der Auslandsschulen:60 „Erfreulicherweise läßt uns die spanische Seite ein außerordentlich hohes Maß an Gestaltungsfreiheit. Ich möchte das ganz dick unterstreichen. Es gibt nach unserer Kenntnis kein anderes Land der Welt, das in so hohem Maße Schulen, die von einer ausländischen Regierung gefördert werden, im eigenen Lande einer so großen Gestaltungsfreiheit überläßt […] das ist ja nicht ganz selbstverständlich in einer Zeit, in der wir zwar einerseits zur europäischen Einigung hintreiben, in der aber andererseits gerade im Bildungswesen wachsender Nationalismus uns in vielen Ländern sehr zu schaffen macht.“
Die traditionell deutsch-spanische Freundschaft war sicherlich ein Grund für die hohe Akzeptanz deutscher Bildung in Spanien. Ein weiterer war die schon immer hohe Quote an Privatschulen im Land. 1980 lag sie bei 39 Prozent.61 Der FrancoStaat zeigte verhältnismäßig wenig Engagement im Bildungsbereich, das einzige bedeutende Bildungsgesetz 1969 setzte er nie in die Praxis um.62 Das Interesse an ausländischen Partnern war hingegen um einiges größer, da Spanien nach 1945 der internationalen Isolation entgehen wollte. Nach Francos Tod standen schon die EGMitgliedschaft und damit die anderen Nationen Europas vor der Tür. Potentielle Verbündete durch eine nationale Schulpolitik zu verschrecken, wäre so für die außenpolitischen Ziele Spanien stets kontraproduktiv gewesen. Die demokratische Neuordnung des politischen Systems und die internationale Öffnung bildeten wichtige Faktoren in den Überlegungen des Erziehungsministeriums.63 Diese schlossen die Auslandsschulen fremder Nationen mit ein. Aber trotz dieser scheinbaren Harmonie im Bildungssektor gab es auch im bilateralen Verhältnis zwischen Deutschland und Spanien einige Spannungsfelder, die eine nachhaltige Wirkung auf die Schulen hatten.
60
Bericht Regionaltagung 18.–20.10.1978, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 896.
61
Vgl. Nohlen, Dieter/Hildenbrand, Andreas: Spanien. Wirtschaft, Gesellschaft, Politik – ein Studienbuch, Wiesbaden 22005, S. 187.
62
Vgl. Palt: Bildungsreformen in Spanien, S. 22.
63
Vgl. Alvarez: Die spanische Bildungsreform, S. 167f.
Spannungsverhältnisse | 347
9.2.1 Zwischen Demokratie und Diktatur Spanien und Deutschland verbindet die jeweilige Diktatur-Erfahrung. Der Übergang zur Demokratie, die Erinnerung an faschistische Verbrechen und die Aufarbeitung politischen Unrechts spielten in beiden Ländern je nach zeitlicher Distanz zur Diktatur eine mehr oder weniger große Rolle. Die Deutschen Schulen konnten sich den unterschiedlichen Regierungsformen nicht entziehen, sondern standen direkt in deren Einflussbereich und lebten und erlebten die Herrschaftsformen in ihren eigenen vier Wänden. Spannungsverhältnisse auf unterschiedlichen Ebenen waren dabei vorprogrammiert. Die Schilderungen von liberalen Erziehungsmethoden während der NS-Diktatur passen beispielsweise nicht in das Bild der gleichgeschalteten Schule, in der Lehrkräfte Funktionen im NS-Auslandsapparat übernahmen. Durch die starke Förderung der Schulen und die zahlreichen Neubauten wandelte das Auswärtige Amt die Vereine in Propagandaschulen um.64 Diese zeigten aber auch einen hohen Grad an Eigeninitiative. Bereits 1933 besprachen Lehrkräfte beim Verbandstreffen die neuen Ideen von Volk und Rasse.65 Der Verein in Madrid änderte eigenmächtig seine Satzung und untersagte jüdischen Schülern den Zutritt. Zu diesem Bild wiederum passt nicht die Aussage des Direktors der Universität Barcelona, der nach dem Krieg angab, es seien in der katalanischen Stadt noch jüdische Schüler während des Krieges in der Deutschen Schule eingeschrieben gewesen. Ob es sich dabei um eine nachträgliche Schutzbehauptung handelte oder der Verein die jüdischen Mitschüler in seinen Berichten an das Auswärtige Amt vor 1945 verschwieg, kann anhand der Aktenlage nicht mehr rekonstruiert werden.66 Für die These der Bipolarität ist wichtig, dass beide Möglichkeiten denkbar sind: Die heterogene Auslandsgemeinde und die weite Entfernung zu Deutschland machten ein Eigenleben möglich, das wiederum zwischen Ablehnung und Akzeptanz der NS-Ideologie schwankte. Ein Beispiel hierfür ist Willy Schulz, ehemaliger Leiter der Deutschen Schule Madrid. Einerseits begrüßte er freudig den politischen Wechsel in der Heimat, andererseits untersagte er die Gründung von HJ-Sektionen auf der Iberischen Halbinsel.67 Es musste seiner Meinung nach alles vermieden werden, was den Wirkungsmöglichkeiten des Auslandsdeutschtums schadete und Freunde der Schule abschreckte. Schulz selbst verkörperte die Bipolarität geradezu: über64
Vgl. Waibel: Deutsche Auslandsschulen, S. 6.
65
Vgl. ebd., S. 146.
66
So ist entgegen der Überlieferung des Direktors der Universität in amerikanischen Dokumenten der Hinweis zu finden, dass Schüler in Barcelona nicht an Prüfungen teilnehmen durften, da die Großeltern jüdisch waren. Da der Vorsitzende von Steindorff zudem als fanatischer NSDAP-Anhänger galt, ist die Aufnahme jüdischer Schüler wohl eher unwahrscheinlich. Vgl. Report on German School Barcelona, in: NARA RG 226, UD 127, Box 4, Folder 22.
67
Vgl. Waibel Deutsche Auslandsschulen, S. 200.
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zeugter NSDAPler und gläubiger Katholik; bemüht, das Politische aus den Schulen herauszuhalten, aber selbst politische Statements setzen; die Größe des Deutschen Reiches propagieren, aber das Gastland nicht verschrecken. Dass Spanien nicht automatisch als Freund der Nazis deklariert werden darf, zeigen die Episoden vor 1936, als es zu zahlreichen Demonstrationen vor der Botschaft und der Madrider Schule kam. Auch nach der Machtübernahme Francos kam es immer wieder zu ideologischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Nationen. Allerdings muss man hier differenzieren: Ließ die politische Verwaltung der Städte und Kommunen die Deutschen gewähren, ja kooperierte vielfach in militärischen oder polizeilichen Bereichen mit ihnen, so bemängelte vor allem die katholische Kirche, prägend für das Bildungswesen, von Beginn an die protestantische Prägung der Auslandsschulen und prangerte die Koedukation und die nationalsozialistische Ausrichtung an. Die Kontrolle der Schulen durch kirchliche Träger setzte sich nach Ende des Zweiten Weltkrieges fort und hatte Auswirkungen auf die Namensgebung, die paritätische Zusammensetzung des Kollegiums oder die Anstellung von Schulleitern. Diese blieben nach 1945 vereinzelt auf ihren Posten, gingen aber zum Großteil zurück nach Deutschland. Die private Trägerschaft führte dennoch zu einem hohen Grad an Kontinuität, vor allem im Bereich der Vereine. Werner Peiser schilderte seine Eindrücke von den Kanarischen Inseln in einem Bericht an das Auswärtige Amt im Jahr 1955:68 „Selbstverständlich ist der Geist eines überspitzten Nationalismus keineswegs erloschen, und der Name Hitler wird durchaus nicht mit jenem Abscheu genannt, wie man das erhoffen sollte. Die Untaten des Dritten Reiches werden verschleiert und beschönigt, und zwar weniger aus bösem Willen wie aus jener Unkenntnis und jenem Unverständnis heraus, das man so oft bei jahrzehntelang im Ausland verwurzelten Deutschen findet. Auf der anderen Seite ist festzustellen, daß die Stimmung der Bundesrepublik gegenüber durchaus freundlich ist. Man könnte sagen, daß die Haltung mehr von opportunistischen als von gesinnungsmäßigen Faktoren bestimmt ist. Hilft die Bundesrepublik die örtlichen Probleme zu lösen, dann ist sie gut. Hilft sie nicht, ist sie schlecht.“
Im weiteren Verlauf seines Berichts verdeutlichte er das Problem, das seiner Meinung nach daraus im Unterrichtsalltag entstand: „Ein einziges Beispiel aus der Erfahrung des Referenten in den letzten Tagen mag zeigen, was gemeint ist: Bei meiner Teilnahme am Unterricht war das erste, was ich hörte, die Lektüre eines Gedichts von Agnes Miegel. Es bedurfte nur eines Hinweises an den Unterrichtsleiter, daß es nicht gerade notwendig sei, die Verfasserin einer Hitlerhymne als repräsentativen Typus deutscher Dichtung der Gegenwart in einer Auslandsschule vorzuführen. […] Man
68
Werner Peiser an Auswärtiges Amt 19.07.1955, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 33.
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sieht aus diesem an sich belanglosen Vorkommnis, um was es geht und in welcher Richtung Geist und Seele der Jugendlichen beeinflusst werden können. Es wird besser sein, hier und da eine Zeitlang an den deutschen Auslandsschulen eine Lücke offen zu lassen, falls die geeignete Lehrerpersönlichkeit fehlt, als jemanden zu entsenden, dem es an innerem und äußerem Format, an sachlicher, an menschlicher und an kulturpolitischer Qualifikation fehlt.“
Erst mit dem Neubeginn des Auswärtigen Amtes setzte eine langsame Entnazifizierung ein, die so für neue Spannungsverhältnisse sorgte und die These der Kontinuitäten bekräftigt. So scheute sich beispielsweise innerhalb des Auswärtigen Amtes die Kulturabteilung zunächst, die Schulbücher zu überarbeiten. Die diffizile Materie der Darstellung der letzten Jahrzehnte deutscher und spanischer Geschichte sei dafür ungeeignet.69 Trotzdem beauftragte das Auswärtige Amt das Georg-EckertInstitut, eine umfangreiche Revision vorzunehmen. Die Versuche, einen politischen Neuanfang zu wagen, stießen spätestens bei den Vereinen an ihre Grenzen, da sich diese kaum kontrollieren ließen. Im Streit zwischen Direktor Niedermayer und der Vorstandschaft in Madrid werden die Probleme der Kontinuität nochmals deutlich:70 „Sie [Anm.: Vorstandsmitglieder] führen die Schule wie ihr Privatgeschäft und bevormunden alle Beteiligten in einer Art, die sie vom 3. Reich her gewöhnt sein mögen, die aber einem deutschen demokratischen Lebensstil offen Hohn spricht.“
Die Auslandsschulen erhielten durch solche Personalien und durch die amerikanische Repatriierungspolitik einen Ruf als Hort des Nationalsozialismus, der bis heute andauert. Das geschilderte Beispiel Juan Hoffmanns zeigt, dass Diskussionen über diese Kontinuitäten bis weit in die 1990er Jahre reichten oder zu diesem Zeitpunkt erst entstanden. Es war nicht die Aufgabe dieser Untersuchung, die Rolle Hoffmanns in der NS-Politik aufzuarbeiten; dies kann erst geschehen, wenn fehlende Akten endgültig freigegeben werden.71 Doch sein Beispiel zeigt, wie sich Wahrheit und Fiktion überlagern und zu einer weiteren Dimension von Bipolarität führen können. Der Fall seines Konsul-Kollegen Franz Nüßlein macht dies nochmals deutlich. Bis heute hat sich das Bild des ‚Blutrichters‘ in den Köpfen der Auslandsgemeinde gehalten, und es war für ehemalige Schüler selbstverständlich, dass ein ehemaliger Nazi neben der Schule in Barcelona residierte. Die Flucht ehemaliger NS-Verbrecher nach Spanien unterstützte diese Wahrnehmung und führte häufig zu 69
Vgl. Hausbesprechung Auswärtiges Amt, 11.02.1959, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 78.
70
Denkschrift Niedermayers an Deutsche Botschaft Madrid, 20.12.1954, in: PAAA AV7670.
71
Es existiert beispielsweise eine Akte im ACSP über „Nazi-Vergangenheit von Konsul Hoffmann“, die jedoch nicht freigegeben ist. Seine Personalakte im PAAA dürfte ebenfalls noch interessante Informationen beinhalten.
350 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
einem Pauschalurteil. Francos quasi-autoritäres System bedingte diese Kontinuitäten. Nach 1949 kritisierten weder die offizielle Politik noch die Auslandsdeutschen die spanische Diktatur nachdrücklich. In der Chronik der Deutschen Schule Barcelona ist eine Episode überliefert, die das Verhältnis zum Franco-System charakterisiert.72 Zum 75-jährigen Jubiläum im Jahr 1969 schickte der Vereinspräsident wohlformulierte Einladungen an alle franquistischen Statthalter, so an den Bürgermeister, den Zivilgouverneur, den Chef der Provinzregierung und den Vertreter des Militärs. Zwei Deutungsmöglichkeiten lassen diese Schriftstücke zu: Entweder war Vereinspräsident Ferdinand Birk tatsächlich der ‚buen amigo‘ seiner Adressaten und sympathisierte mit Francos Eliten, oder die Schule handelte mit einem gewissen Grad an Opportunismus, da man sowohl vom Wohlwollen der spanischen Verwaltung als auch von potentiellen Geldgebern abhängig war. Die Oberschicht war schließlich immer ein Zielpublikum der Vereine. Wie schon zuvor gilt: Beide Möglichkeiten sind denkbar, so dass auch hier ein Spannungsverhältnis zwischen Sympathie, Opportunismus und sogar Ablehnung besteht. Das Fehlen schriftlicher Dokumente macht eine Klärung schwierig, doch gesammelte Zeugenaussagen ehemaliger Lehrkräfte zeigen, dass es kaum offizielle Auseinandersetzungen mit der Diktatur gab. Dazu passte die offizielle Haltung aus Deutschland:73 „In der AK [Anm.: Auswärtigen Kulturpolitik] ist alles zu vermeiden, was als Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Länder erscheinen könnte. […] Sie muss die Regierungsform des Gastlandes respektieren. […] Die Risiken einer solchen Politik in bestimmten, autoritär regierten oder vom Nationalismus beherrschten Ländern sollten durch ständige Absprachen ihrer operativen Träger mit der Bundesregierung gemindert werden.“
Die Chronik der Schule Barcelona wirft zu Recht die Frage auf, ob es sein könne, dass eine lebendige pädagogische Institution eines demokratischen Staates ein Inseldasein führen konnte. Einblicke in die anderen Schulen bestätigen diesen Eindruck. Die selbst auferlegte Zurückhaltung führte zu einer öffentlichen Passivität und zu politischer Enthaltsamkeit. Nur indirekt konnten die Schulen somit als liberaler, demokratischer Rückzugsort wirken, eine institutionelle Verankerung existierte nicht. Ein Interview mit Francisco Aguilar im Jahresbericht der Deutschen Schule Barcelona lässt die Freizügigkeit erahnen. Auf die Frage nach den Vorteilen des Colegios antwortete er:74
72
Vgl. 100 Jahre DSB, S. 199f.
73
Gesamtplan der Kultusministerkonferenz für die auswärtige Kulturpolitik der BRD 1973–1976, 02.07.1973, in: BAK B304 / 5169, Bd. 1 u. 2.
74
Jahresbericht Deutsche Schule Barcelona 1966/1967, S. 13.
Spannungsverhältnisse | 351
„La mayor virtud del Colegio, en mi opinión, es la posibilidad que brinda al profesor de dar al niño la máxima libertad para que no se sienta cohibido y se manifieste espontáneamente, estableciéndose así entre maestro y discípulo una verdadera intimidad creadora del afecto mutuo, tan necesario en la obra educativa.“
Das enge Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler und die Freiheit im Unterricht waren ein Spezifikum der Auslandsschulen, das sie von den spanischen Einrichtungen unterschied. Diese relative politische Zurückhaltung überdauerte die spanische Zäsur von 1975. Das Ende der Diktatur begünstigte in Spanien zwar eine pädagogische und demokratische Diskussion, sie fand aber keinen speziellen Niederschlag in den schulinternen Diskursen. Die Auslandsschulen hatten im Bereich der Demokratisierung gegenüber den spanischen Schulen einen klaren Vorteil, war doch das spanische System zu diesem Zeitpunkt hochgradig ambivalent.75 Es musste in einer ‚Nachläuferfunktion‘ auf demokratische Prozesse im Land reagieren und gleichzeitig als ‚Vorreiterfunktion‘ einen Beitrag zur Demokratisierung leisten. Die Auslandsschulen besaßen durch die Bindung an die Bundesrepublik eine längere demokratische Tradition, doch Demokratiebildung praktizierte man dennoch höchstens indirekt. Die Verbindung der Hanns-Seidel-Stiftung mit der Deutschen Schule Málaga beispielsweise ist zwar ein Indiz, aber kein Beweis dafür. Nach wie vor fehlt es dazu an aussagekräftigeren Quellen. Elemente wie die Schülermitverantwortung, Elternvertretungen oder die Wahl des Schulvereins waren aber sicherlich demokratische Anzeichen im Schulalltag, die das Inseldasein durchbrachen. Zählt man wie Jürgen Habermas Freiheit und Autonomie zu Elementen einer demokratischen Verfasstheit, so waren die Schulen inoffiziell durchaus ein Raum für Demokratiebildung.76 Die Aussagen der im Rahmen dieser Arbeit befragten Zeitzeugen bestätigen diesen Eindruck. 92 Prozent gaben in der Umfrage an, dass sie das Gefühl hatten, demokratische Werte gelernt zu haben. Die Deutschen Schulen galten als vergleichsweise liberale Einrichtung, sie waren aber auch ein Sonderling im spanischen System. Ein ehemaliger Schüler der Deutschen Schule Las Palmas beschrieb es in der Umfrage mit folgenden Worten: „Ein Stück Deutschland in Spanien!“ 9.2.2 Zwischen zwei Erziehungssystemen Kaum ein Land gewährte den Deutschen Auslandsschulen so viel Freizügigkeit wie Spanien. Diese Toleranz war ohne Zweifel ein Faktor, der die Entwicklung der
75
Vgl. Palt: Bildungsreformen in Spanien, S. 89.
76
Habermas, Jürgen: Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen Rechtsstaats, Frankfurt am Main 1998, S. 109-151.
352 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Schulen begünstigte. 77 Eine administrative Zusammenarbeit zwischen deutschen und spanischen Bildungspolitikern erfolgte zwar nicht. Dies bedeutet jedoch nicht, dass es keine gegenseitige Beeinflussung gab. So lässt sich beispielsweise ein indirekter Zusammenhang zwischen dem nationalsozialistischen Körperkult und der neuen Betonung des Sportunterrichts in den faschistischen Schulen oder in ideologischen Fragen erkennen.78 Doch dieser Austausch beschränkte sich auf die Mikroebene des Lehrpersonals und erlebte keine institutionelle oder politische Verankerung. Die in der Forschung über den internationalem Bildungstransfer herangezogene Terminologie des ‚borrowing and lending‘, also des Gebens und Nehmens von Modellen über Ländergrenzen hinweg, muss mit Blick auf das Auslandsschulwesen in Spanien kritisch hinterfragt werden, denn eine Reform des eigenen Bildungswesens auf der Grundlage von Erfahrungen aus dem Ausland gab und gibt es nicht. Solange nicht weiterverfolgt werden kann, was mit den ausländischen Erfahrungen in der innenpolitischen Praxis geschieht, kann dieses Konzept nicht vollständig befriedigen.79 Bei den Deutschen Auslandsschulen in Spanien dominierte die einseitige Ausrichtung auf den Export von Kultur und Bildung. Sie bewegten sich (und tun dies noch immer) im Spannungsverhältnis zwischen Partnerschaft, Bildungshilfe und Bildungsexport. 80 Die Partnerschaft findet sich wieder im Konzept der Begegnungsschule, die Bildungshilfe erfolgte besonders in der Anfangszeit, jedoch nicht mit dem Ziel, den Spaniern zu ‚helfen‘, sondern um für die Deutschen vor Ort eine Alternative zu schaffen. Der Bildungsexport als unternehmerische Variante offenbart sich in den wirtschaftlichen Aktivitäten der Schulen, die Bildung ‚made in Germany‘ an den Mann bringen wollten. Bei allen drei Kategorien handelten die Schulen im Namen der Diplomatie.81 Ihrer Funktion als ‚Netzwerkdiplomaten‘ waren sie sich, obwohl das die Forschung erst spät bemerkte, früh bewusst.82 Darüber hinaus leisteten sie ihren eigenen Beitrag zum Bildungstransfer. Spanische und deutsche Lehrkräfte brachten ihre eigenen Lehrmethoden in die Deutschen Schulen, was zu einer unterschiedlichen Auslegung von Lernstrategien und -techniken führ77
Vgl. Aufzeichnungen über Reform der Auslandsschulen, 29.09.1971, in: PAAA B93 603/IV4, Bd. 625.
78
Vgl. Pujol Busquets, Jordi Mones: La Ley General de Educación de 1970. La Administración Educativa, in: Revista de Educación. Número extraordinario (1992), S. 131– 193, S. 141.
79
Adick: Internationaler Bildungstransfer, S. 343.
80
Vgl. ebd., S. 345.
81
Vgl. ebd., S. 357.
82
Vgl. Busch-Janser, Sandra/Florian, Daniel: Die neuen Diplomaten? Public Diplomacy und die Rolle von Kommunikationsagenturen in der Außenpolitik, in: Tenscher, Jens/Viehrig, Henrike (Hrsg.): Politische Kommunikation in internationalen Beziehungen, Münster 2007, S. 215–233, S. 215.
Spannungsverhältnisse | 353
te. Das hieraus entstandene Spannungsverhältnis milderte die Trennung in unterschiedliche Zweige, die lange Zeit bestand, ab. Deutsche Schulinspektoren kritisierten vor allem ab den 1950er Jahren immer wieder das spanische Lehrsystem. Noch einmal kann Franz Niedermayer als Beispiel dafür herangezogen werden, da er sich besonders mit dem spanischen System auseinandersetzen musste, das seine vorgesetzte Junta präferierte:83 „[D]as bisherige Chaos der Lehrbücher und Forderungen […] ist nicht mehr weiter zu vertreten und darf als Irreführung junger Gehirne, artwidrige Vergewaltigung der Kinder durch unsystematische und jugendwidrige Bücher und Lehrpläne nicht weiter gestattet werden. (Artwidrig heißt hier: der deutsche Denkstil reift später und gründlicher und ist dem Memorierdrill der Romanen abgeneigt!). Selbst der Sprachunterricht in Spanisch wäre […] zu reformieren, denn sie werden [...] theoretisch überladen.“
Zwar bemühten sich spanische Bildungsreformen immer wieder um die Einführung eines ganzheitlichen Unterrichts, doch der ‚Memorismo‘ ließ sich in der Praxis nicht abschaffen.84 Die starke Fokussierung auf die Reproduktion von Wissen, das Auswendiglernen von Fakten und die häufige Wiederkehr gleicher, beinahe standardisierter Themenkomplexe in Prüfungen trieben die Beauftragten der Kultusministerkonferenz beinahe zur Verzweiflung. Deutsche Lehrer, die sich den spanischen Lehrstil zu sehr angewöhnt hatten, sollten, so die Empfehlung, in den Heimatdienst zurückkehren. Die Ortslehrkräfte konnten ohne Probleme weiterarbeiten, doch gerade sie entfernten sich häufig vom deutschen Unterrichtsstil, der auf strukturellem Wissen, sozialen Arbeitsformen und Transferanwendungen basierte. Durch die häufige Fächerdopplung, beispielsweise in Geschichte und Politik oder auch in den Naturwissenschaften, erfuhren die Schüler hautnah die unterschiedliche Methodik. Im Schulalltag war dies eine Herausforderung, gleichzeitig aber auch ein Mehrwert, da die Kinder von beiden System profitieren konnte. Die deutschen Vertreter der Prüfungskommissionen sahen jedoch keinerlei Vorteile und pochten auf die Überlegenheit des deutschen Stils. Da das spanische Bildungssystem lange Jahre als rückständig galt, sollten die Schulen möglichst nicht zu viel vom Gastland adaptieren. Die Spanier hingegen nahmen eher die positiven Elemente der Deutschen Schulen auf. Ehemalige Schüler lobten rückblickend stets die großen Freiheiten, die sie im Vergleich zu ihren spanischen Pendants genossen. Dazu gehörten die Koedukation, die Religionsfreiheit und das Lernen von tiefgründigem Wissen und nicht nur von unnützen Daten.85 83
Denkschrift Niedermayers an Deutsche Botschaft Madrid, 20.12.1954, in: PAAA AV7670.
84
Vgl. Palt: Bildungsreformen in Spanien, S. 26.
85
Vgl. stellvertretend die Erinnerung von José Manuel Rodríguez Bautista, in: Jahresbericht Deutsche Schule Las Palmas 1990/1991, S. 31.
354 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Die spanischen Reformmaßnahmen in den 1970er Jahren änderten am eigenen System wenig. Sie brachten aber eine andere grundlegende Neuheit mit sich: die Anerkennung der Bildungsabschlüsse der deutschen Schulen und damit die Möglichkeit, ein bilinguales Abitur und die Neue Sekundarstufe einzuführen. Für das spanische Bildungssystem besteht noch heute die Einteilung in ein Zeit vor und nach dem Ley General de la Educación.86 Für die deutschen Schulen trifft dies ebenso zu. Die Anerkennung ihrer Abschlüsse plante maßgeblich Ricardo Diez Hochleitner, ehemaliger Schüler der Deutschen Schule Bilbao und Subsecretario de Educación y Ciencia. Die damit einhergehende Internationalisierung des spanischen Schulsystems war auch ein Teil der Öffnung des Landes im Zuge der einsetzenden Globalisierung und Europäisierung. Jordi Mones Pujol Busquets, spanischer Bildungswissenschaftler, schreibt dazu in einer seiner Arbeiten:87 „La Ley General de Educación y Financiamiento […] no debe considerarse como un hito aislado, sino como el final de un proceso legislativo de adaptación del régimen franquista a la nueva realidad educativa […] De hecho, nos encontramos con un ensayo de carácter global para llevar a la práctica la formulación de los nuevos postulados educativos, a partir de las coordenadas de la España oficial.“
Ohne diesen Reformschritt wäre die Einführung der Begegnungsschule in Spanien nicht möglich gewesen. Der Ausbau des deutschen Auslandsschulwesens im Land hätte dann aus förderpolitischen Gründen einen anderen Weg genommen und Spanien seinen Sonderstatus nicht behaupten können. Gerade das bilaterale Spannungsverhältnis hat daher eine enorme Bedeutung für die Entwicklung von Auslandsschulen.
9.3 DONDE VAS, COLEGIO ALEMÁN? Wohin gehen die Deutschen Schulen in Spanien? Diese Frage stellen sich die Akteure seit vielen Jahren, und sie werden sich auch in Zukunft Gedanken darüber machen.88 Die jüngsten Investitionen in die Deutsche Schule Madrid demonstrieren eindrucksvoll, dass die Region beim Auswärtigen Amt keineswegs in Vergessenheit geraten ist. Befürchtungen von Schulleitern aus den 1990er Jahren, Spanien sei eine Verliererregion der Osterweiterung, haben sich nicht bewahrheitet. Die Aberkennung des Status als anerkannte Auslandsschule mit Oberstufe in San Sebastián 2015 zeigt aber auch, dass Regelungen strikt eingehalten werden müssen und bei 86
Vgl. Pujol: La Ley General, S. 192.
87
Ebd., S. 131.
88
Vgl. stellvertretend für das allgemeine Auslandsschulwesen: Strieder, Hermann-Josef: Quo vadis – Begegnungsschule, in: DLiA 6 (1986), S. 192–195.
Spannungsverhältnisse | 355
einer zu geringen deutschen Schülerzahl der Begegnungscharakter nicht mehr gewährleistet ist. In Sevilla, wo sich eine ähnliche Konstellation ergeben hat, plant man aktuell, einen erneuten Antrag auf Anerkennung zu stellen.89 Die Auswärtige Kulturpolitik muss sich neuen Herausforderungen stellen. Dazu gehört beispielsweise der euroislamische Dialog, der in Spanien mit den Enklaven in Melilla und Ceuta eine ganz spezielle Bedeutung hat.90 Weiterhin wird die Werbung für ein Studium oder eine Forschungstätigkeit in Deutschland eine zentrale Aufgabe der Schulen bleiben. Besonders nach der Finanzkrise sind viele junge Spanier ausgewandert, um in Deutschland zu arbeiten oder zu studieren, weil sie sich hier bessere Zukunftsperspektiven erhoffen.91 Die wachsende internationale Konkurrenz in Form von Auslandsschulen anderer Nationen, aber auch seitens der einheimischen Anstalten wird auch in Zukunft zu einer erhöhten Abhängigkeit von wirtschaftlichen Geldgebern führen und somit dieses Spannungsverhältnis verstärken.92 Dabei werden auch weiterhin die Förderung der deutschen Sprache und die Vermittlung eines positiven Deutschlandbildes im Mittelpunkt stehen, um ausländische Eliten nachhaltig an Deutschland zu binden. Bislang fehlen verlässliche, groß angelegte Untersuchungen. Es ist daher nach wie vor fraglich, wie effektiv Auslandsschulen eine Bindung zwischen ihren Absolventen und Deutschland schaffen. Abgesehen von einzelnen persönlichen Aussagen fehlt es hier noch an Material. Einzelne Schulen, wie die Deutsche Schule Las Palmas, haben über einige Jahre hinweg versucht, Statistiken zu erstellen, doch blieben sie meist Einzelfälle. Dennoch können sie zumindest eine Idee von der Zukunft ehemaliger Absolventen geben, weshalb sie hier aufgeführt werden und zu weiteren Studien in dieser Art anregen sollen. Grundlegende Forschungen über den Verbleib ehemaliger Schüler und die eigene Qualitätssicherung der Schulen werden daher in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen, um qualitative Abschlüsse sicherzustellen und sie vergleichbar zu machen. 89
Vgl. persönliche Gespräche an den Deutschen Schulen in Sevilla und San Sebastián.
90
Vgl. Maaß, Kurt Jürgen: Aktuelle Herausforderungen, S. 587f.; zum muslimischen Bild in spanischen Schulbüchern: Samper Rasero, Lluís/Garreta Bochaca Jordi: Muslims in Catalonian Textbooks, in: Journal of Educational Media, Memory and Society 3 (2011), S. 81–96.
91
Vgl. Maaß: Herausforderungen, S. 590; Sánchez Rodríguez, Julia: Die neuen spanischen Immigranten als Kulturvermittler, in: Mecke, Jochen/Pöppel Hubert (Hrsg.): Entre dos aguas. Kulturvermittler zwischen Spanien und Deutschland, Berlin 2016, S. 214– 228; Janker, Karin: „Alle studieren – aus Angst, abgehängt zu werden“, in: Süddeutsche Zeitung, 21.05.2014.
92
Vgl. Maaß: Aktuelle Herausforderungen, S. 595; Weltverband Deutsche Auslandsschulen (Hrsg.): Public Value, S. 8; Geisler: „Im Ausland für Deutschland Schule machen“, S. 234.
356 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Tabelle 2: Statistik über Verbleib ehemaliger Schüler der DS Las Palmas93 Jahr der Reifeprü-
1998
1999
2000
fungen
Jahr der
1998
1999
2000
40
35
35
Reifeprüfung
Anzahl der Abiturien-
40
35
35
ten Studienorte
Studiengänge
Berlin
2
2
1
Architektur
2
0
1
Hamburg
1
0
2
Biologie
3
1
1
Heidelberg
1
1
0
Informatik
1
2
3
Karlsruhe
4
1
1
Ingenierwiss.
10
8
5
Lübeck
0
1
0
Medizin
2
2
2
München
1
7
4
Physik
0
1
0
Münster/Madrid
1
3
0
Mathematik
0
0
1
Ravensburg
0
1
0
Tiermedizin
0
0
2
Reutlingen/Madrid
1
0
0
Krankenpflege
0
0
1
Stuttgart
3
0
3
Physiotherapie
1
0
0
Köln
0
0
1
BWL
10
8
6
Zürich
0
0
1
Dolmetscher
4
1
2
USA
0
0
1
Germanistik
0
2
0
Barcelona
0
3
1
Geschichte
0
1
1
Madrid
5
1
6
Journalistik
2
0
1
Salamanca
1
0
0
Jura
3
1
4
Zaragoza
0
1
0
Musik
0
1
0
Pamplona
0
0
1
Pädagogik
0
1
1
La Laguna
1
1
1
Politikwiss.
0
1
0
Las Palmas
18
11
10
Touristik
0
5
2
Großbritannien
0
1
1
Versicherung
2
0
1
Studium in D
14
17
13
Davon sp. oder dt./sp.
10
12
8
Nationalität
93
Jahresbericht Deutsche Schule Las Palmas 2000/2001, S. 153.
Spannungsverhältnisse | 357
Weiterhin werden die aktuellen Debatten um Reformen im spanischen Bildungssystem nicht spurlos an den Deutschen Schulen vorübergehen, da sie zwar nicht das komplette System, doch zumindest den spanischen beziehungsweise binationalen Teil oder die Sprachdiplomschulen betreffen. Die Diskussion um Dezentralisierung betrifft vor allem die Schulen in den Autonomen Regionen Katalonien und Baskenland, die mehr Entscheidungsfreiheit im Bildungswesen fordern.94 Aufgrund des Fachkräftemangels wird auch vermehrt die berufliche Bildung in den Fokus rücken. Mit der spanischen Bildungsreform 1990 traten Berufsschulen erstmals intensiver hervor. Schüler sollen dabei motiviert werden, eine qualifizierte Berufsausbildung zu absolvieren.95 Die beiden deutschen Berufsschulen in Madrid und Barcelona repräsentieren hier bereits als Vorbild das deutsche System, das in Spanien mit Bewunderung angenommen wird.96 Das duale System soll in Zukunft ausgebaut werden. 2012 unterzeichneten beide Staaten ein Memorandum of Understanding, das die Zusammenarbeit bei der Reform vereinbarte. Für die Kooperation in der Begegnungsschule wird weiterhin eine Bitte Bartold Wittes zentral bleiben, die er 1978 während der Regionaltagung vor allen Direktoren in Spanien äußerte:97 „Und was diese Zukunft angeht, noch einmal die herzliche Bitte an Sie alle, bei Ihren gemeinsamen Überlegungen sich stets bewußt zu bleiben, daß es in dem Bereich, der uns hier zusammengeführt hat, the best one way nicht gibt und nicht geben kann, und daß am Ende das Kompromissfinden eine Tugend ist. […] der Ausgleich der Interessen, der Ausgleich der Gesichtspunkte, das Finden von Annäherungswerten ist etwas, was uns allen eigentlich aufgegeben ist. Und das gilt insbesondere für die Begegnungsschule, die eben bei der idealen Zielsetzung, die sie hat, zugleich mit einer Fülle von Problemen und auch von Konfliktlagen fertig werden muß.“
Diese Arbeit hat aus historischer Perspektive einige dieser Konfliktlagen aufgezeigt. Die Auslandsschulen als ‚Ort‘ und ‚Raum‘ werden sich auch in der Zukunft unterschiedlichen Formen der Bipolarität stellen müssen. Ihre historische Entwicklung hat gezeigt, dass sich diese Formen durch kulturpolitische und bilaterale Ereignisse verändern können und somit für neue Herausforderungen für die Deutschen Auslandsschulen in Spanien sorgen werden. 94
Vgl. Ascensión Palomares, Ruiz: Herausforderungen des spanischen Bildungssystems, in: Mecke, Jochen u. a. (Hrsg.): Deutsche und Spanier. Ein Kulturvergleich, Bonn 2012, S. 276–288, S. 278.
95
Vgl. Palt: Bildungsreformen in Spanien, S. 39.
96
Vgl. Schönrock, Kim Laura: Deutsches Erfolgsrezept für die Berufsausbildung, in: Begegnung 34 (2/2013), S. 58–63.
97
Diskussionsprotokoll Regionaltagung 19.10.1978, in: PAAA B93 ZA_1, Bd. 896.
10. Quellen- und Literaturverzeichnis
Bei den Archivquellen wird die jeweilige Serie angegeben (Bsp. B93 603/IV4) und um die Bandnummer ergänzt. Die einzelnen Dokumente sind in den Fußnoten der Arbeit angegeben. Quellen aus dem Internet werden, wenn es sich nicht um grundlegende Seiten handelt, vollständig angegeben. Das Aufrufdatum ist in den Fußnoten vermerkt. Bei den Veröffentlichungen in Zeitungen wird der Autor angegeben, sofern er im Artikel vermerkt wurde. Die Publikationen der Schule verteilen sich auf mehrere Standorte: eigene Schularchive, Biblioteca Nacional de España in Madrid, Forschungsstelle für Auslandsschulwesen in Oldenburg, Bibliothek des Instituts für Auslandsbeziehungen Stuttgart, und ältere Exemplare vereinzelt im evangelischen Zentralarchiv Berlin und im Bundesarchiv Lichterfelde.
QUELLENVERZEICHNIS Archiv für Christlich-Soziale Politik (ACSP), München ACSP HSS V IBZ4 Spanien ACSP NL Jaeger C:310 ACSP NL Strauß PV 14336 Archiv Fliedner Kulturstiftung, Kaiserswerth/Madrid Blätter aus Spanien: 10/1870, 06/1895, 06/1880, 08/1885 Handschriftliche Notizen Fritz Fliedner, 05.10.1879 Archivo General de la Administración (AGA), Alcalá de Henares AGA 33/36351 AGA 54/11692 AGA 82/06344
360 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
AGA 82/06346 AGA 82/06347 AGA 82/06348 AGA 82/20880 AGA 82/8493 AGA Leg. 19925 32/65-126 Bundesarchiv Koblenz (BAK) BAK B304/5169 Bd. 1 + 2 BAK B304/4874 BAK B304/5310 Bundesarchiv Lichterfelde (BAL) BAL N12/7325 BAL NS12/7325 BAL R1501/114893 BAL R4901/6595 BAL R4901/6596 BAL R57/1135-2 BAL R57/7008 BAL R57neu 1134 BAL R57neu 1135 Evangelisches Zentralarchiv (EZA), Berlin EZA 5/1881-1883 EZA 3484_dig Hauptstaatsarchiv Bayern (BayHStA), München BayHStA MK: 52074–52970 Hauptstaatsarchiv Baden Württemberg (HStA Stuttgart) Q1/20 Nachlass Löffler: 42, 223, 253 Q1/20 Nachlass Löffler: BÜ 166, 230 National Archives and Record Administration (NARA), Washington D.C. RG 226, Madrid Field Station
Quellen und Literatur | 361
Politisches Archiv Auswärtiges Amt (PAAA), Berlin Auslandsvertretung Spanien PAAA AV: 12613, 71016, 7670–7676, 17447, 34.699 Kulturabteilung PAAA B93 603/IV4 Bd.: 33, 35, 36, 37, 38, 56, 78, 93, 106, 107, 109, 116, 154, 155, 156, 211, 214, 215, 245, 255, 283, 324, 327, 338, 386, 388, 453, 518, 705, 707, 709, 795, 1044 Zentralstelle Für Auslandsschulwesen PAAA B93 ZA Bd.: 1220, 1221, 1311, 1312 PAAA B93 ZA_1 Bd.: 795, 797, 896, 897, 1043, 1044, 1055, 1060, 1173 Reichsakten vor 1945 PAAA R: 27.101, 60214, 62362, 62366, 62454, 62457, 62796, 62799, 62364, 63665, 63825, 63832–63839, 63847, 63858, 63875, 63877, 63879, 63912, 63955b, 71496 PAAA (Hrsg): Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik (ADAP) Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik (Serie A/Bd. 1), Göttingen 1982. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik (Serie A/Bd. 2), Göttingen 1984. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik (Serie A/Bd. 13), Göttingen 1995. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik (Serie B/Bd. 3), Göttingen 1968. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik (Serie C/Bd. 5), Göttingen 1977. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik (Serie D/Bd. 3) Baden-Baden 1951. Schularchiv Deutsche Schule Madrid (nicht systematisiert) Archivalien 1960/70er Jahre Berichte Schulleiter Protokolle Fachlehrerkonferenzen
362 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
INTERNETQUELLEN http://www.elporvenir.es http://www.gesetze-im-internet.de/aschulg/BJNR330600013.html http://jungle-world.com/artikel/1998/43/33271.html http://soweit-das-auge-reicht.blogspot.de/2016/02/der-generalkonsul-mit-nazi.html http://www.auslandsschulnetz.de/wws/3396198.php http://www.bva.bund.de http://www.fliedner-stiftung-madrid.de/fritz-fliedner.php http://www.friedenskirche.es/wir-ueber-uns/geschichtliches/ http://infokrisis.blogia.com http://www.auslandsschulnetz.de/wws/weltkongress.php http://www.auslandsschulnetz.de/wws/publicvalue.php http://www.kmk.org/themen/auslandsschulen/verantwortung-fuer-dieauslandsschulen.html http://www.pasch-net.de http://www.tu9/presse http://www.sueddeutsche.de/bildung/tuerkei-deutsche-auslandsschule-in-s-hebtweihnachts-verbot-auf-Internetseiten der Deutschen Schulen http://dsmadrid.org/de/ http://dsmalaga.com http://dsbarcelona.com http://dsbilbao.org http://dsvalencia.org http://dslpa.org http://dstenerife.eu http://colegioalemansevilla.com http://colegioaleman.net http://colegioaleman.com
Quellen und Literatur | 363
VERÖFFENTLICHUNGEN BUNDESTAG UND BUNDESREGIERUNG 16. Bericht der Bundesregierung zur Auswärtigen Kulturpolitik 2011/2012. Bulletin der Bundesregierung Nr. 91, 23.09.1977, S. 841–844. Bundestag Drucksache 6/2103, 15.09.1978. Bundestag Drucksache 6/57, 11.11.1969. Bundestag Drucksache 7/4121, 07.10.1975. Bundestag Drucksache 11/1642, 14.1.1988. Bundestag Drucksache 2618. Bundestag Drucksache 2561. Deutscher Bundestag. Plenarprotokoll 13/168, vom 16.04.1997. Gesetz über die Förderung Deutscher Auslandsschulen, in: Bundesgesetzblatt 52 (2013). Haushaltsgesetz 2017, BGBl. IS. 3016. Parlamentarische Fragestunde im Bundestag, 08.03.1956, BT Protokoll 6885. Regierungserklärung Helmut Kohl 4.2.1983, in: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (1984), S. 115–163. Singer, Otto: Auswärtige Kulturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Konzeptuelle Grundlagen und institutionelle Entwicklung seit 1945, in: Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, 22.12.2003, Reg. Nr. WF X – 095/03. Zentralstelle für Auslandsschulwesen (Hrsg.): Deutsches Auslandsschulwesen in Zahlen 2013, Köln 2013. Zentralstelle für Auslandsschulwesen (Hrsg.): Deutsches Auslandsschulwesen in Zahlen 2015, Köln 2015.
364 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
ZEITUNGSARTIKEL Anzeige: Ankündigung des Umzugs Deutsche Schule Madrid, in: La Iberia 02.11.1884. Autor unbekannt: Auswärtige Kulturpolitik, Woanders mehr, in: Der Spiegel Nr. 39/1966, S. 50–51. Autor unbekannt: Baskenprozess. Enormer Irrtum, in: Der Spiegel Nr. 50/1970. Autor unbekannt: Krude Obszönitäten. Bonner Kulturpolitiker wollen den GoetheInstituten verbieten, ein kritisches Deutschlandbild zu vermitteln, in: Der Spiegel Nr. 5/1987. Autor unbekannt: Spaniens Kulturerbe und der Besuch des Bundespräsidenten. Um die sprachlichen Kenntnisse ist es auf beiden Seiten noch schlecht bestellt, in: FAZ, 08.04.1989. Barth, Enrique: Konflikt zwischen dem Schulvorstand und Bonn, in: Süddeutsche Zeitung, 01.04.1956. Förster, Dietmar: Die Akte Hoffmann, in: Costa del Sol Nachrichten, 29.06.2017. Gosse, Gottfried: Skandal um die Deutsche Schule Madrid, in: Die Welt 04.01.1961. Irujo, José María: Un presunto nazi es cónsul general de Alemania en Málaga desde 1974, in: El País, 01.04.1997. Janker, Karin: „Alle studieren – aus Angst, abgehängt zu werden“, in: Süddeutsche Zeitung, 21.05.2014. Kohlmaier, Matthias/Gschwendtner, Christian: Wie die Deutschen Auslandsschulen funktionieren, in: Süddeutsche Zeitung, 19.12.2016. Kruse, B.: Deutsche Auswanderung, Beilage Nr. 183 zur Deutsche Zeitung, 5. Juli 1849. Lenze, Franz: Hart, aber herzlich, in: Die Zeit, 22.12.2009. Leonhardt, Rudolf: Wer errichtet die Säule Kulturpolitik?, in: Die Welt, 28.03.1969. Peisert, Hansgert: Das Bonner Aschenputtel. Überlegungen zu einem neuen Konzept der auswärtigen Kulturpolitik, in: Die Zeit, 13.10.1970. Sebastian, Max: Bonner Elefant im Porzellanladen, in: Die Welt, 21.03.1973. Schmoll, Heike: Nicht mehr nur nach Kassenlage, in: FAZ, 19.03.2013. Schulz, Werner: Deutscher Schulkrieg in Madrid, in: Würzburger Tagespost, 20.01.1961. Schmalz, Peter: Nachhilfeunterricht für das Abenteuer Demokratie, in: Die Welt, 20.09.1983. Seeling, Luisa: Empörung über „Weihnachtsverbot“ an deutscher Auslandsschule in Istanbul, in: Süddeutsche Zeitung, 18.12.2016. Wandler, Reiner: Konsul war SS-Mann, in: taz, 12.10.1998.
Quellen und Literatur | 365
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366 | Deutsche Auslandsschulen in Spanien
Private Unterlagen Schulchronik Deutsche Schule Sevilla: Privates Archiv Monika Lopez Rall. Unterlagen zur Deutschen Schule Málaga: Privates Archiv Dr. Erhard Zurawka. Umfrage des Autoren unter Alumni der Deutschen Auslandsschulen in Spanien.
SEKUNDÄRLITERATUR Adick, Christel: Internationaler Bildungstransfer im Namen der Diplomatie. Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik der Bundesrepublik Deutschland, in: Zeitschrift für Pädagogik 3 (2017), S. 341–362. Albes, Jens: Worte wie Waffen. Die deutsche Propaganda in Spanien während des Ersten Weltkriegs, Essen 1996. Allhoff, Gottfried: Die „Neue Sekundarstufe“ an der Deutschen Schule Valencia, in: DLiA 6 (1975), S. 159–163. Alvarez, Nieves: Die spanische Bildungsreform im Hinblick auf die Europäisierung des Bildungswesens, Baden-Baden 1995. Amparo, Quilles Faz: Málaga y sus gentes en el siglo XIX, Málaga 1995. Amrhein, Bettina: Inklusion ist kein Selbstläufer, in: Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (Hrsg.): Deutsche Auslandsschularbeit. Bildungspartnerschaften, Köln 2016, S. 61–65. Amrhein, Hans: Die deutsche Schule im Auslande, Leipzig 1905. Arnold, Hans: Kulturexport als Politik? Aspekte auswärtiger Kulturpolitik, Tübingen 1976. Ascensión Palomares, Ruiz: Herausforderungen des spanischen Bildungssystems, in: Mecke, Jochen u. a. (Hrsg.): Deutsche und Spanier. Ein Kulturvergleich, Bonn 2012, S. 276–288. Assmann, Aleida: Geschichte findet Stadt, in: Csáky, Moritz/Leitgeb, Christoph (Hrsg.): Kommunikation – Gedächtnis – Raum. Kulturwissenschaften nach dem „Spatial Turn“, Bielefeld 2009, S. 13–27. Barbian, Jan-Pieter: Kulturwerte im Zweikampf. Die Kulturabkommen des „Dritten Reiches“ als Instrumente nationalsozialistischer Außenpolitik, in: Archiv für Kulturgeschichte 74 (1992), S. 415–459. Barth, Reinhard: Diktaturen in Europa, Berlin 2005. Bartsch, Johanna: Deutscher Alltag. Ein Gesprächsbuch für Ausländer (Deutsche Reihe für Ausländer), München 81969, S. 77–79. Bayern, Adalbert von: Erinnerungen 1900–1956, München 1991.
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ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS
AA ADLK AGA AO AschA ASW BAK BAL BdM BPLK BLAschA DLiA DS DSB DSD DSBi DSM DSV ETA HJ KMK NARA NSDAP NSLB OLK PAAA PASCH PPP PSOE UGT VDA WDA ZfA
Auswärtiges Amt Auslandsdienst Lehrkraft Archivo General de la Administración, Alcala de Henares Auslandsorganisation Ausschuss für Auslandsschulwesen Auslandsschulwesen Bundesarchiv Koblenz Bundesarchiv Lichterfelde Bund deutscher Mädchen Bundesprogramm Lehrkraft Bund-Länder Ausschuss für Auslandsschulwesen Deutsche Lehrer im Ausland, Verbandszeitschrift Deutsche Schule Deutsche Schule Barcelona Deutsches Sprach Diplom Deutsche Schule Bilbao Deutsche Schule Madrid Deutsche Schule Valencia Euskadi Ta Askatasuna (Baskenland und Freiheit) Hitler Jugend Kultusminister Konferenz National Archives Record Administration, Washington D.C. Nationalsozialistische Deutsche Arbeiter Partei Nationalsozialistischer Lehrerbund Orts-Lehrkraft Politisches Archiv Auswärtiges Amt Schulen – Partner der Zukunft Public-Private-Partnership Partido Socialista Obrero Español Unión General de Trabajadores Verein für das Deutschtum im Ausland Weltverband Deutsche Auslandsschulen Zentralstelle für Auslandsschulwesen
Kulturwissenschaft María do Mar Castro Varela, Paul Mecheril (Hg.)
Die Dämonisierung der Anderen Rassismuskritik der Gegenwart 2016, 208 S., kart. 17,99 € (DE), 978-3-8376-3638-3 E-Book PDF: 15,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3638-7 EPUB: 15,99 € (DE), ISBN 978-3-7328-3638-3
Fatima El-Tayeb
Undeutsch Die Konstruktion des Anderen in der postmigrantischen Gesellschaft 2016, 256 S., kart. 19,99 € (DE), 978-3-8376-3074-9 E-Book: 17,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3074-3
Götz Großklaus
Das Janusgesicht Europas Zur Kritik des kolonialen Diskurses 2017, 230 S., kart., z.T. farb. Abb. 24,99 € (DE), 978-3-8376-4033-5 E-Book: 21,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4033-9
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Kulturwissenschaft Rainer Guldin, Gustavo Bernardo
Vilém Flusser (1920–1991) Ein Leben in der Bodenlosigkeit. Biographie 2017, 424 S., kart., zahlr. Abb. 34,99 € (DE), 978-3-8376-4064-9 E-Book: 34,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-4064-3
Till Breyer, Rasmus Overthun, Philippe Roepstorff-Robiano, Alexandra Vasa (Hg.)
Monster und Kapitalismus Zeitschrift für Kulturwissenschaften, Heft 2/2017 2017, 136 S., kart. 14,99 € (DE), 978-3-8376-3810-3 E-Book: 14,99 € (DE), ISBN 978-3-8394-3810-7
Thomas Hecken, Moritz Baßler, Robin Curtis, Heinz Drügh, Mascha Jacobs, Nicolas Pethes, Katja Sabisch (Hg.)
POP Kultur & Kritik (Jg. 6, 2/2017) 2017, 176 S., kart., zahlr. Abb. 16,80 € (DE), 978-3-8376-3807-3 E-Book: 16,80 € (DE), ISBN 978-3-8394-3807-7
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